Paradoxien der Arbeit: oder: Sinn und Zweck des Subjekts im Kapitalismus [1. Aufl.] 9783839414927

Die Veränderungen der Arbeitswelt, die mit der sogenannten »Ökonomisierung aller Lebensbereiche« einhergehen, sind von S

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Paradoxien der Arbeit: oder: Sinn und Zweck des Subjekts im Kapitalismus [1. Aufl.]
 9783839414927

Table of contents :
INHALT
Vorwort
Einführung
Arbeit als dichotomischer Komplex von Zweck und Sinn
Fragestellung und Aufbau der Arbeit
Funktion und Bedeutung von Arbeit
Kleine Begriffsmythologie vom Sinn von Arbeit
Vorgehen
Die Bedeutung des Subjekts
Das Subjekt der Arbeit
Das Objekt der Arbeit
Die subjektkonstitutive Funktion der Arbeit
Arbeit als Subjektreflexion
Forderungen, Funktionen und Aporien
Zwischenstand
Forderungen der Person
Soziale Bezugnahme
Anerkennung
Die ökonomische Funktion der Arbeit
Arbeitsteilung
Paradoxie des Postulats
Zwischenergebnis
Transformation von Arbeitsformen
Dichotomisierung von Zweck und Sinn in der Arbeit
Vorgehen
Forderungen der Kritik
Noch einmal: Subjektivierung
Forderung nach Re-Objektivierung
Die Sozialkritik
Die Künstlerkritik
Zwischenstand
Tendenzen der Kritik
Ökonomische Transformationen und künstlerkritische Transformierungen
Tendenzen der Totalisierung
Tendenzen der Partikularisierung
Andere Formen der Kritik
Zwischenergebnis
Working Man’s Death. Fünf Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert. Eine Intervention
Relationen von Arbeit
Arbeit und Paradoxie
Vorgehen
Arbeit als Paradoxieproduzent
Widerspruch und Paradoxie
Arbeit als Reflexion der Arbeit
Arbeit als Sinnproduktion
Zwischenstand
Arbeit als Paradoxie
Arbeit als Sinnzweck
Terminologische Paradoxien
Normative Paradoxien
Paradoxie von Funktion und Bedeutung
Funktionalität der Bedeutung
Reflexion der Paradoxie
Rekapitulation
Arbeit als Funktion mit Bedeutung
Quellenverzeichnis

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Sophie-Thérèse Krempl Paradoxien der Arbeit

Sophie-Thérèse Krempl (Dr. rer. soc.) studierte Philosophie, Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Sozialwissenschaften in München, Berlin und St. Gallen (Schweiz). Ihr Forschungsinteresse konzentriert sich auf Organisationsformen und Adaptionen von Kunst und Arbeit in Ökonomik und Organisationstheorie sowie auf Ästhetik, (sozialen) Raum, gesellschaftliche Praxen und Subjektivitätskonzepte.

Sophie-Thérèse Krempl

Paradoxien der Arbeit oder: Sinn und Zweck des Subjekts im Kapitalismus

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Sophie-Thérèse Krempl Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1492-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

I N H AL T

Vorwort

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Einführung Arbeit als dichotomischer Komplex von Zweck und Sinn Fragestellung und Aufbau der Arbeit

11 11 22

Funktion und Bedeutung von Arbeit Kleine Begriffsmythologie vom Sinn von Arbeit Vorgehen

27 27 45

Die Bedeutung des Subjekts Das Subjekt der Arbeit Das Objekt der Arbeit

46 54 75

Die subjektkonstitutive Funktion der Arbeit Arbeit als Subjektreflexion Forderungen, Funktionen und Aporien

82 83 84

Zwischenstand

86

Forderungen der Person Soziale Bezugnahme Anerkennung

87 91 103

Die ökonomische Funktion der Arbeit Arbeitsteilung Paradoxie des Postulats

111 111 117

Zwischenergebnis

11 9

Transformation von Arbeitsformen Dichotomisierung von Zweck und Sinn in der Arbeit Vorgehen

121 121 137

Forderungen der Kritik Noch einmal: Subjektivierung Forderung nach Re-Objektivierung Die Sozialkritik Die Künstlerkritik

138 140 144 147 162

Zwischenstand

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Tendenzen der Kritik Ökonomische Transformationen und künstlerkritische Transformierungen Tendenzen der Totalisierung Tendenzen der Partikularisierung Andere Formen der Kritik

178

Zwischenergebnis

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Working Man¶s Death. Fünf Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert. Eine Intervention

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Relationen von Arbeit Arbeit und Paradoxie Vorgehen

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Arbeit als Paradoxieproduzent Widerspruch und Paradoxie Arbeit als Reflexion der Arbeit Arbeit als Sinnproduktion

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Zwischenstand

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Arbeit als Paradoxie Arbeit als Sinnzweck Terminologische Paradoxien Normative Paradoxien

272 272 278 292

Paradoxie von Funktion und Bedeutung Funktionalität der Bedeutung Reflexion der Paradoxie

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Rekapitulation Arbeit als Funktion mit Bedeutung

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Quellenverzeichnis

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Vorw ort Die Studie ist die bearbeitete Fassung meiner Dissertation, die am 9. Dezember 2009 von der Universität St.Gallen angenommen wurde. Meinen Betreuern gilt mein erster Dank. Franz Schultheisµ große Offenheit hat mir mehr Raum gegeben, als ich zu benötigen dachte. Timon Beyes begleitete die Arbeit mit lakonischer Kritik, die mir eine uneindeutige Haltung bewahrt hat. Pure Vernunft darf eben niemals siegen. Dazu sind viele Erkenntnisse und ihnen vorausgehende Fehlwege ursächlich: Wenn ich auch seinem Insistieren, über Geld und nicht über Arbeit zu schreiben, nicht gefolgt bin, haben doch die Seminare und Gespräche mit Thomas Kisser Spuren hinterlassen, die für eine verstehende Negation der Negation nötig sind. Die Kreise um Christoph Asmuth ermöglichten mir, philosophische Deformationen einer anderen Dekonstruktion zuzuführen, zu der ich dank Ulf Wuggenig und dessen Hinweis auf das Soziologische Seminar der Universität St.Gallen gefunden habe. Die produktivste, weil vielfältig geformte Auseinandersetzung bot mir das Umfeld der Kulturwissenschaftlichen Abteilung der HSG. Hinweise und Anmerkungen mit germanistischem, soziologischem, (kunst-) historischem, organisationstheoretischem, betriebs- und volkswirtschaftlichem, psychologischem, kulturwissenschaftlichem und natürlich philosophischem Hintergrund waren oft irritierend und also hilfreich. Namentlich sei deshalb Jörg Metelmann für die Befreiung aus Sprachverzweiflung gedankt, Olivia Mitscherlich und Christoph Henning für ihren manchmal auch nur indirekten Input, Patricia Holder für sehr klare Fragen ± und dem kurzen, stillen Leben der Context Studies. Ein großer Dank gilt nicht zuletzt dem Schweizer Nationalfonds, der die Drucklegung dieses Buches großzügig unterstützt hat. Zugeeignet sei die Arbeit meiner Mutter und meinem Bruder. Sie mögen wissen, warum. 9

Einführung Ich suche mich damit zu trösten, daß es nur eine vorläufige Arbeit ist. Wenn ich zurückkomme, der Friede wieder verschafft ist, werde ich alles endgültig verbessern, 1 im Fluge wird sich das dann alles machen lassen.

Ar b e i t a l s d i c h o t o m i s c h e r K o m p l e x v o n Zw e c k u n d S i n n Arbeit als ein widersprüchliches Verhältnis von Zweck und Sinn zu begreifen, ist eine Beobachtung, die mindestens begründet zu sein scheint, seit Arbeit über ihren zwanghaften Notwendigkeitscharakter hinaus als ein befriedigendes Erfüllungsmoment postuliert wird. Seitdem kann Arbeit auch den Zweck haben, einen Sinn zu haben: Indem der Arbeitende zum Beispiel für das Leben seiner Familie sorgt und im Bewusstsein davon Erfüllung findet, muss sie sich nicht in Bedürfnisbefriedigung durch Erwerbsarbeit erschöpfen, sondern kann der Tätigkeit darüberhinaus Sinn beimessen. Arbeit kann aber auch in ihrer bloßen Tätigkeit als sinnvoll empIXQGHQ ZHUGHQ XQG DOV Ã6HOEVWYHUZLUNOLFKXQJµ erfüllend sein, indem damit eine Form von Freiheit zum Ausdruck kommt. Dabei ist eine intrinsisch motivierte Arbeit nicht an ein Berufs- oder Tätigkeitsbild gebunden, findet aber aus Gründen, die im Verlauf dieser Arbeit Diskussionsgegenstand werden, ihren immer häufiger zum Vorbild deklarierten Typus in der künstlerischen Tätigkeit. Insofern beinhaltet Arbeit ein Spannungsverhältnis zwischen dem ihr individuell zugeschriebenen Sinn und einem der Faktizität der Not-

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Franz Kafka: Der Bau, in: Ders.: Sämtliche Erzählungen, Frankfurt/M. 1970, S. 207. 11

PARADOXIEN DER ARBEIT

wendigkeit geschuldeten Zweck ± und schafft damit einen Widerspruch: Weil die Arbeit einen zweckrationalen Charakter behält, kann sie freiheitliche und selbstzweckhafte Züge aufweisen: Entweder, indem Arbeit als ein Mittel verstanden wird, die den Zweck hat, zeitliche Räume für sinnhaftes und wertvolles Tun zu öffnen oder zumindest zu bewahren; oder indem sie als Lebenszweck, als mit einer Wertdimension aufgeladener Sinnhaftigkeit, angesehen wird. In einer Gesellschaft, die (sich) als Arbeitsgesellschaft definiert (ist), ist gesellschaftliche Sinnhaftigkeit abhängig von den jeweiligen Gestaltungs- oder Erscheinungsformen von Arbeit; solange der Einzelne arbeiWHWHUZHLVWHUVLFKDOVÃYROOZHUWLJHVµMitglied der (Arbeits-) Gesellschaft und ist darin Träger und Initiator sozialen Sinns. In einer solchen gesellschaftlichen Fassung ist Arbeit das entscheidende soziale Zugangsmittel und Anerkennungsinstrument, und damit weitet sich der Spannungsrahmen von Zweck und Sinn auf das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft und auf Funktion und Bedeutung von Arbeit. Es ist kaum zu bezweifeln, dass in der heutigen Arbeitsorganisation zunehmende Spannungen und Verschiebungen zwischen Sinn-, Befriedigungs- und Marktbedürfnissen bestehen; die große Zahl an Forschungen, die sich mit individuellen und gesellschaftlichen Diskrepanzen von Arbeit, ihren Funktionen und Bedeutungen beschäftigen, offenbart dies.2 Sie versuchen darzustellen, wie die Veränderungen der Arbeitswelt, die insbesondere in den letzten dreißig Jahren zu beobachten sind, begrifflich und sinnvoll fassbar gemacht und der gesellschaftlichen Wirklichkeit gerecht werden können: Arbeit erlangt einen entscheidenden Lebenswert, der sich nicht mehr in der bloßen Pflichterfüllung und der Schaffung von lebenswerten Möglichkeiten durch Arbeit nach der Arbeit erschöpfe. Dies ist auch aus repräsentativen Umfragen ablesbar, die GHQÄ:HUWHZDQGHO³ der Arbeitswelt untersuchen, der vor dreißig Jahren beobachtbar wurde. Die Analysen leiten daraus eine negative EinstelOXQJ]XU$UEHLWHLQHÄ$UEHLWVXQOXVW³ XQGÄ$XVZHLFKXQJHQYRU$QVWUHn2

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Der Verweis auf Forschungen zur sich strukturell verändernden Arbeitswelt muss hier unzureichend bleiben und wird im Verlauf der Arbeit ausführlich geschehen. Allgemein zur Veränderung von Arbeit und ihren sozialen wie individuellen Folgen: Sennett (1998, 2004, 2008), Frambach (1999), Beck (1986, 1999, 2000, 2000a, b), Castel (2000, 2005), Schultheis (2005), Aßländer (2005),Vogel (2007). Als exemplarische Vertreter zur zunehmenden Subjektivierung von Arbeit können gesehen werden: Mit foucaultianischem Zugang Moldaschl/Voß (2003), Bröckling (2007); mit diskursanalytisch empirischem Zugang Boltanski/Chiapello (2003, 2006); philosophische Untersuchungen zu konzeptionellen Folgen, die daraus zu ziehen sind: Gorz (1983, 1989, 2000), Kambartel (1993), Krebs (2000), Baecker (2002), Honneth (2002, 2008).

EINFÜHRUNG

gungen³3 ab, die dem Lebensgenuss auch in der Arbeit den Vorzug gäEHQ6LHPDFKHQGHXWOLFKGDVVÄGLH2ULHQWLHUXQJDQVRJHQDQQWHQ6HOEVtentfaltungswerten [...] die traditionellen sogenannten Akzeptanz- und Pflichterfüllungswerte [verdrängt]³4 und neue Zwänge hervorbringt, die ± positiv wie negativ ± wesentlich an Arbeit geknüpft sind und auf die Anforderungen an das arbeitende Individuum und auf sein subjektives wie soziales Selbstverständnis einwirken: Arbeit erhält mehr und mehr identitäts- und selbstwertrelevante Bedeutung.5 Dies markiert den dichotomischen Punkt einer Veränderung des Arbeitsbegriffs: Die weiteren Transformationen der Arbeitsformen machen Arbeit zu einem identitätsbildenden ± und damit Sinn als Arbeitszweck in sich aufnehmenden ± Instrument. Diese Verkopplung zu Arbeit als Sinn ist auch ein hermeneutisches Problem. Aus einer den Lebenssinn als Selbstzweck auffassenden sozialphilosophischen Perspektive sind Arbeiten und Handeln und ihre Prinzipien Zweck und Sinn voneinander zu trennen.6 Danach widersprechen Arbeiten und Handeln einander, weil sich im Handeln ein Selbstzweck, ein in sich liegender Wert, im Arbeiten aber eine zweckorientierte Gerichtetheit ausdrücke, die der Herstellung der Grundlagen dient, die zu einem sinnKDIWHQ/HEHQQRWZHQGLJVLQGÄ'HQQZLUDUEHLWHQXP0uße zu haben, und führen Krieg, um dann in Frieden zu leben.³7 Etwaiger Sinn von Arbeit ist demnach ein höchst willkürliches und ihr bloß fakultativ zuschreibbares Moment und stellt kein konstitutives Kriterium für Arbeit dar, weil in ihr keine von Zwang befreite Erfüllung möglich ist. Sinn dagegen ist in diesem Konzept Ausdruck subjektiver Handlungsautonomie.8 Ein solches Verständnis von Subjektivität meint nicht den

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Elisabeth Noelle-Neumann: Werden wir alle Proletarier?, in: Die ZEIT, 13.06.1975, S. 34 ff. Vgl. dies.: Werden wir alle Proletarier? Wertewandel in unserer Gesellschaft, Zürich 1979; dies: Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich? Eine deutsche Kontroverse, München 1984. Hans Lenk: Zum Sinn des Eigenhandelns im Werte- und Strukturwandel des Arbeitens, in: Klaus-Michael Kodalle (Hg.): Arbeit und Lebenssinn, Würzburg 2001, S. 57. Für den Nachweis der existentiellen Dimension von Arbeit in ihrer qualitativen und quantitativen Geltung gilt die empirische Studie von Jahoda et al. dHUÄ$UEHLWVORVHQYRQ0DULHQWKDO³: Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld, Hans Zeisel: Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt/M., 1975. Vgl. in Rekurs auf Aristoteles insbesondere die Bestimmungen von Arbeit bei Hannah Arendt: Vita activa, München 1967, und Jürgen Habermas: Wissenschaft und Technik als Ideologie, Frankfurt/M. 1969. Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1177 b 5-6. Hier ist auf die missverständlich vielfältige Bedeutung von Subjekt in philosophischer, psychologischer, resp. sozialwissenschaftlicher Verwendung hinzuweisen. Die unterschiedenen Bedeutungen von Subjekt, Subjektivie13

PARADOXIEN DER ARBEIT

Beliebigkeitscharakter einer Authentizitätskultur und Selbstverwirklichung in einer atomisierten Gesellschaft9, sondern Selbstbestimmung, die durch freies Handeln zum Ausdruck gebracht werden kann. Dieses Handeln beweist die Zweckunabhängigkeit eigenen Tuns und damit die Freiheit des Subjekts, die trotz ihrer Gebundenheit an objektive Zwecke möglich ist. Sozialer und freiheitlicher Sinn entsteht demnach nur durch eine instrumentelle Bedeutung von Arbeit, weil sie erst die Sphäre freien Handelns ermöglicht, mit dem der Mensch (sich) die Möglichkeit zur Emanzipation von Naturnotwendigkeit beweist. Um sinnstiftendes Handeln zu garantieren, wird die ökonomische Technizität von Arbeit betont und eine konzeptuelle und lebensweltliche Grenze zwischen Arbeiten und Handeln gezogen.10 Dieser Sicht entspräche ein ökonomischer Arbeitsbegriff, der auf einer solchen Trennung zwischen Handeln und Arbeiten beruht. In Berücksichtigung der sich vollziehenden Transformation zu einer Ä$UEHLW DOV /HEHQVVLQQ³11 wird deutlich, dass diese Grenze verschwinGHWGHQ6LQQLQWHUQDOLVLHUWXQGEHGLQJWGDVVDXFKÄGLHJHOlXILJH7rennung zwischen Arbeitswelt und Lebenswelt [ ] nicht mehr aufrechterhalten werden [kann].³12 Damit kommt es zum Widerspruch: Konzepttechnisch und lebensweltlich wird ± HQWVSUHFKHQGGHPÄ:HVHQGHVLGHRORJischen Scheins³13 ± das eigentliche Mittel zum Zweck und Arbeit die HQWVFKHLGHQGH)RUPGHUÄ*HVWDOWXQJ³ GHV/HEHQVGHPÄ]HQWUDOH>Q@3aradigma der Neuen Arbeitsgesellschaft³14. Arbeit wird zu einem paradigmatischen Sinninstrument und elementaren Sozialisierungsmittel. 'DQQ ÄJHQJW HV QLFKW >@ GDV 9HUKlOWQLs von Zweck und Mittel [...] einfach wieder zurechtzurücken. Wir haben vielmehr einzusehen, was die Verkehrung begrifflich und sachlich impliziert.³15.

9 10

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rung, Subjektivität und einer Tendenz zu Subjektivismus wird im Folgenden Diskussionsgegenstand. Vgl. Charles Taylor: Das Unbehagen an der Moderne. Frankfurt/M. 1995, S. 81. Dies ist ± kursorisch dargestellt ± die Position Arendts, die an Aristoteles¶Unterscheidung von poiesis und praxis anschließt: Vgl. Aristoteles, De Anima, III 5, 1278 a 20; ders.: Politik, I 5, 1254 b 15 ff., Arendt (1967). Zum Arendtschen Konzept in Anschluss an Aristoteles siehe: Alexandra Popp: Arbeiten und Handeln, Marburg 2007, S. 22 ff. Manfred Riedel: Arbeit als Lebenssinn?, in: Günter Ropohl (Hg.): Arbeit im Wandel, Münster 1985, S. 21. Johannes Rohbeck: Umwertung der Arbeit, in: Kodalle (2001), S. 138 Riedel (1985), S. 21. Gerd Mutz: Paradigmenwechsel in der Arbeitsgesellschaft, in: Kodalle (2001), S. 115. Riedel (1985), S. 21.

EINFÜHRUNG

Vom Widerspruch zur Paradoxie Der Widerspruch von Zweck und Sinn von und in der Arbeit setzt sich mit der Marxschen Arbeitswertlehre als dialektisches Strukturmerkmal der modernen gesellschaftlichen Entwicklung durch. Aber bereits das mittelalterliche Verständnis von Arbeit beginnt mit ihrer Vermischung: Gerade wegen ihres qual- und mühevollen Charakters trage sie zum christlich-moralischen, würdevollen Selbstbild des Menschen bei, gerade in der zweckbezogenen Tätigkeit gehe Wertschöpfung und Sinn vonstatten. Luther erklärte mit seiner Erfindung des Berufs Arbeit (end-) gültig zur moralischen Pflicht, die nicht um ihrer selbst, sondern um Gottes willen erfüllt werden müsse.16 Um in der Arbeit einen Sinn zu sehen, wird sie mit dem Dienst an Gott beglaubigt. Die Reflexivität dieses Arbeitsethos führt zur ersten expliziten Radikalisierung eines modernen Arbeitsverständnisses; dessen positive moralische Wertung seine Schatten auf den Weberschen Arbeitsbegriff (der gleichwohl den Unterschied vom willentlichen Entschluss zur Moralisierung von Arbeit in der christlich-puritanischen zum Arbeitszwang in der kapitalistischen Gesellschaft betont17) und auf die Tendenzen der Arbeitsgesellschaft vorauswirft. Arbeit ist nicht mehr bloßes Mittel zu eiQHPJ|WWOLFKOHJLWLPLHUWHQVRQGHUQGLHQWHLQHPSURIDQHQ=ZHFNÄ'HU Mensch ist auf das Erwerben als Zweck seines Lebens, nicht mehr das Erwerben auf den Menschen als Mittel zum Zweck der Befriedigung seiner materiellen Lebensbedürfnisse bezogen.³18 Arbeit wird zum Erwerbsmittel von etwas, das Sinnzusammenhänge generiert, und entwickelt sich zu einer normativen, ethischen Teleologie. Durch diese profane Transformation zu Arbeit als Selbstzweck entsteht auch der Gedanke der Befreiung von ihr durch sie; sie legt dadurch den Grundstein für eine Konversion des Widerspruchs. Arbeit wird in Widersprüche von Zweck und Sinn verwickelt, die nur in sich selbst auflösbar sind. Darin ist eine Verschiebung der Bedeutung von Arbeit sichtbar. Sie steht unter einer paradoxen Transformationsspannung, weil Arbeit als performatives Instrument der Widerspruchslösung verortet wird und ihre Wirkung als Ursache voraussetzt: Damit Arbeit zur Erfül16

17 18

Vgl. Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 12, Weimar 1996 [1891], insb. S. 23. ± Auch das Ãora et laboraµder katholischen Benediktinermönche identifiziert beinahe das Arbeiten mit dem Gottesdienst, begrenzt dessen Geltung aber auf die nicht-gesellschaftlichen Kreise des Klosters und macht es nicht zur göttlich-moralisch verbindlichen Lebensform. Vgl. Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, München 2004 [1920], insb. S. 200 [S. 203]. Weber (2004), S. 78 [1920: 35/36]. 15

PARADOXIEN DER ARBEIT

lung eines selbstreferentiellen Zwecks dienen kann, muss der gleichzeitige Verbrauch gewährleistet sein, weil Arbeit noch immer ein Mittel zur Lebensbewältigung ist. Der Zweck muss also transzendent und perpetuierbar zugleich sein. Der Sinn liegt nicht im erfüllenden, sondern im perpetuierten Tun. In dieser Verdichtung der Mittel-Zweck-Struktur von Arbeit zur paradoxen DoppOXQJ GHV =ZHFNV DOV 6LQQJHOWXQJ ZLUG ÄGLH ökonomische Theorie ins Theologisch-Philosophische transzendiert, und zwar gerade am Leitfaden des Begriffs der Arbeit.³19 Seit sich die Luthersche Berufung Gottes mit der industrialisierten Arbeit in Selbstberufung gewendet hat, ist eine solche, in paradoxale Verfasstheit mündende, Konzeption von Arbeit Voraussetzung, um über die Beschreibung von Arbeit als belohnenswert, eigenmotiviert, als Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg, als Berufsarbeit und vertraglich geregelt hinaus zu kommen.20 Während die Zweckzwänge weiter am Formwandel des Produktiven21 arbeiten, ist Arbeit über die ökonomische Tausch- und Gebrauchswertproduktion zum Produzenten eines in handlungstheoretischer Hinsicht22 Sinn stiftenden Moments für den Einzelnen23 und die Bedeutung des Sozialen geworden. Mit Bourdieu kann nun zwar darauf hingewiesen werden, dass Sinn in seiner praktischen wie sozialen Totalität nicht zu erfassen ist, weil Sinnmuster immer auf denjenigen rekurrieren, der sie skizziert; sie sind

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Herbert Marcuse: Über die philosophischen Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs, in: Emil Lederer (Hg.): Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 69. Band, Tübingen 1933, S. 260 [Wiederabdruck in: Herbert Marcuse: Kultur und Gesellschaft 2, Frankfurt/M. 1965, S. S. 7-48]. Vgl. Michael Aßländer: Bedeutungswandel der Arbeit, München, 2005, S. 34-36. Für eine umfassende Übersicht über eine Geschichte der Arbeit und ihres Begriffs vgl.: Jürgen Kocka, Claus Offe (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt/M., 2000; Werner Conze: Arbeit, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Kosselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 164 ff.; Michael Aßländer: Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung. Eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte menschlicher Arbeit, Marburg 2005; Severin Müller: Phänomenologie und philosophische Theorie der Arbeit, Band 1 und 2, Freiburg 1992, 1994. Vgl. Manfred Füllsack (Hg.): Verwerfungen moderner Arbeit. Zum Formwandel des Produktiven, Bielefeld 2008. Vgl. Thomas Beschorner: Ökonomie als Handlungstheorie: evolutorische Ökonomik, verstehende Soziologie und Überlegungen zu einer neuen Unternehmensethik, Marburg 2002; Ekaterina Svetlova: Sinnstiftung in der Ökonomik. Wirtschaftliches Handeln aus sozialphilosophischer Sicht, Bielefeld 2008. Vgl. Kodalle (2001).

EINFÜHRUNG

aber für das soziale Handlungsgefüge zentral.24 Arbeit trägt gleichsam die Sinnstiftungskompetenzen ihrer Tätigkeit in alle Sphären der Gesellschaft und ist zweckrationaler Träger der Bedeutung von Sinnstiftung: Da die dem menschlichen Tun inhärente Sinnhaftigkeit passé ist, weil sie in Zweckmuster eingeflochten und in Tätigkeitsketten perpetuiert wurde, muss sie nun gestiftet, hergestellt werden. Dies findet seine Analogie, wenn die Systemtheorie die wirtschaftliche Tätigkeit als zweckrationales Tun als Handeln bestimmt: ihr werden damit über die Rationalität der Ökonomie hinausgehend nicht nur soziale, sondern auch anthropologische Sinnstiftungskompetenzen zugesprochen. Dieser Zuweisung liegt die Bestimmung zugrunde, dass wirtschaftliche Prozesse systemgenerierende wie systemstabilisierende Medien im Umlauf halten, die gegenseitige Interessen und Abhängigkeiten berücksichtigen und dadurch sowohl zum selbstständigen Funktionieren der Ökonomie als auch der Gesellschaft unerlässlich und ihre Wirkungen aufeinander wechselseitig sind. In diesen Prozessen fungiert Arbeit als reflexives Herstellungsmedium, das zur Regelung der Bedürfnisbefriedigung und damit zur Stabilisierung beiträgt, weshalb sie als soziale Komplexe bildend ± gesellschaftsbildend ± begriffen werden kann.25 Betrachtet man dies vor dem Hintergrund der begriffs- und praxisphilosophischen Diskussionen um das Verhältnis zwischen Arbeit und Handeln, bedeutet die doppelte Integration von Arbeit in sozioökonomische Kontexte auch die Relativierung der Dichotomie von Zweck und Sinn; die Binarität wird nicht negiert, sondern zum Gegenstand sozialer Dynamik gemacht, weshalb die Arbeit strukturell potentiell immer insuffizient ist.26 D. h. potentiell und aktual produziert Arbeit erst bestimmte Eigenschaften, die sie als ihre Voraussetzung benötigt. Umgekehrt produziert sie die Voraussetzungen, die ihren Vollzug nötig machen, selbst, sie perpetuiert und bedingt sich selbst. Ein solcher Gedanke stiftet Verwirrung hinsichtlich der Rolle nichtmonetären Kapitals, das damit an den Faktor Arbeit herangetragen wird. Es heißt, dass sinnstiftende Faktoren von Arbeit mehrwertschaffenden Einfluss auf ökonomisches Kapital nehmen; der Wert von Arbeit bemäße sich zunehmend an ihrer Sinnstiftungskompetenz. Es hieße ebenso,

24 25 26

Vgl. Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M. 1987, insb. S. 147 ff., 153 ff. Vgl. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1988, insb. S. 46 ff. Vgl. Dirk Baecker: Die UnterscKHLGXQJGHU$UEHLW$UEHLWDOV Ã*HVWDOWµ der modernen Gesellschaft. Arbeit wird hier als ihr eigener blinder Fleck bezeichnet. In: Organisation und Management, Frankfurt/M. 2003 [2003b], S. 82. 17

PARADOXIEN DER ARBEIT

dass Formen symbolischen, kulturellen, sozialen Kapitals ähnlichen Einfluss auf Sinnstiftungskompetenz in, durch und von Arbeit nehmen würden wie ökonomisches Kapital auf den monetären ± kapitalen ± Mehrwert der Arbeit. Es hieße also, dass Arbeit danach bewertet werden kann, wieviel Sinnstiftungskompetenz die Arbeitenden besitzen, damit die Arbeit als ökonomisch wertvoll geschätzt werden kann. Arbeit wäre damit Aus- und Einschlussfaktor von ökonomischem, symbolischem, kulturellem und sozialem Kapital. Der Sinnstiftungsfaktor unterläge nicht mehr dem Subjekt, sondern träte als Kompetenzforderung auf.27 Daraus folgt, dass intrinsische Faktoren der Sinnhaftigkeit von Arbeit instrumentalisiert und in das zweckrationale Kalkül integriert werden.28 $EHU ZLH NDQQ 6LQQ ÃSURGX]LHUWµ und Bedeutung funktionalisiert werden? Da Arbeit ihren zweckrationalen Charakter nicht aufgibt, wird sie um eine im handlungstheoretischen Sinn praktische Dimension erweitert, die an die Instrumentalität angepasst werden muss. Es stellt sich DOVRGLH)UDJHREHLQVROFKÃDXIJHVSDOWHQHVµ, paradoxes Verhältnis nicht potentiell und latent im zweckrationalen Charakter angelegt ist, ob also von getrennten Funktionen im Sinne ihrer Selbstständigkeit überhaupt gesprochen werden kann. Arbeit als strukturell zweckorientierte und Handeln als strukturell zweckfreie, selbstzweckhafte, sinnhafte Tätigkeit sind miteinander verwoben, ohne ihre Differenz zu nivellieren. Diese Paradoxie zwischen Sinn und Zweck in der Arbeit macht unter heutigen Veränderungen Arbeit zur Sollbruchstelle des Sozialen. Denn gerade die soziale Bindung gibt den Arbeitszweck vor, ohne Sinnstiftungskompetenzen auszuschließen, und kann so Macht über den Sinn ausüben; sie schafft das Dilemma, Handlungskompetenzen mit subjektiven Ansprüchen verknüpfen zu müssen. Bei dieser Ausgangslage ist es der Arbeit gar nicht anders möglich, als weitere Paradoxien zu bilden. Sie müssen aufgezeigt werden, um sich dem veränderten Begriff von Arbeit zu nähern und zu analysieren, ZLH VLFK =ZHFNVHW]XQJ XQG 6LQQVWLIWXQJ LP $UEHLWVEHJULII GHV ÄQHXHQ *HLVWHV GHV .DSLWDOLVPXV³29 verschränken und inwiefern die Paradoxie produktiver Bestandteil von Arbeit und einem Begriff von ihr ist. 27

28

29 18

Die Systemtheorie entledigt sich dieser Folgeprobleme dadurch, dass sie Arbeit zu einem bloßen Vermittlungsfaktor von Systemabläufen macht und so keine Begründung der Feststellung der paradoxen Geltung von Arbeit für Subjekt und Gesellschaft mehr liefern muss. Vgl. für eine solche Forschungsrichtung: Luc Boltanski, Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2006; Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M. 2007; in diesem Sinne auch: Manfred Moldaschl, Gert-Günter Voß (Hg.): Die Subjektivierung von Arbeit, München 2003. Boltanski/Chiapello (2006).

EINFÜHRUNG

Kriterien eines Begriffs von Arbeit Es ist klar, dass sich die gesellschaftlichen Arbeitswelten und ihre Funktionszusammenhänge in kontinuierlichen Veränderungsprozessen befinden; die Versuche aber, diese Phänomene begrifflich fassbar zu machen, münden oft in partikulare Definitionen.30 Die beobachtbare Ausweitung der Bezeichnungen aller möglichen Tätigkeiten als Arbeit (und die Nomination ist dabei mehr als der Signifikant) führt dazu, dass es uns alles andere als leicht fällt, das Ende einer getanen Arbeit und entsprechend einen Gegenbegriff zur Arbeit zu bestimmen. Während der Industriearbeiter beim zweiten Stempeln der Lochkarte früher noch wusste, dass seine Arbeit beendet ist, hat er heute nur einen Teil der Arbeit erledigt, denn zu Hause folgen Beziehungsarbeit und Erziehungsarbeit, vielleicht Küchenarbeit und Freizeitarbeit. Eine universale Definition bleibt notwendig hinter den Partikularisierungen der Sache, muss versuchen, sie zu umfassen, und setzt sich damit wieder der Voraussetzung voraus. Die Aporie des Arbeitsbegriffs konterkariert das begriffliche Streben, weil es sich der Unendlichkeit der Arbeit hingibt und dann wieder einer Differenz EHGDUIÄ$UEHLWLVW$rbeit, indem sie an sich arbeitet und dabei immer wieder alles heranzieht und ausschließt, was nicht Arbeit ist.³31 So verleiht ein Arbeitsbegriff der Arbeit über die Tätigkeitsbezeichnung hinaus BeGHXWXQJÄZHLOGHUDQHLQHP0RGHOOHQWZLFNHOWH%HJULII mehr als nur eine Beschreibung des Begriffs ist³32: Indem wir die Sache als Arbeit begreifen, fällen wir Urteile über die Organisation von menschlichem Zusammenleben als Arbeitsgesellschaft. Denn mit der uneingeschränkten Ausweitung begrifflicher Geltungsbereiche lässt sich dem Problem, was unter Arbeit begriffen werden kann, nicht beikommen; mit der Vergrößerung des Gegenstandsbereichs ist zwar irgendwie klar, was für eine Sache wir meinen ± und damit meinen wir meistens nur eine mühsame Sache ±, wenn wir sie Arbeit nennen, aber damit wächst eben nur die Diskrepanz zwischen begrifflicher Genauigkeit und Verständnis. Es ist unumgänglich, als entscheidenden Aspekt des Begriffs Arbeit zu akzeptieren, dass er sich im Rahmen dieser Diskrepanz, einer Widersprüchlichkeit der Kongruenz von Begriff und Gegenstand, verortet und daran verdeutlicht, dass er ebenso ausufernd wie exakt auf-

30 31 32

Vgl. Beck (2000), Gorz (1989, 2000), Engler (2005), Höffe (2004), Honneth (2008), Kambartel (1993), Krebs (1993, 2002). Dirk Baecker (2003b), S.76. Günter Figal: Modelle und Intensitätsgrade. Zur Phänomenologie der Begriffsbildung und zur Begriffsbildung der Phänomenologie, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 55 (2007) 5, S. 669-677, S. 669. 19

PARADOXIEN DER ARBEIT

tritt und der Begriff nicht mit seiner jeweiligen Sache identisch ist, sie aber dennoch fassen kann. Um die Veränderungen von Arbeitsformen konzeptionell zu fassen, verstehe ich den Begriff als substantiviertes Verb. Damit teilt er sein Schicksal mit allen hybriden Begriffen, die kein logisches Instrument intellektueller Erkenntnis sind. Die Sache Arbeit sammelt Einzelaspekte, die sich in ihrer Prädikatfunktion widersprechen: die Tätigkeit als Prozess, Produkte dieser Tätigkeit, Strukturen und Beziehungen, die den Produktionsprozess ermöglichen. Der Begriff subsumiert die Aspekte XQWHU GLH Ä)XQNWLRQ³ Arbeit, um eine Vorstellung vom Gegenstand zu vermitteln.33 Genau genommen müsste man von Arbeit als (Tätigkeits-) Bezeichnung34 im signifikativen Sinne sprechen: von Arbeit als Benennung der Verknüpfung verschiedener Vorstellungen zu einer sinnvoll bezeichneten Sache, als Bündel von Begrifflichkeiten. Dass Arbeit eine Sache und eine Tätigkeit bezeichnet, zeigt, dass der Begriff nicht nur Prädikat eines Urteils, sondern selbst fast ein Urteil ist ± in paradoxer Fortsetzung auch ein Merkmal für die Metaphorizität der Arbeit. Der Arbeitsbegriff ist ein Konzept im Sinne des Zusammenfassens; er weist zwar begriffliche Aspekte auf, aber das, was er eigentlich leisWHQVROOWXWHUQLFKWQlPOLFK:LGHUVSUFKHDXVVFKOLH‰HQÄ'HU6DW] nun: Keinem Dinge kommt ein Prädikat zu, welches ihm widerspricht, heißt der Satz des Widerspruchs, und ist ein allgemeines, obzwar bloß negatives Kriterium aller Wahrheit, [...] und sagt: dass der Widerspruch sie gänzlich vernichWHXQGDXIKHEH>@(LQ'LQJ $ZHOFKHVHWZDV B ist, kann nicht zu gleicher Zeit non B sein; aber es kann gar wohl beides (B so wohl, als non B) nach einander sein.³35 Ein Arbeitsbegriff schließt also gerade Widersprüche ein: 1.) Etwas, das Arbeit ist, kann auch nicht Arbeit sein, abhängig von den funktionalen Bezügen. 2.) Im selben Akt spezifizieren zwei sich widersprechende Prädikate von Arbeit die Arbeit als solche, und machen dadurch die Bezeichnung Arbeit erst möglich: Eine Tätigkeit wird z. B. dann als Arbeit 33

34

35

20

Vgl. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, tr. Anal., insb. B92 ff. >LP)ROJHQGHQ.U9@Ä$OOH>@%HJULIIH>EHUXKHQ@DOVRDXI)XQNWLonen. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. [...] Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen anderen Gebrauch machen, als dass er daGXUFKXUWHLOW³ Vgl. Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, §38, BA Ä(LQULFKWLJHU9erstand ist der: welcher nicht sowohl durch Vielheit der Begriffe schimmernd ist, als vielmehr durch Angemessenheit derselEHQ]XU(UNHQQWQLVGHV*HJHQVWDQGHV³ Kant: KrV, tr. Anal., System der Grundsätze des reinen Verstandes, B 190-192.

EINFÜHRUNG

verstanden, wenn sie als Pflicht, Mühsal oder Zwang aufgefasst und deshalb getan wird, weil die Bewältigung des fremden Zwecks (sei es der Zwang der Naturbewältigung oder des Arbeitgebers) der eigennützigen Wirkung (sei es in der eigenen Befriedigung oder im Lohn) geschuldet ist. Der Begriff verweist auf die funktionalen Widersprüche der Sache, macht aber nicht die Bezeichnung widersprüchlich und ist deshalb so paradox wie das Bezeichnete. Diese Paradoxien sind als konstante Eigenschaft von Arbeit und als Produktivität ihres Widerspruchs zu berücksichtigen. Sie können als Erklärungsgenerator dafür verwendet werden, dass ein Begriff Paradoxien nur formal vereinheitlicht, aber nicht auflöst. Er zeigt ihre produktiven Differenzen auf und liefert bestenfalls eine plausible Begründung.36 So lässt sich ein qualitativer Begriff von Arbeit gewinnen, der sich nicht daran abarbeitet, alle Tätigkeiten zu subsumieren, von denen sich die Arbeit längst emanzipiert hat. Deshalb soll die Methodik der Paradoxie der Frage nach einem gewandelten Arbeitsbegriff zur Seite stehen, weil mit ihr die Bezugssysteme von AUEHLW EHVFKUHLEEDU VLQG (V HUIRUGHUW HLQH ÄGLFKWH %HVFKUHibung³ von Organisation, Funktionen und Bedeutung von Arbeit und deUHQ $QDO\VH XP ]XP HLQHQ ÄGLH 9RUVWHOOXQJVVWUXNWXUHQ GLH GLH +DQdlungen unserer Subjekte bestimmen ± das Gesagte des sozialen Diskurses ±, aufzudecken und zum anderen ein analytisches Begriffssystem zu entwickeln, das geeignet ist, die typischen Eigenschaften dieser Strukturen (das, was sie zu dem macht, was sie sind) [...] herauszustellen.³37 Es ist eine Frage nach der Positionsbestimmung der Mitte; im Sinne Platons, der den logos als eine Zahl bestimmt, die sich in der Mitte zwischen Einheit und Unendlichkeit befindet38, kann diese Beschreibungsform dann Begriff genannt werden, wenn sie das Bestimmungsgefüge zwischen der Vielheit der beobachtbaren Faktoren und ihrer begrifflichen Vereinheitlichung plausibel macht. Sie kann auch phänomenologisch genannt werden, wenn der Begriff Paradigmatik, einen gewissen 36

37 38

Hier findet sich eine methodologische Übereinstimmung mit dem Urteil, dass man so lange mit aus der Paradoxie abgeleiteten Unterscheidungen arbeiten könne, bis jemand komme, die Analysegrundlagen reparadoxiere und mit einer anderen Unterscheidung arbeite ± ÄXQGVLFKGDEei derselben Notwendigkeit der Invisibilisierung der Paradoxie der Einheit seiner Unterscheidung zu fügen³ KDEH $EHU HV ÄSDVVW ]X GHU $XIIDssung, dass die moderne Welt nur noch polykontextural zu beschreiben³ sei. Vgl. Niklas Luhmann: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 2006, S. 43. Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge. Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M. 1999, S. 39. Platon: Philebos, 15d-19b. 21

PARADOXIEN DER ARBEIT

0RGHOOFKDUDNWHU DXIZHLVWÄ'HVKDOEODVVHQ %HJULIIHVLFKQXUDXVELlden und klären, indem sie als Beschreibungen von etwas entwickelt werden. Sie müssen in statu nascendi auf etwas bezogen sein, an dem sich die Sache, die sie allgemein aufschließen sollen, zeiJHQOlVVW³39 Das Bewusstsein dieser Unzulänglichkeit bei einer begrifflichen )DVVXQJLVWLQGLHVHU'LVNUHSDQ]]XYHURUWHQ'HQQÄGHU%HJULIILVW]ZDU kein Surrogat, aber er ist zur Enttäuschung der auf ihn gesetzten philosophischen Erwartungen nicht die Erfüllung der Intentionen der Vernunft, sondern nur deren Durchgang, deren Richtungsnahme.³40 Die Beschreibung einer diskrepanten Dichotomie verweist zwar auf eine (Am-) Bivalenz, zwingt aber nicht dazu, die Differenz auf zwei Pole einzuengen. Im Gegenteil offenbaren sich die Möglichkeiten der Dichotomie im Durchspielen der Replizier- und Multiplizierbarkeit paradoxer Differenzen. Diese können aber nicht ad absurdum geführt und müssen ± wiederum eine paradoxe Bewegung ± an Pole angebunden werden, die trotz der möglichen Identifizierung von Zweck und Sinn beide voneinander unterscheiden lassen.

Fragestellung und Aufbau der Arbeit Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Beobachtung, dass mit den Transformationen von Arbeitsformen ± ZLHLQ)RUVFKXQJHQ]XUÃ6XEMHNWLYLerung von ArbeitµXQG]XÃlVWKHWLVFKHU2UJDQLVDWLRQYRQ$UEHLWµdeutlich wird, die sich mit Interdependenzen und gegenseitigen Einflussnahmen auf Entwicklung und Wirkmechanismen von künstlerischen und ökonomischen Handlungsweisen beschäftigen, ± eine Verschiebung des Arbeitsbegriffs von einer Zweck- und Funktions- zu einer Sinn- und Bedeutungsorientierung der Arbeit stattfindet. Der Theorieband will einen interdisziplinären Beitrag zu diesen sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskursen um die Veränderungen der Arbeitswelt leisten, die mit der VFKODJZRUWDUWLJ VR EHQDQQWHQ ÃgNRQomisierung aller Lebensbereicheµ, diesbezüglichen Subjektivierungen41 und gesellschaftlichen Verschiebungen einhergehen.42 So wird die Frage gestellt, von einem wie gearteten Arbeitsbegriff gesprochen werden kann, wenn die These zutrifft, dass Forderungen eines als künstlerisch verstandenen Lebensbildes wesentliche Wirkung auf die kapitalistische Entwicklung haben43 oder ha39 40 41 42 43

22

Figal (2007), S. 669. Hans Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit, Frankfurt 2007, S. 10. Vgl. Moldaschl/Voß (2000), Bauman (2003), Bröckling (2007). Vgl. Beck (2000), Castel (2005), Schultheis (2005), Vogel (2007) Vgl. Negri/Lazzarato (1998), Boltanski/Chiapello (2006), von Osten (1999, 2003), Menger (2006).

EINFÜHRUNG

ben sollten44 und dies zu einem Verständnis von Arbeit führt, das Sinn zu einem individuellen, sozialen und ökonomischen Zweck macht. Deshalb frage ich in KAPITEL I nach den Funktionen, die Arbeit leisten kann und soll und welche Zwecksetzungen und Bedeutungen damit verknüpft sind. Dabei wird auf die Rolle der Subjektivität insbesondere eingegangen: ein veränderter Arbeitsbegriff lässt auf ein anderes Verständnis des Subjekts, seiner sozialen Wirklichkeit und die ihm zugeschriebenen Kompetenzen schließen. Die Argumentation berücksichtigt dabei entscheidende philosophische Positionen ± insbesondere Hegels, Marxµ und Arendts45 ±, aktuelle sozialphilosophische Begriffsdiskussionen und Analysen und diskutiert auf deren Grundlage subjektive und soziale Funktionsbedingungen von Arbeit, ihre Bedeutungsmöglichkeiten und ihre Ambivalenz. Daran lässt sich die Verquickung von Anthropologie und Ökonomie zeigen und, dass ihre Spannung auch hinsichtlich normativer Implikationen46 nicht aufzuheben ist. Daran schließt sich die Frage an, ob daraus normative Konsequenzen gezogen werden können, die jene Paradoxien von Arbeit (auf-) zu lösen imstande sind. Sozialphilosophische Diskussion nehmen die Überlegungen dahingehend auf, den Arbeitsbegriff als gesellschaftstheoretische Kategorie zu bewahren und einen humanen und emanzipatorischen Begriff von Arbeit zu verteidigen.47 Dies bedeutet auch, dass Begründungen für die Beantwortung von Fragen wie ein Recht auf Arbeit und Mindestlohn48, auf Existenzgeld/Grundeinkommen49 oder auf ein Recht auf Anerkennung anderer Tätigkeiten als Arbeit50 gesucht werden. Darüber hinaus untersuchen sie Arbeit und ihren Begriff auf strukturelle und relationale Verschiebungen und die Erschließung neuer Paradigmata zu einem handlungstheoretischen Verständnis von Arbeit.51 In Reflexion auf die Transformationen der Arbeitswirklichkeit steht also zur Debatte, welche additiven Eigenschaften einer Tätigkeit im heutigen Verständnis von Arbeit als grundlegend anerkannt sein müssen, ob aber in ihren Funktions- und Bedeutungsbezügen nicht eine Verschiebung von dichotomischen zu paradoxen Strukturen sichtbar ist. 44 45 46 47 48 49 50 51

Vgl. Ray/Anderson (2001), Florida (2002). insb. Hegel (1970, 1987, 1988); Marx (1962, 2005); Arendt (1967, 1989 a, b, 2006). Vgl. Honneth (2008). Vgl. Damerow/Furth/Lefèvre (1983), Röttgers (2002), Schmidt am Busch (2003a, 2003b), Honneth (2002, 2008). Vgl. Gürtler (2000), Höffe (2004), Honneth (2008). Vgl. Beck (2000), Gorz (2000), Engler (2005). Vgl. Gorz (1989), Kambartel (1993), Krebs (1993, 2002). Vgl. Arndt (1983, 2003), Kodalle (2001), Röttgers (2008), Svetlova (2008). 23

PARADOXIEN DER ARBEIT

KAPITEL II widmet sich den Funktionstransformationen von Arbeit und ihren Konsequenzen. Besondere Grundlage bilden sozialwissenschaftliche Forschungen, die Arbeit unter dem Blickwinkel ihrer Subjektivierung52 oder ± in gegenteiliger Bewertung ± auf ihr ökonomisches Potential hin interpretieren.53 In vorläufiger Übernahme der dichotomischen 6LFKWZHLVH YRQ %ROWDQVNL&KLDSHOOR LQ LKUHU 6WXGLH ]XP Ä1HXHQ *HLVW GHV .DSLWDOLVPXV³ JHKW HV XP GLH YHUVWHKHQGH 'DUVWHOOXQJ YRQ 3KlQoPHQHQ SDUWLNXODULVLHUWHU $UEHLW XQG LKUHU =XRUGQXQJ XQWHU ÃVR]LDONULWischerµE]ZÃkünstlerkritischerµPerspektive. Die sozialkritische Perspektive zeigt eine Tendenz zur Forderung nach Re-Sozialisierung der Arbeitsverhältnisse als Reaktion auf die Individualisierungsprozesse von Arbeitsformen. Darin, dass dieses Phänomen ein entscheidendes Merkmal der kapitalistischen Entwicklung ist, ist sich die Sozialkritik mit der Künstlerkritik einig. Die künstlerkritische Perspektive jedoch zeigt vielfältige Positionen auf, die untereinander divergieren und sich widersprechen, weshalb von einer einheitlichen Künstlerkritik zu sprechen schwierig erscheint. Die einen Ansätze verfolgen ± wie von Boltanski/Chiapello erläutert ± einen individualistischen Ansatz, der als gegen die Forderungen der Sozialkritik gerichtet verstanden werden kann54, und postulieren ein neues gesellschaftliches Selbstverständnis, das in Bürgerarbeit, Existenzgeld oder Grundeinkommen legitimiert werden müsse. 55 Die anderen üben aus einer künstlerischen Haltung heraus Kritik an diesen Positionen und werfen in Übereinstimmung mit der Sozialkritik den künstlerkritischen Forderungen nach Individualisierung und Beförderung subjektiver Autonomie vor, sowohl der Ökonomisierung der Kultur wie der Kulturalisierung der Ökonomie Vorschub zu leisten, die in der Überforderung des Subjekts durch Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wie der Gesellschaft überhaupt ihren Ausdruck fände.56 Im Verlauf der Untersuchung wird argumentiert, dass die dichotomische Aufteilung von Sozialkritik auf der einen und Künstlerkritik auf der anderen Seite auf einer reflexiven Widersprüchlichkeit beruht. Sie kann zwar Phänomene sozialer Subjektivierung beschreiben, fällt darin aber m. E. einer Strukturverhaftung anheim, die andere Umgangsweisen mit dichotomischen Phänomenen nicht erklären kann. Eine solche 52 53 54 55 56 24

Vgl. Moldaschl/Voß (2000), Castel (2005), Bröckling (2007). Vgl. Ray/Anderson (2001), Florida (2002), Friebe/Lobo (2006), Goehler (2006). Vgl. Ray/Anderson (2001), Florida (2002), Friebe/Lobo (2006). Vgl. Engler (2005), Offe (2005), Vanderborght/Van Parijs (2005), Goehler (2006), Beck (2009). Vgl. von Osten (1999, 2003), Holtmann (2008).

EINFÜHRUNG

Sichtweise perpetuiert die Überzeugung ihrer Zuschreibungseindeutigkeiten und findet keinen Lösungsweg, der Probleme subjektiver Überforderungen integrieren und begrifflich erklären kann. Plausibilität findet diese These im Aufzeigen der sich vermischenden Kritikformen, aus denen andere Tendenzen ablesbar werden. Die künstlerische TätigNHLW JLOW DOV 3DUDGLJPD GHU ÃQHXHQµ Arbeit, GDVGLHSURSDJLHUWHÃ6HOEVtYHUZLUNOLFKXQJµals Sinnstiftungskomponente in die Arbeit verlagere und größere Zufriedenheit in der Arbeit mit höherer ökonomischer Effizienz synthetisiere. KAPITEL III untersucht deshalb die Transformation von Arbeitsformen als konzeptionelle Veränderung von Arbeitsorganisation, die die Dichotomien in ein paradoxes, sich gegenseitig energetisch aufladendes Widerspruchsverhältnis zu integrieren scheint. Ist dies die Geburtsstunde des Künstlers, der zum Sinn- und Vorbild für veränderte Handlungsweisen erhoben wird? Natürlich unterscheidet sich die Gestalt des Genies als Exempel des künstlerischen Individuums von der Erscheinungsform des Typus, der als idealer Arbeitnehmer57 propagiert wird. Es wäre gewissermaßen das Re-entry der Selbstständigkeit in die Erfordernisse der systematischen Abhängigkeit der Arbeitswelt. Die mentalitätsgeschichtliche Anbindung des Emanzipationsgedankens, auf dem diese Idealtypologie des Künstlers basiert, rekurriert DXIGLHÄ6FKOVVHOLGHHQ³ GHU6XEMHNWDXWRQRPLHÄGLHGHU5HYROution des späten achtzehnten Jahrhunderts zugrunde liegt³58, an die heutige sozioästhetische Diskussionen anknüpfen und ihre Fortsetzung im Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Handelns finden.59 Arbeit erscheint unter dem Sinnparadigma nicht mehr durch eine Mittel-Zweck-Kausalität strukturiert. Es ist ein anderes Konzept von Schlussstrukturen zur Sinngenese: Sinn wird dadurch produziert, dass die Zweckstruktur internalisiert wird, resp. die Sinndimensionen auf Zweckbereiche ausgeweitet werden, so dass einer Tätigkeit gerade dann Sinn zugesprochen wird, wenn sie zweckmäßig, zweckhaft, (weiter-) verwertbar ist. Ob Kunst Arbeit sei, ist die pointierte Frage danach, ob diesen Diskussionen ein Begriff von Arbeit zugrundeliegt oder ob aus GHU%HREDFKWXQJGHUYHUlQGHUWHQ$UEHLWVZHOWLPÃQHXHQNDSLWDOLVWischen *HLVWµein solcher destillierbar ist. Dass dies ebenso Transformationsprozessen unterliegt wie Weisen der Organisationsmechanismen von Arbeit und die Zweckhaftigkeit von 57 58 59

Vgl. insb. Menger (2005), Schultheis (2005), Boltanski/Chiapello (2006). Taylor (1995), S. 81. Vgl. insb. Priddat (2000, 2001), Guillet de Monthoux (2004), Markowski et al. (2007). 25

PARADOXIEN DER ARBEIT

Arbeit mit einer Sinndimension aufgeladen wird60, die als Kompensation für andere von der Arbeit verdrängte Tätigkeiten fungiert, muss die philosophische Sichtweise auf Arbeit verändern. Widersprüchlich erscheint, dass klassifikatorische Ansätze, die auf eine kategoriale Differenzierung von Arbeit abzielen, deskriptive Momente zu Grunde legen.61 Umgekehrt versuchen deskriptive Ansätze, Klassifikationen zu bilden, denen Arbeitstätigkeiten zuzuordnen sein sollen.62 Andere führen Unterscheidungskriterien ein, die die Bedeutungen von Arbeit ebenso partikularisieren wie sich die Arbeitsweisen vervielfältigen.63 Inwieweit in diesen terminologischen Aufteilungen ungerechtfertigte Doppelungen oder teilweise willkürliche, zumindest in ihrer Kategorizität schwer nachvollziehbare Einteilungen vornehmen, ist eine gerechtfertigte Frage.64 Deshalb wird ± unter kritischer illustrierender Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Forschungen65 zur Eigenheit künstlerischer Tätigkeiten ± für die Berücksichtigung des paradoxen Charakters von Arbeit plädiert. Damit werden Argumente zur Verfügung gestellt, Arbeit als sozial sinnhaft und als sozialintegrative Funktion zu verstehen, wenngleich damit Ungleichheiten nicht relativiert werden. Entsprechend hat auch die Darstellung einen gewissen paradoxalen Charakter und offenbart, von einer Paradoxie ausgehend, die Paradoxalität der auktorialen Position selbst: Sie kann zum einen als eine transformierte Form der Arbeit verstanden werden, die selbstbestimmte Züge des Sinnpostulats trägt. Zum anderen folgt sie der selbstreferentiellen 6WUXNWXUGHV 'HQNHQV XQGEOHLEWGDEHLJHQDXVRÄUHVXOWDtlos³66 wie das Arbeiten. Indem über Arbeit reflektiert wird, transzendiert sie den Widerspruch, der nur durch den Anspruch der Arbeit an sich selbst gerechtIHUWLJW ZHUGHQ NDQQ GDVV ÄGLH 5HIOH[LRQ YHUlQGHUW ZRUDXI VLH UHIOHktiert.³ Ein solcher performativer Widerspruch kann sich nur darauf berufen, dass ÄGLH5HIOH[LRQ>@HLQH6W|UXQJGHU6XEMHNWLYLWlW>LVW@³ XQGÄHinen Schaden [behebt], den sie selbst angerichtet hat.³67

60 61 62 63 64 65 66 67

26

Vgl. u. a. Reckling (2002), Beckert et al. (2007), Svetlova (2008). Vgl. Krebs (2000). Vgl. Bund der Katholischen Jugend (Hg.): Vision für eine gerechte Gesellschaft, o. O., 2003; Kambartel (1993). Vgl. Gorz (1989, 2000). Vgl. Engler (2005), S. 96 ff. Vgl. Carr, Hancock (2003), Handler (2007), Priddat (2009), Strati (2007) Hannah Arendt: Denken und Sprache, in: Dies.: Denken ohne Geländer, München 2006, S. 35 f. Hans Blumenberg: Zu den Sachen und zurück, Frankfurt/M. 2002, S. 331 ff.

Funktion und Bedeutung von Arbeit Ganz offensichtlich muss die Philosophie der Differenz hier befürchten, zum Diskurs der schönen Seele zu werden: Differenzen, nichts als Differenzen, in einer der Idee nach friedlichen Koexistenz von sozialen Plätzen und Funktionen... Aber der Name Marx genügt, um sie vor dieser Gefahr zu bewahren.1

K l e i n e B e g r i f f s m yt h o l o g i e vo m S i n n vo n Ar b e i t Ein Blick auf die Entstehung des dichotomischen Arbeitsbegriffs veranschaulicht die Entwicklung des heutigen Arbeitsverständnisses. Indem verdeutlicht wird, wie sich diese Dichotomie ineinander verschränkt, wird auch die behauptete Verschiebung zwischen Zweck und Sinn und ihre Bedeutung für das Subjektverständnis plausibel. Eine Konstante an der dichotomischen Konzeption von Arbeit ist, dass Arbeit im Abgleich mit ihrem Widerspruch fassbar wird und sich DOVÄ*UXQdgeschehen des menschlichen Daseins³2 in der Spannung zwischen subjektivem Sinn und objektivem Zwang bewegt. Damit lässt sich YRQ $UEHLW DOV Ä6HOEVWJHZLQQXQJ :HVHQVlX‰HUXQg, Vergegenständlichung, Verwirklichung, [...] als de[m] Selbsterzeugungsakt des Menschen³3 DXVJHKHQXQGDOVHLQH7lWLJNHLWEHVWLPPHQGLHÄHine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, 1 2 3

Gilles Deleuze: Differenz und Wiederholung, München 1992, S. 263. Marcuse (1933), S. 262. Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte [im Folgenden ÖPM], Hamburg 2005, S. 144. 27

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

ewige Naturnotwendigkeit [ist], um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.³4 Die Dichotomie wurzelt in der aristotelischen Unterscheidung von praxis, einem selbstreferentiell geleiteten Handeln, und poiesis, einem zweckorientiert herstellenden und in diesem Sinne arbeitenden Tun. Es leitet sich aus dem Gegensatz zwischen Muße, scholè, und der Mußelosigkeit, der ascholíaDEÄ'DVJHVDPWH/HEHQWHLOWVLFKLQ0X‰HORVLgkeit und Muße, in Krieg und Frieden, und die Handlungen in die notwendigen und nützlichen und die schönen. Es ist notwendig, die gleiche Wahl zu treffen wie mit Bezug auf die psychischen Vermögen und ihre Akte, also den Krieg um des Friedens willen, die Mußelosigkeit um der Muße, das Notwendige und Nützliche um des Schönen willen.³5 Der Wert von Tätigkeiten steht im Gegensatz zu einer mühevollen Tätigkeit und speist VLFK GDUDXV GDVV ÄGLH 0X‰H > @ GLH JUXQGOHJHQGH %HGLQJXQJ IU HLQHQ wie auch immer gearteten Sinn des Lebens [ist]³6, und alles um deretwillen getan wird. Der Gegensatz manifestiert sich zwischen dem Produktionsparadigma und dem Handlungsparadigma frei gewählter, sinnhafter Aktivität; diese ist zwar nicht müßig, der Muße aber konzeptionell verwandt, da ihr zum Zwecke ihrer selbst und zur Erhaltung politischer Öffentlichkeit Eigenwert zugesprochen wird. Alles Tun wird danach bewertet, ob es selbstwerte Tätigkeiten ermöglicht. Daraus erschließt sich die KlassiIL]LHUXQJGHU$UEHLWÄ'HQQZLUDUEHLWHQXPGDQQ0X‰H]XKaben, und führen Krieg, um dann Frieden zu haben.³7 Arbeit ist wertvoll, wenn sie zu etwas Eigenwertem dienlich ist, Sinn enthält sie nur durch die Ermöglichung zu freiem Tun. Die Griechen der attischen Demokratie lösen diesen Gegensatz dadurch auf, dass jeder Tätigkeit eine eigene Sphäre in der Polis zugeteilt und eine Vermengung der Tätigkeiten durch soziale Schichtung unterbunden wird; so kommt ein Widerspruch nicht ins Bewusstsein beziehungsweise überträgt sich auf die soziale Organisationsform und wird mit Verweis auf Lebenswerte gerechtfertigt.8

4 5 6 7 8

28

Karl Marx: Das Kapital, Band 1, MEW 23 [im Folgenden MEW 23], 1962, S. 57. Aristoteles: Politik, 1333b 1. Jürgen Dummer: Arbeitsethos in der Antike, in: Kodalle (2001), S. 73. Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1177b, 5-6. Diese Verkürzung wird in der kursorischen Beschreibung der athenischen Demokratie meist als Blaupause einer elitären aristokratischen Öffentlichkeit ins Bild gesetzt, die nicht arbeitete, während die Sklaven für den Lebensunterhalt der Gesellschaft sorgten. Sofern daraus geschlossen wird, dass soziale Ungleichheiten und ihre Kompensationen verschiedene Formen haben können, sei dem stattgegeben.

KLEINE BEGRIFFSMYTHOLOGIE

Dass man für die archaische Zeit wie für die athenische Polis nicht von einem Arbeitsbegriff und auch nicht von einem Bewusstsein der Arbeit DOVHLQHPÄ.XOWXUIDNWRU³9 im strengen Sinn sprechen kann, hat natürlich Berechtigung. Diese Einsicht ergibt sich allein daraus, dass Arbeit für die Athener eben Mittel zum Zwecke10 war, ein Kulturfaktor jedoch ein majoritäres Maß an Eigenwert aufweisen sollte, um als solcher bezeichnet werden zu können. Die Frage ist nur vielmehr, ob diese Art der Funktionsbindung von Arbeit etwas über heutige Gegensatz-, Widerspruchs- oder Paradoxieverhältnisse sagen kann.

Arbeit und Transzendenz Die griechische Fassung von Arbeit hat eine Geschichte, die im bloßen Verweis auf die soziale Ordnung der Polis nicht genügend deutlich wird. Die soziale Etablierung dieses Widerspruchs kann als Ergebnis einer Entwicklung des griechischen Arbeitsverständnisses gesehen werden, das theistisch gebunden war und sich von dieser Legitimierung im Lauf der sozialen und politischen Kultivierung mit der Herausbildung und sozialen Installierung des Gegensatzes emanzipiert hat. Hier findet sich ein der christlichen und modernen Form vergleichbarer, am gattungsgeschichtlichen und zivilisationshistorischen Ursprungsmythos orientierter Verlauf des Arbeitsverständnisses, das die Grundlage für eine dualistische Gesellschaftsform legt. In begriffsgeschichtlichen Zusammenhang gebracht spiegelt es die Komplexität im Umgang mit den Widersprüchen von Arbeit und ihrem Begriff und zeigt, wie Arbeit von der sozialen wie konzeptionellen Entwicklung des Widerspruchs geprägt ist. Die Verständigung über Arbeit in der vorklassischen griechischen Zeit kennt keine Arbeitsteilung, der die soziale Rangstellung dem Arbeitszweck unterordnen würde; sie spiegelt eine noch unklare Umgangsweise mit Begriffsdefinitionen. Den archaischen Griechen kommt eine Reflexion auf Arbeit nur im Hinblick auf ihre Zweckhaftigkeit in den Sinn11: Homer beschreibt in der Ilias12 z. B. die körperliche Arbeit 9 10

11

Otfried Höffe: Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger. Politische Ethik im Zeitalter der Globalisierung, München 2004, S. 20. Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1177 b 5-6. Vgl. dazu auch: Christian Meier: Griechische Arbeitsauffassungen in archaischer und klassischer Zeit, in: M. Bierwisch (Hg.): Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen, Berlin 2003, S. 19-76, resp. ders.: Das Problem der Arbeit in seinen Zusammenhängen, in: Merkur, 3, Stuttgart 1998, S. 202-214. Zur Entwicklung der Differenzierung der Arbeit von Jäger- und Sammlergesellschaften zu Agrar- und kulturell wie sozial differenzierten Gesellschaften, in denen erst sinnvoll wird, über Arbeit zu sprechen, siehe 29

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

vor Troja am Schiffsbau als eine mühselige und notwendige, die genauso von den griechischen Kriegerfürsten und nicht nur von niederrangigen Soldaten geleistet wird.13 Diese Arbeit wird im griechischen Wort für Mühe, ponos, ausgedrückt, die einen klaren Zweck hat: sie dient dem siegreichen Krieg und gilt deshalb als wert- und sinnvolle Tätigkeit. Ihre Konzeption weist keine Dichotomie von praxis und poiesis auf; das zweckhafte Tun impliziert noch nicht die Sinnfrage. Denn die Homerischen Menschen entbehren einer dafür notwendigen Transzendenzkonzeption, die eine Diskrepanz zwischen Sinn und Zweck bedingte. Dieses Bindeglied der Sinn- und Zweck-Aspekte ist religiös. Es sind die Götter, resp. das beispielhaft am göttlichen Leben ausgerichtete und in seiner Entsprechung als sinnhaft erfahrene Tun. Die Legitimationsinstanz sinnhafter oder auch sinnstiftender Tätigkeit liegt bei den Göttern ± auch die Götter arbeiten.14 Sie sind die Sinninstanz, aus der sich Absichten bruchlos ableiten lassen; gehandelt wird analog zu, orientiert an und geleitet von ihnen. Das Reflexionssubjekt ist mit dem Reflexionsobjekt eins und göttlich. Deutlicher Ausdruck für den Analogismus des göttlichen und menschlichen Lebens der griechischen Welt ist der eigentliche Anlass des Trojanischen Krieges: Der Streit um die schönste Frau der Welt, He-

12 13

14

30

die prägnante Darstellung von Rolf-Peter Sieferle in: Gesellschaft im Übergang, in: Dirk Baecker (Hg.): Archäologie der Arbeit, Berlin 2002, 117-151, insb. S 128 f. Vgl. Homer: Ilias, z. B. 7. Gesang, 440 ff. Natürlich ist der Sozialitätsaspekt einer Zeltstadt im Zustand der Belagerung nicht gleichzusetzen mit einer auf Dauer ausgerichteten Gesellschaftsordnung der heimischen Stadtstaaten des zum damaligen Zeitpunkt nur aus assoziierten und zumeist untereinander zerstrittenen Fürstentümern bestehenden Griechenlands (der arbeitsreiche Krieg gegen 7URMDXQWHUGHU )KUXQJYRQ$JDPHPQRQVHW]WHKLQVLFKWOLFKGHUÃ.Rnföderierungµ erstaunliche Einigungspotentiale frei); die soziale Gliederung und das damit verbunden Arbeitsverständnis aber galt auch in Kriegszeiten und im Besonderen im Krieg vor Troja. Vgl. 4. Gesang, 26 ff., als Hera sich beschwert, dass Zeus die Früchte ihrer Arbeit (insbesondere den Athenern unter den Griechen gegen Troja zum Sieg zu verhelfen) nLFKW DQHUNHQQHQ ZLOO Ä:LOOVW 'X GDVV JDQ] umsonst ich arbeitete, dass ich vergebens [Original: a-teleston: wörtl. ziellos] / Schweiß der Mühe [ponon] vergoss, und umher mit ermatteten Rossen / Völker erregt¶ um dem Priamos Gram und den Söhnen zu schaffen?³IIÄ$EHUDXFKPHLQ$UEHLWHQJLOWHVQLFKW]XYHreiteln / Denn auch ich bin Göttin, entstammte dem Geschlechte, woher Du³. Daran lässt sich auch eine Parallele zu dem mit kollektiven Arbeitseinsätzen umgesetzten Arbeitsethos der alten Ägypter ziehen, deren Lebensund HandlungsUDXP ÄPLWWHOV UHOLJL|VHU 0\WKHQ V\PEROLVFK-ideologisch zusammengehalten³ und das Arbeitsethos darin legitimiert wurde. Siehe Thomas Gil: Sozialphilosophie der Arbeit, Stuttgart 1997, S. 18 ff.

KLEINE BEGRIFFSMYTHOLOGIE

lena; ihr Raub durch den Trojanischen Königssohn Paris ist als die irdische Übersetzung des Streites der drei Göttinnen Athene, Aphrodite und Hera um den Status als schönste Frau der göttlichen Welt, ausgelöst von Eris, der Göttin des Streits, lesbar. Daraus ergeben sich die Parallelität des Kriegs in Troja und im Olymp und die göttliche Steuerung des Trojanischen Krieges; besonders Hera und Athene greifen parteiisch in das irdische Kriegsgeschehen ein. Die Parallelität des Lebens der homerischen Götter, das von den homerischen Menschen als Analogie ± als Übereinstimmung ± erfahren wurde, ist die Demarkationslinie des griechischen Anthropomorphismus und wesentliche Quelle für das Selbstbild des homerischen Menschen, der seine Existenz im Leben der Götter exemplarisch vorfand, darin legitimiert sah und in der massiven Bildlichkeit des göttlichen Lebens zum Ausdruck bringt. Die Götter sind die Richtschnur und entscheidende Instanz des menschlichen Lebens. Die deutlichste Darstellung des Einwirkens der Götter ± als Bild für die Zuschreibung von Reflexionsbewusstsein an die oberste Instanz ± zeigt eine entscheidende Szene in der Ilias, in der Pallas Athene dem Achill erscheint und ihn heißt, sein Schwert zurück in die Scheide zu stecken, das dieser in seinem Zorn gegen seinen Heerführer AgamemQRQ KDWWH ]LHKHQ ZROOHQ Ä3DOODV >@ LVW >$FKLOOV@ HLJHQH %HVRQQHnheit³15, schreibt Hegel und verweist damit darauf, dass das Selbstbewusstsein als Vergewisserung von Subjektivität noch an als die göttliche Instanz abgegeben verstanden werden kann. Ohne ein Reflexionsbewusstsein, das die menschlich-göttliche Analogie zerstören kann, ist anthropologische Differenzbildung, begriffliches Differenzbewusstsein und begriffliche Reflexivität nicht vorstellbar. Wenn Diomedes an einer Stelle in der Ilias sagt, dass Achill dann ZLHGHULQGHQ.DPSIHLQWUHWHQZHUGHÄZDQQVHLQ+HU]LP%XVHQJHEHXW und ein Gott ihn erreget³16, Achill an anderer Stelle zum Ende des Krieges hin Agamemnon daran erinnert, dass jener ihm, Achill, seine ihm rechtmäßig zustehende Beute gestohlen hatte, und Agamemnon antworWHWÄ2IWVFKRQKDEHQPLFKGLHVHV$FKDLDV6|KQHJHUJHWXQGPLFKELtter geschmäht; doch trag ich dessen die Schuld nicht / sondern Zeus, das Geschick, und das nächtliche Schrecken Erinnys³17, dann zeigt das beiGHV]XPHLQHQGDVVÃHLQ*RWWµüber menschliches Tun entscheidet und dafür ursächlich ist; zum anderen, dass die homerischen Griechen nicht 15 16 17

G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Teil 2: Die bestimmte Religion, Frankfurt/M., 1986, S. 127 [1986 b]. Homer: Ilias, 9. Gesang, 703. 19. Gesang, 86-88. Unzählige weitere Belege dafür ließen sich in der Ilias anführen. Vgl. Julian Jaynes: The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind, Boston 2000 [1976]. 31

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nur nicht über eigenes Bewusstsein von Willensentscheidungen verfügten, sondern auch nicht über einen modernen Begriff von Willen, Entscheidung und (Reflexions-) Bewusstsein. Die Ilias selbst kennt keinen Urheber, einen auktorialen Erzähler oder gar einen Autor, sondern ± folJHQZLULKUHUHUVWHQ=HLOHÄ6LQJHGHQ =RUQ*|WWLQ GHV3HOLGHQ$FKLlleus...³18 ± wird von einem Mann vorgetragen, der es von einer Göttin JHK|UWKDWXQGLKUQDFKVLQJWÄ'LH0XVHGLH+RPHUDQUXIWLVW]XJOHLFK sein Genie³19, sein (Selbst-) Bewusstsein. Insofern kann die Ilias selbst als Beleg dafür betrachtet, beinahe als Theodizee und als Menschheitsbegründung gelesen werden. Der Anthropomorphismus ist ja gerade bildlicher Ausdruck des unlogischen ± des nicht dem Diktum rationaler Selbstbegründung unterworfenen ± Ana-logismus, der Übertragung des eigenen angeschauten Daseins auf alles andere; ein Versuch, Ursachen zu erklären, die nicht als solche verstanden wurden, weil die Götter die Ursache sind, die nicht erkannt werden muss, um das eigene Dasein als sinnvoll aufzufassen: Ä'LHVH5HOLJLRQLVWEHUKDXSWHLQH5HOLJLRQGHUMenschlichkeit, d. h. der konkrete Mensch ist nach dem, was er ist, nach seinen Bedürfnissen, Neigungen, Leidenschaften, Gewohnheiten, nach seinen sittlichen und politischen Bestimmungen, nach allem, was darin Wert hat und wesentlich ist, sich gegenwärtig in seinen Göttern; oder es hat sein Gott diesen Inhalt des Edlen, Wahren, der zugleich der des konkreten Menschen ist. In dieser Religion ist nichts unverständlich, nichts unbegreiflich; es ist kein Inhalt in dem Gotte, der dem Menschen nicht bekannt ist, den er in sich selbst nicht finde, nicht wisse. Die Zuversicht des Menschen zu den Göttern ist zugleich seine Zuversicht zu sich selbst.³20 Die Zuschreibung jeglicher Ursachen, die reflexive Bindung des Bewusstseins an die Wirklichkeit und des Subjekts an die Welt fehlt den homerischen Griechen; die Einheit der homerischen Welt liegt in der göttlichen Instanz. Sie gilt ohne Widerspruch, weil sie in der Einheit der analogen Bildlichkeit ruht, die wir als Legitimationsinstanz interpretieren können, von den Archaiern aber nicht als solche aufgefasst wurde: ÄIliadic man did not have subjectivity as do we; he had no awareness of his awareness of the world, no internal mind-space to introspect upon. In distinction to our own subjective conscious minds, we can call the mentality of the Myceneans a bicameral mind. Volition, planning, initiative

18 19 20

32

Vgl. 1. Gesang, 1; siehe zur Verhältnismäßigkeit von Bewusstseinsbildung in der Ilias auch Jaynes (2000), S. 67 ff. Hegel (1986 b), S. 137. Hegel (1986 b), S. 127 [Kursive Hervorhebungen bestehen immer, wo nicht anders vermerkt, im Original].

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LVRUJDQL]HGZLWKQRFRQVFLRXVQHVVZKDWHYHUDQGWKHQÃWROG¶to the individual in his familiar language.³21 :DV LQ GLHVHU ÃELNDPHUDOHQ =LYLOLVDWLRQµ noch ohne Differenzbewusstsein, noch als miteinander identisch aufgefasst wird, sind Subjektivität, d. h. die Selbstauffassung als autonomes Individuum, und Objektivität, seine Wirklichkeit, in der göttlichen und menschlich harmoniVFKHQ(LQKHLWLQGHUÄMHQH9HUPLWWOXQJGDVRäsonnement über Ursache und Wirkung aufgehoben [ist].³22 Diese Identität hat bildliche Darstellung, keine begriffliche Differenzierung. Das bedeutet selbstredend nicht, dass die homerischen Menschen naiv gewesen oder kein Reflexionsbewusstsein gehabt hätten23, das sie am Befragen von Zusammenhängen gehindert hätte, so dass ihnen gewissermaßen intellektuelle Kompetenz abgesprochen werden müsste; es bedeutet vielmehr, dass die Reflexion auf die Götter und nicht auf den logos bezogen war, dass an der Stelle des Glaubens an den Begriff der Glauben an den Sinn und an Stelle des Subjekt-, Reflexions- und Selbstbewusstseins das analoge Reflektieren der lebendigen Vorstellung, der Bildlichkeit, stand, die von Göttern geIOOW ZXUGH Ä(V ZlUH IDOVFK ]X VDJHQ GDVV GHU 0HQVFK GLH Welt zunächst ganz objektiv hinnähme und dann allmählich sein Subjekt, das Bewusstsein eines der Welt gegenüberstehenden und sie spiegelnden Ich herausgewönne. Vielmehr, jenes erste Bild ist so wenig objektiv, wie es subjektiv ist, es steht ganz jenseits dieses Gegensatzes, in dem Indifferenzzustand des einfachen Hingenommenwerdens³24. Die Ursache sind die anthropomorphen Götter, keine logische causa, und jeder Zweifel daran wird göttlich bestraft, wie an Kassandra (deren seherische Fähigkeiten besser darin beschrieben werden, dass sie den Zweifel der Entscheidung voranstellte und dafür geächtet wurde) oder auch an Laokoon sichtbar wird. Bei Laokoon lässt sich noch eine weitere Beobachtung anschließen: Für dessen göttliche Bestrafung gibt es zwei Interpretationen, eine mythische bei Vergil und eine tragische bei Sophokles. Die mythische Erklärung für die Bestrafung ist, dass der trojanische Priester des Apoll, der im Olymp auf der Seite der Trojaner VWDQG YRU GHU $QQDKPH GHV Ã'DQDHUJHVFKHQNV¶(des Trojanischen Pferdes, das von den Griechen als Opfergabe für die Götter deklariert wurde) warnt und dafür von Athene bestraft wird, die auf der Seite der Griechen steht; sie schickt Seeschlangen, die seine beiden Söhne ergreifen, und 21 22 23 24

Jaynes (2000), S. 75. Hegel (1986 b), S. 112. Vgl. Bruno Snell: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, Göttingen 1955, S. 14 ff. Georg Simmel: Hauptprobleme der Philosophie, in: GA 14, Frankfurt/M. 1996, S. 80 f. 33

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bei dem Versuch Laokoons, sie zu retten, wird auch dieser von ihnen erwürgt. Indem er zweifelt, äußert er zwar schon ein anfängliches Selbstbewusstsein im modernen Sinne, bleibt aber dabei Schicksalsspielball der Götter. ± Die tragische Erklärung dagegen findet den Grund für seine Bestrafung in einem bereits deutlicher emanzipativen Akt: Danach wird Laokoon bestraft, weil er durch Heirat den Göttern gefrevelt, seinen über den göttlichen Willen gestellt hat. Daran zeichnet sich bereits, wie es später am Beispiel der Antigonetragödie exemplarisch wird, das Dilemma zwischen menschlicher Eigenständigkeit und göttlicher Hoheit ± das Dilemma der Reflexion ± ab. So beginnt noch Hesiod seine Theogonie, die Schöpfungsgeschichte des Menschen, die in der Schöpfungsgeschichte der Götter wurzelt, mit GHQ :RUWHQ ÄZuerst nun war das Chaos³25, das die Götter ± nicht der logos, das Wort, der Begriff, die Reflexion ± bedingungslos füllen. Der J|WWOLFKH $QDORJLVPXV HUVHW]W GLH %HJULIIOLFKNHLW Ä6RPLW LVW GDV &KDRV selbst ein gesetztes. [...] Das Chaos ist die bewegende Einheit des Unmittelbaren [...], die Notwendigkeit, von der nur gesagt werden kann: sie ist.³26 Diese Auffassung der göttlichen Begründung und die einfache Legitimation durch Setzung gestattet sowohl ein harmonisches und thetisch-vernünftiges Weltbild, in dem der Mensch analog zu den Göttern lebt und sich in ihnen begründet findet, aus der jegliche Ordnung ± auch die des Zusammenlebens ± ableitbar ist und von den Göttern zusamPHQJHKDOWHQ ZLUG Ä>6@LH VLQG GDV LQQHUH %DQG GDV GLH :HOW ]XVDmmenhält³27. Die Ursache wird nicht hinterfragt, sie ist nicht begrifflichreflexiv gefasst, aber sie hat einen bildlichen Ort. Das Bewusstsein des 2UWHVLVWGLHVHUÃELNDPHUDOHµAnthropomorphismus, der Zuschreibungen erlaubt und durch die analoge Identität der homerischen Menschen mit GHQ *|WWHUQ HLQH 2UGQXQJ JDUDQWLHUW GLH YHUELQGOLFK IU ÄLKU HLJHQHV wollendes und handelndes Leben³28 ist. 'LHV JLOW DXFK IU GLH VR]LDOH 2UGQXQJ ÄThe bicameral mind is a form of social control and it is that form of social control, which allowed mankind to move from small hunter-gatherer groups to large agricultural communities³29. Die Zuweisung von Ursache und Sinn an die göttliche Einheit und einheitliche Welt strukturiert auch die soziale Ordnung, wird

25 26 27

28 29 34

Hesiod: Theogonie, Vers 116 [Hervorhebung von mir, SK]. Hegel (1986 b), S.101. Ebd., S. 126. Die faustische Formel, die Hegel hier verwendet, unterstreicht nur noch einmal die Belanglosigkeit einer etwaigen Erkenntnis einer prima causa der homerischen Griechen. Vgl. Goethe: Faust I, 3. Szene ÃNachtµ, 29 f. Hegel (1986 b), S. 139. Jaynes (2002), S. 126.

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direkt auf sie übertragen und nicht als positive, als (bewusst) gesetzte Ordnung verstanden. Betrachtet man diese Analyse mit der damit übereinstimmenden Beschreibung Sieferles vom sozialisativen Übergang der Jäger- und Sammlergesellschaften, findet sich der Kulminationspunkt in der Deckungsgleichheit der Entwicklung von sozialer Veränderung und VSUDFKOLFK JHSUlJWHP  5HIOH[LRQVEHZXVVWVHLQ Ä,Q -lJHU- und SammOHUJHVHOOVFKDIWHQLVWGHU%HJULIIÃ$UEHLWµsinnlos, da es nicht möglich ist, kategorial einzelnen Tätigkeitsformen voneinander zu trennen. So mühselig es gewesen sein mag, Tiere zu jagen oder Früchte zu sammeln, so wenig konnten dies Tätigkeiten doch mental isoliert werden, das heißt es H[LVWLHUWH NHLQ VLQQYROOHU *HJHQVDW] ]XU Ã$UEHLW¶, der diesen Begriff sinnvoll gemacht hätte. Dies ist im agrarischen Kontext fundamental anders³GDHV VLFKGDEHLXPHLQÄVR]LDO-metabolische[s] Regime der Agrargesellschaften³ KDQGHOWLQGHPÄGLH(UIDKUXQJJHPDFKW>ZLUG@GDVV die Natur dazu tendiert, die kultivierten Flächen immer wieder zurückzuerobern³, weVKDOE ÄGLH /DQGZLUWVFKDIW > @GDKHU QLFKW QXU GHU $UEHLW zum Zweck der Produktion, sondern auch zur Erhaltung ihrer Bedingungen [bedarf]³ 'DUDXV ÄIROJW GDVV Ã$UEHLWµ zu einem fundamentalen Merkmal dieses Regimes wird³30. Es wird eine Zweckhierarchie eingeführt, die begrifflich benannt wird. Wo es keinen Bedarf gibt, gibt es keine Unterscheidung; wo aber Bedarf aufkommt, entsteht ein Differenzbewusstsein, das zwar noch einer Selbstreflexivität des Selbstbewusstseins entbehrt, weil erst jenes ein diskrepantes Verhältnis des individuellen wie kollektiven Bewusstseins zur Götterwelt, zur Welt und zum eigenen Tun entfaltet. Die Arbeit der homerischen Griechen kann keine Begriffsdifferenz in sich tragen, die sie in ein diskrepantes Verhältnis von Sinn und Zweck setzen würde. Solange die Identität mit den Göttern gewahrt ist und sich jegliches Tun an ihnen orientiert, können sie arbeiten, ohne es als Diskrepanz zu erfahren. Die Götter arbeiten auch, und so trägt Arbeit zur Erlangung des heroischen Ideals, der größtmöglichen menschlichen Annäherung an die Götter, der Unsterblichkeit durch Heldentaten zu Lebzeiten, bei; darin ist sie so sinnhaft wie jede andere Tätigkeit.

Arbeit und Reflexion Die Komplexität des griechischen Arbeitsverständnisses und seine Verknüpfung mit dem Mythos und dem Anthropomorphismus wird bei Hesiod deshalb interessant, weil sich an seiner Historiographie dieser wichtige Wandel beobachten lässt: Eris, die griechische Göttin des Streits, 30

Sieferle (2002), S. 128. 35

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die den Zankapfel zwischen die drei Göttinnen geworfen hatte, deren Streit in der Folge zum Trojanischen Krieg führt, tritt als eine doppelte Figur auf. Eris kann durchaus als Göttin der Differenz angesehen werden, und ihre ± wie Hesiod schreibt ± ÃJXWHµSeite ist die Initiatorin der Differenz und Legitimitätsinstanz der Arbeit.31 Der Anklang der Ähnlichkeit der mythologischen Entwicklung zur christlichen Erbsünde, als deren Konsequenz die Menschen für ihr Leben arbeiten müssen, ist vernehmbar. In beiden Erzählungen ist das Symbol der Trennung ein Apfel, der als Granatapfel das Symbol der Fruchtbarkeit darstellt, die in der Arbeit kultiviert werden muss. Gemeinsam ist beiden Zivilisationsentwicklungen ± zu finden bei Hesiod wie auch bei Vergil, resp. Ovid, und in der christlichen Mythologie ± der begründende Verweis auf das Paradies, das Goldene Zeitalter, die aurea aetas bzw. das chryseon genos. Dies war die unwiederbringlich verlorene Zeit der Arbeitsfreiheit, deren Verlust Prometheus und Pandora und Adam und Eva verursacht haben, weil sie vom Baum der Erkenntnis aßen. Deren Schuld für das Erkennenwollen tragen die Menschen nun in ihrer Sterblichkeit, die nur durch Arbeit moralisch legitimiert und gut gestaltet ± mit Sinn versehen ± werden kann. Die Einheit von Zweck und Sinn wird im Post-Paradies durch Arbeit gekittet, bedroht von der Differenz der Reflexion, die nach logischen Begründungen statt bildlicher Analogie sucht und von der beständig erforderlichen Erneuerung der Begründung abhängig wird. Vergleicht man aber die christliche Bindung des Arbeitsethos an Gott mit der griechischen, fällt die reflexive Diskrepanz des christlichen Arbeitsverständnisses ins Auge: Um in der Arbeit einen Sinn zu sehen, wird sie mit dem Gottes-Dienst legitimiert, während die homerischen Griechen Arbeit als Teil ihres sinnhaft-harmonischen Lebens sahen. Auch dies lässt sich mit dem Gegensatz zwischen unmittelbarer göttlicher Einsicht des mythischen Anthropomorphismus als Ersatz für eine logische Ursache erklären. Der Grund für die christliche Notwendigkeit einer (reflexiven) göttlichen Legitimation der Arbeit liegt in der christlichen Unerkennbarkeit Gottes; Unerkennbarkeit verlangt nach Begründung des Tuns, um es als sinnvoll erfahren zu können. Den Griechen war die Sinnhaftigkeit unmittelbar in der Analogie und Parallelität des Götterlebens gegeben. Die Einheit trägt zwar schon Risse, aber diese (Reflexions-)Spaltung wird den Göttern, der guten, zur Arbeit anspornenden Eris, zugeschrieben; so hat der Anthropomorphismus noch die Kraft, die Ursache des aufkeimenden Widerspruchs zwischen Göttern und Menschen in den Göttern zu suchen. 31 36

Siehe Hesiod: Werke und Tage, 11-21, resp. ders.: Theogonie, 226 ff.

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Auf diese Weise kristallisiert sich eine wesentlich andere Stellung von Arbeit heraus, die eine Unterscheidung zwischen ergon, dem bäuerlichen Werkcharakter der Arbeit, und dem ponos, der mühseligen, in zivilisatorische Kontexte zu verortende (Hand-)arbeit, einführt und eine Wertdifferenz schafft: Beide Arbeitsformen sind unentrinnbar notwendig, tragen aber zum guten Leben bei und sind dafür vielmehr unabdingbar, weil sie ± so weit trägt die göttliche Legitimation nun ± damit dem Willen der Götter Genüge tun. Mit der griechischen bäuerlichen Arbeit deckungsgleich ist die Arbeitsauffassung der römischen Antike, die zugleich als erklärendes Verbindungsglied zwischen der christlichen und griechischen Arbeitsauffassung verstanden werden kann. Sie ist in dem Vergilschen Spruch ÄODERU omnia vincit³ illustriert und deutet ein an das protestantische Arbeitsethos erinnerndes Bewältigungsmoment an. Zudem kommt in der römischen Variante eine andere Zivilisationsentwicklung zum Ausdruck; die lateinische Sprache kennt keine Differenzierung zwischen mühseliger und werkhafter ± und damit ggf. würdigerer ± Tätigkeit. Labor trägt beide Bedeutungen, die im Griechischen in ponos und ergon getrennt sind, in sich, in laborari dagegen ist das mühevolle Leiden inbegriffen und drückt sich in dieser Doppelbedeutung sowie in der passivischen Verbform aus. Während aber die größere Wertschätzung körperlicher bei den Römern Arbeit anhält, explizierte die qualitative Unterscheidung der griechischen Welt inzwischen bereits andere soziale Differenzierungen. Ein ± zivilisatorisch bedingter ± Grund dafür liegt wohl im unterschiedlichen Zweck der Arbeit: Die römische Zivilisation beruhte zu Lebzeiten Vergils ± also kurz vor Christi Geburt ± noch stärker auf Ackerbau, die Griechen dagegen waren damals bereits eine Handelsmacht; die griechische Bedürfnisbefriedigung erfolgte also früher auf unterschiedlichen Wegen und sorgte für die Herausbildung einer dritten sozialen Schicht, dem Handels- und Kaufmannsstand.32 Daher bildet sich in der staatlichen Etablierung der attischen Demokratie jenes Arbeitsverständnis aus, das heute als das verbindliche der klassischen, demokratischen griechischen Gesellschaftsstruktur gilt. Es orientiert sich an der eingeführten Differenz des Arbeitsvollzugs zwischen ponos, der mühseligen, zwangsnotwendigen, kontinuierlich fortzusetzenden Arbeit, und ergon, der ebenso zwangsnotwendigen Arbeit mit Produktcharakter, der ebenso das künstlerische Tun als eine technè, eine Kunstfertigkeit, zugeordnet wird. Auf Basis dieser Unterscheidung, die in der feudalen Gesellschaftsordnung prägend war, drückt sich auch die allmähliche Verschiebung 32

Vgl. Conze (1972), S. 157 f. 37

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des Maßstabs der Unterscheidung ± und des Arbeitsverständnisses aus. Die zivilisatorische Urbanisierung veranlasst differenziertere Formen der Bedürfnisbefriedigung: sozial strukturierte Arbeitsteilung33: Die freie Praxis, die zur Aufrechterhaltung der Polis als Wert an sich diente XQGHLQ VR]LDOHV Ä+HUUVFKDIWVZLVVHQ³34 verlangte, war höher geschätzt und denjenigen vorbehalten, die nicht zu arbeiten brauchten. Entsprechend beginnen handlungstheoretische Bestimmungen bei der Bewertung von Tätigkeiten eine Rolle zu spielen, die den Fokus von der Methode der Tätigkeit auf die Struktur ihrer Bedeutung wechseln und zur aristotelischen Differenzierung des teleologischen Konzepts von poiesis und praxis führen, in dem zivilisatorische und soziokulturelle Maßstäbe relevant werden: Zweck und Sinn divergieren. Nun ist die Frage, ob die Tätigkeit oder ihr Ergebnis wiederum einem Zweck dient oder sich selbst Zweck genug ist. Die Klassifizierung beruht nicht mehr darauf, welchem Zweck die Arbeit dient, sondern ob die Verpflichtung zu einer Arbeit Raum und Zeit für selbstreferentielle Tätigkeit, Beteiligung am politischen Leben und Beschäftigung mit zweckfreien Dingen zulässt; ob sie ein selbstbestimmtes und ± in heutigem Vokabular gesprochen ± die Subjektautonomie belegendes Tun, sinnhaft und damit als würdige Tätigkeit anerkennenswert ist. Danach wird Arbeit als ponos oder ergon für notwendig, aber als Mittel zum Zweck: poiesis angesehen, da sie gerade das Gegenteil eines Lebens in freier Tätigkeit: praxis zum Ausdruck bringt35, die der Pflege des öffentlichen politischen Lebens dient, das als Quelle des Glücks gilt, eudaimonìa, und damit Sinn in sich selbst trägt.36 An der Einführung eines Maßstabes, der nicht mehr die Art der Arbeit, sondern ihren Wert nach Sinnkriterien misst, lässt sich ein verändertes Götterbild der Griechen ablesen, das hier von Interesse ist, weil damit ein verändertes Selbstbild und folglich Gesellschaftsverständnis und eine veränderte ± reflexiv und begrifflich werdende ± Form der Ursachenerklärung einhergeht: Die Erklärung hat Abschied von der mythischen Erzählung genommen, die eine harmonische göttliche Beschütztheit des homerischen Menschen darstellte, in der die Subjektivität noch kein Innen und kein Außen, sondern nur Totalität und Aufgehobenheit unter dem Götterhimmel37 hatte. Sie findet mit der Tragödie zu einem 33 34 35 36 37

38

Vgl. Platon: Politeia, z. B. 369b 1 ff. Conze (1972), S. 156. Vgl. Aristoteles: Politik, 1254a 5 ff; Nikomachische Ethik, 1094a 1-18. Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1177b 3. Zur Darstellung der Entwicklung von Subjektivität in der Literatur siehe exemplarisch Georg Lukács: Die Theorie des Romans, Hamburg 1994 [1920], insbesondere S. 21-46 [9-44].

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reflexiven Diskurs, der die Unentrinnbarkeit des menschlichen Schicksals und die göttliche Einschränkung menschlicher Freiheit thematisiert und ein erstes Licht auf das wirft, was später der Begriff des Subjekts IDVVHQ VROO Ä'LHVH XQ]HUUHL‰EDUH *HEXQGHQKHLW DQ GDV Dasein und das Sosein der Wirklichkeit, die entscheidende Grenze zwischen Epik und Dramatik, ist eine notwendige Folge des Gegenstandes der Epik: des Lebens. Während der Begriff des Wesens schon durch sein einfaches Setzen zur Transzendenz führt, [...], schließt der Begriff des Lebens eine solche Gegenständlichkeit der aufgefangenen und geronnenen Transzendenz aus. [...] Der Charakter, den das Drama schafft ± dies ist nur ein anderer Ausdruck für dasselbe Verhältnis ±, ist das intelligible Ich des Menschen, der der Epik das empirische Ich.³38 Die griechische Tragödie benennt das Leiden des Menschen am Riss zwischen göttlicher und menschlicher Welt exemplarisch und gattungsspezifisch, hält aber noch an der Einheit mit der Götterwelt fest; sie endet mit der menschlichen Einsicht in die gattungsverhaftete Schuld als Einsicht in die Notwendigkeit und Gerechtigkeit des noch unbegreiflichen und begriffslosen Fatums. So ist Antigones Selbstmord als Ausdruck dieses Risses verständlich: Moral, Gesellschaftsordnung und Göttlichkeit sind noch eins, aber der Konflikt entsteht. Tragik und Tod der Gottesdienerin Antigone resultieren aus dem wachsenden Widerspruch zwischen der göttlichen Geltung des Totenrechts und dem menschlichen Recht Kreons, das die Bestattung des Leichnams des Polyneikes verbietet. Während Laokoon in der früheren Sophokleischen Tragödie noch sterben musste, weil er gefrevelt hatte, erfährt Kreon den Frevel des menschlichen Machtanspruchs im Leid des Weiterlebens und in der Bestrafung durch den an Antigones anschließenden Freitod seines Sohnes Haimon. Dass gleichwohl die Tragödie nach Antigone benannt ist, manifestiert die Legitimation der Moralität und des Sittenrechts durch die *|WWHU Ä>6@ROFKHU $XVJDQJ LVW GDV JHPHLQH /RV VWHUEOLFKHU 0Hnschen und der Gang der Gerechtigkeit gegen das Endliche. Dass das Individuum zufälliges Unglück hat, stirbt, ist in der Ordnung.³39 ± Das Unglück fällt dem Menschen zu, weil der Wille göttlich ist. Mit dem Konflikt zwischen göttlicher und menschlicher Rechtgeltung deutet sich die Entfaltung der bipolaren Subjekt- und Objektreflexion an, die die Tragödie noch verbildlicht und nicht in Begriffe fasst. Erst die Reaktion auf die Tragödie als Reflexion, die Philosophie, trennt den Analogismus des Anthropomorphismus durch den analytischen Begriff und wandelt damit den Menschen als Abbild (My38 39

Lukács (1994), S. 38 [Kursivierung von mir, SK]. Hegel (1986 b), S. 131. 39

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thos/Epos) oder Spielball (Tragödie) der Götter endgültig zum Subjekt als Emanzipationsfigur. Wo nicht mehr die Götter als Sinninstitution und Sinnintuition fungieren, wird die Freiheit zum Gegenstand des Differenzproblems, wie Sinn realisierbar ist. Aus der Totalität der Welt wird eine logische Zweiheit, die in die Gestaltung der Gesellschaft durch Subjekte wirkt, die nun beständig an der Wiederherstellung der Einheit arbeiten, die die Götter und der Anthropomorphismus vormals und unmittelbar gegeben hatten. Die Voraussetzungslosigkeit muss durch die Philosophie und die Vermittlung durch beständige Arbeit geleistet werden. Weil nun nichts mehr die göttliche Stellung des unhinterfragbaren letzten Prinzips einnehmen kann, das durch Begründung eine dem Göttlichen gleiche VorEHKDOWORVLJNHLW JHZLQQHQ N|QQWH ÄEHVWHKW VLH DXFK nicht einfach, sondern muss im Vollzug des Denkens immer wieder neu gewonnen und erwiesen werden. Sie erweist sich in der immer wieder neu unternommenen vorbehaltlosen Reflexion.³40 Gegen diese analytische Zerstörung der Einheit durch Aristoteles HUKHEW 1LHW]VFKH (LQZDQG XQG IKUW JHJHQ VLH DQ GDVV RKQHKLQ ÄDOOH Weltconstruktionen Anthropomorphismen sind³ XQG DXFK ÄGHU 3KLOosoph [ ] die Fortsetzung des Triebes [ist], mit dem wir fortwährend, durch anthropomorphische Illusionen, mit der Natur verkehren.³41 Die Philosophie, die mit Aristoteles zum analytischen Begriff gefunden hat, DUEHLWHWVLFKGDUDQDEÄHLQHQ6FKDGHQ>]XEHKHEHQ@GHQVLHselbst angerichtet hat³42, nur segelt sie nun unter der Flagge der Differenz. Sie setzt mit dem Streben des Subjekts nach dem objektiven logos eine Unterscheidung zwischen dem bildlichen Leben des homerischen und dem analytischen des philosophischen Menschen und findet eine Begrifflichkeit, um mittels eines Instruments begreifen zu können, was denn diese Einheit sei, die der Begriff trennt. Es wirft ein klärendes Licht auf die damit angedeutete doppelte Metaphorizität der Arbeit: An der Einheit muss gearbeitet werden, indem sie immer wieder neu hergestellt und sich ihrer immer neu vergewissert werden muss, weil ein Rekurs auf die Unmittelbarkeit menschlicher Existenzgrundlage transzendent und lebensweltlich nicht mehr möglich ist. Arbeit wird, je unvermittelter dem Subjekt seine Existenz vorkommt, desto mehr zur elementaren Tätigkeitsform des menschlichen Daseins, weil sie die Mühe der Vermittlung bewältigt. Sie ist keine 40 41

42 40

Figal (2007), S. 676. Friedrich Nietzsche: Der Philosoph. Betrachtungen über den Kampf von Kunst und Erkenntniss, in: Zwischen Wissenschaft und Kunst. Vorarbeiten und Notizen zu: Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, Kritische Studienausgabe Bd. 7, S. 459, 463. Blumenberg (2002), S. 333.

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gottesunterwürfige und sinnhafte Tätigkeit mehr, nur noch Ausdruck der Naturabhängigkeit des Menschen, und wird als bloßes Zweckinstrument gewissermaßen zur Negativfolie des Sinndiskurses, der nun begrifflich, philosophisch, reflexiv geführt wird und beide Enden der Existenzbedingung in einen Zusammenhang bringen muss, indem er sie beständig voneinander trennt. Diese Trennung schafft durch den Begriff eine unterschiedene Einheit, eine Ganzheit, die deshalb aus Gegensätzen besteht, weil sie die Vielgestaltigkeit des Einen begreifen. Zweck und Sinn sind deshalb keine Widersprüche, sondern Gegensätze, weil sie sich gegenseitig begründen; ihre Unterscheidung ist sinnvoll, weil sie eine einheitliche Begreifbarkeit möglich macht und die Legitimität des logos immer neu begründet. Seine Voraussetzungslosigkeit ist nur durch die immer wieder neue Notwendigkeit der Begründung gerechtfertigt, die ± wenn sie schon keine identische Einheit mehr herstellen kann ± die Ordnung der Vielheit möglich macht. Die logisch differenzierende Kraft wird zum teleologischen Strukturgeber der handelnden Ordnung, der zweckhafte und sinnhafte Tätigkeiten voneinander unterscheidet. Diese Zweckorientierung wird zu jenem Maßstab, der sich in der Gesellschaftsstruktur der athenischen Polis konkretisiert. Die Gesellschaft der griechischen Polis zeigt sich am Punkt einer Zivilisationsentwicklung, an dem Tätigkeiten nicht mehr aufgrund der Mühsal, die zur Kultivierung der Gemeinschaft aufzunehmen vonnöten ist, Anerkennung finden ± im Gegenteil: Nicht die vergängliche Bearbeitung zum Zwecke der Lebensgrundlegung, sondern zweckfreie und darin sinnhafte Tätigkeit hat beständigen Wert. Das zwangunabhängige tätige Dasein wird zum politischen Ideal, auch wenn Arbeit als poiesis (ob ponos oder ergon) als notwendig anerkannt ist. Aber alle Arbeit, auch Handel oder handwerkliches Tun (technè) ist hinderlich für eine politische, dem öffentlichen Wohl gewidmete Lebensführung; Zugang zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit öffnet sich über die Unabhängigkeit davon, natürlichen und nicht selbst gewählten Zwängen oder Verpflichtungen nachgehen zu müssen. Die Polis ist durch die Zuordnung schichtspezifischer Tätigkeiten also insofern frei von Arbeit als ponos, als die Aufgaben nicht innerhalb ihrer Öffentlichkeit, sondern im privaten oikos vonstatten gingen, von den dort Tätigen verrichtet wurde und nicht die politische Gesellschaft berührten. Der Widerspruch bleibt Gegensatz, spiegelt sich in der Gesellschaftsordnung und wird erst paradox, wenn sich diese Gesellschaftsordnung der Frage nach der Legitimität stellt. Aus der Möglichkeit zur Emanzipation von Naturzwängen wird die andere Seite der Arbeit, die praxis, zum eigentlichen Tätigkeitsideal und zum Initiator eines Widerspruchs, der jedoch auch nicht einer teleologi41

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

schen Integration eines zweckfreien Zwecks und damit einer Paradoxie unterworfen wird: Sinnhaftes Tun bleibt, da die Geltungsbereiche voneinander getrennt sind, unwidersprüchlich praktisch möglich, weil dieses Handeln die Zweckfreiheit performiert und sich das Subjekt in der politischen Gesellschaft verwirklicht, während die Arbeit als ihr Gegensatz zugleich freies und sinnhaftes Handeln ermöglicht.

Arbeit und Immanenz Die Ähnlichkeit zu aktuellen Strukturierungsproblemen gesellschaftlicher Tätigkeiten zeigt sich in umgekehrter Weise: Zweckorientierung und Sinnstiftung, Funktion und Bedeutung von Tätigkeit sind in der griechischen Antike zwar die Pole einer Konzeption und Bewertung von Arbeit; nur wird mögliche methodische und soziale Widersprüchlichkeit heute nicht durch methodische und soziale Trennung der Tätigkeiten ausgeschlossen und nicht mehr außerhalb des Rahmens praxeologischer Bedeutung verhandelt, sondern mit dem Diktat der Nützlichkeit vereint, die Widersprüchlichkeit immanent internalisiert und der Arbeit somit praktischer Sinnstiftungscharakter zugesprochen. Während in der griechischen zweckfreien Betätigung inhärent ein Sinn liegt, zu dem Arbeit nur als Dienerin des Handelns beitragen kann, ist Arbeit nun die sozialisierende Tätigkeit, der Stiftungspotential zugesprochen wird. Arbeit leistet die Sinnproduktion. Indem Sinn in den Zweck internalisiert und die Struktur von innen konstruiert wird, wird auch der Widerspruch internalisiert und funktionalisiert. Er wird zum Strukturgeber der gesellschaftlichen Funktion und der begrifflichen Konzeption von Arbeit, weil damit auch die ehemals göttliche Instanz der TranszendenzHEHQHLQWHUQDOLVLHUWZLUGÄ*RWWHV7UDQV]HQGHQ]LVWJHIDOOHQAber er ist nicht tot, er ist ins Menschenschicksal einbezogen. [...] Darin liegt das historisch Unerhörte des Kapitalismus, daß Religion nicht mehr Reform GHV6HLQVVRQGHUQGHVVHQ=HUWUPPHUXQJLVW³43 Wenn die einflussreiche Theoriestudie Boltanskis und Chiapellos Ä'HUQHXH*HLVWGHV.DSiWDOLVPXV³QLFKWQXUDOV5HNXUVDXI0:HEHU sondern auch auf Benjamin verstanden wird, lässt sich Arbeit nicht nur als Kompensationsinstrument für die Transzendenzlosigkeit interpretieren. Danach ist die strukturgebende Systematik des Kapitalismus nicht PHKUÄHLQH5HOiJLRQDXVEOR‰HP.XOWRKQH'RJPD³44, sondern hat sich ]XHLQHPÃQHuen Geist¶profanisiert, der alles, was er internalisieren, umgekehrt auch ausschließen kann. Die Freiheit, die die Griechen im

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Walter Benjamin: Kapitalismus als Religion, in: Baecker (2003a), S. 16. Ebd., S. 17.

KLEINE BEGRIFFSMYTHOLOGIE

zweckfreien Handeln als Streben nach göttlicher Ähnlichkeit empfanden, hätte sich nach innen gewendet und produzierte damit Mechanismen nicht mehr nur des sozialen, sondern auch des individuell lebensweltlichen Ein- und Ausschlusses. Mit Arendts Diagnose, dass wir uns nur auf die Arbeit konzentrierten, weil dies die einzige Tätigkeit sei, auf die wir uns noch verstünden, liegt die diskrepante Dichotomie zwischen Sinn und Zweck offen. Ein Arbeitsbegriff, der gegen diese Verflechtung konzipiert wäre, reduzierte sich auf die basale ökonomische Bedeutung von Arbeit ± wie Arendt ihn auch entwirft. Sie kann aber der Faktizität des Einflusses der Arbeit auf das gesamte individuelle wie soziale Leben auch nicht durch ihren Ermöglichungscharakter gerecht werden. Arendt entwickelt ihren Arbeitsbegriff gegen die Tendenz der Sinnimmanenz; noch auf der Grundlage der widersprüchlichen Struktur von Zweck und Sinn in der Arbeit und der Einschätzung, dass ein zur Arbeit verpflichteter, resp. gezwungener Mensch keine Möglichkeit habe, sich an den sozialen und politischen Geschicken der Gesellschaft zu beteiligen und darin frei zu handeln, rekurriert sie auf die griechische Tätigkeitsstrukturierung. Anhand der aristotelischen Unterscheidung entwirft $UHQGWHLQHÃ+LHUDUFKLHµder Tätigkeiten, deren Ordnung sich nach dem Umfang der Verwertungsproduktion richtet, d. h. je danach, wie sehr sich an der Tätigkeit ein (dem Emanzipationsmaßstab der kritischen Philosophie Kants) entsprechender Grad der Verwirklichung oder des bewussten Lebens menschlicher Freiheit ablesen lässt. Weniger aber, um Arbeit ab-, als die Relevanz von politischer Beteiligung und freies Handeln im Sinne einer praxis für die Bedeutung der Gesellschaft und die Stellung des Subjekts aufzuwerten. Denn diese sei die wesentliche menschliche Tätigkeit, in der Menschen sinn- und nicht zweckorientiert handelten und darin ihre subjektive Freiheit bewiesen, die soziales Handeln auch im moralischen Sinne erst möglich macht.45 Deshalb parallelisiert Arendt Handeln und Wollen als theoretisch und praktisch die menschliche Freiheit zur Wirklichkeit bringende Fähigkeiten. Denken und Arbeiten stellen zwar den Möglichkeitsraum der Freiheit, in dem Wollen und Handeln stattfinden können, zur Verfügung, sind darin aber der beständigen Repetition unterworfen, weil ihre Resultate unbeständig und vom Verzehr des Lebens geprägt sind.46 Zugunsten eines auf diese Weise stabilen politischen Subjekts wird eine reziproke Wirkung verschiedener Gesellschaftsbereiche behauptet;

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Vgl. Arendt (1967); dies.: Vom Leben des Geistes, München 1998. Vgl. dies.: Denken, Arbeiten, Leben, in: Denken ohne Geländer. Texte und Briefe, München, 2006, S. 35. 43

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

die eigentliche Sphäre des freiheitlichen Handelns beginnt in Arendts neukantianisch-marxistischen Verständnis dort, wo Arbeit die freiheitlichen Kompetenzen des Subjekts nicht mehr beeinträchtigt, wo die Zweckhaftigkeit der Autonomie des Subjekts Raum lässt. Das Soziale erhält aber eine diskrepante Doppelbedeutung, wo es um die Untrennbarkeit individueller Emanzipation in der sozialen Sphäre zum Beispiel bei der Berücksichtigung von Arbeitsbedingungen und Interessen der Arbeiter geht, denen die Sphäre des Sinns und des freien Handelns durch Beschränkung (bzw. Befreiung) von Arbeit offen sein soll.47 Denn im Sozialen ist die von Arendt angestrebte Trennung zwischen privater Sorge für das eigene Leben durch Arbeit und öffentlicher Sorge um die politische Freiheit des Subjekts vermischt, gerade weil diese Tätigkeitsfunktionen in einer egalitären Gesellschaft nicht sozial zugeordnet werden können. Eine Übertragung der Hierarchie der Tätigkeiten auf die individuelle Gestaltung des Lebens scheint nur durch die Verflechtung der Funktionen möglich zu sein. Ein dieser Diskrepanz entsprechender Arbeitsbegriff in nichtaristotelischer Normativität muss Bedeutungs- und Funktionsweisen differenzieren, also über die sozialen Grundlagen und Normen von Arbeit Auskunft geben können, ohne sich der Widersprüchlichkeit durch Bedeutungsbeschränkung zu entziehen. Indem sich Arbeitsweisen immer vielfältiger und kleinteiliger funktionalisieren, gehen damit Homogenisierungstendenzen ihrer Sozialtechnik einher. Sie führen zu transformierten Interdependenzen im Sozialgefüge, indem ihre Wirkmechanismen auf andere Lebensbereiche übertragen werden. Im Arbeitsverhältnis drücken sich die wechselnde Verschiebung der Möglichkeitsfunktionen und der damit implizierten Machtverhältnisse aus und machen Arbeit zum Instrument des Subjektverständnisses. 0LW (OLDV OlVVW VLFK GDYRQ VSUHFKHQ GDVV ÄMH GLFKWHU GDV ,QWHUGependenzgeflecht wird, in das der Einzelne mit der fortschreitenden Funktionsteilung versponnen ist, [jeder Einzelne] [...] desto stärker dazu gedrängt wird, die Wirkung seiner Handlungen oder die Wirkung der Handlungen von Anderen über eine ganze Reihe von Kettengliedern hinweg zu bedenken³48. Die Beziehungen, Bezugnahmen, Relationen werden reflexiv und bedingen die eigene soziale Position. Wenn nun im Folgenden die Funktionen von Arbeit untersucht werden, bildet diese Interdependenz den Strukturrahmen von Arbeit und ihren Zwecken und dem Arbeitssubjekt und seinem Sinn.

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Vgl. Kurt Röttgers: Kategorien der Sozialphilosophie, Magdeburg 2002. Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation 1, Frankfurt/M., 1997, S. 332 f.

KLEINE BEGRIFFSMYTHOLOGIE

Vorgehen In diesem ersten Kapitel wird ± unter der Annahme der Verschiebung von Funktion und Bedeutung des Sinnparadigmas gegenüber dem Zweckparadigma der Arbeit ± geklärt, welche Verständnisweisen des Subjekts zu unterscheiden sind, wie das Verhältnis des Subjekts zu Arbeit in einem sozialphilosophischen Verständnis bestimmbar ist und wie sich dieses Verhältnis in der Arbeit selbst äußert, um das Phänomen der Ã6XEMHNWLYLHUXQJµ von Arbeit begrifflich und in seiner transformativen Kraft verstehen zu können. Ausgehend vom dichotomischen Komplex von Arbeit werden ± ausgehend vom Hegelschen und Marxschen Arbeitsbegriff ± elementare subjektive, individuelle, personale und soziale Funktionsbezüge von Arbeit aufgezeigt, die auch um das Paradigma der Anerkennung von Individuum und Person kreisen. Aus dem Bezug des Subjekts zu den Gegenständen seiner Arbeit wird eine subjektkonstitutive Funktion von Arbeit abgeleitet: Arbeit ist gerade deshalb für das einzelne Subjekt bedeutsam, weil es einen Bezug zu Anderen gewährleistet, der nur in pluralen, interpersonalen, sozialen Kontexten realisiert werden kann. Der Einzelne stellt soziale und das heißt auch ökonomische Forderungen an die Arbeit, weil die Bedürfnisse und Interessen des Subjekts von ihrer Organisation abhängig sind. Darin zeigen sich die Notwendigkeit der ökonomischen Organisation von Arbeit und die Rolle, die Arbeit im Sozialisationsprozess besonders im Hinblick auf die Transformation ihrer sozialen Bedingungen spielt. Dies bedingt Lösungsvorschläge zur integralen Einordnung oder externen Zuordnung normativer Aspekte von Arbeitsorganisation: inwieweit sind humane und emanzipatorische Strukturen und Relationen in Arbeit begründet; hat eine bestimmte Verfassung von Arbeit eine innere normative Berechtigung; oder können normative Aspekte dem Arbeitsbegriff nur kasuell zugeordnet werden. Hier wird sinnvoll, die Dichotomie der Zweck- und Sinnorientierung von Arbeit zur Paradoxie zu erweitern.

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FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Die Bedeutung des Subjekts In der Darstellung ökonomischer Kategorien liegt der Erweis der gesellschaftlichen Verhältnisse; aber im Nachweis der Differenz einer Arbeit, an deren Ende ein Produkt steht, und einer Arbeit, die selbst Produkt ist, liegt die Begründung unterschiedlicher Funktionen von Arbeit, die das Subjekt ökonomisch handeln lassen. Mit anderen Worten: Die Forderungen, die das Individuum an Arbeit stellt, betreffen die subjektiven Bedingungen von Arbeit, um überhaupt in ökonomische Zusammenhänge von Arbeit eingeordnet werden zu können. Arbeit stellt dann die Schnittstelle zwischen den Möglichkeitsbedingungen und den Umsetzungsmöglichkeiten des Subjekts dar. Deshalb müsste auch ein auf Zweckrationalität reduzierter Arbeitsbegriff auf die Darstellung von Wirkweisen und Ursachen zurückgreifen, die seine argumentatorischen Möglichkeiten überschritte. So geraten das Subjekt und das Subjektverständnis in den Blick, weil die Arbeitsfunktionen mit emanzipatorischen sozialen und individuellen Strukturen und Relationen YRQ$UEHLWYHUEXQGHQVLQG'DÄPDQ>@VLHQXUYHUVWHKHQ>Nann] im Zusammenhang mit der Struktur der Beziehungen zwischen den Menschen und mit der Verflechtungsordnung, in der diese, die gesellschaftlichen Strukturen, sich wandeln³49, wird relevant, welche konstitutiven Dynamiken von Arbeit und ihrer Organisation die soziale Struktur prägen und entsprechende individuelle Freiheits- oder Zwangsräume zulassen oder bilden. Denn wenn die Zwecke von Arbeit in eigene Sinnkontexte internalisiert werden, ist mit dieser ErmögliFKXQJ YRQ Ã6HOEVWYHUZLUNOLFKXQJµ auch eine Grundlage für eine TransIRUPDWLRQ YRQ Ä)UHPG]Zlngen³ in Ä6HOEVW]ZlQJH³ JHOHJW GLH MHQH JHJHQVHLWLJH $EKlQJLJNHLW Ä,QWHUGeSHQGHQ]³ XQGGLHZDFKVHQGH=XQDKPHVR]LDOHU)XQNWLRQDOLVLHUXQJXQG Strukturierung des Subjekts provoziert.

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Zur sozialen Verflechtung von Fremdzwängen und Selbstzwängen in sich weiter differenzierenden Gesellschaften siehe Elias (1997), S. 351 ff., hier S. 402. Die Ähnlichkeit der relational-reziproken Beschreibung sozialer und soziokultureller Transformationen bei Elias und den systemtheoretischen Ansätzen ist stellenweise stupend, auch wenn natürlich die Begründungen divergieren; während sich die Systemtheorie auf die Plausibilisierung ihrer Beschreibung der Bezüge beschränkt, hebt Elias auf ihre Begründungen in individuellen und kollektiven Interessen ab, aus denen sich wachsende Interdependenzen und komplexer werdende soziale Relationen und Relationierungen ergeben.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

Subjekt und Subjektivierung ± eine Annäherung Diese Veränderungen und Verschiebungen der Interdependenzen, die soziale Funktionen und Relationen von Arbeit betreffen, werden in sozialwissenschaftlichen Diskursen mit einer passivischen Konnotation Ä6XEMHNWLYLHUXQJ³50 genannt. Sie bezeichnet neben einer sozialen eine terminologische Reflexivität und hybridisiert unterschiedliche Verständnisweisen des Subjektbegriffs. Es bedarf also gerade im Hinblick auf Subjektivierungsphänomene einer annähernden terminologischen Klärung, weil sie das Verhältnis von Subjekt und Arbeit betreffen und entsprechend der Interpretationsvielfalt von Subjektivität bis SubjektivisPXV GHU %HJULII ]X HLQHU )RUP GHU Ä,GHQWLWlWVYHUZHFKslung³51 führen kann, die die Absichten und Verhältnissetzung der Kritik konterkarierte. 'HU SKLORVRSKLVFKH Ã6XEMHNWLYLVPXVµ ist die Lehre der cartesianischen Bewusstseinstheorie, dass alles Erkennbare Inhalt, Form oder Schöpfung des Bewusstseins sei. Kants Transzendentalphilosophie definiert der Begriff des Subjektivismus kritisch. Die Kritik52 der reinen Vernunft formuliert und begründet die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit des Menschen, weil eine Überprüfung der Wahrheit unserer Erkenntnis mit anderen als den uns zur Verfügung stehenden Maßstäben nicht möglich ist. Da jegliche empirische Erkenntnis auf die Rezeptions- und Reflexionsfähigkeiten des Subjekts angewiesen und darauf beschränkt ist, ist absolute Erkenntnis nicht möglich. Die subjektive Erkenntnis von Objekten ist aber verlässlich, weil wir in der Lage sind, gültige Maßstäbe der Gegenstandserkenntnis und gültige Urteile zu bilden, die Er50

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Vgl. Ramón Reichert: Das persönliche Verhältnis zur Arbeit. Zum Subjektbegriff im ÃPostfordismusµ, in: Ulrich Bröckling, Eva Horn (Hg.): Anthropologie der Arbeit, Tübingen 2002; Moldaschl, Voss (2003); Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M. 2007. Grundlegend für diese Diskurse ist die Diskussion des Subjekts durch Michel Foucault: Analytik der Macht, Frankfurt/M. 2005. An einer Diskussion des Subjektbegriffs bei Foucault, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann, ließe sich zeigen, woher die Möglichkeit einer missverständlichen oder zumindest mehrdeutigen Begrifflichkeit der Subjektivierung stammt. Agnes Heller: Der Tod des Subjekts, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 41 (1993) 4, S. 623. Dass z. B. Bourdieu den Kritikbegriff wesentlich umkodiert und vom Kantischen Verständnis der Selbst-, also Subjektbegrenzung in das Verständnis der objektgerichteten Beurteilung wendet, gibt noch einmal Aufschluss über die Unterschiede des philosophischen und sozialwissenschaftlichen Subjektverständnisses. Zum Kritikverständnis bei Bourdieu siehe insb. ders.: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M. 1987 (1987a), S. 57 ff., S. 79 ff., und: ders.: Meditationen. Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt/M. 2001, S. 65 ff. 47

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

kenntnis gewährleisten. Wir können ihr dadurch allgemeine Geltung und einen Maßstab zur Beurteilung seiner Erkenntnis zuschreiben. Sozialwissenschaftliche Diskurse verwenden den Begriff der Subjektivität und des Subjekts in Hinsicht auf die Phänomene der Subjektivierung in der Art, die der erkenntnistheoretischen Verwendung nicht IHUQ OLHJW GHQQRFK HLQJHVFKUlQNW ]XU Ã,GHQWLWlWVYHUZHFKVOXQJµ führen und fast als Ergebnis der soziologischen Emanzipation von der Philosophie gelesen werden kann. Subjektivität bezeichnet hier die soziale BeGLQJWKHLW GHV ,QGLYLGXXPV ÄGLH VR]LDOHQ 5DKPXQJHQ YRQ 'HQN- und Handlungsmöglichkeiten³53, die dem Individuum in gesellschaftlichen Bestimmungen zur Verfügung stehen. Das ist nur insofern als deterministische Position zu verstehen, als das soziologische Subjekt von vornherein als sozialer Akteur gedacht wird. Insofern ist das soziale Subjekt LPPHU DXFK Ä9HUWUHWHU HLQHU VR]LDOHQ .DWHJRULH³54. Es ist die verallgemeinernde Bezeichnung des nicht von der konkret einzelnen Person abstrahierenden sozialen Individuums, das als Subjekt alle individuellen und personalen Eigenschaften, die es im gesellschaftlichen Rahmen prägen, vereint; es handelt als soziales sinnhaft und vertritt darin seinen subjektiven Standpunkt.55 'LHVHV Ã6XEMHNWµ ist gleichbedeutend mit BeJULIIVELOGXQJHQZLHÃVR]LDOHV,QGividuumµ. Wenn im philosophischen Subjekt die subjektive Gattungsspezifik resp. die abstrakte Allgemeinheit menschlicher Charakteristik definiert ist, wird damit zum Ausdruck gebracht, sich als Wesen unter anderen zu verstehen. Interindividuelle Bezugnahme ist in terminis des philosophischen Subjekts qua Subjektstatus möglich, weil alle zueinander in Beziehung tretenden Subjekte miteinander identisch und aufeinander angewiesen sind; über soziale Determination ist noch keine Aussage getroffen. Das Subjektsein ist die Bedingung der Möglichkeit von Begegnung, Bezugnahme und sozialer Interaktion; der Subjektstatus charakterisiert nicht den empirischen Zustand, sondern seine Gattungsspezifik. Das soziologische Subjekt dagegen ist konkret, Initiator und Rezipient sozialer Bezugnahmen. Der soziologische Begriff der Subjektivität 53 54 55

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Frank Kleemann et. al.: Subjektivierung von Arbeit ± ein Überblick zum Stand der Diskussion, in: Moldaschl, Voss (2003), S. 60. Pierre Bourdieu, Loïc Wacquant: Reflexive Anthropologie, Frankfurt/M. 1996, S. 238. Vgl. Weber (1976), S. 1, 6R]LRORJLVFKH *UXQGEHJULIIH ÄÃSinnµ ist hier entweder a) der tatsächlich a. in einem historisch gegebenen Fall von einem Handelnden oder b. durchschnittlich und annähernd in einer gegebenen Masse von Fällen von den Handelnden oder b) in einem begrifflich konstruierten r e i n e n Typus von dem oder den als Typus g e d a c h t e n Handelnden subjektiv g e m e i n t e Sinn. Nicht etwa irgendein objekWLYÃrichtigerµ RGHUHLQPHWDSK\VLVFKÃZDKUHUµ Sinn.³

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

trägt die Bezugnahme zu einer anderen Person schon immer mit und weist dabei eine höhere Sensibilität gegenüber subjektiv wie objektiv beeinträchtigenden Bedingtheiten des Subjekts aus. In terminis des soziologischen Subjekts ist Bezugnahme qua dessen sozialen Status notwendig, es ist sozial. Es gibt keine nicht-empirische, keine nicht-soziale Konzeption des soziologischen Subjekts. Insofern geht es beim Subjekt der Soziologie um die Objektivierung des subjektiven und objektiven Subjekts56, weil es um die Benennung der Relationsbedingungen eines sozialen Individuums geht. Es muss also zwiVFKHQ HLQHP KHUPHQHXWLVFKHQ ÄGDV %HGHXWXQJ NRQVWLWXLHUHQGH Subjekt³57) und einem Erkenntnissubjekt, zwischen dem gattungsspezifischen Subjekt und einem singulären empirischen Subjekt unterschieden werden. Hinsichtlich des empirischen Subjekts wäre also von Subjektivierung, der Aktivierung von Prozessen, die das Subjekt des sozialen Handelns erst zum Subjekt des sozialen Handelns ± und damit zum Objekt einer möglichen Untersuchung ± machten, zu sprechen eigentlich überflüssig, da es von vornherein sozial-relational konzipiert ist. 1lKPH PDQ GHQ ÃDQWKURSologisch-philosophischen Gestusµ58 ernst, der bei Subjektivierungsphänomenen häufig der Rechtfertigung dient, würde Subjektivierung nur einen Prozess der Bewusstwerdung bezeichQHQ:HQQÃVXEMHNWLYLHrtµwürde, wäre nur ausgedrückt, dass es sich als Gattungswesen hinterfragt. Als Individuum betrachtete es sich in dem Moment in seiner empirischen Einzigartigkeit; oder es reflektierte sich als Person, prüfte in seinen sozialen Relationen und bestimmte seine persönliche und relationale soziale Position. Dabei könnte es seine Selbsthinterfragung mit der Reflexion verknüpfen, die Kant mit der )RUPXOLHUXQJ Ã,FK H[LVWLHUH GHQNHQGµ bünGHOW ÄPLW GHU HU QLFKW ]XOHW]W die unhintergehbare Verschränkung von Existenz und Denken im personalen Leben von Personen erkenntnistheoretisch konturiert³59. %HL3KlQRPHQHQGLHGLH%H]HLFKQXQJGHUÃ6XEMHNWLYLHUXQJµverdienen, geht es um eine Behauptung, die die philosophische und die sozio56

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Bourdieus Rede von der Objektivierung des objektivierenden Subjekts bezeichnet die (Selbst-)Positionierung des Soziologen bei seiner Arbeit, die er, da er für die Arbeit das Subjekt zum Objekt seiner Untersuchung machen muss, damit legitimiert, dass er, selbst soziales Subjekt, sich damit wiederum selbst zum Objekt macht. Das zirkuläre Problem besteht allerdings darin, dass jede Selbstobjektivierung subjektiv bleibt. Vgl. Bourdieu, Wacquant (1996), S. 238 resp. Bourdieu (1987a), S. 65 ff. Heller (1993), S. 623. Vgl. Kleemann et al. (2003), S. 59. Dieter Sturma: Selbstreferenz, Zeit und Identität. Grundzüge einer naturalistischen Theorie personaler Identität, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 56 (2008) 4, S. 576. 49

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

ORJLVFKH %HGHXWXQJ YRQ Ã6XEMHNWµ konterkariert. Indem die Verantwortungsdelegation auf einen Einzelnen mit der Vergrößerung seines subjektiven Freiheitsraums begründet wird, wird dieser Vorgang universalistisch überhöht und mit gattungsspezifischer Bedeutung aufgeladen. Ä'DEHL ZHUGHQ LQ GLHVHP 9erständnis oft mit anthropologischphilosophischem Gestus die konstitutiven Leistungen des Einzelnen betont, im Gegenzug bleibt jedoch die gesellschaftlich historische Bedingtheit des subjektiven Handelns unterbelichtet.³60 'LH ÃPLW SKLORVRSKLVFK-anthropologischem Gestusµ aufgeladene Subjektivierung illustriert eine Zwecküberhöhung, indem Subjektfreiheit mit Eigenverantwortung, Selbstermächtigung und Autonomie identifiziert wird und das über terminologische Feinheiten hinausgehende Problem verdeckt: Die Bedingtheiten des Subjekts in der Arbeit werden als Freiheit klassifiziert. Der lakonische VerZHLVDXIGHQÃDQWKURSRORJLVFKphilosophischen Gestusµ verdeutlicht die Absicht, die mit den Folgen der Subjektivierung verbunden sind: Während es um die Handlungsmacht des Individuums einschränkende Bedingungen eines Einzelnen und seines sozialen Status geht, werden diese Prozesse mit der Möglichkeit der Befreiung des Subjekts assoziiert, obgleich sie damit ihr Gegenteil ausdrücken. So versteht die Sozialwissenschaft Vorgänge der Subjektivierung kritisch als Prozess einer Vereinzelung, die unter dem Rubrum der Selbstermächtigung und Autonomie des Subjekts die Übertragung von Verantwortungen und Pflichten an die Einzelnen und eine freizügige Beliebigkeit einer Verantwortungsdelegation beschreibt, die vormals und in sozialmarktwirtschaftlicher Tradition der Arbeitgeber oder der Staat innehatte.61 Hier geht es um die Untersuchung von Entwicklungen, die den ÄYHUEHUXIOLFKWH>Q@ 0DVVHQDUEHLWQHKPHU GHV )RUGLVPXV³62 zu seinem ei60 61

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Kleemann et al. (2003), S. 59. Einen Überblick über diese als Ãpostfordistischµ fassbare Debatte hauptsächlich wirtschaftswissenschaftlicher Prägung und die Übertragung philosophisch-anthropologischer Schlagworte auf Motivationsstrategien der Human Resources- und Management-Lehrbücher liefert Reichert (2002), insb. S. 178 ff., sowie Boltanski/Chiapello (2004) und Bröckling (2007). Letztere leisten eine kritische Analyse dieser Prozesse, ebenso wie mit deutlicherem Fokus auf Aufgaben des (Sozial-) Staats: Castel (2005), Vogel (2007). Eine negative Annäherung findet sich bei Bude: Die Ausgeschlossenen, München 2008, einen beschreibend-postulativen Zugang öffnet Franz-Xaver Kaufmann: Wohlfahrt, Arbeit und Staat unter den Bedingungen von Individualisierung und Globalisierung, St.Gallen 1998. Hans J. Pongratz, Gert-Günter Voss: Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der ÃWare Arbeitskraftµ?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 1, 1998, S. 147.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

geQHQ XQG VHOEVW YHUDQWZRUWOLFKHQ Ä$UEHLWskraftunternehmer³ machen, DXI %HQHQQXQJ GHU ÄLQGLYLGXHOOHQ ] % FKDUDNWHUOLFKHQ  (LJHQVFKDften³63 zielen. Subjektivierung meint nicht, was sie zu bedeutet vorgibt. Es wird eine widersinnige Übertragung dessen vorgenommen, was unter Subjekt und Subjektivität gefasst ist: der Status eines im kritisch-idealistischen Sinne autonomen Bewusstseins, sich selbst Begriffe geben zu können, anhand derer Welt- und Selbsterkenntnis möglich ist. Widersinnig ist ein wörtliches Verständnis von Subjektivierung somit aus zwei Gründen: Einmal, weil aus gattungsspezifischen Möglichkeiten zur freien und autonomen Entscheidung und Handlung individuelle Kompetenzen gemacht werden, die auf die Entscheidungsfreiheit verzichten sollen. Damit wird die Grundsätzlichkeit des Subjektstatusµzu Forderungen, d. h. zu Erfüllungszwängen umformuliert. Zum anderen ist es widersinnig, weil diese Bezeichnung mit der Suggestionskraft von empirischer Freiheit argumentiert, nur wird ± und das ist der folgenreiche Schritt der praktikablen Ignoranz der Begründungsebene ± Allgemeingültigkeit mit Allgemeinheit, Universalität mit Pluralität (und Universalismus mit Pluralismus), Prinzipialität mit Faktizität und (Subjekt-) Autonomie mit einer Selbstständigkeit verwechselt, die sich nicht in den Fähigkeiten und Gewissheiten moralischen Handelns ausdrückt, sondern eine ökonomische Größe darstellt. Aus dem Subjekt des Urteilens wird ein Objekt des Urteilens, ohne dass es sich selbst den Maßstab des Urteils gegeben hat. Dennoch ist sinnvoll, den Subjektivierungsbegriff im kritischsozialwissenschaftlichen Sinne zu übernehmen, weil er diese passivische Komponente impliziert: Subjektivierung ist in diesem Sinne besser als Oxymoron verständlich, das die freiheitliche Dimension in ein Determinationsverhältnis bringt und Handlungsmöglichkeiten zu ökonomischen =ZlQJH PDFKW :HU YRU GLH :DKO Ã$UEHLWVORVLJNHLW RGHU ,FK-AGµ gestellt wird, wird dem selbst schon deterministischen Prinzip der Wahlfreiheit nicht mehr viel abgewinnen64, sich aber sicher sein können, dass es bei dieser Einschränkung seiner ökonomischen Handlungsmöglichkeiten nicht zuletzt um eine Beeinträchtigung geht, die ihn nicht mehr als freiheitliches Subjekt handeln lässt.

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Kleemann et al. (2003), S. 59. 9JOGDVÄ3ULQ]LSGHV,QWUDSUHQHXUVKLS³, wonach der wesentliche Vorteil, ÃUnternehmer seines eigenen Lebensµ zu werden, u. a. darin besteht, dann sowohl sein eigener Chef wie sein eigener Kunde zu sein. Siehe Rolf Wabner: Selbstmanagement. Werden Sie zum Unternehmer Ihres Lebens, Niedernhausen/Ts., 1997 (zit. nach Bröckling 2007, S. 66 f.). 51

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Subjektive Bedingungen des Arbeitsbegriffs Wenn die anthropologisch-subjektkonstitutiven Bedingungen des Arbeitsbegriffs den Ausgang bilden, wird eine Vorgängigkeit der Begründung beansprucht, die das Selbstverständnis des arbeitenden Subjekts betreffen. Sie bezeichnen die Voraussetzungen, die Arbeit als menschliche Tätigkeit bedingen. $XV GHQ 7UDQVIRUPDWLRQHQ ]X ÃVXEMHNWLYLHUWHQµ Arbeitsformen ist ablesbar, dass der Arbeit ein subjektkonstitutives Verständnis zugrundeliegt. Indem der Einzelne sich selbst dazu verpflichten PXVV GHU Ä8PNHKUXQJ der Gewichte in der Präferenzordnung unserer Arbeitsmotivationen³65 gerecht zu werden, entledigt er sich immer stärker der Möglichkeit selbsttätiger Zuordnung. Infolgedessen kann es nicht ausreichend sein, einen ökonomischen Begriff von Arbeit zu erörtern. Ein ökonomischer Arbeitsbegriff, der auf dieser Trennung basiert, wäre zur Beschreibung heutiger Phänomene unzureichend oder bloß partikular. Er befreit sich ja gerade aus dem Spannungsverhältnis von Organisation und Gestaltung, indem er sich auf den Typus der abhängigen Erwerbsarbeit konzentriert, der zweckrational an Produktionskriterien und -faktoren gemessen wird.66 Es implizierte die Auffassung, dass aus einem wechselseitigen Verhältnis und gemeinsamen Bewältigen der Bedürfnisbefriedigung ein initiativer Grund für eine soziale Entwicklung des Subjekts gefunden werden könnte. Zwar lässt sich ± gemäß der Vorstellung eines homo oeconomicus ± auch das Konzept der Subjektivierung in ein solches Modell einschreiben, aber nicht ohne Selbstwiderspruch; denn genau dies schließt der ökonomische Arbeitsbegriff selbst aus, weil er sich auf die Bewältigung von Abhängigkeitsfaktoren (und die Kultivierung der Bewältigung von Abhängigkeitsfaktoren) konzentriert, ohne die Bedingungen der Abhängigkeit zu begründen. Wenn sich der ökonomische Arbeitsbegriff indes nicht auf Arbeit als wirtschaftliche Tätigkeit beschränkt, greift er auf Voraussetzungen oder Postulate zurück, die er aus sich selbst heraus nicht produzieren, sondern QXUSRVWXODWLYSURNODPLHUHQNDQQÄ'DPLWKDWVich aber der zunächst so eindeutige ökonomische Arbeitsbegriff aufgespalten, ohne dass diese Aufspaltung und die aus ihr sich ergebenden verschiedenen Arbeitsbe65 66

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Werner Becker: Über den sozialen Status der Arbeit, in: Kodalle (2001), S. 127. Vgl. 0D[:HEHUV'HILQLWLRQGHU(UZHUEVDUEHLWDOVHLQHUÄDQ'LVSRVLWLRQ RULHQWLHUWHU³7lWLJNHLWGLHGHQGDIUQ|WLJHQ0LWWHOQJHPl‰LKUHUÄ,QDnVSUXFKQDKPHYRQ=HLWXQG$QVWUHQJXQJ³HQWVSULFKW0D[:HEHU: Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 1976, S. 62.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

griffe [...] in ihrem Fundierungszusammenhang verstanden und aus dem zugrunde gelegten Arbeitsbegriff abgeleitet werden könnten. [...] Wie verhält sich, im Hinblick auf das Ganze des menschlichen Daseins, die wirtschaftliche Tätigkeit zu anderen Tätigkeiten?³67 Die Ökonomik selbst greift verstärkt auf ihre sozialwissenschaftlichen Wurzeln zurück und stellt Fragen, die den Humanwissenschaften überlassen waren. Die rational choice als handlungsleitendes Erklärungsprinzip und die Beschränkung auf Entscheidungslogiken zur Aufrechterhaltung berechenbarer Produktivität und ihrem Mehrwert scheint nicht ausreichend zu sein. Ob das daran liegt, dass die Erwartungsspektren in ihrer Ungenauigkeit zu weite Toleranzgrenzen aufwiesen, die nicht mehr zweckmäßig plausibilisierbar sind und deshalb einer anderen Begründung bedürfen68, sei dahingestellt. Klar ist, dass die sozialen Dimensionen ökonomischen Handelns in der ökonomischen Theorie ± inspiriert und angeleitet von der Systemtheorie ± seit einem Zeitpunkt zum Gegenstand werden, zu dem auch die hier relevanten Transformationen beobachtbar und diskutiert werden.69 Wenn nun Sinn von einem nicht-ökonomischen zu einem ökonomischen Zweck und Wert wird, wird entscheidend, welche Bedingungen für ökonomisches Agieren für das Subjekt bestehen. Es ist erst sinnvoll, von Arbeit zu sprechen, wenn klar ist, wovon sie abhängt. Sonst ist ArEHLWQXUHLQH7lWLJNHLWVIRUPGHUgNRQRPLHÄGLHYRQ3URGXNWLRQLPDOlgemeinen spricht, ohne den Begriff der Besonderheit einer Produktionsweise formulieren zu können, welcher die ökonomische Entwicklung ausgehend von der Handlung ökonomischer Subjekte erfaßt³70. So bedarf es der Klärung, welche Bedingungen für ein sozio-ökonomisches Handeln als Arbeit erfüllt sein müssen und welche strukturellen Verknüpfungen zwischen dem Subjekt und seiner Tätigkeit bestehen, d. h. welche subjektiven Strukturen zu analysieren sind, die einen Begriff von Arbeit plausibilisieren. Damit ist zu fragen, welche Erkenntnisstrukturen dem Begriff der Arbeit zugrunde liegen, um daraus begründet eine ökonomische Funktion von Arbeit ableiten zu können.

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Marcuse (1933), S. 259. Vgl. Birger Priddat, der die Verifizierbarkeit und empirische Gültigkeit ökonomischer Prognosen in Frage stellt: Rational Choice, Hermeneutik und Systemtheorie: ein Beitrag zur Subjektivierung des Akteurs auf Null, in: Sociologica Internationalis 33, 1995, S. 129. Einen Überblick über diese wirtschaftstheoretische und wirtschaftliche Entwicklung gibt Svetlova (2008), S. 12-16. Jacques Rancière: Der Begriff der Kritik und die Kritik der politischen gNRQRPLHYRQGHQÄ3DULVHU0DQXVNULSWHQ³ ]XPÄ.DSLWDO³, Berlin 1972, S. 24 [Hervorhebungen von mir, SK]. 53

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Das Subjekt der Arbeit Wenn der Wandel von Arbeitsformen u. a. auf praktikable Formen individueller Selbst-Ermächtigung zielt, wäre daraus ein verändertes Verhältnis des Subjekts zur Arbeit und ein anderer Arbeitsbegriff ablesbar, der diese Verschränkung formuliert. Soziologische und sozialphilosophische Diskurse versuchen, aus dem Zusammenhang von Subjektivitätsbedingungen und Arbeit Funktionen und aus ihnen inhärente normative Maßstäbe abzuleiten, die einer ökonomischen Indienstnahme widersprechen und diese zu widerlegen beabsichtigen.71 Dieser Lesart liegt eine bestimmte Auffassung subjektkonstitutiver Merkmale von Arbeit zugrunde, die in der Absicht, jene subjektkonstitutiven Merkmale vor rationalistischer Vereinnahmung zu retten, aufgegriffen werden. Damit bedarf es einer Betrachtung des Konnexes zwischen dem Subjekt, seinen Sozialitätsbedingungen und ihrem Verhältnis zur sozioökonomischen Entwicklung. In dieser Lücke sitzt das Subjekt, das sie arbeitend zu füllen sucht. Ä2KQH*HKHQLQGHQ*HJHQVDW]LVWVHLQH$Xflösung nicht möglich³72, und so müssen zunächst seine methodischen Komponenten aufgeschlüsselt werden: Die Arbeit als produktive Tätigkeit entspricht einer Zweckstruktur, die deshalb von Bedeutung für das Subjekt ist, weil sie ein Mittel zur Bewältigung natürlicher Bedürfnisse ist, darin aber das soziale Freiheitsmoment birgt. Ein Rekurs auf Marx ist deshalb dienlich, weil die Entfremdung durch und von Arbeit die Sollbruchstelle zwischen Arbeit und Reflexion ELOGHW Ã6HOEVWYHUZLUNOLFKXQJµ und Entfremdung sind Pole eines Spannungsfeldes, in dem das Subjekt wahlweise Spielball der Widersprüche oder sein Werfer ist. Die den Subjektbegriff überhöhenden Transformationen von Arbeit machen sich Mechanismen zueigen, die Marx zum Anstoß nimmt, die Möglichkeit der Befreiung des Subjekts von Arbeit durch Arbeit in grundsätzliche Kritik an dieser Form entfremdeter Praxis zu wenden. Seine Analyse stellt den Scheidepunkt zwischen Widersprüchen und Paradoxien von Arbeit dar, an die aktuelle sozialphilosophische Diskussionen anknüpfen und die Organisation der Arbeit auf jene subjektkonstitutiven Aspekte untersuchen, die normative Möglichkeitsbedingungen zur Begrenzung ökonomischer Funktionen zur Verfügung VWHOOHQVROOGLH0DU[DOVGLHEOR‰ÄSRVLWLYH6HLWH³73 der Arbeit fasst.

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72 73 54

Vgl. stellvertretend insb. für die an der Grenze zwischen Philosophie und Soziologie verortbaren aktuellen Diskussionen Gürtler (2000), Honneth (2002, 2008), Krebs (2002). Hegel: Introductio in philosophiam, Werke V, Hamburg 1998, S. 265. ÖPM, S. 133.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

Mit Marx lässt sich das Risiko der Arbeit für das Subjekt als negative Seite des menschlichen Tätigkeitsbedürfnisses nachzeichnen, weil sich das Subjekt im Widerspruchsverhältnis von Arbeit und Kapital als entfremdetes Objekt wiederfindet. Wo jener das Subjekt zum Spielball der Widersprüche macht, löst er sich von Hegel, der zwar davon ausgeht, dass ± um im Bild zu bleiben ± der Ball auch vom Subjekt geworfen wird, aber auch berücksichtigt, dass es selbst es ist, das die Spielregeln GDIU DXIVWHOOW 'HQQ Ä2EMHNWLYLWlt ist noch nicht ein Ziel, sie ist zunächst ein Mittel, um miteinander handeln zu können.³74 Mit Hegel lässt sich die positive Seite klarer nachzeichnen, weil seine Darstellung die Wechselbeziehung der Subjektbestimmung durch Arbeit in der Beibehaltung des Widerspruchsverhältnisses expliziert ± und Marx nicht zuletzt darauf rekurriert. In Hegels Konzeption, die die Verknüpfung des Subjekts mit der Natur und mit sich selbst bildet, zeigt sich die Möglichkeit sozialer Konstitution. Damit löst sie den Widerspruch nicht durch Bruch, sondern erhält eine Spannung aufrecht, die das Feld der Gesellschaft zeichnet und die Möglichkeit zur Verfügung stellt, gewisse, dieser Konstruktion inhärente Dynamiken zum Umgang mit dem Widerspruch zu analysieren. Das Subjekt ist Träger jener Ambivalenz, die das Bezugsverhältnis YRQ gNRQRPLH XQG 6XEMHNWLYLWlW VSDQQW 'HVKDOE OlVVW VLFK ÄGLH )UDJH nach einer Doppelbeziehung stellen: der Beziehung der Begriffe Arbeit, Entfremdung etc. in den Manuskripten zur Theoretisierung dieser Begriffe bei Hegel³75, weil die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte eine Untersuchung jener subjektfreiheitlichen Aspekte von Arbeit bieten, die im Kapital zugunsten der Kritik der politischen Ökonomie zur Befreiung von Ökonomiezwängen zurückgestellt wird. Es mündet in einen Praxisbegriff, der die widerspruchsbewältigende Kraft produktiver Arbeit als entscheidenden und historisch notwendigen bestimmt.

Marx¶ konkrete Praxis Der Arbeitsbegriff der ManuskripteLQGHQHQGHUÄSRVLWLYH>Q@6HLWHGHU Arbeit³ ÄDOs das Wesen, als das sich bewährende Wesen des Menschen³76 noch mehr Realisationskraft zugesprochen wird, erfährt im Laufe der Ausarbeitung der Marxschen Arbeitswertlehre im Kapital eine 6SH]LIL]LHUXQJ GLH P ( DOV ÄhEHUJDQJ YRQ LPSOL]LWHU ]X H[SOL]LWHU Theorie³77 verstanden werden kann. Seine Modifikation zu einer Be74 75 76 77

Blumenberg (2007), S. 15. Rancière (1972), S. 25. ÖPM, S. 133. Klaus Hartmann: Die Marxsche Theorie, Berlin 1970, S. 192. 55

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

stimmung der Arbeitswertlehre verdeutlicht, dass es Marx nicht darum zu tun ist, die Determination der Arbeit vollständig oder postulativ in Freiheit umzuwandeln und dem Subjekt Selbstbewusstsein eigener Freiheit aus einem reflektierten Arbeitsprozess heraus abzuleiten, sondern darum, das Subjekt von den Bedingungen entfremdeter Arbeit zu befreien und somit von der negativen Seite des Ermächtigungscharakters von Arbeit zu sprechen. Die widersprüchliche Kluft der Entfremdung des Subjekts in den herrschenden Arbeitsverhältnissen wird durch die Veränderung der sie umgebenden gesellschaftlichen Verhältnisse überbrückt. Insofern wird die materialistische Relevanz des ihr implizit zugesprochenen ontologischen Charakters der Arbeit dort relativiert, wo sie als konkretes Mittel zur Überwindung ihrer Widersprüche fungiert, womit wenn nicht sogar die generelle Möglichkeit, so doch die Wirklichkeit freier Praxis des Subjekts in Arbeit negiert wird. Marx spricht von dieser Seite der Arbeit in seiner Kritik am Hegelschen Arbeitsbegriff in den Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten GDYRQGDVVMHQHUÄGDV:HVHQGHU$UEHLWID‰WXQGGHQJHJHQVWlQGOichen Menschen, wahren, weil wirklichen, Menschen, als Resultat seiner eigenen Arbeit begreift³HUYHUVWHKWGLH$UEHLWDOVRDOVGLHÄ6HOEVWHU]Hugung des Menschen als eine[m] Prozeß³78. Diese frühen, noch mit utopischen Zügen des spätromantischen Idealismus behafteten Grundlinien einer Befreiung von Arbeit durch Arbeit tragen bereits die ambivalente Be]HLFKQXQJYRQÄ9HUZLUNOLFKXQJ³ DOVÄGLHSRVLWLYH6HLWHGHU$UEHLW³ und Ä9HUJHJHQVWlQGOLFKXQJ³ DOV ÄLKUH QHJDWLYH³ 'LHVH Ä9HUZLUNOichung³ der und durch die Arbeit ist unter den herrschenden kapitalistischen Umständen einseitiJPDUNLHUW6LHLVWÄ(QWZLUNOLFKXQJGHV$UEHLWHUV³Ä9Hrlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter dem Gegenstand³Ä(Qtfremdung³Ä(QWlX‰HUXQJ³79. Die vermeintliche Einheit einer die konkrete Freiheit des Subjekts realisierenden Praxis tritt in getrennten Formulierungen auf und zeigt eiQHQ5LVV]ZLVFKHQÄ3UR]HVV- und Resultatsinn³80 der Arbeit. Eine poietische und praktische Tätigkeit ist nicht als eine einheitliche Tätigkeit in der Arbeit realisierbar, weil sie als entfremdete eine defizitäre Form der Praxis darstellt; sie ist zwar gesellschaftskonstitutiv, muss aber ihren de78 79

80 56

ÖPM, S. 133. 9JO g30 6  Ä'LH 9HUZLUNOLFKXQJ GHU $UEHLW LVW LKUH 9HUJHJHQständlichung. Diese Verwirklichung der Arbeit erscheint in dem nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Vergegenständlichung als Verlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter dem Gegenstand, die Aneignung als Entfremdung, als Entäußerung.³ Ernst Michael Lange: Das Prinzip Arbeit, Frankfurt/M. 1980, S. 23.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

IL]LWlUHQ &KDUDNWHU YHUOLHUHQ 'DEHL LVW GLH Ä>Q@LFKWHQWIUHPGHWH 3UD[LV [die] Aufhebung der durch die verdinglichten Verhältnisse gesetzten Determinationen und zielt, über den Bereich des Politischen, auf die Durchsetzung einer nichtentfremdeten Form der Arbeit³81. Weil Ausbeutung und Entfremdung der industrialisierten Arbeit nach Klärung ihrer ökonomischen und sozialen Ursachen und Folgen verlangen, lässt sich mit Marx gegen eine philosophische Auseinandersetzung mit etwaigen Diskrepanzen zwischen theoretischer und praktischer Tätigkeit argumentieren: Der Befreiung von der nichtentfremdeten Arbeit korrespondiert ein freiheitlicher Arbeitsbegriff der Praxis; Arbeit kann aber nicht als Prozesselement intellektueller und meta-individueller Entwicklung relevant sein, weil die ökonomischen Bedingungen die bloße Möglichkeit eines real freien Subjekts nicht zulassen und statt dessen einen doppelten Widerspruch, zwischen dem Subjekt und seiner Arbeit und zwischen Arbeit und Kapital, situieUHQÄ0LW dieser Teilung der Arbeit einerseits und der Häufung der Kapitalien andererseits wird der Arbeiter immer mehr rein von der Arbeit und einer bestimmten, sehr einseitigen, maschinenartigen Arbeit abhängig.³82 Der Widerspruch entfaltet sich in der Entfremdungserfahrung des Arbeiters, weil Arbeit eine einseitige Doppelung ihres Werts und damit ein Missverhältnis entfaltet. Arbeit wird von Kriterien abhängig, deren Grundlage sie zwar ist, über die sie aber nicht mehr verfügen kann. Die Ambivalenz der Beziehung des Arbeiters zu seinem Arbeitsobjekt wird auf zweifache Weise transponiert: auf das Verhältnis des Doppelwerts der Arbeit, dessen einen Werts der Arbeiter beraubt wird, inGHP ÄVHLQH HLJHQH $UEHLW LKP immer mehr als fremdes Eigentum gegenübertritt und die Mittel seiner Existenz und seiner Tätigkeit immer mehr in der Hand des Kapitalisten sich konzentrieren³83; zum anderen als gedoppelte Entfremdung auf das Verhältnis des Arbeiters zu sich VHOEVWÄ,QGHP die entfremdete Arbeit dem Menschen 1) die Natur entfremdet, 2) sich selbst, seine eigene tätige Funktion, seine Lebenstätigkeit, so entfremdet sie dem Menschen die Gattung: sie macht ihm das Gattungsleben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das Gattungsleben und das individuelle Leben und zweitens macht sie das letztere in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten und entfremdeten Form.³84 81

82 83 84

Andreas Arndt, Wolfgang Lefèvre: Poiesis, Praxis, Arbeit. Zur Diskussion handlungstheoretischer Grundbegriffe, in: Peter Damerow et al. (Hg.): Arbeit und Philosophie, Bochum 1983, S. 24. ÖPM, S. 8. Ebd. Ebd., S. 62. 57

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Die Arbeit, eigentlich konzipiert als ein vereinigender Realisationsprozess zwischen Mensch und Natur ± die eigene ebenso wie die sinnliche, äußerliche ±, wird dabei zum Instrument der Entfremdung von ihr selbst XQGGHU1DWXUÄ,QGHPGDKHUGLHHQWIUHPGHWH$UEHLWGHP0Hnschen den Gegenstand seiner Produktion entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungsgegenständlichkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Tier in den Nachteil, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird.³85 Was eigentlich beabsichtigt war, den Prozesscharakter der Arbeit dergestalt zu entwickeln, dass in der entfremdenden Vergegenständlichung der Arbeit die Möglichkeit liegt, sie selbst zu überwinden, gerade weil die Entfremdung durch die Arbeit in der vergegenständlichenden Abhängigkeit des Arbeiters vom Kapital beruht, führt zur Einsicht in den Charakter der Notwendigkeit des diskrepanten Widerspruches kapitalistisch organisierter Arbeit, die zur Diskrepanz zwischen Gebrauchs- und Tauschwert führt. Das ontologisch aufgeladene Verhältnis von Subjekt, Natur und Arbeit, das letzterer ihre Bedeutung und dem Subjekt seinen Freiheitscharakter verliehen hatte, hat bei einer Fortsetzung des widersprüchlichen Verhältnisses keinen Bestand. Die Arbeit muss ihrer wesensbestimmenden Funktion und damit des Emanzipationsverhältnisses zwischen (eigener) Natur und Subjekt verlustig gehen, um das Subjekt zumindest aus der entfremdeten Arbeit zu retten, die von der kapitalistischen Organisation produziert wird. Die Entfremdung liegt gerade in dem Missverhältnis des Tauschwertes zum Gebrauchswert, das als Kapital einen Mehrwert produziert, von dem der Arbeiter nichts hat, weil es eine zynische Form des Äquivalenzausgleichs für die Ermöglichung seiner Arbeit ist. Marxµ Arbeitswertlehre stellt das Erklärungsmuster des Entfremdungsverhältnisses zwischen Arbeit und ihrem Produkt zur Verfügung, deren Konsequenz ist, dass Arbeit, in solchem Widerspruch verhangen, keinen Wert mehr darstellen kann, der im ökonomisierten Verhältnis von Arbeitswert und Ware als Wesensäußerung des Subjekts fungiert. Um die Entfremdungsverhältnisse zu überwinden, bedarf es deshalb der ÜberZLQGXQJ LKUHV :LGHUVSUXFKHV GHU Ä6SULQJTXHOOH GHU 'LDOHNWLN³86, deren erster Schritt die Überwindung des Reichs der Notwendigkeit sein PXVV Ä(V XQWHUOLHJW HEHQVR ZHQLJ HLQHP =ZHifel, daß die kapitalistische Form der Produktion und die ihre entsprechenden ökonomischen Arbeiterverhältnisse im diametralsten Widerspruch stehn mit solchen Umwälzungsfermenten und ihrem Ziel, der Aufhebung der alten Teilung der Arbeit. Die Entwicklung der Widersprüche einer geschichtlichen 85 86 58

Ebd., S. 63. MEW 23, S. 527.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

Produktionsform ist jedoch der einzig geschichtliche Weg ihrer Auflösung und Neugestaltung.³87 Ausgehend von der Entwicklungslinie zwischen dem freiheitlichen Arbeitskonzept der Manuskripte und der Ausarbeitung der Arbeitswertlehre, aus der sich die Widersprüche entwickeln, entfaltet sich im ersten Band des Kapital die Diskrepanz der unter kapitalistischen Bedingungen unmöglichen Befreiung von fremder Arbeit, die der Widersprüche zu ihrer Überwindung bedürfen. Damit scheint auch eine Auflösbarkeit der Diskrepanz zwischen naturnotwendiger und gesellschaftlicher Form von $UEHLW XQP|JOLFK Ä0LW GHQ PDWHULHOOHQ %HGLQJXQJHQ XQG GHU JHVHOlschaftlichen Kombination des Produktionsprozesses reift sie [die Konzentration des Kapitals, SK] die Widersprüche und Antagonismen seiner kapitalistischen Form, daher gleichzeitig die Bildungselemente einer neuen und die Umwälzungsmomente der alten Gesellschaft.³88 Marx zeigt die Notwendigkeit des Ganges durch den Widerspruch auf, der zwei unterschiedliche Fassungsarten von Arbeit impliziert: eine beständig notwendige, die der Gebrauchsgüterproduktion dient; und eine, deren Form überwunden werden und von kapitalistischer Abhängigkeit unabhängig sein muss, weil ihre gesellschaftliche Form die Kraft hat, sogar die notwendige Arbeit unmöglich zu machen. Marx betont die grundsätzlich an den Zwang natürlicher Notwendigkeit gebundene ArEHLW DOV Ä%LOGQHULQ YRQ *HEUDXFKVZHUWHQ³ GLH DOV ÄQW]Oiche Arbeit³ ÄHLQH YRQ DOOHQ *HVHOOVFKDIWVIRUPHQ XQDEKlQJLJH Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit [ist], um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln³89. Arbeit erhält dadurch gattungswesentlichen Charakter, dass sie bleibende naturabhängige Notwendigkeit ist, ihr freiheitlicher Aspekt reduziert sich auf die Bewältigungsfunktion von Naturabhängigkeit.90 Zur Überwindung dient dabei nicht mehr das Strukturverhältnis einer Befreiung der Arbeit durch Arbeit, die des Moments der subjektkon-

87 88 89 90

Ebd., S. 512. Ebd., S. 526. Ebd., S. 57. Vgl. Andreas Arndt: Die Arbeit der Philosophie, Berlin 2003, S. 18 f.: Ä'LH Ã$UEHLWµ ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche, vom Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit. [...] [V]on der Arbeitsökonomie eines Individuums wie Robinson [uQWHUVFKHLGH@VLFK>HLQÃ9HUHLQIUHLHU0HQVFKHQµ] nur dadurch [ ], dass hier alle Bestimmungen der Arbeit und ihrer Organisation kollektiv statt individuell wiederkehren. Dabei ist jedoch nicht mehr von einer Aufhebung der Arbeit durch Arbeit die Rede, sondern Marx unterscheidet nun strikt zwischen der Arbeit als bleibender Notwendigkeit einerseits und ihUHUJHVHOOVFKDIWOLFKHQ)RUPDQGHUHUVHLWV³ 59

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

stitutiven Kraft der Arbeit als instrumenteller Funktion bedürfte. Der Widerspruch ist kein dem Arbeitsprozess selbst inhärenter, er liegt nicht in der Arbeit, die subjektkonstitutive Elemente und Aspekte von Naturabhängigkeit in sich vereinte. Der Widerspruch entsteht durch die gesellschaftlichen Verhältnisse der kapitalistischen Wirtschaftsform, durch die die naturnotwendige Arbeit von sich selbst entfremdet wird. Zur Überwindung des Widerspruchs muss die Gesellschaftsform der Struktur der dem Naturverhältnis verhafteten Arbeit entsprechen. Die ÄPHQVFKOLFKH.UDIWHQWZLFNOXQJGLHVLFKDOV6HOEVW]ZHFNJLOWGDVZDKUH Reich der Freiheit [kann] aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn [ ]³; die Arbeit hat dabei keinen freiheitlichen $QWHLO GHQQ JHUDGH Ädie Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung³91. Initiator der Widerspruchsstruktur ist die Mehrwertproduktion, durch die sich der Zirkulationsprozess des Kapitals als reine Form GHV:LGHUVSUXFKVDOVÄ7DXWRORJLH³92, darstellt, gerade als jene Form, die dieser zur Begründung ihrer Prozesse als Voraussetzung bedarf. Deshalb begründet Marx die Existenz des Widerspruchs zwar mit der Notwendigkeit seiner historischen Entwicklung.93 Wie die historische Notwendigkeit dialektisch begründet überwunden werden kann, ist aber nicht begründbar: der einzige Weg der Lösung des Widerspruchs liegt in seiner Überwindung. Es macht die Zynik einer Tautologie aus, dass sie ihre Existenz wie ihre Nicht-Existenz aus sich selbst begründet und ihre absolute Negation die einzige Form der Überwindung darstellt. Der relevante Punkt hier ist das mit der Überwindung des Widerspruches einhergehende Konzept praktischer Tätigkeit, die aus einer Arbeit als selbstreferentieller Praxis keine soziale Freiheit gewinnt. Das freiheitliche Verhältnis von Subjekt zu Natur, das sich durch die Arbeit selbst realisieren und dadurch ein freiheitliches Verhältnis des Subjekts zu sich selbst herstellen können sollte, tritt gegenüber dem Abhängigkeitsverhältnis des Subjekts zur Arbeit und damit zur Natur und zur Welt zurück. Nicht die Arbeit überwindet den Widerspruch, indem die praktische Seite menschlicher Tätigkeit gegenüber der poietischen Seite zurücktritt und als konkrete Praxis zum Mittel der sozialen Befreiung des Arbeiters und dieser zu einem sozialen Individuum wird. Die Arbeit bleibt der Abhängigkeit verhaftet; nicht die Arbeit, sondern ihre Verhältnisse müssen überwunden werden. Das muss zwar kein Argument dafür sein, in der Arbeitswertlehre eine Vernachlässigung der freiheitlichen Emanzipation des Subjekts ge-

91 92 93 60

MEW 25, S. 828. MEW 24, S. 409. siehe oben, MEW 23, S. 512.

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

genüber der Natur zu sehen, weil Arbeit unabhängig von der gesellschaftsökonomischen Organisation zur Vertauschung eines Werts der Werte beitrage, wie Arendt Marx interpretiert hat: Ä>*@HJHQGLHVH6nden einer kommerziellen Gesellschaft, die alles zu Markte trägt, zur Ware macht und demgemäß in gesellschaftlichen Verhältnissen denaturiert, KDW 0DU[ QLFKW GHQ Ãintrinsic worthµ, die dem Gegenstand eigene, ihm immanente Qualität, proklamiert. Statt dessen hat er ± und vom Standpunkt der Arbeit mit vollem Recht ± als Maßstab für die Entwertung der Dinge wie für die Entfremdung des Menschen das Leben selbst gesetzt, die Funktion nämlich, die ein jegliches in dem menschlichen Lebensprozess hat, wenn es von ihm ergriffen und verzehrt wird, und in dem Werte allerdings überhaupt keine Rolle mehr spielen, seien es nun objektive, immanente Qualitäten oder auf die Gesellschaft bezogene und von ihr bestimmte Wertsetzungen. In der sozialistischen Güterverteilung an alle, die arbeiten, löst sich das greifbar Dingliche, seine Qualität wie sein Wert, in eine Funktion innerhalb der Regenerationsprozesse von Lebens- XQG$UEHLWVNUDIWDXI³94 Immerhin formuliert die Kritik der politischen Ökonomie die Abwesenheit von Freiheit und der Möglichkeit freier Praxis in den gesellschaftlichen Arbeitsverhältnissen, die als GrundODJHGDIUDQJHVHKHQZHUGHQNDQQ*HJHQVWlQGHQEHUKDXSWÃLPPDQHnte Qualitätµ und Wert zumessen zu können. Auch ist aus Marxµ Konzentration auf die entfremdende Einseitigkeit des ökonomischen Mechanismus nicht notwendig zu schließen, dass Marx gerade nicht die gegenseitige Bedingung und den Zusammenhang YRQ$UEHLW)UHLKHLWXQG VR]LDOHU ,QWHUDNWLRQH[SOL]LHUWÄVRQGHUQXQWHU dem unspezifischen Titel der gesellschaftlichen Praxis eins auf das andere reduziert, nämlich kommunikatives Handeln auf instrumentelles zurückgeführt³95 hätte, also den Zweckbezug und nicht den Vernunftgrund zur Ursache der Sozialisierung macht, wie Habermas es auslegt. Auch dagegen kann eingewandt werden, dass die HabermasschH)RUPGHUÃJesellschaftlichen Praxisµ XQWHU GHQ |NRQRPLVFKHQ %HGLQJXQJHQ GHV ÃLnstrumentellen Handelnsµ sich für Marx als nicht realisierbar darstellte. Insofern ist das instrumentelle Handeln nur die praktische Voraussetzungsbedingung, nicht der notwendige Grund; dies hätte ja zur PrämisVHGDVVÃNRPPXQLNDWLYHV+DQGHOQµ zwar von instrumentellem Handeln abhängig sein könnte. Aber gerade weil das eine das andere verhindern kann, belegt sich indirekt die gegenseitige Bedingung von Arbeit, Freiheit und (sozialer) Interaktion.

94 95

Arendt (1967), S. 198 f. Habermas (1969), S. 45 f. 61

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Doch hat der Bedingungscharakter der Befreiung die Komponente der notwendigen Voraussetzung, und auch Marcuse sieht in der Weiterentwicklung des materialistischen Vermittlungskonzepts eine einseitige BeVFKUlQNXQJ ÄDXI GLH ZLUWVFKDIWOLFKH Dimension³96 gesellschaftlicher Freiheit, obgleich er den gattungsspezifischen Zugang in MarxµArbeitsEHJULIIEHWRQW'LHSULQ]LSLHOOH 0|JOLFKNHLW GHUÃDQGHUHQ6HLWHµ der Arbeit jedoch, die in den Manuskripten noch deutlicheren und im ontologiVFKHQ 6LQQH Äwesentlichen³97 Charakter hatte, bleibt bestehen; schließOLFK VROO GLH NRQNUHWH :LGHUVSUXFKVEHUZLQGXQJ JHUDGH GDV Ä8PZllzungsmoment[ ] der alten Gesellschaft³98 GLH Ä5HYROXWLRQ³99 sein, die vorerst einer Konzentration auf die ökonomischen Kräfte bedarf, sollen diese doch Instrument ihrer eigenen Überwindung sein. Man könnte dieVH.RQ]HSWLRQGHU:LGHUVSUXFKVEHUZLQGXQJDOVRDOVÄ3UREOHPEHZlOWigungspraxis³100 verstehen, die noch kein Urteil über das Danach fällt. Der Aspekt, der mit dieser Widerspruchskonzeption einhergeht, bleibt aber an die naturnotwendig produktive Arbeit gebunden101: Arbeit ist solange die defizitäre Form menschlicher Praxis, bis sie zur Überwindung ihrer entfremdeten Produktionsweise gekommen, die Grenze sozialer Determination aufgehoben ist, die zwar die Möglichkeit einer nicht defizitären Praxis öffnet; aber nur wenn sie revolutionäre Funktion hat. Nur diese Praxis hat die gesellschaftskonstitutive Kraft, denn die Bewältigung des Widerspruches ist die unablässige Bedingung: die dialektische Gegensätzlichkeit muss aufgehoben, die entfremdete Arbeit durch sie überwunden werden. Was aber bleibt, ist die dem Naturzwang verhaftete Arbeit, die ihre Bewältigungsfunktion beibehält. Daran schließt sich durchaus eine Frage nach Bedürfnis und Gestaltung weiterer Praxis ± und weiterer Arbeit ± an, wenn nach dem Widerspruch die nicht entfremdete Arbeit und das Reich der Freiheit Wirklichkeit geworden ist. Denn wenn die Naturverhaftung von Arbeit bestehen bleibt und das ewig bestimmende Charakteristikum von Arbeit ist, scheint in Frage zu stehen, ob die Gefahr von Entfremdung jemals gebannt sein kann, da der Charakter der Aneignung der Arbeit auch im Na96 97 98 99 100

Marcuse (1933), S. 268. Ebd. MEW 23, S. 526. Ebd., S. 527. Christoph Henning: Karl Marx, in: Eike Bohlken, Christian Thies (Hg.): Handbuch Anthropologie. Der Mensch zwischen Natur, Kultur und Technik. Metzler, Stuttgart 2009. 101 Vgl. MEW 2 6  Ä'LH (QWZLFNOXQJ GHU :DUH KHEW GLHVH :LGHrsprüche nicht auf, schafft aber die Form, worin sie sich bewegen können. Dies ist überhaupt die Methode, wodurch sich wirklich Widersprüche lösen.³ 62

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

turverhältnis nicht aufgehoben werden kann. Es scheint, dass aus dieser praxeologischen Bestimmung der Arbeit nur eine weitere widersprüchliche Konsequenz zu ziehen ist, denn der Übergang von der entfremdeten arbeitenden zur nicht-HQWIUHPGHWHQ DUEHLWHQGHQ 3UD[LV ÄYROO]LHKW VLFK nur in der und durch die nichtentfremdete Praxis, die sich als Aufhebung der objektiven Determination der Ziele des praktisch tätigen Subjekts [...] begreift, weil sie als subjektive Telos-Realisierung begriffen wird.³102 Diese Konzeption tendiert dazu, die manifeste Permanenz des Widerspruches zwischen einer entfremdeten, deshalb defizitären, poietischen, produktiven, zweckhaften Arbeit und einer nicht-entfremdeten, praktischen, produktlosen, selbstzweckhaften und deshalb auch immer defizitären Arbeit zu behaupten. Hinsichtlich der Bedingung der Überwindung des Widerspruches scheint es angebracht, das Widerspruchsverhältnis ± insbesondere unter dem Blickwinkel heutiger Arbeitsverhältnisse ± anders zu betrachten, um sich vor dem drohenden Problem zu bewahren, argumentativ das vorauszusetzen, was es begründen soll. Das heißt nicht, die Differenz zwischen poietischem und praktischem Charakter und ihrem jeweiligen (Nicht-)Entfremdungsstatus zu leugnen. Es heißt auch nicht, die Differenz zwischen Tauschwert und Gebrauchswert von Arbeit zu leugnen, im Gegenteil. Es heißt, diese Dichotomie als eine Paradoxie aufzufassen, weil so verstanden werden kann, wie angesichts des sinkenden Gebrauchswerts herkömmlicher Arbeit der Gebrauchswert der Arbeit seinerseits als Tauschwert verstanden wird, mit dem ein Mehrwert produziert wird, wenn Arbeit mit Sinnstiftungskompetenzen belegt wird. Denn dem Gebrauchswert liegt in nuce die Möglichkeit inne, auch für andere als die intendierten Zwecke missbraucht zu werden. Er ist sowohl dem richtigen als auch dem falschen Gebrauch von Anfang an ausgeliefert und kann nur KRIIHQDXIGHPÄ0DUNWGHUbTXLYDOHQ]HQ³ nicht alles zu verlieren. Ä'DV LVW QLFKW LPPHU YRQ hEHO DXFK ZHQQ HV LPPHU PLW GHP Risiko verbunden ist, in der Ware seine Seele zu verlieren. Die WaUH LVW Ã]ynischµgeboren, weil sie die Unterschiede auslöscht, aber wenn sie kongenital nivellierend ist, [...] dann hat sich dieser ursprüngliche Zynismus doch bereits im Gebrauchswert angebahnt³103. Es hängt also davon ab, an welcher Stelle man in der Lage ist, die (Funktions-)Grenze zwischen den beiden Polen zu setzen, um die Wahrscheinlichkeit einer Grenzüberschreitung bemessen zu können. Doch ge102 Arndt, Lefèvre (1983), S. 24. 103 Jacques Derrida: Marx¶ Gespenster, Frankfurt/M. 2004, S. 221 f. 63

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

rade diese Grenze ist in einer kapitalistischen Ökonomie gerade nicht IHVW YLHOPHKU LVW VLH YRQ HLQHU ÄJUHQ]EHUVFKUHLWHQGHQ .RQWDPLQation erfasst [ ]. Wenn die Kapitalisierung keine strenge Grenze hat, dann lässt sich diese auch überschreiten. Wenn aber die Grenzen der Phantasmagorisierung sich nicht mehr durch die einfache Entgegensetzung von Anwesenheit und Abwesenheit, Wirklichkeit und Unwirklichkeit, Sinnlichem und Über-sinnlichem kontrollieren oder anweisen lassen, dann muss ein andere Annäherung an diese Differenzen das auf diese Weise wieder-HU|IIQHWH )HOG VWUXNWXULHUHQ XQG ]ZDU VRZRKO ÃEHJULIflich³ DOV DXFK ÃUHDO¶). Weit davon entfernt, die Unterscheidungen und analytischen Bestimmungen auszulöschen, bedarf diese andere Logik doch anderer Begriffe. Man darf sich davon eine genauere und strengere Wiedereinschreibung erhoffen. Sie kann jedenfalls allein zu dieser unaufhörlichen Restrukturierung aufrufen, wie im übrigen auch zum Fortschritt der Kritik selbst.³104 Vor dem Hintergrund der Marxschen Dichotomie der Arbeit zwischen praxis und poiesis, die sich als Übertragung der Dichotomie von Tauschwert und Gebrauchswert lesen lässt, bezeichnet Arbeit jene spezifische Praxis des Subjekts, die die ökonomisch-gesellschaftlichen und die subjektiv-sozialen Bedingungen und Bedingtheiten in sich trägt. Die Bruchstelle der Dichotomie verläuft auf dem Grat der Entfremdung, auf der das arbeitende Subjekt wandert und die ± negativ ± die Untrennbarkeit und Spannung von Ökonomie und Subjektkonstitution beweist, wenn es nicht um revolutionäre Umwälzung und Überwindung des Widerspruchs, sondern um einen anderen (und erklärenden) Umgang mit dem Widerspruch geht. Darunter fällt die Frage, welche Rolle Ã6HOEVtverwLUNOLFKXQJµin der Arbeit spielt. Diese Frage kann nur geklärt werden, wenn die Frage gestellt wird, welche Veränderungen der Arbeitsfunktionen bestimmbar sind. Dies bedingt, sich dem Zusammenhang von Arbeit und Subjektivität in der Form zu nähern, die die Voraussetzungen des Widerspruchs bildet. Gewissermaßen verweist also die Analyse der politischen Ökonomie bei Marx auf eine Theorie der Subjektivität, in der die Kritik der politischen Ökonomie eine Kritik an der Entfremdung des Subjekts ist. Betrachtet man es so, ist eine Diskussion des Subjekts im Kapital sehr wohl vorhanden, entbehrt dort nur seiner Explikation zugunsten der Aufschlüsselung der Gründe für das Zustandekommen der Entfremdung; sie ist aber unlösbar mit der Arbeit des Subjekts verbunGHQÄ'DYRUVHinem Eintritt in den Prozeß seine eigne Arbeit ihm selbst entfremdet, dem Kapitalisten angeeignet und dem Kapital einverleibt ist, vergegenständ104 Ebd. 64

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

licht sie sich während des Prozesses beständig in fremdem Produkt.³105 Denn allein in Anbetracht der Bedingungen der Entfremdung durch die kapitalistische Produktionsweise können die natürlichen, materiellen Bedürfnisse des Subjekts nicht von den relationalen, und das meint inter-subjektiven und sozialen, getrennt sein. Ä)ROJOLFK VWHOOWVLch die anthropologische Theorie des jungen Marx gerade als eine allgemeine Theorie der Beziehungen des Menschen zur Natur und zum Menschen dar³106, die im Kapital der Absicht der Begründung der Entfremdung und der Notwendigkeit ihrer Überwindung zum Opfer fäOOW5DQFLqUHIDVVWKLHUGLHLPSOL]LWHÃDQWKURSRORJLVFKH7Keorie des jungen Marxµin seiner bloßen Formalität und klärt dadurch das Spannungsfeld auf folgenreiche Weise. Eben das macht den Widerspruch so kompliziert und zwingt zu seiner paradoxen Einschätzung, weil die beiden Pole des Widerspruchs einen gemeinsamen Träger haben, der die Verbindung spannt und den Übergang von der Entfremdung zur Nicht-Entfremdung möglich hält: das Subjekt, dessen entfremdeter Status den Ausgangspunkt der Kritik der politischen Ökonomie bildet. Diese Kritik ist insofern eine anthropologische, weil sie rein auf die $UW GHU *HVWDOWXQJ GHU Ã%H]LHKXQJ GHV 0HQVFKHQ ]XU 1DWXU XQG ]XP Menschen¶, also des Menschen zu sich selbst fokussiert und die Bedingungen und Bedingtheiten dieser Beziehung formuliert. Das Subjekt wird durch die Umstände der Produktion, resp. im Produktionsprozess von dem entfremdet, was sein eigentliches Sein, sein menschliches WeVHQ LVW GLH IUHLH ZLUNOLFKH $UEHLW HQWVSUHFKHQG VHLQHU Ä*DWWXQJVNUlfte³107. Weil es Ergebnis entfremdeter Arbeit ist, muss die Stellung des Subjekts ± und die Bedingungen seiner historischen Entwicklung ± geklärt werden; sonst ist nicht zu verstehen, wie Kritik an ökonomischen Bedingungen überhaupt möglich wird. Diese Klärung hat die Bedingtheiten des Subjekts zum Gegenstand, die Marx nicht vor-, sondern von Hegel übernimmt und an dessen Begriff der Entäußerung gewinnt, wie die wohl meist zitierten Sätze der Manuskripte zeigen: Ä'DV *UR‰H DQ GHU +HJHOVFKHQ 3KlQRPHQRORJLH [...] ist also einmal, daß Hegel die Selbsterzeugung des Menschen als einen Prozeß faßt, die Vergegenständlichung als Entgegenständlichung, als Entäußerung, und als Aufhebung dieser Entäußerung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, weil wirklichen, Menschen, als Resultat seiner eigenen Arbeit begreift. Das wirkliche, tätige Verhalten des Menschen zu sich als Gattungswe-

105 MEW 23, S. 596. 106 Rancière (1972), S. 25. 107 ÖPM, S. 133. 65

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

sen, oder die Betätigung seiner als eines wirklichen Gattungswesens, d.h. als menschlichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er [...] sich zu ihnen als Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur in der Form der Entfremdung möglich ist. [...] Hegel [...] erfaßt die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen des Menschen [...]. Die Arbeit ist das Fürsichwerden des Menschen innerhalb der Entäußerung oder als entäußerter Mensch.³108 'LHVH Ã6HOEVWHU]HXJXQJ GHV 0HQVFKHQ DOV 3UR]HVVµ der Arbeit soll auf den nächsten Seiten Gegenstand sein, weil sie die Frage aufwirft, ZLHVLFKGLHVHVÃ9HUKDOWHQGHVPHQVFKOLFKHQ:HVens zu den Gegenständenµ gestaltet, welche Möglichkeiten, welches Selbstverständnis und welche Stellung das Subjekt als Arbeitendes als entäußertes inne hat, wie es zu dem Zustand von gegenständlicher Entäußerung und sozialer Entfremdung kommt, welche Bedeutung es für die Frage nach ZweckXQG6LQQVWUXNWXUYRQ$UEHLWKDWXQGZLHHVLP9HUKlOWQLV]XHLQHUÃ6Xbjektivierungµtransformierter Arbeitsformen steht. Wir machen uns damit GHQ9RUVFKODJ5DQFLqUHV]XHLJHQGLH)UDJHQDFKGHUÄ'RSSHOEH]Lehung [...], der Beziehung der Begriffe Arbeit, Entfremdung etc. in den Manuskripten zur Theoretisierung dieser Begriffe bei Hegel³109 zu stellen.

Hegels willentliche Tätigkeit Der letzte der oben zitierten Sätze Marxµ YRQ GHU Ã$UEHLW DOV )UVLFhwerden des Menschenµ im PrR]HVV GHU Ã(QWlX‰HUXQJµ enthält einen wichtigen Schritt, der der Entäußerung vorangeht. Marx wie Hegel fassen diese Schritte als historische Entwicklung, die für die menschliche Gattungsgeschichte steht, und damit als performative Entwicklung des Einzelnen auf. Die historische Geschichte erzählt die Entwicklungsbedingungen, wie ein Begriff des Subjekts möglich ist und verstanden ZHUGHQPXVV+HJHOQHQQWHVGLH*HVFKLFKWHGHVVLFKÃ]XP%HJULIIGHU Vernunft erhebenden Geistesµ110 XQG ZLGPHW LKU GLH Ã3KlQRPHQROogie des Geistesµals Lehre von der Erscheinung und Entstehung des eigenen Bewusstseins des Subjekts über sich selbst, über die Welt und ihr Ver108 Vgl. ÖPM, S. 133. Das dritte Manuskript überhaupt kann als subjektive Aufhebung ± im dialektischen, also synthetischen Sinne ± der beiden ersten und damit als Eingliederung der dort verfassten Kritik der politischen Ökonomie in ein Subjektivitätskonzept gelesen werden. So lautet der ersWH6DW]GHVGULWWHQ0DQXVNULSWV6Ä'DVVXEMHNWLYH:HVHQGHV Privateigentums, das Privateigentum als für sich seiende Tätigkeit, als Subjekt, als Person, ist die Arbeit.³ 109 Rancière (1972), S. 25. 110 Vgl. G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1988, S. 288 [im Folgenden: PhG]. 66

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

hältnis zueinander. 'LHÃ3KlQRPHQRORJLHGHV*HLVWHVµist ± in den historischen Kontext verortet ± VRDXFKDOVÄ*HJHQSRVLWLRQ]XHLQHUÃ3KlQomenologie der Naturµzu deuten³111, die alle Erscheinungen und Prinzipien auf ihren Grund in der Natur zurückführte. Damit formuliert Hegel den Anspruch der urheblichen Seinserkenntnis des Menschen. 'DVÃ)UVLFKZHUGHQGHV0HQVFKHQ¶GDVÃLQQHUKDOEGHU(QWlX‰erung oder als entäußerter Menschµ stattfindet, ist ein Prozess der Bewusstseinsbildung des Menschen als eines sich seiner als aktiv tätig bewussten, eines handelnden Subjekts, in dem die Arbeit Instrument dieses Prozesses ist. Arbeit, Fürsichwerden und Entäußerung stehen in konstiWXWLYHP 9HUKlOWQLV ]XHLQDQGHU ZREHL GLH Ã$UEHLWµ PLW GHP Ã)UVLFKwerdenµLQVWUXPHQWHOOYHUNQSIWLVWZlKUHQGGLHÃ(QWlX‰HUXQJµdie äußere Erscheinungsform, das phänomenale Ergebnis des Prozesses ist. Wenn also der Mensch ein entäußerter ist, wenn er zu Anderem/n in Be]LHKXQJ WULWW JHKW GLHVHP =XVWDQG GDV Ã)UVLFKZHUGHQµ durch Arbeit, das Selbstverständnis des Subjekts als tätiges, voraus. Dieser Vorgang entspricht dem (a) Zu-sich-selbst-Kommen des Subjekts, (b) der Realisation des Subjekts, der Entäußerung, und (c) dem der Effizienz unterworfenen Problem subjektiver Bedürfnisbefriedigung durch Aneignung und der damit verbundenen Entfremdung des Arbeitenden. 'DV Ã)UVLFKZHUGHQµ muss als eine Selbstbewusstseinsbildung verstanden werden, die ihrer Erscheinungsform, der Entäußerung, so notwendig vorausgeht wie die Entäußerung der Entfremdung. Jene ist mithin ebenso notwendig, wie Marx den Prozesscharakter der Arbeit darstellt: Aus der Entäußerung folgt der Prozess der ( ) konstitutiven Entfremdung, der ( ) der Realisation ihrer Konstitua und der ( ) ihrer Überwindung. In beiden Prozessen werden Reflexion und Gestaltung in einem (a-c, bzw. - synthetisierenden) Begriff vollzogen: dem der Arbeit. Marx übernimmt damit nicht nur den Ausgangspunkt der Entäußerung, sondern auch die Art der methodischen Darstellung: Hegel denkt den Begriff der Arbeit in teleologischen und kausalen Zusammenhängen und bezieht das ökonomisch-soziale Verhältnis der Arbeit auf die identitätstheoretisch-systematische Struktur des Bewusstseins. Diese Zweipoligkeit des Arbeitsbegriffes erschwert es, ihre Zusammengehörigkeit in ihrer Zwiespältigkeit zu begreifen, da diese Konstruktion zu verlangen scheint, entweder den ökonomischen Topos als grundlegend für die spekulative Philosophie Hegels zu betrachten; dies wäre HLQH PDU[LVWLVFKH /HVDUW GLH /XNiFV QDKHOHJW ZHQQ HU VFKUHLEW ÄGD‰ Hegel gerade durch seine Versuche, Gegenstand und Methode der Öko111 Wolfgang Bonsiepen: Einleitung in die Phänomenologie des Geistes, in: PhG, S. XVI. 67

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

nomie anzueignen und ihre ihnen innewohnende Dialektik zu erlauschen, zum Vorläufer des historischen Materialismus geworden ist³112. Das führt zu der Konsequenz, die Habermas zieht. Er geht über Lukácsµ,QWHUSUHWDWLRQHLQHQ6FKULWWKLQDXVXQGEHKDXSWHWÄHUVWGHUGLalektische Zusammenhang von sprachlicher Symbolisierung, Arbeit und Interaktion bestimmt den Begriff des Geistes³113. Dies manifestierte die GLFKRWRPLVFKH 7UHQQXQJ YRQ Ã$UEHLW XQG ,nteraktion¶, die jegliches Sprechen von der Arbeit des Subjekts auf metaphorische Geltung reduzierte, eine Gründung des Staates auf vernünftige und unverhandelbare Prinzipien relativierte und damit verunmöglichte, normative Regelungen von Arbeit aus ihr heraus und mit ihrer sozialkonstitutiven Kraft in der Gesellschaft zu begründen. Die Alternative wäre, Hegels Arbeitsbegriff gewissermaßen als bloßes Abfallprodukt des spekulativen dialektischen Grundschemas und als ökonomischen Zwang zu verstehen. Beides scheint mir nicht fruchtbar, da damit nicht die systematische Stellung der Arbeit bei Hegel berücksichtigt wäre, die zu klären für eine Beurteilung der aus ihr resultierenden Konsequenzen wichtig ist. Ihrer Ambivalenz, beide Momente des Ökonomischen und des Spekulativen voneinander unterschieden in einem zu bewahren, kommt man näher, wenn man die Relation der beiden Momente als Wechselwirkung versteht, wobei wiederum ± und das macht für unsere Diskussion die Relevanz der aktiven Rolle des Arbeitenden aus ± das arbeitende Subjekt im Mittelpunkt der Pole steht. Entsprechend entscheidet die Art des Urteils über die Tätigkeit des Subjekts darüber, wie die Wechselwirkung zu beurteilen ist. Dafür wird die Voraussetzung geschaffen, wenn man zwar den ökonomischen Topos als Bestandteil des Spekulativen fasst, aber zugleich derart qualifiziert (Lukács und Habermas zu gewissem Grad folgend), dDVV+HJHOÄGLH(LQVLFKWLQGHQDXI$UEHLWEHJUQGHWHQ6HOEVterzeugungs- und Selbsterhaltungszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft [in der] Auseinandersetzung mit der politischen Ökonomie gewonnen³114 habe115, um zunächst einmal die Einheit des Widerspruchs 112 Georg Lukács: Die Arbeit und das Problem der Teleologie, in: ders.: Der junge Hegel, Band 2, Frankfurt/M. 1973, S. 545. 113 Habermas (1969), S. 10. 114 Peter Furth: Arbeit und Reflexion, in: ders. (Hg.): Arbeit und Reflexion, Köln 1980, S. 73. 115 Vgl. Arndt (2003), S. 27, dessen Berücksichtigung der Zwiespältigkeit LFKPLFKP(DQVFKOLH‰HGLHHVQDKHOHJHÄGHQVSHNXODWLYHQ*HEUDXFK des Arbeitsbegriffs nicht als Ergebnis der Übertragung und Erweiterung eines ökonomischen aufzufassen, sondern umgekehrt den ökonomischen Arbeitsbegriff als Ergebnis der Integration einer Einzelwissenschaft in ein philosophisches Arbeitskonzept zu begreifen.³ ± Einschränkend sollte hinzugefügt werden, dass dies die Möglichkeit einer bloßen Überhö68

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

wahren und anschließend die verschiedene Gewichtung seiner Pole bestimmen zu können. Denn im Widerspruch liegt die Spannung zwischen der Einsicht in eine Entfremdung des Subjekts und der faktischen und praktischen Umsetzung. Der Widerspruch ist nicht einfach in seine Teile zu zerlegen, und VHLQH 6SDQQXQJ LQ GHU GHU HQWIUHPGHWH ÃVLFK HQWlußerndeµ Mensch steht, nicht einfach aufzuheben, weil er sich damit ± und das ist die Lücke im Entwurf der konkreten Praxis ± seiner Voraussetzung entzöge. Während Marx diese Doppelbeziehung der Arbeit und damit die Entfremdung zum Kriterium der Illegitimität macht, worin er den Grund für die notwendige Überwindung des Widerspruchs findet, ist daraus jedoch die Bestimmung der ambivalenten Arbeitsfunktionen analysierbar; indem geklärt wird, wie diese Ambivalenz zustande kommt, öffnet sich ein Feld, auf dem Entfremdung anders als durch die Negation des Widerspruchs im revolutionären Sinne zu bewältigen ist. Die Entfremdung ist als ambivalente Voraussetzung zur Entwicklung des organisierten Austauschs gleichberechtigter Individuen zu begreifen, deren Kampf im Arbeitsverhältnis die Bedingung der Entfremdung und ihrer Überwindung darstellt. Das Subjekt hat die Möglichkeit dazu, sonst wäre auch die konkrete Praxis des überwindenden Subjekts nicht realisierbar. Lukács macht sehr luzide darauf aufmerksam, wie der Zusammenhang von Entfremdung und Entäußerung zu verstehen ist. Indem er rekapituliert, wie der Begriff der Entäußerung Eingang in das Hegelsche Vokabular und zu seiner zentralen Stellung bei Hegel gefunden hat, zeigt sich, wie notwendig die Bindung der praktischen Entfremdung an die entäußernde Kraft des Subjekts ist und wie notwendig es ist, die Entfremdung als ± vorläufiges ± Ergebnis einer Bezugnahme des Subjekts zu Anderem zu betrachten: Hegel entnimmt den Begriff zunächst ± und nicht sonderlich erfinderisch ± der englischen Ökonomie als Übersetzung von alienation; dann ± und hier leistet Hegel die entscheidende Synthese ± greift er den Begriff der Entäußerung bei Fichte auf. Dieser YHUZHQGHWLKQÄVRZRKOLQGHP6LQQHGD‰GDV6Htzen des Objektes eine (QWlX‰HUXQJGHV6XEMHNWVLVWZLHLQGHPGD‰GDV2EMHNWDOVHLQHÃHQt-

hung der spekulativen Arbeit nicht völlig widerlegt. Begründet wird diese Ansicht nur dadurch, dass das Bewusstsein ökonomischer Tätigkeit das Ergebnis der Reflexion über die Tätigkeit ist und sich in beidem realisiert: in ökonomischer Tätigkeit und ihrem Bewusstsein darüber, soziale Gefüge zu konstituieren, die bewusst und willentlich hergestellt werden; dass Hegel also Arbeit als eine intentionale, also beabsichtigte und reflektierte Tätigkeit begreift. Vgl. auch: Hans-Christoph Schmidt am Busch: Hegels Begriff der Arbeit, Berlin 2002. 69

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

äußerteµ116 Vernunft aufzufassen sei³117. Hegel bringt beide, genau genommen alle drei118, Weisen der Bedeutung zusammen. So ergeben sich drei (Entwicklungs-) Schritte der Entäußerung: 1) Gegenstandsbezugnahme, 2) die Entfremdung von dieser Bezugnahme, 3) die Reflexion auf 1) und 2): die Verschränkung von Ökonomie und Subjektivität als genuin soziales Phänomen, mit dem die Methodik der Prozessualität als notwendige und normativ regelbare Entwicklung legitimiert wird. Der erste Schritt, auf den es hier ankommt, ist die basale Selbsterfahrung des Subjekts als tätiges, arbeitendes Ich, zunächst noch unabhängig von seiner Verknüpfung in ökonomische und soziale Zusammenhänge in Konzentration darauf, wie das Subjekt sich zu seiner Arbeit verhält. Diese Selbsterfahrung des Subjekts geht der Entäußerung, der bewussten Aufnahme einer interessegeleiteten Bezugnahme auf etwas und einen Anderen, voraus. Es ist der bewusste Wille, als Subjekt in die Welt und in Bezug zu ihr zu treten und sich in ein Verhältnis zu ihr zu setzen ± und dieser Wille ist eine Form von Arbeit. Das Subjekt handelt absichtsvoll, auf einen Zweck gerichtet und nimmt dafür freiwillig die mühevolle Bewältigung in Kauf: Ä'LHVH$UEHLWLVWGDKHUGDVHUVWHLQQHUH:LUNHQDXIVLFKVHOEVW [...] und der Anfang der freien Erhebung des Geistes, denn er hat sich hier zum Gegenstande. [...] Diese Arbeit ist wiederholen desselben; darin besteht das Saure, Ich tut auf seine freie Willkür Verzicht³.119 'DV Ã,FKµ, das Subjekt, verzichtet darauf, beliebigen Trieben nachzugeKHQXQGVHW]WVLFKVWDWWGHVVHQGLHÄVDXUH³120 Aufgabe, sich mit sich 116 In der Bedeutung der Selbstobjektivierung des Subjekts, siehe: Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794), in: ders.: Werke, Band 1, Leipzig 1911, S. 360. In der Bedeutung des Objekts als Vernunftbeweis, siehe: Johann Gottlieb Fichte: Darstellung der Wissenschaftslehre (1811), in: ders.: Band 4, S. 73. 117 Georg Lukács: Die ÃEntäußerungµ als philosophischer Zentralbegriff der ÃPhänomenologie des Geistesµ, in: Ders. (1973), S. 829. 118 Der Unterschied zwischen dem Setzen des Objekts als Entäußerung und das Objekt als eine entäußerte Vernunft ist eminent: Ersteres behauptet die Möglichkeit objektiver Erkenntnis (Gegenstandserkenntnis, Voraussetzung der Urteilskraft) des Subjekts; die zweite Formulierung liefert den Grund dazu, nämlich dass die Welt eine Vernünftige sei, was ± das ist der berühmte Fichtesche SelbstverZHLV LQ GHU Ã7DWKDQGOXQJµ ± sich darin begründe, dass sich das Subjekt seiner objektiv in der Welt versichern könne (wie mit dem Setzen des Objekts bewiesen sei). 119 Hegel: Philosophie des Geistes, in: Jenaer Systementwürfe III (2), Hamburg 1987, S. 179 [im Folgenden PhdG (2)]. 120 Wobei das ÃSaureµ hier nicht auf den Geschmack, sondern auf sein Gegenstück, das Basische, verweist. ± Es findet eine wie im chemischen Ergänzungsprozess sich gegenseitig bestimmende Wechselwirkung zweier gegensätzlicher, aber voneinander abhängiger Element statt. D.h. 70

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

VHOEVW ]X EHVFKlIWLJHQ XP ÄVLFK KHUvorzubringen [...] durch Arbeit³121, sich also zum Gegenstand seiner Beschäftigung zu machen. Dass das Wort Arbeit hierbei nicht bloß in einem metaphorischen Gebrauch verwendet wird, kann dadurch deutlich werden, dass sich auch hier die Entwicklung des Bewusstseins mit dem Arbeitsverständnis in ein analoges Verhältnis zueinander setzen lässt. Deshalb ist ein methodischer Analogieschluss zulässig: Als mühsames Tun weist es Ähnlichkeit mit der mühevollen Arbeit, ponos, als Grundform arbeitender Tätigkeit auf: sie hat unhinterfragten Notwendigkeitscharakter. Zweck und Sinn divergieren also noch nicht. Deshalb wird die Sicherung von Lebensgrundlagen ± der Befriedigung aller natürlichen Bedürfnisse, die zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen nötig sind, ± nur passiv als mühselig empfunden und heißt mit Verweis auf die althochdeutsche Bedeutung Arbeit.122 Es macht nur dort Sinn, von Arbeit zu sprechen, wo begriffliche Differenzierung der Gruppen- oder Gemeinschaftsbildung vorherrscht, die auf einem differenzierteren Subjektivitätsverständnis beruht, und eine gegliederte Form und Struktur der Bedürfnisbefriedigung entwickelt ist123. Rufen wir noch einmal ins Bewusstsein, welcher Art die Verbindung der mühevollen Arbeit und einer Reflexion über die Arbeit und ihrem Zweck bei den homerischen Griechen war: Dort bildet der Wille der Götter das Verhältnis von Arbeit und Reflexion, weil sie die Quelle der Gewissheit und Legitimationsinstanz jeglicher Ordnung sind. Die mühevolle Arbeit wollte getan werden, weil es der Wille der Götter war. (EHQVR PKVHOLJ GUlQJHQG LVW QXQ GHU :LOOH GHV 6XEMHNWV VHOEVW ÄVLFK auf eine selbstbewusste Weise raumzeitliche Wirklichkeit zu geben³124, und dieses Wollen als einen selbstgesetzten Zweck zu verfolgen. Bei Hegel bildet der Wille des Subjekts selbst das Verhältnis der Arbeit und der Reflexion: Ä'DV:ROOHQGHZLOOGKHVZLOOVLFKVHW]HQ

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das Ich ist für seine Tätigkeit auf ein Anderes, einen Gegenstand, angewiesen, vgl. Hegel, Naturphilosophie, in: PhdG (2), S. 87/88). 6HEG6Ä'LHVH%HVFKlIWLJXQJPLWVLFKLVWHEHQGLHVVLFKKHUYRrzubringen³Ä(VVLQG>@0RPHQWH7HLOXQJLQLKPVHOEVWGXUFK$rbeit hervorgebracht, es hat dies Produkt zum Gegenstande³, sich zum Objekt. Vgl. arebeit, mittelhochdt. für Mühe, Plage, siehe Conze (1972), S. 161. Vgl. oben und Sieferle (2002), S. 128 ff. Auch Hegel systematisiert diese Kausalisierung der Begriffsbildung, indem er dem Erkennen des Subjekts als ein tätiges und in Bezügen verhaftetes die Sprache voraussetzt. Dies wird ± ebenso wie bei Sieferle, Jaynes (2000) und Snell (1955) geschildert und u. a. von Arendt (1989a: S. 408 ff.) und Marcuse (1972), S. 75 ff. so behandelt ± als historische, gattungsgeschichtliche Entwicklung verstanden. Siehe dazu auch Blumenberg (2007), S. 10 ff. Schmidt am Busch (2002), S. 16. 71

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

sich als sich zum Gegenstande machen. Es ist in sich beschlossen, oder es ist der Schluß in sich selbst; ) ist es das Allgemeine, ZWECK; ) ist es das Einzelne, Selbst, Tätigkeit, Wirklichkeit, ) ist es die Mitte dieser beiden, der Trieb; er ist das Zweiseitige, das den Inhalt hat, Allgemeines, der Zweck ist, und das tätige Selbst desselben; jenes der Grund, dies die Form.³125 Das Subjekt will etwas, richtet sein Interesse und Bewusstsein auf etwas, das es begehrt, und setzt diese Form des Willens als Arbeit durch. Damit sind drei intellektuelle Leistungen verbunden: 1. die Strukturierung einer Tätigkeit durch Setzen eines Zwecks ( , 2. der affirmative Bezug des Subjekts auf sich selbst dadurch, dass es diese Tätigkeit als sein Wollen erkennt ( , 3. die (bewusste) Erfahrung des reflexiven Bezugs auf sich als einen selbst gesetzten (abstrakten) Gegenstand als Ergebnis von Willensbildung und Zwecksetzung ( . Während das Subjekt sich zum Ziel gesetzt hat, einen Gegenstand haben zu wollen, reflektiert auf sich und seine Fähigkeit der willentlichen Zwecksetzung und macht sich damit selbst zum Objekt, indem es darauf reflektiert, tätig zu sein und dies bewusst und als eine rein in sich selbst begründete Tätigkeit zu erfahren. Es erarbeitet sich ein Wissen um sich selbst und um die Bedingungen, die dafür nötig sind: Zwecksetzung und Willensbildung.126 Diese willentliche Zwecksetzung erfährt das Subjekt als Arbeit im Sinne des ponos. Und diese Tätigkeit ist ± ein dialektischer Clou der Übertragung der Struktur auf die Methode der Begründung ± eine Art des Energieverbrauchs, der auch noch die StrukturEHVFKUHLEXQJGLHVHU%H]XJQDKPHOLHIHUWÄ8QGÃZLUNOLFK¶± Hegels Aufnahme der energeia des Aristoteles ± ist diese Selbstreferenz, weil das Referieren zugleich sein Referenzobjekt ist: ein Ich ist nichts anderes als der Akt, im erstpersönlichen Modus auf sich zu referieren.³127 Es ist die Struktur von (1) gezielter Gegenstandsbezugnahme, (2) Gegenstandsaneignung, und (3) Bewusstsein von Aneignung und Bezugnahme als eigenständig, zweckmäßig gesetzte und in sich reflektierte Tätigkeit: eine wirkliche, willentliche, gerichtete und reflexive Tätigkeit. Nun weist eine zielgerichtete Bezugnahme prinzipiell eine teleologische Struktur auf, bringt als Ergebnis ein ergon hervor und entspricht damit als Tätigkeit der poiesis; die Reflexion darauf, die Bildung eines Tätigkeitsbewusstseins, ist eine selbstreferentielle Bewegung und von 125 PhdG (2), S. 186. 126 Ebd. 127 Michael Quante: Die Pers|QOLFKNHLW GHV :LOOHQV XQG GDV ÃIch als DieVHUµ. Bemerkungen zum Individuationsproblem in Hegels Konzeption des Selbstbewusstseins, Münster 2001, S. 62 [Hervorhebung von mir, SK]. 72

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

selbstreferentieller Struktur, die methodisch einer praxis entspricht; eigentlich widerspricht sich dieses Modell also. Die drei Aspekte können bei der Arbeit der willentlichen Verfolgung eines selbstgesetzten Zwecks aber zusammenwirken, weil die Bearbeitung des Gegenstandes in der Zeit stattfindet und die Veränderung, die durch die Bearbeitung sichtbar wird, reflektiert wird. Was gewinnen wir nun mit der Intentionalität der Zwecksetzung und diesem Willen zu tätiger Selbstreflexion? Zwei Konstitutionsbedingungen eines Begriffs von Arbeit: Zum einen basiert Arbeit auf der Willenskraft, selbsttätig einen Zweck zu setzen und diesen zu verfolgen. Zum anderen ist es für Arbeit damit Bedingung, dass das Subjekt diese reflexive Bezugnahme auf sich als Bezugnahme auf einen Gegenstand und diese Bezugnahme als eine aktive Tätigkeit versteht. Damit lässt sich die Reflexion des Subjekts mit der methodischen Struktur von Arbeit verknüpfen: Subjektreflexion ist nicht unabhängig von Gegenstandsbezug möglich, und damit bilden sich Verständniskonzepte von Zweck und Sinn aus. Hegel korreliert damit Arbeit mit der HUVWHQ7lWLJNHLWGHV6XEMHNWVRKQHÃLQVWUXPHQWHOOHVµYRQÃNRPPXQLNDWivemµHandeln zu trennen und ohne das eine auf das andere zu reduzieren. Das erste willentliche praktisch-Werden des Subjekts, das zur Strukturierung von Gegenständen beiträgt, klassifiziert Hegel als Arbeit. Dieser Subjekterfahrung geht Begriffsbildung voraus; die Ordnung des Verhältnisses des Subjekts zu sich selbst, das es als gegenständlich, als relationales Objekt erfährt, gelingt ihm durch diese Bezugnahme, die eine Bewältigung im Sinne der mühevollen Arbeit darstellt: Ä:LH ZLUG nun diese ihre Notwendigkeit oder ihre Befestigung ± so daß Ich ihr Sein wird [...]; es muß es durch sich werden; seine Unruhe muß das sich Befestigen, sich als Unruhe, sich als reine Bewegung aufhebende Bewegung werden. Dies ist Arbeit; seine Unruhe wird Gegenstand, als befestigte Vielheit, als Ordnung; ± die Unruhe wird Ordnung eben dadurch, daß sie Gegenstand wird.³128 Die Erfahrung der Eingebundenheit in ein Bezugsverhältnis ist Voraussetzung für eine Bezugnahme auf Anderes. Denn wie soll ein Subjekt Gegenstandsbezug bzw. Bezug zu Anderem entwickeln, wenn es nicht die Erfahrung des Unterschieds ± und der Tätigkeit zur Aufnahme eines Bezugsverhältnisses gemacht hat? Arbeit hat darin, wie die Sprache, die Bedeutung der Vermittlung zwischen dem Subjekt und allem, was es als nicht mit ihm identisch betrachtet, bindende Realisationskraft. Mit und in der Arbeit schafft das Subjekt eine erste Selbstverortung und wird fähig, willentlich einen Zweck zu verfolgen. Sich selbst als ak128 Ebd., S. 177. 73

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

tives Wesen zu erfahren, hängt wesentlich davon ab, ein Bezugsverhältnis grundsätzlicher Art aufzubauen. Diese Bezugnahme nennt Hegel Arbeit, weil Arbeit a) Ergebnis einer Zwecksetzung ist und b) das tätige Subjekt darin ein Resultat erzielt, also Veränderung durch sein Tätigsein und sich selbst als ein bezugnehmendes Wesen erfährt. Im Unterschied zum Arbeitsverständnis der homerischen Griechen zeigt sich, dass Arbeit im modernen Verständnis zwar auch eine Anstrengung darstellt, aber aus einem weiteren Grund: Der Aufbau des Verhältnisses des Subjekts zur Arbeit ist initiativ, selbsttätig, willentlich aktiv und repräsentiert ein verändertes Selbstverständnis des Subjekts. Dieser Begriff fasst Arbeit ± im Unterschied zur Arbeit der mythologischen Griechen ± als strukturell differenzierte Tätigkeitsmethode: In der telos-Struktur der willentlichen Zwecksetzung gewinnt die Arbeit den Charakter einer poiesis, einer Unterschiede setzenden Tätigkeit. Mit der energeia-Struktur der Reflexion über das verändernde und veränderte Verhältnis gewinnt die Arbeit die Qualität einer praxis. Dieser Veränderungsprozess schafft eine veränderte Bedeutung der Funktionsbestimmung von Arbeit. Wenn also eine Tätigkeit dann Arbeit ist, wenn sie willentlich einen Gegenstandsbezug aufbaut, ist Arbeit ein basales Mittel zur Bezugsaufnahme des Subjekts zu Anderem. Hier liegt der emanzipative Charakter der Arbeit, den Marx in den Manuskripten diskutiert. Da sich aber in diesem emanzipativen Verhältnis ein Widerspruch entwickelt, der für Marx nur in der Überwindung der Organisationsweise der Arbeit aufgelöst werden kann, ist das Gegenstandstandsverhältnis zu betrachten, das sich in der Arbeit spannt und den Widerspruch in ein paradoxes Verhältnis zwischen dem arbeitenden Subjekt, dem von ihm bearbeiteten Gegenstand und der Arbeitstätigkeit wendet.

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DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

Das Objekt der Arbeit Welcher Art ist das Objekt und wie bezieht sich das Subjekt darauf? In Hegels Darstellung gewinnt das arbeitende Subjekt durch absichtliche Gegenstandsbezugnahme die grundlegende Vorstellung und aktive Erfahrung von seiner Arbeit und entwickelt dadurch ein anfängliches Bewusstsein der Differenz von Zweck und Sinn. Es ist die Erfahrung von Selbstreflexivität und Veränderbarkeit durch willentliche Zwecksetzung auf der einen Seite und einer Bedeutungsverschiebung seines eigenen Selbstbildes sowie des Verhältnisses, in dem es sich befindet, auf der anderen Seite. Das Subjekt gewinnt also in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand ein Bewusstsein von sich selbst. Damit aber ein Begriff der poiesis- und praxis-Struktur von Arbeit möglich ist, muss Hegel das Verhältnis zum bislang bloß abstrakt vorliegenden Gegenstand bestimmen und deutlich machen, welche Folgen das hat.

Aneignung und Bearbeitung Hegel bestimmt, dass der diskrepanten Bezugnahme zum Gegenstand eine Schlussstruktur zu Grunde liegen muss, die ein Resultat hat und deshalb als eine Form von Arbeit klassifiziert werden kann. Diese teleologische Struktur beruht auf dem entäußernden Bezugsbedürfnis. Wie Hegel formuliert, muss das Subjekt einen Mangel empfinden129, weil die Bezugnahme nichts anderes ist als eine Reaktion auf das Bewusstsein eines bestehenden Unterschieds: Ä'DV *HIKO GHU 7UHQQXQJ LVW GDV Bedürfniß; das Gefühl als Aufgehobenseyn derselben der Genuß. [...] [D]ieses Gefühl in der Form der Differenz oder des Subsumirtseyns der Anschauung unter den Begriff, muß selbst ebenso als Totalität begriffen ) als negatives praktisches Anschauen (Arbeit) . Differenz werden; (Product und Besitz) . Werkzeug.³130 Fokus und Interesse des Subjekts liegen nicht auf der bloßen Produktion eines Gegenstandes, sondern darauf, dass das Subjekt seinen Willen durchsetzen will, sich also die Freiheit seiner Zwecksetzung beweisen will. Die Arbeit ist eben jenes Mittel, ( ) eine Bedürfnisbefriedigung herbeizuführen, ( ) die erfolgreiche Erfüllung dieser Absicht als Resultat seines eigenen Tuns zu empfinden, und ( ) sich dafür 129 SLHKH3KG*  6IÄ1lPOLFKGHU:LOOHQLVW)UVLFKVHLQGDVDOOHQ fremden, seienden Inhalt in sich getilgt hat; dadurch aber ist es das Anderslose, das Inhaltslose, und fühlt diesen Mangel; es ist aber ein Mangel, der ebenso positiv ist³. 130 Hegel: System der Sittlichkeit (1802/1803), Werke V, Hamburg 1998, S. 281, 284. 75

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Hilfsmittel zu suchen, die ihm das Arbeiten erleichtern. Dafür muss sich das Subjekt den Gegenstand aneignen, um ± das ist die praktische und die erkenntnistheoretische Komponente der Aneignung zugleich ± eine Anschauung vom Gegenstand zu erlangen. Das Subjekt gewinnt eine erste empirische Form der Selbstvergewisserung, indem es den angeeigneten Gegenstand als Resultat seiner Tätigkeit versteht131 XQG ÄLQ GHP verwirklichten Zweck seine voluntative und praktische Tätigkeit³132 erkennt. Hegel nennt die Triebbefriedigung durch Gegenstandsaneignung GXUFK $UEHLW ÄGDV GLHsseitige sich zum Dinge Machen³ XQG ÄGLH (Qtzweiung des triebseienden Ich³133: Das Subjekt macht die intellektuelle und empirische ± körperliche ± Erfahrung, Initiator und Gestalter des Bezugsverhältnisses zu einem Objekt zu sein. Die erkenntnistheoretische Komponente spielt hier eine wichtige Rolle, weil Hegel das Subjekt zum bestimmenden Initiator von Bewusstseinsveränderung macht: Das Subjekt erlangt Gestaltungsmacht über das Objekt und ein Bewusstsein über sich als Akteur. Das instrumentelle Handeln hat nicht nur eine reflexive Komponente, sondern eine Doppelbedeutung, die dem Subjekt den empirischen Beweis seiner bislang behaupteten Gewissheit darüber liefert, dass eben jene Behauptung der willentlichen und erfolgreichen Zweckverwirklichung Resultat seines eigenen und freien Tuns ist: sowohl das Erkennen eines produzierten Gegenstandes, als auch das der selbsttätigen Veränderung des Gegenstandes zu einem Produkt durch aktive Tätigkeit. Die Arbeit erschöpft sich nicht in der Herstellung oder Bearbeitung des Gegenstandes; sie beinhaltet das Erkennen der Veränderung des Gegenstandes durch Arbeit. 'LHVH Ã'LHVVHLWLJNHLWµ GHV ÃVLFK ]XP 'LQJH 0DFKHQVµ initiiert noch keine, wie Lukács urteilt, Entfremdung des Menschen von sich selbst, in GHU VLFK GLH Ä(LJHQJHVHW]OLFKNHLW GHU $UEHLW DXV>GUFNW@ GLH YRQ GHQ Wünschen und Neigungen des Individuums unabhängig ist, ihnen fremd und objektiv gegenübersteht³134; es drückt vielmehr aus, dass Entfremdung grundsätzlich möglich ist. Das arbeitende Subjekt erfährt, dass es Teil von der Natur ist, in einem Bezugsverhältnis zu ihr steht und dieses gestalten kann. Das Instrumentelle des Werkzeugs führt dazu, dass das Subjekt den bearbeiteten GeJHQVWDQG DOV VHLQ Ä:HUN GHV ,FK³135 weiß. 131 Vgl.: Ä'LH $UEHLW VHOEVW DOV VROFKH LVW QLFKW QXU 7lWLJNHLW 6lXUH  VRndern in sich reflektierte, Hervorbringen. [...] hier bringt sich der Trieb hervor, er bringt die Arbeit selbst hervor ± er befriedigt sich [...]. ± Es ist der Inhalt auch insofern als es das Gewollte ist, und Mittel der Begierde, die bestimmte Möglichkeit desselben³, PhdG (2), S. 189. 132 Schmidt am Busch (2002), S. 31. 133 PhdG (2), S. 189. 134 Lukács (1973), S. 505. 135 PhdG (2), S. 188. 76

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

Das Werkzeug dient als Mittel zur Dispension von der unmittelbaren Arbeit, als Mittel zur Distanzierung von der Arbeit und damit zur Entwicklung einer Distanzierung von der unmittelbaren Naturabhängigkeit. Die Darstellung reicht für ein ontologisches Urteil (dass das diesseitige sich zum Dinge Machen eine erste prä-soziale Entfremdung charakterisierte) nicht aus; zunächst ist nur ± in Bedacht des möglichen Gegenteils des Gegenteils ± die Möglichkeit der Entfremdungsgefahr expliziert. Der Entfremdung muss ein Bewusstsein seiner Möglichkeit vorausgehen. Erst wenn es die Bedeutung seiner Tätigkeit verinnerlicht hat und diese nicht mehr ausüben kann, lässt sich davon sprechen, dass in einem weiteren Objektbezug Entfremdung vorliegt. Zwar lässt sich der Anklang drohender Entfremdung vernehmen: Wenn sich das Subjekt und sein Gegenstand durch die Konstitution einer Beziehung gegenseitig verändern, gibt es auch die Möglichkeit, dass das Subjekt dem Objekt fremd gegenübersteht. Die Komponente der Verdinglichung, die Lukács (wie Habermas136  LP ÃGLHVVHLWLJHQ VLFK zum Dinge Machenµlesen, ist zunächst als Erfahrung der eigenen Körperlichkeit und der Konfrontation mit natürlichen Kräften zu verstehen, nicht nur als entfremdende Verdinglichung. Insofern ist Honneth zuzustimmen, der auf die Vorläufigkeit dieser Bezugserfahrung abhebt und EHWRQWGDVVHVGDEHLDXFKXPÄPHKUDOVQXUGH>Q@'UDQJ]XU6HOEVWYHrgegenständlichung³ JHKW ÄPLW GLHVHP $XVGUXFN ZLUG YLHOPHKU GHU Eesondere Entschlossenheitscharakter hervorgehoben, der der Absicht zukommt, sich in einem Handlungsgegenstand selbst zu erfahren.³137 Der Gegenstand hat also zwei Bedeutungen: Zum einen als empirisches Objekt subjektiver Absicht, z. B. als ein Stück Leder, aus dem ein Schuh werden soll; zum anderen repräsentiert er die Fähigkeit des Subjekts, zu wissen, dass es aus diesem Leder einen Schuh machen kann: Im Gegenstand ± in der Spiegelung der Vorstellung ± erkennt das Subjekt seine Kompetenz, a) Dinge durch gezieltes Tun zu verändern, sich b) dadurch nutzbar zu machen, und c) dass es in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen und Zwecke zu verfolgen. Die Kombination aus Gegenstand, Werkzeug und Zwecksetzung legt den Grundstein für die Reflexion des tätigen Subjekts zu jener (Selbst-) Erkenntnis, dass die herstellende Bearbeitung des Gegenstandes zur Grundlegung der Objekt- und der Ich-(UNHQQWQLVDOVÄLQVWUXPHn-

136 Siehe Habermas (1969), S. 27, der darauf rekurrieren muss, dass sich ÄGLH (UIDKUXQJ PLW 1DWXUSUR]HVVHQ JHJHQ GLHVH VHOEVW ZHQGHW³, sonst könnte er nicht auf die von ihm intendierte Trennung von Arbeit und sozialer Interaktion kommen. 137 Axel Honneth: Kampf um Anerkennung, Frankfurt/M. 1994, S. 59. 77

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WHOOH 6HOEVWHUIDKUXQJ GHV 6XEMHNWV³138 notwendig ist. Bereits der Gebrauch des Werkzeugs, das selbst ein bereits tätig verändertes Ding sein muss, um ein anderes Ding zu bearbeiten, verbildlicht den Herstellungsvorgang als tätige Einsicht in die Notwendigkeit einer Naturabhängigkeit, von der sich das Subjekt emanzipieren kann. In der Reflexion des poietischen Herstellungsprozesses liegt die praktische Komponente der Arbeit: Sie ist Mittel zur Produktion wie zur Handlungsfreiheit. Arbeit trägt zur Subjektkonstitution bei, indem sie instrumentelles Vermittlungs-, Reflexions- und Äußerungsmittel einer Veränderung der Selbstauffassung des Subjekts ist. Ihre subjektkonstitutive Funktion erweist sich darin, dass sie Gegenstandsbezugnahme vollzieht, sich das Subjekt von diesem Gegenstand unterscheidet und diese Unterscheidung als eigene Leistung anerkennen kann. Sie produziert ein Selbstbild, in dem sich das Subjekt als Subjekt unter durch es selbst veränderbaren Gegenständen erkennen kann. Der Sinn der Arbeit liegt in der Erkenntnis der willentlichen Zwecksetzung und Zweckrealisierung.

Poietische Bezugnahme und praktische Abhängigkeit Damit ist nicht mehr als die Ambivalenz von Funktion und Bedeutung des gegenseitigen Bezugs von Subjekt und Gegenstand aufeinander geklärt. Der Widerspruch ist nicht gelöst, aber in einer Zweipoligkeit in ein gegenseitiges Verhältnis der Beeinflussung aufgespannt. Es ist der Ä5DXPGHU Gurch die Unterscheidung geteilt oder gespalten ist³139, benannt, mit dem die den Raum begrenzenden Pole bestimmt werden können: der Gegenstand als konkretes und reflexives Objekt und das von ihm abhängige Subjekt. Die Bezugnahme ist das Bestimmende der Funktion von Arbeit. Sie zeigt paradoxale Aspekte: Sie enthält durch ihren Herstellungscharakter das Moment der Reflexion und einer freiheitlichen Kraft, weil das Subjekt im bearbeiteten Produkt erkennt, dass es seinen Willen zur Aneignung des Gegenstandes gegen den Widerstand der Natur mühevoll hat durchsetzen können. Es ist der Grundstein für den Zusammenhang von Arbeit und Gesellschaftskonstitution: erst indem der Arbeit durch die herstellende Tätigkeit ein Handlungscharakter zugeschrieben wird, wird ein organisierbarer Umgang mit den hergestellten Produkten ermöglicht. Der Begriff der Entäußerung gewinnt eine andere Qualität als der, den Marx aufgreift, um aus ihm die Entfremdung abzuleiten. Während Marx eine Ökonomieanalyse vornimmt, um die Grundlage für eine an-

138 Ebd., S. 60. 139 George Spencer Brown: Gesetze der Form, Lübeck 1999, S. 3. 78

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

dere Gesellschaft zu legen, analysiert Hegel, wie widersprüchliche Konstellationen zu Stande kommen, und gibt die Instrumente zur Hand, sie auf den Begriff bringen und eine Form von Kritik äußern zu können, die nicht die Negation von Widersprüchen ± und damit die Negation der gesellschaftlichen Formation, die diese Widersprüche verursacht140, ± zur Folge hat, sondern die Möglichkeit zur Reformulierung der ihr innewohnenden Normen. Wir sind nun an einer Stelle, die die Voraussetzung für die Sozialisierung des Subjekt-Gegenstand-Bezugs bildet. Wir lesen diesen Übergang nicht als Darlegung der Entwicklung zu einer sich vollbringenden Ordnung, die mit der Gewissheit der Überwindung der Antagonismen potentieller und tatsächlicher Entfremdung die Einsicht der Vernunft in sich selbst als Lösungsmodul für Gegensatzkonflikte bildet; wir lesen ihn als ein Postulat, das zwar weder von der Überwindbarkeit von Widersprüchen, noch von ihrer Lösbarkeit ausgeht, aber aufgrund ihrer inhärenten Spannungen eine Verhandelbarkeit von Widersprüchen ermöglicht, die ihre sozialen Konstitutionsbedingungen wie ihren Weiterentwicklungsprozess bedingt. Die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand ist für das Subjekt das Mittel zur Vergewisserung seiner Körperlichkeit, seiner eigenen Gegenständlichkeit; das Werkzeug kann als Beleg dafür verstanden werden. Es ist der handfeste Beweis dafür, dass das Subjekt sich die Natur für eigeQH=ZHFNHGLHQVWEDUPDFKHQNDQQHVLVWGLHÄ9HUJHJHQVWlQGOichung der Struktur des arbeitenden Bewusstseins³141. In dieser Gegenständlichkeit beginnt das Subjekt, sich lebendig gegen die Welt behaupten zu wollen. Dies ist der eigentliche Prozess, der in der Tätigkeit, die als Arbeit begreifbar ist, vonstattengeht: das Bedürfnis menschlicher Selbstbehauptung gegen die Abhängigkeit von der Natur. (V LVW GHU $QIDQJ GHVVHQ ZDV Ã6XEMHNWLYLHUXQJµ genannt werden könnte, wenn nicht dagegen spräche, dass dies die aktive Wendung zwar zu einem Bewusstsein von Abhängigkeit, aber auch zur Gestaltbarkeit und Strukturierbarkeit des Menschen von der Natur noch unabhängig von sozioökonomisch organisierten Abhängigkeitsstrukturen darstellt. 'HU $QWULHE GD]X LVW HLQH Ä%HJLHUGH³142, sich an den Gegenständen abzuarbeiten, weil es das einzige Mittel ist, Lebendigkeit und subjektive Gegenständlichkeit bestätigen zu können. 140 9JO7KHVHEHU)HXHUEDFKÄ>@'DV=XVDPPHQIDOOHQGHs Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden.³, in: MEW 3, S. 6. 141 Schmidt am Busch (2002), S. 52. 142 PhG, S. 121. 79

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

'LHVHÄ7ULHEDQVSUFKH³143 sind aber nicht ausschließlich vegetativer Natur, sondern expliziter Ausdruck des elementaren Bedürfnisses, eine Form der Bestätigung zu finden, die ihm die dauerhafte Gewissheit willentlicher Zwecksetzung durch Arbeit YHUVLFKHUWGLHÄ:DKUKHLWGHU*ewissheit seiner selbst³144, ein Wissen um die Leistungskraft von Arbeit. 'DVÄLQVWUXPHQWDOH+DQGHOQ³145 ist zwar Mittel und Instrument dazu, aber es ist unmöglich von der Reflexivität seines Resultats zu trennen. InVRIHUQ N|QQHQ DXFK QLFKW GLH Ä1RUPHQ XQWHU GHQHQ NRPSOHPHQWlUHV Handeln im Rahmen kultureller Überlieferung erst institutionalisiert und auf Dauer gestellt wird, unabhängig vom instrumentalen Handeln³146 sein, weil dieser Bestätigungsprozess nicht nur materialistische Komponenten aufweist, sondern auf seine Mittelbarkeit verweist. Dauerhaftigkeit begieriger Bestätigung erlangt das Subjekt eben nicht dadurch, dass sich das instrumentale Handeln der Gegenstandsaneignung infinit repetiert, das arbeitende Subjekt also einfach zweckrational handelt, sondern dadurch, dass die eigene Arbeit eine grundlegende Befriedigung vermittelt, für deren Aufrechterhaltung das Subjekt aber sorgen muss. Diese Tätigkeit vermittelt eine Bestätigung durch Anerkennung dessen, wodurch das Subjekt ein Bewusstsein seiner Zwecke: Selbstbewusstsein, erlangt. Dies ist dem Subjekt nicht möglich, wenn es den Gegenstand ± das Andere ± seiner Zweckverfolgung unterordnet. Das Subjekt muss dem Gegenstand ebenso viel Selbstständigkeit zugestehen wie es für sich selbst beansprucht, ohne auf die eigenen Ansprüche zu verzichten: Ä>'@LH%egierde, die wirkliches Selbstbewusstsein sucht, kennt zwar ± als Begierde ± nur sich selbst und sucht nichts als sich selbst im Andern, aber sie vermag nur sich selbst in ihm zu finden, wenn dies Andere selbständig ist und ihm das gewährt, seinerseits nicht auf sich zu EHVWHKHQVRQGHUQYRQVLFKDEVHKHQGÃIUGDV$QGHUH]XVHLQ¶.³147 Hier beginnt ein Verhältnis, das auf gegenseitig befriedigender, reziproker Bezugnahme basiert. Natürlich ist die Entwicklung der Arbeit Ergebnis sich differenzierender Bedürfnisse148 und ihrer entsprechenden Gestaltung. Aber Hegel konzipiert gerade die Bedürfnisbefriedigung als einen Willensakt, den das Subjekt in Reflexion seines Triebes vollzieht. Und dabei zeigt sich, 143 144 145 146 147

Habermas (1969), S. 26. PhG, S. 120. Habermas (1969), S. 27. Ebd., S. 33. Hans-Georg Gadamer: Hegels Dialektik des Selbstbewusstseins, in: Hans-Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hg.): Materialien zu Hegels ÃPhänomenologie des Geistesµ, Frankfurt/M. 1976, S. 226. 148 Vgl. Sieferles (2002) Darstellung der kausalen Verbundenheit zivilisatorischer Entwicklung und der Erweiterung der Bedürfnisse. 80

DIE BEDEUTUNG DES SUBJEKTS

dass die Objektivität, die gegenständliche Welt, also all das, was das Subjekt nicht als mit sich identisch auffasst, eine Konstitutionsbedingung für das Subjekt ist. Indem das Subjekt nur an dem interessiert ist, was für es wichtig ist, stellt sich heraus, dass es das nur bekommen kann, wenn es ihm gelingt, eine Dauerhaftigkeit der Bedürfnisbefriedigung herzustellen. Dies gelingt nur, wenn es zugleich die Bedingung der gelungenen Bedürfnisbefriedigung, das Andere nämlich, bestehen lässt. Die Begierde zeigt, dass sie nur relativ möglich ist. Ä'LHVLVWGDVXnendliche Recht des Subjekts, das zweite wesentliche Moment der Freiheit, dass das Subjekt sich selbst befriedigt findet, in einer Tätigkeit, Arbeit³.149 Arbeit ist der tätige Vollzug eines willentlichen Zwecks, der nur relational erreicht werden kann; davon ist das Subjekt abhängig. Es beruht auf einer paradoxen Struktur: Gleichzeitige Aneignung und Bewahrung des Objekts. Bestätigungsbedürfnisse können nur befriedigt werden, wenn sie sich nicht die Grundlage nehmen. Das Bedürfnis, sich selbst als Teil der Welt zu bestimmen, ist der Antrieb, der zunächst die Form der Aneignung annimmt. Nur ist die Befriedigung darin iterativ, dass in der Aneignung beifolgend die Deprivation der Befriedigung liegt. Aber es bedingt die Erkenntnis, dass das Subjekt von der Welt abhängig ist, sich in ihr aber als selbstständiges beweisen, dass es nur unter Berücksichtigung des Anderen das sein kann, was es sein will. Die Einsicht in diese Abhängigkeit ist deshalb Ausdruck subjektiver Freiheit, weil die Einsicht durch die Arbeit am Objekt real wird und so das Verhältnis von Subjekt und Objektivität bestimmt. Die Arbeit bildet die Form des Verhältnisses, in welchem der Mensch zur Welt steht: in einem Abhängigkeitsverhältnis, das so gestaltbar ist, dass die Tätigkeit, die dieses Abhängigkeitsverhältnis bewältigt, als eigenständige Leistung erfahrbar wird. Dieses paradoxe Verhältnis bedarf der Organisation.

149 Hegel: Philosophie der Geschichte, Einleitung (1830/31), Werke XVIII, Hamburg 1995, S. 159. 81

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

D i e s u b j e k t k o n s t i t u t i ve F u n k t i o n d e r Ar b e i t Damit lässt sich die subjektkonstitutive Funktion von Arbeit rahmen: $UEHLWLVWÄHLQIUGLHJDQ]H3UD[LVGHVPHQVFKOLFKHQ'DVHLQVNRQVWLWXWives Moment³150, Ausdruck gattungsbedingter Abhängigkeit und die elementare Form des Bezugs zu Anderem. Wir haben es bei einer subjektkonstitutiven Funktion von Arbeit mit einer Paradoxie zu tun: Versteht man den sozialphilosophischen Ansatz als einen, der sich dem Vermittlungsproblem von Theorie und Praxis widmet, 1) indem die subjektiven Motive sozialen Handelns untersucht werden; 2) der den subjektiven Bedingungen empirischen Handelns eine reflexive Ebene zuordnet; 3) der Sozialbezüge und Subjektivität als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet, ohne lebensweltliche Determinanten oder das Subjekt als causa prima zu institutionalisieren; dann besteht zwar ein Spannungsverhältnis, aber auch ein Bestimmungsverhältnis. Denn es setzt nicht das Individuum der Gesellschaft, das Subjekt der Objektivität, den Menschen der Welt, die Universalität der partikularen Einzelkausalistik usw. oppositionär JHJHQEHU Ä>'@LH Ã(LQKHLWµ der äu‰HUHQ*HVHOOVFKDIWZLHDXFKGHULQQHUHQÃ*HVHOOVFKDIWµwäre dann eben keine ontologische gesicherte Voraussetzung mehr, sondern eine stets neu zu bewältigende Aufgabe der Integration von Disparatem.³151 Die Paradoxie ist also das Ergebnis der Wahl zwischen einem dualistischen und einem tautologiVFKHQ 6WUXNWXUPRGHOO GHQQ ÄHLQ ,QGLYLGXXP GDV schon fertig da ist, erweist sich ebenso als Chimäre wie die Position eines einsamen Denkers, der sich über die Sozialwelt erhebt.³152 Im Subjekt liegt die Paradoxie von Freiheit und Entfremdung, und Arbeit wird damit zu einem Paradigma der Bewältigung der Dichotomie: Arbeit ist Mittel zur Subjektkonstitution, weil sie eine Form der Bezugnahme zwischen dem Subjekt und der objektiven Welt darstellt. Daraus resultiert zwar das Dilemma, dass das Subjekt dort, wo es sein Wesen freiheitlich zu verwirklichen dachte, mit der Begrenzung seiner Bewältigungskompetenzen konfrontiert wird; das Mittel der Bewältigung bringt hervor, was es eigentlich bewältigen wollte. Dann ist es aber nicht erst eine kapitalistische Organisation von Arbeit, die den Widerspruch hervorbringt; dieser Widerspruch des Bezugsverhältnisses ist produktiv, und das reflektierte Bezugsverhältnis, das in der Arbeit sichtbar wird, ein gestaltbares Paradox. 150 Marcuse (1933), S. 263. 151 Röttgers (2002), S. 23. 152 Bernhard Waldenfels: Sozialphilosophie im Spannungsfeld zwischen Phänomenologie und Marxismus, in: Guttorm Fløistad (Hg.): Contemporary Philosophy. New Survey, III, London 1982, S. 219. 82

DIE SUBJEKTKONSTITUTIVE FUNKTION DER ARBEIT

Arbeit als Subjektreflexion Diese Paradoxie ist nicht einfach widersprüchlich, weil beide Bedingungen sich gegenseitig begründen, sondern weil sich dort, wo das einzelne Subjekt zunächst mit der begrenzten Möglichkeit der Überwindung des Hindernisses konfrontiert ist, die prinzipielle Möglichkeit zur Überwindung der Begrenzung ]HLJW'HU6FKQLWWSXQNWGHU3DUDGR[LHLVWGLHÄLnstrumentelle Selbsterfahrung des Subjekts³153, mit seiner Arbeit Wirklichkeit so konstituieren zu können, wie es sich zum Zweck gesetzt hatte. Das Subjekt hat ein Werk hergestellt und weiß sich selbst als dessen Urheber, wenn es die Veränderung durch sein Tun beobachten und verstehen kann. Es hat durch seine Arbeit ein Selbstverständnis erlangt. Es ist die Voraussetzung, Zwecksetzungen von Sinnbildungen zu unterscheiden. Solange Zweck und Sinn in der Arbeit nicht unterscheidbar sind und darin ihre gegenseitige Einflussnahme erkennbar ist, unterscheidet sich eine Tätigkeit nur darin von einer anderen, dass sie mit Mühe verbunden ist. Die Mühseligkeit beinhaltet die Unterscheidung von Zweck und Sinn, weil die Ursache der Mühseligkeitserfahrung das Subjekt selbst ist. Indem das Subjekt auf seine Bedürfnisbefriedigung reflektiert, erkennt es, dass es selbst Urheber der Mühseligkeit als Akteur einer willentlichen Zwecksetzung ist, die es mit seiner instrumentellen Gegenstandsbearbeitung verfolgt. Darüber bildet das Subjekt ein Selbstbild aus. So wird die Mühe der Bedürfnisbefriedigung zu Arbeit, weil das Subjekt am Resultat erkennt, dass es Wirklichkeit verändert und nach Strukturen, die es selbst geschaffen hat, zu gliedern vermag. Damit scheint die Sinndimension auf, die nach einer Einordnung möglicher Einzelzwecke verlangt. Die einzelnen Tätigkeiten werden zwar in Hinsicht auf ihre Zweckhaftigkeit unterschiedlichen Hierarchien untergliedert, indem z. B. das Zuschneiden des Leders ein der Vollendung der Schuhherstellung notwendigerweise vorausgehender Schritt ist. Aber wozu ein Schuh, wenn eine Hose fehlt? Nur wenn unterschiedliche Zweckqualitäten und Zweckhierarchien differenziert werden können, macht es Sinn, eine Tätigkeit als mühselig zu begreifen und damit über die erste Klassifikation der Arbeit als ponos hinauszugehen. Das Subjekt sieht die Verhältnismäßigkeit: zwischen selbst geschaffenen Abhängigkeitsstrukturen und der Einsicht in die Notwendigkeit ihrer Bewältigung. Das Feld dieser Spannung ist nichts anderes als das Dilemma zwischen Zweck und Sinn, und das Subjekt ist Akteur dieser Relation. Die paradoxe reflexive Funktion von Arbeit besteht in der Bewältigung der Diskrepanz von Zweck Sinn durch Arbeit. 153 Honneth (1994), S. 60. 83

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Dies birgt den emanzipatorischen Charakter der Arbeit. Wo Hegel die Erfahrung der Veränderung durch die Arbeit am Gegenstand zum Reflexionsgegenstand macht, so dass Arbeit als Bildungsprozess des Subjekts fassbar und zur Grundlage von Bezugnahme wird, ist Arbeit für Marx im Angesicht der herrschenden Verhältnisse gerade das bezugszerstörende Moment, weil es zwar zur Vergegenständlichung des Subjekts führt, diese aber nicht zu weiterer Gestaltung, sondern zur Deformation der Arbeitenden führt. Dabei ist unklar, ob Arbeit prinzipiell kein Emanzipationspotential hat, oder nur deshalb, weil ihre Umstände eine identifizierende Bezugnahme des Subjekts zu seinen Produkten verhindern.154 Klar ist, dass Marx Arbeit zumindest grundlegend als Mittel des subjektiven Befreiungsprozesses fasst, von dem das Subjekt durch die Installierung des Privateigentums entfremdet wird, weshalb Arbeit auf ihre Funktion der Naturbewältigung im Sinne der revolutionären Bewältigung der Entfremdung zurückgeworfen ist. Dass er dennoch diese Konzeption auf der Basis des Hegelschen Entäußerungsmodells fasst, macht deutlich, inwiefern die Einsicht in die Notwendigkeit der Bewältigung von Abhängigkeitsstrukturen der ökonomischen und sozialen Gestaltung von Arbeit vorausgeht und konstitutiv für gesellschaftliche Entwicklung ist.

Forderungen, Funktionen und Aporien Der aporetische Charakter dieser Funktion ist dennoch offenbar: Bei der bloßen Einsicht in Abhängigkeitsstrukturen kann es nicht bleiben, weil es kaum ausreicht, sich nur der Fähigkeit bewusst zu sein, sich selbst zu aktiver Zwecksetzung zur Bedürfnisbefriedigung zwingen zu können. Die Aneignung des Gegenstandes, die im Grunde nach der völligen Subjektivierung GHV *HJHQVWDQGHV VWUHEW ELV Äseine Gegenständlichkeit selbst und ganz der Subjektivität zugeschrieben werden [kann]³155, muss

154 Honneth (1980) bezieht diesen Zweifel am Emanzipationscharakter sogar noch über den Aspekt der Subjektfreiheit hinaus auf die Möglichkeit GHU%HIUHLXQJYRQ(QWIUHPGXQJÄ$QNHLQHU6WHOOH>@KDW0DU[QXQGLH Schlüsselthese dieser Argumentation, dass nämlich die Arbeiteremanzipation aus dem Binnenverhältnis entfremdeter Arbeit heraus allein soll erklärt werden können, weiter begründet; die Kluft, die zwischen dem anthropologisch behaupteten Vergegenständlichungscharakter von Arbeitshandlungen und der historischen Entfremdungssituation gesellschaftlicher Arbeit geschlossen werden müsste, um der mit dem Kapitalismus etablierten Sozialform der Arbeit eine aufklärend-revolutionierende Wirkung unterstellen zu können, hat Marx mit Argumenten nicht zu überbrücken vermocht.³, S. S92. 155 Blumenberg (2002), S. 244 84

DIE SUBJEKTKONSTITUTIVE FUNKTION DER ARBEIT

unbefriedigend bleiben. Irgendwie muss es ein Verhältnis zum Gegenstand gewinnen, das bewirkt, dass diese Form der Gegenständlichkeit diesen Subjektivismus verliert. Eine solche Arbeit führte nur zur permanenten Repetition von Produktion ± und damit zur Manifestation eines deterministisch ökonomischen Arbeitsbegriffs ±, ohne dass das Postulat des Subjekts, gültige Bestätigung zu erfahren, erfüllen zu können. Das Subjekt kann also noch so lange seine Selbstständigkeit in der Auseinandersetzung mit seinen natürlichen Bedingungen unter Beweis stellen; wenn Arbeit wirklich subjektkonstitutiv sein, wenn die Behauptung des Subjekts, wirklich Initiator und Urheber von gegenständlicher Veränderung zu sein, wahr sein soll, muss es einen sozialen Konstitutionsbezug geben, in dem sich das Subjekt der Überprüfung durch andere Subjekte stellen muss. Um das subjektkonstitutive Paradigma von Arbeit aufrechterhalten zu können, muss eine Weise der Vermittlung mit dem Produktionsparadigma gefunden werden. Selbst wenn damit verbunden ist, die Vorstellung seiner Selbst- und Welt-Struktur den Relationen, von denen es sich als abhängig erfahren wird, anzupassen. Denn die Verwirklichung eigener Zwecke, die das Subjekt anstrebt, kann nur wirklich sein, wenn sie nicht an subjektivistischen Maßstäben gemessen wird, sondern an solchen, die über den Geltungsbereich des singulären Subjekts hinausreichen und denen es unterworfen ist. Ein Lösungsmodell wie das der Subjektivierungsformen von Arbeit unter der Etikettierung, den Sinn zum Messwert des Zwecks zu machen, versucht sich an einer Quadratur des Kreises und schreibt den Kreis letztlich nur ins Quadrat ein, indem es die Berührungspunkte zu Identitätsschnittstellen erklärt. Der Funktion muss eine Bedeutung beiseite gestellt werden, die nicht weiter vereinnahmt werden kann, denn Bedeutungen lassen sich in reinen Funktionalismen nicht bilden. Damit offenbart sich eine Differenz in der Arbeit, deren Teile wechselseitig verflochten sind: zwar begründet eine subjektkonstitutive Funktion von Arbeit die ökonomische, kommt aber nicht ohne sie aus, weil ökonomisches Handelns nur in sozialen Zusammenhängen möglich ist XQGGDQQQLFKWEOR‰GDULQEHVWHKWÄGDVVGDV+DQGHOQGHV(LQ]Hlnen sich seinem Sinne nach am Verhalten anderer orientiert, sondern es bedeutet gemeinsames Handeln [...], gemeinsame Sinnbildung in der Verflechtung eigenen und fremden Verhaltens.³156 So lautet die Forderung des Subjekts an eine marktförmige Gestaltung von Arbeit, dass Arbeit als ökonomisches Verhältnis nur gestaltbar und strukturierbar ist, wenn das ökonomische System die Möglichkeit zur Verfügung stellt, selbsttätig Zwecke setzen und diese aus eigenem Antrieb verwirklichen zu können. 156 Waldenfels (1982), S. 237. 85

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Zw i s c h e n s t a n d In diesem Abschnitt wurde zunächst konstatiert, dass die Veränderungen von Arbeitsformen auf eine veränderte Verhältnissetzung zwischen Ã6LQQ¶XQGÃ=ZHFN¶von Arbeit rekurrieren, die mit einer bestimmten Bedeutung eines Arbeitsbegriffs einhergehen. Ausgehend von der BeREDFKWXQJ HLQHU Ã6XEMHNWLYLHUXQJ¶von Arbeitsformen, die eine Übertragung von Verantwortungen und Pflichten an die Einzelnen und die freizügige Beliebigkeit von Verantwortungsdelegation unter dem Rubrum der Selbstermächtigung und Autonomie des Subjekts beschreibt, kommt darin eine Verschiebung zu Sinnstiftungskompetenzen in Arbeit zum Ausdruck. Deshalb wurde Arbeit als dichotomischer Komplex zwischen freiheitlich aufgeladener Selbst- und zweckorientierter Fremdbestimmung definiert. Die Dimension der Spannung wurde mit Hilfe der Betrachtung des Umgangs mit diesem Widerspruch bei Marx und Hegel betrachtet und Arbeit dadurch als ein reflexives und instrumentelles Handeln bestimmt, das die Ambivalenz zwischen freiheitlicher und willentlicher Zwecksetzung und des Risikos der Entfremdung ausdrückt. Dieses Verhältnis von Arbeitssubjekt und Arbeitsgegenstand wurde paradox genannt, weil 1) Arbeit durch das Mittel herstellender Tätigkeit ein Handlungscharakter zugeschrieben wird; 2) im emanzipativen Charakter der Arbeit die Grundlegung ihrer Entfremdung enthalten ist; 3) das Subjekt im Moment, in dem es seine Willens- und Durchsetzungskraft erfährt, mit ihrer Begrenzung und Abhängigkeit konfrontiert wird. Freiheit und Entfremdung hängen voneinander ab. Das Subjekt erlangt in der Arbeit ein Bewusstsein seines Tuns. Diese subjektkonstitutive Funktion bleibt zunächst aporetisch, weil der Arbeitszweck: Bedürfnisbefriedigung, und ihr Sinn: sich darin als frei gestaltendes Wesen zu erfahren, diskrepant bleiben. Erst sozioökonomische Arbeitsorganisation ermöglicht Strukturen sozialer Anerkennung. Von der subjektkonstitutiven Funktion ist diese aber abhängig, weil die ökonomische Organisation auf dem Bewusstsein willentlicher Zwecksetzung beruht, die als Bewusstsein von Abhängigkeit und Funktionalität der Arbeit die Voraussetzung ist, paradoxerweise einen organisierbaren Umgang zu schaffen. Der Ausgestaltungsprozess dieser Paradoxie in Transformationen von Arbeit ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

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FORDERUNGEN DER PERSON

Forderungen der Person Wie äußert sich der Anspruch an eine sozialförmige Gestaltung von Arbeit unter der Bedingung der Gleichwertigkeit aller Befriedigungsbedürfnisse? Die Gleichsetzung ökonomischen und sozialen Handelns würde ja nicht nur unter heutigen Arbeitsverhältnissen faktischen Ungleichheiten Hohn sprechen. Zumindest stehen soziales und ökonomisches Handeln unter gegenseitigem Einfluss. Aber um fordern zu können, dass die wirtschaftliche Organisation subjektive Bedingtheiten und ihre sozialen Abhängigkeiten berücksichtigt, müsste bewiesen werden, dass eine kapitalistische Ordnung von eben diesen Voraussetzungen abhängig ist, sich in sozialen Verhältnisse zu einem selbstständigen Individuum auszubilden. Es müsste begründet werden, dass wirtschaftliches Handeln nur möglich ist, wenn die Arbeitsorganisation das entscheidende Integrationsinstrument darstellt und von Kriterien der Sozialintegration abhängig ist. Wirtschaftliche Arbeitsorganisation müsste auf jenen Anerkennungsaxiomen beruhen, die Ausdruck sozialen Handelns sind; bei Nichtanerkennung dürfte die Arbeitsorganisation nicht mehr funktionsfähig sein, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und aus diesen nicht herauskommen können, ohne auf die Zweck-Mittel-Orientierung zu verzichten.157 Die Frage ist, ob dies ein Widerspruch ist, dessen Bewältigung eine an wirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtete Organisationsform leisten können soll, oder ob sich in der Verschränktheit subjektkonstitutiver und wirtschaftlicher Funktionen eine Paradoxie zeigt. Der Zweifel daran orientiert sich an der These Polanyis; danach folgt die Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie einem Verselbstständigungsprozess ihrer Maßstäbe, die sich im Verlauf von ihren eigenen Sozialisationsbedingungen und moralischen Normen abkoppelt.158 Die Argumentation wirft aber einen anderen Blick darauf und fragt, ob nicht die gegenseitige Abhängigkeit ökonomischer und subjektkonstitutiver Bedingungen eine ist, die Überschneidungen paradoxerweise deshalb aufweist, nicht weil sie aus einem identischen Axiom oder zwei diskrepanten Axiomen resultieren, sondern weil ihre unterschiedlichen Strukturen voneinander abhängen und sich darin widersprechen können, aber eiQDQGHUEHGLQJHQ'DVLVWNHLQHÃDNDGHPische Frage¶, sondern gibt Aufschluss über das soziale Selbstverständnis wirtschaftlichen Handelns, über die heutigen wirtschaftlichen Bedingtheiten sozialen Handelns und über den Begriff, der beides fassen soll.

157 Vgl. Honneth: Arbeit und Anerkennung (2008), S. 327-341. 158 Vgl. Karl Polanyi: The Great Transformation, Wien 1977. 87

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Arbeit und Sozialisierung Die Vergewisserung, dass Arbeit in einem sozialen Kontext von Zweckhierarchien steht, macht Arbeit zu einem Instrument der Gesellschaftskonstitution; Arbeit folgt keiner ausschließlich egologischen Struktur zweckrationaler Handlungsorientierung. Damit die dilemmatische Bedürfnisbefriedigung zu einem geregelten Erfolg von Arbeit werden kann, müssen soziale Zusammenhänge bestehen. Umgekehrt muss die Organisationsweise diese Bedingung berücksichtigen. Arbeit wäre demnach von einer Regelung abhängig, die allen Subjekten verbesserte Bedingungen zur Befriedigung eigener Zwecke und Sinnentwürfe ermöglicht und die soziale Anerkennung des Einzelnen ermöglicht. Dem geht die Bedingung voraus, Arbeit als sozialintegrative und befriedigende Tätigkeit zu entwerfen, wie Hegel es in der instrumentellen, werkzeuglichen Bearbeitung des Gegenstandes darstellt: Deren Beständigkeit lässt Arbeit eine sinnhafte und zweckbezogene Tätigkeit sein; kann sie im Sinne eines handwerklichen Ideals als vollendende Befriedigung verstanden werden und der Gefahr der Entfremdung vorbeugen? Richard Sennett schlägt vor, das Handwerk als Lückenfüller der Versöhnungssehnsucht eines von der Arbeit entfremdeten Menschen zu YHUVWHKHQÄ'HU6WRO]DXIGLHHLJHQH$UEHLWELOGHWGHQ.ern handwerklichen Könnens und Tuns, da er den Lohn für sein Geschick und sein EnJDJHPHQWELOGHW³159 Eine solche handwerkliche Haltung zur Arbeit, die Befriedigung, Dauerhaftigkeit XQG Ä:UGH³160, Innehalten und Nachdenken als Reflexion auf spielerische, Sinn- und Zweckmomente der $UEHLWHUP|JOLFKHELOGHWGLHÄ(WKLN³YRQ6HnQHWWV$UEHLWVPRGHOOÄ'HU klumpfüßige Hephaistos ± mit seinem Stolz auf die eigene Arbeit und auf sich selbst ± ist die würdigste Gestalt, die wir werden können.³161 Das Modell schließt an Arendt an, die dem Handwerk auch sinngenerierende Eigenschaften zuschreibt und so die Unterscheidung zwischen Arbeiten und Herstellen zu Ungunsten der Bewertung von Arbeit trifft; sie erachtet jedoch jegliche Form der Sicherung der Lebensbedingungen als instrumentell und schreibt nur jenen Tätigkeiten, die nicht dem Verfallsprozess unterworfen sind, wirklich sinnhafte Geltung zu, die nicht in singulärer Befriedigung erreicht werden kann. Sennett will die Arbeit vor Arendts Bewertung dadurch bewahren, dass er das Handwerk zur höchsten Form der Arbeit erklärt.162

159 160 161 162 88

Richard Sennett: Handwerk, Berlin 2008, S. 390. Ebd., S. 379. Dies ist der letzte Satz in: Sennett (2008), S. 392. Vgl. ebd., S. 379 f.

FORDERUNGEN DER PERSON

Allerdings steht in Frage, ob eine solche Wendung der Widerspruchsversöhnung mehr als eine konkrete Utopie ist und nicht Gefahr läuft, Zweck- und Sinnelemente von Arbeit zu identifizieren. Sennetts Impetus ist zwar die andere Seite der Subjektivierung: Im Selbstverwirklichungsmodell wird Sinnstiftung in die Zweckproduktion implementiert, so dass sie zu einer ökonomischen Größe und zum Kompetenzkriterium wird; sie ist kein Möglichkeits-, sondern ein Bedingungs- und Mehrwertfaktor. Im handwerklichen Modell dagegen sollen Zweck und Sinn methodisch miteinander versöhnt werden, indem der Zweck der Bedeutung untergeordnet und in den Sinnentwurf des handwerkenden Subjekts implementiert wird. Die Schwäche des handwerklichen Kompromisses besteht in seiner normierenden Identifizierung von Zweck- und Sinnaspekten der Arbeit, unterminiert die dem Handwerksgedanken immanente individuelle Ausrichtung der Sinngebung, die nicht normierbar ist, die Abhängigkeit von ökonomischer Einbettung und den sozialintegrativen Aspekt von Arbeit. Diese drei Modelle, Sennetts und Arendts wie das ökonomischer Subjektivierung, vernachlässigen die paradoxe Spannung des von ihnen nur als Widerspruch konstatierten Verhältnisses. Das Subjektivierungsmodell und das Handwerksmodell Sennetts unterlaufen die Dichotomie durch eine priorisierte Unterordnung von wahlweise Zweck oder Sinn; Arendt will das Problem dadurch lösen, dass der ökonomische Organisations- und Reglementierungscharakter der Arbeit der privaten Sphäre zugeordnet wird. Sie sieht den Grund des Konflikts in der Sozialisierung der Arbeitsteilung und will ihn durch die Begrenzung der Zweckproduktion auf die nicht-gemeinschaftliche Sphäre lösen.163 Umgekehrt kann argumentiert werden, dass Arbeitsteilung die Funktion hat, soziale Kontexte in ökonomischer Hinsicht zu gliedern ± beruhend darauf, dass es eine anthropologische Konstante zu sein scheint, sowohl soziale Ordnung herzustellen wie Arbeit zu teilen und beides gegenseitig und durch einander als befriedigend zu empfinden. Die Organisation von Arbeit muss also eine Form finden, die Bedürfnisbefriedigung gewährleistet und diese möglichst nützlich gestaltet. Eine begründende Regelung ist ein Postulat, das normativer Voraussetzungen bedarf und die Sozialphilosophie seit Hegel begleitet. Aus subjektkonstitutiver Sicht muss sich darin die Identität des Maßstabs von Zweck und Sinn von Arbeit erweisen, um subjektive Pluralität zu erklären und normative Maßstäbe des sozialen Umgangs zu begründen. 163 Vgl. Arendt (1967), S. 60: Hier exemplifiziert sie das Dilemma am .XOPLQDWLRQVSXQNWGHU$UEHLWVWHLOXQJGLHÄDXIGHP3ULQ]LSGHU2UJDQisation [beruht], [welches] aber offensichtlich nicht im Privaten, sondern im Öffentlichen beheimatet³ ist. 89

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

An diesem Punkt setzt Honneths Argumentation an: Er behauptet die Internalität normativer Maßstäbe von Arbeit und sucht darin den Grund für eine legitime Forderung nach normativen Maßstäben. Er kongruiert mit sozialwissenschaftlichen Perspektiven, die die Sozialisierung der Arbeit unter Sinnbedingungen betrachten und darin nach moralisch verankerten Normen suchen.164 Denn wenn normative moralische Regelungen in einer kapitalistischen Ökonomie Geltung haben sollen, müssten sie, so die These, der Arbeitsorganisation zugrunde liegen; d. h. die ökonomischen Bedürfnisse, die die Arbeitsorganisation prägen, müssten aus GHQVHOEHQ 9RUDXVVHW]XQJHQ UHVXOWLHUHQ ZLH GLH ÄGHU VR]LDOHQ /ebenswelt³165. Diese Ansicht soll im Folgenden diskutiert werden, um sie mit anderen Dilemmata zu konfrontieren, die sich aus den Arbeitstransformationen ergeben. Daraus ist das Problem abzuleiten, das sich für einen Arbeitsbegriff stellt: wie der Widerspruch, weder nur das eine ± zweckrationale Befriedigung ± oder nur das andere ± Sozialisierung und Sinnstiftung ± zu fassen ist. Die Frage lautet also, ob dieser Ansatz, auf eine normative Instanz zurückgreifen, den Widerspruch lösen kann oder selbst ein Widerspruch ist, weil der Arbeit die Paradoxie inhärent ist.

164 Bezugspunkt für einen normativen Ansatz und Verbindungspunkt in der sozialphilosophischen Beschäftigung Honneths (Honneth 2008) ist Emile Durkheim: Über soziale Arbeitsteilung, Frankfurt/M. 1992 [1977]. 165 Honneth (2008), S. 333. 90

FORDERUNGEN DER PERSON

Soziale Bezugnahme AusgDQJVSXQNWIUHLQHVROFKHÄLPPDQHQWH.ULWLNLQGHUGLHQRUPativen Forderungen keinen bloßen Sollenscharakter mehr besitzen³, ist der 1DFKZHLV GDVV ÄGLH ,GHH HLQHU VLQQYROOHQ JHVLFKHUWHQ $UEHLW DOV 9Hrnunftanspruch in die Strukturen der gesellschaftlichen Reproduktion selbst eingebaut³166 sei. Die Verhältnismäßigkeit von Zweck und Sinn der Arbeit soll der Arbeitsorganisation a priori inhärent sein und in (immanent begründbarer) Normierung Ausdruck finden können, weil sie jeglicher vernünftiger Konzeption, d. h. begrifflicher und gestaltbarer Fassung von Arbeit zugrundeliege. Die Funktion von Arbeit sei somit von vornherein an eine vernünftige, und das heißt damit auch: anthropologische, Struktur gebunden, weil der Vernunftanspruch ± die Apriorität des Ansatzes wird daran sichtbar ± bedingt, dass die Gestaltung von Arbeit dem Imperativ moralischer Normen zu entsprechen hat, weil diese die ihrigen sind. Es geht also um die Frage der Regelung und des Zusammenhangs GHU5HJHOXQJVQRUPHQYRQÃ$UEHLWXQG,QWHUDNWLRQ¶. Dem liegt zugrunde, GDVV LQ GHU 9HUIDVVXQJ HLQHU $UEHLWVJHVHOOVFKDIW Ã,QWHUDNWLRQ¶, verstanden als ein soziales Handeln, das wesentlich an Arbeit geknüpft ist. Dabei könne es nicht um externe Normen gehen, denen eine kapitalistische Arbeitsorganisation Folge zu leisten hat. Denn sie wurden mit gewissem RGHUGHPRNUDWLVFKNRQVHQVXDOHP5HFKWJHZRQQHQVLQGDEHUÄXQDEKlngig vom instrumentalen Handeln³ZHVKDOEHLQHÄ=XUFNIKUXQJGHU,nteraktion auf Arbeit oder eine Ableitung der Arbeit aus Interaktion [ ] nicht möglich [ist]³167. Im Gegenteil müsse, wenn Arbeit nicht mit Interaktion identifiziert werden soll, Arbeit aber in der gesellschaftlichen Organisationsform ein wesentliches Integrationsmoment darstellt, ein normatives Verhältnis von Arbeit und Interaktion vorliegen. Dabei soll weiterhin Arbeit von Interaktion unterscheidbar bleiben. Es geht nicht um Identität von Arbeit und sozialem Handeln, sondern um Regelungen für eine durch die Arbeitsorganisation fortschreitende Identifizierung von Arbeit und sozialem Handeln mit sozialen Exklusionsprozessen durch Arbeitslosigkeit. Diese soll die Unabhängigkeit der Interaktion von Bedingungen der Arbeit gewährleisten. Es soll bewiesen werden, dass Arbeit und der Funktionsmechanismus des Marktes auf sozialen Bedingungen beruhen, ZHLO Ä6WUXNWXUHQ GHU NDSLWDOLVWLVFKHQ :LUWVFKDIWVRUJDQLVDWLRQ GLH (Oe-

166 Ebd., S 329. 167 Habermas (1969), S. 33. 91

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

PHQWH HLQHU QHXHQ )RUP GHU 6R]LDOLQWHJUDWLRQ³168 bilden. Es ist nicht HabermasµFrage monokausaler Ursächlichkeit von Arbeit oder Interaktion, sondern die ihrer Organisation: ob nicht in Ansicht der Eigenschaft wirtschaftlichen Handelns, sozialintegrativ oder exkludierend zu sein, Normen zur Regelung der Arbeitsorganisation vorliegen müssen. Das handwerkliche Modell Sennetts kann damit aus zwei Gründen als Lösungsvariante ausgeschlossen werden: Zum einen rekurriert es nicht auf die Vernünftigkeit von inhärenten soziablen Normen der Arbeit, sondern unter der Voraussetzung divergenter Interessen darauf, dass die Gefahr der Entfremdung durch relative, d. h. individuellwillkürliche Einschreibung von Sinnelementen in Zweckzusammenhänge gebannt werden soll. Daraus ist der zweite Grund ableitbar: Wenn dies in eine geregelte Form münden soll, müsste die freie Willkürlichkeit der Zuschreibung normiert werden, womit wiederum der Sinngehalt relativiert werden würde, wenn nicht jeder dieselben Sinnvorstellungen zu realisieren haben soll. Umgekehrt öffnete sich damit das weitere Problem, dass es unmöglich scheint, jeder Tätigkeit überhaupt handwerkliche Eigenschaften zuzuschreiben, aus dessen Gebundenheit an den Sinn ihre spezifische Würde resultieren soll.169 Das hieße, jeder Arbeit einen handwerklichen Charakter unterstellen oder im Gegenzug alle Arbeit, die diesen Charakter nicht trägt, umcodieren zu müssen. Binden wir diesen Aspekt zurück an die Bedeutung des Werkzeugs für den Reflexionsprozess der Arbeit bei Hegel, zeigt sich die Einseitigkeit eines handwerklichen Arbeitsmodells im Entwurf Sennetts. Das Werkzeug ist nicht auf den handwerklichen Charakter der Arbeit beschränkt; es dient zugleich als Mittel zur Reflexion der Zweckorientierung der Arbeitstätigkeit und damit dazu, Kausalbedingungen einer Zweck-Mittel-Relation und des Ungenügens bloßer Zweckrationalität, also gerade die Widersprüchlichkeit, die in den Zuschreibungsmöglichkeiten von Arbeit liegt, zu erkennen. Es dient nicht dazu, den Zweck mit anthropologischen Normen aufzuladen, sondern dazu, die Gestaltbarkeit der Arbeitsorganisation zur Kultivierung der Zweckverfolgung zu erkennen. So erklärt auch Schmidt am Busch dies in seiner Analyse zum wesentlichen Unterschied der Konzeption von werkzeuglicher Arbeit bei Hegel: Ä[E]s ist zwar möglich, dass das von einem Ich Gewollte und durch Arbeit Bewirkte die Herstellung eines materiellen Gegenstandes ist; ebensosehr entspricht aber eine absichtliche Tätigkeit, die nicht in einer solchen KDQGZHUNOLFKHQ  3URGXNWLRQ EHVWHKW GHP %HJULII GHU $UEHLW DOV ÃGDV 168 Honneth (2008), S. 334. 169 Vgl. Sennett (2008), S. 379. 92

FORDERUNGEN DER PERSON

(disseitige) sich zum DinJH*HJHQVWDQGHPDFKHQµ. Damit eignet sich der Hegelsche Arbeitsbegriff prinzipiell auch zur Bestimmung solcher Tätigkeiten, die heute üblicherweise dem sogenannten Dienstleistungssektor zugerechnet werden.³170 Der prinzipielle Einbezug betont, welche Möglichkeiten der Arbeitsbegriff Hegels aufgrund seiner Ambivalenz offen hält: sie ermöglicht dem Subjekt zunächst, die eigene Position im Arbeitsprozess zu hinterfragen. Die Schlussfolgerung argumentiert gegen das handwerkliche Modell; es ist tatsächlich schwerlich möglich, sich alle tatsächlichen nicht-SURGX]LHUHQGHQ RGHU JDU ÄJHVHOOVFKDIWOLFK QRWZHQGLJHQ 7lWLJNHiten³171 als Weisen des handwerklichen Tuns vorzustellen. Insofern ist fraglich, ob das Modell mit seinem Anspruch der normativen Sinnintegration zu einer Regelung führen kann, weil der ihm unterstellte Sinn und ihre jeweilige Bedeutungszuschreibung nicht normierbar ist. Es zeugt von der Weitsicht Hannah Arendts, das herstellende Tun von vornherein der Zweckhaftigkeit zugeordnet und zum Modell der widersprüchlichen Konzeption heutigen Arbeitens erklärt ]XKDEHQÄ,nnerhalb der Zweck-Mittel-Kategorie und ihres Erfahrungsfeldes, in dem die gesamte Welt von Gebrauchsgegenständen und der Nützlichkeit überhaupt lokalisiert ist, gibt es keine Möglichkeit, den Zweckprogressus zu durchbrechen und zu verhindern, dass alle Zwecke schließlich wieder zu Mitteln für weitere Zwecke werden, es sei denn, PDQ GHNODULHUH HLQHV GLHVHU 'LQJH ]X HLQHP Ã=ZHFN DQ VLFK¶. In der Welt von Homo faber [...] kann Sinn nur als Zweck verstanden werden, und zwar als ein End]ZHFNE]ZHLQÃ=ZHFNDQVLFK¶, also etwas, was entweder tautologisch allen Zwecken zukommt, nämlich wenn man sie vom Standpunkt des Herstellers ansieht, oder ein Widerspruch in sich selbst ist.³172 Dies ist eine exakte Beschreibung des Dilemmas von Arbeit selbst und ihrem Begriff, der es lösen und zugleich ± über das Paradigma der Anerkennung ± aus sich heraus normative Funktionsmaßstäbe plausibilisieren soll. Die Ansprüche und Forderungen des Subjekts sollen darin legitim sein, dass Arbeit eine soziale Integrationsfunktion leistet ± und dies, weil die wirtschaftlichen Funktionsmechanismen, die ökonomischen Bedürfnisse ebenso auf Anerkennung beruhen wie alle anderen )RUPHQ VR]LDOHQ ,QWHUDJLHUHQV Ä[N]ur unter dieser einen, keinesfalls selbstverständlichen Prämisse [dass der kapitalistische Arbeitsmarkt nicht nur ein Mittel der ökonomischen Effizienzsteigerung, sondern

170 Vgl. Schmidt am Busch (2004) S. 39 [Kursivierung SK]. 171 Honneth (2008), S. 332. 172 Arendt (1967), S. 183 f. 93

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

auch ein Medium der Sozialintegration zu bilden hat] tritt zu Tage, dass das Funktionieren jenes Marktes von der Erfüllung moralischer VerspreFKHQDEKlQJLJLVWGLHPLW%HJULIIHQZLHÃEUJHUOLFKH(KUHµÃ/HLVWXQJsgerechtigkeitµXQGÃVLQQYROOH$UEHLWµEHVFKULHEHQZHUGHQPVVHQ³173

Wertbildung durch Tausch Dass sich diese Argumentation an Hegel abarbeitet, gründet nicht nur darin, dass Marx gerade an der Abwesenheit sozialer Normen der Arbeitsorganisation seinen Ausgang nimmt und dass Honneth in Hegels Arbeitskonzept die Grundlage für normative Maßstäbe sozialer Ordnung gewinnen will; es hat darüberhinaus womöglich auch damit zu tun, dass dort, wo ein Diskurs von Widersprüchen geprägt und gelenkt wird, Hegel noch immer kaum zu umgehen ist. Wenn es dabei auch noch darum geht, funktionale Relationen eines Begriffs und seine Paradoxien aufzu]HLJHQXQGGDEHLÄ+HJHOZLUNOLFK]XHQWULQQHQPXVVPDQHUPHssen, was es kostet, sich von ihm loszusagen; muss man wissen, wie weit uns Hegel insgeheim vielleicht nachgeschlichen ist; und was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt; man muss ermessen, inwieweit auch noch unser Anrennen gegen ihn seine List ist, hinter der er uns auflauert: unbeweglich und anderswo.³174 Vorerst gibt es kein Entrinnen, sich der Totalität dialektischer Analyse zu stellen, die den Topos der Anerkennung zur Sollbruchstelle arbeitsorganisatorischer Normen macht. Damit übereinstimmend soll Arbeit das soziale Vollzugsmoment der Legitimationsgrundlage für ökonomische Ordnung sein; moralische Normen und wirtschaftliche Mechanismen sollen auf eine identische Funktionsweise und Bedeutung von Arbeit zurückzuführen sein.. Wenn im Rahmen der an Hegel entlanggehenden gattungsgeschichtlichen Untersuchung der subjektiven Bedingtheiten des Subjekts der Arbeit die sozialen Strukturen bislang keine Rolle spielten, um die Bedeutung der Arbeit für das Subjekt hinsichtlich seines Selbstbildes darzustellen, werden sie an dieser Stelle einer Verknüpfung zwischen gattungsgeschichtlich-subjektkonstitutiven und ökonomischen Funktionen von Arbeit nötig. Die Bedürfnisstruktur der Gegenstandsaneignung hatte nur gezeigt, dass das Subjekt durch die Erfahrung der Arbeit ein Bewusstsein seiner Fähigkeit zur Indienstnahme der Natur, eine damit einhergehende Veränderung seines Selbstbildes und die Erfahrung der insuffizienten Befriedigung dieser Zweck-Mittel-Konzentration entwickelt

173 Honneth (2008), S. 341. 174 Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt/M. 1991, S. 45. 94

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hat. Diese insuffiziente Befriedigung liegt nicht nur an der mangelnden Sinnerfahrung, sondern daran, dass diese Befriedigung keine andere als wieder nur bestätigungssüchtige erhält, weil sie der beständigen Wiederholung bedarf. Diese bloße Repetition der Bedürfnisbefriedigung eines Subjekts unter vielen kann nur ein vorsozialer Naturzustand sein. Voraussetzung ist somit ein konfrontativer Kampf um Ressourcen. Denn dass mit dem Beginn der Regelung pluraler Bedürfnisse auch eine Regulierung des Subjektverständnisses einhergeht, wird daraus einsichtig, dass das Subjekt versteht, nicht bloß von der eigenständigen Erwirkung der Lebensgrundlagen abhängig zu sein; sondern auch davon, entweder im Kampf um natürliche Ressourcen gegen andere Interessenten siegen oder von diesen als ebenso abhängiges berücksichtigt werden und seine Interessen als gleichwertig anerkannt sehen zu müssen. Es muss sein Selbstbild in ein relationales Verhältnis zu anderen setzen. Es muss es sogar wollen, weil es sonst den Kampf verliert. Diesen Konflikt beschreibt Hegel in den Passagen über den Kampf um Anerkennung. Er enthält drei Bedeutungsperspektiven, die in der Ausarbeitung der Arbeitskompetenzen vonstattengehen und im Hinblick auf eine Diskussion der Ableitung moralischer und rechtlicher Normen zur Gestaltung der Organisation von Arbeit nicht nur als voneinander abhängig verstanden werden müssen; sie dürfen darüber hinaus keine beständige gegenseitige Widersprüchlichkeit enthalten, sie müssen sich gegenseitig bedingen. Sonst ist die Begründung vernünftiger Ordnung, nach der sich soziale und subjektive Entwicklung orientieren, grundlaJHQORVHQWVSUHFKHQGZlUHGDQQGLHÄ.OXIW]ZLVFKHQGHPJHVHOOVFKDIWOichen Sein und den arbeitsutopischen Erwartungen³, zwiVFKHQGHQÄUHalen Arbeitsverhältnissen und den Emanzipationsbestrebungen so groß³, ÄGDVV DQJHVLFKWV GHU IDNWLVFK JHJHEHQHQ 3URduktionsverhältnisse alle Vorschläge zur durchgreifenden Verbesserung der Arbeitsgestaltung schnell den Charakter bloßer Sollensforderungen erhalten³175 würden. Diese drei Bedeutungsperspektiven fokussieren 1) auf die Dimension, die Arbeit im Angesicht der Interessenskonkurrenz gewinnt, 2) auf die Dimension, die das damit veränderte Selbstverständnis der Subjekte betrifft, und 3) auf diejenige, welche beide Dimensionen ineinander verschränkt und zu einer nach Regeln ausgestalteten Sozialformation führt. Die Bereitschaft, die Konsequenzen aus der Einsicht in die Notwendigkeit, die Konkurrenzsituation unter Berücksichtigung eigener Zweckabsichten zu gestalten, zu ziehen, ist der Ausgangspunkt: die Entäußerung des Subjekts in interpersonalem Sinne. Sie drückt aus, dass die eigene Arbeit als ein Produkt veräußert wird, da die Existenz unterschiedlicher 175 Honneth (2008), S. 328. 95

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Bedürfnisse auch bedeutet, dass diese Bedürfnisse gegenseitig befriedigt werden müssen und dafür sozialer Umgang unumgänglich ist. Der Begriff der Entäußerung fasst damit wiederum drei Phänomene: 1) die Bereitschaft zur Auseinandersetzung, die zu einem Kampf führt, 2) die Bereitschaft zur Veräußerung eigener Produkte zum Zwecke der Befriedigung verschiedener Bedürfnisse, die ± sofern reziprok ± zum Tausch führt; 3) die Bereitschaft zur egalitären Befriedigung fremder Bedürfnisse, die zur Anerkennung der anderen Konkurrenten als identische Subjekte und gleichZHUWLJH 3HUVRQHQ IKUW Ä,FK KDEH gewollt im Tausche, ± mein Ding als Werth gesetzt, d.h. innerliche Bewegung, innerliches Thun ± wie Arbeit, das in das Seyn versenkte ± dieselbe Entaüsserung. a) ich mache mich unmittelbar zum Dinge, Form die Seyn ist, in der Arbeit b) dieses meines Daseyn entaüssre ich mich ebenso, mache es zu einem mir Fremden, und erhalte mich darin; eben darin schaue ich mein Anerkanntseyn an; Seyn als wissendes, - dort mein unmittelbares Ich; hier mein fürmichseyn, meine Person. Ich schaue hier also mein Anerkanntseyn als Daseyn an, und mein Willen ist diß Gelten.³176 Aus der Insuffizienz der Bedürfnisstruktur entwickelt sich der Wille zu einer Kultivierung der Zweck-Mittel-Konzentration, die einen AusWDXVFK YRQ $UEHLWVSURGXNWHQ EHZLUNW 6LH YHUlQGHUW GDV Ã6H\Qµ der Arbeitenden, da sie ihre Bedürfnisbefriedigung durch eine Vermittlung erfahren, die Abhängigkeit von demjenigen bedeutet, durch den oder durch dessen Produkte die Befriedigung möglich wird. Die Produktion eines Gegenstandes, auch wenn er nicht vom Produzenten verbraucht, sondern zum Tauschgegenstand gemacht wird, geschieht aber für das produzierende Subjekt selbst; es tut es im Wissen um die Erlangung eines anderen benötigten und deshalb gleichwertigen Gegenstandes. Keine Ungleichwertigkeiten bestimmen das Tauschverhältnis; es ist eine basale Ökonomie, die auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet bleibt und ein Moment von Vermittlung einschiebt, das schnellere, bessere und praktikablere Zweckerfüllung beabsichtigt. Der Tausch legt den Grundstein für eine freiheitliche Vorstellung des Subjekts, die es in selbstbezogener Bedürfnisbefriedigung nicht kannte.177

176 Hegel: Philosophie des Geistes, Jenaer Systementwürfe III, Werke VIII, Hamburg, 1976, S. 227. 177 Vgl. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt/M. 1986 [im FoOJHQGHQ*35@†ÄGDV1DWXUEHGUIQLVDOVVRlches und dessen unmittelbare Befriedigung [ist] nur der Zustand der [...]Unfreiheit [ ] und die Freiheit allein [liegt] in der Reflexion des Geistigen in sich, seiner Unterscheidung von dem Natürlichen und seinem Reflexe auf dieses³ 96

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Es verändert das (Selbst-) Verhältnis des Subjekts, das nun auf die Forderungen anderer eingehen muss, um seine eigenen erfüllen zu können: Ä'DGXUFKGD‰LFKPLFKQDFKGHPDQGHUHQULFKWHQPX‰NRPPWKLHUGLH Form der Allgemeinheit herein. Ich erwerbe von anderen die Mittel der Befriedigung und muß demnach ihre Meinung annehmen. Zugleich aber bin ich genötigt, Mittel für die Befriedigung anderer hervorzubringen. Das eine also spielt in das andere und hängt damit zusammen. Alle Partikulare wird insofern ein Gesellschaftliches³178. Damit ist Wertbildung verbunden: Die Güterproduktion zum Zwecke des Tausches verlangt eine Einschätzung der zu tauschenden und somit miteinander zu vergleichenden Gegenstände. Die Möglichkeit der Wertzuschreibung, die Vermittlung zur Erlangung von Eigentum und die mögliche Abhängigkeit, die daraus entsteht, sind die Aspekte, die eine sich kapitalisierende Entwicklung des Tauschmarkts ebenso möglich machen wie die darin liegende Entfremdung. Diese liegt nicht erst in der abstrakten Form des Eigentums, dem Geld und seiner Kapitalisierung, sondern bereits in der Ausrichtung der Arbeit für fremde Zwecke, da sie der Erfüllung eigener Zwecke dient.179 So kann im Anschluss an Rousseau und Marx das Eigentum als Kapitalgrundlage natürlich als Ursache für Entfremdungsprozesse und für die entsprechende Notwendigkeit der Regelung von Eigentumsverhältnissen interpretiert werden: Ä:DVGHU 0HQVFKGXUFKGHQ*HVHOOVFKDIWsvertrag verliert, ist seine natürliche Freiheit und ein unbegrenztes Recht auf alles, wonach ihn gelüstet und was er erreichen kann; was er erhält, ist die bürgerliche Freiheit und das Eigentum an allem, was er besitzt.³ Aber das Eigentum ist dabei Ausdruck einer normativen Regelung von Freiheitsrechten zur Ermöglichung freien Handelns, nicht ihr Grund: Ä'DPLW PDQ VLFK EHL GLHVHP $XVJOHLFK QLFKW WlXVFKW LVW HV QRWZHQGLJ die natürliche Freiheit, die ihre Schranken nur in der Stärke des Individuums findet, deutlich von der bürgerlichen Freiheit zu unterscheiden, die durch den Gemeinwillen begrenzt ist, und den Besitz, der nur eine Folge der Stärke oder des Rechts des ersten Besitznehmers ist, vom Eigentum, das nur auf einen ausdrücklichen Titel gegründet werden kann.³180 178 Hegel: GPR, § 192 Zusatz. 179 9JO+HJHO*35†Ä=XJOHLFKYHUYROOVWlQGLJWGLHVH$EVWUDNWLRQGHU Geschicklichkeit und des Mittels die Abhängigkeit und die Wechselbeziehung der Menschen für die Befriedigung der übrigen Bedürfnisse zur gänzlichen Notwendigkeit. Die Abstraktion des Produzierens macht das Arbeiten ferner immer mehr mechanisch und damit am Ende fähig, daß der Mensch [...] an seine Stelle die Maschine treten lassen kann.³ 180 Jean-Jacques Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, Kapitel 8. 'LHVH Ã(UP|JOLFKXQJ IUHLHQ +DQGHOQVµ lässt Rousseau zum Advokaten 97

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Solange die Entäußerung eines jeden Subjekts die Orientierungsmarke darstellt, ist die Gefahr der Entfremdung nicht akut. Hier ist der Zweck des Einzelnen noch mit dem Anderer identisch: jeder arbeitet zu seinem eigenen Zwecke für den anderer: Die Gleichwertigkeit der Bedürfnisse und Wertzuschreibungen reziprok strukturierter Tauscharbeit sind der ÄQRUPDWLYH 0D‰VWDE³181 der Arbeitsgestaltung in Tauschverhältnissen. Er begründet die Annahme, dass in der Gleichwertigkeit der Interessen der Grund für eine egalitär strukturierte soziale Ordnung liegt. Hierin liegt dann die Grundlage für kapitalistische Märkte der Möglichkeit zur Abstraktion von Waren- und Wertproduktion, weil sie Zweckentfremdung möglich macht. Im Rahmen ökonomischen Tausches ist sie aber noch nicht ausgeprägt; ein kapitalistischer Zweck des Warentauschs ist noch keine Kategorie. Dieser entsteht erst, wenn der Drang nach Erfüllung eigener Ansprüche über reziproke Tauschverhältnisse hinaus zum subjektiven Maßstab wird. Die Wertbildung durch Tausch enthält also ebenso wie ihre Gleichwertigkeit die Trennung von Zweck und Sinn: Der Trieb zur Arbeit ist nicht bloß ökonomisch, sondern liegt im Willen zur Geltung subjektiver Ansprüche begründet. Darin soll aber auch der Grund für eine Normierung der Marktverhältnisse liegen, die Hegel in der Rechtsphilosophie anstrebt; sie soll verhindern, dass die Entäußerung zu Entfremdung wird. Darin stimmt er mit dem Rousseauschen Konzept überein, und deshalb kann Marx daran ansetzen, weil hier die Mächtigkeit ökonomischer Mechanismen virulent wird und die egalitären Momente der sozialisierten Arbeit vor der kapitalisierten Form der Strukturierung der Arbeitsverhältnisse in den Hintergrund treten.

Einschub: Intersubjektivität oder Kommunikation? Weil das Tauschverhältnis auf einer egalitären Bezugnahme beruht, die eine gegenseitige Wertzuschreibung für zum Tausch produzierte Arbeiten ermöglicht, bedarf es eines Einschubs. Es ist die Stelle, an der aus HLQHUVROLSVLVWLVFKRULHQWLHUWHQ7lWLJNHLWÃSO|W]OLFKµdie Berücksichtigung anderer Subjekte wird. Es geht also um die archäologische Frage des Grunds der Möglichkeit sozialer Bezugnahme.182 Arendts für den Schutz der öffentlichen Sphäre vor Zweckbestrebungen werden, vgl. Arendts Bezugnahme auf Rousseau in Hinblick auf die dadurch entstehenden sozialen Konflikte, Arendt (1967), S. 49 ff. 181 Schmidt am Busch (2004), S. 157. 182 Dies geschieht in Form eines Einschubs, um auszudrücken, dass die Zirkularität prinzipieller Zuschreibung nur durch eine Intervention zu öffnen ist und auf die Paradoxalität der Zirkularität hinweist. 98

FORDERUNGEN DER PERSON

Dabei ist sie nicht in die Frage der Systemtheorie zu übersetzen, ob Intersubjektivität überhaupt möglich sei.183 Für das Problem tatsächlicher Bezugnahme auf sozialer Basis stellt sich diese Frage nicht; Intersubjektivität ist nicht eine Weise der Begegnung von Individuen miteinander, sondern ein ± die eigene Paradoxie der Struktur offenbarendes ± Erklärungsmodell der Theorie der Subjektivität, die das gegenseitige praktische Anerkennen der Individuen abstrakt formuliert. Mit Intersubjektivität wird die dem Anerkennen zugrundeliegende Gewissheit der identitären Struktur und Verfasstheit der Individuen bezeichnet. Ein Urteil über den Zustand der Wirklichkeit ist damit noch nicht gefällt. Die Systemtheorie entledigt sich des Problems der intellektuellen Begründung für das Phänomen des Bedürfnisses nach sozialer Bezugnahme, indem sie eine meta-individuelle Begründung für soziales VerKDOWHQ IU LUUHOHYDQW HUNOlUW UHVS PLW GHU .RUUHODWLRQ ÄVR]LDOer Schichtung³184 begründet. Sie beginnt auf der Ebene der Wirklichkeit, beobachWHW ÃQXUµ kommunikative Bezugnahme, macht aber Kommunikation als LPPDWHULHOOHV %H]XJVPRGHOO ]X LKUHP Ä$XVJDQJVSXQNW VR]LRORJischer 7KHRULHELOGXQJ³185. Der Vorteil des Erklärungsmodells der Intersubjektivität ist, dass sie eine praktische Kongruenzfigur zur Verfügung stellt, die das Erklärungsmodell der Kommunikation fasst: Interpersonalität. Intersubjektivität ist Ausdruck der Gewissheit interpersonal miteinander agierender Individuen, dieser Bezugnahme Normen geben zu können, die konfligierende Bezugnahme regeln und sich dabei auf die Gewissheit der Geltung dieser Normen berufen können, weil sie Ausdruck gegenseitiger Anerkennung sind. Wenn Intersubjektivität als metaphysischer Topos zurückgewiesen werden kann, weil sie nichts über die Praktikabilität des Phänomens aussage, fasst Interpersonalität die Bezugnahme zwischen Individuen. Dennoch ist Luhmann Recht zu geben, dass dieser Stelle die Ä%HQXW]XQJ HLQHU 8QWHUVFKHLGXQJ ]XU 'LIIHrenzierung von gleichzeitig praktizierter Fremd- und Selbstreferenz³ zugrundeliegt. Der Begriff der Kommunikation aber qualifiziert die Beschreibung interpersonaler Bezüge und unterstellt bereits Aktion, sie benennt nicht die bloße Form der Beziehung. Die UHLQH9HUKlOWQLVPl‰LJNHLWGLHGHU%HJULIIÃ,QWHUVXEMHktivitätµIRUPXOLHUWILQGHWLP%HJULIIÃ.RPPXQLNDWLRQµkeinen Ausdruck.

183 Vgl. Luhmann z. B. in: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Band 2, Frankfurt/M. 1998 [1998b], S. 868 ff., resp. in: Intersubjektivität oder Kommunikation: Unterschiedliche Ausgangspunkte soziologischer Theoriebildung, in: Soziologische Aufklärung 6, Opladen 1995, S. 162-179. 184 Luhmann (1995), S. 174. 185 Vgl. ebd. 99

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

Dass dies auf einer Paradoxie beruht, darf die Systemtheorie nicht irritieren, denn auch das Modell der Kommunikation beruht auf einer Paradoxie. Die Sendung kommunikativer Daten setzt die Behauptung ihres Empfangens auf Basis von Unsicherheit voraus; das intersubjektive Bezugsmodell ist bloß die abstrakte Form derselben Dynamikbeschreibung, die das Moment der Unsicherheit aber ausblenden kann, weil es auf der paradoxen strukturellen Identität des anderen Subjekts basiert. Dies tut auch das Modell der Kommunikation: Wäre ich nicht überzeugt, dass der Empfänger meine Sendung aufnehmen kann, bräuchte ich sie nicht zu senden. Dann wäre das Sprechen von Kommunikation nicht nur zweck- und sinnlos, sondern unmöglich. Wenn Luhmann Kritik der Intersubjektivität allerdings daraufhin gelesen wird, dass Intersubjektivität als Identitätsmodell fungiert, also die Paradoxie von Bezugnahme in einer Identität aufgelöst und erklärt sehen will, ist die Kritik berechtigt. Allein, das leistet nicht Intersubjektivität, sondern die tatsächliche Bezugnahme von Individuen aufeinander, die vermeintlich sinnhaftem sozialen Handeln aber auch zuwider laufen kann (ebenso wie Kommunikation misslingen kann), weil die Interessen verschiedener Subjekte divergieren können, weil prinzipiell auch ihr Gegenteil vorstellbar ist. Intersubjektivität ist kein Modell zur Begründung des Anfangs sozialer Bezugnahme, sondern eins, das soziale Bezugnahme methodisch strukturiert, indem es die paradoxe Bezugnahme einer nicht bestimmbaren Anzahl von Subjekten in ein Relationsverhältnis setzt.

Tausch als soziale Bezugnahme Der Tausch bringt zum Ausdruck, dass das singuläre Subjekt andere als mit sich identisch betrachtet und dadurch einen Begriff davon erhält, dass es deren Anerkennung bedarf; weil es mit seiner solipsistischen Selbstvorstellung nicht weiterkommt, muss es einem anderen Wesen dieselben Merkmale, Eigenschaften und Bewusstseinsinhalte zuschreiben. Das Bedingungsverhältnis von abstrakter Identität (als Gleichartigund Gleichwertigkeit aller Subjekte) und empirisch-sozialer Vielfalt begründet die Möglichkeit von Moral und Recht.186 Die intellektuelle Identität der Subjektivität, die sich im Modell der Intersubjektivität ausGUFNW VROO GHQ ÄRQWRORJLVFKHQ XQG HUNHQQWQLVWKHRUHWLVFKHQ 'XDOLVPXV zwischen Bewusstsein und Gegenstand und individuellem und allgemei-

186 Nicht zuletzt auch von Philosophie, wenn sie als Instrument zur Begründung des von moralischen Normen regulierten Lebens verstanden wird. 100

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nem Selbstbewusstsein³187 überwinden und ist die Begründungsinstanz sozialer Wechselseitigkeit. 'LHVH JOHLFKZHUWLJH :HFKVHOVHLWLJNHLW LVW GLH ÄXQPLWWHOEDUH :LUklichkeit³ GHV$QHUNDQQWVHLQVRGHUÄXQPLWWHOEDUHV$QHUNDQQWVHLQ³188, das gattungsgeschichtlich den Übergang vom Naturzustand in eine soziale Ordnung markiert. Um die mögliche Ungleichheit von Beziehungen zu verhindern, bedarf es ihrer Regelung in einer etablierten Sozialstruktur. Hegels Geschichte von Herr und Knecht trägt zwar auch heroisierende Tendenzen der menschlichen Emanzipationsgeschichte, zeigt aber auch das Ungenügen von Hierarchieverhältnissen. Die Figur des Herrn ist aporetisch und begründet die Vorläufigkeit der Geltung eines Selbstverständnisses, das non-sozial ist, d. h. auf solipsistischer Begründung gründet: Ä+HJHOV )RUPXOLHUXQJ KLHU VWHOOW GDV 9HUPLWWOXQJsglied zwischen Bewusstsein und Gesellschaft her, das etwa demselben Zweck wie das analoge Mittel des homo oeconomicus dient.³189 Gleichberechtigtes soziales Umgehen erfordert die Anerkennung des anderen als ebenso frei, wie es der Fordernde für sich zu sein EHDQVSUXFKWGHVKDOELVWÄGLH Wahrheit des selbstständigen Bewusstseins [ ] demnach das knechtische Bewusstsein.³190 Wechselseitige Anerkennung ist für Hegel die Grundlage der Gesellschaft, auf der sich alle Bezugnahmen vollziehen müssen. Es ist nun eine Frage der Gestaltung der sozialen Verhältnisse, wie sie den gegenseitigen Respekt autonomer Personen gewährleisten kann. Mit der Anerkennung der Bedürfnisse der anderen bildet sich eine Form der Zusammenarbeit und Gemeinschaft. Es ist die Vorform einer gesellschaftlichen Ordnung, die auf Anerkennung und Respekt vor dem Besitz des Eigentums des anderen gründet; sie regelt die Art der Bezugnahme auf andere, die zum Maßstab der sozialen Ordnung wird: Ä+LHU LVW GLH Zufälligkeit des Besitzergreifens aufgehoben; ich habe Alles durch Arbeit, und durch Tausch, im Anerkanntsein.³191 Weil die Individuen in der Tauschwirtschaft ihre Gleichartigkeit anerkennen, sind sie in der Lage, gleichwertige Ordnungsstrukturen zu etablieren. Die wirtschaftliche Situation, in der sich dieses Anerkennungsverhältnis sozial zu etablieren beginnt, ist nun noch kein marktförmiges freier Kräfte. Schmidt am Busch fasst die Charakteristika der Tausch-

187 Ludwig Siep: Anerkennung in der ÃPhänomenologie des Geistesµ und in der praktischen Philosophie der Gegenwart, in: Information Philosophie, Lörrach 2008, S. 9. 188 Hegel: PhdG (2), S. 205. 189 George Armstrong Kelly: Bemerkungen zu Hegels Ã+errschaft und Knechtschaftµ, Frankfurt/M. 1976, S. 200 f. 190 Hegel: PhdG (2), S. 134. 191 Ebd., S. 208. 101

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ZLUWVFKDIW ]XVDPPHQ Ä HLQH VLFK XQJHSODQW HQWZLFNHOQGH JHVHOlschaftliche) Arbeitsteilung, 2. einen die Güterverteilung regulierenden 0DUNW Ã7DXVFKµ), 3. eine geringe Produktivität, 4. eine weitgehende Invarianz der gesellschaftlichen Bedürfnisse sowie 5. das Fehlen staatlicher Institutionen.³192 Das Tauschverhältnis ist als erste sozioökonomische Organisationsform eine Übergangsstufe; es stellt dabei aber auch immer wieder das natürliche Gleichgewicht her, indem der Tauschmarkt die Naturabhängigkeit der Subjekte relativiert. Die Anerkennung, die die Individuen einander in diesem Verhältnis zugestehen, beruht auf der Erkenntnis der gemeinsamen Emanzipation von Naturabhängigkeit. 'HU7DXVFKVWHOOWIU+HJHOGHQÄ3URWRW\SHLQHVUH]LSURNHQ+DQGHOQV unter Rechtspersonen³193 dar, regelt sich selbst und bedingt, dass die Arbeitsteilung ungeplant verläuft und nur der Entwicklung der Bedürfnisse folgt. Deshalb macht der Tausch eine Regelung des ökonomischen Äquivalenzverhältnisses und Rahmenbedingungen notwendig, die die Tauschverhältnisse regulieren. Denn mit der Arbeitsteilung wird es möglich, den Arbeitsaufwand für die Produktion zweckfremder Güter geringer zu halten. Auf dem Markt frei handelbarer Güter verändert sich die Vermittlungsform von Anerkennung: sie wird nicht nur vom bloßen Äquivalenztausch abhängig, sondern von der Bewertung des Tausches. Es ist die Grundlegung der Paradoxie der Arbeit, die eine Klärung (der Marxschen Frage) erfordert, wie Ungleichwertigkeit in einem nicht mehr vom Naturzustand geprägten Sozialverhältnis möglich sein kann.

192 Schmidt am Busch (2002), S. 64. 193 Honneth (1994), S. 85. 102

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Anerkennung Es werden Regelungen nötig, um die Reziprozität von Anerkennung zu garantieren; in Frage steht damit, inwiefern der Markt als Zweckmechanismus solcher Normen bedarf. Sind sie aus ihm selbst und seinen Funktionen ableitbar, auch weil er ihrer zur Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit bedarf? Oder müssen sie als externe Regelung hinzugefügt werden, weil ökonomische Zweckmechanismen eine Eigenständigkeit entwickeln (können) und Regelungen deshalb die Aufrechterhaltung sozialer Anerkennungsstrukturen garantieren müssen? Mit Weber lässt sich diese Frage mit Hegels AnerkennungsparadigPD YHUNRSSHOQ $QHUNHQQXQJ KDW LP 7DXVFK ÃQXUµ eine Vermittlungsfunktion, die die Neutralität des Tauschpartners berücksichtigt, weil es XP bTXLYDOHQ]DXVJOHLFK JHKW Ä'LH *DUDQWLH GHU /HJDOLWlW GHV 7DXVFhpartners beruht letztlich auf der beiderseits normalerweise mit Recht gemachten Voraussetzung, dass jeder von beiden an der Fortsetzung der Tauschbeziehungen, sei es mit diesem, sei es mit anderen Tauschpartnern auch für die Zukunft ein Interesse habe, daher gegebene Zusagen halten und mindestens eklatante Verletzungen von Treu und Glauben unterlassen werde.³194 Dies steht in Einklang mit Durkheim, da dieser GLH)XQNWLRQGHU$UEHLWVWHLOXQJGDULQHUIOOWVLHKWGDVVVLHÄ]X5HFKWVUegeln [führt], die die Natur und die Beziehungen der geteilten Funktionen bestimmen [...]. Jede dieser Regelsammlungen ist im übrigen mit einer Sammlung rein moralischer Regeln verbunden.³195 *UXQGOHJHQGH7KHVHEHLGHULVWGDVVÄZRGHU0DUNWVHLQHU(LJHQJesetzlichkeit überlassen ist, [ ] er nur Ansehen der Sache, kein Ansehen der Person, keine Brüderlichkeits- und Pietätspflichten, keiner der urwüchsigen, von den persönlichen Gemeinschaften getragenen menschlichen Beziehungen [kennt]³196. Wenn keine Widersprüche vorliegen sollen, liegt die Annahme nahe, dass Normen in Marktmechanismen eingeschrieben sein müssen, die Anerkennung in Arbeitsteilung ermöglichen.

Anerkennung als ökonomisches Postulat In Hegels Konzeption etabliert sich eine kapitalistische Wirtschaftsform in der bürgerlichen Gesellschaft nach drei Prinzipien: 1. Nach der BedürfnisEHIULHGLJXQJ GLH HLQ Ä6\VWHP GHU %HGUIQLVVH³ konstituiert, 2. nach Rechtsnormen, die Arbeit und ihre Produkte, das Eigentum, schüt194 Weber (1972), S. 383. 195 Emile Durkheim: Über soziale Arbeitsteilung, Frankfurt/M. 1992, S. 283. 196 Weber (1972), S. 383. 103

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zen, 3. die Instituierung des Rechts durch zwei Repräsentanten: die Polizei und die Korporation.197 Die Polizei hat Aufsichtsaufgaben zu bewältigen und greift regulierend in Wirtschaftsprozesse ein.198 Die Polizei ist in der Tradition der Kameralwissenschaften eine politisch-ökonomische 9HUZDOWXQJVLQVWDQ]XQGÄ:LUWVFKDIWVSROL]HL³HLQÄLP3ULQzip historisch vorübergehendes Institut des Staates, dessen Regulationsaufgaben in die Selbstverwaltung der Korporation übergehen sollen³199. Die Korporationen sind eine eigenständige Instanz, die eine Art der Arbeitnehmervertretung in sich integriert hat, eLQHÄEHUXIVVWlQGLVFKH*HQRVVHQVFKDIW³200, GLHDOV0DUNWDNWHXUÄGDV5HFKW>KDW@LKUHHLJHQHQLQQHUKDOELKUHUHLQJeschlossenen Interessen zu besorgen³201. Beide Institutionen sollen dafür Sorge tragen, die wirtschaftliche Entwicklung durch Normen zu rahmen, die den Einzelnen vor der ökonomischen Vereinnahmung durch Andere schützen. Insofern ähnelt die Hegelsche Konzeption eines geregelten Systems der Bedürfnisse dem sozialstaatlichen Modell202, wobei zu berücksichtigt ist, dass der institutionelle Charakter der sWDDWOLFKHQ$XWRULWlW Ã3ROL]HL¶) des Marktakteurs (Korporation) nur eingeschränkt und strukturell übertragbar ist. Darin liegt der methodische und inhaltliche Anknüpfungspunkt für heutige Debatten, die Anerkennung zu einem ökonomischen Postulat machen. Nach diesen ist in einem marktförmigen System Anerkennung nicht mehr unmittelbar gegeben und muss im Rahmen gesellschaftlicher Arbeit als reziproker Leistungsaustausch normativ gesichert werden. Wenn Anerkennung ein berechtigtes soziales Postulat ist und der kapitalistische Arbeitsmarkt auch sozialintegrative Leistungen zu erbringen hat, bedarf es der Institutionen, die auf die Einhaltung entsprechender 5HJHOQDFKWHQ'LHVVROOGDGXUFKJHZlKUOHLVWHWZHUGHQGDVVÄGLHPDUNtvermittelte Organisation der Arbeit auf normativen Bedingungen auf[ruht], die auch bei faktischer Außerkraftsetzung ihre Geltung nicht verlieren³203, also inhärenter Bedingungsbestandteil des Marktgeschehens sind, die auch dann nachweisbar sind, wenn sich die Marktakteure nicht an die Regelbedingungen halten. In kapitalistisch organisierten Marktzusammenhängen diffundiert die Bedingungslosigkeit des Tauschverhältnisses, weil sich die mögli-

197 198 199 200 201 202

Vgl. Hegel: GPR, §188. Vgl. ebd., § 236. Birger Priddat: Hegel als Ökonom, Berlin 1990, S. 17. Schmidt am Busch (2002), S. 148. Hegel: GPR, § 252. Vgl. Ludwig Siep: Der Weg der Phänomenologie des Geistes, Frankfurt/M. 2000, S. 147. 203 Honneth (2008), S. 337. 104

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chen Bezugnahmen vervielfältigen. Ihre Grundlage muss, wenn Anerkennung ein ökonomisches Postulat darstellt, im Markt normativ gewährleistet sein, damit sie nicht unter den Marktmechanismen leidet. Als soziales Postulat hat sie damit eine Funktion zur Regelung der Markdynamiken. Das ist eine Forderung, für die in sozialstaatlichen Bezügen prinzipiell der Staat, +HJHOVÃ3ROL]HLµ, zuständig ist, der die Rahmenbedingungen gewährleistet und den Einzelnen vor sozialer Exklusion schützt. Bei HeJHOKDWÄ>G@LHSROL]HLOLFKH$XIVLFKWXQG9RUVRUJH>@GHQ Zweck, das Individuum mit der allgemeinen Möglichkeit zu vermitteln, die zur Erreichung der individuellen Zwecke vorhanden ist.³204 Dabei macht Hegel auf seine unterschiedliche Verständnismöglichkeiten, eine marktliberale und eine kommunitaristische, aufmerksam. 'LH Ã3ROL]HLµ hat dafür Sorge zu tragen, dass ein Mittelmaß zwischen EHLGHQ EHVWHKW Ä'LH YHUVFKLHGHQHQ ,QWHUHVVHQ GHU 3URGX]HQWHQ XQG Konsumenten können in Kollision miteinander kommen, und wenn sich zwar das richtige Verhältnis im Ganzen von selbst herstellt, so bedarf die Ausgleichung auch einer über beiden stehenden, mit Bewusstsein vorgenommenen Regulierung. [..] Beide Seiten sind zu befriedigen, und die Gewerbefreiheit darf nicht von der Art sein, dass das allgemeine Beste in Gefahr kommt.³205 'LH Ã3ROizeiµ hat also eine marktregulierende Funktion206 und untersteht den staatlichen Gesetzen.207 Ergänzend dazu gibt es in der Korporation, vergleichbar eine Genossenschaft, einen zusätzlichen Akteur als Garanten einer Interessensvertretung der Bürger als Marktakteure. Sie schafft einen Interessensausgleich zwischen der Ä9HUSflichtung des Einzelnen, seinen Erwerb zu schaffen³ und der NotwenGLJNHLW ÄGHP VLWWOLFKHQ 0HQVFKHQ DX‰HU VHLQHP 3ULYDW]ZHFNH HLQH allgemeine Tätigkeit zu gewähren.³208 Für eine Argumentation, die Anerkennung zum normativen Paradigma der Arbeit macht, ist die Korporation von Interesse, weil sie die ambivalente Figur des marktaktiven Regelgebers verkörpert; ihm wird GDPLWGLH$XIJDEH]XJHVSURFKHQÄGLHLQGHQ%HVWDQGVYRUDXVVHtzungen der neuen Organisationsform gesellschaftlicher Arbeit selbst als ein normativer Anspruch verankert ist³.209 Die Korporationen sichern die Anerkennung ihrer Mitglieder aus eigenem Antrieb, weil sie selbst über GLHÄDQJHEOLFKUHLQ]ZHFNUDWLRQDOHQ(UZägungen³ hinaus auf einer Basis ÄQRUPDWLYH>U@ +DQGOXQJVJHZLVVKHLWHQ³ wirtschaftlich agieUHQ ÄGLH GLH 204 205 206 207 208 209

Hegel: GPR § 236 Zusatz. Ebd. und Zusatz. Vgl. Schmidt am Busch (2002), S. 147. Vgl. Hegel: GPR, § 229 Zusatz. Vgl. ebd., § 255 Zusatz. Honneth (2008), S. 336. 105

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Akteure überhaupt erst dazu motivieren, ein bestimmtes Tauschgeschäft in Angriff zu nehmen.³210 Denn unter der Voraussetzung, dass Anerkennung das Prinzip sozialen Handelns darstellt, müssen auch Wirtschaftsbeziehungen entsprechend einem Anerkennungsmodell konzipiert sein, ZHQQ ÄGLH ,GHH HLQHU VLQQYROOHQ JHVLFKHUWHQ $UEHLW DOV 9HUQXQIWDnspruch in die Strukturen der gesellschaftlichen Reproduktion selbst eingebaut ist.³211 Dieses leistet im Hegelschen Modell der marktförmig organisierten bürgerlicKHQ *HVHOOVFKDIW GLH .RUSRUDWLRQ Ä'LHVHV $OOJemeine, das ihm [sc. dem sittlichen Menschen, SK] der moderne Staat nicht immer reicht, findet er in der Korporation.³212 Sie hat normativen Charakter, weil sie imstande ist, Arbeit als eine soziale Tätigkeit sinnvoller Bedürfnisbefriedigung im marktförmigen Austausch zu bewahren. Nun besteht der kapitalistisch organisierte Markt nur noch selten aus Korporationen, sondern aus freien Akteuren. Die Garantie der Anerkennung auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt unterliegt somit zunächst nur dem Postulat des Vernunftanspruchs, GDVV ÄGLH NDSLWDOLVWLVFKH $rbeitsorganisation in einen Horizont von legitimitätssichernden moralischen Normen eingebettet ist.³213 Aus dem Impetus, arbeitsorganisationale Regelungen zu manifestieren, indem sie als dem wirtschaftlichen System immanent beschrieben werden, wird Anerkennung zum entscheidenden Kriterium ökonomischer MeFKDQLVPHQ Ä>'@LH EHVDJWHQ Normen [sind] als eine kontrafaktische Geltungsgrundlage der kapitalistischen Organisation der Arbeit zu verstehen.³214 Damit wird Polanyis These von der Abkoppelung des Marktes von normativen Voraussetzungen transformiert: unter dem Paradigma der Anerkennung werden ökonomische Mechanismen von sozialen abhängig gemacht. Honneth kann Anerkennung deshalb als Normeninstanz installieren, weil er eine Normimmanenz behauptet. Wenn die Normen ± DXFKDOVÃNRQWUDIDNWLVFKH*HOWXQJsgrundlage¶± Wesensbestandteil des ökonomischen Handelns sind, stellt sich die Frage, warum sie nicht umgesetzt werden. Dann haben Regelungen, die sich an den Normen sozialen Zusammenlebens orientieren, postulativen &KDUDNWHU8QGDOOH0DUNWNRQ]HSWHGLHDXIGLHÄVR]LDOHQ6WUXNWuren³215 von Märkten rekurrieren, stehen vor der Frage, wie solche postulierten Normen in die Organisation implementierbar gemacht werden können. 210 211 212 213 214 215

106

Ebd., S. 336 f. Ebd., S. 329. Hegel: GPR, § 255 Zusatz. Honneth (2008), S. 229. Ebd., S. 337. Vgl. Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone, Heiner Ganßmann (Hg.): Märkte als soziale Strukturen, Frankfurt/M. 2007.

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Die von Sinnansprüchen geprägten Normen sozialer Organisation ± unabhängig von Marktmechanismen betrachtet ± sollen jenen ja zugrundeliegen, weil die an ökonomischen, rational-instrumentellen Faktoren ausgerichtete KonzepWLRQ ÄGLH (QWVWHKXQJ GHU RUiginären Sozialsphäre des homo oeconomicus, den Markt, nicht erklären³216 könne. Dass der Markt einen konstitutiven Bezug zu sozialen Normen wie der Intersubjektivität und dem daraus abgeleiteten Anerkennungskonzept haben müsse, ist eine Schlussfolgerung, die widersprüchlich bleibt, weil sie nur eine einseitige Bedingtheit ± die der Abhängigkeit ökonomischen von sozialem Handeln ± ableitet. Denn dass Anerkennung eine prinziSLHOOHÄ+DQGOXQJVRULHQWLHUXQJ³217 ist, heißt noch nicht, dass sie ein ökonomisches Axiom darstellt. Wenn sie aber zur immanenten Normeninstanz von Arbeitsorganisation gemacht wird, wird Arbeit zum Vermittler von Anerkennung. Dabei findet zugleich ein Funktionsübergang der Anerkennung statt: Nicht mehr nur die Grundlage von Anerkennung wird in der Arbeit geschaffen, sondern Arbeit wird zur Grundlage von Anerkennung. Dies ist zumindest eine passende Beschreibung der Organisation einer Arbeitsgesellschaft. Damit wird die Funktion von Arbeit nicht mehr auf eine Tätigkeit begrenzbar, die durch die Zweckproduktion eine Möglichkeit zur Verfügung stellt, Anerkennung zu erfahren, so dass die Arbeitsteilung als ein Funktionsmechanismus gestaltet werden müsste, der eine reziproke Bedürfnisbefriedigung sicherstellt und so für die Beständigkeit eines Ausgleichs der wirtschaftlichen Akteure Sorge trägt. Sondern Anerkennung wird von den Dynamiken des Marktes abhängig und ist nur so lange gewährleistet, wie ein Subjekt arbeitet. Paradoxerweise wird dadurch gerade in der Absicht, Arbeit als eine soziale Funktion zu retten, von ökonomischen Mechanismen abhängig gemacht, indem sie mit ihnen verschränkt wird. Dann ist wirtschaftliches Handeln nicht nur an soziale Normen gebunden, sondern ausnahmslos eine Funktion sozialen Interagierens, und Arbeit produziert dafür die Grundlagen und ist dafür die Funktionsweise. Zweck und Sinn werden nicht mehr unterschieden: Wenn Zweckproduktion bereits soziales Handeln ist, geht Sinnhaftigkeit in der Zweckproduktion auf und hat darüber hinaus auch keine weitere Möglichkeit mehr, soziale Anerkennung zu produzieren, als über die Beteiligung an der kapitalistischen Arbeitsorganisation.

216 Reckling (2002), S. 107. 217 Stephan Voswinkel: Anerkennung und Reputation, Konstanz 2001, S. 285. 107

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Postulat des Widerspruchs Insofern äußert sich in einem solchen sozialphilosophischen Konzept eine anthropologische Sichtweise auf Arbeit, die wechselseitig wirkende Aspekte zu koordinieren versucht: Sie stuft zwar ein ökonomisches Handlungsmoment als insuffizient ein, behebt aber durch die Formulierung sozialer Koordinationsbedingungen aber nicht die Insuffizienz. Sie macht vielmehr ökonomische gleichzeitig zu sozialen Bedingungen. Denn es wird ja gerade die Nichtlinearität von Wirkmechanismen behauptet. Daraus leitet sich nicht eine Hierarchisierbarkeit von Normen, sondern die Reziprozität ihrer Geltung ab, womit nicht der Widerspruch konfligierender Mechanismen, Absichten und Interessen gelöst, sondern erst deutlich wird und einen anderen Blickwinkel auf das entscheidende Instrument ökonomischen Handelns, die Arbeit, nötig macht. Das ist der Widerspruch: Arbeit ist zu einem wesentlichen sozialen Instrument geworden, das zu einer totalen Bedingung wird. Wenn Arbeit das Mittel darstellt, das die Etablierung sozial egalitärer Verhältnisse aus gattungstheoretischen Gründen verwirklichen können soll, soll die Bewahrung vor Entfremdung aus demselben Grund möglich sein, weil ± wie Honneth formuliert ± ÄGLH,GHHHLQHUVLQQYROOHQJHVLFKHUWHQ$rbeit als Vernunftanspruch in die Strukturen der gesellschaftlichen Reproduktion selbst eingebaut ist.³218 Der normative Maßstab der Kritik könne deshalb die Arbeit sein, weil ihren Organisationsweisen selbst diejeniJHQ 0D‰VWlEH ]XJUXQGH OLHJHQ GLH DQ ÄGLH $QHUNHQQXQJVEHGLngungen im modernen Leistungsaustausch gebunden³219 sind. An dieser Stelle, die die Möglichkeit von Entfremdung in der Arbeitsteilung beinhaltet, zeigt sich der Widerspruch einer anthropologischen Auffassung von Arbeit, die eine schlüssige Verknüpfung zwischen sozialen Konstitutionsbedingungen des Subjekts und ökonomischen Koordinationsmechanismen durch ihre Gründung auf identische Normen herstellen will. Paradoxerweise entsteht das Problem nicht daraus, dass ökonomischen Prozessen nicht ihre normativen Bedingungen nachgewiesen werden könnten ± schließlich ist ein funktionierender Marktmechanismus nicht ohne soziale Grundlagen vorstellbar. Es besteht vielmehr in dem Problem, dass der Marktmechanismus Grenzen hat und zum Zwecke der Zwecksicherung Sinnmomente in den Markt integriert werden. Dabei ist der sozialphilosophische Ansatz, marktförmiger ökonomischer Organisation die Normenimmanenz im Sinne einer Geltungsgrundlage als

218 Honneth (2008), 329. 219 Ebd. 108

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Konstitutionsbedingung zu implementieren, wirtschaftssoziologischen .RQ]HSWHQ GLH LQ GHU .RQVWUXNWLRQ YRQ Ä,QVWLWXWLRQHQ GLH 0DUNWXQVicherheit reduzieren³ ÄGLH ZLFKWLJVWH 9RUDXVVHW]XQJ IU GLH (QWVWHKXQJ ÃVWDELOer Weltenµ³220 sehen, ähnlich. Denn entweder werden tatsächlich 5HJHOXQJHQ]XUÃ%HUHFKHQEDUNHLWµdes Marktes installiert, dann wäre ein solches Marktkonzept nicht mehr allzu weit entfernt von korporativen Entwürfen im Sinne Hegels und die wirtschaftliche Organisation eine beschränkte, weil sie immer auf die Ausgeglichenheit ihrer Mitglieder achten und Konkurrenz nur sehr begrenzt möglich wäre.221 Oder es würden durch die Implementierung sozialer Normen, die auf der gegenseitigen Anerkennung sich selbst verwirklichender Personen beruht, diese Grenzen dadurch ausgeweitet werden, dass ihnen soziale Legitimation inhärent ist, womit sie zugleich der Zweckorientierung zur Verfügung gestellt werden. Anerkennung wäre als ökonomische und soziale Funktion beides: Zweck und Mittel. Aus dem Ansatz, die Notwendigkeit von Normierungen zu begründen, müssen sie auf die Methode zweckhafter Begründung zurückgreifen, was den Ansatz konterkarierte; denn die Untermauerung einer Normenimmanenz zielt auf die Zwecklosigkeit der Geltungsgrundlage des Marktes und nicht auf die Perpetuierung anderer Zwecke. Sollen Normen in den Markt implementierbar sein, müssen sie auch gewissen ökonomischen Zweckkriterien entsprechen. So droht Anerkennung dadurch ihren sozialen Charakter zu verlieren, indem die Gefahr, in marktökonomischen Zusammenhängen der Möglichkeit reziproker Anerkennung verlustig zu gehen, zwar berechenbar gemacht wird, aber zugleich zu einem Postulat wird. Die Probleme resultieren aus dem widersprüchlichen Versuch, das Paradox der Marktverhältnisse der gesellschaftlichen Arbeit durch die Rückführung auf identitäre Gründe normativieren zu können, und es scheint nur durch ein Postulat überwindbar, dem Postulat der Notwendigkeit einer Überwindung der Dichotomie gesellschaftlicher Arbeit. Grundlegend dafür ist die Konzeption der Identifizierung der Entäußerung des Subjekts als souveräner Akteur in wirtschaftlichen Interessenszusammenhängen mit seiner entfremdeten Form in der arbeitsteiligen Wirtschaftsorganisation; die Anerkennung ± ein Prinzip sozialen Handelns ± wird zu dem Prinzip ökonomischer Tätigkeit. Gemeinsam ist beiden Ansprüchen ihr hypothetischer Charakter: Beide versuchen, auf jeweils eigene Art den der Arbeit immanenten Widerspruch zu überwin-

220 Jens Beckert: Die soziale Ordnung von Märkten, in: Beckert et al. (2007), S. 51. 221 Vgl. Schmidt am Busch (2002), S. 151. 109

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

den, resp. auf die dem Widerspruch zugrundeliegende Lösung zurückzuIKUHQ'HQQÄHLQNRQNUHWHU0DUNWNDQQHLQHUDXWRQRPYRQGHQ0DUNtbeteiligten vereinbarten oder einer von den verschiedensten Gemeinschaften [...] oktroyierten Ordnung unterworfen sein. Soweit diese nicht eine Einschränkung der Marktfreiheit [...] oder Garantien für die Innehaltung der Marktlegalität [...] festsetzt, bezweckt sie in Epochen interlokaler Unsicherheit vor allem die Gewährleistung des Marktfriedens³222. Zwischen der Bedeutung des Marktfriedens und der Funktion seiner Herstellungsmöglichkeiten spannt sich der Widerspruch zwischen personaler Autonomie des Subjekts als sozialem Paradigma und der Gefahr des Verlusts durch ökonomische Zwänge, den auch Hegel mit dem Entwurf der Doppelkontrolle der bürgerlichen GesellscKDIWGXUFKÃ3ROizeiµXQGÃ.RUSRUDWLRQµQLFKWO|VHQNDQQXQGGHQ6WDDWDOVÄDOOJemeinen Zwecke³223 und damit als Institution der sittlichen Vernunft installiert. Wenn damit der Widerspruch als systemimmanent beschrieben, Systemimmanenz nicht auf das wirtschaftliche System, sondern auf seine ambivalente, reziproke und dichotomische Abhängigkeit von Sozialität bezogen und die Installation einer absoluten Vernunftinstanz als Legitimationsmodul als bereits postulativ eingestuft wird, kann eine normative Regelung nur mit einem Postulatscharakter gestaltet werden. Damit ist zwar keine Normenimmanenz des Marktes gewährleistet, aber der Widerspruch beinhaltet das berechtigte Postulat normativer Regelungen und damit der Überwindung des Widerspruchs, ohne den Zwängen des nicht intendierten Gegenteils zu verfallen. Das Postulat erscheint als bedeutungsveränderndes Strukturmoment des Widerspruchs zu fungieren; dies allerdings würde den Widerspruch auf eine Weise dynamisieren, dass er paradox genannt werden müsste. Dann wäre das Postulat nicht nur gerechtfertigt, sondern wäre der Maßstab, die gegenseitige Bedingtheit der Elemente des Widerspruchs zu plausibilisieren.

222 Weber (1972), S. 385. 223 Hegel: GPR § 256. 110

DIE ÖKONOMISCHE FUNKTION DER ARBEIT

D i e ö k o n o m i s c h e F u n k t i o n d e r Ar b e i t An diesen Prozessen der Marktförmigkeit von Arbeit wird der Bruch zwisFKHQGHUÃSRVLWLYHQµXQGÃQHJDWLYHQµGHUÃNRQNUHWHQµXQGÃDEVWUDktenµ 6HLWH GHU $UEHLW RGHU GHU Ã(QWlX‰HUXQJµ XQG GHU Ã(QWIUHPGXQJµ deutlich, die nach einer normativen Lösung der Dichotomie verlangen. Damit ist auch deutlich, dass es keine Möglichkeit gibt, eine eindeutige ökonomische Funktion von Arbeit oder gar einen vormals vermeintlich eindeutigen Arbeitsbegriff zu bestimmen. Es scheint ± unabhängig von den mit ihm verknüpften sozialen Postulaten und den Arten der Begründung ihres normativen Charakters ± vielmehr so, dass ein ökonomischer Arbeitsbegriff im Wesentlichen die soziale Ausgestaltung derjenigen Funktion betrifft, die im bisherigen Verlauf als subjektkonstitutive Funktion bezeichnet worden ist.

Arbeitsteilung Dieser Bruch tritt an der Stelle auf, an der sich gemeinschaftliche Arbeitsprozesse teilen und soziabel werden, d. h. ökonomisierende Funktion übernehmen. Mit der vermittelten, nicht mehr selbstversorgerischen Produktion etablieren sich Verhältnisse von Rechten und Pflichten, die Funktionsabläufe strukturieren und Solidarität hervorbringen, insofern die Arbeitsteilung gegenseitige Abhängigkeit voneinander schafft. Diese Abhängigkeit bedarf einer Regelung, die sich zwar aus den Notwendigkeiten der ökonomischen Funktionsabläufe ergeben. Aber nicht aus dem Bedürfnis der Individuen, für deren Gestaltung es keiner Regeln bedürfte, wenn sie natürlicherweise reziproke Formen entwickeln würde, sondern aus eben jener Funktionalisierung der Gegenseitigkeit heraus.224 Die Frage der Inhärenz ihrer Normierung ist daran gebunden, wozu die Normen dienen. Wenn sie an Solidarität oder an Anerkennung gebunden ist, hat sie eine von Durkheim so auch benannte Funktion, aber zum Zwecke der Herstellung gerechter Regeln. Normative Regelungen 224 9JO'XUNKHLP  6IÄ:HQQGLH$UEHLWVWHLOXQJDEHUGLH6olidarität erzeugt, so nicht nur darum, weil sie aus jedem Individuum einen Austauschpartner macht, wie die Ökonomen sagen. [...] So wie die sozialen Ähnlichkeiten eine Recht und eine Moral erzeugen, die sie beschützen, so erzeugt die Arbeitsteilung Regeln, die den friedlichen und regelmäßigen Zusammenschluss der geteilten Funktionen sichern. [...] [Aber] die Arbeitsteilung stellt nicht Individuen einander gegenüber, sondern soziale Funktionen. Und die Gesellschaft ist am Spiel der letzteren interessiert. [...] So bilden sich diese Regeln, deren Zahl in dem Umfang ansteigt, in dem sich die Arbeit teilt, und deren Fehlen die organische Solidarität unmöglich oder mangelhaft werden lässt.³ 111

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

zur Herstellung eines funktionierenden ökonomischen gesellschaftlichen Mechanismus entbehren eiQHU WUDQV]HQGHQWHQ (EHQH Ä6LH OHQNW XQVHUH Tätigkeit nicht auf Ziele, die uns nicht direkt betreffen; sie macht aus uns keine Diener idealer Mächte, die eine ganz andere Natur als wir besitzen, die ihre eigenen Wege gehen, ohne sich um die Interessen der Menschen zu kümmern. Sie verlangt nur, unsere Nächsten zu lieben und gerecht zu sein, unser Aufgabe gut zu erfüllen, darauf hinzuwirken- dass jeder in die Funktion berufen wird, die ihm am besten liegt, und dass er den gerechten Lohn für seine Mühe bekommt.³225 Die Begründungsebene ist sozial, nicht transzendent und macht die Wertdifferenz virulent: Die ökonomische Funktion verliert die Zweckhaftigkeit des Unhinterfragten, sobald sie funktionalisierbar wird. Das ist ihr Paradox: Der Wert der Arbeit wird nach Zweckkriterien bemessen und bei adäquater sozioökonomischer Funktionalität mit einer Sinndimension ausgestattet. Solange eine irritierbare Homogenität zwischen subjektivistischen Sinnvorstellungen und Sozialität besteht, lässt sich die Funktionalität eines wertbeladenen Funktionsmechanismus aufrechterhalten. Wenn die Diskrepanzen größer werden, öffnet sich ihre Spannbreite von Kooperation bis Zersplitterung. Deshalb lässt sich hierbei GXUFKDXVYRQ'XUNKHLPV6ROLGDULWlWDOVHLQHPÄ5HODWLRQLHUXQJVPodus³ VSUHFKHQ ÄHLQH>U@ )RUP GHU 6R]LDELOLWlW GLH GHQ =usammenhang zwischen der Struktur und Funktionsweise einer Gesellschaft ± ihrer sozialen Organisationen ± und ihrem Regel- und Wertsystem ± d. h. ihrer Moral ± bezeichnet.³226 Die Zweckproduktion und ihre organisatorische Ausgestaltung dienen einer Sinnhaftigkeit, die in der Soziabilität aufgehen soll. Aber wenn Inhärenz eine Normativität bezeichnet, ist ihre Inhärenz nicht damit gegeben, dass der ökonomischen Organisation von Arbeit eine strukturelle Adäquanz mit dieser Sinnhaftigkeit unterstellt wird. Das expliziert Marxµ Ableitung der Entfremdung aus der Entäußerung, bringt allerdings das materialistische Problem mit sich, die Überwindung des Widerspruchs als einzige Möglichkeit zu installieren, die Systematik zu durchbrechen und dabei die Legitimation des Durchbrechens in der Systematizität selbst verankern zu können. Der dialektische Trick dabei ist, die Idee der Soziabilität der Arbeitsteilung als ökonomischer Funktion EHL]XEHKDOWHQ DEHU GLH Ä(LQKHLW GHV IHWLVFKLVWLVFKHQ *HPHLQVLQQV³227 aufzubrechen: Die Diskrepanz wird formuliert und der Bruch zur Ursache erklärt. Damit wird eine Differenz geschaffen, die wieder auf eine ± 225 Durkheim (1992), S. 478. 226 Hans-Peter Müller, Michael Schmid: Arbeitsteilung, Solidarität und Moral, in: Durkheim (1992), S. 489 f. 227 Deleuze (1992), S. 164. 112

DIE ÖKONOMISCHE FUNKTION DER ARBEIT

nun andere ± Soziabilität verweist, die aber außerhalb des Bestehenden liegt. Der Gang der Argumentation wird somit nicht selbstverweisend begründet, sondern über einen Widerspruch, der darin legitimiert ist, dass er die Widersprüche der bestehenden Verhältnisse als begründende Instanz zum Ausgangspunkt (und in gewisser Weise auch zum EndSXQNW  PDFKW Ä'LH 3UD[LV GHV .DPSIHV GXUFKOlXIW QLFKW GDV 1HJDWLYH sondern die Differenz und ihre Macht zur Bejahung³228. Diese Differenz wird mit einer Trennung der Funktionen und einem Anspruch an normativer Verankerung in gesellschaftlichen Relationsmodi sichtbar; nur wird die ökonomische Funktion durch eine postulative Bindung an systembzw. funktionsinhärenten Normen wieder zu einem Instrument, das die ursprüngliche Intention der Differenzierbarkeit verschiedener Funktionen konterkariert: den poietischen Methoden werden praktische Strukturen eingeschrieben, weil Zweck von Arbeit ± Herstellung ökonomischer Mechanismen zu weiteren Zwecken ± und Sinn von Arbeit ± Anerkennung, Solidarität, freier Bezug freier Subjekte aufeinander ± identitär kulminieren. 'LH)UDJHLVWGDPLWVHOEVWYHUVWlQGOLFKNHLQHQDFKHLQHPÃREµnormativer Regelungen; dieser Prozess erhöht natürlich ihre Notwendigkeit, ÄZHQQ GHU 0DUNW ZHLWHUKLQ DOV 7HLO GHU VR]LDOHQ /HEenswelt analysiert wird³ XQG EHGLQJW HLQH 3HUVSHNWLYH GHU Ä6R]LDOLQWHJUDWLRQ³229. Wenn QXQ VLFK $QHUNHQQXQJ QXU DOV VR]LDOH HUIOOW ZlKUHQG ÄGLH .RRUGLQLerung sozialen Handelns durch Märkte mit einer Reihe von Problemen konfrontiert ist, die sich letztlich nur durch die Vorschaltung institutioneller und normativer Regelungen lösen lassen³230, divergieren die normativen Ansprüche, die mit dem Anerkennungspostulat verbunden sind, mit den ökonomischen Mechanismen; und das nicht aufgrund eines notwendigen Kippens von rechtlicher Freiheit des Subjekts in faktische Unfreiheit231; auch nicht wegen der Möglichkeit, Anerkennung in Zweckzusammenhängen und Solidarität durch, mit und trotz Arbeitsteilung zu gestalten. Sondern sie divergieren, weil Arbeit durch die Bindung sozialer Werte (Anerkennung und Solidarität sind zwei Seiten einer sozialen Respektbeziehung) an die ökonomische Marktorganisation auf eine ökonomische Funktionsweise reduziert wird, in der die soziale Bedeutung von Arbeit aufgeht. Damit wird der ursprüngliche Subjektivitätsanspruch der Arbeit von funktionalisierter Sozialität abhängig ± paUDGR[HUZHLVH XQDEKlQJLJ GDYRQ RE HLQ Ã9HUQXQItanspruchµ (Honneth) zu einer Einbettung moralischer Normen für das allgemeine Wohl moti228 229 230 231

Ebd. Honneth (2008), S. 340 f. Ebd., S. 336. Vgl. Schmidt am Busch (2002), S. 157. 113

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

YLHUWXQG GDPLW ZLHEHL+HJHO Ä9RON und Staat ein einheitliches Subjekt³232 bilden sollen, das die Normenimmanenz korporativ und indiviGXDOLVLHUEDU YHUN|USHUWH RGHU RE HLQH Ä6LQnstiftung in der Ökonomik³233 ]XGHU(LQVLFKWIKUWGDVV0lUNWHHLQHÄVR]LDOH.RQVWUXNWLRQ³ sind, die Probleme lösenÄGLHLQKlUHQWVR]LDOVLQG³234. Liest man Durkheims Argumentation für eine normative Regelung der Arbeitsteilung zur Ermöglichung und Aufrechterhaltung sozialen Handelns über die Sichtweise Honneths, nähern sich beide Ansätze der Identifikation sozialer Interaktion mit einer Selbstverwirklichung an, die GHU Ã6XEMHNWLYLHUXQJµ von Arbeitsverhältnissen gefährlich nahe kommt, wo die Funktion dadurch den Sinn ersetzt, dass sie mit ihm identisch wird. Der Ansatz Durkheims muss dabei jedoch stärker von dem Honneths abgehoben werden, da der entscheidende Punkt in Honneths Argumentation der einer immanenten Identität intentionaler Maßstäbe ist, woraus Normativität ökonomischen Handelns abgeleitet werden können soll. Hingegen argumentiert Durkheim mit der bloßen Gegebenheit einer notwendigen normativen Regelung der Arbeitsteilung, ohne sie ökonomischem Handeln als Motivationsgründe zu unterstellen, sondern indem ihre Berechtigung mit den Möglichkeiten der Auswirkungen ökonomischen Handelns auf Sozialität begründet wird. Das Dilemma, dass bei zunehmender Differenzierung von Gesellschaftsstrukturen die Individualisierung zunimmt, zugleich aber die individuelle Abhängigkeit von der Gesellschaft wächst, will Durkheim über eine sich moralisch verankernde soziale Funktionalität der ArbeitsWHLOXQJO|VHQLQGHPVLHVROLGDULWlWVVWLIWHQGLVWZHLOÄGLH$XIO|VXQJGLeser scheinbaren Antinomie einer Veränderung der sozialen Solidarität geschuldet ist, die wir der immer stärkeren Arbeitsteilung verdanken.³235 Der Funktionsmechanismus solidaritätsstiftender Arbeitsteilung bildet die Schalt- und Vermittlungsstelle zwischen soziablen Prozessen und ökonomischen Interessen, als ein Sowohl-als-DXFK DXV GHP VLH ÄGadurch, dass die Arbeitsteilung zur Hauptquelle der sozialen Solidarität wird, [ ] gleichzeitig zur Basis der moralischen Ordnung [wird].³236 Damit ist nicht der mögliche moralische Wert einer Regelung der Arbeitsteilung in Frage gestellt; vielmehr ist in Frage gestellt, ob ökonomisches Handeln auf identischen moralischen Prinzipien beruht: ob ökonomisches Handeln primär nicht-zweckgebunden agiert. Honneth 232 Lukács (1973), S. 567. 233 Svetlova (2008). 234 Harrison C. White, Frédéric C. Godart: Märkte als soziale Formationen, in: Beckert et al. (2007), S. 197. 235 Durkheim (1992), S. 88. 236 Ebd., S. 159. 114

DIE ÖKONOMISCHE FUNKTION DER ARBEIT

bezieht sich zur Begründung der Immanenz auf Durkheim, interpretiert ihn aber mit einer anderen Gewichtung. Wenn für Durkheim die Funktion der Arbeitsteilung nicht einfach bloß darin besteht, Zivilisation hervorzubringen237, sondern ihr eine darüberhinausgehende Funktion zugeschrieben wird, bindet er sie nicht immanent-normativ an moralische Maßstäbe, schreibt ihr aber eine solidaritätsbildende Wirkung zu, die ihre Funktionalität, eine Zweckgebundenheit, dabei nicht verliert. Dass sich dabei soziale Dynamiken entfalten und dass die Funktion der ArEHLWVWHLOXQJ ÃGLH +DXSWTXHOOH LKUHV =XVDPPHQKDOWV LVWµ238, liegt darin, dass innerhalb der Gruppe eine gegenseitige (existentielle) Abhängigkeit entsteht. Die Funktion der Arbeitsteilung liegt sowohl im Gruppenerhalt, als auch in der Bildung der Gruppe, und das Ziel der durch Arbeitsteilung initiierten Gruppenbildung ist der Sozialisationsaspekt, Arbeit zweckmäßig zu organisieren, wozu Arbeitsteilung ± und Gruppierung ± nötig ist. (Gelungene) Arbeitsteilung hat synthetische Funktion, setzt die Abhängigkeit ökonomischen und sozialen Handelns reziprok. Zivilisation ist eine Ermöglichungsfunktion von Gesellschaft. Aber: ÄQXUVR]Lale Regeln können einen Missbrauch der Macht verhindern³239; wenn aber Arbeitsteilung immanent sozialisierende Funktion hätte, entspräche Solidarität einem natürlichen Resultat, wogegen die empirische Wirklichkeit, für deren Gestaltung die Regeln schließlich geschaffen werden, lautstark widerspricht. Wenn Arbeitsteilung Solidarität erleichtert, ist sie eine zweckmäßige, aber keine unbedingt moralische; moralisch wäre Arbeitsteilung dann, wenn sie zu keinem anderen Zweck als ihrer bloßen solidarisierenden Ausführung vollzogen würde. Dies bleibt bei einer ökonomischen Funktion aus dem Grund zweifelhaft, dass Arbeitsteilung zur Erleichterung und Verbesserung von Arbeitsbedingungen beiträgt, weil sie natürliche Abhängigkeit relativiert. Um Ungleichheiten abzuwehren und damit zu verhindern, dass einzelne Absichten dem Wohl der Gruppe zuwiderlaufen, sind normative Maßstäbe nötig, die aber nicht Funktion und Bedeutung des Instruments identifizieren müssen, weil sonst ein die Absicht konterkarierender Widerspruch droht; diese Zweckgebundenheit mag zwar gegebenenfalls auf normative moralische Maßstäbe rekurrieren, das ist nicht ausgeschlossen. Zweifelhaft aber ist, dass sie notwendig darauf rekurriert. Nun ist +RQQHWKV.ULWHULXPYRQGHUÃNRQWUDIDNWLVFKHQ*HOWXQJVJUXQGODJHµnormativer moralischer Maßstäbeµ nicht anders zu verstehen, als dass sie notwendig darauf rekurrieren. Die sozialisierende Funktion von Arbeits-

237 Vgl. ebd., S. 96. 238 Ebd., S. 7. 239 Ebd., S. 43. 115

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

teilung ist eine mögliche, aber keine notwendige, und auch mit der Begründung einer kontrafaktischen Geltungsgrundlage sozialer Regeln für ökonomische Funktionsmechanismen ist nicht gewährleistet, dass sie letzteren notwendig inhärent sind. Wenn Sozialität und Ökonomie unterscheidbar bleiben und dabei in einem reziproken Bestimmungsverhältnis zueinander stehen sollen, kann eine solche Arbeitsteilung gar nicht auf inhärent moralischen Maßstäben beruhen. Denn gerade die Kontrafaktizität der Geltungsgrundlage zeugt von der strukturellen Differenz zwischen ökonomischem und sozialem Handeln. Wenn Sozialisationsbildung mit Sinnhaftigkeit ± individueller und sozialer ± begründet ist, darf sie gar nicht durch bloß ökonomische Prinzipien erreichbar sein. Das heißt nicht, dass ökonomischem Handeln und Arbeitsteilung als der entscheidenden ökonomischen Funktion von Arbeit keine normativen Maßstäbe anzulegen wären oder das (auch zugrundeliegende) Anlegen solcher Maßstäbe an ökonomische Funktionen nicht möglich wäre; es heißt, dass sie der ökonomischen Funktionsstruktur nicht inhärent sein kann (und für ihre Geltung auch nicht inhärent sein muss), weil ihre Prinzipialität nicht identisch mit der subjektkonstitutiven Funktion von Arbeit ist, die als Basiselement der Begründung der Normativität von Sozialität gilt. Arbeitsteilung als Konstruktionselement oder auch als 4XHOOH RGHU ÄZHVHQWOLFKH>U@ )DNWRU³240 von Solidarität zu betrachten, heißt nicht, dass die Faktoren der Motivation zu Arbeitsteilung und Solidarität identisch sind, sondern dass sich beide Funktionen gegenseitig in ihrer Unterschiedenheit bedingen. Das macht ja gerade die paradoxe und bipolare Funktion von Arbeit DXVXQG]HLJWVLFKGDULQGDVVHLQVROFKHVÃ]HUULVVHQHV:LOOHQVYHUKlOtnisµ (Hegel) gerade die Notwendigkeit zu einer Regulierung durch Normen ± als der Maßstab, an dem auch Paradoxie ablesbar wird ± bedingt. Deshalb entsteht durch Honneths Annahme der Inhärenz eine Tautologie, wenn die Regulierung des ökonomischen Handelns auf das mit dem solidarischen Prinzip der Anerkennung identische Paradigma zurückgeführt wird, weil Absichten, Intentionen und Zwecke unterschieden werden müssen; diese Selbstzuweisung ist nur postulativ aufhebbar, wenn unter dem Postulatscharakter verstanden wird, dass sie zur Aufrechterhaltung und Ermöglichung von Solidarität bestimmte, aber unterschiedene und dadurch synthetisierbare Funktionen erfüllen können soll.

240 Ebd., S. 111. 116

DIE ÖKONOMISCHE FUNKTION DER ARBEIT

Paradoxie des Postulats Die anfängliche Vermutung, ein ökonomisches Verständnis von Arbeit könnte auf den herstellenden Aspekt von Arbeit im Sinne einer Poiesis zielen, ist damit ebenso uneindeutig wie das Verständnis, Arbeit im Sinne eines solipsistischen Subjektivitätsverständnisses als Praxis und Selbstzweck in sozialen Zusammenhängen aufgehen zu lassen. Das solipsistische Selbstverständnis führt ja gerade zur Unterschätzung der Abhängigkeit von Anderen/m und zu einer bloß zweckrationalistischen Form von Arbeitsorganisation. Diese paradoxe Verkoppelung ist Ursache der Sozialisationsfunktion ökonomisierter Arbeit, weil die auf dem solipsistischen Subjektverständnis beruhende Funktion von Arbeit ihre Aporie darin erkennt, mit der Angewiesenheit auf Andere/s auch auf eine Organisation der Bedürfnisse angewiesen zu sein. Wo Gesellschaft unterscheidbar geworden ist, lassen sich Begriffe differenzieren, deren Homogenität in einem vorgängigen Sozialisationskontext nur ex post feststellbar ist. Entsprechend ist nun eine ökonomische Funktion von Arbeit benennbar, aber nicht ohne ihren Unterschied ± ihre subjektkonstitutive Komponente ± und nicht ohne die Abhängigkeit von ihm. Die ökonomische Funktion einer Arbeit ist gerade darin charakteristisch, dass sie ihre Begründung in der subjektiven Bedeutung hat und ihre ursprünglich generische Eigenschaft, mühselig zu sein, einer sozialen Bewertung unterzogen und im sozialen Kontext im Sinnkomplex verortet wird. Die Zweckhaftigkeit, die der Arbeit eigen ist, erhält durch die Verkoppelung der subjektkonstitutiven und ökonomischen Funktionalität hinaus soziale, gesellschaftliche Bedeutung. Sie wird von einer Tätigkeit zu einem Tun und bezeugt darin ihre strukturelle und funktionelle Veränderung: Die perpetuierte Temporalität der Tätigkeit, die noch immer zeitweise Abschlüsse kennt, wird zu einer Prozessualität des Tuns, die Wertparadoxien mit sich bringt. Diese können deshalb nicht mehr an einen teleologischen Strukturgeber gekoppelt sein, weil sich die Zweckorientierung nicht mehr differenziert von einer sinnhaften Tätigkeit unterscheiden lässt. Die teleologische wie strukturelle und funktionale Systematik von Arbeitsorganisation hat sich im Vergleich zu der Konzeption von Arbeit, die keine Differenzproblematik kannte, ins Gegenteil verkehrt. Zugang zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit öffnet sich über die Abhängigkeit davon, natürlichen und nicht selbst gewählten Zwängen oder Verpflichtungen nachgehen zu müssen. Die begriffliche Unterscheidung tendiert zu ihrer funktionalen Ununterscheidbarkeit und auch dazu, Subjektivierungsprozessen Vorschub zu leisten und ihre Widersprüche zu perpetuieren. Die-

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FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

se Widersprüche transformieren sich mit den Transformationen ihrer Arbeitsgrundlagen und führen zu neuen Bedürfnissen ihrer Lösung. Wenn der Markt mit der Ausgestaltung der Arbeitsgesellschaft als ein Realisationsmoment von Anerkennung interpretiert und dies darin begründet wird, dass sich in der Arbeit, in der Ausübung des Berufs wie überhaupt durch arbeitliche Teilnahme an sozioökonomischen Austauschbeziehungen ein wesentliches Bedürfnis des Menschen realisiert, wird Anerkennung zum in- und exkludierenden Paradigma der Arbeitsgesellschaft. Damit wird Arbeit zu einem entscheidenden Integrationsfaktor des gesellschaftlichen Lebens. Dies ist ohne Zweifel eine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit, weshalb die Forderungen nach Zugang zu diesem Instrument, die Anspruchserhebung auf Anerkennung und eine normative Regelung der Arbeitsteilung eine moralische Berechtigung zu haben scheinen. Allerdings bleibt ein Ansatz, der auf die Identität subjektkonstitutiver und ökonomischer Funktionen der Arbeit abhebt, um daraus die immanente Rechtfertigung für organisationale Normen von Arbeit zu analysieren, im Widerspruch verhaftet. Eine Integration der Normen als eine behauptete Identität von Interessen und ökonomischen, individuellen und sozialen Handlungsstrukturen führt zur Reduktion der Maßstäbe und einer Tautologie, deren Normenproklamation postulativ bleibt. Sonst unterscheiden sich Normen, die wachsenden Ungleichheiten vorbeugen wollen, nicht von den wachsenden Ungleichheiten. Die Proklamation der Subjektautonomie, deren Handeln in ökonomischen Kontexten gesichert sein soll, kongruierte mit jener der Subjektivierungen.

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ZWISCHENERGEBNIS

Zw i s c h e n e r g e b n i s Ausgangspunkt des zweiten Abschnitts war die Frage, wie die analysierte Aporie der subjektkonstitutiven Funktion von Arbeit organisierbar ist. Es wurde festgestellt, dass das Arbeitssubjekt zwar der Arbeit bedarf, weil sie nicht nur Mittel zur Bedürfnisbefriedigung ist, sondern ein reflexives Moment hat, das die Unzulänglichkeit der Bedürfnisbefriedigung aufzeigt. Dies ist der Grund dafür, dass das Subjekt sozialer Bezugnahme bedarf und sich als Person, d. h. als Wesen unter anderen versteht. Da damit alle Subjekte dieselben Bedürfnisse haben, wird die Frage nach der Organisation der Bedürfnisse virulent. Daraus deutete sich eine erste soziale Paradoxie an: Aus dem Drang eigener Befriedigung leitet sich die Notwendigkeit der Bedürfnisbefriedigung anderer ab. Arbeit, so ließ sich folgern, ist von einer gemeinsam organisierten Form und daher von einer Regelung dieser Form abhängig, die es allen ermöglicht, die eigenen Zwecke unter verbesserten Bedingungen zu befriedigen und einander darin gegenseitig anzuerkennen. Unter dem Paradigma der Subjektivierung verkoppelt sich die organisationale Ausgestaltung mit der Zweck- und Sinnorientierung von Arbeit. Lösungsmodelle, die sich auf eine unmittelbar in der Tätigkeit liegende Identifizierung von Zweck und Sinn konzentrieren, kommen weder für das Individuum, noch die Gesellschaft zu einer zufriedenstellenden Lösung. Das wurde am Handwerkskonzept Sennetts deutlich, das gegenläufig mit dem Modell der Subjektivierung kongruiert, weil es eine einseitige Unterordnung vornimmt. Auch Arendts Versuch, den Widerspruch durch eine klassifikatorische Ordnung zu lösen und von der Arbeit getrennte Bereiche des freien Handelns zu schaffen, wurde diese Methodik zugeschrieben. Zur Darstellung reziproker Anerkennungsmechanismen in ökonomischem Handeln wurde das Tauschverhältnis betrachtet, das zu Wertbildung führt, weil diese basale Ökonomie eine Bewertung der Tauschgegenstände erfordert. Wenn sich aber die Möglichkeiten der Bezugnahmen in kapitalistisch organisierten Marktzusammenhängen vervielfältigen, diffundiert die Bedingungslosigkeit der Gegenseitigkeit. Weil sich darin nicht nur eine strukturelle Paradoxie abzeichnet, sondern diese auch zu diskrepanten Sozialverhältnissen führt, wurde die Forderung nach Maßstäben zur normativen Regelung als gerechtfertigt beurteilt. Es konnten drei Aspekte unterschieden werden, die für eine Analyse solcher Normen relevant sind: 1) die soziale Dimension der Arbeit, 2) die Dimension der arbeitenden Subjekte, 3) eine Verschränkung von 1) und 2) im Sinne eines Interessensausgleichs zur Ermöglichung einer regelhaft gestalteten Sozialformation. Diese personale Forderung 119

FUNKTION UND BEDEUTUNG VON ARBEIT

erwies sich als legitim, weil Arbeit eine soziale Integrationsfunktion hat und wirtschaftliche Funktionsmechanismen und ökonomische Bedürfnisse auf dem Paradigma sozialer Anerkennung der einzelnen Arbeiten beruhen. Daraus erwuchs das Begründungsproblem solcher Normen und Funktionsmaßstäbe. In der Diskussion des auf Hegel beruhenden und auf Durkheim verweisenden Ansatzes Honneths, eine Identität ökonomischer und subjektkonstitutiver Funktionen in moralischen Normen nachzuweisen, wurde als tautologisch zurückgewiesen, weil sich das Konzept entweder, wenn GLHIDNWLVFKHQ=XVWlQGHGHP$QVDW]ZLGHUVSUHFKHQDXIGLHÃ.RQWUDIDktizität ihrer Geltungsgrundlageµ berufen bzw. ein Funktionsmechanismus der Priorität des anderen untergeordnet werden müsste. Zweck und Sinn würden nicht mehr unterschieden; es kongruierte mit Subjektivierungsphänomenen, wenn Zweckproduktion schon soziales Handeln wäre und dessen Sinnhaftigkeit in der Zweckproduktion aufginge. In der Absicht, Arbeit als soziale Funktion zu retten, wäre Sinn von ökonomischen Mechanismen abhängig und wirtschaftliches Handeln nicht an soziale Normen gebunden. Da dies aktuelle Entwicklungstendenzen adäquat beschreibt, ist deren genauere Betrachtung nötig; im folgenden Kapitel wird deshalb betrachtet, welche Aspekte daraus in Hinblick auf eine begriffliche Fassung von Arbeit zu analysieren sind, um trotz und aufgrund paradoxal strukturierter Arbeitsverhältnisse normierende Maßstäbe zu finden. Hypothetischer Ausgangspunkt ist, den Widerspruch als systemimmanent zu verstehen, ihn aber auf seine ambivalente, reziproke und dichotomische Abhängigkeit von Sozialität zu beziehen. Dies verunmöglichte zwar eine Normenimmanenz des Marktes, beinhaltete jedoch die Begründbarkeit normativer Regelungen, ohne den Zwängen ihres Gegenteils zu verfallen. Dann wäre das Normenpostulat nicht nur gerechtfertigt, sondern zugleich der Maßstab, die gegenseitige Bedingtheit der Elemente des Widerspruchs zu plausibilisieren. Dafür müssen zunächst ± und dies geschieht im folgenden Kapitel ± die Transformationen und ihre Tendenzen betrachtet werden, die als Ausdruck der Verschiebung der Orientierung von Arbeit zu subjektkorrelativen Sinnaspekten von Arbeit aufgefasst werden.

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Transformation von Arbeitsformen Deine anständije Arbeit, dit is Sklaverei. Franz Biberkopf1 Künstler ± was die tun, kann man nicht arbeiten nennen. Gustave Flaubert2

D i c h o t o m i s i e r u n g v o n Zw e c k u n d S i n n i n d e r Ar b e i t Wenn unter dem Blickpunkt der Transformation von Arbeitsformen das 8UWHLO]XWULIIWGDVVXQVÄQLFKWGLH$UEHLWDEHUGHU $UEHLWHU>DXsgeht]³3 und darunter zu verstehen ist, dass sich die Anforderungen an Arbeit ändern, scheint die Einschätzung berechtigt, dass die bestehenden ArbeitsFormen nicht den an sie herangetragenen Anforderungen entsprechen. Was gibt es also für Unterscheidungszeichen, die erklären können, welche faktoriellen Veränderungen zu Verschiebungen in den Bezügen führen? Und welche Verschiebungen sind es, die an der Arbeit in den letzten Jahrzehnten in großem Maße beobachtet und als Struktur-, Orientierungs- und Zweckverlust bzw. als Zunahme transformierter Formen und Bedingungen von Arbeit beschreibbar werden? Seit die Wandlung der Arbeitsverhältnisse nicht mehr nur als periodisches Spezifikum und vereinzelt auftretendes Phänomen verstanden werden kann, zeichnen Forschungsarbeiten die Geschichte der Verände-

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Aus: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte des Franz Biberkopf, München 1965. Gustave Flaubert: Wörterbuch der Gemeinplätze, Zürich 1998. Birger Priddat: Arbeit an der Arbeit. Verschiedene Zukünfte der Arbeit, Marburg 2000, S. 55. 121

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

rungen nach4, um die Flexibilisierung und Mobilisierung von Arbeit und Arbeitenden zumindest in eine nachvollziehbare Linie zu reihen.5 Die daraus resultierenden Probleme für die Zukunft können erahnt, vorgeschlagen oder prognostiziert werden6, und vorerst kann zumindest eine Ä$UEHLWDQGHU$UEHLW³7 als sicher gelten. Offenbar an vielen Urteilen und Prognosen der Veränderungen von Arbeit, ihren Bedingungen und Gestaltungen in den letzten zwanzig Jahren ist ihre Linearität in der TraditiRQ GHV ÄRQH-dimensional man³8 XQG GHV ÄFRUURVLRQ RI FKDUDFWHU³9 in ZeiWHQ HLQHU Ä*HVHOlschaft der Konsumenten³10, die an den dichotomischen Spannweiten der Arbeit entlangläuft und den Verlust von Zuschreibungsmöglichkeiten darstellt. Deren Struktur entspricht dem im ersten Kapitel skizzierten Paradoxieparadigma, weil durch Arbeit etwas gelöst werden soll, was durch sie verursacht wird. Damit repliziert und reproduziert sich auf einer empirischen Ebene das dilemmatische Verhältnis von Subjekt und Objekt der Arbeit. Es bedarf der strukturellen Diskussion des ersten Teils, weil sie Einblick in prinzipielle Bedingungen gibt, unter denen arbeits- und lebensweltliche Veränderungen stehen; mit den im Folgenden dargestellten Kritiken und Forderungen der Transformationen von Arbeitsformen lassen sich Konsequenzen für eine begriffliche Fassung von Arbeit ziehen. Denn diese Veränderungen implizieren Subjektbilder und Sozialitätsmodelle, die solche Transformationen als ideologeme Begründungen ± sofern sie Erklärungsmuster und Weltbilder prägen ±bedingen. Viele Analysen der Veränderungen der Arbeitswelt zeigen das Bewusstsein des am Entfremdungscharakter der Arbeit geschulten StandSXQNWVGHUÄ6R]LDONULWLN³11; ein Begriff, der die Haltung einer Kapitalismuskritik repräsentiert, die sich mit den die Gesellschaft als sozialisierter Gemeinschaft betreffenden Veränderungen beschäftigt. Die Sozialkritik zielt auf die Ungleichheiten, die sich aus den kapitalistischen Ver-

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Vgl. Jürgen Kocka, Claus Offe (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt/M. 2000. 5 Vgl. Ropohl (1985); Hans Frambach: Arbeit im ökonomischen Denken: zum Wandel des Arbeitsverständnisses von der Antike bis zur Gegenwart, Marburg 1999; Baecker (2002); Aßländer (2005a, b). 6 Vgl. Birger Priddat (Hg.): Arbeits-Welten. Forum für Dimensionen und Perspektiven zukünftiger Arbeit, Marburg 1996; Jan Engelmann, Michael Wiedemeyer (Hg.): Kursbuch Arbeit. Ausstieg aus der JobholderGesellschaft ± Start in eine neue Tätigkeitskultur?, Stuttgart 2000. 7 Vgl. den gleichnamigen Buchtitel von Priddat (2000). 8 Herbert Marcuse:: Der eindimensionale Mensch, Darmstadt 1979. 9 Richard Sennett: flexible Mensch, Berlin 1998. 10 Arendt (1967), S. 150. 11 Vgl. Boltanski/Chiapello (2006). 122

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

änderungen gesamtheitlich ergeben. Sie unterscheidet von sich eine andere Form kapitaOLVWLVFKHU.ULWLNGLHÃ.QVWOHUNULWLNµ, die besonders jene Mechanismen im Blick habe, die Individualisierungsprozesse verhinderten. Der Künstlerkritik und ihren Forderungen nach größerer Gestaltungsfreiheit und Autonomie des Individuums werden impulsgebende Qualitäten zugeschrieben, die zu einer Weiterentwicklung kapitalistischer Mechanismen beitrügen; ihre kapitalistisch adaptierten und verwerteten Forderungen würden ± in einem geradezu dialektischen Dualismus der beiden Kritikformen ± notwendigerweise wieder zum Gegenstand der Sozialkritik, weil sie zu Ungleichheiten beitrügen. Dieser Standpunkt beruht auf der widersprüchlichen Verstrickung der Arbeit im Dilemma ihres (postulierten) Eigenwerts und ihrer Zweckhaftigkeit ± auf dem Widerspruch von Arbeit als Tätigkeit und Arbeit als Produkt. Mit Marx gesprochen: Er beruht auf dem Widerspruch zwischen Tauschwert und Gebrauchswert der Arbeit, dessen Verhältnis und Mehrwert ± so Interpretationen ± besonders deswegen jedes Maß verloren habe, weil der ökonomische Mehrwert der Arbeit zunehmend ohne menschliche Produktivkraft geschaffen werden könne. Demnach ist die Gesellschaft, obgleich oder gerade weil in ihr die Arbeit DOOJHJHQZlUWLJLVWDPÄ(QGHGHU$UEHLW³12 RGHU]XPLQGHVWDPÄ(QGHGHU Arbeitnehmergesellschaft³13, also am Ende einer Gesellschaftsform, wie sie bislang bekannt war, angekommen und durch die Bedeutungsverschiebung der Arbeit zu einer postindustriellen³14 Ã'LHQVWOHLVWXQJV-µ, Ã,QIRUPDWions-µÄ'LHQVWERWHQ³- und Risikogesellschaft³15 geworden. Das Dilemma präsentiert seine Erscheinungsformen darin, dass die globale Ausdehnung der Märkte zwar quantitativ mehr Wohlstand ermögliche, der Anteil produktiver Arbeit in den Industrieländern aber kontinuierlich sinke, weshalb sich Bedeutungsunterschiede zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit marginalisierten, neue Branchen entstünden und Effizienz- und Leistungssteigerungen auf allen Ebenen über

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Jeremy Rifkin: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Neue Konzepte für das 21. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2004. Heinz Bude: Was kommt nach der Arbeitnehmergesellschaft?, in: Ulrich Beck (Hg.): Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/M. 2000, S. 121-134; vgl. auch: ders.: Die Ausgeschlossenen. Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft, München, 2008. Daniel Bell: Die nachindustrielle Gesellschaft, 1989; ders.: Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus, Frankfurt/M., 1999. Ulrich Beck: Wohin führt der Weg, der mit dem Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft beginnt? [2000b], in: ders. (Hg.): Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/M., 2000 [2000a]; vgl. auch: ders.: Risikogesellschaft, Frankfurt/M. 1986; Schöne neue Arbeitswelt, Frankfurt/M. 1999. 123

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

wirtschaftlichen Erfolg entschieden.16 Die Verfasser des Berichts an den Club of Rome beschreiben eine an neue Arbeitsverhältnisse angepasste Gesellschaft, in der Konsumption zu einer Form von Produktion und der (LQ]HOQH ]XP Ã3URVXPHQWHQµ werde, die Produktion in ihrem Arbeitsstellenwert aber von der Dienstleistung abgelöst werde und so die Flexibilitätsanforderungen an die Menschen steige.17 Dies habe zur Folge, dass der Projektjob den Produktionsjob, der Moderator die Führungskraft, ein (virtuelles) Netzwerk die Firmenstruktur und entsprechend eine Flexibilitätskompetenz die Fachkompetenz ersetze, Festanstellung also die Ausnahme werde und Selbstverpflichtung an die Stelle der geregelten Arbeitszeit trete.18 In einer solchen Gesellschaft werde die auf Arbeit basierende soziale Identität des Einzelnen kontingent, weil sie über ökonomische Kriterien verlaufe, die nur noch eine Entscheidungsspanne zwischen Produktion und Konsumption zuließe, die wesentlichen Einfluss auf die soziale Identität nähme.19 Das Individuum findet für seine gewohnten Lebens- und Arbeitsweisen zunehmend weQLJHU5DXPGDVLFKGLHÄIOFKWLJH0RGHUQH³20 in HLQH Ä0XOWLRSWLRQVJesellschaft³21 GHV ÄXQWHUQHKPHULVFKHQ 6HOEVW³22 wandele, in der ausgeschlossen wird, wer sich nicht anpasst. Dies führe ]XHLQHU(QWVWHKXQJYRQÄ3RUWIROLR-Arbeitern³23 und verlange Konzepte zur LöVXQJ GLHVHV 'LOHPPDV ZLH GDV GHV ÄGULWWHQ :HJV³24 oder der

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6R GLH 6FKOXVVIROJHUXQJHQ GHU µ6LHEHQ 7KHVHQ ]XU $UEHLWVZHOW¶ von Hans-Jörg Bullinger, Constantin Gillies, Dagmar Sobull: Gewinner der Zukunft ± Jobwelt von Morgen, in: ManagerSeminare Heft 43, 07/08/2000, S. 22-30. Orio Giarini, Patrick M. Liedke: Wie wir arbeiten werden. Der neue Bericht an den Club of Rome, München 1999. Vgl. Reinhard Sprenger: Wie werden wir morgen arbeiten?, in: wisu, das Wirtschaftsstudium, Heft 4, 04/1999 S. 397-398; ders.: Das Prinzip Selbstverantwortung. Weg zur Motivation, Frankfurt/M., 2000. Vgl. Ernesto Laclau: New Reflections on the Revolution of Our Time, London 1990, S. 32 ff., und Laclaus Argument auf das Verhältnis von Identität und Konsum übertragend, dabei aber die interdependente Abhängigkeit der sozialen Faktoren nivellierend: Paul du Gay: Consumption and Identity at Work, London 1996. Zygmunt Bauman: Flüchtige Moderne, Frankfurt/M., 2003; ders.: Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, Hamburg 2005. Peter Gross: Die Multioptionsgesellschaft, Frankfurt/M. 1994. Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M. 2007. Peter Gross: Das Verschwinden der monogamen Arbeit?, in: Hauswirtschaft und Wissenschaft 44, Wallenhorst 1996, S. 99-105. Anthony Giddens: Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie, Frankfurt/M., 1999; vgl. auch: ders.: Die Frage der sozialen Ungleichheit, Frankfurt/M. 2001.

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

Ä%UJHUDrbeit³25, um die zunehmende Schwäche des Sozialstaats gegen die wachsende Macht der kapitalistischen Ökonomie auszugleichen. (V VFKHLQW DOV VHL Ä'HU $UEHLWHU³26 als Verkörperung der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts in eine Person transformiert worden, die sich zwar weiterhin über Arbeit definiert, aber die Wahl der Selbstbeschreibung alternativlos geworden ist. Diese Alternativlosigkeit drückt sich paradoxerweise darin aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dies in ihrem Gegensatz, der Arbeitslosigkeit, vonstattengehen muss, kontinuierlich wächst oder sich zumindest zur konstanten Alternative ausweitet27, ZRPLW VLFK GLHVHV'LOHPPD]XHLQHPÄGHSUHVVLYHQ=LUNHO YRQ $UEHLWsidentität und Arbeitslosigkeit³ entwickle28, der davon Auskunft geben kann, dass es bei sinkenden Möglichkeiten zu arbeiten nicht zu sinkender Notwendigkeit und Relevanz von Arbeit kommt. Das in den Diagnosen der dilemmatischen Transformationen meist verwendete Wort der Ã)OH[LELOLWlWµ QHQQW 2VNDU 1HJW GHQ Ä=DXEHrlehrling³, der an der Ä.UDQNKHLWVELRJUDSKLH GHU *esellschaftsordnung³29 mitschreibt, die mit Ä6HOEVWYRUZUIH>Q@XQG$QVFKXOGLJXQJHQ³ beginnt und sich bei den BeWURIIHQHQ QLFKW VHOWHQ ]X Ä1DKUXQJVYHUZHLJHUXQJ VHOEVWYHUOHW]HQGH>Q@ Verhaltensweisen inklusive Sucht und Suizidalität [als] die gut bekannten Folgen [ausbildet], die damit in Zusammenhang stehen³30. 'LHÄWLHIJUHLIHQGHQ|NRQRPischen Umbrüche³ und die daraus resultierHQGHÄ3UHNDULVLHUXQJGHV$UEHLWnehmerstatus³31 sind von der Wandlung zu einer Intensivierung organisationaler Strukturen bedingt: Die vielbeschworene persönliche Umstellung von Beruf auf Projekt und zu HLQHPÄ$UEHLWVkraftunternehmer³32 sind die plakativen Illustrationen für eine wachsende Diskrepanz im Zweck-Sinn-Verhältnis der Arbeit. Der sich daran zeigende Widerspruch zwischen den Anforderungen an die zu leistende Arbeit fokussiert auf diejenigen, die die Arbeit leisten 25 26 27

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Beck (2000b). Vgl. Ernst Jünger: Der Arbeiter, Stuttgart 1982 [1932]. Vgl. als Sammelband unterschiedlicher Sichtweisen: Ulrich Steinvorth, Gert Brudermüller: Arbeitslosigkeit und die Möglichkeiten ihrer Überwindung, Würzburg 2004. Christine Morgenroth: Arbeitsidentität und Arbeitslosigkeit ± ein depressiver Zirkel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Berlin 53. Jahrgang, Bd. 6&/, S. 17-24. Oskar Negt: Arbeit und menschliche Würde, Berlin 2001, S. 178. Heinz J. Ebenrett, Dieter Hansen, Klaus J. Puzicha: Verlust von Humankapital in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Berlin 53. Jahrgang, Bd. 6&7, S. 23. Franz Schultheis, Kristina Schulz: Einführung, in: Gesellschaft mit begrenzter Haftung, Konstanz 2005, S. 11. Moldaschl, Voß (2002). 125

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

sollen. Der Veränderungsprozess zeugt ± wie Boltanski und Chiapello33 betonen ± von der stetig wachsenden Bedeutung der Individualisierung; und diese ist ja nicht nur auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten, sondern eine gesellschaftsstrukturelle Entwicklung. M. E. lässt sich auch dem Urteil, dass es sich hierbei um eine weitere Stufe eines reflexiven Individualismus handele, die aus einem reflexiven Modernismus resultiere34, zustimmen. Diese Reflexivität des Individualismus zeigt, dass sich die Selbstzuschreibungskräfte von Arbeit immanent aus dem Verhältnis heraus reproduzieren; es ist die andere Seite der Arbeit, dass sie das, was sie potentiell leisten kann, als Voraussetzung formuliert. Es ist ihre Paradoxie. Und diese hat natürlich Iterationskraft. Diese Iterativität ist eine gegenseitige Bedingung, und bei der Individualisierung heutiger Prägung handelt es sich nur um eine Seite der Form, der als negativer Seite die Überforderungen an die Flexibilität der Arbeitnehmer entsprechen. Liest man die Analyse von Boltanski/Chiapello mit Blick auf Wirkungen der Künstlerkritik andersherum, wird plausibel, dass es sich bei der Lösung und Entgrenzung von strukturellen Mechanismen, der Entkoppelung von Arbeit und Leben nicht nur um ökonomisch oktroyierte Strukturen handelt, es nicht nur einem einseitig provozierten Bedürfnis GHV ÄPRGHUQHQ $XWKHQWL]LWlWVLGHDOV³35 HQWVSULFKW VRQGHUQ GLHVHV Ã$uthentizitätsideal¶ mit vielen anderen Wandlungen zusammenhängt, die die soziokulturelle Entwicklung bedingt. Auch haben einige ± nicht zu unterschätzende ± Forderungen der Künstlerkritik soziale Veränderungen bewirkt und tragen damit nicht zuletzt zu einer Relativierung der Dichotomie von Sozial- und Künstlerkritik bei: Das Verhältnis verändert sich nicht nur auf der einen, sondern auch auf der anderen Seite ± und damit ändert sich die Beziehung als solche. Sowohl im Verhältnis der Kritikdichotomie als auch bei einer solchen Verzweckung von Individualisierungsprozessen kann mit Max Weber darauf hingewiesen werden, dass es sich um vielfache Wechselseitigkeit, gegenseitige Einflussnahme und ungleichartig reziproke Bewegungen in einer kapitalistischen Gesellschaft handelt; in Zusammenhang mit LuWKHUV%HUXIVNRQ]HSWLRQVSULFKW:HEHUYRQGHPÄXQJHKHXUHQ Gewirr[ ] gegenseitiger Beeinflussungen zwischen den materiellen Unterlagen, den sozialen und politischen Organisationsformen und dem geistigen Gehalte der reformatorischen Kulturepochen³36. Die Frage, die er daraus für seine Untersuchung über den protestantischen Geist des 33 34 35 36 126

Dies. (2006). Vgl. Beck (1986); Ulrich Beck, Anthony Giddens, Scott Lash: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse, Frankfurt/M. 2000. Taylor (1995), S. 39. Weber (2004), S. 103 [1920: 83].

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

Kapitalismus ablHLWHWLVWÄREXQGLQZHOFKHQ3XQNWHQEHVWLPPWH:DKlverwandtschaften zwischen diesen Formen des religiösen Glaubens und der Berufsethik³ erNHQQEDU ÄXQG LQZLHZHLW >VLH@ DQGHUHQ ]X]XUHFKQHQ sind.³37 (VN|QQHQlPOLFKÄQDWUOLFKQLFKWGLH$EVLFKWVHLQDQ6WHOOe eiQHU HLQVHLWLJ ÃmaterialistischenµÃ HLQH HEHQVR HLQVHLWLJ VSLULWXDOLVWLVFKH kausale Kultur- und Geschichtsdeutung zu setzen. Beide sind gleich möglich³38. ± ,Q GLHVHU $QDO\VH PXVV QXU GLH )RUPHO GHV ÃUHOLJL|VHQµ GXUFK GHQ ÃLQGLYLGXDOLVWLVFKHQ *ODXEHQµ ersetzt werden, um als Einschätzung heute wirkender Wahlverwandtschaften gelten zu können. Dass diese Bedürfnisse ökonomisch instrumentalisiert werden, hängt zwar damit zusammen, aber auch mit der dynamischen Natur der Aneignung widersprüchlicher Komponenten selbst. Es ist die Ironie des Widerspruchs eines Verhältnisses, das des Anderen zur Ab- und Gleichsetzung zugleich bedarf; denn mit der Abschaffung des Gegenteils verQLFKWHWH VLFK GLH HLQH 6HLWH DXFK Ä0HKU QRFK SROLWLVFKH %HZXVVWZHrdung [...] [schließt] eine Unterwerfung unter die herrschenden Werte und bestimmte Prinzipien ein³39: So geht die Überwindung kritisierter Zustände immer mit einer gewissen Form der Übernahme der kritisierten Zustände einher.40 Behält man aber im Gedächtnis, dass damit durchaus Anlass zu der Diagnose besteht, dass wir am ökonomisch geförderten Ende der sozialstaatlich gesicherten Lohnarbeit41 stehen, ist darüber hinaus die Figur des dritten Akteurs zu berücksichtigen, der für die Sicherung zuständig ist: der Staat. Es geht nicht um einseitige Aktivität und einseitige Zuschreibungsmöglichkeiten: Die Wandlungsprozesse gehen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen vonstatten, haben zu sozialen wie individuellen, materiellen, geistigen und damit zu sozialstrukturellen EntwicklungsSUR]HVVHQJHIKUWXQGGLH/HEEDUNHLWHLQHVÄÃTXDOLWDWLYHQµ Individualismus³, der sich in der sozialen Vereinzelung durch individualistische Unterscheidung äußert42, ermöglicht. Dadurch bedingten sie

37 38 39 40

41 42

Ebd. Ebd., S. 202 [205]. Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/M. 1982, S. 617. Diesen Hinweis verdanke ich Klaus Schönberger in seinem Vortrag: Sozialkritik versus Künstlerkritik ± Zur Kritik einer falschen Dichotomisierung im PostfoUGLVPXVJHKDOWHQDP0lU]DXIGHUµ,QWHUQDWLonalen Fachtagung Mobilität und Mobilisierung. Arbeit im soziokulturellen, ökonomischen und politischen Wandel, Institut für Europäische Ethnologie und Volkskunde, LMU München. Robert Castel: Die Metamorphosen der sozialen Frage, Konstanz 2000. Vgl. Axel Honneth: Organisierte Selbstverwirklichung. Paradoxien der Individualisierung, in: ders. (Hg.): Befreiung aus der Mündigkeit. Para127

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

staatliche Transformationen. Die empirische Offensichtlichkeit der VerlQGHUXQJHQGHU$UEHLWVZHOWOlVVWDXFKMHQHQÄ:DQGHOLP9HUKlOWQLVYRQ Staat und Gesellschaft³ HUNHQQHQ GHU ÄGLH 6WDDWVEHGUIWLJNHLW GHU *esellschaft [...] besonders klar hervor[treten lässt]³43 und sichtbar ironisch-widersprüchliche Züge trägt. Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft ist deshalb als strukturelle Verschiebung zu beschreiben, weil der Staat zum Akteur und zugleich getriebenen Initiator des Abbaus staatlicher Strukturen wurde. Die staatlichen sozialstrukturellen Umgestaltungen der Gesellschaft (von der Umwandlung des Arbeitsamts über die Riesterrente zu einschneidenden Änderungen in der Gesundheitsversorgung und die Hartz-Reformen44) sind deshalb nicht nur ein Symptom, sondern gleichermaßen eine mehrerer Ursachen der Krise des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft, weil sie nicht zur staatlichen Sicherung einer pluralisierten und individualisierten Form der Bedürfnisbefriedigung beigetragen haben, sondern ökonomische Bedürfnisse und damit paradoxerweise die Voraussetzung erneuert haben, wieder zum staatlichen Akteur zu werden. Strukturell betrachtet heißt das auch hier, dass der sich darin äußernde Widerspruch der Bedürfnisbefriedigung nicht stabilisiert, sondern iteriert wurde. Es wurde gewissermaßen die Spannung des Verhältnisses nicht aufrechterhalten, die zwischen Staat und Gesellschaft erforderlich zu sein scheint. 6R ]HLJW GLHVH QXQ QHX DXINRPPHQGH Ã6WDDWVEHGUIWLJNHLW GHU Mittelstandsgesellschaftµ mehr als deutlich, dass der Staat nicht einfach als gesellschaftlicher Akteur unter vielen auftreten und sich gewissermaßen als primus inter pares unter die Individuen und ihre Akteursgruppen mischen kann, ohne auf eine adaptive Rolle als ökonomischer Akteur zurückzugreifen und damit seine strukturstaatliche Macht zugleich zu karikieren und zu bedingen. Indem er das tut, agiert er negativ paradox, er negiert die Ungleichheit einer postulierten Gleichheit und die gegenseitige Beeinflussung aller Beteiligten. ± Dass es sich hierbei um eine negative Paradoxie, um eine negativ kultivierte Einschreibung in den dynamischen Widerspruch handelt, wird darin ersichtlich, dass die Verhältnissetzung der Widerspruchselemente dadurch reaktiviert wird: Die individualisierte Gesellschaft verlangt wieder nach staatlichen Strukturen und gerade deshaOE QDFK HLQHU Ä6WlUNXQJ GHV 6R]LDOHQ³45,

43 44 45

128

doxien des gegenwärtigen Kapitalismus, Frankfurt/M. 2002, S. 141-158, S. 143. Bertold Vogel: Die Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft, Hamburg, 2007, S. 26. Vgl. ebd., S. 27. Vgl. Robert Castel: Die Stärkung des Sozialen. Leben im neuen Wohlfahrtsstaat, Hamburg, 2005.

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

weil aus dem ungleichen Verhältnis scheinbar identischer Teile der Verlust der Spannung, daraus aber ein Verlust der Vorstellung eines sozialen Aufstiegs ± oder erst der Sicherung einer souveränen sozialen Stellung ± resultiert.46

Lösungsvorschläge des Dilemmas Nun entstehen mal mehr, mal weniger pragmatische und konzeptuelle Lösungsvorschläge, die auf die Transformationen reagieren und als Versuche zur Transformation des Widerspruchs gelesen werden können. Genauer besehen aber umgehen viele das Paradoxon und affirmieren den Widerspruch; sie richten sich gewisserma‰HQÄLQGHU/FNHGLHGHU Teufel lässt³47 HLQ 0LW GHP HQJOLVFKHQ 6SULFKZRUW Ã,I \RX FDQ¶t beat WKHP MRLQ WKHPµ könnten diese Umsetzungsreaktionen noch ein wenig schärfer umrissen werden. Es ist die Affirmation dessen, was Boltanski und Chiapello mit der Aufnahme- und Wandlungsfähigkeit des Kapitalismus meinen; im Anschluss an Manuel Castels, Gilles Deleuze und Bruno Latour bezeichnen sie die daraus erwachsenden soziostrukturellen )RUPLHUXQJHQ DOV GLH 1HW]ZHUNVWUXNWXU GHU ÄSURMHNWEasierten Polis³48. 'HUHQWVSUHFKHQGH/HEHQVHQWZXUIXQGGDVDGlTXDWH6HOEVWELOGHLQHUÃGigitalen Bohèmeµ49 YHULIL]LHUW GLH $QDO\VH GDVV GLHVH ÄQHXH $XWKHQWL]itätsforderung unablässig in ironischer Distanz zu sich selbst formuliert werden muss.³50 Die SelbstdarVWHOOXQJ GHUÃGLJLWDOHQ%RKqPHµ lebt von einem hohen Maß an ironischer Eigendistanz, die auch zynische Züge GHV 2SSRUWXQLVPXV WUDJHQ NDQQ Ä8QWHU GLHVHQ 9Hrhältnissen lässt sich arbeiten. Und wie bei Beton, so gilt auch für die Zusammenarbeit mit Konzernen: Es kommt darauf an, was man daraus macht.³51. Das Lebens- und Arbeitskonzept beruht auf dem Bewusstsein einer durchindividualisierten Gesellschaft und kann entsprechend der Kritikdichotomie von Boltanski und Chiapello als künstlerkritisches Anschauungsbeispiel der Sozialkritik betrachtet werden. Natürlich kann eine solche Haltung auch als indirekte Kritik an den keine zufriedenstellenden Möglichkeiten bietenden Strukturen des Sozialstaats gelesen werden, denn sie tragen weniger zu einer Verstärkung der ökonomisch46 47 48 49

50 51

Vgl. Vogel (2007), S. 86 ff., insb. S. 95. Alexander Kluge: Die Lücke, die der Teufel lässt. Im Umfeld des neuen Jahrtausends, Frankfurt/M. 2003. Boltanski/Chiapello (2006), S. 147 ff. Vgl. Holm Friebe, Sascha Lobo: Wir nennen es Arbeit. Die digitale Bohème oder: intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München 2006. Boltanski/Chiapello (2006), S. 489. Friebe, Lobo (2006), S. 121. 129

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

rationalistischen Modernisierungsprozesse bei, als dass sie damit entweGHU HLQHU LKQHQ VHOEVW GURKHQGHQ Ä([NOXVLRQ³52 zuvorkommen oder die schon bestehende Lücke nutzen. Dass sie damit zu einem übertragungsfähigen Beispiel werden, ist allerdings wohl möglich und intendiert, da ]XPLQGHVW GLH ÃGLJLWDOH %RKqPH¶ eine solche Nutzung der Veränderungen für ein angemessenes und zukunftsfähiges Lebenskonzept hält.53 Eine umgekehrte Konsequenz zieht der Frithjof Bergmann, der versucht, wissenschaftliche Forschung in umgesetzte Wirklichkeit münden ]XODVVHQ,QGHVVHQÃ=HQWUHQIU1HXH$UEHLW¶ und deren Projekten werden neue, an die veränderten Verhältnisse angepasste Formen von Arbeit erkundet und getestet54 XP GDPLW ÄDXWRQRPH $rbeit als eine konkrete Utopie³55 realisierbar zu machen. Dieser Ansatz ist insofern von Interesse, als er nur schwer im Raster des Widerspruchsschemas eingeordnet werden kann; er entzieht sich ihm, indem er ein Feld öffnet, das sich zwischen Subsistenz- und Subventionswirtschaft lokalisieren ließe, weil es den Widerspruch nicht als anerkennt, resp. die Manifestation einer aufkommenden Diskrepanz zwischen Funktion und Bedeutung von Arbeit leugnet. Der vieldiskutiHUWH Ã&OXE GHU JOFNOLFKHQ $UEHLWVORVHQ¶56 hingegen löst den Widerspruch auf eigene Weise und entzieht sich dem Arbeitsdilemma, indem er weder auf die Postulate der Befreiung der Arbeit noch auf die Wiederverzweckung der befreiten Arbeit eingeht. Es ist kein Zufall, dass diese hochflexiblen Lebens- und Arbeitsformen im weiten Sinn das künstlerisch-kulturelle Feld betreffen. Die fehlenden Strukturen sind ± sowohl stereotypisch als auch häufig genug tatsächlich ± QRFKLPPHUHLQH(QWVWHKXQJVEHGLQJXQJIUÃ.UHDtivität¶: Aktuelle Untersuchungen zu Arbeitsweisen im kulturellen Feld zeigen die ORVHQ%LQGXQJHQDOV)HOGVSH]LILNXPDQGLHÃHQWJUHQ]WH$UEHLWPLWQHuen Bindungenµ macht Arbeit zum aktiven Initiations- und Ausgleichsfaktor, verschafft ihr ein Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich gesellschaftlicher Integrationskraft und macht sie zu einem Tätigkeitsinstrument, das alle sozialen Bedürfnisse des Individuums erfüllen zu können behauptet, unabhängig von Nachfragesituationen auf dem Arbeitsmarkt ± und den von Pflichten zu temporär nutzbaren Fakultativa gewordenen 52 53 54 55 56

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Zygmunt Bauman: Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, Hamburg 2005. Vgl. Friebe, Lobo (2006), S. 120 ff., 150 ff. Vgl. Frithjof Bergmann: Neue Arbeit, neue Kultur, Freiamt, 2004. Harald Wolf: Arbeit und Autonomie. Ein Versuch über Widersprüche und Metamorphosen kapitalistischer Produktion, Münster 1999, S. 131 f. Siehe: http://www.diegluecklichenarbeitslosen.de/dieseite/seite/start.htm; vglDXFKÄEndlich habe ich Zeit³, in: Guillaume Paoli (Hg.): Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche: Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen, Berlin 2002.

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

Aufgaben des Sozialstaats.57 Es evoziert dabei ein wirtschaftliches Interesse, das die Übertragung auf Bereiche und Menschen, die einer solchen Strukturrelativierung nicht gewachsen sind, nicht berücksichtigt.58 Damit wird indirekt auf ein &KDUDNWHULVWLNXP GHV Ã.UHDWLYHµ oder Ã.QVWOHULVFKHQµ hingewiesen, das nicht nur ein außerhalb definierter |NRQRPLVFKHU 6WUXNWXUHQ VHOEVW JHVWDOWHWHV XQG GDPLW ÃIUHLHVµ Erwerbsleben möglich mache, sondern darin gesellschaftsverändernde Macht habe, die sich bemerkbar und gar die Schaffung neuer gesellschaftlicher Sektoren mit hohem ökonomischen Nutzen möglich mache. Dass dies so sei, kann man den Arbeiten der amerikanischen Sozialwissenschaftler Ray/Anderson59 und Richard Florida entnehPHQÄThat driving force is the rise of human creativity as the key factor in our economy and society. Both at work and in other spheres of our lives, we value creativity more highly than ever, and cultivate it more intensely. The creative impulse ± the attribute that distinguishes us, as humans, from other species ± is now being let lose on an unprecedented scale.³60 Diese Einschätzungen beschreiben Haltungen, die als Künstlerkritik gelten müssen, wenn unter Künstlerkritik nicht nur die Zurverfügungstellung ökonomisch adaptierbarer Veränderungsforderungen verstanden wird, sondern auch die aktive Förderung ökonomisierender Strategien unter dem Rubrum der Autonomie. Denn ihr Urteil über Veränderungen behauptet die Transformation der Wirkungen ebenso wie die 7UDQVIRUPLHUEDUNHLW GHU 8UVDFKHQ :lKUHQG GDV 0XVWHU ÃQRUPDOHUµErwerbsarbeit im Angestelltenverhältnis grobmaschiger wird und die vormals als Entfremdung klassifizierte Tätigkeit abnimmt ± womit potentiell und quantitativ der zeitliche Raum für Ã6HOEVWYHUZLUNOLFKXQJµ zunimmt ± SRWHQ]LHUW VLFK GLH 'HNODUDWLRQ GHU Ã6HOEVWEHVWLPPXQJµ, der Wunsch danach und seine zunehmende Umsetzung in der Arbeit. Allerdings stellen sich dabei zwei Fragen: 1) ob diese einleitend skizzierten Haltungen überhaupt einen beabsichtigten kritischen Impuls spiegeln oder ob sie nicht einfach eine pragmatische Anpassung an die Veränderung darstellen; und 2) ob eine dichotomische Einteilung in richtig (durchaus im normativen Sinn) verändernde Sozialkritik und falsch ökonomisch internalisierbare Künstlerkritik fruchtbar ist.

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58 59 60

Vgl. Nicole Mayer-Ahuja, Harald Wolf (Hg.): Entfesselte Arbeit ± neue Bindungen. Grenzen der Entgrenzung in der Medien- und Kulturindustrie, Berlin 2005. Vgl. Bude (2008), S. 128 ff. Paul Ray, Sherry R. Anderson: The Cultural Creatives. How 50 Million People Are Changing the World, Cuba (Missouri) 2001. Richard Florida: The Rise of the Creative Class, and How It¶s Transforming Work, Leisure and Everyday Life, New York 2002, S. 4. 131

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

Denn nicht nur unmittelbarer Zwang trägt zur Veränderung bei; zahlreiFKH)RUGHUXQJHQGHUÃ.QVWOHUNULWLNµ betreffen heute soziale Paradigmata. In diese Richtung lassen sich Positionen verstehen, die ± auch eine Konsequenz aus den Transformationen ± oftmals nicht mehr aus dem ÃDNDGHPLVFK-universitärenµ Feld, sondern dem der Kunsthochschulen, der institutionellen und nicht-institutionellen künstlerischen und sozialen Praxis stammen oder weder dem einen noch dem anderen eindeutig zuzuordnen, also grosso modo Repräsentanten einer Vermischung aus Künstler- und Sozialkritik sind. Sie beleuchten Konsequenzen für eine soziale Selbstbestimmung61 kritisch und stellen Fragen nach der Rolle des Individuums in einer Gesellschaft der erweiterten Gouvernementalität62 GHVÄNRJQLWLYHQ.DSLWDOLVPXV³63, der keine Möglichkeiten zur Verfügung stellt, auftretende Paradoxien von Arbeit durch Dichotomisierung zu lösen.64 Sie partikularisieren das verortete Innen-Außen-/BasisÜberbau-Schema und fragen, ob überhaupt noch davon ausgegangen ZHUGHQNDQQÄGDVV.XOWXUXQGgNRQRPLHHLQ*egensatzpaar sind³65. Diese Form der Kritik kritisiert zwar die Kulturalisierung der Ökonomie und auch, dass die im künstlerischen Feld kultivierte Heterogenität unter anderem durch die bereitwillige Kommerzialisierung Homogenisierungstenden]HQHUP|JOLFKHGDVVVLFKDOVRGLH,GHRORJLHGHVÃQHXHQ Geistes¶ des Kapitalismus darin bestätigt finden könne, dass vormalige Ä'LVVLGHQ] .ULWLN XQG 6XEYHUVLRQ ]XP 0RWRU GHU 0odernisierung und der sich globalisierenden Ökonomie werden³66. Mancherorts überwiegen aber die darunterliegenden Kritikpunkte an der Ökonomisierung der Kultur67GLHÄGDV9Hrhältnis von Norm und Abweichung³ verkehre und die Abweichung zur Norm werden lasse.68 Denn eine weiterführende Frage aus solchen Tendenzen wäre doch, wie es kommt, dass sich andere Strömungen und kritische, subversive künstlerische Haltungen und 61 62

63 64 65 66 67 68 132

Vgl. Simon Sheikh (Hg.): Capital. (It Fails Us Now), Berlin 2006; Marion von Osten (Hg.): Norm der Abweichung, Wien 2003. Zu verstehen als Ergänzung der Diskussionen des Foucaultschen Begriffs zur veränderten sozialen Ordnung, vgl. Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann, Thomas Lemke (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt/M. 2000. Vgl. Yann Moulier-Boutang, in: Neue Grenzziehungen in der Politischen Ökonomie, in: von Osten (2003), S. 251-280. Vgl. Antonio Negri, Maurizio Lazzarato, Paolo Virno: Umherschweifende Produzenten, Berlin 1998. Justin Hoffmann, Marion von Osten: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Das Phantom such seinen Mörder, Berlin 1999, S. 8. von Osten (2003). Vgl. PoYin AuYoung: Die Kultur privatisieren, den Wünschen ein Image geben, in: Hoffmann, von Osten (1999), S. 103-118. Vgl. von Osten (2003).

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

Betrachtungen nicht vereinnahmen lassen oder nicht vereinnahmbar sind. Der Rückbezug auf solche Zuweisungen scheint auf der Vorannahme zu beruhen, dass das dichotomische Schema doch noch intakt und funktionsfähig ist. Damit aber fällt diese Kritik hinter ihre Maxime zurück, die Dichotomie hinter sich zu lassen oder ihre Legitimität als adäquates Erklärungsmuster zu bezweifeln. Sie rekurriert auf die Plakativität einer guten Seite der Kritik (auf der sie selbst steht) und derjenigen Kritik, die sich trotz aller ± dann wohl nur behaupteter ± Subversivität und Dissidenz bereitwillig vereinnahmen lasseÄ'LH.XQVWGHUEmanzipation [ ] bleibt der Beteiligung so fremd wie den Räumen, in denen sie eine andere Situation produziert. Sie will die Herrschaftsverhältnisse, ihre Ökonomie und deren politische Bedingungen zerstreuen. Die Kunst der Partizipation wird immer darauf beharren müssen, Kunst zu bleiben. Die Kunst der Emanzipation besteht darin, sich in den Alltag aufzulösen und damit diesen selbst aufzulösen.³69 Wohlweislich wiederholt angemerkt handelt es sich hierbei um innerkünstlerische Diskurse mit sozialkritischem Anspruch, denen man bloße Diskursinternalität und hoch selbstrekursive Reflexivität und keine über ihren (künstlerkritischen Zirkel) hinauswirkende Kraft vorhalten könnte. Es sind allerdings zwar auch lokal gebundene, aber ± dem Paradigma entsprechend ± intensiv vernetzt und nicht selten (trotz ggf. mangelnden ökonomischen Erfolgs) international agierende Künstler, die ± so die hiermit vertretene These ± über ein vorhandenes Institutionennetzwerk politische Diskurse und den akademischen Diskurs beeinflussen und auch von ihm rezipiert werden (wie hieran deutlich wird). Das wird unter anderem dadurch erklärbar, dass sich unter ihnen nicht selten im akademischen Diskurs geübte, promovierte Wissenschaftler finden, die ihre Universitäten verlassen oder zumindest auf die Seite der Kunsthochschulen gewechselt haben. Anzumerken ist außerdem, dass im Feld GHUÃ.QVWOHUNULWLNµ mitnichten nur Künstler agieren, sondern alle Repräsentanten, die mit dem Verweis auf gesellschaftliche Berechtigung subjektiver Autonomie argumentieren: Kulturwissenschaftler, Philosophen, JJI6R]LDOWKHRUHWLNHU6WXGHQWHQNXU]Ä,ntellektuelle, Künstler³70. Die kritikinterne Sollbruchstelle verläuft also vielmehr dort, wo es um die Beurteilung und Gewichtung der Subjektautonomie geht.

69

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LIGNA: ohne Titel, in: Jan Holtmann (Hg.): Den Letzten beißen die Hunde. Was man in der Kunst tun sollte/könnte/müsste ± Visionen künstlerischer Praxis, Hamburg 2008, o. S. Boltanski/Chiapello (2006), S. 218. 133

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

Neue Dichotomien? Wenn diese künstlerische Kritik der Künstlerkritik das Gegensatzschema doch nicht gänzlich aufbricht, so ist sie doch ein Zeichen dafür, dass die Trennung zwischen Sozial- und Künstlerkritik so stringent nicht aufrechterhalten werden kann. Selbst wenn diese Kritik an der Künstlerkritik nicht einfach deshalb Sozialkritik genannt werden kann, nur weil sie künstlerkritikkritisch ist; so ist die Infragestellung der Beharrung auf dem ökonomisierbaren Autonomieparadigma durch die konventionelle Künstlerkritik (also die Künstlerkritik, der sie sich nicht zugehörig fühlen) doch eine aus einem sozialkritischen Impetus geborene: Sie kritisieUHQ DQ GHU ÃIDOVFKHQ¶ Künstlerkritik, das Gesellschaftliche und seinen Veränderungsbedarf als entscheidenden Topos außer Acht zu lassen. So zeigt sich Bewegung im Dichotomieschema und öffnet ein Feld der Auseinandersetzung, die durch das Beharren auf unvereinbaren Gegensätzen und dem daraus resultierenden (und vorausgesetzten) Dualismus nur zum unglücklichen Bewusstsein der eigenen Positionsberechtigung führen kann; es kann den Vorwurf der Förderung einer ressentimentgesteuerten ArgumentationsstrukWXUQLFKWJDQ]DEOHJHQÄ,QZLHZHLW daher Kunst ± nach der Hoffnung auf das Ende der Kunst ± heute noch das Medium sein kann, in dem emanzipatorische Handlungsfähigkeit sich erneut zu artikulieren vermag, oder ob gerade diese Hoffnung angesichts der zunehmenden Vereinnahmung durch Politik und Kunstmarkt nicht ein Zeichen der völligen Niederlage darstellt, ist nicht abschließend zu beantworten. Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn diese Frage wieder auf die Tagesordnung gegenwärtiger Kunstpraxis käme.³71 Wieder andere Teile der Künstlerkritik ± ggf. inspiriert durch die (eigene) Kritik an der Künstlerkritik ± stellen sich selbst den Behauptungen eines nicht unwesentlichen Einflusses der Kunst und ihrer Autonomieforderungen auf Veränderungen des politischen und sozialen Raumes72. Solche Diskurse diskutieren die Möglichkeiten des Künstlerischen in der kapitalisierten Gesellschaft und verwischen die Grenzen zwischen philosophischen, ästhetischen, kultur- und sozialwissenschaftlichen Herangehensweisen. Angesichts der Zuschreibung erhöhter Einflussmöglichkeiten von Kunst und Künstlern und deren Relevanz vervielfältigen sich die Auseinandersetzung damit und die Kritik daran. Unter der Prämisse der veränderten Stellung des sozialen Subjekts in der Gesellschaft durch eine künstlerisch inspirierte Arbeitswelt konzentrie-

71 72

134

LIGNA (2008). Vgl. Stella Rollig Eva Sturm (Hg.): Dürfen die das? Kunst als sozialer Raum, Wien, 2002; von Osten, Hoffmann (1999).

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

ren sie sich auf die Frage der gegenseitigen Einflussnahmen73 oder Tätigkeit(en) des Subjekts74, und auch Künstler stellen sich diese Frage oder geben im Gegenzuge gleich Antwort75. Gemeinsam ist den Positionen die Gewichtung des Künstlers als Protagonisten der wirtschaftlichen Entwicklung und als Träger gesellschaftlichen Veränderungspotentials: Das idealisierte Bild des Künstlers ± so ergeben Forschungen auf Basis der Entwicklung des (französischen) Künstlerarbeitsmarktes der letzten zwanzig Jahre76 ± avanciert zum Prototypen des modernen, den kapitalistischen Entwicklungen gewachsenen und anpassbaren Arbeitnehmers. 'DVV GHP Ã.QVWOHUµ zunehmend eine wichtige Rolle als Vorbildfunktion und auch in Unternehmenszusammenhängen beigemessen wird, zeigt sich darin, dass künstlerische Herangehensweisen zur Bewältigung organisationaler und struktureller Probleme in Unternehmen herangezogen werden; es ist keine ausgewiesene Seltenheit mehr, dass Künstler als Berater tätig sind. Vorstellung und Absicht künstlerischer ,QWHUYHQWLRQHQLQ%HUDWXQJHQYRQ8QWHUQHKPHQOLHJHQGDULQÄGas beratene Klientensystem aus einem unkonventionellen Blickwinkel, nämlich aus dem des außenstehenden Künstlers, zu betrachten, um dadurch die systemeigene Wahrnehmung mit neuen Perspektiven zu erweitern, die eine Bereicherung für das System darstellen³77. +LHUJLOWGLHÃEHVRQGHUH Sensibilität¶ XQG GDV GHP .QVWOHU HLJHQH Ã7DOHQWµ als geeignetes Instrument, verdeckte Zusammenhänge, die für ein Problem innerhalb der Unternehmensorganisation sorgen, sichtbar und damit lösbar zu machen.78 Künstlerische Vorgehensweisen gelten als störend, nur werden 73

74

75

76 77

78

Vgl. Armin Chodzinski: Kunst und Wirtschaft. Peter Behrens, Emil Rathenau und der dm-Drogeriemarkt, Berlin 2007; Adrienne Goehler: Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft, Frankfurt/M. 2006. Vgl. Füllsack (2008); Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): Tätig sein. Publikation zur Ausstellung der NGBK, Berlin 2004; Jan Philipp Reemtsma, Richard Sennett u. a.: Alles Kunst? Wie arbeitet der Mensch im neuen Jahrtausend und was tut er in der übrigen Zeit? Hamburg 2001. Vgl. Johannes Ullmeier (Hg.): Schicht! Arbeitsreportagen für die Endzeit, Frankfurt/M. 2007; Jörn Morisse, Rasmus Engler (Hg.): Wovon lebst du eigentlich? Vom Überleben in prekären Zeiten, München 2007; Mari Brellochs, Henrik Schrat (Hg.): Raffinierter Überleben. Strategien in Kunst und Wirtschaft, Berlin o. J. Vgl. Pierre-Michel Menger: Kunst und Brot. Die Metamorphosen des Arbeitnehmers, Konstanz, 2006. Gregor Handler: Konzept zur Entwicklung integrierter Beratung. Integration systemischer Elemente in die klassische Beratung, Wiesbaden 2007, S. 203. Vgl. Ursula Gerber, Ebru Sonuc, Michael Wimmer: Künstlerische Interventionen in Großgruppen, in: Roswita Königswieser, Marion Keil (Hg.): Das Feuer großer Gruppen, Stuttgart 2002, S. 208-217. 135

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

gerade die Störungen produktiv, anwendungs- und zweckkompatibel gewendet. Ob sie damit Differenz produzieren, steht jedoch zur Debatte. Ebenso ist es nicht einwandfrei, darin eine Bestätigung der These der Anpassungsfähigkeit künstlerisch-kultureller Mechanismen zu sehen. In Frage steht eher, ob die offenbar unsichtbare Grenze zu einem anderen Feld damit nicht längst überschritten und Kriterien künstlerischer Maßstäbe nicht mehr anwendbar sind. Ein Argument dafür ist der Verweis auf eine andere Forschungsrichtung der Wirtschaftswissenschaften. Sie hat mit dem Verhältnis von Ökonomie und Ästhetik einen ähnlichen Forschungsgegenstand, betrachtet ihn aber aus einer anderen Perspektive: Mit der Untersuchung künstlerischer Denk- und Arbeitsweisen bestrebt sie aufzuzeigen, wie diese komplexe Vorgänge und Prozesse bewältigen.79 Ästhetische Strukturen der Bedeutungsgebung werden auf ökonomisch-organisationale Strukturen der Zweckbindung bezogen80 und die Behauptung aufgestellt, dass andere Methodiken denkbar sind, um als divergent betrachtete Strukturen miteinander zu verknüpfen und das dem Ästhetischen Zugeschriebene: über den Zweck hinausgehende Sinnstiftung, in die Ökonomik zu implementieren.81 Solche Betrachtungen versuchen eine Kritik, die eine Widerständigkeit in die Dichotomie einschreibt. Neu wäre diese Kritik, weil wir begründet davon ausgehen können, dass die letzte Form der Künstlerkritik, von Boltanski und Chiapello im Wesentlichen der 68er-Bewegung und ihren Fortsetzungen zugeschrieben, ja entweder in ökonomische Verwertung Eingang gefunden oder die Berechtigung ihrer Kritik erwiesen hat und damit in der Sozialkritik aufgegangen ist. Nicht zuletzt stellen Boltanski und Chiapello ein ± drittes ± Wiedererstarken der KünstlerkriWLNKHXWHVHOEVWLQ)UDJHXQGVFKODJHQLKUYRUÄGLH)UDJHQDFK(PDQ]ipation und Authentizität neu zu stellen [und] dazu [ ] von den neuen Formen der Unterdrückung und der Ökonomisierung aus[zu]gehen, die sie ungewollt erst ermöglicht hat.³82

79 80 81 82 136

Vgl. Pierre Guillet de Monthoux: The Art Firm, Stanford 2004. Vgl. Adrian Carr, Philip Hancock (Hg.): Art and Aesthetics at Work, New York 2003. Vgl. Svetlova (2008). Boltanski/Chiapello (2006), S. 506 f.

DICHOTOMISIERUNG VON ZWECK UND SINN

Vorgehen Gegenstand des Kapitels II ist also, wie insbesondere die Kritik mit den Transformationen von Arbeit umgeht. Dabei wird noch einmal, die paradoxe Dichotomie des Zweck-Sinn-Verhältnisses aufgreifend, das Phänomen der Subjektivierung von Arbeit in den Blick genommen, da dies die Transformation von Arbeitsformen und die Verschiebung des Verhältnisses am deutlichsten zeigt. Insbesondere die Sozialkritik leistet die Diagnose und die Beschreibung dieser komplexen Prozesse, mit der Subjektivierung als eine Objektivierung des Subjekts beschreibbar wird. Ihr wird die ihr gegenüberstehende Künstlerkritik als eine andere Perspektive zur Seite gestellt. Sowohl aus der Kritikdichotomie als auch aus den beobachtbaren Hetero-genisierungstendenzen der Künstlerkritik lassen sich Entwicklungen ableiten, die auf eine Arbeitsgestaltung hindeuten, die nicht (mehr) mit einer dichotomisch geprägten Perspektive übereinzustimmen scheinen. Vielmehr scheinen Arbeitsformen von der paradoxen Verschränkung sozial- wie künstlerkritischer Paradigmata ± und entsprechend durch eine paradoxe Verschränkung von Funktions- und Bedeutungsaspekten von Arbeit ± geprägt zu sein. Dies plausibilisiert die Hypothese von der Verschiebung von Zweckorientierung der Arbeit hin zu Sinnorientierung und wirft Fragen nach einer nicht mehr auf dem Dichotomie-Verhältnis beruhenden Kritik auf. Dies wird dargestellt, um in Kapitel III eine dritte Perspektive anschließbar zu machen, mit deren Hilfe aus der Transformation der Dichotomie eine begriffliche Fassung von Arbeit und deren normative Implikationen abgeleitet werden kann.

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TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

Forderungen der Kritik Um solche Ansätze diskutieren zu können und Folgen für einen Arbeitsbegriff aus ihnen ableiten zu können, bleiben wir vorerst gezwungen, der Dichotomie verhaftet zu bleiben. Wenn im Fokus der Untersuchung bleiben soll, wie sich das Arbeitsverhältnis von Zweck und Sinn zugunsten des Sinns als Bedeutung von Arbeit verschiebt, ist dies an transformativen Subjektivierungsprozessen und ihrer Kritik darzustellen. Als Zuordnungsorientierung kann vorerst das Muster gelten, dass die Sozialkritik Einwände gegen das Sinnstiftungspotential von Arbeit erhebt, sofern es mit individualisierter Verantwortungsdelegation und dem Verlust solidarischer Konzepte der Arbeitsgestaltung einhergeht. Dies impliziert eine zweckorientierte Ausrichtung von Arbeit, weil die Sinnorientierung ± wie an der aporetischen Funktion subjektkonstitutiver Aspekte von Arbeit deutlich wurde ± zu der subjektivistischen Haltung egologisch selbstbezüglicher Zweckverfolgung tendiert, da die Sinnorientierung in der Arbeit notwendig mit einer erhöhten Konzentration auf eigene Zwecke verbunden ist. Dagegen erhebt die Künstlerkritik genau dann Einwände gegen eine prioritär zweckorientierte Arbeitskonzeption, wenn die der Idee der Subjektautonomie verhaftete Sinnstiftung durch und in Arbeit dieser Zweckorientierung untergeordnet wird. Die folgende Darstellung der Positionen und Argumentationen der Kritiken hat nicht nur Konsequenzen für Fassungen der Transformation des Begriffs von Arbeit, denen in Kapitel III intensiver nachgegangen wird. Es erlaubt auch Schlüsse auf die Unterschiede des Subjektbildes, das unweigerlich mit der Auffassung einer sozialen Gestaltung von Arbeit verbunden ist. Deshalb widmet sich der folgende Abschnitt der Kritik und den Folgen in ihrem mehr oder weniger impliziten Subjektbild und Individualitätskonzept, den aus der Kritik analysierbaren Tendenzen und Lösungsvorschläge. Dazu lässt sich die Form der Argumentationsstruktur von Sozialkritik und Künstlerkritik von Boltanski und Chiapello übernehmen, die als ein dichotomisches Modell verstanden wird. Die Sozialkritik setzt die (selbst-)definitorische Sollbruchstelle des Begründungsansatzes an die Frage nach dem Ermöglichungsumgang mit sozialer Egalität in der Arbeitsorganisation, während die Künstlerkritik in diesem Übertragungsmodell ihr Kriterium daran anlegt, wieviel Potential an Ausgestaltung und individueller Autonomie die Arbeitsorganisation freisetzt. Zwar gestehen Boltanski und Chiapello dHU=HLWÄGHU]ZHLWHQ+lOIWHGHVXQG der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts³ und wieder den Mairevolten des

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FORDERUNGEN DER KRITIK

-DKUHV  HLQH Ä9HUELQGXQJ GHU EHLGHQ .ULWLNHQ³83 zu; grundsätzlich aber vertreten die den jeweiligen Kritikformen Zugeordneten ihre eigenen Interessen. Die Arbeiterrevolte der späten 60er Jahre in Frankreich ist das Bild des Kampfes gegen kapitalistische Ausbeutung und oligarchischen Egoismus, in dem sich die Arbeiter gegen die Zunahme ungleicher Verteilung erheben und die Kritik an der Forderung nach (staatlichen) Regulierungen ausrichten, wohingegen die Studentenunruhen derselben Zeit auf die durch die sozioökonomischen Umgestaltungen wachsende individuelle Entfremdung und Entzauberung der Welt fokussierten und im Anschluss an die politisch-künstlerischen Avantgarden des beginnenden und mittleren 20. Jahrhunderts (insbesondere die Situationisten) Ideale der Authentizität, der Eigenverantwortlichkeit des Subjekts und der Freisetzung menschlicher Kreativität vertreten. Interessanterweise identifizieren Boltanski und Chiapello Gemeinsamkeiten der Kritikformen bei den Forderungen nach arbeitsorganisationaler Partizipation. Doch bereits Konzepte und Vorstellungen von Partizipation und Begrenzung der Macht kleiner Gruppen heben die divergenten Interessen beider Gruppen hervor: Während die Partizipationsforderungen der Arbeiter auf Sicherheitsgarantien abheben, wurzeln die Hierarchiekämpfe und Anfechtung der Befehlsstrukturen der Künstlerkritik in ihren Autonomieforderungen.84 Eine Zeit lang kongruieren die Interessen zwar in denselben Umsetzungsformen, aber die jeweiligen Konzeptionen der Kritiken können ihre prinzipiellen Divergenzen nicht üEHUZLQGHQ Ä'LH %QGHOXQJ GLHVHU EHLGHQ .ULWLNIRUPHQ GLH VRZRKO nach mehr Autonomie als auch nach mehr Sicherheit streben, ist nicht ganz unproblematisch.³85 Damit sind wir noch nicht weit von dem Subjekt-Objekt-Schema entfernt, werden dies aber auch nicht leisten und stattdessen nur eine anGHUH 3HUVSHNWLYH DXI MHQHV DQELHWHQ N|QQHQ 'HQQ ÄZHQQ PDQ HLQH Grundtatsache sucht, die als die allgemeinste Voraussetzung aller Erfahrung und aller Praxis, aller Spekulation des Denkens und aller Lust und Qual des Erlebens gelten könnte, so wäre sie vielleicht so zu formulieren: Ich und die Welt. Das Dasein, von dem wir überhaupt sprechen können, kann sich gar nicht anders vollziehen, als dass einem Subjekt ein Reichtum von Objekten gegenübersteht, den es lieben oder hassen, den es erkennen und bearbeiten kann, von dem gefördert oder gehemmt wird.³86 Übertragen auf die Dichotomie der Sozial- und Künstlerkritik zeigt sich, dass grundsätzlich zwar beide Kritiken gegen die Objektivie83 84 85 86

Ebd., S. 216. Vgl. ebd., S. 216 ff. Ebd., S. 220. Georg Simmel (1996), S. 80. 139

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

rung des Arbeitssubjekts kämpfen; der die Subjektautonomie affirmierende Charakter der Künstlerkritik zeugt nichtsdestoweniger von einer stärkeren Gewichtung DXIÃVXEMHNWLYHµ Komponenten des Interesses, die ± verknüpft mit Interessen einer auf Effizienz konzentrierten Form von Arbeitsorganisation ± in die verfremdete Form ihrer Subjektivierung transformierbar ist. Es bleibt dahingestellt, ob die Gewichtung einer der zwei Seiten auf Basis einer sich tendenziell verhärtenden Dichotomie zu einer Lösung des Problems führt; es ist zumindest zweifelhaft und gibt Anlass zu der Vermutung, dass es sich hierbei auch um eine implizite Rechtfertigung der eigenen Theorieposition handelt, die die eigene Reflexivität und die paradoxe Bezugnahme der dichotomischen Elemente aufeinander vernachlässigt. Bereits jetzt steht in Frage, ob der Versuch einer konzeptionellen Versöhnung der beiden dichotomischen Formen zu dem ersuchten Ergebnis, sowohl einem adäquaten und egalitären Ausgleich der Interessen wie seiner normativen Begründung, führt. Zynischerweise ist eine solche Marginalisierung der Unterscheidungsmaßstäbe und die widersprüchliche Verflechtung ein Merkmal der Transformation von Weisen und Formen von Arbeit, die immer häufiger zeigen, dass Arbeit als priorisiertes und nahezu ausschließliches Mittel zu Sozialität fungiert, weil die kapitalistische Organisation dazu tendiert, Sinnmaßstäbe zum Kriterium zu machen, die sie zwangsläufig in eine Zweck-Mittel-Struktur einbauen muss und so die andere Seite einer subjektzentrierten Verständnisweise von Arbeit bildet. Dies zeigt sich in der von Boltanski und Chiapello beredt dargestellten und mit dem empirischen Material ausgewerteter Managementratgeber belegten Übernahme GHU ÃNQVWOHUNULWLVFKHQµ Subjektivitätsideale zur Veränderung der ArEHLWVRUJDQLVDWLRQLPÃQHXHQ*HLVWGHV.DSLWDOLVPXVµ.

Noch einmal: Subjektivierung Diese subjektzentrierte Verständnisweise ist diejenige, welche als Subjektivierung im kritischen Sinne identifiziert wurde. Sie bildet eine doppelte Widersprüchlichkeit von Arbeit, nämlich dass die ökonomische Organisation einmal zugunsten der Sicherung der sozialen Bedingungen GHV 6XEMHNWV ÃVXEMHNWLYLHUWµ, also unter die Bedingungen der Anerkennung gestellt werden soll; und auf der anderen Seite, dass die ökonomische Organisation zugunsten der Sicherung ökonomischer Funktionalität ÃVXEMHNWLYLHUWµ, also unter die Bedingungen von Ökonomie gestellt werden soll. Beide Varianten der Subjektivierung sind sich darin einig, dass die Unterscheidung von Funktionen von Arbeit marginalisiert wird und in der ökonomischen Organisation aufgeht. Diese Tautologie schildert 140

FORDERUNGEN DER KRITIK

das Potential des Beharrungsvermögens und Anspruchs des Subjekts auf GLH Ã:HOWµ ]ZLVFKHQ Ã$XWRQRPLHµ XQG Ã6R]LDOLWlWµ und schlägt die Brücke zu dem Problem, das sich die Sozialkritik zu eigen macht: dem der Möglichkeit ± und wachsenden Faktizität ± der Ausgeschlossenheit und Ausgrenzung autonomer Subjekte aus der Gesellschaft durch eine Subjektivierung von Arbeitsweisen.87 Wenn nun im Rahmen der Untersuchung der Transformationen der Arbeits-Formen von Subjektivierung und einer FordeUXQJ QDFK Ã5HObjektivierungµ gesprochen wird, geht dieser Rede eine objektkonstitutive Bedingung von Arbeit voraus, die sich aus der aporetischen Figur der Subjektkonstitutivität ergibt: Das Subjekt bedarf strukturell und funktional eines Objektes, das Gegenstand des Aneignungsbedürfnisses und beharrlich objektiv bleibt. Insofern bildet es den Paradoxiepol der Subjektivierung. Beide benennen die Ansätze einer Bestimmung des sozialen Selbstverhältnisses des Subjekts, in dem das InGLYLGXXPÄDOVHLQH Gleichung zwischen Ich und Welt³88 in die Gesellschaft zu setzen ist und das innerhalb dieses gedoppelten Verhältnisses verbleibt. Das soziale Subjekt ist auch ein unterworfenes. Allerdings ist es der Verselbstständigung sozialer Machtbeziehungen unterworfen, und die Sozialkritik setzt sich in der Kritik der Subjektivierung mit jenem Prozess der Abhängigkeit von Arbeitsorganisation auseinander, die durch die Sozialisierung von Arbeit entsteht.89 Die subjektzentrierte Auseinandersetzung der Arbeit öffnet neue Dichotomien, deren Polung sich daran orientiert, welcher Art das Machtsubjekt ist und durch wen eine Objektivierung des Subjekts durch seine Subjektivierung initiiert wird. Arbeit als Herrschaftsverhältnis erhält eine andere Konnotation und macht legitim, von den Subjekten der Arbeit zu sprechen, da es die Unterworfenheit unter Machtstrukturen zum Ausdruck bringt, die in der Arbeitsorganisation repräsentiert werden und ÄGDV ,QGLYLGXXP ]X LVROLHUHQ XQG YRQ GHQ DQGHUHQ DE]XVFKQHLGHQ YHrmag, was die Gemeinschaft spaltet, was den Einzelnen zwingt, sich in sich selbst zurückzuziehen, und was ihn an seine eigene Identität bindet³90 ± kurz: was durch (erzwungene) Identifizierung mit seiner TätigNHLW SDUDGR[HUZHLVH ÄGHQ (LQ]HOQHQ YRQ VHLQHP (U]HXJQLV WUHQQW³91 Gegenstand der Kritik ist ± anders formuliert ± die Entfremdung der Ar87 88 89 90 91

Vgl. Boltanski/Chiapello (2006), S. 380 ff. Georg Simmel: Individualismus, in: Schriften zur Soziologie, Frankfurt/M. 1983, S. 274. Vgl. Kapitel I, resp. Foucault: Das Subjekt und die Macht, in: Analytik der Macht, Frankfurt/M. 2005. Foucault (2005), S. 244. Ebd., S. 245. 141

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

beit durch vollständige Identifizierung mit ihr (wobei die Identifizierung keine subjektive, sondern eine subjektivierte ist). :HQQGLH)RUGHUXQJHQGHU6R]LDONULWLNDOVRDOV)RUGHUXQJQDFKÃ5HObjektivierung¶ bezeichnet werden, beruht dies auf dem Begriff der Subjektivierung und meint die Egalisierung der ungleichen Machtverhältnisse sozialer Arbeitsstrukturierung und die Überantwortung ökonomischer Relevanzen an das Subjekt bezeichnet. Wie in I dargestellt, bezeichnet diese Transformation von Arbeitsformen und -strukturen das Gegenteil dessen, was es benennt, indem die eigentlich auf die subjektive Selbstermächtigung abzielende Begrifflichkeit der Subjektivität illegitime Übertragungen von einem autonomen Subjekt zu einem selbstverantwortlichen Individuum und damit im Grunde genommen eine Objektivierung des SubMHNWV YRUQLPPW (V LVW ÄHLQ anders organisierter bzw. regulierter Kapitalismus³92, der das Subjektivitätsverhältnis prägt. (QWVSUHFKHQGPHLQWGDV6SUHFKHQYRQÃ5H-Objektivierungµ die methodische Rückbindung von Organisationsstrukturen an die subjektiven Bedingungen und Bedürfnisse des Subjekts in Arbeitszusammenhänge, aus denen Forderungen nach einem Schutz des arbeitenden Subjekts vor seiner subjektivistischen Vereinnahmung durch neue Arbeitszwänge ableitbar sein sollen. Wie also äußert sich die Kritik der Beschränkung oder Universalisierung subjektiver Prinzipien von Arbeit? Mit einer Objektbezogenheit von Arbeit, die auf subjekt-externe Bezüge angewiesen ist, damit das arbeitende Subjekt sich davon noch unterscheiden kann. Solche Objektbezogenheit beschreibt der ÜberJDQJYRQÄ)UHPG]ZlQJHQLQ6HOEVW]Zlnge³93, der mit dem Begriff der Subjektivierung paradox gefasst ist. Die funktionale Verkopplung unterschiedlicher Abhängigkeitsfaktoren, die in Durkheims Nachzeichnung des Entwicklungs- und Gestaltungsprozesses der Arbeitsteilung impliziert ist, wird im Subjektivierungsprozess mit umgekehrter Gewichtung versehen: Subjektivierung bezeichnet die Internalisierung fremder Zwänge in eigene Verantwortlichkeiten des Selbst. Die Selbsterhaltung als Bewältigung fremder Zwänge des Subjekts wird zur Bewältigung eigener Zwänge des Subjekts als Selbstverwirklichung und damit zu einer Bestätigung von Subjektivität trotz und inklusive fremder Zwänge. %HVWLPPWH Ã6XEMHNWTXDOLWlWHQµ werden zu Qualitäten von Arbeit und in die ökonomischen Strukturen der ZweckraWLRQDOLWlWHLQJHIJWÄ'LH6XEMHNWLYLHUXQJYRQ$UEHLWJHKWGHPQDFKHLnKHUPLWHLQHUQHXHQ6WXIHGHU5DWLRQDOLVLHUXQJGLHDXIHLQHÃ2EMHNWLYLe92

93 142

Thomas Lemke, Susanne Krasmann, Ulrich Bröckling: Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien, in: dies. (2000), S. 25. Elias (1997), S. 324.

FORDERUNGEN DER KRITIK

rungµ des arbeitorganisatorisch freigesetzten Arbeitshandelns abzielt. Ins Zentrum rückt damit die autonome, eigenverantwortliche Selbststeuerung und -regulierung der Arbeitstätigkeit nach den Prinzipien rationalen Handelns.³94 Wenn damit Selbstverwirklichung zum postulativen Bestandteil von Arbeit wird, wird eigener ]XIUHPGHP=ZDQJXQGGLHÃ6XEMHNWLYLHUXQJµ führt zu Entfremdung. Damit verändert sich nicht nur die Vorstellung davon, welche als fremde Zwänge noch identifizierbar sind und welche Gegenstände der Arbeit noch zur Verfügung stehen, die im Modus der Aneignung zu bewältigen sind; es verändert sich offenbar auch das Verständnis des Subjekts von sich selbst. Es hat den Anschein, als verhielte sich die Ausdifferenzierung der Gesellschaftsprozesse direkt proportional zur Homogenisierung und Monopolisierung ihrer Kraftzentren; das Subjekt wird zum eigenen Objekt. Wenn Taylorismus und Fordismus als Organisationsform der Objektivierung verstanden werden95, weil das Subjekt mit seiner (Selbst-) Geltung einer mechanischen Ökonomieorganisation untergeordnet wurde, die die Arbeit steuerte, steuert unter dem Postulat der Subjektivierung das Subjekt seine Arbeit nun selbst. Das Subjekt wird zum eigenen Objekt, das gestaltet werden muss, um in der reflexiven Arbeitsorganisation (selbst-) rationalisierbar zu bleiben. Das Produktionsparadigma der Arbeit, entfaltet sich zu einem Persönlichkeitsparadigma, in dem die Bewältigung jeglichen Zwangs hinter den Entfaltungen und Gestaltungen des Subjekts zurückfällt und aus der Autonomie eine Fremdbestimmung PDFKWÄ'DEHLZLUGGDVDXWRQome Handeln nicht nur als eine Möglichkeit oder ein Recht präsentiert. Man verlangt es gewissermaßen von den Menschen, deren Wertigkeit immer häufiger an ihrem Selbstverwirklichungspotential gemessen wird.³96 Für das Aufzeigen der unterstellten Paradoxien und ihrer Ursachen ist also die Annahme der Notwendigkeit zweier Widerspruchspole Voraussetzung, um den methodischen Solipsismus der Subjektivierung von Arbeit nachzeichnen zu können. Dies beinhaltet eine konzeptionelle Begründung für die Forderung nach einer Ã5H-Objektivierungµ von Arbeit und stellt damit die Möglichkeit zur sozial- wie im Anschluss auch künstlerkritischen Betrachtung zur Verfügung.

94 95 96

Fritz Böhle: Vom Objekt zum gespaltenen Subjekt, in: Moldaschl/Voß (2003), S. 128. Vgl. Manfred Moldaschl: Subjektivierung, in: Moldaschl, Voß (2003), S. 30 f. Boltanski/Chiapello (2006), S. 462. 143

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

Forderung nach Re-Objektivierung Die Beschreibungen und Beurteilungen einer sozialkritischen Soziologie setzen mit empirisch attestierten Verschiebungen des Subjektivitätsparadigmas in eine subjektivistische Form der Objektivierung die Annahme einer objektkonstitutiven Bedingung von Arbeit voraus. Damit ist zunächst nichts anderes bezeichnet als die begründete Annahme der BeGLQJXQJ HLQHV ]ZHLSROLJHQ 9HUKlOWQLVVHV HLQHV Ã6XEMHNWVµ und eines Ã2bjektsµ. Die paradoxe Ambivalenz des Verhältnisses besteht darin, Strukturen zu etablieren, die das Subjekt unterwerfen, in reziproke Abhängigkeit und darin in neue Formen der Abhängigkeit zu bringen. Die Studien, die dafür als Materialgrundlage dienen, zeugen von ArbeitsorganisatioQHQ GLH GHU Ã$XWRQRPLH GHV 6XEMHNWV¶ den Vorzug vor gesicherten Arbeitsverhältnissen geben. Richard Sennetts DarstelOXQJ GHU Ã.XOWXU GHV QHXHQ .apitalismusµ eignet sich zur diagnostizierenden Beschreibung des Verhältnisses, weil darin deutlich wird, dass mit einer subjektivistischen Umstrukturierung ein klar definiertes Arbeitsobjekt verloren geht, das zur selbstständigen Strukturierung von Arbeit XQG/HEHQQRWZHQGLJLVWÄ'LHLQ(QWVWHKXQJEHJULIIHQHQHXH6ozialordnung kämpft gegen das Ideal einer handwerklichen Einstellung, bei der es darum geht, eine Sache optimal zu beherrschen. Das Festhalten an diesem Ideal erweist sich oft als ökonomisch destruktiv. Statt an einer handwerklichen Einstellung orientiert sich die moderne Kultur an der Idee einer Meritokratie, die nicht auf vergangene Leistung, sondern auf potentielle Fähigkeiten blickt.³97 Das individualisierte Arbeitssubjekt hat aus seinen (Persönlichkeits-) Potentialen neue Arbeit und neue Gegenstände der Arbeit zu schaffen und dies als Kriterium für die ArbeitsorgaQLVDWLRQ XQG VHLQH $UEHLWVOHLVWXQJ ]X YHUVWHKHQ Ä8UWHLOH EHU Fähigkeitspotenziale sind weitaus persönlicher als jede Leistungsbewertung. Leistung verbindet soziale und ökonomische Zustände, Zufälle und Chancen mit dem Ich. Das Fähigkeitspotenzial betrifft dagegen ausschließlich das Ich.³98 Der Widerspruch, der aus der Implementierung der Eigenverantwortlichkeit in den Einzelnen resultiert, wird ± so argumentieren Boltanski und Chiapello in ihren Auswertungen der Managementliteratur der 1990er Jahre ± mit der Identifizierung der Arbeitsfunktionen gerechtfertigt und mit einer moralischen Legitimation versehen, indem sich die Möglichkeiten zur Sozialintegration über die neue ArbeitsorgaQLVDWLRQHU|IIQHQGLHHLQJDQ]KHLWOLFKÄQHXHV:HUWHV\VWHPDXIGDVVLFK 97 98 144

Richard Sennett: Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 2005, S. 9. Ebd., S. 98.

FORDERUNGEN DER KRITIK

die Menschen beziehen können³99, produziert. Arbeit fungiert als Syntheseinstrument und -medium von Zweck und Sinn, Objekt und Subjekt der Arbeit. So wird die Bedeutung der Subjektivierung deutlich: Es hanGHOWVLFKXPHLQHÄQHXH)RUPGHUÃ2EMHNWLYLHUXQJµ von Arbeit [ ], in deren Folge sich nicht nur neue arbeitspolitische Konflikte abzeichnen, sondern ggf. auch das in modernen Gesellschaften bislang vorherrVFKHQGH9HUVWlQGQLVYRQÃ6XEMHNWLYLWlWµ zur Disposition steht.³100 Hier zeichnet sich das Paradox des Widerspruchs ab, das Aufschluss über Veränderungen der Struktur von Arbeitsformen ± und ihrem Begriff ± gibt: Der Anspruch auf und die Eignung zu Selbstbestimmung wird zum Initiator der Objektivierung und darüber hinaus zum Rechtfertigungsinstrument dafür, die damit einhergehende Internalisierung struktureller Zwänge dem Subjekt als Individuum zu übereignen. Was unter dem Rubrum der Subjektivierung subsumiert wird, macht das Subjekt zum Objekt seiner selbst und zum Objekt der die Subjektivierung forcierenden Strukturen. Das persönliche Verhältnis zur Arbeit wird in eine neue Form von Objektivierung verstrickt, dass mit der subjektiven Autonomisierung eine verstärkte Fremdbestimmung einhergeht, die in beVWlQGLJHU 6HOEVWNRQWUROOH XQG ÃHPSOR\DELOLW\µ ± der Fähigkeit zur eigenen Anpassung an die für den Arbeitsmarkt erforderlichen Eigenschaften ± $XVGUXFNILQGHWÄ'HUemployable man orientiert sich an seinem eigenen, in Gestalt von konkreter Nachfrage messbaren Marktwert, statt nach einem dauerhaften Status zu streben, und begnügt sich mit einer konjunktur- und situationsabhängigen Lebensführung, anstatt sich an einen langfristigen Lebensentwurf zu klammern. Der marktgängige Arbeitnehmer ist geografisch mobil und beruflich flexibel und weiß dies mit seinen privaten Lebensarrangements in Einklang zu bringen, welche dadurch tendenziell auch den Charakter von zeitlich begrenzten Projekten annehmen.³101 Für den Arbeitsbegriff öffnet sich damit das Dilemma der Grenzverschiebung zwischen den Gegensätzen: Wenn die Anpassung der eigenen Fähigkeiten an marktökonomische Erfordernisse mit der beständigen Korrektur oder Anpassung des Selbstbildes einhergeht, löst sich der Unterschied zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit auf. Der Webersche Typus des zweckrationalen Handelns, der als ein autonomes und auch eigenverantwortlich handelndes Subjekt verstanden werden konnte, bekommt mit dieser Nivellierung eine andere Qualität, weil auch das autonome +DQGHOQ ]ZHFNUDWLRQDOHQ &KDUDNWHU HUKlOW Ä>'@LH JHJHQZlUWLJHQ )Rr99 Boltanski/Chiapello (2006), S. 149. 100 Böhle (2003), S. 116. 101 Franz Schultheis: Gesellschaft ohne Eigenschaften, in: Schultheis, Schulz (2005), S. 580. 145

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

men des Kapitalismus [begrenzen] die Autonomie [ ] und [machen sie] in Ansätzen rückgängig. Dabei wird das autonome Handeln nicht nur als eine Möglichkeit oder ein Recht präsentiert. Man verlangt es gewissermaßen von den Menschen, deren Wertigkeit immer häufiger an ihrem Selbstverwirklichungspotential gemessen wird.³102 In dieser Verpflichtung zu eigenverantwortlichem Arbeiten, das sich in den Projektarbeitsverträgen zeigt, die ihren Ursprung in künstlerischen Engagements haben, als dennoch abhängige Beschäftigung aber sozialer Sicherungsmechanismen entbehren, liegt der Grund der sozialkritischen Annahme, dass es sich bei diesen arbeitsförmigen Veränderungen der Subjektivierung um Objektivierungen handelt: Das Subjekt wird seiner Akteursrolle beraubt, wenn es alle Verantwortung, Pflichten und Risiken, die diese selbstständige Arbeit mit sich bringt, übernehmen muss und alternative Arbeits-Formen der Organisation nicht zur Verfügung stehen. Die Wahl besteht zwischen der ganz auf das Subjekt übertragenen Strukturlast der Arbeit ± oder in Arbeitslosigkeit. Dieses Dilemma verVWlUNWQRFKGDV*HIKOGHU2EMHNWLYLHUXQJÄ'LHVHU$PELYDOHQ]NRnflikt hängt mit den Bedingungen zusammen, unter denen die Erwerbsarbeit aktuell erfolgte. Jede noch so interessante Arbeit befindet sich im Spannungsfeld zwischen Arbeitsleid und -lust, hat immer auch Momente von Entfremdung und Zwang. Dies gilt in besonderer Weise für die mitunter extrem belastenden Arbeitsbedingungen, die bei zeitlicher Befristung sehr hohe Ansprüche an die Kompetenz mit flexiblen Einsatzbedingungen verbinden. [...] Für die Beschäftigten hat diese Entwicklung aber einen Januskopf: Der Zugewinn an Autonomie und Selbstbewusstsein durch ein deutliches Mehr an Verantwortung und Entscheidungskompetenz ist untrennbar verbunden mit einer deutlichen Erosion der Grenzen zwischen der Zeit, die unter Bedingungen von Erwerbsarbeit verbracht wird, und anderen Formen der Zeitgestaltung, die nicht dem Diktat des Arbeitsprozesses unterliegen. [...] Wenn das unter Bedingungen geschieht, die den Arbeitenden als subjektiv frei gewählt erscheinen, ist der vormals äußere Zwang, der im Regime von Arbeitszeitregelungen, hierarchischen betrieblichen Strukturen und Produktionsbedingungen lag, zu einem inneren Antreiber geworden, der mit noch größerer Unerbittlichkeit tätig ist und damit bei weitem funktionaler sein kann als strenge externe Kontrollsysteme.³103 Paradox formuliert: Die Re-Objektivierung der Arbeitsorganisation, die gegen die objektivierende Subjektivierung gerichtet ist, zielt damit auf die Re-Subjektivierung dieser objektivierten Arbeits-Formen. 102 Boltanski/Chiapello (2006), S. 462. 103 Ebenrett et al. (2003), S. 19 f. 146

FORDERUNGEN DER KRITIK

Die Sozialkritik Die Phänomene, an denen diese paradoxe objektivierende Subjektivierung als Gestaltungsform transformierter Arbeit sichtbar wird, sind zwei von der Kritik exponierte Dynamiken, an denen sich das Arbeitsparadox DPGHXWOLFKVWHQ]HLJWÃ)OH[LELOLVLHUXQJµ XQGÃ6HOEVWYHrwirklichungµ. Sie sind zu den 6FKODJZRUWHQGHVÃQHXHQ*HLVWHVGHs Kapitalismusµ geworden, weil sie das Funktionsdilemma von Arbeit als subjektivierender Objektivierungsmechanismus des Individuums in der netz- XQG ÃSUojektbasierten Polisµ am deutlichsten prägen: Auf der einen Seite wird das einzelne Subjekt durch den von kurzfristig organisierten ArbeitsverhältQLVVHQJHSUlJWHQÃGULWWHQ*HLVWGHV.DSLWDOLVPXVµ zum alleinigen Träger ökonomischer Prozesse; auf der anderen Seite zeichnet sich das dazugehörige Subjektivitätsbild dadurch aus, dass es aus einem Feld gewonnen wird, das durch die Vernetzung aller Subjekte und damit durch die allseitige Abhängigkeit und Relationierung gekennzeichnet ist. Es macht aus dem Subjekt ein mediales Objekt und einen Zielpunkt, das seinen Wert wesentlich aus der Möglichkeit schöpft, eine Mittelstation zu bilden. Das Subjekt als Wertmaßstab tritt hingegen im sozialen Feld nun als ein Individuum auf, das als objektiviert-subjektiviertes nur noch Vertreter des anthropologischen Gestus von Subjektivität ist. Das Verständnis von Subjektivität beschränkt sich auf die Ebene, in der SelbstbeVWLPPXQJNHLQHORJLVFKHXQGPRUDOLVFKH9RUDXVVHW]XQJYRQÃ$XWKHQWizität¶ mehr und in der Individualismus zu einem subjektivistischen Individualismus, durchaus im Sinne eines Egoismus, geworden ist. Freiheit als Bedingung von Individualismus gilt nicht mehr als Ideal, sondern als $[LRPÄGDV]ZDUQLHDQJHIRFKWHQDEHUDXFKQLHHUOlutert wird.³104 Selbstbestimmung ist damit mehr das Resultat äußeren Zwangs als Bestandteil eines Individuums, das sich sozial differenziert. Die Subjektposition verortet sich überall und nirgends und beweist sich an einem Höchstmaß an Flexibilität, die zur herausragenden erforderlichen ChaUDNWHUHLJHQVFKDIWZLUG XQG$XVGUXFNYRQÄ*UHQ]YHUZLVFKXngen³105 ist, die die (Selbst-)Verortung des Individuums in der Gesellschaft erschweren. Gewissermaßen geht es damit kaum noch um das Subjekt, sondern XP GLH )lKLJNHLW GHV ,QGLYLGXXPV ]XU Ä6HOEVW-Objektivierung des Ar-

104 Taylor (1995), S. 25, der das Ideal der Authentizität als Ideal der Zeit klassifiziert und mit dem Begriff der Authentizität bereits darauf hinweist, dass es damit mehr um eine Abbildung von Echtheit als um Echtheit geht, das Subjekt also an seinem Bild, nicht an sich selbst arbeitet. 105 Arno Georg, Gerd Peter: Subjektivierung der Arbeit ± Subjektivierung der Arbeitswissenschaften, Stuttgart 2008, S. 42. 147

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beitshandelns³106. Ginge es noch um das Subjekt, müsste weiterhin gelten, dass sich der Einzelne um die Beziehung zu anderen sorgt. Die Beziehungen zu anderen sind aber zu Umwegen für den Rückbezug geZRUGHQZHLOÄ>L@QHLQHU:HOWGLHVRNRQVWUXLHUWLVWGDVVVLHGHU1HWzlogik vollständig unterworfen ist, [ ] die Gerechtigkeitsfrage gar nicht erst gestellt zu werden [braucht]³.107 Aber natürlich geht es gleichzeitig um das Subjekt, indem es um die Frage geht, inwieweit die Veränderung der Arbeitsformen auch ein Zeichen dafür ist, dass sich die Form des Authentizitätsbedürfnisses in Arbeit verändert hat. Subjektivität wird zum Sammelbegriff für die bloße und beliebige Pluralisierung von Selbstentwürfen, die das Individuum im Rahmen einer vernetzten Arbeitsorganisation für sich auszubilden aufgefordert wird. Es ist genauer zu sehen, wie es sich damit verhält.

Zweideutigkeit des Individualismus Die Annahme, dass diese Entwicklungen zu einem veränderten Verständnis von Subjektivität zu führen scheinen, beruht auf Veränderungen im Umgang mit den dem Individuum zugeschriebenen Kompetenzen. Davon ist die Ausgestaltung des Subjektbilds abhängig. Parallel zu eiQHPGRSSHOWHQ9HUVWlQGQLVYRQÃ6XEMHNWµ geht dann aber ein zweideutiges Verständnis des Individuums einher, das das Erscheinungsbild der Subjektivierungsprozesse und ihre Kritik prägt. Die Berechtigung, von einem neuen Subjektbild zu sprechen, müsste auf der Begründung zweier Annahmen beruhen: einmal, dass die empirischen Veränderungen nicht nur auf einer stärkeren Leistungs- und offenbar auch Leidensfähigkeit des Individuums und seines Gestaltungszwangs beruhen, sondern ergänzend darauf, dass damit ein Potential des Subjekts umgesetzt wird, das vorher gewissermaßen nicht als solches erkannt worden war; dann mündete dies in eine neue Formulierung der conditio humana ± entsprechend mit normativem Anspruch. Ob die Hypothese eines tatsächlich veränderten Begriffs von Subjektivität zutrifft oder ob sie möglicherweise nur daraus resultiert, dass damit eine Überhöhung konkreter lebens- und arbeitsweltlicher Anforderungen an das Individuum möglich ist und die Durchsetzung von Interessen erleichtert, sei zunächst dahingestellt, aber skeptisch betrachtet. Das vielfache Zweifeln an metaphysischen und meta-individuellen Entwürfen spricht zumindest eher für eine sich manifestierende Verwirrung von Bedeutung und Geltung des Subjektivitätsbegriffs als für eine ver-

106 Böhle (2003), S. 135. 107 Boltanski/Chiapello (2006), S. 151. 148

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änderte und sich dadurch verändernde Auffassung von Subjektivität. Es gibt also Anlass zu der Vermutung, dass die Subjektivierungsprozesse die Interpretationsvielfalt der paradoxen Verflechtung des Subjektbegriffs in verschiedene Bedeutungsebenen erhöhen. Was darin allerdings deutlich wird und durchaus als Veränderung des Subjektivitätsbegriffs interpretiert werden kann, ist die zunehmend zur Deckung kommende Annäherung des Begriffs der Subjektivität an den der Individualität. Diese Identifizierung von Subjektivität und Individualität äußert sich in der pragmatistischen Zuhilfenahme von Begründungsmodellen, derer Konsequenzen sich entledigt wird, indem unWHU Ã6XEMHNWLYLWlWµ weniger die Bedingungen, unter denen persönliche Lebens- und Arbeitsgestaltung steht, als die individuelle Gestaltungskompetenz selbst gefasst werden.108 Was im Bereich des Einzelnen liegt, wird zu einer prinzipiell und individuell unabhängigen, subjektiven Qualität überhöht und zugleich dem Individuum als subjektive und subjektiYLHUWH $XIJDEH EHUWUDJHQ 'DV Ã6XEMHNWLYHµ wird von einem Merkmal der Möglichkeit zu einer (sozioökonomischen) Anforderung, die bedingt, dass Freiheit zu einer kaum mehr wahlfreien Selbstverpflichtung wird. Zur rechtfertigenden Begründung dient die Subjektautonomie. Wenn aber Selbstverpflichtung zu äußerem Zwang wird, ist es kaum möglich QRFK YRQ VXEMHNWLYHU )UHLKHLW XQG HLQHU Ã0RUDOLVLerung der Märkteµ109 zu sprechen. Sie hängt nicht mehr von der freien Entscheidung ab; die Entscheidung zu Handlung wird an Zweckkriterien gemessen. Damit ist nicht gesagt, dass nicht ein Interessenausgleich möglich und eine Gegenseitigkeit der Beziehung möglich ist ± mit Foucault forPXOLHUWÄ0DFKWEH]LHKXQJHQVFKOLH‰HQGHQ(LQVDW]YRQ*HZDOt natürlich ebenso wenig aus wie die Herstellung von Konsens³110. Nimmt man aber die Normativität moralischer Grundsätze ernst, resultiert aus der Unterstellung möglicher Moralität ökonomischen Handelns nicht Bestimmungs-, sondern Wahlfreiheit: Denn wenn die Orientierung an moralischen Maßstäben gilt, muss in Kauf genommen werden, das eigene Interesse nicht durchsetzen zu können; denn entsprechend moralischer Kriterien müssen dem anderen bei der Durchsetzung eigener Interessen dieselben Möglichkeiten zugestanden werden, wie für sich beansprucht und für die Durchsetzung eigener Interessen realisiert wird. Dies kollidierte mit der ökonomischen Absicht und erforderte Abwägung. Sie wäre nicht primär zweckgebunden, unterläge aber auch nicht ausschließlich der Bedingung der zweckfreien Handlung. 108 Vgl. dazu im Folgenden insb. die Diskussion um sinnstiftende Funktionen ökonomischen Handelns in Kapitel III. 109 Vgl. Nico Stehr: Die Moralisierung der Märkte, Frankfurt/M. 2007. 110 Foucault (2005), S. 255. 149

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Eine solche hybride Handlung ist realisierbar und durch die Installierung legaler Maßstäbe normativierbar, die die Position des anderen berückVLFKWLJHQ $OOHLQ ÄPDQ QHQQW GLH EOR‰H hEHUHLQVWLPPXQJ RGHU 1LFKtübereinstimmung einer Handlung mit dem Gesetze, ohne Rücksicht auf die Triebfeder derselben, die Legalität (Gesetzmäßigkeit); diejenige aber, in welcher die Idee der Pflicht aus dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist, die Moralität (Sittlichkeit) derselben. Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, dass die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei und [...] nur äußere mit dem Gesetz verbinden kann³111. Die Entscheidung darüber, nach welcher inneren Maxime der eine handelt, wird schwierig. Eine gesetzliche Regelung, die an moralischen Maßstäben orientiert ist, ist eine installative Möglichkeit zur Lösung des Dilemmas, die davon befreit, eine ökonomische Beziehung moralisch nennen zu wollen. Dies löst auch die andere Handlungsvariante: Denn orientiere ich mich in einer ökonomischen Beziehung nur an den Kriterien meiner Zwecksetzung, handele ich nicht unmoralisch, wenn meine Strategie der Zweckerreichung an Prinzipien orientiert ist, die anhand moralischer Maßstäbe bestimmte Regelungen zur Steuerung ökonomischen Handelns vorgibt. Grundsätzlich moralisch ist aber die Handlung dadurch dennoch nicht, es wurde auch nicht von ihr gefordert. Denn es ist fraglich, ob auf diese Weise erfolgreiches, produktives und planbares Markthandeln möglich ist, außer ± und dies führt wieder zurück dazu, Kriterien der Subjektivität zu Kompetenzen des Individuums zu machen ± die Begründungsebene konzentrierte sich auf die Dimension der Handlungsfähigkeit: In der Argumentation eines moralischen Wirtschaftens soll Sinnhaftigkeit moralischen Handelns nicht bloß die bedingte Begründungsebene zweckhaften Handelns, sondern in jenes implementierbar sein; subjektive Freiheit wird so nicht nur gleichbedeutend mit individueller Selbstverantwortung, sondern mit ihrer Alternativlosigkeit, und dieses Dilemma nimmt zu, je dichter die Interessenverwebung wird. Dann wird Moralität und subjektive Freiheit nicht an moralischen, sondern hybriden Maßstäben ausgerichtet, die ausgehandelt werden oder mit denen ein Kompromiss gefunden werden muss, und dann findet, wie oben angedeutet, eine solche vermutete Verschiebung der Moral- und Subjektivitätskonzepte statt.112 Denn dass die Erhöhung der individuel111 Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, Einleitung, AB 15. 112 Eine solche Hybridisierung liegt auch dem moralischen Konzept Stehrs ]XJUXQGH VLHKH 6WHKU   6  Ä,FK P|FKWH PHLQH 8PVFKUHLEXQJ des Begriffs der Moralisierung der Märkte demgegenüber mit der moral150

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len, persönlichen Autonomie mit der weiteren gesellschaftlichen Differenzierung und der Steigerung ihrer ökonomischen Komplexität zugenommen hat, ist eine Tatsache. Das Individuum befindet sich im Entwicklungsprozess zunehmender Rationalisierung im Sinne Webers auf bislang nicht von ihr bemessenen Gebieten der sozialen Welt und der zeitgleichen Loslösung von bislang als sozial verbindlich erachteten ReJHOQDOV,QEHJULIIGHUÃ,QGLYLGualisierungµ. Simmel geht auf dieses Dilemma ein und unterscheidet in einem Aufsatz über die KLVWRULVFKH *HQHVH GHV Ã,QGLYLGXDOLVPXVµ zwei seiner $XVSUlJXQJHQ 'HU ÃVR]LRORJLVFKHµ113 Individualismus setzt dem Pro]HVV GHU ,QGLYLGXDOLVLHUXQJ HLQ EHUJHRUGQHWHV REMHNWLYHV 'ULWWHV ÄGLH überindividuelle Idee dieser Individualität³114, als Formgesetz zu, das er Ä6LQQ XQG WUDJHQGH .UlIWH³ nennt. Dieser Individualismus meint eine gemeinsame Abhängigkeit der Individuen von der Gesellschaft. Die Gesellschaft stellt den Maßstab der Beurteilung des IndividualisPXV ÄQRFK ein Generelles³Ä5HSUlVHQWDWLRQHLQHV$OOJHPHLQeren³115) dar, setzt den Maßstab über die Geltungskraft des Individualismus und ermöglich eine Versöhnung mit der Welt, der Objektivität und dem diskrepanten Verhältnis des Subjekts zur Welt. Wechselseitigkeit wäre damit systematisch gewährleistet. Die andere Ausprägung des Individualismus dagegen verstärkt zunächst die Diskrepanz des Dilemmas, indem sie individuelle Legitimation und Sinnhaftigkeit in der Subjektivität verankert. Es löst die Spannung nicht auf, sondern verstärkt sie dadurch, dass sie die Möglichkeit von Individualität gerade dieser Spannung heraus erklärt und das Vertrauen darein setzt, dass der Einzelne deshalb in der Lage dazu ist, Sinn-

philosophisch vereinfachenden Feststellung beginnen, dass ich eine radikale Trennung von moralischen oder ökonomischen Intentionen bzw. Urteilen über die Folgen wirtschaftlichen Handelns, die sich ausschließlich an ökonomische oder ethische Kategorien halten, für kurzsichtig halWH³± M. E. stellt sich allerdings die Frage, warum der Rekurs auf Moralität notwendig zu sein scheint, wenn ihre Prinzipien ± die Bewertung des Handelns anhand von Intentionen ± relativiert werden sollen, da es doch darum zu gehen scheint, ökonomisches Handeln mit moralischem Anspruch durchsetzen zu können. Die Frage der Klassifizierung müsste sich an der Primärabsicht des Handelnden entscheiden; dies verunmöglicht nicht eine moralische Beurteilung ökonomischen Handelns, nur ist sie nicht das leitende Prinzip. ± Das Argument verliert allerdings natürlich an Gültigkeit, wenn mit der Moralisierung der Märkte gewissermaßen eine Hybridisierung der Handlungskonzepte gemeint ist; ein solches Konzept wäre ein moralisch hinterfragter Utilitarismus. 113 Georg Simmel: Individualismus, in: Ders. (1983), S. 270. 114 Ebd., S. 274. 115 Ebd. 151

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haftigkeit aus sich heraus zu gewinnen. Dieser Begriff betrachtet den 0HQVFKHQDOVÄ7\SXVGHV9HUQXQIWPHQVFKHQXQG>IROJHUW@GDVVHVHLQ ÃLQGLYLGXHlles Gesetzµ gäbe, das sich ausschließlich aus dem So-Sein dieses Individuums entwickelte³116. Die damit verbundenen normativen Implikationen, die zugleich die Moralität begründen, verhindern, diese Individualität in die Beliebigkeit des Subjektivismus kippen zu lassen und damit eine Art von Anti-Sozialität zu insinuieren. Rückgeführt auf die begrenzte Möglichkeit der Weltgestaltung des Subjekts und die damit begründeten Normen verweist aber auch dieser Begriff auf ein gemeinsames Drittes: die Gesellschaft. Ohne diese Implikationen jedoch, die dieser kritisch-aufklärerische Begriff von Individualität beinhaltet, zu beachten, ist es wohl jenes Verständnis von Individualismus, das Pate für die heutigen Veränderungen der Arbeitswelt und den Absichten objektivierender Subjektivierung unter dem Rubrum GHULQGLYLGXHOOHQ+DQGOXQJVDXWRQRPLHVWHKWXQGGD]XIKUWGDVVÄ,QWHrsubjektivität als ökonomisches Problem³117 behandelt wird. Paradoxerweise bringt diese Entwicklung auch das erstgenannte Verständnis von Individualität Simmels in Probleme: In dem Bestreben, individualistischen Dynamiken von Gesellschafts- und Arbeitsorganisation Sozialkritik entgegenzusetzen, droht auch diesem Verständnis von ,QGLYLGXDOLVPXVGDVÃGULWWH*HQHUHOOH¶ zu einem Zweckmittel zu werden und kontraindikativ der wachsenden Zweckrationalisierung sozialen Handelns ex negativo Vorschub zu leisten, sofern nicht zwischen Sinn und Zweck von Arbeits- und Gesellschaftsorganisation unterschieden wird. Je nach der Konzentration auf den einen oder anderen Pol bildet sich ein Widerspruch, ohne das Individuum aus der Spannung zwischen seinem berechtigten Anspruch auf subjektiver Aneignung und der Drohung durch objektive Entfremdung zu befreien. Wenn Subjektivität auf der Ebene des Subjektivismus verhandelt und zum vereinzelten Individualitätsanspruch transformiert wird, resultiert aus diesem subjektivierenden Objektivismus ein objektivierender Subjektivismus, uQGGDQQÄKDWNHLQHUYRQEHLGHQ7\SHQGDV3UREOHPHigentlich gelöst, sondern ein jeder hat, von je einer Seite her, den Gegensatz verneint und damit nur die Voraussetzung aufgehoben, unter der das Problem sich bilden kann. Die Objektivierung des Subjekts fordert hier den Preis, dass entweder der eine oder der andre dieser Begriffe von vornherein so in seiner Schärfe herabgesetzt wird, dass es zu einer ei-

116 Ebd., S. 271. 117 Vgl. den Untertitel von Reckling (2002): Interpretative Handlungsrationalität. Intersubjektivität als ökonomisches Problem und die Ressourcen der Hermeneutik. 152

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gentlichen Synthese nicht mehr kommen kann.³118 Aus einer solchen Reduktion freiheitlicher Handlungsmöglichkeiten auf Wahlfreiheit, die vermehrt zum Kompetenzportfolio der Arbeitenden werden, leiten sich zwei ökonomische Hybridtechniken ab: Flexibilisierung und Selbstverwirklichung. Paradoxerweise erzielen beide dasselbe Ergebnis, obgleich sie von zwei entgegengesetzten Perspektiven ausgehen; das Individuum bleibt damit im selben Dilemma.

Flexibilisierung als subjektivistischer Individualismus In seinen Beschreibungen der neuen flexibilisierten Arbeitsorganisation weist Sennett auf die Verkehrung von Möglichkeit und Bedingung indiYLGXHOOHQ+DQGHOQVKLQXQGEHWRQWGDVVQRFKIU$GDP6PLWKÄ)OH[LEilität und Freiheit eins³ ZDUHQ ÄLQ XQVHUHU =HLW DEHU > @ GLH $EOHhnung der bürokratischen Routine neue Macht- und Kontrollstrukturen ins Leben gerufen [hat], die nichts mit Freiheit zu tun haben.³119 Das Freiheitsverständnis Sennetts entspricht dem der Selbstbestimmung bzw. selbstständigen Zu- und Unterordnung unter Prinzipien.120 Mehr noch: Sennett unterlegt dem Modell der Flexibilität eine Struktur der machtorientierten Steuerung des flexiEOHQÃ2EMHNWVµÄ,PPRGHUQHQ *HEUDXFK GHV :RUWHV Ã)OH[LELOLWlWµ verbirgt sich ein Machtsystem. Es besteht aus drei Elementen: dem diskontinuierlichen Umbau von Institutionen, der flexiblen Spezialisierung der Produktion und der Konzentration der Macht ohne Zentralisierung. [...] Das Wesen des flexiblen Wandels sollte es sein, sich von der Vergangenheit zu lösen und das Vorausgehende entschieden und unwiderruflich zu verändern. [...] [Jedoch] [d]ie Zeit der Flexibilität ist die Zeit einer neuen Macht³121, einen zum Formalismus gewordenen Komplex sinnhaft gestaltbarer Selbstbestimmung zweckrationalisierbar zu gestalten. Wenn die ökonomischen Mechanismen, die unter dem Rubrum der )OH[LELOLWlWODXIHQXQGIUGLHSHUV|QOLFKH(LJHQVFKDIWHQZLHÄ6Hlbstevaluation, Selbstmanagement, Selbstsicherheit³ XQG$XWRQRPLHÄ]XULGHDltypischen Beschreibung [des] normativen Anforderungsprofils eins

118 Georg Simmel: Hauptprobleme der Philosophie, Frankfurt/M. 1996, S. 87. 119 Sennett (1998), S. 58 120 9JO.DQW+DQGVFKULIWOLFKHU1DFKODVVÄ'DULQEHVWHKWQLFKWGLH)UHLKHLW dass das Gegenteil uns hätte belieben können, sondern nur, dass unser BeOLHEHQQLFKWSDVVLYJHQ|WLJWZDU³LQ Gesammelte Schriften, Band 17, S. 465. 121 Sennett (1998), S. 59, 75. 153

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marktgerechten Arbeitnehmers zählen³122, hat sich hier ein Begriffsapparat nicht nur transformiert, sondern umgekehrt und zugleich seiner begründenden Bedeutung entledigt. Termini, die deshalb von der Ebene der Singularität abheben, um ihre universale Geltung für jedes singuläre Individuum zu gewährleisten, werden vereinzelt, und aus den Möglichkeitsbedingungen von Freiheit und Selbstbestimmung werden Zwänge der Ungebundenheit und Selbstverwirklichung. Damit werden subjektivfreiheitliche Werte zu Kompetenzbestandteilen eines quantitativen Kriterienkatalogs der flexibel Arbeitenden, die die Anforderungen an sich als arbeitende Individuen zu ihren Persönlichkeitsaspekten und KonVWUXNWLRQVHOHPHQWHQ LKUHU ,GHQWLWlW PDFKHQ (V HQWVSULFKW HLQHU Ä+Lnnahme von Fragmentierung³123, sich in der flexiblen Arbeitswelt der beständigen Bereitschaft zu Veränderung auszusetzen und sie als Zugewinn persönlicher Gestaltungsfreiheit aufzufassen. Identität wird ein quantitatives Maß, das anhand der angesammelten (charakterlichen) Kompetenzen einer Bewertung unterzogen wird: sie bemisst das Selbstverständnis des Einzelnen an Maßstäben, die unter der 6XEMHNWLYLHUXQJGLHÄ6WXIHHLQHUHUZHLWHUWHQ GRppelten) Selbstökonomisierung³124 erklimmt. Flexibilität in der Arbeitswelt kann nun auch so verstanden werden, dass es als eine Form der Maximierung der Wahlfähigkeit gehandhabt wird, weil sich die Möglichkeiten mit ihren Diversifizierungen zwar vervielfältigen, die Zugangsmöglichkeiten aber verengen. Eine bestimmte Wahl erscheint zwar als selbstbestimmte Haltung, die Ursache aber ist nicht Selbstbestimmung, nur Wahlfreiheit. Zu Grunde liegt eine Verwechslung von Freiheit und Wahlfreiheit, von Individualismus und Subjektivität, die mit dem Vernunftanspruch eines rationalen Handelns unterlegt wird, das nicht mehr besagt, als zweckorientiert zu sein. Auch Taylor verweist auf die doppelte Verwendung des Begriffs des Individualismus, die Simmel unterscheidet, und LGHQWLIL]LHUW LKQ DOV ÄHLQ DPRUDOLVFKHV 3KlQRPHQ GDV LQ HWZD XQVerer Auffassung von Egoismus entspricht.³ Der Topos der Subjektautonomie HQWEHKUW JHUDGH LKUHU VXEMHNWLYHQ %HGLQJXQJ ZHQQ VLH ÄQLFKW Lm Hinblick auf ihre moralische Kraft verstanden, sondern bloß den Vorteilen zugeschrieben [wird], die sie den Menschen unabhängig von ihrer moralischen Einstellung zuteil werden lassen, ja unabhängig davon, ob sie überhaupt eine moralische Einstellung haben.³125

122 Schultheis (2005), S. YJOGLHGRUW]XILQGHQGHÄalphabetische Reihenfolge³ Ãhumankapitalistischerµ Eigenschaften. 123 Sennett (1998), S. 79. 124 Voss, Pongratz (1998), S. 142. 125 Taylor (1995), S. 29. 154

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Der instrumentelle Charakter dieser Individualität oder Subjektivität ermöglicht eine ebenso instrumentelle Begründung dafür, das arbeitende Subjekt mit denjenigen Merkmalen ausgestattet zu sehen, die der flexibOH Ä$UEHLWVNUDIWXQWHUQHKPHU³126 aufweisen soll: Ä'LH IOH[LEOH 6SH]LDOisierung ist das Gegenmodell zum Produktionssystem des Fordismus³127. Während die fordistisch strukturierte Arbeitszeit das Reich der Notwendigkeit darstellte, öffnete sich immerhin nach Feierabend das Reich der Freiheit. Die Flexibilisierung relativiert die Grenzen, vermischt ihre Bereiche und verändert das zugrundeliegende Freiheitsverständnis. Die fehlende Unterscheidung zwischen Subjektivität und Subjektivismus und verschiedenen Verständnissen von Individualität eignet ± aus konträren Gründen ± auch der sozialkritischen Sichtweise auf die Subjektivierungen der Arbeitswelt und äußert sich in der rigiden Trennung von Sozial- und Künstlerkritik. Sie führt zu einer tendenziell pauschalen Verurteilung von Individualisierungsprozessen, die dem Ideologem der Subjektivierung zugeschrieben werden, obgleich diese weniger mit Subjektivität als mit Subjektivismus zu tun hat. Eine Unterscheidung erschwere die konzentrierte Hinsicht auf Transformationen und daraus erwachsende Ungleichheiten bspw. der Produktionsverhältnisse. Dies führt aber eher zu einer andersartigen Relativierung des Phänomens.128 Auch können dadurch die kritisierten Umstände nicht aufgegriffen und EHJUQGHQGNULWLVLHUW ZHUGHQREJOHLFKHVÄX(P|JOLFK>PDFKW@ QHXH Konfliktfelder, die sich im Zuge der Subjektivierung von Arbeit abzeichnen, zu erkennen.³129 Jedoch ist es nicht frei von Schwierigkeiten, Arbeit wieder in untrennbaren Zusammenhang mit Freiheit in Verbindung zu bringen. Denn eine angestrebte Sozialintegration über Arbeit wird gerade dann erschwert, wenn die arbeitenden Individuen nicht die Kriterien aufweisen, die dem arbeitenden Subjekt als inhärent zugeschrieben wurden. Dieser Fall überlässt der Argumentation nur die negative Alternative, Exklusion aus moralischen Gründen postulativ abzulehnen. Denn was mit der Flexibilisierung einhergeht, ist ja gerade die Degradierung der Bedeutungsebene des Subjekts, die sich auf die persönliche Selbstauffassung niederschlägt. Davon zeugen empirische Studien zu Untersuchungen nicht nur sich verändernder Bedingungen von Arbeit und Leben, sondern auch 126 Voss, Pongratz (1998). 127 Sennett (1998), S. 64. 128 Diese strikte Trennung in Sozial- und Künstlerkritik von Boltanski und Chiapello führt dazu, rigider als nötig und unter Inkaufnahme von Ungenauigkeit Argumentationslinien zu bauen, deren Differenzierung die Wirkung des Arguments nicht schwächen würden. 129 Böhle (2003), S. 137. 155

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solche, die sich mit den Folgen von Arbeitslosigkeit, also der als völligem Fehlen empfundenen Möglichkeit des Ausdrucks selbstgestaltbaren Lebens auseinandersetzen.130 Aus solchen Studien sind ebensolch paradoxe Strukturen ablesbar, die das Subjektverhältnis zu Arbeit zeichnen und Arbeit nicht als Instrument der Sinnerfüllung, sondern als Instrument der Ermöglichung unterschiedlicher Tätigkeiten darstellen. Zweck und Sinn scheinen durchaus als getrennt aufgefasst zu werden, und es scheint erst mit dem Wegfallen einer zweckgerichteten Struktur zunehmend schwierig zu werden, auch Sinn empfinden zu können. Das wird in der Studie zu den Ã$UEHLWVORVHQYRQ0DULHQWKDO¶ GHXWOLFKÄGLH)UDXHQVLnd nur verdienstlos, nicht arbeitslos im strengsten Sinne geworden. Sie haben den Haushalt zu führen, der ihren Tag ausfüllt. Ihre Arbeit ist in einem festen Sinnzusammenhang, mit vielen Orientierungspunkten, Funktionen und Verpflichtungen zur Regelmäßigkeit.³ Ihre Hausarbeit stellt jedoch offenbar im Wesentlichen eine Ausweitung der verbliebenen MöglichkeiWHQGDUGHQQÄLQIDVWDOOHQ)UDXHQELRJUDSKLHQZLUGEHULFKWHWGDVVPDQ früher bis in die späte Nacht hinein nach der Fabrikarbeit hat wirtschaften müssen. Aber fast in allen Frauenbiographien kommt dann doch der 6DW]Ã:HQQZLUQXUZLHGHULQGLH$UEHLWN|QQWHQµ Als rein materieller Wunsch wäre das nicht weiter erstaunlich, aber die Frauen fügen immer wieder hinzu: auch wenn wir vom Geld absehen.³131 Die Diskrepanz zu flexibilisierten Arbeitsformen ist geringer als gedacht: Es bedarf offenbar einer Differenzierung zwischen Zweck- und Sinnzusammenhängen und damit auch ihrer Unterscheidbarkeit, um eine individuelle Bestimmung subjektiver Möglichkeiten vornehmen zu können, die weder in die eine noch in die andere Richtung normativierbar zu sein scheinen. Es ist eine paradoxe Struktur, die auf der Einsicht in die Gleichwertigkeit und gegenseitige Abhängigkeit der Widerspruchspole von Zweck und Sinn beruht, also der Positionierung der Individualität zwischen Zweck- und Sinnkontexte. Die jeweilige Unterordnung entspräche jenem subjektivistischen Individualismus, der sich dem objektivierenden Zwang der flexiblen Persönlichkeit aussetzt und sich auf die subjektivistische Kraft individueller Selbstverantwortung konzentrierte. 130 Noch immer exemplarisch dafür die Studie von Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel: Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt/M. 1975, die die Auswirkungen lange andauernder Arbeitslosigkeit empirisch untersucht und auf psychologische und soziale Phänomene aufmerksam macht, die wesentlich Auskunft über die individuellen Selbstbilder der Betroffenen geben. Siehe auch die daran hinsichtlich einer teilnehmenden Beobachtung ideell und methodisch anschließenden Studien Bourdieu et al.: Das Elend der Welt, Konstanz 2005, und Schultheis, Schulz (2005). 131 Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel (1975), S. 89 ff. 156

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'LHVXEMHNWLYLVWLVFKH.RPSRQHQWHNRQ]HQWULHUWVLFKLQMHQHUÃ)UHLZLOOLgkeitµ der Übernahme von Selbstverantwortung, weil ein Eingeständnis in eine zumindest nicht völlig unabhängige Selbstsubjektivierung dem eigenen Entwurf widerspräche. Die Paradoxie der Machtstruktur erweist sich darin, gar nicht als objektive auftreten zu müssen, um wirksam zu VHLQ Ä'DV 6XEMHNW LVW VRPLW ]XJOHLFK :LUNXQJ XQG 9RUDXssetzung, Schauplatz, Adressat und Urheber von Machtinterventionen.³132

Selbstverwirklichung als objektivistischer Individualismus Dieser Entwurf des Individualismus führt zu jener paradoxen Anthropologie, die sich in der Zwanghaftigkeit eines Postulats der Selbstverwirklichung äußert. Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind ein sicheres 0HUNPDOGDIU'DGXUFKZLUGHLQHÃQDFKKDOWLJH¶ Gewährleistung installiert, da sie die Bindung an selbstverantwortliche Lebensgestaltung als freiheitlich klassifiziert. Dieses Diktum der Wahlfreiheit lässt nur noch eine Entscheidung offen: zwischen einem dem Zwang zur Flexibilisierung unterworfenen Subjektivismus, der sich den Verhältnissen anpasst und als Objektivierung klassifiziert wurde; und einer Aneignung des Zwangs in jenen Selbstzwang, der die Entscheidung nicht mehr von der Verordnung unterscheiden lässt und in Selbstverwirklichung aufgeht. Diese Anforderungen weisen Ähnlichkeiten zu der Diagnose auf, die DXV GHU Ä*HVFKLFKWH GHV $XIVWLHJV GHV ,QGLYLGXDOLVPXV GHU 6FKZLHULgkeiten und Risiken, als Individuum zu existieren³133, abgeleitet werden kann. Der Zugewinn an Handlungsfreiheit, den das arbeitende Individuum im Laufe der kapitalistischen Entwicklung erlangt hat, ist nicht ohne *HJHQZHUW P|JOLFK Ä>'@LH $XWRQRPLH >WUDW@ DQ GLH 6WHOOH GHU 6icherheit. Deshalb handelt es sich oftmals um eine erzwungene und nicht selbst bestimmte Autonomie, die mit Freiheit nur wenig zu tun hat.³134 Der Ersatz fehlender sozialer Bindungen geschieht durch die Transformation sozioökonomischer Machtbeziehungen in Authentizitäts- und SelbsWYHUZLUNOLFKXQJV]ZDQJ Ä'DV 6XEMHNW LVW >@ NHLQ 3URGXNW VRndern ein Produktionsverhältnis.³135 Es ist in seiner eigenen Paradoxie gefangen, Arbeit das Instrument und das Medium der Herstellung und der Vermittlung der (Selbst-)Aneignung und (Selbst-) Entfremdung. Die fehlende Sicherheit, die neben dem Zuwachs der Leiharbeits-, Kurzzeit- und Teilzeitverträge oder projektbegrenzter Beschäftigung die 132 Ulrich Bröckling: Genealogie der Subjektivierung ± ein Forschungsprogramm, in: ders. (2007), S. 21. 133 Castel (2000), S. 402. 134 Boltanski/Chiapello (2006), S. 463. 135 Bröckling (2007), S. 22. 157

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Lockerung und Lösung sozialer Bindungen bedeutet, wird durch das Motivationsmoment der Selbstverwirklichung ersetzt, die eine adäquate Erklärung dafür bietet, warum auf Sicherheiten und Bindungen nicht mehr rekurriert wird: Das Individuum kann die Sicherung selbst leisten, immerhin darf es dafür in neuen ökonomischen Formen grenzenlos selbstgewinnend arbeiten. Solidarität und Anerkennung, zwei wesentliche Komponenten zur Legitimierung der Arbeitsteilung, werden zu einem ökonomischen Gut und gegen die Zurverfügungstellung der Rahmenbedingungen für Selbstverwirklichung tauschbar. Folgen wir der Argumentation Taylors, so liegt nicht nur eine erhebOLFKH'LVNUHSDQ]]ZLVFKHQGHPÄPRUDOLVFKHQ,GHDO³136 der Authentizität und der ökonomistischen Selbstverwirklichung in der eigenen Arbeit vor; es führt auch zu einem diskrepanten Moralverständnis, weil vergessen wird, dass die tatsächliche Verwirklichung dieser Authentizität nach nur eigenen Maßstäben solipsistisch, egoistisch ist. Die Dimension des Sozialen tritt bei dieser Form der Selbstverwirklichung nur als Widerstand, nicht als interaktives Moment auf. Die selbstverwirklichende Form der vermeintlich aktiven Subjektivierung entwickelt Dynamiken, die spiegelbildlich konträr zu solchen Strategien verlaufen, die Foucault als Widerstände gegen solche Machtbeziehungen klassifiziert: In dem Bestreben, sich von fremden Mächten frei zu halten, unterliegen sie in GLHVHQ.lPSIHQGLHÄQLFKWIURGHUJHJHQGDVÃ,QGLYiduumµ ausgetragen >ZHUGHQ@VRQGHUQJHJHQGLHÃ/HQNXQJGXUFK,QGLYidualisierung¶³137, die in der Selbstverwirklichung stattfindet. Es bedeutet, dass diese Form der Freiheit gerade die Anpassung an Widerstände ist, die man als solche eigentlich nicht hatte akzeptieren ZROOHQ GDEHL QLFKW EHUFNVLFKWLJHQG GDVV GDV ,GHDO Ä]XP $[LRP³138 herabgesunken und damit verhandelbar geworden ist. Es hat seine systematische Schlagkraft verloren, und die Durchsetzung der Selbstverwirklichung ist nichts anderes als die Anpassung an die jetzt wirklichen, aber selbst nicht als solche bestimmten Verhältnisse. Die Bedingungen zur Realisierung dieses Ideals sind gerade die Behinderungen zu seiner Realisierung. Das Ideal wurde nicht auf seine soziale Legitimität hin überprüft und tritt als falsch verVWDQGHQHVDXIZHLOHVQLFKWGHPÄGXUFK und durch dialogische[n] Charakter menschlichen Lebens³139 entspricht. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass Anerkennung zum normativen Bestandteil von Arbeitsorganisation gemacht werden kann, um solche 136 137 138 139

158

Taylor (1995), S. 23. Foucault (2005), S. 244 f. Taylor (1995), S. 25. Ebd., S. 41. Hierbei findet sich eine Deckungsgleichheit mit der anthropologischen Konzeption Arendts (1967).

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Entwicklungen zu verhindern oder zu begrenzen. Es zeigt im Gegenteil, wie sich die Diskrepanzen verstärken, je weiter versucht wird, Arbeit zu einem umfassenden anthropologischen Instrument zu gestalten. Auch die Diskrepanz, dass Anerkennung nur widersprüchlich gefasst zum Maßstab von Arbeitsorganisation gemacht werden kann, erweitert sich, weil damit die Abhängigkeit eines sozialen Werts von ökonomischer Gestaltung offensichtlich wird. Im Rahmen einer solchen subjektivistischen Objektivierung der Geltung des Individuums wäre Anerkennung kein voraussetzendes Merkmal sozialer Beziehungen und hätte nur die Form eines Tauschwerts. Diesem neuen Dilemma einer sich in der Selbstverwirklichung objektivierenden Subjektivität liegt die falsche Differenzierung von Selbstbestimmung als Selbstverwirklichung zugrunde. Selbstbestimmung weist nur so lange Eigenständigkeit auf, bis sie ihre eigene Abhängigkeit eingesehen hat.140

Das Netz kooptierter Subjekte Sennett spricht in seiner Darstellung der flexiblen Arbeitsformen von dem neuen Machtsystem, das mit der flexiblen Organisation ein wirksames Instrument geschaffen habe, das zu eiQHU Ä.RQ]HQWUDWLRQ GHU Macht ohne Zentralisierung³141 führe. Die soziale Infrastruktur bildet die netzhafte Verbindung unterschiedlicher Orte und Ebenen, die mehr und mehr Inbegriff des Charakters sozialer Bindungen selbst wird. Die Differenzierung individueller Selbstentwürfe korrespondiert mit der Differenzierung der sozialen Orte, in denen die entstandardisierte $UEHLWP|JOLFKZLUG,P%LOGGHUÄ1HW]ZHUNJHVHOOVFKDIW³142 ist das Individuum ein hyperkomplex Differenziertes, das seine Bedürfnisse nach dem organisierten Netzwerkprinzip ebenso differenziert organisieren muss. Damit fragmentiert sich die Arbeit, die in der Regel an einen fixen Ort gebunden ist, und die Arbeitenden arbeiten zusätzlich daran, ihre sich partikularisierende Existenz zusammenzuhalten und unabhängig von Bindungen zu gestalten. Der vormals Gemeinsamkeit stiftende Charakter findet nicht mehr durch die räumliche Bindung, sondern über Netzverknüpfung und einen gemeinsamen Lebensstil statt, der keine entscheidenden Unterschiede mehr herzustellen in der Lage ist. Wenn DOOH Ã,QGLYLGXDOLVWHQµ sind, wird das Subjektbild beliebig und orientiert sich nur noch an der Masse seiner sich nivellierenden Unterschiede.

140 Vgl. Taylor (1995), S. 45. 141 Sennett (1998), S. 59. 142 Manuel Castells: Die Netzwerkgesellschaft, Stuttgart 2003. 159

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Die Arbeit ist dabei ein konstitutiver Faktor dieses Subjektbildes, wobei ÄGDVQHXHJOREDOH3URGXNWLRQV- und Managementmodell gleichzeitig auf die Integration des Arbeitsprozesses und die Desintegration der Belegschaften hinaus[läuft].³143 1LFKW 2SIHU GLHVHU Ã'HVLQWHJUDWLRQµ zu werden, sondern sich die Umorganisation von Arbeit zunutze zu machen, ist die Maxime eines transformierten Arbeitsethos, ZHQQ ÄGLH )ähigkeit, sich von der eigenen Vergangenheit zu lösen und Fragmentierung zu akzeptieren, [ ] der herausragende Charakterzug der flexiblen Persönlichkeit [ist]³.144 Die vernetzte Organisation als Flächen- und Bezugsmodell für transformierte Arbeits-Formen öffnet den verbliebenen virtuellen Raum und Körper für die vernetzten Subjekte, weil sich die neuen Identitätswelten in und anhand der Netzlogik etablieren und neue Abhängigkeiten schaffen. Die netzwerkhafte Organisation der Arbeit hat solcherart Auswirkungen auf soziale Beziehungen, die auf die Adaptionsfähigkeit zu den $UEHLWVDQIRUGHUXQJHQ KLQ JHELOGHW ZHUGHQ PVVHQ Ä'LH %HGLQJXngen der neuen Wirtschaftsordnung befördern vielmehr eine Erfahrung, die in der Zeit, von Ort zu Ort und von Tätigkeit zu Tätigkeit driftet.³145 Die Anpassung des familiären Lebens an die Bedingungen organisierter Arbeit ist m. E. keine Neuigkeit und erklärt sich nicht nur durch machtvolle Abhängigkeitsstrukturen kapitalistischer Organisation, sondern prinzipiell durch die Abhängigkeit von Arbeit selbst. In den vernetzten Welten der sich auf Projektarbeit spezialisierenden Organisation aber zeigt sich eine parallele Verschaltung kultureller und sozioökonomischer Wandlungsprozesse in einem Ausmaß, das zu jeder sozialen Veränderung ein kulturelles Interpretationsbild addiert. Die Sozialkritik betrachtet diese mentalen Transformationsprozesse als Selbsterneuerungskraft des Kapitalismus, der ± da er selbst einer seine Handlungen begründen könnenden Theorie entbehre ± sich KritikIRUPHQ]XQXW]HPDFKWXQGLQVHLQH6\VWHPDWLNDXIQLPPWÄ(UOlVVW.Uitik und Widerstand nicht einfach an sich abprallen, wie man lange versucht war zu glauben, sondern öffnet sich ihr, assimiliert und akkommodiert [...] die aufgesogenen Wissensbestände und Erfahrungswerte, nimmt deren Aufschlüsse in sein Programm auf, wird klüger und reflexiver, schreitet fort, steigert seine Effizienz, stärkt sich und wird dabei immer unausweichlicher.³146

143 144 145 146

160

Ebd., S. 269 f. Sennett (1998), S. 79 f. Ebd., S. 31. Franz Schultheis: Reflexive Gesellschaftskritik: von der Identitätskrise zur historischen Selbstverortung, in: Boltanski/Chiapello (2006), S. iii.

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So kann die Subjektivierung von Individualität und Arbeit als direkte Einflussnahme ökonomischer Interessensmacht verstanden werden. Sie bestimmt auch die Arbeitsteilung und wird identisch damit, selbst für ein Anschlussprojekt oder die Organisation der Arbeit zu sorgen. Die projektbasierte Polis bietet die Voraussetzungen dafür, weil die fragmentierte Anpassung an diese Bedingungen in Form einer professionellen Selbstorganisation als neuer Funktionsmechanismus der Arbeitsökonomie verstanden werden kann. Sie ist in der Lage, den Diskurs der Freiheit in Herrschaftsdispositive umzuwandeln, und plausibilisiert die PaUDGR[LH ÄGDVV DXVJHUHFKQHW GLH $QHUNHQQXQJ GHU $UEHLWHQGHQ HLQ ELslang undenkbares Nutzbarmachen ihrer Subjektivität für Zwecke der Arbeit (Subjektivierung) ermöglichen³147 kann.

147 Manfred Moldaschl: Foucaults Brille, in: Moldaschl, Voß (2003), S. 153. 161

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Die Künstlerkritik Ist damit eine YHUELQGOLFKZHUGHQGH0RGLIL]LHUXQJGHUÄconditio humana gesetzt, wodurch der Mit-Arbeiter in der Äußerung seiner menschlichen Natur faktisch eindeutig bestimmt erscheint³148? Zumindest treten diese Veränderungen mit einem solchen Anspruch auf. Wenn das Arbeitsethos anhand subjektivistischer Eigeninteressen ausgerichtet wird, müssen diese in nicht-instrumentellen Punkten verankert werden, um als neue Interpretation menschlicher Lebensbedingung gelten zu können; in ihrer Konstitution spielen die Topoi der Künstlerkritik, die Berufung auf Autonomie und Selbstbestimmung, offenbar eine wichtige Rolle. Dass es dabei offenbar auch um das Bemühen einer kulturellen Einordnung und Normierung sich verändernder ökonomischer und sozialer Strukturen zu gehen scheint, ist ein wichtiger Aspekt, der sich in Auseinandersetzungen mit diesen Prozessen äußert. Sie verdeutlicht, dass eine Identifizierung funktionalistischer Mechanismen innerhalb der Veränderungsprozesse kein adäquates Erklärungsmuster zur Verfügung stellt, vielmehr dysfunktionale Momente zeigt, die die individuelle Konzentration auf Selbstverwirklichung und die Inkaufnahme verloren gehender Strukturen rechtfertigen und begründen sollen können. Ob dies eine suggestive Anpassung der Subjektivitätsbilder an den sozialen Wandel darstellt oder sich diese Subjektivitätsbilder nachhaltig und prägend implementieren können, ist eine noch ausstehende Frage. Dass die Vermengung aber vor sich geht und mit ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationen verknüpft ist, offenbart sich an den Maßstabsverschiebungen zur objektivistischen Selbstverwirklichung in der Arbeit und den kulturalistischen Tendenzen der Ökonomie. Damit relativiert sich allerdings die Sicherheit des Sprechens über Funktionen von Arbeit und legt nahe, die additiven Eigenschaften, die mit und in dem Veränderungsprozess an die Arbeit herangetragen werden, zu beachten. Paradox daran ist, dass diese Eigenschaften, die im Rahmen der Bedeutung der Arbeit für Selbstverwirklichung hervortreten, wieder in das Organisationssystem integriert und als Instrumente gleichsam re-funktionalisiert werden. Die Bedeutungsdimensionen von Arbeit bekommen konstitutive soziale Funktion, wenn sie als Handlungs- und Handelselement in jene Struktur ökonomischer Organisation aufgenommen wird, die Funktion und Bedeutung von Arbeit und Zweck- und Sinnstrukturen ineinander verflicht. Dieses Dilemma entspricht der diskrepanten Beziehung zwischen Kultur und Sozialstruktur, die ihre Bezugnahme aufeinander verändern: 148 Reichert (2002), S. 190. 162

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Ä0DQZLUGGDQQVHKHQGDVVKultur und soziale Struktur ± obgleich sie nur begrifflich trennbar sind ± einander in sehr verschiedener Weise integrieren können. [...] Kultur und Sozialstruktur sind daher nur verschiedene Abstraktionen der gleichen Phänomene: Die eine hat mit sozialem Handeln unter dem Aspekt seiner Bedeutung für die Handelnden zu tun, die andere mit eben diesem Handeln unter dem Gesichtspunkt seines Beitrags zum Funktionieren eines sozialen Systems.³149 Wenn aber die Paradigmata der einen denjenigen der anderen Struktur untergeordnet werden, treten Widersprüche auf, die sich besonders in einer anderen Wertung der sozialen Strukturen ausdrücken. Während eine sozialkritische Perspektive die Netzmetapher als eine Kooptation verstehen, mit der soziale Homogenisierung und entsprechende Exklusionen verbunden sind, ist die Lockerung sozialer und gesellschaftlicher Bezüge aus Perspektive der Künstlerkritik die Zurverfügungstellung von Gelegenheiten zu einer Kooperation, die dem Individuum mehr Freiraum ermöglicht. Das eröffnet die Grundlage für Arbeitsformen, die die Sozialkritik dem Künstlerischen zuordnet, das sich durch die Lösung sozialer Bindungen auszeichne.

Das Netz kooperierender Subjekte Die paradoxe Relativierung eindeutiger Funktionszuschreibungen wird in der projektbasierten Polis und der sozialräumlichen Installation der Ã1HW]ZHUNJHVHOOVFKDIWµ GHXWOLFKÄ'HU%HJULIIÃ3URMHNWµ kann ± so wie er hier gefasst wurde ± als eine Kompromissbildung zwischen Normen verstanden werden, die sich im Grunde antagonistisch zueinander verhalten: Auf der einen Seite den Erfordernissen, die sich aus der NetzKonzeption ergeben, und auf der anderen Seite den Erfordernissen, Urteile zu fällen und legitime Ordnungen zu schaffen. Auf dem nahtlosen Netz-Geflecht beschreiben die Projekte nämlich unzählige, kleine Berechnungsräume, in denen Ordnungen erzeugt und legitimiert werden können.³150 'DV.RQ]HSWÃ3URMHNWµ befindet sich im Dilemma zwischen Variabilität, Flexibilität und struktureller Unabhängigkeit und dem (äußeren) Zwang nach Rechtfertigung dieser Organisationsordnung. Die projektförmige Arbeitsorganisation schafft eigene Legitimationsstrukturen und eine sich selbst bestätigende tautologische Rechtfertigungsstruktur, die VLH SURGXNWLY ZHQGHW Ä>'@LH 1HW]-Ontologie [ist] größtenteils entstanden, um die Menschen von der RechtIHUWLJXQJVODVWHLQHUÃ=ZHL-Ebenen149 Vgl. Geertz (1999), S. 99, der sich dazu eineU³hEHUDUEHLWXQJGHU%egriff der funktionalistischen Theorie³ bedient. 150 Boltanski/Chiapello (2006), S. 151. 163

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Metaphysikµ zu befreien. [...] Gegenüber diesen zweigliedrigen GedanNHQJHELOGHQ WULWW GDV 1HW] ZLH HV EHL *LOOHV 'HOHX]H KHL‰W DOV Ã,PPanenzebeneµ auf [...]. Insofern beinhaltet dieser heterogene Begriff des Ã3URMHNWVµ, [...] [dass] auf die Reflexivitätsschleifen eines moralischen Urteils verzichtet werden [kann]³151. Diese Arbeitsformen legitimieren sich moralisch darin, dass ihre Autonomie den Gegenwert zur sozialen Sicherung bildet. Damit relativieren sich bis zu einem gewissen Grad auch Machtmechanismen, denn das individuelle Autonomieprinzip ist gleichbedeutend mit einer Selbstkontrollfunktion des Projektarbeiters: ÄVHLQH$XWRULWlWKlQJWDOOHLQYRQVHLQHU.RPSetenz ab.³152 An diesem Punkt lässt sich verdeutlichen, warum sich die in Voraussetzung und Methodik differierenden Ansätze der Gouvernementalitätsforschung Bröcklings und die diskurstheoretische HerangehensweiVH%ROWDQVNLVXQG&KLDSHOORVDQGLHÃSURMHNWEDVLHUWH3ROLVµ bzw. das ÃXnterQHKPHULVFKH 6HOEVWµ so gut ergänzen: Der eine Ansatz konzentriert sich auf die ökonomistischen Technologien der Subjektivierung, die anGHUHQIRNXVVLHUHQDXIGLH)UDJHZLHGLHÃNQVWOHUNULWLVFKHQµ SubjektchaUDNWHUHVR]LDOOHJLWLPLHUWZHUGHQÄ%HLGHEeschreiben nicht einen gesellschaftlich dominanten Sozialcharakter, sondern normative Fluchtpunkte zeitgenössischer Fremd- und Selbstmodellierung³.153 Beiden teilen die Voraussetzung, Objektivierungsprozesse unter der Entfremdungstopologie zu untersuchen. Im Verständnis der Transformationen divergieren sie jedoch: Die Gouvernementalitätstheorie untersucht Entfremdungstransformationen nach subjekttechnologischen Gesichtspunkten, also danach, welche Mechanismen auf das Subjekt wirken und welche Techniken das Subjekt selbst entwickelt, und nimmt eine entfremdete Beziehung des Subjekts zur Objektivität als gegebene Voraussetzung für jegliche Etablierung von Subjektbeziehungen, die dispositiv verstärkt werden kann. Der sozialitätslegitimatorische Ansatz Boltanskis und Chiapellos sieht dagegen Entfremdungstransformationen als Resultat gesellschaftsstrategischer Wirkungen und Gründe an. Der folgenreiche Unterschied zwischen den Ansätzen ist, dass für den Ansatz von Boltanski und Chiapello weithin ausschlaggebend ist, welche ganzheitlich sozialen Konsequenzen die Subjekttransformationen bedingen und was das für Fragen von Gerechtigkeit, Gleichheit und Soziabilität bedeutet; die Gouvernementalitätsanalyse bleibt auf die Objektivierung des Subjekts fokussiert und stellt Fragen danach, welche

151 Ebd., S. 151 f. 152 Ebd., S. 171. 153 Bröckling (2007), S. 266. 164

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Auswirkungen welcher Machtverschiebungen das Subjekt zu tragen hat. Damit erhält das Subjekt der Arbeit die Ambivalenz, die Foucault ihm zugeschrieben hat: Das Subjekt wird zum Objekt der Macht der Arbeitsorganisation dadurch, dass es von ihm und seinen RationalisierungsökoQRPLHQ DEKlQJLJ XQG LKP LP Ä:HFKVHOVSLHO JHJHQVlW]OLFKHU 6WUDWegien³154 unterworfen ist. Da das Subjekt zum sozialen Prototypus deklariert wird, ist jenes das Exempel einer fragmentierten, vernetzten GesellVFKDIWÃ'LH Subjektivitätµ partikularisiert sich in die Masse der sich subjektivierend objektivierenden Subjekte und übernimmt selbst Anteil an der aktiv-passiv-interaktiven Funktionsbindung der Arbeit: Die Durchsetzungskraft der eigenen Subjektivität ist darin gewährleistet, dass sich die Bindungen multiplizieren. Diese Quantität wird zur Qualität umfunktioniert, die nicht durch die Dauerhaftigkeit, sondern durch Replizierbarkeit aufrechterhalten wird. Wo das Subjekt nun nur partikularistisch auftritt, ist auch nur partielle Anerkennung zu erwarten; das Defizit muss durch Intensität kompensiert werden. Die Selbstbezüglichkeit wird also dadurch soziabel, dass man die Pole vervielfältigt, von denen Anerkennung erwarWHWHUKRIIWHUKDOWHQ ZHUGHQ NDQQ Ä'HU Ã:Hrtigkeitsträger der projektbasierten Polisµ und damit zugleich das dominante gesellschaftliche Leitbild ist ein Balancekünstler und Flexibilitätsvirtuose.³155 Die sich in immer kürzer werdenden Abständen zeigenden Paradoxien an der Projektwelt der selbstverantworteten und dadurch ihren Beitrag zur Unterwerfung leistenden Arbeitssubjekte findet ein Äquivalent zu den beiden LP ÃQHXHQ NDSLWDOLVWLVFKHQ *HLVWµ verloren gegangenen Sozialitätspostulaten von Anerkennung und Solidarität und fördert noch ökonomisierbare Werte zutaJHÄ.RRSHUDWion und Konkurrenz schließen in der projektbasierten Polis einander nicht aus, sondern verhalten sich komplementär zueinander.³156 Kooperation ist die auf Interessenausgleich ausgerichtete Form der Beziehung zweier (oder mehrerer) sich nur im Handelsinteresse voneinander abhängig und gerade darin als selbstständig verstehenden Parteien, in der das eigene Interesse an einem dritten Element die Beziehungsstrukturen vorgibt. Arbeit ist zwar wesentlich auf Bezugnahme gegründet, und die steigende Masse an Beziehungen erhöht nicht nur das soziale, sondern auch das ökonomische Kapital, indem ein Beziehungsnetzwerk immer auch aus potentiellen Kooperationspartnern besteht. Jener der Arbeit unter I attestierte, wesentliche Charakter der Repetitivität überträgt sich auf die

154 Foucault (2005), S. 243. 155 Bröckling (2007), S. 263. 156 Ebd. S. 265. 165

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soziale Bindung, die vormals den Ausgleich zur erzwungenen Wiederholung leisten sollte. Die Arbeitsorganisation stellt die Beziehungen selbst her, weil sie auf der Doppelung der Bedürfnisse ± ökonomischer und sozialer ± beruht, und findet Ausdruck in der projektbasierten Polis, in der das Arbeitssubjekt als ökonomischer Akteur sowohl ein subjektiviertes als auch objektiviertes Subjekt ist ± DOVÄGHUHLQ]LJHQ,QVWDQ]GLH in einer komplexen, unsicheren und veränderbaren Welt über eine gewisse Dauerhaftigkeit verfügt³, die es darin aufrechterhält, dass es sie SHUSHWXLHUHQPXVVÄ-HGHULVWQXUGHVZHJHQHUVHOEVWZHLOHUGDV%H]Lehungsgeflecht bündelt, das ihn darstellt.³157 Der Sinn, der einer repetitiven Arbeit darin zugeschrieben werden konnte, weil sie soziale Bezugnahme unter dem Topos solidarischer Anerkennung der Arbeitsleistungen ermöglichte, ist nicht mehr durch Kontinuität gewährleistet, sondern muss mit jedem neuen Arbeitsprojekt jedes Mal neu hergestellt werden. Subjektivität definiert sich nach dieser Lesart durch ihre Fähigkeit zu Bezugnahme, Kontaktknüpfung, soziale Bindung, durch die permanent neue Wiederherstellung von Objektbeziehungen. Dabei ist das eine Subjekt auf das andere nur als Objekt der eigenen Interessen bezogen. Kooperation basiert auf der ihr zugrundeliegenden Konkurrenz. Die Sozialbeziehungen sind von vornherein ökonomisch determiniert. Das SubMHNWLVWHLQVLFKVHOEVWWHFKQLVLHUHQGHU7DXVFKZHUWÄ'LHVH%etonung des Einzelnen als eines aktiven Agenten, der sich selbst durch Kapitalisierung der eigenen Existenz ökonomisch steuert, geht einher mit einem Arsenal neuer Begriffe und Techniken, mit denen er an seinem Arbeitsplatz dazu gebracht werden soll, seine beruflichen Fertigkeiten, Fähigkeiten und seine unternehmerischen Tugenden zu steigern.³158 Demnach JHKWHVQLFKWPHKUXPÄ$UEHLW>@DOVJHVHOlschaftliche Pflicht³.159 Auf diese Weise betrachtet ist es erstaunlich (und in dieser Logik paradox), dass Selbstverwirklichung über Kooperation möglich sein soll.

Emanzipation des Subjekts (in) der Arbeit Nun gibt es Subjektauffassungen, die einen anderen Blick auf das Modell der kooperativen sozioökonomischen Bezugnahme werfen. Sie basieren auf einem affirmativen Begründungsansatz von Subjektivität, der nicht die Möglichkeit entfremdeter und entfremdender Objektivierung leugnet, Subjektivität aber nicht prinzipiell als Objekt der Objektivierung, sondern auch als Subjekt der Objektivierung ± und als Objekt der

157 Boltanski/Chiapello (2006), S. 172. 158 Nicolas Rose: Tod des Sozialen?, in: Bröckling et al. (2000), S. 93. 159 Ebd. 166

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Subjektivierung ± betrachtet. Diese Position repräsentiert nach der Klassifizierung von Boltanski und Chiapello die Künstlerkritik und kann als Ansatz der Wiederbelebung des Emanzipationsgedankens des Subjekts in der Arbeit betrachtet werden. Das Modell behauptet nach Boltanski und Chiapello die Überwindbarkeit der Transformationsprobleme und seinen emanzipatorischen Gedanken darin, dass jegliche Strukturen, die das Subjekt einschränken, als antiemanzipatorisch fixiert werden. Das sozialkritische Ideal der Solidarität wird als Einschränkung individueller Wahl- und Handlungsfreiheit aufgefasst, in deren Realisierung die Sinnhaftigkeit sozioökonomischer Gestaltung liegt. Sein dichotomischer Charakter zeigt sich darin, dass er die Legitimität der anderen Seite leugnet und sich im Willen, diese wiederum transformatorisch zu überwinden, als gegensätzliche Alternative konstituiert. Als transitorisches Konzept der Emanzipation bezeichne ich es deshalb, weil sein Verweis auf objektive Gründe für die notwendige Emanzipation doch die Möglichkeit eröffnet, seine dichotomische Abhängigkeit sowohl von ihrem als Gegensatz identifizierten Anderen als auch von der strukturellen Methodik der Dichotomie zu zeigen, und damit andeutet, die eigene Position dichotomisch reflektieren zu können.160 Aus dieser Perspektive stellt die künstlerkritische Position Mechanismen zu einer Vollendung subjektivierender Marktorganisation zur 9HUIJXQJZHLOVLHDXI0D[LPHQEHUXKWGLH]XHLQHUÄYHUlQGHUWHQ(Lnstellung zur Arbeit³161 IKUWGLHÃ%HUXIVPRUDOµ GXUFKÃ$UEHLWVHWKLNµ ersetzt und arbeitende Aktivität damit zu einer grenzlosen Haltung macht, ÄRKQHGDVV]ZLVFKHQHLQHUSHUV|QOLFKHQRGHUJDUVSLHOHULVFKHQ$NWLYLWlW und einer Berufstätigkeit sorgsam unterschieden würde.³162 Arbeit wird zur Sinnrealisierung und zur Selbstverwirklichung, der die Gesellschaft keine adäquate Alternative zu bieten hat; der Sinn, d. h. die Legitimierung der Arbeit liegt nicht mehr im Sozialen, sondern in der Arbeit bzw. im arbeitenden Subjekt und seinem Selbstbild. Diese Arbeitsauffassung unterscheidet sich erheblich von der des Berufs: Der Ã%HUXI¶ impliziert noch die klare Trennung unterschiedlicher funktionaOHU7lWLJNHLWHQXQGEHGLQJWHLQHÃ0RUDO¶, die sich aus dem Bild des BeUXIHV HUJLEW XQG HLQH DXI *HPHLQVFKDIW JHULFKWHWH Ã%HUXIVHKUH¶ kodifi160 ,FK VWLPPH GDEHL /DFODXV $QDO\VH ]X ³GDVV HV GLH NRQWUDGLNWRULVFKHQ Seiten selbst sind, die ihre wechselseitige Gegenwart und zugleich ihren wechselseitigen Ausschluss verlangen: Jede ist zugleich die Bedingung der Möglichkeit und die Bedingung der Unmöglichkeit der anderen.³, in: Ernesto Laclau: Jenseits von Emanzipation, in: Laclau (2002), S. 31. 161 Boltanski/Chiapello (2006), S. 208. 162 Ebd., S. 209. 167

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ziert. Sozial-moralische Grundsätze werden auf den Beruf übertragen. 'LH Ã$UEHLWVHWKLNµ argumentiert umgekehrt: Sie erhebt den universalen Anspruch, über den Bereich der Arbeit hinaus zu gelten ± und exemplifiziert damit, dass Arbeit zu einer bereichslosen Tätigkeit geworden ist nicht mehr auf bestimmte Räume oder Zeiten beschränkt, sondern potenWLHOOLPPHU'LHÃ(WKLNGHU$UEHLWµ kann so als Genitivus subjectivus und objectivus wirksam werden, weil sie Verhaltenscodices in der Arbeit benennt und deren Gültigkeit auf alle anderen, ohnehin nicht mehr von ihnen abgrenzbare Bereiche beansprucht. Behaupten wir das Zutreffen dieser Bestimmungen, so bestimmt sich das Tätigkeitsparadigma der Künstlerkritik als eine reziproke Dynamik einer subjektivierenden Objektivierung. Die Selbsttätigkeit der Objektivierung erlaubt die immer wieder und erneut mögliche Einschreibung der Subjektivität in die Objektivierungsprozesse nicht nur, sondern fordert sie. Die Künstlerkritik agiert demzufolge mit Prinzipien, die deshalb einfacher kapitalistischer Vereinnahmung anheimfallen können als diejenigen der Sozialkritik, weil sie auf eine Selbstständigkeit des Subjekts rekurrieren, die der kapitalistischen Organisation die Übernahme bestimmter Verantwortungsstrukturen abQLPPW Ä:LH XQV scheint, reagiert demnach das Neomanagement163 allem Anschein nach auf die beiden Bedürfnisse nach Authentizität und Freiheit, die historisch gePHLQVDPYRQGHUVRJHQDQQWHQÃ.QVWOHUNULWLNµ getragen wurden, und vernachlässigt demgegenüber die traGLWLRQHOO LQ GHU Ã6R]LDONULWLNµ verbundenen Problemfelder des Egoismus und der Ungleichheiten.³164 (QWVSUHFKHQGGHUGHP.DSLWDOLVPXVHLJHQHQ(LJHQVFKDIWÄDXIJUXQG seiner normativen Unbestimmtheit³165 keine eigenen Theoreme produzieren zu können, macht er sich solche an ihn in Kritikform herangetragenen Werte zu eigen, die von der Künstlerkritik formuliert werden: Ä$XWRQRPLH 6SRQWDQHLWlW 0RELOLWlW 'LVSRQLELOLWlW .UHDWLYLWlW 3OXUikompetenz³166 HWF ZHUGHQ ]X GHQ ÃVRIW VNLOOVµ des idealen ArbeitnehPHUVGHVQHXHQ*HLVWHVGHV.DSLWDOLVPXVÄ'DULQOlVVWVLFKXQVFKZer ein Echo der antiautoritären Kritik und der Autonomiewünsche erkennen,

163 Mit Neomanagement ist das New Public Management als repräsentative Form der Arbeitsorganisation der 1990er Jahre bezeichnet, an dem ihre Transformationen besonders deutlich werden. Grundlegend ist die These, dass der Kapitalismus einer eigenen Rechtfertigungsordnung entbehrt, was ihn dazu zwingt, andere Theoreme aufzugreifen und für seine Zwecke und Legitimation seiner Organisationsweisen nutzbar zu machen. Vgl. Boltanski/Chiapello (2006), S. 256 ff. 164 Ebd., S. 143. 165 Ebd., S. 68. 166 Ebd., S. 143. 168

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denen Ende der 60er und in den 70er Jahren mit Nachdruck Ausdruck verliehen wurde.³167 Diese an der Charakterisierung Boltanskis und Chiapellos vorgenommene Darstellung der künstlerkritischen Arbeitsorganisationsweise ist nahezu deckungsgleich mit jenen transformierten ArbeitsanforderunJHQGLHGHPÃQHXHQNDSLWDOLVWLVFKHQ*HLVWµ unterliegen. Es scheint nicht zu einer falschen Klassifizierung der auktorialen Position Boltanskis und Chiapellos beizutragen, wenn ihre Positionierung in dem Schema Künstlerkritik ± Sozialkritik auf der Seite der Sozialkritik verortet wird. Begründeter Anlass für diese Einschätzung findet sich in der dichotomischen Schematisierung von Sozial- und Künstlerkritik und darin, dass zwar beide Kritikformen Theoreme und Paradigmata zur Verfügung stellen, die vom Kapitalismus adaptiert werden. Allerdings scheint die Strategie beider Kritiken grundlegend divergent: Die Sozialkritik wird mit ihren Maximen der Gleichheit und Gerechtigkeit als ein grundlegendes Widerstandsmoment des Kapitalismus bestimmt, so dass deren Forderungen nur vom Kapitalismus adaptiert werden können, weil die Intensität des Widerstandes zu groß ist, als dass der Kapitalismus sie zur Sicherung seiner Entwicklungslogik abwehren könnte. Die Übernahme sozialkritischer Forderungen in die kapitalistische Ökonomieorganisation liegt nicht unwesentlich auch in der Unmöglichkeit, sich gegen majoritäre Forderungen zur Wehr setzen zu können. So wird die Entstehung des zweiten kapitalistischen Geistes ± die wohlfahrtsstaatliche Organisation sozialmarktwirtschaftlicher Prägung ± DOV(UJHEQLVGHVÄ)RUtschritts des gesellschaftlichen Wohles³ YHUVWDQGHQGDVGXUFKGHQÄ.Rntakt mit der Sozialkritik entstanden³ LVWÄdie den Egoismus der Partikularinteressen und die Arbeiterausbeutung brandmarkte. Er hatte sich ganz im Sinne der Moderne für integrierte und durchorganisierte Organisationen begeistert, die sich um soziale Gerechtigkeit sorgten. Im Kontakt mit der Sozialkritik entstanden, hat er gleichzeitig den Kompromiss zwischen bürgerschaftlichen Kollektivwerten und industriewirtschaftlichen Erfordernissen angeregt, der die Grundlage für den Wohlfahrtsstaat bildet.³ Die Aufnahme sozialkritischer Maximen förderte gesamtgesellschaftlich bessere Arbeitsorganisation und zeitigte sozialitätsfördernden Interessensausgleich zwischen Sozialkritik und Kapitalismus. Demgegenüber definiere die Künstlerkritik ihre Kritik über subjektivistische Ablehnung und nicht über gesamtgesellschaftlich aktiven Widerstand gegen kapitalistische Organisation und stellte damit dem dritten Geist des Kapitalismus Theoreme zur Verfügung, die zu einer SubjektiYLHUXQJ GHU $UEHLWVRUJDQLVDWLRQ IKUHQ Ä,P *HJHQVDW] GD]X 167 Ebd. 169

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geht der neue Geist des Kapitalismus auf Abstand zum Sozialkapitalismus unter staatlicher Planung und Kontrolle, der als veraltet, beengt und beengend betrachtet wird, und stützt sich vielmehr auf die Künstlerkritik (Authentizität und Kreativität). [...] Der neue Geist wendet sich ab von den Sozialforderungen [...] und öffnet sich gegenüber einer Kritik [sc. der Künstlerkritik, SK], die die Mechanisierung der Welt und die Zerstörung von Lebensformen denunziert, die der Ausschöpfung der eigentlich menschlichen Potenziale und insbesondere der Kreativität förderlich sind. [...] Er beinhaltet das Thema der Emanzipation und des freien Zusammenschlusses von Kreativen, die eine gemeinsame Passion verbinden und die sich gleichberechtigt zusammenfinden, um ein gemeinsames Projekt zu verfolgen.³ Die Künstlerkritik scheint der kontraindikative HelfersKHOIHU XQG Ã7KLQN 7DQNµ der Kapitalismusformation zu sein, die die projekthafte Partikularisierung und Fragmentierung der Gesellschaft ]XJXQVWHQ HLJHQHU 1XW]XQJV]ZHFNH ]XP =LHO KDW Ä'DGXUFK GDVV GHU neue Geist diese Forderungen für eine Beschreibung einer neuartigen, emanzipierten, ja sogar libertären Art der Profitmaximierung nutzbar macht, durch die man angeblich auch sich selbst verwirklichen und seine persönlichsten Wünsche erfüllen könne, konnte er in der Frühphase seines Entstehens als eine Überwindung des Kapitalismus, damit aber auch als eine Überwindung des Antikapitalismus verstanden werden.³168 Dieser Entwicklung liegt also auch eine Transformation der Dichotomien zugrunde, die die ökonomische Organisation und ihre Kritik charakterisiert und sich nicht mehr mit der Oppositionierung diskrepanter Positionen zufrieden gibt. Andererseits intensiviert die Konzentration auf individuell-subjektzentrierte Werte die Dichotomisierung beider Kritikformen und aktualisiert das alte Dilemma einer Sinnsehnsucht in der Arbeit trotz ihres Zweckcharakters ± oder gar durch ihn. Übertragen auf die Ausrichtung der Arbeitsorganisation nach instrumentalisierten Maßstäben der Künstlerkritik oder nach Maßstäben der Sozialkritik, lautete die dilemmatische Frage, ob zwischen Funktion und Bedeutung von Arbeit noch unterschieden oder diese Differenz verwischt und tendenziell identifiziert wird. Es ist mit der Frage parallelisierbar, wie die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie im Vergleich zum anthropologischen Diskurs in den Ökonomischphilosophischen Manuskripten umgewichtet ist und damit die Bestimmung der Subjektivität umformuliert. Ist noch eine Weise der anthropologischen Anbindung des Subjekts möglich oder nur noch eine ökonomische? Ist das Subjekt noch Träger von Subjektwerten oder nur noch Träger von Kapitalwerten? Und wenn er nur noch Träger von Kapital168 Alle Zitate Boltanski/Chiapello (2006), S. 256 f. 170

FORDERUNGEN DER KRITIK

werten ist: sind dann die Subjektwerte in die Konstitution der Kapitalwerte eingegangen oder werden sie miteinander LGHQWLIL]LHUW"Ä'DV]HQtrale Paar in den Manuskripten war das Paar Subjekt/Gegenstand (oder Person/Sache). Die Verhältnisse, die die ökonomische Wirklichkeit definierten, hielten sich in der durch das Paar Subjekt/Gegenstand bestimmten Sphäre: Einwirkung des Subjekts auf den Gegenstand, Verkehrung des Verhältnisses Subjekt/Gegenstand, Sicherkennen des Subjekts im Gegenstand. Im Kapital ist es die Exzentrizitätsposition der Produktionsverhältnisse, welche die Stelle des Subjekts und des Gegenstands bestimmt. Das Paar Subjekt/Gegenstand ist nicht länger die Matrix, die die Konstitution des Feldes der ökonomischen Wirklichkeit bestimmt. Das Subjekt ist nur der Träger der Produktionsverhältnisse, die konstitutiv sind für die ökonomische Gegenständlichkeit.³169 Dass das Arbeitssubjekt innerhalb der ökonomischen Realität funktional bestimmt ist, macht es schwierig, innerhalb einer solchen Wirklichkeit mit Entfremdungstopologien argumentieren zu können. Denn dann stellt sich die Frage, ob man die Verdinglichung des Subjekts im entfremdeten Arbeit-Kapital-Verhältnis als identisch mit der Subjektivierung des Subjekts im Objekt ansieht und darin Funktion und Bedeutung identifiziert. Paradoxerweise hat das Auswirkungen auf die diskursive Verortung beider Kritiken: Die Künstlerkritik versteht Entfremdung nicht als unabdingbare Folge oder gleichbedeutend mit Objektivierung, sondern sieht das Objekt als Bestandteil der Gestaltbarkeit durch Arbeit an. Sie setzt den Gedanken der Befreiung von Arbeit, zwar nicht durch, aber in Arbeit fort, und hat darin Ähnlichkeit zur frühmarxistisch-anthropologischen Bestimmung von Arbeit. Die Sozialkritik dagegen sieht ± in Übernahme der ökonomietheoretischen marxistischen Position ± in den kapitalistischen sozioökonomischen Zuständen die Ursache für die Verhinderung einer Befreiung von Arbeit durch und in Arbeit, weshalb eine solche nur durch Egalisierung möglich werden können soll ± GLH$OWHUQDWLYHÃ$XWRQRPLHRGHU*HUHFhtigkeit¶ würde zugunsten des ausgeschlossenen Dritten, der Gleichheit, entschieden werden. Was aber, wenn die Ideale der Künstlerkritik in die von der Sozialkritik benannten Strukturen der ökonomischen Organisation implementiert werden? Wenn Flexibilisierung und Selbstverwirklichung die Sollbruchstelle zwischen Sozial- und Künstlerkritik bilden, weisen beide Kritikformen Paradoxien auf: Die Sozialkritik darin, dass sie ihre Argumentation iteriert, indem sie einerseits im dichotomischen Schema der sich transformierenden Arbeitsverhältnisse verhaftet bleibt, andererseits 169 Rancière (1972), S. 80. 171

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dagegen darin ihre Legitimität begründet und der prozessorientierten Iterativität der kapitalistischen Subjektivierung eine gegensätzliche Objektivierung entgegensetzt; wir hatten gesehen, dass diesem Dilemma postulativ und/oder durch Überwindung zu entkommen versucht wird. Die Künstlerkritik wiederum weist darin paradoxe Argumentationsmomente auf, dass sie den Widerspruch dadurch bewältigen will, dass sie ihn leugnet und ± mit der spätidealistischen Haltung des frühen Marx der Ökonomisch-philosophischen Manuskripte verglichen ± eine Befreiung der Arbeit in der Arbeit postuliert und so wesentlich ein paradoxes, dabei aber widersprüchliches, weil kausalistisch rationalisierendes Sinnparadigma entwirft. Damit bietet sie der kapitalistischen Organisation Adaptionsmöglichkeiten ± und der Kritik der Künstlerkritik die Angriffsfläche, die BolWDQVNLXQG&KLDSHOORIRUPXOLHUHQÄ'DGXUFKGDVV>@PDQDQJHEOLFK auch sich selbst verwirklichen und seine persönlichsten Wünsche erfüllen könne, [...] beinhaltet [er] das Thema der Emanzipation³170. Die Kritik an der Künstlerkritik kann dies zum Anlass nehmen, zu behaupten, dass dies bloße Subjektivierung ± und das heißt: Objektivierung des Subjekts ± von und in der Arbeit bewirke. Nun ist damit aber nicht der gesamte Charakter der Künstlerkritik, der unter den Paradigmata von Emanzipation, Selbstverwirklichung und Authentizität läuft, erfasst, sondern nur der Punkt dargestellt, an dem der kapitalistische Geist andocken kann. Damit die Künstlerkritik als Kritik an kapitalistischen Entwicklungsverhältnissen gelten kann, müssen auch künstlerkritische Forderungspunkte destillierbar sein, die an die sozioökonomische Organisation gestellt werden.

Forderung nach künstler(krit)ischer Transformation Weil nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Ausdifferenzierung der Gesellschaft mit einer Erhöhung der individuellen Autonomie und mit einem größeren Bedürfnis an Selbstbestimmung und dessen Erfüllung einhergeht, die aber nicht einfach einem damit auch als prinzipiell gültig unterstellten sozialen Avantgardecharakter der Kunst verantwortbar zu machen ist, sollte sie sich auch auf gesamtgesellschaftliche oder zumindest Bedürfnisse majoritärer Gesellschaftsteile zurückführen lassen. 'LHVH %HGUIQLVVH UHNXUULHUHQ GDEHL ]ZDU DXI GLH ÃNQVWOHUNULWischenµ Ideale der Autonomie und der Authentizität. Wenn diese aber nur in ihrer subjektivistischen Konnotationsbedeutung gelesen werden, wird der Anspruch des Individuums auf eine ihm adäquate Subjektivitätsform 170 Boltanski/Chiapello (2006), S. 257. 172

FORDERUNGEN DER KRITIK

vernachlässigt und damit gerade der Gemeinschaftscharakter eines Subjektanspruchs nivelliert. Zusätzlich wird das Verhältnis von Kritik und Kritisiertem erst interessant, wenn auf den ersten Blick die Grenzen zu schwimmen scheinen, sich auf den zweiten Blick aber eine komplexere und wechselseitige Bezugnahme dahinter zeigt, die offenbar mit einer anderen Abhängigkeit von Reziprozitätsverhältnissen zu tun hat. Darin können Aktion und Reaktion nicht voneinander getrennt werden, ohne entweder zu einer illegitimen Komplexitätsreduktion oder zur Inegalisierung jeweiliger Ansprüche zu führen. So ist ± als wahrscheinlich wirkreichstes Beispiel ± die weibliche Emanzipationsbewegung aus jenen Zirkeln hervorgegangen, die BolWDQVNL XQG &KLDSHOOR GHU ÄDQWLDXWRULWlUHQ .ULWLN XQG >GHQ@ $XWRQRPLewünsche[n]³171 in ihrer Hochzeit Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre zuschreiben. Aus diesen entwickelte sich der neue Geist des KapiWDOLVPXV ZHLO VLH ÄHLQHQ :DQGHO VHLQHU )XQNWLRQVZHLVH XQG VHLQHU Strukturen ausgelöst hat³LP=XJHGHVVHQÄGLH7UlJHUGHU3URWHVWEHZegung ihre Orientierung verloren und manchmal sogar mit einem Kapitalismus, den sie kurz zuvor noch bekämpfen wollten, gemeinsame Sache machten³172. Ist die Entscheidung, ob es sich bei der Kritik an Arbeitszuständen um Sozialkritik oder Künstlerkritik handelt, eine Frage der Majorität der Interessensvertretung und damit bloß eine quantitative Frage? Die FrauHQEHZHJXQJ GLH LQ GHQ OLEHUWlUHQ 5lXPHQ GHU Ã%RKème-Avantgardeµ begann und nach draußen drang, ist nicht einfach in das Kritikschema einzugliedern. Schließlich kann nicht mit gutem Gewissen behauptet werden, dass die (widerwillige) Aufnahme der Gleichberechtigung der Frau in die ökonomische Organisation nicht einem Autonomiegedanken verpflichtet ist, der keine sozialitätsverändernde und die gesamte Gesellschaft betreffende Wirkung und Berechtigung aufwiese. Darüber hinaus wurde die Widerwilligkeit der Aufnahme sowohl von den männlichen Arbeitsplatzbesitzern und ihren Vertretungen, als auch von den männlichen Arbeitsplatzvergebern geteilt. Ähnliches betrifft GLHÃ1HXHQ6R]LDOHQ%HZHJXQJHQµ ± von der Ökologiebewegung bis hin zu Attac ±, die sich gerade aus den offenbaren Insuffizienzen von nach sozialkritischen Maßstäben konzipierten (gewerkschaftlichen oder parteipolitischen) Gegen-Organisationen und damit aus einem dem Anspruch auf Selbstbestimmung verpflichteten Impetus heraus entwickelt haben und dennoch nicht zu künstlerkritischen Erfüllungsgehilfen kapitalistischer Effizienzorganisation gezählt werden kön171 Boltanski/Chiapello (2006), S. 143. 172 Ebd., S. 213. 173

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nen. Vielmehr vollziehen sie ± aus kritikdichotomischer Perspektive betrachtet ± eine autonome Quadratur des soziablen Kreises; dies allerdings mit Erfolgen, die sowohl auf gesellschaftlicher wie auf der die Gesellschaft konstituierenden, (inter-)individuellen Ebene wirken. Wenn davon ausgegangen wird, dass sich im Zuge der kapitalistischen Entwicklung eine Verschränkung sozialer und subjektiver Ideale vollzieht, verschränken sich auch die Kritiken. Dann ergeben sich auch andere Betrachtungen auf Veränderungen der Ebene von Arbeit und Produktion173, die zeigen, welche sozialen, individualitätsspezifischen und ökonomischen Auswirkungen gerade die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt haben, die durch die deshalb so erfolgreiche Kritik an sozioökonomischen Umständen erklärbar ist, weil sich Ende des 60er Jahre Künstler- und Sozialkritik zusammengetan hätten.174 Aus einer arbeiterzentrierten sozialkritischen Perspektive konnte die Integration der Frau in den Arbeitsmarkt durchaus nicht als widerspruchslos erwünscht gelten, weil damit völlig neue Konkurrenzformen um ArEHLWVSOlW]HYHUEXQGHQZDUHQ,QGHP$XIVDW]Ä$XIGHP:HJ]XU Weltausstellung: der Arbeiter, seine Frau und die Maschinen³ 175 untersuchen die Autoren Jacques Rancière und Pierre Vauday Arbeiterberichte, die aus Anlass der Londoner Weltausstellung 1862 geschrieben wurden. Sie haben die Gefährdung der bisherigen Arbeitsorganisation durch in Massen produzierbare Maschinen, sowie durch den Anspruch der Frau auf ökonomische Arbeit zum Gegenstand. Es geht um das Dilemma, auf der einen Seite nicht die der Frau in den Prinzipien von 1789 ÃJHKHLOLgtenµ Rechte abzusprechen, auf der anderen Seite aber gerade die mit den Gleichheitsrechten einhergehenden arbeitsorganisatorischen und darüber hinaus gehenden Probleme als nicht zu bewältigen anzusehen: ÄÃ:HQQHVDOso möglich, nützlich und notwendig ist, die Frauen solche Arbeit ausüben zu lassen, die ehemals von Männern verrichtet wurde, dann erfordert es die Gerechtigkeit, Billigkeit und das gesellschaftliche Interesse, dass der Arbeitslohn die Grundlage für den Frauenlohn sei, auf dass sich die Gleichheit nach oben, und nicht nach unten hin einrichte.µ Für gleiche Arbeit gleichen Lohn. Das ist kein Zugeständnis, das die Arbeiter den Frauen machen. Es entspricht der Logik ihres eigenen Interesses. Die Ungleichheit des Lohns für die gleiche Arbeit zu akzeptieren,

173 Vgl. ebd., S. 215 ff. 174 Vgl. ebd., S. 217 f. 175 Jacques Rancière, Pierre Vauday: Auf dem Weg zur Weltausstellung: der Arbeiter, seine Frau und die Maschinen, in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Heft Nr.1, Berlin 1980 [zuerst erschienen in: Les Révoltes logiques, No 1, 1975]. 174

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bedeutet, einem Vorgehen zuzustimmen, das zur allgemeinen Entwertung der Löhne führt.³176 Es sind aber noch weitere Probleme, die die Arbeiter anders gelöst sehen möchten, denn auch private Probleme gehen mit einer ökonomischen Veränderung und damit verbunden mit der Wandlung des Selbstbildes ± eines anthropologischen Problems ± ein: die Transformation der familiären Organisation und der selbstdefinierten Stellung des Arbeiters LQ GHU )DPLOLH Ä:HQQ HLQPDO GHU +aushalt derart aufgelöst ist, dann Adieu, ihr ersten Freuden der Heirat! Adieu, ihr süßen Familiengefühle! Die Kinder kommen in fremde Hände; die beiden Gatten werden sich untereinander gleichgültig; sie treffen sich nur noch, um sich auszuruhen, da sie ja ihre Mahlzeiten getrennt einnehmen müssen.³177 Was aus der Problematik der Integration der Frau in den Arbeitsmarkt deutlich wird, ist, dass die ökonomische Integration zu sozialer Egalisierung und zu einer von patriarchaler Bindung unabhängigen sozialen Sicherheit der Frau beigetragen hat. Was vor 140 Jahren problematisch war, war auch vor 40 Jahren noch problematisch, konnte aber weGHUGDPDOVQRFKLQGHQHU-DKUHQDOVÃUHLQHµ Sozialkritik legitim, allerGLQJV DXFK QLFKW DOV ÃUHLQHµ Künstlerkritik plausibel werden; es ist eine Vermengung sozial- und künstlerischer, egalitärer Autonomie- und Authentizitätsansprüche. Aufgrund veränderter Definitionen dessen, was als Majoritätsverhältnis gelten kann, erscheint es problematisch, die Kritik zu dichotomisieren, sie gespalten der Kapitalismusorganisation gegenüberzustellen und aus der Intensität der Widerstandshaltung heraus die Legitimität der Kritik abzuleiten und zu begründen. Es macht den begründeten Eindruck, als seien weder die Formen der Kritik, noch ihre Entwicklungen und Positionierungen innerhalb des sozialen Gefüges eindeutig und wesentlich über eine oppositionale Haltung gegen kapitalistische Organisation und Ökonomisierung identifizierbar. Mit auf bloßer Widersprüchlichkeit beharrender Kritikkonzeption bleiben Paradoxien und die Möglichkeiten ihrer Dynamisierung unsichtbar. Die dichotomische Kritik ermöglicht zwar Rechtfertigung, bedingt aber die kritische Auseinandersetzung der Kritik mit der Kritik und führt nicht zu einer produktiven Wendung des Kritisierten außerhalb der Kritik.

176 Zitat im Zitat aus: Rapport des mécaniciens pour outils à découper, S. 5 (T. II.), in: Ebd., S. 23. 177 Rapport des mécaniciens pour outils à découper, S. 156 (T. II.), in: Ebd. S. 28. 175

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Zw i s c h e n s t a n d Aufbauend auf den in Kapitel I gewonnenen Unterscheidungen zwischen verschiedenen Subjektverständnissen wurde im ersten Abschnitt eine Übertragung auf Modelle der Kritik an Transformationsprozessen von Arbeit vorgenommen. Dabei wurde im Anschluss an die Differenzierung von Boltanski und Chiapello die Sozialkritik als eine Position verstanden, die sich an Topoi von sozialer Anerkennung und Solidarität RULHQWLHUW 'DYRQ DXVJHKHQG ZXUGH Ã6XEMHNWLYLHUXQJµ als tatsächliche Objektivierung des Subjekts interpretiert, da jenes die dem Subjekt eigentlich zugeschriebenen Qualitäten, sich als ein vergesellschaftetes zu verstehen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen in Rücksicht auf die Gleichwertigkeit anderer zu handeln, zu relativieren genötigt und auf subjektivistische (Selbst-) Mechanismen sozialer Eigenverantwortung zu setzen gezwungen ist, um in dieser Ökonomisierung der Sozialbezüge als Subjekt bestehen zu können. Die Künstlerkritik, die sich an Topoi der Autonomie und Subjektfreiheit richtet, wurde im dichotomischen Schema als andere Seite der Kritik bestimmt, deren Paradigmata verfremdet Eingang in kapitalistische Verwertungsprozesse gefunden haben, weil es ± so wurde das Kritikschema aufgefasst ± einfacher sei, die ökonomische Organisation auf vereinzelte Zweckoptimierung auszurichten als majoritären und/oder gesamtgesellschaftlich konzipierten Vorstellungen von Lebens- und Arbeitsgestaltung zu entsprechen. Grund für die Entwicklung und Ausgestaltung sowohl der transformierten Arbeits-Formen wie ihrer Kritik ist die zur Verflechtung gewordenen Gesellschaftsstruktur, deren NetzchaUDNWHUYRQHLQHU5HODWLYLHUXQJ GHUVR]LDOHQ%LQGXQJHQ]HXJWXQGÃ6XbjektivieruQJHQµ ZLHÃ2EMHNWLYLHUXQJHQµ fördert. Es wurde festgehalten, dass sich anhand der Darstellung der Kritik und ihrer Übernahme in ökonomische Organisation eine reflexive Dichotomisierung der Verhältnissetzung von Subjekt und Objekt der Arbeit wie von Funktion und Bedeutung in der Arbeit verdeutlicht, die ± so die Hypothese ± ein anderes Subjektbild provoziert. Die Frage, ob diese Hypothese zutrifft, wurde eingeschränkt bejaht, indem auf die zunehmende Identifizierung zwischen Subjektbild und Individualitätsentwurf und so auf die zunehmende Identifizierung von Zweck- wie Funktionsund Sinn- wie Bedeutungskonzepten hingewiesen wurde. Dass es sich mit einer solch dichotomischen Darstellung und Argumentation aber um eine m. E. Simplifizierung der Vorgänge handelt, deren Verschränkung genauerer Beachtung bedarf, wurde mit der These eingeführt, dass die Künstlerkritik dem dichotomistischen Schema nicht völlig entspricht und sie vielmehr ± wie am Beispiel der Frauenbewe176

ZWISCHENSTAND

JXQJHUOlXWHUWZXUGHXQGDXFKLQ+LQVLFKWDXIGLHÃ1HXHQVR]LDOHQ%ewegungenµgelten kann ± beinahe als hybride Form der Kritik vorgestellt werden muss. Denn hieran wird die Verschränktheit von Autonomie (eiQHU ÃNQVWOHUNULWLVFKHQµ )RUGHUXQJ  XQG *OHLFKKHLW HLQHU ÃVR]LDONULWischenµ Forderungen) deutlich, die möglicherweise andere als die dichotomisch konzipierten Kritikformen ermöglicht. Dies wirft ein erstes Licht auf die eventuelle Möglichkeit, dass eine Verschränkung von Zweck und Sinn wie Funktion und Bedeutung in der Arbeit, die vorerst auf einer Implementierung des Sinnparadigmas in Funktionszusammenhänge beruhte, nicht so notwendig, wie die dichotomische Kritikdarstellung insinuiert, zu subjektivierter Entfremdung führen muss. Grundlegend für die Dichotomisierung von Sozial- und Künstlerkritik ist nicht die divergente Auffassung der Kritikformen darüber, was die Bezugsgröße sozialen Lebens sein sollte; divergent ist die Frage nach dem Wie ihres Zustandekommens: Die Sozialkritik konzentriert sich auf GLH (EHQH YRQ Ä$UEHLW XQG 3URGXNWLRQ³178 als dem entscheidenden sozialen Vermittlungsfeld, das die Funktionalität von Gesellschaft bestimmt; die KünstOHUNULWLN NRQ]HQWULHUW VLFK ÃQXUµ LQVRIHUQ DXI Ã$UEHLW und Produktionµ, als dieses Feld eine Möglichkeit zur subjektiven Bedeutungsschöpfung in der Gesellschaft öffnen kann. Wie aus den Maximen der Kritiken sichtbar wird, orientiert sich die Sozialkritik stärker an den Zweckcharakteren von Arbeit in Hinsicht auf ein funktionales Gesellschaftsmodul, die Künstlerkritik in Hinsicht auf die subjektive Bedeutung an ihren Sinnelementen oder solchen, die der Arbeit additiv zugeschrieben werden können. Die auf das Produktionsparadigma von Arbeit ausgerichtete Sichtweise hat nur das Problem, ihre Kritikform mit der Funktionsverschiebung in der Arbeit konfrontiert zu sehen, die mit den Transformationen von Arbeit vorzugehen scheint. Die auf Autonomie fokussierte Kritik hat sich damit auseinanderzusetzen, dass damit eine Instrumentalisierung der Bedeutung der Autonomie einhergeht. Bevor dies in Kapitel III behandelt wird, werden die Tendenzen der Kritik in Hinsicht auf Arbeitsgestaltung untersucht. Die paradoxe Verschränkung von Sinn- und Zweckorientierung und einer Veränderung der Paradigmatik von Funktion und Bedeutung von Arbeit ist hinsichtlich dessen interessant, welche Lösungsmodelle damit verknüpft sind, weil aus der in den Kritiken dargestellten Auffassung und Verfasstheit der Arbeitsgestaltung Schlüsse für einen Begriff von Arbeit gezogen werden können. Es wird deutlich werden, dass zwar die Verschränkung zunimmt, deshalb aber klärende Strukturierung nicht unmöglich ist.

178 Boltanski/Chiapello (2006), S. 217. 177

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Tendenzen der Kritik Wenn nun die Künstlerkritik nicht so homogen zu sein scheint, wie ihre Gegenüberstellung mit der Sozialkritik vermittelt, ist es nicht damit getan, auf ihre Heterogenität hinzuweisen und damit in gewisser Weise kontraindikativ doch der zweipoligen Schematisierung der Kritik Recht zu geben. So ist eine Diskursströmung als deren Ergänzung zu versteKHQGLHGHQ.QVWOHUDOVÃLGHDOHQ$UEHLWQHKPHUµ exemplifiziert und die eine Seite der sich tendenziell mit den arbeitsorganisatorischen Veränderungen transformierenden Kritik darstellt; dessen andere Seite stellt aber die künstlerkritische Abwehr gegen die daraus umgekehrt wachsende Zunahme einer Ökonomisierung der Kultur dar, die nicht nur zu einer Transformation der Forderungen der Künstlerkritik führen, sondern auch eine wachsende Verschränkung der Probleme und neue Sichtweisen auf und Lösungsvorschläge für die Problematik bedingt. Die beiden Seiten lassen sich als Inversion der Dichotomie von Sozial- und Künstlerkritik beschreiben. Die eine argumentiert mit einem universalen Anspruch auf Emanzipation, die sie aus der dem Anspruch selbst unterstellten Universalität von Gesellschaft ableitet; diese Haltung der Künstlerkritik besteht auf einem grundsätzlichen Antagonismus von Ökonomie und (sozia[b]ler) Subjektivität. Sie muss sich die Frage des Verhältnisses des Einzelnen und des Partikularen zum Universellen stellen, weil sie mit dem Beharren auf eiQHPXQLYHUVDOLVWLVFKHQ$QVSUXFKLQ*HIDKUJHUlWÃKHJHPRQLale Operationen¶ zu vollziehen, dDVLHGDYRQ DXVJHKW GDVVÄGDV8QLYHrselle aus einer konstitutiven Spaltung resultiert³179. Denn wenn dies der Fall ist, kann sie die Relationierung zu dem anderen konstitutiv Gespaltenen nicht leugnen. Die andere Seite argumentiert in die strukturell entgegengesetzte Richtung und behauptet die Universalisierbarkeit der Emanzipation gerade mit und durch eine partikularisierte und partikularistische Zugehörigkeit zu Gesellschaft. Gemeinsam stehen beide Ansätze vor dem Problem, dass die neuen kapitalistischen Organisationsmodelle auf funktionalisierten künstlerischen Lebens- und Arbeitsmodellen basieren. Unabhängig davon, dass HVVLFK]XPHLVWXP7\SLVLHUXQJHQGHVÃ.QVWOHUWXPVµ mit sehr traditioQDOLVWLVFKHQ9RUVWHOOXQJHQYRQÃJHQLDOHP6FK|SIHUWXP¶ und der VorstelOXQJHLQHUÃERKqPLVWLVFKHQ/HEHQVZHLVHµ handelt, wird relevant, wie die Künstlerkritik auf die Vereinnahmung von Autonomie und Selbstverwirklichung reagiert, die ± obgleich sie auf einem vormaligen Gegenbild organisierter Arbeit beruhen ± Eingang in eine von Unabhängigkeit und 179 Laclau (2002), S. 40. 178

TENDENZEN DER KRITIK

Eigenverantwortlichkeit geprägten Marktökonomie gefunden haben und Ä]XQHKPHQG DOV IRUWVFKULWWOLFKVWHU $XVGUXFN LQQRYDWLYHU 3URGXNWLRQsprozesse und Arbeitsbeziehungen beansprucht werden.³180 Die Künstlerkritik weist damit ± so die folgend erläuterte These ± genuine sozialkritische Motivationselemente auf, deren Instrumente sich aber von den Mitteln der Sozialkritik ebenso unterscheiden, wie sich Ausgestaltungen der Künstlerkritik differenzieren lassen. So muss einmal von Transformationen künstlerkritischer Arbeitsformen und ihrer Folgerungen, aber auch von einer Transformierung der Forderungen der Künstlerkritik gesprochen werden, wenn begründbar sein soll, dass sich ÃGLH .QVWOHUµ nicht als Erfüllungsgehilfen von Strukturen sehen, sondern bestimmte Strategien zu wählen scheinen, um sich neu zu positionieren und dabei gesellschaftskonstitutive Aspekte zu berücksichtigen. Es bedarf genauerer Betrachtung künstlerisch-kulturell geprägter 2UJDQLVDWLRQVIRUPHQÃQHXHQ$UEHLWHQVµ, das die sozialkritische Kritik an dieser Form der Künstlerkritik in Teilen als berechtigte begründet, in anderen Teilen aber auf einen veränderten Umgang mit künstlerkritisch adaptierten sozialkritischen Vorstellungen schließen lässt. Dies hat für die Schematisierung der Kritik(en) und für die Fassung der Transformationen von Arbeit Konsequenzen, weil der Behauptung einer Transformation des Arbeitsbegriffs die Beobachtung zugrundeliegt, dass sich Arbeit vermehrt an künstler(krit)ischen Arbeitsorganisationsweisen orientiert, die als selbstzweckhafte und mit Sinn aufgeladene Tätigkeit gelten. Die Betrachtung solcher Positionen liefert also Anhaltspunkte nicht nur für die gestalterische Konzeption, sondern auch für terminologische Konsequenzen von Arbeit.

Ökonomische Transformationen und künstlerkritische Transformierungen Um von der Transformation der Kritik zu sprechen und Beschreibungen der Transformierung der Kritik und ihrer Forderungen anzuschließen, muss die Vorgehensweise an die Kritikdichotomie anschließbar sein. Unter Transformation der Kritik wird erstens verstanden, dass der AkWHXU GHU LQWHUHVVHQJHOHLWHWH Ã%HWUHLEHUµ) der Transformationen nicht dem transformierten Feld angehört; die Veränderungen kommen von außen und werden nicht aus mit den genuinen Feldinteressen kongruierenden Motiven vorgenommen, auch wenn sich die Paradigmata mit denen des künstlerischen Feldes decken mögen.

180 Menger (2006), S. 9 f. 179

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

Damit wird zweitens betont, dass sich die Konzentration der Betrachtung auf die von den Veränderungen betroffenen Subjekte der Arbeit oder der jeweiligen Lebenswelt richtet; d. h. die arbeitenden Subjekte sind zum Teil Objekte der Veränderung, und gesellschaftsverändernde Mechanismen werden nicht von ihnen selbst vorgenommen. So wird die Transformierung der Künstlerkritik als eine auf eigenen Paradigmata beruhende (Selbst-) Veränderung der Kritikstrategien und -umsetzung. Innerhalb des Bezugssystems der Kritiken sind zwei Entwicklungsrichtungen erkennbar. Sie haben Auswirkungen auf die gesellschaftliche und ökonomische Veränderung der gesamten Beziehung ± also auf die Beteiligten der Kritikformen und derjenigen, die nicht daran beteiligt sind, aber die Auswirkungen übernehmen (müssen). So lassen sich zwei SpezifizieUXQJHQDXVGHPÃNQVWOHU NULW LVFKHQµ Topos ableiten, so dass insofern von drei Unterscheidungen der Künstlerkritik gesprochen werden kann. Dann zeigen sich:   GLH ÃSDXVFKDOHµ Künstlerkritik, die als Topos der Analyse von Boltanski und Chiapello auf die Bedeutungsebene von Arbeit bezogen ist: Sie ist kapitalistisch adaptierbar, integrierbar und transformierbar und bewirkt Funktionsstörungen der Arbeitsorganisation, weil sie nicht am Produktionsparadigma (fordistischer) Arbeit ausgerichtet war ± was zugleich den Grund für den sozialkritischen Vorwurf der sozialen Zergliederung darstellt. Sie wird auf eine kapitalistisch (und m. E. sozialkritisch) typisierte Vorstellung von Künstlertum reduziert und ihrer eigentlichen Nichtintegrierbarkeit entledigt wird. Die Frage, ob sie selbst auf eine Integration in die Arbeitsorganisation abhebt, scheint auf die Frage zu verweisen, ob eine solche Form der Künstlerkritik tatsächlich außerhalb der Managementratgeber existiert und nicht deshalb den neuen Geist des Kapitalismus repräsentiert, weil er von letzterem in typisierender Rezeption geschaffen wurde.  GLHÃUDGLNDOHµ Künstlerkritik, die nicht nur den externen Adaptionsformen durch den Kapitalismus kritisch gegenübersteht, sondern diese Kritik auch auf das ihr eigene Feld als eine Kritik an der Ökonomisierung der Kultur formuliert. Deshalb stimmt sie grosso modo mit der Paradigmatik der Sozialkritik überein. Sie ist ihr darin verwandt, dass sie die zunehmenden Verungleichungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen des transformativen Kapitalismus kritisiert; sie begründet dies aber mit dem künstler(krit)ischen Topos der Emanzipation und in Rekurs auf den Topos der Subjektautonomie. Sie formuliert ein Moment des Widerstands, der auf die Unvereinbarkeit von Ökonomie und Gesellschaft abKHEW 'LHVH 8QYHUHLQEDUNHLW EH]LHKW GLH ÃUDGLNDOHµ Künstlerkritik gleichwohl auf künstlerkritische Forderungen der Autonomie, die mit dem sozial universalistischen Anspruch des Emanzipationscharakters 180

TENDENZEN DER KRITIK

des Subjekts in Ökonomie und Lebenswelt begründet werden. Damit schafft sie zwar selbstbezügliche Legimitationsgrundlagen ihrer Kritik, produziert aber Widersprüche, weil sie dadurch eine eigene Abhängigkeit vom Ungewollten schafft, indem sie ihren Befreiungsdiskurs iteriert und in tendenziell partikularistischen Forderungen resultiert.  GLHÃDGDSWLYHµ Künstlerkritik, die eine transformative, aber affirmative autonome Arbeits- und Lebensgestaltung fordert. Hier steht in Frage, ob ihre Forderungen der Widersprüchlichkeit nicht entkommen, weil ihr partikularistischer Impetus nur in der universalisierenden Lösung der transformatorischen Probleme bestehen kann. Es wird fraglich, ob sie nicht in scheinbar vorauseilendem Gehorsam in typologisierten Adaptionen von künstlerischer Arbeit Zweckstrukturen integriert hat, die sie als charmanten Rebellen kapitalistischer Arbeit erscheinen lässt, weil sie aus subjektiven Prinzipien subjektivistische Mechanismen und aus individuellen Handlungsbedingungen individualistische Handlungsstrategien macht. Damit stellt sie zwar einerseits ein adäquates Untersuchungs- und Urteilsobjekt der Sozialkritik dar; andererseits weist gerade ihre pragmatische Hinwendung zur Lösung ökonomischer Probleme darauf hin, dass es ihr um eine soziale Begründung neuer Subjektivitätsentwürfe geht. Sie fordert die Sozialisierung subjektiver Paradigmata und setzt sich eine hoch individualisierte Lebensweise zum Ziel, die künstlerische Klischees anscheinend fast widerspruchslos und absichtsvoll mit ökonomischen Mechanismen zu versöhnen in der Lage ist. Ihr Impetus besteht darin, keinen Widerspruch zwischen sozialkritischen Forderungen und subjektivistischen Begründungen zu behaupten. Sie widerspricht sich ± wie zu sehen sein wird ± darin doch, weil ihre partikularistischen Forderungen nur realisierbar sind, wenn sie tendenziell total sind, also universalistische Geltung beanspruchen. Zur Rückbindung an die Frage nach einem Arbeitsbegriff der Transformationen ist eine ± wenn auch latent ± strukturell paradoxe Verbindung der Kritikformen angemessen, und so haben sich alle Künstlerkritiken damit auseinanderzusetzen, dass dHU ÃQHXH NDSLWDOLVWLVFKH *HLVWµ künstlerische Typologien zur Legitimierung organisationaler UmstruktuULHUXQJHQYHUZHQGHWGLHÄDOVHLQ>@DPRUDOLVFKH>U@3UR]HVVXQEHVFKUlQkter Anhäufung von Kapital durch Mittel, die formell friedlich sind³181, verstanden werden.

181 Luc Boltanski, Ève Chiapello: Die Arbeit der Kritik und der normative Wandel, in: von Osten (2003), S. 57. Diese Definition kann wohl eine Marxistisch-Weberianische genannt werden. Etwas pragmatischer und weniger konfrontativ als die explizite Betonung der Amoralität des kapitalistischen Prozesses ließe sich formulieren, dass es einfachere Möglich181

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Das erklärt zwar den adaptiven Mechanismus des Kapitalismus, sich Formen und Strukturen anzueignen, die er nicht aus sich selbst heraus produzieren kann; wenn sich aber nun der Kapitalismus Teile der Vorstellungs- und Praxiswelt des Künstlertums aneignet, muss er diese ihrer moralischen Implikationen entkleiden, sofern die Amoralität des Kapitalismus für sein Funktionieren konstitutiv ist. Denn, wie oben und in Kapitel I erläutert, zeichnet sich die Begründung moralischen Handelns gerade dadurch aus, dass das moralische Handeln keine anderen Zwecke als das moralische Handeln selbst hat; und das trifft nicht als Urteil über NDSLWDOLVWLVFKHV 0DUNWKDQGHOQ ]X GHQQ ÄHV >VF GHU NDSLWDOLstische Prozess, SK] ist die ständig wiederholte Einspeisung von Kapital in den wirtschaftlichen Kreislauf mit dem Ziel, daraus Profit zu ziehen.³182 Gerade mit der unterstellten strukturellen Moralfreiheit des Markthandelns plausibilisiert sich das Bedürfnis nach einer internalisierbaren Legitimation der kapitalistischen Ökonomieorganisation. Wenn nun der Kapitalismus Modelle etabliert, die dem Typus des Künstlers als Verkörperung des selbstständigen, eigenmotivierten, flexiblen, sich selbst verwirklichenden etc. Arbeitenden entnommen sind, geht dies mit einer Instrumentalisierung der Handlungsstrukturen und einer Homogenisierung des Bildtypus des Künstlers einher. ,Q ÄGHU *Hstalt des fantasievollen, mobilen, hierarchiefeindlichen, sich selbst motivierenden Arbeiters, der sich in einem ungewissen Wirtschaftskontext bewegt und stärker den Risiken der interindividuellen Konkurrenz und den neuen Unsicherheiten der Karriereplanung ausgesetzt ist, ähnelt zwar der Künstler in den gegenwärtigen vorherrschenden Vorstellungen eher einem möglichen Idealbild des Arbeitnehmers in Zukunft³183, aber kaum dem Bild, das diejenigen Künstler repräsentieren, die nicht Auktionshäuser sprengen, weil sie den Kunstmarkt unterlaufen, sondern eher dem armen Poeten Spitzwegs. Ebenso, wie dies ein Klischeebild ist, ist das des erfolgreich alle Abhängigkeiten und Beziehungen selbst bestimmenden Künstlers eine singularisierte Typologie. Sie mag zwar den kapitalistischen Absichtsvorstellungen entsprechen; sie macht aber auch deutlich, dass es sich bereits bei der Stilisierung des Künstlers als Vorbild eher um eine kapitalistische Strategie als um eine kapitalistisch adaptierbare Realität handelt. 'HQQGHPÄ.QVWOHU>@PLWDOOVHLQHQ$PELYDOHQ]HQ>DOV@HLQP|gliches Ideal einer qualifizierten Arbeit mit hohem Mehrwertfaktor³184 keiten gibt, moralisch zu handeln, als zu versuchen, solches in ökonomischen Interessensstrukturen zu realisieren. 182 Boltanski/Chiapello (2003), S. 57. 183 Menger (2006), S. 10. 184 Ebd. 182

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PVVHQHEHQMHQHÃ$PELYDOHQ]HQµ entzogen werden, um ihn funktionell LQ GLH $PRUWLVLHUXQJVPDVFKLQH GHV ÄDXI VWlQGLJ ZLHGHUKROWH (LQVSHisung³185 angewiesenen ökonomischen Systems zu machen. Das Bild des adaptiven Künstlerarbeiters ist eine Aneignung, die deshalb funktioniert, weil sie Assoziationsmöglichkeiten öffnet, die Typiken an sich haben. Der nächste Schritt zur Funktionalisierbarkeit des Künstlers als Idealtypus neomanagerialen Arbeitens bedarf der Trennung von Mechanismen, die dem Idealbild widersprechen. Diesbezüglich ist die Künstlerideologie der kapitalistischen Arbeitsorganisation hoch komplex ± aber auch nur diesbezüglich; denn wie an den Untersuchungen flexibilisierter Arbeitsformen deutlich wird, bleibt von den positiv konnotierten Aspekten eines künstlerisch orientierten Arbeitstypus außer der bloßen Hülle einer authentischen und Selbstverwirklichung ermöglichenden Tätigkeit in Form von Projektarbeit, dem Fehlen sozialer Sicherungen und sich nicht z. B. an Tariflöhnen orientierender Bezahlung nicht viel übrig186 ± unabhängig davon, was der Künstler an Authentizität paradigmatisch verkörpert. Wie ihre Nutzbarmachung ist diese Paradigmatik auf Realitätsreduktion angewiesen. So muss es der Künstlerkritik selbst darXP JHKHQ ÄGLH ]HQWUDOHQ Werte der beiden Welten voneinander zu trennen³187, wenn dies sie auch nicht vor der Kapitalisierung nach innen und nach außen schützt. Aber XPVLFKQLFKWLQ:LGHUVSUFKH]XYHUVWULFNHQPVVWHVLHLKUHÃ5HFKWIHrtigungslogikµ aus der Internalität seiner Feldspezifika gewinnen. Sonst ÄELHWHW>GDV@GHP.apitalismus neue Möglichkeiten zur Veränderung der Spielregeln und führt zu einem Abbau der erstrittenen Vorteile, wodurch die Kritik mittelfristig erneut auf den Plan gerufen wird.³188 Denn dass die zunehmende Verschränkung unterschiedlicher sozialer FunktionsmecKDQLVPHQ ZLH GLH Ã$UWLIL]LHUXQJµ des Arbeitenden im neuen Geist GHV.DSLWDOLVPXVVLHGDUVWHOOWDXFKDXIGDVÃNQVWOHUNUitischeµ Feld wirkt und dieses zu eigenen Veränderungen treibt, ist klar. Warum die ökonomische Übernahme gesellschaftlicher Vorstellungen der Künstlerkritik möglich ist, hat also weniger mit einem darin ggf. zum Ausdruck kommenden künstlerischen Sendungsbewusstsein zu tun, 185 Boltanski/Chiapello (2003), S. 57. 186 Dies wiederum entspricht allerdings zynischer Weise der Realität der Lebensbedingungen des Künstlers, dessen durchschnittliches Jahreseinkommen in Deutschland nach Auskunft der Künstlersozialkasse im Jahr 2008 12.616 Euro betrug. Dass es sich hierbei um Bruttobeträge handelt, ist angesichts der Höhe irrelevant. Vgl. www.kuenstlersozialkasse.de/ wDeutsch/aktuelles/meldungen/2008_06_13_18869229_Durchschnittsei nkommen_der_Versicherten_erhoeht_sich.php. 187 Menger (2006), S. 19. 188 Boltanski/Chiapello (2006), S. 71. 183

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das sie die ökonomische Übernahme subjektiver und sozialer Entwürfe begrüßen lässt. Vielmehr macht sich der kapitalistische Geist die ausstrahlende Kraft der Kritik zunutze. Dass das künstlerische Feld dabei HLQH ÃDYDQWJDUGLVWLVFKHµ Position einnimmt, liegt zwar in der Natur künstlerischer Arbeit und mit Einschränkung auch künstlerischen Lebens. Sie ist aber durch Klischeeüberhöhungen augenscheinlich angreifbar und wird durch universalistische Tendenzen ihrerseits transformierbar. Ohne die Frage der Aktivität der Rolle der Künstlerkritik bezüglich der Übernahme künstlerischer Strategien als kapitalistische Organisationsmechanismen auf eine Ursachenalternative von Henne und Ei zu reduzieren, scheint diese Interdependenzspannung nicht auflösbar. Interessanterweise ist aber nicht die organisierte und bereits nach Kriterien der Effizienz strukturierte Form der Kunstvermarktung Adaptionsgegenstand des neuen Geistes des Kapitalismus, in dem nur noch um die Vermarktung von Kunst geht189VRQGHUQGLH)RUPÃXQEHVWLPmten¶ NQVWOHULVFKHQ 7XQV Ä'LH %HZDKUXQJ HLQHV QLFKW XQJHWHLOWHQ $rbeitsprozesses [bleibt] auch weiterhin ein zentraler Bestandteil und regulierendes Leitbild des Kunstschaffens.³190 Bevor diese Mechanismen, GLH DOV Ä.XOWXUDOLVLHUXQJ GHU gNRQomie³191 begriffen werden können, genauer benannt werden, ist die Seite der Künstlerkritik zu betrachten, die gerade wegen der zur Verfügung gestellten Formen der Aneignung die künstlerkritischen (Wert-)Maßstäbe kritisieren und damit strukturell als der Sozialkritik verwandt klassifiziert werden können. Daran soll deutlich werden, dass es sich im Hinblick auf die Rolle der Künstlerkritik in den Transformationen von Arbeit um Entwicklungen und Diskussionen handelt, die aus zwei Gründen ökonomisierbar sind oder sich der Ökonomisierung strukturell bedingt nicht widersetzen können: (LQPDOZHLOÃGDV.QVWOHUWXPµ nicht auf die Funktionalität von Arbeit und ihre sozioökonomische Organisationsformen ausgerichtet ist. Die Bedeutungsebene kommt der kapitalistischen Legitimierung als MeWDHU]lKOXQJ]XJXWHZHLOGDVNQVWOHULVFKH)HOGXQGÃGLH.QVWOHrschaftµ mit ihren tradierten Idealen und Maximen selbst transformiert werden. ,KUHÄ(OHPHQWHVSLHOHQDXI2UGQXQJHQDQGLHQLFKWXnmittelbar aus der Persönlichkeit des Künstlers selbst kamen, sondern denen er sich anzunähern versuchte; sie mussten im selben Maße obsolet werden, wie der 189 Hinsichtlich der Ambivalenzen auch auf dem Kunstmarkt und seinen Interessensrichtungen siehe die ausführliche Analyse von Ulf Wuggenig: The Tattooings of Cities. Notes on the Artistic Field and Popular Art in the City, in: Timon Beyes, Sophie-Thérèse Krempl, Amelie Deuflhard (Hg.): Parcitypate. Art and Urban Space, Zürich 2009. 190 Menger (2006), S. 29. 191 von Osten (1999). 184

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Künstler zur Projektion der Idee der Selbstverwirklichung wurde. Der Künstler ist primär Darsteller seiner Subjektivität [...] [und] zum Vehikel der Ich-Visionen des Selbstverwirklichungsmilieus geworden. In der Vorstellung des Milieus ist er jemand, der verdammt hart an sich arbeitet, oft in Einsamkeit, aber unbeirrbar, einzig sich selbst verpflichtet.³192 Zum anderen geht die Überwindung kritisierter Zustände immer mit einer gewissen Form der Übernahme der kritisierten Zustände einher, ZHLOÄpolitische Bewusstwerdung [...] eine Unterwerfung unter die herrschenden Werte und bestimmte Prinzipien einschließt³193. Die Ambivalenz der Dichotomie ist unausweichlich, aber nicht auflösbar. Die gegensätzlichen Logiken sind aufeinander bezogen und gegenseitige Beeinflussung nicht nur möglich, sondern mehr als wahrscheinlich, und die Ambivalenz ergibt sich aus der Logik inkompatibler Bezugselemente. Dies macht Kritik nicht unmöglich, bedingt aber eine Transformation GHU.ULWLNHEHQVRZLHVLFKGHU*HJHQVWDQGGHU.ULWLNWUDQVIRUPLHUWÄ(V ist jedoch möglich, das Ineinanderspielen dieser inkompatiblen Logiken zum eigentlichen Ort einer bestimmten politischen Produktivität zu machen.³194 Die damit in Ansätzen in Frage gestellte Legitimität der Künstlerkritik muss also ihre Legitimationsgrundlage hinterfragen. Allerdings ist auch die Sozialkritik vor transformierte HerausfordeUXQJHQ JHVWHOOW GD ÄGHU 'LVNXUV GHU WUDGitionellen Sozialkritik sogleich seine Grundlage [verliert], [...] wenn man die Existenz unterschiedlicher Klassen, deren Interessen als einander völlig oder teilweise widersprechend verstanden werden, abstreitet und die Analysen auf das Aggregat GHUÃVR]LDO$XVJHJUHQ]WHQ¶ fokussiert, die am Produktionsprozess gerade nicht beteiligt sind³195. Gerade die Konzentration z. B. der GewerkschafWHQDXILKUHÃ/REE\¶ ± die am Produktionsprozess Beteiligten ± plausibilisiert die parallel aufkommende Legitimationsfrage der Sozialkritik, wenn mit der Interessenssicherung der am Produktionsprozess BeteiligWHQGLHSUHNlUH/DJHGHUÃ$XVJHVFKORVVHQHQ¶196 verstärkt wird. Die eingehende Analyse zeigt, wie verschränkt nicht nur die Positionen von Kritik und Kritisiertem sind, sondern wie sich die Zuordnung von Sinn- und Zweckmechanismen auf die Diskussion der Gestaltung und Kritik von Arbeitsorganisation selbst auswirkt. Hier zeigen sich die subkutanen und als strukturell behaupteten Paradoxien.

192 Thomas Röbke: Kunst und Arbeit. Künstler zwischen Autonomie und sozialer Unsicherheit, Essen 2000, S. 52. 193 Bourdieu: Die feinen Unterschiede, Frankfurt/M. 1987 (1987b), S. 617 194 Laclau (2002), S. 41. 195 Ebd., S. 357. 196 Vgl. Bude (2008). 185

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Tendenzen der Totalisierung So ist die Künstlerkritik den Transformationen in der Hinsicht unterworfen, als sie selbst mit den entsprechenden Widersprüchen umzugehen KDW 'DULQ DEHU N|QQWH SULQ]LSLHOO GLH &KDQFH EHVWHKHQ GDVV ÄMH PHKU das System [sc. das kapitalistische, SK] an metaphysische Werte appelliert, um sich selbst zu legitimieren, desto mehr seine Bemühungen um Rationalisierung und Säkularisierung diese Werte auszuhöhlen [drohen]. [Denn] diese Herrschaftsformen können das Metaphysische weder aufgeben noch es angemessen eingliedern, und somit konzentrieren sie sich potentiell stets selbst.³197 Dies ist eine künstlerkritische Hoffnung, die darin sich darauf gründen kannÄGDVVGLH)XQNWLRQYRQ,GHRORJLHQGDULQ besteht, Handlungen zu legitimieren, nicht sie zu reflektieren³198, also den Gegenstand ihrer Kritik zu identifizieren. Wenn die Ökonomisierung auch das Feld der Künstlerkritik betrifft, muss sie auf den Mechanismus der Ideologie ± die Verkehrung von Zweck und Mittel199 ±, auf die Ideologie der Transformationen und entVSUHFKHQGDXIGLH%HZDKUXQJGHU'LIIHUHQ]]ZLVFKHQÃ:HUWXQG:DUHµ achten. 'HQQ GLH 7\SRORJLVLHUXQJ GHV .QVWOHUWXPV XQG GHVVHQ ÃQHXH Identitätµ als Repräsentant der Selbstverwirklichung als realisierter Subjektivität, die die Anforderungen an den Arbeitenden prägt, machen kaum vor der Grenze der Selbstreferenz Halt. So überschneiden sich gerade im Bereich der Kunstproduktion und -RUJDQLVDWLRQ ÄSRstmoderne Erweiterungen des Kunstbegriffs und postfordistische Konzeptionen von Arbeit³200 1LFKW XPVRQVW ZLUG LPPHU KlXILJHU YRQ Ã.XOWXUSURGXNWLRQµ JHVSURFKHQ ZHQQ GLH ÄLPPDWHULHOOH $UEHLW³201 und mit ihr die tätigen Vorgänge im Bereich der Künste und der Kultur gemeint sind. Beide Begriffe implizieren die Verschränkung einerseits und die Tendenz des abnehmenden Paradigmas produzierender Arbeit bei gleichzeitigem $XVJOHLFK GXUFK HLQH ,PPDWHULDOLVLHUXQJ DQGHUHUVHLWV GLH VLFKDXI ÄGLH Anerkennung einer Zentralität lebendiger und zunehmend intellektualisierter Arbeit innerhalb der Produktion andererseits gründet.³202 Diese Form der Kulturproduktion ist auch ein Hort der projektbasierten Polis, in der die kooperative Hierarchiefreiheit und eine struktu197 198 199 200

Terry Eagleton: Die Illusionen der Postmoderne, Stuttgart 1997, S. 175. Ebd., S. 177. Vgl. Riedel (1985), S. 21 und Einleitung. Beatrice von Bismarck: Kuratorisches Handeln. Immaterielle Arbeit zwischen Kunst und Managementmodellen, in: von Osten (2003), S. 83. 201 Vgl. Negri, Lazzarato, Virno (1998). 202 Maurizio Lazzarato: Immaterielle Arbeit. Gesellschaftliche Tätigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus, in: Lazzarato, Negri, Virno (1998), S. 41. 186

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relle, beinahe normativ zu nennende203 Form der Individualität sowohl die Arbeitsformen als auch die Selbstdefinitionen prägen. Die Rolle der Künstlerkritik tendiert zu sich perpetuierender und selbstreflexiver Widersprüchlichkeit, indem sie sowohl die Räume und Arbeitsweisen ihrer eigenen Kulturproduktion wie auch ihre intendierten und nicht intendierten Wirkungen auf die Räume außerhalb ihrer unmittelbaren Wirkungssphären untersucht und dabei die Grenze zwischen Kunst und dem Gegenstand ihrer Kritik aufzuheben droht. Das Ergebnis wäre das Gegenteil der Intension: im Widerstand gegen eine Ökonomisierung der Kunst und aller Lebensbereiche manifestierte sie die Oppositionen oder trüge gerade dazu bei, auf eine Kulturalisierung der Ökonomie auszustrahlen. So sind zwei Richtungen identifizierbar, denen die Unterordnungen GHUÃUDGLNDOHQµ XQGÃDGDSWLYHQµ Künstlerkritik entsprechen können, wobei die Überschneidungen fließend und nur an manchen Punkten deutOLFKPDUNLHUEDUVLQG,P)ROJHQGHQVROO]XQlFKVWGDV9HUKlOWQLVGHUÃUadikalenµGDQQGHUÃDGDSWLYHQµ Künstlerkritik zu den Entwicklungen der Ökonomisierung der Kultur204 und der Kulturalisierung der Ökonomie dargestellt werden, um die Schwierigkeiten der Kritik zu analysieren, GLHDXIWUHWHQZHQQHVGDUXPJHKWÃ.XQVWXQG$UEHLWµ in einem anderen Verhältnis zu beleuchten, das im III. Kapitel diskutiert wird. 8QWHUÃ.XOWXUDOLVLHUXQJGHUgNRQRPLHµ wird dabei die Entwicklung gefasst, die Arbeits- und Organisationsweisen der künstlerischen auf Mechanismen der ökonomischen Welten übeUWUlJW PLW ÃgNRQRPLVLerung der Kulturµ wird bezeichnet, dass eben jene künstlerischen OrganiVDWLRQVZHLVHQLQGLHgNRQRPLHJHWUDJHQZHUGHQ'LHÃÖkonomisierung der Kulturµ ist Ausdruck des aus künstlerkritischer Sicht passiven Vor-

203 Vgl. Ulrich Bröckling: Totale Mobilmachung: Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement, in: Ders. et al. (2000), S. 142. 204 Die Verwendung des Begriffs der Kultur ist eine nicht ganz zulässige Pauschalisierung, die zumindest durch die hiesige Anmerkung zu legitimieren versucht wird, indem zum einen darauf hingewiesen wird, dass damit die Ambivalenz der sich transformierenden Transformationen der Künstlerkritik und ihres Feldes ausgeGUFNWZHUGHQVROOGLHLQGHUÃKulturalisierung der Ökonomieµ ihren Gegenpart hat. Zum anderen lässt es doch eine Weite zu, deren Assoziativität nicht beschnitten werden soll, weil es hier nicht bloß um Kunst oder Künste im engeren Sinne geht, VRQGHUQ DXFK GDV )HOG GHU ÃKulturarbeiterµ betroffen ist, die gerade die Veralltäglichung der Arbeitsformen des neuen Geistes des Kapitalismus repräsentieren. Bei diesen aber trifft es oft genug zu, dass sie mit Kunst nur noch insofern zu tun haben, als sie im weitestgehend organisatorischen Umfeld der Kunst arbeiten, sich aber jene subjektivistische Attitüde des künstlerisch-stereotypen Arbeitens zu eigen machen, um gerade durch jenes symbolische Kapital das ihrer Arbeit mangelnde ökonomische zu ersetzen, da sie vom kulturellen Kapital des Feldes profitieren. 187

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gangs, wähUHQGÃ.XOWXUDOLVierung der Ökonomieµ die Möglichkeit einer aktiven Gestaltung betont und umsetzt. Dabei kann die Auswahl der Diskursbeiträge keinerlei Repräsentativität oder Vollständigkeit beanspruchen; sie ist mehr ein Zeichen für die hohe Diskursivität innerhalb der Künstlerkritik und dafür, welche Haltungen, theoretischen bzw. (kunst-)konzeptionellen Ausrichtungen und Vorschläge zum Ausweg aus dem Dilemma daraus erwachsen (können).

ÃgNRQRPLVLHUXQJGHU.XOWXUµ 'LHÃUDGLNDOHµ Künstlerkritik versteht sich als radikal, insofern ihr künstlerischer Anspruch nicht von ihrem politischen zu trennen ist; das eine bedingt das andere. In dieser Hybridität ist sie zeitgleich Ausdruck der Ã.XOWXUDOLVLHUXQJ GHU gNRQRPLHµ XQG HLQH .RQVHTXHQ] GHU ÃgNRQRPisierung der Kulturµ. Die Paradigmata ihrer Rechtfertigungslogiken bleiben dabei zwar die gleichen, ihre Topoi sind weiterhin die eines Subjektivitätsideals; jedoch ändert sich die Argumentationsstruktur. Ihr Begriff von Emanzipation beinhaltet einen Anspruch auf Universalität, der dazu tendiert, partikulare Konstitutionselemente zu vernachlässigen. Auf Basis der Ökonomisierung der sozialen Räume kritisiert sie die Ökonomisierung der Kultur und Kunstproduktion und beharrt zugleich auf der Autonomie des eigenen Feldes. Die Struktur ihrer Argumentation verläuft mit einem universalistischen Anspruch der Berechtigung ihrer Kritik sowie ihrer Vorstellungen zur Überwindung des Kritisierten und iteriert sich paradox tautologisch. 'HVKDOE ZLOO VLH ÄUHDOSROLWLVFK ZLUNVDP VHLQ XQG GDQQ YLHlleicht auch nicht mehr Kunst sein, sondern Kulturelle Produktion ± und damit bereits sprachlich gesellschaftliche Wirksamkeit behaupten. So ist [...] die Kulturelle Produktion die angewandte Kunst des 21. Jahrhunderts, die sich in ihrer gesellschaftlichen Funktion begreift und dementsprechende Ziele formuliert.³205 Ihre Legitimität begründet sie mit der künstlerkritisch immanenten Identität von Subjektivität und tendiert damit zu einer sich iterierenden Form des Subjektivismus, der paradoxerweise gerade die Begründungsgrundlage für kapitalistische Veränderungen bietet. 'LH ÃUDGLNDOH .QVWOHUNULWLN¶ formuliert nicht nur Fragen nach den (sozial-)partizipativen Möglichkeiten einer kapitalistischen Gesellschaft, VRQGHUQÁEHUZLQGHW¶ diese Haltung, da partizipative Prozesse von vornKHUHLQ $XVGUXFN GHU Ä/HJLWLPDWLRQ GHU EUJHUOichen Herrschaft³ seien;

205 Chodzinski (2007), S. 247. 188

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der Partizipation sei Hegemonialität inhärent.206 Stattdessen rekurriert sie auf den Emanzipationscharakter der Kunst und der Künstlerkritik, wodurch die Vereinnahmbarkeit der Kritik verhindert werGHÄ'LH.XQVW der Emanzipation [ ] bleibt der Beteiligung so fremd wie den Räumen, in denen sie eine andere Situation produziert.³207 Sie postuliert einen Universalitätscharakter, der vor partikularistischer Vereinnahmung bewahren soll. Dabei geht es allerdings nicht um die Mittel der Kunst, sondern um Kunst als Mittel. Ästhetische Mittel werden politisiert und politische Kriterien zum Bestandteil der Rechtfertigungslogik, um Kunst als Politik definierbar zu machen. Ein solches Definitionsmuster schafft durch die Zuschreibung des Etiketts Kunst verschiedene Ordnungen ± von Kunst, von Gesellschaft, von (sozialer) Identität ± und hierarchisiert, obwohl es im Namen des Widerstands gegen Hierarchisierung antritt: Indem Ästhetik mit Politik identifiziert wird, werden politischer Maßstäbe zur Grundlage der künstler(krit)ischen Legitimation gemacht.208 Diese Theorieposition provoziert mit dem universalistischen Anspruch ihres Emanzipationscharakters paradox tautologische Widersprüche. Im Folgenden soll beispielhaft auf den Grat hingewiesen werden, DXIGHPVLFKGLHÃUDGLNDOHµ Kunst und Künstlerkritik bewegt: zwischen einer selbst auferlegten, der eigenen Definition entsprechenden gesellschaftlichen Funktion und ihrem konzeptionellen künstlerischen Selbstverständnis. Daraus ergibt sich wider ihre Grundlegung der Bewahrung der Nicht-Identität eine Identifizierung sinnparadigmatischer Subjektivität und zweckorientierter Funktionalität als Topos der Arbeitsgestaltung. Ich habe sie in der Unterteilung der .QVWOHUNULWLNGHVKDOEÃUDGLNDOµ genannt, weil es ihr um radikale Absichten geht, die radikaler (künstlerischer) Mittel und radikaler Mittel der Kritik zu bedürfen scheinen. Diese Künstlerkritik kann sich dabei auf historische Vorläufer von den SituationiVWHQ ELV -RVHSK %HX\V EHUXIHQ ZREHL /HW]WHUHU IU GLH ÃUDGLNDOH Künstlerkritikµ eher einen Grenzfall darstellt, da dessen klare Grenzziehung zwischen Kunst und Nicht-Kunst und ihren Wirkungsfeldern den radikal künstlerkritischen Anspruch unterminiert.209 Beuys beharrte in seinem Anspruch nach Emanzipation darauf, dass im Namen der Kunst

206 LIGNA (2000), o. S. Zum Verhältnis verschiedener Auffassungen von Kunst und ihren Selbstverständnissen gerade in Hinsicht auf Veränderung gesellschaftlicher Zustände vgl. Sophie-Thérèse Krempl: Do Artists Need Drugs?, in: Beyes, Krempl, Deuflhard (2009). 207 Ebd. 208 Vgl. ebd. 209 Vgl. Stella Rollig: Zwischen Agitation und Animation. Aktivismus und Partizipation in der Kunst des 20. Jahrhunderts, in: Rollig, Sturm (2002). 189

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Getanes Kunst bleibt, und stellte sich damit gewissermaßen der Parado[LH GHU $PELYDOHQ] QDFK VHLQHU $NWLRQ Ã$Xsfegen¶, bei der Beuys im Rahmen der 1.Mai-Demonstrationen in Berlin Abfälle in Neukölln zusammenfegte, machte er dies in einer wenn auch ein wenig eigenwilliJHQ)RUPXOLHUXQJGHXWOLFKDOVHUNRPPHQWLHUWHÄGDVVDXFKGLHLGHROogiefixierte Orientierung der Demonstranten ausgefegt werden muss, nämlich das, was als Diktatur des Proletariats auf den Transparenten verkündet wurde.³210 Ein erweiterter Begriff von Kunst ist für Beuys nicht identisch mit der Identifizierung von Politik und Kunst.211 Diese Grenze droht in der radikalen Künstlerkritik einseitig grenzüberschreitend zu werden. Sie plädiert radikal für die ausschließende Überwindung dessen, wogegen sie opponiert, und verbleibt damit in der EOR‰HQ'LFKRWRPLHGHU3DUDGR[LHÄGDVVGLHDOOHQDQWDJRQLVWLVFKHQ9Hrhältnissen inhärente Ambivalenz etwas ist, mit dem wir zwar verhandeln können, das wir aber nicht beseitigen können.³212 So ist der Rekurs der radikalen Künstlerkritik auf die Situationisten als grundlegend für die Künstlerkritik zwar stringent, führt aber vorerst nicht aus dem Dilemma des Widerspruchs heraus. Die Situationisten bilden hinsichtlich der Forderungen nach der gesellschaftlichen Ermöglichung autonomen Lebens, das mit revolutionärer Haltung, RevolutioQLHUXQJ GHU.XOWXU$UEHLWVYHUZHLJHUXQJXQG9HUZHLJHUXQJGHUÃ6SHktakelisierungµ der Gesellschaft213 verbunden wurde, einen wichtigen Referenzpunkt für die KriWLN Ä,Q GHQ OHW]WHQ -DKUHQ OLH‰ VLFK Eeobachten, wie verschiedene Trennungen kapitalistischer Vergesellschaftung ± Kunst und Alltag, Arbeit und Freizeit ± aufgehoben wurden. Die Forderungen der Situationistischen Internationale schienen damit erfüllt, ohne aber deren wichtigste Voraussetzung, die generalisierte Selbstverwaltung und das Ende der Warengesellschaft, berücksichtigt zu haben. Inwieweit daher Kunst ± nach der Hoffnung auf das Ende der Kunst ± heute noch das Medium sein kann, in dem emanzipatorische Handlungsfähigkeit sich erneut zu artikulieren vermag, oder ob gerade diese Hoffnung angesichts der zunehmenden Vereinnahmung durch Politik und Kunstmarkt nicht ein Zeichen der völligen Niederlage darstellt, ist nicht abschließend zu beantworten. Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn

210 Joseph Beuys, zitiert in: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK): Faktor Arbeit, Berlin 1997, S. 11. 211 Vgl. dazu auch: Röbken (2000), S. 58 f. 212 Laclau (2002), S. 57. 213 Vgl. Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels, Berlin 1996, z. B. hinsichtlich der Relevanz der Radikalität: S. 158, §181, hinsichtlich der (widersprüchlichen) Konsequenzen der Forderung nach Autonomie durch Auflösung der Grenzen: S. 158f., §182. 190

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diese Frage wieder auf die Tagesordnung gegenwärtiger Kunstpraxis käme.³214 Darin liegt für die radikale Künstlerkritik der Grund für die Forderung nach sozialer Umwandlung und radikaler Veränderung der künstlerischen Mittel. Indem sie ihre gesellschaftliche Wirksamkeit beanspruchen und legitimieren möchte, greift sie auf andere Mittel als die der Kunst zurück und macht jene zu einem politischen Instrument. Das darin bestehende strukturelle Problem ist zugleich ein methodiVFKHVÄ(VJLEWNHLQHNODUHXQGHLQIDFKH/|VXQJGLHVHV3DUDGR[RQVGDVV man einerseits ein Machtsystem radikal verneint, während man andererseits in geheimer Abhängigkeit von diesem verbleibt³215: Die Oppositionierung der Ökonomie ist konstitutiver Bestandteil der Opposition, deren Teil auch die sich emanzipativ opponierende radikale Künstlerkritik ist: Bei jener kulturellen Produktion, die das hier zitierte Kollektiv LIGNA produziert, handelt es um performative Kunstpraktiken, die ihre künstlerische Erkennbarkeit über die formale Einbettung in explizierte Zusammenhänge gewährleistet: Die politischen Bezüge sind formuliert, werden durch den Kontext der künstlerischen Veranstaltungen erläutert und damit legitimiert; sie partizipieren dabei aber auch von der ± von ihr selbst kritisierten ± gesellschaftlichen Sonderstellung der Kunst, in deren 5DKPHQ PHKU P|JOLFK LVW DOV RKQH GLHVHQ Ã6FKXW]µ. Es ist das zweischneidige Schwert der einseitig verstandenen Dichotomie: Zwar wird die (Selbst-) Begrenzung reflexiv thematisiert und in unbegrenzte ÖfIHQWOLFKNHLW HLQJHEHWWHW GLH Ã6RQGHUVWHOOXQJµ der Kunst als Ausstellung des Nichtalltäglichen wird aber genutzt.216 Dieser Kunst- RGHU NXOWXUHOOHQ 3URGXNWLRQ JHKW HV XP Ä6W|UHQ Streiken. Sabotieren.³217 XP ÄHLQH 3UD[LV GLH .XQVW /HLGHQVFKDIW Schönheit, Forschung und Vermittlung auf eine maschinelle Art verkettet und zusammendächte und aus dem Alltag heraus in neuartigen Kooperationen und Kollektiven entwickeln würde³218. Der Protest gegen und die Kritik an der Ökonomisierung der Kultur bedürfen der Organisation, weil sie sich gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung wen214 LIGNA (2008), o. S. 215 Laclau (2002), S. 57. 216 Vgl.http://arttorrents.blogspot.com/2007/08/Ligna-radio-ballet-2003.htm: Die Projekte von LIGNA finden im öffentlichen Raum statt, setzen sich DOVR GHU 8QPLWWHOEDUNHLW GHV Ã6R]LR-Politischenµ aus, während sie ihre künstlerische Position dadurch aufrechterhalten, dass die Veranstaltungen im Rahmen künstlerischer Reihen und von Kulturinstitutionen initiiert werden, wie z.B. bei der Veranstaltungsreihe des Hamburger Schauspielhauses unter der KuratieUXQJYRQ0DWWKLDVYRQ+DUW]ÃGo Create Resistanceµ ZR/,*1$HLQÃ5DGLREDOOHWWµ aufführten. 217 Hans-Christian Dany: o. T., in: Holtmann (2008), o. S. 218 Christoph Schäfer: in: Holtmann (2008), o. S. 191

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GHW(VJHKWXP.XQVWGLHDOVÄNULWLVFKH3UD[LVLP|IIHQWOLFKHQ5DXP>@ die Herrschaftsverhältnisse und die mit ihnen verknüpfte kapitalistische Produktion [untersucht und kritisiert]³219XPQLFKWQXUÄQDFKGHQJHVHOlschaftlichen Klassenverhältnissen zu fragen³220, sondern um ihnen auch keine Alternative entgegenzusetzen. Im bleibenden künstlerischen Anspruch legitimiert sich die politische Kritik ± und umgekehrt. Darin liegt der Widerspruch: Jene Form der Kunst, die sich über die Umsetzung von Widerstand gegenüber dem Bestand gesellschaftlicher Verhältnisse definiert, entwickelt ein widersprüchliches Selbstverständnis: Sie versteht sich als politisch, nennt ihre Kriterien aber zugleich ästhetisch, wobei sie diese in dem Bestreben, gesellschaftliche Veränderung zu bewirken, politisch und ontologisch transformiert. Sie soll eine politische und soziale Manipulation oder Transformation des Sinnlichen bewirken; Kunst soll also etwas über das Sinnliche Hinausgehendes, etwas Politisches, hervorbringen. Es ist die Repräsentation ethischpolitischer Maßstäbe, die über die ästhetischen entscheiden, weil sie politische Bestimmungen vornimmt; sie ordnet als Kunst die Kunst ihren Zwecken unter. Es ist zwar darauf zurückzuführen, was in der Kunst seit der Trennung von ihrem Repräsentationszwang gefordert wurde: eine ästhetische Revolution, die Kunst und Leben verschmelzen, Ökonomie, Politik und Unterdrückung auflösen lässt. Es vereinheitlicht jedoch ex negativo jene Prinzipien, die auch die neokapitalistische Organisation von Arbeit vornimmt, wenn sie zumal die Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit und damit zwischen Zweckbezogenem und Sinnhaftem aufzulösen bestrebt ist. Die Legitimation solchen Vorgehens kann gerade deshalb keine Frage der Etikettierung sein, da ein solcher Ausweis nur noch Ideologien voneinander unterscheidbar hielte, aber nicht mehr die Möglichkeiten von Emanzipation und Determination. Dadurch, dass die radikale Künstlerkritik versucht, das Paradox der Kunst, als Kunst deshalb schon immer politisch zu sein, weil sie Gegenstand von Gesellschaft wie Gegenstand in Gesellschaft ist, aufzulösen, indem sie versucht, die Kunst in der politischen Emanzipation aufgehen zu lassen, kann sie damit nur die Unterscheidungen radikal verneinen und widerspricht damit der Logik ihrer eigenen Rechtfertigung und damit auch ihren Voraussetzungen. Um das (Interdependenz-) Verhältnis sowohl zwischen Emanzipation und Determination als auch entsprechend zwischen der künstlerkritischen Kunst und ihrem kritisierten Gegenstand zu klären, müsste von

219 Florian Waldvogel: There¶s a riot goinµ on, in: Olaf Metzel: 13.4.1981, München 2005, S. 98. 220 Lazzarato (2008), S. 42. 192

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HLQHU1HLJXQJ]XU $XIO|VXQJ LQGLH3ROLWLN JHVSURFKHQZHUGHQÄ8QWHU diesem Paradigma ist die Kunst dazu bestimmt, sich zu verwirklichen, indem sie sich selbst abschafft, um so mit einer Politik zu verschmelzen, die sich ebenso durch Selbstabschaffung realisiert.³221 Die völlige Auflösung der Kunst in die Politik riskiert aber neben ihrer Selbstauflösung eine Hinwendung zu einem bloßen Charakter der Repräsentation und zu einer Struktur von Kunst, die nicht ohne Hierarchien auskommt und utopistisch wird. Die Kunst steht mit politischem Realisationsanspruch und ihrer Definition als Kritik der ÖkonomisieUXQJ YRU GHU Ä$OWHUQDWLYH GLH VLFK LQ GHU .ULVLV |IIQHW>@ HQWZHGHU DXV der Kunst herauszufallen oder deren eigenen Begriff zu verändern.³222 Dabei geht es nicht um eine möglicherweise übergriffige Haltung der Kunst223 durch eine Ästhetisierung auf alle anderen Bereiche und insbesondere die von ihr kritisierten, sondern um die zunehmende Verschränkung zwischen Ökonomie und Kunst/kultureller Produktion und die Zunahme der Komplexität der sich dabei selbst widersprechenden Beziehung, die an diesem Dilemma deutlich wird. Darin befindet sich die radikale Künstlerkritik, wenn sie als Ausdruck der Ökonomisierung der Kultur auf der einen Seite auf ihrem künstler(krit)ischen Alleinstellungsmerkmal und ihrer künstler(krit)ischen Immanenz beharrt, dies aber mit extensivem universalistischen Anspruch tut. Sie scheint sich daraus nur schwerlich befreien zu können, da sich die Kritik und das von ihr Kritisierte unterschiedlicher Logiken bedienen224 ± und dies auch gar nicht ändern wollen zu können, da zumindest die Künstlerkritik daraus ihre Legitimation bezieht, dass sie ihrer zur Kritik bedarf. Dass daraus eine stärkere gegenseitige Inanspruchnahme der jeweils anderen Seite resultiert, ist nicht nur an der Ausbreitung solcher künstlerischer Formen, der Vergrößerung ihres Rezeptionsfeldes und ihrer verstärkten kunstfeldimmanenten Organisation und Instrumentalisierung abzulesen, sondern auch an der ironischer Weise damit wachsenden Adaptionsbereitschaft durch das von ihnen Kritisierte. Als Beispiel hierfür kann die Konzeption und Vorgehensweise der Internationalen Bauausstellung in Hamburg (IBA) dienen: In deUHQ5DKPHQILQGHQÃ/DERUHµ VWDWWLQGHQHQGLH5ROOHXQG)XQNWLRQÃNUi-

221 Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen, Berlin 2006, S. 85. 222 Theodor Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt/M. 1973, S. 97. 223 Vgl. Catherine David: Kunst und Arbeit im Informationszeitalter, in: Stefanie Carp (Hg.): Alles Kunst? Wie arbeitet der Mensch im neuen Jahrtausend und was tut er in der übrigen Zeit?, Reinbek 2001, insb. S. 186 ff. 224 Zur Feldlogik und ihren Dynamiken resp. Determinierungen siehe Bourdieu, Wacquant (1996), insb. S. 126. 193

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tischer Kunstµ nicht nur diskutiert wird, sondern auch Künstler, die als 9HUWUHWHU GHU ÃUDGLNDOHQ .ünstlerkritikµ gelten können, mitarbeiten225. Das von der Kritik Opponierte gerät in eigene Legitimationsprobleme. Ein deutlicheres Beispiel für die paradoxen Konsequenzen aus einer auf der Kunstimmanenz beharrenden Positionierung der Kritik ist die sich transformierende Rolle des Kurators, des künstlerisch wie organisatorisch verantwortlichen Leiters künstlerischer Projekte, besonders wegen seiner zwischen ökonomischer und künstlerischer Konzeption verDQNHUWHQ+LHUDUFKLHVWHOOXQJÄ6ROFKHU|NRQRPLVWLVFKHQ6Hlbstzurichtung lässt sich unter der Perspektive des kuratorischen Handelns mit seinen Bezügen sowohl zu den neoliberalen Managementanforderungen als auch zu postmodernen künstlerischen Praxisformen eine differenzierende politische Perspektive hinzufügen [...] Jüngere Ansätze im Ausstellungsbereich [...] lassen sich als Projektarbeit beschreiben [...] Sie zielen darauf, die im Kunstfeld intern wie extern herrschenden, geschlechtlich, rassisch, national, sozial oder ökonomisch bedingten, aber auch die sich aus den Verpflichtungen von KuratorInnen gegenüber den KünstlerInnen, den auftraggebenden Institutionen, GaleristInnen und SammlerInnen, der Peergroup von KuratorInnen sowie den verschiedenen Publikumsgruppen ergebenden Abhängigkeitsverhältnisse wenn nicht aufzulösen, so doch zu verschieben und dynamisch zu gestalten.³226 Die Organisation selbstreflexiver und kritischer künstlerischer Praxis ist auch am Wachstum von Ausbildungsstätten nicht nur von Künstlern, sondern insbesondere auch der Ausbildung im Kuratorischen und der gleichzeitig kunstfeldimmanenten Reflexion darüber auch als Wachstum der stärkeren Betonung einer Kunstfeldautonomie bei gleichzeitig ökonomisch geprägter Professionalisierung ablesbar.227 Es wirft die Frage auf, ob diese Entwicklungen nicht auch als Zeichen dafür lesbar sind, dass gerade unter dem Rubrum der sozialkritischen Künstlerkritik das eigene Feld vor den Konsequenzen des Kritisierten geschützt ZHUGHQVROOLQGHPHVDXIVHLQH+DQGOXQJVIlKLJNHLWLQÃVXbjektiviertenµ Strukturen der Ökonomie vorbereitet wird. Die Kritik, die in der künstlerischen Arbeit geäußert werden soll, wird mit kritisierten Mitteln ± einer

225 Vgl. Internationale Bauausstellung Hamburg (Hg.): IBA-Labor Kunst und Stadtentwicklung. Das Betreiben eines vegetarischen Restaurants mit einer Horde Kannibalen, Hamburg 2008. 226 von Bismarck (2003), S. 89 ff. 227 Zur wachsenden Relevanz und Zusammenhang von Kunst und (Aus-) Bildung von Künstlern siehe: von Bismarck (2008); Ute Meta Bauer (Hg.): Education, Information, Entertainment. Aktuelle Ansätze künstlerischer Hochschulbildung, Wien 2001. 194

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Inanspruchnahme der Identität von Zweck und Sinn von Arbeit ± realisiert und dient sogar als edukatives Beispiel. Exemplarisch für die konzeptionelle und vom kuratorischen Topos geprägte Bedeutung der insbesondere kunstfeldimmanenten Reflexion darüber ± und damit über die Verschränkung des universalistischen AnVSUXFKVGHVSROLWLVFKHQ(PDQ]LSDWLRQVFKDUDNWHUVGHUÃUDGLNDOHQ¶ Künstlerkritik kann die 6. Internationale Biennale zeitgenössischer Kunst Ã0DQLIHVWDµ gelten. Sie fand zwar nicht statt, wird aber gerade aus ihrem Scheitern und ihrem Bezug zum Ausbildungstopos der Künstlerkritik zum interessanten Anschauungsgegenstand: Zum einen basierte sie PLW GHP 7LWHO Ã1RWHV IRU DQ $UW 6FKRROµ ZHVHQWOLFK DXI GHP Ã(GXFDWionµ-Gedanken von Kunst und sollte sich mit neuen Wegen und Modellen der Wissensvermittlung und (Aus-) Bildung beschäftigen, die sich insbesondere mit der kulturellen Praxis und der politischen Kulturproduktion auseinandersetzen sollte. Zum anderen scheiterte sie, weil das kuratorische Konzept ± und mit ihm die KuratorInnen ± mit den politischen Realitäten auf Zypern kollidierte: Der türkische Teil Zyperns sollte ebenso Ort der Manifesta sein wie der griechische, was einen freien Zu- und Übergang zwischen beiden voraussetzte, der aber durch die $XVZHLVSIOLFKW DQ GHU VRJHQDQQWHQ Ã*UHHQ /LQH¶ nicht gewährleistet war. Das Scheitern der Ausstellung beruhte aber nicht auf der Konfrontation zwischen politischen und künstlerischen Institutionen, sondern ]ZLVFKHQGHQ.XUDWRUHQXQGGHUÃ1LFRVLDIRU$UWµ ± jener Institution, die die Manifesta (kunst-)institutionell verantwortete; es kollidierten nicht zwei unterschiedliche Logiken unterschiedlicher Felder, sondern unterschiedliche politische Ansichten innerhalb des künstlerischen Felds und damit gewissermaßen die einander widersprechenden Ansätze von Kunst und Politik.228 Der Unterschied zwischen Kunst und Ökonomie, der für die radikale Kritik wesentlich ist, relativiert sich ± und perpetuiert damit weiterhin die Problematik der Legitimität der Kritik. Die Kritik ist durch sich selbst gezwungen, beständig nach innen und außen, d. h. sich selbst und ÃGLH$QGHUHQµ, reflexiv zu kritisieren und schafft dabei neue Gegenstände möglicher künstlerischer wie (künstler-) kritischer Auseinandersetzung; aus der Kritik durch Kunst wird Kritik durch Kuratierung oder Kritik durch Reflexion über die Kunst, die Kritik an der Kritik selbst und ihren Gegenständen übt ± und ihr Blick landet dabei immer wieder auf ihrem eigenen Nabel. Die Kunst gerät in eine reflexive Schlaufe, 228 Zum Konzept und zum Scheitern der Manifesta 6 siehe: http://www.manifesta.org/manifesta6/index.htm. Zum kuratorischen Konzept der Manifesta 6 siehe: Manifesta: Notes for an Art School, Nicosia 2005. 195

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stellt den kritischen Anspruch und Impetus über die Kunst und produ]LHUW LPPHU PHKU .ULWLN Äa critique that takes as its point of departure the notion of capital as its central idea, and indeed as a centralizing machinery in the current world system. [...] The project is, then, to discuss these specific models of capital and (cultural) production and how we can visualize the current changes?³ ± und kommt oftmals zu denselben ErgebnisVHQ ]X $SRULHQ ÄThis would also mean that the right to work should be changed to the right not to work, not to be counted, stamped, filed, briefed and indexed; that we being to detach from the notion of work ± material or immaterial ± as the foundation for (political) identity, and begin to lead truly unproductive lives.³229 Die Kritik an der Ökonomisierung der Kultur führt offenbar auf sich als Kritik zurück ± oder auf den Aufruf zu Aktivismus230, der doch innerhalb der Räume der Kunst verbleibt, gerade weil er sich vor einer Ästhetisierung verwahren will. Dabei wird die Grenzüberschreitung zur Hauptaufgabe der Kunst und ihrer Kritik, schafft aber keine neuen OpSRVLWLRQHQXQGSURYR]LHUWGLH)UDJHREÄGLH$XIO|VXQJder Unterschiede³ RGHUÄGLHhEHUZLQGXQJYRQKHUPHWLVFKHQ$EVROXWKHLWHQ>@GDV=LHO der Prozessierung von Grenzen sein³231 soll. Während die radikal künstlerkritischen Diskurse über die Verhinderung einer weiteren Ökonomisierung von Kunst und Lebenswelt hinaus gesellschaftlich verändernd wirken und dabei die Differenz zwischen Ökonomie und Kunst aufheben wollen, gerät das Verhältnis der Gegensätze aus den Fugen: Der Ansatz zu Veränderung gesellschaftlicher Entwicklungen widerspricht sich, wenn sie durch die Unterordnung der kritisierten Prinzipien gelingen soll; paradoxer Weise läuft die Kritik an der Ökonomie damit Gefahr, ihre Rechtfertigungslogik zu konterkarieren und zu einer bloßen Produktion von Symbolik und Subjektivität und damit ebenso zu einer ideologischen Haltung zu werden, deren Instrumentalisierung sie an der Ökonomisierung kritisiert, weil sie eine Geltung beansprucht, deren Legitimität sie in Frage stellt. Zur Aufrechterhaltung ihrer selbst scheint die radikale Künstlerkritik auf die Opposition angewiesen zu sein und für ihr Selbstverständnis der Kontrastfolie des gegensätzlich agierenden und motivierten Kapitalismus zu bedürfen. Damit unterscheidet sie sich nicht von den kritisierten Vorgehensweisen, die zur Legitimierung ebenso auf ihr Gegenteil anJHZLHVHQVLQG'LH*HVWDOWXQJGHUUDGLNDOHQ.ULWLNDQGHUÃgNRQRPLVLerung der Kulturµ tendiert somit dazu, ihren totalistischen Ansatz zu kon229 Sheikh (2006), S. 14ff., S. 25. 230 9JOGLH9HUDQVWDOWXQJVUHLKHµ*R&UHDWH5HVLVWDQFHµ; siehe oben. 231 Gerald Raunig: Spacing the Lines. Konflikt statt Harmonie. Differenz statt Identität. Struktur statt Hilfe, in: Rollig, Sturm (2002), S. 123. 196

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terkarieren und dem Kritisierten das Material und die Rechtfertigungsgrundlage des Materials zu liefern, das sie kritisieren.232 Zwei Möglichkeiten des Auswegs aus diesem Dilemma scheinen sich anzubieten: Entweder die radikale Künstlerkritik beharrt auf der Perpetuierung des Verhältnisses; dann konterkariert sie ihren Anspruch auf Veränderung der Ökonomie und Auflösung des Alltags entsprechend der Prinzipien ihrer Emanzipationsforderung, bewahrt aber ihre Legitimationsgrundlage; oder sie behält den universalistischen Charakter ihres Emanzipationsanspruchs bei und akzeptiert die Partikularisierbarkeit ihrer Forderungen und ihrer Transformierbarkeit. Beides bedeutete allerdings die Einsicht in die Paradoxie und ließe die Kritik in Aporetik verharren. Ob eine andere Ausrichtung der Künstlerkritik einen Ausweg aus der Aporie zu zeigen imstande ist, wird im Folgenden untersucht.

Ã.XOWXUDOLVLHUXQJGHUgNRQRPLHµ $XVJHKHQG YRQ GHU ÃgNRQRPLVLHUXQJ GHU .XOWXUµ fragt die radikale .QVWOHUNULWLNGDQDFK ZHOFKH8UVDFKHQGHUÃ.XOWXUDOLVLHUXQJGHU gNonomieµ dem künstlerischen Feld im Ganzen zugeschrieben werden müssen. Der Untersuchungsfokus wechselt von der getrennten Existenz der 6SKlUHQGHU.XQVWXQGGHUgNRQRPLHGLHÄDXIHLQHUNXOWXUJHVFKLFKWOichen Tradition innerhalb kapitalistischer Gesellschaften auf[baut], in der die Ökonomie die rationalisierten, funktionalen und Kunst die nichtentfremdeten, emotionalen Tauschverhältnisse repräsentiert³233, dazu, ÄGLH .DWHJRULHQ Ã.XOWXUµ XQG ÃgNRQRPLHµ an sich zu befragen, um daraus Schlüsse für eine künftige Kulturproduktion ziehen zu können.³234 Das Subfeld, in denen solche Umsetzungen beobachtbar sind, unterVFKHLGHWVLFKQXQYRQGHPGHUÃUDGLNDOHQ.QVWOHUNULWLNµ darin, dass jene eine kritische Haltung aufrechterhalten will, während sich die andere, GLHÃDGDSWLYH.ULWLNµ die wechselseitige Beziehung von Kunst und Ökonomie aneignet und ihre Deprivationsmomente verfremdet. Sie versteht GDV9HUKlOWQLVYRQ.XQVWXQGgNRQRPLHDOV(UNXQGXQJVIHOGÃHPDQ]LSativerµ Organisationsstrategien und sieht darin die Möglichkeit zu neuer 8QDEKlQJLJNHLW'HUYRQ/D]]DUDWRIRUPXOLHUWHÄ6ORJDQGHUZHVWOichen

232 Vgl. Boltanski/Chiapello (2006), S. 68: ÄDer Kapitalismus ist auf seine Gegner angewiesen, auf diejenigen, die er gegen sich aufbringt und die sich ihm widersetzen, um die fehlende moralische Stütze zu finden und Gerechtigkeitsstrukturen in sich aufzunehmen, deren Relevanz er sonst nicht einmal erkennen würGH³ 233 Justin Hoffmann, Marion von Osten: Phantome und ihre Mörder, in: von Osten (1999), S. 7. 234 Ebd. 197

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Gesellschaften³Ã6HLG6XEMHNWHµ235VFKHLQWDXIGLH6WUDWHJLHQGHUÃDGDptivenµ Künstlerkritik zuzutreffen, weil sie die neuen Formen der Arbeitsorganisation, die sich an subjektivistischen Autonomieprinzipien orientieren, nicht nur übernehmen236, sondern als vorbildlich exemplifizieren und darin die Chance für eine neue Gesellschaftsstruktur 237 oder sogar politische Bewegung sehen.238 Die adaptive Kritik kritisiert nicht den Slogan und die mit ihm verbundenen Imperative der Ökonomisierung, sondern beansprucht seine Transformation. Subjektivität und Organisation sind für sie keine WiGHUVSUFKHZHLOVLHGLHÄ%RKqPHDOV:LUWVFKDIWsfaktor³239 versteht und ÄDQGHUH DOV UHLQ ILQDQ]LHOOH :lKUXQJHQ XQG .DSLWDlformen kennt³240. Die Vermittlung einer subjektzentrierten Lebens- und Arbeitsweise mit |NRQRPLVFKHQ3ULQ]LSLHQVWHOOWIU9HUWUHWHUGHUÃDGDSWLYHQ¶ Künstlerkritik einen Mehrwertgenerator dar, der einen anderen Mehrwert produziert, weil möglicher Mangel an ökonomischen Kapitalformen mit symbolischen, kulturellen oder sozialen Kapitalien ausgeglichen wird. Die Arbeitsorganisation der adaptiven Kritiker ist derart strukturiert, GDVV ZHQQ HV ÄIU GDV NDSLWDOLVWLVFKH .RPPDQGR EHU 6XEMHNWLYität notwendig [ist], sich ohne jede Vermittlung zu etablieren, statt Aufgaben und Abläufen die Subjektivitäten selbst bestimmt und vorgezeichnet werden.³241 Michael Hardt bezeichnet eine solche Haltung zur ökonomisierten Lebenswelt ohne Trennung einer ohnehin nicht mehr von Produktion geprägten Arbeits- und der durch sie mit Sinn gefüllten LebensVSKlUHDOVÄDIIHNWLYH$UEHLW³GLHÄLQVLFKXQGXQPLWWHOEDUGLH.RQVWLWution von Gemeinschaften und kollektiven Identitäten³242 bedeutet. Obgleich sie in der postfordistischen Organisation nun kapitalistisch adaptierbar ist, heiße das aber nicht, dass sie ÄQLFKWOlQJHUIUHLQDQWikapitalistisches Projekt von Nutzen sein könnte.³243 Dieser Einschätzung ist insofern Recht zu geben, als zwar die Adaption der postfordistischen Arbeitsweisen gerade in ihrer Partikularisierung ökonomisierbare Tendenzen aufweist; dennoch kann sie ein kontinuierlicher Produzent von Alternativen sein. Die Projektarbeit ist das dafür plakativste Beispiel. Unterschätzt wird dabei nur, dass die andere Seite der Befreiung durch Projektarbeit ihre ökonomische Normierbarkeit ist. Wie insbesondere 235 236 237 238 239 240 241 242 243 198

Lazzarato (1998), S. 42. Vgl. Lobo/Friebe (2006). Vgl. Florida (2002). Vgl. Ray/Anderson (2001). Friebe, Lobo (2006), S. 16. Ebd. Lazzarato (1998), S. 42. Michael Hardt: Affektive Arbeit, in: von Osten (2003), S. 211. Ebd.

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8OULFK %U|FNOLQJ PLW VHLQHU )RUPHO GHV Ã8QWHrnehmers seiner selbstµ GHXWOLFK PDFKW NDQQ LQ GHU ÃVHOEVWYHUDQWZRUWOLFKHQµ und autonomisierten Arbeit der Kern der Alternativlosigkeit und des gouvernementalistischen kapitalistischen Prinzips244 beinhaltet sein. Denn ÄZHQQ'LVVidenz, Kritik und Subversion zum Motor der Modernisierung eben jener Verhältnisse werden, die zu unterminieren, abzuschaffen oder wenigstens zu denunzieren sie einmal angetreten waren, verkehrt sich das Verhältnis von Norm und Abweichung.³245 Dann steht die Künstlerkritik vor dem Verlust ihrer Position und tendiert dazu, jede künstlerkritische Handlung zu ökonomisieren, indem sie selbst Voraussetzungen setzt, deren Berechtigung sie in Frage stellt, und ihren kritischen Impetus verliert. Damit konterkarierten ihre Lösungsvorschläge den Widerspruch zwischen Ökonomie und Kritik. So kommen manche unter dem Rubrum der Kritik firmierenden Entwürfe Angeboten wirtschaftlicher Interessen entgegen: Dabei wird Arbeit als ein Gut gehandelt ± und auf dem Markt regiert die Knappheit; wer intelligent ist, verlässt sich nicht auf den Staat, sondern organisiert seine Erwerbsstrategien selbst und führt einen selbstbestimmten Lebensstil, der damit ± ob negativ oder positiv ± von seinem Bezug zu Arbeit geprägt LVW,QGHPGLHVH)RUPGHUÃ$YDQWJDrdeµ, die, was sie tut, nur noch Arbeit nenntXDDQELVODQJÃXQWHUVFKlWzteµ Orte geht, um von billigen Mieten, nicht verfesWLJWHQ 6WUXNWXUHQ XQG GHU DOOJHPHLQHQ Ã+HWHURJHQLWlWµ zu profitieren ± und sich sicher sein können, bald Aufmerksamkeit zu erreJHQÄ'LH:LUWVFKDIW>@VLHGHOWVLFKGRUWDQZRGLH0HQVFKHQ>@HLQ Umfeld vorfinden, das ihnen erlaubt, produktiv zu sein ± zumindest der Teil der Wirtschaft, der auf hochspezialisierte, gut ausgebildete und damit begehrte Arbeitskräfte zurückgreifen möchte. [...] Interessanterweise sind das genau die Orte, die sich auch die digitale Bohème als Lebensmittelpunkte auserkoren hat.³246 'DPLW UHSUlVHQWLHUW GLH ÃGLJLWDOH %RKqPHµ Vorstellungen, die einer sozial- oder radikalkünstlerkritischen Perspektive Anlass geben, eine solche Haltung nicht mehr als kritisch, vielmehr als ökonomische Avantgarde zu beurteilen. Wenn sich die Dynamik von Angebot und 1DFKIUDJH DXI GHP 0DUNW GHU ÃDXWRQRPHQµ Ã$UEHLWVNUDIWXnternehmerµ 244 Vgl. Bröckling (2007). 245 Marion von Osten: Einleitung, in: Dies. (2003), S. 7. 246 Friebe, Lobo (2006), S. 139-142. Die Betonung der Bedeutung der Orte ist eine Paraphrase der ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Hewlett Packard, Carley Fiorina, von welcher folgender Ausspruch kolportiert ist: Ä.HHS \RXUWD[LQFHQWLYes and highway interchanges, we will go where the highly skilled people aUH³± Zu finden bei Richard Florida: The Rise of the Creative Class, and How It¶s Transforming Work, Leisure and Everyday Life, New York, 2002, S. 6. 199

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derart umdreht, führt dies zwar zu einer Identifizierung der Ziele derer, die affektiv arbeiten wollen, und derer, die darin eine doppelte GewinnFKDQFHVHKHQÄ+LHUZLHGRUWZHUGHQ]XUEHVVHUHQ6\QFKURQLVLHUXQJYRQ ÃLPPDWHULHOOHQµ XQGÃ|NRQRPLVFKHQµ Prozesse die Diskurse über QualiILNDWLRQHQ )lKLJNHLWHQ XQG Ã,QWHOOLJHQ]HQ¶ kontinuierlich erneuert und modifiziert. Was den Post-Operaisten das Glück der nicht-ÃSDUDVLWlUHQµ bioproduktiven Gemeinschaft immaterieller ArbeiterInnen ist, findet seine Entsprechung und seinen Ausgangspunkt nicht zuletzt in diskursiven KonstrukWLRQHQ ZLH Ã:LVVHQVJHVHOOVFKDIWµ Ã,QIRUPDWLRQV]HLWDOWHUµ, Ã1HZ (FRQRP\µ Ã1H[W (FRQRP\µ RGHU Ã7UXH Economyµ.³247 Deshalb kann von der erweiterten Produktivität nicht nur künstlerischer Arbeitsweisen, VRQGHUQYRQGHUÄ|NRQRPLVFKHQ5HOHYDQ]GHU.QVWHXQG:Lssenschaften³248 gesprochen werden, ohne als Problem zu erachten, dass ihre NorPLHUXQJXQG9HUDOOWlJOLFKXQJGDV5LVLNRELUJWGDVVÄLQVROFKHQ Atmosphären systematischer Unbeständigkeit und Instabilität die Dialektik von Freiheit und Zwang aufs Subtilste entwickelt [ist], sodass auch manche Fluchtlinie wieder hier endet.³249 Wie kommt diese Lücke im Widerspruch zustande? Offenbar weil der Widerspruch Möglichkeiten seiner Umgehung zulässt, wenn seine Elemente als identifizierbar aufgefasst werden. Solche Strategien erscheinen als beTXHPH ÃDGDSWLYHµ ± möglicherweise vielversprechende, individuell-individualistische ± Einrichtung im Widerspruch und eine Propagierung selbstbewusster pragmatischer Anpassungen an die Verhältnisse zu sein, die eine Gruppenidentität zu schaffen imstande ist: Die Ã.UHDWLYH.ODVVHµ, die Richard Florida vor einigen Jahren als Motor eiQHU QHXHQ Ã1HZ (FRQRP\µ ausgerufen hat250, definiert sich ± paradox spätironisch ± über die Gemeinsamkeit der Differenz ± einer Differenz, die insofern identitär ist, als sie sich auf gemeinsame Vorstellungen von Subjektivität beruft und eine artifizielle Definition von Kultur zur *UXQGODJH KDW ÄCulture is an economic engine with diversity as the fuel.³251 Dieses kulturelle Kapital ist nach FloULGDV ÃCreativity Indexµ PHVVEDUGLH.ULWHULHQVLQGÃtechnology, talent and tolerance.µ252 ,QVEHVRQGHUH LP (UVDW] GHV ÃVRFLDO capitalµ GXUFK Ãcreative capitalµ sind zwei relevante Argumentationsschritte enthalten, die kulturelle und ökonomische Faktoren in ein Mehrwertverhältnis bringen: Diese Krite247 Tom Holert: Phantome der Norm und Heuristiken des Schlauseins. Die kulturelle Dimension kognitiver Arbeit, in: von Osten (2003), S.230. 248 Goehler (2006), S. 111. 249 Holert (2003), S. 230. 250 Vgl. Florida (2002). 251 Ebd., S. 215. 252 Vgl. ebd., S. 249. 200

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rien sind keine Maßstäbe, die soziale Bindung bestimmen. Florida beruft sich auf die Terminologie Putnams, der soziales Kapital schon als ökonomistisches Wertmaß definierte; dass es in Floridas Entwurf der kreativen Klasse im kreativen Kapital aufgeht, zeugt davon, dass es dabei offenbar um ein verändertes Verständnis von Sozialität und Soziabilität geht. InsbesonGHUHPLWGHP9HUZHLVDXIÃ7DOHQWµ werden andere soziale Ausschlussfaktoren potent, die zur sozialen Identifikation nur mehr über *HPHLQVDPNHLWHQ QLFKW EHU *HPHLQVFKDIW HQWVFKHLGHQ 'HU Ã3DUDGLgmenwechsel in der Arbeitsgesellschaftµ253 wird angeeignet, die Unverfügbarkeit von Strukturen in selbstbestimmte Freiheit transformiert und HLQH 6HOEVWUHIHUHQ] LWHULHUW GLH ]XP .RQ]HSW JHK|UW Ä'LH GLJLWDOH Bohème ist die beste Kundschaft der digitalen Bohème.³254 Es bestätigt, dass der universalistische Anspruch individualistischer Autonomiebestrebungen zu sozialer Partikularisierung und zur wirtschaftlichen Nutzung führen kann. Die adaptive Kritik ist Ausdruck der Kulturalisierung der Ökonomie und macht einen Dreischritt gegenseitiger Befruchtung der Rechtfertigungslogiken von Kritik und Kritisiertem, wie Boltanski und Chiapello zeigen, sichtbar. 6LHSODXVLELOLVLHUWZHVKDOEGLHVHYRQHLQHUÄ]HLWZHLVHQ/lKPXQJGHU Kritik³ VSUHFKHQGD)RUGHUXQJHQQDFKÃNQVWOHUNULWLVFKHUµ Veränderung der Arbeitswelt im Postfordismus wirklich geworden sind: Das Schema der Wechselseitigkeit zwischen Kritik und Kapitalismus entspricht der ökonomischen Veränderung.255 Auch macht es plausibel, weshalb die ÃUDGLNDOHµ .ULWLNGHXWOLFKHU]XWDJHWULWWDOVGLHÃDGDSWLYHµÄ:HQQGLH.Uitik sich erschöpft hat, wenn sie geschlagen ist oder an Schärfe verliert, kann der Kapitalismus [...] ungestraft seine Produktionsverhältnisse verändern. [...] Bei günstigen politisch-technologischen Rahmenbedingungen könnte sie andererseits auch einen Anreiz bilden, Transformationsprozesse einzuleiten und dadurch die Spielregeln unkenntlich zu machen³256 ± bzw. auch den Anspruch zu erheben, sie umzuschreiben. Indem die Kritik versucht, den Widerspruch zu adaptieren, indem sie ihn nicht anerkennt, neigt sie dazu, ihr kritisches Moment zu verlieren. Die adaptive wie die radikale Künstlerkritik vernachlässigen die Reflexion ihrer eigenen Position, um die Widersprüche zu erkennen und zur Aufhebung ihrer Dichotomie beizutragen. Dies ihre Lösungsmodelle veranschaulichen, die illustrieren, dass das die wachsende Geltung des Sinnparadigmas zur Paradoxierung des Arbeitsbegriffs beiträgt.

253 254 255 256

Vgl. Mutz (2001). Lobo, Friebe (2006), S. 144. Boltanski/Chiapello (2006), S. 71. Ebd. 201

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Tendenzen der Partikularisierung Wenn dieser Interpretation zugestimmt wird, dann spiegeln das Verhältnis von Sozialität und Ökonomie und die ihnen zugrundeliegenden Auffassungen von Arbeit keinen kritischen Impuls (mehr) und produzieren andere Dichotomien. Wenn diese Phänomene nicht die dichotomische Einteilung von Kritik und ihr Sprechen von Oppositionen aufheben, so wird doch implizit ein anderer Blickwinkel auf die Dichotomie vonnöten, um die nicht nur ökonomisch internalisierbare, sondern ganz neue Ökonomien behauptende adaptive Kritik ins Verhältnis sowohl zur Sozial- und radikalen Künstlerkritik, als auch zur Ökonomie überhaupt setzen zu können. Da der Paradigmenwechsel der Arbeitsgesellschaft offenbar zur Ã$UEHLWDOV/HEHQssinnµ257 tendiert, muss ein Begriff von Arbeit zunächst einmal diese widersprüchliche Grundlage präsentieren; dann müsste sich entweder eine nicht ideologische Begründung für die implizierte ideologische Struktur von Arbeit als Lebenssinn finden, die den eigenen Ideologismus bekämpft; oder es wird eine ± aber veränderte ± Wiedereinschreibung von Dichotomien notwendig. Dies schlösse zwar eine erneute Ideologisierung von Arbeit nicht aus, verhinderte jedoch zumindest, diese als alternativlose Funktionsbedeutung akzeptieren und Arbeit als reinen Zweckmechanismus aus der Soziallogik streichen zu können. Mit einer auch veränderten Wiedereinschreibung der Dichotomien wüchse zumindest die Tendenz zur Paradoxierung. Aus den universalistischen Ansätzen der Kritiken resultieren paradoxerweise Partikularisierungen. Weder die Sozialkritik noch die radikale Künstlerkritik könnten den PropagierunJHQ HLQHU Ã.UHDWLYHQ .ODVVHµ als Lösungsmoment sozioökonomischer Bindungen und als Versöhnung der Subjektivierung mit einem soziablen Gestaltungsmodell zustimmen. Dennoch ist eine Gemeinsamkeit aller Künstlerkritiken ± ein pauschaler Charakter ± zu entdecken: die zunehmende Verschränkung der Dichotomien. Die adaptive Künstlerkritik entwirft Gesellschaftskonzepte unter der Prämisse der Vereinzelung; die radikale Künstlerkritik entwirft Gesellschaftskonzepte unter der Prämisse der Nivellierung aller Unterschiede. Die Subjektivierungsprozesse sollen durch behauptet soziable Installationen substituiert werden, um sie damit wenn nicht auszugleichen, so doch aufzufangen. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich solche Modelle weniger als Lösung denn als Adaption verstehen, die ihre Machtlosigkeit gegenüber der Ökonomisierung des Subjektivistischen und einer damit einherge257 Vgl. Riedel (1985), S. 19. 202

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KHQGHQ9HU]ZHFNXQJGHVLPÃ.QVWOHUischen bewahrten Sinnsµ in Stärke zu wenden versuchen ± und dabei tendenziell dem Topos der freien und Gesellschaftssinn stiftenden Arbeit und dem eigenen Widerspruch zum Opfer fallen.

Das Arbeitsverständnis des Grundeinkommens Beide Kritikformen finden in der Suche nach praktischen Grundlagen HLQHU VLQQSDUDGLJPDWLVFKHQ $XIODGXQJ YRQ $UEHLW LQ GHU ÃSDXVFKDOHQ Künstlerkritikµ partiell Übereinkunft. In Diskussionen um Substitution von Erwerbsarbeit und/oder Grundeinkommen als Lösungsmodell für veränderte Arbeitsformen verschränken sich ihre Dichotomien. Die zugrundeliegenden Annahmen sehen in den Transformationen der ArEHLWVZHOWHLQHVLFKHUH(QWZLFNOXQJ]XU$UEHLWVIUHLKHLWGLHPLWGHPÃ(nde der Vollbeschäftigungµ ihren Anfang genommen habe und sich mit GHPÃ(QGHGHU(UZHUEVDUEHLW¶ fortsetze. Abhängig vom jeweiligen Modell eines Grundeinkommens ± finanziert über den Ersatz der Mehrwertsteuer durch eine massiv erhöhte Konsumsteuer258, einer negativen Einkommenssteuer oder durch staatliche Zuschüsse259 ± soll diesen Tendenzen Rechnung getragen werden, in denen die konkrete Utopie der Arbeitsfreiheit anklingt, weil und womit Arbeit und Einkommen, Ökonomie und Gesellschaft voneinander getrennt werden sollen: Die adaptive Künstlerkritik sieht im Grundeinkommen die praktische Versöhnung von Kapitalismus und Selbstbestimmung.260 Teile der radikalen Künstlerkritik befürworten ein Grundeinkommen, sofern es zur Egalisierung der sozialen Bedingungen beiträgt,261 wenn auch Teile der radikalen Künstlerkritik ± darin mit der Sozialkritik übereinstimmend ± von der HLQVFKUlQNHQGHQ :LUNXQJ GHU ÄHPDQ]LSDWRULVFKHQ )ROJHZLrkungen des Grundeinkommens³262 DXVJHKHQ Ä'LH KLHU DQJHVSURFKHQHQ 0D‰QDhmen sollen vor allem die Mobilität der breiten Mehrheit fördern. Sie müssen jedoch durch andere Maßnahmen ergänzt werden, die eine exzessive Mobilität zu bremsen versuchen.³263 Die pauschale Kritik als Kongruenzbereich der einzelnen Kritiken aber sieht das Grundeinkommen als Substitut zweckrationaler Arbeit, weil 258 Vgl. Götz W. Werner: Einkommen für alle, Köln 2007. 259 Vgl. Vanderborght/Parijs (2005), insb. S. 37-63. 260 Dabei scheinen manchmal die Forderungen nach Grundeinkommen dem Wunsch nach staatlicher Ermöglichung künstlerischer Arbeit durch Grundeinkommen entspringen. Vgl. exemplarisch dazu: Goehler (2006) und http://www.initiative-grundeinkommen.ch. 261 Vgl. exemplarisch Engler (2005). 262 Johannes Gruber: Der flexible Sozialcharakter, Basel 2008, S. 201. 263 Boltanski/Chiapello (2006), S. 443. 203

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das Kriterium der Arbeitsformen in ihren Unterschieden nicht mehr die ökonomische Notwendigkeit, sondern die gesellschaftliche Möglichkeit wäre. Dies kommt in der mit dem Grundeinkommen intendierten Aufhebung von Erwerbs- und Ehrenarbeit zum Ausdruck.264 Allein, auch damit wäre nicht prinzipiell die Gefahr gebannt, dass sich die weiterhin bestehenden ökonomischen Arbeitsverhältnisse wieder inegalisieren könnten; die andere Seite dieser ökonomischen Relativierung von Arbeit wäre die Totalisierung der Arbeit, die in der funktionalisierten Gewichtung der Bedeutung von Arbeit Ausdruck findet: Das Ausrufen einer KreatiYHQ .ODVVH YHUZHLVW ]ZDU DXI GDV Ã.UHDWLYHµ und Ã.QVtlerischeµ und damit ggf. auf eine von Zweckzwang befreite und in sich freie und sinnhafte Arbeit; aber es geht über das Postulat eines unabhängig von definierten ökonomischen Strukturen selbst und frei gestalteten Erwerbslebens hinaus und propagiert die in der Unabhängigkeit OLHJHQGH .UDIW ]XU *HVHOOVFKDIWVYHUlQGHUXQJ PLW GHP Ã%RQXVµ, dass es ökonomischen Nutzen und Mehrwert geniere, der nicht auf entfremdeter und entfremdender Arbeitsorganisation beruhe, aber immanent auf einer sozioökonomischen Bestimmung von Arbeit fußt.265 Es sei dahingestellt, wie wahrscheinlich ein gemeinsames Klassenbewusstsein von Menschen ist, die sich über ihre gesteigerte Individualität, Unverwechselbarkeit und Diversität definieren ± ob grundlegende Differenz als Gemeinsamkeit ausreichend ist und die Behauptung einer klassenartigen Formierung nicht Ausdruck einer partikularisierten Totalität ist. Mit diesem Klassenentwurf kann das Arbeitskonzept als soziales Phänomen total partikularisierter Arbeit gelten, weil ihr Arbeitsverständnis in der totalen Geltung partikularer Tätigkeiten aufgeht. Aber: Der soziale ± und universalistische ± Anspruch ist vorhanden und bezeugt, dass die Künstlerkritik die Vorstellung von einem holistischem Sozial- und Weltbild offenbar entweder noch nicht aufgegeben oder mit Hoffnung wiederentdeckt hat. In dieser Tendenz zum Ã7RWDOLsmusµ, im Willen zur ganzheitlichen Lösung, steht die adaptive Künstlerkritik mit der radikalen und mit der Sozialkritik als pauschale Kritik im Einklang. Nicht nur an den sich hybridisierenden Ausdifferen264 Vgl. Beck (2000), S. 418 ff. 265 9JO )ORULGD   3UHIDFH ³7KLV ERRN GHVFULEHV WKH HPHUJHQFH RI D new social class. If you are a scientist or engineer, an architect or designer, a writer, artist or musician, or if you use your creativity as a key factor in your work in business, education, health care, law or some other profession, you are a member. With 38 million members, more than 30 percent of the nation¶s workforce, the Creative Class has shaped and will continue to shape deep and profound shifts in the ways we work, in our values and desires, and in the very fabric of our everyday lives. As with other classes, the defining basis of this new class is economy.³ 204

TENDENZEN DER KRITIK

zierungen der Kritikformen mit gesamtgesellschaftlichem Fokus, sondern auch an den Überschneidungen hinsichtlich der Lösungsansätze und ihrer sozialen Konzeptionen wird ablesbar, dass sich die Dichotomien gegenseitig und mit paradoxer Tendenz ineinander verschränken. Dass sich hinsichtlich der Konzepte zur Substituierung der ökonomischen und strukturellen Transformationsprozesse auch eigentlich völlig divergierende politische und soziale Positionen auf Entwürfe von Bürgergeld oder Grundeinkommen einigen können, hat sicherlich mit der Vielfältigkeit der Möglichkeiten zur Ausgestaltung einer solchen Idee zu tun. Zugrunde zu liegen scheint aber die Annahme, dass es zur Lösung sozialer Probleme ökonomischer Substitution bedarf. 'DUDQ LVW HLQH SDUDGR[H 9HUVFKUlQNXQJ ]X HUNHQQHQ ZHQQ Ä>G@HU Klassenantagonismus [dort] besteht [], wo aufgrund der Logik privater Akkumulation gesellschaftliche Konflikte erzeugt werden, die die Fortsetzung dieser Akkumulation und den Fortbestand ihrer politischen und institutionellen Voraussetzungen in Frage stellen³266, scheint eine die strukturelle Logik der Ökonomie begründende Lösung favorisiert zu werden. Die Ansätze innerhalb der Grundeinkommensdebatten und im Vergleich zu Konzepten wie dem des Bürgergeldes267 divergieren zwar nicht nur in den Vorschlägen zur Höhe und Finanzierung, sondern auch in den Bedingungen oder Bedingungslosigkeiten der Auszahlung, dem Beginn der Zahlung und den Ausnahmen268; gemeinsam scheint ihnen aber zu sein, dass die positiven wie die negativen Folgen einer individualistisch ausdifferenzierten Gesellschaft damit gepuffert und gefördert werden können. Der Ansatz mancher Begründungskonzepte von Grundeinkommen oder Bürgergeld provoziert Assoziationen der Wiederherstellung einer geschlossenen sozialen Totalität und der erneuten Versöhnung subjektivistischer Partikularität, wenn es als ÄNXOWXUHOOHV 6XUplus³269 RGHUÄ6HHOHGHU'HPRNUDWLH³270 bezeichnet oder die Aussicht auf die Einführung des Grundeinkommens mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts verglichen wird, das einst auch einmal eine gesellschaftliche Utopie gewesen sei.271 Es scheint, als sei die Vereinigung der Subjektivitätsprinzipien der Künstlerkritik mit jenen sozialkritischen Topoi der Egalität und Solidari-

266 Claus Offe: Spätkapitalismus. Versuch einer Begriffsbestimmung, Frankfurt/M. 2006, S. 61. 267 Zur Ausgestaltung dieses Vorschlags siehe Beck (2000), S. 416 ff. 268 Zu den detaillierten Ausgestaltungskonzepten von Grundeinkommen siehe Vanderborght, van Parijs (2005). 269 Engler (2005), S. 126. 270 Beck (2000), S. 416. 271 Vgl. Vanderborght, van Parijs (2005), S. 130. 205

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tät und damit die Konkretion der Utopie gelungen: Sie binden sowohl das Arbeit-Einkommen- als auch das Ökonomie-Gesellschaft-Verhältnis an subjektivistische Prinzipien, die durch ein gesamtgesellschaftlich gültiges Grundeinkommen sozial verbindlich verankert werden sollen. Den meisten Positionen liegt das Urteil zugrunde, dass die Stellung der Arbeit als exklusiver gesellschaftlicher Integrationsfaktor im Zuge zunehmender Radikalisierung kapitalistischer Mechanismen zu einem hauptsächlichen Exklusionsfaktor zu werden drohe, was mit einer Entkoppelung von Arbeit und Einkommen durch ein Grundeinkommen verhindert bzw. die EntwLFNOXQJLQHLQHÄ0XOWLDNWLYLWlWVJHVHOOVFKDIWHine[ ] Gesellschaft der wiederangeeigneten Zeit³272 beendet werden könne. Auffallend ist, dass damit eine ökonomistische Bestimmung des Individuums vollzogen und die Unausweichlichkeit der Marktteilnahme gerade darin manifestiert wird, dass ± wie die meisten Konzepte vorsehen ± einem Menschen von Geburt an ein ökonomischer Wert zugeschrieben wird, obgleich die Kritik an der Ökonomisierung der sozialen Beziehungen und individuellen Lebensgestaltung bei kontinuierlicher Abnahme von Arbeitsmöglichkeiten und -notwendigkeiten doch den Impetus des Konzepts begründete. So undeutlich manche Entwürfe des Grundeinkommens (noch) sind: deutlich wird, dass es als Träger der Idee fungieren soll, die durch ökonomische Autonomisierung wachsende sozialpartikularistische Vereinzelung zu binden und die Veränderung der Arbeitsweisen sozial zu stabiOLVLHUHQXQG]XIXQGLHUHQ,QVRIHUQLVWGDV*UXQGHLQNRPPHQHLQÃUHSaUDWLYHUµ Ansatz der Transformationen, nicht aber ihre Lösung, da es ± aus sozialkritischer Perspektive ± nicht dazu beiträgt, das Fortschreiten der entfremdenden Subjektivierungsprozesse zu beenden und einer weiteren Partikularisierung der Gesellschaft vorzubeugen, sondern eher ein Bestreben darstellt, die divergenten Paradigmata von Künstler- und Sozialkritik so miteinander zu versöhnen, dass ± überspitzt formuliert ± jedem dasselbe Recht zu Selbstverwirklichung zugesprochen wird. Fiele aber die Hypothese des Endes der Erwerbsarbeit weg, nach der Arbeit nicht mehr auf der Notwendigkeit beruhe, die in der Nachfrage ausgedrückt wird, weshalb Lebensunterhalt substituiert werden könne, dann trägt die Idee eines Grundeinkommens auch weder zu einer Lösung der Transformationen, noch einem veränderten und den Transformationen gerecht werdenden Arbeitsbegriff bei, weil nur der Bereich der zwanghaften Erwerbsarbeit mit dem Grundeinkommen beschränkt wird. Es ist nicht einsichtig, warum alle anderen Tätigkeiten, die dann frei wählbar und von z. B. Nachfragebedingungen ± seien sie marktförmig 272 Ebd., S. 92. 206

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organisiert oder auf der Basis einer begrenzt organisierten Subsistenzwirtschaft ± XQDEKlQJLJ VLQG Ã$UEHLWµ genannt werden sollten; damit wird der Arbeitsbegriff indirekt auf das Axiom der Erwerbsarbeit bezogen. Das wiederum sollte relativiert werden, indem das Grundeinkommen die Möglichkeit zu selbstbestimmten Tätigkeiten garantiert. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass die Sozialkritik fordert, die etwaige Einführung eines Grundeinkommens an die Besteuerung von Kapitalvermögen zu koppeln, um kapitalistische Erwerbsarbeit als Ausbeutungsmechanismus einzuschränken273. Erwerbsarbeit bestehe in transformierten Arbeitswelten weiterhin, wenn darunter die Notwendigkeit zur Sicherung der Lebensgrundlagen in sozioökonomisch vorfestgelegten Strukturen verstanden wird, deren Bedingungen sich verändern. Anders verhält es sich, wenn ein Grundeinkommen mit einem zu installierenden Recht auf Arbeit verkoppelt wird, wie Gorz vorschlägt. Arbeit soll für die Gesellschaft als strukturelle Notwendigkeit zwar aufrechterhalten werden, ihr soll aber der Zwangscharakter genommen werden. Dies beinhaltete eine Relativierung der Bindung gesellschaftlicher Identifikation an Erwerbsarbeit. Diese wird durch die Zahlung eines Grundeinkommens substituiert, das einer Gegenleistung von 20.000 flexibel über das Arbeitsleben verteilten Arbeitsstunden entsprechen und ab dem 18. Lebensjahr zu beanspruchen sein soll.274 So stünde ein Arbeitsbegriff unter der Voraussetzung strukturell veränderter Wirtschaftsorganisation, die nicht mehr kapitalistisch wäre, weil das Notwendigkeitsparadigma von gesellschaftlicher Arbeit auf Basis des Grundeinkommens nicht mehr gälte. Lohnarbeit wäre dennoch nicht völlig abgeschafft, weil ein gewisses Quantum an Arbeit als Äquivalent für das Grundeinkommen werden geleistet sollte, nur die Art der Arbeit an gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen ausgerichtet sein sollte.275 6R VLHKW *RU] ÄGDULQ >VF LQ HLQHP DXVUHLFKHQGHQ XQG nicht minimalen) Grundeinkommen] das einzige Konzept, das einerseits die Freiwilligkeit aufrechtzuerhalten vermag und andererseits die Aktivitäten, die nur als Selbstzweck Wert haben, der Sozialisierung und Ökonomisierung entzieht und sie zugleich allen zugänglich macht³276. Eine alternative Sichtweise darauf wäre, dass nur die Handlungsfreiheit der Ökonomie mit einer sozialen Sicherung abgefedert werde, unabhän273 Vgl. Avji Sirmoglu, Peter Streckeisen: Das Grundeinkommen ± kapitalistische Utopie oder linke Perspektive, in: Widerspruch 52 2007, S. 181. 274 Vgl. das Konzept des Grundeinkommens von Gorz und dessen nach Realisierung der konkreten Utopie klingenden Titel: Wege ins Paradies. Thesen zur Krise, Automation und Zukunft der Arbeit, Berlin 1983, S. 66 ff. 275 Siehe Gorz (1983), S. 66 ff. 276 Gorz (2000), S. 126. 207

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gig davon, ob das Grundeinkommen hoch genug wäre, um auf einem ± wie auch immer bewerteten ± akzeptablen Niveau ohne (Erwerbs-) ArEHLW OHEHQ XQG ÃJHVHOOVFKDIWOLFK XQG LQGLYLGXHOO VLQnvolle Arbeitµ277 tun zu können. Das beantwortete zwar die Frage, ob es sich hierbei nicht doch um einen Versuch der Utopierealisierung handelt, implizierte aber keinen veränderten Begriff von Arbeit, da sich die Verhältnisstruktur zwischen Notwendigkeit und ihrer Bewältigung nur auf ein abgefedertes Niveau verschöbe.

Partikulare Universalität? In der Lücke zwischen Kritik und Affirmation, in der schon die digitale Bohème als adaptive Form der Ökonomie verortet wurde, finden sich weitere Konstruktionsphänomene, die eine Zuordnung und die DichoWRPLHRKQH7HQGHQ]HQYHUZHLJHUQ'HUÃ&OXEGHUJOFNOLFKHQ$UEHLWVOosenµ weigert sich, die Notwendigkeit von Arbeit anzuerkennen und bringt es fertig, sich dem Dilemma von Widerspruchsüberwindung oder Anpassung der Elemente und Dynamiken des Widerspruches zu entziehen. Unter Verweis darauf, dass eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Partizipation und Arbeitslosigkeit nicht notwendig sei, weil Arbeitslosigkeit den Raum für Muße und freiheitliche Betätigung erlaube, leugnen sie, dass es hinsichtlich der Umgestaltung von Arbeit um die Alternative zwischen Befreiung von oder in Arbeit und der notwendigen Anpassung der Zweckgestaltung einer neuen Arbeit geht.278 Sie richten sich im Paradox ein, weil sie es nicht als Widerspruch empfinden. Gegensatzpaare sind für sie weder Paare noch Gegensätze und paradoxerweise auch kein Paradox, weil sie Arbeitslosigkeit nur mit *HOGORVLJNHLW JOHLFKVHW]HQ Ä$OVR VROOWHQ ZLU QLFKW PHKU YRQ ÃDUEHLWslosµ sonGHUQYRQÃJHOGORVµ, nicht mehr vRQÃ$UEHLWVVXFKHQGHQµ, sondern YRQ Ã*HOGVXFKHQGHQµ reden, um die Dinge klarer zu stellen.³279 Damit YHUZHLVHQ GLH Ã*OFNOLFKHQ $UEHLWVORVHQµ auf einen veränderten Umgang und die Möglichkeit einer paradoxalen Form: durch den Entzug aus beiden Mechanismen profitieren sie von beiden. Setzt man die Ã*OFNOLFKHQ$UEHLWVORVHQµ allerdings ins Verhältnis zu den sie doch be277 Vgl. Gorz (1983, 2000), Kambartel (1993), Gürtler (2000), Krebs (2002), wobei sich nur Gorz explizit auf das Grundeinkommen bezieht. Die argumentatorischen Positionen der anderen werden im Zuge ihrer Diskussionen um ein Recht auf Arbeit ausgeführt; siehe dazu Kapitel III. 278 Siehe: http://www.diegluecklichenarbeitslosen.de/dieseite/seite/start.htm; YJO DXFK³(QGOLFKKDEHLFK=HLW³, in: Guillaume Paoli (Hg.): Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche: Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen, Berlin 2002. 279 http://www.diegluecklichenarbeitslosen.de/dieseite/seite/rahmen.htm. 208

TENDENZEN DER KRITIK

dingenden Diskursen, sind sie allerdings natürlich als Element des Widerspruchs zu klassifizieren, da sie dem Widerspruch widersprechen. Einen weiteren Versuch, einem ideologistischen Widerspruch zu entkommen, stellt der Ansatz von Friedjof Bergmann dar, der insofern schwer im Widerspruchsschema eingeordnet werden kann, weil er ein Feld öffnet, das dem Stellenwert von Arbeit im Angesicht der flexibilisierten Verhältnisse gerecht zu werden versucht; er spricht Arbeit neue Selbstverwirklichungsmöglichkeiten zu und weitet die Betrachtungen LQV *DQ]KHLWOLFKH ZHLO GLH Ä6HOEVWEestimmung [ ] Grundbaustein, das Molekül, aus dem das System der Neuen Arbeit³280 bestehe, sei. Es soll Ideen zur Erlösung aus dem Arbeitsparadox liefern, weil es in der Lage VHLQ VROO HLQ ZLUWVFKDIWOLFKHV 6\VWHP RKQH ÄGLH NQVWOLFK HU]HXJWH Knappheit von Arbeitsplätzen³281 zu stabilisieren. 'DV.RQ]HSWGHUÃ1HXHQ$UEHLWµ kann als am stärksten ausgearbeitetes Konzept der pauschalen Künstlerkritik verstanden werden, da es sich die Einordnung in aktuelle ökonomische Strukturen ermöglichen und Selbstständigkeit implementieren will. Es gestaltet das Projekt als eine ÄIXQNWLRQLHUHQGH 1HXH-Arbeit-Wirtschaft³282 und stellt dies auf die BaVLV HLQHU Ä.RQ]HSWLRQ HLQHV DQGHUHQ 6DW]HV YRQ $[LRPHQ³283: Die Selbstbestimmung ± Kernelement der Künstlerkritik an der Arbeitsorganisation ± VROO LQ GHU Ã1HXHQ $UEHLWµ dadurch aufrechterhalten und vor Entfremdung bewahrt werden, dass die Kritik am Lohnarbeitssystem produktiv gewendet wird. Es positioniert sich zwischen Subsistenz- und Subventionswirtschaft und sieht darin die Möglichkeit zur Vermeidung der Diskrepanz zwischen Funktion und Bedeutung von Arbeit: Arbeit ist ein Mittel zur freien Selbstbestimmung, ohne in dieser aufzugehen. Der 8QWHUVFKLHG]X$UEHLWVZHLVHQGHUÃ.UHDWLYHQ .ODVVHµ besteht darin, das Ã.UHDWLYHµ XQGÃ.QVWOHULVFKHµ nicht auf eine Klasse ± so groß sie auch sein mag ± zu beschränken, sondern ± darin dem handwerklichen Ansatz ähnlich ± es als jeder Tätigkeit zugrundeliegend zu sehen. Künstlerische Produktionsprozesse und deren inhärente Dynamiken sollen die organisationale Zweckökonomik transformieren und ihre immanente Sinnhaftigkeit in die Ökonomie integriert werden. 'DULQWULIIWVLFKGLHÃ1HXH$UEHLWµ mit wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsrichtungen, die Komplexitätsbewusstsein nicht nur für ein Nachdenken über veränderte Organisation, sondern für positive Beeinflussung von Organisationsabläufen überhaupt als gewinnbringend er-

280 281 282 283

Bergmann (2004), S. 116. Ebd., S. 105. Ebd., S. 20. Ebd., S. 115. 209

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achten.284 Möglicherweise basieren solche Forschungsabsichten ebenso auf einem gewissen Maß an Plakativität und bloßer Typologie von Ästhetik und Kunst; möglicherweise liegt der Untersuchung eine ± in solcher Art nicht haltbare ± Identifizierung von Motivation mit Unternehmertum zu Grunde. Möglicherweise ist diese Forschungsrichtung auch die schnelle Antwort auf die Analyse von Boltanski und Chiapello und GDPLWEOR‰HLQHZHLWHUH$GDSWLRQÃNXOWXUHOOHUµ Handlungs- und diesmal auch Denkweisen, die ein weiterentwickeltes Fortschreiten der Ökonomie ermöglichen. Möglicherweise liegt darin aber ein anderer Umgang mit Differenz, denn sie verzeichnen einen Unterschied der Beurteilung. Zumindest ± so scheint es ± wird damit eine Paradoxie der Arbeit formulierbar, indem ein Dichotomiebewusstsein geschaffen, dieses Problembewusstsein mit einer Sinnhaftigkeit belegt und die gewandelte Bedeutung von Arbeit als Gelegenheit für die Sinnstiftung des modernen Subjekts in der Ökonomik285 postuliert wird.

Andere Formen der Kritik Im Verlaufe der Darstellung und Analyse der Transformationen der Arbeitswelt hatte sich die Zunahme der Verhärtung der Dichotomien herauskristallisiert, je mehr die Kritiken sowohl ihren identifizierten Kritikgegenstand vereinnahmen, als auch die andere Kritik aus sich heraus als wirkungsschwächer darstellen wollten. Offenbar ist es diese Dichotomie selbst, die einer reflektierten Betrachtung bedarf, um die Veränderungen konzeptionell darstellbar zu machen. Denn indem ihre jeweiligen Paradigmata selbst zu Gegenständen der dichotomischen Reflexion werden, verändert sich nicht nur die konstatierte Beziehung der Arbeitenden auf ihren Gegenstand und ihr Tun; es verändert auch die Position, die die Beziehung betrachtet. Übereinstimmend mit der Diagnose einer offenbaren (und offenbar notwendigen) Veränderung der Künstlerkritik von %ROWDQVNLXQG&KLDSHOOROlVVWVLFKYRQHLQHUÄ(UQHXerung der Kritik³286 sprechen; allerdings scheint sie nicht mehr unter deren strikter Trennung zu vollziehen zu sein. Der Unterschied der Künstler- zur Sozialkritik ist nicht nur, dass sich die Topoi der Künstlerkritik besser in eine kapitalistische Verwertungslogik einschreiben lassen. Dass Zunahme und Vergesellschaftung künstlerkritischer ForderunJHQ QDFK Ã6HOEVWYHUZLUNOLFKXQJµ und Autonomie ökonomisch nutzbar sind, hat nicht unwesentlich mit dem gesell284 Vgl. Carr, Philip Hancock (2003); Guillet de Monthoux (2004); Birger Priddat (Hg): Wirtschaft durch Kultur, Marburg 2009, siehe Kapitel III 285 Vgl. Svetlova (2008). 286 Boltanski/Chiapello, S. 379. 210

TENDENZEN DER KRITIK

schaftlich wachsenden Bedürfnis nach Vereinzelung zu tun; sie zeugen von einem interdependent reziproken Prozess zivilisatorischer Ausdifferenzierung. Die Prägnanz des Unterschieds liegt darin, dass die künstlerkritischen Topoi ± im Gegensatz zu denen der Sozialkritik ± mit ihrer Ökonomisierung als kapitalistische Wirkmechanismen verfremdet werden: Was als subjektive Autonomie als relevantes Interesse des sozialen Individuums gefordert wurde, erscheint in ökonomisierter Form als individuelle Eigenverantwortung; was als subjektive Freiheit auftrat, wird zu subjektivistischer Selbstverwirklichung. Die Orientierungsmarke ist nicht mehr notwendiger Zweck, sondern Bedürfnis nach Sinn. Das Dilemma hat sich von Fremd- zu Selbstarbeitsverhältnissen verschoben, weil die Forderungen der Sozialkritik nicht nur im Gegensatz zu Interessen ökonomischer Organisation, sondern auch im Gegensatz zu Vorstellungen der Künstlerkritik standen, so dass eine egalitäre Gestaltung größerer individueller Freiheit der Arbeitsgestaltung nicht realisierbar wäre. Die gegenseitige Ignoranz der Kritiken und ihr jeweiliger Anspruch auf Ausschließlichkeit verschärft nicht nur das Verhältnis der Kritiken zueinander, sondern auch zur Umsetzung ihrer Paradigmata. Die Multikausalität der Ursachen, die sich am deutlichsten in der 3ULYDWLVLHUXQJVR]LDOHU5LVLNHQ]HLJWIKUWGDKHU]XHLQHUQHXHQÃ6WDDWsbedürftigkeit der Gesellschaftµ287. Danach iVW GHU 6WDDW ÄLQ HUKHblichem Umfang zur Funktion der industriellen Gesellschaft³, also auch zu einem ökonomischen Akteur geZRUGHQ XQWHU GHVVHQ $NWLYLWlW GLH ÄVWDDWOiche Daseinsfürsorge³288 leidet. Damit verändern sich auch die Kritiken, die ein verändertes Verhältnis zu ihrer Ökonomisierbarkeit gewinnen (müssWHQ GLH6R]LDONULWLNKDWHVÃOHLFKWHUµ: Sie kann sich auf ihre oppositionale Haltung gegenüber ökonomischen Zwangsmechanismen berufen und in gewisser Weise die Künstlerkritik dafür verantwortlich machen, dass deren Prinzipien einen kausalen Faktor der Veränderungen darstellen.289 Dabei registriert gerade die Künstlerkritik, dass ihre Forderungen so verfremdet wurden, dass sie nicht mehr mit ihrem ursprünglichen Charakter übereinstimmen. So lässt sich das Phänomen, dass Forderungen nach z. B. einem Grundeinkommen im Wesentlichen aus den Reihen der Künstlerkritik stammen, auch so interpretieren, dass sie sich auf ungenaue Art der Bedeutung des dritten Akteurs, des Staates, bewusst werden. Unabhängig von der Praktikabilität ihrer Vorschläge ist daran ersichtlich, dass die Künstlerkritik auf Modelle zugreift, die um eine soziable Bedingtheit subjektivistischer Arbeit kreisen.

287 Vgl. Vogel (2007). 288 Ebd., S. 13. 289 Die Diskursposition von Boltanski und Chiapello exemplifiziert dies. 211

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

So gesehen lassen sich die Transformierungen und Transformationen der Künstlerkritik als doppelte Negation oder als (reflektiertes) reentry ihrer Subjektprinzipien verstehen, sofern sie sich sozialkritischen Aspekten annähern. Ihre Dichotomisierung von Zweck und Sinn in der Arbeit produziert Ansätze einer veränderten Kritik, die mit anderen Verständnisweisen der Dynamiken ökonomischer Beziehungen auftreten. Damit einher ginge eine veränderte Betrachtung der Dichotomie, weil sie keine hegemonialen Identifizierungsbestrebungen der Widerspruchselemente enthält. Sie exemplifizierte: dass mit der Transformation von Arbeitsverhältnissen eine Transformation der sozialen Bedeutung von Arbeit vonstatten geht; dass deren Kritik nicht mehr mit dichotomischer Radikalisierung operiert; dass sie sich selbst nicht mehr als außenstehender Strukturbeobachter definieren kann; und dass sie sich als in paradoxen Wechselbezügen internalisierter und als in deren Bestimmungsbezügen verhafteter Teil verstehen müsste, um Kritik aufrechterKDOWHQ ]X N|QQHQ Ä6ROOWH GLHVHU :HJ HLQJHVFKODJHQ ZHUGHQ PVVWH man sich allerdings von einer Emanzipation im Sinne einer absoluten Autonomie verabschieden, die sich von jeder Einmischung von außen und jeder Form der Verpflichtung, wie sie eine äußere Machtinstanz diktieren würde, befreit hat.³290 Anders und wirksam wäre diese Kritik dann: weil sie die künstlerkritischen Ideale nicht mehr gegen die der Sozialkritik ausspielen würde; weil sie gewissermaßen die alte Sozialkritik zum Teil der neuen Künstlerkritik machte; weil sie nicht mehr zur Aufrechterhaltung der eigenen Paradigmata der Perpetuierung der Zweck-Sinn-Dichotomie erläge. Eine Pointe dabei ist, dass ein Ausblick auf diese Künstlerkritik zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Wirtschaftswissenschaften und der sozioökonomischen Organisationstheorie stammt, die sich verstärkt der Ästhetik widmet. Der kritische Impuls, der sich im Verlaufe der konfrontativen und peu à peu in einander übergehenden Darstellung der Kritiken an der Rigorosität ihrer Gegensätzlichkeit gestoßen hatte, würde damit transformiert werden, da auch die Paradoxien, die bislang diagnostizierbar waren, ein gewandeltes Bild produzieren würden: Es ist im Folgenden zu sehen, ob es einer solchen anderen Form der Künstlerkritik gelingt, Paradoxien zu produzieren, deren Bestandteile sich nicht gegenseitig ausschließen und damit erlauben, deren Analysen in einen entsprechenden Arbeitsbegriff aufzunehmen.

290 Boltanski/Chiapello (2006), S. 511. 212

ZWISCHENERGEBNIS

Zw i s c h e n e r g e b n i s Der letzte Abschnitt widmete sich ± unter Annahme des Zutreffens der These von einer mit der Transformation der Arbeitsformen auch einhergehenden Transformation der Kritik ± solchen Positionen der Künstlerkritik, die als radikal und adaptiv voneinander unterschieden und als Aufspaltungen der pauschalen, von Boltanski und Chiapello ins Leben gerufenen Künstlerkritik konzipiert wurden. Die Ausführlichkeit der Darstellung war deshalb vonnöten, weil insEHVRQGHUH DQKDQG GHU 8QWHUVXFKXQJ GHV 3KlQRPHQV GHU ÃgNRQRPLVLerung der Kulturµ deutlich wurde, dass sich die künstlerkritischen Dichotomiepositionen widersprüchlich verschränken, indem durch die Nutzbarmachung der eigenen künstlerkritischen Position und der Erhebung sozialkritischer Ansprüche ein performativer Widerspruch produziert wird. Dies wurde insbesondere bei der radikalen Künstlerkritik deutlich. Dabei wird noch an der dichotomischen Strukturverhaftung festgehalten, wodurch ± das wurde daraus gefolgert ± unsichtbar bleibt, dass diese unterlaufen und die eigene Position dabei zwar zum Anschauungsbeispiel für die Paradoxierung der Struktur wird; dabei droht aber die Gefahr, der Möglichkeiten verlustig zu gehen, die legitimen Forderungen und Kritikansätze produktiv anwendbar zu machen, weil sich die Versuche in der widersprüchlichen Positionierung tautologisieren. Dies wurde beispielhaft in der Darstellung des kunstfeldinternen Umgangs mit Phänomenen der Ökonomisierung der Kultur plausibilisiert, der sich als eine Anpassung an die Ökonomisierungen erweist und sich in beispielsweise der erhöhten Konzentration auf kunstfeldinterne Ausbildung und einer erhöhten Reflexivität des Feldes ausdrückt. Es führt aber auch in Diskussionen um die Frage nach einem adäquaten Mittel zu gesellschaftlicher Veränderung zu einer selbstwidersprüchliFKHQ +DOWXQJ GLH VLFK DQ GHU Ã.XOWXUDOLVLHUXQJ GHU gNRQRPLHµ stößt, zu der sie durch ihre radikale Ablehnung indirekt beiträgt, wie auf Basis der Beurteilung von Boltanski und Chiapello argumentiert wurde. Als zur radikalen Fassung alternativer Ansatz wurde die adaptive Künstlerkritik betrachtet, die Lösungsansätze produziert, aber auch Widersprüche aufweist. Dies wurde mit der Betrachtung der Diskussion um das Grundeinkommen untersucht, das im Wesentlichen deshalb in den Reihen der adaptiven Künstlerkritik Erfolg hat, weil damit ein Verständnis von Arbeit substituiert werden soll, das sich auf die genuin künstlerischen Paradigmata von Sinn, Subjektautonomie und Freiheit beruft. Von Relevanz in Hinsicht auf einen transformierten und mit Sinn aufgeladenen Arbeitsbegriff waren die Ausführungen, weil sie zeigen konnten: dass weder die von Boltanski und Chiapello gezeichnete Di213

TRANSFORMATION VON ARBEITSFORMEN

chotomie von Kritik und Kritisierten, noch deren Dichotomieübertragung auf die Kritiken selbst eindeutig durchzuhalten ist; und dass eine solche Dichotomisierung nicht zu einer adäquaten Darstellung kommt. Durch Aufzeigen der Verschränktheit der Kritiken konnte darauf hingewiesen werden, dass die Hinwendung zu einer sinnparadigmatischen Vorstellung von Arbeit nicht nur den künstlerischen Lebensentwürfen eignet; Transformationen des Begriffs zeichnen sich auch daran ab, dass die Künstlerkritik ± mit sozialkritischen Aspekten unterstützt ± daran interessiert zu sein scheint, diesen mit sozialem Anspruch in Arbeitsstrukturen zu implementieren. Dass diese Ansätze als nicht konsistent eingeschätzt wurden, widerlegt nicht die ihnen zugrundeliegende Tendenz, dass den Transformationen des Arbeitsbegriffs zu eigen zu sein scheint, seine Aspekte und Konstitutionselemente auf andere Weise zu relationieren und eine Verflechtung von Zweck- und Sinnparadigmata entsprechend einer veränderten Paradigmatik von Funktion und Bedeutung von Arbeit in das Arbeitsverständnis einzubauen. Welche Theoreme dazu beitragen und welche Konsequenzen für Kritik und Arbeitsbegriff analysierbar sind, ist Gegenstand des auf den Bildeinschub folgenden Kapitels III.

214

:RUNLQJ0DQ¶V'HDWK)QI%LOGHU]XU $UEHLW im 21. Jahrhundert . Eine Intervention Die folgenden Fotos stammen aus GHP'RNXPHQWDUILOPÃ:RUNLQJPDQ¶V Death. Fünf Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundertµ von Michael Glawogger aus dem Jahr 2005. In fünf Akten folJW GHU )LOP ÄGHQ 6Suren von Ã+HOGHQµ in [den] illegalen MiQHQGHU8NUDLQHVSUWÃ*HLVWHUµ unter den SchwefelarbeiteUQ LQ ,QGRQHVLHQ DXI EHJHJQHW ÃLöZHQµ in einem Schlachthof LQ 1LJHULD EHZHJW VLFK XQWHU ÃBrüdernµ, die ein riesiges Tankschiff in Pakistan zerschneiden, und hofft mit chinesischen StahlarEHLWHUQ DXI HLQH JORUUHLFKH Ã=XNXQIWµ. Die Zukunft ist aber mittlerweile in Deutschland angekommen, wo eine gewaltige und einst hochproduktive Hochofenanlage in einen Freizeitpark verwandelt wurGH³1, den der ÃEpiORJµ zeigt. In der Darstellung schwerer körperlicher Arbeit gelangt Glawogger āEHUGLHVHVLQQOLFKH(UIDKUXQJ]XUVR]LDOHQXQGSROLWLVFKHQ3RVLWLRQLeUXQJ³2 des Films. Dabei geht es nicht um eine Glorifizierung der Arbeit oder eine Heroisierung der Arbeiter, sondern um die beobachtende Dokumentierung von Arbeit selbst, wie sie noch immer die menschliche Lebensgrundlage, in dieser archaischen Form aber aus Mitteleuropa verschwunden und von der (paradoxen) Effizienz abgelöst ist, die der Motor der Transformationen von Arbeitsformen und ihren Begriffen ist.

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Filmbeschreibung auf: http://www.glawogger.com/htm/dokus/workingman.htm. Der Freizeitpark ist das stillgelegte und umgebaute Industriegelände in Duisburg-Meiderich. Michael Glawogger im Interview auf: http://www.glawogger.com/htm/ dokus/workingman.htm. 215

WORKING MAN¶S DEATH

Helden: Kohleminen. Donbass, Ukraine

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HELDEN

© Maruschenko, Glawogger

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WORKING MAN¶S DEATH

G e i s t e r : S c hw ef e l a b b a u . K aw ah I j e n , I n d o n e s i e n

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GEISTER

© M. Iqbal, Glawogger

219

WORKING MAN¶S DEATH

L öw e n : S c h l a c h t h o f . P o r t H a r c o u r t , N i g e r i a

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LÖWEN

© Uche, Glawogger

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WORKING MAN¶S DEATH

Brüder: Shipbreaking. Gaddani, Pakistan

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BRÜDER

© G.M.B. Akash, Glawogger

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WORKING MAN¶S DEATH

Zukunft: Stahlkombinat. Liaoning, China

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ZUKUNFT

© Zhou Hai

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WORKING MAN¶S DEATH

Epilog: Freizeitpark. Duisburg, Deutschland

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EPILOG

© Glawogger

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Relationen von Arbeit Der Begriff vermag nicht alles, was die Vernunft verlangt.1

Ar b e i t u n d P a r a d o x i e Nun hat uns die bisherige Untersuchung zu einer zunehmenden Verschränkung von Zweck und Sinn (in) der Arbeit, von ihrer Organisation und ihrer Kritik und zu einer Erhöhung der Komplexität dessen geführt, wie Arbeit begrifflich fassbar werden kann. Diese, so zeigte sich, rekurriert immer wieder auf die Art der Argumente, deren Strukturen sich auf verschiedene Weisen widersprechen. Es zeigten sich Widersprüche, die sich entweder iterativ oder paradox tautologische Formen aufwiesen, welche entweder zum Gegensatz des Intendierten führten oder auf etwas rekurrierten, das sie vorausgesetzt hatten. Zu einer Lösung hat das Vorgehen bislang nicht geführt, allerdings zu dem Hinweis, wie die Dichotomie anders verständlich werden kann, wenn ihr Widerspruch nicht tautologisiert wird. Wie ist das möglich? In einer knappen Passage in der anthropologischen Didaktik spricht Kant von der Paradoxie als dem logischen Eigensinn des Egoismus, der ]XQlFKVW QXU LP 6LQQ KDEH ÄVLFK EOR‰ Xnterscheiden zu wollen³, aber GRFK GHP Ä$OOWlJLJH>Q@ HQWJHJHQJHVHW]W³ VHL ÄVWDWW GHVVHQ GDV 3DUDGoxon das Gemüt zur Aufmerksamkeit und Nachforschung erweckt, die oft zu Entdeckungen führt³2 Die Paradoxie behauptet also eine Identität des Gesagten, behauptet eine Tautologie, in die wider ErwartHQ Ã]XQlFKVW QXUVWDWWGHVVHQµ) doch eine Unterscheidung eingeschrieben ist.

1 2

Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit, Frankfurt/M. 2007, S. 11. Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, BA 8. 229

RELATIONEN VON ARBEIT

Auch am Beispiel der Arbeit vollzieht sich die Paradoxie auf der Basis einer tautologischen, vitiösen, Ursache und Wirkung, resp. die Widerspruchselemente gleichsetzenden, zirkulären Selbstreferenz. Arbeit setzt voraus, wessen sie zur Umsetzung bedarf. Die Tautologie findet sich in der zirkulären Voraussetzung der Wirkung für ihre Ursache. Im großen Zusammenhang bildet diese Verwertungskette die Wirtschaft und die Gesellschaft, im kleineren der einzelne Mensch selbst; er isst, was er produziert, und er produziert, was er isst.3 Sie erweist sich aber als strukturell widersprüchliche Tautologie; ihr teleologischer Charakter ist nicht zirkulär, sondern dynamisch und asymptotisch: Während die Aufeinanderfolge der Arbeitsbewältigung einerseits unendlich ist, ist diese Unendlichkeit dadurch charakterisiert, auf Beendigung angewiesen zu sein. Die Arbeit kommt nicht zum Ziel, weil sie, obwohl sie etwas befriedigen will, also die Tätigkeit beenden muss, nicht zum Ende kommt: Weil der Arbeitende muss, muss er ± und das, bis er nicht mehr muss. Dabei impliziert sie ± das macht erst ihren Paradoxiecharakter aus ± ein widersprüchliches Kausalitätsverhältnis: Arbeit besteht darin, Tätigkeiten zum Zwecke der Produktion von Lebensmitteln in jeglichem abstraktionsfähigen Ausmaß mal mehr, mal weniger mühevoll zu verrichten und dabei beständig dem Zwang zur Wiederholung unterworfen zu sein. Sobald die Tätigkeit einen Zweck erfüllt hat, findet er sich in einer Verwertungskette wieder, die des Zwecks als eines Mittels bedarf und damit eine neue Kausalitätskette initiiert. Angewandt auf einen Arbeitsvorgang meint das: um die Herstellung eines Produktes zu gewährleisten, bedarf es des Ge- und Verbrauchs des Produktes. Dies weist auf zwei Dinge hin, und das eine auf das andere: Zum einen ist Arbeit eine doppelt relative, d. h. Arbeit ist für jeden Arbeitenden nur so lange unendlich, wie er es nötig hat, also ± durch wen oder was auch immer ± gezwungen ist, zu arbeiten. Zum anderen entspringt Arbeit einem Bedürfnis, dessen Befriedigung deshalb als willentlich bezeichnet werden kann, weil die zwanghafte Zweckerfüllung eine subjektive Bestätigung der Fähigkeit, verfolgte Absichten realisieren zu können, in organisierter Gegenseitigkeit Anerkennung, soziale Bestätigung und damit Sinn, vermittelt.

Prozessierung der Dichotomie von Zweck und Sinn Wie ist die Paradoxie dieser Zweck-Sinn-Struktur zu erklären? Logisch betrachtet, ist die bloß zirkuläre Abfolge von Ursachen und Wirkungen

3

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Zugleich ist dies die eher Brechtisch anthropologistische Variante des Satzes: Der Mensch ist, was er produziert, und produziert, was er ist.

ARBEIT UND PARADOXIE

im teleologisch strukturierten Zwang zur beständigen Wiederholung der Arbeit basal tautologisch. Das, was getan worden ist, weist auf das noch zu Tuende hin, was nur deshalb getan sein wird, um anderes tun, getan sein werdend lassen zu können ± und so weiter. Was bewältigt werden soll, bringt das hervor, was bewältigt werden soll. Genauer: Das, was bewältigt werden soll, bringt das hervor, was bewältigt werden muss, um es zu bewältigen. Formelhaft gesagt: Arbeit = Arbeit4. Darin allerdings ist eine Selbstreferenz beschrieben, die nur auf den ersWHQ %OLFN UHLQH ,GHQWLWlW IRUPXOLHUW XQG ÄIROJH- oder fruchtleer³5 ist; denn kausallogisch ist die Wirkung nicht mit der Ursache identisch. Die Künstlerkritik verwendet in ihren Argumentationen tautologische Paradoxien: die adaptive Kritik setzt die Widersprüche gleich, die radikale Kritik iteriert sie. Nehmen wir zur Verdeutlichung dieser tautologischen Paradoxie das Beispiel des Epimenides zur Hand, der als Kreter sagt, dass alle Kreter lögen. Das, was verifiziert werden soll, nämlich dass alle Kreter lügen, wird dadurch in Zweifel gezogen, dass die Aussage aus dem Munde eines Kreters stammt. Um den Satz handhabbar zu machen, muss die Voraussetzung des Vorausgesetzten beschrieben werden. Die Struktur arbeitet mit der Unentscheidbarkeit der Identifizierung des Gegensatzes. Es liegt ein paradoxer Zirkelschluss vor, aus dem zwar zu folgern ist, dass die Kreter eventuell über einen Wahrheitsanspruch verfügen, dieser aber gleichbedeutend mit ihrem Gegenteil zu sein scheint. )RUPHOKDIWJHVDJW/JH /JH/JH Auf Arbeit übertragen ist allerdings etwas zu berücksichtigen: Während die Aufeinanderfolge der Arbeitsbewältigung einerseits unendlich ist, ist diese Unendlichkeit dadurch charakterisiert, auf Beendigung anJHZLHVHQ]XVHLQ6RODXWHWHGHU:LGHUVSUXFK$UEHLW $UEHLW$UEHLW = Arbeit ad infinitum. In der Arbeit findet sich also noch ein Unter4

5

Vgl. Dirk Baecker: Die Unterscheidung der Arbeit, in: Jörg Huber (Hg.): Kultur-$QDO\VHQ:LHQ6IILQVE6Ä$UEHLWLVW$rbeit, indem sie an sich arbeitet und dabei immer wieder alles heranzieht und ausschließt, was nicht Arbeit ist. Arbeit ist Arbeit an der Differenz der Arbeit.³; resp. ausführlicher in: ders.: Die Unterscheidung der Arbeit, in: ders. (2003b), S. 74. Dass sich Arbeit nicht in der (systemtheoretisch ironisierten) Tautologie erschöpft, wird von Baecker deutlicher erörtert in: Ders.: Die gesellschaftliche Form der Arbeit, Berlin 2002. Vgl. Immanuel Kant: Schriften zur Metaphysik und Logik 2, Frankfurt  †  Ä'LH ,GHQWLWlW GHU %HJULIIH LQ DQDO\WLVFKHQ 8UWHLOHQ NDQQ entweder eine ausdrückliche (explicita) oder eine nicht²ausdrückliche (implicita) sein. ± Im ersteren Falle sind die analytischen Sätze tautologisch. Tautologische Sätze sind virtualiter leer oder folgeleer. Implicite identische Sätze sind dagegen nicht folge- oder fruchtleer; denn sie machen das Prädikat, welches im Begriffe des Subjekts unentwickelt (implicite) lag, durch Entwickelung (explicatio) klar.³ 231

RELATIONEN VON ARBEIT

schied: Arbeit ist zwar identisch mit Arbeit, aber nur, solange sie nicht getan ist; in das tautologische Kausalitätsverhältnis ist Zeit eingeschrieben: Bezieht man die Zeit als Faktor ein, gewinnt das Widerspruchsverhältnis Produktivität; es öffnet einen Zeit-Raum und macht einen Unterschied, der die vormals tautologische Identität von Ursache und Wirkung aufhebt und ihr Verhältnis paradox macht. In Bezug auf Arbeit gibt es also keine iterative Tautologie, keine tautologische Paradoxie und keine paradoxe Tautologie, nur eine dichotomische Paradoxie, die sich paradox iteriert. Es gilt nicht mehr nur Arbeit = Arbeit, sondern auch $UEHLW$UEHLW,QGLHVHU'LVNUHSDQ]ZXU]HOWGLH0DU[VFKH$UEHLWVZHUtlehre: Arbeit ist nicht mit ihrem Wert identisch. Diese Relativierung der Arbeitsbeziehung ist eine gedoppelte, weil sie struktureller Natur ist: Die Unendlichkeit der Arbeit ist systematisch, weil sie immer wieder beendet wird. Sie initiiert eine Umwandlung der Kausalitätsfolgen und erlaubt eine negative Aussage über kausallogische Stringenz; das macht die für eine solche gehaltene Tautologie zu einer (aus sich selbst heraus reproduktiven) Paradoxie und den Widerspruch der Arbeit produktiv. Die Zeit ist der Faktor, der eine prozessstabile Identität unmöglicht macht, aber über Sinnhaftigkeit, Effektivität und Produktivität von Arbeit entscheidet. Die wenn... dann-Formulierung der Zeitfolge ist eine andere als die wenn...dann-Formulierung der Kausalität.6 Eine TautoloJLHLVWDOVRÄHLQH$QVDPPOXQJYHUNQSIWHU$XVVDJHQLQGHUGLH*OWLgkeit der Verknüpfungen zwischen ihnen unbezweifelbar ist³, ohne die Wahrheit der Aussagen zu behaupten.7 Es bedarf der Zeit, um den Wahrheitsgehalt einer kausalen Aussage zu verifizieren. Sie ist Urheberin der strukturellen Tautologie, die es zwar grundsätzlich möglich macht zu denken und zu formulieren, dass das Ideal von Arbeit in ihrer Aufhebung bestehe und in der Wahrheit des Satzes: Arbeit = Arbeit Ausdruck fände; die Tautologie produziert Verbindungen, die sie selbst nicht erläutert; aber sie gibt die Möglichkeit, die Verbindungen auf ihre Plausibilität und Validität zu untersuchen. Im besten Falle ist also eine Tautologie eine Aussage, die nicht weiter erläutert werden müsste. Da die Tautologie aber gewissermaßen die Zeit einfriert, muss sie mit Hilfe einer Erklärung wieder aufgetaut und aus der Tautologie abgeleitet werden, was in ihr steckt. Deshalb waren die Erläuterungen zu den Dynamiken der Kritik hilfreich. Sie erlaubten, die in der Tautologie identifizierte Tatsache zu erklären, indem die in der Gleichsetzung liegende Behauptung unterschieden wird. Die Erklä-

6 7 232

Vgl. Gregory Bateson: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit, Frankfurt 1982, S. 79. Ebd., S. 276.

ARBEIT UND PARADOXIE

rung ist gewissermaßen eine bloße Um- oder Ausformulierung der Tautologie. Das repetitive Moment ist somit Bestandteil der Paradoxie und der (Re-) Produktion der Arbeit, denn schon im Moment des Arbeitsbeginns ist die Identität der Arbeit unmöglich geworden. Die Zeit zwingt dazu, im Bewusstsein unendlicher Unmöglichkeit am widersprechenden Gleichheitsverhältnis zu arbeiten, um damit zumindest Einsicht in die Notwendigkeit ihrer unendlichen Fortsetzung zu erhalten. Aber erst, wenn wir wieder auf eine Identifizierung Bezug nehmen können, kann sich die Gültigkeit der Erklärung zeigen; denn die Übereinstimmung der Faktoren der Erklärung ist eine Tautologie, die nicht identisch sein kann, weil sie mit ihrer Bezugnahme eine Unterscheidung in sich trägt8, sonst würde sie nichts erklären. Die Faktoren unterliegen der Zeit, die bedingt, dass das, was vorher identisch war, nachher unterschieden ist. Das macht aus der Tautologie eine Paradoxie. Denn Arbeit beruht eben nicht auf Selbstreferenz. Im Arbeitsvorgang findet Veränderung statt; er ist zweckbezogen und dient der Herstellung, der Veränderung oder der Bezugnahme einer Sache. Sowohl die in Arbeit verwickelten Faktoren, als auch der Komplex, der Begriff, seine soziale Einbettung und die Arbeitenden unterliegen permanenten räumlichen und zeitlichen Veränderungsprozessen dadurch, dass der Tätigkeit eine Zweck-Sinn-Dichotomie zugrundeliegt, die zeitlich und faktoriell prozessiert wird. Jene selbstreferentielle Formulierung ist nur implizit tautologisch, so dass der Satz: Arbeit = Arbeit genau so wahr ist wie der Satz$UEHLW$UEHLW+LHUEeginnen die Probleme. Die Stabilität, welche die Struktur von Arbeit insinnuiert, ist keine. Aus dem bisherigen Spiel des produktiven Widerspruches lässt sich QXQVFKOLH‰HQ$UEHLW $UEHLW$UEHLW'LHVH)RUPHOEHWRQWGLH6HOEVttätigkeit des Arbeitsprozesses. Denn so wie der lügende Kreter ein widersprechendes Beispiel für seinen Widerspruch gibt und damit einen Unterschied macht, wodurch wir nicht wissen, ob alle Kreter lügen oder permanent die Wahrheit sagen, während sie lügen, so meint auch Arbeit immer etwas, das sie nicht ist, und ist immer auch Arbeit an der Arbeit9. 'DVV PDQ ÄEHL GHU 6XFKH QDFK HLQHP $UEHLWVEHJULII QXU ZHLWHrkommt, wenn man von vornherein von einer Arbeit an der Arbeit ausgeht³10, ist entsprechend eine analytische Aussage. Die Feststellung der erzwunge8

Hier zeigt sich eine Verwandtschaft mit dem Problem bzw. der Lösung der Platonischen Ideenlehre, die darauf beruht, dass die Dinge in der Wirklichkeit Abbilder der Ideen, niemals aber mit ihnen identisch sind, sondern Anteile an den Ideen haben. 9 Vgl. den Titel von Birger Priddat (Hg.): Arbeit an der Arbeit: Verschiedene Zukünfte der Arbeit, Marburg 2000. 10 Baecker (2001), S. 183. 233

RELATIONEN VON ARBEIT

nen Repetität der Arbeit ist selbstverständlich iterierbar und daraus ergibt sich sowohl die Dichotomie von Zweck und Sinn wie auch die Möglichkeit ihrer Prozessierung. Denn bei der Identifikation der Tätigkeit erweist sich ihre Unterschiedlichkeit und ihr Widerspruch. Die paradoxe Tautologie der Identität der Arbeit und ihre verkürzte Formel Arbeit = Arbeit kann weiterhin als richtig gelten; nur sagt sie nur so lange nichts darüber hinaus, bis sie sich selbst widerspricht. Arbeit auf der einen Seite des Gleichheitszeichens bedeutet etwas, das es auf der anderen Seite nicht bedeutet bzw. von diesem näher erläutert wird. Arbeit auf der einen Seite bedeutet Produktion und Vollendung, auf der anderen Seite Repetition und Unendlichkeit; auf der einen Seite Tätigkeit, auf der anderen Seite Produkt; auf der einen Seite die passiv konnotierte und heute noch immer bedeutsame Bedeutung von Mühe, Zwang, Notwendigkeit und Zweckerfüllung, auf der anderen Seite Arbeitsfreiheit, Selbsterfüllung, Befreiung und Sinn von Arbeit. So ließe sich die Identität der Nicht-Identität der Arbeit fortführen: Das Gleichheitszeichen identifiziert etwas, das sich strukturell und funktional widerspricht und eine aufeinander bezogene Relation bezeichnet. Das Gleichheitszeichen kann also mit ÃZLUGYHUZHFKVHOWPLWµ übersetzt werden.11 Eine solch paradoxe Gleichsetzung von Unterschiedenem ermöglicht eine Erklärung im Kantischen Sinne: Es bedeutet, dass der Faktor auf der einen Seite des Gleichheitszeichens als Prädikat des auf der anderen Seite stehenden Faktors verstanden werden muss. Beide sind unbedingt untrennbare Bestandteile der (Nicht-) Gleichung, weil das beide Faktoren verbindende Gleichheitszeichen einen Unterschied markiert, der die Gleichheit aufhebt.12 Voraussetzung ist, die beiden Seiten der Relation voneinander zu unterscheiden, weil sie vermittels des Gleichheitszeichens die Unterscheidung hervorbringen und dieses zugleich zum verbindenden Element und zum Ausdruck der veränderten Bezugnahme machen. Es ist ± paradox: Das Gleichheitszeichen ist, weil es eine Gleichung setzt, konstitutiv für die Unterscheidung ihrer Elemente und suggeriert eine Identität, die das Bewusstsein nur in Form von Differenz zu denken imstande ist. Jede Gleichsetzung beruht auf einer Unterscheidung, und jede Erklärung nimmt in einer Tautologie ihren Anfang, weil wir als Erklärende ohnehin nur begründen können, was wir erklären können.13 Übersteigert wird die Tautologie nur dadurch, dass die Erklärung selbst die Tautologie nachzeichnet, die sie erklärt und also selbst paradox ist. 11 12 13 234

Vgl. Spencer-Brown (1999), S. 60. Vgl. den Hinweis bei Baecker: Die Unterscheidung der Arbeit, in: ders. (2003b), S. 75. Vgl. Kant: Anthropologie, BA 8 und oben. Vgl. Bateson (1982), S. 103 ff.

ARBEIT UND PARADOXIE

Mit Hegel kann diese Form der Erklärung als das Ã8QWHUVFKHLGHQ GHV 8QXQWHUVFKLHGHQHQ¶14, bestimmt werden, das darin die (Wieder-) Einschreibung einer Differenz vornimmt, die prozessierbar ist. Damit haben wir auch einen Unterschied für eine Erklärung gefunden, mit dem sich etwas anfangen lässt: Eine Erklärung besteht darin, einen Unterschied in ein als Identität aufgefasstes Phänomen einzuschreiben, um im Anschluss daran alles Bemühen daran zu setzen, die Identität wiederherzustellen und dabei die Unterscheidung sichtbar bleiben zu lassen. Diese Vorgehensweise ist diejenige, die mit der Hegelschen Dialektik als Motor der Erklärung aller intellektuellen und materiellen Phänomene und Prozesse identiIL]LHUWZLUGÄGHU9HUVWDQG>@LVW>@GLHDEVWUDNWH,GHntität, andererseits enthält es jedoch deswegen die Mannigfaltigkeit auch, aber als inneren einfachen Unterschied³15. Die Unterscheidung des Ununterschiedenen ist die dialektische Selbstbewegung des Verstandes: die Produktivität der Differenz ergibt sich aus der nicht-identischen Wiederholung einer vermeintlichen Identität. Dieses Schema lässt sich übertragen: Arbeit ist Arbeit durch Arbeit, aber dabei ist und bleibt die eine Arbeit nicht die andere. Das heißt 1) Die Arbeit ist bedingt durch ihre Produktivität, 2) die Produktivität wiederum ist bedingt durch die Vorläufigkeit ihrer Geltung, und ist damit (1+2=3) prozessual abhängig von der produktiven Repetition, die der Arbeit seit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies ihren schlechten Leumund zugetragen hat. Arbeit ist eine repetitive und darin zuweilen stupide Tätigkeit, deren Legitimität sich unter anderem im Produktionscharakter der Arbeit erweist, dessen Notwendigkeit wiederum dadurch bedingt ist, dass er im Verbrauch der Unendlichkeit anheimfällt und darin von der Wiederholung der Tätigkeit abhängig ist: Der repetitive Charakter der Arbeit ist die Folge ihres Produktcharakters; umgekehrt ist ihr Produktcharakter die Folge des unendlichen Bedürfnisses nach ihm. Arbeit ist strukturell paradox. Das hat zur Folge, dass Arbeit sich von sich selbst unterscheiden lassen muss, um etwas über sich sagen und ein relationales Verhältnis von Arbeit differenzieren zu können. Offenbar liegt ihr noch ein anderes Unterscheidungskriterium zugrunde, das Arbeit (als) zweck- und sinnhaft voneinander unterscheidet.

14 15

Vgl. Hegel: PhG, S. 93 ff., insb. S. 116 f. G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, § 422 und Ebd.: PhG, S. 116 f. Vgl. dazu auch: Thomas Kalenberg: Die Befreiung der Natur. Natur und Selbstbewusstsein in der Philosophie Hegels, Hamburg, 1997, S. 39 ff. 235

RELATIONEN VON ARBEIT

Paradoxierungen von Emanzipation und Differenz Wenn auseinandergesetzt werden soll, wie Arbeit verstanden werden kann, muss also davon ausgegangen werden, dass ihr eine Paradoxie zugrunde liegt, die sich ausdifferenziert und dadurch zeigen kann, dass sie ÄGDV*HPW]XU$XIPHUNVDPNHLWXQG1DFKIRUVFKXQJHUZHFNWGLH>@]X Entdeckungen führt³16. So musste die Erklärung dieselbe Zirkelbewegung machen, die an der Arbeit bislang nachgezeichnet wurde. Diese Iterativität, so zeigt die paradoxe Tautologie, hat nur eine Folge: Sie zeigt, dass Identität nicht identisch ist, sondern auf ihrem Unterschied beruht. Damit zeigt sie, dass Paradoxien Unterschiede entfalten17 und Arbeit Unterschiede macht. Um diesen Erklärungsformalismus anwendbar zu machen, wurde und wird die Paradoxie als (Struktur-) Instrument verwendet, um die Momente, Motoren und Mechanismen zu suchen, die erklären können, welche Faktoren und Funktionen Arbeit zu Arbeit machen, wie die veränderte Bezugnahme der Kritik auf Arbeit verständlich wird und damit fragbar wird, ob Arbeit nicht nur ein Produzent von Paradoxien ist, sondern damit auch eine methodischstrukturelle Perspektive öffnet, um die Veränderungen des Arbeitsbegriffs hinsichtlich seiner auch normativen Implikationen und sozialen Fassbarkeit zu untersuchen, die auf zusätzlichen ± methodischen ± Paradoxien zu fußen scheinen als nur auf der als strukturell identifizierten. Auf Basis einer Unterscheidung zwischen der 1) Unterscheidbarkeit des Ununterschiedenen und 2) einer ununterschiedenen Einheit, einer Tautologie, lässt sich das widersprüchliche Gegensatzverhältnis auf zwei verschiedene Weisen verstehen: 1) als strukturelle Paradoxie, die die Unterscheidung der Identität nachvollziehbar und gestaltbar hält, und 2) als methodische Paradoxie, die der strukturellen die Methode der Absicht beistellt, keine Unterscheidung(en) mehr ziehen zu können. Eine strukturelle Paradoxie wäre ein Gegensatz ohne Widerspruch, eine methodische Paradoxie dagegen eine widersprüchliche Tautologie von Gegensätzen. Methodische Paradoxien der Arbeit, die auf die Identifizierung von Zweck und Sinn der Arbeit abzielen, können dann ideologisch genannt werden, wenn sich Arbeit in ihren transformierten Arbeits-Formen und ihren ForderunJHQ QDFK Ã$UEHLW DOV /HEHQVVLQQµ als MittelZweckbeziehung iteriert und als Zweckbeziehung selbst einen Zweck hat, weil Zweck und Mittel verkehrt werden. Denn es muss davon aus16 17

236

Kant: Anthropologie, BA 8. 'HU]XP%RQPRWJHZRUGHQH6DW]+HJHOVÄGDVVGDV6HLQGHV*HLVWHVHLQ Knochen ist³ (Hegel: PhG, S. 230 ), zeichnet von der Differenz der Identität ein deutliches Bild.

ARBEIT UND PARADOXIE

gegangen werden, dass es sich dann um Paradoxien handelt, die sich nicht mit der Paradoxie der Arbeit als Möglichkeit der Einheit der Unterscheidung von Arbeit und Nicht-Arbeit begnügt, sondern als Notwendigkeit gefasst wird, wenn dieses Verhältnis tautologisiert und contraintentional verkehrt wird und Zweck und Mittel miteinander identifiziert werden, ohne sie von einander unterscheidbar zu halten. Demnach sind Paradoxierungen von Emanzipation und Differenz identifizierbar, wenn die Differenz aufgehoben und die Möglichkeit von Emanzipation dadurch konterkariert wird, dass sie zum konstitutiven Bestandteil von Arbeit, also zugleich zu einem Zwang gemacht wird, in dem ihr Wesen bestehen soll. Grundlage für die Annahme, dass dies so sein kann, aber nicht notwendig so sein muss, ist die Unterstellung, dass ein Arbeitsverhältnis als Relation von Zweck und Sinn unter den Transformationen zwar paradox sein kann, aber nicht notwendig widersprüchlich paradox ist. In Bezug auf die zunehmend identifizierende Einschreibung einander widersprechender Faktoren ist auf ihre weitere Differenzierung zu achten und darauf, ob die Zweckfaktoren der Arbeit und die Sinnkategorien der Subjektivität unterscheidbar bleiben: ³2QFHWKHVHFDWHJories are reintegrated into the social totalities forming the agents that are their bearers, we can easily imagine a multitude of antagonisms arising between those concrete social agents and the relations of production in which they participate.³18 Mit anderen Worten: Wenn es um Paradoxien der Arbeit geht, kann ihre Struktur zur Methode werden. Damit diffundierte aber die Differenz und ginge in einer ideologischen Propagierung emanzipatorischer Zwänge von Arbeit auf, wie an extremen Ausformungen subjektivierter Arbeitsformen sichtbar werden kann.

Vorgehen So ist nach dem Charakter der sich am Subjektivitätsparadigma der KünstlerkritiN RULHQWLHUHQGHQ Ã6LQQSURGXNWLRQµ und einer veränderten Kritik zu fragen, die auf der Implementierbarkeit des Sinnparadigmas in sozioökonomische Zusammenhänge aufbaut. Es ist zu sehen, ob es einen Umgang mit einer Arbeitskonzeption gibt, der von der Dichotomie von Zweck und Sinn (und Kritik und Kritisiertem) ausgeht, dem aber eine andere Sichtweise inhärent ist, weil er nicht die methodisch paradoxe Identifizierung von Funktion und Bedeutung, sondern ihr strukturell paradox unterschiedenes Identitätsverhältnis zum Gegenstand macht.

18

Laclau (1990), S. 9. 237

RELATIONEN VON ARBEIT

Dafür werden Forschungen herangezogen, die sich mit anderen Zugänge zu ökonomischer Arbeitsorganisation beschäftigen und sich mit ästhetiVFKHQÃ6WUDWHJienµ auseinandersetzen, die eine dritte Perspektive auf das Verhältnis von Zweck und Sinn (in) der Arbeit einnehmen. 19 Diese müssten sich dadurch auszeichnen, eine paradoxe Organisation zu ermöglichen und zu einem egalisierbaren Umgang mit Arbeitsparadoxien beizutragen. Es ist zu prüfen, ob sozioökonomische Nutzbarkeit über ein subjektökonomisches Verständnis von Arbeit hinaus möglich ist und wie Arbeit darin fassbar wird. Dies beinhaltet veränderte Ansprüche des 6XEMHNWVDQGLHÄ6LQQVWLIWXQJLQGHUgNRQRPLN³20 und in der Organisation von Arbeitsteilung, die unter der Maßgabe betrachtet werden muss, ob die veränderten Bedingungen gerechtfertigt sind und an sie Maßstäbe angelegt werden können, die Arbeitsorganisation sinnvoll zu gestalten. Dies bringt zwar terminologische Widersprüche und begriffliche Vervielfältigungen mit sich; diese weisen aber auf etwas hin: Trotz einer Orientierung am Sinnparadigma führt eine damit kompensiert geglaubte Zweckausrichtung von Arbeit zum Widerspruch. Er kann aber produktiv sein. Denn mit den steigenden Anforderungen an das Individuum wird notwendig, normative Regelungen organisational zu implementieren. Wenn ± VRZLUGDQKDQGGHUÃlVWKHWLVFKHQ3HUVSHktiveµ und der Sinnstiftungsdiskussionen sichtbar ± die Weiterentwicklung von sinnstiftender Arbeit organisational konzipiert wird, muss dies normativ in einen transformierten Arbeitsbegriff integriert werden, um zu vermeiden, dass aus der strukturellen eine methodische Paradoxie wird. Umgekehrt formuliert: Die Perspektive, einen Begriff transformierter Arbeit zu erörtern, legitimiert die ästhetische Sicht auf ökonomische Arbeitsorganisation und Diskurse ihrer Sinnstiftung. Daraus wird sich ergeben, dass Arbeit deshalb strukturell paradox genannt werden kann, weil ihr die reziproke Beeinflussung von Zweck und Sinn eignet. Daraus sind normative Konsequenzen zu ziehen. Dann kann sie sinnstiftende Elemente beinhalten, weil sie nicht in der Form des subjektivistischen Zwangs aufgehen.

19 20 238

Vgl. exemplarisch Guillet de Monthoux (2004), Carr, Hancock (2003), Bergmann (1996). Svetlova (2008).

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

Ar b e i t a l s P a r a d o x i e p r o d u z e n t Dem Reden von Paradoxien wird also eine weitere Dimension hinzugefügt, wenn strukturelle und methodische Paradoxien der Arbeit diagnostiziert werden: Sie werden als Urteil über die Subjektivierungsformen von Arbeit verständlich, wenn sie auf jenen Strukturwandlungen beruKHQ ÄGie einerseits normative Fortschritte bedingen, diese gleichzeitig aber wieder in Frage stellen, indem sie zu deren Aushöhlung, Vereinseitigung oder sozialen Monopolisierung beitragen.³21 Eine Parteinahme ist bei Diagnosen über diese Entwicklung kaum zu vermeiden. Wird von Paradoxien (in) der Arbeit gesprochen, geht es um grundlegende Widersprüche und Antagonismen, deren Verhältnissetzung darüber entscheidet, ob sich aus ihnen Paradoxien analysieren lassen oder ihr antagonistischer Charakter in Unversöhnlichkeit beibehalten wird. Sind Paradoxien identifizierbar, kommt es darauf an, daraus Urteile über die gesellschaftliche Entwicklung ableiten zu können. So weist Martin Hartmann darauf hin, auf welche Theoriegeschichte der (marxistische) Widerspruchsbegriff zurückgreifen kann und wie er in der Folge aufgenommen wurde, um die kapitalistische Entwicklung in HLQHP 6SDQQXQJVIHOG ]ZLVFKHQ Ã3Uoduktion und Kapitalµ Ã,QGLYLGXXP und GesellscKDIWµ RGHUDXFKÃ$UEHLWXQG,QWHUDNWLRQµ zu verorten.22 Aus dem zunehmenden Rückzug des Staates von der Rolle als Vermittler und dem Fortschritt des Kapitalismus, der zu einer solchen Spaltung zwischen Sozial- und Künstlerkritik führt, resultiert die Verschärfung und Verwischung der Antagonismen und legt ein Urteil über die Paradoxierung der Widersprüche nahe. Danach zeichnet sich der Widerspruch nicht mehr klar durch die ± (post-)marxistische ± ökonomistische Interpretation von Gesellschaftstheorien, sondern zunehmend dadurch DXV GDVV GLH gNRQRPLH ]X HLQHU Ä+DQGOXQJVVSKlUH Xnter anderen³23 werde. Eben dies leisten vermehrt wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Theorien, die die darin verortbaren Paradoxien nicht als solche sehen und dadurch Gefahr laufen, die strukturelle zu einer methodischen Paradoxie zu transformieren, um Widersprüche zu entspannen und sinnstiftende Handlungsmodelle in die Ökonomie und die Ökonomik zu integ-

21 22

23

Honneth (2002), S. 9. Martin Hartmann: Widersprüche, Ambivalenzen, Paradoxien ± Begriffliche Wandlungen in einer neueren Gesellschaftstheorie, in: Honneth (2003), S. 224. Ebd., S. 229. 239

RELATIONEN VON ARBEIT

rieren.24 Auffällig ist, dass sie sich auf Perspektiven der wirtschaftswisVHQVFKDIWOLFKHQ%HWUDFKWXQJYRQgNRQRPLHNRQ]HQWULHUHQXPHLQHÄLndividualistische Fundierung³ ]XHUDUEHLWHQGLHÄQLFKWEHLGHUYHUNU]WHQ Perspektive des homo oeconomicus verharren³25 soll, ohne auf die Möglichkeit der Paradoxalität dieser Struktursynthesen einzugehen. Darin zeigen sich soziale Wandlungsprozesse in anderem Licht und fügeQ GHQ 7UDQVIRUPDWLRQHQ GHU Ã6XEMHNWLYLHUXQJ¶ DQGHUH 6LFKWZHLVHQ hinzu, welche die Paradoxa, die sich mit den Transformationen verschärfen, lösen sollen. Das Einschreiben anderer Handlungssphären in die ökonomische bringt einen erweiterten Einfluss der kapitalistischen Wirtschaftsform auf die eingeschriebenen Handlungssphären mit sich und soll eine veränderte Ökonomie und Ökonomik ohne Widersprüche ermöglichen. Dichotomien und Antagonismen werden in andere Relationen übersetzt, denen insbesondere die Arbeit unterliegt. Arbeit wird damit zum sozialintegrativen Hauptfaktor, andererseits aber als sozialer und ökonomischer Träger sozialer Leistungen und Pflichten geschwächt. *HUDGH LQGHP GDPLW Ä,PSXOVH GHU IHVWJHIDKUHQHQ XQWHUQHKPHQVHWKischen Debatte neues Leben einzuhauchen³26, verbunden werden, kultivieren sie eine Normativierung der Ökonomie, die vor der Gefahr einer möglichen methodischen Paradoxierung nicht gefeit sind, weil sie die strukturellen Widersprüche einer handlungstheoretischen Aufladung wirtschaftlicher Tätigkeit zu wenig zu berücksichtigen.

Widerspruch und Paradoxie Dies als Paradoxie zu bezeichnen, zielt darauf, dass das Gegenteil dessen bewirkt wird, was beabsichtigt war. Sie gehen davon aus, dass unterschiedlich strukturierte und methodisch gegensätzliche Handlungsmodelle widerspruchslos miteinander verknüpfbar sind, ohne dass die ökonomische oder soziale Absicht dadurch beeinträchtigt werden würde. So könQHQ ÄGLH YRQ 0D[ :HEHU EHVFKULHEHQHQ 5DWLRQDOLVLHUXQJVSUR]HVVH ÃSDUDGR[µ genannt³27 werden, weil der Protestantismus ± eigentlich das PRUDOLVFKH Ã/HJLWLPDWLRQVPRGHOOµ der Arbeitsstrukturen ± gerade zum Siegeszug des Kapitalismus nicht nur beigetragen hat, sondern für ihn wesentlich war. Gerade die komplexe Verschränkung der einander implizit widersprechenden Maximen zeitigt in der Bezugnahme aufeinander paradoxe Entwicklungen und ermöglicht Prozesse, die, ob sie nun 24 25 26 27 240

Vgl. insb. Reckling (2002),Beschorner (2002), aber auch systemtheoretisch inspirierte Arbeiten wie Osmetz (2003) und Svetlova (2008). Reinhard Pfriem: Geleitwort, in: Beschorner (2002), S. 7. Ebd. Hartmann (2002), S. 235 ff.

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

der Absicht widersprechen oder nicht, diese Widersprüchlichkeit paradoxal werden lassen. Die Profanisierung des Kapitalismus lässt in der Entledigung seiner Legitimationsgrundlagen dann nur noch die Paradoxie (und nicht mehr Widersprüche) übrig, ZHQQ GHU ÃSURWHVWDQWLVFKH *HLVWµ ÄDXV GLHVHP *HKlXVH HQWZLFKHQ³28 ist. Dass Weber dabei die Frage stellt, ob dies ± ÄHQGJOWLJZHUZHL‰HV"³29 ± so bleibe, kann als Legitimation für Boltanskis und Chiapellos AnalyVHGHVÃNeuen Geistesµ des Kapitalismus verstanden werden und erlaubt die Zuschreibung, dass der Kapitalismus auf ihm widersprechende Metaüberzeugungen angewiesen ist, um sein Vorgehen zu rechtfertigen. (QWVSUHFKHQGHQWVWHKHQ3DUDGR[LHQGHU$UEHLWLPÃ1HXHQ*HLVWGHV .DSLWDOLVPXV¶GDGXUFKGDVVJHUDGHGLH(UZHLWHUXQJGHU+DQGOXQJVP|glichkeiten des Individuums zur Verstärkung des Zwangscharakters führt oder zumindest führen kann. Die Emanzipation von fremden Zwängen HU|IIQHWGDGXUFK]ZHL)RUPHQYRQ(QWIUHPGXQJÄ6RIKUWGLH7DWVDFKH [...] zu einer paradoxen Situation [...]: Die Arbeitnehmer sind sowohl autonomer als auch stärker fremdbestimmt³30. Die paradoxe Struktur ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Prozesse und Konsequenzen der Autonomiezunahme bei gleichzeitig gegen-wertiger Fremdbestimmung in der Logik der Systematik liegen und in ein behauptetes Kausalverhältnis zueinander gesetzt werden. Wenn Zweck und Mittel der Arbeitsorganisation absichtsvoll miteinander verschränkt werden, liegt der Paradoxie ein ideologisches Motiv inne, zu dessen Rechtfertigung wiederum die Paradoxie dient. Diese Paradoxien bedürfen aber der immer erneuten Einschreibung neuer Rechtfertigungsmodelle, die über kurz oder lang Paradoxien produzieren, die so lange gültig bleiben, bis ein neues Rechtfertigungsmodell gefunden ist und die alten auch ideologisch ablöst. So argumentieren Boltanski und Chiapello; und damit unterliegen sie indirekt auch dem Prinzip der methodischen Paradoxie und zeichnen den Teufelskreis nach, der die Paradoxie durch Betonung der Widersprüchlichkeit der Antagonismen identifizieren will, um sie zu beheben. Diese Behebung allerdings müsste selbst wiederum paradox sein, um wirken ± und dann eine andere Paradoxie an ihre Stelle setzen zu können. Der Hinkefuß des Teufelskreises scheint in dem Versuch der Kausalitätszuordnung zu liegen; um aber aus den Paradoxien mehr als ihre Reflexivität als untrügliches Zeichen der Moderne oder der kapitalistischen Entwicklung ableiten zu können, bedarf es offenbar eines anderen

28 29 30

Weber (2004), S. 201 [1920: 204]. Ebd. Boltanski/Chiapello (2006), S. 463. 241

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Blicks auf die Paradoxien. Dann bedarf es einer Reflexion auf die kausale Paradoxie, aus der sich der Ansatz ergibt, die Antagonismen in ein produktives Verhältnis zu setzen. Ausgangspunkt wäre, von der identitären Gleichsetzung der Widerspruchselemente auszugehen, wie sie die Be]HLFKQXQJ Ã$UEHLW  $UEHLWµ vorgibt. Dies implizierte eine nicht-dichotomische Unterscheidung zwischen Zweck und Sinn, die ihr gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis berücksichtigt. Auch Betrachtungen, die von der Ökonomieproduktion durch Kunst und Ästhetik ausgehen, und Ansätze, die von sinnstiftenden Modellen ökonomischer Organisation ausgehen, bestreben, das antagonistische Modell Sinnproduktion ± Zweckorganisation zu transformieren. Ob am Ende eine positive Paradoxie steht, weil sie die Selbstständigkeit der Antagonismen bestehen lässt, ist zu untersuchen. Solche Sichtweisen auf ökonomische Dynamiken schließen an Diskurse der Übernahme künstlerkritischer Paradigmata in Ökonomik und Ökonomie an und verdeutlichen daran die Transformation der Kritik. Eine nicht mehr neue, sondern andere Kritik, die sich aus einer ökonomischen Perspektive auch aus Effizienzgesichtspunkten mit Notwendigkeiten einer veränderten Organisation von Arbeit auseinandersetzt, wäre möglicherweise unter dem von %ROWDQVNL XQG &KLDSHOOR YHUPXWHWHQ Ä:LHGHUHUVWDUNHQ GHU .QVWOHUNUitik³ ]XVXEVXPLHUHQLQGHUÄVLFK.QVWOHU- und Sozialkritik einander anQlKHUQ³31 wenn es dabei nicht um eine einseitige Subsumption geht. Die Forderungen nach radikaler Emanzipation und adaptiver Authentizität scheinen deshalb zu ihrer Behauptung uneingeschränkter Geltung geführt zu haben, weil es bei der KonfrontaWLRQGHU*HJHQVlW]HEOLHEÄ1XU in einem Kompromiss mit diesen Strukturen, die sowohl einen Zwang darstellen als auch Sicherheit bieten und die den täglichen Interaktionen und vertraglichen Beziehungen vorgelagert sind, kann die Forderung nach Mobilität eine Emanzipation befördern, die die Wahl zwischen der heftig kritisierten Trägheit des Bürokraten und dem Nomadentum des Erneuerers verweigert, wie es heute einhellig gefeiert wird.³32

31 32 242

Ebd., S. 506, S. 509. Ebd., S. 510.

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Arbeit als Reflexion der Arbeit Die Einschreibung künstlerischer Arbeitsweisen in organisationale Zusammenhänge wird verständlich, wenn sie als Versuch gelesen werden, die Spannungen, die sich aus den subjektivistischen Forderungen an die einzelnen Arbeiten ergeben, zu lösen und in ein produktives Verhältnis zu setzen. In dieser identischen Motivation weisen solche Konzepte, die VLFK ÃlVWKHWLVFKHQ 6WUDWHJLHQµ XQG Ã.XQVW XQG bVWKetik in der Arbeitµ33 widmen und als Mittel zum Verständnis von Arbeitsorganisation untersuchen, Gemeinsamkeiten mit Entwürfen auf, die ökonomisches Handeln als soziales Handeln verstehen, weil beide Ansätze bestrebt sind, differente Handlungsweisen in die der Ökonomie und andere Methodiken in die Ökonomik einzuschreiben. Der Ausgangspunkt ist jedoch ein anderer: Während Theorien, die sich mit veränderter ökonomischer Handlungsrationalität auseinandersetzen, ökonomisches Handeln als ÄLQGLYLGXDO- und institutionenökonomisch bzw. -ethisch³ verstehen P|FKWHQ XP VRZRKO ÄHLQHQ JHKDOWYROOHQ 6XEMHNWEHJULII EHizubehalten, als auch institutionelle Steuerungen zu konzeptionalisieren³34, und einen sozial-normativen Ansatz verfolgen, argumentieren wirtschaftsästhetische Konzepte mit der Bereicherbarkeit ökonomischer Organisation durch ästhetische Strategien, weil diese keine Identifizierungen der Gegensätze vornehmen. Diese Forschungen verwenden ästhetische PeUVSHNWLYHQ DOV Ã=usatzmitWHO¶]XU5HIOH[LRQEHU RUJDQLVDWLRQDOH3UR]HVVHXP VRZRKOGLH Organisation von Arbeit als auch Arbeit selbst wieder anders in ökonomische Zusammenhänge einzuschreiben. Es geht im Wesentlichen um eine veränderte Organisation von Arbeit. Dadurch muss sich aber auch das Verständnis von Arbeit ändern, weil sie nicht auf funktionale Diskrepanzen zwischen Ökonomie und Ästhetik, Wirtschaft und Kunst und Zweckverfolgung und Sinnproduktion abzielen, sondern auf die methodische Ergänzung sozioökonomischer Organisation durch ästhetische Reflexion. 'HU*UDGGHV8QWHUVFKLHGV]ZLVFKHQGHPÃVR]LDONULWLVLHUWHQµ Gegenstand der Künstlerkritik und diesen Vorstellungen und Absichten ist schmal, aber markant und liegt sowohl in der Methodik als auch in der forscherischen Zielrichtung: Zum einen geht es dieser wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin nicht darum, Lebensweisen, die einem künstlerischen Typus zugeordnet werden und damit einer gewissen Plakativität 33

34

Vgl. beispielhaft die programmatischen Titel: Carr, Hancock: Art and Aesthetics at work, New York 2003; Guillet de Monthoux: The Art Firm, Stanford 2004; Priddat: Wirtschaft durch Kultur, Marburg 2009. Beschorner (2002), S. 227. 243

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(die sich mehr an idealischen und an mancher Stelle an den Geniekonzepten des 18. Jahrhunderts angelehnten Vorstellungen denn an der Wirklichkeit künstlerischen Arbeitsalltags orientieren) nicht entbehren, nahtlos in die Ökonomie einzupassen, um für diese daraus Nutzen zu ziehen ± wie großteils in von Boltanski und Chiapello untersuchten Managementratgebern beobachtbar, die sich durchaus auch als pragmatische Handbücher QDFKGHP'LNWXPÃ:DVWXQZHQQµ an den Leser wenden. In den Untersuchungen handelt es sich um das Bemühen, eine gewissermaßen dritte Form von Betrachtung und Analyse zu schaffen, die die dichotomischen Elemente nicht einseitig unterordnet und damit nicht einseitigen Strukturdeterminanten zum Opfer fällt, sondern aufeinander bezogen selbstständig lässt. Zum anderen erarbeitet diese Forschung eine Analyse der Handlungs- und Strukturweisen nicht nur künstlerischer Prozesse, sondern auch ästhetischen Denkens, das in bestimmte künstlerische Prozesse mündet: nicht um sie anstelle einer sozialkritikverträglichen Organisation zu setzen, sondern in sie einzubauen. Ob es als gelungen anzusehen ist oder nicht, ist eine nachgeordnete Frage, weil der Ansatz zumindest eine neue Perspektive darauf, wie Arbeit als soziales und organisationales Bezugsinstrument anders reflektiert wird, eröffnet.

Eine ästhetische Perspektive In Untersuchung einer Transformation der Künstlerkritik stellt sich damit die Frage, was sich verändert, indem und wenn ästhetische und künstlerische Ansätze in wirtschaftliche Prozesse übersetzt und ökonomisch genutzt werden, wenn damit der Charakter der Kunst, der als nicht verfremdbarer Mehrwert als unerschöpflich betrachtet wird, verloUHQJHKWGD.XQVWGDEHLÄQLFKWPHKUÃDOV.XQVWµ, sondern schattenbildhaft als disegno von Kunst³35 verwendet wird; die Vertreter dieser Forschungsrichtung, die als andere Form der Kritik auftritt, fragen sich VHOEVWÄ:DVLVWHLQHlVWKHWLVFKH3HUVSHNWLYH"³36 Sie soll ein Mittel zur Überwindung des Dilemmas darstellen und Instrument dafür sein, ohne unüberwindbare Paradoxien zu produzieren; sie soll auf diese Weise das, was der Kunst zugeschrieben wird ± ÄDXI neue Art und Weise Wissen zu generieren³37 ±, für ökonomische ZuVDPPHQKlQJH]XÄ]XVDPPHQKlQJHQGH>P@:LVVHQIRUPHQ³: Das Ästhe35 36

37 244

Birger Priddat: Kunst als Ressource der Wirtschaft, in: Ders.: Wirtschaft durch Kultur, Marburg 2009, S. 11. Guillet de Monthoux: Handlungshermeneutik ± ästhetische Perspektiven für Ökonomen, in: Marc Markowski, Hergen Wöbken (Hg.): oeconomenta, Berlin 2007, S. 51. Ebd., S. 68.

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WLVFKH ÄYHUELQGHW GDV 6XEMHNW GDV ,QGLYLGXXP PLW DQGHUHQ 6Xbjekten. Es schweißt zu Gruppen, Organisationen und Gesellschaften zusammen. Es schafft eine gesellschaftliche kollektive Realität. [...] Das subjektiv gesehen Trennende dient gleichzeitig als gesellschaftlicher Klebstoff und wirkt als Mörtel für den Aufbau von Gesellschaften. Genau durch dieses Verständnis interessieren sich diejenigen, die in Unternehmen arbeiten, was ja faktisch komplexe Gesellschaftssysteme sind, nun stärker denn je für Ästhetik.³38 Grundlegend dafür ist, ökonomische Organisationen als soziale Räume und soziale Komplexe zu verstehen. Dynamiken, Beziehungen und Handlungen seien nicht ausschließlich ökonomisch begründbar, sondern durch zusätzliche Einflussfaktoren aus der Arbeitsorganisation irritierbar.39 Die ästhetische Perspektive der Wahrnehmung dient der Ergänzung der Betrachtung von Organisationen als sozialen Räumen; sie basiert auf der Unterscheidung zwischen Ästhetik und Kunst: Jenes Ästhetikverständnis rekurriert auf die in der frühen Aufklärung ausgearbeitete Theorie der Wahrnehmung als aisthesis in der wörtlichen Bedeutung der bloßen und sinnlichen Wahrnehmung40 und einer anderen, daraus möglichen Form der Wissens- und Erkenntnisgenerierung. Ästhetik LVW GLH Ä:HLVH LQ GHU VLFK 7lWLJNHLWVIRrmen, die Modi, in denen diese sichtbar werden, und die Arten, wie sich die Beziehung zwischen beiden denken lässt, artikulieren, was eine bestimmte Vorstellung von der Wirksamkeit des Denkens impliziert³41. Entsprechend konzentriert sich die ästhetische Perspektive auf Strukturen der Zuordnung, die Organisationen prägen, indem Ästhetik ÄDVDIRUPRIknowledge about organizational life³42 adaptiert wird. Sie ordnet die Kunst in ihre Weisen, Struktur- und Bezugsaufteilungen vorzunehmen, ebenso ein wie andere Instrumente und Mechanismen, die einer Anordnung oder Organisation dienen. Die ästhetische Perspektive soll dazu beitragen, die monoperspektivische Konzentration der Arbeit

38 39 40

41 42

Ebd., S. 54. Hier ist der Einfluss der Systemtheorie als Strukturgrundlage erkennbar. Vgl. Guillet de Monthoux (2004), Carr, Hancock (2003), Strati (1995, 2009). Bezüge gehen von Baumgarten über Kant, Schiller und Hegel hin zu Adaptionen der Situationisten und Beuys, der kritischen marxistischen Ästhetik bei Benjamin, Marcuse und Adorno, postmarxistischdekonstruktivistiVFKHQ 7KHRULHQ XQG µSRVW-politischenµ Ansätze Rancières. Vgl. Timon Beyes: Reframing the Possible. Rancièrian Aesthetics and the Study of Organization, in: Aesthesis, 2 (1), 2008, S. 32 ff. Rancière (2006), S. 23. Antonio Strati: Aesthetics and Organizations without Walls, in: Culture & Organization, 1.1, London 1995, S. 85. 245

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aufzubrechen und die Arbeitsorganisation so zu betrachten, dass auf der einen Seite die bestehende organisationale Ordnung gewissermaßen gestört und der rationalistische Ansatz der Organisationsanalyse in Frage gestellt wird; dadurch wird die Arbeit und ihre Organisation geöffnet, ohne den Arbeitenden im rational(istisch) organisierten Zwang der Arbeitsbewältigung zu belassen. Diese Theorien prägt die Topologie, dass die rationale Analyse der Konstruktion von Organisationen entscheidende Aspekte des Subjekts und des Objekts der Organisationen vernachlässigt, die Einfluss auf organiVDWLRQDOH$EOlXIHKDEHQÄ'HUlVWKHWLVFKH$QVDW]ZHLVWGDUDXf hin, dass die rationale Analyse unangemessene Interpretationen produziert, denn diese destillieren, sterilisieren, verschleiern und entfremden den Großteil des Organisationsprozesses wie menschliche Erfahrungen, dies sich aus Wohlgefallen, Emotionen, Bewegung und Geräuschen zusammensetzen, sowie den Ausdruck der persönlichen Lebensdynamik. [...] Diesen Ansatz zu übernehmen, bedeutet hingegen, in Opposition zu gehen bzw. Widerstand gegen die Überlegenheit jeder spezifischen Tradition in der Organisationsforschung gegenüber anderen zu leisten und die Dominanz der rationalen Kognition in der Organisationstheorie anzugreifen, indem der Akzent in der Organisationsanalyse auf solche Akzente gesetzt wird, deren Verständnis durch die Beachtung des heuristischen Vermögens aller Sinne erreicht werden kann und nicht durch die des intellektuellen Verstands allein.³43 Dahingehend ist er nicht bloß verwandt mit der pauschalen Künstlerkritik, die sich auch an den subjektphilosophischen und ästhetischen Programmen der Aufklärung, des ästhetischen Materialismus, der politisch-ästhetischen Programmatik der Situationisten oder Beuysµ44 orientiert. Der Ansatz scheint in der bloßen Aufforderung zur Reflexion über ästheWLVFKH 6WUDWHJLHQ DOV ÃDQGHUHP %OLFNµ RGHU ÃGULWWHU 3HUVSHNWLYHµ45 auch der künstlerkritischen Tendenz, der Radikalität oder Adaptivität zu verfallen, zu entkommen, weil sie die Verwandtschaft der Antagonismen unterstreicht und miteinander verbindet, ohne ihre Gegensätzlichkeit aufzuheben. Die Analyse betont die Notwendigkeit des Verweises auf das bloß fragmentarisch mögliche Wissen über Organisationen, das bisherige Oppositionierungen in Frage stellt.46 Wenn Marx in seinen frühen Schriften die Arbeit als gattungswesentliche menschliche Tätigkeit definiert hatte, so trifft sich die Auf43 44 45 46 246

Antonio Strati: Der ästhetische Ansatz in der Organisationsforschung, in: Markowski, Wöbken (2007), S. 99 f. Vgl. Carr, Hancock (2003), Guillet de Monthoux (2004), Strati (2007). Vgl. Guillet de Monthoux (2007), S. 53. Vgl. Strati (2009), S. 100.

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nahme der ästhetischen Perspektive in die Arbeitsorganisation in ihrer Realisierung der anthropologischen Paradigmatik der ArEHLWÄ'LH.XQVW antizipiert die Arbeit, weil sie deren Prinzip verwirklicht, nämlich die Umwandlung der sinnlichen Materie in die Selbstdarstellung der Gemeinschaft. [...] die Kunst als getrennte Tätigkeit abschaffen und sie der Arbeit, und das heißt dem Leben, das sich seinen eigenen Sinn erarbeitet, zurückgeben.³47 Darin ist nicht nur eine programmatische Veränderung des Verständnisses von Kunst und Ästhetik, sondern auch des Verständnisses von Arbeit inkludiert: Die Trennung von Arbeit als (mono-) kausaler Zweckverrichtung gegen Kunst als Produzenten von Sinn, der Bedeutung herstellt, während Arbeit bloß Aufgaben bewältigt, wird aufJHKREHQ XQG LQ %H]XJ ]XHLQDQGHU JHVHW]W 'LH ÃlVWKHWLVFKH 2UJDQLVDWiRQµ XQGGLHÃNQVWOHULVFKLQVSLULHUWH$UEHLWµ gewinnen ihre Dynamik, indem die ästhetische Perspektive als Instrument erweiterter Urteilskraft über Organisationsbezüge betrDFKWHWZLUGÄLQQHXHQ6LWXDWLRQHQQHXUeflektieren, neu beurteilen und neu entscheiden zu können³48. Solches ästhetische Denken soll wirtschaftliche Prozesse aktivieren. (V EHGUIH NHLQHV ÃKHUN|PPOichen¶ Effizienzdenkens mehr, weil die Probleme, die daraus resultierten, nicht mehr auftauchten, und weil es ein Charakteristikum organisationaler Beziehungen sei, existierende Ambiguitäten nicht zu reflektieren; das ästhetische Denken dagegen basiere gerade auf dem Bewusstsein von Ambiguität: Ä>,@WLVQRWRQO\the presence of art and aesthetics within the everyday life of the workplace, but equally, how these are increasingly put to work in the service of a range of organizational aspirations and goals, or, alternatively, how they can provide a range of novel and informative insights into the structuring and maintenance of organizational activities, particularly those which rely upon the continued existence of asymmetrical relations of power and control.³49 Es geht nicht um Ökonomisierung der Kunst, sondern um die Übernahme ihrer ästhetischen Betrachtungsweise: Die ästhetische Perspektive soll ermöglichen, das Enigmatische, das der Kunst zugeschrieben wird, auf die Arbeitsorganisation zu übertragen, um ± aus der Perspektive der Ökonomik ± mehr über Organisationen und ihre Bedingungen zu lernen, und um ± aus der Perspektive der Ökonomie ± organisationale Trägheit zu verringern, indem die Diskrepanz zwischen subjektiven Arbeitsmöglichkeiten und organisationalen Notwendigkeiten reflektiert wird.50

47 48 49 50

Rancière (2006), S. 69. Priddat (2009), S. 19. Adrian Carr, Philip Hancock: Preface, in: Ebd. (2003), S. XI. Vgl. ebd. 247

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Die Funktion der Organisation soll ästhetisch re-interpretiert werden ± und das heißt, die Organisierbarkeit von Arbeit deshalb als begrenzt möglich anzusehen, weil auch die auf Rationalität und Effizienz ausgerichtete Arbeit subjektiven Bedingtheiten unterliegt, die organisationale Bezugnahme nur begrenzt strukturierbar machen und im ästhetischen 'HQNHQÄDVWKHrealm of sensual experience³ in Diskrepanzen und Ambiguitäten verankert sei.51 Dem Ansatz liegt ein durchaus auch im historischen Sinne idealistisches Programm zugrunde, wenn er sich in Widerstand zu einer rationalen Konstruktion und Aufteilung von (Arbeits-) Organisation setzt und das Bestehen etablierter Gegensätze, dem Produktionsparadigma und dem Paradigma einer selbstwerten Tätigkeit, der Ökonomik und der ökonomischen Organisation in Frage stellt. In Hinblick auf die Motivation ihrer Begründung ist es eine idealistisch geprägWH lVWKHWLVFKH 2UJDQLVDWLRQ GLH ÄPLW HLQHU EHVWLPPWHQ 9Rrstellung von Kunst die Vorstellung von einer Gemeinschaft zerstören [will], die auf dem Gegensatz zwischen denen beruht, die denken und entscheiden, und denen, die zur materiellen Arbeit bestimmt sind³52. Die Paradoxien, die in der Arbeitsstruktur wie in den transformierten Organisationsweisen subjektivierter Arbeit liegen, sollen dadurch transformiert werden, dass antagonistischen Elementen Raum gegeben wird. Er soll verändert werden, indem davon ausgegangen wird, dass |NRQRPLVFKH 2UJDQLVDWLRQHQ QLFKW JlQ]OLFK IDVVEDU XQG QLFKW ÄDXI GHU kausalen Begründung von Organisationsphänomenen und auf dem Mythos der Rationalität von Organisationen beruhen³53. Nur dann sei Neues über die Möglichkeit der Organisation von Arbeit erfahrbar, wenn sie als sich beständig änderndes Konstrukt verstanden wird. Gerade daraus, dass die Kunst nicht nach Effizienzkriterien ausgerichtet sei und der Künstler nicht nach Produktionsvorgaben, sondern diskontinuierlich arbeite und Bedeutungslosigkeit produziere, die darin bedeutsam sei54, soll Verständnis für ökonomische Arbeitsorganisation als Paradoxieproduzent gewonnen werden.

Ästhetik als Organisator von Arbeit :lKUHQG GLH ÃUHLQH /HKUHµ rational-ökonomischer Systematizität darin liegt, ihre internen Faktoren einer Zweckrichtung und dem Kriterium 51 52 53 54

248

Vgl. ebd., S. X: ÄSuch divergences, ambiguities and contestations are theUHIRUHWKHOLIHEORRGRIWKHDHVWKHWLF³ Rancière (2006), S. 68. Strati (2007), S. 98. Die Verweismöglichkeiten hierbei sind vielfältig und von Adorno bis Lyotard gerechtfertigt; vgl. Priddat (2009), insb. S. 11 ff.

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größtmöglicher Funktionseffizienz entsprechend rationaler Axiome zu unterwerfen, externe Faktoren zu rationalisieren, im Funktionssystem zu internalisieren und fehlerhaftes Funktionieren auf Basis der Annahme reiner Rationalität als externe irrationale Störung aus der organisationalen Verantwortbarkeit auszuschließen55, erklärt ein Konzept der auf dem Bewusstsein der begrenzten organisationalen Steuerbarkeit basierenden Organisation ökonomische Probleme zu systematischen: Eine Organisation ist nur als ein Zusammenschluss von Akteuren denkbar, die in ihrem wirtschaftlich kausalen Handeln (Ko-) Operationen tätigen müssen, die gerade nicht innerorganisational beherrschbar sind. In Anschluss an Luhmann56 konstituieren sich Mechanismen einer Organisation deshalb, weil eine Organisation als Funktionssystem nur in Verbindung und Abhängigkeit mit ihrer Umwelt denkbar und funktionsfähig ist. Eine ökonomische Organisation hat Ursachen und Wirkungen zu berücksichtigen, die sie nicht klar in operationale und kausale Tätigkeiten trennen kann. Operationale Faktoren, Elemente und Aspekte eines Entscheidungs- oder Arbeitsprozesses, systematisierten sich gerade in einem dem rational-ökonomischen ggf. gegenläufigen Modell der Selbstgestaltung und sind nicht der Linearität rationaler Kausalität einzugliedern. Eine Organisation, obgleich sie eine ökonomisch operierende Ordnung ist, unterliegt somit nicht notwendig dem rational-wirtschaftlichen Kalkül, sondern immer auch einer nicht letztgültig steuerbaren Komplexität ihrer eigenen Entwicklung. Das heißt, innerhalb einer Organisation initiieren sich sozialdynamische Prozesse, die aus einer Organisation nicht ausgeschlossen werden können. Diese gesellschaftlichen Faktoren irritieren das wirtVFKDIWOLFKH.DONOÄ'DV(UJHEQLVLVWHLQHSULQ]LSLHOOH Inkonsistenz zwischen der sozialen Eigendynamik der Organisation und ihrem ökonomischen Kalkül.³57 Das ist gewissermaßen die theoriestrukturelle Lücke, in die sich die ästhetische Perspektive einschreibt. Deshalb geht es auch insofern nicht um die Anwendbarkeit neuer Mechanismen oder darum, sie in zweckökonomische Strukturen zu implementieren, sondern darum, die Zweck55

56 57

Vgl. Joseph Vogl, der mit Blick auf den Zusammenbruch des Finanzhandels als eines prinzipiell instabilen Systems die Schule der reinen Rationalität auf den Marktfundamentalismus der Chicagoer Schule zurückführt. Für deren Vertreter würden Krisen bloß dadurch ausgelöst werden, GDVV ÄHQWZHGHU lUJHUOLFKH +Lndernisse der freien Marktbewegung oder neue, unabsehbare Informationslagen im Spiel [sind]. Alle Krisen sind nichts als Anpassungsmomente und dokumentieren nur den unerbittliFKHQ *DQJ |NRQRPLVFKHU 9HUQXQIW³ LQ 'LH YRranlaufende Verpfändung der Zeit, Süddeutsche Zeitung, S. 17, 17./18. Oktober 2009. Vgl. Luhmann (1998a), S. 130. Baecker (2003b), S. 267. 249

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ökonomik aus einem Ansatz künstlerischer Reflexion von Arbeit zu geZLQQHQÄ Maybe the durable legacy of an ephemeral new economy is an aesthetic sensitivity to the spiritual in modern organizations, and art firms might conceivably serve as models for helping firms generate aesthetic energy by stimulating technicians, artists, critics, and audiences to maintain Schwung in aesthetic play.³58 ± Ã6FKZXQJµ meint, in Rekurs auf Schillers Theorie einer politischen Ästhetik, die künstlerische Dynamik, die dem spielerischen der drei von Schiller bestimmten menschlichen Triebe eigen ist, zu einem fruchtbaren und harmonischen Zusammenspiel der drei Triebe beiträgt und die eigentliche, menschliche Tätigkeitsfähigkeit verwLUNOLFKW Ä'LH 6FK|QKHLW >@ LVW GDV JHPHLnschaftliche Objekt beider Triebe, das heißt, des Spieltriebs. Diesen Namen rechtfertigt der Sprachgebrauch vollkommen, der alles das, was weder subjektiv noch objektiv ist, und doch weder äußerlich noch innerlich nöthigt, mit dem Wort Spiel zu bezeichnen pflegt.³59 Schillers Spieltrieb ist das handlungstheoretische Äquivalent zu Kants Urteilskraft. Die Urteilskraft ist das synthetische Vermögen zur beurteilbaren kategorialen Einordnung sinnlich gegebener empirischer Daten und bildet das versöhnende, Gegenstands- und Welterkenntnis herstellende, Mittelglied zwischen Verstand und Vernunft. Sie dient da]X GLH ZDKUJHQRPPHQH 0DQQLJIDOWLJNHLW ÄXQWHU 5HJHOQ ]X VXEVXPLeren³60, d. h. die gefassten Erkenntnisse so einordnen zu können, dass sie als wirklich beurteilt werden können, und bildet so zuerst die Voraussetzung, handeln zu können ± wenn als begründet vorausgesetzt ist, dass dem verständlichen und verständigen Handeln und der Abschätzung etwaiger Konsequenzen des Handelns ein verständiges Urteil über sich selbst als Akteur, über den Gegenstand, ggf. andere Beteiligte des Handelns und das Bezugsverhältnis zwischen diesen vorausgehen muss. Wenn nun der Spieltrieb zwischen notwendigen und freien Handlungen vermittelt, isWHUGHUÃ7ULHEµ, der nicht nur Schönheit empfinden, sondern produzieren zu können ermöglicht; Schönheit fasst ± die ökonomistische Formulierung ist beabsichtigt ± jenen Mehrwert, der allerdings nicht re-investierbar ist. Mit dem berühmWHQ6DW]Ä'HU0HQVch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt³61YHUOHLKW6FKLOOHUGHPÄ3DUDGR[³62 Ausdruck, in der zweckfreien Handlung eine über alles gültige Zufriedenheit und Schönheit empfinden zu können, weil der Spieltrieb die Wechsel58 59 60 61 62 250

Guillet de Monthoux (2004), S. 355. Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, hier Brief 15, Stuttgart 2000, S. 60. Kant: KrV, B172. Schiller (2000), Brief 15. Ebd.

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ZLUNXQJ GHU EHLGHQ ÄHQWJHJHQJHVHW]WHQ Triebe [...] und Prinzipien³ ist, DXVGHUÄZLUGDV6FK|QHKHUYRUJHKHQVHKHQ³63. Wenn dies nun auf die ästhetische Arbeitsorganisation und das dilemmatische Verhältnis von Wirtschaft und Kunst übertragen wird, ist noch eine weitere, wenn auch von der Idealistik des Ansatzes geprägte, Implikation der Schillerschen Spieltheorie hilfreich, die das Vermittlungsschema auch aus einer sozialkritischen Sicht interpretierbar macht. Das Spiel als ästhetische Kategorie und Kunst und Ästhetik bilden die vermittelnde Schnittstelle zwischen sozialen Klassen, die Schiller als Abbild der disparaten Trennung von Verstand und Sinnlichkeit interpreWLHUW 'XUFK GLH ÃlVWKHWLVFKH (U]LHKXQJµ werde diese sie aufgehoben, weil der Spieltrieb das Moment der Freiheit vermittle und den Zwang ökonomischer Unterwerfung aufzuheben imstande sei.64 Eine entspreFKHQGHÃlVWKHWLVFKHgNRQRPLHµ65 und Ökonomik stellt ein solches Paradigma auf, das die Vermittlung zwischen Ästhetik und Ökonomik, zwischen Kunst und Ökonomie leisten will. Ã.XQVWDOV2UJDQLVDWRUµ soll keine Ästhetisierung bzw. Kulturalisierung der Ökonomie im künstlerkritischen Sinne initiieren, und die ästhetische Adaption durch die Ökonomik soll ebenso keine Ökonomisierung der Kunst kultivieren; die ästhetische Perspektive zieht sich zunächst auf die (forscherische) Position des anderen Blicks zurück. Mit dem legitimatorischen Verweis auf Schiller soll die strukturelle Ordnung von Organisationen reflektiert und als Dynamik verstanden werden, die die organisationale Kausalitätsordnung und die zweckrationale Ausrichtung in Frage stellt. Damit ist zumindest die Egalität aller Organisationsaspekte sozialkritisch insinnuiert und die Berücksichtigung interdependenter Strukturen zwischen heterogenen Organisationskonstituenten in die Organisationskonstruktion integriert.66 Eine ZuordQXQJ ]X HLQHU Ã.UHDWLYHQ .ODVVHµ oder zur Gruppe der Förderer der Subjektivierung oder eine etwaige Behauptung, dass die ,PSOLNDWLRQ lVWKHWLVFKHU 5HIOH[LRQ HLQH Ã1HXH $UEHLWµ im Sinne Bergmanns initiierte, ist nicht unmittelbar gegeben. Die soziale Bündelung 63 64 65 66

Ebd., Brief 16. Vgl. Schiller (2000), Briefe 4 und 5. Gernot Böhme: Atmosphären wahrnehmen, Atmosphären gestalten ± mit Atmosphären leben: Ein neues Konzept ästhetischer Bildung, S. 5 Vgl. dazu Beyes, Rancière folgend, um die Verhandelbarkeit sozialer VerKlOWQLVVHDXIUHFKW]XHUKDOWHQÄ(TXDOLW\WKHQLVQHLWKHU understood as DQHVVHQFHRUDÃSXUHµ historical origin, nor as a teleological goal of human progress. It is not sHW XS DV D Ästructural principle³ but as a principally undeterPLQHG Äde-structuring principle³ that relates the respective contingency of domination to a prior, fundamental contingency. (Rancière, 2003b, p. 14)³, in: Beyes (2008), S. 2. 251

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GXUFKHLQHÃ.UHDWLYH.ODVVHµ ebenso wie Subjektivierungsmechanismen und auch die behauptete AlWHUQDWLYH Ã1HXHU $UEHLWµ argumentieren in .DXVDOLWlWHQ(VPVVHGHUÃ.UHDWLYLWlWµ XQGGHUÃ6HOEVWEestimmungµ der Subjekte nur genug Raum gegeben werden, um zu erkennen, wie ökonomisch produktiv sich die Berücksichtigung künstlerischer Paradigmata auswirke. Hier soll die Unterordnung ökonomischer Organisation unter ökonomisierbaren Mehrwert produzierende Strategien künstlerischer Eigenmotivation und Selbstbestimmung von Arbeitsmethoden das Ã1HXHµ sein, das sich politisch-sozial ± in der Transformation und Überwindung der traditionellen sozialen Klassenbildung ± wie volkswirtschaftlich positiv auswirken werde. Für Florida, den Ausrufer der Kreativen Klasse, ist der Maßstab dieser Überwindung der Klassengrenzen GDV |NRQRPLVFKH 3RWHQWLDO GHU .UHDWLYHQ .ODVVH ÄThe worsening divides in our society are not merely a problem of social equity; they are economically inefficient for the nation as a whole. [...] Members of the Creative Class thus have an economic interest as well as a moral imperative to reduce class divides [...]. The motive of human dignity is here aligned with economic motives.³67 Ursache und Wirkung sind klar identifizierbar wie der ideologische Impetus deutlich wird: Auf der manifesten Grundlage ökonomischer Parameter ist die Schaffung einer gerechten und moralischen Gesellschaft möglich. Das Ã3RWHQWLDO GHU .UHDWLYLWlWµ wird durch die Zuschreibung einer gesellschaftlichen )XQNWLRQ YRQ .XQVWÃ.UHDWLYLWlWµ zum Element von gNRQRPLH$XFKGLHÃ1HXH$UEHLWµ beansprucht eine Umkehrung sozioökonomischer Kausalitäten, mit der die Überwindung sozialer und subjektiver Entfremdung folglich einherginJH Ä'LH 1HXH $UEHLW LVW HLQH nun 20 Jahre andauernde Bemühung, diesen Zustand umzukehren. Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. [...] Das Ziel der Neuen Arbeit besteht nicht darin, die Menschen von der Arbeit zu befreien, sondern die Arbeit so zu transformieren, damit sie freie, selbstbestimmte, menschliche Wesen hervorbringt.³68 DeQQRFK VLQG LQ GHU ÃlVWKHWLVFKHQµ Perspektive Tendenzen zu verzeichnen, die die Implementierbarkeit der Kunst in ökonomische Systematik betont, auch wenn es dabei um die AufrHFKWHUKDOWXQJ GHU Ä'Lstinktion von Wirtschaft/Kunst³69 und um die Herstellung eines RelatiRQVYHUKlOWQLVVHVJHKW 'HQQRFKZLUGGLH9HUZDQGWVFKDIWGHVÃ,QQRYDWiYHQµ von Kunst und Wirtschaft hervorgehoben, die letzterer als andere Form der Innovationskraft dieQHQN|QQHGHQQÄ.XQVWOHKUWZHQQ PDQ

67 68 69 252

Florida (2002), S. 321. Bergmann (2004), S. 11 f. Priddat (2009), S. 13.

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so will, sehen: aber contrafaktisch: Nicht notwendigerweise als das, was zu sehen implementiert war, sondern etwas, was mitschwingt im Kunstwerk, sans et contre intention, offen.³70 Insofern sind die Adaptionen der Kunst durch die Wirtschaft wiederum in das kapitalistische Geneseschema von Boltanski und Chiapello einschreibbar, wenn sich die Ökonomie nicht nur transformierbare Schemata der jeweiligen Ideologien aneignet, sondern auch Methodiken. 6R ZHUGHQ ÄNQVWOHULVFKe Interventionen ± darstellerisch, schauspielerisch, literarisch, musikalisch³ als Techniken verwendet, um den Blickwinkel des Künstlers in die systemische Verbesserung der Unternehmens- und Arbeitsorganisation aufzunehmen. Das konkrete Ziel der Implementierung künstlerischer Interventionen in die Konzeption ökonomischer Organisation liegt GDULQÄGDVEHUatene Klientensystem aus einem unkonventionellen Blickwinkel, aus dem des außenstehenden Künstlers, zu betrachten, um dadurch die systemeigene Wahrnehmung mit neuen Perspektiven zu erweitern, die eine Bereicherung für das System darstellen. Kunst und Künstler haben sowohl die Aufgabe als auch die Funktion, nicht nur das Abstrahieren, sondern auch das Neuinszenieren sowie darüber hinaus gegebenenfalls das RituaOLVLHUHQYRQÃ$OOWDJsJHVFKLFKWHQµ zu leisten. Die Kunstdarbietung soll im Klientensystem gezielt Unruhe erzeugen, um dessen statische Muster sowie dessen routiniertes Verhalten so zu durchbrechen, dass Vitalität und Bewegung entstehen kann. Es geht darum, anders formuliert, gezielte Impulse zu setzen, durch die bestimmte Stimmungen und blockierte Gefühle stimuliert werden, welche ihrerseits wiederum im sozialen System gemeinsam erlebt werden und in diesem dadurch die Energien der Systemmitglieder freisetzen, wodurch das Schaffen von etwas Neuem ermöglicht wird.³71 Das Darstellerische und Exponierte der Kunst wird in einen ökonomischen Funktionszusammenhang gesetzt, wodurch der Charakter der Kunst paradoxer Weise selbstständig bleibt, weil sie gerade durch ihren fremdheitlichen Aspekt funktionalisierbar wird. Die ästhetische Perspektive wird von der ästhetischen Praxis abgelöst: Kunst ist als Vermittler und Provokateur eines Wissens geeignet, verdeckte Schwachstellen in den Arbeitsabläufen der Organisation zu offenbaren, da Künstler mit ihrer erhöhten Sensibilität in der Lage seien, solche unerkannten Komplexe und Zusammenhänge zu entdecken.72 70 71 72

Ebd., S. 22. Gregor Handler: Konzept zur Entwicklung integrierter Beratung, Wiesbaden 2007, S. 203. Vgl. Gerber et al.: Künstlerische Interventionen in Großgruppen, in: Roswita Königswieser, Marion Keil (Hg.): Das Feuer großer Gruppen, Stuttgart 2002, S. 202. 253

RELATIONEN VON ARBEIT

Dabei ist zwar eine Inanspruchnahme der Kunst zu verzeichnen, wenn JHUDGH GLH ÃDQGHUHµ Strukturmethode der Kunst für wirtschaftliche Prozesse relevant wird; sie weist nur nicht denselben Charakter des Subjektivierungsschemas auf, das auf der Reduktion der beanspruchten Paradigmata beruht; die reduktionistische Form der Verfremdung bleibt aus. Gerade das Fremde wird in Bezug zu systemischer Organisation gesetzt und ermöglicht damit insofern einen ökonomischen Mehrwert, als jenes RIIHQEDU]XUÃ5HLQLJXQJµ oder Behebung organisationaler Ablaufsperren EHLWUlJW Ä6R LQ GLH :LUWVFKDIW WUDQVSRQLHUW XQG GDYRU LQ GLH $XVELldung) ist die Kunst der Wahrnehmung kein singuläres Ereignis, sondern eine Methode: die jedem widerfahren möge, um neue Wahrnehmungen, neue Dispositionen, andere Fähigkeiten zu schaffen.³73 +LHUWUHIIHQVLFK,QWHUHVVHQZLUWVFKDIWOLFKHU2UJDQLVDWLRQPLWÃNQVtlerLVFKHU)RUVFKXQJµ EHUÄ7UDQVIHUNXQVW³GLHÄIUHLQH0HWKRGHlVWKetisch-reflexiver Erzeugung und Vermittlung von Erkenntnissen und Bedeutungen [steht]; Reflexionsarbeit wird dabei in ästhetischer Form geführt und daraus gewonnene Erkenntnisse in den inhaltlichen Diskurs zurück transferiert.³74 Das künstlerische Tun transformiert sich zu einer systePLVFKHQ $UEHLW XQG EHUQLPPW QDFK HLJHQHU $XVNXQIW ÄHLQH QHXH gesamtgesellschaftlich relevante Aufgabe oder Funktion der Kunst [ ] ± eine systemische Kunst, die sich ihrer vormals ausschließlich repräsentativen Aufgaben als künstlerische Strategie bedient, und einen entscheidenden Beitrag zur Reflexion von Gesellschaft leistet.³75 +LHUDQ ]HLJW VLFK HLQH DQGHUH Ã5HIOH[LYLWlW GHV .DSLWDOLVPXVµ76: Es vollzieht sich eine Transformation nicht mehr der ökonomischen Zusammenhänge und ihrer Elemente, sondern der Kunst, die zum Akteur der Veränderung wird. Dabei ist zwar ein anderes Verhältnis von Kunst und WirtscKDIW ]X EHREDFKWHQ 'LH ÃDQGHUHµ, dritte Perspektive der Ästhetik wird beibehalten und in ein solches Verhältnis zur ökonomischen Perspektive gesetzt, dass sie ihre Antagonistik nutzbar wendet. Eine kritische Haltung, wie sie die anderen Formen der Künstlerkritik aufwiesen, trägt hier nicht mehr zum Definiens der Kunst bei, sondern wird auf GDV ,QQRYDWRULVFKH RGHU DXI GLH NQVWOHULVFKH )lKLJNHLW ]X ÄInventio-

73 74 75 76

254

Priddat (2009), S. 23. Klaus Heid, Ruediger John: Transferkunst, in: dies. (Hg.): Transfer: Kunst Wirtschaft Wissenschaft, Baden-Baden 2003, S. 221. Ruediger John: Funktionen und Freiheiten der Bildenden Kunst, in: ders. et al. (2003), S. 272. 9JO)UDQ]6FKXOWKHLV:KDW¶VOHIW"9RQGHU'HVRULHQWLHUXQJ]XUVHOEVtreflexiven Standortbestimmung linker Gesellschaftskritik, in: Rolf Eickelpasch et al. (Hg.): Metamorphosen des Kapitalismus ± und seiner Kritik, Wiesbaden 2008, S. 24.

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nen³77 reduziert und zum Dienstleister der Organisation. Aber nicht die von ihrem Ursprung gelöste Aneignung und Transformation künstlerischer Paradigmata ist dabei zu beobachten, sondern die aktive Transformierung zur Einschreibbarkeit in Prozesse, die ihr strukturell zwar weiterhin entgegengesetzt sind ± und somit formal nicht ihre Antagonistik verlieren; dies scheint aber gerade das Implikationskriterium zu sein. Es ist nicht mehr nötig, die metaphysischen Konnotationen künstlerischer Topoi der Subjektivität auf den manifesten Boden des singularen und subjektivierbaren Individuums zu stellen, wenn in der Verkehrung der Oppositionierung gerade das Entgegengesetzte linearisierbar wird: Ä:DVLQGHU.XQVWDQPHUNZUGLJHQ%H]XJVZHOWHQXQG5HODWLRQHQHQtfaltet wird, ist immer Ressource für Innovationsrecherche innerhalb der Wirtschaft. [...] Wenn Kunst eine Arena der potentiellen Ausbeutbarkeit durch Wirtschaft ist, [...] dann ist eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Management/Unternehmen fruchtbar, wenn es um Erschließung des Neuen geht.³78 Offenbar stellt die ästhetische Herangehensweise Arbeitsmechanismen zur Verfügung und aus, die einer nachhaltigen ökonomischen Nachfrage gegenüber stehen, sofern Innovationen für entsprechende ökonomische Organisationsprozesse relevant sind. Kunst wird als ein Ä0RGXV GHU (Lnführung neuer Selbstbeschreibungen der Menschen in der Gesellschaft³ XQG DOV HLQ Ämodus operandus sozialer Rekonstellation³79 verstanden. Dieser kann zwar der Tendenz nicht ganz entkommen, jene Managementorientierungen zu provozieren, die oben mit dem Blickpunkt auf die organisationsrelevante Implementierbarkeit künstlerischer Interventionen als Mittel systemischer Beratung betrachtet wurden. Damit unterläge sie jener GeIDKUGLH.XQVWDOVÃGDV$QGHUHµ kausalistisch unter die Ökonomisierbarkeit zu subsumieren, die gerade den erhofften nicht re-investierbaren Mehrwert instrumentalisierte. Wenn die ästKHWLVFKHgNRQRPLHRGHUGDVÃ$UWLVWLF0DQDJHPHQWµ80 allerdings darauf abhebt, als gewissermaßen beständiger oder nachhaltiger Reflexionsfaktor in ökonomische Prozesse der Organisation wirken zu können, evoziert das zumindest die Frage, was das für ein verändertes Verständnis von Arbeit und ihrer Organisation bedeuten kann. Ein Hinweis ist mit der paradoxalen Bezugnahme gegeben, die Bedeutungsdifferenzen aufrechterhält. Es ist zu sehen, ob sich daraus ein 77 78 79 80

Priddat (2009), S. 66. Priddat (2009), S. 90. Ebd., S. 92. Guillet de Monthoux/Strati: Reconnecting Companies to the City, in: Beyes et al. (2009). 255

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methodisches Instrument analysieren lässt, die auch für eine normative Herangehensweise für transformierte Arbeit nützlich und sinnvoll ist. Festzuhalten ist, dass diese ästhetische Perspektive einen anderen Blickwinkel auf organisationale Zwänge wirft, die aufgrund ihres ökonomischen Rationalismus Ungleichheiten produzieren. Statt der Dichotomie und der Perpetuierung dichotomisierender Perspektiven findet eine Relationierung zweier in der Kritik und in den kritisierten Konzepten als diskrepant gefasster Entitäten statt. Sie eröffnen durch diesen veränderten und verändernden Blick Möglichkeiten, andere, wenn paradoxe, so nicht einander ausschließend widersprüchliche Bezüge zueinander ins Verhältnis zu setzen, die den Veränderungen von Arbeit sowohl in der dem Subjekt- und Sinnparadigma als auch dem Zweck- und Sozialitätsparadigma als einander nicht widersprechende Seiten eines Komplexes neue Möglichkeiten abgewinnen können.

Arbeit in Relation Mit der ästhetischen Perspektive werden selbstreferentielle Strukturen an die Ökonomie herangetragen, die die Möglichkeit zur Internalisierung von Reflexion gewährleisten sollen. Sie sind auch von bloßen Implementierungen künstlerischer Strategien in Organisations- und Managementkonzepte zu unterscheiden, sofern die letzteren gerade jegliche Unterscheidung aufheben und ein nur noch unterstelltes Sinnparadigma der Zweckrationalität unterwerfen Ä>0@RUH LPSRUWDQWO\, such thinking interferes with the perhaps all-too-useful distinction between an instrumental use of aesthetics in organization theory that would turn the former into mere material for managerial domination and its counterpart, the critical unmasking of the instrumentalization of aesthetics as yet another means for managerial control.³81 Der Vorteil an der Bewahrung der Externalität der Instanz liegt darin, dass es dafür keiner ökonomieimmanenten Legitimation bedarf; die andere Perspektive bewahrt die Souveränität ihres Blicks und zugleich die der Ökonomie. Ist daraus zu folgern, dass aus den Wirtschaftswissenschaften ein Denkmodell für einen Arbeitsbegriff kommt, der die künstlerkritischen Vorgaben transformiert",VWGLHÃlVWKHWLVFKHgNRQRPLHµ oder der ästhetische Blick auf die sozioökonomische Organisation zumindest formal jene von Boltanski und Chiapello eingeforderte Weiterentwicklung der Künstlerkritik, die sich mit Berufung auf die Situationisten dem ProJUDPP YHUVFKULHEHQ KDWWHQ ÄGLH .XQVW DOV JHWUHQQWH 7ätigkeit ab[zu]-

81 256

Beyes (2008), S. 38.

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schaffen und sie der Arbeit, und das heißt dem Leben, das sich seinen eigenen Sinn erarbeitet, wieder zurück[zu]geben³82? Es scheint, als unterschiede sie sich vom Kritikschema dadurch, dass sie durch die Bewahrung der Externalität der ästhetischen Perspektive die Perpetuierung der Widerspruchsstruktur der Kritik aufhebt. Sie greift zumindest darin auf sozialkritische Paradigmata zu, dass sie nicht zu deren Ungunsten eine Neubewertung ökonomischen Handelns offeriert. Sie konzentriert sich nicht auf neue, sondern auf alte Subjektivitätsideale, die nicht mit den Idealen des subjektivierbaren Subjektivismus übereinstimmen, die Taylor als modernes Authentizitätsideal identifiziert und anhand dessen er den (subjektivistischen) Egoismus und den (soziablen) Individualismus voneinander unterscheidet.83 Die ästhetische Reflexion auf die ökonomische Organisation kann als Reaktion auf transformierte Arbeitsbeziehungen und -abhängigkeiten verstanden werden, weil sie ökonomische Organisationen als soziale Komplexe betrachtet, von denen behauptet wird, dass sie einer beständigen Kontrolle der Sinnhaftigkeit ihrer sozioökonomischen Organisation bedürfen. Zumindest bedarf sie dieser Behauptung, wenn sie als Aspekte einer sozialen Transformation der Ökonomie gelten können soll. Auf der anderen Seite repliziert sie jedoch das Kritikschema von Widerspruch und Aufnahme des Widerspruchs gerade dadurch, dass sie die ästhetische als dritte Perspektive behauptet. Gewissermaßen ist es sogar ein manifestes Anschauungsbeispiel der Kritikdichotomie, indem GDVÃ$HVWKHWLF0DQDJHPHQWµ Instrumentaltechniken der Ästhetik zu nutzen weiß, ohne ihre Paradigmata zu ver- und die Ästhetik sich selbst zu entfremden und so gewissermaßen nachhaltig mit der dritten Perspektive zu wirtschaften, weil es sie nicht erschöpfend verbraucht. 'HQQRFKLVWGLHÃlVWKHWLVFKHgNRQRPLHµ ein neuer Schritt in der dichotomischen Entwicklung des Kritik-Kritisierten-Verhältnisses. Die Ökonomie transformiert nicht die Paradigmata der Kritik, wie es im Verhältnis von Kapitalismus zu Künstlerkritik in der Darstellung Boltanskis und Chiapellos plausibel wird. Sie schafft sich ihre Legitimationsinstanz dadurch, dass die transformierten Topoi in einen ökonomischen Plausibilitätszusammenhang gesetzt werden, zugleich aber auf ihren unabhängig von der Ökonomie geltenden Ursprung verweisen. ± Deshalb hatte es eine erneuerte Künstlerkritik leicht, auf die Verfremdungsmacht des Kapitalismus zu reagieren und neue Kritiken zu formulieren; die ästhetische Ökonomie schätzt die künstlerischen Topoi gerade aufgrund ihres nicht verfremdbaren paradigmatischen Charakters. Eine 82 83

Rancière (2006), S. 69. Vgl. Taylor (1995), S. 29, 81; s. Einführung, resp. Kapitel II. 257

RELATIONEN VON ARBEIT

ÃlVWKHWLVFKHgNRQRPLHµ dagegen erschwert die Ökonomisierbarkeit und damit die Implementierbarkeit in ökonomische Nutzzusammenhänge. Die ästhetische Perspektive erhöht die Reflexivität der Ökonomie und macht Arbeit zum ökonomischen Reflexionsinstrument, indem sie ÃlVWKHWLVFKH 6HQVLWLYLWlW DOV QDFKKDOWLJHV 9HUPlFKWnis neuer Ökonomie in ökonomische Organisationenµ84 einschreibt. Wenn Ökonomie und Kunst, Ökonomik und Ästhetik als aufeinander beziehbare Widersprüche gefasst werden, muss die Tätigkeit der Beziehung anders begriffen werden. Arbeit wird reflexiv gefasst und zu einem multiplizierten und wieder multiplizierenden Paradoxieproduzent. Wieder, weil die Strukturlogik in der Kreislaufhaftigkeit der Arbeit festgeschrieben ist, die in der Arbeit als Mittel zur Bewältigung äußerer Zwänge erkennbar ist und Arbeit zum Träger existentieller Metaphorik macht. Dieser strukturelle Aufbau von Arbeit als Bezugsmuster äußerer Zwänge und innerer Zwecke lässt sich auf die repetitive Fassung der Arbeit bei Arendt beziehen. Sie unterstreicht die charakterliche Verwandtschaft von DHQNHQ XQG $UEHLWHQ GLH EHLGH ÄUesultatlos [bleiben] wie das Leben selbst, sie sind die menschlichen Modi des Lebendigseins.³85 Die Endlosigkeit und endlose Notwendigkeit der Wiederholung der Arbeit sind für Arendt die entscheidenden Kriterien, die sich daran abarbeiten, den UnWHUVFKLHG DXIUHFKW]XHUKDOWHQ ÄGHU LP Bewusstsein bloß als nackte Tatsache (factum brutum) gegeben ist³86. Der Unterschied nun, der mit dem Einbezug des reflexiven Moment der Ästhetik in die Arbeit vollzogen wird, ist nicht bloß, dass der Arbeit ein Verwertungsobjekt zugeführt wird, das sich eigentlich durch Unverwertbarkeit auszeichne; diese Möglichkeit, sich ± unabhängig von der internen Struktur ± alles anzueignen, liegt in der Repetitivität der Arbeit. Der Unterschied liegt darin, dass der Unterschied nicht aufgehoben wird: Die nicht-verwertende Reflexivität der Ästhetik wird in die verwertende Reflexivität der Arbeit eingeschrieben, wodurch der Bezug zweier aufeinander bezogen konzipierter Mechanismen, der Kunst und der Wirtschaft, dar- und hergestellt wird. Damit rekurriert das Modell auf die tautologische Struktur von Arbeit und dynamisiert die paradoxale Herstellung eines Bezuges zwischen Selbstbezug (Ästhetik) und Fremdbezug (Ökonomie). Arbeit wird in ihrer Funktion, Zweckbezüge zu bewältigen, relativiert und mit der Funktion versehen, darin einen Selbstbezug zu gewährleisten. Dabei wird 84 85

86 258

Vgl. Guillet de Monthoux (2004), S. 355. Arendt (2006), S. 35 f. Vgl. auch Baeckers Verweis auf Marcuse und ÄGLHEHLGHQ*HJHQEHJULIIHGHUYLWDDFWLYDXQG vita contemplativa in einen einheitlichen Begriff³ bei Arendt, siehe Backer (2001), S. 195 Anm. Arendt (1989a), S. 186.

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nicht auf eine selbstverwirklichende subjektivistische Funktion von Arbeit gesetzt; auch ist es kein strukturelles Äquivalent zur handwerklichen Tätigkeit, die in die Arbeit subsumptiv integrieren und die Entfremdung durch fremdbezogene Zwanghaftigkeit aufheben soll. Die ästhetische Arbeitsorganisation stellt zwei Komplexe von Funktionsabläufen nebeneinander und verschränkt sie reflexiv. Darin liegt das Postulat einer Reflexivität der Arbeit, die in einer weiter paradoxierenden Formel zur Arbeit an der Erarbeitung einer neuHQ$UEHLWVIXQNWLRQZLUGGLHREHQ PLW$UEHLW $UEHLW$UEHLWGDUJestellt wurde. Dort war die Formel angewandt worden, um die Möglichkeitsstruktur von Arbeit darzustellen. Wird sie auf den Bezug von Ökonomie und Ästhetik übertragen, bekommt sie eine zusätzliche Bedeutung: Zunächst wird damit die Integration der Ästhetik als Struktur in die Ökonomie implementiert; dann drückt die Formel der identitären Arbeit: Arbeit = Arbeit aus, dass die ästhetische Methode und ihr Prozesscharakter mit der ökonomischen Tätigkeit und ihrem ZweckcharakWHU $UEHLW$UEHLW VWUXNWXUHOOJOHLFKJHVHW]WZHUGHQ'DGLHVHLQHQ8nterschied produzieren und die Organisation verändern soll, werden offenbar zugleich zwei sich widersprechende Forme(l)n identifiziert: ArEHLW $UEHLW$UEHLW6LHKHEWGHQ8QWHUVFKLHd nicht auf, sondern beton ihre im Prozess entstehende Verschränkung. Der weitere Unterschied liegt darin, dass die Übertragung ästhetischer Strukturmechanismen auf die ökonomische Ordnung eine definitorisch normative Tendenz beinhaltet; denn wenn sie zu einem (neuen) Bestandteil der Organisation werden sollen, müssen sie analytisch berechenbar, zumindest qualitativ als verlässlicher Faktor bestimmbar sein. Fremdbezug und Selbstbezug werden derart miteinander verschränkt, dass sich eine veränderte Form ergeben muss. Deshalb ist es zwar konsequent, zur Darstellung der paradoxen Produktion von Arbeit durch Arbeit eine Unterscheidung und ihre Form zu unterscheiden87, um die Initiationsbezüge zu trennen und eine selbst- und eine fremdreferentielle Bezugnahme unterscheidbar zu halten; nur stellt sich die Frage, ob mit dieser Unterscheidung der Unterscheidungen mehr als die Formelhaftigkeit der Organisationsstruktur ausgedrückt wird. Denn wenn in der Arbeit selbstbezügliche Bedeutung generiert wird und diese Bedeutungsgenerierung ökonomisch implementiert ist, ist eine Aussage über Arbeit so lange leer, bis die darin implizierte Identifizierung der unterschiedlichen Wirkmechanismen von Arbeit (Sinnreflexivität der ästhetischen Arbeit einerseits, Zweckproduktion durch sie in der Ökonomisierung andererseits) aufgehoben ist, systemtheoretisch formuliert: ein weiterer 87

Vgl. Baecker (2003b), S. 76. 259

RELATIONEN VON ARBEIT

Unterschied eingeschrieben wird. Dann fragt sich, was denn mit einer Identifizierung gewonnen ist, wenn die Unterscheidung Identifizierung erst möglich macht, die strukturelle Unterscheidung also aufrechterhalten werden muss, um Ästhetik in die Ökonomie einschreiben zu können. Darin ist die Form implizit paradox: Die Funktion der Arbeit bleibt dem organisatorischen Zweck untergeordnet, der den Produktionscharakter von Arbeit aufrecht erhält; diese Produktionsfunktion wird aber in eine Beziehung zu dieser Organisation gesetzt, die auf die Reflexion der Funktion abhebt. Arbeit produziert also wesentlich Beziehungen zwischen der Reflexionsinstanz, die selbst arbeitet, und der ökonomischen Organisation ± und innerhalb der Organisation selbst. Insofern schließt eine ästhetische Ökonomie an die systemtheoretische Position an, die nicht mehr und nicht weniger als die Beschreibung der Verschiebung der Dynamik der Arbeit leistet und ihren Fokus der Betrachtung von der Frage des Produktcharakters von Arbeit auf ihre Organisation lenkt.88 Da der Zweckcharakter der Arbeit ein organisierter ist, entsteht die Möglichkeit, dass die Herstellung von Bezügen zum beabsichtigten Produkt der Arbeit wird. So ist auch Arendts Urteil über die Arbeitsgesellschaft zu verstehen: Wenn die Gesellschaft sich deshalb auf Arbeit konzentriert, weil ihr die Arbeit ausgeht und deshalb alles zu Arbeit macht, ist darin keine Erweiterung des Produktionsparadigmas zu sehen, sondern eine Erweiterung des Funktionsparadigmas von Arbeit, das sich nicht mehr in der Zweckproduktion erschöpft. Es ist nicht lediglich eine Ausweitung der Geltung von Arbeit, sondern das Bestreben, die Transformation der Zweckproduktion durch Sinngenerierung durch Rückbindung an das Subjekt auszugleichen. Die ästhetische Perspektive auf Arbeit ist erhöht die Konzentration auf Arbeit; mit ihr werden Subjektkompetenzen in den Arbeitsprozess integriert, die deshalb die Abhängigkeit von der Arbeit erhöhen, weil die Perspektive nach dem Sinn der Zweckorganisation fragt. Mit der ästhetischen Reflexivität wird Arbeit als reflexiver Motor der Herstellung von organisationalen Bezugnahmen beschreibbar, die ± iterativ und tautologisch ± wieder als Arbeit beschreibbar werden. Dadurch aber, dass diese Reflexivität auf der Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen Produktion und Organisation beharrt, bleibt die Ambivalenz der Arbeit, sinnlos und zweckhaft zu sein, bestehen, liefert aber paradoxer Weise damit die Möglichkeit, darin nun ihren Sinn zu behaupten.

88

260

Vgl. Niklas Luhmann: Organisation und Gesellschaft, in: ders.: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 2000, S. 380 f., resp. Baecker (2003b), S. 73 f.

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

So lässt sich aus einer Ästhetisierung der Ökonomie und der Reflektivität von Arbeit schließen, dass es offenbar darum geht, neue Relationen in der Ökonomie zu etablieren, die einem erweiterten Bedeutungsgehalt von Arbeit Rechnung tragen. Die ästhetizistische Reflexion auf die Arbeitsorganisation fungiert als ihre Legitimation. Arbeit wird zum Vermittlungsmoment seiner selbst und verweist darauf, dass sie selbstreflexiv ist, weil sie von einem Fremdbezug abhängig ist, der den Selbstbezug möglich macht. Insofern liefert die systemtheoretische AnaO\VHYRQGHUÄ$UEHLWDQGHU$UEHLW³89 und auf ihr aufbauend die ökonomische Theorie der Einschreibung ästhetischer Strukturen in die Arbeitsorganisation die Formel, Arbeit als reflexiven Bezugsfaktor seiner selbst zu bestimmen ± allerdings ohne viel über den Inhalt der Arbeit zu sagen. Für das Arbeitssubjekt bedeutet dies die Transformation der Funktion seiner Tätigkeit: aus der Zweckproduktion wird erweiterte Sinnproduktion. Vom alten Dilemma zwischen Zweck und Sinn unterscheidet es sich dadurch, dass Sinn zum konstitutiven Bestandteil von Arbeit wird, ohne den ein adäquater Begriff von Arbeit unzulänglich bleibt. Doch bleibt offen, welcherart der Sinn sein soll, um sinnvoll zu arbeiten. Es ist schwer vorstellbar, wie aus der Ästhetisierung der Ökonomie etwas anderes als die Übernahme künstlerischer Arbeitsweisen für die Organisation der Ökonomie erwachsen soll. 90 Der Konzentration auf Paradigmata des Sinns der ästhetischen Ökonomie müssten, damit sie dem eigenen Anspruch der Organisation, ein soziales System zu sein, gerecht werden können, andere Handlungsmodelle und Implikationen, d. h. ein anderes Verständnis davon zugrunde liegen, was Arbeit ist und wie sie organisiert werden kann. Der paradox postulative Anspruch des Ã$UWLVWLF0anagementµ muss an andere soziale Systeme und den Relationsmodus von Ökonomie und Gesellschaft rückbindbar sein.

89 90

Baecker (2001), S. 183. Vgl. Guillet de Monthoux/Strati (2009). 261

RELATIONEN VON ARBEIT

Arbeit als Sinnproduktion Die Konzeption einer reflexiven Organisation von Arbeit kann als die andere Seite eines Diskurses angesehen werden, der Arbeit als Mittel zur Sinnproduktion und im wirtschaftlichen Handeln (soziale) Sinnstiftung am Werke sieht, Arbeit also zum Produzenten sozioökonomischen Sinns macht, der über die Organisation hinausgeht. In beiden ist eine Verschiebung der Dependenzstrukturen der Arbeit zu verzeichnen: 1) in der Abstraktion von der Natur zur Organisation; 2) von der Organisation zur Selbst-Organisation; und 3) als re-entry von der Selbst-Organisation zur sozialen Organisation. Das neue Dilemma der Arbeit ist dann, dass ihr die Vermittlerrolle zugeschrieben und das Verfügen oder NichtVerfügen über reflexive Arbeit zum Definitionskriterium wird, das zur Sinnproduktion auffordert.

Subjektive und sozioökonomische Sinnhaftigkeit Eine methodische Paradoxie an den Diskursen um die Subjektivierung von Arbeit liegt darin, dass sie den subjektiv-subjektivistischen Sinn zum Movens der Arbeit und deren Organisation machen und den Zweck der Arbeit zu seinem Sinn transformieren. Die Diskrepanz wird auf das Verhältnis zwischen fremder Aufforderung und eigener Einschätzung, zwischen Überforderung und Selbstverwirklichung reduziert, indem dem Subjekt eine doppelte Aufgabe aufgetragen wird: notwendige Arbeit zu tun und die Notwendigkeit nicht nur selbst legitimieren, sondern selbst verantworten zu müssen, während der Zwang äußerlich bleibt. So bedarf es eigentlich einer Reaktion des Kapitalismus auf die auf dem subjektivistischen Paradigma aufbauende Kritik: Wenn Sinnproduktion oder -stiftung zum Gegenstand sozioökonomischer Auseinandersetzung wird, wird sie nicht einfach zu einem Zweck umdefiniert, sondern zum integralen Bestandteil einer Ökonomie gemacht. So distanziert sie sich vom ökonomistischen Paradigma ± und vom homo oeconomicus ± und klassifiziert es als unzulängliche Kennzeichnung ökonomischer Prozesse. Im Rekurs auf unternehmens- und wirtschaftsethische Konzepte91 konzentrieren sich sozialwissenschaftliche Ökonomiken da-

91

Die Darstellung der Diskussion um die Validität des homo oeconomicus als Inkorporierung des Rationalitätsparadigmas und die jeweiligen Diskurspositionen würde Absicht und Möglichkeit der Argumentation überschreiten. Bezugspunkt dieser Debatten sind die wirtschaftsethischen Positionen ± insbesondere in der Tradition von Erich Gutenberg: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Wien 1963 ± der darauf aufbauenden systemischen Organisationstheorie besonders des St.Galler Manage262

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

rauf, dass ein homo oeconomicus seine wirtschaftlichen Entscheidungen DXIHLQHÄ3OXUDOLWlWYRQ:HUWHQ³ gründe. Also handelten weder die Akteure in einem Unternehmen ohne Wertbezug, noch seien die verankerten Institutionen zur Kommunikation mit internen oder externen Anspruchsgruppen wertfrei.92 Es werden also Handlungskonzepte in die Ökonomik eingebaut, die hermeneutische Grundlagen berücksichtigen und ökonomische Aktivität als ein Handeln beschreiben, das von Momenten und anderen nicht steuerbaren Faktoren beeinflusst wird, die sich aus der Dynamik der Bezugssysteme selbst ergeben.93 $EJHOHLWHWDXVÄ6\PSWRPHQ³ des Wandels der Arbeitswelt und aufEDXHQGDXIÄ7UHQGV³ ]XUÄ9HUNQDSSXQJGHU(UZHUEsarbeit³ XQGÄQHXHQ Anforderungen wie Flexibilisierung, Netzwerkbildung, Nischenexistenzen und Mobilisierung³ZLUGGLH1RWZHQGLJNHLW]XPÄÜberdenken der grundsätzlich auf Produktion ausgerichteten Arbeit³ analysiert, die für GLH 3UREOHPO|VXQJ UHOHYDQW VHLHQ $OV Ä6DFNJDVVH³ der Problemlösung ZLUG GLH Ä.DXVDOLWlW³ identifiziert, weil mit ihr nur dichotomische Lösungen angeboten würden, die der Komplexität der Realität und ihrer Organisation nicht gerecht werden könne. Arbeit wird deshalb als ein Relationsmodul gefasst, das in Wechselwirkung mit den unterschiedlichen sozialen Komplexen tritt und zwischen ihnen vermittelt.94

92 93

94

mentansatzes von Hans Ulrich: Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern 1970, und in dessen ausgearbeiteten Folge durch Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, Bern 1997. Für die Frage nach der möglichen Fassung eines adäquaten Arbeitsbegriffs, der die mit diesen Diskussionen aufkommenden Paradigmata berücksichtigt, soll die verweisende Feststellung des Paradigmenwechsels genügen. Für einen historischen und diskursiven Überblick über die innerökonomietheoretische Entwicklung der Diskurse siehe Reckling (2002), insb. S. 46 ff. Eine systemtheoretische Herangehensweise an ein Arbeitsverständnis mit Blick auf die Implikationen für Organisation und Management, für das dieser Paradigmenwechsel konstitutiv ist, leistet: Dirk Osmetz: Arbeit am Problem der Arbeit, Herrsching 2003. Beschorner (2002), S. 207. An der Frage, ob Intersubjektivität als Erklärungsmodell sozialen Handelns gerechtfertigt ist, trennt sich der systemtheoretische Ansatz von dem des kommunikativen Handelns; den Kernbestandteil der Kontroverse bildet die Frage der Tauglichkeit transzendentaler Bedingungen als Erklärungsmodelle für soziales Handeln. Zur Einordnung des Habermasschen Diskursmodells und Luhmanns selbstrekursiven Systemansat]HV VLHKH :LHODQG-lJHU$UEHLWVYHUP|JHQRGHUµ0HQVFKHQUeJLHUXQJ¶" 'HU 6LQQP\WKRV PRGHUQHU $UEHLWVRUJDQLVDWLonen, in: Jäger, Röttgers (2008), S. 111-160; zur Übersicht über die Kontroverse siehe: Franz Maciejewski (Hg.): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Beiträge zur Habermas-Luhmann-Diskussion, Frankfurt/M. 1999; zur hier relevanten Position, siehe: Luhmann (1995). Vgl. Osmetz (2003), S. 17 ff., S. 144 ff., insb. S. 148. 263

RELATIONEN VON ARBEIT

Arbeit ist nicht mehr die Herstellung von Produkten oder Leistungen, sondern ein Relations- XQG9HUKDQGOXQJVSUR]HVVXQGÄEasiert auf einem Prozess der Kommunikation über Arbeit.³95 :HLOÄ:LUtschaft ein soziales und damit sinnverarbeitendes System [ist]³ XQG ÄXQXQWHUEUochenes Sinnprozessieren dar[stellt]³, ist die Folgerung konseTXHQWÄ6LQQ]XHinem Begriff des Ökonomischen zu erheben, weil alles, was in der Wirtschaft geschieht, Sinnprozessieren darstellt und eine soziale Dimension besitzt.³96 Damit wird Arbeit zum Produzenten von SiQQXQGGLHÃLPPDWHULHOOH $UEHLWµ zum konstruktiven Bestandteil ökonomischer (Arbeits-) Organisation. Die Fassung von Arbeit als reflexives, Prozesse von Kommunikation relationierendes, nur noch Produktionsmöglichkeiten produzierendes Vermittlungsinstrument ist zwar paradox, aber nennt zumindest das Dilemma beim Namen. Denn es ist die Pointe des systemtheoretischen Erklärungsmodells, dass sich die Begründung paradoxiert: weil Erklärungsmöglichkeiten begrenzt sind, wird ein Modell herangezogen, GDVQLFKWSODXVLELOLVLHUEDULVWGDV6LQQPRGHOOÄ6LQQJLEWHVDXVVFKOLHßlich als Sinn der ihn benutzenden Operationen, also auch nur in dem Moment, in dem er durch Operationen bestimmt wird, und weder vorher noch nachher. Sinn ist demnach ein Produkt der Operationen, die Sinn benutzen, und nicht etwa eine Weltqualität, die sich einer Schöpfung, einer Stiftung, einem Ursprung verdankt.³97 Die Orientierung an Sinn, der nur im Nachhinein aufweisbar ist, ist der Begründungsfaktor der Ungewissheit des Ausgangs einer Handlung. Noch aufschlussreicher und mehr sagend als dieses explizite Zitat ist die Fußnote, die Luhmann anmerkt und dabei auf Deleuze verweist: ÄÃLe sens est toujours un effet.¶ Ã/HVHQVQ¶HVW MDPDLVSULQFLSHRXRUigine, il est produit.µ Das steht auch bei Deleuze in engem Zusammenhang mit der These, dass Sinn nur durch Auflösung einer Paradoxie gewonnen werden kann.³98 Will man Sinn schaffen, bedarf es einer Paradoxie, weil es keine nicht-systemzentrierte, Legitimationsinstanz mehr gibt. In Berücksichtigung der Entwicklung des Dilemmas der Arbeit wird der Verlust der externen Instanz besonders durch Webers Erläuterung der Begründung der kapitalistischen Ethik in einem marktwirtschaftlichen Sinnparadigma einsichtig. Darin erweist sich die vielbeschworene Reflexivität der Moderne, viel deutlicher aber die Reflexivität und 95 96 97 98

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Svetlova (2008), S. 86. Ebd., S. 86 f. Luhmann (1989a), S. 44. Luhmann (1989a), S. 44. Das Deleuze-Zitat findet sich in der deutschen Ausgabe in: Gilles Deleuze: Logik des Sinns, Frankfurt/M. 1993, S. 99. Luhmann zitiert Deleuze nach: Logique du sens, Paris 1969, S. 87 ff.

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Reflexierbarkeit und Reflektierbarkeit des Kapitalismus. Darin gewinnt auch wieder die von Boltanski und Chiapello geleistete Darstellung der sich kontinuierlich weiterentwickelnden Dichotomie zwischen Kapitalismus und Kritik vertiefte Einsichtigkeit, dass die Permanenz der Regeln und ihre Legitimationsinstanz die Dauerhaftigkeit ihrer Wirksamkeit verloren haben und auf regenerative Repetition angewiesen sind. Da eine externe Legitimationsinstanz die paradoxale Struktur von Arbeit und die Sinnhaftigkeit eines markt- und/oder sozial- und individuumsadäquaten Wirtschaftens nicht mehr plausibilisieren kann, muss eine Normierungsinstanz entweder beständig neu gewonnen werden und bedürfen Theorien der Wirtschafts- und Arbeitsorganisation immer wieder neuer Begründungskomplexe; oder das Paradoxon der gegenseitig sich widersprechenden Legitimierung wird erkannt und folgerichtig paradox ins Systeminnere verlegt, um der Notwendigkeit der beständigen Re-Aktualisierung zu entkommen. Denn die Instanz der Legitimation rechtfertigt sich selbst dadurch, dass sie Normierung verkörpert und Normen zu formulieren und anzuwenden begründet, indem sie auf die Prozessualität der Normenbildung abhebt. Dies ist exakt das Dilemma der Reflexion99, und verdeutlicht luzide, dass eine weitere Transformation ± eine des Sinns ± zu beobachten ist: Es geht nicht nur um einen Sinnbegriff, der auf die Verständlichkeit und das Gelingen von Kommunikation abhebt, den Marquardt als LuhmannVFKHQÄSKlQRPHQRORJLVFK-KHUPHQHXWLVFKHQ6LQQEHJULII³LGHntifiziert, sondern um dessen ambivalente Ergänzung durch einen emphatiVFKHQ6LQQEHJULIIÄ6LQQKDWZDVVLFK± gegebenenfalls absolut ± lohnt (was wichtig ist, erfüllt, zufrieden, glücklich macht und nicht verzweiIHOQOlVVW³100 ± als pathetiVFKHU%HJULIIXQGÄ'HFNQDPHIU*OFN³101. Es ist also strukturell konsequent, dass dieses Sinnparadigma nun systematisch internalisiert wird, und belegt ± wiederum paradox ± den von Arendt festgestellten notwendigen Repetitionszwang und strukturelOH 5HNXUVLYLWlW YRQ $UEHLW GHUHQ hEHUK|KXQJ LQ GHU Ä9HUNHKUXQJ GHU Mittel in Zwecke und umgekehrt der Zweck in Mittel³102 ihre Ursache hat. Ihre Identifizierung ist eine gewissermaßen logische Konsequenz, weil Arbeit damit zu der Tätigkeit gemacht wird, aus der Sinn schöpfbar wird. Hier ist auch die Nähe AUHQGWV]X:HEHUDEOHVEDUÄ'DVVVLFKGDV Animal laborans in der modernen Gesellschaft mit so durchschlagender Konsequenz hat zur Geltung bringen können, dankt es nicht zuletzt dem, 99 Vgl. ÃKleine Begriffsmythologie YRP6LQQYRQ$UEHLWµ 100 Odo Marquard: Zur Diätetik der Sinnerwartung, in ders.: Apologie des Zufälligen, Stuttgart 2008, S. 36 ff. 101 Ebd., S. 42. 102 Arendt (1967), S. 171. 265

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was man gemeinhin die Verweltlichung oder Säkularisierung nennt, also dem modernen Glaubensverlust [...] Das Handeln wiederum, das erst mit dem Herstellen gleichgesetzt wird, sinkt schließlich auf das Niveau des Arbeitens ab, weil auch das Herstellen, wegen der ihm inhärenten Weltlichkeit und Gleichgültigkeit gegen die Belange des Lebens, nur als eine Form der Arbeit geduldet werden kann³103. Nicht umsonst fußt ihre Darstellung auf der aristotelischen Logik der rekursiven Teleologie, die Arbeit in der erzwungenen Repetition der partikularen Vollendung begründet. Und das einzige, das in tautologischer Form Sinn macht, ist ± Sinn. Gewissermaßen wird mit der Einschreibung des Sinnparadigmas in Zweckzusammenhänge also die aristotelische Trennung von Zweck und Sinn repliziert ± nur wird sie in eine Form der Arbeitsorganisation interQDOLVLHUW,QVRIHUQLVWHLQÄKHJHOLDQLVFKHVRollback³104 zu beobachten, bei dem der Anspruch ersichtlich ist, die erwiesene Ziellosigkeit der Teleologie der Arbeit durch eine paradoxe Tautologisierung wieder als Erklärungsmuster zugänglich zu machen. Die strukturelle Darstellung dessen leistet im Grunde genommen die Systemtheorie, die damit mehr an Hegels Erbe partizipiert, als ihr Recht sein könnte, indem sie damit auf eine dialektische Logik zurückgreift, nur die Synthese als nicht identifizierbare, sondern nur paradox bewahrende Beziehung auffasst.105 'LH$QVlW]HÃ6LQQVWLIWXQJµ und ein mit ästhetischen Idealen reorganisiertes Arbeitssystem in die Ökonomik einzuschreiben, leisten zwar eine Tautologisierung der Systemtheorie; sie tendieren aber auch zu ideologischer Schließung, wenn nicht mehr bloß subjektiver, sondern ökonomischer, sozialer, sozioökonomischer Sinn durch Arbeit produziert werden soll, dieser aber normativ konzipiert wird; die Beliebigkeit der Möglichkeiten der Sinnzuschreibung widerspricht dem.106 103 Vgl. ebd., S. 407 ff. 104 Vgl. Frank Raddatz in: Derridas Gespenster, in: Theater der Zeit, Heft 7/8, Arbeitsbuch 2009, S. 96. 105 Hier lässt sich noch einmal an Foucaults Aussage erinnern, was es koste, +HJHOZLUNOLFK]XHQWULQQHQXQGGDVVPDQZLVVHQPVVHÄZLHZHLWXQV Hegel insgeheim vielleicht nachgeschlichen ist; und was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt; man muss ermessen, inwieweit auch noch unser Anrennen gegen ihn seine List ist, hinter der er uns auflauert; unbeweglich und anderswo.³, in: Foucault  6>Ä'ie Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.³ (Hegel, GPR, Vorrede)]. 106 Dächte man diese Tautologisierung weiter, ließe sich die Ästhetisierung der Ökonomie gleichsam als politisch korrekter Versuch lesen, die Internalisierung der Legitimationsinstanz in die ökonomische Systematik überflüssig zu machen, indem die ästhetische Perspektive als profane Transzendenzinstanz gelesen wird. Dies allerdings hätte zur Folge, dass sie wieder in die Verwertungslogik des Transzendenzbedarfs rationalis266

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

Darin lässt sich die Tendenz zur Totalisierung ablesen, die in Bemühungen Ausdruck findet, den homo oeconomicus vom homo culturalis107 abgelöst zu sehen. So wäre die Argumentation wieder auf den Widerspruch zurückgeworfen, dass der subjektivistische, der individualistische Sinn mit sozialen Beziehungen und Bezügen konfligiert, wohingegen die Absicht des Arguments eigentlich darin bestand, diese beiden reziprok und interdependent miteinander zu verkoppeln. Dieser Widerspruch wird erst begreiflich, wenn er als Norm im wirkenden System fungiert, die aber Gefahr läuft, eine Identifizierung zu fordern, wenn Sinn als Ã3URGXNWµ wirtschaftlichen Handelns bestimmt und dadurch zur synthetischen Funktion von Arbeit wird.

Sinn als Funktion Um Sinn als Funktion von Arbeit zu bestimmen, ist der Sinnbegriff einer sozialphilosophisch argumentierenden Ökonomik sozial ± oder plural ± definiert: Sinn ist in sozialen Zusammenhängen nicht nicht plural zu denken. Sinnstiftung ist dann als Wirkmechanismus des wirtschaftlichen Handelns zu begreifen, wenn dies auf der Paradoxie des Widerspruchs beruht, Individualität durch Sozialität zu begründen. Dem Sinnparadigma liegt die systemtheoretische Absage (der Notwendigkeit) transzendentaler Begründungszusammenhänge für SozialiWlW ]XJUXQGH ,QWHUVXEMHNWLYLWlW LVW ÄHLQ SDUDGR[HU %HJULII GHU EH]HLFhnet, was er nicht bezeichnet.³108 Die Lösung zur Beschreibung sozialer Dilemmata und der Konflikte der Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft liegt in ihrer Wechselwirkung. Die Paradoxie wird mit einer Paradoxie begründet: ein Individuum ± und darin deckt sich ironischer Weise die Systemtheorie mit der transzendentalen Konzeption Arendts ± lässt sich nur plural begründen.109 Nicht das Subjekt, aber das tischer Ökonomie implementierbar wäre. Dieser Gefahr scheint das Konzept einer normativistischen Sinnstiftung in der Ökonomieorganisation nicht gänzlich zu entkommen. 107 Vgl. Stephan Panther, Hans G. Nutzinger: Homo oeconomicus vs. homo culturalis. Kultur als Herausforderung der Ökonomik, in: Gerold Blümle (Hg.): Perspektiven einer kulturellen Ökonomik, Münster 2004, S. 287309. 108 Luhmann (1995), S. 162 f. 109 9JO$UHQGW  6IÄ'DV)DNWXPPHQVFKOLFKHU3OXUDOLWlWGLH grundsätzliche Bedingung des Handelns wie des Sprechens, manifestiert sich auf zweierlei Art, als Gleichheit und Verschiedenheit. Ohne Gleichartigkeit gäbe es keine Verständigung unter Lebenden [...] Ohne Verschiedenheit, das absolute Unterschiedensein jeder Person von jeder anderen [...] bedürfte es weder der Sprache noch des Handelns für eine Verständigung³9JO/XKPDQQ  6IÄ'LHVH'LIIHUHQ]YRQ 267

RELATIONEN VON ARBEIT

subjektivistische Individuum wird als Initiationsinstanz sozialen Handelns entthront und die Dynamik sozialer Prozesse diesen Prozessen, deren Teil das Individuum ist, zugeschrieben. Sonst machte die Hinwendung zum nur in sozialen Prozessen verhaftet denkbaren, damit plural besetzten, Individuum ja keinen Sinn. Die Begründung umgeht damit die Gefahr einer Begründung der Paradoxie der Möglichkeit pluraler Bezugnahme. Voraussetzung des Erklärungsmodells ist, sich der Möglichkeit der permanenten Prozessierung des Paradoxons bewusst zu sein, d. h. zu wissen, dass der Vorteil einer empirischen, dennoch systematischen Begründung von Sinn, der nur in sozialen Gegenseitigkeitszusammenhängen möglich ist, darin liegt, dass die Erfahrung der Gegenseitigkeit permanent wiederholbar und doch nie dieselbe, also verändernd und veränderbar ist. Indem die 6\VWHPWKHRULHGLHÃ/üFNH¶GHV3DUDGR[RQVGDGXUFKEHVHW]WGDVVHVGDV Paradoxon zum Prozessmotor macht, entgeht sie dem drohenden Widerspruch: Sie verortet im Bezug von Individuum und Gesellschaft die Möglichkeit der gegenseitigen Initiation. Damit bewahrt die Systemtheorie sich und das Soziale vor Ideologisierung; die strukturelle und analytische Paradoxalität des systemtheoretischen Sinnmodells leistet die

transzendentaler und empirisch-systemtheoretischer Interpretation desselben Befundes hat weittragende Bedeutung. Meine Vermutung ist, dass man beide Theoriesprachen mehr, als es zurzeit gesehen wird, ineinander übersetzen kann. Die Systemtheorie hat jedoch moderne Ausdrucksmittel. Sie verwendet, wie die Bewusstseinsphilosophie, das Konzept der Geschlossenheit der selbstreferentiellen Reproduktion des Systems. [...] Da es eine Mehrheit autopoietischer Systeme (des Lebens, des Bewusstseins, der Kommunikation) gibt, von denen jedes anhand von Unterscheidungen, also zweiwertig, beobachtet, kommt es zur Beobachtung von Beobachtungen (Beobachtung zweiter Ordnung). Diese Beobachtung zweiter Ordnung kann nicht mehr unter ontologischen Prämissen operieren, die ja voraussetzen, dass das Seiende ist, was es ist, also einwertig ist. Sie erfordert infolgedessen eine mehrwertige Logik für die Beobachtung von Systemen, die selbst zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden können. Ob diese Probleme durch eine logische Technik gelöst oder jedenIDOOVµHQWIDOWHWµ werden können und ob die dabei anfallenden Paradoxien der Selbstreferenz die Beobachtung zweiter Ordnung blockieren oder ob sie ihrem Gegenstand als Eigenart zugeschrieben und jedenfalls in dieVHP6LQQHµHUNDQQWµ werden können, sind weithin ungeklärte Fragen. Die Möglichkeiten, sie schlicht empirisch anzugehen, sollten nicht unterschätzt werden. [...] Das Konzept der Intersubjektivität hat, theoriebautechnisch gesehen einen folgenreichen Nachteil: es hat Mühe, die Einheit dessen zu bezeichnen, was mit dem Begriff gemeint ist (und es ist dieser Punkt, an dem im folgenden ein anderer Vorschlag ansetzt, der sich des Begriffes der Kommunikation bedient).³ 268

ARBEIT ALS PARADOXIEPRODUZENT

Darstellung eines Erklärungs- und Beschreibungs- und nicht eines kausalen Zuschreibungskomplexes sozialer Paradoxien. Wenn nun dem Paradoxon eine Funktion ± Ã6LQQVWLIWXQJµ ± zugeschrieben wird, wird die mögliche Funktionslosigkeit, die mit jeder Funktion negativ einhergehen muss, sofern sie in einem paradoxen Bezugsverhältnis steht, negiert. Mit der Sinnstiftung im ökonomischen Handeln wird der Sinn dann als kausalistischer Zweck eingeführt, wenn er der Beliebigkeit seines Zustandekommens beraubt werden soll. Daraus resultierten eine Identifizierung von Zweck und Mittel. Es ist eine mögliche Konsequenz, Sinn zu einer Funktion wirtschaftlichen Handelns und damit zu einem Produkt von Arbeit zu machen; das sich daraus ergebende Problem besteht darin, das Sinnmodell zu normativieren, um die Unterschiedlichkeit zu Subjektivierungsmodellen zu bewahren. Wenn die Veränderung der Arbeitsorganisation eine Sinnstiftung in der Ökonomie ermöglichen, aber nicht zum Zwang der Subjektivierung werden soll, muss ein Unterschied eingeschrieben werden, der die Tautologie von der Paradoxie unterscheidet. Sonst wendet sich der Sinnbegriff einer sozioökonomisch-totalistischen Geltung zu, dass es unproblematisch werGHQ ZUGH GLH Ä9HUIDOOVIRUPHQ GHU PHQVFKOLFKHQ Tätigkeit, die Hannah Arendt vom homo politicus-practicus über den homo faber zum animal laborans beschrieb³ 110, umzukehren. Damit droht die Einschreibung eines normativ-subjektivistischen Zwangs der postulierten Sinnhaftigkeit von Arbeit; dadurch würde die Funktion von Arbeit zwar mit einer anderen Bedeutung aufgeladen, aber auch die Bedeutung mit einer Funktion, und beide müssten nicht mehr voneinander XQWHUVFKLHGHQ ZHUGHQ 'DQQ PVVWH DXV GHP ÃZLUWVFKDItlich-sozialen Handelnµ111 abgeleitet werden, dass Arbeit Sinn produzieren muss. Deshalb weist die Möglichkeit, als wirtschaftliches Handeln sinnstiftend zu sein, strukturelle Insuffizienz auf ± was sich mit der potentiellen Insuffizienz von Arbeit deckt. Arbeit wäre dann idealiter gewissermaßen eine performative Tätigkeit der Sinnstiftung. Wenn Arbeit als ausführende Tätigkeit wirtschaftlich-sozialen Handelns eine sinnstiftende sein soll, diese Funktion also normativ gesichert werden soll, folgt daraus, dass sie zu einem zwingenden Relationsinstrument wird, Relationen und Bezüge herstellt, die gesellschaftliche Bedeutung haben und derer sie zugleich bedarf, die zwar reziprok, deren Bezugsmomente aber nicht mehr voneinander zu trennen sind, wenn Zweck und Sinn nicht unterscheidbar bleiben. Dies scheint nur durch die Unsicherheit der Para-

110 Priddat (2000), S. 72. 111 Svetlova (2008), S. 133. 269

RELATIONEN VON ARBEIT

doxie möglich zu sein, die nicht geregelt werden kann, um die Paradoxie nicht auf die bloße identitäre Tautologie zu verkürzen. Sonst wäre Sinn nur noch der neben dem ökonomischen in und von Arbeit produzierte anthropologische Mehrwert, in dem subjektive Vorstellungen mit ökonomisch notwendigen Zwecken verknüpft werden. Sonst HQWVWQGH QLFKW QXU ÄHLQH QHXH HQJH 9HUELndung von Arbeit und Leben³112, sondern eine nicht mehr differenzierbare Identität von Arbeit und Leben, eine sich tautologisch replizierende Identifizierung von Sinn und Zweck von Arbeit und eine Funktionalisierung ihrer Bedeutung.

112 Priddat (2000), S. 72. 270

ZWISCHENSTAND

Zw i s c h e n s t a n d Aufbauend auf Tendenzen einer Künstlerkritik, die nicht mehr in das dichotomische Schema einzuordnen ist, wurde eine Diskursströmung erörWHUW GLH HLQH ÃlVWKHWLVFKH 3HUVSHNWLYHµ auf Arbeitsorganisation richtet. Sie setzt widersprüchliche Paradigmata von Arbeit paradox zueinander in Beziehung. Damit behauptet sie eine Veränderung ökonomischen Denkens; sie denkt Organisation als einen plural verfassten Komplex, der Subjektivierung wenn nicht verhindert, so doch nicht zum Bestandteil ihres Konzepts macht. Ob sie das tatsächlich leisten kann, konnte nicht abschließend festgestellt werden; allerdings scheinen Gegensätze nicht zur Durchsetzung ökonomischer Zwecke in falscher Identifizierung aufgehoben zu werden. Das unterscheidet sie von Rechtfertigungsordnungen, die den protestantischen Transzendenztopos des Kapitalismus durch Subjektivitätsparadigmata ersetzen. Dadurch, daVV GLH ÃlVWKHWLVFKH 3HUVSHNWLYHµ ihre externe Position aufrechterhält, verhindert sie die Eingliederung ihrer Paradigmata in zweckrationale Kausalitäten. In dieser paradoxen Spannung ist Arbeit ein die Beziehung reflektierender Bezugsgeber. Der %OLFNDXIÄ6LQQVWLIWXQJLQGHUgNRQRPLN³113 analysierende Diskurse lieferte ein weiteres Argument für die Verschiebung von Zweckzu Sinnparadigmata in Organisation von Arbeit. Sie decken sich mit systemtheoretischen Konzepten, die von subjektivistischen Sinnkonzepten Abstand nehmen und Organisationen sozial bestimmen. Damit gewinnt das Paradox singulärer Pluralität114 in Bezug auf Arbeit Anschaulichkeit. Allerdings ist mit einer normativen Einschreibung von Sinnstrukturen in die Arbeit das Risiko verbunden, wieder auf jene Identifizierung von Zweck und Sinn zurückzufallen, die als methodisch paradoxe Verkehrung von Zweck und Mittel als ideologisch bestimmt wurde. Um den Verschiebungen eines subjektiv aufgeladenen Arbeitsverständnisses gerecht zu werden, aber ihre Soziabilität gewährleisten zu können, scheint es einer Fassung von Arbeit zu bedürfen, die ein Abdriften in subjektivistische Bedeutungsparadoxien verhindert. Dies scheint nur durch normative Regelungen möglich zu sein, die sich aber der Gefahr ausgesetzt sehen, das Gegenteil des Intendierten zu initiieren. Wie dies zu verhindern sein soll, ist Gegenstand des zweiten Abschnitts; hier werden normative Konsequenzen der Verschiebung der Zweck- und Sinn-Dichotomie erörtert, um einen entsprechenden oder widersprechenden Begriff von Arbeit zu analysieren.

113 Svetlova (2008). 114 Vgl. Jean-Luc Nancy: Singulär plural sein, Berlin 2004. 271

RELATIONEN VON ARBEIT

Ar b e i t a l s P a r a d o x i e 'LHÃ9HU]ZHFNXQJGHV6LQQVµ ist eine andere Formulierung für die Kultivierung der Zweckrationalität hin zu einer Universalisierung der Geltung von Arbeit. Sie sagte nichts weiter, als dass dies eine perpetuierende Reihung zweckökonomischer Funktionsmechanismen darstellte. Dies macht zwar die Geltung von Arbeit bedeutend, bedeutete aber ihre Formalisierung und Bedeutungsleere, sie verwiese ja auf nichts anderes mehr als auf sich selbst. Über ein bloß technisch-rationales, auf ökonomische Effekte zielendes, zweckrationales Handeln hinaus implizierte ein solcher Begriff der Arbeit eine Tautologie der Sinn- und Zweckzuschreibung, weil sinnstiftende Momente aus ökonomischen Gründen in den zweckrationalen Rahmen integriert werden. Dabei würde Arbeit ein Wert zugesprochen, der anhand ihres Sinnstiftungspotentials beurteilt ZLUG MHGRFK QLFKW EOR‰ JHPl‰ HLQHV ÄVXbjektiv gemeinten Sinn[s]³115, sondern entsprechend eines Sinns, der das Funktionieren des wirtschaftlichen Systems bedingt und aufrechterhält, also entsprechend eines ökonomischen Zwecks.

Arbeit als Sinnzweck Umgekehrt bedeutet das, dass die Geltung eines einzeln-subjektiven Sinns von Arbeit nur über sozioökonomische Bindung möglich ist. Es entbehrt damit einer Wechselseitigkeit von subjektivem Sinn, ökonomischer Zweckhaftigkeit und sozialer Bedeutung von Arbeit. Denn ist die Tätigkeit vom sozialen ± oder ökonomischen ± Zweck der Arbeit abgelöst, gibt es keine Garantie für das Zustandekommen von ökonomischen oder sozialen Relationen oder kann Bezugsbildung gar nicht aufrechterhalten werden, geht auch das Sinnstiftungsinstrument verloren. Die Aufrechterhaltung gegenseitiger Abhängigkeit durch eine sozioökonomische Sinnproduktion über Arbeit ist die Bedingung funktionierender Wirtschaft auf der Basis sozialer Bezugnahme mit einem additiven Verständnis wirtschaftlichen Handelns; darin zeigt sich die paradoxe Verfasstheit von Arbeit als bloßes, aber hoch komplexes und abstrakt verstandenes Medium der Kommunikation116, das sie an das Zustandekommen wirtschaftlicher Beziehungen und damit an Bedingungen bindet, denen die wirtschaftlichen Beziehungen unterliegen. Wenn Arbeit aber der Bezuggeber von wirtschaftlichen Bezügen ist, ist auch der Sinn von Arbeit von der Gestaltung dieser Bezüge und ihrer jeweiligen Orientierung abhängig. 115 Weber (1972), S. 1. 116 Vgl. Baecker (2003b), S. 68 ff. 272

ARBEIT ALS PARADOXIE

Auch aus wirtschaftssoziologischer und sozialphilosophischer Betrachtung bedarf es damit zum Zwecke der Sicherung der Sinnbindung der Zwecksicherung einer Regelung, die individuell zuschreibbare sowie die damit notwendig werdenden sozioökonomischen Sinnaspekte von Arbeit in den Markt integrieren. So wird die Dimension des Sinnbegriffs als paradigmatischer Bestandteil wirtschaftlichen Handelns begriffen, ZHQQ GLH Ä(LQELQGXQJ LQ VR]LDOH 1HW]ZHUNH HLQH ZLFKWLJH 9RUDXVVHtzung für Markttausch³ LVWÄZHLOGDPLWGLH.RQWLQJHQ]GHV+Dndelns von Alter Ego in den Erwartungshaltungen von Ego reduziert wird.³117 Weil im wirtschaftlichen Handeln über das Zustandekommen einer wirtschaftlichen Beziehung hinaus individuelle Interessen berührt werden und darin die soziale Dimension des Markthandelns ausgemacht ZLUG ZLUG HV IU GLHVH $UJXPHQWDWLRQ QRWZHQGLJ Ä0lUNWH YRP 3URblem der Ungewissheit beziehungsZHLVHGHUÃGRSSHOWHQ.RQWLQJHQ]µ her zu analysieren.³118 'HU %HJULII GHU ÃGRSSHOWHQ .RnWLQJHQ]µ deutet mit dem Verweis auf seine systemtheoretische Herkunft das paradoxe DiOHPPDGHU0DUNWEH]LHKXQJPLWVR]LDEOHU%HGHXWXQJDQÄ0LWÃGRSSHOWHU KonWLQJHQ]¶ Lst eine Konstellation gemeint, in der zwei Akteure nicht nur jeweils von sich selbst denken, dass sie ihre Handlungen frei wählen können, sodass das, was sie tun, kontingent ist, sondern dass sie auch ihrem Gegenüber die gleiche Wahlfreiheit zuschreiben (müssen), sodass beide um diese doppelte Offenheit der Handlungsmöglichkeiten wissen. Es geht also um die Einführung von zwei Elementen in die Handlungsanalyse: Erstens um eine Grundkonstellation von mehreren, aufeinander bezogen Handelnden, also um Interaktion. Zweitens um eine soziale Reflexivität bei der Wahl von Handlungen: Jeder Akteur versucht nicht nur sich selbst und seine Umwelt, sondern auch sich selbst mit den Augen des anderen zu sehen, der in dieser Umwelt auftaucht.³119 Über den Umweg der reinen Zweckkonzentration, auf die der homo oeconomicus fokussiert war, soll nun das re-entry der sozialen Bedeutung in das wirtschaftlichen Handeln im Sinne Webers und in die ökonomischen Beziehungen wieder eingeschrieben werden. Im Sinne Webers insofern, als seine Definition des Wirtschaftens primär auf die Äfriedliche Ausübung von Verfügungsgewalt³ abzielt, der das zweckrationale, planvolle Wirtschaften nachgeordnet ist, dem wirtschaftlichen Handeln also eine wertrationale Dimension zusetzt120, da diese dem Handeln in sozialen Kontexten eigen ist und selten von ausschließlich 117 Beckert (2007), S. 51. 118 Ebd., S. 49. 119 Heiner Ganßmann: Doppelte Kontingenz und wirtschaftliches Handeln, in: Beckert (2007), S. 63. 120 Weber (1972), S. 31. 273

RELATIONEN VON ARBEIT

HLQGLPHQVLRQDOHU2ULHQWLHUXQJLVWÄ6HKUVHOWHQLVW+DQGHOQLQVEHVRQGere soziales Handeln, nur in der einen oder der andren Art orientiert.³121 Das Problem, dass nicht im Vorhinein ± und nicht mit Sicherheit im Nachhinein ± entscheidbar ist, welche Prämissen das Handeln geleitet haben, das AusGUXFN LQ GHU ÃGRSSHOWHQ .RQWLQJHQ]µ findet, bedarf also HLQHU 5HJHOXQJ ÄZHLO GLH )UHLKHLW +DQGOXQJHQ ]X ZlKOHQ DXI EHLGHQ Seiten dieser elementaren sozialen Beziehung besteht und weil beide Seiten das wissen.³122 Die Regelung ökonomischer Beziehungen muss VLFKDOVRDQGHUÃVR]LDOHQ2UGQXQJµ123 und an den ihr zugrundeliegenden Regeln orientieren. Denn das als Paradoxie bezeichnete Dilemma benennt jene Form sozioökonomischer Bezugnahme der Marktteilnehmer, GLH+RQQHWKDOVÄQRUPDWLYH+DQGOXQJVJHZLVVKHLWHQ³ charakterisiert.124 Das Paradoxe daran ist, dass die Aufrechterhaltung der gegensätzlichen Spannung notwendig ist, weil sich in der Form der Gestaltung der Bezugnahme nicht notwendig Normen ausdrücken, sondern dann notwendig werden, wenn wirtschaftliches Handeln als mit sozialem Handeln identisch konzipiert wird und nicht darauf begrenzt wird, aus wirtschaftlichem Handeln auch soziale Komponenten analysieren bzw. ihre Implikationen zu analysieren. In ökonomisches Handeln werden identi121 (EG 6  9JO HEG Ä=ZHFNUDWional handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt: also jedenfalls weder affektuell (und insbesondere nicht emotional), noch traditional handelt. Die Entscheidung zwischen konkurrierenden und kollidierenden Zwecken und Folgen kann dabei ihrerseits wertrational orientiert sein: dann ist das Handeln nur in seinen Mitteln zweckrational. Oder es kann der Handelnde die konkurrierenden und kollidierenden Zwecke ohne wertratioQDOH 2ULHQWLHUXQJ DQ µ*HERWHQµ XQG µ)RUGHUXQJHQµ einfach als gegebene subjektive Bedürfnisregungen in eine Skala ihrer von ihm bewusst abgewogenen Dringlichkeit bringen und darnach sein Handeln so orientieren, dass sie in dieser Reihenfolge nach Möglichkeit befriedigt weUGHQ ÃPrinzip des Grenznutzensµ . Die wertrationale Orientierung des Handelns kann also zur zweckrationalen in verschiedenartigen Beziehungen stehen. Vom Standpunkt der Zweckrationalität aus aber ist Wertrationalität immer, und zwar je mehr sie den Wert, an dem das Handeln orientiert wird, zum absoluten Wert steigert, desto mehr: irrational, weil sie ja um so weniger auf die Folgen des Handelns reflektiert, je unbedingter allen dessen Eigenwert (reine Gesinnung, Schönheit, absolute Güte, absolute Pflichtmäßigkeit) für sie in Betracht kommt. Absolute Zweckrationalität des Handelns ist aber auch nur ein im wesentlichen konstruktiver Grenzfall.³ 122 Ganßmann (2007), S. 71. 123 9JO GHQ 7LWHO GHV ]LWLHUWHQ +HUDXVJHEHUEDQGHV Ä'LH VR]LDOH 2UGQXQJ von Märkten³, Beckert (2007). 124 Honneth (2008), S. 336. 274

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tär verschiedene Handlungsmethodiken eingeschrieben, indem mit der Möglichkeit einer Sinnstiftung im ökonomischen Handeln auf die doppelte Kontingenz von Handeln allgemein hingewiesen und doch auf die 1RWZHQGLJNHLWGHU1RUPLHUXQJGHV+DQGHOQVDEJHKREHQZLUGÄ:HLODlle Beteiligten nur dann eine Chance haben, den Sinn der neuen WirtVFKDIWVIRUP]XYHUVWHKHQXQGDOVLPÃDOOJHPHLQHQ:RKOµ zu betrachten, [...] ruht die marktvermittelte Organisation der Arbeit auf normativen Bedingungen auf, die auch bei faktischer Außerkraftsetzung ihre GelWXQJQLFKWYHUOLHUHQ+LHUYRQHLQHUÃ(LQEHWWXQJ¶]XUHGHQEHGHXWHWDOVR das Funktionieren des kapitalistischen Arbeitsmarktes von normativen Bedingungen abhängig zu machen, die er selbst nicht zwangsläufig erfüllen können muss.³125 Daraus ergibt sich für Honneth, dass die Normen, auf die eine kapitalistische Wirtschaftsorganisation zugreift, jener LPPDQHQW XQG ÄGLH PRUDOLVFKH ,QIUDVWUXNWXU GHU NDSLWDOLVWLschen Wirtschaftsform³126 sein sollen. 'DVV.ULWLNPD‰VWlEHÄLQGHQPRUDOLVFKHQ3ULQ]LSLHQGHUNDSLWDOLVWischen Arbeitsorganisation selbst zu verankern³127 sind, kann als ein gerechtfertigtes Postulat betrachtet werden, wenn die Voraussetzung gilt, dass wirtschaftliches Handeln als soziales und Arbeit als Instrument von sozioökonomischer Sinnstiftung gefasst ist. Allerdings ist angesichts dieser paradoxen Struktur fraglich, ob die Argumentation, dass Kritikmaßstäbe, anhand derer eine normative Regelung der ArbeitsorganisatiRQJHEXQGHQVHLQVROOLPPDQHQWÄLQGLH9HUIDVVXQJGHVPRGHUQHQ$rbeitsmarktes eingelassen³128, immanent und monokausal in der Marktorganisation verankert sein können. Denn es geht ja darum, der paradoxen Struktur der zugrundeliegenden Wechselseitigkeit der Abhängigkeit von Arbeit als Zweck- und Sinninstrument gerecht zu werden. Unabhängig von der fraglosen moralischen Legitimität einer Forderung, wirtschaftliches Handeln an moralische Maßstäbe zu binden, stellt sich mit dem Paradox die Frage, ob dies aus einer normativen Position heraus möglich ist, ohne den eigenen Ansatz, sowohl dem wirtschaftlichen Strukturmoment als auch dem subjektiven Anspruch an Arbeit gerecht werden zu können, zu konterkarieren, indem doch das eine Moment, das wirtschaftliche, dem anderen, das subjektbedingende und sozialkonstitutive, untergeordnet und so die Dichotomie, von der ausgegangen und die argumentatorische Legitimation verwendet wurde, geleugnet wird. Es ist die Frage des Vorrangs des Normativen oder des EmpiriscKHQ GLH +RQQHWK VLFK VHOEVW VWHOOW ZHQQ HU EHWRQW GDVV ÄDOOHV 125 126 127 128

Ebd., S. 337. Ebd., S. 340. Ebd., S. 336. Ebd., S. 337. 275

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von der Entscheidung darüber ab[hängt], den kapitalistischen Markt entweder unter dem Blickwinkel der Systemintegration oder dem der 6R]LDOLQWHJUDWLRQ ]X DQDO\VLHUHQ³129: Obgleich er systemintegratorisch argumentiert, indem er auf die Normenimmanenz des Marktes abhebt, GLHDOVÄNRQWUDIDNWLVFKH*HOWXQJVJUXQGODJH³130 existiert, d. h. auch dann, wenn der Markt faktisch seinen moralischen Normen widerspricht, sieht er es aus der Perspektive der Sozialintegration ± also aus der empirischen Überzeugung heraus, dass der Markt unmoralische Ergebnisse zeitigt, ± DOV QRWZHQGLJ DQ GLHV ÄDOV (QWVFKHLGXQJshilfe bei der Wahl ]ZLVFKHQGHQEHLGHQJHQDQQWHQ3HUVSHNWLYHQ³131 zu nehmen. Honneth ist sich des Widerspruchs bewusst, will ihn aber gerade durch SelbstwiGHUVSUXFK RGHU WURW] GHVVHQ O|VHQ Ä(LQH $XIO|VXQJ GHV damit umrissenen Widerspruchs kann nach dem bislang Gesagten nur darin bestehen, die besagten Normen als eine kontrafaktische Geltungsgrundlage der kapitalistischen Organisation der Arbeit zu versteKHQ³132. Wenn Arbeit also Bezugsgeber von wirtschaftlichen Bezügen ist, ist der Sinn von Arbeit von der Gestaltung dieser Bezüge abhängig, die wiederum von wirtschaftlichen Bezügen abhängig sind, denen aber eine normative Vorausbedingung unterlegt wird, die gerade auf die nötige Unabhängigkeit der Bezüge abhebt. So bestünde die einzige und darin selbstwidersprüchliche Lösung darin, die Notwendigkeit reziproker Abhängigkeit sozioökonomischem Handelns von Regeln zu berücksichtigen, um Arbeit zum einen als ein Handeln zu ermöglichen, das sozioökonomisch Sinn stiftend sein kann; darüber hinaus würde es die subjektiven Voraussetzung zu wirtschaftlichem Handeln an jenes binden und insofern nicht vor einer möglichen Subjektivierung bewahren, die in widersprüchlicher Weise Ausdruck reiner Ökonomisierung wäre. 'LH 1RUPHQ ]XU 5HJHOXQJ DOV ÄNRQWUDIDktische Geltungsgrundlage der kapitalistischen Organisation der Arbeit³133 können der sinnstiftenden, anerkennenden Solidaritätsfunktion von Arbeit nur im Charakter eines (gerechtfertigten) Postulats sozial gerecht werden. Sonst würde wieder einer normativen Bedeutungsüberhöhung der Funktion von Arbeit Vorschub geleistet ± und dabei das Dilemma reaktiviert, dass Arbeit (wieder) auf einen monokausalen Zweck oder auf eine undifferenziert vereinheitlicht poietisierte Arbeit reduziert wird. 'LH %HUXIXQJ DXI GLH ÃNRQWUDIDNWLVFKH *HOWXQJsJUXQGODJHµ macht dies implizit deutlich: Die moralische Berechtigung eines Maßstabs für 129 130 131 132 133 276

Honneth (2008), S. 341. Ebd., S. 337. Ebd., S. 342. Vgl. ebd., S. 337. Ebd.

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ökonomische Arbeitsorganisation bedeutet nicht, dass sie dieser inhärent sein können, ohne der Intention zu widersprechen und selbst widerVSUFKOLFK]XVHLQ'HQQÄMe dichter das Interdependenzgeflecht wird, in das der Einzelne mit der fortschreitenden Funktionsteilung versponnen ist, je größer die Menschenräume sind, über die sich dieses Geflecht erstreckt, und die sich mit dieser Verflechtung, sei es funktionell, sei es institutionell, zu einer Einheit zusammenschließen, desto mehr ist der Einzelne in seiner sozialen Existenz bedroht³134, je stärker an der Homogenisierung der sich verflechtenden Ordnung gearbeitet wird, desto rigider wird eine monokausale Zuordnung. Die Normen können die Spannung, die Arbeit in seiner Paradoxie, Zweckinstrument, sozialintegrativ und sinnstiftend zu sein, perpetuiert, offenbar nicht zugleich aufrechterhalten und begründen. Sie können dem objektivistischen organisational-systematischen Anspruch sozioökonomischer Sinnstiftung auf der einen und dem subjektivistischen Anspruch nach Sinnstiftung durch Zweckerfüllung nicht gerecht werden und damit eine objektivistische Subjektivierung von Arbeit nicht verhindern, weil dies eine Funktionalisierung der Bedeutung von Arbeit bedeutete.

134 Elias (1997), S.332. 277

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Terminologische Paradoxien Ein entsprechender Begriff von Arbeit sähe sich mit der Paradoxie konfrontiert, beide sich strukturell widersprechenden Momente zu fassen, ohne auf eine dichotomische Lösung zu verfallen. Die bestünde darin, entweder die soziale Dimension von wirtschaftlicher Tätigkeit zu leugnen oder Arbeit DOV UHLQ ÄPRGDOHQ &KDUDNWHU GHV :LUWVFKDftens³135 zu entleeren und wieder auf eine ökonomistisch bestimmte Auffassung zurückzufallen. Eine reziprok und wechselseitig verankerte und wirkende Normierung führte dazu, die Spannung des Verhältnisses und der Bezugnahme nicht aufrechtzuerhalten, da sie eine zuordnende Strukturgrundlage zur Verfügung stellte. Das Dilemma für die veränderte Bedeutung von Arbeit zeigt sich ja darin, dass Arbeit nicht mehr auf die Zweckproduktion reduzierbar ist, wenn sie als Vermittlungsinstrument von wirtschaftlichem Handeln mit sozialer Funktion (von Anerkennung, Solidarität und sozialer Integration) und subjektkonstitutiver Bedeutung (von individuellem und sozialem Sinn) aufgeladen wird. Die Spannung liegt zwischen einer normativistischen Bedeutungsüberhöhung der Arbeit als Funktion von Sinn und der damit einhergehenden Verengung von Arbeit auf bloß transformierte Zweckstrukturen und der dem künstlerkritischen Subjektivismus angepassten, ihn aber nicht erfüllenden Gestaltung von Arbeit, in die sozialkritische Aspekte der Arbeitsorganisation aufgenommen werden. Es wäre ein beredt stillschweigendes Eingeständnis der Kritik, wenn sie die Veränderung des Subjektverständnisses und die sich in partikularisierenden Individualismen auflösende gesellschaftliche Ordnung dem Markt überließe und VLFK GDUDXI EHVFKUlQNWH GHQ .DSLWDOLVPXV DOV ÄDPRUDOLVFKHQ 3Uozess unbeschränkter Anhäufung von Kapital durch Mittel, die formell friedlich sind³136 zu bestimmen, ohne eine Kritik darauf aufzubauen. Zwar ist seine Bedeutsamkeit im Arbeits(platz)verlust deutlicher darstellbar. Es relativiert nur nicht die Frage, ob es möglich ist, ein paradoxes Konstrukt zu entwerfen, das die Funktionalisierung von Sinn verhindert, ohne sie zu verunmöglichen, und das die integrative Funktion ermöglicht, ohne sie wieder auf monokausale Wirkkräfte zu reduzieren. Die Paradoxie scheint nicht lösbar, aber ggf. strukturierbar; es machte auch klarer, von welcher Relevanz soziale Valenz der Arbeit ist, auch mit Blick auf die Arbeit(soUJDQLVDWLRQ  'LHV EHGLQJWH ÄGLH 8QWHUQHhmer und Betriebe nicht als anonyme Kollektivakteure zu betrachten.³137 135 Ganßmann (1996), S. 68. 136 Boltanski /Chiapello (2003), S. 57. 137 Nicole Kramer, Reinhild Kries: Tagungsbericht zXÄ6R]LDOJHVFKLFKWHGHU $UEHLW Ãnach dem Boomµ. Deutschland und Europa seit den siebziger 278

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DLHVH Ã9HUIOHFKWXQJ YRQ .XOWXU XQG 6R]LDOVWUXNWXUµ138 führt auch zur Fragmentierung begrifflicher Fassbarkeit von Arbeit. Ist die Entwicklung der AUEHLWVRUJDQLVDWLRQGDPLWDQGHP3XQNWGHVÄ6\VWHPVGHU$ktualität³139 DQJHODQJW GDVV ÄGHU 0HQVFK HLQHV 7DJHV LQ VHLQHU $rbeit nicht mehr das Prinzip seiner Entfremdung, noch in seinen Bedürfnissen die konstante Erinnerung an seine Grenzen finden [wird]³140? Das Konzept einer vernetzten Kooperation, in der Arbeit und Nicht-Arbeit nicht mehr ohne weiteres voneinander zu trennen sind, kommt dem sehr nahe. Auf der anderen Seite klingt es nur nach einer erneuerten Variante des alten Prinzips der Befreiung von der Arbeit durch die Arbeit, wenn dies heißt, dass nur keine Begrenzung von Arbeit mehr nötig ist, um sie nicht mehr als Arbeit bestimmen zu können. Begriffliche Fassungen von Arbeit zeigen zwei mögliche Lösungen des Paradoxes, das sich demnach in folgende Widersprüche gliedern lässt: 1) Es ist ein Widerspruch, zwei Formen von Arbeit zu unterscheiden, die doch wieder aufeinander angewiesen sind und ihre Inkonsistenz darin erweisen, dass sie zum Zwecke der Lösung des Zweckzwangs von sozialintegrativen Leistungen von Arbeit weder auf das eine noch auf das andere verzichten können. Dieses Problem stellt sich Konzepten des Grundeinkommens oder des Bürgergeldes; sie konzipieren eine pragmatische Lösung, produzieren jedoch dennoch einen Widerspruch in dem Versuch, der Heterogenisierung der gesellschaftlichen Arbeitsformen dadurch gerecht zu werden, dass sie des Konzepts, das sie mit ihrem Alternativentwurf als obsolet erachten, faktisch bedürfen. 2) Es ist ein Widerspruch, eine notwendige Begrenzung der Zweckentfremdung mit wirklichkeitsunabhängigen, kontrafaktisch geltenden Normen zu begründen; dies führt neben einem innerargumentatorischen Widerspruch dazu, die sozialen Implikationen von Arbeit kontraintentional als nur in wirtschaftlichen Mechanismen realisierbar zu betrachten. Mit beiden Widersprüchen hat ein Arbeitsbegriff paradoxerweise umzugehen: die sinkende sozioökonomische Geltung von herkömmlicher Erwerbsarbeit, also ein Modell der Zwecksicherung, zu retten, indem Gewicht auf die gesellschaftliche Bedeutung von Arbeit auch im Sinne des Einzelnen gelegt wird. Dies wird anhand der Widersprüche deutlich, die ein auf der Basis von Grundeinkommen oder Bürgergeld konzipierter Arbeitsbegriff aufweisen kann, der sich nicht vom Axiom der Zweckrationalität löst, obgleich er dies voraussetzt; es zeigt sich Jahren³, Potsdam 2009, in: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ta gungsberichte/id=2780. 138 Vgl. Geertz (1999), S. 99. 139 Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge, Frankfurt/M. 1974, S. 379. 140 Ebd. 279

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aber auch noch, wenn stärker auf den dem ökonomischen Arbeitsbegriff zugrundeliegenden sozialen Reziprozitätsgedanken eingegangen wird, der jedoch sinnstiftende und zweckproduzierende Elemente enthält.

Arbeit durch Nicht-Arbeit Die Ausweitung des Geltungsbereichs von Arbeit kann so eine Form annehmen, die auf eine Entökonomisierung von Arbeit durch Bürgerarbeit zielt, die substituiert werden soll. Obgleich solche Konzepte als Mittel zur Re-Egalisierung der Arbeitsorganisation entworfen sind, unterlaufen sie ihre Intension, indem Arbeit von der Ebene ihrer Notwendigkeitsabhängigkeit abgekoppelt und die Tätigkeit durch Freiwilligkeit ÃJHDGHOW¶ZHUGHQVROOÄdessen oberste Zielsetzung nicht mehr berufliche Arbeit, sondern (freiwilliges) bürgerliches Engagement darstellt.³141 'LHVHQ .RQ]HSWHQ LVW ]ZDU JHPHLQVDP GLH ]XQHKPHQGH Ã6XEMHNWivierungµ von Arbeit in die Überlegungen einzubeziehen und positiv zu ZHQGHQLQGHPHVJLOWÄGLH$UEHLWGXUFKGLH9HUV|KQXQJPLWHLQHU$Oltagskultur und einer Lebenskunst zu verändern, deren Fortsetzung sie ebensosehr werden soll wie deren Quelle, anstatt davon getrennt zu sein.³142 Obgleich aber besonders mit den auf Substitutionsfinanzierung basierenden Modellen eigentlich der Versuch der Emanzipation von Arbeit realisiert werden soll, bleiben sie doch dem Begriff der entfremdenden Arbeit verhaftet: Wenn es auch um eine subjektiv-emanzipatorische Form geht, bildet die Zweckhaftigkeit der Tätigkeit den Definitionskern. Jene Ansätze zur mit Sinn aufgeladenen Re-, Um- oder Neuorganisation von Arbeit sehen sich mit der Unumgänglichkeit des Dilemmas zwischen Zweck und Sinn konfrontiert. Die auf Bürgergeld basierenden .RQ]HSWH UHNXUULHUHQ DXI GDV ]ZHFNKDIWH 0RGHOO ÄDOV Prinzip des ökonomischen Leistungsaustausches als hinreichendem Beschreibungsmodus von Arbeit³143. Denn genau betrachtet ist nur die Ausgleichsinitiative der Finanzierung umgedreht: Während im Erwerbsarbeitsmodell Lohn für geleistete Arbeit bezahlt wird, erhalten die Bürger dann das Geld dafür, keine oder weniger Lohnarbeit zu verrichten. Auch ist dieses Modell nur auf den ersten Blick der Perpetuierungslogik des Kapitals ent- und auf eine modernisierte Form von Tauschoder Subsistenzwirtschaft bezogen; den Empfängern von Bürgergeld steht frei, ob sie dieses Geld nicht doch kapitalisieren und damit einer 141 Vgl. Michael Aßländer: Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung, Marburg 2005 (2005b), S. 387. Zum Konzept des Bürgergeldes siehe im Wesentlichen Beck (2000b). 142 Gorz (1989), S. 142. 143 Aßländer (2005b), S. 388. 280

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herkömmlichen Ökonomie wieder zuführen. Bei Existenzgeld-Modellen von einem ÄPLWHLQHPP|JOLFKHQ%HGHXWXQJswandel der Arbeit für die Erwerbsarbeitenden selbst einhergehende[n] Entzug der ideellen Grundlage³144 von Arbeit zu sprechen, ist damit nur eingeschränkt zutreffend, weil alle Modelle einer Substituierung der Arbeitsbedeutung über kurz oder lang auf den Entlohnungsaspekt von Arbeit ± und damit auf das Prinzip des Austauschs von Leistungen ± zurückgreifen. $XFKGDVÄ6R]LDOHLQNRPPHQ³145 von Gorz, der das Recht, Rechte zu besitzen, von dem Besitz eines Arbeitsplatz lösen will, fällt jenem Problem zum Opfer, das er selbst beschreibt: dass die Gefahr der ErweiteUXQJ GHV 'LOHPPDV YRQ ÃSULYDWHQµ XQG ÃEHUXIOLFKHQµ Werthaltungen QLFKWJHEDQQWZHUGHQNDQQÄ'LHEHUXIOLFKH4XDOLILNDWLRQZLUGMHJOLFKHU persönlicher Tugenden beraubt, und das Privatleben wird gegen die Imperative des Berufslebens abgeschottet.³146 Die Organisation eines Sozialeinkommens verringert nur die Sphäre des Berufs, die mit dem Sozialeinkommen substituiert wird. Das Sozialeinkommen transformiert Gorz später in einen erwerbsunabhängigen und existenzsichernden Mindestlohn, der als unbedingtes GrundeinNRPPHQNRQ]LSLHUWLVW(VÄVWHOOW die beste Handhabe dar, um so weitgehend wie möglich sowohl die bezahlte Arbeit als auch die unbezahlten Aktivitäten umzuverteilen³. Dies könne QXUHLQ$UEHLWVNRQ]HSWVLFKHUQGLHÄ/XVWXQG)UHXGHDP$UEHLWHQ³ erP|JOLFKHGLHÄPLW$UEHLWV]ZDQJXQYHUHLnbar³ sei.147 Gorzµ Arbeitsbegriff ist erstaunlicherweise weniger marxistisch als hegelianisch148. Die moderne Erwerbsarbeit sei in der Entwicklung der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen nicht mehr in der Lage, Arbeit DOVÃ(QWlX‰HUXQJ¶]XIDVVHQZHLO$UEHLW unter drei Bedingungen stünde, QlPOLFK GLH ÄHLJHQVWlQGLJH 2UJDQLVLHUXQJ³ HLQH ÄSRVLWLY³ erfahrbare Ä.RRSHUDWLRQVZHLVH³XQGGDVVÄGLH2EMHNWLYLHUXQJGHU$rbeit in einem Produkt³ JHZlKUOHLVWHWLVWÄGDVYRQGHQ$UEHLWHUQDOV6LQQXQG=LHOGHU eigenen Tätigkeit anerkannt werden kann.³149 Es ist ein anthropologiVFKHV 9HUVWlQGQLV YRQ $UEHLW GHVVHQ 6\VWHP GLH Ä$XVGHKQXQJ GHU Oebenslangen Integration der Menschen in das zivilgesellschaftliche Beziehungsnetz³ zum Ziel haben müsse. Dies können nur LQ Ä.RRSHUDWionsringen und ihrer möglichen Vernetzung³, XPHLQHÄSUDNWLVFKH.ULWLN 144 145 146 147 148

Ebd., S. 389. Vgl. Gorz (1983), S. 69 ff. Ebd., S. 58 f. Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie, Frankfurt/M. 2000, S. 120 f. Vgl. dazu Hans-Christoph Schmidt am Busch: Arbeit zwischen Marx und Hegel. André Gorz¶ postkapitalistische Gesellschaftstheorie, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 49 (2001), 5, S. 743 f. und 754 f. 149 Gorz (1989), S. 51. 281

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an der Erwerbsarbeit³150 zu üben. Erwerbsarbeit könne nicht mehr die ÄÃXQHUOlVVOLFKHµ )XQNWLRQGHU$UEHLWDOV4XHOOHÃVR]LDOHU%LQGXQJµÃVozialen Zusammenhaltsµ YRQ Ã,QWHJUDWLRQµ Ã6R]LDOLVierungµ ÃSHUV|QOiFKHU,GHQWLWlWµ und des Lebenssinns³151 garantieren. Sein Alternativkonzept von Tauschringen, Kooperationsverhältnissen als Selbstversorgung XQG $NWLYLWlWHQ GLH ÄDXWRQRP³ XQG ÄVLFK 6HOEVt]ZHFN³152 sind, ist zwiespältig: Mit Hilfe des Grundeinkommens und einer subsistenzwirtschaftlichen Kooperationsform sei Arbeit wieder seiner befreienden und anthropologischen Funktion zuzuführen; denn Arbeit ± sofern sie vom Zwang befreit sei ± VHLNHLQHÄZLGULJH1|WLJXQJ³, sondern die RealisieUXQJYRQÄ6HOEstverwirklichung und Selbstbehauptung³153. Worin sie sich damit von den selbstzweckhaften und autonomen Aktivitäten unterscheidet, weshalb also zur Differenzierung verschiedener Tätigkeiten noch eine Begrifflichkeit von Arbeit nötig ist, wird nicht ganz deutlich.154 Möglicherweise liegt die Antwort darin, dass der Entfremdungscharakter von Arbeit nur in der von anderen, von Kapitalisten fremdbestimmten Form von Arbeit, nicht in ihrem Verhältnis zwischen natürlicher Notwendigkeit und menschlicher Bewältigung gesehen wird. Dies ist das Dilemma einer von Grundeinkommen finanzierten Arbeit, die zwischen ihrem Nicht-Arbeitscharakter und ihrem emanzipativen Befreiungscharakter hin- und herpendelt; gerade ihre Sozialitätsfunktion soll sie darin erweisen, dass sie individualistisch Befreiung gewährleistet. Der diagnostizierte Widerspruch zwischen Arbeit und Praxis wird nicht gelöst, sondern in ein alternatives Modell transferiert, das sich aus der Kritik an den Entfremdungen durch Lohnarbeit speist, dies aber gerade deshalb in verringerter Geltungsform aufrechterhalten muss. Darüber hinaus kann auch die tauschwirtschaftlich oder kooperativ geprägte Sphäre nicht der ökonomischen Rationalitätsorganisation entkommen, unabhängig vom Konzept eines Grundeinkommens oder BürgerJHOGHV Ä(QWZHGHU >ZLUG VLH@ PLWKLQ ökonomisch organisiert, dann XQWHUVFKHLGHW VLH VLFK QLFKW PHKU YRQ GHU Ã|NRQRPLVFKHQµ HandlungsVSKlUH 'LH WKHRUHWLVFK DXFK GHQNEDUH $OWHUQDWLYH ÃIUHLZLOOLJHV (QJaJHPHQWµ GXUFKÃSUlVNULSWLYH$QUHL]Hµ zu steuern, läuft dabei auf dasselbe KLQDXV %UJHUJHOG JHJHQ %UJHUDUEHLW :LUG GLH 6SKlUH GHV Ã|IIHQWOichen Engagementsµ jedoch nach den Grundsätzen des Privatlebens organisiert, fehlt jedweder Anreiz für Engagement.³155 150 151 152 153 154 155 282

Ebd., S. 156 f. Ebd., S. 81 f. Ebd., S. 154. Ebd., S. 121. Vgl. Schmidt am Busch (2001), S. 484 Fußnote. Aßländer (2005b), S. 390.

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Die ideelle Grundlage von Arbeit repliziert die inhärente Gefahr der Ausdifferenzierung des Widerspruchs. Es ist ein wenn auch nur negativ gültiges Beispiel für Subjektivierung von Arbeit und die Verlagerung der ideellen Grundlage ins Subjekt, aus der heraus Arbeit weiterhin Sozialitätsfunktion verwirklichen soll. Und dies nicht nur als passiver Prozess der ökonomischen Organisation, sondern auch aktiv in den steigenden Forderungen an die Gestaltungsmöglichkeiten eigener Arbeit. Damit wird potentiell die Möglichkeit entzogen, das Bedürfnis nach BedeutungsgebuQJ GXUFK $UEHLW EHIULHGLJHQ ]X N|QQHQ GLH ÃHLQHµ Arbeit, die weiterhin Erwerbsarbeit ist, verliert ihre abhängige Notwendigkeit nicht, und die andere Arbeit soll nicht als Arbeit, sondern als ÃVHOEVW]ZHFNKDIWHµ ÃDXWRQRPHµ Tätigkeit empfunden werden. Damit zeigt sich im Gegenteil die gesteigerte Abhängigkeit von Arbeit und unterstreicht Arendts These, dass Arbeit die einzige Tätigkeit sei, worauf sich die Gesellschaft noch verstehe; es plausibilisiert das Bedürfnis, die steigende Abhängigkeit von Arbeit dadurch zu kompensieren, dass die ökonomische Verzweckung individuellen Sinn paradoxiert und in die Einschreibung von Sinn in Zweckzusammenhänge transformiert wird.156 Insofern mag das Konzept des Grundeinkommens in diesem Sinn zwar konsequent und m. E. sogar systemtheoretisch anschlussfähig sein, da es gewissermaßen die Prozessierung von Sinn kultiviert. Allerdings beruht es auf einer widersprüchlichen Tautologisierung: Der elitistische Aspekt, den eine Re-Aristokratisierung des Arbeitsbegriffs beinhaltet und der in der Aufforderung zur Selbstgestaltung von Arbeit liegt, die nicht mehr die Tagesstruktur vorgibt, derer die meisten Menschen bedürfen, ist darin nicht auszugleichen; dies hat die Darstellung der Haltungen der Arbeitslosen in der Marienthalstudie deutlich gezeigt, die als YRQ Ä5HVLJQDWLRQ >@ 9HU]ZHLIOXQJ 'epression, Hoffnungslosigkeit, das Gefühl der Vergeblichkeit aller Bemühungen³157 geprägt beschrieben und in der fünf Kategorien deutlich werden, die Arbeit ± und damit LVW GXUFKDXV DXFK ÃIUHPGEHstimmteµ Arbeit gemeint ± für das persönliche Selbstwertgefühl wesentlich machen: die Einteilung von Zeit, Erweiterung des sozialen Horizonts, die mit Arbeit verbundenen Aspekte von Kooperationserlebnis, sozialer Identität und sozialer Realität.158 Das Grundeinkommen mag zwar zu gewissen Teilen von einer entfremdenden Überbelastung befreien, zu der angestrebten Entökonomisierung trägt es aber deshalb nicht bei, da die ökonomische Wertung darin zunimmt, dass bereits die Existenz des Menschen mit der er Be156 Dann hätte die Vielfältigkeit kapitalistischer Organisation unter umgekehrten Vorzeichen gerade das geschafft, was Marx konzipiert hatte. 157 Jahoda et al. (1975), S. 70 f. 158 Vgl. ebd.; vgl. dazu auch Aßländer (2005b), S. 382. 283

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rechtigung auf eine bestimmte Geldsumme erhält, monetär bewertet wird.159 (LQ VROFKHV ÄGXDOLVWLVFKHV *HVHOOVFKDIWVNRQ]HSW³160 exemplifiziert das Dilemma, die zwanghaften Momente der Arbeit in der als befreit und frei konzipierten Arbeit der Kooperation zu negieren, diese Momente aber als gesellschaftlich weiterhin notwendig einer anderen, weiterhin existenten Sphäre zuzuschreiben. Somit erfüllt sich allerGLQJV *RU]µ Programm, dass er mindestens zwei Arbeitsbegriffe, einen der Misere und einen der Utopie, verwendet, die voneinander abhängig sind und immer auf die bessere ± jenseitige ± Welt der Utopie verweisen. So wird ÄGLH|NRQRPLVFKH7KHRULH>@LQV7KHRORJLVFK-Philosophische transzendiert [wird], [ ] gerade am Leitfaden des Begriffs der Arbeit³161, der dualistisch bleibt, weil er für einen von Zwängen befreiten Arbeitsbegriff den die Entfremdung beinhaltenden der Erwerbsarbeit benötigt.

Eine begriffliche Perspektive Weil die Grenze zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit immer schwieriger zu ziehen ist, multiplizieren sich alle Tätigkeiten als Arbeiten. Es eine paradoxe Bewältigung der Aufwertung von Arbeit in einer Ökonomie, deren Zeit der Vollbeschäftigung vergangen ist. Dass Arbeit nicht an Wert verliert, steht neben der Formel der Arbeitsplatzschaffung durch Wirtschaftswachstum und der Lenkung der Produktivität durch Verbilligung der Arbeit, neben dem weiteren Ausbau des Dienstleistungssektors und der ForGHUXQJ XQG )|UGHUXQJ GHV Ã$UEHLWVNUDIWXQWHUQHKPHUVµ, die mit der Relativierung und/oder Flexibilisierung sozial gesicherter Beschäftigungsverhältnisse verbunden ist. Die Vereinzelung des Begriffs entspricht also mehr der Vervielfältigung der Bedeutung von Arbeit, weniger der Funktion. Die konzeptionelle Verwirrung hat ihren Grund offenbar darin, dass die Subjektivierungen der Arbeitsprozesse einzubeziehen und das sich transformierende Produktionsparadigma von Arbeit zu stabilisieren versucht wird. Aus einer siebenfachen Bestimmung von Arbeit als zweckrationalem Handeln, als Mühe, als entlohnter Tätigkeit, als Güterproduktion allgemein oder als eine Güterproduktion, bei der der Produzent durch 159 Das einzige Konzept, das sich in der Ablehnung der Produktion von Bedeutung durch Lohnarbeit nicht in Widersprüche verstrickt, scheint das GHUÃ*OFNOLFKHQ$UEHLWVORVHQµ, das aber auf völliger Negation von ArEHLWEHUXKWXQGLQVRIHUQÃDX‰HU.RQNXUUHQ]µ OlXIWÄ:HQQGHU$UEHLWVOose unglücklich ist, so liegt das nicht daran, dass er keine Arbeit hat, sondern dass er kein *HOGKDW³, Paoli (2002), S. 35. 160 Schmidt am Busch (2001), S. 248. 161 Marcuse (1933), S. 260. 284

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eine dritte Person ersetzbar ist, als gesellschaftlich notwendige Tätigkeit oder als Tätigkeit für andere162, ob auf der Ebene von Subsistenz- oder ökonomisch organisierter Erwerbsarbeit, ist nicht mehr zu gewinnen als die situativ abhängige Zuschreibung der Tätigkeit zu einem bei dieser Tätigkeit möglicherweise herausstechenden Merkmal. Dabei wird der Maßstab nicht an Kriterien, die der Tätigkeit ökonomische und/oder gesellschaftliche und individuelle Effektivität attestieren könnten, bemessen, sondern daran, ob die Tätigkeit in actu die festgelegten Eigenschaften aufweist oder ob sie einer bestimmten Kombination der genannten Kriterien entspricht. Die Benennungen weisen darauf hin, dass wir das Wort Arbeit auf ihre beliebige Bedeutbarkeit anwenden, denen wir einen gewissen Pflichtcharakter und ein mühevolles Tun zuschreiben. 'LH Ã9HUHLQ ]HO XQJµ des Arbeitsbegriffs korrespondiert dem Versuch, zu umreißen, wie ein sinnvoll gestaltetes Leben aussehen und die Begreifung von Arbeit in ihrer Paradoxie von Funktion und Bedeutung möglich sein kann. Ein Begriff muss also umfassen, was er nicht umfassen kann: die gegenseitige Abhängigkeit seiner Komponenten in ein Verhältnis zueinander zu setzen. Die Unterordnung der Bedeutung unter die Funktion entspricht der gedoppelten Entfremdung des Subjektivierungsschemas und führte zu totalistischer Ökonomisierung, die Unterordnung der Funktion unter die Bedeutung führt zur Multiplizierung des Begriffs und der Tätigkeit, die er beschreibt ± und beide Unterordnungen laufen entlang der Beliebigkeit von Bedeutung. Ansätze, die der Partikularisierung der Arbeitsformen durch begriffliche Umfassung beizukommen versuchen, lassen sich aber in Zusammenhang mit den oben diskutierten Begriffsbildungen betrachten, die eine mit reflexiver Bedeutung aufgeladene Organisation von Arbeit umreißen. Beiden Entwürfen geht es um die Reflektion der gesellschaftlichen Anbindung und Eingebundenheit der Arbeit. Beide Herangehensweisen zeichnen sich darin aus, Differenzen aufrechtzuerhalten, während sie die relationale Dynamik von Arbeit und ihrer ökonomischen Organisation diskutieren. Während die Fassung von Arbeit als reflexiver Bezugsgeber der Tautologie nur entkommt, weil sie auf die Unterschiedlichkeit der Bezugselemente verweist: darauf, dass das zwischen sie gesetzte Gleichheitszeichen ihre Ungleichheit163 und die Verwechselbarkeit von Tätigkeit und Getanem ± Prozess und Produkt, Gebrauchs- und Tauschwert, Sinn und Zweck, Funktion und Bedeutung ± ausdrückt, kann die folgende als eine betrachtet werden, die die Reziprozität, die einer solchen Reflexion zugrundeliegt, herstellt. 162 Vgl. Krebs (2000), S. 23 ff. 163 Vgl. Spencer-Brown (1999), S. 60 und oben. 285

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Der Fassung eines erweiterten Arbeitsbegriffs liegt die Wahrnehmung zugrunde, dass Erwerbsarbeit kontinuierlich abnehme, aber viele Tätigkeiten zunähmen, die gesellschaftlich notwendig seien, aber nicht im Rahmen ökonomischer Organisation und Entlohnung stünden. Der Begriff orientiert sich anhand dieses Dilemmas zwischen einer variierten Fassung von Arbeit als Erwerbsarbeit auf der einen und der Ausweitung des Geltungsbereichs des Begriffs von Arbeit auf der anderen Seite. So fasst FriedULFK.DPEDUWHOXQWHU(UZHUEVDUEHLWZDVÄLP6LQQHGHU rechtlichen und ökonomischen Formen [...] die formelle Arbeit³164 darstellt, die in klaren und Sicherheit garantierenden Strukturen steht. Er konstatiert, dass für das sich verringernde Fassungsvermögen der Erwerbsarbeitsstruktur Räume, Organisationsweisen und Ordnungen für Leistungen beansprucht werden, die eigentlich als formelle Arbeit anerkannt werden müssten und nicht mit dem Hinweis auf ihre entweder selbstzweckhafte oder nicht gesellschaftlich wertschöpfende Form durch das sozioökonomische Raster fallen dürften. Der Arbeitsbegriff muss sich also an der Erweiterung der Marktfähigkeit165 von bislang nicht ökonomisierten Tätigkeiten orientieren. Dies wird anhand des Kriteriums möglich, ob der Wegfall dieser EHLVSLHOVZHLVHLP5DKPHQSULYDWHUÃ)DPLOLHQDUEHLWµ geleisteten Tätigkeiten gesellschaftliche Substitutionsprobleme evozierte; dann müssten diese als notwendige gesellschaftliche Arbeit ökonomisch anerkannt werden, wie Angelika Krebs166 im Anschluss an Kambartel argumentiert. 6ROFKHÄLQIRUPHOOH$UEHLW³, insbesondere Familienarbeit, charakterisiert 7lWLJNHLWHQÄZHOFKH]XPeinen Sorge für andere, die solcher Sorge bedürfen, kurz kurativ heißen können, zum anderen aus Verpflichtungen entspringen, welche in klassischen oder neuen Formen einigermaßen dauerhaften verwandtschaftlichen oder partnerschaftlichen Zusammenlebens ihren Ursprung haben.³167 Da diese Arbeiten ± relational zur Abnahme der sozioökonomisch organisierten Erwerbsarbeit ± zunähmen, bedürfe es einer Re-Organisation durch eine ökonomische Anerkennung GLHVHU %HWHLOLJXQJ DOV Ä$UEHLW LP JHVHOOVFKDIWOLFKHQ 6LQQH³168 Ã.XUativeµ Tätigkeiten besäßen dann einen volkswirtschaftlichen Wert, wenn ihre Nichtbewältigung einen gesellschaftlichen Substitutionsbedarf evozierte. 164 165 166 167

Kambartel (1993), S. 239. Vgl. Aßländer (2005b), S. 387. Vgl. Krebs (2000). Kambartel (1993), S. 239. [Die Kursivsetzungen im Original habe ich zugunsten angenehmerer Lesbarkeit entfernt. Eine veränderte Lesart ergibt sich schon durch die Häufigkeit der Kursivsetzung nicht.]. 168 Ebd., S. 241. 286

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1DFKGLHVHPÄLQVWLWXWLRQHOOHQ$UEHLWVEHJULII³LVWHLQH7lWLgkeit dann als Arbeit zu klassifizieren, wenn sLH HLQHQ ÄJHVHOOVFKDIWOLFKHQ /HLVWXQJsaustausch³169 darstelle. Dann sei sie ökonomisch zu validieren und stelle Arbeit im ökonomischen Sinn dar. Deshalb solle dies entsprechend nicht nur monetär entlohnt ± denn das geschieht zumindest z. B. mit Kinderund Erziehungsgeld ±, sondern auch gesellschaftlich und als ökonomisch klassifizierbare Erwerbsarbeit anerkannt werden. Familienarbeit also sei Arbeit im ökonomischen Sinne. Dies entbehrt nicht einiger Brisanz: Auf der einen Seite unterstreicht Krebs die Geltung von hauptsächlich weiblicher Arbeit± und will diese auch sozioökonomisch anerkannt sehen, obgleich ihr Wert in der dem Ökonomischen entgegengesetzten Eigenschaft liege, nicht einfach ökonomisierbar zu sein. Auf der anderen Seite institutionalisiert Krebs so die Tendenz der ausschließlich ökonomischen Validität als Argument zu gesellschaftlicher Anerkennung, auch wenn man ihr nicht die gesellschaftlichen Anerkennungsmechanismen, die sich hauptsächlich in ökonomischer Validierung ausdrücken, zum Vorwurf machen kann. 'HQQRFKLVWQLFKWHLQVLFKWLJGDVVÄjede Ã6FKZDQJHUVFKDIWV- und Geburtsleistungµ sowie jede Ã.LQGHraufzuchtµ gesellschaftliche Arbeit im Sinne des institutionellen Arbeitsbegriffs ist.³170 M. E. unterliegt sie damit demselben Widerspruch wie Vertreter des Grundeinkommens, deren Argument in dieser Hinsicht auch so gewendet werden kann, dass alles, was gesellschaftlich nützlich sei, auch gesellschaftlich zu validieren sei ± und wenn sich die gesellschaftliche Validierung in Form von Lohn vollzieht, sei die Tätigkeit entsprechend zu entlohnen. Dann müssten 0D‰VWlEH ]XU 9HUIJXQJ VWHKHQ GLH Ã.LQGHUDXI]XFKWµ ökonomisch validierbar mache; im Sinne des gesellschaftlichen Leistungsaustauschs bedürfe es einer Gleichsetzung, d. h. Kinderaufzucht müsste sich für die Gesellschaft lohnen. Das bemessen zu können, scheint schwierig. Krebs argumentiert, dass eine Tätigkeit in der Gesellschaft, in der die Tätigkeit verrichtet wird, dann mit Recht als Arbeit gilt, wenn sie ökonomische Anerkennung erfährt, die einer gewissen Notwendigkeit, d. h. dem Lebensunterhalt dient, also auch zweckrational ist. Auf der anderen Seite möchte sie Zweckrationalität von dem Verdikt der ökoQRPLVFKHQ3UlGHWHUPLQLHUXQJEHIUHLHQGDHVNHLQHQÄ6LQQ>PDFKW@IU alles zweckrationale Handeln, zum Beispiel das Zähneputzen oder das Autofahren, gesellschaftlich-ökonomische Anerkennung zu fordern³171.

169 Krebs (2000), S. 35 ff. 170 Schmidt am Busch (2003a), S. 455. 171 Krebs (2000), S. 25. 287

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So stellt sie zwar die Hoheit des ökonomischen Kriteriums, das Arbeit als eine entlohnte Tätigkeit bestimmt, in Frage, aber um zu argumentieren, dass die ökonomische Form der Anerkennung dann gewährt werden solle, wenn es sich dabei um gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigende Leistungen handele, also auf andere Tätigkeiten übertragen werden müsse.172 Die hier vorliegende Widersprüchlichkeit zeigt sich darin, dass der institutionelle Arbeitsbegriff hauptsächlich entwickelt wird, um den Anspruch ± weiblich geprägter ± Familienarbeit auf sozioökonomische Anerkennung zu begründen. Eine Leistung, die sich als gesellschaftlich notwendig erweist, weil sie sich nicht in der ökonomischen Wertschöpfung erschöpft, soll ökonomisch validiert werden. Die ,QVWDOOLHUXQJGHVQRUPDWLYHQ.ULWHULXPV GHVÃJesellschaftlichen /HLVWXQJVDXVWDXVFKVµ rekurriert darauf, Arbeit dadurch zu bestimmen, dass sie von dem bloßen Kriterium der Entlohnung befreit werden und dadurch nicht-ökonomisierte Tätigkeiten als sinnvolle bewahrt werden können sollen; zum anderen sollen diese gerade dadurch bewahrt werden, dass sie Bestandteil des Entlohnungssystems werden. Es ist widersprüchlich, andere Tätigkeiten deshalb als Arbeit anerkennen und ökonomisch bewerten zu können, weil sie eine gesellschaftlich notwendige Leistung erbringen, die darin besteht, ökonomische Validität nicht auszuweisen. Der Widerspruch droht also in Form der Tautologie. Es ist zwar insbesondere unter dem Blickpunkt subjektivierter Arbeitsformen, die eine solche Identifizierung von subjektiven mit sozioökonomischen Sinnmaßstäben fordern, wertvoll, in Frage zu stellen, ob die bloße Entlohnung einer Tätigkeit ausreicht und als einziges Kriterium von Arbeit gelten kann, weil es auf die Paradoxalität des Bedarfs nach Erledigung von Aufgaben und ihrer sozioökonomischen Organisation anspielt. Ob daraus aber zu folgern ist, dass ein Arbeitsbegriff dann ÃJHVHOOVFKDIWVNULWLVFKHV 3Rtentialµ173 hat, wenn der ökonomische Arbeitsbegriff um nicht-ökonomische Kriterien erweitert und auch andere Tätigkeiten als Arbeit anerkannt werden und diese Anerkennung dann 172 (EG 6  Ä:LU ZROOHQ ZLVVHQ ZHOFKH 7lWLJNHLWHQ |NRQRPLVFKH $rbeit sind, in dem Sinne, dass sie ökonomische Anerkennung verdienen. Und auf diese Frage kann man nicht einfach mit einer Nennung dessen, was faktisch entlohnt wird, antworten. Die Möglichkeit, dass etwas eigentlich ökonomische Arbeit ist und entlohnt gehört, aber faktisch nicht entlohnt wird, muss offen bleiben, darf nicht durch einen definitorischen 6FKDFK]XJ DXVJHVFKORVVHQ EOHLEHQ 'LHVHU Ã|NRnomistischeµ ArbeitsbegULIIVFKUHLEWVRPLWÃ|NRQRPLVFKH$UEHLWµ positivistisch auf bereits ökonomisch anerkannte Arbeit fest. Es mangelt ihm an gesellschaftskritischem Potential. Er ist normativ blind. Er kann unserer Intuition, dass wer arbeitet, einen Lohn verdient, nicht gerecht werden.³ 173 Vgl. Krebs (2000), S. 29. 288

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doch ökonomische Form annimmt, ist fraglich, weil versucht wird, die Legitimität des einen mit der Legitimität des anderen zu begründen. Es scheint dabei mehr um ein Recht auf gesellschaftliche Anerkennung von Tätigkeiten zu gehen, die bislang im gesellschaftlichen Codex keine ökonomische Form haben.174 Die Zunahme resp. Beschränkung der Zuteilbarkeit von Tätigkeiten zu Kategorien orientiert sich an diesem widersprüchlichen Maßstab und weist darauf hin, dass es hinsichtlich der Fassbarkeit eines Arbeitsbegriffes ebenso wesentlich wie um die kriterielle Kategorisierung um eine Normierung äußerer Bedingungen geht, die möglich machen sollen, dass eine Tätigkeit in die RelationieUXQJ GHV ÃIDNWLVFKHQ JHVHOOVFKDIWOLFKHQ /HLVWXQJVDXVWDXVFKVµ Eingang finden kann. Dabei geht es um die Legitimierung der Gültigkeit des eigenen, individuellen wie gesellschaftlichen Anspruchs an die Tätigkeit resp. an ihren Bedarf. Dass diese damit Arbeit in einem Sinne wären, die im Rahmen ökonomischen Leistungsaustauschs, an dem ein gesellschaftliches und nicht nur partikulares Interesse besteht, stattfinden, ist aber nicht notwendig gegeben, sondern hängt von der gesellschaftsstrukturelOHQ (LQWHLOXQJ DE Ä(R LSVR notwendig ist gesellschaftliche Arbeit hier (in unserer Terminologie) eben nur in dem schwachen Sinn, dass sie Teil des faktischen gesellschaftlichen (des für die Gesellschaft faktisch wesentlichen) Leistungsaustausches ist, wie immer die daran teilnehmenden Leistungen im übrigen beurteilt werden mögen.³175 Die (ökonomischen) Anerkennungsmechanismen der Arbeitsgesellschaft werden also zugleich kritisiert und zur begründeten Legitimation verwendet. Kambartel geht es um die Berücksichtigung der Bedeutung von im aristotelischen Sinne als praxis verstandenen Tätigkeiten. So kann daraus abgeleitet werden, dass es auch um die Berücksichtigung der Bedeutung von Tätigkeiten geht, die Eingang in einen ökonomisch organisierten Leistungsaustausch finden könnten und entsprechend entlohnt

174 Vgl. Alexandra Popp: Arbeiten und Handeln, Marburg 2007, S. 117, die daraus ableitet, dass Krebs nicht den Begriff von Arbeit bestimme, sondern ihren Inhalt. Das hat Berechtigung, weil Krebs sich auf die Relevanz der hauptsächlich von Frauen geleisteten nicht als ökonomische Arbeit gesellschaftlich anerkannten Tätigkeiten konzentriert. Aus der Diskussion dieses Bereichs gewinnt sie allerdings einen kriteriellen Beurteilungsmaßstab, der Arbeit als ökonomische Tätigkeit im Rahmen eines gesellschaftlichen Leistungsaustauschs fasst. Dass Popp diesem Begriff nur eingeschränkt zustimmen kann, liegt daran, dass sie ± im Anschluss an Arendt ± Arbeit sehr viel stärker von anderen Tätigkeiten getrennt konzipiert und deshalb gerade nicht daran interessiert ist, einen Begriff von Arbeit zu fassen, der die faktischen Veränderungen zu umfassen imstande ist. 175 Kambartel (1993), S. 242 f. 289

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werden müssten. Denn dadurch, dass ihr Wegfall substituiert werden müsse, zeichne sie sich als gesellschaftlich notwendige und als Tätigkeit eiQHV JHVHOOVFKDIWOLFKHQ /HLVWXQJVDXVWDXVFK DXV XQG GD Ä$UEHLW LP Jesellschaftlichen Sinne, kurz: gesellschaftliche Arbeit [ ] eine Tätigkeit IUDQGHUH>KHL‰W@ZHOFKHDPÃDOOJHPHLQHQµ, durch die Form der Gesellschaft bestimmten, Leistungsaustausch zwischen ihren Mitgliedern teilnimmt³176 N|QQH VLH VRZRKO |NRQRPLVFK DQHUNDQQW DOV DXFK ÄDOV 7HLO eines erfüllten Lebens um seiner selbst willen³ begriffen werden. Dass es sich hierbei um den Versuch handelt, der Paradoxie Ausdruck zu geben, wird an der Formel gesellschaftlichen Leistungsaustausches deutlich: sie versucht, die Widersprüche zu vereinen. Es zeigt die totalisierende Geltung von Arbeit, die trotz partikularisierter Arbeitsformen in einem Arbeitsbegriff gefasst werden soll: Der Aufteilung von Arbeit und Praxis korrespondiert die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Arbeit und zwischen materialer und formaler Praxis.177 Die Einordnungen laufen entlang der Frage, ob die jeweilige Tätigkeit a) Reziprozität, d. h. gegenseitigen Interessenausgleich, und b) eine zweckhafte Form aufweist. Wenn sie das tun, ob in tausch(wirtschaft)hafter, subsistenzhafter oder kapitalistisch organisierter Form, zählen sie zum Bereich der Arbeit; wenn sie zum eigenen und selbstbezogenen Zweck getan werden, zählen sie zum Bereich der Praxis, wobei die Tätigkeitsformen je nach Bezugsrahmen ineinander übergehen können.178 Es bringt die Paradoxie zum Ausdruck, dass Arbeit ein Instrument ist, das eine Tätigkeit zu Arbeit machen kann, wenn sich die gesellschaftlichen Bedingungen ändern, d. h. wenn z. B. eine Nachfrage besteht. Er widerspricht sich aber dann, wenn er mit einem normativen Postulat der Anerkennung kausal verknüpft wird, weil Nachfrage nicht eingefordert werden kann; dann wird die ökonomische der gesellschaftlichen Validierung nachgeordnet und doch identifiziert. Dann wird eine

176 Ebd., S. 241. 177 Kambartel (1993), S .247. 178 Vgl. auch Marcuse (1933),  II GHU GLHVH EHLGHQ 3ROH ÃArbeit und Praxisµ HLQKHLWOLFK GLIIHUHQ]LHUW LQ HLQHP $UEHLWVEHJULII IDVVW Ä'LH EHiden Pole des hier umschriebenen allgemeinen Arbeitsbegriffs, die gleichsam seine Reichweite anzeigen und beide noch von ihm begriffen werden, sind: auf der einen Seite das Tun im Dienste der Ãmateriellenµ Produktion und Reproduktion, die Herbeischaffung, Besorgung, Erhaltung usw. Der puren Notwendigkeiten des Daseins. [...] Auf der anderen Seite alle Arbeit jenseits dieser Notwendigkeiten, die dem Geschehenmachen des Daseins verbunden ist und bleibt.³ Diesen identifizierenden 8QWHUVFKLHGQHQQW 0DUFXVHÄGLHIUGHQ6LQQ GHU$UEHLWHQWVFKHLGHQGH Differenz zwischen diesen beiden Weisen der Praxis³. 290

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Unterordnung des einen unter den anderen Pol vorgenommen, um nicht gleichwertige Mechanismen auszugleichen. 'HU $UEHLWVEHJULII GHV ÃJHVHOOVFKDIWOLFKHQ /HLVWXQJVDXVWDXVFKVµ weist seine Gültigkeit darin auf, auf die paradoxe Reziprozität hinweisen zu können. Er ist kompatibel mit der relationalen Fassung von Arbeit, die mit der Organisation der ästhetischen Perspektive in Bezug gesetzt ZXUGH GDEHL DEHU JHQDXHU DOV GLHVH GLH $UEHLW LVW ÄLQdem sie an sich arbeitet und dabei immer wieder alles heranzieht und ausschließt, was nicht Arbeit ist³179GHVKDOEZLUGVLHQXUDOVÄ3UR]HVVGHU$XVKDQGOXQJHQ und Verhandlungen³ DOV Ä3UR]HVV GHU .RPPXQLNDWLRQ EHU $UEHLW³180 bestimmt. Der Begriff des gesellschaftlichen Leistungsaustauschs zielt DXIGLHUH]LSURNH%H]LHKXQJGHVÃ$XVWDXVFKVµ, der im Kommunikationselement des reflexiven Begriffs nur relational gefasst ist. Er verliert aber seine paradoxale Verwendbarkeit, wenn am Ende doch die als dichotomisch deklarierten Funktionen mit unterschiedlichen Mechanismen gleichgesetzt werden oder die Forderung erhoben wird, das eine dem anderen unterzuordnen, weil der eine Mechanismus höhere Geltung beanspruchen könne. Damit geht die Gefahr einer Identifizierung von Funktion und Bedeutung einher, die der Begriff durch seinen Reziprozitätscharakter gerade im Differenz bewahrenden Ansatz unterschieden hält und nur insofern aporetisch bleibt, als er darauf verweist, etwas nicht bezeichnen zu können, um die Wirklichkeit der normativen sozialen Strukturierung des Bezeichneten möglich sein zu lassen. Eine Normativierung reduziert den Begriff auf jene Eindeutigkeit, die er nicht zu leisten imstande ist, wenn er die paradoxe Doppelfunktion der Arbeit ausdrücken soll.181 Normen zu bewahren, ist paradoxerweise nur gewährleistet, wenn sie zum begrifflichen Desiderat und (sozialen) Postulat gemacht und darin vor begrifflicher Ideologisierung bewahrt werden. Normen, die die soziale Strukturierung des Bezeichneten gewähren sollen, lassen sich nicht aus dem Begriff ableiten, weil sonst das Bezeichnete in Identifizierung endete. Begrifflich bleibt die Normierung aporetisch, sozial wird sie ein Postulat.

179 Baecker (2003), S. 76. 180 Svetlova (2008), S. 86. 181 Dies wurde in Kapitel I auf Basis von Hegels und Marx¶ Begriffskonzepten als paradoxe Abhängigkeit subjektkonstitutiver und reflexiver Sinnelemente der sozialen und wechselseitigen Abhängigkeit des Einzelnen in einer ökonomisch organisierten Sozialisationsform bestimmt. 291

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Normative Paradoxien Es scheint unumgänglich, bestimmte Widersprüche nicht bewältigen zu können, die auf eine paradoxe Wechselwirkung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Funktionen und ökonomischen und anthropologischen Bedeutungen, resp. auf eine paradoxe Präsupposition der anthropologischen Bedeutung des Begriffs hinweisen. Dies ist das paradoxe Dilemma: Wenn Sinn ± Anerkennung, Solidarität, soziale Zugehörigkeit inkludiert ± zur Funktion von Arbeit wird, schließt dies nicht aus, Subjektivierung als Methode zu installieren. Es manifestierte damit, dass Arbeit den entscheidenden gesellschaftlichen Integrationsfaktor darstellt. Denn wenn die Bedingtheit sozialer Zugehörigkeit mit dem Anspruch sozialer Sinnstiftung in wirtschaftlichem Handeln erweitert wird, erweitern sich die Bedingungen sozialer Teilhabe sogar noch darum, durch wirtschaftliches Handeln an Sinnstiftungsprozessen partizipieren und gesellschaftliche Vorstellungen als individuelle übernehmen zu müssen. Aus dieser dilemmatischen Situation lassen sich legitime Postulate ableiten, sie können die Paradoxie aber nur überdecken, nicht lösen. Diese Postulate ergeben sich allerdings aus den Paradoxien: die strukturelle Zurverfügungstellung einer Grundlage, denen die Ansprüche an das Individuum gerecht werden und die dem Individuum durch die Möglichkeit der sozioökonomischen Teilhabe die Möglichkeit auch zu sozioökonomischer durch individuelle Sinnstiftung geben.

Normative Möglichkeiten ± normative Notwendigkeiten Blicken wir kurz zurück und betrachten noch einmal den Bericht der Arbeiter über die moralischen und sozialen Möglichkeiten der Arbeitsteilung durch die Mechanisierung der Arbeit. In diesen Berichten zum Jahr der Weltausstellung 1867 in Paris, auf der u. a. die Möglichkeiten der mechanischen Fertigung durch die Dampfmaschine ausgestellt wurden, entwickeln die Arbeiter Zukunftsentwürfe über die Folgen der Maschinisierung, die die Arbeitsweisen der unqualifizierten und der qualifizierten Arbeiter maßgeblich verändern und ihre Arbeitssituationen verbessern werde. Die Arbeiter betrachten die Maschinen nicht als Gegner, vielmehr als Unterstützer in der Befreiung von toter, monotoner Arbeit, und machen sie zum Komplizen der Arbeiterschaft im Kampf um die Aufhebung der Spaltung zwischen qualifizierten, also mit den Umgangsweisen mit den Maschinen vertrauten, und unqualifizierten Arbeitern, deren Monotonie in der Arbeit durch den Zwang der Erhöhung der $UEHLWVOHLVWXQJ LQ GHU $UEHLWVWHLOXQJ VWHLJW Ä-H PHKU GLH LQGXVWULHOOH 292

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Wissenschaft die Kraft und Geschicklichkeit des Arbeiters durch Dampfkraft setzen wird, [...] umso mehr wird die Intelligenz des Arbeiters geschätzt werden, wenn er der Anregung durch die Wissenschaft folgt [...]. [Dann wird er] das erlernen, was ihm an Wissen in den neuen Bedingungen, unter die er sich gestellt sieht, notwendig sein wird; er wird seine Intelligenz ausbilden, um desto besser die Maschine lenken zu können, die er zu betreiben hat.³182 Von der Teilung der Arbeit zwischen Mensch und Maschine erwarteten sich die Arbeiter einen Gewinn, den sie in eigenständige, von materiellen Abhängigkeiten freiere und befreiende Arbeitsformen investieren könnten. Besonders die qualifizierten Arbeitskräfte kamen ins utopische Schwelgen, was den Nutzen namentlich der EisenEDKQEHWUDIÄ(V erleichtert auf diese Weise die Beziehungen zwischen den entferntesten Völkern, durch welche Beziehungen sich einheitliche Ideen, Grundsätze, Rechte und Pflichten ausbreiten und wodurch ebensosehr der Augenblick herbeigeführt wird, an dem alle Völker sich endlich verständigen, energisch die ihnen seit Jahrhunderten auferlegte Vormundschaft abstreifen, endgültig das Joch des Kapitals und der Unwissenschaft abschütteln und schließlich im größten Umfang von den wirklichen Vorteilen den Nutzen haben, den ihnen die Maschinen bieten.³183 Die Befreiung von der Arbeit durch die Arbeit ist in gewisser Weise Wirklichkeit geworden, nur dass die befreite Zeit nun andere Arbeit geworden ist und dazu beiträgt, all die Tätigkeiten irgendwie klassifizieren zu müssen. Damit sind wir wohl in der Nähe der Foucaultschen Vermutung, dass Arbeit nicht mehr nur das Prinzip der Entfremdung, sondern auch das Prinzip ihrer Bewältigung ist, und die Bedürfnisse nicht mehr für die Grenzen des Menschen stehen, sondern für deren Überwindung. Inwiefern diese Form der Transzendentsetzung der Grenzüberwindung als Wert paradoxer Weise Ähnlichkeiten mit einer Ästhetisierung aufzuweisen hat und dazu führte, die Sinnstiftungsansätze und ökonomische Ästhetisierung mit Foucaults spätem Aufruf zu ästhetischer Selbststilisierung gleichzusetzen, mag hier nur angemerkt sein; denn Ästhetisierung kann durchaus als Mittel angesehen werden, ein verloren gegangenes Sinnstiftungsinstrument zu ersetzen. :HQQPDQQXQDXVVHLQHP/HEHQQDFK)RXFDXOWÄHLQ:HUN>@Pachen [soll], das gewisse ästhetische Werte trägt und gewissen Stilkriterien entspricht³184, stellt sich jenes Paradox aus, das einen als nach FouFDXOWV 0XVWHU VXEYHUVLY DQJHOHJWHQ XQG HLQHQ |NRQRPLVWLVFKHQ ÄKRPR

182 Rancière, Vauday (1980), S. 19 f. 183 Ebd., S. 20. 184 Michel Foucault: Der Gebrauch der Lüste, Frankfurt/Main 1986, S. 18. 293

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aestheticus³ ununterscheidbar macht. Dies ließe eine Verstärkung des 6FKOXVVHV ]X GDVV ÄlVWKHWLVFKH .RPSHWHQ] > @ GHQ 9HUlust moralischer Standards ausgleichen [soll]³185, gewissermaßen also die Ästhetik die verlorengegangene Transzendenz ersetzt. Dies hätte die Notwendigkeit einer (Re-) Normierung und umgekehrten Normativierung zur Folge. Einer Überhöhung der Ästhetisierung, mit der auch die von Taylor konstatierte Tendenz der Authentizitätssucht186 einhergeht, müsste eine ästhetische Kritik folgen, die mit einer Reflexivität argumentierte, die ± gerade im Gegensatz zur Repetition ± nicht auf Tautologie, sondern auf teleologische Reflektiertheit im paradoxen Sinne setzte und dazu aufforGHUWHÄVLFKGHV'RSSHOYHUKlOWQLVVHVYRQ%HDFKWXQJXQG$XVVFKOXVVEewusst zu sein.³187 Diese ästhetische Kritik richtete sich, indem sie sich DXIÄGLH:HLVHQZLHGLH:HOWVLFKKHXWHZDKrnehmen lässt und wie die Gewalten ihre Legitimität behaupten³188NRQ]HQWULHUWHDXIMHQHQÄEOLnden Fleck³189, der sich zeigt, wenn auf die Verhältnissetzung zwischen ReIOH[LRQ XQG LKUHP 2EMHNW UHIOHNWLHUW ZLUG XQG ÄVHQVLEHO >PDFKW@ IU Differenzen und Ausschlüsse ± und dies nicht nur in Bezug auf Formen der Kunst und Gestaltung, sondern ebenso im Alltag und gegenüber sozialen Lebensformen.³190 'LHVHUÃEOLQGH)OHFNµ müsste den Maßstab einer Normierung bilden, weil Orientierung an Sinn in die Organisation von Arbeit ± und Leben ± eingeschrieben ist; was zur Folge hätte, dass nicht-widersprüchliche Normierung nicht möglich ist. Dies heißt aber nicht, dass sie nicht gerechtfertigt ist. Es heißt, dass eine normative Hinterfragung resp. Unterfütterung im Angesicht der Partikularisierungstendenzen die Tätigkeit der Arbeit und ihre begriffliche Normierung paradoxiert. Sonst brächte sie nur eine Totalisierung ihres Begriffs mit sich. Diese Betrachtung PDFKW GLH $UEHLW ]X LKUHP ÄHLJene[n] blinde[n] Fleck³191, weil sie sich im Moment ihrer Identifizierung von sich selbst unterscheidet ± und ihre Normierung so notwendig wie bloß paradox möglich macht. Eine NorPLHUXQJ PDFKWGHQEOLQGHQ)OHFNÃQXUµ unsichtbar und rechtfertigt sich darin, die soziale Normierung zum begrifflichen Desiderat zu machen.

185 Wolfgang Welsch: Ästhetisierungsprozesse. Phänomene, Unterscheidungen, Perspektiven, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie Berlin 41 (1993) 1, S. 12. 186 Vgl. Taylor (1995), insb. S. 23 ff., resp. hier Einleitung. 187 Welsch (1993), S. 28. 188 Jacques Rancière: Das Unbehagen in der Ästhetik, Wien 2007, S. 25. 189 Welsch (1993), S. 28. 190 Ebd. 191 Baecker (2003), S. 82. 294

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Normative Postulate Wenn der Begriff von Arbeit sein eigener blinder Fleck und dieser sein Maßstab ist, stellt sich die Frage, anhand welchen Maßstabs die Legitimität sozialer Postulate gemessen wird. Auf Basis des von Kambartel und Krebs zugrundegelegten Arbeitsbegriffs geraten die Widersprüche normativer Postulate anders in den Blick auf das transformierte VerhältQLV YRQ $UEHLW XQG 6R]LDOLWlW GHQQ GLH Ä3DUDGR[LHQ GHU ,QGLYLGXDOLVLerung³192 potenzieren sich, wenn den sich multiplizierenden Forderungen an die Individuen kein Raum zu ihrer Erfüllung eröffnet wird. Da Anerkennung auf gesellschaftlicher Interdependenz aufbaut, ist JHVHOOVFKDIWOLFKH $QHUNHQQXQJ LQ $UEHLWVJHVHOOVFKDIWHQ ÄNXOWXUVSH]ifisch³193 von der Möglichkeit ökonomisch anerkannter, entlohnter Arbeit194 DEKlQJLJ'LH.XOWXUVSH]LILNEHGLQJWGDVVÄVR]LDOH$QHUNHnnung wesentlich an die Teilnahme an gesellschaftlicher Arbeit und an die Anerkennung, die diese genießt, gebunden ist³195. Aufbauend auf dem Arbeitsbegriff als gesellschaftlichem Leistungsaustausch sieht Krebs somit ein Recht auf Arbeit darin begründet, dass das Recht auf Anerkennung DQGLH7HLOQDKPHDQÃJHVHOOVFKDIWOLFKHU$UEHLWµ196 gekoppelt sei. Der Reziprozitätsgedanke von Anerkennung und Recht auf Arbeit ist mit dem Hegelschen Anerkennungskonzept verwandt. Die Diskussionen um die Ableitbarkeit eines Rechts auf Arbeit aus einem auf dem Hegelschen Argumentationsschema basierenden Begriff verdeutlichen, weshalb es zwar möglich ist, ein Recht auf Arbeit aus Hegels Arbeitsund Ökonomiekonzept abzuleiten, weshalb es aber nicht möglich ist, diese Ableitbarkeit auf heutige sozioökonomische und begriffliche Verfasstheiten zu übertragen. Neben den ökonomischen Akteuren spielt bei Hegel der Staat als dritte Instanz eine wichtige Rolle für eine Installierung eines Rechts auf $UEHLW (U KDW GLH $XIJDEH GDIU ]X VRUJHQ GDVV ÄGLH 0|JOLFhkeit der Teilnahme an dem allgemeinen Vermögen für die Individuen vorhanden³197 sei. Allerdings ± darauf weist Schmidt am Busch hin198 ± wird für Hegel die staatliche Fürsorgepflicht durch die korporativ verfasste ÖkoQRPLHHLQJHVFKUlQNWÄ:HQQQXQGLH0|JOLFKNHLWGHU7HLOQDKPHDQ

192 193 194 195 196 197 198

Vgl. den Untertitel von Honneth (2002). Krebs (2000), S. 199. Vgl. ebd., S. 195. Ebd., S. 199. Vgl. Kambartel (1993). Hegel: GPR, § 237. Vgl. Hans-Christoph Schmidt am Busch: Gibt es ein Recht auf Arbeit?, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 2003 [2003b], S. 958. 295

RELATIONEN VON ARBEIT

dem allgemeinen Vermögen für die Individuen vorhanden und durch die öffentliche Macht gesichert, so bleibt sie, ohnehin dass diese Sicherung unvollständig bleiben muss, noch von der subjektiven Seite den Zufälligkeiten unterworfen, und um so mehr, je mehr sie Bedingungen der Geschicklichkeit, Gesundheit, Kapital usw. voraussetzt.³ Der Grund OLHJW GDULQ GDVV HV GDUXP JHKH ÄGXUFK HLJHQH 7lWLJkeit und Arbeit zu bestehen³GLHGHUÄVXEMHNWLYHQ6HLWH>@XQWHUZRUIHQ³199 sei. (VJHKWXPGLH6HOEVWVWlQGLJNHLWGHU7lWLJNHLWGDVVGLHÄLQGLYLGXHlOHQ $NWHXUH >@ ÃVHOEVW LKU :LVVHQ :ROOHQ XQG 7XQ DXI DOOJemeine Weise bestimmen und sich zu einem Gliede der Kette dieses ZusamPHQKDQJV PDFKHQ¶³ 6FKPLGW DP %XVFK EHWRQW GDVV Ä>Q@XU ZHU GXUFK eigene Anstrengung und Leistung für Andere von Nutzen ist und dadurch seinen Lebensunterhalt sichert, [ ] also im bürgerlichen Sinne ehrenhaft [agiert]³. Deshalb sei ÄGLH $QHrkennung des Einzelnen³ daran JHEXQGHQ GDVV HU VLFK ÄDOV VHOEVWVWlQGLJHV³ XQG ÄDOV JHVHOOVFKDIWOLFK nützliches Subjekt³ 200 erweise. :HQQ HLQ 5HFKW DXI $UEHLW LQVWLWXLHUW ZlUH ZlUH GDPLW ÄGLH 0|glichkeit der Teilnahme am System der gesellschaftlichen Arbeit immer schon sichergestellt³ XQG N|QQWH GHVKDOE ÄNHLQ $XVZHLV YRQ 6HOEVWlndigkeit³ sein.201 Auch sei nicht ersichtlich, wie mit einem installierten Recht auf Arbeit die auf Grundlage dieses Rechts arbeitenden Personen der Reziprozität des wirtschaftlichen Nutzenaustauschs entsprächen.202 Ist mit der Zurverfügungstellung der Arbeitsmöglichkeit schon der Erweis der Unselbstständigkeit erbracht? Hieße die Installierung eines Rechts auf Arbeit nicht soziale und wirtschaftliche Zurverfügungstellung eines ökonomisch validen sozialen Leistungsaustauschs? Das Argument Schmidt am Buschs scheint mehr gegen ein Grundeinkommen wirksam, da dann ± vorausgesetzt, es geht um Bedingungen einer Arbeitsgesellschaft ± GLH 6HOEVWVWlQGLJNHLW GHV 6XEMHNWV ÃDXI *UXQG HLJener Anstrengung und /HLVWXQJ VHLQHQ /HEHQVXQWHUKDOWµ zu sichern, unterlaufen wird203, weil Arbeit als Grundlagensicherung abgeschafft und nur Mittel zur zweckverhafteten subjektivistischen Sinnproduktion wäre. Das entscheidende Problem ist die andere Fassung von Arbeitsbedingungen in einer korporativen Ökonomie, die um den Komplex der Selbstständigkeit kreist: Das wirtschaftliche System stand in Hegels bürgerlicher Gesellschaft unter anderen Bedingungen. Neben freien Unternehmen, deren Ordnung mit der heutigen Marktsystematik vergleich199 200 201 202 203 296

Hegel: GPR, § 237. Schmidt am Busch (2003b), S. 958. Zitat im Zitat: Hegel: GPR, § 187. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 959. Vgl. Fraser, Honneth (2003), S. 129-224.

ARBEIT ALS PARADOXIE

bar wäre, ist der Wirtschaftsraum der bürgerlichen Gesellschaft wesentOLFKYRQÃ*HQRVVHQVFKDIWHQµ und Korporationenµ geprägt, die nicht freimarktwirtschaftlich Sicherungssysteme für ihre Mitglieder bieten und zwischen deren Interessenvorstellungen die Polizei204 vermittelt. Hegel votiert bei der Wahl eines manifesten binnenmarkt- und/oder planwirtschaftlichen Protektionismus ± ÄGDVV GHU 3ROL]HL GLH $Xfsicht über alles gebühre³ ± und einer Liberalisierung und Selbststeuerung durch die Wirtschaft ± ÄGDVVGLH3olizei hier nichts zu bestimmen habe, indem jeder sich nach den Bedürfnissen des anderen richten werde³ ± IUGDV'ULWWHÄDer Einzelne muss freilich ein Recht haben, sich auf diese oder jene Weise sein Brot zu verdienen, aber auf der anderen Seite hat auch das Publikum ein Recht zu verlangen, dass das Nötige auf gehörige Weise geleistet werde. Beide Seiten sind zu befriedigen, und die Gewerbefreiheit darf nicht von der Art sein, dass das allgemeine Beste in Gefahr kommt.³205 Dies führt zur Institution eines marktwirtschaftlichen 3URWHNWLRQLVPXVGXUFKÃSROL]HLOLFKHµ staatliche Sicherung und entspräche grosso modo sozialmarktwirtschaftlicher Regulierung. =XVlW]OLFK VRUJHQ GLH .RUSRUDWLRQHQ GDIU ÄGDVV GLH *HVFKLFNlichkeiten und FähigNHLWHQ LKUHU 0LWJOLHGHU LQ Ã(KUHµ gehalten werden und deren ökonomische Grundversorgung gesichert bleibt³206. Eine ungenüJHQGHRGHUQLFKWYHUIJEDUH$UEHLWEULQJHÄGLH(U]HXJXQJGHV3öbels³ KHUYRU GLH YRQ GHP Ä+HUDEVLQNHQ Hiner großen Masse unter das Maß einer gewissen Subsistenzweise³ Ä]XP 9HUOXVWH GHV *HIKOV GHV Rechts, der Rechtlichkeit und der Ehre, durch eigene Tätigkeit und Arbeit zu bestehen³207 IKUH 'HVKDOE VHL ÄGLH ZLFKWLJH )UDJH ZLH GHU Armut abzuhelfen sei, [ ] eine vorzüglich die modernen Gesellschaften bewegende und quälende.³208 Die Korporationen sichern die Möglichkeit zu Arbeit resp. eine gewisse Subsistenz. Zwar kennt Hegel natürlich Arbeitslosigkeit, aber deshalb sind die Kontrollinstanzen von Polizei und KorporatiRQ LQVWLWXLHUW ÄXP ]XP 6Fhutz der Betroffenen für ein ausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu sorgen³ (das ist die Aufgabe der Polizei) und das ist die Aufgabe der Korporationen: ÄQDFKLQQHQXQGQDFKDX‰HQKLQVLFKHU]XVWHOOHQGDVVGLH7FKWLJNHLWHQ ihrer Mitglieder genügend Pflege und Aufmerksamkeit erhalten, um sich auch zukünftig allgemeiner Wertschätzung erfreuen zu können.³209 204 Polizei bei Hegel meint ein staatliches Instrument zur Regulierung der kameralwissenschaftlich definierten Wirtschaft, s. dazu Priddat (1990) 205 Hegel: GPR, § 236, Zusatz [Kursivierung von mir, SK]. 206 Honneth (2008), S. 335. 207 Hegel: GPR, § 244. 208 Ebd. 209 Honneth (2008), S. 335 f. 297

RELATIONEN VON ARBEIT

Wenn die Korporation nicht für die Sicherheit ihrer Mitglieder sorgt, ist für die Aufrechterhaltung der korporativen und protektionistischen Ökonomie ein Recht auf Arbeit ein plausibles Argument bei Hegel. Hier lässt sich der entscheidende Unterschied zwischen dem Hegelschen Entwurf einer staatlich und korporativ gesicherten Ökonomie und den paradoxen Transformationen moderner Arbeit einschreiben. Der Unterschied beruht auf dem kameralwissenschaftlichen Verständnis von protektionistischer Marktwirtschaft im Unterschied zum heutigen volkswirtschaftlichen Verständnis sozialer Marktwirtschaft. Und hier trennt sich der Begriff von der Wirklichkeit. Das Argument gegen den Ansatz, dass ein Recht auf Arbeit die Selbstständigkeit des jeweiligen Subjekts unterminiere und damit keine subjektive Befriedigung willentlicher Zwecksetzung erlaube, muss auf die mit den Transformationen zu subjektivierter Arbeit verbundenen Restriktionen der Selbstständigkeit in Bezug gesetzt werden. Dass diese Selbstständigkeit nicht mehr gegeben sei, wenn die Arbeit, die Selbstständigkeit erweisen soll, nicht mehr nachgefragt werde ± wie Schmidt am Busch in Anschluss an Elster210 erwidert ± ist eine Begründung, die in Hinblick auf die paradoxe Struktur transformierter Arbeitsformen nicht mehr greift. So lässt sich mit Rückgriff darauf, dass die Frage entscheidend ist, wann die Selbstständigkeit bedingt ist, argumentieren, dass MHQHHLQZHVHQWOLFKHV0RPHQWÄGHUIDNWLVFKHQ$QHUNHQQXQJVVWUXktur der zeitgenössischen Arbeitsgesellschaft³ ist, weshalb ± wie Schmidt am Busch anerkennt ± ÄGLH(UIDKUXQJGHVdrift [...] so schmerzlich³ sei, durch Arbeitsplatzverlust davon ausgeschlossen zu sein.211

210 Vgl. Jon Elster: Is There (or Should There Be) a Right to Work?, in: A. Gutmann (Hg.): Democracy and the Welfare State, Princeton 1988, S. 53-]LWLHUWQDFK6FKPLGWDP%XVFK  6Ä(OVWHUEHJUQGHW diese These mit dem Argument, dDVV $UEHLWHQIUGLHHV NHLQH ÃNachfrageµ gibt, keinen gesellschaftlichen Nutzen stiften können; genau dies müsse aber der Fall sein, damit eine Arbeit der Ã6HOEVWDFKWXQJµdes ArbeitenGHQI|UGHUOLFKVHLQN|QQHÃIf there is no demand for it [die Arbeit, die man verrichtet ± SaB], so that is has to be provided by a separate right, it cannot promote self-HVWHHPµ³ 211 Schmidt am Busch (2003), S. 960 f. 0LW GHU %H]HLFKQXQJ GHV ÃGULIWµ nimmt Schmidt am Busch explizit Bezug auf die Arbeiten Sennetts und 8OULFK%HFNVÄ'LHVH%HKDXSWXQJN|QQWHVLFKDXIHLQHReihe prominenter zeitgenössischer soziologischer Untersuchungen stützen. So formuliert Richard Sennett in seiner Abhandlung Der flexible Mensch die These, dass die Erfahrung des drift, verstanden als die Unmöglichkeit, sich als Autor einer zusammenhängendHQ ÃLebensgeschichteµ zu begreifen, für die Kultur des neuen, flexiblen Kapitalismus charakteristisch sei. In diesem Sinne scheint mir auch der von Ulrich Beck verwendete Term der politischen Ökonomie der Unsicherheit zu verstehen zu sein.³ 298

ARBEIT ALS PARADOXIE

Wenn unter transformierten Arbeitsbedingungen gerade diese Selbstständigkeit nachgefragt wird, wenn der Erweis der subjektiven Selbstständigkeit ökonomisch internalisiert wird, transformieren subjektivierte Arbeitsformen den Erweis der Selbstständigkeit von einer subjektspezifischen Fähigkeit zu einer objektiven Bedingung; so geht es nicht mehr um jene Selbstständigkeit, die Schmidt am Busch und Elster zur zu erweisenden Voraussetzung machen. Denn wenn die Möglichkeit, die Sinnhaftigkeit von wirtschaftlichem Handeln dadurch plausibel zu machen, dass selbstständige Subjekte untereinander sozial agieren, zu einem ökonomischen Faktor wird und sich durch ökonomisches Handeln erweisen soll, wird Selbstständigkeit zu einer ökonomischen Bedingung. Damit wird der Erweis der Selbstständigkeit dann konterkariert, wenn er nicht dadurch formal gesichert wird, dass der Erweis von seiner ökonomischen Bedingtheit befreit und als eine Ermöglichungsbedingung für soziale Bezugnahme gesichert wird. Dies ist aber keine Ableitung, die der Begriff noch leisten kann. Dies setzte gerade die Identifizierung voraus, die verhindert werden sollte: die zur Notwendigkeit werdende Identifizierung von Funktion und Bedeutung. Auch aus der Paradoxie heraus, dass der Markt zwar Arbeitsplätze nachIUDJW GLHVH DEHU IU GHQ %HZHLV ÃDXI *UXQG HLJHQHU Leistung seine Zugehörigkeit zum SystePGHUJHVHOOVFKDIWOLFKHQ$UEHLWµ zu erbringen, nicht mehr ausreichen, weil sie nicht genügend Mittel zur Verfügung stellen, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist ein Recht auf Arbeit aus einer anerkennungstheoretischen Begriffsposition nur widersprüchlich begründbar. Denn das Recht müsste, um nicht als anthropologisches Argument deshalb in Erklärungsnöte zu kommen, weil es mit der Ungenauigkeit, ZDVÃJHVHOOVFKDIWOLFKQRWZHQGLJH7lWLgkeitenµ seien, umzugehen hat212, sich damit konfrontieren, dass ökonomische Nachfrage bestehen muss. Eine solche formale Sicherung durch ein Recht auf Arbeit kann nur ein Postulat sein, das sich auf die sozioökonomischen Zustände beruft und mit der faktischen Situation argumentiert, durch die das Subjekt seiner Selbstständigkeit nicht nur beraubt, sondern zu ihr gezwungen wird. Der Begriff wird in Anspruch und Anspruchsrealisierung widersprüchlich, wenn er dies nicht berücksichtigt. Im Anschluss an diesen Arbeitsbegriff ein Recht auf Arbeit nur damit begründet werden, dass alles zu Arbeit werGHQNDQQÄGDVVLP%HUHLFKGHUJHVHOOVFKDIWOLFKQRWZHQGLJHQ Arbeit viel Arbeit ungetan bleibt.³213

212 Vgl. Sabine Gürtler: Drei philosophische Argumente für ein Recht auf Arbeit, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 2000, S. 867-888. 213 Krebs (2000), S. 202. 299

RELATIONEN VON ARBEIT

So ist in einer solchen OrganisatiRQÃQXUµ aus der empirischen Faktizität heraus ein Recht auf Arbeit ein gerechtfertigtes Postulat, wenn die subjektive Selbstständigkeit ein konstitutiver Beitrag zur sozioökonomischen Sinnstiftung und das Verhältnis zwischen Nachfrage und Selbstständigkeit paradoxiert wird. Mit der Rigidität, die Möglichkeit zu sozialer Anerkennung über die mit den Mechanismen der Arbeitsgesellschaft zur Verfügung gestellten Sinnstiftungsangebote tendenziell in Verpflichtung zu transformieren, nimmt das Risiko zu, schneller und länger von eben jenen Anerkennungsmechanismen ausgeschlossen zu werden. Unter dieser Bedingung, räumt auch Schmidt am Busch ein, könne nicht gegen eine anerkennungstheoretische Begründung des Rechts auf $UEHLWDUJXPHQWLHUWZHUGHQÄ:HQQGDV/HEHQGHs Einzelnen in der gegenwärtigen Arbeitsgesellschaft tatsächlich unkontrollierbar dahintreibt bzw. eine Risikobiographie beschreibt, ist die von Hegel herausgestellte Anerkennungsstruktur des Einzelnen als selbstständiges Subjekt kein Bestandteil der faktischen Anerkennungsstruktur der zeitgenössischen Arbeitsgesellschaft.³214 Wenn also die Ungleichheiten der wirtschaftlichen Organisation zunehmen, ist ein Recht auf Arbeit eine empirisch begründete Installation. Auch die Frage nach einem Mindestlohn entspräche dieser Argumentationsstruktur: Wenn eine Wirtschaftsform, die als einzige soziale Relationsfunktion Sozialität erweist und herstellt, als verantwortlich für die Zurverfügungstellung von Möglichkeiten gegenseitiger AnerkenQXQJ NRQ]LSLHUW LVW ÄLVW GLH (Uwartung der Leistungserbringung an die Bedingung der Gewährung eines Mindestlohns geknüpft, der die finanziellen Mittel zur ökonomischen³ ± und dann eben grundlegender: zur sozialen ± Ä6HOEVWVWlQGLJNHLW]XHQWKDOWHQKDW³ 215 Dann allerdings wäre Arbeit zu einer totalistischen Tätigkeit geworden, in der Zweck und Sinn jeglicher Form identisch sind.

214 Schmidt am Busch (2003), S. 960 [Kursivierung von mir, SK]. 215 Honneth (2008), S. 334. 300

PARADOXIE VON FUNKTION UND BEDEUTUNG

P a r a d o x i e vo n F u n k t i o n u n d B e d e u t u n g Nun kann weder die Fassung eines verständlichen Arbeitsbegriffs noch eine begründete Form eines Rechts auf Arbeit als adäquates Mittel angesehen werden, die Paradoxien von Arbeit, die in den Transformationen der Arbeitsformen und eines Begriffs von ihnen sichtbar werden, zu lösen. Beide Instrumente sind nur die konditionale Konsequenz aus den Verknüpfungen wirtschaftlicher Zwecke und sozialer Bedingungen, die Arbeit zu einem ökonomischen Funktionsgeber sozialer Relationen machen. Wenn Arbeit diesen blinden Fleck der Verhältnissetzung darstellt, spiegelt sich in ihrer Konzeption und in ihrer Organisation die Widersprüchlichkeit der Entwicklungen, die zum einen auf der Grundannahme der Arbeit als sozialintegrativen Hauptfaktor rekurriert, zum anderen in der zunehmenden Dekonstruktion von Arbeit als Garanten der Trägerschaft sozialer Leistungen relativiert wird. Aber weder ein Begriff von Arbeit noch ein aus diesem abgeleitetes Recht auf Arbeit kann die Paradoxie der Arbeit aufheben; sie können sie nur ± HQWVSUHFKHQGGHPÃEOLnden Fleckµ ± unsichtbar machen, indem dem faktischen gesellschaftlichen Zustand der Vorrang vor dem Begriff eingeräumt wird.

Funktionalität der Bedeutung Deshalb scheint diese Paradoxie doch als Strukturbeschreibung und als Beschreibungsstruktur sinnhaft zu sein, weil sie zum Ausdruck bringt, dass weder die Funktion der Arbeit an Bedeutung verliert, noch die BeGHXWXQJ YRQ $UEHLW XQIXQNWLRQDO LVW 6LH HUZHLVW GDVV $UEHLW ÄHLQ QRrmativer, nicht zuletzt durch den historischen Kontext und die jeweilige Erwerbskultur geprägter Begriff [ist]³216. Diese Normativität zeigt sich in den Transformationen ebenso wie in Arbeitsformen, die sich den 7UDQVIRUPDWLRQHQDQ]XSDVVHQLPVWDQGHVLQGRGHUGLHVLFKDOVÃQHXHµ zu etablieren und damit als andere Norm zu installieren versuchen. Ein dieser Arbeit inhärenter Maßstab situiert sich dann zwischen den Freisetzungen von Arbeit und den daraus entstehenden Nöten, zwischen dem subjektivistischen Drang zur Selbstverwirklichung und den mit ihm einhergehenden Risiken der individuellen wie sozialen Entfremdung. Dann beschreibt auch Arbeit als Sinnproduktion zwar eine Funktionalisierung ihrer sozialen, ökonomischen, subjektiven und individuellen Bedeutung, ist aber auf die Aufrechterhaltung der Differenz zwischen Funktion und Bedeutung beständig angewiesen, weil Sinn nur eine Funktion haben kann, wenn er seine Funktionalität leugnet. Allein zur 216 Michael Aßländer: Bedeutungswandel der Arbeit, in: Aktuelle Analysen 40, München 2005 (2005a), S. 37. 301

RELATIONEN VON ARBEIT

Beschreibung der Entstehung oder Weiterentwicklung von Sinnprozessen in Arbeit ist die Unterscheidung nötig, weil sie auf die Kontingenz der Sinnstiftung im Sozialen angewiesen ist (wenn sie nicht Opfer der eigenen Ideologie werden will), indem sie beschreibend zu differenzieren versucht, was sie identifiziert. So ist auch diH 5HGH YRQ Ã.RQVXP VWDWW $UEHLWµ ZHLW ZHQLJHU ]XWUHIIHQG DOV GLH 5HGH YRQ Ã.Rnsum durch Arbeitµ217, wobei sich die Reflexivität der Arbeit verdoppelt, wenn durch die in die Arbeit eingeschriebene Sinnhaftigkeit sogar der Konsum zur Arbeit werden kann. Der relationale Charakter von Arbeit tendiert somit dazu, auch den unterstellten Sinn von der Gestaltung dieser Bezüge abhängig zu machen. Die aristotelische Trennung von Zweck und Sinn wird repliziert, transformiert und in eine Arbeitsorganisation internalisiert, die den Sinn in den Zweck einschreibt. Wenn aber die Differenz aufrechterhalten werden muss, entgeht ein solches Modell der ideologischen Tautologisierung. Gerade deshalb, weiOGLHVHPHLQÃQLFKW-VXEMHNWLYHUµ Sinnbegriff zugrundeliegt, der die Ermöglichung individuellen Sinns an soziale Bedingungen knüpft und aus ihnen heraus erst soziale und individuelle Sinnstiftung ermöglicht, bedarf es einer Fassung der sinnstiftenden Tätigkeit, die die Differenz zwischen individuellem und sozialem Sinn aufrechterhält, kurz: eines Arbeitsbegriffs, der zwischen Funktion und Bedeutung unterscheidet, auch wenn sowohl Funktion als auch Bedeutung durch Sinnstiftung bestimmt sind, resp. sein können. Dann entspräche der Funktion, dem aristotelischen ergon, der soziale Sinn ± unG GDV KHL‰W HLQ ÃLPPDWHULHOOHUµ Wert, dessen Zweck- und Ökonomiecharakter in seiner Mehrwerthaftigkeit beschreibbar ist. Dass die Selbstzuschreibbarkeit von Zwecken konstruktives Element der Arbeitsorganisation wird, macht die Paradoxie der Arbeit aus. 'DV3KlQRPHQGDVVGLHVH6HOEVW]XVFKUHLEEDUNHLWDXIGHUÄ(LJHQJesetzlichkeit der gesellschaftlichen Verflechtungserscheinungen³ beruht XQGÄZHGHULGHQWLVFKPLWGHU*HVHW]OLFKNHLWGHVÃ*HLVWHVµ, des individuellen Denkens und Planens, noch mit der Gesetzlichkeit dessen, was wir GLHÃ1DWXUµ nennen³LVWVRQGHUQÄDOOHGLHVHYHUVFKLHGenen Dimensionen der Wirklichkeit funktionell unablösbar miteinander verbunden sind³218, scheint der Motor der Transformationen zu sein. Er wurzelt in dieser Ä,QWHUGHSHQGHQ] GHU 0HQVFKHQ³219 und führt zu jener AusdifferenzieUXQJ VR]LDOHU )XQNWLRQHQ LQ GHU (OLDV ÄGDV EOLQGH 6SLHO GHU 9HUIOHFhtungsmechanismen³220 sieht. Die Erhöhung der wechselwirkenden 217 218 219 220 302

Kramer, Kreis (2009). Elias (1997), S. 325. Ebd., S. 324. Ebd., S. 327.

PARADOXIE VON FUNKTION UND BEDEUTUNG

Komplexität provozieren soziale und eigene Zwänge, die der Regulierung bedürfen: Denn noch einmal: Ä-H GLFKWHU GDV ,QWHUGHSHQGHQ]Jeflecht wird, in das der Einzelne mit der fortschreitenden Funktionsteilung versponnen ist, je größer die Menschenräume sind, über die sich dieses Geflecht erstreckt, und die sich mit dieser Verflechtung, sei es funktionell, sei es institutionell, zu einer Einheit zusammenschließen, desto mehr ist der Einzelne in seiner sozialen Existenz bedroht³.221 Wenn zum Kriterium jeder Arbeit wird, was Luthers Berufskonzeption angelegt hat, seine Transzendenzkonzeption aber in die GesellVFKDIWVVWUXNWXU LQWHJULHUW ZLUG HUODXEW GLHV HLQHQ ÄTXDOLWDWiven Begriff von Arbeit³222; er kann allerdings zu einem neuen zivilisatorischen Zwangsmechanismus werden, wie die Untersuchungen zur SubjektivieUXQJYRQ$UEHLWEHVFKUHLEHQÄ1HXHÃ$UEHLWsIRUPHQµ werden sich daher nur etablieren lassen, weQQ VLH GLHVHV ÃKLVWRULVFKH (UEHµ berücksichtigen³223, dass die weitere Ausdifferenzierung der sozialen Funktionen in einem Verhältnis zu damit wachsenden Zwängen steht. Einerseits ist die Vereinheitlichung von Arbeit als Sinnzweck Ausweis einer sich weiter verfeinernden Gesellschaftsstruktur, andererseits stellt sie die paradoxe Performativität der Selbstzuschreibung von sozialen Zwecken dar. Darin liegt die Funktionalität der Funktionalisierung der Bedeutung von Arbeit. Die Variation eines handlungstheoretischen Zugeständnisses an die Transformationen der sozialen Arbeitswelt liegt somit in einer begrifflichen Fassung von Arbeit als Instrument und Relator des gesellschaftlichen Leistungsaustauschs, dessen ökonomische Validität mit der Ermöglichung seiner Realisierung verknüpft sein muss.

Reflexion der Paradoxie Der blinde Fleck ist dann eher als eine Fläche ein Raum, in dem sich das Dilemma entfaltet und die Stellung des Zwecks in Sinnbezügen verortet werden muss. Zugleich ist die Arbeit ihr eigener Maßstab; und wenn sie ihr eigener blinder Fleck ist, perpetuiert sich die Paradoxie zwischen Zweck und Mittel, dem Zweck als Sinn und der Stellung des Zwecks in Sinnbezügen selbst. Diesen Raum hält ein Begriff von Arbeit als gesellschaftlicher Leistungsaustausch offen. Er gibt interdependenten Dynamiken Raum und rahmt in seiner begrifflichen Aporetik soziale Postulate, die zur Korrektur sozialer Paradoxien geeignet sind. Damit ist auch ein moralischer 221 Ebd., S. 332. 222 Christian Barmes: Arbeit, Beruf und Person, in: Jäger, Röttgers (2008), S. 67. 223 Aßländer (2005a), S. 37. 303

RELATIONEN VON ARBEIT

Anspruch verbunden und als gerechtigkeitstheoretischer Ansatz mit kommunitaristischen Konzepten wie dem Michael Walzers verwandt. Dann wäre Arbeit als sozialer Produktionsprozess gesellschaftlicher Güter224 zu verstehen, die Einfluss auf die soziale Identität des Einzelnen haben. Diesen egalitären Anspruch erfüllt Arbeit als gesellschaftlicher Leistungsaustausch, weil der Begriff die Notwendigkeit sozialer Interdependenz als soziale Möglichkeitsbedingung betont und zugleich eine soziale Normierung als ihr Desiderat begreift, die der Begriff nur formal und offen zur Verfügung stellen kann. Damit wird die Frage nach dem Raum der Verhandlung und des GeVFKHKHQV DXIJHZRUIHQ Ä%HYRU HV *HVHW] 0Rral oder Wert meint, beGHXWHWÃHWKRVµ Aufenthaltsort. Ferner meint es die Seinsweise, die diesem Aufenthaltsort entspricht, die Art und Weise zu fühlen und zu denken, die demjenigen gemäß ist, der diesen oder jenen Platz einnimmt.³225 Der moralische Anspruch des Begriffs erfüllt sich als ethische Setzung. Sie berücksichtigt die Position des Einzelnen und bezieht seine Positionsentscheidung (und überhaupt die Möglichkeit zu einer Positionsentscheidung) als konstitutiven und unbedingten Faktor einer Normativierung ein. Eine begriffliche, konzeptionelle, strukturell rigide Normativierung kann also nicht weiter gehen als bis zur (strukturell rahmenden) Zeichnung der Beziehungen, die den Raum zur Positionierung zur Verfügung stellen. Diese Rahmung muss Raum lassen und geben, um eine Identitätsbestimmung im Sinne Walzers in der sozialen Wirklichkeit vornehmen zu können ± innerhalb der sozialen Beziehung DOV,QGLYLGXXPXQGDOV6XEMHNWGKDOVÄGLH,GHQWität eines Subjekts, das fähig ist, seiner Zuweisung zu einer privaten Lage zu entkommen und in die Belange der Gemeinschaft einzugreifen.³226 Die (begriffliche wie soziale) Rahmung von Arbeitsbeziehungen muss dem Einzelnen selbstständige Positionierung und eine dementspreFKHQGH Ã5lXPXQJµ ermöglichen. Sie kann dem IndiviGXXP ÃQXUµ die Mittel an die Hand geben, diese Räumung selbst vorzunehmen. Das ermögOLFKWH HLQ ÃHWKRVµ des Einzelnen als soziale Identität: die MöglichNHLW:HQQÄ>M@HGHUHLnzelne [ ] für die Unwägbarkeiten seiner nunmehr diskontinuierlichen beruflichen Entwicklung verantwortlich [ist], [ ] Entscheidungen treffen, sich rechtzeitig weiterbilden[, und] [a]uch hier [ 224 Walzers Beitrag besteht in seinem Ansatz der Distribution, nach der z. B. Arbeit, die niemand tun will, egalitär verteilt wird, sofern sie nicht durch Automatisierung bewältigt werden kann. Vgl. Michael Walzer: Sphären der Gerechtigkeit, Frankfurt 1992, S. 68 f. bzw. S. 246. 225 Jacques Rancière: Denken zwischen den Disziplinen, in: Inaesthetik, Nr. 0, Zürich 2008 (2008c), S. 89. 226 Ebd., S. 90 [Kursivierung von mir, SK]. 304

PARADOXIE VON FUNKTION UND BEDEUTUNG

] der Arbeitsnehmer im Grunde zu einem Ich-Unternehmer werden [muss] [...], sich jedoch dabei nicht mehr auf kollektive Regelungssysteme stützen kann³227 EHGDUI HV HLQHU Ä9HUZDOWXQJV- und Regierungskunst³ GLH ÄHLQH JOHLFKHUPD‰HQ QRUPDWive wie empirische, aber eben auch ganz und gar praktische Vorstellung vom Politischen [repräsentiert], die die spannungsreichen und oft genug widerstrebenden Anforderungen und Ansprüche an Gesellschaftspolitik zusammenbindet.³228 Ein Recht auf Arbeit wäre selbst eine ethische Setzung im blinden )OHFN ZHLO PLWLKPHLQUHJXODWLYHU :HUWPD‰VWDEYHUEXQGHQZlUH ÄXP das Soziale unter veränderten arbeitsgesellschaftlichen und wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen gestalten zu können³229 ± im Sinne des &DVWHOVFKHQÃQHXHQVR]LDOSROLWLVFKHQ.RPSURPLVVHVµ230, der auf Grundlage der Anerkennung der Reziprozität des gesellschaftlichen LeistungsDXVWDXVFKV ÄGLH QRUPDWLYH (LQIRUGHUXQJ Lndividueller Lebensentwürfe staatlicherseits durch die Ermöglichung von Eigenverantwortung bearbeitet.³231 Seine Einschreibung ist entsprechend jenes Mechanismus möglich, den Vogel in Anschluss an Schelsky als Regulierung, Formung und Gestaltung oder Gestaltgebung des Sozialen durch das Recht identiIL]LHUWÄ,QGHU6SDQQXQJ]ZLVFKHQIUHLKHLWOLFKHU6HOEVtbestimmung des Subjekts und den institutionell gesetzten gesellschaftlichen Zwängen ist mir das praktische Ordnungsprinzip des Rechts, wie es bereits Kant und die Aufklärung verstand, zur letzten zu vertretenden geistigen Position geworden. Recht verbindet nicht nur ererbte Stabilität mit dauerndem sozialen Wandel, nicht nur die persönlichen Freiheitsrecht mit den Bindungen an gesellschaftlich auferlegte Pflichten, sondern es ist in dieser institutionellen Spannung zwischen subjektiver Freiheit und sozialem Sachzwang der einzige politische Mechanismus, der zwischen unaufhebbarer Fremdbestimmung und immer erstrebter Selbstbestimmung der einzelnen Person politisch und sozial vermitteln kann.³232 Die Reflexion auf die Paradoxie kulminiert in einer Setzung, die jene Spannung von Funktion und Bedeutung der Arbeit als sozialem Bezugsmechanismus und subjektivem Zugangsmittel zu Anerkennung aufrechterhält und den Maßstab der Auseinander-6HW]XQJÃ]Zischen der unaufhebbaren Fremdbestimmung und immer erstrebten Selbstbestimmungµ bildet. Dieser Maßstab beinhaltet die Beständigkeit der Reflexion 227 228 229 230 231 232

Robert Castel: Die Stärkung des Sozialen, Hamburg 2005, S. 61. Vogel (2007), S. 99. Ebd., S. 102. Vgl. Castel (2005). Vogel (2007), S. 103. Helmut Schelsky: Die Soziologen und das Recht, Opladen 1980, S. 26 f., zitiert nach: Vogel (2007), S. 103 f. 305

RELATIONEN VON ARBEIT

QLFKW HLQHU 5HIOH[LYLWlW GLH %HFNV 7KHVH GHU ÃUHIOH[LYHQ 0RGHUQHµ replizierte233), die das Verhältnis der Momente zueinander als ein reflektiertes und das heißt: als ein differenziertes Verhältnis bestimmt, in dem sich Akteure als miteinander Auseinandersetzende begreifen müssen. Antagonismen234 sind dabei mehr eine Konstitutionsbedingung als notwendiges Ergebnis. Dass diese sich im Raum des blinden Flecks der Arbeit etablieren, ist angesichts ihrer sozialen Funktion nicht verwunderlich. Insofern ist einem solchen Konzept ein emanzipatorisches PoWHQWLDOHLJHQZHLOHVGLHÄ8QDXIO|VEDUNHLWder Spannung zwischen Partikularismus und Universalismus bewahrt, d. h. Politik macht, ohne der Dimension der Universalität einen positiven Grund zu geben³235, weil es das Verhältnis gesellschaftlichen Leistungsaustauschs als eines paradoxen, aber in Gegenseitigkeit voneinander abhängigen Bezuges abbildete. Es beharrt auf dem Prinzip der Pluralität, das gesellschaftliche Prozesse als vielfältiges Handeln begreift, dass Politik ihren Sinn in (Handlungs-) Freiheit und im Prozesscharakter dieses Handelns236 und entsprechend in der Pluralisierung des Politischen findet. Darin öffnet sich der Raum des blinden Flecks der Paradoxie von Arbeit, ihrer Funktion und Bedeutung, ihrem Zweck, ihrem Sinn und ihrem Begriff.

233 Vgl. Ulrich Beck Das Zeitalter der Nebenfolgen und die Politisierung der Moderne, Frankfurt/M. 2000, S. 19-112. Beck identifiziert die RisiNRDVSHNWH GHU 9HUlQGHUXQJHQ GHU *HVHOOVFKDIW DOV Ä1HEHQIROJHQ³ (S. 66), die uQJHZROOWHQWVWDQGHQZlUHQ'LHÃReflexivität der Moderneµ sei ein Instrument zur Erkenntnis ungewollter Nebenfolgen. Abgesehen davon, dass damit die Ursachenzuschreibung von Veränderung nicht mehr möglich ist, ist unklar, was mit der Reflexivität gewonnen wäre außer der damit an die Hand gegebenen Möglichkeit, nun (nachträgliche) Zuschreibungen vorzunehmen. 234 Durchaus im Sinne Mouffes und Laclaus, vgl. Chantal Mouffe (2007), Laclau (2007). 235 Oliver Marchart: Gesellschaft ohne Grund, in: Laclau (2007), S. 14. 236 Vgl. Arendt (1967), S. 293 ff. 306

Rekapitulation Beggars do not work, it is said; but, then, what is work. A navvy works by swinging a pick. An accountant works by adding up figures. A beggar works by standing out of doors in all weathers and getting varicose veins, chronic bronchitis, etc. It is a trade like any other, quite useless, of course--but, then, many reputable trades are quite useless. A beggar, looked at realistically, is simply a businessman, getting his living, like other businessmen. He has merely made the mistake of choosing a trade at which it is impossible to grow rich.1

Ar b e i t a l s F u n k t i o n m i t B e d e u t u n g In der vorliegenden Arbeit wurde dafür plädiert, Arbeit als Paradoxie zu begreifen, um daraus den Grund für ihre Gestaltbarkeit zu gewinnen. Das Plädoyer beruft sich auf die Struktur der Paradoxie, etwas zu unterscheiden, was sie einheitlich ausdrückt, und geht auf Distanz dazu, die Struktur zur Methode zu machen. Sonst setzte sie die Kraft des Begriffs, seine Angewiesenheit auf seinen Gegenstand zu bedingen, und die Kraft der Paradoxie, etwas zu postulieren, was ihr Begriff bloß benennen kann, außer Kraft. Um dies darzustellen und in Anbetracht transformierter Arbeitsformen, die nach strukturellen Ermöglichungsgründen methodischer Identifizierungen von Funktion und Bedeutung von Arbeit suchen, in ein Ver-

1

George Orwell: Down and Out in Paris and London, New York 1933, S. 154. 307

PARADOXIEN DER ARBEIT

hältnis zu gerechtfertigten und legitimen Postulaten zur Verhinderung identitärer Arbeitsverhältnisse zu bringen, wurde ein gleichfalls paradoxer Ansatz gewählt: mit dem Anspruch auf den Begriff wurde seine strukturelle Insuffizienz erläutert. Ausgehend von einer philosophischen Perspektive, die Funktion und Bedeutung von Arbeit in Hinsicht auf das Subjekt der Arbeit und seine Bedürfnisse differenziert, zeigte sich, dass die Funktion, die eine Bedeutung von Arbeit ermöglichen kann, jene zugleich auf den Charakter einer bloßen Forderung reduzieren kann, wenn dem Begriff die unbeschränkte Hoheit über die Wirklichkeit zugetraut wird. Denn dies führte unweigerlich zur Verkehrung von Zweck und Mittel und zu einer Bedeutungsüberhöhung der Funktion, die ihre Funktion verlöre und ihre Bedeutung entleerte. So schüfe sich ein begriffsidentitärer Ansatz selbst ab und beraubte sich der Fähigkeit, an der (Wieder-) Herstellung einer Einheit zu arbeiten, deren Verlust er selbst verursacht hatte. Differenzen sind die Bedingung der Möglichkeit, Unterschiede in der Wirklichkeit zu bewahren und darin den Grund zu finden, Normen für eine Gleichheit der Unterschiede zu postulieren.

Funktion und Bedeutung von Arbeit So wurde im Kapitel I daran gearbeitet, die begrifflichen Möglichkeiten herauszuschälen, mit denen eine Betrachtung der Transformation der Arbeitsformen sinnvoll sein kann. Es wurde festgestellt, dass die Veränderungen von Arbeitsformen und ihren Bedingungen auf eine Paradigmatik von Funktion und Bedeutung und deren veränderte Verhältnissetzung zwischen Sinn und Zweck von Arbeit zurückgreifen, die mit unterschiedlichen Verständnisweisen des Subjekts von Arbeit und dessen Bedingungen einhergehen. In der anschließenden Auseinandersetzung mit dem Begriff der Subjektivierung konnte analysiert werden, dass eine widersprüchliche Bedeutungsübertragung philosophischer Verständnisweisen auf die Gegebenheiten vorgenommen und damit gerechtfertigt werden soll, dass der faktischen Objektivierung des Subjekts Implikationen von Zweckfreiheit und Autonomie in den Arbeitsbedingungen zugeordnet werden. Eine erste Schlussfolgerung bestand darin, Arbeit als dichotomischen Komplex zwischen Zweck und Sinn und damit zwischen freiheitlich aufgeladener Selbst- und zweckorientierter Fremdbestimmung zu fassen, deren Verschiebungen (und Verschiebbarkeiten) unter der Spannung transformierter Arbeitsbedingungen erhöhte Sichtbarkeit erfährt. Der Dimension dieser Dichotomie wurde sich mit der Diskussion von Aspekten des Hegelschen und des Marxschen Arbeits- und Praxisbegriffs genähert, woraus sich ergab, dass Arbeit ein reflexives und ein in308

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strumentelles Handeln darstellt. Beide Bestimmungsweisen drücken die Ambivalenz zwischen freiheitlicher und willentlicher Zwecksetzung, die Ambivalenz des Risikos der Entfremdung und der Möglichkeiten von Arbeitsorganisation und -teilung aus. Diese Ambivalenz ist eine Variation des Verhältnisses der aristotelischen Topoi von poiesis und praxis als voneinander abhängigen und sich gegenseitig bedingenden Momenten. Die Ambivalenz von organisierter Arbeit implementiert den Widerspruch in den Begriff; Arbeit ist dann ein Instrument subjektiver Willens- und Durchsetzungskraft, durch das das arbeitende Subjekt im Moment seiner Überwindung mit seiner Begrenzung und Abhängigkeit konfrontiert wird; beide Aspekte hängen voneinander ab. Arbeit, so ließ sich folgern, ist von einer diese basale Paradoxie berücksichtigenden Regelung dieser Form abhängig, die es Allen ermöglicht, die eigenen Zwecke unter verbesserten Bedingungen zu befriedigen und darin einander als gleichermaßen berechtigt gegenseitig anzuerkennen. Wenn diese Reziprozität nicht berücksichtigt wird, so wurde im weiteren Verlauf argumentiert, können Zweck und Sinn ± und damit Funktion und Bedeutung ± von Arbeit nicht mehr unterschieden werden. Dies kongruierte mit Subjektivierungsphänomenen, in denen Zweckproduktion bereits als soziales Handeln gilt und dessen Sinnhaftigkeit folglich in der Zweckproduktion aufgeht.

Transformation von Arbeitsformen Die Methodik des ersten Kapitels beruhte auf einer Dichotomie, die sich in den Erläuterungen der Veränderungen von Arbeit und deren Kritik in Kapitel II wiederfand. Im Anschluss an die Forschung von Boltanski und Chiapello wurden zwei Formen der Kritik, die Sozial- und die Künstlerkritik, unterschieden und in Betrachtung deren Argumentationsstrukturen analysiert, dass die Perspektive einer am Funktionsparadigma der Arbeit festhaltenden Kritik mit einer am Bedeutungsparadigma der Arbeit festhaltenden Kritik kollidiert, wenn nicht eine Reflexion der Dichotomie berücksichtigt wird, die als Reflexion auf die jeweils andere Kritik die Veränderung dessen ermöglicht, worauf reflektiert wurde. Denn ± so die Hypothese ± auch die sozialkritischen Paradigmata von Anerkennung und Solidarität als soziale Topoi und Funktionswerte und die künstlerkritischen Paradigmata von Subjektfreiheit und Autonomie als individuelle Topoi und Bedeutungswerte von Arbeit stehen in einem voneinander abhängigen Verhältnis zueinander. Dies wurde durch Entwicklungstendenzen insbesondere der im herkömmlichen dichotomischen Kritikschema deshalb nicht mehr einfach unter das Rubrum der Künstlerkritik klassifizierbaren Strömungen plau309

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sibilisiert; es wurde gezeigt, dass diese widersprüchliche und sich tautologisch iterierende Argumentationen, sowie topologische Verschränkungen mit der Sozialkritik aufwiesen; von einer klaren Trennbarkeit der Kritiken könne also nicht (mehr) unmittelbar gesprochen werden. Die These wurde damit begründet, dass eine Eigenschaft der Transformationen des Arbeitsbegriffs zu sein scheint, dass seine Konstitutionselemente anders zu relationieren und als Verflechtung von Zweckund Sinnparadigmata in das Arbeitsverständnis einzubauen seien. Die Verschränkbarkeit der Kritiken zeigte sich dort, wo nicht auf die Unvereinbarkeit ihrer Absichten, sondern auf die gegenseitige Abhängigkeit ihrer Gründe fokussiert wird. Dies wies auf eine dritte Perspektive hin, die diese Reflexivität als Paradox und jenes als eine Möglichkeit auswies, Funktion und Bedeutung von Arbeit in ein begriffliches Verhältnis zu bringen, ohne unmittelbar widersprüchlich zu werden.

:RUNLQJ0DQ¶V'HDWK Als interventionistischer Vorgriff, als perspektivische Verzerrung und als Verbildlichung der Relativität der strikten Trennung von Sozial- und Künstlerkritik sowie als Verbildlichung der Relativität des Geltungsanspruchs (normativer Begriffsbildungen) von transformierter Arbeit dient der Abdruck ausgewählter FoWRV]XP'RNXPHQWDUILOPÄ:RUNLQJ0DQ¶V DHDWK )QI %LOGHU ]XU $UEHLW LP  -DKUKXQGHUW³ YRQ 0LFKDHO *Oawogger. Wie die Fotos, so zeigt der Film eine soziale und politische Position zu Arbeit: Die abgebildeten archaischen Arbeitsformen aus anderen Welten sind in der postindustriellen Welt inzwischen von jener paradoxen Effizienz abgelöst, die der Motor für die Transformationen und neue Relationen von Arbeit und ihrem Begriff ist.

Relationen von Arbeit Die plausibilisierende Erläuterung war Gegenstand des Kapitels III, das auf den nicht nur paradoxen, sondern auch paradoxieproduzierenden Charakter von Arbeit einging: die Widersprüchlichkeit wie die Bewahrung vor der Widersprüchlichkeit beruhen auf der Insuffizienz des Begriffs. Im Anschluss an die Perspektiven der dichotomischen Kritiken wurde eine verschiedene anthropologische und ökonomische Topoi aufgreifende Diskursströmung erörtert, die der paradoxen Verschiebung der Paradigmata von Arbeit eine reflexive Perspektive und einen anderen Blick auf Arbeitsorganisation an die Hand gibt, der auch mit einem veränderten Umgang mit der Organisation von Arbeit verbunden ist. Dass jene als ästhetische Perspektive bezeichnete Sichtweise die dichotomi310

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sche Spannung von Zweck- und Sinnaspekten der Organisation paradoxiert, versetzte die Argumentation in die Lage, Arbeit als reflexiven und zugleich die Beziehung reflektierenden Bezugsgeber zu fassen. Auf diese Weise ist Arbeit als Relationsmoment und -instrument des paradoxen Dichotomiekonzepts von Ästhetik und Ökonomie als soziable Organisationsform zu verstehen. Eine solche Form der Arbeitsorganisation wäre idealiter methodisch ein Synthesekomplex von Künstler- und Sozialkritik und strukturell ein Synthesekomplex von Bedeutung und Funktion von Arbeit. In dieser reflexiven Fassung von Arbeit zeigte sich, dass sinnkonstitutive Aspekte von Arbeit nicht notwendig in Entfremdungsdiskurse münden müssen, wenn die plurale Verfasstheit von Arbeitsorganisation und Sozialität berücksichtigt wird. Allerdings wurde bemerkt, dass mit einer normativen Einschreibung von Sinnstrukturen in Arbeit die Gefahr wächst, wieder auf jene Identifizierung von Zweck und Sinn zurückzufallen, die mit einer methodisch paradoxen Verkehrung von Zweck und Mittel als ideologisch bestimmt wurde.2 Diese Einsicht führte zu der postulativen Aporetik, dass auf der einen Seite den faktischen Verschiebungen eines subjektiv aufgeladenen Arbeitsverständnisses entsprochen werden zu müssen scheint, dabei aber das Verhältnis zur Soziabilität der Organisation gewährleistet sein muss. Daraus folgte, dass es einer Begriffsfassung von Arbeit bedürfe, die das Abdriften in Subjektivismus ± und entsprechend ideologeme Bedeutungswidersprüche ± verhindert. Darin eröffnete sich das paradoxe Dilemma, einer Normativierung zu bedürfen, die aus dem Begriff nicht gewonnen kann, ohne im Selbstwi-

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Unter Inkaufnahme der Unzulänglichkeit des Verweises muss auf jene Ideologisierbarkeit von Arbeit hingewiesen sein, die immer der Struktur der Funktionalisierung der Bedeutungsüberhöhung folgt. Welche Dimension diese erreichen und in welcher Banalität und Pervertierung von Funktion und Bedeutung gearbeitet werden kann, wenn die Funktion durch Bedeutung methodologisiert wird, zeigt Harald Welzer anhand der Beschreibung des Arbeitsalltags von Krankenschwestern und deren Bewältigung ihres Arbeitsalltags im klinischen System des national-sozialistischen Massenmords auf zwei Seiten in: Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt 2005. Eine dem Gegenstand genügende Explikation bedürfte der eingehenden Analyse. Einführend zum nationalsozialistischen Arbeitsbegriff möge dienen: Joachim Bruhn: Thesen zum nationalsozialistischen Arbeitsbegriff, seinem historischen Umfeld und seinen Konsequenzen, in: Archiv der Geschichte des Widerstands und der Arbeit, Nr. 5, Berlin 1982, S. 57-72. Welche strukturelle Begründungssystematik dem zugrundeliegt, ist mit erschreckender Klarheit zu verstehen mit Foucault: Leben machen und sterben lassen. Die Geburt des Rassismus, in. Lettre International (63), Berlin 1993, S. 62-67. 311

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derspruch zu enden. Die Berechtigung des Begriffs legitimiert sich in dessen Verweis auf seinen Gegenstand ± die Situation der sozialen Wirklichkeit ±, weil sie, nicht der Begriff, die Möglichkeit zur Postulatsbegründung zur Verfügung stellt. Zur Annäherung an diesen letzten Komplex wurden unter Annahme von Arbeit als Paradoxie verschiedene Ansätze zu einer begrifflichen Fassung von Arbeit erörtert, an denen sich wiederum Widersprüche entweder in den Terminologien oder in deren Konsequenzen zeigten. Der wiederholende Rückgriff auf Arbeitskonzepte des Grundeinkommens und der Versuche, soziale Rechte aus vermeintlich linearkausalen Konzepten abzuleiten, zeigte, wie sehr die dichotomischen Aspekte von Arbeit ineinander verstrickt sind. Eine Quadrierung des Kreises scheint unmöglich, und die Reziprozität der Begriffselemente sowie die Interdependenz der Individuen in sozialen Zusammenhängen scheinen berücksichtigt werden zu müssen, ohne die Antagonismen widersprüchlich miteinander zu konfrontieren, um dieses Verhältnis zu umreißen. Daran zeigten sich auch unwiderruflich die paradoxen Verfasstheiten von Arbeit, und darin liegt erst der Gewinn der philosophischen Herangehensweise: dass sie sich mit ihrer eigenen Ermöglichungsbedingung, ihrer Angewiesenheit auf den Gegenstand des Begriffs, konfronWLHUWGHQQÄ3KLORVRSKLHLVWZRUDXIPDQEHLQDKHVHOEVWJekommen wäre. 8QG GDV ZRUDXI PDQ EHLQDKH YRQ VHOEVW NRPPW VLQG ÃGLH 6achenµ³3 Dass gerade erst die sozialwissenschaftlich diagnostizierten Transformationen von Arbeit, ihren Welten und Bedingungen und Möglichkeiten die Doppelung der Möglichkeit der Verkehrung zum Ausdruck bringen können, zeichnet die paradoxe Struktur der Arbeitswirklichkeit(en). Der Ansatz, Funktion und Bedeutung von Arbeit zu bewahren, bedarf der Betrachtung von zwei Seiten: der Sicht auf die Faktizität widersprüchlicher und diesen Widerspruch paradoxierender Entwicklungen von Arbeitsformen sowie der Einsicht in die begrenzte Fähigkeit einer sich von dieser Wirklichkeit unabhängig wähnenden Lösung durch im Begriff verankerte Normativität. Der Begriff verliert dort seine Macht, wo er der Veränderung seine (behauptete) Unveränderlichkeit zu oktroyieren bemüht ist, und er bewahrt sich seine Fähigkeit zu Erklärung, wo er auf die Notwendigkeit zu Veränderung hinweist, indem er in seinem aporetischen Charakter die Möglichkeit zum Postulat begründet. Normative Forderungen nach einer sozialitäts- und individualverträglichen Umgangsweise mit transformierten Arbeitsformen finden ihre Legitimität im Zustand des Umgangs mit ihren Faktoren und begründen sich nicht in den Paradoxien eines Arbeitsbegriffs, sondern in den Wi3 312

Blumenberg (2002), S.9

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dersprüchen seiner Wirklichkeit. Arbeit als soziale wie individuelle Funktion mit sozialer wie individueller Bedeutung kann ± so kann die Arbeit schließen ± nur gesichert werden, wenn der Bewahrung einer kritischen Gestaltbarkeit der sozialen Wirklichkeit (und ihrer Fähigkeit, allen Einzelnen beliebende Bedeutungszuschreibungen zur Verfügung stellen zu können) der ihr gebührende Vorrang vor einer konzeptionellen Lösung ex cathedra gegeben wird, die ihrer ohnehin immer bedarf. 'D $UEHLW Äein Produkt der Lebensform von Jägern und Nomaden ist, aber die Theorie, die als Inbegriff der Leistungen von Begriffen erscheint, die urbane Sesshaftigkeit und Arbeitsteilung zur Voraussetzung hat³4, bleibt auch der Begriff hinter seinem (Vernunft-) Anspruch zurück. Nur bestenfalls ist er ein Instrument zur Annäherung an das Problem, fällt darin aber mit seinem Gegenstand, der Arbeit, paradox in eins.

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Blumenberg (2007), S. 10. 313

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Michel Foucault: Der Gebrauch der Lüste, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1986. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt/M.: Fischer, 1991. Michel Foucault: Leben machen und sterben lassen. Die Geburt des Rassismus, in: Lettre International, Heft 63, Berlin: Lettre International Verlags GmbH, 1993, S. 62-67. Michel Foucault: Analytik der Macht, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2005. Michel Foucault: Die Heterotopien. Die utopischen Körper. Zwei Radiovorträge, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2005. Nancy Fraser, Axel Honneth: Umverteilung oder Anerkennung. Eine politisch-philosophische Kontroverse, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2003. Hans Frambach: Arbeit im ökonomischen Denken: zum Wandel des Arbeitsverständnisses von der Antike bis zur Gegenwart, Marburg: Metropolis, 1999. Holm Friebe, Sascha Lobo: Wir nennen es Arbeit: Die digitale Bohème oder: Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München: Heyne, 2006. Manfred Füllsack (Hg.): Verwerfungen moderner Arbeit. Zum Formwandel des Produktiven, Bielefeld: Transcript, 2008 . Hans-Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hg.): Materialien zu Hegels ÃPhänomenologie des Geistesµ, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1973. Peter Furth (Hg.): Arbeit und Reflexion. Zur Theorie der materialistischen Dialektik, Köln: Pahl-Rugenstein 1980. Peter Furth: Arbeit und Reflexion, in: Ders. (Hg.): Arbeit und Reflexion. Zur Theorie der materialistischen Dialektik, Köln: Pahl-Rugenstein 1980. Hans-Georg Gadamer: Hegels Dialektik des Selbstbewusstseins, in: Hans-Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hg.): Materialien zu Hegels Ã3hänomenologie des Geistesµ, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1973, S. 217-242. Heiner Ganßmann: Geld und Arbeit, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1996. Heiner Ganßmann: Doppelte Kontingenz und wirtschaftliches Handeln, in: Jens Beckert, Rainer Diaz-Bone, Heiner Ganßmann (Hg.): Märkte als soziale Strukturen, Frankfurt/M.: Campus, 2007, S. 63-78. Paul du Gay: Consumption and Identity at Work, London: Sage, 1996. Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge. Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1999. Arno Georg, Gerd Peter: Subjektivierung der Arbeit ± Subjektivierung der Arbeitswissenschaften. Was folgt aus dem Epochenbruch?, in: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik, Stuttgart: Lucius, 17 (2008), Heft 1, S. 38-50. 322

QUELLENVERZEICHNIS

Ursula Gerber, Ebru Sonuc, Michael Wimmer: Künstlerische Interventionen in Großgruppen, in: Roswita Königswieser, Marion Keil (Hg.): Das Feuer großer Gruppen, Stuttgart: Klett-Cotta, 2002. Orio Giarini, Patrick M. Liedke: Wie wir arbeiten werden. Der neue Bericht an den Club of Rome, München, 1999. Anthony Giddens: Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1999. Anthony Giddens: Die Frage der sozialen Ungleichheit, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2001. Thomas Gil: Sozialphilosophie der Arbeit, Stuttgart: Schmetterling, 1997. Adrienne Goehler: Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft, Frankfurt/M.: Campus, 2006. Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie Erster Teil, Frankfurt/M.: Insel, 1966. André Gorz: Wege ins Paradies. Thesen zur Krise, Automation und Zukunft der Arbeit, Berlin: Rotbuch, 1983. André Gorz: Kritik der ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesellschaft, Berlin: Rotbuch, 1989. André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2000. Richard Grathoff, Bernhard Waldenfels (Hg.): Sozialität und Intersubjektivität. Phänomenologische Perspektiven der Sozialwissenschaften im Umkreis von Aron Gurwitsch und Alfred Schütz, München: Wilhelm Fink, 1983. Peter Gross: Die Multioptionsgesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1994. Peter Gross: Das Verschwinden der monogamen Arbeit?, in: Hauswirtschaft und Wissenschaft 44, Wallenhorst, 1996. Johannes Gruber: Der flexible Sozialcharakter. Eine Studie zur gegenwärtigen Transformation von Subjektivität, Basel: edition gesowip, 2008. Sabine Gürtler: Drei philosophische Argumente für ein Recht auf Arbeit, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 48 (2000) 6, S. 867888. Pierre Guillet de Monthoux: The Art Firm, Stanford: Stanford University Press, 2004. Pierre Guillet de Monthoux: Handlungshermeneutik ± ästhetische Perspektive für Ökonomen, in: Marc Markowski, Hergen Wöbken (Hg.): oeconomenta. Wechselspiele zwischen Kunst und Wirtschaft, Berlin: Kadmos, 2007, S. 51-69.

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PARADOXIEN DER ARBEIT

Pierre Guillet de Monthoux, Antonio Strati: Reconnecting Companies to the City, in: Timon Beyes, Sophie-Thérèse Krempl, Amelie Deuflhard (Hg.): Parcitypate: Art and Urban Space, Zürich: Niggli, 2009. Erich Gutenberg: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Wien: Springer, 1963. Jürgen Habermas: Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1969. Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, Band 1, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1981. Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1988. Gregor Handler: Konzept zur Entwicklung integrierter Beratung. Integration systemischer Elemente in die klassische Beratung, Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag, 2007. Michael Hardt: Affektive Arbeit, in: Marion von Osten (Hg.): Norm der Abweichung. Wien: Springer, 2003, S. 211-224. Klaus Hartmann: Die Marxsche Theorie, Berlin: de Gruyter, 1970. Martin Hartmann: Widersprüche, Ambivalenzen, Paradoxien ± Begriffliche Wandlungen in einer neueren Gesellschaftstheorie, in: Axel Honneth (Hg.): Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus, Frankfurt/M.: Campus, 2002. G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke 7, hrsg. von Eva Moldenhauer, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1970. G. W. F. Hegel: in Gesammelte Werke VI, Jenaer Systementwürfe I, hrsg. von Klaus Düsing und Heinz Kimmerle, Hamburg: Meiner, 1975. G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke VIII, Jenaer Systementwürfe III, hrsg. von Rolf-Peter Horstmann, Hamburg: Meiner 1976. [Systementwürfe III (1)] G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke V, Schriften und Entwürfe 17991808, hrsg. von Manfred Baum und Kurt Rainer Meist, Hamburg: Meiner, 1998. G. W. F. Hegel: in: Gesammelte Werke XVIII, Vorlesungsmanuskripte II (1816-1831), hrsg. von Walter Jaeschke, Hamburg: Meiner, 1995. G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, Werke 10, hrsg. von Eva Moldenhauer, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1986. [1986 a] G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion II, Werke 17, hrsg. von Eva Moldenhauer, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1986. [1986 b]

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QUELLENVERZEICHNIS

G. W. F. Hegel: Jenaer Systementwürfe III. Naturphilosophie und Philosophie des Geistes (1805/1806), hrsg. von Rolf-Peter Horstmann, Hamburg: Meiner, 1987. [Systementwürfe III (2)] G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes, hrsg. von Hans-Friedrich Wessels, Heinrich Clairmont, Hamburg: Meiner, 1988. Klaus Heid, Ruediger John: Transferkunst, in: Klaus Heid, Ruediger John (Hg.): Transfer: Kunst Wirtschaft Wissenschaft, Baden-Baden: [sic!], 2003, S. 219-234. Klaus Heid, Ruediger John (Hg.): Transfer: Kunst Wirtschaft Wissenschaft, Baden-Baden: [sic!], 2003. Agnes Heller: Der Tod des Subjekts. Ein philosophischer Essay, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 41 (1993) 4, S. 623-638. Hesiod: Werke und Tage, zweisprachige Ausgabe, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart: Reclam, 1996. Hesiod: Theogonie, zweisprachige Ausgabe, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart: Reclam, 1999. Otfried Höffe: Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger. Politische Ethik im Zeitalter der Globalisierung, München: Beck, 2004. Justin Hoffmann, Marion von Osten: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Das Phantom such seinen Mörder, Berlin: bbooks, 1999. Tom Holert: Phantome der Norm und Heuristiken des Schlauseins. Die kulturelle Dimension kognitiver Arbeit, in: Marion von Osten (Hg.): Norm der Abweichung, Wien: Springer, 2003, S. 225-241. Jan Holtmann (Hg.): Den Letzten beißen die Hunde. Was man in der Kunst tun sollte / könnte / müsste ± Visionen künstlerischer Praxis, Hamburg: noroomgallery, 2008. Homer: Ilias, Übersetzung von Johann Heinrich Voß, Frankfurt/M.: Insel, 1990. Axel Honneth, Urs Jaeggi (Hg.): Arbeit, Handlung, Normativität. Theorien des Historischen Materialismus 2, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1980. Axel Honneth: Einleitung zum Schwerpunkt: Zur Sozialphilosophie der Arbeit, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 41 (1993) 2, S. 237-238. Axel Honneth: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1994. Axel Honneth (Hg.): Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus, Frankfurt/M.: Campus, 2002. Axel Honneth: Organisierte Selbstverwirklichung. Paradoxien der Individualisierung, in: Ders. (Hg.): Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus, Frankfurt/M.: Campus, 2002, S. 141-158. 325

PARADOXIEN DER ARBEIT

Axel Honneth: Arbeit und Anerkennung. Versuch einer Neubestimmung, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 56 (2008) 3, S. 327-341. Jörg Huber (Hg.): Kultur-Analysen, Reihe Interventionen, Band 10, Wien: Springer, 2001. Internationale Bauausstellung Hamburg GmbH (Hg.): IBA-Labor Kunst und Stadtentwicklung. Das Betreiben eines vegetarischen Restaurants mit einer Horde Kannibalen, Hamburg, o. V., 2008. Wieland Jäger, Kurt Röttgers (Hg.): Sinn von Arbeit. Soziologische und wirtschaftsphilosophische Betrachtungen, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008. :LHODQG-lJHU$UEHLWVYHUP|JHQRGHU¾0HQVFKHQUHJLHUXQJ½"'HU6LQnmythos moderner Arbeitsorganisationen, in: Wieland Jäger, Kurt Röttgers (Hg.): Sinn von Arbeit. Soziologische und wirtschaftsphilosophische Betrachtungen, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, S. 111-160. Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld, Hans Zeisel: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1975. Julian Jaynes: The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind, Boston: Mariner Books, 2000 (11976). Ernst Jünger: Der Arbeiter, Stuttgart: Klett-Cotta, 1982. Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen, hrsg. von Paul Raabe, Frankfurt/M.: Fischer, 1970. Thomas Kalenberg: Die Befreiung der Natur. Natur und Selbstbewusstsein in der Philosophie Hegels, Hegel-Deutungen Band 5, Hamburg: Meiner, 1997. Friedrich Kambartel: Arbeit und Praxis, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 41 (1993) 2, S. 689-707. Immanuel Kant: Streit der Fakultäten, hrsg. von Piero Girodanetti, Hamburg: Meiner, 1959. Immanuel Kant: Schriften zur Metaphysik und Logik 2, Werkausgabe Band VI, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt: Suhrkamp, 1964. Immanuel Kant: Handschriftlicher Nachlass, in: Gesammelte Schriften /Akademieausgabe, Bd. 17, Berlin: de Gruyter, 1966. Immanuel Kant: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 2, Werkausgabe Band XII, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1977. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Werkausgabe Band III, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 131995.

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QUELLENVERZEICHNIS

Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, Werkausgabe Band VII, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 14 1998. Franz-Xaver Kaufmann: Wohlfahrt, Arbeit und Staat unter den Bedingungen von Individualisierung und Globalisierung, St.Gallen: Universität, 1998. Franz-Xaver Kaufmann: Herausforderungen des Sozialstaats, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1997. Frank Kleemann, Ingo Matuschek, Gert-Günter Voß: Subjektivierung von Arbeit. Ein Überblick zum Stand der Diskussion, in: Manfred Moldaschl, Gert-Günter Voß: Subjektivierung von Arbeit, München: Hampp, 2003, S. 57-114. Alexander Kluge: Die Lücke, die der Teufel lässt. Im Umfeld des neuen Jahrtausends, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2003. Jürgen Kocka, Claus Offe (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt/M.: Campus, 2000. Klaus-Michael Kodalle (Hg.): Arbeit und Lebenssinn. Eine Herausforderung in historischer und systematischer Perspektive, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001. Helmut König, Bodo von Greiff, Helmut Schauer (Hg.): Sozialphilosophie der industriellen Arbeit, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1990. Roswita Königswieser, Marion Keil (Hg.): Das Feuer großer Gruppen, Stuttgart: Klett-Cotta, 2002. Nicole Kramer, Reinhild Kries: Tagungsbericht zu ÄSozialgeschichte der $UEHLWÃnach dem Boomµ. Deutschland und Europa seit den siebziger Jahren³7DJXQJ GHV-HQD&HQWHUÃGeschichte des 20. Jahrhundertsµ und des Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam, 28.29.5.2009, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/ id=2780 Angelika Krebs: Eine feministiscKH 6WHOOXQJQDKPH ]X .DPEDUWHOV ÃArbeit und Praxisµ, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Berlin 41 (1993) 2, S. 251-256. Angelika Krebs: Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2002. Sophie-Thérèse Krempl: Do Artists Need Drugs?, in: Timon Beyes, Sophie-Thérèse Krempl, Amelie Deuflhard (Hg.): ParCITYpate. Art and Urban Space, Zürich: Niggli, 2009. Ernesto Laclau: New Reflections on the Revolution of Our Time, London: Verso, 1990. Ernesto Laclau: Emanzipation und Differenz, Wien: Turia+Kant, 2002. Maurizio Lazzarato: Immaterielle Arbeit. Gesellschaftliche Tätigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus, in: Antonio Negri, Maurizio 327

PARADOXIEN DER ARBEIT

Lazzarato, Paolo Virno: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion, Berlin: ID Verlag, 1998, S. 39-52. Emil Lederer (Hg.): Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, begründet von Werner Sombart, Max Weber und Edgar Jaffe, in Verbindung mit Joseph Schumpeter und Alfred Weber, Band 69, Tübingen: Mohr (Paul Siebeck), 1933. Hans Lenk: Zum Sinn des Eigenhandelns im Werte- und Strukturwandel des Arbeitens, in: Klaus-Michael Kodalle (Hg.): Arbeit und Lebenssinn. Eine Herausforderung in historischer und systematischer Perspektive, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001, S. 51-68. Konrad Paul Ließmann: Im Schweiße Deines Angesichtes. Zum Begriff der Arbeit in den anthropologischen Konzepten der Moderne, in: Beck, Ulrich: Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2000. LIGNA: ohne Titel, in: Jan Holtmann (Hg.): Den Letzten beißen die Hunde. Was man in der Kunst tun sollte / könnte / müsste ± Visionen künstlerischer Praxis, Hamburg, 2008. Martin Luther: Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Bd. 12, Weimar: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1996 [11891]. Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1988. Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1988. Niklas Luhmann: Intersubjektivität oder Kommunikation: Unterschiedliche Ausgangspunkte soziologischer Theoriebildung, in: Ders.: Soziologische Aufklärung, Band 6: Die Soziologie und der Mensch, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995, S. 162-179. Niklas Luhmann: Soziologische Aufklärung, Band 6: Die Soziologie und der Mensch, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995. Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Band 1, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1998. [1998a] Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Band 2, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1998. [1998b] Niklas Luhmann: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2006. Georg Lukács: Die Theorie des Romans, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1994. Georg Lukács: Der junge Hegel, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1973. Franz Maciejewski (Hg.): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Beiträge zur Habermas-Luhmann-Diskussion, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1999. Manifesta 6: Notes for an Art School, Nicosia: Nicosia for Art, 2005. 328

QUELLENVERZEICHNIS

Oliver Marchart: Gesellschaft ohne Grund. Laclaus politische Theorie des Post-Fundationalismus, in: Ernesto Laclau: Emanzipation und Differenz, Wien: Turia + Kant, 2007, S. 7-15. Herbert Marcuse: Über die philosophischen Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs, in: Emil Lederer (Hg.): Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, begründet von Werner Sombart, Max Weber und Edgar Jaffe, in Verbindung mit Joseph Schumpeter und Alfred Weber, Band 69, Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1933, S. 257-291. Herbert Marcuse: Kultur und Gesellschaft, Band 2, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1965. Herbert Marcuse: Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie, Darmstadt: Luchterhand, 1972. Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch, Darmstadt: Luchterhand, 1979. Marc Markowski, Hergen Wöbken (Hg.): oeconomenta. Wechselspiele zwischen Kunst und Wirtschaft, Berlin: Kadmos, 2007. Odo Marquard: Apologie des Zufälligen, Stuttgart: Reclam, 2008. Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, hrsg. von Barbara Zehnpfennig, Hamburg: Meiner, 2005. Karl Marx: Thesen über Feuerbach, MEW Bd. 3, Berlin: Dietz, 1978. Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie I, MEW Bd. 23, Berlin: Dietz, 1962. Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie II, MEW Bd. 24, Berlin: Dietz, 1962. Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie III, MEW Bd. 25, Berlin: Dietz, 1962. Nicole Mayer-Ahuja, Harald Wolf (Hg.): Entfesselte Arbeit ± neue Bindungen. Grenzen der Entgrenzung in der Medien- und Kulturindustrie, Berlin: Edition Sigma, 2005. Christian Meier: Griechische Arbeitsauffassungen in archaischer und klassischer Zeit, in: Manfred Bierwisch (Hg.): Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen, Berlin: Akademie, 2003. Christian Meier: Das Problem der Arbeit in seinen Zusammenhängen, in: Merkur, Heft 3, Jahrgang 52, Stuttgart: Klett Cotta, 1998. Moses Mendelssohn: Morgenstundenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes, Berlin: Voss, 1786. Pierre-Michel Menger: Kunst und Brot. Die Metamorphosen des Arbeitnehmers, Konstanz: UVK, 2006. Alexander Meschnig, Mathias Stuhr (Hg.): Arbeit als Lebensstil, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2003.

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PARADOXIEN DER ARBEIT

Ute Meta Bauer (Hg.): Education, Information, Entertainment. Aktuelle Ansätze künstlerischer Hochschulbildung, Wien: Edition Selene, 2001. Manfred Moldaschl: Foucaults Brille. Eine Möglichkeit, Subjektivierung von Arbeit zu verstehen?, in: Manfred Moldaschl, Gert-Günter Voß (Hg.): Die Subjektivierung von Arbeit. Reihe Arbeit, Innovation und Nachhaltigkeit, hrsg. von Manfred Moldaschl, Band 2, München: Hampp, 2003, S. 150-191. Manfred Moldaschl, Gert-Günter Voß (Hg.): Die Subjektivierung von Arbeit. Reihe Arbeit, Innovation und Nachhaltigkeit, hrsg. von Manfred Moldaschl, Band 2, München: Hampp, 2003. Christine Morgenroth: Arbeitsidentität und Arbeitslosigkeit ± ein depressiver Zirkel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, 53. Jahrgang, Bd. 6&7, Berlin, 2003. Jörn Morisse, Rasmus Engler (Hg.): Wovon lebst du eigentlich? Vom Überleben in prekären Zeiten, München: Piper, 2007. Chantal Mouffe: Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2007. Chantal Mouffe: Art and Democracy. Art as an Agnostic Intervention in Public Space, in: Cahier on Art and the Public Domain: Art as a Public Issue. How Art and Its Institutions Reinvent the Public Dimension, Rotterdam: NAi Publishers, 2008, S. 6-15 Chantal Mouffe: Das demokratische Paradox, Wien: Turia + Kant, 2008. Yann Moulier-Boutang, in: Neue Grenzziehungen in der Politischen Ökonomie, in: Marion von Osten (Hg.): Norm der Abweichung, Wien: Springer, 2003. Hans-Peter Müller, Michael Schmid: Arbeitsteilung, Solidarität und Moral. Eine werkgeschichtliche und systematische Einführung in die ÄArbeitsteilung³ von Emile Durkheim, in: Emile Durkheim: Über soziale Arbeitsteilung, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1992, S. 481-521. Severin Müller: Phänomenologie und philosophische Theorie der Arbeit, Band 1: Lebenswelt, Natur, Sinnlichkeit, Freiburg: Alber, 1992. Severin Müller: Phänomenologie und philosophische Theorie der Arbeit, Band 2: Rationalität, Welt, Vernunft, Freiburg: Alber, 1994. Gerd Mutz: Paradigmenwechsel in der Arbeitsgesellschaft, in: KlausMichael Kodalle: Arbeit und Lebenssinn. Kritisches Jahrbuch der Philosophie, Beiheft 3, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001. Jean-Luc Nancy: Singulär plural sein, Berlin: Diaphanes, 2004. Antonio Negri, Maurizio Lazzarato, Paolo Virno: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion, Berlin: ID Verlag, 1998. Oskar Negt: Arbeit und menschliche Würde, Berlin: Steidl, 2001. 330

QUELLENVERZEICHNIS

Albena Neschen: Ethik und Ökonomie in Hegels Philosophie und in modernen wirtschaftsethischen Entwürfen, Hamburg: Meiner, 2008 (Hegel-Studien, Beiheft 49) Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): Faktor Arbeit. Publikation zur Ausstellung der NGBK, Berlin, 1997. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): Tätig sein. Publikation zur Ausstellung der NGBK, Berlin, 2004. Friedrich Nietzsche: Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli, Mazzino Montinari, Bd. 7, Berlin: de Gruyter, 1999. Elisabeth Noelle-Neumann: Werden wir alle Proletarier?, in: Die ZEIT, 13.6.1975, Nr.25. Elisabeth Noelle-Neumann: Werden wir alle Proletarier? Wertewandel in unserer Gesellschaft, Zürich: Edition Interform, 1979. Elisabeth Noelle-Neumann, Burkhard Strümpel: Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich? Eine deutsche Kontroverse, München: Piper, 1984. Claus Offe: Armut, Arbeitsmarkt und Autonomie, in: Yannick Vanderborght, Philipp Van Parijs: Ein Grundeinkommen von alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags, Frankfurt/M.: Campus, 2005, S. 131-150. Claus Offe: Strukturprobleme des kapitalistischen Staates. Aufsätze zur politischen Soziologie, Frankfurt/M.: Campus, 2006. George Orwell: Down and Out in Paris and London, New York: Penguin, 2001. Dir Osmetz: Arbeit am Problem der Arbeit. Eine systemtheoretische Beobachtung für Management und Organisation, Herrsching: Gellius, 2003. Marion von Osten (Hg.): Norm der Abweichung, Wien: Springer, 2003. Stephan Panther, Hans G. Nutzinger: Homo oeconomicus vs. homo culturalis. Kultur als Herausforderung der Ökonomik, in: Gerold Blümle (Hg.): Perspektiven einer kulturellen Ökonomik, Münster: LIT, 2004, S. 287-309. Guillaume Paoli (Hg.): Mehr Zuckerbrot, weniger Peitscher: Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der Glücklichen Arbeitslosen, Berlin: Bittermann, 2002. Platon: Philebos, hrsg. von Karlheinz Hülser, nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, ergänzt durch Übersetzungen von Franz Susemihl u. a., Sämtliche Werke VIII, Frankfurt/M.: Insel, 1991. Platon: Politeia, hrsg. von Karlheinz Hülser, nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, ergänzt durch Übersetzungen von Franz Susemihl u. a., Sämtliche Werke V, Frankfurt/M.: Insel, 1991. 331

PARADOXIEN DER ARBEIT

Frances K. Pohl: Kunst und Arbeit ± Art and Labour. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, Kunst und Politik, Band 7, Göttingen: V&R UniPress, 2005. Karl Polanyi: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Wien: Europaverlag, 1977. Alexandra Popp: Arbeiten und Handeln. Eine Weiterführung von Hannah Arendt, Marburg: Tectum, 2007. Birger Priddat: Hegel als Ökonom. Berlin: Duncker & Humblot, 1990. Birger Priddat: Rational Choice, Hermeneutik und Systemtheorie. Ein Beitrag zur Subjektivierung des Akteurs auf Null, in: Sociologica Internationalis 33, 1995, S. 127-146. Birger Priddat: (Hg.): Arbeits-Welten. Forum für Dimensionen und Perspektiven zukünftiger Arbeit, Marburg: Metropolis, 1996. Birger Priddat: Arbeit an der Arbeit. Verschiedene Zukünfte der Arbeit, Marburg: Metropolis, 2000. Birger Priddat: Zukunft der Arbeit. Organizational Change and Challenge, in: Klaus-Michael Kodalle (Hg.): Arbeit und Lebenssinn. Eine Herausforderung in historischer und systematischer Perspektive, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001, S. 145-158. Birger Priddat: Wirtschaft durch Kultur, Marburg: Metropolis, 2009. Michael Quante, Erzsébet Rózsa (Hg.): Vermittlung und Versöhnung. Die Aktualität von Hegels Denken für ein zusammenwachsendes Europa, Münster: LIT, 2001. 0LFKDHO 4XDQWH 'LH 3HUV|QOLFKNHLW GHV :LOOHQV XQG GDV ¾,FK DOV 'LeVHU½%HPHUNXQJHQ]um Individuationsproblem in Hegels Konzeption des Selbstbewusstseins, in: Michael Quante, Erzsébet Rózsa (Hg.): Vermittlung und Versöhnung. Die Aktualität von Hegels Denken für ein zusammenwachsendes Europa, Münster: LIT, 2001. Frank Raddatz: Derridas Gespenster. Der Philosoph Stefan Winter im Gespräch mit Frank Raddatz, in: Welten Wenden. Theater der Zeit. Zeitschrift für Politik und Theater ± Arbeitsbuch 2009, Heft 7/8, hrsg. von Thomas Flierl und Frank Raddatz, Berlin: Theater der Zeit, 2009, S. 96-99. Jacques Rancière/Pierre Vauday: Auf dem Weg zur Weltausstellung: Der Arbeiter, seine Frau und die Maschinen, in: Archiv der Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, No. 1, Berlin, 1980 [En DOODQW D O¶H[SR O¶RXYULHU VD IHPPH HW OHV PDFKLQHV erschienen in: Les Révoltes logiques, Nr. 1, 1975]. Jacques Rancière: Der Begriff der Kritik und die Kritik der politischen Ökonomie von den ÄPariser Manuskripten³ zum ÄKapital³ , Berlin: Merve, 1972. 332

QUELLENVERZEICHNIS

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QUELLENVERZEICHNIS

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QUELLENVERZEICHNIS

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PARADOXIEN DER ARBEIT

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QUELLENVERZEICHNIS

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Photographie Helden Geister Löwen Brüder Zukunft Epilog

© Victor Marushenko, Michael Glawogger © Mohammed Iqbal, Michael Glawogger © Uche James Iroha, Michael Glawogger © G.M.B. Akash, Michael Glawogger © Zhou Hai © Michael Glawogger

Filmographie Michael Glawogger: :RUNLQJPDQ¶V 'HDWK. Fünf Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert. Buch und Regie: Michael Glawogger, Kamera: Wolfgang Thaler, Produktionsleitung: Peter Wirthensohn, 122 Minuten, Format: 35 mm, Produktion: Lotus Film, Quinte Film, 2005.

339

Sozialtheorie Ullrich Bauer, Uwe H. Bittlingmayer, Carsten Keller, Franz Schultheis (Hg.) Bourdieu und die Frankfurter Schule Kritische Gesellschaftstheorie im Zeitalter des Neoliberalismus September 2011, ca. 350 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1717-7

Wolfgang Bonss, Ludwig Nieder, Helga Pelizäus-Hoffmeister Handlungstheorie Eine Einführung Oktober 2011, ca. 250 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1708-5

Ulrich Bröckling, Robert Feustel (Hg.) Das Politische denken Zeitgenössische Positionen (2., unveränderte Auflage 2010) Januar 2010, 340 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1160-1

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Sozialtheorie Anina Engelhardt, Laura Kajetzke (Hg.) Handbuch Wissensgesellschaft Theorien, Themen und Probleme Oktober 2010, 378 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1324-7

Max Miller Sozialtheorie Eine Kritik aktueller Theorieparadigmen. Gesammelte Aufsätze März 2012, ca. 300 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN 978-3-89942-703-5

Stephan Moebius, Sophia Prinz (Hg.) Das Design der Gesellschaft Zur Kultursoziologie des Designs Oktober 2011, ca. 300 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1483-1

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Sozialtheorie Fritz Böhle, Sigrid Busch (Hg.) Management von Ungewissheit Neue Ansätze jenseits von Kontrolle und Ohnmacht Juni 2011, ca. 250 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1723-8

Hannelore Bublitz Im Beichtstuhl der Medien Die Produktion des Selbst im öffentlichen Bekenntnis März 2010, 240 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1371-1

Michael Busch, Jan Jeskow, Rüdiger Stutz (Hg.) Zwischen Prekarisierung und Protest Die Lebenslagen und Generationsbilder von Jugendlichen in Ost und West Januar 2010, 496 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1203-5

Pradeep Chakkarath, Doris Weidemann (Hg.) Kulturpsychologische Gegenwartsdiagnosen Bestandsaufnahmen zu Wissenschaft und Gesellschaft Oktober 2011, ca. 226 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1500-5

Markus Gamper, Linda Reschke (Hg.) Knoten und Kanten Soziale Netzwerkanalyse in Wirtschafts- und Migrationsforschung Oktober 2010, 428 Seiten, kart., zahlr. z.T. farbige Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1311-7

Jürgen Howaldt, Michael Schwarz »Soziale Innovation« im Fokus Skizze eines gesellschaftstheoretisch inspirierten Forschungskonzepts August 2010, 152 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-8376-1535-7

Karin Kaudelka, Gerhard Kilger (Hg.) Die Arbeitswelt von morgen Wie wollen wir leben und arbeiten? Oktober 2010, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1423-7

Stephan Lorenz (Hg.) TafelGesellschaft Zum neuen Umgang mit Überfluss und Ausgrenzung August 2010, 240 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN 978-3-8376-1504-3

Bernd Dollinger, Fabian Kessl, Sascha Neumann, Philipp Sandermann (Hg.) Gesellschaftsbilder Sozialer Arbeit Eine Bestandsaufnahme Mai 2011, ca. 230 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1693-4

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