Origenes: Die Homilien und Fragmente zum Hohelied 9783110461619, 9783110464405

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Origenes: Die Homilien und Fragmente zum Hohelied
 9783110461619, 9783110464405

Table of contents :
Einleitung
I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1. Die Übersetzung des Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2. Der literarische Charakter der Hoheliedhomilien . . . . . . . . . 5
3. Theologie und Spiritualität der Hoheliedauslegung . . . . . . . 10
a) Sehnsucht nach Gott – die dramatische Szenerie und ihre
spirituelle Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
b) Universaler Eros – platonischer und biblischer
Liebesbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
c) Eros und Psyche – die Individualität der Liebe . . . . . . . . 24
d) Liebe mit allen Sinnen – die Theorie der geistigen Sinne 29
4. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Homilien . . . . . 35
II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied . . . . . . . . . . . . . . . 37
1. Das Fragment aus dem kleinen Hoheliedkommentar der
Jugendzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2. Die Fragmente aus dem großen Hoheliedkommentar . . . . . 40
a) Literarischer Charakter und Wert der Katenenfragmente 40
b) Grundgedanken der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
c) Das Liebesziel des Aufstiegs der Seele – die Flucht mit dem
Einen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Fragmente . . . . 52
4. Synopse der Zählung der Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
III. Übersicht über die ausgelegten Hoheliedverse . . . . . . . . . . . . . 56
1. In den Homilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2. In den Fragmenten aus dem Hoheliedkommentar . . . . . . . . 57
Die Homilien des Origenes zum Hohelied in der
Übersetzung des Hieronymus
Prologus – Vorwort: Hieronymus an den seligen Papst Damasus . . 62
Lateinischer Bibeltext der ersten Homilie (Hld. 1,1–1,12a) . . . . . . . 64
Homilia prima – Erste Homilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Lateinischer Bibeltext der zweiten Homilie (Hld. 1,12b–2,14) . . . . 96
Homilia II – Zweite Homilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Fragmente
Das Fragment aus dem Hoheliedkommentar der Jugendzeit . . . . . . 140
Die Fragmente aus dem Hoheliedkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Fragmente aus den verlorenen Büchern IV-X . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Das Fragment aus den Hoheliedhomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Bibliographie
Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Editionen und Übersetzungen der Hoheliedhomilien . . . . . . . . . 249
Editionen und Übersetzungen der Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
Register
Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Citation preview

Origenes Werke mit deutscher Übersetzung 9/2

Origenes Werke mit deutscher Übersetzung Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster herausgegeben von Alfons Fürst und Christoph Markschies

Band 9/2

De Gruyter

Origenes Die Homilien und Fragmente zum Hohelied Eingeleitet und übersetzt von Alfons Fürst und Holger Strutwolf

De Gruyter

ISBN 978-3-11-046161-9 e-ISBN 978-3-11-046440-5 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Satz: pagina GmbH, Tübingen © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Einleitung I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Übersetzung des Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der literarische Charakter der Hoheliedhomilien . . . . . . . . . 3. Theologie und Spiritualität der Hoheliedauslegung . . . . . . . a) Sehnsucht nach Gott – die dramatische Szenerie und ihre spirituelle Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Universaler Eros – platonischer und biblischer Liebesbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eros und Psyche – die Individualität der Liebe . . . . . . . . d) Liebe mit allen Sinnen – die Theorie der geistigen Sinne 4. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Homilien . . . . .

3 3 5 10

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Fragment aus dem kleinen Hoheliedkommentar der Jugendzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fragmente aus dem großen Hoheliedkommentar . . . . . a) Literarischer Charakter und Wert der Katenenfragmente b) Grundgedanken der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Liebesziel des Aufstiegs der Seele – die Flucht mit dem Einen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Fragmente . . . . 4. Synopse der Zählung der Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Übersicht über die ausgelegten Hoheliedverse . . . . . . . . . . . . . 1. In den Homilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In den Fragmenten aus dem Hoheliedkommentar . . . . . . . .

56 57 57

10 18 24 29 35

38 40 40 43 47 52 54

VI

Inhalt

Die Homilien des Origenes zum Hohelied in der Übersetzung des Hieronymus Prologus – Vorwort: Hieronymus an den seligen Papst Damasus . . Lateinischer Bibeltext der ersten Homilie (Hld. 1,1–1,12a) . . . . . . . Homilia prima – Erste Homilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lateinischer Bibeltext der zweiten Homilie (Hld. 1,12b–2,14) . . . . Homilia II – Zweite Homilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 64 66 96 100

Fragmente Das Fragment aus dem Hoheliedkommentar der Jugendzeit . . . . . . Die Fragmente aus dem Hoheliedkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragmente aus den verlorenen Büchern IV-X . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fragment aus den Hoheliedhomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 142 186 246

Bibliographie Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Editionen und Übersetzungen der Hoheliedhomilien . . . . . . . . . Editionen und Übersetzungen der Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 249 251 252

Register Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 267 278

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied 1. Die Übersetzung des Hieronymus Die beiden Hoheliedhomilien, die von Origenes erhalten sind, sind von Hieronymus 383/84 in Rom aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzt und Papst Damasus gewidmet worden.1 Er schloss damit die Reihe seiner frühen Origenes-Übersetzungen ab, nachdem er in Konstantinopel 380/81 am Beginn seiner exegetischen Karriere die Jeremia-, Ezechiel- und Jesajahomilien übertragen hatte. Später übersetzte er von Origenes nur noch die Lukashomilien (392/93) und, mitten im Streit über die Rechtgläubigkeit des Origenes und als Kampfübersetzung, De principiis (398/99).2 Das Bild, das sich der lateinischsprachige Westen des Römischen Reiches, der des Griechischen zunehmend weniger oder gar nicht mehr mächtig war, vom griechischen Theologen Origenes machte, wurde damit grundlegend von diesen ersten Übersetzungen des Hieronymus geprägt, ehe Rufinus von Aquileja 398 mit seiner großen Reihe von Origenes-Übersetzungen begann (und zwar mit De principiis), die er bis an sein Lebensende 411/12 fortführte (Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus und Numeri, Josuahomilien, Samuelhomilien, Psalmenhomilien, Römerbriefkommentar, schließlich die ersten drei Bücher des Hoheliedkommentars, der unvollendet blieb). Die beiden Hoheliedhomilien, die sich im Rahmen dieser umfangreichen Produktion von Übersetzungen recht bescheiden ausnehmen, sind deshalb so wichtig, weil Hieronymus in dem Vorwort, das er ihnen vorausschickte, Origenes mit einem Lob bedachte, das keiner Steigerung mehr fähig war: „Während Origenes bei den übrigen Büchern (sc. der Bibel) alle übertroffen hat, hat er sich beim Hohelied selbst übertroffen.“3 Rufinus bezeugt die enorme Wirkung, die Hieronymus damit entfachte: Mit diesem überschwänglichen Lob „weckte er bei jedermann das Verlangen, Origenes zu lesen und gründlich zu studieren“.4 Die Übertragungen der origenei1 2

3

Hieronymus, in Cant. hom. Orig. prol. (GCS Orig. 8, 26). Siehe unten S. 62 Anm. 1. Zu den Beziehungen zwischen Damasus und Hieronymus siehe Fürst, Hieronymus 28 f. 83 f. 166–168. 227–230. Während die Übersetzungen der genannten exegetischen Schriften des Origenes jeweils erhalten sind, sind von seiner De principiis-Übertragung nur noch die Auszüge bekannt, die Hieronymus in einem Brief aus dem Jahr 408 selbst mitteilt: epist. 124 (CSEL 56, 96–117). Hieronymus, in Cant. hom. Orig. prol. (GCS Orig. 8, 26).

4

Einleitung

schen Prophetenhomilien, die Hieronymus in Konstantinopel zunächst wohl primär zu eigenen Studienzwecken angefertigt hatte, scheinen demgegenüber weniger stark gewirkt zu haben. So befanden sich die Jeremiahomilien zusammen mit den beiden Hoheliedhomilien 391 in Karthago, wie aus einem Brief des Hieronymus an Bischof Aurelius von Karthago aus diesem Jahr hervorgeht, der zusammen mit den neugefundenen Augustinusbriefen entdeckt worden ist.5 Und die Ezechielhomilien lagen Rufinus vor, denn wie auf die Hoheliedhomilien rekurrierte er auch auf das Vorwort des Hieronymus zu dieser Übersetzung und auf das Lob, das er Origenes darin gespendet hatte, nämlich der „zweite Lehrer der Kirche nach den Aposteln“ zu sein.6 Seine Übersetzung einer Auswahl von Jesajahomilien, die Rufinus ebenfalls vorlag,7 scheint Hieronymus jedoch verschwiegen zu haben,8 vermutlich weil er nicht mit den trinitarischen Spekulationen darin in Verbindung gebracht werden wollte, auf die nach der Etablierung der nizäno-konstantinopolitanischen Orthodoxie im Glaubensbekenntnis des Konzils von Konstantinopel im Jahr 381 der Verdacht der Häresie gefallen war.9 Diese Origenes-Übersetzungen des Hieronymus waren im Westen also bekannt, haben aber, glaubt man dem Zeugnis des Rufinus, keine mit der Übersetzung der beiden Hoheliedhomilien vergleichbare Wirkung hervorgerufen. Mit dieser Übersetzung präsentierte Hieronymus Origenes so, wie er ihn sah und wie er ihn seinem Lesepublikum im Westen zeigen wollte. Damit scheint er überaus erfolgreich gewesen zu sein. Teil des Erfolgs dürfte auch gewesen sein, dass Hieronymus seine Übersetzung sorgfältig stilisierte und ein zwar einfaches, doch sprachlich gutes Latein bot.10 In den Erläu4

Rufinus, princ. Orig. praef. 1 (GCS Orig. 5, 3; CChr.SL 20, 245). Übersetzung: p. 73 Görgemanns/Karpp. Das ganze Vorwort des Hieronymus zu den Hoheliedhomilien zitiert Rufinus, c. Hieron. II 17 (CChr.SL 20, 96 f.). Siehe auch unten S. 62 Anm. 4. 5 Hieronymus, epist. 27*,2 int. epist. Aug. (CSEL 88, 131). 6 Hieronymus, in Hiez. hom. Orig. prol. (GCS Orig. 8, 318), aufgegriffen von Rufinus, princ. Orig. praef. 1 (GCS Orig. 5, 3 f.; CChr.SL 20, 245). Das ganze Vorwort des Hieronymus zu den Ezechielhomilien zitiert Rufinus, c. Hieron. II 16 (CChr.SL 20, 96). 7 Das geht aus Rufinus, c. Hieron. II 31 (CChr.SL 20, 106 f.) und II 50 (20, 122), hervor. 8 Während Hieronymus die übrigen Homilien, die er von Origenes übersetzte, im berühmten Schlusskapitel von De uiris illustribus, in dem er stolz seine eigene literarische Produktivität bis 392/93 vor Augen führt, erwähnt: vir. ill. 135,2.4 (p. 262 Barthold), nennt er die Jesajahomilien weder hier noch andernorts in seinen späteren Schriften. 9 Siehe dazu Fürst, Jerome Keeping Silent; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 176–180. 10 Siehe dazu unten S. 63 Anm. 7.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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terungen des Origenes zum Text des Hoheliedes von Hld. 1,1 bis 1,12a (Homilie I) und von Hld. 1,12b bis 2,14 (Homilie II) kommen grundlegende Gedanken seiner Theologie und seines religiösen Denkens zur Sprache, wie er sie nicht zuletzt anhand des Hoheliedes entwickelt hat. Welchen Origenes also zeigt die „Kostprobe seiner Gedanken“, als die Hieronymus die beiden Homilien anpreist?11

2. Der literarische Charakter der Hoheliedhomilien Bei einer ersten Lektüre dieser beiden Predigten ist der Eindruck, hier werde so etwas wie eine Zusammenfassung der Hohelied-Exegese des Origenes zu den behandelten Versen geboten, nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Erläuterungen zu einzelnen Versen sind in den Homilien des Origenes generell zwar nicht so ausführlich wie in seinen sehr umfangreichen Kommentaren. Gleichwohl gibt es auch in den Homilien ausgesprochen eindringliche Exegesen zu einzelnen Versen oder sogar zu bestimmten Wörtern, in denen Origenes seine intellektuell wie spirituell tiefsinnige Theologie entfaltet.12 Die Erklärungen zu den immerhin 31 Versen in Hld. 1,1–2,14 in den beiden Hoheliedhomilien fallen demgegenüber vergleichsweise knapp aus.13 Bisweilen, besonders in den Schlussteilen der Homilien, geht Origenes den Bibeltext sogar recht rasch durch und werden die Erklärungen immer spärlicher.14 Es werden nicht komplexe Gedankengänge entfaltet – was in den intellektuell anspruchsvollen Homilien des Origenes durchaus nicht unüblich ist –, sondern knappe Gedanken geboten. Es handelt sich weitgehend um einen paraphrasierenden Durchgang durch den Text, wobei der dramatische Handlungsablauf, den Origenes im Hohelied erkennt, aufgedeckt wird. Nur gelegentlich werden Erklärungen des tieferen Sinns oder Hinweise dazu eingeschaltet, ohne freilich allzu sehr in die Tiefe zu gehen. Dieser Charakter der Auslegung spiegelt sich in der sehr einfachen Sprache: Der Prediger bedient sich kurzer, klarer Sätze mit griffigen Aussagen; längere Perioden sind selten. 11 Hieronymus, in Cant. hom. Orig. prol. (GCS Orig. 8, 26). 12 Ein Paradebeispiel ist das Wort unus in der Junktur erat uir unus in 1 Sam. 1,1, von dem aus Origenes in der Predigt dazu die Kerngedanken seines metaphysischethischen Einheitsdenkens vorstellt: in Regn. hom. lat. 4–7 (GCS Orig. 8, 5–13). Siehe dazu Fürst, OWD 7, 31–59. 13 Diesen Eindruck hat auch Simonetti, Omelie xxix–xxx. Einen Vergleich der exegetischen Verfahren im Kommentar und in den Homilien gibt Torjesen, Origen’s Exegesis 54–62 (mit einem erhellenden Beispiel ebd. 59 f.), dazu die Tabellen ebd. 156–165. 14 Vgl. für die zweite Homilie in Cant. hom. 2,12 f. über Hld. 2,9–14. Gegen Ende der ersten Homilie werden die Begriffe „Turteltaube“ und „Collier“ aus Hld. 1,10 in Cant. hom. 1,10 gar nicht mehr erklärt.

6

Einleitung

Auf rein intertextueller Ebene kann man die literarische Beziehung zwischen den Predigten und dem Kommentar je nach Chronologie unterschiedlich deuten. Wenn die Predigten später sind – um 245, der Kommentar um 24015 –, ließe sich ihr literarischer Charakter so auffassen, dass sie eine Zusammenfassung der im Kommentar ausführlich entwickelten Auslegungen bieten. Dann liefern die Homilien gleichsam ein Kondensat der Auslegungsinhalte, manchmal auch nur Teile davon. Wenn die Predigten vor dem Kommentar gehalten worden sind – zwischen 238 und 242 (oder 239 und 241), der Kommentar um 245/4716 –, dann ließen sie sich, erneut rein intertextuell, als Skizze für die ausführlichen Exegesen im Kommentar lesen. Da keinerlei Nachrichten darüber überliefert sind, wann Origenes diese Predigten gehalten hat, gibt es keine Möglichkeit, zu einer Entscheidung zwischen diesen Alternativen zu kommen. Lebensweltlich dürften beide ohnehin nicht funktionieren. Die wissenschaftlichen Kommentare und die gottesdienstlichen Predigten des Origenes stehen, soweit wir das aus den erhaltenen Werken ersehen können, nicht in der Beziehung zueinander, dass Origenes die Predigten als Skizzen für die Kommentare oder als deren Zusammenfassungen oder Auszüge gehalten hätte. Beide Gattungen stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. In beiden exegetischen Formen legt er intensiv den jeweiligen Bibeltext aus, in den Kommentaren viel ausführlicher und anspruchsvoller als in den Predigten, weil letztere durch ihre liturgische Einbettung und einen, auch wenn Origenes manchmal sehr lange gepredigt hat, begrenzten Zeitrahmen gewissen Beschränkungen unterlagen. Im Prinzip aber behandelte er den Bibeltext in den Predigten nicht wesentlich anders als in den Kommentaren.17 So gesehen, fallen die beiden Hoheliedhomilien mit ihren oft sehr knappen Erklärungen der einzelnen Verse etwas aus dem Rahmen seiner üblichen Predigten. Am ehesten sind sie zwar nicht in ihrer Länge, wohl aber im Charakter der Auslegung mit den ungewöhnlich kurzen Predigten zum Lu-

15 So die überwiegende Tendenz der Forschung: Bardenhewer, Geschichte II, 132. 142; Rousseau, SC 372, 9; Lawson, ACW 26, 17; Ceresa-Gastaldo, Dimensione dell’amore 187; Bre´sard/Crouzel/Borret, SC 375, 10–12; Simonetti, Omelie xv; Barba`ra, BPat 42, 65; Limone, I nomi dell’amore 408. 16 So Nautin, Orige`ne 380–384. 408–411 (dem Perrone, Dramatic Interpretation 73, sich anzuschließen geneigt ist), übernommen von King, Marriage-Song 9–11. Nautins Datierung hängt allerdings an der falschen Chronologie, in die er die Homilien des Origenes gebracht hat. Zu deren Widerlegung siehe Fürst/Hengstermann, OWD 10, 20–23. 17 So auch Torjesen, Origen’s Exegesis 61. Nach Ohly, Hohelied-Studien 18 f., ist „eine grundsätzliche Verschiedenheit der exegetischen Methode“ nicht festzustellen: „Die eigentümliche Mischung von exegetischer Methode und erbaulichem Anliegen ist den Homilien und den Kommentaren, wenn auch mit Verschiebung der Akzente, gemeinsam.“

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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kasevangelium aus den Jahren 233/34 vergleichbar, die von allen Homilien des Origenes am meisten den Eindruck eher von Skizzen als von ausgeführten Predigten machen.18 Auch die sehr geringe Zahl von nur zwei Homilien ist ungewöhnlich, doch scheint Origenes tatsächlich nicht mehr Predigten über das Hohelied gehalten zu haben, denn auch im Werkkatalog des Origenes, den Hieronymus überliefert, sind nur zwei Hoheliedhomilien verzeichnet.19 Dennoch machen sie den Eindruck eines organischen und vollständigen Ganzen.20 Über die Gründe für die geringe Anzahl lässt sich nur spekulieren. Vielleicht waren schlicht äußere Umstände dafür verantwortlich. Vielleicht aber hat Origenes auch seine Ansicht umgesetzt, dass das Hohelied kein Text für Anfänger im Glauben, sondern für Fortgeschrittene ist.21 Origenes scheint die beiden Predigten so angelegt zu haben, dass er seiner Gemeinde in Caesarea in der Tat eine Art Einführung in das Hohelied gegeben hat, in der er einerseits eine in sich abgerundete Darstellung der Spiritualität seiner Liebesmystik gibt, die auch für die ,einfachen‘ Christen verständlich ist, andererseits aber nicht allzu weit in die Tiefe geht und den Bibeltext auch nicht bis zum Ende durchkommentiert, weil der Höhepunkt der Vereinigung der Seele mit dem Wort Gottes eigentlich nur den ,vollkommenen‘ Christen zugänglich ist. Die beiden Homilien liefern damit ein Paradebeispiel dafür, dass Origenes in den Predigten den Bibeltext wesentlich einfacher erklärt als in den Kommentaren. Da das nicht für alle Homilien gilt, ja in nicht wenigen Homilien ganz anders ist, könnte man vermuten, dass dies in diesem Fall mit dem speziellen Bibeltext zu tun hat. Origenes betrachtete das Hohelied explizit als Text für ethisch wie intellektuell reife Christen.22 Die Unterschiede zwischen dem Kommentar und den Homilien dürften daher hauptsächlich daran liegen, dass Origenes unterschiedliche Rezipienten vor sich hatte und den Bibeltext in einer Predigt wesentlich einfacher erklärte.23 Dass er dennoch über dieses biblische Buch predigte, zeigt freilich, dass er die Unterscheidung im Niveau von Christsein zwischen ,einfachen‘ und ,fortgeschrittenen‘ bzw. ,vollkommenen‘ Christen nie in exklusivem Sinn gemeint

18 So die richtige Beobachtung von Sieben, FC 4, 31, der aus der Eigenart der Lukashomilien, die „erheblich kürzer als die übrigen uns überlieferten Bibelhomilien“ sind, die Schlussfolgerung zieht: „Es scheint sich also nicht um von Schnellschreibern angefertigte Mitschriften wirklich gehaltener Predigten, sondern eher um Notizen des Predigers selber zu handeln.“ 19 Vgl. Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 257): In Cantico Canticorum omeliae II. 20 So Simonetti, Omelie xxvi. 21 So eine Vermutung von Simonetti, Omelie xxvi–xxvii. 22 Siehe dazu in Cant. comm. prol. 1,4–7. 23 So Torjesen, Origen’s Exegesis 60 f.

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Einleitung

hat. Auch an Gedanken, die eine nicht geringe moralische, intellektuelle und spirituelle Reife voraussetzen, ließ er die einfachen Leute, mit denen er es im Gottesdienst vor allem zu tun hatte, teilnehmen. Angetrieben von dem Impetus, als Prediger zum ethisch-spirituellen Fortschritt seiner Gemeinde beizutragen, mutete Origenes seinen Zuhörern Kerngedanken seines komplexen philosophisch-theologischen Denkens zu, auch wenn diese anspruchsvoll waren. Im Blick auf seine Hoheliedauslegung tat er dies offenbar nur in einem gewissen Ausmaß, denn die tiefschürfenden Gedanken, die er im Kommentar zum Hohelied entfaltete, ließ er in den Predigten darüber allenfalls anklingen. Aber auch so sind sie ein beredtes Zeugnis dafür, wie ernsthaft Origenes sich bemühte, alle Mitglieder seiner christlichen Gemeinde, auch die große Zahl der einfachen Leute unter ihnen, an das Niveau von Christsein heranzuführen, das seine Idealvorstellung war. Denn „auch zu denen, die noch nicht vollkommen sind“, meinte er und sprach dabei besonders die Katechumenen an, also Leute, die Christen erst noch werden wollen, „kann gesagt werden: ,Führt mich in das Haus des Weines hinein!‘ (Hld. 2,4)“.24 Von Beginn der ersten Homilie an fordert Origenes seine Zuhörer daher dazu auf, sich nach ihren Möglichkeiten auf die Inhalte des Hoheliedes einzulassen, in der Sprache der Bilderwelt des Hoheliedes: dem Bräutigam Christus so nahe wie möglich zu kommen. Er stellt den Hörern die vier Rollen vor Augen, die er im Hohelied entdeckt: die Braut mit ihren Begleiterinnen (den Mädchen) und den Bräutigam mit seinen Gefährten, und legt ihnen ans Herz, sich je nach persönlicher Entwicklung – in absteigender Folge – der Braut, den Gefährten des Bräutigams oder den Mädchen anzuschließen: „Wenn du das verstanden hast, höre das Lied der Lieder und beeile dich, es zu verstehen und mit der Braut das zu sagen, was die Braut sagt, damit du hörst, was auch die Braut gehört hat. Wenn du aber nicht mit der Braut sagen kannst, was die Braut gesagt hat, um das zu hören, was der Braut gesagt worden ist, beeile dich wenigstens, dich den Gefährten des Bräutigams anzuschließen. Wenn du zudem auch geringer als jene bist, halte dich an die Mädchen, die in der Gunst der Braut stehen.“25 Offenbar befürchtet Origenes, „dass die vielen Mädchen vielleicht wir sind“.26 Von diesem Ausgangspunkt aus, der untersten Stufe des ethischen und spirituellen Aufstiegs, benutzt Origenes den Text des Hoheliedes, um den verschiedenen Christinnen und Christen in seiner Gemeinde die einzelnen Etappen des Weges zu Gott aufzuzeigen.27 Dem entsprechend sind seine 24 25 26 27

In Cant. hom. 2,7. Vgl. auch Simonetti, Omelie xxxi. In Cant. hom. 1,1. In Cant. hom. 2,7. Zu dieser „Reise der Seele“ siehe Torjesen, Origen’s Exegesis 85–107, für die Hoheliedhomilien 87–92.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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Ausführungen, wie das auch in seinen anderen Predigten der Fall ist,28 von der Mahnung durchzogen, Buße zu tun29 und sich von der Sünde abzuwenden,30 um wie der Apostel Paulus laut 2 Kor. 2,15 „Christi Wohlgeruch“ zu werden31 und wie die vollkommene Seele der Braut mit dem Bräutigam Christus vereint werden zu können: „Vereinige dich wie die Braut mit den Gedanken des Bräutigams.“32 Nach dem Auszug aus Ägypten, das für die Sünde steht, und dem Durchzug „im Geiste“ durch die Wüste soll der Zuhörer „das heilige Land in Besitz nehmen“. Er soll auf diesem Weg „eine schöne Seele“ werden, um als solche mit dem Bräutigam das Hohelied zu singen,33 und umgekehrt soll „die innigere Umarmung des Bräutigams auch meine Braut“, also die Seele des Zuhörers, „einmal umfassen“.34 Beide Predigten lässt Origenes in ein Stadium münden, das direkt auf die Vervollkommnung der Seele und ihre Vereinigung mit dem Wort Gottes hinführt. Die erste Predigt endet mit der „Schönheit der Braut“ und einem Ausblick darauf, dass „der Bräutigam selbst dein Denken und deinen Sinn schmücken“ wird – so in direkter Anrede an jeden einzelnen Zuhörer.35 Und am Ende der zweiten Homilie wird die Aufforderung in Hld. 2,14: „Zeige mir dein Antlitz!“ auf die Seele bezogen, die „bereits geschmückt und hergerichtet ist“ und der in Aussicht gestellt wird, „mit unverhülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn zu schauen“.36 Origenes hat die Predigten offensichtlich so angelegt, dass er seine Zuhörer von der ersten Stufe des spirituellen Aufstiegs, der ethischen Reinigung von Lastern und Sünden, bis dahin führt, dass sie einen Blick auf das erstrebte Ziel, die endgültige Vereinigung der Seele mit Gott, werfen.37 Um dieses Ziel zu erreichen, bezieht er während der Predigt die einzelnen Aussagen des Bibeltextes mit einem nachdrücklichen „auch du“38 oder „auch ich“39 immer wieder auf die Zu28 Siehe dazu Fürst, OWD 7, 16–26. 29 In Cant. hom. 1,6. 30 Jacobsen, Teacher of Salvation 216–223, hebt diesen Punkt hervor: In einer Predigt vor meist einfachen Christen ist es notwendig, diesen Aspekt zu betonen, um die Zuhörer überhaupt erst in den moralischen Zustand zu bringen, tiefere Gedanken über die Vereinigung der Seele mit dem Wort Gottes erfassen zu können. Siehe dafür das Beispiel bei Torjesen, Origen’s Exegesis 61, ferner ebd. 89 f. für die „Reinigung“ als notwendige erste Stufe zur Einführung in die Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse. 31 In Cant. hom. 2,2. 32 In Cant. hom. 1,3. 33 In Cant. hom. 1,1. Zur Schönheit der Seele vgl. ebd. 1,3. 34 In Cant. hom. 1,2. 35 In Cant. hom. 1,10. 36 In Cant. hom. 2,13. 37 So auch die Interpretation von Torjesen, Origen’s Exegesis 91 f., allerdings mit einer Engführung auf „Erkenntnis“. Das gilt auch für ihre Deutung der Anlage des Kommentars: ebd. 93–96.

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hörer und ermahnt sie, dass das, worum es ihm geht, auch über die Zeit der Predigt hinaus gilt, ja dann erst wirklich in ihrem Leben relevant wird. Seine Erörterungen über das Lob, das der Schönheit der einzelnen Körperteile der Braut gespendet wird, sollen dahin führen, „dass wir uns“ nach der Predigt „anstrengen, dass auch zu unserer Seele Entsprechendes gesagt wird“.40

3. Theologie und Spiritualität der Hoheliedauslegung a) Sehnsucht nach Gott – die dramatische Szenerie und ihre spirituelle Bedeutung Origenes hat das Hohelied als dramatisch gestaltetes Hochzeitslied41 und als Bild für die Gottesbeziehung der Seele in ihrer individuellen und kollektiven Dimension aufgefasst.42 Die dramatische Szenerie, die Origenes aus der Textfolge des Hoheliedes entwickelt, bildet die Basis für seine spirituelle Deutung. Diese literarische Textbasis behält er immer streng im Blick und erläutert sie bei jedem Vers. Gelegentlich wiederholt er die Schilderung einer Szene und malt diese aus, indem er auf Gefühle (Sehnsucht, Freude), Landschaft (Berge, Hügel), Orte (Zelte, Häuser, Schlafgemach, Lager), Tageszeit (Mittag) oder Jahreszeit (Winter, Frühling) eingeht. Und zuweilen greift er vor und zurück, um eine Szene möglichst plastisch vor Augen zu stellen. Im Kommentar verleiht Origenes der Szenenfolge stärkere dramatische Konturen, während in den Homilien die Dialogsituation in den Vordergrund tritt.43 Gleichwohl wird die dramatische Anlage, die Origenes im Hohelied entdeckt, auch in den Homilien deutlich. Olivier Rousseau hat dazu acht Szenen ermittelt, die man sich regelrecht wie ein Bühnenstück vorstellen kann.44 Da sich die Beschreibung der literarischen Szenerie und

38 In Cant. hom. 1,6; 2,1; 2,2; 2,5. Viele Du-Anreden ebd. 2,8 und 2,12. 39 In Cant. hom. 2,10. 40 In Cant. hom. 1,3. Vgl. Ohly, Hohelied-Studien 21: „Origenes verlangt vom Hörer des salomonischen Liedes das Streben, seine Seele zur Braut Christi zu machen, um selbst mit ihm ins Gespräch zu treten.“ 41 Vgl. in Cant. hom. 1,1; 1,3; 1,6; 2,3. Ausführlicher in Cant. comm. prol. 1,1–3; I 1,1. In den griechischen Fragmenten wird nur in einem erwähnt, dass Origenes das Hohelied als „dramatische Handlung“ liest: frg. 27. 42 Siehe dazu einführend die Einleitung in den Hoheliedkommentar von Strutwolf, OWD 9/1, 11–39. 43 Beobachtet von Perrone, Dramatic Interpretation 98. 44 Rousseau, SC 372, 40–45. Perrone, Dramatic Interpretation 90–92, hat die acht Szenen, die Rousseau in den Homilien eruiert, übernommen und tabellarisch die szenischen Erläuterungen im Kommentar danebengestellt. Torjesen, Origen’s Exegesis 58, übersieht die Hinweise auf die dramatische Handlung in den Homilien.

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ihre spirituelle Deutung gegenseitig überlappen und nicht immer streng getrennt sind,45 wird beides auch in der folgenden Darstellung nicht auseinandergehalten. Die Szenerie ist gerade da, wo Origenes sie möglichst lebendig und nahe an der lebensweltlichen Erfahrung ausmalt, eine Imagination des Innenlebens der Seele.46 Die Hauptperson des Stückes, das im Hohelied nach Auffassung des Origenes mit den oben schon genannten vier Rollen in ständig wechselnden Szenen und Sprechern aufgeführt wird, ist die Braut, gedeutet als die Kirche bzw. die Seele,47 die nach Gott sucht. In dieser Deutung setzt der Text mit einer Szene ein, die eine ebenso intime wie hochdramatische Geste ist und eben dadurch die Grundbewegung einläutet. Den ersten Satz: „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes“ (Hld. 1,2) liest Origenes als Gebet der Braut, die nach der Anwesenheit des Bräutigams fleht – die nach Gott verlangende Seele. Mit der Sehnsucht der Seele48 überträgt Origenes die literarische Dramaturgie des Textes in seine spirituell-mystische Auslegung. In dieser beschreibt er den Weg der Seele auf ihrer Suche nach Gott mit allen Fortschritten und Rückschlägen, allen Empfindungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, die damit einhergehen. Aufgespannt wird diese Dramatik gleich mit der Eingangsszene: Auf das Flehen der Braut hin erscheint der Bräutigam sogleich, wie Origenes Hld. 1,2 deutet: „Noch mitten in ihren Gebeten wird sie erhört. Sie sieht den Bräutigam anwesend.“49 Er vereint sich mit ihr und führt sie in sein Gemach (Hld. 1,4), wo sie seine „Reichtümer“, „die versteckten und verborgenen Schätze sieht“.50 Damit ist eigentlich das ersehnte Finale vorweggenommen, denn darum geht es Origenes im ganzen Hohelied und in seiner Auslegung: um die intime Gemeinschaft der Seele mit dem Wort Gottes. In einer – stellt man sie sich auf der Bühne vor – regelrecht wie ein Paukenschlag wirkenden Eingangsszene

45 Vgl. Rousseau, SC 372, 37; Perrone, Dramatic Interpretation 99 f. 46 Vgl. Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 199 (mit Verweis auf in Cant. comm. III 16[IV 2],4): „Die ,historische‘ Erzählung ist Bild, Gleichnis oder eben Mimesis, Figur, stellvertretender Ausdruck für das, was mystisch verstanden ,Realität selbst‘ ist.“ Auch Cox Miller, Eros and Language 245–251, interpretiert die Auslegung des Hoheliedes im Kommentar ausgehend von der Annahme, „that there are certain thematic images that recur as well as an overall dramatic movement that make his commentary more consistent than a verse-by-verse reading might at first suggest“ (ebd. 245). Für die Homilien gilt dasselbe. 47 Zum Zusammenhang von Kirche und Seele im Kirchenbegriff des Origenes siehe unten S. 24–26. 48 Rickenmann, Sehnsucht nach Gott, hat eine umfangreiche Studie zur Sehnsucht in den Schriften des Origenes vorgelegt und dabei das Hohelied in das Zentrum seiner Analysen gestellt (ebd. 195–437). 49 In Cant. hom. 1,1. Vgl. ebd. 1,2; 1,3. 50 In Cant. hom. 1,5.

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kommen Braut und Bräutigam sogleich zusammen. Die Gott suchende Seele findet ihre Erfüllung im Wort, das zu ihr kommt und sie in seine Geheimnisse einweiht. Auf der Sachebene ist mit diesem szenischen Bild die innere Struktur der Seele beschrieben, die das Gotteswort von Anfang an in sich hat, weil sie nach seinem Bild geschaffen ist. Es geht nicht nur darum, dass die Seele würdig wird, dass Gott ihr erscheint.51 Dieser Aspekt der Würdigkeit durchzieht zwar die gesamte Auslegung,52 weil die Seele aufgrund ihrer Sündhaftigkeit weder ethisch noch intellektuell-spirituell in einem Zustand ist, dass das Wort Gottes, das nicht zuletzt die Weisheit, die Wahrheit und die Gerechtigkeit ist,53 sich in ihr entfalten könnte. Eben deshalb betont Origenes immer wieder die Notwendigkeit der Abkehr von sündhaftem Denken, Reden und Tun, die eine unerlässliche Voraussetzung für die Gottesbegegnung ist.54 Wesentlicher für die Gottesbeziehung ist aber doch die Gottesebenbildlichkeit, denn aus dieser folgt die apriorische Ausrichtung der Seele auf Gott.55 Aus ihrer kreatürlichen Konstitution ergibt sich das Verlangen der Seele nach Vereinigung mit dem, der von Anfang an der Grund ihres Daseins ist. Erst von da aus kann überhaupt die Notwendigkeit erkannt werden, sich von der Sünde abzuwenden, und gewinnen entsprechende Appelle ihren Sinn und ihre Dringlichkeit. Zudem steht dahinter die Einsicht, dass man sich nach nichts sehnen kann, was man nicht wenigstens diffus kennt oder ahnt und damit in gewisser Weise schon in sich hat. Origenes kleidet diesen Gedanken in das dynamische Bild von den „Samen der Liebe“ (semina caritatis), die der Schöpfer den vernunftbegabten Wesen ins Herz gesät hat und die es zum Wachsen und zum Blühen zu bringen gilt.56 Nur, weil das so ist, kann die Braut bei ihrem ersten Auftritt als eine Seele inszeniert werden, die etwas vermisst57 und sich nach etwas sehnt, dessen Erfüllung ihr sogleich – vorerst freilich noch vorübergehend – gewährt wird. Diese ontologische Grundlage der Sehnsucht der Seele nach

51 So Perrone, Dramatic Interpretation 95. 52 Vgl. in Cant. hom. 1,2; 1,3; 1,8; 2,3; 2,4; 2,6; 2,7; 2,11; 2,12; 2,13. Weiteres dazu unten S. 29. 53 Zu diesen Aspekten Christi siehe in Cant. hom. 2,1; 2,7 und dazu in Cant. comm. prol. 2,27. 54 Vgl. in Cant. hom. 1,2; 1,6; 2,1; 2,2; 2,12. Siehe dazu oben S. 8 f. 55 Deshalb hat Lieske, Logosmystik 100–161, die „Logosabbildlichkeit“, wie er präzise sagt, zu Recht zur systematischen „Grundlage und Zentralidee“ seiner Darstellung der Vollkommenheitslehre des Origenes gemacht, in der er die „Gottesschau als Vollendung des Logosabbildes“ auffasst: ebd. 116–133. 56 In Cant. hom. 2,9. Siehe dazu Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 232 f. – Diese „Samen“ sind nicht die stoischen materiellen loÂgoi spermatikoiÂ, auf die Lettieri, Origene interprete 159 Anm. 49, dazu hinweist. 57 So Cox Miller, Eros and Language 246.

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Gott ist zum Auftakt des Liebesdramas, als das Origenes das Hohelied liest, in Szene gesetzt. Im Hoheliedkommentar beschreibt Origenes in einem außerordentlich dichten Passus die Schönheit der Schöpfung als Antrieb und Medium der Gottsuche und Gotteserkenntnis. Darin erläutert er, auf welche Weise es ausgehend von der Eigenart der nach dem Bild Gottes geschaffenen Seele zu deren Sehnsucht nach Gott kommt: „Von himmlischer Liebe und Begierde aber wird die Seele angetrieben, wenn sie nach der Schau der Schönheit und der Anmut des Wortes Gottes seine Gestalt lieb gewonnen und von ihm gleichsam einen Pfeil und eine Wunde der Liebe empfangen hat. Denn dieses Wort ist das Bild und der Abglanz des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung, in dem alles im Himmel und auf Erden geschaffen ist, sei es sichtbar, sei es unsichtbar (vgl. Kol. 1,15f.). Wenn also jemand mit aufnahmefähigem Verstand die Schönheit und die Pracht aller Dinge, die in ihm (sc. dem Wort) selbst geschaffen worden sind, erschließen und betrachten kann, wird er, von der Schönheit der Dinge selbst getroffen und von der Großartigkeit des Glanzes nach Aussage des Propheten wie von einem auserwählten Pfeil durchbohrt, eine heilsame Wunde von ihm selbst empfangen und im seligen Feuer der Liebe zu ihm brennen.“58 Es ist die Schönheit des Wortes Gottes, aufgrund derer eine Seele in Liebe zu ihm entbrennt.59 Diese Schönheit ist der dafür empfänglichen Seele in der Schönheit der im Wort geschaffenen Dinge, biblisch: der Schöpfung, griechisch: des Kosmos, der „schönen Ordnung“ der Welt, zugänglich. Der emotionale Aspekt der Liebe, die sich von der Schönheit der Welt entflammen lässt, ist eng verschränkt mit dem rationalen Aspekt des Denkens, denn es ist der „aufnahmefähige Verstand“ (mens, noyÄw), der die Schönheit der Dinge erkennt und darüber nachdenkt. Da im noyÄw als dem Leitprinzip der Seele aufgrund der Gottesebenbildlichkeit das Bild Gottes, Christus, zugegen ist, führt der Erkenntnisweg von der Schönheit der Welt zur Schönheit des Wortes über den Verstand, der dieses Zusammenhangs von Wort und Schöpfung inne wird und dadurch im Blick auf die Schönheit der Welt die Schönheit ihres Schöpfers, der zugleich sein Schöpfer ist, wahrnimmt und in Liebe zu ihm, dem „Mann der gebildeten Seele“,60 entbrennt.61 Das ist der 58 In Cant. comm. prol. 2,17. Zur „Wunde“ und zum „Pfeil“ siehe unten S. 14. 59 Vgl. in Cant. comm. prol. 3,23. 60 In Cant. comm. prol. 2,19. Zum Wort Gottes nicht mehr als Bräutigam, sondern als „Mann“ der (dann vollkommenen und reinen) Seele vgl. in Gen. hom. 10,2 (GCS Orig. 6, 95); in Lev. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 290 f.); in Num. hom. 26,2 (GCS Orig. 7, 188); in Hiez. hom. 8,3 (GCS Orig. 8, 404): „Der Mann der Seele ist das Wort Gottes, der Bräutigam der wahre Liebhaber.“ 61 In Ioh. comm. I 9,55 (GCS Orig. 4, 14) heißt es von der „vielgestaltigen geistigen Schönheit“, die in Christus als der Weisheit enthalten ist, dass der, „der die göttliche Schönheit betrachtet“, zur „himmlischen Liebe“ aufgerufen wird.

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ontologische und epistemologische Ausgangspunkt, von dem aus Origenes das Hohelied vom ersten Vers an deutet. „Von dieser Liebe also spricht die vorliegende Schrift, in der die selige Seele für das Wort Gottes brennt und entflammt ist und dieses Hochzeitslied durch den Geist singt, durch den die Kirche mit dem himmlischen Bräutigam Christus innigst verbunden wird in der Sehnsucht, mit ihm durch das Wort vereinigt zu werden.“62 Der ganze weitere Text bzw. die ganze weitere Auslegung ist die dramatische Entfaltung der in der anfänglichen Begegnung von Braut und Bräutigam emblematisch sichtbar gemachten Gottesbeziehung der sich eben deshalb nach Gott sehnenden Seele in wechselnder An- und Abwesenheit des Bräutigams. In ständigem Wechsel zieht er sich zurück und tritt auf, die Seele sucht und findet ihn – und verliert und vermisst ihn wieder, bis hin zum Höhepunkt, den man sich denken kann: der Vereinigung der Seele mit Gott. Diesen langwierigen und mühsamen Prozess hat Origenes in zwei Bilder gekleidet, denen eine außerordentlich intensive Wirkungsgeschichte in der christlichen Mystik beschieden war. Die „Wunde der Liebe“ aus Hld. 2,5, die der Seele vom „auserwählten Pfeil“ aus Jes. 49,2, den Origenes auf Christus deutet, beigebracht wird,63 fängt gewissermaßen schmerzhaft und zugleich beglückend spürbar die dramatische Entwicklung ein, die nach der anfänglichen Begegnung durch manche spirituelle Krisen hindurch, die durch die Abwesenheit Gottes ausgelöst werden, angestoßen wird.64 Dem entspricht der Vorgang der Gottesgeburt in der Seele, ebenfalls mit allem Schmerz und allem Glück, das er mit sich bringt: „Auch in dir wird, wenn du würdig geworden bist, das Wort Gottes geboren.“65 Da die Homilien nur bis Hld. 2,14 reichen (und der Kommentar bis Hld. 2,15), lässt sich der Höhepunkt des Dramas, die endgültige Vereinigung der Seele mit dem Wort Gottes, nur aus den Fragmenten erschließen, die zum Kommentar erhalten

62 In Cant. comm. prol. 2,46. 63 Vgl. in Cant. hom. 2,8, dazu in Cant. comm. prol. 2,17; I 1,4; III 7,27; III 8,2 (dazu frg. 27); III 8,12–15. Zum „auserwählten Pfeil“ als einen Aspekt (eÆpiÂnoia) Christi vgl. in Ioh. comm. I 32,228 f. (GCS Orig. 4, 40 f.), ferner die Hinweise in OWD 9/1, 334 Anm. 389, dazu noch in Rom. comm. VII 9,2 (SC 543, 338–340). Siehe dazu Crouzel, Le trait et la blessure d’amour 314 f.; Perrone, Dramatic Interpretation 93. 64 King, Marriage-Song 18, weist darauf hin, dass Origenes sich als Exeget in diese Beziehung hineingenommen auffasst. Zur erotischen Bedeutung von Äpfeln, die zusammen mit der Liebeswunde erwähnt werden (in Cant. hom. 2,8), siehe Cox Miller, Eros and Language 250 f. 65 In Cant. hom. 2,6. Im Kommentar klingt diese für Origenes fundamentale Thematik nur kurz an: in Cant. comm. III 13,32. Siehe dazu die Hinweise unten S. 116 Anm. 109. Zur Geschichte dieses Motivs siehe Rahner, Gottesgeburt, abgedruckt in: ders., Symbole der Kirche 11–87. Für Meister Eckhart, Johannes Tauler und Nikolaus von Kues siehe Vannier/Reinhardt, Art. Naissance de Dieu dans l’Aˆme.

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sind. In diesen gibt es tatsächlich Indizien für ein solches Finale – dazu unten mehr bei der Besprechung der Fragmente. In den Homilien hat Origenes dieses Wechselspiel zwischen An- und Abwesenheit des Bräutigams in einer autobiographischen Bemerkung eingefangen, aus der hervorgeht, was er damit konkret meint. Was es bedeutet, dass die Braut „den Bräutigam erblickt, der sich dem Anblick wieder entzieht, kann nicht verstehen“, sagt er, „wer es nicht selbst erlebt hat“. Ihm selbst ergehe es oft so, wenn er die Bibel liest und nach ihrem Sinn fragt: „Oft, Gott ist mein Zeuge, sah ich den Bräutigam sich mir nahen und so nah wie möglich bei mir sein. Wenn er sich plötzlich wieder zurückzog, vermochte ich nicht zu finden, wonach ich suchte. Erneut also sehne ich seine Ankunft herbei, und manchmal kommt er wieder. Und wenn er erschienen und von meinen Händen ergriffen worden ist, entgleitet er wieder, und wenn er entglitten ist, wird er von mir erneut gesucht, und dies tut er häufig, bis ich ihn wirklich festhalte und hinaufsteige, gestützt auf meinen Geliebten (vgl. Hld. 8,5).“66 Vielleicht lässt sich dieser Text als Beleg für eine mystische Erfahrung des Origenes werten.67 Eher jedoch dürfte er als Beschreibung der Erfahrung aufzufassen sein, die Origenes beim Lesen und Erklären der Bibel oft machte: Unermüdlich sucht er nach dem wahren Sinn der Bibel – Christus, dem Wort in den Worten –, der sich ihm manchmal zeigt, aber sich sogleich wieder entzieht. Diesem Wechselbad zum Trotz gibt Origenes die Hoffnung auf eine beständige Vereinigung und so auf ein Vordringen zur Wahrheit nicht auf, sondern setzt sich dem so lange aus, bis er sein Ziel erreicht.68 Diese Auffassung des Textes wird bestätigt von der parallelen Erörterung im Hoheliedkommentar: „Wenn die Seele einen Sinn sucht (sc. im Text der Bibel) und etwas Verborgenes und Geheimes zu erkennen begehrt, ist ihr, solange sie es nicht finden kann, das Wort Gottes zweifellos abwesend. Sobald das Gesuchte aber auftaucht und aufscheint, wer zweifelt dann, dass das Wort Gottes anwesend ist und den Verstand erleuchtet und ihm das Licht der Erkenntnis gewährt? Und wie er sich uns wiederum entzieht und dann wieder da ist, erleben wir in den einzelnen Dingen, die unseren Sinnen entweder eröffnet oder verschlossen werden. Und dies erleiden wir solange, bis wir so geworden sind, dass er uns würdigt, uns nicht nur oft zu besuchen, sondern auch bei uns zu bleiben.“69 Aus

66 In Cant. hom. 1,7. Zu dem Aufstieg, von dem am Schluss die Rede ist, siehe in Cant. comm. prol. 4,23. 67 So Völker, Vollkommenheitsideal 103 f.; Crouzel, Connaissance mystique 529 f.; Martens, Origen and Scripture 183 f.; auch Rousseau, SC 372, 95 Anm. 2; Lawson, ACW 26, 364 Anm. 66; Simonetti, Omelie 125 Anm. zu Z. 24. 68 So Cox Miller, Eros and Language 246–248; King, Marriage-Song 16–18; Heine, Origen 186; Fürst, OWD 7, 14. 69 In Cant. comm. III 11,18 f. Vgl. auch ebd. I 1,10–12; III 14,10 sowie der Hinweis

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einem griechischen Fragment in der Prokop-Katene ergibt sich dieser exegetische Sinn von Erkenntnis ganz direkt: „So oft wir aber bei unseren Untersuchungen eine göttliche Lehre begreifen, wollen wir glauben, dass wir einen Kuss vom Mund des Bräutigams empfangen haben; sofern wir aber ratlos sind, wollen wir im Gebet sprechen: ,Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes‘ (Hld. 1,2).“70 Immer wieder in seiner Hoheliedauslegung kommt Origenes auf die unablässige Suche der Seele zu sprechen, am eindringlichsten in einem griechischen Fragment aus dem Kommentar zu Hld. 5,6, wo die Braut wie in Hld. 3,2 sagt, dass sie den Geliebten sucht, aber nicht findet: „Unablässig sucht die Seele den Bräutigam, das Wort. Und wenn sie ihn gefunden hat, sucht sie erneut, weil sie anderes noch vermisst. Und wenn sie jenes geschaut hat, sehnt sie sich nach der Offenbarung anderer Dinge. Und wenn sie diese erlangt hat, bittet sie den Bräutigam zu anderen Dingen zu kommen.“71 Das Ziel ist freilich das endgültige Finden, wie aus einem Fragment hervorgeht, das dem Text der Homilie sogar näher kommt als dem des Kommentars: „Durch den ganzen Text hindurch aber sagt sie (sc. die Braut) manches zum Bräutigam, als wäre er anwesend, manches aber so, als würde er von der Braut gesucht werden, zumal auch wir manche Probleme das eine Mal untersuchen, ohne zu einer Lösung zu kommen, uns das andere Mal aber einer Lösung erfreuen, wenn der Bräutigam, das Wort, unsere Herzen erleuchtet. In anderen Fragen sind wir dann wieder ratlos, und er erscheint uns erneut. Und dies geschieht oft, bis wir dann, wenn wir vollendet sind, dem Bräutigam begegnen, der nicht nur zu uns kommt, sondern auch Wohnung bei uns nimmt (vgl. Joh. 14,23).“72 auf das Suchen und Finden laut Mt. 7,7; Lk. 11,9 in Cant. hom. 1,8. Ähnlich äußert er sich in Matth. comm. ser. 38 (GCS Orig. 11, 72) über die „herrliche Ankunft Christi in der Seele“: „Wer also voranschreitet, um die Herrlichkeit und das Reich Christi zu sehen, d.h. die Vollendung des Wortes und das Reich, welches herrscht und Gewalt hat, indem es alle feindlichen Reden unter seine Füße legt und sie mit seinen Füßen zertritt, für den ist es notwendig, beim Suchen der Wahrheit häufig unter dem Mangel an Sinngehalten zu leiden, durch welche die Seele im eigentlichen Sinn ernährt wird, so dass er 〈tatsächlich〉 sucht, was man suchen muss. Und wie diejenigen, die auf dem Weg ins Land der Verheißung waren, irgendwann niedergedrückt wurden und Hunger litten, aber nur nach den fleischlichen Speisen, und das himmlische Manna erhielten (Ex. 16,1 ff.), so muss durch den Mangel an Sinngehalten erprobt werden und darf doch daran keinen Schaden nehmen, wer durch die Vollkommenheit des Wortes ernährt werden will. Und täglich sehen wir gerade dies an uns, wenn wir irgendeinen wahren Sinn in den Schriften suchen: Bevor wir finden, was wir suchen, leiden wir unter einem Mangel an Sinngehalten, bis ein solcher Mangel an Sinngehalten in uns von Gott beendet wird, der den Würdigen ,Speise zur rechten Zeit‘ (Ps. 144[145],15) zum Essen gibt und Kleider zum Anziehen.“ Übersetzung: Vogt, BGrL 38, 107 f. 70 Frg. 4. 71 Frg. 49. Ähnlich in frg. 36.

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Konkret denkt Origenes also an die Beziehung des Exegeten zum Text. Das Wort Gottes findet der Gottsucher in den Worten der Bibel. In sie muss er sich versenken, wenn er dem Inneren seiner eigenen Seele auf die Spur kommen will.73 Origenes hat dazu eine sehr weitgehende Analogie zwischen der Bibel und der Seele entwickelt. Am Grunde beider ist Gottes Antlitz verborgen, im Text der Bibel via Inspiration, in der Seele via Schöpfung nach dem Bild Gottes.74 Sein Lieblingsbild dafür ist der Brunnen.75 Bibel wie Seele sind Brunnen, aus denen zu schöpfen bedeutet, mit dem Wort Gottes und damit zugleich mit dem Grund des eigenen Daseins in Kontakt zu kommen. „Je tiefer ich in den Sinn der Schrift eindringe, desto mehr verstehe ich den verborgenen Sinn meines Daseins“, beschrieb Henri de Lubac diesen Zusammenhang.76 Die Versenkung der Seele in das Wort der Bibel ist die mystische Hochzeit, deren Einübung im Hochzeitslied des Hoheliedes beschrieben wird: „Es steht aber fest, dass diese Vereinigung der Seele mit dem Wort nicht anders geschehen kann als durch die Unterweisung durch die göttlichen Bücher, die bildlich Brunnen genannt werden. Wenn einer zu ihnen kommt und Wasser aus ihnen schöpft, das heißt durch sein Nachdenken tiefere Bedeutung und Erkenntnis in ihnen findet, wird ihm eine Hochzeit zuteil werden, die Gottes würdig ist; denn seine Seele wird mit Gott vermählt.“77 Besonders hier wird nachvollziehbar, weshalb Origenes mit seiner psychologischen Exegese des Hoheliedes so stark auf die christliche Spiritualität aller folgenden Jahrhunderte nicht nur in der Mystik gewirkt hat.

72 Frg. 27, dazu unten S. 175 Anm. 106–108. 73 Auch der folgende Satz in frg. 51 ist vielleicht hierauf zu beziehen und möglicherweise autobiographisch zu lesen: „Gott hat nämlich durch die tieferen Dinge dem Geist viel Nahrung bereitet, nach denen die Jünger, als junge Männer, wenn sie sich den Gebeten widmen, zum Herrn schreien (sc. wie Origenes!), weil sie umherirren und die Nahrung suchen (vgl. Ijob 38,41), die in den von ihnen untersuchten Problemen liegt.“ 74 Vgl. in Gen. hom. 13,3 f. (GCS Orig. 6, 116–121); in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 100). 75 In Cant. hom. 1,1 kommen die Brunnen nur einmal im Rekurs auf Num. 21,17 f. vor. In Cant. comm. prol. 4,7 sagt er, dass es „königliche und fürstliche Seelen“ sind, „die die Tiefe des Brunnens, der lebendiges Wasser enthält (vgl. Joh. 4,10), erforschen“. Einen Höhepunkt findet das Thema in Num. hom. 12,1–3 (GCS Orig. 7, 93–103). Vgl. ferner in Ioh. comm. XIII 1,3 f. (GCS Orig. 4, 226); in Gen. hom. 7,5 f. (GCS Orig. 6, 75 f.); in Hier. hom. 18,4 (GCS Orig. 32, 154). Siehe dazu Fürst, Studien 105 f. 76 De Lubac, Geist aus der Geschichte 406, der ebd. 405–409 diese Analogie zwischen Schrift und Seele beschreibt. 77 In Gen. hom. 10,5 (GCS Orig. 6, 99). Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 207.

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b) Universaler Eros – platonischer und biblischer Liebesbegriff Dieses innige Verhältnis zwischen dem Exegeten und dem Text, das mit der Intimität zwischen der Seele und Gott koinzidiert, hat Origenes in eine ausgesprochen erotische Sprache gekleidet. Beim Hohelied war der Aufhänger dafür die hoch erotische Sprache des Bibeltextes selbst. Patricia Cox Miller hat eindringlich beschrieben, wie die Erotik des Textes dazu führt, dass der Ausleger seinerseits ein regelrecht erotisches Verhältnis zum Text entwickelt.78 Der Eros, von dem der Text erzählt, die Sehnsucht der Braut nach dem Bräutigam, wird zum Eros des Exegeten, der danach strebt, den Sinn des Textes zu verstehen. Der Text selbst, die gleichsam erotische Verkörperung des Wortes, übt von sich aus eine erotische Wirkung auf den Leser aus, zieht ihn wie ein „Liebeszauber“79 unwiderstehlich an. Text und Liebe fließen ineinander, die Sprache wird zum Ort des Genusses, die Versenkung in sie zur Beglückung.80 Durch ständige Beschäftigung mit dem Wort Gottes in den Worten der Bibel ist der Ausleger kognitiv wie affektiv Gott nahe und wird Bibelauslegung in diesem Sinne ,erotisch‘,81 ja der Text ist der ,erotische Körper‘, in dem Wort und Leser, Bräutigam und Braut, verbunden sind.82 Der Exeget hört „die Stimme des Geliebten“ (Hld. 2,8), der zur Braut, zu ihm, kommt, und „nur wer das Wort Gottes mit ganzer Zuneigung und mit ganzer Liebe in seinem Herzen umfängt, der allein wird den Geruch seines Duftes und seiner Süße verkosten können“.83 „Betet“, fordert Origenes deshalb die Gemeinde auf, „dass auch ich sagen kann: ,Siehe, er kommt‘ (Hld. 2,8), denn wenn ich das Wort Gottes erörtern kann, sage in gewisser Weise auch ich: ,Siehe, er kommt‘.“84 Nicht zuletzt daraus erklärt sich auch die hoch emotionale Jesusfrömmigkeit, die aus vielen Seiten der exegetischen Werke des Origenes, etwa aus der sehr persönlichen Anrede als „mein Erlöser“85 oder „mein Herr Jesus“,86 spricht.87 78 Cox Miller, Eros and Language 241 f. King, Marriage-Song, verknüpft diesen Gedanken mit dem hermeneutischen Zugang des Origenes, das Hohelied durchgängig auf spiritueller Ebene zu interpretieren, weil der Text das Geheimnis der vollkommenen Vereinigung mit dem Wort als solches direkt präsentiert. Vgl. sein Fazit ebd. 270: „The Song does not merely expound, teach, or signify the ,perfect mystery‘ of the supercelestial bridal-chamber. It is the real presentation of that mystery in and through the specifically intelligible being of a text.“ 79 Zu dieser Übersetzung des Symmachus in Hld. 2,5 siehe frg. 25 und 34, dazu Crouzel, Le trait et la blessure d’amour 309; Cox Miller, Eros and Language 248 f., mit Hinweisen auf die alte antike Tradition der Verführungskraft von Wörtern und Sprache. 80 Vgl. Cox Miller, Eros and Language 245. 81 So Trigg, Origen 49. 82 So Cox Miller, Eros and Language 251. 83 In Cant. comm. II 10,11. 84 In Cant. hom. 2,10.

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In großen ideengeschichtlichen Dimensionen gedacht, schafft Origenes hier eine der folgenreichsten Verknüpfungen der antiken und abendländischen Geistesgeschichte. Er identifiziert den Eros Platons mit dem Eros des Hohelieds, indem er an Platons Definition der Liebe im Symposion anknüpft,88 nach der „es allein die Kraft des Eros (amor) ist, die die Seele von der Erde zu den erhabenen Höhen des Himmels hinaufführt, und man nicht zur höchsten Seligkeit gelangen kann, wenn man nicht vom Verlangen des Eros (amor) dazu ermutigt wird“.89 In beiden Denktraditionen geht es beim „geistigen Begehren beziehungsweise Eros“ (spiritalis cupido uel amor),90 so Origenes, um die Sehnsucht, um das Streben der Seele mit allen Sinnen nach der Erkenntnis der Wahrheit und der Weisheit, nach der vollständigen Hingabe der Seele – wieder: mit allen Sinnen – an diese, also um das, was in späteren Jahrhunderten in mystischer Sprache als Vereinigung der Seele mit Gott beschrieben werden wird. Origenes hat noch keine solche Mystik entwickelt, aber sämtliche Formulierungen und Bilderwelten dafür grundgelegt.91 Entscheidend ist: Das, worum es in der antiken Philosophie geht, um das Streben nach Verstehen des eigenen Daseins, ist eben das, worum es nach Origenes in der Exegese geht. Das Mittel für den Philosophen ist die Versenkung in die Betrachtung der Welt, das Mittel für den Exegeten die Versenkung in die Betrachtung des Bibeltextes. Beide, Welt wie Bibel, beruhen auf demselben Prinzip der Vernünftigkeit, des Logos, weshalb beide für die rationale Seele des Menschen verstehbar sind (und beide an dieselben Grenzen des Verstehens stoßen, nämlich in den Problemen, die traditionell als Theodizee bezeichnet werden).92 Das ist der hermeneutische Grund für die Kombinierbarkeit des philosophischen und des biblischen Liebesbegriffs.

85 So in Cant. hom. 2,3. 86 Vgl. in Luc. hom. 12,1 (GCS Orig. 92, 72); 18,1 (92, 111); 22,4 (92, 134); sehr häufig in den Jesajahomilien: Fürst/Hengstermann, OWD 10, 198 Anm. 14. 87 Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 75–79; Hausherr, Noms du Christ 43–52; Schütz, Gottesdienst 105; Fürst, Studien 112–114; ders., Exegese als Lebensform 107–109. 88 Vgl. Platon, symp. 209e–212c. 89 Origenes, in Cant. comm. prol. 2,1. Siehe dazu Ohly, Hohelied-Studien 22. 90 In Cant. hom. 1,2; 1,10. Ausführlich erörtert Origenes den „geistigen Eros“ in Cant. comm. prol. 2,20–38 (vgl. auch ebd. prol. 2,16). 91 Zur schwierigen Frage einer „mystischen Erfahrung“ bei Origenes gilt nach wie vor die Einschätzung von Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels 134–136, dass seine Beschreibung der Gotteserkenntnis mehr oder weniger mystisch ausfällt, ohne dass man darin notwendigerweise eine mystische Erkenntnis sehen muss, hinter der eine mystische (ekstatische) Erfahrung steht. 92 Vgl. dafür die Grundsatzüberlegungen des Origenes, die in einem Fragment aus seiner Psalmenauslegung in der Philokalie erhalten sind: philoc. 2,4 f. (SC 302, 244–248), ausführlich besprochen von Fürst, Bibel und Kosmos 134–144.

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In dieser Perspektive geht es fehl, den platonischen Eros der christlichen Agape entgegenzustellen und einen großen ideengeschichtlichen Gegensatz durch die Jahrhunderte hindurch zu konstruieren, wie das Anders Nygren getan hat. Nygren interpretiert Origenes auf der Basis einer Entgegensetzung von hellenistischem Eros und christlichem Liebesgedanken.93 In der Synthese aus beidem, die er in seinem Oppositions-Schema Origenes schmieden sieht, behalte „das Erosmotiv und die hellenistische Anschauung doch die Führung“ und habe „Origenes kein großes Verständnis für das christliche Agapemotiv“,94 das er lediglich in apologetischen Kontexten stark mache.95 Damit verzeichnet Nygren jedoch das nicht antithetisch, sondern relational und synthetisch strukturierte Denken des Alexandriners.96 Origenes hat völlig recht damit, im platonischen Liebesbegriff dieselbe existentielle Bewegung zu erkennen wie im Liebesbegriff der johanneischen Schriften des Neuen Testaments. Was darin als Liebe beschrieben wird, ist grundsätzlich dasselbe wie der Eros, den Platon im Symposion, vor allem in der Rede der Diotima, vorführt, nämlich „das gleichermaßen physische, psychische und intellektuelle Verlangen, über sich selbst hinauszuwachsen, um das Schöne, Wahre, Gute … zu schauen und in dieser Schau mit dem Göttlichen vereint zu sein“.97 „Die auf Geist und Wahrheit, auf Licht und Öffentlichkeit, auf Freiheit und Friede abzielende theologische Botschaft“ Jesu, die im Johannesevangelium ganz auf ihren geistigen Gehalt konzentriert ist, widerspricht nicht „der Rede von einer Liebe, die immer auch leiblich und fruchtbar gedacht wird“, ja es verhält sich vielmehr so, „dass allererst die Körper, Seele und Geist umfassende Liebe der Menschen untereinander in der Lage ist, den ganzen Umfang des Evangeliums, einschließlich der Natur Gottes, zu fassen“.98 Zwar hat der Begriff ,Eros‘ in den Schriften des Origenes sonst den negativen Beiklang von sexueller Begierde und körperlicher Leidenschaft. In seiner Hoheliedkommentierung allerdings wird er auf die immaterielle, intelligible Wirklichkeit bezogen und hat den positiven Sinn von Streben und Sehnsucht.99 Auch wo Origenes eine „fleischliche Liebe“ dezidiert mit 93 94 95 96

Nygren, Eros und Agape 282–302. Nygren, ebd. 283. Vgl. Nygren, ebd. 284–292. Zur Kritik an Nygren siehe Crouzel, Virginite´ et mariage 73–75; Rist, Eros and Psyche 79 f. 214–216. 97 Gerhardt, Sinn des Sinns 204 (Kursivierungen getilgt), in einem nachdrücklichen philosophischen Plädoyer für die Übereinstimmung von platonischer und jesuanischer Liebe: ebd. 203–207. Zur Verschränkung von philosophischem und christlichem Liebesbegriff bei Origenes siehe auch Rist, Eros and Psyche 204–207. 98 Gerhardt, ebd. 207 (Kursivierungen getilgt), mit Begriffen, die sich mühelos mit dem Liebesbegriff des Origenes in Verbindung bringen lassen; sogar die Verbindung von „Braut und Bräutigam“ kommt vor: ebd. 206.

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einer „geistigen Liebe“ kontrastiert, gebraucht er in beiden Junkturen den Begriff amor bzw. cupido, der dem griechischen eÍrvw entspricht.100 Erst aus den hinzugesetzten Adjektiven „fleischlich“ (carnalis) und „irdisch“ (terrenus) bzw. „geistig“ (spiritalis) und „himmlisch“ (caelestis) ergibt sich die Qualifizierung des Eros als destruktive oder konstruktive Kraft. Noch mehr als am Begriff der Liebe lässt sich dieses erotische Streben im geistigen Sinn am Vokabular der Sehnsucht ablesen. Das desiderium amoris, das „Verlangen des Eros“,101 ist die Kraft, von der die ganze Dynamik des Strebens der Seele angetrieben wird.102 Auch die an sich negativ konnotierten Begriffe cupido, „Begehren“, und concupiscentia, „Begierde“, werden in diesem Zusammenhang positiv verwendet und dabei meist mit dem Adjektiv caelestis, „himmlisch“, qualifiziert.103 Die reiche Bilderwelt, mit der Origenes die Sehnsucht beschreibt, ist das Vokabular des Eros: Kuss, Duft, Salböl, Wein, Gemach, Lager/Bett, Schmuck.104 Für den griechischen Sprachgebrauch des Origenes selbst geht diese Semantik des Eros aus den Fragmenten in der ProkopKatene hervor,105 auch wenn die Vokabel eÍrvw nur zweimal und einmal im Ä w vorkommt.106 In der lateinischen Fassung der Homilien Adverb eÆrvtikv nach Hieronymus wie des Kommentars nach Rufinus ist amor (und cupido) als Äquivalent von eÍrvw ebenso positiv gebraucht107 wie caritas (und dilectio) als Übersetzung von aÆgaÂph.108 Eros und Agape sind in der Hoheliedausle99 Siehe Pe´tre´, Caritas 84–90 (bes. das Fazit ebd. 89 f.); Ceresa-Gastaldo, Dimensione dell’amore 188–190; Pietras, L’amore 13–42. 100 In Cant. comm. prol. 2,16. Rousseau, SC 372, 27, leitet aus dieser Stelle fälschlich eine Entgegensetzung von Eros und Agape ab. 101 In Cant. comm. prol. 2,1. 102 Zu den zugehörigen Vokabeln des Weges, des Voranschreitens und des Fortschritts, des Hinaufsteigens und des Aufstiegs vgl. in Cant. hom. 1,1; 1,6; 2,3; 2,4; 2,8. 103 In den Homilien zielt desiderare auf etwas Positives und Wertvolles wie das Verstehen der göttlichen Geheimnisse und die Tugenden: in Cant. hom. 1,2; 1,7; 2,6. Im Kommentar: In Cant. comm. prol. 1,4 und 3,14 richtet sich concupiscere auf etwas Geistiges; prol. 2,17: cupido (neben amor) caelestis; prol. 2,43: Die Braut richtet omnes suas concupiscentias auf den Bräutigam. Es gibt auch die negative Bedeutung von cupido, diese wird aber eigens als solche qualifiziert, so in Cant. hom. 2,8: terrenus cupido. Dasselbe gilt für die ehebrecherische concupiscentia in Cant. hom. 2,4, wohingegen das Verbum concupiscere im Zitat von Hld. 2,3 in Cant. hom. 2,6 neutral bis positiv gefärbt ist. Siehe dazu Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 205–235. 104 Siehe Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 216–221. 105 Vgl. frg. 14, 27, 31, 36 und 48. Siehe dazu Limone, I nomi dell’amore 420–424 (vgl. ebd. 428). 106 Vgl. frg. 36 und 48 bzw. frg. 29. 107 Das geht vor allem aus Stellen hervor, an denen amor neben cupido steht und mit dem Adjektiv spiritalis qualifiziert ist: in Cant. hom. 1,2; 1,10. Vgl. auch den „himmlischen Eros“ in Cant. comm. prol. 2,16 f. (amor et cupido caelestis) und in Ioh. comm. I 9,55 (GCS Orig. 4, 14). 108 Rufinus verwendet für die griechischen Begriffe eÍrvw und aÆgaÂph meist jeweils

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gung des Origenes keine Kontrastbegriffe, sondern Synonyme.109 Der eigentliche Begriff für das Streben der Seele nach Gott ist sogar Eros, auch wenn Agape das gleichsam „ehrbarere Wort“ dafür ist.110 Auch Gott darf deshalb, wenn er als Liebe bezeichnet wird, Eros (amor) genannt werden, nicht nur Agape (caritas), auch wenn dieses Wort durch seine biblische Verwendung in christlichen Zusammenhängen präferiert wird: „Es macht also keinen Unterschied“, betont Origenes explizit, „ob man sagt, Gott werde heiß geliebt (amari von amor) oder innig geliebt (diligi von dilectio, auch verwendet als Verbform zu caritas), und ich glaube nicht, dass man es missbilligen könnte, wenn jemand Gott, so wie Johannes ihn Liebe (caritas) nennt (vgl. 1 Joh. 4,8.16), Eros (amor) nennen würde.“111 Die Identifizierung von Eros und Agape ist das höchst auffällige Kennzeichen der Hoheliedauslegung des Origenes. Die Strebensdynamik der sinnlich-geistigen Seele nach der sinnlich-geistigen höheren Wirklichkeit in Platons Eros und im Hohelied der Liebe ist dieselbe. Übrigens: Die ersten fünf Bücher des Kommentars hat Origenes in Athen geschrieben, die folgenden fünf in Caesarea in Palästina.112 Das kann man vielleicht als lokales Symbol dafür nehmen, wofür die christliche Philosophie des Origenes generell steht: für Athen und Jerusalem, nicht die fatale Opposition, die in einem polemischen Bonmot Tertullians eingefangen ist, zwischen Athen oder Jerusalem.113 Der Unterschied zwischen dem christlichen Platoniker Origenes und der platonischen Tradition besteht darin, dass der Christ einen stärkeren Akzent auf die soziale Dimension der Liebe legt. In dieser Hinsicht hatte Nygren Recht, wenn er der christlichen Agape einen Inhalt bescheinigte, den er beim platonischen Eros vermisste.114 Diese soziale Dimension kommt bei Origenes zum Ausdruck, wenn er Christus als Prinzip und Summe aller

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zwei lateinische Wörter: amor und cupido bzw. caritas und dilectio: vgl. in Cant. comm. prol. 2,20 (dazu frg. 1). Das ist keine so große Besonderheit, wie Limone, I nomi dell’amore 412, das betont, sondern ein Charakteristikum des Übersetzers Rufinus: Pe´tre´, Caritas 85 f. Ein gängiges christliches Pendant dazu ist die Wiedergabe des griechischen loÂgow durch ratio und uerbum, wie das auch Rufinus in der Übersetzung des Hoheliedkommentars handhabt: vgl. in Cant. comm. II 8,14.23; III 1,6. Vgl. in Cant. comm. prol. 2,25; III 7,2: hic amor uel haec caritas. Pietras, L’amore 71–78, hält Eros und Agape etwas zu stark auseinander. In Cant. comm. prol. 2,20. Siehe dazu Cox Miller, Eros and Language 243 mit Anm. 5. In Cant. comm. prol. 2,36. Siehe dazu Pe´tre´, Caritas 87 f. So berichtet von Eusebius, hist. eccl. VI 32,2 (GCS Eus. 2, 586). Tertullian, praescr. haer. 7,9 (CChr.SL 1, 193): „Was hat Athen mit Jerusalem zu schaffen? Was die Akademie mit der Kirche?“ Mit seinem Liebesbegriff hat Origenes die überzeugende Antwort auf diese Frage gegeben, freilich eine, die Tertullian nicht intendierte. Darin folgte Rousseau, SC 372, 29–31, Nygren, auch wenn er dessen strikte Entgegensetzung von Eros und Agape nicht übernahm.

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Tugenden beschreibt.115 Auch darin steckt die antike Tugendlehre, jetzt aber explizit betont im Hinblick auf die sozialen Tugenden. Theorie und Praxis sind in der ethischen Metaphysik des Origenes reziprok verschränkt.116 Dabei spricht er den Werken, symbolisiert durch den Hirsch, der Schlangen tötet, einen höheren Wert zu als der Schau, symbolisiert im Scharfblick der Gazelle: „Doch auch dies soll uns nicht entgehen, dass er (sc. der Bräutigam) erst mit der Gazelle und dann mit dem jungen Hirsch verglichen wird (vgl. Hld. 2,9), obwohl der Hirsch doch gewiss ein größeres Tier als die Gazelle zu sein scheint. Doch bedenke, ob nicht vielmehr dieser Sinn darin liegt: Da das Heil der Gläubigen in zweifacher Hinsicht auf der Erkenntnis des Glaubens und auf der Verrichtung von Werken beruht, nimmt die vernünftige Einsicht in den Glauben, die wegen des Sehens und der Schau der Betrachtung, wie gesagt, mit der Gazelle verglichen wird, die erste Stufe des Heils ein, an zweiter Stelle aber wird die Verrichtung von Werken erwähnt, für die als Symbol der Hirsch steht, der die Gifte der Schlangen und die diabolischen Künste besiegt und zunichte macht.“117 Die soziale Dimension im Liebesbegriff des Origenes kommt ferner zum Ausdruck, wenn er in der berühmten ,Ordnung der Liebe‘ die Liebe zu Gott, zum Nächsten, zu sich selbst und zu den Feinden nach ihrer jeweiligen Eigenart beschreibt.118 Dabei kommt auch nachdrücklich der zweite Punkt zur Sprache, an dem sich das christliche Liebeskonzept vom platonischen am deutlichsten unterscheidet: Es ist nicht mehr elitär wie in der antiken Denk- und Lebenswelt, sondern es ist universal: „Alle Menschen müssen aufgrund dessen, dass sie uns ähnlich sind, ähnlich geliebt werden. Ja, jede vernunftbegabte Natur muss von uns, da wir ja vernunftbegabt sind, auf gleiche Weise geliebt werden.“119 In diesen Zusammenhang gehört die Menschenliebe (filanurvpiÂa), von der in dem einzigen griechischen Fragment die Rede ist, das sich zu den Homilien erhalten hat: „Die Menschenliebe aber hat dem Herrn einen Namen gegeben.“120 In diesem Begriff, den

115 In den Homilien nur angedeutet: in Cant. hom. 2,6, im Kommentar explizit angesprochen: in Cant. comm. I 6,14; III 6,4. 116 Siehe dazu Völker, Vollkommenheitsideal 76–196; Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels 126–129; Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 234–239. 269–297; Hengstermann, Leben des Einen 447–451. 117 In Cant. comm. III 13,49 f. Vgl. in Cant. hom. 2,11; frg. 35. 118 Hld. 2,4: „Ordnet in mir die Liebe“ legt Origenes in den Homilien vergleichsweise ausführlich aus: in Cant. hom. 2,8. Im Kommentar hat er dazu ein langes Kapitel geschrieben: in Cant. comm. III 7,2–26. Siehe dazu Pietras, L’amore 133–138. 119 In Cant. comm. III 7,22. 120 Fragment zu in Cant. hom. 2,3: unten S. 246 f. Zur filanurvpiÂa Christi als Motiv für seine Menschwerdung, mit der schon der einzige biblische Beleg für dieses Wort in Tit. 3,4 zusammenhängt (vgl. Pe´tre´, Caritas 208), vgl. in Ioh. comm. I 20,121 (GCS Orig. 4, 25); II 26,166 (4, 83); Cels. IV 15 (GCS Orig. 1, 284).

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Origenes als Äquivalent zu Agape in der christlichen Theologie prominent gemacht hat,121 kommt die Universalität der Liebe von Seiten Gottes zum Ausdruck, die für den christlichen Liebesbegriff kennzeichnend ist. Christus selbst kann in dieser Hinsicht als „unser Menschenfreund“ bezeichnet werden, oder besser wohl so übersetzt: als „Freund von uns Menschen“ (oë filaÂnurvpow hëmv Ä n).122 Das bedeutet eine Ausweitung des Liebesbegriffs auf jeden einzelnen Menschen auf der Basis der Überzeugung von der Gleichheit aller Menschen, die das Christentum ausgehend vom Judentum in die Welt gebracht hat.123

c) Eros und Psyche – die Individualität der Liebe Im Gedanken der Gleichheit aller Menschen und im zugehörigen universalen Liebesbegriff wird ein weiterer Großgedanke der Geistesgeschichte greifbar, den Origenes maßgeblich mitgeprägt hat. Im Zentrum seiner Theologie steht der individuelle Mensch. Origenes ist der Denker der christlichen Individualität und Subjektivität par excellence.124 An seiner Hoheliedauslegung zeigt sich dieses Interesse am Individuum. Die innovative Leistung des Origenes bei der Deutung dieses biblischen Buches bestand darin, die Braut individuell als die einzelne Seele aufzufassen, die nach Gott sucht. Traditionell war die kollektive Deutung der Braut, und zwar in der jüdischen Tradition auf das Volk Israel, was frühchristlich übernommen und auf die Kirche bezogen wurde, wie der Epheserbrief und der erste christliche Hoheliedkommentar des Hippolyt von Rom bezeugen.125 Origenes greift diese Deutung auf und entwickelt sie ausführlich, ergänzt sie aber um die Deutung der Braut als Seele.126 121 Siehe dafür Pe´tre´, Caritas 209. 122 In Matth. comm. XVI 9 (GCS Orig. 10, 502). Siehe dazu Limone, I nomi dell’amore 427 f., mit Bezug auf Perrone, Misericordia divina. 123 Das ist der Leitgedanke des Buches von Siedentop, Erfindung des Individuums, den er von der klassischen griechischen Antike bis herein in die Frühe Neuzeit überzeugend vorführt. 124 Die maßgeblichen Studien hierfür stammen von Kobusch, Christliche Philosophie; ders., Entdeckung der Person. Siehe ferner erneut das eben genannte Buch von Siedentop, Erfindung des Individuums. 125 Siehe dazu die Skizzen von Rousseau, SC 372, 10–17; Simonetti, Omelie ix–xv; King, Marriage-Song 1–6; Barba`ra, BPat 42, 61–65; Strutwolf, OWD 9/1, 6–10. 126 Lettieri, Origene interprete 146, sieht die Deutung der Braut auf die Seele durch Origenes vom gnostisch-valentinianischen Sophia-Mythos angestoßen. Seine Deutung der Hoheliedauslegung des Origenes, die er am Kommentar, besonders aber an der ersten Homilie aufzuzeigen versucht, vermag jedoch insgesamt nicht zu überzeugen. Die Verortung der Hoheliedexegese des Origenes in Alexandria und dem

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Zwischen dem Hoheliedkommentar und den Homilien lässt sich dabei eine etwas unterschiedliche Akzentsetzung beobachten.127 Im Kommentar wird die doppelte Deutung der Braut-Bräutigam-Relation auf die Kirche und Christus bzw. auf die Seele und das Wort Gottes gleich zu Beginn eingeführt128 und bei der Auslegung der einzelnen Verse konsequent durchgeführt. Im Zuge der Erörterungen gewinnt allerdings die psychologische Deutung gegenüber der ekklesiologischen, mit der Origenes seine Ausführungen fast immer beginnt, tendentiell zunehmend an Bedeutung. In den Homilien hingegen begegnet die individuelle Deutung auf die Seele zwar auch, so wenn Origenes am Ende der Einführung in die erste Homilie jeden einzelnen Zuhörer auffordert, als „schöne Seele mit dem Bräutigam dieses Lied der Lieder zu singen“.129 Die Identifizierung der Braut mit der „Kirche ohne Makel und Runzel (Eph. 5,27)“, die Origenes gleich zu Beginn dieser Homilie einführt,130 dominiert allerdings die Auslegung.131 Zwischen beiden Deutungen gibt es allerdings einen tiefen inneren Zusammenhang, den Origenes in der zweiten Homilie auf den griffigen Slogan bringt: ecclesia nos

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dortigen gnostischen Milieu passt nicht zum Entstehungsort der ersten fünf Bücher des Kommentars in Athen. Im Prolog hebt Origenes denn auch explizit auf die griechischen philosophischen Erostraditionen ab (in Cant. comm. prol. 2,1 f.) und verortet des Hohelied ausführlich im Rahmen der antiken Philosophie (ebd. prol. 3). Das ist somit der geistesgeschichtliche Kontext, in dem Origenes sein Eroskonzept vorlegt. Das passt zum Entstehungsort Athen für die ersten Bücher des Kommentars, gilt aber auch für dessen Vollendung in Caesarea und die dort gehaltenen Predigten. Die Bezüge auf die Philosophie und das Judentum sind in Kommentar wie Homilien überdeutlich, dass aber gleichwohl der Bezug auf die Gnosis wahrscheinlicher sei (so Lettieri, ebd. 156), lässt sich aus dem Text nicht erweisen, auch wenn sich die Konzepte des Origenes in eher komparatistischer Form natürlich mit gnostischen Vorstellungen vergleichen lassen. Crouzel, Mariage mystique 46 f. 57, hat einer solchen Ableitung der originellen origeneischen Idee aus der valentinianischen Gnosis schon früher widersprochen: In Matth. comm. XIV 21 (GCS Orig. 10, 334–336) lehnt Origenes die gnostische Deutung des Bräutigams auf einen Engel, dessen Braut die Seele wird, ausdrücklich ab; und als er ebd. XVII 33 (10, 692) auf „jene ehrwürdige und göttliche und geistige Hochzeit“ zu sprechen kommt, bei der „der Bräutigam und die Braut ,ein Geist‘ (1 Kor. 6,7) sind“, warnt er nachdrücklich vor den gnostischen Irrtümern: „Schau aber, dass du beim Hören solcher Worte nicht in den Fehler verfällst, die Mythen über die männlichen und weiblichen Aionen im Sinne derer anzunehmen, die ihre Paare erfinden, die nirgendwo in den heiligen Schriften offenbart sind.“ Übersetzung: Vogt, BGrL 30, 293. Siehe Bardenhewer, Geschichte II, 143; Lieske, Logosmystik 32 f.; Lawson, ACW 26, 17 f.; Ohly, Hohelied-Studien 21. Vgl. in Cant. comm. prol. 1,1; I 1,2. In Cant. hom. 1,1. Vgl. Rousseau, SC 372, 17. In Cant. hom. 1,1. Vgl. in Cant. hom. 1,7; 1,9; 2,10. Diese Dominanz verführt Torjesen, Origen’s Exegesis 58, dazu, die Beziehungen auf die Seele, die es auch in den Homilien gibt, zu übersehen.

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sumus, „die Kirche sind wir“.132 In der strikt personalistischen Ekklesiologie des Origenes ist die Kirche die Gemeinschaft der „zur Vollkommenheit gelangten Seelen“,133 „die Versammlung aller Heiligen“ (coetus omnium sanctorum), „gleichsam eine Person aller“ (quasi omnium una persona).134 Die „Seelen der Gläubigen“, als die er die Kirche definiert,135 bilden „die Person der Kirche“ (persona ecclesiae),136 die „eine einzige Person“ (una persona) ist, jedoch „zahllose Gemeinden“ (ecclesiae innumerae) und „unzählige Versammlungen und Mengen von Völkern“ (immensae congregationes ac multitudines populorum) umfasst.137 Dieser Kirchenbegriff liegt seinen Ausführungen beständig zugrunde, weshalb beide Deutungen oft verschränkt sind, ineinander übergehen und letztlich nur in der Akzentsetzung unterscheidbar sind. Der innere Zusammenhang beider Deutungen lässt sich auf verschiedene Weisen beschreiben. Gründend in der ekklesiologischen KircheChristus-Beziehung, ist die Logos-Seele-Beziehung ihre individuelle Frucht und Verwirklichung.138 „Die salomonische Liebesdichtung wird gedeutet als religiöses Mysterium der Liebe zwischen Christus und der Kirche, welches sich der gläubige Zuschauer wiederum aneignet als ein Geschehen, in dem seine eigene Seele ins Gespräch mit Gott erhoben wird.“139 Umgekehrt ist der Kirchenbegriff des Origenes, für den die Kirche nicht nur seit Anbeginn der Welt, sondern sogar schon davor existierte,140 nur möglich durch seine personale Fundierung in den Vernunftseelen. Die Präexistenz der Kirche ist nur denkbar als Präexistenz der Vernunftwesen, und ihre Präsenz vor der Menschwerdung des Wortes realisiert sich in einzelnen Seelen, nämlich „in allen Heiligen, die es vom Anfang der Weltzeit an gegeben hat“.141 „Beide“, Kirche und Seele, „sind aufeinander hingeordnet“ in einem „Parallelismus“, in dem sich in den einzelnen Seelen wiederholt und ereignet, was bei „der Bildung der Kirche“ geschieht, und in dem sich diese umgekehrt durch „die Entfaltung und Heiligung“ der ihr angehörenden Seelen vollzieht.142 Ori-

132 In Cant. hom. 2,3. Ähnlich in Is. hom. 2,1 (GCS Orig. 8, 250), wo Origenes als Erläuterung von „Haus David“ sagt: nos sumus ecclesia Dei, „wir sind die Kirche Gottes“. 133 In Cant. comm. III 16(IV 2),17. 134 In Cant. comm. I 1,5. 135 In Cant. comm. II 5,6. 136 In Cant. comm. II 1,14. 137 In Cant. comm. II 1,55. Siehe dazu Vogt, Kirchenverständnis 210–225. 138 So Lawson, ACW 26, 10. 139 So der Konnex nach Ohly, Hohelied-Studien 21. 140 Vgl. in Cant. comm. II 8,4; III 11,10. Siehe dazu Cheˆnevert, L’E´glise 13–78; Vogt, Kirchenverständnis 205–210; bes. aber Lieske, Logosmystik 33–37, der die konzeptionelle Bedeutung dieser Theorie hervorhebt. 141 Vgl. in Cant. comm. II 8,4–6 (das Zitat ebd. II 8,6). 142 So beschreibt Lieske, Logosmystik 36 f., den inneren Zusammenhang zwischen Kir-

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genes ergänzte also nicht einfach nur die traditionelle ekklesiologische Deutung durch eine psychologische, sondern modifizierte jene durch einen personalistischen Kirchenbegriff. Im Grunde beziehen sich seine Erläuterungen immer wechselseitig auf beides, auf die Kirche wie auf die Seele.143 Im Blick auf die Kirche sind sie kollektiv formuliert, im Blick auf die Seele individuell. Letztlich sind beide untrennbar ineinander verwoben. Die beiden Deutungen stehen für die Durchdringung des Lebens der Kirche wie des Lebens der Seele mit dem Geheimnis der Gnade, und die Basis dafür ist die Teilhabe der Seele an der gottmenschlichen Natur des Logos. Zentral ist aber immer der Gottesbezug der Seele – das ist die entscheidende Innovation des Origenes.144 Im Kontext der antiken Kultur hat Origenes mit dieser Hohelieddeutung eine biblisch-christliche und auch innerhalb dieser Tradition neuartige Variante des Motivs von Eros (Amor) und Psyche geschaffen.145 Die Beschreibung der Gottesbeziehung in der Terminologie der Liebe und der Erotik ist ein verbreitetes Muster in vielen Religionen. Antik greifbar wird es in Muttergottheiten, die für Fruchtbarkeit und Leben stehen. Hier stehen natürliche Gegebenheiten im Vordergrund. Die Innovation der jüdischchristlichen Tradition besteht demgegenüber in der Verinnerlichung der Gottesbeziehung. An paganen Auffassungen und Riten, in denen wie im Phänomen der Tempelprostitution die natürliche Fruchtbarkeit auch in handfesten sexuellen Praktiken symbolisiert wird, wird scharfe Kritik geübt. Im Alten Israel geht die Entwicklung dieser Motivik weg vom Naturzusammenhang hin zum Individuum, auch wenn die Gottesbeziehung zunächst noch kollektiv, bezogen auf das Volk Israel, gefasst wird. Die Beziehung zwischen Mensch und Gott wird wie ein Verhältnis zwischen Mann und Frau beschrieben. Im Alten Testament steht die Ehe als Bild für die Gottesbeziehung im Sinne eines Liebesverhältnisses. Komplementär dazu wird die Störung der Beziehung in das Bild der Hurerei gefasst. Der Höhepunkt dieser Tradition im Alten Testament ist das Hohelied, das – wie eine neuere Deutungsrichtung der alttestamentlichen Exegese dies im Anschluss an die klassische allegorische Exegese vertritt146 – von vornherein als Allegorie auf

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che und Seele und macht ihn konzeptionell zur Grundlage seiner Darstellung der „Individualseite“ und der „Sozialseite“ der Logosmystik des Origenes: ebd. 38–100. So auch Crouzel, Mariage mystique 47. 57, und Rousseau, SC 372, 39, ohne diese Verschränkung indes weiter zu entfalten. Siehe auch King, Marriage-Song 14–16, der von „mystical ,personalism‘“ spricht (ebd. 15). Siehe Lawson, ACW 26, 15 f.; Ohly, Hohelied-Studien 23: „Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt für Origenes … in der innerseelischen Erfahrung, nicht im Blick auf die umfassende Kirche.“ Zum Thema generell siehe Rist, Eros and Psyche; zum Folgenden: Crouzel, Mariage mystique 38–45. Siehe Schwienhorst-Schönberger, Das Hohelied 11–25, und die dort genannte Spezialliteratur.

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das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk in der Sprache der Liebe verfasst worden ist. Im Neuen Testament gibt es dafür kaum Spuren.147 Für Jesus war das Bild der Ehe oder Hochzeit nicht das Paradigma, in dem er lebte, dachte und lehrte. Ein gleichfalls nur geringer Anklang ist die Beziehung der Ehe auf das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche im Epheserbrief (Eph. 5,22–33), womit die altisraelitische Tradition des Liebesverhältnisses zwischen Gott und seinem Volk fortgeschrieben wird. Der Passus ist allerdings sehr wirkmächtig geworden. Den nächsten entscheidenden Schritt in der Entwicklung dieses Motivs markiert die Hoheliedauslegung des Origenes. In dieser ist die Innerlichkeit und Subjektivität zum zentralen Gedanken gemacht und wird die individuelle Gottesbeziehung der Seele als Liebesbeziehung beschrieben. In den Homilien spielt Origenes nur kurz auf das Motiv der „mystischen Hochzeit“ an, im Kommentar jedoch führt er es ausführlich aus.148 Im Vorwort dazu fasst er diese Grundthematik des Hoheliedes prägnant zusammen und verwebt dabei die Beziehung auf Christus und die Kirche mit der auf das Wort und die Seele: „Von dieser Liebe also spricht die vorliegende Schrift, in der die selige Seele für das Wort Gottes brennt und entflammt ist und dieses Hochzeitslied durch den Geist singt, durch den die Kirche mit dem himmlischen Bräutigam Christus innigst verbunden wird in der Sehnsucht, mit ihm durch das Wort vereinigt zu werden, um von ihm zu empfangen und durch die unbefleckte Zeugung von Söhnen gerettet werden zu können, wenn sie im Glauben und in Heiligkeit und Nüchternheit verharren (vgl. 1 Tim. 2,15). Denn aus dem Samen des Wortes Gottes wurden sie empfangen, geboren hingegen und zur Welt gebracht werden sie entweder von der unbefleckten Kirche (vgl. Eph. 5,27) oder von der Seele, die nichts Körperliches, nichts Materielles verlangt, sondern allein in Liebe zum Wort Gottes brennt.“149 Diese Individualität ist Ausdruck der Freiheit, die für Origenes nicht nur eine denknotwendige Voraussetzung für die Möglichkeit ethischen Handelns darstellt, sondern von ihm als Signum der gesamten geistigen Wirklichkeit konzipiert worden ist.150 Zusammen mit dem „Gesetz der Natur“ und dem „vernünftigen Denken“ gehört „die Freiheit der Entscheidung“ zu den Gaben, die jeder Seele gleichsam als Mitgift für ihren Weg zur hoch-

147 Siehe die Hinweise von King, Marriage-Song 1 f. 4 f.; Strutwolf, OWD 9/1, 8. 148 Siehe dazu Crouzel, Mariage mystique 47–56; Pietras, L’amore 63–70. Vgl. auch Lawson, ACW 26, 18. 149 In Cant. comm. prol. 2,46. 150 Die wichtigsten Arbeiten hierzu sind Holz, Begriff des Willens und der Freiheit; Kobusch, Philosophische Bedeutung; Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit; Hengstermann, Freiheitsmetaphysik. Eine Zusammenschau der wesentlichen Aspekte bei Fürst, Art. Origenes 507–565.

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zeitlichen Vereinigung mit ihrem Schöpfer mitgegeben worden sind,151 so „dass es in jeder Seele die Kraft des Könnens und die Freiheit der Entscheidung gibt, mit der sie alles tun kann, was gut ist“.152 In den Homilien wie im Kommentar wird die Freiheit nur selten und meist indirekt angesprochen,153 so wenn Origenes zu Beginn der zweiten Homilie für die Entstehung der Sünde den schlechten Gebrauch der guten Schöpfung Gottes durch die Menschen verantwortlich macht und den Zuhörer als Individuum zum rechten Gebrauch auffordert: „Du also, als Mensch des Geistes (d.h. als ,Pneumatiker‘ nach 1 Kor. 3,1), höre auf geistige Weise, wie die Worte der Liebe gesungen werden, und lerne, die Regung deiner Seele und das Feuer der natürlichen Liebe auf Besseres zu richten.“154 In den Gedankengängen der Auslegung, die alle um die Entwicklungspotenziale der individuellen Seele kreisen, ist der Freiheitsgedanke als für diese Pädagogik und Protreptik notwendige Voraussetzung allerdings durchgängig präsent. Insbesondere steckt er im Gedanken der Würdigkeit und des Verdienstes, der die gesamte Auslegung durchzieht.155 Dahinter steht kein Belohnungsmechanismus oder gar ein Anspruchsdenken, sondern ein Freiheitskonzept, in dem die freie Seele und der seinerseits freie gnädige Gott derart miteinander kooperieren, dass Gott sein Handeln individuell auf den jeweiligen und stets veränderbaren moralischen und intellektuellen Zustand und auf die Fähigkeiten jedes Menschen abstimmt.156 Die Liebe, von der Origenes in Bezug auf die Seele redet, kann nur individuell gedacht werden.

d) Liebe mit allen Sinnen – die Theorie der geistigen Sinne Origenes hat ständig eingeschärft, dass die Liebe, von der im Hohelied die Rede ist, nicht als körperlich-sinnliche Liebe missverstanden werden darf. Wer das Hohelied so liest, gerät in höchste Gefahr für sein Seelenheil. „Weil er es nämlich nicht versteht, die Begriffe der Liebe rein und mit unschuldigen Ohren zu hören, wird er alles, was er gehört hat, statt auf den inneren Menschen fälschlich auf den äußeren und fleischlichen Mann beziehen, sich vom Geist zum Fleisch hinwenden und in sich selbst die fleischlichen Begierden nähren, und es wird den Anschein haben, als würde er, angestoßen von der göttlichen Schrift, zur Fleischeslust angeregt und angestachelt.“157 151 152 153 154 155 156

In Cant. comm. I 1,9. In Cant. comm. III 15(IV 1),20. Vgl. III 17(IV 3),5. Explizit in Cant. comm. II 3,3 f.; III 8,8. In Cant. hom. 2,1. Vgl. in Cant. hom. 1,2; 1,3; 1,8; 2,3; 2,4; 2,6; 2,7; 2,11; 2,12; 2,13. Vgl. in Ioh. comm. I 7,38 (GCS Orig. 4, 12); Cels. IV 16 (GCS Orig. 1, 285); IV 18 (1, 287). Siehe dazu Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 197–208. 157 In Cant. comm. prol. 1,6. Vgl. ebd. prol. 2,2 f.

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Hinter solchen Äußerungen steht die starke Tendenz zur Leibfeindlichkeit, die im frühen Christentum vom 2. Jahrhundert an sehr rasch feststellbar ist und sich weitgehend durchsetzt. Auch in der origeneischen Auslegung des Hoheliedes trifft man auf Schritt und Tritt auf sie. Die Weltverneinung ist die problematische Seite dieser Theologie.158 „Wenn du ein Liebhaber des Fleisches bist, erfasst du die Liebe des Geistes nicht“, warnt er seine Zuhörer in den Homilien.159 Origenes fasst das „Fleisch“ zwar paulinisch weit als Fehlorientierung des Menschen an irdischen Werten wie Geld und Besitz und denkt an alle Laster und Untugenden, von denen Menschen besessen sein können. Doch zu dieser Fehlorientierung gehört auch die körperliche Liebe. Körperliches wird durchweg abgewertet, der Leib mit seiner erotischen Sinnlichkeit gilt nicht als Medium tieferer Erfahrungen mit sich selbst. Ein solcher Gedanke dürfte freilich zu modern sein, um ihn einem altkirchlichen Text des 3. Jahrhunderts abzuverlangen. Überraschenderweise begegnet in der Hoheliedauslegung und überhaupt in der Exegese und Theologie des Origenes aber doch ein Gedanke, der die Gewichte zumindest ein wenig verschiebt. Das hermeneutische Grundprinzip der Hoheliedauslegung des Origenes bildet die Übertragung der leiblichen Sinneswahrnehmungen, von denen im Bibeltext in größtmöglicher Dichte die Rede ist, auf geistige Realitäten. Anders lässt sich der hoch erotische Text ja gar nicht auf Gott beziehen. Origenes hat dazu die Theorie der geistigen Sinne entwickelt.160 Es gibt, führt er aus, zwei Arten von Sinneswahrnehmungen: eine sterbliche, vergängliche, menschliche und eine unsterbliche, geistige, göttliche.161 Die göttliche Sinneswahrnehmung (ueiÂa aiÍsuhsiw; sensus diuinus) ist eine „geistige“ (aiÍsuhsiw pneymatikhÂ),162 „eine nicht sinnenhafte Sinneswahrnehmung“ (aiÍsuhsiw oyÆk aiÆsuhthÂ), wie er mit einer von ihm dafür gebildeten Wendung sagt.163 Dieses Konzept hat 158 Siehe den für diesen Aspekt sehr erhellenden Forschungsüberblick bei Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 12–16. 159 In Cant. hom. 1,2. 160 Die grundlegende Studie ist Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels, für hier bes. 114–123. Dillon, Aisthesis Noete, der eine analoge Theorie bei Plotin nachgewiesen hat: ebd. 449–453, meinte diesbezüglich eine Entwicklung vom frühen zum späten Origenes feststellen zu können: ebd. 443–449. McInroy, Origen, hat dem mit überzeugenden Argumenten widersprochen. – Cheˆnevert, L’E´glise 290–293, unterscheidet sieben Bedeutungen des Wortes sensus bei Origenes, die sich allerdings zu drei zusammenfassen lassen: Sinn bzw. Bedeutung von Aussagen; körperliche und geistige Sinne; Erkenntnis und deren Inhalte. 161 Vgl. princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27). 162 So in frg. 3 zu in Cant. comm. I 1,7. 163 Cels. I 48 (GCS Orig. 1, 98); in Ioh. comm. X 40,279 (GCS Orig. 4, 218). Auch im Plural ueiÄai aiÆsuhÂseiw: in Luc. frg. 192 (GCS Orig. 92, 308). Weitere Wendungen, mit denen Origenes diese ,Sinne‘ beschreibt, bei Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels 118 f.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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er in vielen Schriften theoretisch dargelegt.164 Es beruht auf zwei Grundlagen, einer biblischen und einer philosophischen. Die biblische knüpft Origenes an Spr. 2,5 in einer speziellen Fassung: „Du wirst eine göttliche Sinneswahrnehmung erlangen“,165 ferner an Hebr. 5,14, wo von „geübten Sinnen zur Unterscheidung von Gut und Böse“ die Rede ist.166 Die platonische Grundlage hängt an Platons „Auge(n) der Seele“,167 die Origenes mit den „Augen des Herzens“ in Eph. 1,18 identifiziert.168 Die Theorie beruht jedoch nicht einfach nur auf einigen Stellen bzw. Wendungen in der Bibel und in Platons Schriften. Sie bringt vielmehr die gesamte platonische Weltsicht zum Ausdruck, in der Origenes denkt und in der er die Bibel auslegt. Die sinnlich wahrnehmbare Realität ist darin Ausdruck der geistigen Wirklichkeit, von der her sie ihre innere Struktur und Schönheit hat. Das gilt für die materielle Welt des Kosmos genauso wie für die gleichsam materiellen Wörter des Bibeltextes. In beiden steckt der göttliche Logos als schöpferisches, erhaltendes und erlösendes Prinzip. Beide verweisen auf diese geistige Wirklichkeit, beide haben ihre Existenz durch Teilhabe an diesem geistigen Sein.169 Die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit ist ein Abbild der geistigen Realität, die umgekehrt durch die geistige Sinneswahrnehmung zugänglich ist. Die Sinnlichkeit des Hoheliedes versteht Origenes in diesem Denkrahmen als Medium, den Verstand von der körperlichen Sinneswahrnehmung auf die geistige, „nicht sinnenhafte Sinneswahrnehmung“ hinzulenken und so zur ,eigentlichen‘ Wirklichkeit zu gelangen. Aus diesem Grund hat Origenes bei seiner Auslegung des Hoheliedes die Theorie der geistigen Sinne am detailliertesten und eindringlichsten entfaltet.170 An folgender Passage, 164 Die wichtigsten Stellen außerhalb des Hoheliedkommentars sind princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27); IV 4,10 (5, 364); Cels. I 48 (GCS Orig. 1, 98); VII 34 (2, 185); in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 247); 10,4 (6, 251); in Lev. hom. 3,7 (GCS Orig. 6, 312); in Ps. 36 hom. 1,4 (GCS Orig. 13, 121–124); cat. Pal. in Ps. 118,102 (SC 189, 354–356); in Matth. comm. ser. 63 f. (GCS Orig. 11, 145–151); in Luc. frg. 186 (GCS Orig. 92, 305–307); in Ioh. comm. XX 43,405–408 (GCS Orig. 4, 386 f.); dial. 15.28–24.17 (SC 672, 88–102). 165 Die Septuaginta liest: „Du wirst Erkenntnis Gottes (eÆpiÂgnvsiw ueoyÄ) finden“ (p. 937 Septuaginta Deutsch). 166 Beide Stellen nebeneinander in Cant. comm. I 4,16; vgl. auch ebd. II 9,12. In den Homilien (und in den Fragmenten) begegnen diese Stellen nicht. 167 Platon, polit. VII 533c–d; soph. 254a. Siehe dazu die Hinweise auf die Verbreitung dieser Vorstellung in der hellenistischen Philosophie bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 268 Anm. 124. 168 In Cant. comm. II 9,12; in Cant. hom. 2,4. Vgl. princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27); II 4,3 (5, 131); Cels. VII 38 (GCS Orig. 2, 189). Weitere Hinweise dazu in OWD 9/1, 282 Anm. 327, sowie unten S. 111 Anm. 100. 169 Siehe dazu Fürst, Bibel und Kosmos. 170 Die wichtigste Stelle im Kommentar ist in Cant. comm. I 4,10–20, wo er die

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um nur ein Beispiel zu zitieren, kommen sämtliche Aspekte dieser Theorie zur Sprache: „Vielleicht wird entsprechend dem, was der Apostel sagt, Christus für die, ,die geübte Sinne zur Unterscheidung von Gut oder Böse haben‘ (Hebr. 5,14), für alle einzelnen Sinne der Seele zu allen diesen einzelnen Eigenschaften. Deshalb nämlich wird er auch wahres Licht genannt (vgl. Joh. 1,9), damit die Augen der Seele etwas haben, wodurch sie erleuchtet werden; deshalb auch Wort (vgl. Joh. 1,1), damit die Ohren etwas haben, was sie hören; deshalb auch Brot des Lebens (vgl. Joh. 6,35), damit der Geschmackssinn der Seele etwas hat, was er schmeckt. Deshalb also wird er auch Salböl oder Narde genannt (vgl. Hld. 1,12), damit der Geruchssinn der Seele den Duft des Wortes wahrnimmt. Deshalb wird er auch als berührbar und mit der Hand betastbar und als fleischgewordenes Wort bezeichnet (vgl. Joh. 1,14), damit die Hand der inneren Seele etwas vom Wort des Lebens berühren kann. Dies alles aber ist ein und dasselbe Wort Gottes, das dadurch, dass es sich mit Hilfe dieser einzelnen Eigenschaften den Regungen des Gebets jeweils anders anpasst, keinen Sinn der Seele ohne seine Gnade lässt.“171 Die Ausdrücke körperlicher Sinnlichkeit sind dabei offenbar mehr als nur ein Medium, das man einmal hinter sich lassen könnte. Sie sind vielmehr der konkrete Ort, an dem dem Menschen in seiner körperlichen Verfasstheit die Beziehung zur geistigen Wirklichkeit allein möglich ist. Nur in Bezug auf die Dimension der Leiblichkeit ist die geistige Wahrnehmung aussagbar. Dieser Zusammenhang ist daran ablesbar, dass Origenes die geistigen Sinne sowohl an den Geist und den Verstand (noyÄw, mens) als auch an die Seele (cyxhÂ, anima) koppelt.172 Die Seele ist in der Anthropologie des Origenes nicht etwas rein Geistiges (das ist der noyÄw), sondern das Bindeglied zwischen Körper und Geist. Zu ihr gehört nicht nur eine intellektuelle Komponente, sondern auch eine irrationale und emotionale.173 Ihr Leitprinzip (Hegemonikon)174 ist der Geist, aber sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie gerade das Verbindungselement des Geistes mit seiner körperlichen Gestalt ist. Nur in dieser komplexen Zusammensetzung existiert der Mensch. Es ist deshalb nicht beliebig, dass die Gottesbeziehung sowohl im Text der Bibel als auch in den Auslegungen des Origenes ständig von der Sprache der körperlichen Sinneswahrnehmung geprägt ist. Einen anderen Ort als seine

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Theorie ausführlich entwickelt; vgl. ferner ebd. prol. 2,9; I 4,26 f.; II 9,5; II 10,14; II 11,11; II 12,22; III 5,6. Für die Homilien vgl. in Cant. hom. 1,2; 2,4; 2,12. Siehe auch Rousseau, SC 372, 21–25. In Cant. comm. II 9,12–14. Siehe dazu Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels 123–125, etwa in Hiez. hom. 11,1 (GCS Orig. 8, 424): sensus animae. Vgl. etwa in Luc. frg. 187 (GCS Orig. 92, 307). Siehe dazu unten S. 83 Anm. 45 zu in Cant. hom. 1,6.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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Leiblichkeit hat der Mensch nicht, um seine Beziehung zum Geistigen zum Ausdruck zu bringen. Im Blick auf die sinnenhaften Aspekte der Liebe ist damit die leibliche Dimension des Menschseins in ihrem ganzen Ausmaß in die Gottesbeziehung mit eingebracht. Auch wenn Origenes ständig betont, dass die Erotik des Hoheliedtextes nicht in körperlichem, sondern in geistigem Sinn aufzufassen ist, hat er zur Beschreibung dieser geistigen Erotik doch keine andere Möglichkeit, als auf die Sprache der Körperlichkeit zurückzugreifen. Das wird erneut am Grundbegriff der Sehnsucht bzw. des Eros deutlich.175 Mit seiner positiven Verwendung dieser Begriffe (desiderium, amor, cupido)176 kommt Origenes das Verdienst zu, „gegenüber der Gnosis aufgezeigt zu haben, dass Sehnsucht nichts in sich Schlechtes ist“.177 Das natürliche Verlangen des Menschen als Streben der Seele nach Höherem – nach Erfüllung, nach Vollkommenheit, nach Glück und Glückseligkeit – umgreift den ganzen Menschen mit allen seinen leiblichen und geistigen Dimensionen. Die leibliche Sinnlichkeit des Menschen wird auf diese Weise in die geistige Erotik miteinbezogen, sinnliches und geistiges Wahrnehmen, das Empfinden und Erkennen in einem ist, hängen wechselseitig zusammen. Vielleicht lässt sich dies auch mit der Deutung verbinden, die Origenes dem Lager aus Hld. 1,16 gibt: „Ich suche das Lager, auf dem der Bräutigam mit der Braut ruht. Und wenn ich mich nicht irre, ist es der menschliche Leib.“178 Im Kommentar, in dem er diesen Gedanken etwas ausführlicher darlegt, verbindet er ihn mit dem paulinischen Gedanken aus 1 Kor. 6,15, „dass unsere Leiber die Glieder Christi“ und damit der „Leib Christi“ sind.179 Daraufhin beschreibt Origenes erneut in erotischer Sprache die „ungeheure Anmut und die neue und wunderbare Zierde der Gestalt des Wortes Gottes“ und schließt: „Zu Recht also hat die Seele“, die „ihn mit geistigen Augen anzuschauen vermag“, „ihren Leib als Lager mit dem Wort gemeinsam.“180 Darin steckt eine enorme Aufwertung des Leibes. Die Mystik des Origenes ist durchaus nicht nur ein intellektuelles Erlebnis. Die Gottesbeziehung in seiner Hoheliedauslegung wird vielmehr ausgesprochen emotional beschrieben: Ununterbrochen geht es um Sehen und Hören, um Schmecken, Riechen und Berühren.181 Es ist der Mensch in seiner leib-seelischen Gesamt-

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Vgl. Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 17–23. Siehe dazu oben S. 19–22. Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 18. In Cant. hom. 2,4. In Cant. comm. III 2,5. In Cant. comm. III 2,7 f. In Cels. I 48 (GCS Orig. 1, 98) und in Matth. comm. ser. 63 (GCS Orig. 11, 146) beschreibt Origenes die „geistige Wahrnehmung“ explizit mit Bezug auf diese fünf Sinnesfähigkeiten des Menschen.

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heit, der in Kontakt mit Gott tritt – wie auch immer man sich das konkret vorstellen mag. Wo Origenes ansetzt, die Intensität und Intimität dieser Beziehung zu beschreiben, greift er auf die körperlich-seelischen Sinne zurück, über die der Bezug des Menschen sowohl zur Welt als auch zu sich selbst läuft. Er gebraucht dafür das aussagekräftige Bild des Fensters in Hld. 2,9, durch das der Bräutigam hereinschaut. „Ein Fenster entspricht einem der Sinne“, erklärt Origenes dazu. „Durch diesen Sinn schaut der Bräutigam herein. Ein anderes Fenster ist ein anderer Sinn, und durch diesen blickt der Bräutigam besorgt herein. Denn durch welche Sinne schaut das Wort Gottes nicht herein?“182 Die Sinne sind der Kommunikationsweg zwischen Gott und der Seele. Durch ihre Fundierung in den Sinnen des Menschen gewinnt diese Spiritualität einen starken Bezug zur leiblichen Verfasstheit des Menschen und zu seinen konkreten Erfahrungen. Besonders von letzteren spricht Origenes häufig. Die Seele muss erfahren, was es heißt, sich von Gott und damit von sich selbst abzuwenden, sich selbst nicht zu erkennen. „Wer es nicht selbst erlebt, kann es nicht verstehen.“183 Durch ihre Verirrungen hindurch wird die Seele sich, „durch die Erfahrung erzogen, der Erkenntnis ihrer selbst zuwenden“.184 Auch der Erkenntnis des göttlichen Wortes in der Bibel geht eine entsprechende Erfahrung voraus: „Wir, die Gläubigen, erleben das: Ehe wir die Stimmen des Gesetzes und der Propheten verstehen, lassen wir uns von ihrer Fülle an göttlicher Gnade ergreifen.“185 Alles Denken und alle Erkenntnis sind an Erfahrung gebunden.186 Die Vernunft des Origenes hat ihren Ausgangspunkt immer im Leben und kehrt zu diesem zurück. In der Theorie der geistigen Sinnlichkeit, des Gottesbezugs mit allen Sinnen, wird das greifbar, ist aber ein generelles Merkmal seiner Theologie. Darin gründet die tiefe Spiritualität dieses Denkens, auch der psychologische Fein182 In Cant. hom. 2,12. Vgl. dazu frg. 29. 183 In Cant. hom. 1,7. Vgl. in Cant. comm. I 4,18 mit Bezug auf Hebr. 5,14: „So also kann auch der innere Sehsinn, wenn er nicht durch Ausbildung und Fleiß geübt ist, so dass er durch viel Erfahrung über die Gabe der Unterscheidung von Gut und Böse verfügt, sondern ihm Unkenntnis und Unerfahrenheit gleichsam wie ein Nebel den Augen innewohnt oder ihn irgendeine krankhafte Erschlaffung wie triefende Augen befällt, auf keine Weise den Unterschied zwischen Gut und Böse erfassen, und so kommt es, dass er das Böse statt des Guten tut, das Gute aber statt des Bösen verachtet.“ 184 Frg. 14. 185 Frg. 27. Auch in princ. IV 1,6 (GCS Orig. 5, 301 f.) betont er diese „Erfahrung“ als erste Stufe der Erkenntnis des tieferen Sinns der Bibel: siehe unten S. 174 Anm. 103. 186 In Cant. comm. II 2,7: „Weil du es faktisch erfahren hast, wirst du allmählich erkennen …“ Oder am Schluss des Kommentars, ebd. III 17(IV 3),34: Nur „eine kleine und unerfahrene“ Seele kann „von den Füchsen (aus Hld. 2,15), das heißt von bösen Gedanken oder verkehrten Lehrern, beschädigt werden“, nicht aber „eine große und vollkommene und kräftige“.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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sinn, der sich darin kundtut.187 All das mag überraschen, wird Origenes doch für gewöhnlich eine Spiritualisierung und Intellektualisierung nachgesagt, doch nicht nur hier lohnt es sich, sich genauer auf die Denkwege einzulassen, die das Genie aus Alexandria der christlichen Theologie gebahnt hat.

4. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Homilien Die beiden Hoheliedhomilien des Origenes sind in zahlreichen, teils auch alten Handschriften überliefert, von denen die älteste ein Codex aus dem Anfang des 7. Jahrhunderts ist, der während der Französischen Revolution von Saint-Germain-des-Pre´s in Paris nach Sankt Petersburg gelangte (Codex Petropolitanus P. B. Q. v. I Nr. 8, fol. 112–153).188 Der Archetyp dürfte wie für die anderen Schriften des Origenes Latinus aus Cassiodors Bibliothek im Vivarium gestammt haben.189 Für eine große Beliebtheit dieser Predigten im Mittelalter190 spricht die hohe Zahl der Handschriften aber nicht unbedingt, denn die weitaus meisten sind im Rahmen von Sammlungen von Hieronymus- und Augustinusbriefen überliefert.191 Dem Sammler der Hieronymusbriefe ging es vor allem um das Vorwort des Hieronymus an Damasus. Die beiden folgenden Origeneshomilien wurden einfach mit abgeschrieben, und die Kopisten dieser Handschriftenfamilie haben das getreulich ebenso gehalten.192 Wir sehen hier einen der Wege, auf dem sich die Werke des Origenes erhalten haben: gleichsam im Windschatten des Hieronymus. In diesem beginnt auch die moderne Editionsgeschichte193 der beiden Hoheliedhomilien. Erstmals gedruckt wurden sie in den Ausgaben von Hieronymusbriefen, die 1470 in Rom, 1477 in Nürnberg, 1479 in Köln und 1498 in Venedig erschienen. Bis in das 18. Jahrhundert hinein wurden sie

187 Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels 134, versteht die Lehre von den fünf geistigen Sinnen bei Origenes als Psychologie seiner Lehre von der Theologie, letztere aufgefasst als Gottesschau und höchste Stufe des geistigen (spirituellen) Lebens. 188 Beschreibung der Handschriften bei Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 159–185; Kurzfassung: ders., GCS Orig. 8, xiv–xix; Rousseau, SC 372, 45–49. 189 Vgl. Rousseau, SC 372, 48. 190 Eine solche folgert Rousseau, SC 372, 47–49, aus den Verbreitungsorten der Handschriften. 191 Ohly, Hohelied-Studien 18 Anm. 12, nennt die Zahl von 73 Handschriften. Simonetti, Omelie xxxi, verweist auf mehr als 200 Hieronymushandschriften, in denen die beiden Homilien enthalten sind. 192 Vgl. Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 170. 180; ders., GCS Orig. 8, xvi–xvii. 193 Zu dieser siehe Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 239–242; ders., GCS Orig. 8, l–li; Rousseau, SC 372, 50–55.

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auch in Ausgaben von exegetischen Schriften des Hieronymus abgedruckt, manchmal zusammen mit dem Hoheliedkommentar, der in „vier Homilien“ eingeteilt und Hieronymus zugeschrieben wurde; so geschehen beispielsweise in der Hieronymusausgabe des Erasmus von Rotterdam in Basel 1516, die bis 1565 sieben Nachdrucke erlebte.194 Unter den Werken des Origenes erschienen die Homilien erstmals in der Ausgabe von Jacques Merlin (Paris 1512), dann in denen des Erasmus (Basel 1536), Gilbert Ge´ne´brard (Paris 1574) und schließlich Charles Delarue (Paris 1740), der aber die meisten Fehler der Merlinschen Ausgabe übernahm. Von Delarue abhängig waren die Nachdrucke von Carl Heinrich Eduard Lommatzsch (Berlin 1842) und Jacques-Paul Migne (Paris 1857). Die erste kritische Ausgabe besorgte Wilhelm Adolf Baehrens (Leipzig 1925) im Rahmen seiner Ausgabe der lateinisch erhaltenen Homilien und Kommentare des Origenes zum Alten Testament in den „Griechischen Christlichen Schriftstellern“, deren Text hier ebenso abgedruckt ist wie in der „Sources Chre´tiennes“-Ausgabe von Olivier Rousseau (Paris 1954; 21966). Einen alternativen kritischen Text hat Manlio Simonetti (Verona 1998; 22003) erstellt. Er gab den Lesarten des Codex Petropolitanus meist den Vorzug und stellte diese älteste Handschrift gegen alle anderen, die nach ihm auf einen gemeinsamen Subarchetyp zurückgehen.195 Simonettis Text ist in der vorliegenden Ausgabe mit dem Text von Baehrens verglichen, und an manchen Stellen, die jeweils in den Fußnoten erläutert werden, sind seine Vorschläge aufgegriffen. Diese beiden Hoheliedhomilien sind schon in einige moderne Sprachen übersetzt worden. Erstmals geschah das in das Französische von Jean-Franc¸ois Bareille (Paris 1878) in einer Gesamtausgabe der Werke des Hieronymus. Auf der Basis der kritischen Edition von Baehrens entstanden die Übersetzungen erneut in das Französische von Olivier Rousseau (Paris 1954; 2 1966) und in das Englische von R. P. Lawson (Westminster MD/London 1957), deren Einführungen und nützlichen Anmerkungen auch für die vorliegende Ausgabe herangezogen wurden. Nicht benutzt wurden die Übertragungen in das Katalanische von Jaume Riera i Sans (Barcelona 1979), das Polnische von S. Kalinkowski (Warschau 1980), das Japanische von T. Odaka (Tokio 1982) und das Spanische von Samuel Ferna´ndez Eyzaguirre (Madrid 2000), wohl aber mit Gewinn die in das Deutsche von Karl Suso Frank (Einsiedeln 1987). Zu den früheren italienischen Übersetzungen von Normando Antoniono (Mailand 1985) und Maria Ignazia Danieli (Rom 1990; 2 1995) kommt jetzt die von Manlio Simonetti (Verona 1998; 22003) auf der Basis seiner Neuausgabe.

194 Weitere Hieronymusausgaben, die die beiden Hoheliedhomilien des Origenes enthalten, sind aufgeführt bei Rousseau, SC 372, 54. 195 Begründet in Simonetti, Omelie xxxii–xxxiv.

I. Die Homilien des Origenes zum Hohelied

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In den Fußnoten werden Erklärungen zum Text und Hinweise zu Parallelstellen bei Origenes gegeben. Besonders in der Ausgabe von Simonetti ist in den Anmerkungen die Auslegung eines Hoheliedverses in den Homilien jeweils kurz mit der im Kommentar verglichen. Da ein solcher Vergleich, führt man ihn eingehend durch, weit über das hinausgehen würde, was in Fußnoten leistbar ist, sind in der vorliegenden Ausgabe nur gelegentliche Hinweise auf den Hoheliedkommentar enthalten und ist kein Vergleich beider Auslegungen, die nicht in allen Details deckungsgleich sind, vorgenommen. Auch die Hinweise auf spätere altkirchliche Hoheliedausleger, die Simonetti gibt, sind nicht aufgenommen. Für diese sei hiermit auf seine Ausgabe verwiesen.

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied 1. Das Fragment aus dem kleinen Hoheliedkommentar der Jugendzeit Das Hohelied gehört zu den allerersten Texten, mit denen Origenes sich exegetisch beschäftigt hat. Laut Hieronymus hat er bereits „in der Jugendzeit“ einen zweibändigen Hoheliedkommentar verfasst.196 Eine genauere Datierung ist mangels Nachrichten nicht möglich.197 Zeugnis davon gibt ein einziger kleiner Text, der sich in der von Basilius von Caesarea und Gregor von Nyssa irgendwann in den Jahren zwischen 364 und 378 zusammengestellten Anthologie aus den Werken des Origenes, der Philokalie, erhalten hat. Er enthält differenzierte Bemerkungen zur dramatischen Gestaltung des Hoheliedes. Darauf geht Origenes auch später im großen Hoheliedkommentar ein, was dazu allerdings in der lateinischen Übersetzung des Rufinus im Vorwort zu lesen ist, ist zwar sachlich identisch, in der Präsentation aber nicht so detailliert wie im Werk aus der Jugend. Im großen Kommentar beschränkt sich Origenes darauf, als Merkmale eines Dramas auf verschiedene auf- und abtretende Personen und unterschiedliche Gesprächskonstellationen hinzuweisen,198 und in den griechischen Fragmenten wird einmal auf einen solchen Wechsel der Gesprächskonstellation hingewiesen und einmal ein Szenenwechsel beschrieben.199 Im kleinen Kommentar der Jugendzeit hingegen erklärt Origenes den Wechsel der Personen ausführlicher, und zwar nicht als Definition eines Dramas, sondern um die Identität der jeweils sprechenden und angesprochenen Personen zu klären. Denn wer sich darüber nicht im Klaren ist, „für den bietet der Text“ des Hoheliedes, meinte 196 Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 256): In Canticum Canticorum libros X et alios tomos II, quos super scripsit in adulescentia. In philoc. 7,1 (SC 302, 326) ist hingegen nur von einem „kleinen Band“ (toÁ mikroÁw toÂmow) die Rede. Wie auch immer diese kleine Differenz zu erklären sein mag: Beide Nachrichten, die unabhängig voneinander sind, bestätigen einwandfrei die Existenz eines solchen Kommentars: King, Marriage-Song 7 Anm. 24. 197 Nautin, Orige`ne 58, votiert für die Jahre vor der Regierungszeit des Kaisers Alexander Severus (222–235), wenn nicht noch früher, nämlich schon vor 215 (vgl. auch Perrone, Dramatic Interpretation 71 f.). Noch früher, nämlich in die Jahre 206–211, will King, Marriage-Song 6–9, gehen – was freilich doch zu früh sein dürfte. 198 In Cant. comm. prol. 1,3, zitiert unten S. 140 Anm. 1. 199 Vgl. frg. 35 bzw. 60.

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er, „ein großes Durcheinander“. Aber nicht nur die möglichen Gesprächskonstellationen und die verschiedenen Formen, durch Auf- und Abtreten von Personen in Kombination mit ihrem Reden oder Verstummen von einer Szene in die nächste zu wechseln, machen den Text des Hoheliedes schwer nachvollziehbar. Auch durch die regelrecht sprunghaft wechselnden Inhalte wird das Verständnis zusätzlich erschwert. Und das gelte nicht nur für das Hohelied, sondern für die gesamte Schrift und in besonders hohem Maße für die Propheten.200 Das Fragment enthält somit grundlegende hermeneutische und methodische Beobachtungen zu zwei Eigenheiten der biblischen Texte und zu den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten ihres Verstehens. Das dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Philokalisten den Auszug in ihre Sammlung von Origenestexten aufgenommen haben. Die Ausführungen sind in der Tat über das Hohelied hinaus von Bedeutung, wie Origenes selbst schon betont hat. Die Schwierigkeit, die in einer Bibelstelle jeweils sprechende Person zu identifizieren, trägt in nicht unerheblichem Maße zur „Unklarheit“ der biblischen Texte bei, auf die Origenes oft hingewiesen hat.201 Anhand des Hoheliedes hat sich Origenes also schon in jungen Jahren Gedanken über hermeneutische und methodische Grundsätze der Bibelauslegung, besonders des Alten Testaments, gemacht. Könnte es sein, dass Hippolyt von Rom (gest. 235) ihn zur Beschäftigung mit dem Hohelied angeregt hat? Hippolyt hat den ersten Hoheliedkommentar der Alten Kirche geschrieben, und bei seinem Besuch in Rom um 212202 ist Origenes mit ihm in Kontakt gekommen. Der Hoheliedkommentar Hippolyts ist wohl aus Predigten hervorgegangen, und Hieronymus berichtet, dass Origenes bei einer seiner Predigten anwesend gewesen sei und Hippolyt die Gemeinde ausdrücklich auf die Anwesenheit des Gastes aus Alexandria hingewiesen habe.203 Das Thema dieser Predigt war laut Hieronymus jedoch ein „Lobpreis des Herrn und Erlösers“ (De laude Domini Saluatoris), nicht das Hohelied. Dass Origenes den Hoheliedkommentar Hippolyts gekannt hat, ist aber gleichwohl anzunehmen, denn in der Bibliothek in Caesarea, die auf Origenes zurückgeht, war wahrscheinlich ein Exemplar vorhanden,204 und aus einigen Stellen seiner späteren Hoheliedauslegung lässt sich vermuten, dass Origenes den Kommentar Hippolyts

200 Philoc. 7,1 (SC 302, 326): siehe unten S. 140 f. 201 Siehe die Hinweise dazu unten S. 141 Anm. 2. Vgl. auch Perrone, Dramatic Interpretation 83. 202 Bezeugt von Eusebius, hist. eccl. VI 14,10 (GCS Eus. 2, 552). Nautin, Orige`ne 418 f., datiert den Rombesuch des Origenes etwas später, zwischen 214 und 217. 203 Hieronymus, vir. ill. 61,2 (p. 218 Barthold). 204 Das ergibt sich aus dem Verzeichnis der Werke Hippolyts bei Eusebius, hist. eccl. VI 22 (GCS Eus. 2, 568), das auf den Beständen dieser Bibliothek beruht.

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kritisch benutzt hat.205 Allerdings zeigt der spätere große Kommentar auch, dass Origenes weit über Hippolyts Auslegung hinausging. Er übernahm zwar Hippolyts Deutung von Braut und Bräutigam auf Christus und die Kirche,206 erweiterte diese allerdings um die von ihm stammende Deutung auf das Wort Gottes und die Seele und verschränkte beides, die kollektive und die individuelle Deutung, in einem streng personalistischen Kirchenbegriff eng miteinander.207 Wie auch immer also die Anregung zur Beschäftigung mit dem Hohelied zustandegekommen sein mag: Dieser außergewöhnliche biblische Text hat das hochfliegende Denken des Alexandriners offenbar früh in Bann gezogen und womöglich nicht wenig zur Formung seines exegetisch-philosophischen Denkens beigetragen.208

2. Die Fragmente aus dem großen Hoheliedkommentar a) Literarischer Charakter und Wert der Katenenfragmente Die reife Frucht der exegetischen Beschäftigung des Origenes mit dem Hohelied liegt in seinem großen, zehn Bände umfassenden Hoheliedkommentar vor, den er in seinen reifen Jahren 240 in Athen begonnen und einige Jahre später in Caesarea vollendet hat.209 Neben den lateinisch erhaltenen drei Büchern ist dieser Kommentar als ganzer nur noch in den Fragmenten des griechischen Textes greifbar, die in der Katenenüberlieferung erhalten sind. Die Hauptquelle ist die sogenannte Prokop-Katene.210 Sie ist ein Auszug aus einer umfangreicheren, heute nicht mehr erhaltenen Sammlung von Auslegungen des Hohelieds verschiedener Kirchenschriftsteller und wird auf den frühbyzantinischen Theologen Prokop von Gaza (465/75–528/38) zurückgeführt.211 Die Basis der Katene bilden umfangreiche Auszüge aus den

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Vgl. in Cant. comm. prol. 4,32; II 5,1; III 17(IV 3),2. Siehe dazu die Hinweise von Strutwolf, OWD 9/1, 8–10. Siehe dazu oben S. 24–29. Vgl. auch King, Marriage-Song 9: „Nearly his whole theological project is comprehended, in the most literal sense, by his study of the Song – a fact that offers powerful testimony to its unique status in his understanding of Scripture as a whole.“ 209 So nach der Datierung des Eusebius, hist. eccl. VI 32,2 (GCS Eus. 2, 586). Vgl. Strutwolf, OWD 9/1, 3, ferner oben S. 6. 210 Eine ausführliche Beschreibung ist zu finden bei Faulhaber, Hohelied-Catenen 20–39 (zu den Handschriften), und Barba`ra, BPat 42, 101–112, besonders jedoch in der eingehenden Studie zu dieser Katene von Auwers, L’interpre´tation du Cantique 127–244, eine Kurzfassung bei dems., Chaıˆne de Procope 329–331. 211 Ob Prokop lediglich der Epitomator der älteren (verlorenen) Katene ist, ob er deren Autor war oder ob beides von ihm stammt, ist in der Forschung umstritten: Auwers, L’interpre´tation du Cantique 131 f.; ders./Gue´rard, CChr.SG 67, xvii.

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Hoheliedhomilien Gregors von Nyssa (bis Hld. 6,9, bis wohin diese Homilien reichen). Nach Gregor von Nyssa, auf den etwa ein Drittel des Katenentextes zurückgeht (92 Stücke), ist Nilus von Ankyra der Ausleger, der am häufigsten mit teilweise langen Auszügen vertreten ist (75). An dritter Stelle dieser Statistik kommt gleich danach Origenes (74, zu denen allerdings noch etliche weitere zu zählen sind, die ihm nicht namentlich zugewiesen sind), gefolgt von Kyrill von Alexandria (47), dessen HoheliedAuslegung ebenso wie die des Apolinaris von Laodizea (15) nur durch diese Katene bekannt ist, und Philon von Karpasia (41). Andere Autoren (Didymus von Alexandria, Isidor von Pelusium, Theodoret von Kyrrhos und Theophilus von Alexandria [oder Antiochia]) werden jeweils nur einmal zitiert.212 Im Blick auf Origenes liegt die Bedeutung dieser Katene darin, dass sie als einzige Quelle einen Einblick in seine Hoheliedauslegung im ganzen Kommentar über die lateinisch überlieferten ersten drei Bücher (die bis Hld. 2,15 reichen) hinaus gewährt. Andere Katenen bieten dafür kaum Material und erweitern die Kenntnis des griechischen Textes des Hoheliedkommentars um nur wenige weitere Fragmente.213 Ein weiteres Fragment von deutlich besserer Qualität hat sich in der Philokalie erhalten.214 Es lässt den originalen Wortlaut des Origenes weitaus besser erkennen als die Katenenbruchstücke. Es wird deshalb gern zur Überprüfung der Genauigkeit der Übersetzung des Rufinus herangezogen.215 Im allgemeinen kann festgestellt werden, dass die Übertragung des Hoheliedkommentars durch Rufinus genauso wie die der Homilien durch Hieronymus keinen Anlass zu genereller Skepsis gibt, sondern die wesentlichen Grundzüge der origeneischen Auslegung korrekt wiedergegeben werden.216 Die Katenenfragmente bieten die Schwierigkeit, dass sie von ihren Exzerptoren aus dem ursprünglichen Kontext gerissen, verkürzt und dabei nicht selten verstümmelt worden sind, so dass ihrem Verständnis teilweise große Hindernisse im Weg stehen. Der Vergleich mit dem erhaltenen lateinischen Text zeigt, dass es sich durchweg um sehr knappe Zusammenfassungen des origeneischen Textes handelt, in denen die Hauptgedanken seiner Auslegung eines bestimmten Verses wiedergegeben werden.217 Ohne 212 Siehe die Statistik bei Auwers, L’interpre´tation du Cantique 151 f. (ebd. 152 auch die Stücke mit unklaren oder doppelten Zuweisungen). 213 Frg. 1 aus der Catena Barberiniana; frg. 2 aus der Katene des Andreas zu den Katholischen Briefen; frg. 10 aus der Jeremia-Katene des Johannes Drungarius. Siehe die Beschreibung der zugehörigen Handschriften bei Barba`ra, BPat 42, 113–137 (vgl. auch ebd. 66 Anm. 15), ferner die nützliche Übersicht bei Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 203–205. 214 Philoc. 27,13 (SC 226, 310–314) zu in Cant. comm. II 2,16–19: frg. 12. 215 So von Dünzl, Canticum-Exegese 95 mit Anm. 17. 216 So Dünzl, ebd. 95. 217 So auch Barba`ra, BPat 42, 97. Frg. 22 ist das Fragment, in dem der Text, vergleicht

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den ausführlicheren lateinischen Text heranzuziehen, bleibt die Bedeutung des im Fragment erhaltenen Textes oft nur schwer verständlich. Statt von Fragmenten müsste man deshalb vielleicht sogar eher von Testimonien oder Scholien sprechen, wenn letzterer Begriff nicht anderweitig besetzt wäre. Um direkte Auszüge aus dem Kommentar des Origenes im Sinne von Zitaten handelt es sich jedenfalls nicht. Außerdem sind in einigen Fällen die in der ursprünglichen Katene von ihrem Verfasser vorgenommenen Autorenzuschreibungen im Laufe der Überlieferung verloren gegangen oder korrumpiert worden, so dass die Zuweisung einzelner Stücke zum Kommentar des Origenes zweifelhaft oder unsicher bleiben muss. Manche Fragmente sind in den Handschriften anonym überliefert oder nicht eindeutig zuweisbar,218 einige Stücke sind auch oder nur einem anderen Autor zugewiesen, vor allem Philon von Karpasia219 und Kyrill von Alexandria,220 ferner Gregor von Nyssa221 und Apolinaris von Laodizea.222 Manche Stücke könnten mit Gedanken anderer Autoren vermischt sein,223 und auch auf Prokop selbst könnten einige Fragmente zurückgehen.224 Einen Sonderfall bildet frg. 10 zu Hld. 1,5, das zwar von Origenes stammt, aber vielleicht auf eine seiner Jeremiahomilien zurückgeht.225 Trotz solcher Unsicherheiten bilden diese Katenenfragmente eine insgesamt doch nicht unergiebige Quelle für die Kenntnis der origeneischen Hoheliedauslegung, weil sie einen, wenn auch bruchstückhaften, aber von der Übersetzung des Rufinus unabhängigen Einblick in die griechische Überlieferung seines Hoheliedkommentars gewähren.

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man ihn mit der lateinischen Fassung des Rufinus, am stärksten gerafft ist: siehe unten S. 165 Anm. 77. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, einen streng philologischen Vergleich zwischen diesen griechischen Fragmenten und dem lateinischen Text des Rufinus durchzuführen, wie Limone, I nomi dell’amore 411–420, dies versucht. Seinem Ergebnis, dass Rufinus aÆgaÂph mit caritas und dilectio wiedergibt, wird man freilich auch unabhängig von diesem methodischen Problem zustimmen. Frg. 54; 60; 62; 63; 80; 84; 87; 89; 92; 94. Zum dritten Absatz von frg. 14 siehe unten S. 158 Anm. 51, zum letzten Satz von frg. 15 unten S. 158 Anm. 53. Frg. 62; 68; 80. Frg. 20; 78; 80. Zum letzten Absatz von frg. 59 siehe unten S. 214 Anm. 235. Frg. 62 und 92. Frg. 5. Frg. 3 und 24: Philon von Karpasia; frg. 20: Kyrill von Alexandria. Siehe auch Barba`ra, BPat 42, 97 f. Frg. 84; 87; 89. Siehe dazu unten S. 151 Anm. 24.

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b) Grundgedanken der Auslegung Da der Text der Fragmente, so wie er vorliegt, kein direktes Zitat aus dem zugrundeliegenden Text des Origenes ist, sondern von Prokop stammt und seine Wiedergabe die Ausführungen des Origenes stark kürzt und zusammenfasst, ist die Gedankenführung der Auslegungen des Origenes zu den einzelnen Versen nicht mehr erkennbar. Wohl aber lassen sich in den Notizen Prokops einzelne Gedanken der Auslegung des Origenes erkennen.226 Festmachen lassen sich diese an den für die origeneische Kommentierung charakteristischen Begriffen und Denkmustern. Mustert man die Fragmente daraufhin durch, wird erkennbar, dass Origenes in den verlorenen Büchern dieselben Grundgedanken entfaltet hat, die seine Auslegung in den lateinisch erhaltenen ersten drei Büchern ebenso bestimmen wie in den Homilien.227 Nur selten und kurz, aber in der Begrifflichkeit deutlich kommt im „Liebesverlangen“ (eÍrvw)228 der positive platonische Begriff des „Eros“ zur Sprache, der „die Seele bis hinauf in das Himmelsgewölbe führt“.229 Zu dieser erotischen Liebe im geistigen Sinn gehören der „Liebeszauber“ und der „auserwählte Pfeil“ aus Jes. 49,2, der die Seele „wund vor Liebe“ (Hld. 2,5) macht.230 Immer wieder hingegen stößt man in den Fragmenten auf die mit diesem Erosbegriff zusammenhängende Theorie der geistigen Sinne,231 so wenn Origenes den Kontakt zwischen Braut und Bräutigam „auf geistig wahrnehmbare Weise“ (katÆ aiÍsuhsin pneymatikhÂn) auffasst und dazu mit 1 Joh. 1,1 die Bibelstelle zitiert, die ihm als Beleg für den geistigen Tastsinn gilt: „Unsere Hände haben das Wort des Lebens berührt.“232 Ferner begegnen die Vorstellungen einer geistigen Speise und eines geistigen Tranks,233 eines „reinen“, geistigen Geruchssinns234 und einer geistigen Empfängnis

226 So auch Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 462. 227 Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 453–475, bietet einen paraphrasierenden Durchgang durch die Fragmente. Auwers, L’interpre´tation du Cantique 321–358, bespricht die Charakteristika der Origenes-Fragmente in der Prokop-Katene. Aus seiner Darstellung geht durchweg hervor, wie stark Prokop die Texte des Origenes zusammengefasst hat. Eine kurze Einführung in einzelne Exegesen gibt Barba`ra, BPat 42, 65–71. 228 Frg. 36 und 48, dazu das Adverb eÆrvtikv Ä w in frg. 29. 229 Frg. 1 mit Wendungen aus Platon, Phaidr. 247a–b. 230 Frg. 25. Vgl. frg. 34; 36. Siehe dazu oben S. 18–24. 231 Zu dieser siehe oben S. 29–35. 232 Frg. 3. Zur Verwendung von 1 Joh. 1,1 in diesem Sinn vgl. in Cant. comm. I 4,12.25. 233 Vgl. frg. 51; 52; 65; 70; 71; 76; 79. 234 Vgl. frg. 69.

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und Geburt.235 Diese Theorie reflektiert die Grundfigur seiner Auslegung, das Hohelied nicht auf sinnliche, sexuelle Liebe zu beziehen, sondern auf den Eros der geistigen Sinnlichkeit. Daher ist gar nichts anderes zu erwarten, als dass sie seine Kommentierung bis zum Ende prägt und gelegentlich auch explizit angesprochen wird. So erklärt Origenes zu Hld. 2,9f. wie in der zweiten Homilie236 die Sinnesorgane als die Fenster, durch die der Bräutigam „die Braut zu sich zu den außerhalb der Sinneswahrnehmungen liegenden unsichtbaren und geistigen und unkörperlichen Dingen ruft“.237 Dem menschlichen Geist ist die „Betrachtung der geistig und der sinnlich wahrnehmbaren Dinge“ möglich,238 und seine Aufgabe besteht darin, sich „von den Sinnesdingen zu den geistigen Dingen“ zu erheben.239 Auch zur sprachlogischen Grundlage dieser Theorie, der Homonymität von Begriffen, auf deren Basis „die Begriffe für die Glieder des Leibes auf die Seele übertragen werden“ können, gibt es ein Fragment.240 Schließlich findet sich in den Fragmenten die im Zusammenhang mit dieser Theorie feststellbare Aufwertung des Leibes. Anlässlich der Deutung des Lagers bzw. des Bettes in Hld. 1,16 spricht Origenes davon, dass „die göttliche Kraft auch bis zum Leib durchdringt“,241 was mit seiner Ansicht zusammenhängt, dass der göttliche Logos die gesamte Schöpfung bis in das kleinste Detail durchdringt.242 Von daher bezieht er das der Braut und dem Bräutigam gemeinsame Bett auf „den Leib, in dem die Seele noch weilt und doch schon der Gemeinschaft mit dem Wort gewürdigt wird“.243 Das Bett bedeutet die Teilhabe der Seele „an den unaussprechlicheren Mysterien und an der vollkommeneren Ruhe“.244 Wenn dieser Leib bzw. dieses „gemeinsame Bett für beide blühend ist“, dann „wird jede durch den Leib ausgeführte Handlung als gut erwiesen“.245 Der Leib fungiert als Medium der guten Wirkungen der Präsenz Christi in der Seele. Auch die enge Verschränkung von Kirche und Seele wird greifbar.246 Das Spezifische der origeneischen Hohelieddeutung besteht ja darin, die

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Vgl. frg. 53. Siehe dazu unten S. 207 Anm. 213. Vgl. in Cant. hom. 2,12. Siehe dazu oben S. 34. Frg. 29. Frg. 57. Vgl. frg. 42. Frg. 30. Vgl. frg. 32: „Die Seele“ soll „die Sinnesdinge überschreiten.“ Zu den „Sinnesdingen“, „die mit der Materie zusammenhängen“, vgl. auch noch frg. 94. Frg. 2 zu in Cant. comm. prol. 2,6–9, wo es ausführlich um diesen Aspekt geht. Frg. 21. Vgl. philoc. 2,4 (SC 302, 246). Frg. 21. Vgl. dazu frg. 34: „Wenn Gott in die Seele kommt, wird auch die Seele in Gott hinein versetzt.“ Frg. 36. Frg. 21. Zu dieser siehe oben S. 24–29.

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traditionelle jüdische und christliche Auslegung auf das Volk Gottes (Synagoge oder Kirche), wie sie innerhalb der christlichen Tradition von Hippolyt repräsentiert wird, um die Deutung auf die Seele erweitert zu haben. Diese Erweiterung ergibt sich konsequent aus dem personalistischen Kirchenbegriff des Origenes. Die Kirche gilt ihm als die „Versammlung der Heiligen“, „gleichsam eine Person“ der zu Christus gehörenden Seelen.247 Kirche ist für Origenes die Braut im Kollektiv, Seele ist sie im Singular. In den Fragmenten spiegelt sich diese Akzentsetzung darin, dass durch die häufige Redeweise in Ich-Form oder in Du-Anreden meist die individuelle Seele in den Blick kommt. Diese Beziehung dominiert die Auslegungen des Origenes. Gleichwohl wird die Kirche manchmal explizit thematisiert,248 so wenn die Braut – gerne mit Eph. 5,27, um ihre Reinheit und Vollkommenheit auszudrücken – auf die Kirche bezogen wird.249 Die Deutung auf die Kirche ist meist eng verschränkt mit der auf die Seele, sei es, dass Origenes „die Braut des Wortes“ als „die Seele oder die Kirche Christi“ erklärt,250 sei es, dass er die Gläubigen als Teile der Kirche identifiziert.251 Oder er lässt individuelle und kollektive Deutung ineinander übergehen, indem er die Augen der Braut, von denen in Hld. 1,15 die Rede ist, zunächst als „Verstand und Herz“ und gleich darauf als „Lehrer der Kirche“ deutet.252 Das Wort Gottes hat nämlich „nicht mit einer Seele allein Gemeinschaft, sondern mit vielen verschiedenen“,253 und „die Braut des Wortes ist die Seele, die Kirche Christi“, weil „die eine Braut eine Fülle von ,Schlachtreihen‘ (Hld. 7,1) in sich hat“.254 Im Fokus auf die individuelle Seele, der auch noch dort die Auslegung dominiert, wo diese im Zusammenhang mit der Kirche angesprochen wird, kommt die zentrale Bedeutung des Individuums und der Individualität in der Theologie des Origenes zum Ausdruck.255 Eine Besonderheit der Fragmente bilden schließlich die textkritischen Bemerkungen aus der Hexapla.256 Meist gelten sie Eigenheiten der Übersetzung des Symmachus257 und des Aquila,258 aber auch die anderen Über-

247 Die zentrale Stelle hierfür ist in Cant. comm. I 1,5. Ein Fragment dazu ist nicht erhalten. 248 Vgl. frg. 18; 55; 85; 91. 249 Vgl. frg. 15; 25; 60. 250 Frg. 27. Vgl. frg. 56; 90; 94. 251 Vgl. frg. 25. 252 Frg. 20. In frg. 27 bezieht Origenes die Sehnsucht der Braut nach dem Bräutigam erst auf die Seele, die nach Erkenntnis strebt, dann auf die Kirche, die Hilfe in der Versuchung erhofft. Auch in frg. 34 geht die Beziehung der Braut auf die Seele vermittelt über die Leib-Christi-Vorstellung nahtlos in die auf die Kirche über. 253 Frg. 59. 254 Frg. 62. Vgl. dazu in Cant. comm. II 1,55. 255 Dazu oben S. 24. 256 Siehe dazu auch Barba`ra, BPat 42, 88 f.

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tragungen des Theodotion259 und die der „fünften Ausgabe“ (editio quinta),260 die Origenes in Nikopolis bei Aktium gefunden hat,261 kommen vor. An einigen Stellen sind in den Erklärungen auch Übersetzungen vorausgesetzt oder verwendet, die nicht aus der Septuaginta stammen, sondern meist bei Symmachus,262 seltener bei Aquila263 oder Theodotion264 zu finden sind; eine davon stammt möglicherweise aus der sechsten Ausgabe (editio sexta).265 Rufinus hat diese Erläuterungen in seiner lateinischen Wiedergabe fast alle weggelassen und gelegentlich durch Bemerkungen zum lateinischen Text ersetzt.266 Für seine lateinischsprachige Leserschaft waren die Überlegungen zu griechischen Varianten des Bibeltextes uninteressant. So fehlt bei Rufinus die Variante Aquilas in frg. 18, der in Hld. 1,13 für „Neffe“ (im Sinne von „Geliebter“) die Übersetzung „Vaterbruder“ bietet, obwohl sich mit dieser Übersetzung die verwandtschaftlichen Relationen, die der Ausleger Origenes herstellt, verschieben.267 Zu den rein textkritischen Bemerkungen in frg. 26 gibt es im lateinischen Text Rufins kein Pendant.268 Interessant ist frg. 25: Während Rufinus die Übersetzungen des Symmachus zum schwierigen Text von Hld. 2,5269 weggelassen und durch einen bloß allgemeinen Hinweis auf den griechischen Text ersetzt hat,270 hat Hieronymus in der Übersetzung der entsprechenden Passage in der Homilie die Variante des Symmachus wiedergegeben.271 Anders als Rufinus hatte der Philologe Hieronymus ein Interesse an solchen textkritischen Details. Für die griechischsprachigen frühbyzantinischen Theologen waren diese Textvarianten und ihre unterschiedlichen Bedeutungen interessant, weshalb Prokop dem Kommentar des Origenes nicht selten gerade solche Passagen entnommen hat. Ein Grund dafür war wohl auch der, dass die Hexapla als 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271

Vgl. frg. 25; 26; 41; 55; 57; 61; 62; 70; 95. Vgl. frg. 18; 26; 41; 57; 62; 63; 70; 95. Vgl. frg. 35; 95. Vgl. frg. 26; 41; 62; 95. Siehe dazu das Vorwort des Hieronymus zur Übersetzung der Hoheliedhomilien unten S. 62, dazu ebd. Anm. 3. Vgl. frg. 27 (dazu unten S. 176 Anm. 112); 33 (S. 185 Anm. 144); 54 (S. 208 Anm. 217); 64 (S. 221 Anm. 262); 79 (S. 231 Anm. 304); 84 (S. 234 Anm. 317); 88 (S. 237 Anm. 326); 91 (S. 240 Anm. 340). Vgl. frg. 60 (dazu unten S. 215 Anm. 238) und 93 (S. 242 Anm. 345). Vgl. frg. 41 (dazu unten S. 197 Anm. 180). Frg. 60 (dazu unten S. 217 Anm. 241). So in Cant. comm. III 5,2 und III 8,1. Siehe auch Barba`ra, BPat 42, 99 f. Siehe dazu unten S. 161 f. Anm. 61, 62 und 66. Siehe dazu unten S. 170 Anm. 92, ferner Auwers, L’interpre´tation du Cantique 339 f. 342–345. Siehe dazu OWD 9/1, 331 Anm. 383. Vgl. in Cant. comm. III 8,1. Vgl. in Cant. hom. 2,8. Siehe dazu unten S. 122 Anm. 118.

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ganze aufgrund ihres enormen Umfangs nicht handschriftlich verbreitet wurde. Das Original befand sich im Nachlass des Origenes in der kirchlichen Bibliothek in Caesarea, wo es eingesehen werden konnte. Aber dazu musste man nach Caesarea reisen, wie Hieronymus das getan hat.272 Oder man bediente sich der Notizen, die Origenes selbst in seinen Kommentaren auf der Basis der Hexapla gemacht hatte, und hatte so diese Informationen zur Hand, ohne die mühsame Reise nach Caesarea auf sich nehmen zu müssen. Diese Auszüge in den Hoheliedkatenen spiegeln einerseits wohl dieses praktische Bedürfnis. Andererseits dürfen sie wohl auch als Beleg dafür gewertet werden, dass an philologischer Bibelgelehrsamkeit, wie sie in den Kommentaren des Origenes zu greifen war, nach wie vor Interesse bestand, sie eigenständig aber so wenig mehr betrieben wurde, wie auch selbstständige Exegese in frühbyzantinischer Zeit nach den großen griechischen Kommentatoren des 4. und 5. Jahrhunderts rasch zum Erliegen kam. Das Aufkommen der Kettenkommentare und ihre massenhafte Verbreitung geben davon auf ihre Weise beredtes Zeugnis.

c) Das Liebesziel des Aufstiegs der Seele – die Flucht mit dem Einen Was man gerne wissen würde, ist, wie der Kommentar des Origenes endete. Abschließend sei daher die Frage nach dem Gesamtduktus der Hoheliedauslegung des Origenes und nach ihrem Zielpunkt gestellt, soweit sich diese aus den Fragmenten erheben lassen. Der Tenor seiner Auslegung ist der Aufstieg der Seele zum Wort Gottes und ihre Vereinigung mit ihm. Das kann man in Kombination mit dem Abstieg der Seele in die materielle Welt als eine Grundstruktur der gesamten origeneischen Theologie auffassen. Gemäß dieser Grundfigur des origeneischen Denkens und gemäß der ganzen Konzeption des Kommentars muss die Auslegung auf den endgültigen Aufstieg der Seele zu Gott hinauslaufen. Auch zu der Einreihung des Hoheliedes an dritter Stelle nach den Sprichwörtern und Kohelet als Höhepunkt der Einführung in die christliche Philosophie273 passt nur ein solcher Schluss. Origenes hat das Hohelied als symbolische Darstellung des Fortschreitens der vernünftigen Seele zu immer größerer Erkenntnis und Liebe des Wortes Gottes interpretiert. Ein externer Beleg dafür ist eine Passage in seinem Matthäuskommentar. In Hld. 7,9 ist davon die Rede, dass die Braut die hohe Palme erklimmt. Origenes interpretiert dies als das unablässige Hinaufsteigen der Braut, „die ihn (sc. den Bräutigam) suchte und aufstand

272 Siehe dazu Fürst, Hieronymus 71. 273 Siehe dazu ausführlich in Cant. comm. prol. 3, wozu sich kein griechisches Fragment erhalten hat.

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und in der Stadt umherlief, ,auf den Märkten und auf den Plätzen‘ und ihn schließlich mit Mühe fand, nachdem sie gerade an den ,in der Stadt‘ umhergehenden Wächtern vorbeigegangen war, und ihn, als sie ihn gefunden hatte, ergriff. Da sagt sie auch: ,Ich habe ihn ergriffen und werde ihn nicht loslassen, bis ich ihn ins Haus meiner Mutter geführt habe und in das Gemach derer, die mich empfing‘ (Hld. 3,4). Dieselbe Braut sagt aber am Anfang des Hoheliedes: ,Ich habe ihn im Haus meiner Mutter und im Gemach derer, die mich empfing, ergriffen‘ (Hld. 3,4). Gegen Ende desselben Buches jedoch, wo sie schon fortgeschritten ist und ihn anders und besser ergreifen will als früher, sagt sie: ,Ich habe gesagt: Ich werde auf die Palme hinaufsteigen und ihre hohen Zweige ergreifen‘ (Hld. 7,9).“274 Im Hoheliedkommentar ist dieser Aufstieg die Grundrichtung der Bewegung, deren Zielpunkt zum Ende der Kommentierung hin immer dichter formuliert wird. Die Braut „nennt“ in Hld. 7,9 „den Bräutigam eine Palme, da sie die Höhe und die Größe des Wortes erkannt hat, wodurch sie auch erhoffte, bis zum Ende der Lieder aufzusteigen, wenn die Braut vollkommen ist (vgl. Hld. 5,2; 6,9)“.275 Die „Leiter der Lieder“, die man ersteigen muss, ehe man das „Lied der Lieder“ singen kann, wie Origenes in Kommentar und Homilien ausführlich erklärt,276 hat die Braut offensichtlich bis zum Ende erklommen. Die Aussage in Hld. 7,11: „Ich gehöre meinem Geliebten“, „ist die Aussage der zur Vollkommenheit gelangten Braut“.277 Im achten und letzten Kapitel des Hoheliedes sah Origenes diese Aufstiegsbewegung der Braut offenbar an ihr Ziel gelangen. Während sie „zu Beginn des Liedes“ in Hld. 1,5 „als schwarz vorgestellt wird, wird über sie am Ende des Hochzeitsliedes gesungen: ,Wer ist diese, die weiß gewaschen heraufsteigt?‘ (Hld. 8,5).“278 In den Homilien erläutert Origenes diese Farbänderung als Reinigung von Sünden: „Weil sie noch nicht von allem Schmutz der Sünden gereinigt, noch nicht zum Heil gewaschen ist, wird sie schwarz genannt, behält aber die dunkle Farbe nicht. Sie wird sogar strahlend weiß.“279 Dem entspricht die ethische Erläuterung von Hld. 8,5 in den Fragmenten: „Es wird der Aufstieg der Braut zu den glückseligen Wohnungen prophezeit, wenn sie gänzlich die Finsternis der Schlechtigkeit abgelegt und die Helligkeit der Tugend angenommen hat, wenn sie dem Wort folgt und von ihm gestützt wird.“280 Im Kommentar bringt er dazu das Abstiegs-/ 274 In Matth. comm. XVII 13 (GCS Orig. 10, 620 f.). Übersetzung: Vogt, BGrL 30, 261 (leicht modifiziert). 275 Frg. 72. 276 Vgl. in Cant. comm. prol. 4,1–14; in Cant. hom. 1,1. 277 Frg. 74. 278 In Cant. hom. 1,6. 279 Ebd. Vgl. in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 84 f.), zitiert unten S. 150 Anm. 22 zu frg. 9. 280 Frg. 83.

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied

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Aufstiegsschema seiner Soteriologie: „Schließlich wird eben die, die jetzt schwarz genannt wird, gegen Ende dieses Liedes als eine erwähnt, die weiß geworden hinaufsteigt, gestützt auf ihren Geliebten. Sie ist also schwarz geworden, weil sie hinabgestiegen ist. Wenn sie aber beginnt hinaufzusteigen und sich auf ihren Geliebten zu stützen und ihm anzuhängen und sich durch überhaupt nichts von ihm trennen zu lassen, wird sie weiß und strahlend sein, und wenn sie alle Schwärze abgelegt hat, wird sie vom Licht des wahren Lichts (vgl. Joh. 1,9) umstrahlt leuchten.“281 Die Braut, die aufgrund ihrer Sünde erst schwarz, aufgrund ihrer Gottesebenbildlichkeit aber gleichwohl schön war, ist weiß geworden, hat also ihre ursprüngliche Schönheit in vollem Maße wiedererlangt. Zwischen diesen beiden Polen entfaltet sich eine enorme Dynamik, die der Spannbreite der Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen in der Anthropologie des Origenes entspricht. „Der Bräutigam bewundert die Änderung“ der Braut „zum Besseren“282 ebenso, wie „die oberen Mächte die Verwandlung der Menschen zu solcher Größe bewundern“.283 In den letzten Fragmenten werden inhaltlich ausgesprochen interessante Gedanken greifbar, die erahnen lassen, in welche Höhen der mystischen Theologie Origenes am Schluss seines großen Kommentars vorgedrungen ist. Da findet er in der Zahl „tausend“ in Hld. 8,11 und 8,12 „eine gewisse Verwandtschaft mit der Einheit“,284 denn „die Lehrsätze über Gott“, als die er diese Zahl deutet, „sind mit der Einheit verwandt“,285 und in der Zahl „zweihundert“ in Hld. 8,12 „eine Verwandtschaft mit der Zweiheit“ in den „sinnlich wahrnehmbaren Dingen, die mit der Materie zusammenhängen“.286 Aus diesen Anklängen an die Einheit (monaÂw) und Zweiheit (dyaÂw) darf wohl geschlossen werden, dass Origenes sich am Ende des Hoheliedkommentars in den höchsten Gefilden der platonischen Metaphysik bewegte. Da davon jedoch nicht mehr als die zitierten Bruchstücke erhalten sind, ist nicht zu eruieren, was er darüber genau gedacht hat. Vermutlich hat er hier Gedanken gewagt, die auch in seinem eigenen Werk originell waren. Jedenfalls kann man dies wohl daraus schließen, dass sich zu etlichen seiner Aussagen in diesen letzten Fragmenten keine Parallelen in seinen anderen Werken – soweit diese ihrerseits erhalten sind – angeben lassen.287 Kein Bedauern der Welt kann den Verlust zum Ausdruck bringen, der hier zu erahnen ist. 281 282 283 284 285 286 287

In Cant. comm. II 2,4. Vgl. ebd. II 1,57. Frg. 70. Frg. 83. Frg. 93. Frg. 94. Frg. 94. Das gilt z.B. in hohem Maße für frg. 91.

50

Einleitung

Einen höchst bemerkenswerten Gedanken hält indes der allerletzte aus der Hoheliedkommentierung des Origenes erhaltene Satz bereit, der sich auch gut mit seinem sonstigen Denken verbinden lässt. Den Imperativ: „Fliehe!“ in Hld. 8,14 versteht Origenes als Aufruf der Braut an den Bräutigam, „weil sie aufgrund der Vollkommenheit auch ihrerseits zu folgen in der Lage ist“.288 Unvermeidlich denkt man da an das Telos platonischer Existenz in der Spätantike, Plotins „Flucht des Einsamen zum Einsamen“.289 Dieser Gedanke ist bei Origenes jedoch aus zwei Gründen anders konfiguriert. Zum einen fehlt bei Plotin die interpersonale und soziale universale Dimension, die für den christlichen Platoniker Origenes essentiell ist.290 Er kann den Einzelnen nicht als „Einsamen“ denken, sondern nur als Teil „dieser wunderbaren Einheit“, in der „mehrere Gerechte einer sind“,291 wie er im Rahmen seines personalistischen und universalistischen Kirchenbegriffs formuliert,292 der auch die Hoheliedauslegung durchgehend prägt. Zum anderen ist es in diesem Satz – wenn er denn von Prokop richtig wiedergegeben ist, woran zu zweifeln allerdings aufgrund der Kühnheit der Aussage kein Anlass besteht – eben die Braut, die den Bräutigam zur Flucht auffordert, nicht umgekehrt, und zwar weil sie, wie Origenes erklärt, nunmehr ihrerseits die Vollkommenheit erlangt hat und deshalb zusammen mit dem Bräutigam fliehen kann. Origenes dachte offenbar nicht an eine Flucht zum Einen, sondern mit dem Einen. Ein solcher Gedanke fügt sich nahtlos in das Freiheitsdenken des Origenes ein, das in der Hoheliedauslegung, den erhaltenen Texten zufolge, selten als solches thematisiert wird, die Kommentierung aber gleichwohl durchweg leitet. Für den Kommentar und die Homilien sind die einschlägigen Stellen oben besprochen worden.293 In den Fragmenten wird die Willensfreiheit (toÁ ayÆtejoyÂsion) einmal direkt angesprochen, und zwar in dem 288 Frg. 95. – In Matth. comm. ser. 42 (GCS Orig. 11, 84 f.) legt Origenes zu einer „lobenswerten Flucht“ folgende Gedanken dar: Beim Lesen der Bibel soll man „selbst verstehen, was wahr ist, und das Falsche fliehen und sich 〈dorthin〉 zurückziehen, wo Lüge sie nicht zu packen vermag. Die Lüge kann aber die nicht packen, die aus dem Judäa des Buchstabens zu den geistlichen und geistigen Dingen und zu den hohen Bergen der Wahrheit fliehen. Damit wir aber verstehen 〈wenn es heißt〉: ,Sie sollen in die Berge fliehen!‘ (Mt. 24,16), nimm als Beispiel, was deutlich von einer lobenswerten Flucht gesagt wird, etwa das Wort des Apostels: ,Fliehe die Unzucht!‘ (1 Kor. 6,18) und, was die Weisheit sagt: ,Wie vor einer Schlange fliehe die Sünde!‘ (Sir. 21,2) oder auch, was geheimnisvoll Rebekka zu Jakob sagt (vgl. Gen. 27,42–45).“ Übersetzung: Vogt, BGrL 38, 119. 289 Plotin, enn. VI 9,11. 290 Siehe dazu Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 236 f., ferner oben S. 22–24. 291 In Regn. hom. lat. 4 (GCS Orig. 8, 7). 292 Näheres dazu bei Fürst, OWD 7, 47 f. 293 Zu in Cant. comm. I 1,9; II 3,3 f.; III 8,8; III 15(IV 1),20; III 17(IV 3),5; in Cant. hom. 2,1 siehe oben S. 28 f.

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied

51

bei Origenes dabei üblichen paränetischen Kontext von „Ermahnung“: Die Seelen – in der Bildwelt des zugrundeliegenden Bibeltextes: die Weinstöcke in Hld. 2,15 – „können sich bis zur Vollendung der Frucht entwickeln, wobei sie von Gott gehegt werden, aber aufgrund des freien Willens Frucht bringen können oder nicht“.294 Das ist der Weg, auf dem „die Kinder der Freiheit“ geboren werden.295 Die Vervollkommnung des Menschen erfolgt nicht ohne dessen Mitwirkung, „denn für Gott ist alles freiwillig“.296 Deshalb arrangiert er sein Heilshandeln in Entsprechung zur Würdigkeit des Menschen: „Die Lebensführung, die Vernünftigkeit und der Charakter eines jeden werden bewirken, dass jeder nach seiner Würdigkeit in eine der Ordnungen eingeordnet wird, sei es als die vollkommene Taube, sei es als eine der Konkubinen oder der Königinnen, sei es als eine der Mädchen (vgl. Hld. 6,8f.).“297 Der ganze lange Weg des Aufstiegs der Seele, den Origenes im Hohelied metaphorisch inszeniert sieht, wird von den freien Handlungen der Seele bestimmt und vorangetrieben. Ihre „Kleinwüchsigkeit“ wie ihre „Größe“ entscheidet sich „auch bei der Seele entsprechend dem, was sie tut“.298 Das praktische Handeln entscheidet in der ethischen Freiheitsmetaphysik des Origenes über das Wesen bzw. die Natur des Menschen, nicht umgekehrt. Und Christus, das Wort Gottes, passt sich dem jeweiligen Zustand einer Seele an: „Ich stieg also mit deinem Fortschritt auf, sagt er, da du die Fähigkeit erlangt hast zu schauen und nicht mehr weiter nach der Heilsvermittlung (oiÆkonomiÂa) zu suchen.“299 Diesen Gedanken hält Origenes bis zum Schluss seiner Hoheliedauslegung konsequent durch. Die Braut erscheint darin als zunehmend selbstständigere und selbstbewusstere Gefährtin des Bräutigams.300 Es ist „die Braut“, und zwar die „zur Vollkommenheit gelangte Braut“,301 die „den Bräutigam ermahnt“, sich um „die bedürftigeren Seelen“ zu kümmern,302 es ist die Braut, die den Bräutigam „umarmt“.303 Auch der entscheidende letzte Schritt, die Flucht mit dem Einen, erfolgt erst, als die Braut dazu in der Lage ist, also die entsprechende Höhe der Vollkommenheit erreicht hat, und erst, als sie sich dazu entscheidet, diesen Schritt zu tun. Es gibt keinen Heilsautomatismus im Denken des Origenes. Mit radikaler Konsequenz wird alles 294 295 296 297 298 299 300

Frg. 33. Frg. 84 mit Gal. 4,31. Frg. 63. Frg. 58. Vgl. zu dieser Würdigkeit auch frg. 54, ferner oben S. 29. Frg. 70. Frg. 56. Zur „Zuversicht“, aus der heraus sie redet und handelt, vgl. in Cant. hom. 1,5; 2,2; 2,13 sowie unten S. 225 Anm. 280 zu frg. 69. 301 Frg. 74. 302 Frg. 75. 303 Frg. 77.

52

Einleitung

von der Freiheit Gottes und des Menschen her gedacht, weil nur so die „Freiheit der Liebe“ (libertas caritatis) realisiert werden kann, die Origenes als Ziel des Lebens vorschwebt.304 Wer sein „ganzes vernünftiges Leben in Liebe gestaltet“,305 den macht Gott „aus Liebe zu einer Feuerflamme, so dass er an seiner Gottheit teilhat“ und wie Gott, der „verzehrendes Feuer ist“ (Dtn. 4,24; 9,3; Hebr. 12,29), seinerseits in den Flammen der Liebe brennt und „im Geiste glüht“ (Röm. 12,11).306 Feurige Liebe: Mit diesem Bild aus dem Repertoire geistiger Erotik beschreibt Origenes den Zustand der Vollendung der Seele bei Gott. Dieses Liebesziel kann nur in Gemeinschaft mit dem Einen, auf den die Sehnsucht der Seele sich von Anfang an richtet, verwirklicht werden.

3. Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Fragmente Der hier abgedruckte Text der Fragmente mit deutscher Erstübersetzung folgt im Wesentlichen der kritischen Edition der Prokop-Katene zum Hohelied von Jean-Marie Auwers (Turnhout 2011), der mit dem davon öfter abweichenden Text der Ausgabe der Origenes-Fragmente von Maria Antonietta Barba`ra (Bologna 2005) verglichen ist. Wilhelm Adolf Baehrens (Leipzig 1925) hat für die Fragmente zu den lateinisch erhaltenen Büchern, die er unter dem jeweiligen lateinischen Text abdruckte, noch den alten Text aus Jacques-Paul Migne (PG 17, 253–288) verwendet (und sich nur auf zwei Handschriften gestützt),307 der seinerseits die Origenesfragmente aus der Ausgabe der Prokop-Katene von Angelo Mai (Rom 1837) abgedruckt hat (ein Teil dieser Origenesfragmente auch in PG 13, 197–216, dort aus der Ausgabe von Delarue). In Charles Delarues Gesamtausgabe des Origenes sind die Prokopfragmente erstmals ediert worden (Bd. 3, Paris 1740, 94–104), abgedruckt in den Ausgaben von Franz Oberthür (Bd. 11, Würzburg 1785) und Karl Heinrich Eduard Lommatzsch (Bd. 15, Berlin 1843). Eine italienische Übersetzung sämtlicher Fragmente enthält die genannte Edition von Barba`ra (2005). In den Ausgaben bzw. Übersetzungen des Hoheliedkommentars von R. P. Lawson (1957) sowie von Luc Bre´sard, Henri Crouzel und Marcel Borret in den „Sources Chre´tiennes“ (1991–1992) sind lediglich die Katenenfragmente zu den in der lateinischen Übersetzung des Rufinus erhaltenen Büchern in das Englische bzw. Französische übersetzt, bei Lawson unter dem jeweiligen Text, in der „Sources

304 305 306 307

In Gen. hom. 7,4 (GCS Orig. 6, 74). Frg. 89. Frg. 87 und 88. – In frg. 92, 93 und 94 kommt dazu noch der Begriff Friede. Vgl. Baehrens, GCS Orig. 8, xxviii.

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied

53

Chre´tiennes“-Ausgabe in den Anhängen zu den beiden Bänden (SC 375, 463–470; 376, 741–749). Die vorliegende Ausgabe bietet eine neue Ordnung und Zählung der Fragmente, weil sämtliche erhaltenen Stücke in die Sequenz des Kommentars bzw. des Bibeltextes eingereiht sind (also auch die von Barba`ra in einen Appendix gestellten), sowie die erste deutsche Übersetzung dieser Texte.308 Wie in der Ausgabe von Barba`ra sind den einzelnen Fragmenten die Lemmata des Hoheliedtextes in der Fassung der Septuaginta vorangestellt, um das Verständnis der Erläuterungen zu erleichtern.309 Bei den in der lateinischen Übersetzung des Rufinus erhaltenen Büchern des Hoheliedkommentars (Vorwort und Bücher I–III) werden die Referenzstellen jeweils in der Überschrift zu den Fragmenten angegeben und gelegentlich in den Fußnoten genauer spezifiziert, aber nicht in den Fußnoten ausgeschrieben (so handhabt dies Barba`ra in ihrer Ausgabe). Sie können in OWD 9/1 nachgeschlagen und zum Vergleich bequem danebengelegt werden. Für die Interpretation vieler Details in den Fragmenten genügt es an dieser Stelle, auf den ausführlichen Kommentar in der Ausgabe von Barba`ra hinzuweisen. Sie hat in Fußnoten umfangreiche Hinweise zu einzelnen Begriffen zusammengetragen, die als Grundlage für eine eingehende Beschäftigung mit diesen Textstücken dienen können. Insbesondere hat sie ausführlich die Parallelen aus der späteren Auslegungsgeschichte des Hohelieds gesammelt, die fast durchgehend eine Wirkungsgeschichte von Origenes’ Kommentar ist. In den Fußnoten zu den Fragmenten sind in der vorliegenden Ausgabe aus dem Kommentar von Barba`ra Parallelen aus den Schriften des Origenes notiert, ohne im Einzelnen jeweils auf ihr Buch als Quelle zu verweisen – dies sei hier ein für allemal und verbunden mit großer Wertschätzung für ihre enorme Leistung geschehen. In vielen Fällen sind die aus Barba`ras Ausgabe notierten Hinweise auch um weitere Erläuterungen und Stellenhinweise ergänzt und angereichert. Diese Hinweise sollen als Beleg dafür dienen, dass sich zu den jeweiligen Begriffen, Formulierungen und Gedanken Parallelen und Analogien in den erhaltenen Werken des Origenes finden lassen. Auf diesem Wege werden diese Textstücke in die Gedankenwelt des Origenes eingebettet und kann ihre Echtheit im Sinne der Herkunft ihrer Inhalte von Origenes untermauert werden.

308 Einige Fragmente hat Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 453–475, auf der Basis der Migne-Ausgabe übersetzt. Holger Strutwolf hat eine Rohübersetzung der griechischen Fragmente angefertigt. Alles andere in diesem Band stammt von Alfons Fürst. 309 Zum griechischen Bibeltext des Hoheliedes und seinen lateinischen Übersetzungen in der Spätantike siehe Barba`ra, BPat 42, 87–94. Für die neu angefertigte Übersetzung des griechischen Hoheliedtextes wurde die Septuaginta Deutsch eingesehen.

54

Einleitung

4. Synopse der Zählung der Fragmente Origenes (Fürst/Strutwolf)

Origenes (Barba`ra)

Kleiner Hoheliedkommentar Fragment (Philokalie 7,1)

App. 1

Großer Hoheliedkommentar 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 (Philokalie 27,13) 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

App. App. 1 2 3 4 5 6 7 App. 8 App. 9 10 11 12 13 15 14 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

2 3

4 5

Prokop-Katene (Auwers)

6 7 11 12 20 27 30 33 35 45 50 54 59 62 61310 68 73 78 83 86 97 103 108 und 109311 112 116

310 Zur Umkehrung der Reihung dieser beiden Fragmente siehe unten S. 162 Anm. 68. 311 Siehe dazu unten S. 171 Anm. 95.

II. Die Fragmente des Origenes zum Hohelied

55

Origenes (Fürst/Strutwolf)

Origenes (Barba`ra)

Prokop-Katene (Auwers)

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54.8–19 54.20–37.38–40 55 56 57 58

120.1–11 120.12–22312 125 128 131 134 139 144 168 172 175 178 181 193 199 205 211 222 232 233 243 247 251 258 270 275 277 282 289 290 und 291313 292 296 302 304

312 Zur Aufteilung dieses Prokop-Stückes auf zwei Fragmente siehe unten S. 180 Anm. 127. 313 Zur unterschiedlichen Aufteilung dieser Fragmente siehe unten S. 213 f. Anm. 232 und 235.

56

Einleitung

Origenes (Fürst/Strutwolf)

Origenes (Barba`ra)

Prokop-Katene (Auwers)

64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

59 60 61 62 63 64 65 66 67.8–14 67.15–23314 68 69 70 71 72 73 74 75.4–7 75.8–9315 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

307 311 314 316 317 319 323 326 329 330 335 336 342 346 347 350 351 352 353 356 357 360 361 363 367 368 371 372 373 377 378 385

Hoheliedhomilien Fragment

App. 6

314 Zu dieser Aufteilung siehe unten S. 228 Anm. 293. 315 Siehe dazu unten S. 233 Anm. 311.

III. Übersicht über die ausgelegten Hoheliedverse 1. In den Homilien Homilie 1,1 1,2–3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 1,10

Hld. 1,1 1,2–3a 1,3b 1,3c–4 1,5–6b 1,6c–e 1,7 1,8 1,9–12a

Homilie 2,1 2,2–3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 2,10 2,11–12 2,13

Proömium 1,12b–14 1,15–16 1,17 2,1–3 2,4a 2,4b–5 2,6–7b 2,7c–8 2,9–13b 2,13c–14

2. In den Fragmenten aus dem Hoheliedkommentar Aus dem Prolog Fragment 1 2

Hld. ––– –––

Aus dem Ersten Buch Fragment 3–4 Hld. 5 6 7 8

1,2a 1,2b–3a 1,3b–c 1,4c 1,4e–f

prol. 2,1.20–23 prol. 2,6–9 Buch I I I I I

1,7; 1,14 2,19f.; 3,1f. 4,2f. 5,1–4.8f. 6,3.5.6.11

58

Einleitung

Aus dem Zweiten Buch Fragment 9–10 Hld. 1,5a–b 11–12 1,6a–b 13 1,6c–e 14 1,8a–d 15 1,10a 16 1,11a–12a 17 1,12b 18–19 1,13a–b

Buch II II II II II II II II

Aus dem Dritten Buch Fragment 20 Hld. 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Buch III 1,2–5 III 2,1–5.8 III 4,3–7 III 5,1–4.10–19 III 6,1–4 III 8,1.4–13 –––316 III 11,1–10.15–23 III 11,11–12; 13,40 III 14,16–19 III 14,22–25 III 15,8.7.17 III 16,7–20 III 17,1–5.8–10.30–33

1,15a–b 1,16a–b 2,1a–2b 2,3a–d 2,4a 2,5a–b 2,7a–c 2,8a–14e 2,8b–9b 2,9c–10b 2,10b–13b 2,12b–c 2,13c–14e 2,15a–c

Aus den verlorenen Büchern Fragment 34 Hld. 2,16a–17a 35 2,17b–d 36 3,1a–4e 37 3,6a–c 38 4,2a–c 39 4,3a–b 40 4,3c–d 41 4,4a–d 42 4,5a–6a 43–44 4,9a–11c 45 4,12a–b 46 4,16a–b 47 5,2c–f 316 Siehe dazu unten S. 170 Anm. 92.

1,3–6; 1,51; 1,46–49 2,21; 2,6f.; 2,16–19 3,1–12 5,1–17 7,5–9 8,23–28 9,2–4 10,1–3; 10,10

III. Übersicht über die ausgelegten Hoheliedverse

Fragment 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58–59 60 61 62 63 64 65–66 67–68 69 70–71 72 73 74 75 76 77–78 79 80 81–82 83 84–85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

Hld. 5,4a–6c 5,6d–e 5,10a 5,11b–12c 5,13a 5,14b 6,2a–3b 6,4a–c 6,5a–b 6,5c–6d 6,8a–9e 6,9d–10a 6,11a–12a 7,1a–d 7,2a–b 7,2c–d 7,3a–c 7,5a–c 7,5d–6a 7,7a–8a 7,9a–d 7,10a–c 7,11a–b 7,12a–13c 8,1a 8,1b–2b 8,2c–d 8,3a–b 8,4a–c 8,5a–b 8,5c–e 8,6a–d 8,6e 8,7a–b 8,7c–d 8,8a 8,8b–9b 8,10a–b 8,11a–c 8,12a–c 8,13a–14b

59

Die Homilien des Origenes zum Hohelied in der Übersetzung des Hieronymus

Prologus

26

Beatissimo papae Damaso Hieronymus. Origenes, cum in ceteris libris omnes uicerit, in Cantico Canticorum ipse se uicit. Nam decem uoluminibus explicitis, quae ad uiginti usque uersuum milia paene perueniunt, primum septuaginta interpretes, deinde Aquilam, Symmachum, Theodotionem et ad extremum quintam editionem, quam in Actio litore inuenisse se scribit, ita magnifice aperteque disseruit, ut mihi uideatur in eo completum esse, quod dicitur: „Introduxit me rex in cubiculum suum.“ a Itaque illo opere praetermisso, quia ingentis est otii, laboris et sumptuum tantas res tam digne in Latinum transferre sermonem, hos duos tractatus, quos in morem cotidiani eloquii paruulis adhuc lactantibusque b composuit, fideliter magis quam ornate interpretatus sum gustum tibi sensuum eius, non cibum offerens, ut animaduertas, quanti sint illa aestimanda, quae magna sunt, cum sic possint placere, quae parua sunt. a

1

2 3

4

5

Hld. 1,4

b

1 Kor. 3,1f.

Hieronymus widmet Damasus (305–384, Papst seit 366) die Übersetzung der beiden Homilien des Origenes zum Hohelied, die 383/84 während der Zeit in Rom (382–385) entstanden, als er im päpstlichen Sekretariat bzw. Archiv arbeitete. In epist. 27*,2 int. epist. Aug. (CSEL 88, 131) berichtet Hieronymus, dass er sie „auf Bitten“ des Damasus (ammonitu beati Damasi) übersetzt habe. Zu diesen griechischen Übersetzungen des Alten Testaments, die Origenes in seiner Hexapla synoptisch nebeneinander stellte, siehe Fürst, Hieronymus 91–100. Zu der Übersetzung, die Origenes in Nikopolis bei Aktium fand (sowie zur sechsten Ausgabe, die er in einem Tonkrug bei Jericho aufspürte), vgl. Eusebius, hist. eccl. VI 16,2 (GCS Eus. 2, 554), sowie das Selbstzeugnis des Origenes bei Mercati, Frammenti esaplari 29. Um seine eigenen Origenes-Übersetzungen zu rechtfertigen, rekurrierte Rufinus von Aquileja in der Vorrede zu seiner Übersetzung von De principiis explizit auf dieses überschwängliche Lob, princ. Orig. praef. 1 (GCS Orig. 5, 3; CChr.SL 20, 245). Nachdem Hieronymus im Verlauf des ersten Origenismusstreits auf die Seite der Origenes-Gegner gewechselt hatte, verteidigte er dieses Lob des nunmehr verketzerten Meisters und rechtfertigte sich seinerseits dafür: epist. 84,2.7 (CSEL 55, 121f. 129). Damit lehnt Hieronymus eine Übersetzung des Hoheliedkommentars unmissverständlich ab, um die Damasus ihn vielleicht gebeten hat. Rufinus, princ. Orig. praef. 1 (GCS Orig. 5, 4; CChr.SL 20, 245), stellt es allerdings so dar, als hätte Hieronymus in dem Vorwort auch die Übersetzung des Kommentars in Aussicht gestellt (Lawson, ACW 26, 18, folgt hierin Rufinus und missinterpretiert daher das Vorwort des

5

10

Vorwort Hieronymus an den seligsten Papst Damasus.1

5

10

15

Während Origenes bei den übrigen Büchern (sc. der Bibel) alle übertroffen hat, hat er sich beim Hohelied selbst übertroffen. Denn in zehn Bänden, die sich auf fast zwanzigtausend Zeilen belaufen, erörterte er zuerst die Übersetzung der Siebzig, dann Aquila, Symmachus, Theodotion2 und schließlich die fünfte Ausgabe, die er, wie er schreibt, an der Küste von Aktium gefunden hat,3 auf so glanzvolle und klare Weise, dass sich mir an ihm das Schriftwort erfüllt zu haben scheint: „Der König hat mich in sein Gemach geführt.“a 4 Daher habe ich dieses Werk beiseite gelassen, da es ungeheuer viel Zeit, Mühe und Kosten erfordert, so bedeutende Dinge in angemessenes Latein zu übertragen.5 Die beiden vorliegenden Abhandlungen hingegen, die er im Stil der Alltagssprache für Kinder, die noch gesäugt werden,b verfasst hat,6 habe ich eher zuverlässig als kunstvoll7 übersetzt. Ich biete dir damit eine Kostprobe seiner Gedanken an, nicht die Speise selbst, damit du erkennst, wie hoch jenes große Werk zu schätzen ist, wenn schon das kleine so zu gefallen vermag.

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Hieronymus). Baehrens, GCS Orig. 8, xix–xx, hat daher vermutet, dass Rufinus eine ältere Fassung des Vorworts vorgelegen habe, was jedoch daran scheitert, dass Rufinus in seiner Streitschrift gegen Hieronymus das ganze Vorwort in der erhaltenen Fassung zitiert: c. Hieron. II 17 (CChr.SL 20, 96f.). Am wahrscheinlichsten bleibt daher doch die von Baehrens, ebd. xx Anm. 1, abgelehnte Annahme, Rufinus habe die Ankündigung des Hieronymus im Vorwort zu seiner Übersetzung der Ezechielhomilien, viele weitere exegetische Schriften des Origenes in das Lateinische zu übertragen: in Hiez. Orig. prol. (GCS Orig. 8, 318), irrtümlich mit dem Vorwort zu den Hoheliedhomilien kombiniert: Görgemanns/Karpp 73 Anm. 4. Nach Ansicht des Origenes, in Cant. comm. prol. 1,4f., ist das Hohelied nur als Lektüre für spirituell fortgeschrittene Christen geeignet. Mit der Anspielung auf 1 Kor. 3,1f. (vgl. Hebr. 5,12–14) gibt er die Predigten als Einführung für Anfänger im Glauben aus. Dass Hieronymus mit dieser Qualifizierung seiner Arbeit eher einem Topos der Übersetzungsliteratur folgt als die tatsächliche Qualität seines Produktes beschreibt, ergibt sich daraus, dass er sehr sorgfältig auf die Anwendung der Klauseln geachtet und diese bisweilen Wortwahl und Wortstellung beeinflusst haben: Baehrens, GCS Orig. 8, xx mit Beispielen. Auch wenn die Sprache der Predigten einfach ist, hat Hieronymus doch stilistisch eine „geschmackvolle Übersetzung“ produziert: Bardenhewer, Geschichte II, 132.

Lateinischer Bibeltext der ersten Homilie Hld. 1,1 1,2

Canticum Canticorum. Osculetur me ab osculis oris sui. Quoniam bona ubera tua super uinum 1,3 et odor unguentorum tuorum super omnia aromata. Vnguentum effusum nomen tuum. Propterea iuuenculae dilexerunt te 1,4 et attraxerunt te. Post te in odorem unguentorum tuorum curremus. Introduxit me rex in cubiculum suum. Exsultabimus et laetabimur in te. Diligemus ubera tua super uinum. Aequitas dilexit te. 1,5 Nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem, ut tabernacula Cedar, ut pelles Solomonis. 1,6 Ne intueamini me, quia ego sum denigrata, quoniam despexit me sol. Filii matris meae pugnauerunt aduersum me, posuerunt me custodem in uineis, uineam meam non custodiui. 1,7 Adnuntia mihi, quem dilexit anima mea, ubi pascis, ubi cubas in meridie, ne quando fiam sicut cooperta super greges sodalium tuorum. 1,8 Si non cognoueris temet ipsam, o pulchra in mulieribus, egredere tu in uestigiis gregum et pasce haedos tuos in tabernaculis pastorum. 1,9 Equitatui meo in curribus Pharao assimilaui te, proxima mea. 1,10 Genae tuae ut turturis, collus tuus monile. 1,11 Similitudines auri faciemus tibi cum stigmatibus argenti 1,12a quoadusque rex in recubitu suo.

Hohelied 1,1–1,12a Hld. 1,1 1,2

Das Lied der Lieder. Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes. Ja, deine Brüste sind besser als Wein 1,3 und der Duft deiner Salböle besser als alle Duftkräuter. Ausgegossenes Salböl ist dein Name. Deswegen haben sich die jungen Frauen in dich verliebt 1,4 und dich an sich gezogen. Im Duft deiner Salböle werden wir hinter dir herlaufen. Der König hat mich in sein Gemach geführt. Wir werden jubeln und uns an dir freuen. Wir werden deine Brüste mehr lieben als Wein. Die Redlichkeit hat sich in dich verliebt. 1,5 Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie die Planen Salomos. 1,6 Starrt mich nicht an, weil ich schwarz geworden bin, da die Sonne auf mich herabgeschaut hat. Die Söhne meiner Mutter kämpften gegen mich, sie setzten mich als Hüterin in Weinbergen ein, meinen Weinberg habe ich nicht behütet. 1,7 Sage mir, du, in den sich meine Seele verliebt hat, wo du weidest, wo du lagerst am Mittag, damit ich nicht wie eine Verschleierte bei den Herden deiner Gefährten werde. 1,8 Wenn du dich selbst nicht erkennst, oh du Schöne unter den Frauen, geh hinaus auf den Spuren der Herden und weide deine Böcke bei den Zelten der Hirten. 1,9 Meiner Reiterei unter den Streitwagen des Pharao habe ich dich gleich erachtet, meine Gefährtin. 1,10 Deine Wangen sind wie die einer Turteltaube, dein Hals ist ein Collier. 1,11 Nachbildungen von Gold werden wir dir anfertigen mit Verzierungen aus Silber, 1,12a solange der König auf seinem Lager ruht.

Origenis

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Homiliae in Canticum Canticorum Homilia prima In exordium Cantici Canticorum usque ad eum locum, in quo ait: „quoadusque rex in recubitu suo“. a

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1. Quomodo didicimus per Moysen esse quaedam non solum sancta, sed et sancta sanctorum, b et alia non tantum sabbata, sed et sabbata sabbatorum, c sic nunc quoque docemur scribente Solomone esse quaedam non solum cantica, sed et cantica canticorum. d Beatus quidem et is, qui ingreditur in sancta, sed multo ille beatior, qui ingreditur in sancta sanctorum. Beatus, qui sabbata sabbatizat, sed beatior, qui sabbatizat sabbata sabbatorum. Beatus similiter et is, qui intelligit cantica et canit ea – nemo quippe nisi in sollemnitatibus canit –, sed multo beatior, qui canit cantica canticorum. Et sicut is, qui ingreditur in sancta, pluribus adhuc indiget, ut ualeat introire in sancta sanctorum, et qui sabbatum celebrat, quod a Deo populo constitutum est, multa adhuc necessaria habet, ut agat sabbatum sabbatorum, eodem modo difficile repperitur, qui omnia, quae in scripturis continentur, cantica peragrans ualeat adscendere ad cantica canticorum. Egredi te oportet ex Aegypto e et egressum de terra Aegypti pertransire mare rubrum, ut possis primum canticum canere dicens: „Cantemus Domino; gloriose enim magnificatus est.“ f Licet autem primum dixeris canticum, adhuc longe es a cantico canticorum. Perambula terram deserti spiritaliter, donec uenias ad a

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Hld. 1,12

b

Ex. 26,34

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Lev. 16,31

d

Hld. 1,1

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Ex. 13,3.8

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Ex. 15,1

Vgl. Origenes, in Ex. hom. 9,4 (GCS Orig. 6, 243): „Heilig kann das sein, was eine heilige Lebensführung in der gegenwärtigen Welt beinhalten kann. Das Heilige des Heiligen hingegen, in das man nur einmal eintritt (vgl. Ex. 30,10), ist, meine ich, der Übergang in den Himmel, wo sich der Sühnealtar mit den Cherubim befindet und wo Gott denen erscheinen kann, die reinen Herzens sind, oder weil der Herr sagt: ,Siehe, das Reich Gottes ist in euch‘ (Lk. 17,21).“ Vgl. in Num. hom. 5,2 (GCS Orig. 7, 27); in Lev. hom. 13,6 (GCS Orig. 6, 477). Siehe dazu in Cant. comm. prol. 4,1. Zu diesem Sprachgebrauch siehe in Cant. comm. prol. 4,1f. Cantica (Plural) Canticorum ist die Titelform der Septuaginta (ÍAismata aÆì smaÂtvn), die Origenes (und mit

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Origenes Homilien zum Hohelied Erste Homilie 5

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Zum Anfang des Hoheliedes bis zu der Stelle, wo es heißt: „solange der König auf seinem Lager ruht.“a 1. Wie wir durch Mose gelernt haben, dass es nicht nur das Heilige gibt, sondern auch das Heilige des Heiligen,b 8 und nicht nur den Sabbat, sondern auch den Sabbat der Sabbate,c so werden wir jetzt auch von Salomo belehrt, wenn er schreibt, dass es nicht nur Lieder gibt, sondern auch Lieder der Lieder.d 9 Selig ist zwar auch der, der in das Heilige eintritt, doch viel seliger ist jener, der in das Heilige des Heiligen eintritt. Selig ist, wer den Sabbat feiert, doch seliger ist, wer den Sabbat der Sabbate feiert. Ebenso ist auch der selig, der die Lieder versteht und sie singt – freilich singt niemand außer bei Festlichkeiten –, doch viel seliger ist, wer die Lieder der Lieder singt. Und wie der, der in das Heilige eintritt, noch mehr benötigt, um in das Heilige des Heiligen eintreten zu können, und der, der den Sabbat feiert, der von Gott für sein Volk eingerichtet worden ist, noch vieles nötig hat, um den Sabbat der Sabbate zu begehen, ebenso findet sich nur schwer jemand, der alle Lieder, die in den Schriften enthalten sind, durchgeht und nun zu den Liedern der Lieder aufzusteigen vermag. Du musst aus Ägypten ausziehene und nach dem Auszug aus dem Land Ägypten das Rote Meer durchschreiten, damit du das erste Lied10 singen kannst, indem du sagst: „Singen lasst uns dem Herrn, denn herrlich erhaben ist er!“f Aber auch wenn du das erste Lied gesungen hast, bist du noch weit entfernt vom Lied der Lieder. Durchquere im Geiste das Wüstenland, bis du zu dem Brunnen kommst, den die

ihm der Übersetzer Hieronymus) hier wohl eher mechanisch und, weil es zu den pluralen Formulierungen des Kontextes passt, verwenden, die Origenes, ebd. prol. 4,29, aber explizit zugunsten des Singulars Canticum Canticorum ablehnt. Im Fortgang der Predigt gebraucht Origenes dann jeweils den letzteren Titel. 10 Vgl. in Ex. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 191): „Wir lesen zwar in den göttlichen Schriften, dass viele Lieder vorkommen, das erste von diesen allen ist jedoch jenes Lied, das nach dem Untergang der Ägypter und des Pharao das Volk Gottes nach dem Sieg gesungen hat.“

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Homilia I

puteum, quem foderunt reges, ut ibi secundum canticum canas. a Post haec ueni ad uiciniam sanctae terrae, ut super Iordanis ripam constitutus cantes canticum Moysi dicens: „Attende caelum, et loquar; et audiat terra uerba oris mei.“ b Rursum habes necessarium, ut milites sub Iesu et terram sanctam hereditate possideas et apis tibi prophetet apisque te iudicet c – Debbora quippe apis interpretatur –, ut possis et illud carmen, quod in Iudicum libro continetur, d edicere. Ad Regnorum deinceps uolumen adscendens ueni ad canticum, quando Dauid fugit de manu omnium inimicorum suorum et de manu Saul et dixit: „Dominus, firmamentum meum et fortitudo mea et refugium meum et liberator meus.“ e Perueniendum tibi est ad Esaiam, ut cum illo dicas: „Cantabo canticum dilecto uineae meae.“ f Et cum uniuersa transieris, ad altiora conscende, ut possis anima decora cum sponso et hoc canere canticum canticorum. Quod ex quot personis constet, incertus sum. Orantibus autem uobis et reuelante Deo quattuor in his mihi uideor inuenire personas, uirum et sponsam, cum sponsa adulescentulas, cum sponso sodalium greges. Alia dicuntur a sponsa, alia a sponso, nonnulla a iuuenculis, quaedam a sodalibus sponsi. Congruum quippe est, ut in nuptiis adulescentularum sit multitudo cum sponsa, iuuenum turba cum sponso. Haec omnia noli foris quaerere, noli extra eos, qui praedicatione euangelii sunt saluati. g Christum sponsum intellige, ecclesiam sponsam sine macula et ruga, de qua scriptum est: „Vt exhiberet sibi gloriosam ecclesiam non habentem maculam neque rugam aut aliud quid eorum, sed ut sit sancta et immaculata.“ h Eos uero, qui, cum sint fideles, non sunt tamen istiusmodi, quales sermo praefatus est, sed iuxta modum quendam adepti uidentur salutem, animas animaduerte credentium et adulescentulas esse cum sponsa. Angelos uero et eos, qui peruenerunt in uirum perfectum, i intellige uiros esse cum sponso. Vide igitur mihi quattuor a f

b Num. 21,17f. Dtn. 32,1 g Jes. 5,1 1 Kor. 1,21

h

c Ri. 4,4 Eph. 5,27

d i

e Ri. 5 2 Sam. 22,2 (vgl. Ps. 17[18]) Eph. 4,13

11 Vgl. dazu in Num. hom. 12,1f. (GCS Orig. 7, 93–101). 12 Im Hebräischen (ywuhi) wie im Griechischen (ÆIhsoyÄw) und Lateinischen (Iesus) ist Jesus = Josua. 13 Vgl. in Iud. hom. 5,2 (GCS Orig. 7, 493): „Debbora wird als Biene oder Rede übersetzt. Aber auch schon weiter oben haben wir gesagt, dass Debbora als Bild für Prophetie aufzufassen ist, und zwar als Biene. Denn es ist sicher, dass jede Prophetie aus den süßen Honigwaben der himmlischen Lehre und dem süßen Honig der göttlichen Rede besteht.“ Für diese Etymologie siehe Hieronymus, int. hebr. nom. p. 5 Lagarde (CChr.SL 72, 64): Debbora apis siue eloquentia; p. 32 (72, 99): Debbora apis uel loquax. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 194. 14 Vgl. dazu in Iud. hom. 6 (GCS Orig. 7, 498–504). 15 In Cant. comm. prol. 4,11 zählt Origenes nicht das Weinberglied Jesajas (Jes. 5,1–7) als sechstes Lied (vor dem Hohelied als siebtem), sondern das Loblied Davids in 1

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Homilie 1,1

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Könige gegraben haben, um dort das zweite Lied zu singen.a 11 Danach komm in die Nähe des heiligen Landes, um am Ufer des Jordan stehend das Lied des Mose zu singen, indem du sagst: „Merke auf, Himmel, und ich will reden; und die Erde soll die Worte meines Mundes hören.“b Sodann musst du unter Jesus12 kämpfen und das heilige Land als Erbe in Besitz nehmen, und die Biene muss dir Prophet und die Biene dir Richter seinc – Debbora heißt ja übersetzt Biene13 –, damit du auch jenes Lied vortragen kannst, das im Buch der Richter verzeichnet ist.d 14 Wenn du dann zum Buch der Königtümer aufsteigst, komm zu dem Lied, da David der Hand aller seiner Feinde und der Hand Sauls entkommen war und sprach: „Herr, meine Stütze und meine Stärke, meine Zuflucht und mein Befreier.“e Bis zu Jesaja musst du gelangen, um mit ihm zu sagen: „Das Lied von meinem Weinberg will ich für den Geliebten singen.“f 15 Und wenn du alles durchgegangen bist, steige noch höher hinauf, damit du, eine schöne Seele, mit dem Bräutigam auch dieses Lied der Lieder singen kannst. Aus wie vielen Rollen sich dieses zusammensetzt, bin ich mir unsicher. Aber auf euer Gebet hin und durch die Offenbarung Gottes meine ich darin vier Rollen zu finden: den Mann und die Braut, mit der Braut die Mädchen und mit dem Bräutigam die Schar der Gefährten. Das eine wird von der Braut gesagt, das andere vom Bräutigam, einiges von den jungen Frauen und manches von den Gefährten des Bräutigams. Es passt ja auch, dass bei einer Hochzeit eine Schar von Mädchen mit der Braut auftritt und eine Gruppe von jungen Männern mit dem Bräutigam. Dies alles suche nicht draußen, nicht außerhalb derer, die durch die Verkündigung des Evangeliums gerettet sind.g Unter dem Bräutigam verstehe Christus, unter der Braut die Kirche ohne Makel und Runzel, von der geschrieben steht: „Damit er sich die Kirche herrlich bereitete, ohne Makel und Runzel oder etwas anderes dieser Art, sondern damit sie heilig und makellos ist.“h In denen hingegen, die zwar gläubig, doch nicht von solcher Art sind, wie das im zitierten Vers gerade gesagt wurde, aber auf eine gewisse Weise das Heil erlangt zu haben scheinen, erblicke die Seelen der Gläubigen und die Mädchen, die bei der Braut sind. Die Engel hingegen und die, die zur vollkommenen Mannesreife gelangt sind,i betrachte als die Männer, die beim Bräutigam

Chron. 16,8–36. Je nach zeitlicher Priorität hat er entweder in der Homilie den im Kommentar (ebd. prol. 4,13) diskutierten Gedanken aufgegriffen, das Jesajalied den Liedern vor dem Hohelied hinzuzählen (und dabei das Lied aus dem Ersten Chronikbuch weggelassen), oder im Kommentar die Frage, wo das zeitlich spätere Jesajalied hingehört, differenzierter dargestellt (in diesem Sinne Simonetti, Omelie 113 Anm. zu Z. 34). Zu dieser Reihe der Lieder im Alten Testament siehe Rousseau, La plus ancienne liste; ders., SC 372, 31–37; Bre´sard, L’E´chelle des Cantiques; Perrone, Dramatic Interpretation 76.

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Homilia I

ordines, unum et unam, duos choros inter se concinentes, sponsam canere cum iuuenculis, sponsum canere cum sociis. Et cum haec intellexeris, audi canticum canticorum et festina intelligere illud et cum sponsa dicere ea, quae sponsa dicit, ut audias, quae audiuit et sponsa. Si autem non potueris dicere cum sponsa, quae dixit sponsa, ut audias ea, quae dicta sunt sponsae, festina uel cum sponsi sodalibus fieri. Porro si et illis inferior es, esto cum adulescentulis, quae in sponsae deliciis commorantur. Haec quippe in hoc libro, fabula pariter et epithalamio, sunt personae; ex quo et gentiles sibi epithalamium uindicarunt et istius generis carmen assumptum est, epithalamium siquidem est canticum canticorum. Primum sponsa orat et statim in mediis precibus auditur. Videt praesentem sponsum, uidet adulescentulas suo comitatui copulatas. Deinde respondet ei sponsus et post sponsi eloquia, dum ille pro eius patitur salute, respondent sodales, donec sponsus sit in recubitu et a passione consurgat, a se quaedam sponsae ornamenta facturos. b 2. Verum iam ipsa uerba ponenda sunt, in quibus primum uox sponsae deprecantis auditur. „Osculetur me ab osculis oris sui.“ c Quorum iste sensus est: Quousque mihi sponsus meus mittit oscula per Moysen, mittit oscula per prophetas? Iam ipsius cupio ora contingere, ipse ueniat, ipse descendat. Orat igitur sponsi patrem et dicit ad eum: „Osculetur me ab osculis oris sui.“ d Et quia talis est, ut compleatur super ea propheticum illud, in quo dicitur: „Adhuc loquente te dicam, ecce adsum“, e sponsam sponsi pater exaudit, mittit filium suum. Videns illa eum, cuius deprecabatur aduentum, orare desistit et ad ipsum cominus loquitur: „Quoniam bona ubera tua super uinum et odor unguentorum tuorum super omnia aromata.“ f Sponsus igitur Christus missus a patre uenit unctus ad sponsam, et dicitur ad eum: „Dilexisti iustitiam et odisti iniquitatem; propterea unxit te Deus, Deus tuus, oleo exsultationis prae participibus tuis.“ g Si me tetigerit sponsus, et ego boni odoris fio et ego linior unguentis et ad me usque eius unguenta perueniunt, a b Hld. 1,12 Hld. 1,11 g 1,2f. Ps. 44(45),8

c

Hld. 1,2

d

Hld. 1,2

e

Jes. 65,24 mit Jes. 52,6

f

Hld.

16 Zur traditionellen Vorstellung vom Diebstahl der Hellenen, die die Inhalte ihrer Literatur ebenso wie deren Gattungen aus den alttestamentlichen Büchern entwendet hätten, siehe die Hinweise in OWD 9/1, 92 Anm. 62 zu in Cant. comm. prol. 3,4, ferner die Hinweise bei Simonetti, Omelie 114 Anm. zu Z. 64. Lawson, ACW 26, 361 Anm. 12, weist darauf hin, dass die tatsächlichen Verhältnisse bezüglich der Gattung des Epithalamiums gerade umgekehrt lagen: Christliche Dichter wie Paulinus von Nola ließen sich von der heidnischen Hochzeitsliederpoesie (z.B. Theokrit oder Statius) inspirieren. 17 In Cant. comm. prol. 1,1–3 (vgl. ebd. I 1,1) bestimmt Origenes das Hohelied als Hochzeitslied in Form eines Dramas. Siehe dazu Perrone, Dramatic Interpretation 81–99.

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Homilie 1,1–2

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sind. Sieh mir also, wie vier Gruppen, der Eine und die Eine und zwei miteinander harmonierende Chöre singen, die Braut mit den jungen Frauen, der Bräutigam mit den Gefährten. Und wenn du das verstanden hast, höre das Lied der Lieder und beeile dich, es zu verstehen und mit der Braut das zu sagen, was die Braut sagt, damit du hörst, was auch die Braut gehört hat. Wenn du aber nicht mit der Braut sagen kannst, was die Braut gesagt hat, um das zu hören, was der Braut gesagt worden ist, beeile dich wenigstens, dich den Gefährten des Bräutigams anzuschließen. Wenn du zudem auch geringer als jene bist, halte dich an die Mädchen, die in der Gunst der Braut stehen. Das sind nämlich die Personen in diesem Buch, das ein Schauspiel und zugleich ein Hochzeitslied ist. Daraus haben sich auch die Heiden das Hochzeitslied angeeignet und diese Art von Lied übernommen,16 sofern das Lied der Lieder ein Hochzeitslied ist.17 Als erstes betet die Braut, und noch mitten in ihren Gebeten wird sie erhört. Sie sieht den Bräutigam anwesend, sie sieht die Mädchen in ihrer Begleitung vereint. Danach antwortet ihr der Bräutigam, und nach den Worten des Bräutigams, während er für ihre Erlösung leidet, antworten die Gefährten, dass sie, solange der Bräutigam auf dem Lager ruht und bis18 er sich vom Leiden erhebt,a Schmuck für die Braut anfertigen werden.b 2. Nun aber müssen die Worte selbst angeführt werden, in denen zum ersten Mal die Stimme der Braut beim Beten zu hören ist. „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes.“c Deren Sinn ist folgender: Wie lange noch schickt mir mein Bräutigam Küsse durch Mose, schickt er Küsse durch die Propheten? Seine Lippen selbst will ich endlich berühren, er selbst soll kommen, er selbst soll herabsteigen. Also betet sie zum Vater des Bräutigams und sagt zu ihm: „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes.“d Und da sie so beschaffen ist, dass sich an ihr das prophetische Wort erfüllt, in dem es heißt: „Noch während du sprichst, will ich sagen: Siehe, hier bin ich“,e erhört der Vater des Bräutigams die Braut, er schickt seinen Sohn. Als sie den sieht, dessen Ankunft sie erbat, hört sie zu beten auf und sagt zu ihm ganz intim: „Ja, deine Brüste sind besser als Wein und der Duft deiner Salböle besser als alle Duftkräuter.“f Der Bräutigam Christus wird also vom Vater gesandt und kommt gesalbt zur Braut, und es wird zu ihm gesagt: „Du hast Gerechtigkeit geliebt und Ungerechtigkeit gehasst; daher hat dich Gott, dein Gott, mehr als deine Gefährten mit dem Öl der Freude gesalbt.“g Wenn der Bräutigam mich berührt hat, werde auch ich zu einem Wohlgeruch, werde auch ich mit Salbölen gesalbt und kommen seine Salböle bis zu mir, so dass ich mit

18 Zur Doppeldeutigkeit von donec in Hld. 1,12, das zunächst einen Zeitraum angibt (solange), dann aber einen Zeitpunkt (bis) – unten in Cant. hom. 1,10 erklärt Origenes den Vers in diesem Sinn –, siehe OWD 9/1, 272 Anm. 312; 275 Anm. 318 zu in Cant. comm. II 8,31.37, wo ebenfalls diese Bedeutungsverschiebung vorliegt.

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Homilia I

ut possim cum apostolis dicere: „Christi bonus odor sumus in omni loco.“ a Nos autem, cum haec audiamus, adhuc peccatis uitiisque foetemus, de quibus per prophetam paenitens loquitur: „Computruerunt et corruptae sunt cicatrices meae a facie imprudentiae meae.“ b Peccatum odoris est putridi, uirtus spirat unguenta, quorum typos in Exodo relege. Inuenies quippe et ibi stacten, onycha, galbanen et reliqua. c Et haec quidem in incensum; deinde ad opus unguentarii d uaria sumuntur unguenta, in quibus est nardus et stacte. Et Deus, qui caelum fecit ac terram, e loquitur ad Moysen dicens: f „Ego impleui eos spiritu sapientiae et intellectus, ut faciant opera artis unguentariae“, g et unguentarios Deus docet. Haec si non spiritaliter intelligantur, nonne fabulae sunt? Nisi aliquid habeant secreti, nonne indigna sunt Deo? Necesse est igitur eum, qui audire scripturas spiritaliter nouit aut certe qui non nouit et desiderat nosse, omni labore contendere, ut non iuxta carnem et sanguinem conuersetur, quo possit dignus spiritalium fieri secretorum, et, ut aliquid audentius dicam, spiritali cupidine uel amore, siquidem est et spiritalis amor. Et quomodo est quidam carnalis cibus et alius spiritalis et alia carnis potio, alia spiritus, sic est quidam amor carnis a satana ueniens, alius amor spiritus, a Deo exordium habens, et nemo potest duobus amoribus possideri. Si carnis amator es, amoa g

2 Kor. 2,15 Ex. 31,3.11

b

Ps. 37(38),6

c

Ex. 30,34

d

Ex. 30,35

e

Gen. 1,1

f

Ex. 30,22f.

19 Vgl. princ. II 6,6 (GCS Orig. 5, 145f.): „Wenn es heißt: ,Gott, dein Gott, hat dich mehr als deine Gefährten mit Freudenöl gesalbt‘ (Ps. 44[45],8), so zeigt das, dass diese Seele in anderer Weise mit Freudenöl, das heißt mit dem Wort und der Weisheit Gottes, gesalbt wurde als ihre Gefährten, das heißt die heiligen Propheten und Apostel. Von jenen heißt es, sie seien ,im Duft seiner Salböle gelaufen‘ (Hld. 1,4); diese Seele aber war ein Gefäß des Salböls selbst, an dessen Duft die Würdigen Anteil empfingen und so Propheten und Apostel wurden. Wie man also den Duft des Salböls von seiner Substanz unterscheiden muss, so auch Christus von denen, die an ihm Anteil haben. Und wie das Gefäß, das die Substanz des Salböls enthält, auf keinen Fall einen schlechten Geruch annehmen kann, während die, die an seinem Geruch teilhaben, wenn sie sich von seinem Duft entfernen, einen üblen Geruch von außen annehmen können: ebenso konnte Christus, wie das Gefäß, das die Substanz des Salböls enthält, unmöglich den entgegengesetzten Geruch in sich aufnehmen, während sich bei denen, die an ihm teilhaben, die Teilhabe und Aufnahmefähigkeit nach ihrer Nähe zu dem Gefäß bemisst.“ Übersetzung: p. 369–371 Görgemanns/Karpp. Vgl. dazu Cels. VI 79 (GCS Orig. 2, 150f.). Siehe auch unten S. 79 Anm. 37. 20 Vgl. in Gen. hom. 11,1 (GCS Orig. 6, 102): „Wie man aber ,Christi Wohlgeruch‘ (2 Kor. 2,15) wird, wollen wir sehen. Die Sünde ist eine übelriechende Angelegenheit. Die Sünder werden ja mit Schweinen verglichen, die sich in ihren Sünden wälzen wie in stinkendem Kot (vgl. z.B. Mt. 8,30f.). Und David sagt als reuiger Sünder: ,Gänzlich faulig und zerfressen sind meine Narben‘ (Ps. 37[38],6).“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 213.

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den Aposteln sagen kann: „Christi Wohlgeruch sind wir an jedem Ort.“a 19 Obwohl wir das aber hören, stinken wir noch immer nach Sünden und Lastern, über die der Büßer durch den Propheten sagt: „Verfault und zerfressen sind meine Narben wegen meines Unverstands.“b Die Sünde riecht nach Verwesung, die Tugend duftet nach Salbölen.20 Die Vorbilder dafür lies im Buch Exodus nach. Auch dort wirst du nämlich Myrrhe, Onyx, Galbanum und anderes finden.c Diese freilich dienen für den Weihrauch; ferner werden zur Salbenherstellungd verschiedene Salböle verwendet, darunter Narde21 und Myrrhe. Und Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,e spricht zu Mose:f „Ich habe sie mit dem Geist der Weisheit und der Einsicht erfüllt, damit sie die Kunst des Salbenmischens ausüben“;g Gott unterweist auch die Salbenmischer. Wenn das nicht geistig verstanden wird, sind es dann nicht bloße Geschichten?22 Wenn sie keinerlei Geheimnis enthalten, sind sie dann nicht Gottes unwürdig?23 Deshalb muss sich der, der die Schriften geistig zu hören versteht, oder gewiss doch der, der das nicht vermag und lernen möchte, mit aller Anstrengung darum bemühen, sein Leben nicht an Fleisch und Blut auszurichten, um der geistigen Geheimnisse würdig werden zu können, sondern, um es etwas gewagter auszudrücken,24 am geistigen Begehren beziehungsweise Eros, zumal es ja auch einen geistigen Eros gibt. Und wie die eine Speise fleischlich ist, die andere geistig, und der eine Trank für das Fleisch, der andere für den Geist ist, so gibt es eine Liebe des Fleisches, die vom Satan kommt, eine andere Liebe des Geistes, die von Gott ihren Anfang nimmt, und niemand kann von beiden Arten von Liebe in Beschlag genommen sein.25 Wenn du ein Liebhaber des Fleisches bist, erfasst du die

21 Das Nardenöl wird in Ex. 30,34f. nicht erwähnt (und in Cant. hom. 2,3 beim Verweis auf diese Stelle daher auch nicht genannt). Es kommt in Hld. 1,12 vor und wird in Cant. hom. 2,2 ausführlich ausgelegt. 22 Origenes nimmt die Texte der Bibel zunächst einmal literarisch als „Geschichten“ im Sinne von „Erzählungen“ (fabulae) – auch die Wiedergabe von fabula als „Handlung“ (eines Stückes) fängt diesen Sinn treffend ein: Perrone, Dramatic Interpretation 82 – und fragt von da aus nach deren tieferem Sinn. Siehe dazu Fürst, OWD 7, 93–95. 23 Die „Gottes würdige“ Auslegung ist einer der hermeneutischen Grundsätze des Origenes, den er in seinen Schriften ständig einfordert. Siehe dazu Lies, Schriftauslegung. 24 Zu dieser für Origenes typischen Junktur, mit der er gewagte Gedanken und Formulierungen einführt, siehe z.B. in Ps. 15 hom. 2,4 (GCS Orig. 13, 98); in Hier. hom. 12,2 (GCS Orig. 32, 88); in Ioh. comm. VI 56,291 (GCS Orig. 4, 165); in Matth. comm. XV 31 (GCS Orig. 10, 443f.). 25 Dieser kontradiktorische Gegensatz der materiellen und der geistigen Liebe entspricht dem absoluten Gegensatz von Gut und Böse in der Ethik des Origenes. Es

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Homilia I

rem spiritus non capis. Si omnia corporalia despexisti, non dico carnem et sanguinem, sed argentum et possessiones et ipsam terram ipsumque caelum – haec quippe pertransibunt a –, si ista omnia contempsisti et ad nullum horum tua anima colligata est neque quoquam uitiorum amore retineris, potes amorem capere spiritalem. Ista, quia euenit occasio, ut de amore spiritali aliqua diceremus. Expedit autem nobis Solomonis custodire praeceptum et magis illius, qui per Solomonem loquebatur de sapientia ita dicens: „Ama illam, et seruabit te; circumda illam, et exaltabit te; honora illam, ut te amplexetur.“ b Est quidam spiritalis amplexus, atque utinam contingat, ut et meam sponsam artior sponsi amplexus includat, ut et ego quoque possim dicere, quod in hoc eodem libro scriptum est: „Sinistra eius sub capite meo, et dextra eius complexabitur me.“ c 3. „Osculetur me“ ergo „ab osculis oris sui.“ d Moris est scripturarum imperatiuum modum pro optatiuo ponere, ut ibi: „Pater noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum“ e pro: utinam sanctificetur, et nunc in praesenti: „Osculetur me ab osculis oris sui“ f pro eo, quod est: utinam osculetur. Deinde conspicit sponsum. Venit delibutus unguentis nec aliter ad sponsam poterat uenire nec decebat aliter patrem ad nuptias filium destinare. Variis eum unxit unguentis, fecit illum Christum. Venit diuersis odoribus spirans et audit: „Quia bona ubera tua super uinum.“ g Congrue sermo diuinus eandem rem pro locorum qualitate diuersis uocabulis nuncupat. Quando hostia offertur in lege et uult intellectus ostendere, pectusculum separationis effatur. h Quando uero recumbit aliquis cum Iesu et sensuum eius communione perfruitur, non pectusculum, ut supra, sed pectus elob Mt. 24,35 Spr. 4,6.8 h 1,2 Lev. 10,14

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gibt keine ethische Neutralität zwischen dem Willen zum Guten oder zum Schlechten, wie er in princ. III 1,18 (GCS Orig. 5, 229f.) klarstellt, sondern „entweder sündigt man oder man sündigt nicht, wobei es kein Mittleres zwischen dem Sündigen und dem Nicht-Sündigen gibt“: in Ioh. comm. XX 13,107 (GCS Orig. 4, 344), so dass man entweder zum Teufel gehört oder zu Gott. Diese Grundentscheidung zwischen der Liebe zum Fleisch und der Liebe zum Geist hat jeder Mensch in seinem Leben bewusst oder unbewusst immer schon getroffen, so dass sie allen Einzelhandlungen vorausliegt: in Ex. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 181). Weiteres dazu bei Fürst, Art. Origenes 548f. 26 Ausführlich erläutert Origenes diesen „geistigen Eros (amor)“ in Cant. comm. prol. 2,20–38. 27 In Cant. comm. prol. 2,22 zitiert Origenes Spr. 4,6.8 als eine der beiden Bibelstellen (neben Weish. 8,2), an denen das griechische Verbum zum Substantiv ,Eros‘ vorkommt (Spr. 4,6: eÆraÂsuhti), das in der Bibel ansonsten vermieden wird. Vgl. auch das Zitat in Ioh. comm. XX 43,406 (GCS Orig. 4, 386). 28 Zu Mt. 6,9 (par. Lk. 11,2) sagt Origenes auch in orat. 24,5 (GCS Orig. 2, 355f.), „dass auch die Übersetzer (sc. die Septuaginta) ständig den Imperativ statt des Op-

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Liebe des Geistes nicht. Wenn du alles Materielle verachtest – ich rede nicht von Fleisch und Blut, sondern von Geld und Besitztümern, ja von der Erde und vom Himmel selbst, denn diese werden vergehena –, wenn du das alles verachtest und deine Seele an nichts davon gebunden ist und du auch nicht von irgendeiner Liebe zu den Lastern festgehalten wirst, dann kannst du die geistige Liebe erfassen. Soviel dazu, weil sich die Gelegenheit ergeben hat, etwas über den geistigen Eros zu sagen.26 Für uns aber ist es nützlich, die Weisung Salomos zu beachten oder vielmehr die Weisung dessen, der durch Salomo über die Weisheit Folgendes sagte: „Liebe sie, und sie wird dich erhalten; umarme sie, und sie wird dich erhöhen; ehre sie, damit sie dich umarmt.“b 27 Es gibt eine Art geistige Umarmung, und würde doch die innigere Umarmung des Bräutigams auch meine Braut (sc. meine Seele) einmal umfassen, so dass auch ich sagen kann, was in eben diesem Buch geschrieben steht: „Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte wird mich umarmen.“c 3. „Er küsse mich“ also „mit den Küssen seines Mundes.“d Es ist in den Schriften üblich, den Imperativ statt des Optativs zu setzen, wie hier: „Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name“e statt: würde er doch geheiligt werden,28 und an der jetzt vorliegenden Stelle: „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes“f statt: würde er mich doch küssen. Daraufhin erblickt sie den Bräutigam. Er kommt gesalbt mit Salbölen, und anders konnte er nicht zur Braut kommen, noch war es dem Vater angemessen, seinen Sohn anders zur Hochzeit zu schicken. Er salbte ihn mit verschiedenen Salbölen, er machte ihn zum Gesalbten.29 Er kommt nach unterschiedlichen Gerüchen duftend und bekommt zu hören: „Ja, deine Brüste sind besser als Wein.“g In passender Weise bezeichnet das göttliche Wort dieselbe Sache je nach Kontext mit verschiedenen Begriffen. Wenn im Gesetz ein Opfer dargebracht wird und es seine Bedeutung aufzeigen will, spricht es vom Brüstchen der Teilung.h 30 Wenn hingegen jemand mit Jesus zu Tische liegt und die Gemeinschaft mit seinen Gedanken

tativs gebraucht haben“, wozu er als Beispiele Ps. 30(31),19 und 108(109),11f. anführt. Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 199. 29 Origenes spielt öfter mit der Bedeutung von „Christus“ = „Gesalbter“, etwa in Ioh. comm. VI 6,42 (GCS Orig. 4, 115) oder in Is. frg. 1 (OWD 10, 308). Siehe dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 6–8. 30 Vgl. in Lev. hom. 7,3 (GCS Orig. 6, 381): „Wenn ich imstande bin, von Gott zu denken, was groß, was heilig, was wahr und ein Geheimnis ist, dann werde ich das Brüstchen der Absonderung essen (Lev. 10,14), wenn ich das erkenne, was jedes Geschöpf überragt und davon getrennt ist.“ In Cant. comm. I 2,5 verweist Origenes den Leser auf weitere Erklärungen zu diesem Vers, die sich in seinen erhaltenen Schriften aber nicht finden: OWD 9/1, 136 Anm. 140.

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Homilia I

quitur. a Porro cum sponsa loquitur ad sponsum, quia nuptiale carmen inducitur, non pectusculum, ut in sacrificio, non pectus ut in Iohanne discipulo, sed ubera nominat dicens: „Quia bona ubera tua super uinum.“ b Communica ut sponsa cum sensibus sponsi et scies quia inebrient atque laetificent istiusmodi cogitatus. Quomodo autem calix Domini inebrians perquam optimus est, c sic ubera sponsi omni meliora sunt uino. „Quia bona ubera tua super uinum.“ d In mediis precibus ad sponsum uerba conuertit. „Et odor unguentorum tuorum super omnia aromata.“ e Non uno, sed omnibus sponsus uenit unctus unguentis. Si autem et ad meam animam factam sponsam suam uenire dignabitur, quam oportet eam esse formosam, f ut illum de caelo ad se trahat, ut descendere faciat ad terras, ut ueniat ad amatam? Quali pulchritudine decoranda est, quali debet amore feruere, ut ea loquatur ad illam, quae ad perfectam locutus est sponsam, quia ceruix tua, quia oculi tui, quia genae tuae, quia manus tuae, quia uenter tuus, g quia humeri tui, quia pedes tui? De quibus, si concesserit Dominus, disputabimus, quomodo sponsae membra uarientur et singularum partium laus diuersa dicatur, ut post disputationem etiam ad nostram dici animam similiter laboremus. „Bona“ igitur „ubera tua super uinum.“ h Si uideris sponsum, tunc intelliges uerum esse, quod dicitur: „Quoniam bona ubera tua super uinum et odor unguentorum tuorum super omnia aromata.“ i Multi habuerunt aromata. Regina austri detulit aromata Solomoni j et plures alii aromata possederunt, sed habuerit quis quantalibet, non possunt Christi odoribus comparari, de quo nunc sponsa ait: „Odor unguentorum tuorum super omnia aromata.“ k Ego arbitror quia et Moyses habuerit aromata et Aaron et singuli prophetarum, uerum, si uidero Christum et suauitatem unguentorum eius odore percepero, statim sententiam fero dicens: „Odor unguentorum tuorum super omnia aromata.“ l 4. „Vnguentum effusum nomen tuum.“ m Propheticum sacramentum est. Tantummodo nomen Iesu uenit in mundum et unguentum praedicatur efb c d e f Joh. 13,25; 21,20 Hld. 1,2 Ps. 22(23),5 Hld. 1,2 Hld. 1,3 Hld. 1,5 h i j Hld. 1,10.15; 5,14; 7,2 Hld. 1,2 Hld. 1,2f. Mt. 12,42; 1 Kön. 10,2.10 k l m Hld. 1,3 Hld. 1,3 Hld. 1,3 a

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31 Zum Motiv der ,geistigen‘ oder ,göttlichen‘ und dadurch ,nüchternen Trunkenheit‘ bei Origenes, worin er von Philon abhängig ist, führt Lewy, Sobria ebrietas 119–128, folgende Origenesstellen an: in Ioh. comm. I 30,205f. (GCS Orig. 4, 37); in Matth. comm. ser. 85 (GCS Orig. 11, 196f.); in Lev. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 370–374); in Cant. comm. III 6. Simonetti, Omelie 117 Anm. zu Z. 21, verweist für Ps. 22(23),5 bei Origenes auf in Hier. hom. 12,1f. (GCS Orig. 32, 86f.); in Matth. comm. XVI 7 (GCS Orig. 10, 488). 32 Zur regelrecht magischen Macht des Namens ,Jesus‘ vgl. etwa Cels. I 6 (GCS Orig. 1, 59): „Der Name Jesu übt indessen solche Gewalt über die Dämonen aus, dass er

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genießt, ist nicht wie oben von Brüstchen, sondern von Brust die Rede.a Wenn sich nun die Braut mit dem Bräutigam unterhält, spricht sie, da ja ein Hochzeitslied aufgeführt wird, nicht von Brüstchen wie beim Opfer, nicht von Brust wie beim Jünger Johannes, sondern von Brüsten, wenn sie sagt: „Ja, deine Brüste sind besser als Wein.“b Vereinige dich wie die Braut mit den Gedanken des Bräutigams, und du wirst erkennen, dass derartige Überlegungen berauschen und erfreuen.31 Wie aber der berauschende Kelch des Herrn der ganz und gar beste ist,c so sind die Brüste des Bräutigams besser als jeder Wein. „Ja, deine Brüste sind besser als Wein.“d Mitten im Gebet richtet sie ihre Worte an den Bräutigam. „Und der Duft deiner Salböle ist besser als alle Duftkräuter.“e Nicht nur mit einem, sondern mit allen Salbölen gesalbt kommt der Bräutigam. Wenn er aber auch meine Seele, da sie zu seiner Braut geworden ist, würdigt, zu ihr zu kommen, wie schönf muss sie sein, dass sie ihn vom Himmel an sich zieht, dass sie ihn veranlasst, zur Erde herabzusteigen, dass er zur Geliebten kommt? Mit welcher Schönheit muss sie sich schmücken, in welcher Liebe muss sie erglühen, damit er das zu ihr sagt, was er zur vollkommenen Braut gesagt hat: dein Hals, deine Augen, deine Wangen, deine Hände, dein Bauch,g deine Schultern, deine Füße? Wir werden, wenn der Herr es uns gewährt, erörtern, wie sich die Glieder der Braut unterscheiden und den einzelnen Teilen unterschiedliches Lob gespendet wird, auf dass wir uns nach dieser Erörterung (sc. nach der Predigt) anstrengen, dass auch zu unserer Seele Entsprechendes gesagt wird. „Deine Brüste sind“ also „besser als Wein.“h Wenn du den Bräutigam siehst, dann wirst du begreifen, dass wahr ist, was gesagt wird: „Ja, deine Brüste sind besser als Wein und der Duft deiner Salböle besser als alle Duftkräuter.“i Viele besaßen Duftkräuter. Die Königin des Südens überbrachte Salomo Duftkräuter,j und viele andere besaßen Duftkräuter, doch wieviel jemand auch gehabt haben mag, mit den Düften Christi können sie nicht verglichen werden, über den die Braut jetzt sagt: „Der Duft deiner Salböle ist besser als alle Duftkräuter.“k Ich meine, dass auch Mose und Aaron und jeder einzelne Prophet Duftkräuter besaßen, aber wenn ich Christus sehe und den süßen Duft seiner Salböle einsauge, komme ich sofort zu dem Urteil: „Der Duft deiner Salböle ist besser als alle Duftkräuter.“l 4. „Ausgegossenes Salböl ist dein Name.“m Das ist ein prophetisches Geheimnis. Nur der Name ,Jesus‘32 kommt in die Welt, und schon wird er

manchmal wirksam ist, auch wenn er von schlechten Menschen ausgesprochen wird.“ Übersetzung: Barthold, FC 50, 203. Weitere Stellenhinweise bei Fürst, OWD 7, 68 Anm. 300. Aus der Literatur siehe Bardy, Orige`ne et la magie 133–136; Dillon, Magical Power. Zur späteren Theologie des Namens ,Jesus‘ in der östlichen und westlichen Kirche siehe Rousseau, SC 372, 80 Anm. 1.

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Homilia I

fusum. In euangelio quoque mulier accipiens alabastrum unguenti nardi pistici pretiosi caput Iesu pedesque perfudit. a Diligenter obserua, quae de duabus super caput fuderit Saluatoris, siquidem peccatrix super pedes et ea, quae dicitur non fuisse peccatrix, super caput eius fudisse inuenitur. Obserua, inquam, et inuenies in euangelica lectione non fabulas et narrationes ab euangelistis, sed mysteria esse conscripta. Impleta est itaque odore unguenti domus. b Si quid peccatrix habuit, ad pedes referendum est, et si quid ea, quae non peccatrix, ad caput. Nec mirum domum odore fuisse completam, cum hoc odore mundus expletus sit. Scribitur in eodem loco de Simone leproso et domo eius. c Ego puto leprosum mundi istius esse principem et hunc leprosum Simonem nuncupari, cuius domus ad aduentum Christi suaui odore completa sit, agente paenitentiam peccatrice et sancta caput Iesu unguenti odoribus perfundente. „Vnguentum effusum nomen tuum.“ d Quomodo unguentum ad effusionem suam odorem longe lateque dispergit, sic Christi nomen effusum est. In uniuersa terra Christus nominatur, in omni mundo praedicatur Dominus meus; unguentum enim effusum est nomen eius. Nunc Moysi nomen auditur, quod prius Iudaeae tantum claudebatur angustiis; neque enim Graecorum quispiam meminit eius neque in ulla gentilium litterarum historia de illo seu ceteris scriptum aliquid inuenimus. Statim ut Iesus radiauit in mundo, eduxit secum legem et prophetas et uere completum est: „Vnguentum effusum est nomen tuum.“ e 5. „Propterea iuuenculae dilexerunt te.“ f Quia per Spiritum Sanctum caritas Dei effusa est in corda nostra, g congrue nomen effusionis inseritur: „Vnguentum effusum est nomen tuum.“ h Haec dicens sponsa adulescentulas conspicit. Quando illa sponsi patrem rogabat et ad ipsum sponsum cominus a e

b c Mk. 14,3; Mt. 26,6f.; Lk. 7,37f. Joh. 12,3 Mk. 14,3; Mt. 26,6 f g h Hld. 1,3 Hld. 1,3 Röm. 5,5 Hld. 1,3

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33 Von der Frau, die nach Lk. 7,37f. Jesus die Füße mit Öl übergießt, wird ausdrücklich gesagt, dass sie eine „Sünderin“ ist (Lk. 7,37.39), in Mk. 14,3 und Mt. 26,6f., wo ihm in einer anderen Szenerie, nämlich in Betanien, das Haupt mit Öl übergossen wird (nach Joh. 12,3 sind es auch hier die Füße), ist über die Frau, die das tut, aber nichts derartiges gesagt (in Joh. 12,3 ist es Maria von Betanien). In Cant. hom. 2,2, wo Origenes erneut auf diese Szene zu sprechen kommt, weist er ausdrücklich auf diesen Unterschied zwischen den Evangelien hin. Die Aussage, es werde gesagt, sie sei keine Sünderin (weil nicht gesagt wird, dass sie eine ist), ist eine forcierte Deutung des Origenes ex silentio. 34 Siehe dazu oben S. 73 Anm. 22. 35 Das steht nur in Joh. 12,3, nicht an den Parallelstellen in den anderen Evangelien. Vgl. dazu auch in Ioh. comm. I 11,67f. (GCS Orig. 4, 16). 36 Das ergibt sich nur aus der Fassung des Lukasevangeliums (vgl. die Sündenvergebung in Lk. 7,47f.), bei dem eine ähnliche Szene aber im Hause Simons des Pha-

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als ausgegossenes Salböl gepriesen. Auch im Evangelium nahm die Frau ein Alabastergefäß mit echtem, kostbarem Nardenöl und goß es Jesus über Haupt und Füße.a Beachte sorgfältig, welche von den beiden Frauen das Haupt des Erlösers übergossen hat, da ja – so der Befund – die Sünderin die Füße und die, von der gesagt wird, dass sie keine Sünderin war, sein Haupt übergossen hat.33 Beachte das, sage ich, und du wirst entdecken, dass im Text des Evangeliums von den Evangelisten keine Geschichten und Erzählungen,34 sondern Geheimnisse niedergeschrieben worden sind. Erfüllt ist also das Haus vom Duft des Salböls.b 35 Was die Sünderin hatte, ist auf die Füße zu beziehen, und was die hatte, die keine Sünderin war, auf das Haupt. Und es ist nicht verwunderlich, dass das Haus von Duft erfüllt war, wo doch von diesem Duft die Welt erfüllt ist. An derselben Stelle wird vom aussätzigen Simon und seinem Haus geschrieben.c Ich glaube, der Aussätzige ist der Fürst dieser Welt und dieser Aussätzige wird Simon genannt, dessen Haus bei der Ankunft Christi von süßem Duft erfüllt wurde, weil die Sünderin Buße tat36 und die Heilige das Haupt Jesu mit duftendem Salböl übergoss. „Ausgegossenes Salböl ist dein Name.“d Wie Salböl, wenn es ausgegossen wird, seinen Duft weit und breit verströmt, so ist der Name Christi ausgegossen. Auf der ganzen Erde wird Christus genannt, auf der ganzen Welt wird mein Herr verkündigt, denn ausgegossenes Salböl ist sein Name. Jetzt wird der Name des Mose gehört, der früher nur in den engen Grenzen Judäas eingeschlossen war. Denn keiner der Griechen erwähnt ihn, und in keiner Geschichte der heidnischen Literatur finden wir etwas über ihn oder die übrigen Propheten geschrieben. Sowie Jesus in der Welt aufstrahlte, führte er das Gesetz und die Propheten mit sich heraus und erfüllte sich wirklich das Schriftwort: „Ausgegossenes Salböl ist dein Name.“e 37 5. „Deswegen haben sich die jungen Frauen in dich verliebt.“f Weil durch den Heiligen Geist die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist,g wird passend das Wort ,Ausgießung‘ eingefügt: „Ausgegossenes Salböl ist dein Name.“h Während die Braut dies sagt, erblickt sie die Mädchen. Als sie zum Vater des Bräutigams betete und ganz intim mit dem Bräutigam

risäers spielt (Lk. 7,36f.40). Während Origenes in seiner langen Erörterung dieser Szene in Matth. comm. ser. 77 (GCS Orig. 11, 178–186) die verschiedenen Perikopen in den Evangelien durchaus auseinanderzuhalten weiß und drei verschiedene Frauen unterscheidet, vermengt er im vorliegenden Passus die verschiedenen Berichte: Simonetti, Omelie 118 Anm. zu Z. 6. 37 Zur Auslegung von Hld. 1,3 bei Origenes verweist Meloni, Profumo 133–176, neben der oben S. 72 Anm. 19 zitierten Stelle aus princ. II 6,6 (GCS Orig. 5, 145f.) zudem auf dial. 18.13–19.8 (SC 672, 92–94) und in Matth. comm. ser. 64 (GCS Orig. 11, 150) (ebd. 167). Siehe auch Cheˆnevert, L’E´glise 116–120.

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loquebatur, necdum adulescentulae aderant; in mediis uero precibus ingreditur iuuencularum chorus et sponsae laudatur eloquiis. „Propterea iuuenculae dilexerunt te et attraxerunt te“, a adulescentulaeque respondent: „Post te in odorem unguentorum tuorum curremus.“ b Quam pulchre! Sponsae pedissequae necdum habent fiduciam sponsae. Sponsa non post tergum sequitur, sed iuncto ingreditur latere, apprehendit dexteram sponsi et manus eius sponsi dextera continetur, famulae uero ingrediuntur post eum. „Sexaginta sunt reginae et octoginta concubinae et iuuenculae, quarum non est numerus; una est columba mea, perfecta mea, una est matri suae, una est ei, quae concepit illam.“ c „Post te“ ergo „in odorem unguentorum tuorum curremus.“ d Cum omni honestate de amantibus dictum est: „Post te in odorem unguentorum tuorum curremus“ secundum illud: „Cursum consummaui“ e et illud: „Qui in stadio currunt, omnes quidem currunt, unus autem accipit brauium“ f (brauium Christus est). Et haec quidem adulescentulae, quas propter amoris exordium foris stare cognoscimus, iuxta illud exemplum: „Amicus autem sponsi stans et audiens eum gaudio gaudet propter uocem sponsi.“ g Tale quiddam et adulescentulae sustinent; introeunte sponso forinsecus remanent; sponsa uero speciosa, perfecta, sine macula, sine ruga, h in sponsi cubiculum, in regium penetral ingressa reuertitur ad iuuenculas et nuntiat iis, quae sola conspexerit, dicitque: „Introduxit me rex in cubiculum suum.“ i Non ait: introduxit nos plures in cubiculum suum; plures foris remanent, in cubiculum sola introducitur sponsa, ut uideat thesauros tenebrosos et absconditos j renuntietque iuuenculis: „Introduxit me rex in cubiculum suum.“ k Rursum adulescentulae, id est sponsarum incipientium turba complurima, ingressa sponsa cubiculum sponsi et uidente diuitias uiri sui, dum illius praestoa g

Hld. 1,3 Joh. 3,29

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Hld. 1,4 Eph. 5,27

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Hld. 6,7f. i Hld. 1,4

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Hld. 1,4 j Jes. 45,3

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2 Tim. 4,7 k Hld. 1,4

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1 Kor. 9,24

38 Fiducia dürfte Übersetzung von parrhsiÂa sein im Sinne der „Zuversicht“ bzw. des „Zutrauens“, dessen sich eine vollkommene Seele gegenüber Christus erfreuen kann: Sie geht neben dem Bräutigam, Hand in Hand mit ihm, während ihr Gefolge noch hinter dem Bräutigam geht. Vgl. auch in Cant. hom. 2,13. 39 Den Gegensatz von Einem und Vielen entfaltet Origenes, in Regn. hom. lat. 4 (GCS Orig. 8, 5–7), ausführlich ausgehend von der Junktur uir unus in 1 Sam. 1,1, dem hier die sola sponsa entspricht. Zur Einheitsmetaphysik des Origenes, die, wie auch hier in der Hoheliedauslegung, durchweg ethisch konzipiert ist und in der Einheit der Tugenden gründet – dies wird im Folgenden mit dem Hinweis darauf, dass „die Tugenden keine Rivalität kennen“ (in Cant. hom. 1,5), kurz angedeutet, aber nicht erläutert –, siehe Fürst, OWD 7, 36–49. Den auch hier zitierten Vers 1 Kor. 9,24 deutet er an der angegebenen Stelle aus der Samuelhomilie auf die „wunderbare Einheit“, in der „der Gerechte einer ist, vielmehr sogar mehrere Gerechte einer sind“.

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selbst sprach, waren die Mädchen noch nicht zugegen. Mitten im Gebet aber tritt der Chor der jungen Frauen auf und wird durch die Worte der Braut gelobt: „Deswegen haben sich die jungen Frauen in dich verliebt und dich an sich gezogen“,a und die Mädchen antworten: „Im Duft deiner Salböle werden wir hinter dir herlaufen.“b Wie schön! Das Gefolge der Braut hat noch nicht das Zutrauen38 der Braut. Die Braut folgt nicht hinterdrein, sondern geht Seite an Seite, ergreift die Rechte des Bräutigams und ihre Hand wird von der Rechten des Bräutigams gehalten, die Dienerinnen jedoch gehen hinter ihm. „Es sind sechzig Königinnen, achtzig Konkubinen und junge Frauen ohne Zahl; eine ist meine Taube, meine Vollkommene, die einzige Tochter für ihre Mutter, die einzige für die, die sie empfangen hat.“c „Im Duft deiner Salböle werden wir“ also „hinter dir herlaufen.“d Mit aller Ehrerbietung wird über die Liebenden gesagt: „Im Duft deiner Salböle werden wir hinter dir herlaufen.“ Das entspricht jenem Wort: „Ich habe den Lauf vollendet“e und jenem: „Die Läufer im Stadion laufen zwar alle, aber nur einer erhält den Siegespreis“f (der Siegespreis ist Christus). Und zu diesen Mädchen erfahren wir, dass sie draußen stehen, weil ihre Liebe erst anfängt, und zwar nach jenem Beispiel: „Der Freund des Bräutigams aber, der stehen bleibt und ihn hört, ist voller Freude über die Stimme des Bräutigams.“g So etwas erleben auch die Mädchen: Während der Bräutigam hineingeht, bleiben sie draußen; die Braut hingegen, die schön, vollkommen, ohne Makel, ohne Runzel ist,h ist in das Gemach des Bräutigams, in das innere königliche Gemach hineingegangen, und nach ihrer Rückkehr zu den Mädchen verkündet sie ihnen, was einzig sie gesehen hat, und sagt: „Der König hat mich in sein Gemach geführt.“i Sie sagt nicht: Er hat uns, die Vielen, in sein Gemach geführt. Die Vielen bleiben draußen, in das Gemach wird einzig die Braut geführt, damit sie die versteckten und verborgenen Schätzej sieht und den jungen Frauen berichtet: „Der König hat mich in sein Gemach geführt.“k 39 Während die Braut in das Gemach des Bräutigams hineingeht und die Reichtümer ihres Mannes40 sieht, singen andererseits die Mädchen, das heißt eine ziemlich große Schar von angehenden Bräuten, fröhlich gemeinsam, während sie seine Ankunft erwarten:41

40 Zu Christus als „Mann der Seele, den die Seele heiratet, wenn sie zum Glauben kommt“, vgl. in Gen. hom. 10,4 (GCS Orig. 6, 98). Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 203. 41 Das überlieferte praestolatur, das Baehrens, GCS Orig. 8, 35.11, in den Text setzt, muss in praestolantur korrigiert werden: so Rousseau, SC 372, 84; Simonetti, Omelie 38. Zwar könnte man den Singular entweder so verstehen, dass die Braut, obwohl schon im Innern des Gemachs, auf die Ankunft ihres Mannes wartet, dessen Reichtümer sie währenddessen betrachtet, oder so, dass der Singular turba in der Apposition zu adulescentulae noch nachwirkt. Doch ersteres passt nicht in die Sze-

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Homilia I

la〈n〉tur aduentum, laetae concinunt: „Exsultabimus et laetabimur in te.“ a Pro sponsae perfectione laetantur; non est enim aemulatio in uirtutibus. Amor iste mundus, amor iste sine uitio est. „Exsultabimus et laetabimur in te. Diligemus ubera tua.“ b Illa, quae maior est, iam tuorum uberum lacte perfruitur et loquitur exsultans: „Bona ubera tua super uinum“; c istae uero exsultationem et laetitiam differunt (adulescentulae quippe sunt), differunt caritatem et dicunt: „Exsultabimus et laetabimur in te. Diligemus“ – non diligimus, sed „diligemus“ – „ubera tua super uinum.“ Deinde loquuntur ad sponsum: „Aequitas dilexit te“, d laudant sponsam nomen illi aequitatis a propriis uirtutibus imponentes: „Aequitas dilexit te.“ 6. Rursum ad adulescentulas sponsa respondet: „Nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem“ – simulque discimus quia istae adulescentulae filiae sunt Hierusalem –, „nigra sum“ ergo „et speciosa, filiae Hierusalem, ut tabernacula Cedar, ut pelles Solomonis. Ne intueamini me, quia ego sum denigrata, quoniam despexit me sol.“ e Speciosa quidem est, et possum inuenire, quomodo speciosa sit sponsa; quaerimus autem, quomodo nigra et sine candore sit pulchra. Paenitentiam egit a peccatis, speciem ei est largita conuersio, et ideo speciosa cantatur. Quia uero necdum omni peccatorum sorde purgata, necdum lota est in salutem, nigra dicitur, sed in atro colore non permanet; fit et candida. Itaque quando ad maiora consurgit et ab humilibus incipit ad alta conscendere, dicitur de ea: „Quae est ista, quae adscendit dealbata?“ f Et quo manifestius perfecte mysterium describatur, non ait, ut in plerisque legitur: „innixa super fratruelem suum,“ id est eÆpisthrizomeÂnh, sed eÆpisthuizomeÂnh, id est: „super pectus eius recumbens“ g significanterque de anima sponsa et Sermone dicitur sponso: „super pectus illius recumbens“, quia ibi principale cordis est nostri. Vnde a carnalibus Hld. 1,4 8,5

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nerie, in welcher der Bräutigam die Braut in das Gemach geführt hat, beide also zusammen sind, und zweiteres kollidiert sehr hart mit den unmittelbar folgenden Pluralbildungen laetae concinunt, wo, über turba hinweg, adulescentulae Subjekt ist. Die Änderung ist die beste Lösung für diese Schwierigkeiten. Illius in der Wendung illius aduentum ist auf den Bräutigam, näherhin auf das vorausgehende uiri, zu beziehen, dessen Ankunft erwartet wird, nicht auf die Braut (auf diese bezieht Lawson, ACW 26, 275, in seiner Übersetzung illius: „while they await her coming“). 42 Aus diesem Satz geht hervor, dass Origenes „dir“ im vorausgehenden Zitat von Hld. 1,4 offenbar als an die Braut gerichtet betrachtet. Die folgende Aussage in Hld. 1,4: „Wir werden deine Brüste lieben“ ist dann aber wieder an den Bräutigam gerichtet. So versteht Lawson, ACW 26, 363 Anm. 44–48, den Text richtig. Vgl. auch Simonetti, Omelie 120 Anm. zu Z. 32. 43 Vgl. in Cant. comm. II 1,56: „Man kann aber auch über jede Seele, die sich nach sehr vielen Sünden zur Buße bekehrt, sagen, dass sie schwarz ist wegen der Sünden, schön aber wegen der Buße und der Früchte der Buße.“

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„Wir werden jubeln und uns an dir freuen.“a Sie freuen sich über die Vollkommenheit der Braut, denn die Tugenden kennen keine Rivalität.42 Diese Liebe ist rein, diese Liebe ist ohne Makel. „Wir werden jubeln und uns an dir freuen. Wir werden deine Brüste lieben.“b Jene, die größer ist, genießt bereits die Milch deiner Brüste und sagt jubelnd: „Deine Brüste sind besser als Wein.“c Diese jedoch schieben den Jubel und die Freude auf (sie sind ja noch Mädchen), sie schieben die Liebe auf und sagen: „Wir werden jubeln und uns an dir freuen. Wir werden“ – nicht: wir lieben, sondern: „wir werden“ – „deine Brüste mehr lieben als Wein.“ Dann sagen sie zum Bräutigam: „Die Redlichkeit hat sich in dich verliebt“,d sie loben die Braut, indem sie ihr aufgrund der ihr eigenen Tugenden die Bezeichnung ,Redlichkeit‘ beilegen: „Die Redlichkeit hat sich in dich verliebt.“ 6. Die Braut wiederum antwortet den Mädchen: „Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems“ – und zugleich lernen wir, dass diese Mädchen die Töchter Jerusalems sind –, „schwarz bin ich“ also „und schön, Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie die Planen Salomos. Starrt mich nicht an, weil ich schwarz geworden bin, da die Sonne auf mich herabgeschaut hat.“e Sie ist gewiss schön, und ich kann herausfinden, inwiefern die Braut schön ist. Aber wir fragen, inwiefern sie schwarz und ohne Glanz anmutig ist. Sie hat Buße getan für ihre Sünden, die Bekehrung hat ihr Schönheit verliehen, und deshalb wird sie als schön besungen.43 Weil sie aber noch nicht von allem Schmutz der Sünden gereinigt, noch nicht zum Heil gewaschen ist, wird sie schwarz genannt, behält aber die dunkle Farbe nicht. Sie wird sogar strahlend weiß. Sobald sie sich daher zu Größerem erhebt und anfängt, vom Niedrigen zum Hohen hinaufzusteigen, wird über sie gesagt: „Wer ist diese, die weiß gewaschen heraufsteigt?“f Und damit das Geheimnis vollkommen deutlich beschrieben wird, sagt sie nicht, wie in den meisten Ausgaben zu lesen ist: „gestützt auf ihren Geliebten“,44 das heißt eÆpisthrizomeÂnh, sondern eÆpisthuizomeÂnh, das heißt: „an seiner Brust ruhend“,g und wird bezeichnenderweise über die Seele, die Braut, und das Wort, den Bräutigam, gesagt: „an seiner Brust ruhend“, weil sich dort das Leitprinzip unseres Herzens45 befindet. Daher müssen wir uns von den

44 Für diese Bedeutung von fratruelis, das wörtlich „Neffe“ heißt (dazu in Cant. hom. 2,3), im Hohelied aber im Sinne von „Geliebter“ verwendet ist (in der Vulgata übersetzte Hieronymus daher dilectus), siehe OWD 9/1, 285 Anm. 331 zu in Cant. comm. II 10,1, ferner unten S. 106 Anm. 90 zu in Cant. hom. 2,3. 45 Der stoische Begriff des Hegemonikon (hëgemonikoÂn) meint das Zentralorgan der Seele: Pohlenz, Stoa I, 88f.; Rist, Stoic Philosophy 256–272; Forschner, Die stoische Ethik 58–61. Die Verlegung dieses Leitprinzips in das Herz findet sich laut Diogenes Lae¨rtius VII 159 schon bei Zenon von Kition, dem Begründer der Stoa: „Die Führung liege bei dem obersten Teile der Seele, in dem die Vorstellungen und

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Homilia I

recedentes spiritalia sentire debemus et intelligere multo melius esse sic amare quam ab amore desistere. Adscendit igitur recumbens super pectus fratruelis sui, et quae nunc in exordio cantici nigra ponitur, in epithalamii de ea fine cantatur: „Quae est ista, quae adscendit dealbata?“ a Intelleximus, quomodo et nigra et formosa sit sponsa. Si autem et tu non egeris paenitentiam, caue, ne anima tua nigra dicatur et turpis et duplici foeditate turperis nigra propter peccata praeterita, turpis propter hoc, quia in iisdem uitiis perseueres. Si uero paenitentiam egeris, nigra quidem erit anima tua propter antiqua delicta, propter paenitentiam uero habebit aliquid, ut ita dicam, Aethiopici decoris. Et quia semel Aethiopem nominaui, uolo testem scripturam et super hoc aduocare sermone. Aaron et Maria murmurant, quia Moyses Aethiopissam habeat uxorem. b Et nunc Moyses Aethiopissam ducit uxorem, siquidem lex eius ad hanc nostram Aethiopissam transmigrauit. Murmuret et Aaron sacerdotium Iudaeorum, murmuret et Maria synagoga eorum, Moyses de murmuratione non curat, amat Aethiopissam suam, de qua et alibi dicitur per prophetam: „Ab extremis fluminum Aethiopiae afferent hostias“ c et rursum: „Aethiopia praeueniet manus eius Deo.“ d Pulchre praeueniet; quomodo enim in euangelio mulier illa, quae sanguine defluebat, archisynagogi filiam curatione praeuenit, e sic et Aethiopia Istrahel aegrotante sanata est. „Illorum delicto salus gentibus facta est ad aemulandum eos.“ f Hld. 8,5 11,11

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Num. 12,1

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Zef. 3,10

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Ps. 67(68),32

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Mt. 9,18–25

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Röm.

die Triebe entstehen und von dem der Verstand ausgeht; der Sitz dieser Leitung sei das Herz.“ Übersetzung: II p. 81 Apelt. Origenes hat diese Lokalisierung seinerseits explizit vorgenommen; vgl. in Ioh. comm. II 35,215 (GCS Orig. 4, 94): „Inmitten des ganzen Leibes befindet sich das Herz, im Herzen aber das Leitprinzip der Seele“; orat. 29,2 (GCS Orig. 2, 382): Im Leib „wohnt das Leitprinzip der Seele, das Herz genannt wird.“ Übersetzung nach von Stritzky, OWD 21, 245. Weitere Hinweise dazu in OWD 9/1, 134 Anm. 139. 46 Die direkte Beziehung des Bibeltextes auf den Zuhörer gehört zu den Charakteristika der Predigten des Origenes, wie er z.B. in Ex. hom. 1,5 (GCS Orig. 6, 151) einmal explizit einschärft: „Diese Dinge wurden nicht um der Geschichte willen (ad historiam) für uns aufgezeichnet … Vielmehr ist das Aufgezeichnete zu unserer Belehrung und Ermahnung aufgeschrieben worden.“ Die Bibelauslegung des Origenes besonders in seinen Predigten ist Pädagogik und Protreptik: Fürst, OWD 7, 16–26. Weiteres dazu unten S. 103 Anm. 80 zu in Cant. hom. 2,2. 47 Maria ist die latinisierte Form des griechischen Mariam, das seinerseits Wiedergabe des hebräischen Mirjam (targumisch: Marjam) ist. So auch Rufinus bei der Übersetzung von in Cant. comm. II 1,6. 48 Wie Mose sich seine Frau aus Äthiopien, also nicht aus dem Volk Israel, geholt hat, so holt er sie auch jetzt aus der heidnischen Welt, in die hinein sich sein Gesetz

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fleischlichen Dingen zurückziehen und die geistigen wahrnehmen und verstehen, dass es viel besser ist, so zu lieben, als von der Liebe abzulassen. Sie steigt also herauf, an der Brust ihres Geliebten ruhend, und die jetzt zu Beginn des Liedes als schwarz vorgestellt wird, über die wird am Ende des Hochzeitsliedes gesungen: „Wer ist diese, die weiß gewaschen heraufsteigt?“a Wir haben verstanden, inwiefern die Braut sowohl schwarz als auch anmutig ist. Wenn aber nicht auch du46 Buße tust, hüte dich, dass deine Seele nicht schwarz und hässlich genannt wird und du nicht von doppelter Abscheulichkeit entstellt wirst, schwarz wegen der vergangenen Sünden, hässlich deswegen, weil du in eben diesen Lastern verharrst. Wenn du aber Buße tust, wird deine Seele zwar wegen der alten Vergehen schwarz sein, wegen der Buße aber wird sie etwas von sozusagen äthiopischer Schönheit an sich haben. Und da ich nun schon von einem Äthiopier gesprochen habe, will ich die Schrift auch dafür als Zeugin heranziehen. Aaron und Maria47 murren, weil Mose eine Äthiopierin zur Frau hat.b Auch jetzt nimmt Mose eine Äthiopierin zur Frau, denn sein Gesetz ist zu dieser unserer Äthiopierin übergegangen.48 Mag Aaron, das Priestertum der Juden, murren und mag Maria, ihre Synagoge,49 murren, Mose kümmert sich nicht um das Gemurre, er liebt seine Äthiopierin, über die auch andernorts durch den Propheten gesagt wird: „Von den äußersten Flüssen Äthiopiens bringen sie Opfergaben herbei“,c und desgleichen: „Äthiopien wird zuerst seine Hände zu Gott erheben.“d Schön, dass es das zuerst tun wird! Wie nämlich im Evangelium jene Frau, die an Blutfluss litt, früher als die Tochter des Synagogenvorstehers geheilt wurde,e so wurde auch Äthiopien geheilt, während Israel krank blieb. „Durch ihr (sc. der Juden) Vergehen ist den Völkern das Heil bereitet worden, um ihnen nachzueifern.“f

durch Christus ausbreitet (vgl. am Ende von in Cant. hom. 1,4). Vgl. in Num. hom. 6,4 (GCS Orig. 7, 36) zu Num. 12,1: „Um dies ausführlicher zu erklären, sagen wir, dass Maria typologisch für das frühere Volk stand, Mose aber, das heißt das Gesetz des Herrn, eine Ehe mit der Äthiopierin einging, die aus den Völkern versammelt wurde. Diese also nahm Mose, das heißt das geistige Gesetz, zur Frau. Darüber empört sich Maria, die nunmehr die Synagoge ist, und schmäht ihn zusammen mit Aaron, mit den Priestern also und mit den Pharisäern“; in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 84f.): „Wir sind schwarz, wenn wir zu glauben anfangen, weshalb zu Beginn des Hoheliedes gesagt wird: ,Schwarz bin ich und schön‘ (Hld. 1,5). Am Anfang gleichen wir mit unserer Seele den Äthiopiern, dann werden wir abgerieben, um heller zu werden gemäß dem Wort: ,Wer ist diese, die ganz weiß gewaschen heraufsteigt?‘ (Hld. 8,5).“ 49 In Num. hom. 7,4 (GCS Orig. 7, 44): „Maria haben wir an die Stelle der Synagoge gesetzt.“

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„Nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem.“ a Et tu, ecclesiastice, ad filias Hierusalem conuerte sermonem et dic: me plus amat sponsus et magis diligit quam uos, quae multae estis, filiae Hierusalem; uos foris statis et sponsam cubiculum uidetis intrantem. Nemo dubitet nigram uocatam nigram esse formosam, qui nos sumus, ut agnoscamus Deum, ut cantica cantici praedicemus, ut ab Aethiopiae finibus, ab extremo terrae uenerimus sapientiam ueri audire Solomonis. Et quando Saluatoris uox intonantis auditur: „Regina austri ueniet in iudicium et condemnabit homines generationis huius, quia uenit a finibus terrae audire sapientiam Solomonis, et ecce plus Solomone hic,“ b audi mystice, quae dicuntur. „Regina austri uenit a finibus terrae“ ecclesia „et condemnat homines generationis huius“, id est Iudaeos carni et sanguini deditos. „Venit a finibus terrae audire sapientiam“ non „Solomonis“ illius, qui in testamento ueteri praedicatur, sed huius, qui in euangelio Solomone maior est. „Nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem“, nigra „ut tabernacula Cedar“, speciosa „ut pelles Solomonis.“ c Nam ad utrumque respondit „nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem, ut tabernacula Cedar, ut pelles Salomonis“. Ipsa quoque nomina cum sponsae decore conueniunt. Aiunt Hebraei Cedar interpretari tenebras. „Nigra sum“ ergo „ut tabernacula Cedar“, ut Aethiopes, ut tentoria Aethiopica, „speciosa ut pelles Solomonis“, quas eo tempore in tabernaculi ornamenta composuit, quando templum summo studio et labore fabricatus est. Diues quippe fuit Solomon, et in omni sapientia illius nemo praecessit illum d [sicut unum horum]. a

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50 Mit dem Adjektiv ecclesiasticus bezeichnet Origenes zur Kirche gehörende Christen im Gegensatz zu Häretikern: in Lev. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 281) von sich selbst; in Luc. hom. 2,2 (GCS Orig. 92, 13); 16,6 (92, 97f.); in Tit. frg. 2 (Opere di Origene 14/4, 394). Vgl. Schütz, Gottesdienst 57. Siehe auch die Literaturhinweise hierzu bei Lawson, ACW 26, 363 Anm. 57. 51 Baehrens, GCS Orig. 8, 37.13–15, tilgt diesen Satz als Interpolation, weil „die syntaktisch unverständlichen Worte … den Zusammenhang völlig unterbrechen und aus vorangehenden und folgenden Satzteilen zusammengestoppelt wurden“ (ebd. xviii), übernommen von Rousseau, SC 372, 90; Lawson, ACW 26, 277 (vgl. ebd. 363 Anm. 58). Der Satz passt aber gut in den Kontext, weshalb wir ihn mit Simonetti, Omelie 44 (vgl. ebd. 122 Anm. zu Z. 49–52), im Text belassen. 52 Zum Antijudaismus des Origenes, den er mit der gesamten altkirchlichen Theologie gemein hat und der in Bemerkungen wie der vorliegenden aufblitzt, siehe de Lange, Origen and the Jews 89–102; Sgherri, Chiesa e Sinagoga 110–132; Vogt, Juden; Fürst, Judentum. 53 Weil dieser Satz in der mit Abstand größten Handschriftengruppe nicht bezeugt und in anderen erst nach dem folgenden Zitat von Hld. 1,5f. steht, nimmt Baehrens, GCS Orig. 8, 38, ihn nicht in den Text, sondern notiert ihn nur im Apparat, übernommen von Rousseau, SC 372, 92. Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 185, vermutet, es handle sich um eine Randnotiz, die Hieronymus eigen-

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„Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems.“a Auch du, der du zur Kirche gehörst,50 richte dein Wort an die Töchter Jerusalems und sage: Mich liebt der Bräutigam mehr und hat mich lieber als euch, die ihr viele seid, Töchter Jerusalems. Ihr steht draußen und seht die Braut in das Gemach hineingehen. Niemand soll bezweifeln, dass die ,schwarz‘ Genannte die schwarze Schöne ist, die wir sind, damit wir Gott erkennen, damit wir die Lieder des Liedes verkünden, damit wir von den Grenzen Äthiopiens, vom Ende der Erde kommen, um die Weisheit des wahren Salomo (sc. Christus) zu hören.51 Und wenn die Stimme des Erlösers donnernd zu hören ist: „Die Königin des Südens wird zum Gericht kommen und die Menschen dieser Generation verurteilen, weil sie von den Enden der Erde kommt, um die Weisheit Salomos zu hören, und siehe, hier ist mehr als Salomo“,b vernimm in mystischem Sinn, was gesagt wird. „Die Königin des Südens“, die Kirche, „kommt von den Enden der Erde und verurteilt die Menschen dieser Generation“, das heißt die dem Fleisch und dem Blut verfallenen Juden.52 „Sie kommt von den Enden der Erde, um die Weisheit“ nicht jenes „Salomo zu hören“, der im Alten Testament verkündet wird, sondern dessen, der im Evangelium größer als Salomo ist. „Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems“, schwarz „wie die Zelte von Kedar“, schön „wie die Planen Salomos.“c Denn auf beides bezieht sich die Aussage: „Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie die Planen Salomos“.53 Auch die Begriffe an sich passen zur Schönheit der Braut. Die Hebräer sagen, Kedar bedeute übersetzt Dunkelheit.54 „Schwarz bin ich“ also „wie die Zelte von Kedar“, wie die Äthiopier, wie die äthiopischen Zelte, „schön wie die Planen Salomos“, die er zu der Zeit zur Verzierung des Zeltes anfertigte, als er den Tempel mit höchstem Eifer und Einsatz erbaute. Denn Salomo war reich, und niemand übertraf ihn in all seiner Weisheitd [wie einer von ihnen].55

händig in das Exemplar geschrieben habe, das er an Damasus schickte. Mit Simonetti, Omelie 46, kann er aber mit zwei alten Handschriften an dieser Stelle in den Text gesetzt werden: Er erklärt die Beziehung der Adjektive „schwarz“ und „schön“ auf die „Zelte von Kedar“ bzw. auf die „Planen Salomos“ und passt gut zur Gepflogenheit des Origenes in seinen Predigten, das besprochene Lemma des öfteren zu wiederholen. 54 Vgl. Hieronymus, int. hebr. nom. p. 4. 48 Lagarde (CChr.SL 72, 63. 119): Cedar tenebrae uel moeror; p. 57 (72, 130): Cedar tristis uel tenebrae. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 145. 264. Siehe auch in Cant. comm. II 1,2. 55 Baehrens, GCS Orig. 8, 38, tilgt dieses Kolon als Interpolation aus Mt. 6,29, übernommen von Rousseau, SC 372, 92. Hier ist Simonetti, Omelie 46, nicht in seiner Entscheidung zu folgen, es aufgrund seiner Bezeugung in allen Handschriften im Text zu belassen, weil es offenbar nicht zum Satz passt, wie er auch selbst zugibt (ebd. 123 Anm. zu Z. 71).

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„Nigra sum et speciosa, filiae Hierusalem, ut tabernacula Cedar, ut pelles Solomonis. Ne intueamini me, quia ego sum denigrata.“ a Satisfacit de nigrore suo et per paenitentiam ad meliora conuersa adnuntiat se filiabus Hierusalem nigram quidem esse, sed pulchram secundum quod superius exposuimus, et dicit: „Ne intueamini me, quia ego sum denigrata.“ b Ne, inquit, admiremini coloris esse me taetri, „sol despexit me“. c Pleno quippe radio in me luminis sui fulgor illuxit et eius sum calore fuscata. Neque enim ita, ut decuerat et solis dignitas expetebat, illius in me lumen excepi; „delicto eorum salus gentibus facta est“ d et rursum incredulitate gentium scientia Istrahel. e Habes utrumque apud apostolum. 7. „Filii matris meae pugnauerunt aduersum me.“ f Considerandum, quomodo sponsa dicat: „Filii matris meae pugnauerunt aduersum me“ et quando aduersum eam fratrum pugna surrexit. Vide mihi Paulum ecclesiae persecutorem g et intelliges, quomodo filius matris eius pugnauerit contra eam. Persecutores ecclesiae egerunt paenitentiam, et aduersarii eius rursum ad sororis signa conuersi praedicauerunt fidem, quam ante destruebant. h Hoc prophetico spiritu sponsa nunc cantans ait: „Dimicauerunt in me, posuerunt me custodem in uineis, uineam meam non custodiui.“ i Ego ecclesia, ego sponsa, ego sine macula, j plurimarum custos sum posita uinearum a filiis matris meae, qui contra me aliquando pugnauerant. Qua sollicitudine curaque districta dum plures custodio uineas, meam uineam non seruaui. Intellige mihi hoc de Paulo et alio quocumque sanctorum, qui pro omnium sit salute sollicitus, et uidebis, quomodo suam uineam non custodiens aliorum uineta custodiat; quomodo, ut alios lucrifaciat, ipse in quibusdam damna sustineat et, cum fuerit liber ex omnibus, omnibus se ipsum seruum fecerit, ut omnes lucrifaceret, factus infirmis infirmus, Iudaeis Iudaeus, his, qui sub lege erant, quasi sub lege k et cetera, dicatque: „Vineam meam non custodiui.“ l Deinde conspicit sponsum, qui conspectus abscedit. Et frequenter hoc in toto carmine facit, quod, nisi quis ipse patiatur, non potest intelligere. Saepe, Deus testis est, sponsum mihi aduentare conspexi et mecum esse quam plurimum; quo subito recedente inuenire non potui, quod quaerea b c d e Hld. 1,5f. Hld. 1,6 Hld. 1,6 Röm. 11,11 Vgl. Röm. 11,30f. g h i j 1,6 1 Tim. 1,13; Apg. 8,3 Gal. 1,23 Hld. 1,6 Eph. 5,27 l 9,19–22 Hld. 1,6

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f Hld. 1 Kor.

56 In Cant. comm. II 2,2 führt Origenes in Bezug auf die Äthiopier aus, „dass in jenen Gegenden die Sonne mit schärferen Strahlen brennt“ und die verbrannten Körper dunkel werden. 57 In Cant. comm. II 3,1–8 legt Origenes den Vers anders als hier nicht in dem Sinne aus, dass die „Söhne der Mutter“ „gegen mich“ (aduersum me oder in me in der

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„Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie die Planen Salomos. Starrt mich nicht an, weil ich schwarz geworden bin.“a Sie rechtfertigt sich für ihre Schwärze, und durch Buße zum Besseren bekehrt, verkündet sie den Töchtern Jerusalems, dass sie zwar schwarz ist, aber schön gemäß dem, was wir weiter oben dargelegt haben, und sagt: „Starrt mich nicht an, weil ich schwarz geworden bin.“b Wundert euch nicht, sagt sie, über meine hässliche Farbe, „die Sonne hat auf mich herabgeschaut“.c Mit vollem Strahl hat mich nämlich der Glanz ihres Lichtes beschienen, und von ihrer Hitze bin ich braun gebrannt.56 Denn nicht so, wie es sich gehörte und die Würde der Sonne es verlangte, habe ich ihr Licht in mich aufgenommen. „Durch ihr (sc. der Juden) Vergehen ist den Völkern das Heil bereitet worden“d und desgleichen durch den Unglauben der Völker Israel Erkenntnis.e Beides findest du beim Apostel. 7. „Die Söhne meiner Mutter kämpften gegen mich.“f Es ist zu überlegen, inwiefern die Braut sagt: „Die Söhne meiner Mutter kämpften gegen mich“ und wann der Kampf der Brüder gegen sie begonnen hat.57 Schau mir auf Paulus, den Verfolger der Kirche,g und du wirst verstehen, inwiefern der Sohn ihrer Mutter gegen sie kämpfte. Die Verfolger der Kirche taten Buße, und ihre Gegner kehrten wieder zu den Feldzeichen der Schwester zurück und verkündeten den Glauben, den sie vorher zu zerstören suchten.h Dies besingt jetzt die Braut in prophetischem Geist, indem sie sagt: „Sie kämpften gegen mich, sie setzten mich als Hüterin in Weinbergen ein, meinen Weinberg habe ich nicht behütet.“i Ich, die Kirche, ich, die Braut, ich, die Makellosej – ich wurde von den Söhnen meiner Mutter, die einst gegen mich gekämpft hatten, als Hüterin sehr vieler Weinberge eingesetzt. Während ich, von dieser Sorge und Aufgabe in Anspruch genommen, viele Weinberge behüte, habe ich meinen Weinberg nicht bewahrt. Erkenne mir das bei Paulus und jedem anderen Heiligen, der um das Heil aller besorgt ist, und du wirst sehen, inwiefern er, ohne seinen Weinberg zu behüten, die Weinberge der anderen behütet, inwiefern er, um andere zu gewinnen, selbst in manchen Dingen Verluste hinnimmt und, da er von allem frei war, sich selbst allen zum Sklaven machte, um alle zu gewinnen, indem er den Schwachen ein Schwacher wurde, den Juden ein Jude, denen, die dem Gesetz unterstanden, wie einer unter dem Gesetzk und so weiter und sagt: „Meinen Weinberg habe ich nicht behütet.“l Danach erblickt sie den Bräutigam, der sich dem Anblick wieder entzieht. Und dies tut er im ganzen Lied häufig, was nicht verstehen kann, wer es nicht selbst erlebt. Oft, Gott ist mein Zeuge, sah ich den Bräutigam sich mir nahen und so nah wie möglich bei mir sein. Wenn er sich plötzlich

Übersetzung des Hieronymus) kämpften, sondern „in mir“ (in me in der Übersetzung des Rufinus). Vgl. dazu Simonetti, Omelie 124f. Anm. zu Z. 1 und 9.

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bam. Rursum igitur desidero eius aduentum et nonnumquam iterum uenit; et cum apparuerit meisque fuerit manibus comprehensus, rursus elabitur et, cum fuerit elapsus, a me rursus inquiritur et hoc crebro facit, donec illum uere teneam et adscendam innixa super fratruelem meum. a 8. „Adnuntia mihi, quem dilexit anima mea, ubi pascis, ubi cubas in meridie.“ b Non quaero alia tempora, quando uespere, quando diluculo, quando in solis pascis occubitu; illud tempus inquiro, quando florente die, quando plena luce in maiestatis tuae splendore uersaris. „Adnuntia mihi, quem dilexit anima mea, ubi pascis, ubi cubas in meridie.“ c Diligenter obserua, ubi meridiem legeris. Apud Ioseph meridie fratres prandium celebrant, d angeli meridie Abrahae suscipiuntur hospitio, e et cetera istiusmodi. Quaere et inuenies f scripturam diuinam non frustra et fortuitu unumquemque usurpare sermonem. Quis, putas, est dignus e nobis, ut ad meridiem usque perueniat et uideat, ubi pascat, ubi cubet sponsus in meridie? „Adnuntia mihi, quem dilexit anima mea, ubi pascis, ubi cubas in meridie.“ g Nisi enim mihi tu adnuntiaueris, incipio errabunda iactari et, dum te quaero, in aliorum greges incurrere et, quia alios erubesco, faciem meam atque ora contegere. Sum quippe sponsa formosa et alii nudam faciem non ostendo nisi tibi soli, quem iam pridem deosculata sum. „Adnuntia mihi, quem dilexit anima mea, ubi pascis, ubi cubas in meridie, ne quando fiam sicut cooperta super greges sodalium tuorum.“ h Vt ista non patiar, ut non fiam cooperta, ut ora non contegam et ad alios usque perueniens incipiam forsitan et eos amare, quos nescio, idcirco adnuntia mihi, ubi te quaeram et inueniam in meridie, „ne“ forte „fiam quasi cooperta super greges sodalium tuorum“. 9. Post haec uerba sponsus ei comminatur et dicit: Aut cognosces temet ipsam, quoniam regis es sponsa et formosa et a me facta formosa, ego siquidem exhibui mihi gloriosam ecclesiam non habentem maculam neque rugam, i aut scito quia, si te non cognoueris et tuam nescieris dignitatem, b c Hld. 8,5 Hld. 1,7 Hld. 1,7 g h 11,9 Hld. 1,7 Hld. 1,7

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d Gen. 43,16.25 Eph. 5,27

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Gen. 18,1

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Mt. 7,7; Lk.

58 Die Stelle gehört zu den wenigen Selbstzeugnissen, die sich in den Schriften des Origenes finden. Vgl. dazu Fürst, OWD 7, 13–30. Zu ihrer Deutung siehe oben S. 15–17. 59 Vgl. in Gen. hom. 4,1 (GCS Orig. 6, 51): „Zu Abraham kommen also drei Männer ,mittags‘ (Gen. 18,1), zu Lot kommen zwei, und ,abends‘ (Gen. 19,1). Denn Lot war der Stärke des mittäglichen Lichts nicht gewachsen; Abraham hingegen war imstande, den vollen Glanz des Lichts zu ertragen.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 113. Vgl. dazu in Cant. comm. II 4,26f. 60 Zur antignostischen Verwendung von Mt. 7,7 par. Lk. 11,9 bei Origenes siehe Brox, Suchen und Finden. Siehe auch in Cant. comm. III 14,12.

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wieder zurückzog, vermochte ich nicht zu finden, wonach ich suchte. Erneut also sehne ich seine Ankunft herbei, und manchmal kommt er wieder. Und wenn er erschienen und von meinen Händen ergriffen worden ist, entgleitet er wieder, und wenn er entglitten ist, wird er von mir erneut gesucht, und dies tut er häufig, bis ich ihn wirklich festhalte und hinaufsteige, gestützt auf meinen Geliebten.a 58 8. „Sage mir, du, in den sich meine Seele verliebt hat, wo du weidest, wo du lagerst am Mittag.“b Ich erfrage keine andere Zeit, wenn du am Abend, wenn du am Morgen, wenn du bei Sonnenuntergang weidest. Nach jener Zeit frage ich, wenn du dich in der Blüte des Tages, wenn du dich bei vollem Licht im Glanz deiner Herrlichkeit befindest. „Sage mir, du, in den sich meine Seele verliebt hat, wo du weidest, wo du lagerst am Mittag.“c Betrachte sorgfältig, wo du von Mittag liest! Bei Josef nehmen die Brüder am Mittag eine Mahlzeit ein,d die Engel werden am Mittag von Abraham gastlich aufgenommene und dergleichen mehr.59 Suche, und du wirst finden,f 60 dass die göttliche Schrift nicht umsonst und zufällig ein bestimmtes Wort verwendet.61 Wer von uns, glaubst du, ist würdig, bis zum Mittag zu gelangen und zu sehen, wo der Bräutigam weidet, wo er am Mittag lagert? „Sage mir, du, in den sich meine Seele verliebt hat, wo du weidest, wo du lagerst am Mittag.“g Denn wenn du es mir nicht sagst, fange ich an hin und her zu irren und, während ich dich suche, zu den Herden der anderen zu laufen und, da ich vor den anderen erröte, mein Gesicht und Antlitz zu verhüllen. Ich bin ja eine schöne Braut und zeige mein entblößtes Angesicht keinem anderen außer dir allein, den ich schon vor langer Zeit geküsst habe. „Sage mir, du, in den sich meine Seele verliebt hat, wo du weidest, wo du lagerst am Mittag, damit ich nicht wie eine Verschleierte bei den Herden deiner Gefährten werde.“h Damit ich das nicht erleide, damit ich nicht verschleiert werde, damit ich mein Antlitz nicht verhülle und, wenn ich zu anderen komme, vielleicht sogar anfange, die zu lieben, die ich nicht kenne, deswegen sage mir, wo ich dich suchen soll und am Mittag finden kann, „damit ich nicht“ etwa „wie eine Verschleierte bei den Herden deiner Gefährten werde“. 9. Nach diesen Worten droht ihr der Bräutigam und sagt: Entweder wirst du dich selbst erkennen, dass du die Braut des Königs bist, schön und von mir schön gemacht, denn ich habe mir eine herrliche Kirche zugeführt, die keinen Makel und keine Runzel hat,i oder du sollst wissen, dass du, wenn du dich nicht erkennst und nicht um deine Würde weißt, das erleiden

61 Das ist eine Grundüberzeugung der antiken jüdischen und christlichen Schrifthermeneutik. Für Origenes vgl. philoc. 10,1.2 (SC 302, 368); in Num. hom. 3,2 (GCS Orig. 7, 14); 27,1 (7, 257); in Ios. hom. 15,3 (GCS Orig. 7, 383). Vgl. Simonetti, Omelie 126 Anm. zu Z. 9f.

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Homilia I

patieris haec, quae sequuntur. Quaenam ista sunt? „Si non cognoueris temet ipsam, o pulchra in mulieribus, egredere tu in uestigiis gregum et pasce“ non greges ouium, non agnorum, sed „haedos tuos.“ a Statuet quippe oues a dextris et a sinistris haedos. b „Si non cognoueris temet ipsam, o pulchra in mulieribus, egredere tu in uestigiis gregum et pasce haedos tuos in tabernaculis pastorum.“ c In uestigiis, inquit, pastorum nouissima fies, non inter oues, sed inter haedos tuos, cum quibus habitans non poteris mecum, id est cum bono esse pastore. d 10. „Equitatui meo in curribus Pharao assimilaui te.“ e Si uis intelligere, o sponsa, quomodo scire te debeas, cognosce, cui te comparauerim, et tunc uidebis talem te esse, quae turpari non debeas, cum tuam speciem recognoueris. Quid est igitur: „Equitatui meo in curribus Pharao assimilaui te“? f Scio ego equitem sponsum propheta dicente: „Et equitatio eius salus.“ g Assimilata es ergo equitatui meo in curribus Pharao. Quanto differt equitatus meus, qui sum Dominus et demergo in fluctibus Pharaonem et tristatas eius et adscensores eius et equos eius et currus eius h – quanto, inquam, differt equitatus meus ab equis Pharao, tanto tu melior es omnibus filiabus, tu sponsa, tu ecclesiastica anima, omnibus animabus, quae non sunt ecclesiasticae. Igitur si ecclesiastica anima es, omnibus animabus es melior; si non es melior, non es ecclesiastica. „Equitatui meo in curribus Pharao assimilaui te, proxima mea.“ i Deinde pulchritudinem sponsae spiritali amore describit. „Genae tuae ut turturis.“ j Faciem illius laudat et genarum rubore succenditur. Pulchritudo quippe mulierum in genis dicitur esse quamplurima. Itaque et nos pulchritudinem animae intelligamus in genis; labia uero eius et linguam intelligentiam praedicemus. „Collus tuus monile.“ k Vt ornamentum, quod solet uirginum pendere collo et nuncupatur oërmiÂskow, ita sine hoc decore tuus ipse collus est ornamentum. Post haec fit sponsus in recubitu. Requieuit quippe ut leo et ut catulus leonis obdormiuit, ut deinceps possit audire: „Quis a g

Hld. 1,8 Hab. 3,8

b h

Mt. 25,33 Ex. 15,1

i

c Hld. 1,8 Hld. 1,9

j

d Joh. 10,14 Hld. 1,10

k

e Hld. 1,9 Hld. 1,10

f

Hld. 1,9

62 In Cant. comm. II 5 nimmt Origenes diese Übersetzung von Hld. 1,8 zum Anlass für eine ausführliche Reflexion auf Selbsterkenntnis. Vgl. auch frg. 14. 63 Zu den Böcken, der symbolische Bedeutung Origenes hier nicht weiter erklärt, als ruhe- und zügellose Tiere, die immer in Sünden geraten, siehe in Cant. comm. II 5,3 und II 5,17. Zu den dazu in OWD 9/1, 238 Anm. 258 genannten Stellen vgl. noch in Matth. comm. ser. 70 (GCS Orig. 11, 166): „Böcke aber werden die Bösen genannt, die auf raue und harte Felsen in schlechter Gesinnung steigen und an deren Abgründen klettern.“ Übersetzung nach Vogt, BGrL 38, 215. Vgl. Simonetti, Omelie 127 Anm. zu Z. 8f.

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Homilie 1,9–10

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wirst, was folgt. Nämlich was? „Wenn du dich selbst nicht erkennst,62 oh du Schöne unter den Frauen, geh hinaus auf den Spuren der Herden und weide“ nicht die Herden der Schafe, nicht der Lämmer, sondern „deine Böcke.“a Er wird nämlich die Schafe auf die rechte Seite stellen und die Böcke auf die linke.b 63 „Wenn du dich selbst nicht erkennst, oh du Schöne unter den Frauen, geh hinaus auf den Spuren der Herden und weide deine Böcke bei den Zelten der Hirten.“c Auf den Spuren, sagt er, der Hirten wirst du ganz hinten sein, nicht unter den Schafen, sondern unter deinen Böcken. Wenn du mit diesen zusammenwohnst, kannst du nicht mit mir zusammen sein, das heißt mit dem guten Hirten.d 10. „Meiner Reiterei unter den Streitwagen des Pharao habe ich dich gleich erachtet.“e Wenn du verstehen willst, oh Braut, wie du dich erkennen musst, begreife, mit wem ich dich verglichen habe, und dann wirst du sehen, dass du so bist, dass du dich nicht schämen musst, wenn du deine Schönheit wahrnimmst. Was heißt also: „Meiner Reiterei unter den Streitwagen des Pharao habe ich dich gleich erachtet“?f Ich weiß, dass der Bräutigam ein Reiter ist, denn der Prophet sagt: „Und sein Reiten bringt Heil.“g Gleich erachtet also bist du meiner Reiterei unter den Streitwagen des Pharao. Wie sich meine Reiterei unterscheidet, der ich der Herr bin und den Pharao in den Fluten versenke mitsamt seinen Generälen und seinen Reitern und seinen Pferden und seinen Streitwagenh – wie sich, sage ich, meine Reiterei von den Pferden des Pharao unterscheidet, so viel bist du, die Braut, besser als alle Töchter, bist du, die kirchliche Seele, besser als alle Seelen, die nicht kirchlich sind. Wenn du daher eine kirchliche Seele bist, bist du besser als alle Seelen; wenn du nicht besser bist, bist du nicht kirchlich.64 „Meiner Reiterei unter den Streitwagen des Pharao habe ich dich gleich erachtet, meine Gefährtin.“i Dann beschreibt er die Schönheit der Braut mit geistigem Eros. „Deine Wangen sind wie die einer Turteltaube.“j Er lobt ihr Antlitz und wird von der Röte ihrer Wangen entflammt. Die Schönheit der Frauen zeigt sich ja, sagt man, ganz besonders an den Wangen. Daher wollen auch wir die Schönheit der Seele an den Wangen erkennen, ihre Lippen und Zunge hingegen wollen wir als den Verstand auffassen. „Dein Hals ist ein Collier.“k Wie der Schmuck, der gewöhnlich am Hals der Jungfrauen hängt und oërmiÂskow (kleines Halsband) genannt wird, so ist auch ohne diese Zierde dein Hals an sich ein Schmuck. Danach begibt sich der Bräutigam auf sein Lager. Er ruhte nämlich wie ein Löwe und schlief wie ein Löwenjunges, damit er

64 Zum Terminus ecclesiasticus siehe oben S. 86 Anm. 50. Aus dem abschließenden Satz ergibt sich die gegenseitige Bedingtheit von Moralität und Kirchlichkeit. Zum engen Konnex von Seele und Kirche im personalen Kirchenbegriff des Origenes siehe in Cant. comm. I 1,5 und dazu OWD 9/1, 128 Anm. 134.

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Homilia I

suscitabit illum?“ a Quo interim dormiente apparent sponsae sponsi sodales angeli et his eam sermonibus consolantur: Nos tibi aurea ornamenta facere non possumus, non sumus tam diuites ut sponsus tuus, qui aureum tibi monile largitur; nos similitudines auri faciemus, non habemus aurum. Et hoc quoque laetandum est, si similitudines auri, si stigmata faciamus argenti. „Similitudines auri faciemus tibi cum stigmatibus argenti“, b uerum non omni tempore, sed donec sponsus tuus consurgat a cubitu. c Si enim ille surrexerit, ipse tibi aurum, ipse faciet argentum, ipse tuam mentem sensumque decorabit, et eris uere diues in sponsi domo sponsa perfecta, „cui gloria in saecula saeculorum. Amen!“ d a

Gen. 49,9; Num. 24,9

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Hld. 1,11

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Hld. 1,12

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Hebr. 13,21

65 Zur Beziehung dieser Aussage auf die Auferstehung Christi vgl. in Num. hom. 17,6 (GCS Orig. 7, 166). Vgl. Simonetti, Omelie 128 Anm. zu Z. 24f. 66 Zu dieser Bedeutung von donec siehe oben S. 71 Anm. 18. 67 Vgl. in Ex. hom. 13,2 (GCS Orig. 6, 271): „Wenn Du also in deinem Herzen glaubst, ist dein Herz und dein Denken Gold, hast du also den Glauben deines Herzens als Gold zum Zelt gebracht; wenn du aber auch im Wort bekannt hast, hast du das Wort des Bekenntnisses als Silber dargebracht“; in Num. hom. 9,1 (GCS

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Homilie 1,10

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daraufhin hören kann: „Wer wird ihn aufwecken?“a 65 Während er einstweilen schläft, erscheinen der Braut die Gefährten des Bräutigams, die Engel, und trösten sie mit diesen Worten: Wir können dir keine goldenen Schmuckstücke anfertigen, wir sind nicht so reich wie dein Bräutigam, der dir ein goldenes Collier schenkt; wir werden Nachbildungen von Gold anfertigen, Gold haben wir nicht. Und auch darüber sollst du dich freuen, wenn wir Nachbildungen von Gold, wenn wir Verzierungen aus Silber anfertigen. „Nachbildungen von Gold werden wir dir anfertigen mit Verzierungen aus Silber“,b doch nicht jederzeit, sondern solange, bis66 dein Bräutigam sich von seinem Lager erhebt.c Denn wenn er aufgestanden ist, wird er selbst dir Gold, er selbst Silber anfertigen, er selbst dein Denken und deinen Sinn schmücken,67 und du wirst wahrhaft reich sein, eine vollkommene Braut im Hause des Bräutigams. „Sein ist die Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen!“d 68

Orig. 7, 54f.): „Wo nämlich der wahre Glaube ist und die vollständige und richtige Verkündigung des Wortes Gottes, da ist von Silber oder von Gold die Rede, so dass der Glanz des Goldes die Reinheit des Glaubens verkündet und das im Feuer geprüfte Silber die erprobten Worte anzeigt.“ 68 Diese Schlussdoxologie mit Hebr. 13,21 ist eine Variante der sonst üblichen aus 1 Petr. 4,11, die Origenes am Ende der zweiten Hoheliedhomilie verwendet.

Lateinischer Bibeltext der zweiten Homilie Hld. 1,12b Nardus mea dedit odorem suum. 1,13 Fasciculus guttae fratruelis meus mihi, in medio uberum meorum demorabitur. 1,14 Botrus cypri fratruelis meus mihi in uineis Engaddi. 1,15 Ecce es speciosa, proxima mea, ecce es speciosa; oculi tui columbae. 1,16 Ecce es speciosus, fratruelis meus, et quidem pulcher; lectus noster umbrosus. 1,17 Trabes domuum nostrarum cedri et contignationes nostrae cyparissi. 2,1 Ego flos campi et lilium conuallium. 2,2 Vt lilium in medio spinarum, sic proxima mea in medio filiarum. 2,3 Vt malum in lignis siluae, ita fratruelis meus in medio filiorum. In umbra eius concupiui et sedi, et fructus eius dulcis in gutture meo. 2,4 Introducite me in domum uini. Ordinate in me caritatem. 2,5 Confirmate me in unguentis, stipate me in malis, quia uulnerata caritatis ego. 2,6 Sinistra eius sub capite meo, et dextera eius complexabitur me. 2,7 Adiuraui uos, filiae Hierusalem, in uirtutibus et uiribus agri, si leuaueritis et suscitaueritis caritatem, quoadusque uelit. 2,8 Vox fratruelis mei; ecce hic uenit saliens super montes, transiliens super colles. 2,9 Similis est fratruelis meus capreae aut hinnulo ceruorum in montibus Bethel. Ecce hic retro post parietem nostrum prospiciens per fenestras eminens per retia.

Hohelied 1,12b–2,14 Hld. 1,12b Mein Nardenöl verströmte seinen Duft. 1,13 Ein Bündel Myrrhe ist mein Geliebter für mich, inmitten meiner Brüste wird er verweilen. 1,14 Eine Traube Zyperns ist mein Geliebter für mich in den Weinbergen von En-Gedi. 1,15 Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, siehe, du bist schön; deine Augen sind Tauben. 1,16 Siehe, du bist schön, mein Geliebter, und vortrefflich; unser Lager ist schattig. 1,17 Die Balken unserer Häuser sind Zedern und unsere Dachbalken Zypressen. 2,1 Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie der Täler. 2,2 Wie eine Lilie inmitten von Dornen, so ist meine Gefährtin inmitten der Töchter. 2,3 Wie ein Apfelbaum unter den Hölzern des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne. In seinem Schatten zu weilen sehnte ich mich und saß ich, und seine Frucht ist süß in meinem Gaumen. 2,4 Führt mich in das Haus des Weines hinein! Ordnet in mir die Liebe! 2,5 Stärkt mich mit Salbölen, stopft mich voll mit Äpfeln, weil ich wund vor Liebe bin. 2,6 Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte wird mich umarmen. 2,7 Ich habe euch beschworen, Töchter Jerusalems, bei den Mächten und Kräften des Feldes: Habt ihr die Liebe aufgeweckt und aufgerichtet, wie sie es will? 2,8 Die Stimme meines Geliebten! Siehe, er kommt springend über die Berge, hüpfend über die Hügel. 2,9 Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel. Siehe, er ist hinter unserer Wand, er schaut durch die Fenster herein, er ragt aus den Netzen heraus.

2,10 2,11 2,12 2,13 2,14

Respondet fratruelis meus et dicit: Surge, ueni, proxima mea, speciosa mea, columba mea, quia ecce hiems transiit, pluuia abiit sibi, flores uisi sunt in terra, tempus sectionis adest, uox turturis audita est in terra nostra, ficus protulit grossos suos, uites florescunt, dederunt odorem suum. Surge, ueni, proxima mea, speciosa mea, columba mea, et ueni, columba mea, sub tegmine petrae. In tegmine antemuralis ostende mihi faciem tuam, audire me fac uocem tuam, quia uox tua suauis est et adspectus tuus speciosus.

2,10 2,11 2,12 2,13 2,14

Mein Geliebter antwortet und sagt: Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube, denn sieh, der Winter ist vergangen, der Regen hat sich verzogen, auf der Erde zeigten sich die Blumen, die Zeit zum Beschneiden ist da, die Stimme der Turteltaube war zu hören in unserem Land, der Feigenbaum brachte seine Triebe hervor, die Weinreben blühen und verströmten ihren Duft. Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube, und komm, meine Taube, im Schutz des Felsens! Im Schutz der Vormauer zeige mir dein Antlitz, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und dein Anblick schön.

HOMILIA II Ab eo loco, in quo scriptum est: „Nardus mea dedit odorem suum“ a usque ad eum locum, in quo ait: „Quia uox tua suauis et forma tua speciosa.“ b

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1. Omnes animae motiones uniuersitatis conditor Deus c creauit ad bonum, sed pro usu nostro fit saepe, ut res, quae bonae sunt per naturam, dum male eis abutimur, nos ad peccata deducant. Vnus de animae motibus amor est, quo bene utimur ad amandum, si sapientiam amemus et ueritatem; quando uero amor noster in peiora corruerit, amamus carnem et sanguinem. Tu igitur, ut spiritalis, d audi spiritaliter amatoria uerba cantari et disce motum animae tuae et naturalis amoris incendium ad meliora transferre secundum illud: „Ama illam, et seruabit te, circumda illam, et exaltabit te.“ e „Viri, diligite uxores uestras“, f ait apostolus, sed non stetit in eo, quod dixerat: „Viri, diligite uxores uestras“, uerum sciens esse dilectionem uirorum in propriis quoque uxoribus inhonestam, sciens esse et placentem Deo docuit, quomodo uiri uxores suas amare deberent, inferens: „Viri, diligite uxores uestras sicut et Christus ecclesiam.“ g Et haec quidem in prooemio eorum, quae postea disserenda sunt, diximus. 2. Quia uero amici sponsi, dum rex in recubitu suo est h – requiescens enim dormiuit ut leo et ut catulus leonis i –, sponsae promiserant, donec ille a g

Hld. 1,12 Eph. 5,25

b

Hld. 2,14 Hld. 1,12

h

c

d Hebr. 11,10 1 Kor. 3,1 i Gen. 49,9; Num. 24,9

e

Spr. 4,6.8

f

Kol. 3,19

69 Vgl. princ. III 1,14 (GCS Orig. 5, 220): „Unzählig, könnte man sagen, sind unsere Seelen, und unzählig ihre Eigenarten; sie haben alle möglichen Bewegungen, Absichten, Impulse und Strebungen.“ Übersetzung: p. 513 Görgemanns/Karpp. 70 Die Aussage enthält in nuce die biblisch-platonische Weltsicht des Origenes: Alles Seiende ist, da es von Gott geschaffen ist, gut. Hier koinzidieren die wiederholten Bemerkungen in der Schöpfungserzählung von Gen. 1 über die Schöpfung, in der alles gut und sogar sehr gut ist (Gen. 1,4.10.12.18.21.25.31), mit der Güte des Schöpfergottes als einziger Ursache für die Schöpfung in Platons Timaios (Tim. 29d–30a). Schlechtes und Sünde kommen durch falschen Gebrauch des Geschaffenen in die Welt, sind also Folge der Entscheidungsfreiheit und Wandelbarkeit der geschaffenen Vernunftwesen, wie Origenes u.a. in princ. II 9,2 (GCS Orig. 5, 165f.) eindringlich vorführt. 71 Zur Unterscheidung dieser beiden Ausrichtungen der Liebe siehe oben in Cant. hom. 1,2 und ausführlich in Cant. comm. prol. 2.

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Zweite Homilie Von der Stelle, an der geschrieben steht: „Mein Nardenöl verströmte seinen Duft“,a bis zu der Stelle, an der es heißt: „Denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt schön.“b 5

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1. Alle Regungen der Seele69 hat Gott, der Schöpferc des Alls, zum Guten geschaffen, doch durch unseren Gebrauch kommt es oft vor, dass Dinge, die von Natur aus gut sind, uns, wenn wir sie schlecht gebrauchen, in Sünden stürzen.70 Eine der Regungen der Seele ist die Liebe, die wir zum Lieben richtig gebrauchen, wenn wir die Weisheit und die Wahrheit lieben; wenn unsere Liebe jedoch zu schlechteren Dingen abgleitet, lieben wir Fleisch und Blut.71 Du also, als Mensch des Geistes,d 72 höre auf geistige Weise, wie die Worte der Liebe gesungen werden, und lerne, die Regung deiner Seele und das Feuer der natürlichen Liebe auf Besseres zu richten gemäß jenem Wort: „Liebe sie (sc. die Weisheit), und sie wird dich erhalten, umarme sie, und sie wird dich erhöhen.“e 73 „Männer, liebt eure Frauen“,f sagt der Apostel, blieb jedoch nicht bei dem stehen, was er gesagt hatte: „Männer, liebt eure Frauen“, sondern weil er wusste, dass die Liebe der Männer auch zu ihren eigenen Frauen unehrenhaft sein kann, und weil er wusste, dass sie auch gottgefällig sein kann, lehrte er, wie die Männer ihre Frauen lieben müssen, indem er hinzufügte: „Männer, liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche.“g Das haben wir als Vorwort zu den folgenden Erörterungen gesagt.74 2. Weil aber die Freunde des Bräutigams, während der König auf seinem Lager ruhth – er ruhte nämlich, er schlief wie ein Löwe und wie ein Löwenjungesi 75 –, versprochen hatten, bis76 jener sich erhob, der Braut 72 Spiritalis ist Übersetzung von pneymatikoÂw, „Pneumatiker“, „vom Geist (Gottes) erfüllter Mensch“. 73 Siehe dazu oben S. 74 Anm. 27 zu in Cant. hom. 1,2, wo Origenes diesen Text ebenfalls zitiert. 74 Origenes hat seine Predigten oft durch ein Vorwort eingeleitet. Ein sehr langes bietet die lateinisch überlieferte Homilie zu 1 Sam. 1f.: in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 1–3). Für die Vorworte in den griechischen Jeremiahomilien siehe Nautin, SC 232, 123–125. 75 Diese Verse über den „Löwen aus Juda“ werden christlich auf Christus bezogen, etwa in Offb. 5,5. 76 Zur Doppeldeutigkeit dieses donec aus Hld. 1,12 im Sinne von „solange“ als Angabe eines Zeitraums und von „bis“ als Zeitpunkt, an dem dieser Zeitraum endet, siehe oben S. 71 Anm. 18.

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Homilia II

consurgeret, se similitudines auri et argenti esse facturos, non habentes aurum ut sponsus, et quodammodo aliis uerbis sponsi passio praedicata est, non irrationabiliter ad haec sponsa respondet; et ipsa dispensationem quandam passionis intelligens ad id, quod audierat: „Similitudines auri faciemus tibi cum stigmatibus argenti, donec rex in recubitu suo“, a ait: „Nardus mea dedit odorem suum. Fasciculus guttae fratruelis meus mihi, in medio uberum meorum demorabitur.“ b Quomodo igitur aptabimus ei, quod praecessit: „Donec rex in recubitu suo“, id quod sequitur: „Nardus mea dedit odorem suum“? Loquitur euangelium quia uenerit mulier habens alabastrum unguenti nardi pistici pretiosi, c non illa peccatrix, sed sancta, de qua nunc mihi sermo est. Scio quippe Lucam de peccatrice, Matthaeum uero et Iohannem et Marcum non de peccatrice dixisse. Venit ergo non peccatrix illa, sed sancta, cuius nomen quoque Iohannes inseruit – Maria quippe erat –, et habens alabastrum unguenti pistici pretiosi d effudit super caput Iesu. e Deinde super hoc indignantibus non omnibus discipulis, sed Iuda f solo et dicente: „Potuit uenumdari denariis trecentis et dari pauperibus“ g respondit magister noster atque Saluator: „Semper pauperes habetis uobiscum, me uero non semper habebitis uobiscum. Praeueniens quippe haec in diem sepulturae meae fecit. Ideo ubicumque praedicatum fuerit euangelium istud, dicetur et quod fecit haec in memoriam eius.“ h In figuram ergo istius, quae nunc loquitur: „Nardus mea dedit odorem suum“, i illa super caput Domini fudit unguentum. Et tu igitur assume nardum, ut, postquam caput Iesu suaui odore perfuderis, possis audenter effari: „Nardus mea dedit odorem suum“ et Iesu reciprocum audire sermonem quia: „Vbicumque praedicatum fuerit euangelium istud, dicetur et quod fecit haec in memoriam eius“, j tuo quoque b c d Hld. 1,11f. Hld. 1,12f. Lk. 7,37; Mt. 26,6f.; Joh. 12,3; Mk. 14,3 Joh 12,3 f g h Mt. 26,7; Mk. 14,3 Joh. 12,4 Mt. 26,9; vgl. Mk. 14,4; Joh. 12,5 Mt. i j 26,11–13; Mk. 14,7–9 Hld. 1,12 Mt. 26,13; Mk. 14,9

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77 Für diese Bedeutung von fratruelis siehe OWD 9/1, 285 Anm. 331 zu in Cant. comm. II 10,1 (vgl. auch in Cant. hom. 1,6). Weiteres unten S. 106 Anm. 90 zu in Cant. hom. 2,3. 78 Siehe dazu oben S. 78 Anm. 33 zu in Cant. hom. 1,4, wo diese Szene ebenfalls schon Thema war. Wie dort, blendet Origenes auch hier die verschiedenen Berichte ineinander. 79 Simonetti, Omelie 131 Anm. zu Z. 18, weist darauf hin, dass in fast allen Handschriften Martha (oder Marta) steht, nicht Maria, weshalb er die Lesart Martha auch in den Text nimmt (ebd. 60). Als Begründung verweist er auf eine antike Tradition, in der die Frau in der fraglichen Perikope als Martha identifiziert wird. Da im Johannesevangelium, auf das Origenes rekurriert, jedoch von Maria (von Betanien) die Rede ist, ist mit der Minderheit von Handschriften hier doch mit Baehrens, GCS Orig. 8, 43.22 (ebenso Rousseau, SC 372, 108), Maria zu lesen.

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Nachbildungen von Gold und Silber anzufertigen, da sie kein Gold wie der Bräutigam besaßen, und weil damit in gewisser Weise mit anderen Worten das Leiden des Bräutigams vorausgesagt wurde, antwortet die Braut nicht unvernünftig darauf. Und weil sie gewissermaßen die heilsgeschichtliche Ankündigung des Leidens versteht, sagt sie zu dem, was sie gehört hatte: „Nachbildungen von Gold werden wir dir anfertigen mit Verzierungen von Silber, solange der König auf seinem Lager ruht“,a Folgendes: „Mein Nardenöl verströmte seinen Duft. Ein Bündel Myrrhe ist mein Geliebter77 für mich, inmitten meiner Brüste wird er verweilen.“b Wie lässt sich nun mit dem Vorausgehenden: „Solange der König auf seinem Lager ruht“ das Folgende verbinden: „Mein Nardenöl verströmte seinen Duft“? Das Evangelium erzählt, dass eine Frau auftrat, die ein Alabastergefäß mit echtem, wertvollem Nardenöl bei sich hatte,c nicht jene Sünderin, sondern die Heilige, von der ich jetzt rede. Ich weiß freilich, dass Lukas von einer Sünderin, Matthäus, Johannes und Markus hingegen nicht von einer Sünderin gesprochen haben.78 Es kam also nicht jene Sünderin, sondern die Heilige, von der Johannes auch den Namen eingefügt hat – es war nämlich Maria79 –, und sie hatte ein Alabastergefäß mit echtem, wertvollem Salböl bei sich,d das sie Jesus über das Haupt goß.e Als sich daraufhin nicht alle Jünger, sondern allein Judasf darüber empörte und sagte: „Es hätte für dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben werden können“,g antwortete unser Lehrer und Erlöser: „Arme habt ihr immer bei euch, mich jedoch werdet ihr nicht immer bei euch haben. Sie hat dies nämlich im Vorgriff auf den Tag meines Begräbnisses getan. Wo immer daher dieses Evangelium verkündet werden wird, wird zur Erinnerung an sie auch erzählt werden, was sie getan hat.“h Mit einem symbolischen Hinweis also auf die, die jetzt sagt: „Mein Nardenöl verströmte seinen Duft“,i hat jene das Salböl dem Herrn über das Haupt gegossen. Auch du80 also nimm das Nardenöl, damit du, nachdem du das Haupt Jesu mit süßem Duft übergossen hast, zuversichtlich81 sagen kannst: „Mein Nardenöl verströmte seinen Duft“ und Jesus entsprechend sagen hörst: „Wo immer dieses Evangelium verkündet werden wird, wird zur Erinnerung an sie auch erzählt werden, was sie getan hat“,j womit auch deine Tat bei allen

80 Die ständige Applikation biblischer Geschichten auf die Hörer seiner Predigten ist nicht nur typisch für die Homilien des Origenes, sondern ein Grundelement seiner auf den Aufstieg der Seele zu Gott fokussierten Deutung von Welt und Geschichte, in der Exegese auf Seelenbildung zielt und Psychagogie ist; vgl. z.B. in Gen. hom. 10,5 (GCS Orig. 6, 99); in Hier. hom. 2,3 (GCS Orig. 32, 20); 4,6 (32, 29). Siehe dazu Torjesen, Origen’s Exegesis 70–107. 124–138; Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 23–37; Fürst, Studien 103–108. 156–162. Weiteres dazu oben S. 84 Anm. 46 zu in Cant. hom. 1,6. 81 Zu dieser „Zuversicht“ siehe oben S. 80 Anm. 38 zu in Cant. hom. 1,5.

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Homilia II

facto in uniuersis gentibus praedicato. Quando autem hoc facies? Si factus fueris ut apostolus et dixeris: „Christi bonus odor sumus in omni loco in his, qui saluantur“, a bona opera tua nardus sunt. Si uero peccaueris, peccata tua taetro odore redolebunt; dicit quippe paenitens: „Computruerunt et corruptae sunt cicatrices meae a facie insipientiae meae.“ b Non de nardo propositum est nunc Sancto Spiritui dicere neque de hoc, quod oculis intuemur, euangelista scripsit unguento, sed de nardo spiritali, de nardo, quae dedit odorem suum. 3. „Fasciculus stactes“ – id est guttae siue stillae – „fratruelis meus mihi.“ c Guttam, unguem, casiam, galbanum d in Exodo legimus praecepto Dei in thymiama, in sacerdotale chrisma, confecta. Si ergo uideris Saluatorem meum ad terrena et humilia descendentem, uidebis, quomodo a uirtute magna et maiestate diuina ad nos modica quaedam stilla defluxerit. De hac stilla et propheta cecinit dicens: „Et erit de stilla populi huius congregandus congregabitur Iacob.“ e Et sicuti secundum alium sensum lapis erat praecisus e monte sine manibus f nostri in carne Saluatoris aduentus – neque enim totus mons fuit, qui descendit ad terras, nec poterat humana fragilitas totius montis magnitudinem capere, sed lapis ex monte, lapis offensionis, g petra scandali h descendit in mundum –, sic secundum alium intellectum stilla nuncupatur. Oportebat quippe, ut, quia omnes gentes in stillam situlae reputatae sunt, i is, qui pro omnium salute factus est omnia, etiam stilla ad eas fieret liberandas. Quid enim pro nostra salute non factus est? Nos inanes, et ille exinaniuit semet ipsum formam serui accipiens. j Nos populus stultus et non sapiens, k et ille factus est stultitia praedicationis, l ut fatuum Dei sapientius fieret hominibus. m Nos infirmi, infirmum Dei fortius hominibus facb c 2 Kor. 2,15 Ps. 37(38),6 Hld. 1,13 h 1 Petr. 2,8; Ps. 117(118),22 Jes. 8,14 l m 1 Kor. 1,21 1 Kor. 1,21.25 a

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Ex. 30,34 Jes. 40,15

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Mi. 2,11f. Phil. 2,7

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Dan. 2,34 Dtn. 32,6

82 Diese Ortsangabe entspricht der Fassung, in der Origenes, in Ioh. comm. I 11,68 (GCS Orig. 4, 16), Mt. 26,13 (Mk. 14,9) wiedergibt: An Stelle von eÆn oÏlvì tv Äì Ä si toiÄw eÍunesi. Vgl. Baehrens, GCS Orig. 8, 44 app. test. koÂsmvì schreibt er eÆn pa 83 Baehrens, GCS Orig. 8, 44 app. test., weist darauf hin, dass in omni loco in 2 Kor. 2,15 fehlt, aber bei Origenes häufig steht, z.B. in Ioh. comm. XX 44,415 (GCS Orig. 4, 388): eÆn pantiÁ toÂpvì . Es steht auch in Cant. comm. I 4,2; III 14,25; III 15(IV 1),11.22, fehlt aber ebd. I 4,21.25; II 9,6. 84 Siehe dazu oben S. 72 Anm. 20. Weil a facie insipientiae meae im Zitat von Ps. 37(38),6 in der ältesten Handschrift vom Beginn des 7. Jahrhunderts (Codex Petropolitanus P. B. Q. v. I Nr. 8) fehlt, will Simonetti, Omelie 132 Anm. zu Z. 38, das Kolon weglassen (vgl. ebd. 62). Sein Verweis auf einen saut du meˆme au meˆme spricht aber eher dafür, dass es eben deshalb vom Schreiber übersehen wurde, während es in allen anderen Handschriften steht. 85 In der Septuaginta steht stakthÂ, „Myrrhenöl“, „Myrrhentropfen“ (so in Ex. 30,34), das Hieronymus transkribiert (stacte). Für die Auslegung ist aber die Bedeutung

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Völkern82 verkündet wird. Wann aber wirst du dies tun? Wenn du wie der Apostel geworden bist und gesagt hast: „Christi Wohlgeruch sind wir an jedem Ort83 für die, die gerettet werden“,a sind deine guten Werke Nardenöl. Wenn du aber gesündigt hast, werden deine Sünden einen üblen Geruch verbreiten, sagt doch der Büßer: „Verfault und zerfressen sind meine Narben wegen meiner Torheit.“b 84 Es geht dem Heiligen Geist jetzt nicht darum, über Nardenöl zu sprechen, noch hat der Evangelist über das Salböl geschrieben, das wir mit den Augen wahrnehmen, sondern über das geistige Nardenöl, über das Nardenöl, das seinen Duft verströmte. 3. „Ein Bündel Myrrhe“ – das heißt Tropfen oder Tröpfchen85 – „ist mein Geliebter für mich.“c Aus einem Tropfen Myrrhe, aus Onyx, Zimt und Galbanumd ist, so lesen wir im Buch Exodus, auf Gottes Geheiß Weihrauch und priesterliches Öl hergestellt worden. Wenn du also meinen Erlöser86 zum Irdischen und Geringen herabsteigen siehst, wirst du sehen, wie aus der großen Macht und göttlichen Erhabenheit gleichsam ein kleiner Tropfen zu uns herabgeflossen ist.87 Über diesen Tropfen sang auch der Prophet mit den Worten: „Und aus einem Tropfen dieses Volkes wird Jakob, wenn er versammelt werden muss, versammelt werden.“e Und wie nach der einen Vorstellung die Ankunft unseres Erlösers im Fleisch ein ohne Hände aus dem Berg herausgeschlagener Stein warf 88 – denn weder war es der ganze Berg, der zur Erde herabstieg, noch vermochte die menschliche Schwachheit die Größe des ganzen Berges zu erfassen, sondern als Stein aus dem Berg, als Stein des Anstoßes,g als Fels des Ärgernissesh stieg er in die Welt herab –, so wird er nach einem anderen Verständnis Tropfen genannt. Denn da alle Völker für einen Tropfen an einem Eimer gehalten wurden,i musste der, der zum Heil von allem alles geworden ist, sogar zu einem Tropfen werden, um sie zu erlösen. Denn was ist er zu unserem Heil nicht geworden? Wir sind nichts, und jener machte sich selbst zu nichts, indem er die Gestalt eines Sklaven annahm.j Wir sind ein törichtes und unverständiges Volk,k und jener machte sich zur Torheit der Verkündigung,l damit die Torheit Gottes weiser wurde als die Menschen.m Wir sind schwach, die

„Tropfen“ (gutta oder stilla) anzusetzen, weshalb er diese in seiner lateinischen Übersetzung hinzufügt. Siehe zu diesem Übersetzungsproblem von Hld. 1,13 Rousseau, SC 372, 109 Anm. 2, ferner OWD 9/1, 284 Anm. 330 zu in Cant. comm. II 10,1. 86 Die Anrede Jesu als „mein Erlöser“, „mein Herr“ oder (seltener) „mein Jesus“ ist typisch für die innige Jesusfrömmigkeit des Origenes. Siehe dazu die Hinweise auf Stellen und Literatur bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 198 Anm. 14, ferner oben S. 18. 87 In Iud. hom. 8,4 (GCS Orig. 7, 512f.) zitiert Origenes zu diesem Bild Ps. 71(72),6: „Herabsteigen wird er wie Regen auf ein Flies, wie Tautropfen, die auf die Erde träufeln.“ 88 Vgl. in Ex. hom. 6,12 (GCS Orig. 6, 203); in Ios. hom. 26,2 (GCS Orig. 7, 459f.).

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tum est. a Quia igitur uniuersae gentes ut stilla situlae et ut momentum staterae reputatae sunt, b idcirco factus est stilla, ut per eum a uestimentis nostris odor stillae procederet iuxta illud: „Myrrha et stilla et casia a uestimentis tuis, a domibus elephantinis, ex quibus laetificauerunt te filiae regum in honore tuo“, c quae in quadragesimo quarto psalmo dicuntur ad sponsam. „Fasciculus stillae fratruelis meus mihi.“ d Consideremus, quid sibi et fratruelis nomen uelit. Ecclesia, quae haec loquitur, nos sumus de gentibus congregati; Saluator noster sororis eius filius est, id est synagogae; duae quippe sorores sunt, ecclesia et synagoga. Saluator ergo, ut diximus, filius synagogae sororis, uir ecclesiae, sponsus ecclesiae, fratruelis est sponsae suae. „Fasciculus stillae fratruelis meus mihi; in medio uberum meorum commorabitur.“ e Quis ita beatus est, ut habeat hospitem in principali cordis, in medio uberum, in pectore suo Sermonem Dei? Tale est quippe, quod canitur: „In medio uberum meorum commorabitur“; f „si non fuerint fractae mammae tuae“, g in medio earum habitabit Sermo diuinus. Decebat in carmine nuptiali mammas potius appellare quam pectus. Et perspicuum est, cur ad expositionem eius rei, quae dicit: „In medio uberum meorum commorabitur“ h sit assumptum: „Si non fractae fuerint mammae tuae“, i „in medio uberum tuorum commorabitur“ j Sermo diuinus. Vnde dixi: „Si non fractae fuerint mammae tuae“? k De Ezechiel. In eo quippe loco, ubi Hierusalem dominica uoce corripitur, inter cetera dicitur ad eam: „In Aegypto fractae sunt mammae tuae.“ l Castarum ubera non franguntur, sed meretricum mammae laxis pellibus irrugantur. Pudicarum erecta sunt ubera et uirginali rubore tumentia. Suscipiunt Sermonem sponsum et dicunt: „In medio uberum meorum commorabitur.“ m 1 Kor. 1,25 b Jes. 40,15 c Ps. 44(45),9f. d Hld. 1,13 e Hld. 1,13 f Hld. 1,13 h i j k l m Ez. 23,3 Hld. 1,13 Ez. 23,3 Hld. 1,13 Ez. 23,3 Ez. 23,3 Hld. 1,13 a

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89 Mit Verweis auf den griechischen Sprachgebrauch, in dem zu einem Neutrum Plural das Verb im Singular konstruiert wird, bevorzugt Simonetti, Omelie 133 Anm. zu Z. 27, das in der ältesten Handschrift und einigen anderen bezeugte dicitur als lectio difficilior gegenüber dem normalen dicuntur. Siehe auch unten S. 118 Anm. 112 mit einer analogen Argumentation zu in Cant. hom. 2,7. 90 Für „Geliebter“ steht in der lateinischen Übersetzung fratruelis, was eigentlich „Neffe“ bedeutet. Das hebräische dud (doˆd) ist doppeldeutig und kann „Geliebter“ oder „Onkel“ bedeuten. Aquila hat für seine möglichst wortgetreue Übersetzung die letztere Bedeutung gewählt: patraÂdelfow, „Vaterbruder“ (zur Bedeutungsverschiebung, die mit dieser Übersetzung einhergeht, siehe Sgherri, Valutazione origeniana 5f., dazu unten S. 162 Anm. 66 zu frg. 18), Symmachus für seine Übertragung in besseres Griechisch hingegen die erste: aÆgaphtoÂw, wie auch Hieronymus in der Vulgata: dilectus. Origenes folgte der Wiedergabe der Septuaginta mit aÆdelfidoÂw, „Neffe“ (von Rufinus mit fraternus, von Hieronymus mit fratruelis übersetzt), die er

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Schwachheit Gottes ist stärker als die Menschen geworden.a Da also alle Völker für einen Tropfen an einem Eimer und für ein Staubkorn an der Waage gehalten wurden,b deswegen ist er zum Tropfen geworden, damit durch ihn von unseren Kleidern der Duft des Tropfens ausgeht gemäß dem Wort: „Myrrhe, Tropfen und Zimt gehen von deinen Kleidern aus, von den Häusern aus Elfenbein, aus denen heraus dich die Königstöchter in deinem Ansehen erfreut haben“,c wie im 44. Psalm zur Braut gesagt wird.89 „Ein Bündel Myrrhe ist mein Geliebter für mich.“d Wir wollen überlegen, was auch die Bezeichnung ,Neffe‘90 ausdrücken will. Die Kirche, die das sagt, sind wir,91 versammelt aus den Völkern. Unser Erlöser ist der Sohn ihrer Schwester, das heißt der Synagoge; die beiden sind nämlich Schwestern, die Kirche und die Synagoge. Also ist der Erlöser, der – wie gesagt – Sohn der Synagoge, der Schwester, Mann der Kirche und Bräutigam der Kirche ist, der Neffe seiner Braut. „Ein Bündel Myrrhe ist mein Geliebter für mich; inmitten meiner Brüste wird er verweilen.“e Wer ist so glückselig, dass er das Wort Gottes als Gast im Leitprinzip seines Herzens,92 inmitten der Brüste, in seiner Brust hat? Das ist es nämlich, was gesungen wird: „Inmitten meiner Brüste wird er verweilen.“f „Wenn dein Busen nicht verletzt wurde“,g wird das göttliche Wort inmitten deiner Brüste wohnen. In einem Hochzeitslied müsste eher von Busen als von Brust gesprochen werden. Und es ist offensichtlich, weshalb zur Erklärung der Worte: „Inmitten meiner Brüste wird er verweilen“,h die Aussage hinzugezogen wird: „Wenn dein Busen nicht verletzt wurde“,i „wird“ das göttliche Wort „inmitten deiner Brüste verweilen“.j Woher habe ich die Aussage: „Wenn dein Busen nicht verletzt wurde“?k Aus Ezechiel. Denn an der Stelle, wo Jerusalem von der Stimme des Herrn getadelt wird, wird zu ihm unter anderem gesagt: „In Ägypten wurde dein Busen verletzt.“l Die Brüste von keuschen Frauen werden nicht verletzt, doch der Busen von Dirnen wird durch die schlaffe Haut ganz faltig. Die Brüste von schamhaften Frauen sind straff und erblühen in jungfräulicher Röte. Sie nehmen das Wort, den Bräutigam, auf und sagen: „Inmitten meiner Brüste wird er verweilen.“m

an der vorliegenden Stelle interpretiert. Vgl. Rousseau, SC 372, 112 Anm. 1; OWD 9/1, 285 Anm. 331 zu in Cant. comm. II 10,1. Siehe auch oben S. 83 Anm. 44 zu in Cant. hom. 1,6. 91 In der Junktur ecclesia nos sumus verdichtet sich der personale Kirchenbegriff des Origenes, in dem die individuelle Gottesbeziehung der Seele und die kollektive der Kirche ineinander übergehen. Vgl. in Is. hom. 2,1 (GCS Orig. 8, 250) als Erklärung von „Haus David“: „Haus David sind wir, die Kirche Gottes (nos sumus ecclesia Dei).“ Weiteres siehe oben S. 25 f. 92 Siehe dazu oben S. 83 Anm. 45 zu in Cant. hom. 1,6.

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„Botrus cypri fratruelis meus mihi.“ a Initium est sermonis in germine et initium kyprismoyÄ, id est floritionis, in Verbo, unde ait: „Botrus cypri“ – id est floritionis – „fratruelis meus mihi.“ b Non omnibus est botrus cypri, sed his, qui eius flore sunt digni. Aliis uua uaria est; huic soli, quae et nigra est et formosa, c in floris decore se praebet. „Botrus cypri fratruelis meus mihi.“ d Non simpliciter ait: „Botrus cypri fratruelis meus“, sed cum additamento „mihi“, ut doceret non omnibus eum esse botrum cypri. Videamus autem et, in quibus regionibus botrus iste sit sponsae: „in uineis Engaddi“, e quod interpretatur oculus tentationis. In uineis igitur oculi tentationis „botrus cypri fratruelis meus mihi“. Tentationis oculus in praesenti est, siquidem in tentatione moramur, hoc mundo, et „tentatio est uita hominis super terram“. f Dum in hac luce uersamur, in uineis sumus Engaddi; si autem meruerimus postea transplantari, a nostro agricola g transferemur. Nec dubites quia possis de Engaddi uineis ad loca meliora transferri; agricola noster ad transferendam uineam crebra meditatione iam calluit. „Vineam ex Aegypto transtulisti, eiecisti gentes et plantasti eam. Operuit montes umbra eius et arbusta eius cedros Dei.“ h Et haec quidem, quae exposuimus, locuta sit sponsa de sponso significans amorem suum et sponsi uenientis hospitium, quomodo in medio uberum et sui cordis arcano sponsus ueniens commoretur. 4. Rursum sponsi ad eam sermo dirigitur et dicit: „Ecce es speciosa, proxima mea, ecce es speciosa; oculi tui columbae.“ i Illa si dicit ad sponsum: „Ecce es speciosus, fratruelis meus,“ j non adiungit et: proximus meus. Hic a g

Hld. 1,14 Joh. 15,1

b h

c d e Hld. 1,14 Hld. 1,5 Hld. 1,14 Hld. 1,14 i j Ps. 79(80),9.11 Hld. 1,15 Hld. 1,16

f

Ijob 7,1

93 Rousseau, SC 372, 114 Anm. 1, versucht diesen merkwürdigen und kaum verständlichen Satz wie folgt zu erklären: Wohl ausgehend von der Verbindung von „Anfang“ und „Wort“ – wie in Joh. 1,1: „Im Anfang war das Wort“ – gelangt Origenes zum Anfang des Blühens des Wortes in der Seele, indem er das Wort kyÂprow mit kyprismoÂw, „Blühen“, assoziiert. Der Duft dieser Pflanze (cyprus), deren Blüten die Form einer Traube haben (botrus cypri), sei so betörend und schön gewesen, dass sich die Frauen in Syrien ihren Busen damit geschmückt hätten. Für letztere Nachricht beruft Rousseau sich auf Maurille de S. Michel, Discours moral sur les Plantes de la Sainte E´criture, Paris 1667, 260. 94 Ebenso in Cant. comm. II 11,10 und bei Hieronymus, int. hebr. nom. p. 57 Lagarde (CChr.SL 72, 131): oculus uel fons haedi – „Auge oder Quelle des Bockes“, nur letzteres ebd. p. 27 (72, 93). Vgl. Wutz, Onomastica sacra 19. 292. 548. 766–771. Nach in Cant. comm. II 5,17 steht der Bock für „zügellose und unruhige und für die Sünde bestimmte Gedanken“. Siehe dazu OWD 9/1, 238 Anm. 258, ferner oben S. 92 Anm. 63 zu in Cant. hom. 1,9. 95 Zum Verdienst-Gedanken des Origenes, der in seiner Freiheitssoteriologie eine Korrelation von göttlich freiem Gnadenwirken und freiem Tun des Menschen denkt, siehe OWD 9/1, 132 Anm. 137.

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„Eine Traube Zyperns ist mein Geliebter für mich.“a Der Anfang des Wortes liegt im Keim und der Anfang der Blüte, das heißt des Blühens, im Wort,93 weshalb es heißt: „Eine Traube Zyperns“ – das heißt des Blühens – „ist mein Geliebter für mich.“b Nicht für alle ist er eine Traube Zyperns, sondern für die, die seiner Blüte würdig sind. Für andere ist er eine andere Art von Traube. Einzig dieser, die sowohl schwarz als auch schön ist,c bietet er sich in der Schönheit der Blüte dar. „Eine Traube Zyperns ist mein Geliebter für mich.“d Sie sagt nicht einfach: „Eine Traube Zyperns ist mein Geliebter“, sondern fügt hinzu „für mich“, um zu lehren, dass er nicht für alle eine Traube Zyperns ist. Wir wollen aber auch sehen, in welchen Gegenden er eine Traube für die Braut ist: „in den Weinbergen von En-Gedi“,e was übersetzt Auge der Versuchung bedeutet.94 In den Weinbergen also des Auges der Versuchung „ist mein Geliebter eine Traube Zyperns für mich“. Das Auge der Versuchung ist gegenwärtig, insofern wir uns in Versuchung befinden, in dieser Welt, und „Versuchung ist das Leben des Menschen auf der Erde“.f Solange wir uns im Licht dieser Welt befinden, sind wir in den Weinbergen von EnGedi. Wenn wir es aber verdient haben,95 später umgepflanzt zu werden, werden wir von unserem Winzerg versetzt werden. Und zweifle nicht daran, dass du von den Weinbergen von En-Gedi an bessere Orte versetzt werden kannst. Unser Winzer verfügt durch häufige Übung bereits über viel Erfahrung im Versetzen von Weinbergen.96 „Du hast einen Weinberg aus Ägypten versetzt, du hast Völker vertrieben und ihn eingepflanzt. Sein Schatten bedeckte die Berge und seine Zweige die Zedern Gottes.“h Und diese Worte, die wir ausgelegt haben, soll die Braut über den Bräutigam gesagt haben, um auf ihre Liebe und die Einkehr ihres Bräutigams bei seiner Ankunft hinzuweisen, wie der Bräutigam, wenn er kommt, inmitten ihrer Brüste und im geheimen Inneren ihres Herzens verweilt. 4. Jetzt richtet sich wieder die Rede des Bräutigams an sie und er sagt: „Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, siehe, du bist schön; deine Augen sind Tauben.“i Wenn97 jene zum Bräutigam sagt: „Siehe, du bist schön, mein Geliebter“,j fügt sie nicht auch hinzu: mein Gefährte. Wenn er aber zu 96 Gott als „Gärtner“, „Bauer“ oder „Winzer“ ist eine von Origenes gerne verwendete Metapher: princ. III 1,14 (GCS Orig. 5, 219): Gott als „großer Landmann der gesamten Natur“; in Ioh. comm. VI 57,292 (GCS Orig. 4, 165): Gott als „Winzer des wahren Weinstocks“; Cels. V 62 (GCS Orig. 2, 65): Jesus als „guter Landwirt des Wortes Gottes“; in Regn. hom. graec. 9 (GCS Orig. 32, 294): Im Paradies ist Gott der Gärtner. Ausführlich entfaltet findet sich diese Metaphorik in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 1f.) und in Matth. comm. XI 14 (GCS Orig. 10, 55). Vgl. auch in Cant. comm. III 6,4; III 8,9; III 15(IV 1),11. 97 Mit Simonetti, Omelie 70, ist nach der ältesten und einigen weiteren Handschriften si an Stelle von sic in den Text zu setzen, das Baehrens, GCS Orig. 8, 47.10, und Rousseau, SC 372, 116, bevorzugen.

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autem, quando loquitur ad eam: „Ecce es speciosa“, adiungit et: „proxima mea“. a Quare autem illa non dicit: „Ecce es speciosus“, proximus mihi, sed tantum: „Ecce es speciosus“? Quare ille non solum „speciosa es“ dicit, sed: „Speciosa es, proxima mea“? Sponsa, si longe fuerit a sponso, non est speciosa; tunc pulchra fit, quando Dei Verbo coniungitur. Et merito nunc docetur a sponso, ut proxima sit et a suo latere non recedat: „Ecce es speciosa, proxima mea, ecce es speciosa.“ b Incipis quidem esse speciosa ex eo, quod proxima mihi es; postquam autem esse coeperis speciosa, etiam sine additamento proximae absolute es speciosa. „Ecce speciosa proxima mea, ecce speciosa.“ Videamus et aliam laudem speciosae, ut et nos aemulemur sponsae fieri: „Oculi tui columbae.“ c Qui uiderit mulierem ad concupiscendum et moechatus eam fuerit in corde suo, d oculos non habet columbae. Si quis uero oculos non habet columbae, domum fratris sui ingreditur infelix non seruans illud, quod in Prouerbiis est praeceptum: „In domum autem fratris tui ne intres infelix“ e (pro eo, quod septuaginta infelix interpretati sunt, Aquila Ä nta, id est stultum, posuit). Qui Hebraeam exprimens ueritatem aÆporev autem habet oculos columbae, uidet recta et misericordiam promeretur; uidens quippe recta misericordiam consequetur. f Porro, quis uidet recta, nisi qui casto conspectu et puris oculis intuetur? Noli igitur mihi de his tantum carnis oculis intelligere, quae dicta sunt, licet et de his intellexisse non inutile sit, sed ingrediens ad interiora cordis tui et alios oculos mente perquirens, Hld. 1,15 106(107),42f.

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Hld. 1,15

c

Hld. 1,15

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Mt. 5,28

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Spr. 27,10

f

Vgl. Ps.

98 Vgl. in Hier. hom. 5,2 (GCS Orig. 32, 33): „Für uns ist Gott der Gott über allem, ,der über allem, durch alles und in allem ist‘ (Eph. 4,6), und 〈weil〉 wir an der Liebe zu Gott hängen – denn die Liebe bindet uns an Gott –, sagen wir: ,Siehe, hier sind wir, wir werden die Deinen sein, denn du bist der Herr, unser Gott‘ (Jer. 3,22).“ 99 Diese Bemerkung zum letzten Wort des Zitats aus Spr. 27,10, infelix (in der Septuaginta: aÆtyxv Ä n), befindet sich in einigen Handschriften im Text, fehlt aber in allen anderen Handschriften (und ist in einer am Rand nachgetragen): Baehrens, GCS Orig. 8, 48 app. crit. Der Ausdruck Hebraea ueritas, „die Wahrheit des Hebräischen“, d.h. der korrekte Wortlaut des hebräischen Textes, stammt von Hieronymus: Er hat damit sein Programm gerechtfertigt, beim Übersetzen der Bibel in das Lateinische jeweils auf die Originalsprache zurückzugreifen, im Falle der meisten Bücher des Alten Testaments also auf das Hebräische; vgl. Fürst, Hieronymus 102–106. Zumindest diese Junktur geht daher auf den Übersetzer Hieronymus zurück. Da Origenes nicht selten seinerseits die verschiedenen griechischen Übersetzungen eingesehen und für seine Exegesen verglichen hat, muss nicht die ganze Bemerkung eine Ergänzung des Hieronymus sein – wiewohl dies in diesem Fall wahrscheinlich ist –, weshalb der Lösung von Baehrens, ebd., übernommen von Lawson, ACW 26, 290, und Rousseau, SC 372, 118, zu folgen ist, sie (mit den Handschriften, die sie enthalten) in Klammern in den Text zu nehmen (anders

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ihr sagt: „Siehe, du bist schön“, fügt er auch hinzu: „meine Gefährtin“.a Warum aber sagt jene nicht: „Siehe, du bist schön“, mein Gefährte, sondern nur: „Siehe, du bist schön“? Warum sagt jener nicht nur: „Du bist schön“, sondern: „Du bist schön, meine Gefährtin“? Wenn die Braut weit vom Bräutigam entfernt ist, ist sie nicht schön. Sie wird erst dann anmutig, wenn sie sich mit dem Wort Gottes verbindet.98 Und mit Recht wird sie jetzt vom Bräutigam unterwiesen, dass sie seine Gefährtin sein und nicht von seiner Seite weichen soll: „Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, siehe, du bist schön.“b Du beginnst zwar deswegen schön zu sein, weil du mir Gefährtin bist. Nachdem du aber angefangen hast, schön zu sein, bist du auch ohne die Hinzufügung ,Gefährtin‘ an und für sich schön. „Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, siehe, du bist schön.“ Wir wollen auch das andere Lob der Schönen betrachten, damit auch wir danach streben, Bräute zu werden: „Deine Augen sind Tauben.“c Wer eine Frau begehrlich anschaut und in seinem Herzen Ehebruch mit ihr begangen hat,d hat nicht die Augen einer Taube. Wenn jemand aber nicht die Augen einer Taube hat, betritt er das Haus seines Bruders unselig, ohne das Gebot in den Sprichwörtern zu beachten: „In das Haus deines Bruders aber geh nicht unselig hinein“e (für das Wort, das die Siebzig mit ,unselig‘ übersetzt haben, setzte Aquila, um den richtigen hebräischen Wortlaut zum Ausdruck zu bringen, aÆporev Ä nta, das heißt ,dumm‘).99 Wer aber die Augen einer Taube hat, sieht das Rechte und verdient Barmherzigkeit, denn wer das Rechte sieht, erlangt Barmherzigkeit.f Zudem: Wer sieht das Rechte, wenn nicht der, der mit keuschem Blick und reinen Augen hinschaut? Beziehe mir also das Gesagte nicht nur auf diese Augen des Fleisches, mag es auch nicht unnütz sein, es auch auf diese bezogen zu haben, sondern begib dich in das Innere deines Herzens und suche im Geist nach den anderen Augen,100 die ebenfalls vom Gebot Gottes erleuchtet werden – „denn das

Simonetti, Omelie 72, der sie mit der Begründung weglässt, es handle sich offensichtlich um eine Glosse: ebd. 136 Anm. zu Z. 22). Man muss jedoch nicht der Annahme von Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 184f., folgen, es handle sich um eine erklärende Randnotiz des Hieronymus zum Bibeltext, die er in das Exemplar eingetragen habe, das er Damasus schickte. Man kann den Satz auch als Beispiel dafür sehen, wie Hieronymus gelegentlich den Text des Origenes beim Übersetzen ergänzte (zu Interpolationen und Eingriffen des Hieronymus in den Text der Jesaja- und Jeremiahomilien des Origenes siehe Fürst/Hengstermann, OWD 10, 171–176), ohne ihn damit zu verfälschen. Sgherri, Valutazione origeniana 21 mit Anm. 70, verweist auf epist. Afric. 6 (SC 302, 528), wo Origenes mit dem Hinweis darauf, dass eine griechische Passage im Buch Ijob im hebräischen Text nicht zu finden ist, weshalb sie auch bei Aquila fehlt, der vorliegenden Bemerkung sehr nahe kommt. 100 Vgl. in Hiez. hom. 2,3 (GCS Orig. 8, 345): „Es gibt nämlich noch andere Augen in uns, die besser sind als die, die wir im Körper haben. Diese Augen erkennen ent-

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qui et a Dei mandato illuminantur – „mandatum quippe Domini lucidum illuminans oculos“ a –, illud enitere, labora, contende, ut sancte intelligas uniuersa, quae dicta sunt, et similia spiritui, qui in specie descendit columbae, b audias, quia oculi tui columbae. Si intelligis legem spiritaliter, oculi tui columbae sunt; si intelligis euangelium, ut se uult intelligi euangelium et praedicari, uidens Iesum omnem languorem et infirmitatem c non solum eo tempore, quo carnaliter facta sunt, fuisse medicatum, sed hodieque medicantem, et non tantum tunc ad homines descendisse, sed hodieque descendere et esse praesentem; „ecce“ enim „ego uobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem saeculi“. d „Oculi tui columbae sunt. Ecce es speciosa, proxima mea, ecce es speciosa; oculi tui columbae.“ e Has de se sponsa audiens laudes sponso uicem in laudibus tribuit, non quo ei id, quod non habet, suo praeconio largiatur, sed intelligens decorem eius atque conspiciens ait: „Ecce es speciosus, fratruelis meus, et quidem pulcher; lectus noster umbrosus.“ f Quaero lectum, in quo sponsus cum sponsa requiescat; et, nisi fallor, corpus humanum est, siquidem ille in euangelio paralyticus, qui iacebat in lecto et abire in domum suam sublato grabato uoce iussus est Saluatoris, antequam sanaretur, super debile membrorum suorum corpus iacebat, quod postea Dei uirtute solidatum est. Sic ego intelligo: „Tolle grabatum tuum et uade in domum tuam!“ g Neque enim ad hoc Filius Dei de caelestibus ad terrena descenderat, ut de lectulis imperaret et consurgentem ab aegrotatione sua sine lectulo non pateretur abscedere „tolle“ inquiens „grabatum tuum et uade in domum tuam“. Et tu igitur a Saluatore sanatus „tolle grabatum tuum et uade in domum tuam“ et, cum ad te, sponsam suam, uenerit sponsus et in eo tecum fuerit reclinatus, dicas: „Ecce es speciosus, fratruelis meus, et quidem pula g

Ps. 18(19),9 Mt. 9,6

b

Mt. 3,16

c

Mt. 4,23

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Mt. 28,20

e

Hld. 1,15

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Hld. 1,16

weder Jesus als Herrn, der sie geschaffen hat, um ihn zu schauen, oder sie sind total blind. Wenn ich ein Sünder bin, sehe ich nichts und kann das Licht der Wahrheit nicht schauen. Denn ,zum Richten‘, sagt er, ,bin ich in diese Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden‘ (Joh. 9,39).“ In Num. hom. 17,3 (GCS Orig. 7, 157f.): „Ich aber, der ich die Stimme meines Herrn Jesus Christus höre und die Kraft seiner Güte erkenne, fasse das, was er sagt: ,Zum Richten bin ich in diese Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden‘ (Joh. 9,39), so auf, dass die Sünder nicht mit jenen Augen schauen, die besser sind, sondern mit denen, die ,Sinne des Fleisches‘ heißen.“ Diese „anderen Augen“ sind das „Auge der Seele“, das auf Platon, polit. VII 533c–d, zurückgeht und in der Philosophie weit verbreitet war (siehe die Stellen bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 268 Anm. 124). Origenes greift es oft auf (Stellen: ebd.) und identifiziert es mit den „Augen des Herzens“ aus Eph. 1,18: princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27).

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Gebot des Herrn bringt Licht und erleuchtet die Augen“a –, und strebe danach, strenge dich an und bemühe dich, all das Gesagte in heiliger Weise aufzufassen und zu hören, was dem Geist, der in Gestalt einer Taube herabgestiegen ist,b entspricht, weil deine Augen Tauben sind.101 Wenn du das Gesetz in geistiger Weise verstehst, sind deine Augen Tauben. Wenn du das Evangelium verstehst, wie das Evangelium verstanden und verkündet werden will, siehst du, wie Jesus alle Schwachheit und Krankheitc nicht nur zu der Zeit, da sie in fleischlicher Form vorkamen, geheilt hat, sondern sie auch heute noch heilt, und wie er nicht nur damals zu den Menschen herabgestiegen ist, sondern auch heute noch herabsteigt und gegenwärtig ist, denn „siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“.d 102 „Deine Augen sind Tauben. Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, siehe, du bist schön. Deine Augen sind Tauben.“e Als die Braut dieses Lob über sich hört, spendet sie dem Bräutigam ihrerseits Lob, nicht weil sie ihm etwas, das er nicht hat, durch ihr Lob schenkt, sondern weil sie seine Schönheit erkennt, und diese betrachtend sagt sie: „Siehe, du bist schön, mein Geliebter, und vortrefflich; unser Lager ist schattig.“f Ich suche das Lager, auf dem der Bräutigam mit der Braut ruht. Und wenn ich mich nicht irre, ist es der menschliche Leib, sofern nämlich jener Gelähmte im Evangelium, der auf seinem Bett lag und von der Stimme des Erlösers geheißen wurde, sein Bettgestell aufzuheben und weg in sein Haus zu gehen, bevor er geheilt wurde, mit den kraftlosen Gliedern seines Körpers darniederlag, der danach durch die Kraft Gottes gestärkt wurde. So verstehe ich: „Nimm dein Bett und geh nach Hause!“g Der Sohn Gottes ist nämlich nicht dazu vom Himmel auf die Erde herabgestiegen, um Befehle über Betten zu erteilen und denjenigen, der sich von seiner Krankheit erholt, nicht ohne sein Bett weggehen zu lassen, indem er sagt: „Nimm dein Bett und geh nach Hause!“ Wenn also auch du vom Erlöser gesund gemacht worden bist, „nimm dein Bett und geh nach Hause“! Und wenn der Bräutigam zu dir, seiner Braut, kommt und sich mit dir darauf niederlegt, sollst du sagen: „Siehe, du bist schön, mein Geliebter, und vortrefflich; unsere Liege ist schattig. Siehe, du 101 Zur Theorie von den ,geistigen Sinnen‘, die hinter dieser Auslegung steht, siehe die Ausführungen des Origenes in Cant. comm. prol. 2,9–14 und I 4,10–20, ferner ebd. I 4,26f.; II 9,5; II 9,12–14; II 10,14; II 11,11; II 12,22; III 5,6. Hinweise auf weitere Stellen und Literatur in OWD 9/1, 68 Anm. 26. Siehe oben S. 29–35. 102 Zu den Wundern, die Jesus fortwährend auch jetzt noch wirkt, und zwar jeweils durch „eine Seele, die geeignet ist, Gottes Zeichen und Wunder zu tun“, vgl. in Is. hom. 7,2 (GCS Orig. 8, 281); Übersetzung: Fürst/Hengstermann, OWD 10, 285. Ebd. 6,4 (8, 274f.) beschreibt er diese geistigen Wunder sogar als größer als die körperlichen, die Jesus zu Lebzeiten wirkte; als Beispiel führt er wie in Cels. I 46 (GCS Orig. 1, 95f.) die Bekehrung zum Christentum an, die er auf das kraftvolle Wirken des Heiligen Geistes zurückführt. Siehe dazu Fürst/Hengstermann, ebd. 130f.

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cher; acclinatio nostra umbrosa. Ecce es speciosus, fratruelis meus.“ a Ipse et speciosus est et umbrosus; „per diem“ quippe „sol non uret te neque luna per noctem.“ b 5. „Trabes domorum nostrarum cedri.“ c Haec multitudinis uerba sunt. Videntur autem mihi uiri hoc dicere, qui cum sponso sunt, de quibus superius sermo praefatus est, domus cedrinis trabibus intextas et cyparissis contignatas, siquidem pro stibe adscendet cyparissus et pro coniza adscendet myrtus. d Requirens igitur, cuius naturae ista sint ligna, et cedrum imputribile et cyparissum odoris optimi deprehendens labora et tu ita contignare domum tuam, ut de te quoque possit dici: „Trabes domuum nostrarum cedri et contignationes nostrae cyparissi.“ e 6. Post haec sponsus loquitur: „Ego flos campi et lilium conuallium.“ f Propter me, qui in ualle eram, descendit in ualle et in ualle ueniens fit lilium uallium pro ligno uitae, quod plantatum est in paradiso Dei, et totius campi, id est totius mundi et uniuersae terrae, flos factus est. Quid enim sic potest esse flos mundi ut uocabulum Christi? „Vnguentum effusum nomen eius“; g aliter id ipsum dicitur: „Ego flos campi et lilium conuallium“, h et haec quidem de semet ipso. Deinde sponsam laudans ait: „Vt lilium in medio spinarum, sic proxima mea in medio filiarum.“ i Sicut lilium spinis non potest comparari, inter quas frequenter exoritur, eodem modo proxima mea super omnes filias lilium est in medio spinarum. Ista audiens sponsa uicem reddit sponso et sentiens illius etiam aliam suauitatem in uocem laudantis erumpit. Vnguentorum quippe odor licet suauiter spiret et sensum odore demulceat, non tamen eiusmodi est, ut suaue sit ad edendum. Est autem aliquid, quod optimi et saporis sit et odoris, id est et fauces dulcore delectet et spiritum mulceat odoratu; tale est malum et istiusmodi est naturae, ut in se utraque possideat. Idcirco uolens non solum beneolentiam Sermonis, sed et dulcorem eius sponsa laudare ait: „Vt malum in lignis siluae, ita fratruelis meus in medio filiorum.“ j Omnia ligna, omnes arbores ad comparationem Sermonis Dei siluae inferaces existimantur, ad a g

Hld. 1,16 Hld. 1,3

b h

c d Ps. 120(121),6 Hld. 1,17 Jes. 55,13 i j Hld. 2,1 Hld. 2,2 Hld. 2,3

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Hld. 1,17

f

Hld. 2,1

103 Siehe in Cant. hom. 1,1. 104 In Ex. hom. 9,3 (GCS Orig. 6, 240) deutet Origenes „unverwesliche Hölzer“ einerseits auf „die Erkenntnis, die durch das Holz (sc. des Kreuzes) erlangt wird“, andererseits auf „die Unverderblichkeit der Keuschheit, die niemals vergeht“. 105 In Cant. comm. III 3 bezieht Origenes diesen Vers, den er dort als Worte des Bräutigams auffasst (ebd. III 3,1), ekklesiologisch auf die Kirche und ihre Ämter (Bischöfe und Presbyter), während er ihn hier individuell auf die einzelne Seele hin auslegt.

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bist schön, mein Geliebter.“a Er selbst ist sowohl schön als auch schattig, denn „am Tag wird die Sonne dich nicht verbrennen noch der Mond in der Nacht“.b 5. „Die Balken unserer Häuser sind Zedern.“c Das sind die Worte vieler Leute. Mir scheinen aber das die Männer zu sagen, die mit dem Bräutigam zusammen sind und von denen weiter oben zu Beginn die Rede war,103 dass nämlich die Häuser mit Balken aus Zedern errichtet und mit Zypressen gedeckt sind, denn statt der Staude wächst die Zypresse, und statt der Nessel wächst die Myrte.d Wenn du also untersuchst, von welcher Natur diese Hölzer sind, und begreifst, dass das Holz der Zeder unverweslich104 und das der Zypresse von bestem Duft ist, bemühe auch du dich, dein Haus so zu zimmern, dass auch über dich gesagt werden kann: „Die Balken unserer Häuser sind Zedern und unsere Dachbalken Zypressen.“e 105 6. Daraufhin sagt der Bräutigam: „Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie der Täler.“f Wegen mir, der ich im Tal war, steigt er in das Tal herab,106 und indem er in das Tal kommt, wird er eine Lilie der Täler an Stelle des Baumes des Lebens, der im Paradies Gottes gepflanzt war, und wurde er eine Blume des ganzen Feldes, das heißt der ganzen Welt und der gesamten Erde. Denn was könnte so Blume der Welt sein wie der Name Christi? „Ausgegossenes Salböl ist sein Name.“g Auf andere Weise wird dasselbe gesagt: „Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie der Täler“,h dies freilich über sich selbst. Danach lobt er die Braut, indem er sagt: „Wie eine Lilie inmitten von Dornen, so ist meine Gefährtin inmitten der Töchter.“i Wie eine Lilie nicht mit den Dornen verglichen werden kann, unter denen sie häufig wächst, auf dieselbe Weise ist meine Gefährtin über allen Töchtern eine Lilie inmitten von Dornen. Als die Braut dies hört, antwortet sie ihrerseits dem Bräutigam, und da sie noch eine andere Süße an ihm bemerkt, bricht sie in Worte des Lobes aus. Denn mag der Geruch von Salbölen auch süß verströmen und durch den Geruch den Sinnen schmeicheln, ist er doch nicht von der Art, dass er süß zu essen wäre. Es gibt aber etwas, das sowohl von bestem Geschmack als auch von bestem Geruch ist, das heißt sowohl den Gaumen durch seine Süße erfreut als auch der Atemluft durch seinen Duft schmeichelt. So ist der Apfel beschaffen, und er ist von solcher Natur, dass er beides in sich hat. Weil die Braut deshalb nicht nur den Wohlgeruch des Wortes, sondern auch seine Süße loben will, sagt sie: „Wie ein Apfelbaum unter den Hölzern des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne.“j Alle Hölzer, alle Bäume gelten im Vergleich mit dem Wort Gottes als ertraglose Wälder, im Blick auf 106 Zur Metaphorik des Tales, das den sündigen, unerlösten Zustand des Menschen symbolisiert, vgl. in Gen. hom. 8,7 (GCS Orig. 6, 82); in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 98); in Regn. hom. lat. 5 (GCS Orig. 8, 7); in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 243); in Rom. comm. IX 41,2 (SC 555, 228).

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Christum saltus est omne, quod dixeris, et infructuosa sunt omnia. Quae enim possunt dici, ad eum comparata, fructifera? Etiam ea ligna, quae uidebantur fructibus incuruari, ad collationem aduentus eius infructuosa monstrata sunt. Ideo: „Vt malum in lignis siluae, ita fratruelis meus in medio filiorum; in umbra eius concupiui et sedi.“ a Quam pulchre! Non ait: In umbra illius concupisco, sed: „In umbra eius concupiui“, et non: sedo, sed: „sedi“. Siquidem in principio non possumus cum eo proprius conferre sermonem, uerum in principio, ut ita dicam, quadam maiestatis illius umbra perfruimur; unde et in prophetis legitur: „Spiritus faciei nostrae Christus Dominus, cui diximus: In umbra eius uiuemus in gentibus“ b et ab umbra ad umbram aliam transmigramus; „sedentibus“ enim „in regione et umbra mortis, lux orta est iis“, c ut transeamus ab umbra mortis ad umbram uitae. Semper istiusmodi sunt profectus, ut in exordio desideret quispiam saltem in uirtutum umbra consistere. Ego puto ideo et natiuitatem Iesu ab umbra coepisse et non in umbra, sed in ueritate finitam; „Spiritus“, inquit, „Sanctus ueniet super te, et uirtus altissimi obumbrabit tibi.“ d Natiuitas Christi ab umbra sumpsit exordium; non solum autem in Maria ab umbra eius natiuitas coepit, sed et in te, si dignus fueris, nascitur Sermo Dei. Fac igitur, ut possis capere umbram eius et, cum umbra fueris dignus effectus, ueniet ad te, ut ita dicam, corpus eius, ex quo umbra nascitur; nam in modico fidelis et in maioribus erit fidelis. e „In umbra eius concupiui et sedi.“ f Vides quia non semper in umbra steterit, sed inde ad meliora transierit dicens: „Et fructus a

Hld. 2,3

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Klgl. 4,20

c

Jes. 9,1

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Lk. 1,35

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Lk. 16,10

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Hld. 2,3

107 Zu diesem positiv verstandenen Schatten, aus dem Heil erwächst, den Origenes an Klgl. 4,20 anhängt und mit der Inkarnation verknüpft (aufgehängt an Lk. 1,35), siehe die Hinweise bei Simonetti, Omelie 140 Anm. zu Z. 30, etwa in Matth. comm. XV 12 (GCS Orig. 10, 380f.); in Num. hom. 27,12 (GCS Orig. 7, 277); in Ios. hom. 8,4 (GCS Orig. 7, 339). 108 Zu Christus als Prinzip und Summe aller Tugenden siehe Cels. I 57 (GCS Orig. 1, 108); V 39 (2, 43); in Matth. comm. ser. 33 (GCS Orig. 11, 62), ferner die Stellen und Hinweise in OWD 9/1, 174 Anm. 187. Vgl. auch in Cant. comm. I 6,14; III 6,4. 109 Zur Geburt Christi in jedem Gläubigen vgl. in Cant. comm. III 13,32; in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 248–250); in Lev. hom. 12,7 (GCS Orig. 6, 466): Christus nascitur in corde auditorum – durch die Tätigkeit der Prediger „wird Christus im Herzen der Zuhörer geboren“; in Hier. hom. 9,1 (GCS Orig. 32, 64): „Denn was nützt es mir, wenn das Wort in die Welt gekommen ist, ich es aber nicht habe?“ In Iud. hom. 2,2 (GCS Orig. 7, 473): „Denn was nützt es mir, wenn er (sc. Christus) in anderen aufgrund der Tugend lebt und in mir aufgrund der Schwachheit der Sünde stirbt? Was nützt es mir, wenn er nicht in mir und in meinem Herzen lebt und wenn er

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Christus ist alles, was du gesagt hast, dürre Weide und ist alles unfruchtbar. Denn was könnte verglichen mit ihm fruchtbar genannt werden? Sogar die Bäume, die sich offenbar vor Früchten krümmen, haben sich im Vergleich mit seiner Ankunft als unfruchtbar erwiesen. Deshalb: „Wie ein Apfelbaum unter den Hölzern des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne; in seinem Schatten zu weilen sehnte ich mich und saß ich.“a Wie schön! Sie sagt nicht: In seinem Schatten zu weilen sehne ich mich, sondern: „In seinem Schatten zu weilen sehnte ich mich“, und nicht: sitze ich, sondern: „saß ich“. Denn am Anfang können wir nicht ein vertrautes Gespräch mit ihm führen, sondern am Anfang genießen wir sozusagen eine Art Schatten seiner Erhabenheit. Deshalb liest man bei den Propheten: „Der Odem unseres Angesichts, Christus, der Herr, zu dem wir gesagt haben: In seinem Schatten werden wir unter den Völkern leben“b und von einem Schatten werden wir zu einem anderen Schatten übergehen, denn „über denen, die im Reich und im Schatten des Todes saßen, ist ein Licht aufgegangen“,c damit wir vom Schatten des Todes zum Schatten des Lebens übergehen.107 Die Fortschritte sind immer von solcher Art, dass man zu Beginn danach verlangt, sich wenigstens im Schatten der Tugenden108 aufzuhalten. Ich glaube, dass deswegen auch die Geburt Jesu beim Schatten begonnen und nicht im Schatten, sondern in der Wahrheit geendet hat. „Der Heilige Geist“, heißt es, „wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“d Die Geburt Christi nahm ihren Anfang beim Schatten. Aber nicht nur in Maria beginnt seine Geburt beim Schatten, sondern auch in dir wird, wenn du würdig geworden bist, das Wort Gottes geboren.109 Sorge also dafür, dass du seinen Schatten zu erfassen vermagst, und wenn du des Schattens würdig geworden bist, wird sozusagen sein Leib zu dir kommen, von dem der Schatten stammt, denn wer im Kleinen treu ist, wird auch in größeren Dingen treu sein.e „In seinem Schatten zu weilen sehnte ich mich und saß ich.“f Du siehst, dass sie nicht immer im Schatten blieb, sondern von da zum Besseren überging, da sie sagt: „Und seine Frucht ist süß in

nicht in mir die Werke des Lebens vollbringt?“ In Luc. hom. 22,3 (GCS Orig. 92, 134): „In der Tat, was hätte es dir genutzt, dass Christus einst im Fleische kam, wenn er nicht bis in deine Seele gekommen wäre? Lasst uns darum beten, dass er täglich zu uns komme und dass wir sagen können: ,Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘ (Gal. 2,20). Wenn nämlich Christus nur in Paulus gelebt hat, aber nicht in mir, welchen Nutzen habe ich davon? Wenn Christus aber auch zu mir kommt und ich mich seiner erfreue, wie Paulus sich seiner erfreut hat, dann kann auch ich wie Paulus sagen: ,Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘.“ Übersetzung: Sieben, FC 4, 243. Origenes hat dieser Idee „die klassische Form gegeben, die die Jahrhunderte überdauern sollte“: Rahner, Symbole der Kirche 29. Siehe ferner Lieske, Logosmystik 67–71; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 103–112. Siehe auch oben S. 14.

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eius dulcis in gutture meo.“ a Ego, inquit, desideraui in umbra eius requiescere, sed postquam sua me protexit umbra, etiam fructibus illius saturatus sum et dico: „Et fructus eius dulcis in gutture meo.“ b 7. „Introducite me in domum uini.“ c Foris stetit sponsus et ab sponsa susceptus est; in medio quippe uberum eius requieuit. Plurimae iuuenculae non sunt istiusmodi, ut sponsum hospitem habere mereantur; multitudini foris in parabolis loquitur. d Quam uereor, ne multae adulescentulae forte nos simus! „Introducite me in domum uini.“ e Cur tam diu foris maneo? „Ecce sto ante ostium et pulso; si quis mihi aperuerit, ingrediar ad eum et caenabo cum eo et ipse mecum.“ f „Introducite me!“ g Et nunc eadem dicit Sermo diuinus; ecce Christus loquitur: „Introducite me!“ Vobis quoque catechumenis loquitur: „Introducite me“, non simpliciter in domum, sed „in domum uini“; impleatur uino laetitiae, h uino Spiritus Sancti anima uestra et sic introducite in domum uestram sponsum, uerbum, i sapientiam, j ueritatem. k Potest autem et ad eos dici, qui necdum perfecti sunt: „Introducite me in domum uini.“ l 8. „Ordinate in me caritatem.“ m Eleganter locutus est: „ordinate“; plurimorum quippe inordinata est caritas; quod in primo loco debent diligere, diligunt in secundo; quod in secundo, diligunt in primo; et quod oportet amare quarto, amant tertio; et rursum tertium in quarto, et est in plerisque caritatis ordo peruersus. Sanctorum uero caritas ordinata est. Volo ad intelligendum hoc, quod dictum est: „Ordinate in me caritatem“, aliqua exempla replicare. Vult te Sermo diuinus diligere patrem, matrem, filium, filiam, uult te Sermo diuinus diligere Christum nec dicit tibi, ne diligas liberos, ne parentibus caritate iungaris. Sed quid tibi dicit? Ne inordinatam habeas caritatem, ne primum patrem et matrem, deinde me diligas, ne filii et filiae plus quam mei caritate tenearis. „Qui amat patrem et matrem super Hld. 2,3 Hld. 2,4 m Hld. 2,4 a

g

Hld. 2,3 Koh. 10,19

b h

c

Hld. 2,4 Joh. 1,1

i

Mk. 4,11 1 Kor. 1,24.30

d j

e

Hld. 2,4 k Joh. 14,6

f

Offb. 3,20 l Hld. 2,4

110 Zum Verdienst-Konzept des Origenes siehe oben S. 108 Anm. 95. 111 Zu den zentralen Gedanken der Soteriologie des Origenes gehört die individuelle Abstimmung von Gottes Heilshandeln auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen; vgl. in Ioh. comm. I 7,38 (GCS Orig. 4, 12); Cels. IV 16 (GCS Orig. 1, 285); IV 18 (1, 287); dazu Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 197–208. Ein Aspekt dieser Grundidee ist der Gedanke, dass Gott die Wahrheit für solche Menschen verhüllt, die noch nicht reif genug sind, sie in der rechten Weise aufzunehmen. In diesem Sinne interpretiert er Mk. 4,11, etwa in princ. III 1,17 (GCS Orig. 5, 226). Vgl. ferner in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 324); in Num. hom. 6,1 (GCS Orig. 7, 31); in Matth. comm. X 4–6 (GCS Orig. 10, 4–6); dazu Vogt, Kirchenverständnis 81–99. 112 Wie zu in Cant. hom. 2,3 (siehe oben S. 106 Anm. 89) plädiert Simonetti, Omelie 141 Anm. zu Z. 5, ausgehend vom griechischen Sprachgebrauch dafür, das breiter bezeugte sumus an Stelle von simus in den Text zu nehmen.

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meinem Gaumen.“a Ich, sagt sie, habe mich danach gesehnt, in seinem Schatten zu ruhen, doch nachdem er mich mit seinem Schatten bedeckt hat, bin ich auch von seinen Früchten satt geworden und sage: „Und seine Frucht ist süß in meinem Gaumen.“b 7. „Führt mich in das Haus des Weines hinein!“c Der Bräutigam stand draußen und wurde von der Braut aufgenommen, denn inmitten ihrer Brüste ruhte er. Die meisten jungen Frauen sind nicht von der Art, dass sie es verdienen,110 den Bräutigam zu Gast zu haben. Zur Menge spricht er draußen in Gleichnissen.d 111 Wie fürchte ich, dass die vielen Mädchen vielleicht wir sind!112 „Führt mich in das Haus des Weines hinein!“e Warum bleibe ich so lange draußen? „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an; wenn mir jemand öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und mit ihm Mahl halten und er mit mir.“f „Führt mich hinein!“g Auch jetzt sagt das göttliche Wort noch dasselbe. Seht, Christus sagt: „Führt mich hinein!“ Auch zu euch Katechumenen113 sagt er: „Führt mich hinein“, nicht einfach in das Haus, sondern „in das Haus des Weines!“ Eure Seele möge mit dem Wein der Freude,h dem Wein des Heiligen Geistes erfüllt werden, und so führt den Bräutigam, das Wort,i die Weisheit,j die Wahrheit,k 114 in euer Haus hinein! Es kann aber auch zu denen, die noch nicht vollkommen sind, gesagt werden: „Führt mich in das Haus des Weines hinein!“l 8. „Ordnet in mir die Liebe!“m Treffend heißt es: „ordnet“, denn bei den meisten ist die Liebe ungeordnet. Was sie an erster Stelle lieben sollen, lieben sie an zweiter, was an zweiter, lieben sie an erster, und was an vierter Stelle zu lieben ist, lieben sie an dritter, und das dritte wiederum an vierter, und so ist bei den meisten die Ordnung der Liebe ganz verkehrt. Die Liebe der Heiligen hingegen ist geordnet. Zum Verständnis der Aussage: „Ordnet in mir die Liebe“ will ich einige Beispiele anführen. Das göttliche Wort will, dass du Vater, Mutter,115 Sohn und Tochter liebst, das göttliche Wort will, dass du Christus liebst, und es sagt dir nicht, dass du deine Kinder nicht lieben sollst, dass du deinen Eltern nicht in Liebe verbunden sein sollst. Was sagt es dir vielmehr? Du sollst keine Unordnung in der Liebe haben, du sollst nicht zuerst Vater und Mutter, dann mich lieben, du sollst deinem Sohn und deiner Tochter nicht mehr Liebe entgegenbringen als mir. „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert; wer Sohn oder 113 Origenes wendet sich in seinen Predigten oft an die Katechumenen, beispielsweise in Iud. hom. 5,6 (GCS Orig. 7, 496). Im Hoheliedkommentar kommen die Katechumenen lediglich einmal vor: in Cant. comm. III 8,9. 114 Zu diesen Epinoiai Christi vgl. bes. in Cant. comm. prol. 2,27, wo Christus außer als Weisheit, Wort und Wahrheit auch als Kraft und Gerechtigkeit apostrophiert wird. Weitere Stellen und Hinweise dazu in OWD 9/1, 78 Anm. 43. 115 Simonetti, Omelie 82, fügt matrem aus dem Codex Petropolitanus ein, begründet ebd. xxxiii.

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me, non est me dignus; qui amat filium aut filiam super me, non est me dignus.“ a Recole conscientiam tuam de patris, matris, fratris affectu, considera, qualem circa Sermonem Dei et Iesu habeas caritatem; statim deprehendes magis te filium et filiam diligere quam Verbum, magis te parentes amare quam Christum. Quis, putas, ita profecit e nobis, ut praecipuam et primam inter omnes Sermonis Dei habeat caritatem, qui in secundo loco liberos ponat? Iuxta hunc modum ama et uxorem tuam. „Nullus quippe aliquando suam carnem odio habuit“, b sed amat ut carnem; „erunt“, inquit, „duo“ non in unum spiritum, sed „erunt duo in carnem unam“. c Ama et Deum, sed ama illum non ut carnem et sanguinem, sed ut spiritum; „qui“ enim „adhaeret Domino, unus spiritus est.“ d Igitur ordinata est caritas in perfectis. Vt autem post Deum etiam inter nos ordo ponatur, primum mandatum est, ut diligamus parentes, secundum ut filios, tertium ut domesticos nostros. Si autem filius malus est et domesticus bonus, domesticus in caritate filii collocetur. Et ita fiet, ut sanctorum ordinata sit caritas. Magister quoque noster et Dominus in euangelio praecepta de caritate constituens ad uniuscuiusque dilectionem proprium aliquid apposuit et dedit intelligentiam ordinis his, qui possunt scripturam audire dicentem: „Ordinate in me caritatem.“ e „Diliges Dominum Deum tuum ex toto corde tuo et ex tota anima tua et ex tota uirtute tua et ex tota mente tua. Diliges proximum tuum sicut te ipsum.“ f Non ait: Deum ut temet ipsum, proximum ex toto corde, ex tota anima, ex tota uirtute, ex tota mente. Rursus „diligite“, inquit, „inimicos uestros“ g et non apposuit: ex toto corde. Non est inordinatus Sermo diuinus nec impossibilia praecipit nec dicit: „Diligite inimicos uestros“ ut uosmet ipsos, sed tantum: „Diligite inimicos uestros.“ Sufficit eis quod eos diligimus et odio non habemus; proximum uero ut temet ipsum, porro Deum ex toto corde et ex tota anima et ex tota mente et ex tota uirtute. Si haec intellexeris et intellecta compleueris, fecisti, quod sponsi sermone praecipitur: „Introducite me in domum uini, ordinate in me caritatem.“ h Quis, putas, e nobis caritatis est ordinatae? a e

Mt. 10,37 Hld. 2,4

f

b Eph. 5,29 Mt. 22,37.39

c

Eph. 5,31; vgl. Mt. 19,5; Gen. 2,24 g h Mt. 5,44 Hld. 2,4

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1 Kor. 6,17

116 Zu einer solchen Gewissenserforschung ruft Origenes wiederholt auf: in Hier. hom. 20,9 (GCS Orig. 32, 192): „Jeder von uns soll sein eigenes Gewissen erforschen“; in Lev. hom. 9,7 (GCS Orig. 6, 430); in Num. hom. 12,3 (GCS Orig. 7, 103). Vgl. Courcelle, Connais-toi toi-meˆme 100 Anm. 14. Im Kapitel über die Selbsterkenntnis in Cant. comm. II 5,6–17 entwickelt Origenes einen regelrechten Fragenkatalog zur Gewissensprüfung. Vgl. Crouzel, „Connaissance mystique“ 64. 117 In Num. hom. 11,8 (GCS Orig. 7, 91) bringt Origenes dieselbe Hierarchie der ,geordneten Liebe‘: An erster Stelle steht die Liebe zu Gott, der nach Mt. 22,37 aus

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Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“a Befrage dein Gewissen116 über deine Zuneigung zu Vater, Mutter und Bruder, bedenke, welche Liebe du zum Wort Gottes und zu Jesus empfindest: Du wirst sogleich feststellen, dass du Sohn und Tochter mehr liebst als das Wort, dass du die Eltern mehr liebst als Christus. Wer von uns, glaubst du, ist so weit fortgeschritten, dass er besonders und unter allen zuerst das Wort Gottes liebt und die Kinder an die zweite Stelle setzt? Auf diese Weise liebe auch deine Frau. „Denn keiner hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst“,b sondern liebt es wie sein Fleisch. „Die beiden werden“, heißt es, nicht: ein Geist sein, sondern: „Die beiden werden ein Fleisch sein.“c Liebe auch Gott, doch liebe ihn nicht wie Fleisch und Blut, sondern wie den Geist, denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm“.d Bei den Vollkommenen also ist die Liebe geordnet. Damit es aber nach Gott auch unter uns eine Ordnung gibt, ist das erste Gebot, dass wir die Eltern lieben, als zweites die Kinder, als drittes unsere Sklaven. Wenn aber der Sohn schlecht ist und der Sklave gut, soll der Sklave in der Liebe den Platz des Sohnes einnehmen. Und so wird die Liebe der Heiligen geordnet sein. Auch als unser Lehrer und Herr im Evangelium Vorschriften über die Liebe aufstellte, hat er der Liebe zu jeder einzelnen Person ein besonderes Merkmal hinzugefügt und denen Einsicht in ihre Ordnung verschafft, die die Schrift zu hören vermögen, wenn sie sagt: „Ordnet in mir die Liebe!“e „Du sollst den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzem Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deiner ganzen Kraft und aus deinem ganzen Denken lieben. Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“f Er sagt nicht: Gott wie dich selbst, den Nächsten aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzer Kraft, aus ganzem Denken. Ferner sagte er: „Liebt eure Feinde“g und fügte nicht hinzu: aus ganzem Herzen. Das göttliche Wort ist nicht ungeordnet und schreibt nichts Unmögliches vor und sagt nicht: „Liebt eure Feinde“ wie euch selbst, sondern nur: „Liebt eure Feinde!“ Für sie genügt es, dass wir sie lieben und nicht hassen, den Nächsten hingegen wie dich selbst, sodann Gott aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele und aus ganzem Denken und aus ganzer Kraft.117 Wenn du das verstanden und das Verstandene erfüllt hast, hast du vollbracht, was durch das Wort des Bräutigams angeordnet wird: „Führt mich in das Haus des Weines hinein, ordnet in mir die Liebe!“h Wer von uns, glaubst du, ist in geordneter Liebe? ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Denken zu lieben ist; an zweiter Stelle kommt die Liebe zum Nächsten, der mit Mt. 22,39 bzw. hier Mt. 19,19 wie sich selbst zu lieben ist; und an die dritte Stelle stellt Origenes mit Mt. 5,44 die Feindesliebe. In Cant. comm. III 7,2–26 erklärt Origenes diese ,Ordnung der Liebe‘ sehr ausführlich. Ein Seitenstück dazu ist eine Lukashomilie: in Luc. hom. 25 (GCS Orig. 92, 149–152). Siehe dazu Pe´tre´, Ordinata caritas.

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Homilia II

„Confirmate me in unguentis.“ a Vnus de interpretibus posuit eÆn oiÆnaÂnuhì . Haec autem sponsa loquitur. „Stipate me in malis.“ b In quibus malis? „Vt malum in lignis siluae, ita fratruelis meus in medio filiorum.“ c Idcirco „in malis eius stipate me, quia uulnerata caritatis ego“. d Quam pulchrum est, quam decorum a caritate uulnus accipere! Alius iaculum carnei amoris excepit, alius terreno cupidine uulneratus est; tu nuda membra tua et praebe te iaculo electo, iaculo formoso, siquidem Deus sagittarius est. Audi scripturam de hoc eodem iaculo loquentem, immo, ut amplius admireris, audi ipsum iaculum, quid loquatur: „Posuit me ut sagittam electam et in pharetra sua seruauit me. Et dixit mihi: Magnum tibi est hoc, uocari puerum meum.“ e Intellige, sagitta quid dicat et quomodo a Domino sit electa. Quam beatum est hoc iaculo uulnerari! Hac sagitta fuerant uulnerati illi, qui inter se inuicem conferebant dicentes: „Nonne cor nostrum ardens erat in uia, cum aperiret nobis scripturas?“ f Si quis sermone nostro, si quis scripturae diuinae magisterio uulneratur et potest dicere quia „uulnerata caritatis ego“, g hunc et illud forsitan sequitur. Quid forsitan dico? Manifestam promo sententiam. 9. „Sinistra eius sub capite meo, et dextera eius complexabitur me.“ h Habet et sinistram et dexteram Sermo Dei; sapientia, cum pro intellectuum uarietate sit multiplex, in subiacenti una est. Ipse Solomon de laeua et dexb Hld. 2,5 Hld. 2,5 h 2,5 Hld. 2,6

a

c

Hld. 2,3

d

Hld. 2,5

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Jes. 49,2.6

f

Lk. 24,32

g

Hld.

118 Das hebräische „Traubenkuchen“ in Hld. 2,5 ist in der Septuaginta mit eÆn myÂroiw, „mit Salbölen“, wiedergegeben, wie hier in unguentis, weshalb Rahlfs (II p. 262) die Konjektur von Grabe in den Text nimmt: eÆn aÆmoÂraiw, „mit Honigkuchen“ (Septuaginta Deutsch, p. 1001: „mit [süßem] Gebäck“). In der Hexapla bietet Aquila oiÆnanuv Ä n, „mit Traubenblüten/-knospen“ (oiÆnaÂnuh bezeichnet den ersten Trieb der Weintraube, „die mit dem Blatt auch schon die künftige Traube in der Blüthenknospe umschliesst“: Passow, Handwörterbuch II, 421), Symmachus hingegen dieser Wortbedeutung entsprechend (und rein orthographisch nicht weit weg von Aquila) eÆn aÍnuei, „im Keim/Spross“, „in der Blüte“ (ähnlich Hieronymus in der Vulgata: floribus). In dem Auszug aus dem Kommentar des Origenes zu Hld. 2,5, der bei Prokop überliefert ist (frg. 25), gibt Origenes als Lesart des Symmachus jedoch die hier genannte an: oiÆnaÂnuhì , „auf Rebenblüte“, und weiß von einer weiteren Variante zu berichten: eÆn aÆmyÂroiw, wörtlich „mit Ungesalbtem“, d.h. hier „mit Blüten ohne Duft“ bzw. „Salben ohne Duft“ (vgl. Sgherri, Valutazione origeniana 8 Anm. 22). Da dies im vorliegenden Kontext sinnlos ist, vermutet Baehrens, GCS Orig. 8, 191 app. crit., dass hinter dem sonst unbelegten lateinischen Wort amoyrum, das Rufinus in seiner Übersetzung des Hoheliedkommentars verwendet (siehe dazu OWD 9/1, 331 Anm. 383 zu in Cant. comm. III 8,1), eine Verschreibung von amyris steckt, was einen Balsambaum (Amyris balsamifera) meinen dürfte. Das Votum von Simonetti, Omelie 143 Anm. zu Z. 51f., mit vielen Handschriften in oiÆnaÂnuhì statt eÆn oiÆnaÂnuhì zu lesen, überzeugt nicht, weil dieses eÆn in diversen Lesarten dieser Stelle gut bezeugt ist.

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„Stärkt mich mit Salbölen!“a Einer der Übersetzer setzte eÆn oiÆnaÂnuhì .118 Dies aber spricht die Braut. „Stopft mich voll mit Äpfeln!“b Mit was für Äpfeln? „Wie ein Apfelbaum unter den Hölzern des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne.“c Deswegen: „Stopft mich voll mit seinen Äpfeln, weil ich wund vor Liebe119 bin.“d Wie schön ist es, was für eine Zierde, von der Liebe eine Wunde zu empfangen! Der eine wurde vom Pfeil fleischlicher Liebe getroffen, ein anderer von irdischer Begierde verwundet – du entblöße deine Glieder und biete dich dem auserwählten Pfeil dar, dem anmutigen Pfeil, da ja Gott der Bogenschütze ist.120 Höre, wie die Schrift über eben diesen Pfeil redet, vielmehr, um dich noch mehr zu wundern, höre, was der Pfeil selbst sagt: „Er steckte mich ein als auserwählten Pfeil und in seinem Köcher verwahrte er mich. Und er sprach zu mir: Etwas Großes ist es für dich, mein Knecht genannt zu werden.“e Verstehe, was der Pfeil sagt und inwiefern er vom Herrn erwählt worden ist. Wie selig ist es, von diesem Pfeil verwundet zu werden! Von diesem Pfeil waren jene verwundet worden, die sich miteinander unterhielten und sagten: „Brannte nicht unser Herz auf dem Weg, als er uns die Schriften erschloss?“f Wenn jemand von unserer Rede, wenn jemand von der Lehre der göttlichen Schrift verwundet wird121 und sagen kann: „wund vor Liebe bin ich“,g auf den passt vielleicht auch jenes.122 Was sage ich ,vielleicht‘? Ich zitiere den ganz offenkundigen Satz: 9. „Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte wird mich umarmen.“h Das Wort Gottes hat sowohl eine linke als auch eine rechte Hand. Während die Weisheit aufgrund der Mannigfaltigkeit ihrer Aspekte vielfältig ist, ist sie in ihrer Substanz eine.123 Schon Salomo lehrte über die 119 Zur Lesart caritatis (statt caritate) hier und am Ende dieses Absatzes (GCS Orig. 8, 53.21 und 54.11) siehe unten S. 125 Anm. 126. 120 Zur Christus-Epinoia „auserwählter Pfeil“ aus Jes. 49,2 vgl. in Ioh. comm. I 32,228f. (GCS Orig. 4, 40f.); in Lam. frg. 104 (GCS Orig. 32, 272); in Ps. 36 hom. 3,3 (griech.: GCS Orig. 13, 142; lat.: SC 411, 134). Siehe dazu Crouzel, Le trait et la blessure d’amour 314 f. Siehe dazu oben S. 14. 121 Zum Eros der Schriftauslegung bei Origenes siehe Cox Miller, Eros and Language, aufgegriffen bei Fürst, Studien 112–114. Siehe oben S. 18. 122 „Jenes“ (illud) bezieht sich auf den folgenden aus dem Hohelied zitierten Satz (Hld. 2,6); so die überzeugende Erklärung von Simonetti, Omelie 145 Anm. zu Z. 69. Wer die Aussage in Hld. 2,5 über sich machen kann, für den gilt auch die Aussage in Hld. 2,6. Man kann sich plastisch vorstellen, wie der Prediger nach der Erläuterung von Hld. 2,5 in den Lesungstext schaut und mit „jenes“ auf den folgenden Vers Hld. 2,6 verweist. 123 Der Satz beschreibt die Einheit Christi, der Weisheit, die in der zugrundeliegenden individuellen „Substanz“ liegt (in subiacenti dürfte yëpokeiÂmenon wiedergeben), und seine Vielheit, die in den unterschiedlichen „Aspekten“ (eÆpiÂnoia, hier übersetzt mit intellectus) zum Ausdruck kommt. Aus in Ioh. comm. I 28,200 (GCS Orig. 4, 36) und orat. 15,1 (GCS Orig. 2, 334) geht hervor, dass yëpokeiÂmenon und oyÆsiÂa von

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tera sapientiae docuit dicens: „Longitudo enim et anni uitae in dextera eius, in sinistra autem illius diuitiae et gloria.“ a Igitur laeua eius sub capite meo, ut me faciat requiescere et bracchium sponsi fiat ceruical meum et reclinetur animae principale super Sermonem Dei. „Laeua eius sub capite meo.“ b Non tibi expedit habere ceruicalia, quae lamentatio sequitur. In Ezechiel scriptum est: „Vae iis, quae consuunt ceruicalia sub omni cubitu manus.“ c Noli consuere ceruicalia, noli capiti aliunde requiem quaerere, habe sponsi laeuam sub capite tuo et dic: „Laeua eius sub capite meo.“ d Quam cum habueris, omnia tibi, quae sunt in laeua, tribuentur; dices quippe: „In sinistra autem eius diuitiae et gloria.“ e „Et dextera eius complexabitur me.“ f Totum te sponsi dextera complectatur. „Longitudo quippe et anni uitae in dextera eius“, g et ob id „longae uitae et multorum dierum eris super terram bonam, quam Dominus Deus tuus dabit tibi“. h „Adiuraui uos, filiae Hierusalem, in uirtutibus et uiribus agri.“ i Quid adiurat sponsa filias Hierusalem? „Si leuaueritis et suscitaueritis caritatem.“ j Quamdiu caritas dormit in uobis, o filiae Hierusalem, o adulescentulae, quae in me non dormit, quia uulnerata sum caritat〈is〉? In uobis autem, quae et a b Spr. 3,16 Hld. 2,6 h 3,16 Ex. 20,12

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c Ez. 13,18 Hld. 2,7

j

d Hld. 2,6 Hld. 2,7

e

Spr. 3,16

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Hld. 2,6

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Spr.

Origenes synonym verwendet wurden. Für den Gedanken vgl. auch in Gen. hom. 14,1 (GCS Orig. 6, 121): „Auch wenn unser Herr Jesus Christus seiner Substanz (substantia) nach einer und nichts anderes als der Sohn Gottes ist, wird er in den Bildern (figura) und Gestalten (forma) der Schriften doch vielfältig und verschieden dargestellt.“ Übersetzung nach Habermehl, OWD 1/2, 251. Ich folge der Textgestalt von Simonetti, Omelie 88, der pro intellectuum uarietate liest, weil der Plural von intellectus besser zur Aussage (und Lehre) von den zahlreichen eÆpiÂnoiai Christi (zu diesen siehe oben S. 119 Anm. 114) passt: ebd. 145 Anm. zu Z. 3. Die Lesart fit an Stelle von sit in der ältesten Handschrift, die Simonetti, ebd., als lectio difficilior gleichfalls bevorzugt, passt zwar auch zu dieser Lehre, insofern der eine Christus seine vielfältigen „Aspekte“ je nach Bedürfnis des Adressaten wird, doch passt das nicht gut zu Hieronymus, der solche Grammatikfehler (im cum-Satz müsste Konjunktiv stehen) nicht machte. 124 Siehe dazu oben S. 83 Anm. 45 zu in Cant. hom. 1,6. 125 In Hiez. hom. 3,3 (GCS Orig. 8, 350f.) erörtert Origenes diesen Vers ausführlich, wobei er dort allerdings die Bedeutung von ceruicalia, „Kissen“, zu „Bändern“ verfremdet: „Leute, die vollauf mit der Ernährung ihres Körpers beschäftigt sind und nicht einmal im Traum die geistigen Genüsse sehen, die wir nach dem Willen des Wortes haben sollen, das sagt: ,Erfreue dich am Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz begehrt‘ (Ps. 36[37],4), Leute, die von der Wonne der Glückseligen nichts wissen, über die geschrieben steht: ,Mit dem Strom deiner Wonne wirst du sie tränken‘ (Ps. 35[36],9), diese Leute verlangen gleichsam als Liebhaber des Wohlergehens und nicht als Liebhaber Gottes ständig in körperlichen Genüssen zu schwelgen. Mir scheint, das genähte Bändchen am Handgelenk steht für die Fleischeslust.

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linke und rechte Hand der Weisheit, wenn er sagte: „Die Länge und die Jahre des Lebens sind nämlich in ihrer Rechten, in ihrer Linken aber Reichtum und Ehre.“a Also liegt seine Linke unter meinem Haupt, um mich zur Ruhe kommen zu lassen und damit der Arm des Bräutigams mein Kopfkissen wird und das Leitprinzip meiner Seele124 auf dem Wort Gottes ruht. „Seine Linke liegt unter meinem Haupt.“b Es ist dir nicht zuträglich, Kissen zu besitzen, auf die nur Kummer folgt. Bei Ezechiel steht geschrieben: „Wehe denen, die Kissen für jedes Handgelenk nähen!“c 125 Näh keine Kissen, suche nicht anderswo Ruhe für dein Haupt, halte die Linke des Bräutigams unter deinem Haupt und sage: „Seine Linke liegt unter meinem Haupt.“d Wenn du diese hast, wird dir alles zuteil, was sich in der Linken befindet, denn du wirst sagen: „In seiner Linken aber sind Reichtum und Ehre.“e „Und seine Rechte wird mich umarmen.“f Ganz und gar soll dich die Rechte des Bräutigams umarmen. „Die Länge und die Jahre des Lebens sind nämlich in seiner Rechten“,g und deswegen „wirst du ein langes Leben und viele Tage auf dem guten Land verbringen, das der Herr, dein Gott, dir geben wird“.h „Ich habe euch beschworen, Töchter Jerusalems, bei den Mächten und Kräften des Feldes.“i Worum beschwört die Braut die Töchter Jerusalems? „Habt ihr die Liebe aufgeweckt und aufgerichtet?“j Wie lange noch schläft die Liebe in euch, ihr Töchter Jerusalems, ihr Mädchen, die in mir nicht schläft, da ich wund vor Liebe126 bin? In euch aber, die ihr viele seid, die ihr

Da wir nämlich, wenn wir uns zu Tische legen, um unsere armseligen Leiber zu stärken, sichtlich an den Rändern bestickte Tücher für unsere Hände benutzen, beschuldigt das göttliche Wort mit Hilfe eines derartigen Bildes und Gedankens möglicherweise diejenigen Lehrer, die mit ihrem leerem Geschwätz und allen möglichen Glücksverheißungen die Masse ihrer Zuhörer der Leidenschaft, den Lastern und der Lust überantworten. Denn das Wort Gottes, der Gott-Mensch, muss verkünden, was dem Hörer zum Heil dient, was ihn zu Enthaltsamkeit ermahnt, zu einem Leben voller gesunder Taten, zu allen Dingen, denen sich der Mensch, der nach Arbeit und nicht nach Vergnügen strebt, widmen muss, um das erlangen zu können, was Gott verheißen hat. Wenn also einer, der sich dem Verhalten des Volkes anpasst, um denen zu gefallen, denen es in den Ohren juckt, das sagt, was sie gerne annehmen, das sagt, was zur Lust hinführt, ein solcher Lehrer ,näht Bänder für jedes Handgelenk‘ (Ez. 13,18).“ 126 Baehrens, GCS Orig. 8, 55.9 mit app. crit., konjiziert hier caritatis (übernommen von Rousseau, SC 372, 136, nicht von Simonetti, Omelie 86; vgl. ebd. 144 Anm. zu Z. 54f.) für das einhellig überlieferte caritate, und zwar mit Verweis auf GCS Orig. 8, 53.21, wo er der Variante caritatis ebenfalls den Vorzug vor dem in etlichen Handschriften überlieferten caritate gibt. Da es sich um die lectio difficilior handelt und diese zudem mit dem Septuagintatext übereinstimmt (tetrvmeÂnh aÆgaÂphw, uulnerata caritatis, wörtlich: „eine Verwundete der Liebe“), ist Baehrens hierin zu folgen.

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plures estis et adulescentulae et filiae Hierusalem, dormit caritas sponsi. Adiuraui ergo uos, filiae Hierusalem, si leuaueritis et non solum leuaueritis, sed et suscitaueritis, quae in uobis est, caritatem. Creator uniuersitatis, cum uos conderet, inseruit cordibus uestris semina caritatis. Nunc autem, sicuti alibi dicitur: „Iustitia dormiuit in ea“, a sic dilectio dormitat in uobis; iuxta quod et alibi: „Sponsus requieuit ut leo et ut catulus leonis.“ b Adhuc in infidelibus et his, qui corde sunt dubio, dormitat Sermo diuinus, uigilat in sanctis; dormit in his, qui tempestatibus fluctuant, suscitatur uero eorum uocibus, qui cupiunt sponso uigilante saluari. Statim fit eo uigilante tranquillitas, statim undarum moles conquiescunt, spiritibus contrariis increpatur, fluctuum rabies silet; c illo dormiente tempestas, mors et desperatio est. „Adiuro“ ergo „uos, filiae Hierusalem, in uirtutibus et in uiribus agri.“ d Cuius agri? Nempe illius, cuius „odor agri pleni, quem benedixit Dominus.“ e 10. „Si leuaueritis et suscitaueritis caritatem, quoadusque uelit. Vox fratruelis mei; ecce hic uenit saliens super montes.“ f Haec adhuc loquitur ecclesia exhortans adulescentulas, ut ad sponsi praeparentur aduentum, si tamen uenire uoluerit et suum illis praebere colloquium. Adhuc igitur loquente ea aduenit sponsus, quem digito monstrat et dicit: „Ecce hic uenit saliens super montes.“ g Intellige sponsae animam beatam atque perfectam, quae citius uideat, citius sermonis contempletur aduentum, quae sibi sapientiam, sibi uenisse sentiat caritatem et dicat non uidentibus: „Ecce hic uenit.“ Orate, ut et ego possim dicere: „Ecce hic uenit.“ Si enim potuero Dei disserere Sermonem, quodammodo et ego dico: „Ecce hic uenit.“ Quo? Non utique, ubi uallis, non ubi humilia loca. Quo uenit? „Saliens super montes, transiliens super colles.“ h Si fueris mons, salit in te Sermo Dei; si non ualueris esse mons, sed fueris collis secundus a monte, transilit super te. Quam uero pulchra et conuenientia rebus uocabula! Salit super montes, qui maiores sunt; transilit super colles, qui minores sunt. Non transilit super montes, non salit super colles: „Ecce hic uenit saliens super montes, transiliens super colles.“ i a f

Jes. 1,21 Hld. 2,7f.

b

c Gen. 49,9; Num. 24,9 Vgl. Mt. 8,23f. g h i Hld. 2,8 Hld. 2,8 Hld. 2,8

d

Hld. 2,7

e

Gen. 27,27

127 Vgl. in Ioh. frg. 45 (GCS Orig. 4, 519f.): Die menschliche Seele ist die Braut, in die Christus die geistigen Güter sät. Vgl. Lettieri, Origene interprete 159 Anm. 49. 128 Lawson, ACW 26, 369 Anm. 74, verweist für die Auslegung des Seesturms auf eine der dem Origenes zugeschriebenen Homilien im Homiliar Karls des Großen (dazu: Rousseau, SC 372, 46 Anm. 2): in Matth. hom. 3,1 (GCS Orig. 12/1, 257f.). 129 Als Exeget erörtert Origenes das Wort Gottes, das zugleich der Sohn und die Worte der Bibel ist, in denen er spricht: Cox Miller, Eros and Language 241f. Vgl. auch Simonetti, Omelie 149 Anm. zu Z. 11. Siehe dazu auch in Cant. hom. 1,7, ferner oben S. 15–17.

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Mädchen und Töchter Jerusalems seid, schläft die Liebe zum Bräutigam. Ich beschwöre euch also, Töchter Jerusalems: Weckt, und nicht nur weckt, sondern richtet die Liebe auch auf, die in euch ist! Als der Schöpfer des Alls euch schuf, säte er Samen der Liebe in eure Herzen.127 Doch wie es an anderer Stelle heißt: „Die Gerechtigkeit schlief in ihr“,a so schläft jetzt die Liebe in euch; entsprechend auch andernorts: „Der Bräutigam ruhte wie ein Löwe und wie ein Löwenjunges.“b Noch immer schläft das göttliche Wort in den Ungläubigen und in denen, die in ihrem Herzen Zweifel hegen. In den Heiligen ist es wach. Es schläft in denen, die von Stürmen hin und hergetrieben werden, wird aber von den Stimmen derer aufgeweckt, die vom wachen Bräutigam gerettet werden wollen. Wenn er wach ist, tritt sogleich Ruhe ein, beruhigen sich sogleich die Wassermassen, werden die Gegenwinde gescholten, schweigt das Tosen der Fluten;c wenn er schläft, herrschen Sturm, Tod und Verzweiflung.128 „Ich beschwöre euch“ also, „Töchter Jerusalems, bei den Mächten und bei den Kräften des Feldes.“d Wessen Feldes? Natürlich dessen, dessen „Duft vom vollen Feld ist, das der Herr gesegnet hat.“e 10. „Habt ihr die Liebe aufgeweckt und aufgerichtet, wie sie es will? Die Stimme meines Geliebten! Siehe, er kommt springend über die Berge.“f Das sagt noch immer die Kirche. Sie ruft die Mädchen dazu auf, sich auf die Ankunft des Bräutigams vorzubereiten, wenn er denn kommen und mit ihnen ein Gespräch führen will. Noch während sie also redet, erscheint der Bräutigam, auf den sie mit dem Finger zeigt und sagt: „Siehe, er kommt springend über die Berge.“g Erkenne die Glückseligkeit und Vollkommenheit der Seele der Braut: Sie sieht schneller, sie nimmt die Ankunft des Wortes schneller wahr, sie spürt, dass die Weisheit, dass die Liebe zu ihr gekommen ist, und sagt zu denen, die nicht sehen: „Siehe, er kommt.“ Betet, dass auch ich sagen kann: „Siehe, er kommt.“ Denn wenn ich das Wort Gottes erörtern kann,129 sage in gewisser Weise auch ich: „Siehe, er kommt.“ Wohin? Jedenfalls nicht dorthin, wo ein Tal ist, nicht, wo niedere Orte sind.130 Wohin kommt er? „Springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.“h Wenn du ein Berg bist, springt in dir das Wort Gottes. Wenn du noch nicht stark genug bist, ein Berg zu sein, doch an zweiter Stelle nach dem Berg ein Hügel bist, hüpft es über dich.131 Wie schön und der Sache angemessen sind doch diese Worte! Er springt über die Berge, die höher sind; er hüpft über die Hügel, die niedriger sind. Er hüpft nicht über die Berge, er springt nicht über die Hügel. „Siehe, er kommt springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.“i 130 Zur Symbolik des Tales siehe oben S. 115 Anm. 106. 131 Zu diesem Gedanken vgl. in Ioh. comm. XIII 3,17–19 (GCS Orig. 4, 229). Zur späteren Geschichte dieser Metaphorik siehe die Hinweise bei Rousseau, SC 372, 138 Anm. 1.

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11. „Similis est fratruelis meus capreae aut hinnulo ceruorum in montibus Bethel.“ a Haec duo animalia in scripturis frequentius nominantur et, quo amplius admireris, saepius iuncta ponuntur. „Et haec sunt“, ait, „quae manducabis“, b post paululum inferens capream et ceruum. In praesenti quoque libro pariter appellantur ceruus et caprea. Quodammodo enim cognata sibi et uicina sunt ista animalia. Caprea, id est dorcas, acutissime uidet; ceruus interfector serpentum est. Quis, putas, est dignus e nobis, qui iuxta dignitatem loci atque mysterii plenam possit explicare rationem? Oremus Deum, ut nobis gratiam largiatur ad aperiendas scripturas et possimus dicere: Quomodo adaperiebat nobis Iesus scripturas! c Quid igitur? Dicimus quia dorcas, hoc est caprea, secundum eorum physiologiam, qui de naturis omnium animalium disputant, ex insita sibi ui nomen acceperit; ab eo enim, quod acutius uideat, id est paraÁ toÁ oÆjyderkeÂsteron, dorcas appellata est. Ceruus uero inimicus serpentum atque bellator est ita, ut spiritu narium eos extrahat de cauernis et superata pernicie ueneni eorum pabulo delectetur. Forsitan Saluator meus caprea sit iuxta uevriÂan, ceruus iuxta opera. Quaenam ista sunt opera? Interficit ipse serpentes, contrarias fortitudines iugulat, ideo dicam ei: „Tu contriuisti capita draconum super aquam; tu contriuisti capita draconis.“ d 12. „Similis est fratruelis meus capreae uel hinnulo ceruorum super montes domus Dei.“ e Bethel quippe interpretatur domus Dei. Non omnes montes domus Dei sunt, sed hi, qui montes ecclesiae sunt. Inueniuntur quippe et alii montes erecti et consurgentes aduersum scientiam Dei, f mona

Hld. 2,9

b

Dtn. 14,4

c

Lk. 24,32

d

Ps. 73(74),13f.

e

Hld. 2,9

f

2 Kor. 10,5

132 Nach Lauchert, Physiologus 70f., spielt Origenes damit wohl direkt auf den Physiologus an, in dem sich jedenfalls die Nachricht über den Hirsch findet (siehe unten Anm. 135). 133 Zur Ableitung von dorcas (doÂrkaw) vom Perfekt von deÂrkomai (deÂdorka), „scharf sehen, einen scharfen Blick haben“, siehe OWD 9/1, 376 Anm. 455 zu in Cant. comm. III 13,44 (vgl. auch frg. 26). Vor diesem griechischen Hintergrund meint caprea im lateinischen Text von Hld. 2,9, das eigentlich „Ziege“ heißt, hier die „Gazelle“. 134 Simonetti, Omelie 96, bevorzugt adtrahat aus der ältesten Handschrift gegenüber extrahat aller anderen Handschriften und weiß dafür als Argument zu nennen, dass eben dieses Detail, dass der Hirsch die Schlangen „an sich saugt“ oder „einsaugt“, in den alten Überlieferung dazu bezeugt ist: ebd. 150 Anm. zu Z. 18. Gleichwohl wird man mit Baehrens, GCS Orig. 8, 57.1 (und Rousseau, SC 372, 140) am weitaus besser bezeugten extrahat festhalten. 135 Zum Hirsch als Feind der Schlangen, dem ihr Gift nicht schadet, vgl. in Hier. hom. 18,9 (GCS Orig. 32, 163); in Matth. comm. XI 18 (GCS Orig. 10, 66). Es handelt sich um eine in der Antike verbreitete Vorstellung, die auch Eingang in den Physiologus gefunden hat: physiol. 30 (p. 260 Lauchert). Vgl. auch von Harnack,

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11. „Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel.“a Diese beiden Tiere werden in den Schriften häufiger genannt und – damit du dich noch mehr wunderst – stehen des öfteren nebeneinander. „Und das ist es“, heißt es, „was du essen sollst“,b und kurz darauf werden die Gazelle und der Hirsch aufgeführt. Auch im vorliegenden Buch werden der Hirsch und die Gazelle gleichermaßen erwähnt. Denn in gewisser Weise sind diese Tiere miteinander verwandt und stehen sich nahe. Die Gazelle, das heißt die dorcas, hat sehr scharfe Augen, der Hirsch tötet Schlangen. Wer von uns, glaubst du, ist würdig, dass er der Erhabenheit der geheimnisvollen Stelle entsprechend den Sinn vollständig erläutern kann? Beten wir zu Gott, dass er uns die Gnade gewährt, die Schriften zu erschließen, und dass wir sagen können: Wie hat uns Jesus die Schriften erschlossen!c Was also? Wir sagen, dass die dorcas, das heißt die Gazelle, gemäß der Naturlehre derer, die die Natur aller Lebewesen erörtern,132 ihren Namen von der ihr innewohnenden Kraft erhalten hat. Denn ausgehend davon, dass sie ziemlich scharf sieht, das heißt paraÁ toÁ oÆjyderkeÂsteron, ist sie dorcas genannt worden.133 Der Hirsch hingegen ist der Feind der Schlangen und bekämpft sie so, dass er sie mit dem Atem seiner Nüstern aus den Höhlen herauszieht,134 ihr verderbliches Gift unschädlich macht und sie mit Vergnügen auffrisst.135 Vielleicht ist mein Erlöser eine Gazelle im Blick auf die uevriÂa (Schau), ein Hirsch im Blick auf die Werke.136 Welche Werke sind das? Er ist es, der die Schlangen tötet, die feindlichen Mächte bezwingt, weshalb ich zu ihm sagen will: „Du hast die Häupter der Drachen über dem Wasser zerschmettert, du hast die Häupter des Drachen zerschmettert.“d 137 12. „Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen des Hauses Gottes.“e Bethel bedeutet ja übersetzt Haus Gottes.138 Nicht alle Berge sind Häuser Gottes, sondern die, die Berge der Kirche sind. Es finden sich nämlich auch andere Berge, die sich gegen die Erkenntnis Gottesf erheben und auflehnen: die Berge Ägyptens und der FremdstämErtrag II, 100; Lauchert, Physiologus 27. 70f.; Domagalski, Hirsch 151–160. Siehe auch frg. 26 und 28. 136 Auch in Cant. comm. III 13,50 und in frg. 35 (vgl. frg. 37) illustriert Origenes an den Eigenschaften der Gazelle und des Hirsches die unauflösliche Verschränkung von Theorie und Praxis in seiner ethischen Metaphysik. Siehe dazu die Hinweise in OWD 9/1, 378 Anm. 458 sowie unten S. 190 Anm. 157 zu frg. 35. Auch die Verklärungsszene interpretiert Origenes in diesem Sinne: in Matth. comm. XII 41 (GCS Orig. 10, 163f.): Völker, Vollkommenheitsideal 76f.; Lawson, ACW 26, 369 Anm. 82. 137 Das ist die übliche Deutung von Ps. 73(74),13f. bei Origenes, in welcher der Drache Symbol für den Teufel ist: orat. 27,12 (GCS Orig. 2, 371); in Matth. comm. XVI 26 (GCS Orig. 10, 563f.). Vgl. Simonetti, Omelie 150 Anm. zu Z. 22. 138 Dieselbe Etymologie in Iud. hom. 5,3 (GCS Orig. 7, 493); epist. Greg. 3 (SC 148, 192); Hieronymus, int. hebr. nom. p. 3 Lagarde (CChr.SL 72, 62); Wutz, Onomastica sacra 1061. 1067. Vgl. auch in Cant. comm. III 13,51.

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Homilia II

tes Aegypti et Allophylorum. Vis scire quia similis sit fratruelis eius capreae aut hinnulo ceruorum super montes Bethel? Esto mons ecclesiasticus, mons domus Dei, et ueniet ad te sponsus similis capreae uel hinnulo ceruorum super montes Bethel. Cernit sponsum appropinquasse uicinius, qui ante super montes uersabatur et colles, assimilat eum transilientem atque salientem. Et post haec ad se et ad alias adulescentulas aduenisse cognoscens dicit: „Ecce hic retro post parietem nostrum.“ a Si aedificaueris parietem et feceris aedificationem Dei, uenit post parietem tuum. „Prospiciens per fenestras.“ b Vna fenestra unus est sensus, per hunc prospicit sponsus; alia fenestra alius sensus, et per hunc sponsus sollicite contuetur. Per quos enim sensus non prospicit Sermo Dei? Quid sit autem prospicere per fenestras et quomodo per eas sponsus adspiciat, sequens docebit exemplum. Vbi non prospicit sponsus, ibi mors inuenitur adscendens, ut legimus in Hieremia: „Ecce mors adscendit per fenestras uestras.“ c Quando „uideris mulierem ad concupiscendum eam“, d „mors adscendit per fenestras uestras“. „Eminens per retia.“ e „Intellige quia in medio laqueorum ambules et subtus machinas transeas imminentes.“ f Omnia retibus plena sunt, diabolus laqueis cuncta compleuit. Si autem uenerit tibi Sermo Dei et coeperit eminere de retibus, dices: „Anima nostra sicut passer erepta est de laqueo uenantium; laqueus contritus est, et nos liberati sumus. Benedicti nos Domino, qui fecit caelum et terram.“ g Eminet igitur sponsus per retia; uiam tibi fecit Hld. 2,9 Vulg.)

a

g

b c Hld. 2,9 Jer. 9,21 Ps. 123(124),7f.

d

Mt. 5,28

e

Hld. 2,9

f

Sir. 9,13 LXX (9,20

139 Auch in Num. hom. 15,1 (GCS Orig. 7, 130f.) unterscheidet Origenes zwischen „heiligen Bergen“ und den „Bergen Mesopotamiens“, die „dunkle“ und „verdorbene Berge“ sind, die sich gegen die Erkenntnis Gottes auflehnen. In Hier. hom. 12,12 (GCS Orig. 32, 98) erläutert er ausgehend von Jer. 13,16, wo von „dunklen Bergen“ die Rede ist, genauer, was „helle“ und was „dunkle Berge“ sind: „Es gibt einige dunkle Berge, es gibt einige helle Berge … Helle Berge sind die heiligen Engel Gottes, die Propheten, der Diener Mose, die Apostel Jesu Christi. Alle diese sind helle Berge, und über diese, denke ich, ist in den Psalmen gesagt worden: ,Seine Fundamente in den heiligen Bergen‘ (Ps. 86[87],1). Aber von welcher Art sind die dunklen Berge? Es sind die, die sich hochmütig wider die Erkenntnis Gottes rühmen (vgl. 2 Kor. 10,5). Der Teufel ist ein dunkler Berg, die Herrscher dieser Welt, die zugrundegehen (1 Kor. 2,6), sind dunkle Berge, auch der mondsüchtige Dämon war ein Berg (vgl. Mt. 17,19f.), und zwar ein dunkler Berg.“ Berge in positivem Sinn begegnen bei Origenes öfter: In Matth. comm. XI 18 (GCS Orig. 10, 65) ist der „Berg, auf den Jesus hinaufstieg“, das, „was in einem allgemeinen Sinn Kirche genannt wird; sie ragt nämlich wegen des Wortes Gottes über die übrige Erde und die Menschen auf ihr empor“; Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 138. In Matth. comm. ser. 42 (GCS Orig. 11, 84f.) ist von den „hohen Bergen der Wahrheit“ (sublimes ueritatis montes) die Rede. In Hier. hom. 13,3 (GCS Orig. 32, 105) „ist der Berg der Herr Jesus“. Vgl. ferner in Ios. hom. 1,5 (GCS Orig. 7, 293).

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migen (d.h. der Philister).139 Willst du erkennen, dass ihr Geliebter einer Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel gleicht? Sei ein kirchlicher140 Berg, ein Berg des Hauses Gottes, und der Bräutigam wird zu dir kommen gleich einer Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel. Die Braut sieht, dass der Bräutigam näher gekommen ist, der sich zuvor auf den Bergen und Hügeln aufhielt, und vergleicht ihn mit einem, der hüpft und springt. Und als sie daraufhin bemerkt, dass er bei ihr und bei den anderen Mädchen angekommen ist, sagt sie: „Siehe, er ist hinter unserer Wand.“a Wenn du eine Wand errichtet und ein Haus Gottes erbaut hast, kommt er hinter deine Wand. „Er schaut durch die Fenster herein.“b Ein Fenster entspricht einem der Sinne. Durch diesen schaut der Bräutigam herein. Ein anderes Fenster ist ein anderer Sinn, und durch diesen blickt der Bräutigam besorgt herein. Denn durch welche Sinne schaut das Wort Gottes nicht herein?141 Was es aber heißt, durch die Fenster hereinzuschauen, und wie der Bräutigam durch sie hereinblickt,142 wird das folgende Beispiel lehren. Wo der Bräutigam nicht hereinschaut, dort sieht man den Tod hineinsteigen, wie wir bei Jeremia lesen: „Siehe, der Tod steigt durch eure Fenster hinein.“c Wenn du „eine Frau ansiehst, um sie zu begehren“,d „steigt der Tod durch eure Fenster hinein“. „Er ragt aus den Netzen heraus.“e „Erkenne, dass du inmitten von Schlingen umherläufst und unter bedrohlichen Machenschaften einherschreitest.“f Alles ist voll von Netzen, der Teufel hat überall Schlingen gelegt. Wenn aber das Wort Gottes zu dir kommt und beginnt, aus den Netzen herauszuragen, wirst du sagen: „Unsere Seele ist wie ein Sperling der Schlinge der Jäger entrissen worden. Die Schlinge ist zerrissen, und wir sind befreit. Gesegnet sind wir vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“g Der Bräutigam ragt also aus den Netzen heraus. Jesus hat dir einen Weg

Berge im negativen Sinn: ebd. 14,2 (7, 379), wie an der vorliegenden Stelle mit Zitierung von 2 Kor. 10,5; in Matth. comm. XIII 7 (GCS Orig. 10, 197): „Berge bedeuten in diesem Zusammenhang nach meiner Meinung die feindlichen Kräfte, die sich in angehäufter und großer Schlechtigkeit befinden und in den Seelen der Menschen wie verwurzelt sind.“ Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 250. Siehe dazu Simonetti, Omelie 150f. Anm. zu Z. 2. 140 Zum Adjektiv ecclesiasticus siehe oben S. 86 Anm. 50. 141 Zur hier erneut im Hintergrund stehenden Theorie der ,geistigen Sinne‘ siehe oben S. 113 Anm. 101, ferner oben S. 29–35. 142 Auch hier präferiert Simonetti, Omelie 98, mit der ältesten Handschrift prospiciat an Stelle des sonst unisono bezeugten a(d)spiciat, das Baehrens, GCS Orig. 8, 57.23 (und Rousseau, SC 372, 142), in den Text setzen. Aber sollte man dem Übersetzer Hieronymus hier nicht eine Variation des ansonsten wiederholten prospicere zutrauen?

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Iesus, descendit ad terras, subiecit se retibus mundi; uidens magnum hominum gregem retibus impeditum nec ea ab alio nisi a se posse conscindi uenit ad retia assumens corpus humanum, quod inimicarum fortitudinum laqueis tenebatur, ea tibi disrupit, et loqueris: „Ecce hic retro post parietem nostrum, prospiciens per fenestras, eminens per retia.“ a Cum eminuerit, dice〈s〉 tibi: „Respondet fratruelis meus et dicit: Surge, ueni, proxima mea“, b uiam tibi feci, conscidi retia, sic ueni ad me, proxima mea. „Surge, ueni, proxima mea, speciosa mea, columba mea.“ c Cur ait: „surge“, cur „propera“? Ego pro te sustinui rabiem tempestatum, d ego fluctus, qui tibi debebantur, excepi; tristis est facta anima mea propter te usque ad mortem; e surrexi a mortuis fractis mortis aculeis et inferni uinculis dissolutis. Ideo dico tibi: „Surge, ueni, proxima mea, speciosa mea, columba mea, quia ecce hiems transiit, pluuia abiit sibi, flores uisi sunt in terra.“ f Ego a mortuis surgens tempestate compressa tranquillitatem g reddidi. Et quia secundum dispensationem carnis ex uirgine et uoluntate patris creui et sapientia atque aetate profeci, h „flores uisi sunt in terra, tempus sectionis adest“. i Sectio remissio peccatorum est. „Omnem“ enim, ait, „ramum in me manentem et afferentem fructum pater meus mundat, ut fructus maiores afferat.“ j Habeto fructus et priora, quae in te infructuosa sunt, auferentur. „Tempus“ quippe „sectionis adest, uox turturis audita est in terra nostra.“ k Non sine causa in sacrificiis assumitur par turturum et duo pulli columbarum. Nam idem ualent et numquam dictum est separatim par tantummodo columbarum, sed „par turturum et duos pulli columbarum.“ l Columba Spia b c d Hld. 2,9 Hld. 2,10 Hld. 2,10 Vgl. Mt. 8,24 g h i j 2,10–12 Mt. 8,26 Lk. 2,52 Hld. 2,12 Joh. 15,2 5,7; 12,8 u.ö.

e

Mt. 26,38 k Hld. 2,12

f l

Hld. Lev.

143 In orat. 29,9 (GCS Orig. 2, 385) zieht Origenes diesen Gedanken heran, um die Bitte um Bewahrung vor der Versuchung im Vaterunser (Mt. 6,13; Lk. 11,4) zu erläutern: „Ich nehme an, dass der, der in der Versuchung erliegt, in sie hineingeht und in ihren Netzen festgehalten wird. In diese Netze ist der Erlöser wegen der schon vorher darin Gefangenen gegangen. Er ,schaut durch die Netze‘ (Hld. 2,9) und antwortet nach den Worten im Hohelied denen, die darin schon vorher gefangen gehalten waren und in die Versuchung hineingegangen sind, und spricht zu ihnen wie zu seiner Braut: ,Steh auf, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube!‘ (Hld. 2,10).“ Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 251 (leicht modifiziert). 144 Die Konjektur von Baehrens, GCS Orig. 8, 58.14 (übernommen von Rousseau, SC 372, 144), dices an Stelle des überlieferten dicet bzw. dicit zu schreiben, passt gut in den Kontext, in dem in der 2. Person Singular ständig der Zuhörer der Predigt angeredet und in den Handlungsablauf des Hoheliedes einbezogen wird. Der Gedanke von Simonetti, Omelie 153 Anm. zu Z. 37, an dicit festzuhalten und den Text so zu verstehen, dass das Verbum aus dem anschließend zitierten Lemma vorweggenommen wird, ist ingeniös, doch fügt sich der Text von Baehrens besser in den Kontext.

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bereitet, er ist zur Erde herabgestiegen, hat sich den Netzen der Welt unterworfen. Da er sah, dass eine große Schar von Menschen in Netze verstrickt war und diese von keinem anderen als von ihm zerrissen werden konnten, kam er zu den Netzen, indem er einen menschlichen Leib annahm, der in den Schlingen der feindlichen Mächte steckte, zerriss sie dir, und du wirst sagen: „Siehe, er ist hinter unserer Wand, schaut durch die Fenster herein, ragt aus den Netzen heraus.“a 143 Sowie er herausragt, wirst du dir sagen:144 „Mein Geliebter antwortet und sagt: Erhebe dich, komm, meine Gefährtin“,b ich habe dir einen Weg bereitet, ich habe die Netze zerrissen, so komm zu mir, meine Gefährtin! „Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube!“c Warum sagt er „erhebe dich“, warum „beeile dich“?145 Ich habe für dich das Tosen der Stürmed ertragen, ich habe die Fluten, die dir gebührten, auf mich genommen; betrübt wurde meine Seele deinetwegen bis in den Tod;e ich bin von den Toten auferstanden, wobei ich die Stacheln des Todes zerbrochen und die Fesseln der Unterwelt gelöst habe. Daher sage ich dir: „Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube, denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen hat sich verzogen, auf der Erde zeigten sich die Blumen.“f 146 Indem ich von den Toten auferstanden bin, habe ich den Sturm eingedämmt und die Ruheg wiederhergestellt. Und weil ich, der Anlage des Fleisches entsprechend, aus einer Jungfrau und aus dem Willen des Vaters herangewachsen bin und an Weisheit und Alter zugenommen habe,h „zeigten sich die Blumen auf der Erde, ist die Zeit zum Beschneiden da“.i Das Beschneiden ist die Vergebung der Sünden. Denn „jeden Zweig“, sagt er, „der in mir bleibt und Frucht bringt, reinigt mein Vater, damit er größere Früchte bringt.“j Du sollst Früchte bringen, und das frühere, das in dir unfruchtbar war, wird entfernt werden. Denn „die Zeit zum Beschneiden ist da, die Stimme der Turteltaube war zu hören in unserem Land.“k Nicht ohne Grund werden bei den Opfern ein Paar Turteltauben und zwei junge Tauben verwendet. Denn sie haben denselben Wert, und an keiner Stelle ist gesondert nur von einem Paar Tauben die Rede, sondern „von einem Paar Turteltauben und zwei jungen Tauben“.l 147 Die 145 An Stelle von ueni übersetzt Hieronymus hier propera, wie er es später in der Vulgata tun wird: Lawson, ACW 26, 370 Anm. 94. 146 In exhort. mart. 31 (GCS Orig. 1, 27) bezieht Origenes Hld. 2,10–12 auf die Herrlichkeit der Märtyrer, nachdem sie zuvor im Sturm der Verfolgung tapfer standgehalten haben. 147 Vgl. in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 297): „Wenn du in Kenntnis der göttlichen Texte dadurch, dass du meditierst wie eine Taube und im Gesetz des Herrn Tag und Nacht (Ps. 1,2) wachst, einen Sünder von seinem Irrweg abbringst, ihn, wenn er seine Liederlichkeit abgelegt hat, zur edlen Einfalt der Taube rufst und ihn dadurch, dass er den Heiligen anhängt, dazu bringst, die Gemeinschaft der Turteltaube nachzuahmen, hast du dem Herrn ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben (Lev. 5,7) dargebracht.“

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Homilia II

ritus Sanctus est. Spiritus autem Sanctus, quando de magnis et occultioribus sacramentis et quae multi capere non possunt loquitur, in turturis appellatione signatur, id est in eius auis, quae semper in montium iugis et in arborum uerticibus commoratur. In uallibus autem et his, quae ad homines usque perueniunt, columba assumitur. Denique Saluator, quia hominem est dignatus assumere et uenit ad terras multique tunc circa Iordanem peccatores erant, idcirco Spiritus Sanctus non in turturem uertitur, sed columba fit et inter nos propter hominum multitudinem auis mansuetior conuersatur. Turtur autem uidetur, uerbi gratia, Moysi et uni [quemlibet intellege] prophetarum recedentium in montes et deserta et ibi accipientium sermones Dei. „Vox“ ergo „turturis audita est in terra nostra; ficus produxit grossos suos.“ a „A fico discite parabolam; cum ramus eius tener factus fuerit et folia miserit, scitote quia iuxta est aestas.“ b Vult nobis Dei eloquium nuntiare post hiemem, post procellas animarum appropinquasse messem et ait: „Ficus protulit grossos suos, uites florescunt, dederunt odorem suum“, c rumpuntur in florem, tempus adueniet et erunt uuae. 13. „Surge, ueni, proxima mea, speciosa mea, columba mea.“ d Haec, quae superius exposuimus, sponsa non audientibus adulescentulis et sola sponsum audiens loquitur. Volumus autem et ipsius iam audire sermonem loquentis ad sponsam: „Surge, ueni, proxima mea“ – non uocat adulescentulas neque dicit: surgite, sed: „Surge, ueni, proxima mea“ – „〈speciosa mea,〉 columba mea, et ueni, columba mea, sub tegmine petrae.“ e Et Moyses in tegmine petrae ponitur, ut uideat posteriora Dei. f „In tegmine antemuralis.“ g Primum ueni ad id, quod ante murum est, et postea poteris introire, ubi murus est petrae. „Ostende mihi faciem tuam.“ h Vsque ad praesentem diem i similia dicuntur ad sponsam, necdum habebat fiduciam, ut reuelata a g

Hld. 2,12f. Hld. 2,14

b h

Mt. 24,32 Hld. 2,14

c

d Hld. 2,13 Hld. 2,13 2 Kor. 3,14

i

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Hld. 2,13f.

f

Ex. 33,22f.

148 Vgl. dazu auch frg. 20: „Die Aussage“ in Hld. 1,15, wo von Tauben die Rede ist, „bezieht sich auch auf den Geist.“ 149 So physiol. 28 (p. 258 Lauchert), dazu Lauchert, Physiologus 26. 71. Dasselbe etwas knapper in Cant. comm. III 15(IV 1),8: „Dieser Vogel verbringt sein Leben an verborgenen und von der Menge entfernten Orten, wobei er entweder Bergwüsten liebt oder die verborgenen Teile der Wälder und sich immer fern von der Menge aufhält, abgesondert von den Massen.“ 150 In etlichen Handschriften ist zu uni ergänzt: quemlibet intellege, „verstehe darunter jeden beliebigen“. Das ist so eindeutig eine in den Text eingedrungene Glosse, dass Baehrens, GCS Orig. 8, 59.17, sie zu Recht tilgt, übernommen von Rousseau, SC 372, 146. Lawson, ACW 26, 303, hingegen belässt die Junktur im Text: „it does not matter which“, und erklärt dazu, ebd. 371 Anm. 102, dass Origenes nichts daran

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Taube ist der Heilige Geist.148 Wenn der Heilige Geist aber von großen und verborgenen Geheimnissen spricht, die die Vielen nicht zu erfassen vermögen, wird er mit dem Namen der Turteltaube bezeichnet, das heißt des Vogels, der sich ständig auf Gebirgskämmen und in Baumwipfeln aufhält.149 In den Tälern aber und an den Orten, bis zu denen die Menschen gelangen, wird die Taube genommen. Weil sich der Erlöser schließlich gewürdigt hat, die menschliche Natur anzunehmen, und zur Erde gekommen ist und damals am Jordan viele Sünder waren, deshalb verwandelt sich der Heilige Geist nicht in eine Turteltaube, sondern wird eine Taube und bewegt sich unter uns wegen der Vielzahl der Menschen als umgänglicherer Vogel. Als Turteltaube aber erscheint er zum Beispiel dem Mose und jedem einzelnen150 der Propheten, die sich in die Berge und Wüsten zurückziehen und dort die Worte Gottes empfangen. „Die Stimme der Turteltaube“ also „war zu hören in unserem Land; der Feigenbaum brachte seine Triebe hervor.“a „Vom Feigenbaum lernt ein Gleichnis: Sobald sein Zweig saftig wird und Blätter hervortreibt, sollt ihr wissen, dass der Sommer nahe ist.“b Die Aussage Gottes will uns ankündigen, dass nach dem Winter, nach den Stürmen in den Seelen die Ernte nahe ist; es heißt: „Der Feigenbaum brachte seine Triebe hervor, die Weinreben blühen und verströmten ihren Duft,“c sie brechen in Blüte aus, die Zeit wird kommen und sie werden Weintrauben sein. 13. „Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube!“d Das, was wir weiter oben ausgelegt haben, spricht die Braut, ohne dass die Mädchen es hören und sie allein den Bräutigam hört. Wir wollen nunmehr aber auch seine Rede hören, wie er zur Braut sagt: „Erhebe dich, komm, meine Gefährtin“ – er ruft nicht die Mädchen und sagt nicht: erhebt euch, sondern: „Erhebe dich, komm, meine Gefährtin“ –, „〈meine Schöne,〉151 meine Taube, und komm, meine Taube, im Schutz des Felsens!“e Auch Mose wird in den Schutz des Felsens gestellt, so dass er den Rücken Gottes sieht.f 152 „Im Schutz der Vormauer.“g Zuerst komm zu dem, was vor der Mauer ist, und danach wirst du da eintreten können, wo die Mauer des Felsens ist. „Zeige mir dein Antlitz!“h Bis auf den heutigen Tagi werden ähnliche Worte an die Braut gerichtet, doch sie besaß noch nicht die Zu-

liegt, den Propheten zu identifizieren. Ebenso verfährt Simonetti, Omelie 102 mit der Erklärung ebd. 154 Anm. zu Z. 69. 151 Speciosa mea fehlt in den Handschriften und wird von Baehrens, GCS Orig. 8, 60.5, nach dem Septuagintatext ergänzt, der unmittelbar davor vollständig zitiert wurde, übernommen von Lawson, ACW 26, 304, und Rousseau, SC 372, 148 (jeweils ohne Kennzeichnung als Ergänzung), nicht jedoch von Simonetti, Omelie 104. 152 Zu dieser Verknüpfung von Hld. 2,14 mit Ex. 33,22f., die Origenes auch im Kommentar vornimmt (in Cant. comm. III 16[IV 2],12), siehe das Zitat von in Hier. hom. 16,2 (GCS Orig. 32, 134) in OWD 9/1, 409 Anm. 495.

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Homilia II

facie gloriam Domini contemplaretur. a Quia uero iam ornata est atque composita, dicitur ei: „Ostende mihi faciem tuam.“ Nondum erat uox ipsius ita suauis, ut mereretur ei dici: „Audire me fac uocem tuam.“ b Quando ergo didicit loqui – „tace“ enim „et audi Istrahel“ c – et scit, quid loquatur, et suauis facta est sponso uox eius secundum illud propheticum: „Suauis fiat ei disputatio mea,“ d tunc ad eam sponsus effatur: „Et audire me fac uocem tuam, quia uox tua suauis est.“ e Si aperueris os tuum Verbo Dei, dicet tibi sponsus: „Vox tua suauis et adspectus tuus speciosus.“ f Quapropter consurgentes deprecemur Deum, ut digni efficiamur sponso, Sermone, sapientia, Christo Iesu, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ g a b 2 Kor. 3,18 Hld. 2,14 g 2,14 1 Petr. 4,11

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Dtn. 27,9

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Ps. 103(104),34

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Hld. 2,14

f

Hld.

153 Zu dieser „Zuversicht“ siehe oben S. 80 Anm. 38 zu in Cant. hom. 1,5. 154 Mit dieser Aussage in 2 Kor. 3,18 verweist Origenes gerne auf den Höhe- und Endpunkt des Aufstiegs der Seele zu Gott, beispielsweise in Ioh. comm. XXXII 28,357 (GCS Orig. 4, 474). Weitere Hinweise bei Simonetti, Omelie 155 Anm. zu Z. 12.

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Homilie 2,13

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137

versicht,153 mit unverhülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn zu schauen.a 154 Weil sie aber bereits geschmückt und hergerichtet ist, wird zu ihr gesagt: „Zeige mir dein Antlitz!“ Noch war ihre Stimme nicht so süß, dass sie es verdient hätte gesagt zu bekommen: „Lass mich deine Stimme hören!“b Wenn sie also gelernt hat zu sprechen – „schweige“ nämlich „und höre, Israel“c – und weiß, was sie sagen soll, und ihre Stimme für den Bräutigam süß geworden ist gemäß jenem prophetischen Wort: „Süß soll für ihn meine Rede werden“,d dann spricht der Bräutigam zu ihr: „Und lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß.“e Wenn du deinen Mund für das Wort Gottes öffnest, wird der Bräutigam zu dir sagen:155 „Deine Stimme ist süß und dein Anblick schön.“f Deshalb wollen wir uns erheben und Gott bitten, dass wir würdig werden des Bräutigams, des Wortes, der Weisheit, Christi Jesu. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“g 156

155 Die Bevorzugung von dicit vor dicet durch Simonetti, Omelie 156 Anm. zu Z. 20, passt nicht zur Verbform aperueris im vorausgehenden si-Satz. 156 Zu den Schlussdoxologien des Origenes, in denen wie hier mit der Aufforderung aufzustehen manchmal das liturgische Setting seiner Predigten deutlich wird, siehe Crouzel, Doxologie finales. Weiteres dazu bei Fürst, OWD 7, 171 Anm. 101.

Fragmente

Das Fragment aus dem Hoheliedkommentar der Jugendzeit Fragmentum (Philocalia 7,1; Barba`ra App. 1) PeriÁ toy Ä iÆdivÂmatow tv Ä n prosvÂpvn th Ä w ueiÂaw grafh Ä w. ÆEk toy Ä eiÆw toÁ ËAisma mikroy Ä toÂmoy, oÊn eÆn th Äì neoÂthti eÍgracen. Tv Äì mhÁ eÆjeilhfoÂti toÁ iÆdiÂvma tv Ä n prosvÂpvn th Ä w grafh Ä w, tv Ä n te legoÂntvn kaiÁ tv Ä n proÁw aÊ oë loÂgow, pollhÁn pareÂxei syÂgxysin taÁ legoÂmena zhtoy Ä nti, toÁ leÂgon proÂsvpon oÏ ti pote eÆsti kaiÁ toÁ proÁw oÊ oë loÂgow oëpoiÄon kaiÁ poÂte toÁ leÂgon eÆpayÂsato proÂsvpon, toy Ä proÁw oÏ eÆsti pollaÂkiw throymeÂnoy kaiÁ eëteÂroy proÁw toÁ ayÆtoÁ leÂgontow hà toy Ä proÁw oÊ oë loÂgow oyÆkeÂti aÆkoyÂontow, eëteÂroy deÁ diadejameÂnoy taÁ legoÂmena meÂnontow toy Ä leÂgontow´ eÍsti d’ oÏte metabaÂllei aÆmfoÂtera, kaiÁ toÁ leÂgon kaiÁ toÁ proÁw oÊ oë loÂgow´ hà eÆpiÁ pleiÄon meÂnonta aÆmfoÂtera oyÆ safv Ä w dhloy Ä tai meÂnonta. Ti deÁ deiÄ paraÂdeigma zhteiÄn eënoÁw eëkaÂstoy toyÂtvn, paÂny tv Ä n profhtikv Ä n peplhrvmeÂnvn th Äw diafora Ä w ayÆtv Ä n; ÏHtiw kaiÁ aiÆtiÂa eÆstiÁn oyÆx hë tyxoy Ä sa mhÁ diakrinomeÂnh th Äw aÆsafeiÂaw tv Ä n legomeÂnvn. ÍEsti deÁ kaiÁ ayÏth synhÂueia th Ä w grafh Ä w, toÁ taxeÂvw metaphda Äì n aÆpoÁ toy Ä peri tinvn loÂgoy eiÆw toÁn periÁ eëteÂrvn kaiÁ toy Ä to aÆsafv Ä w poieiÄn kaiÁ yëposygkexymeÂnvw maÂlista toyÁw profhÂtaw.

1

In der lateinischen Fassung des großen Hoheliedkommentars aus den Reifejahren weist Origenes auf den Wechsel der Personen und Gesprächskonstellationen lediglich als Merkmal der Dramenform hin, in der das Hohelied nach seiner Auffassung verfasst ist, ohne die sich daraus ergebenden Verständnisschwierigkeiten anzusprechen; in Cant. comm. prol. 1,3: „Von einem Drama spricht man nämlich, wo so, wie eine Geschichte auf der Bühne dargestellt zu werden pflegt, verschiedene Personen auftreten und sich die Erzählung im Auftreten und Abtreten der einzelnen Personen in unterschiedlichen Gesprächskonstellationen entfaltet.“ In den Katenenfragmenten zum großen Hoheliedkommentar kommt die Gattungsbestimmung des

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Das Fragment aus dem Hoheliedkommentar der Jugendzeit Fragment aus der Philokalie Über die Identität der Personen der göttlichen Schrift. Aus dem kleinen Band zum Hohelied, den er in seiner Jugend geschrieben hat.

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Wer die Identität der Personen der Schrift nicht begriffen hat, sowohl der sprechenden als auch der angesprochenen, für den bietet der Text (sc. des Hoheliedes) ein großes Durcheinander, wenn er fragt, wer denn die sprechende Person ist und wer die angesprochene und wann die sprechende Person zu reden aufgehört hat, wobei die angesprochene Person oft beibehalten wird, während eine andere zu derselben spricht, oder die angesprochene Person nicht mehr zuhört, während eine andere das Gesagte aufnimmt, der Sprecher aber derselbe bleibt. Es gibt aber auch den Fall, dass beide wechseln, sowohl die sprechende als auch die angesprochene Person, oder auch, dass beide bleiben, ohne dass deutlich gemacht wird, dass sie bleiben.1 Wozu muss man für jeden dieser Fälle ein Beispiel suchen, wo doch die prophetischen Schriften übervoll sind von diesen verschiedenen Konstellationen? Dies ist auch, wenn man diese Unterscheidungen nicht macht, eine nicht unerhebliche Ursache für die Unklarheit des Textes.2 Es ist aber auch dies eine Eigenheit der Schrift, allzu schnell von der Darstellung einer Sache zu der einer anderen zu springen, und dies macht besonders die Propheten unklar und verworren.

2

Hoheliedes als eines Dramas nur einmal indirekt im Adjektiv „dramatisch“ zum Ausdruck (frg. 27). Vgl. Perrone, Dramatic Interpretation 81f. Auf die Unklarheit der Bibel als wichtigsten Grund für ihre Erklärungsbedürftigkeit hat Origenes oft hingewiesen; vgl. etwa philoc. 2,2.3 (SC 302, 242. 244); 5,1 (302, 284–286) = in Ioh. comm. V 1 (GCS Orig. 4, 100); in Regn. frg. 10 (GCS Orig. 32, 298); und bes. princ. IV 3 (GCS Orig. 5, 323–347). Siehe dazu Harl, Se´mantique 174–181; Fürst, Bibel und Kosmos 131–134; zum vorliegenden Fragment vgl. auch Villani, Prosopopoiie 140f.

Die Fragmente aus dem Hoheliedkommentar Fragmente aus dem Prolog Fragmentum 1 (CChr.SG 67, lxxxix; Barba`ra App. 2) 2,1. PolloiÁ tv Ä n par’ ÏEllhsi sofv Ä n periÁ eÍrvtow loÂgoy [...] thÁn cyxhÁn eÆp’ ayÆthÁn thÁn oyÆraniÂan aÆciÂda. 20. ÆAll’ oÏmvw hë ueiÄa grafhÁ toÁ tv Än aÆnurvÂpvn oÆlisuhroÁn eÆpistameÂnh toÁn eÍrvta diaÁ toyÁw aÆsuenesteÂroyw aÆgaÂphn kaleiÄ, vëw eÆn tv Äì ´ „EiÆsh Ä lue deÁ ÆIsaaÁk eiÆw toÁn oiËkon SaÂrraw th Ä w mhtroÁw ayÆtoy Ä kaiÁ eÍlabe thÁn ëRebeÂkkan, kaiÁ eÆgeÂneto ayÆtoy Ä gynhÂ, kaiÁ hÆgaÂphsen ayÆthÂn“· a kaiÁ paÂlin´ „ëRaxhÁl deÁ kalhÁ tv Äì eiÍdei kaiÁ vëraiÂa th Äì oÍcei. ÆHgaÂphse deÁ ÆIakvÁb thÁn ëRaxhÂl.“ b 21. Toy Ä to deÁ safeÂstata deÂdhlvken eÆpiÁ toy Ä eÆrasueÂntow ÆAmnoÁn th Ä w aÆdelfh Ä w. 22. SpaniaÂkiw deÁ protreÂpetai hëma Ä w eÆpiÁ toÁ eÆra Än hë grafh´ leÂgei gaÁr periÁ sofiÂaw oë SolomvÂn´ „ÆEraÂsuhti ayÆth Ä w, kaiÁ thrhÂsei se.“ c 23. ÆEpeiÁ gaÁr oyÆk hËn oÆliÂsuoy tinoÁw aÆformhÂ, tv Äì toy Ä eÍrvtow eÆpiÁ sofiÂaw oÆnoÂmati keÂxrhtai´ eiÆ deÁ periÁ ëRebeÂkkaw eiÍrhtai kaiÁ ëRaxhÂl, eÍblapte toyÁw neÂoyw oë loÂgow.

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Fragmentum 2 (Barba`ra App. 3) 2,6. ëOmvÂnyma tina toiÄw symbaiÂnoysi kataÁ toÁn eÍjv aÍnurvpon eÆstiÁ kaiÁ paraÁ toÁn eÍsv kaiÁ aÆnalogiÂan proÁw aÍllhla eÍxonta. 7. OiÎon kataÁ taÁw hëlikiÂaw eÆstiÁ paidiÂon kataÁ toÁn eÍjv aÍnurvpon, oÏper eÆpidexoÂmenon ayÍjhsin eÆpiÁ toÁn neaniÂskon fuaÂnei, eÏvw oyÎ xrhmatiÂsaw aÆnhÁr geÂnhtai pathÂr. Xrv Ä mai deÁ toyÂtoiw toiÄw oÆnoÂmasi diaÁ thÁn grafhÁn thÁn paraÁ tv Äì ÆIvaÂnnhì eÆn th Äì kauolikh Äì eÆpistolh Äì taÁ triÂa taÂjaw oÆnoÂmata tay Ä ta. ëOmvnyÂmvw deÁ kaiÁ aÆnaloÂgvw toiÄw a

3

4

Gen. 24,67

b

Gen. 29,17f.

c

Spr. 4,6

Die Junktur geht zurück auf Platon, Phaidr. 247a–b, wo allerdings davon die Rede ist, dass die Wagen der Götter am „Gewölbe unter dem Himmel“ (eÆpiÁ thÁn yëpoyraÂnion aëciÂda) dahinfahren. Auwers, L’interpre´tation du Cantique 442 Anm. 92, verweist auf Platon, symp. 209e–212c. Während Auwers, L’interpre´tation du Cantique 442–446, dieses Fragment nur wie Barba`ra, BPat 42, 290f., bis einschließlich prol. 2,22 abdruckt und übersetzt bzw. bespricht, ergänzen Auwers/Gue´rard, CChr.SG 67, lxxxix, den Text um den Satz,

20

Die Fragmente aus dem Hoheliedkommentar Fragmente aus dem Prolog Fragment 1 zu prol. 2,1; 2,20–23 5

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15

2,1. Viele der Weisen bei den Griechen, (die) über den Eros gehandelt haben, (haben gelehrt, dass der Eros) die Seele bis hinauf in das Himmelsgewölbe3 (führt). 20. Gleichwohl aber bezeichnet die göttliche Schrift, weil sie die Anfälligkeit der Menschen kennt, den Eros wegen der Schwächeren als Liebe, zum Beispiel in der Aussage: „Isaak aber ging in das Haus Saras, seiner Mutter, und nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb“;a und desgleichen: „Rahel aber war schön an Gestalt und anmutig an Aussehen. Jakob aber gewann Rahel lieb.“b 21. Dies hat die Schrift auf deutlichste Weise an Amnon klar gemacht, der sich in seine Schwester verliebt. 22. Selten aber ermuntert uns die Schrift dazu, uns zu verlieben; Salomo nämlich sagt über die Weisheit: „Verliebe dich in sie, und sie wird dich erhalten.“c 23. Weil es nämlich keine Veranlassung für eine gewisse Schlüpfrigkeit bot, wurde für die Weisheit der Begriff ,Eros‘ gebraucht. Würde aber von Rebekka und Rachel so geredet werden, würde das Wort die jungen Leute verderben.4

Fragment 2 zu prol. 2,6–9 20

25

2,6. Es gibt bestimmte homonyme Begriffe5 für Aspekte des äußeren und des inneren Menschen, die eine Analogie zueinander aufweisen. 7. Zum Beispiel gibt es hinsichtlich der Lebensalter ein Kind gemäß dem äußeren Menschen, das, wenn es heranwächst, das Jünglingsalter erreicht, bis dahin, dass es, wenn es als Mann bezeichnet wird, Vater wird. Ich gebrauche aber diese Begriffe aufgrund dessen, was bei Johannes in dem katholischen Brief geschrieben steht, wobei ich diese drei Begriffe in eine Ordnung gebracht habe. Auf gleichnamige und analoge Weise, wie diese drei Be-

5

der prol. 2,23 entspricht (Barba`ra, ebd. 518, gibt nur eine verstümmelte Version davon). Die Definition des Aristoteles, cat. 1, 1a: „Homonym (gleichnamig) heißen Dinge, die nur den Namen gemein haben, während der zum Namen gehörige Wesensbegriff verschieden ist“ (Übersetzung: p. 1 Rolfes), zitiert Origenes wörtlich in Hier. hom. 20,1 (GCS Orig. 32, 177). Zum biblischen Phänomen der Homonymie vgl. philoc. 9,1f. (SC 302, 350–356) am Beispiel des Wortes noÂmow; Cels. VII 34 (GCS Orig. 2, 184) zu den Anthropomorphismen der biblischen Gottesbilder.

144

Fragmenta

kataÁ toÁn eÍjv aÍnurvpon toyÂtoiw trisiÁ kaiÁ eiÍpoimi aÍn, oÏti eÆsti tiw paidiÂon kataÁ toÁn eÍsv aÍnurvpon oÏmoion, oëpoiÄoÂw pot’ aÃn eiÍh oÏmoiow toy Ä toioyÂtoy oë eÍjv. OyÏtv kaiÁ neaniÂskow kataÁ toÁn kryptoÁn th Ä w kardiÂaw aÍnurvpon· a aÆkoÂloyuon deÁ toyÂtoiw eÆsti leÂgein, oÏti tiw kaiÁ eÍsv aÆnhÁr kaiÁ pathÂr. LeÂgei deÁ oyÏtvw oë ÆIvaÂnnhw´ „ÍEgraca yëmiÄn, paidiÂa, oÏti eÆgnvÂkate toÁn pateÂra´ eÍgraca yëmiÄn, pateÂrew, oÏti eÆgnvÂkate toÁn aÆp’ aÆrxh Ä w´ eÍgraca yëmiÄn, neaniÂskoi, oÏti iÆsxyroi eÆste kaiÁ oë loÂgow toy Ä ueoy Ä meÂnei eÆn yëmiÄn kaiÁ nenikhÂkate toÁn ponhroÂn.“ b SafeÁw d’ oiËmai kaiÁ tv Äì tyxoÂnti tygxaÂnei, oÏti toiÄw thÁn cyxhÁn paidiÂoiw kaiÁ neaniÂskoiw kaiÁ patraÂsi tay Ä ta leÂgei graÂfein. 8. KaiÁ Pay Ä low de poy fhsi´ „OyÆk hÆdynhÂuhn yëmiÄn lalh Ä sai vëw pneymatikoiÄw, aÆll’ vëw sarkikoiÄw´ vëw nhpiÂoyw eÆn Xristv Äì gaÂla yëma Ä w eÆpoÂtisa, oyÆ brv Ä ma.“ c ëO deÁ eÆn Xristv Äì nhÂpiow thÁn cyxhÁn toioÂsde tiw v à n oyÏtvw oÆnomaÂzetai, kauvÁw kaiÁ aÆllaxoy Ä oë ayÆtoÁw Pay Ä low fhsiÂn´ „ÏOte hÍmhn nhÂpiow, vëw nhÂpiow eÆlaÂloyn, vëw nhÂpiow eÆfroÂnoyn, vëw nhÂpiow eÆlogizoÂmhn.“ EiËt’ eÆpeiÁ mhÁ eÍmeinen eÆn tv Äì nhpiÂv, ì fhsiÂn´ „ÏOte deÁ eÆgenoÂmhn aÆnhÂr, kathÂrghka taÁ toy Ä nhpiÂoy.“ d OyÏtvw aÆkoyÂv kaiÁ toy Ä ´ „MeÂxri katanthÂsvmen oië paÂntew eiÆw aÍndra teÂleion, eiÆw meÂtron hëlikiÂaw toy Ä plhrvÂmatow toy Ä Xristoy Ä “· e oiËde gaÁr katanthÂsontaw paÂntaw toyÁw pisteyÂontaw eiÆw aÍndra teÂleion kaiÁ meÂtra nohth Ä w hëlikiÂaw. 9. ÏVsper deÁ paraÁ toÁn eÍsv aÍnurvpon kaiÁ toÁn eÍjv aÍnurvpon tay Ä ta symbeÂbhken oëmvÂnyma kaiÁ aÆnalogiÂan eÍxonta proÁw aÍllhla, oyÏtvw eyÏroiw aÃn kaiÁ taÁ oÆnoÂmata tv Ä n melv Än toy Ä svÂmatow metaferoÂmena eÆpiÁ thÁn cyxhÂn.

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Fragmente aus Buch I Fragmentum 3 (Prokop 6; Barba`ra 1) Hld. 1,2 a FilhsaÂtv me aÆpoÁ filhmaÂtvn stoÂmatow ayÆtoyÄ.

KaiÁ aÍllvw´ MhÁ diaÁ profhtv Ä n me mnhsteysaÂtv, f fhsiÂn, di’ eëaytoy Ä deÁ oëmilhsaÂtv kat’ aiÍsuhsin pneymatikhÂn, di’ hÎw oë ÆIvaÂnnhw fhsi´ „KaiÁ aië xeiÄrew 1 Petr. 3,4 Hos. 2,21f.

a

6

b

1 Joh. 2,13f.

c

1 Kor. 3,1f.

d

1 Kor. 13,11

e

Eph. 4,13

f

Vgl.

Nach dem Origenesfragment in cat. Pal. in Ps. 118,169 (SC 189, 456) ist der „innere Mensch“ in Röm. 7,22 und Eph. 3,16 „der verborgene Mensch des Herzens“ in 1 Petr. 3,4. Zum inneren Menschen siehe bes. in Cant. comm. I 4,16–20.

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Fragmente 2–3

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145

zeichnungen auf den äußeren Menschen angewendet werden, könnte ich aber auch sagen, dass jemand auf ähnliche Weise ein Kind nach dem inneren Menschen ist, wie beschaffen auch immer der diesem ähnliche äußere Mensch sein mag. Ebenso ist er auch ein Jüngling in Bezug auf den verborgenen Menschen des Herzens.a 6 Folgerichtig aber kann man sagen, dass jemand auch im Innern ein Mann und ein Vater ist. Johannes aber drückt sich so aus: „Ich habe euch geschrieben, Kinder, weil ihr den Vater erkannt habt; ich habe euch geschrieben, Väter, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist; ich habe euch geschrieben, Jünglinge, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen besiegt habt.“b Ich halte es aber für klar und jedem offensichtlich, dass er sagt, er schreibe dies denen, die in Bezug auf die Seele Kinder und Jünglinge und Väter sind. 8. Doch auch Paulus sagt irgendwo: „Ich konnte mit euch nicht reden wie mit geistig gesonnenen Menschen, sondern wie mit fleischlich gesonnenen; als Kinder in Christus habe ich euch mit Milch genährt, nicht mit fester Speise.“c Das Kind in Christus wird aber so genannt, weil es in Bezug auf die Seele ein solches ist, wie derselbe Paulus auch anderswo sagt: „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, überlegte ich wie ein Kind.“ Und dann, weil er ja nicht im Kindesalter geblieben ist, sagt er: „Als ich aber ein Mann geworden war, habe ich abgelegt, was zu einem Kind gehört.“d So verstehe ich auch folgende Aussage: „Bis wir alle in den Stand eines vollkommenen Mannes gelangen, in das Maß des Alters der Fülle Christi.“e Er weiß nämlich, dass alle Gläubigen in den Stand eines vollkommenen Mannes und zu den Maßen des geistigen Alters gelangen werden. 9. Wie aber diese homonymen und sich zueinander analog verhaltenden Begriffe auf den inneren Menschen wie auf den äußeren Menschen zutreffen, so dürftest du finden, dass auch die Begriffe für die Glieder des Leibes auf die Seele übertragen werden.

Fragmente aus Buch I Fragment 3 zu I 1,7 (Hld. 1,2)

30

Hld. 1,2a Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes.

Und auf andere Weise:7 Nicht durch die Propheten soll er um mich werben,f sagt sie (sc. die Braut), sondern er selbst soll auf geistig wahrnehm-

7

Mit dieser Junktur wird in den Katenen eine weitere Auslegung an die davor zitierte angefügt. Nach Auwers, L’interpre´tation du Cantique 345–347, enthält das Stück im Kontext der Katene Gedanken, die vielleicht von Philon von Karpasia stammen.

146

Fragmenta

hëmv Ä n eÆchlaÂfhsan periÁ toy Ä loÂgoy th Ä w zvh Ä w.“ a Tay Ä ta de fhsin vëw tv Än profhtv Ä n eiÆpoÂntvn aÆkoyÂsasa´ „ÆEpeuyÂmhsen oë basileyÁw toy Ä kaÂlloyw soy“, b kaiÁ aÍlloy´ „ÊOn troÂpon eyÆfranuhÂsetai nymfiÂow eÆpiÁ nyÂmfhn, oyÏtvw eyÆfranuhÂsetai kyÂriow eÆpiÁ soiÂ.“ c

Fragmentum 4 (Prokop 7; Barba`ra 2)

5

ëOsaÂkiw de ti zhtoy Ä ntew ueiÄon doÂgma katalambaÂnomen, katapefilh Ä suai aÆpoÁ toy Ä stoÂmatow toy Ä nymfiÂoy nomiÂsvmen´ eÆn oÏsvì deÁ aÆporoy Ä men, yëpolaÂbvmen eyÆxoÂmenoi leÂgein to· FilhsaÂtv me aÆpoÁ filhmaÂtvn stoÂmatow ayÆtoy Ä.

Fragmentum 5 (Prokop 11; Barba`ra 3) Hld. 1,2b ÏOti aÆgauoiÁ mastoi soy yëpeÁr oiËnon, 1,3a kaiÁ oÆsmhÁ myÂrvn soy yëpeÁr paÂnta taÁ aÆrvÂmata.

10

Pollv Ä n oÍntvn oiÍnvn eÆn th Äì grafh Äì kreittoÂnvn te kaiÁ xeiroÂnvn, ny Ä n toiÄw kreiÂttosin oië toy Ä nymfiÂoy mastoiÁ paratiÂuentai´ oyÆ gaÁr aÃn toiÄw xeiÂrosi synekriÂuhsan. ëH toiÂnyn nyÂmfh polloiÄw kaiÁ diafoÂroiw oiÍnoiw eÆneyfranueiÄsa d kaiÁ sxoy Ä sa paraskeyhÁn eiÆw toÁ deÂjasuai toyÁw kreiÂttonaw toyÂtvn toy Ä nymfiÂoy mastoyÂw, toy Ä to fhsin protimv Ä sa toyÂtoyw oiÍnoy toy Ä eÆn noÂmvì te kaiÁ profhÂtaiw. e KaiÁ toÁ periÁ tv Ä n myÂrvn deÁ tv Äì periÁ toy Ä oiÍnoy tayÆtoÂn´ oÏra deÁ, vëw eÆpiÁ meÁn th Ä w eyÆaggelikh Ä w politeiÂaw oÆsmhÁn eÍfh, eÆpiÁ deÁ th Ä w nomikh Ä w latreiÂaw ayÆtaÁ teÂueike taÁ aÆrvÂmata dhlv Ä n eÆkeiÂnhw meÁn toÁ yëpereÂxon kaiÁ pneymatikoÂn, tayÂthw deÁ toÁ paxyÂ. a

8

1 Joh. 1,1

b

Ps. 44(45),12

c

Jes. 62,5

d

Ps. 103(104),15

e

Mt. 7,12

Zur Theorie der geistigen Sinneswahrnehmung siehe OWD 9/1, 68 Anm. 26, ferner oben S. 29–35. 43 f. 9 Auch in Cant. hom. 1,2 deutet Origenes den Satz als Gebet der Braut. 10 Die Zuweisung dieses Fragments ist unsicher, weil es in der Überlieferung sowohl Apolinaris von Laodizea als auch Origenes zugeschrieben wird: Barba`ra, BPat 42, 306; Auwers, CChr.SG 67, 16. Der ursprüngliche Text des Origenes, der Rufins Übersetzung zugrundelag, ist offensichtlich stark zusammengefasst (vgl. Barba`ra, ebd. 307): Der erste Teil bezieht sich auf in Cant. comm. I 2,19f. des lateinischen Textes (GCS Orig. 8, 96.18–26), der zweite auf ebd. I 3,1f. (8, 98.1–13).

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Fragmente 3–5

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bare Weise8 Kontakt pflegen, weswegen Johannes sagt: „Und unsere Hände haben das Wort des Lebens berührt.“a Dies aber sagt sie, als hätte sie die Propheten sagen hören: „Der König begehrte deine Schönheit“,b und andernorts: „Wie der Bräutigam sich über die Braut freuen wird, so wird der Herr sich über dich freuen.“c

Fragment 4 zu I 1,14 (Hld. 1,2)

10

So oft wir aber bei unseren Untersuchungen eine göttliche Lehre begreifen, wollen wir glauben, dass wir einen Kuss vom Mund des Bräutigams empfangen haben; sofern wir aber ratlos sind, wollen wir im Gebet9 sprechen: Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes.

Fragment 5 zu I 2,19f.; 3,1f. (Hld. 1,2f.)10 Hld. 1,2b Denn deine Brüste sind besser als Wein, 1,3a und der Duft deiner Salböle besser als alle Duftkräuter. 15

20

25

Da es in der Schrift viele Arten von Wein gibt, bessere und schlechtere, werden nun die Brüste des Bräutigams11 zu den besseren gestellt, denn mit den schlechteren hätten sie nicht verglichen werden können. Die Braut also, die sich an vielen und verschiedenen Weinen erfreut hatd und darauf vorbereitet ist, die Brüste des Bräutigams, die besser sind als diese, zu empfangen, sagt dies, weil sie diese dem Wein vorzieht, den es im Gesetz und in den Prophetene gibt. Und die Aussage über die Salböle hat denselben Sinn wie die über den Wein. Beachte aber, wie für die Lebensweise nach dem Evangelium12 von Duft die Rede ist, für den Gottesdienst nach dem Gesetz aber Duftkräuter dasteht als Hinweis auf das überlegene und geistige Wesen des ersteren, das grobe hingegen des letzteren.

11 Origenes deutet die „Brüste“ des Bräutigams als dessen Hegemonikon (siehe dazu unten S. 149 Anm. 17 zu frg. 7), also den führenden Teil seines Herzens, in dem sich sein Verstand und seine Lehren befinden: in Cant. comm. I 2,6f. In Hiez. hom. 6,4 (GCS Orig. 8, 382) versteht Origenes mit ausdrücklichem Bezug auf das Hohelied unter den „Brüsten“ des Bräutigams seine Gedanken (cogitationes) und seinen Verstand (mens). 12 Für die Wendung der „Lebensweise nach dem Evangelium“ (hë eyÆaggelikhÁ politeiÂa) vgl. in I Cor. frg. 43 (p. 513 Jenkins; Opere di Origene 14/4, 166): hë politeiÂa hë kataÁ toÁ eyÆaggeÂlion.

148

Fragmenta

Fragmentum 6 (Prokop 12; Barba`ra 4) Hld. 1,3b MyÂron eÆkkenvueÁn oÍnoma soy· c diaÁ toyÄto neaÂnidew hÆgaÂphsaÂn se.

TaÂxa profhteyÂei toy Ä oÆnoÂmatow toy Ä Xristoy Ä thÁn toÁn koÂsmon plhrvÂsasan dyÂnamin kataÁ thÁn ayÆtoy Ä paroysiÂan, v Ï ste geneÂsuai kataÁ Pay Ä lon „oiÎw meÁn oÆsmhÁn eÆk uanaÂtoy eiÆw uaÂnaton, oiÎw deÁ eÆk zvh Ä w eiÆw zvhÂn“. a EiÆ gaÁr pa Ä sin hËn eiÆw zvhÂn, eiËpen aÃn hë nyÂmfh· DiaÁ toy Ä to paÂntew hÆgaÂphsaÂn se, aÆll’ oyÆ moÂnon aië neaÂnidew oëshmeÂrai aÆnaneoyÂmenai b kaiÁ mhÁ eÍxoysai rëytiÂda hà spiÄlon. c ÆEjekenvÂuh deÂ, vëw mhkeÂti sivpa Ä suai katakekleismeÂnon eÆn aÆporrhÂtoiw.

5

10

Fragmentum 7 (Prokop 20; Barba`ra 5) Hld. 1,4c EiÆshÂnegkeÂn me oë basileyÁw eiÆw toÁ tamieiÄon ayÆtoyÄ.

ÍHgoyn aÍdyton thÁn aÆjieÂraston leÂgei cyxhÁn hà eÆkklhsiÂan hà toÁ hëgemonikoÁn toy Ä Xristoy Ä , eiÆw oÊ Pay Ä low eiÆseluvÁn eÍfh´ „ëHmeiÄw deÁ noy Ä n Xristoy Ä eÍxomen, Ïina eiÆdv Ä men taÁ yëpoÁ ueoy Ä xarisueÂnta hëmiÄn.“ d TiÂna deÁ tay Ä ta; „ÊA oÆfualmoÁw oyÆk eiËde kaiÁ oyËw oyÆk hÍkoyse kaiÁ eÆpiÁ kardiÂan aÆnurvÂpoy oyÆk aÆneÂbh“´ tay Ä ta gaÁr „hëtoiÂmasen oë ueoÁw toiÄw aÆgapv Ä sin ayÆtoÂn.“ e ÆEn gaÁr tv Äì tamieiÂvì toyÄ nymfiÂoy paÂntew oië uhsayroiÁ thÄw sofiÂaw kaiÁ thÄw gnvÂsevw aÆpoÂkryfoi. f AyÏth meÁn gaÁr vëw prolaboy Ä sa taÁw neaÂnidaw eiÆshÂxuh kaiÁ pareÂsth vëw basiÂlissa eÆk dejiv Ä n toy Ä basileÂvw eÆn iëmatismv Äì diaxryÂsvì g kataÁ toÁn DayiÉd´ periÁ deÁ tv Ä n neaniÂdvn´ „ÆApenexuhÂsontai tv Äì basileiÄ parueÂnoi oÆpiÂsv ayÆth Ä w“ h kaiÁ taÁ eëjh Ä w.

15

20

Fragmentum 8 (Prokop 27; Barba`ra 6) Hld. 1,4e ÆAgaphÂsomen mastoyÂw soy yëpeÁr oiËnon´ f eyÆuyÂthw hÆgaÂphseÂn se. b c 2 Kor. 2,16 2 Kor. 4,16 Eph. 5,27 g h 2,3 Ps. 44(45),10 Ps. 44(45),15 a

d

1 Kor. 2,16.12

25

e

1 Kor. 2,9

f

Kol.

13 Die Ergänzung, die Barba`ra, BPat 42, 154, hier nach dem lateinischen Text des Rufinus vornimmt, ist unnötig, weil der griechische Text so, wie er überliefert ist, verständlich ist. 14 Zur Bedeutung von aÆpoÂrrhta bei Origenes siehe princ. IV 2,3 (GCS Orig. 5, 310f.) von den „unaussprechlichen Geheimnissen“ in der Offenbarung des Johannes, in Ioh. comm. VI 12,73 (GCS Orig. 4, 121) und Cels. VI 31 (GCS Orig. 2, 100) von unaussprechlichen Lehren.

Fragmente 6–8

149

Fragment 6 zu I 4,2f. (Hld. 1,3) Hld. 1,3b Ausgegossenes Salböl ist dein Name; c deshalb haben sich Mädchen in dich verliebt. 5

10

Vielleicht redet sie (sc. die Braut) prophetisch über die Kraft des Namens Christi, die den Kosmos bei seiner Ankunft erfüllte, so dass13 er nach Paulus „den einen ein Geruch vom Tode zum Tode, den anderen vom Leben zum Leben“a wurde. Wenn er nämlich allen zum Leben gewesen wäre, hätte die Braut gesagt: Deswegen haben sich alle in dich verliebt, und nicht nur die Mädchen, die von Tag zu Tag erneuert werdenb und weder Runzel noch Schmutz an sich haben.c Er wurde aber ausgegossen, damit nicht mehr verschwiegen bleibe, was im Unaussprechlichen14 verschlossen war.15

Fragment 7 zu I 5,1–4; 5,8f. (Hld. 1,4) Hld. 1,4c Der König führte mich in seine Schatzkammer hinein. 15

20

25

Sie (sc. die Schrift) bezeichnet also als Allerheiligstes die liebenswerte Seele16 oder die Kirche oder das führende Prinzip17 in der Seele Christi, zu dem Paulus Zugang hatte, als er sagte: „Wir aber haben den Sinn Christi, damit wir erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist.“d Was aber ist das? „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gedrungen ist“, denn dies „hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“e In der Schatzkammer des Bräutigams sind nämlich alle Schätze18 der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.f Denn sie (sc. die Braut) wurde, als hätte sie die Mädchen überholt, hineingeführt und stellte sich wie eine Königin zur Rechten des Königs in einem goldbestickten Gewand,g wie David sagt; über die Mädchen aber: „Nach ihr werden dem König Jungfrauen zugeführt werden“h und so weiter.

Fragment 8 zu I 6,3.5.6.11 (Hld. 1,4) Hld. 1,4e Wir wollen deine Brüste mehr lieben als Wein. f Aufrichtig haben wir uns in dich verliebt.

15 Den letzten Gedanken erörtert Origenes erst weiter unten in Cant. comm. I 5,6f.10 zu Hld. 1,4. Erneut hat der Katenist den Text stark zusammengefasst. Vgl. Barba`ra, BPat 42, 308; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 140f. 16 Zum Innersten der Seele als „Adyton“ siehe in Ioh. comm. VI 2,10 (GCS Orig. 4, 108) und schon Clemens von Alexandria, paid. III 4,2 (SC 158, 18). 17 Als hëgemonikoÂn bezeichneten die Stoiker den führenden Teil der Seele, „in dem die Vorstellungen und die Triebe entstehen und von dem der Verstand ausgeht“; so Zenon von Kition bei Diogenes Lae¨rtios VII 159. Weiteres dazu in OWD 9/1, 134 Anm. 139. 18 Vgl. auch in Cant. hom. 1,5, wo diese Schätze aber nicht näher erläutert werden.

150

Fragmenta

ÍHgoyn eiÆ kaiÁ ny Ä n di’ aÆsueÂneian yëpeÁr toyÁw soyÁw mastoyÁw aÆgapv Ë Ä men, v nymfiÂe, toÁn oiËnon, oÏtan beltivuv Ä men, yëpeÁr toy Ä ton ayÆtoyÁw aÆgaphÂsomen. OiËnow meÁn oyËn eyÆfraiÂnvn a neaÂnidaw taÁ nomikaÂ, hë deÁ teleioÂthw toyÄ nymfiÂoy mastoiÂ. EiËta eiÆw aÆpologiÂan toyÄ mhÁ hÍdh aÆgapa Ä n fhsiÂn· EyÆuyÂthw hÆgaÂphse se· hëmeiÄw deÁ oyÍpv taÁw eëaytv Ä n poreiÂaw eyÆueiÂaw eÆpoihsaÂmeua.

5

Fragmente aus Buch II Fragmentum 9 (Prokop 30; Barba`ra 7) Hld. 1,5a MeÂlaina eiÆmi kaiÁ kalhÂ, uygateÂrew ëIeroysalhÂm, b vëw skhnvÂmata KhdaÂr, vëw deÂrreiw SalomvÂn.

LeÂgei deÁ hë eÆj eÆunv Ä n eÆkklhsiÂa tay Ä ta proÁw taÁw eÆj ÆIsrahÁl cyxaÁw hÍtoi thÁn ëIeroysalhÁm oëmologoyÄsa toÁ meÂlan diaÁ toÁ mhÁ eÆk lamprv Ä n mhdeÁ pefvtismeÂnvn eiËnai pateÂrvn, dioÁ kaiÁ skotasmv Äì parabaÂllesuai. KalhÁ deÁ diaÁ toÁn loÂgon, oÊn paredeÂjato, kaiÁ deÂrresin eÆoikeÂnai toy Ä SalomvÂn, aÊw eiËxe meu’ v În aÍllvn eÆkeÂkthto eÆn th Äì doÂjhì ayÆtoy Ä. b

Fragmentum 10 (Barba`ra App. 4) ëO AiÆuiÂoc yëpeÁr toÁn ÆIsrahÁl toy Ä profhÂtoy feidoÂmenow tayÂta eÆpoiÂhsen. OyÏtv kaiÁ aÍrxontew ÆIsrahÁl toÁn XristoÁn katediÂkasan laÂkkvì uanaÂtoy. c ëO deÁ meÂlaw kaiÁ aÍgonow tv Ä n eÆunv Ä n laoÁw thÁn aÆnaÂstasin periedeÂjato th Äì piÂstei kauaÂper ayÆtoÁn aÆnagagvÁn eÆk toy Ä laÂkkoy. d DioÁ kaiÁ geÂgone doy Ä low basia

Vgl. Ps. 103(104),15

b

Mt. 6,29

c

Jer. 45(38),4.6

d

Jer. 45(38),13

19 Zur auch in frg. 91 erwähnten „Schwäche“ des Menschen bei Origenes siehe Müller, Willensschwäche 242–284; ders., Willensschwäche und innerer Mensch. 20 Vgl. in Cant. hom. 1,5: non diligimus, sed diligemus. 21 Der Text dieses Stückes stammt aus zwei weit auseinanderliegenden Passagen: Der erste Satz fasst in Cant. comm. II 1,3–6 (GCS Orig. 8, 113.24–114.26) zusammen, der zweite gehört zu ebd. II 1,51 (8, 124.1–4). Vgl. auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 327f. 22 Vgl. in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 84f.): „Wir sind schwarz, wenn wir zu glauben anfangen, weshalb zu Beginn des Hoheliedes gesagt wird: ,Schwarz bin ich und schön‘ (Hld. 1,5) …, dann werden wir abgerieben, um heller zu werden nach dem Wort: ,Wer ist diese, die ganz weiß geworden emporsteigt?‘ (Hld. 8,5).“ 23 Diese Übersetzung gibt die Bedeutung des Wortes Kedar wieder: in Cant. comm. II 1,2.5; sel. in Ps. 119,5 (PG 12, 1632). Vgl. Hieronymus, int. hebr. nom. p. 4 Lagarde (CChr.SL 72, 63): Cedar tenebrae uel moeror; p. 48 (72, 119); p. 57 (72, 130); Wutz, Onomastica sacra 145f. 264; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 233f.

10

15

Fragmente 8–10

5

151

Auch wenn wir also jetzt aufgrund unserer Schwäche19 den Wein, oh Bräutigam, mehr lieben als deine Brüste, werden wir, wenn wir uns gebessert haben, diese mehr lieben als jenen. Der Wein also, der die Mädchen erfreut,a das sind die Gesetzesdinge, die Vollkommenheit des Bräutigams aber die Brüste. Dann sagen sie zur Verteidigung dafür, dass sie noch nicht lieben:20 Aufrichtig haben wir uns in dich verliebt. Wir aber haben unsere Lebenswege noch nicht aufrichtig gestaltet.

Fragmente aus Buch II Fragment 9 zu II 1,3–6; 1,51 (Hld. 1,5)21 10

15

Hld. 1,5a Schwarz bin ich und schön, Töchter Jerusalems, b wie die Zelte Kedars, wie die Planen Salomos.

Es sagt dies aber die Kirche aus den Völkern zu den Seelen aus Israel oder eher zu Jerusalem, wobei sie bekennt, schwarz zu sein, weil sie nicht von hellen und erleuchteten Vätern abstammt,22 weshalb sie auch der Finsternis23 ausgesetzt ist. Schön aber sei sie aufgrund des Wortes, das sie aufgenommen hat, und sie gleiche den Planen Salomos, die er zusammen mit den anderen Dingen besaß, die er in seiner Herrlichkeitb erworben hatte.

Fragment 10 zu II 1,46–49 (Hld. 1,5)24 20

Der Äthiopier, der den Propheten verschonte, hat dies für Israel getan. So haben auch die Führer Israels Christus25 zur Zisterne des Todes verurteilt.c Das schwarze und kinderlose Volk der Heiden aber hat für den Glauben die Auferstehung erhalten, sowie es ihn aus der Zisterne herausholte.d Des-

24 Das Stück findet sich als Katenenfragment eines Anonymus in den Jeremiakommentaren des Michael Ghislieri (Ghislerius), unter denen auch die Jeremiahomilien des Origenes erstmals publiziert wurden, die Ghislieri 1623 in Rom entdeckt hatte: Michaelis Ghislerii in Jeremiam Prophetam commentarii, 3 Bde., Lyon 1623, Bd. 2, 770 (die Jeremiahomilien des Origenes befinden sich in Bd. 3). Klostermann, Überlieferung 43–45, druckte es ab (ebenso Baehrens, GCS Orig. 8, liv) und entdeckte die Übereinstimmung mit in Cant. comm. II 1,46–49 (Klostermann, ebd. 43). Da Baehrens, ebd. lv, vermutet, dass der unbekannte Katenist den Text „auch aus einer Jeremiahomilie des Origenes geschöpft haben“ könnte (so auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 321 Anm. 3), hat er es nicht dem Text beigegeben; auch Barba`ra, BPat 42, 294–297, verweist es in den Appendix (vgl. auch ihre eingehenden Erläuterungen ebd. 526–528). Die Herkunft des Textes ist nicht aufzudecken, wohl aber ist er ein Zeugnis für die Auslegung von Hld. 1,5 durch Origenes. 25 Jeremia als Typos für Christus wird von Origenes in den Jeremiahomilien breit ausgearbeitet: in Hier. hom. 1,6–12 (GCS Orig. 32, 4–10); 10,2–14 (32, 72–74); 14,5–18 (32, 109–124).

152

Fragmenta

leÂvw´ toy Ä to gaÁr eërmhneyÂetai toyÍnoma. ProÁw oÊn fhsiÁn oë ueoÁw metaÁ tay Ä ta toÁn meÁn ÆIsrahÁl di’ aëmartiÂan katalipv Ä n, eÆkeiÄnon deÁ svÂì zvn di’ aÆrethÂn´ hËn gaÁr kaiÁ ayÆtoÁw meÂlaw kaiÁ kaloÂw· „ÆIdoyÁ eÆgvÁ feÂrv toyÁw loÂgoyw moy eÆpiÁ thÁn poÂlin tayÂthn eiÆw kakaÁ kaiÁ oyÆk eiÆw aÆgaua´ kaiÁ svÂsv se eÆn th Äì hëmeÂra eÆkeiÂnh, ì oÏti eÆpepoiÂueiw eÆp’ eÆmeÂ, fhsiÁ kyÂriow.“ a

5

Fragmentum 11 (Prokop 33; Barba`ra 8) Hld. 1,6a MhÁ bleÂchte me, oÏti eÆgv eiÆmi memelanvmeÂnh, b oÏti pareÂbleceÂn me oë hÏliow.

KaiÁ oë nohtoÁw deÁ hÏliow toiÄw meÁn dikaiÂoiw fv Ä w eÆstin, toiÄw deÁ aëmartvloiÄw skoÂtow kaiÁ py Ä r. ÃH oÏti skotisueiÄsaÂn me th Äì aëmartiÂaì XristoÁw pareiÄden diaÁ thÁn aÆpistiÂan, oÊn hÏlion dikaiosyÂnhw b aÆnagoreyÂoysin aië grafaiÂ.

10

Fragmentum 12 (Philocalia 27,13; Barba`ra App. 5) 2,16. ProÂsxew deÁ kaiÁ toyÂtoiw eiÆw toÁn toÂpon, oÏti oë hÏliow leykoÁw kaiÁ lamproÁw v à n dokeiÄ thÁn aiÆtiÂan eÍxein toy Ä melanoy Ä n oyÆ par’ eëaytoÂn, aÆllaÁ paraÁ toÁn vëw aÆpodedvÂkamen melanoyÂmenon. 17. OyÏtv deÁ mhÂpote kaiÁ sklhryÂnei kyÂriow thÁn kardiÂan FaravÁ, c th Ä w aiÆtiÂaw toyÂtoy oyÍshw periÁ ayÆtoÁn „katodynv Ä nta thÁn tv Ä n ëEbraiÂvn zvhÁn eÆn toiÄw eÍrgoiw toiÄw sklhroiÄw, tv Äì phlv Äì kaiÁ th Äì plinueiÂaì kaiÁ pa Ä si toiÄw eÍrgoiw“, oyÆxiÁ toiÄw eÆn oÍresi kaiÁ boynoiÄw, aÆllaÁ „toiÄw eÆn toiÄw pediÂoiw“. d ëYlikoÁw gaÂr tiw aÆpoÁ th Ä w eëaytoy Ä kakiÂaw gegenhmeÂnow kaiÁ kataÁ saÂrka kataÁ paÂnta zv Ä n phlv Äì fiÂlow tygxaÂnvn boyÂletai kaiÁ toyÁw ëEbraiÂoyw phlopoieiÄn toÁ hëgemonikoÁn eÍxvn oyÆ kauaroÁn phloy Ä · 18. oÏper, a

Jer. 46(39),16–18

b

Mal. 4,2(3,20)

c

Ex. 9,12

d

Ex. 1,14

26 Vgl. Hieronymus, int. hebr. nom. p. 53 Lagarde (CChr.SL 72, 125): Abdemelech seruus regis. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 521. 963. 27 Der erste Satz dieses Stückes passt zu einem Satz in Cant. comm. II 2,21 (GCS Orig. 8, 130.1–3), der zweite zu einem Passus ebd. II 2,6f. (8, 126.11–19). 28 Nicht nur Christus, sondern auch der Vater ist „geistige Sonne“: in Ioh. comm. VI 55,287 (GCS Orig. 4, 164). 29 Zur doppelten Wirkung der Sonne bzw. von Feuer vgl. in Ios. hom. 4,3 (GCS Orig. 7, 311f.); 15,3 (7, 385). 30 Zu den Problemen der Übersetzung von Hld. 1,6b siehe Barba`ra, BPat 42, 321f. Im Fragment greift pareiÄden die Septuaginta-Übersetzung pareÂblecen auf: „herabschauen“ im Sinne von „vorbeischauen“, „übersehen“. 31 Dieses Stück ist in der Philokalie überliefert: philoc. 27,13 (SC 226, 310–314). Es stellt ein echtes Fragment dar, das dem Text in Cant. comm. II 2,16–19 parallel läuft.

15

20

Fragmente 10–12

5

153

halb wurde er auch Diener des Königs; dies bedeutet nämlich die Übersetzung des Namens (sc. Abdimelech).26 Zu diesem spricht Gott nach diesen Ereignissen, während er Israel aufgrund der Sünde verlässt, jenen aber aufgrund der Tugend rettet; er war nämlich selbst auch schwarz und schön: „Siehe, ich bringe meine Worte über diese Stadt zum Bösen und nicht zum Guten. Und ich werde dich an jenem Tag retten, weil du auf mich vertraut hast, spricht der Herr.“a

Fragment 11 zu II 2,21; 2,6f. (Hld. 1,6)27 Hld. 1,6a Starrt mich nicht an, weil ich schwarz geworden bin! b Denn die Sonne starrte auf mich herab.

10

Und die geistige Sonne28 ist zwar für die Gerechten Licht, für die Sünder aber Finsternis und Feuer.29 Oder so: Weil ich von der Sünde verfinstert war, starrte Christus, den die Schriften als Sonne der Gerechtigkeitb bezeichnen, wegen meines Unglaubens an mir vorbei.30

Fragment 12 zu II 2,16–19 (Hld. 1,6)31

15

20

25

2,16. Betrachte aber zu dieser Stelle auch dies, dass die Sonne, die doch weiß und strahlend ist, nicht von sich aus die Ursache dafür zu sein scheint, dass etwas schwarz wird, sondern dies an dem liegt, der, wie wir aufgezeigt haben,32 schwarz wird. 17. So aber verhärtet vielleicht auch der Herr das Herz des Pharao,c wobei die Ursache hierfür bei ihm liegt, da er „den Hebräern das Leben durch harte Arbeit mit Lehm und Ziegel und allen Arten von Mühen verleidete“, nicht auf Bergen und Hügeln,33 sondern „in den Ebenen“.d 34 Weil er nämlich selbst aufgrund seiner eigenen Schlechtigkeit materiell geworden ist und ganz und gar nach dem Fleisch lebt, ist er ein Freund des Lehms und will, dass auch die Hebräer mit Lehm arbeiten, weil sein führender Seelenteil35 nicht rein von Lehm ist, 18. der so, wie Lehm

32 33 34

35

Die Philokalisten Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz hängten dieses Fragment an Stücke aus der Exodus-Auslegung des Origenes an, in denen es um die Verstockung des Pharao geht: philoc. 27,1–12 (SC 226, 268–311). Vgl. in Cant. comm. II 2,3.9.12 in Rufins lateinischer Übersetzung. Zu dieser Bemerkung, die im lateinischen Text fehlt, siehe die Auslegung von Hld. 2,8 in Cant. comm. III 12. Die Berge und Hügel stehen für eine hohe Stufe des Lebens, auf der man eine herausragende Erkenntnis erlangt hat: in Num. hom. 15,3 (GCS Orig. 7, 133), das Arbeiten mit Lehm und Ziegeln hingegen für „irdische Verrichtungen“, nämlich für „die Irrtümer dieser Welt, die Finsternis der Unwissenheit, die Werke des Teufels in den Begierden und Gelüsten des Fleisches“, wie Origenes, ebd. 27,2 (7, 259), erläutert. Vgl. Junod, SC 226, 312 Anm. 1. Zum Gegensatz von Berg und Tal vgl. in Ex. hom. 6,10 (GCS Orig. 6, 202). Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17.

154

Fragmenta

vëw phloÁw yëpoÁ hëliÂoy sklhryÂnetai, oyÏtvw yëpoÁ tv Ä n ayÆgv Ä n toy Ä ueoy Ä eÆpiskopoysv Ä n toÁn ÆIsrahÁl eÆsklhryÂnuh. 19. ÏOti deÁ toiay Ä ta eÆstin eÆn toiÄw kataÁ toÁn toÂpon kaiÁ oyÆx iëstoriÂan cilhÁn proÂkeitai aÆnagraÂfein tv Äì ueraÂponti, dh Ä lon eÍstai tv Äì synorv Ä nti oÏti, hëniÂka „katesteÂnajan oië yiëoiÁ ÆIsrahÁl“, oyÍte aÆpoÁ th Ä w plinueiÂaw oyÍte aÆpoÁ toy Ä phloy Ä oyÍte aÆpoÁ tv Ä n aÆxyÂrvn a katesteÂnajan, aÆll’ „aÆpoÁ tv Ä n eÍrgvn“´ kaiÁ „aÆneÂbh ayÆtv Ä n hë bohÁ proÁw ueoÁn“ b oyÆk aÆpoÁ phloy Ä , aÆllaÁ paÂlin „aÆpoÁ tv Ä n eÍrgvn“. DioÁ „kaiÁ eiÆshÂkoysen oë ueoÁw tv Ä n stenagmv Ä n ayÆtv Ä n“· c oyÆk eiÆsakoyÂvn stenagmoy Ä tv Ä n oyÆk aÆpoÁ eÍrgvn bovÂntvn proÁw ayÆtoÁn, aÆll’ aÆpoÁ phloy Ä kaiÁ tv Ä n ghiÉnvn praÂjevn.

5

Fragmentum 13 (Prokop 35; Barba`ra 9)

10

Hld. 1,6c YiëoiÁ mhtroÂw moy eÆmaxeÂsanto eÆn eÆmoiÂ, d eÍuento me fylaÂkissan eÆn aÆmpelv Ä sin´ e aÆmpelv Ä na eÆmoÁn oyÆk eÆfyÂlaja.

ÍHgoyn oië didaÂskonteÂw me mauhtaiÁ toy Ä Xristoy Ä kaua Ä rai me tv Ä n proÁ toyÂtoy boyloÂmenoi ponhrv Ä n logismv Ä n kaiÁ tv Ä n eÆnergoyÂntvn tay Ä ta daimoÂnvn eÆmaxeÂsanto toyÂtoiw eÆn eÆmoi th Ä w ayÆth Ä w moi mhtroÁw oÍntew yiëoiÂ, th Äw eÆleyueÂraw d fhmi´ oië meÁn eiÆw toÁ kat’ eÆkloghÁn xaÂritow leiÄmma e aÆnalambanoÂmenoi, eÆgvÁ deÁ thÁn kataÁ thÁn aÍnv ëIeroysalhÁm diauhÂkhn laboy Ä sa kaiÁ eÆj eÆpaggeliÂaw aÆnagennvmeÂnh. f OyÆ proÂteron deÁ tayÂthn eÍuento fylaÂkissan, eiËta eÆmaxeÂsanto· maxesaÂmenoi deÁ prv Ä ton eÆpithÂdeian eÆpoiÂhsan toy Ä teuh Ä nai eÆn aÆmpelv Ä sin eiÆw fylakhÂn. Mvy Èsh Ä w deÁ oyÎtoi kaiÁ oië profh Ä tai, v Î n eÏkastow aÆgroÁw hËn plhÂrhw, oÊn eyÆloÂghse kyÂriow, g kaiÁ aÆmpelvÂn· eÆn oiÎw tiw genoÂmenow kaiÁ thÁn proteÂran eÏjin eëaytoy Ä mhÁ thrv Ä n vëw eÆk SodoÂmvn yëpaÂrxoysan aÆmpelv Ä na h tv Äì paroÂnti keÂxrhtai loÂgvì .

Fragmentum 14 (Prokop 45; Barba`ra 10) Hld. 1,8a b c d a g

d

Gal. 4,26.31

e

Röm. 11,5

20

25

ÆEaÁn mhÁ gnv Äw ì seaythÂn, hë kalhÁ eÆn gynaijiÂn, eÍjelue syÁ eÆn pteÂrnaiw tv Ä n poimniÂvn kaiÁ poiÂmaine taÁw eÆriÂfoyw soy eÆpiÁ skhnvÂmasin tv Ä n poimeÂnvn.

b c Ex. 5,7 Ex. 2,23 Ex. 2,24 h Gen. 27,27 Dtn. 32,32

15

f

Gal. 4,26.28

36 Diese Deutung der Verhärtung des Pharao entwickelt Origenes ausführlich in princ. III 1,8–14.18f.21–24 (GCS Orig. 5, 206–221. 229–244); in Hiez. hom. 3,3 (GCS Orig. 8, 165–180); 4,1–7 (8, 194–196); 6,3f.9 (8, 199–201).

Fragmente 12–14

5

10

155

von der Sonne gehärtet wird, von den Strahlen Gottes, die auf Israel schauen, verhärtet wurde.36 19. Dass ein solcher Sinn in den Worten dieser Passage liegt und dem Diener (sc. Mose) nicht oblag, eine bloße Geschichte aufzuschreiben, wird dem klar sein, der erkennt, dass „die Söhne Israels“, als sie „aufseufzten“, weder wegen des Ziegels noch wegen des Lehms und auch nicht wegen des Strohsa aufseufzten, sondern „wegen der Mühen“. Und „ihr Schreien stieg auf zu Gott“b nicht wegen des Lehms, sondern wiederum „wegen der Mühen“. Deshalb „erhörte auch Gott ihre Seufzer“,c während er das Seufzen derer nicht erhört, die nicht wegen der Mühen zu ihm rufen, sondern wegen des Lehms und der irdischen Verrichtungen.37

Fragment 13 zu II 3,1–12 (Hld. 1,6)38 Hld. 1,6c Die Söhne meiner Mutter kämpften in mir, d sie setzten mich als Hüterin in Weinbergen ein; e meinen Weinberg habe ich nicht behütet. 15

20

25

Das bedeutet: Weil die Jünger Christi, die mich belehrten, mich von den früheren schlechten Gedanken und den diese bewirkenden Dämonen39 reinigen wollten, bekämpften sie diese in mir,40 weil sie wie ich die Söhne derselben Mutter sind, der freien,d meine ich. Sie sind die, die entsprechend der Wahl der Gnade in den Reste 41 aufgenommen worden sind, ich aber bin die, die den dem oberen Jerusalem entsprechenden Bund empfangen hat und aus der Verheißung wiedergeboren worden ist.f Aber sie setzten diese nicht vorher als Hüterin ein und kämpften dann, sondern weil sie zuerst gekämpft haben, machten sie sie dafür geeignet, sie in Weinbergen einzusetzen, um sie zu behüten. Diese aber sind Mose und die Propheten, von denen jeder ein fruchtbarer Acker war, den der Herr segnete,g und ein Weinberg. Wenn jemand zu ihnen gehört und nicht an seiner früheren Haltung festhält, die wie ein Weinstock aus Sodomh ist, hält er sich an die vorliegende Aussage.

Fragment 14 zu II 5,1–17 (Hld. 1,8) 30

Hld. 1,8a b c d

Wenn du dich selbst nicht erkennst, du Schöne unter den Frauen, geh hinaus auf den Spuren der Herden, und weide deine Böcke bei den Zelten der Hirten!

37 Zu solchem „Aufseufzen“ oder „Aufstöhnen“ vgl. in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 242). 38 Das Stück fasst einen langen Text zusammen, in Cant. comm. II 3,1–12 (GCS Orig. 8, 130.6–132.18). Siehe auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 190f. 192. 330f. 39 Zu den bösen „Leistungen“ der Dämonen vgl. Cels. VIII 31 (GCS Orig. 2, 247). 40 Zum Kampf gegen die Dämonen siehe princ. III 2,1–7 (GCS Orig. 5, 244–256). 41 Der Bezug auf Röm. 11,5 fehlt in Rufins Übersetzung: Barba`ra, BPat 42, 325.

156

Fragmenta

ToÁ polyuryÂlhton deÁ par’ ÏEllhsin eÆpiÂfuegma proeiÂlhptai paradoueÁn tv Äì sofv Äì Solomv Ä ni, toÁ „Gnv Ä ui saytoÂn“. Kau’ hÊn aÆpeileiÄtai ny Ä n hë cyxhÁ paraÁ toy Ä eÆrastoy Ä kaiÁ nymfiÂoy, eiÆ mhÁ toÁ doueÁn ayÆth Äì „kat’ eiÆkoÂna ueoy Ä“ a fylaÂjei kaÂllow, thÁn eÍndouen eÆkbolhÁn kaiÁ toÁ eÆn eÆsxaÂtoiw tetaÂxuai toyÁw skaioyÁw eÆriÂfoyw b poimaiÂnoysan. PoimaneiÄw deÁ ayÆtoyÁw eÆpiÁ toiÄw tv Ä n poimeÂnvn skhnvÂmasin, poteÁ meÁn toyÄde, poteÁ deÁ eÆkeiÂnoy, oiÎa dh tiw aÆlhÄtiw, meÂxri paideyueiÄsa th Äì peiÂraì proÁw thÁn seayth Ä w eÆpistreÂceiaw gnv Ä sin. ëArmoÂsei deÁ kaiÁ proÁw thÁn eÆkklhsiÂan oë loÂgow. GinvÂskei de tiw eëaytoÁn eiÆdvÂw, eiÆ aÆgauhÁn hà fayÂlhn eÍxei diaÂuesin kaiÁ eiÆ polyÁ th Ä w oëdoy Ä th Ä w eÆpiÁ thÁn aÆrethÁn aÆpoleiÂpetai hà toiÄw eÍmprosuen eÆpekteiÂnetai tv Ä n oÍpisuen eÆpilanuanoÂmenow, c eiÆ deÁ kaiÁ mhÂpv eÍlaben hà teteleiÂvtai hà proseggiÂzei toiÄw oëriÂoiw toy Ä kaÂlloyw. ÍErgon deÁ kaiÁ toÁ eÆfistaÂnein eëkaÂsthì praÂjei, oÏpvw gegeÂnhntai logismv Äì te pantiÁ kaiÁ loÂgv. ì GynaiÄkaw deÁ taÁw mhÁ kauaraÁw mhdeÁ aÆdiafuoÂroyw ny Ä n leÂgei cyxaÂw. ÆAmeloy Ä sa deÁ th Ä w iÆdiÂaw gnvÂsevw, geÂnoit’ aÃn „klydvnizomeÂnh kaiÁ periferomeÂnh pantiÁ aÆneÂmvì th Ä w didaskaliÂaw eÆn th Äì kybeiÂaì tv Ä n aÆnurvÂpvn“ d kaiÁ pantaxoy Ä ma Ä llon poimaiÂnein taÁw iÆdiÂaw skaiaÁw eÆriÂfoyw e hà paraÁ tv Äì kalv Äì poimeÂni f loÂgvì . AyÏth de ± proshnhÁw oë loÂgow ±, eiÆ kaiÁ mhdeÂpv teleiÂa, loipoÁn hÍdh eÆn gynaijiÂn eÆsti kalhÁ sygkatariumoymeÂnh thÄì toyÄ ueoyÄ eÆkklhsiÂaì kaiÁ tv Ä n eÆn ayÆth Äì mikrv Ä n oyËsa kalliÂvn. Aië gaÁr oyÏtv legoÂmenai th Ä w eÆkklhsiÂaw gynaiÄkew tv Ä n eÆunikv Ä n cyxv Ä n aÆsygkriÂtvw aÆmeiÂnoyw poreyomeÂnvn oÆpiÂsv tv Ä n eÆrastv Ä n tv Ä n aÆntikeimeÂnvn dynaÂmevn gynaikv Ä n legomeÂnvn, aÆll’ oyÆ parueÂnvn. a

Gen. 1,27

b

Mt. 25,33

c

Phil. 3,13

d

Eph. 4,14

e

Mt. 25,33

f

Joh. 10,11

42 Siehe dazu OWD 9/1, 231 Anm. 245. 43 In Cant. comm. prol. 3,4 behauptet Origenes die Abhängigkeit der antiken Philosophie insgesamt von Salomo bzw. den drei salomonischen Büchern Sprichwörter, Kohelet und Hohelied. Siehe dazu OWD 9/1, 92 Anm. 62. 44 Die Böcke stehen bei Origenes für die Bösen. Zu den dazu in OWD 9/1, 238 Anm. 258 genannten Stellen vgl. noch in Matth. comm. ser. 70 (GCS Orig. 11, 166), zitiert oben S. 92 Anm. 63 zu in Cant. hom. 1,9. 45 Vgl. Origenes, orat. 2,3 (GCS Orig. 2, 301), ferner frg. 58. 46 In Gen. hom. 1,15 (GCS Orig. 6, 19) bezieht Origenes den Geist (spiritus) auf das Männliche, die Seele (anima) hingegen auf die Frau (femina). 47 Gegen Baehrens, GCS Orig. 8, 144, der mit den Ausgaben von Mai, Classici Auctores IX, 268f., und Migne, PG 17, 256f., aÆdiafoÂroyw liest, ist mit Barba`ra, BPat 42, 162, und Auwers, CChr.SG 67, 46, die Lesart aÆdiafuoÂroyw zu bevorzugen. Neben dem Adjektiv kauaroÂw muss es um etwas Positives gehen, das den als Frauen bezeichneten Seelen mangelt. Das trifft aber nur auf „unverdorben“ zu, nicht auf „gleichgültig“.

5

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Fragmente 14

5

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Das bei den Griechen berühmte Sprichwort „Erkenne dich selbst!“42 ist schon vorher als Ausspruch des weisen Salomo überliefert worden.43 Dem entsprechend wird der Seele jetzt von dem Geliebten und Bräutigam angedroht, wenn sie die ihr „nach dem Bild Gottes“a geschenkte Schönheit nicht bewahrt, aus dem Inneren herausgeworfen und in die letzten Ränge versetzt zu werden, um die Böcke zur Linkenb zu weiden.44 Du wirst sie aber weiden bei den Zelten der Hirten, einmal bei dem, einmal bei jenem, wie ein Vagabund, bis du dich, durch die Erfahrung erzogen, der Erkenntnis deiner selbst zuwendest. Dieses Wort wird aber auch auf die Kirche passen. Es erkennt aber jemand sich selbst, wenn er weiß, ob er einen guten oder schlechten Charakter45 hat und ob er weit auf dem Weg zur Tugend zurückgeblieben ist oder sich ausstreckt nach dem, was vor ihm liegt, indem er vergisst, was hinter ihm liegt,c oder auch, ob er das Ziel noch nicht erreicht hat oder ob er zur Vollkommenheit gelangt ist oder sich den Grenzgebieten der Schönheit nähert. Die Aufgabe besteht aber auch darin, bei jeder Handlung zu verstehen, wie sie jeweils durch vernünftiges Denken zustandegekommen ist. Als Frauen aber bezeichnet er (sc. der Bräutigam) jetzt die Seelen,46 die nicht rein und nicht unverdorben47 sind. Wenn sie (sc. die Seele) aber die eigene Erkenntnis vernachlässigt, wird sie wohl zu einer, „die von jedem Wind der Lehre wie ein Spielball unter den Menschen hin und her geworfen und gerissen wird“,d 48 und weidet die eigenen Böcke zur Linkene eher überall als beim guten Hirten,f 49 dem Wort. Diese (sc. die Braut) aber – das Wort ist freundlich – ist, auch wenn sie noch nicht vollkommen ist, im übrigen doch schon schön unter den Frauen, weil sie der Kirche Gottes zugezählt wird und schöner ist als die Kleinen in ihr. Denn die so genannten Frauen der Kirche sind unvergleichbar besser als die heidnischen Seelen, die hinter den Liebhabern der feindlichen Mächte herlaufen, die Frauen genannt werden, aber nicht Jungfrauen. Denn wie

48 Vgl. in Lev. hom. 16,5 (GCS Orig. 6, 501): „Der Ungerechte ist niemals beständig, sondern immer in Bewegung“, wozu Origenes Eph. 4,14 zitiert. 49 Vgl. dazu die Junktur cum bono esse pastore in Cant. hom. 1,9, ferner in Hier. hom. 5,6 (GCS Orig. 32, 36): „Wenn nämlich der Erlöser sagt: ,Ich bin der gute Hirte‘ (Joh. 10,11.14), verstehe ich das nicht nur in dem allgemeinen Sinn, wie alle es verstehen, dass er der Hirte der Gläubigen ist – auch das ist freilich gesund und wahr –, sondern muss ich auch in meiner Seele, in meinem Innern, Christus haben, in meinem Innern den guten Hirten, der die unvernünftigen Regungen in mir hütet, damit sie nicht mehr aufs Geratewohl auf die Weide hinausgehen, sondern geführt vom Hirten das, was ihm einmal fremd war, ihm zu eigen wird. Wenn daher jetzt der Hirte in mir ist, herrscht er über meine Empfindungen.“

158

Fragmenta

Pv Ä w gaÁr oyÆk aÆmeiÂnvn hë proÁw toÁn ktiÂsthn toÁn eëayth Ä w aÆnableÂcasa; ÏOmoion deÁ toÁ eÍjelue tv Äì paradouh Ä nai „tv Äì Satana Äì eiÆw oÍleuron th Ä w sarkoÁw“ a aÆforisueÂnta th Ä w eÆkklhsiÂaw metaÁ toÂ, kauaÂper eÍlegen proÁw taÁw neaÂnidaw, eiÆsaxuh Ä nai paraÁ toy Ä basileÂvw „eiÆw toÁ tamieiÄon ayÆtoy Ä “. b

Fragmentum 15 (Prokop 50; Barba`ra 11)

5

Hld. 1,10a Ti vëraivÂuhsan siagoÂnew soy vëw trygoÂnew.

ÆAllaÁ kaiÁ meÂlh Xristoy Ä c th Ä w eÆkklhsiÂaw nyÂmfhw oë Pay Ä low fhsiÂn´ hÎw oiëoneiÁ proÂsvpon oië tv Äì kaÂllei tv Ä n loipv Ä n diafeÂrontew, aiÆsxroÁn oyÆdeÁn eÆnnooy Ä ntew, thÁn deÁ th Ä w svfrosyÂnhw ayÆth Äì karpoforoy Ä ntew aiÆdv Ä . Oië proÂteron Íisvw oyÆk oÍntew kaloiÁ tosoy Ä ton meteÂbalon, vëw eiÆrh Ä suai th Äì nyÂmfhì · Ti vëraivÂuhsan siagoÂnew soy „mhÁ eÍxontew spiÄlon hà rëytiÂda.“ d TaÂxa deÁ kaiÁ tv Äì toÁn eÏna moÂnon ginvÂskein ueoÂn´ kaiÁ hë trygvÁn gaÁr eëniÁ moÂnvì syneÂrxetai.

10

Fragmentum 16 (Prokop 54; Barba`ra 12) Hld. 1,11a ëOmoivÂmata xrysiÂoy poihÂsomeÂn soi b metaÁ stigmaÂtvn toyÄ aÆrgyriÂoy, 1,12a eÏvw oyÎ oë basileyÁw eÆn aÆnakliÂsei ayÆtoyÄ.

15

ToÂte deÁ oyÆ polyÁw hËn oyÆdeÁ kexymeÂnow oë aÍrgyrow, oÆliÂga deÁ hËn eÆn aÆporrhÂtvì paraÁ profhtv Ä n legoÂmena kaiÁ tv Ä n paÂlai sofv Ä n. ÆEpidhmhÂsantow deÁ a

1 Kor. 5,5

b

Hld. 1,4

c

1 Kor. 6,15; 12,27; Eph. 5,29f.

d

Eph. 5,27

50 Das Zitat von 1 Kor. 5,5 fehlt in der lateinischen Übersetzung des Rufinus: Barba`ra, BPat 42, 331. 51 Während Baehrens, GCS Orig. 8, 145f., und Bre´sard/Crouzel/Borret, SC 375, 468, die Echtheit dieses letzten Absatzes anzweifeln, weil ihm in Cant. comm. II 5,1–17 nichts entspricht, verweist Barba`ra, BPat 42, 330, für seine Echtheit auf Passagen aus dem zweiten Teil der Erklärung des Origenes zu Hld. 1,8 (in Cant. comm. II 5,18–40), insbesondere auf in Cant. comm. II 5,29f. (GCS Orig. 8, 148.12–24) und II 5,33 (8, 149.9–13). Siehe dazu die Paraphrase von frg. 14 bei Auwers, L’interpre´tation du Cantique 330–336, der abschließend auf das Problem hinweist, das die Passagen in Prokops Katene aufweisen, die keine Entsprechung im Text des Origenes haben, sofern dieser lateinisch erhalten ist. 52 Diese beiden Begriffe aus 1 Tim. 2,9 als Vorzüge der Frau in orat. 9,1 (GCS Orig. 2, 318). 53 Dieser Gedanke hat zwar einen Anhalt im (lateinischen) Text des Origenes, wo von der Verbindung der Braut mit nur einem Bräutigam, Christus, die Rede ist (in Cant.

Fragmente 14–16

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sollte die, die zu ihrem eigenen Schöpfer aufblickte, nicht besser sein? Der Aufruf Geh hinaus! ist gleichbedeutend damit, „dem Satan zur Vernichtung des Fleisches“ übergeben zu werden,a 50 weil sie von der Kirche getrennt worden ist, nachdem sie – wie sie zu den Mädchen gesagt hat – vom König „in sein Gemach“ hineingeführt worden war.b 51

Fragment 15 zu II 7,5–9 (Hld. 1,10) Hld. 1,10a Wie anmutig sind deine Wangen wie Turteltauben!

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Aber Paulus nennt auch die Glieder Christic die Glieder der Kirche, der Braut, deren Gesicht sozusagen die sind, die sich an Schönheit vor den anderen auszeichnen, nichts Schlechtes denken, aber ihr die Zurückhaltung der Besonnenheit52 als Frucht einbringen. Die vorher vielleicht nicht schön waren, veränderten sich so sehr, dass zur Braut gesagt wurde: Wie anmutig sind deine Wangen, „die keinen Fleck und keine Runzel haben.“d Vielleicht aber auch durch die Erkenntnis des einen einzigen Gottes,53 denn auch die Turteltaube verbindet sich nur mit einem einzigen.54

Fragment 16 zu II 8,23–28 (Hld. 1,11f.) Hld. 1,11a Nachbildungen von Gold werden wir dir machen b mit Einlagen von Silber, 1,12a solange der König auf seinem Lager ruht. 20

Damals aber gab es das Silber nicht reichlich und es war nicht weit verbreitet, sondern es waren wenige Geheimnisse,55 die bei den Propheten und den alten Weisen56 ausgesprochen wurden. Nachdem er (sc. Christus)

comm. II 7,9), doch dieser explizite Bezug auf das monotheistische Bekenntnis des Judentums und des Christentums findet sich dort nicht. Möglicherweise geht diese Aussage daher nicht auf Origenes zurück, weshalb es vielleicht nicht Zufall ist, dass dieser Satz in der Catena Barberiniana (Vaticanus Barberinianus gr. 388, saec. XIII–XIV, fol. 134r) keinem Autor zugewiesen ist. Vgl. Barba`ra, BPat 42, 332; Auwers, CChr.SG 67, 51. 54 Zur angeblichen Monogamie der Turteltauben siehe die Hinweise in OWD 9/1, 256 Anm. 286, dazu die Belege bei Barba`ra, BPat 42, 334. 55 In I Cor. frg. 19 (p. 357 Jenkins; Opere di Origene 14/4, 100) verwendet Origenes den Ausdruck eÆn aÆporrhÂtvì als Bezeichnung für das, was der Erlöser den Aposteln „im Geheimen“ übergeben hat. 56 Angesichts des Kontexts, in dem es um die alttestamentlichen Offenbarungen des Gotteswortes geht, sind mit „den alten Weisen“ wohl die Patriarchen gemeint: Barba`ra, BPat 42, 335.

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Fragmenta

taÁ eÆn toiÄw aÆbaÂtoiw toy Ä naoy Ä teuevÂrhtai tv Äì bleÂponti toÁ katapeÂtasma toÁ aÆlhuinoÁn sxizoÂmenon aÍnvuen eÏvw kaÂtv a eÆpiÁ tv Äì uevrhuh Ä nai taÁ eÍndon, eÆpaÁn oë aÆnapesvÁn koimhueiÁw vëw leÂvn kaiÁ vëw skyÂmnow b eÆgeruh Äì . KaiÁ metaÁ tay Ä ta·

ToÂte gaÁr oië syÂmmorfoi genoÂmenoi th Ä w aÆnastaÂsevw ayÆtoy Ä c paralhÂcontai par’ ayÆtoy Ä aÆnu’ oëmoivmaÂtvn xrysoÂn· plhuynuhÂsontai gaÁr tv Äì xrysiÂvì kaiÁ tv Äì aÆrgyriÂvì .

5

Fragmentum 17 (Prokop 59; Barba`ra 13) Hld. 1,12b NaÂrdow moy eÍdvken oÆsmhÁn ayÆtoyÄ.

ThÁn gaÁr toy Ä nymfiÂoy, fhsiÂn, oÆsmhÁn hë eÆmhÁ naÂrdow, eÆn hÎì ayÆtoÁn hÍleica, deÂdvken· thÄì gaÁr eëaythÄw naÂrdvì toyÁw poÂdaw aÆleiÂcasa toyÄ ÆIhsoyÄ kaiÁ taiÄw urijiÁn aÆpomaÂjasa d metapepoivmeÂnhn eÆk th Ä w oÆsmh Ä w toyÄ nymfiÂoy tayÂthn aÆneÂlaben´ hÎw aiÆsuanomeÂnh eÆpiÁ thÁn kefalhÁn eÆluoyÂshw fhsiÂn· ëH eÆmhÁ naÂrdow eÍdvke moi thÁn toyÄ nymfiÂoy oÆsmhÂn. DioÂper vëw aÆpoÁ tv Ä n xrvtv Ä n ÆIhsoy Ä thÁn oiÆkiÂan oÏlhn eÆplhÂrvse th Ä w mauhtriÂaw toÁ myÂron. e

10

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Fragmentum 18 (Prokop 62; Barba`ra 15) Hld. 1,13a ÆApoÂdesmow thÄw stakthÄw aÆdelfidoÂw moy eÆmoiÂ, b aÆnaÁ meÂson tv Ä n mastv Ä n moy ayÆlisuhÂsetai.

EiÆpoy Ä sa thÁn naÂrdon toy Ä nymfiÂoy dedvkeÂnai moi thÁn oÆsmhÁn f ny Ä n fhmi toÁn aÆdelfidoÂn moy pneÂein stakth Ä w oyÆ diaxeomeÂnhw oyÆd’ eÍjv pneoyÂshw, aÆll’ a f

Mt. 27,51; Mk. 15,38 Hld. 1,12

b

Gen. 49,9

c

Phil. 3,10

d

Joh. 12,3

e

Joh. 12,3

57 Barba`ra, BPat 42, 166, ergänzt nach eÆpidhmhÂsantow de gemäß dem lateinischen Text in Cant. comm. II 8,25 (GCS Orig. 8, 161.25f.): toyÄ svthÄrow hëmv Ä n kaiÁ kyriÂoy ÆIhsoy Ä Xristoy Ä – „unser Erlöser und Herr Jesus Christus“. Diese Einfügung ist jedoch nicht nötig. Einerseits ist aufgrund des Textzusammenhangs klar, dass Subjekt von eÆpidhmhÂsantow Christus ist. Andererseits scheint es nicht statthaft zu sein, auf der Basis des lateinischen Textes Konjekturen an den griechischen Fragmenten vorzunehmen, zumal diese, wie auch hier, nahezu immer Zusammenfassungen des ursprünglichen Textes sind, diesen also nicht wortgetreu wiedergeben. 58 Vgl. zu dieser Bibelstelle in Cant. hom. 1,10; in Num. hom. 17,6 (GCS Orig. 7, 166). 59 Auwers, CChr.SG 67, 60, tilgt dieses kaiÂ, doch da es in vielen Handschriften gut bezeugt ist und auch Sinn ergibt, ist es mit den anderen Editoren (auch Barba`ra, BPat 42, 168) im Text zu belassen. 60 In Cant. hom. 1,4 erklärt Origenes, indem er Hld. 1,3 mit Joh. 12,3 verbindet, „das

20

Fragmente 16–18

5

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aber gekommen war,57 wurden die Dinge im Allerheiligsten des Tempels von dem geschaut, der den wahren Vorhang von oben bis unten zerrissen sah,a so dass das Innere sichtbar wurde, nachdem der, der sich wie ein Löwe und wie ein Löwenjunges zum Schlafen niedergelegt hatte,b 58 auferweckt worden war. Und danach:

Dann nämlich werden die, die seiner Auferstehung gleichgestaltet worden sind,c von ihm an Stelle von Nachbildungen Gold erhalten. Sie werden nämlich mit Gold und Silber überschüttet werden. 10

Fragment 17 zu II 9,2–4 (Hld. 1,12) Hld. 1,12b Mein Nardenöl verströmte seinen Duft.

15

Den Duft nämlich des Bräutigams, heißt es, hat mein Nardenöl, mit dem ich ihn gesalbt habe, verströmt. Denn als sie mit ihrem eigenen Nardenöl die Füße Jesu salbte und59 mit den Haaren abwischte,d nahm sie dieses vom Duft des Bräutigams veränderte Nardenöl auf. Als sie bemerkte, wie dieses auf ihr Haupt kam, sagte sie: Mein Nardenöl verströmte mir den Duft des Bräutigams. Deshalb erfüllte das Salböl der Jüngerin gleichsam ausgehend von der Haut Jesu das ganze Haus.e 60

Fragment 18 zu II 10,1–3 (Hld. 1,13)61 20

Hld. 1,13a Ein Bündel Myrrhe ist mein Neffe (Geliebter) für mich, b inmitten meiner Brüste wird er ruhen.

Nachdem ich gesagt habe, dass das Nardenöl mir den Duft des Bräutigams verströmt hat,f sage ich jetzt, dass mein Neffe62 nach Myrrhe duftet, die sich nicht zerstreut oder fortweht, sondern zusammengebunden ist und den

ganze Haus“ als die Welt, die Jesus mit seinem „Duft“ bzw. seinem Namen, also seiner Botschaft, erfüllt. 61 Der erste Absatz dieses Fragments fasst in Cant. comm. II 10,1–3 zusammen. Der zweite hingegen stammt wohl auch aus dem Kommentar des Origenes zu dieser Stelle, doch gibt es dazu kein Äquivalent in der lateinischen Übersetzung. Rufinus hat offenbar alle Passagen, in denen Origenes Übersetzungsvarianten in der Hexapla diskutierte, nicht mitübersetzt: Barba`ra, BPat 42, 343; Auwers, CChr.SG 67, 64; ders., L’interpre´tation du Cantique 341. Siehe auch den Vergleich dieses Fragments mit dem lateinischen Text des Rufinus bei Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 446–448. 62 Das Wort ,Neffe‘ wird in Hld. 1,13 (und ab da im Hohelied insgesamt 34 Mal) im Sinne von ,Geliebter‘ verwendet: siehe dazu OWD 9/1, 285 Anm. 331, ferner die Erläuterungen zu den diversen Übersetzungen von Hld. 1,13 bei Barba`ra, BPat 42, 340f. Da im Folgenden wie im Bezugstext im Hoheliedkommentar das Wort ,Neffe‘ ausgelegt wird, übersetzen wir an der vorliegenden Stelle die Grundbedeutung.

162

Fragmenta

aÆpodedemeÂnhw kaiÁ pyknoÂteron thÁn eyÆvdiÂan didoyÂshw. ÆAdelfoÁn deÁ toÁn prv Äton eÆsxhkyiÄa laoÁn hë eÆj eÆunv Ä n eÆkklhsiÂa, a eÆpeiÂper eÆj ayÆtoy Ä toÁ kataÁ saÂrka hËn oë XristoÂw, b yiëoÁn keÂklhken aÆdelfoy Ä toÁn nymfiÂon. Toy Ä deÁ ÆAkyÂla eÆkdedvkoÂtow patraÂdelfon lekteÂon pateÂra eiËnai th Ä w eÆj eÆunv Ä n eÆkklhsiÂaw c toÁn paÂlai laoÂn, eÆpeiÁ eÆk toy Ä par’ eÆkeiÂnoiw noÂmoy kaiÁ tv Än profhtv Ä n hë eÆn uev Äì geÂnesiw kaiÁ hë eÆj hëmv Ä n eiÆw eyÆseÂbeian yëph Ä rje proagvghÂ. ToyÂtoy toiÂnyn oyÏtvw aÆpodedomeÂnoy th Ä w nyÂmfhw patroÁw aÆdelfoÁw oë svthÁr oëmoiÂvw eÆkeiÂnoiw yëpoÁ noÂmon d genoÂmenow.

5

Fragmentum 19 (Prokop 61; Barba`ra 14) LeÂgei deÁ kaiÁ eÆn CalmoiÄw´ „SmyÂrna kaiÁ stakthÁ kaiÁ kassiÂa aÆpoÁ tv Än iëmatiÂvn soy.“ e MhÁ pote toy Ä despotikoy Ä uanaÂtoy syÂmbolon hë stakthÁ kaiÁ smyÂrna, hÊn vëw aÆpoÂdesmon th Äì eëayth Ä w perifeÂrei kardiÂaì hë nyÂmfh;

10

Fragmente aus Buch III Fragmentum 20 (Prokop 68; Barba`ra 16) Hld. 1,15a ÆIdoyÁ eiË kalhÂ, hë plhsiÂon moy, b iÆdoyÁ eiË kalhÂ, oÆfualmoi soy peristeraiÂ.

15

KalhÁn ayÆthÂn fhsin, oyÆx vëw toÁ proÂteron eÆn gynaijiÁ leÂgvn moÂnon, f aÆll’ hÍdh kaiÁ vëw plhsiÂon ayÆtoy Ä ´ aÆnadiplasiaÂzei th Ä w nyÂmfhw oë nymfiÂow toÁn eÍpainon to te uevrhtikoÁn ayÆth Ä w eÆpainv Ä n kaiÁ toÁ praktikoÂn. ÆOfualmoyÁw deÁ toyÁw eiÆw noy Ä n kaiÁ kardiÂan fhsiÁn kaiÁ peristera Ä w toÁ dioratikoÂn, kau’ oÊ kaiÁ eiÆw toÁ a

Apg. 15,14

b

Röm. 9,5

c

Apg. 15,14

d

Gal. 4,4

e

Ps. 44(45),9

f

Hld. 1,8

63 Antijüdischer ist die Rede vom „ersten Volk“ in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 85), wo Origenes davon spricht, dass Gott „das erste Volk, ,das ganze Haus Juda‘ und ,das Haus Israel‘ (Jer. 13,11), abgelegt“ und „uns an ihrer Stelle als Gürtel umgelegt hat“. 64 Vgl. II p. 413 Field. 65 Zu dieser Junktur vgl. das griechische Fragment zu in Luc. hom. 1,1 (GCS Orig. 92, 3) und 5,1 (92, 29). 66 Mit dieser Übersetzung stellt Aquila also eine andere Relation her: Während nach der Septuaginta Israel der Bruder der Kirche und Vater Christi ist, ist nach Aquila Israel der Vater der Kirche und der Bruder Christi: Sgherri, Valutazione origeniana 5f. (siehe auch oben S. 106 Anm. 90 zu in Cant. hom. 2,3). Nach in Lam. frg. 118 (GCS Orig. 32, 278) ist die Kirche „die Tochter der früheren Synagoge“. 67 Der Rekurs auf Gal. 4,4 hat kein Pendant im lateinischen Text, passt aber in den Kontext: Barba`ra, BPat 42, 344. 68 Das kurze Stück gehört zu einem Passus in der Katene Prokops, der zum größten

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Fragmente 18–20

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5

Wohlgeruch intensiver abgibt. Da die Kirche aus den Völkerna aber das erste Volk63 zum Bruder gehabt hat, weil aus ihm Christus dem Fleische nachb stammte, nannte sie den Bräutigam Sohn des Bruders. Wenn aber Aquila in seiner Ausgabe Vaterbruder bietet,64 muss man dazu sagen, dass das frühere Volk65 der Vater der Kirche aus den Völkernc ist,66 da ausgehend von ihrem Gesetz und den Propheten die Geburt in Gott und unser Voranschreiten zur Frömmigkeit angefangen hat. Wenn dieses also auf diese Weise als Vater der Braut aufgefasst wird, ist der Erlöser ihr Bruder, da er gleich jenen unter dem Gesetzd geboren wurde.67

10

Fragment 19 zu II 10,10 (Hld. 1,13)68 Er sagt aber auch in den Psalmen: „Myrrhe und Myrrhenöl und Kassiazimt gehen von deinen Gewändern aus.“e Ob vielleicht das Myrrhenöl und die Myrrhe, die die Braut wie ein Bündel um ihr eigenes Herz herum trägt, ein Symbol für den Herren-Tod ist?

15

Fragmente aus Buch III Fragment 20 zu III 1,2–5 (Hld. 1,15)69 Hld. 1,15a Siehe, du bist schön, meine Gefährtin, b siehe, du bist schön, deine Augen sind Tauben.

20

Er bezeichnet sie als schön, nicht wie vorher nur schön unter den Frauen,f sondern nunmehr auch als seine Gefährtin. Der Bräutigam verdoppelt das Lob der Braut, indem er sowohl ihren theoretischen als auch ihren praktischen Sinn lobt. Mit den Augen aber meint er Verstand und Herz und mit den Tauben die Einsicht,70 gemäß der sich die Aussage auch auf den Geist

Teil aus den Hoheliedhomilien des Gregor von Nyssa stammt. Am Ende dieses Gregor-Fragments wird erst Ps. 71(72),6 zitiert – die Quelle hierfür ist unbekannt –, dann folgt dieser Text, der aus Origenes, in Cant. comm. II 10,10 geschöpft ist: Barba`ra, BPat 42, 96. 340; Auwers, CChr.SG 67, 62. Um in der Textfolge des Kommentars zu bleiben, kehren wir die Reihenfolge der beiden Fragmente aus in Cant. comm. II 10 gegenüber der Reihung in den Ausgaben von Barba`ra und Auwers um, auch wenn die Stücke in der Katene Prokops in umgekehrter Abfolge überliefert sind. 69 Ob dieser Text aus Origenes geschöpft ist, ist unsicher, weil er in der Überlieferung meist Kyrill von Alexandria zugeschrieben und nur in zwei späten Handschriften vor dem Namen Kyrills der des Origenes notiert ist: Auwers, CChr.SG 67, 73. Von to te uevrhtikoÂn an hat Prokop möglicherweise die Auslegungen des Origenes und des Kyrill vermischt, da sich für diesen Gedanken von Theorie und Praxis keine Entsprechung im lateinischen Origenestext findet: Barba`ra, BPat 42, 345 (mögliche Parallelen an anderen Origenesstellen: ebd. 346). 70 Zum scharfen Blick der Tauben vgl. in Lev. hom. 3,8 (GCS Orig. 6, 314).

164

Fragmenta

pney Ä ma lambaÂnetai. LeÂgei oyËn vëw eÆdeÂjato noy Ä n hë nyÂmfh moÂnon oërv Ä nta ueoÂn. ÆOfualmoiÁ deÁ kaiÁ oië aÍkakoi kaiÁ oÆjyderkeiÄw th Ä w eÆkklhsiÂaw didaÂskaloi.

Fragmentum 21 (Prokop 73; Barba`ra 17) Hld. 1,16a ÆIdoyÁ eiË kaloÂw, oë aÆdelfidoÂw moy, kai ge vëraiÄow´ b proÁw kliÂnh hëmv Ä n syÂskiow.

Ny Ä n eÍoike proÂteron eÆnevrakeÂnai tranoÂteron tv Äì toy Ä nymfiÂoy kaÂllei hë nyÂmfh kaiÁ diaÁ tv Ä n peristerv Ä n ayÆth Ä w oÆfualmv Ä n a aiÍsuesuai th Ä w eÆn tv Äì kaÂllei toy Ä loÂgoy yëperoxh Ä w. TaÂxa deÁ kaiÁ kliÂnhn koinhÁn eëayth Ä w kaiÁ toy Ä nymfiÂoy toÁ sv Ä ma aiÆniÂttetai, eÆn v Îì eÍti oyËsa hë cyxhÁ aÆjioy Ä tai th Ä w toy Ä loÂgoy koinvniÂaw. LeÂgei goy Ä n Pay Ä low´ „TaÁ svÂmata yëmv Ä n meÂlh Xristoy Ä eÆstin.“ b DiaÁ gaÁr toy Ä yëmv Ä n th Ä w nyÂmfhw eiËnai leÂgei toÁ sv Ä ma, diaÁ deÁ toy Ä meÂlh Xristoy Ä toy Ä nymfiÂoy. SyÂskion de fhsi toÁn nymfiÂon diaÁ thÁn pyknoÂthta tv Ä n eÆn tv Äì loÂgvì kaiÁ th Äì sofiÂaì uevrhmaÂtvn. ÆEaÁn deÁ hËì hë koinhÁ kliÂnh aÆmfoiÄn eyÆualhÂw, oyÆdeÁn uaymastoÁn ueiÂaw dynaÂmevw diiknoymeÂnhw kaiÁ eÆpiÁ toÁ sv Ä ma pa Ä san thÁn diaÁ toy Ä svÂmatow pra Ä jin aÆgauhÁn dhloy Ä suai.

5

10

15

Fragmentum 22 (Prokop 78; Barba`ra 18) Hld. 2,1a b 2,2a b

ÆEgvÁ aÍnuow toyÄ pediÂoy, kriÂnon tv Ä n koilaÂdvn. ëVw kriÂnon eÆn meÂsvì aÆkanuv Ä n, oyÏtvw hë plhsiÂon moy aÆnaÁ meÂson tv Ä n uygateÂrvn.

ÍAnuow leÂgetai toÁ oëdeyÄon eÆpiÁ toÁ geneÂsuai karpoÂw´ eÆn oyËn tv Äì perigeiÂvì toÂpvì pediÂvì rëhueÂnti aÍnuow eÆstiÁn oë nymfiÂow loÂgow vëw proÁw taÁ meÂllonta´ „oÏtan gaÁr eÍluhì toÁ teÂleion“, c metabaleiÄ toÁ aÍnuow eiÆw toÁ geneÂsuai karpoÂw. a

Hld. 1,15

b

1 Kor. 6,15

c

1 Kor. 13,10

71 Von Lk. 3,21f. aus ist im Christentum die Taube das Symbol für den Heiligen Geist; für Origenes vgl. in Cant. hom. 2,12: columba Spiritus Sanctus est. 72 Christus als die Weisheit enthält sämtliche geistigen Strukturen der Welt in sich, die er als Wort den vernunftbegabten Geschöpfen mitteilt: in Ioh. comm. I 19,111 (GCS Orig. 4, 23); I 34,244 (4, 43); II 18,126 (4, 75); V 5 (4, 102); princ. I 2,2f. (GCS Orig. 5, 29f.). Vgl. auch frg. 27. 73 Die göttliche Kunstfertigkeit durchdringt die ganze Schöpfung bis ins kleinste Detail: philoc. 2,4 (SC 302, 246). 74 Baehrens, GCS Orig. 8, 175, und Bre´sard/Crouzel/Borret, SC 376, 742, halten diesen Satz für unsicher, doch lässt er sich mit Auwers, CChr.SG 67, 80, dem Passus in Cant. comm. III 2,8 zuordnen. Siehe auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 347–350.

20

Fragmente 20–22

165

bezieht.71 Er erklärt also, wie die Braut einen Verstand empfangen hat, der allein Gott schaut. Die Augen aber sind auch die unverdorbenen und scharfsichtigen Lehrer der Kirche.

Fragment 21 zu III 2,1–5; 2,8 (Hld. 1,16) 5

10

15

Hld. 1,16a Siehe, du bist schön, mein Geliebter, und wirklich anmutig, b und unser Bett ist schattig.

Jetzt scheint die Braut zum ersten Mal genauer auf die Schönheit des Bräutigams geschaut und durch ihre Taubenaugena das Übermaß in der Schönheit des Wortes wahrgenommen zu haben. Vielleicht aber deutet sie auch mit dem ihr und dem Bräutigam gemeinsamen Bett den Leib an, in dem die Seele noch weilt und doch schon der Gemeinschaft mit dem Wort gewürdigt wird. Paulus sagt jedenfalls: „Eure Leiber sind die Glieder Christi.“b Denn durch den Ausdruck „eure“ sagt er, dass der Leib der Braut gehört, durch den Ausdruck „Glieder Christi“ aber, dass er dem Bräutigam gehört. Schattig aber nennt sie den Bräutigam wegen der Dichte der im Wort und in der Weisheit befindlichen geistigen Strukturen.72 Wenn aber das gemeinsame Bett für beide blühend ist, ist es nicht erstaunlich, dass, wenn die göttliche Kraft auch bis zum Leib durchdringt,73 jede durch den Leib ausgeführte Handlung als gut erwiesen wird.74

Fragment 22 zu III 4,3–7 (Hld. 2,1f.)75

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Hld. 2,1a b 2,2a b 25

Ich bin eine Blüte der Ebene, eine Lilie der Klüfte. Wie eine Lilie inmitten von Dornen, so ist meine Gefährtin inmitten der Töchter.

Blüte nennt man das, was auf dem Weg ist, eine Frucht zu werden. An diesem irdischen Ort76 also, der Ebene genannt wird, ist der Bräutigam, das Wort, gleichsam im Hinblick auf die Zukunft eine Blüte; „wenn nämlich das Vollkommene kommt“,c wird sich die Blüte verwandeln, um eine Frucht zu werden.77 Und weil die Menschen auf der Erde nicht mehr erfassen können 75 Zu diesem Fragment siehe Auwers, Chaıˆne de Procope 342–345: Hld. 2,1f. wird auf die Inkarnation bezogen. 76 Der Ausdruck bezeichnet die vom Menschen bewohnte Welt: in Ioh. comm. I 15,87 (GCS Orig. 4, 19). 77 Dieser Satz des Fragments findet keine exakte Entsprechung in Rufins Text des Hoheliedkommentars, weshalb Barba`ra, BPat 42, 352, vermutet, dass der Epitomator den Text des Origenes vielleicht mit der Auslegung eines anderen Kommentatoren vermischt hat. Nach Auwers, Chaıˆne de Procope 344f.; ders., L’interpre´tation du Cantique 196f. 355–357, hat Prokop den Text derart gerafft, dass das Original kaum noch erkennbar ist und dieses Fragment die größte Abweichung vom lateinischen Text des Rufinus aufweist.

166

Fragmenta

KaiÁ eÆpeiÁ mhÁ pleÂon xvroy Ä si toy Ä vëw aÍnuow loÂgoy oië eÆpiÁ gh Ä w, diaÁ toy Ä to geÂgonen oë nymfiÂow vëw aÍnuow toy Ä pediÂoy· „eëaytoÁn“ gaÁr „eÆkeÂnvsen morfhÁn doyÂloy labvÁn“ a proÁw toÁ dynhuh Ä nai „thÁn doÂjan ayÆtoy Ä “ b metaÁ tay Ä ta ueaÂsasuai hëma Ä w. Mh pote deÁ toiÄw meÁn eyÆgenesteÂroiw kaiÁ oëmaleÂsi pediÂoiw oÆnomazomeÂnoiw aÍnuow eÆstiÂ, toiÄw deÁ toyÂtvn katvteÂroiw kaiÁ koiloteÂroiw kriÂnon. Tay Ä ta fhÂsaw oë nymfiÂow parabaÂllei thÁn plhsiÂon ayÆtoy Ä aÍllaiw uygatraÂsi, taiÄw loipaiÄw cyxaiÄw, aiÏtineÂw eiÆsin aÍkanuai tayÂthì paraballoÂmenai. Toiay Ä tai deÁ aië mhÁ plhsiÂon toy Ä nymfiÂoy cyxaiÂ, hë deÁ plhsiÂon kriÂnon eÆn meÂsvì dialaÂmpon ayÆtv Ä n.

5

Fragmentum 23 (Prokop 83; Barba`ra 19)

10

Hld. 2,3a b c d

ëVw mhÄlon eÆn toiÄw jyÂloiw toyÄ drymoyÄ, oyÏtvw aÆdelfidoÂw moy aÆnaÁ meÂson tv Ä n yiëv Ä n´ eÆn thÄì skia Äì ayÆtoyÄ eÆpeuyÂmhsa kaiÁ eÆkaÂuisa, kaiÁ karpoÁw ayÆtoyÄ glykyÁw eÆn laÂryggi moy.

ÍEprepe th Äì nyÂmfhì toy Ä kaÂlloyw oÏlhì toy Ä nymfiÂoy gegenhmeÂnhì periÁ eëayth Ä w meÁn leÂgein oyÆdeÂn, proÁw oiÎw deÁ oë nymfiÂow eÍfh periÁ eëaytoy Ä , mhÂlvì parabaÂllein ayÆtoÂn, toyÁw par’ ayÆtoÁn deÁ yiëoyÁw jyÂloiw drymoy Ä · yëperbolhÄì deÁ poÂuoy toÁ kaiÁ skia Ä w eÆpiuymeiÄn thÄw ayÆtoyÄ kaiÁ parapeÂmcai tv Äì baÂuei thÁn toyÂtoy poioÂthta. ÍEoike deÁ tay Ä ta leÂgein proÁw taÁw neaÂnidaw vëw proÁw toyÁw eëtaiÂroyw oë nymfiÂow taÁ prv Ä ta. YiëoyÁw deÁ hà toyÁw eëtaiÂroyw leÂgei, oyÊw paraueÂsei toy Ä nymfiÂoy jyÂloiw aÆkaÂrpoiw pareiÂkasen, hà toyÁw aÆllotriÂoyw ayÆtoy Ä. ëYpoÁ skiaÁn deÁ ayÆtoy Ä eÆpeuyÂmhseÂn te kauiÂsai kaiÁ kekaÂuiken. LeÂgei kaiÁ ëIeremiÂaw eÆn UrhÂnoiw´ „Pney Ä ma proÁ prosvÂpoy hëmv Ä n XristoÁw kyÂriow synelhÂfuh eÆn taiÄw diafuoraiÄw hëmv Ä n, oyÎ eiÍpomen´ ÆEn th Äì skia Äì ayÆtoy Ä zhsoÂmeua eÆn toiÄw eÍunesi.“ c Pv Ä w gaÁr oyÆk eÍmelle zvh Ä w hëmiÄn aiÆtiÂa hë skiaÁ ayÆtoy Ä geneÂsuai genomeÂnoiw eÆleyueÂroiw th Ä w toy Ä noÂmoy skia Ä w ± „skiaÁn gaÁr eiËxen oë noÂmow tv Än melloÂntvn aÆgauv Ä n“ d – mhkeÂti oyËsin „yëpoÁ noÂmon, aÆll’ yëpoÁ xaÂrin“; e EiÆ kaiÁ a

Phil. 2,7

b

Joh. 1,14

c

Klgl. 4,20

d

Hebr. 10,1

e

Röm. 6,15

78 Im Kommentar laut Rufinus rekurriert Origenes nicht auf diese beiden Bibelstellen, sondern auf Mt. 6,28–30: Barba`ra, BPat 42, 352. 79 Vgl. in Hier. hom. 2,3 (GCS Orig. 32, 19): Für die Gerechten ist Christus eine Blüte; ferner in Is. hom. 3,1 (GCS Orig. 8, 254), dazu die Hinweise von Fürst/Hengstermann, OWD 10, 220f. Anm. 48–50. 80 Das Adjektiv koiÄlow, „hohl“, greift den Begriff koilaÂw aus Hld. 2,1 auf, „hohles, tiefes Tal“, was in der Heilstopographie des Origenes symbolisch der Ort tiefer Sünde ist; vgl. in Cant. comm. III 12,8, ferner die Hinweise bei Fürst, OWD 7, 130 Anm. 23.

15

20

25

Fragmente 22–23

5

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167

als das Wort, das wie eine Blüte ist, deshalb ist der Bräutigam wie eine Blüte der Ebene geworden. Denn „er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an“,a damit wir fähig werden, danach „seine Herrlichkeit“b zu schauen.78 Vielleicht aber ist er für die vornehmeren und geradlinigeren Wesen, die Ebene genannt werden, eine Blüte,79 für die aber, die niedriger und hohler80 sind als diese, eine Lilie. Nachdem er dies gesagt hat, vergleicht der Bräutigam seine Gefährtin mit anderen Töchtern, den übrigen Seelen, die verglichen mit ihr Dornen sind. So beschaffen sind aber die Seelen, die nicht Gefährtin des Bräutigams sind, die Gefährtin aber ist eine Lilie, die in ihrer Mitte leuchtet.

Fragment 23 zu III 5,1–4; 5,10–19 (Hld. 2,3)

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Hld. 2,3a b c d

Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne. Nach seinem Schatten sehnte ich mich und saß darin, und seine Frucht war süß in meinem Gaumen.

Es ziemte sich für die Braut, die völlig der Schönheit des Bräutigams verfallen war, nichts über sich selbst zu sagen, sondern über das hinaus, was der Bräutigam über sich selbst sagte, ihn mit einem Apfelbaum zu vergleichen, die Söhne bei ihm aber mit Bäumen des Waldes, sich aus dem Übermaß der Sehnsucht heraus aber sowohl nach seinem Schatten zu sehnen als auch seine Qualität in der Tiefe auf sich wirken zu lassen. Dies scheint sie aber zu den jungen Frauen zu sagen wie der Bräutigam das Vorige zu den Gefährten. Als Söhne aber bezeichnet sie entweder die Gefährten, die sie im Gegenüber zum Bräutigam mit fruchtlosen Bäumen verglich, oder die, die ihm fremd sind.81 Unter seinem Schatten aber sehnte sie sich zu sitzen und saß sie. Es sagt auch Jeremia in den Klageliedern: „Der Hauch vor unserem Angesicht, Christus, der Herr, wurde gefangen genommen in unseren Verderbtheiten, von dem wir sagten: In seinem Schatten werden wir unter den Völkern leben.“c Denn wie sollte sein Schatten für uns nicht zur Ursache des Lebens werden,82 da wir frei geworden sind vom Schatten des Gesetzes – „den Schatten nämlich der künftigen Güter beinhaltete das Gesetz“d –, da wir nicht mehr „unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“e sind? Freilich, auch jetzt 81 In Cant. comm. III 5,8 deutet Origenes die „Bäume des Waldes“ als die Engel, die er als die Urheber und Hüter der Häresien versteht. 82 In Cant. comm. III 5,11 verknüpft Origenes die Leben spendende Qualität des Schattens mit der Empfängnis durch Maria, wofür in Lk. 1,35 von „überschatten“ die Rede ist. Zur positiven heilsgeschichtlichen Deutung des „Schattens“ vgl. auch in Lam. frg. 116 zu Klgl. 4,20 (GCS Orig. 32, 277); in Num. hom. 27,12 (GCS Orig. 7, 277); bes. princ. II 6,7 (GCS Orig. 5, 146f.), wo derselbe Gedanke wie hier formuliert ist.

168

Fragmenta

ny Ä n eÆsmen yëpoÁ skiaÁn pollv Äì diafeÂroysan´ metaÁ toÁn paroÂnta gaÁr biÂon oyÆkeÂti di’ eÆsoÂptroy kaiÁ eÆn aiÆniÂgmati, aÆllaÁ proÂsvpon proÁw proÂsvpon thÁn aÆlhÂueian uevrhÂsomen. a LeÂjei deÁ kaiÁ hë nyÂmfh´ „ÏEvw oyÎ diapneyÂshì hë hëmeÂra kaiÁ kinhuv Ä sin aië skiaiÂ.“ b ÍEsti gaÁr oë biÂow hëmv Ä n vëw skiaÂ, c kaiÁ eÆn skia Äì d uanaÂtoy oië eÆj eÆunv Ä n eÆkaueÂzonto kaiÁ oië aÆpistoy Ä ntew eÍti kaueÂzontai.

5

Fragmentum 24 (Prokop 86; Barba`ra 20) Hld. 2,4a

EiÆsagaÂgete me eiÆw oiËkon toyÄ oiÍnoy.

Tay Ä ta proÁw toyÁw fiÂloyw toy Ä nymfiÂoy fhsiÂ, toyÁw aëgiÂoyw aÆggeÂloyw hà aÆpostoÂloyw te kaiÁ profhÂtaw, mononoyxiÁ leÂgoysa´ SygkeraÂsate me tv Äì svÂmati toy Ä Xristoy Ä.

10

Fragmentum 25 (Prokop 97; Barba`ra 21) Hld. 2,5a b

SthriÂsate me eÆn myÂroiw, stoibaÂsate me eÆn mhÂloiw, oÏti tetrvmeÂnh aÆgaÂphw eÆgvÂ.

ëO SyÂmmaxow oyÏtvw eÆkdeÂdvken· ÆEpanakliÂnate me oiÆnaÂnuhì , toyteÂstin eyÆvÂdesi deÂndroiw toiÄw kaloÁn karpoÁn poioy Ä sin aÆnuoy Ä nta, tv Ä n fayÂlvn legomeÂnvn deÂndrvn aÆkaÂrpvn hà kakokaÂrpvn. e TaÁw deÁ aÆmyÂraw (kauvÂw tina tv Ä n aÆntigraÂfvn eÍxei· SthriÂsate me eÆn aÆmyÂraiw) hà aÆllotriÂoyw th Ä w piÂstevw xrhstoyÁw deÁ nohteÂon hà pistoyÁw meÂn, oyÆ mhÁn vëw xrhmatiÂzein meÂlh th Ä w mhÁ eÆxoyÂshw spiÄlon hà rëytiÂda. f ToÁ deÁ StoibaÂsate me eÆn mhÂloiw safhniÂzvn oë SyÂmmaxow PerikyliÂsate me mh Ä la eiËpe. BoyÂletai gaÁr hë nyÂmfh eÆn polloiÄw perikyliomeÂnoiw ayÆthÁn mhÂloiw aÆnapayÂesuai, aÏtina, oiËmai, karpoÂw eÆstin toy Ä a e

b 1 Kor. 13,12 Hld. 2,17 f Mt. 3,10 Eph. 5,27

c

Ijob 8,9; vgl. 1 Chr. 29,15

d

Mt. 4,16; vgl. Jes. 9,1

83 Auwers, CChr.SG 67, 96, weist nur den Text bis profhÂtaw Origenes zu (in Cant. comm. III 6,1–3), das Weitere hingegen Philon von Karpasia. Vgl. auch ders., L’interpre´tation du Cantique 341f. 84 Zur Vereinigung der vielen Glieder zum einen Leib Christi bei der Auferstehung vgl. in Ioh. comm. X 36,236–238 (GCS Orig. 4, 210f.). 85 Zu dieser Textfassung siehe in Cant. comm. III 8,1 und dazu OWD 9/1, 331 Anm. 383, ferner die ausführlichen Angaben zur uneinheitlichen Überlieferung bei Barba`ra, BPat 42, 359; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 342 Anm. 48. 86 Rufinus hat in seiner lateinischen Übersetzung die Ausführungen des Origenes zur Übersetzung von Hld. 2,5 bei Symmachus (II p. 414 Field) weggelassen und durch

15

20

Fragmente 23–25

5

169

befinden wir uns unter einem Schatten, doch einem ganz anderen. Denn nach dem gegenwärtigen Leben werden wir nicht mehr durch einen Spiegel und im Rätsel, sondern von Angesicht zu Angesicht die Wahrheit schauen.a Es wird aber auch die Braut sagen: „Bis der Tag verweht und die Schatten weichen.“b Unser Leben ist nämlich wie ein Schatten,c und die aus den Völkern saßen im Schatten des Todes,d und die Ungläubigen sitzen noch darin.

Fragment 24 zu III 6,1–4 (Hld. 2,4)83 Hld. 2,4a 10

Führt mich in das Haus des Weines hinein!

Dies sagt sie (sc. die Braut) zu den Freunden des Bräutigams, den heiligen Engeln oder den Aposteln und Propheten, fast als ob sie sagte: Vereinigt mich mit dem Leib Christi!84

Fragment 25 zu III 8,1; 8,4–13 (Hld. 2,5) 15

20

25

Hld. 2,5a b

Stärkt mich mit Salbölen,85 Stopft mich voll mit Äpfeln, denn wund vor Liebe bin ich!

Symmachus86 hat dies so wiedergegeben: Bettet mich auf Rebenblüte,87 das heißt auf wohlriechenden Bäumen, die in ihrer Blüte eine gute Frucht hervorbringen, während die als schlecht bezeichneten Bäume keine oder schlechte Früchte hervorbringen.e Die Ungesalbten aber (wie manche Abschriften bieten: Stärkt mich mit Ungesalbtem) sind entweder als dem Glauben fremde, aber anständige Menschen zu verstehen oder als zwar Gläubige, die aber nicht als Glieder derjenigen Kirche bezeichnet werden können, die keinen Fleck und keine Runzel hat.f 88 Die Aussage aber: Stopft mich voll mit Äpfeln gab Symmachus erklärend wieder mit: Hüllt mich in Äpfel. Die Braut will nämlich inmitten von vielen sie umhüllenden Äpfeln ruhen.89 Diese sind, glaube ich, die Frucht gleichsam des „Apfelbaums unter den Bäumen

einen allgemeinen Hinweis auf den griechischen Text ersetzt. Siehe Auwers, L’interpre´tation du Cantique 342–345. 87 Diese Lesart erwähnt Origenes auch in Cant. hom. 2,8. 88 Der Hinweis auf Eph. 5,27 hat keine Entsprechung im lateinischen Text Rufins, sondern ist eine Ergänzung des Epitomators aus anderen Stellen im origeneischen Hoheliedkommentar: Barba`ra, BPat 42, 360. 89 Nach Cels. III 63 (GCS Orig. 1, 257) werden „alle Menschen zur Ruhe beim Wort Gottes gerufen“. Zur erotischen Komponente des Apfels in der Antike siehe Cox Miller, Eros and Language 250f.

170

Fragmenta

„vëw mhÂloy eÆn toiÄw jyÂloiw toy Ä drymoy Ä “ a nymfiÂoy, Ïina th Ä w ayÆtv Ä n metalaÂbhì poioÂthtow. TeÂtrvmai gaÁr fiÂltrvì , fhsiÁ kataÁ SyÂmmaxon´ aÆpoÁ toy Ä eÆklektoy Ä beÂloyw b kataÁ toÁn ëHsaiÉan.

Fragmentum 26 (Prokop 103; Barba`ra 22) Hld. 2,7a b c

ÏVrkisa yëma Ä w, uygateÂrew ëIeroysalhÂm, eÆn taiÄw dynaÂmesin kaiÁ eÆn taiÄw iÆsxyÂsesin toyÄ aÆgroyÄ, eÆaÁn eÆgeiÂrhte kaiÁ eÆjegeiÂrhte thÁn aÆgaÂphn, eÏvw oyÎ uelhÂshì .

ÆAkyÂlaw de fhsi kaiÁ SyÂmmaxow kaiÁ hë peÂmpth eÍkdosiw· ÏVrkisa yëma Ä w, uygateÂrew ÆIeroysalhÂm, eÆn dorkaÂsin hà eÆn eÆlaÂfoiw thÄw xvÂraw eÆkdidoÂasin. KaiÁ Íisvw oië meÁn dioratikoiÁ dorkaÂdew aÆpoÁ toy Ä deÂrkein kaiÁ bleÂpein´ oië deÁ gennaiÄoi kataÁ th Ä w kakiÂaw aÆgvnistaiÁ kaiÁ aÆblabv Ä w aÆnairoy Ä ntew ayÆth Ä w taÁ gennhÂmata eÍlafoi, eÆpeiÁ kaiÁ toÁ zv Ä on oÍfevÂn eÆstin aÆnairetikoÁn proÁw toy Ä toyÂtvn iÆoy Ä mhÁ blaptoÂmenon´ kau’ v Î n aÆrkeiÁ thÁn aÆgaÂphn eÆjegeiÄrai meÂxri uelhÂsei xrhmatiÂsai tayÂtaiw hë toy Ä nymfiÂoy fvnhÂ. c

Fragmentum 27 (Prokop 108 und 109; Barba`ra 23) Hld. 2,8a b c 2,9a b g

Hld. 2,3

FvnhÁ aÆdelfidoyÄ moy´ iÆdoyÁ oyÎtow hÏkei phdv Ä n eÆpiÁ taÁ oÍrh, dialloÂmenow eÆpiÁ toyÁw boynoyÂw. ÏOmoioÂw eÆstin aÆdelfidoÂw moy thÄì dorkaÂdi hà nebrv Äì eÆlaÂfvn eÆpiÁ taÁ oÍrh BaiuhÂl. h

Jes. 49,2

a

Hld. 2,8

90 Zu dem „Liebeszauber“ oder „Liebestrank“, wie Symmachus in Hld. 2,5 übersetzte (II p. 414 Field), siehe Crouzel, Le trait et la blessure d’amour 309. Vgl. auch frg. 34. 91 Zur Liebeswunde, die Origenes meist am „auserwählten Pfeil“ aus Jes. 49,2 festmacht, siehe die Hinweise in OWD 9/1, 334 Anm. 389, dazu noch in Rom. comm. VII 9,2 (SC 543, 338–340). 92 Das Fragment lässt sich keiner Passage des lateinisches Textes zuordnen, weil Rufinus bei seiner Erklärung von Hld. 2,7 in Cant. comm. III 10,1 diese textkritischen Erläuterungen nicht mitübersetzt hat: Auwers, L’interpre´tation du Cantique 340. Zu seiner Herkunft von Origenes, wie in einigen Handschriften angegeben, siehe die Gründe bei Barba`ra, BPat 42, 362f., die vermutet, dass es ursprünglich im Kontext von in Cant. comm. III 10,9 stand (ebd. 363). 93 Als „Kämpfer“ (aÆgvnistaiÂ) gegen das Böse bezeichnet Origenes die Märtyrer: exhort. mart. 18 (GCS Orig. 1, 16f.), oder alle Christen: Cels. VI 72 (GCS Orig. 2, 142), aber auch Jesus: ebd. I 69 (1, 123). 94 Zur Ableitung von dorkaÂw, „Gazelle“, vom Perfekt deÂdorka (von deÂrkomai), „scharf sehen, einen scharfen Blick haben“, siehe in Cant. comm. III 13,44. Zu den allegorischen Erzählungen über diese Tiere, bes. über den Hirsch, siehe neben der

5

10

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Fragmente 25–27

171

des Waldes“,a des Bräutigams, damit sie an ihrer Qualität Anteil bekommt. Denn ich bin verwundet von einem Liebeszauber, sagt sie nach Symmachus,90 von dem auserwählten Pfeilb nach Jesaja.91

Fragment 26 (Hld. 2,7)92 5

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Hld. 2,7a b c

Ich beschwor euch, Töchter Jerusalems, bei den Mächten und bei den Kräften des Feldes, dass ihr die Liebe weckt und aufweckt, sofern sie will.

Aquila aber, sagt er (sc. Origenes), und Symmachus und die fünfte Ausgabe geben wieder: Ich beschwor euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen und bei den Hirschen des Feldes. Und vielleicht sind die, die genau hinschauen, Gazellen, abgeleitet von scharf sehen und blicken, die Edlen aber, die gegen das Böse kämpfen93 und, ohne Schaden zu erleiden, dessen Hervorbringungen vertilgen, Hirsche, da auch dieses Tier Schlangen vertilgt, ohne von deren Gift Schaden zu nehmen.94 Gegen diese reicht es, die Liebe aufzuwecken, bis die Stimme des Bräutigamsc diesen (sc. der Braut und den Töchtern Jerusalems) wird weissagen wollen.

Fragment 27 zu III 11,1–10; 11,15–23 (Hld. 2,8–14)95 20

Hld. 2,8a b c 2,9a b

Die Stimme meines Geliebten! Siehe, er kommt springend über die Berge, hüpfend über die Hügel. Mein Geliebter gleicht der Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel.

genaueren Erklärung in Cant. hom. 2,11 die Hinweise in OWD 9/1, 348 Anm. 408, dazu noch Cels. II 48 (GCS Orig. 1, 170); viele weitere Belege bei Domagalski, Hirsch 151–160. Siehe auch frg. 28. 95 Das Fragment ist bei Prokop in zwei Stücken (Nr. 108 und 109) überliefert, von denen das erste (Zeilen 172.19–174.1 fvnhÄw) in den Handschriften Origenes zugewiesen ist, das zweite (Zeilen 174.1 TayÄta – 176.3) Kyrill von Alexandria. Es ist jedoch der Entscheidung von Barba`ra, BPat 42, 182–189 (vgl. ebd. 365f.), zu folgen, die beiden Stücke zu einem Fragment (Nr. 23) zusammenzufügen, zumal auch Auwers, CChr.SG 67, 120. 121, präzise aufzeigt, dass der griechische Text dem lateinischen genau parallel läuft: Prokop 108.1–22 entspricht in Cant. comm. III 11,1–8 (GCS Orig. 8, 199.6–201.1), Prokop 109.1–11 entspricht in direktem Anschluss daran in Cant. comm. III 11,9–10 (GCS Orig. 8, 201.1–11) und Prokop 109.12–28 fasst in Cant. comm. III 11,15–23 (GCS Orig. 8, 202.16–204.6) zusammen. Baehrens, GCS Orig. 8, 199–201, hat nur Prokop 108 unter den Text gesetzt, das Stück Prokop 109 jedoch in den Nachträgen abgedruckt (ebd. liv) und mit Verweis darauf, dass es in zwei Handschriften unter dem Namen des Origenes im Anschluss an das vorangehende Fragment weiterläuft, dem Alexandriner zugewiesen. Siehe auch den Vergleich der frg. 27 und 28 mit Rufins lateinischem Text bei Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 449–453; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 350–355.

172

Fragmenta

c d e 2,10 a b 2,11 a b 2,12 a b c 2,13 a b c 2,14 a b c d e

ÆIdoyÁ oyÎtow eÏsthken oÆpiÂsv toyÄ toiÂxoy hëmv Än parakyÂptvn diaÁ tv Ä n uyriÂdvn, eÆkkyÂptvn diaÁ tv Ä n diktyÂvn. ÆApokriÂnetai aÆdelfidoÂw moy kaiÁ leÂgei moi´ ÆAnaÂsta eÆlueÂ, hë plhsiÂon moy, kalh moy, peristera moy, oÏti iÆdoyÁ oë xeimvÁn parhÄluen, oë yëetoÁw aÆphÄluen, eÆporeyÂuh eëaytv Äì , taÁ aÍnuh v Í fuh eÆn thÄì ghÄì , kairoÁw thÄw tomhÄw eÍfuaken, fvnhÁ toyÄ trygoÂnow hÆkoyÂsuh eÆn thÄì ghÄì hëmv Ä n, hë sykhÄ eÆjhÂnegken oÆlyÂnuoyw ayÆthÄw, aië aÍmpeloi kypriÂzoysin, eÍdvkan oÆsmhÂn. ÆAnaÂsta eÆlueÂ, hë plhsiÂon moy, kalh moy, peristera moy, kaiÁ eÆlueÁ syÂ, peristera moy eÆn skeÂphì thÄw peÂtraw eÆxoÂmena toyÄ proteixiÂsmatow, deiÄjoÂn moi thÁn oÍcin soy kaiÁ aÆkoyÂtisoÂn me thÁn fvnhÂn soy, oÏti hë fvnh soy hëdeiÄa kaiÁ hë oÍciw soy vëraiÂa.

Toy Ä to tinew toiÄw prolaboy Ä sin aÆpeÂdvkan, toÁ deÁ ëEbraiÈkoÁn eÆj iÆdiÂaw taÂttei perikoph Ä w. KaiÁ dh Ä loÂn eÆstin, vëw hë nyÂmfh dialegomeÂnh taiÄw uygatraÂsin ëIeroysalhÁm a aiÆfniÂdion aiÆsuaÂnetai th Ä w toy Ä nymfiÂoy fvnh Ä w dialegomeÂnoy tisiÁn vëw eiÆkoÂw´ hÎw aiÆsuanomeÂnhw eÆpiÁ tv Ä n oÆrv Ä n kaiÁ tv Ä n boynv Ä n tv Ä n parakeimeÂnvn tv Äì toÂpvì th Ä w nyÂmfhw diaÂlletai vëw mhdeÁn aÆpaÂdein nebrv Äì . EiËta spoydh Äì th Äì periÁ thÁn nyÂmfhn eÆgeÂneto plhsiÂon toy Ä oiÍkoy kaiÁ pareÂfhnen oÍpisuen ayÆtoyÄ´ eiËta phdhÂsaw meÂxri tv Ä n toyÄ oiÍkoy fuaÂnei uyriÂdvn, eÆrvtikv Äw v Ï sper eÆueÂlvn eiÆw ayÆthÁn parakyÂcai· eÆggyÁw deÁ th Ä w oiÆkiÂaw eÍnua hë nyÂmfh diÂktya pollaÁ eÆp’ eÆneÂdraì th Ä w nyÂmfhw kaiÁ tv Ä n periÁ ayÆthÁn eÆkpepeÂtastai, aÏper diakoÂcaw oë nymfiÂow vëw iÆsxyroÂterow dieÂkycen di’ ayÆtv Ä n kaiÁ kaleiÄ thÁn nyÂmfhn plhsiÂon eÆlueiÄn parauarryÂnvn eÍrgvì tv Ä n diktyÂvn katafroneiÄn vëw hÍdh sxisueÂntvn kaiÁ toy Ä xalepoy Ä di’ ayÆtv Ä n paradramoÂntow kairoy Ä , oÊn xeimv Ä na kaleiÄ aÆnvfelhÄ feÂronta kaiÁ sfodroÁn yëetoÂn. ProtreÂpetai deÁ kaiÁ diaÁ tv Ä n kalv Ä n toy Ä paroÂntow kairoy Ä aÍnuh leÂgvn vëw eÆn eÍari kaiÁ uerapeiÂaì aÆmpeÂlvn· trygoÂnow te fvnhÁn kaiÁ sykh Ä w oÆlyÂnuoyw kaiÁ kyprizoyÂsaw aÆmpeÂloyw diagraÂfei kaiÁ toÁn eÍnua synanapayÂsetai toÂpon, eÍnua genomeÂnhn eÆboyÂleto ayÆthÁn oÏlvì prosvÂpvì tv Äì nymfiÂvì fanh Ä nai kaiÁ th Äw

a

Hld. 2,7

96 Sgherri, Valutazione origeniana 9 Anm. 24, vermutet, dass in dieser Bemerkung eine Kritik an der Septuaginta stecken könnte. 97 Der Erlöser geht in die Netze und zerreißt sie, um die darin Gefangenen zu befreien: orat. 29,9 (GCS Orig. 2, 385). Vgl. auch sel. in Ps. 65,2 (PG 12, 1497).

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c d e 2,10 a b 2,11 a b 2,12 a b c 2,13 a b c 2,14 a b c d e

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Siehe, er steht hinter unserer Mauer, beugt sich durch die Fenster, streckt sich durch die Netze. Mein Geliebter antwortet und sagt mir: Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube! Denn siehe, der Winter ist vorüber, der Regen ist vorbei, er hat sich verzogen, die Blumen ließen sich sehen auf der Erde, die Zeit des Beschneidens ist gekommen, die Stimme der Turteltaube war in unserem Land zu hören, der Feigenbaum brachte seine Triebe hervor, die Weinstöcke treiben Knospen, verströmten Duft. Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube, und komm, du, meine Taube, im Schutz des Felsens, halte dich bei der Vormauer, zeige mir dein Antlitz, und lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und dein Antlitz schön!

Dies haben einige zu den vorausgehenden Worten gezogen, das Hebräische aber ordnet es einem eigenen Abschnitt zu.96 Und es ist klar, dass die Braut, während sie sich mit den Töchtern Jerusalemsa unterhält, plötzlich die Stimme des Bräutigams vernimmt, der sich wahrscheinlich mit jemandem unterhält. Während sie diese vernimmt, hüpft er über die Berge und die Hügel bei dem Ort, an dem die Braut sich aufhält, einem Kalb nicht unähnlich. In seiner Eile, zur Braut zu kommen, kam er dann nahe an das Haus und erschien hinter ihm. Dann gelangt er mit einem Sprung bis zu den Fenstern des Hauses, um sich wie ein Liebhaber zu ihr hineinzubeugen. Bei dem Haus aber, in dem sich die Braut aufhielt, waren viele Netze als Hinterhalt für die Braut und ihr Gefolge ausgespannt. Diese zerriss der Bräutigam als der Stärkere, streckte sich durch sie hindurch und ruft die Braut, die Gefährtin, zu kommen,97 wobei er sie durch seine Tat ermutigt, der Netze, die ja schon zerrissen waren, ebensowenig zu achten wie der schlimmen, von ihnen geprägten vergangenen Zeit, die er Winter nennt, der schädlichen und heftigen Regen bringt.98 Er spornt sie aber auch durch die schönen Dinge der gegenwärtigen Jahreszeit an, indem er von Blumen wie im Frühling99 und von der Pflege der Weinstöcke spricht. Er beschreibt die Stimme der Turteltaube und die Triebe des Feigenbaums und die Knospen treibenden Weinstöcke und den Ort, an dem er mit ihr ruhen wird, an den sie kommen soll, um sich mit

98 In exhort. mart. 31 (GCS Orig. 1, 27) benutzt Origenes Hld. 2,10f., um die künftigen Märtyrer dazu aufzurufen, tapfer und standhaft gegen die Winterstürme der Verfolgung zu kämpfen. 99 Vgl. dazu in Matth. comm. ser. 53 (GCS Orig. 11, 119).

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Fragmenta

hëdeiÂaw ayÆthÄì pareÂxein aÆkoyÄsai fvnhÄw. TayÄta proÁw thÁn tv Ä n dramatikv Äw eÆpagomeÂnvn safhÂneian meÂxri toy Ä ëH fvnh soy hëdeiÄa kaiÁ hë oÍciw soy vëraiÂa. KaiÁ dh Ä lon, vëw hë nyÂmfh toy Ä loÂgoy, cyxhÁ hÍgoyn eÆkklhsiÂa Xristoy Ä, fvnhÄw priÁn nohÄsai ayÆthÁn vëw ueiÂaw aÆntilambaÂnetai´ oÏper paÂsxomen oië pistoiÂ, priÁn noh Ä sai taÁw nomikaÁw kaiÁ profhtikaÁw fvnaÁw vëw ueiÂaw xaÂritow plhÂreiw kataplhttoÂmenoi. Toioy Ä toÂn eÆsti toÁ FvnhÁ toy Ä aÆdelfidoy Ä moy protetagmeÂnon th Ä w makroÂuen eÆpifaneiÂaw toy Ä loÂgoy, oÊn iÆdoy Ä sa megaÂlvn uevrhmaÂtvn aëptoÂmenon metaÁ toy Ä mhdeÁ tv Ä n braxyteÂrvn katafroneiÄn, fhsiÁn oyËn· ÆIdoyÁ oyÎtow hÏkei eÆpiÁ taÁ oÍrh, dialloÂmenow eÆpiÁ toyÁw boynoyÂw. Di’ oÏloy deÁ toy Ä loÂgoy tinaÁ meÁn vëw paroÂnti leÂgetai tv Äì nymfiÂv, ì tinaÁ deÁ vëw perizhtoymeÂnoy paraÁ th Ä w nyÂmfhw, eÆpeiÁ kaiÁ tv Ä n problhmaÂtvn poteÁ meÁn tinaÁ zhtoy Ä men aÆporoy Ä ntew th Ä w lyÂsevw, poteÁ deÁ th Ä w lyÂsevw aÆpolayÂomen, toy Ä nymfiÂoy loÂgoy kataygaÂzontow hëmv Ä n taÁw kardiÂaw. EiËta paÂlin aÆporoy Ä men eÆn eëteÂroiw, kaiÁ paÂlin hëmiÄn eÆpifaiÂnetai´ kaiÁ toy Ä to pollaÂkiw meÂxri teleivueÂntew toy Ä nymfiÂoy tyÂxvmen oyÆ moÂnon eÆrxomeÂnoy proÁw hëma Ä w, aÆllaÁ kaiÁ monhÁn poioymeÂnoy. a KaiÁ hë eÆkklhsiÂa poueiÄ meÁn eÆgkataleipomeÂnh toiÄw peirasmoiÄw, eÆpifaiÂnetai deÁ ayÆth Äì toiÄw xariÂsmasin. Dio fhsin· ÆIdoyÁ oyÎtow hÏkei phdv Ä n eÆpiÁ taÁ oÍrh. ÍErxetai deÁ kaiÁ eÆpiÁ taÁ diÂktya taÁ pepetasmeÂna yëpoÁ toyÄ ponhroy Ä plhsiÂon th Ä w eÆkklhsiÂaw´ aÏper sxiÂsaw katafronhtikv Ä w ayÆtv Ä n eÆpibaiÂnein didaÂskei. Th Äì deÁ yëperbaÂshì eÆkklhsiÂaì paÂnta xeimv Ä na peirasmoyÄ taÁ

a

Joh. 14,23

100 Eigentlich steht „sie“ (ayÆthÄì ) im Text, im Bibeltext geht es aber darum, dass der Bräutigam die Stimme der Braut hört, weshalb übersetzt ist, als stünde ein eigentlich zu erwartendes ayÆtv Äì da. 101 Siehe dazu oben S. 140 Anm. 1. 102 Zu diesem geistigen Verständnis des tieferen Sinnes der Schrift vgl. Cels. VII 38 (GCS Orig. 2, 188); in Ioh. comm. XXXII 4,43 (GCS Orig. 4, 431). 103 In princ. IV 1,6 (GCS Orig. 5, 301f.) stellt Origenes dies so dar, dass vor dem Erscheinen Christi der Sinn der alttestamentlichen Schriften nicht zu verstehen war, man sich beim Lesen aber doch von ihnen ergreifen lassen konnte: „Man muss jedoch sagen, dass erst, als Jesus kam, das Göttliche in den prophetischen Worten und das Pneumatische im Gesetz des Mose aufleuchtete … Wer sich aber sorgfältig und aufmerksam mit den prophetischen Worten befasst und beim bloßen Lesen einen Eindruck von göttlicher Eingebung erfahren hat, der wird sich durch seine Erfahrung davon überzeugen, dass die Worte, die nach unserem Glauben von Gott stammen, keine Schriftwerke von Menschen sind.“ Übersetzung: p. 687–689 Görgemanns/Karpp. 104 Zur Verknüpfung der Erscheinung des Herrn als der Weisheit, des Wortes und der

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ihrem ganzen Gesicht dem Bräutigam zu zeigen und ihn100 ihre süße Stimme hören zu lassen. Dies zur Erklärung der dramatischen Handlung101 bis: Deine Stimme ist süß und dein Antlitz schön. Und es ist deutlich, dass die Braut des Wortes, nämlich die Seele oder die Kirche Christi, die Stimme als eine göttliche aufnimmt, bevor sie sie versteht.102 Wir, die Gläubigen, erleben das: Ehe wir die Stimmen des Gesetzes und der Propheten verstehen, lassen wir uns von ihrer Fülle an göttlicher Gnade ergreifen.103 Etwas derartiges ist die Stimme meines Geliebten, die der Erscheinung des Wortes104 aus der Ferne vorausgeht. Da sie sieht, wie er sich mit großen Denkkonzepten105 befasst, ohne die geringeren zu missachten, sagt sie also: Siehe, er kommt über die Berge, hüpfend über die Hügel. Durch den ganzen Text hindurch aber sagt sie manches zum Bräutigam, als wäre er anwesend, manches aber so, als würde er von der Braut gesucht werden, zumal auch wir manche Probleme das eine Mal untersuchen, ohne zu einer Lösung zu kommen,106 uns das andere Mal aber einer Lösung erfreuen, wenn der Bräutigam, das Wort, unsere Herzen erleuchtet.107 In anderen Fragen sind wir dann wieder ratlos, und er erscheint uns erneut. Und dies geschieht oft, bis wir dann, wenn wir vollendet sind, dem Bräutigam begegnen, der nicht nur zu uns kommt, sondern auch Wohnung bei uns nimmt.a 108 Auch die Kirche ersehnt ihn einerseits, wenn sie den Versuchungen ausgeliefert ist, andererseits erscheint er ihr durch seine Gnadengaben.109 Deshalb sagt sie: Siehe, er kommt springend über die Berge. Er kommt aber auch zu den Netzen, die von dem Bösen bei der Kirche ausgespannt worden sind. Indem er diese zerreißt, lehrt er, achtlos über sie hinwegzugehen.110 Der Kirche aber, die jeden Winter der Versuchung durchschritten hat, zeigt er die

105 106 107 108 109 110

Wahrheit mit dem Verstehen der Schrift vgl. in Hier. hom. 19(18),11 (GCS Orig. 32, 166f.). Zu diesen „geistigen Strukturen“ siehe frg. 21 und dazu oben S. 164 Anm. 72. Vgl. in Hiez. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 342f.): Origenes behauptet nie, die zahlreichen Probleme, die der Bibeltext enthält – vgl. dazu Cels. III 45 (GCS Orig. 1, 242) – alle oder immer zu verstehen. Vgl. Cels. IV 29 (GCS Orig. 1, 298f.): Die Seele wird „durch das strahlende Licht der Wahrheit erleuchtet“. Übersetzung: Barthold, FC 50, 717. Diese exegetische Erfahrung beschreibt Origenes sowohl in Cant. comm. III 11,18f. als auch eindringlich in Cant. hom. 1,7. Zur Präsenz Christi und des Heiligen Geistes in der Seele vgl. in Hier. hom. 8,1 (GCS Orig. 32, 55). Vgl. in Cant. comm. III 11,22; III 13,39. Die Gaben kommen vom Heiligen Geist: princ. II 7,3 (GCS Orig. 5, 150), ihr Ursprung ist der Vater, der sie durch den Sohn im Geist vermittelt: in Ioh. comm. II 10,77 (GCS Orig. 4, 65). Eine positive Bedeutung der Netze, nämlich die Gnade des Wortes Gottes, durch die Menschen gefischt werden, in Hier. hom. 16,1 (GCS Orig. 32, 131f.). Auch in frg. 29 haben die Netze einen positiven Sinn: siehe dazu unten S. 178 Anm. 122.

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Fragmenta

shmeiÄa toy Ä eÍarow deiÂknytai kaiÁ toÁ eÆggiÂzein toÁ ueÂrow, periÁ oyÎ eÆn CalmoiÄw toÁ „ueÂrow kaiÁ eÍar“. a ÍVfuh gaÁr ayÆth Äì aÍnuh kaiÁ hÍggiken hë pantelhÁw kaÂuarsiw kairoÁw thÄw tomhÄw oÆnomazomeÂnh.

Fragmentum 28 (Prokop 112; Barba`ra 24) Hld. 2,8b c 2,9a b

ÆIdoyÁ oyÎtow hÏkei phdv Ä n eÆpiÁ taÁ oÍrh, dialloÂmenow eÆpiÁ toyÁw boynoyÂw. ÏOmoioÂw eÆstin aÆdelfidoÂw moy thÄì dorkaÂdi hà nebrv Äì eÆlaÂfvn eÆpiÁ taÁ oÍrh BaiuhÂl.

ÃH kaiÁ oÍrh toyÁw profhÂtaw fhsiÁn aÆrtiÂoyw tv Äì fronhÂmati tv Ä n aÆlhuinv Än uevrhtaÂw. OiËmai deÁ kaiÁ toyÁw aÆpostoÂloyw, eÆpeiÁ kataÁ geneaÁn hë sofiÂa eiÆw cyxaÁw metabaiÂnei· b oÍrh deÂ, eÆpeidhÁ aÆnisxoÂntow hëliÂoy prv Ä ta katalaÂmpontai, boynoyÁw deÁ toyÁw eÍlatton xvrhÂsantaw thÁn toy Ä pneyÂmatow eÆpifaÂneian. LeÂgoiw d’ aÃn kaiÁ oÍrh taÁ eÆn noÂmvì nohÂmata, boynoyÁw deÁ taÁ tv Ä n loipv Än profhtv Ä n. ÃH kaiÁ oë uevrhÂsaw toÁn eÆn kainh Äì diauhÂkhì loÂgon bleÂpei toÁn eÆpiÁ taÁ oÍrh phdv Ä nta, eÆpiÁ deÁ toyÁw boynoyÁw dialloÂmenon toÁn eÆn tv Äì palaiv Äì graÂmmati. Nebrv Äì deÁ eÆlaÂfvn oë nymfiÂow aÆpeiÂkastai, oyÆ moÂnon vëw aÆnaliÂskvn toyÁw oÍfeiw, aÆll’ oÏti kaiÁ „paidiÂon eÆgennhÂuh hëmiÄn, yiëoÁw kaiÁ eÆdoÂuh hëmiÄn“ c kaiÁ oÏti „eÆtapeiÂnvsen eëaytoÂn“· d hË gaÁr aÃn eÍlafow yëph Ä rxen teleiÂa.

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Fragmentum 29 (Prokop 116; Barba`ra 25) Hld. 2,9c d e 2,10 a b a

Ps. 73(74),17

ÆIdoyÁ oyÎtow eÏsthken oÆpiÂsv toyÄ toiÂxoy hëmv Än parakyÂptvn diaÁ tv Ä n uyriÂdvn, eÆkkyÂptvn diaÁ tv Ä n diktyÂvn. ÆApokriÂnetai aÆdelfidoÂw moy kaiÁ leÂgei moi´ ÆAnaÂsta eÆlueÂ, hë plhsiÂon moy, kalh moy, peristera moy. b

Weish. 7,27

c

Jes. 9,5

d

Phil. 2,8

111 Barba`ra, BPat 42, 188, ergänzt hier den Fortgang des Psalmverses: „…, du hast sie gemacht“, was freilich nicht nötig zu sein scheint. 112 Während in der Septuaginta von eÍfuaken die Rede ist, schrieb Symmachus hÍggiken (II p. 415 Field): Auwers, CChr.SG 67, 123 ad loc. 113 Vgl. in Cant. comm. III 15(IV 1),7. 114 Das gilt besonders für Mose: in Num. hom. 22,3 (GCS Orig. 7, 206f.), und Samuel: in Hier. hom. 18,2 (GCS Orig. 32, 152). 115 Vgl. in Hier. hom. 12,12 (GCS Orig. 32, 98), wo die Apostel zusammen mit den Engeln, den Propheten und Mose als „leuchtende Berge“ bezeichnet werden.

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Fragmente 27–29

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Zeichen des Frühlings und das Nahen des Sommers, worüber im Psalm steht: „Sommer und Frühling“.a 111 Denn Blumen waren ihr erschienen, und nahe gekommen112 war die vollkommene Reinigung, die Zeit des Beschneidens genannt wird.113 5

Fragment 28 zu III 11,11–12; 13,40 (Hld. 2,8f.) Hld. 2,8b c 2,9a b

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Siehe, er kommt springend über die Berge, hüpfend über die Hügel. Mein Geliebter gleicht der Gazelle oder einem Hirschkalb auf den Bergen von Bethel.

Entweder bezeichnet sie als Berge auch die Propheten, die auf angemessene Weise mit ihrem Denken die wahren Realitäten betrachten,114 ich meine aber, auch die Apostel,115 da die Weisheit von Geschlecht zu Geschlecht in die Seelen eingeht;b 116 Berge, weil sie beim Aufgang der Sonne als erste erleuchtet werden, Hügel aber die, die mit geringerer Auffassungsgabe für die Erscheinung des Geistes ausgestattet sind. Man könnte als Berge aber auch die Gedanken im Gesetz bezeichnen, als Hügel hingegen die der übrigen Propheten. Oder auch: Wer das Wort im neuen Bund betrachtet, erblickt den über die Berge Springenden, den über die Hügel Hüpfenden hingegen im alten Buchstaben. Mit dem Hirschkalb aber wird der Bräutigam verglichen, nicht nur weil er die Schlangen verzehrt,117 sondern auch118 weil er als „ein Kind für uns geboren wurde und als ein Sohn uns gegeben wurde“c und weil er „sich selbst erniedrigt hat“,d denn die Hirschkuh wäre vollkommen gewesen.119

Fragment 29 zu III 14,16–19 (Hld. 2,9f.) 25

Hld. 2,9c d e 2,10 a b

Siehe, er steht hinter unserer Mauer, beugt sich durch die Fenster, streckt sich durch die Netze. Mein Geliebter antwortet und sagt mir: Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube!

116 In Cant. hom. 2,10 legt Origenes Hld. 2,8 so aus, dass die Weisheit zur Seele kommt. Im Hoheliedkommentar findet sich dieser Gedanke nicht: Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 452. 117 Siehe dazu oben S. 170 Anm. 94 zu frg. 26. 118 Der hier noch angefügte Gedanke steht im lateinischen Text erst weit später in Cant. comm. III 13,40 (GCS Orig. 8, 214.6–11), dort allerdings ohne den Hinweis auf Phil. 2,8 – ein weiterer Beleg dafür, wie stark der Exzerptor den Text des Origenes gerafft hat. Siehe dazu Auwers, L’interpre´tation du Cantique 353–355. 119 Zum vollkommenen Hirsch vgl. in Cant. comm. III 13,35–38.

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Fragmenta

LeÂgointo d’ aÃn uyriÂdew kaiÁ taÁ aiÆsuhthÂria, di’ v Î n eÆpiÁ meÁn tv Ä n aëmartvlv Ä n uaÂnatow diabaiÂnei. ÆEpiÁ deÁ th Ä w eÆrvtikv Ä w diakeimeÂnhw cyxh Ä w proÁw toÁn loÂgon parakyÂptei oë loÂgow eiÆw taÁ deÂonta taiÄw aiÆsuhÂsesi kexrhmeÂnhw kaiÁ diktyÂvì taÁ eÆxoyÂshw kataskeyaÂsmata eÆn yëpervÂvì ayÆthÄw, eÆf’ aÊ fuaÂnvn oë nymfiÂow di’ ayÆtv Ä n eÆkkyÂptei kalv Ä n thÁn nyÂmfhn proÁw eëaytoÁn eÆpiÁ taÁ eÍjv tv Än aiÆsuhÂsevn aÆoÂrata kaiÁ nohtaÁ kaiÁ aÆsvÂmata, toy Ä to taÂxa dhloy Ä ntow kaiÁ toy Ä eÆpagomeÂnoy rëhtoy Ä · ÆAnaÂsta eÆlueÂ.

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Fragmentum 30 (Prokop 120.1–11; Barba`ra 26) Hld. 2,10 b 2,11 a b 2,12 a b c 2,13 a b

ÆAnaÂsta eÆlueÂ, hë plhsiÂon moy, kalh moy, peristera moy, oÏti iÆdoyÁ oë xeimvÁn parhÄluen, oë yëetoÁw aÆphÄluen, eÆporeyÂuh eëaytv Äì , taÁ aÍnuh v Í fuh eÆn thÄì ghÄì , kairoÁw thÄw tomhÄw eÍfuaken, fvnhÁ toyÄ trygoÂnow hÆkoyÂsuh eÆn thÄì ghÄì hëmv Ä n, hë sykhÄ eÆjhÂnegken oÆlyÂnuoyw ayÆthÄw, aië aÍmpeloi kypriÂzoysin, eÍdvkan oÆsmhÂn.

ÆAnaÂsta, fhsiÂn, aÆpoÁ tv Ä n aiÆsuhtv Ä n proÁw taÁ nohtaÂ, Ïina synih Äì w meÂn, di’ v Î n ayÆtaÁ uevreiÄw. ëO gaÁr xeimvÁn parh Ä luen, oë yëetoÁw aÆphÄluen. EiÍpoimen aÃn yëetoÁn gegoneÂnai toÁn proÁ thÄw eÆpidhmiÂaw kairoÁn toyÄ ueoyÄ eÆnteilameÂnoy taiÄw nefeÂlaiw a yÏein toÁn nomikoÁn kaiÁ profhtikoÁn loÂgon, pepay Ä suai deÁ toy Ä ton, eÆpeidhÁ „oë noÂmow kaiÁ oië profh Ä tai eÏvw ÆIvaÂnnoy“· b eÍar deÁ kaiÁ ueÂrow metaÁ thÁn eÆpidhmiÂan, oÏte mhkeÂti yëetv Ä n xreiÂa, oÏte taÁ diaÁ XristoÁn aÍnuh v Í fuh eÆn thÄì ghÄì . KaiÁ aÆpoÁ th Ä w eÆpidhmiÂaw ayÆtoy Ä hë sykh Ä oyÆk eÆkkoÂptetai aÍkarpow eÆn tv Äì proa

Jes. 5,6; 45,8; Ez. 34,26; Sach. 10,1

b

Lk. 16,16

120 Durch die Sinnesorgane hat der Mensch Zugang zur äußeren Wirklichkeit: orat. 20,2 (GCS Orig. 2, 344). Im vorliegenden Fragment sind die aiÆsuhthÂria allerdings auf die Seele bezogen und meinen deren geistiges Wahrnehmungsvermögen, die aiÍsuhsiw pneymatikhÂ, wie es in frg. 3 heißt: siehe oben S. 146 Anm. 8, ferner frg. 52 und 57 und dazu unten S. 206 Anm. 211 und S. 211 Anm. 225. 121 Barba`ra, BPat 42, 190 (vgl. ebd. 373f.), fügt hier aus der Katene des Polychronios (fol. 96v) das Zitat von Jer. 9,21 ein: „Der Tod stieg durch eure Fenster hinauf“, weil dieser Vers in der lateinischen Übersetzung in Cant. comm. III 14,16 zitiert wird. 122 Anders als in frg. 27 und in seiner sonstigen Hoheliedauslegung (in Cant. comm. III 14,27–34; in Cant. hom. 2,12), wo die Netze für die Fallstricke des Teufels stehen, hat die Netzstruktur des Bauwerks im Obergeschoss der Seele, mithin in ihrem Hegemonikon (siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7), die positive Funktion, das Licht des Wortes Gottes hereinzulassen. 123 Dieser Passus aus dem Hohelied wird eigentlich erst in Cant. comm. III 15(IV 1)

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Als Fenster dürften wohl auch die Sinnesorgane120 bezeichnet werden, durch die der Tod zu den Sündern kommt.121 Doch zu der in Liebe auf das Wort ausgerichteten Seele beugt sich das Wort hinein, weil sie die Sinneswahrnehmungen nur nutzt, soweit es nötig ist, und ein netzartiges122 Bauelement in ihrem Obergeschoss hat. Wenn der Bräutigam zu diesem gelangt, streckt er sich durch sie hindurch, indem er die Braut zu sich zu den außerhalb der Sinneswahrnehmungen liegenden unsichtbaren und geistigen und unkörperlichen Dingen ruft, worauf vielleicht auch die hinzugefügte Aussage hinweist: Erhebe dich, komm!

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Fragment 30 zu III 14,22–25 (Hld. 2,10–13)123

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Hld. 2,10 b 2,11 a b 2,12 a b c 2,13 a b

Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube! Denn siehe, der Winter ist vorüber, der Regen ist vorbei, er hat sich verzogen, die Blumen ließen sich sehen auf der Erde, die Zeit des Beschneidens ist gekommen, die Stimme der Turteltaube war in unserem Land zu hören, der Feigenbaum brachte seine Triebe hervor, die Weinstöcke treiben Knospen, verströmten Duft.

Erhebe dich, heißt es, von den Sinnesdingen zu den geistigen Dingen,124 damit du verstehst,125 wodurch du sie schaust. Denn der Winter ist vorüber, der Regen ist vorbei. Wir können wohl sagen, dass der Regen die Zeit vor dem Kommen (sc. Christi) war, als Gott den Wolken befahl,a das gesetzliche und prophetische Wort herabregnen zu lassen,126 dieser aber aufhörte, denn „das Gesetz und die Propheten gelten bis Johannes“,b dass hingegen der Frühling und die Erntezeit die Zeit nach seinem Kommen sind, da die Regengüsse nicht mehr nötig sind, da sich durch Christus die Blumen sehen ließen auf der Erde. Und seit seinem Kommen wird der Feigenbaum nicht umgehauen, der

ausgelegt, doch geht Origenes in Cant. comm. III 14,22–25 in einem Vorgriff darauf ein, wozu dieses Fragment gehört. 124 Zur platonischen Unterscheidung zwischen sinnlich und geistig wahrnehmbaren Dingen (dazu auch Barba`ra, BPat 42, 66) vgl. z.B. in Ioh. comm. XIII 9,51 (GCS Orig. 4, 233); Cels. VII 46 (GCS Orig. 2, 198). 125 Sowohl Barba`ra, BPat 42, 192 (vgl. auch ebd. 376f.), als auch Auwers, CChr.SG 67, 139, folgen einem Vorschlag von Baehrens, GCS Orig. 8, 220, den dieser allerdings nicht in den Text genommen, sondern nur im Apparat vorsichtig vorgebracht hat, nämlich synihÄì w für synhÄì zu schreiben. 126 Zu den Wolken und dem Regen, der aus ihnen auf die Erde fällt, als Bild für die Propheten vgl. in Cant. comm. III 14,24; III 15(IV 1),16; in Hier. hom. 8,3–5 (GCS Orig. 32, 58–60); in Lev. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 495); in Ps. 36 hom. 3,10 (griech.: GCS Orig. 13, 151; lat.: SC 411, 160–162); in Matth. comm. ser. 111 (GCS Orig. 11, 233).

180

Fragmenta

teÂrvì genomeÂnh kairv Äì · a nyniÁ gaÁr oÆlyÂnuoyw eÆjhÂnegken, kaiÁ kypriÂzoysin aië aÍmpeloi. Dio fhsin eÊn tv Ä n klhmaÂtvn´ „Xristoy Ä eyÆvdiÂa eÆsmeÁn tv Äì uev Äì .“ b

Fragmentum 31 (Prokop 120.12–22; Barba`ra 27) Hld. 2,12 b c

KairoÁw thÄw tomhÄw eÍfuaken, fvnhÁ toyÄ trygoÂnow hÆkoyÂsuh eÆn thÄì ghÄì hëmv Ä n.

5

c

ÍAllvw´ ÃH kaiÁ trygoÂnow leÂgei th Ä w aÆporrhÂtoy kaiÁ aÆgnvÂstoy sofiÂaw – fileÂrhmon gaÁr toÁ zv Ä on ±, hÎw hë fvnhÁ aÆkoyÂetai toiÄw eÍti ghÂÈnon i sv Ä ma perikeimeÂnoiw. TomhÄw kairoÁw oë thÄw tv Ä n perittv Ä n aÆpoueÂsevw. OyÎtow de eÆstin oë th Äw ayÆtoy Ä paroysiÂaw, eÆn v Îì deiÄ taÁ svmatikaÁ toy Ä noÂmoy kaiÁ taÁw eÆn toiÄw profhÂtaiw iëstoriÂaw peripefykoÂta toiÄw pneymatikoiÄw periteÂmnesuai kaiÁ meiÄnai taÁ kreiÂttona. KairoÁw deÁ paÂlin kaiÁ th Ä w tv Ä n aëmarthmaÂtvn eÆkkoph Ä w kaiÁ aÆfeÂsevw „diaÁ loytroy Ä paliggenesiÂaw“. d KaiÁ mhÁ uaymaÂshw, ì eiÆ oë nymfiÂow vëw periÁ eëteÂroy leÂgei toy Ä trygoÂnow· pollaxoy Ä gaÁr toy Ä to th Ä w grafh Ä w eÍuow eÆstiÂn.

Fragmentum 32 (Prokop 125; Barba`ra 28) Hld. 2,13 c 2,14 a a

Mt. 21,19

ÆAnaÂsta eÆlueÂ, hë plhsiÂon moy, kalh moy, peristera moy, kaiÁ eÆlueÁ syÂ, peristera moy, eÆn skeÂphì thÄw peÂtraw b

2 Kor. 2,15

c

1 Kor. 2,6f.

d

Tit. 3,5

127 Während das vorige Fragment (frg. 30) als ganzes dem Passus in Cant. comm. III 14,22–25 zugeordnet werden kann und in der Katene Origenes zugeschrieben ist, liegt die Sache bei den Stücken, die hier unter frg. 31 gestellt werden, komplizierter. In der Katene Prokops folgt dieser Text ohne Zuschreibung an einen Autor auf den Text von frg. 30, manchmal lediglich gekennzeichnet durch ein aÍllvw. In der Ausgabe von Auwers, CChr.SG 67, 138–140, stehen die frg. 30 und 31 daher als ein Stück (Prokop 120). Da die Texte in frg. 31 jedoch zu verschiedenen Stellen des folgenden Kapitels III 15(IV 1) gehören, haben die früheren Herausgeber sie vom Text in frg. 30 abgetrennt und separat gedruckt: frg. 31.6–8 (Prokop 120.12–14) gehört zu in Cant. comm. III 15(IV 1),8 (GCS Orig. 8, 224.15–21), frg. 31.9 (Prokop 120.15 bis aÆpoueÂsevw) zu ebd. III 15(IV 1),7 (8, 224.11–15) und frg. 31.9–13 (Prokop 120.15–20) zu ebd. III 15(IV 1),17 (8, 226.14–18). Baehrens, GCS Orig. 8, 224. 226, hat diese drei Stücke daher in der Reihung, die dem lateinischen Text entspricht, unter diesen jeweils an Ort und Stelle abgedruckt (die französische Übersetzung in SC 376, 748 folgt diesem Arrangement). Für den letzten Satz des Stücks, frg. 31.14–15 (Prokop 120.21–22), lässt sich keine Quelle ausfindig machen; siehe dazu Auwers, L’interpre´tation du Cantique 328–330. Die für diese Ausgabe gewählte Anordnung als zwei Fragmente (Nr. 30 und 31) folgt der Entscheidung von

10

15

Fragmente 30–32

181

in der früheren Zeit ohne Frucht war,a denn jetzt hat er Triebe hervorgebracht, und die Weinstöcke treiben Knospen. Deshalb sagt eine von den Weinreben: „Christi Wohlgeruch sind wir für Gott.“b

Fragment 31 zu III 15,8.7.17 (Hld. 2,12)127 Hld. 2,12 b c

5

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15

Die Zeit des Beschneidens ist gekommen, die Stimme der Turteltaube war in unserem Land zu hören.

Anders: Oder er (sc. der Bräutigam) bezeichnet als Stimme der Turteltaube auch die Stimme der unsagbaren und unerkennbaren Weisheitc 128 – dieses Tier liebt nämlich die Einsamkeit129 –, deren Stimme von denen gehört wird,130 die noch mit einem irdischen Leib bekleidet sind. Die Zeit des Beschneidens ist die Zeit der Beseitigung des Überflüssigen. Diese Zeit aber ist die seiner Gegenwart, in der die körperlichen Aspekte am Gesetz und die Geschichten131 in den Propheten, die das Geistige umwuchert haben, beschnitten werden und die besseren Seiten bewahrt bleiben müssen. Sie ist aber desgleichen auch die Zeit der Ausmerzung und der Vergebung der Sünden „durch das Bad der Wiedergeburt“.d 132 Und wundere dich nicht, wenn der Bräutigam wie über einen anderen von der Turteltaube spricht, denn an vielen Stellen ist dies die Gewohnheit der Schrift.

Fragment 32 zu III 16,7–20 (Hld. 2,13f.)133

20

Hld. 2,13 c 2,14 a

128

129 130 131 132 133

Erhebe dich, komm, meine Gefährtin, meine Schöne, meine Taube, und komm, du, meine Taube, im Schutz des Felsens,

Barba`ra, BPat 42, 192–195, diese Texte ebenfalls zu zwei Fragmenten (Nr. 26 und 27) zu gruppieren und den beiden Kapiteln im Kommentar (in Cant. comm. III 14 bzw. III 15[IV 1]) zuzuordnen. Frg. 31 liefert ein weiteres illustratives Beispiel dafür, wie massiv der Katenist den Text des Origenes zusammengefasst und sogar bisweilen die Reihenfolge der Gedanken geändert hat. Laut princ. I 2,2 (GCS Orig. 5, 29f.) ist „die Weisheit außerhalb jeden Anfangs, der ausgesprochen oder gedacht werden könnte, gezeugt“; Übersetzung: p. 125 Görgemanns/Karpp. Vgl. auch philoc. 1,28 (SC 302, 200). Zur verborgenen Weisheit, die im Wort zugänglich wird, siehe oben S. 164 Anm. 72 zu frg. 21. Vgl. in Cant. comm. III 15(IV 1),8 und dazu OWD 9/1, 394 Anm. 475; in Cant. hom. 2,12. Nach in Ioh. comm. XIX 9,56 (GCS Orig. 4, 308f.) wird die Schrift von denen „gehört“, d.h. verstanden, die auf die im Mysterium verborgene Weisheit hören. Zum Begriff der „Geschichte“ bei Origenes im Sinne von „Erzählung“ siehe OWD 9/1, 126 Anm. 131. Von Sündenvergebung ist auch im lateinischen Text die Rede, aber ohne Tit. 3,5: Barba`ra, BPat 42, 379. In diesem Fragment hat der Katenist erneut einen größeren Passus des Kommentars stark zusammengefasst. Im Einzelnen lässt sich der Text folgenden Passagen zuord-

182

Fragmenta

b c d e

eÆxoÂmena toyÄ proteixiÂsmatow, deiÄjoÂn moi thÁn oÍcin soy kaiÁ aÆkoyÂtisoÂn me thÁn fvnhÂn soy, oÏti hë fvnh soy hëdeiÄa kaiÁ hë oÍciw soy vëraiÂa.

BoyÂletai thÁn cyxhÁn yëperbh Ä nai taÁ aiÆsuhta´ vëw eÆpiÁ poÂlevw deÁ teiÄxow kaiÁ proteiÂxisma toÁn aiÆsuhtoÁn koÂsmon kaleiÄ. DeiÄ oyËn thÁn tv Äì loÂgvì koinvnhÂsoysan cyxhÁn eÆn skeÂphì th Ä w peÂtraw oyÆ moÂnon eÍjv toyÄ teiÂxoyw thÄw poÂlevw, aÆllaÁ kaiÁ toy Ä proteixiÂsmatow geneÂsuai vëw plhsiÂon genomeÂnhn „aÆnakekalymmeÂnvì prosvÂpvì thÁn doÂjan kyriÂoy“ katoptriÂzesuai, a peiuomeÂnhn tv Äì leÂgonti· DeiÄjoÂn moi thÁn oÍcin soy. ÆEpiuymeiÄ deÁ kaiÁ dialegomeÂnhw aÆkoy Ä sai thÁn fvnhÁn vëw hëdeiÄan uaymaÂzvn. ProteiÂxisma de eÆstin, oÏper ëHsaiÉaw periÂteixow oÆnomaÂzei leÂgvn´ „UhÂsei teiÄxow kaiÁ periÂteixow.“ b BoyÂletai toiÂnyn tv Ä n svmatikv Ä n eÆjeluoy Ä san oyÆ moÂnon eÆn tv Äì teiÂxei geneÂsuai, oÏper eiËnai toÁn periÁ toy Ä koÂsmoy loÂgon nomiÂzv, aÆllaÁ kaiÁ eÆxoÂmena toy Ä proteixiÂsmatow, oÊw loÂgow meÂn eÆsti teleytaiÄow tv Ä n svmatikv Ä n, aÆrxhÁ deÁ tv Ä n aÆsvmaÂtvn.

5

10

15

Fragmentum 33 (Prokop 128; Barba`ra 29) Hld. 2,15 a b c

PiaÂsate hëmiÄn aÆlvÂpekaw mikroyÁw aÆfaniÂzontaw aÆmpelv Ä naw, kaiÁ aië aÍmpeloi hëmv Ä n kypriÂzoysin.

Tay Ä ta toiÄw fiÂloiw oë nymfiÂow, hÍtoi aÆggeÂloiw hà aÆndraÂsin aëgiÂoiw, oÏsoi th Äw eÆkklhsiÂaw didaÂskaloi. ëYpeÁr svthriÂaw deÁ tv Ä n aÆmpelvÂnvn hë protrophÂ, Ïina tv Ä n panoyÂrgvn syllambanomeÂnvn dynaÂmevn, aiÊ diafueiÂroysi thÁn aÆrxhÁn th Ä w eÆkfyÂsevw toy Ä karpoy Ä , dynhuv Ä sin aië aÍmpeloi prokoÂcai aÆpoÁ toy Ä kypriÂzein meÂxri thÄw toyÄ karpoyÄ teleivÂsevw yëpoÁ toyÄ ueoyÄ gevrgoymeÂnai, diaÁ a

2 Kor. 3,18

b

Jes. 26,1

nen: frg. 32.5–9 (Prokop 125.1–6 katoptriÂzesuai) zu in Cant. comm. III 16(IV 2),7–9 (GCS Orig. 8, 230.1–17), frg. 32.9–11 (Prokop 125.6–8) zu ebd. III 16(IV 2),13f. (8, 231.16–232.5) und frg. 32.11–15 (Prokop 125.8–14) zu ebd. III 16(IV 2),19f. (8, 233.4–13). Vgl. auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 338. 134 Die Stadt fungiert bei Origenes oft als Bild für den Kosmos, etwa in Num. hom. 18,4 (GCS Orig. 7, 175): ciuitatem hic mundum intelligamus. 135 Der „Fels“ als Bild für Christus z.B. in Hier. hom. 16,2f. (GCS Orig. 32, 134f.); in Ps. 36 hom. 4,1 (griech.: GCS Orig. 13, 159; lat.: SC 411, 184). 136 Zur bei Origenes überaus häufigen Verwendung von 2 Kor. 3,18 vgl. u.a. in Cant. hom. 2,13.

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Fragmente 32–33

b c d e 5

10

15

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halte dich bei der Vormauer, zeige mir dein Antlitz, und lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und dein Antlitz schön!

Er (sc. der Bräutigam) will, dass die Seele die Sinnesdinge überschreitet. Wie bei einer Stadt134 bezeichnet er den sinnenfälligen Kosmos als Mauer und Vormauer. Also muss sich die Seele, die mit dem Wort Gemeinschaft hat, im Schutz des Felsens135 nicht nur außerhalb der Stadtmauer, sondern auch der Vormauer begeben, damit sie, wenn sie nahe gekommen ist, „mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel“ schaut,a 136 indem sie dem gehorcht, der sagt: Zeige mir dein Antlitz! Er begehrt aber auch im Gespräch ihre Stimme zu hören, weil er sie als süß bewundert. Eine Vormauer aber ist das, was Jesaja eine Ringmauer nennt, wenn er sagt: „Er wird eine Mauer und eine Ringmauer errichten.“b Er will also, wenn sie die körperlichen Dinge hinter sich gelassen hat, dass sie nicht nur zur Mauer kommt – was, wie ich meine, das den Kosmos umfassende Wort ist –, sondern sich auch bei der Vormauer hält. Dieses Wort bezeichnet einerseits das Ende der körperlichen Dinge, andererseits den Anfang der unkörperlichen Dinge.

Fragment 33 zu III 17,1–5; 17,8–10; 17,30–33 (Hld. 2,15)137 Hld. 2,15 a b c

25

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Fangt uns die Füchse, die die kleinen Weinberge verwüsten, und unsere Weinstöcke werden blühen.

Dies spricht der Bräutigam zu den Freunden, entweder zu Engeln138 oder zu heiligen Männern, die alle Lehrer der Kirche sind.139 Die Ermahnung dient aber dem guten Zustand der Weinberge: Indem die üblen Mächte,140 die das Aufblühen der Frucht gleich zu Beginn verderben, gefangen werden, sollen sich die Weinstöcke vom Blühen bis zur Vollendung der Frucht

137 Das Fragment enthält eine äußerst knappe Zusammenfassung des ganzen Kapitels III 17(IV 3), im Einzelnen: frg. 33.20–184.1 (Prokop 128.1–8) gehört zu in Cant. comm. III 17(IV 3),1–5 (GCS Orig. 8, 235.12–236.13), frg. 33. 184.1–3 (Prokop 128.8–11) zu ebd. III 17(IV 3),8–10 (8, 236.26–237.9), frg. 33.3–6 (Prokop 128.11–13) zu ebd. III 17(IV 3),30f. (8, 240.15–241.1) und frg. 33.6–7 (Prokop 128.14–15) zu ebd. III 17(IV 3),32f. (8, 241.1–10). Vgl. auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 338f. 138 Zu den Engeln als Freunden des Bräutigams vgl. in Cant. comm. II 4,13; II 8,1. 139 Vgl. in Matth. comm. ser. 51 (GCS Orig. 11, 114). 140 Zur negativen Qualifizierung der Füchse vgl. Origenes, in Num. hom. 11,5 (GCS Orig. 7, 87), wo mit Bezug auf Hld. 2,15 die Füchse mit Dämonen gleichgesetzt werden; Cels. IV 93 (GCS Orig. 1, 366).

184

Fragmenta

deÁ toÁ ayÆtejoyÂsion dynaÂmenai eÆneÂgkai karpoÂn te kaiÁ mhÂ. ÃH taÂxa kaiÁ aÍnurvpoi aÆlvÂpekeÂw tinew di’ eëterodoÂjoy drimyÂthtow eÆmpodiÂzontew toiÄw aÆrjameÂnoiw treÂxein kalv Ä w´ oyÊw eÍti mikroyÁw oÍntaw boyÂletai syllhfuh Ä nai, priÁn eÆpiÁ pleÂon aÆsebeiÂaw prokoÂcvsin. MeÂgaw gaÁr aÆlvÂphj genoÂmenow eÆkeiÂnoiw meÁn aÆnaÂlvtow, yëpoÁ moÂnoy deÁ toy Ä nymfiÂoy uhreyÂetai. ÆArxoÂmenoi gaÁr eÆnergeiÄn taÁ xeiÂrona kaiÁ toiÄw fiÂloiw eyÆaÂlvtoi. LeÂgoi d’ aÃn kaiÁ mikroyÁw toyÁw aÆmpelv Änaw´ oyÆ dyÂnantai gaÁr kataÁ tv Ä n megaÂlvn aÆlvÂpekew.

141 Zu Gott als Bauer oder Winzer vgl. in Cant. comm. III 6,4; III 8,9; III 15(IV 1),11 und dazu die Hinweise in OWD 9/1, 316 Anm. 363; 334 Anm. 387; 396 Anm. 476. 142 Zur „Freiheit der Entscheidung“, auf deren Basis Origenes, in Cant. comm. III 17(IV 3),5, den Gedanken entwickelt, sich nicht von den „Füchsen“ verführen zu lassen, siehe OWD 9/1, 418 Anm. 512. 143 Zum übertragenen Sinn des Jagens vgl. schon Platon, Gorg. 489b.

5

Fragmente 33

5

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entwickeln können, wobei sie von Gott gehegt werden,141 aber aufgrund des freien Willens142 Frucht bringen können oder nicht. Oder vielleicht sind auch einige Menschen Füchse, weil sie durch ihre heterodoxe Schlauheit den Anfängern im guten Lebenswandel Hindernisse in den Weg legen. Diese will er gefangen haben, solange sie noch klein sind, bevor sie zu größerer Gottlosigkeit voranschreiten. Denn wenn ein Fuchs groß geworden ist, ist er für jene nicht mehr einzufangen und wird er nur noch vom Bräutigam gejagt.143 Denn wenn sie anfangen, das Schlechte zu bewirken, sind sie auch für die Freunde noch leicht zu fangen. Er könnte aber auch die Weinberge als klein bezeichnen,144 denn gegen die großen richten die Füchse nichts aus.

144 Im Text von Hld. 2,15: PiaÂsate (Symmachus hat hier syllaÂbete, was Origenes offenbar zitiert hat: II p. 415 Field) hëmiÄn aÆlvÂpekaw mikroyÁw aÆfaniÂzontaw (nach Symmachus und der editio quinta: diafueiÂrontaw; II p. 415 Field) aÆmpelv Ä naw, kann man die Stellung von mikroyÁw entweder als aÆpoÁ koinoyÄ auffassen, so dass sich die Qualifizierung als „klein“ sowohl auf die Füchse als auch auf die Weinberge bezieht, oder nach aÆlvÂpekaw ein Komma machen, wie Origenes das laut der lateinischen Fassung in Cant. comm. III 17(IV 3),32f., erwägt. Vgl. auch Barba`ra, BPat 42, 382.

Fragmente aus den verlorenen Büchern IV–X Fragmentum 34 (Prokop 131; Barba`ra 30) Hld. 2,16a ÆAdelfidoÂw moy eÆmoiÂ, kaÆgvÁ ayÆtv Äì , b oë poimaiÂnvn eÆn toiÄw kriÂnoiw, 2,17a eÏvw oyÎ diapneyÂshì hë hëmeÂra kaiÁ kinhuv Ä sin aië skiaiÂ.

5

ëH nyÂmfh proÁw toyÁw eëtaiÂroyw toy Ä nymfiÂoy fhsiÁn vëw oyÆdemiÂan eÍxoysa proÁw toyÁw aÆlvÂpekaw a metoysiÂan. ÆEkoinvÂnhsen gaÁr hëmiÄn, fhsiÂn, aiÏmatow kaiÁ sarkoÂw, b kaiÁ hëmeiÄw ayÆtv Äì th Ä w aÆfuarsiÂaw. ÃH oÏte ueoÁw eÆn cyxh Äì giÂnetai, kaiÁ hë cyxhÁ eiÆw ueoÁn metoikiÂzetai. OyÏtv kaiÁ Pay Ä low´ „ToÁ sv Ä ma oyÆ th Äì porneiÂa, ì aÆllaÁ tv Äì kyriÂv, ì kaiÁ oë kyÂriow tv Äì svÂmati.“ c Sv Ä ma gaÁr hë nyÂmfh eÆkklhsiÂa Xristoy Ä toÁ mhdamv Ä w th Äì porneiÂa, ì aÆeiÁ deÁ tv Äì kyriÂv´ ì kaiÁ ayÆtoÁw deÁ oë svthÂr´ „MeiÂnate eÆn eÆmoiÁ kaÆgvÁ eÆn yëmiÄn.“ d ÆEn deÁ toiÄw eëjh Ä w aÆnaÂpalin geÂgraptai´ „ÆEgvÁ tv Äì aÆdelfidv Äì moy, kaiÁ aÆdelfidoÂw moy eÆmoiÂ,“ e taÂxa diaÁ toÁ thÁn aÆrxhÁn th Ä w eyÆergesiÂaw aÆpoÁ toy Ä nymfiÂoy geneÂsuai. MhÁ eÆmfaniÂsantow gaÁr eëaytoÁn ayÆth Äì , oyÆd’ ayÆthÁ tv Äì nymfiÂvì aÆneÂkeito. ToÁ gaÁr eÍnueon ayÆtoy Ä kaÂllow iÆdoy Ä sa eÆpiÁ toÁ svthÂrion aÆfiÂketo fiÂltron, meu’ oÊ aÆnatiueiÄsa eÆkeiÂnoy tv Äì kaÂllei leÂgei· kaÆgvÁ ayÆtv Äì . EiËta thÁn taÂjin aÆnteÂlaben priÁn meÁn eÆlueiÄn toÁ teÂleion, f leÂgoysa´ „ÆEgvÁ tv Äì aÆdelfidv Äì moy.“ ÏOtan deÁ teleiÂvw aÆpokalyfuh Äì mhdeÁn aÆfeiÁw kekrymmeÂnon, aiÆsuanomeÂnh toy Ä to leÂgei´ „KaiÁ aÆdelfidoÂw moy eÆmoiÂ.“ g EiÍrhtai de poy taiÄw profhteiÂaiw´ „AyÆtoÁw kyÂriow poimaneiÄ hëma Ä w eiÆw toyÁw aiÆv Ä naw,“ h aÆll’ oyÆx vëw ny Ä n eÆn kriÂnoiw hëma Ä w poimaneiÄ toiÄw eÆn i meÂsvì aÆkanuv Ä n. Toigaroy Ä n eiÆpvÂn´ „ÆEgvÁ aÍnuow toy Ä pediÂoy, kriÂnon tv Än koilaÂdvn,“ eÆpaÂgei´ „ëVw kriÂnon eÆn meÂsvì aÆkanuv Ä n, oyÏtvw hë plhsiÂon moy aÆnaÁ b c d Vgl. Hld. 2,15 Hebr. 2,14 1 Kor. 6,13 Joh. 15,4 g h i 13,10 Hld. 6,3 Ps. 47(48),15 Hld. 2,2

a

e

Hld. 6,3

f

1 Kor.

145 In den Handschriften ist nur der erste Absatz dieses Fragments explizit Origenes zugewiesen, doch wird ihm von den Editoren das ganze Stück – aufgrund des Inhalts, wie wir meinen, zu Recht – zuerkannt: Mai, Classici Auctores IX, 314f.; Auwers, CChr.SG 67, 154–157; Barba`ra, BPat 42, 200–203 (vgl. ebd. 386). 146 Den Ausdruck „Blut und Fleisch“ oder meist mit 1 Kor. 15,50 „Fleisch und Blut“ gebraucht Origenes für den irdischen Leib des Menschen: orat. 26,6 (GCS Orig. 2, 363); Cels. V 19 (GCS Orig. 2, 20); in Rom. comm. V 10,5 (SC 539, 510).

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Fragmente aus den verlorenen Büchern IV–X Fragment 34 (Hld. 2,16f.)145 5

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25

Hld. 2,16 a b 2,17 a

Mein Geliebter ist mein und ich bin sein. Er weidet in den Lilien, bis der Tag verweht und die Schatten weichen.

Die Braut spricht zu den Gefährten des Bräutigams, als hätte sie mit den Füchsena nichts gemein. Denn er hat mit uns, heißt es, an Blut und Fleisch146 Anteil genommen,b und wir mit ihm an der Unvergänglichkeit. Oder: Wenn Gott in die Seele kommt, wird auch die Seele in Gott hinein versetzt. So sagt auch Paulus: „Der Leib gehört nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leib.“c Leib nämlich ist die Braut als Kirche Christi, wenn er niemals der Hurerei, sondern immer dem Herrn gehört. Sagt doch auch der Erlöser selbst: „Bleibt in mir und ich in euch!“d 147 Im Folgenden aber steht umgekehrt geschrieben: „Ich gehöre meinem Geliebten148 und mein Geliebter mir“,e vielleicht deshalb, weil das Wohltun vom Bräutigam ausgeht. Denn wenn er sich ihr nicht offenbart hätte, würde sie sich nicht dem Bräutigam hingeben. Denn als sie seine von Gott erfüllte Schönheit sah, gelangte sie zum heilsamen Liebeszauber,149 durch den sie seiner Schönheit verfiel und sagte: und ich bin sein. Danach kehrt sie die Reihenfolge um, indem sie, ehe das Vollkommene kommt,f sagt: „Ich gehöre meinem Geliebten.“ Sobald er sich aber vollkommen offenbart hat, ohne etwas im Verborgenen zu lassen, sagt sie, als sie das wahrnimmt: „Und mein Geliebter gehört mir.“g Es heißt aber irgendwo mit prophetischen Worten: „Der Herr selbst wird uns in Ewigkeit weiden“,h doch er wird uns nicht wie jetzt in Lilien weiden, die inmitten von Dornen stehen.i Nachdem er daher gesagt hat: „Ich bin eine Blüte des Feldes, eine Lilie der Täler“, fügt er hinzu: „Wie eine Lilie inmitten von Dornen, so ist meine Gefährtin

147 In Cant. comm. III 6,4, legt Origenes Joh. 15,4 zu dem Wein, der vom wahren Weinstock (Joh. 15,1) geerntet wird, so aus: „So nämlich höre ich jene Aussage, dass jede Rebe, die nicht in mir bleibt, keine Frucht bringen kann. Denn niemand bringt die Frucht dieses Weines hervor, außer wer im Wort und in der Weisheit und in der Wahrheit und in der Gerechtigkeit und im Frieden und in allen Tugenden verbleibt.“ 148 Siehe dazu oben S. 161 Anm. 62 zu frg. 18. 149 Zum „Liebeszauber“ in Hld. 2,5 siehe oben S. 170 Anm. 90 zu frg. 25.

188

Fragmenta

meÂson tv Ä n uygateÂrvn·“ a kaiÁ thÂrei vëw eëaytoÁn kriÂnon eiÆpvÁn toÁ „eÆn meÂsvì aÆkanuv Ä n“ vëw eÆpiÁ th Ä w nyÂmfhw oyÆk eÍlejen. DioÁ kaiÁ parageÂgonen eiÆw toÁ aÆkaÂnuaiw mhÁ eÆmpagh Ä nai taÁ poimainoÂmena. ÏEvw oyÎ diapneyÂshì hë hëmeÂra kaiÁ pareÂluvsin b aië skiaiÂ. DioÁ kaiÁ ayÆxeiÄ mystikv Ä w leÂgein eÆn ÆIakvÁb toÁ „ÆEgenoÂmhn th Ä w hëmeÂraw sygkaioÂmenow tv Äì kayÂmati.“ c ÆEn tv Äì toy Ä paroÂntow gaÁr biÂoy maÂlista kayÂmati deoÂmeua toy Ä poimaiÂnontow diaÁ taÁ meshmbrinaÁ daimoÂnia. LeÂgei gaÁr proÁw toÁn eyÆpeiuhÄ´ „OyÆ fobhuhÂsesue aÆpoÁ daimoniÂoy meshmbrinoy Ä “, d oëpoiÄon kaiÁ toÁ „ëO hÏliow oyÆ e sygkayÂsei se“, eÆpeiÂper oë taÁw aÆsueneiÂaw hëmv Ä n feÂrvn kaiÁ periÁ hëmv Ä n oÆdynhueiÁw eÆgeÂneto yëpeÁr hëmv Ä n „sygkaioÂmenow tv Äì kayÂmati“, f Ïina eÆjagoraÂshì hëma Ä w aÆp’ ayÆtoy Ä vëw kaiÁ aÆpoÁ th Ä w kataÂraw toy Ä noÂmoy genoÂmenow yëpeÁr hëmv Än kataÂra. g PoimaiÂnei deÁ eÆn kriÂnoiw kaiÁ meÂxri pareÂluvsin aië skiaiÁ toy Ä biÂoy kataÁ toÁ „ëVw skiaiÁ aië hëmeÂrai hëmv Ä n paraÂgoysin.“ h ÍIsvw deÁ kaiÁ proÁ th Äw eÆpidhmiÂaw ayÆtoy Ä diaÁ noÂmoy kaiÁ profhtv Ä n eÆn kriÂnoiw eÆpoiÂmainen eÍti kayÂsvnow oÍntow. MetaÁ deÁ thÁn eÆpidhmiÂan poimaiÂnei meÂn, aÆll’ oyÆk eÆn kriÂnoiw· vëw´ gaÁr th Ä w hëmeÂraw diapneysaÂshw eiÍrhtai toÁ „ÆAgaphtoiÂ, ginvÂskete, oÏti eÆsxaÂth v Ï ra eÆstiÂn.“ i

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Fragmentum 35 (Prokop 134; Barba`ra 31) Hld. 2,17b c d

ÆApoÂstrecon oëmoivÂuhti syÂ, aÆdelfide moy, tv Äì doÂrkvni hà nebrv Äì eÆlaÂfvn eÆpiÁ oÍrh koilvmaÂtvn.

TaÁ proÂtera j proÁw taÁw neaniÂdaw eiËpen hë nyÂmfh, taÁ deÁ ny Ä n proÁw toÁn nymfiÂon, v Ï ste tv Äì paroÂnti kairv Äì aërmoÂttoysan aÆnalabeiÄn oëmoioÂthta proÁw meÁn toÁn doÂrkvna diaÁ toÁ dioratikoÂn, proÁw deÁ nebroÁn eÆlaÂfvn di’ aÆfanismoÁn toy Ä tv Ä n oÍfevn geÂnoyw´ tay Ä ta deÁ poieiÄn eÆn toiÄw oÍresi tv Ä n koilvmaÂtvn, ÆApoÂstrecon leÂgoysa eÆk toyÄ eÆn morfhÄì yëpaÂrxein ueoyÄ k kaiÁ aÆnaÂlabe tayÄta diaÁ thÁn aÆgaÂphn thÁn proÁw eÆmeÁ toiÄw aÆnurvÂpoiw eÆpidhmv Ä n, v Î n oië pleiÂoyw diaÁ thÁn kakiÂan eÆn koilvÂmasi diatriÂboysin. ÍOrh deÁ koilvmaÂtvn oië tv Ä n kakv Än Hld. 2,1f. Gen. 31,40 2,6

a f

b g

Weish. 5,9 Gal. 3,13

h

c Gen. 31,40 Ps. 101(102),12

i

d e Ps. 90(91),5f. Ps. 120(121),6 j k 1 Joh. 2,18 Hld. 2,16f. Phil.

150 Der Vers Hld. 2,17, in dem das zweite Verbum kinhuv Ä sin heißt – „die Schatten weichen“ –, ist mit dem Verbum pareÂluvsin aus Weish. 5,9 zitiert. 151 Vgl. dazu frg. 42. 152 Zu 1 Joh. 2,18 bei Origenes vgl. beispielsweise in Matth. comm. XV 31 (GCS Orig. 10, 445). 153 Zum Wechsel der Personen und der Sprecher im Drama, als das Origenes das

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Fragmente 34–35

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inmitten der Töchter.“a Und beachte, dass er, als er sich selbst als Lilie bezeichnete, nicht wie bei der Braut „inmitten von Dornen“ sagte. Deshalb ist er auch gekommen, um seine Weidetiere nicht in den Dornen stecken zu lassen. Bis der Tag verweht und die Schatten vergehen.b 150 Deshalb sagt sie auch mit großem Stolz auf geheimnisvolle Weise in der Person Jakobs: „Ich wurde am Tag von der Hitze verbrannt.“c Denn besonders in der Hitze des gegenwärtigen Lebens151 brauchen wir wegen der Mittagsdämonen den, der uns weidet. Zum Folgsamen sagt er nämlich: „Ihr werdet euch nicht vor dem Mittagsdämon fürchten“,d und desgleichen: „Die Sonne wird dich nicht verbrennen“,e da der, der unsere Schwächen getragen und für uns Schmerzen gelitten hat, für uns zu einem wurde, der „von der Hitze verbrannt wurde“,f um uns von ihr freizukaufen wie vom Fluch des Gesetzes, indem er für uns zum Fluch wurde.g Er weidet aber in Lilien und bis die Schatten des Lebens vergehen gemäß dem Ausspruch: „Wie Schatten vergehen unsere Tage.“h Vielleicht aber hat er auch vor seiner Ankunft durch das Gesetz und die Propheten in Lilien geweidet, als noch die Hitze herrschte. Nach der Ankunft aber weidet er zwar, aber nicht in Lilien. Weil nämlich der Tag verweht ist, heißt es: „Geliebte, erkennt, dass die letzte Stunde ist.“i 152

Fragment 35 (Hld. 2,17)

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Hld. 2,17 b c d 25

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Wende dich! Werde du, mein Geliebter, der Gazelle gleich oder dem Hirschkalb auf Bergen zwischen Abgründen!

Die vorigen Wortej sprach die Braut zu den Mädchen, die jetzigen hingegen zum Bräutigam,153 damit er einerseits die der gegenwärtigen Zeit angemessene Ähnlichkeit mit der Gazelle annimmt, weil er scharf sieht,154 andererseits die mit dem Hirschkalb, weil er das Schlangengeschlecht vernichtet.155 Dies aber soll er auf den Bergen zwischen den Abgründen tun: Wende dich, sagt sie, ab davon, in der Gestalt Gottes zu sein,k und nimm diese Gestalten aufgrund deiner Liebe zu mir an, indem du unter den Menschen weilst, von denen die Mehrheit aufgrund ihrer Schlechtigkeit in Abgründen

Hohelied auffasst, siehe in Cant. comm. prol. 1,1–3 sowie oben S. 140 f. das Fragment aus dem kleinen Hoheliedkommentar der Jugendzeit. 154 Der Begriff toÁ dioratikoÂn wird von Clemens von Alexandria, strom. IV 135,1 (GCS Clem. Al. 24, 308), für den orthodoxen Gnostiker verwendet, von Origenes, in Ioh. comm. XX 33,288 (GCS Orig. 4, 370), für die geistige Schau auf dem Weg zur Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse. Bei Gregor von Nyssa, in Cant. hom. 5 (GNO 6, 143f.), steht er für „das gereinigte und scharfe Auge der Seele“; Übersetzung: Dünzl, FC 16, 313. 155 Zu diesen Allegorien siehe oben S. 170 Anm. 94 zu frg. 26.

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Fragmenta

yëperaneÂxontew diÂkaioi. ÆApostreÂcaw oyËn loÂgow oëmoioy Ä tai eÆn meÁn toiÄw aÆnakeimeÂnoiw th Äì uevriÂaì doÂrkvni, eÆn deÁ toiÄw praktikvteÂroiw kaiÁ kauairetikoiÄw tv Ä n aÆntikeimeÂnvn dynaÂmevn eÆlaÂfvn nebrv Äì . ToÁ deÁ hà nebrv Äì paradiazeyktikoÂn. ëO deÁ UeodotiÂvn eiÍpen· ÆEpiÁ taÁ oÍrh uymiamaÂtvn, oyÆdeÁn hÎtton toyÁw aëgiÂoyw dhlv Ä n.

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Fragmentum 36 (Prokop 139; Barba`ra 32) Hld. 3,1a b c d 3,2a b c d 3,3a b 3,4a b c d e

ÆEpiÁ koiÂthn moy eÆn nyjiÁn eÆzhÂthsa, oÊn hÆgaÂphsen hë cyxh moy, eÆzhÂthsa ayÆtoÁn kaiÁ oyÆx eyÎron ayÆtoÂn, eÆkaÂlesa ayÆtoÂn, kaiÁ oyÆx yëphÂkoyseÂn moy. ÆAnasthÂsomai dhÁ kaiÁ kyklvÂsv eÆn thÄì poÂlei eÆn taiÄw aÆgoraiÄw kaiÁ eÆn taiÄw plateiÂaiw kaiÁ zhthÂsv, oÊn hÆgaÂphsen hë cyxh moy´ eÆzhÂthsa ayÆtoÁn kaiÁ oyÆx eyÎron ayÆtoÂn. EyÏrosaÂn me oië throyÄntew oië kykloyÄntew eÆn thÄì poÂlei´ MhÁ oÊn hÆgaÂphsen hë cyxh moy eiÍdete; ëVw mikroÁn oÏte parhÄluon aÆp’ ayÆtv Ä n, eÏvw oyÎ eyÎron, oÊn hÆgaÂphsen hë cyxh moy´ eÆkraÂthsa ayÆtoÁn kaiÁ oyÆk aÆfhÂsv ayÆtoÂn, eÏvw oyÎ eiÆshÂgagon ayÆtoÁn eiÆw oiËkon mhtroÂw moy kaiÁ eiÆw tamieiÄon thÄw syllaboyÂshw me.

PeriÁ tv Ä n proÁ toy Ä gaÂmoy mysthriÂvn eiÆpvÁn ny Ä n ayÆtoÁn diaÁ nyktoÁw eÆpiÁ thÁn koiÂthn kaleiÄ tv Ä n aÆporrhtoteÂrvn eÆueÂlvn koinvneiÄn kaiÁ th Ä w teleioteÂraw metasxeiÄn aÆnapayÂsevw´ toy Ä to gaÁr hë koiÂth. ToÁ deÁ eÆn nyktiÁ eÆn hësyxiÂaw kairv Äì kaiÁ poÂrrv th Ä w oÍcevw tv Ä n mhÁ taÁ toiay Ä ta uevreiÄn dynameÂnvn. DeiÄ deÁ aÆgaÂphì thÁn cyxhÁn protetrv Ä suai a toy Ä eÆpiÁ thÁn koiÂthn zhtoy Ä ntow taÁ toy Ä ueiÂoy loÂgoy bauyÂtera. PerimeÂnei deÁ thÁn th Ä w pouoyÂshw aÆnaÂstasin oë pouoyÂmenow, vëw aÃn eÆpiteiÂnaw toÁn eÍrvta kataÁ kairoÁn eëaytoÁn eÆmfaniÂsei eÆn th Äì a

Hld. 2,5

156 Vgl. in Cant comm. I 4,28: Der Logos muss seine Göttlichkeit ablegen, damit die sündigen Menschen ihn fassen können. Siehe auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 201. 157 Ebenso in Cant. comm. III 13,50 und in Cant. hom. 2,11; vgl. auch frg. 37. Siehe dazu die Erläuterungen zum Verhältnis von Theorie und Praxis in der ethischen Metaphysik des Origenes in OWD 9/1, 378 Anm. 458. Die Dialektik zwischen Theorie und Praxis sieht Origenes offenbar sprachlich in der Disjunktion „einer Gazelle oder (d.h.: beziehungsweise, lateinisch: uel) einem Hirschkalb“ in Hld. 2,17 zum Ausdruck gebracht, auf die er im folgenden Satz hinweist, und natürlich in den unterschiedlichen Tätigkeiten, die diesen Tieren zugeordnet sind: im „Sehen“ und im „Vernichten“.

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Fragmente 35–36

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haust.156 Berge zwischen Abgründen aber sind die Gerechten, die die Schlechten überragen. Wenn sich also das Wort verwandelt hat, gleicht es unter denen, die sich der Schau widmen, einer Gazelle, unter denen aber, die sich mehr dem praktischen Tun widmen und die feindlichen Mächte vernichten, einem Hirschkalb.157 Bei dem Ausdruck oder einem Kalb handelt es sich um eine Disjunktion. Theodotion aber sagte: auf den Bergen der Brandopfer,158 womit er nicht weniger auf die Heiligen hinweist.

Fragment 36 (Hld. 3,1–4) 10

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Hld. 3,1a b c d 3,2a b c d 3,3a b 3,4a b c d e

In meinem Bett in den Nächten suchte ich den, in den sich meine Seele verliebt hat, suchte ich ihn, doch fand ihn nicht, rief ich ihn, doch er hörte nicht auf mich. Ich werde also aufstehen und in der Stadt umhergehen auf den Märkten und auf den Plätzen und den suchen, in den sich meine Seele verliebt hat. Ich suchte ihn, doch fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen: Habt ihr nicht den gesehen, in den sich meine Seele verliebt hat? Es war nur kurz, nachdem ich an ihnen vorbeigegangen war, bis ich den fand, in den sich meine Seele verliebt hat. Ich hielt ihn fest und werde ihn nicht loslassen, bis ich ihn in das Haus meiner Mutter hineinführe und in die Schatzkammer derjenigen, die mich empfangen hat.

Nachdem sie über die Mysterien vor der Hochzeit gesprochen hat, ruft sie ihn jetzt in der Nacht in das Bett, weil sie an den unaussprechlicheren Mysterien teilhaben und an der vollkommeneren Ruhe Anteil haben will. Das bedeutet nämlich das Bett. Die Angabe in der Nacht aber bedeutet in der Zeit der Stille und weit entfernt von der Sicht derer, die derartige Dinge nicht zu schauen vermögen. Vor Liebe wund seina muss aber die Seele dessen, der im Bett die tieferen Geheimnisse des göttlichen Wortes sucht.159 Der ersehnte Bräutigam aber erwartet die Auferstehung der sich nach ihm sehnenden Braut, um sich selbst, nachdem er das Liebesverlangen160 gesteigert hat, zur rechten Zeit in der zu offenbaren, die sich am meisten um die

158 Vgl. II p. 415 Field. 159 In diesem Sinne erläutert Origenes, in Cant. comm. III 8,15, Hld. 2,5 folgendermaßen: „Es kann aber auf ähnliche Weise eine Seele, die in Leidenschaft für die Weisheit Gottes erglüht, sagen: Verwundet von der Weisheit bin ich, jene nämlich, die die Schönheit seiner Weisheit zu schauen vermochte. Es kann auch eine andere Seele, wenn sie die Erhabenheit seiner Kraft betrachtet und die Macht des Wortes Gottes bewundert hat, sagen: Verwundet von der Kraft bin ich.“ 160 Zur Bedeutung von Eros als Liebe im Sinne von geistigem Verlangen (so auch in frg. 48) siehe in Cant. comm. prol. 2,15–25.33–38, wo Origenes die Synonymität von Eros und Agape erläutert.

192

Fragmenta

kamoyÂshì pleiÄsta perizhÂthsin thÁn ayÆtoy Ä . EiÆpoy Ä sa gaÁr oÏti eÆpiÁ koiÂthn moy eÆn nyjiÁn eÆzhÂthsa, oÏn hÆgaÂphsen hë cyxh moy, kaiÁ oÏti eÆzhÂthsa ayÆtoÁn kaiÁ oyÆx eyÎron, eÆpaÂgei· ÆAnasthÂsomai dhÁ kaiÁ kyklvÂsv. OyÆkoyÄn yëptiasmoÁn kaiÁ thÁn kataÂmysin aÆpoueÂmenoi dianastv Ä men peiuoÂmenoi tv Äì leÂgonti´ „ÍEgeirai dhÁ oë kaueyÂdvn.“ a ÏOlow deÁ oë koÂsmow hë poÂliw, oÊn eÆkperielueiÄn deiÄ th Äì periÁ ayÆtoy Ä uevriÂaì ginoÂmenon eÆn taiÄw sofaiÄw didaskaliÂaiw´ ayÆtaiÁ gaÁr aÆgoraiÂ, oÏuen ti xrhÂsimoÂn eÆsti labeiÄn. ÆAllaÁ kaiÁ eÆn taiÄw plateiÂaiw· „sofiÂa“ gaÁr „eÆn eÆjoÂdoiw yëmneiÄtai, eÆn deÁ plateiÂaiw parrhsiÂan aÍgei.“ b KekeleyÂsmeua deÁ kaiÁ hëmeiÄw eÆpiÁ toÁ plaÂtow th Ä w kardiÂaw hëmv Ä n graÂcai. c MeiÂzona deÁ zhtoy Ä sa hà kat’ aÆgoraÁw kaiÁ plateiÂaw mhÁ eyërhkeÂnai fhsiÂ. PlhÁn oëdeyÂei paÂlin eÆpiÁ thÁn eyÏresin, eyëriskomeÂnh yëpoÁ tv Ä n throyÂntvn thÁn poÂlin kaiÁ kykloyÂntvn ayÆthÂn´ eiËen d’ aÃn taÁ leitoyrgikaÁ pneyÂmata· d „oyÎtoi eiÆsin, oyÊw eÆjapeÂsteile kyÂriow periodey Ä sai thÁn gh Ä n“, e v Î n dhÁ periÁ toy Ä pouoymeÂnoy pynuaÂnetai. OyÆk aÆnageÂgraptai deÁ toyÂtvn aÆpoÂkrisiw. DidaskoÂmeua deÂ, eiÆ meÂlloimen eyëreiÄn toÁn pouoyÂmenon, oÆliÂgon ti parelueiÄn kaiÁ kreiÂttoyw geneÂsuai tv Ä n toioyÂtvn aÆggeÂlvn, periÁ v Î n eÍoiken eÆn eÆpistolh Äì leÂgein oë PeÂtrow didaÂskvn thÁn yëperoxhÁn tv Ä n toiÄw teleiÂoiw aÆpokeimeÂnvn, „eiÆw aÊ eÆpiuymoy Ä sin aÍggeloi parakyÂcai“. f ÆAgaphtoÁn deÁ braxy ti toyÁw toioyÂtoyw parenegkeiÄn, Ïin’ eyëreuh Äì toÁ pouoyÂmenon kaiÁ eyëreueÁn krathuh Äì kaiÁ krathueÁn nohuhÄì ´ aÆnoÂnhtow gaÁr hë kraÂthsiw, eiÆ mhÁ toÁ nohueÁn synexhÁw meleÂth krathÂseien. Dio fhsin· OyÆk aÆfhÂsv ayÆtoÂn, eÏvw oyÎ a

Eph. 5,14

b

Spr. 1,20

c

Spr. 22,20

d

Hebr. 1,14

e

Sach. 1,10

f

1 Petr. 1,12

161 Nach Philon von Alexandria, migr. Abr. 124 (II p. 292 Cohn/Wendland), „reicht der erlösende Gott seine heilkräftigste Arznei, seine gütige Macht, dem flehenden Verehrer dar und ermahnt ihn, sie zur Rettung der Kranken zu benutzen, mit ihr die Wunden der Seele zu bestreichen“. Übersetzung: Posner, Philon Werke V, 184. 162 Der Teilvers Hld. 3,1d: „Ich rief ihn, doch er hörte nicht auf mich“ in der Septuaginta fehlt im hebräischen Text und in der Vulgata. Wenn die Wiedergabe Prokops in diesem Punkt verlässlich ist, hat Origenes ihn beim Kommentieren übergangen. In der Hexapla (II p. 416 Field) ist er mit einem Obelos versehen als Zeichen dafür, dass er im Hebräischen nicht dasteht: Barba`ra, BPat 42, 394. 163 Vgl. in Cant. comm. III 10,9. 164 Die Weisheit der Welt ist die Übungsstätte für die Seele, auf der sie zur göttlichen Weisheit gelangen kann: Cels. VI 13 (GCS Orig. 2, 83). Dem entspricht sowohl die Wissenschaftstheorie und Hermeneutik des Origenes, gemäß der sämtliches Wissen der Welt zur Erklärung der Bibel und damit zum Verstehen der göttlichen Geheimnisse heranzuziehen ist, als auch sein pädagogisches und didaktisches Programm der christlichen Wissenschaft, gemäß dem die „Weisheit der Welt“, d.h. die Philosophie, zu studieren ist, ehe man sich dem Studium der göttlichen Weisheit, nämlich in der Bibel und damit durch Exegese, widmen kann. Siehe dazu Fürst, Weisheit 315f. 165 Das Zitat aus Spr. 22,20 dürfte sich weniger auf den dreifachen Schriftsinn beziehen, wie Origenes es in Num. hom. 9,7 (GCS Orig. 7, 64) auswertet – so Barba`ra, BPat

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Fragmente 36

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Suche nach ihm bemüht hat.161 Nachdem sie nämlich gesagt hat: In meinem Bett in den Nächten suchte ich den, in den sich meine Seele verliebt hat, und: Ich suchte ihn, doch fand ihn nicht, fügt sie hinzu: Ich werde also aufstehen und umhergehen.162 Nachdem wir also das Liegen und das Schlafen abgestreift haben, wollen wir aufstehen im Vertrauen auf den, der sagt: „Steh denn auf, der du schläfst!“a 163 Die Stadt aber ist die ganze Welt, die bei der Schau nach ihm durchstreifen muss, wer sich an die weisen Unterweisungen hält. Denn diese sind Märkte, von woher etwas Nützliches zu erlangen ist; aber auch auf den Plätzen, denn „die Weisheit singt auf den Straßen, auf den Plätzen aber erhebt sie offen ihre Stimme.“b 164 Aber auch uns wird befohlen, auf die Breite unseres Herzens zu schreiben.c 165 Weil sie aber Größeres suchte als das, was auf Märkten und Plätzen zu finden war, wurde sie nicht fündig, wie sie sagt. Jedenfalls macht sie sich erneut auf die Suche,166 wird aber ihrerseits von denen gefunden, die die Stadt bewachen und in ihr umhergehen. Das dürften wohl die dienstbaren Geisterd sein. „Diese sind es, die der Herr ausgesandt hat, um auf der Erde umherzustreifen“,e bei denen sie sich also nach dem erkundigt, nach dem sie sich sehnt. Von diesen ist jedoch keine Antwort aufgeschrieben. Wir lernen aber: Wenn wir es schaffen, den zu finden, nach dem wir uns sehnen, kommen wir ein wenig weiter und werden besser als die so beschaffenen Engel, über die Petrus in seinem Brief zu sagen scheint, als er über das Übermaß der Dinge, die für die Vollkommenen bereit liegen, lehrt: „was die Engel zu erschauen begehren“.f Es ist aber wünschenswert, die so beschaffenen Wesen ein wenig hinter sich zu lassen, damit das Ersehnte gefunden und, wenn es gefunden ist, ergriffen und, wenn es ergriffen ist, erkannt wird. Unnütz ist nämlich das Ergreifen, wenn das Erkannte nicht so ergriffen wird, dass es unablässig gepflegt und geübt wird.167 Deshalb sagt sie:

42, 395 –, als auf den „in die Seele geschriebenen Logos“, den schon Platon, Phaidr. 276a; 278a, kennt und den Origenes dahingehend christlich formuliert, dass der gläubige Christ sich das Wort Gottes, die Bibel, ins Herz schreiben, in diesem eine Bibliothek der göttlichen Weisheit errichten soll: in Gen. hom. 2,6 (GCS Orig. 6, 37); in Ex. hom. 9,4 (GCS Orig. 6, 242). 166 Zur unablässigen Suche und Sehnsucht der Braut siehe das autobiographische Selbstzeugnis des Exegeten Origenes in Cant. hom. 1,7. Vgl. auch frg. 27. 167 Im Stichwort meleÂth steckt die Pflege, die Übung, die Sorge, nämlich die Sorge der Seele um sich selbst, die der Grundgedanke der psychagogischen und spirituellen Philosophie der Antike ist. Sie entstammt Platons Alkibiades maior (127d–135e) und wird von den christlichen Theologen uneingeschränkt übernommen, von Origenes sehr ausführlich im Kapitel über die Selbsterkenntnis der Seele im Hoheliedkommentar (in Cant. comm. II 5,1–15): Kobusch, Christliche Philosophie 161–163. Eine eindringliche Aufforderung zur Sorge um die eigene Seele steht in Hier. hom. 5,13 (GCS Orig. 32, 42). Vgl. auch princ. III 1,4 (GCS Orig. 5, 199): Der Entschluss der Vernunft zum Guten wird genährt durch Übung und gesichert durch die angenommenen Grundsätze.

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Fragmenta

eiÆshÂgagon ayÆtoÁn eiÆw oiËkon mhtroÂw moy, Ïina kaiÁ metaÁ thÁn eÆnueyÄuen eÍjodon eiÆseÂluoi syÁn ayÆtv Äì eiÆw toÁn oiËkon th Ä w aÍnv ÆIeroysalhÂm, a eÍnua eiÆsaÂgei taÁ koinoÂtera tv Ä n toy Ä loÂgoy uevrhmaÂtvn, taÁ deÁ aÆporrhtoÂtera eiÆw taÁ tamieiÄa thÄw syllaboyÂshw thÁn nyÂmfhn. ëH ayÆthÁ deÁ mhÂthr kaiÁ syllaboyÂsa dhloyÄtai diaÁ toÁ eÆn th Äì syllhÂcei thÁn aÆrxhÁn th Ä w systaÂsevw eiËnai· mhÂthr deÁ legomeÂnh metaÁ thÁn moÂrfvsin kaiÁ thÁn toy Ä syllhfueÂntow teleiÂvsin.

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Fragmentum 37 (Prokop 144; Barba`ra 33) Hld. 3,6a b c

TiÂw ayÏth hë aÆnabaiÂnoysa aÆpoÁ thÄw eÆrhÂmoy vëw steleÂxh kapnoyÄ teuymiameÂnh smyÂrnan kaiÁ liÂbanon aÆpoÁ paÂntvn koniortv Ä n myrecoyÄ;

KalhÁ liÂan hë aÆnabaiÂnoysa biÂvì kaiÁ loÂgvì cyxhÁ fygoy Ä sa taÁ paraÁ toiÄw polloiÄw aëmarthÂmata, aÏper eÆj eÆrhÂmoy leÂgetai aÆnabaiÂnein. Tv Äì deÁ toÁn diÂkaion eiËnai Xristoy Ä eyÆvdiÂan eÆn pantiÁ toÂpvì toiÄw svzomeÂnoiw, b teuymiameÂnh noeiÄtai. ParaplhsiÂvw steleÂxesi· kapnoÁn hëdyÁn aÆnapeÂmpoysin eyÆfraiÂnonta taÁw tv Ä n makarizoÂntvn aÆnapnoaÂw.

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Fragmentum 38 (Prokop 168; Barba`ra 34) Hld. 4,2a b c

ÆOdoÂntew soy vëw aÆgeÂlai tv Ä n kekarmeÂnvn, aiÊ aÆneÂbhsan aÆpoÁ toyÄ loytroyÄ, aië pa Ä sai didymeyÂoysai.

DidymeyÂoysai deÁ aÍllvw´ diaÁ toÁ dittoÁn thÄw nohÂsevw thÄw te rëhthÄw kaiÁ pneymatikh Ä w.

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Fragmentum 39 (Prokop 172; Barba`ra 35) Hld. 4,3a b

ëVw spartiÂon toÁ koÂkkinon xeiÂlh soy, kaiÁ hë lalia soy vëraiÂa.

ÍHgoyn eÍstv diaÂpyrow hë toy Ä loÂgoy paraskeyhÁ vëw kerdh Ä sai toÁn aÆkroathÁn dynameÂnh. ÃH kaiÁ toÁ eÍnaimon kaiÁ zvtikoÁn dhloiÄ tv Ä n diaÁ toy Ä a

Gal. 4,26

b

2 Kor. 2,15

168 Vgl. dazu in Cant. comm. I 5,3. 169 Siehe hierzu, besonders zu den Begriffen uevrhÂmata und syÂstasiw, in Ioh. comm. I 19,111 (GCS Orig. 4, 23): Die „in sich strukturierte geistige Schau des Alls“ bezieht sich auf die Einheit der gesamten Wirklichkeit im Logos, die einzelnen „Konzepte“ hingegen auf die sukzessive Schau bzw. Betrachtung der Einzeldinge der Wirklichkeit und damit der in der Einheit des Logos angelegten Vielheit. Vgl. ebd. I 34,244 (4, 43); II 18,126 (4, 75).

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Fragmente 36–39

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Ich werde ihn nicht loslassen, bis ich ihn in das Haus meiner Mutter hineinführe, damit sie nach dem Weggang von hier mit ihm auch in das Haus des oberen Jerusalema gelangt. Dorthin führen die allgemein zugänglichen Konzepte des Wortes, die unaussprechlichen hingegen in die Schatzkammern derjenigen, die die Braut empfangen hat.168 Diese Mutter selbst wird aber auch als Empfangende bezeichnet, weil in der Empfängnis der Ursprung der Struktur liegt. Mutter aber wird sie genannt nach der Gestaltwerdung und Vollendung des Empfangenen.169

Fragment 37 (Hld. 3,6) 10

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Hld. 3,6a b c

Wer ist diese, die aus der Wüste heraufsteigt wie eine Rauchsäule, duftend nach Myrrhe und Weihrauch von allen Duftwolken des Duftmischers?

Sehr schön ist die Seele, die durch ihren Lebenswandel und ihre Vernunft170 heraufsteigt, indem sie die bei der breiten Masse zu findenden Sünden flieht, von denen es heißt, dass sie aus der Wüste heraufsteigen. Weil aber der Gerechte ein Wohlgeruch Christi an jedem Ort ist für die, die gerettet werden,b wird sie als duftend aufgefasst. Ganz ähnlich den Säulen: Sie lassen süßen Rauch aufsteigen, der die Atemzüge der Seligen erfreut.

Fragment 38 (Hld. 4,2) 20

Hld. 4,2a b c

Deine Zähne sind wie die Herden geschorener Schafe, die aus dem Bad heraufgestiegen sind, die alle Zwillinge gebären.

Zwillinge gebären kann aber auch heißen: wegen des zweifachen Verständnisses, des wörtlichen und des geistigen.171

Fragment 39 (Hld. 4,3)

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Hld. 4,3a b

Wie eine scharlachrote Schnur sind deine Lippen, und deine Rede ist anmutig.

Es soll also die Präsentation der Rede feurig172 sein, so dass sie den Zuhörer zu gewinnen vermag. Oder es verweist auf die heißblütige Leben-

170 Zur Verknüpfung von Theorie und Praxis siehe frg. 35 und dazu oben S. 190 Anm. 157. 171 In Ex. hom. 10,4 (GCS Orig. 6, 251) sind es die im übertragenen Sinn verstandenen Zähne, die den Bibeltext verständlich machen, im vorliegenden Fragment im doppelten Sinn: im wörtlichen und im geistigen Verständnis: Barba`ra, BPat 42, 400. 172 Laut in Ex. hom. 13,3.4 (GCS Orig. 6, 275) verweist die Farbe Scharlachrot auf das Feuer.

196

Fragmenta

xeiÂloyw eÆjioÂntvn rëhmaÂtvn oiëoneiÁ baptomeÂnvn eÆn thÄì aÆlhuinhÄì poÂsei toyÄ aiÏmatow a toy Ä Xristoy Ä.

Fragmentum 40 (Prokop 175; Barba`ra 36) Hld. 4,3c d

ëVw leÂpyron thÄw rëoÂaw mhÄloÂn soy eÆktoÁw thÄw sivphÂsevÂw soy.

5

ProstiÂuhsi tv Äì th Ä w svfrosyÂnhw eÆpaiÂnvì toÁn aÆpoÁ th Ä w sivphÄw, eÆpistameÂnhw th Ä w nyÂmfhw kairoyÁw lalia Ä w vëraiÂaw b kaiÁ eÆpainoymeÂnhw sigh Ä w. KaiÁ eÆpeiÁ „pistoÁw pnoh Äì kryÂptei praÂgmata“, c kaiÁ hë nyÂmfh eÆn tv Äì baÂuei kryÂptei taÁ uevrhÂmata, toyÁw oiëoneiÁ koÂkkoyw th Ä w rëoÂaw, „eÏkaston eÆn tv Äì iÆdiÂvì taÂgmati“ d sesvmatopoihmeÂnon eÆn tv Äì hëgemonikv Äì . DioÁ eÆphÂgagen· eÆktoÁw th Ä w sivphÂsevÂw soy, dhlv Ä n taÁ sivpvÂmena doÂgmata vëw koÂkkoyw rëoÂaw yëpoÁ toÁ leÂpyron ayÆthÄw.

10

Fragmentum 41 (Prokop 178; Barba`ra 37) Hld. 4,4a b c d

ëVw pyÂrgow DayiÁd traÂxhloÂw soy oë vÆì kodomhmeÂnow eiÆw UalpivÂu´ xiÂlioi uyreoiÁ kreÂmantai eÆp’ ayÆtoÂn, pa Ä sai boliÂdew tv Ä n dynatv Ä n.

15

ÆAkyÂlaw toÁ UalpivÁu eÆpaÂljeiw eÆkdeÂdvken, oë deÁ SyÂmmaxow yÏch· v Îì aÆkoloyueiÄ toÁn yëpeÁr taÁw eÆpaÂljeiw pyÂrgon eiËnai thÁn sofiÂan, hÎw oëmoiÂvw hÍrthntai uyreoiÁ meÁn taÁ pepisteymeÂna doÂgmata, aÏper eiËpen eënikv Ä w oë aÆpoÂstolow „uyreoÁn piÂstevw“. e BoliÂdew deÁ tv Ä n dynatv Ä n oië dynatv Ä w aÆnatreÂpontew loÂgoi tv Ä n eÆnantiÂvn th Ä w aÆlhueiÂaw thÁn piuanoÂthta. ÆAntiÁ deÁ toy Ä eÆpaÂljeiw eÆntolaÁw eÆkdeÂdvken hë peÂmpth eÍkdosiw toÁn noyÄn ma Ä llon hà thÁn leÂjin eërmhneyÂoya

Joh. 6,55

b

Hld. 4,3b

c

Spr. 11,13

d

1 Kor. 15,23

e

Eph. 6,16

173 In Num. hom. 16,9 (GCS Orig. 7, 151f.) erklärt Origenes ausführlicher, dass der „Trank des Blutes Christi“ darin besteht, seine Worte aufzunehmen. 174 In Rom. comm. VII 4,5 (SC 543, 296) ist Spr. 11,13 im selben Sinn, aber in anderer Version verwendet: „Wer geistig ist, untersucht alles, und wenn er etwas Höheres als dies zu erkunden vermochte, behält er es bei sich; denn ,ein zuverlässiger Geist (fidelis spiritus) verbirgt seine Tätigkeiten‘.“ In der SC-Ausgabe ist der lateinische Text von Spr. 11,13 gegenüber der kritischen Edition von Hammond Bammel (p. 581: spiritu) zu spiritus geändert. 175 Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7. 176 Das Esoterische dieser Aussage ist nicht zu übersehen: Nicht alle Lehren sind für alle geeignet, insbesondere nicht die schwierigen und undurchdringlichen Lehren zur Gotteserkenntnis. Deswegen hat Jesus sie seinen Jüngern abgesondert von der großen Menge der Leute anvertraut: in Ioh. comm. II 28,172–174 (GCS Orig. 4, 85).

20

Fragmente 39–41

197

digkeit der den Lippen entströmenden Worte, die gleichsam in den wahren Trank des Blutesa Christi173 getaucht sind.

Fragment 40 (Hld. 4,3) Hld. 4,3c d

5

Wie die Schale des Granatapfels lugt deine Wange aus deiner Verschleierung hervor.

10

Er setzt dem Lob der Besonnenheit das aufgrund der Verschleierung hinzu, weil die Braut die geeigneten Zeiten für das anmutige Redenb wie auch für das gepriesene Schweigen kennt. Und da „ein zuverlässiger Mann dem Atem die Dinge verbirgt“,c 174 verbirgt auch die Braut die geschauten Konzepte in der Tiefe, gleichsam die Kerne des Granatapfels, von denen „jedes in seiner eigenen Ordnung“d im führenden Seelenteil175 Gestalt angenommen hat. Deshalb fügte er hinzu: aus deiner Verschleierung, womit er auf die verschwiegenen Lehren176 hinwies wie auf die Kerne eines Granatapfels unter seiner Schale.

15

Fragment 41 (Hld. 4,4) Hld. 4,4a b c d

20

25

Wie der Turm Davids ist dein Hals, der in Thalpijoth erbaut worden ist. Tausend Schilde hängen an ihm, alle Wurfgeschoße der Mächtigen.

Aquila hat das Wort Thalpijoth177 mit Zinnen wiedergegeben, Symmachus aber mit Anhöhen.178 Dem entspricht, dass der Turm über den Zinnen die Weisheit ist, an der wie Schilde die glaubwürdigen Lehren hängen, die der Apostel im Singular „Schild des Glaubens“ nannte.e Wurfgeschoße der Mächtigen aber sind die Worte der Widersacher, die die Kraft haben, die Glaubwürdigkeit der Wahrheit zu untergraben.179 An Stelle von Zinnen aber hat die fünfte Ausgabe Gebote wiedergegeben,180 indem sie mehr den Sinn als

177

178 179

180

Siehe auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 206f. – Vgl. auch das Lob der Verschwiegenheit in frg. 73. Das hebräische Wort, das „in Schichten“ heißt und ein Hapaxlegomenon ist, wird in der Septuaginta „wohl als Ortsangabe missverstanden“: Septuaginta Deutsch 1002 Anm. ad loc. Vgl. auch Barba`ra, BPat 42, 404f.; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 235f. Vgl. II p. 417 Field. Der von Origenes oft zitierte „Schild des Glaubens“ aus Eph. 6,16 – vgl. etwa in Cant. comm. II 8,16–18; princ. IV 3,12 (GCS Orig. 5, 342) – steht als Singular für die Einheit der Glaubenswahrheit, wohingegen die Wurfgeschosse der Mächtigen als Plural für die vielen und schon angesichts ihrer Vielzahl falschen Angriffe auf diese stehen. Vgl. II p. 417 Field. Diese Übersetzung könnte auch von Theodotion stammen: Barba`ra, Riedizione 358; Harl, La version LXX du Cantique 104f.

198

Fragmenta

sa´ mhÁ proapokeimeÂnvn gaÁr eÆntolv Ä sin Ä n oiÆkodomhuhÄnai thÁn aÆceydhÄ gnv aÆdyÂnaton.

Fragmentum 42 (Prokop 181; Barba`ra 38) Hld. 4,5a b 4,6a

DyÂo mastoi soy vëw dyÂo nebroiÁ diÂdymoi dorkaÂdow oië nemoÂmenoi eÆn kriÂnoiw, eÏvw oyÎ diapneyÂshì hë hëmeÂra kaiÁ kinhuv Ä sin aië skiaiÂ.

5

ToÁ hëgemonikoÁn vëw eÆpiÁ nyÂmfhw mastoiÂ, oÏper eÆstiÁn oÆjyderkeÂstaton. DioÁ pareiÂkase dyÂo nebroiÄw dorkaÂdow nemomeÂnoiw eÆn vëraiÂoiw toÂpoiw kaiÁ eyÆvÂdesi shmaiÂnvn taÁ te nohtaÁ kaiÁ aiÆsuhtaÂ. NebroyÁw deÂ, eÆpeidhÁ ny Ä n eÆk meÂroyw ginvÂskomen´ oÏtan deÁ toÁ teÂleion eÍluhì , a katargoy Ä men thÁn nhpioÂthta, oÏtan oë kayÂsvn toy Ä paroÂntow biÂoy payÂshtai kaiÁ kairoÁw th Ä w aÆnacyÂjevw b eÆpisth Äì , lyomeÂnhw kaiÁ th Ä w skia Ä w· skiaÁ gaÂr eÆstin oë parvÁn biÂow. c ToÂte gaÁr vëw teÂleioi, aÆll’ oyÆx vëw nebroiÁ nemhuhsoÂmeua.

10

Fragmentum 43 (Prokop 193; Barba`ra 39) Hld. 4,9a b c 4,10 a b c 4,11 a b c

ÆEkardiÂvsaw hëma Ä w, aÆdelfh moy nyÂmfh, eÆkardiÂvsaw hëma Ä w eëniÁ aÆpoÁ oÆfualmv Ä n soy, eÆn mia Äì eÆnueÂmati traxhÂloy soy. Ti eÆkallivÂuhsan mastoi soy, aÆdelfh moy nyÂmfh, ti eÆkallivÂuhsan mastoi soy aÆpoÁ oiÍnoy; KaiÁ oÆsmhÁ iëmatiÂvn soy yëpeÁr paÂnta taÁ aÆrvÂmata. KhriÂon aÆpostaÂzoysin xeiÂlh soy, nyÂmfh, meÂli kaiÁ gaÂla yëpoÁ thÁn glv Ä ssaÂn soy, kaiÁ oÆsmhÁ iëmatiÂvn soy vëw oÆsmhÁ LibaÂnoy.

ToÁ eÍnuema eiÍrhtai paraÁ toÁ eÆntiÂuesuai kaiÁ eÆnhrmoÂsuai tv Äì traxhÂlvì th Äw nyÂmfhw. EiÆ deÁ vëw dyÂo nebroiÁ dorkaÂdow eÍmeinan oië mastoiÁ thÄw nyÂmfhw, d toÁ Ti eÆkallivÂuhsan; oyÆk aÃn eÆrrhÂuh uaymastikv Ä w periÁ toy Ä , vëw eÍfhn, dianohtikoy Ä . ÆAllaÁ kaiÁ toÁ diploy Ä n toy Ä uayÂmatow thÁn ayÍjhsin toy Ä kaÂlloyw yëpeÂdeijen, oëpoiÄon toÁ eÆkardiÂvsaw eÆk deyteÂroy rëhueÂn. ëImaÂtia deÁ th Ä w nyÂmfhw, eÆndedymeÂnoi XristoÁn ÆIhsoy Ä n, e „splaÂgxna oiÆktirmoy Ä kaiÁ xrhstoÂthta kaiÁ taa

1 Kor. 13,9f.

b

Apg. 3,20

c

Ijob 8,9

d

Hld. 4,5

e

Röm. 13,14

181 Das ist ein Seitenhieb auf die Gnosis, deren Erkenntnis Origenes gerne mit 1 Tim. 6,20 als „fälschlich so genannte Erkenntnis“ disqualifiziert: siehe OWD 9/1, 317 Anm. 365. Vgl. in Cant. comm. III 6,7, wo die Lehren der Wahrheit und Weisheit den verderblichen Lehrsätzen der falschen Erkenntnis gegenübergestellt werden. 182 Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7.

15

20

25

Fragmente 41–43

199

den Ausdruck übersetzte. Denn wenn nicht vorher die Gebote grundgelegt sind, ist es unmöglich, die unverfälschte Erkenntnis181 aufzubauen.

Fragment 42 (Hld. 4,5f.) Hld. 4,5a b 4,6a

5

10

15

Deine beiden Brüste sind wie zwei Zwillingskitze der Gazelle, die in Lilien weiden, bis der Tag verweht und die Schatten weichen.

Der führende Seelenteil182 ist wie die Brüste bei der Braut, dieser ist wirklich das scharfsichtigste.183 Deshalb verglich er ihn mit zwei Kitzen der Gazelle, die an anmutigen und wohlduftenden Orten weiden, womit er sowohl die geistig als auch die sinnlich wahrnehmbaren Dinge bezeichnet. Kitze aber nennt er sie, da wir jetzt stückweise erkennen. Wenn aber das Vollkommene kommt,a werden wir das Kindliche ablegen,184 wenn die Hitze des gegenwärtigen Lebens185 aufhört und die Zeit der Erfrischungb eintritt, wenn auch der Schatten sich auflöst. Ein Schatten ist nämlich das gegenwärtige Leben.c Dann nämlich werden wir wie Vollkommene und nicht wie Kitze weiden.

Fragment 43 (Hld. 4,9–11) Hld. 4,9a b c 4,10 a b c 4,11 a b c

20

25

30

Du hast uns das Herz geraubt, meine Schwester Braut, du hast uns das Herz geraubt durch einen Blick aus deinen Augen, mit einem einzigen Geschmeide deines Halses. Wie schön sind deine Brüste geworden, meine Schwester Braut, wie schön sind deine Brüste geworden vom Wein? Und der Duft deiner Gewänder übertrifft alle Duftkräuter. Wie Honigwaben tropfen deine Lippen, Braut, Honig und Milch fließen unter deiner Zunge, und der Duft deiner Gewänder ist wie der Duft des Libanon.

Geschmeide wird es genannt, weil es geschmeidig um den Hals der Braut gelegt ist. Wenn aber die Brüste der Braut wie zwei Kitze der Gazelle blieben,d wurde die Aussage: Wie schön sind sie geworden? nicht staunend über das, wie gesagt,186 Denkvermögen gemacht. Vielmehr verwies auch die Verdoppelung des Staunens auf das Anwachsen der Schönheit, wie auch Du hast das Herz geraubt zweimal gesagt wird. Die Gewänder der Braut aber sind, wenn man Christus Jesus angezogen hat,e 187 „die Erbarmungen des Mitleids

183 184 185 186 187

Zur Sehschärfe der Gazelle siehe oben S. 170 Anm. 94 zu frg. 26. Vgl. in Cant. comm. II 1,31. Vgl. dazu frg. 34. Zur Deutung der Brüste der Braut auf ihre Erkenntnisfähigkeit siehe frg. 42. Zu Röm. 13,14 (vgl. Gal. 3,27) bei Origenes siehe in Num. hom. 25,5 (GCS Orig. 7, 240); in Rom. comm. IX 34 (SC 555, 198); in Eph. frg. 33 (p. 570 Gregg) bzw. frg. 80 (Opere di Origene 14/4, 352).

200

Fragmenta

peinofrosyÂnhn“. a XeiÂlh deÁ oië didaÂskaloi´ kaiÁ „khriÂa meÂlitow loÂgoi kaloi“· b eiÆrgaÂsanto deÁ khriÂon kaiÁ meÂli profh Ä tai kaiÁ aÆpoÂstoloi.

Fragmentum 44 (Prokop 199; Barba`ra 40) ÍHgoyn kekoÂsmhsai ueologiÂaw pneÂoysin iëmatiÂoiw.

Fragmentum 45 (Prokop 205; Barba`ra 41) Hld. 4,12 a b

KhÄpow kekleismeÂnow aÆdelfh moy nyÂmfh, khÄpow kekleismeÂnow, phghÁ eÆsfragismeÂnh.

DeyÂteron toÁ kh Ä pow kekleismeÂnow eÆrrhÂuh, toÁ meÁn eÆpiÁ prokoÂptontow, toÁ deÁ eÆpiÁ teleiÂoy´ oÏte toÁ hëgemonikoÁn ayÆtoy Ä kauarueÁn th Äì th Ä w ueologiÂaw sfragiÂdi tetyÂpvtai. ÃH kaiÁ ny Ä n meÁn hë nyÂmfh kh Ä poÂw eÆsti kekleismeÂnow moÂnon, eÆn deÁ tv Äì meÂllonti aiÆv Ä ni c diaÁ thÁn teleioÂthta kaiÁ toÁ beÂbaion kaiÁ phgh eÆstin eÆsfragismeÂnh· „pantiÁ gaÁr tv Äì eÍxonti douhÂsetai kaiÁ perisseyuhÂsetai.“ d Ny Ä n meÁn oyËn hë grafhÁ kh Ä pon eiËpen aëplv Ä w, aÆllaxoy Ä deÂ, vëw periÁ eëteÂroy, kaiÁ toÁ „laxaneiÂaw“ prostiÂuhsin. e

Fragmentum 46 (Prokop 211; Barba`ra 42) Hld. 4,16 a b

ÆEjegeÂruhti, borra Ä , kaiÁ eÍrxoy, noÂte, diaÂpneyson khÄpoÂn moy, kaiÁ rëeysaÂtvsan aÆrvÂmata moy.

ÍEoiken eÆpitima Ä n hë nyÂmfh tv Äì boreÂaì thÁn eÆjoysiÂan laboy Ä sa paraÁ toy Ä eÆpitimhÂsantow tv Äì aÆneÂmvì nymfiÂoy. DioÁ paraÁ toiÄw trisiÁn eyÆaggelistaiÄw eÆpia

Kol. 3,12

b

5

Spr. 16,24

c

Eph. 1,21

d

Mt. 25,29

e

Dtn. 11,10; 1 Kön. 20,2

188 Zur Kombination von Röm. 13,14 und Kol. 3,12 vgl. in Hiez. hom. 6,8 (GCS Orig. 8, 386). 189 Vgl. sel. in Dtn. 8,7 (PG 12, 809) zu den Honigwaben im Himmelreich und zur Süße des Erlösers; in Ex. hom. 7,5 (GCS Orig. 6, 212): Nichts ist süßer als die Worte des Herrn, die Honig und Wabe übertreffen; in Hiez. hom. 12,1 (GCS Orig. 8, 433): Die Süße Gottes schmeckt, wer fähig ist, seine Worte zu kosten und die Süße seiner Gedanken mit der des eigenen Lebens zu verbinden. 190 Vgl. dazu ausführlich in Is. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 251f.), ferner in Num. hom. 27,12 (GCS Orig. 7, 278): Die Bienenstöcke sind die Schriften; in Iud. hom. 5,2 (GCS Orig. 7, 493): „Jede Prophezeiung erzeugt die köstlichen Waben der himmlischen Lehre und den süßen Honig des göttlichen Wortes.“ 191 Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7.

10

15

Fragmente 43–46

201

und die Güte und die Demut“.a 188 Die Lippen aber sind die Lehrer, und „die Honigwaben die guten Worte“.b 189 Wabe und Honig aber haben die Propheten und die Apostel hergestellt.190

Fragment 44 (Hld. 4,10.11) 5

Das heißt, geschmückt zu sein mit Gewändern, die nach der Lehre von Gott duften.

Fragment 45 (Hld. 4,12) Hld. 4,12 a b 10

15

Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle.

Zweimal ist der verschlossene Garten genannt, das eine Mal in Bezug auf den, der voranschreitet, das andere Mal in Bezug auf den Vollkommenen, wenn seinem führenden Seelenteil191 nach der Reinigung das Siegel der Lehre von Gott eingeprägt ist.192 Oder auch so: Jetzt ist die Braut nur ein verschlossener Garten, im kommenden Zeitalterc aber ist sie aufgrund ihrer Vollkommenheit und Beständigkeit193 auch eine versiegelte Quelle. „Denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird in Fülle haben.“d Hier also sprach die Schrift einfach von Garten, anderswo aber fügt sie, als ginge es um einen anderen Garten, das Wort „des Gemüses“194 hinzu.e

Fragment 46 (Hld. 4,16) 20

Hld. 4,16 a b

Wach auf, Nordwind, und komm, Südwind, durchwehe meinen Garten, und meine Duftkräuter sollen duften!

Die Braut scheint dem Nordwind zu gebieten, wobei sie die Vollmacht dazu vom Bräutigam nimmt, der dem Wind geboten hat. Deshalb heißt es

192 Vgl. in Eph. frg. 21 (p. 556 Gregg) bzw. frg. 50 (Opere di Origene 14/4, 316–318) zur Besiegelung mit dem Heiligen Geist; in Ioh. comm. XX 24,208 (GCS Orig. 4, 358) zur Einprägung des Siegels. Das Siegel „nach der Reinigung“ spielt offenkundig auf den Taufritus an, der von Origenes hier jedoch spiritualisierend verstanden wird. 193 Das könnte ein Hinweis auf die Unverlierbarkeit des Heils im Zustand der Vollkommenheit sein. In der Debatte darüber, ob es im ,System‘ des Origenes nach der Apokatastatis zu einem erneuten Abfall kommt oder nicht, liefert dieses Fragment einen Beleg für die Dauerhaftigkeit der endgültigen Erlösung. Weiteres dazu in OWD 9/1, 154 Anm. 162 zu in Cant. comm. I 4,9. 194 In Ex. hom. 7,5.8 (GCS Orig. 6, 212. 215) gilt Gemüse mit Röm. 14,2 als Speise für die Kranken und Schwachen, also für die sog. einfachen Christen, die noch weit von der Vollkommenheit entfernt sind, so dass ihr Garten ein anderer ist als der Garten der Braut in Hld. 4,12.

202

Fragmenta

timhuh Ä nai tv Äì aÆneÂmvì eiÍrhtai· a oië deÁ aÍnemoi aëplv Ä w yëpakoyÂoysin ayÆtv Äì . b XristoÁw oyËn eÆjvuoymeÂnoy toy Ä diaboÂloy eiÆsoikiÂzetai taiÄw cyxaiÄw´ periÁ oyÎ toÁ „oë ueoÁw aÆpoÁ UaimaÁn hÏjei“, c toyteÂsti eÆk noÂtoy.

Fragmentum 47 (Prokop 222; Barba`ra 43) Hld. 5,2c d e f

ÍAnoijoÂn moi, aÆdelfh moy, hë plhsiÂon moy, peristera moy, teleiÂa moy, oÏti hë kefalh moy eÆplhÂsuh droÂsoy kaiÁ oië boÂstryxoi moy cekaÂdvn nyktoÂw.

5

ÆAnagkaiÂvw toÁ moi proseteÂuh tv Äì ÍAnoijon· eÍsti gaÁr kaiÁ aÆntikeimeÂnaiw aÆnoiÄjai dynaÂmesin. ëVw periÁ oÆxlhra Ä w deÁ th Ä w droÂsoy leÂgein dokeiÄ, vëw kaiÁ periÁ tv Ä n th Ä w nyktoÁw cekaÂdvn· aÆnaÂpaylan gaÁr eÍoiken aÆpoÁ toyÂtvn eÆpizhteiÄn.

10

Fragmentum 48 (Prokop 232; Barba`ra 44) Hld. 5,4a b 5,5a b c d 5,6a b c

ÆAdelfidoÂw moy aÆpeÂsteilen xeiÄra ayÆtoyÄ aÆpoÁ thÄw oÆphÄw, kaiÁ hë koiliÂa moy eÆurohÂuh eÆp’ ayÆtoÂn. ÆAneÂsthn eÆgvÁ aÆnoiÄjai tv Äì aÆdelfidv Äì moy, xeiÄreÂw moy eÍstajan smyÂrnan, daÂktyloi moy smyÂrnan plhÂrh eÆpiÁ xeiÄraw toyÄ kleiÂuroy. ÍHnoija eÆgvÁ tv Äì aÆdelfidv Äì moy, aÆdelfidoÂw moy parhÄluen´ cyxh moy eÆjhÄluen eÆn loÂgvì ayÆtoyÄ.

15

20

ëHniÂka eÍfuasen hë nyÂmfh toÁ kleiÄuron, v Ï ste thÁn cyxhÁn aÆnapetaÂsai tv Äì loÂgvì , toÂte moÂnhn thÁn xeiÄra kai tinaw eëaytoyÄ deiÂjaw praÂjeiw parelhÂlyuen vëw mhdeÂpv toÁ pleÂon eiÆw ueÂan xvroyÂshw th Ä w nyÂmfhw´ aÏma deÁ kaiÁ vÆì konoÂmei pleÂon ayÆth Ä w eÆpiteiÄnai toÁn eÍrvta. ÆEjeÂrxetai kaiÁ eÆkdhmeiÄ toy Ä svÂmatow d hë cyxhÁ diaÁ toÁn toyÄ nymfiÂoy loÂgon eÍxoysa eÆn oyÆranv Äì toÁ poliÂteyma. e

Mk. 4,39; Lk. 8,24 (Mt. 8,26) e Kor. 5,8 Phil. 3,20

a

b

Mt. 8,27 (Mk. 4,41; Lk. 8,25)

c

Hab. 3,3

d

2

195 Der kalte Nordwind steht für die Übel dieser Welt und ist auf den Teufel zu beziehen: princ. II 8,3 (GCS Orig. 5, 157); sel. in Ps. 27,1 (PG 12, 1284). 196 Für die Deutung von „Theman“ als „Süden“ bzw. „Südwind“ vgl. in Ex. hom. 9,4 (GCS Orig. 6, 242). So auch Hieronymus, int. hebr. nom. p. 11 Lagarde (CChr.SL 72, 73): Theman auster uel africus; ebd. p. 15 (72, 77); p. 51 (72, 123). 197 Andernorts versinnbildlicht der Tau für Origenes etwas Positives, so in orat. 16,3 (GCS Orig. 2, 337) den Segen für die Heiligen, von dem sie laut exhort. mart. 27. 33 (GCS Orig. 1, 23. 28) gestärkt werden.

25

Fragmente 46–48

203

bei den drei Evangelisten, er habe dem Wind geboten;a die Winde aber gehorchen ihm einfach.b Christus nimmt also, wenn der Teufel195 hinausgeworfen worden ist, Wohnung in den Seelen. Davon handelt der Spruch: „Gott wird von Theman her kommen“,c das heißt aus dem Süden.196

Fragment 47 (Hld. 5,2)

5

Hld. 5,2c d e f 10

Öffne mir, meine Schwester, meine Gefährtin, meine Taube, meine Vollkommene! Denn mein Kopf wurde voll von Tau und meine Locken von den Tropfen der Nacht.

Notwendigerweise setzte er das Wort mir zu dem Ruf Öffne! hinzu. Man kann ja auch den feindlichen Mächten öffnen. Wie über etwas Lästiges scheint er aber über den Tau zu sprechen,197 wie auch über die Tropfen der Nacht. Denn er scheint Ruhe vor diesen zu suchen.

Fragment 48 (Hld. 5,4–6) 15

20

25

30

Hld. 5,4a b 5,5a b c d 5,6a b c

Mein Geliebter streckte seine Hand durch die Türöffnung, und mein Inneres regte sich voller Verlangen nach ihm. Ich stand auf, meinem Geliebten zu öffnen, meine Hände tropften von Myrrhe, meine Finger voller Myrrhe auf den Griffen des Riegels. Ich habe meinem Geliebten geöffnet, mein Geliebter ist vorübergegangen. Meine Seele ging auf sein Wort hinaus.

Als die Braut den Riegel ergriff, um die Seele dem Wort zu öffnen, da war er schon vorübergegangen, nachdem er allein die Hand und einige seiner Taten gezeigt hatte,198 als würde die Braut die Schau nicht mehr weiter fassen können.199 Zugleich aber richtet er es damit auch so ein, dass ihr Liebesverlangen200 weiter zunimmt. Die Seele geht hinaus und verlässt den Leib,d 201 weil sie aufgrund des Wortes des Bräutigams ihre Bürgerschaft202 im Himmel hat.e

198 Zur Hand als Symbol für Taten vgl. in Ioh. comm. XXXII 21,268 (GCS Orig. 4, 462). 199 Siehe dazu in Ioh. comm. XX 6,40–45 (GCS Orig. 4, 333f.). 200 Zum Wort Eros siehe oben S. 191 Anm. 160 zu frg. 36. 201 Zu dieser Erklärung von 2 Kor. 5,8 siehe in Ioh. comm. XIII 53,358–362 (GCS Orig. 4, 282f.). 202 Zum Begriff poliÂteyma vgl. Cels. II 5 (GCS Orig. 1, 132); VIII 5 (2, 225); lat. conuersatio: in Gen. hom. 1,2.13 (GCS Orig. 6, 3. 16); 2,6 (6, 37); 5,5 (6, 63); in Regn. hom. lat. 9 (GCS Orig. 8, 16); in Rom. comm. IX 40 (SC 555, 224).

204

Fragmenta

Fragmentum 49 (Prokop 233; Barba`ra 45) Hld. 5,6d e

ÆEzhÂthsa ayÆtoÁn kaiÁ oyÆx eyÎron ayÆtoÂn, eÆkaÂlesa ayÆtoÂn, kaiÁ oyÆx yëphÂkoyseÂn moy.

Synexv Ä w hë cyxhÁ toÁn nymfiÂon loÂgon eÆpizhteiÄ· kaiÁ eyëroy Ä sa paÂlin eëteÂroiw aÆporoy Ä sa zhteiÄ· kaÆkeiÄna uevrhÂsasa poueiÄ thÁn eëteÂrvn aÆpokaÂlycin´ kaiÁ tyxoy Ä sa toy Ä tvn eÆp’ aÍlloiw eyÍxetai toÁn nymfiÂon eÆpidhmeiÄn.

5

Fragmentum 50 (Prokop 243; Barba`ra 46) Hld. 5,10a

ÆAdelfidoÂw moy leykoÁw kaiÁ pyrroÂw.

ÍH leykoÁw eÆpeidhÁ ueoÁw aÆlhuinoÂw, pyrroÁw diaÁ thÁn saÂrkvsin.

Fragmentum 51 (Prokop 247; Barba`ra 47) Hld. 5,11b 5,12a b c

BoÂstryxoi ayÆtoyÄ eÆlaÂtai, meÂlanew vëw koÂraj, oÆfualmoiÁ ayÆtoyÄ vëw peristeraiÁ eÆpiÁ plhrvÂmata yëdaÂtvn leloysmeÂnai eÆn gaÂlakti kauhÂmenai eÆpiÁ plhrvÂmata yëdaÂtvn.

Oië boÂstryxoi diaÁ thÁn pyknoÂthta parabaÂllontai taiÄw tv Ä n foiniÂkvn eÆlaÂtaiw, aÏw fasin aÆntiÁ speÂrmatow eiËnai toiÄw uhÂlesi foiÂnijin, v Ï ste karpoÁn feÂrein eÆdvÂdimon´ diaÁ deÁ thÁn bauyÂthta tv Än v Ï sper eÆkfyeÂntvn aÆntiÁ trixv Än logismv Ä n meÂlanew eÆpainetv Ä w oÆnomaÂzontai, tv Äì toy Ä nymfiÂoy symballoÂmenoi kaÂllei. ToÁ deÁ vëw koÂraj oyÆx aëplv Ä w oiËmai diaÁ toÁ xrv Ä ma, syÂmbolon deÁ tv Än bauytaÂtvn eiËnai kaiÁ peplhrvmeÂnvn skoteinoy Ä yÏdatow eÆn nefeÂlaiw aÆeÂrvn, a periÁ v Î n eiËpen kaiÁ ÆIvÂb´ „TiÂw deÁ hëtoiÂmase koÂraki borra Ä n; NeossoiÁ deÁ ayÆtoy Ä a

10

Ps. 17(18),12

203 Das Fragment ist wohl auf die Erfahrung des Exegeten Origenes zu beziehen, wie er sie in Cant. hom. 1,7 schildert. Vgl. auch frg. 36. 204 Zur Unterscheidung zwischen Gott mit und Gott ohne Artikel siehe in Ioh. comm. II 1,12–2,18 (GCS Orig. 4, 54f.). Doch da die konkrete Formulierung auch auf Prokop zurückgehen kann, ist der kleine Satz damit vielleicht auch überinterpretiert. 205 Die Lesart pyrroÂw und die Übersetzung „rot“ folgen dem Text von Auwers, CChr.SG 67, 300. Barba`ra, BPat 42, 226, entscheidet sich für die Variante pyroÂw und kommentiert den Text im Blick auf die Gottesbezeichnung „Feuer“ (ebd. 422) – was zur Fleischwerdung allerdings nicht passt. 206 Für Origenes ist die Palme das Zeichen des Sieges im Kampf zwischen Fleisch und Geist: in Ex. hom. 9,4 (GCS Orig. 6, 244). 207 Zur „Tiefe“ der geistigen Erkenntnis des Bibeltextes, die nur schwer zugänglich ist,

15

20

Fragmente 49–51

205

Fragment 49 (Hld. 5,6) Hld. 5,6d e 5

Ich suchte ihn, doch fand ihn nicht, ich rief ihn, doch er hörte nicht auf mich.

Unablässig sucht die Seele den Bräutigam, das Wort. Und wenn sie ihn gefunden hat, sucht sie erneut, weil sie anderes noch vermisst. Und wenn sie jenes geschaut hat, sehnt sie sich nach der Offenbarung anderer Dinge. Und wenn sie diese erlangt hat, bittet sie den Bräutigam zu anderen Dingen zu kommen.203

Fragment 50 (Hld. 5,10) 10

Hld. 5,10a

Mein Geliebter ist weiß und rot.

Oder: Weiß ist er, da er ja wahrer Gott204 ist, rot205 aufgrund der Fleischwerdung.

Fragment 51 (Hld. 5,11f.) 15

20

25

Hld. 5,11b 5,12a b c

Seine Locken sind Palmwedel, schwarz wie ein Rabe, seine Augen wie Tauben an Wasserfluten, gebadet in Milch, sitzend an Wasserfluten.

Die Locken werden wegen ihrer Dichte mit Palmwedeln206 verglichen, von denen man sagt, dass sie für die weiblichen Palmen als Samen dienen, so dass sie eine essbare Frucht hervorbringen. Aufgrund der Tiefe207 der wie an Stelle von Haaren herauswachsenden208 Gedanken209 werden sie lobend schwarz genannt, weil sie mit der Schönheit des Bräutigams verglichen werden. Wie ein Rabe aber heißt es, meine ich, nicht einfach wegen der Farbe, sondern als Symbol für die tiefsten und von finsterem Wasser erfüllten Dinge in den Wolken der Lüfte,a210 über die auch Hiob gesprochen hat: „Wer aber

vgl. in Ioh. comm. II 29,178 (GCS Orig. 4, 86); in Hier. hom. 8,9 (GCS Orig. 32, 62); 19(18),11 (32, 166). 208 In Cant. comm. III 15(IV 1),9–12 werden „Früchte des Geistes, nämlich Liebe, Freude, Friede“ und überhaupt „die verschiedenen Tugenden und ihre Wirkungen“ mit den Knospen und Trieben an „verschiedenen Bäumen“ verglichen, die „als die einzelnen Seelen der Gläubigen verstanden werden“. 209 Nach in Lev. hom. 8,11 (GCS Orig. 6, 413) stehen die Haare für Taten, Worte und Gedanken. Anders als an der vorliegenden Stelle sind die Haare in dem aus Prokop zu der Levitikushomilie überlieferten griechischen Fragment (GCS Orig. 6, 412.31) als Symbol des Todes negativ konnotiert. 210 Auch in Cels. VI 17 (GCS Orig. 2, 88) verwendet Origenes Ps. 17(18),12 für die Unzugänglichkeit des „in der Finsternis versteckten“ Gottes. Zur „Dunkelheit“ der Bibel vgl. philoc. 12,1f. (SC 302, 388).

206

Fragmenta

proÁw kyÂrion kekraÂjontai.“ a ëHtoiÂmasen gaÁr toiÄw bauyteÂroiw toÁn noy Ä n pollhÁn trofhÁn oë ueoÂw, v Î n oië mauhtaiÂ, neossoiÂ, eyÆxaiÄw sxolaÂzontew proÁw kyÂrion kekraÂgasi planvÂmenoi kaiÁ zhtoy Ä ntew taÁ eÆn toiÄw eÆpaporoymeÂnoiw yëp’ ayÆtv Än siÄta. b

Fragmentum 52 (Prokop 251; Barba`ra 48) Hld. 5,13a

5

SiagoÂnew ayÆtoyÄ vëw fiaÂlai toyÄ aÆrvÂmatow fyÂoysai myrecikaÂ.

SiagoÂnaw XristoyÄ toyÁw diakonoymeÂnoyw loÂgvì ueoyÄ kaiÁ trofhÄì pneymatikh Äì nohteÂon´ diaÁ meÁn thÁn plhroÂthta th Ä w eyÆvdiÂaw tv Ä n kalv Ä n eÍrgvn kaiÁ loÂgvn eÆoikoÂtaw fiaÂlaiw toy Ä aÆrvÂmatow· diaÁ deÁ toÁn eÆrrizvmeÂnon eÆn ayÆtaiÄw poikiÂlon eÆn paÂshì synueÂsei paÂshw grafh Ä w loÂgon aÆeiÁ karpoforoy Ä ntaw myrecikoÂn.

10

Fragmentum 53 (Prokop 258; Barba`ra 49) Hld. 5,14b

KoiliÂa ayÆtoyÄ pyjiÂon eÆlefaÂntinon eÆpiÁ liÂuoy sapfeiÂroy.

KoiliÂa eÆstiÁ toyÄ loÂgoy oië xvrhtikoiÁ tv Ä n mysthriÂvn, toyteÂstin oië koiÄloi proÁw yëpodoxhÂn· pyjiÂon deÁ oië proÁw diathÂrhsin eÆpithÂdeioi´ kataÁ deÁ toÁ lamproÁn kaiÁ safeÁw eÆlefaÂntinon eiËnai leÂgetai. ëH deÁ toiayÂth koiliÂa toÁ pyjiÂon toÁ eÆlefaÂntinon eÆpibeÂbhke liÂuvì sapfeiÂrvì , oÏw eÆsti XristoÂw´ oÏsoi oyËn eiÆsi koiliÂa toy Ä loÂgoy, oyÎtoi aÆpoÁ toy Ä foÂboy kyriÂoy eÆn gastriÁ lambaÂnoysi kaiÁ tiÂktoysi pney Ä ma svthriÂaw. c DiaÁ toy Ä to kaiÁ hë koiliÂa th Ä w uysiÂaw eÆn tv Äì Leyitikv Äì plyÂnetai, d vëw mhdeÁn eÍxein koprv Ä dew.

Fragmentum 54 (Prokop 270; Barba`ra 50) Hld. 6,2a b a

Ijob 38,41

ÆAdelfidoÂw moy kateÂbh eiÆw khÄpon ayÆtoyÄ eiÆw fiaÂlaw toyÄ aÆrvÂmatow b

Ijob 38,41

c

Jes. 26,17f.

d

Lev. 1,9.13; 8,21

211 Die „geistige Speise“ steht im Kontext der Theorie der geistigen Sinneswahrnehmung: siehe oben S. 146 Anm. 8. Zur „geistigen Speise“ vgl. in Cant. comm. prol. 2,12; I 4,12f. Zum übertragenen Verständnis von Speise bei Origenes hat Barba`ra, BPat 42, 427, zahlreiche Stellen notiert. Vgl. auch OWD 9/1, 189 Anm. 205 mit dem Hinweis auf in Ioh. comm. XIII 34,215–225 (GCS Orig. 4, 259f.). 212 Für das Interesse des Origenes an Mineralogie siehe den Exkurs über die Perle in Matth. comm. X 7 (GCS Orig. 10, 6–9). Sein Wissen über Steine holte er sich aus naturkundlichen Werken, so dem Lithognomon des Xenokrates von Ephesus, das er in cat. Pal. in Ps. 118,126f. (SC 189, 392–394) zitiert (siehe dazu die Erläuterungen von Harl, SC 190, 712f.). Siehe dazu generell Fürst, Art. Origenes 499–501.

15

20

Fragmente 51–54

5

207

hat dem Raben Fraß bereitet? Seine Jungen aber schreien zum Herrn.“a Gott hat nämlich durch die tieferen Dinge dem Geist viel Nahrung bereitet, nach denen die Jünger, als junge Männer, wenn sie sich den Gebeten widmen, zum Herrn schreien, weil sie umherirren und die Nahrung suchen,b die in den von ihnen untersuchten Problemen liegt.

Fragment 52 (Hld. 5,13) Hld. 5,13a

10

Seine Wangen sind wie Gewürzschalen, in denen Duftkräuter wachsen.

Als Wangen Christi muss man die Leute verstehen, die dem Wort Gottes und der geistigen Speise211 dienen. Einerseits gleichen sie wegen der Fülle des Wohlgeruchs der schönen Werke und Worte Gewürzschalen, andererseits bringen sie wegen des in ihnen wurzelnden, in der Gesamtkomposition der ganzen Schrift vielfältigen Wortes ständig als Frucht Duftkräuter hervor.

Fragment 53 (Hld. 5,14) Hld. 5,14b 15

20

Seine Gebärmutter ist eine Tafel aus Elfenbein auf einem Saphirstein.

Gebärmutter des Wortes sind die Leute, die fähig sind, die Mysterien zu empfangen, das heißt, die Raum haben für die Empfängnis. Tafel aber sind die, die geeignet sind, etwas aufzubewahren. Wegen der Helligkeit und Klarheit aber heißt es, sie bestehe aus Elfenbein. Die so beschaffene Gebärmutter aber hat die Tafel aus Elfenbein auf einen Saphirstein gelegt,212 der Christus ist. Alle also, die eine Gebärmutter des Wortes sind, empfangen von der Furcht des Herrn im Mutterleib und gebären einen Geist der Rettung.c 213 Deshalb wird auch die Gebärmutter des Opfertieres im Buch Levitikus gewaschen,d 214 damit sie nichts Unreines an sich hat.215

Fragment 54 (Hld. 6,2f.)216 25

Hld. 6,2a b

Mein Geliebter ging in seinen Garten hinab zu den Gewürzschalen,

213 Zum Gedanken einer mit Jes. 26,18 formulierten geistigen Geburt vgl. in Cant. comm. prol. 2,10; III 13,33. Zur Vorstellung, dass die Seele das Wort Gottes empfängt und gute Gedanken und Werke gebiert, vgl. in Gen. hom. 12,3 (GCS Orig. 6, 109); in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 248); 13,3 (6, 272f.); in Num. hom. 20,2 (GCS Orig. 7, 188f.). Siehe dazu Crouzel, Mariage mystique 47–56. Weiteres dazu in OWD 9/1, 88 Anm. 57 zu in Cant. comm. prol. 2,46. 214 Lev. 1,9 wird von Origenes, in Lev. hom. 1,4 (GCS Orig. 6, 285), auf das geistige Verständnis der Worte Gottes gedeutet. 215 Für die Deutung der „Schenkel“ des Bräutigams in Hld. 5,15, wozu kein Fragment erhalten ist, verweist Barba`ra, BPat 42, 429, auf ein aus der Psalmenauslegung erhaltenes Fragment, das Origenes zugewiesen ist: sel. in Ps. 65,9 (PG 12, 1500f.). 216 Zur nicht eindeutigen Zuweisung dieses Fragments an Origenes siehe die Erläuterungen von Barba`ra, BPat 42, 429f.

208

Fragmenta

c 6,3a b

poimaiÂnein eÆn khÂpoiw kaiÁ sylleÂgein kriÂna´ eÆgvÁ tv Äì aÆdelfidv Äì moy, kaiÁ aÆdelfidoÂw moy eÆmoiÁ oë poimaiÂnvn eÆn toiÄw kriÂnoiw.

ÏVsper „toÁ sv Ä ma oyÆ th Äì porneiÂa, ì aÆllaÁ tv Äì kyriÂvì “, a oyÏtvw kaiÁ hë nyÂmfh tv Äì nymfiÂv. ì KaiÁ eÍmpalin´ eiÆ de ti aÍnuow vëraiÄon eÆn aÆnurvpiÂnaiw cyxaiÄw, eÆkeiÄno sylleÂgvn vëw aÍjion th Ä w eëaytoy Ä poimaiÂnei poimantikh Ä w.

5

Fragmentum 55 (Prokop 275; Barba`ra 51) Hld. 6,4a b c

KalhÁ eiË, hë plhsiÂon moy, vëw eyÆdokiÂa, vëraiÂa vëw ëIeroysalhÂm, uaÂmbow vëw tetagmeÂnai.

ÏOson plhsiÂon giÂnetai toy Ä nymfiÂoy, kreiÂttosin aÆpeikaÂzetai´ tv Äì gaÁr kalhÁ kaiÁ vëraiÂa kaiÁ plhsiÂon proseÂuhken toÁ vëw ÆIeroysalhÂm· kaiÁ kataplhktikhÁn deÁ thÁn teteleivmeÂnhn fhsiÁn eÆkklhsiÂan, ph Ä meÁn taiÄw aÆntikeimeÂnaiw dynaÂmesin oyÆ dynameÂnaiw eÆnateniÂzein tv Äì kaÂllei toy Ä prosvÂpoy ayÆth Ä w, ph Ä deÁ kaiÁ taiÄw yëpodeesteÂraiw ayÆth Ä w eÆoikyiÂaw taiÄw tetagmeÂnaiw eÆn tv Äì pantiÁ katastaÂsesin´ oë deÁ SyÂmmaxow· vëw tetagmeÂnai parataÂjeiw· uaÂmbow gaÂr eÆstin vëw taÂgmata parembolv Ä n toyÁw polemiÂoyw eÆkplhÂttonta.

10

15

Fragmentum 56 (Prokop 277; Barba`ra 52) Hld. 6,5a b

ÆApoÂstrecon oÆfualmoyÂw soy aÆpenantiÂon moy, oÏti ayÆtoiÁ aÆnepteÂrvsaÂn me.

ëH eÆkklhsiÂa th Äì vëraioÂthti kaiÁ tv Äì kaÂllei eÆnora Äì toy Ä Xristoy Ä dynameÂnh th Äì pleiÂoni prokoph Äì katanoeiÄn ayÆtoy Ä thÁn ueoÂthta, kauoÁ „paÂnta di’ ayÆtoy Ä eÆgeÂneto“. b EyÆfrainoÂmenow deÁ eÆpiÁ th Äì dynaÂmei tv Ä n oÆfualmv Ä n thÄw eiÍte eÆkklhsiÂaw eiÍte nyÂmfhw toy Ä loÂgoy cyxh Ä w pteroiÄw ayÆthÁn logikoiÄw aÆpostrafh Änai keleyÂei proÁw toÁ meteÂvron, vëw aÃn eÆp’ aÍkron eÍluoi thÄw teleioÂthtow, vëw aÃn kaÆkeiÂnh bleÂphì toy Ä ton eÆptervmeÂnon kaiÁ mhkeÂti sygkatabaiÂnonta di’ ayÆthÂn, kaiÁ dyÂnhtai leÂgein´ „EiÆ kaiÁ eÆgnvÂkamen kataÁ saÂrka XristoÂn, aÆllaÁ ny Ä n oyÆka

1 Kor. 6,13

b

Joh. 1,3

217 Das Wort aÍnuow, „Blüte“, an Stelle von kriÂnon, „Lilie“, in der Septuaginta stammt aus der Übersetzung des Symmachus (II p. 419 Field). 218 Zum Begriff der Würdigkeit bei Origenes siehe OWD 9/1, 132 Anm. 137 zu in Cant. comm. I 1,13; ferner auch frg. 58 und dazu unten S. 213 Anm. 231.

20

25

Fragmente 54–56

c 6,3a b 5

209

um in den Gärten zu weiden und Lilien zu pflücken. Ich gehöre meinem Geliebten, und mein Geliebter gehört mir, der in den Lilien weidet.

Wie „der Leib nicht der Hurerei, sondern dem Herrn“a gehört, so auch die Braut dem Bräutigam. Und desgleichen: Wenn es eine schöne Blüte217 unter den menschlichen Seelen gibt, pflückt er sie, weil sie seiner Hirtenkunst würdig ist,218 und weidet sie.

Fragment 55 (Hld. 6,4) 10

15

20

Hld. 6,4a b c

Schön bist du, meine Gefährtin, wie Wohlgefallen, anmutig wie Jerusalem, ein Schrecken wie Schlachtordnungen.

In dem Maße, in dem sie zur Gefährtin des Bräutigams wird, gleicht sie sich den höheren Dingen an, denn den Worten schön und anmutig und Gefährtin setzte er den Ausdruck wie Jerusalem hinzu. Die vollkommene Kirche bezeichnet er aber auch als furchterregend, zum einen für die feindlichen Mächte, die nicht in der Lage sind, der Schönheit ihres Angesichts direkt ins Auge zu blicken, zum anderen auch für die, die geringer sind als sie, die in allem Schlachtordnungen gleichen. Symmachus aber hat: wie geordnete Aufstellungen, denn ein Schrecken ist sie wie die Ordnungen von Schlachtreihen,219 die den Feinden Furcht einjagen.

Fragment 56 (Hld. 6,5) Hld. 6,5a b 25

30

Wende deine Augen von mir ab, denn sie beflügeln mich.

Die Kirche schaut auf die Anmut und die Schönheit Christi, wenn sie durch ihren größeren Fortschritt seine Gottheit erkennen kann, entsprechend der Aussage: „Alles ist durch ihn geworden.“b Erfreut über die Kraft der Augen entweder der Kirche oder der Seele als der Braut des Wortes, befiehlt er ihr, sich mit den Flügeln der Vernunft220 nach oben zu wenden, damit sie zum Gipfel der Vollkommenheit gelangt, damit auch jene diesen als einen schaut, der beflügelt ist, und nicht mehr als einen, der um ihretwillen herabkommt, und damit sie sagen kann: „Wenn wir auch Christus dem Fleische nach gekannt haben, kennen wir ihn jetzt doch nicht mehr

219 Diese beiden Übersetzungen von Hld. 6,4 stammen von Symmachus (II p. 420 Field). Siehe dazu die Hinweise bei Barba`ra, BPat 42, 432. 220 Das Bild der „Flügel der Seele“, die für die Vernunft stehen, geht auf Platon, Phaidr. 246b–c, zurück.

210

Fragmenta

eÂti ginvÂskomen.“ a Th Ä w toiÂnyn synaneÂbhn prokoph Äì , fhsiÂ, xvrhsaÂshw soy eÆnora Ä n kaiÁ mhkeÂti peraiteÂrv th Ä w oiÆkonomiÂaw zhteiÄn.

Fragmentum 57 (Prokop 282; Barba`ra 53) Hld. 6,5c d 6,6a b c d

TriÂxvma soy vëw aÆgeÂlai tv Ä n aiÆgv Ä n, aiÊ aÆnefaÂnhsan aÆpoÁ toyÄ GalaaÂd. ÆOdoÂntew soy vëw aÆgeÂlai tv Ä n kekarmeÂnvn, aiÊ aÆneÂbhsan aÆpoÁ toyÄ loytroyÄ, aië pa Ä sai didymeyÂoysai, kaiÁ aÆteknoyÄsa oyÆk eÍstin eÆn ayÆtaiÄw.

EiÍrhtai deyÂteron tay Ä ta th Äì nyÂmfh´ ì proÂteron oiËmai toiayÂthì faneiÂshì kataÁ toÁ eÆndexoÂmenon, hëniÂka eÍti eÆn tv Äì biÂvì toyÂtvì eÆtyÂgxanen, deyÂteron oëpoÂte hËluen eÆpiÁ thÁn teleioÂthta. DioÁ kaiÁ ny Ä n moÂnon parhni ì  jato. ÆOdoÂntew soy vëw aÆgeÂlai tv Ä n kekarmeÂnvn· kataÁ deÁ toÁn ÆAkyÂlan kaiÁ SyÂmmaxon· ëOdoÂntew soy vëw aÆgeÂlai tv Ä n probaÂtvn hà tv Ä n aÆmnaÂdvn. KaiÁ eÍprepen eiÆrhÄsuai tayÄta eÆpiÁ th Ä w teleioÂthtow´ vëw eiËnai toÁ aÆpoÁ toy Ä loytroyÄ oyÆkeÂti toyÄ proteÂroy, aÆllaÁ toy Ä deyteÂroy. DidymeyÂoysai deÁ taÂxa vëw trefoÂmenai th Äì tv Ä n nohtv Än kaiÁ aiÆsuhtv Ä n uevriÂa, ì kaiÁ vëw mhdemiÂan aÍgonon eiËnai th Ä w periÁ oyÍtinow loÂgoy trofh Ä w.

5

10

15

Fragmentum 58 (Prokop 289; Barba`ra 54.8–19) Hld. 6,8a b 6,9a b a

ëEjhÂkonta eiÆsin basiÂlissai kaiÁ oÆgdohÂkonta pallakai kaiÁ neaÂnidew v Î n oyÆk eÍstin aÆriumoÂw. MiÂa eÆstiÁn peristera moy, teleiÂa moy, miÂa eÆstiÁn thÄì mhtriÁ ayÆthÄw,

2 Kor. 5,16

221 Dieses Konzept hat Origenes im Kommentar breit entfaltet: in Cant. comm. prol. 4,21; II 8,28. Zur Verwendung von 2 Kor. 5,16 bei Origenes vgl. ferner princ. II 6,7 (GCS Orig. 5, 147); in Num. hom. 24,1 (GCS Orig. 7, 227). Siehe auch Auwers, L’interpre´tation du Cantique 210f. 213. 222 Rickenmann, Sehnsucht nach Gott 468, übersetzt hier sachlich zutreffend mit „Menschwerdung“, denn um diese spezifische Form der „Heilsvermittlung“ geht es im Kontext des Fragments. Zum Begriff oiÆkonomiÂa bei Origenes siehe Benjamins, Eingeordnete Freiheit 166–211. 223 Diese Aussage weist auf die enge Verschränkung der Seele bzw. der Kirche als der Gesamtheit der sich an Christus orientierenden Seelen (in Cant. comm. I 1,5 und dazu OWD 9/1, 128 Anm. 134) mit Christus als ihrem Urgrund hin. Die Seelen, die Kirche, sind der mystische Leib Christi: Ihre Vervollkommnung mehrt die Vollkommenheit Christi. Ausführlich dazu in Cant. comm. II 8,4–7; vgl. auch Barba`ra, BPat 42, 433. 435. Siehe ferner oben S. 24–29.

20

Fragmente 56–58

211

so.“a 221 Ich stieg also mit deinem Fortschritt auf, sagt er, da du die Fähigkeit erlangt hast zu schauen und nicht mehr weiter nach der Heilsvermittlung222 zu suchen.223

Fragment 57 (Hld. 6,5f.) 5

10

15

20

Hld. 6,5c d 6,6a b c d

Dein Haar ist wie Herden von Ziegen, die aus Gilead aufgetaucht sind. Deine Zähne sind wie Herden von geschorenen Schafen, die aus dem Bad heraufgestiegen sind, die alle Zwillinge gebären, und eine Kinderlose gibt es nicht unter ihnen.

Diese Worte sind der Braut zum zweiten Mal gesagt:224 zuerst, glaube ich, so, wie sie nach ihrer Aufnahmefähigkeit erschien, als sie noch in diesem Leben weilte, zum zweiten Mal, als sie zur Vollkommenheit gelangte. Deshalb sprach sie auch jetzt nur in Rätseln: Deine Zähne225 sind wie Herden von geschorenen Schafen, nach Aquila und Symmachus aber:226 Deine Zähne sind wie Herden von Schafen oder von Lämmern.227 Und es ziemte sich, dass dies über die Vollkommenheit gesagt wurde, wie sich die Aussage aus dem Bad nicht mehr auf das frühere, sondern auf das zweite bezieht. Zwillinge gebären sie aber vielleicht deshalb, weil sie sich von der Betrachtung der geistig und der sinnlich wahrnehmbaren Dinge228 ernähren und weil keine ohne die Frucht der Nahrung bezüglich irgendeiner Erklärung bleibt.

Fragment 58 (Hld. 6,8f.) 25

Hld. 6,8a b 6,9a b

Sechzig Königinnen sind es und achtzig Konkubinen und Mädchen, die zahllos sind. Eine ist meine Taube, meine Vollkommene, eine ist sie für ihre Mutter,

224 Hld. 6,5f. wiederholt Hld. 4,1f. 225 Auf die Zähne der Braut wie auf ihre anderen Körperteile (Haare, Lippen, Wange, Hals, Brüste) weist Origenes, in Luc. frg. 186 (GCS Orig. 92, 306), im Zusammenhang einer Darstellung seiner Lehre von der geistigen Sinneswahrnehmung hin: siehe oben S. 146 Anm. 8. 226 Das Kolon, in dem Aquila und Symmachus erwähnt werden, ist in der handschriftlichen Überlieferung verderbt. Das Partizip poihsaÂntvn, das Auwers, CChr.SG 67, 341, in den Text nimmt, ist in lediglich drei Handschriften bezeugt und hat im Kontext keinen Sinn (vgl. ebd. lxv), weshalb Auwers eine Lücke davor vermutet und den Text so gibt: kataÁ toÁn ÆAkyÂlan kaiÁ SyÂmmaxon 〈…〉 poihsaÂntvn. Aufgrund der genannten Schwierigkeiten scheint es freilich besser, den übrigen Handschriften zu folgen und mit Barba`ra, BPat 42, 236 (vgl. ebd. 437), den Text ohne dieses ominöse Partizip so zu lesen: kataÁ deÁ toÁn ÆAkyÂlan kaiÁ SyÂmmaxon und entsprechend zu übersetzen. 227 Vgl. II p. 420 Field. 228 Vgl. Cels. III 56 (GCS Orig. 1, 251).

212

Fragmenta

c d e

eÆklekth eÆstin thÄì tekoyÂshì ayÆthÄw. EiÍdosan ayÆthÁn uygateÂrew kaiÁ makarioyÄsin ayÆthÂn, basiÂlissai kaiÁ pallakaiÁ kaiÁ aiÆneÂsoysin ayÆthÂn.

Aië neaÂnidew aÆriumoÁn oyÆk eÍxoysin oyÆ tv Äì mhÁ yëpopiÂptein aÆriumv Äì , aÆllaÁ tv Äì mhÁ aÆjiÂaw ayÆtaÁw eiËnai aÆriumhuh Ä nai´ kaiÁ taÂxa th Ä w ayÆth Ä w dianoiÂaw eÍxetai th Äì eÆntay Ä ua diafora Äì tv Ä n neaniÂdvn tv Ä n koinvnoymeÂnvn yëpoÁ Xristoy Ä kaiÁ taÁ paraÁ tv Äì aÆpostoÂlvì legoÂmena periÁ aÆnastaÂsevw nekrv Ä n loÂgvì taÂgmata faÂskonti´ „ÆEpeidhÁ gaÁr di’ aÆnurvÂpoy uaÂnatow, kaiÁ di’ aÆnurvÂpoy aÆnaÂstasiw nekrv Ä n´ v Ï sper gaÁr eÆn tv Äì ÆAdaÁm paÂntew aÆpounhÂskoysin, oyÏtvw kaiÁ eÆn tv Äì Xristv Äì paÂntew zvopoihuhÂsontai, eÏkastow eÆn tv Äì iÆdiÂvì taÂgmati·“ a oë gaÁr eëkaÂstoy biÂow kaiÁ loÂgow kaiÁ diaÂuesiw poihÂsei prokriuh Ä nai eÏkaston kat’ aÆjiÂan eÍn tini tv Ä n tagmaÂtvn´ hà eÆn th Äì teleiÂaì peristera Ä n palÄì hà eÍn tini tv lakiÂdvn hà tv Ä n basiliÂdvn hà eÍn tini tv Ä n neaniÂdvn.

5

10

Fragmentum 59 (Prokop 290; 291; Barba`ra 54.20–37; 54.38–40) MhÁ uayÂmaze, eiÆ nymfiÂow hËn eÍxvn kalhÁn nyÂmfhn b kaiÁ taÂxa deyteÂran kaiÁ triÂthn kaiÁ pleiÂonaw. ÆEaÁn nohÂshw ì ayÆtoy Ä kaiÁ taÁw nyÂmfaw, oyÆ fobhuhÂshì leÂgein aÆpoÁ toy Ä ÍAsmatow· ëEjhÂkonta eiÆsi basiÂlissai kaiÁ oÆgdohÂkonta pallakaiÁ kaiÁ neaÂnidew, v Î n oyÆk eÍstin aÆriumoÂw´ miÂa de eÆsti peristera moy. LoÂgow eÆstiÁn oë nymfiÂow´ logikoÁn zv Ä on hë nyÂmfh, eÆaÁn nohÂshì cyxhÁ kaiÁ laÂbhì oë nymfiÂow thÁn nyÂmfhn´ aÆll’ eÆpei eÆstin oë loÂgow oyÎtow oyÆ mia Äì cyxh Äì koinvnv Ä n, aÆllaÁ pleiÂosi kaiÁ diafoÂroiw, timh Äì tini basilikh Äì kaiÁ diafainoyÂshì leÂgetai teleiÂa peristera· taiÄw deÁ basilikaiÄw meÂn, yÆpodeesteÂraiw de (diaÁ toyÄto eëjhÂkonta basiÂlissai), eëteÂraiw deÁ cyxaiÄw koinvneiÄ paidagvgoymeÂnaiw foÂbvì ueoyÄ´ ayÎa

1 Kor. 15,21–23

b

Hld. 1,15; 4,1; 6,4

229 Auwers, CChr.SG 67, 354, konjiziert nach neaniÂdvn ein te: thÄì eÆntayÄua diaforaÄì tv Ä n neaniÂdvn 〈te〉 tv Ä n koinvnoymeÂnvn yëpoÁ Xristoy Ä . Damit wird der Unterschied, von dem hier die Rede ist, zwischen den Mädchen einerseits und denen, die unter Christus Gemeinschaft haben, andererseits gemacht. Das passt aber nicht zu dem verglichenen Bibeltext 1 Kor. 15,21–23. Darin ist ja von Ordnungen, mithin Unterschieden zwischen denen die Rede, die alle auferstehen. Analog geht es um Unterschiede zwischen den Mädchen, die alle Gemeinschaft mit Christus haben. Barba`ra, BPat 42, 238, ändert also am überlieferten Text zu Recht nichts. 230 Die drei Begriffe beschreiben die Dimensionen des menschlichen Daseins: Es wird bestimmt vom Charakter, zu dem sämtliche emotionalen und psychischen Veranlagungen gehören, und vom Intellekt, in dem sich entscheidet, wie ein Mensch auf der Basis seiner Anlagen agiert. Dies alles wirkt sich in einer bestimmten Lebenspraxis aus.

15

20

Fragmente 58–59

c d e 5

10

15

213

auserwählt ist sie für ihre Gebärerin. Die Töchter sahen sie und werden sie preisen, Königinnen und auch Konkubinen werden sie loben.

Die Mädchen sind zahllos, nicht weil sie nicht zählbar wären, sondern weil es ihnen nicht zukommt, gezählt zu werden. Und denselben Sinn wie der hier gemachte Unterschied zwischen den Mädchen, die229 unter Christus eine Gemeinschaft bilden, haben vielleicht auch die beim Apostel genannten Ordnungen bei der Auferstehung der Toten, wenn er sagt: „Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Wie nämlich in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden, jeder in seiner eigenen Ordnung.“a Denn die Lebensführung, die Vernünftigkeit und der Charakter230 eines jeden werden bewirken, dass jeder nach seiner Würdigkeit in eine der Ordnungen eingeordnet wird,231 sei es als die vollkommene Taube, sei es als eine der Konkubinen oder der Königinnen, sei es als eine der Mädchen.

Fragment 59 (Hld. 6,8f.)232

20

25

Wundere dich nicht, wenn der Bräutigam einer war, der eine schöne Brautb hatte und vielleicht eine zweite und eine dritte und noch mehr. Wenn du auch verstehst, wer seine Bräute sind, wirst du dich nicht scheuen, mit dem Hohelied zu sagen: Sechzig Königinnen sind es und achtzig Konkubinen und Mädchen, die zahllos sind. Eine aber ist meine Taube. Der Bräutigam ist das Wort, die Braut ein vernünftiges Lebewesen, wenn die Seele zur Erkenntnis gelangt und der Bräutigam sie zur Braut nimmt. Da aber das Wort eines ist, das nicht mit einer Seele allein Gemeinschaft hat, sondern mit vielen verschiedenen, wird eine aufgrund einer gleichsam königlichen und glanzvollen Ehrenstellung vollkommene Taube genannt, andere sind zwar königlich, aber geringer (deshalb sind es sechzig Königinnen), mit anderen Seelen aber hat er Gemeinschaft als mit solchen, die in der Gottesfurcht erzogen wer-

231 Zwei Grundgedanken des Origenes werden hier greifbar: Zum einen ist die Art, wie ein Mensch mit seinem jeweiligen Charakter und Intellekt konkret lebt, unmittelbar relevant für sein Heil. Zum anderen realisiert Gott das Heil „in Entsprechung“ zum konkreten Sein des jeweiligen Menschen. Zu diesem Begriff von „Würdigkeit“ siehe oben S. 208 Anm. 218 zu frg. 54. Siehe auch oben S. 29. 232 Barba`ra, BPat 42, 236–241, nimmt die frg. 58 und 59 zusammen zu einem Fragment (Nr. 54). Beide Stücke beziehen sich zwar auf Hld. 6,8f., da sie aber inhaltlich verschiedene Gedanken ansprechen, die nicht aufeinander folgen, scheint es besser zu sein, mit Auwers, CChr.SG 67, 354–356, zwei Fragmente zu zählen. Die beiden Stücke sind separat von Gue´rard, E´pitome´ de Procope 20, ediert worden (mit französischer Übersetzung ebd. 21f.), die auch ihre Echtheit nachgewiesen hat: ebd. 14. 15f.

214

Fragmenta

tai eiÆsin aië pallakiÂdew. EiÆsi tinew kaiÁ aÍllai cyxaiÁ yëpodeeÂsterai eÍlatton foÂbon eÍxoysai´ ayÎtai eiÆsin aië neaÂnidew, v Î n oyÆk eÍstin aÆriumoÂw. ëO nymfiÂow toiÂnyn bleÂpvn kaiÁ eÆnuaÂde kalaÁw kaiÁ dynameÂnaw ayÆtv Äì eiËnai koinvnoyÁw eÆjh Ä luen aÆpoÁ toy Ä pastoy Ä a toy Ä eÆpoyraniÂoy, koinvneiÄ aÆggeÂloiw kaiÁ aÆrxaggeÂloiw, aiÏtineÂw eiÆsi nyÂmfai toy Ä loÂgoy kaiÁ uroÂnoi kaiÁ kyrioÂthtew. b AiÍtiow oyËn genoy Ä th Ä w aÆgalliaÂsevw´ aiÍtiow genoy Ä toy Ä drameiÄn ayÆtoÁn eÆpiÁ se´ ueÂlei gaÂr se proaspaÂsasuai, ueÂlei prolabeiÄn.

5

Fragmentum 60 (Prokop 292; Barba`ra 55) Hld. 6,9d e 6,10 a b c

EiÍdosan ayÆthÁn uygateÂrew kaiÁ makarioyÄsin ayÆthÂn, basiÂlissai kaiÁ pallakaiÁ kaiÁ aiÆneÂsoysin ayÆthÂn. TiÂw ayÏth hë eÆkkyÂptoysa vëseiÁ oÍrurow, kalhÁ vëw selhÂnh, eÆklekthÁ vëw oë hÏliow, uaÂmbow vëw tetagmeÂnai;

NoÂei thÁn nyÂmfhn aÆnakexvrhkeÂnai toy Ä nymfiÂoy toyÁw polloyÁw aiÆdoymeÂnhn eÆpaiÂnoyw. ParatiueiÁw deÁ tayÂthì taÁw tv Ä n aÍllvn tv Ä n proselhlyuoÂtvn cyxaÁw oë nymfiÂow uaymazeÂtv th Ä w aÆpoyÂshw thÁn teleioÂthta, eÆf’ oiÎw aië uevroy Ä sai uyfateÂrew ayÆth Ä w toÁ kaÂllow makariÂzoysin ayÆthÁn kaiÁ aië pallakaiÁ kaiÁ basiÂlissai vëw ueioÂteran aiÆnoy Ä sin· eÆf’ oiÎw hë nyÂmfh kauaÂper eÆpiÁ skhnhÄw lamprotaÂth genomeÂnh faineÂsuv, kaiÁ toiÄw eëteÂroiw oë nymfiÂow taÁ prokeiÂmena legeÂtv periÁ ayÆth Ä w. ëH prokoÂptoysa gaÁr eÆk skoÂtoyw cyxhÁ oÍrurvì prv Ä ton eiÆkaÂzetai, diaÁ toÁ aÍrti aÆrxomeÂnh hëmeÂraw kataygaÂzesuai. ÆEkkyÂcasa deÁ toy Ä koÂsmoy kaiÁ taÁ eÆn ayÆtv Äì , giÂnetai vëw eÆklekthÁ selhÂnh, toyteÂstin hë panseÂlhnow, mhÁ eÍxoysa eÆn ayÆth Äì meÂrow aÆfvÂtiston toy Ä th Ä w dikaiosyÂnhw hëliÂoy. c a

Ps. 18(19),6

b

Kol. 1,16

c

Mal. 4,2(3,20)

233 Zur Furcht Gottes als unvollkommenem Mittel der Erziehung siehe in Gen. hom. 7,4 (GCS Orig. 6, 74); Cels. IV 10 (GCS Orig. 1, 281); V 15 (2, 16f.). 234 Eine andere Deutung der Konkubinen auf die weltlichen Wissenschaften und die vielfältigen Meinungen, denen die anhängen, die von der Wahrheit abweichen, in Gen. hom. 11,2 (GCS Orig. 6, 103); in Num. hom. 20,3 (GCS Orig. 7, 192). Konkubinen sind es achtzig, Königinnen aber nur sechzig, weil die, die in der Liebe nach dem Guten suchen, weniger sind als die Durchschnittschristen: in Ios. hom. 17,2 (GCS Orig. 7, 402f.). 235 Auwers, CChr.SG 67, 356, zählt diesen Absatz als eigenes Fragment (Nr. 291), während Barba`ra, BPat 42, 240, ihn „non sine causa“, wie Auwers, ebd., zugibt, ihrem Fragment Nr. 54 hinzufügt (vgl. ebd. 438). Das Stück ist anonym überliefert, teils dem vorigen Stück angehängt; in einem Codex ist es Origenes zugeschrieben, in zwei anderen Kyrill von Alexandria. Seine Echtheit ist daher nicht sicher zu entscheiden.

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20

Fragmente 59–60

215

5

den;233 dies sind die Konkubinen.234 Es gibt auch noch andere geringere Seelen, die weniger gottesfürchtig sind; dies sind die Mädchen, die zahllos sind. Als nun der Bräutigam auch hier schöne Seelen sah, die mit ihm auch Gemeinschaft haben konnten, kam er aus dem himmlischen Brautgemacha heraus; er hat Gemeinschaft mit den Engeln und Erzengeln, die Bräute des Wortes sind und Throne und Herrschaften.b Werde also zum Grund für den Jubel, werde zum Grund dafür, dass er zu dir eilt! Denn er will dich als erster küssen, er will dich als erster umarmen.235

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Fragment 60 (Hld. 6,9f.)236

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Hld. 6,9d e 6,10 a b c

Die Töchter sahen sie und werden sie preisen, Königinnen und Konkubinen auch werden sie loben. Wer ist diese, die auftaucht wie die Morgenröte, schön wie der Mond, erlesen wie die Sonne, ein Schrecken wie Schlachtordnungen?

Verstehe, dass die Braut sich vom Bräutigam zurückgezogen hat, weil sie vor dem vielen Lob zurückscheut. Als er aber mit dieser die Seelen der anderen, die zu ihm gekommen waren, vergleicht, bewundert – so die Szene – der Bräutigam die Vollkommenheit der Abwesenden, woraufhin die Töchter sie, da sie ihre Schönheit sehen, preisen und die Konkubinen und Königinnen sie als göttlicher loben. Daraufhin soll die Braut wie auf einer Bühne in hellerem Licht erscheinen, und der Bräutigam soll den anderen die vorliegenden Worte über sie sagen. Denn die aus der Finsternis heraustretende Seele wird zuerst mit der Morgenröte verglichen, da eben mit ihrem Aufleuchten der Tag beginnt.237 Da sie aber aus der Welt und den Dingen in ihr auftaucht, wird sie wie der erlesene Mond, das heißt der Vollmond,238 der in sich keinen Teil hat, der nicht von der Sonne der Gerechtigkeitc erleuchtet

236 Das meist anonym überlieferte Fragment ist in nur zwei Handschriften Origenes zugeschrieben: Barba`ra, BPat 42, 442f.; Auwers, CChr.SG 67, 357, weshalb seine Echtheit unsicher ist. Es wurde separat ediert von Gue´rard, E´pitome´ de Procope 20f. (mit französischer Übersetzung ebd. 22). 237 Die Morgenröte steht für den Beginn des spirituellen Weges der Seele zum Licht des Wortes, der Tag ist Symbol für die künftige Welt, zu der die Seele aus der Nacht dieser Welt voranschreitet: in Lev. hom. 13,2 (GCS Orig. 6, 470); in Ps. 36 hom. 3,9 (griech.: GCS Orig. 13, 149f.; lat.: SC 411, 156–158; in der lateinischen Fassung hat Rufinus die Metaphorik von Tag und Licht ausgemalt und verstärkt); in Rom. comm. IX 32,2–4 (SC 555, 192–194); cat. Pal. in Ps. 118,90f.97 (SC 189, 334. 344–346). 238 Zur Deutung von „erlesen“ als „voll“ verweist Barba`ra, BPat 42, 444, auf die Übersetzung von „voll“ in Hld. 5,13 (so in der Septuaginta) mit „erlesen“ in der Version Aquilas (II p. 419 Field).

216

Fragmenta

ÆAll’ eÆpeiÁ hë selhÂnh eiÆw aÆrxaÁw teÂtaktai th Ä w nyktoÂw, a oyÆx Ïistatai deÁ taÁ th Äw teleiÂaw cyxh Ä w hà taÁ th Ä w aÆmvÂmoy kaiÁ aÆspiÂloy eÆkklhsiÂaw b kataÁ toÁ th Ä w selhÂnhw paraÂdeigma, diaÁ toy Ä to kataÁ toÁ par’ ëHsaiÉa´ ì „ÍEstai hë selhÂnh vëw oë hÏliow·“ c toÁ deÁ fv Ä w ayÆth Ä w oyÏtvw kataplhktikoÂn, vëw eÆkuambhuh Ä nai toyÁw yëpodeesteÂroyw, vëw Íison dyÂnasuai tv Ä n eÆn ayÆth Äì uevrhmaÂtvn toÁ plh Ä uow kaiÁ tv Ä n eÆk toyÂtvn eÍrgvn oÏlvì tv Äì plhÂuei tv Ä n eÆn tv Äì pantiÁ tetagmeÂnvn. TaÂxa deÁ eÆk toy Ä nenohkeÂnai thÁn eÆn toiÄw loÂgoiw taÂjin kaiÁ paÂntvn aÆneilhfeÂnai toÁn loÂgon tyÂpoi eÆgginoÂmenoi eÆn ayÆth Äì tv Ä n tetagmeÂnvn poioy Ä sin ayÆthÁn eiËnai vëw tetagmeÂnaw eÆn tv Äì pantiÁ dynaÂmeiw.

5

Fragmentum 61 (Prokop 296; Barba`ra 56)

10

Hld. 6,11 a

EiÆw khÄpon karyÂaw kateÂbhn iÆdeiÄn eÆn genhÂmasin toyÄ xeimaÂrroy, iÆdeiÄn, eiÆ hÍnuhsen hë aÍmpelow, eÆjhÂnuhsan aië rëoÂai´ eÆkeiÄ dvÂsv toyÁw mastoyÂw moy soiÂ. OyÆk eÍgnv hë cyxh moy´ eÍueto me aÏrmata ÆAminadaÂb.

b c d 6,12 a

TaÂxa kata ti paraÂdeigma oië diÂkaioi karyÂai eiÆsiÁ feÂrontew karpoÁn diaÁ thÁn proÁw ueoÁn uerapeiÂan iëeratikoÂn, diaÁ toÁ eÏrkow eÍxein periÁ ayÆtaÂ, oÊ meÂn ti pikroÁn kaiÁ xolv Ä dew, eÏteron de ti sklhroÂn. ÆEn toioyÂtoiw deÁ perieÂxetai oë toy Ä dikaiÂoy karpoÁw diaÁ toÁ pikroÁn kaiÁ sklhroÁn tv Ä n peirasmv Ä n. ÆAllaÁ kaiÁ xeimaÂrrow oë peirasmoÁw leÂgoito kataÁ toÁ „XeimaÂrroyn dihÄluen hë cyxhÁ hëmv Ä n“. d ÆHboylhÂuh toiÂnyn hë nyÂmfh kataba Ä sa eiÆw toÁn khÄpon thÄw karyÂaw, toyteÂstin eÆkpesoy Ä sa toy Ä paradeiÂsoy proÁw thÁn eÆpiÂmoxuon tayÂthn zvhÂn, iÆdeiÄn paraÂdojoÂn ti geÂnhma toyÄ xeimv Ä now rëeÂontow laÂbroy potamoy Ä ´ hà kataÁ SyÂmmaxon kateÂbh katamaueiÄn, eiÆ hë faÂragj toy Ä biÂoy oÆpvÂraw eÍxei´ aÆllaÁ kaiÁ iÆdeiÄn, eiÆ hÍnuhsen hë aÍmpelow, diafygoyÄsa toÁn xeimv Ä na kaiÁ toÁ eÍar fuaÂsasa, toÁn kairoÁn toy Ä paÂsxa kaiÁ th Ä w tv Ä n aÆzyÂmvn eëorth Ä w (toÂte gaÁr fileiÄ aÆnueiÄn eÆn th Äì ÆIoydaiÂaì hë aÍmpelow), kaiÁ eiÆ hÍnuhsan aië rëoÂai, v Î n oë karpoÁw polyÁw kaiÁ taÂjei perieilhmmeÂnow yëpoÁ toy Ä leÂpoyw, v Îì vëmoiÂvtai toÁ mh Ä lon e th Ä w nyÂmfhw. ÆEkeiÄuen deÂ, fhsiÂn, dvÂsv soi toyÁw mastoyÂw moy, toyteÂsti toÁ hëgemonikoÂn. a

Gen. 1,16

b

Eph. 5,27

c

Jes. 30,26

d

Ps. 123(124),4

e

Hld. 4,3

239 Zu Christus als „Sonne der Gerechtigkeit“ nach Mal. 4,2(3,20) vgl. frg. 11, ferner etwa in Num. hom. 20,4 (GCS Orig. 7, 197); 23,5 (7, 217); in Ioh. comm. XXXII 24,316 (GCS Orig. 4, 469). 240 Zum Mond als Bild für die Kirche bei Origenes siehe die klassische Studie von Rahner, Mysterium Lunae 328–336 (erneut in ders., Symbole der Kirche 104–114).

15

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Fragmente 60–61

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217

ist.239 Da jedoch der Mond zur Herrschaft über die Nacht eingesetzt ist,a die Angelegenheiten der vollkommenen Seele oder die der untadeligen und unbefleckten Kircheb aber nicht nach dem Modell des Mondes dargestellt werden, deshalb heißt es bei Jesaia: „Der Mond wird sein wie die Sonne.“c 240 Ihr Licht aber wird so erschütternd sein,241 dass die geringeren Wesen erschrecken, als würde die Fülle der Gedanken in ihr und der daraus folgenden Werke das gleiche vermögen wie die ganze Fülle der im All angeordneten Dinge. Weil sie aber die Ordnung in den vernünftigen Gedanken verstanden und den Sinn von allem erfasst hat, bewirken vielleicht die ihr innewohnenden Urbilder der Gesamtordnung, dass sie wie die Ordnungskräfte im All aussieht.

Fragment 61 (Hld. 6,11f.) Hld. 6,11 a 15

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35

b c d 6,12 a

In den Nussbaumgarten ging ich hinab, um nach den Früchten des Winterbachs zu sehen, um zu sehen, ob der Weinstock zu blühen begann, die Granatapfelbäume aufgeblüht sind. Dort werde ich dir meine Brüste geben. Meine Seele war unwissend; Amminadab setzte mich als Streitwagen ein.

Vielleicht sind nach einem gewissen Vorbild die Gerechten Nussbäume, weil sie aufgrund des priesterlichen Dienstes für Gott Frucht bringen, weil sie eine Schutzhülle um sich haben, einerseits etwas Bitteres und Galliges, andererseits etwas Hartes. In solchen Dingen aber ist aufgrund der Bitterkeit und Härte der Versuchungen die Frucht des Gerechten enthalten. Doch die Versuchung wird wohl auch Winterbach genannt gemäß der Aussage: „Durch einen Winterbach ist unsere Seele gegangen.“d 242 Indem also die Braut in den Nussbaumgarten hinabging, das heißt, indem sie aus dem Paradies heraus in dieses mühevolle Leben fiel, wollte sie etwas Unerwartetes sehen: die Frucht eines im Winter reißend fließenden Flusses. Oder: Nach Symmachus stieg sie hinab, um zu erfahren, ob die Felsenschlucht des Lebens Ernteerträge hat,243 doch auch, um zu sehen, ob der Weinstock zu blühen begann, wobei sie dem Winter entkommt und in den Frühling gelangt, die Zeit des Pascha und des Festes der ungesäuerten Brote (dann pflegt nämlich in Judäa der Weinstock zu blühen), und ob die Granatapfelbäume aufgeblüht sind, deren vielfältige Frucht wohl angeordnet von der Schale umschlossen wird, womit die Wangee der Braut verglichen wird.244 Dort aber, sagt sie, werde ich dir meine Brüste

241 Diese Lesart in Hld. 6,10 geht möglicherweise auf die editio sexta in der Hexapla (II p. 420 Field) zurück: Barba`ra, BPat 42, 446; Auwers, CChr.SG 67, 358. 242 Vgl. frg. in Ps. 123,3f. (p. 122 Cadiou). 243 Vgl. II p. 420 Field. 244 Siehe dazu frg. 40.

218

Fragmenta

ÆAll’ hÆgnoÂhse, fhsiÂn, hë cyxh moy kaiÁ thÁn yëpoÂsxesin eÍceystai mhÁ dynameÂnh aÆf’ eëayth Ä w ti poieiÄn. ÆAll’ oyÆ kateleiÂfuhn eÆn toyÂtoiw´ oë gaÁr pathÁr toy Ä NaassvÂn, oë aÍrxvn toy Ä laoy Ä moy, ÆAminadaÁb eÍueto me eëaytv Äì eiËnai aÏrmata. NaassvÁn deÁ oÆfivÂdhw eërmhneyÂetai, oë aÍrxvn toy Ä laoy Ä th Ä w nyÂmfhw· ÆAminadaÁb deÁ oyÎtow oë eÆn ÆAriumoiÄw pathÁr toyÄ aÍrxontow thÄw fylhÄw ÆIoyÂda NaassvÂn, a oÊw metalambaÂnetai eiÆw toÁn XristoÁn diaÁ toÁ „KauvÁw Mvsh Ä w yÏcvsen toÁn oÍfin eÆn th Äì eÆrhÂmvì “· b oyÎtow, fhsiÂn, aÏrmata me eÍueto eëaytv Äì hënioxv Ä n moy toyÁw logismoyÂw.

5

Fragmentum 62 (Prokop 302; Barba`ra 57) Hld. 7,1a b c d

ÆEpiÂstrefe, eÆpiÂstrefe, hë SoylamiÄtiw, eÆpiÂstrefe, eÆpiÂstrefe, kaiÁ oÆcoÂmeua eÆn soiÂ. Ti oÍcesue eÆn thÄì SoylamiÂtidi; ëH eÆrxomeÂnh vëw xoroiÁ tv Ä n parembolv Ä n.

ÆAkyÂlaw kaiÁ hë peÂmpth eÍkdosiw toÁ SoylamiÄtiw eÆjeÂdvkan eiÆrhneyÂoysa· eÍsti deÁ hë nyÂmfh toy Ä loÂgoy cyxhÂ, hë toy Ä Xristoy Ä eÆkklhsiÂa, diaÁ toÁn poihÂsanta toÁ eÊn kaiÁ toÁ mesoÂtoixon toy Ä fragmoy Ä lyÂsanta· c eÆaÁn deÁ hËì SoylamiÄtiw hë eÆskyleymeÂnh kataÁ SyÂmmaxon, leÂgoi aÃn proÁw ayÆthÁn oë nymfiÂow´ ËV eÆskyleymeÂnh kaiÁ yëpoÁ tv Äì aiÆxmalvtiÂsanti se gegenhmeÂnh, eÆpiÂstrefe eiÆw thÁn proteÂran eyÆgeÂneian. Ny Ä n meÁn vëw eÆn aÆparxh Äì lambaÂnoysa th Ä w yiëouesiÂaw toÁn aÆrrabv Ä na kaiÁ thÁn th Ä w aÆnastaÂsevw eÆlpiÂda, eÆkeiÄ deÁ th Ä w eÆpaggeliÂaw kaiÁ th Äw aÆfuarsiÂaw toÁ eÍndyma, pyknoÂteron deÁ eiÆw protrophÁn toÁ eÆpiÂstrefe· toÂte gaÂr, fhsiÂ, kyriÂvw eÆstiÁn iÆdeiÄn se. Tv Ä n eëtaiÂrvn deÁ toy Ä nymfiÂoy proÁw thÁn nyÂmfhn eiËnai toÁn loÂgon dokv Ä , proÁw oyÊw oë nymfiÂow Ti oÍcesue; fhsiÂn. ÆApeia

Num. 1,7

b

Joh. 3,14

c

Eph. 2,14

245 Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7. 246 Diese Etymologie bietet Hieronymus, int. hebr. nom. p. 19 Lagarde (CChr.SL 72, 83): Naason serpentinus uel augurium; p. 62 (72, 137): augurans siue serpens. An den übrigen Stellen hierzu gibt er lediglich die Alternative „Weissagung“ an: ebd. p. 14 (72, 76); p. 65 (72, 141); p. 70 (72, 147). Vgl. Wutz, Onomastica sacra 45. 58. 267. 247 Zur positiven Bedeutung der Schlange vgl. in Rom. comm. X 36,2 (SC 555, 418), dort mit Mt. 10,16. 248 Vermutlich, weil in etlichen Handschriften oyÏtvw statt oyÎtow überliefert ist, ergänzt Barba`ra, BPat 42, 246, den mit diesem Wort beginnenden zweiten Teil des Verses Joh. 3,14 sowie dazu ein Zitat aus 2 Kor. 5,21 und gibt den Text damit so: „,Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so musste der Menschensohn erhöht werden‘ (Joh. 3,14) und ,ihn, der keine Sünde kannte, hat er (sc. Gott) für uns zur Sünde gemacht‘ (2 Kor. 5,21). So, sagt sie“ etc. Diese Einfügungen haben jedoch keine Verbindung zum Text und sind daher unnötig.

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Fragmente 61–62

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geben, das heißt den führenden Seelenteil.245 Aber meine Seele, sagt sie, war unwissend und hielt das Versprechen nicht ein, als könnte sie von sich aus nichts tun. Doch ich wurde nicht in dieser Situation zurückgelassen. Denn der Vater des Nachschon, der Herrscher meines Volkes, Amminadab, setzte mich ein, Streitwagen für ihn zu sein. Nachschon aber bedeutet übersetzt Schlange,246 der Herrscher des Volkes der Braut. Dieser Amminadab aber ist im Buch Numeri der Vater des Herrschers über den Stamm Juda, Nachschon,a der für Christus gehalten wird wegen der Aussage: „Wie Mose die Schlange247 in der Wüste erhöht hat.“b 248 Dieser, sagt sie, setzte mich als Streitwagen für sich ein, indem er als Wagenlenker meine Gedanken zügelte.

Fragment 62 (Hld. 7,1)249

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25

Hld. 7,1a b c d

Kehr um, kehr um, Sulamit, kehr um, kehr um, und wir werden auf dich schauen! Was schaut ihr auf Sulamit? Sie kommt wie die Reigen der Schlachtreihen.

Aquila und die fünfte Ausgabe haben Sulamit mit die Frieden Stiftende wiedergegeben.250 Es ist aber die Braut des Wortes die Seele, die Kirche Christi,251 weil er die Einheit zustandegebracht und die Zwischenmauer der Trennung aufgelöst hat.c 252 Wenn aber nach Symmachus Sulamit die Ausgeplünderte253 ist, könnte der Bräutigam wohl zu ihr sagen: Oh du, die du ausgeplündert und in die Gewalt dessen geraten bist, der dich gefangen genommen hat, kehre um zu deinem früheren Adel! Jetzt ist sie zwar wie eine, die als Erstlingsgabe das Unterpfand der Sohnschaft und die Hoffnung auf die Auferstehung empfangen hat, dort aber das Gewand der Verheißung und der Unvergänglichkeit, doch massiver, um sie anzuspornen, ist das Kehre um!254 Denn dann, sagt er, heißt es eigentlich dich sehen. Ich meine aber, dies ist das Wort der Gefährten des Bräutigams an die Braut, zu denen der

249 Dieses Fragment ist anonym überliefert und in einer Handschrift Philon von Karpasia, in einer anderen Gregor von Nyssa zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 450f., hält es für origeneisch und nimmt es unter die Origenes-Fragmente auf (ebd. 246–248), und Auwers, CChr.SG 67, 367f., hält dies für nicht unbegründet. 250 Vgl. II p. 421 Field. Zu dieser Etymologie des Namens Sulamit in Analogie zur Bedeutung des Namens Salomo siehe ausführlich Barba`ra, BPat 42, 451f. 251 Zur engen Verschränkung von Seele und Kirche im Kirchenbegriff des Origenes siehe in Cant. comm. I 1,5, dazu oben S. 210 Anm. 223 zu frg. 56. 252 Zur Auslegung von Eph. 2,14 bei Origenes siehe in Cant. comm. II 1,29.38; III 13,38; in Eph. frg. 12 (p. 406f. Gregg) bzw. frg. 26 (Opere di Origene 14/4, 280–282); pasch. 47 (p. 246 Gue´raud/Nautin). 253 Vgl. II p. 421 Field. 254 Zum Thema der Umkehr im Hoheliedkommentar (der platonischen eÆpistrofhÂ) siehe Aubin, „Conversion“ 137–157; Cheˆnevert, L’E´glise 141–158.

220

Fragmenta

kaÂzetai deÁ nenikhkoÂtvn stratv Äì ´ hë miÂa gaÁr nyÂmfh plh Ä uow eÆn eëayth Äì eÍxei parembolv Ä n· taÁ gaÁr meÂlh thÄw nyÂmfhw systhÂmata tygxaÂnonta pleiÂona, xoroiÁ meÂn eiÆsi tv Äì toÁ ueiÄon yëmneiÄn symfvÂnvw ueologoy Ä ntew ayÆtoÂ, tv Äì deÁ kaueleiÄn toyÁw polemiÂoyw parembolv Ä n eiÆrhnikoÁn eÍxontew, aÆll’ oyÆkeÂti sxhÄma polemikoÂn.

5

Fragmentum 63 (Prokop 304; Barba`ra 58) Hld. 7,2a b

Ti vëraivÂuhsan diabhÂmata soy eÆn yëpodhÂmasin, uyÂgater ÆAminadaÂb;

Th Ä w nyÂmfhw taÁw prokopaÁw aÆpodeÂxetai, aÏw fhsi diabhÂmata· yëpodhÂmasi deÁ toiÄw eyÆaggelikoiÄw leÂgei uespiÂsmasin· kauoÂdoyw deÁ ÆAkyÂlaw eÍfh taÁ diabhÂmata, aÊw kauoÂdoyw oë aÆpoÂstolow kaleiÄ aÆntilhÂceiw, kybernhÂseiw· a sygkativÁn deÁ toiÄw yëpodeesteÂroiw yëpodedeÂsuai leÂgetai taÁ diabhÂmata svmatikvÂterow ayÆtoiÄw fainoÂmenow. ÆAminadaÁb deÁ aÍrxvn hÍgoyn hëgemvÁn hà eëkoysiazoÂmenow eërmhneyÂetai, oyÎ uygaÂthr hë nyÂmfh´ eiÍh d’ aÃn aÍrxvn oë leÂgvn´ „ÍAkoyson, uyÂgater“· b oë deÁ ayÆtoÁw eëkoysiazoÂmenow´ eëkoyÂsia gaÁr paÂnta uev Äì . c

10

15

Fragmentum 64 (Prokop 307; Barba`ra 59) Hld. 7,2c d

ëRyumoiÁ mhrv Ä n soy oÏmoioi oërmiÂskoiw, eÍrgvì xeirv Ä n texniÂtoy.

Pollaxoy Ä taÂttei toyÁw mhroyÁw eÆpiÁ th Ä w geneÂsevw hë grafhÂ. DhloiÄ toiÂnyn eÆntay Ä ua th Ä w nyÂmfhw toÁ tetagmeÂnon eÆn tv Äì th Ä w geneÂsevw xvriÂvì kaiÁ eyÍryumon, oëmoiÂvì peritraxhliÂoiw kateskeyasmeÂnoiw th Äì aÆreth Äì . a

1 Kor. 12,28

b

Ps. 44(45),11

c

Vgl. 2 Esra 8,28 LXX (Esra 8,28 MT)

255 Nach in Cant. comm. II 1,55 umfasst die eine Braut die zahllosen über den Erdkreis verstreuten Gemeinden und die Vielzahl der Völker. 256 Auch dieses Fragment ist in den Handschriften keinem Autor zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 455, hält es für origeneisch und nimmt es unter die Origenes-Fragmente auf (ebd. 248–250), und Auwers, CChr.SG 67, 370, hält dies erneut für nicht unbegründet. 257 Zu dieser Variante in der Katene Prokops, ÆAminadaÂb statt NadaÂb, siehe die Erläuterungen von Barba`ra, BPat 42, 456. 258 Zu den Sandalen als Symbol für die Fesseln des Körpers und der Sünde vgl. in Ioh. comm. VI 35,174–177 (GCS Orig. 4, 144).

20

Fragmente 62–64

5

221

Bräutigam Was schaut ihr? sagt. Sie wird aber mit einem Heer von Siegern verglichen, denn die eine Braut hat eine Fülle von Schlachtreihen in sich.255 Denn die Glieder der Braut, die aus zahlreichen Strukturen bestehen, sind Reigen, indem sie einerseits das Göttliche preisen und harmonisch seine Göttlichkeit besingen, andererseits die Feinde der Schlachtreihen vernichten, wobei sie eine friedliche Gestalt haben, aber nicht mehr eine kriegerische.

Fragment 63 (Hld. 7,2)256 Hld. 7,2a b 10

15

Wie anmutig sind deine Schritte in Sandalen, Tochter Amminadabs?257

Er erkennt die Fortschritte der Braut an, die er Schritte nennt. Mit Sandalen aber bezeichnet er die göttlichen Aussprüche in den Evangelien. Abstiege nannte aber Aquila die Schritte; diese Abstiege nennt der Apostel Hilfen, Lenkungen.a Indem er zu den Schwächeren herabsteigt, sagt man, dass er sich die Schritte wie Sandalen unterbindet, wodurch er ihnen auf leiblichere Weise erscheint.258 Amminadab aber bedeutet übersetzt Herrscher oder Führer oder Freiwilliger,259 dessen Tochter die Braut ist. Es dürfte aber wohl ein Herrscher sein, wer sagt: „Höre, Tochter!“b 260 Derselbe ist aber ein Freiwilliger, denn für Gott ist alles freiwillig. c

Fragment 64 (Hld. 7,2) 20

Hld. 7,2c d

Die Formen deiner Hüften gleichen Geschmeide, dem Werk eines Handwerkers.

Oft bezieht die Schrift die Hüften auf das Gebären.261 Sie verweist also hier auf die wohlgeformte Ordnung der Braut an der Stelle des Gebärens, die den für die Tugend bereiteten Halsketten262 gleicht.

259 Die Übersetzung als „Herrscher“ (bzw. „Führer“) ist schon am Ende von frg. 61 herangezogen. Hieronymus kennt nur die Bedeutung „Freiwilliger“: int. hebr. nom. p. 12 Lagarde (CChr.SL 72, 74): Aminadab populus meus spontaneus; ebenso ebd. p. 15 (72, 78); p. 31 (72, 99); p. 60 (72, 134); ebd. p. 34 (72, 102) ist diese Erklärung ergänzt um uel urbanus. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 69. 267. 515; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 237f. 260 Ps. 44(45),11 deutet Origenes einerseits auf Christus und die Kirche: frg. in Ps. 44,11 (p. 79 Cadiou), andererseits auf die Seele: in Ioh. comm. I 39,286f. (GCS Orig. 4, 50); in Ex. hom. 8,6 (GCS Orig. 8, 233); in Hier. hom. 9,4 (GCS Orig. 32, 69). 261 Vgl. Gen. 24,2f. und dazu die Erläuterungen von Barba`ra, BPat 42, 459f. 262 Das Wort peritraxhÂlia in Hld. 7,2 entstammt der Übersetzung des Symmachus (II p. 28 Field). Die Septuaginta hat das bedeutungsgleiche oërmiÂskoi.

222

Fragmenta

Fragmentum 65 (Prokop 311; Barba`ra 60) Hld. 7,3a b c

ÆOmfaloÂw soy krathÁr toreytoÁw mhÁ yësteroyÂmenow kra Ä ma´ koiliÂa soy uhmvniaÁ siÂtoy pefragmeÂnh eÆn kriÂnoiw.

ÆEpiÁ toÁn oÆmfaloÁn deÁ toÁn krath Ä ra hë sofiÂa sygkaleiÄ leÂgoysa´ „DeyÄte, piÂete oiËnon, oÊn kekeÂraka yëmiÄn·“ a kaiÁ dhloiÄ „toÁ pneymatikoÁn poÂma“. b KaiÁ proseÂuhken kaiÁ uhmvniÂa siÂtoy, Ïina thÁn pneymatikhÁn trofhÁn shmaÂnh´ ì toÁ gaÁr uhmvniÂa aÆntiÁ toy Ä synagvghÁ aÆretv Ä n plhÂuoyw eiÆw eÊn th Äì oëmonoiÂaì syntetagmeÂnh.

Fragmentum 66 (Prokop 314; Barba`ra 61)

5

10

c

KriÂna d’ aÃn eiÍh kaiÁ taÁ aÍnuh thÄw xaÂritow toyÄ ueoyÄ, aÊ syneleÂjato aÆpoÁ meÂsoy tv Ä n toy Ä biÂoy aÆkanuv Ä n. d

Fragmentum 67 (Prokop 316; Barba`ra 62) Hld. 7,5a b c

TraÂxhloÂw soy vëw pyÂrgow eÆlefaÂntinow´ oÆfualmoi soy vëw liÂmnai eÆn ÆEsebvÁn eÆn pyÂlaiw uygatroÁw pollv Ä n.

15

PyÂrgoi deÁ eÆklhÂuhsan oië taÁ aÆrestaÁ tv Äì nymfiÂvì poioy Ä ntew skopeythÂrion eÍxontew thÁn uevrhtikhÁn cyxhÁn eÆk metevÂroy skopeyÂoysan aÏpanta· eÆlefaÂntinon deÁ diaÁ toÁ lamproÁn kaiÁ leiÄon´ oyÆdeÁn gaÁr aÆpoÁ kakiÂaw traxyÁ eÆn tv Äì th Ä w nyÂmfhw traxhÂlv. ì OyÆkeÂti deÁ periÁ tv Ä n nebrv Ä n eiËpen „oië nemoÂmenoi eÆn kriÂnoiw“· e yëperaÂnv gaÁr eÆgegoÂneisan „kriÂnvn tv Ä n eÆn meÂsvì aÆkanuv Ä n“· f boyÂa

Spr. 9,5

b

1 Kor. 10,4

c

Hld. 6,2

d

Hld. 2,2

e

Hld. 4,5

f

Hld. 2,2

263 Zum „geistigen Trank“ im Gegensatz zum „fleischlichen“ vgl. in Cant. hom. 1,2: „Wie die eine Speise fleischlich ist, die andere geistig, und der eine Trank für das Fleisch, der andere für den Geist ist, so gibt es eine Liebe des Fleisches, die vom Satan kommt, eine andere Liebe des Geistes, die von Gott ihren Anfang nimmt.“ 264 Barba`ra, BPat 42, 252f., setzt diesen Finalsatz an das Ende des Satzes, doch folgen wir dem Text, den Auwers, CChr.SG 67, 377f., bietet. 265 Zur „Lilie inmitten der Dornen“ in Hld. 2,2 gibt Origenes, in Cant. comm. III 4,5, folgende Erklärung: „Wenn er also sagt: ,Wie eine Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Gefährtin inmitten der Töchter‘, werden wir dies als Aussage über die Kirche der Völker auffassen, entweder weil sie aus der Mitte der Ungläubigen und Nichtglaubenden wie aus Dornen hervorgegangen ist oder weil sie wegen der Attacken der sie umlärmenden Häretiker als eine bezeichnet wird, die sich inmitten von Dornen befindet.“ 266 Vgl. dazu in Lam. frg. 2 (GCS Orig. 32, 235). 267 Zu Zion als „Aussichtsturm“ vgl. in Ioh. comm. XIII 13,81 (GCS Orig. 4, 237); in Lam. frg. 19 (GCS Orig. 32, 242), ferner ebd. frg. 14 (32, 241); Hieronymus, int.

20

Fragmente 65–67

223

Fragment 65 (Hld. 7,3) Hld. 7,3a b c 5

10

Dein Nabel ist ein verzierter Mischkrug, dem es an Trank nicht mangelt, dein Bauch ist ein Weizenhaufen, umschlossen von Lilien.

Zum Nabel aber, dem Mischkrug, ruft die Weisheit, indem sie sagt: „Wohlan, trinkt den Wein, den ich euch gemischt habe!“a Sie verweist damit auf „den geistigen Trank“.b 263 Und sie setzte auch Weizenhaufen hinzu, um die geistige Nahrung anzuzeigen,264 denn der Ausdruck Haufen steht für die Ansammlung einer Fülle von Tugenden, die durch die Eintracht zur Einheit geordnet ist.

Fragment 66 (Hld. 7,3) Lilien aber dürften wohl auch die Blüten der Gnade Gottes sein, die er mitten aus den Dornenc des Lebens gesammelt hat.d 265

Fragment 67 (Hld. 7,5) 15

20

Hld. 7,5a b c

Dein Hals ist wie ein Turm aus Elfenbein, deine Augen wie Teiche in Esebon (Heschbon) bei den Toren der Tochter der Vielen.

Türme aber wurden die genannt, die das tun, was dem Bräutigam am besten gefällt, deren schauende Seele266 ein Aussichtsturm267 ist, da sie von der Höhe aus alles betrachtet. Aus Elfenbein aber ist er (sc. der Turm bzw. der Hals), weil er glänzt268 und glatt ist, denn nichts Raues von irgendetwas Schlechtem befindet sich am Hals der Braut.269 Aber er sprach nicht mehr über die Kälber,270 „die in Lilien weiden“.e Sie waren nämlich über die „Lilien“ hinausgelangt, „die sich inmitten von Dornen befinden“.f Er will

hebr. nom. p. 39 Lagarde (CChr.SL 72, 108); p. 43 (72, 112); p. 50 (72, 122); p. 75 (72, 153); p. 78 (72, 157); p. 81 (72, 161): Sion specula. Vgl. Auwers, L’interpre´tation du Cantique 235. Auch die Seele, in der Gott wohnt, und die Kirche als Haus Jesu, in das man sich vor dem Nordwind flüchtet, kann so bezeichnet werden: sel. in Ps. 9,12 (PG 17, 105) bzw. in Hier. hom. 5,16 (GCS Orig. 32, 46). 268 In Cant. comm. II 7,11 bezeichnet Origenes mit Hld. 1,10 den Nacken der Braut aufgrund ihres Gehorsams als „anmutig und schön“ (speciosa et pulchra). 269 Laut in Luc. hom. 22,4 (GCS Orig. 92, 134) wird mit der Ankunft Jesu in der Seele ihre Rauheit beseitigt. 270 Das von vielen Handschriften und Editionen gebotene nekrv Ä n kann genauso wie das von den späten Handschriften Ambrosianus C 267 inf. (a. 1568) und Yalensis Beineckianus 274 (a. 1587) gelesene eÆxurv Ä n vom Kontext her nicht ursprünglich sein. Der Zusammenhang macht deutlich, dass es wie in Hld. 4,5 um die Kälber (nebroiÂ) gehen muss, die in Lilien geweidet werden. Daher folgen wir nicht der Ausgabe von Barba`ra, BPat 42, 254, die nekrv Ä n liest, sondern der Edition von Auwers, CChr.SG 67, 381.

224

Fragmenta

letai deÁ hëma Ä w kaiÁ filomaueiÄw oÍntaw pollv Ä n eÍxein thÁn cyxhÁn uygateÂra sofv Ä n kaiÁ eÆn eiÆsagvgaiÄw geneÂsuai mauhmaÂtvn pollv Ä n, aÊw eÆkaÂlese pyÂlaw. Tosoy Ä ton, fhsiÂ, gnvÂsevw toiÄw eÆn soiÁ didaskaÂloiw periÂesti xaÂriw, vëw mhÁ moÂnon toyÁw paraÁ soiÁ aÆpolayÂein ayÆtv Ä n th Ä w paideyÂsevw, aÆll’ hÍdh kaiÁ toiÄw eÍjvuen kaiÁ poÂrrvuen th Ä w ayÆtv Ä n aÆpolayÂein vÆfeleiÂaw.

5

Fragmentum 68 (Prokop 317; Barba`ra 63) ÆAllaÁ kaiÁ toÁ dianohtikoÁn ayÆth Ä w peplhrv Ä suai fhsiÁ eyÆsebv Ä n logismv Ä n· ÆEssebvÁn gaÁr eërmhneyÂetai logismoiÂ.

Fragmentum 69 (Prokop 319; Barba`ra 64) Hld. 7,5d e 7,6a

MykthÂr soy vëw pyÂrgow toyÄ LibaÂnoy skopeyÂvn proÂsvpon DamaskoyÄ´ kefalh soy eÆpiÁ seÁ vëw KaÂrmhlow.

ëO deÁ kauaraÁn eÍxvn thÁn diapnohÁn kaiÁ diaÁ th Ä w aiÆsuhÂsevw toy Ä ueiÂoy loÂgoy dynaÂmenow oÆpiÂsv ayÆtoy Ä eiÆw oÆsmhÁn myÂrvn ayÆtoy Ä drameiÄn a mykthÂr eÆstin aiÆsuanoÂmenow eyÆvdiÂaw pneymatikh Ä w skopeyÂvn, eiÍ ti eÆpifaneÁw eÆn eÍunesi doÂgma dokeiÄ. DamaskoÁw gaÁr taÁ eÍunh pariÂsthsin´ toy Ä deÁ eÆpifanoy Ä w kaiÁ kaloy Ä toÁ proÂsvpon syÂmbolon· oë deÁ liÂbanow aÆnafeÂretai eÆpiÁ toÁ uysiasthÂrion toy Ä ueoy Ä · b oë deÁ KaÂrmhlow eÆpiÂgnvsiw peritomh Ä w eërmhney Ä etai´ ginvÂskei deÁ peritomhÁn oë metaÁ parrhsiÂaw leÂgein dynaÂmenow´ „hëmeiÄw eÆsmeÁn hë peritomhÂ.“ c ÆApoÁ deÁ th Ä w kefalh Ä w, toyteÂsti XristoyÄ, eÆpiÂgnvsiw thÄw pneymatikh Ä w eÆgenhÂuh peritomh Ä w.

a

Hld. 1,4

b

Vgl. Lev. 2,2; 6,8; Bar. 1,10

c

Phil. 3,3

271 Das ist vielleicht eine Anspielung auf Mk. 4,11. Origenes hat diesen Vers so verstanden, dass Jesus auch „die draußen“ lehrt, allerdings (nur) in Gleichnissen: in Matth. comm. X 1 (GCS Orig. 10, 1f.); princ. III 1,17 (GCS Orig. 5, 227); dial. 15 (SC 67, 86); Cels. III 21 (GCS Orig. 1, 217f.). Siehe dazu Monaci Castagno, L’interpretazione origeniana di Mc 4,10–12. 272 Zum Nutzen, der sich aus dem Studium der Bibel ergibt, vgl. princ. IV 2,6 (GCS Orig. 5, 315). 273 Zu diesem kleinen Stück ist in den Handschriften der Name Philon von Karpasia notiert, doch weist Barba`ra, BPat 42, 465f., es „nicht ohne Grund“, wie Auwers, CChr.SG 67, 382, vermerkt, Origenes zu und nimmt es unter dessen Fragmente (Nr. 63) auf (Barba`ra, ebd. 254). Im Codex Bruxellensis gr. 30.B ist der Satz an das vorige Fragment angehängt und Origenes zugewiesen. 274 Das „Denkvermögen“ greift die „Augen“ der Braut auf, von denen in Hld. 7,5 die Rede ist. 275 So wörtlich Philon, leg. all. III 226 (I p. 163 Cohn/Wendland). Vgl. Origenes, in

10

15

20

Fragmente 67–69

5

225

aber, dass auch unsere Seele, weil wir lernbegierig sind, eine Tochter von vielen Weisen ist und in viele Wissenschaften eingeführt wird; diese Einführungen nannte er Tore. In solchem Maße, sagt er, umgibt die Gnade der Erkenntnis deine inneren Lehrer, dass nicht nur die Menschen, die bei dir sind, ihre Erziehung genießen, sondern sogar auch die, die von draußen271 und von weit her kommen, um ihren Nutzen272 genießen.

Fragment 68 (Hld. 7,5)273 Aber auch ihr Denkvermögen,274 heißt es, ist angefüllt mit frommen Gedanken. Esebon bedeutet nämlich übersetzt Gedanken.275

Fragment 69 (Hld. 7,5f.)

10

Hld. 7,5d e 7,6a 15

20

Deine Nase ist wie ein Turm des Libanon, der Ausschau hält ins Antlitz von Damaskus; dein Kopf auf dir ist wie der Karmel.

Wer aber einen reinen Geruchssinn hat und durch die Wahrnehmung des göttlichen Wortes fähig ist, zum Duft seiner Salböle hinter ihm herzulaufen,a 276 ist eine Nase, die den geistigen Wohlgeruch wahrnimmt,277 indem sie danach Ausschau hält, ob etwa eine erhellende Lehre unter den Völkern aufscheint. Damaskus steht nämlich für die Völker. Symbol für das Erhellende und Schöne aber ist das Antlitz. Der Weihrauch (Libanon) aber wird auf dem Altar Gottes dargebracht.b 278 Der Karmel aber bedeutet übersetzt Erkenntnis der Beschneidung.279 Die Beschneidung erkennt aber, wer mit Zuversicht280 sagen kann: „Wir sind die Beschneidung.“c Von dem Haupt aber, das heißt von Christus, stammt die Erkenntnis der geistigen Beschneidung.281

276 277 278 279

280 281

Num. hom. 13,1f. (GCS Orig. 7, 108–110); Hieronymus, int. hebr. nom. p. 17 Lagarde (CChr.SL 72, 81): Esebon cogitatio siue cingulum moeroris; p. 54 (72, 126): Esebon cogitatio moeroris; Wutz, Onomastica sacra 53. 105f. 163; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 242. Siehe dazu die ausführliche Auslegung in Cant. comm. I 4. Auch in Luc. frg. 165 (GCS Orig. 92, 294) ist Hld. 7,5 mit Hld. 1,4 verbunden. Zur hier erneut vorliegenden Theorie der geistigen Sinne siehe oben S. 146 Anm. 8, ferner S. 178 Anm. 120 zu frg. 29. Vgl. in Lev. hom. 4,7 (GCS Orig. 6, 325f.); 4,9 (6, 328f.). Für diese Etymologie vgl. Hieronymus, int. hebr. nom. p. 26 Lagarde (CChr.SL 72, 92): Carmelus mollis siue cognitio circumcisionis; p. 41 (72, 110): Carmelus tenellus aut mollis siue scientia circumcisionis. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 443. 466; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 243. Zur Zuversicht des Gläubigen gegenüber Gott vgl. in Ioh. comm. XIII 16,100 (GCS Orig. 4, 240); orat. 22,1 (GCS Orig. 2, 346), ferner in Cant. hom. 1,5; 2,2; 2,13. Zur „geistigen Beschneidung“ vgl. in Gen. hom. 3,4 (GCS Orig. 6, 43f.); in Hier.

226

Fragmenta

Fragmentum 70 (Prokop 323; Barba`ra 65) Hld. 7,7a b 7,8a

Ti vëraivÂuhw kaiÁ ti hëdyÂnuhw, aÆgaÂph, eÆn tryfaiÄw soy; ToyÄto meÂgeuoÂw soy vëmoivÂuh tv Äì foiÂniki.

ÍEti tay Ä ta fhsiÁn oë nymfiÂow aÆpouaymaÂzvn ayÆth Ä w thÁn eÆpiÁ toÁ kreiÄtton metabolhÂn. ëVw gaÁr hë tv Ä n stoixeiÂvn eyÆkrasiÂa svmaÂtvn yëgeiÂan eÆmpoieiÄ, oyÏtvw eÆk tv Ä n oërmv Ä n kaiÁ eÆkkliÂsevn yëgeiÂa pvw kaiÁ kaÂllow eÆpigiÂnetai th Äì cyxh Äì . ëVw deÁ aiÆsxra tiw oyËsa diaÁ kakiÂan hë nyÂmfh meteÂbalen eÆj aÆreth Ä w eiÆw vëraioÂthta, oyÏtvw oyËsa pikraÁ geÂgonen hëdiÂsth te ayÆtv Äì kaiÁ glykeiÄa. FhsiÁ toiÂnyn, v Ï sper eÆn taiÄw svmatikaiÄw tryfaiÄw hë polytelhÁw eyÆvxiÂa peripoÂuhtow, oyÏtvw toiÄw thÁn pneymatikhÁn tryfv Ä si tryfhÁn hë aÆgaÂph. Th Ä w deÁ soy Ä aÆntvnymiÂaw mhÁ keimeÂnhw paraÁ toiÄw aÍlloiw, leÂgoi aÍn´ Th Äì aÆgaÂphì eÆntryfa Äì w pleÂon tv Ä n aÍllvn toy Ä pneyÂmatow karpv Ä n, a vëw paÂnta di’ ayÆthÁn steÂgein, b paÂnta yëpomeÂnein. ÏVsper deÁ svmaÂtvn eÆstiÁ braxyÂthw kaiÁ meÂgeuow eëteÂrvn, oyÏtv kaiÁ cyxh Ä w aÆnaloÂgvw oiÎw diapraÂttetai.

5

10

15

Fragmentum 71 (Prokop 326; Barba`ra 66) ÍHgoyn taÁ nohÂmata soy, fhsiÂn, troÂfima te kaiÁ poÂtima, kaiÁ oyÆdamv Äw oÆmfakiÂzonta.

Fragmentum 72 (Prokop 329; Barba`ra 67.8–14) Hld. 7,9a b c d

EiËpa´ ÆAnabhÂsomai eÆn tv Äì foiÂniki, krathÂsv tv Ä n yÏcevn ayÆtoyÄ, kaiÁ eÍsontai dhÁ mastoi soy vëw boÂtryew thÄw aÆmpeÂloy kaiÁ oÆsmhÁ rëinoÂw soy vëw mhÄla.

ÆApeikasueiÄsa foiÂniki foiÂnika toÁn nymfiÂon kaleiÄ toÁ yÏcow kaiÁ toÁ meÂgeuow c toy Ä loÂgoy katanohÂsasa, eÆf’ aÊ kaiÁ hÍlpisen aÆnelueiÄn eÆpiÁ teÂlei tv Än a

Gal. 5,22

282 283 284 285

b

1 Kor. 13,7

c

Hld. 7,8

hom. 12,13 (GCS Orig. 32, 99f.); cat. Pal. in Ps. 118,151 (SC 189, 426); in Rom. frg. 46 (p. 17 Ramsbotham). Siehe v.a. den langen Exkurs über die Beschneidung in Rom. comm. II 9,10–36 (SC 532, 380–414). Für diese „Änderung zum Besseren“ vgl. princ. III 1,5 (GCS Orig. 5, 200). In diesen Begriffen steckt die stoische Handlungstheorie, die Origenes weithin aufgegriffen hat. Vgl. Pohlenz, Stoa I, 142–146. 199f. 224–226. Auch hier liegt wie in frg. 69 die Theorie der geistigen Sinne vor: siehe oben S. 146 Anm. 8. Was das bedeutet, erklärt Origenes ausführlich in princ. II 11,4 (GCS Orig. 5, 187).

20

25

Fragmente 70–72

227

Fragment 70 (Hld. 7,7f.) Hld. 7,7a b 7,8a 5

10

15

Wie anmutig und wie lieblich bist du, Liebe, bei deinen Speisen? Diese deine Größe wurde der Palme gleich.

Auch dies sagt der Bräutigam, weil er ihre Änderung zum Besseren282 bewundert. Wie nämlich die Ausgewogenheit der Elemente die Gesundheit der Körper bewirkt, so wird der Seele aus ihren Strebungen und Abneigungen283 gleichsam Gesundheit und Schönheit zuteil. Wie sich aber die Braut, wenn sie aufgrund ihrer Schlechtigkeit hässlich ist, aus Tugend zur Anmut ändert, so ist sie, wenn sie bitter war, ihm angenehm und süß geworden. Er sagt also, wie bei den körperlichen Speisen ein vielfältiger Schmaus zu erstreben ist, so für die, die sich von geistiger Speise ernähren,284 die Liebe.285 Wenn aber das Pronomen dein bei den anderen nicht steht,286 bedeutet das wohl: Von der Liebe ernährst du dich mehr als von den anderen Früchten des Geistes,a so dass du alles durch sie erträgst, alles erduldest.b Wie es aber bei den Körpern Kleinwüchsigkeit gibt und Größe bei anderen, so auch bei der Seele entsprechend dem, was sie tut.287

Fragment 71 (Hld. 7,7f.) 20

Das bedeutet: Deine Gedanken, sagt er, sind Speise und Trank,288 und durchaus nicht unausgegoren.

Fragment 72 (Hld. 7,9)

25

Hld. 7,9a b c d

Ich sprach: Ich werde auf die Palme klettern, ich werde ihre Höhen erklimmen, und es werden dann deine Brüste sein wie Trauben des Weinstocks und der Duft deiner Nase wie Äpfel.

Selbst mit einer Palme verglichen, nennt sie den Bräutigam eine Palme, da sie die Höhe und die Größec des Wortes erkannt hat,289 wodurch sie auch erhoffte, bis zum Ende der Lieder aufzusteigen,290 wenn die Braut vollkom-

286 In den Ausgaben des Aquila und des Symmachus steht das Pronomen soyÄ nicht: II p. 421 f. Field. 287 In der Freiheitsmetaphysik des Origenes bestimmt das Tun die ,Natur‘: in Ioh. comm. XX 21,174 (GCS Orig. 4, 353); in Rom. comm. VIII 10,11 (SC 543, 560): arbitrii libertas naturam fecerit unicuique. Vgl. Danie´lou, Orige`ne 204. 288 Siehe darüber ausführlich in Ioh. comm. XIII 33,203–214 (GCS Orig. 4, 257–259); in Lev. hom. 7,5 (GCS Orig. 6, 385–388). 289 Die Braut erkennt die Gedanken Christi: in Matth. comm. XVII 13 (GCS Orig. 10, 620 f.), zitiert oben S. 47 f. 290 Zur „Leiter der Lieder“ siehe die Ausführungen des Origenes im Vorwort zum Hoheliedkommentar: in Cant. comm. prol. 4,1–14; ferner in Cant. hom. 1,1.

228

Fragmenta

aÆsmaÂtvn, oÏte teleiÂa eÆstiÁn hë nyÂmfh, a oÏte kaiÁ aÆntilhÂcetai tv Ä n toy Ä nymfiÂoy mastv Ä n b dhloyÂntvn taÁ pepyknvmeÂna nohÂmata. DioÁ kaiÁ aÆmpeÂloy boÂtrysin aÆpeikaÂzontai, periÁ hÎw eiËpen oë svthÂr´ „ÆEgv eiÆmi hë aÍmpelow hë aÆlhuinhÂ.“ c

Fragmentum 73 (Prokop 330; Barba`ra 67.15–23) Hld. 7,10a b c

KaiÁ laÂrygj soy vëw oiËnow oë aÆgauoÁw poreyoÂmenow tv Äì aÆdelfidv Äì moy eiÆw eyÆuyÂthta, iëkanoyÂmenow xeiÂlesiÂn moy kaiÁ oÆdoyÄsin.

5

TaÁ deÁ eÆk tv Ä n toy Ä loÂgoy kryptv Ä n eÆkporeyoÂmena thÁn toÁn aÆgauoÁn toy Äton oiËnon xvroy Ä san eÆpiÁ tosoy Ä ton iÆuyÂnei te kaiÁ eyÆfraiÂnei, d v Ï ste leÂgein oÏte deiÄ kaiÁ oiÎw deiÄ kaiÁ eiÆw oÏson deiÄ. TaÁ meÁn gaÁr xeiÂlh toÁn loÂgon, oië deÁ oÆdoÂntew thÁn eÆxemyuiÂan eÆmfaiÂnoysin kataÁ toÁ „Tv Äì stoÂmati soy poiÂhson uyÂran kaiÁ moxloÁn kaiÁ toiÄw loÂgoiw soy meÂtron kaiÁ staumoÂn.“ e Tv Ä n deÁ toioyÂtvn oyÆ moÂnon aÆsfalh Ä taÁ nohÂmata, aÆllaÁ kaiÁ taÁ xeiÂlh aiÆsuhÂsei deÂdetai· f oiËnow deÁ aÆgauoÂw, oë eÆj aÆgauoyÄ uhsayroyÄ kardiÂaw prosferoÂmenow.

Fragmentum 74 (Prokop 335; Barba`ra 68) Hld. 7,11a b

10

15

ÆEgvÁ tv Äì aÆdelfidv Äì moy, kaiÁ eÆp’ eÆmeÁ hë eÆpistrofhÁ ayÆtoyÄ.

TeleivueiÂshw oë loÂgow, oÏti mhdamoy Ä pantodaph Ä aÆnaÂpaysin eyërhÂshì , g oÏpoy eëaytoÁn eÆpistreÂchì , vëw par’ eÆmoiÂ.

Fragmentum 75 (Prokop 336; Barba`ra 69) Hld. 7,12a b 7,13a b c

ÆElueÂ, aÆdelfide moy, eÆjeÂluvmen eiÆw aÆgroÂn, ayÆlisuv Ä men eÆn kvÂmaiw´ oÆruriÂsvmen eiÆw aÆmpelv Ä naw, Íidvmen, eiÆ hÍnuhsen hë aÍmpelow, hÍnuhsen oë kyprismoÂw, hÍnuhsan aië rëoÂai.

b Hld. 5,2; 6,9 Hld. 1,2 g 15,7 Mt. 11,29 a

20

c

Joh. 15,1

d

Ps. 103(104),15

25

e

Sir. 28,25

f

Spr.

291 Zur Deutung der „Brüste“ des Bräutigams als seine Gedanken siehe oben S. 147 Anm. 11 zu frg. 5. 292 Zu dieser Christus-Epinoia vgl. in Ioh. comm. I 30,205f. (GCS Orig. 4, 37). 293 Hier gilt dasselbe wie oben zu den frg. 58 und 59: Es scheint besser, frg. 72 und 73 mit Auwers, CChr.SG 67, 391f., als zwei getrennte Stücke zu behandeln (Prokop 329 und 330), als sie mit Barba`ra, BPat 42, 260–262, zu einem Fragment (Nr. 67) zusammenzunehmen.

Fragmente 72–75

229

men ist,a wenn sie auch die Brüste des Bräutigamsb ergreifen wird, die auf seine dichten Gedanken hinweisen.291 Deshalb werden sie auch mit den Trauben des Weinstocks verglichen, über den der Erlöser sagte: „Ich bin der wahre Weinstock.“c 292

Fragment 73 (Hld. 7,10)293

5

Hld. 7,10a b c 10

15

Und dein Gaumen wird sein wie der gute Wein, der meinem Geliebten zufließt, ihn aufrichtend, verstärkt durch meine Lippen und Zähne.

Das aber, was aus den verborgenen Gedanken des Wortes294 hervorgeht, orientiert und erfreut die Braut, die diesen guten Wein295 aufzunehmen fähig ist,d so sehr, dass sie spricht, wenn es nötig ist und zu wem es nötig ist und wie viel nötig ist. Die Lippen bezeichnen nämlich das Wort,296 die Zähne aber die Verschwiegenheit297 gemäß dem Vers: „Deinem Mund setze Tür und Riegel vor und deinen Worten verleihe Maß und Gewicht.“e Von solchen Menschen sind nicht nur die Gedanken zuverlässig, sondern auch die Lippen durch Verständigkeit gebunden.f Guter Wein aber ist der, der aus dem guten Schatz des Herzens298 hervorgebracht wird.

Fragment 74 (Hld. 7,11) 20

Hld. 7,11a b

Ich gehöre meinem Geliebten, und mir wendet er sich zu.

Es ist die Aussage der zur Vollkommenheit gelangten Braut, dass sie überhaupt nirgends Ruhe findet,g wohin auch immer sie sich wendet, wie bei mir.

Fragment 75 (Hld. 7,12f.) 25

Hld. 7,12a b 7,13a b c

Komm, mein Geliebter, wir wollen aufs Feld gehen, die Nacht in Dörfern verbringen, beim Morgenrot in Weinberge gehen, sehen, ob der Weinstock erblühte, der Ölbaum erblühte, die Granatapfelbäume erblühten.

294 In Cels. VII 60 (GCS Orig. 2, 210) bezeichnet Origenes damit den verborgenen Sinn der Schrift. 295 Zum Wein des Logos siehe die Erläuterungen zu Hld. 1,2: „Deine Brüste sind besser als Wein“ in Cant. comm. I 2,8–24. 296 In Cant. hom. 1,10 stehen die Lippen zusammen mit der Zunge für den Verstand der Braut. 297 Ein Lob der Verschwiegenheit auch in frg. 40, dort angehängt an die „Verschleierung“ der Braut und untermauert mit Spr. 11,13. 298 Der „gute Schatz des Herzens“ ist der Schatz im Himmel: in Ioh. comm. XIX 21,138 (GCS Orig. 4, 322); in Matth. comm. X 14 (GCS Orig. 10, 18).

230

Fragmenta

PeriÁ tv Ä n yëpodeesteÂrvn hë nyÂmfh parakaleiÄ, vëw eÆk tv Ä n eÆndotaÂtvn kaiÁ makariÂvn diatribv Ä n eiÆw thÁn toyÂtvn eÆpiskophÁn eÆjelueiÄn´ oyÎtoi gaÁr aÆgroÁw kaiÁ kv Ä mai kaiÁ aÆmpelv Ä new kaiÁ rëoÂai.

Fragmentum 76 (Prokop 342; Barba`ra 70) Hld. 8,1a

TiÂw dvÂì h se aÆdelfidoÂn moy uhlaÂzonta mastoyÁw mhtroÂw moy;

5

Th Ä w aÍnv, fhsiÂn, ÆIeroysalhÂm, hÎw hë eÆpiÁ gh Ä w syÂmbolon, eÆpiÁ gh Ä w keimeÂnh, rëeoyÂshw gaÂla kaiÁ meÂli, b eÆn hÎì boyÂletai tv Äì nymfiÂvì synestia Ä suai´ gaÂla deÁ ny Ä n hë aÍdolow c kaiÁ tryfhtikhÁ trofhÂ. a

Fragmentum 77 (Prokop 346; Barba`ra 71) Hld. 8,1b

EyëroyÄsa se eÍjv filhÂsv se, kai ge oyÆk eÆjoydenvÂsoysiÂn moi. ParalhÂmcomai se, eiÆsaÂjv se eiÆw oiËkon mhtroÂw moy kaiÁ eiÆw tamieiÄon thÄw syllaboyÂshw me.

8,2a b

10

EyëriÂskoysa gaÁr ayÆtoÁn thÄw aÍnv periophÄw eÆkbaÂnta perieptyÂjato ayÆtoÂn.

15

Fragmentum 78 (Prokop 347; Barba`ra 72) ÍHgoyn eÍjv ÆIeroysalhÂm, d oÏpoy eÆstayrvÂuh.

Fragmentum 79 (Prokop 350; Barba`ra 73) Hld. 8,2c d

Potiv Ä se aÆpoÁ oiÍnoy toyÄ myrecikoyÄ, aÆpoÁ naÂmatow rëov Ä n moy.

20

ÃH oiËnow myrecikoÁw loÂgow eyÆfrosyÂnhw pneymatikh Ä w aÆpoÁ tv Ä n eÆn taiÄw ueiÂaiw grafaiÄw pantodapv Ä n nohmaÂtvn hÆrtymeÂnow, e aÆpoÁ deÁ naÂmatow rëov Än tv Ä n tetagmeÂnvn kaiÁ eÆn oiÆkeiÂvì kairv Äì teloymeÂnvn praÂjevn. 25

a

Gal. 4,26

b

Ex. 33,3

c

1 Petr. 2,2

d

Vgl. Hebr. 13,12

e

Kol. 4,6

299 Zum „oberen Jerusalem“ als der Mutter der Braut vgl. in Cant. comm. prol. 4,19. 300 Wörtlich ebenso in Num. hom. 7,5 (GCS Orig. 7, 47). 301 Zu Milch und Honig als vollkommene Speisen vgl. in Num. hom. 21,1 (GCS Orig. 7, 199); in Is. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 251f.). 302 Zum Herabsteigen des Wortes siehe ausführlich in Hier. hom. 18,2 (GCS Orig. 32, 151–153).

Fragmente 75–79

231

Im Blick auf die bedürftigeren Seelen ermahnt die Braut den Bräutigam, von den intimen und glückseligen Beschäftigungen zur Aufsicht über diese hinausgehen. Diese sind nämlich Feld und Dörfer und Weinberge und Granatapfelbäume.

Fragment 76 (Hld. 8,1)

5

Hld. 8,1a

10

Wer gäbe dich mir zum Geliebten, gesäugt an den Brüsten meiner Mutter?

Das obere Jerusalem,a 299 heißt es, dessen Symbol das Jerusalem ist, das auf der Erde liegt,300 fließt von Milch und Honig.b 301 In diesem Jerusalem will sie mit dem Bräutigam schmausen, Milch ist aber jetzt die truglosec und nahrhafte Speise.

Fragment 77 (Hld. 8,1f.) Hld. 8,1b 8,2a 15

b

Wenn ich dich draußen finde, werde ich dich küssen, und sie werden mich nicht verachten. Ich werde dich aufnehmen, ich werde dich in das Haus meiner Mutter führen und in die Schatzkammer derjenigen, die mich empfangen hat.

Als sie ihn nämlich fand, wie er vom oberen Aussichtsposten herabstieg,302 umarmte sie ihn.

Fragment 78 (Hld. 8,1f.)303 20

Das heißt, außerhalb von Jerusalem,d wo er gekreuzigt worden ist.

Fragment 79 (Hld. 8,2) Hld. 8,2c d 25

Ich werde dir zu trinken geben vom gewürzten Wein, vom Saft meiner Granatäpfel.

Oder der gewürzte Wein ist das Wort der geistigen Freude, das von den in den göttlichen Schriften enthaltenen vielfältigen Gedanken gewürzt ist,e 304 vom Saft der Granatäpfel aber, nämlich der prädisponierten und zu ihrer Zeit vollbrachten Taten.

303 In den Handschriften ist dieser Satz entweder Kyrill von Alexandria oder Origenes zugewiesen. Mit Barba`ra, BPat 42, 266 (vgl. ebd. 480), nehmen wir ihn als möglichen Origenestext unter seine Fragmente auf. 304 Anstelle des Adjektivs myrecikoÂw für „gewürzt“, das in der Septuaginta in Hld. 8,2 steht, bietet Symmachus hÆrtymeÂnow (II p. 422 Field), von wo aus sich die Brücke zu diesem Wort in Kol. 4,6 schlagen lässt. Zu einem „mit Salz gewürztem Wort“ vgl. in Cant. comm. III 16(IV 2),16.

232

Fragmenta

Fragmentum 80 (Prokop 351; Barba`ra 74) Hld. 8,3a b

EyÆvÂnymow ayÆtoyÄ yëpoÁ thÁn kefalhÂn moy, kaiÁ hë dejiaÁ ayÆtoyÄ perilhÂmcetai me.

ëO meÁn noÂmow yëposthriÂzei toÁ hëgemonikoÂn, toÁ deÁ eyÆaggeÂlion toy Ä pantoÂw eÆsti perilhptikoÂn· hà eyÆvÂnymow hë prvÂth eÆpidhmiÂa, dejiaÁ deÁ hë deyteÂra´ hà eyÆvÂnymow oë parvÁn aiÆvÂn, dejioÁw deÁ oë meÂllvn´ skeÂpei gaÁr ayÆthÁn nyÄn, eÆn deÁ tv Äì meÂllonti paralabvÁn eiÆsaÂgei eiÆw taÁw aÍnv monaÂw.

5

Fragmentum 81 (Prokop 352; Barba`ra 75.4–7) Hld. 8,4a b c

ÏVrkisa yëma Ä w, uygateÂrew ëIeroysalhÂm, eÆn taiÄw dynaÂmesin kaiÁ eÆn taiÄw iÆsxyÂsesin toyÄ aÆgroyÄ, ti eÆgeiÂrhte kaiÁ ti eÆjegeiÂrhte thÁn aÆgaÂphn, eÏvw aÃn uelhÂshì ;

ÍHdh deyÂteron v Ï rkisen, aÆll’ aÆmfibaÂlloysa prosetiÂuei toÁ eÆaÂn. NyÄn deÁ vëw didaÂjasa toÁ eiËdow th Ä w eÆgeÂrsevw kaiÁ th Ä w eÆjegeÂrsevw [kaiÁ] th Ä w aÆgaÂphw oiëoneiÁ pariÂsthsin, oÏti oërkoy Ä sa yëma Ä w kataÁ tv Ä nde v Ï rkisa, ti eÆgeiÂrhte kaiÁ ti eÆjegeiÂrhte.

10

15

Fragmentum 82 (Prokop 353; Barba`ra 75.8–9) ëOrkiÂzei taÁw tv Ä n aëgiÂvn cyxaÁw presbeyÂein yëpeÁr tv Ä n aëmartvlv Ä n, eÏvw aÃn paralaÂbhì hëma Ä w oë ueoÂw.

Fragmentum 83 (Prokop 356; Barba`ra 76) Hld. 8,5a b

TiÂw ayÏth hë aÆnabaiÂnoysa leleykanuismeÂnh eÆpisthrizomeÂnh eÆpiÁ toÁn aÆdelfidoÁn ayÆthÄw;

ProfhteyÂetai th Ä w nyÂmfhw hë aÍnodow 〈eÆpiÁ〉 taÁw makariÂaw monaÁw pantelv Äw aÆpouemeÂnhw toy Ä skoÂtoyw th Ä w kakiÂaw kaiÁ thÁn th Ä w aÆreth Ä w aÆnalaboyÂshw lamproÂthta eëpomeÂnhw te kaiÁ sthrizomeÂnhw tv Äì loÂgv´ ì oÏuen aië aÍnv dynaÂmeiw uaymaÂzoysi thÁn eÆpiÁ tosoy Ä ton tv Ä n aÆnurvÂpvn metabolhÂn.

305 In den Handschriften ist dieses Fragment meist anonym überliefert und je einmal Kyrill von Alexandria und Philon von Karpasia zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 266–268 (vgl. ebd. 481f.), stellt es unter die Origenesfragmente (Nr. 74). 306 Siehe dazu oben S. 149 Anm. 17 zu frg. 7. 307 Zur Interpretation der linken und der rechten Hand des Bräutigams siehe in Cant. comm. III 9 zu Hld. 2,6, wozu Hld. 8,3 eine Dublette ist. 308 Zu diesen beiden Ankünften Christi vgl. Cels. I 56 (GCS Orig. 1, 107f.); in Ioh. comm. VI 5,29f. (GCS Orig. 4, 112f.).

20

25

Fragmente 80–83

233

Fragment 80 (Hld. 8,3)305 Hld. 8,3a b 5

Das Gesetz stützt den führenden Seelenteil,306 das Evangelium aber ist das, was das Ganze umfasst.307 Entweder ist die Linke die erste Ankunft (sc. Christi), die Rechte hingegen die zweite,308 oder die Linke ist der gegenwärtige Äon, die Rechte hingegen der künftige. Er beschirmt sie nämlich jetzt, im künftigen Äon aber zieht er sie an sich und führt sie in die oberen Wohnungen.309

Fragment 81 (Hld. 8,4)

10

Hld. 8,4a b c 15

Seine Linke wird unter meinem Kopf sein, und seine Rechte wird mich umfassen.

Ich beschwor euch, Töchter Jerusalems, bei den Mächten und bei den Kräften des Feldes, was erweckt und was entfacht ihr die Liebe, bevor sie wohl will?

Schon zum zweiten Mal beschwor sie,310 doch zweifelnd setzte sie ein wohl hinzu. Jetzt aber, da sie die Form der Erweckung und der Entfachung der Liebe gelehrt hat, stellt sie sozusagen daneben: Als ich euch beschwor, beschwor ich euch dagegen, was ihr erweckt und was ihr entfacht.

Fragment 82 (Hld. 8,4)311 20

Sie beschwört die Seelen der Heiligen, für die Sünder einzutreten,312 bis Gott uns aufnimmt.

Fragment 83 (Hld. 8,5) Hld. 8,5a b 25

Wer ist diese, die weiß schimmernd hinaufsteigt, gestützt auf ihren Geliebten?

Es wird der Aufstieg der Braut 〈zu〉 den glückseligen Wohnungen prophezeit, wenn sie gänzlich die Finsternis der Schlechtigkeit abgelegt und die Helligkeit der Tugend angenommen hat,313 wenn sie dem Wort folgt und von ihm gestützt wird.314 Daher bewundern die oberen Mächte die Verwandlung der Menschen zu solcher Größe.

309 Zur Vielzahl dieser Wohnungen vgl. in Cant. comm. II 1,55. 310 Hld. 8,4 ist eine Dublette zu Hld. 2,7 und 3,5 (vgl. auch Hld. 5,8). Zur Auslegung von Hld. 2,7 siehe in Cant. comm. III 10 und dazu frg. 26. 311 Barba`ra, BPat 42, 268, fügt das anonym überlieferte frg. 82 dem vorausgehenden frg. 81 hinzu (Nr. 75). 312 Zur Interzession der Heiligen vgl. orat. 11–13 (GCS Orig. 2, 321–330). 313 Zur Verwandlung der „Dunkelheit“ der Braut (nach Hld. 1,5) in „Helligkeit“ vgl. in Cant. comm. II 1,4–6. 314 Vgl. dazu in Cant. comm. II 2,4; in Cant. hom. 1,6.

234

Fragmenta

Fragmentum 84 (Prokop 357; Barba`ra 77) Hld. 8,5c d e

ëYpoÁ mhÄlon eÆjhÂgeira se´ eÆkeiÄ vÆdiÂnhseÂn se hë mhÂthr soy, eÆkeiÄ vÆdiÂnhseÂn se hë tekoyÄsa soy.

Toy Ä to toÁ fytoÁn oÆsmh Äì kaiÁ ueÂaì kaiÁ brvÂsei kaiÁ aëfh Äì leiÄon yëpaÂrxon eÆstiÁ kaloÂn. ëO diaÁ oyËn tv Ä n aiÆsuhthriÂvn eyË trafeiÁw leÂgoito mh Ä lon. ParaÁ tayÂthì th Äì mhleÂaì vÆdiÂnei hë aÍnv ÆIeroysalhÁm a kaiÁ tiÂktei taÁ teÂkna th Ä w eÆleyueriÂaw. b Dio fhsin ÆIvhÂl´ „ëRoÂa kaiÁ foiÄnij kaiÁ mh Ä lon kaiÁ paÂnta taÁ jyÂla toy Ä drymoy Ä “ c dvÂsei toÁn karpoÁn ayÆtv Ä n.

Fragmentum 85 (Prokop 360; Barba`ra 78)

5

10

ëH saÁrj toy Ä Xristoy Ä eÆn taiÄw vÆdiÄsi toy Ä stayroy Ä eÆgeÂnnhse thÁn eÆkklhsiÂan tv Äì rëeyÂsanti eÆj ayÆth Ä w aiÏmati kaiÁ yÏdati. d

Fragmentum 86 (Prokop 361; Barba`ra 79) Hld. 8,6a b c d

UeÂw me vëw sfragiÄda eÆpiÁ thÁn kardiÂan soy, vëw sfragiÄda eÆpiÁ toÁn braxiÂona soy´ oÏti krataiaÁ vëw uaÂnatow aÆgaÂph, sklhroÁw vëw aÏì dhw zhÄlow.

15

ProtreÂpetai ayÆthÁn oë nymfiÂow pa Ä n noÂhma kaiÁ pra Ä jin morfv Ä sai tv Äì eëaytoy Ä xarakth Ä ri. PoieiÄn deÁ tay Ä ta fhsiÁ thÁn vëw uaÂnaton krataiaÁn aÆgaÂphn· „paÂnta“ gaÁr „steÂgei, paÂnta yëpomeÂnei·“ e dioÁ kaiÁ krataiaÁ kataÁ uaÂnaton toÁn nekroyÄnta thÁn aëmartiÂan. ÍHgoyn eÆpeidhÁ paÂntvn eÆkraÂthsen oë uaÂnatow diaÁ toÁ „eÆn tv Äì ÆAdaÁm paÂntaw aÆpounhÂskein“ f kaiÁ oë aÏdhw oëmoiÂvw, toiayÂth, fhsiÂn, hë aÆgaÂph kaiÁ oë zh Ä low, oÊn deiÄ zhloyÄn tv Äì uev Äì , sklhroÁw kataÁ tv Ä n aëmartanoÂntvn yëpaÂrxvn, vëw oë toy Ä ëHliÂoy g kaiÁ toy Ä FineeÂw. h ÃH toy Ä to leÂgei oë nymfiÂow proÁw ayÆthÂn· UeÂw me vëw sfragiÂda proÁw toÁ sfragiÂzein taÁw eÆnuymhÂseiw soy kaiÁ taÁw praÂjeiw kaiÁ „eÏvw uanaÂtoy aÆgvÂnisai yëpeÁr th Ä w aÆlhueiÂaw“· i kaiÁ eÆn tv Äì aÏdhì deÁ toÁn XristoÁn eÆzhÂlvsan oië ÆIoydaiÄoi yëpofueiÂrantew toyÁw strativÂtaw. j a g

b c d e Gal. 4,26 Gal. 4,31 Joe¨l 1,12 Joh. 19,34 1 Kor. 13,7 h i j 1 Kön. 19,10 Num. 25,11 Sir. 4,28 Vgl. Mt. 28,11–15

f

1 Kor. 15,22

315 Frg. 84 ist in den Handschriften anonym überliefert und einmal Prokop selbst zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 270 (vgl. ebd. 488), stellt es (als Nr. 77) „nicht ohne Grund“, wie Auwers, CChr.SG 67, 413, notiert, zu den Origenesfragmenten. 316 Zur Interpretation des „Apfels“ bzw. „Apfelbaums“ anhand von Hld. 2,3 siehe in Cant. comm. III 5,6f. 317 Dieser Begriff könnte auf die Übersetzung des Symmachus zurückgehen, der an Stelle von mhÄlon, „Apfel“, das die Septuaginta in Hld. 8,5 verwendet, mhleÂa, „Apfelbaum“, übersetzt (II p. 422 Field).

20

25

Fragmente 84–86

235

Fragment 84 (Hld. 8,5)315 Hld. 8,5c d e 5

10

Unter einem Apfel(baum) habe ich dich aufgeweckt; dort lag deine Mutter mit dir in Wehen, dort lag deine Gebärerin mit dir in Wehen.

Diese Pflanze, zart, wie sie für den Geruch, für den Anblick, für den Geschmack und für die Berührung ist, ist schön. Wer also durch die Sinnesorgane wohl genährt ist, dürfte Apfel genannt werden.316 Bei diesem Apfelbaum317 liegt das obere Jerusalema in Wehen und gebiert die Kinder der Freiheit.b Deshalb sagt Joe¨l: „Granatapfelbaum und Dattelpalme und Apfelbaum und alle Gehölze des Waldes“c werden ihre Frucht geben.

Fragment 85 (Hld. 8,5) Das Fleisch Christi gebar in den Wehen des Kreuzes die Kirche durch das aus ihm fließende Blut und Wasser.d

Fragment 86 (Hld. 8,6) 15

20

25

Hld. 8,6a b c d

Präge mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm! Denn stark wie der Tod ist die Liebe, unnachgiebig wie der Hades ist der Eifer.

Der Bräutigam ermuntert sie, jeden Gedanken und jede Tat nach der ihm eigenen Prägung zu formen. Dies zu tun aber nennt er die Liebe, die stark ist wie der Tod. Denn „alles erträgt sie, alles erduldet sie“.e Deshalb ist sie auch stark wie der Tod, der die Sünde tötet. Da also der Tod alles beherrscht, weil „in Adam alle sterben“,f und der Hades ebenso, ist die Liebe, sagt er, so beschaffen und ist der Eifer, den man Gott erweisen muss, unnachgiebig gegenüber den Sündern, wie der des Eliag 318 und des Pinchas.h 319 Oder der Bräutigam sagt dies zu ihr: Präge mich wie ein Siegel, um deine Überlegungen und Taten zu besiegeln und „bis zum Tod für die Wahrheit zu kämpfen“.i 320 Auch im Hades321 aber eiferten die Juden gegen Christus, indem sie die Soldaten bestachen.j

318 Zum Zorn Elias vgl. cat. Pal. in Ps. 118,139 (SC 189, 410–412); in Ioh. comm. VI 22,121 (GCS Orig. 4, 132). 319 Vgl. in Gen. hom. 1,17 (GCS Orig. 6, 21); in Num. hom. 20,5 (GCS Orig. 7, 198). Nach einer jüdischen Tradition, der Origenes sich nicht anschließt, ist Pinchas mit Elia zu identifizieren: in Ioh. comm. VI 14,83f. (GCS Orig. 4, 123). 320 Vgl. in Ioh. comm. XXVIII 23,192f. (GCS Orig. 4, 417). 321 D.h., als Jesu Seele sich während der Tage im Grab im Hades befand. Zur Hadesfahrt Christi und ihrer freiheitsmetaphysischen ethischen Deutung durch Origenes siehe Fürst, OWD 7, 97–100.

236

Fragmenta

Fragmentum 87 (Prokop 363; Barba`ra 80) Hld. 8,6e

PeriÂptera ayÆthÄw periÂptera pyroÂw, floÂgew ayÆthÄw.

TaÁ oiÆkodomhÂmata ayÆth Ä w toÁ paÂntvn eÆstiÁ leptomereÂsteron stoixeiÄon kaiÁ kauarvÂteron, Ïin’ vëw oë ueoÁw „poih Äì toyÁw aÆggeÂloyw ayÆtoy Ä pneyÂmata kaiÁ toyÁw leitoyrgoyÁw ayÆtoy Ä pyroÁw floÂga“, a toiayÂthn oëpoiÄow hËn kaiÁ oë tv Äì MvseiÄ eÆk th Ä w baÂtoy eÆn pyroÁw flogiÁ faneiÂw, b oyÏtvw aÆgapv Ä n poihÂshì floÂga pyroÁw paraplhsiÂvw toiÄw eëaytoyÄ leitoyrgoiÄw kaiÁ toyÁw aëgiÂoyw ayÆtoyÄ meueÂjontaw th Ä w eëaytoy Ä ueoÂthtow, kauoÁ „py Ä r eÆsti katanaliÂskon“· c oyÏtvw gaÁr pa Ä n eÆn ayÆtoiÄw aÆnalvuhÂsetai.

Fragmentum 88 (Prokop 367; Barba`ra 81) Hld. 8,7a b

Fragmentum 89 (Prokop 368; Barba`ra 82) ÆEaÁn dv Äì aÆnhÁr toÁn paÂnta biÂon ayÆtoyÄ eÆn thÄì aÆgaÂphì , eÆjoydenvÂsei eÆjoydenvÂsoysin ayÆtoÂn.

Ps. 103(104),4 (Hebr. 1,7) Dtn. 4,24; 9,3 (Hebr. 12,29) i 13,7f. Röm. 8,38

a

d

10

ÏYdvr polyÁ oyÆ dynhÂsetai sbeÂsai thÁn aÆgaÂphn, kaiÁ potamoiÁ oyÆ sygklyÂsoysin ayÆthÂn.

PaÂlin, eÆpeiÂper „oë ueoÁw hëmv Ä n py Ä r eÆsti katanaliÂskon“, d eÍsti deÁ kaiÁ e kataÁ toÁn ÆIvaÂnnhn aÆgaÂph, „py Ä r katanaliÂskon“ eÆstiÁn hë aÆgaÂph, hÎw kaiÁ taÁw oërmaÁw eÍxei pyroÁw floÂgaw, f oyÎ th Ä w dynaÂmevw aiÍsuontai oië „tv Äì pneyÂmati zeÂontew“. g ÏYdvr deÁ ny Ä n aië aÆntikeiÂmenai toiÄw ayÆthÁn aÆneilhfoÂsin eÆneÂrgeiai vëw sbeÂsai tayÂthn boyloÂmenai, aÆll’ eyëriÂskoysin ayÆthÁn iÆsxyroÂteran. PaÂnta gaÁr yëpomeÂnei kaiÁ oyÆdeÂpote piÂptei. h PeriÁ deÁ tv Ä n mhÁ sygklyzoÂntvn ayÆthÁn eiÍrhtai potamv Ä n· „PeÂpeismai gaÁr oÏti oyÍte uaÂnatow“ i kaiÁ taÁ eëjhÄw.

Hld. 8,7c d

5

b

c Ex. 3,2 (vgl. Apg. 7,30) Dtn. 4,24; 9,3 (Hebr. 12,29) e f g h 1 Joh. 4,8.16 Hld. 8,6 Röm. 12,11 1 Kor.

322 Frg. 87 ist wie frg. 84 in den Handschriften anonym überliefert und einmal Prokop selbst zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 274 (vgl. ebd. 493), stellt es (als Nr. 80) „nicht ohne Grund“, wie Auwers, CChr.SG 67, 418, notiert, zu den Origenesfragmenten. 323 Zu dieser für Origenes zentralen Gottesbezeichnung vgl. princ. I 1,2 (GCS Orig. 5, 17f.); II 8,3 (5, 156); in Hier. hom. 16,6 (GCS Orig. 32, 138); in Hiez. hom. 1,3.12 (GCS Orig. 8, 324. 335); in Lev. hom. 5,3 (GCS Orig. 6, 338); Cels. IV 13 (GCS Orig. 1, 282f.); in Matth. comm. XVII 19 (GCS Orig. 10, 639f.). 324 Siehe dazu ausführlich in Cant. comm. prol. 2,25–32 und resümierend ebd. prol. 2,47f.

15

20

Fragmente 87–89

237

Fragment 87 (Hld. 8,6)322 Hld. 8,6e

5

Ihr Gehäuse ist das allerfeinste und allerreinste Element, damit Gott so, wie er „seine Engel zu Winden und seine Diener zu einer Feuerflamme macht“,a die so beschaffen ist wie der, der dem Mose aus dem Dornbusch in einer Feuerflamme erschien,b auch seine Heiligen ganz wie seine eigenen Diener aus Liebe zu einer Feuerflamme macht, so dass sie an seiner Gottheit teilhaben, insofern er „verzehrendes Feuer ist“.c 323 Denn so wird alles in ihnen vollendet werden.

Fragment 88 (Hld. 8,7)

10

Hld. 8,7a b

15

20

Der Ring um sie ist ein Ring aus Feuer, ihre Flammen.

Viel Wasser wird die Liebe nicht auslöschen können, und Flüsse werden sie nicht überfluten.

Noch einmal: Weil „unser Gott verzehrendes Feuer ist“,d er nach Johannes aber auch Liebe ist,e 324 ist die Liebe „verzehrendes Feuer“.325 Die Antriebe326 zur Liebe kennt er auch als Flammen eines Feuers,f dessen Kraft diejenigen spüren, die „im Geiste glühen“.g 327 Wasser aber sind jetzt die Kräfte, die denen entgegengesetzt sind, die die Liebe angenommen haben, die diese sozusagen auslöschen wollen,328 aber sie als stärker erfahren. Alles nämlich erträgt sie und kommt niemals zu Fall.h Über die Flüsse aber, die sie nicht überfluten, ist gesagt: „Denn ich bin überzeugt, dass weder der Tod“i und so weiter.329

Fragment 89 (Hld. 8,7)330 Hld. 8,7c d

Wenn ein Mann sein ganzes Leben in der Liebe hingibt, wird man ihn verächtlich verachten.

325 An der in der vorvorigen Fußnote notierten Stelle in Matth. comm. XVII 19 (GCS Orig. 10, 639f.) ist die Aussage, dass Gott dann, wenn im Sünder alle Sünden „verzehrt“ sind, nicht mehr „verzehrendes Feuer“, sondern „Licht“ sein wird, in der lateinischen Übersetzung um die Aussage ergänzt: „und Liebe“. 326 Dieser Begriff könnte sich daraus erkären, dass Symmachus in Hld. 8,6 nicht wie die Septuaginta periÂptera, sondern oërmai übersetzt hat (II p. 423 Field). 327 Vgl. princ. II 8,3 (GCS Orig. 5, 156); in Rom. comm. IX 9 (SC 555, 122). 328 „Wasser“ im Gegensatz zu „Feuer“ bzw. die „Wasser unter dem Himmel“ stehen für Origenes für die Kräfte der Hölle: in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 4f.). 329 Zur Unsterblichkeit der Liebe vgl. in Cant. comm. prol. 2,27f. 330 Erneut gilt wie zu den frg. 84 und 87, dass frg. 89 in den Handschriften anonym überliefert und einmal Prokop selbst zugewiesen ist, dass es jedoch Barba`ra, BPat 42, 276 (vgl. ebd. 497), „nicht ohne Grund“, wie Auwers, CChr.SG 67, 422, einmal mehr notiert, zu den Origenesfragmenten stellt (Nr. 82).

238

Fragmenta

TiÂnew aÍlloi hà oië th Ä w aÆgaÂphw aÆlloÂtrioi; ëO goyÄn eëaytoÁn eÆpidoyÁw thÄì aÆgaÂphì PayÄlow fhsiÂn´ „LoidoroyÂmenoi eyÆlogoyÄmen, blasfhmoyÂmenoi parakaloy Ä men“ a kaiÁ eëjh Ä w. Pa Ä w deÁ biÂow aëployÂsteron meÂn, oÏsa tiw kataleÂloipen, Ïina XristoÁn kerdhÂshì b kaiÁ teleiÂvw aÆkoloyuhÂseien, hÍgoyn aÏtina pareÂxei ptvxoiÄw· c bauyÂteron deÁ hë logikhÁ pa Ä sa zvhÂ, hÊn oë katarghÂsaw taÁ toy Ä nhpiÂoy, d paÂnta praÂttvn eÆn aÆgaÂphì toÁn biÂon, aÆnatiÂuhsin ayÆth Äì . ÍHgoyn eÆpeiÁ mhdeÁn eÆn aÆnurvÂpoiw th Ä w aÆgaÂphw aÍjion praÂttetai, kaÃn paÂnta tiw eÆn aÆgaÂphì diateleÂshì toÁn biÂon, vëw mhdeÁn aÍjion draÂsaw eÆjoydenvuhÂsetai.

5

Fragmentum 90 (Prokop 371; Barba`ra 83) Hld. 8,8a

ÆAdelfhÁ hëmiÄn mikraÁ kaiÁ mastoyÁw oyÆk eÍxei.

10

ÍEti mikraÁ hë toy Ä aÆnurvÂpoy cyxhÁ kaiÁ eÆpiÁ gh Ä w eÍti eÆpiskeyazomeÂnh toy Ä ueoy Ä eÆkklhsiÂa kaiÁ nohÂmata (toy Ä to gaÁr oië mastoiÂ) mhÂpv eÍxoysa eÆpidiÂdvsin eiÆw meÂgeuow biÂoy kaiÁ nohmaÂtvn, eÆpaÁn tranvÂshì taÁ nohÂmata kaiÁ profhtikaÁ uevrhÂmata hà thÁn syÂmpnoiaÂn te kaiÁ synergiÂan xvrhÂshì dynaÂmevn, aiÊ kaiÁ tay Ä ta fasiÁ meta te profhtv Ä n kaiÁ dikaiÂvn pneymaÂtvn.

15

Fragmentum 91 (Prokop 372; Barba`ra 84) Hld. 8,8b c 8,9a b

Ti poihÂsvmen thÄì aÆdelfhÄì hëmv Än eÆn hëmeÂra, ì hÎì eÆaÁn lalhuhÄì eÆn ayÆthÄì ; EiÆ teiÄxoÂw eÆstin, oiÆkodomhÂsvmen eÆp’ ayÆthÁn eÆpaÂljeiw aÆrgyra Ä w´ kaiÁ eiÆ uyÂra eÆstiÂn, diagraÂcvmen eÆp’ ayÆthÁn saniÂda kedriÂnhn.

ÏOtan kyrvuv Ä si th Ä w mnhsteiÂaw oië loÂgoi, boyÂlontai poih Ä sai thÄì aÆdelfhÄì taÁ leiÂponta tayÂthì proÁw teleioÂthta. EiÆ gaÁr teiÄxow, fasiÂn, eÆstiÁn hë eÆkklhsiÂa, v Ï sper „styÂlow kaiÁ eëdraiÂvma th Ä w aÆlhueiÂaw“, e eÆpanaplhrvÂsvmen ayÆth Äì a

1 Kor. 4,12f.

b

Phil. 3,8

c

Vgl. Mt. 19,21

d

1 Kor. 13,11

e

1 Tim. 3,15

331 Vgl. in Num. hom. 15,3 (GCS Orig. 7, 133); in Ps. 38 hom. 1,4f. (SC 411, 340–348); in Rom. comm. IX 14 (SC 555, 132). 332 Die Schwierigkeiten, diese Forderung in die Praxis umzusetzen, erörtert Origenes ausführlich mit dem ihm eigenen Realitätssinn in Matth. comm. XV 16–19 (GCS Orig. 10, 395–404). 333 Zu diesem wachsenden Erkenntnisprozess vgl. Cels. II 4 (GCS Orig. 1, 130f.); V 60 (2, 63f.); in Hier. hom. 6,3 (GCS Orig. 32, 50f.). 334 Zu dieser „Übereinstimmung und Mitwirkung“ vgl. in Rom. frg. 52 (p. 20 Ramsbotham).

20

Fragmente 89–91

5

10

239

Wer anders wird das tun, wenn nicht die, die der Liebe fremd sind? Paulus jedenfalls, der sich selbst der Liebe hingegeben hat, sagt: „Wenn wir geschmäht werden, segnen wird, wenn wir verlästert werden, ermahnen wir“a und so weiter.331 Ein ganzes Leben aber bedeutet auf einfachere Weise verstanden, wieviel einer zurücklassen mag, um Christus zu gewinnenb und ihm vollkommen nachzufolgen, jedenfalls was er den Armen darbietet.c 332 Im tieferen Sinne aber ist es das ganze vernünftige Leben, das derjenige, der die kindlichen Dinge abgelegt hat,d indem er das ganze Leben in Liebe gestaltet, ihr (sc. der Liebe) weiht. Oder: Da nichts unter den Menschen getan wird, was der Liebe würdig ist, auch wenn einer das ganze Leben in Liebe zubringt, wird er, als hätte er nichts Würdiges getan, verachtet werden.

Fragment 90 (Hld. 8,8) Hld. 8,8a 15

20

Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste.

Die Seele des Menschen, die noch klein ist, und die noch auf der Erde bereitete Kirche Gottes, die noch keine Gedanken (das sind nämlich die Brüste) hat, entwickelt sich zur Größe des Lebens und der Gedanken, wenn sie die Gedanken und prophetischen Visionen deutlich versteht333 oder wenn sie der Übereinstimmung und der Mitwirkung334 der Mächte335 teilhaftig wird,336 die mit den Propheten und den gerechten Geistern ebenfalls diese Dinge äußern.

Fragment 91 (Hld. 8,8f.)337

25

Hld. 8,8b c 8,9a b

Was wollen wir unserer Schwester verschaffen an dem Tag, da wohl von ihr die Rede ist? Wenn sie eine Mauer ist, werden wir auf ihr silberne Schutzwehren errichten, und wenn sie eine Tür ist, werden wir auf ihr ein Zedernbrett anbringen.

Wenn die Eheverträge rechtskräftig werden, wollen sie der Schwester verschaffen, was dieser zur Vollkommenheit fehlt. Wenn nämlich, sagen sie, die Kirche eine Mauer ist, wie eine „Säule und Grundfeste der Wahrheit“,e wol335 Auwers, CChr.SG 67, 425, schreibt im Plural dynaÂmevn (wie PG 13, 216), woran sich das folgende Relativpronomen aiÏ leicht anschließen lässt. Barba`ra, BPat 42, 278, bevorzugt die unisono überlieferte Lesart dynaÂmevw im Singular, muss aufgrund des dann fehlenden Anschlusses aber eine Lücke im Text konjizieren (siehe auch ihre Erläuterungen ebd. 500f.). 336 Im Hoheliedkommentar erläutert Origenes immer wieder, wie die Seele entsprechend ihrer Fassungskraft der göttlichen Gedanken teilhaftig wird und dadurch reift: in Cant. comm. I 4,4; I 6,4f.; II 8,36–38; III 6,9; III 12,12. 337 Dieses Fragment steht nur in einer Handschrift unter dem Namen des Origenes, wird aber von Barba`ra, BPat 42, 278–280 (vgl. ebd. 501), zu Recht, wie auch Auwers, CChr.SG 67, 425, das beurteilt, unter die Origenesfragmente gestellt (Nr. 84).

240

Fragmenta

taÁw logikaÁw teleioÂthtaw, aÊw kaiÁ eÆpaÂljeiw eiÆrhÂkasi. UyÂra deÁ bebaioÂthw diagrafomeÂnh „oyÆ meÂlani aÆllaÁ pneyÂmati ueoyÄ zv Ä ntow“· a vëw eÆpiÁ uyÂraw deÁ kaiÁ saniÂda fasiÁn eÆsxhmatismeÂnhn proÁw uyÂraw teleiÂvsin´ hë deÁ kedriÂnh thÁn aÍfuarton dhloiÄ toy Ä pneyÂmatow peribolhÂn´ ayÏth gaÁr sfiÂggei thÁn aÆnurvpiÂnhn aÆsueÂneian. ÆErvtv Ä si toiÂnyn oië aÏgioi periÁ tv Ä n neofvtiÂstvn kaiÁ deÂxontai aÆpoÂkrisin. EiÆ stereaÁ peÂtra eÆgeÂneto kaiÁ th Äì piÂstei eëdraiÂa, b prosuv Ä men taÁ ueiÄa loÂgia· eiÆ deÁ uyÂra eÆstiÁn eyÍstrofow kaiÁ eÆk th Ä w synagvgh Ä w eÆpiÂsteysen, yëpograÂcvmen ayÆth Äì thÁn aÍshpton tv Ä n patriarxv Ä n politeiÂan kaiÁ perisfiÂgjvmen ayÆthÁn eÆpaÂljeiw pyÂrgvn.

5

Fragmentum 92 (Prokop 373; Barba`ra 85)

10

Hld. 8,10a b

ÆEgvÁ teiÄxow, kaiÁ mastoi moy vëw pyÂrgoi´ eÆgvÁ hÍmhn eÆn oÆfualmoiÄw ayÆtoyÄ vëw eyëriÂskoysa eiÆrhÂnhn.

ëYmeiÄw meÁn nomiÂzete me mastoyÁw mhÁ eÍxein c kaiÁ taÁ eëjh Ä w. ÆEgvÁ deÁ th Ä w pollh Äw eiÆw eÆmeÁ xaÂritow toy Ä nymfiÂoy kaiÁ th Ä w eÆmh Ä w mnhsteiÂaw aiÆsuanomeÂnh proÁw meÂgeuow eÆdeÂhsa, peripoioymeÂnh kaiÁ aÍlloiw aÆsfaÂleian kaiÁ eiÆw plh Ä uow uevrhmaÂtvn, vëw dittoiÄw aÆpeikaÂzesuai pyÂrgoiw, dhloyÂntvn toÁn periÁ tv Ä n aiÆsuhtv Ä n loÂgon kaiÁ thÁn periÁ tv Ä n nohtv Ä n eÆpisthÂmhn. KaiÁ eÆpeiÁ eÆzhÂthsa thÁn eiÆrhÂnhn kaiÁ eÆdiÂvja ayÆthÂn, d toiayÂth tiw hÍmhn eÆn oÆfualmoiÄw toyÄ nymfiÂoy mauoy Ä sa kaiÁ toy Ä to aÆpoÁ toy Ä pneyÂmatow, oÏti oië oÆruv Ä w zhthÂsantew ayÆtoÁn eyÎron eiÆrhÂnhn, e hÏtiw eÆstiÁ XristoÂw. f

Fragmentum 93 (Prokop 377; Barba`ra 86) Hld. 8,11a b c a

2 Kor. 3,3

ÆAmpelvÁn eÆgenhÂuh tv Äì SalomvÁn eÆn BeelamvÂn´ eÍdvken toÁn aÆmpelv Ä na ayÆtoyÄ toiÄw throyÄsin, aÆnhÁr oiÍsei eÆn karpv Äì ayÆtoyÄ xiliÂoyw aÆrgyriÂoy. b

Kol. 1,23

c

Hld. 8,8

d

Ps. 33(34),15

e

Spr. 16,8

f

Eph. 2,14

338 Zur menschlichen Schwäche bei Origenes siehe frg. 8 und dazu oben S. 150 Anm. 19. 339 Nach in Lev. hom. 15,2 (GCS Orig. 6, 489) ist der Glaube „von der Mauer der kirchlichen und apostolischen Lehre umschnürt“. 340 Das Verbum perisfiÂggein, „umschnüren“, geht wohl auf Symmachus zurück, der Hld. 8,9 so übersetzt hat (II p. 423 Field). Die Septuaginta hat diagraÂfein.

15

20

Fragmente 91–93

5

10

241

len wir ihr die vernunftgemäßen Vollkommenheiten in Fülle bereiten, die sie auch Schutzwehre genannt haben. Eine Tür aber ist die Festigkeit, die „nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes“a angebracht ist, wie sich auf der Tür, sagen sie, auch ein Brett befindet, das zur Vollendung der Tür hergestellt worden ist. Das Zedernbrett aber weist auf den unvergänglichen Umhang des Geistes hin. Dieser umschnürt nämlich die menschliche Schwäche.338 Es fragen also die Heiligen nach den Neugetauften und erhalten Antwort. Wenn sie (sc. die Schwester) ein fester Felsen geworden und im Glauben gefestigt ist,b 339 wollen wir die göttlichen Worte hinzufügen. Wenn sie aber eine wohlgedrehte Tür ist und von der Synagoge zum Glauben gekommen ist, wollen wir ihr die unverwesliche Bürgerschaft der Patriarchen zuschreiben und sie mit den Schutzwehren von Türmen umschnüren.340

Fragment 92 (Hld. 8,10)341 15

20

25

Hld. 8,10a b

Ich bin eine Mauer, und meine Brüste sind wie Türme; ich war in seinen Augen wie eine, die Frieden gefunden hat.

Ihr glaubt zwar, dass ich keine Brüste habe,c und so weiter. Ich aber habe die reichliche Gnade des Bräutigams mir gegenüber und die meiner Heirat wahrgenommen und sie für meine Größe benötigt, und so habe ich sowohl für andere Dinge als auch für die Menge der Lehren Sicherheit gewonnen, so dass sie (sc. die Brüste) mit zwei Türmen verglichen werden, die auf die Theorie über die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände und auf die Erkenntnis über die geistigen Dinge hinweisen. Und da ich den Frieden suchte und ihm nachjagte,d war ich in den Augen des Bräutigams eine solche, die auch dies vom Geist gelernt hat, dass die, die ihn recht gesucht haben, Frieden gefunden haben,e der Christus ist.f 342

Fragment 93 (Hld. 8,11) 30

Hld. 8,11a b c

Ein Weinberg wurde für Salomo in Baal-Hamon angelegt. Er übergab seinen Weinberg den Wächtern; ein Mann wird für seine Frucht tausend Silberstücke einbringen.

341 Dieses Fragment ist anonym überliefert und in nur einer Handschrift Gregor (von Nyssa) zugewiesen. Barba`ra, BPat 42, 280–282 (vgl. ebd. 504), nimmt es unter die Origenesfragmente auf (Nr. 85), einmal mehr akzeptiert von Auwers, CChr.SG 67, 427. 342 Zum Frieden als Frucht des Geistes neben Liebe und Freude siehe in Cant. comm. III 15(IV 1),9; ferner auch in Rom. comm. X 2,1 (SC 555, 272).

242

Fragmenta

XristoÁw oë eiÆrhmeÂnow SolomvÁn „oë toÁ mesoÂtoixon toy Ä fragmoy Ä lyÂsaw, thÁn eÍxuran, eÆn th Äì sarkiÁ ayÆtoy Ä poiv Ä n eiÆrhÂnhn“. a MhdeiÁw oyËn zhteiÂtv b eÍjv toy Ä BeelamvÂn, toyteÂsti toy Ä eÍxontow plh Ä uow aÆuroiÂsmatow „eÆn oÆnoÂmati ÆIhsoy Ä Xristoy Ä “ c synagomeÂnoy toÁn karpofoÂron aÆmpelv Ä na d toyÄ loÂgoy kaiÁ e Xristoy Ä , oÊn pareÂdvke fylaÂjein, Ïina mhÁ „lymhÂnhtai ayÆtoÁn yÎw eÆk drymoy Ä kaiÁ monioÁw aÍgriow katanemhÂshtai ayÆtoÁn“ f mhdeÁ „tryghÂsvsin ayÆtoÁn oië paraporeyoÂmenoi thÁn oëdoÂn“. g KaiÁ toioy Ä tow oë aÆmpelvÁn, vëw toÁn karpoÁn ayÆtoy Ä feÂresuai yëpoÁ kathrghkoÂtow taÁ toy Ä nhpiÂoy h aÆndroÁw kaiÁ eiËnai aÍjion aÆrgyriÂoy xiliÂvn. LoÂgoy gaÁr timiÂoy kaiÁ polloyÄ aÆjiÂoy kaiÁ uaymasiÂoy, oÏw aÆrgyÂrion eiÍrhtai, toyÄ aÆmpelvÂnow aÍjiow oë karpoÂw. ëO deÁ tv Ä n xiliÂvn aÆriumoÁw eÍxei proÁw thÁn monaÂda syggeÂneian, dioÁ kaiÁ pareiÂlhptai. FyÂlakew deÁ toy Ä aÆmpelv Ä now oië aÍggeloi.

5

10

Fragmentum 94 (Prokop 378; Barba`ra 87) Hld. 8,12a b c

ÆAmpelvÂn moy eÆmoÁw eÆnvÂpioÂn moy´ oië xiÂlioi soiÂ, SalomvÂn, kaiÁ oië diakoÂsioi toiÄw throyÄsi toÁn karpoÁn ayÆtoyÄ.

15

Tay Ä ta eiÍte th Ä w eÆkklhsiÂaw eiÍte th Ä w nyÂmfhw toy Ä loÂgoy cyxh Ä w eÆf’ eëkateÂraw aÆmpelvÁn karpofoÂrow i noeiÄtai kaiÁ oiËnow eyÆfraiÂnvn kardiÂan aÆnurvÂpoy, j hÍdh deÁ kaiÁ svth Ä row toy Ä aÆlhuv Ä w eiÆrhnikoy Ä . LeÂgei goy Ä n eÆn toiÄw KritaiÄw proÁw taÁ jyÂla hë aÍmpelow· „ÆAfeiÄsa toÁn oiËnon moy, thÁn eyÆfrosyÂnhn toy Ä ueoy Ä kaiÁ aÆnurvÂpvn, poreyuhÂsomai aÍrxein tv Ä n jyÂlvn;“ k OyÆkoy Ä n aÆkoÂloyuon kaiÁ toÁn XristoÁn aÆpoÁ karpoy Ä thÄw toiayÂthw aÆmpeÂloy lambaÂnein, oÏper dhloiÄ toÁ Oië xiÂlioi tv Äì SalomvÂn. EiÆkoÁw deÁ kaiÁ toyÁw fyÂlakaw aÆggeÂloyw metalambaÂnein toyÄ th Ä w nyÂmfhw aÆmpelv Ä now, oÏper pariÂstatai diaÁ toyÄ KaiÁ oië diakoÂsioi toiÄw throyÄsi toÁn karpoÁn ayÆtoyÄ. OyÆ gaÁr moÂnon, „tiÂw fyteyÂei“, aÆllaÁ kaiÂ, tiÂw Eph. 2,14f. Ps. 79(80),14 k Ri. 9,12f. a

b

f

g

1 Kor. 10,24 Ps. 79(80),13

c h

Apg. 10,48 1 Kor. 13,11

d i

Vgl. Jer. 2,21 Vgl. Jer. 2,21

j

e Vgl. Hld. 1,6 Ps. 103(104),15

343 Zu dieser Typologie siehe z.B. in Cant. comm. prol. 4,17. 344 Vgl. in Cant. hom. 1,1, dort mit 1 Kor. 1,21: „Dies alles suche nicht draußen (noli foris quaerere), nicht außerhalb derer, die durch die Verkündigung des Evangeliums gerettet sind.“ Ausführlich dazu: in Ios. hom. 3,5 (GCS Orig. 7, 306f.). 345 Die Erklärung geht möglicherweise auf die etymologisierende Wiedergabe des Namens BeelamvÂn mit eÆn eÍxonti plhÂuh durch Aquila zurück (II p. 423 Field). Danach hat auch Hieronymus in der Vulgata übersetzt: in ea quae habet populos (p. 1002 Weber/Gryson). Siehe die ausführlichen Hinweise zu dieser Lesart bei Barba`ra, BPat 42, 507f. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 357f.; Auwers, L’interpre´tation du Cantique 243. 346 ÍAuroisma und synagvgh verwendet Origenes als Bezeichnungen für die christliche Gemeindeversammlung. Siehe Fürst, OWD 7, 202 Anm. 1,

20

25

Fragmente 93–94

5

10

Christus, der Salomo genannt wird,343 ist es, „der die Zwischenwand der Mauer aufgelöst hat, die Feindschaft, der in seinem Fleisch Frieden schafft“.a Niemand sucheb also außerhalb344 von Baal-Hamon, das heißt außerhalb dessen, der die „im Namen Jesu Christi“c Versammelten in Fülle345 zusammengebracht hat,346 den fruchttragenden Weinstockd des Wortes und Christi, den er zum Bewachen übergeben hat,e damit ihn nicht „der Eber aus dem Gehölz verwüstet und das einsame Wild ihn abweidet“f und „ihn“ nicht „die, die den Weg vorbeiwandern, abernten“.g Und der Weinberg ist so beschaffen, dass seine Frucht hervorgebracht wird von dem Mann, der das, was Kind an ihm war,h abgelegt hat, und dass er tausend Silberstücke wert ist. Denn des ehrenhaften und wertvollen und bewundernswerten Wortes, das Silber genannt wird, ist die Frucht des Weinbergs wert. Die Zahl Tausend aber hat eine gewisse Verwandtschaft mit der Einheit, weshalb sie auch dazugenommen wurde. Die Wächter des Weinbergs aber sind die Engel.347

Fragment 94 (Hld. 8,12)348

15

Hld. 8,12a b c 20

25

243

Mein Weinberg vor mir gehört mir, die tausend dir, Salomo, und die zweihundert denen, die seine Frucht bewachen.

Diese Aussagen, seien es die der Kirche, seien es die der Braut des Wortes, der Seele,349 werden bei jedem von beiden als fruchttragender Weinbergi verstanden und als Wein, der das Herz des Menschen erfreut,j 350 gewiss aber auch vom wahrhaft Frieden stiftenden Erlöser.351 Jedenfalls sagt im Buch der Richter der Weinstock zu den Bäumen: „Soll ich meinen Wein aufgeben, die Freude Gottes und der Menschen, und darangehen, über die Bäume zu herrschen?“k Also ist es folgerichtig, dass auch Christus von der Frucht eines solchen Weinstocks nimmt, worauf die Aussage hinweist: Die tausend gehören Salomo. Es ist aber wahrscheinlich, dass auch die Wächterengel352 am Weinberg der Braut Anteil erhalten, weshalb hinzugesetzt wird: Und die zweihundert gehören denen, die seine Frucht bewachen. Denn nicht nur: „Wer

347 Vgl. in Cant. comm. II 3,18. 348 Wie bei frg. 84, 87 und 89 ist frg. 94 ohne Namensangabe überliefert. Barba`ra, BPat 42, 284 (vgl. ebd. 509), weist es Origenes zu (Nr. 87), akzeptiert von Auwers, CChr.SG 67, 431. 349 Auf Kirche und Seele bezieht Origenes grundsätzlich die Aussagen des Hoheliedes. Zu ihrem inneren Zusammenhang siehe in Cant. comm. I 1,5 und dazu oben S. 210 Anm. 223 zu frg. 56. 350 Siehe dazu frg. 5, 8 und 73 und in Cant. comm. II 1,33; zur Frucht des Weinstocks: ebd. II 11,5–8. 351 Zum Friedensstifter Salomo/Christus siehe in Cant. comm. prol. 4,17–20; II 1,27.38.53 und zur Erklärung dieser Etymologie OWD 9/1, 114 Anm. 108. 352 Siehe dazu den letzten Satz von frg. 93.

244

Fragmenta

threiÄ „aÆmpelv Ä na kaiÁ oyÆ faÂgetai toÁn karpoÁn ayÆtoy Ä ;“ a TaÁ periÁ ueoy Ä toiÂnyn doÂgmata oië xiÂlioi eiÆsi syggenv Ä w eÍxontew th Äì monaÂdi tv Äì SalomvÁn aÆnakeiÂmenoi´ taÁ deÁ periÁ tv Ä n kataÁ thÁn yÏlhn kaiÁ taÁ aiÆsuhtaÁ toiÄw diakonoymeÂnoiw eÆn th Äì yÏlhì diakosiÂoiw proÁw thÁn dyaÂda syggeÂneian eÍxoysin, periÁ v Î n toÁ „Th Äì gaÁr mataioÂthti hë ktiÂsiw yëpetaÂgh oyÆx eëkoy Ä sa, aÆllaÁ diaÁ toÁn yëpotaÂjanta“· b mataioÂthw gaÁr hë yÏlh kaiÁ taÁ svmatikaÂ. Oië deÁ karpoiÁ toy Ä aÆmpelv Ä now, aÆf’ v Î n oië xiÂlioi kaiÁ oië diakoÂsioi diÂdontai, oië „yëpeÁr tv Ä n lhnv Ä n“ eiÆsi calmoiÂ, c hëniÂka oië karpoiÁ toy Ä aÆmpelv Ä now eÆkpiezoÂmenoi toÁn eyÆfraiÂnonta ueoÁn kaiÁ aÆnurvÂpoyw d kaiÁ toyÁw throy Ä ntaw oiËnon poihÂsoysin.

5

Fragmentum 95 (Prokop 385; Barba`ra 88)

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Hld. 8,13a b 8,14a b

ëO kauhÂmenow eÆn khÂpoiw, eëtaiÄroi proseÂxontew thÄì fvnhÄì soy´ aÆkoyÂtisoÂn me. FyÂge, aÆdelfide moy, kaiÁ oëmoivÂuhti thÄì dorkaÂdi hà tv Äì nebrv Äì tv Ä n eÆlaÂfvn eÆpiÁ oÍrh aÆrvmaÂtvn.

EiËden hë nyÂmfh toÁn nymfiÂon aÆnapayoÂmenon eÆn toiÄw khÂpoiw kaiÁ toyÁw eëtaiÂroyw ayÆtoyÄ proseÂxontaw ayÆtoyÄ thÄì fvnhÄì , hÎw hÍkoysen ayÏth. KaiÁ boyÂletai ayÆtoÁn oÆjeÂvw kaiÁ dioratikv Ä w oërv Ä nta aÆpoÁ tv Ä n th Äì de pragmaÂtvn eÆkkliÄnai, taÂxei meÁn kaiÁ oÆjydorkiÂaì vëmoivmeÂnon dorkaÂdi, nebrv Äì deÁ tv Äì tv Ä n polemiÂvn vëw oÍfevn kaiÁ skorpiÂvn e katafronhtikv Ä w eÍxein, kaiÁ aÆnelueiÄn proÁw toyÁw aÆnesthkoÂtaw vëw oÍrh kaiÁ paÂshw pneÂontaw eyÆvdiÂaw, periÁ v Î n toÁ „Oië uemeÂlioi ayÆtoy Ä eÆn toiÄw oÍresi toiÄw aëgiÂoiw“. f KaiÁ tay Ä ta kataÁ toyÁw ëEbdomhÂkonta kaiÁ UeodotiÂvna kaiÁ thÁn peÂmpthn eÍkdosin. ëO meÂntoi ÆAkyÂlaw hë kauhmeÂnh eÆn khÂpoiw eÆjeÂdvken, oë deÁ SyÂmmaxow hë katoikoyÄsa, vëw leÂgesuai taÁ prv Ä ta proÁw thÁn nyÂmfhn kauhmeÂnhn paraÁ toiÄw iÆdiÂoiw karpoiÄw, kaiÁ toyÁw eëtaiÂroyw ayÆtoy Ä prosektikv Ä w ayÆth Ä w aÆkroa Ä suai xaiÂrontaw th Äì fvnhÄì kaiÁ ayÆtoÁn ayÆthÁn parormv Ä nta paraskeyaÂsai taÁ th Ä w aÆkoh Ä w aÍjia th Ä w ayÆtoy Ä ´ taÁ deÁ teleytaiÄa paraÁ th Ä w nyÂmfhw, toÁ FyÂge, vëw aÃn eÏpesuai kaiÁ ayÆthÁn diaÁ toÁ teÂleion dynameÂnhn. a f

1 Kor. 9,7 Ps. 86(87),1

353 354 355 356

b

Röm. 8,20

c

Ps. 8,1; 80(81),1; 83(84),1

d

Ri. 9,13

e

Lk. 10,19

Vgl. frg. 93: „Die Zahl Tausend hat eine gewisse Verwandtschaft mit der Einheit.“ Vgl. princ. I 7,5 (GCS Orig. 5, 91–94); III 5,4 (5, 273–275). Vgl. in Cant. comm. III 6,4, ferner in Ps. prol. frg. 1,1 (p. 1 Rietz). Zu diesen Legenden über die Gazelle und den Hirsch bzw. das Hirschkalb siehe oben S. 170 Anm. 94. 357 In Cant. comm. III 13,42f. erläutert Origenes die Berge als die Trinität und deren Besteigung als ihre Erkenntnis.

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20

25

Fragmente 94–95

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245

pflanzt“, sondern auch: Wer bewacht „den Weinberg und isst nicht seine Frucht?“a Die Lehrsätze über Gott sind also die Tausend, die mit der Einheit verwandt sind,353 weil sie dem Salomo geweiht sind. Die Dinge aber, die mit der Materie zusammenhängen, und die Sinnesdinge haben durch die Zweihundert, die in der Materie Dienst leisten, eine Verwandtschaft mit der Zweiheit. Über sie handelt die Aussage: „Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat.“b 354 Denn Nichtigkeit sind die Materie und die leiblichen Dinge. Die Früchte des Weinbergs aber, von denen die Tausend und die Zweihundert kommen, sind die Psalmen „über den Keltern“,c 355 wenn die Früchte des Weinbergs ausgedrückt werden und den Wein hervorbringen, der Gott und Menschen und die Wächter erfreut.d

Fragment 95 (Hld. 8,13f.) 15

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Hld. 8,13a b 8,14a b

Der in Gärten sitzt, Gefährten deiner Stimme lauschend: Lass mich dich hören! Fliehe, mein Geliebter, und werde der Gazelle gleich oder dem Hirschkalb auf Bergen von Duftkräutern!

Die Braut sah den Bräutigam in den Gärten ruhen und seine Gefährten seiner Stimme lauschen, die sie auch selbst hörte. Und sie will ihn, der scharf und durchdringend sieht, von den Dingen hier abwenden, wobei er an Schnelligkeit und Scharfsichtigkeit der Gazelle gleicht, dem Kalb hingegen darin, dass er sich gegenüber den Feinden wie gegenüber Schlangen und Skorpionene verächtlich verhält.356 Und er soll hinaufsteigen zu denen, die sich erheben wie Berge357 und jeglichen Wohlgeruch verströmen, über die gesagt wird: „Seine Fundamente sind auf den heiligen Bergen.“f Und dies der Wortlaut nach den Siebzig und Theodotion und der fünften Ausgabe. Aquila hingegen hat wie folgt wiedergegeben: die in Gärten sitzt, Symmachus aber die wohnt,358 so dass die ersten Worte zu der Braut gesagt werden, die unter ihren eigenen Früchten sitzt, und seine Gefährten ihr aufmerksam zuhören und sich über die Stimme freuen und er sie anspornt, die Eigenschaften des Gehörs seiner Botschaft würdig zu machen. Der Schluss aber wird von der Braut gesagt, das Fliehe, weil sie aufgrund der Vollkommenheit auch ihrerseits zu folgen in der Lage ist.359 358 Aquila und Symmachus beziehen die Aussage in Hld. 8,13 also nicht wie die anderen Übersetzungen auf den Bräutigam, sondern auf die Braut (II p. 423 Field). Vgl. auch Barba`ra, BPat 42, 513. 359 Nach diesem Fragment Prokops endet der Hoheliedkommentar des Origenes damit, dass die Braut den Bräutigam (nicht umgekehrt!) auffordert, das Materiell-Irdische zu verlassen. Die dem Wort Gottes anhangende Seele hat die Vollkommenheit erreicht, ihm auf diesem Weg folgen zu können. Man denkt unausweichlich an Plotins „Flucht des Einen zum Einen“: enn. VI 9,11.

Das Fragment aus den Hoheliedhomilien Fragmentum (Barba`ra App. 6) ëO eyÆvdiaÂzvn thÁn cyxhÁn loÂgow eÆgkaÂrdioÂw moi keiÂsetai zvpyrv Ä n toÁ pa Ä n toy Ä svÂmatow. ÍOnoma deÁ tv Äì kyriÂvì hë filanurvpiÂa pepoiÂhken. ÆAdelfoÁw gaÁr hëmv Ä n eÆxrhmaÂtisen´ hÍtoi kaiÁ hë eÆj eÆunv Ä n aÆdelfidoy Ä n kaleiÄ, aÏte yiëoÁn th Äw aÆdelfh Ä w, oÏ eÆsti th Ä w ÆIoydaiÂvn synagvgh Ä w.

360 Dieses Fragment stammt aus den Hoheliedhomilien des Origenes und fasst einen größeren Passus aus in Cant. hom. 2,3 zusammen. Es ist im Codex Vindobonensis theol. graec. 258, saec. XV–XVI, fol. 9, unter dem Namen des Origenes überliefert und wurde zum ersten Mal ohne Autorenangabe 1617 von Johannes Meursius (p. 20 bzw. in der Neuausgabe von J. Lami von 1746 col. 149) herausgegeben: Barba`ra, BPat 42, 124 Anm. 171. Moderne Editionen: Barba`ra, Frammento catenario 46, und Barba`ra App. 6, woraus es hier abgedruckt ist (vgl. dies., BPat 42, 126f. 532). Der Inhalt des Fragments findet keine Entsprechung im Kommentar zu Hld. 1,13

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Das Fragment aus den Hoheliedhomilien Fragment zu Homilie 2,3 (Hld. 1,13)360

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Das Wort, das die Seele wohlriechend macht, wird mir am Herzen liegen, wobei es das Ganze des Leibes zum Leben entfacht. Die Menschenliebe361 aber hat dem Herrn einen Namen gegeben, denn er wurde als unser Bruder bezeichnet. Doch auch die Kirche aus den Völkern nennt ihn einen Neffen, da er der Sohn der Schwester ist, das heißt der Synagoge der Juden.

und auch nicht in den beiden dazu erhaltenen Stücken in der Katene Prokops (frg. 18 und 19), wohl aber später bei Theodoret von Kyrrhos, in Cant. I 1,12b–13a (PG 81, 81): Barba`ra, Frammento catenario 46f. 361 In Ioh. comm. I 20,121 (GCS Orig. 4, 25); II 26,166 (4, 83); Cels. IV 15 (GCS Orig. 1, 284) bezeichnet filanurvpiÂa die Menschwerdung des Logos, die Origenes, in Cant. comm. II 10,8–10, mit dem „Bündel“ bzw. „Tropfen Myrrhe“ aus Hld. 1,13 verbindet, ausführlich erläutert in dem im vorliegenden Fragment zusammengefassten Abschnitt in Cant. hom. 2,3.

Bibliographie Für Editionen und Übersetzungen der Werke des Origenes sowie weiterer wichtiger Quellen, auf die in diesem Band lediglich mit den Namen der Editoren und Editorinnen bzw. Übersetzer und Übersetzerinnen sowie den Siglen der jeweiligen Reihen hingewiesen wird, siehe das Verzeichnis in OWD 1/1, xvii–xxiv, zu den Abkürzungen ebd. xiv–xvi. Abkürzungen von Reihen, Zeitschriften und Lexika richten sich nach S. M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992. Was darin nicht enthalten ist, ist ausgeschrieben.

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Register Bibelstellen Die Anordnung der biblischen Bücher des Alten Testaments folgt der Reihenfolge in der Septuaginta, da Origenes nach dieser zitiert hat. Die Seitenangaben beziehen sich sowohl auf den Text als auch auf die Fußnoten. Genesis 1,1 1,4.10.12 1,16 1,18.21.25 1,27 1,31 2,24 18,1 19,1 20,12 24,2f. 24,67 27,27 27,42–45 29,17f. 31,40 43,16.25 49,9

72 100 216 100 156 100 120 90 90 124 221 142 126, 154 50 142 188 90 94, 100, 126, 160

Exodus 1,14 2,23.24 3,2 5,7 9,12 13,3.8 15,1 16,1ff.

152 154 236 154 152 66 66, 92 16

26,34 30,10 30,22f. 30,34 30,34f. 30,35 31,3.11 33,3 33,22f.

66 66 72 72, 104f. 73 72 72 230 134, 135

Levitikus 1,9 1,13 2,2 5,7 6,8 8,21 10,14 12,8 16,31

206, 207 206 224 132, 133 224 206 74, 75 132 66

Numeri 1,7 12,1 21,17f. 24,9 25,11

218 84, 85 17, 68 94, 100, 126 234

260

Register

Zweites Buch Esra/Nehemia 8,28 LXX 220

30(31),19 33(34),15 35(36),9 36(37),4 37(38),6 44(45),8 44(45),9 44(45),9f. 44(45),10 44(45),11 44(45),12 44(45),15 47(48),15 67(68),32 71(72),6 73(74),13f. 73(74),17 79(80),9.11 79(80),13.14 80(81),1 83(84),1 86(87),1 90(91),5f. 101(102),12 103(104),4 103(104),15 103(104),34 106(107),42f. 108(109),11f. 117(118),22 120(121),6 123(124),4 123(124),7f. 144(145),15

75 240 124 124 72, 104 70, 72 162 106 148 220, 221 146 148 186 84 105, 163 128, 129 176 108 242 244 244 130, 244 188 188 236 146, 150, 228, 242 136 110 75 104 114, 188 216 130 16

Psalmen 1,2 8,1 17(18) 17(18),12 18(19),6 18(19),9 22(23),5

Sprichwörter 1,20 2,5 3,16 4,6 4,6.8 9,5 11,13

192 31 124 142 74, 100 222 196, 229

Deuteronomium 4,24 52, 236 9,3 52, 236 11,10 200 14,4 128 27,9 136 32,1 68 32,6 104 32,32 154 Richter 4,4 5 9,12f. 9,13

68 68 242 244

Erstes Buch Samuel 1,1 5, 80 1,1f. 101 Zweites Buch Samuel 22,2 68 Erstes Buch der Könige 5,4 86 10,2.10 76 19,10 234 20,2 200 Erstes Buch der Chronik 29,15 168

133 244 68 204, 205 214 112 76

Bibelstellen

15,7 16,8 16,24 22,20 27,10

228 240 200 192, 193 110

1,17 2,1 2,1f. 2,2

Kohelet 10,19

118

2,4 2,5

Hohelied 1,1 1,1–1,12 1,2 1,2f. 1,3 1,4 1,5 1,5f. 1,6 1,7 1,8 1,9 1,10 1,11 1,11f. 1,12 1,12f. 1,12–2,14 1,13 1,14 1,15 1,16

66 5, 64f. 11, 16, 70, 74, 76, 82, 144–147, 228, 229 70, 76, 146f. 76, 78, 79, 80, 114, 148f., 160 11, 62, 72, 80, 82, 148f., 158, 224, 225 42, 48, 76, 85, 86, 108, 150f. 82, 86, 88 88, 152f., 154f., 242 90 92, 154–159, 162 92 5, 76, 92, 158f. 70, 94 102, 158–161 32, 66, 70, 71, 73, 94, 100, 101, 102, 160f. 102 5, 96–99 46, 104, 105, 106, 160–163, 246f. 108 45, 76, 108, 110, 112, 134, 162–165, 212 33, 44, 108, 112, 114, 164f.

2,3

2,6 2,7 2,7f. 2,8 2,8f. 2,8–14 2,9 2,9f. 2,9–14 2,10 2,10f. 2,10–12 2,10–13 2,12 2,12f. 2,13f. 2,14 2,14f. 2,15 2,16f. 2,17 3,1 3,1–4 3,2 3,4 3,6 4,1 4,1f. 4,2 4,3

261 114 114, 164–167 165, 188 114, 166–169, 186, 222 21, 114, 116, 118, 122, 170, 234 8, 23, 118, 120, 168f. 14, 18, 43, 46, 122, 123, 168–171, 187, 190, 191 74, 122, 123, 124 124, 126, 170f., 172 126 18, 126, 153, 170, 177 176f. 170–177 23, 34, 128, 130, 132 44, 176–179 5 132 173 132, 133 178–181 132, 180f. 134 134, 180–183 9, 100, 134, 135, 136 14 34, 41, 51, 182–185, 186 186–189 168, 188–191 192 190–195 16 48 194f. 212 211 194f. 194–197, 216

262 4,4 4,5 4,5f. 4,9–11 4,12 4,16 5,2 5,4–6 5,6 5,10 5,11f. 5,13 5,14 5,15 6,2 6,2f. 6,3 6,4 6,5 6,5f. 6,7f. 6,8f. 6,9 6,9f. 6,10 6,11f. 7,1 7,2 7,3 7,5 7,5f. 7,7f. 7,8 7,9 7,10 7,11 7,12f. 8,1f. 8,2 8,3.4 8,5 8,6

Register

196–199 198, 222f. 198f. 198–201 200f. 200–203 48, 202f., 228 202f. 16, 204f. 204f. 204–207 206f. 76, 206f. 207 222 206–209 186 208f., 212 208–211 210f., 80 51, 210–215 41, 48, 228 214–217 217 216–219 45, 218–221 76, 220f. 222f. 222–225 224f. 226f. 226 47, 48, 226–229 228f. 48, 82, 228f. 228–231 230f. 230f., 231 232f. 15, 48, 84, 85, 90, 150, 232f., 234f. 234f., 236f.

8,7 8,8f. 8,10 8,11 8,12 8,13f. 8,14

236–239 238–241 240f. 49, 240–243 49, 242–245 244f. 50

Ijob 7,1 8,9 38,41

108 168, 198 17, 206

Weisheit 5,9 7,27 8,2

188 176 74

Jesus Sirach 4,28 9,13 LXX (9,20 21,2 28,25

234 Vulg.) 130 50 228

Hosea 2,21f.

144

Micha 2,11f.

104

Joe¨l 1,12

234

Habakuk 3,3 3,8

202 92

Zephanja 3,10

84

Sacharja 1,10 10,1

192 178

263

Bibelstellen

Maleachi 4,2(3,20)

152, 214, 216

Jesaja 1,21 5,1–7 5,6 8,14 9,1 9,5 26,1 26,17f. 26,18 30,26 40,15 45,3 45,8 49,2 49,2.6 52,6 55,13 62,5 65,24

126 68 178 104 116, 168 176 182 206 205, 207 216 104, 106 80 178 14, 43, 123, 170 122 70 114 146 70

Jeremia 2,21 3,22 9,21 13,11 13,16 45(38),4.6.13 46(39),16–18

242 110 130, 178 162 130 150 152

Baruch 1,10

224

Klagelieder 4,20

116, 166, 167

Ezechiel 13,18 23,3 34,26

124f. 106 178

Daniel 2,34

104

Matthäus 3,10 3,16 4,16 4,23 5,28 5,44 6,9 6,13 6,28–30 6,29 7,7 7,12 8,23f. 8,24 8,26 8,27 8,30f. 9,6 9,18–25 10,16 10,37 11,29 12,42 17,19f. 19,5 19,19 19,21 21,19 22,37 22,39 24,16 24,32 24,35 25,29 25,33 26,6 26,6f. 26,7.9.11–13 26,13

168 112 168 112 110, 130 120f. 74 132 166 87, 150 16, 90 146 126 132 132, 202 202 72 112 84 218 120 228 76, 86 130 120 120f. 238 180 120 120f. 50 134 74 200 92, 156 78 78, 102 102 102, 104

264

Register

26,38 27,51 28,11–15 28,20

132 160 234 112

Markus 4,11 4,39.41 14,3 14,4.7–9 14,9 15,38

118, 224 202 78, 102 102 102, 104 160

Lukas 1,35 2,52 3,21f. 7,36f. 7,37 7,37.38.39 7,40.47f. 8,24.25 10,19 11,2 11,4 11,9 16,10 16,16 17,21 24,32

116, 167 132 164 78f. 102 78 78f. 202 244 74 132 16, 90 116 178 66 122, 128

Johannes 1,1 1,3 1,9 1,14 3,14 3,29 4,10 6,35 6,55 9,39 10,11

32, 108, 118 208 32, 49 32, 166 218 80 17 32 196 112 156, 157

10,14 12,3 12,4.5 13,25 14,6 14,23 15,1 15,2 15,4 19,34 21,20

92, 157 78, 102, 160 102 76 118 16, 174 108, 187, 228 132 186, 187 234 76

Apostelgeschichte 3,20 198 7,30 236 8,3 88 10,48 242 15,14 162 Römerbrief 5,5 6,15 7,22 8,20 8,38 9,5 11,5 11,11 11,30f. 12,11 13,14 14,2

78 166 144 244 236 162 154, 155 84, 88 88 52, 236 198, 199, 200 201

Erster Korintherbrief 1,21 68, 104, 242 1,21.25 104 1,24.30 118 1,25 106 2,6 130 2,6f. 180 2,9 148 2,16.12 148 3,1 29,100

265

Bibelstellen

3,1f. 4,12f. 5,5 6,7 6,13 6,15 6,17 6,18 9,7 9,19–22 9,24 10,4 10,24 12,27 12,28 13,7 13,7f. 13,9f. 13,10 13,11 13,12 15,21–23 15,22 15,23 15,50

62, 63, 144 238 158 25 186, 208 33, 158, 164 120 50 244 88 80 222 242 158 220 226, 234 236 198 164, 186 144, 238, 242 168 212 234 196 186

Zweiter Korintherbrief 2,15 9, 72, 104, 180, 194 2,16 148 3,3 240 3,14 134 3,18 136, 182 4,16 148 5,8 202, 203 5,16 210 5,21 218 10,5 128, 130, 131 Galaterbrief 1,23 2,20 3,27 3,13

88 117 199 188

4,4 4,26 4,26.28 4,31 5,22 Epheserbrief 1,18 1,21 2,14 2,14f. 3,16 4,6 4,13 4,14 5,14 5,22–33 5,25 5,27

162 194, 230, 234 154 51, 154, 234 226

5,29 5,29f. 5,31 6,16

31, 112 200 218, 219, 240 242 144 110 68, 144 156, 157 192 28 100 25, 28, 45, 68, 80, 88, 90, 148, 158, 168, 169, 216 120 158 120 196, 197

Philipperbrief 2,6 2,7 2,8 3,3 3,8 3,10 3,13 3,20

188 104, 166 176, 177 224 238 160 156 202

Kolosserbrief 1,15f. 1,16 1,23 2,3 3,12 3,19 4,6

13 214 240 148 200 100 230, 231

266

Register

Erster Timotheusbrief 1,13 88 2,9 158 2,15 28 3,15 238 6,20 198 Zweiter Timotheusbrief 4,7 80 Titusbrief 3,4 3,5

23 180, 181

Hebräerbrief 1,7 1,14 2,14 5,12–14 5,14 10,1

236 192 186 63 31, 32, 34 166

11,10 12,29 13,12 13,21

100 52, 236 230 94, 95

Erster Petrusbrief 1,12 192 2,2 230 2,8 104 3,4 144 4,11 95, 136 Erster Johannesbrief 1,1 43, 146 2,13f. 144 2,18 188 4,8.16 22, 236 Offenbarung 3,20 5,5

118 101

267

Origenesstellen Das Register der Origenesstellen folgt dem Abkürzungsverzeichnis der Werke des Origenes in OWD 1/1. Genesishomilien 1,2 203, 237 1,13 203 1,15 156 1,17 235 2,6 203 2,9 193 3,4 225 4,1 90 5,5 203 7,4 52, 214 7,5f. 17 8,7 115 10,2 13 10,4 81 10,5 17, 103 11,1 72 11,2 214 12,3 207 13,3f. 17 14,1 124 Exodushomilien 1,5 84 4,8 74 6,1 67 6,10 153 6,12 105 7,5 200, 201 7,8 201 8,6 221 9,3 114 9,4 66, 193, 202, 204 31, 116, 207 10,3 10,4 31, 195 13,2 94 13,3 195, 207 13,4 195

Levitikushomilien 1,1 86 1,4 207 2,2 13 2,4 133 3,7 31 3,8 163 4,6 118 4,7 225 4,9 225 5,3 236 7,1 76 7,3 75 7,5 227 8,11 205 9,7 120 12,7 116 13,2 215 13,6 66 15,2 240 16,2 179 16,5 157 Numerihomilien 3,2 91 5,2 66 6,1 118 6,4 85 7,4 85 7,5 230 9,1 94 9,7 193 11,5 183 11,8 120 12,1f. 68 12,1–3 17 12,2 17, 115 12,3 120

268 13,1f. 15,1 15,3 16,9 17,3 17,6 18,4 20,2 20,3 20,4 20,5 21,1 22,3 23,5 24,1 25,5 26,2 27,1 27,2 27,12

Register

225 130 153, 238 196 112 94, 160 182 207 214 216 235 230 176 216 210 199 13 91 153 116, 167, 200

Deuteronomiumkommentierung 8,7 200 Josuahomilien 1,5 3,5 4,3 8,4 14,2 15,3 17,2 26,2

130 242 152 116 131 91, 152 214 105

Richterhomilien 2,2 116 5,2 68, 200 5,3 129 5,6 119 6 68 8,4 105

Samuelhomilien (graec.) 9 109 Samuelhomilien (lat.) 1 101, 109 4 50, 80 4–7 5 5 115 9 203 Samuel- und Königsbücherkommentierung frg. 10 141 Psalmenkommentierung prol. frg. 1,1 Rietz 9,12 27,1 44,11 Cadiou 65,2 65,9 118,90f.97 (cat. Pal.) 118,102 (cat. Pal.) 118,126f. (cat. Pal.) 118,139 (cat. Pal.) 118,151 (cat. Pal.) 118,169 (cat. Pal.) 119,5 123,3f. Cadiou Psalmenhomilien 15 hom. 2,4 73 36 hom. 1,4 31 36 hom. 3,3 123 36 hom. 3,9 215 36 hom. 3,10 179 36 hom. 4,1 182 38 hom. 1,4f. 238 Hoheliedkommentar prol. 1,1 25 prol. 1,1–3 10, 70, 189 prol. 1,3 38, 140

244 223 202 221 172 207 215 31 206 235 226 144 150 217

Origenesstellen

prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol. prol.

1,4 1,4f. 1,4–7 1,6 2 2,1 2,1f. 2,2f. 2,6–9 2,9 2,9–14 2,10 2,12 2,15–25 2,16f. 2,17 2,19 2,20 2,20–23 2,20–38 2,22 2,25 2,25–32 2,27 2,27f. 2,33–38 2,36 2,43 2,46 2,47f. 3 3,4 3,14 3,23 4,1f. 4,1–14 4,7 4,11 4,13 4,17 4,17–20 4,19 4,21

21 63 7 29 100 19, 21, 142f. 25 29 44, 142–145 32 113 207 206 191 21 13, 14, 21 13 22 142f. 19, 74 74 22 236 12, 119 237 191 22 21 14, 28, 207 236 47 70, 156 21 13 66 48, 227 17 68 69 242 243 230 210

prol. 4,23 prol. 4,29 prol. 4,32 I 1,1 I 1,2 I 1,4 I 1,5 I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I

1,7 1,9 1,10–12 1,13 1,14 2,5 2,6f. 2,8–24 2,19f. 3,1f. 4 4,2 4,2f. 4,4 4,9 4,10–20 4,12 4,12f. 4,16 4,16–20 4,18 4,21 4,25 4,26f. 4,28 5,1–4 5,3 5,6f. 5,8f. 5,10 6,3 6,4f. 6,5 6,6 6,11

269 15 67 40 10, 70 25 14 26, 45, 93, 210, 219, 243 30, 144–147 29, 50 15 208 146f. 75 147 229 146f. 146f. 225 104 148f. 239 201 31, 113 43 206 31 144 34 104 43, 104 32, 113 190 148f. 194 148 148f. 148 148–151 239 148–151 148–151 148–151

270 I 6,14 II 1,2 II 1,3–6 II 1,4–6 II 1,5 II 1,6 II 1,14 II 1,27 II 1,29 II 1,31 II 1,33 II 1,38 II 1,46–49 II 1,51 II 1,53 II 1,55 II 1,56 II 1,57 II 2,2f. II 2,3 II 2,4 II 2,6f. II 2,7 II 2,9 II 2,12 II 2,16–19 II 2,21 II 3,1–8 II 3,1–12 II 3,3f. II 3,18 II 4,13 II 4,26f. II 5 II 5,1 II 5,1–15 II 5,1–17 II 5,3 II 5,6 II 5,6–17 II 5,17 II 5,18–40 II 7,5–9

Register

23, 116 87, 150 150f. 233 150 84 26 243 219 199 243 219, 243 150–153 150f. 243 26, 45, 220, 233 82 49 88 153 49, 233 152f. 34 153 153 41, 152–155 152f. 88 154f. 26, 50 243 183 90 92 40 193 154–159 92 26 120 92,108 158 158f.

II 7,11 II 8,1 II 8,4–6 II 8,4–7 II 8,14 II 8,16–18 II 8,23 II 8,23–28 II 8,28 II 8,31–37 II 8,36–38 II 9,2–4 II 9,5 II 9,6 II 9,12 II 9,12–14 II 10 II 10,1 II 10,1–3 II 10,8–10 II 10,10 II 10,11 II 10,14 II 11,5–8 II 11,10 II 11,11 II 12,22 III 1,2–5 III 1,6 III 2,1–5 III 2,5 III 2,7f. III 2,8 III 3 III 3,1 III 3,12–15 III 4,3–7 III 4,5 III 5,1–4 III 5,2 III 5,6 III 5,6f. III 5,8

223 183 26 210 22 197 22 158–161 210 71 239 160f. 32, 113 104 31 32, 113 163 83, 102, 105, 107 160–163 247 162f. 18 32, 113 243 108 32, 113 32, 113 162–165 22 164f. 33 33 164f. 114 114 14 164–167 222 166–169 46 32, 113 234 167

Origenesstellen III III III III III

5,10–19 6 6,1–3 6,1–4 6,4

III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III

6,7 6,9 7,2 7,2–26 7,22 7,27 8,1 8,2 8,4–13 8,8 8,9 8,15 9 10 10,1 10,9 11,1–10 11,10 11,11–12 11,15–23 11,18f. 12 12,8 12,12 13,32 13,33 13,35–38 13,38 13,39 13,40 13,42f. 13,44 13,49f. 13,50 13,51 14 14,10

166–169 76 168 168f. 23, 109, 116, 184, 187, 244 198 239 22 23, 121 23 14 46, 122, 168–171 14 168–171 29, 50 109, 119, 184 191 232 233 170 170, 192 170–177 26 176f. 170–177 15, 175 153 166 239 14, 116 207 177 219 175 176f. 244 128, 170 23 129, 190 129 181 15

III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III

14,12 14,16 14,16–19 14,22–25 14,25 14,27–34 15(IV 1) 15(IV 1),7 15(IV 1),8 15(IV 1),9 15(IV 1),9–12 15(IV 1),11 15(IV 1),16 15(IV 1),17 15(IV 1),20 15(IV 1),22 16(IV 2),4 16(IV 2),7–9 16(IV 2),7–20 16(IV 2),12 16(IV 2),16 16(IV 2),17 17(IV 3) 17(IV 3),1–5 17(IV 3),2 17(IV 3),5 17(IV 3),8–10 17(IV 3),30–33 17(IV 3),34

271 90 178 176–179 178–181 104 178 178, 180, 181 176, 180f. 134, 180f. 241 205 104, 109, 184 179 180f. 29, 50 104 11 182 180–183 135 231 26, 180 183 182–185 40 29, 50, 184 182–185 182–185 34

Hoheliedkommentarfragmente Fragment (Philokalie 7,1) 38f., 140f. 1 22, 43, 142f. 2 44, 142–145 3 30, 42, 43, 144–147, 178 4 16, 146f. 5 42, 146f., 228, 243 6 148f. 7 147, 148f., 196, 198, 200, 218, 232 8 148–151, 240, 243 9 48, 150f.

272

Register

10 42, 150–153 11 152f., 216 12 (Philokalie 27,13) 41, 152–155, 219 13 154f. 14 21, 34, 42, 154–159 15 42, 45, 158f. 16 158–161 17 160f. 18 45, 46, 106, 160– 163, 187 19 162f. 20 42, 45, 134, 162–165 21 44, 164f., 175, 181, 201 22 41, 164–167 23 166–169 24 42, 168f. 25 18, 43, 45, 46, 122, 168–171 26 46, 128, 129, 170f., 177, 189, 199, 219, 233 27 10, 14, 17, 21, 34, 45, 46, 141, 164, 170–177, 178, 193 28 129, 171, 176f. 29 21, 34, 43, 44, 176– 179 30 44, 178–181 31 21, 180f. 32 44, 180–183 33 46, 51, 182–185, 199 34 18, 43, 44, 45, 170, 186–189, 199 35 23, 38, 46, 129, 188–191, 195 36 16, 21, 43, 44, 190– 195, 203, 204 37 190, 194f. 38 194f. 39 194–197 40 196f., 217, 229

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

46, 196–199 44, 188, 198f. 198–201 200f. 200f. 200–203 202f. 21, 43, 191, 202f. 16, 204f. 201, 204f. 17, 43, 204–207 43, 178, 206f. 44, 206f. 42, 46, 51, 206–209, 213 45, 46, 208f. 45, 51, 208–211, 219, 243 44, 46, 178, 210f. 51, 156, 210–213, 228 45, 212–215, 228 38, 42, 45, 46, 214– 217 46, 216–219, 221 42, 45, 46, 218–221 42, 46, 51, 220f. 46, 220f. 43, 222f. 222f. 222–225 42, 224f. 43, 51, 224, 225f. 43, 46, 49, 51, 226f. 43, 226f. 48, 226–229 197, 228f., 243 48, 51, 228f. 51, 228–231 43, 230f. 51, 230f. 42, 230f. 43, 46, 230f.

273

Origenesstellen

80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

42, 199, 232f. 232f. 232f. 48, 49, 232f. 42, 46, 51, 234f., 236, 237, 243 45, 234f. 234f. 42, 52, 236f., 243 46, 52, 236f. 42, 52, 237, 243, 236–239 45, 238f. 45, 46, 49, 150, 238–241 42, 52, 240f. 46, 49, 52, 240–243, 244 42, 44, 45, 49, 52, 242–245 46, 50, 244f.

Hoheliedhomilien 1,1 8, 9, 10, 11, 17, 21, 25, 48, 114, 227, 242 1,2 9, 11, 12, 19, 21, 29, 30, 32, 100, 101, 146, 222 1,3 9, 10, 11, 12, 29 1,4 85, 102, 160 1,5 11, 51, 80, 103, 136, 149, 150, 225 1,6 9, 10, 12, 21,32, 48, 102, 103, 107, 124, 233 1,7 15, 21, 25, 34, 126, 175, 193, 204 1,8 12, 16, 29 1,9 25, 108, 156, 157 1,10 5, 9, 19, 21, 71, 160, 229 2,1 10, 12, 29, 50

2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 2,10 2,11 2,12 2,12f. 2,13 hom. frg.

9, 10, 12, 51, 73, 78, 84, 225 10, 12, 19, 21, 23, 26, 29, 73, 83, 102, 118, 162, 246f. 12, 21, 29, 31, 32, 33 10 12, 14, 21, 23, 29 8, 12, 29, 106 14, 21, 23, 46, 169 12 10, 18, 25, 177 12, 23, 29, 171, 190 12, 29, 32, 34, 44, 164, 178, 181 5 9, 12, 29, 51, 80, 182, 225 246f.

Jesajakommentierung frg. 1 75 Jesajahomilien 1,1 2,1 2,2 3,1 6,4 7,2

115, 154 26, 107 200, 230 166 113 113

Jeremiahomilien 1,6–12 151 2,3 103, 166 5,2 110 5,6 157 5,13 193 5,16 223 6,3 238 175 8,1 8,3–5 179 8,9 205 9,1 116

274 9,4 10,2–14 11,6 12,1f. 12,2 12,12 12,13 13,3 14,5–18 16,1 16,2 16,2f. 16,6 18,2 18,4 18,9 19(18),11 20,1 20,9

Register

221 151 48, 85, 150, 162 76 73 130, 176 226f. 130 151 175 135 182 236 176, 230 17 128 175, 205 143 120

Ezechielhomilien 1,3 236 1,12 236 2,2 175 2,3 111 3,3 124, 154 4,1–7 154 6,3f. 154 6,4 147 6,8 200 6,9 154 8,3 13 11,1 32 12,1 200 Klageliederkommentierung frg. 2 222 frg. 14 222 frg. 19 222 frg. 104 123 frg. 116 167 frg. 118 162

Matthäuskommentar X 1 224 X 4–6 118 X 7 206 X 14 229 XI 14 109 XI 18 128, 130 XII 41 129 XIII 7 131 XIV 21 25 XV 12 116 XV 16–19 238 XV 31 73, 188 XVI 7 76 XVI 9 24 XVI 26 129 XVII 13 47f., 227 XVII 19 236, 237 XVII 33 25 Matthäuskommentarreihe 33 116 38 16 42 50, 130 51 183 53 173 63 33 63f. 31 64 79 70 92, 156 77 79 85 76 111 179 Matthäushomilien 3,1 126 Lukashomilien 1,1 2,2 5,1 12,1 16,6

162 86 162 19 86

275

Origenesstellen

18,1 22,3 22,4 25

19 117 19, 223 121

Lukaskommentarfragmente frg. 165 225 frg. 186 31, 211 frg. 187 32 frg. 192 30 Johanneskommentar 29, 118 13, 21 78 104 165 164, 194 23, 247 123 76, 228 14, 123 164, 194 221 204 175 164, 194 23, 247 196 205 84 141 164 149 232 75 148 235 235 220 152 73 109

I 7,38 I 9,55 I 11,67f. I 11,68 I 15,87 I 19,111 I 20,121 I 28,200 I 30,205f. I 32,228f. I 34,244 I 39,286f. II 1,12–2,18 II 10,77 II 18,126 II 26,166 II 28,172–174 II 29,178 II 35,215 V 1 V 5 VI 2,10 VI 5,29f. VI 6,42 VI 12,73 VI 14,83f. VI 22,121 VI 35,174–177 VI 55,287 VI 56,291 VI 57,292

X 36,236–238 X 40,279 XIII 1,3f. XIII 3,17–19 XIII 9,51 XIII 13,81 XIII 16,100 XIII 33,203–214 XIII 34,215–225 XIII 53,358–362 XIX 9,56 XIX 21,138 XX 6,40–45 XX 13,107 XX 21,174 XX 24,208 XX 33,288 XX 43,405–408 XX 43,406 XX 44,415 XXVIII 23,192f. XXXII 4,43 XXXII 21,268 XXXII 24,316 XXXII 28,357

168 30 17 127 179 222 225 227 206 203 181 229 203 74 227 201 189 31 74 104 235 174 203 216 136

Johanneskommentarfragmente frg. 45 126 Römerbriefkommentar II 9,10–36 226 V 10,5 186 VII 4,5 196 VII 9,2 14, 170 VIII 10,11 227 IX 9 237 IX 14 238 IX 32,2–4 215 IX 34 199 IX 40 203 IX 41,2 115 X 2,1 241 X 36,2 218

276

Register

3,12 4,10

Römerbriefkommentarfragmente frg. 46 226 frg. 52 238

IV IV

Korinterbriefkommentierung frg. 19 159 frg. 43 147

I 6 I 46 I 48 I 56 I 57 I 69 II 4 II 5 II 48 III 21 III 45 III 56 III 63 IV 10 IV 13 IV 15 IV 16 IV 18 IV 29 IV 93 V 15 V 19 V 39 V 60 V 62 VI 13 VI 17 VI 31 VI 72 VI 79 VII 34 VII 38 VII 46 VII 60 VIII 5 VIII 31

Epheserbriefkommentarfragmente frg. 12(26) 219 frg. 21(50) 201 frg. 33(80) 199 Titusbriefkommentarfragmente frg. 2 86 Über die Prinzipien 236 30, 31, 112 181 164 244 31 72, 79 167, 210 175 202, 236, 237 100 226 193 226 154 100, 109 118, 224 74 154 154 155 244 34, 174 148 224 141

I 1,2 I 1,9 I 2,2 I 2,2f. I 7,5 II 4,3 II 6,6 II 6,7 II 7,3 II 8,3 II 9,2 II 11,4 III 1,4 III 1,5 III 1,8–14 III 1,14 III 1,17 III 1,18 III 1,18f. III 1,21–24 III 2,1–7 III 5,4 IV 1,6 IV 2,3 IV 2,6 IV 3

197 31

Apologie gegen Kelsos 76 113 30, 31, 33 232 116 170 238 203 171 224 175 211 169 214 236 23, 247 29, 118 29, 118 175 183 214 186 116 238 109 192 205 148 170 72 31, 143 31, 174 179 229 203 155

Über das Gebet 2,3 156

277

Origenesstellen

9,1 11–13 15,1 16,3 20,2 22,1 24,5 26,6 27,12 29,2 29,9

158 233 123 202 178 225 74 186 129 84 132, 172

Aufforderung 18 27 31 33

zum Martyrium 170 202 133, 173 202

Das Gespräch 15 15–24 18–19

mit Herakleides 224 31 79

Über das Pascha 47 219 Brief an Gregor den Wundertäter 3 129 Philokalie 1,28 2,2.3 2,4 2,4f. 5,1 7,1 9,1f. 10,1.2 12,1f. 27,1–12 27,13

181 141 44, 164 19 141 38f., 140f. 143 91 205 153 41, 152–155

278

Namen und Sachen Folgende Begriffe sind nicht eigens erfasst, weil sie ständig vorkommen: Braut, Bräutigam, Christus, Kirche, Liebe, Seele, Wort Gottes (Logos). Aaron 77, 85 (Ab)Bild 8, 10, 11, 12, 13, 14, 17, 19, 21, 27, 31, 34, 51, 52, 68, 125, 182, 189, 217 Abdimelech 153 Abend 91 Abraham 91 Abstieg/Aufstieg 8f., 14, 21, 47–52, 69, 82–85, 91, 103, 105, 113, 115, 133, 136, 195, 221, 231, 233, 245 Acker 155 Adam 213, 234 Agape 20, 21f., 24 Ägypten 9, 67, 107, 109 Ähnlichkeit siehe Bild Äthiopien 85, 87 Äthiopier 87, 88, 151 Äthiopierin 85 Affekt 124f. Aktium 46, 62f. Alexandria 24 Allegorie 27, 170, 189 Altar 225 Alter 133, 142–145 Amminadab 219, 221 Amnon 143 Analogie 17, 143 Anfang/Prinzip/Ursprung 12, 109, 117 Angesicht 9, 91, 93, 117, 134–137, 159, 169, 175, 183, 209, 225 Ankunft siehe Inkarnation Anthropologie 32, 49, 51 Anthropomorphismus 143 Antijudaismus 86, 162 An-/Abwesenheit Gottes 11–17, 88–91, 175

Apfel(baum) 14, 114–117, 123, 167, 169, 235 Apokatastasis 201 Apolinaris von Laodizea 41, 42, 146 Apostel 72, 130, 169, 176f., 201 Aquila 44, 46, 62, 106, 111, 122, 163f., 171, 197, 211, 215, 219, 221, 227, 242, 245 Aristoteles 143 Arm 125 Askese 125 Aspekt siehe Epinoia Athen 22, 25, 40 Auferstehung 94, 133, 151, 161, 168, 191, 213, 219 Aufrichtigkeit 151 Aufstieg siehe Abstieg/Aufstieg Auge 34, 44, 77, 105, 109, 110–113, 149, 162–165, 189, 209, 224, 241 – Auge der Seele 31, 32, 33, 112 – Auge des Herzens 31, 112 Aurelius von Karthago 4 Baal-Hamon 243 Barmherzigkeit 111 Basilius von Caesarea 38, 153 Bauch 77 Bauer 184 Baum 167, 169, 205, 243 – Baum des Lebens 115 Begierde 21, 29, 111, 123, 131, 153 Bekehrung 83, 89, 113 Bekenntnis 94 Berg 10, 50, 105, 109, 127, 128–131, 135, 153, 175, 176f., 188–191, 245 Beschneidung 177, 181, 225f. Besonnenheit 159, 197

Register

Bethel 129, 131 Bett 10, 21, 33, 44, 67, 71, 93, 95, 100–103, 113, 165, 191 Bewunderung 215, 227, 233 Bibliothek 39, 47, 193 Biene 68f. Bild siehe (Ab)Bild Bildung/Erziehung (paideı´a) 157, 214, 225 Blüte 109, 122, 135, 164–167, 169, 187, 209, 217, 223 Blume 115, 133, 173, 177, 179 Blut 73, 75, 87, 101, 121, 186f., 197, 235 Bock 93, 108, 157 böse/das Böse 32, 34, 73f., 92, 145, 153, 156, 171 Brot 32 Brunnen 17, 67 Brust 71, 74–77, 83, 85, 103, 107, 119, 147, 151, 199, 211, 217, 229, 239, 241 Bürgerschaft 203, 241 Bund 155, 177 Buße 9, 79, 83, 85, 89 Caesarea (Palästina) 22, 25, 39, 40, 47 Cassiodor 35 Charakter 51, 157, 212f. Cherubim siehe Engel Christologie 27 Chronologie 6 Clemens von Alexandria 149, 189 Cupido siehe Eros Dämon 76, 130, 155, 183, 189, 191 Damaskus 225 Damasus von Rom 3, 35, 62f., 87, 111 David 68, 69, 72, 149 Debora 68f. Demut 201

279

Didymus von Alexandria 41 Diebstahl 70 Dienst 217 Diogenes Lae¨rtios 83, 149 Dorf 231 Dorn 115, 167, 186–189, 222f. Drache 129 Drama 5, 10–17, 38f., 68–71, 140f., 175, 188, 215 Duft 9, 18, 21, 32, 70–73, 75, 76– 79, 81, 102–105, 107, 108, 115, 122, 127, 135, 147, 149, 161, 163, 181, 195, 199, 201, 207, 225, 245, 247 Dunkelheit 87, 233 Ebene 153, 164–167 Ehe/Ehebruch 27f., 111 einfache/vollkommene Christen 7f., 9, 63, 121, 193, 201 Eifer 235 Einheit 49, 50, 80, 123, 194, 219, 223, 243, 245 Einsamkeit 181 Eintracht 223 Ekklesiologie 25–27, 40, 44f., 50, 93, 107, 114, 210, 219, 243 Elfenbein 207, 223 Elija 235 Eltern 118–121 Emotionalität 13, 18, 33 Empfängnis 43, 167, 195, 207 En-Gedi 109 Engel 25, 69, 91, 95, 130, 167, 169, 176, 183, 193, 215, 237, 243 – Cherubim 66 Enthaltsamkeit siehe Askese Entwicklung 8, 14, 29, 49, 51, 239 Epinoia (epı´noia/adspectus) 12, 14, 119, 123, 228 Erasmus von Rotterdam 36 Erfahrung 11, 15, 30, 34, 109, 157, 174f., 204, 217

280

Register

Erfüllung 12, 33, 63, 71, 79 Erkenntnis 13, 15, 16, 19, 23, 33, 34, 45, 47, 89, 114, 149, 153, 157, 159, 189, 199, 204, 213, 225, 238, 241, 244 – Gotteserkenntnis 13, 19, 87, 129f., 196 – Selbsterkenntnis 34, 90–93, 120, 157, 193 Erleuchtung 110–113, 175 Erlösung 23, 69, 71, 83, 85, 89, 93, 105, 125, 153, 207, 213 Eros 13, 18–24, 25, 27, 33, 43, 44, 72–75, 93, 123, 143, 191, 203 Erotik 14, 18, 27, 30–34, 43, 52, 169 Erzählung siehe Geschichte (Erzählung) Erziehung siehe Bildung Esoterik 196 Ethik 23, 28, 51, 73f., 80, 129, 190, 235 Etymologie 68, 87, 108f., 218, 219, 221, 222f., 224f., 242, 243 Eusebius von Caesarea 22, 39, 40, 62 Evangelium 69, 79, 85, 87, 103, 113, 121, 147, 221, 233, 242 Ewigkeit 187 Exegese 15–17, 18, 19, 30, 47, 103, 175, 192 Fall siehe Abstieg/Aufstieg Feigen(baum) 135, 173, 179 Feind 209, 221, 245 Feindesliebe siehe Liebe Feld 115, 127, 187, 231 Fels 135, 182f., 241 Fenster 34, 44, 131, 173, 179 Feuer 13, 14, 28, 29, 52, 95, 101, 153, 195, 204, 236f. Finsternis 48, 151, 153, 205, 215, 233 Fleisch 21, 29f., 72–75, 85, 87, 101,

111, 112, 113, 117, 121, 124, 133, 145, 153, 159, 163, 187, 204, 222, 235, 243 Fluch 189 Flucht 50, 51, 245 Flügel 209 Fortschritt 8, 11, 21, 47, 48, 51, 117, 121, 163, 201, 208–211, 221 Frau 27, 101, 107, 111, 121, 131, 156f., 158, 163 Freiheit 20, 28f., 50–52, 100, 108, 184f., 221, 235 – Freiheitsmetaphysik 227, 235 Freude 10, 71, 81, 83, 95, 119, 147, 205, 215, 231, 241, 243, 245 Freundschaft 81 Friede 20, 52, 187, 205, 219, 221, 241, 243 Frömmigkeit 163 Frucht 51, 117, 119, 133, 159, 165, 169, 181, 182–185, 187, 205, 207, 209, 211, 217, 235, 241, 242–245 Frühling 10, 173, 177, 179, 217 Fuchs 182–185, 187 Fülle 34, 45, 145, 175, 201, 207, 217, 221, 223, 241, 243 Fuß 77, 79, 161 Galbanum 73, 105 Garten 201, 245 Gazelle 23, 129, 131, 170f., 189, 191, 199, 245 Gebärmutter 207 Gebet 11, 32, 69, 71, 77, 81, 129, 137, 147, 207 Gebot 110–113, 196–199 Gebrauch 29, 100f. Geburt siehe Gottesgeburt Geheimnis 12, 18, 21, 27, 50, 73, 77, 79, 83, 135, 148, 159, 189, 191, 192 Gehör/Gehörsinn siehe Sinneswahrnehmung

Register

Geist (nouˆs/mens) 20, 32, 44, 111, 149, 153, 207 Geist (pneuˆma/spiritus) 28, 29f., 52, 67, 72–75, 85, 89, 100, 113, 121, 145, 147, 177, 181, 204f., 207, 222, 227, 237, 241 – geistige Sinnlichkeit 29–35, 43f., 113, 144–147, 178f., 199, 206f., 211, 223, 225, 227, 241 Geld 30, 75 Gemach 10, 21, 48, 63, 81, 87, 159 Gemeinschaft 75, 165, 183, 212f., 215 Gemüse 201 Gerechtigkeit 12, 71, 119, 127, 187 Geruch siehe Duft Geruchssinn siehe Sinneswahrnehmung Geschichte (Erzählung) 73, 79, 155, 181 Geschichte (Historie) 84, 103 Geschmackssinn siehe Sinneswahrnehmung Gesetz (no´mos/lex) 34, 75, 79, 85, 89, 113, 133, 147, 151, 163, 167, 175, 177, 179, 181, 189, 233 Gespräch 26, 38f., 117, 127, 140, 183 Gesundheit 227 Gewissen 121 – Gewissensprüfung 120 Gewürz 207 Ghislerius (Ghislieri), Michael 151 Glaube 23, 28, 81, 89, 94f., 151, 169, 174, 197, 241 Gleichheit 24 Gleichnis 119, 135, 224 Glück/Glückseligkeit 14, 33, 127 Gnade 27, 32, 34, 108, 129, 155, 167, 175, 223, 225, 241 Gnosis 24f., 33, 90, 198 Gold 94f., 103, 161 Gott siehe Trinität

281

– Gottesdienst 242 – Gottesebenbildlichkeit 12f., 17, 49, 157 – Gotteserkenntnis siehe Erkenntnis – Gottesfurcht 207, 212–215, 217 – Gottesgeburt 14, 116f. – Gottesliebe siehe Liebe Granatapfel 197, 217, 231, 235 Gregor von Nazianz 153 Gregor von Nyssa 38, 41, 42, 163, 189, 219, 241 gut/das Gute/Güte 32, 34, 73f., 100f., 112, 153, 165, 192, 193, 201, 214, 229 Haar 161, 205, 211 Hades 235 – Hadesfahrt Christi 235 Häresie 4, 86, 167, 185, 222 Hals 77, 93, 199, 211 Hand 32, 43, 75, 77, 81, 122–125, 147, 203, 223, 232f. Haupt 75, 79, 103, 125, 161, 225 Haus 10, 48, 79, 111, 115, 119, 129, 131, 161, 173, 195, 223 Haut 107, 161 Hebräisch 106, 110, 111, 122, 173, 192, 197 – Hebraea veritas 110 Hegemonikon 13, 32, 83f., 107, 125, 147, 149, 153, 178, 197, 199, 201, 219, 233 Heiden siehe Völker Heil siehe Erlösung Heilige 26, 45, 89, 103, 119, 121, 127, 133, 191, 233, 237, 241 Heiligkeit/Heiligung 26, 28, 66, 113 Heiliger Geist siehe Trinität Heilsgeschichte 103, 167, 211 Heilung 113 Hermeneutik 19, 30, 39, 73, 91, 192, 195

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Herrlichkeit 9, 16, 91, 95, 137, 151, 167, 183 Herz 12, 16, 18, 45, 66, 79, 83f., 94, 107, 109, 111, 116, 121, 123, 127, 145, 149, 153, 163, 175, 193, 199, 229, 247 Hexapla 45, 46f., 62, 122, 161, 192, 217 Hieronymus 3–5, 7, 21, 35, 38, 39, 41, 46, 47, 62f., 67, 68, 83, 86, 87, 89, 104, 106, 108, 110f., 122, 124, 131, 150, 152, 202, 218, 221, 222, 225, 242 Hiob 205 Hippolyt 24, 39f., 45 Hirsch 23, 129, 131, 170f., 177, 189, 191, 245 Hirte 93, 157, 209 Hitze 189, 199 Hochmut 189 Hochzeit 17, 25, 28, 69, 75, 191, 241 Hölle 237 Hoffnung 219 Homilie 5–10, 39, 84, 87, 101, 103, 119, 132, 137 Homonymie 44, 143 Honig 68, 200f., 231 Hülle 91, 118, 217 Individualität 24–29, 45, 118 Inkarnation 23, 26, 32, 79, 105, 109, 113, 116f., 127, 131, 133, 135, 149, 161, 165, 174f., 179, 188– 191, 205, 210, 223, 233, 247 Innerer Mensch siehe Mensch Innerlichkeit 27f., 109, 111 Inspiration 17, 174 Interpolation 111 Interzession 233 Intimität 11, 18, 34, 71, 75, 79, 117, 231 Irrtum 153

Isaak 143 Isidor von Pelusium 41 Israel 24, 27, 45, 84, 85, 151, 153,155, 162 Jagd 184f. Jakob 50, 105, 143, 189 Jeremia 151, 167 Jericho 62 Jerusalem 22, 83, 107, 151, 155, 195, 209, 231, 235 Jesaja 68f., 171, 183 Jesus 20, 28, 75, 77, 79, 103, 109, 112, 113, 121, 129, 130, 131, 137, 161, 170, 174, 196, 199, 223, 224, 235 – Jesusfrömmigkeit 18, 105 Joe¨l 235 Johannes 77, 142–145, 147, 237 Johannes der Täufer 179 Jordan 69, 135 Josef 91 Josua 68 Judäa 79, 217 Judas 103 Judentum 24, 25, 27, 45, 85, 87, 89, 159, 235 Jungfrau 133, 157 Kampf 89, 155, 171, 173, 204, 235 Karl der Große 126 Karmel 225 Kassiazimt siehe Zimt Katechumene 8, 119 Katene 40–42, 47 Kedar 150 Kenosis 167, 177 Keuschheit 111, 114 Kind 63, 118–121, 142–145, 177, 199, 223, 239, 243 Kissen 124f. Kleidung 149, 163, 199, 201 Kommentar 5–8

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König 63, 67, 69, 81, 91, 100–103, 147, 149, 153, 159 Königin 149, 213, 215 – des Südens/von Saba 77, 87 Körper siehe Leib Konkubine 212–215 Kontemplation siehe Schau Konzil von Konstantinopel 4 Kopf siehe Haupt Kosmos 13, 31, 44, 100f., 149, 164, 182f., 245 Kraft 113, 119, 121, 129, 149, 165, 191, 209, 237 Krankheit 113 Kreuz 114, 231, 235 Krise 14 Kuss 11, 16, 21, 71, 75, 91, 147, 215 Kyrill von Alexandria 41, 42, 163, 171, 214, 231, 232 Lager siehe Bett Lamm 93 Laster 9, 30, 73, 75, 85 Leben 27, 32, 34, 43, 52, 109, 117, 125, 149, 167, 169, 189, 199, 200, 211, 212f., 217, 223, 239, 247 Lehre 16, 68, 123f., 147, 148, 157, 196f., 198, 200f., 225, 240f. Lehrer 4, 34, 45, 103, 121, 125, 165, 183, 201, 225 Leib 10, 20, 30, 32–34, 44, 113, 117, 145, 159, 165, 181, 186, 187, 203, 209, 247 – Leib Christi 33, 45, 168f., 210 – Leibfeindlichkeit 30 Leidenschaft 191 Libanon 225 Licht 15, 20, 32, 49, 89, 91, 112, 113, 117, 153, 175, 178, 215, 217, 237 Liebe – Feindesliebe 23, 121 – Gottesliebe 23, 121

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– Liebeszauber 18, 43, 170f., 187 – Menschenliebe 23, 247 – Nächstenliebe 23, 121 – Ordnung der Liebe 23, 118–121 – Samen (der Liebe/des Wortes) 12, 28, 127 – Selbstliebe 23 – Wunde der Liebe 13, 14, 43, 123, 125, 170f., 191 Lied 66–69, 71, 227 – Leiter der Lieder 48, 227 Lilie 115, 167, 186–189, 208, 222f. Lippe 93, 197, 201, 211, 229 Liturgie 6–8, 137 Lob 3f., 10, 62, 77, 81, 83, 93, 111, 113, 115, 163, 197, 205, 215, 229 – Lobpreis 39, 221 Löwe 93, 101, 127, 161 Lot 90 Lüge 50 Lust siehe Affekt Macht 105, 137, 191, 192 Märtyrer 133, 170, 173 Mann 13, 27f., 29, 69, 81, 101, 142–145, 197, 207, 243 Maria 117, 167 Maria (Mirjam) 85 Maria von Betanien 78, 102f. Materie 31, 44, 49, 153, 245 Mauer 183, 239, 240, 243 Medizin 192 Mensch – innerer Mensch 29, 142–145 – Menschenliebe siehe Liebe Metaphysik 23, 49, 80, 129, 190 Milch 83, 145, 231 Mineralogie 206 Mitleid 199 Mittag 10, 91 Mond 115, 214–217 Monogamie 159 Monotheismus 159

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Morgen 91 – Morgenröte 215 Mose 67, 69, 71, 73, 77, 79, 85, 130, 135, 155, 176, 219, 237 Mühe 153, 155 Mund 11, 16, 71, 75, 137, 147, 229 Mutter 155, 195 Myrrhe 73, 103, 105, 107, 161, 163, 247 Mysterium (myste´rion/mysterium) 26, 44, 181, 191, 207 Mystik 7, 14, 15, 17, 19, 28, 33, 49, 87 Nabel 223 Nachfolge 239 Nächstenliebe siehe Liebe Nachschon 219 Nacht 115, 191, 203, 215, 217 Name 76f., 79, 115, 129, 149, 161, 243, 247 Narde/Nardenöl 32, 73, 79, 102– 105, 161 Nase 225 Natur 101, 115, 129, 227 – Naturgesetz/Naturrecht 28 Netz 130–133, 173, 175, 178f. Nichtigkeit 245 Nikopolis 46, 62 Nilus von Ankyra 41 Nüchternheit 28 Nussbaum 217 Nutzen 75, 111, 116f., 193, 224f. Obelos 192 Öl siehe Salböl Offenbarung 16, 69, 187, 191, 205 Oikonomia (oikonomı´a) siehe Vorsehung Ohr 32, 149 Onyx 73, 105 Opfer 75, 77, 133, 207 Ordnung 51, 212f., 217, 221, 223

Ordnung der Liebe siehe Liebe Origenismusstreit 62 Pädagogik 29, 84, 192 Palme 47, 48, 204f., 227, 235 Parabel siehe Gleichnis Paradies 109, 115, 217 Paränese 51, 183 Parusie 233 Pascha 217 Passion 71, 103 Patriarch 159, 241 Paulinus von Nola 70 Paulus 9, 89, 101, 105, 117, 145, 149, 159, 165, 187, 197, 213, 221, 239 Perle 206f. Person 26, 40, 45, 140f., 188 Petrus 193 Pfeil 13, 14, 43, 123, 170f. Pharao 67, 93, 153 Pharisäer 85 Philologie 47 Philon von Alexandria 192, 224 Philon von Karpasia 41, 42, 145, 168, 219, 224, 232 Philosophie 19, 22, 25, 31, 47, 112, 156, 192, 193 Physiologus 128, 134 Pinchas 235 Platon 19, 20, 22, 31, 43, 100, 112, 142, 193, 209 Platonismus 22, 49, 50, 100, 179, 219 Plotin 50, 245 Pneumatiker siehe einfache/vollkommene Christen Polychronios 178 Präexistenz der Seele/Vernunftwesen 26 – der Kirche 26 Priester 85, 217 Prinzip siehe Anfang

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Prokop von Gaza 40, 42, 43, 46, 50, 122, 158, 162, 165, 180, 192, 204, 205, 220, 234, 236, 237, 245, 247 Prophetie/Propheten 34, 39, 68, 71, 72, 77, 79, 117, 130, 135, 141, 145, 147, 155, 159, 163, 169, 175, 176f., 179, 181, 189, 201, 233, 239 Protreptik 8f., 29, 84, 225 Psychagogie 103, 193 Psychologie 35 Quelle 201 Rabe 204–207 Rahel 143 Rätsel 169, 211 Rauch 195 Rebekka 50, 142 Redlichkeit (aequitas) 83 Regen 105, 133, 173, 179 Reich Gottes 66 Reichtum 11, 81, 125 Reinheit/Reinigung 9, 45, 48, 95, 111, 157, 197, 207 Rettung siehe Erlösung Rom 39 rot 195, 205 Rufinus von Aquileja 3f., 4, 21, 22, 38, 41, 42, 46, 52, 53, 62f., 84, 89, 106, 122, 146, 148, 153, 155, 158, 161, 165, 166, 168, 169, 170, 171, 215 Ruhe 44, 119, 125, 127, 133, 169, 173, 191, 203, 229, 245 Sabbat 67 Salböl 21, 32, 71, 72, 73, 75, 76–79, 103, 105, 115, 122, 147, 161, 225 Salbung 161 Salomo 67, 75, 77, 83, 87, 123, 143, 151, 157, 219, 242–245 Salz 231 Samen der Liebe siehe Liebe

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Samuel 176 Sandale 220f. Saphir 207 Sara 143 Saul 69 Schaf 93, 193, 211 Schatten 116–119, 166–169, 189, 199 Schatz 149, 195, 229 Schau (theorı´a/contemplatio) 9, 13, 20, 23, 35, 51, 129, 165, 167, 177, 179, 183, 189, 191, 193, 194, 203, 205, 208–211, 223 Schild 197 Schlange 23, 50, 129, 171, 177, 189, 218f., 245 Schmerz 14, 189 Schmuck 21, 71, 93, 95, 199, 221 Schönheit 9, 10, 13, 31, 33, 49, 69, 77, 81, 89, 91, 93, 108–111, 113, 137, 147, 151, 153, 157, 159, 163, 165, 167, 191, 195, 199, 205, 209, 213, 215, 223, 225, 227 Schöpfung siehe Kosmos Schulter 77 Schwachheit 105, 107, 113, 116, 143, 151, 189, 240f. schwarz 48f., 83–89, 89, 109, 150f., 153, 205 Schweigen 137, 197, 229 Schwein 72 Seelsorge 193 Sehnsucht 10–17, 18, 19, 20f., 28, 33, 45, 52, 116–119, 167, 190–193, 205 Sehsinn siehe Sinneswahrnehmung Selbsterkenntnis siehe Erkenntnis Selbstliebe siehe Liebe Septuaginta 46, 53, 62f., 66, 74, 104, 106, 110f., 122, 125, 135, 152, 162, 172, 176, 192, 197, 208, 215, 221, 231, 234, 237, 240, 245 Seufzer 155

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Siegel 201, 235 Silber 94f., 103, 159, 161, 243 Simon der Aussätzige 79 Simon der Pharisäer 78f. Sinn (Bedeutung) 9, 16, 17, 18, 23, 73, 95, 129, 197, 217, 229 Sinn/Sinnesorgan 19, 31f., 44, 115, 131, 178f., 235 Sinneswahrnehmung 30, 44, 146 – Gehörsinn 32 – Geruchssinn 32, 43, 115, 225, 235 – Geschmackssinn 32, 115, 235 – Sehsinn 32, 33f., 235 – Tastsinn 32, 43, 147, 235 Sinnlichkeit siehe geistige Sinneswahrnehmung Sklave 89, 105, 121, 153 Skorpion 245 Sodom 155 Sohn (Gottes) siehe Trinität Sommer 135, 177 Sonne 83, 89, 115, 153, 155, 177, 189, 217 – Sonne der Gerechtigkeit 153, 215f. Soteriologie 49, 51, 108, 118 Speise 16, 43, 73, 145, 201, 206f., 211, 222, 227, 231 Spiegel 169, 183 Spiritualität 7, 10–35 Stadt 48, 182f., 193 Statius 70 Staubkorn 107 Staunen 199 Stein 105 Stille 191 Stimme 137, 171, 173, 175, 181, 183, 245 Stoa 12, 83, 149, 226 Stolz siehe Hochmut Sturm 127, 133, 135 Substanz siehe Wesen Suche siehe Sehnsucht

– Suchen und Finden 193, 205, 241 Sünde 9, 29, 48, 49, 50, 73, 83, 85, 92, 100f., 105, 108, 116, 133, 153, 166, 195, 220, 235, 237 – Sündenvergebung 133, 181 süß/Süße 18, 79, 103, 115, 119, 137, 175, 183, 195, 200, 227 Sulamit 219 Symbol 22, 23, 47, 92, 103, 115, 129, 163, 164, 166, 205, 215, 220, 225, 231 Symmachus 45, 46, 63, 106, 122, 168–171, 176, 185, 197, 208, 209, 211, 217, 219, 221, 227, 231, 234, 237, 240, 245 Synagoge 85, 107, 162, 241, 247 Synergismus 29, 51 Tag 115, 169, 189, 215 Tal 115, 127, 135, 153, 166, 187 Tastsinn siehe Sinneswahrnehmung Tau 202f. Taube 51, 81, 109, 110–113, 132– 135, 163, 165, 213 – Turteltaube 93, 132–135, 159, 173, 181 Taufe 181, 201, 241 Täuschung siehe Lüge Teilhabe 27, 31, 44, 72, 191, 237, 239 Tempel 87, 161 Tertullian 22 Teufel 73, 74, 79, 129, 130, 131, 153, 159, 175, 178, 202f., 222 Textkritik 45 Theodizee 19 Theodoret von Cyrrhus 41, 247 Theodotion 46, 63, 191, 197, 245 Theokrit 70 theore´mata (uevrhÂmata) 164, 174, 194, 196, 216 Theophilus von Alexandria (oder Antiochia) 41

Register

Tod 117, 127, 131, 133, 149, 151, 163, 169, 179, 205, 213, 235, 237 Trank 43, 73, 197, 222f., 227 Traube 122, 229 Trinität 4, 244 – Vater (Gott Vater) 71, 75, 79, 133, 175 – Sohn (Gott Sohn) 71, 75, 113, 175 – Geist (Gott Heiliger Geist) 79, 105, 113, 117, 119, 135, 162–165, 175, 201 Tropfen 104–107 Trunkenheit 76 Tür 119, 229, 241 Tugend 21, 23, 48, 73, 80, 83, 116f., 153, 157, 187, 205, 221, 223, 227, 233 Turm 197, 223, 241 Typologie 151, 242 Übel siehe böse/das Böse Übersetzung 3f. Übung 192f. Umkehr 219 Ungerechtigkeit 71 Unglaube 89, 153, 169 Unklarheit 141, 205 Universalität 22–24, 50 Unsterblichkeit 187, 219, 237, 241 Unterscheidung 32, 34 Unwissenheit 153 Vater 142–145 – Vater (Gott Vater) siehe Trinität – Vaterunser 132 Veränderung 49 Verdienst 29, 108, 117, 137 Vereinigung 9, 11, 12, 14, 15, 17, 18, 19, 28f., 47, 77 Verfolgung 89, 133, 173 Verheißung 155 Verkündigung 69, 95, 105, 242 Verlangen siehe Sehnsucht

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Vernunft 13, 19, 23, 26, 28, 34, 45, 51, 52, 147, 157, 162–165, 193, 195, 209, 212f., 229, 239, 241 Verschleierung 197 Verstockung 152–155 Versuchung 45, 109, 132, 175, 217 Vertrauen 193 Verwandlung 191, 226f., 233, 239 Vielheit 194 Völker (Heiden) 85, 89, 104–107, 109, 117, 151, 163, 167, 169, 220, 222, 225, 247 Vollkommenheit 9, 16, 26, 33, 45, 48, 50, 51, 69, 77, 81, 83, 95, 127, 145, 151, 157, 165, 177, 187, 199, 201, 209, 210, 211, 213, 215, 217, 226–229, 238–241, 245 – vollkommene Christen siehe einfache/vollkommene Christen Vorsehung 51 Vulgata 83, 106, 122, 133, 192, 242 Wahrheit 12, 15, 16, 19, 20, 50, 77, 101, 112, 117, 118, 119, 130, 169, 175, 187, 197, 198, 214, 235, 239 Wange 77, 93, 159, 207, 211, 217 Wasser 205, 235, 237 Weg 8f., 11, 16, 21, 28, 51, 131, 133, 157, 215 Weihrauch 73, 105, 225 Wein 21, 75, 77, 83, 119, 147, 151, 187, 223, 229, 231, 243, 245 Weinberg/Weinstock 51, 89, 109, 155, 173, 181, 183, 185, 217, 229, 231, 242–245 weiß 48f., 83, 85, 150, 153, 205 Weiser 143, 159, 225 Weisheit (sophı´a/sapientia) 12, 13, 19, 50, 72, 73, 75, 87, 101, 119, 122–125, 127, 133, 137, 143, 149, 164f., 174, 177, 181, 187, 191, 192f., 197, 198, 223 Weizen 223

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Register

Welt 77, 79, 109, 115, 133, 161, 164, 165, 192f., 215 Werke 23, 105, 129, 153, 173, 207 Wesen (ousı´a/substantia) 72, 123f. Wiedergeburt 155, 181 Willensfreiheit siehe Freiheit Wind 200–202, 237 Winter 10, 133, 135, 173, 175, 179, 217 Winzer 109, 184f. Wissenschaft 192, 214, 225 – Wissenschaftstheorie 192 Wolke 179, 205 Wunde der Liebe siehe Liebe Wunder 113 Würde 89, 91 Würdigkeit 12, 14, 15, 29, 51, 77, 91, 109, 117, 137, 208f., 213, 239 Wüste 9, 67, 135, 195, 219

Xenokrates von Ephesus 206 Zahl 49 – Tausend 49, 242–245 – Zweihundert 49, 242–245 Zahn 195, 211, 229 Zeder 115 Zelt 10, 83, 87, 94 Zenon von Kition 83, 149 Ziege 128 Zimt 105, 107, 163 Zion 222 Zunge 93, 229 Zuversicht 51, 80f., 103, 134–137, 225 Zweifel 127 Zweiheit 49, 245 Zwillinge 195, 211 Zypern 109 Zypresse 115