Orthopaedie oder Werth der Mechanik zur Heilung der Verkrümmungen am menschlichen Leibe: Abt. 2 Orthopädie oder die Verkrümmungen der Wirbelsäule und des Rumpfes und deren Heilung 9783111696591, 9783111308531

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Orthopaedie oder Werth der Mechanik zur Heilung der Verkrümmungen am menschlichen Leibe: Abt. 2 Orthopädie oder die Verkrümmungen der Wirbelsäule und des Rumpfes und deren Heilung
 9783111696591, 9783111308531

Table of contents :
Vorrede
Inhalt
I. Mechanismus des menschlichen Leibes
II. Pathologie der einzelnen Formen
III. Varietäten
IV. Behandlung

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f ü r die

ftichtbesiuer

der ersten A b i h e i l u u g ist d i e s e r iU> er flüssig.

Titel

ORTHOPAEDIE oder

erth der Mechanik zur

Heilung- 4er Verkrümmungen a m

menschlichen

W, W o

Leibe.

V o n

EEEHIDI£STiäM(B®I 8

praktischem Arzte zu Ansbach.

Zweite

Abtheilung, die

V erkrümmungen der "Wirbelsäule und des Rumpfes enthaltend.

Mit f ü n f T a f e l u

Abbildungen.

B e r l i n bei Reimer. 1 8 3 1.

O R T I I O P A E D I E oder die

V

e

r

k

r

ü

m

m

u

n

g

e

n

der Wirbelsäule und des Rumpfes u n d

deren

Heilung.

Von Dr. H e i d e n r e i ch Z 11 A n s b a ch.

Mit fünf Tafeln

Abbildungen.

Berlin bei Reimer.

1 8 3 1.

D r u e k linci P a p i e r voi: B r u g c l in Ansbach.

V o r r e d e .

D i e Heilkunde in ihrer praktischen Tendenz hat alle Wissenschaften sich untergeordnet und ihrem Zwecke dienstbar gemacht. In dieser Beziehung erscheint nun hier auch die Mechanik. Nur dann, wann der Mechanismus des menschlichen Leibes entwickelt, in seinen anatomischen und physiologischen Beziehungen nachgewiesen und eine Lehre des mechanischen Erkrankens aufgestellt ist, wird auch eine mechanische Therapie möglich werden. Da aber der Mechanismus in der gesammten thierischen Organisation nur eine untergeordnete Rolle spielt, so werden auch alle diese Beziehungen eine gleiche Stufe des Ranges einnehmen müssen. Da aber wiederum das Chemische, Dvnamisehe, überhaupt das Höhere in der Organisation so unendlich oft schon behandelt, betrachtet, beleuchtet und besefa-ieben worden ist, so hat es

VI

sich der Verfasser hier zur Aufgabe gemacht, das Mechanische hervorzuheben. Dass aber dieser physische Mechanismus kein geistiger sei, wird wohl kaum der Erinnerung bedürfen. Die erste Abtheilung dieses Werkes, die vor ungefähr vier Jahren ersebien, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, im Allgemeineli mit Stärke zu vereinigen ist die Wirbelsäule in sich

selbst gebrochen, aber die

einzelnen Bruchstücke sind auf das Innigste verbunden, und je geringer die Beweglichkeit eines jeden einzelnen Wirbels ist, um

so beweglicher ist das ganze

Rückgrat]*. Man hat diese Wirbelsäule mit dem Kiele o eines Schiffes verglichen, an welchem sich, die einzelnen Theile des Fahrzeugs befestigen, so dass derselbe seine Gestaltung nicht ändern k a n n , ohne die anhängenden Theile in Mitleidenschaft zu ziehen. Die

Grundfeste

des

thierischen Körpers

muss

aber stark und kräftig "sein, wie der Kiel des Fahrzeugs , daher auch das Rückgrath, das den gesammten Rumpf trägt, eine säulenförmige Gestalt erhalten hat; ganz

den

Gesetzen

des Gleichgewichts

angemessen

unten dicker als oben. Da aber der thierische Körper beweglich und nicht

starr sein s o l l , so durfte auch

dieser Kiel oder diese Säule nicht aus einem Stücke

o bestellen, sondern ist in deren mehrere getheilt und gebrochen. Das Piückgrath besteht also ans einzelnen Theilen, die je ihrem natürlichen Zwecke entsprechen, und man unterscheidet vorerst vier Hauptgegenden: den Nacken , den Rücken , die Lenden und die Kreuzgegend. Diese -G&güjidcn sind aber wieder getheilt, der Nacken in sieben IJaLswjri>vI, J c v Rücken in zwölf Rückenwirbel, die Lenden in fünf Lendenwirbel, und das Kreuzbein besteht aus fünf in einander verschmolzenen Wirbeln. Das Rückgrath bildet also eine starke, gegliederte, bewegliche Säule , ist eine Reihe aufeinander geschichteter Zylinder, so wie ein Säulenschaft aus mehreren über einander gestellten zylindrischen Stücken besteht, nur da6s diese Wirbel-Zylinder vielfache Fortsätze und Ansätze theils um der, Festigkeit und Beweglichkeit willen, theils zur Anüeflung des Rumpfeä und Befestigung der Extremitäten besitzen. Die Wirbel nehmen, je tiefer sie.liegen, an Höhe, Breite , Dicke und Rundung zu , so wie auch die dazwischen liegenden Knorpelscheiben, daher an jedem einzelnen Wirbel der Umfang • seiner untern Fläche grösser ist, 'ali der seiner obern, wodurch denn auch die Säule kegelförmig und um so mehr geeignet wird, die Last des Körpers zu tragen. Im Ganzen nehmen die Wirbel dieser Säule vom dritten Halswirbel bis zum Kreuzbein an Grösse immer zu , vom Kreuzbein an nimmt die Grösse der Wirbel wieder ab; der erste und zweite Halswirbel stellen einen Säulenknauf vor, dann wird sie vom dritten bis siebenten Halswirbel breiter, dann bis zum dritten

o Rückenwirbel schmäler, dann aber wieder regelmässig bis zum Kreuzbein breiter. Von der Seite angesehen werden die Wirbelkörper vom dritten Hals- bis fünften Rückenwirbel breiter, an den übrigen Rüchen- und Lendenwirbeln aber sind sie fast gleiclibreit, oder nehmen nur wenig zu, ihre Höhe nimmt gleichfalls gegen unten z u , ^ausser das3 sie an den untern Halswirbeln gleich ist. Die Basis dieser Säule ist das Becken, es ist dieses cler Untersatz, das Postament, auf dem der Säulenschaft ruht, das Kreuzbein ist nun der Pfeiler, die Stütze, auf dem die kegelförmige Wirbelsäule ruht, die die Last des ganzen Körpers trägt. Das Becken selbst bildet gleichsam ein Gewölbe, von dem das Kreuzbein der Schlussstein i s t , auf dem nun wieder die Last ruht; die Hüftknochen sind in dieser Hinsicht die Widerlager dieses Gewölbes, und es bilden im Sitzen die Sitzknochen, im Stehen die Schenkel die Pfeiler, auf denen die Widerlager und das ganze Gewölbe ruhen. In aufrechter Stellung ruht also der gesammte Fiumpf mittelst der Hüftknochen und des Pfannengelenkes auf den Köpfen der Oberschenkel, und es wird dadurch die Stellung des Beckens von grösstem Einfluss auf die Stellung der Wirbelsäule und Haltung des ganzen Rumpfes sein. Das Becken balangirt nämlich auf seiner Queer« achse , die durch die Mittelpunkte der Pfannengelenke geht, da nun aber seine Längenachse den Horizont unter einem spitzen Winkel schneidet, so wird von der Grösse dieses Winkels, d. h, von der Neigung des Beckens, die Stellung der Wirbelsäule abhängig

4 w e r d e n , weil sie am obersten Kreuzbeinwirbel und seiner Fläche keine senkrechte, sondern eine veränderlich schiefe Stützungsfläche findet, über der sie selbst sich aufrecht erhalten muss — umgekehrt wird die Last des Rumpfes bei der Beweglichkeit der Lendenwirbel unter sich und mit dem Kreuzbein unter Mitwirkung der Muskelkräfte auck auf die Richtung dos Beckens Einfluss äussern. Die Wirbelsäule steht aber nicht ganz senkrecht, sondern von der Seile angesehen ist sie sanft gewölbt, und in einer Wellenlinie g e b o g e n , und zwar ist dieselbe mit den Halswirbeln sanft nach Vornen gewölbt und etwas vorwärts strebend, mit den Rückenwirbeln dagegen nach Hinten ausgebogen, so dass die Wölb u n g des Bogens nach Hinten gerichtet ist, allmählich wird die Richtung wieder u m g e k e h r t , so dass die Lendenwirbel mit der W ö l b u n g ihres Bogens sich wieder vorwärts neigen, bis endlich das Kreuzbein diese Richtung abermals aufhebt und seine W ö l b u n g nach Hinten kehrt. Die grösste Höhe der Ausschweifung liegt bei der ersten W ö l b u n g nach Vornen in der Gegend des vierten Halswirbels; die Mitte der zweiten Ausschweif u n g nach Hinten in der Gegend des siebenten bis achten Rückenwirbels, dem untern Brustbein gegenü b e r ; die Mitte der dritten Abweichung in der Gegend des lezten Lendenwirbels abermals nach Vornen, und endlich die vierte in der Mitte des Kreuzbeins wieder nach Hinten. Diese natürlichen Ausbiegungen steigern sich häufig zu krankhaften, und so wird die natürliche Beug u n g der Rückenwirbel nach Hinten, krankhaft ge-

s t e i g e r t , R ü c k w ä r t s - die natürliche INeigung der L e n denwirbel

nach

Vornen,

krankhaft

vermehrt ^ V o r -

vv ärts-Krümmung. Diese

des R ü c k g r a t h e s werden nicht

Beugungen

nur n o t h w e n d i g durch die F u n k t i o n der W i r b e l s ä u l e , wie

sogleich

2>fen W i n k e l

gezeigt werden soll,

sondern die stum-

der B e u g u n g e n

nuch

sind

erforderlich

für das Im Innern des W i r b e l k a n a l s enthaltene R ü c k e n m a r k ^ das

bei den B e w e g u n g e n

des L e i b e s

keinen

D r u c k erleiden d a r f , den es von einem s p i t z i g e n gungswinkcl

erfahren würde.

Bei

dem

Baue bilden aber je z w e i W i r b e l

Beu-

bestehenden

i m m e r nur

einen

sehr stumpfen W i n k e l , u n d das R ü c k g r a t h g e h t in die jiülhigen B e w e g u n g e n e i n , ohne das Mark zu drücken. D a h e r auch b e i der W i n k e l k r ü j n m u n g grösseres R ü c k e n marksleiden e n t s t e h t , als b e i der S c h l a n g e n k r ü m m u n g . D i e nächste Ursache

der natürlichen Rückgrallis-

l i r ü m m u n g e n l i e g t aber in der N e i g u n g des B e c k e n s und Entwicklung

des S i e h e n s u n d G e h e n s ,

u n d fällt

mit dieser zusammen. Man

hat die W i r b e l s ä u l e

und

ihre

natürlichen

K r ü m m u n g e n mit einer F e d e r v e r g l i c h e n , deren W i derstand g e g e n die drückenden Kräfte i m Quadrat der Zahl der B i e g u n g e n z u n i m m t , u n d aus diesem Grunde die K r ü m m u n g e n der E r f a h r u n g ,

ableiten dass

wollen;

an einer

so

w i e man

aus

Säule mehrere aufein-

ander geschichtete Kuben oder Zylinder eine grössere Last

tragen,

als der einfache S c h a f t , die Gliederung

des R ü c k g r a t h s wollte.

Man

angeslellt, in

es

in

die

einzelnen

Wirbel

hat darüber kunstreiche sind aber dieses wohl

der A n w e n d u n g

organische Kräfte.

des

entwickeln

Berechnungen Uebertreibungen

mathematischen

Calculs

auf

6 Besser erklären sich die B i e g u n g e n der W i r b e l säule , die sie sich bei der Entwicklung der aufrechten Haltung als natürlich aneignet, folgendermassen: Das Gleichgewicht der Wirbelsäule so wie des g a n z e n Körpers in B e w e g u n g und Fiuhe hängt von dem Umfange der Stützungsfläche und dem senkrechten Abstände d:es &&Wcrpunktes von derselben a b , so dass nämlich der Mensch im*- stehen und gehen k a n n , wenn die INeigungslinie seiner S e l i g e r e noch innerhalb der Stützungsfläche fallt. Da die W i r b e l säule sich nun hinter den Schenkelpfannen auf das B e c k e n stüzt, so w ü r d e , wenn sie gjerade auf demselben stünde, die S e n k r e c h t e , die vom Schwerpunkte des Körpers den Boden trifft, ausser der Stützungsfläche oder nahe an ihre Gränze f a l l e n , und dadurch das Gleichgewicht beeinträchtigen. Diese natürlichen Krümmungen begünstigen das S i t z e n , Stehen und Gehen, überhaupt die aufrechte H a l t u n g des Rumpfes nun d a d u r c h , dass sie die INeigungslinie der Schwere mehr nach Vornen setzen, und für die Muskeln , die sich an das Becken heften, einen Hebel unter einem w e n i g e r spitzigen W i n k e l bilden. Aus diesem G r u n d e , und weil die obere Fläche des Kreuzbeins selbst nicht horizontal i s t , sondern mit der Conjugata mehr oder w e n i g e r parallel laufend den Horizont unter einem spitzen W i n k e l schneidet, so muss der untere Theil der W i r b e l s ä u l e nach Vornen d r ä n Og e n , also die natürliche L e n d e n k r ü m m u n g 7

nach V o r n e n veranlassen ; da aber diese den ganzen flumpf zu weit nach Vornen schieben w ü r d e , so dass der Körper vorwärts

fiele,

so muss die

natürliche

7 Kückenkrümmung diesem Vorwärtsdrängen das Gleichgewicht zu halten und den Schwerpunkt rückwärts zu schieben suchen; zumal da der Kopf, der durch seine Einlenkung an der Wirbelsäule den grössten Theil seiner Schwere nach Vornen äussert, das Upbergewiclil zu sehr vergrössern würde. Die natürliche Rückcnkriimmung ist also die Vermittlerin zwischen den verschiedenen Schwerpunkten der einzelnen rarthiecn des Kumpfes.. "Es ergiebt sich von selbst, dass diese um so auffallender und hervorstechender je grösser die Neigung des Beckens ist, eine Abweichung in der Gestaltung und. Kumpfes selbst Statt findet.

Krümmungen sein werden, oder je mehr Schwere des

Endlich fernere und Nebenbedeutungen haben die Beugungen der Wirbelsäule noch, z. B. dass die der Rückenwirbel nach Hinten die Brust erweitert und dem Herzen und den Lungen grössere Freiheit gewährt; dass die der Lendenwirbel nach Vornen den Muskeln, die das Rückgrath strecken, grössern R.aum gestattet; class die Wölbung des Kreuzbeins, die Eingeweide des kleinen Beckens aufnehme, und die Ausschweifung der Halswirbel den Nackenmuskeln Platz gewähre. Bei Menschen, die anstrengende Arbeiten verrichten müssen, als Taglöhnern, LasLträgern, sind diese Krümmungen grösser, hesonders dort, wo einförmige Haltung ohne Wechsel der Muskelthätigkeit Statt findet, bei Kindern und Menschen, die mehr im einfachen Naturzustände leben, und wenig arbeiten, sind sie geringer. liei Kindern, die noch nicht stehen und gehen können , findet man nur eine einzige Krümmung nach

R ü c k w ä r t s , durch da9 V o r w ä r t s h ä n g e n des Kopfes u n d Oberleibes v e r a n l a s s t ;

die ü b r i g e n bilden

sieh erst

n a c h u n d n a c h w ä h r e n d des Stehens und G e h e n s , u n d das S t e h e n - u n d Laufenlernen selbst besteht vielleicht nicht w e n i g e r in d e r U e b u n g der Mushein, deren F e s t i g keit -und K r a f t ;

als in der allmählig zu e r w e r b e n d e n

K r ü m m u n g der W i r b e l s ä u l e , u m dieselbe in aufrechter Stellung ü b e r d e r S t ü t a m g s f l ä c h e erhalten zu k ö n n e n . A u c h scheinen diese K r ü m m u n g e n am männlichen Geschlechte m e h r hervorzutreten als am weiblichen, dah e r bei M ä n n e r n die W i n k c l k r ü m m u n g e n , bei W e i b e r n die S e i t e n k r ü m m ü n g e n häufiger sind.

Die Art der Be-

s c h ä f t i g u n g hat natürlich vielen Einfluss darauf. Die W i r b e l s ä u l e ist also eine k o n i s c h e ,

beweg-

l i c h e , g e b o g e n e Säule, gleichsam ein W i n k e l h e b e l , der d u r c h seine B i e g u n g die T r a g u n g und U n t e r s t ü t z u n g der auf ihm liegenden Last allerdings erleichtern hilft. Das ganze R ü c k g r a t h ist n u n von der Seite angesehen auf die a n g e g e b e n e W e i s e vierfach ausgeschweift, in der R e g e l aber von Hinten angesehen g e r a d e , u n d lässt sich d u r c h eine Senkrechte in zwei ganz gleiche Hälften thellcn. Häufig ist a b e r auch die W i r b e l s ä u l e etwas n a c h d e r einen oder d e r andern S e i t e , Links

gebogen,

nach R e c h t s oder

am Meisten nach R e c h t s ,

zwischen

dem dritten u n d f ü n f t e n R ü c k e n w i r b e l , u n d es liegen in diesem Falle auch die Spitzen der D o r n f o r t s ä t z e nicht in einer geraden Linie. M a n glaubte diese W ö l b u n g nach R e c h t s von der B e w e g u n g der Aorta ableiten zu m ü s s e n , u n d hat noch mehrere M e i n u n g e n d a r ü b e r aufgestellt.

E s kommt

9 aber wohl diese Krümmung nur vom häufigem Gebrauch des rechten Armes, der, theils durch die Stellung, theils durch die Anstrengung der ihn mit Rumpf und Rückgrath verbindenden Muskeln,

die Wirbel nach

sich

zieht. Und die Erfahrung hat gelehrt, dass diese Scitenkrümmung mit der Wölbung nach Links bei solchen Individuen gefunden werde, die die linken Gliedmassen mehr gebrauchen als die rechten. ^ E s rührt diese

natürliche Seitenkrümmung

also

blos von überwiegender Kraft der am Meisten gebrauchten Muskeln her, und ist so häufig, dass sie auch für normal gehalten werden kann. E s giebt diese Wahrnehmung einen deutlichen Fingerzeig zur Erklärung der Entstehung mehrerer Arten von Misstaltungen, besonders der, wo die konvexe Seile auch die volleren und stärkeren Muskeln hat, und die Krümmung nicht auf Kontraktur der konkaven, sondern auf grösserer Entwicklung und Energie der konvexen Seile beruht. Der weitGre Verfolg der Mechanik der Wirbelsäule ist umfasst

1 ) durch anatomische Beschreibung der. Wirbel und Bänder, 2)

durch die wirkenden K r ä f t e ,

den Druck

der

Schwere und Z u g der Muskeln. 1.

Anatomische

Beschreibung.

A. W i r Lei und ihre F o r t s ä t z e . Alle Wirbel bestehen aus dem Körper, den Bogen, den Oueerforlsätzcn, den Dornfortsätzen und den schiefen oder Gelenkfortsätzen.

1U Halswirbel. Die Halswirbel sind die kleinsten von allen, die Körper klein niedrig, die Gelenkfortsätze oben flach unten schüsseiförmig, die Dornfortsätze gespalten, die Queerfortsätze kurz, durchbohrt. An den Halswirbeln findet die meiste Beweglichkeit der ganzen Wirbelsäule Statt , die Beweglichkeit der W i r b e l unter sich isl grösser als an dem Rückcn und den Lenden, denn die Halswirbel vareiniircn alle Arten • der Bewegung in sich. Die Gelenkflächen sind fast eben und sehr nach dem Horizonte geneigt, so dass die drehende Bewegung hier leichter ist, als irgendwo, Durch die vordere Konvexität und Kleinheit der Körper bildet sich auch die Achse der Drehung gleichsam als um eine eingebildete Angel, vorzüglich wird diese grosse Beweglichkeit begünstigt durch die Kleinheit der Wirbelkörper, durch die Dicke> der Zwischenknorpel und' Bänder, durch Kürze der Queerfortsätze-, Richtung und Kürze der Dornfortsätze , und am Meisten wird die Drehung befördert durch Bau und Richtung der Gelenkfortsätze. Der erste Halswirbel, der T r ä g e r , ist zur Artikulation mit dem Kopfe bestimmt, bildet mit den Gelenkforlsätzen des Kopfes das Gelenk zur Vorwärts - und Rückwärtsbeugung, und selbst an den Kopf befestigt dreht er sich um den Zahn des zweiten Halswirbels oder Umdrehers wie um seine Achse, so dass zwischen dem Hinterhauptsbein und dem Träger die Bewegung nach Vorwärts und Rückwärts , zwischen dem Träger und Umdreher die drehende Bewetrunir o o nach Rechts oder Links Statt findet, Der siebente Halswirbel ist durch seinen längern.

11 gespaltenen, mehr gerade nach Hinten stehenden Dornfortsatz ausgezeichnet, die übrigen Halswirbel haben nichts Besonderes. Dass die Einlenkung des Kopfes nicht in dessen Mitte , sondern mehr gegen Hinten Statt finde, und sowohl die natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule als grosse Muskelkraft erforderlich sei, denselben aufrecht zu halten und s e i n e m Vorwärtssinken zu begegnen t ist schon angedeutet worden. Rückenwirbel. Hier ist die Beweglichkeit mehr beschränkt, das allmählige Zunehmen der Grösse der Wirbelkörper, die schlippenartig auf einander liegenden Dornfortsätze und die dünnern Zwischenknorpelscheiben beschränken die Beweglichkeit. Dazu kommen straffere Bänder und die Anheftung der Rippen , die die Beweglichkeit noch mclir erschweren. Dagegen begünstigt aber die Stellung der Gelenkfortsätzc die Drehung nach der Seile, gleichsam um die Achse der Wirbelsäule. Die Rückenwirbel sind unbeweglicher als andere wahre W i r b e l , und zwar hinsichtlich der Bewegung nach Vornen und Hinten, nach Rechts und L i n k s ; keineswegs aber hinsichtlich der Drehung der grössern Zahl um ihre eigene senkrechte Achse. In der Rückengegend zeigen nämlich die Gelenkflächen der schiefen oder Gelenkfortsätze einen sehr spitzen Winkel mit der Transversalfläche der Körper, und ihre Richtung von Innen nach Aussen und Hinten nach Vornen begünstigt mehr die seitliche, am meisten die drehende Bewegung. Die Körper dieser Wirbel werden immer grösser

13 und hoher je tiefer sie liegen, an den (pueerfortsälzen artikularen die R i p p e n , die Dornfortsätze liegen schupp e n f u r m i g , die Gelenkfortsälze verlaufen aber so ziem lieh in der Richtung von Innen nach Aussen, die sich aber unten immer mehr in die von Hinten nach Vornen umwandelt. Lendenwirbel. Diese sind wieder beweglicher j sie sind aufrechtstehende Zylinder, die sich mit ihren Fortsätzen gegenseitig aufnehmen. Hier sind dickere Zwischenknorpelscheiben , weniger straife Ligamente, kürzere, gerade stehende Dornfortsätze, längere Queerfortsätze. Die Richtung der Gelejikfortsätze ist von Hinten nach Vornen , die obern des untern Wirbels nehmen die untern des obern Wirbels auf. Die längern Queerfortsätze unterstützen die Festigkeit, die kürzern Dornfortsätze die Beweglichkeit, die Gelenkfortsätze verhindern aber die Drehung völlig, und beschränken die Seitenbewegung in Etwas. Die Lendenwirbel können also Vorwärts und Rückwärts bewegt, auch etwas Rechts und Links gebogen, keineswegs aber um ihre Längenachse gedreht werden. Das K r e u z h e i n . Das Kreuzbein ist fest und unbeweglich zwischen den Hüftbeinen eingekeilt, verschiebt sich a b e r , wenn die auf ihm ruhenden Wirbel sich verschieben, und mit sich die Richtung des Beckens, so dass das eine Hüftbein höher wird, als das andere , oder das Becken Vorwärts oder Rückwärts geneigt, o d e r , der Drehung der Wirbelsaule folgend, verdreht und das eine, meistens das niedere Hüftbein nach Vornen gedrängt wird-

15 J a Hinsicht der B e w e g u n g e n nach Vorwärts und Rückwärts und Rechts und L i n k s ist in der Gegend zwischen den Rückenwirbeln und Lendenwirbeln eine Stelle, und eine zweite zwischen dem Kreuzbein und den Lendenwirbeln , in der die B e w e g u n g vorzüglich stark geschieht, und zwischen diesen zwei Stellen liegen Wirbel, die zwar auch beweglich verbunden, aber

doch

beträchtlich weniger beweglich sind, als die an jenen zwei Stellen verbundenen. Die obere biegsame Stelle ist an dem O r t e ,

wo

der unterste Rücken- und oberste Lendenwirbel liegen, uud besieht häutig selbst wieder aus zwei beweglichen Stellen,

die durch einen unbeweglichen W i r b e l

ge-

trennt wird. Anderweitige Untersuchungen wollen zwei

neue

Gelenke an der Wirbelsäule entdeckt h a b e n , das eine soll jedesmal zwischen zwei Dornfortsätzen der Lendenwirbel, das zweite an einigen Rückenwirbeln, namentlich am neunten, zehnten, eilften, deutlicher in der R e g e l am zwölften und sodann an den ersten zwei L e n denwirbeln mit zwei kleinen Gelenkflächen und Gelenkköpfchen Statt haben. An einem nackendcn K ö r p e r ,

der rückwärts ge-

krümmt i s t , bemerkt m a n , wenn er von Hinten

be-

trachtet w i r d , dass die Wirbelsäule an den untersten Rückenwirbeln

und

den Lendenwirbeln nicht gleich-

förmig gebogen ist, sondern dass sie an den bestimmten Stellen stumpfe Winkel bildet.

B e i Verkrümmung

aus übler Haltung besonders zu beachten. Dass

zwischen dem

eilften Rücken - und erstem

Lendenwirbel die Berührungsflächen der Wirbelkörper

14 selbst mehr konkav ausgehöhlt seien, um mehr Knorjielsübslanz aufzunehmen und freiere Bewegung zu gestatten r finde ich unter drei vor mir liegenden Skeletten nur an einem aneredeutet. D Im Ganzen ist das Piesultat der bisherigen Untersuchung der Wirbel : 1) Die Rückenwirbel sind beschränkter in der Vorwärts- ¡und KuckwätJs- , Rechts- und Linksbew e g u n g , aber geneigter Zr*s D r e h u n g um ihre senkrechte Achse ; 2) die Halswirbel sind die beweglichsten, denn sie vereinigen alle Arten der Bewegung in sich; 5) die Lendenwirbel können V o r w ä r t s , Rückwärts und Seitwärts g e b o g e n , aber nicht um ihre senkrechte Achse gedreht werden. E. Bänder und V c r b i n d u n g de r W irLe 1. Die Bänder oder der ligamehtöse Apparat, wodurch die W i r b e l und deren Fortsätze vereinigt werden , theilen sich in i ) die Verbindung der Wirbelkörper, diese geschieht wie f o l g t : Die vordere Wirbelbinde verlauft auf der vordem Seite der Wirbelsäule vom zweiten Halswirbel bis zum Kreuzbein, als flaches faseriges Bändchen, schmal und dünn am Nacken , breiter und dicker am Rücken und den Lenden; ihre hintere Fläche liegt auf den Wirbelkörpern und Faserknorpeln. Die hintere Wirbelbinde verlauft an der hintern Fläche der Wirbelkörper im Rückenmarkskanale vom zweiten Halswirbel bis zum Kreuzbein, als langes Bändchen, schmäler als die vordere.

15 Die faserigen Zwischenwirbelknorpel sind gleichsam geschmeidige elastische Kissen zwischen deii W i r belkürpern in den Zwischenräumen, die die W i r b e l "trennen, vom zweiten und dritten Halswirbel bis zur Verbindung des leztcn Lendenwirbels mit dem Kreuzbein. Ihre Gestalt ist in jeder Gegend mit der der W i r b e l , zwischen denen sie liegen, genau •übereinkommend , sie wachsen an Grösse und Dicke vom Nackeij : a n , wo sie ziemlich dünn sind, bis zu den L e n d e n , wo sie am dicksten sind. Im Nacken und an den Lenden sind sie Vornen dicker als Hinten, am Rücken Hinten dicker als Vornen. Sie hängen mit ihrer obern und untern Seite fest an den entsprechenden Flächen der W i r b e l , ihr vorderes Ende vereinigt sich mit der vordem, ihr hinteres mit der hintern Wirbelbinde« ; Die Zwischenwirbelknorpel sind ön ihrer . Aussenseite von faserigen Bändern eingeschlossen. Sie sind fest, haben einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt und die Fasern liegen schräg kreuzweise gegeneinander. ; Diese Fasern wenigor an der Zahl Hinten als Vornen, lassen Räume zwischen sich, die gegen die Mitte jedes'Knorpels zunehmen. Man findet in den Zwischenräumen eine 6aftige klebrige Masse., die in ihnen eingeschlossen ist. Diese Fascrknorpel geben der Wirbelsäule ihre Biegsamkeit und Schnellkraft. 2) Die Verbindung der schrägen oder Gelenkfortsätze. Die Oberflächen der Gelenkfortsätze sind mit Knorpelscheibchen überklcidet, und durch starke Bänder, die aus kurzen Fasern bestehen, zusammengehalten, und im Rücken und den Lenden durch die gelblichteri Bänder verstärkt.

i6* 5 ) Die Verbindung der Wirbelbogen. Die gelblichten Bänder erfüllen den Raum zwischen den Wirbelbogen vom zweiten Nacken- bis lezien Lendenwirbel. Es sind eigene, starke, feste, sehr elastische, gelbliche Bänder, am Halse dünn und schmal, gegen Unten zu immer dicker und stärker. 4 ) Verbindung der Dornfortsätze. Die Zwischendornbändpr füllen die Piäume zwischen den Dornfortsätzen im Rücken und den Lenden aus. Jm Nacken sind sie durch Muskeln verstärkt. Sie gleichen schmalen, häutigen Bändern, und erhallen ihre Gestaltung nach den Räumen, in denen sie liegen. Sie sind zarter am R ü c k e n , derber an den Lenden. Hieher gehören noch 5 ) die Bänder zwischen den Spitzen der Dornfort^ sätze, die die Spitzen der Dornfortsätze hinten vom siebenten Halswirbel his zum Kreuzbein verbinden, und endlich 6 ) die Verbindung der Queerfortsatze, die durch bandartige Fasern an den untern Rückenwirbeln bewirkt wird. Von den grossen Band-Apparaten, die einerseits den Kopf, anderseits das Becken mit dem Rückgrathe vereinigen, wird: an seinem Orte die Rede sein. Von den Bandscheiben, die wie ein zusammendrückbares und ausdehnbares Polster zwischen den Wirbelkörpern liegen, hängt die Beweglichkeit der Wirbelsäule ab. Die Höhe der Bandscheiben scheint den Grad der Beweglichkeit zu bestimmen. Die unbeugsamsten Wirbel haben die niedrigsten Bandscheiben ; die Lendenwirbel die höchsten. Die Bandscheibe zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel ist sehr

17 dünn,

und diese beiden Wirbel können auch Itaum

aufeinander gebogen werden, weil sonst der Zahn des zweiten das Rückenmark drücken würde. Am Halse und an den Lenden sind diese Bandscheiben Vornen dicker als Hinten, am Rücken ist es umgekehrt. Obwohl die Bandscheiben der Halswirbel bei Weitem nicht so hock Miid,

als die der Lendenwirbel,

so kann die Beweglichkeit der erstem dennoch grösser sein,

weil ihre Verbindungsflächen

klein,

und die

Körper selbst niedrig sind. Das Mittel der Höhe aller Bandscheiben Vornen, in der Mitte, wo sie am höchsten, und Hinten, wo sie am niedrigsten, sind, gemessen, beträgt ungefähr ein Fünftheil des senkrechten Abstandes des obersten und untersten Punktes der Säule der wahren Wirbel, die Höhe der in der Mitte gemessenen Bandscheiben etwas mehr als ein Vierzehnlheil der Höhe des ganzen Körpers.

Durch den Druck der Last des Körpers auf

diese Knorpelscheiben verliert die Wirbelsäule am Tage während der aufrechten Haltung des Körpers einige Linien von ihrer Höhe, die sieh während der Nacht wieder ersetzen. Die Schnellkraft der Bänder

mässigt

den Stoss,

der auf die Achse der Wirbelsäule trifft, sie sind die Kraft,

um die gerade Stellung wieder herzustellen,

wenn das Rückgrath gebogen war. Die Angel

Zwischenwirbelknorpel

sind einer Art von

zu vergleichen, um die die Bewegung

Statt

findet. Ueber die Kraft, mit der diese Bänder wirken, sagt schon Borelli:

18 Wenn ein Knorpelband, das die Flache zweier Wirbel verbindet, schief vom obenliegenden Wirbel zusammengedrückt wird, so wird ein Theil des Knorpels zusammengedrängt, ein anderer auseinandergezogen, und da derselbe die Natur eines elastischen Bogens hat, so muss e r , je mehr er auseinander gedehnt wird, um so mein- auch nach Zusammenziehung streben, und auf diese Weis» den obern entfernteil Theil des Knochens gegen den andern ziehe»; und der allzusehr gedrückte Theil des Knorpels strebt sich auszudehnen, und strebt die zu sehr genäherten Knochen von einander zu entfernen. Dieses muss nothwendig geschehen, weil die Substanz der Knorpel fest und zähe ist, ob sie gleich mitunter auch weich erscheint, daher sie die Wirkung eines elastischen Bogens äussert, wie auch die Erfahrung lehrt. D a nun die Fasern der Knorpel .auch ! in: ausgedehntem Zustande stärker sind als die Fasern der Rückenmuskeln, sogar nach ihrer Zusammenziehung, so folgt, dass wenn Wirbelknorpel und RückenmusIteln mit gesammten Kräften zur Unterstützung einer L a s t zusammentreten, diese mit grösserer Kraft von den Knorpeln gcstiizt werde, und die Muskeln nur geringere Wirkung dabei äussern als diese. Da die Festigkeit und Haltbarkeit der Knorpel grösser i s t , als die der Muskeln von gleicher Dicke; ( d e n n die Knorpel tragen ein schwereres Gewicht) und die Kraft der Muskeln ihre Zähigkeit und Haltbarkeit nicht überschreitet, denn sonst würden sie zerreissen, so ist die Wirksamkeit der Knorpelfasern auch grösser, als die der Muskelfibern. Die Kraft der

19 Knorpelfasern stüzt also in der Ruhe eine grössere Last, als die der Muskeln ; da nun die Muskeln, die das Rückgrath bewegen, schlaffe und weniger gedrängt liegende Fasern haben , und die Dicke der Bänder, die die W i r b e l vereinigen, kaum überschreiten, so kann man annehmen, dass die Kraft der Bänder, indem sie der Beugung und Ausdehnung der Wirbelsäule widerstreben'; das Dreifache sei von der Kraft, die die>Äan, und beide Schulterblätter stehen flügelartig hervor. Die Gewohnheit beide Oberalme widernatürlich stark vorwärts hängen zu lassen, Beschäftigung, die stetes Vorwärtsneigen des Oberkörpers erfordert, kurzes Gesicht, das den Gegenständen genähert wird, tiefes Ausschneiden der Frauenkleidcr, so dass die Schulterblätter fast ganz enlblösst liegen, mit ihrem untern Winkel beständig auf den Kleidungsstücken ruhen, wodurch sie in die Höhe gehoben werden,

155 Schwäche der Muskeln, die das Rückgrath nach Hinten gestreckt erhalten sollen, und dergleichen mehr sind die Ursachen dieses. Uebels. Die Muskeln derjenigen Personen, die lange an diesem Uebel leiden, verändern sich. Diejenigen Muskeln, die das Schulterblatt bewegen sollen, verlieren ihre Kraft und schwinden, nur die Aufhebemuskeln nehmen an Ausbildung z u , und d