Organische Chemie [11., durchgeseh. Aufl. Reprint 2020] 9783112315736, 9783112304563

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Organische Chemie [11., durchgeseh. Aufl. Reprint 2020]
 9783112315736, 9783112304563

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Organische Chemie von

Dr.-Ing. Wilhelm Schlenk jun. in Ludwigshafen am Rhein

Elfte, durchgesehene Auflage Mit 16 Abbildungen

Sammlung Gösdien Band 38/38 a Walter de Gruyter & Co • Berlin 1968 vormals G. J. GÖschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. T r ü b n e r • Veit & Comp.

© Copyright 1968 by Walter de Gruyter & C o . , vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. — Archiv-Nr. 7 7 6 0 6 8 8 — Satz und Druck: Thormann & Goetsch, Berlin-Neukölln. — Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis

Seite

Lehrbücher der organischen Chemie und literarische Hilfsmittel der organisch-chemischen Forschung

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Allgemeines „Organische Chemie" Natur der Bindungskräfte in organischen Molekülen Valenzwinkel; Tetraedermodell des Kohlenstoffatoms Bindungsabstande; Bindungsfestigkeit F r e i e Drehbarkeit um einfache C-C-Bindung Ringspannung Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung Konjugierte Systeme, Resonanz, Mesomerie Arten von Isomerie I. Metamerie; Tautomerie I I . Cis-trans-Isomerie (Geometrische Isomerie, Diastereo» isomerie) I I I . Spiegelbild-Isomerie (Raumisomerie, Stereoisomerie, Enantiostereoisomerie, optische Isomerie) Räumliche Gestalt organischer Moleküle Anwendung von Isotopen in der organischen Chemie

7 7 10 10 11 13 14 15 17 17 18 19 21 23

Spezieller Teil Einteilung der speziellen organischen Chemie

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Aliphatische Verbindungen Paraffine Cycloparaffine Ungesättigte Kohlenwasserstoffe I. Alkylene (Olefine) I I . Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppelbindungen I I I . Kohlenwasserstoffe mit dreifacher Bindung Halogensubstitutionsprodukte der Paraffine Alkylhalogenide Polyhalogenverbindungen Alkohole Gesättigte einwertige Alkohole Ungesättigte einwertige Alkohole Mehrwertige Alkohole Äther Thioalkohole und Thioäther

25 25 34 36 36 41 44 48 48 50 53 54 60 61 64 65

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Inhaltsverzeichnis

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Seite Substitutionsregeln 183 Aromatische Kohlenwasserstoffe 184 Halogensubstitutionsprodukte 187 Sulfonsäuren 188 Einwertige Phenole. Arylalkohole 189 Zweiwertige Phenole 192 Dreiwertige Phenole 194 Aromatische Aldehyde 195 Aromatische Ketone 197 Aromatische Carbonsäuren 198 Aromatische Nitroverbindungen 204 Reduktion des Nitrobenzols 205 Aromatische Amine 208 Chemotherapeutica und Antibiotica 211 Diazoverbindungen 213 Umsetzungen der Diazoniumsalze 216 Diphenylderivate 218 Triphenylmethanderivate 219 Farbe und chemische Konstitution organischer Verbindungen; Vorginge beim Färben 223 Freie Radikale Hydroaromatisdie Verbindungen Kondensierte aromatische Ringsysteme Heterocyclische Verbindungen Kondensierte heterocyclische Verbindungen Alkaloide Vitamine und Hormone Register

226 228 234 239 245 251 254 265

Lehrbücher der organischen Chemie und literarische Hilfsmittel der organisch-chemischen Forschung Lehrbücher: A. F. H o l l e m a n n , Lehrbuch der organischen Chemie, 37.—41. Aufl.. Berlin 1961. P. K a r r e r , Lehrbuch der organischen Chemie, 13. Aufl., Stuttgart 1959 L. F. F i e s e r und M. F i e s e r , Organische Chemie. Übersetzt von H . R. Hensel, Weinheim 1965. F. K 1 a g e s , Lehrbuch der Organischen Chemie. 2. Auflage, Berlin, ab 1959. E. H. R o d d u. R. R o b i n s o n , Chemistry of Carbon Compounds. I. Aufl. 10 Bde. Amsterdam, Brüssel, New York, Houston 1952—1962. 2. Aufl. ab 1964. E. S. G o u 1 d , Mechanismus u. Struktur in der organischen Chemie. Weinheim 1962. P. S y k e s , Reaktionsmechanismen der organischen Chemie. Eine Einführung. Weinheim 1964. W . H ü c k e 1, Theoretische Grundlagen der organischen Chemie. 9. Auflage, Leipzig 1961. 2 Bände. E u g e n M ü l l e r , Neuere Anschauungen der Organischen Chemie. 2. Aufl., Berlin 1957. H . A. S t a a b , E i n f ü h r u n g in die theoretische organische Chemie, 4. Aufl. Weinheim 1964. A. R i e c h e , Grundriß der technischen organischen Chemie. 2. Aufl., Leipzig 1961. P. W a i d e n , Geschichte der organischen Chemie seit 1880. Berlin 1941. Handbücher: F r i e d r i c h B e i l s t e i n , Handbuch der organischen Chemie. H o u b e n - W e y l , Die Methoden der organischen Chemie. Stuttgart 1952 ff. R. A d a m s , Organic Reactions, I—XIII, New York 1942—63. K. W i n n a c k e r u. E. W e i n g ä r t n e r , Organische Technologie 2 Bde. 2. Aufl. München 1959/60. H. R ö m p p , Chemie-Lexikon. 3 Bde. 5. Aufl., Stuttgart 1962. M o n o g r a p h i e n über Teilgebiete sind im Text an den betreffenden Stellen in Fußnoten angeführt. Referate über neu v e r ö f f e n t l i c h t e A r b e i t e n : „Chemisches Zentralblatt" (Deutschland) und „Chemical Abstracts" (USA) berichten in wöchentlich erscheinenden H e f t e n vollständig über a l l e Untersuchungen auf sämtlichen Gebieten der reinen und angewandten Chemie. Einige der wichtigsten Z e i t s c h r i f t e n , die Originalberichte über die Ergebnisse organischchemischer Untersuchungen bringen: Justus Liebigs Annalen der Chemie. Chemische Berichte. Annales de chimie. (Frankreich.) Bulletin de la société chimique de France. (Frankreich.) Journal of the chemical society. (England.) Journal of the american chemical society. (Amerika.) Journal of organic chemistry. (Amerika.) Gazzetta chimica italiana. (Italien.) Recueil des travaux chimiques des Pays-Bas. (Holland.) Helvetica chimica acta. (Schweiz.)

Allgemeines „Organische Chemie" Die organische Chemie ist die Chemie der Kohlenstoffverbindungen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts meinte man, daß Kohlenstoffverbindungen nur in Organismen entstünden und nannte diese Stoffe daher kurzweg „organische Verbindungen". Die Gleichsetzung Kohlenstoffverbindung — organismisches Produkt war irrig, der Name aber ist geblieben. Die heutige Chemie zieht keine Grenzen zwischen solchen Kohlenstoffverbindungen, die, wie z. B. Eiweißstoffe, bisher nur auf biologischem Weg entstehen, solchen, die sowohl in der Natur wie im Laboratorium synthetisiert werden, und solchen schließlich, die — z. B. wegen Wasserempfindlichkeit — nur künstlich dargestellt werden können und unter biologischen Bedingungen nicht existenzfähig sind. Natui dei Bindungskräfte in organischen Molekülen Die vornehmlich bei anorganischen Verbindungen anzutreffende heteropolare oder ionogene Bindung beruht bekanntlich auf gegenseitiger elektrostatischer Anziehung der Liganden. Sie kommt dadurch zustande, daß der eine Ligand ein oder mehrere Elektronen an den andern abgibt und dadurch sich selber ein- oder mehrfach positiv, den Partner ein- oder mehrfach negativ auflädt. Charakteristisch für die ionogene Bindung ist in erster Linie, daß sie verhältnismäßig leicht, z. B. schon bei der Auflösung der Verbindungen in Wasser, zerreißt und dabei, wie schon der Name andeutet, Ionen entstehen läßt. Außerdem ist für die Ionenbindung kennzeichnend, daß sie der räumlichen gegenseitigen Lagerung

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Allgemeines

der Liganden im einzelnen Molekül (nicht im Kristalll) Spiel gewährt. Die Bindekraft ist u n g e r i c h t e t . Zu ionogener Bindung befähigt sind in erster Linie Metalle und Halogene. In der organischen Chemie spielt ein andersartiger Bindungstyp die weitaus wichtigste Rolle: die „covalente" oder „homöopolare" Bindung, auch „Atombindung" genannt. Covalente Bindungen, beispielsweise im Molekül des Äthylalkohols H H I I H—C—C—O—H die Bindungen zwischen C und C; C und H; C und O; O und H, kommen dadurch zustande, daß je zwei Nachbaratome zur Bindung zwischen einander je ein Elektron beisteuern. Die nun „gepaarten" zwei Elektronen sind b e i d e n Nachbaratomen zugeordnet. Sie nehmen dabei weder streng definierbare Plätze ein, noch etwa durchlaufen sie konstante Bahnen, vielmehr bilden sie eine Art „Ladungswolke", deren örtliche Dichte sich von Augenblick zu Augenblick verändert, und die nur ihrer räumlichen Gesamtausdehnung nach angegeben werden kann. Die Ladungswolke verteilt sich bei der einfachen Bindung zentrosymmetrisch um die Bindungsrichtung. Man kann sie sich, grob veranschaulicht, als eine Art aufgeblähten Schlauch, von Atom zu Atom reichend, vorstellen, dessen Längsachse die Verbindungslinie zwischen den Atomen ist. Die covalente Einfachbindung wird üblicherweise, wie in dem obigen Formelbild, durch einen Strich symbolisiert. Wo kein Mißverständnis möglich ist, werden die Striche häufig weggelassen und die Atomsymbole unverbunden nebeneinander geschrieben, die obige Formel z. B. J W. Baker, Elektronentheorie der Organischen Chemie, Stuttgart 1960. C. Karagounis, Einführung in die Elektronentheorie organischer Verbindungen. Berlin 1959. L. Paulüig, Die Natur der dbemisdlen Bindung. Weinheim 1962. G. W. Wheland, Resonance in Organic Chemistry, New York 1955.

Bindungskräfte in organ. Molekülen

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läßt man zu CH 9 CH 2 OH oder, noch einfacher, zu C 2 H 5 OH zusammenschrumpfen. Man bezeichnet die covalente Einfachbindung als a-Bindung, die an ihr beteiligten Elektronen als a-Elektronen. Wie hier als bekannt vorausgesetzt werden muß, verfügt Wasserstoff über 1 Valenzelektron, kann sich also für ] covalente Bindung zur Verfügung stellen; Sauerstoff hat 2, Kohlenstoff 4 Valenzelektronen, demgemäß kann Sauerstoff zwei, Kohlenstoff vier covalente Bindungen eingehen. Die Erfahrung lehrt, daß das Kohlenstoffatom nicht nur vier covalente Bindungen eingehen k a n n , sondern daß in fast allen stabilen organischen Verbindungen nur Kohlenstoffatome anzutreffen sind, die die volle Zahl der Valenzelektronen betätigen: Kohlenstoff ist „vierwertig". Verbindungen, die Kohlenstoffatome enthalten, welche „ungepaarte" Elektronen tragen, sind äußerst selten (z. B. Kohlenoxvd C = 0 mit zwei ungepaarten Elektronen, Triphenylmethyl mit einem ungepaarten Elektron). Auch bei den homöopolaren Molekülen der organischen Chemie erweist sich die von der anorganischen Chemie her geläufige „Oktettregel" als erfüllt, wie sich z. B. anhand der obigen Formel des Äthylalkohols leicht nachrechnen läßt. Jedes Kohlenstoffatom „empfängt" von seinen vier Liganden je 1 Elektron; diese vier Elektronen sind zu den eigenen vier hinzuzurechnen, so daß sich das Atom im Molekül also von insgesamt acht Elektronen umgeben findet, wodurch „Edelgaskonfiguration" erreicht ist. Dem Sauerstoffatom mit seinen sechs Außenelektronen fehlen zur Ergänzung zwei Elektronen: eines davon wird durch die Bindung des Kohlenstoffatoms, das zweite durch die des Wasserstoffatoms gewonnen. Die Wasserstoffatome ihrerseits empfangen aus der covalenten Bindung ie ein Elektron und erlangen damit ebenfalls Edelgaskonfiguration ihrer Elektronenhülle. Die Kohlenstoffatome besitzen die Fähigkeit, sich mit ihresgleichen zu Ketten oder Ringen zu verknüpfen, deren Mannigfaltigkeit und Gliederzahl anscheinend keine Grenze hat. Diese Eigenschaft findet sich nur noch ?n sehr

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Allgemeines

unvollkommener Weise bei einigen andern Elementen, am deutlichsten beim Silieium, dem Element, das im periodischen System dem Kohlenstoff am nächsten zugeordnet ist. Mit der Gliederzahl 6 ist aber beim Silizium die Grenze der Verkettungsmöglichkeit erreicht 1 ), und schon bei drei Gliedern sind die Siliciumketten im Vergleich zu denen des Kohlenstoffatoms äußerst brüchig. Valenzwinkel; Tetraedermodell des Kohlenstoffatoms Homöopolare Bindungen sind räumlich gerichtet. Beim Kohlenstoff verteilen sich die vier Valenzen in der größtmöglichen Symmetrie über den Raum, das heißt, sie schließen untereinander paarweise Winkel von je 109°28' ein wie die Verbindungslinien vom Mittelpunkt zu den Ecken eines regulären Tetraeders. Dieses „Tetraedermodell" gilt nur hinsichtlich der R i c h t u n g der Bindekräfte vom Kohlenstoffatom zu seinen vier Liganden; es darf nicht so interpretiert werden, daß etwa die vier Liganden genau die Ecken eines regulären Tetraeders einnehmen. Dies trifft nur ausnahmsweise zu, nämlich dann, wenn die Liganden alle den gleichen Abstand vom Kohlenstoffatom aufweisen. Zahlenwerte für Bindungsabstände s. S. 11. Die Valenzrichtungen des covalent gebundenen S a u e r s t o f f a t o m s schließen einen Winkel ein, der je nach der Art der beiden Liganden etwa 105 bis 112° beträgt. Das covalent gebundene Stickstoffatom ist zu denken als Spitze einer stumpfen Pyramide, deren drei Kanten, richtungsmäßig die Valenzen des Stickstoffs verkörpernd, miteinander Winkel von etwa 112° einschließen. Bindungsabstände, Bindungsfestigkeiten Röntgenographischen Messungen dankt man genaue Kenntnisse über die gegenseitigen Abstände der Atome in organischen Molekülen. Die Atomabstände hängen im ! ) außer wenn abwechselnd Sauerstoffatome in die Kette eingebaut werden.

Freie Drehbarkeit um einfache C—C-Bindung

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allgemeinen nur wenig von den sonstigen Substituenten im Molekül ab (Ausnahmen s. S. 16), so daß sich Standardwerte angeben iassen. Bindungsabstände C—C 1,54 Ä C = C 1,33 A C = C 1,21 A C—H 1,09 C—O 1,43 C = 0 1,21 C—N 1,47 C = N 1,27 C = N 1,15 C—C1 1,77 Die Festigkeit der Bindung zwischen zwei Atomen wird zahlenmäßig durch den Energiebetrag (in Cal/Mol) ausgedrückt, der aufgewendet werden muß, um das Molekül an der betreffenden Stelle in zwei Stücke zu zerreißen. Eine Reihe von Näherungswerten gibt die folgende Tabelle wieder. Bindungsenergien C—H 87 Cal/Mol C—OH 70 Cal/Mol C—C 59 C—NHj 49 C = C 100 C—C1 67 C = C 123 Die Bindungsfestigkeit wird durch gewisse Substituenten an den betreffenden Atomen merklich beeinflußt (Extremfall s. S. 226). Freie Drehbarkeit um einfache C—C-Bindung Stellt man unter Berücksichtigung der relativen Atomabstände und der tetraedrischen Anordnung der vier Kohlenstoffvalenzen ein Modell der Verbindung Ä t h a n , H 3 C—CH 3 , her (Abb. 1; die großen Kugeln bezeichnen die Mittelpunkte der beiden C-Atome, die kleinen die der IiAtome), so zeigt sich, daß die genannten ¿«p* Faktoren die Raumfigur des Moleküls nicht eindeutig bestimmen. Willkürlich ist nämlich Abb'1 in der Zeichnung, daß sich die Wasserstoffatome der einen Molekülhälfte gerade über denen der L. E . Sutter u. a., Tables of Interatomic Distances and in Molecules and Ions, London 1958.

Configuration

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Allgemeines

anderen Molekülhälfte befinden. Die Bedingung fixer Atomabstände und tetraedrischer Anordnung würde auch dann erfüllt sein, wenn am Modell die Molekülhälften — mit der Bindungsrichtung der C—C-Bindung als Achse — um einen beliebigen Winkel gegeneinander gedreht wären. Nun gibt es aber nur eine einzige Verbindung H 3 C — CH S und trotz eines außerordentlich großen Beobachtungsmaterials hat man auch bei substituierten Äthanen vom Typus XH 2 C—CH 2 X und X 2 HC—CHX 2 und X 3 C—CX 3 niemals die Existenz von Isomeren beobachtet. Hieraus ist zu schließen: Bei der einfachen C—C-Bindung sind die beiden Kohlenstoffatome nicht vollkommen starr miteinander verknüpft, sondern sie haben die Fähigkeit, durch spontane Drehung der Molekülhälften um ihre Bindungsachse diejenige Stellung einzunehmen, in welcher sich die Liganden des einen C-Atoms zu denen des anderen in einer begünstigten Lage befinden. („Freie Drehbarkeit".) W e l c h e räumliche Anordnung, welche „Konstellation" (international hat sich hierfür der Ausdruck „Konformation" eingebürgert), im einzelnen Fall meistbegünstigt ist, hängt in erster Linie von der Raumbeanspruchung und von der Polarität der Liganden ab. Bei Molekülen der Konstitution XH 2 C—CH 2 Y kann man sich vorstellen, daß die Substituenten X und Y weitestmöglich voneinander abgewendet sind, wenn jeder von ihnen relativ großen Raum beansprucht. Solche abgewendete Stellung ist ferner z. B. bei der Verbindung C1H 2 C—CH 2 C1 bevorzugt, weil die negativ polaren Chloratome eine abstoßende Wirkung aufeinander ausüben. „Freie" Drehbarkeit besagt also nicht, daß sich wahllos jede beliebige Konformation einstellt, sondern besagt nur, daß jeweils leicht und schnell ein und dieselbe Koniormation (oder ein Gleichgewichtszustand mehrerer Konformationen) ausgebüdet wird. Freie Drehbarkeit liegt außer für die C—C-Bindung H. H. Lau, Prinzipien der Konformationsanalyse, Z. Angew. Chem. 73, (1961), 423.

Ringspannung

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auch für die einfache Rindung zwischen Kohlenstoff und der Aminogruppe (—NH 2 ; NR'R) sowie der Hydroxylgruppe C—OH; —OR) vor. Der Beweis für die freie Drehbarkeit liegt hier, wie bei der Kohlenstoff-KohlenstoffBindung, in der Nichtexistenz von Cis-trans-Isomeren (s. S. 18), die beim Fehlen der Drehbarkeit zu erwarten wären. Ringspannung Sind zwei, drei, vier oder mehrere Kohlenstoffatome kettenartig aneinandergeknüpft, so ergibt sich für die Gestalt der Kette aus der Tetraedervorstellung nur, daß der Winkel zwischen je zwei benachbarten Kohlenstoffbindungen konstant (109°28') ist. Im übrigen kann auf Grund der freien Drehbarkeit die Kette um jede der vorhandenen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen als Adise in sich verschwenkt werden und daher, je länger sie ist, desto mannigfaltigere Gestalt annehmen. Ein ringförmiger Zusammenschluß ist ohne wesentliche „Deformation" der Valenzrichtungen bei Ketten von fünf Kohlenstoffatomen möglich.

Abb. 2—3

Ringmodelle von mehr als fünf Gliedern sind gleichfalls „spannungsfrei", wenn man die Kohlenstoffatome nicht in eine Ebene zwingt, sondern sie räumlich, wie es das Prinzip der freien Drehbarkeit gestattet, „ausweichen" läßt. Dagegen herrscht in drei- und viergliedrigen Kohlenstoffringverbindungen beträchtliche Spannung, da bei dieser Anordnung der Atome der natürliche Valenzwinkel von 109°28' erheblich unterschritten ist. In bester Übereinstimmung mit diesen theoretischen Forderungen

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Allgemeines

aus dem Tetraedermodell und der Theorie der freien Drehbarkeit steht, daß fünf-, sechs- und höhergliedrige Ringsysteme, beurteilt nach der Verbrennungswärme, wesentlich höhere Bindungsfestigkeiten (größere Stabilität, geringere Spannung) aufweisen als drei- und viergliedrige. Der gleiche Sachverhalt kommt in der allgemeinen chemischen Erfahrung zum Ausdruck, daß sich fünf- und sechsgliedrige Ringe besonders leicht bilden und chemischen Einflüssen gegenüber wesentlich stabiler sind als dreiund viergliedrige. Kohlenstoff-Kohlenstofi-Doppelbindung Doppelbindung zwischen Kohlenstoffatomen pflegt man formelmäßig durch zwei Bindungsstriche wiederzugeben.

Äthylen Wie die Erfahrung lehrt, bedeutet jedoch in der Kohlenstoffdiemie „doppelt gebunden" keineswegs „doppelt fest gebunden"; man weiß seit langem, daß die zwei Bindungsstriche nicht als additiver Ausdrude für zwei Einfachbindungen aufzufassen sind. Die Annahme eines besondersartigen Bindungszustandes im Äthylen und in seinen Derivaten konnte durch die wellenmechanische Deutung der Valenz präzisiert werden. Einer der beiden Bindungsstriche stellt in hoher Annäherung eine gewöhnliche a-Bindung (s. S. 9) vor; der zweite Bindungsstrich symbolisiert eine andersartige, wesentlich lockrere Bindung, eine sogenannte jc-Bindung. Auch diese zweite Bindung wird durch ein Elektronenpaar besorgt, von dem das eine Elektron vom einen, das andere vom anderen Nachbaratom herstammt. Die Ladungswolke dieser beiden jt-Elektronen ist jedoch nicht, wie die a-Wolke, zentrosymmetrisch um die Bindungsrichtung verteilt. Die maximale Ladungsdichte einer jt-Elektronenwolke liegt vielmehr in einer

Konjugation, Resonanz, Mesomerie

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Ebene. Hiervon ist eine Folge die Aufhebung der „freien Drehbarkeit" zwischen doppelt gebundenen Kohlenstoffatomen (s. Cis-trans-Isomerie, S. 18). Daß die Doppelbindung nicht besonders fest sein kann, sondern hinsichtlich angreifender Reagenzien geradezu locus minoris resistentiae im Molekül ist, hat lange vor der wellenmechanischen Deutung eine einfache, auf die räumlichen Verhältnisse gerichtete Betrachtung plausibel gemacht. Geht man nämlich vom Tetraedermodell aus, so ist man im Fall des Äthylens zur Annahme einer sehr starken Deformation der Valenzrichtungen gezwungen. Die Abb. 4 deutet an, wie weit bei zwei Kohlenstoffatomen, die bereits durch eine einfache Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bin- Abb. 4 dung verknüpft sind, die anderen Valenzenpaare auseinanderklaffen, und läßt erkennen, welch großer Deformation es zur Knüpfung der zweiten Bindung bedarf. Die Doppelbindung erscheint also schon nach dieser rein modellmäßigen Betrachtung als eine Stelle besonderer „Spannung" im Molekül. In chemischer Hinsicht ist charakteristisch für die Doppelbindung, daß sie unter Aufnahme („Addition") zweier einwertiger Atome oder Atomgruppen in eine einfache Bindung übergehen kann. Konjugierte Systeme, Resonanz, Mesomerie Erhebliche Abweichungen von den Nonnwerten der Bindungsabstände und Bindungsfestigkeiten (S. 11) trifft man bei solchen Molekülen, die zwei (oder mehrere) Doppelbindungen enthalten, die miteinander „konjugiert", das heißt, durch jeweils eine Einfachbindung voneinander getrennt sind. Das einfachste Beispiel hierfür ist das Butadien, das ein Paar konjugierter Doppelbindungen enthält; ein weiteres, besonders wichtiges Beispiel ist das Benzol mit einer cyclisch geschlossenen Gruppe von drei Doppelbindungen.

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Allgemeines H2C = CH—CH = CH2 Butadien

H

V

H

Benzol In Systemen solcher Art treten die an den Doppelbindungen beteiligten n-Elektronen in eine besondere Wechselwirkung miteinander, die „Resonanz" genannt wird. Man stellt sich vor, daß die jt-Elektronen dabei eine gemeinsame Ladungswolke bilden, die das gesamte konjugierte System umfängt. Zwei charakteristische Erscheinungen sind hierbei zu beobachten: die Atomabstände der von den Doppelbindungen eingeschlossenen Einfachbindungen sind gegenüber dem Standardwert (s. S. 11) verringert, das Molekül ist also kontrahiert; und die Bindungen werden fester als sie in vergleichbaren unkonjugierten Molekülen sind, so daß im gesamten der Inhalt an Bindungsenergie höher ist, als sich additiv aus den Standardwerten (s. S. 11) errechnet. Diese Energiedifferenz, ein Gewinn an Bindungsenergie, wird als „Konjugationsenergie" oder „Resonanzenergie" bezeichnet. Moleküle dieser Art, in denen Elektronen vorkommen, deren Bereich nicht in Einzelbindungen lokalisiert ist, sondern sich über mehrere Atome hinweg erstredet, nennt man „mesomere Systeme". In offenen konjugierten Systemen, wie z. B. den Derivaten R—CH = CH—CH = CH—R des Butadiens, ist die Mesomerie, d. h. die Verwischung des individuellen Charakters der Doppelbindungen und der von ihnen eingeschlossenen Einfachbindung nicht so stark ausgeprägt, daß der Unterschied zwischen diesen Bindungen völlig verloren wäre. Das beweist die erhalten gebliebene freie Drehbarkeit der mittleren Bindung einerseits und die Existenz von Cis-trans-Isomerie (s. S. 18) an den Doppelbindungen andererseits. Im cyclisch konjugierten System des Benzols dagegen ist die „Mesomerie" so vollständig, daß die benachbarten „Doppelbindungen" und

Arten von Isomerie

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„Einfachbindungen" des Systems einander vollkommen angeglichen und nicht mehr unterscheidbar sind (s. S. 179). Arten von Isomerie „Isomer" nennt man allgemein Produkte, die trotz gleicher Bruttoformel miteinander nicht identisch sind. Grund dieser Erscheinung ist, daß die Atome im Molekül räumlich verschieden angeordnet sind. Nach der Art der Verschiedenheit der räumlichen Anordnung kann man unterscheiden: „Metamerie", „Cis-trans-Isomerie", „Spiegelbild-Isomerie". I. M e t a m e r i e ; T a u t o m e r i e Das Wesen der Metamerie beruht darauf, daß die Atome in verschiedener Reihenfolge miteinander verknüpft sein können. Metamer sind z. B. die folgenden Verbindungen: CH 3 —CHj—CHr-CH,—CH 3 U. ^ N c H — C H J — C H 3 CH3' /CH3

CH3v und H femer

ch3/

H—C—C—C—H

I I

I I

H

;

ch3 H

und

H

H—C—C—OH H

x

H

I I I

H femer

H

>C
C3H6C12 usf.) Da die einzelnen Glieder der homologen Reihen miteinander nicht nur formelmäßig „homolog" sind, sondern auch gattungsmäßig eng zusammengehören — chemische und physikalische Eigenschaften verschieben sich von Glied zu Glied im allgemeinen nur graduell —, ist der Begriff der homologen Reihe für die organische Chemie ein wertvolles Ordnungsprinzip. Nomenklatur Die ersten vier Glieder der Paraffinreihe besitzen unsystematisch gebildete Eigennamen: CH 4 Methan, C 2 H e Äthan, C S H 8 Propan, C 4 H 10 Butan. Die Namen der weiteren Verbindungen sind aus den griechischen Zahlwörtern gebildet: Pentan, Hexan, Heptan, Octan usf. Die Zusammengehörigkeit der Verbindung kommt durch die gemeinsame Endsilbe -an zum Ausdruck. In der systematischen Nomenklatur ist für die Paraffine der Name „Alkane" eingeführt. Die den Stammverbindungen C n H 2 n +2 entsprechenden einwertigen Gruppen C n H 2ll +1 bezeichnet man als Alkylgruppen oder „Alkylradikale". Den Einzelnamen des jeweiligen einwertigen Radikals bildet man aus dem Namen des Paraffins durch Anhängen der Nachsilbe „yl" an Stelle von „an": also Methyl, Äthyl usf.; anstatt Pentyl ist die Sonderbezeichnung „Amyl" gebräuchlich. Unverzweigte Ketten nennt man „normal", die Verbindung Ausführliches über Nomenklatur in der Organischen Chemie z. B. im Lehrbuch Holleman, zitiert S. 6.

Paraffine

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H H H H H H H H HC—C—C—C—C—C—C—CH H H H H H H H H wird dementsprechend als n-Octan (lies Normal-Octan) bezeichnet. In verzweigten Ketten werden zur Kennzeichnung der Substitutionsstellen die C-Atome der Hauptkette numeriert: CH 3 (1)

(2)

(3)

(4)

| (5)

(6)

(7)

CH 3 —CH—CHj—CH—C CH 2 —CH 3 I I I CH3 CH2 CH3 I CH 3 2,5,5-Trimethyl-4-äthyl-heptan.

Den „normalen" Verbindungen pflegt man die Verbindungen mit verzweigten Ketten generell als „Iso-Verbindungen" gegenüberzustellen (z. B.: n-Octan — Isooctan). Das Präfix „Iso"- wird übrigens nicht nur zur Kennzeichnung des Gegensatzes: geradkettig-verzweigt, sondern auch sonst zur Kennzeichnung von einander nahestehenden Isomeren angewandt. Ein Kohlenstoffatom, das mit keinem oder nur mit einem anderen Kohlenstoffatom verknüpft ist, wie in der obigen Verbindung z. B. C ( 1 ) und C ( 7 ) , wird „primär", ein an zwei Kohlenstoffatome geknüpftes ( C ( 3 ) oder C' 6 1 ) wird „sekundär" genannt; ist es an drei oder vier Kohlenstoffatome gebunden, z. B. C( 2 ) bzw. C( 5 ), so heißt es tertiär bzw. quaternär. J e größer die Zahl der Kohlenstoffatome im Molekül ist, desto mannigfaltiger wird die Möglichkeit für Verzweigungen der Kette, desto größer also die Anzahl der Isomeren. Ihre Zahl wächst mit dem Molekulargewicht in äußerst starker Progression. A l l g e m e i n e E i g e n s c h a f t e n der Paraffine Die Paraffine sind farblose Verbindungen. Die niederen Glieder der Reihe bis zum Butan sind bei gewöhnlicher Temperatur gasförmig, geruchlos; die mitt-

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Aliphatische Verbindungen

leren flüssig, von charakteristischem „Benzin"-gerudi; die höheren fest und geruchlos. Für die Isomeren gilt die Regel, daß der Kohlenwasserstoff mit normaler Kette den höchsten, der mit am meisten verzweigter Kette den niedrigsten Siedepunkt hat: CH3 CH3—CHj—CHj—CH2—CH3 n-Pentan Siedep. 30,3°

H3C—C—CH3 | CH3 2,2-Dimethylpropan Siedep. 9,5°. In Wasser sind die Paraffine unlöslich, dagegen in gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln (Alkohol, Äther, Aceton, Benzol, Benzin, Schwefelkohlenstoff, Chloroform) löslich. Der Name (parum affinis = zu wenig reaktionsfähig) soll ausdrücken, daß die Verbindungsklasse verhältnismäßig reaktionsträge ist. Unter geeigneten Bedingungen lassen sich die Paraffine indessen doch in mannigfacher Weise zur Reaktion bringen (s. S. 29). Derartige Umsetzungen sind z. T. auch technisch wichtig. Allgemeine

Synthesen

1. Paraffine lassen sich aus Alkylhalogeniden durch Ersatz des Halogens durch Wasserstoff darstellen. Man läßt Magnesium auf das Alkylhalogenid in ätherischer Lösung einwirken und zersetzt die erhaltene Verbindung durch Wasser: RHal+Mg-»-RMgHal; RMgHal+HOH-^RH+HOMgHal. (R=*Alkylrest) 2. Aus Carbonsäuren C n H 2n + jCOOH lassen sich die Paraffine C n H 2n + , durch Kohlendioxydabspaltung gewinnen: man erhitzt das Natriumsalz mit Ätznatron. C„H2 n+l COONa+NaO; H

• Na2COs + CnH2n

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30

Aliphatische Verbindungen

oder unter oydativem Angriff auf das Paraffinmolekiil zur Bildung von Paraffincarbonsäuren (s. S. 86), etwa gemäß C, 4 H34+6HN0 3 G, 5 H3,COOH+4HjO+6NOJ. Hexadekan Palmitinsäure Die Reaktion spielt sich jedoch nicht streng nach der formulierten Gleichung ab, da außer NO ä auch andere Reduktionsprodukte der Salpetersäure, sowie Carbonsäuren mit kürzerer Kette entstehen. Neben Monocarbonsäuren können auch Dicarbonsäuren als Oxydationsprodukte auftreten. Oxydation der Paraffine zu Carbonsäuren läßt sich bei Verwendung von Katalysatoren auch mittels Luftsauerstoff durchführen. Für andere, gleichfalls technisch wichtige Synthesen dienen die Paraffine mittelbar als Ausgangsstoffe, indem sie zunächst durch „Crackung" (s. S. 33) z. B. CH 3 -CH 2 -CHJ -V CH,=CH 2 +CH 4 Propan Äthylen Methan oder durch Dehydrierung, z. B. CH3—CH—CH3 CH3—C—-CHS I ' II CH3 CH2 iso-Butan iso-Butylen in die reaktionsfähigeren Olefine (s. S. 36) verwandelt und danach weiteren Umsetzungen zugeführt werden. Allgemein gilt für Paraffine die Regel, daß die verzweigten reaktionsfreudiger sind als die geradkettigen. Einzelbesprechungen: M e t h a n , CH4. Neben den unter 1 und 2 genannten allgemeinen Bildungsweisen kommen für das Methan einige spezielle in Betradit. Aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff entsteht Methan in exothermer Reaktion, jedoch bedarf es zum Eintritt der Reaktion einer erheblichen Aktivierungsenergie (der Temperatur des Lichtbogens). Praktisch ist die Reaktion bedeutungslos, weil bei den erforderlichen hohen Temperaturen das Gleichgewicht C + 4H CH4

Paraffine

31

stark zugunsten der linken Seite verschoben ist (die endotherme Teilreaktion verläuft von rechts nach links!). Durchführbar ist dagegen die Reduktion von Kohlenoxyd zu Methan: CO + 6 H -»• CH4 + H 2 0 (Reaktionstemperatur 250° bis 300°, Verwendung von Nickel als Katalysator). Bei den großen Mengen Methan, die in den verschiedenen technischen Gasen (Erdgas, Kokereigas, Schwelgas, CTackgas) zur Verfügung stehen, hat die Reaktion jedoch heute praktisch keine Bedeutung mehr; technisch durchgeführt wird vielmehr die Gegenreaktion, CH 4 + O ->- CO + 4 H, die partielle Verbrennung des Methans zu Kohlenoxyd und Wasserstoff („Synthesegas") für Methanolsynthese (s. S. 57) und Fischer-Tropsch-Verfahren (s. S. 34). Präparativ brauchbar ist die Methode der Zersetzung von Aluminiumcarbid durch Wasser AI4C3+12 H 2 0 4 Al(OH) 3 +3 C H 4 . Wichtig ist die Entstehung des Methans bei der trodcenen Destillation von Steinkohle. Mengenmäßig macht das Methan etwa 30 Volum-Prozent des Leuchtgases aus und ist bezüglich der Heizkraft der wertvollste Anteil. In der Natur findet sich Methan als „Grubengas" in Steinkohlenbergwerken sowie besonders als Hauptbestandteil des „Erdgases". Die Erdgasquellen (vor allem in Amerika) werden industriell ausgenutzt. In Deutschland betrug die Erdgasförderung im Jahr 1964 etwa 1200 Millionen Kubikmeter. In großer Menge fallen die gasförmigen Paraffine ferner beim Crackprozeß (S. 33) und bei den Verfahren zur Kohlenhydrierung (S. 34) als Nebenprodukte an. Ä t h a n ist ohne besonderes praktisches Interesse. Propan und Butan, unter Druck verflüssigbar, können als „Flüssiggas" zum Betrieb von Motoren dienen. E r d ö l . Die Erdöllager stammen aus den geologischen Epochen der Silur-, Devon-, Jura- und Tertiärzeit. Aller Wahrscheinlichkeit nach entstanden die Erdöle aus dem Fett von Massenablagerungen von Plankton. Die bis jetzt nutzbar gemachten Hauptfundorte des Erdöls liegen in den Vereinigten Staaten, in Lateinamerika, im Mittleren Osten und in Rußland. In Rußland befinden sich auch Ablagerungen fester Kohlenwasserstoffe, die teils aus Paraffinen, teils aus cyclischen Kohlenwasserstoffen verschiedener Art bestehen und E. Boye, Flüssiggas, Chem. Ztg. 81, 361 (1957).

32

Aliphatische Verbindungen

wachstechnologisdi wertvolle Eigenschaften haben: die sogen. Ozokerite. Ein weiteres Naturprodukt verwandter Art ist Asphalt. E r d ö l f ö r d e r u n g der Welt 1963 Angaben Anteil in % in an Gesamt10001 menge Nordamerika 409 350 31,4 Karibischer Raum 184 950 14,2 Übriges Lateinamerika . . . . 40 770 3,1 Nah. Osten (einschl. Ägypten) 343 900 26,4 Afrika (ohne Ägypten) 50 800 3,9 Westeuropa 18145 1,4 Ferner Osten 29 500 2,2 Freie Welt insgesamt 1077 416 82,6 (davon außerhalb der USA).. 703 916 54,0 Ostblock ~ 227130 " 17,4 (davon außerhalb der UdSSR) 22 130 1,7 Welt insgesamt 1 304 546 100,0 In Westdeutschland wurden im Jahr 1963 7,3 Millionen Tonnen Erdöl gefördert. Hiermit wurden etwa 13 % des Eigenbedarfs gedeckt. Die Paraffinkohlenwasserstoffe sind nidit die alleinigen Bestandteile der Erdöle. Diese enthalten vielmehr je nach den Fundorten neben oder anstatt der Paraffine Cycl oparaffine (S. 34) und Benzolderivate. Besonders wichtig ist das Erdöl bekanntlich als Energiequelle zum Betrieb von Otto- und Dieselmotoren. Das natürliche Gemisdi wird in Gruppen aufgeteilt, die durch physikalische Eigenschaften (Siedepunkt, spezifisches Gewicht, Viskosität) gekennzeichnet sind. Diese Zerlegung wird durch fraktionierte Destillation erreicht. Hauptfraktionen: Rohbenzin Siedepunkt 40—150° Petroleum im engem Sinn Siedepunkt 150—300° „Paraffinmasse" Siedepunkt über 350° „Pech" Rüdestand. K. Krejci-Graf, Moderne Anschauungen über die Entstehung des Erdöls. Erdöl und Kohle 13, 836 (1960). A. N. Sachanen. T h e Chemical Constituents of Petroleum. New York 1945. H Ruf, Kleine Technologie des Erdöls, 2. Aufl. Basel und Stuttgart 1963. B . Riediger, D e r heutige Stand der Erdölverarbeitung, Z. Ver. Dtsch. Ing 100, 617 (1958).

Paraffine

33

Das R o h b e n z i n wird durch Behandeln mit konzentrierter Schwefelsäure und Alkali und Waschen mit Wasser von nichtkohlenwasserstoffartigen Produkten gereinigt und destillativ in mehrere Anteile zerlegt: Petroläther, Siedepunkt 40—70°; Leichtbenzin, Siedepunkt 60—110° (das Motorenbenzin der Automobile); Schwerbenzin, Siedepunkt 100—150° (Betriebsstoff für stehende Motoren). Audi das P e t r o l e u m wird „raffiniert"; es dient unter anderem als Lampenöl. Fraktionen von etwa 200 bis 370°, „Gasöl", werden zum Betrieb von Dieselmotoren verwendet. Die P a r a f f i n m a s s e wird in Treiböl, Schmieröl und festes Paraffin geschieden. Das Treiböl dient als Kraftstoff für Dieselmaschinen, das Schmieröl, wie der Name sagt, als Schmiermittel, das feste Paraffin findet Verwendung zur Herstellung von Kerzen, zur Imprägnierung von Zündhölzern u. a. Halbfestes und besonders gereinigtes Paraffin wird als „Vaseline" bezeichnet. Das Pech wird in der Asphaltindustrie verwendet. Die Nachfrage nach den niedriger siedenden Fraktionen des Erdöls war in den letzten Dezennien, vor allem auf Grund der Entwicklung der Automobilindustrie, wesentlich größer als die nach den höheren. Durch Uberhitzung gelingt es, die großen schwerflüchtigen Moleküle zu zerreißen und in kleinere, niedriger siedende zu verwandeln („Crackbenzin"). Die Crackung kann rein thermisch oder unter Mitverwendung von Katalysatoren geschehen. Die bei der Crackung als Nebenprodukt entstehenden gasförmigen Kohlenwasserstoffe, insbesondere die Verbindungen mit 4 und 5 C-atomen, lassen sich, soweit sie ungesättigt (s. S. 36) sind, thermisch oder mittels geeigneter Katalysatoren wieder zu größeren Molekülen polymerisieren. Bei der Polymerisation entstehen vorzugsweise Kohlenwasserstoffe mit verzweigten Ketten, die als besonders „klopffeste" Kraftstoffe wertvoll sind („Polymerbenzin"). Die Crackgase Methan, Äthylen, Propylen und Butylen werden zunehmend als Rohstoffe zur Herstellung von Plasten und Chemikalien verwendet („Petrochemie" od. „Petrolchemie"). Lit. s. S. 25. A. V. Blom, Petrochemie als Grundlage der Kunststoffproduktion, Chimia 10, 105 (1956). F. Asinger, E i n f ü h r u n g in die Petrolchemie, Berlin 1959; M. ]. Astle, Petrochemie, Stuttgart 1959; E. Boye, Petrolchemie, Chem.Ztg. 8) 431, 749 (1957), 82, 359 (1958). O. Horn, Die Petrodieroie in Deutschland 1963, Brennst. C h e m . 44, 363 (1963). 3

S c h l e n k , Organische C h e m i e

34

Aliphatische Verbindungen

In Westdeutschland wurden 1963 etwa 720 0001 Äthylen und 370 0001 Propylen erzeugt und verbraucht. Gegenwärtig verlagert sich der Schwerpunkt des Bedarfs an flüssigen Kohlenwasserstoffen zusehends vom Motorenbenzin auf die höher siedenden Fraktionen des Erdöls (Motorenpetroleum und Flugturbinenkraftstoff, Heizöl). B r a u n k o h l e n s c h w e l e r e i . Bei der trockenen Destillation von Braunkohle wird ein Teer gewonnen, der hauptsächlich aus höheren Kohlenwasserstoffen besteht und teils auf festes Paraffin, teils auch durch Cradcung und Hydrierung auf flüssige Brennstoffe aufgearbeitet wird. K o h l e v e r f l ü s s i g u n g . Durch Hydrierung, das heißt Vermehrung des Wasserstoffgehaltes, läßt sich die feste Kohle, deren Anwendung zur Krafterzeugung auf den Dampfkessel beschränkt ist, in die vielseitiger verwertbaren flüssigen Brennstoffe verwandeln. Großtechnisch kann die Kohlehydrierung nach zwei grundsätzlich verschiedenen Verfahren ausgeführt werden. Das Bergius-Verfahren besteht darin, daß feingemahlene Braunkohle in Schweröl aufgeschwemmt und unter 200 Atmosphären Druck in Gegenwart geeigneter Katalysatoren mit Wasserstoff auf 400—500° erhitzt wird. Die Braunkohle wird dabei zu flüssigen Kohlenwasserstoffen hydriert. Nach dem Verfahren von Fischer-Tropsch wird „Wassergas", ein Gemisch von Kohlenoxyd und Wasserstoff (s. S. 31), mittels geeigneter Katalysatoren bei 200—300° unter wenig erhöhtem Druck in Kohlenwasserstoffe verwandelt. Es entstehen hierbei fast ausschließlich geradkettige Paraffine. Gegenwärtig werden Bergius-Verfahren und Fischer-Tropsch-Verfahren kaum mehr angewendet, da genügend flüssige Kohlenwasserstoffe aus Erdöl verfügbar sind. Durch Oxydation mittels Luftsauerstoffs und geeigneter Katalysatoren lassen sich Paraffine in Fettsäuren überführen. Cycloparaffine. Allgemeine Formel C 0 H 2 n Wie nach der Wurtzschen Synthese durch Natriummetall aus Alkylhalogenid Halogen abgespalten wird und durch zwischenmolekulare Kondensation zwei Moleküle zu einer Kette zusammengeschlossen werden, so läßt sich bei endständig dihalogenierten Paraffinen eine Halogenabspaltung erreichen, die zu einem innermolekularen Zusammenschluß führt. Es entstehen dabei Ringe, soviel Methylengruppen (CH 2 ) enthaltend, als im angewendeten Dihalogenid enthalten waren.

Cycloparaffine z. B.: H 2 C /
• -j. H HJT./ +-L 29 Na 2C< |' + 2 NaBr.

\ C H j B r

X

C H ,

1,3-Dibrompropan Cyclopropan Die Leichtigkeit, mit welcher der Ringschluß erreicht wird, und andererseits die Beständigkeit der Ringe gegen thermische und diemische Einflüsse, ist nach dem auf Seite 13 über Ringspannung ausgeführten von der Zahl der in der Kette vorhandenen Kohlenstoffatome abhängig. Fünf- und Sechsring sind, der Forderung der Spannungstheorie entsprechend, besonders stabil. Bei Verbindungen vom Siebenring aufwärts wird der Ringschluß zunehmend schwieriger, weil die statistische Wahrscheinlichkeit, daß die Enden des Moleküls einander durch Wärmeschwingungen gerade so nahe kommen, wie es zum Ringschluß nötig ist, desto geringer wird, je länger die Kette ist. Als gesättigte Kohlenwasserstoffe sind die Cycloparaffine bezüglich Reaktionsträgheit den Paraffinen ähnlich; sie besitzen für die synthetische Chemie wenig Bedeutung. Soweit sie sich reaktionsfähiger als die offenen Paraffine erweisen, liegt die Veranlassung in der Spannung. So wird Cyclopropan durch Brom oder Schwefelsäure unter Addition zur offenen Kette aufgespalten: CH 2 Br /CHjBr H2C< | + | - H2C< \CHj Br \CH2Br Cyclopropan 1,3-Dibrompropan •CH 2 H /CH3 H2C< | + | - H2C< x

c h

2

o — s o

3

h

\ c h

2

o s o

3

h .

n-Propyl-Sdiwefelsäure Cycloparaffine mit fünf, sechs und sieben Ringgliedern sind ein wesentlicher Bestandteil des kaukasischen Erdöls Einige Derivate von höheren Cycloparaffinen sind als Naturstoffe aufgefunden worden: z. B. Muscon und Zibe ton, Ketone mit 15- bzw. 17-gliedrigen Ringen, als Geruchstoffe im Sekret von Moschusbock bzw. Zibetkatze; ferner konstitutions-chemisch und pflanzen-physiologisch

36

Aliphatische Verbindungen

interessante Derivate eines dreifach ungesättigten Siebenring-Ketoalkohols, des Tropolons. O x COH HC/ II II HC\ /CH \c=c/ H H Tropolon Durch Kondensation von Acetylen technisch leicht zugänglich ist ein wegen seiner mannigfaltigen Reaktionsfähigkeit interessanter ungesättigter Achtring-Kohlenwasserstoff, das Cyclooctatetraen: H H

H C // II HC X

C = C

\X C H

II /CH

C=C/ H H Cyclooctatetraen X

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe I. O l e f i n e ( A l k y l e n e , A l k e n e ) C n H 2 n Als Olefine oder Alkylene (in der systemat. Nomenklatur „Alkene") bezeichnet man eine Reihe von Kohlenwasserstoffen, die sich gleich den Cycloparaffinen von den Paraffinen durch einen Mindergehalt von zwei Wasserstoffatomen unterscheiden, jedoch aus offenen Ketten bestehen und eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung enthalten. Die Cycloparaffine sind „gesättigt", d. h. das Aufnahmevermögen der Kohlenstoffatome für Liganden ist erschöpft, weil alle Valenzen der Kohlenstoffatome voll in Anspruch genommen sind. Bei den Olefinen dagegen stehen zwei Valenzen (wenigstens grundsätzlich) noch für die Bindung weiterer Liganden zur Verfügung, die Moleküle sind „ungesättigt". Das Bestreben, durch Addition zweier einwertiger Liganden die Doppelbindung in ein-

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

37

fache Bindungen umzuwandeln, oder, wie man auch sagt, „die Doppelbindung aufzurichten", macht die Alkylene viel reaktionsfähiger als es die Paraffine sind. Doppelbindungen sind also keineswegs das, was man sich als Summierung zweier Einfachbindungen vorstellen könnte. Quantenmechanische Überlegungen haben diese Erfahrung verstehen gelehrt. Der eine Bindungsstrich einer Doppelbindung kann einer Einfachbindung gleichgesetzt werden; er versinnbildlicht, wie dort, die Ladungswolke zweier a -Elektronen. Der zweite Bindungsstrich dagegen ist als Symbol eines andersartigen Elektronenpaares, der lockreren sogenannten Jt-Elektronen zu verstehen. Näheres hierüber Seite 14. Doppelte Verknüpfung zweier Kohlenstoffatome hebt die freie Verdrehbarkeit der Molekülhälften gegeneinander an dieser Stelle auf, was Anlaß für das Auftreten von Cis-transIsomerie gibt (S. 18). Die Namen der einzelnen Alkylene C n H 2 n sind durch Anhängen der Endung „en" an die Bezeichnung des betreffenden Alkylrestes gebildet: Äthylen, Propylen, Butvlen usw. oder durch Ersatz der Endsilbe „an" der Paraffine durch ..en": Athen, Propen, Buten usf. Die Stellung der Doppelbindung wird durch eine hinter die Silbe „en" gesetzte Ziffer gekennzeichnet. Es bezeichnet z. B. der Name Buten-fl) den Kohlenwasserstoff C,H,, in dem die Doppelbindung zwischen dem Kohlenstoffatom 1 und 2 liegt, Buten-(2) die Verbindung C 4 H 8 mit der Doppelbindung zwischen dem Kohlenstoffatom 2 und 3. B i l d u n g s w e i s e n . Alkylene werden erhalten 1. Durch Abspaltung von Wasser aus Alkoholen unter dem Einfluß wasserentziehender Mittel, z. B. konzentrierter Schwefelsäure,

Äthylalkohol

Äthylen

38

Aliphatische Verbindungen

2. Durch Abspaltung von Halogenwasserstoff aus Alkylhalogeniden unter der Einwirkung von Alkoholat, z. B. H3C—CH2—CH2C1+KOCjH5 CH3—CH=CH 2 +KCl+C 2 H 5 OH. n-Propylchlorid KaliumPropylen Alkohol alkoholat 3. Eine kompliziertere, jedoch vielfältig abwandelbare Methode zur Synthese von Alkylenen besteht in der Umsetzung von Triphenylphosphinalkylenen mit Carbonylverbindungen (Aldehyden oder Ketonen). Man setzt Triphenylphosphin mit einem primären oder sekundären Alkylbromid zuTriphenylalkylphosphoniumbromid u m ( l ) , stellt daraus durch Behandeln mit Natriumalkoholat unter Bromwasserstoffabspaltung das Triphenylphosphinalkylen dar (2) und behandelt dieses mit der Carbonylverbindung (3). Die Reste Ri bis R4 können Alkyle oder Wasserstoffatome sein. yü Br (1) P(C6H5)3 + BrC—Ri -*• (C6H5)3P\^ / H /Br „ (2) (C6H5)3P< / H

VR,

(3) (C8H5)SP = C
C = CH 2 +2H-»-

ch3/

1,1-DimethyIäthylen

CH3\ >CH—CH3

CH 3 /

2-Methylpropan

Die Hydrierung gelingt am besten bei Verwendung von Platin als Katalysator, ferner mit Nickelkatalysatoren. 2. Besonders leicht verläuft die Addition von Halogen, vor allem Brom. CH3CH =* CHCH3+Br2 -> CH3CHBr—CHBrCH3. Buten-(2) 2,3-Dibrombutan

3. Audi Sauerstoff wird von den Olefinen bei Gegenwart eines geeigneten Katalysators addiert: C H j = C H j + O -»- CHj—CHj.

Äthylen Äthylenoxyd 4. Halogenwasserstoff, besonders leicht Jodwasserstoff, wird unter Bildung von Alkylhalogenid addiert. CH2 = CH 2 +HJ

CHjCHJ.

Äthylen Äthyljodid 5. Konzentrierte Schwefelsäure lagert sich gleichfalls an und führt zu Alkylschwefelsäuren CH2=CH2 CH3—CII2 H

OSO3H

O-SO3H

Äthylschwefelsäure 6. Eine für Konstitutionsbestimmungen von Äthylenen wichtige Reaktion ist die Umsetzung mit Ozon O s . Hierbei wird die C, C-Doppelbindung aufgespalten. Es schieben sich zwei Sauerstoffatome des Ozons in peroxydischer und das dritte in ätherartiger Bindung ein:

40

Aliphatische Verbindungen \ c = c / + o

- > c < ° ^ X \ O / Durch hydrolytische Spaltung des „Ozonides" wird das Molekül an der Stelle der früheren Doppelbindung oxydativ aufgespalten, so daß bei einem unbekannten Olefin auf die Lage der Doppelbindung geschlossen werden kann, wenn es glückt, die Spaltstücke zu identifizieren: 3

'\c/0-°\c/R' ; „X / C X\ O ~ / C V Ra R

R(\ /R 3 >C = 0 + 0 = C< +H 2 0 2 . ~ \R4 f R // Bei hoher Temperatur und insbesondere bei Gegenwart geeigneter Katalysatoren erfolgt Selbstaddition, „Polymerisation", der Olefine; z. B.: +H20->

CH3 OH3 CH3 CH3 I I I I CH + HC — CH C • II II I II CH2 CH2 CH3 CH2 Propylen 2,3-Dimethylbuten-(l) Die Zusammenlagerung zweier gleicher ungesättigter Moleküle nennt man „Dimerisation"; da das Reaktionsprodukt seinerseits wieder eine Doppelbindung aufweist, kann es mit einem weiteren „monomeren" Molekül zum „Trimeren" zusammentreten, und so fort allgemein zum „Polymeren". Verhältnismäßig spät lernte man auch das einfachste Olefin, das Äthylen selbst, zu polymerisieren. Man arbeitet technisch entweder bei 200° unter einem Druck von 1500 at in Gegenwart peroxydischer Katalysatoren, oder, mit metallorganischen Katalysatoren, bei niedrigen Drukken (s. S. 75). Die Polyäthylene sind paraffinähnliche Produkte. Die Ketten der Moleküle sind, je nach der HerstelA. V. Raff, Polyethylene. New York 1956.

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

41

lungsbedingungen, verzweigt oder linear. Polymerisate von Äthylenhomologen mit besonders regelmäßiger Anordnung der Seitenketten werden „isotaktisch" genannt. Die Polyäthylene gehören zu den wirtschaftlich wichtigsten Polymerisations-Kunststoffen; Hauptverwendung zu Isolationszwecken in der Elektrotechnik. Weitere technisch wichtige Polymerisate von Äthylenderivaten sind z. B. das Poly-tetrafluoräthylen („Teflon", S.53), das Polyvinylchlorid (S. 45), das Polystyrol (S. 185), das Polyacrylnitril (S. 45) und die Methacrylsäureester (S. 102). II. K o h l e n w a s s e r s t o f f e m i t z w e i b i n d u n g e n , C D H 2n —2

Doppel-

Verbindungen mit zwei Doppelbindungen im Molekül werden in ihrem chemischen Verhalten wesentlich durch die relative Lage der Doppelbindungen zueinander bestimmt. Nur wenn die Doppelbindungen weit voneinander entfernt sind („isolierte" Doppelbindungen"), ist das Verhalten durch die bloße Summierung der Doppelbindungsfunktionen bestimmt. Unmittelbar benachbarte Doppelbindunger werden als „kumuliert" bezeichnet. Zwei Doppelbindungen, die voneinander durch eine einfache Bindung getrennt sind, wie z. B. im Butadien. CH2 1 CH—CH=CH2, nennt man ..konjugiert". Konjugierte Doppelbindungen zeigen ein eigenartiges Verhalten: sie addieren meist an den Enden des Systems, z. B.: (1) (2) (3) (4) CH, = CH—CH = CH, + Br, — CH,Br—CH = CH—CH-.Br. Butadien l,4-Dibrombuten-(2). Es findet also, wenigstens in erster Phase, nur Addition z w e i e r einwertiger Liganden statt, und die verbleibende Doppelbindung wird auf die Stelle verlegt, die sich zwischen den ursprünglichen beiden Doppelbindungen befand.

42

Aliphatische Verbindungen

R „1,4-Addiüon" Unter den Kohlenwasserstoffen mit zwei Doppelbindungen ist das Methylbutadien oder „Isopren", CH 2 =C—CH = CH2, CH 3 hervorzuheben, weil es Baustein einer großen Anzahl von Naturprodukten ist. Isopren besitzt, wie bis zu einem gewissen Grad auch einfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe, auf Grund einer Doppelbindungen Neigung zur „Selbstaddition". Diese kann sich in verschiedener Weise vollziehen, z. B. nadi dem Prinzip der 1,4-Addition, wobei entweder offene Ketten entstehen a) CH 2 = C—CH = C H 2 + C H 2 = C — C H = C H 2 I I CH3 CH3 + C H

2

= C — C H

=

C H

2

+

->-

I c h

;

3

—CHz—C = CH—CHz—CHr-C= CH—CHj— CH,

CH•3 —

C H 2 — C

=

C H

C H — C I I 7

3

oder Ringe gebildet werden, z. B. / C H b )

c h

3

=

C H

/ C H ;

2

— C < ^ C H

X 2

C H

2

H

-

C

^

< f x

C H

3

// C H — C H C

H

3



c

2

s C Ü 2

v

f

> ^ C H z — C H j /

C

H



G

f x

C H

3

Das unter a) gegebene Bild entspricht dem Bauprinzip des natürlichen Kautschuks, die unter b) wiedergegebene Ringverbindung weist das Kohlenstoffskelett der sogenannten Terpene (S. 227) auf.

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

43

Näheres über die Bindungsverhältnisse in Molekülen mit konjugierten Doppelbindungen s. S. 15. Audi die Verbindungsklasse der Carotinoide zeigt die Aneinanderreihung von Isoprenresten als Bauprinzip: H3O ch3 V / // H2C \ C — C H = CH—C = CH—CH = CH—C =CH—CH H2C

\ qh / 2

C—CH,

CH,

CH, H,C

CH 3

= C H — C H = C — C H = CH—CH = C—CH = CH—C CH, I CH, CH, H3C—C^ ^/CHj /^-Carotin h2 Das gleiche gilt für eine Reihe höherer Alkohole, z. B. für das Phytol, einen Bestandteil des Chlorophylls und des Vitamins K,, ferner das strukturell in engem Zusammenhang zum ß-Carotin stehende Vitamin A (s. S. 254), sowie einige Duftstoffe (s. S. 60). CH3—CH—CHo — CHo—CH©—CH—CH2—CHo— ch3 CH?—CH—CH I ch3

ch3

-CHj—CH-?—C=CH—CHjOH I ch3 Phytol Technisch kann Isopren aus den Pentanen des Erdöls durch doppelte Chlorierung und Abspaltung von zwei Molekülen Chlorwasserstoff gewonnen werden: C 5 H 1 2 + 2 Cl2 • C 5 H 1 0 Cl 2 +2 HCl C5H10C12 • C 5 H 8 + 2 HCl. Isopren Man kann bei der Darstellung des Isoprens auch von der Natriumverbindung des Acetons und Acetylen ausgehen: CH, 2 \c—ONa+CH=CH CHj^

44

Aliphatische Verbindungen

CH3V

/ O H

HJ C H 3 X

CH3/ \ C = C H

CH/

—HoO

/OH X

CH2X

CH=CH2

CH = CH 2 .

C H /

Kautschuksynthesen Bei der Synthese des künstlichen Kautschuks geht man nicht vom Methylbutadien, dem Baustein des natürlichen Kautschuks, sondern vom Butadien selbst aus. Butadien wird großtechnisch aus Acetylen auf dem Weg über Acetaldehyd, Acetaldol, Butylenglykol (1) oder über Butindiol (S. 46) oder durch katalytische Wasserstoff- und Wasserabspaltung aus Äthylalkohol (II) gewonnen. (Die Einzelreaktionen werden bei der Besprechung der betreffenden Verbindungen erklärt.) (I)

C H = C H + H 2 O -»- CH3C X Acetylen O Acetaldehyd /H /H 2CH3CC< XH R'/ X H Aldehyd Hao R OH —" >C< +HO\i={Hal sek.-Alkohol

Aliphatische Verbindungen

56 R

b)

c)

R

\

\

/R"

>C = O + R"MgHal-> >C< R'/ R ' / x OMgHal Keton H«o r R" >C< +HOMgHal — x R'/ OH tert. Alkohol /H Hx /H H—CC< x ^O R/ OMgHal Formaldehyd H2O

>- RCHjOH+HOMgHal. prim. Alkohol Von Aldehyden gelangt man so zu sekundären, von Kebonen zu tertiären Alkoholen; Anwendung von Formaldehyd führt zu primären Alkoholen. Die t e c h n i s c h e n Verfahren zur Darstellung der handelswichtigen Alkohole werden bei den Einzelbesprechungen der Alkohole geschildert. E i g e n s c h a f t e n . Die niedrigen Glieder der homologen Reihe sind flüssig, von C 12 an sind die Alkohole fest. Alle sind farblos; die flüssigen besitzen charakteristischen Geruch und teils narkotische, teils giftige Wirkung auf den Organismus. Methyl-, Äthyl- und Propylalkohol sind mit Wasser in jedem Verhältnis mischbar, vom Butylalkohol an nimmt die Löslichkeit rasch ab. Formal können die Alkohole mit den amphoteren Metallhydroxyden verglichen werden. Einerseits ist die Hydroxylgruppe durch Säurereste ersetzbar (Esterbildung, S. 46), andererseits kann aber auch das Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe durch gewisse Metalle, vor allem Alkalimetalle, substituiert werden: C2H5OH + Na-> C2H5ONa + H . Äthylalkohol Natriumäthylat Von Wasser werden die Alkoholate („Methylat", „Äthylat" usw.) sofort zu Alkohol und Alkalihydroxyd hydrolysiert. Gegen Oxydationsmittel, z. B. Chromsäure, verhalten

.Alkohole

57

sich primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole verschieden. Primäre Alkohole werden zunächst in Aldehyde, dann in Carbonsäuren verwandelt, und zwar in solche mit ebensoviel Kohlenstoffatomen, wie sie selber aufwiesen. CH 3 CH 2 OH + O Äthylalkohol

C H j C /O CH 3 C>C=0+H20; ch/ ch/ sek. Propylalkohol Aceton nur unter intensiven Reaktionsbedingungen schreitet die Oxydation weiter und führt unter Aufspaltung des Moleküls bei der Carbonylgruppe zu Carbonsäuren (und zwar solchen von geringerer Kohlenstoff atomzahl). Tertiäre Alkohole sind gegen Oxydationsmittel bei gemäßigten Versuchsbedingungen resistent. Energische Behandlung oxydiert unter Aufspaltung des Moleküls zu Carbonsäuren mit geringerer Kohlenstoffatomzahl. Der Oxydationsverlauf gibt somit eine Handhabe zur Unterscheidung, ob ein primärer, sekundärer oder tertiärer Alkohol vorliegt. M e t h y l a l k o h o l , CH3OH, wird synthetisch in großem Maßstab aus Kohlenoxyd und Wasserstoff gewonnen. C O + 2 H 2 -*• CH3OH. Das notwendige Kohlenoxyd-Wasserstoffgemisch steht der Technik in Form des sogenannten Wassergases zur Verfügung, das durch Uberleitung von Wasserdampf über glühenden Koks gewonnen wird: c+h2o-*h2+co. Die Umwandlung des Wassergases in Methylalkohol wird unter Verwendung von Katalysatoren, vor allem Zinkoxyd und Chromoxyd, bei etwa 400° und 200 Atmosphären Druck durchgeführt.

58

Aliphatische Verbindungen

Neben dieser Gewinnungsmethode spielt die früher wichtige Darstellung durch trockene Destillation von Holz heute keine Rolle mehr. Methylalkohol ist sehr giftig. Schon Genuß geringer Mengen führt zu Erblindung (Gegenmittel: Injektion von Glucose und Natriumlactat) oder Tod. Die Hauptmenge des erzeugten Methylalkohols wird von der Farbstoffindustrie aufgenommen (Herstellung von Formaldehyd sowie Dimethylanilin und anderen Methylverbindungen). A e t h y l a l k o h o l , C 2 H 5 OH, wird durch Vergärung von Traubenzucker (Glucose) mittels Hefe hergestellt: C 6 H 1 2 0 6 -> 2 C j H 6 O H + 2 COJ. Glucose Ausgangsmaterial des technischen Verfahrens ist die Stärke (Hauptbestandteil der Kartoffel und des Getreides). Das Polysaccharid Stärke wird zunächst durch ein Ferment, die Diastase (in keimender Gerste enthalten), in das Disaccharid Maltose (Malzzucker) übergeführt. Durch Einwirkung der Hefe erfolgt dann Abbau der Maltose zum Monosaccharid Glucose C12H22O,, + H 2 0 2 C 6 H, 2 0 4 Maltose Glucose und schließlich die Vergärung nach der oben gegebenen Bruttogleichung. (Uber den Reaktionsmechanismus der Vergärung siehe S. 141). Auch aus dem Polysaccharid Cellulose kann Alkohol gewonnen werden; man verwendet dabei nicht Rein-cellulose, sondern Holz als Rohstoff. Dieses, vielmehr die darin enthaltene Cellulose, wird zunächst durch Behandeln mit kalter konzentrierter Salzsäure (Bergiusverfahren) oder mit heißer verdünnter Schwefelsäure (Schollerverfahren) „verzuckert" (in Glucose übergeführt). Die gewonnene Glucose wird mit Hefe vergoren. Synthetisch läßt sich Alkohol aus Acetylen auf dem Weg über Acetaldehyd (S. 84) gewinnen. Der Aldehyd wird katalytisch hydriert („Carbidsprit"). In Fabrik und Laboratorium dient Aethylalkohol als wichtiges Lösungsmittel; er ist Ausgangspunkt für viele pharmazeutische Produkte (Chloroform, Jodoform u. a.), dient in der Medizin als Desinfiziens und zur Konservierung anatomischer Präparate; er wird femer als Beimengung zu Mo-

Alkohole

59

torenbenzin und -benzol verwendet. Eine große Menge von Alkohol wird in Form von Genußmitteln verbraucht. Reiner Alkohol ist bekanntlich hoch besteuert; nur der vergällte oder „denaturierte", d. h. durch Zusatz von Methylalkohol, Toluol oder Pyridinbasen ungenießbar gemachte Alkohol ist steuerfrei. Einige der h ö h e r e n Paraffinalkohole sind Bestandteile des sogenannten Fuselöls, eines bei der technischen Alkoholgärung anfallenden Nebenproduktes, so n-Propylalkohol, Isobutylalkohol, zwei Amylalkohole, Hexyl- und Heptylalkohole. Lange Zeit meinte man, daß diese höheren Alkohole aus den Aminosäuren der Rohprodukte gebildet würden, indem durch die Wirkung der Hefe Ersatz der Aminogruppe durch Hydroxyl und Kohlendioxydabspaltung erfolge: RCHNH 2 - C O O H + H j O RCH2OH+NH3+CO2. Seit neuerem weiß man, daß diese Reaktion zwar stattfindet, aber nur einen kleinen Prozentsatz der Fuselalkohole liefert. Die Hauptmenge wird aus dem Zucker gebildet. Es existieren zwei P r o p y l a l k o h o l e : 3

2

1

3

2

1

CH 3 CH 2 CH 2 OH und CH 3 CHOHCH 3 n-Propylalkohol Isopropylalkohol. Propanol-(l) Propanol-(2) Nach dem auf S. 56 Gesagten sind sie durch Oxydation voneinander zu unterscheiden. Von der Formel des B u t y l a l k o h o l s (Butanols), C4H9OH, sind vier Isomere denkbar; sie sind sämtlich bekannt. Der „Isobutylalkohol", (CH 3 ) 2 CHCH 2 OH, wird technisch analog dem Methanol aus Kohlenoxyd und Wasserstoff gewonnen (vgl. S. 6). Unter den isomeren A m y l a l k o h o l e n (Pentanolen), CsH^OH, befinden sich zwei, die miteinander optisch isomer sind (siehe S. 19), nämlich die beiden Antipoden der Formel CH3W2)/H (4)

(3)

>C CH— O—NO 2 I I HONOj CHi—O—N0 2 CHj OH

Die Bezeichnung „Nitroglycerin" ist unrichtig, denn Nitroverbindungen sind durch die Gruppierung C—N0 2 gekennzeichnet; hier dagegen liegt ein gewöhnlicher Salpetersäureester, also die Gruppierung C—O—N0 2 , vor. Für technische Zwecke wird das Nitroglycerin nicht in flüssiger Form verwendet, sondern, aufgesaugt von Kieselgur, pulverig als „Dynamit" oder in Mischung mit Nitrocellulose als „Sprenggelatine". Große Mengen von Glycerin, das physiologisch unschädlich ist, werden zur Herstellung von kosmetischen Mitteln verwendet, weil es gutes Lösungsvermögen besitzt, nicht verdunstet, leicht in die Haut eindringt und diese geschmeidig macht. Weitere Anwendungen: bei der Fabrikation von Druckerschwärze und Appreturen. Die vier- und mehrwertigen Alkohole, bei Zimmertemperatur kristalline Substanzen, können durch Reduktion der entsprechenden Monosaccharide gewonnen werden.

64

Aliphatische Verbindungen

Äthei Als Äther bezeichnet man Verbindungen, die durch Austritt von Wasser zwischen zwei alkoholischen Hydroxylgruppen gebildet werden: R—O—i H + H—O

R'

R—O—R' .

Sind die beiden an das Sauerstoffatom gebundenen Kohlenwasserstoffreste identisch, so spricht man von „einfachen" Äthern (R—O—R), andernfalls von gemischten Äthern (R—O—R'). Präparativ führt die Wasserabspaltung aus Alkohol nur bei den niedrigen Gliedern der homologen Reihe zu günstiger Ausbeute. Als allgemein anwendbare Darstellungsmethode dient dagegen die Reaktion zwischen Alkoholaten und Alkylhalogeniden. RONa+HalR RONa+HalR'

ROR +NaHal ROR'+NaHal.

Die Äther sind chemisch sehr indifferent. Mit Natriummetall, Alkalien, Säuren, Phosphorhalogeniden reagieren sie bei gewöhnlicher Temperatur überhaupt nicht. Halogenwasserstoff, insbesondere Jodwasserstoff, zersetzt allerdings bei erhöhter Temperatur im Sinne der Gleichungen C 2 H s OC 2 H + H J - » . C 2 H J + C2H5OH C 2 H 5 OC 2 H 5 +2HJ C2:HsJ + C2H5J + H2O. D i ä t h y l ä t h e r , C2H5OCjH5, kurzweg „Aether" genannt, wird tedmisch durch Wasserabspaltung aus Aethylalkohol dargestellt: entweder durch Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure (daher der alte Name „Sdiwefeläther") oder durch Uberleiten von Alkoholdämpfen über Tonerde, die auf etwa 250° erhitzt ist. Äther ist eine Flüssigkeit von sehr geringer Viskosität und geringem spezifischem Gewicht (D=0,72). Wegen des niedrigen Siedepunktes (36°) und kleiner Verdampfungswärme ist Äther schon bei Zimmertemperatur sehr flüchtig. Ätherdampf-Luftgemisdie sind in weitem Mischungsverhältnis explosiv. Im Laboratorium dient Äther als vielseitiges Lösungsmittel, in der Medizin als Narkosemittel.

Thioalkohole und Thioäther

65

Thioalkohole und Thioäther Können die Alkohole ROH und die Äther ROR formal als Mono- bzw. Di-alkylderivate des Wassers H—O—H aufgefaßt werden, so sind die Thioalkohole RSH und Thioäther RSR analog als Substitutionsprodukte des Schwefelwasserstoffs H—S—H zu betrachten. T h i o a l k o h o l e werden gebildet, wenn man auf Alkylhalogenid anstatt Kaliumhydroxyd (Alkoholdarstellungl) Kaliumhydrosulfid einwirken läßt: RHal + KSH ->• RSH + KHal. Man kennt eine ganze Reihe biologisch sehr wichtiger Naturstoffe, welche die „Sulfhydrylgruppe" (—SH) der Thioalkohole enthalten, z. B. die Aminosäuren Cystein und Methionin (S. 154) und das Coenzym A (S. 165). Thioalkohole sind schwache Säuren, die sich, in Wasser nur wenig löslich, in Alkalilauge unter Salzbildung auflösen. Auch Schwermetallsalze der Thioalkohole sind bekannt, z. B. Verbindungen des zweiwertigen Quecksilbers, gj^ Hg[o+g|l|l£

-H2o+Hg
As—

CHs

•'Kakodvleruppe) gemeinsam ist. Beim Erhitzen von arseniger Säure mit Kaliumacetat wird (CH 3 ),As—O—AS(CH 3 ) 2 , K a k o d y l o x y d , erhalten. Mit Säuren gibt das Kakodvloxvd Salze, z. B. (CH3)2As—O—AS(CH3)2+2 HCl

2 (CH,),AsCl+H,0.

Kakodylchlorid Die dem aliphatischen Kakodvlchlorid entsprechende Verbindung Diphenylarsinchlorid (C R C H = N — N H Q H s Aldehyd Phenylhydrazin Aldehydphenylhydrazon Uber den Austausch des Sauerstoffatoms in Aldehyden und Ketonen gegen Alkylenreste s. S. 38. S p e z i e l l e R e a k t i o n e n der A l d e h y d e Während Ketone gegen Oxydationsmittel resistent sind und nur unter Zerstörung des Moleküls oxydiert werden können, oxydieren sich Aldehyde recht leicht zu Carbonsäuren. So wirken sie als Reduktionsmittel gegenüber Fehlingscher Lösung (Seite 121) und ammoniakalischer Silber6

Schlenk,

Organische Chemie

82

Aliphatische Verbindungen

lösung (Fällung von Kupferoxydul bzw. Erzeugung eines „Silberspiegels"). Auch durch Luftsauerstoff werden sie öxydiert („Autoxydation"). Gleich manchen anderen Verbindungen — anorganischen wie organischen —, die eine „mittlere" Oxydationsstufe verkörpern, sind die Aldehyde zur „Disproportionierung" befähigt: es erfolgt einerseits Oxydation zur Carbonsäure und andererseits Reduktion zum Alkohol („Cannizzarosche Reaktion"), z. B.: 2 (CH 3 ) 2 C(OH)C< a-Oxy-isobutyraldehyd KOH /OK • (CH3)2C(OH)C< +(CH3)2C(OH)CH2OH. X) a-oxy-isobuttersaures Kalium 1,1-Dimethylglykol Aldehyde sind schließlich zur Polymerisation befähigt. Die Verkettung der Moleküle kann dabei auf zwei verschiedene Arten geschehen: Bei gelinder Behandlung mit Alkali erfolgt Zusammentritt je zweier Moleküle nach dem Schema H yH CHjCX +HCH 2 C< x —>- CH3CH—CH2C • OH Acetaldehyd Acetaldol Die entstandene Verbindung ist zugleich Aldehyd und Alkohol („Aldol"). Das Wesentliche an der Aldolkondensation ist die Entstehung einer neuen C,C-Bindung. Eine zweite, von der Aldolkondensation verschiedene Art von Molekülverkettung bei den Aldehyden vollzieht sich o h n e Entstehung neuer C,C-Bindungen durch Bildung von Sauerstoffbrücken. Eine solche Verkettung kommt z. B. zustande, wenn man Acetaldehyd mit einer geringen Menge konzentrierter Schwefelsäure versetzt.

Aldehyde und Ketone

83

Das erhaltene Produkt wird „Paraldehyd" genannt und besitzt möglicherweise folgende Struktur H3CHC I o

CHCH3 I o

\ c / H

CH 3 .

Paraldehyd geht durch Destillation wieder in monomeren Acetaldehyd über. / F o r m a l d e h y d , HC
-J CHjCOCHJ-

Ein anderes Darstellungsverfahren beruht auf einer besonderen Vergärung von Kohlenhydraten (z. B. Kartoffelstärke) mittels bacillus macerans oder einiger anderer Bakterien. Aceton dient als vielseitiges Lösungsmittel, zur Quellung von Nitrocellulose, ferner zur Herstellung von Jodoform (Seite 52) u. a.

Carbonsäuren Die „Säuren" unter den Kohlenstoffverbindungen weisen zum allergrößten Teil die Atomgruppe

Carbonsäuren —

d

i

e

87

sogenannte Carboxylgruppe,

auf. Verbindungen mit dieser Atomgruppe werden „Carbonsäuren" genannt; ihre Säurenatur beruht auf dem Ionisationsgleichgewicht -Cf

\>H

+H+.

Paraffinmonocarbons äuren („Fettsäuren") Die sogenannten Fettsäuren leiten sich von den Paraffinen ab durch Ersatz eines Wasserstoffatoms durch



jo '

s e

'

besitzen somit die gemeinsame

Formel C n H 2 n + i C O O H . Die übliche Bezeichnung der einzelnen Glieder bedient sich alteingeführter Eigennamen, die sich meist von tierischen oder pflanzlichen Produkten herleiten, aus denen die Verbindungen zuerst erhalten wurden. Schmelzpunkt

Ameisensäure Essigsäure Propionsäure Buttersäure Valeriansäure Capronsäure Palmitinsäure Stearinsäure

HCOOH CH3COOH C 2 H 5 COOH C3H7COOH C«H9COOH CsH„COOH C 1s H 3 ,COOH CnH^COOH

8,3° 16,5° — 19,7° — 3,1° — 19,0° — 1,5° + 65,6° 72,0°

Siede- i Dissoziationskonstante punkt

101° 118° 141° 162° 185° 205° 272° 291°

21,4 • 10—5 1 1,9 • 10—5 ! 1,4-10— 5 ! 1,5 • 10—5 j 1,6 • 10—5 I 1,5 • 10—5 (100 mm Hg) (100 mm Hg)

Eine eigenartige Gesetzlichkeit bei den normalen Fettsäuren tritt zutage, wenn die Höhe des Schmelzpunktes als Funktion der Zahl der Kohlenstoffatome im Molekül betrachtet wird: Die Schmelzpunkte der Fettsäuren mit

Aliphatische Verbindungen

88

paaren Kohlenstoffatomzahlen sind stets höher als die der beiden Nachbarhomologen mit unpaarer Kohlenstoffatomzahl. Ein analoges Bild bieten die Schmelzwärmen. Auch „paar" und „unpaar" ein solches Alternieren einiger bei der homologen Reihe der Dicarbonsäuren wurde für physikalischer Eigenschaften gefunden. Ameisensäure,

HC\ x

Siedepunkt 101°, ist im

OH

Giftdrüsensekret von Ameisen enthalten. Die technische Darstellung geschieht auf dem Weg über das Natriumsalz (Natriumformiat), welches durch Behandeln von Ätznatron mit Kohlenoxyd bei etwa 120° und 8 Atmosphären Druck erhalten wird. CO + NaOH HCOONa. Einer Reihe von Oxydationsmitteln gegenüber (Silbersalzen, Mercuriverbindungen, Permanganat) zeigt die Ameisensäure Reduktionswirkung.

HO—CC/

H

\o

+ O

Ameisensäure

>- r HO—C£/ L

o h

"

H2

O + co2

Kohlensäure

In der Strukturformel der Ameisensäure läßt sich die für /H A l d e h y d e typische Atomgruppe —Ci' erkennen. Die ^O Oxydation der Ameisensäure zu Kohlensäure stellt unter diesem Gesichtspunkt gewissermaßen den Übergang eines „Aldehyds" in die zugehörige „Carbonsäure" vor. Mit wasserentziehenden Mitteln, wie konzentrierter Schwefelsäure, wird aus Ameisensäure Wasser abgespalten. :>c=o — h HO/

2

o + CO.

E s s i g s ä u r e , CH 3 COOH, Schmelzpunkt 16,5°, Siedepunkt 118°, wird durch katalytische Hydratisierung von Acetylen und Oxydation des erhaltenen Acetaldehyds dargestellt.

Carbonsäuren

89

C H = C H + H2O

OH Essigsäure für Speisezwecke („Essig") wird durch bakterielle Oxydation von Äthylalkohol gewonnen („Essigsäuregärung"). Wasserfreie Essigsäure erstarrt unterhalb 16,5° zu eisähnlichen Kristallen („Eisessig"). Die Salze der Essigsäure, „Acetate", unterliegen infolge der geringen Dissoziationskonstanten der Essigsäure bis zu einem gewissen Grad hydrolytischer Spaltung. CHuCOOMe^riCHaCOO-: + Me HOH II' ; + OH OHBei der Hydrolyse der Acetate dreiwertiger Metalle (AI, Fe, Cr) entstehen schwerlösliche basische Salze. Sie werden als Beizen in der Färberei verwendet (Seite 225). Aluminiumacetat, Al(OOCCH3)3, „Essigsaure Tonerde", wird als mildes Antiseptikum und zur Kühlung bei Entzündungsprozessen verwendet. Bleiacetat, „Bleizucker" Pb(OOCCH 3 ) 2 , und basisches Bleiacetat, „Bleiessig" Pb(OH)(OOCCH 3 ), dienen zur Herstellung der Malerfarbe Bleiweiß (PbC0 3 ). Essigsäure wird ferner zur Herstellung von Photofilmen (Celluloseacetat), pharmazeutischen Präparaten (Phenacetin, Antipyrin, Aspirin) und vielem anderen verwendet. n - B u t t e r s ä u r e , CH 3 CH 2 CH ? • COOH, findet sich als Ester in der Kuhbutter. Die freie Säure besitzt, wie auch die isomere Isobuttersäure

CHCOOH und die nächst-

höheren Säuren (Valeriansäuren und Capronsäuren), sehr üblen, ranzigen Geruch. Unter den höheren Fettsäuren sind wichtig Palmitinsäure C l5 H 31 COOH und Stearinsäure C 17 H 35 COOH; sie sind, zusammen mit Ölsäure, Hauptbestandteile der meisten pflanzlichen und tierischen Fette und öle, und zwar in Form von Trifettsäureestern des Glycerins. A. W. Ralston, Fatty Acids and their Derivatives. New York/London 1948.

90

Aliphatische Verbindungen

In den natürlichen Fetten und ölen sind die einzelnen Hydroxylgruppen des Glycerins gewöhnlich mit verschiedenartigen Fettsäuremolekülen verestert, RCOOCH 2 I R'COOCH R"COOCH 2 . Synthetisch lassen sich die höheren Fettsäuren durch Oxydation von Paraffin (z. B. bei der Fischer-Tropsch-Synthese gewonnen) darstellen. Fette Physiologisch haben die Fette bekanntlich als Reservestoffe („Depotfett") größte Wichtigkeit. Darüber hinaus scheint aber ein gewisses Quantum an Fetten für die Zellen allgemein lebenswichtiger Bestandteil zu sein. Sehr auffallend ist es, daß in natürlichen Fetten ausschließlich Fettsäuren mit gerader Kohlenstoffatomanzahl gefunden wurden. Das Vorkommen der geradzahligen Säuren ist eine Folge ihres Syntheseganges im Organismus. Es scheint, daß den ungesättigten Fettsäuren im Organismus eine besondere Rolle zugeteilt ist; auffällig ist jedenfalls, daß das „zelleigene" Fett stets einen hohen, und zwar artspezifischen Gehalt ungesättigter Fettsäuren aufweist, während das „Depotfett" mehr gesättigt ist und in seiner Zusammensetzung stark mit der Axt der aufgenommenen Nahrung schwanken kann. Uber Synthese und Abbau des Fettes im Organismus ist auf Seite 145 gesprochen. T e c h n o l o g i s c h e s . Die natürlichen Fette werden technisch in großem Maßstab zur Herstellung von Seifen und Margarine und zur Stearinkerzenfabrikation verarbeitet. D. J. Hanahan, Lipide Chemistry. New York/London 1960. H. J. Deuel jr., The Lipids. New York u. London, Bd. 1, 1951. Bd. 2, 1955. T. P. Hilditch, The Chemical Constitution of Natural Fats. 3. Aufl., London 1956. R, T. Holman, Progreß in the Chemistry of Fats and other Lipids, I—VI, London 1952—1963.

Fette

91

Die Fettspaltung, Verseifung genannt,

(RCO)A Glycerid

OCH 2 I OCH I OCH 2

• 3 RCOOH + CH 2 OH • CHOH • CH 2 OH, Fettsäure

Glycerin

wird erreicht durch Erhitzen mit Wasser unter Zusatz geringer Mengen Zinkoxyd bei erhöhtem Drude, durch Behandeln mit einer geringen Menge von konzentrierter Schwefelsäure oder mit einem Gemisch von Sulfofettsäuren, die aus Naphthalin, Ölsäure und konzentrierter Schwefelsäure dargestellt sind, oder durch Umsetzung mit der berechneten Menge Kalkmilch. Das erhaltene Fettsäuregemisch enthält in erster Linie die festen Produkte Palmitin- und Stearinsäure, daneben die flüssige Ölsäure. Die flüssigen Anteile werden durch Pressen entfernt. Das verbleibende „Stearin" dient — im Gemisch mit Paraffin — zur Kerzenfabrikation. Das Glycerin findet sich bei den einzelnen Verfahren jeweils in der wässerigen Phase; es wird filtriert und durch Destillation gereinigt. Die Seifen, die Alkalisalze der höheren Fettsäuren, werden gewonnen durch Neutralisation der isolierten Fettsäuren oder durch Kochen der Fette mit Natronlauge oder Kalilauge. Wird die Seife nach dem Kochen durch Zusatz von Kochsalz „ausgesalzen", so erhält man feste, sogenannte „Kernseifen". „Leimseifen" werden gewonnen bei der freiwilligen Ausscheidung beim Erkalten ohne Natriumchloridzusatz. Sie enthalten viel Wasser und Glycerin. Mit Kalilauge bereitete Seifen sind fast immer als Leimseifen hergestellt: sogenannte Schmierseifen. Die Kernseifen sind dagegen meist Natronseifen. Die Seifen sind in wässeriger Lösung hauptsächlich als Kolloide enthalten. Sie erniedrigen die Oberflächenspannung des Wassers stark und ermöglichen damit beim Waschprozeß die Benetzung fettiger Oberflächen und ein leichtes Eindringen in kapillare Zwischenräume (Poren). Femer dürfte zur Ablösung des Schmutzes von seiner Unterlage beitragen,

92

Aliphatische Verbindungen

daß die Seifenpartikel infolge ihres kolloiden Zustandes und der dadurch bedingten großen Oberfläche zur Entfaltung einer Adsorptionswirkung befähigt sind, die mit der jener Oberfläche, auf welcher der Schmutz haftet, in Konkurrenz tritt. Als synthetische Waschmittel, Netzmittel und Schaummittel ist neben den Seifen eine Anzahl synthetischer Produkte wichtig. Den Molekülen dieser Verbindungen ist gemeinsam, daß sie, wie die der Seifen, einerseits langgestreckte, wasserabstoßende Kohlenwasserstoffketten, andererseits eine oder mehrere wasserlöslich machende Gruppen enthalten. Solche Stoffe werden an Grenzflächen orientiert adsorbiert und erniedrigen die Grenzflächenspannung. Hierher gehören Natriumsalze von Schwefelsäuremonoalkylestern (I), z. B. „Gardinal" und „Tergitol"; Natriumsalze von Sulfonsäuren (II), z. B. „Mersolat"; Natriumsalze von sulfonierten Carbonsäureestern (III), z. B. „Ipegon". I R0S0 3 Na II RS0 3 Na III R—COO—CH 2 —CHj—S0 3 Na. M a r g a r i n e wird durch mechanische Verarbeitung von tierischen oder pflanzlichen Fetten mit Magermilch hergestellt. Da ein großer Teil der zur Verfügung stehenden natürlichen Fette (Pflanzenöle, Fischtran) nüssige Konsistenz besitzt, während die Industrie zur Margarine-, Seifen- und Kerzenfabrikation hauptsächlich f e s t e Fette bzw. Fettsäuren benötigt, ist der Prozeß der F e t t h ä r t u n g wichtig. Er beruht auf der Verwandlung der in den ölen als flüssige Glyceride enthaltenen ungesättigten (flüssigen) Fettsäuren in feste Glyceride gesättigter Fettsäuren. Die Öle werden bei erhöhter Temperatur und erhöhtem Drude vermittels Nickel als Katalysator durch gasförmigen Wasserstoff hydriert. Auf der andern Seite sind öle, wie Leinöl, die einen hohen Gehalt an mindestens zweifach ungesättigten Fettsäuren haben, durch die Eigenschaft nützlich, in dünner Schicht der Luft ausgesetzt durch Oxydation zu festen Uberzügen zu „trocknen" (Firnisse). W. Kling, Wasserlösliche grenzflächenaktive Stoffe. Angew. Chem. 85, 201 (1953). H. Weigand, Neuzeitliche Wasch- u n d Reinigungsmittel, Umschau 1955, 519. H. Stüpel, Synthetische Wasch- und Reinigungsmittel, Stuttgart 1954. J. D . von Mikusch, Moderne Verfahren zur Veredelung trodenender ö l e . Seifen, ö l e , Fette, Wachse 79, 533 (1953).

Säurediloride

93

Säurechloride Wie von den anorganischen Säuren sind auch von den organischen Carbonsäuren Derivate bekannt, in denen Hydroxyl durch Chlor ersetzt ist, sogenannte Säurediloride. Ihre Darstellung geschieht durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid, Phosphortrichlorid oder Thionylchlorid auf die freie Säure oder ihr Alkalisalz: 3 RCOOH + PC15 3 RCOC1 + H 3 P0 3 RCOOH + SOCl2 RCOC1 + HCl + SO„. „Säurechloride" dürfen nicht verwechselt werden mit „chlorierten Säuren", Verbindungen, in denen im Kohlenwasserstoffrest ein Atom Wasserstoff durch Chlor substituiert ist: CH3 • COC1 Essigsäuredilorid

C1 CH2 • COOH Chloressigsäure.

Von Wasser werden die Säurechloride hydrolysiert: RCfX

C1

+ HÖH ->- R C fX

OH

+ HCl.

In Analogie zu dieser Reaktion stehen die Umsetzungen mit Alkoholen und Ammoniak bzw. primären oder sekundären Aminen: RCCH H3CN C—W Theobromin

H 3 CN—CO I | /CH 3 CO C—N< | || > C H H 3 CN—C—W Kaffein

X a n t h i n , H y p o x a n t h i n , A d e n i n und G u a n i n sind als Spaltprodukte der Nucleinsäuren aufgefunden worden. NH—CO I I CO C—NH

NH—CO I I CH C—NH

I II > C H II II >CH NH—C—N^ N—C—N^ Xanthin Hypoxanthin N = C—OH I I H 2 N — C C—NH

NH—C=NH I I CH C—NH II II >CH N C—N^ Adenin

II II >CH N—C—Hr Cuanin Die genannten Purinbasen finden sich in der Natur glucosidisch mit Zucker (d-Ribose oder 2-Desoxy-d-ribose) zu „Nucleosiden", diese weiterhin esterartig mit Phosphorsäure zu „Nucleotiden" verknüpft. Z. B.: Adenin;

Adenin+ Ribose; „Adenosin"

Adenin+ Ribose +Phosphorsäure „Adenosinphosphorsäure" oder „Adenylsäure"

Purinbase Nucleosid Nucleotid „Nucleinsäuren" sind Polynucleotide. Die an Eiweiß gebundenen Nucleinsäuren werden als „Nucleoproteide" bezeichnet; sie sind Hauptbestandteil der Zellkerne im Tierund Pflanzenreich. E . Harbers, Die Nucleinsäuren. E i n e einführende Darstellung. Stuttgart 1964. E . Chargaff, Essays on Nucleic Acids. London 1963. 12

Schlenk,

Organisdie Chemie

178

Aromatische Verbindungen

Aromatische Verbindungen Die Konstitution des Benzols Grundsubstanz der sog. aromatischen Verbindungen ist das Benzol. Die Bruttoforme] des Benzols ist C„H„; die Kohlenstoffatome sind in der Form eines sechsgliedrigen Ringes angeordnet, wie sich aus der Tatsache ergibt, daß das Benzol bei der Hydrierung in Cyclohexan übergeht; auf Grund der Zahl der zu beobachtenden isomeren Derivate steht fest, daß jedes der vorhandenen Kohlenstoffatome ein Wasserstoffatom trägt, und daß die sechs CH-Gruppen untereinander gleichwertig sind: es gibt nämlich keine Isomerie bei mono-substituiertem Benzol, dagegen existieren bei disubstituierten Benzolen jeweils drei Isomere. Diesen Tatsachen wird die Anordnung der sechs CHGruppen in der Form eines regulären Sechseckes gerecht: H

Hc/CXxCH I I

HC

\c/CH H

Es bleibt die Frage, in welcher Weise sich die vierte Valenz des Kohlenstoffes betätigt. Unter den vielen Vorstellungen, die für die Struktur des Benzols entwickelt wurden, kommt nur die ursprüngliche von Kekulé stammende, mit dem von der Chemie des Methans her überkommenen Prinzip normal viervalenter Kohlenstoffatome aus; sie sieht im Benzolmolekül drei alternierende Doppelbindungen vor: CH

^

HC^CH "M

HC1

r

CH'

" V CH Benzol

HC

CX

I

HC \

^

II

/ h (A) c

CH

^

[ XC

CH

I

HC

I'

\

c

(B)

CH /

Nomenklatur der Benzolderivate

179

Dieses Formelbild ist jedoch ohne besondere Annahmen nicht zu halten. Erstens läßt es zwei verschiedene Ortho-disubstitutionsprodukte (A und B) erwarten; im Gegensatz zu dieser Forderung konnten solche Isomere niemals isoliert werden. Zweitens erscheint das Benzolmolekül nach dem Formelbild durch den Besitz dreier Doppelbindungen stark ungesättigt, was dem zu beobachtenden chemischen Verhalten entschieden widerspricht. Eine Erklärung für das Fehlen von Isomeriefällen im Sinne der Formeln A und B gibt die Annahme, daß die eine dieser Formen jeweils energetisch begünstigt ist und sich deshalb die andere Form des Disubstitutionsproduktes, falls sie primär je entsteht, spontan durch Verlagerung der drei Doppelbindungen im Ring in die begünstigte Form umwandelt. Für das trotz dreier Doppelbindungen in der Benzolformel relativ recht gesättigte Verhalten des Benzols hat J. T h i e l e eine Interpretation gegeben. Wie Thiele fand und seitdem in vielen Fällen bestätigt worden ist, pflegen an Systemen konjugierter Doppelbindungen, d. h. solchen, bei denen zwei Doppelbindungen durch eine einfache Bindung getrennt sind, Additionen in 1,4-Stellung, also nur an den E n d e n des Systems, zu erfolgen (s. S. 41):

Beim Benzol sind die drei Doppelbindungen so angeordnet, daß sie alle paarweise zueinander konjugiert sind, daß also kein Ende des Systems, somit auch keine begünstigte Angriffstelle für Additionen vorhanden ist. Die Kekule-formel des Benzolringes, modifiziert durch die Annahme des Oscillierens der Doppelbindung und ergänzt durch die Vorstellung paarweiser Absättigung der Partialvalenzen, mußte jahrzehntelang genügen. Sie gibt jedoch den wahren Tatbestand nicht wieder. Es müßten z. B. diesem Formelbild entsprechend die Abstände zwischen den sechs Kohlenstoffatomen alternierend dem der üblichen Doppel- und Einfachbindung oder, bei sehr 12"

180

Aromatische Verbindungen

raschem „Oscillieren" der Bindungen, allenfalls dem Mittelwert dieser Bindungsabstände entsprechen, d. h. 1,54 Â und 1,33 Â bzw. 1,44 Ä sein. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Abstand zwischen den Kohlenstoffatomen des Benzolringes beträgt durchgängig 1,39 Â. Diese „Kontraktion" des Moleküls sowie die sonstigen Eigentümlichkeiten des Benzols sind durch einen besondersartigen Bindungszustand bedingt, der nicht durch die klassischen Formelsymbole ausgedrückt werden kann. Von den vier Valenzelektronen, die jedes Kohlenstoffatom besitzt, dienen im Benzolring zwei zur Bindung der beiden Nachbarkohlenstoffatome und je eines zur Bindung des Wasserstoffatoms. Da das Wasserstoffatom seinerseits ebenfalls ein Elektron liefert, folgt, daß jede der Bindungen, von C zu C und von C zu H, wie üblich, durch je zwei Elektronen besorgt wird (a-Bindungen). Das übrigbleibende vierte Elektron (n-Elektron) des Kohlenstoffatoms ist nicht lokalisiert zu denken. Vielmehr hat man sich vorzustellen, daß die insgesamt sechs restlichen Elektronen der sechs Kohlenstoffatome eine „rc-Elektronen-Gesamtwolke" bilden, die dem ganzen Ring gemeinsam zugehört. Der Fall, daß Elektronen nicht an einem Einzelatom bzw. einer Einzelbindung lokalisiert, sondern über ein mehrgliedriges System verteilt zu denken sind, wird als „Mesomerie" bezeichnet. Weiteres über Mesomerie s. S. 15. Für den besonderen Bindungszustand im Benzolring hat man kein neues Formelsymbol eingeführt. Man benutzt gewöhnlich die Formel Kekulés, oder, vereinfachend, ein Sechseck, dessen sechs Ecken die CH-Gruppen bedeuten. / \ I I I I C4H6 Nomenklatur der Benzolderivate Das dem Methyl der aliphatischen Reihe entsprechende einwertige Radikal C 6 H 5 wird Phenyl, das zweiwertige Radikal C 6 H 4 Phenylen genannt. Die einwertigen Radi-

Merkmale der aromatischen Verbindungen

181

kale alkylierter aromatischer Kohlenwasserstoffe werden gattungsmäßig als „Aryle" bezeichnet, wenn die Funktionsstelle des Radikals ein Kohlenstoffatom des_Benzolringes, des sogenannten „Kerns", ist, z. B. CHS- QH5CN+K2SO3. Benzonitril Behandlung der Sulfonsäuren mit Phosphorpentachlorid führt zu Sulfochloriden, Umsatz dieser Chloride mit Ammoniak zu Sulfamiden (vgl. Saccharin, S. 198). yONa ^Cl QH5S >0

+ PCI5

C6H5S - O

o yCl CiHjS - O

+ POCl3 + NaCl

o Benzolsulfochlorid // NH 2 + NH3

^o Durch Reduktion

C6H5S - O

+ HCl

o Benzolsulfamid der Arylsulfonsäuren lassen A

Arylsulfinsäuren, Ar—S\

xOH

sich

und weiterhin Thiophenole,

ArSH, erhalten (Ar bedeutet Arylrest). Uber die oben benutzten Formeln mit semipolaren Bindungen s. S. 66. Einwertige Phenole. Arylalkohole Als Phenole werden Benzolderivate bezeichnet, in denen Hydroxyl direkt an den Kern gebunden ist. Phenole besitzen den Charakter schwacher Säuren: sie lösen sich in wässerigem Alkali unter Bildung von Phenolaten: C 6 H 5 OH+NaOH >- H 2 0 + C 6 H 5 0Na. Die Darstellung von Alkoholaten gelingt auf diesem Weg nicht. In anderer Hinsicht weist die phenolische Hydroxylgruppe dagegen Analogien zum alkoholischen Hydroxyl auf; so läßt sie sich verestern und veräthein.

Aromatische Verbindungen

190

CK J> CCH 3 » QH5OOCCH3+HCl ; 0/ EssigsäurePhenol Acetylchlorid phenylester C«H5ONa + CICH3 * C 6 H 5 OCH 3 + NaCl. Natriumphe- MethylPhenyl-methylnolat dilorid fither, „Anisol" Phenol sowie die drei untereinander isomeren „Kresole" (o-, m-, p-Oxytoluol) finden sich in beträchtlicher Menge im Steinkohlenteer. Sie werden aus den entsprechenden Fraktionen durch Ausschütteln mit Alkali isoliert. Für s y n t h e t i s c h e Darstellung kommen folgende Wege in Betracht: Alkalischmelze sulfonsaurer Salze: C 6 H 5 S0 3 K+2K0H >- C 6 H 5 0K+K 2 S0 3 +H 2 0; Umsetzung von primären Arylaminen mit salpetriger Säure (s. S. 208). C6H5OH +

C4H, NlHj+OjNlOH

>-C6H5OH+N2 + H 2 0.

Die in den Benzolkern eingeführte Hydroxylgruppe reaktiviert die beiden o-Wasserstoffatome und das pWasserstoffatom (s. S. 184). Mit Brom z. B. setzt sich Phenol sehr leicht um im Sinne der Gleichung: OH OH Ä |

B r

I + 3 Br2



\/'\/ | |

B r

+ 3 HBr.

Br Phenol Tribromphenol Ebenso leicht lassen sich die beiden o-Wasserstoffatome und das p-Wasserstoffatom durch die Nitrogruppe substituieren: OH OH O2N/\NO2 I + 3 H0N02 • I I + 3 H20 . N02

„Pikrinsäure"

Zweiwertige Phenole

191

Einwirkung von salpetriger Säure führt zu p-Nitrosophenol: OH OH J

+ HONO

*

L )

+ H 2 0.

I NO Phenol („Carbolsäure") wirkt baktericid, ätzt aber ganz allgemein organisches Gewebe. Es wurde lange Zeit — mit Unrecht — für ein geeignetes Desinfiziens bei Wundbehandlung gehalten. In der Technik findet Phenol u. a. Verwendung zur Herstellung der P h e n o l - A l d e h y d k u n s t h a r z e . Phenole lassen sich auf Grund der Reaktivierung der Wasserstoffatome in o- und p-Stellung mit Aldehyden Kondensieren, beispielsweise gemäß

A °

H

HCH

11

A

11 ° n ] I \ / FormPhenol aldehyd

°

H

HCH

11

A

j | . O J j

°,H |+ Formaldehyd usw.

OH OH OH | CH 2 I CHj

Bei Anwendung eines geeigneten Mengenverhältnisses der Komponenten und unter gewissen Arbeitsbedingungen werden aus Phenolen und Aldehyden auf Grund derartiger Kondensationsvorgänge harzartige Produkte erhalten, die einerseits plastisch, also beliebigen Formungsprozessen zugänglich und andererseits durch Erhitzen „härtbar" sind: die Formlinge verlieren beim Erhitzen ihre Plastizität und das gehärtete Produkt besitzt erhebliche Widerstandsfähigkeit sowohl gegenüber chemischen Einflüssen als mechanischen Beanspruchungen. Der Vorgang der Härtung beruht vermutlich darauf, daß die Anfangskondensationsprodukte (oben schematisch formuliert) in Ortho- und ParaStellung mit Formaldehyd weiter reagieren, wodurch Vernetzung der Moleküle herbeigeführt wird.

192

Aromatische Verbindungen

Phenol-Formaldehydharze, die Sulfogruppen enthalten, werden als „Basenaustauscher" zur Wasserenthärtung verwendet. Von den Phenolen zu unterscheiden sind die Arylalkohole, z. B. C e H 5 C H 2 O H , Benzylalkohol. Diese Verbindungsklasse weist im allgemeinen die Eigenschaften aliphatischer Alkohole auf.

Zweiwertige Phenole /

OH I OH x / O H

/

I I

OH I x

I I

/

OH Ix

I I

\ / \ 0 H

Y OH Brenzcatechin Resorcin Hydrodiinon B r e n z c a t e c h i n läßt sich durch Kalischmelze von Phenol-o-sulfonsäure oder durch Hydrolyse von o-Chlorphenol mittels Alkali bei 190° erhalten. Der Monomethyläther des Brenzcatechins heißt Guajakol (I); /\_0_CH ¡ 1 1

3

II

HO/N—CH(OH)CH,NHCH,. ' '

Guajakol Adrenalin die Verbindung findet sich in Budienholzteer. Ein Derivat des Brenzcatechins ist das Adrenalin (II), ein in der Nebenniere der Wirbeltiere vorkommender Stoff von Hormoncharakter. Adrenalin wirkt auf dem Weg über Reizung des Sympathikus; es verursacht u. a. Verengung der Arterien. Adrenalin wird auch synthetisch hergestellt und in die Antipoden getrennt. Die linksdrehende Form ist physiologisch 15mal so wirksam als die rechtsdrehende. H y d r o c h i n o n wird durch Reduktion von Chinon (S. 194) dargestellt. Auf Grund seiner reduzierenden Eigenschaften (siehe unten) findet es ebenso wie Brenzcatechin in der Photographie als Entwickler Verwendung. R e s o r c i n gewinnt man durch Kalischmelze von Benzol1,3-disulfonsäure. Die f ü r die einwertigen Phenole typischen Reaktionen finden sich auch bei den zweiwertigen. Darüber hinaus

Dreiwertige Phenole

193

sind von den letztgenannten das o- und p-Derivat noch durch eine besondere Eigenschaft gekennzeichnet: Oxydationsmittel dehydrieren Brenzcatechin und Hydrochinon unter Bildung sogenannter Chinone, wobei zwei der sechs latenten Benzolvalenzen in Anspruch genommen werden. Somit sind die Chinone keine eigentlichen Benzolderivate, sondern Diketone mit zwei Doppelbindungen. O OH II

/ \

/ \

1\

/1 + o OH

— \ II

Hydrochinon

/1 1 + H A

II o p-Chinon OH

O

||

O ,/\0H . IIII 1l— + H 2 0. I J —* V o-Chinon Brenzcatechin Aus Resorcin in analoger Reaktion ein „m-Chinon" herzustellen, gelingt nicht, weil in diesem Fall die Ausbildung von Doppelbindungen nicht möglich ist, wie man sofort erkennt, wenn man versucht, eine entsprechende Formel aufzuschreiben. Alle p-Chinone sind gelb, alle o-Chinone rot. Die Farbigkeit der Chinone im allgemeinen und der generelle Unterschied von o- und p-Chinonen im besonderen stimmt gut mit den wiedergegebenen Strukturformeln überein. Es liegen zwei typische, voneinander verschiedene Systeme sogenannter gekreuzt-konjugierter Doppelbindungen vor. II — c = c — c — c = c — / \ Gekreuzt konjugierte || || Doppelbindungen

\/

ii p-chinoides System 19 Schlenk, Organische Chemie

i

r

i

L_

o-chinoides System

194

Aromatische Verbindungen

p - C h i n o n , kurzweg Chinon genannt, wird meist durch Oxydation von Anilin (C6H5NH2) mittels Chromsäure dargestellt, o - C h i n o n läßt sich durch Oxydation von Brenzcatechin mittels Silberoxyds erhalten. Die Chinone sind kristalline, flüchtige Verbindungen von stechendem Geruch. Sie vermögen als Oxydationsmittel zu wirken (Rüdcverwandlung zu Dioxybenzolen). In vielem zeigen sie das Verhalten von Diketonen; so ist p-Chinon zur Bildung eines Monoxims (I) und eines Dioxims (II) befähigt. NOH NOH

H

JJ

Ii

O NOH Das Monoxim ist desmotrop mit p-Nitrosophenol (S. 189) NOH NO I -

I I \ / II I O OH Von gewöhnlichen Diketonen unterscheiden sich die Chinone durch das Vermögen, als Oxydationsmittel zu wirken (unter Rückverwandlung in Dioxybenzole). Im Pflanzenreich sind Chinone — außer Benzochinonen vor allem Naphthochinone (Chinone des Naphthalins) — als Farbstoffe, Wachstumsfaktoren, Antibiotica weit verbreitet.

Dreiwertige Phenole OH H 0 / \ 0 HH I l° ! '

OH I I Hol JoH

OH l

I I JoH

OH Das vicinale Trioxybenzol, P y r o g a l l o l , wird durch Erhitzen von Gallussäure dargestellt: R. H. Thomson, Naturally occuring Quinones. London 1957.

Aromatische Aldehyde OH

195

OH

ho/NOH I

HO/^OH j

+ co2.

COOiH Alkalische Pyrogallol-Lösungen absorbieren Sauerstoff und werden wegen dieser Eigenschaft in der Gasanalyse benutzt. Der Verlauf des Oxydationsvorganges ist nicht geklärt. Pyrogallol wird wegen seines Reduktionsvermögens auch als photographischer Entwickler verwendet. Sym. Trioxybenzol, P h l o r o g l u c i n , wurde beim Abbau vieler Pnanzenstoffe, z. B. der Blütenfarbstoffe, aufgefunden. Synthetisch läßt es sich durch Kalischmelze von Benzoltrisulfonsäure gewinnen. Die Verbindung vermag in zwei tautomeren Formen zu reagieren: H H2 HO| |OH 0=/ \=0

hI^H • ~

hJx^H2

OH

|| O Mit Acetylchlorid ist z. B. gemäß der „Enolformel" ein Triacetat, mit Hydroxylamin dagegen, wie bei einem Triketon, ein Trioxim erhältlich. Phloroglucin gilt als Reagens auf Lignin (salzsaure Phloroglucinlösung verursacht Rotfärbung; es handelt sich dabei wahrscheinlich nicht um eine Reaktion des Lignins selbst, sondern um Umsetzung geringer Mengen von carbonylhaltigen Begleitstoffen); ferner als Reagens auf Pentosen (Violettfärbung; Reaktionsverlauf unbekannt).

Aromatische Aldehyde Benzaldehyd,

C6H5CN y i K +

S )

Phthalimidkalium

H20.

Aromatische Nitroverbindungen

203

Phthalimidkalium läßt sich mit den verschiedensten organischen Halogenverbindungen — z. B. im einfachsten Fall mit Alkylhalogenid — zu N-Substitutionsprodukten umsetzen, die sich weiterhin leicht zu den betreffenden Aminoverbindungen verseifen lassen. / I I

x

\ / \

0

X

^>NjK + c

HaljR

/ y^yCOOR ^NR

— j

+

j s

H 2 NR

COOH

Das Verfahren ist für die Darstellung primärer Amine wichtig. Benzol-m-dicarbonsäure wird Iso-phthalsäure, Benzol-p-dicarbonsäure Terephthalsäure (Darstellung s. S. 185) genannt. Das makromolekulare Veresterungsprodukt von Terephthalsäure und Glycol läßt sich auf hochwertige Kunstfasern verarbeiten (Terylen, Trevira). Von den höheren Benzolcarbonsäuren sei die Hexacarbonsäure, die M e l l i t s ä u r e , erwähnt, Ci(COOH) 6 . Das Aluminiumsalz der Mellitsäure wird als Mineral „Honigstein" in Braunkohlenlagern gefunden. Mellitsäure läßt sich bei geeigneten Versuchsbedingungen durch Oxydation von Holzkohle, Braunkohle, Steinkohle, Graphit erhalten. Von den aromatischen Carbonsäuren, welche eine Carboxylgruppe statt am Kern in der Seitenkette tragen, seien genannt: P h e n y l e s s i g s ä u r e , QH5CH2COOH; sie wird dargestellt durch Umsetzen von Benzykhlorid mit Cyankaliuin und Verseifen des erhaltenen Nitrils. Phenyloxyessigsäure,M a n d e l s ä u r e , C 6 H 5 CHOHCOOH, läßt sich aus Benzaldehyd auf dem Weg über das Cyanhydrin synthetisieren. Die aus bitteren Mandeln (Amvgdalin, s. S. 200) zu gewinnende Mandelsäure ist linksdrehend. P h e n y l a l a n i n , /J-Phenyl-a-aminopropionsäure, C 6 H 5 CH 2 CH(NH 2 )COOH und T y r o s i n , p-Oxyphenylalanin,

204

Aromatische Verbindungen HO • C 4 H 4 • CH2CH(NH2)COOH,

sind Spaltprodukte vieler Eiweißstoffe. T h y r o x i n , ein Derivat des Tyrosins,

J HO-0—CH2CH(NH2)COOH,

J

J

kommt in der Schilddrüse in peptidartiger Bindung an Eiweiß gebunden vor und wirkt als stoffwechsel-regulierendes Hormon. Z i m t s ä u r e , C 4 H 5 CH=CHCOOH, läßt sich durch Kondensation von Benzaldehyd mit Natriumacetat herstellen: QHsCHjO + HjjCHCOONa—>- C 6 H 5 CH=CHCOOH. Die Reaktion vollzieht sich beim Erhitzen der Komponenten in Gegenwart von Essigsäureanhydrid; anstatt Benzaldehyd können in dieser Weise auch Substitutionsprodukte kondensiert werden (Perkinsche Synthese substituierter Zimtsäuren). Die Cis-form der o-Oxyzimtsäure, die sogenannte Cumarinsäure, bildet in Form ihres Lactons den Riechstoff des Waldmeisters. C

\

H

I \ / \ 0 H CO°H Cumarinsäure

/

y

C

H

>

CO O / Cumarin

Aromatisdie Nitroverbindungen Viel wichtiger als die aliphatischen Nitroverbindungen sind die aromatischen: präparativ leicht zugänglich, bilden sie das Ausgangsmaterial für die Darstellung der aromatischen Amine. Stufenweise vorgenommene Reduktion läßt überdies mannigfaltige Zwischenprodukte isolieren. N i t r o b e n z o l , C«H{N0 2 , wird technisch in großem Maßstab durch Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch

Reduktion des Nitrobenzols

205

von konzentrierter Salpetersäure und Schwefelsäure dargestellt. Es ist eine gelbliche, spezifisch schwere, in Wasser wenig lösliche Flüssigkeit von bittermandelähnlichem Geruch. m - D i n i t r o b e n z o l entsteht bei Nitrierung von Benzol mittels Salpetersäure in rauchender Schwefelsäure bei höherer Temperatur; längere Einwirkung führt zum s y m. T r i nitrobenzol. Die Homologen des Benzols sind noch leichter als dieses selbst in Nitroverbindungen zu verwandeln. CHs Trinitrotoluol

OjN/NNOJ

.„Trotyl", ist einer der

wichtigsten Sprengstoffe. Einige andere Alkylderivate des Trinitrobenzols (z. B. l,3-Dimethyl-5-tertiärbutyl-2,4,6-trinitrobenzol) werden in der Riechstoffindustrie als Mosdiusersatz verwendet. OH Trinitrophenol

O2N,/\NO2

, Pikrinsäure, wird

durch Nitrierung von Phenol erhalten. Die Verbindung wird gleich dem Nitrotoluol als Sprengstoff verwendet. In der präparativen Chemie ist Pikrinsäure wegen der Eigenschaft, mit Basen gut kristallisierende Salze, mit aromatischen Kohlenwasserstoffen charakteristische Additionsverbindungen zu geben, geschätzt. Reduktion des Nitrobenzols Der vom Nitrobenzol zum Anilin führende Reduktionsprozeß vollzieht sich über die folgenden Stufen: Nitrobenzol -*• Nitrosobenzol -»• Phenylhydroxylamin —>- Anilin. C4H5NO2

C6HsNO

C6H5NHOH

C6H5NH2

Jedoch erfährt dieses Schema unter Umständen Abwandlungen.

Aromatische Verbindungen

206

Erstens kann der Reduktionsvorgang stehenbleiben, ehe das Endprodukt, das Amin, erreicht wird; zweitens können anstatt der durch das Schema bezeichneten Verbindungen infolge s e k u n d ä r e r Prozesse andere Produkte auftreten. A. I n m ä ß i g s a u r e r F l ü s s i g k e i t — die Reduktion kann elektrolytisch durch kathodisch entwickelten Wasserstoff oder mittels Eisen- und Salzsäure durchgeführt werden — verläuft der Prozeß entsprechend der wiedergegebenen Folge: Nitroverbindung -»• Nitrosoverbindung -*• Phenylhydroxylamin ->- Anilin. Als Endprodukt wird also A n i l i n gewonnen. B. I n s t a r k s a u r e r F l ü s s i g k e i t wird das entstehende Phenylhydroxylamin zu p-Aminophenol umgelagert (siehe später) und dadurch weiterer Reduktion entzogen. Endprodukt: p-Aminophenol, NH 2 C,H 4 OH. C. I n n e u t r a l e r F l ü s s i g k e i t (Reduktion mittels Zink und Ammoniumsalz oder mittels Aluminiumamalgam; kathodische Reduktion) bleibt die Reduktion beim Phenylhydroxylamin stehen, weil das Reduktionspotential nicht ausreicht, die letzte Stufe der Reduzierung zu überwinden. Endprodukt: Phenylhydroxylamin, C 0 H 5 NHOH. D. I n a l k a l i s c h e r F l ü s s i g k e i t (Reduktion mittels Zink und Natronlauge; kathodische Reduktion) tritt als Hauptprodukt Hydrazobenzol, daneben Azobenzol auf. Das hat seine Ursache in folgenden Sekundärreaktionen: Nitrosobenzol + Phenylhydroxylamin -> Azoxybenzol

CiH5NO + HOHNQHj

-* C• C„H5NHCHs (Monomethylanilin), QII5NHII + 2 JCH3 * C6H5N(CH3)2 (Dimethylanilin). Bei der technischen Darstellung von Mono- und Dialkylanilin verwendet man an Stelle fertigen Alkylhalogenids ein Gemisch des betreffenden Alkohols mit Chlorwasserstoff und erhitzt im Autoklaven. Phenylierung von Anilin läßt sich durch Erhitzen von Anilin mit Anilinchlorhydrat erreichen: C 6 H 5 NH|H + IICl-NH 2 iC 6 H 5 >- NH4C1 + C6H5NHC6H5. Diphenylamin Beim Kochen von Anilin mit organischen Säuren werden sogenannte Anilide erhalten: QHsNHIH + 110] OCCH3 —». C4HSNH-OCCH3. Acetanilid Anilin Essigsäure 14 Schlenk, Organisdie Chemie

210

Aromatische Verbindungen

Acetanilid, früher vielfach als Fiebermittel gebraucht („Antifebrin"), findet medizinisch heute kaum mehr Verwendung; wohl dagegen das Acetylid eines p-Oxyanilinderivates, das sogenannte „Phenacetin" C2HsO——NHCOCH3. D i p h e n y l a m i n , C J H S N H C J H S (Darstellung s. oben), ist ein empfindliches Reagens auf Salpetersäure und salpetrige Säure (Blaufärbung in konz. Schwefelsäure). D i m e t h y l a n i l i n , C6H5N(CH3)2. Über die Darstellung ist bereits oben berichtet. Auf Grund der Beweglichkeit des p-Wasserstoffatoms setzt sich Dimethylanilin mit salpetriger Säure zu p-Nitrosodimethylanilin um: ( C H 3 ) 2 N — > ; H + H0jN = 0^(CH 3 ) 2 N—
-N = 0.

Mit aromatischen Aldehyden erfolgt Kondensation zu Triphenylmethanderivaten: (CH3)2N-2

N — % —>—C—C—CH C—C20H \ = / | |

OH H

Am Molekül des Chloramphenicols ist die N0 2 -Gruppe sowie die CHClg-Gruppe besonders auffällig. Beide Gruppen sind bisher nodi in keinem anderen Naturstoff angetroffen worden. Diazoverbindungen Während die Einwirkung von salpetriger Säure auf primäre aliphatische Amine unter Stickstoffabspaltung direkt zu Alkoholen führt,

C 2 H S j Nj H , + O |N | O H

> -C 2 H 5 O H+ H j O + N 2 ,

lassen die aromatischen Amine bei dieser Reaktion unter geeigneten Versuchsbedingungen anstatt des Endproduktes Phenol Diazoverbindungen gewinnen: C1:H

HO/

Anilinchlorhydrat

Benzoldiazoniumchlorid

214

Aromatische Verbindungen

Den Sinn der Benennung der Körperklasse als „Diazo"Verbindungen erläutert ein Vergleich mit der Klasse der „Azo"-Verbindungen: Azoverbindung: CiH5N = NC,sHj (Azobenzol) Diazoverbindung: C6H5N = NOH (Diazohydrat). Bei den Azoverbindungen trifiFt auf 1 organisches Radikal 1 Atom „azote" (Stickstoff), bei den Diazoverbindungen treffen auf 1 organisches Radikal deren zwei. Bei den Diazoverbindungen sind zwei strukturell verschiedene Typen zu unterscheiden: 1. Verbindungen mit der Formel Ar—N—X „Diazoniumverbindungen", III N 2. Verbindungen mit der Formel Ar—N = N—X „Diazohydrate" bzw. „Diazotate". Die Verbindungen, die bei der Umsetzung der primären Amine mit salpetriger Säure in saurer Lösung erhalten werden, weisen stets „Diazoniumstruktur" auf; sie besitzen den Charakter von Salzen. C6H5NC1 ^ C6H5—N+ + C1-. III

N

I I I

N

Die Endung „onium" weist auf die Analogie der Verbindungen mit den Ammoniumsalzen hin, die gleichfalls ein koordinativ vierwertiges Stickstoffatom mit einer ionogenen Valenz enthalten. Bei der Behandlung von Diazoniumchlorid mit Silberoxyd wird Diazoniumhydroxyd in Freiheit gesetzt, C4H5—N—C1 + AgOH >- QHs—N—OH + AgCl, III III N N eine Verbindung, die das Ammoniumhydroxyd an Basizität wesentlich übertrifft. Angesichts dessen überrascht es zunächst, daß die Verbindung amphoteres Verhalten zeigt: Zusatz von Kalilauge führt nämlich zur Entstehung

Diazoverbindungen

215

einer Verbindung C 6 H 5 N 2 O K . Diese scheinbare Unstimmigkeit ist so zu erklären, daß das stark basische Diazoniumhydroxyd in einem Gleichgewicht mit einer tautomeren F o r m , dem Diazohydrat, steht, das seinerseits den Charakter einer schwachen Säure besitzt: :C6H5—N++OHIII

I I I

N Diazoniumhydroxyd

N

^

C 6 H 5 —N ^ C 6 H ä —N + H + II II HON ON Diazohydrat

Zugabe von Alkali (K + + OH") führt dementsprechend zur Salzbildung gemäß C 6 H 5 —N + H + + OH- + K + — v H s O + C 6 H 5 —N. II II -ON KON Die Auffassung der Diazotate als Verbindungen mit der Gruppierung —N = N O — wird dadurch gestützt, daß sie in zwei isomeren Formen zu beobachten sind. Die Struktur R—N—OMe ließe eine solche Isomerie unerklärt; die Struktur III

N — N = N — O M e läßt dagegen zwei Isomere voraussehen, die zueinander im Verhältnis einer cis-trans-Isomerie stehen. R—N R—N II II MeO—N N—OMe Dem im Tautomeriegleichgewicht mit Diazoniumhydroxyd stehenden Diazohydrat sowie dem primär entstehenden Diazotat wird die Syn-Form, dem durch spontane Umlagerung unter Energieabgabe entstehenden Isodiazotat wird die AntiForm zugeschrieben. Mittels verdünnter Säure läßt sich aus Isodiazotat das Isodiazohydrat in Freiheit setzen; dieses lagert sich spontan zu Phenylnitrosamin um: C 6 H S —N II NOH Isodiazohydrat

-

C 6 H 5 NH I NO Phenylnitrosamin

216

Aromatische Verbindungen Umsetzungen der

Diazoniumsalze

In kristallinem Zustand sind die Diazoniumsalze explosiv; einer Isolierung in festem Zustand bedarf es indessen nicht, wenn die Verbindungen als Zwischenprodukte dienen. Die Umsetzungen, die sich mit den Diazoniumsalzen durchführen lassen, sind außerordentlich vielfältig. Reaktionen, die unter Abspaltung des Stickstoffs vor sich gehen: 1. E r s a t z d e r D i a z o g r u p p e d u r c h H y d r o x y 1 findet beim Erwärmen der wässerigen Lösung der Diazoniumsalze statt: C6H5N2C1 + h 2 o —»- C4H5OH + N2 + HCl. 2. E r s a t z d u r c h A l k o x y l vollzieht sich analog beim Erwärmen mit Alkohol: C6H5N2C1 + HOCJHJ — • CsH5OC2H5 + HCl + N 2 . 3. E r s a t z d u r c h W a s s e r s t o f f läßt sich durch Reduktionsmittel, wie z. B. Stannitlösung, erreichen: C6H5N2C1 + 2 H C6H4 + N2 + HCl. 4. E r s a t z d u r c h H a l o g e n erfolgt bei Behandlung des Diazoniumsalzes mit dem betreffenden Halogenid einwertigen Kupfers („Sandmeyersche Reaktion"): C4H5N2C1 + CuBr • C6H5Br + N2 + CuCl C6H5N2C1 + CuCl C6HSC1 + N2 + CuCl. 5. E r s a t z d u r c h d i e C y a n g r u p p e findet bei Einwirkung von Kupfer-I-cyanid (gelöst in Cyankalium) statt und führt zu Nitrilen: C6H5N2C1 + CuCN — * C6H5CN + N2 + CuCl. Nach dem Gesagten gelingt es mit Hilfe der Diazoniumverbindungen, ausgehend von Aminen (indirekt also von Nitroverbindungen bzw. Kohlenwasserstoffen) folgende Produkte darzustellen: Phenole, Äther, Kohlenwasserstoffe, Halogenide, Nitrile.

Diphenylderivate

217

Reaktionen, bei denen der Stickstoff im Molekül verbleibt: 1. R e d u k t i o n z u A r y l h y d r a z i n C4H5N2C1 + 4 H >- QHjNH—NHj HCL läßt sich am besten mittels salzsaurer Zinnchlorürlösung oder durch Behandeln mit Bisulfit und Spalten der gebildeten Hydrazobenzolsulfonsäure mit Salzsäure durchführen: C4H5N2C1 + 2 NaHS0 3 + H 2 0 — • QH5NH.NHSO3H + NaHS0 4 + NaCl; Hydrazobenzolsulfonsäure C6HSNH.NHS03H + HCl +

2.

H20 C 8 H 5 N H N H 2 • HCl + H2SO4.

Kupplungsreaktionen

Mit Phenolen bilden sich in alkalischer Lösung Oxyazoverbindungen C4HSN2C1 + HCdHUOH —>- C 6 H 5 N=NC i H 4 OH. Mit tertiären aromatischen Aminen in schwach saurer Lösung tritt Kupplung zu Aminoazoverbindungen ein C6HSN2C1+HC6H«N(CH3)2

y C4H5N = NC4H4N(CH3)2.

Bei primären und sekundären Aminen saurer Lösung konkurrieren die Reaktionen I. C 4 H 5 N 2 X + H 2 N C 4 H 5

II. C 4 H S N 2 X+HC 4 H 4 NH 2

in schwach

C6H5—N=N—NHC6H5+HX

C4H5—N = N—C 4 H 4 NH 2 +HX,

die zu Diazoaminoverbindungen (I) bzw. Aminoazoverbindungen (II) führen. Reaktion I ist umkehrbar, Reaktion II nicht; beim Stehen des Reaktionsgemisches in der Kälte verwandelt sich daher die Diazoaminoverbindung allmählich in die Aminoazoverbindung: C4Hs—N = N—NHC4H5 + HX 3 : C4H5N2X +H 2 NC 4 H 5 ->- C 4 H 5 N 2 C 4 H 4 NH 2 +HX. Die Oxyazo- und Aminoazoverbindungen sind Vertreter der wichtigen Klasse der A z o f a r b s t o f f e .

218

Aromatische Verbindungen

Die Methode der Kupplung läßt außerordentlich viele Variationen zu, denn es können die verschiedensten Diazoniumsalze mit den verschiedensten aromatischen Aminen, Phenolen oder Substitutionsprodukten derselben gekuppelt werden. Ist die p-Stelle zur Amino- oder Oxygruppe besetzt, so tritt Kupplung in o-Stellung ein. Zuweilen werden Moleküle in p- und o-Stellung substituiert, so daß Tetrazoverbindungen entstehen. B i s m a r c k b r a u n entsteht bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf m-Phenylendiamin; es ist ein Gemisch von verschiedenen Farbstoffen, das u. a. folgendes Kupplungsprodukt enthält: N NHJ"

2

ci+H^

^>NH 2

N H 2 ~~

NH~ NH7" Helianthin wird durch Kupplung von diazotierter Sulfanilsäure mit Dimethylanilin erhalten: > N ( C H :312

y—iijUTn-^ ->• H 0

3

S^

N = N — ^ > N ( C H

3

) J

Die freie Säure ist gelb, das Natriumsalz rot; das Salz wird als Indikator („Methylorange") in der Acidimetrie verwendet.

Diphenylderivate D i p h e n y 1, C S H 5 —CiH s , kann durch direkte Kondensation zweier Benzolringe nach der Wurtzschen Methode durch Einwirkung von Natrium auf Brombenzol dargestellt werden. Es bildet sich pyrogen auch unmittelbar aus Benzol (beim Durchleiten von Benzoldämpfen durch glühende Röhren). Das p-Diaminoderivat des Diphenyls, Benzidin, entsteht, wie bereits besprochen, durch spontane Umlagerung von Hydrazobenzol bei geeigneter Wasserstoffionenkonzentration. Bei einigen Diphenylderivaten, z. B. bei der 6,6'-Dinitrodiphensäure, H. Zollinger, Chemie der Azofarbstoffe, Basel 1958.

Triphenylmethanderivate NO2

O2N

^ \ COOH

219

/ HOOC

/

ist eine eigentümliche Art von Isomerie bekannt: sie lassen sich in optische Antipoden spalten, ohne daß asymmetrische Kohlenstoffatome vorliegen. Der Grund ist in einer durch die „Sperrigkeit" der in den o-Stellungen befindlichen Liganden verursachten Aufhebung der freien Drehbarkeit zu suchen („Atrop-isomerie"). Wie an einem die Raumerfüllung des Moleküls maßgetreu wiedergebenden Modell (s. S. 21) festzustellen ist, können die Nitrogruppen und Carboxylgruppen der Diphensäure nicht aneinander vorbeigedreht werden. Dementsprechend sind für das Molekül der Säure zwei räumlich verschiedene, nicht miteinander deckbare Konfigurationen möglich, die sich zueinander verhalten wie Bild und Spiegelbild: NO2

/


~C_>

^HOOC/

/HOOC

/

\

^

/