Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins [8]

Table of contents :
Front Cover
Ueber Staatenbefestigung. ') ...
der Trutzwehr und der Reichsbefestigung ...
Die internationale Ausstellung in Wien 1873.') ...
Es ist diess eine sehr glückliche Idee, welche nach ...
aufnehmen könne, um mit diesem Materiale aus den von ...
gewesenen Sanitätsmateriales angestellten Probefahrt mit diesen Sanitäts- ...
Das ausgestellt gewesene Arzt-Zelt Couette's war ein eben ...
Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen. ...
― ...
scheiden: a) das Sammeln der Sturmcolonnen an der ...
100 ...
Die internationale Ausstellung in Wien 1873.') ...
Solche Conserven (Saft- oder Guliyas-Fleisch dann Fleischwürste ...
Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. ...
der Erste zu jeder That für des Kaiserhauses Ruhm und ...
Das französische Heer Anfangs 1874. ...
sacher. Das Geschütz hat gute Seiten, dafür aber ...
Die Flotte der Vereinigten Staaten Nordamerika's. ...
Reorganisation der Spahis-Regimenter in Algier. ...
Die Schlacht bei Vionville und Bezonville ...
Alle anderen Corps der II. preussischen Armee, namentlich ...
Stützpunct für den Rückzug, war also die Hauptmacht auf ...
wird. Keinesfalls war der Kampf im Walde mehr sehr ...
E ...
Der Krieg gegen die Aschantis. ...
welche in den Forts eingeschlossen waren, schrien um Schutz...
Akims zu Gunsten Englands bedarf noch der Bestätigung), ...
Das russische Wehrgesetz. ...
Jene, welche absichtlich die Losung ihrer Altersclasse versäumen, ...
Die Reichswehr selbst scheint dermalen gar nicht organisirt zu werden...
Die Neu-Organisation der italienischen Armee.') ...
Der Zug Hadik's nach Berlin 1759 '). ...
Diese Art des Angriffes zeigte sich aber unwirksam und Fried- ...
Das neue,,Exercir-Reglement" ...
gen. Das Traurige dabei war, dass die nothwendige ...
Eine gänzliche Umarbeitung aber gleicht auf ein Haar ...
III. Vergleichende Betrachtungen zwischen dem neuen und ...
meinen Beifalls erfreuen wird. Die Trennung dieser beiden Theile ...
Bezug auf die bereits bei Punct 45 gekennzeichneten Vereinfachungen. ...
Die Operationen von der Mosel und von Châlons nach ...
setzten Falle marschire ich weiter auf Sedan, oder selbst ...
Sie brachten Licht in des Feindes Absichten, Stellungen und ...
als vor dem alten Lager den ungleichen Kampf gegen des ...
Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 ...
po pr. ...
DE NAX DOLL ...
Die Garibaldinische Voges en-Armee hatte nach ihrem Ein- ...
vorstossen, und die Verbindung mit der 4. Reserve-...
Der Zug Hadik's nach Berlin 1757 '). ...
Wieder blieb das österreichische Heer, ohne die günstige Situation ...
Die Operationen von der Mosel und von Châlons nach ...
die Ansicht, dass ein solcher momentan zwar grosse Verluste...
438 Reicher. Operationen von der Mosel und von Châlons ...
Der Krieg gegen Atschin.') ...
von Batavia Verstärkungen ansprechen. Der Commandant der Escadre. ...
Bücher-Anzeiger. ...
Welchen Ursachen die Freistaaten Nordamerika's ihre Macht und ihr rasches ...
genommene Terrain-Beschreibung, die das genaue Verständniss ungemein ...
Ein Cavalerie-Regiment im Aufklärungsdienste vor einem grösseren ...
Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in ...
deutung geworden, kein Mittel und keine Mittel dürfen gescheut ...
gegen den äusseren Feind bereit gestellt werden könne ?" ...
B. Bibliographischer Theil. ...
Corsi, C. Sommario di storia militare. Torino 8. ...
Diamagnetismus. Mit zahlreichen Holzst. 2. Lfg. (...
Sitzungsberichte d. k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in ...
Autoren-Verzeichniss ...
Strategische Betrachtungen ...
I Lage und erste Aufstellung der Franzosen und Oesterreicher vor ...
Theile wenig von einander verschieden; geistig war der Erzherzog ...
immer aber bezüglich der Kräftevertheilung eine Ueberlegenheit be- ...
II. Ueber die von den Oesterreichern im Beginne des ...
diese Lage, welche dem beabsichtigten Durchbruche so vortheilhafte ...
schaffen, um den Brückenschlag und den Uebergang der Haupttruppe ...
A ...
derbliche Folgen hätte ein solcher Sieg, wenn gehörig ausgenützt...
VI. Betrachtungen über die Ereignisse auf dem nördlichen Theile ...
Die in diesem Abschnitte besprochenen Ereignisse geben ein ...
Bei Donauwörth stand der Erzherzog somit in einer vortheilhaften ...
VIII. Der Donau-Uebergang Moreau's. ...
Die Verbindungen, welche im Rücken der österreichischen Armee ...
die französische Armee, mit Ausnahme der Division Lefebvre, ...

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ORGAN

des

Wiener militär- wissenschaftlichen Vereines.

Herausgegeben

vom

VEREINS - AUSSCHUSSE .

VIII. Band .

Mit eilf Tafeln.

Σ

R

T E

1874.

BIOTURE

K

WIEN. Verlag des militär - wissenschaftlichen Vereines. In Commission bei L. W. Seidel & Sohn .

Mit Vorbehalt aller Rechte.

STANFORD UN VERSITY LIBRARIES STACKS

NOV 17 1970

43

094

Vif 1874

Druck von Carl Finsterbeck in Wien.

Inhalt.

Ueber Staatenbefestigung, von Hauptmann Graf Geldern Die internationale Ausstellung in Wien 1873. Das Militär- Sanitätswesen, von Regimentsarzt Dr. Mühlvenzl Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen, von Hauptmann Adolf von Horsetzky Die internationale Ausstellung in Wien 1873. Ueber das Militär-Verpflegswesen, von Militär-Unterintendant Poppović Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine . Das französische Heer Anfangs 1874 · Die Flotte der Vereinigten Staaten Nordamerikas • Reorganisation der Spahis-Regimenter in Algier •

Seite 1 17 73 101 120 148 157 162

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville am 16. August 1870, von Oberst 165 Baron Waldstätten 213 Der Krieg gegen die Aschantis 234 Das russische Wehrgesetz .. . 248 Die Neu- Organisation der italienischen Armee Der Zug Hadik's nach Berlin 1757, von Rittmeister Victor von Pokorny. I. und II . .. 253, 395 267 Das neue Exercir-Reglement, von Hauptmann Adolf von Horsetzky Die Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan , von Oberst• • 317 lieutenant Joseph Reicher. I. Historischer Theil · • 413 II. Betrachtungen Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871, von Oberstlieute• • 353 nant Anton Edler von Hilleprandt . 439 Der Krieg gegen Atschin, von Oberlieutenant Hugo von Molnár Bücher-Anzeiger. I A) Kritischer Theil LXVII B) Bibliographischer Theil Verzeichniss der im kritischen Theile des Bücher-Anzeigers besprochenen Werke . XCIV Strategische Betrachtungen über den Feldzug in Deutschland 1796 , von · 1-72 Oberst von Cornaro. (Mit eigener Paginirung.) . Karten und Pläne. Tafel 1 zum Aufsatze : „Ueber Staatenbefestigung. " 1 B, 2, 3 zum Aufsatze : „Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen. “ 27 4 zum Aufsatze : „Die Schlacht bei Vionville und Rezonville. " „Die Operationen von der Mosel u. von Châlons nach Sedan. " "" - 5 „Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871. " T: 6 57 7 „Der Zug Hadik's nach Berlin 1757." 8, 9, 10 zum Aufsatze : „Der Krieg gegen Atschin."

Berichtigungen .

Seite 253, im Titel und in den Columnen-Titeln der folgenden Seiten statt „1759 “ , „ 1757“. Seite 424, Zeile 3 von unten statt „ Quantrechamps ", " Quatrechamps ".

Ueber Staatenbefestigung. ') Von Hauptmann Gustav Graf Geldern des k. k. Geniestabes.

(Hiezu Tafel I. ) Ich glaube die an mich ergangene Aufforderung über Staaten- richtig aufzufassen, wenn ich, an Stelle befestigung zu sprechen einer rein theoretischen Behandlung dieses Themas, die Anwendbarkeit der als maassgebend bezeichneten Grundsätze zu zeigen versuche. Die Ueberzeugung ,

dass die Beleuchtung der Wehrverhält-

nisse des eigenen Landes höheres Interesse erwecken wird, als jener eines Nachbarstaates, sowie der Umstand, dass die ReichsbefestigungsFrage in Oesterreich noch ungelöst, erst in nächster Zeit - angeregt durch das Beispiel anderer Staaten -

in Fluss gerathen dürfte ,

be-

stimmten die Wahl meines im Plane skizzirten Beispieles, zu dem ich im Laufe der Besprechung - nach einer kurzen genetischen Skizze über „ Reichsbefestigungsanlagen " und die auf dieselben influirenden geographischen, militärischen , finanziellen und politischen Verhältnisse — zurückkehren werde, um das Gesagte in ein Gesammtbild fassen zu können .

Wenn man die Ursachen, welche die Basis der grossen Erfolge in den letzten beiden Kriegen bildeten und deren Einflüsse auf die Organisirung der Wehrkräfte eines Staates festzustellen trachtet, so kann man den Umwandlungsprocess, d. h. die Modernisirung der Kriegsmacht , welche nach dem Jahre 1866 in vielen Staaten Europas eiligst begonnen wurde, noch nicht als beendet ansehen. Man begann. mit dem Wichtigsten : der Annahme der allgemeinen Wehrpflicht. Nachdem nun alle neuen Organisirungen auf dieses Fundament aufgebaut wurden, die Staaten hiedurch einen Modus annahmen , der ihr Aufgebot auf ein Maximum bringen musste und die Ausbildung der Schlagfertigkeit eines solchen Heeres nur im Verhältniss zu ihrer finanziellen Kraft möglich ist, war es natürlich, dass das Kraftverhältniss der Staaten untereinander immer schärfer ausgeprägt wurde .

') Vortrag, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine, am 5. December 1873. 1 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII . Band, 1874.

Geldern. Der Feldzug 1870 zeigte gleich anfangs, wie entscheidend die numerische Ueberlegenheit wirken kann , wenn durch die volle Ausnützung eines zu Verfügung stehenden Eisenbahnnetzes die räumlichen. Entfernungen verschwinden, die Concentrirungszeit nach Tagen zählt und die Eröffnung der Feindseligkeiten der Kriegserklärung auf dem Fusse folgt. Die Möglichkeit, dass die stärkere Armee mit Hilfe der Bahnen selbst die ausgedehntesten Landes-Grenzen gleichzeitig an verschiedenen Punkten bedrohen kann, ohne dabei in die Gefahr zu kommen, einem überlegenen Ausfall gegenüber sich nicht mehr rechtzeitig conzentriren zu können ; die Wahrscheinlichkeit, dass jede noch so entschiedene Offensive des Schwächeren nur kurze Zeit auf eine locale Uebermacht rechnen kann, und dass die ihr entgegenstehenden Theile der feindlichen Armee genug Kraft besitzen werden , um länger widerstehen und sich im Besitze des occupirten Terrains behaupten zu können , schliesslich die in allen Ländern zunehmende Gangbarkeit, welche den Werth natürlicher Hindernisse theilweise aufhebt, müssen eine entschieden ungünstige Wirkung auf die Schlagfähigkeit der schwächeren Armee ausüben. Das günstigste aus geographischen Vortheilen hervorgehende Aufstellungsverhältniss lässt sich wegen der verkürzten Zeit nicht so wie einst ausnützen, denn folgt der unternommenen Offensive nicht rasch der Sieg, so wird je länger man mit dem angegriffenen Theile in Contakt bleibt, der durch die eigene Concentrirung verlassene Raum um so gewisser von feindlichen Kräften ausgefüllt, hiedurch Flanke und Rücken blossgestellt ,

die eigene Manövrirfähigkeit beschränkt

und

die Gefahr umzingelt zu werden , geschaffen sein. Natürliche Terrainhindernisse genügen also nicht mehr, das Festhalten eines Raumes, welchen die eigene Hauptarmee verlässt, mit geringen Kräften zu ermöglichen; man benöthigt, um das Gleichgewicht herstellen zu können und dauernde Schlagfähigkeit zu schaffen , künstlicher Verstärkungen. Dass in diesem Sinne der Werth und Nutzen der Fortificationen in Folge des letzten Krieges mehr gewürdigt und deren Nothwendigkeit allgemeiner anerkannt wurde, bezeugen die vielen Millionen , welche in Deutschland und Italien von den Parlamenten zur Umwandlung der Reichsbefestigung bewilligt wurden und die grossartigen Befestigungsprojecte, welche in Frankreich zur Ausführung gelangen werden.

Aus dem bisher Gesagten ersieht man übrigens den Zusammenhang der zwischen den beiden Fragen : der Organisirung des Heeres

Ueber Staatenbefestigung. der Trutzwehr

und der Reichsbefestigung

der Schutzwehr" eines Landes bestehen muss und die Nothwendigkeit beide zu lösen, damit die ganze Wehrkraft eines Staates activirt werde.

Aehnlich wie die Heeresorganisation , nur viel langsamer, hat die Staatenbefestigungsfrage bereits einige Entwicklungsperioden hinter sich, ohne hiedurch zu einer reellen Ausbildung gelangt zu sein . Die ersten Anfänge zu den Befestigungsanlagen aller europäischen Reiche waren Werke des Zufalls ; ihr Entstehen wurde durch die Veränderungen in der Staatenbildung bedingt. Insolange man die Kriege mit, nach jetzigen Begriffen, schwachen und schwerfälligen Heeren auf kleinen Räumen durchkämpfte und an wenige Strassen als Bewegungslinien gebunden war, konnten einige befestigte Knotenpunkte genügen, um ein Invasionsheer aufzuhalten , dasselbe zu Belagerungen zu zwingen und dem Vertheidiger hiedurch die Zeit zu neuen Rüstungen zu gewinnen. Durch die stets fortschreitende, sich immer mehr ausbreitende Cultur des Bodens verschwand die Ungangbarkeit vieler Gebiete und mehrten sich die

wichtigen

Strassenknoten ;

was

nun natürlicher, als dass man die zuerst entstandenen Blössen ausKleinen bewährte Sperrsystem erhalten wollte ? Auf diese Art entstand z. B. der bekannte dreifache Festungsgürtel an der Nordostgrenze Frankreichs. Die nachtheiligen Folgen , welche aus der füllte, das im

Anlage so vieler Festungen entstehen mussten, wurden anfangs nur von Wenigen vorhergesehen. Unter diesen war es besonders Vauban, unter dessen Leitung die meisten französischen Festungen gebaut oder reconstruirt wurden, welcher auf die aus dem Ueberflusse an festen Plätzen resultirende Werthverminderung - wegen dem zwischen Feldarmee und Besatzungstruppen entstehenden Missverhältnisse, und wegen der erst bei einem Vertheidigungskriege klarwerdenden Schwächung des offensiven Elementes hinwies. Seine Nachfolger hielten sich jedoch mehr an seine Werke als an seine Worte und suchten die von Vauban angewendeten Formen der Befestigungen zu verbessern.

Es entstand eine Aera, in

welcher die Ingenieure den Militär immer mehr abstreiften, ihre geistige Kraft mit endlosen Variationen der Traçéform verschwendeten und ohne Rücksicht auf die factischen Anforderungen des Krieges die Befestigungs-Kunst im Grossen wie im Kleinen in den engen Rahmen verschiedener Systeme zwängen wollten ! Dieser Formencultus wurde dem tonangebenden Frankreich in allen Staaten Europas nachgemacht und wird theilweise noch fortge1*

4

Geldern .

setzt. Die Militär-Literatur ist von jener Epoche an reich an den verschiedensten Versuchen zweckentsprechende Systeme für die Befestigung ganzer Reiche zu finden. Es dürfte jedoch für diese kurze Abhandlung genügen, aus dem vorhandenen schätzbaren Material nur die Hauptcontraste hervortreten zu lassen. Der Anciennität nach wären zuerst jene Autoren zu erwähnen , welche an dem bestehenden (d, h. durch Zufall entstandenen ) Rahmen festhaltend, diesen so mit Festungen ausfüllen wollten, dass jede offene Grenzfront durch eine mehrfache Reihe (einen Cordon ) von Sperr- und Depot-Festungen geschützt würde. Von den Anhängern dieses Grenzvertheidigungssystems stellt unstreitig General Noizet de Saint Paul in seinem 1859 erschienenen Werke die grösste Forderung : er verlangt nämlich für jede ebene Grenzfront eine dreifache Reihe schachbrettförmig gelegener Festungen, deren wechselseitige Entfernung nicht mehr als 6 Meilen betragen dürfe. Nach den Erfahrungen des Jahres 1814, in welchem die Schwäche des Cordonsystems und dessen Nachtheile in das richtige Licht gestellt wurden, bedarf es wohl keines Beweises mehr gegen das System Noizet. Die radicale Veränderung in der Kriegführung nach den napoleonischen Feldzügen, die zunehmende Gangbarkeit der Länder, die erhöhte Manövrirfähigkeit der Heere, deren stetes Wachsen, sowie das Brechen mit dem alten Verpflegssystem führten schon zu Anfang dieses Jahrhundertes bei Vielen zu der Ueberzeugung, dass auf dem Gebiete der Fortification eine Umwandlung geboten sei, nur waren die Meinungen über das „ Wie" sehr getheilt. Das Verhalten der altartigen Plätze, welche nur den Ort, den sie einschlossen , sichern konnten und gar keine Aussenwirkung besassen, daher, einfach liegen gelassen , ohne Einfluss auf die Operationen blieben, veranlasste Viele nebst der allgemein als schlecht anerkannten Detailanlage der Festungen ,

auch

deren Lage in den Grenzgebieten als fehlerhaft zu bezeichnen und ein reines Defensivsystem im Innern mit der befestigten Hauptstadt als Kern in Vorschlag zu bringen. Am

weitesten geht in dieser Richtung der belgische Oberst-

lieutenant Vandevelde . Er verwirft in seinem jüngst erschienenen Werke ¹ ) alle Festungen in den Grenzgebieten, nachdem er deren schädlichen. Einfluss aus den Feldzügen 1866 und 1870-71 nachzuweisen versucht hat und die Nothwendigkeit von Depotplätzen an den Grenzen seit der allgemeinen Benützung des Dampfes nicht mehr anerkennen will.

1 ) Défense des états à polygone concentré etc.

Ueber Staatenbefestigung.

5

Dieses System wird am besten illustrirt, wenn man des Autors eigene Anwendung auf Oesterreich wiedergibt. Er befestigt vor allem Wien und legt dann starke Lagerfestungen und zwar gegen Westen bei St. Pölten, im Norden bei Znaim und Lundenburg, im Osten bei Pressburg und im Süden bei Wiener-Neustadt mit der Absicht an, jede Invasion auf 6 bis 8 Meilen von dem Reichscentrum aufzuhalten. Die leitende Idee dieses Systems gipfelt in der Absicht, in jedem Vertheidigungskriege den Widerstand gegen das Centrum des Landes hin künstlich wachsen zu lassen. Es ist der gleiche Gedanke, welcher einst bei der Anlage altartiger Festungen die Herstellung von mehrfachen Umfassungen, Enveloppen und Aussenwerken veranlasste . Damals verlangte man succesive gegen das Innere des Platzes zunehmende Verstärkung, damit der Angriff wegen Abnützung der Kräfte bei den fortgesetzten Forcirungen zum Stillstand kommen müsse, die Vertheidigung mit ihren intakten Truppen hieraus Vortheil ziehen , und den Kampf mit Ueberlegenheit fortsetzen könne . Die ausgedehnte und verdichtete Schusswirkung der jetzigen Waffen hat, wie die Gefechte und Schlachten der jüngsten Kriege zeigen, die Kampfmomente in kurze Zeitgrenzen hineingedrängt und das Streben hervorgerufen , die Entscheidung rasch und feindwärts zu suchen . Warum soll man für die Kriegführung im Grossen nicht dasselbe Princip adoptiren ? Es hat ja auch für sie die Ausdehnung der Kampfzonen und die Verkürzung des Zeitfactors und zwar in einem grösseren Verhältnisse stattgefunden ; man würde dadurch mit vielen und hervorragenden Militär- Autoritäten, wie Napoleon I. , Erzherzog Carl, Marschall Marmont, u. a. m. übereinstimmen. Der Armee würde hiedurch ein langer mit grossen physischen und moralischen Opfern verbundener Rückzug zu ihren ersten Repli's erspart, dem Lande aber ressourcenreiche Gebiete, die sonst dem Sieger zur Beute wurden, erhalten bleiben, so dass der ganze nicht der an vielen Gliedern amputirte Staat den Krieg nach etwaigen Misserfolgen fortsetzen kann . Statt also den künstlichen Schutzmitteln die Rolle einer Reserve zuzuweisen und durch selbe die physischen und moralischen Verluste des Heeres compensiren zu wollen, wird man die passive Wehr des Landes so anordnen müssen , dass die Schlag- und Offensivfähigkeit der Armee erhöht und diese Unterstützung vom Beginne der Feindseligkeit an geleistet werde. Also Sicherung der Grenzgebiete durch Befestigungs -Anlagen bei vollster Ausnützung der geographischen Vortheile, so dass die Festungen in Wechselwirkung kommen , in Gruppen zwischen die Hauptangriffslinien des Gegners eingeschoben werden und Räume umspannen , welche der eigenen Armee

Geldern .

6

auch dann gesichert bleiben , wenn sie dieselben verlässt, um nach anderer Richtung die Offensive zu ergreifen . Die Erreichung dieses Zweckes muss aber bei einem minimalen Erfordernisse an Besatzungstruppen möglich sein. Diese Bedingungen zeigen zur Genüge, dass kein System zu einer befriedigenden Lösung führen kann. Je strenger man sich an die Chablone halten wollte , desto weniger Lebensfähigkeit würde das Geschaffene besitzen. Gesteht man aber für besondere Fälle, finden wird, Ausnahmen zu,

die man bei der Anwendung immer

dann hört wohl das System von selbst

auf und man wird sich begnügen können , allgemein leitende Grundsätze aufzustellen. Nach diesen wird man dann in jedem concreten Falle die militärischen Forderungen und das Maass der nothwendigen gesammten Verstärkungsanlage bestimmen und zwischen dem Wichtigen, Nothwendigen und Wünschenswerthen unterscheiden können . Diese Werthbestimmung ist nothwendig,

da die Wahrung der

finanziellen Interessen des Staates im Gleichgewichte mit dem Streben , die militärischen Bedüfnisse zu erfüllen, stehen muss, wenn man die Durchführung der letzteren ermöglichen will .

Man findet die Grenze

der zulässigen Reduction , indem man die von der Fortification zu lösenden Aufgaben nach Kriegsschauplätzen bestimmt und für das Gesammt-Erforderniss derselben das Stärke-Verhältniss der einzelnen Plätze mit Rücksicht auf ihre Zusammengehörigkeit feststellt. Classificirt man dann die Festungen und ihre Theile

nach der Rolle,

die

sie spielen müssen, und nach der Reihenfolge, wie dieselben im Kriegsfalle in Wirksamkeit treten können, so wird die Entscheidung ___ auf welche Puncte die Festungsanlage beschränkt, wie weit die fortificatorische Stärke . heruntergesetzt werden kann, wie viel Plätze man im Frieden bauen muss, und welche Puncte man erst im Kriegsfall zu sichern braucht

sicher ohne Schaden für

die Schlagfähigkeit der Armee ausfallen. Es basirt also der ganze Entwurf auf der Analyse des Kriegsschauplatzes und der Bestimmung des strategischen Werthes der gewählten Puncte ; bei den meisten wird dieser sich nach Zeit und Umständen verändern. So haben z. B. Strassenknoten und Uebergänge in ebenen cultivirten Gegenden eine nebensächliche Bedeutung, während die Beherrschung des Durchzugs und Debouchiren's aus den Defiléen der Mittel- und Hochgebirgs -Länder, oder aus-

kleiner Flüsse

gedehnter Sumpf- und Inundations- Gebiete, einen ebenso bleibenden Werth besitzen wird, als die Sicherung der wichtigsten Eisenbahnknoten und der grossen Flusslinien im gangbaren Terrain . Man braucht eben bei jedem grossen Naturhindernisse, welches die eigene Armee bei

Ueber Staatenbefestigung . offensiver Kriegführung überschreiten muss,

feindwärts einen sichern

Entwicklungsraum, an welchem die Armee im Falle eines ersten Misserfolges den verfolgenden Feind abstreifen kann, Sammeln und

so dass dieser das

den eventuellen Rückzug durch das gesicherte Defilé

nicht zu stören vermag.

Unterlässt man die künstliche Sicherung , so

kann jede zum momentanen Rückzug zwingende Niederlage für die Armee eine Katastrophe herbeiführen. Welche und wie viele Befestigungen zur Erfüllung dieses Zweckes erforderlich sind, lässt sich nur aus den geographischen Verhältnissen und je nach der Forderung, die Anlage für die ganze Armee oder nur für Theile derselben benützbar zu machen, bestimmen. Legt man nun bei der Fixirung der Reichsbefestigung das Hauptgewicht auf die Möglichkeit, den Krieg in den Grenzgebieten durchkämpfen zu können, so entfällt in vielen Fällen die Nothwendigkeit, im Innern des Landes permanente Befestigungen herzustellen, da man ja sicher auf die Zeit zu deren provisorischer Anlage zählen kann. Nachdem übrigens ein schrittweises Zurückweichen die volle Schlagfähigkeit der Truppen bedingt, bei einer Armee aber, die ihr befestigtes Manövrirterrain nicht mehr zu halten vermag, ein derartiger Versuch nur die guten , noch intakten Kräfte aufreiben und die Zersetzung des Heeres vorbereiten würde, so wird die Herstellung mehrerer Abschnittslinien immer entfallen können und die Sicherung eines Repli- Raumes durch provisorische Befestigung des stärksten

Terrainhindernisses im Innern des Landes ,

oder falls dies fehlt, der Hauptstadt,

genügen,

um die Armee der

feindlichen Wirkung so lange entziehen zu können , bis sie erholt und verstärkt von Neuem den Kampf aufzunehmen vermag. Wie man sieht, lässt sich schon eine wesentliche Kostenverminderung dadurch erzielen, dass ein Theil der Reichsbefestigung der provisorischen Ausführung vorbehalten bleiben kann. In der neuesten Zeit wurde übrigens die Frage noch weiter zu gehen und jedwede Befestigung für den Bedarfsfall aufzuschieben " vielfach ventilirt und Viele halten diesen Ersatz der immer kostspieliger werdenden permanenten Fortification, weil billiger, auch für genügend . Es bedarf jedoch erst noch des Beweises, ob provisorische Bauten im Grossen ausführbar sind und ob ihr Nutzen im Verhältniss zu der zweifelhaften Geldersparung steht. Selbst wenn nach erfolgter Kriegserklärung die erforderliche Bauzeit von 6-8 Wochen ohne feindliche Störung verstreichen würde , woher soll in dem Momente, wenn Urlauber, Reservisten und Landwehrmänner einberufen werden, der grosse Bedarf an Arbeitern aufgetrieben werden, der beispielsweise für einen grösseren Platz per Tag 20-30.000 M. betragen müsste?

Wie weit muss man in

Geldern . manchen Grenz - Ländern gehen, um die erforderlichen Massen an Baumaterialien, Requisiten und Verkehrsmitteln zu erlangen? Viele Verstärkungsarbeiten werden daher nicht zu leisten sein, das Geschaffene wird aber zum mindesten die doppelten Friedenspreise erfordern .

Um

den provisorischen Befestigungen das Widerstandsvermögen der permanenten nur theilweise zu sichern , muss der Abgang an fortificatorischer Stärke durch Vermehrung der Reserve an Geschütz und Besatzungstruppen ausgeglichen werden . Je mehr Streiter der Armee für diesen Zweck entzogen werden müssen, Nutzen.

desto

mehr schwindet der

Vergleicht man daher die Grenzgebiete mit dem Innern des Landes , so wird man finden, wie verschieden die Verhältnisse sind. Während im Innern der Ersatz der permanenten Fortificationen durch provisorische ausführbar ist, und sobald die Armee in ihren Repli- Raum zurückgeht, d . h . an die Stelle der mobilen Reserve tritt, die Schwächen dieser provisorischen

Anlagen paralisirt erscheinen ,

findet

an den

Reichsgrenzen das Gegentheil statt. Die Ausführung wird zur Unmöglichkeit. Bei den Hauptstädten sprechen übrigens noch andere Momente für die provisorische Befestigung im Kriegsfalle. Sie sind der Sitz des commerciellen, industriellen und socialen Lebens des ganzen Landes, müssen sich daher schneller als alle andern Städte vergrössern und umformen, und vertragen am allerwenigsten das constante Einengen in einen festen Rahmen . Wollte man sie permanent befestigen , so würde der Werth dieser Anlagen durch das Hineinwachsen der Bauten in die fortificatorische Zone progressiv geschädigt und die Nothwendigkeit, die entstandenen Nachtheile durch Um- und Neu-Bauten aufzuheben, sich in kurzen Zeiträumen wiederholen . Das Aufschieben der Befestigung einer Hauptstadt erscheint daher - vorausgesetzt, dass die Grenzgebiete gesichert wurden

als opportun, umsomehr als man durch die Aus-

nützung der vielen existirenden Baugesellschaften und industriellen Etablissements, und des Ueberflusses an Bau- und Verkehrsmitteln , sowie durch die Anstellung der vielen, während eines Krieges verdienstlos gewordenen Arbeiter, selbst in der kurzen Zeit von 6-8 Wochen Widerstandsfähiges schaffen kann . Nachdem sich also der provisorische Styl nur theilweise anwenden lässt, so kann, sobald eine weitere Reduction der Kosten stattfinden. muss, diese nicht durch Veränderung des Baustyles bewirkt werden . Will man eine solche ohne Schädigung der militärischen Interessen erzielen, so muss die Ausstattung der Theile jeder, im Frieden zu bauenden Festung, nach dem taktischen Werthe derselben bestimmt

Ueber Staatenbefestigung.

9.

werden . Man erhöhe die Widerstandskraft der wichtigsten Puncte, d. h. ermögliche durch vollste Ausnützung der modernen Technik geringen Kräften eine intensive Vertheidigung, dann wird der Gewinn an Kraft eine räumliche Verkleinerung der Objecte und eine bedeutende Ersparung an den permanenten Bauten gestatten . Hat man durch diese einen festen Rahmen für jeden Platz geschaffen, so kann man die Ausfüllung desselben, in dem Maasse als die Verhältnisse des Landes es gestatten, dem Kriegsfalle überlassen, und wird hierdurch eine weitere und bedeutende Verminderung der Bausumme erzielen. Frägt man sich nun, ob die Möglichkeit, obigen Zweck zu erreichen , bei der jetzt üblichen Behandlung des permanenten Styles vorhanden ist, so wird man die Antwort erst dann geben können , man die an den Ingenieur herantretenden Forderungen :

Die

Festungsgeschütze besser zu decken, ohne ihr Feuer einzuengen und die Durchführbarkeit des Geforderten bei der jetzigen Placirungsart der Geschütze näher beleuchtet hat. Von jedem Wallgeschütze verlangt man eine Doppelleistung und zwar: den Vorterrain des Werkes rasant zu bestreichen und mit Erfolg die feindlichen Batterien bekämpfen zu können . Die Piècen sollen also einmal über die Brustwehr heraussehen und möglichst wendbar sein, und das anderemal -

um den Kampf mit einem präcis

schiessenden Gegner führen zu können möglichst gedeckt, durch die Brustwehr maskirt sein.

d . h.

Dem Ingenieur fällt nun die Aufgabe zu, die Doppelleistung der Artillerie trotz dieser Gegensätze möglich zu machen ; er wird hierdurch gezwungen, zum Schutz gegen enfilirende oder schräg einfallende Schüsse Traversen zwischen allen Geschützen anzuordnen, und um eine theilweise Deckung gegen Frontschüsse zu erhalten, für die Geschütze Scharten einzuschneiden, die aber schon für eine kleine Wendbarkeit sehr weit ausfallen werden.

Hierin liegt somit die Ursache,

dass schon wenige Geschütze sehr ausgedehnte Feuerlinien bedingen , und dass der Ersatz eines Geschützes, welches einen Halbkreis beherrscht, zur Aufstellung von 3 bis 4 Piècen mit beschränkter Wendung zwingt. Die Folge hiervon ist, dass die bescheidenste Forderung an Artilleriewirkung eine 3- bis 4fache Geschützvermehrung , eine bedeutende Vergrösserung der Werke und Vermehrung der Besatzung bedingt und enorme Baukosten hervorruft. Verkleinerung der Werke und Besatzungen, Herabdrücken der Bausummen, sind also bei der jetzigen Geschützaufstellungsart gleichbedeutend mit Schwächung der fortificatorischen und artilleristischen Kraft.

Geldern.

10

Den Beweis, dass in Fachkreisen aller Länder ein ähnliches Urtheil schon seit Jahren sich Bahn gebrochen hat, liefern die vielen Verbesserungsvorschläge für Geschützdeckungen, deren Streben zumeist auf die volle Ausnützung der auf einen Punct localisirten Artillerie - Kraft gerichtet ist.

Bis jetzt wurden alle neuen

Vorschläge für Geschützdeckungen als eine Veränderung des ArtillerieMateriales behandelt, und mit dem Bestehenden bezüglich der Kosten und der Möglichkeit der Herstellung und

des Ersatzes verglichen.

Stellt man sich auf diesen Standpunct und vergleicht z. B. die Kosten eines eisernen Drehthurmes für 2 Geschütze mit dem Erfordernisse für 2 auf hölzernen Rahmen aufgestellte Wallgeschütze

so wird, die Summe von 36,000 fl. gegen 600 fl . gestellt, der Thurm da er das 60fache kosten würde, allgemein als unerschwinglich bezeichnet werden müssen.

Bedenkt man aber,

dass solche Deckungen nur für

wenige Geschütze auf den wichtigsten Puncten erforderlich sind und rechnet man zu den Kosten des Artillerie- Materiales die per Geschütz entfallende Quote der Bausumme , so wird man eine andere und richtigere Basis für einen Vergleich bekommen : Um die 2 Geschütze des eisernen Drehthurmes, die eine Gesammtsumme von circa 80,000 fl. erfordern, zu ersetzen ,

müssten auf den

Facen und Flanken eines Werkes mit Lünettenform je 2, zusammen 8 Geschütze placirt werden, sorbiren würde.

deren Bau 250,000 bis 300,000 fl. ab-

Ich glaube man hat mehr Recht die Aufstellungsart der Festungsgeschütze auf den billigen Rahmen , in Werken, die gegen die moderne Artillerie widerstandsfähig sein sollen, als unerschwinglich zu bezeichnen.

Aus

ihrer Anwendung

resultirt Kraftzersplitterung,

schlechte

Deckung und erschwerte Gefechtsleitung; Verminderung der Geschütze, ohne die Artillerie wirkung zu beeinträchtigen und Reduction der räumlichen Ausdehnung der Werke, und damit auch der Besatzungstruppen und der Baukosten wird also nur dann möglich sein, wenn die Wendbarkeit der einzelnen Geschütze mit der Deckung

erhöht wird,

wozu die

moderne Technik, wie das obige Beispiel zeigt, die Mittel bietet. Wenn nun ein den militärischen und finanziellen Interessen in gleicher Weise Rechnung tragender Befestigungs-Entwurf geschaffen ist, so werden noch politische Erwägungen die Baudurchführung, die Bestimmung der Reihenfolge der Bauobjecte und die Dauer des Baues beeinflussen können. Je unwahrscheinlicher der Fall ist, dass die eigenen Interessen sich mit jenen eines Nachbarstaates kreuzen können , je aufrichtiger die auf solcher Basis bestehenden freundschaftlichen Bezie-

Ueber Staatenbefestigung.

11

hungen zweier Länder sind,

über desto mehr Zeit verfügt man.

gänzliches Unterlassen der

nothwendigsten

sich aber nur dann rechtfertigen , sieht,

die

eigenen

Interessen

Sicherungsanlagen

Ein lässt

wenn man die Unmöglichkeit einwahren, und wenn man daher

zu

das Freundschafts- mit dem Abhängigkeits-Verhältnisse vertauschen muss. Um nun das Bishergesagte an einem Beispiele in der übersichtlichen Form eines skizzirten und dabei möglichst restringirten Entwurfes resümiren zu können , benöthigte ich eines Planes, der die orographischen und Verkehrs-Verhältnisse im Grossen so weit markirte, dass eine allgemeine Würdigung der geographischen Vor- und Nachtheile möglich wurde. Ich suchte dieser Forderung in der mit 600 Schichten hergestellten Karte der Monarchie dadurch zu entsprechen, dass ich drei Zonen durch Farben unterschied . Ebenen und Flachländer mit Bodenanschwellungen bis zu 1200′ absoluter Höhe blieben weiss . Sie bilden das eigentliche Bewegungs- und Kampf-Terrain für grosse Armeen, da sie mit einem dichten Communicationsnetze bedeckt, mit Orten übersāt, viele Ressourcen und nur dort Marschschwierigkeiten bieten, wo grosse Sumpf- , Weichland- , Wald- und unfruchtbare Gebiete vorkommen. Die anstossende lichtbraune Zone bezeichnet die niederen Gebirgsländer mit Bodenerhebungen bis zu 3000' Höhe. Rauheres Klima, beschränkte Bodencultur, ausgedehnte Waldgebiete, ein oft unterbrochenes Strassennetz, dessen Linien meist durch viele Defiléen längs den Wasserläufen oder Höhenrücken ziehen, machen diese Zone für Armeen, wegen der Theilung der Kräfte beim Durchmarsche, der Schwierigkeit des Verkehres und der Ernährung, zu einem gefährlichen Durchzugslande. Die für den grossen Krieg als unpassirbar anzunehmenden Gebirgstheile über 3000 Höhe, die nur Fusspfade und Saumwege aufweisen, bilden die 3. im Plane dunkelbraun angelegte Zone. Diese nur für eine Uebersichtskarte angezeigte Darstellungsweise genügt für eine allgemeine Analyse und zeigt , dass von den vier Kriegsschauplätzen Oesterreichs die südlichen geographisch günstiger situirt sind als die nördlichen , und dass von diesen der östliche an Russland grenzende Sector der zugänglichste ist . Solange Russland in

einem äusseren Kriege nur Theile seiner

Kriegsmacht in Action bringen konnte,

ersetzte die Möglichkeit, im

Kriegsfalle mit einer numerisch stärkern österreichischen Armee aufzutreten, den Mangel an künstlicher Verstärkung der Basis in Galizien . Seitdem aber Russland im Interesse seiner Wehrkraft ein über sein weites europäisches Gebiet ausgedehntes

Eisenbahnnetz ange-

12

Geldern .

legt und grösstentheils vollendet hat, mehr unterliegen,

durfte es bald keinem Zweifel

dass die russische Kriegsmacht in einem Kriege

gegen Oesterreich ihre numerische Ueberlegenheit vom Beginn an zur Geltung bringen kann . Das erste Kampfterrain wird demnach in Galizien liegen ; will man der eigenen Armee das Durchkämpfen des Krieges in diesem Lande ermöglichen, so müssen dessen ungünstige geographische und Verkehrs- Verhältnisse verbessert werden . Wenn man die russischen Angriffslinien nach ihren Hauptrichtungen

zusammenfasst, so hätte man deren drei zu beachten : Die erste geht vom Schwerpuncte Russlands aus, trifft, nachdem sie die grossen Pripet-Sümpfe umgangen hat, mit südwestlicher Richtung auf Lemberg, durchschneidet den Karpathenwall in der Linie Sambor-Unghvar und zielt gegen Pest- Ofen ; die zweite Angriffslinie umgeht die Pripet- Sümpfe im Norden und Westen, durchschneidet russisch Polen in südlicher Richtung , wird auf österreichischem Boden von dem Wald- und WeichlandGebiete zwischen San und Weichsel abgedrängt und trifft in Sambor mit der erstgenannten zusammen ; die dritte Einbruchslinie kommt aus Polen, übersetzt die Weichsel zwischen Oswiecim und Krakau, umgeht die Karpathen und bedroht, dem Marchthale folgend, Wien. Die Lage der österreichischen Armee ist eine entschieden ungünstige. Da sie nicht an der Donaulinie bleiben kann, muss die Armee vor einem so bedeutenden Terrainhindernisse, wie es das ressourcenarme Waldgebirge der Karpathen mit den wenigen steil über Massenerhebungen führenden und schlecht erhaltenen Strassen bildet, aufmarschiren, entbehrt des gesicherten, und wegen Mangel an Eisenbahnen des raschen Nachschubes, kann ohne Blosstellung ihres Rückzuges weder nach Norden noch nach Osten die Offensive ergreifen, und ist in der Gefahr, durch eine unglückliche Schlacht an das Gebirge angedrängt und in eine Katastrophe verwickelt zu werden . Ein erfolgreiches offensives Vorgehen aus Mittel- Galizien wird eben nur dann möglich sein , wenn die österreichische Hauptarmee im Stande ist, die Vereinigung der russischen Armeen zu verhindern , und die Möglichkeit besitzt, jede einzeln schlagen zu können . Isolirte Festungen wie Krakau und Przemysl können die Lösung einer solchen Aufgabe nicht unterstützen, ohne Wechselwirkung untereinander, protegiren sie den eigenen Gebirgsübergang ebensowenig als sie jenen des Gegners hindern. Sollen die russischen Angriffslinien gegen Mittel-Galizien wirklich getrennt werden, so muss man eine Festungsgruppe zwischen sie schieben, d. h. im Quellengebiete des San , Dnjester

Ueber Staatenbefestigung.

13

und Bug sich einen sicheren Manövrir- und befestigten Sammelraum so schaffen, dass die eigene Offensive nach Norden und Osten eine Basis erhält, und nebstbei der Uebergang des Karpathenwalles an mehreren Punkten gedeckt ist. Um diesen Zweck erreichen zu können , erscheint nebst der Befestigung von Przemysl jene von Lemberg und Stry, sowie die Sicherung der Defiléen zwischen den Grodecker Teichen und den Dujester Sümpfen als nothwendig. Da Przemysl Flügelstütz- , Depot- und Repli-Punkt ist, so müsste dieser Platz , um ihn längere Zeit

sich selbst überlassen zu können ,

am stärksten, also mit Fortsgürtel und Noyau angelegt werden, während Lemberg, solange die Armee jenseits der Karpathen bleibt, im Vereine mit den kleinen Brückenköpfen bei Grodek und Rozwadow den Kern des eigentlichen Manövrirterrains bildend, nur kurze Zeit exponirt werden dürfe, daher wohl

eines starken Fortsgürtels

bedarf,

durch

eine feldmässige Umfassung aber um so mehr als genügend gesichert erscheint, da für den Fall des Rückzuges der Armee ein zäher Widerstand leichter und mit geringeren Kräften an der Hindernisslinie bei Grodek und Rozwadow geleistet werden kann . Aehnlich wie Lemberg könnte Stry wegen seiner geschützten Lage angeordnet werden . Nothwendig ist die Befestigung, um beim Rückzuge volle Freiheit zu haben und da man die Stry-Munkacs Eisenbahn (weil unentbehrlich) als vollendet annehmen muss, um diese wichtige Nachschubslinie zu sichern. Ist nun die Aufstellung und das Bleiben

der

österreichischen

Armee in Mittel- Galizien möglich, so muss hiedurch die Gefahr einer Invasion über Krakau gegen Wien bedeutend abgeschwächt werden . so dass durch eine künstliche wenig Truppen absorbirende Verlegung des Weichsel- und March-Thales jener Zeitgewinn sichergestellt werden kann, welcher für das allenfalsige Rokiren der österreichischen Armee im Süden der Karpathen erforderlich wäre. Nebst dem Ausbau von Krakau und Olmütz

würden also

bei Oswiecim und Prerau sowie an der Waagthalbahn Absperrungen nöthig sein , wozu an den beiden ersten Puncten kleine aber starke Fortsgruppen am zweckentsprechendsten sein dürften. Schliesslich müssten die wenigen Uebergänge der Beskiden , östlich des Tatra, und des

Siebenbürgen umfassenden Hochgebirges durch kleine Sperr-

forts für den Feind ungangbar gemacht werden , um der Befestigungen von Galizien zu verhindern .

eine Umgehung

Hat man nun durch Paralysirung der geographischen Nachtheile der Armee die Schlagfähigkeit an der Grenze gesichert, so dürfe es keinem Zweifel unterliegen, dass die Zeit zu provisorischen Befesti-

14

Geldern .

gungen im Innern vorhanden sein werde. Die Natur bietet hier zwei Abschnitte, den ersten durch die Theiss sammt Nebenflüssen und den zweiten durch die Donau. Will man den Rückzug hinter die Theiss erleichtern, eventuell hier den Kampf wieder localisiren, so müssten die Punkte

Solnok,

Miskolcz und Rima Szombat gesichert werden, während an der stärkeren Vertheidigungslinie der Donau PestOfen und Gran zu befestigen wären.

Noch ungünstiger als gegen Russland wäre die Lage Oesterreichs , wenn dessen Armee ohne künstliche Correctur der bestehenden geographischen Verhältnisse gegen Deutschland einen Krieg beginnen müsste . Das reiche Deutschland kann seine numerisch stärkere Kriegsmacht, da ihm in allen Theilen seines Gebietes ein ausgedehntes Eisenbahnnetz zur Verfügung steht , rasch an jedem Puncte der deutsch- österreichischen Grenze concentriren und den Vortheil der umfassenden Lage so ausnützen, dass seine Armeen eine in Böhmen stehende Vertheidigungsarmee in Front, Flanke und Rücken bedrohen. Die Karte zeigt zwar an der Nordwestseite Böhmens eine breite Zone Durchzugsland ; durch ein reich verzweigtes Strassennetz wird jedoch dieser Vortheil so reducirt, dass dem Vorrücken der deutschen Hauptkraft auf der Schwerpunctslinie Pilsen -Wien kein Naturhinderniss entgegensteht. Denkt man sich gleichzeitig längs der Donau die Offensive gegen Wien eröffnet, so wird man zugeben, dass der eigenen Armee die Basirung in Böhmen und eine Offensive längs der Elbe durch die Gefährdung der kürzesten Rückzugslinie an die Donau unmöglich gemacht wird. Selbst für den Fall als durch Befestigungen das Donauthal geschützt wäre, würde sich die Lage der Armee in Böhmen nicht sehr

verbessern, da von Norden her durch Operationen aus Sachsen und Schlesien die gleiche Wirkung erzielt werden kann. Soll also in Böhmen ein längerer Widerstand geleistet werden , so müssten vor Allem beide exponirte Flanken durch künstliche Anlagen verstärkt, d. h. ihrer Passirbarkeit im Grossen beraubt werden . Dies würde bedingen : 1. das Unterbinden des Donauthales, eine seit zu deren Lösung die Befestigung der Ennswurde, 2. die Absperrung des Marchvorgeschlagen linie wiederholt und die Anlage eines BrückenOlmütz von Ausbau den thales durch

Jahren ventilirte Frage,

kopfes bei Prerau und 3. die Anlage von Sperrforts im Glatzer und Riesengebirge, sowie im Böhmerwalde um die wichtigsten Pässe zu beherrschen. Geht man in den Forderungen weiter und verlangt die Ermöglichung der Offensive aus Böhmen gegen Norden oder Westen, so muss es einer deutschen Armee unmöglich sein, durch ein Vor-

15

Ueber Staatenbefestigung.

rücken gegen Pilsen und Prag eine gegen Sachsen, oder umgekehrt durch Vordringen über Jungbunzlau eine gegen Baiern zielende Offensive zu lähmen. Die eigene Armee braucht also einen gesicherten Manövrir- Raum , der den böhmischen Kessel in Abschnitte theilt. Die Theilung würde durch die Elbe und Moldau mit ihren engen steil geränderten Thälern , sobald man Leitmeritz gegenüber von Theresienstadt mit einem einfachen, Melnik mit einem doppelten Brückenkopfe versieht und Prag in einen Manövrirplatz ähnlich wie Lemberg umwandeln würde, schon zu verwirklichen sein. Der Manövrir-Raum beiderseits dieser Hindernisslinie kann aber nur durch die Anlage von zwei starken Lagerfestungen die im Bedarfsfalle sich selbst überlassen werden können --- geschaffen werden. Als die günstigsten Punkte erscheinen die Strassen- und Bahnknoten an der Iser „ Jungbunzlau " und das sowohl zwischen Prag als dem Böhmerwalde schwer zu umgehende Pilsen. Man darf sich übrigens nicht verhehlen, dass, selbst wenn alle diese proponirten Befestigungen ausgeführt wären,

die Armee nur

durch Anspannen aller Kräfte und vollste Ausnützung der Verkehrslinien im Stande sein wird, Theilerfolge

zu erringen und erst nach

diesen den Krieg ausser Landes zu spielen . Auf jeden Fall kann man aber erwarten, dass der Krieg in Böhmen localisirt bleibe und dass die Armee, indem sie jeder Katastrophe ausweichen kann, ihre Aufgabe, das Reich activ zu vertheidigen, leisten wird. Man darf also auch hier auf die zur provisorischen Befestigung der Donaulinie nöthige Zeit mit Bestimmtheit rechnen, und kann demnach deren Ausführung dem Bedarfsfalle überlassen. Würde man jedoch die Elbe-Moldau - Gruppe nicht anlegen wollen , so wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Krieg nicht an der Grenze, sondern im Herzen des Landes sich abwickeln und es erscheint mehr als zweifelhaft, ob man die zur Herstellung einer Gruppe um Wien nöthige Zeit finden wird,

daher für diesen Fall die Nothwendigkeit permanenter

Anlagen an der Donaulinie schärfer hervortreten würde. Aehnlich wie

das Bergland Siebenbürgen in einem Kriege mit

Russland, so wird Tirol in einem deutschen Kriege immer eine Nebenrolle spielen. Da man auch hier die Thalausgänge nicht in der Hand hat, so kann man von Fortificationen nicht Erhöhung der Offensivfähigkeit fordern . In Nordtirol kann es sich daher nur darum handeln , die Ennslinie gegen eine Umgehung zu schützen und die Rokadelinie im Pinzgau mit möglichst wenig Truppen zn sichern, was durch die Anlage einzelner Pass- und Strassensperren in den Zugangsthälern zu erreichen ist.

Geldern. Ueber Staatenbefestigung .

16

Die Kriegsschauplätze im Süden der Monarchie contrastiren , wie bereits erwähnt, von den nördlichen sehr bedeutend , da im Süden in den sehr die Natur den ausgiebigsten Schutz bietet, und in wenig zugänglichen

Gebieten die Entfaltung

Kräfte nur selten gestattet, so dass einer Minderzahl möglich wird.

zahlreicher feindlicher

eine zähe Vertheidigung

selbst

Wenn man hier den immerhin denkbaren Fall berücksichtigt, dass Italien, die Türkei oder die Südslaven als Verbündete einer andern Grossmacht auftreten, so wird der Krieg den österreichischen Boden berühren müssen . Will man für diesen Fall Erhöhung des Widerstandsmomentes der ohne gegenseitige Verbindung kämpfenden eigenen Abtheilungen, so müssen die wenigen Zugangsthäler und Linien möglichst nahe der Grenze abgesperrt werden, wodurch eine Art "" Cordon " entsteht. Als eigentliche Vertheidigungslinie könnte nur die Drau benützt werden und wollte man für den Fall eines Doppelkrieges den Zeitgewinn für die

provisorische

garantirt haben,

so

Sicherung

von Wien oder Pest - Ofen

müsste man wohl die Knotenpuncte Villach ,

Pettau und Essegg in moderne Festungen umwandeln. Ich glaube diese flüchtige Darstellung genügt, um zu zeigen wie nach den wechselnden geogragraphischen und Kraft -Verhältnissen in den Nachbarstaaten

die Reichsbefestigung

bestimmt werden

muss

und dass diese nur nach eingehender Würdigung aller einflussnehmenden Factoren als Ergänzung der Armee - Organisirung

entstehen ,

nicht aber nach irgend welchem System geschaffen werden kann , und dass man schliesslich durch eine rationelle und richtig angewendete Sparsamkeit die militärischen Forderungen ohne Schädigung der finanziellen Interessen des Staates erfüllen ,

d.

h. die Ausführung

einer

Staaten befestigung möglich machen kann .

modernen

Die internationale Ausstellung in Wien 1873. ')

Das Militär- Sanitätswesen und die freiwillige Hilfe im Kriege auf der Wiener Weltausstellung 1873.

Gruppe XVI, Section III, Lit. e. (Berichterstatter Regimentsarzt Dr. Mühlvenzl. )

Die grossartigen Vorbereitungen, welche schon zu Ende d. J. 1871 sowohl von Seite der 14. Abtheilung des Reichs-Kriegsministeriums , als der Vorstände der verschiedenen

hiesigen

Hilfsvereine

begonnen und bis in die 2. Hälfte des April 1872 fortgesetzt wurden , liessen hoffen,

dass die Wiener Weltausstellung in Bezug auf die

Vertretung des Militär- Sanitätswesens und der

freiwilligen Hilfe im

Kriege ihre Vorgängerinnen zu London und Paris weit, weit überflügeln würde. Sprach man ja doch lange Zeit davon , dass die Kriegsministerien der grossen Militär - Staaten ihre gesammten Sanitäts- Einrichtungen zur Anschauung bringen, und dass sich die internationalen Hilfsvereine ohne Ausnahme durch Darstellung ihrer Organisation und Ausrüstung diesem löblichen Unternehmen anschliessen würden. Wie schön, wie lehrreich hätte die Ausführung dieses Planes werden können ! Nicht allein die Militär- Aerzte aller Länder hätten durch Vergleichs - Studien ihr Wissen ohne grosse Beschwerden und ohne Aufopferung von viel Zeit und Geld ausserordentlich vermehren können, sondern auch das grosse Publikum, die gesammte Lajenwelt, aus deren

Söhnen ja die

Armeen bestehen,

hätte sich überzeugen

können, mit welcher Sorgfalt sowohl Staat als freiwillige Hilfe sich der armen Opfer des Krieges annehmen. Leider kam es anders, als man erwartet hatte. Wie es scheint, hat die leidige Geldfrage den Ausschlag gegeben. Ohne grössere Geldopfer war natürlich der Plan einer Gesammt-Ausstellung nicht durchzuführen; das Geld aber brauchte man wahrscheinlich anderweitig nothwendiger, und so musste der so schön und grossartig angelegte Plan scheitern. 1) Siehe Vereins-Organ, Band VII , Seite 138. Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

2

18

Die internationale Ausstellung 1873. Das

Reichs-Kriegsministerium erklärte eines Tages : die öster-

reichische Armee betheiligt sich nicht an der Ausstellung ; des anderen Tags kam der Vorstand des patriotischen Hilfsvereines mit der Hiobspost, dass eine Collectiv -Ausstellung sämmtlicher nationaler HilfsVereine wegen eingetretener Hindernisse nicht stattfinden werde . Nach diesen Publikationen schien es gerechtfertigt, anzunehmen , dass eine Gesammtausstellung der in das Gebiet des Militär- Sanitätswesens und der freiwilligen Hilfe gehörigen Gegenstände nicht stattfinden werde und dass die etwa doch zur Ausstellung gelangenden Gegenstände dieser Art in allen Abtheilungen zerstreut und daher ihr Studium sehr erschwert werden würde. Zum Glück für die Sache fanden sich eine höchste Schutzfrau und einige Männer von hervorragender Stellung, Verstand und Energie, welche die General-Direction der Weltaustellung noch im letzten Augenblicke zu bewegen vermochten,

das

ursprüngliche

Programm

wenigstens theilweise, u. zw. in der Art zur Durchführung zu bringen, dass ein eigenes Gebäude zur Aufnahme aller auf das Militär- Sanitätswesen und die freiwillige Hilfe Bezug habenden Gegenstände

her-

gestellt werde. Die Regierungen, einzelne Hilfsvereine, Private und die betreffenden Industriellen wurden noch in der letzten Stunde eingeladen, sich an dieser additionellen Ausstellung nach Möglichkeit zu betheiligen, und so kam nach vielen Sorgen und Zusammenwirken Vieler das zu Stande, was wir im

Mühen durch das Sanitäts- Pavillon "

vor uns hatten. Ausserdem waren noch in der Maschinen- Halle einige hieher gehörige

Gegenstände

exponirt,

deren

Aussteller

nicht

zu

bewegen waren, selbe in den Sanitäts-Pavillon zu übertragen. So lückenhaft nun auch der Inhalt des Sanitäts - Pavillons und der Industrie- und Maschinenhalle war, so wenig er ein übersichtliches Bild des gesammten Militär- Sanitätswesens irgend eines Staates und der freiwilligen Hilfe im Kriege irgend eines Landes gewährte, so gab er uns doch über einige wichtige Fragen wohl keine erschöpfende, aber genügend deutliche Antwort.

Bei der

ausserordentlichen

Verschiedenheit

des

ausgestellten

Materiales ist bei dessen Betrachtung eine Abtheilung in mehrere Gruppen nicht zu umgehen. Wenn wir bedenken, dass alles hier Gebotene zur Hilfeleistung Kriege verwundete oder krank gewordene Soldaten bestimmt ist, so ergibt sich die Reihenfolge der zu betrachtenden Gegenstände von selbst ; wir dürfen den Verwundeten oder Erkrankten nur vom

für im

Momente der Verwundung oder Erkrankung bis zu seiner eventuellen Heilung verfolgen.

19

Mühlvenzl, Militär-Sanitätswesen.

Unmittelbar nach der Verwundung oder Erkrankung werden Instrumente, Verband und in vielen Fällen Arznei- und Labe-Mittel nothwendig sein.

Alle diese

Linie geschafft werden, schehen kann. Ist dem

Hilfsmittel müssen bis in die vorderste

was nur mittelst geeigneter

Apparate ge-

Verunglückten die erste nothwendigste Hilfe geleistet

worden, so wird er ins Feldspital transportirt, wo er die zur Heilung nothwendigen Einrichtungen finden muss. Nachdem aber die Feldspitäler für die täglich massenhaft anlangenden Pflegebedürftigen nicht Platz genug haben, so müssen von letzteren die Transportablen von Zeit zu

Zeit in die stabilen oder

Friedensspitäler zurückgeschafft werden, wo sie endlich die gänzliche Herstellung in Ruhe abwarten können . Auf diesem langen schmerzensreichen Wege wird der Verwundete oder Erkrankte vom Arzte begleitet.

Dieser

sucht nicht bloss die

Schäden derselben zu heilen, sondern auch seine Erfahrungen Anderen nutzbar zu machen, was nur durch Veröffentlichung derselben geschehen kann. Das wissenschaftliche Ergebniss, welches in Büchern, Tabellen, Abbildungen, Photographien, Gypsabgüssen etc. niedergelegt wird, bildet also gewissermaassen den Abschluss der geleisteten Hilfe . Wir werden demnach zuerst die Instrumente, Verband- und Arznei-Mittel der ersten Linie und die Apparate zum Fortschaffen derselben , dann 2. die Kranken Transport- Mittel , dann 3. Alles auf die Spitals-Behandlung Bezug habende und endlich 4. die wissenschaftlichen Publicationen betrachten,

und

daran

Vergleiche

mit unsern

Einrichtungen knüpfen .

I. Instrumente, Verband- und Arznei- dann Transport-Mittel für dieselben. Es ist klar, dass die Instrumente

brauchen ,

Aerzte

welche

im Felde dieselben chirurgischen

jeder

Wundarzt

auch im

Frieden

benöthigt; nur werden gewisse Instrumente, welche zu den im Kriege am häufigsten vorkommenden Operationen nothwendig sind, eben auch in grösserer Anzahl vorhanden sein müssen . Wir fanden daher dieselben Instrumente sowohl in den ausgestellten Taschen-Etuis ' der Feldärzte - (welche in der Regel persönliches Eigenthum sind) - als in den Etuis oder Kästen, welche der Staat Etuis,

oder die freiwillige Hilfe beistellt, welche von

als in den verschiedenen

den Instrumenten -Fabrikanten

zusammengestellt und anempfohlen werden .

zu Kriegszwecken 2*

20

Die internationale Ausstellung 1873.

Das Taschen-Etui des Feldarztes muss unbedingt jene Instrumente und Behelfe enthalten, welche zur Blutstillung, zur Extraction von fremden Körpern und Knochensplittern und zur Wundvereinigung dienen ; ein Troicart und männlicher Katheder wird so wenig fehlen dürfen, als die Bellogue'sche Röhre, Staaten, z. B.

Preussen,

ärzten, dass ihr enthalte.

Sonden und

Lapisträger. Viele

Italien verlangen aber von ihren Militär-

Taschen-Etui

Die Instrumentarien,

auch

die

welche für die

Amputations - Instrumente

Verbandplätze und Feld-

Spitäler bestimmt sind, enthalten dann neben denselben Instrumenten , welche im Taschen - Etui vorkommen, die Amputations- und ResectionsInstrumente, mehrere verschiedene Kugelzangen und Kugelsonden, die Instrumente zur Tracheotomie , gerade und gekrümmte Troicarts , elastische und metallene Katheder u. s. w. und meist auch Trepanations-Instrumente, ehedem.

wenn auch in viel beschränkterem Maasse, als

Die vollständigen reglementaren Feld- Instrumentarien waren von Oesterreich,

Preussen,

Russland,

Schweden

und

Spanien

und

vom

deutschen Ritter-Orden ausgestellt ; einzelne Etuis von den Instrumentenmachern und Aerzten Collin & Comp. in Paris, C. Geffer in Berlin, J. Leiter in Wien, Mathieu in Paris, de Movy in Amsterdam , Dr. Störk in Wien und H. Windler in Berlin. Russland hatte auch die vollständigen Instrumentarien seiner Friedens-Lazarethe und seiner Veterinär-Heilanstalten und Oesterreich einige alte Amputations-Etuis aus der Zeit Brambilla's zur Anschauung gebracht. Alle ausgestellten Instrumentarien waren, wie es der Augenschein lehrte ,

nach dem heutigen Standpuncte der Wissenschaft mit aller

Umsicht und Fachkenntniss zusammengestellt und ihre Ausführung fast durchwegs ganz tadellos. Besonders zweckmässig schien die Auswahl der Instrumente in dem vom deutschen Ritter - Orden ausgestellten, für einen Verbandplatz bestimmten

Etui zu sein,

welches

auch in Bezug auf deren Anordnung und die äussere Ausstattung nichts zu wünschen übrig liess. Ob man all' die zu verschiedenen Operationen nöthigen Instrumente in einem Etui, eventuell mit mehren Einsätzen, unterbringt , wie es die meisten Staaten und Instrumentenmacher thun, oder ob man die zu einer bestimmten Operation nöthigen Instrumente auch je in ein eigenes Etui gebe, wie es z. B. Preussen theilweise thut, bleibt 80 ziemlich gleichgiltig , obwohl der erstere Modus zweckmässiger erscheint, weil man nicht so vielerlei Etuis zu überwachen und zu controliren hat.

21

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

Alle in den ausgestellt gewesenen Instrumentarien vorkommenden Instrumente waren allgemein bekannte und überall eingeführte. Dass die

Resctions-Instrumente

heutigen Beliebtheit erwarten .

eine grosse Rolle

spielten, war bei der nicht . anders zu

dieser Operations - Methode

Ein ganz neues Instrument stellte Dr. J. Roussel aus Genf aus, nemlich den „hermetischen Transfusor zur directen Ueberleitung lebenden und undefibrinirten Blutes".

Es besteht aus einem ring-

förmigen Metall- Schröpfkopf, aus welchem die Luft vermittelst eines Kautschukballons vollständig zu entleeren ist (?) , wodurch er an der Haut festhaftet und beim Einsaugen des Blutes jede Berührung mit der Luft vermieden werden soll. Der Schröpfkopf enthält einen Cylinder, in welchem sich ein luftdichter Kolben mit einer Lancette befindet ; die Länge dieser wird durch eine Schraube regulirt.

In den

Cylinder mündet eine Aspirations -Rōhre, deren anderes Ende im Wasser liegen muss.

Der Cylinder, welcher den Anfang des Canales bildet,

den das Blut zu durchlaufen hat, Saug- und Druckpumpe,

findet seine Fortsetzung in einer

welche mit einem Spritzröhrchen versehen

ist, das in die Ader des Patienten geleitet wird. Ob dieses Instrument das von dem Erfinder Angegebene leistet , müssen ausgedehnte Versuche entscheiden. Würde es entsprechen was wegen seiner Construction und seiner umständlichen Anwendungsweise sehr zweifelhaft erscheint so wäre es gewiss eine sehr nützliche Bereicherung unseres Instrumenten- Schatzes. Unzweifelhaft ist letzteres der ebenfalls ganz neue Apparat Esmarch's, um ohne Blutverlust Operationen an den Gliedmassen auszuführen. Er besteht aus einer mehrere Ellen langen, bei 2" breiten Gummi- Binde und einem starken Gummischlauch, an dessen Enden ein Kettchen und ein Haken angebracht sind. Vorerst wird das Glied durch erhobene Lage und Ausstreichen mit der Hand möglichst blutleer gemacht, dann die Binde von unten nach aufwärts straff angelegt und dann an deren centralem Ende der Gummischlauch sehr fest mehrmals herumgeführt und schliesslich mittelst des Kettchens und des Hakens in seiner Lage erhalten. Dadurch wird die Circulation des Blutes vollständig aufgehoben und man kann ebenso blutlos, wie am Cadaver operiren. Es ist diess eine der segensreichsten Erfindungen für die MilitärChirurgie, weil sie einerseits dem Kranken jeden Blutverlust erspart, andererseits dem Arzte die Arbeit sehr wesentlich erleichtert, indem er weit weniger Assistenten braucht und durch das Blut im raschen Operiren nicht gehindert wird.

Diese Operations-Methode wird wohl

Die internationale Ausstellung 1873 .

22

sehr bald Gemeingut aller Chirurgen werden, welche stets deren Erfinder als Wohlthäter der Menschheit preisen werden. Ferner wäre hier noch als ganz neu Leiter's Kreissäge zur Eröffnung von Gyps -Verbänden zu erwähnen, welche ihrer Wesenheit nach darin besteht, dass mit einer Spatel in Verbindung eine drehbare Scheibe mit messerförmigen Săgezähnen angebracht ist, durch welche auch die Stoffe des Verbandes leicht durchschnitten werden können . Wenn wir die ausgestellt gewesenen Instrumentarien mit den in unserer Armee eingeführten vergleichen , so müssen wir gestehen, dass wir weder der Quantität noch der Qualität nach hinter den anderen Cultur-Staaten zurückstehen. Erstere ist so bedeutend, wie in keinem anderen Staate ; denn abgesehen davon, dass jeder Militärarzt ein ganz reich ausgestattetes Taschen- Etui bei sich zu tragen verpflichtet ist , hat jedes Bataillon , jede Cavalerie- Division, einen sogenannten kleinen Instrumenten-Kasten, jede Feld - Sanitäts - Abtheilung einen mittleren, jede Ambulance zwei kleine und zwei Supplement- Instrumenten -Kasten N. 2 (mit den Resections - Instrumenten), jede Material- Reserve , einen mittleren und einen grossen und 2 kleine Instrumenten- Kasten (letztere in den gefüllten Verbandtornistern ), jedes theilbare Feldspital 3 mittlere und 3 Supplement - Instrumenten - Kasten N. 1 und jedes untheilbare Feldspital 3 grosse Instrumenten -Kasten ; letztere 3 Anstalten nebstdem die nöthigen Zahn -Extractions- Etuis, welche übrigens auch die Bataillons und die Cavalerie - Divisionen haben, und Sections -Etuis. In den Friedens - Spitälern haben wir dann überall eine Garnitur Kehlkopf- , Augen- und Ohren- Instrumente. Ein wahrhafter Embarras des richesses !

Unter den ausgestellt gewesenen

Verband- Mitteln nahmen die

seit uralten Zeiten gebräuchlichen, nemlich die Chapie, Baumwolle, Compressen, Binden , Bändchen , drei- und viereckige Tücher und wasserdichte Stoffe den grössten Raum ein. Dass eine gute Charpie aus alter, oft gewaschener, daher sehr weicher Leinwand erzeugt werden solle , ist eine von allen Chirurgen anerkannte Forderung , dass das Zupfen derselben durch reine Hände geschehen müsse, darauf beharrt die Neuzeit mit unerbittlicher Strenge. Solche mustermässige Charpie stellten vor Allen D. Snyder's Witwe, E. Werber, der deutsche Ritter-Orden der österreichische patriotische Hilfsverein, der Kieler Hilfsverein und N. H. Plámbeck aus. Die in unserer Armee im Gebrauche befindliche Charpie steht hinter diesen Mustern sehr weit zurück u. zw. desshalb, weil seit einer Reihe von Jahren gestattet ist, dass die Charpie zum Theil aus Baumwollstoff, zum Theil aus ganz neuer Leinwand erzeugt werde, wodurch sie aller

Mühlvenzl, Militär- Sanitätswesen.

23

Eigenschaften verlustig wird , welche wir von einer guten Charpie verlangen. Freilich ist der Preis-Unterschied auch ein sehr bedeutender. Aber wo es sich um die rasche Heilung entstandener Gebrechen handelt , soll man nicht sparen, weil die Ersparung am Materiale durch längere Heilungsdauer mehr als aufgewogen wird. Baumwolle , welche zur unmittelbaren Wundbedeckung verwendet werden soll, muss vor Allem vollkommen frei von allen Samen - Hülsentheilchen und weich sein ,

welche Eigenschaften sie nur durch

wiederholtes Krempeln erhält ; soll sie aber blos zur mittelbaren Wundbedeckung oder als Polsterungsmaterial dienen , so braucht sie nicht so rein, auch nicht so oft gekrempelt zu sein und können zu letzterem Zwecke selbst die Cardirabfälle benützt werden, welche man gewöhnlich in die Form der Watta bringt . Alle diese verschiedenen Formen von Baumwolle waren im Sanitäts-Pavillon vertreten, besonders durch die Firma H. Th. Bäschlin , welche sowohl reine,

als mit verschiedenen

medicamentösen Stoffen getränkte und präparirte Baumwolle in grösster Reinheit und Weichheit zur Darstellung brachte. Als Compressen sahen wir überall von Vereinen und Privaten solche aus alter, gebrauchter und ausgewaschener Leinwand und von den ausstellenden Staaten eben solche oder solche aus neuer nicht appretirter Leinwand oder aber solchem Baumwollstoffe erzeugte zur Anschauung gebracht. Diese Compressen entsprechen auch allen Anforderungen des Chirurgen am besten, weil sie weich und schmiegsam und leicht zu beschaffen sind . Es wäre zu wünschen, dass auch wir diesem gegebenen Beispiele folgen und die jetzt eingeführten steifen Compressen gegen nicht appretirte vertauschen würden, was zudem noch eine bedeutende Ersparrung im Gefolge haben würde. Die ausgestellten Binden waren fast durchwegs geschnitten und zwar aus Leinwand, Callicot oder Flanell ; nur die Firma J. C. Schöne brachte gewirkte. Das Vorherrschen der geschnittenen Binden beweist, dass sie auch die besseren sind, was leicht einzusehen ist, weil sie eine vollkommen gleiche Structur besitzen, während bei den gewirkten die Ränder immer anders beschaffen sind, als die Mitte und daher sehr einschneiden.

Schöne's gewirkte Binden waren zwar sehr

vorzüglich gearbeitet und wären in dieser Qualität zu empfehlen, aber D. Snyder's geschnittene

sind in der ausgestellten Qualität gewiss

leichter zu beschaffen und verdienen in jeder Richtung den Vorzug. Das bekannte dreieckige Tuch Esmarch's mit seiner darauf gedruckten mannigfachen Anwendungsweise war natürlich zahlreich vertreten. Dieses für den Feldarzt geradezu unentbehrliche Verbandstück, welches die meisten andern zu ersetzen im Stande ist, ist in der von

24

Die internationale Ausstellung 1873.

Esmarch vorgeschlagenen Grösse und Form am zweckmässigsten , weil man mit ihm allein Deckverbände an jeder beliebigen Körperstelle machen kann. Auch das Material, aus welchem es erzeugt wird - ein leichter, nicht appretirter Callicot ist zweckentsprechend, weil es billig (bei L. G. Cramer in Düsseldorf kosten 24 Stück 1 Thaler 15 Groschen) und doch haltbar genug ist.

Unser nach der letzten

Vorschrift erzeugtes dreieckiges Tuch ist weniger zweckmässig, weil es erstlich aus einem viel zu guten ,

noch dazu stark appretirten Stoffe

erzeugt ist und anderseits ein ungleichseitiges, um

einige Zoll

zu

niedriges Dreieck darstellt, man daher bei vielen Verbänden ( Brusttuch, Bauchtuch etc.) gezwungen ist, an die Spitze desselben ein Stück Binde zu befestigen, um den Verband vollenden zu können ; ich plaidire daher bei uns für die stricte Nachahmung des Esmarch'schen dreieckigen Tuches. Wasserdichte Stoffe waren reichlich vertreten .

Das gefirnisste

Seidenpapier, Guttaperchapapier, sowie mit Kutschuck, Firniss oder Lack überzogene Stoffe waren in grosser Auswahl vorhanden . Alle diese Stoffe haben ihre bekannten Vorzüge und Mängel. Ihr allgemeiner Hauptfehler ist der, dass sie sich nicht längere Zeit aufbewahren lassen , dass sie daher im Bedarfsfalle nicht in entsprechender Quantität und Qualität zu haben sind. dichte Stoffe ausgestellt,

In der russischen Abtheilung waren wasserwelche durch die ganze Ausstellungsdauer

mit Wasser gefüllt waren und keinen Tropfen durchliessen . Werden sie aber diese Eigenschaft auch bei eventuell jahrelanger, trockener Aufbewahrung beibehalten ? Auch Bodewig & Compagnie hatte schöne wasserdichte Stoffe ausgestellt, welche wohl nicht zu directer ärztlicher Benützung, wohl aber als Ueberzüge zu Tornistern, zu Zelten etc. geeignet wären . Für Spitäler halte ich es für das Zweckmässigste und Billigste, wenn sie sich die impermeablen Stoffe auf die Weise selbst erzeugen, dass sie sich einen geeigneten Firniss, z. B. den Lechler'schen in Vorrath halten und damit den dem Bedarfe entsprechenden, beliebigen Stoff selbst wasserdicht machen, was jeder Krankenwärter bewerkstelligen kann. aus Stuttgart,

Nachdem Knochen-Fracturen ein Hauptobject der kriegs-chirurgischen Praxis bilden, so ist es ganz natürlich, dass wir eine grosse Auswahl von Verbandmitteln und Apparaten ausgestellt fanden, welche zu deren Behandlung nothwendig sind . So brachte Adelmann seinen Extensions- und Schwebe-Apparat für complicirte Fracturen des Unterschenkels, F. Demaurex einen ähnlichen Apparat mit einer Vorrichtung zur permanenten Irrigation , das deutsche Heerwesen, der deutche RitterOrden , F. L. Fischer, der österreichisch-patriotische Hilfsverein, der

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen. Kieler Hilfsverein,

G. H. C. Horn ,

Neudorfer,

N. H. Plambeck,

25

E.

Werber, H. Windler die verschiedensten zur Behandlung von Schussfracturen und Resectionen nothwendigen Schienen und Apparate . Die grösste Beachtung darunter verdienen die Resections-Schienen nach Esmarch Wattson,

welche für die verschiedenen Gelenke in zweck-

mässigster Form ausgestellt waren. Welch' grosses Gewicht in der Behandlung von Schussfracturen

die Kriegs-Chirurgen heut zu Tage auf Gypsverbände legen, zeigten schon die ausgestellt gewesenen Apparate zum Anfertigen von Gypsverbänden von Demaurex, van de Loo und Wywodzoff, noch mehr aber die ausgestellten Tricot-Gypsverbände von van de Loo, die eingegypste untere Körperhälfte von Leisrink - die Gypsverbände nach Hüft- , Knieund die meisterhaft ausgeund Fussgelenk - Resection darstellend von Gypsverbänden von Billroth. Letzterer zeigte nebenbei auch einen sehr schön angelegten Wasserglasverband und einen aus Käse und Kalk. So zierlich und leicht die letzteren auch

führten Modelle

sind, so werden sie doch in der Kriegschirurgie niemals den Gyps ersetzen. Die Klagen, welche hie und da noch gegen den Gyps auftauchen, sind meiner festen Ueberzeugung nach einzig und allein auf die schlechte Anwendungsart desselben zurückzuführen ; wer die Indicationen für einen Gypsverband zu beurtheilen versteht und ihn dann kunstgerecht anlegt, wird jederzeit mit seinem Erfolge zufrieden sein. Wer aber das Wann ? und Wie? der richtigen Anwendung nicht kennt, der wird damit ganz natürlich Fiasco machen. Gewöhnlich schiebt man aber dann aus Eigenliebe den Misserfolg nicht der eigenen Unkenntniss , sondern dem Gyps in die Schuhe.

So lange nicht alle Feldärzte mit

derselben Virtuosität, wie Billroth und Andere, die Gypsverbände anzulegen gelernt haben, so lange wird man Klagen über die Unzulänglichkeit derselben hōren, und doch gibt es anerkanntermaassen keinen anderen verlässlichen Transportverband, als eben diesen . Die dargestellte, jetzt immer mehr in Aufschwung kommende Methode, in den Gypsverband Drähte einzubeziehen, an welchen man das betreffende Glied suspendiren kann,

verdient alle Anerkennung,

denn nur durch eine richtige Suspension werden die so gefährlichen stossweisen Erschütterungen der verletzten Theile aufgehoben. Der verschiedenartig geformten Rossharr- oder Baumwollkissen, welche in der Regel nicht zur ersten Hilfeleistung, sondern zur SpitalsBehandlung gehören, muss doch schon hier Erwähnung gethan werden, weil die ausstellenden Hilfsvereine und das deutsche Heerwesen dieselben auch in die erste Linie mitnehmen . Von welch' eminentem Vortheile derlei Kissen sind , weiss jeder Chirurg .

26

Die internationale Ausstellung 1873.

Von den übrigen Utensilien, welche zur ersten Hilfe nothwendig sind, waren Eiterschalen von Metall und Hartkautschuk, eben solche Wundspritzen, Irrigatoren und Wundgiesskannen ausgestellt. Der Hartkautschuk empfiehlt sich sehr zu diesen Gegenständen, weil er viel leichter rein zu erhalten und dauerhafter ist, dabei kaum das halbe Gewicht des Metalles hat. Er kommt auch, wie die Ausstellung gezeigt hat, bei den verschiedenartigsten Gegenständen immer mehr zur Anwendung und erhielt manche Medaille. Was die in's Feld mitzunehmenden Arzneimittel betrifft, so sahen wir sie nicht selbst, sondern nur die Gefässe für sie und die Apparate zu ihrer Fortbringung ausgestellt. Einen auf ganz wenige Heilkörper beschränkten Vorrath muss jeder Feldarzt bei sich tragen, um im Bedarfsfalle das Nōthigste sogleich bei der Hand zu haben. Wir fanden desshalb in allen für die Aerzte bestimmten Taschen 3-4 Fläschchen für diese Arzneien . Grössere Truppenkörper brauchen auch einen grösseren Arzneivorrath, welcher aber nach dem heutigen Standpunkte der Therapie überall auf eine bescheidene Anzahl beschränkt sein sollte. Wir sahen in dem russischen, für eine Compagnie, oder im preussischen, für ein detachirtes Bataillon bestimmten Verbandtornister nur eine ganz geringe Zahl von Medicamenten, während diese beiden Staaten für das Regiment schon eine förmliche Apotheke, also nach unserer Anschauung viel zu viel mitnehmen . Die

für den Verbandplatz nothwendigen Arzneien waren von

Preussen im Medicinwagen für Sanitäts-Detachements und vom deutschen Ritterorden in einer recht nett ausgestatteten Cassette mit guter Auswahl der Arzneien ausgestellt. Preussen thut des Guten zu viel ; es nimmt viel Ueberflüssiges mit auf den Verbandplatz . Die Feldspitäler brauchen natürlich förmliche Apotheken . Es sollte aber auch in diesen nur das anerkannt Wirksame zu finden sein . Vollständige Feldspitals- Apotheken ausgestellt.

hatte

Preussen

und Oesterreich

Wenn wir uns die Arzneigefässe näher betrachten , so finden wir überall den Grundsatz durchgeführt, dass alle Gefässe, deren Inhalt natürlich auf den Kork nicht zerstörend wirkt, mit Korkstöpseln der besten Qualität - verschlossen waren und dass nur jene Glasstöpsel besassen, darin leider!

deren Inhalt den Kork zerstört. Nur wir machen eine Ausnahme, indem bei uns alle Glasgefässe

ohne Unterschied auch mit Glasstöpseln geschlossen sind . Es ist diess eine ganz neue Einführung und ich fürchte sehr, dass sie nicht alt wird , weil durch die Glasstöpsel die Hälse der Flaschen nach wenigen

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen. Marschtagen gebrochen sein werden .

Glasstöpsel-Verschluss

27 ist sehr

gut in einer stehenden , sehr schlecht aber in einer fahrenden Apotheke, wo die Flaschen in Kisten verpackt sind, mit welchen beim Auf- und Abladen schon sehr unsanft umgegangen wird und wo der Wagen, auf welchen sie verladen werden,

ein gewöhnlicher Rüstwagen ohne

Federn ist, welcher natürlich ausserordentlich stösst. Auch jene Flaschen, welche die Bataillone etc. in ihren Arzneitaschen bei sich führen, sind sehr vielen Insulten ausgesetzt, welchen sie mit Korkverschluss besser als mit Glasverschluss widerstehen würden. Abgesehen von diesem Mangel glaube ich, dass wir in Bezug auf das Feldmedicamenten-Wesen den andern Ausstellern voraus sind. Wir nehmen nur die anerkannt wirksamen Heilmittel, und zwar immer in der compendiosesten Form mit in's Feld . Der Militärarzt trägt in seiner Tasche nur 3 Arzneimittel , das Bataillon etc. hat in den 2 Arzneitaschen und im Medicamenten-Tornister nur 15 (mit dem Zucker 16 ) , der Verbandplatz nur 4, die Ambulance nur 18, die Materialreserve 37, und das Feldspital nur 77 Arzneikörper, wozu noch 23 Gegenstände als sogenannte ärztliche Bedürfnisse kommen , welche überall in loco anzukaufen sind, z. B. Essig, Stärke, Schweinfett, Gyps, Kohle, Eisenvitriol, Citronen, Blutegel etc. Ein gewiss bescheidener Vorrath ! Wenn wir aber aufrichtig sein wollen, so werden wir zugeben, dass noch immer mehr Medicamente in's Feld mitgenommen , als wirklich gebraucht werden . Es wäre eine noch weitere Reduction zulässig. Wenn wir uns nun nach den Behältern umsehen, in welchen das bis jetzt betrachtete Materiale bis an den Ort des Gebrauches geschafft werden soll, so finden wir nach der Verschiedenheit des Zweckes auch sehr verschiedene Gegenstände . Jene Instrumente, Verband- und Arzneimittel, welche zur ersten Hilfe nothwendig sind, werden natürlich auch von den Helfern selbst getragen werden müssen, um stets zur Hand zu sein. Die Helfer sind aber die Aerzte, die Blessirten- und Bandagen -Träger und die SanitätsSoldaten. Behältnisse , worin die Militärärzte das reglementmässig mit sich zu tragende Materiale unterbringen sollten, waren von keinem Staate ausgestellt, weil sie ja überall Privat-Eigenthum sind. Projecte in dieser Richtung hatten 2 Private gebracht. Van Frankenhuysen stellte ein sehr nett gearbeitetes, recht zweckmässig mit den nöthigsten Gegenständen ausgerüstetes Feldverband -Etui in Cartoucheform aus, und Sigmund Kohn eine Feldtasche für Aerzte , welche an kurzen Riemen an der Säbelkuppel zu tragen ist und das enthält, was der österreichische Militärarzt bei sich tragen soll .

28

Die internationale Ausstellung 1873.

Zur Fortbringung der für die Blessirten-Träger und SanitätsSoldaten vorgeschriebenen Verbandstücke werden überall Ledertaschen in verschiedener Form angewendet, welche meist en bandoulière getragen werden. Solche reglementmässige Taschen stellte Bussland (sac reglementaire de l'aide chirurgien), Preussen (Bandagen-Tornister für die Cavalerie und Artillerie) und Spanien aus. Von Fabrikanten brachte Collin & Comp. eine Giberne pour pansement pour l'aide chirurgien und Geffers eine kleine Verbandtasche. Wir haben zu diesem Zwecke den zweiten Brodsack des BlessirtenTrägers und die Verbandzeugtasche des Sanitäts- Soldaten . Wenn ersterer aus gutem wasserdichtem Stoffe, wie er beispielsweise in der russischen Abtheilung zu sehen war, verfertigt wäre, so würde er seinem Zwecke vollkommen entsprechen, was jetzt nicht der Fall ist, und könnte dann auch dem Sanitäts- Soldaten statt der schwarzledernen , harten und steifen Verbandzeugtasche gegeben werden, was der Einheitlichkeit des Materiales wegen gewiss wünschenswerth wäre. Ich würde es natürlich auch befürworten, dass der eigentliche Brodsack aus wasserdichtem Stoffe erzeugt würde, damit der sein Hauptnahrungsmittel

Mann bei Regenwetter doch wenigstens das Brod in gutem Zustande erhal-

ten könnte. 9 Die Verband- und Arzneimittel welche , für grössere Truppenkörper bestimmt sind, werden überall in tornisterähnlichen Behältern getragen, welche entweder mit rauhem Kalbfell (Preussen, Russland , Oesterreich) oder mit glattem Leder (Belgien, Schweden, Frankreich) oder mit wasserdichtem Leinenstoff (Spanien, mehrere Private) überzogen sind und nach Art der Tornister auf dem Rücken getragen werden . Einen sehr gut construirten und eingerichteten reglementairen Verband-Tornister, welcher für jede Compagnie bestimmt ist und das Materiale für 50 einfache Verbände enthält, nebst 2 Saccoches à pansement de Cavalerie (zwei das Verbandmateriale, Medicamente und Instrumente für eine Cavalerie-Abtheilung enthaltende Satteltaschen ) stellte Russland aus ; letztere haben trotz ihrer Zweckmässigkeit nach einer Richtung den grossen Nachtheil, dass der Mann, wenn er vom Pferde getrennt wird, entweder gar nichts hat oder wenn er doch die Satteltaschen herab und mit sich nimmt, diese nur sehr schwierig fortzubringen im Stande ist. Preussen stellte seinen reglementairen VerbandTornister für die Infanterie aus, in welchem jedes Verband- und Arzeimittel sein eigenes schliessbares Fach aus Weissblech hat, was eine grosse Complicirtheit, Schwere und Theuerung des Tornisters bedingt ; zudem rostet das Weissblech sehr bald und der Tornister geht frühzeitig zu Grunde. Spanien zeigte 2 Verband-Tornister, welche kleine,

29

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

mit wasserdichtem Leinenstoff überzogene, innen durch Scheidewände in mehrere Fächer getheilte Blechkästchen darstellten, in welchen das nothwendigste Verbandmateriale, aber keine Instrumente enthalten waren. D'Hermant stellte den bei der belgischen Armee eingeführten Sac d'ambulance aus, eine portefeuille-artig sich öffnende, einfache, en bandoulière zu tragende Lederstasche, in welcher wieder in eigenen Ledersäckchen das Verbandmateriale enthalten war ; Mathieu den Sac pour la marine française , Collin einen Sac pour pansement et pharmacie, Delpech einen in allen seinen Dimensionen ganz verfehlten Sac d'ambulance, ferner Superchi und Cennari je einen Verband -Tornister, von welchen der letztere neben einem gefälligen Aeusseren ein sehr practisch ausgestattetes Innere aufwies ; endlich Demaurex aus Genf einen in jeder Beziehung ausgezeichneten Sac d'ambulance, mit wasserdichter

Leinwand

überzogen

und

sehr

praktisch

eingerichtet ;

er

enthielt auch eine Noth-Krankentrage in Form eines Bahrtuches (d'après Mons . Landa), welches an einem Ende 2 Gurtenriemen, welche der eine Träger um den Nacken nimmt, und am andern einen Hohlsaum besitzt, durch welchen ein bisher am Tornister festgeschnalltes Tragholz gesteckt wird, welches 2 andere Träger tragen. Der Verwundete lehnt sich mit seinem Rücken an die Brust des ersten Trägers und wird so wie in einer Hängematte getragen. Esmarch zeigte uns sein Ersatz-Paket für den Verbandplatz , gepackt und ausgepackt und wir sahen daraus, mit welcher Umsicht dieser Meister der Kriegs-Chirurgie seine Auswahl getroffen hat ,

um

alles für die erste Hilfe Nothwendige auf den Verbandplatz zu bringen, Aber Esmarch's Vorsorge geht noch weiter vorwärts. Er zeigte uns in seinen kleinen, mit gefirnisstem Seidenpapier - Umschlag versehenen Päckchen die Verband-Mittel, welche jeder Combattant bei sich tragen solle und könne,

um sich im Verwundungsfalle die allererste Hilfe

entweder selbst leisten oder seinem Nebenmanne sogleich beispringen zu können .

In der preussischen Armee war diese Einrichtung bereits

vor Beginn des letzten Krieges eingeführt und ihre Zweckmässigkeit und Nothwendigkeit hat mit geringen Ausnahmen Jedermann eingeleuchtet.

Wenn man auch zugeben muss, dass die erste Anschaffung

dieses für den einzelnen Mann nur wenige Kreuzer kostenden Verband-Materiales für eine grosse Armee bedeutende Summen spruch nimmt, so darf man doch den moralischen Nutzen,

in Anwelcher

daraus resultirt, nicht gering anschlagen. Denn wenn man dem Soldaten die Mittel an die Hand gibt, seine Wunde sogleich verbinden zu können , so entzieht man dieselbe vor Allem seinem eigenen uud dem Anblicke der noch nicht Verwundeten, was von grossem morali-

30

Die internationale Ausstellung 1873.

schem Werthe ist,

weil nichts so sehr Furcht und Schrecken erregt,

als offene, blutende Wunden . Zudem glaubt jeder Laie, dass mit dem Verbande die Heilung schon eingeleitet sei und erträgt desshalb sein trauriges Loos weit leichter. Ich würde aus diesen Gründen die Einführung dieser Verband - Päckchen sehr lebhaft befürworten. N. H. Plambeck stellte nebst

in unserer Armee

Esmarch's Ersatz - Paket auch

dessen Reserve -Verbandplatz -Kiste für einen Lazareth-Zug und dessen Verbandzeug-Kiste aus, worin eine Collection von Verband- und ArzneiMitteln, nebst Instrumenten und Spitalsgeräthen enthalten waren . Der österreichische patriotische Hilfs - Verein stellte in einer grossen Kiste das für ein Feldspital bestimmte Verband- Material und in einer zweiten Kiste 6 kleine Feld-Verbandkisten, welche

für

die

Verbandplätze oder kleineren Spitäler bestimmt sind , und eine dritte Kiste mit Charpie und Binden aus. Die Zusammenstellung des Materiales in jeder dieser Kisten zeigte von fachmännischem Blicke ; es wurde nichts Nothwendiges vermisst und nichts Ueberflüssiges gefunden . Der deutsche Ritterorden verpackt sein Material in mit englisch Ledertuch überzogenen Körben,

welche

aussen die Aufschrift ihres

Inhaltes tragen und in den Fourgons verladen werden .

Da sie aber

dort ohne jede Zwischenlage übereinandergestellt werden sollen , so dürften sie sich wohl sehr rasch durchwetzen und zu Grunde gehen . In unserer Armee haben wir zum Fortbringen der für ein Bataillon bestimmten Verband- und Arzneimittel einen neuartigen Verband- und einen Medicamenten - Tornister und 2 Arzneitaschen. Erstere sind der Hauptsache

nach

wie die Mannschafts -Tornister gestaltet,

haben die geschweifte Rückenfläche und dieselbe Beriemung wie diese, nur ist die Stellung der Tragriemen herzförmig,

wodurch sie unter

allen Umständen ganz flach auf der Schulter aufliegen und nicht, wie es bei den meisten Tornistern der Fall ist, der eine Rand des Riemens einschneidet, während der andere hohl liegt, was bekanntlich bei langem Tragen unausstehlich wird. Complet gefüllt ist jeder 15 Pfund schwer, wobei zu bemerken ist, dass das wesentlichste Verband -Materiale gegen die frühere Vorschrift um ½ -½ vermehrt und das Totalgewicht doch um 8 Pfund vermindert wurde. Die 2 Arzneitaschen, welche dieselbe Form wie die Infanterie-Patrontasche haben, gehängt getragen,

werden am Leibriemen

sind gefüllt je circa 3 Pfund schwer und bilden

das Gegengewicht für den Tornister. Der Bandagen -Träger hat daher in toto 18 Pfund zu tragen , d . h. nicht mehr, als durchschnittlich jeder Infanterist trägt. Unsere Cavalerie,

Artillerie,

Pionniere sind in Bezug auf die

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen .

31

Mitnahme ihres Verband- und Arzneimittel -Vorrathes weit übler daran, indem der heute noch vorgeschriebene Bandagen-Tornister, namentlich für die Cavalerie, höchst unzweckmässig ist. Man denke sich einen Reiter mit einem schweren Tornister auf dem Rücken im Trabe oder Galopp einhersprengen ! Er kann denselben wohl auch en bandoulière tragen, aber da ist er ihm zu Pferde noch weit hinderlicher. Zudem ist auch seine sonstige Construction eine verfehlte , und Abhilfe wäre hier dringend nothwendig. Preussen verpackt seine Instrumente, Verband- und Arznei - Mittel auf seinen Medicin-Wagen in eigenen daran angebrachten Fächern. Solche Wagen finden wir bei jedem Regimente, bei jedem SanitätsDetachement und bei jedem Feldlazarethe. Auf dem Regiments- Medicin-Wagen werden auch die Bandagen-Tornister geführt und von dort nur dann herabgenominen und von dem Lazareth-Gehilfen getragen, wenn ein Bataillon detachirt wird. Es liegt daher bei diesen Tornistern weniger daran,

dass sie so schwer sind,

weil sie ja immer nur sehr

kurze Zeit getragen werden. Unsere Bandagen-Träger müssen aber ihre Verband-Tornister und Arzneitaschen während aller Märsche unausgesetzt tragen, daher die möglichste Erleichterung dringend geboten war. Unser für eine Feld - Apotheke vorgeschriebenes Materiale sowohl die Arzneien , als die für das Laboratorium und die Expedition nothwendigen Utensilien - wird in 10 Kisten verpackt, welche ihrerseits auf 2 gewöhnliche Armee- Rüstwägen verladen werden. Russland zeigte uns in den zum Fortschaffen einer grösseren Menge von Verband- und Arznei-Mitteln bestimmten Behältnissen das Zweckmässigste, was auf der ganzen Ausstellung zu sehen war. Die für ein Bataillon bestimmte Caisse à pansement stellte eine kleine nett gearbeitete Kiste dar, in welche 2 gleiche Einsätze passten, von welchen jeder dieselbe Menge von

Verband-Material enthielt.

Die

Cantine de pharmacie régimentaire, von welchen jedes Regiment 6 auf einem vierrädrigen Wagen mit sich führt,

von welchen

bei Detachirung eines Bataillons 2 auf einen zweirädrigen einspännigen Karren verladen werden, waren mit Schweinsleder überzogene viereckige Körbe mit beweglicher Vorder- und Oberwand und verschiedenen Einsätzen. Der Eine enthielt die Medicamente ― wie mir scheint, etwas zu viele und die Apotheker-Geräthe, und der andere das Verband-Material für ein Bataillon. Sowohl die Auswahl der in diesen beiden Körben enthaltenen Gegenstände, als die Art ihrer Verpackung ist geradezu mustergiltig zu nennen . Sie sind wohl keine specifisch rassische Erfindung, sondern eine Nachahmung mit wesentlicher Verbesserung der englischen derlei Körbe.

32

Die internationale Ausstellung 1873 . Unsere 2 Sanitäts-Körbe, welche das Verband-Material für einen

Verbandplatz enthalten, können in Bezug auf die zweckmässige Einrichtung mit den russischen Körben nicht concurriren, aber sie entsprechen eben auch ihrem Zwecke . Auf die altartigen RequisitenWagen, für welche sie eigentlich gebaut waren, liessen sie sich ganz gut verpacken, was bei den neuartigen Armee-Rüstwagen nicht mehr so ganz der Fall ist.

So lange sie benützbar bleiben,

wird man sie

wohl ausnützen müssen ; bei Neuanschaffungen sollten natürlich nicht mehr dieselben, sondern solche angeschafft werden ,

welche der Form

des neuartigen Armee-Wagens angepasst sind . Das gesammte Material, welches für unsere Ambulancen , Material- Reserven und Feldspitäler bestimmt ist,

wird theilweise in der

Form den Wagen angepasste Kisten , theilweise frei in Armee-DeckelWagen verpackt. Die bestehende Pack- Ordnung lässt Manches zu wünschen übrig , was grösstentheils darin seinen Grund hat, dass das neue Armee -Fuhrwerk einen viel kleineren Rauminhalt, als das alte hat und man doch mit derselben Anzahl Wagen das Auslangen finden sollte und musste . Was die ausgestellten Behältnisse für mitzunehmende Labemittel, so weit diese Flüssigkeiten sind,

betrifft,

so fanden wir

leider bei

einigen Ausstellern noch immer die unglückseligen Blech- Gefässe, während die meisten Andern mit Leder, Bast oder Stroh überzogene Glasgefässe brachten . Dass Blechgefässe absolut zu verwerfen sind, weiss Jeder , der nur während eines Tagemarsches seinen Bedarf an Getränken darin aufbewahrte. Jedes Getränk wird nach wenig Stunden darin vollkommen ungeniessbar, besonders im Sommer, wo zu dem unangenehmen Rostgeschmacke auch noch die Wärme des Getränkes kommt. Leider haben auch unsere Blessirten-Träger und die SanitätsSoldaten als Labeflaschen noch immer solche aus Blech, während die. ganze Armee schon Feldflaschen aus Glas hat . Was für den gesunden Mann unumgänglich nothwendig einzuführen war, sollte ja auch für den Verwundeten oder Kranken als ebenso nothwendig erkannt werden . Glas ist bis jetzt seiner Billigkeit wegen das beliebteste Material zu Behältnissen für Getränke, denn der in vielen anderen Beziehungen weit zweckmässigere Hartkautschuk ist leider noch zu theuer und dürfte es wahrscheinlich des theuren Rohstoffes wegen auch immer bleiben.

II. Verwundeten-Transport- Mittel. Der durch Krankheit oder Verwundung marschunfähig gewordene Soldat muss auf gewissen Transport-Mitteln bis ins Lazareth geschafft

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen. werden.

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Je rascher und zweckmässiger diess geschieht, umso besser

ist es für sein zukünftiges Loos . Am schnellsten wird diese Hilfeleistung möglich sein, wenn die Truppen selbst mit Transport-Mitteln ausgerüstet sind, welche sie stets bei sich führen, daher auch im Bedarfsfalle momentan zur Hand haben. Wir finden desshalb heutzutage die Armeen aller civilisirten Völker mit mehren Arten 1 von TransportMitteln für Verwundete ausgerüstet. Die verbreitetsten derselben sind die durch Menschenkräfte fortzuschaffenden Tragen u. zw. entweder als Hand- oder als Räder-Tragen und die durch Thierkräfte fortzubewegenden Blessirten-Wagen ; an diese schliessen sich die EisenbahnSanitäts-Züge oder die Lazareth -Schiffe an. Mit Ausnahme der letzteren fanden wir alle andern Transport-Mittel in reicher Auswahl im Sanitäts-Pavillon vertreten . Betrachten wir sie der Reihe nach, wie sie gewöhnlich zur Verwendung kommen. Zum Transporte des Verwundeten aus der Gefechtslinie bis zum Hilfs-Platze werden überall sogenannte Feldtragbahren benützt u. zw. entweder als Handtragen oder (seltener) als Rädertragen . Ehe wir in die Detail-Betrachtung der ausgestellt gewesenen

Feldtragen eingehen, wird die Beantwortung der Frage angezeigt sein : Welche Eigenschaften soll eine gute Feldtrage besitzen ? " Sie muss vor allem solid und so einfach construirt sein , dass sie überall schnell und billig von gewöhnlichen Handwerkern in grosser Menge hergestellt werden könne. Sie sei bequem, d. h. lang und breit genug, besitze Füsse, eine Kopflehne, Fussstütze , sei leicht zerlegbar und habe so wenig als möglich detachirte Theile . Das Bahrtuch sei aus gutem, festem Stoffe, damit es nicht zu sehr einsinke , und nicht wasserdicht, weil sich sonst bei Regenwetter das Wasser in der Mulde sammelt und der Verwundete ganz wie in einem Bade liegt. Die Tragstangen seien so stark, dass sie bei normaler Belastung weder horizontal, noch vertical schwingen. Das Gewicht der completen Trage sei so, dass sie von einem Menschen ohne Anstrengung nöthigenfalls stundenlang getragen werden könne, entspreche also beiläufig der vom Blessirtenträger nicht zu tragenden Belastung eines Infanteristen, d. h. dem Gewichte des Tornisters, des Gewehres und der beiden Patronentaschen , d. h. circa 20 Pfund (10 Kilogr. ) Die Trage passe ferner zum Transporte durch Menschen-, Thier- und Dampfkraft auf jeder Art Wagen, oder Waggon, sowohl feststehend als suspendirt. Ein Räderbahre bestehe aus einer guten Feldtrage, welche auf einem federnden Rädergestelle auf einfache Art zu befestigen ist. 3 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins. VIII . Band, 1874.

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Die internationale Ausstellung 1873. Von reglementaren Feldtragen waren folgende vorhanden : a) Die amerikanische , zwar nicht genau in demselben Muster, wie sie während des letzten Krieges gebraucht wurde, sondern in 2 Modificationen desselben ; die eine ausgestellt von Fischer, die andere von Lipowski. Beide hatten die ursprünglichen viereckigen, eichenen Tragstangen, welche nahe ihren Enden durch 2 eiserne, in der Mitte mit einem Gelenke versehene Querstangen auseinandergehalten werden, bewegliche Füsse und Kopflehne und einfaches festgenageltes

Bahrtuch.

Die

Füsse

der

Lipowski'schen Trage können durch je einen Stellstift festgestellt werden, was bei der Fischer'schen nicht der Fall ist. Die Kopflehne der Fischer'schen ist notenpultartig in den verschiedensten Winkeln zu stellen , während bei der Lipowski'schen diess durch einen eigenen Mechanismus der Stützen ermöglicht wird ; letztere hat überdiess noch vom Kopfquertheile zu jeder Tragstange gehend eine eiserne Spreize. Das Aufstellen und Abbrechen der Trage ist sehr einfach, indem die Gelenke der Quertheile und der Kopflehne, welche bei Lipowski auch noch durch einen Stellstift festgestellt werden können, nach der einzig möglichen Richtung gezogen werden, wodurch die beiden Tragstangen aneinander zu liegen kommen, worauf die Füsse eingeschlagen und das Bahrtuch herumgewickelt wird . Diese Trage besteht daher zusammengelegt nur aus einem Stücke, hat gar keine detachirten Theile . Sie ist, besonders im Lipowski'schen Muster sehr solid und bequem.

Ihre

Nachtheile bestehen in dem complicirten Baue, in ihrem Preise und hauptsächlich in dem grossen Gewichte . b) Die spanische reglementäre Feldtrage (seit 1868 eingeführt) vereint in sich sehr viele Vorzüge. Sie ist solid construirt, genügend lang und breit, hat Füsse, Kopflehne und ist nebst einem sehr guten Bahrtuche auch mit einer Matratze und einer wollenen Décke ausgestattet.

So wohlthuend letztere 2 Gegenstände dem

Verwundeten sein werden , so wenig sind sie zu empfehlen, weil sie die ohnedem schwere Trage noch mehr belasten und sie zu theuer machen ; überdiess begünstigt die Matratze ein eventuelles Herabfallen des Verwundeten .

An einem 2. Exemplare

dieser

Trage ist ein leicht abnehmbares Dach angesteckt, welches den Verwundeten vor Nässe und Sonnenschein beschützen soll . Wenn es nun auch nicht zweckmässig scheint,

dieses Dach mit in's

Feld zu nehmen, so kann es doch in der Garnison sehr gut verwendet werden , weil dadurch der Feldtrage die Eigenschaften der Friedens-, respective gewöhnlichen Krankentrage gegeben werden.

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

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Es ist diess eine sehr glückliche Idee, welche nach den photographischen Abbildungen des Materiales der Société francaise de secours aux blessés militaires auch von dieser Gesellschaft, aber nicht so einfach wie hier, ausgeführt wurde und volle Beachtung verdient. c) Die ältere französische Feldtrage von Legouest (ausgestellt von Lipowski) ist solid und bequem, hat Füsse und Kopflehne, ist aber durch die 4 Stellstifte der Querhölzer und die 2 Charnierbänder der Kopflehne complicirt und schwer. Die neuere französische von Kellner ausgestellte ist schmal und kurz , hat sehr niedere , unsichere Füsse , niedrige Kopflehne , schwache viereckige Tragstangen aus Eschenholz,

eiserne Quertheile, welche

an einer Tragstange um eine Niete beweglich fest angebracht sind und an der andern durch eine Flügelschraube in ihrer Lage erhalten werden . Die Tragstangen sind daher an ihren Endtheilen vielfach durchlöchert und bieten keine Garantie einer längeren Dauerhaftigkeit. Bei 2 anderen Exemplaren derselben Trage sind desshalb auch andere Vorrichtungen des Feststellens der Quertheile angebracht, indem bei der einen das freie Ende desselben in eine Schlaufe, welche an der 2. Tragstange angebracht ist, einfach hineingesteckt wird, und weil diess wenig Bürgschaft des Haltens bietet, wird beim 3. Exemplare das freie Ende des Quertheiles durch eine Stellfeder an der 2. Tragstange festgehalten. Aber auch bei diesen beiden Modificationen ist die Tragstange in 2 sich kreuzenden Richtungen durchbohrt, daher sehr geschwächt. Ebenso wie die Befestigung der Quertheile ist auch die des Bahrtuches bei jeder dieser 3 Tragen anders. Bei der einen werden die Stangen, wie gewöhnlich, durch einen Hohlsaum des Bahrtuches gesteckt ; bei der 2. wird es an Knöpfe geknöpft , welche an der äusseren Seite der Stangen angebracht sind und bei der 3. wird es durch Riemen an die Tragstangen festgeschnallt. Die 1. Methode ist die einfachste, die 2. wird bei nassem Bahrtuche gewiss versagen und die 3. ist sehr umständlich und zeitraubend, obwohl sie sonst mehrfache Vortheile bietet. d) Die hessische Feldtrage (ausgestellt von Lipowski) besteht aus 2 Querhölzern mit daran festgemachten Füssen und eisernen Schlaufen zur Aufnahme der runden Tragstangen, welche gebrochen und mit Büchsen- und Federverschluss versehen sind und durch einen Hohlsaum des einfachen, in der Mitte quer getheilten Bahrtuches gesteckt werden. Eine Kopflehne fehlt. Sie ist wegen der gebrochenen Tragstangen complicirt , schwer herzustellen, 3*

36

Die internationale Ausstellung 1878. nicht solid genug und zum Gebrauche in Wagen zu breit und unzuverlässig . e) Die preussische Feldtrage war in ihren 2 Modificationen, näm-

lich der in der Mitte gebrochenen und der ungebrochenen ausgestellt. Letztere ist eine der besten aller reglementären Feldtragen.

Sie besteht aus 2 soliden Tragstangen,

welche durch

3 nach abwärts gebogene eiserne Querstangen auseinandergehalten werden ; quer über sind in gleichen Abständen 5 Gurtbänder und über diese das aus theergetränkter Leinwand bestehende Bahrtuch gespannt, welches an der untern Fläche durch eine Rebschnur beliebig festgeschnürt werden kann.

Die Kopflehne ist in ver-

schiedenen Winkeln stellbar und mit einem abgenähten Rosshaarpolster ausgestattet. - Die gebrochene Modification , die eigentliche Feldtrage, unterscheidet sich von der andern durch nichts anderes , als dass ihre Tragstangen in der Mitte gebrochen und durch ein Charnier verbunden sind, so dass die Trage leicht von einem Manne auf dem Rücken getragen werden kann. Diese Trage eignet sich wegen ihrer geringeren Solidität weniger zum Transporte auf Wagen oder Waggons. Beide haben den gemeinschaftlichen Fehler der Schwere und des durch die quer gespannten Gurten entstehenden unebenen Lagers. f) Die österreichische Feldtrage (von mir construirt) besteht aus 2 Tragstangen aus Buchenholz, 2 Querhölzern , mit daran fest angebrachten, um eine Niete beweglichen Füssen, welche nach oben je eine

Verlängerung

besitzen, die beim Kopftheil

zur

Befestigung des Kopfpolsters und beim Fusstheil durch quer gespannte Gurten als Fussstütze dienen , und dem Bahrtuche, welches mit seinem Kopftheile an die Verlängerung der Füsse festgenagelt ist. Die Tragstangen werden durch Hohlsäume des Bahrtuches und an den Quertheilen angebrachte eiserne Schlaufen durchgesteckt und das Bahrtuch durch an seinem untern Ende befindliche Riemen an den Fussquertheil geschnallt und dadurch beliebig gespannt.

Sie ist höchst einfach, kann von jedem Dorfhandwerker

erzeugt und bei etwaigem Zerbrechen eines Theiles von den Compagniehandwerkern wieder hergestellt werden ;

sie besteht nur

aus 4 Stücken, welche aber alle durch die Spannriemen des Bahrtuches zusammengeschnallt werden können, so dass die complete Trage von einem Manne getragen werden kann .

Sie eignet sich

wegen ihrer soliden Tragstangen zu jeder Art Transport, sowohl durch Menschenkräfte, als zur Suspension auf jeder Art Wagen oder Waggon.

Bei letzerem Gebrauche ist ein Ausfüllen des

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen .

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Kopfpolster- Sackes mit Heu, Stroh, Gras etc. nothwendig, um die Erschütterungen des Kopfes zu vermeiden. g) Russland hatte 3 reglementäre Feldtragen ausgestellt, and zwar eine eigentliche Feldtrage und 2 Tragen für die Blessirten-Wagen, Die erstere hat runde ungebrochene Tragstangen, Querhölzer mit ..Aufnahme der Stangen und vorspringenden Eisenschlaufen zur … daran festgemachten eisernen Füssen, ein Bahrtuch aus starker Segelleinwand mit beiderseitigem Hohlsaum zum Durchstecken der Stangen und an beiden Enden mit angenähten Bändern zum Spannen desselben über die Querhölzer. Sie ist genügend breit Die und lang und nicht zu schwer. Ein Kopfpolster fehlt. 2 andern, für die Blessirten-Wagen bestimmten Tragen unterscheiden sich von ersterer dadurch, dass sie viel kürzer und schmäler, nicht zusammenlegbar sind und ein festgenageltes Bahrtuch besitzen. Ausserdem trägt die eine, welche auf den Boden des Wagens eingestellt werden soll , an ihren Tragstangenenden 4 Blattfedern, welche der Länge der Stangen parallel gestellt und an jedem Ende mit einem Rädchen versehen sind, damit die Trage leicht in den Wagen eingeschoben werden kann . Bei der zweiten, welche zur Suspension bestimmt ist, sind statt der Blattfedern nur niedrige abgerundete Füsse und an den Tragstangenenden je eine eiserne Klammer angebracht, durch welche der Suspensionsriemen gezogen wird . Russland zeigte durch die Ausstellung dieser drei verschiedenen Tragen, dass es das Princip der einheitlichen Feldtrage, welches heut zu Tage von allen Feldärzten gefordert wird, sonnen sei.

nicht anzunehmen ge-

Neben diesen reglementären Feldtragen waren noch eine grössere Zahl theils als Feld- theils als Stadt-Tragbahren projectirte ausgestellt. Hieher gehören folgende : 1. Der Tragapparat zum Verwundeten-Transporte im Gebirge von Demaurex in Genf,

welcher einfach construirt ist und wegen seiner

Leichtigkeit und Kürze im Gebirgskriege recht zweckmässig zu sein scheint. 2. Der sub titulo : Feldtrage für complicirte Fracturen von Appia aus Genf ausgestellt gewesene Apparat ist eigentlich ein den Transport von Beinbrüchen, besonders des Oberschenkels, erleichternder Verband, welcher als solcher alle Anerkennung verdient. 3. Die Feldtragen von Berghammer und Esterlus, zwei fast ganz gleiche Apparate, welche ursprünglich für den Gebrauch im Gebirgskriege vorgeschlagen waren. Sie können beide in gestreckter oder

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Die internationale Ausstellung 1873.

doppelt gebrochener Stellung gebraucht werden.

Es sind aber sehr

schwerfällige, nicht leicht zusammenzustellende, zudem theure Tragen. 4. Die von Kellner modificirte österreichische Feldtrage. Kellner machte statt der hölzernen Quertheile und Füsse solche aus Eisen und richtete den Kopfpolster zum Anstecken. 5. Die Lipowski'schen Tragen, u . z.: a) Die aus einem auf Latten befestigten Leinwandsacke gebildete Feldtrage, welcher Sack im Gebrauchsfalle mit Heu, ausgefüllt werden soll . b) Die Zeltbahre,

Stroh etc.

bestehend aus einem in der Mitte gebrochenen,

mit Leinwand überspannten Holzrahmen ohne Füsse und Kopflehne. c) Die Spitalsbahre nach Professor Heine's Angabe mit Füssen, Fussstützen und stellbarer Kopflehne, mit Gurten bespannt. d) Die Sessel- , Turner- oder Feuerwehrbahre für sitzende und halbliegende Stellung ; die Bahre selbst ist zusammenlegbar und kann auf dem Rücken getragen werden ; der Tragrahmen aber ist nicht zerlegbar . e) Eine einfache Trage aus weichen Stangen und Querfussböcken und Leinwandverspannung. f) Die Universal-Transport- Bettschwebe und Tragbahre, zum Tragen und zur Einlagerung Kranker und Blessirter in EisenbahnGüter-Waggons, Leiterwagen etc.; mit Schweberiemen, ausziehbaren Traghebeln und stellbaren

Oberkörper-Anlage versehen.

Die Trage selbst ist gegurtet, zusammenlegbar. Wird das Gestelle umgekehrt und die Lagerbahre oben daraufgestellt, so ist sie als Ambulance - Bett zu gebrauchen und für seitliche Lagen veränderbar.

6. Die von Fischer und Comp. ausgestellten Tragen u. z.: a) Die Lazareth- Bahre, doppelt gebrochen, mit Fussstütze und eisernen, einschiebbaren Traghebeln ; sie ist mit Spanischrohr-Geflecht überzogen. b) Die Feder-Bahre . Eine gegurtete Trage mit ausziehbaren Traghebeln und stellbarem Oberkörpertheile, ruht mit beiden Enden auf quer gestellten Blattfedern. c) Die Knochenbruch-Tragbahre. Das Bein kann durch stell- und schraubbare Mechanik in jeden beliebigen Winkel und jeder Länge festgestellt und gesichert werden . In der sackartigen Leinwandvertiefung wird der Unterschenkel fixirt. Durch Wegnahme der Traghebel kann die Trage auf jedes Bett gestellt werden.

Das

Gesäss ruht auf gespannter Leinwand , die Oberschenkel auf Holz ,

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

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der Oberkörpertheil ist beliebig stellbar. Das Ganze ist ein sehr complicirter Apparat. d) Die Schlittenbahre aus gebogenem Holze mit Gurten und Ledertuch überspannt. Der Oberkörpertheil ist beliebig stellbar, der Unterschenkeltheil ist einfache Leinwand. Die untere Krümmung der Tragstangen ist mit Eisen belegt, daher die Trage schlittenförmig bewegt werden kann . e) Die Coupée-Bahre, fest gepolstert, mit stellbarem Oberkörpertheile, Seitenflügeln und Fussanstoss. f) Die Feuerwehr-Trage, ebenso construirt wie die Lipowski'sche, nur ausserdem mit einem Schirmdach versehen. g) Die Universal- Transport- Bettschweb- und Tragbahre, ganz gleich mit dem Lipowski'schen Exemplare. h) Die Stuhlbahre, ein einfacher Sitz mit zwei Quertragstangen und gepolsterten Achseltraggurten. Die Bahre ist gegurtet und hat Rückenlehne und Fussstütze. 7. Dr. S. Reis ' Rettungs- und Tragbett der Wiener Rettungsanstalten. Eine eiserne, auf kleinen Raum zusammenschiebbare Trage mit Dach und Matraze. 8. Locati's zwei Modificationen der Percy'schen Feldtrage, welche sich nur dadurch von einander unterscheiden , dass die eine Tragstangen aus Bambusrohr, die andere aus Eschenholz hat. 9. J. W. Metcalfe's Modell einer Sänfte für den Transport von Verwundeten, welche nichts anderes ist, als die von Lipowski längst erzeugte Treppen-Drehbahre, und zur Horizontal Lagerung beim Tragen der Kranken über Treppen oder steile Gebirgswege dienen soll . 10. v. Wlasow's Modell einer Sänfte , welche durch Veränderung der Tragstangen- Stellung auch als Bahre verwendet werden kann . 11. Die Portantina da campo des Dr. Gennari ist ein auf sehr kleinen Raum zusammenlegbarer Tragsessel mit kurzen Tragstangen, welcher für den Gebirgskrieg sehr wohlthätig sein könnte, aber in allen Dimensionen verfehlt ist. Die meisten dieser nicht reglementaren Trag-Vorrichtungen sind für bestimmte Fälle sehr brauchbar, keine derselben eignet sich aber zum Armee-Gebrauche. Die beiden Heidelberger Firmen C. Fischer und F. Lipowski, welche seit vielen Jahren in diesen Artikeln arbeiten , leisten darin auch wirklich Ausgezeichnetes. Ganz besonders zweckmässig scheint die Universal-Transport-Schwebe-Bahre zum Gebrauche in gewöhnlichen Bauernwagen oder in Güter-Waggons der Eisenbahnen zu sein.

Die Lage auf ihr ist eine so sanfte, dass selbst frische

Fracturen mit nicht ganz entsprechenden Verbänden darauf gelagert

Die internationale Ausstellung 1873,

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werden können , ohne einen etwaigen Nachtheil für sie befürchten zu müssen. Zudem ist der Apparat auf ein geringes Volum zusammenlegbar und nicht zu theuer . Unter der grossen Zahl der ausgestellten Rädertragen war nur eine reglementäre, nämlich die preussische, enthalten . Diese fusst auf dem einzig richtigen Gedanken der Befestigung der gewöhnlichen Feldtrage auf einem gut federnden Rädergestelle. Nach demselben Principe ist ein von mir angegebenes Project

zur Anwendung der österreichischen Feldtrage auf einem Rädergestelle ausgestellt gewesen, welches sich von der preussischen Rädertrage nur durch die Art der Feststellung der Feldtrage unterscheidet. Ueber die Brauchbarkeit der Rädertragen für's Feld sind die Ansichten der Militärärzte noch sehr getheilt. In Mexico, im Kaukasus haben sie sich vielfach bewährt, anderwärts verwirft man sie, aber wahrscheinlich nur aus dem Grunde,

weil man sie nie erprobt und

ihre Brauchbarkeit daher nie kennen gelernt hat .

Wo man sie aber

anschafft, sollte man daran festhalten, dass die reglementäre Feldtrage dazu verwendet werde , 1 weil nur dadurch die so schädliche Umlagerung der Verwundeten vermieden und die so dringend nothwendige Einfachheit des ganzen Apparates erreicht werden kann . Diess zeigte zur Evidenz ein Blick auf die ausgestellt gewesenen anderen Rädertragen . Welche complicirte, theure Apparate fanden wir nicht da! Gehen wir sie der Reihe nach durch. Da finden wir :

1. Die Räderbahre für den Krankentransport in der Stadt, von Bei ihr wird die hier in Wien übliche Krankentrage,

H. Esterlus.

welche mit einem nach Art eines Wagendaches zurückschlagbarem Dache versehen ist, auf ein Rädergestell angebracht, auf dessen Achse auch ein kleiner Rettungskasten mit verschiedenen Labe-, Arznei- und Verbandmitteln angebracht ist.

Sie macht schon nach ihrer Bezeichnung keinen Anspruch auf eine Feld - Rädertrage. 2. Die Rädertragen von C. Fischer ; und zwar : a) Der grosse Tragkorb auf Rädern ; bei diesem wird über den auf einer bequemen Trage liegenden Verwundeten ein grosser KorbDeckel gestülpt . b) Mundy's Räderbahre mit preussischem Rädergestell,

bereits seit

1867 bekannt ; die abnehmbare Trage ist doppelt gebrochen und kann daher so zusammengelegt werden , dass sie ein Mann bequem auf dem Rücken tragen kann . Die ganze Bahre wiegt nur einige 30 Pfund, scheint aber in Folge der geringen Stärke aller Theile nicht widerstandsfähig genug zu sein, um als Feld -Rädertrage verwendet zu werden .

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Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

c) System Gouvin, eine Räderbahre mit doppelten Tragen, welche beide abnehmbar sind und von denen die obere in 4 Federn suspendirt ist, welche auf den Tragstangen der untern ruhen , während die untere auf dem Rädergestelle befestigt ist. Sie dürfte sich besonders für Hilfsvereine eignen und dort am besten anwendbar sein, wo es sich darum handelt, ein Spital oder einen SanitätsZug rasch zu evacuiren, weil sie mit 2 Tragen versehen ist. d) Die zerlegbare amerikanische Räderbahre. Auf 2 Rädern mit Druckfedern ruht die mit Segeltuch überspannte Trage, welche ein stellbares Kopf- und Fusslager, ein Schirmdach und Seitenflügel besitzt. Die Trage kann von den Rädern abgenommen und auch zusammengelegt werden . Durch Stützen kann der Wagen derart festgestellt werden, dass man an Ort und Stelle Operationen vornehmen kann. 3. Die Räderbahre von Neuss, ausgestellt von R. Fuchs, hat eine nicht abnehmbare Trage, welche durch Schirmdach, Seitenflügel und Spritzleder geschützt ist . 4. Die Fahr- und Tragbahre für Verwundete von Dr. Langer besitzt eine abnehmbare Trage, welche durch eigene Vorrichtungen auch als doppelt gebrochene schiefe Ebene benützt werden kann . 5. Die Räderbahren von Lipowski sind theils seine eigene Erfindung, theils nach den Angaben Anderer von ihm erzeugt und datiren zum grösseren Theile schon aus früheren Jahren .

Ausgestellt waren :

a) Die amerikanische Räderbahre. b) Eine Blessirten-Feldtragbahre (und zwar die hessische) auf einem Rädergestell. c) Ein Trag- und Fahrstuhl, auch Tragbahre, d . i. eine doppelt gebrochene Trage aus einem mit

spanisch Rohrgeflecht über-

zogenen Rahmen und einschiebbaren Traghebeln, kann auf ein federndes Rädergestell befestigt und der Kranke darauf entweder horizontal gelagert oder sitzend fortgebracht werden. d) Ein grosser Tragkorb auf Rädern. Die Trage ist hier ein mit

Dach versehener grosser Korb mit Traghebeln, welcher auf ein Rädergestell gebracht wird, das freischwingende, sehr lange Druckfedern hat, wodurch die Erschütterungen beim Fahren auf ein Minimum reducirt werden. Diese Trage eignet sich wegen ihrer Grösse und Bequemlichkeit sehr gut zum Transporte von den Lazarethen auf die Bahnhöfe oder umgekehrt, weil sie gestattet, dass dem Kranken ein förmliches Bett darin bereitet werde und sie doch immer noch von einem Menschen fortbewegt werden kann.

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Die internationale Ausstellung 1873. e) Eine Gebirgs - Räderbahre, welche ihrem Berufe entsprechend niedere, sehr engspurige Räder und eine Bremsvorrichtung besitzt. Die Trage selbst ist mit Schirmdach versehen. f) Mundy's Räderbahre.

g) Gouvin's Räderbahre. h) Neudorfer's Räderbahre und i) Pirogoff's Räderbahre. Letztere beide unterscheiden sich dadurch, dass Pirogoff

auf demselben

Rädergestelle zwei

Verwundete,

natürlich in doppelt gebrochener Stellung fortbringt, während Neudorfer's nur einen aufnehmen kann . Nebst diesen in natura vorhandenen Räderbahren hatte Dr. de Movy eine Photographie einer Hängematte-Räderbahre ausgestellt, mittelst welcher sehr viel Kraft erspart und der Verwundete sehr gut fortgebracht werden soll . Die Beurtheilung derselben ist nach der Abbildung nicht recht thunlich ; nur so viel liess sich wohl aus der Zeichnung entnehmen, dass man eine Schussfractur auf diese Art nicht fortschaffen könne, weil diese eine Lagerung in einer Hängematte nicht verträgt . Mittelst der einen oder andern dieser betrachteten Tragen wird der Verwundete aus der Gefechtslinie bis zum Hilfs- oder Noth-Verbandplatz gebracht. Hier erhält er ausgiebigere Hilfe, bestehend in erquickender Labung und entsprechendem Transport-Verbande, welcher sein Verbringen zum Haupt-Verbandplatz ermöglichen soll , ohne dass ihm durch den Transport neuerliche Schäden zugefügt werden.

Zu

diesem Transporte reichen der grösseren Entfernung wegen Menschenkräfte und Tragen nicht mehr aus, es müssen Thierkräfte und Wagen in Anspruch genommen werden. In allen Armeen finden wir desshalb die sogenannten Blessirten-Wagen eingeführt, welche am Schlachttage zwischen dem Hilfs- und Verbandplatze in Thätigkeit gesetzt werden. Soll diess aber geschehen können, so müssen sie ihre Marscheintheilung unmittelbar hinter der Truppe, zu welcher sie gehören, haben und so beschaffen sein, dass sie dieser überall hin zu folgen vermögen. Damit diese Wagen die Train - Colonne nicht zu sehr verlängern, wird von militärischer Seite dringend gewünscht, dass sie leicht und kurz gebaut und unter allen Verhältnissen von zwei Pferden des gewöhnlichen Land-Mittelschlages fortzubringen seien ; ferner wird von derselben Seite gefordert, dass sie leicht lenkbar, daher mit Durchlauf der vorderen Räder versehen seien, um auch auf schmalen Strassen und in engen Gassen noch umwenden zu können, dann dass die Deichsel manövrirbar, d. h. in gewissem Grade auf- und abwärts zu bewegen sei, damit sie beim Grabensprunge nicht leicht breche ; ferner, dass

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen.

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sie breite Geleisweite (gewöhnlich das Artillerie- Geleise) bei geringer Höhe besitzen, damit sie nicht leicht umfallen und so Hindernisse des Marsches werden können ; ferner dass sie ausser mit einer Brems-Vorrichtung auch mit einem Radschuhe und wo möglich mit einem Raume zur Unterbringung der Bagage des Train - Soldaten und der Waffen und Rüstung der Verwundeten versehen seien . Die Feldärzte stellen weiter als unumgängliche Forderungen folgende auf: Der BlessirtenWagen federe ausgezeichnet, er sei daher mit longitudinalen und transversalen Federn von möglichster Länge ausgestattet ; er sei niedrig gehängt, um das Ein- und Ausladen zu erleichtern , welches von hinten her zu geschehen habe ; der Wagenkasten sei so eingerichtet, dass die reglementäre Feldtrage in möglichst grosser Zahl darauf verladen werden könne, um einerseits das so gefährliche Umlagern der Verwundeten vermeiden und anderseits die Hilfsplätze möglichst schnell evacuiren zu können ; ferner sei er zur Aufnahme einer grösseren Zahl Sitzender leicht herzurichten, was sowohl am Schlachttage, viel häufiger aber während der Märsche sehr erwünscht ist, um die Leichtverwundeten oder Marschunfähigen mit fortbringen zu können. Die Wände seien getheilt und durch aufrollbare Plachen zu schliessen , damit man dem Innern nach Bedürfniss Licht und Luft zuführen könne. Endlich darf auch ein Raum zur Unterbringung von Labe- und Verband-Mitteln und einer für Reserve-Tragen nicht fehlen. Die Leitung des Wagens geschehe vom Vordersitze aus. Was die Zahl der auf einem solchen Wagen Fortzubringenden betrifft, so ergibt sie sich aus einer einfachen Rechnung. Einem Paare gewöhnlicher Pferde , welche einen ganzen Feldzug hindurch arbeitsfähig bleiben sollen, darf man wohl (bei uns wenigstens) keine grössere Last als maximum 25 Zoll - Zentner fortzuschaffen zumuthen . Da man nun erfahrungsgemäss unter 13 Zentner keinen feldtüchtigen Wagen herstellen kann, so ergibt sich - den Mann sammt Armatur und Rüstung zu 150 Pfund angenommen dass auf einem Wagen höchstens 8 Mann (inclusive Trainsoldaten) aufgenommen werden können. Bezüglich der Art der Lagerung der fortzubringenden 7 Verwundeten herrschen unter den Feldärzten und den freiwilligen Krankenpflegern heute noch sehr verschiedene Ansichten .

Darüber, dass man

von den 7 möglichst viele in liegender Stellung fortbringen solle, sind wohl Alle einig, weil ja Alle die Hilfsplätze so rasch wie möglich von den Schwerverwundeten räumen wollen. Bis vor Kurzem begnügte man sich überall mit der Fortschaffung von 2 Schwerverwundeten auf einem Wagen, dann stieg man auf 4 und 5 und heute verlangt man schon, dass 6 Liegende auf einmal fortgeschafft werden sollen. Da

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Die internationale Ausstellung 1873.

Letzteres auf keine andere Art als durch etagenförmige Lagerung zu erzielen ist, so werden die Blessirten-Wagen immer höher ; sie werden dadurch wohl zur Aufnahme einer grösseren Zahl Verwundeter geeignet, verlieren aber mit jeder Etage mehr immer mehr an Kriegstüchtigkeit, weil ihr Schwerpunct immer höher rückt und die Gefahr des Umwerfens in gleichem Maasse steigt. Begnügt man sich mit der Aufnahme von 4 Schwerverwundeten auf einen Wagen, so können diese entweder neben- oder übereinander gelagert und in letzterem Falle wieder die Tragen entweder feststehend oder hängend angebracht werden. Bei 6 Schwerverwundeten ist nur die Uebereinanderlagerung möglich. Wagen mit diesen verschiedenen Zahlen der Aufzunehmenden und deren Lagerungsarten waren im Sanitäts-Pavillon vertreten . Jeder derselben hat seine Licht- und Schattenseiten. Die Wagen für 2 Liegende auf feststehenden Tragen, vertreten durch den reglementären preussischen, den reglementären spanischen , ein kleines Modell von Kraft, 2 ältere Mundy- Locati'sche Wagen und ein Project von mir, wonach der reglementäre österreichische Blessirtenwagen zur Aufnahme von 2 Feldtragen hergerichtet wurde, bieten dem Verwundeten ein relativ angenehmes, bequemes Lager, genügend Luft und Licht und sind sehr leicht auf- und abzuladen. Die letzteren drei können auch schnell für Sitzende hergerichtet werden. Der gegen sie zu erhebende Vorwurf trifft alle gleichmässig, ist bei der heutigen Art der Kriegführung ausschlaggebend und besteht darin, dass eben nur 2 Schwerverwundete fortgebracht werden können, dass daher ein schreiendes Missverhältniss zwischen den aufgewendeten Mitteln und dem damit zu erreichenden Zwecke besteht. Der spanische Wagen und das Kraft'sche Modell sind überdiess auch einspänig und zweiräderig, was nach den heutigen Anschauungen des Krankentransportes ganz unzulässig ist , weil zweiräderige Karren zu sehr von der Bewegung des Pferdes abhängen, daher ausserordentlich stark stossen. Einen Wagen mit 2 suspendirten Tragen stellte Dr. Mayo aus . So gut sonst Verwundete auf suspendirten Tragen untergebracht sind , so dürfte diess bei diesem Wagen wegen dem Orte, wo sie hängen, durchaus nicht der Fall sein. Mayo suspendirt nämlich seine 2 Tragen zwischen 2 sehr hohen Rädern unterhalb der Achse, so dass die darauf Gelagerten dem Staube oder Kothe ganz und gar Preis gegeben sind . Zudem ist das Auf- und Abladen mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden.

Vier feststehende Tragen in 3 Etagen finden wir in jenem Wagen Mundy-Locati, welcher bereits auf der Pariser Weltausstellung 1867

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen . mit der goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.

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Leider sind die darauf

angewendeten gegliederten Tragen zu schmal, die Dimensionen der einzelnen Theile unrichtig, und der Wagen zu gross und zu schwerfällig, als dass er für die erste Linie passen sollte . Ebenfalls vier feststehende Tragen in theilweiser Uebereinanderlagerung enthielten die kleinen Modelle von Dr. Georg Näher , Otto von Hoenika und R. Hirschberg, welche aber alle drei, im Grossen ausgeführt, viel zu schwer ausfallen würden , um Armee-Wagen zu werden. Sie werden übrigens nur für die freiwillige Hilfe projectirt, wo sie in zweiter Linie zu arbeiten hätten. Vier feststehende Tragen in einer Ebene waren auf dem Wagen des bayrischen Landes - Hilfs -Vereines untergebracht, welcher nach meinen Angaben vom Wagenfabrikanten Georg Finsterle in Wien gebaut wurde.

Da der Wagen nicht übermässig lang werden sollte,

mussten doppelt gebrochene Tragen (Triclina) angewendet werden, wozu die allgemein gemachte Erfahrung berechtigte, dass ein sehr grosser Theil der Verwundeten eine ein- oder zweimal gebrochene Körperstellung einnehmen könne und oft müsse. Die Construction dieser Tragen erlaubt aber jede beliebige Körperstellung, von der gestreckten bis zu der unter rechtem Winkel doppelt gebrochenen .

Der Wagen

ist zudem lang genug, dass alle 4 Tragen mit gestrecktem Kniegelenke eingestellt, oder dass 2 vollkommen horizontal und die anderen 2 nur im Hüftgelenke mässig gebeugt liegend untergebracht werden können. Der Wagen bietet den Verwundeten viel Raum, freie Luft und Licht, das Warte-Personale hat von allen Seiten Zugang und jeder Einzelne kann ohne Belästigung der andern ein- und ausgeladen werden . Für die erste Linie ist aber dieser Wagen nicht geeignet wegen seiner Schwere und weil die darauf angewendeten Tragen nicht als Feldtragen zu verwenden sind, daher ein Umlagern der Verwundeten stattfinden müsste. Für die zweite Linie aber wird er sich um so brauchbarer erweisen, als er neben 2 Liegenden 10 Sitzende oder eventuell eine todte Last (Liebesgaben etc. ) von 24 Centnern tragen kann . Vier feststehende Feldtragen in 2 Etagen trug ein von mir umgestalteter alter österreichischer Blessirtenwagen , welcher vorne mit neuen Federn versehen wurde, nebst 4 Liegenden 3 Sitzende und den Trainsoldaten unterbringt und leicht für 12 Sitzende herzurichten ist. Fünf feststehende Tragen in 3 Etagen fanden wir auf dem Wagen Bertani- Locati ; es wird nämlich die eine, leider sehr schmale und kurze Trage, von hinten her auf den Boden des Wagenkastens eingeschoben, die 4 anderen werden von der Seite her und zwar 2 auf die Langssitzbretter und 2 auf angebrachte verstellbare Bretter gehoben

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Die internationale Ausstellung 1873.

und sammt diesen in ihre Lage gebracht. Da die angewendeten Tragen keine Feldtragen sind , so ist erstlich ein Umlagern der Verwundeten nothwendig, dann ist die Art des Aufladens geradezu gefährlich und der Verwundete vor dem Herabfallen nicht genug geschützt. Der Wagen ist auch für Sitzende herzurichten . Ein gemischtes Lagerungs- System , nämlich feststehende und suspendirte Tragen, fanden wir bei 2 ausgestellten Wagen , nämlich beim reglementären russischen (Petit voiture d'Ambulance divisionaire) und dem von Mundy- Locati-Lohner.

Die oberen 2 Tragen sind in Riemen

suspendirt, während die unteren 2 feststehen. Bei beiden sind zweierlei Tragen, von denen keine eine reglementăre Feldtrage ist, in Verwendung. Die sonstige Bauart dieser beiden Wagen ist sehr verschieden ; der erstere ist nach amerikanischem Muster sehr leicht , der zweite nach französischem schwerfällig gebaut . Bei den in der letzten Zeit gebauten Wagen kam das System der Suspension von 6 Feldtragen in 3 Etagen zur vollen Durchführung, aber noch immer in dreierlei Form. Denn während die ausgestellt gewesenen 2 Mundy-Locati'schen Wagen die Suspension in langen Riemen anwendeten, zeigte der Mundy- Kellner'sche eine ganz kurze Suspension , und der Kellner'sche wieder eine eigene Suspensionsart in Verbindung . mit einer Aufzugs- Maschine. Die lange Suspension setzt die Tragen zu grossen Schwankungen aus und ist desshalb nicht zu empfehlen, während die Aufzugs- Maschinerie und die Einhängung in eiserne Haken wieder zu complicirt ist, als dass sie befürwortet werden könnte. Die kurze Suspension aber auf einem genügend breiten Wagen entspricht allen Anforderungen . Sie bietet den Verwundeten das schonendste Lager, ist sehr einfach, und das Aus- und Einladen macht keine Schwieauch Häringsrigkeiten. Wenn daher die etagenförmige Lagerung schon angenommen wird, so ist nur die kurze Suspension zu empfehlen. Die Frage muss allerdings noch durch praktische Versuche erledigt werden, ob für einen Wagen der ersten Linie 3 Etagen zulässig sind , oder ob man sich mit zweien , der nöthigen Verpackung genannt

Stabilität des Gefährtes wegen, begnügen müsse . Die letzterwähnten 5 Wagen sind alle leicht und schnell für Sitzende herzurichten. Gegen Ende der Ausstellung wurde noch ein für die rumänische Regierung nach den Angaben Dittrichs von Lohner gebauter Blessirtenwagen in den Sanitäts -Pavillon gebracht, welcher sowohl für fixe als für suspendirte Lagerung von 4 Feldtragen in 2 Etagen eingerichtet ist . Er hat die Eigenthümlichkeit, dass die Tragen in Schienen laufend eingeladen werden , wodurch diese Arbeit wesentlich erleichtert und

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen .

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erreicht wird, dass man die obere Trage ausladen kann, ohne die untere zu berühren .

Diesem allerdings beachtenswerthen Vortheile stehen

aber weit grössere Nachtheile gegenüber, welche hauptsächlich darin bestehen, dass der Wagen zu viele detachirte kleine Theile hat, welche bekanntlich sehr rasch verloren gehen, und dass die Umwandlung zum Gebrauch für Sitzende sehr umständlich und zeitraubend ist.

Auch Kellner brachte zum Schlusse noch einen neuen Wagen nach demselben Principe, wie der oben erwähnte Mundy-Kellner'sche mit kurzer Suspension, aber in allen Theilen viel schwächer gebaut, weil er der Anforderung gerecht werden wollte, dass der Wagen nicht schwerer als 13 Centner sei. Letzteres hat er wohl erreicht, aber der Wagen ist dadurch in allen seinen Theilen so schlank geworden, dass es Fachmännern schwer wird , ihn für kriegstauglich zu erklären . Eine dreitägige Probefahrt auf sehr schlechten Gebirgswegen überstand er glücklich, aber ich nehme doch Anstand, ihn feldtüchtig zu nennen. Nebst den zierlichen Dimensionen seiner einzelnen Theile mache ich ihm den Vorwurf, dass er gar kein Behältniss für das Gepäcke des Train- Soldaten oder andere Bedürfnisse hat und dass seine Deichsel gar nicht manövrirbar, daher beim Grabensprunge dem Zerbrechen allzusehr ausgesetzt ist. Auch die Art der Suspension ist nicht so gut, wie bei dem ursprünglichen Mundy-Kellner'schen Wagen. Der deutsche Ritterorden will nach diesem Muster 200 Stück bauen lassen. Eine noch streitige Frage ist die, ob ein Blessirtenwagen der ersten Linie eine Gallerie auf dem Dache haben solle oder nicht. Die Anhänger der Gallerie behaupten, sie sei dringend nothwendig zur Fortschaffung der Fourage, der Waffen und Tornister der Verwundeten und von Reserve-Tragen. Die Gegner derselben sagen, dass das Mitnehmen der Fourage nicht nothwendig sei, weil diese überall auf eigenen Wagen nachgeführt werde und die Pferde eines Blessirtenwagens immer auf dem Verbandplatze abgefüttert werden ; dass die Waffen, Tornister und Reservetragen auch innerhalb des Wagens untergebracht werden können und verwerfen dieselbe hauptsächlich aus der gemachten Erfahrung, dass so eine Gallerie zur Mitnahme von ganz unberechtigten Gegenständen und selbst zum Aufsitzen von Marodeurs missbraucht und der Wagen dadurch permanent überladen, daher auch frühzeitig zu Grunde gerichtet werde . Wir finden im Pavillon beide Anschauungen vertreten ; die französischen und italienischen Wagen hatten fast alle die feste Gallerie, während die deutschen, österreichischen and russischen ohne diese waren . Bei Wagen der zweiten Linie, welche die Strassen nicht zu verlassen brauchen und in der Regel besser bespannt sind, wird die feste Gallerie nicht angegriffen .

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Die internationale Ausstellung 1873.

Anschliessend an die Blessirtenwagen müssen wir jene Fuhrwerke betrachten, welche die Bestimmung haben, das nöthige Verband-Materiale , die Medicamente, die Labemittel, die Koch- und andere Requisiten bis auf die Verbandplätze zu bringen.

Man bezeichnet sie gewöhnlich als

Requisiten-, Medicin- oder Magazinswagen (Fourgons). Reglementäre derlei Wagen waren nur von Preussen und Spanien ausgestellt. Letzteres zeigte uns einen zweiräderigen Apotheker-Karren und ersteres den Medicin-Wagen für die Truppen , den für SanitätsDetachements und den für Feld-Lazarethe. Der spanische Apotheker-Karren bot nichts Besonderes . Da er nur todte Last führt, so liegt wohl nichts daran, dass diese stark gerüttelt wird. Die preussischen Medizin-Wagen , auf welchen neben sehr vielen Medicamenten auch die Instrumente, Verband- und Labemittel etc. geführt werden, sind im Verhältniss ihres Inhalts sehr schwere Fuhrwerke, welche aber ganz zweckmässig und handsam eingerichtet sind. Von Fourgon-Projecten waren 3 ausgestellt, nämlich 2 von Kellner und 1 von Locati unter der Bezeichnung Mundy-Kellner und MundyLocati.

Kellner brachte einen kleineren und einen grösseren Fourgon zur Darstellung.

Der erstere war für 2, der letztere für 4 Pferde berechnet . Beide waren von 3 Seiten durch breite Thüren zugänglich und stellten einen viereckigen Wagenkasten dar, welcher auf guten Federn ruhte , weil diese Fourgons im Nothfalle auch zum Transporte Verwundeter dienen sollen. Die darin fortzuschaffenden Requisiten werden in Körbe verpackt aufgeladen. Der Locati'sche Fourgon war nur etwas schmäler,

dafür aber

höher als der grosse Kellner'sche und von allen 4 Seiten zugänglich . Er kann auch zur Fortschaffung von Sitzenden oder Liegenden verwendet werden ; nur ist das für Letztere angewendete Lagerungssystem nicht durchführbar,

weil es ein Aufladen der belasteten Trage nicht

gestattet. Die Besprechung der ausgestellten Küchen-Wagen gehört wohl streng genommen nicht an diesen Platz. Da die meisten derselben aber die Bezeichnung : „ Küchen-Wagen für Ambulancen und Feld-Lazarethe " tragen, so mögen einige Worte über sie hier gestattet sein. Die Frage über die Nothwendigkeit der Mitnahme von KüchenWagen für die Armee oder vorläufig nur für die Militär- Sanitätsanstalten oder für die freiwillige Hilfe im Kriege ist noch eine offene. Nach den heutigen Anschauungen werden

sie überall perhorrescirt,

theils wegen der Vermehrung des Trains, theils wegen ihrer Schwer-

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen . fälligkeit, theils wegen ihrer Entbehrlichkeit.

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Ihre Zeit scheint noch

nicht gekommen zu sein . Die meisten der ausgestellten Küchen-Wagen sind gewöhnliche Kessel oder Kochherde auf einem Rädergestelle ; entweder werden Papi-

nianische Töpfe verwendet, oder es wird direct mit Dampf gekocht. Zu den ersteren gehörte der Küchen-Wagen des Grafen Eugen das kleine Modell von Kayser & Comp. in Berlin, die zweifür Ambulancen von Locati. Feldküche rådrige Zur zweiten Reihe gehörten die beiden hauptsächlich für die Zichy ,

Stadt bestimmten Küchen -Wagen von Adams (The british Workmann's der Feldküchen -Wagen für Lazarethe und Ambulancen im

Hotel ) ,

Kriege und die Feldküche für Truppen von Locati und den FeldküchenWagen für Ambulancen und Lazarethe von Mundy-Kellner. Dass in all' diesen Wagen während des Fahrens ein ganz vorzügliches Mahl bereitet werden könne, lehrten angestellte Kochversuche. Papinianische Töpfe waren auf dem Koch-Wagen von Haag in Augsburg verwendet und direct mit Dampf kochte A. Mackeau & Comp. in Breslau. So zweckmässig auch die meisten dieser Küchen -Wagen eingerichtet sind, so lässt sich über ihren wahren Werth doch erst dann entscheiden, wenn die Frage des Mitnehmens derselben endgiltig gelöst ist, weil man erst dann die Anforderungen an einen solchen Wagen wird präcisiren können . Vorläufig sind alle nichts weiter als schätzenswerthes Materiale für die Zukunft . Nach dieser kurzen Abschweifung wollen wir in der Betrachtung der Kranken-Transportmittel fortfahren. Da stossen wir auf das Wichtigste, weil Ausgiebigste, nämlich auf die Eisenbahn- Lazareth- oder Sanitätszüge . So oft seit dem Bestehen der Eisenbahnen Kriege geführt wurden, benützte man dieselben zum Transporte Kranker und Verwundeter ; anfänglich freilich in primitiver Art und in kleinem Maasstabe ; man legte die Schwerverwundeten auf Stroh, Strohsäcke oder Matratzen auf den Boden von Güter-Waggons und liess die leicht Verletzten oder Kranken in gewöhnlichen Personen-Waggons sitzen ; seit 1859 aber, wo das Kranken - Zerstreuungssystem zum ersten Male in grossem Maassstabe ausgeführt wurde, noch mehr aber seit dem grossen amerikanischen Kriege, wo so viele Tausende Verwundeter und Kranker mitselst der Eisenbahn Hunderte von Meilen weit transportirt wurden , lernten auch wir dieses Transportmittel schätzen und weiter ausbilden. Wir begnügen uns heute nicht mehr damit, einen Waggon für Kranke oder Verwundete einzurichten, zu beladen und dann dem ersten besten 4 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines . VIII. Band, 1874.

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Die internationale Ausstellung 1873 .

Personen- oder Lastzuge anzuhängen ; das thun wir nur mehr im Nothfalle, ausnahmsweise ; wir verlangen jetzt förmlich spitalmässig eingerichtete Lazarethzüge, auf welchen die Kranken tagelang verbleiben und vollständig verpflegt und gepflegt werden können. Diese Lazarethzüge waren bis jetzt zweierlei Art und werden es wahrscheinlich immer bleiben, nämlich improvisirte und bleibende. Bei Beginn eines Krieges, wo das gesammte Wagenmaterial zum Transporte der Truppen und ihrer unmittelbaren Bedürfnisse verwendet werden muss, wird es jederzeit sehr schwer, ja unmöglich sein, die zu den bleibenden Sanitätszügen nothwendigen Waggons zusammen zu bekommen. Die erste Schlacht wird geschlagen werden , ehe die Sanitätszüge zusammengestellt sind. Die Verwundeten und Kranken können aber ohne grosse Gefahr für sie und die noch gesunde Armee nicht an Ort und Stelle gelassen,

sie müssen evacuirt werden,

und diess

kann, wie gesagt, im grossen Maasstabe nur durch improvisirte Sanitätszüge geschehen . Zu solchen Zügen werden

naturgemäss fast ausschliesslich nur

Güter-Waggons zur Verfügung stehen . Diese müssen nun für einen möglichst schonenden Verwundetentransport eingerichtet werden. Wie kann diess geschehen ? Wieder auf zweierlei Art. Wenn nichts anderes zur

Hand ist,

als der leere Waggon,

Feldtragen und Stricke , so bleibt nichts übrig ,

als die Stricke am

Waggondache durch Nägel oder an dort anzubringende Haken festzumachen, an ihnen in der richtigen Entfernung Schlaufen anzubringen , und in diese die Feldtragen in 2 oder 3 Etagen aufzuhängen. Diess ist das einfachste, aber natürlich auch das schlechteste Mittel zur Fortschaffung Verwundeter, weil die so aufgehängten Tragen zu sehr nach allen Richtungen schwanken und fortwährend an die Waggonwandungen anstossen , was nur durch seitliche Befestigung der Tragen vermindert werden kann . Diese Art der Improvisation sahen wir in einem Waggon des Sanitätszuges der Société française de securs aux blessés militaires dargestellt . Die 2. Art der Improvisation beruht schon auf Vorbereitungen und wurde von N. H. Plambeck aus Hamburg im Kriege 1870 practisch angewendet und uns im Sanitäts-Pavillon vorgeführt.

Sie beruht auf

der Thatsache, dass es zu Anfang eines Krieges immer an Waggons fehlt,

welche

zu Sanitätszwecken

eingerichtet werden könnten ; man

wird daher zum Transporte von Sanitäts -Materiale zur Armee immer nur sehr wenig Waggons zur Disposition haben ; man muss daher ein so compendiöses Sanitäts - Materiale vorbereiten, dass es in wenig Waggons alle Bedürfnisse

für einen Sanitätszug von 180-200 Mann

51

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

aufnehmen könne, um mit diesem Materiale aus den von der Armee leer zurückgehenden Waggons in der kürzesten Zeit KrankenWaggons zu machen. Plambeck liess einfache zusammenlegbare Tragen bauen, welche er mittelst Stricken und sogenannten Teufelsklauen , an den Dachrippen

eingreifen liess ,

suspendirte.

Um die

verticalen Stösse zu mildern, ist in der Teufelsklaue eine Spiralfeder eingeschaltet und gegen die horizontalen und longitudinalen Stösse sind zwischen der Trage und der Wand Stahlbiegel angebracht. Damit die Teufelsklaue auch unter den ungünstigsten Verhältnissen nicht auslassen könne, ist als Vorsichtsmassregel

eine Stellschraube an ihr

angebracht. Plambeck braucht also an dem Wagen gar keine Veränderung vorzunehmen, um seine Tragen zu suspendiren, und jeder Last- Waggon kann in der kürzesten Zeit mit 8 Lagerstellen ausgerüstet werden, auf welchen man erfahrungsgemäss ganz ausgezeichnet gut liegt . Dabei bleibt noch Raum für einen Tisch, Stuhl und im Winter für einen Ofen .

Die Mängel eines aus solch improvisirten Waggons zusam-

mengesetzten Zuges sind natürlich sehr gross und bestehen hauptsächlich in der Schwierigkeit der Pflege und Verpflegung, weil diese Waggons keine Intercommunication besitzen. Die Amerikaner zeigten uns den richtigen Weg zur Verbesserung des Kranken-Transportes auf Eisenbahnen, indem sie förmliche Lazareth-Waggons bauten , deren einer im Modell im amerikanischen HofEinbaue ausgestellt war. Dieser Waggon ist für 30 Kranke berechnet, welche er zu beiden Längsseiten in 3 Etagen aufnimmt ; die Betten hängen in Gummiringen , welche in Haken an den Wänden und an in der Mitte eingebauten senkrechten Säulen eingreifen. In der Mitte bleibt ein breiter, freier Gang . An den beiden Stirnseiten sind Cabinen eingebaut für die Küche , den Arzt, die Pfleger und die Aborte. Für die kleinen Bequemlichkeiten der Kranken ist aufs Beste vorgesorgt. Ein solcher Waggon stellte ein förmliches Lazareth dar und wurde dem ersten besten Personenzuge angehängt. Abgesehen von der Anhäufung so vieler. Kranken in einem ver-

hältnissmässig doch sehr kleinen Raum passen derartige Waggons für unsere Verhältnisse nicht und mussten wir daher die amerikanischen Erfahrungen unseren Bedürfnissen anpassen. Was verlangt man von einem bleibenden Sanitäts-Zuge ? Er soll auf möglichst schonende Weise selbst schwerer Verwundete und Kranke tagelang ohne Nachtheil für sie befördern, sie unterwegs ebenso wie im Lazarethe pflegen und verpflegen können. Wie soll ein bleibender Sanitäts - Zug desshalb eingerichtet

sein ?

Ein schonender Transport ist nur möglich auf einem guten Lager 4*

32

Die internationale Ausstellung 1873.

in einem guten Waggon. Ist der Waggon besser, so kann das Lager nothdürftiger sein und umgekehrt. Am zweckmässigsten wären natürlich Personen-Waggons wegen ihrer weicheren Federung ; nachdem diese aber überall in zu kleiner Zahl vorhanden sind, und der Personenverkehr daher sehr eingeschränkt werden müsste, wenn man sie in grösserer Zahl zu Sanitszügen verwenden würde, so muss man sich überall mit Last-Waggons behelfen. Diese sind aber in Bezug auf ihre Federn auf grosse Lasten (meist 200 Centner) berechnet ; wenn sie nun gering belastet werden , so stossen sie ausserordentlich und diess macht sie untauglich zum Verwundeten- Transporte. Man muss daher diesem Uebelstande abhelfen. Bisher geschah diess auf die Weise, dass man im Waggon federnde Vorrichtungen anbrachte, auf welche man die Betten oder Tragen stellte oder hängte. Diess war aber immer mit grossem Zeit- und Geld - Verluste verbunden und machte die ganze Einrichtung sehr complicirt . In neuester Zeit ist es dem Director Rudolph Schmitt der Ludwigshafner Waggon - Fabrik gelungen, durch eine ganz einfache Manipulation aus den steifen Federn des Lastwaggons ganz schmiegsame, nachgiebige zu machen , welche denen eines gewöhnlichen Personen- Waggons an Weichheit gar nichts nachgeben, indem er einfach die ungleichen Blätter aus den Federn herausnahm, eine Arbeit, welche auf jedem Bahnhofe in längstens einer Stunde hergestellt werden kann . Durch diese Erfindung , welche an dem ausgestellten pfälzischen Zuge dargestellt war, ist möglich geworden, die innere Einrichtung sehr einfach zu gestalten .

es

eines Kranken -Waggons

Bezüglich der Lagerung der Verwundeten oder Kranken ist man heute noch nicht einig . Feste Lagerung und Suspension ; diese wieder in mehreren Varianten , eine und mehrere Etagen , Feldtragen und förmliche Betten fanden wir in den ausgestellten Sanitäts-Zügen vertreten . Die feste Lagerung pur et simple, ohne jede federnde Zwischenlage, war im Sanitäts - Zuge der Société de secours aux bléssés militaires angewendet. Hier ruhen die Betten mit ihren Tragenden auf eisernen Stangen, welche von in der Mitte angebrachten senkrechten Säulen zu der Wand laufen . Diese Art der Lagerung bringt ein höchst unangenehmes, rauhes Stossen hervor,

welches für Verwundete sehr

gefährlich sein muss, und um so empfindlicher wird, je näher dem Dache das Bett aufgelegt ist . Die Einrichtung dieser Waggons gestattete die Unterbringung der Betten in 2 oder in 3 Etagen, wobei 2 Etagen als Regel und die 3. als Nothbehelf angegeben wird. Eine 2. Art der festen Lagerung sahen wir in dem baierischen

Lazareth-Zuge, ausgestellt vom königlichen baierischen Generalstabe

53

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen .

gemeinschaftlich mit dem Landes-Hilfs - Vereine. Hier standen förmliche Bettstätten, welche mit Federeinsätzen , guten Matratzen, Polstern und Decken versehen waren, auf einem Gestelle, welches wieder auf 4 Blattfedern ruhte, welche an einem Ende mit einem Schuhe versehen und festgenagelt waren, am und

Bewegung hatten .

andern Ende aber ein Rädchen

(Grund'sche Federn . ) Diese Lagerungsart ist.

eine vorzügliche, denn obwohl man bei schnellem Fahren auch ziemlich grosse Bewegungen macht, so bringen diese nicht das Gefühl des Stossens, sondern des Schaukelns hervor, welches keineswegs unangenehm oder schädlich

ist .

Die Schattenseite dieser Betten besteht in

ihrer Complicirtheit und Kostspieligkeit. Eine 3. und 4. Art der festen Lagerung in 2 Etagen brachten

Lipowski und Wahl mit ihren Waggon- Gestellen zur Auflage von Tragbahren in Sanitätszügen zur Anschauung . Bei ersterem ruhen die Tragen auf einem mit 4 Druckfedern versehenen Gestelle und bieten daher ein sehr

elastisches Lager ; bei letzterem dagegen stehen die Tragen auf einem galgenartigen Gestelle auf Gummiringen. Die Suspension der Lagerstätten war in 4 Varianten vertreten . 2 derselben haben wir bereits als Improvisationen kennen gelernt ; die dritte war im Kranken-Waggon des von der niederschlesisch märkischen Eisenbahngesellschaft ausgestellten kleinen Modelle und die vierte in dem von der Ludwigshafner Waggonfabrik- Actien -Gesellschaft ausgestellten Zuge zu sehen . Die 3. ist die ursprüngliche amerikanische Art, wo die Betten in kurze Gummiringe, welche einerseits in Haken an der Wand, andererseits in solche an eingebauten senkrechten Säulen eingehängt werden. Da sich aber die Gummiringe in der Hitze zu

sehr dehnen und in

der Kälte brüchig werden, so war eine andere Art kurzer Suspension dargestellt, indem statt des Gummiringes ein Lederring angewendet wird, welcher an einer sogenanten Evoluten-Feder hängt.

Diese Art

Suspension ist dort überall sehr zweckmässig anzuwenden, wo man schon nach diesem oder eigentlich für dieses System gebaute Waggons hat, wie diess in Preussen mit den neueren Waggons IV. Classe der Fall ist. Die erprobt gute.

Lagerung

auf

derart suspendirten

Betten ist

eine

Die 4. Art könnte man im Gegensatz zur vorigen die lange Suspension nennen. Sie beruht darauf, dass von einem Puncte der Waggonwand zwei starke Gurten zu den beiden Tragstangen des angewendeten Bettes herablaufen, in welche diese eingehängt werden. Dadurch, dass die äussere Gurte senkrecht, die innere schief herabläuft , wird das Bett an die Waggon- Wand gewissermaassen angedrückt,

54

Die internationale Ausstellung 1873.

und dadurch jede horizontale Schwankung

fast unmöglich gemacht.

Die Waggon-Wand muss im Bereiche der Tragstangen gepolstert sein, um jeden etwaigen Stoss zu mildern , und die longitudinalen Schwankungen zu paralysiren, weil die Reibung, welche zwischen der gepolsterten Wand und dem Bette stattfindet, so gross ist, dass sie durch die möglichen longitudinalen Stösse nicht überwunden wird . Die ohnedem geringen verticalen Stösse werden durch

die elastischen Gurten

grösstentheils aufgefangen. Die Lagerung in derart suspensirten Betten in gut federnden Waggons ist eine entspechend gute . Es scheint diese Methode diejenige zu sein, welche

die meiste Zukunft hat, weil sie in jedem Waggon

mit geringen Mitteln leicht und schnell hergestellt werden kann und ein gutes Lager bietet. Die vorzüglichst gute Lagerung erzielt man durch Einstellen einer Lipowski'schen Universal-Transport- Bett- Schwebe in jeden beliebigen Waggon. Wo es sich um Einzeln -Transporte handelt, dürfte es kaum etwas Besseres geben, zu Massen-Transporten aber scheint diese Schwebe ihrer Complicirtheit und Kostspieligkeit wegen weniger geeignet. Nach den mit diesen verschiedenen Lagerungsarten bereits gemachten Erfahrungen muss

man heute für einen Sanitätszug die

suspendirte Lagerstelle der festen unbedingt vorziehen. Bezüglich der es nach der Schmidt'schen Erfindung ziemlich gleichgiltig, ob man Personen- oder Last -Waggons zum VerwundetenTransporte verwendet. Waggon-Gattung ist

Bezüglich der anzuwendenden Lagerstellen muss in Betracht gezogen werden, ob der Sanitätszug ein improvisirter oder ein bleibender sei . Für improvisirte, welche ja selten weitere Reisen machen, soll man nur die reglementären Feldtragen ohne weitere Ausstattung verwenden können ; für bleibende aber, in welchen sich die Verwundeten oft mehrere Tage und Nächte aufhalten müssen, muss die Lagerstelle eine bessere sein. Wegen der Einheit des Materiales bleibt es aber wünschenswerth, dass man auch in diesen Zügen die Feldtragen anwenden könne, wie denn schon oben bei Betrachtung dieser die Forderung aufgestellt wurde, dass sie auch im Waggon müssen verwendet werden können . In diesem Falle müssen sie mit Matratzen, Kopfpolster und Decken ausgestattet werden .

Unbedingt muss aber

die Lagerstelle so beschaffen sein, dass sie aus dem Waggon herausgenommen, der Kranke darauf gelagert und mit ihr wieder eingeladen . werden könne. In den ausgestellten Sanitäts - Zügen sahen wir die verschiedensten Lagerstellen, von der gewöhnlichen Feldtrage des niederschlesisch-

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

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märkischen und theilweise des französischen Sanitäts -Zuges, zu den den Feldtragen sehr nahestehenden Lagerstellen des pfälzischen, hamburg'schen und französischen, bis zu den höchst luxuriösen Betten des baierischen Zuges.

Wenn die Feldtrage breit und lang genug ist und genügende Festigkeit besitzt, verdienen .

so wird sie als

Lagerstelle

immer den Vorzug

Wenn wir nun in der Aufzählung der Forderungen guten

Kranken- Waggon

weitergehen,

so

müssen wir

für einen vor Allem

genügenden Raum, gute Luft und hinreichendes Licht verlangen. Der Luftraum für jeden Kranken betrage in minimo 3 Cub.Meter. Es wird daher von der Grösse des Waggons abhängen, ob die Kranken in 1 oder 2 Etagen untergebracht werden können . 3 Etagen sind verwerflich, weil der eine Kranke zu tief, der andere zu hoch gelagert werden muss . Zur Erneuerung der Luft seien Ventilations-Vorrichtungen angebracht. Die zweckmässigste Einrichtung sind in dieser Beziehung DachLaternen, deren Fenster sich beliebig öffnen lassen , und verschliessbare Oeffnungen nahe am Boden, welche so angebracht sind, dass sie den tiefer Gelagerten durch Luftzug nicht belästigen können . Sehr wünschenswerth wäre für Kranken -Waggons ein Doppeldach mit dazwischen liegender Luftschichte, um die zu starke Erwärmung des Daches und der oberen Luftschichten des Innen-Raumes zu verhindern, was besonders bei etagenförmiger Lagerung für den zu oberst Gelagerten höchst unangenehm ist.

Die Beleuchtung erfolge nicht bloss von Oben, sondern auch und möglichst ausgiebig von der Seite her, weil es ja jedem Kranken höchst angenehm ist, wenn er sich durch den Ausblick ins Freie zerstreuen. kann. Natürlich müssen alle Luft- und Licht- Einlass- Oeffnungen auch geblendet werden können. Von den ausgestellten Kranken- Waggons entsprach keiner diesen Anforderungen vollkommen. Der amerikanische hatte sehr gute Ventilations-Einrichtungen in seinem durchgehenden Dachreiter mit beliebig zu öffnenden Fenstern und genügendes Seitenlicht ; aber er dem war überfüllt ; dem niederschlesisch - märkischen, baierischen, dem hamburg'schen, pfälzischen, welche in Bezug auf den Raum und das Licht wenig zu wünschen übrig liessen, fehlten zweckmässige Ventilations- Einrichtungen , während wieder der französische gute Ventilation (aber ohne untere Seitenöffnungen) genügenden Raum, aber kein Seitenlicht hatte.

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Die internationale Ausstellung 1873.

Eine weitere wichtige Eigenschaft eines Kranken-Waggons ist seine Zugänglichkeit ; er soll wo möglich an allen 4 Seiten so breite Thüren besitzen, dass man von jeder Seite her die beladenen Lagerstellen bequem

und schnell

dig sind aber breite

einladen könne.

Stirnthüren

wegen der

Unbedingt nothwenunerlässlichen Inter-

communication des ganzen Zuges ; diese bedingen wieder bequeme Perrons und breite Oeffnungen in den Perron - Geländern . Dieser Anforderung ist am besten der französische und pfälzische Zug, am mindesten der Hamburger gerecht geworden, während der amerikanische, niederschlesisch - märkische und baierische., zu welchen Personen-Waggons verwendet wurden , nur Stirnthüren besassen . Beim französischen Zuge waren die Perron - Geländer abnehmbar, was wegen des leichten Verlorengehens gefährlich zu sein scheint. Die Thüren sollen überdies mit Portièren versehen sein, damit die zunächst Gelagerten nicht durch Luftzug zu leiden haben. Ferner ist wichtig, dass in jeden Kranken -Waggon ein Abort eingebaut sei, welcher selbstverständlich ein Water closet enthalten soll . Mit Ausnahme des pfälzischen und Hamburger Zuges , welche sich mit eingestellten Nachtstühlen begnügen - (der pfälzische hat nur am Perron des Zugführer- Waggons einen Abort angebaut) – hatten alle andern Züge, der französische besonders glücklich, diese Aufgabe gelöst. Nur die Frage ist noch als offene zu betrachten, ob es gestattet sei, die Excremente so ohneweiters auf den Bahnkörper fallen zu lassen. Man denke daran, dass Sanitätszüge oft stundenlang in einem Bahnhofe stehen ; es wäre für die Salabrität eines solchen gewiss höchst fatal, wenn eine derartige Verunreinigung desselben stattfinden würde, z. B. durch Typhus- oder Ruhr-Kranke. Dass Kranken - Waggons im Winter müssen geheizt werden können , ist wohl einleuchtend . Wir fanden diesem Bedürfnisse in allen Zügen volle Rechnung getragen, indem in allen mehr

oder

weniger zweckmässige, meist eiserne Oefen mit Chamotte- Fütterung und Mantel, oder Meidinger'sche Regulir- Füllöfen mit an- oder eingehängtem Wassergefäss eingebaut waren . Auch für genügende Nachtbeleuchtung war in allen durch angebrachte Laternen gesorgt.

Die weitere innere Einrichtung soll sich so viel wie möglich dem Kranken-Zimmer nähern. Es dürfen daher ein grösseres Wassergefäss, ein Waschtisch mit den nöthigen Gefässen, ein Raum zur Unterbringung von Verbandzeug,

ein Sessel, Tischchen für die kleinen Bedürfnisse jedes Kranken, Uringläser, Stekbecken etc. nicht fehlen .

Mühlvenzl . Militär-Sanitätswesen.

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Wenn wir die ausgestellten Kranken-Waggons in Bezug auf Kranken gewährten Comfort mit einander vergleichen, so

den den

müssen wir gestehen, dass der baierische in dieser Beziehung der luxuriöseste und der französische der nothdürftigste war. Die französischen Kranken-Waggons hatten die ganz eigenthümliche Einrichtung, dass sie verschienenen Zwecken gemäss verschieden hergerichtet werden können. Es lassen sich nämlich die senkrechten Säulen und die Eisenspangen , welche die Lagerstellen tragen, abnehmen und erstere an das Dach anschrauben, letztere in ein unter den Boden befindliches Magazin unterbingen, dann bisher an den Seitenwänden angeschraubt gewesene Bänke und Tische herabnehmen und einschrauben, so dass aus dem Kranken - Waggon ein Speise - Saal gemacht werden kann. Ebenso kann der Waggon nach Entfernung der Betten und Eisenspangen und Einsetzen von Bänken, welche bisher an den Seitenwänden befestigt waren, für Sitzende hergerichtet werden . ― Ob diese Künsteleien von Vortheil sind, darüber kann wohl erst die Erfahrung entscheiden . Ich möchte glauben, dass das Anhängen eines gewöhnlichen Personen -Waggons mit Intercommunication viel einfacher und zweckdienlicher sei. Der zweit wichtigste Bestandtheil

eines

Sanitätszuges ist der

Küchen- und der Depot-Waggon . Diese beiden müssen so eingerichtet sein, dass sowohl die Kranken, als die Gesunden des Zuges während der ganzen Dauer der Fahrt verpflegt und es soll für die gesammte Kopfzahl auf einmal abgekocht werden können. Die Kochherde Zahl

der

und die Kochgeschirre müssen zu

Befördernden

die

genügende

daher entsprechend der Grösse

besitzen .

Die

Kochkessel und Töpfe sollen so eingerichtet sein, dass ihr Inhalt nicht überfliessen könne, was entweder durch hermetischen Verschluss (wie im französischen Küchen-Waggon) oder durch einen nach oben rund gebogenen, etwe 8 Centimeter breiten Einsatzring, welcher auf kleinen Häkchen lose aufsitzt, (wie in pfälzischen Küchen-Waggon) erreicht wird. Dass ein grosses Wassergefäss, ein Gefäss zum Spülen , ein grosser Anrichtschrank mit Regal für die blechernen Essgeschirre, ein Lattenschrank zur Aufbewahrung der kleineren Essvorräthe , ein Hackstock etc. nicht fehlen dürfe, versteht sich von selbst. Womöglich soll für einen Schlafraum für den Koch vorgesorgt sein. Der Depot-Waggon enthalte die nöthigen sperrbaren Verschläge für die verschiedenen Lebensmittel und das Brenn-Material zu beiden Långsseiten desselben, mit einem Gange in der Mitte, weil auch diese Waggons die Intercommunication gestatten müssen. Alle ausgestellten Küchen- und Depot-Waggons entsprachen diesen Anforderungen in

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Die internationale Ausstellung 1873.

vollem Maasse, besonders reich und zweckmässig waren sie im französischen und baierischen Zuge ausgestattet. Weiter ist ein Magazin-Waggon erforderlich, in welchen die nothwendigen Wäsch- und Bett-Sorten, die Spitals- und ärztlichen Requisiten in verschliessbaren Verschlägen zu beiden Seiten des Waggons

untergebracht

werden

müssen.

Gleichzeitig

soll

dieser

Waggon den Schlaf- und Arbeits-Raum des ökonomischen Verwalters enthalten. Ausgestellt war ein solcher Waggon nur im französischen und baierischen Zuge, in beiden sehr zweckmässig ausgestattet. Im französischen Magazins -Waggon war sogar eine kleine Bibliothek enthalten. Dass sowohl der Depot- als der Magazins -Waggon im Winter heizbar sein müssen, ist selbstverständlich.

Für das ärztliche Personale ist ein eigener Waggon nothwendig, in welchem am besten in den Ecken für jeden eine eigene Cabine eingebaut sein soll . Diese sei, entsprechend der schwierigen Aufgabe der Aerzte, mit gewissen kleinen Bequemlichkeiten für dieselben ausgestattet, enthalte daher neben der Schlafstelle einen Waschtisch, kleinen Schreibtisch, Sessel und Kleiderschrank. Ferner enthalte der Waggon einen Abort und guten Ofen. Die Hand-Apotheke dürfte sich auch am zweckmässigsten in diesem Waggon unterbringen lassen . Derartige Waggons brachten der französische und pfälzische Zug zur Anschauung, abgesehen von dem amerikanischen Lazareths-Waggon , baut ist.

wo die Arzt- Cabine in einer Ecke desselben einge-

Der französische Arzt-Waggon war mit grossem Luxus auf das Bequemste eingerichtet . Es war da für alle Bedürfnisse vorgesorgt. Der Waggon war gut ventilirt und mit Warmwasserheizung versehen, jede Cabine hatte ein grosses Seitenfenster, jeder Waschtisch Kaltund Warmwasserleitung, die Lagerstellen waren gut gepolstert und bei Tage aufzuschlagen, eine gute Lampe mit Rauchabzugsrohr fehlte sowenig, wie eine Uhr mit Baro- und Thermometer und gute Fussteppiche. Nicht so luxurios, aber ganz zweckmässig eingerichtet war der Arzt-Waggon des pfälzischen Zuges. Dieser hatte 2 auf dem Boden stehende Bahrenbetten für 2 Aerzte, in den Ecken darüber 2 kleinere Schränke für Arzneien und Instrumente, in den beiden andern Ecken grössere Schränke für die Effecten . Ferner war darin eine gepolsterte Sitzbank mit Kasten unter dem Sitze für Verbandzeug, die grösseren Schienen etc.; ein grosser Tisch, ein Sessel, mehrere Feldstühle und an den freien Wänden Regale zum Ablegen von Kleinigkeiten.

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

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Der pfälzische Zug enthielt auch einen Zugführer- Waggon, welcher für 3 Comité- Delegirte und einen weiteren Assistenzarzt bestimmt und deshalb mit 4 Bahrenbetten , je 2 übereinander , ausgestattet war; in den andern Ecken standen 4 Schränke für die Effecten ; ferner waren darin zwei gepolsterte Kastensitzbänke für die Vorräthe an feinem Wein und Cigarren, ein grosser Klapptisch als Speisetisch, mehre Feldstühle und Regale. Ob für das Wartpersonale ein eigener Waggon eingerichtet werden solle, ist eine noch unentschiedene Frage. Die Entscheidung wird von der Art dieses Personales abhängen . Freiwillige, besonders weibliche Pfleger werden einen separaten Waggon nothwendig haben ; für militärische Pfleger wird es aber genügen, wenn sie auf einer Matratze auf dem Boden des Waggons schlafen können. - Es war auch kein derartig eingerichteter Waggon ausgestellt. Die Rangirung dieser verschiedenartigen Waggons im Sanitätszuge war wohl nicht ausgestellt, verdient aber kurze Erwähnung. Hinter dem Tender kommen der Magazins- , dann die Hälfte der Kranken- , dann der Arzt-, der Küchen- , der Depot- und zum Schlusse die 2. Hälfte der Kranken-Wagen, wobei darauf zu sehen ist, dass im letzten Wagen nur leichter Verwundete oder Kranke untergebracht werden, weil der letzte Wagen an und für sich schon mehr stösst und überdiess mit der Brems-Vorrichtung versehen sein muss,

welche bei ihrer Wirk-

samkeit wieder stärkere Erschütterungen erzeugt. wendigen Bremsen ,

Die übrigen noth-

seien auf den Magazins-, Küchen- und Depot-

Wagen angebracht. An einem der Kranken-Waggons des französischen Zuges war eine neuartige Brems-Vorrichtung angebracht, welche auf dem Gesetze des Hebels beruht und von J. Heberlein , Bezirks-Maschinenmeister bei der General -Direction der königlich-baierischen Verkehrsanstalten, erfunden und an diesem Waggon angebracht wurde. Diese Bremse wirkt augenblicklich und ist auch die Vorrichtung leicht anzubringen , dass der Locomotivführer im Nothfalle selbst bremsen kann .

Mit Ausnahme der beim französischen Zuge angewendet gewesenen fixen Lagerungsart der Krankenbetten waren alle anderen ausgestellten im letzten deutsch- französischen Kriege in ausgedehntester Anwendung und sind nach den in der Literatur darüber bekannt gewordenen Erfahrungen alle unter bestimmten Verhältnissen gleich . vorzüglich. Nachdem mir Gelegenheit geboten war, der während des Tagens der internationalen Privatconferenz zur Beurtheilung des ausgestellt

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Die internationale Ausstellung 1873.

gewesenen Sanitätsmateriales angestellten Probefahrt mit diesen Sanitätszügen beizuwohnen, so glaube ich nach meinen subjectiven Empfindungen in Bezug auf die gute Lage folgende Reihenfolge der verschiedenen Lagerungsarten angeben zu sollen, wobei die erste die beste : 1. Die Lage auf der Universal - Transportschwebe von Lipowski ; 2. die auf dem baierischen Bette ; 3. die auf der Trage im Hamburger Zuge ; 4. die auf der Trage im pflälzischen Zuge ; 5. die auf der Feldtrage, und 6. die auf der fixen Trage des französischen Zuges. Hiebei muss dass ich diese 6 verschiedenen Lagerungsarten unter gleichen Verhältnissen bei der Hinausfahrt probirte, wo absichtlich durch den Locomotivführer alle möglichen Fehler begangen wurden

ich erwähnen ,

und zeitweilig mit Eilzugs- Schnelligkeit gefahren wurde.

Wenn wir nun nach Betrachtung

der ausgestellt gewesenen Kranken-Transportmittel Rückschau halten und dieselben mit den in unserer Armee eingeführten vergleichen, so finden wir, dass wir bezüglich der Feldtragbahre einen Vergleich mit den andern CulturStaaten nicht zu scheuen haben, denn wenn unsere auch weniger elegant und etwas schwerer, als manche der ausgestellten ist, so ersetzt sie das reichlich durch ihre Einfachheit und Solidität. Bezüglich der Blessirten-Wagen, deren wir gegenwärtig 4 Gattungen besitzen, kann ich leider nicht dasselbe sagen , weil sie, abgesehen von allen andern Mängeln, dem heut zu Tage als absolut nothwendig hingestellten Princip der Einheit der Tragbahren nicht entsprechen, indem die ältern 2 Gattungen gar keine,

die neueren 2 wohl herabnehmbare Tragen, aber keine solchen, welche als Feldtragen verwendet werden könnten, besitzen , eine Umlagerung der Verwundeten, welche für diese ebenso schmerzhaft, wie gefährlich ist, daher nicht umgangen werden kann . Es lassen sich aber alle 4 Gattungen unserer Blessirten-Wagen nach dem Principe der einheitlichen Trage leicht umgestalten und auch sonst wesentlich verbessern, wie meine 2 ausgestellt gewesenen Umstaltungsprojecte und ein 3. im hiesigen Garnisons - Spitale Nr. 1 befindliches beweisen. Beim 1. Projecte, welches das einfachste, billigste, aber auch wenigst zweckmässige ist, können nur 2 Feldtragen, beim 2., welches eine sehr gute Federung und festes Dach erhielt, können 4 Feldtragen in 2 Etagen und fixer Stellung, und beim 3. , welches dieselbe Federung und festes Dach wie das 2. erhielt, können 4 Feldtragen in 2 Etagen und suspendirter Stellung verladen werden, ohne dass der Wagen wesentlich höher oder schwerer wurde. Alle 3 Pro-

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen .

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jecte gestatten auch die leichte und schnelle Herrichtung für Sitzende , wo dann normal 8 und im Nothfalle 12 Mann sitzen können. Aber auch dann , wenn die Wagen für Liegende hergerichtet sind , können neben diesen immer 3 Leichtverwundete und der Train- Soldat sitzen. Ob die fixe oder die suspendirte Lagerung den Vorzug verdiene, können erst ausgedehnte Fahrversuche lehren . Eine allgemeine Umstaltung wäre schon wegen der zu erreichenden Gleichheit unseres Wagenmateriales höchst wünschenswerth und würde nicht sehr kostspielig sein, weil sich die wegfallenden Theile wieder anderweitig verwerthen lassen . Einer gründlichen Reform bedarf auch unser Verpackungs - System der für die Feld - Sanitäts - Anstalten nothwendigen Requisiten. In dieser Richtung stehen wir hinter den andern Staaten weit zurück. Wie zweckmässig verpackt z. B. Preussen, Russland seine ärztlichen Requisiten ! Bei uns wird laut Vorschrift sehr vieles mit „ Papier umwickelt" oder „ mit Stroh umhüllt" in eine Kiste mit den heterogensten Gegenständen verpackt. So finden wir z. B. in einer und derselben. Kiste, welche bis in die jüngste Zeit nicht einmal eine Scheidewand hatte, neben verschiedenen Victualien in Säcken zwei Laternen, Leuchter, Kerzen und eine Oehlkanne mit dem bekannten schlechten Verschlusse ! Wie primitiv ist nicht die Verpackung unserer Feld - Apotheken ! Bei richtiger Ausnützung des Raumes könnte man / der Kisten -Zahl ersparen und der ein- oder auspackende Apotheken- Beamte könnte in der halben Zeit dieselbe Arbeit leisten, wie jetzt in der doppelten. Bei den Feld -Apotheken ist eine neue Pack-Vorschrift um so dringender, als die jetzt angewendeten Kisten auf die neuartigen Armee-Rüstwagen, welche ja in Zukunft die einzigen Wagen der Armee sein sollen, nicht passen , daher jedenfalls geändert werden müssen. Möge das russische oder preussische Beispiel nachgeahmt werden ! Ueber die Zweckmässigkeit des neuartigen Armee - Deckel- und Rüstwagens vom Jahre 1867 zu urtheilen, steht mir natürlich nicht zu und will ich hier nur die Thatsache constatiren, dass die in dieser Richtung entscheidende Abtheilung des Reichs -Kriegs - Ministeriums die für die Fuhrwerke der Feld - Sanitäts - Anstalten von ärztlicher Seite gewünschten, natürlich wohl begründeten Aenderungen stets mit grösster Bereitwilligkeit annahm und durchführen liess, wodurch in der letzten Zeit schon manche Verbesserung zu Stande kam. Bezüglich des Kranken -Transportes auf Eisenbahnen stehen wir hinter den deutschen, heutzutage den besten der existirenden Einrichtungen sehr, sehr weit zurück . Während in Deutschland bereits seit sechs Jahren die verschiedenen Eisenbahn - Verwaltungen ver-

Die internationale Ausstellung 1873.

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pflichtet sind, einen aliquoten Theil ihres Personen-Waggons - Parks vierter Classe nach einem vom Staate aufgestellten die rasche Umwandlung in Kranken-Waggons zulassendem Modelle zu bauen , anderseits die Zahl der aufzustellenden Sanitäts-Züge und ihre vollständige Einrichtung längst normirt und in der Ordre de bataille aufgenommen ist, sind wir kaum über das Anfangs - Stadium dieser wichtigen Arbeit hinaus . Eine, in einem dunklen Winkel des Sanitätspavillon angeklebt gewesene Zeichnung ohne nähere Angaben sollte dem Publikum wohl lehren, dass auch bei uns an Sanitäts-Züge gedacht werde ; und wer sich Mühe nahm, diese Zeichnung zu studieren , konnte allerdings entnehmen, dass

dieses Project eines Kranken - Waggons nicht

zu den

schlechtesten gehöre, denn es zeigte, dass man gesonnen sei, in einen der alten Personen - Wagen dritter Classe

der

Staatsbahn ,

welche

Intercommunication besitzen, als erste Etage die vorräthigen Eisenbahntragbetten, welche dazu ganz vorzüglich geeignet sind , einzustellen und darüber in zweiter Etage die Feldtragbahre, nach Württemberg'schem Muster zu suspendiren und nebstdem den Waggon , den Anforderungen der neuesten Zeit entsprechend, zweckmässig einzurichten . Von dieser Zeichnung bis zur wirklichen Aufstellung von so und so viel Sanitäts -Zügen , welche den und den Armee-Corps zugetheilt sind, ist aber noch ein sehr weiter Weg, welchen wir, um hinter unsern Nachbar- Staaten nicht allzuweit zurückzubleiben, sehr rasch, ich möchte sagen, mit Dampfkraft zurücklegen sollten. Aus dem Gesagten erhellt, dass die Ausrüstung unserer FeldSanitäts -Anstalten noch als keine abgeschlossene , vollendete betrachtet werden könne, sondern in vielen Richtungen noch verbesserungsfähig respective bedürftig sei. Von den Mängeln der Organisation , wie sie mir als solche erscheinen, will ich nichts erwähnen , weil ich recht gut einsehe, dass da eine Abhilfe schwerer möglich und dies auf anderem Wege als durch öffentliche Besprechungen anzubahnen ist. Als Anhang zur zweiten Gruppe will ich einen Gegenstand kurz berühren, welcher gewissermaassen das Verbindungsglied zwischen ihr und der dritten ist, weil er sowohl auf dem Verbandplatze,

als im

Feldspitale Anwendung findet, nämlich den Feld - Operationstisch. Dass dieser einfach, solid und so construirt sein müsse, dass er leicht zusammenleg- und aufstellbar und wenn aufgestellt, feststehend sei und für jede mögliche Körperstellung des darauf Gelagerten müsse richtet werden können , ist wohl Jedermann einleuchtend . und schwer darf er natürlich auch nicht sein.

ge-

Kostspielig

Von reglementären Feld - Operationstischen war nur der preussische und

russische ausgestellt . Während der

erstere den obigen

Mühlvenzl. Militär- Sanitätswesen .

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Bedingungen so ziemlich gerecht wird , entfernt sich der Letztere wesentlich davon, weil er wegen der vielen Gelenke sehr complicirt. gebrechlich und theuer ist. (Er kostet 120 Rubel .) Der deutsche Ritterorden stellte als Operationstisch eine dahin modificirte Mundy'sche gegliederte Trage aus, dass diese doppelt gebrochen und in jeder Stellung durch einfache Gelenke erhalten werden kann . Wenn sie daher auf einem Bockgestelle angebracht wird, kann sie ganz gut als Operationstisch verwendet werden und würde dies in noch höherem Grade der Fall sein, wenn sie um einige Zolle breiter wäre.

Mein eisernes Triclinum mobile lässt sich,

auf ein Bockge-

stelle oder auf eine Bank festgeschnallt, auch als Operationstisch verwenden, welcher noch den Vortheil böte, dass der Verwundete weder vor noch nach der Operation gehoben zu werden brauchte , weil er gleich darauf liegen bleiben und damit transportirt werden könnte . Der von Windler ausgestellt gewesene, in Lipowski's Catalog vom Jahre 1870 bereits als von diesem angegeben enthaltene , Operationstisch ist für's Feld unbrauchbar, weil er nicht zerlegbar, zu complicirt und gebrechlich ist. Unser Feld -Operationstisch ist

die Einfachheit

selbst ;

er ist

nichts anderes als ein gewöhnlicher Kasern -Kreuztisch, dessen Blatt zusammenschlagbar und der mit einer notenpultartig stellbaren Kopflehne versehen ist.

III. Spitals-Bedürfnisse.

Das erste Bedürfniss für ein Spital ist jedenfalls der Raum, wo es etablirt werden soll . Dieser ist entweder ein gemauertes oder hölzernes , bleibendes Gebäude, z. B. Friedensspitäler, Kasernen , Kirchen , Bahnhofs-Magazine, Schupfen etc. , oder ein eigens zu diesem Zwecke aufgeführtes hölzernes, sind oder ein Zelt.

welches wir „ Barake"

zu nennen gewohnt

Die erste Reihe von Spitals-Gebäulichkeiten war leider im Sanitäts-Pavillon gar nicht und im Industrie-Palaste und seinen Annexen nur in wenigen schwer zugänglichen Plänen einiger in der neuesten Zeit ausgeführten Spitäler vertreten . Baraken und Zelte waren sowohl im Sanitäts -Pavillon als im Industrie-Palaste zu sehen. Die Anforderungen , sind

ganz

dieselben ,

grund, gutes

welche man an eine gute Barake stellt,

wie

für

jede

Spitals - Anlage .

und genügendes Wasser,

zweckmässige

Guter BauCanalisation ,

64

Die internationale Ausstellung 1873.

richtige Stellung gegen die Weltgegend , genügender Luftraum für jeden Kranken , freier Luftzutritt,

leichte Erwärmung im Winter,

zweckmässige Ventilations -Einrichtungen , gute Aborte und Bäder und entsprechende Administrations-Räume, inclusive Küche und Apotheke wird man bei Aufstellung einer Barake so wenig ausser Acht lassen dürfen, als ein gutes Bett und die übrigen Bedürfnisse eines Krankenzimmers .

Als Ideal einer Holzbarake kann wohl die von Jacobi

ausge-

stellt gewesene gelten . Sie wurde nach eigenen Ideen Ihrer königl . Hoheit der Kronprinzessin von Preussen und des deutschen Reiches in Homburg v. d . H. erbaut. Der Holzbau ruht auf einem gemauerten , mehrere Fuss hohen Unterbaue, in welchem eine HeizKammer etablirt ist, welche die reine, äussere Luft durch einen weiten. Schlauch empfängt, erwärmt und in hölzernen Canälen den einzelnen Räumlichkeiten der Barake zuführt. Die Wände derselben sind bis zur Fensterbrüstung doppelt,

von da an bis unter das Dach einfach .

Sowohl die zahlreichen Fenster, als die Füllung zwischen je zweien derselben, und über denselben können geöffnet werden ; ausserdem sind noch nahe dem Boden ins Freie führende Canäle angebracht, welche innen durch ein Stellbrett zu schliessen

sind

und das Dach

nat einen durchgehenden Dachreiter, dessen Seitenwände beliebig geöffnet werden können . Wenn alle diese Oeffnungen unverschlossen sind, so ist die ganze Barake so viel wie ohne Wand ; eine ausgiebigere Ventilation ist nicht zu denken . Am Stirnende der Barake ist eine kleine Veranda angebracht , zu welcher die Treppe emporführt. Der Innenraum hat an beiden Enden Einbauten und zwar am Stirnende rechts vom Mittelgange die Küche und den Abort, welcher ein in den Rauchfang der CentralHeizung führendes Dunstrohr besitzt und links ein Magazin für Geschirr etc.; am andern Ende ist auf einer Seite ein Pfleger-Zimmer und auf der andern das Wäsche- etc. Magazin. Der für die Kranken bestimmte Mittelraum ist gross, hoch und mit all den kleinen Bedürfnissen eines Krankenzimmers sehr reichlich ausgestattet. Jeder Besucher des Pavillons, und deren Zahl ging in die Hunderttausende, blieb betrachtend vor dieser Musterbarake stehen und gewiss mochten viele von ihnen denken, ja wenn nur dieses hochherzige Beispiel der hohen Frau im nächsten Kriege recht viele Nachahmer fände ! Im Mittelsaale des Pavillons befand sich ein von Dr. M. W. C. Gori aus Amsterdam ausgestelltes Modell einer zerlegbaren und transportablen Holzbarake für 12 Kranke, welche in ihren Dimensionen , Einrichtungen zur Beheizung, Ventilation, Beleuchtung etc. ganz vor-

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

65

züglich war, und für jene Länder, wo Holz- oder Arbeiter - Mangel herrscht, daher an Ort und Stelle keine Baraken hergestellt werden können, sehr empfohlen werden kann . Im amerikanischen Hofe befand sich eine von Evans ausgestellte

sehr einfache Holzbarake, welche gar keine andern Einbauten hatte, als zwei Kamine an den Breitseiten . Solche Baraken wären selbst im Urwalde herzustellen. Ferner befand sich ebendaselbst von demselben Aussteller das Modell of General Hospital at Chestnat Hil Philadelphia und

das

des U. S. Army- General- Hospital at West-Philadelphia , sowie das im ersteren Spitale in Verwendung gestandene Wachzelt in etwas grösserem Maasstabe als die ersteren Modelle, und ein kleines Modell eines Pavillon mit

Shulers

System der Ventilation .

Alle diese Modelle,

welche im letzten amerikanischen Kriege im Grossen ausgeführt und lange Zeit im Betriebe waren, sind aus vielfältigen Werken bekannt und bis heute noch immer mustergiltig . Gar viele Nachahmungen fielen weniger glücklich als ihre Vorbilder aus ! Ein Mittelding

zwischen Barake und Zelt stellte

das Zelt von

Lichine aus St. Petersburg dar . Es bestand aus einem zusammenlegbaren Eisengerippe, welches gestattet, dass das Zelt beliebig verlängert oder in Kreuzform angelegt werde, und einer darüber zu legenden zusammenrollbaren , aus dünnen Holzplatten mattenartig erzeugten Decke.

Das ganze Zelt nimmt daher zusammengelegt verhältniss-

mässig

sehr

wenig Raum

ein

und

soll gegen die Unbilden der

Witterung einen weit besseren Schutz gewähren, als die gewöhnlichen Zelte, dabei ist der Innenraum ganz frei , hoch und luftig. Unter den Hospital -Zelten ragte das in kleinem Modelle im amerikanischen Hofe ausgestellt gewesene von Evans hervor, welches im letzten deutsch-französischen Kriege vor Paris in der amerikanischen Ambulance erfolgreich verwendet wurde. Das eigentliche Zelt bildete ein längliches Viereck, welches auf einem erhöhten, gemauerten Unterbaue ruhte, in welchem die Centralheizung und der Ventilations -Apparat untergebracht waren ; es hatte doppeltes Dach mit Ventilationsöffnungen im untern Blatte ; die zwei Reihen Spannstricke waren an einem rings herum laufenden Balken -Gerüste festgemacht. Neben dem Eingange waren zwei kleinere Cabinen abgetheilt, eine für das Wärter-Personal und die

andere als Waschraum und Abort.

Derartige Zelte

wären

wohl bis spät in den Herbst hinein benützbar ; wenn man aber die Kosten ihres Aufbaues berechnet, so dürfte eine Holz -Barake, welche den ganzen Winter über benützbar bleibt, unbedingt den Vorzug verdienen. 5 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII . Band, 1874.

Die internationale Ausstellung 1873.

66 Gleich

daneben

stand

das

Modell

eines

Officiers - Zeltes

mit

Doppeldach und Ventilationsöffnung im untern Blatte und Spannstricken an beiden Blättern , welche auf die gewöhnliche Art an eingeschlagenen Pflöcken befestigt waren. Ein ganz gleiches Zelt - Modell , bestimmt für drei Officiere , stand im russischen Hofe, nur hatte dies keine Ventilationsöffnung und die Seitenwände mit Tuch gefüttert, so dass sie bei rauhem Wetter bessern Schutz gewähren. Diese Zeltform ist eine sehr gute , denn das Doppeldach gewährt den besten Schutz gegen Hitze , Kälte und Nässe ; das untere Blatt muss aber unbedingt Ventilationsöffnungen haben, weil sonst für Lufterneuerung nicht vorgesorgt wäre, was ja gerade beim Zelte mit seinem engen Raume so dringend nothwendig ist. Das von Bodewig ausgestellt gewesene Marquisen - Zelt, welches in der preussischen Armee eingeführt und im Jahre 1870 gebraucht worden sein

soll,

besass

ebenfalls Doppeldach,

dessen zwei Blätter

aber nur durch eine Strickreihe gespannt waren , daher beide an ihren untern Rändern aufeinanderlagen und die Luft nicht frei durchstreichen liessen ; die senkrechte Wand war an das untere Blatt des Daches mit Riemen festgeschnallt. Diese Umhüllung war aus sehr guter Zeltleinwand und über ein eisernes , leicht aufstellbares Gestelle gespannt, welches in der Mitte des Dachfirstes eine eiserne Fensterrahme trug, deren Glasfenster beliebig geöffnet, daher sowohl zur Beleuchtung als zur Ventilation benutzt werden konnten . Obwohl dieses Fenster dem Zelte recht angenehme Eigenschaften verleiht, so bildet es doch die schwächste Seite desselben, denn an dem eisernen Rahmen kann die Leinwand nicht dauernd festgemacht werden. Es waren auch alle Augenblicke Reparaturen an diesem Fenster nothwendig . Der Innenraum des Zeltes war gedielt und durch einen Vorhang in einen

schmalen Vorraum

und in das eigentliche Zelt getrennt, welches bequem sechs Betten in zwei Reihen aufnehmen konnte, wobei noch ein hinreichend breiter Mittelraum erübrigte. Recht zweckmässig schien mir das Operations- Zelt von Couette, weil sein Innenraum ganz frei und für Beleuchtung und Ventilation so gut vorgesorgt war ; es war viereckig , hatte ein pyramidenförmiges Dach mit vier Oeffnungen, welche bei schlechtem Wetter leicht geschlossen werden konnten ; auch die vier Seitenwände hatten je ein mit einem Vorhange schliessbares Fenster.

Das Gestänge war

aus

eisenbeschlagenem Holze und zusammenlegbar ; die Seitenwände waren in Ringen eingehängt und konnten daher leicht entfernt werden . Zusammengeschlagen bildete das complete Zelt einen ganz kleinen Pack.

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

67

Das ausgestellt gewesene Arzt-Zelt Couette's war ein eben solches Zelt und hatte als Einrichtung

ein Feldbett,

einen Feldsessel und

einen Feldtisch, welcher aus der Kiste gebildet werden kann , in welche die ersteren beiden Gegenstände verpackt werden . Es wäre zu wünschen, dass den Feldärzten das Mitnehmen einer solchen Kiste gestattet würde. Ein ganz ausgezeichnetes Krankenzelt ist das schon länger bekannte, im englischen Hofe ausgestellt gewesene Edgington'sche, weil es das einfachste und den meisten Raum bietende ist . Es besteht nur aus zwei senkrecht stehenden Stangen und der Leinwand ; es hat Doppeldach und Ventilations -Oeffnungen und fasst 10-12 Betten . Es hat trotz seiner so einfachen Construction den zwei während der Ausstellungszeit geherrschten Stürmen wacker Stand gehalten und ist auch anderwärts schon vielfach erprobt und eingeführt. Wenn man den Verwundeten oder Kranken nach mancher bösen Transport- Stunde endlich unter Dach gebracht hat, so ist ihm noch nicht genügend geholfen ; er verlangt von uns auch eine gute Liegerstätte, auf welcher er seine Heilung abwarten kann. Empfehlenswerthe Feldspitals -Betten, welche den überall eingeführten gewöhnlichen Bettstellen mit Strohsack, Leintüchern und Decken vorzuziehen wären, waren leider keine zu sehen , denn die wenigen ausgestellt gewesenen, zerlegbaren englischen eisernen Betten waren so plump, schwerfällig und mangelhaft construirt, dass man sie keinen Fortschritt im Bettenwesen nennen könnte ; und die zusammenlegbaren von Couette und Windler waren wieder zu complicirt, theuer und schwer zu erzeugen, als dass man sie empfehlen könnte. Es scheint daher,

dass wir uns in den Feldspitälern noch lange mit den bishe-

rigen mangelhaften Betten werden behelfen müssen . Ein completes solches Bett hatte der österreichische patriotische Hilfs- Verein ausgestellt, welcher in seinen Magazinen 100 derlei Betten besitzt , die er jeden Augenblick aufschlagen kann . Um so erfreulicher ist aber der unleugbare Fortschritt in den Vorschlägen zu besseren Betten für Friedensspitäler. Von solchen war eine ganze Collection in der Ausstellung zu sehen. Das amerikanische Lattenbett war in zwei Modificationen ausgestellt ; in der englischen Abtheilung sah man Betten mit gespannten Stahlbändern und solche mit mechanischem Kettenboden, in der österreichischen und deutschen Abtheilung solche mit Drahtspiral-Geflecht. Die letztgenannten sind heute zweifellos die besten, besonders in der Weise, wie sie jetzt von Mietzky und Sieber und von Steiner erzeugt Sie allein bieten ein ebenes, vollkommen elastisches Lager, 5*

werden.

Die internationale Ausstellung 1873 .

68

welches nur einer dünnen Ueberlage bedarf,

um ein tadelloses Kran-

kenbett darzustellen . Ihre Erzeuger bieten eine 10jährige Garantie der Dauerhaftigkeit an und dieser Umstand verdient die ernsteste Berücksichtigung, weil eine einfache Berechnung lehrt, dass ihre Einführung auch grosse ökonomische Vortheile bietet. Militär-Unterintendant Poppovits weist im offiziellen Weltausstellungs-Berichte nach, dass bei Benützung der Draht-Matratzen , wodurch natürlich der Strohsack entfällt, per Bett und Jahr 3 fl . 3 kr. erspart würden . Wenn ich nun die Berechnung Poppovits auch nicht für ganz richtig halten kann, weil er auf die stärkere Abnützung der Unterlagsdecken oder SeegrasMatratzen, wie er vorschlägt , keine Rücksicht nimmt, so bin ich doch der Ueberzeugung,

dass sich auch in unsern Militär - Spitälern dieselben günstigen ökonomischen Resultate müssen erzielen lassen, wie sie de facto im allgemeinen Krankenhause zu Wien und in den preussischen Militär-Lazarethen resultiren . Ein derartiges Bett mit Drahtgeflecht- Matratze und Kopfpolster, bedeckt mit einer dünnen SeegrasMatratze ist seit 2 Jahren im hiesigen Garnisonsspitale Nr. 1 in ununterbrochenem Belage. Das Drahtgeflecht ist vollkommen intact, aber auch die Seegras - Matratze ist noch weiterhin benützbar. Wenn man bedenkt, welche Schmutz- Quelle der jetzige Strohsack ist , wie schlecht man darauf liegt und wie kostspielig er sich nach der Berechnung Poppovits herausstellt, so muss man sich billig wundern, wie 1 sich noch immer Stimmen für seine Beibehaltung erheben können .

Die sanitären Vortheile des leicht zu reinigenden,

überall der

Luft Zutritt gewährenden Drahtgeflechtes will ich gar nicht erwähnen . Ich glaube, Poppovits braucht nicht zu fürchten, dass vom ärztlichen Standpuncte Einwendungen dagegen gemacht würden ; so viel ich weiss, fürchteten sich die Aerzte vor dem Drahtgeflechte, weil es ihnen als zu kostspielig geschildert wurde. Wenn sich diese Furcht nach der Berechnung Poppovits nun als eitel herausstellt, so sollten also wohl Militär-Aerzte und Intendanten mit vereinten Kräften die Einführung dieses so nützlichen und wohlthätigen Bettes anstreben. Es würde dadurch auch eine bedeutende Vereinfachung unseres Betten-Wesens möglich, weil auch die Rosshaar-Matratzen entfallen könnten . Eine oder zwei Unterlagsdecken oder eine dünne Seegras-Matratze genügen vollkommen als Ueberlage, wie sich Jedermann im hiesigen Gebärhause überzeugen kann. Steiner hatte auch ein zusammenklappbares derartiges Bett ausgestellt, welches als Krankenstuhl , Fauteuil oder Balzak zu gebrauchen war und für Reconvalescenten sehr brauchbar schien. Sein Spitalsbett

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen .

69

für die chirurgischen Abtheilungen des allgemeinen Krankenhauses nach dem Vorschlage von Billroth war auch mit einem Kranken -Heber in Verbindung und zeigte, dass man daran eine von ihm erfundene Rollvorrichtung zur permanenten Extension leicht befestigen könne. An klinischen Betten für besondere Zwecke war das Simon'sche Lagerungsbett

für

Verwundete

mit

Oberschenkelbrüchen

und

das

Lipowski'sche gegliederte Lagerbett, welches eine wesentliche Verbesserung des Simon'schen Bettes ist,

ausgestellt. Ob

das

Zülzer'sche

Typhus- Bett, welches eine S - förmig gekrümmte, mit einer Matratze belegte Trage darstellt, hieher oder anders wohin einzureihen sei, weiss ich wahrhaftig nicht, so wie ich nicht einsehe, warum es gerade Typhus-Bett heisst. Von anderen Spitals - Einrichtungsstücken war leider nichts vorhanden, wohl aber einige Spitals- und ärztliche Requisiten.

Von er-

steren fielen mir sehr angenehm die Eingeb- Gefässe von Porzellan auf, welche in dieser Form bei uns ganz unbekannt sind. Die ausgestellt gewesenen Stekbecken , Uringläser, Spuckschalen etc. weichen von den bei uns gebräuchlichen nur unwesentlich ab. Von ärztlichen Requisiten waren zahlreich vertreten.

die künstlichen Glieder recht

Fast alle Aussteller, wie Collin & Comp., Geffer,

Hammer, Schlecht und Werber brachten nur die längst bekannten künstlichen Glieder mit mechanischen Gelenken, welche bekanntlich so schnell dem Verderben unterliegen, dass sie von ihren Eigenthümern in der Regel sehr bald verworfen werden, nur Leiter zeigte mit seinen es ist Gummifüssen etwas Neues, zwar nicht selbst Erfundenes amerikanischen Ursprunges ― aber von ihm zuerst bei uns Eingeführtes .

Er stellte nicht bloss einen derartigen Fuss , sondern auch ein lebendes Beispiel aus , indem er einen Knaben , welcher an einem Fusse nach Pirogoff, und am andern im untern Drittel amputirt und nun mit Gummifüssen versehen ist, als Aufwärter im Sanitäts -Pavillon fungiren liess . Dieser Knabe geht so sicher, trägt Sessel und andere Lasten so leicht einher, dass Niemand glauben wird , dass er an beiden untern Gliedmassen amputirt ist. Diese Füsse bieten nämlich den grossen Vortheil , dass sie, weil aus einem Stücke Weichkautschuck verfertigt , gar kein Gelenk haben , daher nicht verdorben werden können , und doch alle Bewegungen zulassen , auch der Schaft ganz genau dem Stumpfe angepasst werden , daher nie drücken kann . Dabei sind diese Füsse sehr leicht und dauerhaft . Ferner wären hier zu erwähnen die verschiedenen , zu ärztlichen Zwecken dienenden Gegenstände aus Kautschuk, dann Waldek,

wie sie Reithofer,

Wagner und Benda in reicher Auswahl

ausgestellt

70

Die internationale Ausstellung 1873 .

hatten. Alle aus diesem Material heute verfertigten Gegenstände aufzuzählen, ist nicht mehr thunlich und doch werden immer noch neue Anwendungsarten erfunden ; ein Beweis, wie verwendbar zu ärztlichen Zwecken das Kautschuk ist. Die Windler'schen gepolsterten Drahtschienen, sowie seine verschiedenen Badewannen sind für Friedens - Spitäler recht zweckmässig, aber ins Feld können sie ihres Volumens wegen nnr schwer mitgenommen werden. Ein Gegenstand war von einem französischen Aussteller im Pavillon , der wohl nicht eigentlich zu den Spitals -Requisiten gehört, sondern den Spitals-Bautechniker besonders interessiren sollte , weil er nur bei Erbauung von Spitals -Baraken, welche auch im Winter belegt bleiben sollen, von sehr grossem Nutzen zu sein scheint . Es waren dies einige ganz unscheinbare Platten, die sich bei näherer Untersuchung als ein doppeltes Latten - Gitter darstellten , welches auf beiden äusseren Seiten mit einer Schichte mit Kuhhaaren vermischten Lehmes bestrichen, geglättet und dann theils mit Malerfarbe, theils mit Papiertapeten überzogen war. Es scheint mir die Herstellung von Barakenwänden auf diese Weise sehr billig und zweckmässig, weil solche Wände in Folge der zwischen ihnen liegenden ruhigen Luftschichte im Sommer die Hitze und im Winter die Kälte am besten abhalten ; zudem muss ihre Herstellung sehr billig sein . Ich möchte die Aufmerksamkeit der Herren Bautechniker auf diesen Gegenstand lenken , weil ich ihn bisher in den diessbezüglichen Werken nirgends erwähnt gefunden habe.

Die ausgestellt gewesenen Petroleum-Kochapparate von HeinsenHuch, die Wasser-Filtrir-Apparate von Klein , die Kohlen -FiltrirApparate von Lorenz und Vette, die transportablen Röhrenbrunnen von Seeligmann (System Northon ) , die Waschmaschinen von Schimmel & Comp ., sowie die glasirten Thonröhren zu Canalisirungen etc. von Doulton & Comp . sind einerseits schon längst bekannte Gegenstände und schlagen anderseits in andere Fächer, als in das rein ärztliche, daher ich sie nur kurz erwähne. Zum Schlusse dieser Abtheilung wären noch die comprimirten Gemüse und Conserven von Masson zu erwähnen . Es waren theils Gemüse, theils Arzneikräuter, theils Reis- und Graupen-Conserven ausgestellt, welche ganz freiliegend die vier Monate ihrer Ausstellungszeit gut überdauerten. Den Ameisen und anderen Insecten konnten sie natürlich nicht widerstehen, aber sonst conservirten sie sich ganz vortrefflich .

Mühlvenzl. Militär-Sanitätswesen.

71

IV. Wissenschaftliche Publicatione n. Die ausgestellt gewesene, aus dem Privat-Eigenthume der Herren Billroth, Mundy und Wittelshöfer bestandene Bibliothek enthielt die gediegendsten Werke über Militär- Gesundheits -Pflege, Kriegs -Chirurgie, Kranken-Transport, Spitalsbau, Hospitalkrankheiten etc .; ferner hatten viele Hilfs-Vereine, wie der österreichisch -patriotische, der badische, bairische, Karlsruher Männer- Hilfs -Verein , das Comité international à Genève, die Société de secours de Paris , der deutsche Verein zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger ihre seit ihrem Bestehen erschienenen Publicationen ausgestellt ; ferner lagen vom russischen und spanischen Kriegs - Ministerium die Abbildungen und Beschreibungen ihres gesammten Sanitäts-Materiales auf. Besonders instructiv waren das Organisations -Tableau des freiwilligen Hilfs-Vereins in Bayern und das von demselben ausgestellt gewesene Tableau mit den Vereins- Statuten . Als eines der hervorragendsten wissenschaftlichen AusstellungsObjecte muss Billroth's Sammlung, die Geschichte des Pfeil- und Kugelziehens darstellend , betrachtet werden. Sehr lehrreich waren ferner dessen Beispiele von Projectilwirkungen des Chassepot- und ZündnadelGewehres auf Knochen aus dem Kriege 1870-71 ,

sowie Neudörfer's

chirurgische Präparate und Abbildungen, Berghammer's Ersatzstücke für zerstörte Kiefertheile und Beigel's Projectile und Projectil - Stücke aus dem Kriege 1870-71 . Wenn wir die wissenschaftliche Ausbeute des letzten Krieges , so lückenhaft sie auch vertreten war, betrachten, so müssen wir gestehen, dass das Streben der Aerzte aller Nationen unausgesetzt dahin gerichtet ist, durch unermüdete Arbeit ihrerseits die traurigen Folgen der so schrecklichen heutigen Zerstörungsmittel nach Möglichkeit gutzumachen. Mit dem Wunsche, dass eine nächste Weltausstellung einen vollständiger eingerichteten Sanitäts -Pavillon zur Anschauung bringen möge, beende ich meinen Bericht über den Sanitäts - Pavillon von 1873 ¹). 1) Der Berichterstatter fügt seinem Berichte die Bemerkung bei, dass er es für seine Pflicht halte, dem Herrn General- Stabsarzt Dr. Johann Edlen von Hassinger , der ihn seit Jahren in seinen Bestrebungen zur Verbesserung des traurigen Loses der verwundeten und kranken Soldaten nicht blos moralisch aufgemuntert, sondern ihm auch die ihm fehlenden Mittel zur Anstellung der nothwendigen Versuche gewährt und schliesslich die Erlaubniss ertheilt hat, einen Theil der auf Staatskosten angeschafften Gegenstände seiner Erfindung unter seinem Namen im Sanitäts-Pavillon ausstellen zu dürfen, seinen Dank auszusprechen , eine Bemerkung, welcher die Redactions-Abtheilung gerne Raum gibt .

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen. Von Hauptmann Adolf Horsetzky, Generalstabs-Officier.

(Hiezu die Tafeln IB, II und III.)

I. Bataille

rangée

und Rencontre - Gefecht.

Den nächsten Anlass zu der vorliegenden Studie gab die Beobachtung jener Manöver- Gewohnheiten, die in dem Anhange zu der Instruction für die praktischen Uebungen der Infanterie, Jäger, Cavalerie und Feld- Artillerie folgend besprochen werden : Ein bei Manövern häufig vorkommender Fehler ist die übermässige Ausdehnung in die Breite, welche oft sogar jenes Maass überschreitet, welches den Truppen auf voller Kriegsstärke gestattet ist." „Diese Ausdehnung wird hervorgerufen durch die Verwechslung der Begriffe des aufzuklärenden , gegen feindliche Späher und Patrouillen zu sichernden Raumes mit jenem beschränkten Theile desselben , welcher das eigentliche Gefechtsfeld bildet. " Die Nachtheile dieser Gewohnheiten müssten sich besonders gegen-

über von Gegnern zeigen, die in Folge reicher Kriegs -Erfahrung oder aus gewohnheitsmässigem und traditionellem Zusammenhalten der Kräfte ein richtigeres Verhältniss zwischen der Ausdehnung in die Breite und der Gliederung in die Tiefe treffen dürften. Gehen wir den Ursachen der geschilderten Erscheinung nach, so finden wir, dass sie ihren Ursprung in der fortwährenden Uebung solcher Unternehmungen hat, die in das Gebiet des kleinen Krieges fallen . Bei den kleineren Uebungen mit gemischten Waffen ist dies leicht erklärlich und die Wahl solcher Uebungen ausdrücklich vorgeschrieben ; dass jedoch auch bei den Aufgaben der Infanterie im Regimente und bei den Uebungen der Truppen -Divisionen mit vereinten Waffen meist nur isolirte ausserhalb des Armee -Echiquiers vorkommende Ereignisse den Vorwurf für die Supposition der Uebung bilden, ist Ursache, dass das Wesen der bataille rangée , - der ge6 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins. VIII. Band, 1874 .

Horsetzky.

74

ordneten Feldschlacht -

fast nie zum Ausdrucke gelangt, die Truppen

stets einen grösseren Raum einnehmen, als er ihnen im Kriege gerade den entscheidendsten Affairen zukommen wird und jene Verwechslung der Begriffe eintritt , die oben gerügt wird . Zwischen der Gefechtsart und der Gefechts- Charakteristik

in

kleinerer, isolirt auftretender und solcher Abtheilungen ,

welche

als

Theile eines grösseren Heereskörpers im engsten Verbande mit diesen kämpfen müssen, ist aber bekanntlich ein grosser Unterschied ; ja man anerkennt im Hinblicke auf diese Verschiedenartigkeit der Gefechtsweise sogar zwei ziemlich streng gesonderte Gefechts-Kategorien : Das Rencontre-Gefecht und die bataille rangée . Unter ersterem verstehen wir den sowohl in der Zeit als auch im Raume inehr zufälligen, unabhängig von der Armeeleitung erfolgenden, also von dieser entweder nur im Allgemeinen oder gar nicht beabsichtigten Zusammenstoss zweier Heereskörper.

Alle isolirt auf-

tretenden Heerestheile, dann die Spitzen der Haupt -Armeen, u . z . in erster Linie die vorausgesendeten Cavalerie- Körper, weiters die aus allen Waffen zusammengesetzten Vorhuten der einzelnen Colonnen , in welche die Armee getheilt ist, - liefern Rencontre-Gefechte ; letztere bilden bald mittel-, bald unmittelbar die Einleitung zu den grösseren Kämpfen der zunächst befindlichen Divisionen und Corps , bis schliesslich die Hauptmassen beider Armeen , und zwar unter directer Einflussnahme ihrer Oberleitungen, den Aufmarsch bewirken , und der Zusammenstoss der beiderseitigen Hauptkräfte , -die bataille rangée in ihrer grossartigen Form - entsteht. Denken wir uns eine Armee von 18 Truppen-Divisionen in fünf Colonnen getheilt, im Anmarsche gegen den Feind, so finden wir sogleich, dass von den im Armee - Echiquier befindlichen Truppen nur die an der Tête eingetheilten fünf Vorhut- Divisionen, also etwa ein Viertel des Ganzen, im Sinne von Rencontre- Gefechten werden auftreten können. Die verhältnissmässig geringe Entfernung von den Haupt-Colonnen gestaltet die Kampfweise solcher vorgeschobener Truppenkörper meistens der Unterzu einer ganz eigenthümlich freien und ungebundenen ; stützung der folgenden Heerestheile gewiss , können sie mehr wagen, sie brauchen mitunter nur ganz schwache Reserven zurückzuhalten können sich also mehr in die Breite ausdehnen , sie können oft die Anmarschlinie ganz aufgeben, um, abseits derselben, eine für ihre momentane Aufgabe günstigere Angriffs - Richtung aufzusuchen ; - sie haben genügend Raum zu weiters - und das ist das wichtigste Moment manövriren ; sie können ihre Angriffs-Richtung und Angriffs - Ar

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen . nach ihrem Belieben ―

75

allerdings im Sinne der erhaltenen Direc-

tiven wählen , sie können umgehen, umfassen ; Niemand hindert sie daran. Sind die Marschlinien der erwähnten Armee z. B. durchschnittlich nur 1½ Meilen von einander entfernt, so hätten die VorhutDivisionen der mittleren Colonnen , nach rechts und links auf ca. eine Meile Bewegungs-Raum; -― und innerhalb desselben, so weit dies eben des Gegners Einwirkung zulässt, auch volle Manövrirfreiheit. Ganz anders und viel schwieriger sind diese Verhältnisse in der bataille rangée, wo rechts und links der mittleren Divisionen andere operiren sollen, wo die neben einander auftretenden Heeres - Abtheilungen sich naturgemäss in der seitlichen Entwicklung sehr beengen und doch gerade durch ihr harmonisches Zusammenwirken den Erfolg erringen sollen . Der Unterschied zwischen Rencontre- Gefechten und der bataille rangée ist also klar : Eine isolirt auftretende, kleinere Heeres -Abtheilung hat eine bedeutende Expansions-Fähigkeit ; ― sie selbst als Ganzes und ihre Theile können sich nach den Eigenthümlichkeiten des Terrains zusammenziehen oder ausdehnen ; - ein Nachbar kann dem andern durch Seitwärtsrücken Platz machen, um im Vereine mit ihm zu wirken; unvortheilhafte Räume in der Gefechtslinie können ganz unbesetzt bleiben, ohne die Gesammtwirkung zu vermindern und es kann die Entscheidung in gewissen günstigeren Richtungen gesucht werden , die sonst bereits ausserhalb der eigenen Wirkungssphäre liegen würden . Mit der Zunahme der Grösse der Heeres -Abtheilungen nimmt die Expansionsfähigkeit derselben immer mehr und mehr ab, bis sie bei dem Zusammenstosse grosser Armeen von 100.000 und mehr Mann und namentlich für die nicht an den Flügeln der Gefechtslinie eingetheilten Heereskörper auf ein Minimum herabsinkt und dadurch die Kraftäusserung der einzelnen Abtheilungen in gewisse

oft sehr eng und

scharf begrenzte - Richtungen bannt, so dass einzelne Truppentheile gar nicht oder doch nur unter besonderen Bedingungen in offensivem Sinne und mit Vortheil wirksam werden können .

Ohne hier die Momente näher zu beleuchten, die wegen der Verschiedenartigkeit der beiden Gefechts -Kategorien für die Wahl der Truppen-Uebungen besonders maassgebend sein könnten , wollen wir uns im Folgenden nur mit der bataille rangée befassen, weil einerseits der weitaus grösste Theil der Armee gerade in dieser und zwar in den entscheidendsten Momenten des ganzen Feldzuges zur Ver6*

76

Horsetzky .

und weil andererseits das Auftreten der Truppe als Theil und im engsten Verbande eines grösseren Heereskörpers, einer Division, eines Corps, eben nur sehr wenig geübt wird. Da man in dieser Hinsicht zu richtigen Anschauungen über das Verhältniss der Unter- Abtheilungen zu einander und zum Ganzen nur wendung gelangen dürfte,

dadurch kommen kann , dass man an den Verhältnissen des grossen Krieges festhält, und vom Allgemeinen auf das Specielle schliesst, so legen wir unseren Betrachtungen die Thätigkeit einer Armee von sechs Armee -Corps à drei Truppen- Divisionen normaler Zusammensetzung unter folgender Annahme zu Grunde : (Hiezu Figuren 1 und 2, Tafel I. ). Eine Armee ist von Wien aus im Marsche gegen einen von Raab anrückenden Gegner. Am ersten Operationstage treffen sich in der Linie Prellenkirchen , Parndorf und Neusiedl die äussersten Spitzen der Armeen - die Streifcommanden, Patrouillen etc. Am zweiten Operationstage entspinnen sich bereits zwischen den vor der Front der Armeen befindlichen grösseren Cavalerie- Körpern bei Prellenkirchen, Haslau, Neudorf, Parndorf, Neusiedl einzelne grössere Kämpfe ; die Lagerung der westlichen Armee am Abende dieses Tages zeigt Fig. 1 . Am dritten Operationstage erfolgen schon Zusammenstösse der aus allen drei Waffen zusammengesetzten Vorhuten der einzelnen Marschcolonnen bei Schönabrunn - Prellenkirchen , bei Neudorf, Parndorf und Weiden- Neusiedl.

Die bei Neudorf und

Parndorf im Kampfe

gestandenen Vortruppen der westlichen Armee ziehen sich gegen Bruck und zwar in den durch die östlichen Abfälle des Laitha - Gebirges und durch die Laitha gebildeten Terrain- Abschnitt Neusiedl- Hollern , in welchem der Commandant der westlichen Armee aufzumarschiren und zurück . den Angriff des Gegners abzuwarten gedenkt, Die Figur 2 zeigt die Lagerung dieser Armee am Abende des dritten Operationstages. Die Kämpfe am ersten und zweiten Operationstage, sowie die der 14. , 13., 7. und 1. Division am dritten bei Schönabrunn - Hollern, bei Neudorf, Parndorf und bei Neusiedl- Waiden besassen die Charakteristik der Rencontre- Gefechte.

Der Kampf bei den genannten Orten am dritten Operationstage zeigte sich alsbald in Folge der dabei verwendeten bedeutenden Kräfte als die Einleitung zum Zusammenstosse der beiden Hauptarmeen ; damit trat für die Abtheilungen der westlichen Armee die Nothwendigkeit ein, mit Rücksicht auf den von der Armeeleitung festge-

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen .

77

setzten Plan zu operiren , vor Allem sich selbst in dem eigenen Bewegungs-Rayon einen Gefechts-Rahmen zu schaffen ; also gewisse Objecte zu erobern und festzuhalten, wie die erste Division z . B. die Höhen unmittelbar vor Neusiedl oder aber das Gefecht abzubrechen, und in einem weiter rückwärts gelegenen Abschnitte in, für das Zusammenwirken der ganzen Armee günstigeren Verhältnissen den Kampf erneuert aufzunehmen, wie die 7. und 13. Division. Die in diesem Sinne von den Vorhut-Divisionen theils eroberten oder behaupteten oder rückwärts der anfänglichen Gefechtslinie besetzten einzelnen Abschnitte müssen nämlich am 4. Operationstage als Knotenpuncte für den Aufmarsch der Armee und deren anfängliche Gefechtslinie dienen. Bis zum Eintreffen der nächstfolgenden Divisionen durften die bis jetzt genannten nur ein hinhaltendes Gefecht führen , während jene der östlichen trachten mussten , die Festsetzung des Gegners in der Aufstellung Bruck-Neusiedl zu verhindern und dadurch für den Kampf der Hauptarmee günstigere Bedingungen zu schaffen. Angenommen , diese Versuche gelingen nicht, so entsteht dann auch für den östlichen Gegner eine Epoche des Zuwartens und des Abwartens von Verstärkungen , - eine Periode des hinhaltenden Gefechtes, bis durch das Einrücken der rückwärtigen Colonnen in die Gefechtslinie der bisherigen Vorhut- Divisionen sich auch beim östlichen Gegner die Schlachtlinie nach und nach bildet und der GefechtsRahmen schliesst. Die Figur 3, Tafel II zeigt die Besetzung der genannten Aufstellung am vierten Operationstage früh seitens der Corps I, II, III und IV unmittelbar vor Beginn der Schlacht. Ein Theil des Corps VI, das Corps V und die Cavalerie der westlichen Armee bilden den linken, den Defensiv -Flügel der Armee, während der Hauptmasse der Armee in dem Raume von Pachfurt bis Neusiedl anfänglich die Vertheidigung der innehabenden Aufstellung und weiterhin der Uebergang in die Offensive zugedacht ist . Von der Erwägung, ob faktisch der Haupt-Angriff hier oder auf dem linken Flügel zu erfolgen hätte, sehen wir hiebei,

weil wir den

Gegner überhaupt gar nicht weiter berücksichtigen, vollständig ab. An die Stelle des bisherigen, mehr improvisirten, unzusammenhängenden , hauptsächlich durch starke Artilleriekräfte unterhaltenen Kampfes der Vorhut-Divisionen tritt jetzt der mehr vorsichtige , auch gewaltigere Kampf grosser Infanterie- Massen.

aber

78

Horsetzky.

II. Gruppirung der Streitkräfte in der bataille rangée . In einer, der eben geschilderten ähnlichen Weise werden sich die Zusammenstösse grösserer Armeen fast immer entwickeln. Eine Armee von 2-300.000 Mann braucht mindestens drei Strassen , um im Marsche und in der Nähe des Feindes zweckmässig angeordnet werden zu können ; diese drei Strassenzüge werden aber auf grössere Strecken selten näher als durchschnittlich 2-3 Meilen an einander ausgemittelt werden können , so dass beim Anrücken an des Gegners Stellung die eigene Anmarschfront sich von sechs und mehr Meilen binnen 2-3 Tagen auf die „ Gefechtsfront", also auf circa 2-3 Meilen wird verringern müssen. Nach vollendetem Aufmarsche

wird dann die Hauptmasse

der

Armee entweder zu beiden Seiten der mittleren Hauptmarsch- (auch Schwerpuncts- ) Linie gruppirt sein, wenn der Aufmarsch auf die Mitte geschah ; - oder aber sie wird auf und zwischen zweien der anfänglichen Hauptbewegungslinien stehen, wenn der Aufmarsch auf einen Flügel bewirkt wurde. Dadurch werden stets ein oder zwei der Hauptbewegungslinien wenigstens momentan - aufgegeben werden und die dort zur Täuschung, Aufklärung oder Sicherung etwa verbliebenen Theile der Armee, - sind nur mehr als „ detachirt" und für die Schlacht der

-

beiden Hauptarmeen nicht weiter in Betracht zu ziehen . Obwohl der eben skizzirte concrete Fall ein exceptioneller ist , weil die Anmarsch- und Gefechtsfront der Armee fast übereinfallen , so wird doch auch hier die nördlichste Marschlinie Petronell - HainburgPressburg momentan aufgegeben, und nur jene Kämpfe, welche auf den nunmehr wichtigsten Hauptbewegungslinien stattgefunden haben , wie die Kämpfe der siebenten und ersten Division bei Parndorf und bei Neusiedl sind als die eigentlichen Einleitungskämpfe zur Schlacht anzusehen . Durch das Einrücken der Divisionen 2 und 8 in den Zwischenraum zwischen den Haupt-Communicationen wird dieser immer mehr und mehr, und endlich, im taktischen Sinne genommen, vollständig ausgefüllt. Die nach Schliessung der Gefechtslinie anlangenden Divisionen 3 und 9 , dann die Corps II und IV können naturgemäss nur mehr hinter der bisherigen Gefechtslinie oder ausserhalb derselben verwendet werden und es ergibt sich daher entsprechend dem Organismus der Armee auf jeder der benützten Haupt-Anmarsch- Linien eine Gruppirung der Streitkräfte nach Dispositions -Einheiten - nach Corps

79

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen.

- und nach Treffen , welche das Wesen der Schlachtordnung der Armee ausmacht und deren zweckmässige Anordnung naturgemäss den nachhaltigsten Einfluss auf den Verlauf der Schlacht ausüben muss . Die Anordnung der drei Divisionen eines zur Führung des entscheidenden Kampfes bestimmten Corps, wie der Corps I und II, wird fast immer am zweckmässigsten in der Art geschehen,

dass

zwei

Divisionen nebeneinander, die dritte als Corps - Reserve hinter ihnen , an jenen Communicationen aufgestellt wird, die eine rasche Unterstützung der vordern Divisionen gestatten. Die Divisionen der vordersten Linie haben stets einen sowohl der Zeit als auch der räumlichen Ausdehnung nach so bedeutenden Gefechtsact selbstständig durchzuführen, dass sie sich in der bataille rangée, wenigstens im Anfange, immer in ein erstes Treffen zur eigentlichen Durchführung des Kampfes und in ein zweites Treffen - eine Divisions - Reserve gliedern müssen , welch' letztere nicht blos das Gefecht des sondern auch

vorderen

Treffens

zu nähren und zu unterstützen ,

nachdem dieses die Verhältnisse des Gegners geklärt

und diesen erschüttert hat

eventuell den Stoss der Entscheidung zu

führen oder den vom Gegner beabsichtigten zu pariren haben

wird.

In jeder der nebeneinander kämpfenden Gruppen führt demnach ein Treffen, das erste, den eigentlichen Kampf (Divisionen 1 , 2, 7, 8); das zweite , die Divisions - Reserve , vervollständigt die Resultate des ersten Treffens innerhalb der Division ; das dritte vervollständigt die Resultate des Kampfes des ersten und zweiten Treffens innerhalb des Corps (Divisionen 3 und 9) ; das vierte Treffen endlich bildet. die Armee-Reserve (Corps II und IV) . Diese Untertheilung in vier Treffen dürfte so ziemlich jede Schlachtordnung einer der angenommenen ähnlichen Armee aufweisen .

III. Räumliche Ausdehnungen der Unter- Abtheilungen in der bataille rangée . In dem skizzirten Beispiele beträgt die gesammte Frontausdehnung der Armee circa 2 % Meilen (von Petronell bis Neusiedl) ; davon entfallen auf die Corps V und VI und die Cavalerie der Armee zusammen circa 1 Meilen, während die vier anderen Corps innerhalb einer Ausdehnung von 10000 Schritten ihrer Verwerthung entgegensehen , da der gewählte Fall speciell ein Ausgreifen der Reserve über den rechten. Flügel der Gefechtslinie nicht zulässt . Auf die Corps I und II entfallen und zwar der Sehne nach gemessen, je circa 5000 Schritte Frontlinie.

80

Horsetzky.

Hier liegt die Frage nahe, welche Ausdehnung den Unter- Abtheilungen einer Armee überhaupt im Durchschnitte zukömmt. Die Frage ist wichtig, weil sie uns allein darüber Aufschluss gibt, welcher Art in der Regel das Auftreten und Benehmen dieser Abtheilungen sein wird. Die Verhältnisse, unter denen es zur bataille rangée kömmt, sind wegen des Einflusses der Communicationen und des Gegners so verschieden, dass man nicht leicht eine Normal- Ausdehnung bestimmen kann . In der Schlacht bei Mars la tour am 16. August 1870 hatten z. B. selbst noch zu Ende des Tages das deutsche 3. und 10. Corps fast dieselbe Ausdehnung, wie die ganze französische Armee. Indess finden sich doch einige Anhaltspuncte, die uns eine wenigstens einigermaassen genügende Orientirung über diesen Punct erlauben. Bei Prüfung von grösseren Schlachten Isagt die Technik der Armeeleitung -- in denen 100-200.000 Mann zur Action kamen , zeigt sich die Ausdehnung der Kampflinie mit einer, höchstens mit zwei Meilen . Wir sehen z. B., um nur einige Schlachten zu nennen , bei

Austerlitz die 84.000 Mann starken Verbündeten in einer Ausdehnung von 18.000, die 65.000 Franzosen in einer Ausdehnung von 14.000 Schritten bei Wagram zählt die Ausdehnung der 128.000 Oesterreicher 25.000 Schritte , 25.000 jene "" 173.000 Franzosen "" bei Borodino " 140.000 Russen 20.000 12.000 99 140.000 Franzosen 77 Waterloo 92.000 Alliirten 9.000 99 99 " ་ 70.000 Franzosen 7.000 "1 " Solferino 19 " 150.000 Oesterreicher 18.000 ་་

"9

25.000 99 135.000 Alliirten "9 240.000 Verbündeten 25.000

99

99 270.000 Preussen

"" "" Königgrätz

Gravelotte (auf d . link. Mosel -Ufer) 220.000 Preussen gegen Ende der Schlacht jene der 140.000 Franzosen (mit allen Biegungen gemessen)

25.000 20.000

"7

20.000

"7

Was aus den eben angeführten Daten wohl unzweifelhaft hervorgeht, ist : Dass, seit Bonaparte die Entscheidung der Schlachten durch das Zusammenhalten aller Kräfte auf einem verhältnissmässig kleinen Raume

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen.

81

herbeizuführen verstand, kein bedeutender Feldherr des Jahrhundertes es mehr gewagt hat, von dieser Art der Kampfentscheidung abzugehen. Der Grund dafür liegt wohl einzig und allein in dem Bestreben , die Schlacht noch in gewissem Sinne directe zu leiten, d. h. die Dispositions-Einheiten höchster Ordnung so zu beherrschen, dass diejenigen, die überhaupt an der Schlacht Theil nehmen sollen, im Laufe eines Schlachttages nicht blos von den Absichten der Oberleitung verständigt werden , sondern auch noch die entsprechenden Bewegungen gegen den Feind zeitgerecht ausführen und in einer die Entscheidung der Schlacht unmittelbar beeinflussenden Weise wirksam werden können. Die Rolle, welche das Meldungs- und Benachrichtigungswesen in dieser Hinsicht spielen kann, ist demnach gewiss nicht gering. Aus verschiedenen , hier nicht weiter zu erörternden Rücksichten dürften nun auch in Zukunft die grössten, auf einem Operations Schauplatze auftretenden Heere die Zahl von 250.000 bis 300.000 Combattanten nicht überschreiten und die gesammte Streitmacht eines Staates stets in mehrere solche Armeen getheilt, wirksam werden. Es bieten demnach die angegebenen Daten wohl hinreichenden Anlass, einer Armee von sechs Armee -Corps im Allgemeinen eine Frontausdehnung von 2-3 Meilen

zu vindiziren .

Unsere westliche

Armee besitzt eine Frontausdehnung von 2 , Meilen, von der Donau bis zum Neusiedler- See ; je nachdem von den sechs Corps nun vier oder fünf in erster Linie nebeneinander zu kämpfen hätten, entfiele auf jedes derselben im Durchschnitte ca. 6000 respective 5000 Schritte Frontausdehnung und auf jede der in vorderster Linie verwendeten Divisionen circa 2500-3000 Schritte, was mit dem concreten Falle uud dem „ Felddienste" (2. Th . P. 79) auch factisch übereinstimmt. Diese Ausdehnung dürfte demnach auch so ziemlich jene sein , welche dem grössten Theil der im Armee- und Corps -Verbande fechtenden Divisionen in der Regel zukommen wird. - Verdy du Vernois spricht sich im vierten Hefte der ersten Studie über Truppenführung über diesen Punct dahin aus :

„Aus etc. . . . erhellt, dass wir der Ansicht sind, eine Division könne eine Terrainstrecke von ca. 3000 Schritt, sobald diese ihr einige Unterstützung durch ihre Beschaffenheit bietet, gegen jeden FrontalAngriff hinreichend sichern , während wir in der Offensive ihr nur bei einer Ausdehnung von etwa 2000 Schritt die Fähigkeit zu einem nachhaltigen Angriffe zutrauen . Es braucht wohl nicht hinzu gefügt werden , dass derartige Zahlen nur einen ganz allgemeinen Anhalt bieten können . “

82

Horsetzky.

Wir haben bei Anführung dieser Daten absichtlich von dem Modus Umgang genommen, die Stärke einer Stellung durch die Zahl der auf einen Schritt der Front entfallenden Männer auszudrücken . Dies scheint uns für diesen Fall eine ganz müssige Angabe, denn diese Durchschnittszahlen sagen eigentlich gar nichts ; interessant wäre zu erfahren, wie viele Mann unthätig, Gewehr bei Fuss , der Schlacht zugesehen - wie viele Abtheilungen gar nicht in's Feuer gekommen - oder wie lange einzelne derselben das Gefecht führen. mussten, ohne unterstützt zu werden ? u . dgl . Dass auf der 2½ Meilen langen Schlachtlinie bei Wagram auf 1 Schritt Front fünf Oesterreicher kamen, steht in gar keiner Beziehung zum Endresultate der Schlacht - denn erstens gibt es keine ununterbrochene Gefechtslinie und zweitens frägt sich's schliesslich um die Verwendung der Kraft innerhalb derselben ; mit wie wenig Kräften an gewissen Puncten hinreichender Widerstand geleistet wurde, und wie viel Kräfte in Folge dessen in dem entscheidenden Raume zur Verwerthung gebracht werden . konnten, und auch factisch verwerthet wurden.

Höchstens als Curiosa können solche Angaben dienen ; wenn uns die Geschichte z. B. erzählt, dass Darius bei Issus nur 300 Mann in der Front hatte, und da er 600.000 Mann stark war, 2000 Mann tief gestanden habe, so genügen solche Daten allerdings vollkommen , um sich ein Bild über die Schlachtordnung zu schaffen.

IV. Normal -Gefechts- Ordnung einer in vorderster Linie kämpfenden Truppen- Division. (Erstes und zweites Treffen . ) Die Kraftäusserung einer Truppe gegen den Feind besteht Natur des heutigen Kampfes nach Feuergefechtes.

der

zunächst in der Wirkung des

Da oft schon im Feuergefechte allein die Entscheidung , immer aber der einzige Weg zu dieser liegt, so ist gewiss, dass im Principe alle Gewehre einer Truppe als Feuerwaffe zur Verwerthung kommen sollen. Die Grenze der höchsten Feuerwirkung ist indessen bald gefunden. welches in erster

wenn man das Wesen des Feuergefechtes erwägt,

Linie allerdings fordert, dem Feinde möglichst grosse Verluste beizubringen, die eigenen Kräfte aber, eben, um diese Wirkung zu ermöglichen, thunlichst zu schonen , d . h. so viel Truppen

aber auch nicht

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen.

83

mehr im Feuergefechte zu verwenden, als dort factisch mit Vortheil wirken können . In freier, unbedeckter Ebene kann man nun im feindlichen Infanteriefeuer nur liegend feuern , ohne sich als Zielobject unverhältnissmässig blosszustellen , und da in dieser Lage höchstens eine eng aneinander geschlossene, zweigliedrige Abtheilung noch feuern kann , so stellt das Feuer einer solchen wohl das Maximum der Feuerwirkung vor. Schon bei zwei Gliedern müssen die Männer des zweiten Gliedes so vorrücken, dass sie mit ihren Ellbogen in die Höhe der Hüften der Männer des ersten Gliedes kommen, ein drittes Glied aber müsste schon knieen, um über die Köpfe der andern wegzufeuern, also statt einem Siebentel bieten. In einem

wenigstens die

Hälfte des Körpers als Trefffläche

dichten Walde, in Häusern, die nicht besonders zur

Vertheidigung hergerichtet sind, etc., wird man nicht einmal eine zweigliedrige Abtheilung zur Verwendung bringen können . Hält man aber an obiger Angabe fest, so geht einerseits hervor, dass man principiell das erste Treffen unbedingt und immer so stark halten muss , dass es an jedem Puncte der Gefechtslinie dieses Maximum an Feuerwirkung entwickeln kann, dass aber andererseits das zweite , dritte und vierte Treffen innerhalb der anfänglichen Gefechtslinie nur successive und erst dann zum Feuergefechte gelangen können , wenn das erste Treffen einer Ablösung benöthigt, oder in Folge unglücklicher Ereignisse die Bildung einer rückwärtigen neuen Gefechtslinie nothwendig wird . Betrachten wir unter diesen Gesichtspuncten die Gefechtsordnung einer Division vorderster Linie, so constatiren wir zunächst , dass auf der, einer Division im Armeeverbande durchschnittlich zukommenden Ausdehnung von 2500 bis 3000 Schritten im Maximum (2500 resp. 3000 Schritte : 400 Rotten = ) 6 resp . 7 , Bataillone Platz haben. Da sich aber diese gerade Gefechtsfront nach Maassgabe der Oertlichkeiten etc. , fort und fort brechen wird , so müssen wir auch das Maximum der dadurch eintretenden Vergrösserung der zu besetzenden Frontlinie berücksichtigen . Legen wir hiebei das Verhältniss von 5 : 7 zu Grunde, als dasjenige, welches der richtigen Besetzung einer gebrochenen Gefechtslinie entspricht, so muss das erste Treffen auch zur zweigliedrigen Besetzung von 3500, resp. 4200 Schritten befähigt, also 9 resp . 10 Bataillone stark sein, wornach sich die Divisions- Reserve , das zweite Treffen, mit 4-5 Bataillonen beziffern würde. Combiniren wir diese Forderung mit der Zusammensetzung einer Truppen - Division aus den 4 Infanterie- Regimentern und den 2 Jäger-

84

Horsetzky .

Bataillonen, so werden wir die Gruppirung der Infanterie- DispositionsEinheiten einer Division in der bataille rangée nicht sehr verschieden anordnen können . Die Figuren 4 und 5, Tafel I, zeigen zwei Arten von Divisions-Gefechtsordnungen , die aus einem brigadeweisen Anmarsch in zwei Colonnen hervorgehen könnten ; sie tragen zwar dem BrigadeVerband Rechnung , aber die Vertheilung der Kraft ist entweder sehr gleichartig wie in Figur 4, oder schwerfällig und in Folge der treffenweisen Anordnung sehr ungünstig für die Aufrechthaltung des tactischen Verbandes, wie in Figur 5. Sowohl was die bequeme Leitung und Gliederung betrifft, als auch in Bezug auf das oben angeführte Kräfteverhältniss zwischen dem ersten und zweiten Treffen und auf die Aufrechthaltung des tactischen Verbandes geben wir der in Figur 6, Tafel

I, dargestellten

Anmarsch-

und

Gefechtsordnung unbedingt den Vorzug. Das Regiment ist ja ganz naturgemäss die wichtigste Kampfeinheit des ersten Treffens ; in seinem Rahmen spielt sich bereits ein Gefechtsact von räumlich und zeitlich . bedeutender Ausdehnung ab ; das Regiment ist es, welchem der Divisionär oder der Brigadier noch Befehle ertheilt und welches zufolge seiner Dreitheilung schon eine gewisse Elasticität in Bezug auf Nachhaltigkeit, Durchführung und Entscheidung eines Gefechtsactes besitzt ; die 4 Regimenter der Division sind die Marksteine, welche der Divisionär je nach seinen Absichten vorschiebt oder zurückzieht, schwächt oder unterstützt, während die 2 Jäger-Bataillone entweder wie ein InfanterieRegiment oder für specielle Aufgaben verwendet werden . Aus naheliegenden Gründen wird eine gleichzeitige Verwendung der 3 Bataillone eines in's erste Treffen bestimmten Regiments blos in den seltensten Fällen vorkommen und es ergibt sich hieraus gewissermaassen von selbst eine Theilung des Regimentes in ein Vordertreffen (2 Bataillone) und eine Vordertreffen - Reserve (1 Normalgefechts - Ordnung eines Regiments ,

Bataillon) ,

die

wie dies beispiels-

weise in der Figur 7, Tafel II, bei den Regimentern der ersten Division ersichtlich gemacht ist. Die Grundformen, nach welchen sich ein im ersten Treffen und zwar im Vordertreffen kämpfendes Bataillon anordnen kann , zeigen die Figuren 8 , 9, 10, Tafel III. Dabei ist stets die flügelweise Disponirung festgehalten und zeigt Figur 8 dieselbe halb bataillonsweise, Fig. 9 compagnieweise die Fig. 10 halb compagnieweise durchgeführt. In Fig. 8 ist die Einflussnahme des Bataillons -Commandanten am meisten gewahrt, aber die durch nothwendige Unterstützungen der Feuerlinie eintretende Vermengung der Abtheilungen erstreckt sich auf das ganze Bataillon oder wenigstens auf jedes Halbbataillon .

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen.

85

In Fig. 9 spielen die einzelnen Compagnien jede für sich ihre Rolle ; der Bataillons-Commandant tritt nur als Leiter auf; - die Ordnung ist jedenfalls gefügiger wie die in Fig . 8 ; der CompagnieCommandant hat blos eine Front von 100 statt von 200 Schritten zu commandiren kann sich daher mit grösserer Aufmerksamkeit mit seinen eigenen Absichten befassen und die Compagnie ganz für sich verwerthen ; jede Vermengung der Abtheilungen beschränkt sich endlich nur auf die Compagnie ; im coupirten, - besonders aber im wechselnden, bald freien , bald bedeckten Terrain ist

diese Formation gewiss die handsamste.

In Fig. 10 beschränkt sich die durch das Eindoubliren der Unterstützungen und Reserven in die Schwarmlinie nie zu vermeidende Vermengung der Abtheilungen innerhalb des Bataillons blos auf die Halbcompagnie .

V. Durchführung des Gefechts . Das heutige Infanterie-Gefecht bietet im Ganzen meist das Bild eines mehr oder weniger heftigen Kampfes der beiderseitigen Schwarmlinien ; die Wirkung des Feuers ist so bedeutend , dass nach genügender Dauer desselben meist der von einzelnen, günstig placirten Abtheilungen der Schwarmlinie unternommene Schützen - Anlauf genügt, um den Anstoss zum Vorprellen eines Theiles der Schwarmlinie und zum Eindringen in die feindliche Aufstellung zu geben . ' ) - Der planmässig geleitete, durch grössere geschlossene Infanterie - Abtheilungen im Vereine mit der Schwarmlinie ausgeführte Bajonnet- Angriff ist nur das letzte, -- allerletzte Nothmittel. Clausewitz , der in seiner „ Skizze

eines Planes zur Taktik" die

beiden Fechtarten Feuergefecht und Bajonnet - Angriff so gründlich behandelt, dass seine Aussprüche noch heute unbedingte Geltung haben, verdient hierüber in erster Linie gehört zu werden : „ Beide haben die Vernichtung des Gegners zum Zweck.

Im Handgefechte (Bajonnet-

Angriff) ist diese eine ganz unzweifelhafte, im Feuergefechte nur eine mehr oder weniger wahrscheinliche. Aus diesem Unterschiede folgt eine sehr verschiedene Bedeutung beider Gefechtsformen . Weil im Handgefecht die Vernichtung ganz unzweifelhaft ist, so wirkt auch das geringste Uebergewicht der Vortheile oder des Muthes entscheidend und es sucht der, welcher sich im Nachtheil befindet oder schwächeren Muthes ist, sich der Gefahr durch die Flucht zu entziehen . Dies tritt bei allen Handgefechten zwischen Mehreren so regelmässig und gewöhnlich auch so früh ein, dass die eigentliche Ver1) Vergleiche damit

Scherff's Studien zur neuen Infanterie-Taktik. "

$6

Horsetzky .

nichtungskraft dieses Gefechts dadurch sehr geschwächt wird und seine Hauptwirkung mehr im Vertreiben als im Vernichten des Feindes besteht. Sieht man also auf die Wirksamkeit, welche das Handgefecht in der Praxis hat, so muss man seinen Zweck nicht in die Vernichtung, sondern in die Vertreibung des Feindes setzen . -

Die

Vernichtung wird zum Mittel . So wie im Handgefecht ursprünglich die Vernichtung des Feindes der Zweck war, so ist im Feuergefecht ursprünglich die Vertreibung des Feindes nur Zweck, und die Vernichtung nur Mittel dazu . Man beschiesst den Feind, um ihn zu verjagen und sich das Handgefecht zu ersparen. Aber die Gefahr, welche das Feuergefecht bringt, ist keine ganz unvermeidliche, sondern nur eine mehr oder weniger wahrscheinliche, sie ist also für den sinnlichen Eindruck des Einzelnen nicht so gross , sondern wird es erst durch die Dauer und die summarische Wirkung , die keinen so sinnlichen, also keinen so unmittelbar wirksamen Eindruck macht. Darum ist durchaus nicht nothwendig, dass einer der beiden Theile sich ihr entzieht. Hieraus folgt, dass die Vertreibung des Einen nicht sogleich und in vielen Fällen gar nicht erfolgt. Ist dies der Fall, so muss in der Regel am Schlusse des Feuergefechts das Handgefecht zur Vertreibung gebraucht werden. Hat das Handgefecht den Zweck der Vertreibung , das Feuergefecht den der Zerstörung der feindlichen Streitkraft, so ist jenes als das eigentliche Instrument der Entscheidung , dieses als das der Vorbereitung zu betrachten . Beiden bleibt aber

darum doch einige Wirksamkeit des andern

Princips . Das Handgefecht ist nicht ohne zerstörende Kraft, das Feuergefecht nicht ohne vertreibende. Die zerstörende Kraft des Handsehr 'gefechts ist aber in den meisten Fällen höchst unbedeutend, oft ist sie völlig Null ; die Vernichtungskraft des Feuergefechts kann dagegen durch die Dauer bis aufs Aeusserste, d. h. bis zur Erschütterung oder Erschöpfung des Muthes gesteigert werden . Die Folge davon ist, dass bei weitem der grösste Antheil an der Vernichtung feindlicher Streitkräfte dem Feuergefecht zukömmt. “

VI. Das Feuergefecht. Das Detail des Feuergefechtes ist in unseren Reglements so eingehend geschildert und so bekannt, dass wir nur 2 Momente hier erwähnen wollen .

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen.

87

1. Eine dichtere Schwarmlinie als jene, bei welcher im Durchschnitte 2 Mann auf einen Schritt der Front kommen, kann in der Regel nur von Nachtheil sein . Derselbe Clausewitz , dessen Autorität nach dem früher Angeführten wohl nicht bezweifelt werden kann, sagt über diesen Punct Nachstehendes : Wenn zwei ungleiche Massen Infanterie oder Artillerie parallel in gleichem Raume gegen einander aufgestellt sind , so würde , wenn alle Schüsse Zielschüsse auf die einzelnen Individuen wären , die Zahl der Treffer sich verhalten,

wie die Zahl der Schiessenden .

Ebenso

würden sich die Treffer verhalten , wenn nach einer vollen Scheibe geschossen würde, also wenn das Ziel nicht mehr der einzelne Mann , sondern ein Bataillon , eine Linie u. s. w. wäre. So sind die Schüsse im Kriege, sogar bei den Schützengefechten , der grossen Mehrheit nach wirklich anzusehen . Nun ist aber die Scheibe nicht voll, sondern sie besteht aus Menschen und Zwischenräumen.

Diese

letzteren nehmen in dem Maasse ab, als die Zahl der Fechtenden auf demselben Raume zunimmt. Folglich wird die Wirkung eines Feuergefechts zwischen Truppenkörpern von ungleicher Zahl zusammengesetzt sein aus der Zahl der Schiessenden und der Zahl der feindlichen Truppen , auf welche geschossen wird, d . h. mit andern Worten : die Ueberlegenheit in der Zahl gibt im Feuergefechte keine überlegene Wirkung, weil man das, was man durch die Menge seiner Schüsse gewinnt, dadurch, dass die feindlichen um so viel besser treffen, wieder verliert. " Den Beweis hierüber schliesst er mit den Worten :

" Es hat also die Zahl der gleichzeitig anzuwendenden Streitkräfte ein Maximum, über welches hinaus eine Verschwendung stattfinden würde. Ebenso hat der Gebrauch einer und derselben Streitkraft seine Grenzen. " Denn es sind hiebei die Folgen der zerstörenden Wirkung des Feuergefechts zu beachten : In einem Feuergefecht von mehreren Stunden , in welchem eine Truppe

einen namhaften Verlust erleidet , z . B. 4 oder des Ganzen, ist der übrige Theil vor der Hand fast wie eine ausgebrannte Schlacke zu betrachten. Die Schwächung des Gegners - also die Zerstörung der feind-

lichen Streitkräfte

hat viel mehr Umfang, als die Zahl der Todten.

Verwundeten und Gefangenen ausdrückt. Diese Zahl beträgt vielleicht nur des Ganzen, es sollten also 5 übrig bleiben . Aber unter

88

Horsetsky.

diesen

sind eigentlich nur die ganz intacten Reserven und die

Truppen, welche zwar gebraucht worden sind , aber noch weniger gelitten haben, als brauchbar und die übrigen (vielleicht % ) einstweilen als ein caput mortuum zu betrachten . Wenn nun die Zerstörung der Kräfte im Feuergefecht nicht blos durch die Verluste an solchen entsteht, die ausser Gefecht gesetzt werden, sondern auch dadurch, dass Alles, was gefochten hat, in seiner Kraft geschwächt ist, so wird natürlich die Schwächung desjenigen geringer sein, der weniger angewendet hat." Uebrigens weisen auch Schriften von entschieden modernster Fär-

bung z. B. die

Taktischen Rückblicke auf 1866" auf eine bessere

Oeconomie mit den Kräften hin : „Es ist bei dem für uns nothwendigen , individualisirten Kampfe durchaus geboten, in das zersetzende Chaos des unmittelbaren Kampfes nur so viel Truppen als durchaus nöthig sind , zu werfen. Einige Bataillone verschlingt das losgelassene Element, ohne dass ein sichtbarer Erfolg zu sehen ist . Drei Bataillone, die frisch am Schluss des Gefechtes eingreifen , tragen mehr zur Entscheidung bei, als sechs , die den ganzen Tag gefochten haben. Man vermehrt seine Truppen durch ein weises. Zurückhalten. " 2. Die zweite Bemerkung betrifft den Munitions - Ersatz ; dieser wäre nach unserer Ansicht ganz genau zu reglementiren , denn er spielt eine zu wichtige Rolle in dem heutigen Gefechte. Ein guter Schütze, der jedes Mal zielt, bevor er schiesst, gibt als Plänkler in einer Minute höchstens 3 % , Schüsse ab ; ein schlechter Schütze aber verfeuert 6, auch 7 Schüsse in der Minute und hat eventuell in 12-15 Minuten, auch noch rascher, sein ganzes PatronenQuantum verschossen . - Nun soll man aber eine Truppe möglichst lang im Feuer lassen, und sie erst dann ablösen, wenn sie physisch ermattet, ein Zustand, der im hinhaltenden Gefechte ganz abnorme Fälle abgerechnet, nicht vor 2-3 Stunden Kampfzeit eintreten wird . Nachdem das Gewicht eines vollen Cartons mit 12 Stück scharfen Patronen 23 Loth beträgt und 110 Cartons in einem sogenannten halben Gewehrpatronen- Verschlag verpackt sind, der 91 Pfund, 12 Loth wiegt, so würden 3 Mann, von denen jeder 36-37 Cartons im Gewichte von circa 30 Pfund trüge, nothwendig sein, um den Inhalt eines solchen Würden z . B. diese Verschlages auf ein Mal zu übernehmen. Leute einer das Drittel des rechten Flügels, einer die Mitte und einer den linken Flügel der Schwarmlinie einer Compagnie mit Pa-

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen.

89

tronen versorgen, so bekäme bei einfacher Feuerlinie ¹ ) jeder Mann derselben circa 27 Patronen oder circa 2 Cartons ; bei zweifacher Feuerlinie jeder einen Carton mit 12 Patronen. Je nach der Heftigkeit des Gefechtes müssten deshalb entweder 3 oder auch 6 Mann per Compagnie als Munitionszuträger bestimmt werden, welche ihre Tornister . auf dem Munitionswagen zu deponiren und dagegen in einem - auf diesem Wagen befindlichen Sacke oder Tornister, die Munition zu fassen und der eigenen Feuerlinie zuzutragen hätten. Jeder Compagnie -Commandant wäre für die zeitgerechte Einleitung des Munitions - Ersatzes, der Bataillons-Commandant für die zweckmässige Disponirung des Munitions-Wagens verantwortlich. Man darf übrigens vom Munitions -Ersatze nicht Alles hoffen ; das Beste dazu muss immer die Feuerdisciplin thun ;

denn wo diese fehlt,

ist jeder Munitions-Nachschub kaum gewonnen, auch zerronnen. Höchst beherzigenswerth ist in Bezug auf Feuerdisciplin, was Griesheim's Taktik (3. Auflage S. 81 und 82) von der preussischen Armee erzählt : „Der Zwang, den das Landwehrsystem und die kurze Dienstzeit der Mannschaft auf die geringe, kaum genügende Zahl von Officieren und Unterofficieren legten, hatten in der Armee schon frühzeitig den Geist energischer und pünetlicher Pflichterfüllung wach erhalten , die ihr aus der Zeit des grossen Königs überkommen war. Jeder war daran gewöhnt, bei der Ausbildung die ganze Lebenskraft an die Erreichung des Zweckes zu setzen. - Die peinliche Durchführung der Vorschriften der Schiess-Instruction hat mehr als alles Andere allmälig in das ganze Volk jenes feste Vertrauen auf seine Waffe und mit ihm auf seine Führer eingeflösst , welches später der Hebel zu grossen Erfolgen wurde. Und wenn der schwerste Vorwurf, den in anderen Armeen die Anhänger des Alten dem Zündnadelgewehr machten : „der Soldat werde im Gefecht seine Munition verschwenden, aus der Hand der Führer kommen und im Momente der Entscheidung rathlos sein " auf allen Gefechtsfeldern zu Schanden geworden ist, so hat man diesen Erfolg nur jener Arbeit zu danken. "

VII. Der Bajonnet-Angriff. Wenn weder durch das Schwarmfeuer, noch durch partielle Vorstōsse der Plänkler- Unterstützungen oder Schwarmlinie - Reserven , 1) Vergleiche damit : „ Grundsätze für die Verwendung der Streitkräfte zum und im Gefechte. " 1. Lieferung . Wien 1873. Seidel. 7 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII . Band, 1874.

90

Horsetzky .

der Gegner zum Verlassen von Objecten oder Aufstellungen, deren Besitz für den Angreifer unbedingt nothwendig ist, veranlasst wird , wenn weiters , wie bei den in der Mitte der Schlachtlinie befindlichen Divisionen wegen mangelnden Raumes ein Verlängern der Feuerlinie nicht mehr möglich ist, so wird oft nichts anderes übrig bleiben, als durch den Druck der Masse

durch den Bajonnet- Angriff - zu wirken .

Die eigene Schwarmlinie mit vorzureissen, gewissermaassen vorwärts zu tragen und, - wenn der Gegner auch dann noch Stand hielte, ihn mit dem Bajonnet in seiner Aufstellung anzufallen, desselben.

ist

der Zweck

Die verhängnissvollen Folgen, die das Scheitern eines solchen mit mehreren Bataillonen ausgeführten Angriffes unbedingt nach sich zieht, die momentane Auflösung ganzer Abtheilungen, die bedeutenden Verluste, die sie erleiden , machen einen solchen Gefechtsact stets zu einem entscheidenden ; sie fordern daher bei aller Kühnheit und Rücksichtslosigkeit, die jeden solchen Angriff beleben und beseelen müssen, auch die gründlichste Ueberlegung und eingehendste Vorbereitung seitens des Commandanten , der ihn leitet. Grosse Artillerie-Massen müssen solche Entscheidungsacte vor-

bereiten ; die höchste Verdichtung der Schwarmlinie und die grösste Steigerung des Feuers müssen die Ansammlung der zum Sturme bestimmten Colonnen in der unmittelbarsten Nähe der Feuerlinie decken und ermöglichen. Unwillkürlich wird sich gerade in solchen Momenten meist eine gewisse Krisis des Gefechts ― ,,unheimlich wie die Schwüle vor einem Gewitter" einstellen ; über diese muss die äusserste Lebhaftigkeit des Feuers hinweghelfen ; die etwa noch vorhandenen Unterstützungen und Reserven der Schwarmlinie rücken dann unmittelbar an die Schwarmlinie an, und geben, sich zum Feuern erhebend, Salvenfeuer ab. Die ersten Abtheilungen der Angriffscolonnen betheiligen sich an demselben,

und sowie die

Angriffsco-

lonnen gesammelt sind, stürzt sich Alles im vollen Laufe auf den Feind . Nur die ausdrücklich vom Ober-Commandanten hiezu befehligten Abtheilungen bleiben zurück ; meist werden dies nur die an den Flügeln der Gesammt - Sturmcolonne befindlichen , den Gegner umfassenden Theile der Schwarmlinie, und zwar ganze Züge, oder selbst ganze Compagnien sein, deren Feuer durch das Vorgehen der Sturmcolonnen nicht maskirt wird, und welche durch das Zurückweichen derselben nicht in die Gefahr kommen, mitgerissen zu werden. Bei jedem Bajonnet- Angriffe sind daher zwei Momente zu unter-

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen .

91

scheiden : a) das Sammeln der Sturmcolonnen an der Schwarmlinie und b) die Ausführung des Bajonnet -Angriffes selbst.

a) Das Sammeln. Das Sammeln geht naturgemäss möglichst nahe an der, gegen den Feind vorgeschobenen und verdichteten Plänklerlinie vor sich , die somit eine Art von Blitzableiter für die sich „sammelnden " Colonnen bildet. Die Betrachtung der dabei zur Geltung kommenden räumlichen Entfernungen wird uns einen Rückschluss auf die Feuerdisciplin der Schwarmlinie erlauben . Eine Compagnie- Colonne hinterlegt eine Strecke von 120 Schritten mittelst zugsweisen Sammelns in 2-3 Minuten, wobei die Züge sich in Abständen von 1 Minute folgen und im Vorgehen ein Mal ½ Minute rasten ; mittelst schwarmweisen Sammelns hinterlegt sie dieselbe Distanz in 4-5 Minuten und mittelst rottenweisen Ablaufens in 6-7 Minuten. Nachdem in ganz offenem Terrain dieses Sammeln schon auf 600 Schritte vom Gegner wird beginnen müssen , so braucht eine Angriffscolonne, um sich in der vom Gegner 200 Schritte entfernten Schwarmlinie zu formiren - zur Hinterlegung des im feindlichen Infanteriefeuer gelegenen Raumes mittelst zugsweisen Sammelns circa 10, mittelst schwarmweisen Sammelns circa 16, mittelst rottenweisen Sammelns schon 24 Minuten. Wären die zum Sturm bestimmten Abtheilungen jedoch in dem Moment, wo ihre Verwendung nothwendig würde, z . B. 2000 Schritte vom Feinde entfernt, so könnte selbst im günstigsten Falle die Formirung der Angriffscolonne nicht vor 22 Minuten beendet sein ; 12 Minuten

würde

sie

nämlich

brauchen,

um die

Distanz

von

1500 Schritten bis zum Infanterie- Feuerbereiche, und mindestens 10 Minuten, um diesen selbst zu durchschreiten. Diese Zahl aber ist begreiflicherweise als ein Minimum an Zeitaufwand anzusehen Da nun das Vorrücken der Angriffs- Colonnen durch das Feuer der Schwarmlinie maskirt werden muss, so wird diese in allen Fällen, wo sie nicht am Ende den Gegner erst durch ihr verstärktes Feuer aufmerksam machen würde, ihr heftigstes Feuer während des 10, 16 respective 24 Minuten dauernden Sammelns der Angriffs -Colonne abgeben müssen . Nimmt man nun an, dass jeder Mann in dieser kritischen Zeit nur 3 , Schüsse per Minute abgäbe, so hätte jeder Einzelne der Schwarmlinie während 24 Minuten mehr als sein PatronenAusmaass, während 16 Minuten aber 66, und während 10 Minuten 35 Patronen verschossen. 7*

92

Horsetzky. Es könnte also gerade in den entscheidendsten Augenblicken

Patronen-Mangel eintreten . Die Intensität des Feuers zur Deckung des Sammelns der Angriffs -Colonnen muss sich somit nach der Entfernung derselben und der Art des Sammelns richten, und wird man Einzelnfeuer höchstens beim zugsweisen Sammeln gestatten dürfen.

Die

Wechselwirkung zwischen der vorhandenen Patronen -Anzahl und der Möglichkeit des Munitionsersatzes einerseits und den Arten des Sammelns anderseits geht daraus wohl zur Genüge hervor. b) Der Bajonnet- Angriff selbst. Der Hauptsache und Wesenheit nach besteht der Bajonnet-Angriff darin, gegen den Gegner eine so grosse Masse Kämpfer vorzuführen , dass trotz der durch das feindliche Feuer eintretenden moralischen Erschütterung noch eine genügende, taktisch geordnete Kraft erübrigt , um den Gegner mit dem Bajonnete anzufallen , das Object zu besetzen und den Gegner zu verfolgen . Die Wahrscheinlichkeit des Erfolges hängt also nicht allein von sondern auch von der Zeit der beim Angriffe verwendeten Masse ab, während welcher diese dem Feuer des Gegners ausgesetzt ist . Im Vergleiche zu früheren Zeiten wird dem Angreifer nunmehr in derselben Zeit die vierfache Zahl von Projectilen entgegengeschleudert ; die wirksame Tragweite der jetzigen Gewehre hat gegen früher fast um das Doppelte zugenommen ; es ist also klar, dass ein nach alter Sitte ausgeführter Angriff achtmal so viel Verluste bedingt und daher auch eine wenigstens achtmal geringere Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich hat, und dass endlich der Erfolg eines Angriffes beinahe einzig und allein von der Möglichkeit einer halbwegs gedeckten, bedeutenden Annäherung an den Gegner abhängt. Ueber die Tiefe der Angriffs colonnen ist zu erwähnen : Eine stürmende Abtheilung hinterlegt eine Strecke von 100 Schritten in circa 3/ Minuten während dieser Zeit kann sie von einer gegenüberstehenden also auf 100 Schritt Breite zweigliederigen Abtheilung 4-5 Salven circa 800-1000 Projectile entgegengeschleudert erhalten : unter der Annahme, dass alle diese Projectile träfen, müssen , wenn die moralische Wirkung der plötzlichen Verluste auch gar nicht in Anschlag gebracht wird, bei 100 Schritten Entfernung die Angriffscolonne mindestens 8-10 Mann, bei 50 Schritten 4-5 Mann tief formirt werden . Die eintretenden Verluste und die Aufrechterhaltung des taktischen Gefüges der Stürmenden stehen jedoch in innigster Beziehung zu einander und man ist bei Beurtheilung dieser Frage fast ganz auf das Gefühl und auf die Erfahrung angewiesen .

Wir wollen hier nur

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts -Ordnungen.

93

die Erfahrung allein zu Grunde legen und als das Maximum eine 10 Mann tiefe Angriffs-Colonne annehmen . Eine solche bestünde aus einer „ Colonne", die an die zweigliederige Schwarmlinie unmittelbar anschlösse. In dieser Formation stürmten allerdings die Truppen der Nordarmee 1866 gegen die Preussen und erlitten dabei die grössten Verluste. Wir können aber diese und damit den unglücklichen Ausgang

der Gefechtsacte weniger der Formation selbst zuschreiben , als der geradezu heroischen Art, wie solche Sturm- Colonnen in der Regel vorgeführt wurden. Das

zeitgerecht eingeleitete „ Sammeln "

wird

uns heute vor

solchen unnöthigen Verlusten bewahren und wir stehen deshalb nicht an, diese oder ähnliche Formationen , wenn schon überhaupt ein Bajonnet-Angriff grösseren Maassstabes nothwendig ist, auch noch jetzt als zulässig zu erklären . Wir zeigen in den Figuren 11 und 12

zwei Angriffs -Colonnen

alter Manier, in der Figur 13 aber eine blos 4 Mann tiefe AngriffsColonne, die wir trotz des grossen Raumes, den sie beansprucht, wohl als die gegenwärtig zweckmässigste erklären würden . Freilich ist sie etwas seicht ; trotzdem dürfte sie noch immer genügend massig sein ,

um bei einem Vorstürmen ,

namentlich auf

kurze Distanzen von 60-70 Schritten ein Auseinanderflattern der einzelnen Sturmcolonnen zu verhindern . Grössere Distanzen als die eben genannten im Sturme zu durcheilen, hat aber überhaupt schon etwas sehr Gefährliches ; mit der länger dauernden Bewegung entfällt das Moment der Ueberraschung , das ja bei jedem Bajonnet -Angriffe mächtig mitwirken soll ; die Abtheian die lungen kommen ganz gelockert, ausser Athem, „, im Rudel " feindliche Aufstellung und finden möglicher Weise erst hier den entscheidendsten Widerstand, welchen sie nur durch die Wucht des Anpralls brechen können . Eine Feuerwirkung gegen die unmittelbar angegriffenen Abtheilungen in solchen Momenten wird, ohne die eigenen Truppen selbst zu gefährden , nur in den seltensten Fällen noch möglich sein.

VIII. Das dritte und vierte Treffen . Reichen das erste und zweite Treffen sowohl für Ablösungen einzelner besonders hart mitgenommener Theile der Schlachtlinie als auch zur Entscheidung gewisser Gefechtsacte aus, wie dies im Wesen der Division eigentlich begründet ist, so erübrigt für das dritte Treffen -

94

Horsetzky.

die Corps -Reserve Gefechtslinie.

nur eine Verwendung ausserhalb der bisherigen

In diesem Sinne sind daher die 14 Bataillone des Corps -Commandos zunächst als ein zu offensiven Zwecken bestimmter ArmeeTheil aufzufassen, für dessen Eingreifen die beiden

vorderen Divi-

sionen nur die günstigsten Bedingungen zu schaffen haben . Die Entfernung des dritten Treffens vom zweiten braucht 4-500 Schritte nicht zu übersteigen ; es soll in der wahrscheinlichen Hauptangriffsrichtung an wichtigen Communicationen ausserhalb des Geschütz -Ertrages des Gegners, (bei den Flügel -Corps hinter den äusseren Flügeln) also circa 3000 Schritte von des Gegners Front aufgestellt werden. Für die Verwendung des 4. Treffens innerhalb der Gefechts-

ausdehnung der Armee ist nach allem Gesagten nur dann Gelegenheit , wenn die Corps ihr 3. Treffen in Folge der Abnützung der Truppen im Vordertreffen dort verbraucht hätten, oder wenn trotz dieser Unterstützungen die Gefechtsfront der Armee durchbrochen worden wäre ; im ersten Falle träte die Armee-Reserve zum Theil an die Stelle der Corps- und Divisions -Reserve u. s. w. , im letzteren Falle aber müsste sie sich dem durchbrechenden Theile mit einer neuen Gefechtsfront Siehe z. B. die Verwendung der österreichischen entgegenstellen. Schlacht-Reserve bei Königgrätz . Anders wird die Verwendung , wenn diese beiden Fälle entweder von Vornhinein gar nicht in dem Gefechtsplane berücksichtigt wurden , oder sich im Verlaufe der Schlacht als nicht wahrscheinlich erweisen und der Armee - Reserve eine Verwendung ausserhalb der anfänglichen Gefechtsfront der Armee zugemuthet wird . Sie bezweckt dann im grossen Maassstabe und für die Armee auszuführen,

was die Reserven der Flügel-Divisionen , respective der

Flügel-Corps innerhalb ihres Wirkungskreises bewirken sollen : das Umfassen oder das Umgehen des Gegners.

Umfassen heisst : des Gegners Flügel abgewinnen , Umgehen : in die Flanke wirken. Das Erste geschieht meist im unmittelbaren Anschlusse an die Gefechtsfront, gewissermaassen durch eine hakenförmige Verlängerung derselben, mit der Tendenz, den Gegner zu einem Versagen dieses Flügels zu zwingen, das Zweite mit der Absicht, directe gegen die hinteren Treffen zu wirken und diese in einem zur Rückzugs- und bisherigen Gefechtslinie ungünstigen Verhältnisse anzugreifen.

Das Umfassen ist daher im Allgemeinen Sache der vordersten Treffen, das Umgehen dagegen wird meist schon vor oder während der

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen .

95

Schlacht aus den rückwärtigen Treffen auf den gegen die feindliche Hauptrückzugslinie führenden Communicationen eingeleitet. Das Umfassen spielt in den Rencontre- Gefechten die bedeutendste Rolle ; es involvirt dann den sogenannten „ zangenartigen Angriff“ , und wird meist durch den Anmarsch in breiterer Front, als der Gegner einnimmt, auf das Vortheilhafteste eingeleitet ¹). In der bataille rangée wird beiderseits auf beiden Flügeln, sowohl im Ganzen , wie in jeder einzelnen Gruppe, die Tendenz des Umfassens vorherrschen müssen und sind zur Ausführung, resp. zur Abwehr desselben die Flügel -Unterstützungen aller Grade von der SchwarmlinieUnterstützung an bis zu den Corps- Reserven berufen, wenn letztere eine Umgehung nicht etwa ein Einschwenken mit Massen versuchen sollten . So wichtig das Umfassen, theils an sich wegen der Möglichkeit, einen Theil der feindlichen Gefechtslinie zu enfiliren, theils als Einleitung zu einer Umgehung ist, so gefährlich ist es, sich zu weit auszudehnen und die Reserven zu ununterbrochenem Verlängern der Front zu benützen , wie dies bei den Manövern so oft geschieht ;

die Mög-

lichkeit von dem vielleicht überlegenen Gegner durchbrochen zu werden , wird äusserst selten berücksichtigt. Wir machen besonders unsere Cavalerie auf dieses fortwährende gegenseitige Umfassen und Frontverlängern aufmerksam ; oft fände eine Attake kaum eine dünne Schwarmlinie ohne irgend welche Reserven vor sich. Die wirksamste Gegenmaassregel gegen das Umfassen besteht bekanntlich nicht im Verlängern der Frontlinie oder in der Bildung eines Defensiv-Hakens, einer Defensiv-Flanke ; beide nützen nur für den Augenblick; stets müssen die nächsten geschlossenen Abtheilungen sogleich dem umfassenden Theile selbst in die Flanke fallen . Gelingt es nicht auf diese Weise, das Umfassen aufzuhalten , so 1 ist das Schicksal des Flügels so gut wie entschieden. Allerdings ist dies nicht dahin zu verstehen , dass man aus fal-

schem Offensiv- Sinne eine vortreffliche Flanken- Anlehnung, aus der man jede Annäherung und jede Umfassung des Flügels verhindern kann, um den Umfassenden selbst wieder zu umfassen ; ein aufgeben soll, Fall, der allerdings auch mehr als ein Mal bei Manövern beobachtet wurde.

1 ) Vergleiche : Organs des Wiener il faut toujours en supérieur à celui de

die Angriffsweise der preussischen Infanterie . ( III . Band des militär-wissenschaftlichen Vereines) und Carnot's Ansicht : toute action de guerre avoir autant que possible un front l'ennemi. "

96

Horsetzky.

Die Umgehungen der Armee - Reserve und selbst auch jene der Corps- Reserven fallen schon in's strategische Gebiet ; sie sind mehr die logische Folge strategischer Combinationen als der Ausfluss der taktischen Idee zur Schlacht. -- Bei grossen Armeen liegt auch in taktischer Beziehung der Schwerpunct auf jenem Flügel, der in strategischer Hinsicht der wichtigste und ausschlaggebend ist : wie dies z. B. die Operationen Molke's um Metz beweisen ; immer war der linke. Flügel der Offensiv - Flügel der Preussen ;

er musste es auch in den

Schlachten am 14. , 16. und 18. August, am 1. September und an der Loire bleiben . Der Verlust der Schlacht am 16. August seitens der Franzosen war eine Folge der zu späten Erkenntniss dieser Nothwendigkeit. Hätte Bazaine in der Absicht eines Abmarsches von Metz von Vornhinein auf seinen rechten Flügel das Schwergewicht der Schlacht verlegt, so hätte er richtig gehandelt . Alle späteren Operationen der Faidherbe Franzosen waren im Grossen in diesem Sinne gut angelegt. operirte stets gegen den rechten Flügel, Aurelles de Paladines und Bourbaki gegen den linken der Deutschen . Die Ausführung der Umgehung an und für sich ist rein taktischer Natur und geschieht in der Art, dass sich die dazu verwendeten Armee-Körper analog jenen in der Front gliedern und benehmen. Die Divisionen

der

ersten Linie gliedern

gehungs -Colonne nicht anders, Unterabtheilungen wähnt wurden.

können

sich auch als Um-

wie früher und auch die einzelnen

nur jene Formen

wählen, die bereits er-

Schliesslich führen ja alle Umgehungen immer wieder zu frontalen Angriffen . War die Umgehung gut eingeleitet, so wird wohl ihr Gefecht einen bedeutend rascheren Verlauf nehmen . Erzielt z . B. in Folge überraschenden Erscheinens das erste Treffen gleich bedeutende Erfolge. so folgt wohl das zweite und dritte Treffen nur in Marschcolonne : siehe z. B. den Anmarsch der kronprinzlichen Armee zur Schlacht von Königgrätz ;

stets aber geschieht der Uebergang in die Gefechtsord-

nung so rasch als möglich, um in der besten Verfassung zu sein, den vom Gegner zu erwartenden Gegenstoss zu brechen . Nach den Raumverhältnissen ist es klar, dass innerhalb der Gefechtsfronten der einzelnen Gruppen nur sehr wenige Compagnien oder Bataillone sich die Räume für ihre Wirksamkeit aussuchen können. Für die Unterabtheilungen vom Bataillone abwärts

besteht in

der

bataille rangée der Begriff Umgehung eigentlich gar nicht ; er besteht nur für die Commandanten grösserer Abschnitte. - Diese leiten ihrerseits eine Umgehung in ihrem Rayon ein , indem sie z . B. ihre Truppen

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen.

97

gegen einen Flügel zusammenschieben und nur dort offensiv vorgehen, am anderen blos demonstriren lassen u . dgl . Hieraus ergibt sich die Nothwendigkeit, die Unterabtheilungen hauptsächlich an Frontalgefechte innerhalb beschränkter Räume zu gewöhnen und besonders in solchen zu üben ; eine Aufgabe, die nicht unterhaltend sein wird , weil sie Geduld und minutiöses Ausnützen des Terrains erfordert, deren Nutzen aber zweifellos grösser als der der kühnsten Umgehungen sein muss, weil bei diesen nur marschirt und manövrirt, aber selten gefochten wird.

IX .

Schluss - Bemerkungen.

Heute noch über Gefechts - Ordnungen und Gefechtsformen theoretische Betrachtungen anzustellen , wird vielleicht von mancher Seite als überflüssig angesehen, denn es holt sich fast Alles nur mehr bei der Praxis Rath . Die aus der Praxis gezogenen Schlüsse indessen differiren mitunter , je nach dem Geschmacke der Betreffenden, sehr weit von einander ; sie unterhalten die öffentliche Meinung , aber sie einigen sie nicht : deshalb schien uns ein wenig Theorie zur Concentrirung und Präcisirung der Ansichten nur förderlich sein zu können . Aus der Praxis allein Folgerungen anzustellen , führte und führt nur zu oft zu Fehlschlüssen und zu Uebertreibungen . Wir greifen, um dies zu erläutern, nur auf gut Glück eine jener Sentenzen heraus, die gegenwärtig als die Quintessenz der practischen Erfahrungen der letzten Jahre gepriesen und gepredigt werden. „ Man soll Alles in dichte Schwärme auflösen. " „Der Kampf der Schützenmassen ist der entscheidende . " Solche

Schlagworte

verleiten aber , wie so manches Manöver

bewies, nur zum Auflösen geschlossener Abtheilungen zu einem Zeitpuncte, wo diese viel besser geschlossen zurückgehalten worden wären : sie führen zum Aus der Hand geben der Abtheilungen, bevor man sich noch über deren beste und zweckmässigste Verwendung klar geworden sein konnte, sie führen zu einem solchen Verdichten der Schwarmlinie , dass diese ihrem Zwecke gar nicht mehr genügen kann, denn wie schon Clausewitz erklärte , nicht die Masse der Schwarmlinie bedingt ihre Wirkungsfähigkeit, sondern die Beweglichkeit und die jedem Schützen garantirte Fähigkeit, zu zielen oder wenigstens auf den Feind zu schiessen.

98

einen

Horsetzky. Das Schlagwort mit Schützen- Massen kämpfen " , erzeugt weiters falschen Offensivsinn , den des blinden , unüberlegten Drauf-

losgehens, den Offensivsinn der abgethanen Stosstaktik, der im kleinen Kriege bei isolirten Truppentheilen am Platze sein kann, für Patrouillen und Cavalerie-Abtheilungen passt, aber nicht für den Commandanten, dessen Abtheilung in der Schlachtlinie, sowohl der Wirkung auf den Feind, als auch der Zeit nach, eine gewisse Einheit repräsentirt, welche nur mit Rücksicht auf die Bestimmung der Nachbar-Abtheilungen und des Ganzen „ planmässig“ verwerthet werden darf. Man muss der Truppenführung heute mehr denn je den Stempel der Methodik, die Charakteristik des Ueberlegten und Planmässigen verleihen ; der Truppe gehört der Muth des Drauflosgehens, ihrem Commmandanten aber nebst dem Muthe persönlicher Aufopferung auch noch jener der Ueberlegung. Man darf daher auch nicht solche Schlagworte in das taktische Glaubensbekenntniss aufnehmen, die dieser Forderung geradezu entgegentreten . „ Mit Schützenmassen kämpfen " heisst : Alles in Schwarmform verwenden, Alles auflösen, nur keine geschlossene Abtheilung in der Schwarmlinie dulden, und so fort Dass das Schlagwort so verstanden und aufgefasst wurde, konnte man vielfältig beobachten. Wer den Einfluss solcher Schlagworte verfolgte, wird zugestehen , dass die Naancirung eines so allgemeinen und so wichtigen taktischen Grundsatzes von ganz besonderer Bedeutung und vollkommen geeignet ist, verschiedene Ergebnisse zu Tage zu fördern . Nun stehen wir keineswegs an, zu erklären,

dass auch wir mit

Schützenmassen kämpfen, aber eben zu diesem Schützenkampfe nicht mehr Kräfte verwenden wollen als dort mit Vortheil und mit Rücksicht auf gezieltes Schiessen verwendet werden können . Erst in dieser Beschränkung angeordnet, werden unsere Schwarmlinien wieder lenksam und gefügig werden und statt wegen Ueberfülle an Kraft zu Grunde zu gehen, werden sie erst wahrhaft die Träger eines rationellen, auf gezieltem Schiessen basirten Feuergefechts werden ; dann werden auch Unterstützungen und Reserven nie fehlen und der Schwarmlinie als „geschlossene Abtheilungen " jenen Gehalt und jene Consistenz geben, ohne welcher sie doch nur eine herren- und führerlose Masse bleibt, die jedem Eindrucke des Gegners nachgibt. Wir sind also weit davon entfernt, dem Offensivsinn und dem Unternehmungsgeist, den viele der gegenwärtig üblichen Schlagworte zu wecken geeignet sind, nahe zu treten ; im Gegentheile wir wollen ihn nur fruchtbarer und furchtbarer machen, indem wir in dem Chaos

Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen.

99

der Schwärme möglichst lange Ordnung und Leitungsfähigkeit erhalten wollen ; und das ist vorläufig nur durch die Einwirkung und Verwendung geschlossener Abtheilungen zu erzielen . Wir glauben demnach auch, dass der richtige Weg zur Erklärung so auch noch heute - darin gewisser Erscheinungen wie früher besteht, den Ursachen der Erscheinungen durch die Theorie nachzuspüren und die so erlangten Resultate wieder durch die Erfahrung zu erhärten. Weder Praxis

noch Theorie können

für

sich allein taktische

Fragen, am allerwenigsten Formfragen lösen ; beide müssen Hand , in Hand gehen . Jede Form ist ja nur Mittel zum Zwecke ; man mag die taktischen Formen noch so kunstvoll , oder noch so einfach wählen , man wird immer nur

gewissen berechenbaren Factoren, der Organisation,

der

Lenksamkeit, der Disciplin, etc. vollends Rechnung tragen können ; der feindlichen Waffenwirkung gegenüber erweist sich dieses Streben als sehr beschränkt und unzulänglich, und gerade dieser Einfluss ist der gefährlichste . Ein Bataillon soll z. B. einen vom feindlichen Geschützfeuer bestrichenen Raum durcheilen ; Mangel an Zeit zwingt es, diese Strecke auf ein Mal, nicht in Partien, Mangel an Raum zwingt es, diese Zone in einer gewissen beschränkten Breite zu hinterlegen ; wie soll es sich dabei formiren ? Feuert der Gegner mit Shrapnels, so sollte es, weil die Streuungsfläche dieser Geschosse mehr in die Tiefe als in die Breite ausgedehnt ist, sich mehr breit als tief formiren, feuert der Gegner mit Hohlgeschossen, so sollte es sich wegen der Wirkungsart dieser mehr tief als breit anordnen . Und so liessen sich viele Beispiele anführen , dass die Formfragen nur eine beschränkte Lösung zulassen, weil man eben dem Gegner nicht zumuthen kann, er werde die unserer Formation am wenigsten schädliche Waffenwirkung zur Bekämpfung derselben wählen . Die Form ist aber auch zum Glück nur wenig ; der Geist ist Alles. Wir werden sie darum nicht unterschätzen ; denn unter sonst gleichen Verhältnissen kann sie

wie jeder militärische Factor ein

ganz besonderes Uebergewicht erlangen ; aber alle taktischen Formen haben nur einen relativen Werth, dessen Wirksamkeit erst durch das moralische Element und durch den Genius der Nationen bedingt wird. Der freie Grieche wie der kriegsgeübte Macedonier - sagt die Geschichte des Kriegswesens bei Besprechung der Vor- und Nachtheile der Phalanx und der Legion ― erblickten das Element des Sieges in dem Angriff der Phalaux nicht minder, als der für das Wohl und die Grösse seines Vaterlandes begeisterte republikanische Römer in dem Andrange der Legion.

100

Horsetzky. Eine Studie über Schlacht- und Gefechts-Ordnungen. Was beiden Stellungen an taktischer Vollkommenheit fehlte, er-

setzte der moralische Gehalt der Masse, der kriegerische Muth des Einzelnen . Die Griechen hatten bei ihren äusseren Kriegen beständig mit unzählbaren Herren und mit überlegener Reiterei zu kämpfen, gegen welche nur die Phalanx-Stellung Sicherheit gewährte. Der tapfere Römer, dessen Stärke im Einzelnkampfe bestand, durfte es wagen, auf seine Gewandtheit und Geschicklichkeit vertrauend , blos in einzelnen Trupps vereinigt und mit einer Linie voller Zwischenräume dem Feinde auf den Leib zu gehen. Cäsar erzielte mit der Cohorten- Stellung die glänzendsten Resultate gegen die tapfersten und gefährlichsten Feinde,

welche jemals

den Römern gegenüber standen . Das Heer des Pompejus focht jedoch bei Pharsalus in derselben Stellung und ward besiegt. Keine Kunst ist im Stande , das moralische Element zu ersetzen, dieses aber ergänzt in gewissem Grade die Mängel der Kunst. “

Wien, Jänner 1874.

Die internationale Ausstellung in Wien 1873. ')

Ueber das Militär- Verpflegswesen . ') (Berichterstatter Alexander Poppović, k. k. Militär-Unter-Intendant I. Classe.) Es hätte, abgesehen vom problematischen Werthe, zu weit geführt, viel Zeit, Studium und Arbeit erfordert, wenn alle ausgestellt gewesenen Objecte, welche mit der Verpflegung in einigen Zusammenhang gebracht werden könnten , einer Besprechung unterzogen werden wollten. Bevor aber die fürgewählten , speciell das Militär- Verpflegswesen näher berührenden

Objecte

besprochen werden,

seien hier vorerst

wenigstens jene Gruppen verzeichnet, in welchen das Verpflegswesen im weiteren Umfange sich ausbreitet. Dazu gehören : Gruppe II. Producte der Feldwirthschaft, von welchen die Brotfrüchte, Hafer, die Hülsenfrüchte u. s. w. in schönsten Mustern vorhanden waren .

Gruppe IV. Nahrungs- und Genussmittel ;

als Mehl und Mehl-

fabricate aus Zerealien und Leguminosen, Wein und Weinsurrogate, Conserven , Extracte und Fleischwaaren, Tabakfabrikate ; alles in den mannigfaltigsten Sorten und in reichster Auswahl. Gruppe XIII. Maschinenwesen ; als Dampfmaschinen auch in compendioser und leicht transportabler Form, Mahlmühlen, Fruchtreinigungs - Apparate, Locomobilen, andere Transportmittel .

Göppel,

Strassenfuhrwerke

und

Physikalische Instrumente ; als Maasse und Gewichte, Waagen, Pyrometer; gleichfalls wie in der vorverzeichneten Gruppe für die Einrichtung der Verpflegs - Anstalten von Werth. Gruppe XIV.

Gruppe XVI. Die zur Verpflegung gehörigen Kochzeuge namentlich im Kriege. ¹ ) Siehe Vereins- Organ , Band VII, Seite 138 ; Band VIII, Seite 17. *) Mit Benützung des von demselben Autor verfassten „Officiellen Ausstellungs-Berichtes."

102

Die internationale Ausstellung 1873. Gruppe XVIII.

Silos, Backöfen etc. Die in diesem

Die Industriebauten ,

als Mühlen, Lagerhäuser,

summarischen Verzeichnisse

eingereihten Aus-

stellungsobjecte waren nach Anerkennung von competenter Seite durch die inländische Production reichlich und in vorzüglicher Güte vertreten . Der Berichterstatter übergeht nun auf den engeren Kreis des Verpflegungswesens, indem er die Auswahl jener Gegenstände zu treffen suchte, welche demselben vom Standpuncte der Zweckmässigkeit mehr interessant zu sein schienen und insbesondere mit der Verpflegung im Felde im näheren Zusammenhange stehen. Dieser Bericht kann eine systematische Form wohl nicht haben , da er zumeist Eindrücke von Gesehenem bringt und erörtert ; um demselben jedoch eine passende Reihenfolge zu geben, so werden aus den vorangereihten Gruppen die Gegenstände, wie folgt, herausgehoben . Aus der Gruppe II. Die Bodenproducte waren von allen Ländern in vielen Gattungen und in den mannigfaltigsten Sorten , aber höchst selten in der Qualität der üblichen Handelswaare, Mustern vertreten .

sondern meist in ausgesuchten

Der letztere Umstand und die Erfahrung, dass die Qualität der Gebrauche nicht schon bekannten Körner zunächst nach dem dem aus Gewinne des Mehles und schliesslich des Gebäckes endgiltig beurtheilt werden kann, hätte das Studium der Körner mit einem vollen Erfolge nicht gelohnt . Ueber die Preisgeschichte der inländischen Producte waren sehr anregende Arbeiten , namentlich in graphischer Darstellung ausgestellt . welche im officiellen Ausstellungsberichte von Dr. C. Theodor v . InamaSternegg gewürdigt wurden .

Aus der Gruppe IV. Zwieback. Der Zwieback ist einer der wichtigsten Artikel für die Verpflegung im Kriege, da er in den häufigsten Fällen das frische Brot, welches nur mit grossen Schwierigkeiten in gutem Zustande und in ausreichender Menge beigeschafft werden kann , zu ersetzen hat. Die Verpflegung mit Zwieback macht eine geringere Anzahl der Feldöfen und des Arbeitspersonales nöthig, erfordert gegenüber dem Brote um 44 Percent weniger Transportmittel, verringert daher den Train im hohe Maasse, dann ist der Zwieback leichter gegen Verderben zu bewahren und belastet den Mann um 22 Loth weniger als das Brot, fördert die leichtere Beweglichkeit und grössere Unabhängigkeit der operirenden Truppe, es tritt an demselben nicht so leicht Mangel am Bedarfsorte wie beim Brote ein .

E

103

Poppović. Ueber das Militär-Verpflegswesen .

Diese grossen Vortheile gebieten es, dass der Zwieback, obgleich hart und trocken, daher vom Soldaten nicht gerne genossen, unausweichlich als Verpflegsartikel

beibehalten

werden muss ;

anderseits

weisen die Mängel gerade hin , dass und wo eine Verbesserung dieses Artikels zur Beseitigung derselben unverrückt anzustreben sei. An dem ausgestellten Zwieback sah man im Allgemeinen , dass

+ die Flecken (Kuchen) rund, höchstens bis 8 Loth schwer, weissem Mehle erzeugt,

aus

sehr

im Teige süss oder nur mit höchst wenig

Ferment getrieben, gut gestupft (durchlöchert) und nicht scharf ausgebacken, sondern mehr gedörrt waren . Nur der vom Herrn G. B. Tiani aus Triest ausgestellte Zwieback war in viereckiger Form, sah zwar sehr schön aus, war aber beinahe durchwegs in der Peripherie gesprungen (gerissen ) was für eine längere

Beide Sorten waren vortrefflich, mit Ferment und fleissig gearbeitet, hatten eine schöne, wenn auch verschiedene, die erste eine schön poröse, die letztere eine dichtere Textur, eine vollkommen geschlossene Fläche, sie waren schmackhaft beim Kauen, nicht zu hart, quollen in der Flüssigkeit schnell und stark auf, versprachen schliesslich lange Haltbarkeit, daher sie in jeder Beziehung einer besonderen Beachtung und Nachahmung werth sind . Der Zwieback des Herrn Troia Alfio fiel noch durch seine gelbweisse, sehr schöne Farbe und durch süsslichen Geschmack auf, was zur Vermuthung führte, dass dem Weizenmehle eine kleine Quantität Maismehl beigemengt sei. Diese Wahrnehmung legt die Frage auf, ob nicht zur Erzielung einer besseren Zwieback-Qualität überhaupt ein Theil Maismehl , das in Oesterreich- Ungarn auch billiger als das Weizenmehl sein dürfte , beigemengt werden solle . Ein Versuch würde erweisen, ob die Annahme berechtigt sei , dass, weil die Bindung und das Verhältniss von Kleber, Stärkemehi und Dextrin bei dem Maismehle ein anderes als bei dem Weizenmehle, und die Lösung und Verbindung der verschiedenen Mehltheile während der Fermentation und der Hitze-Einwirkung eine ungleiche sein müsse , auch die Textur des Teiges eine lockere, das Erzeugniss minder zähe und mehr mürbe werden , der Geschmack und das gute Aussehen gewinnen würden .

H

Conservirung im Magazine und auf Transporten ausser Zweifel nachtheilig ist. Vorzügliche Qualitäten waren die des Herrn Kossanéich aus Triest und des Herrn Troia Alfio di Siracusa.

104

Die internationale Ausstellung 1873.

Zu den vorzüglichen Schiffszwieback- Gattungen gehörten noch der Zwieback von Gimmino & Landolfi di Castellamare und zwar ein Muster von hartem Weizen ohne Ferment und ein zweites von gemischtem Weizen (di grani misti) mit Ferment. Beide waren in runden Flecken vollkommen geschlossen und von glatter Rinde , lich sein .

die

dazu verwendete Stupfmaschine muss vorzüg-

Die conservirten Nahrungsmittel sind rücksichtlich ihrer vorzüglichen Verwendbarkeit im Kriege schon vielseits anerkannt worden , es dürfte daher auch hier eine gedrängte Abhandlung über selbe am Platze sein. Conservirte Nahrungsmittel . Bei der gegenwärtigen Kriegführung mit grossen Armeekörpern auf verhältnissmässig kleinen schnellen Bewegung der Truppen mit in kurzen Zwischenräumen auf einander folgenden Actionen ist die Verpflegung im Felde wesentlich erschwert worden . Räumen und der

Grosse Truppenmassen finden auf eingenommenen engen Räumen selten die erforderlichen Nahrungsmittel und selbst im günstigsten Falle macht es oft die häufige und schnelle Ortsveränderung nicht möglich, die in den Wirthschaften zerstreut liegenden Vorräthe zu sammeln und der Truppe zuzuführen , ja oft auch unthunlich , die mitgeführten Artikel abzukochen. Die schnelle Bewegung der Armee hat die weitere Folge, dass der Verpflegungs -Train oft nur mit den riesigsten Anstrengungen , zuweilen auch gar nicht nachfolgen , demnach den Truppen die Bedürfnisse nicht zur rechten Zeit beistellen kann . Diese für die Verpflegung misslichen Umstände und die nähere Erkenntniss, dass der Soldat nur dann im Felde vor Hungerleiden gesichert wird, wenn derselbe bei sich oder in seiner nächsten Nähe (beim Gefechts-Train) ein Nahrungsmittel besitzt, das entweder ohne aller Zubereitung kalt oder höchstens binnen einigen Minuten aufgewärmt genossen werden kann, führten dahin, in den Conserven Abhilfe zu suchen, die, wenn auch bisher noch nicht vollständig, so doch in einem schätzenswerthen Grade gefunden wurde. Die Fleisch-, Gemüse- und anderen Conserven

sind,

mit Aus-

nahme der Emporien für die Marine, zumeist nur in den DelicatessenHandlungen abgesetzt worden . Eine grosse Ausnahme bildet der englische Handel, bei welchem die namentlich in den britischen Colonien. in grossen Massen erzeugten Conserven von Rind- und Schöpsenfleisch ein wichtiger Importartikel geworden sind, welche vermöge ihrer Preiswürdigkeit und Güte nicht nur für die See, sondern auch in der Be-

105

Poppović. Ueber das Militär-Verpflegswesen .

völkerung zunehmenden Absatz finden und dadurch zu einem regelmässigen, mit reichen Lagern dotirten Handelsartikel geworden sind . Die letzten Kriege haben auch in anderen Ländern Anstoss zur grösseren und fabriksmässigen Erzeugung an conservirten Nahrungsmitteln gegeben, allein, es konnte, insbesondere in unserer Monarchie , eine regelmässige Fabrikation im grossen Umfange wegen Mangel an Nachfrage für gewöhnlichen Gebrauch nicht zum Aufschwunge gelangen. Die Anforderungen ,

welche an die Conserven gestellt werden,

sind ; geringes Volumen , widerstandsfähige Verpackung, lange Haltbarkeit, schnelles Abkochen besser Genussfähigkeit im kalten Zustande ohne alle Zubereitung angenehmer Geschmack, genügende und gesunde Nahrhaftigkeit, schliesslich verlässliche Aufbringbarkeit in grossen Mengen und in kurzer Zeit im Falle des Bedarfes. Das k. k. Reichs - Kriegsministerium hat nach ausgebreiteten Erhebungen und Proben manche Artikel gefunden, welche als Surrogat für die Normal - Verpflegung mit gutem Erfolg verwendet werden können, so : verschiedene Fleische und Gemüse, dann präparirte Leguminosen, Conserven. Die in diesem Zweige der Nahrungsmittel gemachten Erfahrungen haben jedoch zur Wahrnehmung geführt, dass der häufig wiederholte Genuss solcher Surrogate widersteht und daher nur mit Abwechslung unter solchen Artikeln und mit der regelmässigen Menage -Kost zweckmässig ist und vornehmlich nur dann eintreten soll, wenn ein regelmässiges Abkochen nicht stattfinden kann. Die Ausstellung bot eine reiche Auswahl dieser Artikel. England und die britischen Colonien boten diverse Fleischconserven von Rind- und Schöpsenfleisch, in gepöckeltem und luftgeselchtem Zustande, dann gekocht und roh in Büchsen, ferner Fleisch mit Gemüse oder Suppe und Fleischextracte , harte oder getrocknete Erbsensuppe (condensirte Erbsen) u . s. w. - Spanien und Frankreich hatte Fleisch- und Gemüseconserven in Büchsen; die Schweiz condensirte Milch und die sogenannte Quillet-Speise (zusammengesetzt aus Fleisch, Gemüse und mehligen Stoffen) ; Dänemark präservirte Butter in Büchsen, Pöckelfleisch in Fässern und Selchfleisch in Blasen ; Italien verschiedene Nahrungsmittel- Conserven,Teigwaaren und Salami ; Deutschland Fleisch- und Gemüse-Conserven , Fleisch- Suppenmehl, präparirte Mehle aus Hülsenfrüchten, gepresstes trockenes Gemüse aller Gattungen u. s. w. Oesterreich und Ungarn Fleisch, und Fleisch mit Gemüse in Büchsen , Selchfleisch - Fabrikate, Salami, Essspeck und Mehlspeis-Fabrikate ; Russland Bouillon und Gemüse-Conserven, Amerika Speck, Schinken u. s . f. Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

8

Die internationale Ausstellung 1873.

106

Es würde zu weit führen, wenn die einzelnen Artikel bezüglich ihrer Anwendbarkeit speciell besprochen werden wollten, es wird nur beispielsweise jener Vortheile gedacht, welche das Mehl aus Hülsenfrüchten gegenüber den lange Zeit für die Zubereitung erfordernden Körnern gewährt. Demjenigen, der die richtige Vorstellung von den massenhaften

Erfordernissen einer Armee im Felde hat, bietet aber diese mannig. faltige und reiche Auswahl nur dann einige Beruhigung, wenn er auch die Gewissheit hat, im Momente des Bedarfes die erforderliche Menge zur Stelle zu haben. Die hauptsächlich ins Auge gefassten Conserven aus Fleisch, dann Fleisch mit Gemüse und das Mehl aus Hülsenfrüchten werden als gewöhnlich gangbares Nahrungsmittel entweder deshalb nicht gesucht, weil sie kostspieliger sind, oder weil die Bevölkerung daran noch nicht gewohnt ist, wesshalb hievon wenig erzeugt, auch grössere Vorräthe auf dem Lager nicht gehalten werden. Die Einrichtung einer fabriksmässigen grossen Erzeugung besteht demnach bei uns nicht, und diese erst im Bedarfs - Momente ins Leben zu rufen, dürfte wohl zu spät sein. Da es aber nicht angeht, sich auf eine Verpflegungs - Basis zu verlassen, deren Saugewurzeln bis in die entferntesten Länder reichen , so dürften Maassnahmen nöthig erscheinen , welche im eigenen Lande die für die Kriegsführung der Armee beinahe unentbehrlich gewordenen Conserven an Nahrungsmitteln

in grösserem Maasse

sichern : diese

Maassnahmen dürften darin gefunden werden, dass gewisse, für die Armeeverpflegung gewählte Conserven auch im Frieden zeitweise als Kostportionen verabfolgt werden,

wodurch es möglich wäre,

einen

grösseren Vorrath zu unterhalten , beziehungsweise umzusetzen, welcher für die erste Dotirung der operirenden Armee genügen würde, anderseits aber Industrielle in die Lage zu versetzen, grössere Fabriken zu diesem Zwecke errichten und betreiben zu können . Im Inlande und speciell in

Wien

streben die fabriksmässige

Erzeugung der Conserven die Firmen A. K. Wagner und A. Breden et L. Kurth zu entwickeln ; auf welche besonders deshalb reflectirt wird,

weil sie ihre Fabrikation besonders zum Gebrauche für die

Armee-Verpflegung zu vervollkommnen und zu erweitern trachten . Die erstere Firma hat sich schon im Jahre 1869 damit beschäftiget, solche Fleischconserven zu erzeugen , welche substanzios, nahrhaft sind und nur eines Aufwärmens benöthigen, oder auch kalt genossen werden können .

107

Poppović, Ueber das Militär- Verpflegswesen .

Solche Conserven ( Saft- oder Guliyas -Fleisch dann Fleischwürste in Büchsen) sind auch während des Feldzuges 1869 in Dalmatien für die Truppen geliefert worden, und wurden sehr gut befunden. Neuerer Zeit haben beide Firmen Fleischconserven geliefert und sind solche vielen Truppen schon bekannt. Getränke. In Erinnerung, wie hoch der Soldat im Felde den Trunk eines guten Weines schätzt und wie sehr er dessen bedarf, sei auch davon Erwähnung gemacht. Für die Lieferung an die Armee eignen sich überhaupt die stark alkoholgehaltigen und die rothen Weine, weil sie den wechselnden Witterungseinflüssen besser widerstehen, der rothe auch deshalb, weil er, wenn er auch warm ist, gut mundet. Die überreiche Exposition an verschiedensten Weinen konnte als Garantie angesehen werden, dass bei eventuellem Bedarfe eine Verlegenheit um Bezugsquellen und um gute Qualitäten nicht eintreten kann . Die Verabreichung des Weines an die Armee bedingt jedoch sehr grosse Transporte ; es bedarf ja nur ein Corps von 50.000 Mann mit der einfachen Gebühr von

1 Seidel täglich 300

25 Wagen und bei der Verdopplung der Gebühr, Action häufig eintritt, das Doppelte.

Eimer oder

die während der

Der Vorrath, den die Proviant- und Verpflegs - Colonne zusammen auf sechs Tage zu führen hätten, würde daher bei einfacher Gebühr im Train 150 Wagen machen. Ausser diesem tritt nach der Beschaffenheit des Kriegs- Schauplatzes noch häufig der missliche Umstand ein, dass die grosse Menge von Wein für eine ganze Armee nicht aufgebracht, beziehungsweise nicht nachgeschoben werden kann ; deshalb ist für die Etappenverpflegung der Branntwein, welcher weniger voluminös ist, wechslung normirt.

zur Ab-

Leider tritt da der Fall ein, dass sich mehr Schnaps- als Weintage ergeben und da dem, wo es sich um die Verpflegung einer grossen Armee handelt, nicht leicht abgeholfen werden wird , der bisher für die Armeeverpflegung

verwendete durch Verdünnung eines

36gradigen Spiritus auf 18 Grade gewonnene Branntwein aber nach mehrmaligem Genusse widersteht, so erübrigt nur die eine Richtung, welche einzuschlagen wäre, das ist die Darreichung

eines besseren

Branntweines , welches Ansinnen nicht als unbillig anzusehen sein dürfte, da auch die Ration eines besseren Branntweines nicht höher als die Weinration zu stehen kommen dürfte. Zu den gedachten besseren Spirituosen, welche in der Ausstellung auch vertreten waren , gehören die genuinen Branntweine, als : Slivovitz , 8**

le Die internationa Ausstellung 1873 .

Pflaumengeist , Weichselgeist, Kirschengeist, ungarischer Cognac und insbesondere Rum . Da die meisten der vorangeführten Spirituosen ,

T

108

namentlich der

Rum, viel hochgradiger sind, als der bisher gebührliche Branntwein, so kann auch eine geringere Ration und unverdünnt bemessen werden , was zur Folge hat, dass ein geringeres Volumen mitgeführt und dadurch der Train verringert werden kann.

*

Aus der Gruppe XIII. Mahlmühlen. Das k. k. Kriegsministerium schafft grundsätzlich Körner an, was zum Zwecke der Unterhaltung grösserer Brotmaterial -Vorräthe für längere Zeit und wegen Gewinnung von Dauermehl , zu welchem nur vollkommen gesunde, trockene und gereinigte Frucht verwendet werden darf, vollkommen gerechtfertigt, gleichfalls aber auch von ökonomischer Seite begründet erscheint, da bisher die Gestehungskosten des auf diesem Wege gewonnenen Mehles in der Regel unter dem Marktpreise standen . Mit dem Einkauf der Frucht ist aber die Absicht nicht ganz durchgeführt, denn die Vermahlung der Körner geschieht ausser Hause bei Mahlmüllern .

Wer in dieses Fach einigen Einblick gewonnen hat, wird gerne zugeben, dass die Controle der Vermahlung, welche mitunter weit entfernt vom Magazine oder mitten in Flüssen betrieben wird, sehr schwer durchführbar ist, dass daher der Zweck, ein entsprechend gutes Mehl aus der gekauften Frucht zu gewinnen, vereitelt werden kann.

bei der Lohnmahlerei

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass aus einem minderen Getreide ein verhältnissmässig gutes, durch fleissige Arbeit ein besseres und entgegengesetzt aus einem Getreide besserer Qualität bei Unredlichkeit oder auch schleuderhafter und gejagter Arbeit ein nicht entsprechend gutes Mehl abgeliefert werden kann ; es hängt dies nicht nur von der

Gewissenhaftigkeit und Redlichkeit des

welcher in dieser Eigenschaft die

Lohnmüllers,

Steigerung seines Gewinnes nicht

in der Production einer besseren Qualität, sondern in der Ergiebigkeit der Productionsmenge suchen kann , sondern auch von der Einrichtung seiner Mühle , von der Verlässlichkeit seines Personals u. s. w. ab. Es darf dies nicht etwa als eine der österreichischen Militärverwaltung adhärirende Engherzigkeit

angesehen werden, denn auch

in anderen Staaten und namentlich in England wird das für Zwieback erforderliche Mehl auf eigenen Mühlen erzeugt, um gegen alle Uebelstände ( ) gesichert zu sein .



Poppović. Ueber das Militär- Verpflegswesen.

109

Der Gewinn eines besseren Mehles ist aber auch eine Grundbedingung für eine bessere Brotqualität, welche die Militär-Administration schon überhaupt anstrebt, insbesondere aber in Wahrnehmung des sich allenthalben verfeinernden Geschmackes und der hieraus resultirenden höheren Anforderungen - zu beschleunigen gedrängt wird.

Allein nicht nur im Hinblicke auf die Verpflegung im Frieden, sondern auch auf jene im Kriege muss die Vermahlung in Anschlag gebracht werden. Die Kriegsverhältnisse sind so unvorhergesehen, dass nicht nur das Wahrscheinliche, sondern auch das Mögliche (Denkbare) ins Auge gefasst werden muss ; es könnte sonach der Kriegs - Schauplatz (die Armee) von der Basirung, das ist von den Hilfsquellen des eigenen Landes, welches die materiellen Bedingungen der Existenz und Schlagfertigkeit der Armee enthalten soll, so weit entfernt sein , dass die Ernährung aus dem feindlichen Lande - was ja auch grundsätzlich zu geschehen hat oder aus intermediären auf der Operationslinie gelegenen Puncten besser, oder mindestens aushilfsweise bestritten werden könnte. Aus Erfahrung ist bekannt, dass selbst die an Getreide sehr reichen Länder für die unmittelbare Verpflegung der Armee oft wenig Nutzen bringen ; dagegen wäre die Ausnützung des Getreidereichthumes dann möglich, wenn die Mittel zur Vermahlung -- Mühlen - zu Gebote stünden . Dass aber auf diese in vielen Fällen in occupirten Ländern nicht zu rechnen ist, kann leicht erläutert werden, man nehme nur wahr, dass es weite Länderstrecken gibt, wo keine oder nur unzureichende Mühlen vorhanden sind und dass auch diese vom Gegner zerstört werden können. Es können sonach eigene Mühlen unter Umständen auch für die operirende Armee nothwendig sein, zu welchen wohl die Handmühlen, deren Unzweckmässigkeit ausser allem Zweifel steht, nicht gerechnet werden dürfen . In analoger Weise erscheint die Einrichtung der Festungen mit Mühlen, welche leicht in Casematten untergebracht werden können, zweckmässig, weil es oft vorkommen kann, dass der Festung wohl noch rechtzeitig Getreide, aber kein fertiges Mehl zur Approvisionirung zugeführt werden kann, ohne dass die Vermahlung ausserhalb des Festungs-Rayons durchführbar sei . Wenn auch die gute nnd gesicherte Verpflegung des Heeres unter allen Umständen in erster Linie stehen muss , so dürfen mit dieser auch die ökonomischen Interessen nicht collidiren .

110

Die internationale Ausstellung 1873.

Dass die Arbeitsleistung, sonach auch die Lobnmahlerei sich ansteigend vertheuert, ist notorisch und dass eine Mühle , zweckmässig construirt und rationell beschäftigt, auf der Basis eines gesicherten , regelmässigen Absatzes der Mahlproducte sich ausbezahlt, dürfte nicht zu bezweifeln sein, könnte übrigens durch Beischaffung und Betrieb einer eingängigen, keine grosse Anlagekosten erfordernden Mühle erprobt werden . In überraschender Weise schienen da alle Aussteller von einer gleichen Idee geleitet worden zu sein, denn alle ausgestellten Mühlen besassen die übereinstimmenden Vorzüge, dass sie einfach construirt, daher leicht, ohne Kunst, auch nur mit gewöhnlicher Fachkunde behandelt werden können, dass sie ein eigenes Mahlhaus nicht erfordern, überall in gedeckten Räumen ohne grosse Fundamentirungen aufgestellt, leicht zerlegt, transporirt, mit beliebigen Motoren - Dampfmaschine oder Locomobile - eventuell auch mit Göpel angetrieben und um mässigen Preis angekauft werden können . Diese Principien , welche so vielen Mühlen -Constructeuren gemeinsam geworden sind, dürften durch die wahrgenommenen Bedürfnisse für Colonien und für Bevölkerungen in solchen Gegenden, in welchen in grossen Ausdehnungen ausser den bekannten primitiven , wenig ergiebigen Pferde- und Windmühlen andere nicht bestehen , hervorgerufen worden sein und als eine Erkenntniss des vielfältigsten Bedürfnisses, als ein Hinweis gedeutet werden können , wo der Vortheil des Fabrikanten mit dem des Consumenten zusammenfällt, und vielleicht auch der Militärverwaltung zur Anregung dienen, die Anschaffung solcher Mühlen in Combination zu ziehen, wobei mit Rücksicht auf die eventuelle Benützung im Felde mit Göpelantrieb sich die eingängigen, jedoch so construirten Mühlen empfehlen würden , welche blos durch Verkuppelung oder Verlängerung der Antriebswelle verbunden für gewöhnlichen Gebrauch durch einen Dampfmotor getrieben werden können . Es hat sich auch die Gepflogenheit bereits Bahn gebrochen, dem minder vermögenden Producenten, die ein grösseres Anschaffungscapital erheischende Ackerbau - Maschine durch Lohnarbeit derart dienstbar zu stellen, dass beispielsweise eine grössere Dreschmaschine nach Bewältigung der Arbeiten in einem Orte zum anderen zieht ; ebenso kann eine leicht transportable Mühle nach jenem Puncte versendet werden, wo sie Verwendung findet. Die Analogie ist sowohl für die Friedensverpflegung im Hinblicke auf die stabilen grösseren Garnisonen als auch für die eventuellen Erfordernisse im Kriege anwendbar ; wobei die Bemerkung beigefügt werden muss, dass es auch an fachkundigem Personale zur Bedienung

Poppović. Ueber das Militär-Verpflegswesen.

111

der Mühlen nicht fehlen dürfte, da doch so viele Wehrpflichtige des Müllerhandwerkes kundig sind, auch von den zum einjährigen Verpflegsdienste sich meldenden Freiwilligen , mancher Techniker für diesen Dienst sich gut verwenden liesse . Die hier besprochenen Mühlen sind für die Flachmüllerei, daher entsprechend dem Mahlsysteme, welches für die Erzeugung des Militär-Brotmehles gilt,

construirt und können leicht mit

dem Beutel-

oder Cylinderkasten zum Ausscheiden der Kleie vervollständigt werden . In Verbindung mit den Mühlen muss noch der Motoren gedacht werden. Ob die Mühle mit Dampf (Dampfmaschine oder Locomobile), mit Wasserkraft oder Göpel (mit Pferden) angetrieben werden solle, hängt von den localen Verhältnissen, von der Höhe der erforderlichen Kraft und vom Calcul der Ausnützung,

ob nämlich die Mühle eine bestän-

dige oder nur eine zeitweilige Beschäftigung findet, ab. Der Antrieb der Mühle mit Dampf empfiehlt sich wegen seiner

constanten und höheren Kraft, zufolge deren ein besseres Product und eine grössere Ergiebigkeit erzielt werden kann. Mit fast gleichem Vortheile kann die Wasserkraft, natürlich dort wo sie geboten ist, angewendet werden . Für den Betrieb mit Göpel wären nur die eingängigen Mühlen verwendbar und würde sich dieser Motor nur mit Rücksicht auf die Einrichtung für die Verwendung bei der Armee (jedoch nicht unbedingt ) und für solche Garnisonsorte empfehlen , wo die Mühle keine ununterbrochene Beschäftigung findet, demnach die Pferde zur Zufuhr des Getreides, zur Ueberführung von Holz, Stroh u. zu dgl. Loco -Diensten mit Vortheil verwendet werden könnten ; und schliesslich hat der Betrieb mit Göpel noch einigen Vortheil darin,

dass die Kenntniss der

Dampfmaschine oder Locomobil -Behandlung überflüssig wird und das. Mahlwerk mit mehr Beruhigung dem Verpflegs -Handwerker- Personale anvertraut werden kann. In jenen Fällen,

wo eine Dampfmaschine Beschäftigung findet,

wird sich übrigens die Besoldung eines geprüften Heizers , selbst wenn er aus dem Civile aufgenommen werden müsste , aller Wahrscheinlichkeit nach auch lohnen . Verhältnissmässig hatten die Fabriken in der österreichisch -ungarischen Monarchie die meisten Göpelvorrichtungen mit einfachen und doppelten Uebersetzungen für ein bis sechs Pferde ausgestellt. Erwähnt muss noch werden : der patentirte Schraubengöpel , mit Eisen oder Holz zu fundamentiren, welcher vermöge seiner sehr einfachen und

compendiosen Construction und leichten Transportablität

bei sonst entsprechenden Eigenschaften sich empfiehlt.

112

Die internationale Ausstellung 1873. Das Locomobil, welches wie oben gedacht wurde, zum Antriebe

der Mühle verwendet werden kann , wäre besser als der Göpel, wo es die localen Verhältnisse gestatten, da es auch bei Aufzügen , beim Wasser-Pumpwerke, zum Antriebe grosser Getreide-Putzmaschinen und dergl. ' mehr in den Magazinen verwendbar ist. Zur Vervollständigung dieses Artikels wird noch Folgendes beigefügt : Nebst mehreren Anderen haben an transportablen Mühlen ausgestellt : L. Nemelka in Simmering bei Wien, der bedeutendste MühRanlen- Constructeur in der Monarchie ; - B. Eichmann in Prag ; somes Sims & Co., J. Davis, Marchall Sous & Co.; Brian Coreoran Witl & Co. aus England .

Robey & Co.,

Eine eingängige Mühle kommt auf circa 1200 fl., eine Doppelmühle auf Holzgestell auf 1590 fl. und von EisenConstruction sammt Steinkranich auf 2330 fl. , eine verticale Dampfmaschine - für den Betrieb in Magazinen

besonders geeignet zu 4 bis 10 Pferdekraft auf 1500 bis 3400 fl ., eine Locomobile zu 4 bis 10 Pferdekraft auf 2300 bis 4000 fl. und ein Göppel für 4 Pferde auf 500 fl. , zu stehen .

für 6 Pferde auf 600 fl.

Das Gewicht der Mühlen differirt zwischen 30 und 70 Centner, je nach der Grösse, dann je mit oder ohne Steinen . Zum Antriebe einer Doppelmühle gibt Robey 8 Pferdekraft als genügend an. Wären es aber auch 10,

so

stellt es sich immer als günstig

dar und es würden dann für eine eingängige Mühle,

ohne Antrieb

der Putzvorrichtung, 6 Pferdekraft genügend sein . Per Pferdekraft und Stunde werden höchstens 3 , Pfund Steinkohle gerechnet. Die Ergiebigkeit der Vermahlung, bei Steinen von mindestens 42 Zoll Durchmesser, kann mit 30 Zentner Mehl in 24 Stunden angenommen werden. Aus der Gruppe XVI . Wer dem Soldaten im Felde mit Theilnahme gefolgt ist,

muss

die Wahrnehmung gemacht haben, dass beim Beziehen des Bivouacs. nach einem Marsche von mehreren Meilen oder nach einem überstandenen Gefechte das Bedürfniss

sich mehr im Anstreben von

Ruhe

und Schlaf als von Nahrung äussert. Bei solcher körperlichen Disposition ist das Fassen des Fleisches und Gemüses, das Herbeiholen des nicht immer in der Nähe befind-

Poppović. Ueber das Militär- Verpflegswesen.

113

lichen Wassers und Holzes und endlich das mehrere Stunden erheischende Kochen des

zähen Fleisches

und der harten Bohnen eine

wahre Qual. Einer solchen Wahrnehmung liegt wohl die Idee sehr nahe, die Truppen mit transportablen Feldküchen zu versehen ,

in welchen die

Speisen während des Marsches bereitet und gleich bei Bezug des Feldlagers ausgetheilt werden können . Diese menschenfreundliche

Idee liegt auch in der nach dem

Systeme Locati exponirten Feldküche für 2500 Mann ausgedrückt. Es ist wohl schade, dass diese Küchen für die in vorderster Linie stehenden Truppen durchaus keine Verwendung finden können , weil hiemit (entgegen dem unausgesetzten Bestreben des k. k. österreichischen Generalstabes auf Verminderung) eine grosse TrainVermehrung zugelassen werden müsste, welcher Umstand überhaupt gegen jede Gattung oder Art der fahrbaren Feldküchen auch dann geltend gemacht werden müsste, wenn, was sehr bezweifelt werden. muss, das Kochen während des Marsches in der Colonne durchführbar wäre. Doch was nicht für die ganze Armee, das könnte vielleicht theilweise und ausnahmsweise, das ist, bei den mobilen Feldspitälern und bei dem grossen Train zulässig sein . Die Feldspitäler stehen immer schon in einer Entfernung vom Kampfplatze, in welcher eine theilweise Vermehrung des Trosses für die Bewegung der Armee ein bedeutendes Erschwerniss nicht bilden dürfte . Anbelangend die Verwendung der transportablen Küchen bei dem grossen Train dürften als Beweggründe angeführt werden können, dass dieser Train immer einige Meilen hinter der Gefechtslinie steht , daher die Bewegung der Armee nicht so sehr wie die Proviantcolonne und der Bagagetrain behindern würde, dass die Vermehrung der Wagen durch die eingeschobenen Küchen keine so grosse wäre, dass schliesslich der Trainsoldat in der Bewegung, vom Aufbruch bis zum neuen Bezug des Parks in der Regel noch mehr Stunden auf dem Marsche" zubringt, als die Truppe, und dass derselbe, ausser für die eigene Person , auch noch für die Pflege der Pferde und Instandhaltung des Gefährtes und Geschirres vollauf beschäftigt ist, und zum Kochen mindestens ebenso wenig wie der Mann in der vorderen Linie disponirt sein kann . Als eine am leichtesten construirte, und von diesem Standpuncte sich empfehlende Küche,

erscheint der von Herrn Maskeau & Co.

in Breslau ausgestellte fahrbare Speise - Koch - Apparat für

114

Die internationale Ausstellung 1873.

militärische Zwecke, welcher aus einem vierräderigen Wagengestelle, einem Dampfkessel (Dampfbereiter) und zwei Kochkesseln, welche für beiläufig 400 Mann Speise fassen dürften, besteht. Diese Kochkessel hängen auf den Seiten des Wagens zwischen den vorderen und rückwärtigen Rädern, sind unten wie aus zwei ineinander gestellten Halbkugeln geformt, zwischen welchen der Zwischenraum zur Aufnahme und Circulation des durch Röhren aus dem Kessel einströmenden Dampfes dient. Die speciellen Mängel sind, die Dampfheizung selbst, welche eine, gegen die gewöhnliche Gewandtheit des Koches, grössere Kenntniss über Bedienung und Behandlung des Apparates erfordert, ferner die leichte Gebrechlichkeit mancher Bestandtheile der Maschine, welche im Felde nicht leicht reparirt werden könnte, endlich die Einrichtung zum Heizen für Kohle allein, welche in den meisten Fällen zu Verlegenheiten führen könnte. Der Feldkochwagen des Herrn J. Haag in Augsburg ist 40 Centner schwer, hat einen der Länge des Wagens entsprechenden Kasten, in dessen Mitte der Dampfkessel sammt Heizkammer angebracht ist. Entlang den Seitentheilen sind Dampfröhren geführt, in welche 20 Kessel à 10 Litre derart eingelassen sind, dass der aus dem Dampfentwickler in die Röhren geführte Dampf um die in diesen eingelassenen Kessel circulirt. In den 20 Kesseln können höchstens und nur im Ruhestande für 200 Mann Speisen auf einmal bereitet werden . Die Heizung kann mit Kohle oder Holz geschehen. Eine versuchte Kochprobe ergab folgendes Resultat : Die Bereitung des Dampfes erforderte 1 Stunde, das Kochen des Wassers 20 bis 45 Minuten, das Garkochen des in das siedende Wasser eingelegten Rindfleisches brauchte 1 Stunde 30 Minuten ; sonach wären zum Ahkochen nach Bezug des Lagers circa 3 Stunden erforderlich, was eben kein günstiges Resultat genannt werden kann . Wenn die Idee fahrbarer Küchen für die Feldarmee nicht besser

ganz aufzugeben

wäre ,

so

dürfte ,

und

zwar

wie

oben

gedacht

für Zwecke der Feldspitals -Anstalten und des grossen Trains, am zweckmässigsten die nach dem System Locati construirte Küche sein , wenngleich auch dieser Schwerfälligkeit zum Vorwurfe gemacht werden muss. Die Einrichtung dieser, auf einem grossen und weitgeleisigen Wagen mit 12 grossen Kupferkesseln ( 6 von jeder Seite), mit einem Bratofen vorne und mit einem Durchgange in der Mitte, angeblich für

115

Poppović. Ueber das Militär-Verpflegswesen .

2500 Mann, aufgestellten Küche, scheint nicht minder als die Vorrichtung zum Heizen mit Kohle oder Holz noch das Practischeste zu sein. Wenn irgend ein maassgebender Grund vorhanden wäre, die derzeitigen zweirationigen Kochkessel abzuschaffen, so scheint es noch am zweckmässigten, jeden Mann mit einem kleinen Kochkessel , wie dieser in der russischen Abtheilung ausgestellt war , zu versehen, welches Geschirre gleichzeitig als gewöhnliche sein dürfte.

Ess - Schale dienlich

Aus der Gruppe XVIII. Backöfen. Seit geraumer Zeit ist bei dem Bäckergewerbe das Bedürfniss nach dem Besitze eines Backofens fühlbar geworden , welcher die Beheizung mit Brennholz,

das von Jahr zu Jahr im Preise

steigt, entbehrlich macht, mehr Reinlichkeit, als dies mit der Beheizung im Innern des Ofenraumes möglich ist, gestattet, dann Erleichterung der Arbeit und Steigerung der Ergiebigkeit gewährt. Die bisherigen Reconstructionen der alten Oefen haben, namentlich in Bezug auf die Verwendung der fossilen Kohle statt des Holzes eine theilweise Abhilfe geboten, und sind solche in den Militär- Bäckereien zumeist auch adoptirt worden . Jene Oefen aber, welche besonders ins Auge gefasst wurden, die mit continuirlicher Heizung ausserhalb des Ofenraumes,

haben sich

in ihren bisherigen Constructionen bei uns noch nicht bewährt , weil sie bei einigen Vortheilen nicht zugleich die Vorzüge besitzen , vollkommen gutes Gebäck zu liefern .

ein

Dieser Umstand dürfte seine Illustration darin gefunden haben , dass die Wiener Bäckergenossenschaft für die Erfindung eines zweckmässigen Ofens einen Preis ausgeschrieben hat, und dass der HofBäckermeister Roman Uhl , welcher selbst umfassende Studien über die Herstellung

eines

zweckmässigeren Ofens machte,

um

die be-

kannte vorzügliche Qualität der Erzeugnisse des Wiener Bäckereigewerbes auf dem Ausstellungsplatze würdig zu repräsentiren , sich eines altartigen Ofens bedient hat. Den Anforderungen, welche von der Militär-Verpflegs- Administration gestellt werden, reihen sich natürlich jene des Privaten an ; es werden möglichst einfache,

dabei solide Construction , mässige Herstellungs-

kosten (Aufbau und Instandhaltung ) ,

leichte Behandlung des Ofens

mit erleichterter Arbeit, Ersparniss an Beheizungs- und Backungskosten und grosse Ergiebigkeit bei tadelloser Qualität des Erzeugnisses angestrebt.

116

Die internationale Ausstellung 1873.

*

Kunstöfen, welche diese Vorzüge besitzen, werden daher gerne adoptirt, dennoch dürfte die Militäradministration kaum die altartigen Oefen mit innerer Heizung ganz auflassen, sondern noch einzelne, in grösseren Garnisonen zur Instruction über die Behandlung der den altartigen homogenen Feldöfen behalten, weil die hiezu erforderliche handwerksmässige Fertigkeit in der Ausheizung, im Broteinschiessen und Ausbacken mit Stangen, von den Handwerkern aus der Civilbäckerei, bei welchen die Oefen in der Regel viel kleiner, das Gebäck nach Material und Masse ein anderes ist, nicht mitgebracht wird. In wie weit nun die ausgestellten Oefen, beziehungsweise Modelle , den vorerwähnt gestellten Anforderungen entsprechen , kann ohne vorhergegangene Erprobung nicht angegeben werden. Dieselben sind : Der Backofen des Herrn Carl Hailfinger. Er ist aus Eisenconstruction ( Backmulde aus Eisenblech), wird continuirlich von rückwärts mit besserer Steinkohle geheizt, die Herdsohle ist circa 12 Schuh lang und nahe ebenso breit, für die Regelung der Schwelle ist eine eigene Vorrichtung getroffen, das Einschiessen und Ausbacken geschieht in der bisher üblichen Weise und das Gebäck ist schön . Zeichnungen oder nähere Erklärungen waren nicht beigegeben, daher darüber mehr nicht berichtet werden kann . Dieser Ofen fasst 433 Pfund Teig oder 240 Brot-Portionen, backt bei 200 Grad nach dem Pyrometer von Scheffer & Budenberg in 35 Minuten und in 24 Stunden mindestens 16 Mal und dürfte nach dem ersten Anheizen für continuirlichen Betrieb 35 bis 40 Pfund Steinkohle für jede Backung brauchen. Unter Zugestehung, dass dieser Ofen mehr für das leichtere Gebäck, das nicht so viel Hitze wie die Masse des Roggenteiges für das Militär- Brot consumirt, construirt wurde, und dass derselbe verbesserungsfähig ist, hat derselbe den auch anderen continuirlichen Oefen adhärirenden Fehler, dass man die Regelung der Hitze nicht in der Gewalt hat; es sind die Schwankungen der Temperatur- Grade sehr gross und die Versetzung des Ofens in jenen Hitzegrad , welcher für ein regelmässiges Fortbacken erforderlich wäre, ist weder so schnell noch so sicher zu erzielen , wie dies der Gang der Teigbereitung und der Gewinn einer grossen Anzahl von Backungen bedingen würde . Immerhin dürfte dieser Ofen als ein gelungenes Ausstellungs-

Object, das eine verbreitete Verwendung anhoffen kann, zu bezeichnen sein. Neben diesem Ofen war sehr beachtenswerth das Modell des Röhrenbackofens , mit Hochdruck - Wasserheizung der Herren W. A. F. Wieghorst & Sohn .

117

Poppović. Ueber das Militär- Verpflegswesen.

Dieser Ofen zog die erhöhte Aufmerksamkeit wegen seiner besonderen Construction auf sich, ausserdem durch den Umstand, dass nach erhaltener Mittheilung schon über 300 solcher Oefen theils bereits aufgestellt stehen, theils projectirt sind. Ausser Deutschland, wo sie namentlich in den Militär- Bäckereien eingeführt wurden, fanden diese Oefen in Russland , Belgien, Italien , England, Dänemark, in der Schweiz , sowie in Oesterreich (Teplitz , Zbirow und Eger) bereits Eingang. Der Ofen hat die gewöhnliche Form. In dem inneren Raume sind dreissig untere und dreissig obere, zum Theil mit Wasser gefüllte,

an

beiden Enden gut geschweisste Röhren eingezogen, welche frei vom Herde, beziehungsweise vom Gewölbe , abstehen . Zwischen den beiden Röhrenschichten, das ist mit einem kleinen Zwischenraume ober der unteren Röhrenschichte, liegt eine bewegliche eiserne Backplatte, welche auf der innen angebrachten und auf der Stirnseite in den Backküchen-Raum verlängerten Eisenbahn hinein und herausgeschoben werden kann . Die Beheizung geschieht von rückwärts . An der vorderen , d . i . Stirnseite, ist eine Thür, welche die ganze Breite und Höhe des Backofenraumes (Mundloches ) überdeckt, leicht gehoben und als Verschluss herabgelassen wird. Ein Pyrometer gibt den Hitzegrad des Ofens und eine darüber

angebrachte Uhr dient zur Wahrnehmung der Backzeit. Rückwärts sind 2 Heizkammern , in welche die Enden der Röhren dem Feuer ausgesetzt werden, womit die wirkt wird.

Beheizung des Ofens be-

Unter den Heizkammern befinden sich die Aschenkästen, durch deren Verschlussvorrichtung dem Feuer der Windstrom zugeführt, vermehrt oder vermindert und gleichzeitig der in den Röhren sich entwickelte Druck regulirt werden kann. Ober den Heizkammern befinden sich noch kleine Thüren, welche zum Reinigen der oberen Röhren von dem sich ansammelnden Russe dienen ; die unteren Röhren werden bei den Heizkammern gereinigt. Für das Regeln der Schwelle (Dunst aus dem Teige) führt vom Gewölbe rückwärts Rauchfang .

ein mit einer Klappe versehener Canal in den

Die schadhaft werdenden Röhren können ohne Schwierigkeit herausgezogen nnd ersestzt werden. Die Vortheile, die dieser Ofen bietet, sind : dass Staub,

Asche

und Rauch in den Backraum nicht dringen, dass der Teig aus freier Hand auf die Backplatte aufgelegt werden kann, dadurch aber der

118

Die internationale Ausstellung 1873.

Flächenraum ohne Anschuss der Laibe besser ausgenützt und der Aufwand für das Leuchtfeuer beim Mundloch, für Ofenschieber, Krücken und Stangen erspart wird, dass durch die continuirliche Heizung die Backungen ohne grosse Intervallen auf einander folgen können, daher eine sehr hohe Ergiebigkeit ( 18 bis 20 Backungen in 24 Stunden an Brot im Teige zu 58 Loth Wiener Gewicht) erzielt werden kann , dass schliesslich jedes Brennmateriale zur Beheizung benützbar und eine Ersparniss an diesem möglich ist. Ein solcher Ofen kommt, mit Ausnahme der etwa nöthige Fundamentirung und des Schornsteines (gewöhnlicher Küchenschornstein), auf 1500 Thaler, nach Umständen vielleicht auf weniger zu stehen. Es wird noch des Modells von Herrn Enrico Manzoni aus Rom , welches einen aus feuerfestem Material gebauten zweietagigen Ofen darstellt, erwähnt . Die Beheizung ist continuirlich, geschieht in der Mitte der Langseite unter der Sohle der ersten Etage, und kann ebenso gut mit Holz als mit Kohle geschehen . Aus der Heizkammer rückwärts führen nach der linken und rechten Hälfte des Ofens Füchse (Canäle), durch welche die Feuergase in die ganz um den Ofen circulirenden Züge geleitet werden und in einem Rauchfange ausmünden. Die Circulation der Hitze, beziehungsweise Verstärkung und Dämpfung wird mittels zweier Klappen von aussen leicht handlich geregelt. Statt der gewöhnlichen Herde sind in der unteren und oberen Etage an der Wand Geleise angebracht, auf welchen die mit Brot belegten mit kleinen Rädern versehenen Hurden aus Eisendraht- Gewebe (3 bis 4) in den Ofen hineingerollt werden. Ist der Ofen

mit Brot belegt , so werden die

eisernen Thüren

geschlossen. Wenn das Brot gebacken ist, werden die Hurden mit dem Brote, jedoch von der entgegensetzten Seite, welche der andern ganz gleich construirt ist, herausgerollt und das Brot abgeräumt ; darauf kann der Ofen wieder mit frischem Teige beschickt werden . Der Ofen ist mit einem Pyrometer und einem eingemauerten Kessel zum Wärmen des nöthigen Wassers versehen. Ohne praktischen Versuch kann füglich ein Urtheil nicht leicht geäussert werden, es hat jedoch die Militärverwaltung mit etagirten Oefen keine günstigen Resultate erzielt, daher von vorneher wohl ein Vertrauen dem vorbeschriebenen Modelle nicht entgegengebracht werden kann. Von diesen Oefen soll einer in Florenz und einer in Malta im Gebrauche sein.

Poppović. Ueber das Militär- Verpflegswesen .

119

Die vorbesprochenen Oefen sind nur für Stabilität geeignet. Für die Verwendung im Felde hat Herr J. Haag in Augsburg einen Heisswasser-Feld-Backofen ausgestellt.

Dieser fahrbare Feldbackofen

ist

auf einen 4rädrigen Wagen

gebaut, 70 Zollcentner schwer, hat die Form einer langen Truhe , welche in der Mitte durch die Heizkammer und den Rauchfang in zwei gleiche Abtheilungen (2 Oefen) getheilt wird . Die Truhe ist ein Doppelkasten, dessen Zwischenräume mit Asche gefüllt sind. Das Innere des Ofens ist mit Wasserröhren, Backplatten auf Geleisen und ebenso die Heizung ganz nach dem oben beschriebenen Systeme der Wieghart'schen Oefen eingerichtet. Auf die beiden Backplatten können 2011

Wr. Pfund Teig für

112 Brotportionen aufgelegt werden. Für das Backen, für Nebenarbeit und Nachheizen sind 1 Stunde 30 Minuten pr . je Hitze und für das erste Anheizen 4 bis 5 Stunden erforderlich. Es kann daher

ein solcher Ofen in den

ersten 24 Stunden

da das erste Anmachen des Taiges nach den Verhältnissen der Temperatur 8, 10 bis 12 Stunden erfordert - 8mal backen oder 896 Portionen und in den folgenden 24 Stunden 16mal backen oder 1792 Portionen Brot liefern. Diese Ergiebigkeit ist namhaft und gewiss eine vorzügliche Eigenschaft des Ofens, dennoch würde die Verwendung

solcher Feldback-

öfen gegenüber der derzeit bestehenden Einrichtung mit den transportablen eisernen Oefen, eine Vermehrung des Trains zur Folge haben. Weiters steht der Zweckmässigkeit dieser Oefen, deren Schwerfälligkeit (70 Centner) als ein wesentliches Hinderniss für die raschen Operationen entgegen, und wenn der Beförderung derselben bei ungünstiger Witterung, bergigem Terrain und nicht festen Strassen, dabei noch des oft nothwendigen Doppelmarsches gedacht wird, so müssen . sie in ihrer gegenwärtigen Construction als nicht verwendbar bezeichnet werden. Gelänge es dem Constructeur, den Ofen dieses Systems ohne eigenen Wagen in zerlegbarer, leicht transportabler und leicht aufstellbarer Form herzustellen, so könnte einem solchen Ofen eine Zukunft vielleicht prognosticirt werden .

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine. Die Heeresleitung steht im Begriffe , eine Institution im Heere zu verbreiten, die wohl berufen sein kann, segensreich in hohem Maasse zu wirken und es mag vielleicht begründet sein , dieser Institution eine Betrachtung sprechen.

zu widmen , eine

subjective Ansicht

darüber

auszu-

Es ist die Institution eines allgemeinen militär-wissenschaftlichen Vereines,

dessen

Anfänge sich im Wiener militär-wissen-

schaftlichen Verein gezeigt haben. Der Gedanke eigenartiger und interner Vereinigungen im Kriegerstande ist allezeit ein Begleiter des Kriegerthums gewesen. Als das Kriegswesen seinen erhabensten Ausdruck fand in dem Kampfwerth des einzelnen Mannes, da trat der Gedanke der Kriegervereine in der Form von Waffenbruderschaften, von den „ Hagestalden" des alten germanischen Wehrthums an, bis zu den Gefolgschaften auf. Als das Kriegswesen von der persönlichen Waffenfertigkeit zum Handwerk wurde, da zogen Form und Brauch der Zünfte im Wehrwesen ein. Und als das Kriegswesen zur Wissenschaft erblühte, da erschien der alte Gedanke wieder im Kleide der militär-wissenschaftlichen Gesellschaften und Vereine. Die Kriegswissenschaft manch andere

hat

nicht das Glück

edle Schwester, sich ruhig

und

gehabt,

wie so

stetig entwickelt zu

haben, sie ist in jähen, oft fast unvermittelten Sprüngen vorwärts gegangen, ihre Stationen sind gekennzeichnet

durch mächtige Kriege,

durch gewaltige Umwälzungen und in solchen Umwälzungen lag der Uebergang zu neuem wissenschaftlichem Fortschritt begründet. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass der heisseste Drang nach Fortschreiten unmittelbar nach der Katastrophe nicht im Herzen des Siegers liegen konnte, sondern stets in dem des Besiegten . Beim Erstern hat sich ja das Alte vorläufig bewährt, beim Letztern muss zunächst das Neue erstrebt werden, denn das Alte hat seine Unzulänglichkeit bewiesen .

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

121

Auf die Jahre des kriegerischen und des nationalen Unglückes lässt sich der Anstoss zur Gründung von militärischen Vereinigungen höherer Tendenz zurückführen. Im Jahre 1806 und 1807 ist der Keim zu suchen für die heutige „ militärische Gesellschaft" in Preussen , das Jahr 1866 schuf den 99 Wiener militär- wissenschaftlichen Verein" in Oesterreich, das Jahr 1870 und 1871 in Frankreich.

die „ Réunion

des officiers"

Wenn die Gründung von Unterhaltungsvereinen der Berufsgenossen dem Behagen an freundlich-genossenschaftlichem Verkehre den. Anstoss verdankt, so verdanken Vereinigungen zum Zwecke der Arbeit ihr Entstehen der Noth des Vaterlandes, tismus.

dem thatkräftigen Patrio-

Diesem Leitsterne müssen solche Vereinigungen treu bleiben, wenn sie sich selber treu sein wollen, auf diesem Wege liegt die Kraft und die Wirksamkeit derselben. Nicht immer und überall war Idee und Zweck solcher Vereinigungen sogleich festgestellt. Zuerst war in dem vom Kriegsunglücke niedergebeugten Lande immer die Absicht, das Bedürfniss da, gleichgesinnte, vertraute Männer zusammenzurufen, unter irgend einem berechtigten Titel zu sammeln , oft nur, um vorläufig Bausteine vorzubereiten, noch unklar, wie sie zunächst verwendet werden sollten. Es ist charakteristisch, dass es nach nationalem Unglücke fast immer Officiere gewesen, die zuerst dem Gedanken Leben verliehen, die zersprengten und durchbrochenen Glieder der Vaterlandsfreunde wieder zu sammeln, die helfende Freundeshand der Genossen wieder zu suchen . Das war, weil sie die Männer sind, deren Lebensberuf eben vor Allem die patriotische That ist und sein muss. Klein sind die Anfänge, denn gross sind die entgegenstehenden Bedenken.

Mächtige Gegner

egoistische Gleichgiltigkeit,

müssen

erst überwunden

werden ,

die

das Misstrauen, die Geringschätzung, der

Pessimismus, der nicht glauben will, dass aus dem schwanken, schwachen Setzlinge einst ein mächtiger früchtetragender Baum erwachsen werde , oder der - schlimmer noch, das Ackerfeld verloren gibt, weil die Saat eines Sommers vom Hagel vernichtet worden. Da muss sich der Spruch bewähren : Thue Recht und scheue Niemand! Da heisst es , getreulich an der Hoffnung festhalten, dass, weil ja alle Genossen dasselbe Ziel erstreben, man sich auch finden werde auf dem Wege dahin. Da heisst es sich begnügen mit der Rolle des Vortrabs, da heisst es, zuerst die Brust dem Angriffe bieten, ohne 9 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines . VIII. Band, 1874.

122

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

anderes Verdienst, als den Nachfolgenden die Bahn frei und leichter machen zu wollen. Der Zweck ist, alle Berufsgenossen und somit alle Freunde zu vereinen, auf demselben Wege, zu denselben Zielen ; die Aufgabe ist, alle Kräfte zu suchen und zu sammeln , alle Waffen zu härten und zu schärfen . Daraus blüht der Sieg auf, und mit ihm die Grösse und der Ruhm und die Wohlfahrt des Landes, dem unser Herz

und

unser

Degen gehören. Manchmal bringt es ein günstiges Geschick, dass solche Arbeit nicht mehr im vollen Umfange erforderlich ist zum Gedeihen des Ganzen. Manchmal löst der einige Sinn des ganzen Volkes die mühevolle

Thätigkeit

Aufgabe. Die

der Kriegsmänner ab. Dann beschränkt

sich

die

militärische Gesellschaft" Preussens bedarf keines grossen

Kreises, sie kann sich ruhiger Pflege der Wissenschaft hingeben. Die militär-wissenschaftlichen Vereine Oesterreichs und Frankreichs können dies noch lange nicht . Darum suchen sie sich auf eine breitere Basis zu stellen , als dies die militärische Gesellschaft" thut. Darum wollen sie keine wissenschaftliche Aristokratie bilden, darum liegt ihre Aufgabe aber auch nicht allein in stiller wissenschaftlicher Thätigkeit. Anders ist die Eigenart jedes Staates, anders also auch die specielle Aufgabe eines Officiersvereines in jedem Staate. Das Ziel im Auge, alle Officiere eines Heeres im engen Verbande eines Vereines zu haben, die Treuesten unter den Treuen der Landeskinder also noch enger mit einander verbunden zu sehen , als

durch Beruf und Organisation, lassen sich die Aufgaben eines solchen Vereines, auf unsere heimatlichen Verhältnisse berechnet, deutlicher erkennen . Der Verein soll wie ein Netz sich über das Land ziehen, dessen Fäden zusammenlaufen in der Hand der kriegsherrlichen Gewalt, ein geistiger Organismus, wohl befähigt, in der Zeit der Gefahr, komme diese von innen oder von aussen, den richtigen Impuls aufzunehmen, und unbeirrt und festgegliedert, ebenso kräftig mit den geistigen Waffen wie im Berufe, nach dem Willen des kaiserlichen Herrn einheitlich zu schaffen und zu wirken. Der österreichische Officiers - Verein darf sich das Streben setzen, zu sein : der unentwegt treue Vorkämpfer für die Dynastie, als dem einzig giltigen politischen Ausdruck der Gesinnung des österreichischen Soldaten,

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine.

123

der Erste zu jeder That für des Kaiserhauses Ruhm und Grösse. und Ehre , der genaue Kenner der Armee mit ihrem ganzen Denken und Fühlen, der sorgfältigste Pfleger der moralischen Factoren im Heere, die stets bewegende Kraft zu militär-wissenschaftlicher Arbeit im Heere, als dem zweit- wesentlichsten Factor der inneren Stärke desselben, daher also auch ein zuverlässiges,

rathendes Organ

für die

Kriegsverwaltung, wo sie es verlangt, sei es in Fragen wissenschaftlicher Natur, in Fragen technisch -militärischer oder in Fragen militärgesetzlicher Art. Aus solchem Zweck, aus solcher Aufgabe resultirt die Befähigung eines solchen Vereines, wenn er einst jene Blüthe erreicht hat, die erstrebt werden soll, - einen mächtigen Einfluss zu üben auf den eigenen Geist, auf den Geist des Heeres. Man muss aber auch ausserhalb des Heeres überall durch unser eigenes unverhülltes Wort, durch unser Handeln zur Erkenntniss gezwungen sein, dass es für uns Alle, unberührt durch die Lockungen der wechselnden Zeit, nur das eine, alte Glaubensbekenntniss gibt : 77 Treue der Dynastie, ohne Vorbehalt, ohne Wenn und Aber, wie es stets gewesen, einst, heute, immer, bis zum letzten Herzschlag ! " Das ist nicht achtbare Bescheidenheit, die ehrliche Gesinnung schamhaft verborgen zu halten, ein feindseliges Wort in unserer Gegenwart zu dulden, - solch' passive Rechtlichkeit ist Schwäche. Wir denken, ein entschlossener, überzeugungstreuer Mann gibt zehn Andern den Muth, ihrem bessern Gefühl zu folgen, und das wollen und müssen wir. Das gibt uns eine moralische Macht über unsere jungen, aus allen Schichten der Gesellschaft herstammenden Soldaten , die wir bis jetzt zu wenig erkannt, zu wenig benützt . Das gibt uns jene Stellung im socialen Leben selbst, im Staate, die wir entbehrt haben und entbehren. Als noch eine lange, oft eine lebenslange Dienstzeit alle Glieder der Armee umfasst hielt, als der graubärtige Unterofficier nicht viel seltener war, als der im Dienste gealterte höhere Führer, da ging auch ein eigenartiges Gefühl der Solidarität durch die Armee und es schien dem jungen Soldaten fast wie eine Pflicht, dieses Gefühl schnell in sich wachzurufen. Dieses Selbstgefühl der Armee, dieses Bewusstsein des besonderen Standes, der Soldatengeist, fand Ausdruck bei allen den Männern , die des Kaisers Rock" trugen, er machte es möglich, im Regimente die neue " Heimat " zu suchen und zu finden. 9*

124

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine .

Die Zeit musste diese exclusive Stellung der Armee bis zu einem gewissen Grade zerstören , die eingeführte, allgemeine Wehrpflicht widerspricht diesem Abschliessen im Princip, factisch unmöglich ist es geworden durch das kurze Verweilen der jungen Leute unter der Fahne. Der Berufssoldat in den niederen Stufen der Armee verschwindet vollständig, mit ihm aber auch das strenge Bewusstsein des abgeschlossenen Standes . Das ist im höheren Sinne ein guter, ein wünschenswerther Fortschritt. So eigenartig aber ist das Wesen des Soldatenstandes, dass man sich wohl hüten muss, ihn förmlich aufgehen zu lassen in den andern Ständen . Es ist heute eine geringere Anzahl Männer im Staate, die den Soldatenstand zu vertreten haben, aber diese Vertretung muss gerade unter den Verhältnissen des heutigen Tages eine hochgesteigert strenge und prononcirte sein . Berufssoldat ist heute nur noch der Officier, und wie es auch sein soll bei allgemeiner Wehrpflicht, - das Officierscorps ganz allein repräsentirt die Armee nicht nur, sondern ist in Wahrheit der Soldatenstand im Lande.

Das Officierscorps ist die vom Kaiser gewählte und

ernannte Kriegsführerschaft des waffenfähigen Volkes . Erst wenn man erkannt haben wird , dass sich Alles in der Armee im Officierscorps ausdrückt, dass hier das Steuer liegt für die ganze Maschine, wird man dahin gekommen sein , aus der trägen, schwer beweglichen Masse des wehrfähigen Volkes einen lebendigen Organismus geschaffen zu haben. Aber dazu bedarf es Eines vor Allem : eine einheitliche Richtung unserer Ansichten. Man soll nicht leichthin sagen, der Soldat dürfe sich nicht um Politik kümmern , es wäre sehr unrichtig . Er soll es in ganz eminentem Maasse, aber in bestimmter und eigener Art . Er soll vor Allem dynastisch denken in einem dynastischen Staate . Wer das nicht kann, der sei wenigstens ehrlich genug, den Degen niederzulegen. Das Officierscorps ist die Personification der Verbindung des Staates mit dem Monarchen. Der Wille des Monarchen , die von ihm geschaffenen gesetzlichen Zustände sind daher auch das politische Programm des Officiers . Welches auch die vom Kaiser gewählte äussere Form der Regierung sei, der Soldat wird sie stützen können ohne Zwiespalt in seinem eigenen Herzen, wenn er mit seinem Fühlen über dieser äussern Form zu stehen weiss, wenn ihm die sanctionirte Form nur allein der Ausdruck des Willens des kaiserlichen Herrn ist.

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

125

Darum kann es neben dem Eide, den wir ihm geleistet, auch niemals anderen Eidschwur für uns geben. Solch

präcises Programm,

eine feste Ansicht, aber klar und

deutlich, ohne Phrase, gibt dem Auftreten des Officierscorps schon von vorne herein im socialen Leben ein Gewicht, welches eine Unzahl Ausschreitungen gegen die Ehre des Officierscorps, der Armee ersticken müsste.

beziehungsweise

Zu solch' festen politischen Anschauungen , die in der unbedingten, absoluten Ergebenheit gegen den Thron gipfeln, bedarf ein Officierscorps einer innern und äusserlichen Bildung, die nicht durch den Besuch von Schulen allein, und seien es ihrer noch so viele, gewonnen wird . Die wissenschaftliche Bildung des gesammten Officierscorps muss aber soweit gehen , dass man jedem gebildeten Manne anderer Stände die Waage halten kann . Sie braucht also nicht zur Gelehrsamkeit gesteigert zu werden, für ein Officierscorps als Ganzes wäre das eher schädlich. Aber neben dem frischen Muthe und dem ehrlichen Sinne muss ein tüchtiger Kern allgemeinen Wissens in jedem Officier stecken. Seine Pflicht hört nicht beim Casernthor auf, ein Jeder von uns ist berufen, in seinem Kreise, ja vor sich selbst seinen ehrenvollen Stand zu repräsentiren. Daraus folgt, dass überall und unter allen Verhältnissen auch das äussere Benehmen im Einklange stehe mit dem Wissen des Individuums und mit der Würde des Standes.

Es ist noch ein weiter Weg zum eigentlichen Salongeschöpf, ein Weg, den wir nicht zu wandeln brauchen, aber für den Officier darf es keinen Gesellschaftskreis geben, der „ zu fein ", oder wie man sagt, zu gut“, wäre. Dann kann des Kaisers Rock der Prüfstein wirklich guter Gesellschaft werden, des Kaisers Rock, der keine Berührung mit Niedrigem . und Unehrenhaftem duldet. Es ist dies Alles keine so ganz leichte Aufgabe, da uns meistens kein anderes Mittel zur Aufrechthaltung eines hohen Ansehens zur Verfügung steht, als unsere intellectuelle Kraft, unsere vollendet anständige Umgangsform, unsere tadellos ehrenhaften Gesinnungen. Mit Geld kann sich manches Subject verächtlichster Art eine Zeit hindurch in der Gesellschaft halten,

vielleicht lange obenauf

schwimmen, mit solchen socialen Fragezeichen würden wir nicht concurriren dürfen, wenn wir es auch könnten, und wir können es nicht, weil wir meistens mit Glücksgütern nicht sehr gesegnet sind.

126

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine.

Das bedingt einen gewissen Zwang, der aber um des grossen Zweckes willen nothwendig ist. Es fordert eine

strenge Hand gegen

uns selbst, die bis

in

unser eigenstes und innerstes Leben greift, aber auch da gilt wohl die Erinnerung des alten Pythagoras : „Es ziemt Dir am meisten Scham vor Dir selber“ . Wohl ist der Wunsch schwer zu unterdrücken, im Verkehre mit seinen Kameraden sich unbeengtester Form bedienen zu dürfen ,

es

ist der Wunsch, nach dem Zwange, den die Gesellschaft uns auferlegt, einen Kreis zu haben, in dem man sich „ so ganz gehen lassen könne. “ Dieser Grund wird oft gehört, aber wir dürfen ihn dennoch nicht gelten lassen. Das Bedürfniss , sich „, so ganz gehen lassen " zu können , reducirt sich durch die Gewohnheit sehr bald bis zur erlaubten Grenze und was darüber ist, verliert dann von selbst den Reiz. Das Bewusstsein der Würde wird uns das Bewusstsein unserer Pflicht rege erhalten , wir werden jene Forderungen leicht erfüllen , die erfüllt werden müssen, um dem Officier das volle Ansehen im Staate wie im gesellschaftlichen Kreise zu wahren, und wir werden. so zu jener Rolle gelangen , die dem Officier zukommen muss :

das

Vorbild jeder Mannestugend zu sein, der erste Vertreter unverrückbarer Loyalität, und nebstdem der erste Gentleman im socialen Leben. Arbeite jeder von uns in seinem Kreise, seien wir nicht duldsam gegen Zersetzung und feindselige Gesinnung . Man soll wissen im Lande, dass wir Loyalität fordern von unseren Mitbürgern . Wir sind nicht berufen, Politik im weitesten Sinn zu machen , aber wir sind berufen, in stürmischer Zeit den Maasstab abzugeben für loyale Gesinnung. Wir müssen diese Gesinnung klar und fest und bestimmt aussprechen, ohne Cautelen, ohne Hintergedanken. Dann wird, wer österreichisch denkt im Lande, sich an uns anschliessen und an uns eine Stütze finden . Wir müssen ein klares Programm haben, damit man sich auch anschliessen könne an die Armee.

Die erste Forderung

desselben

muss sein : Keine Concession nach der einen oder der andern Seite, sondern ausschliesslich österreichisch für alle Zeit, habsburgischÖsterreichisch ! So allein vertreten wir den gemeinsamen Gedanken der Grösse und der Macht des Landes .

127

Ueber Ziel und Aufgabe militär -wissenschaftlicher Vereine. Das ist eine politische Aufgabe,

die vielleicht Niemand sonst,

sicher Niemand so gut und getreu zu lösen vermag in Oesterreich , als das Officierscorps . Ein wissenschaftlicher Officiers-Verein , der zu seinen Zielen vor Allem das innere Festigen des Heeres zählt, darf naturgemäss auch im innern Heeresleben keine besonderen Wege gehen wollen , deren Resultat nur zersetzend sein könnte . Aber es gibt viele Einrichtungen , viele Wünsche, deren Durchführung der Armee zum Segen gereichen müsste, und die doch Allgemeinen zu wenig gekannt, zu wenig gewürdigt sind,

um

im sich

der Zustimmung, der Unterstützung von Seite Aller so ohne Weiteres erfreuen zu können . Die Strömung, das Wollen und Hoffen, das Bedürfniss des Heeres besser zu kennen ,

als die

Officiere

selbst ,

vermag Niemand ,

und

einen leidenschaftslosen, treuen, aber auch freimüthigen Vertreter für dies Alles zu haben , kann für die Oberleitung selbst nur erwünscht sein. Ein wissenschaftlicher Officiers - Verein darf sich daher nach reifer Prüfung, Ziele und Aufgaben stellen, ihre Durchführung anstreben mit den Mitteln der wissenschaftlichen und objectiven Untersuchung . Solche Aufgaben sind nothwendig, denn neben den idealen müssen praktische Ziele stehen, und sie sind es zunächst, welche dem Vereine Kraft und Vertrauen schaffen werden . Man darf im Officier nicht allein die richtig fungirende Maschine sehen. Man muss mit den moralischen und intellectuellen Factoren der Elite des Heeres , der Officiere, rechnen, denn ohne den moralischen und geistigen Gehalt der Menschen rechnen wollen , hiesse falsch rechnen, weil man eben mit dem Menschen rechnet, auf dessen Schaffen der Plan gebaut ist. Das Alles gehört zu unsern äusseren Aufgaben . Unsere inneren sind in dem Streben enthalten ,

die eigene moralische, geistige

und

materielle Kraft fähig zu machen zur äussersten, vollendetsten Wirksamkeit. Da beginnt die Pflicht der Arbeit zur Erziehung unserer Soldaten, zur Entwicklung unserer eigenen geistigen Fähigkeiten , die Pflicht practischmilitärischer Thätigkeit, die Pflicht militär-wissenschaftlichen Studiums. Der gute Wille bedarf aber auch einer guten Form, in der er sich zu äussern vermag. Sie ist nicht so leicht gefunden als es scheint . Die individuellen Rechte machen sich da geltend. Leicht ist es, Uebereinstimmung zu erzielen in dem Princip, das eigene Beste, das eigene Recht aufzuopfern dem grossen, schönen Zwecke. Schwer ist es, dieses Princip in das Leben einzuführen.

128

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

Nicht wir allein in Oesterreich kämpfen diesen schweren Kampf. Auch in Frankreich stehen die patriotischen Männer des Heeres in solchem Ringen. Es ist gewiss nicht werthlos, die Anschauungen kennen zu lernen , die in den Kreisen der französischen Officiere in dieser Frage Durchbruche gelangten.

zum-

Das Bulletin der „ Réunion des officiers " sagt viel Werthvolles darüber. Der Zweck der französischen Gesellschaft sei : Militärisches Wissen zu verbreiten , ein Band zu knüpfen zwischen allen Officieren, sich mit den Officieren der armée territoriale in Verbindung zu setzen, welche beitragen sollen, in der Nation einen Geist der Pflicht. und des Gemeinsinnes zu verbreiten. Die Réunion hat das Glück gehabt, Unterstützung zu finden.

in der Bevölkerung reiche

Das Bulletin sagt über die Aufgaben der Réunion , rückblickend auf das bereits Geleistete, ein schönes Wort : „ Sie (die Réunion ) war es, durch die der Minister Auskünfte erhielt, durch die er in Verbindung trat, einerseits mit der Armee, andererseits mit den Gesellschaften, deren Grossmuth dem ungenügenden Budget nachhalf, sie war es, durch welche so viele der delicaten Fragen , die nicht hätten behandelt werden können, ohne die Verantwortlichkeit der Staatsverwaltung zu engagiren , zu glücklicher Lösung kamen. " „Wenn die Réunion Fehler beging, so war dies ohne schlimme Folge, denn sie trug keinen officiellen Charakter, wenn sie richtig erkannte, so brachte sie das Gute, das sie gefunden, der Armeeleitung, damit diese den Gewinn der Armee zuwende." (Bulletin 2. August 1873. ) Das Bulletin sagt an anderer Stelle: „ Einst waren die militärischen Vereinigungen gegründet mit Rücksicht auf die Geselligkeit. Die Bibliotheken waren nur eine Beigabe.

Heute müssen wichtigere Interessen vorwiegen. Die Réunion des officiers , die aus dem ganzen französischen Officiers - Corps bestehen wird, ist geschaffen, um die moralische Entwicklelung, die geistige Arbeit, die physische Schulung , das Pflichtgefühl, aus dem die wahre Disciplin entspringt, zu befördern . Die Macht jeder Vereinigung liegt in ihrer Einheitlichkeit. Diese zu schaffen und doch jenen freien Spielraum zu gewähren, der ein Lebensbedürfniss für wissenschaftliche Thätigkeit ist, darin

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

129

liegt der Schwerpunct der Organisation eines militär- wissenschaftlichen Vereines. Der erste Schritt zur Lösung ist die Gründung eines CentralVereines und jene von Zweigvereinen, der Dislocation des Heeres angepasst. Die Constituirung des Vereines. Die Constituirung eines wissenschaftlichen Officiers - Vereines mit jenen Tendenzen, die hier geschildert worden, ist wieder eines jener Dinge, die wie selbstverständlich leicht aussehen, und die in Wahrheit schwerer sind, als alles Andere. In offener und rückhaltloser Weise wurde hier eine Ansicht über die nothwendige Tendenz eines solchen Vereines ausgesprochen , es sei auch vergönnt, den heikeln Punct der Constituirung ebenso behandeln zu dürfen . Damit die gute Sache gefördert werde, wurde so offen gesprochen , aber selber tief genug eingewurzelt in den Traditionen und den Anschauungen unseres Heeres, der Fuss betritt.

fühlen wir wohl,

welch'

glatten Boden

Einerseits droht jenes schnellfertige, gedankenlose Wort absprechender Verurtheilung, aus dem Behagen an lässigem Beharren , aus der Scheu vor jeder Initiative entsprungen, jener vornehm thuende Spott, mit dem wir das Neue so sehr oft begrüssen, ohne es noch recht zu kennen, andererseits sonderbare Empfindlichkeit . Wir haben in unserer Armee eine ererbte Empfindlichkeit, die nicht mehr identisch ist mit dem stolzen und feinen Gefühle für unsere Integrität. In der wissenschaftlichen Untersuchung einer Sache gar oft nicht mehr eine solche,

sucht man

sondern man findet in ihr einen er-

wünschten oder unerwünschten Angriff auf ein System, auf Personen, auf eine Truppe . Man ist hart genug , bei jeder Arbeit, bei jeder Studie, bei jedem Wort nach der geheimen egoistischen Absicht zu

forschen und

zu

fragen, wie jener berühmte französische Polizeiminister bei jedem Verbrechen nach dem Weibe, welches dahinter stecke. Wäre es doch möglich, die Erreichung eines der schönsten Ziele , das der Verein haben muss, jetzt schon vorauszunehmen : das treuherzige, loyale Vertrauen in den Willen jedes Einzelnen von uns , bei seinem Wirken und Auftreten nur an die gute Sache, und nicht an sich gedacht zu haben ! In zwei Fragen gipfelt die Schwierigkeit der Constituirung eines Vereines bei uns :

130

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. Wer soll demselben beitreten ? Wer soll ihn leiten ?

Der österreichische Verein bedarf einer breiteren Basis, als jede ähnliche Institution anderer Länder. Er soll nicht nur das militärische Wissen fördern,

sondern

ebenso

das innere Leben des Heeres , den

guten Geist. Dazu bedarf er vieler Kräfte aus dem Heere, und wenn er sein Ideal erreichen soll, aller. Darum scheint es richtig , zu sagen, dass zum Beitritte in den Verein Alles berufen sei, was dem Heere wirklich angehört , und die früher ausgesprochene Anschauung von der Stellung des Officierscorps aufrecht erhalten,

sei unter diesem „ Alles" verstanden :

Alles, was

den Officiers -Rang in diesem oder jenem Heereszweige bekleidet . Darunter aber sei nicht verstanden, was nur provisorisch , nur

gelegentlich, nur bedingt sich dem Heere angehörig nennt, nicht verstanden, wer seinen Lebens beruf nicht im Heere gesucht und gefunden. Die Berufsgenossen also im weitesten Sinne, seien sie Soldaten, Militärärzte oder Militärbeamte, und selbstverständlich nicht minder Jene , die nicht mehr im Stande, in den Reihen des Heeres activ zu wirken ,

doch noch ihre geistige Kraft dem Heere

widmen

wollen, dem sie die Thätigkeit ihres kräftigeren Alters geweiht, und in dem sie ihren Lebensberuf gefunden, seien Mitglieder des Vereines. Wer aber soll erwählt werden, um den Verein zu leiten ? Schwer lässt sich die Antwort in bestimmte Worte fassen, schwer fällt es, mahnend an den hohen und schönen Zweck, das nothwendige Princip auszusprechen. Zur Vereinsleitung sind nur berufen Jene, deren pflichtmässige Thätigkeit in erster Linie in der höchsten Aufgabe des Heeres liegt, diejenigen, die den Säbel führen, die activen Officiere des Soldatenstandes. Die Richtigkeit dieses Princips muss dem objectiven Urtheile, dem Gefühle jedes Einzelnen zu untersuchen überlassen bleiben, dem Urtheile der Erfahrung, dem Urtheile des Kenners unserer Verhältnisse,

des Freundes unserer Bestrebungen .

Keinerlei Kränkung

soll

hierin verborgen lauern, bestimmend kann nur die Rücksicht auf den Zweck sein. Die Vereinsleitung ist nicht allein Ehrenamt, sondern Arbeit, und nur weil sie die mühevollste Arbeit im Vereine , darum ist sie das Ehrenamt desselben. Die Arbeit aber soll des Arbeiters sein ; im Heere

aber ist

dies der active Soldat in erster Linie. Er allein auch ist in der Lage, ununterbrochen in innigem Contacte mit der Truppe und ihren Bedürfnissen zu bleiben .

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine .

131

Als Gäste des Vereines seien willkommen vor Allen die jungen Kriegskameraden, die berufen sind, die Zukunft unseres Heeres zu tragen, unsere Cadeten . Sie seien willkommen überall, wo wir selber sind. Als Gast sei aber auch willkommen, wer nur bedingungsweise

zum Heere gehört, wenn er ehrlich mit uns fühlt und mit uns strebt . Es bedarf keiner Auseinandersetzungen. Was hier gesagt ist, wird von uns Allen verstanden, ohne dass die Nothwendigkeit vorläge, specialisirend aufzuzählen, was darunter verstanden sein soll. Für Fremde aber sind diese Worte ohnehin nicht geschrieben . Wollte man bei Abfassung der Grundbestimmungen für die Conmilitär -wissenschaftlichen Vereines bei uns die Principien oder gerade herausgesagt, die Kanzleiform gewöhnlicher Orga-

stituirung des

nisation benützen, so müsste das Bestreben der Beseitigung aller Bedenken und Beachtung aller Rücksichten unbedingt das gründliche Zerstören der hohen Ziele eines solchen Vereines nach sich ziehen, jener Ziele, die allein dem Vereine seine moralische Berechtigung geben. Möge daher ein Hauch kraftvollen ,

entschlossenen Geistes die

Constituirung beleben, möge sich nirgends das Schwergewicht kleinlicher Anschauung an diese Schöpfung heften ! Dann wird die Mitgliedschaft der Stolz eines Jeden unter uns , dann finden wir Jeder unsere Aufgabe, dann können wir stolz darauf sein, diese Aufgabe zu erfüllen nach unseren Kräften . Ist der Verein constituirt, dann muss die erste Frage der leitenden Ausschüsse sein : Wie können die uns gebotenen geistigen und materiellen Mittel dem Zwecke des Vereines nutzbar gemacht werden ? Was streben wir zunächst an ? Ist dies fest und klar, dann darf kein Schritt mehr geschehen, die Ziele wirken können ,

kein Wort mehr fallen, dann muss Alles,

die schädigend auf

was geschieht, stets und

streng unter Rücksicht auf das vorgesteckte Ziel geschehen. Die Mittel zur moralischen Action des Vereines werden

haupt-

sächlich zu suchen sein in einem regen Verkehre der Mitglieder des Vereines, der Zweigvereine und des Centrales. Fragen der Wissenchaft wird das Fachorgan behandeln und bringen. Uebergehend nun auf die einzelnen Zweige der normalen Thätigkeit des Vereines, seien dieselben kurz besprochen.

Die Vorträge. Wir machen in unsern Vorträgen, gleichviel ob sie in einem Vereine, in Officiers - Schulen oder bei anderen Gelegenheiten gehalten werden, leider allzuhäufig den schweren Fehler des Zuviel und des uwenig .

132

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine. Wir hören entweder Vorträge, die nur Wiederholungen von Vor-

schriften sind, die allen geläufig sein müssen, Vorträge über reglementare Form, - das ist einfacher Zeitverlust für den Officier. Oder wir schweben in den behandelten Fragen unmittelbar bei den Wolken, lösen philosophische Probleme, treiben Conjectural - Strategie, das ist Zeitvergeudung für den Officier. Die erste Forderung , die man an Officiersvorträge stellt in einem militär-wissenschaftlichen Vereine, der nicht ein kleiner, abgeschlossener Clubb, sondern ein Verein von Tausenden ist, muss die sein, dass die behandelten Fragen Werth, Interesse und practischen Nutzen für den Officier, und zwar weniger für die einzelnen speciell militärtechnischen Zweige, als ganz besonders für den eigentlichen Combattant-Officier, für den Führer im Gefechte, gleichviel welchen Ranges, besitzen. ein so wenig beDas ist ein fast unerschöpfliches und doch bautes Feld. Man glaubt solch' nieder scheinende Aufgaben dem Einzelstudium überlassen zu sollen und beachtet nicht, dass die Frage der Truppenführung gar kein

Einzelstudium zulässt, dass nur die Mittheilung

reicher Erfahrung solche Aufgaben klären kann . Es gibt zahllose Fragen , die hierher gehören. Wenn heute ein Nachbarstaat ein bedeutend überlegenes Gewehr, ein bedeutend überlegenes Geschütz einführt, darf man es da dem gelegentlichen Einzelstudium überlassen, zu constatiren , dass wir solchem Gegner gegenüber ganz neue taktische Formen zur Geltung bringen müssen, wenn wir beispielsweise mindere Waffen zu führen gezwungen sein sollten ? Da ist nun die Waffe, da ist der Marsch, Ernährung, die

die sittliche und

Fechtweise

die Gesundheit,

militärische Erziehung,

unserer Gegner,

die

der Unterricht,

das Uebergewicht des Einen

oder

Andern in Dem oder Jenem, das Gegenmittel, da ist Ross und Wagen und Kriegsgeräth,

da ist Caserne und Lager,

aus dem Leben der Truppe heraus,

alle

da sind tausend Dinge

der Erklärung und Unter-

suchung durch erfahrene und gereifte Officiere viel bedürftiger, als so Vieles, wodurch jetzt dem Officier der Besuch der Vorträge nur verleidet wird. Befestigung und Pionnierwesen ,

die Kriegsgeschichte und

die

damit zusammenhängende taktische und strategische Kritik, die ethnographische sowie topographische Beschreibung der benachbarten Kriegsschauplätze vollenden dann beiläufig den Rahmen.

133

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

Es scheint der sicherste Weg, um mit den Vorträgen in einer Garnison dem wirklichen Bedürfnisse entgegenzukommen , Beginne eines Vortragssemesters die Vereinsleitung oder die militärische Behörde selbst ein eigenes, wohl durchdachtes Programm aufstellt, als Basis desselben aber Wünsche aus der Truppe entgegennimmt. Die verständige , rechtzeitige Vertheilung der Aufgaben an freiwillig sich zu Vorträgen meldende Officiere, oder wo diese fehlen , die directe Anregung zur Uebernahme der zu besprechenden Aufgaben durch die Militärbehörde wird das Einhalten des Programmes ermöglichen. Die Wahl der vortragenden Officiere soll nicht leichthin genommen werden . Sollen diese Vorträge wahrhaft nutzbringend sein, so muss die Gepflogenheit aufhören, den jungen Officier dabei vorzuschieben. Es wird gewiss vorkommen, dass sich unter diesen auch hervorragende Kräfte in Specialfächern finden, es ist zweifelsohne von Werth, sie dieses Wissen auch Andern mittheilen zu lassen. Der natürliche und nutzbringendste Lehrer der Officiere aber ist der höhere, und nicht allein das, ist der hochgestellte Officier. Die Erfahrung langer Jahre, das weite Gesichtsfeld hoher Stellung, der bewährte Name,

das Gewicht des hohen Ranges,

verleihen

jene Autorität, die da sichtbaren, lebendigen Nutzen schafft, befangene Rede des jungen Officiers,

wo die

selbst wenn er zu ganz rich-

tigen Resultaten in seinen Studien gelangt wäre , wenig beachtet , verhallt. Welchen Werth kann es für den hohen General haben,

von

einem jungen Officier eine Vorlesung über die Führung eines Armeecorps halten zu lassen, - aber welch' immensen Werth hat es für alle Officiere, wenn derselbe hohe Führer ihnen seine Anschauungen, seine Erfahrungen über die Dinge, die den Wirkungskreis der untergebenen Officiere betreffen , darlegt. Welch' reiche Quelle für das unbedingte, in die Führer

läge in

solcher Thätigkeit,

mächtiger moralischer Hebel

soldatische Vertrauen

es

wäre also wieder ein darin zu suchen , - und wer mag die

Verantwortung übernehmen , auch nur einen solchen Hebel nicht benützt zu haben zum Wohle des Heeres !

Es ist ein so hoher und edler Beruf, die zu lehren, die um des Vaterlandes willen lernen wollen, es ist aber auch ein ernster Beruf. der keinen Augenblick müssigen Versäumnisses duldet, der strenge fordert von seinen Jüngern, dass sie mit hellem, sorgsamem Blicke sehen, was Gefahr bringen, Alles erkennen, was Nutzen schaffen kann .

134

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

Was wir also für die Vorträge in den militär-wissenschaftlichen Vereinen zunächst wünschen dürfen und erbitten möchten , das ist ein practisches , wirklich anregendes Programm in jedem Jahre, und die Uebernahme der Aufgaben solchen Unterrichtes durch höhere, gewiegtere Militärs, - um des grossen Zweckes willen . Und noch eine Bitte wird ein militär- wissenschaftlicher OfficiersVerein haben an die Führer des Heeres. Es ist zweifelsohne eine neue Last, um deren Uebernahme er bittet, aber auch hier vertraut er auf die Erkenntniss des hohen Werthes der Sache. Es ist die Bitte um die äussere, die förmliche Rücksicht auf den Verein und seine Thätigkeit, die förmliche und äussere Anerkennung , dass den Führern an der redlichen Arbeit des Vereines etwas gelegen ist, dass sie auch hierin dem Officierscorps als ein Beispiel voranleuchten, um dasselbe den Bestrebungen des Vereines geneigt zu machen, es für dieselben zu erwärmen . Ein solcher Verein kann nicht leben , wenn er nur als eine müssige Spielerei der jungen Leute betrachtet wird , aber er kann Ausserordentliches schaffen , wenn die starke Hand der Führer des Heeres ihn entschlossen stützt.

Es gibt nur zwei Wege : Den Verein aufblühen lassen zur mächtigen geistigen Waffe des Thrones, oder ihn - verbieten . Ein kümmerliches Dasein oder ein langsames Hinsterben schädigt das Ansehen der Armee, solcher Verein entsprungen.

aus der ein

Man vermag in unserer Armee noch zwei Erscheinungen zu constatiren, mit denen man einerseits leider rechnen muss, andererseits aber stolz auch rechnen darf. Die eine ist, dass selbst wirklich Gutes nicht ohne Mühe, ja in der Regel fast nur mit Befehlszwang eingeführt werden kann,

die

andere, scheinbar dem widersprechend, dass es keine Armee der Welt gibt, in der sich so herzlich guter Wille unter Allen findet . Energie und Vertrauen sind es, die aus unseren wissenschaftlichen Vereinen machen können, was sie werden sollen. Der sichere Takt wird dafür bürgen , dass, was oft Höhere abhält, sich persönlich an den Bemühungen des Vereines zu betheiligen, die Gepflogenheit der Studirenden der österreichischen Universitäten, ihren Lehrern gegenüber sich eine unschickliche, ja oft sogar directe Kritik zu erlauben, den Vortragssälen der Officiers - Vereine gewiss ferne bleibe.

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

135

Die Bibliotheken . Unsere verfügbaren Mittel können niemals so bedeutend

sein,

dass wir an die Anlage umfangreicher, grossartiger Bibliotheken denken dürfen. Um so nothwendiger wird die genaue, gewissenhafte, wohlüberlegte Wahl in der Anschaffung der Bücher. Die Forderungen an gute Officiersbibliotheken lassen sich im

Wesentlichen dahin zusammenfassen, dass sie jenen Stamm hervorragender militärischer Werke besitzen, die zu allen Zeiten ihren Werth behalten , die Werke der Coryphäen der Kriegswissenschaft ; dass sie gediegene Bearbeitungen aller Feldzüge jüngerer und älterer Zeit, dass sie vollständige Werke über die verschiedenen technischen Zweige des Kriegswesens, dass sie das Beste und Interessanteste der zeitgenössischen Militärliteratur, endlich dass sie gediegene und umfassende Lehr- und Handbücher auch für alle nicht direct militärischen, aber zur Belehrung der Einzelnen nothwendigen oder wünschenswerthen andern Wissenschaften besitzen. Hiezu müssen dann noch die besten periodischen Fachschriften kommen. Die Anlage einer guten Bibliothek erheischt Geduld und Mühe. Man muss ein Werk prüfen und es kennen, bevor man es für die Bibliothek anschafft, und man darf um des blendenden Inhaltes willen die Richtung nicht vergessen, in der man die Ausbildung derer zu lenken wünscht, für welche die Bibliothek bestimmt ist. Es wird sich dies wesentlich auf grössere Werke beziehen, deren Tendenz wir nicht zu billigen vermögen,

und die doch in der Regel

wieder nur durch umfangreiche Werke widerlegt werden können .

Es

wird weniger die zeitgenössische kleinere Literatur betreffen , die uns feindlich ist, denn diese energisch zu bekämpfen, wird immer eine freudig übernommene Aufgabe des Vereines sein . Darum braucht die Bibliothek sie nicht zu scheuen. Nur wenn Alles gleichmässig dem gleichen Zwecke dienstbar gemacht wird, kann das erstrebte Ziel erreicht werden . Die Grundlage reellen Erfolges ist überall nur Einheit des Wol-

lens , Einheit des Handelns.

Das Kriegsspiel. Das Kriegsspiel ist bei uns noch wenig cultivirt, und nicht besonders beliebt. Es hat aber ohne Zweifel grossen Werth, denn was sonst ein ermüdendes, wenn auch noch so nothwendiges Erlernen fordert,

die Kenntniss des Zeit- und Raumbedürfnisses , des inneren

136

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

Mechanismus der Truppenführung, in leichter Form .

das erlernt sich beim Kriegsspiel

Das Kriegsspiel ist sicher mehr geeignet, die Kenntnisse in taktischer Truppen - Verwendung zu erproben, als die sonst üblichen taktischen Ausarbeitungen, in denen man sich den Gegner zurechtlegt, wie man ihn eben braucht. Es haben da und dort Vorgesetzte den Versuch gemacht,

mit

ihren untergebenen Officieren taktische Aufgaben im Kriegsspiele durchzuarbeiten, es ist dies ein Vorgang , der gewiss vorzügliche Früchte tragen muss. Das Unerwartete und Unbekannte in der Führung des Gegners regt ganz anders das taktische Verständniss,

die taktische Schulung

an, als schriftliche Ausarbeitungen, deren geringen Werth wir ja Alle genügend kennen . Die Einrichtung des Kriegsspieles ist zu kostspielig, als dass sie sich leicht im Besitze des Einzelnen fände . Da kann denn Niemand

eher berufen sein,

ein solches

aufzu-

legen, als der wissenschaftliche Verein, und darum scheint es, dass neben der Bibliothek in den Vereinslocalen das Kriegsspiel nirgends fehlen sollte.

Die praktischen Uebungen . Die Umstände und die persönlichen Verhältnisse gestatten es nicht Jedem, alle Schulen durchzumachen, die das Heer besitzt , und doch ist es gewiss selten das Fehlen des guten Willens, zu lernen , was sich hindernd in den Weg stellt. Es finden sich aber unter den Dingen, die in der Regel nur in diesen Schulen gelehrt werden und die sehr nothwendig und wünschenswerth für Jeden wären, viele Geschicklichkeiten und Kenntnisse, die der Privatfleiss des Einzelnen nicht erlangen kann.

Das sind besonders praktische Geschicklichkeiten, vom Croquiren bis zu rationeller, zweckbewusster Recognoscirung, vom Signalwesen. bis zu den zahllosen Aufgaben des Truppengeneralstabs- und Truppeningenieur-Dienstes. Wo Versuche gemacht werden , Uebungen zu geben,

da geschieht es,

um Gelegenheit

zu

solchen

indem man darauf bezügliche

Aufgaben stellt. Die Belehrung aber, die schrittweise Anleitung, frei vom Zwange eines Aufgaben -Termins, die findet sich selten , und mag der Betheiligte zusehen, auf welchem Nebenwege er dazu gelangt. Der Verein aber hat Genossen aus allen Zweigen und Branchen und ein ehrenvollerer Auftrag kann Keinem zufallen, als der, seinen

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine.

137

Cameraden das zu zeigen, in freiem, ungezwungenem Verkehre, was er selber gelernt für sein specielles Fach. Dennoch werden solche praktische Uebungen sich wesentlich nur in kleineren Vereinsorten eine gewisse Beliebtheit erwerben können , es ist vielleicht nicht einmal räthlich, in grösseren Orten dergleichen einrichten zu wollen, ausser es geschehe auf besonderen Wunsch der Vereinsmitglieder. In kleineren Orten aber hat vielleicht Geltung, was hier davon gesagt wird. Statt so mancher gutgemeinten,

aber wegen Mangel an prakti-

scher Anleitung gar nicht gut gerathenen Ausarbeitung, die also weder dem Verfasser, noch dem Dienste nützt, kann der Verein dem Officier in mancher freien Stunde, an manchem freien Tage die Möglichkeit bieten, mit einem Cameraden hinauszugehen auf die Uebungsplätze oder auf interessantes Terrain, und mit leichter Mühe zu lernen, was er bisher in den Büchern nicht gefunden, was ihm bis jetzt nirgends gelehrt wurde, worüber man ihm aber Aufgaben gegeben , die ihm auch vor dem Feinde wohl zufallen können . Und morgen ist der heutige Lehrer der Schüler seines heutigen Begleiters, denn dem wieder sind andere Dienstzweige bekannt, dem Ersteren fremder. Es ist keine Last, zu lernen,

die

aber es ist für den Mann nicht

angenehm , das Lernen unter Zwang und Widerwillen treiben zu müssen. Wenn uns heute der Vereinsgenosse von der Artillerie mit seinem Material vertrauter zu machen sucht, und ein andermal der von der Geniewaffe draussen

im Terrain die im Gefecht wirklich mögliche,

aber auch unerlässliche Orts- und Objects-Befestigung, die Schlachtfeldbefestigung im weitesten Sinne demonstrirt,

der Pionnier uns an

der Eisenbahn die Art und Weise ihrer Zerstörung,

am Flusse jene

seiner Arbeiten zeigt, die auch der Truppenofficier verstehen und machen können soll , wenn uns ein Mappeur praktisch sein lehrt im Croquiren

und

ein anderer Vereinsgenosse

mit uns recognoscirt zu

diesem, zu jenem besonderen Zwecke, in dieser, klebt dem kein lästiger Schulzwang,

in jener Form,

so

keine beengende Pedanterie an,

wir können fragen und hören Antwort, wir sehen, wie man es macht, und lernen und wissen es, und es ist uns zum Nutzen und was wichtiger ist, wir können selber damit dem Dienste in Wahrheit nützen . Das Fach- Organ. Was Einer von uns Gutes schafft, das soll Gemeingut Aller werden, desshalb bildet sich der Verein . 10 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

"

138

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. Die Form ,

unter der diese Verallgemeinerung stattfinden kann ,

muss natürlich das gedruckte Wort sein . Darum ist ein Fach-Organ nothwendig, an dem jedes Vereinsmitglied direct oder indirect betheiligt ist, ein Fach- Organ , welches wir nicht behandeln , wie irgend eine andere fremde Fachzeitschrift, sondern wie unser eigenes Werk, den Vermittler zwischen jedem Einzelnen von uns in den Grenzen der Vereinszwecke. Das Fach-Organ soll uns Allen mittheilen,

was auch im ent-

ferntesten Vereins-Orte Gutes und Nützliches gedacht und gesprochen worden, es soll uns das Beste aus allen Vorträgen, aus allen Studien der Vereinsgenossen wiedergeben. Es soll uns eine sichere Beurtheilung der Militärliteratur schaffen, es soll uns vor Missgriffen schützen in der Wahl unserer literarischen Behelfe, es soll uns aufmerksam machen auf gediegene Schriften . Das Fach-Organ soll uns in Kenntniss erhalten von allem Wichtigen, was bei fremden Heeren vorgeht, es soll uns unsere möglichen Alliirten, unsere möglichen Feinde kennen lehren . Es soll uns endlich das Mittel bieten, uns untereinander in Verbindung zu halten, es soll aufmerksam machen auf entstehende wichtige Fragen, es soll unser Vertreter sein, der Ausdruck unserer Arbeit. Das Organ wird den Charakter tragen, welcher der Aufgabe entspricht,

die die Zeit bringt.

Wenn das Organ

in den Jahren

des

Friedens und der Ruhe die Pflege der Wissenschaft, die inneren. Heeresaufgaben, die Fragen der Hebung der Wehrkraft in materieller. und geistiger Richtung sich als Aufgabe stellt, wenn der Verkehr der Mitglieder in solcher Zeit wesentlich wissenschaftlichen Gedankenaustausch umfasst, so wird aber auch in der Zeit der That dem Organ das rechte Wort nicht fehlen . Ein solches Fach- Organ kann allerdings kein Speculationsobject werden, es wird sogar Opfer kosten , die eine kluge und genaue Verwaltung indessen so leicht als möglich zu machen suchen muss . Andererseits aber darf man auch nicht ängstlich kargen an diesem wichtigsten Vermittler, an diesem kräftigsten Ausdruck unserer Thätigkeit. Wir müssen Reichhaltigkeit fordern und wir können sie schaffen . Ein wissenschaftlicher Verein wird auch nicht ohne Hilfe dastehen . Der Staat kann ihn nicht ohne solche lassen, und wenn mit Recht,

den Geselligkeitsvereinen , die nur unserem Vergnügen dienen,

vom Staate keine Geldhilfe gewährt wird, so wird sie doch dem wissenschaftlichen, dem ideal-patriotischen Unternehmen nicht verweigert werden können.

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine .

139

Da, wo sie aber nicht ganz hinreicht, müssen wir selber, unseren bescheidenen Mitteln entsprechend, ein kleines Opfer nicht scheuen, und der Erfolg des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines bis jetzt beweist, dass wir Alle diese Meinung wohl theilen . Man darf nicht mehr, von uns wollen , als wir können, was wir aber können, das darf man auch hoffen, gethan zu sehen. Wenn man uns heute die Opferwilligkeit der Officiere des Prinzen Eugen vorhält, die arm und hungrig ,

die rechtlich gebührende Gage

in der Regel nur nach dem Rechtstitel,

nicht aber vom Anschauen

kannten, und doch mit freudigem Sinne wie Löwen fochten, so passt das nimmer ganz auf die heutigen Verhältnisse . So viel Erbtheil aber dürfen wir schon noch von ihnen haben, dass wir auch einmal ohne grosses Zaudern ein kleines Opfer bringen, das wir uns absparen , um damit dem Dienst zu helfen und der Sache zu dienen . Das Fach-Organ kann nur wenig dem Vereine an sich eintragen , es gibt für den Verkauf der militärischen Fachschriften Erfahrungssätze, die jede sanguinische Hoffnung abschneiden . Das Fach- Organ ist angewiesen auf die pecuniäre Unterstützung der Vereinsmitglieder, denn jene Subventionen , die der Staat geben kann, reichen in der Regel nur hin, um die Bibliotheken und die Verwaltung der Vereine, sei es der Zweigvereine in der Provinz , sei es des Central -Vereines, bei dem die Redaction des Organes sich befindet, zn decken.

Man muss bei den heutigen Druckpreisen für diese , die

Honorare und die Regie des Organes, Alles in Allem gerechnet, einen Druckbogen zu etwa 180 fl. veranschlagen . Die Ausgabe auf nur 60 Bogen angenommen, erscheint schon ein Erforderniss von mehr als 10.000 fl., es entspricht dies dem gegenwärtig vom Wiener militär-wissenschaftlichen Vereine an seine 2000 Mitglieder gestellten Anforderungen .

Die praktische Constituirung des Vereines . Die Frage der praktischen Constituirung militär- wissenschaftlicher Vereine kann sich in Oesterreich gegenwärtig nur noch auf die Errichtung der Zweigvereine in der Provinz beziehen, da der Central-Verein in Wien bereits constituirt und eingerichtet ist. Die erste Bedingung für die glückliche Entwicklung der Zweigvereine ist , dass sich in allen Vereinsstationen die commandirenden. Würdenträger directe um die Sache annehmen . Dies sichert einerseits den moralischen Erfolg, es sichert aber auch andererseits die nothwendige Rücksicht auf die Casse des Officiers und auf den Steuerträger. 10*

140

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. Die höchsten Commandanten , die commandirenden Generale allein

sind im Stande, bis zur gesetzlich erlaubten Grenze die Kräfte und Mittel der Heeresverwaltung dem Unternehmen zuzuwenden, Kräfte und Mittel, welche sonst nur durch sehr empfindliche Geldopfer einigermaassen ersetzt werden könnten . Locale Verhältnisse werden überall einen grossen Einfluss auf die Gestaltung und Einrichtung des Vereines haben, im Wesentlichsten aber lässt sich der Weg doch andeuten , auf dem sich diese Institution mit den relativ geringsten Schwierigkeiten verwirklichen lassen wird. Da, wo sich verhältnissmässig wenig Vereinsmitglieder finden, vielleicht auch bei allen

Zweigvereinen,

kann möglicherweise das

betreffende General -Militär- oder Truppen-Divisions-Commando das Mittel wählen, durch welches beispielweise die Garnisonsbibliothek zu Krakau, eine Art militär-wissenschaftlicher Verein der ganzen Garnison , zu Blüthe und Gedeihen gelangte. In Krakau wurde gegen den geringen obligatorischen Rücklass von 4 kr. pr. Gagegulden der ganzen Garnison die Benützung der Bibliothek und der Besuch der wissenschaftlichen Versammlungen gesichert, und nach wenig Jahren des Bestandes ist dieses Institut heute geradezu mustergiltig geworden.

Als Voraussetzung dient hier stets die materiell sichergestellte Lage des Vereines, und zwar aus dem Titel staatlicher Subvention . Man kann annehmen, dass mit einer jährlichen Einnahme von 1000 fl . die Möglichkeit geboten ist, bei streng ökonomischer, geschickter und von der Militärbehörde kräftigst und bereitwilligst unterstützter Gebarung, die einzelnen Zweigvereine, gleichviel ob in grösseren oder kleineren Stationen befindlich , zu erhalten . Fehlt die staatliche Subvention, so muss es in den einzelnen Vereinsorten den Commandanten überlassen bleiben, die Form finden , um diese Summen aus der Beisteuer der Officiere zu erhalten . Sei es nun, dass man mit freiwilliger Zustimmung der Officiere sie von der Beisteuer für die Regimentsbibliotheken befreie , sei es, dass man den etwa vorhandenen Unterhaltungsvereinen einen erträglichen Abzug im Interesse des wichtigeren militär-wissenschaftlichen Vereines macht, - immer wird sich ein Weg finden, den man gehen kann, wenn schon der unglückliche Fall einträte, dass der Staat die junge Institution wieder aufgäbe und ohne Unterstützung liesse durch ein oder mehrere Jahre.

Der Zweck des Vereines ist ja zu klar and zu gut, um nicht in solchem Nothfall auch einige kleine Opfer zu motiviren , und eine Schädigung der Unterhaltungsvereine liegt auch nicht darin, wenn sie

Ueber Ziel und Aufgabe militär - wissenschaftlicher Vereine.

141

den wissenschaftlichen Vereinen erst in zweiter Linie nachzufolgen bestimmt werden. Es gibt ja doch gewiss nicht leicht einen Officier im Heere, gleichviel welchen Ranges, dem die Vergnügungen werthvoller wären , als die geistige Arbeit. Der erste Schritt zur Constituirung eines Zweigvereines ist die hierauf bezügliche Weisung des betreffenden General- Militär- oder Truppen-Divisions - Commando's, welche die Gruppen bezeichnet, aus denen je ein Vertreter für den Ausschuss zu wählen sei. Die natürlichste Eintheilung ist hiebei die , dass jedes Regiment und selbstständige Bataillon, die Cavalerie, Artillerie und die technischen Branchen, auch wenn ihre Stärke nicht relativ den genannten Truppen-Einheiten entspricht, je eine Gruppe, dass ferner der Generalstab, die Militärbehörden und die zu

selbstständigen Gruppen sich

weniger eignenden Abtheilungen zusammen eine Gruppe bilden. Jede dieser Gruppen erhält nun Auftrag , unter sich mit geschlossenen Stimmzetteln zu wählen, und die getroffene Wahl wird an das Stations-Commando bekannt gegeben.

1 Der commandirende General, der Militär-Commandant oder Divisionär, welcher eben immer das höchste Commando im Vereinsorte führt, ernennt nun aus den Generalen oder höchsten Stabsofficieren , welche Mitglieder des Vereines sind, den Vorsitzenden des Ausschusses, oder lässt ihn durch den Ausschuss wählen, der Generalstabs - Chef wird ebenso als ständiges Mitglied des Ausschusses bestimmt, und der gewählte Gesammtausschuss im Tagesbefehle bekannt gegeben . Der Ausschuss constituirt sich nun . Ein Mitglied, in der Regel wohl das jüngste, wird zur Uebernahme des Secretariats auf die Dauer eines Jahres bestimmt, ein Mitglied übernimmt die Direction der zu schaffenden Bibliothek, zwei Mitglieder des Ausschusses übernehmen die Casse, ein Mitglied endlich die Hausverwaltung und Einrichtung. Grundsatz für die Ausschüsse der Zweigvereine muss sein, dass alle Geschäfte, bis einschliesslich der Wahl jedes

einzelnen Buches

für die Bibliothek, durch Beschlüsse des Ausschusses begründet sein. müssen, dass jedes Mitglied volles Antragsrecht, und jedes Mitglied gleich dem Vorsitzenden im Ausschusse eine giltige Stimme haben müsse. Die nächste Aufgabe ist die Frage der Unterkunft. Es wird nicht überall möglich sein, unentgeltlich einen Theil der etwa vorhandenen Casino-Localitäten zu erhalten, oder einige Casernzimmer erübrigt zu haben. Es wird aber nahezu gar nirgends möglich sein, theure Zinsen für eine gemiethete Wohnung zu bezahlen , es wäre das eine nicht wohl zu verantwortende Verwendung der Staatssubvention .

Ueber Ziel und Aufgabe militär -wissenschaftlicher Vereine .

142

Es wird in den meisten Fällen nur dadurch Rath geschaffen werden können, dass dem Verein ein Stabsofficiers-, in kleinen Garnisonen wenigstens

ein Hauptmanns- Quartier zur Verfügung gestellt

und mit möglichst geringen Kosten durch die Bauverwaltung adaptirt wird. Vielleicht ist es möglich, dass das Reichskriegsministerium diese Quartiere ohne Entgelt oder doch gegen geringen Zins zu benützen gestattet. Als Vortragssaal wird jedoch in vielen Fällen ein in der Garnison vorhandenes militärisches Lehr- oder Fecht-Locale und dergleichen dienen müssen.

Ein Zweigverein bedarf durchschnittlich 1 Zimmer für die Bibliothek, 1 Studirzimmer für Besucher der Bibliothek, 1 Lesezimmer für die Fachschriften, 1 Kriegsspielzimmer, 2 Kammern für einen Aufseher, der zugleich Unterbibliothekar ist und für eine Ordonnanz . Diesem Bedürfniss entspräche ein Stabsofficiersquartier. Wo nur ein Hauptmannsquartier aufzutreiben wäre,

müsste das Studirzimmer

entfallen, und ein Studirtisch in der Bibliothek aufgestellt werden. Die Adaptirung wird eine einfache, aber anständige Herrichtung als Aufgabe haben. Eine nothwendige Rücksicht muss in allen Fällen die sein, dass die Vereinslocale, besonders Abends, der fast ausschliesslich disponibeln Arbeitszeit der Vereinsmitglieder, wohnlich

und behaglich seien

denn in unangenehmem Raume arbeitet man weder gern noch leicht.

~

Den Mobiliarbedarf zu den möglichst billigen Preisen zu beschaffen , wären die Baudirectionen zu beauftragen. Es wird sich empfehlen, dem Beispiele

der Garnisonsbibliothek

in Krakau zu folgen, welche ihre Einrichtung fast durchgehends durch Militär-Arbeiter herstellen liess .

Der Mobiliarbedarf ist etwa folgender : a) Bibliothekszimmer. Die nothwendige Anzahl Bücherkästen mit Glasthüren , ein Schreibtisch für den Bibliothekar,

ein Stehpult , ein runder Büchertisch, bei dem die Verschönerung durch ein grünes Tuch sehr wünschenswerth wäre, 6 Sessel, eine Bücherleiter.

V

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

143

b) Kriegsspielzimmer, zugleich Conferenzzimmer des Ausschusses,

ein grosser viereckiger Tisch, sechs Sessel, eine Etagère oder ein Kasten . ein Schreibtisch für den Secretär.

c) Lese- und Studirsimmer, nach Bedarf einen oder zwei lange schmale Tische, zu jedem Tische etwa acht Sessel, eine oder zwei Etagèren .

d) Die Kammern, die nöthigen Einrichtungsstücke für die Bequartierung von Unterofficieren. Hiezu kommt dann die Einrichtung für leuchtung.

Beheizung und Be-

Es wird gewiss , wenn auch nicht im ersten Augenblicke, möglich werden, die beste und schönste Zierde eines österreichischen militärwissenschaftlichen Vereinslocales zu beschaffen und anzubringen : das Bild oder die Büste Seiner Majestät des Kaisers, zu dessen Ehre und Dienst ja das ganze Streben und Wirken des Vereins allein und ausschliesslich geschieht . Nun schliesst der Ausschuss ein Abkommen mit einem geeigneten Buchhändler und einem Antiquar. Mit dem Erstern aus Rücksicht auf die neu erscheinenden Werke, mit dem Letztern auf die allmälige Anschaffung jenes Stammes von ältern, vorzüglichen militärischen Werken, welche eine kriegswissenschaftliche Bibliothek nicht entbehren kann . Bei diesen Abkommen ist das öconomische Interesse bei den herrschenden hohen Bücherpreisen wohl im Auge zu behalten. In Rücksicht zu ziehen ist ferner, dass die durchschnittliche Jahresrechnung des Buchbinders 2 Karten zu erreichen pflegt.

der Auslagen für die Bücher und

Derartige Verträge haben den Vortheil

dass die Zahlungen geregelt werden können und niemals drängend werden. Als Unterbibliothekar und Aufseher sucht das Stations-Commando einen alten, fortdienenden, vertrauten Unterofficier zu gewinnen , der in ersterem Dienste die Ausgabe und Evidenthaltung der Bücher, die Aufrechthaltung der Ordnung und die Manipulation , in letzterem den niedern Hausverwalterdienst zugewiesen erhält. Als Ordonnanz wird ein Invalide oder ein Mann aus dem Truppenstande bestimmt.

144

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. Der Ausschuss macht nun nach den localen Verhältnissen einen

Budgetvoranschlag, der sich nach vollkommener Einrichtung der Vereinslocale, wozu das Einkommen des ersten Jahres verwendet werden . wird, bei einem Einkommen von etwa 1000 fl. jährlich, wie folgt, gestalten dürfte ; vorausgesetzt, dass die Beheizung und Beleuchtung durch Intervention der Intendanz so billig als möglich gehalten , und die unentgeltliche Beistellung der Unterkunft vom Reichskriegsministerium bewilligt werden sollte . Budgetentwurf:

200 fl . für die Bücherbeschaffung, 150 fl. für den Buchbinder, 150 fl. für die militärischen Fachzeitschriften, 100 fl. für die Beleuchtung , 200 fl . für die Beheizung , 50 fl . für die Kanzlei- und Verwaltungsbedürfnisse , 90 fl. für Zulagen, 20 kr. die Ordonnanz gerechnet . 60 fl. für Diverses .

täglich für den Aufseher, 5 kr. für

Was an einzelnen Posten erspart werden kann, kommt der Bibliothek zu Gute. Es können alle diese Angaben nur als beiläufige Anhaltspuncte dienen, die örtlichen Verhältnisse werden doch in nächster Linie für die Ausschüsse massgebend werden. Die Eröffnung der Bibliothek und der Vereinslocale wird jedenfalls erst nach Ablauf mindestens eines Jahres geschehen können , da es nicht opportun ist, sie in unfertigem Zustande sehen zu lassen . Eine hervorragende Unterstützung würde der Verein darin finden, dass die Regimenter ihre Bibliotheken unter voller Wahrung ihres Eigenthumsrechtes und mit eigenem Catalog in den Localen des Vereines aufstellen könnten . Beim Abmarsche eines Regiments nähme dasselbe natürlich seine Bibliothek in die neue Station mit. Dadurch könnte der Verein die Anschaffung theuerer Werke , wenn sich dieselben schon im Besitze der Regimenter befinden sollten , auf spätere günstigere Gelegenheit verschieben .

Was aber als unumgänglich nöthig erscheint, die Erfahrung spricht dafür, das ist das vollständige Ausschliessen aller belletristischen Werke. Sie sollen und dürfen in den Bibliotheken des Vereins keinen Raum finden . Bei der Constituirung eines solchen Vereines muss ein Gesichtspunct vor Allem festgehalten werden .

Es ist nur eine Wiederholung,

Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine.

145

dass er hier nochmals genannt wird, aber er ist so wichtig, dass er nicht oft genug erwähnt werden kann. Die Sache muss mit allem Ernst und Fleiss in Angriff genommen

werden, mit aller Unterstützung der obersten Commanden in den Vereinsstationen sowohl, als der obersten Militärbehörden überhaupt. Wo dies nicht geschehen will,

da lasse man die ganze Sache

liegen, denn halbgethan dient, was geschieht, nur zur Discreditirung des ganzen Institutes und somit zum Schaden des Dienstes. Ist dann endlich

die Einrichtung beendet,

und die Bibliothek

benützbar, dann beginne der Ausschuss im Vertrauen auf den guten Zweck und auf die schöne Aufgabe seine höhere Thätigkeit, und der Erfolg wird nicht fehlen . Mit dem Erfolge aber gewinnt der Ausschuss jenen reichen Lohn seiner allerdings nicht geringen Mühen, der ihn das Bewusstsein, nicht nur entschädigt für alles Unangenehme, den Individuen des Heeres genützt,

sondern vor Allem dem Aller-

höchsten Dienste grosse und dauernde Unterstützung gebracht zu haben . Nicht die treue, gute Pflichterfüllung der vielen Einzelnen allein ergibt die höchste Leistungsfähigkeit, sondern die bewusst vereinte , die mit klarem Ziel sich gegenseitig gewährte, unterstützende Thätigkeit schafft sie, denn sie schafft Einheit und Einigkeit, und die Einigkeit schafft Kraft. Diese Einheit aber muss auf tieferen Factoren beruhen, als auf dem geselligen Zusammenleben

allein .

Diese Einheit beruht ganz

allein auf gleicher moralischer Durchbildung, auf gleicher moralischer und geistiger Richtung. Wir sehen in einer Armee, die heute als die vom Erfolge besonders begnadete dasteht, eine Einheit und Einigkeit des OfficiersCorps in den principiellen Dingen, die einen ganz hervorragenden, einen mächtigen Einfluss geübt hat auf die Erlangung so grosser Erfolge. Die Ursache dieser seltenen Gleichartigkeit so vieler, an sich verschiedener Elemente liegt in dem nahezu gleichartigen Erziehungsgang, den jeder preussische Officier genommen . Dieselben Schulen, dieselbe geistige Richtung im Grossen, dieselbe Denkweise ! Was bei uns, und lägen Jahrzehnte zwischen den Einzelnen, ohne Rücksicht auf Charge und Rang den Neustädter dem Neustädter, den Tullner dem Tullner sympathisch nähert, das umfasst in Preussen fast alle Officiere, das macht sie innerlich zu Gliedern einer Familie. Die Verhältnisse liegen hier zu Lande anders, und nicht mit Wünschen, sondern mit Thatsachen muss man rechnen.

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Ueber Ziel und Aufgabe militär-wissenschaftlicher Vereine. Wir sind Alle die verschiedensten Wege gegangen , bis wir unser

gemeinsames Ziel, des Kaisers ehrwürdige und glorreiche Fahne, gefunden ; wir haben gelernt, getreulich mit einander in den Kampf zu gehen , aber wir haben nicht gelernt, uns selber gegenseitig in unserem Fühlen und Denken so recht zu kennen und uns zu nähern . Es ist nicht die mächtige Tradition einer Schule, die uns versichert, dass zwanzig und dreissig Jahre nach uns die alte Schule die jungen Herzen mit demselben Geiste füllt, den sie uns einst eingeflösst. So bleibt etwas Fremdes zwischen Truppe und Truppe, wie zwischen den Einzelnen . Wir können aber nachholen, was die Verhältnisse uns zwangen , zu versäumen . Die Officiersvereine

mit

ernster Tendenz

und still wirkende Mittel

nicht zu lernen allenfalls bedingungsweise auch allein thun, ―

sind das bescheidene nur, das kann

man

sondern uns gegen-

seitig verstehen zu lernen, und so die stolze und schöne Ueberzeugung zu gewinnen, dass wir ja Alle gleich denken und gleich fühlen. Wir haben Jahre hindurch

neben

einander gelebt,

ohne

uns

dieser Uebereinstimmung recht bewusst zu werden, weil wir lange schwere Jahre dahin ziehen liessen, ohne uns selber zu sagen , wie wir denken und fühlen . Das ist ein mächtiges Bewusstsein , wenn kein Zweifel möglich, dass sei es in diesem oder jenem, noch so entfernten Theile des Reiches, - unter allen Genossen, gleichviel welcher Nation , welchen Stammes, welchen Alters, welchen Ranges, dieselbe Sache dieselben Empfindungen weckt. Das hebt den Muth, das schafft Selbstvertrauen, das macht uns stark, das lehrt uns glauben an den Triumph der guten Sache. Der stille, der sichere Vermittler solch' innerer Einigung, solch ächten, soldatischen Gemeingeistes kann ein Officiersverein werden, wenn er ernst und ganz erfasst wird in seiner moralischen Bedeutung, wenn wir ihn nicht durchmachen wie eine Mode, wenn wir ihm unser Vertrauen, unsere Mithilfe schenken, wenn wir ihn zur Blüthe bringen suchen ohne Anwandlungen von Kleinlichkeit, ohne persönlicher Rücksichten, ohne Widerwillen und ohne Hintergedanken und lieblose Kritik, aber auch ohne Furcht vor diesen Feinden . „Miteinander vorwärts ! " soll es da heissen. Wo bei der Schöpfung des Vereines noch Fehler sind , da ist es ja der Verein selber, der sie bessern wird : mit vereinten Kräften !

Ueber Ziel und Aufgabe militär- wissenschaftlicher Vereine.

147

Solche Schöpfungen, wie ein militär-wissenschaftlicher OfficiersVerein, sind nicht in einem Tage geschaffen.

Die Zeit, in der ihr

Nutzen sichtbar wird, ist nicht die Zeit, da sie erst gegründet werden. Vielleicht haben wir noch so viel Zeit friedlicher Thätigkeit vor uns , um die innere Kraft solcher Vereine wirksam werden zu lassen , aber weil wir nicht wissen, wann die Früchte gereift sein werden, müssen wir rasch und entschieden mit der Sache beginnen, um uns die Möglichkeit der rechtzeitigen Ernte zu sichern. Vielfach sind allerdings die berechtigten und beachtenswürdigen Bedenken und

Rücksichten,

welche

die Gründung

fordert, wenn sie Nutzen bringen sollen. Der Einzelne kann sie nicht alle übersehen .

solcher

Vereine

In dem, was hier

gesagt worden, wird auch manch' Irriges sein. Aber es ist mit der Ansicht eines Einzelnen, wie mit dem Baumaterial , aus dem man stolze Bauten schafft.

Es kommt Einer, und

braucht kein Meister zu sein und sagt : „ Ich habe Bausteine gefunden , seht sie Euch an !" Dann gehen die Bauverständigen hin , und mustern die Steine und wenn sie ihnen gefallen haben, so lassen sie dieselben einführen zur Bauhütte. Dorthin erst kommen die Künstler, und unter ihren Händen wird aus dem ungefügen Stein das schöne Meisterwerk. Anderes wollen wir auch hier nicht, als sagen dürfen : „ Ihr baut ein so schönes, so herrliches Werk, unser Heer, stein, vielleicht kann man ihn nützen."

hier liegt ein Bau-

Ist er aber einmal erwählt, dann sei ihm die ganze Kraft, der ganze Fleiss gewidmet, deren er bedarf. Wohl überlegt sei Zweck und Ziel, vorsichtig fern gehalten sei jeder Bau auf den Zufall hin und auf unsicheres Hoffen , - ist aber das Ziel klar und der Plan fest, dann vorwärts und es wird zum Segen ! Im Jänner 1874.

Das französische Heer Anfangs 1874 . Die nach dem letzten deutsch- französischen Kriege als nothwendig anerkannte Reform in den Einrichtungen des französischen Heeres bildete bisher und bildet noch immer die Aufgabe der sogenannten Armee - OrganisationsCommission, welche aus 45 Mitgliedern bestand, jetzt aber nur mehr aus 40 besteht, nachdem einige Mitglieder starben und General Ducrot sein Mandat niederlegte. Dieselbe wurde aus dem Schoosse der National-Versammlung im Frühjahre 1871 gewählt, zählt, um ihrer militärisch-politischen Aufgabe gerecht werden zu können , 14 hohe Militärs, meistens Generale und Admirale, unter ihren Mitgliedern, bildet daher eine Delegation des souveränen gesetzgebenden National-Parlamentes, und ist als solche dem Kriegs-Ministerium nicht unter- sondern übergeordnet. Wir sehen uns bemüssigt, diesen Umstand besonders hervorzuheben, da uns in den öffentlichen Blättern schon oft eine irrthümliche Charakterisirung dieses parlamentarischen Ausschusses begegnete . Die Arbeiten dieser Commission haben bis zu Ende des Jahres 1873 nur zwei Resultate zu Tage gefördert, zwei Resultate, welche aber jedenfalls von grosser Tragweite sind . Das eine ist das Wehrgesetz vom Monate Juli 1872, und das zweite, welches gerade ein Jahr darauf zur Reife gelangte, das Organisations-Gesetz vom Monate Juli 1873. Das erstere wurde schon vielseitig besprochen und ist daher allgemein bekannt. Das zweite haben wir im 3. und 4. Hefte des VII. Bandes 1873 dieser Zeitschrift im Auszuge veröffentlicht. Wir wollen heute einen Rückblick auf die von diesen beiden Gesetzen bis Ende 1873 geäusserten Wirkungen werfen und die neuen Schöpfungen der französischen Heeres- Reorganisation betrachten. Dabei wollen wir aber gleich voraussetzen, dass, wenn die Regierung des Präsidenten Thiers, sowie der Hauptfactor der vollziehenden Gewalt in dieser Angelegenheit, der Kriegsminister Cissey, mit dem von der National-Versammlung ausgearbeiteten Wehrgesetze nicht einverstanden waren, die am 24. Mai 1873 an das Ruder gekommene Regierung des Marschalls Mac Mahon, und der von Letzterem ernannte Kriegsminister Du Barrail der jungen Schöpfung der allgemeinen Wehrpflicht und des grossen Volksheeres, ebenso wenig wie ihre Vorgänger, zugeueigt zu sein scheinen . Viele der höchstgestellten Generale sollen überhaupt jetzt schon die Ausführbarkeit des neuen Wehrgesetzes unbedingt bezweifeln und anfeinden. Wir werden nicht ermangeln, in der weiteren Folge unserer Auseinandersetzung hiefür die Belege beizubringen . Mit Beginn des Jahres 1874 sind die neu errichteten 19 Armeecorps schon theilweise ins Leben getreten . Um den Uebergang zur neuen MilitärTerritorial-Eintheilung, und die Auflösung der bisher bestandenen 22 Territorial-Divisionen anzubahnen, wurden letztere je nach ihrer geographischen

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Lage den Corps-Commandos bereits untergeordnet. Die Eintheilung des ganzen Landesgebietes in die 18 Regionen der französischen Corps ist noch nicht erfolgt. Das 19. Corps umfasst den ganzen Flächeninhalt der algierischen Colonie. Die Sitze der 18 Corps - Commandos wurden schon festgestellt. Die betreffenden Befehlshaber wurden ebenfalls schon ernannt. Wir führen dieselben hier nach der Reihenfolge an ; 1. Corps : Lille, General Clinchant; 2. Corps : Amiens, General Montaudon ; 3. Corps : Rouen, General Lebrun ; 4. Corps : Le Mans, General Deligny ; 5. Corps : Fontainebleau, General Bataille ; 6. Corps : Châlons sur Marne, General Douay ; 7. Corps : Besançon , General Herzog von Aumale ; 8. Corps : Dijon, General Ducrot ; 9. Corps : Tours, General Cissey ; 10. Corps : Rennes, General Forgeot ; 11. Corps : Nantes, General Lallemand ; 12. Corps : Limoges, General Lartigue ; 13. Corps : Clermont-Ferrand, General Picard ; 14. Corps : Grenoble, General Bourbaki ; 15. Corps : Marseille, General Espivent ; 16. Corps : Montpellier, General Aymard ; 17. Corps : Toulouse, General Salignac-Fénélon ; 18. Corps : Bordeaux, General Grimaudet de Rochebuet ; 19. Corps : Algier, General Chanzy, welcher gleichzeitig Civil- Gouverneur von Algier und Befehlshaber der dort stationirten Land- und See- Streitkräfte ist . Ueber diese Eintheilung ist noch zu bemerken : Paris und Lyon wurden aus politischen Rücksichten nicht zum Kernpuncte eines Corps gemacht. Dieselben werden bei der demnächstigen Gebietseintheilung jedes in vier Brüche getheilt, deren jeder zu einem anderen Corps gehört. So gehört Paris zum 2., 3. , 4. und 5. Corps ; Lyon dagegen zum 8., 13., 14. und 17. Corps. Obwohl noch kein Gesetz darüber vorliegt, lässt sich aus der bereits bekannten Dislocation der betreffenden Truppenkörper diese Eintheilung annehmen. In Paris befinden sich überdiess gegenwärtig auch noch Truppen des 10. und 11. Corps, so wie sich in Lyon auch nech Truppen des 7. Corps befinden . Veranlassung biezu bietet das Bedürfniss, in diesen beiden volkreichen und für die Regierung in politischer Richtung nicht verlässlichen Hauptstädten eine ansehnliche Besatzung unter der Hand zu haben. Dies auch die Ursache. dass, wegen Mangel an genügenden Unterkünften, die seit 1871 bestehenden Baraken-Lager in den Umgebungen von Paris und Lyon beibehalten wurden . Um aber im Nothfalle den Oberbefehl über sämmtliche daselbst stationirten und concentrirten Truppen in einer Hand zu vereinigen, wurden in Paris so wie in Lyon Militär-Gouverneure ernannt. General Ladmirault fungirt als solcher in Paris . General Bourbaki, gleichzeitig Commandant des 14. Corps, ist Gouverneur von Lyon, und denselben sind daher im Gebiete dieser Städte die Corps-Commandanten untergeordnet. Das Gesetz bestimmt, dass kein CorpsCommandant länger als 3 Jahre an der Spitze seines Corps verbleiben dürfe. Das Gesetz erwähnt aber keiner Gouverneurs der beiden Hauptstädte, und daher auch nicht der Dauer ihrer Amtswirksamkeit. Das 4. Corps-Commando, für dessen Sitz die Wahl noch zwischen Le Mans und Chartres zu schwanken scheint, so wie das Commando des 5. Corps befinden sich provisorisch in Paris, eben so das 8. Corps-Commando provisorisch in Bourges. Jedes Corps hat 2 Divisionen Infanterie, 1 Brigade-Cavalerie und eine Brigade-Artillerie. Jede Brigade aller drei Waffen zählt zwei Regimenter. So viel bekannt, hatten alle Truppen mit 1. Januar 1874 ihre neuen Garnisonen bezogen. Die Divisionen und Brigaden der Infanterie führen fortlaufende

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Nummern von 1 bis 38, respective 76. Jedes Corps hat nebst seinen 2 Infanterie-Divisionen noch 2 Jäger-Bataillone, mit Ausnahme des 9. , 10., 11. , 12., 16. und 18. Corps, welche nur ein Jäger-Bataillon haben, und des 19. Corps , welches gar keines besitzt. Die Cavalerie-Brigaden führen die Nummern von 1 bis 19 und zählen jede zwei Regimenter, vorherrschend ein Regiment Dragoner und ein Regiment Chasseurs. Die Artillerie-Brigaden haben fortlaufende Nummern von 1 bis 19. Jede derselben hat zwei Regimenter, welche, obschon noch keine positive Vorschrift besteht, durch ihre Eintheilung zu dem Schlusse zu berechtigen scheinen, dass ein Regiment die Divisions- und das andere die Corps - Artillerie bilden wird. Das erstere hat gegenwärtig nur 8 fahrende, das zweite hingegen 6 fahrende und 3 reitende Batterien. Nebstdem befinden sich bei den 38 Artillerie- Regimentern 31 Fuss -Batterien (Festungs -Compagnien) und 6 Gebirgs- Batterien, welche abwechselnd zu 1 oder 2 Compagnien den Divisions- Artillerie- Regimentern beigegeben sind, und 6 Gebirgs- Batterien, welche ebenfalls bei den Divisions-Artillerie-Regimentern eingetheilt wurden, sich aber jetzt von den verschiedenen Regimentern in Algier detachirt befinden. Im Ganzen sind es 360 Batterien. Die bestehenden 144 Infanterie-Regimenter, wovon 18 jüngster Errichtung, sind ebenso wie die Jäger- Bataillone durch die 18 französischen ArmeeCorps vollkommen absorbirt. Nachdem aber der Zustand der algierischen Colonie seit dem letzten Aufstande der Araber im Jahre 1871 noch nicht ganz zufriedenstellend zu sein scheint, so befinden sich vom 12. Corps , im gebirgigen Centralpuncte Frankreichs, 3 ganze Brigaden mit 6 Infanterie-Regimentern in Algier detachirt. Das 12. Corps hat gegenwärtig nur 2 Infanterie- Regimenter. Sämmtliche 144 Infanterie-Regimenter haben 3 Feld-Bataillone zu 6 Compagnien, und ein Depot, welches aus 3 Compagnien und 1 Compagnie Handwerker besteht. Die 30 Jäger- Bataillons bestehen jedes aus 8 Compagnien, wovon 2 vor der Hand noch das Depot bilden . Durchschnittlich sind die Compagnien nur 50 Mann stark. Mit den Cadres 70. Von den 70 jetzt bestehenden Cavalerie-Regimentern, wovon 14 jüngster Errichtung, ist die Eintheilung folgende : 18 Dragoner-, 15 Chasseurs- und 6 Hussaren-Regimenter bilden die 19 Cavalerie -Brigaden bei den 19 ArmeeCorps. Die 19. in Algier zählt ausnahmsweise 1 Chasseurs- und 2 HussarenRegimenter. 8 Cürassier-, 6 Dragoner-, 4 Chasseurs- und 6 Hussaren-Regimenter sind in 12 Brigaden eingetheilt, und bilden 6 selbstständige ReserveCavalerie-Divisionen, welche je nach ihrer Dislocation dem betreffenden CorpsCommando im Frieden untergeordnet sind . Dann erübrigen noch 4 Cürassierund 2 Dragoner-Regimenter, welche 3 Brigaden bilden, die zur Stunde noch keine Eintheilung erhalten haben, eben so wie 1 Chasseurs -Regiment, welches sich in Belfort befindet und mit dem in Algier befindlichen Chasseurs - Regimente eine Brigade bilden soll . Die 56 Regimenter älteren Bestandes haben jedes 5 Escadronen, die neu errichteten blos 4. Der Pferdestand dürfte kaum 100 per Escadron erreichen. Die 38 Artillerie- Regimenter waren ursprünglich bestimmt, in 19 Brigaden formirt, den 19 Armee- Corps beigegeben zu werden . Davon scheint man bereits wieder abgegangen zu sein. Beim 19. Corps in Algier befinden sich

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jetzt nur die von 6 verschiedenen Regimentern aus Frankreich detachirten 6 Gebirgs-Batterien. Die 2 Regimenter, welche die 19. Brigade bilden, verbleiben in Frankreich und sind vielleicht bestimmt, so wie die uneingetheilten Cavalerie-Regimenter, eine Armee-Reserve zu bilden, den Traditionen der französischen Organisation gemäss . 266 fahrende und 57 reitende Batterien mit zusammen 1938 Geschützen bilden die für europäische Schlachtfelder bestimmte artilleristische Streitmacht. Die Zahl der Batterien, heisst es, soll auf 14 per Regiment gebracht werden. Vor der Hand gebricht es an Cadres, Pferden und Geschütz -Materiale. Jeder der 18 Artillerie-Brigade-Commandanten in Frankreich erstreckt seine Amtswirksamkeit auf alle Artillerie- Anstalten im Bereiche des Corps . Paris, Lyon und Algier haben besondere Artillerie-Commandanten. Des Letzteren Autorität dehnt sich auf ganz Algerien aus. Diesen Commanden untergeordnet befinden sich noch 25 sesshafte Artillerie-Directionen, wovon 21 auf Frankreich, 1 auf Corsica und 3 auf Algier entfallen . Alle übrigen Waffengattungen und Dienstes-Branchen harren noch ihrer Reformen und sind in die Armee-Corps noch nicht eingetheilt. Wenn man daher schon das Uebergangsstadium der drei Hauptwaffen in Betracht zieht, so muss man zu dem Schlusse kommen, dass kein einziges Armee-Corps marschfähig ist und es auch noch lange nicht sein wird. Bei der Genie-Waffe wurden mit 1. Januar 1874 blos die Genie- Directionen reorganisirt. Deren Anzahl wurde von 26 auf 30 erhöht, wovon 27 auf Frankreich und 3 auf Algier entfallen. An der Spitze einer jeden Direction befindet sich ein Oberst oder Oberstlieutenant . Die drei Directionen in Algier stehen unter der Oberleitung eines Brigade-Generals. Im Bereiche des 1. , 6. , 7., 11., 14. , 15., 16. und 18. Corps, welche, wegen ihrer grösseren Wichtigkeit als Grenz-Armee-Corps, mit je 2 Directionen dotirt wurden, unterstehen dieselben einem Brigade-General, dessen Obliegenheiten und Titel erst bestimmt werden sollen . Von der beabsichtigten Errichtung eines 4. Genie- Regimentes ist man bereits wieder abgegangen. Ob das Pontonnier-Regiment bei der Artillerie verbleiben oder der Genie-Waffe einverleibt werden soll, ist noch immer nicht entschieden. Im Laufe des nächsten Februars gewärtigt man die Organisation der Cadres aller Waffen durch die National-Versammlung und die bei den Franzosen bisher noch nie systemisirt gewesene Stärke des Friedens- und des Kriegsstandes aller Truppenkörper. Die Reorganisirung des Generalstabes, der Intendanz, des Sanitäts- Corps und der dependirenden Anstalten , des Trains etc., dies scheint noch Alles in ziemlich weiter Ferne zu stehen. Trotz der Anwesenheit so vieler Militärs in der Armee- OrganisationsCommission arbeitet dieselbe mit einer überraschenden Langsamkeit. Wenn man nun erwägt, dass auf Antrag eines Mitgliedes derselben, des General : Loysel, beantragt wurde, von nun an diese Commission auch zur Feststellung des Kriegsbudgets mitzuberufen, so muss man wohl besorgen, dass dieselbe in Zakunft noch langsamer arbeiten wird. Und doch sagt der Bericht derselben Commission, als sie kürzlich über die Frage der Ausschliessung der Militärs von der Wählbarkeit sich auszusprechen berufen wurde : „Wenn die politische Lage des Landes den Officieren das zu sein gestattet, was sie auch anderswo sind, die Leuchte im Rathe de: Landes, die Stütze und Kraft der Regierung an der Spitze des Heeres, so mög man mit ihnen nicht über ihre zweifache Hingebung feilschen, über eine Hin-

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gebung, deren Opfer sie allein tragen, deren Nutzen nur der Nation zu Gute kömmt. " Man wehrt sich doch nur gegen die Ausschliessung aus dem Parlamente, weil die Opfer nicht sehr gross zu sein scheinen . Der Fortgang der Reorganisations-Arbeit beweist es am handgreiflichsten. Das in Algier stehende 19. Corps soll , wie es scheint, blos aus den sogenannten afrikanischen Truppen bestehen. Zu denselben gehören 4 ZuavenRegimenter, 3 Regimenter Algierische Schützen ( Turcos), 1 Fremden-Regiment, 3 Bataillons leichte afrikanische Infanterie ; überdies an Reiterei : 4 Regimenter Chasseurs d'Afrique und 3 Regimenter Spahis. Wie bereits erwähnt, genügen dieselben gegenwärtig den Bedürfnissen der Colonie nicht und es müssen 6 Infanterie- und 3 Cavalerie-Regimenter von der Armee des Mutterlandes Aushilfe leisten. Die Organisation dieser afrikanischen Truppen ist noch nicht erfolgt. und dürfte erst demnächst gleichzeitig mit der Systemisirung der Cadres stattfinden. Was mit denselben im Falle eines Krieges auf dem europäischen Festlande geschehen soll, ist ebenfalls noch nicht klar. Bisher verlautete nnr, dass dieselben in einem solchen Falle zum Operations- Heere beigezogen und in der Colonie durch französische Truppen der Territorial - Armee ersetzt werden sollen. Für die Territorial-Armee selbst ist bisher nur eine eigene Abtheilung im Kriegsministerium errichtet worden, sonst aber auch gar nichts geschehen. Indessen sind drei Jahre beinahe seit dem Friedensschluss verflossen, und es lohnt sich vielleicht der Mühe zu untersuchen, in wie weit die französische Armee befähigt erscheint, im Falle eines Krieges wieder thätig aufzutreten. Wir schöpfen alle Daten, welche uns zu einem solchen Urtheile nöthig sind, aus jenen Verhandlungen, welche im Sommer und December 1873, bei Gelegenheit der Debatten über das Heeres- Organisationsgesetz und über das Budget 1874 in der Nationalversammlung stattgefunden haben. Der Friedensstand des ganzen Landheeres betrug in den Jahren 1872 und 1873 durchschnittlich 450.COO Mann und 99.000 Pferde auf dem Papiere. Die grossen Geldbedürfnisse der Kriegsverwaltung zwangen dieselbe aber im Laufe des letzten Jahres zu einer Reduction von 10.000 Mann und 5000 Pferden. Diese Reduction wurde durch vorzeitige Beurlaubung der zunächst ausdienenden Mannschaft der Altersclassen 1866 und 1867 und durch geringere Pferdeeinkäufe bewerkstelligt. Nebstdem wurden die in Frankreich üblichen, winterlichen Semester-Urlaube vom 1. September bis 30. März auf sieben Monate ausgedehnt und im Verhältnisse von 30 Procent den Officieren, von 20 Procent der Infanterie-Mannschaft und von 12 Procent der Mannschaft der übrigen Waffen ertheilt. Die Officiere beziehen hiebei blos die geringeren Urlaubsgebühren, die Mannschaften gar nichts . Präsent unter den Fahnen befinden sich gegenwärtig die Altersclassen 1868, 1869 , 1870 und 1871. Im Sinne des neuen Wehrgesetzes gehört die Altersclasse 1867, 1866 und 1865 nebst dem bei der aufgelösten Mobilgarde bereits gedienten Theile der Contingente 1867, 1868 , 1869, 1870 und theilweise auch 1871 , zu der Reserve des activen Heeres. Obwohl der Stand dieser Reserve noch nicht zuverlässlich sichergestellt ist, so kann aber, den gemachten Angaben zufolge, deren Gesammtsumme annäherungsweise mit 600.000 Mann angenommen werden. Dieselben können aber nicht alle dem bestehenden Friedens-Heere einverleibt werden, da selbst nach Durchführung der bisher nur projectirten und erst demnächst zu bewerkstelligenden Organisation der Cadres ,

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der Bestand des activen Heeres nicht mehr als 750,000 Mann betragen wird . Immerhin könnten im Sinne des Gesetzes aus der erübrigenden ReserveMannschaft neue Truppenkörper und Abtheilungen gebildet werden . Dazu fehlt es aber vorderhand noch an Allem. Improvisationen scheinen die Erfahrungen des letzten Krieges strengstens zu verbieten . Und was im gegenwärtigen Augenblicke überhaupt nur aufgeboten werden kann, muss zur Vervollständigung des gegenwärtigen Armeebestandes verwendet werden . Denn man darf nicht übersehen, dass die 144 Infanterie-Regimenter nur je 21 Compagnien haben ; dass 56 Cavalerie-Regimenter nur 5, die 14 neuen aber nur 4 Escadronen haben. Die zuletzt errichteten 8 Artillerie- Regimenter wurden mit Mann und Pferd und Materiale nur nothdürftig von den früher bestandenen 30 ausgerüstet. Dazu besteht bei allen Waffengattungen ein sehr geringer Friedensstand. Der Stand des stehenden Heeres ist besonders geeignet ernste Reflexionen zu erwecken, wenn man hauptsächlich die Aufmerksamkeit auf die Art richtet , wie das Heer ergänzt und das neue kaum anderthalb Jahre alte Wehrgesetz in Ausführung gebracht wird. Das Contingent der Altersclasse 1871 , welches noch nach dem alten Wehrgesetz, Ende 1872 , recrutirt wurde, ist mit 105.000 Mann eingestellt worden. Der damalige Kriegsminister General Cissey ordnete deren Einberufung zu den Feld-Bataillonen und Escadronen des Heeres an und befahl, im Gegensatze zu dem früher üblichen Ausbildungsmodus bei den Depots, die Ausbildung der Recruten und des Chargen-Nachwuchses durch die Unterabtheilungen selbst . 3300 Mann des Contingentes kamen zur Marine . Die Altersclasse 1872 war die erste, welche nach dem neuen Gesetze abgestellt werden sollte . Der alten Gepflogenheit gemäss wurde das Contingent erst im Sommer 1873 recrutirt. Dasselbe betrug 151.039 Mann und soll ganz dem Heere einverleibt werden, mit dem Bemerken , dass ein Theil desselben nur 1 Jahr, der andere 5 Jahre präsent dienen soll. " Dies der Wortlaut des Gesetzes . Indessen von der ganzen Classe 1872 befindet sich zur Stunde noch kein einziger Mann unter den Waffen, mit Ausnahme der zur Marine eingetheilten 5023 Mann, welche im Monate Januar 1874 einberufen wurden. Man verschob deren Einreihung von Monat zu Monat und nun soll dieselbe erst mit 1. März 1874 erfolgen. Nicht aber für das ganze Contingent, sondern nur für 90.132 Mann, welche bestimmt sind, 5 Jahre unter den Waffen zu verbleiben , nach Abschlag von 5023 Mann, welche dem See - Heere einverleibt wurden . Die übrigen 55.884 Mann, welche nur 1 Jahr präsent dienen sollen, werden den jüngsten Bestimmungen gemäss erst mit 1. Juli 1874 und zwar zu den Depots einberufen werden, um dann aber nicht durch ein Jahr bei denselben zu verbleiben, sondern nur durch sechs Monate eiligst gedrillt zu werden . Als das Wehrgesetz berathen wurde, konnte man das Bedürfniss nicht genug betonen , dass das Heer nur gut und zuverlässig geschulte Reserven haben müsse . Und jetzt erklärt der Kriegsminister Du Barrail selbst, dass man die beiden Theile eines Contingentes nicht auf einen Leisten schlagen könne. Der eine müsse methodisch, der andere flüchtig ausgebildet werden . Ueberdies könnte die Anhaufung des ganzen Contingentes die Gesundheit der Recruten gefährden . (Wir glauben wohl eher, dass man weder in Paris noch in Lyon bei den Truppen ungeschickte Recruten haben wolle.) Erwägt man nun, dass das Contingent 1872 erst Mitte 1874 zu den Fahnen gerufen wird, dass dies das erste ist, welches in seiner Gesammtheit zur Wehrpflicht beigezogen wird, so muss man sich un11 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII, Band, 1874.

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willkürlich fragen : wenn es in diesem Tempo fortgehen wird, wann werden erst die nachfolgenden Contingente zur Ableistung ihrer Dienstzeit kommen? Nebst den allgemeinen Interessen der Armee, welche hier schon von allem Anfange an schwer bedroht erscheinen , muss man auch noch erwägen, dass derlei Verzögerungen und Verspätungen ganze zahlreiche Schichten der Bevölkerung auch in ihren materiellen Interessen schädigen und verkürzen . 150.000 junge Leute rechnen jährlich auf den Anfang, aber noch mehr auf das Ende ihrer Präsenzpflicht im Heere. Wirthschaften, Erbschaften, Heiraten, die Gründung eines häuslichen Herdes, tausend andere Interessen von erheblichem volkswirthschaftlichen Werthe erleiden durch solche Maassnahmen eine gewaltige Beeinträchtigung . Und Alles warum? Weil die Geldmittel fehlen . Bei einem jährlichen ordentlichen Aufwand von 460,000.000 Francs ; bei äusserst kleinem Friedensstande, im Beginne der Regenerations- Periode. Zur Ausrüstung der Infanterie waren im verflossenen Sommer bereits 1,200.000 Chassepot- Gewehre vorhanden . An der Beschaffung des auf 3 Millionen veranschlagten Bestandes wird noch immer rüstig fortgearbeitet. Ob die übrigen Waffengattungen alle schon mit Chassepot- Gewehren und Carabinern bewaffnet sind, kann noch nicht entschieden behauptet werden . Die Frage der Metallpatrone ist noch immer nicht gelöst und bisher wird noch immer mit der Papierpatrone geschossen. Im Zusammenhange mit dieser Sache steht auch das, trotz beinahe dreijährigen Berathschlagens noch immer ungelöste Problem der Umgestaltung oder Verbesserung des Gewehres selbst . Cavalerie, Artillerie und Trains leiden alle empfindlichen Pferdemangel und sind unter dem Stand . Daran trägt mancherlei Ursache Schuld. Die Nachwehen des Krieges, die Vertheuerung des Materiales, die ungenügenden Preise, welche die Kriegsverwaltung zahlt trotz erhöhten Ansprüchen, etc. Der jährliche Ersatz soll beiläufig ein Achtel des Standes betragen . Im Laufe des Jahres 1873 konnte der Bedarf nicht gedeckt werden und man versuchte probeweise Pferde-Einkäufe in Russland und in Preussen. Der Aussage des Kriegsministers zufolge gingen ihm auch Anbote aus Ungarn zu, welche er aber im Interesse der vaterländischen Pferdezucht nicht annahm . Und nun wurden 14 neue Cavalerie- und 8 neue Artillerie- Regimenter aus Bruchtheilen der bereits bestehenden aufgestellt und es muss an die Ausfüllung der entstandenen Lücken gedacht werden. Jedes neue Regiment durchschnittlich nur mit 500 Pferden berechnet, gibt schon eine Totalsumme von 11.000 Pferden, für welche bisher von der Kriegsverwaltung nicht einmal die zur Beschaffung nöthigen Geldmitteln verlangt wurden . Und in der National-Versammlung schreit man ohnehin schon nach dem Zugrundegehen der Finanzen. Werfen wir nun auch einen Blick auf die Beschaffenheit des GeschützMateriales. Seit Beendigung des Krieges behalf man sich mit jenem Materiale des alten Systems, das bereits vorhanden war. Dasselbe diente hauptsächlich nur zum Unterrichte der Mannschaft und nöthigenfalls konnte es bei inneren Unruhen zur Niederwerfung eines Aufstandes mitwirken. Nur in Paris und Lyon gibt es vollkommen ausgerüstete Batterien . Bei den Regimentern bestehen nur Fragmente. Gegen einen äusseren Feind wäre dieses Materiale gänzlich unbrauchbar. Der letzte Kanonier hat sein Vertrauen dazu verloren. Das Geschütz Reffye, das während des Krieges massenhaft erzeugt und als von wunderbarer Wirkung verschrieen wurde, fand in den Reihen der französischen Artillerie selbst nur sehr wenig Anhänger, dafür aber viele Wider-

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sacher. Das Geschütz hat gute Seiten , dafür aber auch recht viele Schwächen . Man konnte sich daher nicht zur definitiven Annahme desselben entschliessen, begnügte sich mit dessen nothdürftiger Verbesserung und verlegte sich auf neue Projecte. Seit drei Jahren beinahe wird experimentirt. Drei besondere Prüfungs-Commissionen beschäftigen sich ausschliesslich mit diesem Gegenstande. Zur Stunde aber ist es noch immer nicht gelungen zu einem Abschlusse zu gelangen. Nicht so sehr die Schwierigkeit des Gegenstandes, als die Rivalität der verschiedenen Parteien liegt als schwerer Hemmschuh der Lösung dieser Frage im Wege. Land- und Marine -Artillerie, alte und neue Schule, Conservative und Progressisten, Anhänger des Guss- Stahles und der Bronze treten sich gegenseitig entgegen ; und vielleicht ist es nicht der Ehrgeiz allein, welcher um den Vorrang bei der Entscheidung der wissenschaftlichen und technischen Frage ringt, sondern auch das Interesse, welches bei der Beschaffung eines so viele Millionen verschlingenden Materiales sein wuchtiges Wort zur Geltung bringt. Um die Sache wenigstens vorderhand zu einem provisorischen Abschlusse zu bringen, entschied sich Marschall Mac Mahon nach Uebernahme der Präsidentschaft für die temporäre Einführung des Reffye -Geschützes . Mit 1. März 1874 sollen 150 Batterien dieses Systemes fertig gestellt und den Truppen übergeben werden . Nach Maassgabe, als neue Batterien aus den ReparaturWerkstätten von Tarbes hervorgehen, werden dieselben eingetheilt und die 18 Armee-Corps mit einer Waffe dotirt werden, welche mehr Vertrauen als die alten La Hittes einflössen. Ununterbrochen werden aber die Versuche fortgesetzt, und sobald es gelingen wird , dieselben zu einem endgiltigen Abschlusse zu bringen und ein Geschütz- Modell herzustellen, das allen Anforderungen entspricht, dann soll das Reffye-Geschütz zum Reserve- Materiale bestimmt werden. 2000 Stück waren vorhanden, 1400 sind davon reparatursfähig classificirt worden. Die Reparaturen, respective Verstärkungen der Verschlüsse , werden in Tarbes unter der Leitung des Erfinders selbst, des jüngst ausser der Tour avancirten Obersten Reffye bewerkstelligt. Und dieses Materiale wird vorläufig genügen müssen und kann erst dann eine tüchtige Artillerie geschaffen werden , bis dem bestehenden Mangel an Officieren und Cadres, und dem Abgange an Pferden abgeholfen werden wird . Seit Beendigung des letzten Krieges gibt es Viele, welche gewaltiger als die Franzosen selbst nach Revanche schreien . Die öffentlich gesprochenen Worte der Generale Cissey und Du Barrail lauten immer nur nach Frieden . jene aber nur, Man lese die französischen Militär-Journale und Revuen, welche der Franzose selbst sérieuse nennt, und man wird finden, dass in Frankreich die Ueberzeugung herrscht, die Zeit. einem neuen Kriege sei noch nicht gekommen . Mit einem Heere, das sich in einer solchen Verfassung befindet, schlägt man keine Schlachten . Man träumte von einer raschen, energischen, nur den Franzosen möglichen Wiederauferstehung. Die Erfahrung von beinahe drei Jahren zeugt dafür, dass die Arbeit viel schwerer ist als man geglaubt. Die Erschütterung war zu gross. Man hängt überdies in Frankreich nur zu sehr an der Tradition. Die alten Elemente wollen sich von den Forderungen der neuen Zeit nicht überzeugen lassen. „ Die Kriegsminister treten ab, “ sagte kürzlich ein französischer Redner, aber die Kriegsverwaltung bleibt. " Das Wehrgesetz und das Organisationsgesetz sind wohl geschaffen ; dort aber,

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wo man sie zuerst zur Geltung bringen soll, dort umgeht man sie, dort macht man sie zu nichte, dort hängt man gar zu sehr an dem alten Schilendrian. Eine Armee, welche ihre Recrutirung beinahe zwei Jahre im Rückstande hat und eine Stockung in derselben hervorruft, die verhängnissvoll sich fortzupflanzen droht, welche die nöthigen Pferde nicht beschaffen kann, welche eigentlich, streng genommen, noch keine den heutigen Anforderungen entsprechenden Kanonen hat, eine solche Armee kann den Frieden noch nicht stören. Wenn man daher von Kriegsgerüchten, von Differenzen spricht, so rühren diese Nachrichten gewiss nur von solchen Persönlichkeiten her, welche à la baisse speculiren wollen . Eine französische Armee besteht noch lange nicht .

Ende Jänner 1874.

- G. --

Die Flotte der Vereinigten Staaten Nordamerika's. In dem officiellen Berichte des Marine- Secretärs über das Jahr 1872/73, datirt vom 29. November 1873, sind 165 Schiffe aufgeführt mit 1269 Geschützen, ausschliesslich der Haubitzen. Gegen das Vorjahr eine Verminderung um 13 Schiffe, welche verkauft wurden. Von diesen 165 Schiffen sind 63 Dampfer mit 826, 29 Segel-Schiffe mit 322, 48 Panzer- Schiffe mit 121 Geschützen und endlich 25 Bugsir-Schiffe. Hievon sind augenblicklich in den Dienst gestellt und in den verschiedenen fremden Stationen, sowie an den eigenen Küsten vertheilt 46 Schiffe mit 407 Geschützen. Aus den amtlichen Ausweisen für das Jahr 1873 geht ferner hervor, dass in der Marine im Ganzen 1629 Officiere dienten, und zwar 14 Admirale, 25 Commodore, 50 Capitäne, 90 Capitän-Commandanten, 225 Lieutenants, 99 Schiffsofficiere (Masters), 27 Fähnriche, 129 See-Cadeten, 150 Aerzte, 134 Schatzmeister, 224 Ingenieure, 35 Geistliche, Professoren etc. , 64 Contremeister. Die gesetzmässige Ziffer der Marine- Cadres betrug im December 1873 8500 Köpfe. Seit dem letzten Kriege, in welchem die Vereinigten Staaten von Nordamerika es verstanden hatten, Armeen sozusagen über Nacht zu organisiren und im Laufe von vier Jahren eine gewaltige Flotte von 671 Schiffen mit 4610 Geschützen zu schaffen, hat man sich daran gewöhnt, die nordamerikanische Flotte mit einem hohen Grade von Achtung zu betrachten, - ja sie wurde selbst in Europa in politische Combinationen gezogen, indem man den Vereinigten Staaten bei verschiedenen Anlässen die Neigung imputirte, in dem europäischen Staaten-Concerte ihre Stimme mit vernehmen zu lassen . Die unstreitig grossen militärischen Leistungen der Union zu Wasser und zu Land gegenüber den Secessionisten hatten in Europa so gewaltig imponirt und auf alle Kreise einen so nachhaltigen Eindruck gemacht, dass man vor Staunen gar nicht gewahrte, wie die hervorgezauberten Flotten gleichsam durch Zauberei auch wieder verschwanden, und so rechnete man noch mit Factoren lange nachdem diese zu existiren aufgehört hatten. Sowie man die Armeen nach Bewältigung der Südstaaten eiligst auflöste und nur einen winzigen Bruchtheil behielt, kaum hinreichend, die verschiedenen Indianerstämme im Zaume zu halten, brachte man auch die stolzen KriegsSchiffe unter den Hammer, und liess auf den Marinelisten nur so viele stehen, als zum Schutze des Handels als unbedingt nothwendig erachtet wurde. Aber selbst diese bescheidenen Rudera einer einst mächtigen Flotte schrumpften von Jahr zu Jahr mehr zusammen ; denn die überstürzt, meist aus

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grünem Holze erbauten Schiffe verfaulten allmålig, ohne dass man auf Ersatz bedacht gewesen wäre . Aus England kam zwar hie und da ein höhnischer Wink über den gänzlichen Verfall der nordamerikanischen Flotte ; aber man setzte ihn auf Rechnung des Neides und der Eifersucht. Da kam die Virginius- Affaire . Ein Racheschrei dröhnte durch die Union, man rüstete, man spannte alle Kräfte an und -Parturiunt montes, nascitur ridiculus mus die grössten Anstrengungen vermochten nur einige Schiffe von sehr zweifelhaftem Werthe seetüchtig zu machen ! Nun traten englische Journale den Beweis an, dass Nordamerika gar nicht im Stande sei, seinen Reclamationen gegenüber der spanischen Regierung ! irgend einen Nachdruck zu geben, und dass es sich glücklich schätzen müsste wenn die Virginius- " Affaire friedlich beigelegt würde . Käme es zu einem Kriege zwischen Spanien und Nordamerika, sagten sie, so könnte es sich ereignen, dass die ganz achtbare, seetüchtige Flotte Spaniens die nordamerikanischen Häfen blokirte und die Seestädte bombardirte, ohne dass die Flotte der Union dies zu verhindern im Stande wäre . Dies klang im Hinblick auf die 48 Panzer-Schiffe und auf die 1269 Geschütze , über welche die Gesammt- Kriegsmarine der Nordstaaten in den amtlichen Listen verfügte , so ganz unglaublich, dass man auch jetzt noch anzunehmen geneigt war, hinter den hämischen Expectorationen Englands berge sich der Grimm über die endliche, von der Union insgeheim schon lange ersehnte Annexion der Perle der Antillen " an die Vereinigten Staaten. Da unternahm es Mr. Archer, Mitglied des Marine-Comité's, am 9. Januar d. J. im nordamerikanischen Congresse, die vom Marineministerium hingestellten, den Effectivbestand der Flotte darlegenden Ziffern zu beleuchten . Er entwarf ein so klägliches Bild von dem Zustande derselben, dass die englischen Angaben nicht nur ihre Bestätigung finden, sondern wo möglich noch überboten werden. Um ein richtiges Bild von der Trostlosigkeit der Flotte zu geben, ist es nothwendig, Mr. Archer's Rede, die wohl geeignet ist, die so lange genährten Illusionen gründlichst zu zerstören, im Auszuge zu reproduciren. Mr. Archer sagt, nachdem er die Schiffe der Union aufgezählt : „ Colerado, Wabash, Minnesota und Franklin kosten 3,795.000 Dollars ; die ersteren drei wurden vor 18 Jahren gebaut, Franklin lief vor 10 Jahren vom Stapel. Mit Auxiliarmaschinen versehen, beträgt ihre durchschnittliche Geschwindigkeit unter Dampf nicht über 7 Knoten. Niagara ist in einem so defecten Zustande , dass sie jeder weiteren Reparatur spottet. Von den 31 Schiffen zweiten Ranges kamen 5 nie in See, sondern verfaulten auf dem Stapel. Nevada und California sind bestimmt ausgeschieden zu werden , weil sie aus grünem Holze erbaut worden waren. Im Jahre 1869 wurde eine Commission von Marineofficieren zur Untersuchung der Kriegs-Schiffe eingesetzt und ihr Bericht dem Congresse vorgelegt, Die Commission constatirte, dass Florida, Jowa und Tennessee für Kriegszwecke nutzlos, dass Severn, Congress, Worcester, Benicia, Alaska, Omaha und Plymouth, aus Weisseichenholz erbaut, unter die Kriegs - Schiffe nicht aufzunehmen wären. Die Kosten dieser Schiffe beliefen sich auf 11,248.000 Dollars und

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wird der Ankauf derselben von der Commission als nicht gut zu machender Missgriff bezeichnet . Delaware und Illinois sind baufällig ; für sie wurden über 2,000.000 Dollars ausgegeben. Susquehanna ist 18 Jahre alt und in die Rumpelkammer gewandert. Powhatan und Saranac, Raddampfer, sind 25 Jahre alt und obwohl sie wegen Mangels an besseren Schiffen noch im Dienste stehen, haben sie den natürlichen Termin ihrer Existenz überlebt. Die 5 Schiffe der Lancaster Classe mit den 4 alten Fregatten sind die einzigen Schiffe, welche den Namen „ Kriegs-Schiffe " verdienen ; aber selbst diese sind nicht geeignet zu einem Gefechte mit modernen Schiffen , da sie den Geschützen der Neuzeit nicht Widerstand zu leisten vermögen. Die Schiffe der Lackawanna Classe, 10 Geschütze führend, wurden einigermaassen verbessert ; aber sie haben noch so viele Mängel, dass sie als KriegsSchiffe sehr bedenklich erscheinen. Sie sind ausserdem langsam unter Segel wie unter Dampf und haben keinen Raum für Provisionen und Kohle . Von den 23 Schiffen dritton Ranges kann Juniata gleichwie Ossipee weder schnell segeln noch dampfen und beide sind zur See gefährlich . Ossipee verlor erst kürzlich ihre Boote. Quinnebaug, Swatara und Galena sind baufällig, aber gleich dem Phoenix steigen sie aus ihrer Asche mit neuen Rumpftheilen aus grünem Holze . Ihr Werth wird sich nach einem Jahre gezeigt haben. Iroquois, Kearsarge, Wachusett, Tuscarora und Wyoming sind gute Schiffe, aber viel zu klein, um sich mit irgend einem Kriegs -Schiffe messen zu können . Nantasket ist verfault, Narragansett zu schwerfällig um als brauchbar zu gelten. So sind von 31 Schiffen nur 5 für den Dienst geeignet. In China haben wir zwei „ Doubleenders ", „,, Monocacy " und „ Ashuelot . “ Diese kreuzen auf den Flüssen und sind so seeuntüchtig, dass sie nicht nach der Heimat geschickt werden können. Wer in maritimen Dingen nur einigermaassen bewandert ist, weiss, dass diese Classe von Schiffen völlig werthlos ist. Man muss nur staunen, dass sie nicht schon lange das Grab ihrer Equipagen geworden und dennoch muss sich der Staat im Falle von Feindseligkeiten auf diese Erzeugnisse unseres letzten Krieges verlassen. Selbst die Chinesen verlachen sie als ihren Junken nachstehend : Nyack, Shawmut, Kansas , Nipsic, Saco und Yantic sind kleine Schiffe mit je 3 Kanonen, deren Vorzug in ihrer imposanten Erscheinung besteht, da sie wie Vollschiffe getakelt sind . Solche Schiffe mögen allenfalls die Chinesen täuschen. Im Laufe von zwei Jahren sind sie alle völlig unbrauchbar geworden. Recapitulation der Dampfer: Auf dem Stapel, deren Bau eingestellt worden und baufällig Gänzlich unbrauchbar In der Reparatur Nicht als Kriegs- Schiffe zu classificiren . Summe der Dampfer, auf welche nicht gezählt werden kann

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5

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Somit verbleiben 38 verfügbare Schiffe einschliesslich derjenigen 10, welche von der Commission als werthlos bezeichnet worden waren .

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Die Flotte der Vereinigten Staaten Nordamerika's.

Von den Segel- Schiffen sind New-Orleans und Virginia seit 1818 auf dem Stapel und beide verfault. Sechs sind Casern - Schiffe und im höchsten Grade baufällig, da ihr Deck in mehreren Fällen das Geschützexerciren nicht zulässt. Die Raen und die Takellage sind in einem Zustande, dass Segelmanöver nicht vorgenommen werden können. Die meisten dieser Schiffe haben ein Alter erreicht, in welchem ein Admiral gewöhnlich in den Ruhestand tritt. Das Durchschnittsalter unserer Segel- Schiffe, mit Ausnahme des Idaho und der Schiffe vierten Ranges , ist 37 Jahre. Constitution wurde im Jahre 1797 gebaut und wird für das einhundert9. jährige Jubiläum aufgeflickt! Indepedence zählt 59 Jahre, ist baufällig und als Casern-Schiff in Verwenduug. Vandalia und Marion, in den Jahren 1828 und 1829 erbaut, werden in Schraubendampfer umgewandelt. Vor 6 Monaten kann die Arbeit nicht vollendet sein, und die Flotte wird durch sie keine besondere Verstärkung erfahren. Vier der Segel- Schiffe sind Vorraths- Schiffe. Idaho, um 500.000 Dollars erbaut, liegt in Yokohama, wo es als völlig unbrauchbar verkauft werden soll . Weitere 4 Segel-Schiffe sind Uebungs - Schiffe und können in einem Kriege wegen Mangels an Dampfmaschinen nicht in Betracht kommen und obwohl sie in den Marinelisten mit einer gewissen Zahl von Geschützen armirt aufgeführt werden, sind einige gar nicht armirt, andere aber mit unbrauchbaren Geschützen. Alle alten Linien - Schiffe stehen als Casern -Schiffe in Verwendung. Sie sind grösstentheils baufällig, seeuntüchtig und es wäre unklug auf sie Geld zu verwenden, da sich im Falle eines Krieges kein Officier finden würde, der ihr Commando übernähme. Nun über die Panzerflotte, von welcher so viel gesprochen wurde . Man ist in fortwährenden Täuschungen befangen über die Tüchtigkeit dieses Theiles unserer Flotte und über die Wunder, welche ihre fürchterlichen Geschütze zu vollbringen im Stande sein sollen . Auf der Marineliste erscheinen 48 Panzerschiffe mit 121 Kanonen . Wären sie wirklich gute Schiffe, so verfügten wir über eine ganz achtbare Flotte ; aber sie wurden gebaut ohne Würdigung dessen, was sie zu leisten berufen waren. Ursprünglich bestimmt für die Vertheidigung der Küsten und Häfen, baute man sie für den Dienst auf hoher See, für welchen sie völlig ungeeignet sind. Von den 121 Geschützen haben wir augenblicklich 14 zur Verfügung, auf weitere 14 können wir in 6 Monaten rechnen. Unter den 48 Panzer- Schiffen sind 27 Bugsir-Schiffe, wie man sie täglich auf dem Delaware und im Hafen von New-York Kauffahrtei-Schiffe nach der See schleppen sehen kann. Sie variiren in der Grösse von 30-300 Tonnen ; einige sind aus Holz , andere aus Eisen gebaut. Polaris, welche im Eismeere zu Grunde gegangen, figurirt noch auf der Marineliste. Keines dieser Schiffe vermag ein grösseres Geschütz als eine Haubitze zu führen und wenigen kann einige Geschwindigkeit nachgerühmt werden . Aus Mangel an besseren Schiffen wurden mehrere von ihnen zu TorpedoSchiffen hergerichtet. Derlei Barken sollten in die Zahl der Kriegs- Schiffe nicht aufgenommen werden ; ihre Namen erscheinen aber auf den Listen, um die Leute glauben zu machen, dass wir eine tüchtige Flotte besitzen .

2

H

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Die Flotte der Vereinigten Staaten Nordamerika's.

Diese Thatsachen erhalten ihre Bestätigung durch den Bericht des ContreAdmirals Goldsborough . Die glänzende Seifenblase von 165 Schiffen mit 1269 Geschützen ist geplatzt und es bleibt die unbestreitbare Thatsache, dass wir eine Flotte nur auf dem Papiere haben. Herculischer Anstrengungen hatte es bedurft, einige Schiffe in See zu bringen, um die Ehre unserer Flagge zu wahren, als wegen Cuba ernste Verwickelungen drohten. Wir verfügten damals im Ganzen über 37 Schiffe mit 530 Geschützen, zerstreut in den Meeren von Europa und in dem nord- und sudatlantischen Ou an. Hätte man sie nach der Heimat beordert, würde unser Handel im Falle eines Krieges dem kleinsten spanischen Freibeuter auf Gnade und Ungnade ausgeliefert gewesen sein . " Diese muthvolle Auseinandersetzung Mr. Archer's gegenüber einem von Selbstdünkel geschweliten Congresse erfuhr von keiner Seite eine Widerlegung , ja sie wurde geradezu durch die ihr folgende Rede eines Mr. Wood in allen Stücken bestätiget. Dieser Mr. Wood sagt unter Anderem : 99 Die Geschichte unseres Landes zeigt, dass dem amerikanischen Volke kein Krieg zu plötzlich kommen kann ; es wird immer allen Eventualitäten gewachsen sein. Wir können eine Flotte in drei, ja in zwei Wochen improvisiren, welche in der Verfassung sein wird, es mit jeder Nation Europa's aufzunehmen. Ich glaube, dass wir uns mit unserem Gelde mit telegraphischer Geschwindigkeit die schönste Panzerflotte der Welt verschaffen können ( !) . Wenn der Tag der Gefahr da ist, dann bereiten wir uns auf sie vor, nicht früher !" In der letzten Senats -Session wurde die Erbauung von 8 neuen Corvetten beschlossen. Drei von ihnen, Chikasaw, Kewadjin, Winmbayo, sollen je 2 Thürme und 4 Geschütze erhalten und auf den Flüssen und Seen verwendet werden ; die anderen, Ettah, Iris, Klamath, Umbqua, Yuma, für die See bestimmte Monitors, erhalten alle den gleichen Tonnengehalt, nämlich 483, und werden nach einem Modelle erbaut. Sie sollen 2 Geschütze in einem Thurme führen. Es scheint nun, dass man sich entschlossen habe, der so sehr vernachlässigten Marine einige Aufmerksamkeit zu schenken . Der Congress wird um die Votirung von 4,000 000 Dollars angegangen für den Bau einiger grösserer Kriegs - Schiffe. Um die Schiffswerften der Union ist es aber nicht viel besser bestellt als um die Schiffe selbst. Es gibt deren allerdings 7, aber sie sind von so kleinen Dimensionen, dass nur auf vieren der Bau von 2-3 Schiffen gleichzeitig in Angriff genommen werden kann, und auf allen 7 Werften sind nur 3 Trocken-Docks, wodurch sich das frühzeitige Verfaulen der Schiffe erklärt. Es werden also mehrere Jahre der angestrengtesten Thätigkeit des MarineDepartements erforderlich sein, die Flotte auf einen Stand zu bringen , dass sie sich mit einer Flotte zweiten Ranges messen könne, vorausgesetzt, dass der J. D. Congress die nöthigen Summen votirt.

Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

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Reorganisation der Spahis- Regimenter in Algier.

Diese drei Regimenter, welche bisher in Smalas errichtet waren, aber weder landwirthschaftlich noch militärisch den gehegten Erwartungen entsprachen, wurden nun derartig reorganisirt, dass dieselben beständig zur Verfügung der Regierung stehen können und zwar in der ganzen Ausdehnung des algierischen Gebietes . Jedes der 3 Regimenter hat 6 Escadronen. Eine gewisse Anzahl derselben kann nach dem Ermessen des General- Gouverneurs auf dem Militär- Territorium, an den Vorposten oder Grenzen, aufgestellt werden. Die Spahis dieser Escadronen erhalten ein Stück Grund, welches sie bebauen und zu ihrem ausschliesslichen Vortheile ausbeuten. Die Spahis sind von den Steuern, welchen die übrigen Eingeborenen unterworfen sind , ebenso für Gründe als für Heerden, befreit . Die übrigen Escadronen werden in Staatsgebäuden untergebracht. Die französischen Officiere und Spahis erhalten keine Grundparzellen und dürfen sich mit Feldbau nicht beschäftigen. Die 6. Escadron des 1. Regimentes bleibt wie bisher zur Verfügung des Marine- Ministeriums in Senegal. Die Ergänzung der Spahis- Regimenter geschieht durch Freiwillige. Zur Erhaltung der Chargen- Cadres werden auch Militärs aus den übrigen Waffengattungen aufgenommen . Die Eingeborenen, wenigstens 18 und höchstens 40 Jahre alt, werden unter folgenden Bedingungen zugelassen : Tanglichkeit, Makellosigkeit, Uebernahme einer vierjährigen Dienstverpflichtung und Vorführung eines guten Pferdes, das Eigenthum des Bewerbers sei. Reengagirungen werden bis zu 4 Jahren angenommen . Keine Escadron darf nur aus Eingeborenen eines einzigen Stammes bestehen. Die auf dem Militär-Gebiete etablirten Escadronen werden hauptsächlich für Chargen und Mannschaft aus solchen Eingeborenen ergänzt, welche schon 2 Jahre bei den casernirten Escadronen gedient haben Jeder Eingeborene kann wegen Untauglichkeit oder schlechter Aufführung entlassen werden. Franzosen, welche aus anderen Truppen zu den Spahis zu kommen wünschen, müssen wenigstens noch 3 Jahre zu dienen haben. Eingeborene können zu Officieren befördert werden, wenn sie die bestimmten Bedingungen erfüllen. Dieselben können auch zu Rittmeistern und Escadrons-Commandanten befördert werden, wenn sie einen einjährigen Curs in der Militärschule zu St. Cyr oder in der Cavalerie-Schule zu Saumur absolvirt haben. Bei gleicher Befabigung hat der französische Officier immer den Vorzug. Der Escadrons- Commandant ist für die Ausbildung seiner Escadron verantwortlich . Bei jeder Escadron erhalten die französischen Officiere, Unterofficiere und Soldaten Unterricht in der arabischen, die Eingeborenen in der französischen Sprache .

Reorganisation der Spahis-Regimenter in Algier.

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Die Verwaltung ist wie bei den französischen Regimentern . Die Löhnung wird alle zehn Tage nachträglich ausbezahlt. Bei jedem Regimente besteht ein Pferdefonds zur Anschaffung der Pferde für die französischen Unterofficiere und Reiter, zum Ersatze der im Kriege gefallenen Pferde und zur ausnahmsweisen Berittenmachung eines auch ohne Pferd zugelassenen Eingeborenen. Jeder Mann, der sein Pferd 4 Jahre erhält, bekommt eine Prämie von 50 Fr. Ueberdies besteht bei jedem Regimente ein eigener Fonds zur Unterstützung der bedürftigen eingeborenen Unterofficiere und Reiter. Der Stand einer Escadron wird nun enthalten : 2 Rittmeister, 2 Lieutenants, 3 Unterlieutenants, 1 Wachtmeister, 1 Rechnungs-Wachtmeister, 8 Führer, 1 Rechnungs -Corporal , 16 Corporale , 2 Vice-Corporale, 5 französische OfficiersOrdonnanzen, 4 Trompeter, 4 Hufschmiede, 6 Professionisten, 50 eingeborene Reiter I. Classe und 80 II . Classe, zusammen daher 185 Reiter und 184 Pferde. Der Regimentsstab hat 13 Officiere und Assimilirte nebst 36 Unterofficieren und Reitern mit zusammen 28 Pferden . Das ganze Regiment zählt daher 1159 Mann und 1132 Pferde. Ueberdies hat der Stab 3 und jede Escadron 1 Maulthier, zusammen 9. Gesammtstand der 3 Spahis- Regimenter : 3477 Mann, 3396 Pferde und 27 Maulthiere. --- G. --

Die Schlacht bei Vionville und Bezonville am 16. August 1870. ¹ ) Von Oberst Baron Waldstätten, Generalstabs- Officier. (Hiezu Tafel IV.) Aufgefordert,

ein Gefecht des Feldzuges 1870 zu besprechen,

habe ich die Schlacht von Vionville und Rezonville gewählt, weil sie mir die interessanteste unter den Gefechten und Schlachten zu sein scheint, in welchen die Armee des Kaiserreiches gekämpft hat . Weder in der kurzen Zeit eines Vortrages, noch in dem immerhin beschränkten Raume dieses Vereins -Organes, lässt sich ein detaillirtes historisches Bild oder eine eingehende wissenschaftliche Kritik geben, weshalb ich nur die wichtigsten historischen Daten, so wie jene hervorgehoben habe, welche schon hiedurch allein kritisirt erscheinen . Von preussischer Seite stehen die Vorträge von Scherff und Hellmuth, die Werke von Kaehler, Hofbauer, von der Goltz zur Verfügung, und geben beinahe volle Klarheit der Ereignisse ; während von französischer Seite nur äusserst dürftige Berichte existiren , welche durch die Acten des Processes Bazaine wohl vermehrt, aber nicht geklärt wurden.

Ereignisse vor der Schlacht. Der Marschall Bazaine - durch die allgemeine Stimme der Armee als der fähigste General bezeichnet hatte am 13. August 1870 den Oberbefehl über den bei Metz versammelten Theil der französischen Armee übernommen 2 ) .

Er sollte, nach Befehl des Kaisers Napoleon ,

¹) Vortrag, gehalten im Wiener Militär- wissenschaftlichen Vereine am 9. und 13. Jänner 1874. 2) Die Garde (2 Infanterie- und eine Cavalerie-Division) . Das 2. Corps Frossard (2 Infanterie- Divisionen und eine Brigade des 5. Corps, dann eine Cavalerie- Division) . Das 3. Corps Le Boeuf (4 Infanterie- und 1 Cavalerie-Division). Das 4. Corps Ladmirault (3 Infanterie- und 1 Cavalerie-Division). 6. Corps Canrobert (3 Infanterie-Divisionen, von der 4. nur 1 Regiment. Das Corps hatte nur 36 Geschütze , welche durch 2 Batterien der Armee- Artillerie- Reserve verstärkt wurden). Dann 96 Geschütze Armee- Artillerie-Reserve. Zwei Reserve- CavalerieDivisionen Forton und Du Barail. 13 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII, Band, 1874.

166

Waldstätten.

an der Maas mit den Truppen des Marschall Mac Mahon bei Wörth total geschlagen war

welcher

sich vereinigen , und es begann der

hiedurch bedingte Rückzug thatsächlich am 14. August. Dieser Rückzug erlitt schon am 14. Nachmittags eine empfindliche Störung, weil Truppen der I. deutschen Armee, als sie den Abzug wahrnahmen, ohne einen höhern Befehl die französischen Arrièregarden anfielen, sie zum Stehen brachten und die schon abmarschirten Colonnen zum Umkehren veranlassten . Dieser Kampf, unter dem Namen Schlacht bei Colombey oder Borny gekannt, kostete den Franzosen 3600 , den Preussen beinahe 5000 Mann. Die Nacht machte dem Kampfe ein Ende, beide Theile behaupteten gesiegt zu haben . Während bei Colombey gefochten wurde, hatte schon ein Theil der II. preussischen Armee ) südlich Metz die Mosel erreicht und theilweise sogar überschritten ; am 16. sollte dies von allen Corps dieser Armee geschehen . Beim II. Armee-Commando war man , trotz den ausgedehnten Streifungen, welche auf dem linken Moselufer, gegen Metz hin , durch die Cavalerie ausgeführt wurden, nicht im Klaren über das Verhalten des Feindes und vermuthete denselben - wie es übrigens den allgemeinen Verhältnissen entsprach schon mit dem grössten Theile seiner Truppen an die Maas abmarschirt. Da nun auch am 15. aus dem grossen Hauptquartiere eine Zuschrift einlief, Früchte des Sieges

in welcher es hiess ,

„ dass die

(vom 14. ) durch eine kräftige Offensive der II.

Armee gegen die Strasse von Metz nach Verdun zu ernten seien, " so dirigirte der Prinz Friedrich Carl seine Corps im Grossen gedacht gegen Verdun. Dem entsprechend finden wir am Abende des 15. 4 CavalerieBrigaden (die 5. Cavalerie - Division und die Garde-Dragoner) bei Xonville und Thiaucourt, angewiesen an die Befehle des X. Corps. von welchem die 19. Division Schwarzkoppen in Thiau court, 2 Bataillone, 2 Escadronen, 1 Batterie unter Oberst Lynker in Novéant im Moselthale, die 20. Division Kraatz bei Pont à Mousson stand. Das III. Corps überschritt erst in der Nacht zum 16. bei Novéant auf 2 Brücken die Mosel und lagerte im Thale, die Avantgarde der 5. Division nach Gorze, jene der 6. Division nach Onville vorgeschoben, - an dieses Corps war die 6. Cavalerie-Division ( 14. und 15. Brigade) gewiesen, stand aber noch am rechten Ufer ; daselbst war auch das IX. Corps bei Mercy le haut im Marsche gegen die Mosel.

1 ) III. Corps Alvensleben , IV. Corps , IX . Corps Mannstein , X. Corps Voigth- Rhetz, XII. Corps, Garde-Corps, 5. und 6. Cavalerie-Division.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

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Alle anderen Corps der II. preussischen Armee, namentlich das II. , IV. , XII . und Garde-Corps, waren noch weiter Mosel aufwärts als Pont à Mousson. Für den 16. war von dem II. Armee- Commandó befohlen : „Der Abzug des Feindes nach der Maas ist im Gange. " „ Das III. Corps mit der 6. Cavalerie- Division hat die Strasse Metz-Verdun bei Mars la Tour zu erreichen . ,,Das X. Corps mit der 5. Cavalerie-Division hat etwa bis St. Hilaire zu rücken."

Für die andern Corps waren entsprechende Befehle gegeben . Die Cavalerie sollte die Maas -Uebergänge in der Gegend von Verdun recognosciren . Demgemäss ordneten die Corps-Commandanten für die preussischen Truppen dispositionsgemäss ihren Marsch an. Das III. Corps formirte sich für den Marsch in 2 Colonnen, nämlich die 6. Infanterie-Division Buddenbrock (von La Lobe) und hinter ihr die Corps -Artillerie (von Pont à Mousson ) bildete die linke Colonne und hatte um 5 Uhr Früh aufzubrechen und über Onville auf Mars la Tour

zu

marschiren.

Die

6. Cavalerie - Division (noch auf dem

rechten Moselufer) und hinter ihr die 5. Infanterie- Division Stülpnagel (bei Novéant stehend) sollten die rechte Colonne bilden, und über Gorze nach Vionville rücken . Das X. Corps beabsichtigte von der 19. Division Schwarzkoppen die Brigade Wedell mit 2 Batterien und 2 Pionnier-Compagnien und die Garde-Dragoner-Brigade von Thiaucourt nach St. Hilaire, 2 Meilen westlich von Mars la Tour und die 20. Division Kraatz mit der CorpsArtillerie von Pont à Mousson nach Thiaucourt marschiren zu lassen. Um Aufklärung über den Feind auch von den weiter nördlich gelegenen Strassen zu erhalten, und weil es denn doch nicht gerathen schien, stärkere feindliche Abtheilungen im Rücken zu lassen, wurde die 5. Cavalerie-Division vom X. Corps beauftragt, gegen Rezonville (von Xonville und Puxieux), also in östlicher Richtung vorzugehen , und es hatte zur allenfallsigen Unterstützung der Cavalerie, ein Theil der 19. Division, unter Oberst Lehmann bei Chambley sich zu versammeln . (4 Bataillons, 2 Escadronen und 1 Batterie von Thiaucourt und das Detachement Lynker von Novéant aus.)

Die Franzosen haben ihren Rückmarsch am 15. fortgesetzt u. z. nur auf zwei Strassen . Auf der südlichen war die Cavalerie-Division Forton bis über Mars la Tour vorgegangen, dort mit Abtheilungen der 5. Cavalerie- Division ins Gefecht gerathen, und hatte sich deshalb auf Vionville zurückgezogen. 13*

Waldstätten.

168

Das II. Corps Frossard,

welches bis Mars la Tour gehen sollte ,

blieb deshalb bei Rezonville und lagerte dort südlich der Strasse. Das VI. Corps (39 Bataillons, 1 Jäger-Bataillon, 36 Geschütze) kam ebenfalls dahin und lagerte aber nördlich der Strasse. Die Garde blieb bei Gravelotte. Auf der nördlichen Strasse war die Cavalerie-Divison Du Barail bis Jarny gelangt. Das III. Corps erreichte mit 3 Divisionen Verneville, die letzte spät am Abend, die 4. blieb bei Metz. Das IV. Corps konnte ebenso Doncourt nicht erreichen, sondern blieb hinter dem 3. Corps bis Woippy echelonirt. Fassen wir die Situation zusammen, so finden wir bei den Franzosen 10 , Infanterie- und 3 Cavalerie- Divisionen , so zu sagen auf dem Schlachtfelde selbst, denn sie hatten nicht eine Meile zu marschiren ; der Rest, 4 Infanterie- und 3 Cavalerie-Divisionen , stand noch innerhalb zweier Meilen . Von den Preussen befand sich nur eine Cavalerie-Division innerhalb einer Meile vom Schlachtfelde. 3 Infanterie- und 1 Cavalerie-Division innerhalb zweier Meilen , die anderen Truppen , etwa 2 InfanterieDivisionen, welche noch ins Gefecht kamen, waren aber zwischen 4 und 5 % , Meilen vom Schlachtfelde entfernt. Die Bewegungen der Preussen wurden thatsächlich begonnen und mussten daher ob die französische Armee sich am Morgen in Bewegung setzte oder nicht - zum Kampf führen. Es bleibt hier als ein interessantes Factum zu erwähnen, dass die beiden Marschrichtungen senkrecht aufeinander treffen, und deshalb auch die Fronten eines oder beider Theile, mehr oder weniger parallel mit der Rückzugslinie sind , was auf die Angriffspuncte besonders aber auf das Resultat des Kampfes von Einfluss ist. Die Marschrichtung fällt bei den Franzosen mit der Rückzugsrichtung zusammen , bei den Preussen jedoch nicht ,

sie führen dadurch einen Flankenan-

griff aus, sind daher bei einem ungünstigen Ausgange der Schlacht in einer sehr schlimmen Situation.

Für den 16. August hatte Bazaine Folgendes befohlen :

„ Die

Suppe wird um 4 Uhr Früh gegessen ; und alles hält sich um 4% , Uhr marschbereit, die Pferde gesattelt, die Zelte abgebrochen. Das 2 und 6. Corps dürften bei 30.000 Mann vor sich haben, und müssen. morgen auf einen feindlichen Angriff gefasst sein. " Allein die französische Armee wartete am Morgen mehrere Stunden marschbereit, marschirte jedoch nicht ab, denn der Marschall Bazaine widerrief seinen Befehl durch folgende Disposition , welche der Merkwürdigkeit halber hier angeführt sei.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville .

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27 Die vom General - Intendanten gesendeten Lebensmittel vertheilen. Die Civil-Fuhrwerke mit den Kranken hinter Gravelotte zurücksenden. Sich überzeugen, ob die Patronen vollzählig sind, die Divisions- Munitions-Parks, wenn nöthig, ergänzen . Sobald die Recognoscirungen zurückgekehrt sind und alles darauf hinweist, dass der Feind nicht in be-. trächtlicher Stärke in der Nähe ist, können die Zelte wieder aufgeschlagen werden und die Mannschaft darf tourweise Wasser holen. Die Vedetten mit den Hauptposten vereinigen , um von der Annäherung des Feindes rechtzeitig verständigt zu werden. Wir werden wahrscheinlich Nachmittag abmarschiren, sobald ich erfahre, dass das 3. und 4. Corps vollzählig mit uns in gleiche Höhe gelangt sind . “ Dem Marschall Le Boeuf wurde gleichzeitig geschrieben : „ Auf Ihren Wunsch verschiebe ich den Abmarsch der Armee bis auf Nachmittag. Ziehen Sie Ihre rückwärtigen Divisionen ohne Zeitverlust heran. In Ihrer rechten Flanke steht kein Feind ; die Gefahr für uns kömmt von Gorze. Lassen Sie daher die Wege in ihrer linken Flanke recognosciren , damit Sie im Falle eines Gefechtes hinter das 2. und 6. Corps in die zweite Linie rücken können . " Diese 3 Dokumente allein, zusammengefasst mit der ganzen

Anordnung des Marsches, würden beweisen, dass der Marschall Bazaine, sowie sein Generalstabs-Chef General Jarras ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren , eine Armee zu führen, geschweige denn unter so schwierigen Verhältnissen. Bazaine war ein tapferer Soldat, dem eine gewisse Routine durch Kriegserfahrung eigen geworden, die vielleicht ausreichte, um etwa noch ein Corps zu commandiren , aber er war kein Feldherr. Sein Generalstabs -Chef, der General Jarras, mag vielleicht manches gelernt haben, und er kann , wie er selbst hervorhebt, in niederen Graden ein Generalstabsofficier gewesen sein, der manchem tüchtigen Generalen gute Dienste geleistet, aber er hat sich nach unseren Begriffen die schwersten Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen. Wirklich oder scheinbar von Bazaine etwas bei Seite gesetzt, hat er in seiner Eitelkeit gekränkt - sich schmollend zurückgezogen, wusste keinen Rath zu geben und wurde um keinen gefragt, und doch behielt er seinen Posten.

Die erste Frage für die Beurtheilung der Verhältnisse vor der Schlacht ist wol die : Hat Bazaine überhaupt die Absicht gehabt nach Verdun zu marschiren oder nicht ? und da scheint es, dass er ernstlich weder das eine, noch das andere gewollt, und doch war diese Frage nach einer oder der andern Richtung auf das Bestimmteste zu beantworten, weil daran die ganze Anordnung des Marsches und der allenfallsigen Gefechte hing.

Waldstätten.

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Vom Kaiser hatte Bazaine den Befehl, an die Maas zu marschiren. Doch, sagt Bazaine,

sollte dieser Marsch „ nur unter günstigen tak-

tischen Bedingungen , ohne die Armee blosszustellen " ausgeführt werden (dans de bonnes conditions tactiques, sans compromettre l'armée, il faut tater l'ennemi). So schwer es ist, dies zu übersetzen, so unklar ist überhaupt der Begriff dessen, was eigentlich zu thun sei, und Bazaine scheint für die Ausführung einen Marsch, so zu sagen in Schlachtordnung darunter verstanden zu haben. Sein Process klärt uns auf, dass man im Haupt-Quartier des

Kaisers fortwährend geschwankt, ob die Armee zurückweichen solle, oder ob Metz und Paris als zwei Vertheidigungs-Centren für die Operationen zu benützten seien ; Le Boeuf und Lebrun sagen aus , sie wären für die Offensive von Metz aus gewesen . Wiederholt behauptet Bazaine, der Kaiser habe ihm gesagt, er solle nichts auf's Spiel setzen, und fände er zu grossen Widerstand, auf Metz zurückgehen . Dies mochte bei einer so wenig gefestigten Feldherrn- Natur wol sehr unklare Vorstellungen zur Folge haben. Daher ist er auch während der folgenden Schlacht ausschliesslich besorgt, nicht von Metz abgedrängt zu werden ; "" die Gefahr droht von Gorze," sagt er, und doch wollte er ja von Metz wegmarschiren . Das Verbleiben in Metz mochte ihm nicht als ein schlimmes Ereigniss vorkommen . Und versetzen wir uns in die damalige Zeit wo eine Einschliessung und Capitulation von Metz und Paris noch nicht erlebt war, so werden wir uns erinnern, dass damals die Ansicht allgemein feststand, dass Armeefestungen ganze Armeen schützen und ihnen die Möglichkeit geben sollten, den cernirenden Feind mit Vortheil zu bekämpfen . Haben sich doch nach 1866 Stimmen genug erhoben, welche bedauerten, dass die Nord-Armee nicht bei Olmütz geblieben sei . Möglicherweise hat auch der Genie - Chef der Armee, General Coffinières , Festungs -Commandant von Metz, ähnliche Phrasen vorgebracht, wiewol

das preussische Generalstabswerk behauptet,

was er

wieder leugnet , dass er gesagt habe : Metz könne sich nicht 14 Tage halten . Kurz die Idee Bazaine's in Metz zu bleiben, ist insbesondere für die damalige Zeit keine unbedingt zu verwerfende ; aber dann musste man an dieser Idee festhalten und darnach handeln, mit Bewusstsein handeln . Immer wird zu bedenken sein, dass : wenn man in einem verschanzten Lager, - was Metz nur in sehr bescheidenem Grade war sich mit der Armee, der Kraft eines ganzen Landes , einschliessen lässt, man auch die Ressourcen eines ganzen Landes braucht, um auszudauern . Wollte Bazaine in Metz bleiben, so musste er jetzt vorerst jedes Gefecht, vor Allem jedes vertheidigungsweise Gefecht vermeiden, so die Schlacht am 16., besonders aber die Schlacht am

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

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18. August; denn er musste später wiederholt die dünne Cernirungslinie angreifen und schlagen, sich aber nicht von der versammelten Hauptmacht des Feindes angreifen und schlagen lassen, und dass er die letztere Schlacht unbedingt verlieren werde, war bei der bedeutenden numerischen Ueberlegenheit des Gegners gewiss . Wollte Bazaine aber nach Verdun mars chiren , so musste er gerade in entgegengesetzter Weise handeln, als er es gethan . Und dies weist darauf hin, dass in dieser Lage an ein Entweder - Oder nicht gedacht werden durfte. Da verschiedene Nachrichten die Anwesenheit immerhin beträchtlicher Streitkräfte des Feindes auf dem linken Mosel -Ufer feststellten, so durfte kein Augenblick Zeit für den Marsch verloren werden , dieser musste als Flankenmarsch angeordnet und gesichert werden. Dazu gehörte, -- ganz in grossen Zügen bemerkt, - der Besitz von Arnaville-Novéant, wenn es anging noch Thiaucourt-Beney, die Verweisung des Trains auf die Strasse Woippy-Briey, schon am 14 .; endlich Benützung wenigstens dreier durchlaufender Marschlinien , die sich in diesem an Strassen so reichen Lande ') , festsetzen lassen.

ohne Schwierigkeit

Anstatt dessen wird für die Sicherung des Marsches nichts gethan und die Armee nur auf zwei Strassen verwiesen, welche sich erst bei Gravelotte, mehr als eine Meile von Metz, theilen . Eine einfache Rechnung gibt, dass auf jede der beiden Strassen , eine Truppenmasse von wenigstens sechs Meilen Colonnen - Länge der breiten Strassen wegen nur 6000 Schritt Colonnenlänge pro Division gerechnet verwiesen wurde ; der Trains, welche hinter den Colonnen blieben, nicht zu gedenken. Bei Vionville lagern zwei Cavalerie-Divisionen eine halbe Stunde dahinter bei Rezonville fünf Infanterie-Divisionen, und ine halbe Meile weiter bei Gravelotte zwei Infanterie- und eine Cavalerie-Division, und die Artillerie-Reserve .

Wollte sich diese Colonne

in der dichtesten Formation in Marsch setzen, so konnten die letzten Abtheilungen bei Gravelotte sich erst 10 Stunden später als die ersten Abtheilungen bei Vionville in Marsch setzen. Auf der nördlichen Strasse hatten sich die Verhältnisse durch die schlechte Anordnung des Marsches

nur

so gestaltet, dass von

sieben Infanterie - Divisionen sich am 15. überhaupt nur drei in Marsch setzen und ihre für diesen Tag bestimmten Lagerplätze erreichen konnten, weil die für den Marsch bezeichneten Wege gänzlich von Colonnen und Fuhrwerk occupirt waren, während unbegreiflicher Weise, ¹) Auf der älteren Ausgabe der französischen Special karte und der hienach entworfenen beiliegenden , fehlen wol zwei Drittel der Vicinalstrassen, welche zwar schmal aber doch vollkommen gut gebaut und erhalten sind .

172

Waldstätten.

andere unmittelbar anliegende Marschlinien unbenützt blieben . Bazaine scheint beabsichtigt zu haben, seine Armee möglichst concentrirt marschiren zu lassen, er concentrirte sie wie zur Schlacht, ohne zu bedenken, dass abgesehen von der Unbequemlichkeit im Lager - in der Schlachtordnung ein Marsch unmöglich ist. Es verräth Mangel an jeder Technik in der Armee-Bewegung, dass er den Corps befiehlt zu warten, bis die rückwärtigen Divisionen aufschliessen würden. Die Franzosen schieben die Schuld ihrer Marschverzögerungen

auf „die Anhäufung von Truppen und die grossen Trains " - alle CorpsCommandanten erwähnen in ihren Aussagen im Processe mit einem Schein von Gelehrsamkeit der ,, impedimenta " ― und scheinen alle zusammen nicht im Klaren zu sein, was von diesen Trains der Armee nöthig ist, was nicht . Es ist bekannt, dass eine Armee, welche ohne Trains existiren könnte, was der Forderung gleichkäme, von der Luft zu leben, alle anderen schlagen müsste. Die Geschicklichkeit in der Anordnung der Märsche beruht eben darin, die Trains in den Calcul aufzunehmen, und deren Bewegung so einzuleiten , dass sie auf den Marsch der Truppe nicht störend einwirken. Das ist bei den Franzosen nicht geschehen, darum die Truppenanhäufungen und Marschstockungen, welche keineswegs aus Ursachen entstanden , die ausser jeder Berechnung lagen, sondern jedesmal sich zeigen, wo Unkenntniss in der Technik bei der Armeeleitung herrscht. Die erwähnten Dispositionen befassen sich mit Anordnung von Details,

unwürdig einer so hohen Behörde ; wäre es

aber geboten

solche Details zu geben, so müsste die Friedensausbildung der französischen Armee so mangelhaft gewesen sein,

dass sie eben nicht

kriegsgeübt erschiene, was bekanntlich nicht der Fall war. Die Lage der französischen Armee war ernst und für den Feldherrn gab es Stoff genug zum Nachdenken. In seinen Dispositionen finden wir, dass er weiss , bei Gorze seien gegen 30.000 Mann , von dort drohe die Gefahr, die rechte ' ) (nördliche) Flanke der Armee sei nicht gefährdet. Bazaine, sagt in seinem Verhör : Wir konnten wol vermuthen, es mit etwa 30.000 Mann zu thun zu haben, aber nicht so ernsthaft angegriffen zu werden . - Nun was dann ? Er zieht keine Schlussfolgerung, Niemand erfährt seine Absicht für den Fall eines Kampfes. Bazaine glaubte seine Armee so commandiren zu können , wie eine Division bei einem Friedens -Manöver. Die erste Frage, welche jeder Truppen-Commandant, dem hierüber eine Entscheidung zusteht, sich beantworten muss, wenn ihm feindliche 1) Bazaine nimmt seine Flanke nach seiner Marschrichtung , während sonst immer die Front gegen den Feind zur Bezeichnung des Rechts oder Links dienen soll.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

173

Truppen so nahe stehen, dass ein Gefecht möglich ist, lautet : Soll das Gefecht angenommen werden oder nicht? Ist ein Zweck vorhanden, welcher durch das Gefecht zu erreichen ist ? Für die Annahme des Gefechtes sprach wol nur der Grund, dass die französische Armee, den im Gefechts-Bereich befindlichen deutschen Truppen weit überlegen, und somit in der Lage war, dieselben entscheidend zu schlagen ; das wäre ein Gefechtszweck, aber nur unter der Voraussetzung, dass man nicht marschiren wolle. Wollte Bazaine aber marschiren ,

dann durfte

er das Gefecht

nicht annehmen, weil er dadurch Zeit verlor, und jede Stunde für ihn kostbar war. Vielleicht konnte er dann seinen Abmarsch durch einen Ausfall, der auf 40-60.000 Mann zu verstärkenden Kriegsbesatzung von Metz, oder durch die Arrièregarden decken lassen. Immerhin aber musste in einer oder der anderen Hinsicht ein Entschluss gefasst werden, und dieser Entschluss hätte Bazaine zum Feldherrn gestempelt, und das war er nicht. Er that das Schlimmste, was er thun konnte , -er blieb unthätig, er wartete. So hat er auch in Metz immer gewartet, bis sich die Geschicke dieser altberühmten Armee in so beklagenswerther Weise erfüllten . Hat man sich für das Gefecht entschieden, so lautet die weitere Frage : wie dieses Gefecht zu führen sei, um den Gefechtszweck zu errreichen ? Unter Aufrechthaltung der angeführten Gründe für das Gefecht, musste der Kampf offensiv geführt werden, d . h. man musste suchen, die preussischen Truppen eher zu schlagen, bevor andere Theile zu deren Unterstützung herbeikamen. Wer concentrirt ist, hat dadurch einen Vortheil des Zeitgewinnes, und darf deshalb nicht abwarten, sich vertheidigen, damit dem Feinde nicht die Zeit eingeräumt wird, sich zu sammeln. Bazaine kannte die Kräfte - Gruppirung des Feindes nicht genau, und hatte daher keine Sicherheit, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit, das Gefecht zu gewinnen, doch durfte er es darauf hin wagen, und hätte er mit vollem Bewusstsein seiner Handlungsweise den Kampf gesucht, statt sich denselben wie wir gleich zeigen werden durch die Gewalt der Umstände aufdrängen zu lassen, er wäre nicht hart getadelt worden. Das Glück war ihm günstiger als er hoffen durfte, und er hätte eine Schlacht ganz gewonnen, die er so nur halb gewann.

Es mag hier am Platze sein, einiges über die Aufklärung des Marsches, den Nachrichtendienst im grossen Styl zu sagen . Schon oben wurde ewähnt, welche Anstalten

zur Sicherung des Flankenmarsches zu treffen waren, und hier wäre nur hinzuzufügen, dass die Cavalerie- Division Forton keinen besonderen Auftrages findet sich

Waldstätten.

174

darüber keine Andeutung

erhielt, in welcher Weise der Feld-

herr die Aufklärung des Marsches durchgeführt wissen wollte. „ Forton sollte nach Mars la Tour rücken und die linke Flanke der Armee und die Strasse nach Verdun aufklären, " so lauten die übereinstimmenden Angaben. Im Allgemeinen wird das Wort „ aufklären " sehr häufig missbraucht, weil der Begriff, den man damit verbindet, für jeden Truppenkörper und für jede Situation ein anderer ist. Die Aufklärung geschieht doch immer für den betreffenden höheren Commandanten , damit er seine Maassnahmen treffen könne. Er muss daher jedesmal genau anordnen, wie die Aufklärung zu geschehen hat, d . h. hauptsächlich jene Puncte bezeichnen , reichen sind.

welche von der Cavalerie zu er-

Jeder Cavalerie- Officier, hoch oder nieder, thut unrecht, sich einfach abfertigen zu lassen mit dem Auftrag : 97 Klären Sie auf" , weil dies vorerst ein Zeichen ist, dass der betreffende Commandant selbst nicht weiss, was er soll und will, und die nothwendige Folge seiner Ungeschicklichkeit darin bestehen wird, zu erklären : die Cavalerie habe schlecht aufgeklärt. Ebenso sei jeder Commandant überzeugt, dass er unvollkommene Nachrichten erhalten , also schlecht aufgeklärt sein wird , wenn er seinem Cavalerie-Führer nicht in klaren Worten ohne Phrase

sagt, was er von ihm erwartet.

Aber der Cavalerie -Führer muss unter allen Umständen das gehörige Maass von Verständniss besitzen, um die Aufträge aufzufassen , und sie selbst, wenn sie mangelhaft wären, so gut als es angeht, zu vervollständigen. Und dieses Verständniss scheint General Forton nur in beschränkter Weise besessen zu haben, denn er führte die ihm gewordenen unvollständigen Aufträge schlecht aus. Es erklärt der Marschall, er habe nur vom zweiten und sechsten Corps in der Nacht vom 15. zum 16. Nachricht erhalten , dass Gorze vom Feinde besetzt sei, und erwähnt nichts von Forton. Dieser hatte sich an den General Frossard gewendet, welcher erklärte, er könne ihm keine Befehle geben, während der Marschall glaubt, dass Frossard und Forton aus eigener Initiative hätten handeln sollen. Diese Fehler, die hier von allen Commandanten begangen werden, mögen als ein warnendes Beispiel dienen ; sie kommen auch auf anderen Blättern der Kriegsgeschichte vor und werden sich wol noch wiederholen . Auch die Aufklärung von Seite der deutschen Cavalerie kann einer strengen Kritik nicht genügen. Die deutsche Cavalerie hat immerhin Raum gewonnen und damit schon wesentliche Dienste geleistet. Sie hat einerseits den Feind eingeengt, und andererseits wusste die Armee-Leitung, wo der Feind nicht sei. Bei den bedeutenden Räumen, welche zu beherrschen waren , ist dies immer sehr anzuer-

175

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

kennen: allein die französische Armee, welche östlich Metz gestanden war, musste doch nach West oder Nordwest abgezogen sein,

bevor

das II. Armee-Commando sich entschliessen konnte, deren Verfolgung durch einen Parallelmarsch zu unternehmen . Wäre dem General Rheinbaben präcis aufgetragen worden, dies verlässlich klar zu stellen, so hätte er hienach gehandelt ; der Zustand der Strassen hätte gezeigt, dass sie von grossen Truppen -Körpern nicht betreten worden seien , und das Armee - Commando hätte erfahren , wo die feindliche Armee zu suchen sei . Selbstverständlich wären dann für den 16. ganz andere Anordnungen getroffen worden . Es ist wahr, die deutsche Armee befand sich bei ihrer bedeutenden Ueberzahl zwar nicht in einer gefährlichen Lage, jedenfalls konnte sie aber grosse Vortheile versäumen, ja sie war immerhin einem partiellen Schlage ausgesetzt.

Einleitung der Schlacht. Die Schlacht beginnt nun gegen 9 , Uhr auf eine eigenthümliche Weise.

སྒྱུར Die Cavalerie - Division Forton

sagt Bonie

stand um 5 Uhr

marschbereit, und sattelte und zäumte gegen 9 Uhr ab. Der DragonerOfficier des Hauptpostens hatte zweimal die Annäherung von Artillerie und zahlreicher Cavalerie gemeldet ; als jedoch der hierauf vorgeschickte Generalstabs - Officier meldete, dass nichts ernstliches vorgehe, wurde der Befehl gegeben je drei Escadronen per Regiment zur Tränke zu führen." In diesem Moment schlagen die feindlichen Granaten in den Ort 1 Vionville und das Bivouak der Division Forton, speciell der Brigade Murat. Man behauptet, der Träger dieses berühmten Namens sei mit. der Serviette in der Hand vom Frühstücktisch aufgeschreckt worden.: Bonie sagt weiter : „ Eine Panique entstand in Vionville ; die Reiter warfen sich auf die Pferde, und stürzten sich in die mit Wagen und ledigen Pferden angefüllten Strassen . Die Officiere suchten zu sammeln, was schwer gelang : so kam man auf das Plateau von Rezonville . Die Carassier- Brigade entging diesem Artillerie- Feuer , stieg zu Pferde und um nicht durch eine starke Colonne feindlicher Cavalerie abgeschnitten zu werden , welche ihre rechte Flanke bedrohte, zog sie sich auch auf das Plateau von Rezonville. Die Cavalerie-Division Valabrègue war ebenfalls schnell zu Pferde gestiegen, und rückte ― um nicht unnützer Weise sich dem feindlichen Artillerie-Feuer auszusetzen gegen den Wald von Villier. " Dieser Ueberfall ist bemerkenswerth. Wir entnehmen daraus, wie schlecht der Nachrichten- und Sicherheitsdienst bei den Franzosen betrieben wurde : sie haben allenthalben Vorposten ausgestellt, aber wie ;

Waldstätten .

176

man kann dies eigentlich nur Lagerwachen nennen ; denn nicht das ausgeschickte Wachquantum gibt schon den Begriff „ Vorposten. " Wir hören überhaupt bei der ganzen Einleitung der Schlacht nicht, dass ein einziger Hauptposten früher vertrieben werden musste ; 2000 Schritte vom Lager konnte die feindliche Artillerie auffahren. Nicht der Leichtsinn ist es, der gar keine Vorposten ausstellt , nicht Nachlässigkeit im Dienst,

sondern vollständige Unwissenheit in

den elementaren Dingen des Felddienstes, welche uns entgegen tritt . Ein solcher Ueberfall ist für keine Truppe ehrenvoll , aber wenigstens mir --- unbekannt war bisher, dass einer CavalerieDivision, welche zur Aufklärung der Armee vorausgeschickt wird und im Contacte mit dem Feinde steht, solches widerfahren konnte .

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vorher trifft die Division auf feindliche Truppen , die Landbewohner berichten, dass Gorze besetzt ist, und die Cavalerie- Division weiss dagegen nichts anderes zu thun als am Morgen 4 Stunden mit gesattelten Pferden im Bivouak zu stehen und zu warten. Aber eine Cavalerie , die sich selbst ihr Lager nicht sichern kann, der fehlt unbedingt das Verständniss, die Armee zu sichern . Dies trifft vor Allen den Divisionär, der von jenem Dragoner- Officier beschämt wurde. Drei Officierspatrullen zu 6 Mann hätten ganz andere Dinge berichten müssen . Sie hätten den Marsch aller preussischen Colonnen wahrgenommen.

So jenen der 12. Cavalerie-Brigade, welche über Mars la Tour nördlich der Strasse gegen Vionville vorrückte , der Abtheilung, welche nach Bonie die rechte Flanke Forton's bedrohte ; jenen der 13. Brigade mit 4 Batterien, welche über Puxieux und Tronville kamen und sich dort in's Feuer setzten . Sie hätten das Anrücken grösserer Cavalerie -Körper, einer Brigade der 6. Cavalerie- Division gemeldet, welche von Gorze gegen Vionville rückte und mit ihrer Batterie von Süden her wirkte. Sie hätten vielleicht auch die 6. Infanterie-Division beobachtet, welche gegen 9 Uhr bei Buxieres eingetroffen war und hier eine gedeckte Aufstellung zu nehmen suchte, um das Resultat der Kanonade abzuwarten . Zur selben Zeit folgte auch die 5. Infanterie - Division der Cavalerie über Gorze gegen Norden .

Bezeichnend für die ganze Lage und die Anschauung des CorpsCommandanten General Alvensleben, der auch einigermaassen überrascht, nun durch längere Zeit hier den Kampf zu führen hatte, ist Uhr Vormittags ) an das II. Armeeeine Meldung, welche er um 10 Commando absendete. 1) Besser würde

10 Uhr stimmen.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

177

„Feindliche Lager bei Vionville und Rezonville. Das 3. Corps geht vereinigt vor,

linker Flügel auf Jarny,

um eventuell bei Conflans

überzugehen, 5. Cavalerie- Division bei Mars la Tour, 6. bei Rezonville. " Hinzugefügt, dass der Feind in nördlicher Richtung abziehe. Es scheint, dass General Alvensleben die zurückweichende Cavalerie für den allgemeinen Abzug genommen hat. Jedenfalls hat er aber die feindlichen Corps, wie sehr erklärlich, nur für eine Seitenhut oder dergleichen gehalten, da doch unmöglich anzunehmen war, man könne auf die versammelte Hauptmacht stossen, ohne früher den geringsten Widerstand gefunden zu haben . Er glaubt noch Jarny, sogar Conflans erreichen zu können , was von seinem Lager aus 3 % , Meilen , also einen sehr starken Tagemarsch, entfernt ist. fecht,

Er denkt offenbar noch nicht an ein halbwegs ernsthaftes Gesonst hätte er diesen Marsch nicht in Aussicht genommen.

Er durfte darin bestärkt sein , weil er seine 6. Cavalerie-Division schon in Rezonville vermuthet, was in diesem Falle schon vom Feinde ge1 räumt sein musste . Er ertheilt daher seiner bei Buxieres stehenden 6. Infanterie-Division, bei welcher er sich selbst befindet, den Befehl, den Marsch fortzusetzenmuthmasslich auf der Strasse nach Mars la Tour von dort nach Jarny.

Wohl in ähnlicher Art dürfte die 5. Division

Stülpnagel angewiesen worden sein, vorzurücken . Allein in kürzester Zeit sollten die Ereignisse eine andere Wendung nehmen . Aufmarsch der Franzosen. Vorerst entwickelte

sich

ein

Artillerie-Gefecht :

denn alsbald

erwiederten einige französische Batterien das Feuer der Preussen, welche in kurzer Zeit 9 Batterien ins Gefecht brachten (4 Batterien der 5 . Cavalerie-Division bei Vionville, 4 Batterien der 6. Infanterie -Division südlich Vionville , rechten Flügel . )

1 Batterie der 6.

Cavalerie -Division

isolirt am

Auch die französische Infanterie war bald formirt ; sie stand, wie Marschall Canrobert aussagt, seit 4 Uhr Früh marschbereit, und wartete auf den Befehl zum Abmarsche 2 ganze Corps stehen stunden-lang unter den Waffen !! endlich kam gegen 9 Uhr der schon erwähnte Befehl , dass erst Nachmittag marschirt werde, gleich darauf erschienen die fliehenden Reiter der Brigade Murat. Als diese vorbei und durch die Lager durch waren, nahm vorerst das II . Corps Frossard seine Gefechtsstellung ein : u . zw. die Brigade Lapasset am linken Flügel, um die Defileen von Gorze zu vertheidigen, sie war schon die Nacht über in dieser Stellung ; neben ihr vom

Waldstätten .

178

Bois de Vionville (südlich von Rezonville gelegen) gegen Flavigny die Division Vergé Front nach Südwest, dann bis an die grosse Strasse, 1500 Schritte vorwärts Rezonville die Division Bataille. Das VI. Corps schloss sich an das II. und stand mit dem linken Flügel an Rezonville gelehnt, mit dem rechten gegen St. Marcel hin ausgedehnt mit 2 Divisionen und 1 Regiment (der Theil von Bisson ) . Die 4. Division Levassor wurde hinter die Brigade Lapasset geschickt. Mit dieser Annahme der Gefechtsformation setzt sich das II. Corps auch in Vionville und Flavigny fest, so dass die isolirten preussischen Batterien in eine sehr missliche Lage kommen , zumal jene der 6. Division den Befehl erhalten, zu ihrer Division zu stossen ; die Batterien und ihre Bedeckung - ein Huszaren- Regiment weichen zurück. Auch auf dem äussersten linken Flügel muss die 12. CavalerieBrigade Bredow, welche nördlich Vionville, vor den Tronviller Büschen stand, hinter dieselben gehen und vereinigt sich dort mit der 11. Brigade, südlich unweit davon stand auch die 13. Cavalerie - Brigade. Auch auf dem rechten Flügel trifft die Vorhut der 5. Division Stülpnagel, die 9. Brigade Döring im Bois de Vionville auf den Feind, der eben im Begriff ist, diesen Wald zu besetzen und alsbald entspinnt sich dort ein sehr heftiges Gefecht. Aufmarsch der Preussen. Der General Alvensleben dürfte nun erkannt haben, dass an eine Fortsetzung des Marsches nicht zu denken sei . Er muss ins Gefecht treten, er kann demselben nicht ausweichen, er darf und will dies aber auch nicht thun. Er hat von seinem Armee -Commandanten zwar keinen Auftrag, denn dieser meint, die Franzosen seien schon an die Maas abmarschirt, aber es ist Alvensleben bekannt , dass die Armee schnellstens an die Maas soll . Ist es eine feindliche Nachhut, die ihm entgegensteht, so muss man sie von der Haupttruppe abdrängen, nach Metz werfen, wäre es etwa die Offensivbesatzung von Metz ,

welche durch einen Ausfall den Abmarsch der

Armee decken will, so muss sie geschlagen werden, damit die andern preussischen Corps ihren Verfolgungsmarsch fortsetzen können, wäre es endlich, der unwahrscheinlichste Fall, ein Theil der Haupttruppe selber, so muss sie durch das Gefecht aufgehalten werden . Für alle Fälle ist ein offensives Gefecht für Alvensleben geboten, denn es sind positive Zwecke zu erreichen . Einstweilen, im Vertrauen auf das natürliche Gewicht, welches ein Armee -Corps im Kampf entwickelt, fasst General Alvensleben den Entschluss , das Gefecht aufzunehmen.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

179

Die mittlerweile in der Höhe von Tronville angelangte 6. Division erhält um 10 Uhr von dem dort anwesenden Corps -Commandanten den Befehl, sich gegen den Feind zu wenden und anzugreifen. General Buddenbrok setzt sogleich wieder die Batterien ins Feuer, und marschirt mit der 11. Brigade südlich, mit der 12. nördlich der Chaussée Front gegen Osten auf. Bei der 5. Division hat der General Stülpnagel, sobald er seine Vorhut im Gefechte weiss, selbst den Angriff beschlossen . Er entwickelt seine Division, die 9. Brigade Döring,

Front gegen Norden,

um den

Bois de Vionville zu nehmen und gegen Rezonville vorzugehen, nach links hin die 10. Brigade, die Divisions-Artillerie zwischen den beiden Brigaden. Die 6. Cavalerie- Division hält im Thale hinter der 10. Brigade. Schon diese Entwicklung war von den heftigsten Kämpfen

begleitet , und die Batterie der Vorhut, welche 800 Schritte vom Feinde auffährt, kommt vorerst nur mit 3 Geschützen zum Abprotzen ; als aber die andern 3 Batterien der Divisions- Artillerie westlich des Waldes auffahren, ist ein Stützpunct gewonnen , der den ganzen Tag ehrenvoll und unter schweren Verlusten behauptet wird . Da nun auch die Batterie des Detachement Lynker der Truppe voraus eintrifft , und 2 reitende Batterien der Corps -Artillerie im Centrum zwischen beiden Divisionen auffahren, stehen mit vollendeter Entwicklung des ArmeeCorps 16 Batterien , 96 Kanonen in drei Gruppen im Feuer, hauptsächlich das französische II. Corps beschiessend. Mit dieser Entwicklung des Corps, dessen 4 Brigaden nach ihrer Nummer vom rechten gegen den linken Flügel standen , war zugleich gegen eine für den Gefechtszweck sehr günstige Frontrichtung N.-O. - gewonnen, und damit ist die Einleitung der Schlacht gegen 11 Uhr zu Ende.

Vielleicht ist es zweckmässig jetzt einen Blick auf die Situation beider Theile zu werfen. Französischer Seite finden wir das II . französische Corps , 33 Bataillons etwa 25.000 Mann Infanterie mit 72 Geschützen und 18 Mitrailleusen,

welche

schon bei Saarbrücken mit 4000 Mann Verlust im

Gefecht waren , auf einem Raume von etwa 7000 Schritten, dann das VI. Corps mit 28 Bataillons, 25.000 Mann und 36 Geschützen auf einem Raum von 5000 Schritten , also 50.000 Mann Infanterie mit 126 Geschützen auf einer Front von 12.000 Schritten ausgebreitet . Doch dicht dahinter steht die Division Levassor, 12 Bataillons,

dann etwas weiter die Garde mit 24 Bataillons, 60 Geschützen, 12 Mitrailleusen , also wenigstens 30.000 Mann Infanterie mit einer Artillerie-Reserve von 96 Geschützen . Im Ganzen stehen 80.000 Mann

180

Waldstätten.

Infanterie mit 48 Escadronen und 180 Geschützen, auf 12.000 Schritt,

}

also beinahe 7 Infanteristen per Schritt in Gefechtsformation bereit. Weitere 7 Infanterie -Divisionen 65.000 Mann Infanterie, 60 Escadronen und 234 Geschütze sind in nicht zu weiter Entfernung . Bazaine gibt den Effectivstand der Armee für den 13. auf 168.000 Mann an und sagt, die Standeslisten hätten 178.000 ) ausgewiesen. Dem gegenüber formiren sich 23 Bataillons höchstens 20.000 Mann, von denen die 5. Division Stülpnagel mit einem Verluste von 2000 Mann bei Saarbrücken gefochten , mit 100 Geschützen auf einer Front von beinahe 8000 Schritten. Als Reserve dienen einstweilen nur 64 Escadronen. . eintreffen.

Demnächst können nur 6 Bataillons (Lehmann ) noch

Der General Alvensleben hat gewiss nicht geahnt, welcher Gefahr er entgegenging, als er dem General Buddenbrock den Angriff befahl, ebenso wie Bazaine wohl auch nicht vermuthet, günstige Chancen hatte .

was er für

Wenn wir noch einen Augenblick bei den Preusseu verweilen, so sehen wir sie schon in der Einleitung des Gefechtes mit bedeutender Artillerie auftreten . Bei vollendetem Aufmarsche ist auch nicht mehr ein einziges Geschütz des ganzen Armee- Corps ausser Thätigkeit und schon sind andere Batterien ihren Truppen voraus herangeeilt . Die Infanterie ist genöthigt, sogleich wenigstens zwei Drittel ihrer Bataillone in die 1. Linie zu nehmen . Die Cavalerie steht zum Theil hinter dem linken Flügel und schützt denselben zum Theil hinter der Mitte, um die Verbindung der beiden Divisionen zu erhalten.

Zerstörungs-Act . Folgen wir vorerst, um die Anschauung des Armee-Commandanten kennen zu lernen, der officiellen Relation des Marschall Bazaine. „Bei der ersten Nachricht vom Beginne des Kampfes,

verliess

ich mein Hauptquartier in Gravelotte und begab mich auf den Kampfplatz; befahl der Garde, sich als Reserve zu beiden Seiten der Strasse auf der Crete des Ravins von Jurée 2) aufzustellen und verständigte den Marschall Le Boeuf, dass er eine Linksschwenkung auszuführen habe, um das 6. Corps zu stützen und die Flanke des Feindes zu bedrohen ; ich zählte auf die alte Erfahrung des Generals Ladmirault, dass er auf das Kanonenfeuer losmarschiren , und die Umgehungs - Bewegung des 3. Corps unterstützen werde, vor welchem er sich befinden sollte ." 1) Bei Metz haben 145.000 Mann excl . Officiere capitulirt. 2) Westlich Gravelotte.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville. „Kaum auf dem Terrain angelangt,

fand ich

181

das 2. Corps auf

seiner Front scharf engagirt, unter einem sehr heftigen Artilleriefeuer, aber seine Stellung behauptend . Der Marschall Canrobert seinerseits hatte die Offensivbewegung des Feindes aufgehalten , welcher sich darauf beschränkte, eine lebhafte Kanonade zu unterhalten ; es war also klar,

dass der Feind beabsichtigte,

auf unserer linken

Flanke die grössten Anstregungen zu machen, geschützt durch die แ ihn hier verbergenden Wälder, um uns endlich von Metz abzudrängen." Indem ich mich mit dem Angriffe beschäftigte, welcher sich gegen unsere linke Flanke vorbereitete, wollte ich doch auch, dass unsere rechte Flanke, noch bevor der Marschall Le Boeuf mit seinen Truppen in die Linie rückte, solid gestützt sei, und befahl daher der Division Forton, sich hinter dem 6. Corps bei der alten Römerstrasse mit dem Rücken gegen Bois de Villers aufzustellen und im richtigen Momente zu attakiren . Hierauf zog ich die Zwölfpfünder der ArtillerieReserve vor, um die feindlichen Batterien, welche das 2. Corps sehr beunruhigten, zu bekämpfen. " Bevor wir in der Darstellung der Ereignisse weiter schreiten, seien einige Bemerkungen über den Charakter des jetzt beginnenden neuen Gefechtsactes und die Maassregeln der Befehlshaber vorausgeschickt. Die Theorie sagt : es habe der Zerstörungsact nicht ausschliesslich den Zweck, die feindlichen Streitmassen zu vernichten , allmälig sondern es zu verkleinern und so die Entscheidung vorzubereiten, seien überhaupt Vortheile zu erreichen.

Dazu gehört der Gewinn

wichtiger Puncte, die nachtheiligen Aufstellungsverhältnisse, in welche der Gegner gebracht wird, die Bedrohung seiner Rückzugslinie etc. Daher werden Theilgefechte angeordnet, um solche Puncte zu gewinnen oder zu behaupten ; dies bedingt Truppenverschiebungen - Manover - um die Steitkräfte entsprechend zu gruppiren etc. Dauer, Oekonomie mit der Kraft, Feuergefecht --- an einzelnen Puncten und in einzelnen Momenten zum Nahe kampf gesteigert charakterisiren diesen Gefechtsact. Bazaine beschliesst, durch den Angriff der Preussen dazu aufgefordert, den Kampf und musste nun sich vor Allem klar werden , ob er seine Absicht durch den Angriff oder durch die Vertheidigung erreichen werde, um demgemäss die Gruppirung oder Verschiebung seiner Streitkräfte anzuordnen . Wir sehen Bazaine einstweilen vollständig auf der Defensive, während er von Haus aus, wie früher dargelegt, möglichst offensiv sowie im Verlauf des ganzen natte verfahren sollen . Er ist jetzt Gefechtes ununterbrochen mit der Idee beschäftigt, nicht von Metz 14 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874 .

182

Waldstätten.

abgedrängt zu werden, und sieht sich dagegen vor, indem er die Garde und die Division Levassor hinter dem angeblich bedrohten Flügel hält ; in dieser Idee befangen, beurtheilt er auch darnach die Maassregeln des Feindes, von dem wir wissen, dass er ganz richtig das Gegentheil beabsichtigte, nämlich die Franzosen nach Metz zurückzudrängen.

Bazaine versammelt sehr bedeutende Kräfte auf seinem

linken Flügel, während er gleichzeitig von einer UmgehungsBewegung seines rechten Flügels spricht. Man bringt dort viel Truppen hin,

wo

man viel braucht,

d. h. wo durch einen äusserst lebhaften Gefechtsgang viel verbraucht wird, also viele Ablösungen nöthig werden, oder wo man die Truppen später auf weiterer Front entfalten, also dort wo man den Feind umfassen will. Die entfalteten Umfassungs- Truppen sollen durch gleichzeitige Verwendung der Ueberzahl wirken, brauchen also dann nicht mehr tief formirt zu sein. Nach seinen Absichten

hätte nun Bazaine

thatsächlich seine

Schwerkraft sowohl auf dem rechten als auf dem linken Flügel bedurft, was bekanntlich nicht möglich ist, und beweist,

dass man im

Gefechte nicht zwei verschiedene Zwecke verfolgen kann ; entweder bei Metz bleiben, oder nach Westen marschiren . Wie waren also die Kräfte zu vertheilen ? Wir haben schon unter Angabe der Gründe gesagt, dass Bazaine - wenn er bei Metz bleiben wollte, das Gefecht vermeiden . musste ; es tritt dies noch mehr hervor, wenn wir seine Rückzugsrichtung und demgemäss seine natürliche Gefechtsfront betrachten. Bazaine konnte Front nach Süden nehmen, dann musste aber sein linker Flügel hart an der Mosel stehen ; aber Front nach West konnte er 1½ Meilen von Metz entfernt nicht schlagen, wenn der Feind von Süden kömmt. Je mehr er aber mit seinem rechten Flügel vorschwenkt, desto mehr wird sein Rückzug nach Metz gefährdet . Es liegt also immer eine Schwäche für seinen linken Flügel in der Situation , zumal er annehmen musste, dass die kürzeste Anmarschlinie des Feindes gegen diesen Flügel führe . Ein Gefecht bei Metz mit dem Rückzuge dahin gibt immer nur die Situation eines Ausfallsgefechtes. Nehmen wir nun an, Bazaine will nach Verdun oder nach Nordwest abmarschiren, ist thatsächlich überrascht und beschliesst den Kampf. In diesem Falle muss er trachten, Front nach Süd, und später nach Südost zu bekommen . Sein linker Flügel hätte also erst den Drehpunct zu bilden , und nach Beendigung der Schwenkung nach Süd , wenn es mit dieser Front nicht gelingt den Feind zu werfen, ist nun eine halbe Schwenkung nach rückwärts zu machen, wobei der rechte Flügel den Drehpunct bildet. Einerseits als Offensivflügel,

später als

183

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

Stützpunct für den Rückzug,

war also die Hauptmacht auf den

rechten Flügel zu versetzen. Der Angriff mit dem rechten Flügel bietet vorerst Gelegenheit den vorgeschobenen preussischen linken Flügel vollständig zu umfassen, - die Preussen gegen die Mosel zu drücken, und die Trennung der preussischen beizuführen.

2. und 3. Armee her-

Betrachten wir endlich die Verhältnisse wie sie waren, so sei die Frage erlaubt, ob wenigstens das Detail seiner Anordnungen zweckmässig gewesen. Da scheint es doch nicht hinreichend, sich nur auf die Kriegserfahrung Ladmirault's zu verlassen . Ein Befehl ist sicherer. Eine Angriffsbewegung,

besonders eine Umgehung fordert Zeit,

und muss

daher früh genug eingeleitet werden . Es wäre daher richtiger gewesen , hiezu die näher stehenden Truppen, also Le Boeuf zu verwenden . Auch das VI. Corps Canrobert wäre nicht durch Detachirung der Division Levassor zu schwächen gewesen , da die Garde zur Festigung des linken Flügels mehr als ausreichte ;

dagegen war diesem Corps,

welches

grösstentheils nur einen verlustvollen Artilleriekampf führte , wie Canrobert ' ) selbst berichtet, aufzutragen, auch mit seiner Infanterie vorzugehen, um das II. Corps Frossard zu degagiren . Marschall Bazaine sollte also zum mindesten trachten ,

seine

Kräfte in Thätigkeit zu setzen, und nicht passiv bleiben im Grossen, passiv in allen Details . 1 ) Zur Charakteristik dieses Corps-Commandanten möge der sich auf die Schlacht beziehende Theil seiner Aussage vor dem Kriegsgerichte, hier Platz finden . Kaum war die Division Forton unter unserem Feuerbereiche, als wir mit einem „Artillerie-Tirailleurfeuer" empfangen wurden , ich bediene mich dieses Wortes nur, um zu bezeichnen. Wir waren keineswegs überrascht, denn wir waren seit 4 Uhr Morgens bei unseren Pferden marschbereit." und man weiss, Sobald die ersten Kugeln in unsere Reihen gelangten machten wir, was dass die Deutschen weit schiessen, auf 3000-3500 Meter uns die einfachste Kriegs-Regel vorschreibt. Auf einer niederen Kuppe liess ich meine Artillerie auffahren, stellte meine Infanterie in Deckungen . " „Ich hatte nur 54 Geschütze, während ein Armee- Corps, wie bekannt, deren gewöhnlich 120 hat. Diese Situation konnte uns nur Schwierigkeiten bereiten, und das feindliche Feuer musste bei längerer Dauer etwas unangenehm für uns werden . Es hat mich auch 5,525 Mann an Todten, Verwundeten und Vermissten gekostet. " „Ich sage dies nicht, um die Tapferkeit des 6. Corps mehr hervorzuheben . welches nur, so wie die anderen , seine Schuldigkeit gethan ; ich hebe nur eine Thatsache hervor, nämlich , dass in diesem Artillerie- Duell derjenige, welcher nur 54 Geschütze hat, erliegen muss . Wir wurden nicht vernichtet, wir hatten Todte und Verwundete, aber wir behaupteten unsere Stellung." „ Diese Stellung (ich erspare Ihnen die Details der Schlacht) wurde gehalten ..... bis um 8 oder 81 2, Uhr und wir schliefen auf dem Schlachtfelde . " Soweit der eigentliche Bericht über die Schlacht, erzählt vor einer Versammlung der höchsten Generale !! 14*

Waldstätten .

184

Für den preussischen Befehlshaber General Alvensleben gestaltete sich das Gefecht, wenigstens anfangs, sehr einfach. Mit dem Entschlusse, das Gefecht zu beginnen, ist auch zugleich der Entschluss ausgesprochen, dasselbe angriffsweise zu führen . Noch ohne jede genauere Kenntniss des Feindes sucht er diesen vorerst zurückzudrängen , was er am einfachsten zu erreichen gedenkt, wenn er den im Besitze des Feindes befindlichen Punct Rezonville wegnimmt . Die zufällige Gruppirung der preussischen Divisionen , eine bei Tronville, eine bei Gorze, weist auf den Punct Rezonville. Diese weit getrennte Stellung machte nämlich ein concentrisches Vorgehen der beiden Divisionen zur unabweisbaren Pflicht, nicht den Feind zwischen Beide sich werfen

sehen.

wollte

Man

man

erlangte

dadurch weiter den Vortheil, die ganze Kraft gegen den linken Flüdas gel des Gegners zu leiten , also nur einen Theil des Feindes II. Corps - anzufallen . Aber es treten sogleich auch die Nachtheile und Gefahren hervor,

die wohl der General Alvensleben jetzt noch

nicht vollständig zu erfassen vermochte,

denn er vermuthete wahr-

scheinlich den französischen rechten Flügel dort, wo thatsächlich die Mitte des VI. Corps stand. Aber schon diese Frontausdehnung des Feindes schloss jedes Manöver der Preussen gegen diesen Flügel aus, da das preussische III. Corps nur 2 , Mann per Schritt seiner Stellung hatte, also eine weitere Ausdehnung absolut unthunlich war . Nur der Umstand, dass der Feind gar nicht manövrirte, und das VI. französische Corps sich vollständig passiv verhielt, bewahrt das preussische III. Corps vor gänzlicher Vernichtung, denn der französische linke Flügel allein, ist den Preussen mehr als doppelt überlegen . Um diesen allgemeinen Zweck zu erreichen, ordnet er zuerst ein Theilgefecht an, um Vionville zu nehmen, und lässt später die Büsche von Tronville ) besetzen, nicht um selbst ein Vertheidigungsobject zu gewinnen, sondern um sie dem Feinde nicht als einen bequemen Andenn diese Büsche im Besitze des näherungsraum zu überlassen , Feindes gestatten demselben, den preussischen linken Flügel schon im Rücken zu fassen. und machen daher jedes Vordringen der Preussen unmöglich.

wie eben erwähnt Das Gefecht des III. preussischen Corps ein concentrisches Vorrücken der Infanterie, unterstützt durch die in wurde bald sehr heftig . Auf drei Gruppen stehende Artillerie, dem äussersten rechten Flügel , dringt die 9. Brigade Döring vor : u . z . zwei Bataillons Nr. 8 in den Wald von St. Arnould 2 ) gegen die 1) Nördlich dieses Ortes gelegen . 2 ) Nördlich Gorze gelegen .

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

185

Brigade Lapasset; links daneben die anderen Bataillone der Brigade , so von Nr. 48 und das 3. Jäger-Bataillon, welche endlich bis an den Rand des Bois de Vionville gelangen . Ein Vorbrechen über den Wald hinaus ist nicht möglich ; der Brigadier fällt und seine Brigade , welche unter schweren Verlusten kämpft, wäre geworfen worden, wenn nicht westlich der Divisions-Artillerie,

die

10. Brigade Schwerin in das

Gefecht eingreifen würde . Diese nimmt ihre Direction gegen Flavigny, sieht aber auch das weitere Vordringen durch schwere Verluste gehemmt. Vom 2. Bataillon Nr. 52 werden 20 Officiere und 500 Mann, vom ganzen Regiment an diesem Tag 42 Officiere und 1250 Mann ausser Gefecht gesetzt. Nur mit der äussersten Anstrengung vermag die 5. Division Stülpnagel ihre errungene Aufstellung zu behaupten . Auf dem linken Flügel wird von der 6. Division Buddenbrock gegen 11 Uhr Vion ville durch ein Regiment der 12. Brigade Bismarck im Detail umfassend angegriffen , genommen und behauptet ; das andere Regiment Nr. 24 besetzt die Büsche von Tronville. In den Ort Vionville werden sehr zweckmässig nur wenige Compagnien gestellt, wie die Preussen überhaupt kein Localgefecht eingehen, welches nicht unbedingt geboten ist. Die mittlere Artillerie -Gruppe, jetzt schon durch vier Batterien der Corps-Artillerie verstärkt, wird etwas vorgezogen , Flavigny und ein kleines Gehölz dabei beschossen, und nach hartnäckigem Widerstande beide Puncte von der 11. Brigade genommen. Im grossen Ganzen erscheint dieser Kampf des III. preussischen Corps als ein Druck gegen die Front des II . französischen Corps , welches dadurch gegen

1 Uhr zum Weichen gebracht wird.

Erstes Cavalerie - Gefecht.

" In diesem Momente, sagt Marschall Bazaine, wurde der General Bataille verwundet, seine Division begann vor den vorrückenden feindlichen Massen zu weichen. In diese rückgängige Bewegung wurde auch der rechte Flügel der Division Vergé hineingezogen , und ich musste die preussische Infanterie durch das 3. Lanciers -Regiment und das Garde-CürassierRegiment angreifen lassen. " Bonie sagt darüber : plötzlich sah man auf dem Höhenrücken unsere Plänkler erscheinen, welche in Unordnung zurückliefen . Dicht

hinter ihnen gefolgt von den preussischen Batterien , welche alsbald die Höhen krönten und die Cavalerie mit Granaten bewarfen . " Es war dies wahrscheinlich dieselbe reitende Batterie, welche die Schlacht am Morgen eröffnet hatte, und nun mit grosser Keckheit südlich von Flavigny auffuhr. Ihr schloss sich bald die ganze Corps -Artillerie, die mittlere Gruppe an, und später wurde auch die Artillerie der 6. Division nördlich von Flavigny vorgebracht.

Waldstätten .

186

Der feindliche Cavalerie- Angriff, auf dessen Details, so interessant sie sind, ich nicht eingehen kann, traf mit den Cürassieren auf Abtheilungen der Brigade Schwerin (5. Division) östlich von Flavigny und mit den Lanciers auf Abtheilungen der 6. Division, welche von Vionville an der Strasse vorgedrungen waren. Die Cavalerie hatte bis zu dieser Infanterie beträchtliche Strecken zu hinterlegen, auch hatte sie kein bestimmtes Angriffsobject. In drei Staffeln reiten die Cürassiere heran, und werden von entwickelten Linien der Preussen speciell des arg decimirten 2. Bataillons Nr. 52 empfangen und sämmtlich mit einem Verluste von 22 Officieren, 208 Reitern, 243 Pferden vollständig abgewiesen. Zu ihrer Verfolgung brechen etwa zwei Huszaren- Regimenter der 13. Cavalerie - Brigade Redern zwischen Vionville und Flavigny vor. Einzelne Abtheilungen derselben wenden sich gegen eine Garde- Batterie, welche der Marschall Bazaine selbst vorgezogen hatte, um den Rückzug seiner Cürassiere zu unterstützen. Diese Batterie feuert zwar noch einmal

auf 80

Schritte,

ohne

die Huszaren

und der Marschall sowie sein ganzer Stab,

jedoch

aufzuhalten,

welcher sich in

dieser

Batterie befindet, müssen den Degen ziehen zur persönlichen Vertheidigung . Die Batterie ist genommen, kann aber nicht fortgebracht werden , denn zwei Escadronen , zur Bedeckung des Marschalls Bazains bestimmt, eilen herbei und die preussischen Huszaren, welche von der Chaussée her stark von Infanterie beschossen werden, gehen in Unordnung zurück. Noch als die feindliche Infanterie zurückwich, hatte General Alvensleben auch der 6. Cavalerie -Division den Befehl zum Vorrücken gegeben. Eine Darstellung sagt,

um der fliehenden Infanterie zu

folgen, die andere, weil sich eine Vorbewegung beim Feinde zeigte, was jetzt unwahrscheinlich ist, da die Ablösung noch nicht geschehen sein kann . Die 15. Cavalerie- Brigade am rechten Flügel vom Bois de Gaumont¹ ) , die

14. Cavalerie-Brigade links im Staffel

zurück,

gingen

zwischen Flavigny und der Division Stülpnagel vor . Als cavaleristisch interessant möge erwähnt sein, dass die 15. Brigade Rauch, welche wie wir sagen in Colonnen -Linie im Trabe vorrückte, nicht zum Aufmarsche kam, weil durch ein Drängen nach links die Intervalle sich schlossen, so dass die Brigade in Masse geschlossen war. Sie gerieth jetzt ins Gewehrfeuer, der Brigadier wird verwundet, und der neue Commandant Oberst Schmidt liess halten, die in einander gerathenen Escadronen ordnen, umkehrt schwenken, und im Schritt zurückreiten ; jetzt wurden die Intervalle genommen und in die Schlucht zurückgeritten. Auch von der 14. Brigade Grüter kam nur das an der Spitze reitende

1) Oestlich Buxieres gelegen.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

187

15. Uhlanen-Regiment noch ins Gefecht. Durch die Intervalle der in Colonnen-Linie vorrückenden Uhlanen brach plötzlich das 17. preussische Huszaren - Regiment (der 13. Brigade), verfolgt von der einen Bedeckungs -Escadron des Marschalls Bazaine. Die ersteren warfen sich nun auf die französische Escadron und trieben sie zurück. Der Oberst Alvensleben liess im feindlichen Feuer sammeln, schliessen, richten, um die Leute gleich bei der ersten Attake gehörig in Ordnung zu halten . Die beiden anderen Regimenter der Brigade gelangten in keine rechte Verwendung , brachten die 15. Uhlanen vor ihnen in Unordnung, weil sie sich durch dieselben drängten, wurden beschossen und kehrten zurück. Die erste Action der Cavalerie ist damit zu Ende.

Auf grosse

Entfernung in schnellere Tempo's übergehen, heisst ohne Athem an den Feind kommen, und die Friedensübung kann nur, wenn vernünftig betrieben, den Athem etwas üben, wenn unvernünftig übertrieben, gehen die Pferde schon im Frieden zu Grunde. Ohne bestimmtes Ziel attakiren, ohne genügenden Raum attakiren, ohne sich Zeit zur Formation zu nehmen, führt zu keinem Erfolge. Die Attake der französischen Cavalerie war richtig gedacht,

doch handelt es sich nur darum, den Angriff zum Stocken zu bringen und nicht darum, die Infanterie zusammenzuhauen. Die Attake der 6. Cavalerie-Division hingegen kann nur auf falschen Voraussetzungen beruhen. Wusste General Alvensleben noch nicht, dass er gegen sehr überlegene Kräfte kämpft, dass es sich daher nicht um eine Verfolgung, sondern nur um ein momentanes, und auf geringen Raum beschränktes Ausweichen einiger feindlichen InfanterieAbtheilungen handelte ? Eine Cavalerie-Division in die Gefechts -Front des Feindes eindringend, zumal wenn sie keinen Raum hat , muss von allen Seiten zusammengeschossen werden, und die 6. Cavalerie-Division kann von Glück sagen, dass sie nur mit einem blauen Auge davongekommen ist. Ich möchte mich unbedingt dem Ausspruche Scherff's anschliessen, „so lange das Feuer ausreicht, hat die Cavalerie vor der Front nichts zu thun. " Eintreten der Garde - Grenadiere. Folgen wir wieder der französischen officiellen Darstellung. In diesem Momente

nach dem Cavalerie-Angriffe

erlaubte

mir ein Stocken des preussischen Angriffes, die Divisionen Bataille und Vergé (II. Corps) durch die Garde - Grenadier - Division abzulösen, welche sich zu beiden Seiten von Rezonville aufstellte". Es war also eine einfache Ablösung in der Position, keine Offensive von Seite der Franzosen, welcher jetzt die Preussen, erschöpft wie sie

188

Waldstätten .

waren, unbedingt nicht Stand gehalten hätten. Aber der Marschall - wie er sagt , neue Vorbereitungen zu einem Bazaine glaubte Angriff auf Rezonville zu bemerken, und gab dem VI. Corps sogar den Befehl, seine Offensivbewegungen einzustellen ". Der rechte Flügel dieses Corps (Division Tixier) hatte sich nämlich gegen das aus den Tronviller Büschen vorgedrungene 24. Regiment in Bewegung gesetzt, und auch die anderen links stehenden Divisionen des Corps hatten „ Vortheile errungen". Durch diesen Befehl wurde das Corps veranlasst, sich auf eine Kanonade zu beschränken, welche sogar gegen 2 Uhr zu enden schien. Dafür wurden aber wieder die Garde-Voltigeure zur Beobachtung der von Gorze her führenden Zugänge gesendet. Ein paar CavaleriePatrouillen hätten dort bessere Dienste geleistet . Die Divisionen Bataille und Vergé waren somit nur 2-2 Stunden im Gefecht, sie sind wenigstens 16.000 Mann stark auf 4000 Schritt Front, also hinreichend tief formirt, um ein länger dauerndes Gefecht zu führen. - Da sie aber bedeutende Verluste erlitten haben, wenigstens 4000 Mann, so müssen sie nicht zweckmässig gefochten haben. Der grösste Kräfteverbrauch stellt sich immer nach einem abgewiesenen Angriffe beim Angreifer, oder für den Vertheidiger, wenn er aus einer Position geworfen wird , heraus. Möglich, dass die Franzosen bei den Gefechten um Vionville und Flavigny besonders starke Verluste erlitten haben, sonst würde sich das Weichen des II . Corps nur aus bedeutender Einbusse an moralischen Potenzen erklären lassen . Der Vertheidiger, welcher gleich stark wie der Angreifer ist und weicht , hat entweder nicht so gut oder nicht so tapfer gefochten wie dieser, besonders wenn die Terrain - Verhältnisse wie hier dem Angriffe keine Vortheile bieten. Unter allen Verhältnissen scheint es zweckmässig , frisch - wie hier die Garde-Grenadiere - nicht „ Steleintretende Truppen lung nehmen ", sondern vorrücken zu lassen .

In den französischen und preussischen Berichten findet sich über die nun folgenden Infanteriekämpfe wenig Auskunft, wahrscheinlich, weil sie ins Stocken gerathen. Die Garde-Grenadiere verhalten sich passiv, gegenüber dem III. preussischen Corps, welches nun wohl schon seine beste Kraft verbraucht hatte. Der linke preussische Flügel schon übermässig verlängert, hat noch immer nicht den äussersten rechten der Franzosen erreicht, ja dieser Flügel beginnt zu drücken, es erscheinen neue französische Batterien schon ganz in der Flanke, und der Anmarsch bedeutender feindlicher Massen von St. Marcell und Bruville her, wird dem General Alvensleben gemeldet.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville. Aus dem Gehölz von Tronville

189

wo es keinen Feind gefunden

war das 24. Regiment gegen Nordost vorgerückt, und wurde jetzt von der Division Tixier, welche den rechten Flügel des VI. französischen Corps bildete , unter schweren Verlusten zurückgeworfen. Alle Stabsofficiere waren

todt,

überhaupt 48 Officiere und 1000 Mann ausser

Gefecht gesetzt. Dahin wurde das letzte Reserve - Bataillon von Nr. 20 gesendet. Im glücklichen Momente trifft der Oberst- Brigadier Lehmann , welcher von Chambley mit einem Theile der 37. Brigade zur 19. Division gehörig — heranmarschirt und seine Batterie schon vorausgesendet hatte, mit drei Bataillons ( 1 von Nr. 78 und 2 von Nr. 91 ) ein , und wird sogleich in den Wald gesendet. Das ebenfalls zur 37. Brigade gehörige Detachement des Oberst Lynker - 2 Bataillons Nr. 78 war von Novéant aus heranmarschirt und in den Bois de Vionville in Verwendung gekommen. Man dürfte der Wahrheit wohl am nächsten kommen, wenn man annimmt, dass auch auf preussischer Seite, durch die bedeutenden Verluste die taktischen Verbände bereits sehr gelockert, viele Abtheilungen vom Kampfe erschöpft, gefechtsunfähig waren und nur einzelne kleinere Abtheilungen aus eigenem Antriebe vielleicht Versuche machten, vorzubrechen ; im Ganzen hat aber die auflösende und abreibende der Zerstörungsact sich Kraft des dauernden Feuergefechtes

vollkommen geltend gemacht. Bei den Franzosen hatte schon eine grosse Ablösung stattgefunden , die Preussen hatten kein Bataillon mehr in Reserve . Und so hatte um 12 Uhr die preussische Offensive ihr Ende gefunden, u. zw. nicht weil die Offensivz wecke erreicht und nun durch die Defensive behauptet werden sollten ; man hatte die Offensive nicht aufgegeben , weil jetzt die Defensive Vortheile bot, wie in preussischen Schriften entwickelt wird ; sondern weil der Angriff sich an der überlegenen Zahl der Franzosen gebrochen und aufgestaut hatte, weil ein weiteres Vordringen unmöglich war. Die Kräfte der seichten Infanterie- Linie waren durch den dreistündigen Kampf verbraucht, und unter Aufgebot aller Kraft bemühte man sich, den gewonnenen Raum zu behaupten, was durch die Unthätigkeit des Feindes wesentlich erleichtert wurde. So war die Situation für das III. preussische Corps sehr ernst sich bereits augenscheinlich zu Ungunsten der

geworden, und hatte

Preussen geändert. General Alvensleben hätte nun unbedingt an den Rückzug denken müssen, für ihn war die Entscheidung herangereift und er hätte einen gewaltsamen Act gar nicht mehr abwarten dfirfen, um sich nicht der vollständigen Vernichtung auszusetzen - wenn

190

Waldstätten.

nicht Aussicht auf Unterstützung vorhanden gewesen wäre.

Diese

konnte jedoch erst in einiger Zeit wirksam werden . Zweites Cavalerie - Gefecht. Nur die 11. und 12. Brigade der 5. Cavalerie- Division Rheinbaben stand noch intact zwischen Vionville und Mars la Tour. Ueber Auftrag des General Alvensleben sollte eine Cavalerie-Brigade, westlich der Tronviller Büsche vorgehen , in welche eben die Infanterie des Oberst Lehmann rückte, und es marschirte die 11. Cavalerie-Brigade auch nordwestlich dieses Waldes auf und vereinigte sich mit dem 13. Dragoner-Regimente , welches zur Beobachtung des Flügels von der 12. Brigade hieher detachirt war. Diese letztere Brigade sollte den rechten Flügel des französischen VI. Corps direct angreifen. Auch die deutschen Berichte lassen entnehmen, dass General Bredow, diesen Auftrag für einen sehr gefährlichen ansah, zumal er die Infanterie in den Tronviller Büschen für Franzosen hielt. Dahin sendete er

2 Escadronen,

seine linke Flanke zu decken, und liess -

weil er sie für geopfert hielt das Los darüber entscheiden. 6 Escadronen - der Rest der Brigade - formirten sich in einer Terrainsenkung nördlich Vionville, Front gegen Nordost, während die Artillerie noch rasch ihre Granaten auf den Feind wirft und nun setzt die Attake sogleich im Galopp an ; der Ritt geht nacheinander durch 2 französische Batterien, und - wie es scheint, eine InfanterieFeuerlinie, welche Klumpen bildet und durch das dahinter in Carré's formirte Infanterie-Treffen . Jetzt brechen die hier haltenden Abtheilungen der Divisionen Forton und Valabregué, welche parallel mit der grossen Strasse bei Villes au bois standen von allen Seiten herein. Die Preussen, schon gelichtet und in verschiedenen Haufen aufgelöst -- denn manche beschäftigten sich bei den Batterien, andere bei der Infanterie

werden geworfen und nun geht die wilde Jagd zurück,

sie erhalten abermals Infanteriefeuer ; bei Flavigny, hinter Vionville bei Mars la Tour sammelten die Regimenter. Die Cürassiere formirten , nachdem sie die 5 abcommandirten Züge herangezogen, 2 Escadronen mit 88 Rotten , die Uhlanen hatten am Abend 12 Officiere und 210 Mann in Reih und Glied. Der Ausführung dieser Attake wird man nur alles Lob spenden können, wenn auch der Galopp etwas später hätte begonnen werden können. Die Regimenter haben einen Zug genommen , der staunenswerth ist, sie dringen tief in die feindliche Schlachtlinie. Dass sie geworfen werden, ist natürlich, dazu hätte es nicht solcher Cavalerie- Massen bedurft, 2 frische Escadronen hätten genügt. Und es wäre das Zuviel, welches die Fran-

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

191

zosen thun, eben zu tadeln, da sie nicht wissen konnten, dass es nur die letzten Reste des Feindes waren ; im übrigen haben sie eine günstige Gelegenheit ausgenützt. Die französische Cavalerie dürfte sich auf engem. Raum gegenseitig in Unordnung gebracht haben. Die Anordnung der Attake müsste nun genau geprüft werden. Die Anordnung, dass eine stärkere Cavalerie - Abtheilung zu reiten habe, fordert Klarheit über das beabsichtigte Resultat. Wer diesen Befehl gibt, der Cavalerie-Commandant aus eigener Initiative oder der Befehlshaber des Ganzen, muss sich der Zwecke und Mittel klar bewusst sein . Dieses Erkennen der Mittel, nämlich was die Truppe in diesem Augenblicke noch leisten kann , oder nicht zu leisten vermag, darin scheint mir die Geschicklichkeit des Cavalerie-Generalen zu bestehen. Die Zwecke sind leichter festgesetzt.

Es kommen im Gefecht öfter

sollte" , oder jetzt ,,müsste " man das und und bekanntlich übersteigen die Wünsche, jenes ausführen. Das sind Wünsche auch im täglichen Leben das Können sehr bedeutend, und Momente, wo man sagt, jetzt

es werden manchmal unbillige oder unausführbare Wünsche geäussert . So möchte ich glauben, dass General Alvensleben mehr Wünsche am Herzen gehabt, als die Mittel seiner Cavalerie zu erfüllen erlaubten .

Eine halbe Stunde früher werden 2 Brigaden zur Verfolgung eines nicht geworfenen Feindes mitten auf die feindliche Front geschickt. Diesmal erklärt sein Generalstabs-Chef wie es scheint in etwas scharfer Fassung dass gegen die feindliche Artillerie und Infanterie vorzugehen sei, und letztere niedergeworfen werden müsse, um der eigenen Infanterie das Vorgehen zu ermöglichen ; durch das Eingreifen der Cavalerie könne wesentlich zu einer günstigen Entscheidung beigetragen werden. Das ist gerade nicht mit der beabsichtigten Defensive vereinbarlich, von welcher die preussischen Schriftsteller sprechen . War dem General Bredow ein solcher Befehl zugekommen, dann war Zweck und Mittel schlecht gewählt, aber Bredow trifft keine Schuld, denn es gibt Situationen im Gefechte, wo man auch offenbar unzweckmässige Befehle vollzieht ; - dem Appell an die Ehre der Truppe wird wohl kaum eine Gegenvorstellung gemacht. Durfte der General Alvensleben überhaupt jetzt noch glauben, mit seiner Infanterie in die Entscheidung eintreten zu können, durfte er glauben, dass eine Cavalerie-Brigade bedeutende Infanteriemassen niederwerfen könne? - Nein. Also für diese Absicht war die Attake nicht richtig angeordnet. Die thatsächliche Situation hatte sich zufälligerweise ganz anders gestaltet, d die feindliche Infanterie war im Begriffe die Offensive zu ergreifen, und nichts konnte

sie aufhalten, nur die Cavalerie ,

nicht

192

Waldstätten.

weil diese hiezu am besten geeignet,

sondern weil die Infanterie

nicht mehr widerstandsfähig war. Deshalb hätte man der Cavalerie sagen müssen : der feindliche rechte Flügel droht uns zu umfassen und zu erdrücken, vielleicht kann ein rücksichtsloser Anfall mit der Cavalerie ihn aufhalten , etwas Zeit gewinnen , die Infanterie kann es nicht mehr. Dann ist die Attake gerechtfertigt, denn wir müssen und können zu den verzweifeltesten Mitteln greifen, - wenn uns keine anderen besseren zu Gebote stehen . Und als einen Verzweiflungskampf hat ihn wohl die preussische Cavalerie angesehen, und nicht gezögert, ihn aufzunehmen . - Die Cavalerie hat die Infanterie entlastet, heisst es allgemein, aber der CorpsCommandant hat das nicht angeordnet, das war glücklicher Zufall. Und so möchte ich glauben, dass die Anordnung zur Attake mehr auf traditionellen

oder landläufigen

Ansichten über

Cavalerie-Verwendung beruht, als einer thatsächlich geklärten , höheren Auffassung über die Verwendung dieser Waffe zuzuschreiben ist . Die 6 oder 8 Escadronen waren zu wenig

für

den einen oder

anderen Zweck, und viel zweckmässiger als in der Front war hier am Flügel der Angriffsraum auch für die 6. Cavalerie-Division, die nicht weit entfernt war. Wenn der Brigade Bredow, noch 4 oder 6 Regimenter in 2 oder 3 Echelons auf je 1000-1500 Schritt folgten, wäre hier ein Erfolg zu erringen gewesen . Eine solche Attake konnte unter der Voraussetzung angeordnet werden , dass

der französische rechte

Flügel südlich St. Marcel stehe, dann hätte die Richtung der Attake aber zwischen dem Bois de Tronville, und dem Walde an der Römerstrasse hindurch auf St. Marcel ,

und dann rechts schwenkend gegen

Viller aux Bois gehen müssen. Das Resultat der Attake ist nicht genau zu ermitteln, doch scheint dadurch ein offensives Vorgehen des VI. Corps auf längere Zeit hinaus

verhindert worden zu sein ; war dies der Fall so sind durch das Resultat die Opfer aufgewogen. Grosse Cavalerie-Körper dürfen nur zu grossen Zwecken gebraucht werden, und können dann ohne weiteres grosse Verluste erleiden . Die preussische Artillerie -20 Batterien ---- übernahm standhaft den Kampf, denn die Franzosen hatten allmälig auch ihre Artillerie so verstärkt, dass sie eine weit überlegene Zahl an Geschützen im Gefechte hatten. Wenn auch das französische Geschütz, welches auf den Standpunct von 1859 geblieben, dem preussischen an Präzision nicht gleieh kam, so haben die Franzosen nicht das Recht von überlegenem Kaliber etc. zu reden.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

193

Die Ueberlegenheit beruhte auf der Verwendung . Ueberhaupt hat die preussische Artillerie in dieser Schlacht das erstemal einen neuen Grundsatz für die neue Artillerietaktik angewendet ; er heisst Ausdauer auf nahe Distanz . Die preussische Artillerie hat Verluste an diesem Tage, wie sie seit Einführung des gezogenen Geschützes nicht vorgekommen waren, und diese Verluste werden nicht herbeigeführt, etwa durch eine unvermuthete Ueberraschung durch Infanterie -Feuer , sondern durch das standhafte Ausharren . Die preussische Artillerie hat kein Geschütz verloren. Batterien alle sind in Preussen 6spännig werden durch dieses standhafte Ausharren auf 1-2 Pferde per Geschütz reducirt, Officiere und Fahrer müssen aus Mangel an Kanonieren Geschütze bedienen, die Munition geht wiederholt zu Ende, man behält 5 Schuss in Reserve per Geschütz und bleibt ohne zu feuern in der Gefechtslinie . Beinahe jede Batterie wird ein und das anderemal auf kurze Zeit aus dem Gefechte geschickt, um sich zu retabliren. Die 16 Batterien des III. Corps verloren 384 Mann, 567 Pferde , d. i. 4 Mann und 6 Pferde per Geschütz. Speciell die Fussabtheilung des Major Gallus 24 Geschütze am rechten Flügel verlor im Laufe des Tages 170 Mann und 170 Pferde, d. i. 7 Mann und 7 Pferde per Geschütz . Die reitenden Batterien unter Major Körber, 24 Geschütze - bei Vionville verloren 108 Mann und 170 Pferde , d . i . 5 Mann und 7 Pferde per Geschütz .

Wären diese Batterien nur Be-

dacht gewesen ihr Pferde-Material zu schonen, um manövrirfähig zu bleiben, so hätten sie wohl schon längst die Feuerlinie verlassen. Die grossen Verluste haben aber zu grossen Erfolgen geführt. Die preussische Artillerie hat nicht nur wesentlich beigetragen, um den Kampf ihrer Infanterie an diesem Tage zu unterstützen , sondern sie hatte sich auch für künftige Fälle ein moralisches Uebergewicht gesichert. 30.000 Mann haben also gegen einen doppelt überlegenen Feind 3 Stunden gefochten , sie sind nicht erdrückt worden , weil der Gegner sie wegen ihrer energischen Gefechtsweise für stärker hielt, weil er sich auf eine passive Abwehr beschränkte, und aus seiner Uebermacht keinen Vortheil zog . Diese 30.000 Mann sind aber nahe daran, erdrückt zu werden, die sichere Aussicht, gänzlich vernichtet zu werden, wenn sie weichen, die Aussicht auf Unterstützung und die Unthätigkeit des Feindes machen , dass sie Stand halten , wenn auch die letzten Kräfte aller Waffen bereits eingesetzt wurden . Aufmarsch des III. und IV. französischen Corps. In einem deutschen Berichte findet sich die Bemerkung, es sei jetzt nach dem Cavaleriegefechte, gleichsam als Resultat desselben, eine

194

Waldstätten.

Pause von einer Stunde eingetreten,

und auch die Franzosen wissen

wenigstens keine besonderen Ereignisse zu berichten. Beide Theile brachten demnächst frische Kräfte auf das Schlachtfeld. Der Bericht des Marschall Bazaine sagt : „ Es war 2 Uhr. Der Feind war auf unserem rechten Flügel vollständig geworfen : im Centrum hatte die Haltung des 6. Corps und der Garde-Grenadiere seinen Angriff aufgehalten , und zur linken hatte er die Initiative, welche ich erwartete, noch nicht ergriffen, aber diese bewir wissen wie wenig reitete sich nichtsdestoweniger vor ;" die Preussen daran dachten - ,,das Feuer seiner Artillerie hatte beinahe aufgehört, aber es war evident, dass er seine Dispositionen zu neuen Maassnahmen traf. " Diese fixe Idee ist eigenthümlich, aber es mag doch bezeichnend für die Haltung beider Theile sein, dass Bazaine nie die Schwäche seines Gegners erkennt, und immer vor einer geheimnissvollen Macht steht, während Alvensleben die Stärke der Franzosen eben auch nicht vollkommen beurtheilt, und sich nicht von der Absicht des Angriffes abbringen lässt . Vollkommen beruhigt für meine Rechte durch das Eintreten der ersten Truppen des 3. Corps ins Gefecht, liess ich dem Marschall Le Boeuf sagen, seine Position mit einer Division (Nayral ) fest zu halten, sich mit der 2. Division (Aymard) mit dem 6. Corps zu verbinden, und die 3. Division (Montaudon) nach Gravelotte zu senden, welche ich hier zur Besetzung des Debouché von Ars zu verwenden gedachte. " „ Ich liess die Divisionen des 2. Corps, welche sich wieder formirt hatten, zur selben Zeit gegen denselben Punct (Debouché von Ars) rücken, und stellte an das Debouché der Schlucht Zwölfpfünder und Mitrailleusen -Batterien , um die Massen des Feindes , welche versuchen

würden ,

sich hier

zu

engagiren,

zu lichten.

Ich

wusste,

dass Verstärkungen des Feindes Ars und Novéant passirt hatten, und beschäftigte mich vor Allem mit dem Angriffe , welcher gegen unsere Flanke geführt werden konnte. " „Meine Schlachtlinie,

welche bei Beginn des Gefechtes beinahe

parallel mit dem Ravin von Rezonville war, hatte gegen 3 Uhr eine fast senkrechte Stellung : vom Walde von Ognons gegen Mars la Tour und Bruville." „In diesem Momente rückte soeben das 4. Corps in die Gefechtslinie." Offenbar drängt sich die Frage auf: warum das III. französische Corps sich so spät geltend macht, da es nur eine Stunde vom Schlachtfeld entfernt lagerte? Es tritt dieses Corps nur mit 3 Divisionen ins

195

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

Gefecht, da die 4. Division, welche seit 14. Abends schon am linken Ufer bei Metz lagerte, erst nach 48 Stunden bis auf's Schlachtfeld 1 Meilen - zu gelangen vermochte. 1½

bar.

Marschall Le Boeuf gibt in seinem Verhöre darüber folgendes an : „ Uhr wurde in meiner linken Flanke Kanonenfeuer hōr99 Um 9 Ohne einen Befehl abzuwarten, liess ich die Waffen ergreifen,

begab mich auf meinen linken Flügel,

schwenkte,

und machte mit

dem rechten Flügel nach vorwärts eine Frontveränderung, derart, dass ich die Front gegen Vionville nahm, wie mir der Marschall Bazaine in seiner Instruction vorgeschrieben, wornach ich die 2. Linie für das 6. und 2. Corps zu bilden hatte. " „ Für mein Corps begann die Affaire gegen Mittag. Im Begriffe, meine Divisionen zu entwickeln, erfuhr ich, dass der Marschall die Division Montaudon aufgehalten habe, um sie am Ravin von Ars aufzustellen. Erste Division, welche mir genommen wurde." Kurze Zeit hierauf befahl mir der Marschall eine Division zur Unterstützung des 6. Corps zu senden,

welches stark engagirt war.

Mir blieb also nur eine Division und meine ganze Artillerie,

welche

ich gegenüber Vionville, parallel mit der Römerstrasse, ins Feuer setzte. " „ Eine Stunde später bemerkte ich den General Ladmirault, welcher in meiner rechten Flanke bei Jouaville debouchirte. Ich setzte mich mit ihm ins Einvernehmen und erfuhr, dass er im Begriffe sei , eine Umgehungs- Bewegung nach Mars la Tour zu machen. Deshalb glaubte ich mich verpflichtet, seine Bewegung zu unterstützen . Ich gab ihm meine ganze Cavalerie, 7 Regimenter, blieb mit meiner Infanterie und Artillerie stehen, um den rechten Flügel des 6. mit dem linken des 4. Corps zu verbinden . " Ich war eben im Begriffe eine Offensiv- Bewegung zu machen , als der Marschall mir den Befehl ertheilte, ihm noch eine Verstärkung auf seinen linken Flügel zu senden. " „ Ich hatte nur mehr eine Division, setzte jedoch eine Brigade in Bewegung, verständigte zur selben Zeit den Marschall, dass ich ein sehr ausgedehntes Terrain besetzt habe, und dass, liesse, das 4. Corps abgeschnitten schickte meine Brigade zurück . “

wenn ich es ver-

werden könnte .

Der Marschall

Soweit einstweilen die Aussage des Marschall Le Boeuf. Der General Ladmirault , Commandant des IV. Corps, macht folgende Aussage : Im Laufe des 16. traf ich meine Dispositionen, zu erreichen, und langte auch dort an,

um Doncourt

aber ich war nicht der mir

vorgeschriebenen Route gefolgt. Ich hatte die Route von Woippy nach

196

Waldstätten.

Briey eingeschlagen und wendete mich von St. Marie aux Chênes auf Doncourt, wo ich für meine Person um Mittag eintraf. Um 1 Uhr folgte meine Cavalerie, und endlich die Spitze meiner Infanterie. " ,,Zu dieser Zeit war das 6. Corps, an welches ich links anschloss, stark engagirt. Ich besichtigte das Schlachtfeld und konnte Mars la Tour von einer beträchtlichen feindlichen Cavalerie besetzt

sehen.

Tronville endlich, die dominirende Position, etwa 8 Kilometer von meinem Standpuncte, war von einer erheblichen feindlichen Infanterie- Masse besetzt. " „ Ich rückte in dieser Richtung vor, um ins Gefecht zu treten, und gelangte so zur Ferme Greyère . Diese liegt an einem tiefen , sehr schmalen, steil geböschten Ravin, welcher mir eine gute Vertheidigung bot . Ich massirte, so viel mir möglich, meine 1. Division Grenier, liess die Mauern creneliren , es war mein Stützpunct. Sobald ich Truppen zur Disposition hatte, liess ich den Ravin von einiger Infanterie und Artillerie überschreiten, und gab der Cavalerie den Befehl, sich bereit zu halten, auf Mars la Tour zu marschiren, um die vor mir befindliche Cavalerie-Masse anzugreifen .“ Anmarsch der preussischen Verstärkungen.

Von den Preussen haben wir schon Eingangs

(S.

167) die

Bestimmung des X. Corps erwähnt. Die halbe 19. Division Schwarzkoppen - die 38. Brigade Wedell mit zwei Batterien - und die Garde-Dragoner-Brigade war am Morgen von Thiaucourt aufgebrochen, nach St. Hilaire (zwei Meilen westlich Mars la Tour) marschirt und dort gegen Mittag eingetroffen. Von dort brach - da mittlerweile die Nachricht von dem Gefechte des III. Corps eintraf ― zuerst die Garde-Dragoner- Brigade auf und es ritten 5 Escadronen und eine Batterie 2 Escadronen waren detachirt und eine blieb bei der halben 19. Division - auf der grossen Strasse gegen Mars la Tour, und bogen noch vor diesem Orte gegen Nord nach Ville' sur Yron aus. Dies scheint die Cavalerie zu sein , deren Ladmirault erwähnt, denn bald wurden die Dragoner von Infanterie und Artillerie, aus der Gegend der Ferme Greyère beschossen und zogen sich dann gegen Mars la Tour zurück. Den Garde-Dragonern folgte nach einer Rast

die

38. Brigade

Wedell ; sie hatte 4 Meilen Weges bis nach Mars la Tour zu hinterlegen . (Thiaucourt St. Hilaire 2 Meilen . ) Die 20. Division Kraatz mit der Corps -Artillerie war von Pont à Mousson nach Thiaucourt marschirt, (24 Meilen) und hatte, dort eingetroffen, den Befehl erhalten, auf's Schlachtfeld zu rücken . (Thiaucourt-Vionville 2 , Meilen .)

197

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

Das IX. preussische Corps, welches am Abend des 15. bei Mercy le Haut stand, hatte den Auftrag erhalten, am 16. nach Sillegny zu marschiren, um am 17. bei Novéant die Mosel zu überschreiten. Als Mittags die erste Meldung vom Gefechte beim Armee-Commando in Pont à Mousson eintraf, wurde General-Lieutenant Manstein davon Nachricht gegeben und ihm befohlen , „ bald Mars la Tour zu besetzen und dem III. Corps schon heute die rechte Flanke gegen Metz

zu

decken" ; demgemäss blieb die 25. (grossherzoglich hessische) Division im Marsche und überschritt um 4 Uhr Nachmittag die Brücke bei Novéant. Sie hatte bis auf das Schlachtfeld einen Marsch von fünf Meilen. Auch das 11. preussische Regiment dieses Corps finden wir im Gefechte . war die Auch vom VIII . Armee -Corps zur I. Armee gehörig halbe 16. Division Barnekow (Brigade Rex) mit drei Batterien (der Rest war gegen Thionville entsendet) um 1 Uhr Nachmittags in Arry an der Mosel eingetroffen ; das Kanonenfeuer bestimmte den CorpsCommandanten General von Göben, den Marsch fortsetzen zu lassen, und es passirte diese Abtheilung gegen 3 Uhr die Brücke bei Novéant. Auch sie hatte wenigstens 5 Meilen bis auf's Schlachtfeld zu marschiren . Durch die zufällige Art des Anmarsches hatte sich die Situation für die Preussen günstiger gestaltet. Ihre Absicht bei allen ihren Operationen und Gefechten dieser Feldzugsperiode war und blieb immer : mit dem linken Flügel strategisch und taktisch vorzudringen, um die Franzosen von Paris weg gegen die Nordgrenze zu werfen . Auch heute mussten sie ihren Angriff mit dem linken Flügel führen, und nun trifft ihre ausgiebigste Verstärkung, das X. Corps mit etwa 25.000 Mann, auf diesem Flügel

ein.

Der rechte Flügel wird vorerst durch die

Artillerie verstärkt (4 Batterien des X. , 3 des VIII. und 2 des IX. Corps = 9 Batterien), während die halbe 16. Division Barnekow mit höchstens 6000 Mann später, und Theile der 25. Division, etwa 4000 Mann , sehr spät eintreffen . Diese 35.000 Mann sind alle 4 , manche über fünf Meilen an dem heissen Sommertage marschirt, und werden daher nicht den Charakter frischer Truppen an sich tragen .

Auf dem äussersten linken preussischen

Flügel wurde die

11. Cavalerie -Brigade Barby mit dem 13. Dragoner- Regiment der welche westlich der Büsche von Tronville vorge12. Brigade , schoben war, durch die nun vordringende französische Infanterie veranlasst, ihre Aufstellung aufzugeben, ging allmälig zurück, überschritt die grosse Chaussée und formirte sich , Front nach Nord mit dem rechten Flügel an Tronville gelehnt.

Hier schloss

sich noch das

10. Huszaren- Regiment, der 13. Brigade angehörig, an, so dass fünf 15 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins. VIII . Band, 1874.

198 Cavalerie-Regimenter

Waldstätten. alle zur 5. Division gehörig - unter Befehl

des General Barby versammelt waren. Unweit davon bei Mars la Tour dürfte das 1. Garde- Dragoner- Regiment gehalten haben ; auch die 12. Brigade Bredow rallirte in dieser Gegend, und östlich Tronville dürfte die 13. Cavalerie-Brigade mit zwei Regimentern sich befunden haben . wahrscheinlich die 1. Division des III. Corps -Die Franzosen setzen ihre Vorrückung gegen das Gehölz von Tronville fort, und ver--drängen die Preussen - sieben mehr oder weniger zusammengeschossene aus den nördlichen Waldparcellen , während die südliche Bataillone ' ) in ihrem Besitze blieb. Der grössere Theil dieser Bataillone sammelte von der sich bei Tronville. Da nun auch französische Batterien westlich des Waldes auffahren, und die bei Division Grenier ? Vionville stehende preussische Artillerie, welche bisher Front nach Osten machte, in Flanke und Rücken beschiessen, veranlasste dies die preussischen Batterien zu einer Frontveränderung gegen Nord , indem sie zuerst deren linken Flügel zurück, dann den rechten Flügel vornahmen, so dass ihre Feuerlinie nun hart hinter der Chaussée stand. Jetzt langt auch die Spitze der 20. Division Kraatz bei Tronville an. Schon von Buxieres aus hatte sie 3 Bataillone, 2 Batterien der Divisions- und 2 Batterien der Corps - Artillerie zur Unterstützung der 5. Infanterie-Division aus der Marschcolonne zu detachiren gehabt. Die Batterien fuhren der Infanterie voraus und verstärkten nach drei Uhr die Artillerie- Linie zwischen Flavigny und dem Bois de Vionville : ein Bataillon Nr. 79 wurde in diesen Wald gesendet --- wo noch Theile des 48. und 78. Regimentes standen,

2 Bataillone Nr. 56

wurden auf den linken Flügel der 5. Division hinter der Artillerie verwendet. So kam es, dass General Kraatz selbst, anfänglich nur acht Bataillone (eines traf noch später ein ) und vier Batterien zur Hand hatte. Von diesen letztgenannten der Infanterie vorauseilenden Batterien Front nach Nord- dann später nehmen zwei erst bei Tronville alle vier an der Chaussée Stellung , haftes Feuer.

und eröffnen sogleich ein leb-

Es werden nun zwei Bataillons Nr. 79 , und später noch drei Bataillons Nr. 17 in das Gehölz von Tronville geschickt, während nur noch drei Bataillons als Reserve an der Chaussée bleiben . Die Büsche werden nach preussischer Darstellung von den Franzosen freiwillig geräumt wieder von den Preussen besetzt ; und auch die französischen Batterien westlich des Waldes verlassen ihre Aufstellung, welche nun von den Batterien des X. Corps eingenommen ¹ ) 3 Bataillons von Nr. 24, -- 1 Bataillon Nr. 20, 2 Bataillons Nr. 91.

1 Bataillon Nr. 78 , -

199

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

wird. Keinesfalls war der Kampf im Walde mehr sehr heftig, denn die Verluste beider Regimenter Nr. 79 und 17 betragen zusammen 3 Officiere und 77 Mann . Um die Situation zu kennzeichnen , sei hier noch der hierauf bezügliche Theil der Aussage des General Le Boeuf angeführt.

„ Ich

behauptete meine Position . Gegen Ende des Tages machte ich eine Offensiv -Bewegung und gewann an die tausend Meter Boden . Ich hatte überhaupt den Wald von Tronville,

welcher stark besetzt war,

mit

Artillerie und Plänklern angegriffen . Ich habe dem Feinde solche Verluste verursacht, dass er sich zurückziehen musste ; noch mehr, im Laufe des Tages wurden mehrere Offensivstösse gegen das VI . Corps geführt, die ich abwehren half." Wenn ich hinzufüge, dass das französische III . Corps bei seinen 3 Divisionen , welche ins Gefecht kamen , überhaupt nur

800 Mann

verlor, so kennzeichnet dies schon die Maassregeln des General Le Boeuf. Ich brauche nur zu erinnern, dass auch das VI . Corps keine lebhaften Infanterie - Kämpfe mit Ausnahme der Division Tixier gegen das 24. preussische Regiment

zu bestehen hatte ; also auch die Mit-

hilfe des III. Corps hiebei keine sehr ausgiebige zu sein brauchte . Viel wichtiger für das III. Corps wäre es gewesen , wenn es das IV. Corps (dessen Aufgabe gleich unten besprochen wird) ,

durch das nach-

haltigste Einsetzen aller Kräfte unterstützt und so die Schlacht zum siegreichen Abschlusse gebracht hätte.

Entscheidungsact. Beim

Armee-Commando in Pont à Mousson war um 12 Uhr

die Meldung des III. Corps eingelaufen ( Siehe S. 177), worauf der oben erwähnte Befehl an das IX. Corps ausgefertigt, (Siehe Seite 197 ) das III . Corps davon verständigt und angewiesen wurde, mit dem linken Flügel vorzugehen, so lange der Feind weicht. Um 2 Uhr 5 Min. ' ) ging von der Division Kraatz die Meldung ein , „dass das III. Corps nördlich Gorze gegen überlegene Kräfte im Gefechte 1 ) Von der Goltz gibt diese Stunde an ; es ist wol die Zeit, zu welcher diese Meldung präsentirt wurde ; von wo und wann ist die Meldung datirt ? Wol von Thiaucourt, weil Xammes kaum eine Viertelmeile davon entfernt ist. Da von Thiaucourt nach Tronville gewiss 5 Stunden Marsch sind und die Division dort gegen 4 Uhr eintraf, muss sie wol spätestens um 12 Uhr von Thiaucourt aufgebrochen, und die Meldung spätestens von dieser Stunde ausgefertigt sein. Immerhin könnte man fordern, dass der Ordonnanz- Officier die 21 , Meilen nach Pont à Mousson in einer Stunde zurücklegt, die Meldung hat aber über zwei Stunden dahin gebraucht . Dies scheint nicht ganz gleichgiltig. Hat die 20. Division die Nachricht, welche sie gab, vom 3. Corps empfangen, 80 muss dieselbe in Thiaucourt um 11 , Uhr eingetroffen, daher wol spatestens 15*

Waldstätten.

200

und die 20. Division im Begriffe sei , über Xammes nach dem Gefechtsfelde als Unterstützung abzumarschiren . Auch die 19. Division sei verständigt. " Hierauf ritt der Armee-Commandant Prinz Friedrich Carl auf das Schlachtfeld, wo er um 14 Uhr von Gorze her eintraf. Das Infanterie-Gefecht hatte zu dieser Zeit nachgelassen ; feindliche Reserven waren zwischen Gravelotte und Rezonville sichtbar, auch von Verneville gegen Gravelotte feindliche Truppen im Anmarsche. Bald darauf entwickelt sich sowol aus der Front, wie vom Bois de Vionville her eine Offensive ) welche keinen Erfolg hat. Hier war auch nicht der Platz dazu, sondern für den grossen Artillerie-Kampf und vom Walde musste man zufrieden sein den Rand zu halten . Solche vereinzelnte Offensivversuche wenn sie überhaupt diesen Namen verdienen von wenigen Bataillonen ausgeführt, sind wohl nicht zweckmässig : sie werden noch verdorben, wenn sich an die frischen Truppen Schlacken von verbrauchten Abtheilungen anhängen, welche die taktische Ordnung der ersteren stören, und bald moralisch und physisch ermattet, eigentlich doch nur ein schlechtes Beispiel

geben. Im lebhaften Gefechte reisst nicht die frische also gute Truppe die gebrauchte also verschlechterte mit sich, sondern letztere hemmt nur die erstere. Dem Armee -Commandanten ist bekannt, dass das X. Corps gegen den linken Flügel im Anmarsche ist, während er auch weiss, dass gegen den rechten Flügel nur wenige Verstärkungen herankommen . können ; General Barnekow ( 16. Division) erscheint persönlich, um Bericht zu erstatten . Das Eintreffen der 20. Division wird gemeldet. Prinz Friedrich Carl begibt sich auf die Höhe südlich Flavigny. Von den Büschen von Tronville zeigt sich ihm ein lebhafter Kampf, bei Vionville und Tronville stehen die preussischen Batterien im Feuer hinter Vionville-Flavigny hält die 6. Cavalerie- Division , Mars la Tour ist verdeckt. Der feindliche rechte Flügel aber noch nicht festzustellen . Um

Uhr ergeht an die 20. Division der Befehl :

„ mit allen.

verfügbaren Kräften tambour battant gegen den feindlichen rechten Flügel vorzugehen. “ General Kraatz berichtet, dass er nur 3 Bataillone zur Verfügung habe, daher keine solche Unternehmung ausführen könne.

Auch

um 11 , Uhr von Tronville abgegangen sein. Man vergleiche die erste Meldung von Alvensleben mit der Meldung der 20. Division , deren Situation doch höchstens 8. Stunden auseinander liegt. 1 ) Es hatten nämlich zumeist die von der 20. Division zur Unterstützung gesendeten Bataillone, an welche sich schon im Gefecht befindliche Abtheilungen der 5. Division anschlossen, partielle Offensivstösse versucht, welche nun alle abgewiesen wurden, ohne dass die Franzosen verfolgt hätten.

E

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

201

an General Voigts - Rhetz nach Mars la Tour erging ein ähnlicher Befehl .

Dieser Auftrag bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als die Entscheidung gewaltsam zu geben, d . h . durch Aufbietung aller Kräfte, welche nun gleichzeitig in Thätigkeit zu setzen waren , den Feind zum Abzuge vom Schlachtfelde zu zwingen . Die Theorie sagt, dass nach dem natürlichen Gange, die Entscheidung dann anzustreben ist, wenn sich die kämpfenden Massen so verschlechtert und verringert haben, dass es nur noch eines letzten Druckes mit dem vorhandenen Ueberschusse an Kraft bedarf, um den Feind zum Weichen zu bringen. Ein solcher Kräfte überschuss war auf Seite der Preussen nicht vorhanden, dagegen sind die französischen Reserven sichtbar. Die Preussen sind nicht im Vortheile . Es mag dabei noch ein Ueberschätzen der eigenen Kraft, der frisch eintreffenden Truppen stattgefunden haben. Schreitet der Angreifer, der nicht im Vortheile ist, zur Entscheidung, so ist dies als ein letzter Versuch anzusehen, die ursprüngliche Absicht zu erreichen. Diese Absicht hat wie ich gleich darlegen werde --- aus der Unzulänglichkeit der Mittel fehlgeschlagen, wie sie überhaupt nicht aus natürlichen Verhältnissen hervorgegangen . Selbst wenn Prinz Friedrich Carl dies erkannt, kann ihn die Theorie nicht tadeln , weil er wagt,

da das Wagen erlaubt ist.

Der

Prinz sieht den Abend herankommen, er erkennt einerseits seine gefährliche Situation , die verwandte Front, anderseits weiss er sich von anderen Corps - zwar erst am nächsten Tage unterstützt ; es ist noch nicht seine letzte Karte, er kämpft um die Ehre, aber er führt noch keinen Verzweiflungskampf.

Angriff der Brigade Wedell . Noch während der Befehl an seine Bestimmung eilt, hat der entscheidende Kampf am äussersten linken Flügel begonnen . Es wird für Viele interessant sein , zu hören,

was der General-

stabs-Officier der Division Schwarzkoppen , Major von Scherff, hierüber berichtet, und sie werden manche Aufklärung für die Ansichten dieses geschätzten Schriftstellers finden. Es ist jetzt 4 Uhr, als so das Gefecht auf diesem Flügel wieder hergestellt scheint und die von Westen herbeigerufene HalbDivision von Schwarzkoppen, bis Mars la Tour herangekommen, zum entscheidenden Gegenstosse ansetzt . . . Nur die rücksichtsloseste Energie und die Einsetzung der, wie man wohl weiss, letzten Reserve , versprechen die im heissen Kampfe schwankende Waage zum Gleichgewichte zu bringen, aber der günstige Umstand, dass die Brigade gerade

Waldstätten.

202

im Anmarsche gegen den rechtigt ist, anzunehmen

wie man aus eigenem Augenschein bean der Nordwestecke der Tronviller Büsche

stehenden feindlichen rechten Flügel ist, dem in Front die 20. Division entgegentritt, berechtigt zu der Hoffnung, einen entscheidenden Erfolg erreichen zu können. " ,,Bei Mars la Tour gegen 4 General Schwarzkoppen die

Uhr angekommen , entwickelt der

Bataillone der Brigade in einem Treffen

und befiehlt den Angriff in nordöstlicher Richtung gegen die hoch sichtbare Waldspitze . " „ Die zwei Batterien gehen nördlich Mars la Tour in Position, während die aus dem Dorte debouchirende Infanterie sofort mit einem äusserst heftigen Artillerie-Feuer empfangen wird, welches den Ort in Brand steckt. Rechts neben den Batterien der Brigade Wedell sind auch schon die 4 Batterien der Corps- und 20. Divisions - Artillerie nordwärts über die Chaussée gerückt . " „Ein rasantes Granat-, Shrapnel-, Mitrailleusen- und ChassepotFeuer überschüttet den Angreifer. In 22 Compagnie -Colonnen zwei Pionnier-Compagnien haben sich angeschlossen - sehr bald in einer Schützenlinie aufgelöst,

sind

1000-1500 Schritt fast absolut freies

Terrain zurückzulegen . " Abwechselnd laufend , und sich hinwerfend , geht es vorwärts die steile, stellenweise 50 tiefe, vorher nicht geahnte Schlucht, unmittelbar am Fusse der feindlichen Aufstellung,

wird durchklettert und

auf 100, 50, 30 Schritt tauchen die tapferen Stürmer auf. Chassepot und Zündnadel wirken auf nächste Nähe verheerend gegeneinander. “ „Aber -- der angegriffenen Division Grenier ist die Division Cissey zu Hilfe geeilt. 26 Bataillone setzen französischerseits an gegen die preussischen (so sagt Scherff, den ich citire), fünf, zehn, fünfzehn Minuten dauert der ungleiche Kampf auf der Höhe, da geht es langsam zurück. " Das verfolgende Feuer steigert die Verluste zur Auflösung. Von Officieren und 4500 Mann bezahlen 5 Offiziere,

600 Mann

davon nur circa 350 Mann gefangen - den

misslungenen Versuch der Entscheidung .

Das 4. französische Corps

gibt seinen Verlust am heutigen Tage auf 2 Officiere 2300 Mann. " "7 Den auf Mars la Tour und Tronville zurückströmenden Trümmern der Brigade Wedell beginnt die französische Armee über die Schlucht zu folgen, und zum zweiten Male muss die preussische Cavalerie die Schwesterwaffe herausreissen . " Soweit von Scherff. Prinz Friedrich Carl konnte von seinem Standpuncte die rückgängige Bewegung wahrnehmen, die ganze Schwere des Schlages hat er nicht erkannt, doch darüber war er klar, dass die Offensive, die Umfassung zu Ende war.

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

203

Durch das Zurückweichen der Infanterie kamen auch die 5 vorwärts Mars la Tour aufgestellten Batterien in eine sehr schlimme Situation , hielten aber durch ein heftiges Granatfeuer, welches sie noch zuletzt abgaben, die Franzosen von zu lebhafter Verfolgung ab, und kamen trotz sehr reducirter Bespannung ohne Verlust eines Geschützes es zurück. - An der Chaussée Mars la Tour protzten sie wieder ab standen jetzt 6 Batterien hier ---- und nahmen das Gefecht auf, während die Infanterie noch lange nicht gesammelt und an diesem Tage wohl auch nicht mehr gefechtsfähig war. Aber auch der Artillerie wäre es wohl nicht möglich gewesen, unbeschädigt zurückzukommen , wenn nicht die Cavalerie ins Gefecht getreten wäre. Es waren dies die Garde -Dragoner, welche - wie erwähnt zuerst gegen Ville sur Yron gerückt und von dort gegen Mars la Tour zurück gegangen waren. Hier wurde ihnen erst der Befehl gegeben , den Angriff der Brigade Wedell am linken Flügel zu begleiten, bald aber kam ein Gegenbefehl , nach welchem das Regiment süd- östlich Mars la Tour mit 2 Escadronen des 4. Cürassier- Regimentes zum Schutze der Artillerie bleiben sollten . Als die Brigade Wedell geworfen zurückeilt, befiehlt der CorpsCommandant General Voigts -Rhetz die Infanterie aufzunehmen und dem Nachdrängen des Feindes, koste es was es wolle, Einhalt zu thun . Das Regiment um unsere Formation zur Erklärung anzuwenden steht in Colonnenlinie, geht in Colonne links vorwärts die 4. war in Re- und schwenkt mit 3 Escadronen rechts auf

serve geblieben. Die Attake geht also gegen Nord- Ost auf jene Abtheilungen der Division Grenier, welche bereits die Tiefe überschritten . Die Dragoner werden tüchtig von der in Klumpen formirten Infanterie, von Mitrailleusen in der linken Flanke und selbst von Carrés der 2. Linie zusammgeschossen. Sämmtliche Stabsofficiere und Rittmeister sind todt, überhaupt 14 Officiere und Fähnriche, 123 Mann - worunter 60 Todte und 246 Pferde sind ausser Gefecht ; aber die französische Infanterie steht -― fait tourbilloner autour ses aigles - und die preussischen Batterien können abfahren. Der Oberst -- zu Tod getroffen -- dankt noch seinem Regimente ,

bringt ein Hoch auf den König und sinkt aus dem Sattel. Aus den 3 Escadronen wird eine formirt, der einzige noch übrige Rittmeister, der die Reserve commandirte, führt beide Escadronen nach Xonville.

An diesen Kampf sind einige Bemerkungen zu knüpfen . General Schwarzkoppen war eigentlich nicht berechtigt, den Entscheidungs-

204

Waldstätten .

Kampf aus eigener Entschliessung aufzunehmen, weil das Eintreten in diesen Kampf ein genaues Abwägen aller Verhältnisse erheischt , damit die Entscheidung rechtzeitig und am richtigen Platze gegeben werde. Diese Erwägungen hat der höchste Befehlshaber zu machen , weil er allein die genaueste Kenntniss der Sachlage hat, und dieser Entschluss ein schwerwiegender ist , daher auch die Verantwortung hiefür nur von Demjenigen getragen werden kann , der die höchste Machtvollkommenheit besitzt. Thatsächlich war die Entscheidung hier zu geben , und es frägt sich nun, ob General Schwarzkoppen das Gefecht richtig geführt? Ob es zweckmässig war die ganze Brigade in einem Treffen formirt, sogleich ohne weitere Vorbereitung ganz einzusetzen ? Ich antworte unbedingt mit Ja . Der Entscheidungs- Kampf charakterisirt sich eben durch das gleichzeitige Eintreten aller noch verfügbaren Truppen , weil dieser Kampf nur kurze Zeit währt. Die Truppen brauchen nothwendig einen genügenden Raum für ihre Thätigkeit, wobei die Hier kurze Zeit jede tief gegliederte Formation überflüssig macht . am Flügel findet sich der Raum für Entwicklung der ganzen Brigade Wedell in eine Linie. Diese Brigade führt kein selbstständiges Gefecht, sie darf nicht mehr für die Wechselfälle des Kampfes abermals Reserven zurücklassen, denn sie ist ja selbst die jetzt zur Thätigkeit gelangende Reserve , es handelt sich um ein Entweder- oder, Durchdringen oder nicht, und da halfen keine halben Maassregeln . Der Unterschied zwischen dem Zerstörungsacte und dem Entscheidungsacte muss scharf hervorgekehrt sein, die Entscheidung ist eben schon vorbereitet durch den Kampf, der seit 10 Uhr Morgens tobt, jetzt kann nicht erst neuerdings vorbereitet werden . Die 5000 Gewehre, welche jetzt ins Gefecht geworfen werden, verfügen über mehr als 300.000 Schuss, welche binnen einer Vierteloder längstens halben Stunde verfeuert sein können ; und ein solcher Anfall mit dem Feuer trägt wahrlich Zerstörungskraft genug in sich, um jeder dauernden Vorbereitung entrathen zu können . Die 2000 Franzosen, welche hier binnen kurzer Zeit ausser Gefecht sind, beweisen dies deutlich . Es war Abend , und General Schwarzkoppen durfte hoffen, mit seiner Brigade jetzt schon auf erschütterte feindliche Truppen zu stossen. Diese Voraussetzung traf nicht zu , denn auch das französische IV. Corps trat erst ins Gefecht und zwar mit entscheidender Ueberzahl , wenn sie auch nicht so bedeutend war, als Scherff sie darstellt. Die Division Grenier war zum Theile gegen die Büsche von Tronville in Verwendung, die Division Cissey kam wohl nur

zum

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

205

Theile in Thätigkeit ; beide Divisionen hatten 2 Tage vorher bei Colombey, einen schweren Kampf zu bestehen. Es bedurfte wohl auch nicht der 5fachen Uebermacht, um die Brigade Wedell zu werfen, da nach bisherigen Erfahrungen der Kampf gegen eine doppelte Uebermacht unter gleichen Verhältnissen sich wohl immer zu Gunsten der letzteren entscheidet. Die schwersten Verluste treten jetzt beim Umkehren ein ; wir haben diese Erfahrung schon 1866 gemacht, und es sei so viel Aehnlichkeit der Kampf der Brigade Wedell mit einzelnen Actionen. österreichischer Brigaden haben mag doch auch auf den wesentlichen Unterschied hingewiesen. Die österreichischen Brigaden suchten oft gleich bei Beginn des Kampfes mit dem Bajonnet den Gegner zu vertreiben,

also in den Entscheidungs - Kampf einzutreten ,

bevor noch zu entscheiden war,

weil der Zerstörungsact noch nicht

gewirkt hatte ; sie machten vom Feuer wenig Gebrauch und waren in Massen, in 2 Treffen formirt . Hier das Gegentheil der Formation , des Waffengebrauches und des Zeitmomentes . Trotzdem der Erfolg gegen dies Unternehmen sich gewendet, kann man die Durchführung als mustergiltig hinstellen , was unbedingt von zahlreichen Seiten geschehen wäre, wenn der Erfolg dafür gesprochen hätte . War ein Erfolg zu erringen , nur auf diese Weise konnte er errungen werden . Die Anordnung des Cavalerie- Angriffes entspricht den Anforderungen der Theorie vollkommen. Man musste annehmen, der Feind werde seine Erfolge ausnützen und dem war um jeden Preis Einhalt zu thun . Die preussischen Truppenführer standen unter dem Einflusse des schweren Schlages, der die Brigade Wedell getroffen , eines Schlages, wie sie ihn 1866 und 1870 noch nicht erlebt ; in solchen Momenten hört die kalte Berechnung, die klügelnde Erwägung auf und es wird das nächste Mittel angewendet. Dies sei erwähnt, weil aus französischen Berichten ' ) nicht gerade hervorgeht, dass die Franzosen wirklich die Absicht hatten, zu verfolgen, und daher bei klarer Erkenntniss dieser Sachlage, die eben hier nicht zu gewinnen war, die schweren Opfer der Garde-Dragoner erspart bleiben konnten . ¹ ) General Ladmirault sagt : „ Ich griff nun mit der Artillerie an , was dem Feinde aber nicht viel Schaden brachte. Im Begriffe, den Angriff zu erneuern , sah ich eine Colonne Infanterie in Bewegung , mich in der Flanke zu fassen . Ich hatte noch Zeit, meine Infanterie und Artillerie über den Ravin zu ziehen , um auf der anderen Seite zur Ferme Greyère hinaufzusteigen . In diesem Augenblicke brach von Vionville eine Infanterie-Brigade hervor, begleitet von Cavalerie ; — sie wurde in Stücke gehauen , der General Wedell getödtet ; leider auch der General Brayer, welcher ihm entgegengestanden. Die Cavalerie-Brigade der Garde- Dragoner wurde massacrirt, es entkamen nur Wenige.“

206

Waldstätten .

Dritter Cavalerie - Kampf. Beinahe gleichzeitig mit dem eben geschilderten Angriff der Garde- Dragoner, wird hier am äussersten linken Flügel ein grossartiger Cavaleriekampf ausgefochten, der Bedeutendste, der überhaupt in diesem Kriege stattfand. Hinter dem Pachthof Greyère, also hinter dem rechten französischen Flügel befanden sich, als das IV. französische Corps ins Gefecht rückte, ein Regiment der Division Du Barail. Ihr folgte die Division. Legrand mit 3 Regimentern, bei Bruville stand die Garde- Brigade de France mit 2 Regimentern , endlich war die Division Clérambault mit 5 Regimentern unweit von Bruville, also im Ganzen 12 Regimenter. Auf deutscher Seite war unter den Befehlen des Generalen Barby eine ansehnliche Reiterschaar, 22 Schwadronen von 7 Regimentern , mit der Hauptmasse südlich Mars la Tour versammelt , welche zur Zeit als die Brigade Wedell ihren Angriff führte, den Befehl erhalten hatte, westlich Mars la Tour vorbei,

dem Angriffe in der linken Flanke

zu folgen. Die Zeit lässt sich nach den Angaben nicht genau bestimmen, doch durfte die Formation dieser Abtheilungen, von welchen doch nur 3 Regimenter eigentlich zur Brigade Barby gehörten, einige Zeit in Anspruch genommen haben . So geschah es wahrscheinlich, dass vorerst 2 Garde-Dragoner-Escadronen als Bedeckung ihrer Batterie vorrückten , welche in der Höhe von Ville sur Yron abprotzte und die französische Aufstellung in der Flanke beschoss . Diese Batterie zu vertreiben , entsendete General Ladmirault Befehl an die Cavalerie.

Die Chasseurs d'Afrique übersetzen zuerst das

Thal ; sie gehen in der Schwarm-Attake gegen die Batterie vor, welche eben auch durch Infanterie beschossen wird. Die Garde-Dragoner eilen zum Schutze herbei, werden übel zugerichtet geworfen, aber die Batterie ist gerettet ;

die verfolgenden

Chasseurs treffen auf das 13. Dragoner- Regiment, welches den Regimentern des General Barby vorausgeht. Dieses treibt nun seinerseits die Chasseurs gegen den Wald, wo die Hauptmasse der französischen Reiterei, 5 Regimenter, sich eben formirt und deshalb sammelt der Oberst sein 13. Dragoner- Regiment bei Ville sur Yron . Jedenfalls waren die Dragoner gut geordnet und in sehr fester Haltung, da auch Bonie, der französische Berichterstatter, dies besonders

bemerkt.

Die

Dragoner

machen

einen

Seitenınarsch

rechts ,

schwenken auf und werfen sich auf den Feind - Huszaren - Regimenter Nr. 7 und Nr . 2

und geben dadurch auch dem auf ihrem linken

Flügel einrückenden 10. Huszaren- Regimente ( 3 Escadronen ) Raum .

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

207

Alsbald warf sich der General Legrand mit den 3. Dragoner-Regimente ins Gefecht und wurde erstochen . Gleichzeitig tritt das preussische 19. und 16. Dragoner-Regiment, das 13. Uhlanen- Regiment gegen die Lanciers der Garde ins Gefecht, denen die Garde- Dragoner folgen. Gegen eine halbe Stunde mochte das Handgemenge gedauert haben, als beide Theile Appell " blasen liessen und sich rückwärts sammelten . Jetzt traf erst der General Clérambault ein, brachte aber nur eine Escadron zur Verfolgung, die sich jedoch in

sehr engen

Grenzen hielt. Das Sammeln der Preussen dauerte lange genug und General Barby zog seine Regimenter erst wieder in Folge des Artilleriefeuers gegen Mars la Tour ; 42 Officiere, 443 Mann, 391 Pferde sind auf preussischer Seite ausser Gefecht. So endete dieser grosse Kampf.

Der grosse Cavaleriekampf kann sowohl in cavaleristisch -technischer

als in rein taktischer Beziehung eingehend studirt werden . In erster Beziehung wäre der enge Raum vor Allem hervorzu-

heben, auf welchem sich der Kampf bewegte. Armeeflügel gelegen ,

Zwar am äussersten

wo also der Kampfplatz durch andere Truppen

nicht beengt wird, ist derselbe doch durch zwei tiefe steil eingeschnittene Terrainfurchen und im Norden durch einen Wald begrenzt. Der Kampf besteht nicht aus einem Anprall von gewaltigen Reiterfronten und wird nicht durch das ausgesprochene Zurückwerfen des einen Theiles entschieden, sondern es ist das successive Eintreten einzelner Regimenter und Escadronen. Deshalb währt das Handgemenge durch längere Zeit so zu sagen auf einem Fleck , wenn auch wahrscheinlich in zahlreichen Spiralen sich drehend bis endlich auf beiden Seiten zum Sammeln geblasen wird. Dies scheint eigentlich von beiden Seiten zu früh geschehen zu sein, denn es war auf keiner Seite ein Sieg erfochten. keiner der Gegner geworfen, daher noch kein Bedürfniss zu sammeln ; die Unordnung hatte ihren Höhepunct erreicht, daher war durch frühzeitiges Sammeln wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren . Was nun die Anordnung zur Attake belangt, so hat der General beabsichtigt, die preussische Cavalerie Ladmirault wie es scheint zu vertreiben, ' ) welche seine Vorrückungsbewegung stören konnte. ') ,,Mir stand die Division Legrand zur Disposition ; über meine Veranlassung kam von der Strasse nach Verdun die Garde- Cavalerie-Brigade de France, und eine kleine Brigade Chasseurs d'Afrique, General du Barail, auch das III . Corps unterstützte mich . General Clérambault erschien erst mit einer, dann mit der 2. Brigade. Ich liess diese Cavalerie den Ravin überschreiten. "

Waldstätten.

208

Die preussische Cavalerie erhält unabhängig von der Anwesenheit französischer Cavalerie den Befehl, das Vorgehen der eigenen Infanterie in der äusseren Flanke zu begleiten . Sie kömmt hiezu zu spät, und es dürften

dabei die technischen Schwierigkeiten hervorzuheben

sein, welche sich für den General Barby ergaben, die 22 Escadronen , die aber 7 verschiedenen Regimentern angehörten ,

rasch zu be-

wegen. Dabei wäre vielleicht zu erwähnen , wie man überhaupt bei den Bewegungen grosser Cavaleriekörper oft einen falschen Maassstab anlegt, und die Schnelligkeit überschätzt , welche solchen Körpern innewohnt .

Als der Cavaleriekampf begann, war bei dem Umstande,

als sich die Macht des Gegners nicht genau schätzen liess, nichts anderes zu thun, als den Kampf zu Ende zu führen, und dazu die letzte Schwadron einzusetzen. Dies nicht gethan, und dadurch eine Situation,

wie sie für die

Cavalerie sich selten wieder ergibt , nicht ausgebeutet zu haben, dieser Vorwurf trifft mit aller Schwere den General Clérambault , wie sogleich klar werden wird . Er hat noch mehrere Regimenter Le Boeuf gibt an 7 die preussische Cavalerie sammelte rückwärts , die preussische Infanterie des X. Corps war wohl kaum gefechtsfähig , und Clérambault greift nicht an. Das Resultat des grossen Cavaleriegefechtes besteht wohl nur darin, dass die Kräfte von so bedeutenden Cavaleriekörpern für diesen Tag lahm gelegt waren. Dies ist nicht so ohne Einfluss , wie es auf den ersten Blick scheint . Man vergegenwärtige sich nur die Situation , welche entsteht, wenn man eine der beiden Cavalerien sich wegdenkt.

Fehlte die französische Cavalerie,

so war

die preussische Infanterie in ihrem Sammeln gar nicht bedroht ; selbst wenn die französische Infanterie die Absicht gehabt hätte, lebhaft vorzudringen,

war sie durch die Anwesenheit der preussischen Cava-

lerie in der rechten Flanke daran gehindert. Fehlte hingegen die preussische Cavalerie, so konnte die französische Cavalerie ohne weiters. gegen das X. Corps vorrücken , dieses hätte das Feld geräumt und die Schlacht war damit verloren . „ Ich hatte empfohlen, langsam anzugreifen, um mit der Infanterie den Choc unterstützen zu können . Ich hatte selbst den Ravin überschritten , als ich gegen Tronville eine ganze Armee von Infanterie wahrnahm, im Begriffe gegen Mars la Tour herabzusteigen ; so, dass unsere Position unvortheilhaft geworden wäre, hätten wir gewartet, bis diese Bewegung ausgeführt sei. Ich befahl der Cavalerie sich auf den Feind zu stürzen und eine Attake (charge à fond) auszuführen. Sie wurde mit ungewöhnlichem Muthe und Zug (entrain) unternommen, der Feind wurde ein wenig zurückgedrängt, aber nicht in Unordnung gebracht ; er entfernte sich etwas und ich sah ihn seine Colonnen wieder formiren. "

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

209

Noch bleibt mit kurzen Worten die Gesammtsituation am linken Flügel zu kennzeichnen . General Ladmirault berichtet : Es war jetzt 7 Uhr Abend . Ich wollte diese Vortheile verfolgen, 2000 Mann ungefähr waren ausser Gefecht gesetzt, und nur 2 Divisionen standen in Linie ,

Cissey welcher

am Angriffe theil genommen ,

und

Grenier, welcher fortwährend im Kampfe war. Meine 3. Division Lorencez, am 15. abmarschirt, kam nicht, ich sandte Adjutant auf Adjutant, aber sie kam erst um 10 Uhr Abend an. Ich hielt den Stoss auf die rechte Flanke mit dem was ich hatte, aber ich konnte meinen Erfolg nicht ausbeuten, denn ich entdeckte zwischen Tronville und Vionville ein ganzes Armee- Corps . Um anzugreifen, hätte es frischerer Kräfte bedurft .

Meine Truppen hatten 32 Kilometer gemacht, meine

3. Division fehlte ; deshalb nahm ich meine Bivouaks bei Greyère. " Zu bemerken ist hiebei,

dass der Marschall Bazaine von dem

Erfolg des 4. Corps am Abende des 16. nichts wusste, sondern

erst

am nächsten Tage durch die Cavalerie- Brigade de France Kenntniss erhielt. Scherff hingegen sagt :

„ Die Cavalerie übernahm die Deckung

des linken Flügels der Defensivstellung , welche General Voigts - Rhetz von den Büschen von Tronville nach der Strasse Mars la Tour- Buxieres längs des sanften Höhenzuges von Tronville südlich der Chaussée hatte nehmen lassen ; -- die 20. Division und Corps -Artillerie in erster, die gesammelten Theile der 37. und 38. Brigade in zweiter Linie. Es ist 7 Uhr 1 ) vorbei . " Dies Alles zusammengefasst , ergibt wohl deutlich, dass hier auf dem

westlichen Flügel die Entscheidung der Schlacht lag . Der preussische Flügel war mit seinem Angriffe gescheitert, und musste nun vollends zurückgeworfen werden. General Ladmirault hat dazu das Seinige gethan, wie überhaupt er der einzige französische General ist, der ohne viel Künstelei einfach an den Feind herangeht und kämpft, so weit seine Kräfte reichen . Marschall Bazaine zählt auf dessen Kriegserfahrung, dies scheint die wahre Charakteristik für diesen General zu sein , sie hat ihn diesmal auf den richtigen Weg geführt. Nicht ebenso kann das Urtheil über den Marschall Le Boeuf lauten. Er führt die That im Munde, aber er ist kein Mann der That. Er erwägt und berechnet, Wissenschaft,

er entwickelt Gründe und hüllt sich in

er deducirt und disponirt,

aber er kämpft nicht ;

6 preussische Regimenter haben jedes einen höhern , 3 Regimenter jedes einen fast gleichen Verlust, wie das ganze III. französische ¹) 7 Uhr 10 Minuten geht am 16. August die Sonne in Wien unter.

210

Waldstätten.

Corps bei seinen 3 Divisionen . Das spricht wohl deutlich. Hätte der Marschall Le Boeuf die 2 Divisionen, welche ihm unmittelbar zu Gebote standen, wirklich in den Kampf gebracht, wie es beim 4. Corps. geschehen, so kann kein Zweifel sein, dass die 5 Bataillone aus den Büschen von Tronville vertrieben, und diese Büsche so wie die Orte Tronville und Vionville genommen wurden, zur Zeit wo die Brigade Wedell eben geworfen ist.

Dies dürfte Material für den Beweis sein,

dass man in der Schlacht nicht 99 beschäftigen ", nachdrücklich „ fechten " muss .

sondern überall

Gefechte auf dem rechten preussischen Flügel . Es sind noch die Ereignisse auf dem rechten preussischen Flügel zu schildern . Dort trafen vorerst die 3 Batterien der halben 16. Division ein, so dass durch 19 Batterien eine geschlossene Artillerielinie gebildet wurde , welche von Flavigny bis zum Bois de Vionville reichte. auch Munitions-Colonnen herangekommen waren,

Da

wodurch ausser der

Munition auch Bedienung und Bespannung einigermaassen ergänzt wurde, nahm der Geschützkampf wieder an Lebhaftigkeit zu . Auch auf französischer Seite wurden frische Batterien ins Gefecht gesetzt , und es erwähnt beispielsweise der General Burbaki ( Garde), er habe jetzt 54 Geschütze in die Feuerlinie gebracht. Es ist ein reiner Artilleriekampf um die Behauptung der eingenommenen Position . Nach 5 Uhr erreichte auch die Infanterie der 16. Division ,

die

Brigade Rex, das Schlachtfeld. Von dieser Brigade trat zuerst das 72. Regiment ins Gefecht, indem es aus dem Bois d'Arnould gegen Rezonville vorzudringen sucht. Dieser Versuch, eine offene, beinahe ebene Fläche, angesichts bedeutender Ueberlegenheit zu überschreiten, misslingt, und hat einen Verlust von 30 Offfcieren und 852 Mann und damit die momentane Auflösung des Regimentes

zur Folge. An die

Stelle tritt jetzt das 40. Regiment, geht in gleicher Weise, doch muthmaasslich weniger weit vor,

denn es weist nur einen Verlust von 11

Officieren und 107 Mann aus ; vielleicht auch, weil es schon bei Spichern 24 Officiere und 470 Mann eingebüsst hatte. Das 11. Regiment, welches dem General Barnekow unterstellt worden, hat nun das 40 . zu ersetzen ; gleiches Vorgehen, gleiches Resultat, es werden 21 Officiere und 778 Mann ausser Gefecht gesetzt und der Angriff abgewiesen.

Noch später treffen 4 Bataillone Hessen ein, und dringen im

Bois d'Ognons vor. Der Kampf daselbst war jedoch nicht sehr heftig. denn die Verluste dieser 4 Bataillone betragen in Summe 1 Officier und 120 Mann .

211

Die Schlacht bei Vionville und Rezonville.

Jetzt beabsichtigte der Prinz Friedrich Carl noch eine allgemeine Offensive, das III. und X. Corps und die 6. Cavalerie- Division sollten nochmals vorrücken.

Zunächst wurden einige Bataillone, welche sich bei Vionville gean der Strasse gegen Rezonville vorgeschoben, um

sammelt hatten,

gegen die französischen Batterien zu wirken . Es waren schon verbrauchte Bataillone, die keinen Erfolg zu erzielen vermochten. Die grosse Batterie im Centrum erhielt Befehl, vom linken Flügel aus vorzugehen . Mit sehr reducirter Bespannung und geringem Munitionsvorrathe konnte die Bewegung nur theilweise und langsam ausgeführt werden, und das Feuer nicht mehr lebhaft sein . Auch der General Voigts- Rhetz erhielt den Auftrag,

mit allen

bei Tronville disponiblen Truppen den rechten feindlichen Flügel anzugreifen. Nach der Schilderung über den Zustand des X. Corps , bedarf es keiner weiteren Versicherung , dass auch nicht einmal ein Versuch gemacht werden konnte, den Befehl zu vollziehen . Die 6. Infanterie- Division hatte sich entlang der Chaussée gegen

Rezonville in Bewegung zu setzen, begleitet durch die 6. Cavalerie- Division . In der Dunkelheit reiten die ermüdeten Cavalerie -Brigaden langsam gegen den Feind . Eine Leitung der Division und der Brigaden ist bereits nicht mehr möglich, man sieht nicht mehr . Freund und Feind sind nicht zu unterscheiden . Deshalb kömmt ein Regiment der 14. Brigade plötzlich ins Infanteriefeuer, der General Grüter wird schwer verwundet und die Brigade geht zurück. Auch die 15. Brigade, welche die Chaussée überschreitet, befand sich plötzlich inmitten der feindlichen Infanterie, welche den Huszaren nicht unerhebliche Verluste beibrachte, und die Vorrückung hatte ein Ende . Die Infanterie der 6. Division kann ebenfalls nicht bis Rezonville, und die vorgefahrenen Batterien gerathen in Gefahr , genommen zu werden ; und alles geht in die früheren Positionen zurück. auch hier die letzten Kämpfe.

So enden

Bazaine sagt in seinem Berichte : „ Die feindliche Armee auf allen Puncten geschlagen, überliess uns das Schlachtfeld . Als der Feind bei eingebrochener Nacht noch einen letzten Versuch auf Rezonville machte

wo ich mich in diesem Augenblicke befand

, stellte ich

in Eile die Zouaven senkrecht gegen die Strasse , und der letzte Angriff wurde zurückgewiesen . " Wenn auch dieser Bericht Bazaine's mit den Thatsachen nicht völlig übereinstimmt, wird doch dieser letzte Offensivversuch der Preussen von der Kritik nicht gerechtfertiget werden können .

Die Begrün-

dung , welche von preussischen Schriftstellern versucht wird, nicht glücklich, und erweist dem Feldherrn keinen Dienst.

scheint

Da näm-

lich augenscheinlich weder die allgemeine Gefechtslage, noch der Zu-



212

Waldstätten . Die Schlacht bei Vionville und Rezonville .

stand der Truppen zu einer Offensive berechtigten, so wird vorgeschützt, der letzte Versuch, offensiv aufzutreten , sei nur unternommen worden, um den Franzosen die Lust zum Angriffe zu benehmen . Das wäre wohl ein sehr schlechtes, und dazu noch ein sehr gefährliches Mittel. Haben die Franzosen solche Absichten, so wird ein so matt geführter Angriff sie eher herausfordern als abhalten, und die angreifenden Truppen werden vollständig in die Flucht geschlagen . Waren schon bei Anordnung der Offensive die kalten Berechnungen des Feldherrn bei Seite gesetzt, die Situation demselben nicht vollständig genau bekannt, die Kräfte von Mann und Pferd weit überschätzt , so bleibt als Erklärung für den gefassten Entschluss nur noch der Muth des Soldaten, welchem es widerstrebt, dem Feinde das Schlachtfeld zu überlassen .

Und diese Eigenschaft wird man unter allen Umständen

achten, selbst wenn sie zu falschen Maassregeln führt . Eine genauere Untersuchung der Thätigkeit beider Feldherren -wird beweisen, die hier nicht mehr vorgenommen werden kann dass es weder dem preussischen noch dem französischen Generalstabe

gelungen ist, den Feldherrn von allen Ereignissen auf dem ganzen Gefechtsfelde in Kenntniss zu erhalten, noch auch die Befehlsübermittlung an die Corps- and Divisions - Commandanten vollständig klaglos durchzuführen. Es wird sich daher das eifrigste Studium auch für uns empfehlen, wie die Thätigkeit dieses Nervensystemes der Armee zeit- und fachgemäss einzurichten sei. Verluste : Franzosen II. Corps 201 Officiere

77

III. IV .

99

VI.

""

""

77

27

98

77

200 191

97 Garde-Corps Reserv.-Caval. Reserv. -Artill.

113 70

"7 17

5085 Mann 748 77 2258 99

27

5457 2010

"7

465

" ‫י‬

6

105 "" 77 879 Officiere 16.128 Mann

Preussen Infanterie 508 Officiere 13.060 Mann Cavalerie 1.425 96 77 97 "7 36 Artillerie 685 99 " "7 640 Officiere 15.170 Mann

1837 Pferde 935

Wenn wir bemerken, dass die preussische Armee hier unter Verlust des 4. Mannes das Schlachtfeld behauptete, so werden wir darin eine Bestätigung einer alten Wahrheit finden : dass nämlich die persönliche Tapferkeit jedes Einzelnen, die erste Bedingung und das wesentlichste Mittel zum Siege bleibt, und daher unter allen Umständen die höchste militärische Tugend ist .

Der Krieg gegen die Aschantis.

Wenn auch der Krieg an der Goldküste vom militärischen Standpuncte aus betrachtet nur ein geringes Interesse bietet, so gibt

ihm

doch das tödtliche Clima, das von Sümpfen und dichtem Gebüsche bedeckte Land, der gänzliche Mangel an Communicationen , der zahlreiche trotz schlechter Bewaffnung muthige Stamm der Aschantis, die Feigheit der mit den Engländern verbündeten Fantistämme und endlich die wenigen, zusammengewürfelten Truppentheile der Engländer ein so eigenthümliches Gepräge, dass er immerhin einige Aufmerksamkeit verdient und es vielleicht gerechtfertiget erscheint, ihn eingehender zu schildern. Es wird daher die Schilderung der Vorgänge an der Goldküste, auf officielle Daten basirt, da wieder aufgenommen, wo sie in dem VII. Bande ¹ ) abgebrochen wurde. General Garnet Wolseley hielt, kurz nach seiner am 3. October v. J. erfolgten Ankunft an der Goldküste,

in Cape Coast Castle eine

Ansprache an die versammelten Häuptlinge der Fantis, in welcher er ihnen beiläufig sagte : die Königin habe mit grosser Betrübniss von den Drangsalen vernommen, welche sie von ihren Erbfeinden erfahren , er sei von ihr beordert, sie zu unterstützen und den Civil- und MilitärBefehl an der Goldküste zu führen , jedoch sei J. M. nicht gewillt, jenen zu helfen, welche sich der Selbsthilfe entschlagen sollten . Der Krieg sei kein englischer, sondern ein Fantikrieg ; die englischen Forts seien stark genug, die Engländer gegen die Aschantis zu schützen . Da aber ein Verhalten , welches sich auf die Vertheidigung beschränkte, die Vernichtung der Fantis zur Folge haben könnte, sei die Königin zu ihrer Unterstützung bereit. Hiebei liesse sie sich einzig und allein von dem Wunsche leiten, der Fantis Wohlfahrt durch die Wohlthaten der Civilisation zu fördern . Sie sandte mit mir, sagte Sir Garnet Wolseley, eine Anzahl geschickter und auserlesener Officiere und wird Euch mit Geld, Nahrungsmitteln und Munition unterstützen . Jeder Häuptling erhält monatlich 10 Pfund Sterling für jedes Tausend Mann, welche er in das Feld stellt und jeder Mann wird täglich mit einer Reis- und Fleisch-Ration, bis zum Eintreffen der Lebensmittel aber mit

1) Siehe Vereins- Organ Bd . VII, S. 261. Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII, Band, 1874.

16

214

Der Krieg gegen die Aschantis.

d. Subsistenzbeitrag betheilt. Die Häuptlinge haben ihre Leute persönlich in das Feld zu führen und wird je einem ein englischer

3-4

Officier beigegeben , dessen Aufgabe in der Uebermittlung der erfliessenden Befehle und in der Ueberwachung der Ausführung derselben bestehen wird. Allen Befehlen ist unbedingter Gehorsam zu leisten. Die Verstümmelung der Todten ist nicht gestattet. Die packendste Stelle in Wolseley's Rede war folgende : Wenn Ihr in der Bekämpfung Eurer Erbfeinde muthig zusammensteht, will ich sie in einer Weise züchtigen . dass sie Euch für alle Zeiten in Ruhe lassen werden. Nachdem ich sie aus dem unter

unserem Schutze stehenden Territorium werde

ver-

trieben haben, will ich ihnen , wenn es nothwendig sein sollte, in ihr eigenes Land folgen. " Diese Ansprache scheint jedoch die Häuptlinge nicht besonders begeistert zu haben, denn sie liessen mit ihrer Antwort übermässig lange auf sich warten. Es stand damals um die englische Sache sehr schlecht und das kleine durch Krankheiten zusammengeschmolzene Häuflein Europäer mochte den kriegsunlustigen Fantis kein besonderes Vertrauen eingeflösst haben ; aber Garnet Wolseley's Energie brachte sie doch so weit, dass sie mit dem Versprechen zu ihren Stämmen zurückkehrten ihre waffenfähigen Männer zu sammeln und Wolseley zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Entschlusse der Häuptlinge trugen die Weiber der Fantis nicht wenig bei, welche erklärten, ihre Männer mit Peitschenhieben in die Schlacht treiben zu wollen. Da sich aber Muth nicht gut einpeitschen lässt, so sind von diesen verkommenen Stämmen den kriegerischen Aschantis gegenüber keine besonderen Heldenthaten zu erwarten und General Wolseley hatte vor dem Eintreffen der Verstärkungen aus dem Mutterlande nur mit den Houssas, den Mannschaften des zweiten westindischen Regimentes und der vor der Goldküste liegenden Kriegsschiffe zu rechnen. Um so unbegreiflicher erschien die Alles gefährdende Saumseligkeit des englischen Kriegsministeriums . die nöthigen Truppen aus dem Mutterlande nach der Goldküste abzuschicken. Mehr als ein Jahr verstrich seit die Aschantis, die Grenzen ihres Reiches überschreitend , im siegreichen Laufe bis an die Küste vordrangen, um die schwach besetzten englischen Forts zu bedrohen. Von Seite Englands war gar nichts geschehen, die unter seinem Schutze stehenden Völkerschaften gegen die Invasion zu schützen . Die Gefahr wälzte sich immer näher an die englischen Niederlassungen heran und als Beschützer und Beschützte in den schlecht verproviantirten Forts an dem Tod und Verderben aushauchenden Küstenstriche in die Enge getrieben waren, stand man rathlos und ohnmächtig da vor einem Feinde, welcher sich bis unter die Mauern der Forts vorgewagt und die Verbindung zwischen diesen abgeschnitten hatte. 30.000 Fantis,

Der Krieg gegen die Aschantis.

215

welche in den Forts eingeschlossen waren, schrien um Schutz ; aber Oberst Harley, ohne Zweifel auf Weisung aus London , weigerte sich auch dann noch, ihnen Waffen und Munition, welche für sie an der Goldküste aufgestapelt waren, auszuliefern . Das Zaudern Englands, mit Energie diesem gefährlichen Feinde entgegenzutreten, die Unfähigkeit, die unter seinem Protectorate stehenden Völkerschaften gegen den gemeinsamen Feind zu schützen, mussten die Anschauungen der wilden Negervölker über die Macht Englands nothwendiger Weise auf das ungünstigste beeinflussen und ihr Vertrauen in die englischen Waffen erschüttern . Und so wurden denn auch thatsächlich Stämme, welche bei einiger Machtentfaltung von Seite Englands zu dessen Fahnen gestanden wären, in das Lager des Feindes getrieben, durch die Furcht vor der Rache der Aschantis und die Erwägung der Unfähigkeit des weissen Mannes, sie vor jener zu schützen. Ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verlegenheiten . welche Langalibele, ein Kaffernhäuptling in Natal, den Engländern in neuester Zeit bereitete im Zusammenhange mit den unerquicklichen Vorgängen an der Goldküste stehen . Nachdem nun über das Gefecht von Elmina und die unglückliche Affaire bei Chamah nach England berichtet worden war, schien der Schreck den leitenden Persönlichkeiten in alle Glieder gefahren zu sein und man liess sich zu Maassregeln hinreissen, die sich bald als unausführbar herausstellten, wie beispielsweise der Bau einer Eisenbahn nach Kumassi, deren Materiale überstürzt verladen und nach der Goldküste spedirt wurde, wo es sich herausstellte, dass bei den bestehenden Verhältnissen und der Bodenbeschaffenheit des Landes die Anlage einer Eisenbahn zu den Unmöglichkeiten gehöre . Man schickte Sir Garnet Wolseley, einen äusserst tüchtigen und energischen Officier mit einem zahlreichen, auserlesenen Stabe nach dem Kriegsschauplatze, wollte sich aber die Absendung von Truppen ersparen, die es ihm doch allein ermöglichen konnten, die Aschantis zu Paaren zu treiben. 200 Jahre genügten England nicht, Land und Leute der Goldküste kennen zu lernen und trotz der bitteren Erfahrung, welche es zur Zeit des Gouverneurs M. Carthy gemacht, schien es noch immer zu glauben, sein Name in Verbindung mit der moralisehen. Unterstützung, welche es seinen Schützlingen angedeihen zu lassen, sich herbeiliess, würde hinreichen, die zahlreiche Invasionsarmee zu vernichten . General Wolseley kam bald zur Ueberzeugung, dass mit den Eingebornen absolut nichts auszurichten und ein entscheidender Schlag nur mit europäischen Truppen zu führen sei. Dies hebt er in seinen Berichten an das Kriegsministerium hervor und gibt seinem Unmuthe über die Situation, in welche er gebracht worden, 16*

allen

Der Krieg gegen die Aschantis .

216

beredten Ausdruck in den Worten : „ Meine Stellung ist einigermaassen demüthigend"! In diesen wenigen Worten liegt die schärfste Anklage gegen die leitenden Persönlichkeiten im Mutterlande und die Lage an der Goldküste ist damit besser charakterisirt als sie die weitläufigste Auseinandersetzung zu schildern vermöchte. Der mit allen Vollmachten ausgestattete Gouverneur und General einer Macht, welche sich auf ihre Weltherrschaft so viel zu Gute thut, ist wilden Negerstämmen gegenüber in Folge Mangels eine demüthigende Stellung gebracht.

an militärischen Kräften

in

Diese Klage Sir Garnet Wolseley's schliesst die Annahme aus, als habe man in England im Einverständnisse mit ihm die Absendung von Truppen von Woche zu Woche, von Monat zu Monat verschoben. So verzweifelt es aber auch um die englische Sache an der Goldküste

stand,

gestaltete sich doch die Lage im Verlaufe von drei

Monaten zu einer überraschend günstigen . Freilich ist dieser Umschwung weder der Umsicht des englischen Kriegsministeriums , noch auch der rastlosen Energie Wolseley's , noch der Bravour seiner Officiere und Mannschaften zuzuschreiben .

Die Scharmützel, welche in diesen drei

Monaten vorfielen, konnten die Aschantis , so gross auch ihr Verlust gewesen sein mochte, unmöglich allein bestimmen, das von ihnen seit einem Jahre occupirte Land plötzlich zu räumen und sich über den Prah zurückzuziehen .

Sagt doch General Wolseley selbst , er bemühe

sich den Fantis den Glauben beizubringen, dass er ihren Feind dem Lande treibe und ihn verfolge.

aus

Auch dem Mangel an Lebensmitteln, welcher sich in dem wenig producirenden , ausgesaugten Lande allerdings sehr fühlbar machen musste , ist der überstürzte ,

nach englischen Blättern einer wilden .

Flucht ähnliche Rückzug nicht zuzuschreiben . Die Thatsache des Rückzuges der Aschantis steht ausser Zweifel, aber die Motive sind unaufgeklärt.

Vielleicht steht die Flucht der-

selben mit dem Fetisch in innigerem Zusammenhange , als mit den englischen Waffen . Damit will aber durchaus nicht gesagt sein, dass General Wolseley und seine Officiere irgend ein Tadel treffen kann, im Gegentheile, wenn man die ausserordentlichen Schwierigkeiten des Kriegsschauplatzes und die verfügbaren Mittel in Betracht zieht, muss ihnen jetzt schon volle Anerkennung gezollt werden. Ein Erklärungsgrund des Rückzuges der Aschantis wäre auch, wenn anders man den englischen Journalen Glauben schenken darf, in folgendem Berichte gefunden . Allah , König von Akim , dessen Territorium nordwestlich von Accra liegt und sich bis an die Grenze des Aschanti-Reiches ausdehnt , hat sich der englischen Sache aufrichtig angeschlossen.

217

Der Krieg gegen die Aschantis. Die Akims waren ehemals Vasallen der Aschantis , aber vor einiger Zeit ihre Unabhängigkeit wieder .

erlangten

Nun erschienen

in den ersten Tagen des November vier Abgesandte des Königs der Aschantis bei Allah mit der Botschaft : „Der König , unser Herr, schickt uns mit der Meldung, dass er es nur mit den Fantis zu thun habe, und erwartet, dass Ihr euch in unseren Streit nicht menget." Allah überlegte eine Nacht , und liess am anderen Morgen die vier Boten zu sich kommen . Herolde sind in Afrika unglücklicher Weise keine geheiligten Personen , und so schlug der König zweien der Boten die Köpfe ab, schickte den dritten zum König der Aschantis zurück mit dem Bescheide , dass er ihn bis zum Tode bekriegen werde, und verfügte sich mit dem vierten in eigener Person zu Capitän Glover nach Accra. Hier schwor Allah auf sein Schwert, Glover mit seinem ganzen Stamme zu unterstützen , und ihm überall hin zu folgen. Da der König von Akim 20.000 Mann in das Feld zu stellen vermag , die Akims als kriegerisch geschildert werden , kann seine Allianz von dem günstigsten Resultate sein. Allah verlangt übrigens kein Geld . sondern nur Waffen und Munition. Interessant ist die Thatsache , dass dieser Häuptling schon im Dezember 1872 , als die Aschantis Miene machten, in den Krieg zu ziehen, den Engländern seine Mithilfe angeboten hatte. Hätte Oberst Harley ihre Hilfe nicht zurückgewiesen, wäre die Invasion der Aschantis überhaupt gar nicht möglich gewesen. Weiters weiss der Special-Correspondent des „ Standard “ zu melden, dass der König von Denkera ebenfalls seinen Stamm gegen die Aschantis aufzubieten versprochen habe , und da jener von Accra schon zu den Engländern stehe , dürften sich diesen drei Stämmen bald auch die Assins anschliessen. Es mag diese Ansicht eines Correspondenten

eine optimistische

sein, aber möglich ist es immerhin , dass die Haltung eines dieser Stämme Garnet Wolseley zu Statten kam. Die Befestigungen von Cape Coast Castle wurden zu Beginn des Monats November bedeutend verstärkt , indem ausser den Forts Na- . poleon, welches nach dem Gefechte von Elmina zwischen diesem und Cape Coast Castle begonnen wurde, Victoria und William, eine Reihe von Redouten auf den Höhen, welche Cape Coast im Kreise umgeben . aufgeführt wurden, so dass man diese Stellung den Aschantis gegenfiber als uneinnehmbar betrachten kann . Am 14. October brach eine Colonne, bestehend aus 29 Matrosen 20 Marine-Artilleristen , 129 Mann der Marine- Infanterie , 205 Mann des 2. westindischen Regiments ,

126 Houssas ,

10 bewaffneten Poli-

218

Der Krieg gegen die Aschantis.

zisten, 30 Zimmerleuten, 270 Trägern , einer 7pfündigen Haubitze und 1 Raketengeschütze unter Commando des Oberstlieutenants Wood und unter persönlicher Leitung des Generals Wolseley von Elmina auf und zerstörte die Orte Essaman, Amquana, Akimfu und Ampani. Ihre Zerstörung wurde beschlossen, weil sie von Detachements der Aschantis besetzt gewesen waren , und ihre Bewohner mit dem Feinde gemeinschaftliche Sache gemacht hatten. Die englischen Officiere konnten sich früher von Elmina nicht entfernen ,

ohne insultirt und

bedroht zu werden ; auch wusste man in Cape Coast Castle, dass die in Mampon lagernde Hauptmacht der Aschantis durch diese Ortschaften ihre Lebensmittel bezog . Die betreffenden Häuptlinge waren vorher aufgefordert worden, in Elmina zu

erscheinen ; aber aufgestachelt durch die Aschantis

gaben sie in verletzenden Ausdrücken einen abschlägigen Bescheid. Um die Dörfer zu überrumpeln und die Aschantis zu verhindern, Verstärkungen dahin zu schicken , liess Garnet Wolseley zwei Tage vor der beabsichtigten Expedition das Gerücht aussprengen, er werde aufbrechen.

Die

List gelang vollkommen ; denn alles berechtigte zur Annahme , der Feind völlig überrascht wurde .

in der Nacht des 13. in einer anderen Richtung

dass

Die Entfernung zwischen Mampon und Essaman ist zu gross, als dass die Aschantis nach dem letzteren Orte rechtzeitig hätten Verstärkungen schicken können . Am Abende des 13. October waren die Truppen auf den beiden Kriegsschiffen Decoy und Barracouta eingeschifft worden , und um 1 Uhr Morgens dampften die beiden Schiffe nach Elmina ab. Der ungeheueren Brandung wegen konnten die letzten Mannschaften erst um 5 Uhr ausgeschifft werden . Um 4 , Uhr war die Avandgarde, bestehend aus Houssas aufgebrochen , das Gros folgte um 5 Uhr. Nach einem mühseligen Marsche durch Sumpf und Busch stiess die Avantgarde um 74 Uhr unmittelbar vor dem Dorfe Essaman auf den Feind. Nach kurzem Gefechte wurde er in das Dorf geworfen, welches, nachdem es heftig beschossen worden war, schon um 8 Uhr in die Hände der Engländer fiel und auch sofort zerstört wurde. Eine grosse Menge Pulver, viele Gewehre und einige Aschanti-Trommeln wurden erbeutet. Dass das Gefecht ziemlich hitzig gewesen sein muss, erhellt aus den Verlusten der Engländer. Oberst M. Neill und Capitän Fremantle schwer, Capitän Forbes leicht verwundet ; von der Mannschaft 1 Mann todt, 22 verwundet : ausserdem wurden 3 Mann in Folge Sonnenstiches kampfunfähig .

Der Krieg gegen die Aschantis.

219

Um 10 Uhr brach die Colonne wieder auf und erreichte um 12 Uhr Amquana , stört wurde.

welches Dorf verlassen vorgefunden ,

ebenfalls zer-

Während man die Verwundeten unter Escorte von Eingebornen nach Elmina schaffte , und der grössere Theil der Marine- Infanterie, die Verbindung mit diesem Fort zu erhalten , in Amquana verblieb, setzte General Wolseley mit dem Reste der Eingebornen und einigen Freiwilligen der Marine- Infanterie den Marsch in westlicher Richtung fort, und liess alle disponiblen Matrosen und Marine-Infanteristen der Schiffe Decoy und Argus landen, und zu seiner Abtheilung stossen. Die beiden Orte Akimfu und Ampani, welche schon früher von den Kriegsschiffen bombardirt worden waren, wurden ebenfalls verlassen gefunden und vollends zerstört. Als der letztere Ort in Flammen stand, wurde auf Wolseley's Truppen gefeuert ; einige Raketen vertrieben jedoch den Feind . Die Truppen kehrten theils denselben Tag, theils den folgenden unbelästiget nach Elmina zurück. So unbedeutend auch diese Expedition gewesen , versprach sich Sir Garnet davon doch die günstigsten Erfolge. Die Ueberrumpelung des Feindes machte auf die Eingebornen einen grossen Eindruck ; denn was sie am meisten fürchten, ist eine rasche unerwartete That. Der Verlust ihres Verpflegsgebietes , auf welches sie sich bis dahin verlassen hatten, musste die Aschantis ernstlich beunruhigen und auf sie um so mehr wirken , als alle anderen Stämme längs der Küste nicht mehr den Muth haben konnten , sie mit Lebensmitteln zu versehen. Bis dahin hatten sich die Aschantis immer damit gebrüstet, dass, obwohl der weisse Mann ihnen im offenen Felde überlegen sei , er es doch nicht wagen könne , im Busche gegen sie zu kämpfen ; dieses Gefecht wurde aber ausschliesslich im Busche geführt und sie konnten den Engländern nicht Stand halten . Aus alledem zog Garnet Wolseley den Schluss , dass jene Stämme, welche bis dahin schwankend gewesen , sich den Engländern anschliessen, dass folglich die freundlich gesinnten Eingebornen einen bedeutenden Zuwachs an streitbaren Männern erhalten würden , und dass in dem Maasse , als sich der Geist der zu England stehenden Eingebornen besserte, das Selbstvertrauen der Aschantis schwinden müsste. Gleichzeitig überzeugte dieses Gefecht aber auch Garnet Wol-

seley, dass er sich selbst auf die besten Truppen der Eingebornen nicht verlassen könne. Die Houssas legten zwar viel Muth und Bravour an den Tag ; aber ihre unbezähmbare Wildheit, ihr blindes Darauflosfeuern in die Luft oder auf einen eingebildeten Feind im Busche lassen die Hoffnung, sie zu einer disciplinirten Truppe heranzubilden , nicht aufkommen .

220

Der Krieg gegen die Aschantis.

Um jene Zeit lagerte wie gesagt das Gros der Aschantis bei Mampon. Am 25. und 26. October lief im Hauptquartier die Meldung ein, dass diese Miene machten, ihr Lager abzubrechen und nach dem Prah zu marschiren. Recognoscirungs-Patrouillen, welche von Abrakrampa abgeschickt worden waren , hatten Spuren frischer Lager auf dem Wege von Mampon in der Richtung auf Dunquah gefunden, wodurch es augenscheinlich wurde, dass sich Detachements in jener Richtung bewegt hatten. Da man im Hinblicke auf die schmalen Pfade, auf welchen nur einzeln marschirt werden kann, nicht annehmen konnte, dass grössere Heereskörper des Feindes zur selben Zeit Dunquah schon erreicht hatten ,

beschloss Garnet Wolseley , die bei Dunquah eingetroffenen

Abtheilungen der Aschantis anzugreifen , rückenden zu verfolgen .

sowie die aus Mampon Ab-

Schon am 25. waren 50 Mann des zweiten westindischen Regimentes mit zwei 7pfündigen Geschützen gegen Dunquah in Marsch gesetzt worden. Am 26. wurde eine Recognoscirung von der Eingebornen-Besatzung des Fort Napoleon in der Richtung auf Mampon unternommen, welche jedoch ohne Resultat blieb. Auch von Abbaye war in derselben Richtung eine Abtheilung aufgebrochen ,

welche sich überzeugte,

dass in

Mampon Aschantis allerdings , jedoch in verhältnissmässig geringer Zahl lagerten. Oberstlieutenant Wood war am 26. bei Tagesanbruch mit seiner ganzen verfügbaren Mannschaft aufgebrochen, um die Recognoscirungs-Abtheilung von Abbaye zu unterstützen ; da sich jedoch die Aquafus, ein mit den Engländern verbündeter Stamm, hartnäckig weigerten, die Aschantis zu verfolgen, kehrte er nach Elmina zurück. Eine Abtheilung von 250 Matrosen und Marine-Infanteristen und 100 Eingebornen setzte sich von Cape Coast Castle nach Assaybu in Bewegung und bezog ein Lager an der Vereinigung der Wege nach Abrakrampa und Dunquah. Dieser Abtheilung schloss sich auch General Wolseley mit seinem Stabe an. Oberstlieutenant Festing rückte mit 12 Officieren und 701 Mann. darunter 40 Officiere und 615 Mann Eingeborne von Dunquah aus gegen das feindliche Lager. Er überraschte den Feind vollständig und drang in sein Lager ein. Die Aschantis flohen in den Busch, und eröffneten ein lebhaftes Feuer auf Festing's Detachement. Nachdem dieser das Lager zerstört und dem Feinde einen bedeutenden Verlust beigebracht hatte, zog er sich nach Dunquah zurück.

Mehr als Ueberredungskunst hatte auf-

221

Der Krieg gegen die Aschantis. geboten werden müssen , fechte theilzunehmen.

die Eingebornen zu bewegen ,

an dem Ge-

Festing selbst meldet über dieses Gefecht : „Auf unserem Marsche ging ein schweres Gewitter nieder , das uns alle bis auf die Haut durchnässte ; aber dem Geräusche des fallenden Regens und dem Rollen des Donners hatten wir es zu danken , Feinde verborgen blieb.

dass unsere Annährung dem

Dieser hatte ein Lager von bedeutender Ausdehnung in der Nähe des Ortes Escabio bezogen. Ein Gefangener, welcher auf dem Marsche eingebracht worden war, musste uns dahin führen, und wir waren so glücklich, den Feind zu überrumpeln, während er eben sein Mittagsmahl bereitete. Er floh so schnell als wir ihn angriffen in den Busch , worauf ich sofort eine 7pfündige Kanone und ein Raketengeschütz in Action brachte, und während einiger Stunden das lebhafteste Feuer unterhielt. Auf Seite der Engländer wurden in diesem Gefechte verwundet : Oberstlieutenant Festing , leicht , Capitän Godwin , schwer , Capitän Haynes, leicht, Unterlieutenant Filleter, leicht, Unterlieutenant Lang. leicht, 1 Stabs - Sergeant des 2. westindischen Regimentes, schwer, 4 Mann desselben Regimentes ; von den Eingebornen 1 Mann todt, 42 Mann verwundet, worunter auch der König von Anamaboes. Die Aschantis hatten das Feuer der Engländer bis zum Ende des Gefechtes auf das lebhafteste erwidert. Für den 28. October hatte Wolseley eine combinirte Vorrückung von Abrakrampa und Dunquah gegen jene Abtheilungen der Aschantis , welche an dem vorhergehenden Tage von Oberstlieutenant Festing angegriffen worden waren ,

beabsichtiget ,

stigsten Erfolg versprochen hatte.

wovon er sich den gün-

Er musste dieses Vorhaben jedoch

wegen der Unzuverlässigkeit der Eingebornen aufgeben .

Diese hatten

von Festing in der Nacht vom 27. auf den 28. den Befehl erhalten . bei Tagesanbruch marschbereit zu sein ; als aber die Zeit gekommen war, gebrauchten sie alle möglichen Ausflüchte, und konnten trotz der Anstrengungen der englischen Officiere nicht vermocht werden, zu marschiren. Garnet Wolseley aber, in der Voraussetzung , dass man in Dunquah seinem Befehle nachkommen würde , brach bei Tagesanbruch von Abrakrampa gegen Assantschi auf, indem er in ersterem Orte eine Besatzung von 50 Mann der Marine-Infanterie zurückliess.

Nachdem

er über 2 Stunden auf Nachrichten von Oberstlieutenant Festing vergebens gewartet hatte, kehrte er wieder nach Abrakrampa zurück . indem er in Assantschi Houssas zurückliess , welche die auf Vorposten

befindlichen Männer des Stammes Abrah aufnehmen sollten.

222

Der Krieg gegen die Aschantis.

Als diese Abrahs auf dem Wege von Escabio nach Dunquah auf einige Aschantis stiessen, rissen sie alle aus bis auf neun Mann und liessen den englischen Officier im Stiche. Am 30. war Mampon noch immer vom Feinde besetzt ,

seine

Hauptmacht hatte sich jedoch dem Fort Napoleon genähert. Eingebrachte Gefangene sagten wiederholt aus, dass es die Absicht der Aschantis sei ,

um jeden Preis Abrakrampa zu

nehmen.

Dieser Ort war aus mehr als einem Grunde eine der wichtigsten Positionen .

Der Häuptling des Stammes,

welcher dort seinen Sitz hat,

ist ein treuer Bundesgenosse der Engländer und ein grimmiger Feind der Aschantis . Seine Stammesangehörigen sind unerschrockene Leute und hatten den Aschantis viel Schaden zugefügt. Deshalb hatte auch Amanguah Tia einen gewaltigen Eid geschworen , zuge an ihnen Rache zu nehmen .

auf seinem Rück-

Sir Garnet Wolseley hatte Abra-

krampa, sowie mehrere andere Ortschaften auf dem Wege nach dem Prah schon früher verschanzen , verproviantiren , und den Busch um dieselben rasiren lassen , und schickte nun nach dem bedrohten Orte eine Verstärkung , so dass Major Baker Russell, der Commandant von Abrakrampa über 50 Matrosen und Marine-Infanteristen , 200 Mann seines eigenen Eingebornen-Regimentes,

80 Houssas und 300 Abrahs

verfügte , und mit einiger Ruhe den Ereignissen entgegensehen konnte. Aus alldem geht hervor, dass die Aschantis sich Ende October von den englischen Niederlassungen noch nicht sehr entfernt hatten , wenn auch ein Theil auf dem Rückzuge nach dem Prah thatsächlich begriffen war, dass ihr Muth noch ungebrochen war, sich an dem Kriege so viel als gar nicht betheiligten ,

dass die Fantis dass sich die

englischen Officiere, um die feigen Eingebornen anzufeuern , aufopferten, und dass das Gefecht bei Dunquah einer Niederlage sehr ähnlich sah . Und so ruft denn auch Sir Garnet Wolseley schmerzlich bewegt aus : „Meine Stellung ist eine demüthigende ! des- Feindes Hauptcolonne ist auf dem Rückzuge ; ich könnte sie in einem Tagemarsche von meinem Hauptquartier aus erreichen, aber ich habe keine Truppen, sie anzugreifen !" So sehr nun auch Sir Garnet Wolseley das Schmerzliche seiner Stellung fühlen mochte, musste ihn doch der Gedanke trösten , dass er das Mögliche geleistet hatte. Seine Unternehmungen waren alle auf das eine Ziel gerichtet, die europäischen Streitkräfte , ohne den retirirenden Aschantis in den Weg zu treten , so viel als möglich in den verschiedenen Richtungen zu entfalten . Dadurch hoffte er den Rückzug des Feindes zu beschleunigen , und die Fantis glauben zu machen, dass er ihn aus dem Lande treibe , er hoffte , ihnen durch

Der Krieg gegen die Aschantis .

223

diesen Glauben Muth einzuflössen , und sie zur allgemeinen Erhebung zu veranlassen . Am letzten October brachen endlich die Aschantis ihr Lager bei Mampon, welches für Elmina und Cape Coast Castle eine beständige Bedrohung gewesen war, ab. General Wolseley hebt seine Befriedigung über diese Thatsache in seinem officiellen Berichte ganz besonders hervor . Es musste denn doch die leitenden Persönlichkeiten in London ein der Scham sehr verwandtes Gefühl beschlichen haben, als sie den Bericht des tapferen , erprobten Generals durchlasen. Er spricht seine Befriedigung darüber aus, dass es den Aschantis ohne nachweisbaren Grund gefallen habe, von der Bedrohung der englischen Forts abzustehen. Drastischer kann die Sorglosigkeit einer Armeeleitung nicht beleuchtet werden. Nach dem Abzuge der Aschantis von Mampon erliess Garnet Wolseley folgende Proclamation : , Garnet Joseph Wolseley, General-Major, Commandant der Truppen Ihrer Majestät auf der Westküste Afrika's, Gouverneur der Forts und Niederlassungen der Goldküste, entbietet allen Königen, Häuptlingen und allen Stämmen der Goldküste, den Alliirten der Königin von England seinen Gruss. Es drängt mich, Euch mitzutheilen , dass Euere Feinde nach dem Angriffe auf Essaman und Ampini und nach der Zerstörung dieser Orte durch die englischen Truppen ihr Lager bei Mampon abgebrochen haben . Da sie einsahen, dass sie gegen uns weder in offenem Terrain noch im Busche zu kämpfen vermochten , sind sie nun auf vollem Rückzuge und bestrebt, ihr Land zu erreichen . Eine ihrer Colonnen wurde auf ihrem Rückzuge von uns bei Dunquah angegriffen und zerstreut. Auf ihrer Flucht führen sie Alles mit sich, was sie Euch gestohlen , die Weiber und Kinder, welche sie Euch geraubt haben . Männer der Goldküste ! könnt Ihr dies zulassen? Könnt Ihr die Stunden verrinnen lassen, während Euere Frauen , Eure Söhne, Euere Töchter von dem Feinde auf seiner Flucht erdrosselt werden ? Verfolgt Ihr ihn nicht? Jetzt oder nie ist der Augenblick gekommen zu zeigen, dass Ihr Männer seid. Was mich anlangt, werde ich Niemanden als Freund der Königin betrachten, der im Geringsten zaudert. Ihr habt nichts zu befürchten. Ich bin Herr der ganzen Strecke von hier bis Mansue, so dass der Feind Euch nicht anzugreifen vermag . Sammelt Euch in unseren Forts von Dunquah, Abrakrampa und Mansue. Niemand wird es wagen, sie anzugreifen . Marschirt von dort nach dem Prah und werft den Feind zurück, so oft er es versuchen sollte , den Fluss zu überschreiten . Wenn Ihr nun Beweise von Unerschrockenheit und Muth liefert, so ist die Niederlage des Feindes . sowie der Friede des Landes gesichert. "

224

Der Krieg gegen die Aschantis .

Kaum war das Lager bei Mampon von den Aschantis geräumt als Sir Garnet Wolseley einen Posten, bestehend aus Eingebornen von Cape Coast und Aquafu gegen Beulah vorschob und diesen Ort zu befestigen begann, um den Aschantis die Verbindung mit den westlichen Districten abzuschneiden . Am 3. November wurden starke Recognoszirungs - Abtheilungen von Eingebornen unter Führung englischer Officiere von Beulah, Abrakrampa und Dunquah ausgeschickt, von denen die Letztere allein ernstlich engagirt wurde. Wie bei allen vorhergegangenen Scharmützeln, benahmen sich die Eingebornen auch diesmal schmählich. Ganze Stämme liefen davon und keine Bemühung von Seite der vermögen, Stand zu halten.

englischen Officiere konnte

sie

Oberstlieutenant Festing, welcher den üblen Eindruck, den sein . letzter nicht ganz freiwilliger Rückzug nach verhältnissmässig grossem Verluste auf die Eingebornen unzweifelhaft gemacht haben musste . zu verwischen trachtete, rückte an demselben Tage von Dunquah in südwestlicher Richtung ab. Er stiess bald auf die feindlichen Vorposten, welche er vor sich hertrieb, bis er an dem Lager der Aschantis anlangte. Diese nahmen das Gefecht sofort an und hielten durch mehrere Stunden trotz des heftigsten Feuers muthig Stand. Nachdem das feindliche Feuer eingestellt worden war, zog sich Festing wie es scheint nicht ohne Unruhe, da er plötzlich in seinem Rücken Signale der Aschantis vernahm, nach Dunquah zurück. In seinem officiellen Berichte sagt Festing zum Schlusse : „ Ich muss die grosse Schwierigkeit - oder besser gesagt Unmöglichkeit, die Eingebornen in das Gefecht zu bringen, nochmals betonen ; sie bleiben zurück und verfeuern ihre Munition in die Luft. Zwei oder drei Stämme liefen en masse nach dem Lager zurück schon zu Beginn des Gefechtes. Alle Officiere benahmen sich bewunderungswürdig und blieben von allen nur drei unverwundet. " Auch in diesem Gefechte erlitten die Engländer tenden Verlust.

einen

bedeu-

Lieutenant Wilmot, welcher schon zu Beginn der Action verwundet worden war, jedoch mit derselben Unerschrockenheit seine Leute weiter befehligte, und ein Eingeborner todt. Verwundet Oberstlieutenant Festing schwer, Lieutenant Jones schwer, Lieutenant Patchet schwer, Stabsarzt Gore schwer, 1 Unterofficier und 10 Mann des 2. westindischen Regimentes schwer, 2 Mann leicht, 50 Eingeborne schwer, 1 Fanti-Polizist leicht. Nach der Aussage eines Aschanti, welcher am Morgen nach diesem Gefechte eingebracht wurde, soll auch der Verlust des in Action

Der Krieg gegen die Aschantis .

225

gekommenen Feindes ein sehr bedeutender gewesen sein . Thatsächlich brach er sein Lager ab und zog sich nach dem Prah zurück. Am 6. November erhielt Wolseley die Meldung, dass Abrakrampa von dem Gros der Aschantis angegriffen worden sei. Er liess sofort alle verfügbaren Matrosen und Marine- Infanteristen der vor Cape Coast Castle liegenden Kriegsschiffe landen, unterstellte die sämmtlichen dort befindlichen Mannschaften dem Capitain Fremantle und marschirte mit dieser Colonne, welche aus 75 Houssas, 96 Mann des zweiten westindischen Regimentes, 431 Eingebornen und 50 Matrosen und Marine-Infanteristen bestand , nach Assaybu . Uhr Nachmittag Abrakrampa war am 5. um 3

im Westen

angegriffen worden. Die Aschantis warfen die englischen Vorposten zurück und eröffneten das Feuer. Unter fürchterlichem Geheule und Geschrei machten sie wiederholt den Versuch, aus dem Busche vorzubrechen, wozu sie Major Russel durch ein äusserst schwaches Feuer absichtlich ermunterte, doch wagten sie sich nicht in das Freie. Um 5 Uhr liess ihr Feuer nach und Major Russel schickte einige Mann in die rechte Flanke des Feindes. Diese kehrten jedoch bald mit der Meldung zurück, dass die Aschantis in hellen Haufen, auf neuen von ihnen ausgehauenen Pfaden gegen Abrakrampa neuerdings vorrückten . Bald erfolgte ein wüthender Angriff, die Aschantis stürzten wiederholt aus dem Busche vor, wurden aber jedesmal zurückgeworfen . Um 11 Uhr Vormittag des 6. wurde der Ort wieder von drei Seiten gleichzeitig angegriffen, und den ganzen Tag ein wohlgenährtes Feuer unterhalten . Die kleine Besatzung hatte sich aber schon beinahe völlig verschossen und ihre Lage begann eine bedenkliche zu werden , als General Wolseley Uhr in Abrakrampa mit der Colonne des Capitains Fremantle um 6 eintraf. Durch diese Verstärkung war das Gefecht entschieden . Die Aschantis wagten keinen Angriff mehr, doch unterhielten sie noch bis 4 Uhr Morgens ein schwaches Feuer. Da Sir Garnet Wolseley am Morgen des 7. November sich die Ueberzeugung verschafft hatte, dass sich die Aschantis entmuthiget, wie ihm hinterbracht wurde , durch die grossen Verluste, welche sie bei dem Angriffe auf Abrakrampa erfahren hatten und durch den fühlbaren Mangel an Munition , in der Richtung auf den Busemprah zurückzogen, beorderte er alle Eingeborne, welche sich in Abrakrampa befanden , zu ihrer Verfolgung . Sie legten eine unbeschreibliche Feigheit an den Tag, beobachteten vorsichtig einen grossen Abstand von den Aschantis und erhoben ein betäubendes Geschrei. Dieses muss aber auf die Aschantis einen grossen Eindruck gemacht haben, denn sie beschleunigten ihren Rückzug und als etwa zwei Stunden später ein englischer Officier mit den verfügbaren Houssas zu ihrer Verfolgung abgeschickt, eine grosse Abtheilung

226

Der Krieg gegen die Aschantis.

Aschantis überrumpelte und in die Flucht schlug, fand er in den verlassenen Lagern noch die Kessel auf den Feuern und ausser den Waffen wohl ungefähr die ganze Bagage, welche sie mit sich geführt haben mochten . Die geheiligten Symbole des Generals en chef, viele Gegenstände aus seinem Privatbesitze, die Staatsstühle mehrerer Häuptlinge wurden aufgelesen und viele Sclaven , welche an den Füssen schwere Holzklötze befestigt hatten, befreit. Dieser glänzende Erfolg ist das Verdienst des Majors Russel , welcher den Platz gegen einen mindestens zwanzigfachen Feind durch 36 Stunden mit grosser Bravour gehalten hatte. Und der Verlust war ein ganz unbedeutender, da nur einige Eingeborne bei unvermeidlichen Ausfällen verwundet worden waren . Aus dem Zustande der feindlichen Lager und aus dem intensiven Leichengeruche schloss Wolseley auf die Grösse des Verlustes der Aschantis und ihre völlige Demoralisirung. Er trug sich mit der Hoffnung , ihre Armee würde in Folge des trostlosen Zustandes des Landes , welches durch den Feind schon auf seinem Vormarsche verwüstet worden war und durch die Unmöglichkeit Lebensmittel aufzutreiben, noch bevor sie den Prah erreichte, aufgerieben sein . Dabei rechnete er auch auf die Mitwirkung der Eingebornen, durch deren Länder sie ihren Rückzug zu nehmen hatte und welche von den Aschantis arg mitgenommen worden waren . Namentlich hatte er die Akims im Auge, zu welchen er schon einige. Tage früher den Capitain Butler geschickt hatte, um sie zur Erhebung zu veranlassen. Ob seine Erwartungen eingetroffen, lässt sich jetzt noch nicht angeben . Das Schicksal der englischen Waffen ist überhaupt von der Haltung der eingebornen Stämme, so wenig kriegerisch sie auch im Allgemeinen sein mögen, abhängig und zwar nicht nur jener südlich des Prah, sondern auch jener, deren Länder nördlich des Flusses an das Aschanti - Reich angrenzen . Es lässt sich voraussetzen, dass die Aschantis wegen ihres kriegerischen Geistes und der Eroberungszüge, auf welchen sie sich so viele Stämme zu unterwerfen verstanden, von ihren Nachbarn gefürchtet und gehasst seien . Wären sie nun genöthigt, sich nach empfindlichem Verluste in iar Land zurückzuziehen, so könnte ihren Nachbarn immerhin der Kamm schwellen und sie veranlassen, gegen die Aschantis die Waffen zu ergreifen. Träte dieser Fall ein, dann wäre den Engländern der vollständige Sieg allerdings leicht gemacht ; denn dann würde ja auch aller Wahrscheinlichkeit nach den jetzt so verzagten Fantis der gemeinsame Feind weniger fürchterlich erscheinen .

T

Der Krieg gegen die Aschantis.

227

Es ist aber auch der entgegengesetzte Fall denkbar, der nämlich, dass sich die angrenzenden Stämme, die Freundschaft der Aschantis zu gewinnen , sich mit diesen verbündeten und den Engländern , trotz ihrer Bravour trotz ihrer geistigen Ueberlegenheit und trotz der raffinirten Zerstörungsmittel der Neuzeit, eine totale Niederlage beibrächten ; denn Clima- und namentlich Terrainverhältnisse lassen eine grosse Machtentfaltung doch nicht zu. Man müsste aber vom Standpuncte des Cultur-Interesses der ganzen Menschheit aus das Aufgeben der englischen Niederlassungen an der Goldküste bedauern , da durch diesen Fall leicht sämmtliche Niederlassungen an den afrikanischen Küsten in Frage gestellt werden könnten. In jenen Ländern jagt die Fama wie Wildfeuer von Stamm zu Stamm und würde es den Aschantis gelingen, die Briten auf ihre Schiffe zu treiben , so wäre der Aufstände die ganze Küste entlang bis Natal jenseits des Caps der guten Hoffnung kein Ende. Diese Siedelungen aber sind die Träger der Civilisation in jenem barbarischen Welttheile und wenn auch den Wilden bis jetzt fast nur die Laster der civilisirten Welt eingeimpft wurden , muss mit der Zeit, wenn der Verkehr ein regerer geworden , endlich auch dort Aufklärung und Gesittung Verbreitung finden . Und so ist die Behauptung vielleicht nicht zu gewagt, dass England , wenn es auch in erster Linie im Interesse seines Handels Krieg führt, doch auch gleichzeitig für die Civilisation kämpft . Es muss ihm als ganz besonderes Verdienst angerechnet werden , dass es Afrika der Cultur eröffnet hat und in Folge seines Auftretens die Sclavenausfuhr von Küstenstrichen, welche jenen des halben Europa gleichkommen, schon fast zur Mythe geworden ist . Nach dem Gefechte bei Abrakrampa musste General Wolseley den Mangel an europäischen Truppen am schmerzlichsten fühlen ; denn wäre es ihm möglich gewesen, die erschütterten Aschantis mit Energie zu verfolgen, würde er in die Lage gekommen sein , ihnen einen entscheidenden Schlag beizubringen , welcher vielleicht noch diesseits des Prah dem Kriege ein Ende gemacht hätte. In seiner Lage aber blieb ihm nichts anderes übrig, als jeden Zusammenstoss mit dem Feinde bis zum Eintreffen der Verstärkungen aus dem Mutterlande zu vermeiden, um seine arg zusammengeschmolzenen Truppen zu schonen. Und so untersagte er auch jedes nicht durch gewichtige Gründe gebotene Scharmützel. Trotzdem kam es am 27. November noch zu einem Zusammenstosse, der für die Engländer ungünstig endete. Aus einem Privatschreiben, datirt Sutah den 29. November, geht hervor, dass Oberst Wood den Befehl erhalten hatte, bis an den Prah vorzurücken. Mit 60 Houssas, 60 Kossas, 30 Mann des zweiten westindischen Regimentes und einigen Eingebornen brach er am Morgen

228

Der Krieg gegen die Aschantis .

des 27. aus seinem Lager auf, und erreichte Faïsu, ohne auf den Feind gestossen zu sein. Der nächste Ort ist Faisorah. Als sich die Avantgarde, bestehend aus Houssas, diesem Orte auf 500 Yards genähert hatte, wurde sie plötzlich beschossen. Es entwickelte sich ein ziemlich lebhaftes Feuer, welches an Intensität zunahm, als Oberst Wood über Faisorah hinaus dem in den Busch retirirenden Feinde folgte . Als sich Wood's Mannschaft schon fast verschossen hatte Reservemunition war keine mitgenommen worden

erging der Befehl zum Rückzuge . Nachdem sich die Colonne ungefähr eine halbe englische Meile weit in Ordnung zurückgezogen hatte, wurde sie von den sie verfolgenden Aschantis nicht nur im Rücken , sondern auch in beiden Flanken beschossen. Das Feuer wurde kräftigst erwiedert ; die Houssas aber fingen plötzlich zu laufen an und 200 Yards weit glich der Rückzug einer Flucht. Der Briefsteller, ein Officier, sagt : „ Ich wurde eine lange Strecke in dem Gedränge getragen , ohne dass meine Füsse den Boden erreichen konnten. " Der Feind eröffnete sodann das Feuer neuerdings, die Colonne hielt, um es zu erwidern . Dies wiederholte sich bis zur einbrechenden Dunkelheit, um welche Zeit die Aschantis endlich von der Verfolgung abstanden. Die Mannschaft hatte ihre Tornister, die Träger hatten ihr Gepäcke abgeworfen. 2000 Stück Patronen waren auf englischer Seite verfeuert worden . Da der Busch so dicht war, dass ein Mann den andern nicht sehen konnte, war der Verlust auf Seite der Engländer wenigstens kein bedeutender, da nur 1 Houssa getödtet und deren 11 verwundet wurden. Nach dem Gefechte scheint bei den Aschantis, aus bis jetzt unaufgeklärten Gründen , die Stimmung wieder matt geworden zu sein . Ihr Rückzug, der bis dahin im grossen Ganzen stetig genug gewesen war, artete zur Flucht aus . Verwundete und Kranke sowie Lager-Geräthe, kurz Alles, was die Beschleunigung des Zuges hindern konnte, wurde zurückgelassen und in der Nacht vom 29. auf den 30. November überschritt die Invasions -Armee der Aschantis bei Fackelschein wieder den Prah auf der Rückkehr in die Heimat. Letztere Operation war, wie berichtet wird , keineswegs leicht, da nicht allzuviele Boote zur Verfügung standen und der Prah an jener Stelle ein breiter Fluss ist.

Die Aschantis sprangen in

ihrer

Panik haufenweise in das Wasser und suchten schwimmend das jenseitige Uter zu erreichen . Man meldete, dass über 300 von ihnen bei diesem Versuche ihr Leben einbüssten . Diejenigen, welche glücklich das andere Ufer gewonnen hatten, eilten unaufhaltsam weiter und eine Abtheilung eingeborner Verbündeter der Engländer unter dem bekannten Reisenden und Schriftsteller Capitain Butler wurde beim Uebergange über den Fluss und bei einer Recognoscirung auf dem von den Aschantis eingeschlagenen Wege in keiner Weise behelliget.

229

Der Krieg gegen die Aschantis.

Am 30. November erliess Wolseley folgende Proclamation : „ Nach den Gesetzen und Gebräuchen des Landes ist Jedermann zu dessen Vertheidigung verpflichtet. Ich ordne daher an, dass Jeder der thatsächlich noch nicht im Dienste steht, sich sofort zur Verfügung stelle . Wer sich ohne stichhältigen Grund dem Dienste entzieht, wird arretirt und zur Arbeit gezwungen, ohne dass er irgend eine Gebühr erhält. Wer immer sich eines Subordinationsvergehens schuldig macht, verfällt der körperlichen Züchtigung." Demnach scheint der frühere Aufruf an die Unerschrockenheit und Tapferkeit der Fantis nicht viel gefruchtet zu haben. Während nun Sir Garnet bis zum Eintreffen der Verstärkungen allen militärischen Operationen entsagen musste , wurden alle jene Maassregeln ausgeführt, welche den zu erwartenden Truppen den ungehinderten Marsch nach dem Prah ermöglichen, gleichzeitig aber auch die Verbindung mit der Küste sichern sollten . Alle wichtigen Puncte in dem vom Feinde geräumten Lande wurden verschanzt, Vorrathsmagazine angelegt und Lager errichtet. Statt Leinwandzelten wurden für Officiere nnd Mannschaft Hütten aus Bambus, luftig und bequem, erbaut. Auch Lazarethe wurden improvisirt. An der Strasse nach dem Prah wird eifrig gearbeitet ; Gewässer werden überbrückt. Den Aussagen des Capitain Crease zu Folge, welcher bei den Wegearbeiten in der Richtung nach dem Prah thätig gewesen. und als krank nach Madeira gebracht worden war, waren Anstalten getroffen, die Strasse nach jenem Flusse bis

zum 28. December zu

vollenden. Längs des ganzen Weges an der Küste bis zum Flusse , eine Strecke von ungefähr 80 englischen Meilen, waren in Zwischenräumen von 7-12 Meilen Lager hergerichtet worden und der Marsch bis

an den Prah

soll von den europäischen

Truppen in 8 Tagen

zurückgelegt werden. Die Expedition wird in Detachements von etwa 400

Mann vorgeschoben.

Inzwischen sind die

einzelnen

bestens mit Vorräthen aller Art ausgerüstet ; die letzte,

Stationen welche in

der Nähe des Prah in Faisu gelegen ist, hat ein Magazin, in welchem bei 3.000.000 Patronen angehäuft sind . Nachdem die Nachricht im Haupt - Quartiere eingelangt war,

dass

die Aschantis den Prah überschritten

hatten,

brach

General

Wolseley mit 500 Matrosen und Marine - Soldaten von Cape Coast Castle auf, um das Land bis zu jenem Flusse zu recognosciren , hauptsächlich aber die Marschlinie und den Uebergang über den Prah zu sichern und eine hinreichende Macht zur Stelle zu haben, welche die weiteren Wegearbeiten selbst gegen grosse Schaaren des Feindes zu vertheidigen im Stande wäre. Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

17

Der Krieg gegen die Aschantis .

230

Mittlerweile waren die drei für den Kriegsschauplatz bestimmten Bataillone

das zweite Bataillon der Schützen - Brigade,

das

zweite

Bataillon des 23. Infanterie-Regimentes und das 42. Regiment (ein Bataillon) in Cape Coast Castle eingetroffen . So sehr sich auch General Wolseley früher nach ihnen gesehnt hatte, kamen sie nun, da das ganze Land bis zum Prah vom Feinde geräumt war, zu spät, als dass sie von augenblicklichem Nutzen hätten sein können. Im Hinblicke auf das gefährliche Clima liess er daher nur die Mannschaften des Ingenieur- Corps landen, um diese bei den Befestigungen und dem Strassenbaue zu verwenden, während die drei Bataillone auf den Schiffen blieben,

welche bis zum Beginne der

Operationen im Lande der Aschantis selbst, vor der Goldküste kreuzen sollten. Der Marsch auf Kumassi ist zur unabweisbaren Nothwendigkeit geworden . Im englischen Hauptquartiere schlägt man die Entfernung Kumassi's vom Prah auf etwa 65 englische Meilen an . Am 15. Jänner sollte die ganze Streitmacht an jenem Flusse concentrirt sein , und noch an demselben Tage der Einmarsch in das Reich der Aschantis beginnen. Man schmeichelte sich im Haupt- Quartiere mit der Hoffnung am 2. oder 3. Februar in Kumassi einzutreffen . Gelingt Sir Garnet Wolseley die Einnahme der Hauptstadt der Aschantis,

dann hat

er

die Hoffnungen glänzend gerechtfertiget, welche man in England in seine Befähigung setzte. Mit den eingetroffenen Verstärkungen verfügt General Wolseley über ungefähr 3000 Mann europäischer und westindischer Truppen . Je mehr er sich aber von der Küste entfernt, desto mehr verringert sich seine verlässliche Streitmacht, da er denn doch nicht gut die auf dem Wege nach dem Prah angelegten Verschanzungen und Proviantmagazine den Eingebornen anvertrauen kann . Auf dem jenseitigen Ufer des Prah soll ein grosses Fort erbaut werden, auf welches Wolseley seine weiteren Operationen in Feindes Land selbst stützen will. Man muss also annehmen , dass er mit dem Ueberschreiten jenes Flusses um ein Drittel seiner Streitkräfte geschwächt wird . Es bleiben . ihm daher 2000 Mann. Den Eingebornen aber, welche sich schon in ihrem eigenen Lande so unverlässlich gezeigt hatten,

wird

er um

so weniger trauen können, je weiter sie sich von ihrem heimatlichen Boden entfernen . Allerdings bleibt noch die von Capitain Glover in Accra angeworbene Streitmacht, welche auf 1200 Mann geschätzt wird , in Betracht zu ziehen . Wenn man nun auch diese 1200 Mann als völlig verlässlich in Anschlag bringt (die oben erwähnte Parteinahme der

231

Der Krieg gegen die Aschantis.

Akims zu Gunsten Englands bedarf noch der Bestätigung), so würde sich die Gesammtstärke der Truppen Wolseley's, auf die er sich unter allen Umständen verlassen kann, auf rund 3000 Mann belaufen. Von der bedeutenden Krankenquote ist dabei aber ganz abgesehen. Andererseits werden die Aschantis in dem langen Zeitraume , welcher zwischen dem letzten Gefechte vom 27. November und dem nächsten Zusammenstosse , der vor Ende Januar nicht zu erwarten ist, wieder Muth fassen , Verstärkungen an sich ziehen und aller Wahrscheinlichkeit nach jeden Zoll ihres Landes dem Eindringlinge streitig machen. Die Kette der Andansie-Hügel muss von den Engländern ,

da

sie einmal Cape Coast Castle als Operations-Basis gewählt, auf dem Marsche nach Kumassi überschritten werden, und da ist es, wo der Krieg entgiltig entschieden werden wird . Kanonen stehen den Aschantis allerdings nicht zu Gebote, aber sie haben vollauf Zeit, diese von Natur aus starke Stellung zu verstärken , wobei ihnen vielleicht die Erfahrungen , welche sie in den jüngsten Gefechten zu machen Gelegenheit gehabt hatten, kommen werden .

zu Gute

Gelingt es Wolseley diese Stellung zu forciren, dann liegt Kumassi offen vor ihm und der Feind dürfte so sehr erschüttert und demoralisirt sein, dass er nur mehr einen geringen Widerstand zu leisten im Stande sein wird. Nimmt man aber den Fall an (und der liegt doch nicht ausser dem Bereiche der Möglichkeit, zumal wenn sich das Gerücht bestätiget, dass sich der König von Dahomey mit den Aschant's verbündet habe) , dass Wolseley gezwungen wird , den Rückzug anzutreten , dann würde ihn auf dem langen Wege nach Cape Coast Castle , mit dem Prah im Rücken, dasselbe Schicksal ereilen , welches dem Expeditions-Corps des Gouverneurs M. Carthy zu Theil geworden . Es hat den Anschein , als ob Capitain Glover, der nach den ursprünglichen Bestimmungen, nach Aushebung und Organisirung einer kleinen Armee, von dem Flusse Volta aus selbstständig in der Flanke der Aschantis hätte operiren sollen, nachdem diese Expedition aufgegeben werden musste, enttäuscht und verstimmt wäre. Er hatte gehofft, Kumassi mit seinen ihm blind ergebenen Houssas vor der Colonne Sir Garnet Wolseley's zu erreichen und diesen dort bei seinem Einzuge mit militärischen Ehren empfangen zu können ; von London aus kam aber plötzlich die Weisung, dass er sich den Befehlen Wolseley's zu unterstellen habe. Dem aus dem Hauptquartiere ergangenen Befehle gemäss hat er mit der Haupt-Colonne gleichzeitig an dem Prah einzutreffen und sich im Vereine mit dieser an den weiteren Operationen zu betheiligen.

17*

Der Krieg gegen die Aschantis.

232

Sir Garnet Wolseley erliess zur Unterweisung der ihm unterstellten Truppen einen Tagesbefehl, der in mancher Hinsicht interessant. ist. Nachdem er vor Allem hervorgehoben, dass das Clima im Inneren des Landes viel gesunder sei ,

als an der Küste, zergliedert

er die

Pflichten der Officiere in Bezug auf Nahrung und sanitäre Pflege der Truppen. Indem er diesen die Versicherung gibt, dass die Operationen nur wenige Wochen dauern werden, sagt er, dass der Kriegsschauplatz ein grosser Wald von ungeheueren Bäumen sein werde, mit bald mehr, bald weniger dichtem Unterholze. An einigen Stellen werden die Abtheilungen in aufgelöster Ordnung vorrücken können, an anderen wieder werden sie das Säbelbajonnet gebrauchen müssen , um sich einen Weg zu bahnen. Jedes Gefecht wird in

zerstreuter Ordnung geführt ,

die

Kettenglieder je nach Umständen auf einem Abstande von 2-4 Schritten. Sind die Truppen in dieser Weise im Busche engagirt,

wird

es den

Bataillons- ja selbst Compagnie-Commandanten schwer sein , ihre unterstehenden Abtheilungen zu überwachen.

Aus diesem Grunde

nothwendig , dass die taktische Einheit so klein als möglich

ist es sei ; es

sind daher die Compagnien sofort in vier Sectionen zu theilen, deren jede von einem Officier oder Unterofficier zu commandiren ist.

Diese

Theilung ist während des ganzen Krieges beizubehalten. Im Busche fechten, ist einem Gefechte bei Zwielicht ähnlich. Kein Mann sieht mehr als höchstens zwei Kettenglieder zu seiner Rechten und Linken . Ein hoher Grad von Standhaftigkeit und Selbstvertrauen jedes einzelnen Individuums ist daher die erste Bedingung des Erfolges . Die Aschantis beobachten immer dieselbe Taktik.

Sie schicken

in die Flanken ihres Gegners lange dünne Schützenlinien und hoffen ihn so zu demoralisiren. Jeder Soldat muss dessen stets eingedenk sein, dass er mit seinem Hinterlader wenigstens 20 Aschantis gewachsen ist, welche , elend bewaffnet wie sie es sind, mit alten Steinschlossgewehren (?) Posten und Steine laden, die auf mehr als 40 bis 50 Yards nicht tödtlich verwunden. Unsere Feinde, fährt General Wolseley fort, besitzen weder Kanonen noch Raketen und haben vor unseren Geschützen eine abergläubische Scheu . Ist eine Position genommen , ist sie um jeden Preis zu halten . In Kriegen dieser Art darf es zu einem Rückzuge nicht kommen . Kein Dorf oder Lager ist in Brand zu stecken, ausser auf ausdrücklichen Befehl ; Officiere und Soldaten werden an die Gefahr erinnert, welche ein vorzeitig in Brand gesteckter Ort mit sich bringen muss. Plünderung und unnütze Verwüstung des Eigenthums ist strenge untersagt und bleiben die Officiere dafür verantwortlich, dass, wenn

233

Der Krieg gegen die Aschantis.

Dorf besetzt oder ein Lager bezogen werden, die Mannschaften zusammen

und von Plünderung abgehalten werden .

Die Wichtigkeit der freundlichen Behandlung der mit den Engländern Verbündeten, welche als Träger verwendet werden, wird besonders betont, da die Truppen, wenn die Träger schlecht behandelt werden , Gefahr laufen, ohne Nahrung und Munition zu bleiben. Jeder halte sich immer gegenwärtig, dass die Vorsehung in das Herz der Eingebornen Afrika's eine abergläubische Furcht

vor dem

weissen Manne gepflanzt hat, welche es dem Neger unmöglich macht, sich ihm im Nahkampfe entgegenzustellen . Muthiges Vordringen oder ein Angriff, wenn auch von kleinen Abtheilungen aber mit Entschlossenheit ausgeführt, sind immer von dem Rückzuge des Feindes gefolgt. Obschon die Aschantis auf grössere Entfernungen , wenn auch in heftigem Feuer, tapfer genug erscheinen wegen ihrer Gewohnheit zu schreien und zu singen und die Trommel zu rühren, um die Feinde ihrer Farbe in Schreck zu setzen, mit welchen zu kämpfen sie gewohnt sind, werden sie gegen den weissen Mann nimmer Stand halten. Englische Soldaten und Matrosen, schliesst der Befehl, sind gewohnt, gegen ungeheuere Ueberlegenheit in allen Theilen der Welt zu kämpfen. Es ist überflüssig sie daran zu erinnern, dass, wenn sie sich in unseren Kämpfen jenseits Wilden auch von allen Seiten

des Prah von Horden

umringt sehen

sollten,

sie

heulender sich auf

ihren alten britischen Muth und auf ihre Disciplin verlassen müssen und auf den Muth ihrer Cameraden. „ Soldaten und Matrosen, erinnert euch, dass der Neger euch abergläubisch fürchtet.

Seid

kalt, feuert

tief, feuert langsam und trefft sicher und je zahlreicher euer Feind um so grösser wird der Verlust sein, welchen Ihr ihm beibringen werdet und um so grösser die Ehre, ihn besiegt zu haben.

Anfangs Januar 1874.

J. D.

Das russische Wehrgesetz.

Einleitung. Mit dem jüngst erflossenen russischen Wehrgesetze ist die Militärpflicht nun in allen bedeutenden Staaten Europas allgemein geworden . Nur die Art und Weise, wie diese Pflicht zur Ausübung gelangt, variirt zwischen dem Milizysteme mit kurzem Präsenz-Dienste und der mehrjährigen, tüchtigen Schulung im stehenden Heere. Die meisten Staaten trachten aus finanziellen, national-öconomischen und anderen Gründen die verschiedenen Systeme zu verschmelzen , indem ein Theil der Wehrpflichtigen im stehenden Heere herangebildet wird, während der grössere Theil durch kurze Uebungen einen oberflächlichen militärischen Anstrich erhält. Zweck der folgenden Darlegungen kann es nicht sein, alle Wehrsysteme zu schildern und zu prüfen, nachdem jedoch das vorliegende Gesetz gewissermaassen den Schluss -Stein der diesfälligen Sammlung bildet, bezüglich seines umfassenden, allen Anforderungen entsprechenden Inhaltes mit Recht ein mustergiltiges Werk genannt werden kann, so sei es gestattet, dasselbe eingehender zu betrachten. Vor Allem muss hervorgehoben werden, dass Russland gleich Deutschland, weniger Werth auf die Masse , als auf die Ausbildung legt. Bei der Grösse des Reiches, bei der ungeheuren Bevölkerung war es den Russen nicht möglich, alle Wehrpflichtigen an der Schule des stehendes Heeres theilnehmen zu lassen, wie dies in Deutschland fast ausnahmslos der Fall ist und wie es Frankreich vergeblich anstrebt . Indem der Ueberschuss an Wehrfähigen zur Reichswehr verpflichtet wird, repräsentirt doch nur das stehende Heer und die aus selbem hervorgegangene Reserve die eigentliche Streitmacht des nordischen Reiches, deren Ersatzreserve erst von den 4 jüngsten Altersclassen der Reichswehr gebildet werden soll . Russland misstraut, gleich Deutschland , jeder Halbheit und vermeidet es, die Operations - Armee mit Abtheilungen zu vermengen , denen in Folge mangelhafter Ausbildung keine Kraft inne wohnt. Diese Kraft kann nur durch eine sorgsame, längere militärische Erziehung entwickelt werden, selbst wenn die moralischen und phisischen Anlagen hiezu bereits vorhanden wären . Ist letzteres aber nicht der Fall, wie zumeist anzunehmen, so muss die Kraft geweckt und dann erst herangebildet werden, was um so länger dauert. Ohne nach diesen Andeutungen des Weiteren die Unzulänglichkeit einer oberflächlichen militärischen Ausbildung, die sich eigentlich nur auf Beibringung weniger manueler Fertigkeiten beschränkt, zu erörtern, kehren wir zum russischen Gesetze zurück: Dasselbe zeugt erneuert von dem milden, gerechten Sinne des Kaisers .

Das russische Wehrgesetz .

235

In sorgsamer, wohldurchdachter Weise wird die kriegerische Machtentfaltung des Reiches mit den national-öconomischen Forderungen in Einklang gebracht. Die Bande der Familie werden nicht nur geschont, sondern fester geknüpft, die wahre Bildung wird gefördert, neue Triebfedern werden ihr eröffnet ; allen Eigenthümlichkeiten des Ortes, der Nationalität, den verschiedenen Culten und Gebräuchen wird gebührend Rechnung getragen. Die einzelnen Bestimmungen machen uns vielfach mit den Institutionen und Eigenthümlichkeiten des weiten, fremden Reiches bekannt. Ohne die Kriegsmacht zu schädigen, wird gewissermaassen betont, dass die Bodencultur und der Seehandel möglichst geschont und gepflegt werden müsse ; diesem Principe ist durch das Gesetz völlig Rechnung getragen . Anhänger starrer Gesetzesformen mögen zwar die zahlreichen Ausnahmsbestimmungen beanständen, wir aber sind der Ansicht, dass es bei einem, in alle Verhältnisse so einschneidenden Gesetze nicht bei einzelnen Paragraphen verbleiben kann. Durch mannigfache, oft sogar minutiöse Bestimmungen, durch das öffentliche Verfahren bei der Assentirung, und fast zu liberale Beschwerderecht wird der Standpunct der Regierung, gleich jenem des Individuums gewahrt. In Hinsicht auf den Schluss-Satz des folgenden Manifestes, muss das Gesetz als eine ganz freisinnige Institution, als ein wesentlicher erneuter Fortschritt Russlands bezeichnet werden . Das Manifest. In einem Manifeste, welches die Nothwendigkeit betont, aus Rechtlichkeitsund Klugheits-Gründen nicht nur die niederen Stände zur Wehrpflicht heranzuziehen, sondern Hoch und Nieder, Gebildet und Ungebildet daran Theil nehmen zu lassen, spricht Kaiser Alexander der II. folgende schöne Worte : " Wir suchen nicht den Glanz des Kriegsruhmes und schätzen es als schönstes Los der göttlichen Vorsehung, Russland auf dem Wege des Friedens und innerer Entwicklung zur Grösse zu führen . Die Organisation einer grossen Militärmacht wird diese Entwicklung nicht verzögern, sie wird ihren Fortschritt vielmehr gewährleisten, indem sie das Reich schützt und jeden Angriff auf die Ruhe abwendet. Mögen aber Jene , denen durch ihre Bildung Vorrechte zu Theil wurden , ein neues Mittel zur Verbreitung wahrer Aufklärung in Unserem Volke werden , da Wir nur in selber das Pfand seines künftigen Wohles erblicken. " Das Edict . Das dem Manifeste beigeschlossene Edict an den dirigirenden Senat bestimmt : Dass das Statut allgemeine Giltigkeit habe, mit Ausnahme der besonders verpflichteten Kosaken-Bevölkerung und einiger kaukasischer, sibirischer und asiatischer Bezirke, in denen bisher die Bevölkerung meist ganz vom Dienste befreit war . Es hebt die Kopfsteuer befreiter Stämme auf, und gewährt die Begünstigung der Befreiung (mit den bei der Ansiedlung vorhandenen Söhnen) . a) lebenslänglich : 1. den Russniaken ; 2. den im Jahre 1861 auf gutsherrlichen Boden, als russische Unterthanen angesiedelten Emigranten ; 3. den angesiedelten Tschechen, welche sich in den süd -westlichen Provinzen niederliessen ; 4. den bis zum 1. Jänner 1872 in Polen angesiedelten Fremden ,

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Das russische Wehrgesetz .

die russische Unterthanen wurden , und endlich 5. russischen Unterthanen , die sich auf Staatsländereien in Nähe der Festung Novogeorgiewsk niedergelassen haben. b) Auf 20 Jahre vom Zeitpunct der Uebersiedlung : den Mennoniten, die sich auf gutsherrlichen Gründen ansiedelten und russische Unterthanen wurden. c) Auf 6 Jahre allen anderen Mennoniten . Die Kleinbürger von Wladikavkas, Anapa, Novorossinsk und Temrjuk sind bis 1880 befreit. d) Von den Familien Jener, welche im letzten polnischen Aufstande ihrer Treue zum Opfer fielen, sind drei Mitglieder befreit, und zwar zunächst die Söhne des Verstorbenen, dann die Enkel . Endlich werden in diesem Edicte alle jene Bestimmungen getroffen, welche der Uebergang zur neuen Gesetzesform erheischt. Das Gesetz.

Das Gesetz selbst theilt sich in folgende 14 Capitel : I. Capitel. Allgemeine Bestimmungen. Es erinnert vor Allem den Russen, welch' immer Standes, an die erhabene Pflicht der Vaterlands -Vertheidigung, verbietet den Loskauf, und gestattet die Auswanderung, ohne Vollstreckung der Wehrpflicht, nur vor dem fünfzehnten Lebensjahre . Es theilt die bewaffnete Macht in das stehende Heer und die Reichswehr. Das stehende Heer wird : a ) durch die Jahres-Contingente , b) durch Reservisten, c) durch das Kosaken-Heer, und d) durch Truppen fremder Stämme. gebildet. Die Seemacht besteht aus : a ) activen Commandeu, b) der Flottenreserve . Das Jabres - Recruten - Contingent wird jährlich normirt, und entscheidet für den Eintritt das Los. Zur Losung wird nur jene Altersclasse berufen, welche am 1. Jänner das 20. Lebensjahr vollstreckt hat. Jene, welche das Los zum Eintritt in das stehende Heer nicht trifft, werden in die Reichswehr eingereiht. Der Standes- oder bürgerlichen Rechte verlustige Personen (gemeine Verbrecher) werden zum Militärdienste nicht zugelassen. Personen von höherer Bildung geniessen besonders dann Begünstigungen in Vollstreckung der activen Wehrpflicht, wenn sie als Freiwillige eintreten . Die Assentirungen finden in den letzten Monaten jeden Jahres statt . Zur Flotten-Ergänzung sind eigene Gebiete bestimmt, aus denen ein allfälliger Ueberschuss an Wehrpflichtigen in die Landarmee eingetheilt wird. Zum Seedienst werden überdies : Matrosen und andere, der Schiffahrt kundige oder dienstbare Personen herangezogen, wie : Maschinisten, Heizer, Schiffszimmerleute, Kesselschmiede u. s . w.

II. Capitel. Dienstzeit im stehenden Heere und in der Reserve. Die Dienstzeit der Gelosten beträgt 15 Jahre, und zwar 6 Jahre activ, 9 Jahre in der Reserve. Jene, welche in den turkestanschen, transbaikalschen und Amur-Gebieten etc. dienen, unterliegen, in billiger Berücksichtigung der

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Dienstes-Anstrengungen, einer nur 9jährigen Wehrpflicht, und zwar 7 Jahre activ, 2 Jahre in der Reserve. In der Flotte dauert die Wehrpflicht 10 Jahre, und zwar 7 activ, 3 in der Reserve. Die Dienstzeit beginnt mit 1. des dem Eintritte folgenden Monates bei freiwilligem Eintritte, sonst am 1. Jänner . Im Kriege ist die Dienstpflicht nicht normal, sie hängt vom Bedarfe ab. Der Kriegs-, respective Marineminister kann den activen Dienst verkürzen, so dass Versetzungen in die Reserve vor dem 6., respective 7. activen Dienstjahre stattfinden können, auch Beurlaubungen während des activen Dienstes bis zu einem Jahre sind gestattet. Für die Flotte sind betreff Versetzung in die Reserve besondere Bestimmungen maassgebend , wie z. B. , dass selbe erst nach Beendigung der Uebungsfahrten stattfinden sollen, und dass Marine- Soldaten, welche über ihre active Dienst- oder sogar über die Wehrpflicht rückbehalten werden, besondere Begünstigungen, in letzterem Falle sogar doppelte Gebühren geniessen. Ist das Heer auf den Kriegstand zu setzen , so werden die Reservisten vom Kaiser einberufen, sonst dürfen sie während der Reservepflicht höchsteus zweimal, und zwar nicht über 6 Wochen zu Waffenübungen einberufen werden. Von dieser Einberufung sind Staatsdiener und andere besonders bezeichnete Personen befreit.

III. Capitel. Rechte und Pflichten activer Militärs. Das Gesetz bedingt, unter Wahrung aller Standes- und anderen Rechte, gewisse Beschränkungen in Ausübung dieser Rechte ; es regelt die Steuerpflichtigkeit, indem persönliche Leistungen, so ferne sie nicht am unbeweglichen Eigenthume lasten, aufgehoben werden. Die Befreiung von der Kopfsteuer und jedweder Natural-Leistung geniessen Reservisten stets ein volles Jahr nach Austritt aus dem activen Dienste. Den Reservisten bleibt das Anrecht auf das allenfalls vor der Einberufung bekleidete Staatsamt . Nichterscheinen zum activen Dienste, Vergehen wider die Disciplin oder Standesehre, Vergehen oder Verbrechen während Concentrirungen unterliegen den Militär-Gerichten.

IV. Capitel. Versorgung invalider Soldaten , sowie der Soldaten - Familien. Soldaten, welche sich ein Gebrechen, das die Invalidität bedingt, nicht im Dienste zugezogen, werden mit Certificat entlassen und aus den Listen gestrichen. Erwerbsunfähige, mittellose Soldaten, welche durch den Dienst invalid wurden, erhalten vom Staate monatlich 3 Rubel. Bedürfen sie besonderer Pflege, so werden sie in Humanitäts-Anstalten oder bei vertrauenswürdigen Personen unterbracht, letztere erhalten hiefür höchstens 6 Rubel monatlich. Die Familien der vor dem Feinde gebliebenen, vermissten oder ihren Wunden erlegenen Soldaten werden vom Staate versorgt. Die Familien der zum activen Dienste berufenen Reservisten und Landwehrmänner werden von den Landschaften oder Gemeinden versorgt, wozu der Staat im Nothfalle einen Beitrag leistet.

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V. Capitel . Die Reichswehr. Alle wehrfähigen, nicht in das stehende Heer eigereihten Männer bilden von der Einberufungs- Altersclasse (20. Lebensjahr) bis zum 40. Lebensjahre die Reichswehr und heissen Landwehrmänner. Als solche sind sie in 2 Classen getheilt. In die 1. Classe gehören die 4 jüngsten Altersclassen, welche nicht nur zur Formirung von Reichswehrkörpern, sondern auch zur Ergänzung des stehenden Heeres dienen, falls die Reserve erschöpft wäre. In die 2. Classe gehören alle anderen Altersclassen und sind dieselben nur für Reichswehrkörper bestimmt. Nach Beendigung des Krieges und im Falle der Entbehrlichkeit, auch früher wird die Reichswehr, welche nur durch Se. Majestät dem Kaiser einberufen werden kann, entlassen.

VI. Capitel . Ausnahmsbestimmungen in Vollstreckung des Militär - Dienstes. A) Befreiung wegen Untauglichkeit Personen, deren Körpergrösse unter 1 : 533 Meter (58 2 Wiener Zoll) oder solche, welche schwächlich oder kränklich sind, werden zeitlich und falls sie nach der 3. Vorstellung ( in der 3. Altersclasse) noch untauglich wären, gänzlich vom Dienste befreit. B) Befreiung wegen Familien-Verhältnissen . Diesfalls bestehen 3 Classen. Zur 1. Classe zählt : der einzige erwerbsfähige Sohn (Enkel) erwerbsunfähiger (Gross-) Eltern, der Bruder verwaister, erwerbsunfähiger Geschwister, das einzige Kind der Familie, selbst wenn der Vater erwerbsfähig ist. Zur 2. Classe zählt : der einzige, erwerbsfähige Sohn erwerbsfähiger Eltern , deren übrige Kinder unter 18 Jahre alt sind . Zur 3. Classe gehören jene Personen, die im Alter unmittelbar einem Bruder folgen, der in activem Dienste steht oder in selben gestorben ist. (Sind eigene Kinder nicht vorhanden, so zählen Pflege- oder Stiefkinder als eigene . - Zu den Erwerbsfähigen einer Familie zählen alle Personen vom 18. bis 55. Lebensjahre, ausgenommen Krüppel oder mit chronischen Krankheiten Behaftete, dann jene, welche mehr als 3 Jahre unbekannten Orts abwesend sind, endlich die Soldaten activen Standes .) Diese Befreiten werden nur dann genommen, wenn das Recrutencontingent nicht aufgebracht werden könnte . Befreite Personen der 1. und 2. Classe, welche die Unterstützung der Erwerbsunfähigen unterlassen, verlieren das Befreiungsrecht. Tritt in einer Familie ein Verhältniss ein, welches die Befreiung begründet, so können vom ältesten Familiengliede active Soldaten reclamirt werden [ausgenommen zur Zeit der Waffenübungen oder eines Krieges ]. Kommen in einem Jahre 2 Brüder gleichzeitig zur Losung und trifft beide das Los zum Eintritte, so wird der mit der höheren Losnummer in die Reichswehr eingetheilt, doch können sie die Lose tauschen . Brüder und Vetter können ebenfalls als Ersatz für einander in das stehende Heer eintreten, wenn der Ersatzmann zwischen 20 und 26 Jahre alt und weder zum stehenden Heere noch zur Reserve verpflichtet ist. Der Ersetzte tritt dann in die Reichswehr, wogegen der Ersatzmann die ganze Wehrflicht für seinen Verwandten zu vollstrecken hat.

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C) Fristerstreckungen in Folge von Besitz -Verhältnissen. Zur Ordnung wirthschaftlicher Verhältnisse können Besitzer eines grösseren unbeweglichen Vermögens, die Leiter von industriellen und HandelsEtablissements (ausgenommen den Verschleiss oder die Erzeugung von Spirituosen) einen Aufschub zum Antritt des activen Dienstes bis zu zwei Jahren erhalten . D) Fristerstreckungen mit Bezug auf die wissenschaftliche Bildung ') werden den verschiedenen Studierenden der höheren Lehranstalten, wie der Universitäten, Seminare, Kunst -Akademien etc. gewährt, und zwar bis zum 22., 24., 25. oder 27. Lebensjahre, je nach den Fortschritten des Studierenden und dem Lehrstoffe. mindestens 2 Monate vor der Die Begünstigten haben sich jedoch Losung -- als Freiwillige zu melden. Sie werden hienach von der Losung befreit und treten in Genuss der Fristerstreckung . Nach Absolvirung eines Seminärs oder einer geistlichen Akademie entbindet die Priesterwürde von der Wehrpflicht vollkommen. Die Begünstigung verkürzter Dienstzeit ist folgender Art : 1. Absolvirte Universisäts-Hörer (oder von gleichgestellten Anstalten) dienen 6 Monate activ, 14 Jahre, 6 Monate in der Reserve. 2. Absolvirte Gymnasial- oder Realschüler, oder denselben gleichgestellte Eleven stehen 1 Jahr und 6 Monate im Präsenzdienste, 13 Jahre, 6 Monate in der Reserve . 3. Absolvirte Zöglinge von minderen Anstalten dienen 3 Jahre activ, 12 Jahre in der Reserve. 4. Absolvirte Elementarschüler dienen 4 Jahre activ, in der Reserve 11 Jahre, in der Flotte, in Turkestan, am stillen Ocean, Amur etc. 6 Jahre activ, 4 Jahre in der Reserve. Die Begünstigung einer verkürzten Dienstzeit involvirt die Kenntniss der russischen Sprache . Von den und 1jährig Freiwilligen dürfen nur Aerzte, Pharmaceuten etc. in unstreitbare Commanden " eingetheilt werden, alle Anderen sind, falls sie nicht ganz phisisch tauglich wären, gänzlich zu befreien. Den , und 1jährig Freiwilligen ist der Eintritt in das Heer, zu welch' immer Zeit und in die selbst gewählte Abtheilung gestattet. Letzteres mit Rücksicht auf die für die betreffende Abtheilung vom Kriegsministerium normirte Zahl. Freiwillige, welche in den Marinegebieten zuständig sind, können mit Ausnahme absolvirter Navigations-Schüler- ohne ihre Einwilligung zur Marine nicht assentirt werden. Treten sie in die Marine, so dienen sie 3 Jahre präsent, 7 in der Reserve. Geprüfte Schiffscapitäne überhaupt und Steuerleute (langer Fahrt) dienen in der Flotte 2 Jahre präsent, 8 Jahre in der Reserve. Steuerleute der CabotageFahrzeuge 3 Jahre präsent und 7 Jahre in der Reserve. 5. Befreiungen in Folge Standes und Beschäftigung : 1) Ein dem Wehrgesetze beiliegendes Verzeichniss aller russischen BildungsAnstalten zeigt, dass bisher Ausserordentliches zur Hebung der Intelligenz geschehen ist, dass Russland mit Lehranstalten für alle Zweige der Wissenschaften, Künste und technischen Fertigkeiten reich dotirt ist und mit vollstem Rechte ein Cultur-Staat genannt werden muss.

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Das russische Wehrgesetz. Vollkommen befreit sind : 1. Die Geistlichen aller christlichen Confessionen.

2. Die rechtgläubigen Psalmsänger (Art Cantor), welche ein Seminar absolvirten. (Diejenigen, welche binnen 6 Jahren den Kirchendienst verlassen, haben ihrer Wehrpflicht mit der ihrem Bildungsgrad zukommenden Begünstigung abzudienen.) In Friedenszeiten sind vom Präsenzdienst befreit und bleiben 15 Jahre in der Reserve : 1. Aerzte, Veterinäre und Pharmaceuten, falls sie nicht in Militärschulen herangebildet wurden. 2. Künstler, welche mit Staats- Stipendien betheilt, zur höheren Ausbildung im Auslande reisen . 3. Lehrer obligater Gegenstände an Staatsschulen. (Lehrer von Navigationsschulen sind durch 10 Jahre zur Marine-Reserve verpflichtet. ) Die Begünstigten haben durch 6 Jahre ihre Berechtigung zur Ausnahme nachzuweisen . Treten sie aus dem begünstigten Stande, so verlieren sie die Befreiung vom activen Dienste . Capitäne, Steuerleute, Schiffsmechaniker grosser russischer SeehandelsSchiffe, dann Lootsen und deren Schüler werden im Frieden auf 10 Jahre in die Marine-Reserve eingereiht. Zur Förderung des Seehandels wird Matrosen, Maschinisten, welche auf russischen Schiffen Seereisen unternehmen, die Präsenzzeit um 1 bis 2 Jahre verkürzt. Auch werden denselben Fristerstreckungen zur Einhaltung der Contracte zugestanden, wobei die Zeit des Aufschubes in so ferne der Reservezeit eingerechnet wird, als 2 Jahre Schiffsdienst bei Privaten für 1 Jahr Reserve zählen. VII. Capitel. Die Stellungs - Districte . Kreisbezirke oder Theile derselben, Städte mit mehr als 10.000 männlichen Bewohnern bilden einen Assent-District. Ein solcher District umfasst bei gemischter oder rein ländlicher Bevölkerung 8-12.000 männliche Seelen, bei rein städtischer 5-40.000. Städte mit mehr als 40.000 männlichen Seelen werden in mehrere Districte getheilt. Für die Kosaken, asiatischer, sibirischer u. dgl . Gebiete, ist betreff Bildung der Districte die locale, politische Eintheilung maassgebend, und sind im Gesetze die eingehendsten Bestimmungen getroffen. In jedem Districte wird ein Einberufungs- (Assent- ) Ort bestimmt, welcher vom entlegensten Orte des Districtes nicht über 50 Werst (circa 7 Meilen) entfernt sein darf. Die Vorschläge zur Bildung der Districte erstatten die politischen Behörden. Die Eintheilung im Assent-Districte, und jeweilige Aenderungen werden vom Ministerium veröffentlicht .

VIII. Capitel . Assent- Commissionen. Die Gouvernements -Assent-Commissionen (2. Instanz) bestehen unter Vorsitz des Gouverneurs aus : einem Vertreter des Adels und der Landschaft , dem

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Militär-Chef der Provinz und dem Procurator des Bezirksgerichtes oder den entsprechenden Stellvertretern. Den localen Verhältnissen entsprechend, treten natürlich Aenderungen in dieser Zusammensetzung ein. Die Kreis- oder Bezirks- städtischen Assent-Commissionen bestehen unter Vorsitz des Adels -Vorstandes des Kreises aus : 1 Officier, dem Kreis - Hauptmann (Jsprawnik) und einem Mitgliede der Landschaft (in Städten : der Stadtverwaltung) , dann 1 auf 3 Jahre gewählter Bewohner (Vertrauensmann) des AssentDistrictes. In einzelnen Provinzen erleidet die Zusammensetzung dieser Commissionen eine den localen Verhältnissen entsprechende Aenderung. Die Kreis -Commission functionirt in den Districten des Kreises . In 13 grösseren, besonders bezeichneten Städten fungiren eigene städtische Stellungs-Commissionen unter Vorsitz des Stadtoberhauptes. In Warschau wird zur Commission auch ein Polizeibeamter beigezogen. Die Gouvernements- Assent-Commissionen überwachen die vorschriftsgemasse Assentirung in den Districten der Provinz, sie repartiren das Contingent an die Districte, überprüfen die Assentpflichtigen, untersuchen die über die Kreis- oder städtischen Commissionen einlaufenden Beschwerden, prüfen die Assentirungs-Resultate, welche sie zusammenstellen, und legen diese, sowie Beschwerden den höheren Stellen vor. Die Kreis-, Bezirks- und städtischen Commissionen functioniren in den ihnen zugewiesenen Districten, verfassen die Particular-Einberufungs- Listen, prüfen diese Listen, berichten über die in ihren Districten befindlichen Stellungspflichtigen, berufen die Dienstpflichtigen an den Assentplatz, bestimmen deren allfällige Rechte, eruiren die phisische Tauglichkeit, nehmen die Recruten auf und berichten über das Ergebniss der Assentirung. Jeder Assent-Commission ist 1 Civil- und 1 Militär-Arzt beigegeben (deren Stimme nur eine berathende ist) . Die Geschäftsordnung der Assent-Commissionen wird durch besondere Instructionen geregelt. Die gesammte Correspondenz (zwischen Behörden und Personen) ist in Assentirungs-Angelegenheiten stempelfrei.

IX. Capitel. Verfassung der Einberufungs - Listen. Für die Zuständigkeit zu einem Assent-Districte entscheidet vorwiegend das Steuer- Register und die Volkszählung, sonst auch der Wohnort der Eltern oder die Lage des unbeweglichen Besitzes. Jeder Wehrpflichtige meldet sich unter Vorweisung seiner Geburtsdocumente bei der Assent- Commission, nach zurückgelegtem 16. Lebensjahre und keinesfalls später als bis 31. December des Jahres, in welchem er das 20. Lebensjahr vollendete. Die betreffende Commission hat diese Anmeldung unter Anführung der Generalien zu bestätigen, hiebei kömmt auch zu bemerken, welche Bildung der Anmeldende genossen oder in welcher Lehranstalt er sich befindet. Im Falle der Eheschliessung oder der Bewerbung um ein öffentliches Amt hat der Angemeldete diese Bestätigung vorzuweisen . Für Polen bestehen diesfalls Ausnahms-Bestimmungen. Zur Einberufung der Assentpflichtigen werden mit Jahresbeginn Einberufungslisten verfasst, in welche alle Personen aufgenommen werden, die im Vorjahre das 20. Lebensjahr erreichten. ausgenommen die Freiwilligen.

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Diese Listen enthalten den Aufenthaltsort des Berufenen und dessen allfällige Befreiungstitel . Als Grundlage dieser Listen dienen die Matrikel- Auszüge, die Steuerlisten und die Vormerkungen über die persönlichen Anmeldungen. Die Matrikel-Auszüge werden nur bei den Juden (wo Fälschungen häufig) von den Civilbehörden, sonst von der Geistlichkeit, und zwar spätestens am 15. November vorgelegt, sie enthalten alle jene Männer, deren Altersclasse eben dienstpflichtig wird. Kann ein Individuum zwar nicht durch Geburtsdocumente, wohl aber auf andere Weise glaubwürdig nachweisen, dass es nicht älter als 19 Jahre ist, so wird ihm die Anmeldungs- Bestätigung erfolgt, sonst aber erhält der Betreffende nur eine zeitliche Bescheinigung ohne Angabe des Alters und wird dies letztere von den Assent-Commissionen nur nach dem äusseren Anschein bestimmt. Bei Differenzen in der Altersangabe zwischen den Geburtsdocumenten, Matriken-Auszügen und Steuer- Registern, sind diese letzteren und die MatrikenAuszüge von Christen maassgebend. Zweifel gegen die Richtigkeit der Documente können nicht nur von Behörden, sondern auch von Privatpersonen erhoben werden, in diesem letzteren Falle erfolgt ebenfalls die Altersbestimmung nach dem äusseren Anscheine . Ueber die Altersbestimmungen führen die Assent- Commissionen besondere Vormerkungen. Die Particular-Einberufungslisten müssen bis 1. April verfasst sein , worauf sie bei den Stellungs-Commissionen und Gemeinden 2 Wochen hindurch aufliegen und in den ländlichen Versammlungen (Dorfgemeinden) verlesen werden. Reclamationen sind 2 Wochen vor Einsendung der Einberufungslisten vorzubringen, und sind hiernach die Particularlisten durch Beilage eines eigenen Protocolles zu rectificiren . Den Wehrpflichtigen steht es frei, sich dort, wo sie im Steuer-Register eingetragen sind, oder wo ihr Besitz sich befindet, oder endlich wo sie die letzten 3 Monate domicilirten, assentiren zu lassen, sie müssen aber die Aenderung der politischen Behörde oder den beiderseitigen Assent-Commissionen anzeigen und ist die Versetzung in einen anderen Assent- District in der AnmeldungsBestätigung zu bemerken. Bewerber um Fristerstreckung unter dem Titel der Ausbildung haben der Assent-Commission die Fortsetzung der Studien mittelst Zeugnisses der betreffenden Anstalt nachzuweisen, hiebei hat der Bittsteller sich zu erklären, ob er seiner Militärpflicht nach der Los-Entscheidung oder als Freiwilliger nachkommen will. Gesuche von Seeleuten um Aufschub der Dienstzeit wegen eingegangener Verbindlichkeiten müssen unter Beilage der - mindestens legalisirten - Contracte eingebracht werden. Alle Nachweisungen, welche Fristerstreckungs- oder Befreiungstitel begründen, müssen 2 Monate vor der Assentirung eingebracht werden .

X. Capitel. Einberufung und Aufnahme zum Dienst. Die Assent-Commissionen prüfen vor Allem die Particular-EinberufungsListen und merken jene vor, welche Ausnahmen beanspruchen können. Hierauf ordnen sie die Listen districtweise, machen 3 Verzeichnisse und zwar : a) für

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Jene, welche ohne Los eingereiht werden ; b ) für Jene, welche ihr Los bereits gezogen, aber Aufschub erhalten haben ; c) für Freiwillige oder die sich hiezu anmeldeten, und berichten die Summe der zur Losung wirklich Einberufenen im Instanzen-Wege dem Ministerium . Nach Erhalt dieser Berichte vertheilt das Kriegsministerium das ganze Jahres-Contingent an die Provinzen, welch letztere die Contingente wieder den Districten anrepartiren.. Die von den Gouvernements- (Provinz- ) Assent-Commissionen vorgenommene Repartition an die Districte werden in der LocalPresse verlautbart. Vom Erscheinen an dem für jeden District bekannt gegebenen Assent-Tage sind befreit : a ) die Priester christlicher Confessionen und die Psalmisten ; b) die Studierenden und Seeleute, denen Fristerstreckungen zugestanden sind ; c) Gefährlich Kranke, welche dies nachweisen können, und zwar mittelst obrigkeitlichen Zeugnisses (ärztliches Zeugniss allein genügt nicht). Die Assent-Commission eröffnet ihre Thätigkeit mit den Altersbestimmungen, und haben hiebei alle Mitglieder anwesend zu sein . Bei Meinungsverschiedenheit entscheidet die Gouvernements- Commission. Nachdem die Assent-Commission die Einberufungs -Listen controlirt und möglichst richtig gestellt hat, werden dieselben mit lauter Stimme verlesen , wobei angegeben wird, wer befreit wurde und aus welchem Grunde . Jedermann kann wider die Einberufungs-Listen Einwendungen machen, welche wenn begründet - von der Commission zu berücksichtigen sind. Hiernach erfolgt die Losung, vor welcher die mit der Anzahl Einberufener correspondirenden Billets vom Vorsitzenden besonders markirt werden . Jeder Vorgerufene zieht das Los selbst, für Abwesende ziehen Verwandte oder der Vorsitzende der . Commission. Die gezogene Nummer wird von einem Commissions- Mitgliede laut ausgerufen und in der Einberufungs-Liste angemerkt, gleichzeitig wird der Name des Berufenen im Los-Verzeichnisse bei der Nummer eingetragen. Das Los selbst wird dem, der es gezogen, eingehändigt . Die Losziehung soll an einem Tage beendet sein ; ist dies nicht möglich, so muss der Rest der Lose wohl versiegelt und bewacht, dann aber auch controlirt werden . Nach der Losung erfolgt die ärztliche Untersuchung der Berufenen. Zeugnisse von im Staatsdienste befindlichen Aerzten befreien von dieser Untersuchung. Kann das Contingent des Districtes durch Heranziehung der Gelosten nicht gedeckt werden, so werden vorerst die Befreiten (aus Familien - Rücksichten) 3. Classe, dann jene 2., endlich jene 1. Classe herangezogen. Fallsüchtige oder Andere, deren angebliche Krankheit nicht erkannt werden kann, werden den Spitälern zur Beobachtung übergeben Die Commission muss sich dem Ausspruche des Arztes nicht unterordnen . Einwendungen sind im Commissions-Protokoll zu bemerken und können die Gouvernements-Commissionen diese, sowie jeden anderen Einberufenen einer Ueberprüfung unterziehen. Die an die Stelle unbefugt abwesender, in Untersuchung, Beobachtung und dgl. befindlicher Individuen Assentirten werden in die Reichswehr eingereiht, so bald Jene, an deren Stelle sie genommen wurden, eingetreten sind. Die tauglichen Einberufenen, welche zur Completirung des Contingentes nöthig sind, werden sogleich in die Assent-Register eingetragen, die Befreiten 1. Classe jedoch nur dann, wenn dies Allerhöchst angeordnet wird . In das Assent-Register sind alle zur Verfassung der Dienstliste erforderlichen Daten einzutragen.

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Nach Beendigung der Assentirung für das stehende Heer reiht die Commission alle Wehrpflichtigen, welche anscheinend Waffen zu tragen vermögen, in die Reichswehr ein. Die Kreis-Commission schliesst ihre Thätigkeit mit der Beeidigung der in das stehende Heer Eingereihten . Auf höhere Anordung werden die Assentirten zeitlich wieder entlassen und wird ihnen Ort und Zeit bekannt gegeben, wo und wann sie sich zu versammeln haben. Individuen, deren Glaube den Eid verbietet, werden desselben enthoben, was im Assent-Register bemerkt wird. Mennoniten, welche nicht erst eingewandert oder zu diesem Bekenntnisse übergetreten sind, werden nur in „ nicht streitbare " Dienste genommen (Spitäler, Anstalten) und sind vom Tragen der Waffen enthoben. Wenn eine im Einberufungsalter stehende Person sich absichtlich der Losung entzieht, nicht meldet, so wird sie, wenn tauglich, ohne Losziehung in das stehende Heer eingereiht. (Siehe a) am Eingange des Capitels. ) Trifft solche Individuen an dem Versäumniss keine Schuld, so tritt die Separat-Losung ein. In diesem Falle wird die Nummerzahl der ganzen Districts -Altersclasse genommen, und Derjenige in das stehende Heer gereiht, welcher eine Nummer zieht, die niedriger oder gleich jener ist, mit welcher die Assentirung für das stehende Heer geschlossen ward . Jeder, der an der Losziehung theilnahm, in das stehende Heer aber nicht eingereiht wurde, erhält ein Zeugniss.

XI. Capitel. Auslagen der Assentirung , Aufnahme in die Armee. Auf Rechnung des Aerars fallen alle Reise-, Quartier- und Diäten - Auslagen der Aerzte und Officiere, die ärztlichen Utensilien, die Kanzlei-Auslagen , für welch' letztere im Allgemeinen 1 Rubel für den Neuassentirten gerechnet wird. Die übrigen Auslagen werden von der Landschaft bestritten, nur die Miethe, Beleuchtung u. dgl . fällt dem Gouvernement zur Last, ausgenommen in Polen, wo alle Auslagen von der Krone bestritten werden . Die Assentirten sind verpflichtet, ordentlich bekleidet und beschuht zu erscheinen, und verpflegen sich bis zum Dienstantritte selbst .

XII. Capitel . Die Freiwilligen. Die Freiwilligen dürfen nicht unter 17 Jahre zählen ; wenn minderjährig, müssen sie die Bewilligung zum Eintritte haben ; sie sollen physisch geeignet sein und den erforderlichen Bildungsgrad nachweisen können. Gerichtlich Beanständeten ist der Freiwilligendienst nicht gestattet . Die Freiwilligen werden nach ihrem Bildungsgrade in 3 Kategorien getheilt und zwar dienen jene der Bildungs -Anstalten ersten Ranges 3, jene des zweiten Ranges 6 Monate, und jene, welche nur die Freiwilligen -Prüfung ablegten, 2 Jahre. Nach Abdienung dieser Termine kann der Freiwillige activ bleiben oder in die Reserve treten, für welche er 9 Jahre verpflichtet ist . Freiwillige können immer, aber nur unter die „ Streitbaren " aufgenommen werden. Die Wahl der Abtheilung steht dem Freiwilligen frei, doch darf die normirte Anzahl derselben nicht überschritten werden .

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In Kriegszeiten treten die Freiwilligen vornehmlich in die Local-Truppen . (Feldscheerer können als solche freiwillig dienen). Auf eigene Kosten dienen alle Freiwilligen der Garde und Cavalerie alle übrigen nur dann, wenn sie es wünschen . Die auf eigene Kosten Dienenden können Privatquartiere benützen, werden aber casernirt, wenn sie der Beaufsichtigung bedürftig erkannt werden . Die Freiwilligen treten als Mannschaft ein und verrichten deren Dienst mit den ihnen zugestandenen Begünstigungen, sie erhalten zum Unterschiede von der übrigen Mannschaft schwarz- orangene Börtchen an den Achselklappen. Nach Ablegung der normirten Prüfungen und Ermessen der Behörden können Freiwillige der 1. Kategorie nach 2 Monaten, jene der 2. nach 6 Monaten und die der 3. nach einem Jahre zum Unterofficiere, und nach weiteren 3, respective 6 Monaten und nach 3 Jahren zum Officier befördert werden , doch darf hiezu Niemand ernannt werden, der nicht mindestens eine Lagerübung mitmachte. Die wirklichen Rechte des Officiers werden Freiwilligen aber erst dann zuerkannt, wenn sie drei volle Jahre in der Truppe als Officiere gedient haben. Die Zöglinge der Militär-Bildungsanstalten werden im Allgemeinen den Freiwilligen gleich gehalten, die Lehrzeit zählt ihnen als Dienstzeit, sie müssen jedoch für jedes in der Anstalt verbrachte Jahr, 1 Jahr präsent dienen. Für die Marine- Freiwilligen gelten ähnliche Bestimmungen, wie für jene des Landheeres, und kömmt nur zu bemerken, dass jene, welche nach 2jähriger Dienstzeit die Officiers- Prüfung nicht bestehen, als Unterofficiere in die Reserve des Landheeres versetzt werden.

XIII. Capitel. Beschwerden bezüglich der Militär - Dienstpflicht. Wider die Wirksamkeit der Assentirungs-Organe können Beschwerden mündlich oder schriftlich vorgebracht werden, in ersterem Falle kömmt hierüber ein Protocoll aufzunehmen . Der Empfang der Beschwerde ist auf Verlangen zu bestätigen. Die Beschwerden sind genauestens, und zwar wenn nöthig an Ort und Stelle zu untersuchen und binnen 2 Wochen zu erledigen. Persönliche Beschwerden über Altersbestimmung oder Dienstuntauglichkeit sind von den Gouvernements- Assent-Commissionen selbst zu prüfen . Ueber Beschwerden dritter Personen wird aber nur dann eine eigene Untersuchung eingeleitet, wenn die Gouvernements- Commission es für nöthig hält . Sieben Tage nach Fällung der Entscheidung muss der Beschwerdeführer vom Resultate der Beschwerde verständigt werden. Ueber die Entschei lungen der Gouvernements-Commissionen ist ein Recurs nicht gestattet. Nur bezüglich ungerechter Befreiungen und unrechtmässig erkannter Tauglichkeit können innerhalb zwei Monaten Beschwerden an den dirigirenden Senat gerichtet werden, dem von jener Commission, welche die Entscheidung fällte, binnen 6 Tagen aufklärender Bericht zu erstatten ist. XIV. Capitel. Strafen für Verletzung des Wehrgesetzes .. Personen, welche es absichtlich unterlassen, vor Vollendung ihres 20. Lebensjahres sich in die Einberufungslisten eintragen zu lassen, verfallen in eine Geldstrafe von 100 Rubel. 18 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1871 .

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Jene, welche absichtlich die Losung ihrer Altersclasse versäumen, untereiner Freiheitsstrafe von 2-4 Monate. liegen - wenn sie untauglich sind Solche, welche das Los zur Einreihung in das Heer bestimmte, und die sich der ärztlichen Visitirung absichtlich entzogen haben, werden mit 3 Monaten Arrest bestraft . Diejenigen, welche durchfalsche Angaben über Krankheiten zu täuschen suchten, werden von der Militärbehörde im Disciplinar-Wege bestraft. Die zum Eintritte in das Heer Bestimmten, welche aus eigener Schuld den Eintrittstermin nicht einhalten , werden in ähnlicher Weise bestraft. Sind Dienstpflicht- Erleichterungen oder gar Befreiungen durch betrügerische Handlungen erreicht, so wird der Uebertreter mit 4-6 Monate Einzelnhaft bestraft. Gleichen Strafen unterliegen Selbstverstümmler und alle Jene, welche zur Gesetzverletzung Vorschub leisten . Auf Personen, die sich der Militärpflicht entziehen, findet die Verjährung keine Anwendung.

Schlussfolgerung. Nach dem vorstehenden Gesetze ist man zur Annahme berechtigt, dass Russland mit Rücksicht auf jene Bevölkerungszahl, welche der allgemeinen Wehrpflicht unterliegt (72 Millionen), nun etwa 5 Millionen wehrfähige Männer entbieten kann. Das nordische Reich gibt sich jedoch keineswegs Träumen hin, wie sie eben Frankreich nährt, welches mit der Zeit 2'2 Millionen Menschen unter die Waffen zu rufen hofft. Factisch gedenkt Russland mit dem neuen Wehrgesetze die Masse des stehenden Heeres nicht wesentlich zu vermehren. Durch Herabsetzung der Präsenz -Dienstzeit auf 6 Jahre wird es aber möglich, das jährliche RecrutenContingent zu erhöhen und somit eine grössere Zahl Wehrfähiger einer tūchtigen militärischen Schulung zuzuführen . Nach Mittheilung des 19 Russischen Invaliden " soll das Jahres- Contingent auf circa 140.000 Recruten festgesetzt werden . Hiernach verbleibt die Friedens - Präsenz- Stärke , wie bisher mit circa 780.000 Mann , rechnet man zu selber die 9 Jahrgänge Reservisten mit 800.000 Mann und die irreguläre Armee ( Kosaken) mit 150.000 Mann, so verbleiben für die Feld-Armee etwa 1,700.000 Mann, von denen mindestens 3 4 in Europa verwendet werden können. Die Feld -Armee berechnet sich daher nur um circa 300.000 Mann stärker als bisher, sie wird so ferne nur die europäische in Betracht kommt der deutschen Armee wenig an Zahl überlegen ) , in so ferne aber im Vortheile sein, als ihr die 4 ersten Altersclassen der Reichswehr mit mindestens 600.000 Mann als Ersatz- Reserve zur Verfügung stehen. 1 ) Dass namentlich Deutschland an die Vermehrung der Masse auf Kosten der Güte nicht denkt, beweist erneuert draf Moltke's Rede gelegentlich der Vertheidigung des Reichs - Militärgesetzes. Der Feldmarschall erwähnt nämlich wohl , dass man in den meisten Staaten durch Verlängerung der Wehrpflicht (Ausdehnung auf 20 Jahrgänge) an Macht gewinnen will, empfiehlt es jedoch Deutschland nicht, diesbezüglich dem fremden Beispiele (Frankreich, Italien ) zu folgen. Graf Moltke betont vielmehr, dass die im stehenden Heere empfangene militärische Erziehung die wahre Kraft und Macht begründe.

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Die Reichswehr selbst scheint dermalen gar nicht organisirt zu werden, sie wird circa 3 Millionen Wehrfähige zählen, welche bei Vertheidigung des Inneren gewiss nicht ohne Nutzen zu verwenden sein werden, besonders wenn man erwägt, dass etwa der 8. Theil hievon alte, gediente Soldaten sind . Schliesslich muss hervorgehoben werden, dass die im Gesetze vorhandenen Bestimmungen über die Versorgung der Invaliden und der Soldaten-Familien auf die Bevölkerung einen sehr günstigen Einfluss übten, und wesentlich zur Beruhigung derselben beitragen. G.

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Die Neu- Organisation der italienischen Armee. ') Nachdem mit dem Gesetze vom 30. September 1873 die Grundzüge der Organisation des Heeres und der von der Kriegs-Administration abhängigen Dienste festgestellt wurden, wobei nur die Friedensstände ausgeworfen erschienen, sind nachträglich auch die Normen für die Kriegsformation bekannt gemacht worden, so dass nunmehr die gesammte Gestaltung des italienischen Heeres in ein vollständiges Bild gefasst werden kann . Anschliessend an die im Vereins- Organe vom Jahre 1873 (VII. Band) mitgetheilten Aenderungen, lassen wir nun auch die organischen Bestimmungen für die Armee im Felde in ihren wesentlichsten Puncten folgen : Die italienische Heeresmacht besteht im Kriege aus 10 Armee- Corps, welche derart zu Armeen vereint werden, dass jede solche Armee zwei oder mehrere Corps in sich begreift. Das Corps ist, was die Haupt- Truppen anbelangt, aus 2 Divisionen, die Division aus 2 Brigaden, die Brigade aus 2 Regimentern zusammengesetzt . Die oberste Heeresleitung im Felde wird durch das grosse Hauptquartier ausgeübt, welches die Dirigirung der militärischen Operationen besorgt und den Generalstab , das Artillerie- und das Genie-General-Commando umfasst. Dem grossen Hauptquartiere beigegeben ist die oberste GeneralIntendanz , die wieder den Generalstab derselben und die Transports - Direction in sich begreift ; ihr fällt die Aufgabe zu, für alle anhangenden Dienste selbstständig vorzusorgen. Diese Theilung der Attributionen ist auch bei den Armeen durchgeführt, so dass deren Leitung in folgender Weise organisirt erscheint : I. Armee- Hauptquartier: a) Generalstab, b) Armee-Artillerie-Commando, c) Armee- Genie- Commando. II. Armee - Intendanz : a) Generalstab derselben, b) Armee - Sanitäts-Direction, c) Armee- Commissariats -Direction (mit den Geschäften der Verpflegung , Bekleidung, Ausrüstung und des Cassawesens betraut), d) Armee- Veterinär- Direction, e) ArmeeTransports-Direction, f) Armee-Artilleriepark-Direction, g) Armee- GenieparkDirection. Der Post-Etappen- und Feldpolizei- Dienst wird vom Generalstabe der Armee-Intendanz geleitet, ihm unterstehen auch die Telegraphen- Sectionen. Dort also, wo in den beiden Hauptrichtungen bei der Vielfältigkeit der Dienste eine Theilung der Direction und der directen Verantwortung unerlässlich erscheint, dort finden sich der operative und der administrative Theil der Heeresführung strenge geschieden . Dieses Princip erreicht jedoch beim Arme eCorps seine Grenze, dessen Hauptquartier wieder einheitlich, und zwar in folgender Weise zusammengesetzt ist :

1) Siehe Band VII , S. 249 des Vereins-Organes.

Die Neu-Organisation der italienischen Armee.

249

a) Generalstab, b) Corps -Artillerie - Commando, c) Corps - Genie - Commando, d) Corps- Sanitäts- Direction , e) Corps-Commissariats-Direction. Das Gleiche findet bei der Division statt, deren Hauptquartier aus dem Generalstabe, dem Divisions-Artillerie -Commando , dem Divisions-Sanitäts -Commando und der Divisions- Commissariats -Direction besteht . Zur unmittelbaren Verfügung sind dem grossen Hauptquartiere beigegeben : Eine Sappeur-Compagnie mit zugehörigem Genieparke, eine Telegraphen-Section , eine Feld-Gendarmen- Section und vier Züge Guiden (StabsDragoner). Dem Armee - Hauptquartiere : Eine Sappeur-Compagnie sammt Park und Telegraphen- Section , eine Feld- Gendarm- Section und 2 Züge Guiden. Der Armee - Intendanz : 2 Sectionen Feld- Gendarmen , 9 Feld - SpitalsAbtheilungen , 3 Bäcker-Sectionen , eine Miliz -Compagnie, eine EisenbahnCompagnie mit Materialpark, eine Festungs-Artillerie- Brigade zu 2 Compagnien, und eine Genie-Brigade zu 2 Compagnien. Dem Corps - Commando : Eine Section Feld - Gendarmen , ein Zug Guiden und als Separat-Truppen : eine Cavalerie-Brigade zu 8 Escadronen, ein Regiment Bersaglieri zu 4 Bataillons, eine Artillerie-Brigade zu 3-4 Batterien und eine Genie-Brigade zu 2 Compagnien . Dem Divisions - Commando : Eine Section Feld-Gendarmen, ein Zug Guiden, 2 Escadronen Cavalerie und eine Artillerie- Brigade zu 3 Batterien . Die Hilfsdienste selbst anlangend, ist das in 3 Armeen getheilte Heer folgend ausgestattet : 3 Armee-Artillerieparke (an Munition : 100 Patronen per Geschütz, 50 Patronen per Gewehr) , 10 Corps-Artillerieparke ( 100 Patronen per Geschütz, 50 Patronen per Gewehr), 20 Divisions-Artillerieparke (200 Patronen per Geschütz, 50 Patronen per Gewehr), 3 Armee- Genieparke, 10 Armee-Artillerieparke, 4 Telegrafen- Sectionen, 10 Brücken-Equipagen à 150 Meter 45 Feld-Gendarm - Sectionen, 27 Feldspitäler, 30 Sanitäts- Sectionen, 40 Guiden-Züge, 9 Pferde-Heilanstalten, 3 Armee-Reserve-Lebensmittelparke, 10 Corps -Reserve- Lebensmittelparke, 30 Verpflegs - Sectionen, 9 Bäcker-Sectionen, 10 Brod-Train-Colonnen , 3 Adjustirungs- und Ausrüstungsparke. Aus den weiteren Anordnungen bezüglich der Artillerie- und Geniewaffe, der Sanität, des Commissariats, des Veterinär-Wesens, der Militär-Justiz, des Transports- Eisenbahn- Telegraphen- Post- Etappen- und Ordonnanz - Dienstes, sowie der Feldpolizei heben wir hervor, dass ausser den zur Feld-Artillerie gehörigen Batterien noch 20 Gebirgs- Batterien vorhanden sind, welche nur von Fall zu Fall den detachirten Armee-Corps oder Divisionen zugewiesen werden.

250

Die Neu-Organisation der italienischen Armee .

Die Gebirgs-Batterie zu 6 Piecen ist mit 150 Geschütz- und 26.400 GewehrPatronen versehen. Der Sanitäts-Dienst im Felde zerfällt in zwei Theile : 1. in den Dienst der Sanitäts- Sectionen, 2. in jenen der Feldspitäler. Einem jeden Armee - Corps und einer jeden Division ist eine Sanitäts - Section zugewiesen ; letztere empfängt die Kranken und Verwundeten der eigenen Truppen, ertheilt ihnen die erste Pflege und sendet sie entweder an die Corps- Sanitäts -Section oder in eines der Feldspitaler der Armee -Intendanz . Jede Armee verfügt über 9 derlei FeldLazarethe zu 200 Betten und hält ein Reserve- Material für weitere 15 ArmeeFeldspitäler in Bereitschaft. Die Ambulanz -Mannschaft wird den 16 Krankenwärter-Compagnien entnommen, welche in Gruppen getheilt, und mit den nöthigen Requisiten versehen , zum Transportiren der Verwundeten (vom Schlachtfelde zu den Divisions- Sanitäts- Sectionen) bestimmt sind. In Betreff der Verpflegs - Colonnen sind die Lebensmittel- Reserven folgend vertheilt : 1. Armee - Reserve (Für 100,000 Mann und 300.000 Rationen 100.000 "7 300.000 200.000 99 300.000 17.000 "

Lebensmittelpark : 17.000 Pferde berechnet. ) Zwieback, Conservenfleisch, Salz, Cafée und Zucker , Tabak, Hafer.

2. Corps Reserve - Lebensmittelpark : 29.700 Rationen Zwieback, 62.000 Salz, ,, Cafée, 75.000 62.000 Zucker, Hafer. 2.880 " Es entfällt demnach hievon, wenn die 2 Rationen, die der Soldat selbst zu tragen hat, hinzugezählt werden, für jeden Mann : 7 Rationen Zwieback, Conservenfleich, 3 " 7 Salz, 27 7 Cafée und Zucker , 99 Tabak. 3 " Ueberdiess finden sich noch in den Central - Magazinen der Armee- Intendanz per Mann vor : 6 Rationen Zwieback, Conservenfleisch, 4 27 5 Cafée und Zucker. Die Schlachtvieh- Colonnen, die den Truppen zu folgen haben, sind nicht in besondere Berechnung gezogen worden . Der Pferdebedarf stellt sich für die mobilisirten 3 Armeen allein, mit ungefähr 57.000 Stück heraus, den Vorspanns-Train, der mit 1700 Zugthieren in Aussicht genommen ist, nicht hinzugerechnet. In Anbetracht des Friedensstandes von nur 26.000 Pferden und in Berücksichtigung des grossen diesbezüglichen Mangels im Lande, durfte dies Verhältniss eine arge Calamität abgeben und man sann deshalb bei Zeiten auf Mittel zur bestmöglichen Abhilfe.

251

Die Neu-Organisation der italienischen Armee.

Diese ist denn auch theilweise im Thomson'schen Strassen - Locomobil gefunden worden, das in der italienischen Armee seit Kurzem eingeführt, die besten Dienste dort bereits leistet. Die neuen Bestimmungen über die Friedens- und Kriegs- Organisationen nun zusammengehalten, ergibt sich für das gesammte Heer folgendes StandesTableau : Friedensstand

Kriegsstand

Truppenkörper

Mann

Pferde Geschütze Mann

Pferde Geschütze

205040 1920 300 33700 19760 17140 800 33820 30720 12580 2000

Summe 216753 26225

800 339328 57310

Hauptquarder Stande Im herab Division zur bis tiere :befinden sich

110 00 240 80 Regimenter Infanterie 10 17740 40 Bersagliere . 20 21520 15000 Cavalerie 10 14530 6640 Feld-Artillerie .. 4 96 Festungs-Artillerie . 6684 7 Compagnien Zeugsarbeiter und 858 Veteranen 5078 336 2 Genie-Regimenter 1518 62 62 Militär-Districte 6512 176 permanente Districts-Compag. 24 2503 24 Alpen- Compagnien . 1201 16 Sanitäts-Compagnien .. 8 2 Fohlen-Depots . 20191 3154 12 Legionen Gendarmen Invaliden-Corps 2016 Straf- Anstalten 616 3887 633 Militär-Institute und Lehrkörper . Generalität .. 130 Generalstab .. 138 191 Artilleriestab . 248 Geniestab 188 Sanitäts -Corps 290 Commissariats -Corps (Intendanz) .. 2611 Rechnungs-Officiers- Corps 50 Festungs-Officiers-Corps .. Veterinär- Officiers- Corps 108 287 Disponibilitäts - Officiere etc. Generalität Generalstab Artillerie Genie ... Infanterie .. Cavalerie Feld-Gendarmerie Sanitäts-Corps ( s. Truppe) Commissariat Rechnungs- Officiers - Corps Veterinär - Corps Unterschied. Separat-Corps

11310

800 120

3464

6151

103 130 456 260 1330 1051 981 6671 249 430 36 5270

20 1200 462

84 920

Anmerkung. Die Militär- Beamten sind hier nicht aufgenommen, die Rechnungs-, Sanitäts- und Veterinär- Officiere, insoferne -sie zu den Truppen gehören, bei diesen Letzteren ersichtlich gemacht worden. Die Stäbe der Artillerie- und Genie- Regimenter finden sich den Hauptquartieren, Geschütze und Tragthiere der Gebirgs- Batterien der Festungs- Artillerie zugezählt. Zu den Truppen, die nicht mobilisirt werden, zählen die Depots, die Districte, die GendarmerieLegionen, die Zeugs- , Disciplinar- und Invaliden-Compagnien. Eine jede ArmeeIntendanz führt als Parkwache eine Miliz- Compagnie im Stande.

252

Die Neu-Organisation der italienischen Armes.

Darnach wird im Ganzen die Kriegsstärke einer Division in runden Ziffern mit 12.000 Mann, 1000 Pferden und 2+ Geschützen, die eines Corps mit 30.000 Mann, 5000 Pferden und 80 Geschützen zu berechnen sein, was für das mobilisirte Heer erster Linie (Esercito permanente ) eine Maximalstärke von 340.000 Mann, 57.000 Pferden und 920 Geschützen ( darunter 120 GebirgsKanonen) ergibt . Hiezu treten weiters die Ersatztruppen und die Mobil - Miliz, die zusammen mit 360.000 Mann angenommen werden ; so dass die gesammte mobilisirte Truppenmacht an 700.000, die vollständigen Streitkräfte aber, ohne der Sedentär- Miliz ( National - Garde) nahezu 780.000 Mann aufweisen würden, Ziffern, welchen die bisherigen Grundbuchs - Stände der Armee vor der Hand nicht zu entsprechen vermögen . Die grossen Anstrengungen jedoch, welche Seitens der Kriegsverwaltung gemacht werden, um auf Grundlage eines neuen Wehrgesetzes die Effectivstärken auf die Höhe der Sollbestände zu bringen, -die mit ebensoviel Rührigkeit als Geschick fortgeführten Reorganisations-Arbeiten des Kriegsministers, endlich die namhafte Opferwilligkeit der Kammern lassen vermuthen, dass die italienische, in so mancher Hinsicht jetzt schon hervorragende Armee in kürzester Zeit zu vollkommen geordneten Zuständen, und mit diesen zu einem ersten Rang unter den europäischen Wehrkräften emporgelangen wird. G. -

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759 ') . Von Rittmeister Victor Ritter von Pokorny, Generalstabs- Officier. Benützte Quellen : Acten des k. k. Kriegsarchives. -- Werk des preussischen Generalstabes über den siebenjährigen Krieg. Oesterreichische MiliDie grossen tärische Zeitschrift. - Gfrörer's Geschichte. - Griesheim's Taktik. " Cavalerie-Angriffe in den Schlachten Friedrichs und Napoleons.

I. Ueber die Cavalerie des siebenjährigen Krieges. Einleitung. Es ist zur modernen Anschauung geworden, zu sagen, dass der siebenjährige Krieg für den Strategen, ja selbst für den Taktiker nur mehr historisches Interesse biete. Für den Strategen, weil die geringe numerische Stärke der Heere, die damit verbundene leichtere Verpflegung und die Möglichkeit, sich nach den blutigsten Schlachten wieder in kurzer Zeit zu erholen, zu sehr von den Verhältnissen der Gegenwart, mit ihren riesigen Volksheeren, der erschwerten Verpflegung, der ungeheueren Kostspieligkeit derselben und der, oft an das Schicksal einer Schlacht gebundenen Entscheidung des Krieges contrastirt. Für den Taktiker, weil die moderne Kampfweise in ihrer Ausnützung des Terrains, ihren tiefen Stellungen, ihrer ungeheueren Feuerwirkung und der in den Vordergrund getretenen

Wirksamkeit des

Einzelnen im schroffen Gegensatze stehe zu dem Aufsuchen der Ebene , den Linearstellungen , dem mangelhaften Feuergewehr und den künstlichen Evolutionen jener Zeit . Und doch bietet der siebenjährige Krieg sowohl im strategischen als taktischen Sinne namentlich einer Waffe ein eminent interessantes und lehrreiches Feld der Forschung und diese Waffe ist die Cavalerie. Die Durchführung des Nachrichten- und Sicherheits-Dienstes für die Armee, die Spannung eines Netzes, das den feindlichen KundschaftsAbtheilungen ein gebieterisches Halt zuruft und dadurch der Armeeleitung die Möglichkeit bietet, Kräftevertheilung und Aufmarsch der

1) Vorträge, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine, im Winter 1878-74 . 19 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1871.

254

Pokorny.

Armee vom Feinde unbemerkt auszuführen , gegen die Objecte des Feindes,

endlich Unternehmungen

Unterbrechung seiner Verbindungen ,

Hemmung seiner Verpflegung, das ist bekanntlich die Thätigkeit der Cavalerie im strategischen Sinne ; in taktischer Hinsicht beruht die Hauptverwendung dieser Waffe in ihrer Wirksamkeit am Schlachtfelde . In beiden Richtungen bietet uns das Studium der Geschichte des siebenjährigen Krieges hundert Anlässe, die Cavalerie und ihre

Ver-

wendung zu bewundern und was praktischer ist, von ihr zu lernen . Ich habe absichtlich den allgemeinen Titel

„die Cavalerie

des

siebenjährigen Krieges" für diese Studie gewählt, da ich mich nicht in die streng abgesonderte Beurtheilung der österreichischen oder preussischen Cavalerie einlassen will, - von der Ansicht ausgehend, dass die Forschung auf wissenschaftlichem Felde international sei und dass man an den Vorzügen des Gegners ebenso gut lernen könne, wie an der Erkenntniss der eigenen Fehler.

Einiges über die Taktik der 3 Waffen. Die Taktik der Infanterie bestand darin, sich in geschlossenen Fronten dem Feinde schiessend zu nähern oder ihn schiessend zu erwarten. Alle Reformen bei der Infanterie strebten nach Vermehrung der Feuergeschwindigkeit. Friedrich der Grosse richtete sein Hauptaugenmerk darauf und gab diesem Gedanken auch in den Ausdruck.

1743 erschienenen Reglements

Der Curiosität wegen sei erwähnt,

dass, wie Griesheim erzählt,

die Ladegriffe nach diesen Reglements aus 23 Tempo's bestanden und der Mann trotzdem in der Minute fünfmal schoss. Das Fechten in der geöffneten Ordnung, Ausnützen des Terrains etc. kannte man bei der Linien - Infanterie gar nicht. Bei den Oesterreichern wurde es während des Kampfes nur von

den Croaten mit Erfolg geübt ; bei den Preussen war die zerstreute Fechtart durch die Instruction Friedrich II. für seine Generale vom Jahre 1748 ausdrücklich untersagt : 77 Die Infanterie kann gebraucht werden, wie man will, nur verbiete ich auf das Allernstlichste, dass solche niemals in Häuser gesteckt werde ; dieselbe hinter Zäune zu legen, geht noch an. " Und doch war Friedrich der Grosse in der Folge genöthigt . die österreichischen Croaten , welche die Benützung des Terrains vorzüglich verstanden, mit ganzen Bataillons anzugreifen , zu welchem Zwecke einzelne Züge, in ein Glied formirt, gegen sie entsendet wurden .

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

255

Diese Art des Angriffes zeigte sich aber unwirksam und Friedrich II. errichtete zur Vertheidigung der Dörfer , Wälder, zum Vorpostendienst im coupirten Terrain und für den kleinen Krieg 1756 vier Freibataillone, die im Jahre 1762 schon auf 24 Freibataillone und 30 Frei-Escadrons gestiegen waren. Die Hauptformation zum Angriffe waren ungeheuere Linien, mit denen man gegen den Feind unter fortwährendem Schiessen vorrückte . Die geschlossenen Abtheilungs- Colonnen kannte man gar nicht ; man marschirte mit vollen Distanzen . Auch die geschlossenen (vollen) Quarré's waren unbekannt ; höchstens wurden an einem oder beiden Flügeln durch Einschwenken Haken gebildet, die dann beim Marschiren,

durch die Wendung

in Reihen

nachfolgten. Die österreichische Infanterie hatte sich bei Beginn des siebenjährigen Krieges

schon die Fortschritte der preussischen

zu Nutze

gemacht, aber sie erreichte dieselbe weder in der Feuergeschwindigkeit, noch in der Präcision bei Ausführung der Evolutionen. Doch schrieb Friedrich II . schon nach der Schlacht bei Lobositz an Schwerin : 77 Wir finden die alten Oesterreicher nicht mehr. " Im kleinen Kriege, im zerstreuten Gefechte und im Vorpostendienste war die österreichische Infanterie der preussischen überlegen. Die grössten Fortschritte in der Einzelnausbildung, den taktischen Formen und der Art der Verwendung hatte bei Beginn des siebenjährigen Krieges die preussische Cavalerie gemacht.

Friedrich der Grosse schildert dieselbe, wie er sie zur Zeit seiner Thronbesteigung fand, folgendermaassen : „Sie bestand wie das Fussvolk aus sehr grossen Leuten und ritt sehr grosse Pferde . Es waren Colosse auf Elefanten, die weder sich gehörig bewegen,

noch zu fechten wussten. Es ging kein Exerciren vorbei, bei dem nicht Reiter aus Ungeschicklichkeit stürzten, sie waren nicht Herr ihrer Pferde, wurden auch mehr zu Fuss, als zu Pferd exerciret, feuerten aber auf beide Arten vortrefflich etc. " Und was wusste er durch seine vorzüglichen Reglements ( 1743) und die Instruction . für die Generale der Cavalerie, unterstützt von vortrefflichen Reiterführern, aus derselben zu machen . Es würde zu weit führen, hier auf eine Besprechung dieser Vorschriften einzugehen, doch sei es mir gestattet, denselben einige markante Stellen zu entnehmen . Cavalerie müssen 17 Alle Evolutionen und Mouvements bei der

mit der grössten Geschwindigkeit, alle Schwenkungen im Galopp ge19*

256

Pokorny.

macht werden . Seine Majestät befehlen allen Commandeurs der CürassierRegimenter auf's Schärfste, dass ihr einziges Arbeiten, Dichten und Trachten dahin gehen soll, aus dem gemeinen Mann gute und tüchtige Reuters zu machen . " Und an anderer Stelle wegen des Schiessens : „Den Reuters muss wohl impriviret werden, dass das Schiessen, welches ihnen beim Exerciren gewiesen , nicht anders müsse gebrauchet werden, als wenn sie das erste Treffen und das zweite Treffen vom Feinde mit dem Degen in der Faust übern Haufen geschmissen hätten, alsdann sie nachschiessen könnten, um den Feind, welcher schon in Confusion , dadurch in desto mehr Confusion und Consternation zu bringen . " Ueber die Art des Angriffes : „Es muss aber ein jeder Officier von der Cavalerie sich fest imprimiren, dass es nur auf zwei Sachen ankomme, den Feind zu schlagen. Nemlich vor's Erste ihn mit der grössten Geschwindigkeit und Force. zu attaquiren und Zweitens zu suchen selbigen zu überflügeln. Ein jeder Officier von der Cavalerie muss auch sich niemals aus dem Gedanken kommen lassen, dass er suche den Feind in die Flanke zu attaquiren, um ihn desto eher über den Haufen zu werfen . “ Die Instruction für die Generalmajors von der Cavalerie vom 14. August 1748 enthält Stellen, welche für die Cavalerie-Führer aller Zeiten ihre Wirksamkeit behalten werden und zeigt, wie richtig der König den Geist und die Verwendung der Waffe erfasste. Folgende Stellen mögen dies beweisen : „ Ist unsere Armee formiret und die feindliche sodann noch mit aufmarschiren beschäftiget, so haben unsere Leute nur halbe Arbeit wenn sie in solcher Bewegung attaquiren. " „ Die Attaque von der Cavalerie geschieht zuerst im Trapp , darnach im Galopp und dann im vollen Carrier,

hiebei muss wohl und

als eine Sache, die sehr important bei der Attaque

ist,

observiret

werden, dass die ganze Linie mit gesammter Macht dem Feind auf einmal auf den Hals falle und nicht troupweise oder ein Regiment nach dem andern." „Um solches zu bewerkstelligen, so müssen die Commandeurs der Escadrons zugleich antrappen, zugleich in Galopp fallen,

auch die

ganze Linie zugleich an den Feind heranjagen. " -

" Wenn man eine bataille im bergigten Terrain und difficilen Gegenden halt, so ist es nicht möglich, dass die grosse Attaque zugleich geschehen kann , sondern es muss alsdann ein jeder General das

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

257

Beste bei seiner Brigade thun , denn das Terrain ist an solchen Orten sehr unterschiedlich und wenn da nicht ein jeder General sein Terrain zu judiciren und von der geringsten Gelegenheit zu profitiren weiss , so kann es nicht gut gehen. "

Von den Detachements .

Denn es ist jedesmal eine Haupt Regul, dass wenn man den Feind nichts zu thuen machet, so machet er gewiss einen alle Hände voll zu thuen, wird er aber oft beunruhiget, so denket er an sich, verfällt auf die Defensive und lässet also den andern zufrieden. "

Die Attaque geschah bei der Cavalerie stets en muraille, ColonnenAttaquen waren gänzlich unbekannt. Die Artillerie war in Bataillons- und Positions-Geschütze getheilt ; erstere zur Verstärkung des Infanterie - Feuers, letztere zur Besetzung von Stellungen bestimmt. Beweglichkeit im modernen Sinne fehlte auch den leichten Geschützen fast ganz, da sie schwerfällig und ihre Bespannungen ungenügend waren . Die Positions-Geschütze bezogen während einer Schlacht eine, es sehr gut ging zwei Stellungen und geriethen wegen ihrer Schwerfälligkeit häufig in Verlust. Gefechts - Aufstellung und Kampfweise. Die Linien - Infanterie focht immer geschlossen und zwar in drei Gliedern (die preussische schon seit dem Jahre 1730) ; die österreichische nahm bei Kolin allerdings noch einmal die viergliedrige Formation an, focht aber von da an auch in drei Gliedern. Die Infanterie war zur Schlachtordnung in zwei Treffen aufgestellt ; die Preussen schlossen die Flanken häufig durch je ein GrenadierBataillon ab, so dass ihre Formation ein langes Rechteck bildete ; diese Flanken- Bataillone wurden aber auch öfter zur Verlängerung des ersten Treffens gebraucht . Bei der österreichischen Cavalerie war die dreigliedrige Formation , bei der preussischen seit Rossbach die zweigliedrige eingeführt . In der Schlachtordnung hatte die Cavalerie ihre Stelle gewöhnlich auf beiden Flügeln ; manchmal auch hinter der Mitte. Die Curassiere bildeten die erste, die Dragoner die zweite Linie ; die Huszaren leiteten das Gefecht entweder ein oder waren in dritter Linie postirt. Die Reserve war gewöhnlich sehr gering an Zahl und wurde häufig schon beim ersten Angriffe verwendet.

258

Pokorny . Die Postirung der Artillerie wurde nicht durch den Terrain,

sondern durch ihre Eintheilung in der ordre de bataille bedingt. Die Bataillons -Geschütze mussten beim Vorgehen 50 Schritte vor den Intervallen bleiben und wurden von den Artilleristen gezogen ; erst auf 350 Schritte sollten sie mit Kartätschen feuern , dann gingen sie bis in's Kleingewehr-Feuer vor. Während Friedrich der II. in allen seinen Schlachten der Bannerträger des offensiven Elements war, hielten die Oesterreicher mehr auf die Defensive und demzufolge auf feste Stellungen und Verstärkung derselben. Die preussische Infanterie griff die Oesterreicher in Folge dessen häufig mit dem Bajonnet in ihren Stellungen an ; in der Schlacht von Prag verbot Feldmarschall Schwerin sogar jedes Feuern . Gegen die Artillerie wurde ebenfalls in geschlossener Linie zum Angriffe vorgerückt . Die preussische Cavalerie durfte auf Befehl des Königs nie einen feindlichen Angriff abwarten . Die Attaque gegen die Flanke des Gegners und das Ueberflügeln desselben war bei den Angriffen der preussischen Cavalerie Grundsatz . „Drei Mann im Rücken thun mehr wie 50 en Fronte " , sagte Friedrich der II. bei den Uebungen der Cavalerie und

sein Aus-

spruch hat sich bis auf unsere Tage glänzend bewährt. Verwendung der Cavalerie im Nachrichten- und Sicherheitsdienst sowie im kleinen Kriege.

Betrachten wir nun die Cavalerie des siebenjährigen Krieges vorerst in ihrer Thätigkeit vor der Schlacht. Der Nachrichten- und Sicherheitsdienst, sowie der kleine Krieg (Allarmirungen, Ueberfälle etc. ) wurde besonders von der leichten kaiserlichen Reiterei in vorzüglicher Weise ausgeführt. In parenthese muss hier bemerkt werden, dass dieser Dienst besonders durch Laudon's Einfluss in, für alle Zeiten mustergiltiger Weise von den leichten Fusstruppen - den Croaten versehen wurde. der kaiserlichen bei Sicherheitsdienst wurde Der Nachrichten- und Reiterei ganz im modernen Sinne mit bewunderungswerther Thätigkeit und entschiedenem Erfolge betrieben. Da die eingehende Schilderung und Beschreibung dieses Dienstes zu weit führen würde, so begnüge ich mich, meine früher ausgesprochene Behauptung über die Vortrefflichkeit desselben durch Anführung der Thatsache zu bekräftigen, dass ich in den Acten

des

Kriegs -Archiv's beispielsweise vom Feldmarschall-Lieutenant Hadik vom Anfang September bis letzten November 1757 64 Meldungen

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

259

und Berichte über den Feind gefunden habe, die dieser General an den Prinzen Carl von Lothringen eingesendet hat. Diese Meldungen sind nahezu alle von hoher Wichtigkeit und es lässt sich aus denselben die erfolgreiche Thätigkeit der leichten Reiterei Hadik's er hatte 4 Huszaren- Regimenter und deren richtige Disponirung ersehen. Hier muss noch bemerkt werden , dass in die Zeit vom

13. bis

23. October der berühmte Zug Hadik's nach Berlin fällt. In gleicher Weise zeichneten sich die anderen Cavalerie-Generale durch Einsendung von Nachrichten über den Feind aus. Sowohl aus den Operations-Journalen als auch aus den, von jener Zeit aufbewahrten Actenstücken ergibt sich, dass die österreichischen Heerführer stets gut mit Nachrichten versorgt waren. Das Zögernde in den Operationen des siebenjährigen Krieges hat also nicht in dem Mangel an Nachrichten vom Feinde seinen Grund , sondern in den Irrgängen , die dieselben nehmen mussten , ehe sie zu Dispositionen verwendet werden durften . Eine wichtige Meldung Hadik's z. B. musste von diesem an den Feldzeugmeister Baron Marschall , als seinen unmittelbaren Vorgesetzten, dann an Feldmarschall Graf Daun und den Prinzen Carl von Lothringen, als den Armee - Commandanten, und von einem . derselben nebst der darauf basirten Disposition an den Hofkriegsrath nach Wien gesendet werden, ehe entscheidende Befehle gegeben wurden . Auf Seite der Preussen war der König selbst bei der Armee, zu ihm gingen alle wichtigen Meldungen, von ihm kamen alle Dispositionen. Dieser Umstand allein hat das Genie Friedrich des II. ungerechnet die österreichische Heeresleitung in unberechenbaren Nachtheil bringen müssen. Verwendung der Cavalerie während der Schlacht. Bevor ich zur Betrachtung der hervorragendsten Reiter- Leistungen in den Schlachten des siebenjährigen Krieges schreite, will ich vor Allem den Umstand hervorheben, dass die Art der Verwendung der Reiterei in den Schlachten jener Zeit auch für die Gegenwart, trotz der so vielfach geänderten Verhältnisse, in vielen Hinsichten als mustergiltig betrachtet werden kann. Die Ruhe während des Kampfes , die Ausdauer im Beobachten des Gegners, das blitzschnelle Benützen der feindlichen Blössen, die richtige Beurtheilung der Gefechtslage, die rechtzeitige Degagirung der eigenen in Verlegenheit gerathenen Abtheilungen diese Eigenschaften der Reiter-

260

Pokorny.

Generale Friedrich des Grossen werden zu allen Zeiten und Verhältnissen den Reiterführern unerlässlich sein. Dazu kam rasche Orientirung im Terrain , sorgfältige Recognoscirung des wahrscheinlichen Gefechtsfeldes, Ausnützung der taktischen Formation beim Angriffe alles Dinge, 150 Jahren ihre Wichtigkeit behaupten .

die heute ebenso wie vor

Der Terrain, in welchem die Reiterei zu wirken

hatte,

durchaus nicht so glatt und offen, wie man vielfach geneigt ist,

war an-

zunehmen, so bei Prag, wo die preussische Cavalerie auf schmalen , schlechten Wegen , im coupirten Terrain, getrennt vorrücken musste , ehe sie zum Aufmarsche kam, bei Zorndorf, wo die Cavalerie unter Seidlitz nur auf den, vorher von Officieren recognoscirten Stellen des sumpfigen Zabergrundes zur Attaque vorgehen

konnte und bei

Kunnersdorf, wo Laudon mit 4 Grenadier-Compagnien zu Pferd und 2 Dragoner-Regimentern trotz der ungünstigen Terrain -Verhältnisse in das Gefecht eingriff. Die Form des Angriffes, das Tempo bei der Attaque, die Absicht, dem Feind die Flanke abzugewinnen , haben bis heute ihr volles Recht behalten und sind in den Kriegen späterer Tage nur zu oft vernachlässigt worden. Auch damals sollte, der Instruction des Königs gemäss , die Infanterie en Fronte nur dann angegriffen werden, nachdem sie durch das Feuer erschüttert worden, sonst aber mussten die Angriffe unvermuthet gegen Flanke und Rücken gerichtet sein . Da wo Reiterei ohne Rücksicht auf Terrainhindernisse und feindliches Feuer angreift, sehen wir sie ebenfalls wanken und zurückgehen , so

. B. die brillante preussische Reiterei unter Seidlitz

und dem Prinzen Württemberg in der Schlacht von Kunnersdorf in dem Momente , vorging .

wo sie zwischen

den

Seen hindurch zum Angriffe

Der Zweck dieser Zeilen ist, zum Studium der Schlachten des siebenjährigen Krieges anzuregen und deshalb will ich noch in allgemeinen Zügen die Thätigkeit der preussischen Cavalerie bei Rossbach, Leuthen und Zorndorf als denjenigen Schlachten skizziren , in welchen. diese Waffe für das Schicksal des Kampfes entscheidend wurde. Bei Rossbach gelangte Seidlitz im Beginne des Kampfes, indem er eine Umgehung von nahezu einer Stunde im Trabe ausführte, durch den Janushügel gedeckt, in die Flanke der feindlichen Reiterei des rechten Flügels . Er liess rasch einschwenken und attaquirte - die erste Ueber-

raschung benützend

die feindliche nahezu doppelt so starke Cavalerie, die nur zum Theile zum Aufmarschiren gelangte , warf sie zurück und

261

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

verfolgte sie bis Reichertswerben. Dort formirte er seine Cavalerie und führte sie in den Rücken der feindlichen Infanterie, in welche er in dem Augenblicke einhieb, als sie, durch das Geschützfeuer und

die

Angriffe der preussischen Infanterie erschüttert, zu flüchten begann und machte einige tausend Mann zu Gefangenen . Bei Leuthen griff der preussische General Driesen mit 50 Escadrons die österreichische Cavalerie in dem Augenblicke an, als diese unter General Luchesi auf die Infanterie

des preussischen

linken

Flügels, die sich zur Flucht gewendet hatte, attaquiren wollte. Gelang der Angriff Luchesi's, so war die Infanterie vernichtet , ja vielleicht die Schlacht verloren. Driesen warf sich aber rechtzeitig der kaiserlichen Cavalerie entgegen, überflügelte dieselbe um 10 Escadrons, schickte ihr ein Regiment in die Flanke, die Huszaren in den Rücken und warf sie vollständig. General Luchesi hatte das Glück, bei diesem unglücklichen Gefechte einen ehrlichen Reitertod zu finden. Bei Zorndorf steht die Cavalerie im Zenith ihrer Wirksamkeit und ihres Ruhmes. General Seidlitz greift schon im Beginne der Schlacht in dem Augenblicke mit 31 Escadrons an , und 7 Bataillone des linken Flügels

als die preussische Avantgarde erschüttert durch das feindliche Feuer und einen Angriff der russischen Cavalerie --- in voller Auflösung zurückeilen. Er durchschreitet an mehreren Stellen den sumpfigen Zabergrund , wirft die russische Cavalerie und stürzt sich im Vereine mit 15 Escadrons , die hinter dem linken Flügel gefolgt und zwei Dragoner-Regimentern, die zufällig in die Nähe gekommen waren , auf die feindliche Infanterie. Hier entsteht nun ein Kampf, wie er in den Annalen der Kriegsgeschichte wohl einzig dasteht, ein Kampf, in dem die todesmuthige russische Infanterie stehend und kämpfend den Todesstreich empfing . Als im weiteren Verlaufe der preussische linke Flügel nochmals von der russischen Cavalerie angegriffen wurde und 13 Bataillone von panischem Schrecken ergriffen gegen Wilkersdorf zurückgeflohen waren, ist es wieder Seidlitz, der an diesem Tage zeigte, einer tapferen, gut geführten Cavalerie leisten könne . Mit 61 Escadrons, die aber schon länger als

was man mit

12 Stunden

zu

Pferde waren und zum grossen Theile den ersten Kampf am linken Flügel mitgemacht hatten, warf er die russische Cavalerie und stürzte sich dann trotz heftigen Kartätschen- und Gewehrfeuers auf die russischen Infanteriemassen . Nur seiner Einwirkung war der Sieg zu danken .

262

Pokorny. Resumé. Wenn wir nach einer flüchtigen Betrachtung der Kämpfe des

siebenjährigen Krieges einen Vergleich ziehen zwischen den Cavalerien beider kriegführenden Theile, so fällt derselbe - was deren Verwendung in geschlossenen Abtheilungen und während des Kampfes anbelangt unbedingt zu Gunsten der preussischen Cavalerie aus ; im kleinen Kriege aber und in der Versehung des Nachrichten- und Sicherheitsdienstes that sich die kaiserliche Reiterei hervor. Wenn wir nach den Ursachen forschen, die diesem Factum zu Grunde liegen, stellen :

so

werden sie sich beiläufig folgendermaassen dar-

1. Die directe und geniale Einwirkung des Königs auf die Reform der Waffe. 2. Die frühere Einführung guter Reglements und die damit verbundene stramme und gleichförmige Abrichtung des Mannes. Die preussische Cavalerie hatte schon seit dem Jahre 1743 ein vortreffliches Reglement, dessen genaueste Befolgung der König persönlich überwachte ; die Oesterreicher erhielten erst im Jahre 1749 ein allgemein geltendes Reglement. Bis dahin war für die Cavalerie das im Jahre 1726 erschienene, im Jahre 1734 und 1748 in neuen Auflagen verbreitete Reglement des kaiserlichen Generals Grafen Khevenhüller, das derselbe ursprünglich nur für sein Regiment geschrieben hatte, in Giltigkeit. Doch wurde dasselbe von jedem RegimentsCommandanten mit verschiedenen Zusätzen und Aenderungen versehen, so dass von einer allgemein bindenden Vorschrift kaum die sein konnte. Für die Infanterie

bestand

bis

1749

Rede

voraussichtlich das von

General Regal 1728 für sein Regiment verfasste Reglement. 3. Die Instruction des Königs für seine Generale von der Cavalerie, deren Werth und Bedeutung für die Verwendung der Waffe schon an anderer Stelle besprochen wurde. ― 4. Die ausgezeichneten Reiterführer jener Zeit, die wie Seidlitz und Ziethen nicht nur den Dispositionen des Königs die beste Ausführung verliehen , sondern auch

seine Intentionen errathend, selbst-

ständig in den Gang des Gefechtes eingriffen . 5. Hauptsächlich der in diesen Reiterführern wohnende, auf ihre Waffe übertragene Reitergeist.

Als eine der Hauptursachen der grossen Erfolge, welche die Cavalerie des siebenjährigen Krieges errang, wurde der Reitergeist bezeichnet, der sie und ihre Führer beseelte .

263

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

Wenn ich es im Nachfolgenden versuche, diese Eigenschaft zu präcisiren, so geschieht dies hauptsächlich deshalb, weil ich von der Ueberzeugung durchdrungen bin, dass eine gute Cavalerie ohne Reitergeist undenkbar sei. Derselbe beginnt beim jungen Cavaleristen als Reitergefühl , entwickelt sich bei dem Erfahrenen und Begabten zum Reiterblicke und steigert sich bei wenigen Auserwählten zum Reitergeiste. Wer Reiter gefühl hat, spürt jeden Tritt des Pferdes unter sich . bemerkt jede Abweichung vom regelmässigen Gange und ist über den Kräftezustand seines Pferdes nie im Unklaren; er lässt sein Pferd keinen Schritt, geschweige einen Sprung unnöthig thun und vertheilt die Gangarten mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Leistung und das zu durchziehende Terrain; er fühlt, dass ein Nagel im Hufeisen locker wurde und weiss genau, in welchem ; er bemerkt, ob die Voroder Nachhand des Pferdes mehr ermüdet sei und gleicht durch richtige Gewichtsvertheilung das Missverhältniss aus ; er benützt jeden günstigen Moment um ab- oder umzusatteln , um zu füttern oder zu tränken . Er versteht jeden Ton des Pferdes von dem kraftvollen , hörbaren Lungenstoss, der dem Reiter nach scharfen Gangarten die Ueberzeugung von dem Wohlbefinden des Pferdes verschafft, bis zu dem angstvollen Stöhnen , das ein abgehetztes Pferd kurz vor dem Zusammenbrechen von sich gibt. Der Reiterblick findet sich rasch in jedem Terrain zurecht, er sucht für das Pferd den besten Weg, kürzt die Krümmungen des Weges ab; bemerkt jede Hufspur am Boden, jeden gebrochenen Zweig am Waldwege, jede verlassene Feuerstelle des Feindes ; er recognoscirt das Terrain, das er durcheilt, mit scharfem Auge und in der Nähe des Feindes benützt er jeden Vortheil des Bodens,

um gedeckt heran

zu kommen und dem Angriffe die Ueberraschung zu sichern oder den Verlust der eigenen Truppe möglichst herabzumindern ;

er sieht die

Hindernisse, die sich ihm entgegenstellen und beurtheilt rechtzeitig, ob sie ohne Aufenthalt zu übersetzen sind, oder ob eine rechtzeitige Directions-Veränderung sie seitwärts liegen lässt ; er findet beim Angriffe die gefährlichste Stelle des Gegners und beim Rückzuge jene Richtung, die den Feind in unser Gewehr- oder Geschützfeuer lockt, oder einen Hinterhalt, der ihm die Ueberraschung und dadurch auch bei geringerer Stärke den Erfolg sichert . Verbindet ein Reiter mit diesen Eigenschaften noch alle Vorzüge eines theoretisch und praktisch gebildeten Soldaten, kennt er die Taktik und das Ineinandergreifen der Hauptwaffen genau, hat er Kriegserfahrung und kaltes Blut, dann ist er berufen , der Träger des Reitergeistes in seiner Waffe zu werden .

264

Pokorny. Berufen

aber noch nicht erwählt.

Der Reitergeist ersieht augenblicklich die Blösse des Feindes und benützt sie mit Blitzesschnelle ; er wählt die passendste Form des Angriffes, theilt Raum und Zeit richtig ein,

ersetzt die mangelnde

Zahl durch überlegene Combination und täuscht und verblüfft Gegner;

den

er findet jederzeit den rechten Augenblick für den Angriff

der anderen Waffen ; er kennt immer eine Angriffsform, die den Gegner umklammert, hat immer eine Reserve, um den Geworfenen zu verfolgen. immer einen Ausweg , um einer Niederlage auszuweichen

oder

ein

Mittel, sie gut zu machen. Er fasst grosse Entschlüsse , die Schrecken und Verderben in das Herz des feindlichen Landes tragen und führt sie stets zu seiner und des Landes Ehre durch. So Grosses vollführt der Reitergeist, so vielseitige Anforderungen stellt er an den Reiterführer, deshalb ist er aber auch nur Einzelnen Auserwählten verliehen. Sehen wir nun,

welches die Vorbedindungen zur Schaffung des

Reitergeistes und seiner Abstufungen sind . Bei der Besprechung der taktischen Verhältnisse der Cavalerie jener Zeit habe ich bereits versucht, klar zu machen, wie sich die Cavalerie vervollkommnete und auf welche Art die eminenten Reitereigenschaften der Reiterführer auf ihre Truppen übergingen . Bei keiner Waffe ist das Beispiel, die Superiorität der Führer von so eminenter Bedeutung, als bei der Cavalerie ; bei keiner theilen sich die Eigenschaften des Führers so rasch und intensiv mit, bei ihr.

als

Daher die ungeheueren Unterschiede in der Ausbildung und im Geiste der einzelnen Cavalerie -Regimenter zu einer Zeit, wo eine eingehende, von gleichen Gesichtspuncten ausgehende, verständige Inspicirung dieser Waffe noch nicht stattfand. Bei der jetzigen kurzen Dienstzeit, die leider auch auf die Mannschaft der Cavalerie und der technischen Truppen ausgedehnt werden musste, ist der Officier ausschliesslich berufen, der Träger der vorhin beschriebenen hervorragenden cavaleristischen Eigenschaften zu sein um sie, soweit es die kurze Spanne Zeit zulässt, auf seine Untergebenen zu übertragen. Gehen wir nun an die Beantwortung der Frage, wie Reitergefühl und Reiterblick als Grundlage zur Hebung des Reitergeistes errreicht werden können? Wenn General Montecuculi den oft citirten und ewig wahren Grundsatz aufstellte , dass zum Kriegführen Geld, Geld und wieder Held gehöre, so könnte man in analoger Weise die früher gestellte

Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

265

Frage dahin beantworten, dass zur Bildung tüchtiger Reiterführer, die militärisch-scientifische Bildung vorausgesetzt ,

als erste Grundlage :

Reiten, Reiten und wieder Reiten gehöre. Ich will damit sagen, dass mit den gesteigerten scientifischen Ansprüchen und der weitaus vermehrten dienstlichen Beschäftigung der Cavalerie - Officiere das Reiten nicht vernachlässiget werden dürfe. Dem Satze, dass mit der fortschreitenden Bodencultur, der Anlage von Baumpflanzungen , Canälen etc. , die Verwendung grösserer CavalerieCorps beeinträchtigt worden sei, glaube ich noch einen anderen an die Seite stellen zu können : dass mit dem Entstehen und der Vervollkommnung des Eisenbahnnetzes das Reiten auf grosse Distanzen abgenommen habe.

Und doch ist diese Thatsache tief zu beklagen . Man wende nicht ein, dass der Cavalerie- Officier jetzt bedeutend mehr dienstlich beschäftigt sei, und dass die engere Dislocation der Cavalerie-Regimenter solche Ritte, die früher schon zum Besuche der Kameraden oder bei dienstlichen Anlässen unternommen wurden, entbehrlich mache. Gerade der Umstand , dass die Regimenter nun bald vollzählig stabil in ihren Werbebezirken vertheilt sein werden und dann auch die sonst so häufigen Reisemärsche unterbleiben, ist mit ein Grund , dass dem Campagne -Reiten der Officiere, ja selbst gewissen Force-Touren mehr Aufmerksamkeit und Aneiferung zugewendet werden sollte. Bei den Distanz - Ritten kann und soll der junge Cavalerie- Officier das lernen, was theoretisch und in der Reitschule nicht zu lernen ist, nämlich die Beurtheilung der Leistungsfähigkeit von Reiter und Pferd . Da lernt er am Besten alle jene kleinen Vortheile und Mittel , die bei geringer Erkrankung oder leichten Verletzungen des Pferdes, durch Druck, Streichen , Nageltritt etc. , angewendet werden müssen , um das Pferd, ohne den Ritt zu unterbrechen , herzustellen . Die Pflege und Wartung oder Heilung des Pferdes, denen er in der Garnison doch nur als mehr oder minder genauer Beobachter gegenüber steht, muss er nun selbst in's Werk setzen und all' die kleinen Unarten, die beim Warten, Satteln , Zäumen oder Beschlagen sich zeigen, werden dem jungen Reiter zu eben so vielen nutzbringenden Lehren für fachgemässe , methodische Behandlung und Beurtheilung des Pferdes. Wird das Ziel solcher Ritte häufig gewechselt und ist der Officier genöthigt, sich in unbekannten Gegenden mit Karte und Compass rasch zu orientiren, so trägt dies unendlich zu seiner grösseren Brauchbarkeit im Kriege bei. Dass das Beste des Dienstes

durch Ausführung solcher Ritte

nicht leiden würde, kann man als gewiss annehmen ; Officiere, die Lust

266

Pokorny. Der Zug Hadik's nach Berlin 1759.

und Liebe zu diesen, Energie und Ausdauer erfordernden Leistungen haben, sind auch bei der Ausbildung ihrer Abtheilungen immer am Platze; ihre eminenten cavaleristischen Eigenschaften pflanzen sich, ihnen unbewusst , auf ihre Untergebenen fort, die mit Stolz von den Leistungen ihrer Officiere erzählen . Der Umstand, dass in den Instructionen für die Schulen der Cavalerie die Vornahme grosser Ritte von mehrtägiger Dauer angeordnet ist, spricht genügend für die Wichtigkeit, selben beimisst.

welche man

den-

Die auf Befehl ausgeführten Distanz -Ritte allein genügen aber nicht ; diese Ritte müssen ein für allemal in dem Vergnügungs - Programme jedes Cavalerie- Officiers eine stehende Rubrik bilden . Reiter, die im Sommer nur im Dienste auf's Pferd steigen und im Winter bedauern , dass der Gaul nicht als Melkstute in einer KumissAnstalt zu verwenden sei, kommen Gottlob in unserer Cavalerie nicht vor, fallen daher auch ganz ausser Betracht. Da es bei der jetzigen anstrengenden Beschäftigung der CavalerieOfficiere unmöglich ist,

dass solche Ritte ohne Bewilligung des be-

treffenden Vorgesetzten ausgeführt werden, diese Uebungen jedoch in eminenter Weise zur Ausbildung des Cavalerie - Officiers gehören, so wäre es in erster Linie Sache der Regiments - Commandanten, Ritte zu protegiren , ja zu denselben anzuregen.

solche

Aehnlich verhält es sich mit jenen kürzeren Ritten, die in scharfen Gangarten, im schwierigen Terrain ausgeführt, dazu dienen , um Blick und Sitz des Reiters, Sehnen und Knochen des Pferdes zu üben . Das best' eingesprungene Pferd und der, im Springgarten gewandteste Reiter, werden im Terrain Verhältnissen begegnen, die sie anderswo vergeblich suchen würden. Der Regiments -Commandant ist also, wie früher erwähnt , in erster Linie dazu berufen, den Reitergeist in seinem Regimente heranzuziehen und in welch' ausgezeichnetem Maasse dies bei einzelnen Regimentern schon geschah, zeigen die hervorragenden Leistungen derselben in den Kriegsjahren 1859 und 1866.

Das neue ,,Exercir-Reglement" für die kaiserlich - königlichen Fusstruppen . (I. Theil . ) Eine reglementarische Studie ¹ ) von Hauptmann Adolf v. Horsetzky, GeneralstabsOfficier.

I. Einleitung . Die Gabe, welche die Armee soeben durch das neue Reglement für die k. k . Fusstruppen erhielt, scheint uns so werthvoll, in ihrem Einflusse auf die Zukunft unserer Infanterie so bedeutend , dass wir in den folgenden Zeilen uns nicht begnügen wollen, blos die stattgefundenen Aenderungen und Verbesserungen anzudeuten ; wir wollen vielmehr versuchen , diese eingehend zu erörtern, um die Motive zu erkennen und zu beleuchten, die dabei maassgebend gewesen sein mögen.

Das bisherige Abrichtungs- Reglement war im Jahre 1868 als das Ergebniss langer und eingehender Berathungen, aber noch vollständig unter dem Drucke der Ereignisse des Jahres 1866 zu Stande gekommen. Es entsprach den Bedürfnissen des Augenblickes und theilweise auch den durch die Neubewaffnung der Infanterie zu Tage getretenen Forderungen . Es liess die schwerfällige Bataillons - Masse mit CompagnieBreiten fallen: die entwickelte Linie als Grundstellung verschwand ; die Anwendung des Bajonnet-Angriffes wurde bedeutend beschränkt . Statt dessen wurde die bewegliche Colonnen-Linie " eingeführt ;

die Compagnie - Colonne" trat in ihre Rechte und die Ueberlegenheit im Feuergefecht wurde als conditio sine qua non des Erfolges erklärt . Nebstbei verminderten sich die Ansprüche an das geschlossene Exeriren und auf das zerstreute Gefecht wurde ein viel grösseres Gewicht gelegt, als früher. 1) Geschrieben über specielle Aufforderung des Wiener militär- wissenschaftlichen Vereines .

268

Horsetzky. Dies alles waren Errungenschaften, deren Werth nicht verkannt

wurde und auch heute unmöglich verkannt werden kann ; aber neben diesen Vortheilen wurden schon unmittelbar nach dem Erscheinen und der Erprobung des Reglements einzelne Schwächen desselben fühlbar. Man empfand namentlich, dass das „ zerstreute Gefecht" in einer etwas zu compilatorischen Weise zusammengestellt war. Mehrfache Widersprüche und Zweifel - waren die natürliche Folge der zahlreichen Wiederholungen, welche darin vorkamen . Der Bajonnet- Angriff, wie ihn das Abrichtungs - Reglement empfahl , kam nur auf dem Exercirplatze,

bei Manövern selten zur Ausführung .

Man fühlte unwillkürlich, dass trotz vorhergegangener Feuerwirkung das ungedeckte Vorführen einer in entwickelter Linie oder in Colonne formirten Compagnie zum Sturme noch immer seine geweisten Wege habe, und fiel von einem Extrem ins andere. Der Bajonnet-Angriff verschwand fast ganz von der Bühne und Umgehungen wurden ausschliessliche Mode . Da kam der Feldzug 1870-71 . Der frontale und mit ihm auch der Bajonnet- Angriff gelangte freilich in ganz anderer Form, als unser Reglement ihn anbefahl, nicht als Vorführen geschlossener Abtheilungen, sondern als SchützenAnlauf und Schützen -Attake -- wieder zur Geltung . Die geschlossenen Abtheilungen brachen, sobald sie in die gefährlichste Zone

der

gegnerischen Feuerwirkung kamen, die gewohnte Ordnung und bildeten jene ungeordneten und auf eigene Faust Krieg führenden Schützenmassen, von welchen Boguslawski und Andere so viel Rühmenswerthes zu erzählen wussten, dass sie sie gerne als einzige Kampfform der Zukunft erklären wollten . Mochten vereinzelte Schriftsteller in dieser Beziehung nun auch zu weit gehen, als Thatsache ging aus den Kämpfen des deutschfranzösischen Krieges hervor : 1. dass nur durch die innigste Verbindung der geschlossenen und der zerstreuten Fechtart eine rationelle Verwendung der Truppen Platz greifen könne , 2. dass die geschlossenen Abtheilungen , wenn sie sich dem Feinde auf 500-600 Schritte genähert hatten, gewisse, bisher nur in der zerstreuten Fechtart übliche Bewegungsformen benöthigen, welche

es

ermöglichen, ohne die Ordnung zu brechen , die Ziel - Objecte zu theilen und zu verkleinern und daher die Verluste möglichst zu verringern , 3. dass Angesichts der geradezu verheerenden Feuerwirkung eines hinter einer Decknng befindlichen , mit Hinterladern bewaffneten Vertheidigers Bajonnet -Angriffe in alter Manier wie ihn z . B. die preussische Garde am 18. August 1870 versuchte, gar nicht mehr denkbar sind.

269

Das neue Exercir- Reglement.

Es zeigte sich eben , dass das Schwergewicht des Kampfes nur im energischen und geschickten „ Vorwärtstragen des Feuers " liege und die Möglichkeit eines Erfolges im Bajonnet-Angriffe nur darin bestehe, die Schwarmlinie bis auf eine verhältnissmässig kurze Distanz an die gegnerische Stellung heranzubringen, Auge des Gegners sammeln.

möglichst

entzogen,

die

und dort, dem

Angriffs -Colonnen

zu

Diese Forderungen, die mehr oder weniger klar und bündig schon kurz nach dem Feldzuge des Jahres 1871 laut wurden, verrückten in gewissen Beziehungen den Standpunct, auf welchem das bisherige Abrichtungs - Reglement stand . Sie rissen die Schranken nieder, die das Reglement zwischen der geschlossenen und der zerstreuten Fechtart noch bewahrt hatte ; sie erhoben gewisse Bewegungsbehelfe, deren Gebrauch das alte Reglement allerdings hie und da, wenn auch nur in einem klein gedruckten Absatze gestattete, zu hoher Wichtigkeit und warfen endlich auch den Bajonnet-Angriff, wie ihn das Reglement vom Jahre 1868 noch lehrte, über den Haufen . Angesichts

solcher allgemein

bekannten Thatsachen

machten

29 unterstützt und gefördert von einer reichen sich in unserer Infanterie, Brochuren-Literatur, innerhalb des Spielraumes , den das Reglement der geistigen Thätigkeit und der Auffassung der Commandanten erlaubte, bald vielfach verschiedene Ansichten namentlich über Ausführung des Feuergefechtes geltend. Einzelne überschossen das Ziel , indem sie Alles indem sie wieder zu Einzelne blieben hinter demselben zurück wenig Truppen in die zerstreute Fechtart auflösen wollten ; " Einzelne übten noch fleissig den Bajonnet-Angriff, Andere perhorrescirten ihn ganz . Bald war - man verzeihe uns diese kleine Uebertreibung die babilonische Sprachverwirrung auf unseren Manövrir- und Exercirplätzen vollständig. Der Eine experimentirte nach Boguslawski , der zweite nach Scherff , der dritte nach Cardinal ; ein Regiment exercirte seine Recruten à la B. von B., ein anderes nach Tellenbach u . s. f. Es erging uns eben, wie es auch den anderen Armeen erging ; vielleicht noch besser, keinesfalls schlechter ; dies beweisen zum Beispiel die taktischen Rückblicke auf 1866, in welchen der Verfasser i. J. 1869 von der preussischen Armee erzählt,

dass fast jede taktische Neuerung ,

ehe sie reglementarisch wird, lange vorher bei allen Truppentheilen geprobt, eingeführt, verboten und schliesslich wieder eingeführt wird “ und der nicht endenwollende Strom taktischer Streitschriften . Diese Sucht, sich das Neue anzueignen, war also ganz naturgemäss und entsprang gewiss nur dem sonst sehr löblichen Bestreben , Ausbildung der Truppe auf einen möglichst hohen Stand zu brin20 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines . VIII. Band, 1874.

270

Horsetzky.

gen. Das Traurige dabei war, dass die nothwendige Gleichartigkeit in der Ausbildung der Truppen in die Brüche ging. Wie aber in einer so

complicirten Maschine,

wie die Armee,

auch kleine Ursachen grosse Wirkungen haben, so hatte diese Ungleichartigkeit auch bald noch schlechtere Folgen . Es drohte Unmuth darüber einzureissen, dass man nicht mehr wisse, was eigentlich zu thun sei ; der Eine wolle dies, der Andere jenes ; und Einer erzählte dem Anderen, dass sich jetzt Niemand mehr ums Reglement kümmere, bis es auch schliesslich beinahe Alle glaubten.

Dieser Zerfahrenheit der taktischen Ueberzeugungen und Ansichten trat nun die Heeresleitung mit einer ganzen Maassregel entgegen. Im Monate Mai vorigen Jahres wurde, wie bekannt, eine Versammlung hoher Officiere nach Bruck an der Leitha einberufen , deren Aufgabe es war, die Art und Weise des zerstreuten Gefechtes festzustellen und dadurch in der ganzen Armee wieder einen gleichartigen Vorgang bei den Uebungen desselben anzubahnen . Dass dies nicht ganz leicht war, wird Jeder zugeben, der sich des damaligen Standpunctes der verschiedenen Streitfragen erinnert. So viel auch schon damals über dieselben geschrieben worden war, ein endgiltiges Resultat war nur bezüglich des Sammelns durch die Veröffentlichungen mehrerer hochangesehener Generale erzielt worden ¹) . Bei näherem Eingehen in die Detailbestimmungen des alten Reglements, zeigte sich nun, dass einige der früher erwähnten Mängel leicht durch Kürzungen und Vereinfachungen behoben werden könnten und dass selbst einzelne der angeführten Forderungen der durch den Feldzug 1870-71 inaugurirten Taktik durch das deutlichere Hervorheben gewisser ,

bis jetzt nicht allgemein als wichtig erkannten Be-

stimmungen des Reglements ausreichende Berücksichtigung finden könnten ; trotzdem ward bald klar, dass sowohl die Aufnahme der Bestimmungen über das Sammeln , als das für nothwendig erkannte Fallenlassen des Unterschiedes zwischen geschlossener und zerstreuter Fechtart so bedeutende Aenderungen nach sich ziehen müssten, dass damit , so günstig auch im Ganzen das Urtheil

über die Brauchbarkeit des

alten Reglements lautete, die Forderung ausgesprochen war, dasselbe gänzlich umzuarbeiten . 1 ) Siehe die Aufsätze des FML. Wilhelm Herzog von Württemberg : „ Die Angriffsweise der preussischen Infanterie im Feldzuge 1870-71 " des GeneralMajors Anton Freiherrn von Schönfeld : „ Das Nahgefecht der Infanterie in der Offensive und im offenen Terrain " und des General - Majors Freiherrn von Dahlen : „ Ueber Führung der Infanterie im Gefechte und über Disciplin " ; veröffentlicht im 3. und 4. Bande des Organs des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines (1871 und 1872).

Das neue Exercir- Reglement.

271

Eine gänzliche Umarbeitung aber gleicht auf ein Haar „einem neuen Reglement. " Die Heeresleitung, die anfänglich hoffen durfte, - dem Reglement blos durch Herausgabe von Ergänzungen und Berichtigungen die frühere Autorität zu erringen - musste dieser Hoffnung entsagen .

Es waren gewiss keine geringen Bedenken, über die sich die oberste Heeresleitung hinaussetzte , als sie den Befehl zur Umarbeitung des Abrichtungs-Reglements ertheilte.

Der Anhänger des Grundsatzes : ein Reglement müsse wenigstens ein Menschenalter dauern gab es eine Menge. Sie beriefen sich auf Preussen und auf Frankreich, die alle mit alten Reglements ihre Siege erfochten ; -- sie beriefen sich auf die Nothwendigkeit, dass bei uns - wegen anderer Verhältnisse Stabilität doppelt nöthig sei.

Die Heeresleitung liess sich zum Glücke der Armee von diesen Bedenken nicht beirren. Wir sind eben der Ansicht , dass die oben erwähnten Einwürfe zum Theile unrichtig, weil doctrinär, zum Theile gerade für unsere österreichischen Armee- Verhältnisse ganz unpassend sind. Es ist wahr, die Franzosen und Preussen haben nach einander durch Jahrzehnte mit alten, ja veralteten Reglements ihre Erfolge errungen ; aber wenn man die Sachen näher besieht, erkennt man, dass der Grund ihrer Erfolge wo anders liegt, und dass sie dieselben eben nicht in Folge ihrer Reglements, sondern zum Theile trotz derselben erzielten . Die Franzosen blickten allerdings lange Zeit mit Stolz auf die napoleonische Ruhm- und Glanzperiode zurück , in welcher sie mit dem Reglement vom Jahre 1791 die ganze Welt besiegten . Wer wollte aber in diesen Erfolgen etwas anderes erkennen, als das überwiegende Genie eines Mannes , welcher - die personificirte alle hergebrachten Gewohnheiten verwarf, Vorurtheilslosigkeit welcher das Muster eines militärischen Autodidakten - alle Mängel der Institutionen mit seinem Geiste verdeckte , und durch die. gewaltige Kraft seines kriegerischen Talentes über die kleinlichen, pedantischen, verzopften Gewohnheiten und gedankenlosen militärischen Spielereien einer abgethanen Epoche mit Leichtigkeit den Sieg errang. Sahen die Manöver des Schlachtfeldes aber nur entfernt jenen des Reglements ähnlich ?

20*

272

Horsetzky. Die unter Napoleon geübte Taktik hatte sich eben unabhängig

vom Reglement auf den Schlachtfeldern gebildet, und diese,

nicht

jene des Reglements war als Folge fast ununterbrochener 20jähriger Kriegeszüge ein Gemeingut Aller geworden . Seine Taktik war sehr einfach, sehr natürlich, der unmittelbare Ausfluss einer richtigen Idee über die Zwecke des Krieges und dessen Mittel. Es beweist dies Alles eben nur zu sehr ,

dass die militärische

Ueberlegenheit, wenn sie in der Person des Feldherrn liegt, demselben ein Uebergewicht verleiht, das nach seinem Werthe nur mit den Wirkungen grosser mechanischer Motoren, gegenüberjenen blos menschlicher Kräfte verglichen werden kann. -

Oesterreicher ,

Preussen ,

Russen

unterlagen, wo Napoleon sich ihnen gegenüberstellte. ¹ ) In der Restaurationsperiode machten aber Einzelne schon darauf aufmerksam ,

dass die Praktiken der Feldzüge Napoleon's nach und

nach wieder aus der Armee verschwänden und Jahre 1791 wieder zum Vorscheine käme .

das Reglement vom

So schrieb 1829 einer der verdienstvollsten Generale des Kaiserreichs ein Troupier par excellence der Divisions - General Morand : „ Die gegenwärtig üblichen Manöver können unmöglich vor dem Feinde gemacht werden ; unsere Bataillone müssten geradezu massacrirt werden ; - unsere reglementarischen Formen sind so confus, dass ein Officier ,

der sie auszuführen weiss ,

schon desswegen allein

für einen geschickten Officier gilt, dass er aber auch deshalb so viele Formeln im Kopfe hat, dass er vor dem Feinde gewiss nicht vernünftig handeln kann . Man muss das Reglement auf wenige Seiten reduciren und Alles über Bord werfen, was nicht im Kriege brauchbar ist. Eine solche Reform wird allerdings auf grossen Widerstand stossen , aber etc. " Der Widerstand war so gross, Und Morand hatte Recht. dass die nach der Juli- Revolution im Jahre 1831 einberufene Commission ihr neues Manövrir-Reglement mit den Worten einbegleitete : 27 Wir haben bei demselben weder an dem Plane noch an dem Geiste der Ordonnanzen vom Jahre 1791 etwas geändert. " Ja noch im Jahre 1867 ruft General Trochu im Hinblicke auf das im Jahre 1862

erschienene Reglement klagend aus : „ Was

würden die Generale des ersten Kaiserreiches dazu sagen, dass die Ordonnanzen des Jahres 1867 noch immer auf dem Boden des Regle¹ ) Betrachtungen über die Organisation und Verwendung der Heere . Wien 1868 .

-

Das neue Exercir- Reglement.

273

ments vom Jahre 1831 , somit noch genau auf dem Boden der Ordonnanzen vom 1. August 1791 , also auch ebenso genau auf jenem der Drill-Periode Leopold's von Dessau stehen. "

Als im Jahre 1870 und 1871 der Geist des ersten Napoleon . die Waffen der französischen Armee nicht mehr beschattete da stimmten Alle in das Klagelied Trochu's ein : - Unsere Reglements waren nicht auf der Höhe der Zeit.

Nicht minder schwer brach sich in der preussischen Armee der reglementarische Fortschritt Bahn . Das Formenwesen der Epoche Friedrich's II . war bei Jena wohl erschüttert, doch nicht vertilgt worden. Indessen äusserten sich dort gar bald gewisse Einflüsse, welche die Nachtheile dieses Formenwesens paralysirten , ja dieselben sogar als Vortheile erscheinen liessen . Die allgemeine Achtung, welcher sich das Volksheer als der Ausdruck der geistigen und materiellen Kraftfülle des Staates erfreute, -die eiserne Disciplin, welche alle zersetzenden Einflüsse von Aussen fernhielt, die strenge Auswahl des Officierscorps und die glänzende Stellung , die man demselben zu geben und zu erhalten wusste , alle diese Eigenschaften im Vereine mit jenem traditionellen und überall verbreiteten Pflichtgefühl und jenem blinden Vertrauen in die Zukunft, das emporstrebende Nationen immer auszeichnet , erzeugten nach und nach jene zwar nüchterne und schwunglose, aber auch rücksichtslos ernste Tüchtigkeit, die selbst ohne grossen Feldherrn und ohne gutes Reglement vollbrachte, was sonst nur ganz besonders begnadeten Naturen und eigentlich nur guten Reglements zu leisten vergönnt ist. Nebst alledem wurde noch ein wichtiger Factor wirksam : Unterstützt durch die geistvollen Werke eines Clausewitz , - durch die mühevollen kriegswissenschaftlichen Arbeiten eines Brandt, Berneck etc. , sowie durch die werkthätige Hilfe, mit welcher die Regierung jedes wissenschaftliche Streben im Officierscorps förderte und pflegte, hatte auch das Interesse am Studium militärischer Dinge immer weiter zugenommen, bis es schliesslich wenn auch nicht im Einzelnen , so doch im Durchschnitte - als ein Factor militärischer Ueberlegenheit zum Ausdrucke kam. Man kann der preussischen

Armee ruhig zugestehen

dass

nur die allgemeine militärische Bildung des Officierscorps es war, welche es bewirkte, dass aus dem Korporale, der eigentlich aus jeder Seite des formenreichen und künstlich starren Reglements zu lesen war, ein selbstdenkender " Schulmeister" wurde , der sich auf dem Schlachtfelde

rasch

zu

helfen ,

die

lästigen

Formen des

Regle-

274

Horsetzky.

ments abzuwerfen und so

zu handeln verstand, wie es die Natur

des

und der

Terrains ,

die

Waffe

Gegner

eben

verlangten.

Welche Rolle aber das preussische Reglement dabei spielte, kann man in des Hauptmanns Graf zu Dohna „ Studien und Entwürfe für ein Normal - Reglement der Infanterie im Sinne der modernen Kampfweise, " lesen ; er sagt darin, dass das (preussische) Reglement an den ungeheuern Erfolgen auf deutscher Seite nicht nur keinerlei positiven Antheil gehabt habe ,

sondern

auch mehrfach eine Mitschuld an den

schweren Opfern trage, mit welchen diese Erfolge errungen werden. mussten. " Entgegen den Franzosen, die nach 1815 die Erfahrungen des Krieges wieder vergassen, und erst im Jahre 1870 und 1871 wieder daran erinnert werden sollten,

dass ein gutes Reglement ein bedeu-

tender Kraftfactor sei , den man nicht ungestraft ausser Acht lassen könne, begannen die Preussen nach 1870 und 1871 sofort an die reglementarische Festsetzung der im Kriege als nothwendig erkannten Kampfformen zu gehen. Wenn sie bis jetzt auch in dieser Beziehung allerdings nicht sehr weit kamen, und mit in anderer Hinsicht höchst anerkennenswerther Pietät an dem Grundsatze der Stabilität fest- und ihre höchst antiquirten Commando's und Formen beibehalten ¹) , so können wir darin nur eine Aufforderung mehr sehen , ihnen nicht in Allem zu folgen. Bei uns sind eben ganz andere Verhältnisse .

Wir erfreuen uns

zunächst, wie bekannt, leider keines allgemein und officiell eingeführten Lehrbuches der Taktik ;

die taktische

Ausbildung in

den

Schulen und auch die unseres Officierscorps ist in Folge dessen sehr verschiedenartig . Das einzige Einigungsmittel, das ganz unbe-- ist das Reglement. - Dieses Factum strittene Autorität geniesst war augenscheinlich die Ursache, dass man bei der Verfassung des Abrichtungs -Reglements vom Jahre 1868 im 2. Hauptstück : Zerstreute Fechtart, so zu sagen, eine vollständige Taktik schrieb : diese Thatsache aber ist auch jetzt noch zwingende Veranlassung , das Reglement den Forderungen der Zeit anzupassen, es nicht veralten zu lassen, und damit der Armee den einzigen Halt zu entziehen , der die Gleichartigkeit der Ausbildung , die Gleichförmigkeit in

der Durch-

führung der Uebungen, also auch bis zu einem gewissen Grade , die 1 ) Siehe die Cabinetsordre vom 4. Juli 1872 und vom 19. März 1873. Erst letztere schaffte die Bataillons- Colonne ab und erklärte die bei uns schon seit 1867 eingeführte Compagnie- Colonne als die Normal- Gefechts- Formation der ersten Linie.

275

Das neue Exercir-Reglement.

so wichtige Uebereinstimmung im Handeln und in der Auffassung taktischer Verhältnisse garantirt. Wir haben gewiss nicht minder wie alle anderen militärischen Mächte eine gewisse Stabilität nothwendig, wir brauchen aber eben auch gute Reglements . Wir können es also auch nur als einen entschieden glücklichen Entschluss der obersten Heeresleitung ansehen, das, wenn auch rasch, doch immerhin veraltete Reglement vom Jahre 1868 ausser Curs zu setzen und sich der Meinung der vielleicht grössten militärischen Napoleon des I. anzuschliessen, der in seinen Autorität aller Zeiten Memoiren als Resultat eines so thatenreichen Lebens und so vielseitiger Erfahrungen das Axiom hinstellt : „Man muss die Taktik einer Armee alle 10 Jahre ändern , wenn man den anderen Armeen überlegen bleiben will ¹).

II. Der Geist und die Principien des neuen Reglements.

Es braucht nach dem Gesagten übrigens wohl keines Beweises, dass trotz ,, vollständiger Umarbeitung " des Reglements dem Grundsatze der Stabilität so viel als nur irgend möglich Rechnung getragen werden musste . So war man offenbar bald einig, die alten Commandos möglichst beizubehalten, die bestehenden Formationen nur zu vereinfachen und thunlichst wenig neue Commandos zu schaffen . Neu sind denn auch nur die Bestimmungen „ Sammeln “, die " Offene Colonne" und die Marschform.

über

das

22 Schwarm -Colonne " als

Aber trotz dieser scheinbar geringen Aenderungen weht ein ganz anderer, frischer, belebender Hauch durch das neue Reglement . Die Formen sind zwar zum grössten Theile die alten geblieben , der Geist und die Principien sind neu.

Schon im Jahre 1867 vor Verfassung des bisherigen AbrichtungsReglements hatten sich einzelne Stimmen erhoben, die auf die Nothwendigkeit hinwiesen ,

das Infanterie - Reglement mit jenem der Cavalerie in Einklang zu bringen . Das Cavalerie -Reglement, damals seit vier Jahren im Gebrauche, hatte den Beweis geliefert, wie kurz ein Reglement sein könne. Sehr bald als das beste in ganz Europa 1 ) Il faut changer la tactique de l'armée tous les dix ans, si l'on veut conserver quelque supériorité . (Mémoires de Napoléon I., Pensées sur la guerre. )

276

Horsetzky .

anerkannt, hatte es dargethan , wie weit man im Reduciren traditioneller Formen gehen könne . Einzelne seiner Grundsätze waren auch schon in das InfanterieReglement v. J. 1868 aufgenommen worden, so z . B. die Beseitigung der Inversion , d. i. das ausnahmsweise Verwerfen der Unter - Abtheilungen,

wodurch die Bedeutung, ob eine Colonne rechts oder links

formirt war, so ziemlich ganz entfiel ; die Colonnenbildung, die Abund besonders aber die Aufmärsche waren dadurch sehr erleichtert worden. Das Reglement vom Jahre 1868 anerkannte auch die fixe Reihenfolge der Züge nicht mehr als das Palladium einer sicheren Leitung : aber trotzdem war es noch weit davon entfernt, die Wünsche zu verwirklichen, die in dem „ Entwurfe eines Exercir-Reglements für die k. k. Infanterie, (Wien, Gerold 1867 ) " niedergelegt worden waren. In dem Momente, wo man das vermeintliche Odium, ein neues Reglement herauszugeben, auf sich nehmen musste, wandten sich die Blicke natürlich wieder jenen Vorschlägen zu, die kein geringeres Ziel verfolgten, als erstens den formellen Theil des InfanterieReglements ganz nach dem Muster oder wenigstens dem Geiste des Cavalerie-Reglements als dem am weitest vorgeschrittenen zu modeln und zweitens für die gesammte Armee (Infanterie, Cavalerie und Artillerie) so weit dies überhaupt möglich — ein „ Einheits - Reglement“ zu schaffen . Ein 29 Exercir-Reglement" so ist in dem eben erwähnten Entwurfe zu lesen ,,soll nur formelle Dinge, nur jene Normen und Regeln enthalten, nach welchen grössere jedoch in mehrere Unter-Abtheilungen gegliederte Haufen Bataillone - in eine Kampfordnung gestellt und auf verschiedenem Terrain bewegt werden . “ Derselbe Entwurf" betonte weiters die Nothwendigkeit, die ge-

sammte Lehre über die Anwendung der Formen in eine eigene Instruction zusammenzufassen, in welche Alles kommen sollte, was an keine positiven Vorschriften gebunden werden darf, so z . B. die Verwendung der Schwärme, also die Verwendung der Truppen im Gefechte, die Anwendung des Feuers, die Ausnützung des Terrains im Angriffe und in der Vertheidigung, das Anpassen der Formationen an den zu erreichenden Zweck. Diese Scheidung zwischen der Formenlehre und der Anwendungslehre ist wichtig, weil eben die erste eine eigentlich ganz mechanische die zweite eine rein geistige Thätigkeit von dem Soldaten erfordert · weil die erste nur positive unveränderliche Daten enthält , währen die zweite schon ganz in das Gebiet der angewandten Taktik fällt wo das Mannigfache der Einflüsse auch eine Abänderung der Forr . bedingt.

277

Das neue Exercir- Reglement.

Diese Trennung ist nun in dem neuen Reglement in der Art zum Ausdrucke gelangt, dass sich in den zwei vom Zuge und von der Compagnie handelnden Abschnitten die ersten Paragraphe stets mit der reinen Formenlehre, die letzten mit der Anwendungslehre befassen.

A. Formeller Theil. 1. Auf den ersten Blick scheint es, dass die Verschiedenheit in der Kampfart der Infanterie und Cavalerie auch verschiedene Reglements bedingen müsse ; dem ist aber - wenn man eben das ExercirReglement in seinem Wesen auffasst - nicht so.

Es handelt sich ja nur um Bewegungsformen aus einer Formation in die andere zu gelangen

um die Mittel , und da ist es

gewiss im Principe vollständig gleichgiltig , ob sich diese Formen auf ein Infanterie-Bataillon von 4 oder 6 Compagnien oder auf ein Cavalerie-Regiment von 4, 5 oder 6 Escadronen beziehen. Hält man an diesem Begriffe fest, so leuchtet ein, dass die Bewegungen der 4 Züge einer Compagnie ganz nach denselben Grundsätzen vor sich gehen können, wie jene der 4 Compagnien eines Bataillons oder wie jene der 3 Bataillone eines Regiments . Die Stärke oder die Zahl der Unter-Abtheilungen bewirkt in gewisser Beziehung nur, - dass die Formations - Aenderungen länger dauern , an dem Principe der Bewegung vermag sie nichts zu ändern : dieses letztere bleibt für jede Unter- Abtheilung, mag sie nun 1., 2 . oder 3. Ranges, zu Fuss oder zu Pferde sein, stets das gleiche. Wie mächtig die Anwendung eines solchen Principes aber auf die Einfachheit der Leitung und Führung wirken muss, geht aus der Gleichartigkeit und Verwandtschaft der Verhältnisse hervor, welche die Commandanten aller Grade stets vorfinden . - Der Cavalerie-Divisions-Commandant leitet seine 3 Escadronen in formeller Beziehung ganz in demselben Geiste, wie er es als Escadrons -Commandant mit seinen 4 Zügen gewohnt war, u . s . w. 2. Dieses Princip der Selbstständigkeit der Unter - Abtheilungen, speciell der Züge, seit 13 Jahren in der Cavalerie

so er-

folgreich acceptirt, ist nun auch in das neue Exercir-Reglement übergegangen und stellt es in Folge dessen weit über seine Vorgänger und seine ausländischen Rivalen. Von nun an arbeitet der Compagnie- Commandant erst wirklich rationell mit seinen 4 Zügen ; deren Commandanten sind seine selbstständigen Untercommandanten ; er leitet die Compagnie , sie führen die Züge ; was im Zuge allein zu geschehen hat , commandiren sie nur was die ganze Compagnie auf ein Mal bewirken soll, vom Compagnie- Commandanten anbefohlen.

wird

278

Horsetzky .

Aber Compagnie,

abgesehen von dieser Erleichterung in der Leitung der welche Vortheile liegen nicht in dem Umstande , dass die

Ausbildung des Mannes von jetzt an mit jener im Zuge vollständig abgeschlossen ist, dass er in der Compagnie nur mehr das zu thun hat, was er schon im Zuge erlernte und dass er auch in der Compagnie nur auf seines Zugs-Commandanten Befehl alle Bewegungen ausführt ! Durch die Selbstständigkeit des Zuges wird auch das Gedächtniss des Mannes, das bisher ganz unnöthigerweise in Anspruch genommen war, bedeutend entlastet. Dadurch, dass man den Mann der Nothwendigkeit entband , sich auch noch die Evolutionen in der Compagnie zu merken , hat die Ausbildung des Mannes an Leichtigkeit bedeutend gewonnen, und wäre es auch nur im Hinblicke auf die Wiedereinberufung des Mannes zu den Fahnen ; er braucht sich jetzt während seiner Dienstzeit weniger zu merken, dies Wenige aber wird er auch leichter behalten . Beim Wiedereinrücken ist seine Redressur im Nu vollendet . Wenn sich dieses Princip 2 Jahre lang eingelebt haben wird, so wird man gar nicht mehr glauben wollen, wie man von der Mannschaft fordern konnte, es solle z. B. bei der Colonnen-Formation auf das

Rechts- und Links um !" des Commandanten , der 1. Zug sich

gleich in Doppelreihen links, der 3. und 4. Zug in Doppelreihen rechts brechen. Es rufen zwar jetzt auch schon die Zugs-Commandanten immer ihren Zügen zu, was sie thun sollen ; - aber erstens ist das eben nur vereinzelt gestattet ; zweitens verfehlte es auch oft die Wirkung, weil der Zuruf zu spät kam und der Mann auf das „um !" des Compagnie-Commandanten eben schon mit der falschen Wendung fertig war. 3. Eine fernere bedeutende Errungenschaft des neuen Reglements

besteht in der Annahme des Aviso's :

„In jeder" .

Der

Punct 464

(Führung der Compagnie und ihrer Theile) sagt hierüber : „Der Compagnie -Commandant kann als Behelf auch in jeder Abtheilung Bewegungen oder Formationsänderungen anordnen . In diesem Falle ist dem entsprechenden Aviso oder Commando der Anruf: 77 n. Abthei lung ! " oder „ In jeder Abtheilung !" vorher gehen zu lassen , je nachdem die Ausführung nur von einer Abtheilung oder von allen Abtheilungen bewirkt werden soll . " Damit ist eben der Forderung, dass alles Zweckmässige gut sei. im weitesten Maasse Genüge geschehen. Der Compagnie-Commandant hat volle Freiheit . Er kann die Züge verschieden gruppiren , gleichzeitig oder nacheinander verwenden , unter den vorhandenen Formen eine für alle oder für jeden eine verschiedene wählen, wenn es ihm so zweckmässig dünkt.

Das neue Exercir-Reglement. Dieser Punct 464,

279

sowie die vorhergehenden Puncte 462 und

463, welche von der Selbstständigkeit der Züge handeln und bestimmen, dass der Commandant in der Regel nur anordnet, was zu geschehen hat, das Wie der Ausführung aber den Zugscommandanten überlassen soll , das sind die Cardinalpuncte des neuen Reglements ; sie involviren die einfachen Principien des Cavalerie - Reglements und befreien endlich auch die Infanterie von den letzten Fesseln jenes starren Formenwesens längst vergangener Zeiten, welches den Grad der Ausbildung darnach beurtheilte, ob der Mann erlernt hatte, auf ein möglichst unpassendes Commando 3 oder 4 Bewegungen nach einander zu machen, und welches das Hauptmoment der Ausbilduug nicht in der kriegsmässigen Schulung, sondern in dem gekünstelten Evolutioniren auf dem Exercirplatze sah. 4. Sache des Reglements ist es weiters, in dem formellen Theil nicht mehr als die nothwendige Anzahl Formen dem Commandanten zur Disposition zu stellen. Dessen Urtheil muss es überlassen bleiben , sich derselben dem Zwecke gemäss zu bedienen . Das Reglement muss aber andererseits so viel Formen aufzählen , dass der Commandant alles , was nur möglich ist, commandomässig durchführen kann . Je einfacher diese Mittel werden, desto mehr werden sie sich in der Zahl reduciren und desto vielfältiger wird ihr Gebrauch werden . Mit wenig Mitteln Alles ausführen können , das ist eben das Geheimniss eines. guten Reglements .

Die Fortschritte, welche das neue Reglement in

dieser Hinsicht aufweist, werden sich gewiss die allgemeine Anerkennung sehr bald erringen . Der mehrerwähnte Entwurf schreibt bezüglich dieses Punctes : Das Exercir- Reglement enthielte sodann blos den geometrischen Theil die Linien, auf welchen sich die Unter- Abtheilungen zu bewegen haben, um aus einer Formation in die andere überzugehen. Würden die Vorschriften derart mit Rücksicht auf Zeit und Raum nach geometrischen Gesetzen hingestellt, so sind Aenderungen eben so wenig denkbar, wie bei den Wahrheiten der Mathematik. " Damit wäre auch eine Stabilität erreicht, wie man sie sich wohl nicht besser denken könnte. 5. Wenn wir dem Folgenden vorgreifend, hier, wo es sich blos um Formen " u. zw. zumeist Bewegungsformen handelt, noch erwähnen, dass die meisten der Formations-Aenderungen auch während des Marsches (siehe darüber die Bemerkungen über die offene Colonne) durchgeführt werden können, dass also unser Exerciren von nun an in gewissem Sinne eben so fliessend,

wie bei der Cavalerie

vor sich gehen kann, so haben wir wohl genügend dargethan, dass die Principien des gegenwärtigen Exercir-Reglements - für die Infanterie nicht blos neu, sondern auch gut sind.

280 '

Horsetzky.

Dass man sich damit begnügte, dem Cavalerie- Reglement blos die Principien zu entlehnen, im Uebrigen aber die alten Commandos beizubehalten, hat wohl in der Rücksicht auf die schon entlassene Mannschaft seinen Hauptgrund . Dies war offenbar auch Veranlassung, vor der Hand auf die Schaffung eines Einheits - Reglements zu verzichten ; die Vortheile eines solchen wären unzweifelhaft namentlich für jene , die sich mit allen Reglements zu befassen haben , nicht gering : auch ist ein gewisser Widerspruch nicht zu läugnen, der darin besteht, dass in den 3 Waffen dieselben Formationen auf ganz verschiedene Commandos ausgeführt werden. Es ist z . B. nicht einzusehen, warum die Infanterie auf „ Kehrt Euch" und 29 Vorwärts Front" die Front verkehrt und herstellt, während die Cavalerie und Artillerie dasselbe blos auf „ Kehrt Euch" machen soll ,

oder warum der Aufmarsch auf die Tête bei

der Infanterie und Cavalerie auf „ Aufmarschiren “ und „Vorwärts aufmarschiren" , bei der Artillerie aber auf „ Geschlossene Linie (Feuerlinie) vorwärts ! " geschieht,

oder warum die 4 Unterabtheilungen in

der entwickelten Linie der Compagnie oder in der Colonne 1. , 2., 3. und 4. Abtheilung , in der Escadron 1., 2., 3., 4. Zug , in der Artillerie rechter und linker Flügelzug , rechter und linker Mittelzug heissen und dergl. Von den Vortheilen der Gleichförmigkeit abstrahirt muss man indessen zugestehen, dass vielleicht bei der Infanterie die Rück-

sicht auf die schon ausgebildete Mannschaft erheischte, die Aenderungen in den Commandos auf das geringste Maass einzuschränken , während andererseits für die Artillerie gar kein irgendwie dringender Anlass vorlag, das im Jahre 1869 erhaltene und gerade erst eingelebte Reglement schon jetzt zu ändern . So viel über den rein formellen Theil.

B. Anwendungslehre. Der angewandte Theil, wie schon erwähnt, gehört zwar eigentlich ganz in den Felddienst " ; in ein Exercir-Reglement nur insoferne und dann , wenn er mit unmittelbarer Beziehung auf die Ausbildung des Mannes und der Unter-Abtheilung gehalten ist . Er fand im alten Reglement als II . Hauptstück ( zerstreute Fecht-

art) die eingehendste Berücksichtigung. In dem neuen Reglement ist derselbe nun in dem zuerst erwähnten Sinne sowohl bei der Ausbildung des einzelnen Soldaten (I. Hauptstück) als auch bei der Ausbildung des Zuges (II. Hauptstück) und

Das neue Exercir- Reglement.

281

jener der Compagnie ( III . Hauptstück) in den Abschnitten : Vorbereitung für das Gefecht

[und speciell in den Capiteln Gefechtsweise eines

Zuges und einer Compagnie (§ . 22 und 38 ) , Benützung des Terrains (§. 23 und 39) , Anwendung des Feuers ( §. 24 und 40 ) und Durchführung eines Gefechtes mit dem Zuge und der Compagnie (§ . 27 und 42)] behandelt.

Es wurde dabei offenbar nur auf die Erzeugung richtiger Begriffe über den formellen Theil der Kampfweise, die Anwendung der Formen und über deren Verwendung im Gefechte das Hauptgewicht gelegt, während die eigentliche Anwendungslehre vollständig dem „Felddienste " überlassen blieb. Nach unserer Ansicht ist es dem Reglement bei Behandlung des angewandten Theiles gelungen, glücklich zwischen den beiden gefährlichen Extremen, zu viel oder zu wenig sagen, die richtige Mitte zu halten . Zu viel sagen kann nur schlechten Methodismus und Formelwesen erzeugen ; zu wenig sagen ist aber noch gefährlicher - 99 weil dann

der minder lebhaften Phantasie die Anhaltspuncte fehlen , an denen sie sich in kritischen Momenten rasch zu sammeln und zu fassen weiss . " Fast scheint

es, als müssten sich hier Emancipation von

jeder Form einerseits seits

und ein gewisser Methodismu anderers feindselig begegnen und bekämpfen .

Die Emancipation von jeder Form fordert nämlich, dass man sich mit einigen allgemeinen Hinweisen auf die Nothwendigkeit in jedem Falle das Zweckmässigste zu thun, begnüge ; dies hiesse aber jedenfalls zu weit gehen, zu grosse Anforderungen an die Phantasie des Einzelnen stellen. Der Frieden bietet nun ein Mal nicht das Bild kriegerischer Actionen und Alles vom Moment zu erwarten, hat sich längst durch Erfahrung als Träumerei erwiesen, die vor der kalten Thatsache rascher als sie kam, verfliegt. In die Anwendungslehre gehört ganz zweifellos ebenso wohl die Schilderung von gewissen normalen gewöhnlichen Verhältnissen als auch jene abnormer Verhältnisse . Die normalen Fälle stellen dann gewissermaassen den Methodismus, die anomalen, die Emancipation von jeder Form vor. Der eine soll das Ueberwuchern der anderen verhüten . Bei dem Methodismus kommt es nun nicht auf bestimmte Facta , ondern auf die Vorführung einer gewissen, oft wiederkehrenden, also wahrscheinlichen Verfahrungs- Art, auf die Aufstellung eines Durch-chnitts-Verfahrens an, dessen beständige gleichförmige Anwendung

282

Horsetzky.

bald etwas von der Natur einer mechanischen Fertigkeit erhält , welche schliesslich das Rechte fast ohne Bewusstsein thut. Man kann also unbedingt gewisse Verfahrungs-Methoden anpreisen, gewisse Grundsätze aufstellen, ohne der geistigen Thätigkeit des Commandanten, seinem freien Entschlusse nahezutreten . Z. B. So langegeschlossen zu bleiben , bis nicht die feindliche Waffenwirkung zum Auflösen der geschlossenen Abtheilungen in Schwärme nöthigt, oder die Cavalerie nicht auf intacte Infanterie anreiten zu lassen, sind Grundsätze, die sich trotz ihrer Durchschnitts - Wahrheit nicht unbedingt verallgemeinen , nicht auf jeden Fall anwenden lassen ; aber trotzdem müssen sie jedem Commandanten gegenwärtig sein, um den Nutzen der in ihnen enthaltenen Wahrheit nicht zu verlieren , da wo sie gelten kann. 1) Ein gewisser Methodismus, gewisse Normalformen und Normalverfahrungsweisen sind daher für die Heranbildung der Commandanten von ganz unschätzbarem Werthe. Man denke nur, wie vieles Handeln im Kriege auf blosse Voraussetzungen, oder in völliger Ungewissheit geschieht, weil

sich der Feind ja

eben höchlich dafür

interessirt, dass dem Gegner alle Verhältnisse unbekannt bleiben , und weil oft die Zeit fehlt, sich überhaupt zu orientiren , oder selbst wenn sie dazu vorhanden gewesen wäre, weil sie jedenfalls nicht hinreicht, um Weitläufiges anzuordnen , lange zu disponiren , Instructionen zu ertheilen. Da muss eine Normalform existiren , die durch ein Commando, im Nu, allen Commandanten jene Formation und jene Ordnung vor die Seele zaubert, die sich der Ober-Commandant gedacht. Der Nutzen der Normalformen liegt daher zum grössten Theile in der Erleichterung der Befehlsgebung ; und man darf sie auch der Hauptsache nach nicht als etwas anderes auffassen ; sobald dieser Standpunct verrückt wird , verliert der Methodismus seinen Werth, dann wird er zum gedankenlosen , geistertödtenden Formelwesen, das jede gesunde Geistesregung unterdrückt . ,,Alle Ergebnisse der theoretischen Untersuchung - alle Grundsätze, Regeln und Methoden ermangeln eben der Allgemeinheit und der absoluten Wahrheit; sie sind nur da , um sich beim Gebrauch anzubieten ; dem Urtheile allein aber muss es überlassen bleiben , ob sie angemessen sind oder nicht." Alle Normalformen bleiben daher nur so lange in ihrem Rechte als kein Grund vorhanden ist,

von ihnen

abzugehen ;

es wäre

aber

nicht nur thōricht, jede Abweichung von ihnen zu verdammen, sondern geradezu dem Geiste eines gesunden Methodismus widersprechend .

1 ) Nach Clausewitz : „ Vom Kriege. "

283

Das neue Exercir- Reglement.

Im Gegentheil

man muss gerade diese Abweichungen von

die Regel erst durch sie illuder Regel ausdrücklich hervorheben striren, d. h, nachweisen, dass eben die Regel ein Mal ganz gut ein anderes Mal ganz unrichtig angewendet sein kann. Wer wollte die Attake der preussischen Cavalerie auf die intacte Infanterie der Division Grenier am Nachmittage des 16. August 1870 verdammen ? Sie war eben nothwendig und wenn Voigts - Rhetz die Cavalerie nach der Regel hinter einem Flügel auf den gewissen Augenblick" hätte warten lassen, so wäre der linke preussische Flügel gewiss eingedrückt und das Schlachtfeld verloren worden. So ist auch in den Memoiren Napoleon's zu lesen : „ La théorie n'est pas la pratique de la guerre. Les règles sont bonnes pour donner des idées générales , qui forment l'esprit , mais leur stricte exécution est toujours dangereuse. Ce sont les axes , qui doivent servir à tracer la courbe. " D'ailleurs les règles obligent à raisonner , pour savoir , si l'on doit s'en écarter." Den Kernpunct der Frage berührt aber offenbar Oberst v. Wolzogen, indem er sagt : „ Wer sich in einem Elemente bewegen will , wie es der Krieg ist, darf aus Büchern durchaus nichts mitbringen , als die Erziehung des Geistes. Bringt er fertige Ideen mit, die ihm nicht der Stoss des Augenblickes

eingeben, die

er nicht aus

seinem eigenen Fleisch und Blut erzeugt hat, so wirft der Strom der Begebenheiten sein Gebäude nieder, ehe es fertig ist . "

Die Anwendungslehre des neuen Reglements huldigt nun offenbar

diesen

normale

Grundsätzen ;

Verhältnisse ,

es enthält gewisse

aber

jeder

derselben

normale

Formen für

steht auch

die

Aus-

nahme zur Seite, so dass die Normal - Ordnungen und Normalformen wirklich als das erscheinen , was sie sein sollen : Mittel rascher Befehlsgebung und, in weiterer Instanz :

„dem schwachen Führer

ein

Halt, der ihn vor solchen Fehlern und Absurditäten schützt , die vorkommen würden , wenn er im Augenblicke des Bedarfs alle DetailAnordnungen befehlen und erläutern müsste — während sie für den tüchtigen Führer nur die erste Anordnung sind,

aus welcher er

mit Leichtigkeit in die Formen übergehen kann, die die speciellen Verhältnisse erfordern. " ) Wir erwähnen , um unsere Behauptung zu erhärten , nur den

§. 22

Gefechtweise des Zuges. " ¹ ) Griesheim Taktik, 3. Aufl. S. 394.

284

Horsetzky. Im Puncte 331 heisst es da : Die Ausdehnung der Schwarm-

linie ist so zu bemessen, dass auf jeden Plänkler ungefähr 2 Schritte Frontraum entfallen . Dieser Maasstab muss daher umgekehrt auch angewendet werden , um die Stärke jener Abtheilung zu

ermitteln ,

welche in einer bestimmten Terrainstrecke zur Bildung der Schwarmlinie erforderlich ist . Innerhalb

des so bemessenen

Frontraumes

der

Schwarmlinie

richtet sich aber die Entfernung eines Schwarmes von dem andern nach der Beschaffenheit der zu durchziehenden oder zu besetzenden Strecke,

nach der zu behauptenden Oertlichkeit oder nach dem Ge-

fechtszwecke und endlich noch auch nach der Fechtart des Gegners. - Sie kann also keine unveränderliche sein , sondern wird beim Wechsel der Verhältnisse zu- oder abnehmen u. z. so lange es sich nicht um die eigentliche Gefechts- Thätigkeit handelt , nach den Anforderungen des Terrains .

hauptsächlich

Nachdem noch in den

Puncten 331-345 die allgemeinen Grundsätze für die Gefechtsweise eines Zuges im Kampfe gegen Infanterie besprochen wurden, werden nun in den Puncten 346-356 einzelne besondere Fälle : das Benehmen in coupirtem Terrain - beim Durchziehen von Defilés, das Benehmen gegen Reiterei (die Klumpenbildung), wie der Kampf gegen die Artillerie vorgeführt. In den §§ . 23 und 24 finden diese besonderen Fälle dann noch eine eingehendere Beleuchtung . Ganz ähnlich sind bei dem Abschnitte über die Ausbildung der Compagnie, die allgemeinen normalen Verhältnisse zuerst und zu ihrer Erläuterung einzelne besondere Fälle geschildert.

Bei dem Exercir- Reglement (I. Theil) kann übrigens nach dem Gesagten die Bedeutung von Normalformen lange nicht so mächtig hervortreten, als wie im II. Theil (Bataillons- und Regiments - Exerciren ) und Felddienste, wo es Normalmarsch- und Normal-Sicherheits - Ordnungen und normale Aufstellungen aller Art gibt.

Sie können sämmt-

lich nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie im richtigen Sinne, nicht als Schablone für alle Verhältnisse gebraucht werden. Man muss stets bei ihrer Anwendung fragen, ob auch jene Durchschnitts-Verhältnisse bestehen , schnitts -Verfahrens zulassen.

welche den Gebrauch

eines

Durch-

Die Institutionen sind aber stets nur die eine Hälfte ; die Individuen, die sie ausführen, müssen das Ihrige dazu beitragen ; sie stempeln sie zu heilsamen Maassregeln für das Ganze , wenn sie in ihrem Geiste vorgehen ; aber auch zum schwerlastenden Fluche, wenn sie nur den todten Buchstaben , nicht seine Bedeutung vor Augen haben .

285

Das neue Exercir- Reglement.

III. Vergleichende Betrachtungen zwischen dem neuen und dem alten Reglement .

Wir haben im Vorstehenden zuerst die Umstände flüchtig skizzirt , unter welchen das neue Reglement das Licht der Welt erblickte und auf die eigenthümlichen Verhältnisse hingewiesen, welche den Vorwurf zu geringer Stabilität in unseren Reglements vollkommen zu entkräften geeignet scheinen . Wir haben dann in Kurzem den Geist des neuen Reglements und seine Principien geschildert. Wir suchten dabei darzuthun , in wie weit die von einer hervorragenden Autorität schon i. J. 1867 niedergelegten Ansichten über die Trennung der Formenlehre von der Anwendungslehre und über den

Inhalt dieser beiden Theile bei dem

neuen Reglement endlich zum Durchbruche und zur kamen.

Anerkennung

Nun wollen wir auf jene bedeutenderen Aenderungen aufmerksam machen, welche zwischen dem alten und dem neuen Reglement bestehen und welche zum grossen Theile so lange Zeit den Gegenstand des lebhaftesten literarischen Gedankenaustausches bildeten . Wenn wir hiebei auch manchmal rein nur den Unterschied zwisomit eine schen dem alten und dem neuen Reglement hervorheben Arbeit verrichten, welche Jeder thun kann , der beide Reglements besitzt, so glauben wir doch auch damit dem Studium des neuen RegleVorschub zu leisten und ments einen wenn auch ganz geringen das rasche "7 Einleben" in dasselbe zu fördern .

Anordnung des Stoffes. 1. Gleich auf dem Titelblatte begegnen wir einer ganz zeitgemässen Abänderung : Das Abrichtungs - Reglement wurde ein ExercirReglement, es enthält auch nur das Exerciren des einzelnen Mannes, des Zuges und der Compagnie. Das Wort Abrichtung bezeichnete gewiss nicht im Entferntesten jene, auf die Entwicklung und Vervollkommnung der physischen und intellectuellen Eigenschaften des Mannes gerichtete mühevolle, fast möchte man sagen pädagogische Thätigkeit, welche den Grundstein zur Verwendbarkeit und Kriegstüchtigkeit des Mannes legt .

Es wurde

daher auch im Texte ganz mit Fug und Recht eliminirt und durch das Wort Ausbildung denn eine Aus- und Heranbildung des Soldaten bezweckt man ja - ersetzt. 21 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

Horsetzky.

286

2. Die Anlage des Werkes ist eine gänzlich veränderte. Der Unterschied zwischen der geschlossenen und der zerstreuten Fechtart fiel ! ,, Es gibt nur eine Fechtart" ist das Motto des Reglements. Die bisher in 2 Hauptstücken (geschlossene und zerstreute Fechtart) behandelte Ausbildung des einzelnen Mannes, des Zuges und der Compagnie ist nunmehr in je einem Abschnitte (I., II. und III. Hauptstück) vollständig erschöpft. Das ehemalige III . Hauptstück : „ Gymnastische Uebungen “ findet sich - als der Sache nach eigentlich nicht in's Exercir- Reglement. sondern in eine besondere Instruction gehörig im neuen ExercirReglement ganz abgesondert, als V. und letztes Hauptstück vor. Das frühere IV. Hauptstück : „ Stellung und Exerciren derChargen " ging unversehrt auch als IV. Hauptstück in das neue Reglement hinüber. Mit vielem Vergnügen suchen , wir vergeblich das ehemalige V. Hauptstück : ,,Vorbereitung der Unterofficiere zur Führung von Abtheilungen" , Linien ,

es kömmt gar nicht mehr vor ;

die Erklärung

einiger

Winkel und Flächen , die Uebungen im geraden Marschiren

und dergleichen elementare Uebungen gehören gegenwärtig nicht mehr in ein für die Belehrung des Unterofficiers bestimmtes Capitel ;

es

wäre dies ein geistiges Armuthszeugniss , das wir faktisch nicht mehr verdienten und das auch schon früher hätte eliminirt werden können . Das VI. Hauptstück des früheren Abrichtungs - Reglements ist in gänzlich neuer Fassung als Einleitung dem Exercir- Reglement vorausgeschickt ; es konnte keine schönere Einbegleitung finden, als

die

einfache ,

würdige

Sprache

dieser

wenigen

Blätter ,

als

diese Vertheidigungsrede der Humanität einerseits, der ernsten militärischen Energie und der nothwendig strengen Erziehungs- Grundsätze andererseits . Der Schwerpunct der Einleitung scheint uns

in

der

Anord-

nung zu liegen, beim Recruten-Unterrichte wesentlich die Vorbereitung für die Verwendbarkeit im Felde im Auge zu behalten und das natürliche Geschick des Mannes entsprechend zu verwerthen. An Stelle des VII . Hauptstückes ist, wie bekannt, schon lange die Schiess - Instruction getreten. A. Formeller Theil. a. Ausbildung des einzelnen Soldaten.

(I. Hauptstück. )

( §§ . 1—13. ) 3. Das Capitel : „ Ausbildung des einzelnen

Soldaten "

im neuen Reglement auch jene des Gliedes ; diese ständiges Capitel ganz aus ;

fiel als

umfasst selbst-

eine Anordnung, die sich gewiss allge-

287

Das neue Exercir- Reglement.

meinen Beifalls erfreuen wird. Die Trennung dieser beiden Theile war total überflüssig ; das Glied besteht eben nur als ein Behelf für die bei einzelne Abrichtung ; als taktische Unterabtheilung hat sie angesehen Niemand noch . wenigstens uns 4. Die Detail -Bestimmungen über die Ausbildung des einzelnen Mannes sind so ziemlich dieselben geblieben. Kleinere Aenderungen betreffen die Aufstellung der Männer im Gliede anfänglich auf Entfernung eines Schrittes von einander statt der früheren halben Handbreite . (Punct 20.) 5. Eine nicht unangenehme Abänderung bringt Punct 26 , laut welches jeder Soldat mit der feldmässigen Ausrüstung einen Schritt Frontraum (statt % ) benöthigt, wobei der Abstand einer halben Handbreite schon eingerechnet ist.

nun

Dass sich dadurch alle Front- und Colonnen - Ausdehnungen leichter beziffern und berechnen lassen, wird gewiss keine

geringe Erleichterung in allen einschlägigen Arbeiten verursachen. Der Hauptvortheil besteht aber in der grösseren Beweglichkeit , in der grösseren Freiheit der Bewegung, die dem Manne dadurch gewährt twird, Vortheile die nur zu Gunsten eines leichten und sicheren Aufretens in jeder Beziehung ausfallen können. 6. Die Puncte 28 und 29 setzen fest, dass nicht mehr : „ Auf n Schritte rechts (links) - öffnen !" oder : "2„ Auf n Schritte rechts und links - öffnen ! " (Punct 127 des alten Reglements ) sondern nur mehr : „Auf n Schritte - öffnen ! " commandirt werde, worauf der früher bezeichnete Mann als Stützpunct

stehen bleibt, während die Anderen

so lange seitwärts treten, bis jeder von ihnen die anbefohlene Entfernung von seinen Nebenmanne erreicht hat. (Früher geschah dies durch die ganze Wendung . )

Zum Schliessen

wird jetzt

auch nur commandirt : „Schliessen ! " statt wie bisher ; oder: Links und Rechts schliessen. " 7. Zu Punct 34 : Die Wendungen des Körpers

natürlich

Links (Rechts )

auf der Stelle

werden nicht mehr „ auf dem linken Absatze mit geringer Erhebung des linken Fussballens und des rechten Absatzes", sondern immer auf dem an der Seite der Wendung befindlichen Absatze vollführt , wobei zur Erleichterung mit dem Ballen des anderen Fusses ein dem Maasse der Wendung entsprechender Druck auf den Boden gegeben. wird." 8. Punct 37 ändert den Punct 18 des alten Reglements dahin ab, dass der Uebergang in die frühere Stellung nach vollführter halber Wendung, analog wie bei der Ziehung, wo sie ja hauptsächlich vorkömmt, nicht mehr auf 99 Links (Rechts ) Front ! " sondern auf „ Grad ans !" bewirkt wird . 21*

288

Horsetzky.

9. Der §. 5. (Bewegung vor-, seit- und rückwärts ) präcisirt den §. 5 des alten Reglements (Marsch) und setzt die Länge des Schrittes mit 75 cm statt der früheren 21 (= 758 ) cm fest. In Preussen ist die reglementarisch festgestellte Schrittweite zwar 80 cm. „ Der geometrische Schritt (für Marschtiefen - Berechnung auf der Karte) wird aber zu 75 cm. berechnet ; ihm entspricht etwa unter normalen Verhältnissen die wirkliche MarschSchrittweite. " (Scherff's Zwei- oder Dreigliedrig . ) Die Länge des Laufschrittes wurde auf 90 cm . (früher 31 = 93 cm. ) verringert. Der Takt" wurde beim

Schritt"

von

112 bis 115

auf 115

bis 118 Schritte per Minute erhöht ; der des Schnellschrittes mit 125 bis 130 per Minute, der des Laufschrittes mit 150 bis 160 Schritten per Minute beibehalten . Beim Schnellschritt wurde ausdrücklich bemerkt,

dass er als

ziemlich anstrengende Bewegung nur für die rasche Hinterlegung kurzer Strecken in Anwendung kommen soll. Es verlangten einzelne Stimmen ,

dass man zweierlei „Takte “,

einen rascheren für kurze, einen langsameren für lange Märsche einführe . Dies scheint aus dem Grunde nicht thunlich gewesen zu sein , weil bei Kriegsmärschen überhaupt alle derartigen reglementarischen Festsetzungen durch die Beschaffenheit der Strasse, Wind, Wetter, die Ermüdung der Leute

illusorisch werden müssen,

dass aber unter

normalen günstigen Verhältnissen die Beibehaltung des gewöhnlichen rascheren Taktes auch im Felde gewiss nur sehr wünschenswerth und gerechtfertigt ist. 10. Punct 48 hebt die vielfach belächelte Bestimmung auf, dass der Soldat auf ,, Marschiren ! " die Schwere des Körpers auf den rechten Fuss zu übertragen habe, was angeblich nothwendig war, ,„ damit der linke ungehindert ausschreiten könne. " - Das war eben Tradition . 11. Im Punct 60 entdecken wir mit aufrichtiger Freude, dass der Commandant nach dem Aviso "„ Marschiren ! " mittelst des lauten Zurufes : „ Direction der hohe Baum ! " oder dergleichen , einen möglichst entfernten, aber gut wahrnehmbaren Gegenstand in senkrechter Richtung auf die Frontlinie als Directions- Object zu bezeichnen habe. Diese laute, allen Leuten verständliche Angabe des DirectionsObjectes findet naturgemäss nach jeder Schwenkung nach dem Grad

oder Ziehung

aus, kurz nach jeder Front-Veränderung, sowohl im

Zuge, als auch in der Compagnie statt und wird nicht wenig dazu beitragen , den Marsch der Abtheilungen sicherer und fliessender zu gestalten.

289

Das neue Exercir- Reglement. Die Charge am rechten Flügel leitet den Marsch.

Doch kann

auch durch " Direction links (rechts) ! " die Leitung des Marsches auf die andere Seite übertragen werden (Punct 68), nach welcher dann Abstand und Richtung zu beurtheilen ist. 12. Punct 86 enthält ein neues Commando : „Ohne Schritt ! " , welches angewendet werden kann , wenn die Beschaffenheit des Bodens die Einhaltung des gleichen Trittes zuweilen unmöglich macht oder sehr erschwert. - Auf „Gleicher - Schritt !" ist wieder der gleiche Tritt anzunehmen . Dabei ist selbstverständlich, dass das Marschiren ohne Tritt nur dann gestattet werden darf, wenn die Einhaltung der Gliederdistanz nicht nothwendig ist. Es schliesst sich also ganz von selbst in grösseren Marsch- Colonnen und bei längeren Märschen , überhaupt , wenn in Reihen oder Doppelreihen oder mit Schwarmbreiten marschirt wird, endlich auch beim Schlagen des Spiels aus . ist das Einhalten des gleichen

In diesen Fällen

Schrittes die erste Bedingung für

gutes und rasches Fortkommen ; dafür sind dann gewisse Erleichterungen, im Tragen des Gewehres, das Rauchen etc. (siehe DienstReglement II. Th., Punct 37) zulässig . Das Marschiren ohne Tritt ist dagegen auf dem Gefechtsfelde, namentlich bei den Bewegungen der Unterstützungen und Reserven der Schwarmlinie, dann wenn

mit grösseren Abtheilungsbreiten,

auf

frisch geackertem, kothigem Felde, in tiefem Schnee marschirt wird, nöthig und muss dann commandirt werden , weil der Mann ohne Commando das Marschtempo etc. nicht ändern soll. Wenn der Commandant beim Marsche über ein Rübenfeld oder dergleichen die Culturen möglichst schonen will, so commandirt er Z. B. auch „ Ohne Tritt" , damit die Leute sich den Weg aussuchen können . Es müssen eben die Erleichterungen im Marsche mit einander abwechseln. Bei längeren Märschen in der Colonne : „Gleicher Tritt", aber bequemes Tragen des Gewehres und die Erlaubniss, zu rauchen : auf dem Gefechtsfelde

oder bei kleineren Sicherheits -Abtheilungen

(z. B. Vor- und Seitenpatrullen der Marsch- Colonne) : „ Marsch ohne Tritt", aber schussbereites Tragen des Gewehres und volle Aufmerksamkeit auf den Commandanten. Von der Gefahr einer Colonnen-Verlängerung durch das „ Ohne Tritt" marschiren grösserer Abtheilungen könnte nur dann die Rede sein, wenn man auch auf Strassen in der Schwarm-Colonne, in Doppelreihen oder Reihen formirt, ohne Tritt marschiren wollte, was aber ganz dem Geiste des Reglements widerspräche.

290

Horsetzky.

13. Die Puncte 90, 91 und 92 stellen (rechts Nieder ! - Vorwärts

Commando's

uns

zunächst in den

links) - kriechen ! "

die durch die neue Kampfweise in grösserem Umfange als bisher geHalt !" bleibt alles botenen Bewegungsbehelfe vor. - Auf : „ Glied im „ Nieder " ; soll dagegen der Marsch mit aufrechter Körperhaltung fortgesetzt werden , so erfolgt zuerst das Aviso : „Marschiren ! - Direc66 worauf sich die Manuschaft zum Aufspringen vorbereitet, tion ... Glied Marsch ! " oder „ Schnellschritt (Laufschritt) dann „Auf !

Marsch !" 14. Die Puncte 93, 94, 95 behandeln das „ Sammeln " in der Weise, wie sie schon durch die „ Instruction , vom Monate Mai 1873 " festgesetzt wurde . Das Aviso dazu ist : „Auf n Schritte vorwärts (rechts, links , rückwärts ) ! " oder : „ In der Schottergrube (an der Brücke oder dergleichen) ,,Sammeln !" ,,Einzeln - Marsch ! " oder „ Einzeln Schnellschritt (Laufschritt)

Marsch ! " worauf vom rechten Flügel angefangen, sich

ein Mann nach dem andern in der bezeichneten Gangart auf den bestimmten Punct verfügt, wo sich das Glied in der früheren Ordnung zu formiren hat und zwar stehend oder liegend, wie es eben der Beschaffenheit des Ortes entspricht. "

"" Wenn die Ausführung im Laufschritte geschehen soll, so hat jeder Soldat nach Zurücklegung von 50-60 Schritten eine ErholungsPause zu machen ", eine höchst erspriessliche Maassregel, die nicht blos den Mann zum Nutzen des Ganzen schont, sondern eben auch durch ein fortwährendes Verschwindenmachen des Zieles und Wiederauftauchen desselben das feindliche Feuer unsicher macht und rein nur Zufallstreffer ermöglicht. Dass der Sammelpunct nie weiter als 150-200 Schritte entfernt sein darf, verhütet an und für sich schon , dass die Leute aus der Hand der Commandanten kommen und „durchgehen " könnten , wie der beliebte Ausdruck heisst. 15. §. 7 behandelt die Gewehrgriffe ; es blieben deren alle, nur die Ausführung von : „In die - Balance ! " und „ Schultert ! “, „ Fällt das Bajonnet ! ", „Präsentirt ! " wurde etwas modificirt. Der von Vielen geäusserte Wunsch nach Abschaffung einzelner Gewehrgriffe wurde also nicht erfüllt. Wir vermögen aber dieser Frage wirklich keine bedeutende Tragweite zuzuerkennen . Der grösste Schritt, der in derselben geschehen konnte, ist schon mit der Abschaffung der Gewehrgriffe als Paradestück geschehen. Jetzt sind sie nicht mehr Selbstzweck, sondern Mittel . Am meisten stach das „ Schwören " in die Augen. Es ist wahr, es wird nicht oft gebraucht : aber das Reglement enthält es eben

Das neue Exercir- Reglement.

291

für den Fall, dass es ein Mal gebraucht wird, um zu ersparen, dass man dann eine neue Verordnung über die Vornahme des Schworens herausgeben muss . Dagegen ist es offenbar unsere eigene Sache, solche Gewehrgriffe nicht mehr zu üben, als eben unbedingt nöthig ist . 16. §. 8. behandelt den Gebrauch des Gewehres als Schiesswaffe entsprechend der Schiess- Instruction. Die „ Visitirung des Gewehres " blieb. Das

Gliederfeuer" entfiel als nachtheilig .

Damit ist eine der künstlichsten und schwierigsten Arten der Feuerabgabe abgeschafft. - Gingen die Ansichten über die taktischen Folgerungen des Krieges 1870-71 noch so sehr auseinander, in der Angelegenheit des Gliederfeuers waren Alle einig, dass erstens das Laden des einen Gliedes stets das Schiessen des anderen beeinträchtigen müsse, und zweitens, dass es die Leitung des Feuers sehr erschwere, weil es im Momente der Gefahr stets von selbst ins Einzelfeuer, im besten Falle in das Salvenfeuer übergehe. Bei Abgabe des Salvenfeuers wird nach "2 Schiessen ! - Fertig !" Durch das Aviso : „ Ziel die Infanterie - Colonne oder dergleichen n Schritte ! " der Mannschaft in ihrer Sprache der Zielpunct und die Distanz bezeichnet. Dann folgt : „ An ! (rechts , links ) an, Feuer ! etc. Das Einzelnfeuer geschieht wieoben nach Bezeichnung des Zielpunctes auf „Einzelnfeuer ! " Zum Hocken oder Liegen wird „ Hockt !" oder „ Nieder !" commandirt. Gehend kann der Soldat laden ; zur Abgabe des Schusses muss er unbedingt stehen bleiben (Punct 155) . Die General -Decharge blieb unverändert. 17. §. 9 schildert den Gebrauch des Gewehres

als Stosswaffe

in Uebereinstimmung mit den früher als § . 70 unter dem Capitel „Gymnastische Uebungen" enthaltenen Festsetzungen. 18. Nachdem der Mann durch die §§ . 7 , 8, 9 die Handhabung und Verwerthung seines Gewehres erlernte, beschäftigt sich §. 10 mit der Vorbereitung des Soldaten zum Plänkler ". Punct 199 bezeichnet wohl am besten den Fortschritt, den das Reglement dabei gemacht ; es heisst dort : „Bei den Uebungen, welche die Vorbereitung des Soldaten zum Plänkler bezwecken , müssen dessen natürliche Anlagen und Lebensgewohnheiten für die Ausbildung ausgebeutet werden ; die erforderlichen Belehrungen sind daher fragend zu ertheilen, damit der Soldat sich gewöhne, die Umstände prüfend zu beurtheilen und seine Handlungsweise der eigenen Ueberzeugung anzupassen. "

292

Horsetzky . 19. Punct 198 enthält die Bestimmung, dass der Soldat ohne

ausdrücklichem Befehl niemals zurückgehen

dürfe.

Wir werden

später auf diesen Grundsatz noch zurückkommen müssen . 20. Zum Schlusse der Betrachtungen über die Ausbildung des einzelnen Soldaten wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass bei derselben die „Haltung" und die „ Einzeln-Defilirung" , gewiss ganz unbetrauert, in Verstoss geriethen . b. Ausbildung des Zuges . (II. Hauptstück.)

(§§. 14-21 ) 21. Punct 235 eliminirt die „ungefähren " 40 "¹ ( = 108 cm. ) als Gliederdistanz und lässt blos derselben gelten.

die doppelte Mannesbreite als Maass

Die Gliederdistanz wird wie früher von der Absatzlinie des vorderen bis zu jener des rückwärtigen Gliedes bemessen ; - der feldmarschmässig ausgerüstete Mann nimmt einen Raum von 72 cm. im Quadrat ein ; sie beträgt daher ca. 144 cm. oder 2 Schritte (weniger 6 cm. ) . Nur bei einer solchen Gliederdistanz ist es möglich, dass auch bei der Wendung mit Doppelreihen die Männer derselben ebenso in Fühlung „auf halbe Handbreite" stehen, wie in der Front. In Preussen ist der reglementarische Glieder- Abstand auf 64 cm. 27 von Rücken zu Brust" festgesetzt ; er ist also um 8 cm. zu klein, um die Bildung von Doppelreihen , wie bei uns , zu ermöglichen. 22. Eine wichtige Aenderung enthält Punct 237 : „ Der Zug ist nach der Zahl der vorhandenen Rotten in Schwärme von möglichst gleicher Stärke abzutheilen, wobei als Regel zu gelten hat ,

dass ein

Schwarm nicht mehr als 7 und nicht weniger als 4 Rotten erhalten darf. Bei 7 oder weniger Rotten unterbleibt diese Theilung, daher in diesem Falle der Zug nur einen Schwarm zu bilden hat. Sechszehn oder mehr Rotten sind demnach in 4, 12-15 Rotten in 3, 8-11 Rotten in 2 Schwärme zu theilen. " Die Bemessung der Stärke der einzelnen Schwärme scheint theils mit Rücksicht auf die Gefechtsthätigkeit getroffen worden zu sein, wo man eben weder zu starke, also ungelenke, noch zu schwache, der inneren Kraft entbehrende Schwärme haben will, theils mit Rücksicht auf die Benützung der Schwarm-Colonne als Marschform . In letzterer Beziehung müsste man nun allerdings eine gleiche Schwarmstärke u. z . wo möglich eine solche von mehr als 4 Rotten als sehr wünschenswerth bezeichnen, denn nur dann würde der mit der Schwarm - Colonne beabsichtigte Zweck einer besseren Ausnützung der Strassenbreite, als sie mit Doppelreihen möglich ist und eine grössere Verkürzung der Marschcolonnenlänge vollends erreicht werden.

293

Das neue Exercir-Reglement.

Die durchschnittliche Strassenbreite in Oesterreich und Deutschland beträgt ca. 7-8 Schritte ; wenn man überhaupt diese Bedachtnahme als allein ausschlaggebend bezeichnen wollte, so müsste man entschieden eine gleichmässige Schwarmbreite von 6 Rotten fordern . Diese gleiche Schwarmbreite hätte aber den Nachtheil, dass man ihr zuliebe eben die Schwarm-Abtheilung nicht im Zuge, sondern in der Compagnie bewirken müsste, was zu fast ununterbrochenen Neuabtheilungen und zu vollkommenem Aufgeben des Zugsverbandes führen müsste. Es ist klar, dass durch die oben angeführte Art der SchwarmAbtheilung die Rottenpaare im Zuge fast immer auseinander gerissen sein werden, und dass diese letzteren nur mehr wegen der DoppelreihenBildung nöthig und beibehalten sind . 23. Unbekümmert um die Eintheilung in Rottenpaare und jene in Schwärme ist übrigens laut Punct 242 auch noch die Eintheilung in 2 Halbzüge zu bewirken, eine Maassregel, die für das „ Oeffnen “ und die Bildung der Flanken im Carré ( siehe später Punct 29 und 73 dieser Betrachtungen) und auch für die flügelweise Verwendung des Zuges berechnet ist. Eine höchst heilsame Einführung finden wir im Puncte 243, demzufolge die Schwarmführer von nun an nach erfolgter Abtheilung vor ihre Mannschaft zu treten, sich mit den ihnen zugewiesenen Soldaten bekannt und einen derselben als ihren Nachfolger im Commando und Stellvertreter im Schwarme namhaft zu machen haben. 24. Zur Ralliirung des Zuges erfolgt, in theilweiser Abänderung des §. 22 des alten Reglements, nach dem Auseinander das Commando oder Signal : „ Vergatterung ! " , wenn die Ralliirung im Schritte, oder „ Allarm !" , wenn sie im Laufschritte vor sich gehen soll . 25. Ganz neu gearbeitet ist §. 15, Führung des Zuges und seiner Theile . Hier wird zunächst im Puncte 251 auf das bewusste Handeln " in jeder Gelegenheit Nachdruck gelegt und weiter auf den Unterschied aufmerksam gemacht, wie das Benehmen des Zugs -Commandanten beim Unterrichte seines Zuges und bei der Führung desselben sein müsse ; in letzterem Falle wird sich der Zugs - Commandant in den meisten Fällen als Führer vor dem Zuge befinden , und ähnlich, wie dies schon bei der Cavalerie seit Langem mit dem besten Erfolge üblich war, durch sein eigenes Benehmen die Direction,

die Schnel-

ligkeit der Bewegung und die ganze Haltung regeln , um die Mannschaft dadurch mit dem Begriffe vertraut zu machen, dass sie ihm nur nachzufolgen habe, um auf den richtigen Weg zu gelangen. 26. Punct 260 bringt die von Allen so lebhaft gewünschte Abschaffung des übermässigen und fortwährenden Gebrauches des Schnell-

294

Horsetzky.

schrittes. „ Die Bewegungen des geschlossenen Zuges sind im Schritte auszuführen . " Ferner : „ Der Schnellschritt ist ohne Unterbrechung nicht länger als 3 Minuten anzuwenden. Punct 260 setzt auch bezüglich des Laufschrittes fest, dass nach 2 Minuten der Bewegung im Laufe immer eine Pause von 5 Minuten im Schritte folgen

soll,

nach welcher wieder 2 Minuten

gelaufen

werden kann. Die ganze Laufbewegung darf mit Einschluss von zwei Ruhepausen nicht mehr als 16 Minuten dauern. " Der Gewinn

an Zeit und Raum ist dabei immerhin ein sehr

beträchtlicher ; im

Schritte" hinterlegt ein Zug in 16 Minuten circa

1400, auf obige Weise aber 1700 Meter ; er gewinnt daher an Raum Minuten , zusammen also 600 circa 300 Meter und an Zeit circa 3 Meter oder circa 7 Minuten. 27. ad §. 16. Bei der Richtung geschah eine kleine Präcisirung. indem nun ausdrücklich befohlen ist , dass die Chargen des zweiten Gliedes mit diesem und nicht wie bisher mit dem ersten vorzutreten haben. " Ebenso bestimmt Punct 268 , dass beim „ Front- und Flügel-Verändern ! " die Chargen am rechten Flügel nach Vollführung der zweimaligen ganzen Schwenkung links , längs der früheren Frontlinie des ersten Gliedes, u. zw . „auf einen Schritt von dieser entfernt, " gerade fort zu marschiren haben. 28. ad §. 17. Die Formirung der Gewehr-Pyramiden blieb unverändert . Punct 275 bestimmt, dass die Chargen immer zu laden , Punct 279, dass jene des 1. Gliedes im Kriege auch stets mitzufeuern haben. (Beim Unterrichte haben auf das Aviso : Laden ! die Chargen auszutreten. ) 29. In Uebereinstimmung mit der Ausbildung des einzelnen Soldaten entfiel auch hier die gliederweise Abgabe des Feuers . Wenn dagegen der Zugs- Commandant den Zug zum Feuern in einem Gliede formiren will , so commandirt er nach Punct 281 „Oeffnen !" „ In ein - Glied ! " , worauf die Rotten von der Mitte gegen beide Seiten sich durch Seitwärtstreten so weit öffnen , dass die Männer des 2. Gliedes Raum finden, um links neben ihre Vormänner zu treten . Die Rotte am inneren Flügel des rechten Halbzuges bildet den Stützpunct . " ) Die Formirung des Zuges in 2 Gliedern geschieht auf: „In den - Zug ! " etc. ‫י‬

Diese Formation ist besonders für jene Unterstützungen wichtig. welche sich in der Schwarmlinie

als

geschlossene Abtheilungen "

sammeln und als solche ihr Feuer abgeben sollen . 1 ) Vergleiche damit Punct 6 dieser Betrachtungen .

295

Das neue Exercir- Reglement. Sie wird daher

zur Verstärkung

der Schwarmlinie in solchem

Terrain, wo nur geringe, namentlich nicht hohe Deckungen vorkommen, wo man also nur ein Glied mit Vortheil noch an die Schwarmlinie anschmiegen lassen kann, fast ausnahmslos vorkommen ; das Gleiche wird der Fall sein, wenn eine schüttere Schwarmlinie längs des Kammes einer Höhe placirt ist und man eine möglichst gleichförmige Bestreichung des Abhanges erzielen und sich doch die Fähigkeit wahren will, über den Kamm der Höhe mit einer geschlossenen" Abtheilung vorzubrechen ; denn diesen Charakter behält dieselbe trotz der Annahme der eingliedrigen Rangirung. 30. Punkt 285 enthält eine praktische Andeutung zur Hintanhaltung der Munitionsverschwendung und über die Art, dem ungehörigen Fortdauern des Feuerns Einhalt zu thun, indem er anordnet , dass der Commandant bei den Uebungen im Einzelnfeuer die Anzahl der zu verwendenden Patronen zu bestimmen und sich nach dem Einstellen die Ueberzeugung zu verschaffen habe, ob seine Anordnung auch von jedem Manne befolgt wurde. 31. In dem 2. Abschnitte, Bewegung des Zuges, bemerken wir zunächst im § . 18, dass der Zugs -Commandant zur Schwenkung während des Marsches das ""Rechtsschwenkt ! " ohne vorheriges Aviso, ebenso auch das „ Grad aus ! " stets selbst zu commandiren hat. 32. Punct 295 enthält endlich die von so Vielen ersehnte „ SchwarmColonne. " Es heisst da : „ Zur Bewegung auf Strassen , deren Breite den Marsch mit der Front des Zuges nicht gestattet, kann das Abfallen in Schwärme veranlasst werden, welche dann mit Einhaltung der Gliederdistanz hinter einander zu marschiren haben. " Der ZugsCommandant ertheilt hiezu das Commando : „ Schwärme fallt - ab!" Der 1. Schwarm marschirt hierauf im vollen Schritte fort, die ander Schwärme machen die Wendung zur Ziehung rechts und rücken so hinter den ersten, dass die rechten Flügel aufeinander gedeckt sind . “ Das Aufmarschiren der abgefallenen Schwärme geschieht auf das Commando : „Aufmarschiren !" - „ Links --- um !" " Marsch ! Wie wir schon im Puncte 22 dieser Betrachtungen angedeutet haben, hat die Schwarm-Colonne gegenüber der Formation in Doppelreihe nur dann besonderen Werth, wenn die meisten Schwärme mehr als 4 Rotten, also die Züge mehr als 16 Rotten

zählen.

Sonst ist der

Marsch in Doppelreihen, bei dem sich ja die Colonne laut Punct 307 auch nicht verlängern soll, gerade so vortheilhaft, ja wegen der gleichartigen Deckung , dem Freilassen beschotterter Stellen oder der Mitte, noch vortheilhafter. Die Schwarm-Colonne wird den Doppelreihen erst dann den Vorrang ablaufen , wenn man die ganze Gefechts- und Marsch-Technik

296

Horsetzky .

ein Mal wird auf den Schwarm als „Einheit " basiren können .

Heute

fehlen uns dazu wohl noch die geeigneten Schwarm- Commandanten. Unsere Doppelreihen sind also nur mit vollem Rechte auch im neuen Reglement hoch in Ehren gehalten . Scherff in seinem Zwei- oder Dreigliedrig ? und Andere theilen übrigens die bei uns zum Schlagworte gestempelte Ansicht über „Ausnützung der Strassenbreite " nicht. Scherff sagt z. B. (S. 13 ) : die Marsch - Section darf nur vier Rotten breit sein ; denn so führt er S. 10 an - uns hat die Erfahrung zu einer Marsch- Section von vier Mann Rottenbreite als der vortheilhaftesten Form geführt, sowohl für die Bequemlichkeit des einzelnen Mannes, als mit Rücksicht auf die so hochwichtige Möglichkeit, eine Marsch- Strasse auch neben der darauf marschirenden Colonne und an ihr vorbei, benützen zu können ! Den Anstoss zu der lebhaften Agitation für die Schwarm-Colonne gab eigentlich die preussische Sections- Colonnen- Formation . - Merkwürdiger Weise werden in Preussen aber gerade in letzter Zeit vielfache Bestrebungen laut, unsere Doppelreihen an Stelle ihrer SectionsColonnen einzuführen . Und da müssen wir allerdings zugestehen, dass ihnen die dreigliedrige Rangirung dabei ausserordentlich zu statten käme . Eine so gleichförmige, 6 Mann hohe Marsch-Colonne, wie sie sich bei der Formirung von Doppelreihen aus der dreigliedrigen Rangirung ergäbe, wäre so ziemlich das non plus ultra zur Ausnützung der Strassenbreite. Eine unbestrittene Autorität in allen militärischen Fächern bemerkte deshalb auch in Bezug auf die zuletzt erwähnten Kundgebungen : Die Preussen können sich nur gratuliren, dass Rangirung zufälligerweise noch besitzen.

sie

die dreigliedrige

Die Nachtheile, die sich bezüglich des 3. Gliedes gegenwärtig ergeben, könnte man leicht beheben ; das 3. Glied dürfte nämlich im Gefechte nicht so verwendet werden, wie dies jetzt geschieht, als ein neuer Zug. Die für die Bewegung und Verwendung im feindlichen Feuerbereiche vortheilhaftere

zweigliedrige Rangirung

liesse sich aber auch

aus der dreigliedrigen ganz gut auf folgende Weise bilden : In zwei - Glieder !". Es wird z . B. commandirt : Oeffnen ! Die Doppelrotten

öffnen

sich,

analog wie

dies gerade früher im

Puncte 29 dieser Betrachtungen für den Uebergang aus zwei Gliedern in eines angeführt wurde, auf die Entfernung von je einem Schritt, von der Mitte gegen beide Seiten, wobei die in der Mitte befindliche oder die von dieser rechts stehende Doppelrotte den Stützpunct bildet.

Das neue Exercir-Reglement.

297

Die Nummern 1 und 2 des dritten Gliedes treten links seit- und vorwärts, so neben ihre bisherigen Vordermänner, das die Nummern 2 des dritten Gliedes neben Nummer 2 des ersten und Nummer 1 des dritten Gliedes neben Nummer 2 des zweiten Gliedes zu stehen kommen. Principiell wird sich gegen die 3gliederige Rangirung überhaupt kein triftiger Einwurf erheben lassen ;

es stellt sich vielmehr bei

näherem Eingehen in die Eigenthümlichkeiten derselben heraus, dass die 3gliederige Rangirung als Grundstellung ganz entschiedene Vortheile besitzt. Sie ermöglicht zunächst durch die Bildung von 6 Mann breiten Doppelreihen besser als jede andere Formation die so wichtige Ausnützung der Strassenbreite und die Verkürzung der Marsch-Colonne. Die Ausdehnung der Infanterie einer Truppen -Division zu Vieren beträgt 14 X 400 5600 Schritte, jene zu Sechsen 14 × 266 = 3724 Schritte, ist also um 1876 Schritte oder circa 16 kürzer. Wenn dann bei den Bewegungen im feindlichen Feuerbereiche nach erfolgtem Uebergange aus der Marsch- in die Gefechts -Formation die Bildung von Colonnen mit kleinen Abtheilungsbreiten nöthig wird, so kann die Annahme der 2gliederigen Rangirung ganz anstandslos vor sich gehen.

In der Colonnenlinie z . B. ist jeder Zug in Hinsicht

seiner seitlichen Expansions-Fähigkeit bis zu einem gewissen Grade ganz frei und ungehindert, somit auch der Uebergang aus 3 Gliedern in 2 Glieder gerade so leicht durchführbar, 2 Gliedern in eines .

wie jetzt jener aus

Für alle Bewegungen ausserhalb des feindlichen Feuerbereiches wäre somit die 3gliederige Rangirung ganz vortheilhaft als Grundstellung beizubehalten ; nach Maassgabe der Annäherung an den Feind ginge dann Hand in Hand mit der Bildung der Colonnenlinie eventuell auch der Uebergang in 2 Glieder vor sich, sowie schon jetzt bei noch grösserer Annäherung an den Feind behufs Ausnützung aller Gewehre bei kleineren Abtheilungen die Bildung eines Gliedes aus den zweien vorgeschrieben ist. Dass das neue Reglement nicht auf die dreigliedrige Rangirung zurückgriff, ist wohl schon aus der Rücksicht, nur das zu ändern , was eben unbedingt nöthig ist, erklärlich . 35. Die Puncte 299 bis 301 behandeln anolog, wie im Puncte 14 dieser Betrachtungen ausgeführt wurde, das Sammeln ; es steht ausdrücklich im Puncte 299, dass selbes im Wesentlichen nach den bei der einzelnen Ausbildung ertheilten Belehrungen zu bewirken ist. Es kann also auch das Ablaufen vom linken Flügel aus eingeleitet werden ; dass es in der Regel vom rechten Flügel geschieht, ist eben eine Vereinfachung, welche wie die im Puncte 6 und später im Puncte 45

298

Horsetzky .

angedeutete, derselben Idee :

die Zahl der Uebungsgegenstände thun-

lichst zu veringern, ihren Ursprung verdanken dürfte . 36. Durch das Commando : „In jedem Schwarme (rottenweise, ,, Marsch !" wird eine beschleueinzeln, Schnellschritt, Laufschritt ) nigte Ausführung des Sammelns in der Weise erzielt, dass das Abrücken in allen Schwärmen gleichzeitig beginnt. ( Siehe hierüber die Bemerkungen über die Einführung des Anrufes : „nte Abtheilung" und In jeder Abtheilung ! ") 37. Die §§. 19, 20 und 21 behandeln die Formirung , Bewegung and Veränderung, und Entwicklung aus Reihen oder Doppelreihen. An Aenderungen sind nur zu bemerken, dass es nicht mehr ช Reihen- oder Doppelreihen -Colonnen ", sondern nur „ Reihen " oder „Doppelreihen " gibt. Die ganz überflüssigen Figuren des alten Reglements blieben weg. Uebrigens betont Punct 307 - gewiss mit vollem Recht -aine schärfere Marsch-Disciplin in den Doppelreihen : „ Die Ausdehnung in die Tiefe darf während des Marsches nie die Länge der Front überschreiten. " Die Ansicht, dass sich die Colonnen -Länge bei Doppelreihen in der Regel vergrössere , - von Vielen bestritten, von den Meisten aber auf guten Glauben hingenommen, war mit ein Anlass für das wiederholte Auftauchen des Wunsches

nach

es ist aber nicht recht einzusehen,

einer anderen Marsch- Form ;

warum in der Schwarm- Colonne

ganz dieselbe Gliederdistanz besser eingehalten werden sollte, als bei Doppelreihen ; man sagt: die Chargen seien günstiger vertheilt und könnten den Marsch besser überwachen. Wir möchten diesen Ausspruch nicht so ohne Weiteres unterschreiben; es frägt sich, ob zwei Chargen vorne, zwei Chargen rückwärts nicht besser im Stande sind, den Zug beisammen zu halten, als wenn sie an den Flügeln je eines Schwarmes vertheilt sind.

Die Verhältnisse sind auf keinen Fall wesentlich günstigere, und somit auch nicht abzusehen , warum die Chargen in den Doppelreihen ihre Schuldigkeit nicht gerade so gut thun sollten, als in der SchwarmColonne . In wie weit aber die Ausdehnung einer Colonne (mag sie nun in

Reihen,

Doppelreihen

oder

Schwärmen formirt sein) überhaupt

gleich bleiben kann, wenn die Bewegung in einem wellenförmigen Terrain vor sich geht oder wenn die Marsch- Colonne auf ein wenn unbedeutendes Hinderniss stösst wurde schon in der „Abhandlung über Kriegsmärsche" (Wien 1860) S. 69-70 ganz eingehend auseinandergesetzt . auch ganz

299

Das neue Exercir-Reglement .

„Jede der einzelnen Doppelreihen oder Reihen verliert erstens bei Passirung eines Hindernisses

als welche beim Colonnenmarsche

beschotterte Strassenstrecken, Pfützen, morastige Stellen u. dgl. anzusehen sind eine gewisse Zeit, so dass sich die Marsch- Colonne lockern und die Ausdehnung derselben unbedingt vergrössern muss, wenn die Tête nach Passirung des Hindernisses ungehindert ausschreitet ; zweitens bewirkt das Hinderniss, dass, während die einzelnen Reihen etc. dasselbe succesive überschreiten, die nachfolgenden nach und nach dicht anschliessen und endlich ganz ins Stocken gerathen . " ,,Nebst der Trennung nach Ueberschreitung des Hindernisses ist daher auch ein Zusammenschieben und ein endlicher Stillstand des rückwärtigen Theiles der Colonne meidlich. "

vor

„ Die grössten Hindernisse dieser

diesem Hindernisse

Art

unver-

sind nun beträchtliche

Steigungen und Senkungen der Strasse im wellenförmigen Terrain, wo die Colonnen-Tête beim Ansteigen den Schritt nicht nur verkürzt, sondern auch ein langsames Tempo annimmt, während beim Bergabgehen das Umgekehrte eintritt, indem der Schritt unwillkürlich verlängert und das Marschtempo beschleunigt wird . " Die Vortheile einer kürzeren Marschcolonne sind überhaupt für - ohne jeden Belang, sie kommen erst den Marsch an und für sich zur Geltung, wenn die Marsch- Colonne in sich selbst aufschliesst, z. B. in Erwartung des Gefechtes oder wenn die Haupttruppe einer Division haltet , während ihre Vorhut das Terrain absucht, irgend ein Marschhinderniss beseitigt, ein besetztes Gehöft nimmt u. dgl. Dann schliesst in der Hauptcolonne Alles gegen die Tête an, selbst die Distanzen, welche das Fortpflanzen kleinerer Stockungen in der Colonne während des Marsches verhindern sollen, verschwinden, und erst jetzt tritt der Vortheil der grösseren Marschfront, respective der kürzeren Marsch- Colonne klar zu Tage. 38. Das „ Rechts (links) schwenken und aufmarschiren ! " ist entfallen, offenbar, weil es sich aus zwei einfachen Commando zusammensetzt : aus dem „ Rechts (links )

schwenken " und dem „ Aufmar-

schiren ", deren Anwendung dem Commandanten immer zusteht . Siehe übrigens hierüber die Bemerkungen auf S. 279 , Punct 4. Je weniger Elemente, desto einfacher ist die Combination derselben.

39. Punet 325 behandelt den Uebergang aus Reihen oder Doppelreihen mittelst Sammelns in die entwickelte Linie. Das Commando. hiezu ist : ཞ Sammeln und aufmarschiren ! " Rottenweise (Schwarmweise, Einzeln ), (Schnellschritt, Laufschritt ) „ Marsch !"

300

Horsetzky. c. Ausbildung der Compagnie. (III. Hauptstück. ) (§§. 29-37.)

40. Punct 455 bestimmt, dass, um eine Compagnie zu formiren , die Züge wie früher für sich rangirt und abgetheilt werden, worauf sie aneinanderschliessen oder hintereinanderrücken. Der Punct 459 bewahrt der Colonne dieselbe Verwendung früher Punct 339.

als Ralliirungsform

wie

Mit diesen Puncten 459 und 460 entfällt auch, analog wie in Punct 24 dieser Betrachtungen geschildert, der ganze frühere Paragraph „ Ralliirung. " 41. §. 30 enthält die bereits früher hervorgehobenen Bestimmungen über die Führung der Compagnie und ihrer Theile, unbedingt das wichtigste Capitel des ganzen formellen Theiles. Siehe die Bemerkungen auf Seite 277 und 278 über die Selbstständigkeit der Züge und die Anwendung des Anrufes : „ nte Abtheilung" oder „ In jeder Abtheilung ." Die Puncte 465 und 466 betonen wie früher den Unterschied zwischen dem Unterrichte und der Führung einer Compagnie. 42. Unter den im Puncte 469 angeführten Signalen entdecken wir: die Signale „Schwarm, " " Unterstützung , " "Sammeln, " "9 Verstärkung," n Ablösen “ und „ Fronträumen " nicht mehr. Punct 468 macht diese Reduction erklärlich . - „ Im Verbande mit anderen Truppen - Abtheilungen

so heisst es dort

dürfen Signale,

um nicht Missverständnisse und Irrungen zu veranlassen, mit der grössten Einschränkung nur dann gegeben werden, wenn die Umstände es dringend erheischen und eine andere Verständigung rechtzeitig nicht möglich ist. " Signal "" Sammeln " entfiel schon früher mit der erwähnten Instruction vom Jahre 1873 , weil ein ganz neuer Begriff damit verbunden wurde ; das Signal „ Fronträumen " verlangte etwas gegenwärtig ganz Unmögliches und Unnatürliches und ward unseres Wissens schon seit Langem auf keinem Manöverplatze mehr gehört . Das Signal Reiterei ", früher Klumpen ", deutet nur das Erscheinen von Reiter- Abtheilungen an, befiehlt keineswegs schon die Klumpenbildung ; im Gegentheile hat nach Punct 395 der Schwarmführer seine Plänkler zum Ausharren in ihrer Stellung bei gleichzeitiger Fortsetzung des Feuers zu verhalten, und nur wenn die Gestaltung des Bodens den Schwärmen und der Unterstützung nicht genügenden Schutz gibt, dieselben durch das Commando „ Klumpen " bei sich zu versammeln. " 43. Zur Richtung nach den Chargen treten nicht mehr blos die an den Flügeln und in der Mitte der Compagnie befindlichen Chargen im

301

Das neue Exercir- Reglement.

1. Gliede vor sondern es gelten diese Bestimmungen nunmehr für „alle an den Flügeln der Züge im ersten Gliede befindlichen Chargen". Die Richtung wird demnach auch nicht mehr in jeder HalbCompagnie, sondern in jedem Zuge bewirkt. Punct 478. Ebenso wird das Front- und Flügelverändern

einer

Compagnie nicht mehr von der ganzen Compagnie im Zusammenhange , sondern in jedem Zuge ausgeführt. 44. Das Sammeln in der Compagnie kann laut Punct 483 in der Compagnie durch rotten- , schwarm- oder zugsweises Abrücken u . zw. in den beiden ersten Arten auch in allen Zügen gleichzeitig zur Ausführung gelangen . Also entweder „Sammeln ! " Rotten- (schwarm- ) weise (Schnellschritt, Laufschritt ) - Marsch !" oder : „Sammeln !" In jedem Zuge rottenweise , (schwarmweise) (Schnellschritt, Laufschritt) 99 Marsch !" oder : „ Sammeln ! " Zugsweise Schnellschritt, (Laufschritt) - "" Marsch ! " , worauf ein Zug nach dem andern in der vom Compagnie-Commandanten bestimmten Reihenfolge und den von diesen bestimmten Pausen die neue Aufstellung zu gewinnen hat 45. Die Formirung der Colonne geschieht nach §. 33 nur mehr auf die 2. Abtheilung, u. zw. auf: " Colonne vorwärts " oder ,,Colonne ! " worauf die 1. Abtheilung sich auf Commando des ZugsCommandanten nach links, die 3. und 4. Abtheilung nach rechts in Doppelreihen brechen.

Bei der Colonne vorwärts rückt die 2. Abtheilung (nunmehrige Tête-Abtheilung ) auf 20 Schritte, statt wie früher auf 18 Schritte, gerade vor und wird dort von dem Zugs-Commandanten zum Halten befehligt. Bei der Formirung nach vorwärts erfolgt dann das Commando „ Compagnie - Marsch! " vom Compagnie-Commandanten, weil die ganze Compagnie auszutreten hat ; bei der Colonne auf der Stelle nur „ Marsch !" weil die 2. Abtheilung stehen bleibt. (Siehe später das letzte Alinea des Punctes 54 dieser Betrachtungen.) Wenn man ohne Rücksicht auf die Zahl der zu übenden Formen einfach die Consequenzen des durch die „ Selbstständigkeit des Zuges " anerkannten Principes verfolgen und fordern wollte, dass die Colonne auf jede, die 1. , 2. , 3. oder 4. Abtheilung formirt werden könnte, so würde man entschieden zu weit gehen. also auch die Bildung der Jede Uebergangs - Bewegung Colonne ist ein Zustand der Schwäche, welcher so viel als möglich

Dieser Forderung entsprich der Zeit nach abgekürzt werden muss . - Es ist auch nur die Formirung auf einen mittleren - den 2. Zug. 22 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

302

Horsetzky.

gar nicht recht verständlich, warum die Formirung der Colonne auf einen anderen Zug besonders vortheilhafter sein sollte. Die Compagnie steht oder marschirt in entwickelter Linie ; es wird also auch in der Regel Raum da sein, um die Colonne auf jeden Zug formiren zu können . Sollte dies einmal nicht eintreten, so bleibt es ja unbenommen, mit anderen Hilfsmitteln die Colonne auf die 1. oder 4. Abtheilung zu bilden. Die Puncte 526 und 527 enthalten die näheren Bestimmungen hierüber : „ Soll die in Reihen oder Doppelreihen formirte Compagnie gegen eine Flanke in die Colonne übergehen, so wird „ Colonne (auf das zweite Glied ) links (rechts ) ! " avisirt und zur Ausführung von der Stelle noch Marsch ! " commandirt. Aus diesem Grunde entfiel wohl auch die Formirung der Colonne rechts oder (links) vorwärts . Wollte man das oben erwähnte Princip eben vollends zur Geltung bringen, so war es gewiss nur vollkommen richtig, auch auf diese beiden Formationen, deren Annahme oder Beibehaltung gegenüber jener auf die 2. Abtheilung an und für sich nur ganz unbedeutende Vortheile besitzt, nicht weiter zu reflectiren . ( Siehe die Puncte 6 und 35 dieser Betrachtungen . ) Etwas anderes ist es mit den Aufmärschen. Diese müssen nicht blos beiderseits der Tête- Abtheilung, sondern auch auf eine Seite. derselben möglich sein ; eine Colonne marschirt z . B. längs eines tiefen Grabens oder dgl. und kann sich nicht beiderseits entwickeln, ohne die Anlehnung an denselben aufzugeben. - Die Nothwendigkeit dieser Aufmärsche wird sich übrigens bei den Aufmärschen im Bataillon noch klarer herausstellen . 46. Neu ist wieder die Verfügung des Punctes 491 ; „ In Colonne sammeln !" Rottenweise, (schwarmweise, zugsweise), Schnellschritt. (Laufschritt) ― Marsch !" 47. Punct 492 enthält die „Offene Colonne ", welche dann angewendet wird, wenn die Colonne mit Entwicklungs - Distanz formirt werden soll. Aus ihrer Natur geht hervor, dass sie also auch während des Marsches und auch von der Stelle, ohne die Tête-Abtheilung halten, oder bei Formirung der Colonne rechts oder links erst schliessen zu lassen, gebildet werden kann, und somit in Bezug auf die Leichtigkeit der Formirung als auch durch die daran geknüpfte Beweglichkeit ein bedeutender Fortschritt zu nennen ist. Damit entfielen die Bestimmungen des § . 40 des alten Reglements : das „ Oeffnen ! " und „ Schliessen ! ", wenn auf Abtheilungs -Breite geöffnet oder geschlossen werden sollte : weiters : „ Auf n Schritte öffnen ! " " Auf n Schritte schliessen !"

„ Auf Abtheilungs - Breite schliessen " etc.

Alles mit

Das neue Exercir-Reglement.

303

Bezug auf die bereits bei Punct 45 gekennzeichneten Vereinfachungen. Ueber

die

Bedeutung

„ Oeffnen ! "

und

Schliessen ! " im jetzigen.

Reglement siehe Puncte 29 und 6 dieser Betrachtungen. 48. Punct 493 gestattet endlich auch die ausnahmsweise Formirung der „ Colonne mit Halbcompagnien, " u. zw. nach vorwärts und auf der Stelle auf die rechts stehende Halbcompagnie. Früher geschah diese Formation nach Punct 325 des alten Reglements sowohl nach rechts als nach links vorwärts . Diese Colonne mit Halbcompagnien ist übrigens weniger eine Bewegungs- als eine Angriffsform und wird nur als solche UebungsGegenstand sein dürfen. Für die Bewegung ist die „ Colonne “ in der Regel gewiss am vortheilhaftesten ; als Angriffscolonne ist sie aber für die Mehrzahl der Fälle entschieden zu tief, zu schwerfällig : die 4. Mann tiefe „ Colonne mit Halbcompagnie- Breiten " dürfte die richtige Stärke einer Angriffscolonne sein '). 49. Bei der Schwenkung der Compagnie -Colonne während des Marsches entfällt analog wie beim Zuge das Commando der FlügelCharge ; der Compagnie-Commandant commandirt selbst : „ Rechts schwenkt !" und „Grad - aus ! " ,, Direction ! " etc.; nur während (links) des Marsches in offener Colonne (Punct 499) ertheilt der CompagnieRechts schwenken, " Commandant zur Schwenkung etc. das Aviso : 66 worauf die Zugs-Commandanten Direction . • ;" dann Grad aus ! " die Ausführung commandiren. 50. §. 35 behandelt die Veränderung der Colonne. Das Vergrössern der Distanzen in der Colonne erfolgt auf das Commando : „Offene 17 Marsch ! " Das Verkleinern auf der Colonne ! " „Erste Abtheilung Stelle auf das Aviso : „ Schliessen ! " " Marsch ! " oder während des Halt !" Marsches auf Schliessen ! " „ Erste Abtheilung Es gibt also nur die „Colonne " und die 19 offene " Colonne, und um aus einer in die andere überzugehen, nur 3 Commando. 51. Um das Abfallen in Schwärme zu veranlassen, avisirt der Compagnie-Commandant nach Punct 507 : ‫ ת‬Schwärme abfallen ! ", worauf bei der 1. Abtheilung das Abfallen sogleich, bei den anderen Abtheilungen aber in dem Maasse von den Zugs- Commandanten veranlasst wird, als sich der Raum zum Nachrücken ergibt . Zwischen je 2 Zügen ist die doppelte Gliederdistanz einzuhalten. Analog geschieht auf das Aviso : „Züge aufmarschiren" die Vorbereitung

durch die Zugs -Commandanten ; auf „ Marsch !"

1) Siehe : Eine Studie über Schlacht- und Gefechts- Ordnungen des (Fig . 13, Tafel III.)

wird in dieses Ban-

22

304

Horsetzky.

jedem Zuge der Aufmarsch bewirkt. Die 1. Abtheilung bleibt dann stehen, die anderen Abtheilungen nehmen die für die Colonne bemessenen Distanzen. Vergleiche damit Punct 32 dieser Betrachtungen . 52. Beim Uebergange aus der Colonne" in die „Colonne mit Halbcompagnie -Breiten " werden auf das Aviso : „ Halbcompagnien aufmarschiren ! " nicht wie bisher die 2. und 4., sondern die 3. und 4. Abtheilung zur Verlängerung der Front verwendet ; ebenso erfolgt bei Verminderung der Breite der mit Halbcompagnien formirten CoIonne auf das Aviso : „Züge abfallen ! " das Commando für die linksstehenden Züge . Man wird überhaupt schon bemerkt haben , dass das Exerciren in der Art vereinfacht wurde, dass sich alle Formationen auf die rechtsstehenden Abtheilungen beziehen : Das Abrücken vom rechten Flügel beim „ Sammeln " eines Schwarmes oder Zuges oder der Compagnie (Punct 14), das Abfallen der Schwärme auf den rechten Flügelschwarm (Punct 32) , die Formirung der Colonne auf den 2. Zug (Punct 45) , auf die rechte Halbcompagnie (Punct 48 ) , endlich das eben erwähnte Vergrössern und Verkleinern der Abtheilungs-Breiten, und die Aufmärsche nach vorwärts, siehe Punct 53 dieser Betrachtungen . Der Vortheil, der aus diesen Vereinfachungen

erwächst,

wird

sich bei der Ausbildung sehr rasch zeigen ; die Commandanten werden sich nicht mehr mit dem Eindrillen aller möglichen, verhältnissmässig werthlosen Formationen

beschäftigen müssen,

sondern die so kurz

bemessene Zeit wirklich auf die kriegstüchtige Herrichtung des Materiales verwenden können . 53. §. 36 befasst sich mit der Entwicklung der Colonne. Das Aviso : „Aufmarschiren ! " „ Rechts, (links), vorwärts aufmarschiren ! " — ein Ueberbleibsel der Lineartaktik des vorigen Jahrhunderts , wo sich alle Aufmärsche stets auf die Tête bezogen, blieb. Das Aviso 97 Entwickelte Linie ! " wie es von Mehreren gewünscht wurde, ist für die anzunehmende Formation zweifellos bezeichnender, denn der Uebergang aus der Bataillons - Colonne in die Colonnenlinie ist doch gewiss auch ein Aufmarsch. 54. Im Einklange mit dem Principe, alle Formationen wo mōglich auch während des Marsches zu bilden, enthält Punct 514 eine Abänderung des Punctes 334 des alten Reglements. Statt :,,Wird das Commando zum Aufmarsche noch während der Bewegung ertheilt, so dient das weitere Commando zur DoppelreihenWendung dem Commandanten der Tête-Abtheilung als Aviso , diese sogleich halten zu lassen", heisst es nun : Wird etc. angeordnet , so liegt es im Ermessen des Compagnie-Commandanten, die Bewegung

305

Das neue Exercir- Reglement.

während der Entwicklung einzustellen , sobald der für die Aufstellung bestimmte Punct erreicht ist. Mit dem Aviso : „ In jeder Abtheilung " kann man überhaupt alle Formations-Veränderungen im Marsche durchführen. Eine Compagnie marschirt beispielsweise in entwickelter Linie vor ; der Commandant befiehlt die Doppelreihen -Wendung rechts und dann : „In jeder Abtheilung links schwenken ! - Direction . . . . !" Die Têten der 4 Züge schwenken gleichzeitig aus der bisherigen Frontlinie heraus ; der Commandant hat nun 4 auf gleicher Höhe marschirende Zugscolonnen ; dies ist eine Formation, blos innerhalb

die sich nicht

des wirksamen Feuerbereiches des Gegners,

sondern

namentlich beim Durchziehen von Culturen, z. B. durch auf deutsche wo man nur auf den höchstens Art bewirthschaftete Weingärten, einen Schritt breiten Fusssteigen und Treppen rasch vorwärts kommen . kann, mit besonderem Vortheile verwenden lässt. Aus diesen 4 Zugscolonnen bildet der Compagnie-Commandant die offene Colonne in der alten Marschrichtung durch : „ Compagnie rechts Front ! " und das Aviso : „ Links schwenken ! " Hier dürfte es auch am Platze sein, den Unterschied zwischen Aviso und Commando hervorzuheben. - Das Commando unterscheidet sich vom Aviso nur dadurch, dass letzterem der Anruf: „ Zug“ , „ Compagnie" vorgesetzt und so mündlich für die ganze Abtheilung ertheilt wird . 55. Ebenso enthalten die Puncte 524 und 525 eine Abänderung der Puncte 322 und 323 des alten Reglements. Statt wie früher den Uebergang aus der Reihen- oder Doppelreihen -Colonne in die Abtheilungs -Colonne nach vorwärts in der Regel nur auf der Stelle auszuführen, wozu „ Züge aufmarschiren " 27 Halb links" commandiri wurde, - (während Punct 323 anordnete, dass bei Defiléen dieselbe Formation auf „ Colonne!" angenommen werden sollte) ―

heisst es

jetzt einfach, dass dieser Uebergang stets auf das Aviso : „ Colonne (au ) das 2. Glied) ! " zu bewirken ist. 56. Punct 516 behandelt die Entwicklung der offenen Colonne in eine Flanke analog wie Punct 335 des alten Reglements die frühere ausnahmsweise geöffnete Colonne . Auch das „Links (Rechts) aufmarschiren ! " (bei der Cavalerie wird für dieselbe Bewegung „ Links (Rechts ) aufschwenken !" commandirt) blieb ungeändert. Früher war es Commando, jetzt ist es Aviso. 57. Punct 518 bespricht das

„ Sammeln und aufmarschiren ",

analog wie dies in den vorhergehenden Puncten dieser Betrachtungen angedeutet wurde.

" 306

Horsetzky.

22 Eine Compagnie - Colonne, 160 Mann stark, hinterlegt eine Strecke von 180 Schritten mittelst zugsweisen Sammelns, wie bekannt, in circa. 3-4 Minuten,

wobei die Züge sich in Abständen von /

Minute

folgen und im Vorgehen zwei Mal 1 Minute rasten ; mittelst schwarmweisen Sainmelns hinterlegt sie dieselbe Distanz in 6-7 telst rottenweisen Ablaufens in 9-10 Minuten. "

und mit-

58. §. 37 bespricht die Formirung, Bewegung, Veränderung und Entwicklung der Reihen und Doppelreihen in analoger, viel kürzerer Fassung wie das bisherige Reglement.

wenn auch

59. Punct 329 des alten Reglements, welcher die Halbcompagnien auf gleicher Höhe" behandelte, ist verschwunden . Dieser Verlust ist um so leichter zu verschmerzen , als es ja noch immer Dispositions - Sache bleibt, im Bedarfsfalle 2 Compagnien oder 2 Halbcompagnien oder 2 Züge in Reihen oder Doppelreihen neben einander auf gleicher Höhe marschiren zu lassen. Der Seitenmarsch der Colonne in Reihen, sowie jener der Colonne mit Halb-Compagnien in Doppelreihen gibt noch immer eine 8 Mann breite Marsch- Colonne. Auch ist es nirgends verboten, erforderlichen Falls die Compagnie einfach in Abtheilungen von 6 zu 6 Rotten abzutheilen und diese gerade so wie die Schwarm - Colonne zu formiren und abrücken zu lassen . (Passirung von Kriegsbrücken . )

B. Angewandter Theil. a. Vorbereitung des Zuges für das Gefecht. (§§. 22-27.) 60. Die Puncte 326-357

enthalten so ziemlich das Um und

Auf des formellen Theiles der neuen Kampfweise der Infanterie , soweit man hier eben überhaupt von Formen reden kann. Die Bemessung der anfänglichen Stärke der Schwarmlinie geschieht, wie erwähnt, mit 1 Mann auf 2 Schritte ; (Scherff will 1 Mann auf 1½ Schritte der Front verwendet haben) . Die „ verdichtete Schwarmlinie " rechnet 1 Mann auf einen Schritt der Front. Die Bewegung der Schwarmlinie geschieht stets mit Rücksicht auf den Directions - Schwarm . Die Unterstützung soll nie weiter als 100 Schritte von der Schwarmlinie entfernt sein. Das Eindoubliren in die Schwarmlinie mittelst Sammelns, der Schützen - Anlauf, kurz der ganze Mechanismus , nach welchem sich die Thätigkeit der vordersten Linie regelt, besprochen .

wird hier

Punct 328 setzt den leitenden Gedanken dieser Thätigkeit mit wenigen Worten, aber klar auseinander :

Das neue Exercir- Reglement.

307

" In allen diesen Fällen (ganz als Schwarmlinie oder ganz als Unterstützung oder zum Theile als Schwarmlinie und Unterstützung verwendet) wirkt der Zug zunächst durch das Feuer, welches jeden Gefechtsact nicht blos einleitet, und die Entwicklung desselben beschleunigt oder verzögert, sondern auch die Entscheidung in einer Weise vorbereitet, dass ein „ Anlauf mit dem Bajonnete" genügt, um sich in den wirklichen Besitz der erkämpften Vortheile zu setzen ; die Behauptung desselben muss dann wieder durch die Feuerwirkung gesichert werden. " Wir sehen also darin ein Bild wirklichen Gefechts -Verlaufes : die Einleitung desselben -- die Verdichtung der Schwarmlinie behufs An-

griffes oder Vertheidigung (Beschleunigung oder Verzögerung des Gefechts-Actes) - den Stoss der Entscheidung mit dem Bajonnet ; - die Man konnte nicht kürzer und nicht Verfolgung durch das Feuer. deutlicher sein .

aus.

Die folgenden Puncte führen nun diese einzelnen Momente näher - Punct 336 betont das geschlossene Zusammenhalten der

Schwärme, so lange nicht die feindliche Waffenwirkung unbedingt das Auseinanderziehen erheischt. 61. Die

Puncte 339

353 beschäftigen sich mit dem Ver-

halten der Unterstützung , betonen ausdrücklich die Zusammengehörigkeit derselben mit der Schwarmlinie und Punct 340 zählt die Formen auf, die sie wählen kann : in Reihen, Doppelreihen aufmarschirt, und dabei geschlossen oder mit geöffneten Rotten oder endlich auch in einem Gliede. Man wird sich über Mangel an zweckdienlichen Formen und Freiheit in der Bewegung nicht mehr beklagen können . Jetzt handelt es sich nur mehr um die passende Wahl. Punct 352 behandelt. das Eindoubliren der Unterstützung als geschlossene Abtheilung in die Schwarmlinie (ein- oder zweigliedrig ). 62. Die Puncte 354 und 355, dann 395, 412 und 413 beschäftigen sich mit der Gefechtsweise gegen Reiterei unter Annahme des Grundsatzes, dass dieselbe dann gleichfalls auf der wirksamen Anwendung des Feuers beruht, welches wo möglich aus dem innehabenden Verhältnisse geltend zu machen ist. Bei ungünstiger Bodengestaltung findet die Bildung eines „ Klumpen " Statt. 63. Die §§. Benützung des Terrains und Anwendung des Feuers sind im Einklange mit den Bestimmungen über die Gefechtsweise des Zuges verfasst. 64. Die §§. 25 und 26 schildern speciell den Vorgang bei der Ausbildung eines Schwarmes und eines Zuges für das Gefecht.

308

Horsetzky.

Wir finden darüber zunächst höchst zeitgemässe Bestimmungen 1. über die Markirung, 2. über die Reihenfolge des Unterrichtes und 3. über die Ausführung des Anlaufes mit dem Bajonnete, welcher nicht mehr als 80-100 Schritte betragen soll, eine äusserst wichtige und durch die Erfahrungen des Krieges 1870/71 gebotene Bestimmung. Die Puncte

89 bis 395 des §. 25 , dann 408, 409 und 410 des

§. 26 behandeln : a ) den gelungenen Angriff, b) den anbefohlenen , c) den freiwilligen, d) den erzwungenen Rückzug, endlich das hinhaltende Gefecht auf Basis des vom Zugs-Commandanten geregelten Verhaltens der Markirung. ad a) Wenn die Markirung die besetzte Aufstellung räumt, wird in die Stellung eingedrungen und die Verfolgung durch das Feuer eingeleitet : ad b) wenn die Markirung sichtbar bleibt und ein Höherer die weitere Vorrückung als unzulässig erklärt ; ad c) wenn der Zugscommandant selbst das Nutzlose eines Angriffes einsehend, zurückgeht ;

noch

vor dem Beginne

des Anlaufes freiwillig

ad d ) wenn sich die Ueberlegenheit des Gegners erst nach dem Beginne des Anlaufes fühlbar macht. In diesen drei Fällen hat dann die Mannschaft über Befehl des Zugs -Commandanten zurückzugehen . dieser Betrachtungen .)

(Vergleiche damit Punet 19

Wir können diese eingehenden Bestimmungen nur auf das Freudigste begrüssen , denn sie allein geben die Mittel an die Hand , der Mannschaft richtige Begriffe über das Gefecht, über die feindliche und eigene Waffenwirkung beizubringen. Auf mancher Seite wird zwar behauptet : dieses Anlernen des Rückzuges berge gewisse Gefahren in sich : es könnte das moralische Element, das Vertrauen in die Unbezwinglichkeit der Offensive, den Glauben an die Unbesieglichkeit der Waffe erschüttern ; man solle vielmehr dem Manne den Grundsatz einprägen , dass Zurückgehen und Erschossenwerden dasselbe bedeute . Der Rückzug könne auch gar nicht Gegenstand einer Friedensübung sein, meinten Andere, denn eine solche sei weit entfernt, dem Manne auch nur ein ganz beiläufiges Bild von dem Rückzuge einer wirklich geworfenen Abtheilung zu geben ; die Einflüsse , die sich da geltend machten, liessen sich nicht entfernt irgend wie bei einer Friedensübung organisiren oder darstellen.

Die nothwendige Fügsamkeit der Truppe im Falle eines Rückzuges sei dagegen durch etwas ganz Anderes als durch solche Rück-

Das neue Exercir-Reglement.

309

zugs-Uebungen zu erzielen : durch die allgemeine Steigerung der moralischen Potenzen, durch die Hebung der Disciplin, die alle Abtheilungen einer Truppe und stets durchdringt, und die ihren Ausdruck in jenem strammen und ernsten Wesen, in jenem unbedingten Gehorsam findet, den man auch Appell nennt. Eine solche Truppe folgt auch in den misslichsten Verhältnissen ihrem Führer überallhin ; sie brauche somit keine Einübung für diese Fälle. Es ist nicht zu läugnen , dass diese Einwendungen viel Bestechendes für sich haben ; - auch läugnet ja Niemand, dass dieser „Appell " allein den Soldaten verlässlich und tüchtig mache, dass alle Anstrengungen darauf gerichtet sein müssen, eine Truppe in dieser Art auszubilden und alle schwächenden Einwirkungen ferne zu halten. Aber dass die Uebungen des Rückzuges einen schädlichen Einfluss in dieser Beziehung ausüben sollten, wäre erst zu beweisen ; dagegen gestehen wir gerne zu, dass sie dem Manne ein wenig über die Unüberwindlichkeit des Bajonnets zu denken geben werden aber das ist ja kein Nachtheil ; im Gegentheile - entschiedener Gewinn . Der Mann muss lernen, dass er nur dann mit Erfolg auf eine ordnungsmässig besetzte und gut vertheidigte Position losgehen kann, wenn er zuvor ordentlich mit seinem Gewehre gewirkt hat, dann wird er unwillkürlich zu der Erkenntniss kommen, dass seine Unüberwindlichkeit ebenso in der richtigen Benützung seines Gewehres als Schiesswie als Stosswaffe beruhe. Das Bajonnet ist eben nicht mehr die alleinige Königin der Waffen ; heute liegt die Unüberwindlichkeit auch im schnellen und sichern Schiessen ; -- die des Bajonnets ist oft nur die natürliche

Folge und Ergänzung davon. Auch muss man bedenken , dass es doch nicht vortheilhaft sein kann, eine Truppe im Kriege plötzlich vor ganz ungekannte und unerwartete Erscheinungen hintreten zu lassen . Selbst in Napoleon's glücklichsten Tagen gab es in jeder

Schlacht ,, widrige Umstände " und die tapfersten Truppen können einer gewissen Uebermacht nicht widerstehen . Die Plötzlichkeit der Ueberraschung legt alle moralischen Factoren lahm und nichts hat auf den Mann in solchen kritischen Momenten Einfluss

als die Gewohnheit. Die Gewohnheit, sich im Falle eines zu sammeln, ist die

Rückzuges hinter dem nächsten Abschnitte

einzige Gewähr, die Gefahren , welche mit dem Geworfenwerden einer Abtheilung verbunden sind, zu bannen oder doch zu mindern. Diese Rückzugs - Uebungen sind eben eine Forderung der neuen Kampfform - des Hin- und Herwogens grosser Schützen -Massen .

310

Horsetzky.

Früher hat es auch der militärischen Denkungsart widersprochen, im Kriege Deckungen zu suchen,

aber die durch das Blut so vieler

unnütz geopferter Officiere erkaufte Erfahrung hat uns gewitzigt und wir suchen jetzt Deckungen, wo wir nur können, nicht, um uns zu decken, sondern um besser zu wirken und dem Gegner gefährlicher zu werden. Und darum ist es auch richtig, im Frieden alle Verhältnisse des Gefechtes, auch die ungünstigen des Rückzuges zu üben. homme averti en vaut deux. " 65. Punct 420 betont endlich einen wichtigen Grundsatz

„ Un für

das Verhalten eines selbstständig auftretenden Zuges. „ Sein Streben muss unbedingt dahin gerichtet sein, dass die ihm zur Verfügung gestellten Kräfte zur Erreichung des gestellten Zieles vollständig ausgenützt werden. " Ebenso betont Punct 421 das Festhalten an dem ein Mal gefassten Entschlusse . Punct 422 spricht von der Wichtigkeit des Ueberraschens und räth an, in zweifelhaften Fällen stets den kühneren als den besseren Entschluss zu wählen . 66. Zum Schlusse wird noch volle Gegenseitigkeit der Uebungen und eine eingehende Besprechung zum Schlusse jeder Uebung gefordert. Es wird sich kaum ein praktischer Vorschlag in allen seit 1866 erschienenen Brochuren und Büchern finden, der hier nicht Aufnahme gefunden hätte. b. Vorbereitung der Compagnie für das Gefecht. (§§. 38 bis 42.) 67. Die Ausbildung der Compagnie wird zum nicht geringen Vortheile des Studiums und des Ueberblickes, soweit dies eben möglich ist, in ganz analoger Weise, wie die des Zuges behandelt. 68. Punct 538 und 539 berühren die flügelweise und zugsweise

Verwendung der Abtheilungen in der Schwarmlinie und ordnen die Commando-Verhältnisse beim Eindoubliren, beim Vermischen Züge ; ein vollständiges Palliativ gegen die durch die Vermischung entstehende Unordnung hat sich eben bisher noch nicht gezeigt . 69. Punct 543 bespricht eine der wichtigsten Forderungen der modernen Kampfweise : „ Eine Ablösung ist während des Feuergefechtes Dagegen müssen die Abtheilungen unbedingt mit genügender Munition versorgt werden, was, wenn eine andere Aushilfe ganz unstatthaft.

nicht möglich ist, dadurch zu geschehen hat, dass den rückwärtigen Abtheilungen ein Theil ihrer Munition abzunehmen und in die erste Linie zu senden ist. " 70. Punct 560 bestimmt, dass die Salven in der Compagnie abzugeben sind. Es scheint uns dies die einzige

nur zugsweise

311

Das neue Exercir- Reglement.

Handhabe zu bieten, das gewöhnliche Ausarten des Salvenfeuers in das Einzelnfeuer

zu verhüten .

Die Züge

bleiben

eben wenigstens

in der Hand der Zugs -Commandanten , die ihnen immer befehlen , was sie zu thun haben und die sich ihnen also auch dann noch am leichtesten werden verständlich machen können. Nur im Carré commandirt der Compagnie- Commandant auch das Zugsfeuer. (Siehe später.) 71. Punct 567 enthält, conform mit Punct 403 die commandomässigen Bestimmungen über die Auflösung eine geschlossenen Compagnie. Dort im Punct 403 commandirte der Zugs - Commandant : „ Erster und zweiter, ( dritter und vierter) Schwarm, oder Zug, Schwarmlinie !" nter Schwarm Direction . . . ! "; hier geschieht die Entwicklung der Schwarmlinie und das Abrücken der Unterstützung, eventuell die sofortige Bildung einer verdichteten Schwarmlinie ― ebenfalls nach vorheriger Bekanntgabe des Zweckes ( der Absicht), der Richtung und Ausdehnung der Schwarmlinie - auf das Commando : . (oder 2. und 4. ) Abtheilung , Flügelweise Schwarmlinie ! " oder : 1. Abtheilung Schwarmlinie, 2. Abtheilung Unterstützung ! " oder 97 1. und 4. Abtheilung verdichtete Schwarmlinie !" und in allen Fällen noch z . B. „4. Schwarın der 1. Abtheilung Direction auf . . . ! “ Damit sind die bisherigen Bestimmungen des Punctes 398 des alten Reglements (über Auflösung der Schwarmlinie durch Anrufen der Züge nach ihrer Nummer ( 1. Zug in die Schwarmlinie, 2. Zug Unterstützung ) etc. ausser Kraft gesetzt ; ebenso das Commando des Zugscommandanten : In Schwärme ! oder 1. und 2. Schwarm ! wenn der ganze Zug oder nur ein Theil des Zuges aufgelöst werden sollte , worauf sich erst die Führer der für die Schwarmlinie bestimmten Schwärme und der Commandant der etwa rückbleibenden Unterstützung beim Zugs -Commandanten zu versammeln , und die näheren Weisungen zu empfangen hatten. " 72. Die Puncte 570, 571 und 572 behandeln die Uebungen des Bajonnet-Angriffes in der Compagnie.

Für den " Anlauf der Schwärme " wird vom Compagnie -Commandanten in dem für geeignet erkannten Augenblicke das Aviso oder Signal „ Sturm " ertheilt, und die Directions -Abtheilung zum Einbruche gewählten Punct der Stellung geleitet. Zum Unterschiede von diesem

auf den

„ Anlauf der Schwärme" wird

dann der „ planmässige Angriff" besprochen, bei welchem die ZugsCommandanten vorher verständigt und angewiesen werden, ob sie mit

312

Horsetzky.

ihren Abtheilungen sich am Sturmangriffe unmittelbar betheiligen oder denselben durch Fortsetzung des heftigsten Feuers unterstützen sollen . Man kann auch hier das Wesen des Gefechtes nicht klarer wiedergeben, als es geschehen ; genügt der Schwarm-Anlauf nicht, so muss man eben den „planmässigen Angriff", der mehr Zeit und Vorbereitung und auch mehr Verluste kostet,

aber dafür auch mit aller

Wucht der mittelst Sammelns herangezogenen geschlossenen Abtheilungen im Vereine mit der Schwarmlinie ausgeführt wird, wählen. Als drittes existirt eben nur das, Aufgeben der weiteren Vorrückung, der Offensiv - Idee, das Abwarten günstiger Ereignisse auf anderen Theilen des Gefechtsfeldes : das hinhaltende Gefecht. Wir können

nicht unerwähnt lassen,

dass sich diese einfache

und natürliche Schilderung der Uebung der verschiedenen Angriffsweisen einer Compagnie sehr vortheilhaft, beliebtesten Schriftsteller abhebt . Uns scheint,

dass selbst Scherff,

jedenfalls der fruchtbarste unter ihnen ,

selbst von jenen der jetzt

vielleicht der bedeutendste, mit

seiner Darstellung des

heutigen Bajonnet - Angriffes noch zum Theile auf dem Standpuncte der im Jahre 1866 so unglücklich debütirten Sturm- Taktik stehe . Er will Colonnen von 400 Schritten an,

im „ Schritte" vorführen ,

im

Vorgehen feuern und dergleichen, Dinge, deren Erfolglosigkeit er an anderen Stellen seiner Werke ganz meisterhaft darzulegen versteht. Scherff fasst, wie bekannt, die Bedingungen für die erfolgreiche Durchführung des Angriffes dahin zusammen, dass von 1500 bis 1200 Schritten vom Feinde an, die "7 Haupttruppe" sich grundsätzlich in Compagnie-Colonnen mit 40 bis 80 Schritt Intervalle zerlegt und in dieser Form möglichst nahe an die Vortruppe, d . h. bis auf 600 oder 400 Schritte an den Feind herangeht. " „Sobald die Haupttruppe sich ihrer vorbereitenden, jetzt durch das ganze Soutien verstärkten Schützenlinie bis auf circa 50 Schritte genähert hat, gibt der Führer des Angriffes das Signal zum Sturm. Derselbe wird von Vor- und Haupttruppe gemeinschaftlich im möglichst raschen Marschtempo (120 bis 150 Schritte in der Minute) unter Schlagen des Sturmmarsches, wiederholtem Blasen des Signals und unter möglichst lebhaftem,

in der Bewegung abzugebenden

Feuer der Vortruppe ausgeführt, um schliesslich auf 20 bis 30 Schritte vom Feinde im Anlaufe und Einbruche mit Hurrah! und Marsch Marsch zu gipfeln ! " (S. 57 der Studien zur neuen Infanterie-Taktik. ) Es will uns scheinen, als ob die Prämissen, auf welche gestützt.

Scherff zu diesem Schlusse gelangt, nicht ganz unanfechtbar seien. Wir glauben zunächst, dass die Nothwendigkeit für einen vom Haupttreffen im Vereine mit dem Vordertreffen auszuführenden, mit

313

Das neue Exercir- Reglement.

Trommeln und Blasen begleiteten, kurz für einen „ planmässigen " FrontalAngriff eigentlich erst dann eintritt, wenn alle anderen gütlicheren Mittel bereits versucht und erfolglos geblieben sind.

Wenn man mit Scherff der Ansicht ist, dass eine gegenseitige ununterbrochene Schnellfeuer-Beschiessung auf eine Entfernung

von

400 bis 200 Schritten auch von der besten Truppe nur wenige Minuten ausgehalten werden kann (S. 22) , wenn man, wie Scherff ( S. 23 ) als Erfahrungssatz aus dem letzten Kriege annimmt, dass ein solches Schnellfeuer füglich nicht über fünf Minuten dauern kann,

ohne zu

einer Krisis zu führen, so möchte man glauben, dass der Vortruppe, die eben schon 4 bis 5 Minuten lang in einem solchen Schnellfeuer aushalten musste, um den Sturm entsprechend vorzubereiten, entschieden zu viel zugemuthet wird, auch noch weitere 3 bis 4 Minuten demselben Schnellfeuer tambour battant entgegenzugehen, letzten 20 bis 30 Schritte im Laufe zurückzulegen.

um erst die

Schon die Forderung, dass eine Sturm-Colonne, 600, eventuell 400 Schritte in einem Marschtempo von 120 bis 150 Schritte in der Minute auf eine vom Feinde besetzte und gut vertheidigte Stellung vorgehe , scheint uns sehr stark. Ist die Stellung nicht besetzt und braucht man überhaupt

nicht gut vertheidigt,

dann

nicht so vorzugehen ; dann benöthigt man

nicht die Haupttruppe , um in die Stellung einzubrechen , dann genügt die Vortruppe. Kann aber schon die Schwarmlinie mit ihren kleinen Unterstützungen und Reserven , die sich dem Terrain doch besser anschmiegen können, nicht weiter vorrücken , so ist nicht einzusehen, wie dann die dichteren Colonnen des Haupttreffens vorkommen sollten . Die in dem Drucke der Masse liegende Gewalt kann wohl hinreichen, um die Schwarmlinie, wenn sie nicht mehr vorwärts kann , eine kurze Strecke, 80 bis 100 Schritte, gewissermaassen vorwärts zu tragen, dauert

denn ein solches im vollen Laufe ausgeführtes Vorstürmen , höchstens 3 Minuten . So lange kann sie allenfalls , wenn ihr schon die Ueberraschung nicht gelang, die Verluste ertragen, die ihr der Vertheidiger zufügt ; die Zeit ist so kurz , dass die Wucht des Anpralls noch wirksam bleiben, dass die Leute noch bei Athem und Kraft sein können ,

dass der ihnen gegebene Impuls sie wie ein ge-

waltig' Windeswehen die kurze Strecke hinüber und in die feindliche Stellung hineinreissen kann, dass sie die Verluste erst fühlen und merken, wenn sie schon in der eroberten Position sind . Aber eine Strecke von 400-600 Schritten so zurücklegen zu

wollen, dünkt uns zu viel gefordert.

Horsetzky .

314

Freilich meint Scherff S. 55 : 99 Es kommt nur darauf an , die Angriffsstelle mit möglichst massenhaftem Feuer zu überschütten, von Zielschüssen kann und braucht nicht die Rede zu sein, im Gegentheile die

vortheilhafteste Wirkung dieses

letzten Vorbereitungsfeuers ist

diejenige, welche den Vertheidiger nicht mehr wagen lässt, auch nur aus seiner Deckung aufzusehen . “ Diese für unerlässlich erklärte Intervention einer anderen Waffe entzieht aber eigentlich den auf S. 57 angestellten Folgerungen den Boden ,

denn es kämpfen dann beim Angreifer zwei Waffen gegen

eine des Vertheidigers und man könnte höchstens daraus schliessen , dass der auf S. 57 geschilderte Sturmangriff eben nur dann möglich ist , wenn man eine solche Artillerie-Wirkung erzielen kann . Da diese Fälle aber erfahrungsgemäss denn doch nur selten sind , so will es uns , gestützt auf die von Scherff S. 22 und 23 ausgesprochenen Sätze, bedünken , dass der oben geschilderte BajonnetAngriff eigentlich nicht für die Mehrheit der Fälle passt, - daher auch nicht als normaler Vorgang angesehen werden kann . Was wir aus den so lebhaften und geistvollen Schilderungen Scherffs folgern, ist : dass der Bajonnet - Angriff grösserer geschlossener Abtheilungen auf eine vom Gegner ordnungsmässig besetzte und vertheidigte Stellung nur dann mit Aussicht auf Erfolg ausgeführt werden kann, wenn die Terrain-Verhältnisse es erlauben, sich mit der Schwarmlinie auf die oben angeführte Entfernung vom Gegner festzusetzen und die immer näher herangerückten Abtheilungen des Haupttreffens wenigstens theilweise den Blicken und dem Feuer des Vertheidigers entzogen, mittelst bringen und dort zu formiren.

Sammelns an die Schwarmlinie

zu

Ist das absolut nicht möglich, sind (siehe Scherff Seite 53) solche besonders günstige Umstände nicht vorhanden, ist die Placirung der Vorbereitungs - Schützenlinie auf eine nähere Distanz als bis auf 100 Schritte wenn auch nur auf eine ganz kurze Zeit , 1-2 Minuten - nicht thunlich, so ist der Theorie, d . h. der Natur der Waffen nach ein Bajonnet- Angriff vollkommen aussichtslos . Wir betonen absichtlich die Worte : der Theorie nach, denn so wie eine Cavalerie auch oft auf eine ganz intacte Infanterie anreiten wird, wenn es ihr eben befohlen wird, und trotz des Misslingens der Attake an und für sich doch einen grossen Erfolg erzielen kann , ebenso bleibt ja ganz selbstverständlich auch bei der Infanterie der Fall nicht ausgeschlossen, dass man selbst in ganz freier Ebene ohne dem Vorhandensein besonders günstiger Umstände --- zum Angriffe auf eine besetzte Stellung vorgeht ; - ob dann der Angriff an wenn er nur dem Ganzen nützt ! sich gelingt oder nicht ;

315

D es neue Exercir- Reglement.

In diesen Ausnahmsfällen mag man dann tambour- battant à la Scherff vorgehen ; es wird dabei wenig Unterschied machen, ob man im Vorgehen

feuert oder nicht,

ob man den Anmarsch in

„ einem

Zuge" oder ruckweise versucht. Sind die Truppen wirklich in der Hand der Führer, so muss es ihnen eben so leicht sein, sie in einem Zuge im Marschtakte 3-4 Minuten lang vorzuführen , als sie zuerst 200 oder 300 Schritte hinterlegen, dann Minute im ,,Nieder" erholen zu lassen und schliesslich den letzten Abstand von 200 Schritten theilweise im Laufe zu durcheilen. Für die Mehrzahl der Fälle, und diese muss ja die Uebung zunächst im Auge haben, denken wir uns den Bajonnet-Angriff genau so, wie das Reglement ihn vorschreibt, als ein Vorstürmen in vollem Laufe auf 80-100 Schritte, bei welchem alle eben disponibeln Es wäre denn , dass durch eine besonders Truppen betheiligt sind . glückliche Terraingestaltung der eine oder der andere Zug den Anlauf durch ein flankirendes Feuer noch eine kurze Spanne Zeit protegiren oder im Falle decken könnte.

des Misslingens

den Rückzug besonders

vortheilhaft

73. Mit nicht geringerem Beifalle als wahrscheinlich fast alle der angeführten Erleichterungen und Vereinfachungen werden endlich auch die Puncte 575 bis 589 aufgenommen werden, in welchen das Verhalten einer Compagnie gegen Reiterei geschildert ist. Drei und vier Züge bilden ein Carré, zwei und weniger einen Klumpen . Die Bildung des Carrés geschieht immer aus der Colonne. Die mittleren Abtheilungen machen auf das Commando ihrer ZugsCommandanten die Doppelreihen - Wendung zur Hälfte nach links , zur Hälfte nach rechts und bilden so viel besser und rascher, als dies früher durch das gekünstelte Aufschwenken der Halbzüge möglich war, die Flanken des Carré's.

Mit diesem Puncte beenden wir unsere vergleichenden Betrachtungen zwischen dem neuen Exercir- Reglement I. Theil und dem bisherigen Abrichtungs-Reglement. Wie wir hören , soll das gegenwärtige „ Exercir - Reglement " auf Basis des neuen Reglements umgearbeitet, ebenfalls schon in nächster Zeit als II. Theil erscheinen. Indem wir uns vornehmen, seinerzeit auch die Veränderungen dieses Theiles zu besprechen , können wir im Hinblick auf den ersten nur wünschen, dass die angestrebten Erfolge in der Vereinfachung des Reglements auch wirklich die verdiente Anerkennung finden mögen .

316

Horsetzky. Das neue Exercir-Reglement.

Die Principien des neuen Reglements bilden nach unserer Ansicht einen so bedeutenden Fortschritt, dass wir mit demselben alle Bedingungen für gegeben erachten, um selbst in der so kurz bemessenen Präsenz -Dienstzeit die taktische Ausbildung unserer Infanterie auf jenen Grad der Vollendung zu bringen und zu erhalten, welcher bei den gesteigerten Anforderungen der modernen Bewaffnung und bei den erhöhten Bedürfnissen der neuen Kampfweise für die erfolgreiche Durchführung eines Gefechtes unerlässlich geworden ist. Wien, April 1874.

Die Operationen von der Mosel und von Châlons nach

Sedan. ') Von Oberstlieutenant Joseph Reicher, Generalstabs - Officier.

(Hiezu Tafel V.) 1. Historischer Theil. ") Nach den Schlachten von Wörth und Spichern hatte das Kaiserreich sich bemüht neue Streitkräfte aufzustellen . In dem Lager von Châlons wurden die Mobilgarden der Seine und das XII . Corps, zum Theile aus 4. Bataillonen gebildet , vereinigt ; auch das I., VII. Corps erhielten später Befehl sich dort zu reconstituiren .

V.

und Nach

dem Plane Palikao's sollten diese Truppen, die Armee von Châlons genannt, mit dem Gros der französischen Rheinarmee, das bei Metz stand, vereinigt, und beide dadurch in den Stand gesetzt werden , das siegreiche Vorschreiten der Deutschen aufzuhalten . Dieser erste Plan wurde bald aufgegeben, und in einem Kriegsrathe am 17. August ein zweiter des Generals Trochu angenommen , der darin bestand, die Armee von Châlons nach Paris zu führen , und gestützt auf diesen Centralpunct eine erfolgverheissende offensive Vertheidigung in's Werk zu setzen . Die allgemeinen Verhältnisse und der Zustand der Armee Mac Mahon's ebensowohl als die Gefahren einer Operation zur Vereinigung mit Bazaine hatten diesen Plan dictirt. Palikao hievon in Kenntniss gesetzt, richtete noch an demselben Tage ein Telegramm an den Kaiser, worin er ihn beschwor, eine Idee aufzugeben, die einem Preisgeben der Armee Bazaine's gleichkäme. Wäre es denn unmöglich,

mit einer Armee,

die in 3 Tagen über

100.000 Mann zählen wird, eine mächtige Diversion gegen den durch mehrere Gefechte schon erschöpften Feind zu machen ? theilt meine Meinung. "

Die Kaiserin

Napoleon fügte sich dieser Anschauung und auch Mac Mahon, obwohl schweren Herzens, machte sie zu der seinigen. „ Der Gedanke, Bazaine zu verlassen, bereitete mir wahrhaften Kummer ; aber ander1 ) Vorträge , gehalten im Wiener Militär- wissenschaftlichen Vereine am 23. und 30. Jänner und 13. Februar 1874. 2 ) Der kritische Theil folgt in einem zweiten Artikel. 23 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874 .

Reicher.

318

seits schien es mir dringend geboten Paris zu decken , und Frankreich die einzige Armee, die es noch verfügbar hatte, zu erhalten. " Er war nun zu dem 1. Plane zurückgekehrt ohne sich deshalb aus der schwankenden Lage befreien zu können, in die ihn die Einsicht einerseits, das Gefühl der Pflicht und Ehre anderseits gebracht hatten, und ohne noch den Weg zu kennen, auf dem er den neuerlich gefassten Entschluss in's Werk setzen sollte . Wie konnte er Bazaine die Hand bieten, und welche Linie sollte er einschlagen, jene über Briey, über Verdun oder über St. Mihiel, das waren Fragen, die er sich vorlegte, und die er in der Unklarheit der Situation sich nicht. beantworten konnte. In dieser schwankenden Lage erhält Mac Mahon am 20. Mittags die Nachricht, dass die Spitzen der deutschen Heere auf 40 Kilometer sich genähert hätten. Wollte er den Zusammenstoss vermeiden , — - und auf sich allein angewiesen, konnte er denselben nicht suchen ,

ᏚᏅ

musste er einen bestimmten, der Situation entsprechenden Entschluss fassen. Ohne Nachrichten von Bazaine, den deutschen Heeren gerade entgegen marschiren , konnte er nicht ; entschieden den Rückzug nach Paris anzutreten, war dem kürzlich gefassten Entschlusse entgegen. So wählte er die Richtung nach Reims, die nichts verdarb . "" Wenn Bazaine nordwärts durchbricht, kann ich ihm Hilfe bieten , geht er von Metz in südlicher Richtung zurück, so kann ich ihm in keinem Falle nützlich sein. " So wurden am Morgen des 21. das I., V. und XII. Corps, sowie die schon anwesende 2. Division des VII. Corps nach Reims in Marsch gesetzt, ohne dass ein Plan festgestellt war, was weiter, wann

es,

und wie es geschehen würde . Ja, Mac Mahon neigte sich abermals, wenn auch nur bedingungsweise, dem 2. Plane des Rückzuges nach Paris zu, wenigstens erklärte er am Abende des 21. dem Senats-Präsidenten Rouher, der nach Reims gekommen war, er würde den Rückzug antreten, wenn er imLaufe des 22. keine Instructionen von Bazaine erhalten würde . Die Rückzugsbefehle waren in der That am 22. schon ausgearbeitet, als gegen 10 Uhr Morgens Mac Mahon zum Kaiser berufen wurde, der ihm einen, vom 19. datirten Bericht Bazaine's bekannt gab.

Die Armee hat sich den ganzen Tag in der Stellung St. Privat-

Rozérieulles geschlagen und behauptet. Ich habe die Armee Morgens neuerdings von den Höhen herab an's linke Mosel -Ufer zurückgezogen. Ich rechne noch immer darauf, die Richtung nach Norden einzuschlagen, und dann von Montmédy die Strasse Ste. Ménehould - Châlons zu gewinnen , wenn diese nicht stark besetzt sein sollte . Im entgegenge-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

319

setzten Falle marschire ich weiter auf Sedan , oder selbst auf Mézières um Châlons zu erreichen. " Nachdem Mac Mahon von dieser Depesche Kenntniss erhalten hatte, gab er sofort die Befehle, um am nächsten Tage, den 23. , den Marsch an die Aisne anzutreten, wo er am 24. eintreffen wollte. Zu seinem Unglücke und zum Verderben der französischen Armee erhielt er jene 2. Depesche nicht, die Bazaine am 20., 7 Uhr Abends, an ihn gerichtet hatte, und die nach einigen Worten über die Stellung bei Metz folgendes besagte : „Die Kräfte des Feindes werden um mich herum immer zahlreicher ; ich werde höchst wahrscheinlich die Richtung über die festen Plätze des Nordens nehmen , um mich mit Ihnen zu vereinigen, und Sie von meinem Marsche vorher verständigen, wenn ich denselben überhaupt ohne die Armee zu gefährden , unternehmen kann." Diese Depesche, deren ausserordentliche Wichtigkeit sofort erkennbar ist, und die ohne Zweifel die Sistirung jedes Vormarsches im Gefolge gehabt hätte - was auch Mac Mahon später, um seinen Waffengefährten nicht zu compromittiren Gegentheiliges ausgesagt haben verschwunden. mag - diese Depesche war Die Details dieses Vorfalles sind aus dem Processe Bazaine's genügend bekannt. Bevor wir die französische Armee auf ihrem Marsche begleiten, will ich einige Worte über ihren Zustand hier einflechten . Sie zählte 4 Corps, das I., V. und VII. Corps, die der RheinArmee angehört hatten, und das neuformirte XII . Corps ; 4 CavalerieDivisionen bei denselben, und 2 Reserve - Cavalerie - Divisionen . Ihr Stand betrug 116.000 ,

an

140.000

Mann,

die Zahl der

darunter 10.000 Mann Cavalerie ,

Combattants

circa

weiters 408 Geschütze.

Das I. Corps, wohl aus den besten Truppen des Heeres bestehend , war durch Weissenburg und Wörth sehr hart mitgenommen worden ; das V. , obwohl es nur mit einer Division geringen Antheil an der Schlacht von Wörth gehabt hatte, durch den Rückzug sehr demoralisirt ; das VII . in einer Division ebenfalls sehr erschüttert. Das XII . hatte 2 gute Divisionen, während die 3. aus 4. Bataillonen bestand. Im Ganzen war der moralische Werth der Armee,

wie die Franzosen

selbst

sagen,

nicht sehr hoch, die Disciplin arg gelockert, und das Vertrauen in die Führung schon in den ersten Tagen durch das Schwanken zwischen Vormarsch und Rückzug gesunken . Wem diese Schilderung , die übrigens französischen Autoren entnommen ist, befremdend erscheint, der wolle bedenken , dass, wie bekannt, im französischen National -Charakter hart neben glänzenden Eigenschaften,

sehr missliche Schattenseiten.

liegen. Die hohe Bravour, von der Wörth ein unverwerfliches Zeugniss 23*

Reicher.

320

ablegt, schlägt hier, wenn die Erfolge ausbleiben, sehr leicht in Zaghaftigkeit um. Hinsichtlich der Ausrüstung will ich nur hervorheben, dass noch am 22. fehlende Infanterie-Munition ausgegeben wurde, und dass der Artilleriepark des VII . Corps am 23. noch nicht marschbereit war. Die Verpflegung scheint auch auf wenige Tage für die ganze Armee nicht vorhanden gewesen zu sein, denn der einzige Grund, warum man sich so sehr nach Norden hielt, und mit dem linken Flügel nach Rethel marschirte, ist in dem Mangel an Verpflegungsmitteln zu suchen. Am 23., Früh 6 Uhr, sehen wir die ganze Armee nach der Suippe aufbrechen ; ihr Operations -Object ist Montmédy, der Zweck ihres Marsches : Vereinigung mit der Rhein- Armee nächst dieses Punctes, eventuell Entsatz von Metz. Eine der schwierigsten Aufgaben, die die Kriegskunst kennt, vielleicht eine Aufgabe, die nur durch das Eintreten glücklicher Zufälle befriedigend erledigt werden konnte , auf jeden Fall ein Unternehmen gefährlichster Art war hier durchzuführen . Eine deutsche Armee, deren Stärke und Zusammensetzung man freilich nicht kannte , deren Ueberlegenheit man für möglich, wenn auch nicht für wahrscheinlich annahm , schon,

hatte den Vormarsch gegen Paris

wie die Franzosen glaubten ,

angetreten und stand

mit ihren Spitzen am 20. auf

2 kleine Märsche Entfernung von Châlons . Eine 2. Gruppe von Streitkräften unter dem Commando des Prinzen Friedrich Carl, der Rhein - Armee überlegen , stand vor Metz , letztere und den Platz cernirend. Die französische Armee unternahm also eine strategische Umgehung des rechten Flügels der Deutschen, und zwar zwischen diesem und der nicht allzufernen Grenze . Die erste und grösste Gefahr nun, der sie sich bei dieser Unternehmung aussetzte , war die, dass die deutsche Heeresleitung ihren Marsch noch rechtzeitig in Erfahrung bringen , rechts schwenken , die Franzosen in der Flanke angreifen und bei überlegenen Kräften nicht nur am Weitermarsche hindern,

sondern auch von ihrer Verbindung mit Paris abschneiden ,

ja , sie auf belgisches Gebiet drängen konnte. Die Gefahr, jedes Rückzuges beraubt, das heisst eingeschlossen zu werden, will ich hier gar nicht näher erwähnen , weil sie wahrscheinlich dem französischen Feldherrn nicht vor Augen stand. Das war aber nicht die einzige Gefahr. Mac Mahon konnte auch an der Maas aufgehalten und gleichzeitig in Flanke und Rücken angegriffen werden. Er konnte endlich noch im letzten Augenblicke vor der Vereinigung mit Bazaine entschieden geschlagen werden, wenn die deutschen Kräfte insgesammt noch nächst Metz standen, also die innere Linie gegen die getrennten Gegner hatten . Die Katastrophen waren einmal,

wie man die Deutschen im Ganzen

321

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

als sehr überlegen annahm, und diese Voraussetzung war mindestens möglich, ziemlich naheliegend . Ein glücklicher Erfolg der ganzen . Operation stand nur dann in Aussicht , wenn man die Deutschen überraschte, ihnen mindestens 2-3 Märsche abgewann, und den so erreichten Vorsprung für einen entscheidenden Prinzen Friedrich Carl ausnützte .

Schlag

gegen den

So beruhte denn Erfolg und Sicherheit des Unternehmens ebensosehr auf glücklichen Eventualitäten , insbesonders auf der Möglichkeit der Ueberraschung als auf der raschen und energischen Durchführung des Planes . Konnte Mac Mahon in der unklaren Situation, in der er schwebte, von Bazaine nur die allgemeinen Absichten , von des Gegners Stärke und Plänen sehr wenig wissend , etwas Anderes als Schwierigkeiten sehen ? Diese Schwierigkeiten, die manch' tüchtiger Mann gleich ihm gesehen hätte, sie hingen wie Bleigewichte an seinen Entschlüssen. Anstatt rasch vorwärts zu marschiren , zaudert er, denn jeder Schritt bringt ihn der Gefahr näher. Er macht am 1. Tage an der Suippe und am 2. bei Contreuve (VII . Corps), Juniville ( I. Corps) und Rethel (V. und XII . Corps) Halt. Seine rechte Flanke deckt an diesen Tagen die Reserve -Cavalerie- Division Margueritte bei Monthois .

Am 25.

bleibt der linke Flügel (V. und XII . Corps) bei Rethel stehen,

der

rechte avancirt nach Vouziers (VII . Corps ) und nach Attigny (V. Corps ) ; am 26. hält dieser (VII . Corps Vouziers, I. Semuy) und das V. Corps geht nach le Chêne, das XII . nach Tourteron .

So hat die Armee, der

Raschheit der Bewegungen so nothwendig war,

in diesen 4 Tagen

durchschnittlich kaum mehr als 60 Kilometer (72 Meilen ) zurückgelegt . Die Gefahr kömmt von Südosten und Süden , und dennoch deckt keine der 5 %

Cavalerie -Divisionen die rechte Flanke,

denn

Margueritte wird am 25. nach le Chêne und am 26. nach les grandes Armoises, also auf den linken Flügel disponirt . Was das VII. Corps für die Sicherung nach dieser bedrohten Seite für die Armee thut, führt es selbstständig aus . Seine einzige Cavalerie - Brigade , jetzt 9 Escadronen stark , - die 2. war in Lyon zurückgehalten worden

wird am 25. gegen Monthois aufgestellt. Am 26. geht das

VII. Corps auf's rechte Aisne-Ufer, lässt eine Brigade der 2. Division gegen Monthois zurück und detachirt die Brigade Bordas und ein Huszaren-Regiment nach Grand-Pré und Buzancy in die rechte Flanke . Während das 52. Regiment auf Buzancy vorrückt, geht Bordas mit dem 72. Regimente und der Batterie nach Grand - Pré, das 4. HuszarenRegiment noch über diesen Ort zur Recognoscirung nach Apremont (2 Escadronen) und Senuc ( 1 Escadron) vor.

322

Reicher.

Bei beiden Orten stiessen die recognoscirenden Escadronen auf feindliche Cavalerie - Abtheilungen (auf die 5. Cavalerie-Division ,

die ,

wie wir sehen werden, an diesem Tage nach Autry gelangt ist) . Vor der Uebermacht ziehen sie sich eilig auf Grand -Pré zurück , wo eben Bordas eingetroffen war.

Die deutsche Cavalerie, wie sie starke Infanterie- Abtheilungen mit Geschützen wahrnimmt, wagt natürlich keinen weiteren Angriff ; aber auch Bordas hält sich nicht stark genug dem Feinde entgegen zu treten, umsoweniger, als man ihm mitgetheilt, alle umliegenden Ortschaften seien vom Feinde mit Infanterie und Cavalerie besetzt. Da er auch Senuc occupirt weiss, glaubt er sich von Vouziers abgeschnitten und meldet, dass er überlegene Kräfte vor sich habe und gezwungen sei , auf Buzancy zurück zu gehen. Alle Vorkehrungen des VII . Corps sind nun zuerst dahin gerichtet, die Brigade Bordas sicher nach Vouziers zurück zu führen , wozu man neben anderen Anordnungen eine neue Brigade nach Grand -Pré entsendet und dann noch Abends eine Stellung hinter der Strassengabelung östlich Vouziers bezieht, deren rechter Flügel sich an Falais, deren linker sich an Chestres lehnt. An Maassnahmen , durch welche man über Stärke und Stellung des Feindes Näheres erführe, wird nicht gedacht ; man begnügt sich die zurückfliehenden Landleute anzuhören , welche zuerst von 60.000 Mann bei Ste. Ménehould und von Eclaireurs bei Monthois und Liry,

dann

von der Armee des Kronprinzen von Preussen in Ste . Ménehould und von einer zweiten Armee bei Varennes erzählen , und meldet dies an das Hauptquartier . Schon auf die ersten Meldungen hin verständigt Mac Mahon das VII . Corps am 27. um 5 % Uhr Morgens, dass die Armee ihre Bewegung einstellen , und wenn nöthig das VII. Corps unterstützen werde. Die Dispositionen hiezu werden auch bald darauf ertheilt. Die Cavalerie-Division Bonnema in wird zur Verfügung des VII. Corps gestellt, das I. Corps von Semuy auf Terron , das V. von le Chêne auf Buzancy, das XII . von Tourteron nach le Chêne dirigirt, wohin auch das Hauptquartier verlegt wird. So führt also die Armee am 27. eine Frontveränderung nach Süden aus : das VII. Corps bleibt unbelästigt in Vouziers, das I. erreicht mit zwei Divisionen Terron, mit zweien Quatre Champs und das XII. le Chêne. Das V. fand bei Bar vor Buzancy feindliche Cavalerie, die sofort durch das 12. Huszaren - Regiment angegriffen wird . Es war das die von Autry vorgerückte 5. Cavalerie-Division, welche Während dieses Kampfes nun die Huszaren entschieden zurückwirft. trifft der Befehl zum Rückzuge des Corps auf Châtillon und Brieulles

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

323

ein. Wahrscheinlich hatte der Marschall die Aufstellung bei Buzancy für zu isolirt gehalten, vielleicht auch mit dieser Bewegung den schon beschlossenen allgemeinen Rückzug schicklich einleiten wollen.

Im Laufe des Tages nämlich waren neue bestätigende Nachrichten über das Vorrücken des Kronprinzen von Preussen sowohl, der sich, die Direction Paris verlassend, nach Norden gewandt haben sollte, als auch über das Vorrücken einer zweiten Armee von Varennes her,

eingetroffen. Die Gefahr, gegen die belgische Grenze gedrückt zu werden, schien also nahe zu stehen, wenn nicht sofort der Rückzug nach Westen ausgeführt wurde. Allerdings war diese Gefahr nicht so nahe als sie Mac Mahon . glaubte.

Denn am Abend des 27. hatte, wie wir sehen werden, nur

das 12. Corps Dun erreicht, während die übrigen Corps der 4. Armee inclusive der beiden baierischen Corps noch gegen und nächst Verdun standen ; die 3. Armee war noch viel weiter zurück, in einer einzigen. tiefen Colonne von Daucourt bis gegen Heiltz le Maurupt . Hier zeigte es sich klar, wie die Franzosen ihre sehr starke Cavalerie nicht zu gebrauchen verstanden, die zum grössten Theile in der rechten Flanke der Armee verwendet, die deutsche wenigstens anfangs geworfen , und Nachrichten

über Stärke und Bewegung des

Gegners, also auch über die grosse Entfernung seiner Massen gebracht haben würde . Gegen 6 Uhr Nachmittag ertheilt Mac Mahon den Rückzugsbefehl. Am 28. soll das VII. Corps nach Chagny, das XII . und I. nach Vendresse, und das V. nach Poix marschiren . Schon um 3½ Uhr Nachmittag hat er Bazaine von seinem Entschlusse mit dem Beisatze verständigen lassen, er werde den Rückzug nach Mézières und weiter durchführen, wenn er nicht von ihm erfahre, dass er selbst den Rückzug begonnen habe. Um 8½ Uhr meldet er weiters an den Kriegsminister, dass 50.000 Mann des Gegners auf dem rechten Maasufer aufgestellt sein sollen, um seinen Marsch nach Metz zu hemmen , und weitere 50.000 Mann unter dem Kronprinzen von Preussen , die schon in Ardeuil stünden, sich gegen die Ardennen bewegen. Seit dem 19. habe er keine Nachrichten von Bazaine . Wenn er weiter vorrücke , werde er in Front und Flanke angegriffen werden . Er wolle sich morgen Mézières nähern, und von da nach Umständen seinen Rückzug nach Westen fortsetzen . Wir verlassen nun die französische Armee, die theilweise schon in der Nacht vom 27. auf den 28. ihren Rückzug beginnt, und wenden uns jetzt zu den Operationen der Deutschen. Nach der für die Deutschen siegreichen Schlacht von St. Privat la Montagne am 18., welche mit dem Zurückweichen des Gros der

Reicher.

324

französischen Rheinarmee in das verschanzte Lager von Metz geendet. hatte , waren 7 Corps zur Cernirung dieses Punctes bestimmt worden . Die 3. Armee,

welche am 20. völlig über die Maas gekommen,

und die neugebildete 4.,

die unter dem Commando des

damaligen

Kronprinzen von Sachsen gestellt, aus dem Garde-, 12. und 4. Corps, der 5. und 6. Cavalerie- Division gebildet worden war, und einstweilen. zwischen Orne und Yron stand, sollten nach wenigen Ruhetagen den Vormarsch nach Paris antreten. Von dem Gegner wusste man, dass der frühere rechte Flügel der französischen Rheinarmee nebst neuen Formationen bei Châlons stand, und vermuthete, dass er auf Paris zurückgehen werde . Nach den Zusammenstellungen sollte die Armee von Châlons 11½ Infanterie- und 4 , Cavalerie-Divisionen bis 15 , Infanterie- und 5 Cavalerie- Divisionen haben . (Man wusste nicht genau, ob das Corps Canrobert bei Châlons oder Metz stand. ) In Wirklichkeit waren 12 vorhanden.

Infanterie-

und

5

Cavalerie-Divisionen

Schon am 21. wurden von der Oberleitung des Heeres die Directiven für den Vormarsch der 4. und 3. Armee erlassen. Beide sollten denselben gegen Westen in der Art fortsetzen, dass letztere , links der ersteren , im Allgemeinen um eine Etappe vorausbliebe , um den Feind , wo er Stand hielte, in Front und rechter Flanke anzugreifen , und nördlich von Paris abzudrängen . Die 4. Armee sollte am 23. aufbrechen,

sich auf die

Linie

Ste . Ménehould , Daucourt, Givry- en- Argonne dirigiren und diese am 26. mit den Avantgarden erreichen . Die 3. Armee sollte am gleichen Tage mit ihren Avantgarden auf der Linie St. Mard sur le Mont - Vitry le français stehen . Verdun sollte durch einen Handstreich genommen oder südlich umgangen werden. Diesen Directiven gemäss wurden nun beide Armeen in Marsch gesetzt und die Marschtableaux bis inclusive 26. hinausgegeben. Sie erfuhren,

es sei dies gleich hier bemerkt,

Tage nicht unwesentliche Abänderungen .

im Laufe dieser

Insbesondere mussten die

Cavalerie-Divisionen , den Weisungen Moltke's zufolge, weiter vor die Front der Armee und auch südlich von Châlons vorgeschoben werden, um die Marschrichtung des Feindes näher festzustellen. Während die 4. Armee in breiter Front zwischen Verdun und der Eisenbahn Nancy,

Bar-le-Duc, Vitry,

u . zw. nördlich derselben

vorging, und am 23. Haudiomont ( 12. Corps),

St. Mihiel (Garde) und

Vadonville (4. Corps) erreichte, bewegte sich die 3. Armee an und südlich der genannten Eisenbahnlinie in zwei grossen Treffen, die am gleichen Tage in Tronville ( 2. baierisches Corps ) , Stainville (5. Corps und Württemberger) und Montiers sur Saulx ( 11. Corps) , dann in

325

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

St. Aubin ( 1. baierisches Corps) und Gondrecourt (6. Corps) eintrafen . Den beiden Armeen voran waren 3 Cavalerie-Divisionen : die 5. bei Vacherauville, die 6. bei Génicourt und die 4. bei St. Dizier, während die 2. bei Cirfontaines die linke Flanke deckte . Wir erwähnen der Vorgänge vor Toul und Verdun hier nur mit wenigen Worten, weil sie mit den zu besprechenden Operationen nur indirect zusammenhängen . Da ersterer Platz die Verbindungen der Deutschen sehr beeinträchtigte, so sollte am 23. der Versuch unternommen werden , denselben durch eine Beschiessung zur Uebergabe zu bringen. Zu dieser Beschiessung kam es indessen nicht, und so musste später zur regelmässigen Belagerung geschritten werden . Am 24. erreichte die 4. Armee Nixeville ( 12. Corps), Pierrefitte (Garde) und Rumont (4. Corps), die 3. Fains vor Bar le Duc ( 2. baierisches Corps ), Robert -Espagne (5. Corps) , Sandrupt (Württemberger), und St. Dizier ( 11. Corps), dann Longeville ( 1. baierisches Corps ), und Joinville (6. Corps) . Die Cavalerie-Divisionen standen schon bei Dombasle

(5. ) ,

Foucaucourt

(6. ) ,

Arzillières bei Vitry

(4. )

und

Vassy (2. ). Die 4. Cavalerie - Division , auf beiden Ufern der Marne streifend, war die erste , welche wichtige Nachrichten über den Gegner brachte. Der Aussage eines Mannes nach, der Châlons am 20. verlassen hatte, war diese Stadt vom Feinde geräumt worden. Am 23. fanden Abtheilungen dieselbe , sowie die umliegenden Ortschaften wirklich von französischen Truppen frei. Durch eine Zeitungscorrespondenz vom 24. erfuhr man weiters, dass die französische Armee nach Reims abmarschirt sei. Nach allen diesen Nachrichten schien es der deutschen Heeresleitung nicht unwahrscheinlich,

dass Marschall Mac Mahon eine

Concentrirung seiner Armee bei Reims durchführe, um dort eine Flankenstellung einzunehmen , vielleicht zu dem Zwecke,

die 3. Armee

durch einige Zeit in ihrem Vormarsche aufzuhalten . Auch war in den Hauptquartieren schon damals der Gedanke aufgetaucht, ob denn Mac Mahon nicht eine Vereinigung mit Bazaine anstreben wolle, und als ersten Schritt den Marsch nach Reims unternommen habe. Man musste eine solche Operation bei der obersten Heeresleitung wohl nicht als wahrscheinlich angesehen haben,

weil keinerlei Vorbereitung für

diesen Fall bis zum 25. Mittags getroffen wurde . Welche Absichten aber auch der französische Feldherr haben mochte, unter allen Umständen war es wünschenswerth, schnell als möglich zu erkennen.

dieselben so

Dafür gab es nun kein besseres

Mittel als schlagbereit rasch an die französische Armee heranzurücken . Das war denn auch der Gedankengang des Kronprinzen , als er seine

326

Reicher.

Marschdisposition aus eigener Initiative für den 25. änderte, um schon an diesem Tage mit einzelnen Corps über den Ornain zu gelangen , eine Aufgabe, die erst für den 26. gestellt war. So erreichte die 3. Armee am 25. mit dem 2. baierischen Corps Charmont, mit dem 5. und den Württembergern Heiltz le Maurupt, mit dem 1. baierischen Corps Bar le Duc,

mit dem 11. Thiéblemont

und mit dem 6. Vassy ; die 4. Armee stand an demselben Tage bei Sommeille (4. Corps), Triaucourt (Garde) und Dombasle ( 12. Corps) ; die 5. Cavalerie-Division bei Ste. Ménehould, die 6. über Villers en Argonne, die sächsische bei Clermont, die 4. nordwestlich Vitry am linken, die württembergische Cavalerie-Brigade in gleicher Höhe am rechten Marne -Ufer und die 2. Cavalerie-Division bei Chavanges. Aufgefangene Briefe aus Reims sprachen von der Anwesenheit des Kaisers Napoleon und der Armee von Châlons seit dem 21 . daselbst, sowie von einer Entscheidungsschlacht, die man dort erwarte. Dagegen meldete die Cavalerie, dass die französische Armee am 23. Nachmittags 3 Uhr das Lager von Châlons geräumt hätte, was , wie wir wissen, irrthümlich war. Im grossen Hauptquartier hatte sich nunmehr, wie es scheint,

die Idee, Mac Mahon könne

einen

Entsatzversuch der

cernirten

Armee bei Metz wagen, mehr und mehr befestigt. Denn die Disposition für den 26. , die übrigens nur theilweise zur Durchführung kam, ordnete neben der Vorrückung der 4. Armee in die Linie Vienne , Ste . Ménehould, Villers en Argonne und jener der 3. in die Linie Givry en Argonne - Changy (nordöstlich Vitry) ein weiteres Vorschieben der Cavalerie in Front und rechte Flanke an, bei welchem speciell Vouziers und Buzancy erreicht werden sollten. Dieren Directiven gemäss modificirte der Kronprinz für den 26. die Aufstellung seiner Armee. Das 2. baierische Corps, das 5. Corps und die Württemberger sollten bei Charmont und Heiltz le Maurupt stehen bleiben , dagegen das 1. baierische Corps statt nach Bar le Duc nach Sommeille ,

das 11. Corps statt nach Thiéblemont nach Heiltz

l'Evêque, beide also in die 1. Linie und das 6. Corps statt nach Vassy nach Thiêblemont rücken . Wie schon gesagt,

kam es am 26. nur theilweise zur Durch-

führung der erwähnten Dispositionen ; die ganze 4. Armee und die beiden baierischen Corps erhielten in Folge der eingelaufenen Nachrichten eine vollkommen veränderte Marschdirection. Denn in der Nacht vom 25. zum 26. traf aus dem grossen Hauptquartiere , von 11 Uhr Abends datirt, folgender Befehl ein : „ Eine soeben eingegangene Nachricht (telegraphischer Auszug aus dem Temps Paris 23. August Abends) stellt es als nicht unwahrscheinlich hin ,

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

327

dass Marschall Mac Mahon den Entschluss gefasst hat, den Versuch zum Entsatz der in Metz eingeschlossenen feindlichen Hauptarmee zu machen. Er würde in diesem Falle seit dem 23. im Marsche von Reims sein ; seine Têten könnten dann ( 25. ) Vouziers erreicht haben. " In diesem Falle wird es nöthig, die Armeeabtheilung Sr. königlichen Hoheit nach dem rechten Flügel hin zu vereinigen, der Art dass das 12. Corps auf Varennes rückt, während das GardeCorps an die Strasse Verdun- Varennes heranziehen . Ebenso 4. und eventuell das 1. und 2. baierische Corps dieser Bewegung folwerden

etwa,

gen. " Dieser Abschrift (hier auszugsweise) des Befehls an den Kronprinzen von Sachsen war für die 3. Armee die Weisung hinzugefügt, dass das 1. und 2. baierische Corps directe Befehle zum Halten und Abkochen erhalten hätten, dass das 5. , 6. und 11. Corps, sowie die Württemberger einstweilen den befohlenen Marsch zur Concentrirung fortzusetzen hätten, und eventuell später gegen Ste. Ménehould herangezogen würden . Der Gegner hatte also

selbst den Deutschen seine Absichten

kundgegeben . Was diese frühestens erst am 26. Abends erfahren konnten, war ihnen 24 Stunden früher verrathen worden. Freilich hatten die Franzosen noch immer einen gewaltigen Vorsprung, denn wenn sie am 23. von Reims aufgebrochen waren, so konnten sie immerhin am 26. mit ihren Têten an der Maas bei Dun und Stenay stehen, am 27. den Uebergang bewerkstelligt, und am 28. die Gegend von Damvillers erreicht haben. Wollte man sie noch einholen, so galt es sehr rasch zu marschiren.

Gross aber waren die Schwierigkeiten, die

sich in jeder Beziehung einer solchen Bewegung entgegenstellten. Aus einer Aufstellung,

die am 25. Abends von Verdun bis Vitry reichte ,

also aus einer Front von circa 75 Kilometer (9 , Meilen ) galt es, gerade in ihrer Verlängerung auf Damvillers zuzumarschiren. Auch wenn man nur mit den nächsten Corps, dem 12. , Garde-, 4. und den beiden baierischen Corps den Marsch antrat, musste man mindestens 2 Tage zur Entwicklung in die neue Front, und einen starken Marsch nach Damvillers rechnen, konnte also nur bei äusserster Beschleunigung am 28. mit 5 Corps angreifen . Diese Beschleunigung erforderte aber aussergewöhnliche Energie, sehr bedeutende Marschleistungen, denn nur eine gebahnte Strasse lief beiläufig in der Richtung Verdun, - rasche Vorsorge für die Verpflegung, die in der zu durchschreitenden relativ armen Gegend sehr erschwert war, und besondere Vorsorge für den, wenn auch restringirten Train. Alle diese sehr bedeutenden Schwierigkeiten wurden in ihren wesentlichsten Theilen glücklich überwunden . - Ist man darum gezwungen, der Einsicht und Energie der obersten Heeresleitung,

also

Reicher.

328

dem Meister, die höchste Anerkennung zu zollen , so darf man doch auch hier des Werkzeuges, der Armee nicht vergessen, das sich als eines der brauchbarsten für die schwere Arbeit erwiesen hat . Es ist endlich keine Uebertreibung, wenn man neben diesen beiden Factoren des Glückes erwähnt, das den Deutschen in nicht gewöhnlichem Maasse beigestanden, von dem das unentschiedene langsame Vorgehen der Franzosen ,

wie schon gezeigt wurde, einen Theil,

und manche

andere Umstände, auf die noch aufmerksam gemacht werden soll , einen anderen Theil bildeten . Zur Einleitung des Marsches nach Norden wurde noch am Morgen des 26. die baierische Cavalerie und die 4. und 2. Cavalerie - Division über Châlons und Suippe gegen Vouziers dirigirt. Sie sollten nicht nur Nachrichten über den Gegner bringen, sondern auch die beiden Flanken der Armee gegen Unternehmungen eines etwa noch bei Reims zurückgebliebenen Gegners sichern, und nach einem Zusammenstosse mit dem Feinde dessen wahrscheinlich werdenden Rückzug beunruhigen.

Andere Vorkehrungen konnten vor dem Eintreffen der Befehle des grossen Hauptquartiers nicht verfügt werden . Um Mittag nun erhielt der Kronprinz, der den König in Bar le duc aufgesucht, weitere Befehle . Er ward verständigt, dass die 5. und 6. Cavalerie-Division ihren Marsch gegen Grand-Pré fortsetzen , das 12. Corps nach Varennes marschire, die Garde nach Dombasle, das 4. Corps nach Fleury, das 1. baierische Corps nach Erize la Petite und das 2. baierische nach Triaucourt dirigirt sei. Der Rest der 3. Armee sollte in ihren dermaligen Aufstellungen so lange verbleiben , bis man sichere Kenntniss von dem völligen Abmarsche des Feindes erhalten hätte. Den Anschauungen des Hauptquartieres

entgegen

beharrte der

Kronprinz bei dem schon in der vorhergegangenen Nacht gefassten Entschlusse mit der

ganzen 3.

Armee nach Norden aufzubrechen.

Wollte man Mac Mahon ereilen , und entscheidend

schlagen ,

so

mussten alle Kräfte, u . zw. sofort gegen ihn in Verwendung gebracht werden. Hatte man sich geirrt, war die feindliche Armee oder ein Theil derselben bei Reims geblieben , so konnte man rasch wieder nach Westen schwenken , und die aus solcher Verzögerung entstehenden Nachtheile konnten nicht im entferntesten so bedeutend wie jene sein , die aus einer Verspätung des Abmarsches nach Norden

entstehen

mussten . Mit dem Blicke eines grossen Feldherrn hatte der Kronprinz hier, wie bei manchen anderen Gelegenheiten den einzig richtigen Weg erkannt, und es unterliegt keinem Zweifel, dass nur diese Entschliessung Sedan möglich gemacht hat .

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

329

Es war jetzt, 4 Uhr Nachmittags, zu spät, um noch am 26. den Rest der 3. Armee in Bewegung zu setzen . Aber am 27. sollte die Tête, das 5. Corps, gefolgt von den Württembergern, dem 11. und 6. Corps, Daucourt erreichen. Alle diese Truppen mussten auf einer einzigen, ziemlich schmalen Strasse marschiren . Wollte man demnach den Marsch in dieser tiefen Colonne nicht ausserordentlich erschweren, so musste der entbehrliche Train zurückgelassen werden, Abtheilungen neben der Strasse marschiren, und alle sonstigen Erleichterungen gestattet werden . Die Truppen trugen 3tägigen Vorrath mit, und hatten nur den unentbehrlichsten Train in der Colonne ; alles Uebrige folgte hinter den Truppenabtheilungen . In strömendem Regen, der den 26. , 27. und 28. anhielt,

und

dann auf sehr aufgeweichten Strassen und Wegen ging nun der Marsch der 4. und 3. Armee vor sich. stungen ausserordentlich,

Demungeachtet waren die Marschlei-

freilich nicht ohne Zurücklassung mancher

Erschöpfter, die in grösserer Zahl auch bei solchen Elitetruppen vorkommen mussten . Auch die Trains leisteten Aussergewöhnliches ; die Energie der Intendantur- Beamten überwand alle Schwierigkeiten der Verpflegung. Während nun die 3. Armee ihren Marsch gegen Ste . Ménehould richtete, um auf gleiche Höhe mit den 5 übrigen Corps zu kommen , waren diese angewiesen worden , nach Nordosten zu marschiren , um sowohl Richtung auf Damvillers , als auch auf Grand-Pré nehmen zu können, je nachdem der Vormarsch des Feindes dies bedingte, dem man Abtheilungen,

aus allen Waffen bestehend,

von

am gestrigen

Tage bei letzterem Orte getroffen hatte. Diesen sollte, am 26. in Somme-Py und Autry angekommen, die 5. und 6. Cavalerie- Division auf Grand-Pré und Vouziers folgen, (Abends bei Vouziers und Monthois), während das 12. Corps auf Dun,

die Garde auf Montfaucon , das 2.

und 1. baierische, und das 4. Corps auf Dombasle, Nixeville und Germonville rückten .

Auch die 3. Armee

erreichte die zugewiesenen Aufstellungen :

die 4. Cavalerie -Division Souain , die 2. Coole, das 5. Corps und die Württemberger die Gegend von Daucourt bis Vieille Dampierre , das 11. jene von la Neuville bis zur Strasse Reims-Barle Duc, das 6. Possesse bis Vavray le Grand . Für den 28. sollte das 5. Corps Bouconville erreichen und hinter ihm die übrigen Corps eintreffen, welche noch unter dem directen Befehle des Kronprinzen standen . Da bei so weit nördlich vordringender Spitze ein Zusammenstoss mit dem Feinde statthaben konnte , so ertheilte der Kronprinz

eine

für diesen Fall berechnete sehr zweck-

mässige Instruction, durch welche nicht nur ein entscheidender Kampf

330

Reicher.

gegen überlegene feindliche Kräfte verhütet,

sondern auch ein Ein-

greifen zur Unterstützung der 4. Armee und ein Vorrücken der Cavalerie auf die feindliche Rückzugslinie ermöglicht werden sollte .

Am Morgen des 28. jedoch wurde derselbe durch das grosse Hauptquartier verständigt, dass die Hauptkräfte des Feindes noch bei Vouziers stünden und gegen diese sonach der Aufmarsch der eigenen Kräfte nothwendig werde. Das 12. Corps würde am 28. bei Dun verbleiben, aber Stenay besetzen, das Gardecorps nach Banthéville, das 4. nach Montfaucon, das 1. baierische nach Varennes, und das 2. baierische nach Vienne le Château rücken. Am 29.

würde dann die

Linie Nouart ( 12. Corps), Buzancy

(Garde-Corps) und Grand-Pré ( 1. und 2. baierisches Corps), sowie Banthéville vom 4. Corps erreicht werden . Der 3. Armee ward gleichzeitig befohlen, thunlichst am 28. mit der Tête die Linie Malmy-Laval und am 29. jene von Séchault, Somme-Py zu erreichen und in sich aufzuschliessen. Die 5. und 6. Cavalerie-Division wurde ihr bis auf weiteres unterstellt. Sollte es bei Vouziers zum Kampfe kommen, so war der directe Angriff gegen die dortigen feindlichen Kräfte durch das 5. Corps und die Württemberger über Chambre aux loups, durch das 2. baierische Corps über Falaise und durch das 1. über Châtel Autry in Aussicht genommen. Das Vorgehen des 12., Garde-, und 4. Corps auf le Chêne , wo man den rechten Flügel der feindlichen Streitkräfte vermuthete, sollte diesen decken, eventuell je eine Division dieser Corps den Angriff auf Vouziers unterstützen. Der Verlauf der Schlacht musste dann ergeben, ob auch noch das 11. Corps zum directen Angriff heranzuziehen, oder mit dem 6. zum Abschneiden des Rückzuges in der Richtung auf Reims zu verwenden sei . Der Kronprinz

dirigirte diesen Befehlen nach,

am 28. das 5.

Corps und die Württemberger bis an die Tourbe, das 11. Corps bis an die Strasse Vienne la Ville-Reims und das 6. nach Ste. Ménehould und Umgebung.

Die 4.

Cavalerie- Division

sollte nach Laval oder

Suippe, die 2. bis südlich Suippe vorrücken . Wir haben gesehen , dass die französische Armee am Mittag des 27. den Befehl zum Rückzuge erhielt, und diesen mit dem Train schon in der folgenden Nacht antrat. Mit grauendem Morgen des 28. dirigirten sich auch die Spitzen der Truppen gegen Mézières, um kurze Zeit darauf wieder umzukehren und die Richtung neuerdings über Stenay und Mouzon gegen Montmédy zu nehmen. Zwei Depeschen des Kriegsministers , für den Kaiser und Mac Mahon bestimmt, waren in der Nacht angekommen. „Wenn Sie Bazaine verlassen," lautete die an den Kaiser, „, haben wir die

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

331

Revolution in Paris, und die Armee wird von den gesammten Kräften des Feindes angegriffen werden. Es scheint mir dringend nothwendig, dass die Armee sich rasch mit Bazaine vereinige. Der Kronprinz von Preussen marschirt gegen Norden , aber Sie haben 36,

vielleicht

48 Stunden Vorsprung. Vor Ihnen stehen nur Streitkräfte , die zu den Cernirungstruppen von Metz gehören ,

und die Ihrer Armee auf dem

Rückzuge folgend , sich gegen die Argonnen ausgebreitet haben. " Jene an Mac Mahon lautete : „ Im Namen der Minister und des Cabinetsrathes fordere ich Sie auf, Bazaine Hilfe zu bringen. Sie haben 30 Stunden Vorsprung vor dem Kronprinzen von Preussen. Ich lasse das Corps Vinoy nach Reims rücken. " So waren denn die Furcht vor der Revolution in Paris und die geglaubte missliche Lage Bazaine's die Beweggründe, die Armee von Châlons vorwärts zu treiben , wie man meinte ; in Wahrheit um sie in's Verderben zu stürzen . Denn nach dem vollbrachten Marsche am 28. war eine Katastrophe, wie wir sehen werden, unvermeidlich. Unter dem Schutze einer Arrieregarde bei Chestres, welche die Brücken über die Aisne abbrach,

und Falaise in Brand steckte, und

unter jenem der Cavalerie, welche bei Ballay und Quatre Champs die Defiléen von Croix aux Bois und Boult aux bois beobachtete, kam die Spitze des VII. Corps gegen 6 Uhr Morgens in Quatre Champs an. Schon vor dem Orte hatte es die Disposition für den 28. erhalten, welche das V. Corps nach Beauclair, das VII , nach Nouart, das XII. nach la Besace, das I. nach le Chêne, die Cavalerie-Division Margueritte nach Mouzon und jene von Bonne main nach Les grandes Armoises bestimmte. Bevor es umkehrte , machte es jedoch bei Quatres Champs Halt , um den Train zu erwarten , von dem ein Theil schon Chagny erreicht hatte, ein anderer vor le Chêne vom XII. Corps abgeschitten worden war, und ein dritter die Richtung auf Terron irrthümlicherweise eingeschlagen hatte. Nachdem dieser ohne Unfall bei Quatres Champs angelangt war, blieb die 1. Division zu seinem und zum Schutze des übrigen Trains hier zurück, während die 2. Division sowie die Cavalerie bis Boult aux bois, und die 3. Division zur Verbindung beider nach Belleville ging. Verspätung und Ermüdung , beides durch die veränderte Marschrichtung hervorgebracht, soll dem VII. Corps das Erreichen des angeordneten Nachtlagers nicht möglich gemacht haben . Mittlerweile hatte das V. Corps mit seiner Avantgarde den Weg nach Chêne eingeschlagen,

und war ebenfalls umgekehrt,

Richtung gegen Buzancy nehmend.

die neue

Nächst Harricourt angekommen,

meldete die Cavalerie die Anwesenheit eines deutschen Corps bei Buzancy.

De Failly lässts ein ganzes Corps aufmarschiren, und will nun

332

Reicher.

im Vereine mit dem VII. Corps,

das ihm für den Marsch unterstellt

war, den Feind angreifen ; doch steht er davon ab, als letzteres erklärt, nicht in der Lage zu sein , ihn unterstützen zu können . bis 5 Uhr Nachmittag,

So bleibt er

ohne weitere Vorkehrungen zu treffen , dem

Feinde gegenüber stehen, lässt dann die Brigade Nicolas mit dem 4. Jäger-Bataillon und 2

Batterien

bei Harricourt ,

und erreicht auf

schlechtem Landwege über Vaux en Dieulet und Belval, dames.

Bois

des

Die zur Deckung des Flankenmarsches zurückgebliebene Brigade bleibt noch bis 10 Uhr in Harricourt, lässt daselbst zur Täuschung des Gegners zahlreiche Lagerfeuer anzünden, nach Belval.

und marschirt

selbst

Die übrigen Abtheilungen hatten die ihnen angewiesenen Aufstellungen erreicht, nicht ohne bedeutende Marschanstrengungen, welche ebenso wie das Schwanken zwischen Vor- und Rückmarsch Unmuth bei den Truppen hervorriefen . Vor dem linken Flügel der deutschen Heere war die 6. CavalerieDivision im Vereine mit der baierischen Uhlanen -Brigade am Morgen des 28. dem VII . Corps langsam nachgefolgt ; hinter ihnen die 5. und 4. Cavalerie-Division . Da sie den Rückzug der Franzosen nach Norden alsbald zurückmeldeten, glaubte der Kronprinz Dispositionen für die Verfolgung treffen zu müssen , und ordnete demnach für den 29. die Vorrückung des 1. baierischen Corps nach Grand-Pré, jene des 2. nach Montchautin , des 5. und der Württemberger nach Monthois, des 11. nach Bouconville und des 6. Corps nach Virginy an . Die 4. Cavalerie- Division sollte nach Somme-Py und die 2. nach Souain marschiren . Aber die Befehle des grossen Hauptquartiers,

welche erst am

Abende eintrafen, machten eine Modification dieser Anordnungen nothwendig .

Nach denselben sollte am 29. das 12. Corps nach Nouart

rücken, und eine Brigade in Stenay lassen : das Gardecorps nach Buzancy, das 4. nach Rémonville, das 1. baierische nach Champigneulle, und das 2. nach Grand-Pré marschiren, um einem Angriffe von le Chêne her entgegentreten zu können . Eine Cavalerie- Division sollte nach Reims entsandt werden. Der Kronprinz verfügte demgemäss über die zwei baierischen Corps, und disponirte die 4. Cavalerie- Division

über Juniville und

Bignicourt nach Reims, wo sie am 30. anlangen sollte. Die 6. Cavalerie- Division erhielt Befehl in Vouziers zu bleiben, oder dem Feinde zu folgen, die 5. auf Attigny zu rücken. Die 6. Cavalerie -Division hatte nicht nur den Rückzug des Feindes gemeldet, sondern auch weitere, wichtige Nachrichten darüber ge-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

333

bracht, dass es das VII. Corps war, welches bei Vouziers gestanden , ein feindliches Lager bei Voncq abgebrochen worden sei , und die Truppen sich nach le Chêne zurückgezogen hätten. Durch die letzte Disposition des grossen Hauptquartiers vom 28. Abends, nach welcher die Streitkräfte der Deutschen auf den 3 Strassen Buzancy-le Chêne (Garde ,

12.

und 4. Corps),

Grand -Pré-le Chêne

(1. und 2. baierisches Corps ) und Vouziers- le Chêne (Rest der 3 . Armee) für den 29. massirt wurden , war man sonach in der Lage, den Gegner sowohl gegen le Chêne zu folgen, und seinen Rückzug zu beunruhigen, als auch seinen Angriffen von dort entgegen zu treten. Sie war also den noch nicht vollkommen klar ausgesprochenen Verhältnissen entsprechend. Das Erscheinen starker feindlicher Infanterie- Abtheilungen bei Bar liess indessen eher auf eine Fortsetzung des Marsches nach Metz , als auf einen Rückzug schliessen. Nahm man jene an, so war es wahrscheinlich, dass der grössere Theil der Armee auf der nördlichen Strasse, und beiläufig 1 Corps. auf der südlichen marschirte,

. was sonach mit den Wahrnehmungen

stimmte. Angesichts der vereinigten feindlichen und der eigenen getrennten Macht schien es nun räthlich, den Feind nicht zu einem Angriff herauszufordern . Es sollte also am 29. früh abweichend von der schon ertheilten Disposition eine feste Stellung auf den Höhen hinter Ancreville-Landres vom 12. Garde- und 4. Corps bezogen, das 1. baierische Corps auf Sommerance, das 2. auf St. Juvin und das 5 . auf Grand-Pré dirigirt werden. Die übrigen Corps sollten wenigstens am 30. zu einem Entscheidungsschlage bereit stehen. In diesem Sinne erliess das grosse Hauptquartier am 29. 12 % Uhr Nachts die Directiven an beide Armee-Commando's und der Kronprinz von Preussen säumte nicht, dem entsprechend das 11. Corps auf Monthois und das 6. auf Varennes zu dirigiren, von wo sie weiters nach Norden oder Osten marschiren konnten . Für die 5., 6. und 4. Cavalerie-Division wurden

die früheren

Dispositionen , welche erstere nach Attigny beordneten, letztere bei Vouziers liessen, aufrecht erhalten, die 2. wurde nach Sehault- Bouconville dirigirt. Trotz des regnerischen Wetters marschirten die Truppen rasch in die ihnen angewiesenen Aufstellungen ; nur das 6. Corps , nach Varennes bestimmt, sollte bei Vienne und Binarville bleiben, muthmaasslich, um die linke Flanke der Armee gegen Reims und Rethel zu decken. Die 6. Cavalerie- Division folgte von Vouziers den Arrieregarden des Gegners nach le Chêne und Brieulles, und beunruhigte mehrmals ihren Marsch. 24 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines . VIII. Band, 1874.

334

Reicher. Wir haben die französische Armee in ihrem gegen Montmédy

wieder aufgenommenen Marsche am 28. verlassen, und erwähnt, dass das VII. Corps statt nach Nouart, mit seiner Tête nur bis Boult aux Bois, und das V. statt nach Beauclair auf Seitenwegen nach Bois de dames gelangen konnten . Im Laufe des Tages erfährt nun Mac Mahon, dass Stenay vom Feinde besetzt sei. Unter diesen Umständen hält er den geraden Vormarsch nicht mehr für möglich, und ertheilt. für den 29. die Disposition , wonach das V. Corps auf Beaumont, das VII. auf la Besace, das XII . auf Mouzon, wo Margueritte schon eingetroffen war, und das I. Corps, sowie Bonne main , auf Raucourt marschiren sollen . Er will also in einem Bogen das Marschziel Montmédy noch erreichen und geht gegen seine bessere Ueberzeugung so vor, weil er sich durch Pflicht und Ehre gebunden erachtet . Das I. und XII. Corps, sowie beide Cavalerie-Divisionen erreichen auch ihre Aufstellungen . Das VII., auf schlechte vom Regen verderbte. Landwege angewiesen, gelangt um 7 Uhr Abends nur bis Oches : das V. erhielt den Befehl gar nicht, dessen ich sofort erwähnen will.

durch einen unglücklichen Zufall ,

De Failly, ohne jede Weisung gelassen, glaubt nun nach der alten Instruction auf Stenay vorgehen zu sollen und bricht dahin um 10 Uhr Morgens auf, da die vom vorhergehenden Tage erschöpften Truppen einiger Ruhe bedurften. Aber sein Marsch wird durch die Avantgarde des deutschen 12. Corps, welche ihre Geschütze auf den Höhen südlich Nouart auffahren lässt, behindert.

De Failly entwickelt nun seine

beiden ersten Divisionen ohne anzugreifen, und bleibt in dieser Aufstellung bis 4 Uhr, wo der neuerliche Befehl Beaumont bei ihm eintrifft .

zum Rückzuge

auf

Um 6 Uhr Abends beginnt er den Rückzug, und erreicht spät in der Nacht mit der Spitze , und am 30. 5 Uhr Früh mit der Queue das Lager von Beaumont. Derselbe Generalstabs-Officier, welcher dem VII . Corps den Befehl für den Marsch am 29. in der Nacht um 2 Uhr überbracht hatte , sollte auch zum V. dasselbe zu finden ,

Corps weiter reiten . Ueber seine Frage, wo da man im Hauptquartiere die Aufstellung des-

selben nicht kannte, theilte man ihm beim VII. Corps mit , feuer bei Bar gesehen zu haben .

Bivouac-

An diesem Puncte angekommen ,

den die Brigade Nicolas schon am Abende wieder verlassen hatte, ward er von der Garde-Cavalerie gefangen genommen.

Mit ihm fielen dem Feinde, man kann sagen, gerade in dem kritischesten Augenblicke für die Armee, die Dispositionen des französischen Hauptquartieres für den 28. und 29. in die Hände.

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

335

Sie brachten Licht in des Feindes Absichten , Stellungen und demnächstige Bewegungen . Für die Deutschen, die noch am 29. eine Defensiv- Stellung bezogen hatten, gab es nun kein Bedenken mehr zum Angriffe. Das V. französische Corps, welches bis 29. Abends aufgehalten worden war, musste am 30. noch in Beaumont zu treffen sein , das VII. Corps nächst la Besace stehen, da deutsche Cavalerie bedeutende Massen noch am 29. bei Oches gesehen hatte. Die übrigen Corps waren ohne Zweifel in der Nähe , vielleicht noch am linken Ufer der Maas, also hart vor einem Defilé. Zum Angriffe entschlossen, dirigirte das grosse Hauptquartier für den 30. die 4. Armee östlich der Strasse Buzancy-Beaumont auf letzteren Punct, während die 3. Armee mit 2 Corps auf dieser Strasse den Angriff unterstützen , und mit dem Reste sich zunächst mehr gegen la Chêne halten sollte . Den weiteren Dispositionen der Armeen zufolge, sollte östlich der Strasse Buzancy- Beaumont das 4. und rechts von diesem das 12. Corps auf Beaumont vorgehen, und die Linie Fossé- Beauclair um 10 Uhr überschreiten ; die Garde als Reserve folgen. Auf der genannten Strasse sollten sich ferner das 1., gefolgt vom 2. baierischen Corps , bewegen. Das 5. Corps wurde über Bricquenay auf St. Pierremont und Oches dirigirt, von wo es weiter nach Umständen in das Gefecht eingreifen sollte ; die württembergische Division über Longwé, Boult aux Bois und Châtillon gegen le Chêne, das 11. Corps über Vouziers, Quatrechamps und mit einer Seiten-Colonne über Terron und Voncq eben dahin, und das 6. Corps auf Vouziers beordert. Die 5. CavalerieDivision sollte in den Rücken nach Tourteron, die 4. anfangs hinter dem 11. Corps , dann nach Châtillon, die 6. von Voncq nach Semuy, die 2. auf Buzancy marschiren. Die erste Linie der 3. Armee erhielt zur Aufbruchsstunde 6 Uhr. Obwohl die Befehle erst gegen 5 Uhr ausgegeben wurden, dennoch alles rechtzeitig in Bewegung. 6. Cavalerie-Division besetzt gefunden ;

war

Le Chêne wurde von der indessen

konnte man

doch

deutlich wahrnehmen, dass der Gegner gegen Stonne zurückweiche. Hier und gegen les Grandes Armoises standen seine Massen ; la Berlière und Oches waren von ihm noch besetzt . Auf dem rechten Flügel fand man bis zum nördlichen Ausgange des Waldes von Dieulet keinen Gegner. Dieser war mittlerweile am 30. in der Fortsetzung seines eigenthümlichen Marsches begriffen . Das I. Corps und die Cavalerie - Division Bonnemain brachen nach Remilly auf und hatten dort ihren Ueber24*

336

Reicher.

gang mit den letzten Abtheilungen um 10

Uhr Abends

bewerk-

stelligt. Das VII . Corps sollte mit der Avantgarde ( 1. Division ) und dem Train bei Mouzon , mit dem Rest bei Villers devant Mouzon übergehen. Es brach um 5 Uhr Früh auf und sollte seinen Marsch beschleunigen, damit es noch Abends jenseits der Maas stehe . Das erschöpfte V. Corps, das die 2 vorhergehenden Nächte marschirt war, J sollte um 11 Uhr aufbrechen und bei Mouzon Ufer wechseln . Es war jedoch um diese Stunde auch mit der Tête noch nicht marschbereit ; die Menagebereitung beinahe überall noch im Gange, die Pferde der Cavalerie und Artillerie theilweise noch an der Tränke . Da schlagen die ersten feindlichen Granaten in's Lager. Die Spitzen des 4. und 12. Corps hatten sich unbemerkt dem nördlichen Waldsaume genähert, da die französischen Hauptposten nur 1000 Meter vom Lager entfernt standen. Es war ein förmlicher Ueberfall, dessen Einzelnheiten , so wie jene des folgenden Gefechtes überhaupt noch nicht bekannt sind , der aber immerhin auf die nachlässige Betreibung des Sicherheitsdienstes seitens der Franzosen schliessen lässt , ein Umstand , der zwar durch die vorangegangenen grossen Anstrengungen, insbesondere die beiden Nachtmärsche, erklärt, aber nicht entschuldigt wird . Unter dem feindlichen Feuer versucht man nun die Truppen zu

ralliiren, indessen halten nur wenige Abtheilungen Stand ; unter ihnen das 17. und 68. Regiment der Division de l'Espart (welch' letzteres 36 Officiere verliert), sowie einige Batterien . Sehr bald müssen die nördlich Beaumont gelegenen Höhen dem immer zahlreicher andringenden Feinde überlassen werden, bald darauf auch jene, welche westlich des Gehölzes von Givodeau liegen, und gegen Norden steil abfallen . Hier und in dem dichten Gehölze gerathen die am Feinde stehenden Truppen vollends in Verwirrung und fliehen . Zwar wird es nochmals versucht auf dem Mont de Brune und den Höhen von Villemontry die Truppen zu sammeln und zu ordnen, aber auch hier dauert der Widerstand nicht lange, und sicherlich wäre eine Katastrophe eingetreten, wären die weichenden Truppen nicht um 3 Uhr vor Mouzon von der Brigade Villeneuve und 3 Batterien, dann vom 5. CürassierRegimente aufgenommen worden, welchen Truppen des XII. Corps später die Brigade Cambriels und die 1. Brigade der Division Vassoigne folgten. Nur 4 Stunden hatte demnach der Kampf des V. Corps zwischen Beaumont und Mouzon gedauert, den die Truppen des XII . Corps seit dem 29. an letzterem Orte auf dem rechten Maas -Ufer, dann noch bis zur einbrechenden Nacht fortsetzten . Am Abend steht das XII. und V. Corps auf dem rechten MaasUfer bei Mouzon , das I. Corps mit 2 Divisionen bei Carignan,

mit

337

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

zwei anderen bei Douzy, wo die letzten Abtheilungen 10 Uhr eintreffen, Margueritte bei Blagny, wohin er von Margut gegangen war. In letzterem Orte hatte er tagsüber die am rechten Ufer vorgehende sächsiche Division beobachtet und am weiteren Vorrücken gehindert. In welcher Weise die Truppen der 4. Armee dem Feinde gefolgt waren, ist noch nicht bekannt, am Abend steht das 4. Corps nördlich, die Garde südlich Beaumont, Pouilly besetzt .

das 12. Corps bei Létanne und

hält

Am Kampfe bei Beaumont hatte übrigens auch der rechte Flügel der 3. Armee theilgenommen . Das 1. baierische Corps war gegen 12 , Uhr Mittags mit seiner Spitze nächst der nördlichen Lisière des Waldes von Dieulet angekommen, als es auf seinem rechten Flügel lebhaften Kanonnendonner vernahm .

Die beiden Batterien

der Avantgarde fahren bald darauf

ausserhalb des Waldes auf; ihnen folgt die 4. Brigade in 2 Treffen gegen Fme. la Honneterie, kann aber nur langsam Terrain gewinnen. Dem wiederholten Ansuchen des 4. Corps entsprechend , in des Feindes rechte Flanke gegen Pourron vorzurücken, wollte es eben um zwei Uhr erneuert vorgehen, als es plötzlich von Warniforêt her angegriffen wird. Die Tête des VII. französischen Corps war, wie wir wissen, sammt dem Train gegen Mouzon dirigirt worden .

Sie hatte von Stonne den

Weg gegen Beaumont eingeschlagen, um bei Warniforêt auf Yoncq abzubiegen. Die 2. Brigade der 1. Division und der Train hatten schon. die Strasse verlassen, die 1. Brigade sollte folgen. Aber der von der Tête zurückgelassene Jalonneur war verschwunden, und die 1. Brigade meinend, sie habe die Strasse nach Beaumont zu verfolgen, stösst, wie erzählt,

um 2 Uhr auf die 4. baierische Brigade.

Beiden kam

also das Zusammentreffen sehr unerwartet, beide hatten muthmaasslich keine deckende Seitentruppe gehabt.

Der Kampf dauert hier

einige

Zeit , bis die 3. baierische Brigade zur Unterstützung eintrifft und die Franzosen geworfen wurden. Sie fliehen über Yoncq gegen den Wald von Raucourt, reissen in ihrer Flucht einen Theil des Trains mit sich, während der Rest mit der 2. Brigade um 2 , Uhr Nachmittag bei Villers devant Mouzon die Maas übersetzt. Dem Befehle, bei Mouzon überzugehen, hatte dieser Theil nicht nachkommen können , Weg dahin von deutschen Truppen schon verlegt war.

da der

In Folge der Aufforderung des 4. Corps detachirt nun von der Tann um 4 , Uhr 4 Bataillone, 2 Batterien und 2 Escadronen gegen Pourron, welche noch mit Geschützfeuer gegen die Pontonbrücke nördlich Mouzon wirksam werden können . Der Rest der 2. Division sammelte sich bei Warniforêt, wo auch die 1. eintreffen

sollte,

die

338

Reicher.

indess in Folge von Marschstockungen erst um 2 , Uhr Nachmittag bei Sommauthe anlangt. Da um diese Zeit von der Tann den Befehl des Kronprinzen erhielt, mit allen verfügbaren Kräften auf la Bésace vorzugehen, dirigirte er die 1. Division nunmehr dahin , und ging mit der 2. nach 5 Uhr selbst gegen diesen Punct vor . Der Vorstoss auf la Bésace war zur Unterstützung des 5. Corps angeordnet worden. Dasselbe, wie alle übrigen Corps erster Linie um, 6 Uhr Früh aufbrechend , hatte den Gegner, die Arrieregarde des VII. Corps bald zwischen Oches und la Berlière getroffen, Massen bei Stonne (VII. Corps) wahrgenommen .

aber

auch

Es schien nun nicht räthlich, die starke Stellung nächst dieses Ortes ohne Unterstützung des 11. Corps anzugreifen. So wurde denn auf das Eintreffen desselben in der linken Flanke des Gegners gewartet, inzwischen die feindliche Arrieregarde nur mit Geschützfeuer belästigt und eine Aufstellung nördlich und westlich St. Pierremont genommen . Um 22 Uhr Nachmittags war das 11. Corps und die württembergische Division bei Brieulles angelangt .

Beide hatten gegen die

ursprüngliche Disposition Befehl zum Abschwenken gegen Stonne erhalten, da dem Augenscheine nach dort die Massen des Feindes standen . Jetzt, da auch eine rückgängige Bewegung bei diesen wahrnehmbar war, wurde der Befehl zum Vorrücken ertheilt. Um die Lücken zwischen dem 5. und 1. baierischen Corps auszufüllen, sollte das 2. baierische Corps,

das der Disposition nach jetzt schon in

Sommauthe stehen

musste, zwischen beiden vorgehen, und da es wegen Marschstockungen noch nicht eingetroffen war, die 1. Division, des 1. baierischen Corps , seine Rolle übernehmen . Aus diesem Grunde war der entsprechende Befehl, wie wir erzählt, bei von der Tann eingegangen. Um 5 Uhr, während die 4. Armee schon gegen Mouzon stand , war die Situation der 3. Armee folgende : Vom 1. baierischen Corps die 2. Division bei Warniforêt, die 1. im Vorrücken gegen la Bésace, die Chaussée überschreitend, 5. Corps im Vorrücken über Stonne und über den Mont Damion gleichfalls gegen la Bésace, bei Stonne die Spitze des 11. Corps, dahinter die 4. Cav. -Division , die Württemberger bei Verrières , das 2. baierische Corps im Marsche von Buzancy auf Sommauthe, die 2. Cav. -Division bei St. Pierremont, von der 6. Cav.Division eine Brigade bei le Chêne, eine bei Semuy, 5. Cav. - Division bei Tourteron und 6. Corps im Marsche auf Vouziers . Das VII. französische Corps, das in seiner Arrieregarde schon zwischen Berlière und Oches angegriffen worden war, vernahm etwa gegen Mittag den Kanonendonner von Beaumont. In tiefer MarschColonne stehend, vom Feinde selbst bedrängt, glaubte es umsoweniger

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

339

zur Unterstützung des V. Corps eingreifen zu können , als es den gemessenen Befehl hatte, noch Abends über die Maas zu setzen. Es liess also Stonne durch seine Arrieregarde besetzen , und marschirte weiter gegen Remilly, da es unter den Gefechtsverhältnissen nicht nach Villers devant Mouzon gehen konnte . Seine Arrieregarde sollte ferner den Wald von Raucourt halten. Diese Aufgabe wäre kaum zu lösen gewesen, und würde auch das VII. wie das V. Corps in eine sehr fatale Lage gerathen sein , wenn die Deutschen energisch verfolgt hätten. Aber der König befahl nicht zu drängen, weil er der Ansicht war, die Lage der Franzosen müsse umso schlimmer werden, je länger sie auf dem linken Ufer verblieben. So kam es,

dass die 1. baierische Division als sie sich endlich

zum Angriffe des genannten Waldes anschickte, diesen schon geräumt fand. Das 1. baierische Corps folgte nun noch bis Raucourt, ebendahin auch die 4. Cav. - Division, wo der Kampf vollends um 8½ Uhr endete. Um 2 Stunden früher mag die Spitze des VII. Corps mit Ausnahme des Trains und der 2. Brigade 1. Division bei Remilly angelangt sein. Dort waren Morgens 2 Uebergänge hergestellt worden : ein Steg , den man in einfachen Reihen passiren konnte und

eine für

Cavalerie und Fuhrwerke geeignete, doch nur 2 Meter breite, übrigens schlecht construirte Pontonbrücke. Noch waren aber um diese Zeit die Division l'Herillier des I. Corps und die Cav. -Division Bonnemain am linken Ufer, das von ihnen erst um 10 , Uhr Abends geräumt war. Bei dem moralischen Zustande des VII. Corps, wie er von französischen Autoren geschildert wird, hätte das einfache Vorrücken der Deutschen ohne Zweifel eine Panique hervorgerufen. Die Stellung der 3. Armee war am Abend des 30. folgende : 1. baierisches Corps und 4. Cav. -Division bei Raucourt, 5. Corps bei la Bésace,

11. Corps mit der 21. Division bei Stonne,

22. bei la Berlière,

Württemberger eben da,

Oches, 2. baierisches Corps bei Sommauthe,

mit der

2. Cav. - Division bei 6. Corps bei Vouziers ,

5. Cav. -Division bei Tourteron , 6. bei le Chêne und Semuy. Ohne abzukochen, hatten sämmtliche Truppen an diesem Tage Märsche von 5 und über 5 Meilen gemacht, dabei zum Theile gekämpft. Die Verluste der Deutschen betrugen insgesammt 3522 Mann , jene der Franzosen circa 6000 Todte und Verwundete und 8000 Gefangene. (Nach deutschen Quellen . ) Noch am 30. , doch sehr spät in der Nacht, ertheilte Mac Mahon den Befehl zum Rückzuge nach Sedan . Das Gefecht von Beaumont und sein Ausgang hatten ihn auf jede weitere Vorrückung gegen Montmédy verzichten lassen. Er selbst brach noch in der Nacht mit dem V. und XII . Corps von Mouzon auf, liess das VII. Corps ver-

340

Reicher.

ständigen und ertheilte dem I. Corps und der Cav. -Division

Mar-

gueritte den Auftrag den Rückzug der Armee von Carignan zu zu decken. Auf dem Wege nahm er auch die beiden, bei Douzy stehenden Divisionen des I. Corps mit sich nach Sedan . Die Lagerplätze wurden dem Corps zum Theile erst später bekannt gegeben. „ Ich

kann noch nicht wissen, was ich thun werde, " hatte er

Ducrot, dem Commandanten des I. Corps mittheilen lassen.

„ Auf

jeden Fall soll der Kaiser so schnell als möglich nach Sedan gehen. " Napoleon, tief erschüttert, hatte noch gegen 6 Uhr Nachmittag kaum an die Niederlage bei Beaumont glauben wollen,

da er die

Stellungen der französischen Corps bei Beaumont und Stonne für vorzüglich hielt.

Sie waren es auch,

aber alle übrigen,

darunter sehr

wichtige Umstände, wie das gegenseitige Stärkeverhältniss, waren allzu ungünstig . Freilich ahnte weder Napoleon noch Mac Mahon die riesige Ueberlegenheit der Deutschen . Der französische Feldherr hatte den Feind bis jetzt, wie Lebrun , 60-70.000 Mann geschätzt !

Douay und Ducrot angeben ,

auf

Den Vorstellungen Mac Mahon's und Ducrot's, nach Sedan zurückzugehen , hatte der Kaiser lange Widerstand entgegengesetzt , bis die Befürchtung durch seine Anwesenheit die Entschlüsse und Maassnahmen des letzteren zu behindern, alle anderen Rücksichten überwog. Aber fest beharrte er darauf, die Armee nicht zu verlassen, als man ihm vorschlug, sich an die Spitze des XIII . Corps nach Mézières zu begeben, und mit diesem nach Paris zurückzugehen. Gegen Sonnenaufgang hatten die Spitzen der französischen Armee, bis auf die unter Ducrot's unmittelbarem Befehle stehenden Truppen, Sedan erreicht . Ducrot, als er um 8 Uhr Früh noch keinen Befehl erhalten, meldet, dass er sich auf das Plateau von Illy begeben werde und tritt bald darauf mit Margueritte über Osnes, und Escombres seinen Marsch dahin an.

Messincourt

Der Rückzug der französischen Armee, bei welchem man die Zerstörung der Brücken von Blagny, Carignan, Douzy und Remilly unterlassen hatte (bei Carignan wegen Mangel an Pulver) sollte nicht unbelästigt bleiben . Die Disposition des grossen Hauptquartieres für den 31. , datirt vom 30., 11 Uhr Nachts, befahl die Vorwärtsbewegung in aller Frühe fortzusetzen, den Feind überall, wo er sich diesseits der Maas stelle, energisch anzugreifen, und auf den engen Raum zwischen diesen Fluss und der belgischen Grenze zusammenzudrängen . Die 4. Armee sollte hiebei den feindlichen linken Flügel am Ausweichen in östlicher Richtung hindern , und zu diesem Zwecke zwei Corps, auf das rechte Maasufer entsenden, um eine etwaige Aufstellung gegenüber

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan . Mouzon in Flanke und Rücken zu nehmen .

341

In gleicher Weise sollte

sich die 3. Armee gegen Front und rechte Flanke des Feindes wenden. Möglichst starke Artillerie- Stellungen sollten auf dem linksseitigen Ufer so genommen werden, dass sie die Bewegung feindlicher Colonnen in der Thalebene am rechten Ufer von Mouzon abwärts beunruhigen konnten . Sollte der Feind auf belgisches Gebiet übertreten, ohne sogleich entwaffnet zu werden, so wäre er ohne Weiteres dorthin zu verfolgen. Während nun die 4. Armee demgemäss das Garde- Corps nach Carignan, also auf's rechte Ufer des Chiers, das 12. Corps nach Douzy , auf's rechte Ufer der Maas und das 4. Corps nach Mouzon dirigirt hatte der Kronprinz von Preussen um 2 , Uhr Nachts folgende Disposition erlassen : „Die württembergische Division geht über Stonne, la Neuville

und Vendresse auf Boutancourt, wo sie sich gegen Mézières deckt ; das 11. Corps über Chémery und Cheveuges auf Donchery und das 1. baierische Corps auf Remilly. Alle drei haben Artillerie- Stellungen zu nehmen und den Brückenschlag über die Maas vorzubereiten. Das 5. Corps geht hinter dem 11. nach Chémery, das 2. baierische Corps hinter dem 1. auf Raucourt, das 6. nach Attigny und Semuy ; die 4. Cavalerie-Division bricht vor dem 1. baierischen Corps zur Verfolgung um 5 Uhr auf, die 6. geht über Bouvellemont in der Richtung gegen Mézières , die 2. bis Chémery hinter das 5. Corps, die 5. bleibt in ihrer Aufstellung und detachirt gegen Reims. Die Corps der 1. Linie brechen um 6, die der 2. um 8 Uhr auf. “ Die 4. Cavalerie -Division wandte sich gegen Remilly und Sedan, musste Wadelincourt und Frénois mit abgesessener Mannschaft nehmen, forderte den Commandanten von Sedan zur Uebergabe auf, die dieser natürlich verweigerte und bezog um 9 Uhr Früh bei Cheveuges und Villers sur Bar Bivouacs. Die Brücke bei Donchery war unbesetzt und erhalten gefunden worden . Unterdess befanden sich die 3 Hauptcolonnen der 3. Armee im Vormarsche gegen die Maas. Die linke Flanke der Armee deckte die 5. und 6. Cavalerie-Division ,

welche neuerdings einige Strecken der Bahn Mézières - Reims

zerstörten, und kleinere Abtheilungen des 13. französischen Corps vertrieben. Das 6. Corps liess von Attigny aus den Bahnhof von Amagne besetzen . Die Württemberger waren

nach einem kleineren Gefechte bei

Boutancourt und Flize gegen Abtheilungen des XIII . Corps an ihrem Bestimmungsorte eingetroffen, hatten die Maasbrücke bei Nouvion zerstört,

die Eisenbahnbrücke bei Lumes aber erhalten gefunden, und

342

Reicher.

trafen nun bei Dom-le-Mesnil Vorbereitungen

zum Brückenschlage .

Vom 11. Corps erreichte die Avantgarde der 21. Division um Mittag Donchery. Sie liess sogleich ihre zwei Batterien auf den südlich gelegenen Höhen auffahren, deren Feuer gegen die feindlichen Bivouacs jedoch, der grossen Entfernung wegen, wenig wirksam war. Um 2 Uhr wurde Donchery mit 3 % Bataillonen, 1 Escadron und 1 Batterie besetzt und Vorposten auf dem rechten Maas -Ufer ausgestellt. Um dieselbe Zeit traf das 5. Corps bei Omicourt und Connanges ein, hinter ihm die 22. Division,

welche durch eine Marsch-

kreuzung zurückgeblieben war, und nach dieser die 2. Cavalerie- Division, welche zwischen Artaise le Vivier, Château la Cassine und Vendresse Cantonnements bezog. Sowohl das 5., als auch das 11. Corps bereiteten den Brückenschlag vor. Das 1. baierische Corps war statt um 6, um 8 Uhr abmarschirt, traf mit der Tête um 10 Uhr bei Remilly ein, und begann mit der Avantgarde-Batterie sogleich das Feuer gegen den auf dem rechten Ufer zurückgehenden Feind .

Das XII . Corps hatte zur Deckung der

linken Flanke Bazeilles durch die Brigade Cambriels besetzen lassen , zur Unterstützung die Brigade Martin des Pallières beordert , und antwortete nun lebhaft von Bazeilles und von den nordwärts gelegenen Höhen. Unterdessen marschirte das 1. baierische Corps auf, besetzte Remilly und entwickelte seine gesammte Artillerie, die später durch 4 Batterien des 2. baierischen Corps verstärkt wurde auf den südlich gelegenen Höhen. Bald war auch die Eisenbahnbrücke genommen, besetzt und der Versuch des Feindes zurückgewiesen worden,

sie mit

Pulverfässern zu sprengen . Um 12 Uhr begann der Brückenschlag, der um 1 Uhr beendet war, und den die Franzosen nicht zu hindern versuchten.

Der Versuch des 4. und 9. Jägerbataillons, Bazeilles selbst

zu stürmen, missglückte in zweistündigem Kampfe. Im grossen Hauptquartiere war man nicht im Klaren, ob der Feind

Anstalten zum weiteren Rückzuge traf. Moltke glaubte es nicht. Nun haben wir sie doch in der Falle und müssen wir Morgen in aller Frühe über die Maas gehen. " Der Kronprinz traf nun, wie es scheint , selbstständig oder doch nur nach allgemeinen mündlichen Weisungen, folgende Dispositionen für den 1. September : „ Um den Feind,

welcher sich etwa auf dem rechten Ufer der

Maas von Sedan nach Mézières zurückziehen sollte, aufzuhalten , und ihm den Weitermarsch unmöglich zu machen, wird ein Theil der Armee morgen den 1. September bei Dom-le-Mesnil und Donchery die Maas überschreiten . Es werden folgende Bewegungen ausgeführt : Das 11. Corps bricht vor Tagesanbruch auf,

und

dirigirt sich über

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

343

Donchery auf Vrigne- aux - Bois , wo es sich, den Bach vor der Front, so aufstellt, dass dem Feinde der Marsch nach Mézières zwischen der Maas und der belgischen Grenze unmöglich wird.

Das 5. Corps tritt

aus seinen Bivouacs den Marsch um 5 Uhr an, folgt dem 11. Corps über Donchery, und schliesst sich so an das 11. Corps an, dass der rechte Flügel über die Vrigne vorgeschoben wird. Die Artillerie muss so placirt werden, dass die Strasse Vrigne- Sedan bestrichen wird. " „Die württembergische Division schlägt noch eine Brücke bei Dom - le-Mesnil , überschreitet mit Tagesanbruch dieselbe, und stellt sich an der Strasse Sedan -Mézières so auf, dass sie Front gegen Mézières machen , und gleichzeitig dem 11. Corps als Reserve dienen kann. Die Brücke bleibt besetzt. Das 2. baierische Corps bricht um 5 Uhr auf, geht mit einer Division über Bulson auf Frénois, und besetzt die Höhen Donchery gegenüber auf dem linken Maas -Ufer mit der Reserve-Artillerie, welche an die Tête zu nehmen ist. Die andere Division geht bei Noyers vorbei und nimmt zwischen Frénois und Wadelincourt Aufstellung gegen Sedan, um ein Debouchiren aus der Festung zu verhindern. " „ Das 1. baierische Corps verbleibt in Remilly, wenn nicht das Vorgehen des Kronprinzen von Sachsen ein Eingreifen des Corps in das Gefecht nöthig machen sollte. " „Die 6. Cavalerie- Division geht nach Flize ; die 4. südlich von Frénois ; die 2. nach Boutancourt. Die 5. Cavalerie - Division und das 6. Corps verbleiben in ihren Cantonnements. Meldungen nach Frénois. Trains bleiben stehen . Hauptquartier Chémery.“ Einige Zeit nachdem diese Disposition abgegangen war, verständigte Moltke, Blumenthal, dass nach dem Berichte des Oberstlieutenants Brandenstein die Franzosen mit Zurücklassung allen Gepäckes westlich abmarschirten, und diesen Marsch vielleicht in der Nacht hindurch fortsetzen könnten .

Da die Erreichung eines grossen

Resultates dadurch möglicherweise vereitelt werden könnte, stellte ersterer es der Erwägung Blumenthal's anheim, ob es nicht thunlich sein sollte, mit dem 11. Corps und den Württembergern noch in der Nacht die Maas zu überschreiten, damit am 1. September mit Tagesanbruch der Angriff auf der Strasse Sedan- Mézières in entwickelter Front erfolgen könne. Auf diese Mittheilung wurde sofort dem 11. und 5. Corps und der württembergischen Division der Befehl zugesandt, noch während

der Nacht Brücken zu schlagen , und mit Tagesanbruch die Maas zu überschreiten. Das 1. baierische Corps wurde ferner angewiesen, ebenfalls mit Tagesanbruch gegen Bazeilles vorzugehen und den etwa abmarschirenden Feind anzugreifen und festzuhalten.

Reicher.

344

Eine Verständigung über diese Verfügungen wurde endlich noch nach 10 Uhr Nachts dem Kronprinzen von Sachsen zugesandt, damit er, ähnlich wie das 1. baierische Corps , eingreife. Diese Verständigung ge-langte erst um 1 Uhr nach Mouzon und veranlasste die um 2 Uhr an die Truppen abgeschickte Disposition , die im Wesentlichen folgendes verfügte : „ Das Garde- Corps lässt sofort allarmiren und rückt mit einer Division über Escombres, Pourru-aux-Bois auf Villers -Cernay, mit der 2. und der Corps -Artillerie auf Francheval . " „Das 12. Corps lässt ebenfalls sofort allarmiren und geht auf la Moncelle vor. Das 4. Corps rückt mit einer Divison und der CorpsArtillerie nach Remilly zur etwaigen Unterstützung des 1. baierischen Corps, passirt mit der 2. bei Mouzon die Maas und stellt sich bei Mairy als allgemeine Reserve auf. Meldungen nach der Höhe östlich Amblimont. Trains bleiben stehen. " Die französische Armee hatte im Laufe des 31. Aufstellung um Sedan genommen . Das XII. Corps zwischen Balan und Bazeilles und auf den Höhen von la Moncelle, zwischen Bazeilles und Daigny ; das I. Corps links davon , bis in die Höhe von Givonne, dann östlich von Daigny und Givonne, am linken Ufer des Givonnebaches. Das VII. Corps auf dem Plateau hinter Floing bis zum Calvaire d'Illy, u. z . 2. Division gegenüber Floing mit einem Haken gegen die Maas, rechts von ihr die 3. Division vor dem Gehölze von Garenne mit dem rechten Flügel bis zum Fusse der Höhen des Calvaire d'Illy, 1. Division als 2. Treffen . Eine Brigade des V. Corps auf dem Plateau hinter dem Gehölze von Garenne, der Rest in dem verschanzten alten Lager. Schulterwehren für Geschütze errichtet.

und Schützengräben wurden

Mac Mahon glaubte an keinen Angriff und schätzte wie erwähnt die feindlichen Kräfte auf 60-70.000 Mann. Obwohl er nun, dieser Annahme nach,

die Ueberlegenheit besass,

sprüngliche Absicht,

war es doch seine ur-

am folgenden Tage den Rückzug fortzusetzen .

Die Meldungen, dass die Deutschen gegen Dom-le- Mesnil und Donchery angerückt seien, und Vorbereitungen zum Brückenschlage träfen, welche er er schon schon Mittags und dann wiederholt Nachmittags erhalten hatte, beunruhigten ihn nicht. Er gab sich keiner Befürchtung hin

jede

Verbindungs-

und

Rückzugslinie

zu verlieren , denn

war , nach den Stärkeverhältnissen muthmaassend,

überzeugt,

er

seine

Truppen könnten rechtzeitig das jedenfalls nur schwache Corps, welches etwa seinen Rückzug nach Mézières verhindern wolle, erdrücken. Er hielt also seine Verbindungslinie auf dem rechten MaasUfer für gesichert. Aber schon Nachmittags scheint er seinen Entschluss

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

345

zurückzugehen, aufgegeben, und jenen unheilvollen, in seiner Stellung den Angriff abzuwarten, angenommen zu haben. So wenigstens lassen sich seine Verfügungen erklären,

die er in einer Versammlung der

Corps -Commandanten und Generalstabs - Chefs um getroffen,

5 ,

Uhr Abends.

und die sich auf die Annahme des Kampfes, Einrichtung

der Stellung und Aufstellung der Truppen beziehen, von denen das Wesentlichste durch die Anführung der Aufstellung am Abende schon mitgetheilt wurde. Die Instructionen, welche die französische Armee für den Kampf erhielt, waren kurz die , so gut als möglich die angewiesenen Stellungen zu vertheidigen. Eine Rückzugslinie wurde nicht angegeben und es ist sicher,

dass Mac

Mahon vor Ertheilung

weiterer Weisungen die Maassnahmen des Feindes abwarten wollte . Ich kann hier den Verlauf der Schlacht von Sedan nur in seinen wichtigsten Momenten schildern. Schon vor 4 Uhr überschreitet die 1. Division des 1. baierischen Corps die Maas auf 3 Brücken ; die 3. Brigade soll der 1. Division als Unterstützung folgen, die 4. als Reserve auf dem linken Ufer bleiben.

Die gesammte Corps - Artillerie ist wie am vorhergehenden

Tage auf den Höhen von Aillicourt postirt,

kann aber des dichten

Nebels wegen das Feuer erst später eröffnen . Die südliche Umfassung Bazeille's wird im ersten Anlaufe genom-

men ; die Franzosen , beinahe überfallen , sammeln sich jedoch bald (Division Vassoigne) und leisten nun den heftigsten Widerstand . Um 6 Uhr trifft die Avantgarde der 24. Division vor la Moncelle ein , nimmt diesen, nur sehr schwach besetzten Ort, und debouchirt andererseits bald darauf aus dem Bois Chevalier gegen die Brigade Lacretelle des I. Corps , welche, sehr bald darauf von der Brigade Fraboulet unterstützt, die Höhen östlich Daigny vertheidigt. Um 7 Uhr hat das 1. baierische Corps bereits 3 Brigaden im Kampfe, an dem jetzt auch schon die Corps - Artillerie Theil genommen Um dieselbe Zeit trifft die 8. Division bei Remilly ein, worauf

hat.

die 4. baierische Brigade zum Eingreifen zwischen Bazeilles und la Moncelle beordert wird . Trotzdem kommt das 1. baierische Corps nicht vorwärts ; ja es tritt für dasselbe sogar gegen 9 Uhr ein recht kritischer Moment ein, der vielleicht mit der völligen Vertreibung aus Bazeilles geendet hätte, wenn nicht bald darauf das XII. Corps auf Befehl Ducrot's den Rückzug angetreten, und die 46. Brigade unterstützend eingegriffen hätte. Gegen Daigny hatte mittlerweile die 24. Division, welche bis auf 6 , bei la Moncelle mit den Baiern kämpfenden Compagnien hier vereinigt war, Fortschritte gemacht. Denn die Division de Lartigue war nicht nur im letzten Augenblicke, als die Sachsen schon aus dem

346

Reicher.

Bois Chevalier und südlich desselben vorgingen , auf die Höhe beordert, sondern auch früher als das XII . Corps durch den Rückzugsbefehl Ducrots, d. h. durch das Zurückführen der Division Pellé und l'Herillier indirect betroffen, und in ihrem Widerstande erschüttert worden. Gegen 9 Uhr hatte sie grösstentheils die Höhe von Daigny geräumt. Um dieselbe Zeit bewegten sich die Spitzen der 1. Garde-Infanterie -Division von Villers - Cernay, wo sie um 8 Uhr angekommen waren, gegen Givonne und la Chapelle, und fuhr die Divisions-Artillerie westlich des Gehölzes von Villers -Cernay auf.

Schon um 8 Uhr

ist das unvertheidigte Haybes durch das Garde-Jägerbataillon , um 10 Uhr Givonne und la Chapelle durch die Spitzen der 1. Garde-Infanterie-Division besetzt, während sich das Gros derselben im Gehölze westlich Villers -Cernay und die diesem Orte selbst aufstellt.

2.

Garde - Infanterie - Division bei

Gegen 7 Uhr war Mac Mahon verwundet worden und hatte den Oberbefehl an Ducrot übergeben .

Dieser in den umfassenden Bewegungen der Deutschen von Villers- Cernay gegen Givonne und Illy, welche ihm gemeldet worden waren, die grösste Gefahr erblickend , und wie angenommen werden muss, von dem Vorrücken der Massen gegen St. Menges und Fleigneux gar nicht , oder nur ungenüge nd unterrichtet, hatte sofort, nachdem er das Armee-Commando gegen 72 Uhr übernommen, den Befehl zum Rückzüge auf das Plateau von Illy ertheilt, von wo er dann theils durch das Defilé von St. Albert, theils durch das Bois de la Falizette auf Mézières zurückgehen , und wenn dies nicht gelingen sollte, als letzte Auskunft auf belgisches Gebiet übertreten wollte. Er hatte zuerst die Divisionen Pellé und l'Herillier zurückgehen lassen, und war dann vor 9 Uhr zum XII . Corps geritten, um sich persönlich von der Ausführung seiner Anordnungen zu überzeugen . Lebrun, eben daran die Baiern zurückzuwerfen, macht anfangs Vorstellungen gegen den erhaltenen Befehl , kommt demselben aber dann nach, ertheilt den Rückzugsbefehl gegen 9 Uhr, welchen die Divisionen Vassoigne und Grandchamp zuerst antreten und denen dann etwas nach 10 Uhr die Division Lacretelle auf den Höhen von la Moncelle folgt. So gehen diese, und bald darauf auch Bazeilles ( 10 % ) verloren. Wimpffen, der am 30. bei der Armee anlangte, und am 31. das Commando des V. Corps übernahm, war von der Verwundung Mac Mahon's, sowie von der Uebernahme des Commando's durch Ducrot

in Kenntniss gesetzt worden. Dem vom Minister erhaltenen Patente nach, hätte er selbst das Obercommando übernehmen können, that es jedoch nicht, weil er, wie er angibt, die Verhältnisse der Armee kaum ,

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

347

und die Absicht Mac Mahon's gar nicht kannte . Erst als der Befehl zum Rückzuge ertheilt wurde, glaubte er, der damit verknüpften grossen Gefahren wegen, seine Rechte geltend machen zu müssen. So wie die Dinge standen, war seiner Ansicht nach kein Rückzug nach Mézières mehr möglich, theils weil Massen des Feindes auf der Rückzugslinie standen, theils weil jeder, namentlich etwas rascher ausgeführte Rückzug

mit

der Auflösung der Armee geendet hätte.

Diese zu vermeiden und einen Uebergang auf belgisches Gebiet ohne Kampf perhorrescirend , glaubte er ein Werfen des östlich vorrückenden Feindes, namentlich der Baiern noch wagen zu sollen . Gelang dies, so konnte er sich dann mit der ganzen Armee gegen die auf der Rückzugslinie stehenden Feinde wenden . Darum gab er, den Befehl zur Uebernahme des Armee-Commandos producirend, etwa vor 9 Uhr den Befehl zur Einstellung des Rückzuges und zur Besetzung der verlassenen Positionen. Nach der Lage der Verhältnisse leider zu spät, denn schon vor dem Eintreffen desselben hatte das I. Corps durch sein Zurückgehen dem Feinde Vortheile eingeräumt und Bazeilles, sowie der Abschnitt gegen la Moncelle war kämpfend grösstentheils geräumt worden (9 bis 10 , Uhr). Wimpffen war gegen 10 Uhr beim XII. Corps eingetroffen, nachdem er auf dem Wege dahin dem Kaiser begegnet, und ihm seinen Plan, die Baiern zuerst gegen die Maas zu drücken, mitgetheilt hatte. Er traf bei Lebrun auch Ducrot, der hier Vorstellungen gegen den

schon

um 9 Uhr

erhaltenen

Befehl

machte,

Wimpffen's Pläne nicht zu ändern vermochten .

welche

jedoch

Ihnen nach sollte

das XII. Corps , unterstützt durch Theile des V. und VII. Corps, nicht nur die geräumten Positionen wieder nehmen, sondern auch die Offensive gegen die Baiern ergreifen, das I. Corps, dem schon am Morgen die Brigade Saurin (Division Goze des V. Corps) zugewiesen worden , die alten Stellungen nehmen und behaupten, und das VII . Corps einstweilen den Rücken der Armee decken . Die Befehle hiezu wurden zwischen 10 und 10 % Uhr für das XII . und I. Corps, somit für letzteres erneuert gegeben.

Aber bevor sie ausgeführt werden können,

machen

sich die Nachwirkungen des 1. Rückzugsbefehles , wie erwähnt, geltend : Das XII. Corps verliert nicht nur Bazeilles, sondern auch einen Theil der Höhen hinter la Moncelle, das I. Corps die östlich Daigny liegenden Höhen, sowie diesen Ort (9-11 ) und Haybes (8 Uhr) und steht mit den Divisionen Pellé und l'Herillier auf dem Plateau von Illy und im Bois de la Garenne. Nach dem Falle Bazeilles und der Räumung des Abschnittes Bazeille - la Moncelle geht nun das 1. baierische Corps, unterstützt von Theilen der 8. Division, (4 Bataillone, 4 Batterien ), die 46. Brigade

Reicher.

348

und 6 Compagnien der 48. auf die westlich liegenden Höhen vor (10 % ), denen als Reserve der Rest der 8. Division, die 3. baierische Division und die 45. Brigade folgen. Von dieser besezt das 108. Regiment mit 2 Batterien die Höhen selbst, Theile des 1. baierischen Corps und der 8. Division Bazeilles, während die 3. baierische Division auf Balan vorgeht und gegen Mittag die Umfassung bis zum Höhenkamme besetzt.

westliche und nördliche

Auf dem linken Flügel der 3. Armee defilirten die Tête des 11. und 5. Corps sowie der Württemberger um 5 %

Uhr über die ver-

schiedenen Maasbrücken ; das 11. Corps ging in 3 Colonnen gegen Montimont und Vrigne aux Bois, das 5. Corps und die Württemberger gegen Viviers au Court vor. Um 7½ Uhr, als man die Strasse SedanMézières frei sah, und die ersten Abtheilungen des erwähnten Corps schon die nördliche Spitze der Insel Iges, Vrigne aux Bois und Viviers au Court erreicht hatten , befiehlt der Kronprinz dem 11. und 5. Corps um die Insel Iges zu schwenken und dirigirt das erstere auf St. Menges. Kirchbach wählt Fleigneux als Directionsobject. Um 8 Uhr debouchiren die Spitzen des 11. Corps aus dem Defilé von St. Albert, und um 11 Uhr ist die 44. ( 3. ) Brigade bei St. Menges eingetroffen ; die 43. noch zurück. Aber bald nach der Avantgarde, die sich gegen Floing, den waldbedeckten Hügel nördlich dieses Ortes, und gegen Fleigneux hin ausbreitet, ist die Corps -Artillerie auf den Höhen vor St. Menges aufgefahren , und um des

5. Corps

eingetroffen (zusammen

11 Uhr auch jene

132 Geschütze ) . Die

Stellung

Douay's, namentlich der rechte Flügel an den Calvaire d'Illy angelehnt, wird dadurch immer mehr bedroht. Gerade um diese Zeit war Wimpffen beim VII . Corps eingetroffen . Er verspricht dem Commandanten desselben, welcher erklärt in seiner Stellung ausharren zu können, wenn nur das Plateau von Illy genügend besetzt werde, dieses durch das I. Corps halten zu lassen, fordert ihn aber auch zugleich auf, alle entbehrlichen Truppen dem XII. Corps zur Verfügung zu stellen . Donay sendet nun die einzige Brigade der Division de l'Abadie, dann über wiederholte Aufforderung successive auch die ganze 3. Division Dumont nach Osten . Diese Maassregeln erweisen sich jetzt ( 12-12 %, Uhr) als zu spät. Das XII. Corps, lange ohne Unterstützung gelassen , kann das verloren gegangene Terrain nicht wieder gewinnen , ja muss bis nahe an die Festungswerke zurück. Das I. Corps, das gegen 11 Uhr die Division Pellé und l'Herillier vom Plateau nach vorwärts geschickt, kann und noch weniger die vorwärtigen Positionen wieder nehmen, und dirigirt nun über mündlichen Befehl Wimpffen's (vor 12 Uhr) dieselben Divisionen sowie die gesammte disponible Ar-

Daigny und Haybes,

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

349

tillerie wieder auf das Plateau (nach 12 Uhr) . Hier auf dem Calvaire d'Illy und in dem Bois de la Garenne tritt nun zwischen 12 % und 2 Uhr die Entscheidung des Tages ein. Um diese Zeit stehen hier, oder flüchten sich hieher, das I. , V. und ein Theil des VII. Corps (rechter Flügel) ; theilweise bestimmt hier zu halten (rechter Flügel VII. Corps und ein Theil des I.) , theils die Offensive nach Osten zu ergreifen (Theile des I. und V. Corps), theils endlich das XII . Corps zu unterstützen (Theile des V. Corps) . In eines der furchtbarsten Kreuzfeuer genommen wie es wohl schwerlich auf einem zweiten Schlachtfelde vorgekommen,

denn der grösste Theil der an Zahl doppelten, und an

Wirksamkeit überhaupt weit überlegenen deutschen Artillerie dirigirt von allen Punkten des Schlachtfeldes ihr Feuer gegen das Plateau können die genannten französischen Corps nicht Stand halten, und eine unbeschreibliche Panique reisst hier ein . Dreimal versuchen die Generale Douay, Renson, Doutrelaine, Liégard und Dumont, und mit ihnen wohl noch manche andere Commandanten, einige Ordzuletzt wie begreiflich ohne Erfolg. Die ganze Masse wälzt sich nun gegen die Festung, deren Mauern theilweise erklettert werden, und deren Gräben die Ueberzahl nicht zu fassen vernung herzustellen ;

mögen. Nicht minder tragisch ist der Kampf und sein Ausgang auf dem linken und rechten Flügel der französischen Armee . Dort hat bis 11 Uhr das VII. Corps ohne Terrainverlust Stand gehalten, aber seine Lage wird immer schwieriger. Seine Artillerie vermag der feindlichen kaum mehr zu antworten. Um 12 Uhr ist das gesammte 5. preussische Corps bei Ferme la Grange eingetroffen , und lässt nun zwischen 12

und 1 Uhr, als die Franzosen aus Floing und dem Bois de la

Garenne vorbrechen, 3 Bataillone nach Floing, die 17. Brigade südlich St. Menges, und die 10. Division (mit Ausnahme zweier Bataillone ) südlich Fleigneux zur Unterstützung der kämpfenden 3 Brigaden des 11. Corps vorrücken. An diesen überlegenen Massen bricht sich der französische Offensivstoss , der scheiternd, den Deutschen Gelegenheit gibt, mit erneuerter Energie vorzurücken . Vergebens ist der Widerstand in Floing, vergebens auch das Anstürmen der braven CavalerieDivision Margueritte, welche die von Ducrot angeordneten Attaquen mit glänzender Bravour durchführt. Mit dem Verluste ihres halben Standes vermag sie die geschlossenen Abtheilungen der Deutschen nicht zu erschüttern, und diese in ihrem Vorschreiten nicht aufzuhalten . Um 1 Uhr wird Floing erstürmt, um 1 ', werden die untersten Hänge der südöstlichen Höhen genommen, und gegen 2 Uhr die Franzosen aus der ganzen Linie Floing - Illy vertrieben . Um 2 Uhr hat Douay den von 1 Uhr datirten Befehl Wimpffen's erhalten , 25 Organ des Wiener militär- wissenschaftlichen Vereines. VIII . Band, 1874.

Reicher.

350

den Rückzug der Armee zu decken ; d. h. das Bois de la Garenne möglichst lange zu halten, während die Reste des XII . , I. und V. Corps den Durchbruch gegen Carignan versuchen sollen . Aber schon ist der Calvaire d'Illy in den Händen des Feindes , ein Zurückgehen in dieser Richtung daher sowohl desshalb, als auch der Erschöpfung des VII. Corps wegen, das jetzt nur mehr 3 Brigaden zählt, Douay unter

solchen Umständen

unmöglich. Alles was

zu thun vermag,

möglichst geordneten Rückzug gegen circa 3 Uhr eintrifft.

Sedan

ist das : einen

anzutreten, wo er um

Um dieselbe Stunde haben sich das 11. Corps und die Garde auf dem Calvaire d'Illy die Hand gereicht ; der Ring ist vollkommen geschlossen , und wird nunmehr zwischen 3 und 4 Uhr durch eine allgemeine Vorrückung gegen Sedan verengt. Gegen 1 Uhr als Verwirrung und Flucht auf dem Plateau von Illy zum ersten Male in grösserer Ausdehnung einriss , hatte Wimpffen erkannt, dass von einem Stand halten auf den Höhen bis zum Abend und von einer Offensive in der Richtung gegen Bazeilles , keine Rede mehr sein könne, und dass, um der Schmach der Capitulation zu entrinnen, das letzte Mittel, das Durchbrechen , versucht werden müsse. Er gibt sonach um diese Zeit an Lebrun den Befehl, über Balan gegen Bazeilles, an die Division Goze aus dem Bois de la Garenne über die Strasse Sedan-Givonne und die Höhen zwischen Daigay und la Moncelle eben dahin , dem

I. Corps und der Division Guyot de l'Espart über la Moncelle gleichfalls auf Bazeilles vorzudringen , endlich dem VII. Corps den Rückzug der Armee zu decken. Er ladet weiters ( 1 ) den Kaiser ein, sich an die Spitze der Truppen zu stellen . Theils die Schwierigkeit ohne eigentlichen Stab alle diese

Befehle rechtzeitig an den Ort ihrer Bestimmung gelangen zu lassen , theils jene die Commandanten aufzufinden , endlich das Erwarten der Ankunft des Kaisers beeinträchtigen und verzögern die Ausführung des Vorhabens , das nun gegen 3 Uhr ins Werk gesetzt wird . Mit den Resten der Division Vassoigne und mit einzelnen sonstigen Abtheilungen, im Ganzen 5-6000 Mann, dringt Wimpffen in Balan ein, und über den Ort hinaus vor ; die 3. baierische Division weicht. Aber die geringe Zahl der französischen Streitkräfte, das sehr bedeckte Terrain, und die Unterstützung , welche die 3. Division von der 8. preussischen und 1. baierischen, sowie von der Artillerie auf den Höhen zwischen la Moncelle, Bazeilles und bei Illicourt erhält, machen diesen Durchbruch scheitern . Während dieser Zeit hat die Division Goze auf den Höhen vor Fond de Givonne und links von ihr die Division Grandchamp Aufstellung genommen. Bis 3 Uhr wird hier gehalten , obwohl die wenigen Geschütze auf dieser Höhe sowohl

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

351

als vor dem alten Lager den ungleichen Kampf gegen des Feindes weit überlegene Artillerie nicht lange führen können . Diese zwingt beide Divisionen zum Rückzuge nach Fond de Givonne zum Thore von Balan.

Noch einmal zwischen 4

und weiter

und 5 Uhr versucht Wimpffen,

der indessen 2-3000 Mann wieder gesammelt im Vereine mit Lebrun den Durchbruch . Sie gelangen bis zum Ausgang von Balan, sehen dort, dass Niemand ihnen folgt, und kehren um. Um 5 Uhr macht die aufgehisste weisse Fahne dem Vernichtungskampfe ein Ende . Schon um 3 Uhr war sie auf Befehl des Kaisers und mit Zustimmung Douay's, Ducrot's, Lebrun's, die sich um jene Zeit bei ihm befanden, ausgesteckt, aber wieder entfernt worden. So endete der Kampf bei Sedan , in dessen Folge die Capitulation der französischen Armee eintrat . Die weiteren Vorgänge will ich hier nicht erzählen, und nur die Vorgänge am äussersten linken Flügel der Deutschen, bei den Württembergern, sowie beim 2. baierischen Corps erwähnen . Vinoy,

der am 1.

September

die Division Blanchard des

XIII. Corps und die Reserve-Artillerie

in Mézières vereinigt hatte, erwartete an diesem Tage mit Ungeduld die Spitzen der Armee von Châlons. Da er am vorhergehenden Tage von dem Rückzuge derselben . nach Mézières in Kenntniss gesetzt worden war, entsandte er auch am 1. kleinere Detachements auf dem rechten und die Brigade Guilhem . auf dem linken Maas -Ufer in der Richtung gegen Sedan . Die ersteren werden zwischen 10-12 U. von den Württembergern

vertrieben, die nach Viviers -au-Court und Vrigne-aux-bois vorgerückt waren, und gegen 10 Uhr Befehl erhielten, sich sammt der 2. CavalerieDivision , nördlich Donchéry zur besseren Verbindung mit dem 2. baierischen Corps aufzustellen, die

letztere, der 6 Batterien beigegeben. waren , traf nächst Petite Ayuelle auf das württembergische Detachement unter General Hügel [ 4 Bataillone und 1 Batterie, welches auf die Nachricht von dem Vorrücken einer stärkeren frenzösischen Abtheilung von Vrigne Meuse ausgesandt worden war ( 12 % ) ] . Guilhelm wird zurückgenommen, um das XIII . Corps nicht in verein-

zelnten Kämpfen zu compromittiren . nach 2 Uhr Morgens.

So endet auch hier der Kampf

Schon um 72 Uhr Früh hatte das 2. baierische Corps den Befehl erhalten , seine 3. Division zur Unterstützung des 1. baierischen Corps abzusenden, da anscheinend um diese Zeit der Kampf bei Bazeilles an Heftigkeit zunahm, auch die 4. Division zur Besetzung der starken Stellung Frénois- Wadelincourt zureichend schien .

25

352

Reicher. Operationen v. d . Mosel u . v. Chàlons nach Sedan.

I'm 9 Uhr eröffnet die Corps - Artillerie ihr Feuer gegen Sedan , das von der Festung anfänglich mit schweren Geschützen erwidert wird. Gegen 10 Uhr werden Frénois und Wadelincourt,

bald darauf

auch der Eisenbahndamm und der Bahnhof von Torcy besetzt. Während der Dauer der Schlacht wird nun hier ein Tirailleurgefecht geführt. Nach dem Aufziehen der weissen Fahne waren die Einleitungen zu den Unterhandlungen getroffen, und die Capitulation

selbst am

2. September Mittags abgeschlossen worden. Die ganze französische Armee wurde kriegsgefangen , ihr Material sowie die Festung Sedan dem Sieger übergeben, nachdem schon am 1. Napoleon seinen Degen m König Wilhelm hatte übergeben lassen . Die Verluste auf beiden Seiten waren folgende : Von der III. Armee 6654, von der IV. Armee 2236 , zusammen 8890 Mann. Bei der französischen Armee : Circa 3000 Todte, 14.000 Verwundete, 21.000 Gefangene in der Schlacht ; Kriegsgefangene durch die Capitulation 83.000 Mann ; auf belgischem Gebiet entwaffnet 3000 Mann , zusammen 121.000 Mann . Circa 10.000 Mann hatten sich am 31. und 1. geflüchtet oder waren mit Betretung belgischen Gebietes entkommen.

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 Von Oberstlieutenant Anton Edler von Hilleprandt des Inf.-Reg. Nr. 27. Benützte Quellen : Blume, Die Operationen der deutschen Heere von der Wartensleben , „ Die OpeSchlacht bei Sedan bis zum Ende des Krieges. rationen der Südarmee im Januar und Februar 1871. Chanzy , „La deuxième Freycinet , „La guerre en province. " armée de la Loire." (Hiezu Tafel VI.)

In dem grossen Kriege,

welchen Preussen im Bunde mit den

übrigen deutschen Staaten gegen Frankreich führte, wusste die erstere Macht durch eine musterhafte Kriegsvorbereitung den strategischen Aufmarsch mit einer überwältigenden Uebermacht (11 norddeutsche , 2 baierische Armee-Corps , 1 hessische , 1 württembergische, 1 badische Division, das sind 450.000 Streitbare gegen 8 Corps mit 220.000 Streitbaren) zu bewirken. Im Vollgefühle der Initiative brachen die deutschen. Armeen 15 Tage nach erfolgter Kriegserklärung, 20 Tage nach Einberufung der Reserven, noch vor der Versammlung der französischen Kräfte in Feindesland ein ; die deutsche III. Armee zermalmte mit wuchtiger Hand, ihre Uebermacht auch auf das Schlachtfeld bringend, bei Weissenburg (4. August) und Wörth ( 6. August) den feindlichen rechten Flügel und setzte den Vormarsch in der Richtung Châlons -Paris fort. Die I. deutsche Armee fasste mit dem Siege von Spichern (6. August) festen Fuss auf französischem Boden und bildete (noch das 1. Armee-Corps aus Preussen an sich ziehend , ) den Stützpunct für die Umgehung, welche die II . Armee, (der als Verstärkung das 2. preussische Armee-Corps nachfolgte), in der rechten Flanke der französischen Hauptarmee, zur Isolirung derselben in Metz ausführte . Die Schlachten bei Borny ( 14. August), Rézonville ( 16. August) und Gravelotte ( 18. August) krönten das Unternehmen . Die französische Rhein -Armee an der Mosel , 6 Corps stark, ward so von 7 Armee -Corps eingeschlossen ; 9 Armee - Corps (als Maas- und III . Armee zusammen 230.000 Streitbare) rückten gegen die in Châlons gebildete Reserve - Armee (4 Corps mit 110.000 Streitbaren) vor. Deren waghalsiger Versuch, Metz auf der äussersten nördlichen Operationslinie Entsatz zu bringen, endete mit der Katastrophe von Sedan (1. September), welche der frontale Widerstand der Maas -Armee 1) Vortrag, gehalten in der Officiers-Versammlung in Graz am 7. März 1874.

354

Hilleprandt.

Beaumont (30. August) und die energische Rechtsschwenkung der III. Armee bereitete. Neue Kräfte mussten aber aus Deutschland zur Deckung der Verluste und zur Sicherung der Operationslinien herangezogen werden ; die Cernirungs- Armee von Metz wurde auf 8½ Armee -Corps verstärkt, zur Belagerung von Strassburg und Sicherung des

Elsass

1

Armee-Corps

bestimmt,

so dass

die Deutschen

560.000 Streitbare nun auf dem französischen Kriegsschauplatze hatten . Das republikanische Frankreich berief hingegen alle Wehrfähigen zur Vertheidigung des Vaterlandes . Paris, der grosse Waffenplatz , rüstete sich

mit Raschheit

zu dem Riesenkampfe. 300.000 Streitbare

726 Feldgeschützen wurden für die äussere Vertheidigung ,

mit

überdies

200.000 Nationalgarden für die Hauptumfassung als Besatzung ausgerüstet. Die deutsche III. und Maas -Armee schlossen aber doch am 19. September den eisernen Ring um die feindliche Hauptstadt. Für Frankreich galt es nun diesen Ring zu brechen,

von Innen und von

Aussen ; die Ausfallsversuche scheiterten jedoch bei Paris , wie bei Metz, einestheils an der Festigkeit der deutschen Truppen und an der Energie ihrer Führer, andererseits an der unentschiedenen mitunter sogar schlechten Führung der Franzosen , theilweise auch an dem geringen moralischen Halt ihrer Truppen . Von Aussen , aus den Provinzen, musste der Hauptstadt Hilfe kommen ; mit fabelhafter Energie wurde die Ausrüstung betrieben, zahlreiche Streif- Commanden griffen die Nachschübe an , grössere mobile Colonnen näherten sich schon Paris auf 8-10 Meilen.

von

Süd und West

Mitte October stellte Frankreich 800.000 Streitbare der feindlichen Invasion entgegen. Während in der ersten Periode des Krieges die

an den Feind

geführten Streitbaren Frankreichs

zu jenen der

Deutschen auf dem Kriegsschauplatze sich wie 1 : 2 verhielten , war jetzt das Verhältniss 3 : 2 geworden . Da

capitulirte Baza ine am

27. October in Metz ; die einzige geschulte französische Armee ging in deutsche Kriegsgefangenschaft, und 8 deutsche Armee- Corps wurden frei. um den eisernen Ring um Paris gegen Aussen zu schützen . Schon während der Metzer Capitulations -Verhandlungen wurden 2 ArmeeCorps zur deutschen III. Armee herangezogen , da diese dringend Verstärkung brauchte. Denn die an der Loire gebildeten neuen 2 französischen Corps ,

80.000 Streitbare, führten

anfangs November einen

Offensivstoss, welcher die von der deutschen Cernirungs-Armee nach Süden vorgeschobenen Truppen ( 1. baierisches Corps) zum Verlassen von Orleans, nach dem Treffen von Coulmiers am 9. November zum Rückzuge bis Toury nöthigte, und den Weg nach Paris zu eröffnen schien ; auch über Dreux von Westen drangen schon französische Colonnen gegen Versailles vor .

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

355

Trotz patriotischem Aufschwung, trotz fieberhaftem Ehrgeiz . trotz persönlichem Muthe, trotz rastloser Thätigkeit der Führer, konnte aber die Loire-Armee die begonnene Offensive nicht weiter fortsetzen. Den jungen Truppen

fehlte die Manövirfähigkeit ! So verstrich wohl

unter fortwährender Neubildung und Heranziehung von Heereskörpern die kurze Spanne Zeit,

welche

die Loire- Armee

hätte ausnützen

können, bis zur Ankunft der vor Metz freigewordenen Armee- Corps . Mit Gewaltmärschen rückte aber Prinz Friedrich Carl mit 3 ArmeeCorps und 2 Cavalerie- Divisionen heran und erreichte am 17. November die zum Schutze der Cernirung von Paris südlich gegen Orleans stehenden deutschen Truppen .

In den Schlachten bei

Beaune la

Rolande (28. November), bei Loigny (2. December) , bei Orleans (4. December) , bei Beaugency (7. bis

10. December) , endlich bei

Vendôme ( 15. December) wurde die auf 5 Corps ( 15. , 16. , 17. , 18. und 20. ) verstärkte Loire-Armee zum excentrischen Rückzuge gegen Le Mans, Bourges und Nevers gezwungen. Am 20. December war die strategische Lage in Frankreich folgende : Paris, der Brennpunct der französischen Landesvertheidigung, hielt zwar eine halbe Million Streitbarer auf den Beinen und suchte mit allen Mitteln einer industriereichen Grossstadt den Widerstand zu verlängern. Die Lebensmittel reichten jedoch kaum mehr vier Wochen . Bisher hatte Paris wohl nicht vermocht, die Cernirung zu sprengen , bereitete jedoch erneuerte grossartige Ausfälle vor. Die Einschliessung und die Vorbereitungen für die Beschiessung besorgten die Maasund die III . deutsche Armee, (4. , 12. Garde - Corps, 2. baierisches , 2. , 5. , 6.,

11. Corps nebst der württembergischen und der Garde Land-

wehr-Division ) im Ganzen 82 Armee-Corps mit 210.000 Streitbaren. Die in den Provinzen ausgehobenen, bereits formirten französischen Streitkräfte waren in 5 Hauptgruppen eingetheilt, und zwar : 1. Die Nord -Armee ( 22. und 23. Corps 50.000 Streitbare unter Faidherbe) bei Peronne, gestützt auf die zahlreichen festen Plätze des nordwestlichen Frankreichs, welche von Boulogne über Arras und Lille bis Rocroy liegen. 2. Das Corps von Le Havre ( 15.000 Streitbare unter Briand ) bei Le Havre und Honfleur. Gegen diese beiden Gruppen operirte die I. deutsche Armee ( 1. und 8. Armee-Corps und combinirte Division Senden 50.000 Streitbare) bei Rouen , Amiens und St. Quentin mit der Bestimmung, die Cernirung von Paris gegen Norden zu schützen. 3. Die II. Loire- Armee ( 16. , 17. und 21. Corps 100.000 Streitbare unter Chanzy) bei Le Mans, vorläufig um nach den anstren-

356

Hilleprandt.

genden Kämpfen auszuruhen und sich noch durch das in Cherbourg zusammengestellte 19. Corps auf 120.000-150.000 Streitbare zu verstärken. Die Armee-Abtheilung des Grossherzogs von Mecklenburg (10. , 13. und 11. Corps 50.000 Streitbare) bei Tours , Vendôme und Chateaudun hielt Fühlung mit dieser Armee und wurde nach Chartres bestimmt, um die Cernirung von Paris gegen Westen zu decken. 4. Die I. Loire - Armee (15. , 18. und 20. Corps mit 80.000 Streitbaren unter Bourbaki) bei Vierzon , Bourges und Nevers , mit der vorläufigen Bestimmung, nach den Unfällen bei Orleans sich weiter zu verstärken . Bei Vierzon sammelte sich ein 25. Corps mit 30.000 Streitbaren.

Entgegen ( 1. baierisches,

stand

die

II .

deutsche

diesen

Kräften

3. ,

und 7. Corps 80.000 Streitbare

9.

Armee

unter Prinz

Friedrich Carl) bei Orleans und Auxerre mit vorgeschobenen Abtheilungen in Blois, Salbris, Gien, Tonnerre und Châtillon sur Seine, um die Cernirung von Paris gegen Süden zu sichern . 5. Die Corps im Osten, und zwar die Vogesen - Armee unter Garibaldi mit 15.000 Streitbaren in 5 Guerilla - Brigaden bei Autun, und weiters mit 10.000 Streitbaren der Division Pelissier (Mobilgarden) in Dôle und Châlons sur Saône,

dann die Division

Cremer mit 10.000 Streitbaren in Beaune, endlich das aus Truppen des südöstlichen Frankreichs neugebildete 24. Corps mit 20.000 Streitbaren unter Bressolles bei Besançon und Lyon, mit dem Zwecke, die Verbindungslinien der Deutschen zu unterbrechen. Deutscherseits standen zum Schutze der Verbindungen, sowie zur Belagerung von Belfort und zur Cernirung von Langres das 14. Armee -Corps nebst der 1. und 4. Reserve- Division , zusammen 50.000 Streitbare unter Werder bei Dijon ,

Langres ,

Gray und

Montbéliard . Ueberdies waren zur Deckung der deutschen Verbindungslinien im nordöstlichen Frankreich, welche in einer 60 Meilen langen,

25 Meilen breiten Zone liefen,

120.000 Streitbare theils als

Besatzungen, theils als mobile Colonnen verwendet, um die zahlreichen , aber einer einheitlichen Leitung und entsprechenden Führung entbehrenden Franctireurs -Banden im Zaume zu halten. Frankreich hatte somit 350.000 Streitbare im freien Felde , über 600.000 in Paris und in den festen Plätzen an der Nordgrenze, dann in den noch gehaltenen , theils belagerten, theils cernirten Plätzen Mézières, Longwy, Bitsch, Auxonne, Besançon, Langres und Belfort, im Ganzen nahezu eine Million Streitbarer aufgebracht ; die Deutschen 560.000, wovon für Operationen nur 220.000 erübrigten,

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

357

der Rest vor den 7 genannten festen Plätzen und auf den Etapenlinien, dann als Besatzungen in den bereits eroberten 15 Festungen stand . (Lichtenberg seit Verdun seit 7.

10.

September,

August ་, Laon

Sedan

seit 9.

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1.

September,

September, Toul seit Caiaana ooit 15 06-

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Hilleprandt. 356

genden Kämpfen auszuruhen und sich noch durch das in Cherbourg zusammengestellte 19. Corps auf 120.000-150.000 Streitbare zu verstärken.

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

357

der Rest vor den 7 genannten festen Plätzen und auf den Etapenlinien, dann als Besatzungen in den bereits eroberten 15 Festungen stand. (Lichtenberg seit

10.

August ,

Sedan

seit

1.

September,

Verdun seit 7. September, Laon seit 9. September, Toul seit 23. September, Strassburg seit 27. September, Soisons seit 15. October, Schlettstadt seit 24. October, Metz seit 27. October, Neubreisach seit 10. November, La Fère seit 21. November, Thionville seit 24. November, Amiens Citadelle seit 30. November, Pfalzburg seit 12. December, Montmédy seit 14. December. ) Numerisch hatten die Franzosen das Uebergewicht erlangt : den im freien Felde verwendeten Armeen war im Hinblicke auf den

Mangel an Lebensmitteln in Paris ein und dasselbe Operations -Object, die Befreiung der Hauptstadt als erstes Ziel gegeben ; convergirende Operationslinien mit einem reichen Strassennetze, überdies leistungsfähige Schienenwege, standen zu Gebote, um den Vortheil der Initiative, welchen der strategische Angriff ihnen nun gewährte, auszubeuten ; die Kriegführung im eigenen Lande und der Patriotismus der Bewohner sicherte gute Kundschafter und erhöhte die Mittel zur Täuschung des Feindes ; die Führung der Nord- und der beiden Loire -Armeen war Generalen übertragen, welche das Vertrauen der Truppen genossen ; die Thätigkeit , ja selbst nur das wiederholte Erscheinen der Franctireurs - Schaaren auf den deutschen Verbindungslinien fesselte einen grossen Theil der feindlichen Kräfte ; dem Gegner stand damals nur eine einzige fortlaufende Eisenbahnlinie (nämlich jene über Nancy und Châlons sur Marne) zur Verfügung , deren Unterbrechung höchst empfindlich die deutschen Armeen, insbesondere die Vorbereitungen zur Beschiessung von Paris berührt hätte. Aber so reich das Material an Menschen und Ausrüstung aller Art den neugeschaffenen Armeen durch die Energie der seit 10. December in Bordeaux etablirten Regierungs - Delegation auch zugeschoben wurde,

so unerschöpflich die Hilfsquellen Frankreichs

sich

auch zeigten. so wenig liess sich die Kriegstüchtigkeit von Armeen in einigen Wochen hervorzaubern. Die von Gambetta zur Deckung des dringendsten Bedarfes angestellten Generale und Officiere waren im Ganzen ungenügend, in der Mehrzahl theils solche, welche längst nicht mehr der activen Armee angehört hatten , theils Neulinge, welche den besten Willen, aber gar keine militärischen Kenntnisse besassen ; Missgunst und Mangel an Zusammenwirken, Schwächung der Autorität war die natürliche Folge ;

die Unterofficiers - Cadres waren gänzlich

erschöpft; die Ausbildung der Recruten-Massen bot mithin doppelte Schwierigkeiten, die sich bezüglich der Reiterei und Artillerie naturgemäss weiters erhöhten ; die verschiedenen Gewehr- und Geschütz - Systeme,

358

Hilleprandt .

welche die französische Regierung annehmen musste, um nur überhaupt Waffen in genügender Menge den neuen Armeen zu beschaffen , erschwerten die Ausrüstung mit Munition ; die Bekleidung, insbesondere die Beschuhung, wurde, wöhnlich geschieht ,

wie es bei massenhaften Erzeugungen ge-

höchst mangelhaft

eingeliefert ;

die Verpflegs-

Einrichtungen waren erst im Werden , so dass die Operationen mit grösseren Heereskörpern zunächst an die Eisenbahnen gebunden waren ; der kalte Winter erschwerte endlich noch die Concentrirung grosser Massen und erhöhte die Operations - Schwierigkeiten, welche die Führung halbgeschulter, wenig disciplinirter und unter dem Drucke der vorangegangenen unglücklichen Ereignisse herabgestimmter Heereskörper zu überwinden hatte.

Dem entgegen hatten die wohlgeschulten, abgehärteten , sorgsam verpflegten, durch die erfochtenen Siege auf den Gipfel des Selbstvertrauens gehobenen deutschen Truppen den Vortheil einer klaren einheitlichen Leitung , - bezüglich des Schutzes der Cernirung von Paris den weiteren Vortheil der inneren Linien,

der bei ihrer grösseren Manövrirfähigkeit und Thätigkeit im Nachrichten - Dienste umso schwerer in die Waagschale fiel . Als ein abgesonderter Operations - Schauplatz ergab sich jener im Osten Frankreichs, wo die Franzosen , gestützt auf die festen Plätze Belfort, Besançon, Auxonne und Langres direct auf die deutschen Etapen -Linien wirken konnten . Die eigentliche Operations-Zone westlich durch das Côte d'or-Gebirge, nördlich durch die Monts Faucilles und Vogesen, östlich durch das Jura -Gebirge begrenzt,

erstreckt sich beiderseits der Saône in einer Breite von 7 bis

10 Meilen.

Die Einsenkung

zwischen den Vogesen und dem Jura

bei Belfort (2½ Meilen breit) bildet die Pforte

zu

dieser Zone.

Hier war es dem General Werder gelungen, Belfort und Langres zu isoliren, indem er die Belagerung des ersteren Platzes durch die 1. Reserve -Division einleitete ,

die 4. Reserve-Division zur Deckung

der Belagerung gegen Süden bei Montbéliard und Gray gruppirte, welche durch wiederholte Unternehmungen die feindlichen Kräfte bei Besançon und Dôle auf die Defensive einschränkten ; ferner indem er mit einer Brigade des 14. Armee-Corps Langres einschloss, mit dem Reste dieses Corps Dijon und die Verbindung mit Gray festhielt und durch offensive Vorstösse sowohl Garibaldi in Autun. als Cremer in Beaune festbannte. wie sie Werder zu lösen hatte,

Bei so vielfältigen Aufgaben .

waren seine 50.000 Streitbare wohl

unzureichend, und konnten die entgegenstehenden Kräfte, welche einschliesslich die Besatzungen von Langres, Auxonne, Belfort und Besançon mindestens aus 80.000 Streitbaren bestanden, nur durch

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

359

eine äusserst thätige Verwendung auf der 24 Meilen langen OperationsFront paralysiren . In Würdigung dieser Verhältnisse blieb es Werder freigestellt, eventuell Dijon aufzugeben und sich zur Deckung der Belagerung von Belfort mehr zu concentriren . Im französischen Kriegsministerium wurden in Folge der Thätigkeit Werder's

dessen Kräfte bei Dijon und Belfort auf 60.000

bis 80.000 Mann geschätzt. Ueberraschend mit Uebermacht sich auf diese zu werfen, schien mehr Aussicht auf Erfolg zu bieten , als eine Wiederholung der Offensive längs der Loire.

Die Aufstellung

Werder's bei Dijon isolirte übrigens Langres und Belfort : nebstbei bedrohte Werder bei weiteren Fortschritten alle Operationen an der Loire .

Es wurde daher der Operationsplan ') gefasst, den General Bourbaki mit dem 18. und 20. Corps so rasch als möglich mittelst Eisenbahn über Autun nach Chagny und Beaune zu versetzen . ¹ ) Dieser Plan (wie erzählt wird, von Freycinet und von dem Ingenieur De Serres entworfen, von Gambetta dann weiter verfolgt) ist den Schreiben. des Kriegsministers Gambetta an Chanzy aus Lyon vom 27. December 1870 und aus Bordeaux vom 5. Jänner 1871 entnommen. Chanzy hatte vorgeschlagen . dass seine II. Armee über Chartres und Dreux, Bourbaki mit der I. über Châtillon sur Seine zwischen der Marne und Seine gegen Chateauthierry . Faidherbe mit der Nordarmee über Compiègne und Beauvais gleichzeitig gegen Paris vorgehen sollten , indem nur durch einen allseitigen gleichzeitigen Angriff die feindlichen Gegenbewegungen paralsyirt werden könnten . Im Osten gegen Werder würden die Truppen unter Garibaldi und Cremer, mit jenen von Lyon und Besançon vereinigt, hinreichen . Gambetta heisst die Vorschläge gut, findet jedoch den Operations-Plan, nach welchem Bourbaki im äussersten Osten aufzutreten hat, à la fois plus sûre et plus menaçante que celle que vous (Chanzy) avez en vue. Actuellement (5. Janvier) Bourbaki est près de Vesoul, et vers le 10 ou le 12 nous pensons que le siège de Belfort sera levé À partir de là commencera la grande marche sur les Vosges et la période la plus active des opérations. À la tête de ses 150.000 hommes , Bourbaki se retournera vers Paris et avancera dans cette direction , de l'est à l'ouest, en occupant simultanément, autant que possible, les deux lignes ferrées de Strasbourg et de Metz . ...... Faidher be est destiné vraisemblablement à un moment donné, à tendre la main à Bourbaki et à former ainsi à l'est de Paris une masse de 200.000 hommes , égale par conséquent à celle que vous (Chanzy) aménerez vous-même de l'Ouest ...... “ Chanzy erwiderte am 6. Jänner mit chiffrirtem Telegramme , dass Paris nur mehr bis 15. Lebensmittel habe, dass schleunigst die grössten Anstrengungen zur Rettung der Hauptstadt nothwendig seien. „ Je trouverais bonne l'opération dans l'Est de Bourbaki, si le résultat pouvait en être plus immédiat pour Paris . Ces considérations puissantes me font toujours insister pour l'adoption et l'exécution à bref délai du plan que je vous ai proposé. “ Freycinet im Namen des Kriegsministers erwiderte am 7. telegraphisch , dass das 19. und 25. Corps am 15. mit zu den Operationen Chanzy's verwendet

360

Hilleprandt.

von wo dieselben in Verbindung mit der Vogesen -Armee (Garibaldi und Pelissier) und mit der Division Cremer sich Dijon's zu bemächtigen hätten, während gleichzeitig das in Besançon unter Bressolles gesammelte und durch Eisenbahnzüge verstärkte 24. Corps Belfort zu entsetzen hätte. Bourbaki sollte dann rasch die Operationen über Vesoul und Lure gegen die feindlichen Verbindungslinien fortsetzen, diese unterbrechen, insbesondere die von Strassburg und Metz ausgehenden Eisenbahn - Linien, das Elsass wiedererobern, hierauf gegen Paris sich wenden , und in Verbindung mit der Nordarmee unter Faidherbe dann dort von Osten zur Entscheidung erscheinen , während Chanzy mit 5 Corps im Westen der Hauptstadt aufzutreten hätte. Das 15. und 25. Corps sollten die Armee des Prinzen Friedrich Carl an der Loire festhalten, während die zahlreichen Franctireus-Banden und Mobilgarden die feindlichen Verbindungslinien fortwährend zu gefährden. nach Umständen selbst in Baden einzufallen bestimmt wurden. Dieser Plan wurde am 19. December dem General Bourbaki lebhaft empfohlen, welcher am selben Tage die Offensive an der Loire wieder aufnehmen wollte, dann aber auf die Ausführung des neuen Planes einging, welcher die Abziehung deutscher Kräfte von Paris bezwecken sollte. Gambetta betrieb persönlich in Bourges Nevers und Lyon höchst energisch die Einleitungen . Der Eisenbahntransport begann noch am 20. auf den von Bourges und Nevers gegen die Saône abzweigenden Linien , jedoch mit dem Unterschiede , dass das 18. und 20. Corps von Châlons sur Saône noch weiter über Bourg und Lons le Saunier nach Besançon geführt wurden, wodurch eine wesentliche Verzögerung eintrat, so dass beide Corps

erst nach

14tägiger Eisenbahnfahrt, in einem sehr ge-

lockerten Zustande in Besançon ankamen. Bei der Hast, mit welcher der ganze Transport betrieben wurde, war es nicht mehr möglich, auf der 60 Meilen langen Linie die Verpflegung gehörig einzurichten , die Truppen mit Decken oder anderen Schutzmitteln gegen die Kälte zu versehen ; der vom 24. December an häufige und starke Schneefall theilweise auch Mangel an Waggons störte die Fahrordnung ; die Truppen verlängerten überdies willkürlich die Aufenthalte , EtapenCommanden waren nicht eingerichtet, - so dass die Unordnung sich immer steigerte und die Truppen halb erfroren, schlecht genährt und ohne Disciplin eintrafen. Weggeworfene Waffen, zurückgelassene Pferde werden können , dass zur selben Zeit sich erst Bourbaki auf den feindlichen Verbindungslinien fühlbar machen könne. „ Nous croyons d'ailleurs que ce plan qu'il serait trop tard aujourd'hui pour changer, est encore le meilleur, car c'est celui qui démoralisera le plus l'armee allemande. " ....

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 . bezeichneten die

361

Marschlinien mancher vorgehender Corps. Am

31. December entschloss sich ferner das Kriegsministerium die Ostarmee Bourbaki's noch durch das 15. Corps zu verstärken, da die voraussichtlich von den Deutschen entgegenzustellenden Kräfte auf 150.000 Mann geschätzt wurden. Bourbaki, welcher bis 26. December grössere Hoffnungen auf eine Offensive an der Loire setzte und deshalb das 15. Corps daselbst belassen wünschte , genoss übrigens nicht das volle Vertrauen des republikanischen Ministeriums ; ihm wurde ein mit geheimen Vollmachten versehener Regierungs -Delegirter beigegeben, dem es aber allmälig gelang, den Armee- Commandanten für den Operationsplan zu begeistern . Das 25. Corps und Franctireurs sollten durch erhöhte Thätigkeit den Abmarsch der Ostarmee möglichst lange verbergen. Chanzy mit der II. Loire-Armee und Faid herbe mit der Nordarmee hatten. Ende December wieder die Offensive gegen Paris zu beginnen . Faidherbe musste jedoch in Folge der Schlacht an der Hallue (23. December) sich hinter die Scarpe nach Arras und Doua i zurückziehen. Die gleichzeitigen Bewegungen Briand's gegen Rouen nöthigten indess die I. deutsche Armee, ihre Hauptkräfte bei Beauvais zu sammeln , so dass Faidherbe Zeit gewann, neue Operationen. vorzubereiten. Chanzy vermochte vorerst nur mehrere mobile Colonnen in das Thal des Loir zur Beunruhigung der westlich Paris cantonnirenden deutschen Truppen vorzuschicken . Dasselbe geschah an der Loire, sowohl auf deren rechten, als auch auf dem linken Ufer, wodurch die deutschen Recognoscirungs - Patrullen

gehindert

wurden,

weiter

vorzugehen, um Nachrichten über die französischen Hauptkräfte einzuziehen, so dass die deutsche Heeresleitung erst durch eine Meldung des General Werder vom 25. December erfuhr, dass die Eisenbahn von Lyon nach Besançon vom 21. ab ausschliesslich für MilitärTransporte bestimmt sei . Reiterpatrullen, welche südlich Orleans gegen Vierzon und Bourges vorgeschickt waren , meldeten am 25. Abends gleichfalls, dass, laut Aussagen von entlassenen Fuhrleuten der Armee Bourbaki's, die französischen Kräfte von Bourges und Nevers mit Eisenbahn nach Châlons sur Saône gefahren seien. Das 7. ArmeeCorps wurde deshalb noch am 25. angewiesen , sogleich von Auxerre nach Châtillon sur Seine zurückzumarschiren . Am 26. ordnete die oberste Heeresleitung an, dass 8 Landwehr- Bataillone, 2 Escadronen und 2 Batterien unter General Debschitz, welche im Elsass durch das Eintreffen von neuen Besatzungstruppen verfügbar wurden , schleunigst als Verstärkung Werder's nach Belfort abzusenden seien. Debschitz traf am 30. December bei Delle südlich Belfort ein

362

Hilleprandt.

und verstärkte Werder's Kräfte auf 60.000 Streitbare . Obgleich über den wirklichen Eisenbahn -Transport grösserer Heereskörper widersprechende Nachrichten

einliefen,

so beschloss Werder,

in Er-

wägung der stärkeren Ansammlung feindlicher Kräfte bei Besançon und der sich mehr verbreitenden Gerüchte von dem nahen Entsatze Belfort's , von Versuchen zur Wiedereroberung des Elsass und bevorstehendem Einfalle in Baden, dennoch am 27. December Dijon und die Cernirung von Langres aufzugeben , das 14. ArmeeCorps in Vesoul zu concentriren und nur eine badische Brigade in Gray vorgeschoben zu behalten. Die 4. Reserve -Division und die Division. Debschitz hingegen in der Linie Villersexel- MontbéliardDelle aufzustellen .

In Dijon mussten 900 verwundete und kranke

Deutsche zurückgelassen werden. Die Thätigkeit der französischen mobilen Colonnen am Loir und an der Loire veranlasste inzwischen mehrere Gefechte mit den deutschen Vortruppen, welche auf den Beginn einer grösseren Offensiv-Unternehmung im Westen und Süden von Paris schliessen liessen ; am 31. December gelang

es Truppen des

17.

französischen Corps

unter Jouffroy vorübergehend sogar Vendôme zu besetzen ; am selben Tage wurde in Briare eine schwache Brigade des 9. ArmeeCorps von einer stärkeren französischen Colonne angegriffen und nach Gien zurückgeworfen . Die auf dem linken Loire-Ufer streifenden deutschen Reiter stiessen auf zahlreiche feindliche Abtheilungen. Nach übereinstimmenden Aussagen der Landesbewohner standen in Bourges und Nevers noch bedeutende Heeresmassen, welche am 30. von Bourbaki in Bourges besichtigt worden seien .

Bei Briare ein-

gebrachte Gefangene waren vom 18. Armee-Corps, gehörten also zur Armee Bourbaki's . Andererseits wurde am 28. December eine Zeitung vom 22. aus Bourges erlangt, nach welcher die Eisenbahn bei Bourges nur für Militär-Transporte vom 20. an benützt werde . Alle diese widersprechenden Nachrichten liessen die deutscheHeeres-

leitung bis 6. Jänner in Ungewissheit, wo die Armee Bourbaki's sich eigentlich befinde. Werder's Zurückgehen nach Vesoul wurde gutgeheissen, Zastrow (7. Armee-Corps) beauftragt, von Châtillon sur Seine nicht weiter östlich zu rücken , sondern gegen Süden zu streifen. Die durch den Fall von Mézières zuerst frei gewordene 14. Division zunächst zur III. Armee beordert. Das 2. Armee- Corps

wurde

( Fransecky ) wurde von Paris am 28. nach Montargis gezogen, um in Verbindung mit dem 7. Corps und der in Orleans stehenden hessischen Division die Cernirung gegen Süden zu decken ; hingegen ward das 1. baierische Corps als Reserve für die III. Armee nach Corbeil zurückgezogen .

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

363

Prinz Friedrich Carl erhielt aber am 1. Jänner den Befehl die Offensive gegen Chanzy zu ergreifen , da dessen Armee die Belagerung von Paris zunächst bedrohte, ihre Aufstellung, sowie ihre fortdauernde Verstärkung bekannt war und

der Schlag so geführt

werden konnte, um noch rechtzeitig einen etwaigen Angriff von Süden zu nichte machen zu können . Mit 3 , Armee - Corps (3. , 10. , 13 und 29. ) , dann 4 Cavalerie- Divisionen ( 1. , 2. , 4. , 6. ) 70.000 Streitbare mit 318 Geschützen, wurde am 6. der Vormarsch von der Linie Vendôme-Illiers begonnen und nach einer Reihe von Theilgefechten am 12. in

der Schlacht

von

Le Mans,

Chanzy energisch nach

Laval hinter die Mayenne zurückgeworfen , hierauf wegen der stärker auftretenden französischen Colonnen

an der Loire ( eine derselben.

rückte am 14. mit 8000 Mann gegen Gien vor) , die 18. Division nach Orleans , das 13. Armee-Corps aber zum Schutze gegen das thätig vorgehende Corps von Le Havre nach Rouen gezogen, um die I. deutsche Armee zur Entscheidung gegen Faidher be vereinigen. zu können . Während dieser Ereignisse hatte Bourbaki den Eisenbahn - Transport seiner Armee beendet . Die Division Cremer war von Beaune am 29. December nach dem Abzuge Werder's in Dijon eingerückt, die blos aus Mobilgarden bestehende Division Pelissier am 3. Jänner, die Freischaaren Garibaldi's erst am 7. Jänner . Cremer ging dann gegen Gray vor, welches die badische Brigade am 2. Jänner geräumt hatte, um sich zum 14. Armee - Corps nach Vesoul zurückzuziehen. Pelissier richtete Dijon und Umgebung zur Vertheidigung ein . Die ersten Tage des Jänner liess Bourbaki verfliessen, um die früher zerstörten Doubs -Uebergänge wieder herzustellen, sowie die Verpflegung und Ausrüstung seiner Armee einigermaassen zu vervollständigen ; er hatte nun die Absicht, mit 3 Corps über Villersexel , mit 1 Corps über Montbéliard gegen Belfort, nach Aufhebung der Belagerung dann gegen die feindlichen Verbindungen vorzugehen . Garibaldi und die in Langres gesammelten Streitkräfte sollten gegen Châtillon und Chaumont operiren, Cremer über Vesoul zur Hauptarmee stossen . Am 5. Jänner begann Bourbaki den Vormarsch vom Doubs über Montbozon mit dem 18. , 20. und 24. Corps ; das 15. Corps, welches noch theilweise auf der Eisenbahnfahrt war, wurde nach . Clerval dirigirt . Die Vortruppen der ersteren 3 Corps stiessen am 5. noch auf die deutschen Vorposten südlich Villersexel und bei Rioz und drängten letztere zurück, verloren aber 300 Gefangene, aus deren Aussagen die Anwesenheit der Armee Bourbaki's klar wurde . Da insbesondere bei Rioz beträchtliche Kräfte erschienen waren, so

364

Hilleprandt.

hielt Werder nun einen feindlichen Angriff auf Vesoul für wahrscheinlich, zog die 4. Reserve -Division nach Noroyle Bourg heran und liess die Strassen nach Belfort blos durch 2 Reiter- Regimenter beobachten . Frahier, Héricourt, Montbéliard und Delle wurden durch Truppen der 1. Reserve- Division und der Division Debschitz besetzt gehalten . Am 8. verlegte Bourbaki sein Hauptquartier nebst dem 18. Corps nach Montbozon, das 20. Corps war in Rougemont, das 24. in Cuse, das 15. in Clerval, eine Brigade desselben südlich Montbéliard in Blamont und Pont de Roide. Vortruppen des 18. Corps waren auf dem rechten Oignon- Ufer gegen Vesoul vorgeschoben ; stärkere Abtheilungen des 20. und 24. Corps hatten schon Villersexel und St. Fréjeux besetzt, Abtheilungen des 15. Corps erreichten Abends Onans, 3 Meilen südwestlich Belfort. Vortruppen der Divison Cremer streiften von Süden gegen Vesoul . Von Langres und Dijon gingen Freischaaren vor. Aus alledem erkannte Werder,

dass Bourbaki vorerst gegen

wolle, und beschloss im Hinblick auf die numerische Ueberlegenheit der Armee Bourbaki's ( 130.000 Streitbare gegen 45.000 ) alle seine Kräfte vor Belfort zu vereinigen, zur ErBelfort vorgehen

möglichung dessen jedoch die feindliche Armee am Oignon durch einen Flankenangriff vorerst aufzuhalten . Die 4. Reserve-Division , gefolgt von der Brigade Goltz, wurde am 9. zeitlich Früh gegen Villersexel , die 2. und 3. badische Brigade mit der Corps - Artillerie üher Vy les Lure nach Athesans, die 1. badische Brigade über Lure nach Ronchamp beordert. Vesoul behielten 2 badische Bataillone Batterien (Etapentruppen) zur Deckung des Abmarsches besetzt. Die 4. Reserve -Divison nahm nach kurzem Gefechte um 10 % Uhr Vorm. Villersexel, welches von der Vorhut des 20. französischen

und 2

Corps besetzt war.

Am 9. Vormittags waren jedoch auch das französische 18. und 20. Corps über Moimay und Villersexel in nördlicher Richtung Vorbeordert, so dass sich Mittags das Gefecht um den letztgenannten Ort bedeutender gestaltete , und Werder auch die nach Athesans bestimmten Truppen gegen Villersexel heranzog . Die Preussen behaupteten sich bis zum Abend , trotz den mit starkem Artilleriefeuer eingeleiteten ,

wiederholten

heftigen

Angriffen .

Bei Einbruch der

Dunkelheit erstürmten erst die Franzosen, welche das ganze 20. Corps gegen Villersexel herangezogen hatten , den Schlosspark: Werder liess in der Nacht, nachdem der Kampf um das Schloss und die nächstgelegenen Häuser durch mehrere Stunden mit äusserster Erbitterung fortgesetzt worden war, Villersexel räumen, und zog seine

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

365

Truppen unter dem Schutze von Vorposten nach Aillevans ( Meile nördlich Villersexel) zurück. Für den 10. und 11. ordnete Werder den Abmarsch gegen

Héricourt und Frahier an , u . z. die 4. Reserve-Division über Athesans nach Héricourt, die Brigade Goltz über Béverne ( 2 Meilen westlich Belfort) nach Luze und Couthe nans nördlich Héricourt, die badischen Brigaden mit der Corps-Artillerie über Lure und Ronchamp nach Frahier (Chalonsvillars und Mandrevillars). Die in Vesoul zurückgelassene Nachhut wurde am 12. über Lure eingezogen, hingegen Oberst Willisen mit 3 Reiter-Regimentern, dann an Etapentruppen, 8 Compagnien und 2 Batterien in Lure mit dem Auftrage zurückgelassen , längs des Oignon bis Montbozon zu streifen und Lure festzuhalten ; die Strasse nach Giro magny wurde demselben als eventuelle Rückzugslinie bezeichnet. Während das 14. Armee-Corps und die 4. Reserve-Division, zusammen 38 Bataillone, 16 Escadronen, 108 Geschütze, die Belagerung von Belfort gegen Westen in der Stellung Frahier-Héricourt zu decken hatten, waren 14 Bataillone und 4 Batterien der 1. ReserveDivision und der Division Debschitz in der Stellung südlich Héricourt über Montbéliard bis Delle zum Schutze gegen Süden aufgestellt . Die Vortruppen standen auf 1 Meile vorgeschoben. Die Versammlung in dieser durch die Thaleinschnitte der Lisaine und Allaine gebildeten Stellung erfolgte ohne feindliche Gegenwirkung am 11. Jänner Vormittag . Obgleich die Lisaine an vielen Stellen durchwatbar ist , bietet das dominirende linke Ufer doch viele Vortheile. Die Allaine bildet ein breites sumpfiges Thal mit wenigen Uebergängen. Montbéliard mit seinem sturmfreien Schlosse bot im Centrum einen sehr festen Stützpunct.

An der fortificatorischen Verstärkung dieser Stellung

wurde vom 11. an mit allen Kräften gearbeitet . Die Verluste in dem Treffen von Villersexel (deutscherseits mit 27 Officieren , 627 Mann, worunter blos 8 Mann der badischen Division, französischerseits

mit wenigstens 1000 Mann zu beziffern) ,

in welchem die jungen französischen Truppen erst die Feuertaufe bestanden , die Concentrirung von 3 Corps auf so engem Raume, wodurch die Verpflegung erschwert wurde, und die Fortsetzung des Vormarsches wesentliche Verzögerung erleiden musste , dann die grosse Kälte von 14-17 ° unter Null Réaumur , wodurch die ungewohnten Truppen doppelt litten ,

und welche

die Verpflegs- und Marsch-

schwierigkeiten noch bedeutend erhöhte , verursachten im Grossen einen Stillstand in der Vorrückung der Armee Bourbaki's, der indess zur Heranziehung der Division Cremer und zur Verschiebung 26 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII . Band, 1874.

366

Hilleprandt.

der Corps benützt wurde, so dass erst am 12. Jänner der Vormarsch gegen die Stellung Delle-Montbéliard - Frahier begann . Diese Verzögerung paralysirte vollkommen den moralischen. Aufschwung, welchen momentan das glückliche Treffen verschaffte. Die oberste deutsche Heeresleitung hatte mittlerweile in Folge der Meldungen Werder's und der über den ursprünglichen französischen Operationsplan (nach welchem Bourbaki von Dijon seine Operationen beginnen sollte) eingelangten Kundschafter- Nachrichten am 6. und 7. Jänner das 7. Armee- Corps ganz nach Châtillon sur Seine beordert ( die vor Mézières verfügbar gewordene, anfänglich gegen Paris beorderte 14. Division mittelst Eisenbahn nach Montigny gesendet) , das 2. Armee-Corps zum raschen Vorrücken von Montargis über Joigny und Tonnerre nach Nuits (südwestlich Châtillon sur Seine) befehligt, den General Manteuffel nach Versailles berufen , und zum Commandanten der aus dem 2. , 7. und 14. Armee -Corps zu bildenden Süd - Armee mit der Weisung ernannt, möglichst rasch mit den beiden erstgenannten Armee-Corps dem 14. Hilfe zu bringen, entweder durch eine unmittelbare Vereinigung oder durch Operationen in Flanke und Rücken Bourbaki's . Werder wurde von diesen Verfügungen verständigt und beauftragt,

seine rechte Flanke

eventuell durch Zerstörung der Strassen

in den südlichen Vogesen zu sichern, in Verbindung mit den Etapentruppen des Gouvernements von Lothringen

den etwa westlich der

Vogesen vorgehenden Feind zu beobachten,

mit dem Gegner über-

haupt engste Fühlung zu halten , um, wenn er sich schwäche, sogleich wieder die Offensive ergreifen und hindern zu können , dass er sich auf das heranrückende 2. und 7. Armee-Corps werfe. Gegen Insurrectionen wurde die rücksichtsloseste Behandlung vorgeschrieben . Für den Fall eines Durchbruches des Gegners gegen Norden wurde Werder die Offensive gegen die feindlichen Verbindungslinien empfohlen . Als weitere Vorsichtsmaassregeln wurde die Verlegung badischer Ersatztruppen

in den südlichen Theil des Grossherzogthums Baden

behufs später etwa zeitweise nothwendig werdender Beobachtung des Rheins

und Verhinderung

des

Uebersetzens

dann die Vorbereitung der Zerstörung gres-Chaumont ,

feindlicher Streifcorps ,

der Eisenbahnstrecken Lan-

Epinal- St. Loup und Mühlhausen- Basel mit-

getheilt, beziehungsweise hiezu der Auftrag ertheilt. Am 12. Jänner traf Manteuffel in Châtillon sur Seine ein und übernahm das Commando der Süd- Armee ; das 2. und 7. ArmeeCorps erreichten an diesem Tage die Puncte Noyers, Nuits ,

Châ-

tillon sur Seine und Montigny. Werder wurde angewiesen , bis zum unmittelbaren Zusammenwirken der Corps selbstständig nach den erhaltenen Weisungen zu operiren .

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

367

Die Garibaldinische Voges en- Armee hatte nach ihrem Eintreffen in Dijon zahlreiche Freischaaren nach allen Richtungen in die Côte d'or entsendet, und die Verbindung mit Langres hergestellt, von wo aus Streifcorps gegen die deutschen Verbindungslinien auszogen. Obwohl nun die Widerstandskraft dieser Streifcorps und Freischaaren nicht sehr hoch geschätzt wurde, so konnte doch ihre Zahl und muthmassliche Thätigkeit sehr empfindlich wirken auf den unumgänglichen Nachschub ; obgleich ferner das 7. Armee- Corps noch . nicht ganz vereinigt war (die Brigade Dannenberg war bei Montbard gegen die Garibaldiner detachirt und von der 14. Division war noch auf der Eisenbahnfahrt nach Montigny begriffen ), und obgleich das 2. Armee-Corps wegen der anstrengenden , bereits 9 Tage dauernden Märsche einige Ruhe bedurft hätte, so bewog die schwierige Lage Werder's dennoch den Armee- Commandanten , rationen sogleich in der Richtung auf Vesoul zu beginnen .

die OpeSo ver-

lockend auch Dijon als erstes Operationsobject war , weil daselbst ein leichter Sieg über die Vogesen- Armee zu erringen und ein wichtiger Stützpunct zu gewinnen war , so entschied sich Manteuffel doch für Vesoul, weil der Umweg über Dijon die Hilfeleistung verzögert hätte. Am 13. wurden Avantgarden mit Pionnieren zur Herrichtung der Wege auf 2 Meilen vorgeschoben, und am 14. der Vormarsch zwischen Langres und Dijon auf den 3 Strassen Montbard - Chanceux- Selongey (2. Armee- Corps), Châtillon - Recey- Prauthoi (13. Divison ) und Montigny-Ars en Barrois -Longeau ( 14. Division ) angetreten . Das 7. Armee-Corps hatte hiebei die Sicherung gegen Langres zu besorgen, und am 16. Longeau und Prauthoi zu erreichen , das 2. am 17. Selongey, und gegen Dijon zu decken. Die Brigade Kettler des 2. Armee-Corps (6 Bataillone, 2 Escadronen, 2 Batterien ) wurde in Montbard mit dem Auftrage zurückgelassen, Nuits und die Verbindungen der beiden Armee-Corps gegen Süden zu decken und zur Täuschung des Feindes Offensivstösse zu unternehmen. Die nächsten Etapentruppen des General- Gouvernements Lothringen waren an seine Befehle gewiesen. Die Garibaldiner zogen sich jedoch beim Erscheinen der Avantgarden (bei Baigneux nach einigen Geschützlagen) auf Dijon zurück , ebenso wichen die von Langres ausgesendeten Streif-Commanden den preussischen Colonnen grösstentheils aus,

so dass der vorgezeichnete Durchzug der Côte d'or ohne ernste feindliche Gegenwirkung erfolgte. Nur bei Marac (nordwestlich Langres), am 14. und bei Champlitte (südöstlich Langres) am 17., kam es beim 7. Armee-Corps, bei St. Seine (nordwestlich Dijon) , am 17. beim 2. Armee -Corps zu 26*

368

Hilleprandt.

kleinen Gefechten, welche von den deutschen Avantgarden rasch zu ihren Gunsten entschieden wurden ; ferner waren Patrullen der Brigade Kettler in Avallon (3 Meilen westlich Montbard) von Mobilgarden angegriffen worden ; die Brigade rückte am 15. zur Züchtigung dieser Stadt vor, verjagte am 16. die dortigen 2 MobilgardeBataillone und kehrte dann wieder nach Montbard zurück. 6

Meilen

langen Operations - Front Blamont - Villersexel erfolgte

Der

Vormarsch der

ausser-

ordentlich langsam.

Armee

Bourbaki's von der

Am 12. erreichten erst die nördlichen Spitzen

Amblans, Lyoffans und Vy les Lure und drängten die Patrullen Willisen's auf Lure zurück ; die Haupttheile des 18. und 24. Corps standen noch bei Athesans und Villersexel, das 20. Corps erreichte mit seiner Spitze Arcey, das 15. Corps Dampierre und Bondeval. Die Division Cremer rückte als äusserster linker Flügel nach Vesoul vor, welches am 12. von den Deutschen geräumt wurde. Am 13. näherten

sich die französischen Colonnen - Spitzen

bis

auf 1 Meile der deutschen Aufstellung und nöthigten die deutschen Vorposten bei Chavanne, Arcey und Ste. Marie (westlich Montbéliard) sich auf die Haupttruppe zurückzuziehen. Obgleich auch südlich Lure stärkere feindliche Colonnen (Division Cremer) beobachtet wurden , dieselben sich jedoch dem rechten Flügel der deutschen Aufstellung nicht näherten , anderseits südlich und westlich Montbéliard die Vortruppen des 15. Corps nur leicht demonstrirten, so schloss Werder auf die feindliche Absicht, bei Héricourt durchzubrechen und zog 12 badische Bataillone mit 6 Escadronen und 6 Batterien vom rechten Flügel nach Brévilliers östlich Héricourt ; nur 5 badische Bataillone und 3 Batterien blieben auf dem rechten Flügel bei Chenebier und Frahier stehen . Werder erwartete für den 14. einen allgemeinen Angriff : es erfolgten jedoch nur südlich Montbéliard von den Vortruppen des 15. und 20. Corps kleinere heftige Angriffe auf die preussischen Vorposten bei Bart und Dung, ohne letztere weiter zurückzudrängen . Das Detachement des Obersten Willisen bei Lure sah sich aber concentrische Vorgehen französischer Colonnen auf den Strassen von Vesoul, Villersexel und Lyoffans (theilweise vom 18. Corps und von der Division Cremer) genöthigt, Lure zu räumen und 1 Reiter-Regiment nach Luxeuil zur Deckung der Strasse von

durch das

Epinal detachirend , nach Ronchamp zurückzugehen. Dadurch war die Vogesen- Strasse über Ternuay nach St. Maurice ins MoselThal den Franzosen eigentlich eröffnet, da die rückwärtigen EtapenTruppen kaum ausreichten, die Verbindungen gegen die Franctireurs zu sichern, die Franzosen bei ihrer Uebermacht aber Werder festhalten und in nördlicher Richtung weiter operiren konnten.

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

369

Ueberdies hatte die bis auf 17° gesunkene Temperatur alle Bäche frieren gemacht, so dass die Stellung Frahier - Montbéliard wesentlich an Stärke verlor. Werder fragte sich daher unter Darlegung der Verhältnisse am 14. Abends in Versailles an, ob er den Kampf vor Belfort annehmen solle. Die am 15. hierauf ertheilte Antwort war : „ Feindlicher Angriff ist in der Belfort deckenden festen Stellung abzuwarten und Schlacht anzunehmen . Von grösster Wichtigkeit dabei Behauptung der Strasse von Lure auf Belfort. Beobachtungsposten in St. Maurice wünschenswerth. Das Anrücken des Generals Manteuffel wird schon in den nächsten Tagen fühlbar. " Doch ehe noch dieses erst am 15. um 6 Uhr Abends in Werder's Hände gelangte Telegramm eintraf, hatte die dreitägige Schlacht von Montbéliard begonnen, in welcher Werder die Defensivkraft der Deutschen zeigte. Der mit der Front gegen Westen gerichtete rechts an die Vogesen sich lehnende Theil der Stellung von Frahier bis Montbéliard ist 2 Meilen lang, war während der 4 Tage, welche Bourbaki zum Angriffsmarsche benöthigt hatte , vielfach fortificatorisch verstärkt worden.

37 Belagerungsgeschütze waren an den wichtigsten Puncten

in Batterien aufgestellt ;

der schwer nur

über Audincourt

und

Montbouton zugängliche mit der Front gegen Süden gerichtete Theil der Stellung von Montbéliard bis Delle lehnt sich links an die Schweizergrenze, und war gleichfalls fortificatorisch verstärkt . In der ganzen auf mehr als 3 Meilen ausgedehnten Stellung befanden sich 52 Bataillone, 30 Escadronen und 163 Geschütze, zusammen 45.000 Streitbare, in deren Rücken das nur mit 10 Bataillonen, trotz einer Besatzung

von 15.000 Franzosen

cernirte Belfort auf 1 bis

2 Meilen Entfernung lag, vor deren Front aber Bourbaki's 130.000 Streitbare in dichten Colonnen , auf 4 Meilen ausgedehnt, angerückt waren. Am 15. Jänner nach 8 Uhr Morgens griffen das 24. und das 20. Corps bei Chagey, Couthenans und Favey die deutschen Vorposten an, drängten dieselben über die Lisa ine zurück, eröffneten dann auf den Höhen gegenüber Luze und Héricourt ein heftiges Artillerie-Feuer, vermochten aber trotz wiederholter Angriffsversuche in der ganzen Strecke von Chagey bis südlich Héricourt nicht weiter vorzudringen . Um 12 Uhr rückten 2 Brigaden (muthmasslich des 20. Corps ) gegen Bussurel vor ; es gelang denselben trotz kräftigem preussischen Geschützfeuer in aufgelöster Ordnung den Ort zu nehmen und sich daselbst festzusetzen . Die Lisaine bildete jedoch auch hier die Grenze der Vorrückung ; alle wiederholten Versuche weiter vorzubrechen , scheiterten sowohl bei Bus surel als auch bei

370

Hilleprandt .

Montbéliard, welcher Stadt die französischen Colonnen (wahrscheinlich des 20. und 15. Corps) Nachmittags sich bemächtigten, an dem mörderischen Feuer, welches die Vertheidiger, bei Montbéliard besonders die Besatzung des festen Schlosses ,

bis nach 5 Uhr Abends

entgegen wirken liessen. Der linke französische Flügel ( 18. Corps und Division Cremer) demonstrirte und recognoscirte blos bei Frahier und Chenebier ; Lure blieb von Mobilgarden besetzt. In Port sur Saône, in Vesoul und in St. Loup rückten ebenfalls von der Besatzung von Langres Freischaaren und Mobilgarden ein. Südlich Montbéliard waren Abtheilungen des 15. Corps bei Montbouton und Audincourt, jedoch lediglich demonstrirend erschienen . Am 16. Jänner richtete Bourbaki seinen Hauptangriff gegen

den rechten Flügel

der Stellung ; bei Héricourt und Bussurel scheiterten jedoch die seit dem Morgen wiederholten heftigen Angriffe an dem Infanteriefeuer der Deutschen. Nur der Division Cremer gelang

es die badische Brigade Degenfeld (3 Bataillone mit 3 Batterien) nach mehrstündigem Kampfe aus Chenebier und Frahier bis vor Chalonsvillars zurückzuwerfen . Die Versuche

Bourbaki's, nach Mittag bei Montbéliard weiter Terrain zu gewinnen, missglückten aber auch an diesem Tage, obwohl die Franzosen sich im Besitze der Stadt Montbéliard erhielten . Bei Einbruch der Dunkelheit hörte das Feuer auf der ganzen Schlachtlinie auf. Um 8 Uhr Abends bei Béthon court, dann um 3 Uhr Nachts bei Héricourt energisch geführte Angriffe des 20. und 24. Corps scheiterten an der Wachsamkeit und Tapferkeit der Vertheidiger. Gegen Frahier wurde noch Abends die badische Brigade Keller mit 8 Bataillonen entsendet ;

dieselbe überfiel das als Ablösung in

Chene bier

Corps

eingerückte

18.

am 17.

um 5 Uhr Morgens ,

machte 400 Gefangene und nahm einige Fuhrwerke, konnte sich jedoch in Chenebier nur im östlichen Theile festsetzen, aber auch da sich gegen die Angriffe der Division Cremer nicht behaupten , sondern musste hinter Frahier zurück, wo aber die weiteren französischen Angriffe am 17. Mittags abgeschlagen wurden . Auf den anderen Puncten des Schlachtfeldes unternahmen die Franzosen am 17. Morgens nur bei Chagey, Mittags bei Montbéliard und Héricourt noch kurze Angriffe, die jedoch wie an den vorhergehenden Tagen misslangen . Gegen Abend des 17. verlor Bourbaki die Hoffnung, den rechten Flügel Werder's zu werfen. Am 17. war überdies Thauwetter eingetreten ; dies erhöhte die Schwierigkeiten des Angriffes ; die Verluste schienen bedeutend, so dass Bourbaki beschloss, seine Armee

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 . am 18. aus dem Kampfe zurückzuziehen

und

371

selbe um Arcey zu

gruppiren. Er hegte dabei den Gedanken, Stellung herausgehen und zweiten Schlacht geben.

Werder werde aus der starken

ihm so günstigere Verhältnisse

zu einer

Starke Arrieregarden verschanzten sich in den zuletzt erreichten Aufstellungen noch am 17. Nachmittags, um unter deren Schutz den Rückzug der Armee unbelästigt auszuführen . Am 18. Jänner erhielt indess Bourbaki von der Delegation

in Bordeaux Mittheilung

über den Anmarsch Manteuffel's , mit dem Rathe, Werder gegenüber ein Beobachtungs-Corps zurückzulassen, mit seinen Hauptkräften aber sofort sich auf den neu anrückenden

Gegner zu werfen . Bourbaki beschloss jedoch den Rückzug auf Besançon, 97 weil er seine Operationsbasis nicht verlegen könne , ohne zuvor diese Festung erreicht zu haben. " Die zurückgelassenen Arrieregarden hielten bis zum Abende des 18. ihre Stellungen. Die Verluste in der Schlacht bei Montbéliard sind nicht genau bekannt ; jener der Deutschen wird mit 81 Officieren,

1847 Mann,

d . i. beiläufig

4 Procent, jener der Franzosen mit ungefähr 8000 Mann, worunter 2000 Gefangene, somit beiläufig 6 Procent angegeben . Werder gönnte seinen durch die dreitägige Schlacht erschöpften Truppen Ruhe, schob erst am 19. zur Verfolgung Avantgarden vor, und zwar Willisen gegen Lure , von der badischen Division über Chenebier bis Lyoffans, von der Brigade Goltz bis Saulnot , von der 4. ReserveDivision gegen Arcey und Ste. Marie. Nur bei Chene bier und bei Ste. Marie setzten die französischen Nachhuten einigen Widerstand entgegen. Aber trotzdem erfolgte

der Rückzug der Armee Bourbaki's

äusserst langsam ; viele Blatternkranke mussten in den Ortschaften zurückgelassen werden ; die schlechte Bekleidung und Beschuhung zeigten ihre nachtheilge Wirkung ; am 19. scheinen nur Theile des 20. Corps Besançon erreicht zu haben ;

das

15. und 24. Corps

standen in dem Dreiecke Bla mont - Arcey - Beaume les Dames , das 18. Corps und die Division Cremer bei Athe sans und Villersexel, also die Armee noch immer mit vorgeschobenem linken Flügel, dessen Rückzug wohl auch beinahe um einen Marsch länger war, als der des rechten Flügels. Werder setzte am 20.

den Vormarsch derart fort,

dass die

badische Division Athesans, die Brigade Goltz, St. Frejeux, die 4. Reserve-Division On a ns und Arcey nach mehreren kleinen Ge fechten erreichten ; die Division Debschitz schob Abtheilungen nach Bondeval und Abbévillers vor ; Willisen war schon am 19.

372

Hilleprandt.

nach unbedeutenden Gefechten , in welchen die Franzosen 300 Gefangene verloren, in Lure eingerückt und liess am 20. gegen Vesoul und Villersexel vorstreifen, wo französische Kräfte in der Stärke eines Corps sich entgegenstellten . Werder glaubte aus Allem zu erkennen, dass die französischen Hauptkräfte Ufer übergegangen seien und machte darüber

auf das linke Doubsan Manteuffel die

Meldung . Richtig war dies am 20. zwar noch nicht, begünstigte aber in hohem Maasse die Operations- Entschlüsse , welche Manteuffel am 18. auf die Nachricht über den Ausgang der Schlacht von Montbéliard gefasst hatte. Am 18. war nämlich das 7. Armee-Corps noch in der Richtung auf Vesoul vorgehend, nach Champlitte , das 2. nach Fontaine française gelangt . Manteuffel beschloss nun , die Richtung auf Besançon gegen die Flanke des Feindes einzuschlagen, eventuell mit beiden Corps sich demselben vorzulegen,

ertheilte an Werder

den Befehl, „ mit allen disponiblen Kräften die Offensive zu ergreifen , und nur so viel zurückzulassen, als zur Belagerung Belfort's nöthig, damit entscheidende Resultate erzielt werden, " erreichte am 19. die Saône, u . zw. mit dem 7. Armee- Corps bei Dampierre (die SaôneBrücke bei Savoyeux wurde unversehrt gefunden ) , mit dem 2. ArmeeCorps Gray, wo 2 brauchbare Saône-Brücken getroffen wurden , schob am 20. Avantgarden an den Oignon vor.

und

Die Uebergänge über diesen Fluss waren zerstört ; am 20. noch wurde bei Pesmes eine Ponton - Brücke geschlagen und die Wiederherstellung der zerstörten Brücke begonnen , um dem 2. Armee - Corps die Strasse nach Dôle zu öffnen. Die Spitzen des 7. Armee- Corps fanden die Uebergänge bei Marnay, Pin und Etuz stark vom Feinde besetzt, welcher jedoch am 21. nach kurzem Infanterie- und Artillerie- Gefechte und nach Zerstörung der Brücken auf Besançon zurückging. Das 7. Armee-Corps überschritt wegen Herstellung der Brücken erst Nachmittag den Oignon und cantonirte um Andeux und

Mar-

nay, Posten bis an den Doubs vorgeschoben . Eine über Rioz zum Aufsuchen der Verbindung mit Werder entsendete Huszaren- Patrulle stiess

Meile vor Montbozon auf die im Rückzuge gegen Besan-

çon befindliche Division Cremer, machte einige Gefangene, fand aber Werder nicht, obwohl dieser am 21. bereits mit seinen Spitzen zwischen Rougemont und l'Isle sur Doubs eingerückt war, und Willisen an diesem Tage Noroy le Bourg erreichte . Das 2. Armee -Corps kam am 21. bis Pesmes, desselben bis Dôle, in welcher Stadt sie um 2

die Avantgarde

Nachmittag feind-

liche Abtheilungen vollständig überraschte ; es bedurfte nur eines kurzen Gefechtes, um die Stadt vom Feinde zu säubern und sich der

Die Operationen im südiich en Frankreich im Jänner 1871 . unversehrten Doubs -Brücke zu bemächtigen.

373

230 mit Lebensmitteln

und Bekleidungsstücken beladene, nach Besançon bestimmte Eisenbahnwaggons wurden in Dôle erbeutet, was um so glücklicher war, als der über Epinal eingerichtete Nachschub wegen der von Langres ausgesendeten Streif- Corps nicht herangezogen werden konnte. Die Armee Bourbaki's hatte am 21. noch 3 , Corps auf dem rechten Doubs -Ufer schon grossentheils bei Besançon, u. z . das 18. und die Division Cremer zwischen Montbozon und Besançon , das 20. bei Besançon,

das 15. bei Beaume les Dames,

bei Clerval, Pont de Roide und St. Hippolyte,

das 24. war

und

sollte die

Lomont-Defiléen vertheidigen, falls Werder auf dem linken DoubsUfer vorrücken würde. Bourbaki beabsichtigte nun, in den nächstfolgenden Tagen über Dôle in

südwestlicher Richtung,

oder über

Poligny in südlicher , den Rückzug fortzusetzen , eventuell die Strasse über Pontarlier längs der Schweizer- Grenze mit zu benützen . Ein grosser Theil der Manteuffel'schen Armee

schien damals

bei Dijon durch die Vogesen -Armee festgehalten ; am 22. hielt man es im französischen Kriegsministerium noch ausführbar, das 15. , 18. und 20. Corps wieder mit Eisenbahn nach Nevers zurück zu transportiren. In Wirklichkeit rückten jedoch am 22. schon beträchtliche Kräfte Manteuffel's bis an den Doubs

südwestlich Besançon heran ; es

waren das 7. Armee - Corps , welches St. Vit und Dampierre nebst den dortigen unversehrten 4 Doubs-Brücken mit der 13. Division besetzte, bei St. Vit 13 mit Lebensmitteln beladene Waggons wegnahm , während die 14. Division in der Höhe von Dannemarie auf dem rechten Doubs -Ufer Front gegen Besançon machte, dann das 2. ArmeeCorps , welches grösstentheils Dôle erreichte und auf dem linken Doubs -Ufer vorstreifen liess. Die Franzosen blieben am 22. ganz unthätig ,

zogen blos das 18. , 20. und 15. Corps, sowie die Division.

Cremer näher an Besançon heran, wo dieselben im Umkreise der Festung auf 1½ Meilen eng cantonirten . Das 24. Corps bezog die Aufstellung in den Montagnes de Lomont zwischen Beaume, Pont de Roide und Blamont. Die Truppen unter Werder blieben am 22. auch in der Linie Rougemont- L'Isle s . D. stehen , da die ausgesogene Gegend einzig auf die Verpflegstrains anwies, welche erst nachgeschoben wurden. Bezüglich des bei Montbozon am 21. befindlichen französischen Corps nahm Manteuffel an, ,, dass dasselbe nur den Abzug der französischen Hauptkräfte über den Doubs decken sollte . General Werder möge dessen directe Verfolgung bewirken und dasselbe an einer Operation auf Gray hindern , damit die Kräfte des 2. und 7. Armee-

374

Hilleprandt.

Corps beim Vorgehen gegen die Strasse Besançon - Lons le Saunier nicht zersplittert zu werden brauchten . Eventuell könnte auch Oberst Willisen bei seinem Vorrücken von Vesoul nach Pesmes das erwähnte Corps beobachten und in der Flanke beunruhigen. " Am 23. setzten die Deutschen auf der ganzen Linie die Vorrückung fort, u . z . die Division Debschitz gegen Tulay und Glay nördlich Blamont; die 4. Reserve- Division nach l'Isle sur Doubs und Clerval , wo 3 französische Bataillone nach kurzem Widerstande sich auf das linke Doubs-Ufer zurückzogen und die Doubs - Brücke sprengten ; die Brigade Goltz gegen Beaume les Dames (ihre Spitze erreichte Antechaux ½ Meile nordöstlich von Beaume ) , die badische Division bis Montbozon und Rougemont, Willisen über Vesoul , dessen Besatzung ohne ernsten Widerstand den Ort räumte, bis Frasne le Château auf halbem Wege nach Pesmes. Das 7. Armee- Corps setzte mit der 13. Division die Vorrückung auf dem linken Doubs -Ufer nach dem wegen der Verbindung Besançon's mit dem Süden sehr wichtigen Puncte Quingey fort ; daselbst entspann sich ein unbedeutendes Gefecht mit Linientruppen (wahrscheinlich des 15. Corps ) ; die Eisenbahnbrücke über den Doubs wurde zur Unterbrechung der nach Lyon führenden Bahn gesprengt und die Franzosen verloren 150 Gefangene. Die 14. Division bezog Cantonirungen zwischen St. Vit und Dampierre und stellte Vorposten auf beiden Ufern zwischen Dannemarie und Boutelle auf. Ein gegen Dannemarie von der Division Cremer um 3

Uhr

Nachmittag versuchter, durch Artillerie unterstützter Vorstoss gegen die 14. Division , verursachte das Zurückgehen der preussischen Vortruppen ; Bourbaki beorderte jedoch bei Einbruch der Dunkelheit die Division Cremer wieder nach Besançon zurück. Das 2. Armee-Corps schob seine Avantgarde nach Vaudray vor, unterbrach die Eisenbahn- und Telegraphen-Verbindung nach Süden ; die gegen Salins, Arbois und Poligny vorgesendeten Reiter- Patrullen stiessen an der Strasse auf französische Infanterie- Abtheilungen und mussten umkehren . General Manteuffel gab in Dampierre am 24. seinen UnterCommandanten Directiven für die weiteren Operationen , den räumlichen

welche bei

unvermeidlichen Trennungen der Corps selbstständig

eingeleitet werden mussten. Als am 24. die Avantgarde des 2. ArmeeCorps über Villers - Farley nach dem Eisenbahnknotenpuncte Mouchard vorrückte, leisteten die Franzosen daselbst nur kurz Widerstand ; die gleichzeitig von Quingey vorgehenden Abtheilungen der 13. Division stiessen zwar bei Châtillon an der Loue auf überlegene französische Kräfte (wahrscheinlich des 15. Corps),

welche den

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

375

Loue - Abschnitt südöstlich Besançon zur Deckung der Strasse nach Pontarlier besetzt hielten. Die Thätigkeit der Abtheilungen des 7. . Armee-Corps auf beiden Doubs -Ufern, sowie das entschiedene Vorgehen das 2. und 14. Armee-Corps auf den anderen Strassen, lähmte aber gänzlich die Thatkraft der Franzosen, deren 15. Corps die Strasse und Eisenbahn über Quingey hätte sichern, eigentlich wieder eröffnen sollen, jedoch ohne ernsten Offensiv- Versuch sich auf Busy, Vorges und hinter die Loue zurückzog. Das 2. und 7. Armee- Corps beherrschten somit am 24. die von Besançon gegen Westen und Süden auslaufenden Verbindungen. Das 14. Armee-Corps rückte am selben Tage auf den nördlichen Strassen weiter vor, u. z. die badische Division auf beiden Oignon-Ufern gegen Rioz und Corcelle (2 Meilen westlich Besançon), die Brigade Goltz, dann die 4. Reserve-Division gegen Beaume les Dames (4 Meilen nordöstlich Besançon ). Das 24. Corps hatte überdies

bei Annäherung der Deutschen

nach Sprengung der Doubs -Brücke sowohl diesen Ort, als bald darauf die Defiléen von Lomont verlassen, zog sich auch auf dem rechten Flügel nach kurzem Widerstande bei Tulay und Glay gegenüber der Division

Debschitz gegen Blamont

und St.

Hippolyte

theilweise auch schon gegen Vercel und Morteau zurück. Auf dem rechten Doubs -Ufer hatte Bourbaki's Armee am 24. auf 1 Meilen im Umkreise von Besançon die deutschen Vorposten vor sich ; auf dem linken standen nur mehr die Strassen über Etalans , Ornans und Levier nach Pontarlier, dann von da über Champagnole und Mouthe gegen Süden offen. In einem am 24. Mittags nach Bordeaux abgesendeten Telegramme äusserte Bourbaki, im Gefühle der allseitigen Umklammerung durch die ganze deutsche Südarmee und gewiss auch niedergedrückt durch das voreilige Zurückweichen des 15. und 24. Corps,

die

ersten Besorgnisse

um den Endausgang seiner Operation ; die Delegation in Bordeaux hielt die Angaben über die Stärke der südlich Besançon angelangten deutschen Streitkräfte für übertrieben und forderte Bourbaki wiederholt auf, über Dôle oder Mouchard gegen Dijon durchzubrechen , wo nach den Berichten Garibaldi's die halbe Armee Manteuffel's gefesselt wäre. In einem Kriegsrathe (in Château - Farine , in welchem nur General Billot für den Marsch auf Auxonne stimmte, wurde jedoch der Rückzug nach Pontarlier beschlossen. Die hierüber nach Bordeaux erstattete Meldung rief am 25. erneuerte telegraphische Gegenvorstellungen hervor, welche die Ansicht bestimmt aussprachen, der Marsch auf Pontarlier werde die. Armee zur Capitulation oder zum Uebertritte in die Schweiz zwingen.

376

Hilleprandt.

Doch umsonst ; der Rückzug wurde am 25. noch eingeleitet, in der Nacht nach Bordeaux telegraphisch gemeldet. Am 26. liess Bourbaki tiefbewegt und zu spät einsehend , dass der Rückzug durch den Jura seiner Armee den Untergang bereiten müsse, die abmarschirenden Truppen defiliren ; nach Einbruch der Dunkelheit jagte er sich eine Kugel in den Kopf, ohne jedoch den Tod zu finden . General Clinchant übernahm das Armee-Commando, konnte aber den von Bordeaux nochmals geforderten Durchbruchs-Versuch mit Rücksicht auf den Zustand der Armee nicht mehr anordnen, sondern führte den Rückzug nach Pontarlier durch,

wo der grösste Theil der Armee

am 29. eintraf und, nachdem allmälig alle Rückzugsstrassen , mit Ansnahme jener nach Osten, verlegt worden waren, am 1. und 2. Februar mit 80.000 Mann in die Schweiz übertrat. Vor näherer Erörterung des zur Erreichung dieses grossartigen Erfolges seitens der Deutschen durchgeführten Verfolgungsmarsches und zur Kennzeichnung der Schwierigkeiten ist noch ein Rückblick auf die Verbindungslinien Manteuffel's geboten, welche durch bedeutend numerisch überlegene feindliche Kräfte ernst gefährdet, aber doch durch die Thätigkeit der deutschen Führung und durch die Ausdauer der deutschen Truppen im Grossen gesichert wurden . Die Operationen des 2. und 7. Armee-Corps waren auf die Linie MontbardChâtillon sur Seine basirt, von wo aus die Hauptstrasse über Thilchatel und Mirebeau nach Gray an der Sâ one in der Länge von 15 Meilen , dann weiter von Gray an den Doubs auf 6 Meilen Länge gedeckt werden musste. Die grösseren Zuschübe sollten über Epinal geschehen ; bis zur Vereinigung mit Werder und bis zur directen Sicherung der Vogesenstrassen musste jedoch die Verbindung durch die Côte d'or geschützt bleiben . Die Brigade Kettler erhielt deshalb die Aufgabe, die Strasse bis an die Tille zu sichern , liess in Nuits und Montbard ein Bataillon als Besatzung zurück und ging am 18., nachdem Manteuffel sich von der Saône gegen Besançon zu wenden entschlossen hatte, mit fünf Bataillonen ,

zwei

Escadronen und

zwei

Batterien gegen

Dijon vor, erreichte am 20. Sombernon und St. Seine (westlich Dijon) ; ein Bataillon und eine Escadron unter Major Conta begleiteten einen Train des zweiten Armee-Corps auf der Strasse über Thilchâtel und trafen am 20. in Is sur Tille ein . In Thilchâtel hatte das 2. Armee-Corps ein Bataillon zurückgelassen, welches am 21. mit dem Train nach Mirebeau abrückte, und dann daselbst die Strasse nach Gray sicherte. Gegen Langres schob das GeneralGouvernement von Lothringen Etapentruppen vor, um die Eisenbahn Chaumont - Châtillon und Nancy - Epinal zu decken :

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

377

dies gelang ihnen ohne ernste Gefechte, weil die allmälig auf 15.000 Streitbare

angewachsenen Kräfte in Langres ihre

Streifzüge grössten-

theils in die Vogesen gegen Werder's Verbindungen entsendeten . Dadurch wurde zwar der directe Nachschub von Epinal über St. Loup gestört und auf die Benützung der weiter östlich ziehenden Strassen beschränkt, aber nur für kurze Zeit, bis nämlich Werder's Vorgehen nach der Schlacht von Montbéliard wieder die Verbindungen sicherte. Da sich jedoch in Dijon Mitte Jänner die Vogesen - Arme e unter Garibaldi theils durch Freischaaren, bestehend aus Missvergnügten aller Nationen, theils durch neugebildete französische Guerilla - Corps und Mobilgarde - Bataillone der Division Pelissier auf 25.000 Streitbare verstärkt hatte, so konnte Kettler seine Aufgabe nur durch äusserst demonstrative Thätigkeit lösen .

Am 21. ordnete er demgemäss den

Vormarsch seiner Brigade in drei Colonnen und zwar von Sombernon im Ouche - Thale, dann von St. Seine durch das obere Val Suz'on, endlich für das Detachement Conta von Is sur Tille in das untere Val Suzon an. Die ersteren beiden Colonnen drängten rasch die vorgeschobenen feindlichen Posten zurück. Die mittlere Colonne erreichte um 1½ Uhr Nachmittag das vom Feinde besetzte Dorf Daix, konnte aber nicht weiter vordringen, da der Gegner seine überlegenen Kräfte in der durch Schützengräben verstärkten Stellung zwischen den auf Bergkegeln gelegenen festen Ortschaften Talant und Fontaine (2000 Schritte nordwestlich Dijon) entwickelte. Ein Offensiv- Versuch des Gegners aus dieser Stellung gegen Daix wurde zwar abgewiesen ; doch selbst als die rechte Colonne um 5 Uhr Abends den vor dem linken Flügel der feindlichen Stellung gelegenen Ort Plombières. erstürmt und Kettler nach kräftiger Artillerie - Vorbereitung das Vorgehen beider Colonnen angeordnet hatte, gelang es nur, den Gegner um 7 Uhr bis in die erwähnte Hauptstellung zurückzuwerfen. Die linke Colonne unter Conta war Mittags bei Messigny (nördlich Dijon) auf eine feindliche Brigade gestossen, hatte zwar nach längerem Gefechte das genannte Dorf um 5 Uhr Nachmittags erstürmt, sich aber mit den anderen Colonnen nicht mehr in Verbindung zu setzen vermocht, und bei dem Anrücken

feindlicher Verstärkungen

Savigny le Sec

Obwohl Kettler dem Gegner

zurückgezogen.

nach

500 Gefangene abgenommen hatte, so war der Verlust der Brigade doch so bedeutend ( 14 Officiere und 322 Mann an Todten und Verwundeten, über 10 % ) , überdies die Munition beinahe verbraucht, dass Kettler keinen unmittelbaren Angriff der starken feindlichen Stellung wagte, sondern auf dem Kampffelde übernachtete und am 22. Vormittags Cantonirungen um Daro is und Messigny im Val Suzon bezog.

378

Hilleprandt .

Am 23. ordnete jedoch Kettler nach Ergänzung der Munition aus einer Nachschubs - Colonne des zweiten Armee- Corps erneuert den Angriff,

diesmal von Norden her an ; mit der Hauptkraft auf dem

linken Flügel, über Ruffey, somit gegen die rechte Flanke des Feindes vorgehend, gelang es mit grossen Verlusten bei Einbruch der Dunkelheit bis in die Vorstadt, St. Martin, von Dijon einzudringen, (das zweite Bataillon des 61. Regimentes verlor hiebei die Fahne , welche der Gegner am 24. unter einem Leichenhaufen fand) konnte sich aber gegen die fünffache feindliche Uebermacht nicht behaupten, zog sich, 150 Gefangene mitnehmend,

sondern

zurück, um den Gegner von

Norden her in wechselnden Cantonirungen zu beobachten. Garibaldi begnügte sich Dijon unthätig festzuhalten , nur vereinzelt behielten. vorgeschobene Freischaaren die Fühlung mit den Sicherungstruppen Kettler's ; da dies aber kaum erwartet werden konnte, und ein Vorstoss der Vogesen -Armee über Auxonne in den Rücken der an den Doubs vorgerückten zwei Armee-Corps sehr empfindlich getroffen hätte, so war schon bei der Vorrückung an den Oignon und Doubs am 21. vom General Manteuffel die Brigade Knesebeck (früher Dannenberg), 6 Bataillone, 1 Escadron, 2 Batterien , zur Deckung der Strecke Gray - Pesmes - Dôle bestimmt worden . Die am 24. in Pesmes eingetroffene Cavalerie- Brigade Willisen ward beauftragt ⚫ zur Sicherung der Verbindungslinien mitzuwirken, gegen Dijon und Auxonne zu streifen , Eisenbahn und Telegraphen zu unterbrechen . Vesoul und Lure wurden durch Etapentruppen besetzt und der Nachschub, sowie der Post - Curs gänzlich über Epinal eingerichtet, da einerseits südlich und westlich Langres feindliche Streifcommanden wiederholt erschienen (bei Germaine am 23. und bei Prauthoi am 24. wurde das Briefrelais, bei Esnoms am 25. ein GefangenenTransport aufgehoben), anderseits von Avallon aus feindliche Freischaaren die Verbindung von Montbard mit Auxerre unterbrachen . General Kettler verlegte daher seine Truppen in eine Cantonirung weiter nach Norden und zwar nach Thilchâtel und Is sur Tille. Prauthoi liess er durch 3 Compagnien besetzen ; diese wurden aber am 28. von einem 2000 Mann starken Streif- Corps aus Langres überfallen und konnten sich nur mit dem Verluste von 50 Mann und ihrer Fuhrwerke nach Thilchâtel zurückziehen . Noch ehe alle diese Vorfälle Manteuffel bekannt waren , hatte dieser General sich entschlossen, nachdem am 25. das 14. ArmeeCorps längs des Oignon bis Corcelle und Voray vorgerückt war, und die 4. Reserve -Division nach kurzem Gefechte Pont le Moulins, wo sie 400 Gefangene (grösstentheils Nachzügler des 24. Corps ) machte, auf dem linken Doubs -Ufer schon erreicht hatte, am 26. das 14. Armee-

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

379

Corps zur Beobachtung von Besançon an den Doubs vorzuziehen, hingegen das ganze 7. und das 2. Armee-Corps mit drei Brigaden noch weiter südöstlich durch den Jura trotz der Schwierigkeiten, welche der scharfe Winter in diesem Gebirge bot, bis an die Schweizergrenze ausgreifen zu lassen, während von Norden auf dem linken Doubs -Ufer die 4. Reserve- Division und die verfügbaren Theile der Division Debschitz gegen Pontarlier vorzurücken hatten . Als am 26. Manteuffel die Meldung Kettler's über die Gefechte bei Dijon erhielt, beschloss

er sogleich

einen

energischen Rückschlag,

jedoch ohne irgend die Hauptoperationen zu unterbrechen . Der DivisionsGeneral Hann wurde beauftragt, mit den auf der Etapenlinie entbehrlichen Kräften der Brigaden Knesebeck , Willisen und Kettler , unter Beiziehung der badischen Brigade Degenfeld , gegen Dijon vorzugehen ; ein concentrischer Angriff mit der Hauptkraft aus Südost oder Süden wurde ihm empfohlen, sowie die Unterbrechung der feindlichen Eisenbahn- und Telegraphen - Verbindungen. Hann zog jedoch die Basirung auf Gray vor, bestimmte 2 Bataillone und 2 Escadronen zur Besetzung der Strasse Dole - Pesmes - Gray, und concentrirte am 29. 11 Bataillone nebst 3 Cavalerie- Regimentern und 3 Batterien bei Mirebeau, mit welchem Orte Kettler in Verbindung stand. In der Nacht zum 30., sowie am 30. selbst, kündigten die Garibaldiner den erfolgten Abschluss eines 21tägigen Waffenstillstandes an ; Hann sistirte den Vormarsch im Grossen und fragte sich beim Ober -Commando an, erhielt in der Nacht auf den 31. noch den Bescheid, dass die Operationen fortzusetzen seien und rückte am 31. um 10 Uhr Vormittag mit den Brigaden Kettler und Knesebeck über Varois und Quetigny, also von Osten gegen Dijon vor ; die badische Brigade sowie die Cavalerie blieb als Reserve zurück. Garibaldi wagte nicht, diesem Angriffe gegenüber Stand zu halten, sondern liess die Stellung zwischen Mirande und St. Apollinaire durch eine starke Nachhut besetzen, (deren kräftiges Geschützfeuer die um 3

Uhr Nachmittag eingetroffenen deutschen Brigaden

zum Verschieben des Angriffes für den folgenden Tag veranlasste) und zog seine Truppen durch einen raschen Eisenbahn -Transport nach Châlons sur Saône und Lyon zurück. Ein Seitendetachement der Brigade Knesebeck unterbrach am 31. nach kurzem Gefechte bei Genlis die Verbindung zwischen Dijon und Auxonne und bemächtigte sich des Ouche-Ueberganges bei Fauvernay. Als am 1. Februar Morgens die Spitzen der Deutschen vorrückten, fuhr der letzte Eisenbahnzug der Vogesen -Armee, der nachgesendeten preussischen Geschosse nicht achtend, nach dem Süden ab ; um 8 Uhr besetzten die Deutschen Dijon ; am 2. schoben sie eine Brigade nach

380

Hilleprandt.

Beaune und Seurre, 2 Bataillone

zur Cernirung von Auxonne

von Westen vor, welche Festung am 30. Streif-Commanden zur Erweiterung des Requisitionsbereiches ausgesendet hatte, die aber am selben Tage aus Dôle und Pesmes wieder in den unmittelbaren Bereich der Festung zurückgewiesen worden waren . Eine Halbbrigade

wurde

am 2. von Dijon zur Säuberung der Côte d'or gegen Montbard entsendet. Der Rest der combinirten Division Hann blieb in und um Dijon. Inzwischen war der Abzug der französischen Armee aus Besançon gegen Pontarlier klar geworden ; das rechte Doubs-Ufer war beinahe ganz geräumt. Manteuffel beeilte sich daher die Strassen nach Süden weiter zu verlegen . Das 2. Armee- Corps stiess hiebei am 26. bei Salins auf den Feind, der jedoch seinen Abzug unter dem Schutze der dortigen Sperren St. Andrée und Bella noch durchführte. Am

27.

erreichte das 2.

Armee- Corps Arbois

und Pont

d'Héry, das 7. Salins und hielt noch Quingey besetzt .

Das 14.

stand westlich vor Besançon zwischen St. Vit und Voray. Bei Belfort, dessen hartnäckiger Widerstand auch nach dem Schwinden der Hoffnung auf Entsatz fordauerte, hatte General Tresckow in der Nacht vom 26. auf den 27. Jänner einen gewaltsamen Angriff gegen die Perches-Forts versucht, der aber misslang . Die Division Debschitz musste einen grossen Theil ihrer Truppen beim Belagerungs -Corps lassen und vermochte deshalb nicht über Blamont gegen Süden vorzudringen. Da auch bei Pierrefontaine noch beträchtliche französische Kräfte standen, und aus schweizerischen Quellen Nachrichten einliefen, dass die Franzosen erneuert gegen Montbéliard die Offensive ergreifen , auch französische Marsch-Colonnen auf dem Marsche gegen Blamont gesehen wurden , so gab die 4. Reserve- Division einstweilen die über St. Juan d'Adam bereits begonnene Vorrückung nach Süden auf, nach Sancey in östlicher Richtung ab.

und rückte am 28.

Vortruppen des Generals

Debschitz rückten am 28. nach St. Hippolyte ohne feindlichen Widerstand vor. Bei Maiche, St. Maurice, Pierrefontaine und Vercel standen an diesem Tage aber noch stärkere feindliche Abtheilungen. Manteuffel, welcher am 28. die 4. Reserve -Division in der Vorrückung gegen Süden bei Etalans eintreffen hoffte, und demgemäss das 7. Armee-Corps gegen die Strasse Salins - Levier, das 2 . nach Poligny und Champagnole, die Brigade Goltz nach Are et Senans ( südwestlich Quingey) dirigirt, und blos Werder mit 2 badischen Brigaden zur Beobachtung von Besançon und Sicherung

381

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 . der Verbindungen zurückgelassen hatte,

hielt jedoch in richtiger Er-

kenntniss der Lage jene Gerüchte über eine Erneuerung der französischen Offensive für unbegründet und befahl, dass die 4. ReserveDivision ohne Weiteres über Etalans, die Division Debschitz über Morteau vorgehen sollen . Diese Befehle wurden auf der neu eingerichteten Telegraphenlinie vermittelt. Manteuffel verlegte am 29. sein Hauptquartier nach Arbois. Das 2. Armee - Corps schob die Brigade Wedell nebst Cavalerie nach Les Planches zur Absperrung der von Pontarlier über Mouthe nach Süden führenden Gebirgsstrasse vor ; diese Brigade traf vor Planches um 6 Uhr Abends ein, überfiel daselbst eine französische Dragoner-Escadron und erfuhr, dass die Division Cremer in St. Laurent (südlich Les Planches) am vorigen Tage eingerückt sei .

Ueber Champagnole hatte sich die Cavalerie - Division

des

15. französischen Corps gegen Süden gezogen. Der Rest des 2. ArmeeCorps setzte die Vorrückung gegen Pontarlier bis Censeau und Nozeroi fort und stiess bei letzterem Orte auf ein gegen Mouthe abziehendes Mobilgarde-Bataillon. Das 7. Armee - Corps,

über Amancey und Levier vor-

gehend , stiess mit der Seitenhut auf die über Ornans gegen Pontarlier abziehenden französischen Colonnen, ebenso mit der Avantgarde gegen Abend bei Chaffois auf bedeutende Kräfte französischen Corps.

des 15.

Nach zweistündigem Kampfe wurde jedoch Chaffois,

sowie Sombacourt (an der Strasse von Ornans ) genommen. Nahezu 4000 Gefangene, worunter 2 Generale, dann 12 Geschütze und 7 Mitrailleusen fielen in die Hände der Preussen. Die Nachricht verbreitete sich, dass ein 21tägiger Waffenstillstand abgeschlossen sei ; viele Franzosen legten ihre Waffen nieder. Clinchant liess die Feindseligkeiten einstellen und richtete das gleiche Verlangen an die Deutschen . Manteuffel hatte indess am 29. um 5 Uhr Nachmittag vom Grafen Moltke folgendes Telegramm aus Versailles vom 28. , 114 Uhr Nachts, erhalten : „ So eben Capitulations- und Waffenstillstands-Verhandlungen mit Paris abgeschlossen. Waffenstillstand beginnt hier sogleich, sonst überall am 31. dieses Monates Mittags. Departements Côte d'or, Doubs und Jura sind vorläufig bis zur Entscheidung der von Ihnen fortzusetzenden Operationen ausgeschlossen, auch dauert Belagerung von Belfort fort. " Am 29. Abends erliess Manteuffel den Befehl : „ Soldaten der Süd-Armee ! Paris hat capitulirt. Waffenstillstand ist bei der Armee vor Paris, bei der I. und bei der II. Armee geschlossen . Nur die 27 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

382

Hilleprandt.

Süd-Armee soll ihre Operationen Vorwärts ! "

fortsetzen

bis

zur

Entscheidung .

Die Corps -Commandanten wurden ferner angewiesen

mit dem

Feinde auf keine andere Bedingung zu unterhandeln , als auf Waffenstreckung. " Das 2. und 7. Armee-Corps sollten am 30. den Vormarsch auf Pontarlier fortsetzen, die Brigade Goltz mit dem ArmeeHauptquartiere nach Villeneuve (auf der Strasse Salins - Levier) nachrücken , Schmeling und Debschitz die nördlich der Strasse Besançon - Pontarlier noch vorhandenen feindlichen Streitkräfte auf das 2. und 7. Armee-Corps zurückdrängen. “ Das 2. Armee -Corps hatte die Jura -Strasse bei Les Planches besetzt zu halten und gegen Lons le Saunier streifen blieb vor Besançon.

zu lassen. Das 14. Armee - Corps

Auf allen Strassen traten den Deutschen Parlamentäre entgegen, welche auf Grund irriger Depeschen aus Bordeaux die Einstellung der Feindseligkeiten verlangten. Ihre Forderungen wurden überall unter Hinweis auf die erhaltenen Weisungen abgelehnt. Das 2. Armee-Corps bemächtigte sich noch Abends 8 Uhr nach einstündigem Kampfe des Ortes Frasne, wobei 1500 Gefangene in die Hände der Preussen fielen . Der grösste Theil

der französischen 4 Corps hatte

Pontarlier zurückgezogen ; und 34. Corps,

sich nach

nur einigen Abtheilungen des 15. , 20 .

insbesondere der Cavalerie des 15. Corps ,

dann der

Division Cremer war es gelungen, theils über Champagnole, theils über Mouthe gegen Süden abzumarschiren . Ein Theil der 2. Division des 15. und der 1. Division des 20. Corps konnte nicht mehr den Abmarsch von Besançon bewirken und blieb deshalb dort, den Recognoscirungen der badischen Truppen durch den Rückzug in den Festungsbereich ausweichend. Das französische Armee -Commando sah für sich nur mehr die Wahl, zu capituliren oder nach der Schweiz überzutreten, und entschied sich für letzteres. Während der Unterhandlungen mit den Schweizer Behörden wurde am 31. noch der Versuch gemacht , die Vorwärtsbewegung der Deutschen durch Parlamentäre zu verzögern . Manteuffel ging zwar in keine Sistirung der Operationen ein, beschränkte sich aber am 31. , da über den Vormarsch der Generale Schmeling und Debschitz von Norden noch keine Meldungen eingelanfen waren ,

und die

bei Pontarlier massirte feindliche

Armee zum Schutze ihres Abzuges einen Verzweiflungskampf führen musste, wenn sie gedrängt wurde,

daher nicht mit geringen Kräften

angegriffen werden durfte, durch das 7. Armee - Corps einerseits die Strasse Ornans - Pontarlier vom Feinde säubern, anderseits eine Division bis an den Drugeon -Bach ( eine Meile westlich Pontarlier)

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

383

vorstossen, und die Verbindung mit der 4. Reserve-Division aufsuchen zu lassen. Letztere traf Nachmittags in Nods ein ; die Verbindung wurde über St. Gorgon hergestellt. Das 2. Armee - Corps schob bis Ste. Colombe und Narvoz (eine Meile südwestlich Pontarlier) Abtheilungen vor, hielt dabei Les Planches besetzt und beobachtete die Gegend von Lons le Saunier ; eine halbe Brigade sperrte die

nach Mouthe führende

Gebirgsstrasse durch Besetzung von Les Granges Ste. Marie ab, nachdem der überlegene Gegner bei Vaux nach 1stündigem Gefechte mit dem Verluste von 900 Gefangenen zurückgeworfen worden war. Für den 1. Februar erst ordnete Manteuffel den concentrischen Vormarsch gegen Pontarlier an,

welche Stadt jedoch nur

mehr von der französischen Arrieregarde besetzt war und beim Anrücken des

9.

preussischen Grenadier-Regimentes nach kurzem Infanterie-

Gefechte Mittags geräumt wurde. Viele hundert beladene Wagen des französischen Verpflegstrains, welche nicht mehr hatten fortgebracht werden können , sowie zahlreiche Gefangene fielen in die Hände der Preussen, welche indess beim weiteren Vorgehen über Pontarlier auf ernsten Widerstand stiessen. Das 18. französische Corps, das einzige, welches nebst der Division Cremer noch einige Haltung bewahrte, hatte nämlich bei La Cluse, angelehnt an die dortigen 2 Thalsperrforts, welche mit schwerem Geschütz armirt waren, eine durch Mitrailleusen verstärkte Stellung bezogen, mit welcher die beiden Strassen nach Verrières und Jougne gedeckt wurden . Der Frontal-Angriff scheiterte und der Feind behauptete sich in der Stellung,

da

mit dem Einbruche der

Dunkelheit keine grössere Vorrückung auf den schwierigen Seitenwegen zur Umgehung mehr ausführbar war. Die 7. preussische Brigade verlor mehr als 400 Mann, besonders weil die Artillerie in dem schmalen Defilé nicht den Kampf gegenüber der überlegenen feindlichen aufnehmen konnte. Die 4. Reserve -Division, welche am 1. Nachmittags bei Pontarlier auch eingetroffen war, wurde nun bestimmt, am nächsten Tage gegen La Cluse vorzurücken. Die Truppen des General Debschitz erreichten am 1. ohne Widerstand Morteau. Da jedoch in

der Nacht vom

1. auf den 2.

beim deutschen

Armee-Commandanten ein Telegramm einlief, nach welchem General Clinchant am

1. Früh

5 Uhr mit der Schweizer Regierung den

Uebertritt der französischen

Armee

über Verrières und Jougne

vereinbart hatte und ein Theil bereits übergetreten war, auch die allseitigen Meldungen den Rückzug der Franzosen bestätigten, so wurde die Bewachung

der Ostgrenze der 4. Reserve-Division und Theilen. 27*

Hilleprandt .

384 der Division

Debschitz

übertragen ,

das

2. und 7.

Armee - Corps

aber wieder nach Westen in die Gegend von Arbois und Poligny in Cantonirungen verlegt. Manteuffel schloss seine Operationen mit folgendem Tagsbefehle in Pontarlier am 2. Februar : „ Soldaten der Süd-Armee !

Eure Märsche und Kämpfe bei Schnee und Eis im

hohen Jura sind nicht vergeblich gewesen. 2 Adler, 7 Mitrailleusen,

15.000 Gefangene,

worunter

12 Geschütze,

2 Generale und viele

Officiere, viele Hunderte von Proviantwagen, viele Tausende von Chassepots sind in Euren Händen . Dijon ist zurückerobert. Und soeben erhalte ich aus Berlin die telegraphische Nachricht, dass 80.000 Mann der französischen Armee bei Verrières in die Schweiz übergetreten sind, das heisst, dass sie dort die Waffen ablegen , und bis zum Friedensschlusse internirt bleiben. Die Armee Bourbaki's ist ausser Kampf gesetzt und auch die Reste in den Gebirgen werden Euren Waffen bald verfallen sein . Soldaten der Süd -Armee ! Ich spreche Euch meinen Glückwunsch und meine volle Anerkennung aus !“ Die eigentlichen Operationen waren auch beendet; das durch mehrere Tage von den Batterien bei La Clus e fortgesetzte Geschützfeuer nöthigte die 4. Reserve - Division zu Umwegen, um die Verbindung mit den an die Schweizergrenze geschobenen Posten zu erhalten .

Langres, Besançon und Auxonne schlossen die Deutschen nun vollständig ein. Die Belagerung von Belfort wurde energisch fortgesetzt ; am 9. Februar glückte der wiederholte Angriff auf die Perches-Forts. Am 13. Februar kam der allgemeine Waffenstillstand zum Abschluss , räumt wurde.

nach welchem Belfort in Ehren ge-

Das halbe Frankreich lag nun zu den Füssen des Siegers ; in der Hauptstadt hatte am 28. Jänner die dritte Armee in diesem Feldzuge die Waffen gestreckt ;

im Südosten flüchtete eine vierte

französische Armee auf fremden Boden, um sich der Wucht der deutschen Kriegskunst zu entziehen . In sechs Wochen war die träumerische Hoffnung gänzlich zerronnen, welche die französischen Machthaber auf die Operationen im Südosten setzten ! Träumerisch ist jene Hoffnung zu nennen , weil sie auf keiner ruhigen Berechnung gebaut, Leidenschaft war.

vielmehr das Product der

Bei der strategischen Lage in Frankreich am

20. December

trat unbedingt die unmittelbare Befreiung der Hauptstadt, deren Lebensmittel kaum mehr 4 Wochen hinreichten, als das nächste Operations-Ziel hervor. Die Levée en masse hatte zahlreiche Heereskörper geschaffen,

deren Hauptgruppen im Norden und Westen auf

385

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

20, im Süden auf 26 Meilen von der deutschen Cernirungs - Armee entfernt standen . Die unter den Befehlen Bourbaki's bei Bourges und Nevers retablirte und verstärkte Armee war durch die grössere Entfernung ausser unmittelbarer Fühlung mit dem Gegner gelangt. Sie konnte auf dem Schienenwege über Poitiers und Angers rasch nach Le Mans und Alençon zur unmittelbaren Verstärkung Chanzy's versetzt werden, um dann in den ersten Tagen des Jänner im Westen von Paris über Dreux und Chartres eine Offensive mit 300.000 Streitbaren zu eröffnen , welchen deutscherseits kaum die halbe Zahl , höchstens 4 Armee-Corps,

entgegengestellt werden konnten .

Indess

Menschen hatten Chanzy bei Le Mans, wie Briand bei Le Havre selbst genug ; es fehlten nur Soldaten und auch die Führer für solche Massen ; Chanzy's 150.000 Streitbare energisch zur Offensive gegen Dreux vorgeführt, zogen jedenfalls 3 bis 4 deutsche Armee - Corps auf sich ; die Manövrirfähigkeit wäre aber nicht gebessert worden , wenn noch grössere Massen dort versammelt worden wären. Eine Wiedereröffnung der Offensive

an der Loire hot grosse

Schwierigkeiten , weil beim Rückzuge nach der

zweiten Schlacht von

Orleans alle Strassen abgegraben, die Brücken zerstört worden waren, der Angriff daher kaum überraschend geführt und desshalb leichter vereitelt werden konnte , als bei den ersten zwei von der Loire aus eingeleiteten Angriffen . Mehr Aussichten bot eine Offensive Bourbaki's über Auxerre und Châtillon, weiter über Montereau und Troyes, von wo aus am schnellsten die feindliche Hauptverbindungslinie Nancy - Châlons an der Marne, sofort aber die Nebenlinien Chaumont - Montereau unterbrochen werden konnten. Da bei gleichzeitigem Vorgehen der übrigen Heeresgruppen, nämlich der Nordarmee unter Faidher be. gegen Compiègne, der II. Armee unter Chanzy gegen Dreux, des Corps von Le Havre über Rouen, der Vogesen- Armee unter Garibaldi gegen Dijon und Gray und der Division Cremer < gegen Belfort, die feindlichen Operations -Hauptkräfte auf eine Entfernung von mindestens 20 Meilen gefesselt waren, und wenn das 24. Corps über Châlons sur Saône zur Cooperation herangezogen wurde, Bourbaki daher mit 4 Corps auftreten konnte,

welchen die Deut-

schen anfänglich höchstens 2 Armee- Corps entgegenzustellen vermochten, so war selbst mit Rücksicht auf die Jahreszeit und auf die geringe Marschfähigkeit der jungen Truppen die Hauptkraft Bourbaki's am 5. Jänner bei Montereau und Nogent, jene Chanzy's bei Dreux zu erwarten , wo überall die Entscheidungsschlacht mit doppelter Ueberlegenheit geschlagen und wenigtens von einer Seite. bis 10. oder 12. der Hauptstadt Hilfe gebracht werden konnte .

Im

386

Hilleprandt.

Grossen hatte Chanzy dem französischen Kriegsministerium dieselben Ideen vorgeschlagen , jedoch zu spät, da bereits die Operationen am Doubs begonnen hatten. Ideen hatten übrigens die französischen Führer sehr viele ; die Generale erwarteten

aber beinahe stets den Haupt-

schlag Einer vom Anderen . Es fehlte eine einheitliche Leitung. Der wirklich ausgeführte Operationsplan trägt unstreitig ein geniales Gepräge ; strategisch überraschend konnte eine Heeresmasse von 150.000 Streitbaren gegenüber einem mindestens für die Dauer von 3 Wochen ganz isolirten Corps von 50—60.000 auftreten, in wenigen Tagen daher voraussichtlich dessen Widerstand brechen ; nur 4 Tagmärsche brauchte Bourbaki dann zu hinterlegen, um zunächst Belfort zu befreien, weitere 6 zur Unterbrechung der feindlichen Hauptverbindungen . Ergossen sich gleichzeitig von Langres und Dijon aus 20-30.000 Parteigänger, um über Châtillon und Chaumont den kleinen Krieg zu führen , die Eisenbahn- und Telegraphen - Linien zu zerstören , griffen Faid herbe Briand und Chanzy im Norden und Westen von Paris die deutschen Sicherungs - Armeen mit einigem Erfolge an, so konnte die Lage der Deutschen in Frankreich eine verzweiflungsvolle werden. Doch die daran geknüpften weiteren Hoffnungen,

dass der momentan unter-

brochene Nachschub schon zur Aufhebung der Belagerung von Paris führen müsste , oder dass ein Einfall in Baden den Rückzug der Deutschen hervorrufen werde, oder dass der Marsch Bourbaki's durch das Elsass zur Verbindung mit Faid herbe, von den Deutschen , welche ja doch 2 bis 3 Corps und wenigstens 60.000 Mann Etapentruppen, somit 140.000 Streitbare, also eine Uebermacht ihm entgegenwerfen konnten, nicht gehindert worden wäre, waren zu weit getrieben . Im französischen Kriegsministerium hoffte man , durch die Ausführung dieses Planes die Deutschen vollständig zu demoralisiren . Man hatte aber weder die Zeit und den Raum, am allerwenigsten die Kraft richtig in den Calcul gesetzt. Der Zeitpunct war zu spät gewählt, um durch eine solche excentrische Operation Paris zu retten . Abgesehen davon ,

dass die im Operationsplane

angedeutete Marsch-

linie Bourbaki's von Besançon an mindestens 60 Meilen Länge hatte, somit durch die Frietion , erhöht durch die kalte Jahreszeit, und durch unvermeidliche Detachirungen die Armee sehr geschwächt worden wäre, musste darauf Bedacht genommen durchziehende Gegend durch die deutschen ,

werden,

dass die zu

seit Monaten dauern-

den Requisitionen ganz ausgesogen war und die neugeschaffenen Armee-Corps , höchst mangelhaft mit Trainfuhrwerken ausgerüstet , nur ausserordentlich langsam vorwärts kommen konnten, wenn nicht eine Eisenbahn den Nachschub vermittelte. Die Operation über Monte-

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

387

reau und Troyes hätte alsbald über mehrere Schienenwege hiefür verfügt und die Operationslinie wäre nur 30 Meilen lang gewesen . Der Hauptvortheil der wirklich ausgeführten Operation lag darin, ein bedeutendes feindliches Corps überraschend in solcher Entfernung von den Hauptkräften mit Uebermacht anzufallen, dass dessen Niederlage bestimmt zu hoffen war, ehe der Gegner mit andern Kräften zur Hilfeleistung erscheinen konnte, und somit Theilsiege in Aussicht standen, deren Ausnützung Paris Luft machen konnte.

Aber die

Vorrückung über Besançon erfolgte auf der östlichen äussersten Operationslinie, während die Basirung auf Dijon und Dôle, wie ursprünglich beschlossen, weniger zeitraubend , einfacher und sicherer gewesen wäre. Die Vorrückung geschah übrigens nun in einer defiléreichen, somit der Vertheidigung günstigen Gegend, so dass eine rasche Entscheidung erschwert war, und, wenn dem Gegner Zeit gelassen wurde, seine Verstärkungen hinzuführen ,

die Gefahr bestand,

von der Basis ganz abgedrängt zu werden . Dieser Umstand zwang zur grössten Eile ; die Beschaffenheit der Armee bildete geradezu einen Gegensatz . Die Ordnung fehlte gänzlich ; Alles hatte guten Willen , aber Niemand wollte sich unterordnen ; zahlreiche mitunter vortreffliche Ideen wurden kundgegeben , für die ernste Durchführung mangelte es jedoch an Ausdauer. 17 Tage verflossen für die Verschiebung der Armee, weil Alles auf dem Umwege von Châlons über Bourg nach Besançon transportirt wurde, während ein Corps ganz gut über Châlons mit Fussmärschen in 12 Tagen nach Gray oder Besançon gelangen konnte, bei richtiger Einleitung mit 20 Zügen täglich, der Rest der Armee in derselben Zeit nach Besançon. Die Nichtbenützung der Eisenbahnlinie Chagny - Dijon - Dôle beruhte auf dem unbegreiflichen Glauben, dass die Strecke Dijon - Dôle noch nicht ausgebaut sei. Die Leitung der Operation war überdies durch die weitgehenden, fantastischen Ideen des Operationsplanes schwankend in den Zielen, deshalb unklar in den Entschlüssen. Dies gab sich auch in dem weiteren Verfolge kund . Am 5. begann der Vormarsch gegen Vesoul ; der Angriff konnte bei der geringen Entfernung (von Besançon nach Vesoul sind 7 Meilen) längstens am 8. erfolgen, und hätte die besten Aussichten eröffnet, da Werder mit 30.000 Streitbaren eine Schlacht mit verkehrter Front gegen 100.000 hätte wagen oder sich ganz von Belfort hätte entfernen müssen. Der erste bedeutende Zusammenstoss bei Villersexel veranlasst die französische Armee ferner zu einem zweitägigen Stillstande , obgleich der Gegner das Schlachtfeld räumen musste ; der weitere Angriffsmarsch gegen die Stellung Frahier- Montbéliard- Celle dauerte 3 Tage, obwohl die Marschlänge für kein Corps mehr als 5

388

Hilleprandt.

Meilen im Ganzen betrug. Um die Strecke von Besançon bis Frahier-Montbéliard, d. i. 10-12 Meilen zu hinterlegen, brauchte die Armee volle 10 Tage, machte daher im Durchschnitte täglich nur 1 Meile . Dieser Mangel an Bewegungsfähigkeit musste doch schon vor Beginn der Operationen erkannt sein ; die ganze Ausrüstung war nicht für rasche, länger dauernde Bewegungen, und noch weniger für den

Winter berechnet. Ausgeschnittene Schuhe und Leinwand-

kamaschen, sowie die gegen Regen, aber nicht gegen Kälte schützenden tentes d'abris,

dann der Hufbeschlag ohne Stollen ,

entsprachen

wohl für die Kriegführung in Africa, keineswegs jedoch für jene im Jura und in den Vogesen im Monate Jänner. Der Mangel an ordent-lichen Verpflegs - Einrichtungen bei dieser rasch zusammengewürfelten Armee schränkte auf naheliegende Operationsziele ein . Der Operationsplan forderte das Gegentheil und rechnete daher gar nicht mit den realen Verhältnissen der Kraft ; gegen Mitte Jänner, also zur Zeit des Aufzehrens der Lebensmittel in Paris und der muthmasslichen Capitulation des Hauptobjectes 1 ) konnte erst auf ein Abziehen beträchtlicher Kräfte von der Pariser Cernirung gerechnet werden, Ende Jänner im günstigsten Falle erst auf eine unmittelbare Hilfeleistung,

so dass nur irrige Vorstellungen über Zeit und Raum

den Entschluss reifen konnten ,

in der ärgsten Drangperiode 150.000

Mann zu einer entfernten Nebenoperation zu verwenden, wo selbe voraussichtlich wenigstens 4 Wochen ohne Einfluss auf die zur Entscheidung drängende Hauptoperation bleiben mussten. Was die Durchführung der Concentrirung bei Besançon

betrifft, so wurde selbe durch die kleinen Unternehmungen Chanzy's und an der Loire während ihrer ganzen Dauer der obersten deutschen Heeresleitung geschickt verborgen gehalten, so dass ein Theilsieg über Werder beinahe verbürgt war. Ein entschiedener Vormarsch • über Vesoul und Lure mit 3½ Corps, während das 15. bei Montbéliard eine kräftige Demonstration ausführte, musste aber alsbald folgen. Werder erkannte zur rechten Zeit die ihm drohende Gefahr, gab Dijon und die Einschliessung von Langres schnell auf, verweilte jedoch zu lange in Vesoul, wahrscheinlich die gegnerische Kraft noch unterschätzend . Die Deckung der Belagerung von Belfort war seine Hauptaufgabe ; die Aufstellung bei Vesoul flankirte zwar den etwaigen feindlichen Vormarsch gegen Belfort ; die Entfernung von 8 Meilen zwischen dem Belagerungs- Corps und den bei Vesoul concentrirten 30.000 Mann war jedoch zu gross, um eine rechtzeitige Hilfe zu sichern. Als am 8. alle Anzeichen dafür sprachen,

dass die

1 ) Dass Paris noch 14 Tage länger die Uebergabe verzögern konnte, war damals nicht vorauszusetzen .

389

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

Franzosen wirklich mit bedeutender Ueberzahl ihren Marsch gegen Belfort richteten, beeilte sich Werder seine Streitkräfte vor letzterem Platze durch einen

zweitägigen Flankenmarsch zu vereinigen.

Drei Colonnen , die dem Feinde nächste 3 Brigaden,

die mittlere

2,

die dritte 1 Brigade mit den Trains, marschirten eine von der anderen auf eine Meile entfernt : Einen Tag später wäre der Vereinigungsmarsch kaum mehr ausführbar gewesen,

denn die Colonne mit 3 Brigaden

stiess am 9. schon bei Villersexel auf bedeutend überlegene Kräfte, wusste sich nur durch einen raschen Angriff noch in Villersexel festzusetzen und dann auf die Defensive beschränkt, bis in die Nacht zu behaupten, deckte dadurch den Marsch der anderen Colonnen und bewirkte durch ihre energische Haltung eine solche Verwirrung unter den Franzosen, dass diese, obgleich die Deutschen den Kampfplatz in der Nacht räumten , keine Verfolgung einleiteten , sogar nicht einmal die Fühlung behielten ,

sondern

zwei Tage zur Herstellung der

Ordnung brauchten . Diese Thatsache ist um so merkwürdiger, als die Franzosen das Treffen von Villersexel als einen bedeutenden Sieg sofort erkannten und nach allen Richtungen

die Nachricht darüber

telegraphisch verbreiteten, also doch eine Ausnützung des Sieges oder wenigetens die alsbaldige Fortsetzung des Angriffsmarsches geboten . war. Taktisch hatten die Franzosen gesiegt, strategisch die Deutschen, weil diese ihren Zweck, den Schutz des Flankenmarsches , erreichten, überdies Zeit gewannen, die Defensivstellung vor Belfort weiter ungestört einzurichten und zu besetzen. Wäre der Abmarsch von Vesoul erst am 10. erfolgt, so hätten die Spitzen der französischen Armee bereits Athesans, möglicherweise auch schon Lure erreicht, und letztere ihre Ueberlegenheit in vollem Maasse zur Geltung bringen. können . Die gewählte Stellung bei Montbéliard gewährte alle Vortheile, welche von einer solchen zu erwarten sind ; die Nachtheile bestanden hauptsächlich nur in der zu grossen Ausdehnung, so dass blos 1½ Mann

auf den Schritt Frontlänge entfielen

und in der Gefahr

einer Umgehung des rechten Flügels, Nachtheile, welche in Erwägung der geringen Zahl von Angriffspuncten in der Stellung und der natürlichen, fortificatorischen und Armirungs - Stärke derselben,

dann ins-

besondere wegen der Manövrirfähigkeit und Ausdauer der deutschen Truppen keine

ernsten

Besorgnisse

zu erwecken hatten .

wurde zum Schutze gegen eine Umgehung ganz

Ueberdies

zweckmässig

eine

durch Infanterie und Artillerie verstärkte Reiterbrigade vor dem rechten Flügel aufgestellt.

Werder's Anfrage in Versailles,

ob er die

Schlacht gegenüber einem beinahe dreifach überlegenen Gegner annehmen solle, war unter solchen Verhältnissen überflüssig , schmälert

390

Hilleprandt .

aber nicht seinen Ruhm, da er, ehe noch der mit Scharfblick und Klarheit gegebene positive Bescheid eintraf, selbstständig den Kampf aufnahm und mit der reinen Defensivschlacht bei Montbéliard den französischen Operationsplan scheitern machte. Bourbaki's Einleitungen zum Angriffe der feindlichen Stellung führten noch am 15. zeitraubende Verschiebungen hervor. Die Strasse über Ronchamp und Frahier wurde gar keiner Colonne als Marschlinie zugewiesen, hingegen die Division Cremer von Lure auf schlechte Wege durch das 18. Corps hindurch nach Esto ban gewiesen . Ganz richtig beabsichtigte Bourbaki anfangs den Hauptangriff gegen Werder's rechten Flügel ; die gegen den linken Flügel und gegen die Mitte gut demonstrirenden französischen Corps veranlassten Werder seinen rechten Flügel bedeutend zn schwächen und seine Reserven hinter Héricourt bereitzustellen . Zum Angriffe des rechten Flügels gehörte aber der Besitz der Strasse über Frahier. Wären das 15 . und 20. Corps blos zur lebhaften Demonstration verwendet, hingegen 2½ Corps in der Strecke Fra hier- Luze gleichzeitig zum energischen Angriffe gebracht worden, so hätte Bourbaki die günstigsten Bedingungen zur Erreichung des ersten Operationszieles, nämlich der Unterbrechung der Belagerung von Belfort geschaffen ; Frahier ist von letzterem Platze nur 1½ Meilen entfernt ; es bedurfte nur eines kurzen Vorstosses, um das Belagerungs- Corps im Rücken anzugreifen und Werder wäre genöthigt gewesen, seine Hauptkräfte aus der vorbereiteten Stellung wegzuziehen und selbst anzugreifen . Die Franzosen führten jedoch das Gefecht in der dreitägigen Schlacht eigentlich überall nur demonstrativ ; kräftige Artillerie-Vorbereitung, welche jedoch bei der Ueberlegenheit der deutschen Artillerie wenig nützte, dann kurze, vereinzelte, höchstens mit 2 Brigaden unternommene Vorstösse, welche blos in Montbéliard selbst und in Busserel, dann bei Chenebier bis in die eigentliche feindliche Stellung gelangten. Statt insbesondere bei Chenebier den errungenen Vortheil unmittelbar auszunützen, wurde am 16. Abends die Zeit verloren, um eine ganz überflüssige Ablösung der im Gefechte gestandenen Truppen durchzuführen, statt die frische Truppe rasch zur Verfolgung vorzuführen . Der Gegenstoss , welchen die Deutschen noch in der Nacht gegen Chenebier mit 6000 Mann führten , wäre dann auf 40.000 zur gleichzeitigen Verwendung bereits entwickelte Streiter gerichtet gewesen, während diese Masse, bei Chene bier eng concentrirt, am 17. Morgens überdies in Folge von Sorglosigkeit überfallen, erst nach mehreren Stunden , nachdem ein Theil schon verbraucht war, allmälig zum Kampfe gelangte, wieder nur mit vereinzelten Vorstössen wirkte, statt die fache Uebermacht zur Umfassung des Gegners zu gebrauchen.

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871 .

391

Nur die Division Cremer verfolgte am 17. bis Frahier, also bis dahin, von wo am 15. ohne besondere Schwierigkeit der übermächtige Angriff hätte geführt werden können. Am 17. hoffte übrigens Bourbaki mit dem 20. und 24. Corps bei Héricourt die Stellung durchbrechen zu können ; das 24. Corps, schlecht geführt, unterstützte jedoch die theilweise nach Art der Preussen in dichten Schwarmlinien vorgehenden Abtheilungen des 20. Corps ganz ungenügend, so dass nicht weiter Terrain gewonnen wurde und Bourbaki die Schlacht aufgab . Der für 3 Kampftage äusserst geringe Verlust von höchstens 6 Procent beweist am besten,

dass weniger die feindliche Waffen-

wirkung als der niedrige Grad des inneren Gehaltes der Bourbakischen Armee den Misserfolg herbeiführte .

Der noch geringere vier-

procentige Verlust der Deutschen konnte keinen ungünstigen Einfluss auf ihre Ausdauer üben ; sie blieben, einem beinahe dreifach überlegenen Feinde gegenüber,

vollkommen actionsfähig .

Sehr klug war

die Gefechtsführung Werder's darin, dass er bei Busserel und bei Montbéliard, wo das weitere Debouchiren der Franzosen durch überlegenes Feuer gehindert werden konnte,

seine Truppen defensiv

behielt, hingegen auf seiner äussersten Rechten , wo die Gefahr einer Ueberflügelung ernste Folgen haben konnte, das Opfer eines Offensivstosses mit seine Reserve nicht scheute. Die Entschlüsse der deutschen obersten Heeresleitung Ende December, als die widersprechenden Nachrichten über die an der Loire zurückgeworfenen französischen Corps einliefen, waren wirklich musterhaft;

rasch alle

verfügbaren Kräfte auf den fassbaren ,

stehenden Gegner (Chanzy) werfend, beseitigte die Hauptgefahr.

zunächst

erlangte man Gewissheit und

Entschieden und klar waren die am 6. Jänner gegen Bourbaki getroffenen Anordnungen ; die der neugebildeten Süd-Armee, insbesondere den Truppen unter Werder gestellte Aufgabe war indess so schwierig, dass nur bei ungewöhnlichem Selbstvertrauen und bei richtiger Erwägung

des

beiderseitigen Truppen-Werthes

eine günstige

Entscheidung gehofft werden konnte. Die in Montargis und Châtillon sur Seine befindlichen 2 Corps waren übrigens die einzigen verfügbaren Truppen . Ihr Vormarsch durch die Côte d'or brachte Werder schneller Hilfe als eine directe Verstärkung durch einen etwaigen Truppentransport mit Eisenbahn über Epinal . Der kühne Entschluss , Werder allein zur Annahme der Entscheidungsschlacht zu bestimmen, beruhte wohl einestheils auf den zwingenden Umständen, anderseits aber auf dem durch den fünfmonatlichen Siegeszug noch gehobenen Vertrauen,

auf dem Bewusstsein ,

einheitlich geschulte Führer und

392

Hilleprandt.

Soldaten den

consistenzlosen, vielartigen Heereshaufen entgegenzu-

stellen, auf einer kalten Abwägung der beiderseitigen Widerstands-und Stosskraft. Dreifach wog der geschulte Soldat gegenüber dem in einigen Wochen scheinbar ausgebildeten ! Jedoch auch Manteuffel's rascher Durchzug der Côte d'or (9 Meilen mit 2 Corps in 3 Tagen) , sein Entschluss, mit voller Kraft über Vesoul direct Werder Hilfe zu bringen, alles Nebensächliche (die Gefahren, welche von Dijon und Langres in beiden Flanken auf je eine Marschentfernung drohten ), dem einmal erfassten Hauptziele zu unterordnen , dann auf die Nachricht von der glücklichen Entscheidung bei Montbéliard am 18. seine beiden Corps nach Südosten zu führen, um dem Gegner die Rückzugslinie zu verlegen,

endlich die rasche, selbstbewusste, consequente Ausfüh-

rung, welche alle Hindernisse beseitigte,

so dass am 24.

schon die

feindlichen Hauptverbindungen abgeschnitten waren , endlich der kühne Vormarsch im schneebedeckten Jura zur Krönung des Erfolges, verdienen vollste Anerkennung. Immerhin konnten aber alle diese Operationen kaum unternommen werden, wenn ein bewegungs- und gefechtsfähiger Feind gegenüber stand. Ernste Gefahren hätte vom 17. und 18. an ein entschiedenes Vorgehen der Vogesen-Armee in Flanke und Rücken des 2. ArmeeCorps hervorgerufen ; oder wenn schon Garibaldi's 25.000 Streiter sich ferne von den Vogesen hielten und durch die Thätigkeit Kettler's und Knesebeck's paralysirt wurden, welche günstigen Verhältnisse boten sich am 22., 23. und 24. für Bourbaki zu einem Durchbruche über Marnay und St. Vit gegen Auxonne und Dôle,

wenn er-

wogen wird, dass Manteuffel's Hauptkräfte von l'Isle sur Doubs bis Dôle, d. i. auf 12 deutsche Meilen, oder zuletzt von Beaume les Dames bis Mouchard, d. i . auf 9 Meilen ausgedehnt waren ! Merkwürdigerweise hegte auch Bourbaki bis 24. noch die besten Hoffnungen, that aber nichts zur Verwirklichung derselben, sistirte sogar den glücklich begonnenen Vorstoss bei Dannemarie und hielt seinen etwaigen Rückzug über Pontarlier ungefährdet, eine Ansicht, welche nur aus einer kaum denkbaren Sorglosigkeit entspringen und blos bei gänzlicher Unthätigkeit der französischen Reiterei, wie überhaupt bezüglich des Aufklärungsdienstes sich erhalten konnte. Die Katastrophe der französischen Ostarmee wurde

eigentlich

durch den fehlerhaften Gedanken Boubaki's herbeigeführt,

seine

Armee nach dem unglücklichen Ausgange der Schlacht von Montbéliard vorerst nach Besançon führen zu müssen. Dies verlangsamte den ganzen Rückzug (um 9 Meilen zu hinterlegen , brauchte die Armee 7 Tage), gab den Deutschen Zeit zur Umklammerung und zwang die

Die Operationen im südlichen Frankreich im Jänner 1871.

393

Franzosen schliesslich zum Durchzuge des schwierigen Jura. Festungen dürfen eben nur als Stützpuncte für die Operationen betrachtet werden ; sie bieten, richtig angelegt, den Vortheil, den Gegner zu Umwegen , zur Theilung seiner Kräfte zu zwingen, der eigenen Kraft die kürzeren Linien zu sichern ;

dies gewährt aber nur dann Nutzen ,

wenn das

Manöver rechtzeitig durchgeführt wird ; höchst unzweckmässig war es, die zwischen dem Oignon und Doubs ohnedem mit geringer OperationsFront zurückgehende Armee bei Besançon zusammenzuziehen,

und

sie unnütz in ein die Bewegung hemmendes Defilé zu zwängen, während in Folge der am 18. aus Bordeaux zugegangenen Nachrichten ein gleichmässiger Rückmarsch längs des Oignon und Doubs die Armee am 23. in die Linie Dôle - Salins gebracht hätte und höchstens Ein Corps gezwungen worden wäre, östlich auszuweichen . Für die Franzosen war es ein Unglück, dass Werder durch die Sorge für seine Truppen verhindert war, nach der Schlacht von Montbéliard eine kräftige Verfolgung zu führen,

wie dies Manteuffel wünschte ; sie hätten ent-

weder günstige Gefechtsverhältnisse gefunden oder wären zur rechten Zeit in die Gegend südlich Besançon gelangt . Bei den weiteren Operationen vermied Manteuffel sehr richtig in der Zeit vom 25. bis 28. irgend einen Druck auf die Strassen über Ornans und über Etalans zu üben, und sperrte nur allmälig die südlichen weiteren Verbindungen ab ; der Uebertritt in die Schweiz ward so ohne grosse Opfer erzielt ; denn die wenigen Gefechte, in welche sich die Franzosen noch einliessen , wurden ohne Zähigkeit geführt, mit einziger Ausnahme des Defilé- Gefechtes bei La Cluse am 1. Februar ,

wo

das

französische 18. Corps

den Abzug

der Armee

deckte, eine Brigade des 2. preussischen Corps aber übereilt vorging und dadurch unnütze Verluste erlitt.

Ein Vorbild offensiver Thätigkeit wurde die Brigade Kettler, welche während 14 Tagen die 10 Meilen lange Verbindungslinie von Montbard-Châtillon sur Seine bis an die Tille gegen einen mehr als fünffach stärkeren Gegner sicherte und durch ihre kräftigen Vorstösse die sogenannte Vogesen-Armee zur Defensive zwang. Was die in den letzten Tagen des Monats Jänner vom General Hann geführte Unternehmung gegen Dijon betrifft, so wurde sie weniger schwungvoll, als systematisch geführt ; die Basirung auf Dôle und dann die Vorrückung von Süden, wie Manteuffel wünschte , hätte die Garibaldiner ihres flotten Eisenbahn-Rückzuges beraubt, und damit auch wahrscheinlich überhaupt des Rückzuges . Indess erreichte Hann um 2 Tage später ohne Verluste die Besitznahme von Dijon und wollte wahrscheinlich im Hinblicke auf den nahen Waffenstillstand dem Gegner eine goldene Brücke bauen. Ebensowenig als die

394

Hilleprandt. Die Operationen im südl. Frankreich i . J. 1871 .

Garibaldiner erfüllten die Besatzungen der Festungen auf dem Operationsschauplatze

ihren

Zweck ;

an

Zahl

schwächere

Cernirungstruppen

schlossen sowohl Langres , als Auxonne und Besançon ` ein ; Belforts Besatzung führte während der dreitägigen Schlacht von Montbéliard nicht einen kräftigen Ausfall durch ; es fehlte eben wie bei der Armee der auf Wissen und Können beruhende Thatendrang; die Soldaten,

halbe Recruten,

die Officiere in der Mehrzahl

unerfahrene Leute ohne militärische Bildung, die höheren Führer, theils ebenso, theils egoistisch, theils ohne Kraft. Wird dazu noch der Einfluss des Kriegsministeriums in Betracht gezogen, dessen Maassnahmen die Autorität oft schwächten, kriegsunkundige Elemente einmengen liessen und vielfache Störungen verursachten, so wird das Misslingen der im Raume und in der Zeit verfehlten Operationen umsomehr begründet, während deutscherseits klare Entschlüsse auf dem fruchtbaren Boden des Wissens reiften , allseitig verständige Aufnahme fanden und so zu der lange Friedensarbeit vorzubereitenden bewussten That" wurden. Jänner 1874.

aber

nur mühselig durch

den Sieg

verbürgenden

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757 ') . Von Rittmeister Victor Ritter von Pokorny, Generalstabs - Officier. (Hiezu Tafel VII. ) Benützte Quellen : Acten des k. k. Kriegsarchives. - Werk des preussischen Generalstabes über den siebenjährigen Krieg. Oesterreichische MiliGriesheim's Taktik. Die grossen Särische Zeitschrift. - Gfrörer's Geschichte . Cavalerie-Angriffe in den Schlachten Friedrichs und Napoleons. " II. Wenn ich die Ereignisse,

welche im Jahre

1757 dem Zuge

Hadik's nach Berlin vorangingen, kurz skizzire, so werden sie sich wie folgt darstellen : Im April eröffnete der König von Preussen den Feldzug, indem er mit seiner Armee nach Böhmen vordrang, und Anfangs Mai vor Prag anlangte. Am 6. Mai fand die Schlacht von Prag statt, in welcher die Oesterreicher unter dem Herzog Carl von Lothringen und Feldnarschall Browne nach zwölfstündigem, furchtbarem Kampfe geschlagen wurden und sich mit 40.000 Mann nach Prag warfen , während 14.000 Mann sich zum Heere Daun's schlugen, der mit 29.000 Mann bei Kolin stand . Hierauf folgte die Belagerung von Prag,

die König Friedrich

mit 76.000 Mann betrieb, während der Prinz August von Braunschweig - Bevern durch Beziehen eines festen Lagers bei Planian mit 16.000 Mann den Feldmarschall Daun von dem Marsche nach Prag abzuhalten suchte. Als Daun Vorbereitungen zum Angriffe der Preussen bei Planian traf, rückte König Friedrich mit 34.000 Mann zur Unterstützung herbei, während 40.000 Mann vor Prag stehen blieben . Am 18. Juni 1757 wurden die Preussen nach heftigem Kampfe mit einem Verluste von 14.000 Mann, 326 Officieren, 22 Fahnen, 45 Geschützen bei Kolin geschlagen. Es war dies die erste Niederlage der Preussen , die den bisherigen Glauben an des Königs Unüberwindbarkeit zerstörte .

1) Vortrage . gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine im Winter 1873-74. Siehe S. 253 dieses Bandes, wobei im Titel der Druckfehler 1759“ statt „ 1757“ zu berichtigen wäre . 28 Organ des Wiener militar-wissenschaftlichen Vereines. VIII, Band, 1874.

396

Pokorny. Der Sieg von Kolin wurde fast gar nicht ausgenützt. Am 26. Juni hob Friedrich die Belagerung von Prag auf,

und führte das Belagerungs-Heer nach Leitmeritz . Die bei Kolin geschlagenen Truppen bezogen unter dem Befehle des Prinzen Moriz von Anhalt - Dessau ein Lager bei Jungbunzlau . Erst am 26. Juni, 8 Tage nach der Schlacht von Kolin, erfolgte die Vereinigung der Armee Daun's mit der des Herzogs Carl von Lothringen , die bis zum 20. in Prag eingeschlossen gewesen war. Nur die leichten Truppen der Oesterreicher hatten während dieser Unthätigkeit der österreichischen Heere nicht gefeiert. Zwei Abtheilungen verfolgten den abziehenden Feind und beunruhigten Flanken und Rücken desselben ; die eine, unter Commando des Banus von Kroatien General Graf Nádasdy, unterbrach die Verbindung zwischen den acht Meilen von einander entfernten Heeren des Prinzen von Preussen bei Jungbunzlau

(der inzwischen den Ober-

befehl übernommen hatte) und des Königs, der bei Leitmeritz stand . Die zweite Abtheilung warf sich in den Rücken des vom Könige befehligten Heeres, überfiel, unweit Aussig bei Welemin, eine preussische Colonne, die auf dem Wege nach Dresden war, bei welcher sich der bei Kolin verwundete General Mannstein befand , und machte deren grössten Theil zu Gefangenen. Der Mann, der diese Abtheilung befehligte, hiess Gideon Ernst Laudon , war damals Oberst, hatte aber schon in dieser Charge das Renommée, dass der Vorpostenkrieg nur unter ihm erlernt werden könne . Am 1. Juli rückten die nun vereinigten Heere unter dem tagweise wechselnden Oberbefehle Carl's von Lothringen und Daun's über Jungbunzlau nach Münchengrätz

vor ; der Prinz

von Preussen

zog sich nach Böhmisch-Leipa zurück. Neues Zögern, Spaltung und Eifersucht im österreichischen Oberbefehle. Endlich dringt Daun's Meinung durch ; das bereits gegen Schlesien auf Liebenau marschirende Heer der Oesterreicher erhält Gegenbefehl, kehrt um und rückt gegen Zittau ; von dort aus wird eine Abtheilung unter General Maquire gegen Gabel detachirt, welche den General Putkammer mit 2000 Mann und 7 Kanonen nach mannhafter Gegenwehr gefangen nimmt. Der Prinz von Preussen zieht sich, durch die leichten Truppen der Oesterreicher unausgesetzt verfolgt, nach Zittau zurück, doch auch von dort wird er unter fortwährenden Verlusten vertrieben und eilt mit dem Heere nach Bautzen, wo er sich mit der Armee des Königs vereinigt, nachdem er nahezu 10.000 Mann verloren hatte.

397

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

Wieder blieb das österreichische Heer, ohne die günstige Situation auszunützen , auf dem Ekartsberge bei Zittau stehen . Friedrich II. rückte nun selbst zum Angriffe vor ; vermochte aber nicht, die Oesterreicher aus ihrer festen Stellung am Ekartsberge zu locken . Auf die Nachricht von der Niederlage des Herzogs von Cumberland bei Hastenbeck, welch' letztere die Besetzung Braunschweig's und Hannover's durch die Truppen Richelieu's zur Folge hatte, folgte jene von dem Anmarsche der vereinigten Reichs- und französischen Armee unter dem Prinzen von Hildburgshausen und Marschall Soubise gegen Sachsen . König Friedrich II . zieht am 25. August mit 18 Bataillonen und 30 Escadronen gegen Dresden , 70 Escadronen 56.000 Mann -

während er 40 Bataillone und unter des Herzog von Bevern

und des General Winterfeld Befehl gegen die österreichische Armee stehen lässt. Am 7. September greift General Nádasdy die Stellung Winterfeld's am Holzberge an, schlägt den Feind, der 1200 Mann und den General Winterfeld verliert, während der Herzog von Bevern sein Lager abbricht und gegen Schlesien zieht . Prinz Carl von Lothringen und Marschall Daun rücken ihm dahin langsam nach, während der Feldzeugmeister Baron Marschall zum Schutze der Lausitz und zum Zwecke einer eventuellen Vereinigung mit

der

Reichs- und französischen Armee mit circa

14.000 Mann bei Bautzen zurückgelassen wird. Am 7. September dringen die Russen, nachdem sie den Feld-

marschall Lehwald hei Grossjägerndorf geschlagen haben, in Ostpreussen ein, während die Schweden von Stralsund aus in das brandenburgische Pommern einrücken . König Friedrich geht dann gegen die Reichs- und französische Armee bis Gotha vor, drängt den Feind zurück und

zieht gegen

Leipzig. General Seidlitz bezieht mit 15 Escadronen zwischen Gotha und Erfurt die Vorposten. Die Vertheilung der Streitkräfte zur Zeit als Hadik seinen Zug nach Berlin begann, war folgende : Der König stand am 12. October bei von Dessau bei Weissenfels .

Leipzig,

Prinz

Moriz

Die Reichs- und französische Armee stand bei Eisenach und Gotha . Der Herzog von Bevern stand bei Liegnitz und war durch die vortheilhafte Aufstellung des Herzogs Carl von Lothringen zwischen Nicolstadt und Greibing, von Breslau , schlesien abgeschnitten .

Schweidnitz und ganz Ober-

28*

398

Pokorny.

Feldzeugmeister Nádasdy hatte mit der Belagerung von Schweidnitz begonnen . Jetzt war der Moment gekommen,

wo die seit Langem vom

Herzog Carl von Lothringen geplante Unternehmung gegen Berlin ausgeführt werden sollte. Ich werde vorerst nur in scharfen Umrissen den Hin- und Rückmarsch Hadik's skizziren und sodann die Dispositionen , die

dieser

General zur Sicherung seiner Unternehmung traf, im Detail besprechen.

usführung des Marsches nach Berlin. Feldmarschall - Lieutenant Hadik begann am 11. October

mit

folgenden Truppen von Elsterwerda seinen Marsch gegen Berlin : 900 Mann deutscher Infanterie, Grenzern, 1100 77

800

"

Huszaren, deutscher Cavalerie;

760

77 ausserdem nahm er zwei Falkaunen und zwei Regiments - Stücke sich und marschirte an diesem Tage bis Dobrilugk (2

mit

Meilen ) .

Zur Sicherung seines Marsches hatte er den General Kleefeldt mit über 1000 Mann Fusstruppen und ungefähr 500 Reitern zurückgelassen. welche die Gegend an der Röder und schwarzen Elster von Herzberg bis Grossenhayn zu beobachten, sowohl den Feldmarschall-Lieutenant Hadik als den Feldzeugmeister Baron

Marschall von jeder

Be-

wegung des Feindes zu benachrichtigen hatten und angewiesen waren , sich im Falle eines überlegenen Angriffes auf Senftenberg zurückzuziehen. Ausserdem erhielt Oberst Losy den Befehl, mit 1099 Grenzern und 800 Huszaren die Elbe von Meissen bis Schandau zu beobachten . Hundert der bestberittenen Huszaren bestimmte er zur Besorgung seines schriftlichen Verkehrs mit dem Feldzeugmeister Baron Marschall und dem General Kleefeldt. Am 12. October marschirte Hadik bis Luckau , 3 , Meilen : von hier aus detachirte er den Obersten Ujházy mit 300 Huszaren, um zur Deckung der linken Flanke des Gros, in gleicher Höhe mit demselben über Golsen und Baruth nach Mittenwalde zu gehen . Am

13.

ging Feldmarschall - Lieutenant Hadik bis

24 Meilen , und traf dort zur Täuschung des Gegners

Lübben ,

solche Vor-

kehrungen, als wolle er längs des rechten Spree-Ufer einen Cordon gegen Frankfurt a . d. Oder ziehen . Am 14. rückte er vor Tagesanbruch am linken Spree-Ufer auf dem kürzesten Wege gegen Berlin und erreichte an diesem Tage Buchholz (3 Meilen).

399

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

Vor seinem Aufbruche hatte er eine Huszaren-Abtheilung nach Beeskow detachirt, um sich der Spree- Brücke zu bemächtigen , die er auf seinem Rückmarsche zu benützen gedachte ; diese Abtheilung hatte auch den Auftrag gegen die Oder hin zu recognosciren .

Am 15.

rückte Hadik bis vor Wusterhausen , am 16. gegen

Mittag langte er vor dem schlesischen Thore der Stadt Berlin unbemerkt an und postirte sich bei dem Ausgange des grossen königlichen Waldes, auch Bergheide genannt, so vortheilhaft, dass er ganz nahe bei dem Thore und der Spree-Brücke stand, seine Stärke aber dennoch nicht entdeckt werden konnte. In dieser Absicht hatte er sich schon von Wusterhausen ostwärts gewendet, war der Ebene,

durch welche die Strasse führt, ausgewichen und durch die Alleen des königlichen Waldes hart an das Thor gekommen .

Oberst Ujházy hatte den Befehl erhalten sich westwärts gegen die Postdamer Strasse zu halten und von jener Seite die Stadt zu allarmiren .

Einnahme von Berlin. Ich glaube die näheren Umstände bei der Einnahme von Berlin nicht besser zum Ausdrucke bringen zu können. als indem ich den Wortlaut der Original-Relation Hadik's wiedergebe : „ Ich schickte sogleich einen Trompeter zu dem Magistrat mit einer Brandsteuerforderung von 300.000 Reichsthaler, verlangte dabei vor Ablauf einer Stunde vier Abgeordnete und bedrohte im Unterbleibungsfalle, gleich nach Verlauf dieser Zeit die Stadt zu beschiessen , und alle Zwangsmittel zu

ergreifen,

zu welchen

die Waffen durch

den Krieg und billige Repressalien berechtigt wären . Weil nun der Trompeter über anderthalb Stunden mit der Antwort, dass das diesseitige Ansinnen dem Gouverneur so sich in der Stadt befinde, beigebracht werden musste,

vorsätzlich zurück- , und

mein ausgesetzter Termin nicht gehalten worden , so bin ich ohne weiteren Verzug folgendermassen zum Angriffe geschritten : Der Oberst der Slavonier Freiherr von Ried führte die Avantgarde,

welche

aus

150 Freiwilligen der Gradiscaner und Szluiner

Grenz-Compagnie nebst zwei Feldstücken und aus den übrigen Croaten bestand. Nach diesem marschirte der Oberst Fürst von Sulkowsky mit zwei Bataillon commandirter deutscher Infanterie nebst zwei Falkonets , welche zur Unterstützung der ersteren ausser dem Graben, der von dem Thore ungefähr 500 Schritte entfernt ist, postiret worden.

400

Pokorny. Die Huszaren standen unter Anführung der General-Majore von

Baboczay und Mitrowsky nebst der deutschen Reiterei unter dem Oberst Graf Gourcy auf einer kleinen Ebene hinter der deutschen Infanterie in zwei Linien etwas links gezogen, um , wenn das Fussvolk zurückgetrieben würde, dem Feinde in die Flanke zu fallen . Der Feind hatte die

Spree - Brücke

mit ungefähr

300 Mann

besetzt und die Aufzugbrücke in der Mitte aufgezogen , das schlesische Thor gesperrt und hinter demselben ein starkes Piquet gesetzt. Ich liess demnach durch die Freiwilligen die nächsten Häuser besetzen, zugleich die zwei Grenadier - Compagnien an die Brücke rücken und auf den Feind feuern. Die zwei Feldstücke habe ich an das Ufer gesetzt und befohlen , nicht allein auf die Truppen, brücke zu feuern .

sondern auch auf die Kette der Zug-

Die zwei Falkonets agirten gegen das Thor ; es hatten auch die ersten unter Anführung des alten Feuerwerkers Thum die Geschicklichkeit mit dem dritten Schuss die Kette entzwei zu schiessen, worauf die Brücke gefallen, und die Grenadiers mit aufgestecktem Bajonnete auf den Feind eingedrungen, welcher in grösster Unordnung die Brücke und jenseitige Vorstadt mit Verlust von 14 Todten verlassen hat. Inzwischen wurde das schlesische Thor durch die Falkonets und das Kleingewehr auch eingeschossen, und ich rückte mit 700 Croaten , 300 Huszaren und 400 deutschen Pferden durch das Thor in den Umfang der Stadt, und stellte mich auf dem kleinen Felde, so zwischen der Stadt und den Gärten liegt .

Das deutsche Fussvolk ward nebst

der übrigen Reiterei vor dem Thore zur Reserve gelassen und Grenadier-Compagnie nebst 200 Fusiliers von den Croaten auf die Spree-Brücke gesetzt.

eine

über und

Ich rückte demnach von innen gegen das sogenannte CottbuserThor, wobei ungefähr 300 Mann standen , um mich desselben gleichfalls zu bemeistern. Der Commandant, General- Lieutenant von Rochow, liess bei so bewandten Umständen zwei nicht vollzählige Bataillone anrücken, welche sich mir längs der Mauer näherten . Da ich sie aber auf dem Orte sah, wo ich sie haben wollte , so liess ich dieselben durch die Huszaren unter den beiden Obersten Comaroni von meinem, und Orczy von Jaziger und Cumaner Regiment, dann durch die Reiterei mit dem Säbel in der Faust in vollem Galop angreifen , und durch den Oberst Baron von Ried mit den Croaten mit aufgepflanztem Bajonnete längs der Mauer in der Flanke attaquiren .

Unerachtet des starken Gegenfeuers drang Alles

zugleich so glücklich ein, dass nicht ein Einziger entronnen, Alles todt-

401

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757 .

geschossen, niedergehauen oder gefangen und anbei 6 Fahnen erobert worden.

Die bei dem Cottbuser-Thore hinter den ersten in Reserve gestandenen 3-400 Mann ergriffen hierauf die Flucht,

wurden aber durch die

Reiterei eingeholt und ausser wenigen , die sich retten konnten , alle gefangen oder niedergehauen . Da mir nun viele Umstände im Wege gelegen, in eine so grosse weitläufige

und

bevölkerte

Stadt ,

welche

zu

dato

meine

Völker

15.000 Mann stark geschätzt hatte, mit so wenig Mannschaft in der Ungewissheit was etwa noch darinnen sein möchte, und besorgender Plünderung und Feuer so schlechterdings einzurücken , so schickte ich den Rittmeister Baron Walterskirchen von Altmodena nebst einem Trompeter zum Präsidenten mit der letzten Erklärung,

dass ,

da ich bereits von der diesseitigen Stadt Meister wäre , der Magistrat die Milde, welche Ihre k. k. Majestät auch bewaffnet beizubehalten gewohnt seien, nicht missbrauchen, sondern sich alsogleich unterwerfen und vor der über ihrem Haupte schwebenden äussersten Gefahr nunmehr, da ich ihren Ungehorsam gezwungen mit 500.000 Reichsthaler Contribution und 100.000 Reichsthaler zur Befriedigung der Truppen, welchen nach Kriegsgebrauch die Plünderung werden sollte , ablösen solle. Inzwischen verliess die Königin ,

der Stadt freigelassen

so mit Thränen in den Wagen

gestiegen, nebst dem Gouverneur und der übrigen Besatzung die Residenz, eilte nach Spandau, und letzterer schickte den Platzmajor mit dem Vermelden zu mir, dass er die Stadt bereits geräumt und meiner Discretion überlassen habe. In einer kleinen Weile erschien der Syndicus mit zwei Abgeordneten des Rathes und erklärte, dass sich der Magistrat nebst der ganzen Bürgerschaft zu Füssen lege, Barmherzigkeit anflehe und sich . zur Brandsteuer, so viel ihr gegenwärtig misslicher Umstand zuliesse , ganz willig verstehen wolle. Die Stadt erlegte auch in Zeit von acht Stunden 185.000 Thaler, welche durch den Bürgermeister selber nebst zwei Abgeordneten herausgebracht worden. " Der Verlust der Oesterreicher betrug bei diesem Angriffe an Todten 9 Mann,

worunter General Babocza y , der bei der Attaque

durch die Brust geschossen wurde,

und

28 Verwundete ;

dagegen

sind bei dieser Expedition 426 Mann vom Feinde gefangen worden, worunter 1 Oberstlieutenant, 1 Major und 11 Oberofficiere ; ausserdem wurden 6 Fahnen erobert.

402

Pokorny.

Rückmarsch. Hadik hatte am 17. , wahrscheinlich durch das von der Seitencolonne Ujházy's nach Treuenbrietzen detachirte Commando 50 Huszaren unter einem Rittmeister Nachricht von dem Anmarsche des Prinzen Moriz erhalten. Derselbe hatte diesen Nachrichten

zufolge mit vier Infanterie-

Regimentern, zwei Dragoner- und einem Huszaren - Regimente am 15. die Elbe bei Torgan passirt und

war in foreirten Märschen gegen

Berlin im Anzuge, ihm sollte der König mit dem Gros nachfolgen . Hadik brach noch am 17. Nachts von Berlin auf und marschirte bis Storkow (6 Meilen ) . Wenige Stunden nach seinem Abzuge rückte die Avantgarde des Prinzen Moriz - Seidlitz- Huszaren in Berlin ein. Am andern Morgen schickte Prinz Moriz dieses Regiment sogleich bis Köpenick nach, allein Hadik hatte durch den starken Marsch bereits einen bedeutenden Vorsprung. Oberst Ujházy deckte auf dem

Rückmarsche nun Hadik's

rechte Flanke und ging in gleicher Höhe mit dem Gros über Wusterhausen, Lübben, Kalau, Senftenberg zurück. Von Storkow aus liess der Feldmarschall - Lieutenant durch ein Detachement die Giessöfen bei Neu - Schadow zerstören, über 1000 Geschütz -Projectile, dann 25 messingene Formen zum Kugelgiessen nach Lübben transportiren und über 2000 Bomben in's Wasser werfen . Ein zweites Detachement sandte er von Storkow über Fürstenwalde nach Frankfurt, um diese Stadt und die ganze Umgegend in Contribution zu setzen und sich dann bei Lieberose wieder mit der Hauptcolonne zu vereinigen. Am 19. marschirte Hadik über Beeskow, wo er wenige Stunden rastete, nach Lieberose, wo sich das nach Frankfurt gesendete Detachement, welches 30.000 Thaler erhoben hatte, wieder mit ihm vereinigte. Am 20. rückte Feldmarschall-Lieutenant Hadik nach Kottbus : hier wollte er den sehr ermüdeten Truppen einen Rasttag gönnen. Inzwischen erhielt er aber die Meldung, dass der König am 18. mit ungefähr 16.000 Mann bei Jörgau eingetroffen sei und sogleich 10 Escadronen und 4 Bataillone über die Elbe gesetzt hatte, um ihm in die Flanke zu fallen ¹ ).

Hadik zog daher noch am 20. bis Spremberg, wo die Truppen am 21. rasteten und am 22. nach Hoyerswerda rückten , wodurch die Verbindung mit den Truppen des Marschallischen Corps erreicht wurde. ¹ ) Die Märsche der preussischen Truppen sind auf der Skizze ( Tafel VII ) detaillirt angegeben .

403

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

Von dem Detachement des Obersten Ujházy waren 20 Mann abgefangen worden ; dasselbe Schicksal hatte auch das bei Treuenbrietzen postirte Detachement ereilt, das voraussichtlich im Begriffe sich mit der Hauptcolonne zu vereinigen, von den Truppen des Prinzen Moriz gefangen wurde. Die unter dem General Kleefeldt gestandenen Truppen hatten sich auf Senftenberg zurückgezogen .

Kritische Betrachtungen. Wenn wir den Zug Hadik's nach Berlin im grossen Ganzen und in seiner Vorbereitung und Durchführung

betrachten;

so

stellt

sich uns derselbe als Muster ähnlicher Unternehmungen dar. Die von manchen beliebte Ansicht, ihn als blossen „ Huszarenstreich" hinzustellen, wird bei halbwegs genauer Kenntniss der Verhältnisse gänzlich unhaltbar . Der Zug Hadik's war Monate vorher projectirt gewesen und wurde von langer Hand vorbereitet. Schon am 2. August schreibt der Kaiser an den Herzog Carl von Lothringen : „ Wenn man es für zuträglich halte, einen von den Generalen , die den leichten Truppen vorstehen, bis in das Brandenburgische zu detachiren und da Contributionen einzutreiben “ etc. Der Herzog Carl von Lothringen hatte, wie es scheint, schon damals den Feldmarschall - Lieutenant Hadik zum Commandanten ausersehen

wenigstens deutet der Umstand darauf hin, dass Hadik bei

dem Abmarsche der Haupt-Armee nach Schlesien, in der Gegend von Bautzen beim Corps Marschall zurückblieb . Als Hadik von seiner Mission verständigt war,

liess er von

Radeburg aus kleine Abtheilungen bis in's Brandenburgische streifenum die Wege gegen Berlin genau zu recognosciren . Hadik musste auf Befehl des Herzogs von Lothringen einen Entwurf zu dieser Expedition ausarbeiten, den er am 11. September an den Herzog sandte. Die volle Wiedergabe desselben würde zu viel Raum in Anspruch nehmen und kann um so leichter unterbleiben , zum Theile zur Ausführung gelangte.

als der Entwurf nur

Diejenigen Puncte aber, die von speciellem Interesse Ausführung sind, will ich hier erwähnen .

für die

Die Truppen, die Hadik zur Ausführung des Zuges verlangte, sollten in 1200 Mann deutscher Infanterie, 2300 Croaten, "9 deutscher Cavalerie und 1000 27 1600

"7

Huszaren bestehen.

404

Pokorny. Er wollte zwei grosse Colonnen bilden ;

eine sollte längs der

Elbe fortziehen und ihn gegen die in den dortigen Festungen und weiter westlich stehenden Preussen decken , die zweite wollte er auf dem kürzesten Wege nach Berlin selbst führen. Dass die Abänderung in dem Sinne erfolgte, dass General Kleefeldt mit der früher erwähnten Truppenzahl die gefährlichste Strecke von Herzberg bis Grossenhayn und Oberst Losy jene von Schandau bis Meissen bewachte gereichte dem Unternehmen nur zum Gewinn. Eine starke längs der Elbe fortziehende Colonne hätte die Aufmerksamkeit der preussischen Truppen sofort erregt, und wäre möglicherweise ein Grund zum Misslingen des Unternehmens

oder doch

zu grösseren Verlusten gewesen . Die Maassregeln , welche Hadik zur Sicherung des Zuges im Allgemeinen traf, waren : Geheimhaltung desselben, genaue Beobachtung des Feindes durch zurückgelassene Abtheilungen ― Kleefeldt und Oberst Losy - und Vorkehrungen , welche die rasche Vermittlung der Nachrichten vom Feinde ermöglichten . Die guten Dispositionen Hadik's in dieser Beziehung lassen sich wohl am Besten aus dem Berichte entnehmen, den er am 11. October vor seinem Aufbruch nach Berlin an den Herzog Carl von Lothringen sendet. Allhier bleibet der Herr General von Kleefeldt mit ungefähr 1100 Mann Croaten, 240 Mann deutscher Infanterie, 160 deutschen Pferden, 310 Huszaren . Mit dieser Mannschaft besetzet derselbe die Schwarz - Elster und Röder von Herzberg bis Grossenhayn und ist unter anderen Observations -Puncten dahin belehret, dass im Fall der Feind mit einer überlegenen Macht ihn zu weichen nöthigte , er sich gegen Königsbrück zu halten und die grosse Strasse über Camenz (gleichwie der Herr Obrister von Losy jene von Dresden solle ; seine Rapporte hingegen

über Bischofswerda) bedecken

von den geringsten

feindlichen Be-

wegungen per Estaffete und auch per Courier auf das Eilfertigste an Seine Excellenz den Herrn Feldzeugmeister Baron von Marschall abzustatten - damit von allen zeitliche Kundschaften einlangen mögen , die ihm an die Hand gegebenen Vertrauten stets bei Leipzig herum , ja wohl auch einen bescheidenen Officier mit wohl berittener Mannschaft zwischen Wurzen und Eulenburg zu halten habe. Die kleine Festung Senftenberg habe ich mit 80 Croaten besetzet und ein kleines Magazin aus dem Cottbus'sischen dahin angetragen , inmassen aus der Lausitz die benöthigte Subsistenz fast nicht möglich mehr aufzubringen . Der Officier, den ich zu des Prinzen von Hildburgshausen Durchlaucht abgesendet, ist noch nicht angekommen, wird

405

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757. aber gleich nach seiner Ankunft seine Reise Hoheit continuiren .

zu Euer königlichen.

Heut gehet mein Marsch bis Dobrilugk, morgen bis Luckau und sodann vermög Umständen dergestalten , dass wo es möglich, den 15 . bei Berlin eintreffen könne; ich werde hierbei alle Vorsicht gebrauchen , um mich durch langen Aufenthalt nicht abschneiden zu lassen, daher nicht allein von Station zu Station Ordonnanzen zurücklassen , sondern auch die Posten dergestallt bestellen, dass ich durch den Herrn General von Kleefeldt von allen Bewegungen auch per Estaffete und Courier avertirt werden könne. "

In diesem Berichte ist sowohl auf Sicherung des eigenen Marsches als auch

auf Erhaltung

der Verbindung

mit

den

Beobachtungs-

truppen , auf die Art des Kundschaftsdienstes , auf Einrichtung von Ordonnanzcursen und Sicherstellung der Verpflegung vorgesorgt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Detachirung des Obersten Ujházy mit 300 Huszaren in die linke Flanke von Luckau aus ; dieselbe wird, wie man sieht, erst in dem Augenblicke bewerkstelligt, wo die linke Flanke Hadik's durch das Vorrücken gegen Norden. empfindlich zu werden beginnt. Diese Abtheilung dient nicht nur zum directen Schutze der Flanke, sondern ist zugleich ein Bindeglied für die Meldungen Kleefeldt's . Von überraschender Kühnheit, aber auch eminentem Nutzen ist die Detachirung eines Rittmeisters mit 50 Huszaren nach Treuenbrietzen also auf eine Entfernung von 10 Meilen von der Hauptcolonne . Dieser Posten steht auf der kürzesten Verbindung zwischen Berlin und den preussischen Truppen bei Leipzig , kann die auf dieser Strasse verkehrenden Couriere abfangen und ist am frühesten in der Lage, der Haupttruppe Nachrichten geben, falls dieser unbemerkt schehen wäre .

vom Anmarsche des Feindes

zu

von den Truppen Kleefeldt's ge-

Den Befehl an Ujházy, den letzten Marsch gegen Berlin auf der Potsdamer Strasse auszuführen , kann man nur als eine sehr gelungene Maassregel zur Täuschung des Gegners ansehen , die ihren Zweck auch vollkommen erfüllte . DieVorsichtsmaassregeln der Oesterreicher in den einzelnen Stationen zur Geheimhaltung ihres Marsches, scheinen in der That sehr gut durchgeführt worden zu sein , denn nach Berlin war nur ein unbestimmtes Gerücht von Streifungen österreichischer Cavalerie - Abtheilungen gedrungen, weshalb General- Lieutenant Rochow als Sicherheitsmaassregel die Thorwachen verdoppeln liess.

einzige

406

Pokorny. Für den Kampf um das schlesische Thor der Stadt Berlin sind .

die Dispositionen Hadik's ebenfalls mustergiltig . Er kömmt hier allen Anforderungen nach, welche die Theorie und die Kriegserfahrung an solche Unternehmungen stellt. Bei seiner Ankunft am nordwestlichen Rande des königlichen Waldes,

Bergheide " genannt, lässt er den Feind

über seine Stärke

im Ungewissen, indem er nur demonstrativ Abtheilungen aller Waffen über die Lisière vorschiebt, während der Rest im Walde verborgen bleibt, damit die Stärke seiner Truppen nicht entdeckt werde . Von besonderem Interesse ist der Angriff, den Hadik innerhalb der Ringmauer auf die beiden preussischen Bataillone und die Benicht sowohl satzung des Cottbuser-Thores ausführt ; interessant wegen der mit allem Elan ausgeführten, gelungenen Attaque, sondern auch wegen des Umstandes, dass er seine Reiterei in vollem Galop an die Infanterie heranführte. Es ist nämlich wiederholt behauptet worden , dass die österreichische Cavalerie des 7jährigen Krieges vor der Attaque feuerte und dann dem Gegner nur eine kurze Strecke im Trabe entgegenging . (So sagt dies z . B. das preussische Generalstabswerk über den 7jährigen Krieg in seinem ersten Bande, Seite 40. ) Es ist nun nicht vorauszusetzen , dass Hadik bei seinen CavalerieAbtheilungen, die aus deutscher Reiterei und Huszaren bestanden , eine andere

als

die

allgemein

übliche

Angriffsart

der

österreichischen

Cavalerie hatte, und somit dürfte das einen kleinen Beleg für die Unrichtigkeit der früher erwähnten Ansicht bilden. Der Angriff der Croaten gegen die rechte Flanke der preussischen Infanterie, gleichzeitig mit dem Frontal- Angriff der österreichischen Cavalerie unternommen, zeigt ebenfalls von den guten Dispositionen Hadik's. Besondere

Anerkennung verdient der Umstand ,

seinen Truppen nicht die Plünderung gestattete,

dass

Hadik

wie dies nach dem

Kriegsgebrauche jener Zeit ihr volles Recht gewesen wäre ,

sondern

dass er die müden und hungrigen Truppen in strammer Mannszucht beisammen hielt und dass er als Entschädigung

100.000 Thaler zur

Befriedigung derselben verlangte. Ich glaube dem General Hadik nicht Unrecht zu thun, wenn ich annehme, dass er dies nicht aus besonderer Humanität , sondern aus dem Grunde that, weil er die Truppen damit gänzlich aus der Hand gegeben hätte und doch nicht wissen konnte, ob er in der grossen volkreichen Stadt nicht doch noch bewaffneten Abtheilungen begegnen würde. So sagt Hadik in seiner Original - Relation, ""nichtsdestoweniger

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

waren in dem Schloss , wie die Deserteurs gleichförmig

407

ausgesaget,

1200 Mann bewaffnete Recruten verborgen. " Es konnte dies allerdings auch nur eine Finte sein. Der Zeitpunct, in dem Hadik seinen Rückzug antrat, ward durch die Meldungen bestimmt, die er vom Heranrücken des Gegners erhielt : länger konnte er nicht bleiben, ohne den Rückzug zu gefährden, früher wollte er nicht gehen, da die Truppen der Erholung dringend bedurften. Der Wechsel der Marschlinie für den Rückweg , der bei solchen Zügen immer anzurathen ist, war in diesem Falle sogar geboten , da vorherzusehen war, dass die feindlichen Truppen sich zuerst auf diese Strasse werfen würden . Der erste, 6 Meilen betragende Marsch nach Storkow war vollkommen gerechtfertigt, und erwies sich auch als nöthig , da sonst die Truppen des Prinzen Moriz von Dessau ihm gefährlich werden. konnten, wie dies ja bei der Abtheilung Fall war.

Ujházy's

factisch der

Es dürfte hier am Platze sein, der Zerstörung des Eisengusswerkes Neu- Schadow a . d. Spree näher zu erwähnen , da in einigen Darstellungen dieses Zuges, so der des k. k. Rittmeisters Thielen im Jahrgange 1835 der österreichischen militärischen Zeitschrift, der Zeitpunct für die Zerstörung des Eisengusswerkes auf den 14. October, also auf den Hinmarsch, verlegt wird, während Hadik in dem Berichte . den er am 18. October auf dem Rückmarsche von Storkow an den Herzog Carl von Lothringen richtet, folgendes sagt :

„ Zu Schadow an der Spree habe ich die Guss - Oefen nebst den Maschinen völlig ruiniren , kugeln ,

dann

223 Bomben, 798 Haubitzen ,

190 Stück-

25 messingene Formen zum Stückkugelgiessen nach

Lübben transportiren lassen . Es sind wirklich noch allda über 2000 Bomben ausser vielen unbrauchbaren Haubitzen , welche ich morgen, weil sie nicht. fortzubringen, in das Wasser werde werfen lassen. " In der Relation , die Hadik von Luckau am 13. October an den Herzog Carl von Lothringen richtet, sagt er allerdings , dass er morgen die Giessöfen des Königs in Preussen bei Schadow a. d. Spree ruiniren zu lassen Willens sei. Es ist nun ganz gut möglich, dass Hadik im Hinmarsche ein Detachement zur Zerstörung der Giesserei bestimmte, dieses aber mit

seiner Arbeit nicht fertig wurde und er deshalb auf dem Rückmarsche das Zerstörungswerk vollenden liess . Die Detachirung einer Abtheilung nach Schadow , mag sie nun auf dem Hin- oder Rückmarsche erfolgt sein, ist wegen der Wichtig-

408

Pokorny.

keit des Objectes und mit Bezug auf die der Marschrichtung günstige Lage des Ortes gerechtfertigt. Ein Anderes ist es mit dem Detachement, das von Storkow über Fürstenwalde nach Frankfurt a. d. Oder gesendet wurde ;

für dieses

war die Gefahr allerdings vorhanden , vor seiner Vereinigung mit der Haupttruppe, von den Truppen des Prinzen Moriz oder des Königs abgefangen zu werden. Der starke Marsch von Storkow über Beeskow nach Lieberose war ebenso durch die Rücksicht auf die Sicherung des Rückzuges geboten , wie die Unterlassung des Entschlusses, den abgehetzten Truppen in Cottbus einen Rasttag zu gönnen . Von der Ruhe und Sicherheit, die Hadik während des ganzen Zuges bewahrte, geben seine Berichte an den

Herzog

Carl

von

Lothringen, die er aus jeder Marschstation an denselben sendete , beredtes Zeugniss . Was die Marschleistungen der Oesterreicher anbelangt, so zeigen dieselben die bedeutende Ausdauer und Kriegsgewohnheit der österreichischen Truppen, besonders aber der Fusstruppen . Während Hadik auf dem Hinmarsche, soweit es die Umstände gestatten, mit den Kräften seiner Truppe Haus hält, und die Märsche zwischen 2 und 4 Meilen schwanken, hinterlegt er auf dem Rückmarsche aber zweimal Strecken von täglich 6 Meilen ,

wobei

er die

Infanterie stets um einige Stunden früher aufbrechen lässt , um ihren Rückzug zu decken und ihr Gelegenheit zum Rasten zu geben . Das Detachement, welches über Fürstenwalde nach Frankfurt gesendet wird, macht in zwei Tagen 14 Meilen und bewirkt rechtzeitig die Vereinigung mit der Haupttruppe bei Lieberose. Gross sind auch die Marschleistungen des Seidlitz'schen Huszaren- Regimentes, ¡das die Avantgarde der Truppen des Prinzen Moriz von Dessau bildete und die Leistungen der Haupttruppe selbst : dieselben machen von Torgau bis Jüterbogk, nach vorhergegangenen starken Märschen, täglich mindestens 4 , das HuszarenRegiment Seidlitz sogar 7 Meilen im Tage und letzteres ereilt noch Abtheilungen der Seitencolonne Ujházy's, die doch auch bedeutende Märsche zurücklegte . Was die Disciplin , Ausdauer und Tapferkeit der Truppen Hadik's anlangt, so will ich hiefür Stellen aus Hadik's Berichten citiren ; so sagt er in dem Bericht, den er am 19. von Beeskow an den Herzog Carl einsendet : „Ich muss hiebei deren sich verdient gemachten keineswegs vergessen und das Zeugniss geben , dass die Truppen sowohl im Hinals Rückmarsch die unevitirlichen grossen Fatiguen, bis heut schon

409

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

9 Tage, mit aller Bereitwilligkeit und Gehorsam ausgestanden , die in der Action gewesenen mit vollem Muth und Bravour gefochten, unter welchen der Herr General Baron von Mitrowsky, Oberst Graf von Gourcy des löblichen Savoyischen Regimentes, der eine Contusion bekommen, der Oberst Baron von Ried , dem zwei Pferd unter dem Leib blessirt worden, Oberstwachtmeister von Bosfort und Graeven, welch' letzterer selbst blessirt worden und ein Pferd unter ihm verloren hat, sich nebst dem Fürsten von Liechtenstein durch ihre Tapferkeit besonders hervorgethan haben. " Wenn wir von dem Erfolge sprechen wollen, den dieser gelungene Zug Hadik's hatte, so bestand er ausser der sehr bedeutenden und nicht genug hoch anzuschlagenden moralischen Wirkung darin, dass der König und Prinz Moriz über 20 Meilen von dem Reichs- und französischen Heere abgelenkt wurden , während Hadik's Verlust ein verhältnissmässig sehr geringer war und er nebst 426 Gefangenen auch noch gegen 300.000 Thaler Contributionsgelder mitnahm . Fürstlich und gross wie Alles, was die erhabene Kaiserin begann, waren die Belohnungen, welche Hadik und seine braven Truppen erhielten. Hadik erhielt das Grosskreuz des in diesem Jahre gegründeten Maria - Theresien - Ordens und weil er von den für die Betheilung der Truppen bestimmten 25.000 Thalern nichts für sich behalten hatte, übersandte ihm die Kaiserin 3000 Stück Dukaten. Nachdem die

Kaiserin den Bericht des Herzogs

Carl von

Lothringen über den glücklichen Erfolg des Hadik'schen Zuges erhalten hatte, richtete sie folgendes Handschreiben an ihn : , Wir haben Dir andurch unsere, ob der von Dir so klug und wohl ausgeführten Unternehmung gegen Berlin geschöpfte gnädigste Zufriedenheit - und dass uns die hiebei von den Generalen, Officiers und Gemeinen nicht nur erwiesene standhafte Tapferkeit, sondern auch der von letzteren in sothaner Occasion bezeigte blinde Gehorsam und eingezogene Betragen zu ausnehmendem Wohlgefallen gereiche , zu erkennen zu geben, das Vergnügen machen wollen und beziehen uns des Weiteren auf jenes, was sowohl Dir als unserem Oberstfeldzeugmeister Baron von Marschall durch unsern Hofkriegsrath diesfalls zukommen wird , Dir mit kaiserlich königlicher Huld und Gnade Maria Theresia. " gewogen bleibend Ueber Streifcorps in der Gegenwart. Ich will nun untersuchen, in wie weit solche oder ähnliche Unternehmungen in der Gegenwart durchführbar sind . Die Factoren,

welche hiebei

treten, sind beiläufig folgende :

vortheilhaft oder

hindernd auf-

110

Pokorny.

1. Vertheilung der feindlichen Streitkräfte, ob concentrirt oder vielfach getheilt. 2. Die feindliche Armee selbst , das Stärke -Verhältniss zu unserer Armee und speciell zu unserer Cavalerie : ihre specifische Eignung für den kleinen Krieg , Art der Bewaffnung, Art ihrer Verwendung. Eigenschaften der feindlichen Anführer und ob offensiver Sinn vorhanden. 3. Der voraussichtliche Kriegsschauplatz in Bezug auf Gangbar- · keit und Bodenbedeckung, sodann in Hinsicht auf den Reichthum an Eisenbahn- und Telegraphen - Linien . 4. Kenntniss jener Länder oder Landestheile, sei es durch Aufnahmen, Recognoscirungen oder einzelne vollkommen verlässliche Individuen, die als Führer dienen können . Wenn wir die einzelnen Puncte nun mit Rücksicht auf unseren Zweck näher in's Auge fassen , so können wir über den Punct 1 , Vertheilung der feindlichen Streitkräfte, im Vorhinein allerdings nur unklare Vorstellungen haben, die sich nur durch Combinationen bis zu einem gewissen Grad präcisiren lassen. Der Punct 2. Stärke der feindlichen Armee etc.

soll und wird

uns aber genau bekannt sein : nach der Stärke der feindlichen Armee und speciell der feindlichen Cavalerie, nach dem Grad der Ausbildung im Sicherheitsdienst, nach dem offensiven Sinne der ihr inne wohnt, nach ihrer Bewaffnung und Gefechtsweise wird die scheiden sein, ob überhaupt und nehmungen zulässig sind.

Frage zu ent-

in welcher Weise solche Unter-

Die grössere Stärke der feindlichen Armee und Cavalerie kann nur mit anderen ungünstigen Umständen vereint ein Grund sein , solche Unternehmungen zu unterlassen . In vielen Fällen wird es aber geradezu geboten sein, sie auszuführen, um den Feind zu Detachirungen von seiner Haupt- Armee zu zwingen. Diese Detachirungen werden mindestens 3-4, oft aber

10mal

so stark sein, als jene Truppen, welche sie hervorriefen . In solchen Fällen ist auch das Misslingen der Unternehmung ohne besonderen Nachtheil, da etwaige Verluste reichlich durch die Theilung der Kräfte des Feindes aufgewogen werden . Der Zweck, den Gegner über die Stärke des Expeditions -Corps

zu täuschen, wird nebst den Mitteln, die das Corps hiezu selbst anwendet, immer auch u. z. unbewusst von den Landesbewohnern unterstützt, welche die Stärke solcher Abtheilungen stets bis zur Unkenntlichkeit vergrössern . Der Punct 3 wird für solche Expeditionen wohl am meisten in Betracht zu ziehen sein , sowohl was die Gangbarkeit und Bodenbedeckung, als was das Eisenbahn- und Telegraphennetz anbelangt.

Der Zug Hadik's nach Berlin 1757.

411

Ländertheile , die mit zahlreichen Ortschaften bedeckt, von bedeutenden Flusslinien durchzogen und mit einem dichten Eisenbahn- und werden sich zu solchen etliche Tage Telegraphennetz versehen sind dauernden Zügen allerdings nicht eignen ; anders verhält es sich aber mit Landestheilen , bei denen die oben angedeuteten Verhältnisse nur im geringen Grade vorhanden sind, wie dies z. B. bei den Staaten , welche sich an der ganzen Süd- und Ostgrenze, ja selbst an einem Theile der Nordgrenze der österreichisch- ungarischen Monarchie beinden, der Fall ist. Einzelne Eisenbahnlinien sind bald unterbrochen und die Erfahrungen des letzten Krieges haben gezeigt, dass die Unterbrechung von Telegraphenleitungen in kürzester Zeit möglich ist, ohne dass der Ort der Unterbrechung rasch aufzufinden wäre ¹ ). Was den 4. Punct, die Kenntniss der Länder oder Landestheile anbelangt, so genügen zur Ausführung solcher Züge die Daten nicht, welche in den betreffenden Bureaux ausgearbeitet und aufbewahrt werden.

im

Solche Unternehmungen müssen, wenn sie gelingen sollen , schon Frieden im Detail ausgearbeitet. die Wege genau recognoscirt,

gute Karten vorbereitet . der Commandant und die Stärke der Abtheilungen bestimmt und Vorsorge getroffen werden ,

dass sich einzelne

Personen, welche die Gegend genau kennen, bei dem Zuge befinden. oder dass man mit ganz verlässlichen Leuten jener Gegend Verbindungen erhält. 1) Die Franzosen wählten zu diesem Zwecke ein ebenso einfaches als sinnreiches Mittel : Bei Leitungen , welche aus mehreren parallel laufenden Drähten bestanden , verbanden sie dieselben mit einem haarfeinen Silberdraht untereinander und hoben so die Isolirung der Drähte auf ; geschah dies nun an Orten, wo die Drähte durch andere Gegenstände dem Auge des Beobachters momentan entzogen sind , also z. B. bei den Isolatoren der Telegraphenstangen, so war es oft erst nach mehrtägigen angestrengten Versuchen möglich, die Ursache der Unterbrechung aufzufinden . Bei Leitungen mit einem Drahte wurde der Silberfaden zuerst am Drahte befestigt und dann in einer kaum sichtbaren, im Holz der Telegraphenstange angebrachten Rinne in die Erde geleitet . In beiden Fällen ist äusserlich nicht die geringste Veränderung an der Telegraphenleitung wahrzunehmen und die Procedur kann von einem Manne, der mit Steigklammern zum Erklettern der Stangen versehen ist, in wenigen Augenblicken ausgeführt werden. In Oesterreich und Preussen werden die Feld-Eisenbahn-Abtheilungen schon mit Silberdraht und Steigklammern versehen . Dieser Umstand macht für die Zukunft den Gebrauch der Telegraphie im Felde sehr unsicher und dürfte wenigstens für Festungen etc. - die Wichtigkeit der Brieftaube wieder in den Vordergrund drängen . 29 Organ des Wiener mail tär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874 .

412

Pokorny. Der Zug Hadik's nach Berlin 1757. Diese Vorbereitungen im Frieden sind unerlässlich, da bei der

raschen Verlauf der modernen Feldzüge und dem Drange der Verhältnisse, unmöglich erst bei Beginn gearbeitet werden kann .

der Feindseligkeiten

an denselben

Zu solchen Zügen, welche bedeutende Leistungen in jeder Hinsicht von den Theilnehmern erfordern , sind stets reguläre Truppen zu verwenden . Der moralische Erfolg, den ein solcher schon im Frieden vorbereiteter und bei Ausbruch der Feindseligkeiten durchgeführter gelungener Zug auf die eigene Armee und die Bevölkerung in guter auf jene des Feindes in übler Richtung ausübte, würde den momentanen Abgang dieser Truppen zehnfach ersetzen. Es ist hiebei noch zu erwähnen , dass der Feind zur Bekämpfung dieser Streifcorps selbst bedeutende Detachirungen nöthigt ist.

zu machen

ge-

Ich will nun noch einige Worte über jene kleinen Unternehmungen von 1-2tägiger Dauer sagen, die wie gemacht für unsere Landwehr- , respective Honvéd - Truppen scheinen. Ich meine damit Streifzüge, die z. B. von den Landesgrenzen ausgehend, ein etwa 4-6 Meilen entferntes Object, eine Waffenfabrik, Montours-Depôt, Magazine, Gestüte etc. zum Ziele hätten . Dieselben wären umso leichter auszuführen , als die Truppen die Gegend , in der sie im Frieden in ihren verschiedenen Beschäftigungen leben , genau kennen, jenseits der Grenze Verbindungen besitzen und wohl auch selbst zum Theile dort orientirt sind. Der Führer einer solchen Abtheilung , oder ein ihm beigegebener Officier wäre aus jenen Landwehr- oder Honvéd- Officieren zu wählen, die an der Grenze begütert sind. Diese Züge könnten in grösserer Zahl, ohne lange Vorbereitung und eventuell in der Zeit von 16-30 Stunden , unternommen und ausgeführt werden und wären für den Kriegszweck und die Truppe selbst von grossem Vortheile. Für den Kriegszweck, weil sie den Gegner zu Detachirungen nöthigen, ihm auch bedeutende physische und moralische Nachtheile bringen - für die Truppe , weil sie dadurch an Kampf und Gefahr gewöhnt, durch kleine Erfolge ermuntert, zu grösseren herangebildet wird . Anmerkung. Die diesem Aufsatze beigegebene Skizze jenes Theiles von Berlin , welchen die Oesterreicher betraten , ist die Reduction eines während ihrer Anwesenheit in Berlin aufgenommenen Campagne- Planes.

Die Operationen von der Mosel und von Châlons nach

Sedan. ') Von Oberstlieutenant Joseph Reicher, Generalstabs- Officier. II. Betrachtungen 2). In dem historischen Theile habe ich es versucht den ohne Zweifel interessantesten Abschnitt des Krieges 1870-71 in seinen wichtigsten Zügen zu zeichnen. Tragisch erschütternd in vielen seiner Theile, und vornehmlich in seinem Ausgange, ist er, wie kein anderer geeignet, den forschenden Blick auf sich zu ziehen . Eine über 100.000 Mann zählende Armee wird im offenen Felde zur Capitulation gezwungen ; ein Heer, bis dahin, wie kein zweites, reich an Ruhm und an Siegen, vom härtesten und traurigsten Schicksale ereilt. Was waren die Unterlassungen und Fehler beim Besiegten, welche ausserordentliche Thaten hatte der Sieger vollbracht, was waren mit einem Worte die Ursachen eines so aussergewöhnlichen Ereignisses, das sind die allgemeinen Fragen, die ich in den nachstehenden Untersuchungen zu beantworten versuchen werde. Wie allenthalben gibt es auch hier nahe und entfernter liegende, äussere und innere Gründe für die Katastrophe. Indem ich diese Erörterungen pflege , glaube ich darthun zu können, dass weder die Maassnahmen der Franzosen so überaus fehlerhaft, noch jene der Deutschen so genial waren, dieses Ergebniss hervorzubringen. Ohne den grossen Verdiensten

um für sich allein

der einen nahetreten ,

und die

Schuld der andern verringern zu wollen, halte ich es für nothwendig, auch die letzten , innersten und man könnte sagen eigentlichen Gründe hervorzusuchen, und aus ihnen, eben sowohl wie aus dem Gange der eigentlichen Operationen, den tragischen Abschluss zu erklären . Ich wende mich natürlich zuerst den näheren Ursachen zu, und werde vor Allem die Operationen der Franzosen einer kritischen Beleuchtung unterziehen .

1) Vorträge , gehalten im Wiener Militär- wissenschaftlichen Vereine am 23. und 30. Jänner und 13. Februar 1874. 2) Siebe Seite 317 dieses Bandes. 29*

Reicher .

414

1. Die Operationen der Franzosen. Die Aufgabe, welche man der Armee von Châlons zur Lösung anvertraute, war, wie wir wissen die : sich mit der Rhein-Armee zu vereinigen .

Sie musste als ungemein einfach zu jener Zeit erscheinen ,

als man Bazaine im Rückzuge vor dem Gegner, Châlons dachte .

von Metz nach

In der That handelte es sich damals nur um einen ausserordentlich simplen Vormarsch zur Vereinigung auf halbem Wege, etwa bei Verdun, welche der Feind niemals stören konnte . Vormarsch und Vereinigung waren aber nicht nur einfach, sie waren auch rationell, weil nur die Zusammenfassung der Kräfte die Erfolge im Kriege verbürgt. Soweit waren Palikao und die Regentschaft mit ihrem Plane im Rechte ; bis dahin war dieser dem Plane Trochu's weitaus vorzuziehen. Anders standen die Dinge, als man Nachrichten , freilich nur mangelhafte, von den grossen Schlachten am 16. und 18. erhalten. hatte, Bazaine in Metz, die Rhein-Armee von deutschen Kräften eingeschlossen, und andere feindliche Massen im Vormarsche gegen Paris wusste . Es war nunmehr die Frage, ob der ursprüngliche einfache und rationelle Plan mit einigen Modificationen, auch unter den veränderten Verhältnissen , zweckmässig blieb. Was man von diesen kannte, ist für die Kritik ausserordentlich wichtig , denn nicht nach dem factischen, sondern nach den gekannten Verhältnissen muss die Beurtheilung erfolgen. Nach den Berichten Bazaine's standen nun zwei, offenbar die wichtigsten, Umstände fest : dass Bazaire jeden Augenblick den feindlichen Ring sprengen könne, und dass er in Metz an Lebensmitteln. ebensowohl als an Munition Mangel leide . Konnte Bazaine zu jeder Zeit , und am besten in nordwestlicher Richtung durchbrechen, so war es klar, dass ihm die Armee von Châlons eine werthvolle, ja nothwendige Unterstützung sowohl gegen den heftig verfolgenden Gegner von Metz , als auch gegen jene Armee sein musste, die in Vormarsch gegen Paris begriffen, sich muthmaasslich dann gegen ihn wenden würde. Litt er Mangel an Lebensmitteln und an Munition, so mussten ihm diese von einem Entsatzheere zugeführt werden, denn auf eine andere Weise war die eingeschlossene, der Capitulation nahestehende Rhein- Armee gar nicht, oder nur höchst schwierig mit Subsistenzmitteln zu versehen . Beide Umstände verlangten also das Vorrücken der Armee von Châlons ,

beide in gleich gebie-

terischer Weise . Von einem Rückzuge nach Paris , von einem Verlassen Bazaine's konnte also in solcher geglaubter Nothlage des letzteren keine Rede sein , denn es hiess dies die Rhein-Armee opfern . Ausser

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

415

diesen beiden zwingenden Umständen gab es für einen kühnen Feldherrn noch einen dritten Beweggrund, die Vereinigung mit Bazaine zu suchen . Es war diese Operation, wenn sie überraschend durchgeführt wurde, der einzige Weg, um mit der vereinten französischen Heeresmasse gegen die getrennten Kräfte des Gegners zu kämpfen, um mit relativer Ueberlegenheit aufzutreten . ein Rückzug nimmermehr bringen .

Solche günstige Chancen konnte

Aber sieht man von diesen auch ganz ab , so ist doch klar, dass man angesichts der geschilderten misslichen und drängenden Verhältnisse nicht zaudern durfte, auch wenn die Schwierigkeiten und Gefahren des geplanten Unternehmens klar zu Tage traten . Denn die Armee von Châlons musste sich entweder ihren Weg durch ein feindliches, gegen Paris marschirendes Heer bahnen, um alsdann im Vereine mit der Rhein -Armee eine zweite, die Cernirungs-Armee von Metz zu bekämpfen ; oder sie musste die erstere überraschend nördlich umgehen, ihre Bewegung also zwischen Feind und Grenze durchführen , wenigstens 48 Stunden vor diesem bei Metz anlangen , und abermals mit Bazaine eine Entscheidungsschlacht gegen Friedrich Carl schlagen . In jenem Falle : zuerst eine Schlacht, vielleicht gegen überlegene Massen, dann nochmals eine Schlacht, freilich im Vereine mit der Rhein -Armee , aber auch muthmaasslich gegen das ganze vereinigte feindliche, den französischen Kräften also weit überlegene Heer liefern ; in diesem : das Gelingen einer schwer durchzuführenden Ueberraschung versuchen, im Falle

weil man mehrere Märsche dem Feinde abgewinnen , und des Misslingens

derselben

einen Kampf mit dem Rücken

gegen die belgische Grenze, einen Uebertritt auf belgisches Gebiet, vielleicht noch Schlimmeres gewärtigen musste. Einen dritten Weg zur Lösung der Aufgabe gab es nicht. Eine Umgehung des feindlichen linken Flügels , um nach Metz zu gelangen , ein Ausbiegen in südlicher Richtung, war so gut wie unausführbar. Denn bei dem Vorrücken des Kronprinzen über Nancy und Luneville hätte man über Vitry-le -Français, Joinville, Neufchâteau und Mirecourt, und von da gegen Metz marschiren müssen, demnach ausserordentlich viel Zeit verloren,

den Gegner nicht überrascht,

einige Tage getäuscht wurde, regeln eingreifen konnte.

der,

wenn er auch

dennoch rechtzeitig mit Gegenmaass-

Auch hatte ja Bazaine mitgetheilt,

er die nördlichen Strassen einschlagen werde , man ihm also entgegen gehen,

dass

nur auf diesen konnte

und nur hier ihm die Hand reichen.

Aber auch von den zwei ersteren Wegen eignete sich im Grunde genommen nur der nördliche, die Richtung Châlons- Montmédy als neue Operations - Linie. Bei der Unkenntniss über Stärke und Bewegungen des auf Paris marschirenden Gegners wäre es Tollkühnheit gewesen ,

416

Reicher.

mitten durchbrechen zu wollen , wenn dies auch räumlich der kürzeste Weg war. Der Zeit nach war er es nicht, denn wie der Gegner auch immer marschirte, auf einen Theil seiner Kräfte musste man stossen , musste also kämpfen, und sonach Zeit verlieren . Der vielleicht anfänglich überraschte Gegner würde sich ohne Zweifel bald gesammelt haben, der Armee von Châlons gefolgt, und mit ihr zugleich vor Metz erschienen sein.

Man hätte also dort gegen die vereinigte feindliche

Macht kämpfen müssen, und der Ausgang des ganzen Unternehmens konnte sonach kein günstiger sein . Drei Momente treten denn als schliessliches Ergebniss aller eingehenden Untersuchungen klar hervor: 1. Die Armee von Châlons durfte nicht auf Paris zurück, sie musste gegen Metz rücken. 2. Die geeignetste Operations -Linie hiezu war jene von Châlons nach Montmédy.

3. In Anbetracht der Schwierigkeiten und Gefahren ,

die mit

diesem Unternehmen innigst verknüpft waren, galt es dasselbe bestens vorzubereiten, und überraschend durchzuführen. So muss die Theorie in Erwägung der damaligen factischen und angenommenen Verhältnisse ihren Ausspruch thun. Aber sie wäre ein schlechter Rathgeber und verwerflicher Führer, würde sie nicht auch auf die Persönlichkeiten, die hier zu wirken bestimmt waren , Rücksicht nehmen, also einen der wichtigsten Umstände, der bis jetzt nicht zur Sprache gekommen, ausser Acht lassen. Nicht ihre Schuld ist's, wenn dies so oft geschieht und wenn sie dann als eine unbrauchbare Stütze erklärt wird. Es ist wahr,

dass der Zug nach Metz ,

unter den Umständen ,

wie sie damals gekannt waren , als das Zweckmässigste erscheinen musste; und es ist bekannt, dass Palikao dieselbe Anschauung hatte. Aber es war nichtsdestoweniger unrecht und unklug von ihm, diese Operation anzuordnen, und so dem Führer der Armee von Châlons jede Selbstständigkeit in Entschliessungen und Handlungen zu entziehen . Es ist schon misslich genug, wenn der Feldherr nicht selbst Schöpfer der Gedanken ist, die er durchzuführen berufen wird ; noch schlimmer, steht es , wenn er Handlungen vollbringen soll , die er als sehr schwierig, gefahrvoll, ja verderbenbringend erkannt hat. Genau so lag die Sache hier. Der stets unheilvolle Einfluss einer Leitung ausserhalb des Kriegsschauplatzes, schon seit den Zeiten des Hofkriegsrathes in Oesterreich verrufen, und seit der Einführung des Telegraphen neuerdings, und mit nicht mehr Glück versucht, er war hier eine weitere wichtige Ursache zur Katastrophe, welche die französische Armee bei Sedan ereilte. Nie hatte es der grosse Meister der Kriegskunst, Napoleon I. , eigenen Anschauungen über die Sachlage auf ent-

versucht, seine

417

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

fernten Kriegsschauplätzen in bestimmte Befehle zu kleiden . Der Ueberzeugung voll , dass seine eigene Einsicht, wenn gleich jene aller Uebrigen weit überragend, dennoch irren könne, wo sie der unmittelbaren Anschauung entbehrte, und dass jeder Feldherr der eigenen Inspiration möglichst folgen müsse, gab er nur Rathschläge in solcher Form , dass sie das selbstständige Handeln nicht beeinträchtigen sollten. Solche Enthaltsamkeit hätte wohl Lehre genug sein können ; sie ward es hier dennoch nicht, weil leider die einfachsten und klarsten Wahrheiten nie anders als nach langem und erbittertem Kampfe zur Herrschaft gelangen können . Mit nicht gewöhnlicher Theilnahme werden wir nun zu Zuschauern eines hochinteressanten psychologischen Schauspiels, das sich im Kopfe und Herzen des Führers der Armee von Châlons abspielt.

Wir

sind

hier beim Schwerpuncte aller Untersuchungen über die Operation von Châlons nach Metz angelangt, die widersprechend und unverständlich blieben, wenn wir auf ihre inneren Gründe einzugehen unterlassen würden. Welchen anderen als tragischen Ausgang konnte der Kampf haben, der zwischen der Pflicht und der Einsicht, standen, entbrannte?

die sich entgegen

Die Befehle der Regentschaft und des Kriegsministers, also die ernstesten Pflichten als Staatsbürger und Soldat, drängen Mac Mahon nach Metz, wohin ihn ebenso die verlassene, und sozusagen hilflose Lage Bazaine's, also die heiligen Bande der Kameradschaft und Ehre rufen. Aber auf der anderen Seite sagt ihm die Einsicht, dass es die Armee, die letzte, die Frankreich besitzt, ins Verderben reissen heisst , dahin zu gehen. Welchen Entschluss fassen, da keiner die entgegenstehenden Anschauungen vermitteln kann ? Wahrlich, um den einen oder den anderen zu wählen, und bei ihm consequent zu beharren, hätte es einer Einsicht und einer Willens- und Charakterstärke ganz ungewöhnlicher Art bedurft, die man nimmermehr als Maassstab für die Beurtheilung der Handlungen zu nehmen berechtigt ist. So geschah es, dass der französische Feldherr, in Unkenntniss über Stärke, Bewegungen und Absichten des Feindes, und im Unklaren über Bazaine's eigentliche Lage ins Schwanken geräth, und fortan in diesem Zustande verbleibt. Er weiss viel zu wenig vom Feinde, und sieht desswegen weder völlig die grosse Gefahr, der er entgegengeht, und die er, besser orientirt, jedenfalls vermieden hätte , noch erkennt er deutlich genug den Weg, der ihn am besten zum Ziele führen muss. Nacht liegt um ihn her, und das drückende Gefühl derselben auf ihm ; nur tastend, unsicher und langsam schreitet er darum vorwärts .

418

Reicher.

Aber warum unternimmt er nichts, um Klarheit in diese schwierige Lage voller Gefahren zu bringen : warum setzt er sich nicht mit Bazaine in innige Verbindung, warum entsendet er nicht Kundschafter, wozu hat er seine zahlreiche Cavalerie , wenn er sie nicht vor Allem zur Einholung von Nachrichten über den Feind verwendet ? Bei der Mangelhaftigkeit der französischen Quellen ist es schwierig auf jede dieser Fragen genügende Antwort zu geben . Offenbar kann der Vorwurf, mit Bazaine nicht in Verbindung getreten zu sein, weder ihn noch Napoleon treffen , denn die zahlreichen Bemühungen in dieser Richtung sind erwiesen , ebenso wie es bekannt ist, dass Bazaine in Verfolgung seiner Pläne beide absichtlich täuschte. Ueber die Lage der Rhein-Armee konnte er also beim besten Willen Schwieriger hält es, ihn mit Rücksicht auf rechtfertigen . Es konnte doch im eigenen Puncte letzten zu die beiden Lande keine grosse Mühe verursachen , eine genügende Zahl von Kund-

nicht ins Klare kommen.

schaftern zu erhalten . Und eben so leicht hätte man durch die zahlreiche Cavalerie Nachrichten vom Feinde gewinnen müssen, wenn man sie nur halbwegs richtig zu gebrauchen verstand . Aber in diesem , wie in manchem anderen Puncte hatte man in der französischen Armee Vieles vergessen , was Napoleon I. gelehrt und geübt hatte . Es war System geworden, die Cavalerie im Verbande mit den übrigen Waffen zu belassen ; dass sie in jedem, für die Bewegung grösserer Massen überhaupt geeigneten Terrain , selbstständig, d . h. mit Beigabe von nur wenig Artillerie, und noch weniger oder gar keiner Infanterie auftreten, weil sie jedes entscheidende Gefecht, eben ihrer Beschaffenheit wegen vermeiden könne, und somit für den Sicherungsdienst im Grossen ganz allein brauchbar sei , davon hatte man in der französischen Armee gewiss keine klare Anschauung,

wie diese ja auch bei den

Deutschen noch nicht völlig durchgebrochen war. Ueber diese letztere Behauptung werde ich an passender Stelle den Nachweis führen . Habe ich dargethan, wie Mac Mahon im tragischen Widerstreite von Pflicht, Ehre und Ueberzeugung ins Schwanken gerathen , und wie die Unklarheit der Situation in anderen Richtungen ihn darin erhalten musste, so will ich jetzt die ohne Zweifel schwierigen Maassregeln besprechen, die in der geglaubten misslichen Lage der Rhein-Armee, seitens der Armee von Châlons, getroffen werden mussten . Ich kann darüber kein Urtheil abgeben, ob die Reconstituirung der letzteren rascher hätte bewerkstelligt werden können . Dass mit der äussersten Aufbietung aller Kräfte die Lösung der so wichtigen Aufgabe erstrebt werden musste, versteht sich hier, wie in den meisten Lagen des Krieges von selbst, eben so wie es geboten war für die

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

419

geplante, rasch und überraschend durchzuführende Operation alle Vorbereitungen bestens zu treffen. Zu diesen gehörte,

als eine der wichtigsten,

die Sicherstellung

der Verpflegung, sowohl für den Vormarsch, als auch für den eventuellen Rückzug der beiden vereinigten Armeen. Einfach war diese Sache, auch in einem so reichen Lande wie Frankreich gewiss nicht , denn es handelte sich hier nicht nur um die Herbeischaffung von bedeutenden Vorräthen innerhalb weniger Tage, sondern auch um eine, den Verhältnissen entsprechende Disposition derselben . Denn bei der Armee selbst konnten der raschen Bewegung wegen, die nothwendigerweise in den nächsten Tagen eingehalten werden musste, nur Vorräthe auf circa 4 Tage mitgeführt, und von den Truppen weiters für höchstens 3 Tage getragen werden. Alle Ergänzungen mussten sonach , etwa an der Aisne und in Montmédy und Longuion bereit gehalten. über ihre Bestimmung aber der Feind getäuscht werden . man die Nachricht, dass sie für Metz bestimmt seien ,

Verbreitete so war dies

unter den damaligen Verhältnissen recht gut glaublich. Nicht weniger wichtig war es zunächst an die ungünstigen Rückzugsverhältnisse zu denken , und diese möglichst zu beheben , d . h . eine Art intermediärer Basis und Vertheidigungslinie im Norden zu schaffen, soweit dies thunlich war . Longwy, Montmédy, Sedan und Mézières mussten ja ohnedies schon in Vertheidigungsstand gesetzt worden sein ; diesen zu vervollständigen, und die Maas- und ChiersLinie so gut es anging, für eine eventuelle Vertheidigung einzurichten , blieb vorzukehren, da der Fall, dass die Armee in der rechten Flanke angegriffen, von der directen Verbindung mit Paris abgeschnitten , und nach Norden gedrängt werden konnte, nahe lag. War es schon nöthig den Gegner hinsichtlich dieser Vorbereitungen zu täuschen, so war es noch mehr geboten ihm die Durchführung der Operation möglichst lange zu verbergen .

Er musste die Armee

noch bei Châlons oder Reims wähnen , während sie schon einige Märsche gegen Metz gewonnen hatte. Solche Täuschung konnte aber nur gelingen, wenn sich von der Marne zur Aisne ein dichter, d . h. starker Schirm spannte, aus dem grössten Theile der Cavalerie gebildet, und allenfalls durch die Mobilgarden der Seine, die man ja bei dem Marsche nach Metz ohnehin nicht brauchen konnte, unterstützt. Das war zudem auch das beste Mittel, Nachrichten vom Feinde zu erhalten. Rasche Märsche mussten dann die ohnehin nicht sehr starke Armee an die Maas nach Stenay, Dun, und etwas südlich dieser Linie, sowie über diesen Fluss bringen . Die Cavalerie konnte dann folgen , die Mobilgarden nach Paris zurückgehen.

Reicher.

420

Kam jetzt der Feind über die neue Operation ins Klare, so war es für ihn zu spät, die Armee von Châlons einzuholen, die ihn sogar an der Maas noch eine kurze Zeit durch Zerstörung aller Uebergänge zwischen Dun und Verdun , und durch kleine Arrièregarden- Gefechte aufhalten konnte . Verfolgte das Missgeschick die Franzosen nicht,

so

mussten sie wenigstens 48 Stunden eigentlichen Vorsprung gewinnen , genug Zeit, um im Vereine mit Bazaine den Prinzen Friedrich Carl entscheidend zu schlagen .

Das Verhältniss

von circa 300.000

Franzosen gegen nicht vielmehr als 200.000 Deutsche, von denen zudem noch ein Theil auf dem rechten Mosel -Ufer stand , der Vortheil , inmitten zwischen den getrennten Gruppen des Feindes zu stehen, verbürgte ihnen den Erfolg bei Metz , und einen gewaltigen Umschwung im ferneren Verlaufe des Krieges. War Bazaine durchgebrochen, so lagen die Verhältnisse nur günstiger, weil man ihm um so eher die Hand reichen konnte . Auch in diesem Falle hatten die vereinigten französischen Armeen gegen den getäuschten, also muthmaasslich getrennten Gegner günstige Chancen . War dieser aber im Augenblicke der Vereinigung der Franzosen ebenfalls concentrirt, so war doch Vieles gewonnen, denn selbst unter den sonst ungünstigen Umständen musste der Verlauf der Operationen durch das Vereinen der Kräfte gewinnen . Wie man sieht, beruhte Alles auf der Möglichkeit der Täuschung , ein Punct, über den wohl schwerlich die Urtheile zusammentreffen werden . Indessen ist doch richtig ,

dass dergleichen Manöver,

wie die

Kriegsgeschichte lehrt, recht oft gelungen sind, und dass der Verlauf der Begebenheiten

einer solchen Annahme hier nicht entgegentritt.

Wir glauben die Schwierigkeit in jenen Verhältnissen, konnte,

lag nicht in der Täuschung ,

sondern

in welche die Armee von Châlons gerathen

wenn diese Täuschung misslang.

Die Operation

nach Metz

war nur ein kleiner Sprung, aber ein Sprung über einen Abgrund . Der 26. August ist da , und trifft die Armee von Châlons statt an der Maas noch an der Aisne . Ihr Marsch nach Norden ist nicht nur dem Feinde verrathen worden, sondern dieser steht schon in der Flanke, denn Theile des VII. Corps sind mit der gegnerischen Cavalerie zusammengestossen. Darf nun Mac Mahon seinen Marsch noch fortsetzen, oder muss er das Unternehmen als gescheitert ansehen,

und

gegen Paris zurückgehen ?

Offenbar hing hier die Entscheidung von den Nachrichten ab, die er von des Gegners Aufstellungen erhielt , und die er nur durch die wenigen Escadronen erhalten kann, über die das VII. Corps verfügt. Sie sind in einer Richtung übertrieben genug ; denn ihnen nach soll die Armee des Kronprinzen von Preussen ,

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

50.000 Mann

421

stark, schon bei Ste . Ménehould,

eine zweite ebenso starke Armee bei Varennes stehen . Es ist also demzufolge keine Wahl mehr zu treffen . Der Rückzug muss angetreten werden , weil Mac Mahon schon in den nächsten Märschen ereilt, und in der Flanke, vielleicht auch in Front und Flanke, angegriffen werden kann. Freilich waren diese am Nachmittage des 26. , und im Laufe des 27. eingetroffenen Meldungen unrichtig , denn wie wir wissen , stand am 27. Abends nur Cavalerie in der Flanke der französischen Armee , und erst weit hinter dieser die feindlichen Massen : 12. Corps bei Dun, Garde bei

Montfaucon, 3 Corps nächst Verdun, und 3½ Corps in

tiefer Colonne,

mit der Spitze bei Daucourt,

mit der Queue gegen

Heiltz-le-Maurupt. Aber ein Theil derselben, 5 Corps, war an diesem Tage doch schon so nahe, um sich dem weiteren Vormarsche der Franzosen am Morgen des 29. gegen Damvillers und Longuion entgegen werfen zu können , was auch dann eintreten musste , wenn die Armee von Châlons schon am 27. den Marsch fortsetzte . Aber Mac Mahon, sowie das VII . Corps erwarten an diesem Tage den feindlichen Angriff, und der Aufmarsch zwischen Vouziers, Buzancy, le Chêne und Terron wird angeordnet. Man hat von vielen Seiten diese Zeitversäumniss hart getadelt ; wir glauben mit Unrecht : denn wie wir eben gezeigt haben , wäre die Fortsetzung des Marsches auch am 27. nicht mehr opportun gewesen , ganz abgesehen davon, dass MacMahon den erhaltenen Nachrichten zufolge, mit Wahrscheinlichkeit auf einen Angriff rechnen musste. Er gibt nun Nachmittags 6 Uhr den Befehl zum Rückzuge gegen Mézières, aber er will denselben nicht definitiv durchführen , wenigstens dann nicht,

wenn

er von Bazaine Nachricht

erhält,

und ihm die

Hand bieten kann . Er will also bedingungsweise immer noch dem erhaltenen Befehle nachkommen , der treue Diener seines Herrn, der opferwillige Soldat und Kamerad sein. Schon hat in der Nacht vom 27. zum 28. der Rückzug des französischen Heeres begonnen, als sich unheilvoll genug die Einwirkung von Paris durch die beiden eingetroffenen Depeschen wieder geltend macht . Marschirt er nicht nach Montmédy, so ist Bazaine verlassen, so ist die Revolution in Paris ; so stellt ihm die Regentschaft und Palikao die Sache dar. Ja mehr als das : der bestimmte Befehl zum Vormarsche wird ihm hiedurch ertheilt : „Au nom du Conseil des ་་ ministres et du Conseil privé je vous demande de porter secours à Bazaine ..." War es da noch möglich, den Rückzug anzutreten und die riesige Verantwortung für die Nichtbefolgung eines so klaren Befehles zu tragen? War Mac Mahon so sicher, dass er die 30 bis . 36 Stunden Vorsprung, von denen Palika o sprach, nicht mehr habe?

422

Reicher. Solchem Drucke weichend , ändert er noch einmal,

bessere innere Ueberzeugung,

gegen seine

in den ersten Stunden des 28. die ge-

gebenen Befehle ab. Er ist das Opfer einer wahrhaft tragischen Lage, weil Gehorsam, Pflichttreue und edle Kameradschaftlichkeit, die herrlichsten Eigenschaften des Soldaten, ihn und seine Armee dem Verderben entgegen führen. In solcher Lage ist es denn auch begreiflich, wenn er für den neu aufgenommenen Vormarsch nicht alle jene Vorkehrungen trifft , welche die Umstände erheischen,

und die mehr als er selbst, ein tüchtiger

Generalstab zu treffen berufen war . Da er keine Nachrichten über Bazaine hat, den Feind in seiner nächsten Nähe glaubt, und doch über Stärke und Aufstellung desselben keine anderen als jene unverlässlichen Mittheilungen von Bordas und den Landleuten besitzt, deren wir Erwähnung gethan, so hätte wohl seine erste Vorkehrung die sein sollen, durch Kundschafter und durch die Verwendung seiner zahlreichen Cavalerie bestimmtere Nachrichten einzuholen . Warum geschah nichts, die Lage aufzuhellen, warum verblieben die beiden Reserve - Cavalerie - Divisionen auf der nördlichen Strasse, da doch der Feind im Süden stand ,

warum wurde nicht die

Cavalerie des XII. und I. Corps den südlich marschirenden Colonnen zugewiesen? Durch solches Unterlassen kann man natürlich nicht in Erfahrung bringen, dass vorläufig nur Cavalerie zunächst in der Flanke stehe, die feindlichen Massen noch weit zurück sind, und dass Stenay noch nicht besetzt sei . Die schlimmen Folgen hievon müssen sich begreiflicherweise da, wo man neuerdings mit dem Gegner zusammenstösst, recht fühlbar machen, wie sie denn auch schon an diesem Tage und am 29. hervortraten. Man hatte ferner seither viel Zeit versäumt, und musste

sie

jetzt einzubringen trachten, wenn auch keine Aussicht vorhanden war, ohne Kampf durchzukommen . Aeusserste Anstrengungen waren sonach geboten. Ohne Zweifel hatte auch Mac Mahon dieselbe Anschauung, da er am 28. für den rechten Flügel starke Märsche von 25 bis 28 Kilom. anordnet. Immerhin hätte die gefahrvolle Lage, aus der nur ausserordentliche Raschheit der Bewegungen vielleicht noch retten konnte, ein Mehreres erheischt ; insbesonders war der linke Flügel der Armee weiter gegen die Maas zu schieben, und hätte statt nach la Besace und le Chêne nach Mouzon und Beaumont dirigirt werden müssen.

Zwar ist es nicht zu verkennen , dass die beiden zuerst ge-

nannten Orte aus dem Grunde als Marschstationen gewählt wurden , weil man von ihnen aus den rechten Flügel gut unterstützen konnte . wenn dieser schon am 28. mit dem Feinde zusammentraf. Aber Gleiches konnte auch von den Aufstellungen bei Mouzon und Beaumont ge-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

423

schehen, nur dass man von hier dem letzten Marschziele näher stand , und die Maas theilweise erreicht hatte. Auf jeden Fall waren jedoch die Uebergangspuncte Mouzon und Stenay schon am 28., wenn auch nur mit Avantgarden , oder doch wenigstens mit starken Cavalerie- Abtheilungen zu besetzen . Indem wir solche Forderungen stellen,

sind wir uns wohl be-

wusst, welche enorme Leistungen wir damit von Truppen fordern , deren Kräfte schon theilweise durch den begonnenen Rückzugsmarsch absorbirt waren. Indess verlangte die Situation gebieterisch die äusserste Anspannung der Kräfte, und dass solche möglich sei, hat die Erfahrung gar vielfältig dargethan. Da man weiters einen Flankenmarsch in der nächsten Nähe des Feindes unternahm , so waren auch alle Vorkehrungen für einen Zusammenstoss und Kampf in der rechten Flanke zu treffen .

Sehr

richtig war demnach das V. Corps auf die Unterstützung des VII. angewiesen, und ein Colonnen- Commandant für beide bestimmt worden. Nur war vielleicht die Unterordnung des Commandanten des VII. Corps nicht bestimmt genug vorgezeichnet, und nicht genügend darauf Rücksicht genommen, dass den Befehlen de Failly's auf jeden Fall unbedingt nachgekommen würde . Gerade im französischen Heere waren. dergleichen unzweideutige Anordnungen erforderlich, weil gerade hier die bereitwillige Unterordnung der sonst selbstständigen Corps -Commandanten nicht zu erwarten stand. Neben dergleichen Verfügungen war auch bei dieser Gelegenheit für den Marsch der Trains besonders vorzusorgen . Offenbar konnte jener des V. und VII . Corps nicht hinter den Truppen bleiben, sondern musste durch sie selbst gedeckt werden, also seitlich u. zw. nördlich marschiren . Es mussten ihm also besondere Communicationen zugewiesen werden,

was das Eingreifen

der obersten Leitung erforderte ,

weil sonst leicht Unordnung, gerade im gefährlichsten Augenblicke , einreissen konnte. Ueberaus wichtig endlich wurde die Sicherstellung der nothwendigen Maas - Uebergänge ; nicht nur jener, die bei Mouzon und Stenay schon bestanden, sondern auch so vieler Feldbrücken , als zum raschen Uebergange der Armee durchaus erforderlich waren . Anreihend an diese Maassregel musste die Besetzung von Dun angestrebt, sowie die Zerstörung aller Uebergänge und Uebergangsmittel gegen Verdun hin, sowohl beim Vormarsche als auch nach bewerkstelligtem Uebergange versucht werden .

Damit verzögerte man das Vorrücken des Feindes,

was in der Lage der französischen Armee von äusserster Wichtigkeit. wurde.

424

Reicher.

Fanden die Avantgarden Stenay am 28. schon besetzt, und konnte der Gegner von dort nicht vertrieben werden, so musste die ArmeeDisposition auf die Herstellung eines Ueberganges unterhalb dieses Punctes Bedacht nehmen . Bei der geringen Breite der Maas konnte die Durchführung keine besonderen Schwierigkeiten ergeben. Wie man aus diesen Andeutungen ersieht, stellte die schwierige Lage der französischen Armee auch sehr schwer zu erfüllende Bedingungen an die Heeresleitung, welche die Errettung aus dieser Situation bewirken sollte, und es wäre ungerecht, dem Feldherrn leichthin Vorwürfe zu machen,

dass er die Schwierigkeiten nicht überwunden .

Wir unsererseits gehen nicht so weit, und bemühen uns nur Allem andern, führen .

die damals eingetretenen Umstände recht klar vorzu-

Dagegen können wir einige Worte der Missbilligung den Commandanten der südlich marschirenden Colonne über ihr Verhalten am 28. nicht ersparen. Ihre beiden Corps, das V. und VII., gelangen bekanntlich an diesem Tage nicht in die ihnen angewiesenen Aufstellungen. Unter allen Umständen würden sie sich hiedurch eine nicht geringe Verantwortung aufgeladen haben ; unter den damaligen wurde sie besonders schwer. Das V. Corps trifft bei Harricourt auf den Gegner; der Disposition nach soll es auf Beanclair marschiren. Natürlich muss es den Feind zuerst zu werfen, und noch früher, bevor es sich selbst und das VII. Corps engagirt, über dessen Stärke ins Klare zu kommen versuchen. Aber der Commandant des V. Corps nimmt von Haus aus an, dass er überlegenen Massen gegenüberstehe, marschirt auf, und bleibt, die Unterstützung durch das VII. Corps gleichzeitig nachsuchend, bis 5 Uhr Nachmittag, wie durch einen Zauber gebannt, stehen . Hätte er nur halbwegs zweckmässige Maassregeln ergriffen ,

er würde bald gefunden haben, dass er es nur mit

Cavalerie-Abtheilungen (die 5. Cavalerie-Division ) zu thun habe,

die

ihm den Weg nicht verlegen konnten, und hätte demzufolge seinen Marsch bald, und zwar auf der südlichen Strasse, fortgesetzt. Auf schlechten Landwegen gelangt er schliesslich bei

einbre-

chender Nacht nach Belval und Bois des Dames, also doch beiläufig in die Höhe der ihm zugewiesenen Marschstation , ohne jedoch, wie es scheint, dem Armee-Commandanten und den ihm unterstehenden VII. Corps Mittheilung von der veränderten Aufstellung gemacht, und ohne eine Recognoscirung gegen Stenay unternommen zu haben. Noch eigenthümlicher ist das Verhalten des VII . Corps. Es nimmt den Weg über Quantrechamps, und gelangt statt nach Nouart mit seiner Spitze nur 12 , und mit der letzten ( 1. ) Division sogar nur 1 Meile , in der ihm angewiesenen Marschdirection vorwärts. Was der Com-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

425

mandant zu seiner Entschuldigung hierüber vorbringt, kann nach eingehender Untersuchung so wenig stichhältig befunden werden ,

wie

der Grund, der es ihm unmöglich gemacht haben soll, das V. Corps zu unterstützen . Mac Mahon hat nun erfahren, dass Stenay vom Feinde besetzt sei, und hält dafür, dass er hier nicht die Maas überschreiten könne , und über Mouzon und Remilly Montmédy erreichen müsse. Er gibt also den Entsatzmarsch noch nicht auf, und will in einem weiten , nordwärts gekehrten Bogen ausweichen, und doch noch vor dem Feinde bei Montmédy eintreffen. Ein Blick auf die Karte genügt, um einzusehen, dass hier ein Unternehmen versucht wurde, nicht weil es doch noch möglich war - eine solche Anschauung konnte Mac Mahon kaum haben - sondern weil er dem erhaltenen bestimmten Befehle um jeden Preis nachkommen wollte. Der unbedingte Gehorsam hat ihm seinen Weg vorgezeichnet, und es wäre müssig das Fehlerhafte, ja Unmögliche der Maassregel weiters hervorheben zu wollen. Angesichts derselben wollen wir auch nicht viel Worte darüber verlieren, dass der für den 29. angeordnete Marsch ein sehr kleiner war. Wir begreifen , dass, wenn die Pflicht dem Armee-Commandanten das Vorrücken nach Montmédy über Mouzon und Remilly dictirte, die Ueberlegung ihm zuwarten , und am linken Maas -Ufer bleiben hiess, weil er dann in nordwestlicher Richtung noch ausbiegen und sich retten konnte. Dagegen verdient die Art, wie die Befehle über die völlig veränderte Marschdirection den Corps übermittelt wurden,

schon darum

Erwähnung , weil sie Veranlassung gab, dass den Deutschen, gerade im kritischesten Augenblicke, die französischen Dispositionen für den 28. und 29. in die Hände fielen. Das Armee-Commando musste freilich annehmen ,

dass das V. und VII. Corps ihre für den 28. vorge-

zeichneten Marschstationen erreicht hätten , zunächst standen,

aber da sie dem Feinde

da es sich um eine völlig veränderte Marschdirec-

tion handelte, und falls dieselbe dem Corps nicht rechtzeitig bekannt wurde, grosse Gefahr für die Armee entstand, diese überhaupt in einer misslichen Lage war, so hätte aus allen diesen Gründen, die sich besser fühlen als darstellen lassen,

die Uebermittlung in möglichst

sicherer Weise und durch verschiedene Ueberbringer geschehen sollen. Statt dessen wird ein einziger Officier für das V. und VII . Corps abgesendet, und diesem die schriftliche Disposition für den 29. mitgegeben . Wie nothwendig eine mehrfache Expedition wichtiger Befehle sei , kann man aus Napoleon's I. Verhalten bei allen ähnlichen Gelegenheiten ersehen, der unter andern den Befehl an Davoust zum Flankenmarsche von Regensburg nach der Abens nicht weniger als acht Mal expedirte.

Reicher.

426

Auch der 29. August bringt mehrere Vorfälle beim V. und VII . Corps , die wir nicht stillschweigend übergehen können .

Wieder lässt

sich das V. Corps durch den Angriff der Avantgarde des 12. sächsischen Corps aufhalten, und sendet über den Kampf, wie es scheint , keine Meldung an's Armee-Hauptquartier . Wie am 28. erreicht das VII. Corps abermals die ihm angewiesene Aufstellung nicht, ohne dass es stichhältige Gründe für die Abweichung vom Befehle vorbringen kann. Zum zweiten Male verweigerte es dem V. Corps die so nothwendige Unterstützung . Zwischen beiden besteht nahezu keine Verbindung, obwohl zwischen ihnen die wichtige Strasse Buzancy- Beaumont liegt. Aus den Dispositionen für den 30. hebt sich nur der eine Umstand hervor, dass man jedem, der noch am linken Maasufer stehenden Corps nur eine Brücke zuweist. Das ist in solchen Verhältnissen denn doch

zu

wenig,

konnte

Verzögerungen für

den

Uebergang

her-

vorbringen , ja die Armee in eine sehr missliche Lage bringen . Wäre das VII. Corps nicht einer Katastrophe entgegengegangen, wenn die Deutschen dasselbe drängten ? Wichtiger aber als die Erörterung dieser Disposition ist jene, die sich an das Gefecht von Beaumont knüpft. Nicht zum ersten Male werden französische Truppen, hier

ein ganzes Corps,

fallen , und durch diesen Ueberfall zur Flucht geführt.

förmlich überNicht besser

als dem V. Corps geht es Theilen des VII., die ohne genügende Sicherungsmaassregeln ihren Marsch durchführen . Welch trübes Licht. werfen nicht dergleichen Vorfälle auf die Zustände der französischen Armee, Zustände, die freilich durch die seitherigen Niederlagen , durch das Schwanken in den Entschlüssen, und die ungenügenden Vorkehrungen im Verlaufe dieser Operationen bei einem so erregbaren Volke erklärlich sind . Die Disciplin musste schon sehr gelockert, die Autorität der Befehlshaber sehr erschüttert sein, wenn solche Ereignisse eintreten konnten . Diesen Zustand der Dinge muss man im Auge behalten wenn man die weiteren Vorgänge bei der französischen Armee sich recht. erklären will. Schon am 28. Abends gab es für dieselbe wahrscheinlicherweise keine Rettung mehr aus der Katastrophe, der sie nun zuschreiten musste. Nur glückliche Zufälle konnten ein Entrinnen möglich machen ; auf diese allein durfte und musste man noch bauen. Denn da die Deutschen nah' und gerade gegenüber standen , so war weder ein Marsch nach Osten, noch ein solcher nach Westen oder Nordwesten ohne Kampf gut denkbar. Im Norden aber zog sich die belgische Grenze hin, der sich das französische Heer schon durch die Dispositionen für den 29. näherte .

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

427

Indessen musste der Ausweg nach Nordwesten doch noch versucht werden. Gelang er nicht, so war deswegen die Situation keine schlimmere. Rasch musste man demnach das

rechte Maas -Ufer ge-

winnen, mit der Aufbietung der letzten Kraft über Sedan nach Mézières marschiren, dort die Maas nochmals übersetzen, und nun entweder gegen Paris abbiegen, oder wenn dies unausführbar geworden, die nordwestliche Richtung gegen die Nordfestungen Frankreichs einhalten. Die Maas- und Chiers -Uebergänge waren natürlich zu zerstören, das 13. Corps (Vinoy) auf dem Wege mitzunehmen . Das Alles erscheint bei ruhiger Ueberlegung als das Gerathenste und erscheint leicht, wenn man von der drohenden Gefahr absieht, welche über dem Haupte des Entschliessenden schwebte, und von der Voraussetzung ausgeht, dass dieser seine Lage genau kannte. In einem anderen Lichte mussten die erscheinen , der,

Dinge begreiflicherweise Mac Mahon

wie man angibt,

den Feind auf 60-70.000 Mann

schätzte, und in seinem Berichte an den Kriegsminister vom 27. von nur 100.000 Mann spricht. Ist es aber richtig, dass er die Lage noch nicht verzweiflungsvoll ansah, weil er die

riesige Ueberlegenheit

der Deutschen auch

nicht entfernt ahnte, so begreift man um so leichter,

dass er seinen

Rückzug nicht ausserordentlich beschleunigte, dass er zuletzt bei Sedan stehen bleiben , und die

weiteren Maassnahmen des Feindes abwarten

wollte, dass er kein Verlegen der Rückzugsstrassen befürchtete, und an keinen Uebertritt auf belgisches Gebiet dachte. Aber auf keinen Fall begreiflich werden die Unterlassungen sein, die sich der Commandant der Armee von Châlons und sein Generalstab hinsichtlich der Zerstörung der Maas- und Chiers - Uebergänge zu Schulden kommen liessen. Ob er die Stärke des Gegners unterschätzte oder nicht, ob er stehen bleiben oder den Rückzug antreten wollte, die Uebergänge durften schlechterdings nicht in den Besitz des Feindes gerathen. Dass er dagegen keine Maassregeln getroffen, wird sein schwerstes Verschulden, und weil gegen die einfachsten • Grundsätze verstossend, ein unbegreiflicher Act bleiben . Der Abend des 31. war, wenn die Uebergänge nicht zerstört wurden, der letzte Termin für den Versuch zur Rettung der französischen Armee. Von da an gab es nur Verzweiflungsacte, die auf ein Durchschlagen ausgingen . Es steht das jetzt, nachdem die Bewegungen der Deutschen genau bekannt sind, ohne Widerrede fest, denn wenn man auch den Rückzug am 1. schon um 4 Uhr Früh angetreten hätte, also 3 Stunden früher, als die ersten Befehle Ducrot's ausgegeben wurden, es wäre zu spät gewesen. Denn in solchem Falle wäre die Spitze des VII . Corps gegen 71, Uhr nicht viel über Viviers30 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

Reicher.

428

au-Court hinausgelangt, während die Queue frühestens erst um 8 Uhr abmarschiren konnte, und die übrigen Corps noch weit hinter dem Defilé von St. Albert stehen mussten. Um dieselbe Zeit hatten aber die Deutschen die Rückzugsstrasse schon mit 2

Corps erreicht !

Für die französische Armee gibt es also am 1. September Morgens keinen Rückzug mehr . Sie muss siegen, was unmöglich, oder sich durchschlagen, was kaum mehr ausführbar ist. Freilich erkennt ihr Commandant diese traurige Lage nicht ; sie bleibt ihm auch verborgen, da er schon am Morgen verwundet wird .

Ein gütiges und

gerechtes Schicksal könnte man sagen, erspart dem braven und treuen Soldaten die letzte erschütternde Erkenntniss, und die Schmach mit seinem Namen den wenig ruhmvollen Untergang des letzten franzōsischen Feldheeres zu besiegeln ! Zu den vielen ebenso ausserordentlichen als unglücklichen Zwischenfällen,

die

zum Verderben Frank-

reichs eingetreten, die mit der geglaubten bedrängten Lage Bazaine's begonnen,

mit dem Verschwinden der zweiten Depesche desselben,

mit dem unbewussten Verrath durch eine Zeitung, und mit der Gefangennahme eines französischen Generalstabsofficiers im kritischesten Zeitpuncte sich fortgesetzt hatten, gesellt sich nun der eines dreimal wechselnden Obercommando's am Schlachttage hinzu ; jetzt , wo eine sichere, consequente und energische Führung am nöthigsten gewesen wäre, gerade jetzt muss Schwanken in der Befehlsgebung eintreten, weil die drei nach einander folgenden Commandanten verschiedene Pläne verfolgen wollen. Mac Mahon will stehen bleiben und abwarten, Ducrot den Rückzug um 72 Uhr antreten, oder auf belgisches Gebiet übertreten, Wimpffen die Baiern zuerst zurückwerfen, und dann diese günstige Kampfeslage für die Errettung der Armee verwerthen, deren sichern Untergang er in einem Rückzuge, namentlich in einem beschleunigten , wie die Verhältnisse denselben dictirten, erblickt, und der von einem Uebertritt auf belgisches Gebiet vorläufig nichts wissen will.

Noch

heute ist die Discussion nicht geschlossen , wer von beiden letzteren im Rechte war. So mag es denn zur Klärung der Anschauungen beitragen, die widersprechenden Meinungen hier nochmals zu vergleichen , wenn damit auch nicht der Streit definitiv beigelegt wird.

Wir sind zuerst der Anschauung , dass ein sofortiger Uebertritt auf neutrales Gebiet nicht råthlich erscheinen konnte, und meinen die Gründe dafür lassen sich in dem Satze zusammenfassen , dass ein solcher Schritt nicht viel ehrenvoller als eine Capitulation im freien Felde gewesen

wäre, und die Armee für den Krieg nicht gerettet hätte. Entgegen allen Opportunitätsmännern , die in einem Kampfe bei Sedan nur nutzloses Blutvergiessen sahen, hegen wir ganz bestimmtest

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan. die Ansicht, dass ein solcher momentan zwar

429

grosse Verluste, und

wahrscheinlicherweise auch keine Rettung, aber für die fernere Führung des Krieges und für folgende Zeiten moralischen Gewinn gebracht hätte . Der ruhmvolle Untergang eines Heeres ist ein Sieg, wenn auch ein sehr theuer erkaufter, dessen Früchte aber eine spätere Zeit sicherlich erntet. Wir hätten demnach nur mehr zwischen dem Plane des Rückzuges und jenem der Annahme der Schlacht zu entscheiden, und im letzteren Falle die günstigste Richtung des Durchschlagens festzustellen, weil es im grossen Ganzen einzig auf den Versuch des Durchbrechens, und nimmermehr auf ein passives Vertheidigen in der gewählten Stellung allein ankam . Dass der Rückzug noch möglich gewesen,

wird gegenwärtig

wohl Niemand mehr behaupten. Was früher darüber geschrieben wurde, beruht einfach auf Unkenntniss der wahren Sachlage. Am frühen Morgen begonnen, wäre er schon zu spät gewesen und ein Versuch zum Durchschlagen geworden. Um 712 Uhr, also 32 Stunden später, war er vollends unmöglich. Aber im Angesichte des Feindes, der nachdrängte, die Stellung räumen und zurückgehen, namentlich wie es hier geschehen musste, rasch zurückgehen, hätte muthmaasslich zu einer Auflösung der Armee, und zu einer wilden Flucht geführt. Der moralische Zustand der französischen Armee, das Missliche eines solchen Rückzuges überhaupt, sprechen für die Behauptung. So blieb denn nur die Führung des Kampfes in der gewählten Stellung,

die Erreichung

günstiger Kampfesverhältnisse

an

einem

Puncte des Schlachtfeldes, und der daran zu knüpfende Versuch des Durchbrechens das

Ziel aller Anstrengungen.

Wo lag nun dieser

Punct, oder wo war der Durchbruch am leichtesten zu bewerkstelligen ? In südlicher oder südwestlicher Richtung wäre die Maas im Angesichte des Feindes zu überbrücken und zu überschreiten , oder das Defilé der Festung zu durchziehen, und gegen die, namentlich mit starker Artillerie besetzten Höhen von Aillicourt, Wadelincourt und Frénois zu debouchiren gewesen.

Ersteres war gewiss nicht durch-

führbar, und da der Brückenkopf von Torcy offensive Unternehmungen grösseren Styles gar nicht erlaubt, so lag der Durchbruchspunct sicherlich nicht auf dieser Seite. Im Nordwesten,

jenseits

von St. Menges und Fleigneux, liegt

ebenso wie im Norden ein schwer, für grössere Abtheilungen theilweise ganz ungangbares, coupirtes und bewaldetes Terrain, das der Vertheidigung günstiger als dem Angriffe ist. Wollten die Franzosen gegen diesen von den Deutschen schon besetzten Abschnitt vorgehen, so hatten sie beinahe alle Schwierigkeiten gegen,

die Deutschen alle 30*

430

Reicher.

Vortheile für sich. Die von 2 , Corps besetzte Stellung von St. Menges , Fleigneux und Ferme du champ de la Grange wäre demnach schwerlich zu nehmen gewesen . Am günstigsten nach den Terrainverhältnissen und der Besetzung standen sonach die Dinge im Osten,

wo ein offensives Vorbrechen

durch die Besetzung der Höhen zwischen dem Bois Chevalier und Daigny möglich war, und wo sich gegenüber La Moncelle - Bazeilles keine Gegenstellung für die Deutschen vorfand.

Der letztere Theil

war aber auch desswegen ganz besonders günstig, weil die Baiern hier die Maas und Chiers hart hinter sich hatten. Der Verlauf der Schlacht endlich, die missliche Lage der Baiern, und die Vortheile , welche die Franzosen bei Bazeilles bis gegen 9 Uhr errungen hatten, musste vollends für einen Versuch in dieser Richtung entscheiden . Mag nun Wimpffen die ganze Sachlage sofort überblickt, oder nur einige günstige Umstände wahrgenommen haben, sein Plan, die Baiern zu werfen, während auf den übrigen Theilen des Schlachtfeldes Stand gehalten werden sollte, war jedenfalls gut, ja der beste, der unter den misslichen Umständen gefasst werden konnte. Leider erwies er sich als zu spät gefasst , denn die Ereignisse waren mittlerweile weiter und ungünstiger vorgeschritten, als man gegen 9 Uhr annehmen konnte. Denn als es zur Ausführung der verschiedenen Detail befehle zwischen 9 und 10, sowie nach 10 Uhr kommen sollte, waren die Höhen

vor

Daigny verloren, Haybes und Givonne schon besetzt, und das XII. Corps in der Räumung Bazeilles begriffen.

Die verloren gegangenen Posi-

tionen konnten nun um so weniger genommen werden , als die

zur

Verstärkung beorderten Truppen zu spät beim XII . Corps eintrafen , und die aufeinander folgenden , sich widersprechenden Befehle Verwirrung bei den Truppen hervorgebracht hatten . Diese ist muthmaasslich auch die Veranlassung, dass der ganz zeitgemässe Befehl

zur

Besetzung des Plateaus von Illy, welcher die Vertheidigung der Abfälle gegen Daigny und Givonne nicht ausschloss, zu keinem Ergebniss führte. Ja die Masse der dort sich häufenden Truppen führt , da diese in ein furchtbares Kreuzfeuer genommen werden, zu noch grösserer Unordnung, und endlich zur Flucht. Bald nach Mittag hat Wimpffen erkannt, dass von einem Standhalten auf den Höhen und von einem gleichzeitigen Zurückwerfen der Baiern keine Rede mehr sein könne, sondern dass es sich nur mehr um ein Durchschlagen mit wenigen Truppen handle. Auch dieser Entschluss ist richtig und ehrenvoll, was auch immer die Gegner Wimpffen's dagegen eingewendet, denn bevor es zum Aeussersten , zur Capitulation , kam, musste jedes Mittel, ihr zu entrinnen , versucht werden.

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

431

Die Schlacht von Sedan ist in ihren Details noch zu wenig bekannt, um mehr als diese Hauptpuncte festzustellen .

Es wird einer

späteren Zeit vorbehalten bleiben , über alle Vorgänge das richtige Licht zu verbreiten, und den letzten Act dieser grossen Tragödie der Wahrheit gemäss zu schildern, und ihn richtig zu beurtheilen . Mit der Capitulation von Sedan war die Katastrophe über das französische Heer hereingebrochen , und was sie verschuldet, scheint durch die Fehler und Unterlassungen, welche die kritische Beurtheilung der einzelnen vorangegangenen Ereignisse hervorgehoben , hinlänglich erklärt zu sein . Bazaine's zweideutiges Verhalten, und die unwahren Berichte über seine Lage bei Metz, Palikao's widersinniger Befehl zu seinem Entsatze,

die Unentschlossenheit und das

Schwanken des Feldherrn , die Ueberlegenheit der Deutschen, und eine Reihe ungewöhnlicher und unglücklicher Zufälle waren ohne Zweifel die nächste Veranlassung zu derselben ; aber sie waren weder die einzigen ,

noch

die

eigentlichen und

innersten Gründe dieses grossen

Unfalles. Diese führen zuerst auf die Dynastie, welche sich Frankreich gegeben, und schliesslich auf die französische Nation selbst zurück. Durch Gewalt und List zur Herrschaft gelangt, uud durch beide in ihr erhalten , musste Napoleon an dem Tage fallen, an dem er auf beiden Feldern den grösseren Meister fand. Auf solcher Grundlage aufgebaut, konnte sein Thron nur durch Maassregeln gesichert werden, die schliesslich, ewiger Gerechtigkeit zu Folge, sein Verderben werden mussten . Er konnte und durfte nicht vor Allem nur nach Männern von Verdienst,

er musste zuerst und vorwiegend nach er-

gebenen Anhängern suchen. Um die Menge zu gewinnen , musste er ihr Schmeichler werden , und dem ohnehin stark entwickelten Nationalgefühle übermässige und schädliche Nahrung

zuführen .

Er musste

Frankreich bei jeder Gelegenheit sagen, dass es mit ihm an der Spitze der Civilisation marschire, dass seiner Armee nichts gleichkomme, und dass es ausserhalb seines Umkreises nichts gebe, was beachtenswerth sei . Er durfte nicht daran denken, offenbare Gebrechen heilen zu wollen , den Unterricht zu fördern, das Wehrwesen zu entwickeln und zu verbessern, und die moralischen Güter der Nation zu mehren.

Sein Streben konnte nur auf Hebung des materiellen Wohl-

seins gerichtet sein .

Im crassen Egoismus befangen, konnte er der

Selbstsucht, die immer weitere Kreise ergriff, nicht entgegentreten , durfte dem Volke keine allzuschweren Opfer auferlegen, auch wenn sie nothwendig geworden waren, weil er sie nicht für die Nation, sondern nur für sich selbst verlangte.

Reicher.

432

Das Alles hat Frankreich tief corrumpirt. Und als es zum Kampfe mit dem starken, seines grossen Zieles, und des dahin führenden Weges wohl bewussten Nachbar kam, da hatte es nur Männer an der Spitze, die nicht das Wohl des Vaterlandes, sondern ihr eigenes Ich hochhielten, oder die Situation nicht zu erfassen verstanden ; Führer, die das Heer nicht zu leiten wussten, eine Armee, die weder zahlreich, noch genügend ausgerüstet und ausgebildet, aber von der weit verbreiteten Corruption schon theilweise ergriffen war. Die Nation selbst stand nicht hinter ihrem Herrscher, waren doch seine Interessen nicht die ihrigen. So mussten Katastrophen eintreten, und es war im Grunde gleichgiltig, ob sie bei Sedan oder anderwärts vorfielen. Aber es

wäre Ungerechtigkeit,

wollte man alles Unheil

des

Krieges 1870-71 einem einzigen Manne zur Last legen ; das ganze französische Volk war mit daran schuldig. Jedes Volk bestimmt sich ja schliesslich sein Schicksal selbst .

Treffend

und wahr ist darum

der Ausspruch des greisen Staatsmannes Thiers : „ Das grösste Verbrechen Frankreichs war das, sich einen Herrscher wie Napoleon gegeben zu haben . " 2. Die Operationen der Deutschen. Es war ein kühner, vielleicht allzukühner Entschluss, die am 18. zwar geschlagene, aber lange nicht erschütterte französische Armee mit 7

Corps in Metz einzuschliessen.

Zwar erscheint

es gewagt,

nach dem Verlaufe der Ereignisse eine solche Behauptung aufzustellen , aber sie soll dennoch hier vorgebracht werden, weil gewichtige Gründe für ihre Richtigkeit sprechen. Keine Theorie hat es bisher gewagt, den Satz aufzustellen, dass man mit nur wenig überlegenen Kräften die noch nicht erschütterten feindlichen, so ferne diese in ihrem Werthe nicht sehr tief stehen, in einem verschanzten Lager einschliessen dürfe ; auch wird, meinen wir, es keine in Zukunft wagen, ein solches Verhalten zu billigen .

Es ist indessen nicht die Theorie allein , welche diesen Ausspruch thut, mehr als diese, trotz ihrer guten Gründe unverlässliche Richterin , spricht die Erfahrung, welche wir aus dem vorliegenden Falle schöpfen, selbst dafür. Hat denn Bazaine Alles gethan, was er thun konnte, um den Ring zu sprengen, hat er namentlich bei dem einzigen ernsteren und umfassenden Durchbruchversuche am Tage von Noisseville seine ganze Kraft mit aller Energie eingesetzt ? Man müsste sehr parteiisch sein, wollte man hier bejahen , und sonach das Verhalten der Deutschen in diesem Falle mustergiltig finden. Nach sehr kurzer, nothwendig gewordener Ruhe setzen nun diese , 8 , Infanterie-Corps und 6 Cavalerie-Divisionen stark, und in 2 Armeen

433

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

gegliedert, am 23. ihren Vormarsch gegen Paris fort. Sie gehen sehr zweckmässig in breiter Front vor, weil dies ihre Bewegung erleichtert, und nichts annehmen lässt, dass der bei Châlons stehende Feind sich ihnen offensiv entgegenwerfen werde.

Um diesen zu umfassen und

ihn von seinen Verbindungen nordwärts abzudrängen , wird der III . Armee berechtigterweise ein Vorsprung von einem Marsche gelassen,

auch

dieselbe angewiesen, ihre Cavalerie vor der Front zu behalten, gleichwie die 5. und 6. Cavalerie- Division immer um einen kleinen Marsch der IV. Armee- Abtheilung voranbleiben. Ueber die Stärke des Gegners ist das grosse Hauptquartier nicht genau, über seine Absichten gar nicht orientirt, man vermuthet nur, dass er sich nach Paris zurückziehen werde. Unter solchen Verhältnissen ist wohl die Frage keine müssige , ob denn nicht alle Cavalerie-Divisionen vom Beginne des Vormarsches an, soweit als möglich, und zwar mehr als einen kleinen Marsch vorzupoussiren gewesen wären . Ohne Zweifel hätte man schneller Fühlung mit dem Feinde genommen, somit früher Nachrichten erhalten , und wäre wohl vor dem 25. Abends durch sie, und nicht durch ZeitungsNachrichten von seinem Marsche nach Metz in Kenntniss gekommen. War eine Maassregel, die Cavalerie weit vorzupoussiren, wie sie die II. Armee mit so vielem Nutzen gleich beim Beginne des Feldzuges getroffen hatte, und wie sie hier erst am 25. angeordnet wurde, nicht schon von Haus aus räthlich? Wir glauben dies umsomehr, als die Deutschen an Cavalerie ihrem Gegner überlegen waren, und somit jedenfalls den Raum beherrscht hätten. Nach den gewonnenen Erfahrungen früherer Kriege, und insbesondere nach jenen des Jahres 1870-71 , kann man sagen, dass mit Ausnahme weniger Fälle, die in grösseren Verbänden formirte Cavalerie jederzeit weit vor die Front der Armee gehört, wo sie ohne Gefahr verbleiben kann , weil sie ihrer Eigenthümlichkeit zufolge jedem entscheidenden Gefechte aus dem Wege gehen. kann, und für Rückzug und Verbindungen zumeist keine Sorge zu tragen braucht. So verwendet, wird sie vorzugsweise die Sicherung der Armee übernehmen, d. h. nicht nur überraschende Anfälle derselben. verhüten, sondern, was mit dazu gehört und schwerer wiegt, die Aufgabe der Beobachtung des Feindes auf das Beste lösen. Wir haben von Ausnahmsfällen gesprochen , wo die Cavalerie diese ihre Bestimmung nur mit Gefahr erfüllen könnte . Sie werden im Allgemeinen durch ein sehr

schwieriges

und wenig

gangbares

Terrain herbeigeführt, wo die angeführte Waffe sozusagen fortwährend in Defiléen vorgehen müsste, wo ihr also der Rückzug leicht verlegt werden könnte . Ein solches Terrain kommt aber nur selten vor, und selbst die Vogesen

und Ardennen , obwohl nicht zu den gangbarsten

Reicher.

434

Räumen zählend,

gehören

nicht dazu.

Diese Bemerkung

wollen wir

mit Bezug auf die Verwendung der Cavalerie der III. Armee bei ihrem Vormarsche nach der Schlacht von Wörth, und der III . und IV. Armee vom 27. bis zum 30. August gemacht haben . In dem letzteren Zeitabschnitte waren die 4 Cavalerie-Divisionen immer am linken Flügel, und die Cavalerie der Garde und des 12. Corps nur wenig vor der Front, sie hätten, besser verwendet,

sehr nützliche Dienste leisten müssen,

wie dies die Erwägung der Verhältnisse jener Tage ergeben wird . Wir kehren nun zur Nacht des 25. auf den 26. zurück,

in

welcher das grosse Hauptquartier durch eine Zeitungsnachricht die erste Kunde von dem Vormarsche der Armee von Châlons gegen Metz erhält . denn

Sie war demnach keine vollkommen sichere, auch die

ersten in der Nacht gegebenen

Charakter der Vorbereitung und Einleitung .

und so trugen

Dispositionen den

4 , Cavalerie-Divisionen

werden zuerst gegen Norden dirigirt, wohin auch die 3 Corps der IV. Armee Marschdirection nehmen, während die nächsten 2 baierischer. Corps Haltbefehl erhalten. Aber schon am 26. Mittags ist das Hauptquartier über die

zu treffenden Verfügungen im Reinen ,

Entsatzmarsch Mac Mahon's

fast als gewiss ansieht.

da es den

Den Marsch

nach Norden sollen die bereits erwähnten 5 Corps antreten , der Rest der III. Armee einstweilen gegen Reims stehen bleiben , bis man sichere Kunde von dem Abmarsche der ganzen feindlichen Armee erhalten haben würde . Wie wir wissen, hatte der Kronprinz eine andere Auffassung von der Sachlage und von den zu treffenden Dispositionen . Es erschien ihm sehr wahrscheinlich, dass die ganze feindliche Armee den Vormarsch angetreten habe, und er hielt es demnach für nothwendig, mit der ganzen III. und IV. Armee ihr zu folgen, sofort aufzubrechen, um sie noch auf dem Marsche vor Metz einzuholen und in der Flanke anzufallen .

Die Ergebnisse einer

mussten sehr bedeutende sein. Kraft,

solchen Operation

Marschirte man nicht mit der ganzen

so war der Gegner wahrscheinlicherweise den Deutschen ge-

wachsen, und eine Niederlage der Letzteren möglich. Brach man nicht sofort auf, so konnte der Erstere , welcher schon einen Vorsprung hatte, entwischen, früher in Metz eintreffen und dort im Vereine mit Bazaine dem Prinzen Friedrich Carl einen

unangenehmen Stand bereiten .

Gegen solche Nachtheile, war jener gering, welcher entstehen konnte, wenn der Feind ganz oder nur mit einem Theile noch bei Reims stand. Jedenfalls musste die Cavalerie bald Aufklärung bringen, worauf, sobald einer dieser Fälle eintrat, ein nochmaliges Abschwenken leicht und ohne Gefahr durchführbar war. Wir brauchen wohl kaum hinzuzufügen, dass wir die Anschauungen und Entschlüsse des Kronprinzen als die einzig

richtigen aner-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

435

kennen, denn wir haben bereits einmal bemerkt, dass sie allein Sedan möglich gemacht haben . Nach der Frage ,

mit welchen Kräften die jetzt beschlossene

Operation durchgeführt werden solle, wichtigste.

war jene ihrer Richtung die

Den Nachrichten zufolge war Mac Mahon am 23. von

Reims aufgebrochen,

konnte also am 25. an der Aisne,

am 27. auf

dem rechten Maas-Ufer und am 28. Abends beiläufig in der Höhe von Damvillers stehen . In letzterer Richtung konnte man ihn aber aus der gegenwärtigen Aufstellung am schnellsten einholen, und dort am 28. Abends, also nach Marschtagen, 5 Corps vereinigt haben. So empfahl sich denn Damvillers als das nächste Operations -Object. Aber um die französische Armee mit solchen, beiläufig gleichen Streitkräften

einzuholen , und

sie vorläufig

wenigstens aufzuhalten,

durfte nicht nur kein Augenblick für die Ertheilung der Dispositionen verloren, sondern diese mussten auch den sehr schwierigen Verhältnissen bestens angepasst werden .

Es musste die Front verändert, die

Truppen im schlechtesten Wetter zum Theile auf schlechten Wegen dirigirt, die Verpflegung in der neuen Richtung sichergestellt, alle sonstigen Details geregelt, und der Armee jener Impuls der Energie mitgetheilt werden , welcher die Oberleitung selbst beseelte. Dass Alles dies ohne Stockung durchgeführt wurde, gereicht der Heeresleitung sowohl als auch den Truppen zur grössten Ehre. Am 26. und 27. wird die nördliche Richtung eingehalten ; am ersteren Tage mit der Spitze Varennes , am letzteren Dun erreicht. Freilich steht die Armee in 2 Gruppen , die eine (5 Corps) an der Maas zwischen Dun und Verdun, die zweite (3 , Corps ) zwischen. Daucourt und Heiltz-le-Maurupt. Wären die Franzosen nun am 27 . zwischen Stenay und Dun erschienen , und hätten sie an diesem Tage den Maas-Uebergang bewerkstelligt, was , wie wir wissen , geschehen konnte, so würde sich die Verspätung, welche beim Reste der 3. Armee eingetreten war , unangenehm fühlbar gemacht haben, denn diese brauchte mindestens 2 Märsche, um ebenfalls an der Maas zu stehen , und 3 Märsche, um an dem Entscheidungsschlage bei Damvillers. theilzunehmen. Aber schon am 27. erfährt man ziemlich sicher, dass der Gegner noch bei Vouziers und le Chêne stünde ; der Aufmarsch der Deutschen gegen diese Aufstellung wurde sonach nothwendig. Aus der Tiefe heraus mussten desshalb am 28. die ostwärts an der Maas stehenden 5 Corps auf beiläufig gleiche Höhe zwischen Maas und Aisne gebracht (Dun, Varennes, Vienne) , und am 29. dann in die Linien NouartBuzancy, Grand- Pré vorgeschoben werden. Die unter den Befehlen des Kronprinzen stehenden Corps mussten am 28. die Linien Malmy-Laval ,

Reicher.

436

und am 29. jene von Sechault- Somme-Py erreichen. Am 30. konnte dann der Angriff erfolgen,

der mit 3 Corps gegen le Chêne,

mit 3

bis

42 Corps gegen Vouziers und mit zwei oder einem Corps gegen den Rücken des Feindes geplant war. Diese Dispositionen wurden aber modificirt, als man zuerst den Rückzug des Feindes , und dann seinen abermaligen Vormarsch gegen die Maas wahrzunehmen glaubt. Den ersteren Bewegungen nach entschliesst sich der Kronprinz zu einer sofortigen Verfolgung am 29., zu deren Ausführung es indessen nicht kommt, da das grosse Hauptquartier am 28. aus dem Erscheinen grösserer feindlichen Massen bei Bar auf deren Vormarsch gegen Osten schliesst, der Deutschen nicht genügend vereinigt sind , trirung beschliesst .

und da die Kräfte

zuerst deren Concen-

So wird am 29. Vormittag

die feste Stellung

Aincreville-Landres von der IV . Armee bezogen, während die III. Armee mit den zwei baierischen Corps bei St. Juvin und Sommerance, mit dem 5. Corps und den Württembergern bei Grand - Pré mit dem 11. bei Monthois und mit dem 6. bei Vienne -le -Château aufmarschirt. Alle diese Bewegungen sind in ihrer Gesammtheit vollkommen zweckentsprechend , nur die Verwendung der 4. Cav. - Div. am linken Flügel beider Heere,

oder vielmehr die Unterlassung mit der Cavalerie der

Garde und des 12. Corps am 27.,

28. und 29.

weit vor der Front

streifen zu lassen , erscheint als eine nicht ganz zu billigende Maassregel,

wie wir dies bereits an einer anderen Stelle hervorgehoben

haben. Dagegen darf gerechterweise nicht übersehen werden, dass das coupirte und waldbedeckte Terrain

diese Art Verwendung

ziemlich

schwierig gestaltete . Mustergiltig ist ferner der rasche Entschluss zum Angriff des Feindes am 30., als man im Laufe des 29. durch die Gefangennahme eines französischen Generalstabs- Officiers die Lage der französischen Armee in Erfahrung bringt.

Diese in dem bedenklichsten Momente

vor den Defiléen der Maas energisch anzufallen, war durchaus geboten , so wie es im höchsten Grade zweckmässig war, den Schwerpunct des Angriffes (5 Corps ) auf den rechten Flügel zu verlegen , und so den Gegner am Weitermarsche nach Osten jedenfalls zu verhindern . Gleich gut wie die Dispositionen des grossen Hauptquartiers für den 30. , sind die Maassnahmen der beiden Armee-Commanden, sowie die DetailDispositionen der Corps, und insbesondere das Verhalten des 11. Corps und der Württemberger, welche die Direction le Chêne aufgebend , gegen Stonne marschiren, und hier aufs Wirksamste in der Flanke des Feindes eingreifen.

Wahrhaftig bewunderungswürdig sind ferner

die Marschleistungen der Deutschen an diesem Tage, da beinahe alle

437

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

Corps , trotz der vorangegangenen anstrengenden Märsche, 5, und über 5 Meilen zurücklegen. Nach solchen Anstrengungen kann kein Vorwurf erhoben werden, dass am Abend die energische Verfolgung des VII. französischen Corps nicht eintritt, und dieses einer Katastrophe entgeht. Aber nur aus diesem Grunde erscheint die Unterlassung gerechtfertigt.

Sie dadurch motiviren zu wollen ,

nicht gedrängt werden durften, verblieben, treffend.

weil,

dass

die Franzosen

je länger sie am linken Ufer

ihre Lage um so precärer wurde,

scheint uns nicht zu-

Und so wie alle Maassnahmen, vom Beginne des Marsches nach Norden an, die Billigung der Kritik finden müssen, so erscheinen auch jene bis zur völligen Einschliessung des französischen Heeres im Ganzen vorzüglich. Der Vormarsch der III. und IV. Armee, die Ueberschreitung der Maas und Chiers, Flügel,

das Einschwenken auf dem rechten

die Besetzung der Maas-Uebergänge,

die Herstellung

neuer

Brücken, die Beunruhigung des rechten Ufers, die Verwendung der Cavalerie, der Uebergang des 5. und 11. Corps sowie der Württemberger,

endlich das ungesäumte Vorrücken der IV. Armee sind Ope-

rationen eines gut durchdachten, consequent durchgeführten, nunmehr seiner Reife entgegen gehenden Planes . stein ein so wohlgefügtes Werk,

Würdig krönt der Schluss-

dessen Vollendung die Zertrümme-

rung der Suprematie Frankreichs, und die Auferstehung Deutschlands bedeutet. Neben so vielen lichtvollen Seiten kann hie und da ein kleiner Schatten nicht fehlen . Wir finden diesen während des letzten Zeitabschnittes in der irrthümlichen Verwendung des 6. Corps. die Flanke des,

dem gegnerischen so

sehr überlegenen

Um

deutschen

Heeres gegen Reims, Rethel und Mézières, wo grössere Truppenkörper des Feindes stehen sollten , zu decken, bedurfte es keiner besonderen. Vorkehrungen , und genügte die Sicherung durch weit vorgeschobene Cavalerie. 1-2 Cavalerie-Divisionen , welche bis an diese Orte streiften , und die Eisenbahn theilweise zerstörten, waren genügende Maassregeln gegen jede Beunruhigung der Flanke, die von Seite des Gegners kaum zu erwarten stand . Besser als bei Attigny konnte das 6. Corps bei Sedan selbst verwendet werden. War die Ueberlegenheit der Deutschen hier auch ohne dasselbe schon bedeutend genug,

so konnte sie doch

nie zu gross sein , wo die Capitulation einer ganzen Armee angestrebt wurde. Wenn wir die Operationen der Deutschen von der Mosel bis Sedan zusammenfassend nochmals überblicken, so tritt uns hier, wie in keinem anderen Zeitabschnitte grosse Klarheit der Conceptionen , ausserordentliche Energie in der Durchführung aller Operationen , und

438

Reicher. Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

richtige Verwendung der Massen in Raum und Zeit zumeist entgegen. Mehr noch als diese Dinge fesselt unsere Aufmerksamkeit das hingebende und verständnissvolle Zusammenwirken aller Theile zur Erreichung des grossen Zweckes . Aber über alles Lob erhaben steht die Gediegenheit und

Tüchtigkeit des deutschen Heeres da ;

die Tapferkeit, die Pflichttreue und der Opfermuth jedes einzelnen Diesen hehren Eigenschaften gebührt, meinen wir, mehr

Mannes .

noch als der Leitung die Palme des Ruhmes , und das Verdienst, den Tag von Sedan herbeigeführt zu haben .

Der Krieg gegen Atschin. ') Von Hugo von Molnár, Oberlieutenant im k. k. 11. Feld-Artillerie-Regimente, zugetheilt dem Generalstabe. (Hiezu Tafel VIII , IX, X. ) Als im Monate April vorigen Jahres die Niederlage der Holländer auf Sumatra bekannt wurde, wusste man im grossen Publikum über Atschin nicht viel mehr, als dass dieses Sultanat den nordwestlichsten Theil jener grossen Sunda- Insel erfülle,

und dass

ein noch ziemlich

wildes Volk jene gesegneten Tropen -Gegenden bewohne. Wenn nun auch die Journale im Laufe dieser eilf Monate die Orientirung über die Verhältnisse jenes Landes und seiner Bewohner, sowie über Ursache und Verlauf des Krieges ermöglichten, so konnte eine Lecture, welche eben nur für den Tag berechnet ist, denjenigen nicht befriedigen , welcher sich für Kämpfe - wo immer sie stattfinden mögen interessirt. Seit Wiederbeginn der Feindseligkeiten auf Sumatra nahmen die Operationen Dimensionen an,

welche das Interesse

des Militärs auf

sich ziehen mussten . Bei dem Mangel guter Karten , dürften jedoch nur Wenige in der Lage gewesen sein , die Vorgänge nach den periodisch eingelangten Notizen und Berichten dergestalt zu verfolgen,

dass sie

sich ein zusammenhängendes Bild der Kämpfe auf jener Insel zu machen im Stande gewesen wären . Von dieser Idee ausgehend, will ich, nach Voraussendung einer geschichtlichen Skizze, eine gedrängte Schilderung der beiden Expeditionen bieten und daraus jene Lehren abzuleiten versuchen , welche den eigentlichen Nutzen allen kriegshistorischen Studien bilden.

Atschin

richtiger Atjeh oder Atjih genannt

hat seit

dem Zeitpuncte seiner Losreissung von dem Reiche der Fürsten von Pedir, also vom Beginne des 16. Jahrhundertes an, seine selbstständige Geschichte und sein Volk spielte sowohl in dem genannten , als auch in der ersten Hälfte des folgenden Jahrhundertes die hervorragendste Rolle unter den Stämmen Sumatra's. ¹ ) Vortrag, gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine am 20. März 1874.

440

Molnár. Die in diesem Zeitraume vorgefallenen Kämpfe gegen die Portu-

giesen, welche ihr Banner auf den Mauern Malakka's aufgepflanzt und ihre Hand wiederholt nach Atschin ausgestreckt hatten , zogen im Atschinesen den Sinn für Unabhängigkeit und die Liebe zum Vaterlande gross. Unabhängigkeits- Sinn und Vaterlandsliebe begeistern auch heute noch dieses Volk in seinem Kampfe gegen Holland. Mit dem Sinken der portugiesischen Macht in Hinterindien - in der Mitte des 17. Jahrhundertes traten dort zwei Nationen auf, welche bis zum heutigen Tage in Atschin's Geschicke eingriffen , je nachdem die geschichtlichen Ereignisse einer oder der anderen dieser Mächte in Hinterindien und den Sunda - Colonien das Uebergewicht zuwiesen : Die Holländer und die Engländer. Die Holländer, welche mit der Einnahme Malakka's im Jahre 1641 in Hinterindien festen Fuss fassten, benützten das Ansehen und die Sympathien, deren sie sich bei den Atschinesen erfreuten , um sich mit denselben sofort in möglichst günstige Handels - Beziehungen zu setzen. Mit dem Wachsen der Macht der Holländer, Sumatra immer mehr ausbreiteten , Atschin's,

welche sich auf

begann aber schon der Verfall

und von dem einst so blühenden Reiche

ist eigentlich

nicht mehr übrig geblieben als die Hauptstadt und ihre Umgebung , denn viel weiter erstreckt sich die Macht des Sultans nicht. Die Bevölkerung der übrigen Landschaften des eine Fläche von 900 geographischen Quadrat- Meilen repräsentirenden Territoriums von Atschin , wird ihrer Zusammengehörigkeit nur inne, wenn der Freiheit und dem Wohlstande des Landes wie in dem gegenwärtigen Kriege Gefahr droht . Im Jahre 1810 gelangten die Engländer in den fast ausschliesslichen Besitz der hinterindischen Colonien , gaben jedoch 1816 einen Theil derselben wieder an Holland zurück. Die Rivalität der beiden Staaten erzeugte natürlich fortwährende Streitigkeiten, deren Schlichtung erst durch den sogenannten 1. SumatraVertrag vom 17. März 1824 angestrebt wurde . Diesem zufolge fielen die Besitzungen der Engländer auf Sumatra an Holland,

während England, welches bereits im Jahre 1816

das

jetzt so blühende Singapore gegründet hatte, die heute unter dem Namen Straits - Settlements ¹ ) bekannten Niederlassungen auf der Halbinsel Malakka und auf den Inseln in der gleichnamigen Meerenge erwarb. Diese Uebereinkunft löste nun die Verträge mit Atschin, welche ausschliessliche Handelsrecht mit diesem reichen und

England das

1 ) Singapore, Penang und Wellesley , Malakka.

441

Der Krieg gegen Atschin.

fruchtbaren Lande zugesichert hatten, während die Holländer nunmehr wieder der Rechte der meist begünstigten Nationen theilhaftig wurden. Als Gegenleistung legte England jedoch den Holländern die darunter Verpflichtung auf, die selbstständigen Fürsten Sumatra's

vornehmlich den Sultan von Atşchin zu schützen,

die Sicherheit des

Handels und der Schifffahrt längs der Nord- und Südküste jener SundaInsel zu garantiren . Diese Stipulationen brachten nun die Holländer in eine eigenthümliche Lage. Um Handel und Schiffahrt an jenen Küsten zu sichern , sollten sie sich vor Allem gegen jene Fürsten wenden, zu deren Schutze sie sich verpflichtet hatten ; denn wenn diese die Seeräuberei auch nicht geradezu förderten, so konnten sie immerhin der Connivenz geziehen werden . Die Folge dieser von Holland eingegangenen Verpflichtung war eine Reihe von Conflicten, welche die Spannung zwischen dieser Macht und Atschin immer mehr steigerte . Dies war aber den Holländern ganz erwünscht, denn diese Streitigkeiten mussten ihnen die Gelegenheit bieten, mit den Waffen einzuschreiten und ein Land unter ihre Botmässigkeit zu bringen,

nach

dessen reichen Pfeffer- Plantagen sich ihr Herz schon lange gesehnt hatte. Die Bedingungen des 1. Sumatra- Vertrages und das wachsame Auge der englischen Nachbarn, zwangen indess Holland mit der Ausführung dieses Lieblingsplanes zu warten , bis es endlich im 2. SumatraVertrage - vom 25. Februar 1871 - um den Preis seiner Besitzungen auf der Goldküste ¹ ) , welche England nunmehr begehrlich erschienen, das Protectorat über Atschin an sich riss . Von diesem Augenblicke an trat die Absicht Hollands auf jenes Sultanat immer unverholener zu Tage. Man wollte jedoch den Schein wahren, suchte im Sünden - Register der Atschinesen nach, fand in dem Piraten -Unwesen eine Verletzung des Völkerrechtes und begeisterte sich plötzlich für dessen Vertheidigung. So gewann die Sache sofort das entsprechende Relief. Ich möchte durchaus nicht der philantropischen Anschauung beschuldigt werden, den jedenfalls sehr sonderbaren Rechtsbegriffen der Atschinesen das Wort zu reden und hiedurch dem so nothwendigen Civilisations-Processe entgegen zu treten ; allein insolange „ colonisiren" und " civilisiren " noch vielfach als contradictorische Begriffe aufgefasst werden müssen, insolange niedrige Habsucht der einzige Motor ist, welcher gewissen Nationen ihre culturhistorischen Missionen scheinbar aufzwingt, kann man von deren Wirkung wenig Erspriessliches hoffen. Betrachten wir z. B. das in den ostindisch-holländischen

¹) Elmina.

Reicher.

432

Das Alles hat Frankreich tief corrumpirt. Und als es zum Kampfe mit dem starken, seines grossen Zieles, und des dahin führenden Weges wohl bewussten Nachbar kam, da hatte es nur Männer an der Spitze, die nicht das Wohl des Vaterlandes, sondern ihr eigenes Ich hochhielten , oder die Situation nicht zu erfassen verstanden ; Führer, die das Heer nicht zu leiten wussten, eine Armee, die weder zahlreich, noch genügend ausgerüstet und ausgebildet, aber von der weit verbreiteten Corruption schon theilweise ergriffen war. Die Nation selbst stand nicht hinter ihrem Herrscher, waren doch seine Interessen nicht die ihrigen. So mussten Katastrophen eintreten , und es war im Grunde gleichgiltig, ob sie bei Sedan oder anderwärts vorfielen. Aber es wäre Ungerechtigkeit, wollte man alles Unheil des

Krieges 1870-71 einem einzigen Manne zur Last legen ; das ganze französische Volk war mit daran schuldig . Jedes Volk bestimmt sich ja schliesslich sein Schicksal selbst. Treffend und wahr ist darum der Ausspruch des greisen Staatsmannes Thiers : „Das grösste Verbrechen Frankreichs war das, sich einen Herrscher wie Napoleon gegeben zu haben . " 2. Die Operationen der Deutschen. Es war ein kühner, vielleicht allzukühner Entschluss, die am 18. zwar geschlagene, aber lange nicht erschütterte französische Armee mit 7

Corps in Metz einzuschliessen.

Zwar erscheint

es gewagt,

nach dem Verlaufe der Ereignisse eine solche Behauptung aufzustellen , aber sie soll dennoch hier vorgebracht werden, weil gewichtige Gründe für ihre Richtigkeit sprechen. Keine Theorie hat es bisher gewagt, den Satz aufzustellen , dass man mit nur wenig überlegenen Kräften die noch nicht erschütterten feindlichen, so ferne diese in ihrem Werthe nicht sehr tief stehen, in einem verschanzten Lager einschliessen dürfe ; auch wird, meinen wir, es keine in Zukunft wagen , ein solches Verhalten zu billigen. Es ist indessen nicht die Theorie allein, welche diesen Ausspruch thut, mehr als diese, trotz ihrer guten Gründe unverlässliche Richterin , spricht die Erfahrung , welche wir aus dem vorliegenden Falle schöpfen, Hat denn Bazaine Alles gethan, was er thun konnte, um den Ring zu sprengen, hat er namentlich bei dem einzigen ernsteren und umfassenden Durchbruchversuche am Tage von Noisseselbst dafür.

ville seine ganze Kraft mit aller Energie eingesetzt ? Man müsste sehr parteiisch sein, wollte man hier bejahen, und sonach das Verhalten der Deutschen in diesem Falle mustergiltig finden . Nach sehr kurzer, nothwendig gewordener Ruhe setzen nun diese, 8 , Infanterie- Corps und 6 Cavalerie-Divisionen stark, und in 2 Armeen

433

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

gegliedert, am 23. ihren Vormarsch gegen Paris fort. Sie gehen sehr zweckmässig in breiter Front vor, weil dies ihre Bewegung erleichtert, und nichts annehmen lässt, dass der bei Châlons stehende Feind sich ihnen offensiv entgegenwerfen werde.

Um

diesen zu umfassen und

ihn von seinen Verbindungen nordwärts abzudrängen , wird der III . Armee berechtigterweise ein Vorsprung von einem Marsche gelassen,

auch

dieselbe angewiesen, ihre Cavalerie vor der Front zu behalten , gleichwie die 5. und 6. Cavalerie-Division immer um einen kleinen Marsch der IV. Armee-Abtheilung voranbleiben. Ueber die Stärke des Gegners ist das grosse Hauptquartier nicht genau, über seine Absichten gar nicht orientirt, man vermuthet nur , dass er sich nach Paris zurückziehen werde. Unter solchen Verhältnissen ist wohl die Frage keine müssige, ob denn nicht alle Cavalerie-Divisionen vom Beginne des Vormarsches an, soweit als möglich, und zwar mehr als einen kleinen Marsch vorzupoussiren gewesen wären. Ohne Zweifel hätte man schneller Fühlung mit dem Feinde genommen , somit früher Nachrichten erhalten , und wäre wohl vor dem 25. Abends durch sie, und nicht durch ZeitungsNachrichten von seinem Marsche nach Metz in Kenntniss gekommen. War eine Maassregel, die Cavalerie weit vorzupoussiren, wie sie die II. Armee mit so vielem Nutzen gleich beim Beginne des Feldzuges getroffen hatte, und wie sie hier erst am 25. angeordnet wurde, nicht schon von Haus aus räthlich? Wir glauben dies umsomehr, als die Deutschen an Cavalerie ihrem Gegner überlegen waren, und somit jedenfalls den Raum beherrscht hätten. Nach den gewonnenen Erfahrungen früherer Kriege, und insbesondere nach jenen des Jahres 1870–71 , kann man sagen, dass mit Ausnahme weniger Fälle, die in grösseren Verbänden formirte Cavalerie jederzeit weit vor die Front der Armee gehört, wo sie ohne Gefahr verbleiben kann , weil sie ihrer Eigenthümlichkeit zufolge jedem entscheidenden Gefechte aus dem Wege gehen kann, und für Rückzug und Verbindungen zumeist keine Sorge zu tragen braucht. So verwendet, wird sie vorzugsweise die Sicherung der Armee übernehmen , d . h. nicht nur überraschende Anfälle derselben verhüten, sondern , was mit dazu gehört und schwerer wiegt , die Aufgabe der Beobachtung des Feindes auf das Beste lösen . Wir haben von Ausnahmsfällen gesprochen , wo die Cavalerie diese ihre Bestimmung nur mit Gefahr erfüllen könnte. Sie werden im Allgemeinen durch ein sehr schwieriges

und wenig

gangbares

Terrain herbeigeführt, wo die angeführte Waffe sozusagen fortwährend in Defiléen vorgehen müsste, wo ihr also der Rückzug leicht verlegt werden könnte . Ein solches Terrain kommt aber nur selten vor, und selbst die Vogesen

und Ardennen , obwohl nicht zu den gangbarsten

434

Reicher.

Räumen zählend , gehören nicht dazu . Diese Bemerkung wollen wir mit Bezug auf die Verwendung der Cavalerie der III. Armee bei ihrem Vormarsche nach der Schlacht von Wörth, und der III. und IV. Armee vom 27. bis zum 30. August gemacht haben . In dem letzteren Zeitabschnitte waren die 4 Cavalerie-Divisionen immer am linken Flügel, und die Cavalerie der Garde und des 12. Corps nur wenig vor der Front, sie hätten, besser verwendet,

sehr nützliche Dienste leisten müssen ,

wie dies die Erwägung der Verhältnisse jener Tage ergeben wird . Wir kehren nun zur Nacht des 25. auf den 26. zurück, in

welcher das grosse Hauptquartier durch eine Zeitungsnachricht die erste Kunde von dem Vormarsche der Armee von Châlons gegen Metz erhält. Sie war demnach keine vollkommen sichere , und so trugen denn

auch die ersten in der Nacht gegebenen Dispositionen den Charakter der Vorbereitung und Einleitung . 4 , Cavalerie -Divisionen werden zuerst gegen Norden dirigirt, wohin auch die 3 Corps der IV. Armee Marschdirection nehmen, während die nächsten 2 baierischer Corps Haltbefehl erhalten. Aber schon am 26. Mittags ist das Hauptquartier über die zu treffenden Verfügungen im Reinen , da es den Entsatzmarsch Mac Mahon's fast als gewiss ansieht. Den Marsch nach Norden sollen die bereits erwähnten 5 Corps antreten , der Rest der III. Armee einstweilen gegen Reims stehen bleiben, bis man sichere Kunde von dem Abmarsche der ganzen feindlichen Armee erhalten haben würde .

Wie wir wissen , hatte der Kronprinz eine andere Auffassung von der Sachlage und von den zu treffenden Dispositionen . Es erschien ihm sehr wahrscheinlich , dass die ganze feindliche Armee

den Vormarsch angetreten habe, und er hielt es demnach für nothwendig, mit der ganzen III. und IV. Armee ihr zu folgen, sofort aufzubrechen , um sie noch auf dem Marsche vor Metz einzuholen und in der Flanke anzufallen . Die Ergebnisse einer solchen Operation mussten sehr bedeutende sein . Marschirte man nicht mit der ganzen Kraft, so war der Gegner wahrscheinlicherweise den Deutschen gewachsen, und eine Niederlage der Letzteren möglich . Brach man nicht sofort auf, so konnte der Erstere, welcher schon einen Vorsprung hatte, entwischen , früher in Metz eintreffen und dort im Vereine mit Bazaine dem Prinzen Friedrich Carl einen unangenehmen Stand bereiten . Gegen solche Nachtheile , war jener gering, welcher entstehen konnte . wenn der Feind ganz oder nur mit einem Theile noch bei Reims stand. Jedenfalls musste die Cavalerie bald Aufklärung bringen , worauf, sobald einer dieser Fälle eintrat, ein nochmaliges Abschwenken leicht und ohne Gefahr durchführbar war. Wir brauchen wohl kaum hinzuzufügen, dass wir die Anschauungen und Entschlüsse des Kronprinzen als die einzig

richtigen aner-

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan.

435

kennen, denn wir haben bereits einmal bemerkt, dass sie allein Sedan möglich gemacht haben . Nach der Frage ,

mit welchen Kräften die jetzt beschlossene

Operation durchgeführt werden solle, wichtigste .

war jene ihrer Richtung die

Den Nachrichten zufolge war Mac Mahon am 23. von

Reims aufgebrochen,

konnte also am 25. an der Aisne,

am 27. auf

dem rechten Maas-Ufer und am 28. Abends beiläufig in der Höhe von Damvillers stehen. In letzterer Richtung konnte man ihn aber aus der gegenwärtigen Aufstellung am schnellsten einholen , und dort am 28. Abends, also nach Marschtagen, 5 Corps vereinigt haben. So empfahl sich denn Damvillers als das nächste Operations -Object. Aber um die französische Armee mit solchen, beiläufig gleichen sie vorläufig wenigstens aufzuhalten, durfte nicht nur kein Augenblick für die Ertheilung der Dispositionen verloren, sondern diese mussten auch den sehr schwierigen VerhältStreitkräften einzuholen , und

nissen bestens angepasst werden . Es musste die Front verändert, die Truppen im schlechtesten Wetter zum Theile auf schlechten Wegen dirigirt, die Verpflegung in der neuen Richtung sichergestellt, alle sonstigen Details geregelt, und der Armee jener Impuls der Energie mitgetheilt werden, welcher die Oberleitung selbst beseelte . Dass Alles dies ohne Stockung durchgeführt wurde, gereicht der Heeresleitung sowohl als auch den Truppen zur grössten Ehre . Am 26. und 27. wird die nördliche Richtung eingehalten ; am

ersteren Tage mit der Spitze Varennes, am letzteren Dun erreicht. Freilich steht die Armee in 2 Gruppen, die eine (5 Corps) an der Maas zwischen Dun und Verdun, die zweite (3 , Corps ) zwischen Daucourt und Heiltz -le- Maurupt. Wären die Franzosen nun am 27 . zwischen Stenay und Dun erschienen , und hätten sie an diesem Tage den Maas-Uebergang bewerkstelligt, was, wie wir wissen, geschehen . konnte, so würde sich die Verspätung, welche beim Reste der 3. Armee eingetreten war , unangenehm fühlbar gemacht haben, denn diese brauchte mindestens 2 Märsche, um ebenfalls an der Maas zu stehen , und 3 Märsche, um an dem Entscheidungsschlage bei Damvillers theilzunehmen. Aber schon am 27. erfährt man ziemlich sicher, dass der Gegner noch bei Vouziers und le Chêne stünde ; der Aufmarsch der Deutschen gegen diese Aufstellung wurde sonach nothwendig . Aus der Tiefe heraus mussten desshalb am 28. die ostwärts an der Maas stehenden 5 Corps auf beiläufig gleiche Höhe zwischen Maas und Aisne gebracht (Dun, Varennes, Vienne), und am 29. dann in die Linien NouartBuzancy, Grand- Pré vorgeschoben werden . Die unter den Befehlen des Kronprinzen stehenden Corps mussten am 28. die Linien Malmy-Laval ,

Reicher.

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und am 29. jene von Sechault- Somme-Py erreichen. Am 30. konnte dann der Angriff erfolgen,

der mit 3 Corps gegen le Chêne ,

mit 3

bis

4 Corps gegen Vouziers und mit zwei oder einem Corps gegen den Rücken des Feindes geplant war. Diese Dispositionen wurden aber modificirt, als man zuerst den Rückzug des Feindes, und dann seinen abermaligen Vormarsch gegen die Maas wahrzunehmen glaubt. Den ersteren Bewegungen nach entschliesst sich der Kronprinz zu einer sofortigen Verfolgung am 29. , zu deren Ausführung es indessen nicht kommt, da das grosse Hauptquartier am 28. aus dem Erscheinen grösserer feindlichen Massen bei Bar auf deren Vormarsch gegen Osten schliesst ,

und da die Kräfte

der Deutschen nicht genügend vereinigt sind , zuerst deren Concentrirung beschliesst . So wird am 29. Vormittag die feste Stellung Aincreville-Landres von der IV. Armee bezogen, während die III. Armee mit den zwei baierischen Corps

bei St. Juvin und Sommerance ,

mit

dem 5. Corps und den Württembergern bei Grand -Pré mit dem 11. bei Monthois und mit dem 6. bei Vienne - le-Château aufmarschirt. Alle diese Bewegungen sind in ihrer Gesammtheit vollkommen zweckentsprechend , nur die Verwendung der 4. Cav. -Div. am linken Flügel beider Heere ,

oder vielmehr die Unterlassung mit der Cavalerie der

Garde und des 12. Corps am 27.,

28. und 29.

weit vor der Front

streifen zu lassen, erscheint als eine nicht ganz zu billigende Maassregel, wie wir dies bereits an einer anderen Stelle hervorgehoben haben. Dagegen darf gerechterweise nicht übersehen werden, dass das coupirte und waldbedeckte Terrain

diese Art Verwendung ziemlich

schwierig gestaltete . Mustergiltig ist ferner der rasche Entschluss zum Angriff des Feindes am 30. , als man im Laufe des 29. durch die Gefangennahme eines französischen Generalstabs- Officiers die Lage der französischen Armee in Erfahrung bringt.

Diese in dem bedenklichsten Momente

vor den Defiléen der Maas energisch anzufallen, war durchaus geboten, so wie es im höchsten Grade zweckmässig war, den Schwerpunct des Angriffes (5 Corps )

auf den rechten Flügel zu verlegen , und so den

Gegner am Weitermarsche nach Osten jedenfalls zu verhindern . Gleich gut wie die Dispositionen des grossen Hauptquartiers für den 30. , sind die Maassnahmen der beiden Armee-Commanden , sowie die DetailDispositionen der Corps, und insbesondere das Verhalten des 11. Corps. und der Württemberger, welche die Direction le Chêne aufgebend , gegen Stonne marschiren, und hier aufs Wirksamste in der Flanke des Feindes eingreifen . Wahrhaftig bewunderungswürdig sind ferner die Marschleistungen der Deutschen an diesem Tage, da beinahe alle

437

Operationen von der Mosel und von Châlons nach Sedan .

Corps, trotz der vorangegangenen anstrengenden Märsche, 5 , und über 5 Meilen zurücklegen. Nach solchen Anstrengungen kann kein Vorwurf erhoben werden, dass am Abend die energische Verfolgung des VII. französischen Corps nicht eintritt, und dieses einer Katastrophe entgeht. Aber nur aus diesem Grunde erscheint die Unterlassung gerechtfertigt . Sie dadurch motiviren zu wollen, dass die Franzosen nicht gedrängt werden durften , weil, je länger sie am linken Ufer verblieben, ihre Lage um so precärer wurde, scheint uns nicht zutreffend . Und so wie alle Maassnahmen, vom Beginne des Marsches nach Norden an, die Billigung der Kritik finden müssen , so erscheinen auch jene bis zur völligen Einschliessung des französischen Heeres im Ganzen vorzüglich. Der Vormarsch der III. und IV. Armee, die Ueberschreitung der Maas und Chiers , das Einschwenken auf dem rechten Flügel ,

die Besetzung der Maas-Uebergänge,

Brücken,

die Beunruhigung des rechten Ufers,

die Herstellung

neuer

die Verwendung der

Cavalerie, der Uebergang des 5. und 11. Corps sowie der Württemberger,

endlich das ungesäumte Vorrücken der IV. Armee sind Ope-

rationen eines gut durchdachten, consequent durchgeführten, nunmehr seiner Reife entgegen gehenden Planes.

Würdig krönt der Schluss-

stein ein so wohlgefügtes Werk, dessen Vollendung die Zertrümmerung der Suprematie Frankreichs, und die Auferstehung Deutschlands bedeutet. Neben so vielen lichtvollen Seiten kann hie und da ein kleiner Schatten nicht fehlen . Wir finden diesen während des letzten Zeitabschnittes in der irrthümlichen Verwendung des 6. Corps . die Flanke

des ,

dem gegnerischen so sehr überlegenen

Um

deutschen

Heeres gegen Reims, Rethel und Mézières, wo grössere Truppenkörper des Feindes stehen sollten , zu decken , bedurfte es keiner besonderen Vorkehrungen , und genügte die Sicherung durch weit vorgeschobene Cavalerie. 1-2 Cavalerie - Divisionen , welche bis an diese Orte streiften , und die Eisenbahn theilweise zerstörten, waren genügende Maassregeln gegen jede Beunruhigung der Flanke, die von Seite des Gegners kaum zu erwarten stand . Besser als bei Attigny konnte das 6. Corps bei Sedan selbst verwendet werden . War die Ueberlegenheit der Deutschen hier auch ohne

dasselbe schon bedeutend genug , so konnte sie doch

nie zu gross sein , wo die Capitulation einer ganzen Armee angestrebt wurde.

Wenn wir die Operationen der Deutschen von der Mosel bis Sedan zusammenfassend nochmals überblicken, so tritt uns hier, wie in keinem anderen Zeitabschnitte grosse Klarheit der Conceptionen, ausserordentliche Energie in der Durchführung aller Operationen, und

Molnar

Die in diesem Zeitraume vorgefallenen Kimpte gegen die Portugesen. weiche ihr Banner auf den Mauern Malakka's anfgepflanzt and ihre Hand wiederholt nach Aschin ausgestreckt hatten. zogen im Atschinesen den Sinn für Caabhängigkeit und die Liebe zum Vaterande gross. Unabhängigkeits-Sinn und Vaterlandsliebe begeistern auch hente noch dieses Volk in seinem Kampfe gegen Holland. Mit dem Sinken der portugiesischen Macht in Hinterindien - in der Mitte des 17. Jahrhundertes - traten dort zwei Nationen auf. welche bis zum heutigen Tage in Atsenin's Geschicke eingriffen. je nachdem die geschichtlichen Ereignisse einer oder der anderen dieser Mächte in Hinterindien und den Sunda-Colonien das Cebergewicht zuwiesen : Die Holländer und die Engländer. Die Holländer, welche mit der Einnahme Malakka's im Jahre 1641 in Hinterindien festen Fuss fassten, benützten das Ansehen und die Sympathien, deren sie sich bei den Arschinesen erfreuten, um sich mit denselben sofort in möglichst günstige Handels - Beziehungen zu setzen.

Mit dem Wachsen der Macht der Holländer. Sumatra immer mehr ausbreiteten. Atschin's,

welche sich auf

begann aber schon der Vertall

und von dem einst so blühenden Reiche ist eigentlich

nicht mehr übrig geblieben als die Hauptstadt und ihre Umgebung. denn viel weiter erstreckt sich die Macht des Sultans nicht. Die Bevölkerung der übrigen Landschaften des eine Fläche von 900 geographischen Quadrat-Meilen repräsentirenden Territoriums von Atschin, wird ihrer Zusammengehörigkeit nur inne, wenn der Freiheit und dem Wohlstande des Landes- wie in dem gegenwärtigen Kriege - Gefahr droht. Im Jahre 1810

gelangten

die Engländer in den fast aus-

schliesslichen Besitz der hinterindischen Colonien, gaben jedoch 1816 einen Theil derselben wieder an Holland zurück. Die Rivalität der beiden Staaten erzeugte natürlich fortwährende Streitigkeiten, deren Schlichtung erst durch den sogenannten 1. SumatraVertrag vom 17. März 1824 angestrebt wurde. Diesem zufolge fielen die Besitzungen der Engländer auf Sumatra an Holland, während England, welches bereits im Jahre 1816 das jetzt so blühende Singapore gegründet hatte,

die heute unter dem

Namen Straits - Settlements ¹ ) bekannten Niederlassungen auf der Halbinsel Malakka und auf den Inseln in der gleichnamigen Meerenge erwarb . Diese Uebereinkunft löste nun die Verträge mit Atschin , welche England das

ausschliessliche Handelsrecht mit diesem reichen und

1) Singapore, Penang und Wellesley, Malakka.

Der Krieg gegen Atschin.

441

fruchtbaren Lande zugesichert hatten, während die Holländer nunmehr wieder der Rechte der meist begünstigten Nationen theilhaftig wurden. Als Gegenleistung legte England jedoch den Holländern die Verpflichtung auf, die selbstständigen Fürsten Sumatra's - darunter vornehmlich den Sultan von Atschin zu schützen, die Sicherheit des Handels und der Schifffahrt längs der Nord- und Südküste jener SundaInsel zu garantiren . Diese Stipulationen brachten nun die Holländer in eine eigenthümliche Lage. Um Handel und Schiffahrt an jenen Küsten zu sichern, sollten sie sich vor Allem gegen jene Fürsten wenden , zu deren Schutze sie sich verpflichtet hatten ; denn wenn diese die Seeräuberei auch nicht geradezu förderten, so konnten sie immerhin der Connivenz geziehen werden. Die Folge dieser von Holland eingegangenen Verpflichtung war eine Reihe von Conflicten, welche die Spannung zwischen dieser Macht und Atschin immer mehr steigerte. Dies war aber den Holländern ganz erwünscht, denn diese Streitigkeiten mussten ihnen die Gelegenheit bieten, mit den Waffen einzuschreiten und ein Land unter ihre Botmässigkeit zu bringen, nach dessen reichen Pfeffer- Plantagen sich ihr Herz schon lange gesehnt hatte. Die Bedingungen des 1. Sumatra- Vertrages und das wachsame Auge der englischen Nachbarn, zwangen indess Holland mit der Ausführung dieses Lieblingsplanes zu warten, bis es endlich im 2. SumatraVertrage vom 25. Februar 1871 - um den Preis seiner Besitzungen auf der Goldküste ¹ ) , welche England nunmehr begehrlich erschienen, das Protectorat über Atschin an sich riss . Von diesem Augenblicke an trat die Absicht Hollands auf jenes Sultanat immer unverholener zu Tage.

Man wollte jedoch den Schein

wahren, suchte im Sünden - Register der Atschinesen nach, fand in dem Piraten-Unwesen eine Verletzung des Völkerrechtes und begeisterte sich plötzlich für dessen Vertheidigung . So gewann die Sache sofort das entsprechende Relief. Ich möchte durchaus nicht der philantropischen Anschauung beschuldigt werden, den jedenfalls sehr sonderbaren Rechtsbegriffen der Atschinesen das Wort zu reden und hiedurch dem so nothwendigen coloniCivilisations- Processe entgegen zu treten ; allein insolange siren“ und „ civilisiren " noch vielfach als contradictorische Begriffe aufgefasst werden müssen, insolange niedrige Habsucht der einzige Motor ist, welcher gewissen Nationen ihre culturhistorischen Missionen scheinbar aufzwingt, kann man von deren Wirkung wenig Erspriessliches hoffen. Betrachten wir z. B. das in den ostindisch-holländischen

¹) Elmina .

Molnár.

442

Colonien seit dem Jahre 1830 durch den Generalen van den Bosch eingeführte Monopol - System, um die humanen Anschauungen Hollands, welches in dem jetzigen Kriege angeblich für das Völkerrecht in die Schranken getreten ist, kennen zu lernen. Es gipfelt einfach in dem Grundsatze,

dass der Staat, sich als

allein berechtigter Besitzer von Grund und Boden betrachtend, dessen Ausbeute nur in einer Weise gestattet,

welche den Handel

nach

Europa zur höchsten Entwicklung zu bringen geeignet ist. Welche traurige Folgen dies für den Eingeborenen , der sich schliesslich doch nicht von Gewürznelken und Pfeffer allein nähren kann, mit sich bringt, zeigt die in jenen fruchtbaren Gegenden alljährlich wiederkehrende Hungersnoth und das Elend der Bevölkerung . Solch ein System den Ausfluss eines raffinirten Krämergeistes zu nennen, ist, wie ich glaube, nicht ungerechtfertigt ; und nur

die

Strenge des Regimes und die absichtliche Verdummung des mit Geistesgaben ohnedies nicht sehr reich ausgestatteten Malayen vermögen die Ruhe in jenen Gegenden zu erhalten . Die Atschinesen, ihren malayischen Brüdern um eine Spanne voraus, erkannten die ihnen drohende Gefahr und diese Erkenntniss spornte sie zu dem heroischen Widerstande an, von welchem die stattgehabten Kämpfe Zeugniss gaben . Als sich im Jahre 1872 die Angriffe der Seeräuber auf Handelsschiffe fremder Nationen mehrten und der Sultan von Atschin diesem Unwesen zu steuern nichts unternahm, hielt Holland den Augenblick für gekommen, gegen Atschin die Waffen zu ergreifen .

Der Sultan

wusste jedoch durch Unterhandlungen und Ränke allerlei Art den Beginn der Feindseligkeiten hinauszuschieben , um für seine Rüstungen Zeit zu gewinnen . Wenn man sich nun vor Augen hält, dass Holland schon Jahren die

Annexion

Atschin's plante ,

so erscheint seine

seit

Unent-

schlossenheit und Thatenlosigkeit im entscheidenden Augenblicke räthselhaft ; aber dieses Räthsel ist

sofort gelöst beim Hinblicke auf den

Geist, welcher die Politik jenes Staates durchweht. Man wollte zum Schwerte greifen, brachte aber die Hände von den geliebten Geldsäcken nicht los und so stand Holland bei Beginn der Feindseligkeiten ungerüstet und unvorbereitet dem Volke von Atschin gegenüber, von welchem die gebotene Zeit auf's Beste benützt worden war . Der Sultan hatte sich um jene Zeit an die europäischen Mächte um Unterstützung gewendet, deren jedoch nur eine, u . zw. der türkische Sultan als Oberherr der dem Islam angehörenden Atschinesen . ihn seiner aufrichtigsten, doch leider allzu platonischen Liebe versichern liess . Als die Holländer von diesem Vorgehen Kunde erhielten .

Der Krieg gegen Atschin .

443

und erkannten , dass sie die längste Zeit überlistet worden schritten sie endlich zur Action . Der Vice -Präsident des Rathes in Batavia ,

waren ,

begleitet von drei

Kriegsschiffen, ging am 10. März 1873 nach der Rhede von Atschin ab. Er war mit der Mission betraut, die Wahrung der Rechte Holland's, gestützt auf den Sumatra- Vertrag und auf den zwischen dem Generalen van Swieten und dem Sultan von Atschin am 30. März 1857 abgeschlossenen Freundschafts- und Handels - Vertrag, gebieterisch zu fordern , im Weigerungsfalle jedoch die Beziehungen abzubrechen . In Voraussicht der Ereignisse rüstete man in Batavia ein Expeditions -Corps aus, welches dem Regierungs-Commissär zu dem Zwecke zu folgen hatte, um der Forderung mehr Nachdruck zu geben , oder die Feindseligkeiten sofort zu eröffnen und wie man hoffte hierin den Atschinesen zuvorzukommen. Der Sultan verweigerte jede Satisfaction und am 26. März 1873 wurde Atschin der Krieg erklärt.

Vor Besprechung der nun folgenden beiden Expeditionen einige. Worte über den Kriegsschauplatz und dessen Vertheidiger, sowie über die Streitkräfte der Holländer in den Sunda -Colonien .

Der in Betracht kommende Theil des Sultanats ist Gross-Atschin , d. i . die Hauptstadt mit den sie umgebenden Districten, u. zw. den XXVI, XXV und XXII Moekim, nebst kleineren Gemeinden und Kampongs. Ein Kampong ist

eine Niederlassung wie etwa

hierlands ein

Bauernhof ; mehrere Kampongs vereint bilden einen Moekim und mehrere Moekim endlich, unter einem Oberhaupte - Panglima genannt ¹ ) stehend, Districte, welche einfach nach der Zahl der sie bildenden Moekim benannt werden . Abweichend von dem ausgesprochenen Gebirgs- Charakter des Sultanats, ist Gross - Atschin fast durchaus alluvialer Boden , welcher vom Atschin-Flusse, dessen Armen 2 ) und von vielen Canälen durchzogen, grösstentheils mit überreicher, fast undurchdringlicher tropischer 1 ) Die Vorsteher der 3 erwähnten Haupt-Districte Gross-Atschin's bilden den grossen Rath des Sultans und haben eigentlich die Zügel der Regierung in Händen ; ihre Würde ist erblich , ihre Rechte sind bedeutend, so dass sie selbst auf die Thronfolge Einfluss nehmen . Sie führen im Kriege, so wie die Radja's und Häuptlinge die ihnen unterstehenden Stämme, die waffenfähigen Mannschaften ihres Districtes gegen den Feind . 2 ) Nur der Hauptarm ist für Schiffe mit geringem Tiefgange bis Pasar Atschin fahrbar. 31 Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII. Band, 1874.

444

Molnár.

Vegetation bedeckt ist . Inmitten dieser Landschaft liegen zerstreut die einzelnen Wohngebäude, fast durchaus auf Piloten stehende hölzerne Bauten, welche selbst in friedlicheren Zeiten theils mit Brustwehren umgeben, theils durch Palissadirungen, Verhaue und eine Art Wolfsgruben besonders widerstandsfähig gemacht sind. Der Verkehr beschränkt sich auf die die einzelnen Kampongs

untereinander, als auch einige Küstenpuncte mit dem Kraton verbindende Fusssteige, welche ungünstigen Communications- Verhältnisse den Holländern beim Nachschube der Munition und Lebensmittel , namentlich aber bei Transportirung der Geschütze¹ ) , unsägliche Schwierigkeiten. bereiteten. Die Stadt Atschin ) ,

die einst so blühende Metropole des

Sultanats , liegt auf dem rechten Ufer des gleichnamigen Flusses , und nur der Kraton, der Missigit und einige grössere Kampongs sind auf dem linken Fluss -Ufer gelegen .

Der Kraton ,

eine Anzahl

dem

Sultan gehöriger Wohn- und Regierungs- Gebäude, ist durch Brustwehren, Mauern, nasse Gräben und sonstige Verstärkungs - Mittel , bei verhältnissmässig guter Geschütz - Armirung ³), in ein ganz widerstandsfähiges Werk umgewandelt worden. Um diesen Kern liegen noch kleinere Befestigungen, worunter die alte Moschee Atschin's - der Missigit --- erwähnenswerth. Bringt man die Widerstandskraft all' dieser Werke und Objecte, theilweise (Moesapi und Boegis ) selbst aus der längs der Küste erbauten Befestigungen, sowie das der Vertheidigung so Stein überaus günstige Terrain in Rechnung ; erwägt man ferners die Geschicklichkeit der Atschinesen in der Führung des kleinen Krieges , ihre anerkennenswerthe Tapferkeit und die meist 4-5fach überlegene Kraft, welche sie den Holländern entgegenzustellen wussten : so gelangt man zur Erkenntniss, welche Schwierigkeiten sich in diesem Kriege darboten , ganz abgesehen von den Unbilden der Witterung, Klimas und den vielen Opfern, welche die Cholera forderte .

des

Welche Kräfte standen nun den Holländern zur Lösung dieser Aufgabe zur Verfügung? 1) Die Geschütze wurden, namentlich während der 1. Epedition , wo man die Schiffbarkeit des Atschin-Flusses nicht ausnützte, grösstentheils auf Schienen fortgerollt, für deren feste Lagerung im durchweichten Boden und in den Reisfeldern durch Faschinen-Unterlagen gesorgt werden musste. 2) Soll 8000 zerstreut liegende Wohngebäude und 30.000 Einwohner zählen . 3) Nach der Räumung des Kraton durch die Atschinesen am 24. Jänner 1874 - fanden die Holländer in diesem Werke 52 glatte und gezogene Kanonen . für welche jedoch die Munition in Folge des unterbrochenen Verkehres mit Singapore und Poelo Penang gemangelt hat.

Der Krieg gegen Atschin .

445

Die sogenannte indische Armee " in den niederländischen Sunda-Colonien , auf einem Territorium von circa 28.000 geographischen Quadrat-Meilen vertheilt, zählt nur 1200 Officiere und gegen 29.000 Mann. Sie steht mit dem Heere des Mutterlandes weder in Bezug auf Ergänzung , noch in sonstiger Hinsicht in irgend welcher Wechselbeziehung . Der Soldat Hollands kann sogar dem Wehrgesetze nach ohne seine Zustimmung in den Colonien nicht verwendet werden , und es steht in dem gegenwärtigen Kriege auch thatsächlich kein Mann¹ ) des europäisch-niederländischen Heeres gegen Atschin im Felde . Die

indische Armee

ist

aus

europäischen

und einheimischen

Elementen zusammengesetzt, ergänzt sich durch freiwilligen Eintritt ) und geniesst, wenn sie auch den Vergleich mit europäischen regulären Truppen nicht auszuhalten vermag, den Ruf grosser Kriegsgeübtheit, Ausdauer und Verlässlichkeit,

welche Eigenschaften sie während der

beiden Expeditionen, zu deren Besprechung glänzend bewährte ") . Das

für die

Durchführung

der

ich nun übergehe ,

1. Expedition

auch

bestimmte

Truppen - Corps unter Commando des General Koehler, bestand aus : Drei Bataillonen regulärer Infanterie mit einem Gesammtstande von 78 Officieren und 1850 Mann, worunter ein Drittel Europäer ; einem Bataillon Hilfstruppen , sogenannten Barissans der Insel Madura. Zwei der regulären Bataillone waren mit Beaumont- , das dritte mit älteren Hinterladern , die Maduresen mit Vornladern ausgerüstet, und für jedes Gewehr ein Schiessvorrath von nur 300 Patronen vorhanden. An Cavalerie, welche in jenem Terrain voraussichtlich nur für Ordonnanz - Dienste zu verwenden war, hatte das Corps 60 Reiter . Das Artillerie-Material bestand aus : 4-8 Cm. Feld- , 4-7 Cm. Gebirgs-Geschützen, 8-12 Cm. und 2-20 Cm. Mörsern, somit aus 18 Geschützen , welche eventuell zur Ausschiffung gelangen konnten . Die Munition -Dotation betrug per 12 Cm. Mörser 400 Wurf, hingegen nur 120 Schuss per Feld- , respective Gebirgs-Geschütz ,

und

50 Wurf (darunter 20 Feuerballen) per 20 Cm. Mörser. 1 ) Nach Beendigung der 1. Expedition im Monate April v. J. wurde die Absendung von 50 Ober- Officieren der Infanterie, 4 Ingenieur-Lieutenants und 20 Militär-Aerzten nach Batavia in Aussicht genommen. Ob diese Officiere auch wirklich abgegangen sind, ist nicht bekannt, wohl aber die Thatsache zu constatiren, dass sich nach den Misserfolgen in Atschin sehr viele Officiere des niederländischen Heeres der Regierung zur Verfügung stellten , um nach Hinterindien detachirt zu werden . 2) Werbe- Depot für Europäer in Harderwyk (a. d. Zuider- See ). 3) Näheres über die Zusammensetzung der niederländisch - ostindischen 31* Armee, siehe Anhang.

446

Molnár. An Mineuren und Sappeuren war dem Corps eine Compagnie

beigegeben. Im Vereine mit dem für den Sanitäts- und Intendanz - Dienst nöthigen Personale bezifferte sich das für die Ausschiffung bestimmte Expeditions - Corps mit 4500 Mann . Ausserdem wurden 300 bewaffnete Matrosen und 180 MarineArtilleristen bestimmt, bei der Landung der Truppen in Verwendung zu treten,

während endlich

für die Fortbringung der Munition und

Lebensmittel 1050 Kulis und Galeeren - Sclaven dem Expeditions -Corps angeschlossen waren. Die Verwendung der Sträflinge zu Kriegsdiensten findet in dem Umstande Erklärung, dass die meisten derselben ihre Strafe in Folge eines Mordes abbüssten, welches Verbrechen den Malayen in Augen seiner Mitbürger durchaus nicht entehrt.

den

Der Transport der Truppen nach der Rhede von Atschin war in folgender Weise geregelt : Je Ein Dampfschiff mit Truppen am Bord , remorquirte ein mit Materiale beladenes Segelschiff. Die aus 10 Schiffen bestehende Transports-Flotte stand unter dem Schutze einer Kriegs - Escadre ¹ ) , welche wegen Mangels an Fahrzeugen durch armirte Schiffe 2 ) musste.

der Handels -Flotte

ergänzt werden

Ich gehe nun zu den Operationen über . General Koehler unternimmt am 6. April unter dem Schutze von 4 Compagnien , welche zwischen Kotta Bras und Kotta Tannah an's Land gesetzt werden ,

eine Recognoscirung des nächstliegenden

Terrains, die jedoch der undurchdringlichen Vegetation und der Gefahr wegen, welcher sich die Abtheilungen bei weiterem Vordringen ausgesetzt hätten, resultatlos blieb. Der 7. April vergeht mit den Vorbereitungen für die Ausschiffung der Truppen , welche am 8. vollzählig landen , wobei die Vorhut zum ersten Male mit den Atschinesen zusammentrifft, sie aber zurückdrängt. Am selben Tage schreitet man, wohl in ganz richtiger Erkenntniss der Nothwendigkeit sich an der Küste sofort eine intermediäre Basis zu schaffen ,

zum Angriffe von Kotta Bras.

Dieser ohne Mit-

wirkung der Artillerie unternommene Sturm misslingt umsomehr, als für die beabsichtigte Leiter-Ersteigung im entscheidenden Momente die Leitern fehlen .

1 ) Schraubenschiffe : Djambi, Citadelle von Antwerpen, Marnix, Coehorn , Soerabaya und Sumatra, nebst 5 Dampf- Schaluppen mit zusammen 47 Geschützen . 9) Raddampfer: Siak und Bronbeck, ein Aviso und 8 bewaffnete Schaluppen mit zusammen 37 Geschützen .

1

447

Der Krieg gegen Atschin.

Durch diesen Misserfolg klüger gemacht, überlässt man es Tags darauf dem Kriegsschiffe Marnix in Kotta Bras Bresche zu schiessen , worauf das Fort mit stürmender Hand genommen wird. Am

10. April

fällt auch Kotta

Kalaut und

nun legen die

Holländer ein gesichertes Lager zwischen diesen Objecten an , Schutz den Marine- Soldaten übertragen wird .

dessen

Am 11. rücken zwei reguläre Infanterie-Bataillone und einige Geschütze bis an die durch Bambus-Palissadirungen und mit Dornhecken verstärkten Lisièren der Kampongs Lemboek und Djawa vor, werden aber hier von den Atschinesen mit solcher Uebermacht angegriffen, überflügelt und umringt, dass es nur mit der höchsten Anstrengung gelingt, das Feld zu behaupten, auf welchem die Holländer nun das Bivouak errichten . Der nächste Tag führt die beiden Bataillone bis zum Missigit, welcher in Brand geschossen, von den Vertheidigern geräumt , von den Holländern jedoch nicht besetzt wird.

General Koehler zieht das

dritte reguläre Bataillon vom Strande heran, mit, welchem vereinigt, am 14. April der Angriff auf die vom Gegner erneuert besetzte grosse Moschee wiederholt wird und gelingt. Dieses Werk kann jedoch nicht dauernd behauptet werden, da dessen offene Kehle die Holländer dem Feuer des Kraton und des Forts Mandayon aussetzt. Bei dem Angriffe auf den Missigit fällt General Koehler und Oberst Daalen übernimmt das Ober-Commando. Die am 15. April gegen Djamboe Madat unternommene Recognoscirung führt die Truppen in sumpfiges, zum Theile mit dichter Vegetation bedecktes Terrain, in welchem die Atschinesen, unterstützt durch das Feuer aus dem Kraton, die Holländer angreifen und zum Rückzuge bis Kampong Lemboek zwingen. Am 16. endlich rücken 6 Compagnien, welchen zwei in Reserve folgen, bis zur nördlichen Umfassung des Kraton unbelästigt vor, und dringen in dieselbe auch vorübergehend ein .

Die Atschinesen aber

stellen sich mittlerweile mit weit überlegenen Kräften auf die Rückzugslinie der Holländer und überfallen sowohl die beim Kampong Lemboek verbliebenen Truppen ,

als auch das Lager am Strande zu

gleicher Zeit, um jede gegenseitige Unterstützung ihrer Feinde zu hindern. Mit grossen Opfern erkämpfen sich die Holländer den Rückzug bis an's Meer und stehen nun mit gelichteten

Reihen ,

ohne

Munition , ohne Aussicht auf sofortige Verstärkung, den vielfach überlegenen und von den erfochtenen Siegen doppelt begeisterten Atschinesen gegenüber. Oberst Daalen ,

die Unmöglichkeit

unterstehenden Truppen die Operationen

erkennend mit den ihm

wieder aufzunehmen , wollte

448

Molnár.

von Batavia Verstärkungen ansprechen. Der Commandant der Escadre. erstattete aber gleichzeitig die Anzeige, dass er der eintretenden Moussons wegen, für die Verbindung zwischen dem Expeditions - Corps und dessen Basis der Flotte, fernerhin nicht mehr bürgen könne . Mit dem Beginne dieser Stürme war aber die Regenzeit auch nicht mehr ferne, in welcher Periode an eine Fortsetzung der Operationen, besonders in den sumpfigen Niederungen Gross -Atschin's , kaum zu denken war. Oberst Daalen berief sonach einen Kriegsrath,

welcher sich

einstimmig dahin aussprach, das Expeditions-Corps aus Atschin zurückzuziehen. Der darauf folgenden Abberufung von Seite des GeneralGouverneurs in Batavia entsprechend , verliessen die Holländer am 28. April die Rhede von Atschin.

Holland hatte eine Niederlage erlitten , durch welche seine Macht in den Colonien möglicherweise erschüttert werden konnte. Das Prestige, die einzige Stütze seiner Stellung in Hinterindien, musste um jeden Preis wieder hergestellt werden und so entschloss man sich zur zweiten Expedition. Bevor ich jedoch zur Schilderung

dieser jüngsten Ereignisse

übergehe, will ich in Kürze die Beantwortung der Frage versuchen : Warum misslang die 1. Expedition ? Die holländische Regierung ordnete seinerzeit zur Erörterung dieser Frage eine Enquête an, deren Spitze sich, wie in solchen Fällen meistens, gegen den militärischen Befehlshaber der Expedition richtete. Kann man nun diesen auch nicht von aller Schuld freisprechen, soferne sich die Beurtheilung auf die Durchführung der Operationen bezieht ,

so war doch der Keim des Misslingens

Jenen gelegt worden ,

schon früher von

welche die Fäden der Politik in der Hand

hielten ; denn von dem Augenblicke an ,

als man sich für eine ag-

gressive Politik entschieden hatte, wären auch die Mittel zu bewilligen gewesen, welche das Gelingen des Unternehmens verbürgen konnten. Am Tage der Kriegserklärung stand aber weder ein vollkommen ausgerüstetes Expeditions - Corps , noch die nöthige Anzahl Schiffe für den Transport der Truppen , beziehungsweise zur Blokade der Küste zur Verfügung. Die mangelhafte Zusammensetzung des Expeditions - Corps , die ungünstige Jahreszeit, in welcher man die Feindseligkeiten begann, fallen dem General- Gouverneur in Batavia in erster Linie zur Last, denn er war vor Allen berufen, über die Verhältnisse Atschin's , über Stimmung und voraussichtlichen Widerstand der Bevölkerung ,

Be-

449

Der Krieg gegen Atschin.

schaffenheit des Landes u . s. w. Aufschluss zu geben, und die maassgebenden Persönlichkeiten vor unüberlegten Schritten zurück zu halten . Alle Umstände , unter welchen die Expedition in's Leben gerufen wurde, deuteten auf die Hoffnung hin , mit einem Handstreich an's Ziel zu gelangen . Ein Handstreich hatte aber ,

wie aus der geschichtlichen Ent-

wicklung des Krieges zu entnehmen ist, keine Chancen für sich und für den Fall einer länger andauernden Expedition konnten die Mittel, welche man für deren Inscenesetzung in Anwendung gebracht hatte, nicht ausreichen. Musste man sich hinsichtlich der Stärke der Streitkräfte auch an die niederste Grenze halten, besonders um die grossen VerpflegsSchwierigkeiten möglichst zu vermindern, so konnte

die verfügbare

• Truppenzahl doch von dem Augenblicke an nicht mehr genügen, der erste Schritt nach vorwärts zu Detachirungen zwang.

wo

Wohl muss es nun um so mehr auffallen, dass General Koehler diese in ihrer Gesammtheit so inferiore Kraft, in einem Terrain, in welchem die gegenseitige Unterstützung so schwierig war, auch noch getheilt in Verwendung und in die traurige Lage brachte, partiell geschlagen zu werden. Kann man diesen so planlos geführten Operationen kein Lob spenden, so gebührt ein solches auch der taktischen Durchführung der Kämpfe nicht. Statt einem Feinde gegenüber, welcher minder gut bewaffnet ) , in seine Ueberzahl, passiven Streitmittel und in seine Tapferkeit die ganze Hoffnung setzte, die überlegenen Hand -Feuerwaffen und Geschütze, über welche die Holländer verfügten, zu verwerthen , huldigten diese einer Stosstaktik, welche jenes Uebergewicht gar nicht zur Geltung gelangen liess . Nicht minder verkannten die Holländer 1 ) Jeder Atschinese ist, wenn er in den Kampf zieht, mit einem Gewehr, einem, selbst zwei Klewangs (speerförmige, lange Säbel) und mit einem Dolchmesser bewaffnet . An Hand- Feuerwaffen besassen die Atschinesen vor dem Kriege gegen Holland meist nur Feuerstein- Gewehre ; als jedoch die Möglichkeit eines friedlichen Ausgleiches zwischen beiden Staaten immer mehr schwand , versahen sie sich durch Vermittlung ihrer industriellen Nachbarn in Singapore und Penang mit besseren Waffen (Chassepot- und Snider- Gewehren, Revolvern etc. ) . Die Zahl der durch Schüsse getödteten und verwundeten Holländer liess ersehen, dass sich die Atschinesen mit den neuen Feuerwaffen rasch bekannt gemacht und dieselben gut ausgenützt haben , wenngleich der Klewang die Lieblingswaffe des Atschinesen - in den Kämpfen stets zur vollsten Geltung kam. Geschütze verwenden sie im Felde selten , wohl aber zur Armirung ihrer meist sehr starken und gut angelegten Befestigungen ; für die Bedienung der Geschütze besitzt der Atschinese jedoch eben so wenig Geschick, wie der Malaye überhaupt.

450

Molnár.

vollends das Wesen des kleinen Krieges und seine Forderungen . Erst General -Lieutenant van Swieten hatte nach Uebernahme des OberCommando's der 2. Expedition

auf die Consequenzen der anfänglich

von den holländischen Truppen beobachteten Taktik aufmerksam gemacht und Aenderungen getroffen, welche den Verhältnissen entsprachen, indem er die strengste Handhabung des Sicherheitsdienstes verlangte, hingegen vor der grossen Zersplitterung im zerstreuten Gefechte und vor der Exponirung schwacher Abtheilungen nicht genug warnen konnte . Hinsichtlich des moralischen Elementes standen sich die Gegner würdig gegenüber, nur Schade, dass alle Bravour, aller Opfermuth der Holländer an der riesigen Ueberzahl ihrer Feinde abprallen musste. Die Schilderung der 2. Expedition

wird zeigen,

dass die mit

einem Verluste von 17 % des Gesammtstandes jedenfalls sehr theuer erkauften Erfahrungen für die Holländer immerhin nicht nutzlos geblieben sind.

Nachdem die beabsichtigte Wiederaufnahme der Feindseligkeiten der ungünstigen Jahreszeit wegen bis zum Herbste 1873 verschoben werden musste, verfügte Holland nach Beendigung der 1. Expedition sofort die Blokade der Küsten Atschin's, für deren Durchführung aber erst im Monate August die genügende Zahl Schiffe verfügbar wurde. Ich kann mich nicht auf eine detaillirte Schilderung all' jener Vorbereitungen einlassen, welche Holland traf, um in dem bevorstehenden Kampfe den Sieg zu sichern . Kurz gesagt : Es geschah so ziemlich Alles , was vor der 1. Expedition versäumt worden war. Gleichzeitig erklärte sich der greise General- Lieutenant van Swieten, dem Rufe seines Königs folgend, bereit, das Ober-Commando in dem zu erneuernden Kampfe zu übernehmen. Unter dem Befehle dieses bewährten und erfahrenen Führers griffen denn die Holländer im Monate November v. J. wieder zu den Waffen .

Das für die Durchführung der 2. Expedition bestimmte TruppenCorps bestand aus : Drei Infanterie - Brigaden ¹ ) , à 70-80 Officiere und 2000 Mann. Die gesammte Infanterie bewaffnet.

war

mit dem Beaumont- Hinterlader

1 ) Unter Commando der Oberste Roy van Zůydewijn, Wiggers van Kerchem und Schultze. General Verspijck war dem General-Lieutenant van Swieten als Adlatus beigegeben.

Der Krieg gegen Atschin.

451

Jeder Brigade war ein Detachement von 20 Reitern , ferners eine Batterie zu 6-8 Cm. gezogenen Feldgeschützen und eine fahrende Mörser-Batterie ( 12 Cm. ) beigegeben. Ausserdem wurden mitgeführt : 12-12 Cm. und 8-8 Cm. gezogene Kanonen, 12-9 Cm. glatte Kanonen , 4-20 Cm. Mörser und 2 Mitrailleusen ; für die Bemannung dieser Geschütze waren dem Corps 580 Artilleristen angeschlossen. An technischen Truppen zählte die Expeditions - Colonne : 320 Sappeure, Mineure und Arbeiter. Zur Versehung des ärztlichen Dienstes waren 43 Aerzte und Apotheker, und 420 Sanitäts - Soldaten zur Verfügung, welche sich auf 2 Spitäler ( 2 vollkommen eingerichtete Spital- Schiffe) und 17 Ambulancen vertheilten.

Endlich wäre noch des für den Intendanz- und Verpflegs - Dienst, für topographische Arbeiten ,

für das Telegraphen -Wesen und die Feldpost nöthigen Personales, sowie der Auditore, Missionäre, Dollmetsche etc. Erwähnung zu thun . Der Gesammtstand des Expeditions- Corps betrug sonachmit Ausschluss der für die Verwendung auf dem Lande bestimmten Marinecirca 8000 Mann. Soldaten und von 4000 Kulis etc. Eine Reserve-Brigade war in Padang verblieben. Das am 20. November 1873 auf 35 Kriegsdampfern und Transports-Fahrzeugen eingeschiffte Expeditions-Corps traf nach acht Tagen auf der Rhede von Atschin ein , und mit ihm leider auch die Cholera, so dass man sofort auf der Insel Nassi die Errichtung eines Spitals in Angriff nehmen musste, um die für die Verwundeten bestimmten Schiffe nicht zu inficiren .

Die letzten November- und ersten December-Tage waren regnerisch und der Ausschiffung ungünstig. Dennoch entschloss sich GeneralLieutenant van Swieten , vorzüglich aus sanitären Gründen , nach der Rückkehr der Schiffe von Poelo Nassi, welche am 7. December erfolgte, zur Landung zu schreiten . Bei ruhiger See und herrlichem Wetter wurde um 3 Uhr in der Nacht vom 7. auf den 8. December, unter dem Schutze

des Feuers

der Schiffe , die erste Brigade in 100 Schaluppen bei Koewala Gighen an's Land gesetzt, ohne hierbei vom Gegner wesentlich gestört zu - mit werden ; am 9. December war das ganze Expeditions - Corps Ausnahme der Belagerungs -Artillerie ausgeschifft. Kleine verschanzte Objecte und Kampongs nächst des LandungsPunctes, das Fort Moesapi an der Mündung des Atschin - Flusses (später auch Kotta Perakh) wurden von den Holländern angegriffen und genommen . Hätte der Angriff auf die letztgenannten Objecte vor

452

Molnár.

der Landung der Haupttruppe

stattgefunden,

so

wäre

durch diese

Demonstration die Ueberraschung der Atschinesen , welche die Holländer bei Kotta Bras erwarteten, noch vollständiger gelungen. Immerhin hatte man sich durch diese Operation der Einfahrt in den Atschin - Fluss bemächtigt,

dessen Besitz im Interesse des leichten Nachschubes der

Geschütze, des Materiales u . s . w. von hoher Wichtigkeit war. Die Holländer errichteten bei Gighen ein Lager, welches am 11., bevor man Zeit gefunden hatte es mit flüchtigen Befestigungen zu umgeben, bereits vom Feinde überfallen wurde. Es zeigte sich hier wieder jene eigenthümliche Erscheinung, dass man nämlich wilden Stämmen gegenüber sich der Wachsamkeit entrathen zu können glaubt, wiewohl der Charakter des kleinen Krieges und das Terrain, in welchem sich derselbe meist abspielt, eher zur Verschärfung des SicherheitsDienstes auffordern sollten . Die am 12. December begonnene Vorrückung des ganzen Expeditions-Corps ausschliesslich der zum Schutze des Lagers zurückgelassenen Marine-Truppen, erfolgte in südwestlicher Richtung, wobei die Hartnäckigkeit der Kämpfe, die Vertheidigungs- Anstalten, welche die Holländer Schritt für Schritt antrafen, über die Intensität des ferneren Widerstandes keinen weiteren Zweifel liessen. Immerhin gelang es den Holländern verhältnissmässig bald ¹) sich in den Besitz der beiden Ufer des unteren Atschin- Flusses zu setzen, und namentlich nach der Niederlage des Gegners am 14. December und nach theilweiser Säuberung der XXVI Moekim,

deren

feindliche Gesinnung für die Verbindung mit der Küste höchst nachtheilig war, sich den XXV Moekim zu nähern . Die Einnahme von Tongkoe - Kali und der erfolgreiche Kampf um die befestigten Kampongs Djawa und Lemboek (zwischen 16. und 20. December), lassen dieses Ziel als erreicht erscheinen, wodurch gleichzeitig die concentrische Annäherung gegen den Kraton angebahnt wurde. Diese führte in ihrer Fortsetzung , und zwar in den letzten Tagen des Monates December, zur Einnahme des Forts Mandayon , in welchem van Swieten sofort Batterien gegen den Kraton erbauen liess, während gleichzeitig der Uebergang über den Atschin - Fluss forcirt und Pasar Atschin - ehemals Stapelplatz für den Handel mit den Fremden

genommen und in Vertheidigungszustand gesetzt wurde.

Unter dem Schutze dieser Befestigungen liess van Swieten ein Lager errichten, um während der voraussichtlich länger andauernden 1 ) Die räumlichen Ausdehnungen potenzirten sich durch die, die Bewegung so überaus hemmende Bedeckung des Bodens u. s . w. , so dass zur Vorrückung mehrere Tage benöthigt von der Küste bis nächst des Kraton - 1-12 Meilen wurden.

453

Der Krieg gegen Atschin.

Cernirung des Kraton die Unannehmlichkeiten des Campirens zu verringern. Dieses Lager wurde entsprechend verproviantirt und befestigt, während man , vom Feinde jetzt seltener belästigt , nur kleinere Streifungen unternahm, um die Umgebung des Kraton , welcher durch dichte Vegetation der Einsicht meist entzogen war, kennen zu lernen. Die am 26. December

erfolgte Besetzung des Terrains nächst

dem Missigit, gestattete die Erweiterung der Contrevallations- Linie, worauf am 3. Jänner schon die Beschiessung des Kraton aus 16 Geschützen begann . Die Besatzung dieses Werkes hatte mittlerweile eine Verstärkung von 1500 Mann erhalten, zugeführt hatte.

welche der Radja von Pedir dem Sultan

General- Lieutenant van Swieten liess sofort, um

Pedir zu züchtigen, ein Geschwader mit meistentheils aus Matrosen bestehenden Landungs -Truppen dahin abgehen. Die Holländer schossen die zu Pedir gehörenden Ortschaften ¹) längs der Küste in Brand, plünderten , 1. Jänner 1874 zur Escadre zurück.

kehrten

aber bereits

am

Durch die am 10. Jänner nach wiederholten Stürmen erfolgte Einnahme des Missigit, wurde ein neues Placement für Batterien gewonnen . Während der Kraton immer enger cernirt und wirksamer beschossen wurde, konnte sich van Swieten der Besorgniss nicht verschliessen,

es könnte die Besatzung dieses Werk plötzlich räumen ,

unbemerkt abziehen und auf diese Weise der Krieg verlängert werden ; denn es widerstrebt erfahrungsgemäss malayischen Stämmen sich in Festungswerken einschliessen zu lassen. Daran sollten die Atschinesen aber umsomehr gehindert werden, als ihre einzige Rückzugslinie nach dem Districte der den Holländern besonders feindlich gesinnten XXII Moekim führte,

deren Oberhaupt

Panglima Polim eigentlich als die Seele des Aufstandes zu bezeichnen war. Während der fortgesetzten Beschiessung des Kraton berief van Swieten, in richtiger Würdigung der möglichen Wendung der Verhältnisse, die halbe Reserve-Brigade aus Pandang , knüpfte aber gleichzeitig Unterhandlungen an, welche jedoch zu keinem Resultate führten, da der Sultan mittlerweile abgesetzt und Panglima Polim die Macht an sich gerissen hatte. Diese Aenderung der Verhältnisse , durch welche eine rasche Beendigung des Krieges noch unwahrscheinlicher wurde, bestimmte van Swieten den Rest der Truppen aus Pandang an sich zu ziehen, worauf er die Cernirungs- Linie noch enger schloss. 1) Zählen zusammen circa 30.000 Seelen.

Molnár.

454

Als am 24. Jänner das 14. Bataillon gegen ein Aussenwerk des Kraton vorging, fand es diesen geräumt und die Atschinesen hatten sich bis an den Fuss der südlich von Atschin liegenden Gebirge zurückgezogen, woselbst Gestaltung und Bedeckung des Bodens der Fortsetzung des Widerstandes gleichfalls sehr günstige Chancen boten. So war denn den Holländern , Dank der völligen Vernachlässigung des Beobachtungs -Dienstes,

die Gelegenheit

entgangen,

ihre Gegner

unter Verhältnissen zum Kampfe zu zwingen, deren Ausnützung möglicher Weise sehr entscheidende Folgen haben konnte. Die Holländer verschanzten sich nun im Kraton und schufen sich im Vereine mit den nächstliegenden Werken eine beherrschende , starke Position im Centrum von Gross - Atschin. Kraton verlegt .

Das Lager wurde

Um mit dem Gegner wieder in Contact zu kommen,

in den

brach das

Expeditions-Corps, mit Ausnahme der zur Besetzung der Befestigungen nöthigen Abtheilungen, am 29. Jänner auf und schlug die südliche Richtung ein.

Das Zusammentreffen mit den Atschinesen ,

der Ver-

theidigungszustand , in welchem das Terrain angetroffen wurde , vernichtete sofort die ohnedies nur sehr schwache Hoffnung der Holländer auf baldige Beendigung des Krieges . General- Lieutenant van Swieten,

am folgenden Tage in den

Kraton zurückgekehrt, verlegte sich nun erneuert auf Unterhandlungen , wurde jedoch abgewiesen , indem die Atschinesen das Bestehen eines im Jahre 1857

mit den Holländern

Freundschaftsvertrages, negirten .

abgeschlossenen Handels-

worauf van Swieten sich stützte,

und

einfach

Der mittlerweile bekannt gewordene Tod des Sultans und die Neuwahl eines neunjährigen Kindes als Herrscher Atschin's, änderte die Verhältnisse begreiflicher Weise gar nicht. Die Leitung der Dinge blieb nach wie vor in Händen der eigentlichen Machthaber,

während

die Bewohner, selbst jene der XXVI und XXV Moekim , trotz der Bemühungen der Holländer diesen gegenüber, noch keineswegs eine völlig friedliche Stimmung bekundeten . Wohl gelang es den Radja Toekoe Nek des Kampongs Marassa für Hollands Sache zu gewinnen , und wie neuere Berichte melden , die Iman's der an der Westküste gelegenen Kampongs Lepong und Loeng zu unterwerfen ¹). Wenn nun auch diese für Holland erfreulichen Thatsachen einen gewissen Grad von Sicherheit zu gewähren vermochten, so wurde van 1 ) Neuesten Nachrichten zufolge sollen die Küstenplätze : Analaboe, Poelokajoe, Soesoe, Laboean- Hadji und Moeki , sowie Gighen die Oberhoheit Hollands anerkannt haben .

455

Der Krieg gegen Atschin. Swieten anderseits hiedurch gezwungen,

zum Schutze jener Fürsten

namentlich gegen die Stämme der XXII Moekim aufzutreten , welche am 15. Februar in dem für die Holländer erfolgreichen Kampfe um die Befestigungen von Kottapandoewa geschlagen wurden . Seit diesem letzten grösseren Gefechte ist nun eigentlich in den Operationen ein Stillstand eingetreten . General- Lieutenant van Swieten scheint sich zur Vorrückung gegen das Innere des Landes nicht zu entschliessen, was auch in Anbetracht der geringen ihm zu Gebote stehenden Kraft, der hiedurch leicht hervorzurufenden Zersplitterung derselben und der Situation wegen überhaupt, sehr gewagt wäre. Wenn er seither noch kleinere Expeditionen unternahm, so geschah dies mehr, um den Atschinesen den Einblick in seine Lage und die Zufuhr von Waffen, Munition und Lebensmitteln zu verwehren. Auch die Gegner der Holländer verhalten

sich ,

wiewohl

die

jüngsten Berichte von der Absicht einer Offensive der Atschinesen gegen den Kraton sprechen , ruhig ; erwarten aber von den Krankheiten , dem Eintritte der Moussons und der Regenzeit, was mit den Waffen zu erreichen ihnen diesmal nicht möglich war. Wohin nun dieses Verhalten

beider Theile führen wird,

lässt

sich für den Augenblick nicht absehen ; mir will es scheinen , als ob auch von der 2. Expedition kein positives Resultat , keine entscheidende Lösung der Frage zu erwarten wäre . Es müsste sich denn Holland zu einer ausgiebigen Blokade verstehen und so viele Kräfte aufbieten , dass es Gross -Atschin dauernd zu besetzen im Stande wäre. Gelänge es dann, der feindlichen Armee, welche mit Einrechnung der Hilfsvölker auf mehr als 30.000 Mann veranschlagt werden kann , die Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden , aber nur gleichzeitig aber auch den Kraton zu behaupten, dann dann dürften die Atschinesen sich unter holländisches Joch beugen. Wie immer aber die Würfel fallen mögen,

man kann

einer

Armee seine Sympathie nicht versagen , welche unter den schwierigsten Verhältnissen gegen eine ungeheuere numerische Ueberlegenheit mit Tapferkeit und Bravour kämpfte, und man wird ihr volle Anerkennung zollen müssen, selbst dann wenn sie unterliegen sollte. Wien, 20. März 1874.

Anhang. Zusammensetzung des niederländisch-ostindischen Heeres.

Der General- Gouverneur der holländischen Besitzungen in Ostindien hat zugleich den Oberbefehl über die indische Armee und die

456

Molnár.

in den ostindischen Gewässern stationirte Flotte.

Ihm zur Seite steht

ein höherer General als Armee-Commandant, welcher gleichzeitig als Vorstand des Kriegs-Departements fungirt . Territorial - Eintheilung. Das Gebiet der Colonien ist in folgende Militär - Bezirke getheilt :

ein-

I. Java (einschliesslich Madura ). 1. Militär - Bezirk mit dem Hauptquartier in Batavia . 2. Militär - Bezirk. Hauptquartier Samarang.

3. Militär - Bezirk. Hauptquartier Soerabaya . II. Sumatra und die umliegenden Inseln . 4. Militär - Bezirk. Der Westen von Sumatra. Hauptquartier Padang .

5. Militär - Bezirk. Residentschaft Lampong. 6. Militär - Bezirk. Palembang und Benkulen. Hauptquartier Palembang . 7. und 8. Militär - Bezirk. Die und Rio ( Riouw). III. Borneo. 9. Militär - Bezirk. Pontianak.

Der

Westen

Residentschaften

Borneos.

Bangka

Hauptquartier

10. Militär - Bezirk. Ost- und Süd- Borneo mit dem Hauptquartier in Bandjermassing .

IV. Celebes und Dependenzen. 11. Militär - Bezirk. Hauptquartier Mangkassar . V. Die Molukken. 12. Militär - Bezirk. Hauptquartier Amboina.

Die Landmacht der indischen Armee theilt sich : I. in reguläre , II. in Hilfs- Truppen .

I. Reguläre Armee. Infanterie. a ) 17 Feld-, darunter 4 Elite - Bataillone. Diese letzteren bestehen, und zwar 2 derselben aus 4 Compagnien Europäer und 2 Compagnien afrikanischen Truppen, während die beiden . anderen Bataillone zu einem Drittheil aus Europäern , hingegen zu zwei Drittheilen aus Afrikanern zusammengesetzt sind . Die anderen 13 Bataillone sind durchgehends aus 2 Compagnien Europäern und 4 Compagnien Malayen formirt.

Der Krieg gegen Atschin.

457

Der Stand der Elite-Bataillone beträgt 690 Mann, jener der übrigen Bataillone 718-868 oder 1168 Mann, je nachdem sich diese Abtheilungen auf Friedensfuss oder sogenannten „ pied du grand complet ", oder endlich auf Kriegsfuss befinden. Die europäischen Compagnien sind immer auf verstärktem Stande (pied du grand complet), wogegen die übrigen Compagnien zwischen 119, 144 und 194 Mann schwanken . Die Cadres der europäischen Compagnien bestehen nur aus Europäern , während die aus Einheimischen formirte Infanterie- Compagnie, unter Commando eines Europäers stehend, sowohl europäische als auch malayische Officiere und Unterofficiere zählt.

b) 9 Garnisons - Bataillone

und 3 Einzeln - Compag-

nien. Diese sind in den Hauptorten der Militär-Bezirke stationirt, und es zählt jedes der Bataillone zwischen 2 bis 8 Compagnien . c) Ergänzungs - Compagnien in den Hauptquartieren der 3 Militär-Bezirke auf Java, sowie auf einigen kleineren Inseln . Sie bilden gleichsam Sammelkörper für transene Mannschaften. Bewaffnung . Die reguläre Infanterie war vor dem Kriege gegen Atschin noch in sehr geringer Zahl mit dem Beaumont- Rücklader bewaffnet.

Sie führt grösstentheils auch heute noch das ge-

zogene Vornlad- (zum Theile

in

Rücklader umgewandelte) Gewehr

mod . 1842 , und das sogenannte Tirailleur-Gewehr, während die Hilfstruppen noch durchaus mit glatten Feuerwaffen ausgerüstet sind. Cavalerie . Es besteht nur 1 Regiment zu 8 Compagnien. Alle Cavaleristen sind Europäer . Das javanische Pferd ist klein und eben nur stark genug, um den nicht sehr anstrengenden Aufgaben, welche in jenen Gegenden der Reiterei zufallen , zu genügen . Aus Atschin und dem Innern Sumatra's werden gedrungene, sehr kräftige Gebirgspferde nach Java ausgeführt und in die Cavalerie eingestellt. Die Reiter sind mit glatten Carabinern mod. 1842 , die Unterofficiere mit Revolvern ausgerüstet .

Artillerie.

Diese Waffe besteht aus dem Stabe, 9 Batterien , 5 Garnisons- und 7 Festungs -Artillerie-Compagnien. Die Batterien, welche in 3 schwere und 4 leichte (resp . gemischte, d. h. aus einem Flügel Feld- und einem Flügel GebirgsGeschützen bestehend) und in 2 Gebirgs -Batterien zerfallen , sind , und zwar die Feld - Batterien mit gezogenen 12, 8 und 7 Cm. VornladKanonen und mit 12 Cm. Haubitzen betheilt . (8 Cm . HinterladGeschütze sind erst seit dem Kriege gegen Atschin in nur geringer Zahl vertreten. ) Die Gebirgs- Batterien sind aus 7 Cm. Kanonen , 12 Cm. Berghaubitzen, oder aus Coëhorn -Mörsern zusammengesetzt .

458

Molnár.

Als Belagerungs- und Festungs- Geschütze stehen im Gebrauche : Gezogene 16 und 12 Cm. Kanonen , 12 und 15 Cm. Haubitzen , 12 und 20 Cm. Mörser, sowie ältere glatte Geschütze verschiedenen Kalibers. Bei der ostindischen Armee sind auch Mitrailleusen (System Montigny ) eingetheilt . Die unter Leitung der Artillerie stehenden Etablissements sind : Das Inspectorat der Hand-Feuerwaffen in Batavia, verbunden mit einer Büchsenmacherei ; das Arsenal uud eine Feuerwerksmeisterei in Soerabaya ; Pulvermühlen in Nyawi und Bodjong. Ingenieure . Diese zerfallen in den Stab und in das 2 Compagnien bestehende Sappeur- und Mineur - Corps . Dem

Stabe

aus

unterstehen : Das Genie- Depot in Fort Willem I.

(bei Batavia) und das topographische Bureau. Die Leitung der Recognoscirungs -Arbeiten ist gleichfalls dem Genie- Stabe zugewiesen . Der Dienst des General - Stabes wird von Officieren der verschiedenen Truppenkörper besorgt . Intendanz und ärztliches Personal ist in ausreichender Zahl vorhanden , sowie auch die nöthigen Anstalten für die Verpflegung, Krankenpflege etc. aufgestellt sind . Wäre noch zu erwähnen : Das Corps der Eleven zu Gombong ; es ist dies eine Anstalt zur Erziehung der Söhne der Unterofficiere und Soldaten des indischen Heeres, beziehungsweise für die Heranbildung von Chargen. An Bildungs -Anstalten

bestehen

für Unterofficiere ; die Militär- und

ausserdem :

Die Cadreschule

die Artillerie- Schule zu Meester

Cornelis, respective Weltevreden (nächst Batavia) für die Ausbildung von Officieren ¹).

II. Hilfstruppen. Zu diesen gehört in erster Linie die in den meisten MilitärBezirken bestehende

Schutterei ", eine Art Nationalgarde, welche aus

ansässigen Europäern und Einheimischen gebildet ist . Auf Java findet man in vielen Städten kleine Corps , Pradjoerits genannt, und die Abtheilungen der Djayangsecars, welche Truppen zum Schutze der Behörden und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit errichtet sind. 1) Ausserdem besteht an der Militär-Akademie zu Breda in Holland ein eigener Curs für Eleven, welche in das indische Heer als Officiere einzutreten wünschen. Auch können Unterofficiere der europäisch-niederländischen Armee nach Ablegung bestimmter Prüfungen zu Officieren im Colonial-Heere ernannt werden . - Officiere der Armee des Mutterlandes können auf ihre Bitte für einen Zeitraum von höchstens 5 Jahren nach Ostindien detachirt werden, doch treten solchen Falles unter normalen Verhältnissen für sie eben so viele Officiere der indischen Armee an ihre Stelle.

459

Der Krieg gegen Atschin.

Die Truppen der unter holländischem Protectorate stehenden einheimischen Fürsten Barissans -- können auf Anordnung des General-Gouverneurs mobilisirt und auch ausserhalb ihres Territoriums verwendet werden . Wiewohl die meisten derselben nur schlecht bewaffnete, ungeschulte Parade- Soldaten sind, welche, als gänzlich unschädlich , den Fürsten belassen wurden, geniessen wieder die Truppen von Amboina und Madura den Ruf grosser Tüchtigkeit und Verlässlichkeit.

Die indische Armee repräsentirt in ihrer Gesammtheit eine Stärke von circa 29.000 Mann, welche unter normalen Verhältnissen auf einem Gebiete von nahezu der gleichen

Zahl geogr.

Meilen ver-

theilt sind . Die Verstärkungen , welche die ostindischen ColonialTruppen während des Jahres 1873 erhielten , dürften sich auf 3-4000 Mann belaufen ; berücksichtigt man aber die namhaften Verluste während der beiden Expeditionen gegen Atschin, sowie die grosse Mortalität im Heere , so ersieht man, dass eine bedeutende Standes - Erhöhung in Folge des Krieges auf Sumatra eigentlich nicht stattgefunden hat.

Die in den ostindischen Colonien stationirte Flotte bestand vor Ausbruch des Krieges aus folgenden Fahrzeugen : Schraubenschiffe.

13

Schraubendampfer

4.

Classe

mit

zusammen 58 Geschützen und 1090 Pferdekraft (nom . ) . Raddampfer.

2 Raddampfer 2. Classe mit zusammen 8 Ge-

schützen und 400 Pferdekraft, 5 Raddampfer 3. Classe mit zusammen 18 Geschützen und 1020 Pferdekraft, 6 Raddampfer 4. Classe mit zusammen 17 Geschützen und 460 Pferdekraft. Ausserdem waren 2 Corvetten 1. Classe und 1 Kanonenboot als Wachtschiffe in Batavia, Soerabaya respective Samarang stationirt und ein Schiff mit hydrographischen Arbeiten beschäftigt. Von dieser, einen Gesammtstand von 30 Schiffen mit 123 Kanonen und fast 3000 Pferdekraft repräsentirenden Flotte war jedoch im Beginne des Jahres 1873 nicht nur eine sehr geringe Zahl der Schiffe in Dienst gestellt, sondern viele derselben nicht einmal seetüchtig zu nennen .

Dieser Umstand erklärt die Nothwendigkeit,

in

welche sich die Regierung versetzt sah, die zum Transporte der Expeditions- Truppen und die für die Blokade der Küsten Atschins erforderlichen Schiffe der Handels- Flotte zu entnehmen. Im Laufe des vorigen Jahres wurden von der Flotte im Mutter-

32

lande nach den ostindischen Gewässern entsendet : Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines. VIII, Band, 1874.

32

460

Molnár. Der Krieg gegen Atschin. Die Schraubenschiffe 1. Classe : „Metalen Kruis “

und

„Curaçao " mit je 16 Geschützen und 250 Pferdekraft. Die Schraubenschiffe 2. Classe : Citadelle von Antwerpen “, „ Vice -Admiral Koopman " mit je 13 Geschützen und 250 Pferdekraft,,,Watergeus " und " Marnix " mit je 6 Kanonen und 280 Pferdekraft. Die Schraubenschiffe 3. Classe :

Schouwen " und „ Bom-

melerwaard " mit je 6 Geschützen und 80 Pferdekraft ; endlich die Fregatte " Zeeland " mit 51 Kanonen und 400 Pferdekraft . Am 1. Jänner 1874 hatte die Flotte in den holländisch-ostindischen Gewässern sonach einen Stand von 39 Schiffen mit 256 Geschützen, 5200 Pferdekraft und 3900 Mann Schiffsequipage .

Bücher - Anzeiger .

A. Kritischer Theil. Volksthum und Heerwesen. Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Verein zu Berlin am 29. Jänner 1870, von Max Jähns, Hauptmann . Abdruck aus der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Berlin. Dümmler. 1870. 45 kr. Ein glücklicher Zufall liess uns jetzt, nach allerdings langer Zeit , einen Vortrag Jähns' kennen lernen, der nicht unbeachtet bleiben soll und darf. Es mag als ein Vorwurf für uns gelten, dass es möglich war, eine, wenn auch kleine, doch so werthvolle Schrift, wie die vorliegende, nicht früher bemerkt zu haben, aber, zunächst angewiesen auf unsere buchhändlerischen Verbindungen kann es wohl geschehen , dass auf dem reichen militärliterarischen Gebiete da und dort eine anspruchslose Arbeit sich und ihren innern Werth eine Zeit hindurch fast verborgen hält. Jähns entwickelt in diesem Vortrag die Idee von dem innern Zusammenhang des Volkswesens und des Heeres ; in breiten, kräftigen Zügen, mit meisterhafter Hand entwirft er den historischen Rahmen, aus dem Denken der Völker heraus, zeichnet er die Wehrform als eine Consequenz desselben. Als ein Merkzeichen der Entwicklung eines Volkes stellt er das Heer dar , und wir begegnen mancher Erklärung historischer Erscheinungen, die vielleicht in so präciser Form noch nicht gegeben worden. Wie treffend ist der Bestand der Söldnerheere in Mercantilstaaten erklärt, wenn Jähns sagt : „ Staaten, deren ganzes Dasein auf den Handel gestellt ist. müssen diesem die Wege mit Waffengewalt öffnen und offen halten , sie sind genöthigt, ihre Concurrenten unter Umständen mit Gewalt auszuschliessen vom Markte, und daher sind sie stets betrebt, die strassenbeherrschenden Punkte in Händen zu haben. Dazu aber gehört eine bedeutende Heeresgewalt, fähig in fernen Ländern und zumal zur See zu kämpfen ; denn das Meer ist Arbeitsfeld und Schlachtfeld der Kaufmannsstaaten . Nun ist das Kerngebiet mercantiler Völker gewöhnlich klein, das Bedürfniss rüstiger Hände für die Zwecke des Verkehrs und des Gewerbes desto grösser, und während landgesessener Adel kriegerisch zu sein pflegt , hegen Geldaristokratien durchweg Abneigung gegen den Waffendienst. Hieraus erklärt es sich, dass die Heeresverfassung der Handelsstaaten ihre entsprechende Form im Söldnerwesen findet." Ueberall mahnen uns die Schilderungen der alten Zeit mächtig an die Forderungen des heutigen Tages und wir möchten wünschen, dass solche Mahnungen weit und tief im Volke Wurzel fassten , zum Wohle des Ganzen. „Jeder Mann, der als Bürger Geltung erlangen wollte, musste auch Geltung haben als Krieger." Gleiche Rechte, gleiche Pflichten ! Aber auch nur Der, der alle politischen Pflichten erfüllt, darf alle politischen Rechte beanspruchen.“ Wenn sich in den historischen Schilderungen der spätern Zeit in Jähns manchmal der Norddeutsche fühlbar macht. so müssen wir dies als eine Art von unvermeidlichem Uebel, um der Vortrefflichkeit des Vortrages an sich willen, hinnehmen. Wir bedauern , dass dieses specifisch norddeutsche Gefühl den Verfasser einen Augenblick sogar geblendet und zu einer falschen historischen Folgerung verführt hat. 1 Org. d. Wiener mil. -wissensch. Vereines. VIII. Band, 1874, Bücher-Anzeiger.

II

Bücher-Anzeiger.

Er vindicirt die grössere politische Kraft den Norddeutschen, er beweist dies durch Hinweis auf die Kaiserzeiten der Franken und Sachsen. Sehen wir ab von der etwas willkürlichen Annexion der Franken, so glauben wir doch darauf hinweisen zu können , dass auch die schwäbisch-alemannischen Fürstengeschlechter der Hohenstaufen, der Habsburger und der Hohenzollern keine ganz unebenbürtige politische Kraft bewiesen haben im Laufe der Jahrhunderte. Und wenn Jähns mit Recht die hohen Verdienste des deutschen Adels um die Erfolge im spanischen Erbfolgekriege und in den Türkenkriegen hervorhebt, so berührt es sonderbar, wenn er dazu setzt deren Andenken sich bis heut im Volksmunde mit dem Namen des Prinzen Eugen, des edlen Ritters , verbunden hat". Aber in meisterlicher Weise beleuchtet Jähns dafür die Stellung und die Aufgabe des heutigen Tages, indem er an das Wort Boyens mahnt : 17 Wer wagt die Holländer zu tadeln, dass sie für ihre Dämme mehr Mittel aufwenden , als alle andere Völker Europa's zusammengenommen ? Ihre Lage bedingt es. Unsere Dämme aber sind das Heer !" Mit berechtigtem Stolze schliesst der Verfasser mit einem schönen Worte über das preussische Officierscorps : „ Der Heerbann ist wieder erstanden und erhalten blieb mit ihm auch der andere, urgermanische, dem grossen Volksheere stets zur Seite schreitende Geist des Heergeleites, der Gefolgschaft. Dieser Geist lebt und wirkt in den Officierscorps der Armee, denen gegenüber Preussens Könige stets dieselbe Stellung eingenommen haben, wie die altgermanischen Heldenfürsten zu ihrer treuen Heeresschule. Dieses Officierscorps, diese Gefolgschaft des Königs bildet den glänzenden Rahmen des preussischen Volksheeres ; oder, richtiger gesagt, es ist die aus dem Genius der Nation heraus geschaffene und von grossen Kriegskünstlern modellirte Form, in welche unaufhörlich das flüssige warme Metall der deutschen Jugend hineinströmt, um sich in ihr zu gestalten zu einem Rocher de bronce, zu jenem Atlas , auf dessen Schultern das Vaterland fest ruhen kann. " In diesem Geist der treuen persönlichen Gefolgschaft liegt die moralische Macht und Bedeutung des Officierscorps eines monarchischen Staates. ohne ihn wäre es ein haltloses, hin und herschwankendes Wesen, das in ernster Stunde moralisch nicht auf seinem Platze zu finden sein würde. Darum ist dieser Geist gepflegt worden , darum muss er mit gewissenhafter Hand und unermüdet gepflegt werden, und darum wollen auch wir ihn pflegen W. allezeit. Etwas mehr Licht. Enthüllungen über die politischen und militärischen Ereignisse des Jahres 1866. Von General Alfons Lamarmora. Aus dem Italienischen . Mainz, Kirchheim 1873. XII . und 340 Seiten. 2 fl. 40 kr. Die hohe politische Bedeutung dieser „Enthüllungen “ ist zu bekannt, als dass wir darauf hinzuweisen uns veranlasst sehen könnten, abgesehen auch davon, dass uns unter den heutigen Verhältnissen eine begreifliche Reserve auferlegt ist in der Besprechung des politischen Moments jenes unglücklichen Jahres. Wir wollen uns nur erlauben , unsere Leser, die das Buch nicht schon im italienischen Originaltext gelesen , darauf aufmerksam zu machen, dass in dem obenbezeichneten Verlage eine vorzügliche deutsche Uebersetzung erschienen ist, und dass der Inhalt, trotz Allem, was man seit jenem Jahre schon wusste oder glaubte, dennoch W. ein geradezu überraschender genannt werden muss . Eine Geschichte der Vereinigten Staaten für Familien und Bibliotheken. Von Benson J. Lossing, Verfasser des malerischen Feld - Buches, der Geschichte der Vereinigten Staaten für Schulen, Leben der berühmtesten Männer Amerika's u. m. a. In's Deutsche übertragen von Leopold Simon , Hochlehrer am Trinity College Hartford. (Connect. ) Mit über vierhundert Stahlstichen und Holzschnitten. Hartford 1873. 9 fl.

Bücher-Anzeiger.

III

Welchen Ursachen die Freistaaten Nordamerika's ihre Macht und ihr rasches Emporblühen verdanken, ist mit allem, was darum und daran hängt, wohl eine der lehrreichsten Aufgaben der Forschung. Die Resultate derselben nun, in bündiger, klarer und leicht verständlicher Darstellungsweise zu vermitteln, ohne auf weitschweifige Einzelheiten einzugehen, die zwar für den Gelehrten von Werth, für den andern Leser aber nur ermüdend sind, war die Absicht des Verfassers vorliegenden Werkes. Er wollte ein volksthümliches Werk schaffen und hat seine Aufgabe im vollsten Masse gelöst. Jedes Ereigniss von Tragweite in der Geschichte der Vereinigten Staaten, von der ältesten Zeit an bis zur Gegenwart, erscheint hier in populärer und doch belehrender Darstellung. Der Autor hat die meisten durch wichtige Ereignisse denkwürdig gewordenen Orte besucht, und hat so manchen bisherigen Irrthum zu verbessern Gelegenheit gehabt. Der Inhalt des ganzen Werkes (780 Lexikonseiten zählend) ist in sechs Perioden getheilt. Die erste Periode gibt eine allgemeine Uebersicht der Urbewohner , welche den Continent inne hatten, ehe und als die Europäer anlangten. Die zweite enthält die Erzählung aller Entdeckungen und des Beginnes der Niederlassungen. Die dritte schildert das Wachsthum aller Niederlassungen bis zur Bildung von Colonial regierungen. Die vierte gibt die Geschichte dieses Colonien von ihrer Kindheit bis zu ihrer Reife, und schildert die Entwickelung demokratischer Ideen und republikanischer Tendenzen , die schliesslich eine politische Union zur Folge hatten. Die fünfte Periode enthält die vollständige Geschichte der wichtigsten Begebenheiten des Unabhängigkeitskrieges und die sechste endlich die Ereignisse von der Gründung der Republik bis heute. Ein Anhang enthält die Bundesartikel und die Constitution. Ein besonderer Vorzug des Lossing'schen Werkes besteht auch darin, dass wo eine Thatsache angeführt ist, welche im Zusammenhange mit einer anderen im Werke angeführten steht, durch Anmerkungen, die auch sonst als Ergänzungen reichlich fliessen, darauf aufmerksam gemacht wird. Die deutsche Bearbeitung ist als eine gute zu bezeichnen. Ueber 400 Stahlstiche und Holzschnitte die freilich nicht immer in technischer Vollendung unseren heimischen nahe kommen - zieren das schön ausgestattete Werk. Wilhelm E. v. Janko. Vorlesungen über Feldbefestigung. Von Carl Popp , Hauptmann im kgl. b. Generalstabe. Mit 2 Tafeln. München . Lit. -art. Anstalt. 1873. 8 °. p. 110. 1 fl. 68 kr. Unmittelbar nach einem grossen Kriege, welcher in jedem Zweige der Militär -Wissenschaften massgebende Erfahrungen dafür geliefert hat, dass die vollen Consequenzen der geänderten Bewaffnung nirgend vorher in ihrer ganzen Tragweite erkannt worden seien, klingt es nicht empfehlend , an der Spitze eines neuen Werkes über Feldbefestigung zu lesen , dass dessen Inhalt aus mehrjährigen Vorträgen an der Kriegs-Akademie entstanden sei. - Vielleicht ist dieses Misstrauen ungerechtfertigt und der Verfasser mag zu den Wenigen gehören, die weiter blickten, - jedenfalls hat er die Erfahrungen des Krieges bereits bei Redigirung dieser Vorlesungen in ihrer jetzigen Form verwerthen können, und man darf sich daher durch jene Eingangsworte nicht abhalten lassen, das Buch zu prüfen. Wir leiden eher Ueberfluss als Mangel an Instructionen zur Ausführung von Feldbefestigungen ; die unerbittliche Nothwendigkeit zwingt eben immer mehr zur Anerkennung des Nutzens der Deckungen. Die Mehrzahl dieser Bücher befasst sich aber zu viel mit dem technischen Detail und zu wenig mit der Lehre von der Anwendung , was daher kömmt, dass dieselben meist zum Unterricht für technische Truppen bestimmt sind. Das vorliegende Werkchen hat dagegen jene andere Bestimmung, welcher auch in unserer Armee vor nicht langer Zeit ein treffliches Werk sein Entstehen verdankte, nämlich : Officieren der Hauptwaffengattungen das Verständniss der Feldbefestigung als Mittel der Taktik zu geben oder wie der Verfasser sich hier ausdrückt : als Mittel der höheren Truppenführung." Hier werden die Angaben über die technische Ausführung der Schanzen nebensächlich - Hauptsache aber bleibt die Erkenntniss des Werthes, der Lei1*

IV

Bücher-Anzeiger.

Elemente und Bau der Feldbestungsfähigkeit, der richtigen Anwendung. festigungen sind desshalb kurz behandelt, eingehender Angriff und Vertheidigung der Schanze, beinahe zwei Drittel des Buches aber sind der Anwendung in der Defensive und Offensive und den 8 Befestigungs-Beispielen (Aufgaben ) des Anhanges gewidmet. - Es würde uns hier zu weit führen, in den meritorischen Theil der „ Anwendung " und der Aufgaben einzugehen ; die mit Rücksicht auf das Auditorium dieser Vorlesungen getroffene Wahl der Umgebung von München beschränkte die Anwendungslehre hinsichtlich der Terrainformen. Wir können das kleine Werk den Truppen- Officieren aller Waffengattungen als anziehende, den Gegenstand nicht trocken, sondern leicht und klar behandelnde Lecture bestens empfehlen. Mit manchen Ansichten sind wir nicht einverstanden , z. B. glauben wir, dass in Zukunft und selbst auch jetzt die Infanterie ganz wohl im Stande sei, auf mehr als 250 Fuss Distanz, die Artillerie auf mehr als 1500 Fuss hinaus durchschlagende Erfolge zu erzielen, daher die Lichtung oder Aufräumung des Schussfeldes auf weitere Distanzen auch wünschenswerth und B. nützlich sein werde.

Nouveau système de fortifications permanentes. Idées soumises au Gouvernement de la France par M. C. Marsuzi de Aguirre etc. 2me. ed. Bruxelles, Muquardt , 8 ° . 1873. p. 68 avec 3 planches. 1 fl. 20 kr. Der Verfasser glaubt eine Wiederholung der für Frankreich so demüthigenden feindlichen Invasionen durch die Ausführung seines Systems für immer unmöglich zu machen . --- Er will von Besançon bis zur Mündung der Seine Frankreichs Landgrenzen hermetisch absperren - jeden Versuch eines Durchbruchs vereitelnd ! Als Elemente dieser neuen chinesischen Mauer sollen „ unzerstörbare" und „uneinnehmbare" etagirte Werke dienen, deren unteres (Casematten-) Geschoss in die Erde versenkt ist, deren oberes aus Panzerbatterien besteht, welche mit den schwersten Calibern zu armiren sind. Diese an allen Bahn- und Strassenkreuzungen. bei allen dem Feinde günstigen oder nützlichen Passagen zu errichtenden Forts sollen en échiquier derart zu einander situirt sein, dass die Rayons der vollsten Geschützwirkung in einander greifen . — Die Frage könnte mit Recht an uns gestellt werden, warum wir von derartigen Vorschlägen überhaupt Notiz nehmen ? Und darauf sind wir Antwort schuldig. Die Ideen der absoluten Absperrung, der Uneinnehmbarkeit, der Unzerstörbarkeit u. s . w. , sind immer wiederkehrende, welche schon Vorschläge und leider auch Ausführungen der baroksten Art in's Leben gerufen haben. Von den lang gezogenen Wallresten vorhistorischer Völker an finden wir durch die ganze alte, mittlere und neueste Geschichte solche Bestrebungen, die Befestigungskunst in ihrer passivsten Form anzuwenden , und den gewöhnlich überspannten Hoffnungen auf die Unüberwindlichkeit defensiver Monstreanlagen folgte meist die grösste Enttäuschung . Wir halten es nun gerade für einen entscheidenden Fortschritt der neuesten Zeit, dass die Erkenntniss der Machtlosigkeit jeder rein passiven Defensive auch für die Anordnung aller Befestigungswerke die massgebende Basis geworden sei : ein Rückschritt verderblichster Art ist daher in unsern Augen jeder in die entgegengesetzte Richtung führende Vorschlag. Die alten Vorstellungen, welche "Defensive" und " Unthätigkeit", „ Befestigung und hermetische Absperrung" nur zu sehr mit einander identifizirten, sind auch bei uns noch vielfach nicht überwunden ; es soll und muss desshalb von Jenen, die an der Weiterbildung der neuen Fortification Antheil nehmen, überall und immer den chinesischen Mauern, den Pictenwällen , Römerschanzen und französischen Cordonsystemen . in welcher Form sie sich auch immer darstellen mögen, sogleich entgegengetreten werden. Herr Marsuzi scheint übrigens seine Projecte in ehrlichster vollster Ueberzeugung für die Rettung Frankreichs zu widmen, und trat erst damit in die Oeffentlichkeit, als das französische Fortificationscomité seine Vorschläge mit einer allerdings nicht ganz sachgemässen Kritik höflich abgelehnt hatte . B.

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Ursachen und Wirkungen im Festungskriege während des Feldzuges gegen Frankreich 1870-1871 . Von Benno von Friedemann, kgl. preuss . Ingenieur- Oberst a. D. Berlin , Hempel 1873. gr. 8º. 80 Seiten. 1 fl. 20 kr. Der geringe Umfang bei so vielsagendem Titel dieser Brochüre lässt schon erkennen, dass es sich hier nicht um eine eingehende Analyse des Vertheidigungszustandes der Festungen und der Verhältnisse, unter welchen die Angriffscorps zu operiren hatten , handeln kann. Der Herr Verfasser sagt auch selbst schon in der Vorrede, dass eine Kritik der Handlungen und specielles Eingehen auf dieselben erst dann gegeben werden könne, wenn die officielle Bearbeitung des Gegenstandes bekannt sein wird Da jedoch bei der Masse des vorliegenden Materials darüber noch längere Zeit hingehen dürfte, glaubt der Verfasser, es werde die Mittheilung der allgemeinen Ursachen und ihrer Wirkungen schon jetzt von Interese sein, und wünscht mit dieser Arbeit für Leser aller Waffen eine Vorbereitung und weitere Anregung für die späteren Studien des ebenso ausgebreiteten , als in der Sache selbst interessanten Festungskrieges zu liefern. Die Ausführung dieser Absicht musste zu einer Art „ Causerie" über alle Verhältnisse vor und während des Festungskrieges 1870-71 führen, in welcher die einzelnen Gegenstände nur flüchtig berührt, die wichtigeren für die Zukunft Einfluss nehmenden Erfahrungen hervorgehoben, die übrigen Ergebnisse nur kurz angedeutet werden . In der That hat es auch der Verfasser verstanden , diesen Charakter der Brochure consequent durchzuführen, und wenn der Ingenieur von Fach gerade nicht hervorragend Neues darin findet, so wird dagegen die Absicht des Verfassers vollständig erreicht, Officieren aller Waffen und selbst Laien, welche sein Buch lesen , ziemlich deutliche und richtige Vorstellungen über den Zustand der französischen Festungen, die dadurch herbeigeführten Nachtheile für die Vertheidigung und über die in Zukunft unerlässlichen Mittel um eine bessere Widerstandsfähigkeit zu erzielen , zu geben. Ueber den Zustand der französischen Festungen bei Beginn des Krieges schreibt der Verfasser sehr absprechend ; seit Marschall Niel's Tode seien alle Massregeln zu deren zeitgemässer Umformung fallen gelassen worden. (In Metz wurde wohl noch später gebaut.) Die regelmässige Erhaltung des Vertheidigungszustandes durch Ueberweisung alljährlicher Geldmittel kenne man in Frankreich nicht ; es hatte eine grosse Sorglosigkeit hinsichtlich des Vertheidigungszustandes der Festungen geherrscht ; die französische Artillerie hielt von der Wirkung des indirecten Breschschusses überhaupt nicht viel, es unterblieben daher auch alle baulichen Gegenmassregeln . Bei diesem Punkte angelangt, deutet der Verfasser kurz die verschiedenen unerlässlichen Massregeln, welche in dieser Beziehung zu treffen sind, an, und geht dann wieder auf den Zustand der französischen Festungen zurück, hervorhebend wie die vollständige Vernachlässigung besonders bei dem hart an der deutschen Grenze gelegenen Strassburg unbegreiflich gewesen sei. Mit Artilleriematerial waren die Festungen reichlich versehen dagegen hatten die Mehrzahl nicht die ihnen zukommende genügende Kriegsbesatzung. Die Zusammensetzung derselben aus geflüchteten Feldtruppen, National- und Mobilgarden konnte keine hervorragenden Leistungen erwarten lassen . -- Ueber die Aufgabe und Eigenschaften eines Festungscommandanten sagt der Verfasser beherzigenswerthe Worte; die Fachkenntnisse seien demselben unentbehrlich aber ohne die Eigenschaften eines guten Soldaten nützten ihm die Fachkenntnisse nichts. Von der Darlegung der Verhältnisse in den französischen Festungen , geht der Verfasser im III. Abschnitte auf die Belagerungstruppen und ihr Material über Nach Andeutung der Versuche und Umstaltungen im preussischen Artilleriematerial, erklärt der Verfasser die hierdurch bedingten Aenderungen im Angriffsverfahren. Der Batteriebau war zwar im Frieden schon tüchtig geübt worden , aber man machte hierüber im Kriege doch zahlreiche praktische Erfahrungen. Die Wichtigkeit der Feldtelegraphie wird hervorgehoben, dabei aber irrthümlich deren erste Anfänge" dem indischen Aufstandskrieg (also 1857) zugeschrieben ; in Oesterreich waren zu jener Zeit Feldtelegraphen bereits in Anwendung. - Ge-

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bührend schliesst sich an die Anerkennung der wichtigen Dienste der Telegraphie im Kriege, jene der nicht minder hervorragenden, welche die Bahnen leisten. Den Schluss der recht lobenswerthen Brochure bildet ein Blick auf die nunmehr den veränderten Verhältnissen anzupassende Befestigung der westlichen Reichsgrenze. B. Die Bedeutung der Festungen, ihre Vertheidigung und ihre Be agerung durch die Mittel der Neuzeit. Leipzig 1873 , Fr. Luckhart. Der Militärischen Zeit- und Streitfragen " 20. Heft. 8. p . 66. 60 kr. Wir haben den Gedanken der thätigen Militär-Verlagshandlung in Leipzig. in losen Heften eine Reihe „ Zeit- und Streitfragen" erscheinen zu lassen, als einen ganz zeitgemässen, und der fruchtbarsten Ausbildung fähigen, willkommen geheissen. Nachdem ein Krieg in noch nie dagewesenen Dimensionen und Ereignissen reiche und verschiedenartigste Kriegserfahrung gebracht hatte, und ein grossartiges Aufblühen der Militär- Literatur vorauszusetzen war, hatte die Gründung einer offenen Arena, in welcher widersprechende Ansichten mit grösserer Ausführlichkeit motivirt werden konnten, als es der Rahmen von Zeitungs - Artikeln gestattet, seine volle Berechtigung. Leider müssen wir gestehen, dass die Ausführung dieses Gedankens unseren Erwartungen nicht entsprach. Es scheint dieselbe nicht in die richtigen Hände gelegt worden zu sein. Mit wenigen Ausnahmen sind in den bisher veröffentlichten zwanzig Heften keine solchen Arbeiten aufgenommen, welche als Die wirkliche Bereicherung der ernsten Wissenschaft zu betrachten wären. Einsetzung einer tüchtigen Redaction , und die Erwerbung der Mitwirkung anerkannter Capacitäten , welche die in fast allen Zweigen des Kriegswesens wirklich vorhandenen ernsten Streitfragen zeitgemäss behandeln das wären nach unserer Ansicht die zur Hebung dieses verdienstlich angelegten Unternehmens geeigneten Mittel. Von einer österreichischen Militär-Verlagsfirma, Prochaska in Teschen, wird eben ein ähnliches Unternehmen begonnen ; es dürfte sich von demselben das Gleiche vorhersagen lassen : Nur bei streng sichtendem Vorgehen einer einsichtsvollen Redaction lässt sich heute Gedeihen solcher militärliterarischer Unternehmungen erwarten . Wir haben diesen Anlass ergriffen , um unsere Ansicht über die „Zeit- und Streitfragen für unsere Leser auszusprechen . und gehen nun speciell zu dem 20. Hefte, von der „ Bedeutung der Festungen “ , über. - Wer das Heftchen nur bis etwa zur ersten Hälfte durchblättert, wird es als ein barokes Gemisch von wahren und falschen Behauptungen als ein ungeordnetes Sammelsurium ärgerlich weglegen. Wer jedoch gleich uns bis zu Ende den Ideengang des Verfassers verfolgt, gelangt zu milderer Beurtheilung, man verurtheilt ihn der Sonderbarkeit des Ausdrucks wegen, vielleicht etwas zu rasch. Die Hebung der Wirksamkeit der Belagerungs- Artillerie, deren Leistungen er den Fall der französischen Festungen nicht zuschreibt, ist sein Ziel ; die Mittel : im Angriff stets die gröste und schnellste Bombardementswirkung herbeizuführen, ohne langen Zeitverlust durch tiefe leicht versumpfte gedeckte Communicationen etc. in der Vertheidigung: grösste Regsamkeit der Artillerie auf dem Vorfelde, wenn auch mit Verlust der Geschütze - also in Summa : kühnster Vorgang auf beiden Seiten. Die gewünschte Mitarbeit auch der andern Waffen im Geschützkampfe scheint uns ideal -- die vorgeschlagenen fortificatorischen Massregeln müssen wir ganz ablehnen. B. Le prossime guerre d'Italia. L'offesa e la difesa rispetto alla Francia e all' Austria . Torino 1873. 8 °. p . 68. 72 kr. Der anonyme Verfasser (in der Vorrede " Virginio" unterzeichnend) wendet sich sowohl gegen Diejenigen, welche in der Befestigung Bologna's, als gegen die , welche in jener Piacenza's das Heil des Vaterlandes sehen. Zuerst Italiens Lage bei einem Angriffskriege Frankreichs betrachtend , hebt er alle Vortheile der gegen Osten convergirenden Richtung sämmtlicher Alpenthäler hervor, wodurch Italien Frankreich dagegen für Defensive und Offensive eine eng concentrirte Basis

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für beide Fälle eine langgedehnte (von Lyon bis Marseille) , daher überall schwache Basis besitze. Der wohl aus Patriotismus etwas allzu sanguinische Verfasser lässt daher den Krieg durch die italienische Armee (nach glücklicher Defensive im Beginne) offensiv erfolgreich nach Frankreich tragen ; es würde nämlich die italienische Armee aus concentrirter Stellung von Turin bis Cavallermaggiore allen Uebergängen siegreich entgegentreten und die einzelnen zersplitterten, zu divergirendem Rückzuge durch die Alpenpässe gezwungenen feindlichen Colonnen verfolgend, auf Lyon vordringen, wodurch die feindlichen Streitkräfte getrennt und theilweise von ihren Ressourcen abgeschnitten werden könnten . Den Misserfolg früherer Invasionen in Südfrankreich erklärt der Verfasser durch die falsche Richtung des Stosses auf das südliche Ende der Basis , den nicht strategischen Flügel. Für den Fall des Misserfolges der anfänglichen Defensive will der Verfasser das Viereck Asti , Alessandria, Casale, Valenza behauptet wissen , weist aber die Armee selbst entweder auf das Manövrirterrain bei Novi (von wo der weitere Rückzug in der Enge von Stradella abermals einen Halt gewinnen könnte) oder nach Vercelli an der Sesia , wenn der Feind am linken Po-Ufer vordringt. Von der Sesia zurückgedrängt, soll die Armee selbst, nicht successive die parallelen Flusslinien directe zu vertheidigen suchen, was nur zu Niederlagen führen würde. sondern directe an den Po gegen Pavia und Piacenza zurückweichen. Die Vertheidigung jener Flusslinien gewinnen aus der Flankenstellung der Armee grössere Stärke. Im Falle die Armee vom Po abgedrängt in das Festungsviereck weicht, hat sie auch von hier mittelst Borgoforte's am Po die Chance jedem Vordringen des Feindes über Parma etc. gegen Mittel-Italien Halt zu gebieten . Im Kriege gegen Oesterreich, wozu die Grenzen Italiens möglichst unvortheilhaft liegen, sichert wieder das Festungsviereck mit Borgoforte die beste Vertheidigungsstellung für die Armee. In beiden Fällen wäre der Rückzug nach Bologna das Schlechteste, weil die Armee, welcher der Feind auf dem Fusse folgt, keine Zeit zur Reorganisirung finden, die Gebirgs-Verbindungsstrassen bald verlieren und nach Ansicht des Verfassers capituliren müsste. Auf und durch die Appeninen will der Verfasser Central-Italien vertheidigt haben nicht aber vor denselben. Die Lage der Appeninenpässe ist ebenso convergirend gegen eine concentrirte Aufstellung bei Lucca und Pistoja, wie jene der westlichen Alpenthäler - der Vertheidigung in den Pässen und an den Debouchéen daher sehr günstig. Der Verfasser schliesst mit dem wahren Ausspruche, dass die Natur Italien in den Alpen, dem Po und den Appeninen vortreffliche Befestigungen gegeben habe, und man daher einmal aufhören möge über die ungünstige natürliche VerB. theidigungsdisposition Italiens zu klagen. Grundsätze für die Verwendung der Streitkräfte zum und im Gefechte. 1. Lieferung mit fünf Tafeln. Wien 1873, Seidel . 2 fl. 60 kr. Die Wichtigkeit der Truppenführung im Detail ist in der gegenwärtigen Entwicklungsperiode des Kriegswesens im gleichen Verhältniss mit der numerischen Stärke der Heere gewachsen . Vor hundert Jahren waren 40000 Streitbare schon eine ansehnliche Armee. Angenommen , dass dieselbe in 50 Bataillone und 200 Compagnien eingetheilt war, so bildete eine Compagnie 00 des Ganzen. Heute gehört das Auftreten von Armeen mit 240.000 Streitbaren nicht mehr zu den Ausnahmen ; wenn eine solche Armee 300 Bataillone und 1200 Compagnien zählt, so bildet Eine der Letzteren nur 900 der Gesammtmacht. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man nun glauben, die richtige Führung und Verwendung von 1990 werde auf den Erfolg der Thätigkeit des Ganzen einen geringeren Einfluss üben, als jene von 2.0 in früherer Zeit üben musste. Diese Schlussfolgerung wäre vollkommen irrig. Jenes 200 war nach damaligen Grundsätzen zum selbständigen Handeln gar nicht bestimmt ; im Gegentheil, die mindeste selbstständige Lebensäusserung desselben hätte der Lineartaktik einen bedenklichen Stoss versetzt. Hätte man bei der numerischen Entwicklung der Heere an diesen Grundsätzen für ihre Verwendung festgehalten, so hätte ihre schon damals unbequeme

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Schwerfälligkeit sich endlich bis zur hilflosen Unbequemlichkeit steigern müssen. Man denke sich nur eine Armee modernen Styls nach den taktischen Grundsätzen des 7jährigen Krieges geleitet, um sich über die Wirkungen klar zu werden. Dagegen gab und gibt es nur ein Mittel : zweckmässige Gliederung und Entwicklung der Selbstständigkeit der Unterabtheilungen bis zur Compagnie und zum Plänklerschwarm hinab, ohne Schwächung des Zusammenhanges und der oberen Leitung. Diese nur scheinbar unvereinbaren Anforderungen weisen dem untergeordneten Führer eine gegen frühere Verhältnisse ganz veränderte Wirksamkeit und unendlich erhöhte Bedeutung an. Der Commandant jenes ' 200 der Armee um auf das frühere Beispiel kann heutzutage im Gefechte beinahe in gar keine Lage zurückzukommen kommen, deren Entscheidung durch sein richtiges oder falsches Benehmen nicht modificirt werden könnte. Jede solche Entscheidung aber repräsentirt einen Theilerfolg, welcher für das allgemeine Resultat, für den Gesammterfolg der Armee, positiv oder negativ mitzählt. Daraus folgt die Nothwendigkeit, dass jeder Offizier bis zum Compagnie- und Zugscommandanten herab, nicht allein seine Abtheilung richtig und selbständig zu verwenden verstehe, sondern auch , ohne extravagante Uebergriffe aus seiner Sphäre, soviel Auffassung für die allgemeine Lage und deren Consequenzen besitze, um seine Wirksamkeit zweckmässig unterzuordnen und dem Ganzen einzufügen . Die Kenntniss der Reglements-Vorschriften und die Routine in deren Anwendung allein ist hiefür nicht genügend. Werke, welche auf ein tieferes Verständniss dieser Vorschriften und auf eine erhöhte Umsicht in deren Anwendung hinarbeiten , sind somit einem zeitgemässen und wichtigen Zwecke gewidmet. Dieses Verdienst muss dem vorliegenden Werke zugeschrieben werden, wenn auch dessen Gesammtplan erst nach dem Erscheinen der weiteren Lieferungen wird übersehen und gewürdigt werden können. Die erste Lieferung bespricht in 12, durch sehr viele und deutliche Pläne illustrirten Paragraphen folgende Punkte u . z. als Einleitung: §. 1. Das Raumerforderniss der Truppen im Gefecht ; §. 2. die Wirksamkeit der Fernwaffen. Dann im I. Hauptstück, Mechanismus im Gefechte. § . 3. Die Formationen der Infanterie in geschlossener und zerstreuter Ordnung ; §. 4. Die Gefechtsformationen , u. z. bis zum Bataillon mittelst des Commandos, vom Regimente aufwärts mittelst der Disposition ; §. 5. Die Verwendung der Cavallerie, Artillerie und technischen Truppen im Verbande mit grösseren Truppenkörpern ; §. 6. Die Annäherung und das Verhalten im Feuerbereiche des Gegners ; § . 7. Die Ausführung des Angriffs ; §. 8. Die Abwehr desselben, d. h . das Feuer und der Gegenangriff ; § 9. Die Anordnung der Feuerlinie mit Rücksicht auf Deckungen ; §, 10. Das Feuergefecht um Ortschaften , Waldungen und Defiléen ; § . 11. Die taktische Bedeutung des Bodenreliefs ; und §. 12. Das Feuergefecht um Höhen. Jeder der vorstehenden Paragraphe enthält interessante, lehrreiche zu selbständigem Nachdenken und Urtheile anregende Ideen, und wird demnach die verdienstliche Arbeit jedenfalls Nutzen stiften ; wesshalb wir auch, eine Besprechung des ganzen Werkes bis zu seiner vollständigen Publikation vorbehaltend, L. J. nicht ermangeln auf dasselbe aufmerksam zu machen .

Studien zur neuen Infanterie-Taktik. Von W. v. Scherff, Major im Generalstabe. 3. Heft . Die Infanterie im Verbande mit den anderen Waffen. Berlin 1873. 1 fl. 50 kr. Scherff hat durch das 1. Heft seiner Studien sogleich die Aufmerksamkeit aller lesenden Militärs auf sich gelenkt, seine nachfolgenden Arbeiten haben die günstige Meinung über ihn gewiss noch erhöht, und auch das vorliegende 3. Heft wird ihm verdienten Beifall genug eintragen . Scherff's Arbeiten sind so bedeu-

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tend, dass sie von der Kritik nicht einfach mit billigem Lobe abgefertigt werden dürfen . Er ist schon berechtigt eine wirkliche Kritik zu fordern. Arkolay schrieb einst in polternder Vorrede, er nehme keine Kritik an, es wäre denn ein ganzes Buch, und darin liegt ein Körnchen Wahrheit ; Scherff selbst betont, dass gegenwärtig die Abhandlungen über Taktik den Charakter von Streitschriften bekommen. Und so möge denn der Leser den etwas grösseren Umfang dieser Besprechung entschuldigen, der Autor hingegen dieselbe auch als eine Studie ansehen , zu der wir durch sein Werk angeregt wurden, bei welcher wir nur durch den uns zugewiesenen Raum zu sehr beengt sind ; und dort wo wir ihn bekämpfen , seiner eigenen Worte eingedenk sein. Zuvor eine allgemeine Bemerkung . Wir hören oft die tadelnde Bemerkung : Scherff schreibe nicht gut, er sei schwer verständlich. Es ist dies kaum ein gerechtes Urtheil, denn Scherff schildert Manches geradezu unübertrefflich ; er ist ein tüchtiger Denker, der auch das Wort auf die Wagschale legt und nicht ansteht, dort ein neues Wort zu bringen, wo er den Begriff dadurch schärfer zu bezeichnen glaubt. Da Scherff eine Studie" liefert, so kann er verlangen , auch aufmerksam gelesen zu werden. Das Lesepublikum kommt dieser Forderung in der Regel leider nicht nach und tadelt den Autor, welcher auf den grösseren Kreis keine Rücksicht genommen . Nachdem Scherff die Sätze aufgestellt, dass die Infanterie die Hauptwaffe ist, und dass deren Taktik immer über die Taktik der andern Waffen entscheidet, geht er auf den Stoff selbst ein und theilt denselben : 1. Die Anbahnung, 2. die Einleitung, 3. die Durchführung und 4. die Ausnützung der taktischen Entscheidung. 1. Die Anbahnung der taktischen Entscheidung ist getheilt in die taktische Aufklärung und die taktische Sicherung. Bei der Aufklärung behandelt Scherff den Nachrichtendienst , wie er im grossem Styl von den Cavallerie-Divisionen zu betreiben ist . Der „ Raumgewinn" wird als das Mittel bezeichnet, um die Zwecke „ Aufklärung “ und „ Verschleierung" zu erreichen , desshalb findet dieser Nachrichtendienst sein Ende, wenn kein Raum mehr zu gewinnen ist, also sobald die beiderseitigen Kräfte hart aneinander gerückt sind. Ohne gerade Neues zu bringen , ist doch die Thätigkeit der Cavallerie bestimmt und klar hingestellt. So sehr sich Scherff gegen Formen verwahrt, bringt er doch eine solche, was wir ihm gar nicht beanständen. Eine Cavallerie-Division soll einen Raum von 5-6 Meilen Breite decken , und hiezu zwei Brigaden neben einander vorgehen, die dritte aber folgen lassen ; von den vordern Brigaden hätte jede ein Regiment geschlossen zu halten, während das andere aufgelöst wird , um der, aus einer grösseren Zahl Officierspatrouillen bestehenden ersten Linie, als Rückhalt zu dienen. Endlich wird noch der „ reitenden “ und „fahrenden" Infanterie gedacht und beide mit treffenden Gründen zu den Todten " geworfen ; ebenso mit vielem Humor dagegen eingetreten, dass die Bewaffnung des Cavalleristen mit einem guten Gewehr den Reitergeist untergrabe. Die Sicherung theilt Scherff in den Dienst der Avantgarde, der Vorposten und der Arrièregarde . Als Zweck wird unbestreitbar richtig festgesetzt, der Aufmarsch, das Schlagfertigmachen der rückwärtigen Truppen zu ermöglichen. Bei Beginn des folgenden Capitels jedoch sagt Scherff: die anbahnenden Thätigkeiten stellen den Führer an die Schwelle des Entschlusses „Annahme oder Ablehnung der Entscheidung " und da möchte man wohl glauben, dass mit dem Aufmarsch" diese Schwelle überschritten sei. Scherff empfiehlt mit Recht schwache Vortruppen und begründet dies einerseits mit der nothwendigen Schonung der Truppe, vorzüglich aber damit, dass dem unmittelbarem Einfluss des höhern Führers nicht mehr Abtheilungen als unbedingt geboten , entzogen werden. Nachdrücklich wird von den unbedachtsamen Gefechten der Vortruppen gewarnt. „Offensive und Durchgehen sind zweierlei " , so lautet die Schlussfolgerung gegen das unüberlegte Losgehen der Vorhut, welche dadurch Gefahr läuft, entweder auf ihr Gros zurückgeworfen zu werden, oder an dem feindlichen Gros zu zerschellen . Das 99 Halten " der Vorposten ist als derselbe Fehler bezeichnet

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wie das Durchgehen der Vorhut. Nicht uninteressant für Jene, welche unsere Feldwachen (vierfache Vedetten) in Doppelvedetten verwandeln möchten, dürfte Scherff's Vorschlag sein, nur dreifache Vedetten zu stellen . Die Gründe mögen sie bei ihm nachlesen. 2. Cap. Einleitung. Da wir es mit einer andern als der bisher gebräuchlichen Terminologie zu thun haben, müssen wir die am Schluss des Capitels niedergelegte Definition vornehmen , wonach die Einleitung diejenige Zeitperiode ist, in welcher der Entschluss zum Kampf bereits gefasst, jedoch wegen mangelnder Kenntniss des Feindes die Detail anordnung für die Truppenverwendung zur Entscheidung noch nicht geregelt werden kann. War es Aufgabe der Sicherungstruppen den „ Aufmarsch" zu decken , so hat die Einleitungstruppe" dieselbe Wirksamkeit für die Entwicklung ; endlich heisst es , dass das Streben dahin geher müsse, mit den bereitgestellten (aufmarschirten) Truppen nur allmälig zur Entwicklung überzugehen, da jede vorzeitige Entwicklung schädlich sei . Diese Sätze scheinen uns unter einander, und mit der Praxis nicht vollkommen übereinzustimmen, und bestärken uns in der Ansicht, dass das Gefecht der Sicherungs truppen schon etwas mehr als Anbahnung sei , um zum Entschluss zu gelangen, zumal Scherff die Einleitungstruppe" als die durch Artillerie verstärkte „ Anbahnungstruppe" bezeichnet. Endlich möchten wir uns mit den nicht geläufigen Begriffen „Flügelschlacht “ und „ Treffenschlacht “ nicht ganz einverstanden erklären , zumal noch der Durchbruch , 99 weil neue Flügel geschaffen werden “ zur Flügelschlacht gezählt wird . Im 3. Capitel behandelt Scherff „ die Durchführung der taktischen Entscheidung." Alle andern Schriftsteller unterscheiden hiebei, wohl nicht ohne triftige Gründe, zwei wesentlich verschiedene Theile des grossen Kampfes. Scherff glaubte dies unterlassen zu dürfen, und bringt desshalb auch keine volle Klarheit in das grossartige Gemälde der Schlacht, diese imposante Entfaltung und Zerstörung der Kräfte zweier Staaten. Von ihm durfte man sich mehr versprechen als er geleistet, denn er legte in seinen frühern Schriften ein besonderes Gewicht auf die Schlacht, und hat bewiesen, dass er wirkliche Schlachten zu schildern und zu beurtheilen versteht. Scherff ist ein sehr genauer Beobachter, und findet auch das treffende Wort, um seine Beobachtungen wieder zu geben, sobald er aber von dieser bewährten Methode abweicht, und sich selbst Dinge construirt, wie sie sein sollten , nicht wie sie thatsächlich sind, verliert er den sichern Boden, auf dem er sich sonst so gewandt bewegt. So ist alles vorzüglich was er über Disposition, Führung und Meldungsdienst sagt. Nur Weniges davon als Beispiel. Ist es fehlerhaft, in der Disposition (vor dem Gefecht) zu viel zu sagen, so trifft man im Gefecht auf das Gegentheil nämlich, dass überhaupt gar nicht befohlen wird ; . dem Durchgehen der Truppen steht das Durchgehenlassen zur Seite. - Bei dem Meldungsdienst heisst es unter anderem, dass Meldungen im Verlauf der Action fast ausnahmslos nur in Form eines Nothschrei's nach Unterstützung auftreten. " Desshalb muss es geschäftlicher Brauch werden, dass die Verbindung von der höhern Stelle ausgehe, und nicht von ihr erwartet werde. " Wer wird diesen Lehren des kriegserfahrenen Generalstabs- Officiers nicht unbedingt beistimmen ? Ein Gleiches vermögen wir nicht bei der folgenden theoretischen Entwicklung, der offensiven Flügelschlacht. “ Den Feind auf dem entscheidenden Punct mit Massenüberlegenheit bewältigen, und ihn auf seiner übrigen Front nur beschäftigen. " Ein schöner Satz, leichter gesagt als erklärt und bewiesen, kaum ausführbar, wenn der Vertheidiger nur das gewöhnliche Mass von Geschicklichkeit besitzt. - Folgen wir der Darstellung. Was ist der entscheidende Punct ? „ Ein Flügel. oder wo der Durchbruch solche Flügel zu schaffen verspricht. " Mit dieser Erläuterung ist wohl nicht viel gesagt, aber wir können uns soweit begnügen, als cin Stück der feindlichen Front" angegriffen werden soll. Es wird später entwickelt, dass dieses Stück wenigstens 2500, nöchstens 5000 Schritt ausgedehnt sein soll. Wie soll dieser Angriff geschehen ? Mit „ Massenüberlegenheit “ , d . h. „ soviel Kräfte verwenden, als das Terrain überhaupt gestattet, sich dabei tief formiren, überhaupt die ganze disponible Kraft einsetzen. " Solche Sätze nützen der Wissenschaft nicht, sie sind richtig und bekannt, aber praktisch nicht durchführbar. Das Wort

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Ueberlegenheit" ist ein relativer Begriff, setzt also einen Vergleich voraus, doch jenseits des Gleichheitszeichen befinden sich nur unbekannte Grössen, man kenut eben die Kraft des Gegners nicht, und lernt sie allmälig, zuweilen erst im Entscheidungsmoment kennen . Auch dem Vertheidiger steht es frei, sich auf dem Terrain auszubreiten , also so viel Tuppen zu verwenden, als Platz haben ; - auch er formirt sich tief wo liegt also der Vortheil für den Angreifer ? Diese tiefe Formation gibt dem Kampf die Dauer, und damit ist auch allen Wechselfällen das Feld frei gemacht und gerade desshalb lässt sich nicht vom Anbeginn feststellen, wo Truppen nothwendig sein werden und wo nicht, und daher auch nicht bestimmen, was an Truppen disponibel ist. Die Charakteristik der Schlacht liegt speciell in der tiefen Formation , daher in der Dauer ; diese zieht Scherff nicht in Betracht und begeht dadurch Fehler. Er würde sonst den Beweis versuchen zu dem Satz : „das Abwarten bis dass die Massenüberlegenheit, durch den auf der ganzen Linie gleichmässig geführten Kampf sich allmälig geltend macht, liegt nicht im Geiste einer kunstgerechten Führung. Und dann wäre er bemüssigt gewesen anzuführen, dass er mit diesem Satz sich eigentlich gegen Clausewitz wendet, einen Denker, den auch Scherff noch nicht ohne Angabe der Gründe beseitigen darf. Endlich soll der übrige Rest der Front beschäftigt" werden , hierzu Kanonade" und nur ungern Füsilade", das feindliche Fronthinderniss soll zwar genommen, aber nicht offensiv überschritten werden. Der „ übrige Rest" ist jedoch nach Scherff in einer Schlachtlinie sehr gross, alles was über die erwähnten 2500-5000 Schritt hinaus geht, also 15-20.000 Schritt, auf denen nur „ beschäftigt" , kanonirt und nur ungern füsilirt wird. Wir haben durch Erfahrung und . die Schlacht viel ernsthafter gefunden ; gegen dieses Kriegsgeschichte belehrt stundenlange verlustvolle, Ringen scheint dieses beschäftigen" wie eine zarte Tändelei ; es setzt beim Gegner eine beinahe rührende Einfalt des Gemüthes voraus, seine Truppen unthätig den feindlichen Kanonen entgegen zu stellen, damit diese eine Beschäftigung" haben . Wird nicht die Beschäftigung bald erkennen lassen, wohin die Massenüberlegenheit" sich richtet, und damit ist auch der Plan der kunstgerechten Führung" verrathen, um sofort durchkreuzt zu werden. Das Beispiel für diese moderne Schlachtführung muss erst gebracht werden , bis dahin gehören wir nicht zu den Ueberzeugten, und beabsichtigen auch auf der ganzen Front thatsächlich zu kämpfen. Scherff geht nun auf die Verwendung der Waffen ein. In hervorragender Weise beschäftigt er sich mit der Artillerie, und seine Abhandlung darüber ist in mehr als einer Richtung interessant, speciell das über Organisation und Eintheilung Gesagte unbedingt in ernsteste Erwägung zu ziehen . Er will die ganze Artillerie nur bei den Divisionen eintheilen, und erklärt die Corps- und Armee- Geschütz -Reserve für unzweckmässig. Jede Division soll eine ArtillerieBrigade erhalten, bestehend aus 2 Regimentern à 4 Batterien zu 6 Geschützen . Die Division würde über 48 Geschütze verfügen. Für alles sind gute Gründe gebracht. Nebenbei sei erwähnt, dass im Feldzug 1870/71 das preussische Corps zu 2 Divisionen mit 84-90 Geschützen in's Gefecht trat, ein österreichisches Corps von 3 Divisionen auch nur 96 Geschütze zählt. Die Gefechtsgrundsätze für die Artillerie sind auf den Schlachtfeldern gesammelt und erprobt, daher auch vortrefflich . Was die Infanterie betrifft, so wird angegeben, dass auf dem „ Demonstrativ-Flügel, " die Brigade 2000-2500 Schritt, das Corps daher 6000-7500 Schritte selbst eine Meile Front einnehmen, auf dem „ Decisiv-Flügel " wie erwähnt eine Front von 2500-4000 Schritt sollen die Bataillone etwa 300 Schritt einnehmen . wonach 8-12 Bataillone in erster Linie erforderlich sein würden ; also 2--3 Brigaden in 2 Treffen. Demgemäss stellt Scherff noch die Frage, ob das 3. Treffen aus einer ganzen oder zwei halben Divisionen oder nur aus einer Brigade zu bestehen hätte. Hier wäre zu fragen, wenn man zwei Corps schon auf einem Raum von wenigstens einer Meile entwickelt, wo und wie kommen bei 6-8 Corps die Streitkräfte in Thätigkeit? Soll ja doch das eine Corps nur beschäftigen, das andere aber entscheiden, und es wird sozusagen auf den einen Sturm die ganze Thätigkeit der Infanterie beschränkt. Sobald Scherff die Dauer des Kampfes in

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Rechnung zieht, und nicht nur beschäftigen lässt, wird er uns eine verlässliche Antwort geben. Der zur Verfügung stehende Raum gestattet nicht, auf die im Ganzen kurz gehaltenen Abhandlungen der „defensiv-offensiven " der Rencontre- und der „ Treffenschlacht" näher einzugehen. Uebergehend auf die Verwendung der Cavallerie in der Schlacht, stellt Scherff den Satz auf, dass die Cavallerie keineswegs , wie Manche glauben , vom Schlachtfelde zu verweisen sei. Ueberraschung. Benützen des Momentes, besonders aber das Auftreten in Masse sind die Grundbedingungen für ihre Verwendung. „ Aus den nutzlos zusammengeschossenen Schwadronen muss sie lernen, was sie zu leisten vermag, und was sie nicht wagen darf. " So lange das Feuer noch Erfolg verspricht und aushält, hat die Cavallerie nichts vor der Front zu thun. " „ Auch die Raschheit der Cavallerie hat ihre Grenzen." So ungefähr lauten einige von den kräftigen Sätzen, die Scherff so glücklich hinzustellen weiss ; jeder Cavallerist kann aus der Lecture der ganzen Abhandlung Nutzen ziehen und wird zum ernstlichen Nachdenken angeregt sein, wenn auch nicht alle Details --- z. B. die Gefechtsformation der Cavallerie-Division unbedingt anzunehmen sind. „ Es bleibt Sache der Waffe das Richtige zu finden und sich anzueignen. " Das 4. Capitel behandelt Br. W. kurz Verfolgung und Rückschlag. Das Wehrwesen der Schweiz. Von J. Feiss , eidgen . Oberst. Zürich . Bei Opell , Füssli & Comp . 1873. 90 kr. Das Schriftchen ist ein Separatabdruck aus der allgemeinen Beschreibung und Statistik der Schweiz. In interessanter Weise ist es eingeleitet durch eine Darstellung der schweizerischen Wehrverfassungen vom Sempacherbrief 1398 bis zum heutigen Tage. Die heutige Organisation ist übersichtlich und geschickt geordnet und geschildert. Bei den „Ausgaben für das Wehrwesen" vermissen wir leider, wie auch bei allen ähnlichen Schriften, wieder eine annähernde Berechnung jener Kosten , welche nach den eidgenössischen Institutionen direct dem Wehrmann aufgelastet werden. Eine Berechnung derselben als Einzel- und als Gesammtlast wäre um so interessanter, als die Summe keine unbedeutende sein kann, da doch ein sehr grosser Theil des Monturs- und Transports- dann Remontirungswesens darin enthalten ist. Schon das Uebergewicht des grossen Besitzes in den höheren Officiersgraden mag wohl auf das vorhandene Erforderniss grosser persönlicher Auslagen hinweisen, und es würde daher nur eine Lücke in den vorzüglichen Schilderungen schweizerischen Heerwesens ausfüllen heissen , wenn hierüber einmal statistische Versuche angestellt würden. Man hat im Allgemeinen bei uns das Heerwesen unserer schweizerischen Nachbarn immer mit freundlichem Interesse betrachtet, und wir haben , obgleich principielle Gegner des schweizerischen Wehrsystems, doch immer wir müssen gestehen , mit Vorliebe - die gediegenen Schriften unserer eidgenössischen Berufsgenossen zur Hand genommen . Wir hatten das Glück, uns nur sehr selten ablehnend verhalten zu müssen , dabei in vollstem Masse wünschend, dass uns von Anderen über die geistige Thätigkeit in unserem Heer nur strengste und begründete Kritik geboten werde. Nichtsdestoweniger haben wir den unerwarteten Fall erlebt, dass die Schweizerische Militär-Zeitung" gelegentlich der Besprechung einer kleinen Arbeit eines österrreichischen Officiers, dem sie Unvollständigkeit nachweisen wollte, es nicht unterlassen konnte, die Bemerkung beizufügen, es scheine ihr, dass die österreichischen Officiere überhaupt sehr wenig von den wissenschaftlichen Producten anderer Armeen wüssten. " Im Interesse dieser angegriffenen Gesammtheit benützen wir die erste , uns seither in die Hände gelangte Arbeit eines eidgenössischen Officiers , die - wir constatiren es nochmals und gerne - eine gelungene und interessante Arbeit ist, um einem anderen Militärschriftsteller der Schweiz, einem der Herren Redacteure der Schweizerischen Militär-Zeitung" selbst, ganz besonders zu sagen, dass wir kaum im Stande sind, gerade ihm das Recht zuzugestehen , sich über Vernachlässigung unsererseits zu beklagen , und dass wenn wir uns einen Fehler vorzuwerfen haben es nur der ist, da mit Vorliebe und Zuneigung gelesen zu haben, wo auch kühle und strenge kritische Gerechtigkeit genügt haben würde. W.

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Die militärische Leistungsfähigkeit der europäischen Staaten. Von Freiherr von Firks, Hauptmann a. D. Leipzig 1873. Luckhardt . 2 fl. 40 kr. Es war vor zehn Jahren noch eine mühevolle Arbeit, sich, wenn auch nur halbwegs, eine genaue Kenntniss der Streitkräfte der europäischen Staaten zu verschaffen. Seither ist das Studium der Organisation der Streitkräfte dieser Staaten Jedermann viel zugänglicher geworden . Erstens hat die Geheimnissthuerei ganz aufgehört, dann haben besonders seit 1859 die kriegsgeschichtlichen Werke viel Licht über diesen Gegenstand verbreitet und endlich sind in der jüngsten Zeit viele specielle Fachwerke erschienen , welche sich mit diesem Gegenstande ausschliesslich beschäftigen. Soviel uns bekannt, und wir glauben in dieser Richtung gut orientirt zu sein, sind gerade hier in Wien während der letzten Jahre die ausführlichsten und reichhaltigsten Arbeiten dieser Richtung auf den Büchermarkt gebracht worden und dieselben haben auch beim militärischen in- und ausländischen Publikum viel Anklang und Absatz gefunden. Zu dieser Einleitung veranlasst uns eine, im Octoberhefte der „ neuen militärischen Blätter von Glasenapp enthaltene Besprechung des Firk'schen Werkchens, in welcher alle bisher erschienenen organisatorischen und statistischen Publikationen nur oberflächlich berührt oder gänzlich verschwiegen werden, und des Freiherrn von Firks Versuch als der erste dieser Art bezeichnet wird. Letzterer Ansicht müssen wir vorerst entgegentreten und den Herrn Berichterstatter der „ neuen militärischen Blätter" den bereits in Streffleurs Zeitschrift vom Jahre 1862 erschienenen Aufsatz „ das Heerwesen und die Flotten sämmtlicher europäischer Staaten im Vergleich zu deren Bevölkerungs- und Budget - Verhältnisse" in Erinnerung bringen : wir müssen ihn ferners auf die. im Jahre 1871 veröffentlichte „vergleichende Darstellung der Wehrverhältnisse in Europa " verweisen , welche gewiss eine eingehendere und schnellere Orientirung gestatten, als dies Herrn von Firks gelang. Doch kehren wir zu unserer Recensenten -Pflicht zurück. Da glaubten wir denn in dem vorliegenden Buche das zu finden, was uns bisher gefehlt haben soll, nämlich ein verlässliches Nachschlagebuch für alle Bedürfnisse der Gegenwart, geeignet zu jedem statistischen Vergleich ; wir fanden uns jedoch in unseren Hoffnungen getäuscht. Des Freiherrn von Firks Werk leidet nämlich an mannigfachen Gebrechen , die wir hier so kurz als möglich anzuführen versuchen wollen . Es ist, obschon kaum erschienen, bereits wieder veraltet . Denn noch konnte die Druckerschwärze nicht getrocknet sein, als schon wieder gewaltige Veränderungen in der Organisation der Heere einiger Grossmächte erfolgten. So sind die Angaben über Frankreich und über Italien bereits unwahr. Der Herr Verfasser hat sich wohl bemüht, sein Werk auch für die Zukunft brauchbar zu machen, indem er die zur Zeit der Zusammenstellung seiner Daten schwebenden Projecte als bereits Fleisch und Blut gewordene Thatsachen anführt. Mittlerweile wurden jedoch diese Projecte verworfen und neue adoptirt. Dadurch werden uns Heere vorgeführt, welche weder der alten, aufgegebenen Organisation , noch auch der neuen nun angenommenen, entsprechen. Diess gilt vor Allem für Frankreich , dessen Armee bis zur Unkenntlichkeit dargestellt ist, trotzdem man glauben sollte, dass gerade ein deutscher Militär- Schriftsteller gegenwärtig dieser Armee seine besondere Aufmerksamkeit widmen werde. Dann ist die Art, wie der Herr Verfasser die Armeen aller Staaten, von Russland angefangen bis zu Montenegro, in Feld-, Reserve- , Besatzungs- und Landes-Vertheidigungs - Truppen eintheilt, ein wirklich gewagtes Unternehmen, welches allen Armeen ihr eigenthümliches, nationales, durch besondere Verhältnisse aufgedrücktes Gepräge gänzlich raubt. Wollte man sich aber auch noch mit dieser eigenthümlichen Einzwängung befreunden und die Mühe nicht scheuen sich in derselben zurechtzufinden, so müsste dieser gute Wille an der Willkür scheitern , mit welcher der Herr Verfasser über die verschiedenen Truppen schaltet, um dieselben , nach seinem Geschmacke einer der obbenannten Kategorien einzuverleiben. Zur Bekräftigung dieser Behauptung mögen folgende Beispiele dienen : Von den österreichischen Reserve-Inf. -Regimentern sind 40 unter den Reserve-, 40 unter den Besatzungs-Truppen angeführt, Ebenso sind die Reserve-Esca-

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dronen eingetheilt. Sechs Honvéd - Hussaren -Regimenter und ein Uhlanen-Regiment. mit 36 Escadronen , erscheinen unter den Reserve-Truppen ; die ganze übrige Landwehr und die Honvéd-Infanterie aber ist bei der Landes-Vertheidigung eingetheilt. Die Beiziehung der Landwehr zur Verstärkung der Feld-Truppen scheint dem Herrn Verfasser nicht möglich. Das Wänzl-Gewehr wird von umgestalteten Gewehren des Systems Podewils herrührend bezeichnet, während Podewils in Oesterreich nie bestanden haben. Die Honvéd-Bataillone führen das Werndl- und nicht das Wänzl-Gewehr. Den FeldJäger-Bataillons wird der Charakter einer Jäger-Truppe abgesprochen. Die Trefffähigkeit des österreichischen Geschützes wird eine nur mässige genannt. Die russische Armee ist schwer wieder zu erkennen. Die bisherige Organisation derselben weiss nichts von Reserve-, Besatzungs- und Landes-VertheidigungsTruppen in der Ausdehnung wie der Verfasser sie vorführt. Abgesehen davon, dass die Reserve- Infanterie-Bataillone nicht mehr bestehen, ist es mehr als fraglich, ob die 78 (nicht 68) bestandenen Bataillone 17 Reserve-Infanterie-Divisionen aufzustellen vermocht hätten. Nach der bis zur Auflösung der Reserve- Bataillone für dieselben bestandenen Organisation war eine Aufstellung von Reserve-Divisionen weder beabsichtigt noch möglich. Was die russische Feld-Armee betrifft, wird dieselbe übrigens in allen Fällen aus mehr als 30 Inf. - Divisionen bestehen. Bei der italienischen Armee (Feldtruppen) sind 70 statt 80 Inf. -Regimenter, 9 Schützen-Regimenter statt 10 angeführt. Freiwilligen-Corps bestehen keine mehr. Die Miliz bildet 200 permanente Compagnien im Frieden, 960 Compagnien im Kriege. Armee- Corps und Feld- Divisionen sind im Frieden keine organisirt, ausser den vier activen Divisionen über Sommer zu den Lager-Uebungen. AlpenjägerCompagnien sind 24. Nationalgarde besteht ausnahmsweise nur mehr in Rom. Das alte Geschütz- Caliber war 9 und 12 cent., das neue ist 7,5. Die ganze Cavallerie ist nur einer Gattung, zu je 10 und 10 Regimentern anders bewaffnet. Was die französische Armee anbelangt, so gäbe es da zu viel zu sagen. Der Herr Verfasser hat dieselbe selbständig nach dem Entwurfe der Herren Thiers und Cissey organisirt. Davon ist theils Einiges nicht mehr wahr, Anderes nie in die Wirklichkeit getreten . Bei allen Armeen ist der Soll- oder Verpflegsstand unter dem Titel Combattanten - Stärke angeführt. Und dies führt alle jene in Irrthum, welche nicht weiter suchen, um zu finden, dass aus dieser Combattanten- Stärke ein „ Streitbarer Stand" nachträglich ausgeschieden wird. Bei der deutschen Armee werden consequent nur 17 Corps angeführt. Und die Franzosen haben deren 18 angenommen, um nicht hinter den Deutschen zu bleiben! Bei den deutschen Landes- Vertheidigungs-Truppen finden wir ein EclaireurCorps mit 16 Escadronen, dessen Existenz uns unbekannt ist. An Bemerkungen hätten wir noch reichlichen Vorrath. Wir müssen aber schliessen und können hiebei die Ansicht nicht unterdrücken, dass dieses Buch einer gründlichen Umarbeitung bedarf, um nutzbringend zu werden. C. Die Kriegs - Ausbildung unserer Infanterie im Vergleiche zu jener Preussens , unter Bezugnahme auf die officiellen Erlässe und Berücksichtigung der neuesten Forderungen der Kriegswissenschaft. Von A. Ritter von Krainski , Hauptmann des Armeestandes, commandirt im k. k. Reichs-Kriegsministerium zu Wien. Mit einer Figurentafel. Wien 1873 , Seidel. 1 fl . 80 kr. Die rege Theilnahme für alle Fächer militärischen Wissens im weiteren Sinne, welche in der k. k. Armee in steter Verbreitung begriffen ist, hat das Interesse an den speciellen Berufskenntnissen , zu welchen in erster Linie die verschiedenen Reglements zählen, nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern im Gegentheil eine gründlichere Beschäftigung mit denselben hervorgerufen . Den Beleg dafür bieten mehrere in letzter Zeit veröffentlichte geistvolle und sachkundige Arbeiten , deren Verfasser es verstanden haben, diesem früher ziemlich vernachlässigten und für steril gehaltenen Felde sehr nützliche und anerkennenswerthe Früchte abzugewinnen.

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Die Zeit liegt hinter uns, in welcher die Reglements die ganze Bibliothek und oft die einzige militärische Lecture vieler Officiere bildeten. Man würde irren, wenn man glaubte, dass sie desshalb damals besser gekannt und verstanden worden seien, als heutzutage. Man nahm sie meistens als etwas Gegebenes hin, mit dessen oft ganz äusserlicher Anwendung man sich begnügte, ohne den tiefern Sinn ergründen und würdigen zu wollen. Ein auf Ueberzeugung gegründetes Vertrauen zu diesen wichtigen Vorschriften konnte daraus nicht erwachsen . Die erklärliche Folge davon war, dass ungünstige Erfolge, an welchen nur zu häufig die falsche Auffassung und Anwendung an sich guter Formen und Vorschriften Schuld trug, diesen selbst zur Last gelegt, und dadurch die Autorität derselben mit Unrecht zum Nachtheil des Geistes in der Armee untergraben wurde. Manche durch die Ereignisse der letzten Kriege hervorgerufene Aeusserungen und Erscheinungen könnten als Beweise hiefür citirt werden. Eine der gewöhnlichsten ist wohl die Zurücksetzung der eigenen Einrichtungen zu Gunsten der in fremden Armeen bestehenden, wobei, aus Mangel an gründlicher Kenntniss der Letzteren und oft auch der Ersteren, Licht und Schatten , Lob und Tadel sehr ungerecht vertheilt, alles Gute auf fremder und nur Mängel auf der eigenen Seite hervorgehoben wurden. Dem entgegen zu treten und einen objectiven Vergleich der eigenen taktischen Infanterie-Reglements mit jenem der k. preussischen Armee zu begründen, hat sich der Verfasser der vorliegenden Arbeit zum Ziele gesteckt. Ohne sich an die Reihenfolge und Anordnung der verglichenen Vorschriften zu binden, stellt er die wesentlichsten Bestimmungen derselben einander gegenüber, und beschränkt sich darauf, sein eigenes Urtheil meist sehr kurz, aber in durchwegs massvoller Form einzuflechten . Mit besonderer Vorliebe und Ausführlichkeit sind die Abschnitte IV ,, ElementarBewegungen“ und V „das zerstreute Gefecht" , dann speciell die Ausbildung für das Feuergefecht behandelt, hinsichtlich deren auch eigene auf Erfahrung und lebhaftes Interesse an diesen wichtigen Ausbildungszweigen basirte Ideen und Vorschläge erörtert werden . Das Urtheil des Verfassers ist den bestehenden Reglements im Ganzen günstig ; es stützt sich auf den Nachweis , dass dieselben den Vergleich mit den erprobten und anerkannt gediegenen Vorschriften der k . preussischen Armee nicht zu scheuen haben , vielmehr manche Bestimmung schon enthalten , zu deren Annahme die preussische Heeresleitung erst durch die vielfachen Erfahrungen der neuesten Kämpfe bewogen wurde, und spricht die Zuversicht aus, dass die Verbesserungen, deren Einführung von Seite der eigenen Heeresleitung aus dem nämlichen Anlasse im Werke ist, der Armee, ohne Verwerfung ihrer dermaligen Reglements, sondern nur durch weitere Entwicklung der ohnehin darin liegenden gesunden Keime und Ideen, allen Anforderungen und dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft vollkommen entsprechende Vorschriften schaffen werden. Aufrichtiges Bestreben, der Armee zu nützen , spricht sich in der ganzen Arbeit aus, darum möge das von der besten Absicht hervorgerufene, sehr fleissig gearbeitete und nett ausgestattete Buch die verdiente freundliche Aufnahme finden . L. J. Volkswirthschaftslehre mit besonderer Anwendung auf Heerwesen und Militärverwaltung. Von Dr. Franz Xav. Neumann . Wien, Gerold 1873. 5 fl. Als die gegenwärtige Heeresverwaltung an die Reform der militärischen Bildungsanstalten ging, befolgte sie das Princip, die bis nun allzu abgeschlossene militärische Bildung durch das Hereinziehen von Wissenschaften zu erweitern, welche man bis nun bei miltärischer Ausbildung kaum in Rechnung gezogen hatte. Zu diesen Doctrinen gehört die Volkswirthschaftslehre , welche zuerst (1867) in der Kriegsschule, dann im Intendanzcurse, und schliesslich auch in den Militärakademien als obligater Lehrgegenstand eingeführt wurde. Das Verdienst der raschen Einbürgerung dieser Wissenschaft gebührt in Bezug auf die Kriegsschule und den Intendanzcurs dem Verfasser des vorliegenden Werkes. Dieser verschonte die Hörer mit trockenen und abstracten Belehrungen , entrollte hingegen in der

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knappsten und dabei angenehmsten Form ein Bild der Volkswirthschaft und verursachte dadurch den durch militärische Facharbeiten nahezu überlasteten Hörern nichts weniger als eine erhöhte Anstrengung, sondern eine angenehme und nützliche geistige Erholung. In dem vorliegenden Werke finden wir in der Wesenheit die Vorträge unverändert wieder und es ist dadurch auch jenen Kreisen der Armee, welche nicht den Studiengang der Kriegsschule oder des Intendanzcurses zurückgelegt haben, die Gelegenheit gegeben, sich auf einem Felde umzuthun , welches für den Soldaten so viele und nothwendige Belehrung bietet. Bevor wir auf den Inhalt und hauptsächlich der Vortragsweise des Werkes näher eingehen, muss der Nutzen der Volkswirthschaftslehre für den Soldaten in Kürze erörtert werden. Schon früher war es unzweifelhaft geworden und in neuerer Zeit betonte es ein bedeutender Staatsrechtslehrer, Dr. Lorenz v. Stein , dass die Lehre vom Heerwesen als ein Theil der Staatswissenschaft aufgefasst werden müsse . Selbst aus diesem Satz erhellt, dass volkswirthschaftliche Einsicht dem gebildeten und besonders dem zu höheren Stellen gelangenden Officier unumgänglich nothwendig sei, und zwar überall dort, wo er bei der Verfassung von Gesetzen mitwirken , wo er Verwaltungsmassregeln durchführen, oder auch in rein technischer Beziehung, wo er die Verpflegung einer Armee, die Sicherstellung ihres Bedarfes etc. zu besorgen hat. Es ist leicht nachzuweisen, dass auch dort, wo man die Aufschlüsse der Volkswirthschaftslehre nicht unmittelbar „verwenden kann, das Studium derselben höchst befruchtend wirken muss. Es hat sich nämlich in früheren Epochen eine Anschauungsweise über die gesammten bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse herausgebildet, welche Heer und Volk in unverständiger Weise von einander trennte, und zwar desswegen, weil der Militär im Allgemeinen von den Interessen und Ansichten der übrigen Kreise, der Bürger aber vom Heerwesen nur sehr unklare und unrichtige Ideen hatte. Wenn Dr. Lorenz v. Stein den Bürgern und besonders den Volksvertretern mit seiner Lehre vom Heerwesen " klärend zu Hilfe kam, so hat Regierungsrath Dr. Franz Xaver Neumann dem Heere denselben Dienst in Bezug auf die bürgerlichen Verhältnisse erwiesen , und Beide waren somit sehr verdienstlich thätig , den ideellen Zusammenhang in dieser Frage zu vermitteln. Der Herr Verfasser betont die Nothwendigkeit, in seinem Buche die „ hegelianische Wortkünstelei zu vermeiden und eine populäre Schreibweise zu wählen. Die Einleitung entwickelt die Vorbegriffe, die Methode der Lehre, die Beziehungen zwischen Volkswirthschaft und Heerwesen und zwischen Volkswirthschaftslehre und militärischen Wissenschaften und schildert endlich im vierten Capitel kurz die Geschichte der Volkwirthschaftlehre und die Entwicklung derselben bis zum heutigen Standpuncte. Das erste Buch behandelt die Grundlagen der Volkswirthschaftslehre : Production , Circulation und Consumtion der Güter und die Vertheilung des Einkommens.. Das zweite Buch schildert die Anwendung der Volkswirthschaftslehre auf das staatliche Leben und bringt in 5 Abschnitten alle jene Einwirkungen, welche der Staat und das Individuum an der Hand der Volkswirthschaftslehre auf die Verwaltung, die Pflege der Güterproduction , des Verkehrs , in Bezug auf die unproductive Consumtion und endlich auf die sociale Frage üben muss oder soll. Es ist erwähnt worden, dass der Herr Verfasser seine Vorträge durch die angenehme Art seines Vortragens wesentlich unterstützt habe . Wir finden diese gefällige Weise des Vortrages in dem Werke wieder. Zahlreiche Anmerkungen bringen ein höchst interessantes Material zur Unterstützung der ausgesprochenen Lehrsätze. Die Angabe vielen Quellen bietet Demjenigen Anregung, welcher durch die Lecture dieses Buches zu eingehenden volkswirthschaftlichen Studien bewogen werden sollte. Die glückliche Gliederung bringt in trefflicher Weise Zusammenhang in das überreiche Material und erleichtert das Nachlesen über einzelne Gegenstände . Fassen wir unser Urtheil zusammen, so müssen wir das vorliegende Werk für eine sehr werthvolle Bereicherung der militärischen Literatur erklären und die Lecture den Kameraden der Armee unserer Ueberzeugung gemäss wärmstens C. Abani. empfehlen.

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Strategie und Taktik der neuesten Zeit. Ergänzungen zu des Verfassers strategischen und taktischen Schriften . Zum Selbststudium und für den Unterricht an Militärschulen in erläuterten Beispielen aus der neuesten Kriegsgeschichte von W. Rüstow , eidgenössischer Oberst. 2. Band , mit Plänen und Croquis . Zürich 1873. 8 . 33 S. 4 fl. 5 kr. Eine Fortsetzung des von uns im Bücher-Anzeiger d. VI. Bandes S. 33 besprochenen 1. Theiles, behandelt in der 1. Lieferung zur „ Vorbereitung des Krieges “ in einer Serie von Capiteln die Vorbereitung des deutsch-französischen Krieges von 1870-71 mit besonderer Berücksichtigung Frankreichs ; speciell : die Vorbereitung des Krieges im Allgemeinen, französische Stimmen über die Mängel des französischen Heerwesens vor dem Kriege, allgemeine Ansichten des Generals Trochu über die Vorbereitung des Krieges mit Rücksicht auf die französische Armee, Recrutirung und Reserven, Territorial- System, Pferde und Material des Heeres, feste Plätze, Kenntniss der eigenen und feindlichen Streitkräfte, Instructionen im Allgemeinen. Terrain- und Landeskunde im Besonderen ; Operationspläne, Allianzen, Benützung der Eisenbahnen zur Concentrirung . Die Vorbereitung des Krieges, eine so überaus wichtige, allerdings nicht selten gering beachtete oder unrichtig aufgefasste Bedingung für den Erfolg, wird vom Verfasser in allen ihren Theilen einer ausführlichen und, wie wir zu bemerken nicht unterlassen können , sehr lehrreichen Weise der Besprechung unterzogen. Welche Bedeutung ein zweckmässiges Wehrsystem, ein gutes , auf eine feste Friedens-Ordre de bataille basirtes Territorialsystem hiebei besitzt, zeigt der Verfasser an der Hand der jüngsten Erfahrungen. Bezüglich des letztgenannten gelangt derselbe zu dem Schlusse, dass das militärische Territorialsystem allerdings nicht die einzige Bedingung einer raschen Mobilisirung und folglich eines guten modernen Militärsystems überhaupt , aber dennoch die erste sei, ohne welcher auch die besten secundären Einrichtungen unfruchtbar bleiben müssen. Das Capitel „feste Plätze" gibt dem Autor Gelegenheit zu lehrreichen Betrachtungen über ihren Werth, die Art ihrer Anlage, ihre Wechselbeziehungen zum ganzen Kriegsacte, wie über die Frage des durch sie bedingten Aufwandes an lebender Kraft zu Besatzungen Es würde uns zu weit führen , aller interessanten Stellen dieses Abschnittes zu gedenken , wir glauben nur noch auf dasjenige aufmerksam machen zu sollen. was im Capitel zehn, über Operationspläne, Allianzen und Benützung der Eisenbahnen zur Concentration gesagt wird. Kurze Betrachtungen recapituliren zum Schlusse das in den vorhergegangenen Capiteln ausführlich Besprochene. Die zweite Lieferung : Uebergänge über Gewässer" behandelt den Uebergang der Preussen über die Schlei und jenen nach der Insel Alsen aus dem deutsch-dänischen Kriege von 1864, und den Uebergang der Deutschen über die Mosel Mitte August 1870. Von den beiden erstgenannten Unternehmungen , welche vom Verfasser klar und besonders im technischen Theile eingehend besprochen werden, erscheint der Uebergang nach Alsen im Angesichte des, allerdings nicht thätigen Gegners, einzig durch Ueberschiffung bewerkstelligt, schon der Eigenthümlichkeit des Falles wegen, beachtenswerth. Dieses gewiss sehr schwierige, von preussischer Seite lange geplante, aber auch trefflich und bis in die kleinsten Details vorbereitete Unternehmen gelang in rascher und vollendeter Weise , Dank dem ungenügenden Nachrichtendienste der Dänen und der Unthätigkeit ihrer Flotte. Wie werthvoll übrigens ein überraschendes Auftreten im Kriege ist und welche Nachtheile ein passives Abwarten im Gefolge hat, zeigt dieses Beispiel in prägnanter Weise . Bezüglich des Moselüberganges ist der Verfasser in der klaren Darlegung der Verhältnisse und in der übersichtlichen Anordnung des Stoffes, wie immer, Meister. Weniger günstig hebt sich diesmal die kritische Beurtheilung hervor, die vorwiegend den technischen Maassnahmen zugewendet ist. Und gerade hier wäre es , speciell in einem der „ Strategie und Taktik" gewidmeten Werke, dankbar gewesen, die Anordnungen der Deutschen vom Gesichtspuncte des grossen Krieges 2 Org . d. Wiener mil . -wissensch. Vereines. VIII, Band, 1874, Bücher-Anzeiger.

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zu würdigen , weil sich an diesen Flussübergang eine der wichtigsten Entscheidungen des Krieges knüpft. Um dazu zu gelangen, scheint uns aber schon die Schilderung der allgemeinen Lage nicht ausreichend , welche Verfasser mit der Bemerkung schliesst : Bazaine soll an die Maas zurückgehen , die Deutschen sind der Mosel nahe und bereit an dieselbe vorzurücken und sie dann zu überschreiten !" Es wäre sicherlich noch erwähnenswerth, dass die Deutschen bis 15. Mittags eines Offensivstosses der Franzosen auf dem rechten Moselufer gewärtig waren, und erst von da an den Rückzug nach Verdun für ausgemacht hielten. Diese beiden Feststellungen geben das Verständniss für ihre Bewegungen und die Grundlage für die Kritik der Annahmen selbst, so wie der darauf basirten Operationen . welche an den Fluss und über denselben führten. Wir hätten diesen interessanten Theil des 2. Abschnittes, der doch bestimmt ist, didaktischen Zwecken zu dienen , in seinen Reflexionen , denen wir übrigens in allen Theilen zu folgen nicht vermögen, schärfer und genauer gewünscht. Die Schlussbetrachtungen dieses Abschnittes sind im Allgemeinen recht lehrreich . Die dritte Lieferung : „ zur Lehre vom Gefechte " bringt das Bestreben zum Ausdruck, die aus dem deutsch-französischen Kriege gewonnenen Erfahrungen zur Vervollständigung jener Lehre, durch einen concreten Fall erläutert, der Besprechung zu unterziehen. In der That sind diese Erfahrungen so vielseitig, dass ein eingehendes , durch sorgfältige kritische Betrachtungen ergänztes Studium der Schlachten und Gefechte der jüngsten Vergangenheit, auf die taktischen Anschauungen klärend zu wirken , in hohem Grade geeignet ist. Wie sich dieses Bedürfniss geltend macht, zeigen die zahlreichen darauf Bezug nehmenden literarischen Erscheinungen. Der Verfasser entledigt sich seiner Aufgabe in derselben glücklichen, durch eine zweckmässige Methode bestimmten Weise, wie im 3. Abschnitte des 1. Bandes bei der Besprechung der Schlacht von Königgrätz, der Theilgefechte um den Swiep-Wald und um die Stellung von Problus-Przim und des selbstständigen Gefechtes von Kissingen. Die Schlacht von Spicheren, am 6. August 1870, in dem uns vorliegenden Abschnitte in ihren Details ausführlich und in gewandter, übersichtlicher Weise erzählt, gibt dem Verfasser Gelegenheit zu Betrachtungen, die zu den besten gehören, welche uns in dieser Richtung bis jetzt vorgekommen sind. Ohne sich durch den Erfolg beeinflussen zu lassen, urtheilt der Verfasser in sehr richtiger Weise über den übereilten Angriff der Division Kamecke auf die Stellung Frossard's ", über die Mängel dieser Stellung, das sogenannte Pressiren, das Vorwärtstreiben der Truppen, so wie über die Wahl des Angriffpunctes. Nicht minder anziehend und belehrend ist die von treffenden Bemerkungen begleitete Darstellung des Kampfes, des darauf gefolgten Rückzuges der Franzosen, der Stärkeverhältnisse und Verluste. Die am Schlusse angeführten, aus den jüngsten Erfahrungen gezogenen Cr. Lehren empfehlen wir der besonderen Beachtung. Die Einmarschkämpfe des deutschen Heeres im August 1870. 2 Hefte. Taktische Studien von Ernst Beck, k. k. Rittmeister im 4. Uhlanen-Regimente. Wien 1873. Seidel . 8. 2 fl. 50 kr. Wir haben mit der Besprechung dieses Werkes, das in 2 Heften erschien, absichtlich gezögert, um dasselbe als Ganzes beurtheilen zu können . Im ersten Hefte der taktischen Studien, das im Jahre 1872 erschien, ist das Gefecht bei Weissenburg und die Schlacht bei Wörth, im zweiten die Schlacht bei Spicheren behandelt. Die Absicht des Verfassers war nicht, ein kriegsgeschichtliches Werk zu schreiben, was ihm mit Rücksicht auf den zur Zeit der Bearbeitung der Aufgabe noch bestandenen Mangel an authentischen Quellen , unmöglich gewesen wäre, sondern wie es schon der Titel ausdrückt, die interessanten Einmarschkämpfe vom Standpuncte des Taktikers zu beleuchten. In hohem Grade verdienstvoll ist die Art und Weise, in welcher der Verfasser die Beurtheilung der Gefechte durchführt. Zuerst werden die strategischen und taktischen Verhältnisse auf beiden Seiten kurz angeführt, dann folgt eine von dem Verfasser an Ort und Stelle auf-

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genommene Terrain-Beschreibung, die das genaue Verständniss ungemein erleichtert and diesem schliesst sich eine klare objectiv gehaltene Kritik an. Die zur Zeit des Entstehens dieser Arbeit zur Verfügung gewesenen, verlässlichen Daten hat der Verfasser gewissenhaft benützt und wir können die Lecture dieser taktischen Studien, welche speciell dem Lernenden zu Hilfe kommen, bestens empfehlen. Die dem Werke beigegebenen Karten sind sehr deutlich und werden durch Anwendung von Oleat-Skizzen zur Darstellung der bedeutenderen Gefechtsmomente noch vervollständigt. Py. Die Märsche der Truppen. Eine Studie über den Mechanismus der Truppenbewegung. Von M. von Süssmilch , gen. Hörnig, Oberstlieutenant z. D. Leipzig 1873. VI. und 235 Seiten. 8. 2 fl. 40 kr. " Wir begegnen einer sehr ausführlichen Darstellung der Leistungsfähigkeit des Soldaten wie des Truppenpferdes auf dem Marsche, dann auch einer eingehenden Würdigung der so mannigfachen Factoren, welche auf das Maass der Marschleistung Einfluss nehmen, als da sind : Bekleidung und Ausrüstung, Marschübung, klimatische und Terrain-Verhältnisse, Unterkunft, Verpflegsart, Grösse des marschirenden Truppenkörpers etc. Wir haben sehr viel Interessantes in dem Werke gefunden und glauben, dass jeder, der dasselbe in die Hand bekommt, es, gleich uns, gerne und mit Aufmerksamkeit studiren wird. Gleichwohl aber müssen wir behaupten, dass der Herr Verfasser mit dem in der Vorrede enthaltenen Ausspruche, die Militär-Literatur sei ebenso arm in Bezug auf Untersuchungen über den Mechanismns der Truppenbewegung, als sie reich ist an Werken über die Theorie der Combination der Märsche, ein nicht wohl stichhältiges Urtheil fällt . Wir wollen nur auf die bekannte Taktik von Griesheim hinweisen , welche im Capitel „ Märsche" den vom vorliegenden Werke gewählten Gegenstand ebenfalls sehr instructiv und gestehen wir es offen -― was den Einfluss kriegerischer Situationen auf den Marsch betrifft, lehrreicher behandelt. Eine Abhandlung ferners, die sich blos mit den Märschen befasst, hätte den Gegenstand noch weit eingehender behandeln können. Für das Studium des Mechanismus der Truppenbewegung genügt es noch nicht, all' die Hemmnisse kennen zu lernen, die den Marsch stören, all' die Mittelchen zu wissen, die den Marsch für die Truppen weniger beschwerlich machen ; mit all' dem kömmt man noch immer in die Gefahr, vor lauter guten Rathschlägen den Kopf zu verlieren. Klarheit kann daher auch in diesem Zweige nur die Anwendung der verschiedenen theoretischen und Erfahrungssätze auf einige concrete Beispiele bieten. Der Marsch eines grösseren Heereskörpers über einen grösseren wechselnden Terrainstrich hinweg, in allen Details durchgeführt, hätte dem Herrn Verfasser Gelegenheit geboten, seine Reflexionen einander zu accommodiren , das unbedingt Nöthige dem blos Wünschenswerthen voranzustellen und bei all' dem darzuthun, wie sich das als zweckmässig Erkannte unter wechselnden Verhältnissen auch immer herbeiführen lässt. Den Tabellen, welche der Herr Verfasser über die Marschleistungen der verschiedenen Waffen aufstellt, hätten sich Daten über derlei Leistungen in den letzten grossen Kriegen anreihen können. Dieselben wären nicht allzuschwer zu sammeln gewesen, hätten den theoretisch zusammmengefügten Tabellen erst das Gepräge der Wahrheit verliehen und überhaupt den Werth des Buches sehr zu M. steigern vermocht.

Verona e la linea dell'Adige nella difesa della frontiera nord - est, di Egidio Osio , capitano di Stato maggiore. Verona 1873. Stabilimento Civelli. gr. 8. p. 61. 60 kr. Der ewig denkwürdige Kriegsschauplatz an der mittleren Etsch und am Mincio hat so oft die Aufmerksamkeit von ganz Europa beschäftigt , dass die Frage der Rolle des Festungsvierecks in künftigen Kriegen auch ausserhalb Italiens Interesse erregt . 2*

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Der Parlaments-Ausschuss hat bekanntlich in seinem Berichte über die Reichs-Befestigungs-Vorlage des Kriegsministeriums viel weitere, über letztere hinausgehende Anträge gestellt dagegen die sämmtlichen Festungswerke Verona's und Pastrengo's zur Demolirung beantragt. Als Motivirung dieser Maassregel konnte der Ausschuss nur die Besorgniss geltend machen, dieser so nahe an der Grenze gelegene Platz würde möglicherweise gleich zu Beginn eines Krieges dem Feindein die Hände fallen, und diene dann demselben als feste Basis. In warmer patriotischer Sprache wendet sich der Verfasser dieser Brochure gegen diesen Antrag und beweist aus der Geschichte, dass es Unrecht sei , Verona's Lage für Italiens Vertheidigung nachtheilig zu glauben, indem nur der Besitz dieser Festung Napoleons berühmte Operationen ( 1796-1797) möglich gemacht. habe. Die mittlere Etschlinie, von Rivoli bis Legnago werde immer die beste Defensiv-Linie zur Vertheidigung des Venetianischen sein ; diese müsste aber von vorneherein aufgegeben, auf die von Napoleon für unbezwinglich erklärten Positionen von Caldiero, am Alpone, müsste verzichtet werden, wenn durch Demolirung Verona's freiwillig die Etschlinie geöffnet würde. Die Gefahr einer Forcirung Verona's durch feindliches Vordringen über die Pässe der Lessinischen Berge wird durch Schilderung des Terrains auf ihr wahres Maass zurückgeführt. Besonders tadelnswerth findet es der Verfasser, dass man aus Besorgniss , der ungenügende Widerstand des Platzes könnte ein Festsetzen des Feindes auf diesem strategisch und taktisch so wichtigen Puncte zur Folge haben - ihm lieber die Festsetzung daselbst ganz freistellt ! Der Unwille über solche kleinmüthige Voraussetzungen dictirt dem Verfasser goldene Worte in die Feder, welche wir da sie allgemeine Giltigkeit haben - hier beiläufig anführen wollen : Die Kunst des Krieges besteht darin, sich die grössere Anzahl günstiger Chancen zu sichern , wenn man nun von einem Puncte sagen kann, dass er den Anforderungen einer bestimmten Situation entspräche und unzweifelhafte Vortheile sichere, so wird die " Möglichkeit ihn zu verlieren " doch nie dessen Nichtbesetzung entschuldigen. Die jetzt beliebte Methode, eine schon höchst bedenkliche Lage der Dinge als Basis der Combinationen anzunehmen, muss zu verderblichen Resultaten führen. Wenn man stets voraussetzt, dass unsere Generale sich in den Festungen einschliessen lassen , ohne zu manövriren und ohne zu kämpfen - dass unsere Trappen sich mit leichter Mühe aus den stärksten Posidass wir immer und überall geschlagen, umgangen tionen verjagen lassen oder abgeschnitten sind - dann lasst uns Verona zerstören und alle andern Befestigungen dazu , und beschäftigen wir uns nur mit Auswahl des Ortes, wo wir am besten die vom Feinde dictirten Bedingungen erwarten können ! Ja, lasst uns diese Befestigungen immerhin zerstören, aber täuschen wir uns nicht, den moralischen und materiellen Erfolg ven Verona's Besitznahme durch den Feind deshalb geringer zu schätzen , weil es heissen wird : „ Wir haben nur eine offene Stadt verloren !" n Wenn man überall mit solcher Leichtigkeit von aufzugebenden Plätzen , zu umgehenden Stellungen, forcirbaren Linien reden hört, und den Blick dann auf unser junges, frisches Heer wendet, so muss man sich schmerzerfüllt fragen : Woher soll ihm jenes selbstbewusste Vertrauen kommen, die erste, unerlässlichste Eigenschaft eines jeden Heeres ? Wie können wir uns schmeicheln , ihm das Gefühl wenn für die Unverletzlichkeit des geheiligten vaterländischen Bodens einzuflössen man es stets als eine unvermeindliche Sache hinstellt, von vorne herein ganze Provinzen dem Feinde preiszugeben ?! Mit unaufhörlichem Wiederholen, dass : wir hier geschlagen - dort umgangen werden an diesem Puncte uns nicht halten können , sondern eiligst zu jenem andern retiriren müssen," wird es uns gelingen im Heere selbst die Ueberzeugung wachzurufen , es könne sich erst im Reduit am Fusse der Apenninen sicher fühlen !!" - Wäre es nicht würdiger, in entgegengesetzter Richtung zu predigen : Der Angriff ist die beste Form der Vertheidigung ― schliessen wir doch die Offensive nicht gänzlich von unseren Annahmen aus erinnern wir uns stets, dass wir hier einen klassischen Kriegsschauplatz besitzen, wo tausend glorreiche Thaten vorfielen, an denen wir uns begeistern können - und seien wir fest überzeugt, dass , wenn wir unfähig sind uns darin zu erhalten, wir noch weit weniger hoffen dürfen , wieder hinein zu gelangen, wenn der Feind sich im Besitze festgesetzt hat ! B.

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Kaiser Leopold I. Von Reinhold Baumstark. Sammlung historischer Bildnisse. Zweite Serie, III . Freiburg i. B. 1873. Herder. 8. 90 kr. In der Reihe der historischen Bildnisse begegnet uns abermals ein Name. der unser Interesse in hohem Grade zu erregen vermag, und es freut uns , wie bei der Schilderung des grossen kaiserlich-ligistischen Feldherrn , die vor einiger Zeit in dieser Sammlung erschien, auch hier mit besonderer Genugthuung die gediegene und objective Bearbeitung constatiren zu können. Wir rechnen es diesen Schriften zu hoher Ehre, trotz der anspruchslosen populären Form wirklich gründliche Auffassung mit politischem Gerechtigkeitssinne verbunden zu haben. Gerechtigkeit geübt zu haben gegen die österreichischen Bestrebungen, dürfen sich wenige modern-deutsche Historiker rühmen , wir sind gewohnt, in den meisten Werken , leider selbst der bedeutendsten dieser Männer, wie einen leitenden Faden, glühenden Hass gegen Oesterreich und seine Dynastie . ja selbst unverkennbar absichtliche Verketzerung derselben zu bemerken . Wohl nahm man sich kaum die Mühe, diese Absicht zu verbergen, woh! wurde die Geschichtsschreibung einem Zwecke bewusst dienstbar gemacht, der gegenwärtig so ziemlich erreicht zu sein scheint. Die geringe Zahl derer, die es unternahmen , auch Oesterreichs Rechte an die Anerkennung der Geschichte zu vertreten, vermochte es nicht, der mit allen Mitteln zum Katheder-Dogma erhobenen Feindseligkeit gegen dasselbe die Waage zu halten. Darum ist uns eine Stimme doppelt willkommen, die für diese Rechte eintretend , auch gleichzeitig jene Form des Ausdrucks zu finden wusste, welche geeignet ist, dem grossen Lesepublikum gegenüber aufklärend zu wirken . Auf die Bekehrung der Tendenzmänner wollen wir gerne verzichten, aber auf die Richtigstellung der Ansichten im Volke selber legen wir ein hohes Gewicht. Wir wollen hoffen , dass dem Charakterbilde eines Kaisers, dessen Name in der Regel nur hervorgeholt wird, um ihn anzugreifen, jene Verbreitung gegönnt sei, die im Interesse einer gewaltigen historischen Epoche, im Interesse eines reinen und edeln fürstlichen Charakters, im Interesse des Verständnisses für Habsburgs Bestrebungen in jener Zeit zu wünschen wäre. Wir glauben den Standpunct, den Baumstark in seiner Studie eingenommen hat, am Besten mit seinen eigenen Worten schildern zu können : „ Während Oesterreich nach Osten hin die christliche Cultur vor dem Halbmond rettete . schützte es nach Westen die Freiheit Europa's vor dem brutalen Uebermuthe der Machthaber von Paris und Versailles. Man hat wohl schon die Undankbarkeit des Hauses Habsburg zum Sprichwort zu machen gesucht, und mancher Einzelne mag sich in dieser Hinsicht nicht ohne Grund zu beklagen gehabt haben, aber ein grösserer Undank, als er gegen das Haus Habsburg in der europäischen und namentlich in der deutschen Geschichtsschreibung verübt wurde und wird, kommt nur selten in der Welt vor. In der That, wenn Oesterreich sonst nichts gethan hätte, als was es in der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhundertes gegen Türken und Franzosen geleistet hat, schon hiefür sollte sich ihm jeder patriotische Deutsche zu unauslöschlichem Danke verpflichtet fühlen ." „ Diese Regierungszeit Leopolds I. ist von jeher der Gegenstand der allerentgegengesetztesten Beurtheilung gewesen . Seine Zeitgenossen, und zwar nicht etwa blos feile Speichellecker, sondern ehrenwerthe, tüchtige und vaterlandsliebende Geschichtsschreiber haben Leopold den Grossen genannt ; einer neueren Geistesrichtung war es vorbehalten, den Verbündeten Friedrich Wilhelms von Brandenburg und Wilhelms von Oranien als ein willenloses Werkzeug der Jesuiten darzustellen, von welchen gleichzeitig behauptet wird , dass sie die Welt in französischem Interesse zu regieren suchten, während ihr angeblicher Sclave Leopold für Oesterreich und Spanien den Riesenkampf gegen das Frankreich Ludwig XIV. unternahm . Wo immer in der Beurtheilung einer geschichtlichen Erscheinung oder Persönlichkeit so schreiende Gegensätze sich kundgeben, da ist man von vora herein zu dem Schlusse berechtigt, dass menschliche Leidenschaft, und zwar meistens auf allen betheiligten Seiten, die gesunde und maassvolle Ruhe des vernünftigen Urtheils getrübt hat, und dass kein wohlgemeinter Versuch, die Dinge auf ihr richtiges Maass zurückzuführen , eine gänzlich verlorne Bemühung sein wird." Sie ist nicht nur dieses nicht, sondern in Wahrheit eine hoch anerkennenswerthe und gerechtfertigte .

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Wir können diesem Standpuncte nur beistimmen, er ist nothwendig, um gerecht zu sein. Leopold I. fehlte vielleicht jene weltbezwingende geistige Kraft, jener offensive Sinn , die so mancher gewaltigen historischen Persönlichkeit den Namen des Grossen" erwarben, mancher Persönlichkeit, die um ihres Charakters, ihres inneren Werthes willen diesen Ehrennamen nie verdient hätte. Leopold war kein staatenzertrümmernder Eroberer, aber er war ein Fürst von bewunderungswürdiger Reinheit des Charakters, von strenger Rechtlichkeit als Mann und als Politiker, ein Fürst, der die treue Ergebenheit von Männern wie der Prinz Eugen, wie Ludwig von Baden wohl verdiente. Seine persönliche, tiefreligiöse Anschauung hat natürlich den willkommenen Anlass gegeben, aus ihm vom Katheder aus ein willenloses Werkzeug geistlicher Macht zurechtzuschmieden, aus ihm, den doch der französisch gesinnte Hof Clemens XI . so erbittert hasste, gegen den und dessen Feldherrn , den Prinzen Eugen , man im Jahre 1702 sogar den Bann schleudern wollte, und es nicht that, nur weil , wie Cardinal Janson am 19. August 1702 an den Marschall Vendome schreibt , man überzeugt war : „ dass diese Drohungen und Proceduren den Prinzen Eugen nicht aufhalten werden !" Der Ausspruch Friedrichs II. , dass Jeder nach seiner Façon selig werden sollte , hat die Freunde der antihabsburgischen Richtung in Deutschland nie daran zu erinnern vermocht, dass - wenn sie bei einem heldenmüthigen greisen Fürsten des heutigen Tages die pietätvolle Auffassung seiner Religion bewundern und rühmen, ein vernünftiger Grund wohl kaum von ihnen gefunden werden kann. daraus einem Leopold I. — dem treuen Anhänger eines andern Bekenntnisses höhnend ein politisches Verbrechen zu machen . Wenn man ferner beachtet, dass vierzig Jahre nach Leopold das deutsche Wesen, die deutsche Sprache sich eben keiner besonderen Gunst erfreuten in den antihabsburgischen Kreisen Deutschlands selbst , so leuchtet ein erfreulicher Gegensatz aus der Schilderung Baumstarks, wenn er von Leopold I. sagt : „ Während ganz Europa in Denkweise, Sprache, gesellschaftlicher Sitte zu den Füssen der französischen Mode lag, blieb Leopold , wenn er auch italienisch und spanisch sprach, in Geistesrichtung und Ausdrucksweise dem deutschen Wesen sein ganzes Leben hindurch unabänderlich treu." Baumstark schildert die Jugend Leopolds und seinen Regierungsantritt am 1. August 1658 in dem ersten Capitel . Ein Regierungsantritt, wahrlich nicht leicht bei den Zuständen in Deutschland , bei dem ewigen Wühlen der deutschen Fürsten gegen des Reiches Einheit und des Kaisers äussere Macht, ein Regierungsantritt unter dem Drucke jener berüchtigten rheinischen Allianz deutscher Fürsten, die, wie im Jahre 1806, sich nicht scheuten . Deutschlands und des Kaisers Ehre den Franzosen preiszugeben. Dann folgt die glanzvolle Epoche der Türkenkriege , wieder wird der Ruhm deutscher Waffen emporgetragen von den Feldherrn des Kaisers, von Montecucculi, Lothringen , Baden und Eugen, in furchtbarem Ringen erkämpft sich Habsburg und mit ihm die Cultur und die Civilisation das weite Ungarn, in dem leider die Kämpfe nicht aussterben zu können schienen. Aufruhr und Aufruhr. die traurige Geschichte dieses schönen Landes ! Es ist ein düsteres Wort, wenn Baumstark sagt : „Ungarn ruht nicht, bis es Oesterreich todt sieht und sich mit ihm !" In all' der Noth jener Jahre erhob sich mit zäher und bewusster Kraft. das kleine Brandenburg neben dem Kaiser. Das Königreich Preussen entstand und ein Kronvertrag sicherte dem Kaiser den neuen Verbündeten . Euer kais. Majestät gewinnen dadurch bei mir und meinem Hause eine unsterbliche Obligation" schrieb der Churfürst Friedrich, der neue König am 16. December 1700. Leopold I. durfte hoffen, dass es zu keinem Frieden mit dem Reichs-Erbfeinde mehr kommen könne. wie der gewesen, den Brandenburg mit Frankreich im Jahre 1673 zu Vossen geschlossen hatte, ein Friede wie hundertzwanzig Jahre später der von Basel. Der gewaltige Krieg, der das achtzehnte Jahrhundert eröffnete, der spanische Successionskrieg , findet in Leopold den unerschütterlichen Vertreter des Rechtes. Mit so geschwächter staatlicher Kraft, wie sie der Kaiser in seinen Landen und in Deutschland vorfand , solchen Krieg beginnen , das konnte nur das felsenfeste Vertrauen auf die unbesiegbare Stärke der guten Sache. Diese Festigkeit Leopolds hat freilich ebensowenig, wie seine andern Verdienste historische Anerkennung gefunden.

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„Wäre es nicht ein habsburgischer Fürst, dem solches Lob zu spenden ist, so würde ohne Zweifel die moderne Geschichtsschreibung einstimmig sein in Ausdrücken der Begeisterung für die grossen Entschlüsse und nicht minder grossen Thaten, um welche es sich hier handelt." So Baumstark. És konnte nicht fehlen, dass man auch hier die Abhängigkeit Leopolds von der Gesellschaft Jesu suchen zu müssen glaubte. Baumstark hat in richtigem historischem Urtheil dem bekannten Märchen widersprochen, nach welchem der Prinz Eugen und der Jesuitenpater Wolff mit einander den spanischen Erbfolgekrieg zu Stande gebracht haben sollen. Baumstark deducirt die Unwahrscheinlichkeit dieser Erzählung aus dem nicht sonderlich freundlich zu nennenden Verhältniss des Prinzen zu den Jesuiten überhaupt. Dieser Beweis ist nicht ganz stichhältig, denn soweit ging der Antagonismus doch nicht, dass sich der kluge Prinz nicht da der Hilfe auch dieser Gegner bedient hätte, wo ihm dies im Interesse der guten Sache nothwendig erschien . So knüpfte er durch die Vermittlung des Hofkriegsrathes von Locher und des Artillerie-Obersten Grafen Berzetti im Jahre 1702 mit dem Pater Bischoff S. J. eine Correspondenz an, die ein Brief des Prinzen vom 18. März mit der directen Bitte um kräftige Unterstützung in den leitenden Kreisen Wiens , eröffnete. Zum Entschlusse . den Krieg für ein klares Recht zu beginnen , bedurfte es aber bei Leopold keiner Intrigue, und die beiden einzigen Männer, die in patriotischer Begeisterung für den Krieg sprachen beim Kaiser, der römische König Joseph und der Prinz Eugen, fanden keinen Widerspruch bei ihm, obgleich sonst fast alle Staats- und Kriegsmänner abrathen zu müssen glaubten. Der Glanz der Macht Ludwig XIV. , die bodenlose Unverlässlichkeit der deutschen Fürsten , mit Ausnahme des allezeit treuen Sachsen, das aber in den polnischen Krieg verwickelt war, die zweifelhafte Allianz mit dem neuen norddeutschen Könige , die ungarischen Wirren lähmten den Muth so Vieler, nur nicht den des Kaisers , nicht den Josephs und Eugens. Was nach der Wegnahme Strassburgs vom Kaiser erstrebt worden, die Vereinigung der europäischen Mächte mit dem ganzen deutschen Reiche zur Aufrechthaltung der bestehenden Friedensschlüsse, eine Idee, der sich Holland und Schweden, Baiern und Hannover bereits entschieden angeschlossen hatten, und die zum Entscheidungskrieg gegen Frankreich, zur Wiedereroberung des Elsass hätte führen müssen, sollte jetzt noch einmal in das Leben gerufen werden . Damals war es dem Churfürsten von Brandenburg seiner gegen Ludwig XIV. eingegangenen Verpflichtung, die Sache auf friedliche, oder wie Baumstark kräftig interpretirt, - schimpfliche Weise zu begleichen , entsprechend gelungen, den momentanen Aufschwung des patriotischen und Rechtsgefühls bei den deutschen Fürsten wieder zu hemmen. Strassburg blieb französisch, aber wenn man auch auf dem deutschen Reichstag die Schmach Deutschlands nicht zu fühlen schien , sie wurde wenigstens in Wien nicht vergessen. Es sollte freilich selbst einem Prinzen Eugen nicht mehr beschieden sein , sie in vollem Maasse zu rächen . Deutschland musste erst in den Kriegen beinahe zweier Jahrhunderte Hunderttausende seiner Söhne auf den Schlachtfeldern gegen Frankreich opfern, bis es seine alten Lande wieder gewann, die verloren gegangen durch die undeutsche antikaiserliche Gesinnung Derer, die zunächst berufen waren, dem Kaiser treu zur Seite zu stehen zur Wahrung der Ehre und der Rechte des Vaterlandes. Doch wem lag Deutschlands Macht am Herzen in jenen Tagen ? Dem Kaiser und vielleicht dem Volke, den Fürsten und Ständen sicher nicht. Durch Baumstark's Schrift geht ein Zug warmer Empfindung für den patriotischen, für den grossdeutschen Gedanken. Wenn da und dort eine kleine Unzufriedenheit mit den heutigen Verhältnissen zwischen den Zeilen gelesen werden könnte, so ist es nicht unsere Sache, dies hervorzugraben, wir dürfen uns nur an die Gestaltung des historischen Stoffes halten. Mit der objectiven Beleuchtung der Zeit und der Person des Kaisers Leopold I. hat Baumstark den Kampf um eine leider durch eine, schon allzulange Zeit fast gar nicht mehr bestrittene Domäne national- liberaler Geschichtschreibung eröffnet. Wir wollen hoffen, dass ihr diese Domäne eben so siegreich entrissen werde, wie dies mit jener des dreissigjährigen Krieges und seiner Persönlichkeiten gelungen ist.

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Nach ihr möge sich solche Geschichtschreibung dann ihrer andern Positionen wehren, denn endlich ist es doch die Wahrheit, und nicht die Lüge, die siegen W. muss und siegen wird. Genesis des preussischen Staates . Vier Bücher etc. von Leopold von Ranke. Leipzig 1874. 20 und 522 Seiten in gr. 8. und 70 Seiten gr. 8. 7 fl. 20 kr. Ranke's Neun Bücher preussischer Geschichte" (3 Bde. 1847 und 1848), deren vornehmsten Gegenstand die Erhebung des brandenburgisch - preussischen Staates zu einer europäischen Macht bildet, behandeln den Zeitraum von den ersten Anfängen Brandenburgs und Preussens bis zum Ausgang Friedrich des Grossen. Das vorliegende Werk ist eine vollständige Umarbeitung des ersten Buches der „ Neun Bücher," nämlich der Periode : von der Colonisation Brandenburgs und Preussens bis zum Eintritt Friedrich Wilhelm I. und der Eroberung von Pommern. Gegenwärtig treten jedoch an Stelle des frühern ersten Buches . als "Genesis des preussischen Staates" vier Bücher preussischer Geschichte, in welchen eingehender als zuvor nachgewiesen wird , wie der brandenburgisch-preussische Staat, dem heutzutage eine so grosse Rolle in Europa zu spielen beschieden ist, von Anfang an sich gebildet hat, und wie er auf den Standpunct gekommen, der es ihm möglich machte , sich in die Reihe der europäischen Mächte zu erheben. - A. Histoire des bandes d'ordonnances des Pays-bas par le Lieutenantgénéral Baron Guillaume. Bruxelles. F. Hayez 1873. gr. 4 . 244 S. „ Ornare patriam et amplificare gaudemus" , diesen schönen Spruch des jüngeren Plinius hat der Verfasser an die Spitze seines Werkes gesetzt und ihn durch eine äusserst genaue, mühevolle, actenmässige Darstellung der Geschichte der Ordonnanz-Compagnien in den Niederlanden von ihrer Gründung 1545 bis zu ihrer Auflösung am Schlusse des 17. Jahrhunderts, bekräftigt. Ausserhalb der Landesgrenze wird dieses sehr verdienstvolle Werk des gelehrten Verfassers hauptsächlich Geschichtsforschern von Interesse sein, da es dieselben mit dem Inhalte vieler seltener historischer Quellen bekannt macht. Py. Literatur und Gesellschaft in Frankreich. zur Zeit der Revolution 1789 1794. Zur Culturgeschichte des 18. Jahrhunderts von Ferdinand Lotheisen . Wien, Gerold, 1872. 8. 3 fl. Das vorliegende Buch liefert einen ebenso interessanten als wichtigen Beitrag zur Geschichte der denkwürdigen Epoche, welche die französische Revolution bezeichnet. Wenngleich die französische Literatur zur Zeit der Revolution schon öfter Gegenstand zu einer Darstellung geworden, so bietet eine eingehende Betrachtung einer so stürmischen Zeit, wie es eben diejenige war, von der hier die Rede ist, immer neue interessante Gesichtspuncte. Sie bedingt hiebei aber auch das Zusammengehen der Literatur- und Culturgeschichte. Lotheisen hat dies erkannt, wenngleich seine Darstellung nur in grossen Zügen angelegt ist ; höchst interessante und lehrreiche Bilder ziehen an uns vorüber und gestatten näheren Einblick in das wissenschaftliche Leben jener Zeit, sowie in das Individuelle der I. damaligen Träger der Cultur und Wissenschaft.

Fond et vitesse d'une troupe de cavalerie en campagne. Par T. Bonie, Lt.- colonel de cavalerie. Paris 1872. 8. 1 fl . 50 kr. Eine Arbeit. bei welcher wir Genauigkeit. Methode und Sachkenntniss vereinigt finden, und die gewiss jeden Cavalerie- Officier interessiren wird. Schon in dem 1. Capitel : „ Etude sur le fond du cheval" und besonders in der, am Schlusse desselben angefügten Tabelle finden wir viele interessante und sehr werthvolle Daten über den Athem des Pferdes in den verschiedenen Gangarten, auf grössere oder geringere Strecken , mit gepacktem oder leerem Sattel.

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In dem zweiten Capitel, das über die Marschgeschwindigkeit handelt, spricht der Autor speciell für die franz. Cavalerie ; er erwähnt, dass in Frankreich keine Instruction existire, welche die Marschgeschwindigkeit eines Cavaleriekörpers mit Rücksicht auf die zurückzulegenden Strecken fixirt. In den nun folgenden Betrachtungen liefert der Verfasser eine Reihe höchst interessanter Beispiele von extremen Leistungen der Truppen- und Luxus-Pferde . Die meisten der in Punct 3 und 4 dieses Capitels aufgestellten Ansichten sind in unseren Reglements seit Jahren aufgenommen und in der ganzen Cavalerie in Fleisch und Blut übergegangen ; mit manchen Ansichten des Verfassers, die er in den Puncten 2 und 3 ausspricht, können wir uns jedoch nicht durchaus einverstanden erklären . Das IV. Capitel handelt von dem Einflusse des Gewichtes auf die Schnelligkeit und Ausdauer des Pferdes. Besonders interessant sind hier die ziffer mässigen Nachweisungen über den bedeutenden Einfluss, den das vergrösserte Gewicht auf die Leistungen der Truppenpferde ausübt. Das Capitel V bringt die Erfahrungen zum Ausdrucke, die eine Commission von Fachmännern, Chemikern und Mitgliedern der Akademie über die zweckmässigste Art der Pferdefütterung sammelte. Es wird erwähnt, dass nicht die Fütterung mit Heu und Hafer, sondern jene mit Stroh und Hafer das Pferd in der besten Condition erhalte. Das Capitel VI „Equitation militaire " enthält sehr bemerkenswerthe Winke für die franz . Cavalerie, die der Autor bei Abrichtung der Remonten , Vereinfachung der Dressur, und Vorwärtstreiben anräth. In dem zweiten Theile dieses Capitels wird von den Maximal-Leistungen der Truppenpferde und der Art ihrer Fütterung im Frieden und Kriege gesprochen . Wir können nur constatiren , dass das Buch weitaus das Beste ist , das seit Langem von franz. Seite in dieser Richtung erschien und dass wir überzeugt sind, dass es jeder Leser, der sich für die Reiterwaffe interessirt, mit Befriedigung und Anregung aus der Hand geben wird. Py.

Beispiele zu Dispositionen für kleinere felddienstliche Uebungen . Nebst 3 Plänen. Leipzig, Fr. Luckhardt 1873. II. und 240 Seiten. 8. 72 kr. Das Werkchen enthält in sehr gedrängter Form die präcise ausgesprochenen Dispositionen für 27 taktische Uebungen kleinerer Truppenkörper und scheint durch diese Beispiele der Zweck wirklich erreicht, den sich der Verfasser gesetzt hat. Dieser Zweck ging dahin, eine Anleitung zu geben , wie für kleine felddienstliche Uebungen eine allgemeine Kriegslage, zugleich aber auch die Begrenzung derselben für besondere Verhältnisse geschaffen werden kann , so dass die einzelnen Compagnie-, Zugs -Commandanten etc. , die ja hier lernen sollen, genügenden Spielraum für eigene Thätigkeit finden , dabei aber auch die Grenzen ihrer Aufgabe klar vor sich sehen und keineswegs über den Wirkungskreis hinausgreifen müssen , M. der ihnen im Kriege zugedacht werden kann .

Das Exercieren zu Pferd nach dem neuesten Reglement. Theil. Augsburg 1873. Rieger. 8. 45 kr.

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Wir erwähnen dieses Reglements ohne dessen Inhalt in eine Beziehung mit jenem unserer Vorschriften bringen zu wollen aus dem Grunde, um auf die äusserst zweckmässigen, in Farbendruck ausgeführten Tafeln des Buches aufmerksam zu machen. Dieselben geben die Aufstellung und Bewegung der Abtheilungen und speciell jene des zweiten Gliedes, in so deutlicher, jede Verwechslung ausschliessender Weise, dass uns auch bei uns die Anwendung des Farbendruckes wenigstens bei dem Abrichtungs-Reglement unserer Cavalerie von grossem Nutzen schiene. Py.

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Leitfaden für den Unterricht der Infanterie-Unterofficiere der königl. bayerischen Armee. Von N. V. Würzburg 1873. Staudinger. 8. 30 kr. Unter den vielfachen Versuchen, praktisch geordnete Lehrbücher für den Dienst des Unterofficiers zu schaffen , nimmt der vorliegende Leitfaden einen beachtenswerth günstigen Rang ein. Es scheint uns darin so ziemlich erschöpft, was für den Unterofficier in militärischer Beziehung zu wissen wirklich von Werth ist. Bei dem leider vorherrschenden Streben der meisten derartigen Lehrbücher eine Menge Dinge zu bringen, die praktisch ganz unnöthig sind, dem Unterofficier somit Kenntnisse zuzumuthen , die er niemals zu verwerthen in die Lage kommt, muss man es sehr anerkennen, wenn einmal ein Leitfaden sorgfältiger sich an das Nothwendige hält. Da man auch bei uns daran geht, ein Unterofficiers -Instructions- Buch zu verfassen, so dürfte der Wunsch sehr gerechtfertigt sein , man möge diesen Standpunct gleichfalls wählen und es wird sich sehr empfehlen, Muster, wie das vorW. liegende, wohl in Beachtung zu ziehen . Der Unterofficier als Chef einer Tirailleur - Gruppe. Schweighauser. 16. 24 kr .

Basel 1872 .

Das Büchlein ist eine Art Instruction , enthält jedoch nur die allgemeinsten Grundzüge für den Unterricht des schweizerischen Unterofficiers und wird für W. --den Unterricht oder das Selbststudium wenig Brauchbares bieten. Genetische Skizze des Lehrstoffs für den Unterricht in der Fortification auf den königlichen Kriegsschulen. Erstes Heft, Abschnitt I- IV. Berlin 1873. Kl. 8. 59 S. 54 kr. Die genetischen Skizzen " haben längst ihren Weg in alle MilitärBibliotheken Europas gefunden, und sind den Fachmännern wohlbekannt. Eine neue Auflage derselben hätten wir unter allen Umständen freundlich begrüsst, ohne viel Worte zu machen ; die hier mit dem ersten Hefte beginnende neue Auflage bringt jedoch in ihren Aenderungen, so wie in dem, was sie von früher beibehielt, die Ergebnisse der im Felde erworbenen Erfahrungen zum Ausdruck. Desshalb verdient sie aufmerksamste Prüfung . - Das erste Heft enthält die Einleitung und 4 Abschnitte : I. Formelle Feldbefestigung. II. Schanzenbau. III. Angewandte Feldbefestigung . IV. Angriff und Vertheidigung von Feldschanzen. Die „Einleitung" zeigt bereits nicht unwesentliche Verschiedenheiten : die Erläuterungen der mannigfaltigen durch die Kriegszwecke bedingten Gattungen des Befestigungsbaues : Permanente Befestigung , Orts-Befestigung, provisorische und passagere Befestigung, Positions- Befestigung sind ausführlicher gehalten, mehr eingehend auf die im Kriege dieselben bedingenden Verhältnisse - so weit dies bei einer genetischen Skizze thunlich ist - dagegen wurde der früher längere Abschnitt über die „ Darstellung fortificatorischer Anlagen" beinahe ganz weggelassen. In gleichem Sinne finden wir die Aenderungen im ganzen Hefte durchgegeführt, überall tritt die unmittelbare Beziehung zur kriegerischen Action in den Vordergrund, und manches, woran sich früher die theoretische Form des LehrbuchAuszuges erkennen liess, ist verschwunden . Der Abschnitt „, formelle“ (früher „ reine “ ) Feldbefestigung zerfällt nun in zwei Haupttheile : A. Von den Elementen passagerer Verschanzungen und B. Zusammenstellung der Elemente zu einfachen verschanzten Posten. Bezüglich ersterer wollen wir nur den Satz hervorheben : Gegen Feuer im hohen Bogen die Höhe der Deckungen unzureichend ; Hohlräume nöthig. Die gegen gezogene Feldgeschütze ausreichende Minimal- Stärke der Decken ist noch nicht erprobt. Decken gegen schweres Wurffeuer im Felde weder nöthig noch ausführbar. (§ 20). " Nach Detaillirung der „ Hindernisse “ finden wir in diesem Abschnitte ein neues Capitel eingeschoben : „ VerschanzungsCommunicationen". Auf die Einrichtungen zum Passiren der Hindernisse wird grosser Werth gelegt, wie überhaupt die eigene Offensive stets bei allen Anlagen im Auge behalten wird. Wer das vorzügliche Buch des Hauptmann Wagner : Grundriss der Fortification " näher kennt, wird in dem Theile : B. Zusammenstellung der

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Elemente etc. sogleich das Skelett jener Abschnitte des genannten Buches erkennen ; ebenso in dem III. Abschnitte : Angewandte Feldbefestigung. Kleine Abweichungen fanden wir nur bei der Befestigung eines Gehöftes als isolirter Posten und bei der Befestigung eines Dorfes als selbstständiger Posten" . Desgleichen bildet der IV. Abschnitt : Angriff und Vertheidigung von Feldschanzen das Skelett dieses Theiles in Wagner's Lehrbuch. - Neu geordnet erscheint uns dabei der „ dritte Moment" : Das Eindringen (beim Angriff) , das Hinaufspringen der Besatzung auf die Brustwehrkrone ist hier beibehalten. Der II. Abschnitt : Schanzenbau (welcher ebenso wie die „ Elemente " in Wagner, als bereits vorher gelehrt nicht mehr vorkommt) enthält bedeutende und durchaus der Praxis entnommene Zusätze. Die Nennung der nothwendigen Werkzeuge, die Anstellung vor dem Feinde" , die Grösse der Arbeitsleistungen, die Angaben über Eintheilung der Arbeiter und Zeitbedarf, endlich das Capitel über die Ausführung der Hindernisse und Verstärkungen , sind grösstentheils neue Zugaben und zwar wie leicht einzusehen, nach so ausgedehnten Erfahrungen gerade Zugaben von besonderer Wichtigkeit. In die Würdigung derselben , und im Vergleiche mit heimischen Erfahrungen dieser Art können wir hier nicht eingehen, wollen aber noch erwähnen , dass die Bekleidungsarbeiten durch jene mit Strauchwerk" und mit losem Strauch" gegen früher vermehrt erscheinen ; diss die sämmtlichen §§ über Blockhäuser etc , welche früher im Capitel : „ Deckungen von Holz " ausführlich behandelt waren, nun zweckmässig in einen späteren Abschnitt zu den „provisorischen Bauten" verwiesen wurden ; endlich, dass wir mit grossem Vergnügen die definitive Ausscheidung sämmtlicher Schwalbenschweife" , Pfaffenmützen", und der verschiedenartigen Zangen- und Säge-Werke etc. (aus der hiedurch sehr einfach gewordenen Grundrisslehre der Verschanzungen ) begrüssen . Wir hoffen die Fortsetzung dieses in seiner Art classischen UnterB. richts-Behelfes werde bald erscheinen . Von Johann Mauerwerks - Sprengungen mit Dynamit und Pulver. Lauer, Hauptmann im Geniestabe . Mit 9 Tafeln . Wien 1873 , Ullrich & Sohn. (Als Manuscript gedruckt. ) 8. S. 93. 2 fl. Die grossen Wirkungen , welche das Dynamit im Verhältnisse zu Schwarzpulver gegen feste Objecte äussert, machten die Einführung des erstgenannten Präparates zu Demolirungs- Zwecken für den Kriegsgebrauch unerlässlich . Um jedoch das Wesen dieses neuen Sprengmittels kennen zu lernen und dasselbe in allen Fällen der Kriegstechnik mit der nöthigen Sicherheit für den angestrebten Erfolg anwenden zu können , mussten ausgedehnte Versuche durchgeführt werden . Die ersten derselben fanden gegen Holz und Eisen statt ; erst im Jahre 1870 wurden an den Escarpen eines alten Werkes in der Nähe des Neugebäudes bei Wien, auch gegen Ziegelmauerwerk Versuchssprengungen vorgenommen, doch war die Zahl derselben eine sehr beschränkte, da die zu Gebote stehenden Mauern weder die erforderliche Ausdehnung, noch verschiedene Stärken besassen. Günstigere Objecte für Versuchssprengungen gegen altes festes Mauerwerk ergaben sich durch die Auflassung der Maximilianischen Thürme von Linz und nachdem einige derselben zu diesem Zwecke dem technischen und aministrativen MilitärComite überlassen wurden , begannen im Jahre 1871 systematische Versuche von Mauerwerkssprengungen, die dann im Jahre 1872 fortgesetzt wurden . In dem vorliegenden Werke veröffentlicht nun der Verfasser - welcher als Mitglied der Versuchs-Commission allen Sprengungen des Jahres 1871 beigewohnt hat jene derselben, welche ihrem Resultate nach überhaupt als werthvoll bezeichnet werden konnten. Als solche hebt derselbe von den 113 ausgeführten Sprengungen 72 hervor, und beschreibt diese bezüglich der Anlage der Minen, der Grösse der Ladungen, Art ihrer Zündung etc., während eine Tabelle die übersichtliche Zusammenstellung dieser Daten enthält. Die Resultate der Sprengungen sind überdies durch Zeichnungen genau dargestellt. Gestützt auf die bei diesen Versuchen gemachten Erfahrungen und die vom Hauptmann Isidor Trauz in seinem Werke " Explosive Nitrilverbindungen, insbesondere Dynamit und Schiesswolle, deren Eigenschaften und Verwendung in der Sprengtechnik ausgesprochenen Ansichten , lässt der Autor eine theoretische Abhandlung folgen über die Wirkung von Pul-

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ver und Dynamit in verschiedenen Medien , welche zu den Schlussfolgerungen führt : dass im Militär- Sprengwesen Dynamit-Ladungen bei den überwiegend meisten Fällen unvergleichlich vortheilhafter sind als Pulverladungen, und dass von den langsam verbrennenden Präparaten wieder die starken Pulver den Vorrang besitzen ; ferner, dass die Vortheile des Dynamit gegenüber dem Pulver um so grösser werden, je ungünstiger die Verhältnisse bezüglich der Verdämmung und Lage der Mine, dann Sicherung gegen Feuchtigkeit etc. werden, und dass die schwachen, langsam verbrennenden Pulver, d . i. das 18- und 20gradige Sprengund 40gradige Minirpulver für Sprengungen künftighin nicht mehr verwendet werden sollten . Aus den Wirkungen gleichartiger Versuchsminen stellt uns der Autor Formeln zur Ladungsberechnung für analoge Fälle auf, die, wenn sie auch - wie der Verfasser selbst bemerkt - den Anspruch auf absolute Richtigkeit nicht machen können , immerhin für die Praxis innerhalb der Versuchsgrenze ¹ ) genügende Sicherheit bieten. In einer tabellarischen Uebersicht sind ausserdem alle Daten für die Berechnung der Dynamit-Ladungen sowohl in kubischer als langgestreckter (cylindrischer) Form für Mauerwerkssprengungen systematisch zusammengestellt, wodurch es ermöglicht ist, in einem concreten Falle durch entsprechendes Einsetzen der betreffenden Werthe die Grösse der Ladung unmittelbar zu finden. Hiedurch ist einem momentanen grossen Bedürfnisse abgeholfen , da bisher alle Angaben in dieser Beziehung fehlten. Im weiteren Verlaufe gibt der Verfasser auch die Vorgangsweise bei Demolirung von gemauerten Brücken mit Dynamit u . zw. sowohl mit Rücksicht auf die systemisirte Spreng- Munition der Genie-Truppe, als für den Fall, dass die Dynamit-Ladungen erst an Ort und Stelle erzeugt werden und bespricht die Regeln, unter denen die Anlage von Minenkammern schon beim Baue der Brücken erfolgen soll. In einer besonderen Abhandlung sind zum Schlusse des Werkes auch die im Jahre 1872 zu Linz durchgeführten Mauerwerkssprengungen beschrieben und deren Resultate in einer Tabelle übersichtlich zusammeugestellt. Aus diesen Versuchsresultaten weist der Autor die Verlässlichkeit der von ihm aufgestellten Formeln zur Ladungsberechnung nach. Wir erachten es als überflüssig, nach der Angabe des Inhaltes noch eigens auf den Werth dieses Werkes hinzuweisen ; die Grösse des Verdienstes, die der Verfasser durch die Publikation desselben sich erwarb, wird wohl Jeder zu würdigen wissen, der zur Durchführung von Sprengungen berufen ist, und können wir es daher allen technischen Officieren, den Commandanten der Pionnier-Abtheilungen, sowie den Lehrern der Cadeten - Schulen etc. nur sehr empfehlen. B.

Die Entwickelung der Feld-Artillerie in Bezug auf Material, Organisation und Taktik von 1815 bis 1870. Mit besonderer Berücksichtigung der preussischen Artillerie auf Grund officiellen Materiales dargestellt von H. Müller , Major a. 1. s. des badischen Fuss -Artillerie -Bataillons Nr. 14, Adjutant der General- Inspection der Artillerie. Berlin 1873. 8. 374 Seiten. 4 fl. 20 kr. Nur wer sich selber ähnlichen Arbeiten unterworfen hat, vermag die ungemeine Mühe und Sorgfalt vollständig zu würdigen , welche die Lösung einer Aufgabe, wie sich solche der Verfasser des vorliegenden Werkes gestellt hat, erfordert. Es ist demselben aber auch die Lösung vorzüglich gelungen und ist das Erscheinen seiner, auf fast 10jährigem Studium basirten Arbeit zu einem so geeigneten Zeitpuncte geschehen, dass dieses eben so nützliche als interessante Werk bei allen Jenen , die das Studium der Artillerie-Waffe betreiben , die grösste Befriedigung und wärmste Anerkennung finden dürfte. 1) Freistehende Mauern von 2′ 6″ bis 7′ 6″ Stärke . Futtermauern von 4' 5" bis 8' Stärke . Gewölbsmauerwerk von 1' bis 3' Stärke.

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Die seit mehreren Jahrzehnten andauernden, umfassenden Aenderungen und mächtigen Fortschritte auf dem Gebiete des Artillerie-Wesens haben eine Fülle des zu beherrschenden Materiales geschaffen, welche die Geschichte der Artillerie trotz des kurzen Zeitraumes zu einer ungemein reichhaltigen, wechselvollen und vielseitigen gemacht hat. Das für die Lösung vieler Fragen der Gegenwart und Zukunft nothwendige Zurückgreifen in die Vergangenheit wird aber hiedurch immer schwieriger, und nur mit Mühe ist in dem gänzlich zerstreuten und oft nicht leicht zugänglichen Materiale eine Orientirung über eine bestimmte Frage möglich. Besonders ist aber dieses mühsame und schwierige Eindringen in die Entwickelung der Artillerie oft die Ursache zu zahlreichen falschen Ansichten , oberflächlichen Urtheilen und irrthümlichen Schlussfolgerungen, zu verfehlten, schon früher gemachten Vorschlägen und vergeblichen Arbeiten, wodurch die Entwickelung richtiger Zeitfragen getrübt und verwirrt, die Entscheidung über dieselben erschwert und verzögert wird . Die Wichtigkeit historischer Studien steht demnach ausser Frage, und diese in Bezug auf die Feld-Artillerie wesentlich zu erleichtern, ist das vorliegende Werk vollkommen geeignet. Dasselbe gehört zu den inhaltreichsten Quellen für das Studium und zu den Vorbereitungen für weitere Arbeiten im Bereiche der Feld-Artillerie-Frage, die darin angestellten Betrachtungen und sehr richtigen Urtheile entsprechen dem Geiste wahrer Wissenschaft und einer vernünftigen militärischen Praxis vollkommen. Wir finden hier eine möglichst umfassende Darstellung aller bei der FeldArtillerie seit 50 Jahren eingetretenen Veränderungen in Bezug auf Material, Organisation und Taktik . Ohne in Details einzugehen, hat sich der Verfasser bemüht, alle jene Gründe gewissenhaft hervorzuheben, welche zu verschiedenen Zeitepochen die Wahl des Feld-Artillerie-Materiales und der Organisition des Personales bei den Heeren Europas bedingt haben und in welcher Weise die jeweiligen Aenderungen vorgenommen wurden : Als die Früchte eingehendster Studien werden alle auf die Verwendung der Feld- Artillerie in sämmtlichen Kriegen des laufenden Jahrhundertes gemachten Beobachtungen erörtert und nachgewiesen , in welcher Weise nach jedem Feldzuge die gesammelten Erfahrungen zu Reformen in der Feld-Artillerie benützt wurden und auf welche Weise die Feld -Artillerie das geworden, was sie heute ist. Fügen wir noch bei, dass der Verfasser an geeigneten Stellen des Inhaltes fast aller Werke der anerkannt besten militärischen Schriftsteller Erwähnung thut, sich in vielen Fragen auf ihre Autorität beruft und viele Stellen daraus durch eigene Bemerkungen geschickt commentirt, und überhaupt in der Quellenangabe von rigorosester Gewissenhaftigkeit ist, so hätten wir in allgemeinen Zügen die Tendenz und den Werth des vorliegenden Werkes gekennzeichnet. Der Inhalt gliedert sich in fünf Abschnitte, von denen der erste die Entwickelung der Feld-Artillerie in dem Zeitraume von 1815 bis 1850, der zweite die Uebergangsperiode von 1850 bis 1860 , der dritte die Zeit von 1860 bis 1866 , der vierte die von 1866 bis 1870 und der fünfte endlich den Krieg 1870-1871 , u . z. die Erfahrungen auf dem Gebiete der Feld- Artillerie und die daraus abzuleitenden Folgerungen umfasst. Wie richtig der Verfasser seine Aufgabe erfasst hat und wie rationell derselbe zu ihrer Lösung geschritten ist, soll eine kurze nähere Betrachtung der einzelnen Abschnitte zeigen. Der erste Abschnitt, die Zeit von 1815 bis 1850 umfassend , enthält sieben Capitel, welche nacheinander die Beschreibung der Feld -Artillerie - Systeme der meisten europäischen Staaten , die Munition , die Wirkung und Beweglichkeit der Systeme, die Lastverhältnisse und Beweglichkeit, die Strömung in den Ansichten über das Verhältniss von Wirkung und Beweglichkeit der Feldgeschütze, die reitende Artillerie , Organisation , Stärkeverhältniss und Ausbildung der Artillerie und schliesslich die Taktik besprechen. Während dieser Zeitperiode bestanden blos glatte Feld- Geschütze und hatte Oesterreich jenes System beibehalten , welches schon im Jahre 1753_durch den Fürsten Liechtenstein eingeführt wurde ; es wurde selbst nach den Erfahrungen der vorangegangenen Kriege für genügend solide, beweglich und wirksam erachtet. Erst im Jahre 1850, als die gesteigerte Wirkung der gezogenen Handfeuerwaffen endlich zu einer Umbildung des Systems zwang, erhielt der damalige

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Oberst Smola den Auftrag, im Vereine mit dem Major Plöchinger ein neues Feldgeschütz-System aufzustellen, woraus sich nach und nach im Artillerie- Comité das sogenannte Projects-Material entwickelte, das jedoch erst später zur Einführung gelangte. Im zweiten Abschnitte, im Zeitraume von 1850 bis 1860 als Uebergangsperiode, werden in dreizehn Capiteln : 1. die Lage der Feld-Artillerie gegenüber der Wirkung der gezogenen Gewehre um das Jahr 1850 ; 2. die Mittel und Wege zur Abhilfe; 3. die Geschosse der Granatkanonen ; 4. die Wirkung und Beweglichkeit der Granatkanonen ; 5. die Ansichten über das Verhältniss von Wirkung und Beweglichkeit ; 6. die reitende Artillerie; 7. die Entwickelung der gezogenen Kanonen ; 8. die preussischen Versuche mit gezogenen Hinterladungsgeschützen ; 9. die Munition der gezogenen Feldgeschütze ; 10. Urtheile über den Werth der gezogenen Geschütze für das Feld ; 11. Betrachtung der eingeführten gezogenen Feldgeschütze in Bezug auf Wirkung und Beweglichkeit ; 12. Organisation, StärkeVerhältniss der Artillerie in der Armee, Ausbildung, Vertheilung in der Ordre de bataille ; 13. die Taktik, besprochen. In diesem Zeitabschnitte machen sämmtliche Artillerien gewaltige Anstrengungen, um ein neues glattes Geschütz zu erlangen, welches geeignet wäre, das Uebergewicht, welches die gezogenen Handfeuerwaffen in sich tragen, zu paralysiren, gleichzeitig bemüht man sich, das Princip gezogener Gewehre auf die Geschütze zu übertragen, in allen Artillerien werden gezogene Geschütze versucht, jedoch, mit Ausnahme von Frankreich, welches im Jahre 1859 gezogene Geschütze ins Feld führte, nirgends definitiv eingeführt. In Oesterreich führte die Nothwendigkeit der Wirkungssteigerung zu Anfang der Fünfziger Jahre zu dem Ersatze der kurzen Haubitzen durch lange, und weiters zur Construction eines erleichterten Zwölfpfünders. Im Jahre 1853 wurde nach dem Vorschlage des Generals Baron Lenk die erste Batterie leichter Zwölfpfünder für Benützung von Schiesswolle construirt, hergestellt. In den nächsten Jahren wurde die Zahl dieser Batterien vermehrt. Im Jahre 1857 kamen daneben Versuche mit gezogenen Geschützen in Gang, waren aber 1859 noch nicht weit gediehen. Nach den üblen Erfahrungen des italienischen Krieges wurden noch im Jahre 1859 Versuche mit gezogenen Vorderladern aufgenommen. Nachdem die Resultate mit den nach französischem System gezogenen Sechs- und Zwölfpfündern nicht befriedigte, entwarf General Baron Lenk sein System, aus gezogenen Vier- und Achtpfündern bestehend und zunächt wieder auf Anwendung von Schiesswolle berechnet. Auf Grund der ersten günstigen Versuchs-Ergebnisse wurde dann die Annahme des gezogenen Systems im weitesten Umfange beschlossen . In dem Zeitraume, welchen der 3. Abschnitt umfasst, und zwar vom Jahre 1860 bis 1866 bemühen sich alle Staaten nach dem Beispiele Frankreichs gezogene Geschütze einzuführen . Der Verfasser bespricht diese Periode in sieben Capiteln, und zwar die Feststellung der Systeme und der Munition, die Wirkung und Beweglichkeit der gezogenen Feldgeschütze, die Ansichten über den Werth, die Wirkung und Beweglichkeit derselben, die reitende Artillerie, Organisation, Stärke-Verhältniss der Artillerie in der Armee, Ausbildung, Vertheilung in der Ordre de bataille und schliesslich die Taktik. In Oesterreich wurden , nachdem im Sommer 1861 die ausschliessliche Bewaffnung der Feldartillerie mit gezogenen Geschützen beschlossen worden war, die Lenk'schen Vierpfünder und Achtpfünder seit Ende des Jahres 1861 bis zum Jahre 1863 in umfassender Weise geprüft. Im Jahre 1863 wurden schon 3 Regimenter mit diesen Geschützen bewaffnet und geschah die vollständige Bewaffnung der ganzen Artillerie bis zum Jahre 1864 in kurzer Zeit mit anerkennenswerther Energie. Dieser Abschnitt entwickelt mit gewissenhafter Treue die immensen Schwierigkeiten, die bei der Schaffung eines neuen Feld-Artillerie-Materiales zu überwinden sind , schildert die rationelle Anlage und Durchführung artilleristischer Versuche und mit welcher Gründlichkeit alle auf das gezogene Feldgeschütz Bezug habenden Fragen geprüft und gelöst wurden. Im 4. Abschnitte, der Zeit von 1866 bis 1870 werden in 8 Capiteln die Entwickelung und Aenderung der Systeme, die Schnellfeuer-Geschütze, die Frage, Bronce oder Gusstahl, die Munition, die Ansichten über die Wirkung der gezogenen Feld-Kanonen und ihren Werth im Allgemeinen

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und die Ansichten über den Werth der gezogenen Feldgeschütze überhaupt, die reitende Artillerie, das Einheitsgeschütz, die Organisation , das Stärkeverhältniss in der Armee, Ausbildung, Vertheilung in der Ordre de Bataille und die Taktik in eingehender Weise besprochen. In dieser Periode erscheinen zum ersten Male gezogene Geschütze in bedeutender Anzahl und in verschiedenen Systemen auf dem Schlachtfelde ; gleichzeitig entsteht der Wettkampf zwischen Bronce und Stahl, zwischen Vorder- und Hinterladung. Interessant sind die Rückblicke auf die Verhältnisse der Artillerien im Kriege 1866, welche diesen Abschnitt einleiten. Dem Resumé der Thatsachen entnehmen wir folgende charakteristische Stellen. Die glatten Geschütze (die preussische Artillerie führte fast 60 Percent gezogene und 40 Percent glatte Geschütze) hatten so gut wie Nichts geleistet, sie waren den gezogenen gegenüber machtlos gewesen und zum Nahkampfe gegen andere Waffen nur in wenigen Fällen gekommen. Auch die gezogenen Geschütze hatten nicht den, allerdings übertriebenen, Erwartungen entsprochen. Vor Allem richteten sich die Angriffe gegen die preussische Artillerie, bevor man sich noch die Mühe gegeben, die Verhältnisse zu studieren, die Ursachen und Umstände zu erforschen, welchen die verschiedenen Erscheinungen auf dem Schlachtfelde zuzuschreiben wären. Nach den Thatsachen sprachen viele Urtheile ihr jedweden Erfolg ab. Wie tief stand sie neben der österreichischen Artillerie , welche bei Königgrätz den Kampf lange allein und mit Erfolg geführt, dann die Verfolgung gehemmt und sich dabei zum grossen Theile geopfert hatte. Seltsam jedoch war es, dass während von der überwiegenden Mehrzahl die Urtheile der Artillerie verdammt, ihr Werth auch für die Zukunft öfter bestritten wurde, die Ueberzeugung lebendig blieb, die Feld-Artillerie werde in den Schlachten der Zukunft wahrscheinlich mehr denn je eine entscheidende Rolle zu spielen berufen sein und sie auch wirklich spielen . Alle diese Verhältnisse werden in dem vierten Abschnitte eingehend und wahrheitsgetreu besprochen, und bedauern wir sehr, bei diesem und dem letzten Abschnitte, welche unstreitig für uns die wichtigsten sind, unserem Drange, näher darauf einzugehen , nicht folgen zu können , glauben aber dieselben unseren Lesern empfehlen zu müssen. Der fünfte und letzte Abschnitt behandelt den Krieg 1870-1871 , die Erfahrungen auf dem Gebiete der Feld-Artillerie und die daraus abzuleitenden Folgerungen. Die Leistungen der Artillerie in Bezug auf Wirkung und Beweglichkeit, die Schussarten, die Wirkung und Beweglichkeit der einzelnen Kaliber und des ganzen Systems, die reitende Artillerie, die taktischen Verhältnisse, Folgerungen und die dadurch bedingten neuesten Bestrebungen der Feld-Artillerie ; endlich ein Rückblick und Schlussbetrachtungen. Dem Werke sind nachstehende wichtige Tabellen beigegeben, welche zum Nachschlagen sehr gute Dienste leisten, u. z.: 1. Angaben über die Artillerie- Systeme von 1815-1850. 2. Die bei den glatten Feldgeschützen erlangten Maximal - Schuss- und Wurfweiten. 3. Treffresultate der französischen Granatkanonen im Vergleich zu denen der übrigen französischen Feldgeschütze. 4. Treffresultate der sächsischen Granatkanone. 5. Treffresultate des preussischen kurzen Zwölfpfünders . 6. Angaben über die Gewichtsverhältnisse der gezogenen Feldgeschütze 1860-1870. 7. Angaben über die Geschosse der gezogenen Feldgeschütze 1860-1870 . 8. Maximal-Schussweiten der gezogenen Geschütze in Metern . Die in einem Anhange ersichtlich gemachte Quellenbenützung gibt Zeugniss von dem enormen Aufwande von Fleiss und Mühe, die der Verfasser beim Herbeischaffen des Materiales verwendete . Der Verfasser hat aber mit sehr vieler Routine aus der umfangreichen Literatur die bezüglichen Thatsachen in bestimmte Gruppen so geschickt zusammengestellt, dass es dem Leser möglich wird , die Fülle des Stoffes leicht beherrschen und sich in den einzelnen Phasen der Entwicklungsgeschichte der Artillerie schnell orientiren zu können . Was die eigenen Ansichten und die zahlreichen gemachten Bemerkungen des Verfassers betrifft, so zeigen sie den sehr gründlichen Artilleristen, der jede

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seiner Behauptungen reiflich durchdacht hat und dessen Betrachtungen auf Erfahrung, bewährte Thatsachen und tiefes Wissen basirt sind . Nicht nur der Artillerie- Officier wird in dem vorliegenden Werke einen reichen Schatz von wissenswerthen Details über Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft der Feld-Artillerie finden, sondern auch den Officieren der anderen Waffen und besonders den höheren Officieren möchten wir das Müller'sche Werk A- r. angelegentlichst empfehlen. Die Entwicklungsgeschichte und Construction sämmtlicher Hinterladergewehre der europäischen Staaten und Nordamerika's. Von F. Hentsch, Hauptmann a. D. 1. Lieferung : Frankreich. Mit einer lithograph. Tafel. Leipzig 1873, Fr. Luckhardt'sche Buchhandlung . 90 kr . Die neuere Literatur der Waffenkunde ist nicht so zahlreich, als dass mar nicht jedes Product freudig begrüssen sollte , welches geeignet erscheint, die auf diesem Gebiete bestehenden empfindlichen Lücken, wenn auch nicht ganz , so doch theilweise auszufüllen. Hiezu hat nicht nur der Waffentechniker, sondern auch der Truppenofficier alle Ursache. Ersterer, welchem es obliegt, an der stetigen Vervollkommnung des Waffenwesens mitzuarbeiten, wird die Mühe desjenigen stets anerkennen, der ihm das zu seinen Studien und Versuchen nothwendige weitverzweigte Material ordnet und in übersichtlicher Weise zur Verfügung stellt : der Truppenofficier wird hingegen um so klarere Ansichten über den Gebrauch der Feuerwaffen gewinnen, je mehr sich sein Wissen in diesem Fache erweitert. je mehr er Vergleiche anstellt. Die vorhandenen Waffenlehren gehen namentlich über die Entwicklungsgeschichte der Handfeuerwaffen zumeist ziemlich flüchtig hinweg, und man kann wenig mehr als allgemeine Begriffe über die stufenweise Ausbildung dieses wichtigsten aller Kriegsmittel denselben entnehmen. Der Hauptmann a. D. F. Hentsch, welcher die Militär- Literatur bereits mit mehreren Werken von anerkanntem Werthe bereichert hat, versucht nun , wie aus der vorliegenden ersten Lieferung seiner neuesten Arbeit hervorgeht, staatenweise die allmälige Entwicklung der von hinten zu ladenden Gewehre von der ältesten bis zur jüngsten Zeit darzustellen, wobei er die zum Zwecke der Vervollkommnung der Handfeuerwaffen angestellten Versuche aufführt und an Hand derselben zeigt, wie nach und nach die Feuerwaffen aus rohen Anfängen bis zur heutigen Vollkommenheit gelangt sind. Das erste Heft beginnt mit Frankreich, was insoferne berechtigt sein mag. als insbesondere von hier aus im gegenwärtigen Jahrhunderte der Anstoss zu Fortschritten in der Einrichtung des kleinen Gewehres ausging, wenngleich zugestanden werden muss, dass die französischen Techniker im Laufe der Jahre von Deutschland, England und Amerika überholt wurden. Die Art und Weise, wie der Verfasser sich das sehr umfassende Material zurecht gelegt und dasselbe zu bearbeiten unternommen hat, lässt, insoweit überhaupt von einer Lieferung auf das Ganze zu folgern ist, hoffen , dass das Werk zu einem gedeihlichen Abschluss gebracht und seinerzeit einen würdigen Platz unter den Unterrichtsmitteln militärischer Bildungsinstitute erhalten werde . Wir werden nicht versäumen , bei dem weiteren Erscheinen dieses Werkes S- z. auf dasselbe zurückzukommen. Statistische Mittheilungen über Elsass - Lothringen . Herausgegeben von dem statistischen Bureau des kaiserlichen Oberpräsidiums in Strassburg. Strassburg 1871. 1. Heft. 20 und 125 Seiten gr. 8. 2 fl. 40 kr. Das 1. Heft bringt nach amtlichen Quellen die Bevölkerung der Gemeinden in Elsass-Lothringen nach der Zählung vom 1. December 1871 (Unter-Elsass 588.947, Ober-Elsass 454,231 , Lothringen 474.316, zusammen 1,517.494 E. CivilBevolkerung und 32.244 M. Militär), - und enthält folgende Rubriken : Namen der Gemeinden , Wohnhäuser, Haushaltungen , Civil-Bevölkerung (männlich, weiblich , Summe) , Militär, Religion (Katholiken, Evangelische, sonstige Christen , Juden) . persönliche Gebrechen Einzelner (blind, taubstumm, blödsinnig, irrsinnig) etc. - A.

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Kritik des Krieges 1870-71. Von Hauptmann W. Tesar. 1., 2. und 3. Heft. 1. Heft : Vom Kriegsbeginne bis einschlüssig 31. Juli . 2. und 3. Heft vom 1. bis 6. August 1870. Mit 3 Skizzen . Lemberg 1873. Druck von F. Dobrzánski und K. Graman. 237 S. Die Originalität, womit der Herr Verfasser eine seinem Werke ungünstige Kritik der „ Vedette " auf dem Umschlag abdrucken liess und so an den Schiedsrichterspruch des Publicums appellirt, beweist, dass es ihm an dem Muthe seiner Meinung nicht gebricht. Diese Eigenschaft ist aber nicht das einzige Erforderniss , um sich an die Kritik eines Feldzuges zu wagen. Den Standpunct seiner Kritik sucht der Herr Verfasser in dem Vorwort klarzustellen . Es ist immer eine missliche Sache, für eine neue Theorie erst eine ganz ungewohnte Terminologie, oder für eine längst feststehende Terminologie ganz neue Definitionen suchen zu wollen. Den Ausdrücken „ Krieg", „ Strategie" und „Taktik" werden gleich auf der ersten Seite Definitionen unterlegt, welche sich wohl der Neuheit aber nicht der Klarheit, Schärfe und Richtigkeit rühmen können. Die Grundidee des ganzen Werkes ist höchst einfach ; sie lässt sich in die Sätze resumiren : Frankreich ist im Stadium des tiefsten Verfalls, Deutschland in jenem des höchsten Aufschwungs, Frankreich ein Abgrund von Verderbniss , Deutschland ein Ideal aller Vollkommenheit ; Frankreich hätte thun können was ihm beliebte, es hätte doch immer unterliegen müssen ; Deutschland konnte gar nicht fehlen, und quand même! dann hätte es erst recht gesiegt ! In dieser Tonart geht das ceterum censeo auf 237 Seiten ohne Unterbrechung fort, denn diese Idee füllt das ganze Buch so vollständig aus , dass daneben für sonstige Gedanken kein Platz übrig bleibt. In 42 grösstentheils sehr kurzen Capiteln , deren je 2 aufeinanderfolgende meistens eine Antithese bilden , werden zuerst die beiderseitigen auf den Krieg Einfluss übenden politischen, socialen und militärischen Verhältnisse, dann die Kriegsvorbereitungen und Kriegspläne, endlich die Operationen bis inclusive des Gefechtes bei Spicheren besprochen. Der Lapidarstyl und die souverän absprechende Weise dieser Besprechungen sind so eigenthümlich, dass eine ernste Kritik dieser „Kritik" ihre Schwierigkeit hat. Was soll man auch dazu sagen, wenn z. B. im Capitel V. „ die deutsche Staatsidee" in 29 Zeilen abgefertigt wird, wenn im Capitel VI unter dem Titel französische Persönlichkeiten " ausser einigen Tiraden gegen Napoleon III . von irgend einer sonstigen Persönlichkeit auch nicht die leiseste Erwähnung vorkömmt ; wenn im Capitel VII die preussischen Persönlichkeiten" auf jene des Kaisers Wilhelm reducirt, sich gar nur mit 10 Zeilen abspeisen lassen müssen. Bei Besprechung der Heeresgliederung und des Feldzugplanes der Franzosen wird die Idee entwickelt, dass dieselben in einem excentrischen Rückzuge nach Lyon, Orleans und Havre ihr Heil hätten suchen sollen ; dass sie es nicht thaten , wird pag. 71 als „Wahnwitz" erklärt. So geht es mit ermüdender Eintönigkeit vom Anfange bis zum Schlusse fort. So wie fast immer, so liegt auch hier dem Wust von Irrthum eine Wahrheit zu Grunde. Dass die Fäulniss im französischen Staatskörper auch die Armee nicht unberührt gelassen und somit einen sehr wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des letzten Krieges geübt hat, ist ebenso begründet, als die Anerkennung für die bewährten Einrichtungen des preussischen Staates und Heeres. Aber es ist eine baroke Uebertreibung, auf der einen Seite nur Schatten , auf der anderen nur Licht sehen zu wollen . Wer sich so weit vergisst, der lässt sein Urtheil vom Herzen , nicht vom Kopfe dictiren, möge er selbes in noch so schwulstige philosophische Phrasen einhüllen. Wer sich die französischen Zustände so ausmalt, wie es in diesem Buche geschehen, der hat Land und Volk nie gesehen, wer den preussischen Zuständen mit solchem Chauvinismus lobsingt, der muss sich von den Preussen selbst, auf ein mitleidiges Achselzucken gefasst machen . Inneren Werth oder belehrenden Nutzen vermögen wir dieser Art von Kritik nicht zuzugestehen. 3 Org. d. Wiener mil.-wissensch. Vereines. VIII. Band, 1874, Bücher-Anzeiger.

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Und dennoch möchten wir nicht über alle Theile der Arbeit ein so unbedingt abfälliges Urtheil aussprechen. Es weht durch das Ganze ein gewisses Rechtsgefühl, welches wir auch dort, wo es in seinen Folgerungen irre geht, gerne anerkennen. Einzelne Capitel, wie z. B. XVII. und XVIII. „Ueber die französische und deutsche Disciplin", dann XXVIII. „ Ueber die Aufgaben des militärischen Geschichtschreibers" und XXIX . Ueber die Aufgaben der militärischen Kritik“ enthalten wahrhaft kernige Gedanken in ansprechendster Form und liefern den Beweis, dass der Herr Verfasser alle Fähigkeiten besitzt, um diesen Misserfolg durch gelungenere Leistungen wett zu machen, wenn er sich einer gewissen verschrobenen einseitigen Richtung. in welcher wir Spuren Schopenhauer'scher Einflüsse zu entdecken glauben entreisst und bemüht, Menschen und Verhältnisse nicht durch die farbigen Brillen einer vorgefassten Meinung, sondern vom Standpuncte der Objectivität und des leidenschaftlosen Strebens nach Wahrheit anzusehen und zu beurtheilen. Uns würde es aufrichtig freuen, diese Erwartung bestätigt zu sehen, und Gelegenheit zu einem günstigeren Urtheile zu finden, als jenes, in welchem wir der „ Vedette " gegen den Herrn Verfasser Recht geben müssen . L. J.

Aus Chiwa. Berichte von Hugo Stumm , Lieutenant im 1. westphälischen Huszaren - Regimente Nr. 8, z. Z. attachirt dem russischen Hauptquartier. Mit 5 colorirten Karten . Berlin 1873. Mittler. II. und 129 S. 2 fl. 40 kr. In Ermangelung eines die Absicht des Autors darlegenden Vorwortes müssen wir, nach der von ihm gewählten Form zu urtheilen , seine Berichte für dienstliche Meldungen ansehen. Als solche müssten sie nun das Gepräge grösstmöglicher Genauigkeit , wenigstens in Beziehung auf jene Verhältnisse des russischen Expeditionscorps tragen , die der Autor persönlich wahrzunehmen und zu beobachten in der Lage und auch berufen war. Diese Genauigkeit vermissen wir aber schon in der Hauptsache, nämlich bei der Angabe des Stärkeverhältnisses der einzelnen russischen Detachements. So beziffert z. B. der Verfasser die Stärke der Mangyschlak'schen Colonne, bei welcher er sich ununterbrochen als militärischer Berichterstatter befand , mit 16 Compagnien , etwas über 4 Sotnjen Kosaken , und übergeht die Anzahl der Geschütze ganz ; die uns vorliegenden amtlichen russischen Berichte dagegen geben den Stand dieser Colonne genau mit 12 Compagnien, 6 Sotnjen, 6 Geschützen und 3 Raketengestellen , im Ganzen mit 2000 Mann und 560 Pferden an. Aehnliche Differenzen ergeben sich bei den Standesangaben über die anderen Detachements, ein Uebelstand , den der Verfasser bei der von ihm besonders hervorgehobenen Zuvorkommenheit der Russen leicht hätte vermeiden können . Was die Schilderung der Gegenden , der Märsche mit ihren ausserordentlichen Drangsalen, und der Gefechte anbelangt, so entrollt darin der Verfasser im Allgemeinen ein anziehendes, treues und farbenreiches . jedoch wie wir meinen , über den Hauptmoment : die Einnahme Chiwas, allzu flüchtig hinweggleitendes Bild vor den Augen des Lesers , bietet aber damit in keiner Hinsicht etwas Neues, zumal diese Darstellung durch nahezu gleichlautende Zeitungsnachrichten überholt worden ist. Für ein eingehendes Studium dagegen entbehrt sie der erforderlichen Gründlichkeit und Tiefe. Das Beste und Willkommenste an dem Werke sind unstreitig die mit vielem Fleisse und mit Sachkenntniss entworfenen und sehr nett ausgeführten Pläne. Hier hätte sich unserer Ansicht nach der Plan IV mit dem Plan I ohne Beeinträchtigung der Deutlichkeit cumuliren lassen ; es wäre dadurch gewiss eine Ermässigung des Preises möglich gewesen, der uns ungeachtet der sehr splendiden äusseren Ausstattung des Werkes zu hoch gegriffen erscheint. Ein Vorzug muss der kleinen Arbeit entschieden zugestanden werden , sie ist in leichter und gefattiger Art geschrieben und abgesehen von den erwähnten sachlichen Bedenken , bietet sie dem Leser jedenfalls sehr interessante Anhaltspuncte zur Orientirung in diesem Feldzuge. Z.

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Ein Cavalerie- Regiment im Aufklärungsdienste vor einem grösseren Heereskörper. Von Rittmeister Förster und Hauptmann Baron Pidoll. Separat - Abdruck aus der österr. Mil . - Zeitschrift . Wien 1873. Seidel. 1 fl. 20 kr. Eine anspruchslose, aber gediegene Arbeit, welche von genauer Kenntniss der Cavalerie und der Organisation , sowie von der richtigen Beurtheilung der Truppe und ihrer Bedürfnisse Zeugniss gibt. Auf alle nothwendigen Details die so häufig im Frieden vernachlässigt und im Kriege vergessen werden geht das Buch ein und bietet gleichzeitig dem Commandanten eines Cavalerie-Regiments ein Bild jener Aufgaben, die ihm vor dem Feinde zufallen können . Besondere Anerkennung verdient die, aus allen Dispositionen erkennbare Absicht, die Truppe - bei voller Ausnützung in ihrem aufreibenden Dienste, möglichst zu schonen. Vielleicht gibt diese verdienstvolle Schrift auch den Aulass zur praktischen Durchführung solcher Uebungen, die trotz ihrer Wichtigkeit im Frieden fast gar nicht ausgeführt worden. Für die 2 Regimenter einer Cavalerie-Brigade z. B., die häufig auf 8-10 Meilen Entfernung von einander dislocirt sind , wären solche Uebungen mit Gegenseitigkeit - wo jedes Regiment den Aufklärungs-Dienst für ein Armee - Corps zu besorgen hätte ein nutzbringender Abschluss der Herbstübungen . Das Buch wird nicht nur allen Cavalerie- Officieren eine interessante und nützliche Lecture und zugleich ein Nachschlagebuch für organisatorische und conceptive Details bei taktischen Themas und Uebungen sein , sondern auch den Officieren der andern Waffen ein Hilfsmittel zur Beurtheilung der LeistungsPy. fähigkeit der Cavalerie im Sicherheitsdienste bieten. Entwurf zu allgemeinen Regeln für die Aufstellung und den Gebrauch grösserer Cavalerie-Abtheilungen . Von E. v. Colomb, GeneralMajor und Commandeur der 12. Cavalerie- Brigade. Neisse 1872. 36 kr. Das nur wenige Blätter enthaltende Heft behandelt in gedrungener Form die Aufstellung und Verwendung einer Cavalerie-Division von 4-6 Regimentern im Gefechte. Was diese Schrift so verdienstvoll macht , ist nicht der Inhalt, nicht die Art der Darstellung, sondern der Zweck derselben . Im meritorischen Theile sind wir sogar auf Seite 13, wo der Herr Verfasser von der „ Attake mit auseinandergehender Linie, ( Schwarm-Attake) spricht, einer Stelle begegnet, die uns, bei dem sonst von so praktischem Sinne zeugenden Inhalte, wie ein Versehen des Verfassers vorkömmt. Er sagt : „ Die Mannschaft muss gewöhnt werden , auch bei dem Zurückgehen in der Carrière noch aufmerksam auf Zuruf und Signal zu sein ;" einverstanden, sie muss aber auch darauf hingeführt werden , dass es nach einem ungünstigen Gefecht zweckmässiger ist, im Trabe zurückzugehen und durch den Gebrauch der Waffen den verfolgenden Feind in Schranken zu halten, als vertheidigungslos davon zu jagen. " Das ist nun eine eigenthümliche Sache. Ist die Cavalerie genöthigt zurückzudann soll dies in der schnellsten Gangart gehen, wie der Verfasser annimmt, geschehen, der sie noch fähig ist, um sich den feindlichen Projectilen oder dem Säbel des Verfolgers zu entziehen, um sich rasch wieder sammeln zu können. Eine geworfene Cavalerie- Abtheilung ist, so lange sie sich im Zurückgehen befindet, faktisch vertheidigungslos ; die Art, wie sie im Trab zurückgehend, von ihren Waffen Gebrauch machen und damit den verfolgenden Feind in Schranken halten soll, ist uns gänzlich unerklärlich. Ein grosses , unbestreitbares Verdienst hat aber der Verfasser . und dieses ist die Frage über die Aufstellung und Verwendung grösserer CavalerieAbtheilungen, nach dem deutsch-französischen Kriege zuerst angeregt und damit den Anlass zu einer weiteren Besprechung derselben geboten zu haben. Die anregende Schrift sei Allen, die sich für diese Frage interessiren Py. bestens empfohlen. 3*

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Die Wehrmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahre 1873. Redigirt und herausgegeben von Jur. et Phil. Dr. Alfred Jurnitschek, kais. Rath, k. k. Landwehr-Oberlieutenant, Commandeur und Ritter h. Orden . Wien. 1873. Unter diesem Titel erschien Ende vorigen Jahres ein Werk, das die Aufmerksamkeit eines grossen Kreises, und zwar mit vollem Rechte, auf sich lenkte. In der Vorrede bespricht der Herausgeber das Ziel, welches er sich setzte : der Armee, den Staatsbürgern und den fremden Mächten Aufschluss zu gewähren über die Wehrmacht des Reiches. In der 13 Abschnitte enthaltenden Einleitung die Wehr-Reform “ wird mit vieler Klarheit der Gang und das Wesen der Armee-Reform , wie dieselbe von Schritt zu Schritt sich entwickelte, veranschaulicht ; die Hindernisse, welche die oberste Armeeleitung zu überwinden hatte, bevor der Bau vollendet wurde werden unparteiisch und ruhig erörtert, mit grossem Verständnisse bearbeitet, und der gesammte umfangreiche Stoff dem Leser vorgeführt. Durch die Sonderung des Stoffes nach den Gesichtspuncten der Organisation, Administration, des Dienstes und der Taktik, ferners durch die consequent durchgeführte Trennung der Wehrverhältnisse im Frieden von jenen des Krieges . -erzielte die Redaction eine vollkommene Uebersicht selbst für Diejenigen , welche mit der militärischen Organisation auch minder vertraut sind . Das Werk zerfällt in 5 Hauptabschnitte : I. Die Wehr-Reform, II. das Wehr-System, III. das k. k. Heer, IV. Sr. Majestät Kriegsmarine, V. Landesvertheidigung. Jeder dieser Hauptabschnitte behandelt, und zwar : I. Die Wehr - Reform : 1. Das Wehr-System, 2. Heeresleitung. 3. Concretualstatus , Inhaberrechte, Beförderung, 4. Truppenkörper, 5. Heeresanstalten, 6. Bewaffnung und Ausrüstung , 7. die Armeen im Felde, 8. Administration , 9. Dienst, 10. Taktik, 11. Marine, 12. Landesvertheidigung , 13. Schlusswort. II. Das Wehr - System : 1. Bestandtheile der österreichisch-ungarischen Kriegsmacht und ihre Bestimmung, 2. Ergänzung des Heeres und der Kriegsmarine, 3. Ergänzung der Landwehr, 4. Allgemeine Erfordernisse zum Eintritte in das stehende Heer, in die Kriegsmarine und Landwehr, und zur Befreiung vom activen Dienste , 5. Beendigung der Dienstzeit, 6. Allgemeine rechtliche Verhältnisse, 7. Ergänzungsbehörden, 8. Territorial -Eintheilung in Ergänzungsangelegenheiten, 9. das HeeresErgänzungsgeschäft . III. Das k. k. Heer : A. Organisation . 1. Militär-Hierarchie, 2. Heeresleitung, 3. Bestandtheile des Heeres, 4. Bewaffnung, Bekleidung, Ausrüstung, 5. die Armee im Felde. 6. Uebersicht der gesammten Land- Streitmacht der österreichisch - ungarischen Monarchie. B. Administration. a . Militär- Oeconomie. 1. Stand des Heeres, 2. Gebührenwesen, 3. Erhaltung des Heeres, 4. Verwaltung, 5. Rechnungs- und Controle-Wesen, 6. Versorgung, 7. Verwaltung des Kriegs-Materiales. b. Militär- Sanitäts-Wesen. C. Dienst. 1. Das Dienst-Reglement, 2. Dienst bei den Armeebehörden. D. Taktik. 1. Individuelle Ausbildung, 2. Formen und Technik der taktischen Körper, 3. Grundsätze der Führung im Gefechte. 4. Dienst im Felde. 5. Ausbildung der Truppen, 6. Transportmittel. IV. Sr. Majestät Kriegsmarine : A. Organisation. 1. Marineleitung. 2. Marinestab, 3. Truppen, 4. Marine anstalten, 5. die Kriegsmarine zur See. 6. Bewaffnung, Bekleidung. Ausrüstung B. Administration. 1. Stand der Kriegsmarine, 2. Erhaltung der Krie marine, 3. Verwaltung des Marinematerials, 4. Rechnungs- und Controle- Wesen C. Dienst. D. Taktik. V. Landesvertheidigung : A. Die Landesvertheidigung in den im Reichsrathe vertretenen Königreich und Ländern. I. Die k. k Landwehr.

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a. Organisation . 1. Behörden, 2. Truppen, 3. Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung. b. Administration. 1. Stand, 2. Gebührenwesen, 3. Erhaltung, 4. Rechnungs- und Controle-Wesen, 5. Versorgungswesen, 6. Justizpflege. c. Dienst. d. Taktik. II. Die Landesvertheidigung in den Ländern Tirol und Vorarlberg. Die k. k. Landesschützen. a. Organisation. 1. Behörden, 2. Truppen, 3. Bekleidung , Bewaffnung und Ausrüstung . b. Administration. c. Dienst und Taktik. b. Der Landsturm . B. Die Landesvertheidigung in den Ländern der ungarischen Krone. Die k. ungarische Landwehr. a. Organisation . 1. Behörden, 2. Truppen, 3. Anstalten, 4. Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung. b. Administration . 1. Stand. 2. Gebührenwesen , 3. Erhaltung, 4. Verwaltung, Rechnungs- und Controle- Wesen , 5. Sanitäts-Wesen , 6. Justiz-Pflege. c. Dienst. d. Taktik. B. Der Landsturm. Diesem schliesst sich ein Nachtrag an, mit den Berichtigungen und Veränderungen während des Druckes. Sehr wünschenswerth wäre es , wenn durch eine billige Ausgabe dieses Werk einem grösseren Leserkreise zugänglich gemacht würde, da es im Buchhandel nicht erschienen ist ; doch dürften mindestens alle Regiments - Bibliotheken dasselbe von der Redaction erhalten haben. Aeusserst anerkennenswerth ist die Zusage, Supplement-Hefte folgen zu lassen und diesen Veröffentlichungen den Charakter eines Jahrbuches für das k. k. Heer" zu verleihen. Wir würden sehr bedauern, wenn diese Absicht nicht ins Leben träte. Ferners halten wir es für unsere Pflicht, die Mitarbeiter, welchen der Herausgeber Dr. Jurnitschek in der Vorrede seinen Dank für ihre Thätigkeit ausnamhaft zu machen. spricht Es sind dies die Herren : Bancalari Gustav, k. k. Hauptmann, Generalstabs-Officier ; Thomas Heinrich, k. k. Militär-Intendant ; Auspitz Leopold, k. k. Hauptmann im Infanterie-Regimente Freiherr von Hess , Nr. 49, zugetheilt dem Generalstabe ; Winkler Anton , k. k. Marine-Commissariats-Adjunct ; Zerbs Anton, k. k. Hauptmann des Armeestandes ; Sterbenz Johann , k. k. Ober-Lieutenant im Artilleriestabe ; Prohaska Gabriel, k. k . Ober-Lieutenant ; Kleinschmidt Franz, Edler von Wilhelmsthal, k. k. Hauptmann, Generalstabs- Officier ; Rieth Rudolf, k. k. Ober- Lieutenant im Infanterie-Regimente König von Hannover, Nr. 42 ; Danzer Alfons, k. k. Lieutenant des Infanterie-Regimentes Grossherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Nr. 64 , commandirt beim Generalstabe ; Kellner Ludwig, k. k. Hauptmann im Infanterie-Regimente Freiherr von Grueber, Nr. 54 ; Mayer Edmund, von . k. k. Hauptmann, Generalstabs- Officier ; Teltscher Bernhard, k. k. Hauptmann im Pionnier- Regimente, zugetheilt dem Generalstabe ; Tomaschek Johann, k. k. Hauptmann im Pionnier-Regimente, zugetheilt dem Generalstabe ; Pundschu Carl, Dr. , k. k. Stabsarzt und endlich V. Katzler, welcher die dem Werke beigegebenen Illustrationen gezeichnet hat. Endlich müssen wir noch der prachtvollen Ausstattung erwähnen und schliessen mit dem Wunsche, dass diese mühevolle Arbeit durch die allgemeine Anerkennung und gerechte Würdigung gelohnt werde. Von dem hier oben besprochenen Werke ist im Buchhandel in einer Separatausgabe erschienen : ,,Die Wehr- Reform in Oesterreich- Ungarn von 1866 bis 1873. " (Verfasser : Hauptmann Bancalari. ) Seidel. 1 fl . 50 kr. Wir können die Idee nur anerkennen , den einleitenden Theil des grossen Werkes in Brochurenform herauszugeben. Wir betrachten diese Brochure : „Die Wehr-Reform " -- von 3 Gesichtspuncten : 1. Sie schildert - alle Details verbannend und nur die markantesten Züge des Neugeschaffenen zu einem übersichtlichen Bilde vereinigend -— den gegenwärtigen Zustand der Wehrmacht. 2. Sie bringt den Process des Werdens mit allen seinen Hindernissen , Störungen und Irrthümern zur Anschauung und verfolgt hiebei mit Uebergehung minder wichtiger Wandlungen die meisten Phasen der organisatorischen Thätigkeit vom Herbste 1866 an.

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3. Sie übt Kritik, sie vergleicht das Gewordene mit den Intentionen und prüft diese nach den Bedürfnissen . Diese 3 Gesichtspuncte mussten dem Verfasser ausgedehnte Studien und die Bewältigung eines grossen Materials auferlegen. Bezüglich des historischen Momentes scheinen demselben sehr werthvolle Quellen zu Gebote gestanden zu sein. Sehen wir nun auch von der Art der Durchführung ganz ab, so müssen wir diese Arbeit was den 1. und 2. Gesichtspunct anbelangt - als eine vollkommen gelungene erklären . Sie ist im Stande, viele bis nun irrige Ansichten zu klären ; durch sie wird so manche Absicht der Heeresleitung in das richtige Licht gestellt. Nicht in gleicher Weise können wir uns mit dem 3. Gesichtspuncte der Kritik einverstanden erklären. Jede Kritik regt unwillkürlich zur Gegenkritik an. Wenn auch die Mängel unserer Organisation in gemässigtem Tone angedeutet worden sind , dagegen das Lob ungeschmälert gespendet wurde, so hätten wir es dennoch vorgezogen, wenn der Verfasser sich nur an die Thatsachen gehalten hätte, ohne Reflexionen daran zu knüpfen ob Lob oder Tadel. Trotz der Hinweisung auf eine Vereinfachung der Infanterie- Organisation auf die Verminderung der Jäger-Bataillone, um sie zu echten Schützen-Bataillonen zu machen der Nachweisung des geringen Standes der Cavalerie der Erwähnung der artilleristischen Bestrebungen , welche das gegenwärtige Material als nicht genügend wirksam erscheinen lassen - der Andeutungen über die ungenügende Anzahl der Beamten der Intendanz gewisser Wünsche in Bezug auf das System der Einjährig-Freiwilligen wurde das Buch zu einem Panegyrikos für die Heeresleitung ; und die schätzenswerthe Arbeit verliert eine der ihr nothwendigsten Eigenschaften, die Objectivität. Im Schlussworte schildert der Verfasser, um auch der Armee den schuldigen Tribut zu zollen, die Schwierigkeiten , welche die Armee seit 1866 in ihrem Entwicklungsgange zu überwinden hatte . Es werden da die widrigen Zustände und Ereignisse aufgezählt, die Beleidigungen und Anfeindungen, die aus dem eigenen Volke gegen die Armee geschleudert wurden , und mit Recht folgert der Verfasser aus der Mässigung, womit die Schmähreden , die Ausschreitungen der Presse, der Schaubühne, ja selbst der Redner-Tribune der Volksvertretungen , von der Armee aufgenommen wurden, auf die Gesinnung und den vorzüglichen Geist dieser Armee, und schliesst mit dem Ausspruche, dass ein Heer in jenem Geiste der Treue und Hingebung an Thron und Vaterland herangebildet, welchen jenes unseres erhabenen Monarchen zu allen Zeiten, und selbst dann zu bethätigen wusste, wenn hiezu auch weniger günstige Bedingungen gegeben waren als heute, um so sicherer den Erfolg verbürgen werde. Wir wünschen dieser Brochure einen ausgebreiteten Leserkreis und können dieselbe Jedermann auf das Wärmste anempfehlen. (67. )

Ausbildung und Besichtigung oder Recrutentrupp und Compagnie . Von A. v. Boguslawski , Major und Bataillons - Commandant im 4. Posen'schen Infanterie - Regimente Nr. 59. Berlin 1873. Mittler. 72 kr. Kurz nach Beendigung des deutsch- französischen Krieges suchte der Verfasser durch seine taktischen Folgerungen aus dem Feldzuge 1870 71 aus den gemachten Erfahrungen den Beweis zu führen, dass die bestehenden taktischen Formen mit den jetzigen Leistungen der Feuerwaffen nicht mehr im Einklange stünden und daher geändert werden müssten. Mit einer Wärme, die uur innere, tiefe Ueberzeugung einflössen kann und daher schon deshalb Vertrauen erweckend ist, wurde er zum Anwalt der zerstreuten Gefechtsart, als der künftig maassgebenden Kampfform . Sein Eifer für die Verwirklichung seiner Anschauungen verleitete ihn zu mancher unabsichtlichen ' ebertreibung, im grossen Ganzen blieb er aber auf dem Boden der Erfahrung und der daraus zu ziehenden Nutzanwendungen und gewann dadurch viele Anhänger, die zahlreichsten vielleicht bei uns. Sein Werk gehört in Oesterreich zu den sehr geschätzten, wird vielfach verwerthet und hat auch in diesen Blättern eine gründliche Besprechung erfahren . Der wohl begründete Ruf des Verfassers war uns daher Bürge, dass auch die vorliegende Schrift viel Belehrendes und Nützliches bringen würde und unsere Erwartung wurde nicht getäuscht.

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Die Aufschrift dieser Arbeit beweist, dass es dem Verfasser darum zu thun war, die in seinen taktischen Folgerungen aufgestellten Grundsätze schon bei der ersten Ausbildung des Soldaten zur Anwendung zu bringen und dadurch jene Uebereinstimmung der Vorschriften zu erzielen, die unbedingt erforderlich ist, um die Soldaten in kürzester Zeit vollkommen kriegsgeübt zu machen. Der Inhalt der vorliegenden Schrift beschäftigt sich mit der in Preussen in Kraft stehenden Vorschrift über die Recruten - Ausbildung und weist vor Allem nach, dass dieselbe der zerstreuten Fechtart eine viel zu geringe Aufmerksamkeit widme. Der Verfasser wünscht daher, dass dieser Kampfform das Hauptgewicht zuerkannt und dieselbe vom ersten Tage der Recruten-Ausbildung durch die ganze Dauer des Unterrichts gelehrt und geübt werde. Es verdient hervorgehoben zu werden , wie sich der Verfasser darüber ausdrückt : „ Die Kampfesform (zerstreute Fechtart) , in der wir unsere Schlachten schlagen, kann's beanspruchen, dass ihr auch schon in der ersten AusbildungsPeriode immer die ersten Plätze eingeräumt, dass sie nicht während dieser Zeit als Aschenbrödel behandelt werde, der eben gerade noch ein Platz im Winkel vergöunt und da so beiläufig ein Blick geschenkt wird. " Ueber die Zweckmässigkeit der Ertheilung des Unterrichtes in der zerstreuten Fechtart vom Beginne der Recruten -Ausbildung an, mag die Meinung eine getheilte sein, Jeder aber wird zustimmen müssen, dass der Unterricht nach dieser Richtung eine Erweiterung erfahren muss , um den Soldaten beweglich, gewandt und selbstständig zu machen. Zur Förderung dieses Zweckes wird auch häufigeren Uebungen im Turnen, Bajonnetfechten und Distanzschätzen mit Recht das Wort geredet. In ausführlicher Weise sind die Ansichten, wie die Ausbildung der Recruten durchgeführt werden sollte, dargelegt. In diesen Vorschlägen erkennt man den praktischen, denkenden Officier, der von dem Streben geleitet ist, hiezu die einfachsten Mittel zu finden , und seine eigenen Erfahrungen auf jüngere Cameraden nutzbringend zu übertragen. In einer Art Instruction über das Ernstgefecht war der Verfasser bemüht, in 27 Puncten die Verhaltungen des Soldaten in einer für diesen verständlichen Weise zusammenzustellen . Wenn eine derlei Instruction der Natur der Sache nach auch stets unvollkommen bleiben muss, so hat sich von Boguslawski durch deren Zusammenstellung doch ein Verdienst erworben ; bleibenden Werth könnte dieser Leitfaden bei entsprechender Ergänzung jedoch erst dann erlangen, wenn er zum Gegenstande wiederkehrenden Unterrichtes gemacht und zu einer Art Gefechts-Katechismus erhoben würde. Beherzigenswerthe Bemerkungen enthält die Schrift auch über die Ertheilung des Unterrichtes der Taktik an Unterofficiere, ferner über die Verbreitung der vaterländischen und der Regiments - Geschichte zur Weckung und Pflege des guten Geistes in der Armee, endlich über die möglichste Beseitigung der Fremdwörter. Bezüglich des letzteren Wunsches hätten wir es gerne gesehen, wenn der Verfasser selbst hiezu das gute Beispiel gegeben hätte. Was wir hier über den Inhalt der Schrift gesagt, lässt erkennen, dass sie viel des Guten enthält und obwohl preussischen Verhältnissen angepasst, können wir sie auch den österreichischen Officieren wärmstens empfehlen, denn sie werden darin viele praktische Winke und Rathschläge finden, die auch bei uns mit grossem Erfolge verwerthet werden könnten. Es macht uns aber besondere Freude, zu constatiren, dass die Grund-Ideen dieser vorzüglichen Arbeit in Oesterreich schon längere Zeit durch die Instruction für die Truppen-Uebungen zur Geltung gelangt sind. Mit Befriedigung müssen wir noch hervorheben, dass der Verfasser das in den taktischen Folgerungen über das Salvenfeuer ausgesprochene Verdammungs-Urtheil nun in soweit abgeschwächt hat, dass er dieser Feuerart in der geschlossenen Formation und gegen Cavalerie eine gewisse Berechtigung einräumt. Sein ursprüngliches Urtheil hatte bei uns viele Vertheidiger gefunden und es bedurfte des entschiedenen Einflusses von maassgebendster Seite, dass das Salvenfeuer heute noch reglementmässig zur Anwendung kommt. Schliesslich möge es uns noch vergönnt sein, an diese Besprechung einen Wunsch zu knüpfen , den wir schon seit langer Zeit hegen : Die Recruten- Ausbildung wird bei uns als eine rein innere Angelegenheit der Truppenkörper betrachtet, viele höhere Commandanten scheuen sich daher,

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darauf irgend einen Einfluss zu üben und meiden aus diesem Grunde jede Besichtigung der Recruten-Abtheilungen. Die Ausbildung der Recruten als die Grundlage der künftigen Kriegstüchtigkeit der Soldaten erheischt aber gerade eine sorgfältige Ueberwachung selbst seitens der höchstgestellten Generale, um sich von einer richtigen und einheitlichen Leitung derselben persönlich Ueberzeugung zu verschaffen . Besonders verdienstvolle Officiere und Unterofficiere werden dann auch öffentliche Anerkennung innerhalb des ganzen Generalats oder selbst durch das Reichs-Kriegs-Ministerium erhalten können , und damit würde eine bisher nicht geübte Ermunterung zu gegenseitigem Wetteifer gegeben werden, welche der kriegsgemässen Ausbildung der Armee in hohem Grade förderlich sein dürfte. T. Grundsätze für die Behandlung des theoretischen Dienst-Unterrichtes nach den Anforderungen der heutigen Zeit. Von v. Wussow, kgl. preuss. Lieutenant. Berlin 1874. Mittler. 48 kr. Das Büchlein enthält in kurzer und präciser Fassung Ideen über die Principien des theoretischen Unterrichts des Soldaten. Wir wünschten, dass es viel , dass es überall gelesen werde. Es ist eine ganz vorzügliche kleine Arbeit. Man wäre versucht, statt einer Besprechung nur einzelne Stellen aus demselben zu citiren, besser als durch sich selbst lässt sich das Büchlein nicht empfehlen. Der Verfasser legt das Hauptgewicht des theoretischen Unterrichtes in die moralische Erziehung des Mannes. Sehr richtig betont er, dass die dreijährige Dienstzeit vollkommen hinreiche, um die speciell militärischen Geschicklichkeiten dem Soldaten beizubringen . dass sie aber die wohlüberlegteste Methode fordert, um ihm den festen moralischen Halt zu gewähren , dessen er bedarf. Nicht genügend ist es daher, in herkömmlicher, gewohnheitsmässiger Art Instructionen und Reglements in der Mannschaftsschule vorzutragen, und ihre Erlernung als das Ziel des Unterrichtes zu betrachten. Treffend sagt Wussow : „ Der moralische Werth der Heere ist entscheidender für das Geschick der Völker, als ihre Taktik und Bewaffnung.“ Wenn, wie dies da und dort geschieht, es System geworden, das ganze Gewicht einer Neu- Organisation in die materiellen Factoren derselben zu legen, und dabei förmlich von dem altererbten Capital des guten Geistes und der Moral zu zehren, klingt ein solches Wort wie ein Mahnruf. Der geistige Hebel, den die Aufgabe der moralischen Erziehung fordert, ist der Patriotismus, der nicht gewaltsam, nicht überstürzend dem Soldaten aufgedrängt werden soll, der ihm aber aus Allem entgegenleuchtet, was er von seinen Lehrern hört und sieht, der sich langsam, aber unwiderstehlich seines Herzens bemächtigt, der endlich den wackern und braven Soldaten heimkehren lässt als einen treuen, loyalen Bürger, dessen Stolz es ist, so zu denken. Solcher Stolz aber wird sich verpflanzen auf die nächste Generation, und es wird nicht das Vorrecht einzelner Staaten zu bleiben brauchen, dass es ein Gegenstand ehrgeizigen Strebens der Jugend des Landes ist, das Waffenkleid zu tragen, ein bürgerlicher Makel aber, es nicht getragen zu haben. "7 Unsere Armee" , sagt v. Wussow, „ besteht als Volksheer aus den heterogensten Elementen rücksichtlich des Bildungsgrades und der Lebensanschauungen, und so werden dieselben auch in der Instructionsabtheilung des Officiers vertreten sein. Da steht der Student der Philosophie neben dem ungebildeten Knecht, der kaum den Namen des Staates kennt, welchem er angehört ; dort der Sohn des Landmannes neben dem vom socialistischen Geiste sehr stark inficirten Fabrikarbeiter aus der grossen Stadt. In welcher Sprache soll der Officier zu diesen verschiedenen Geistern reden, um sich allen verständlich zu machen, um auf die Herzen Aller zu wirken ? Eben weil es sich hier darum handelt, Herzen zu bilden, wird es die Sprache seines patriotischen Herzens sein, welche er hier reden muss. Diese Sprache wird von Allen verstanden werden ; der Philosoph wird es nicht wagen, sie im Stillen zu bekritteln , dem Socialisten wird sie nicht klingen, wie Hohn, der Bauer wird sie begreifen, der rohe Knecht sie ahnen. Es kommt hier nicht darauf an, gelehrte Abhandlungen zu halten über Treue, Vaterlandsliebe, Tapferkeit u. s. w. Sie würden im Gegentheil bei der Mehrzahl vollkommen den Zweck verfehlen. "

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Dieser Auffassung ist nichts beizufügen. Sie wirkt überzeugend. Das Studium der Denk- und Anschauungsweise des einzelnen Soldaten als Basis, die Erwerbung echter Krieger- und Bürgertugend als Ziel, das gibt der militärischen Erziehung Form und Richtung . Der Verfasser fügt einige interessante und richtige Bemerkungen über den Werth des Unterrichtes durch die Unterofficiere bei deren heutigen Eigenschaften und eine kurze Betrachtung über die Nothwendigkeit, den Soldaten auf die Erscheinungen des Ernstgefechtes vorzubereiten , bei , denen wir vollinhaltlich beistimmen. Viele kleine Schriften jüngerer preussischer Officiere sind uns im Laufe der letzten Jahre in die Hand gekommen. Vom rein militärischen Standpuncte aus müssen wir bei allen diesen Arbeiten und so auch anlässlich der Brochure Wussow's erneuert und mit Freude den für jeden Soldaten so wohlthuenden und sympathischen Eindruck betonen, den die dienstfreudige , echt soldatische W. Denkart dieser Officiere auf den Leser macht. Studien über das Kriegsspiel . Von Meckel , Premier-Lieutenant à la suite des 2. hessischen Infanterie-Regiments Nr. 82 , Lehrer an der Kriegsschule zu Hannover. 72 kr. Der Herr Verfasser, ein eifriger Freund und Förderer des Kriegsspieles , der nicht nur von dessen grossem Nutzen überzeugt, sondern auch mit den Mängeln der bisherigen Methode in der Uebung desselben vertraut ist, beabsichtigt, wie er im Vorwort" sagt , durch diese Studie vorläufig die allgemeinen Gesichtspuncte für eine neue Anleitung zum Kriegsspiele niederzulegen und dem Urtheile des militärischen Publikums zu unterwerfen. " Der erste Theil der Studie bespricht die Bedeutung des Kriegsspieles für die geistige Ausbildung der Officiere als Truppenführer, indem in den einzelnen Abschnitten hervorgehoben wird , wie dasselbe die Mittel bietet, durch die Vorführung der verschiedensten Gefechtsbilder das Ineinandergreifen der drei Waffen zur Anschauung zu bringen, wie die rationelle Uebung desselben zugleich eine Uebung in der Kunst des Befehlens, im Auffassen von Befehlen , in der Unterordnung der eigenen Ansicht unter die des Unparteiischen oder des Ober-Commandanten ist, wie ferner alle Gebiete der Taktik, der niederen und höheren (ja selbst die der Strategie) hier ihre Anwendung finden , und demnach besonders für den jüngeren Officier ein weites Feld der Belehrung und Uebung geboten wird, und wir können dem Herrn Verfasser nur vollkommen beistimmen, wenn er zum Schlusse dieses Theiles sagt „dass das Kriegsspiel berufen ist, in Zukunft eines der wichtigsten Bildungsmittel des Officiers, besonders in der Truppe zu werden". Der erste Theil enthält demnach, wenn auch nichts Neues, so doch viel Bemerkenswerthes und kann Jedermann, selbst jenen , welchen das Kriegsspiel vollkommen unbekannt ist, als lesenswerth bestens empfohlen werden, um vielleicht hiedurch wenigstens aus Neugierde demselben einige Aufmerksamkeit zu widmen. Der zweite Theil , „die bisherigen Schwächen des Kriegsspieles und die Mittel seiner Vervollkommnung" , setzt ein vollkommenes Vertrautsein mit dem Spiele und der hiebei bisher vorherrschend in Anwendung gewesenen Regeln voraus. Die Mängel derselben wurden wohl von jedem gefühlt , der Gelegenheit hatte, öfter als „ Unparteiischer“ zu fungiren . In unseren Kreisen wurden diese Mängel dadurch eliminirt, dass dem Vertrauten für seine Entscheidungen ein grösserer Spielraum eingeräumt wurde , als ihm den Regeln nach zukommt, und dass bezüglich der Entscheidungen über das Feuergefecht bereits nach neugebildeten und auf die Erfahrungen der letzten Kriege basirten Regeln vorgegangen wurde, die im Wesentlichen mit den vom Herrn Verfasser angeführten Gesichtspuncten harmoniren. Nachdem in besonderen Abschnitten noch die verschiedenen Arten des Kriegsspieles" und Andeutungen über technische Vervollkommnungen des Kriegsspiel- Apparates " (bezieht sich meist auf detaillirtere Ausführung der Pläne) erwähnt werden, spricht das Schlusswort die Hoffnung aus, es werde die Zukunft des Kriegsspieles darin bestehen, dass es officiell als dienstliches Bildungsmittel des Officiers in die Armee eingeführt werde. Die Studie wird allen Mr. Freunden des Kriegsspieles wärmstens anempfohlen.

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Kriegsspiel. Jeu de la guerre. Guide des opérations tactiques exécutées sur la carte par A. Petre , capitaine au régiment des carabiniers. Bruxelles, C. Muquardt. 75 kr. Die unter diesem Titel im Jahre 1872 in Brüssel erschienene Brochure hat den Zweck, die Officiere der belgischen Armee mit dem Wesen des Kriegsspieles vertraut zu machen. Der Verfasser hebt in der Einleitung den mit einer rationellen Uebung des Spieles verbundenen Nutzen hervor, und führt in den folgenden Abschnitten in übersichtlicher und kurzgefasster Weise die bisher in unserer und den deutschen Armeen vorherrschend in Anwendung befindlichen Regeln an. Für die Freunde des Kriegsspieles ist die Brochure ein neuer Beweis, dass sich dasselbe in immer weitern Kreisen Bahn bricht, für jene die demselben bisher fremd blieben, möge es ein neuer Fingerzeig sein, dass die Gleichgiltigkeit gegen diesen Lehrbehelf doch nicht so ganz zu rechtfertigen sein werde. Mr. Leitfaden zum Unterrichte in der Feldbefestigung. Als Lehrbehelf für die k. k. Militär- Bildungsanstalten, k. k. Cadeten - Schulen, dann für Einjährig - Freiwillige, bearbeitet von Moriz Brunner, k. k . Hauptmann im Genie - Stabe. 2. Lieferung, 1. und 2. Heft. Mit 9 Tafeln in Folio. Wien 1873. Verlag der Redaction der Oesterreichischen militärischen Zeitschrift. 8. 208 S. 2 fl. 50 kr. Schon bei der Besprechung der 1. Lieferung dieses vom k. k. Reichskriegsministerium als „Lehrbehelf" für unsere Militär- Bildungs- Anstalten angenommenen Werkes 1 ) wurde der gute Ruf des Autors als Fortificateur und Militär- Schriftsteller betont und der weitgehende, durchaus praktische und zeitgemässe Plan dieses Leitfaden " dargelegt. Mit der vorliegenden 2. Lieferung ist derselbe nun vollendet und damit dem militärischen Lesepublikum ein Werk über Feldbefestigung in die Hand gegeben , das an Reichhaltigkeit und Vollständigkeit alle neueren Lehrbücher dieser Art übertrifft und in jeder Beziehung die hochgespannten Erwartungen erfüllt , welche bereits beim Erscheinen der I. Lieferung an dasselbe geknüpft wurden . Vom technischen Theil der Lehre, von der Feldbefestigung wird in dieser Lieferung zuerst noch der Entwurf, der Bau und das Defilement der Feldbefestigungen in allgemein verständlicher und in so weit dies dem Zwecke des Werkes entspricht in einer den Gegenstand vollkommen erschöpfenden Weise nachgetragen. Die taktischen Grundsätze der Neuzeit werden dabei, sowohl was die Bestimmuug der entsprechendsten Grundriss-Formen, als die Herstellung von gedeckten Räumen gegen die verheerenden Wirkungen der modernen Feuerwaffen anbelangt, eingehend berücksichtigt. Als Beispiele der im Kriege wahrscheinlich am häufigsten vorkommenden Befestigungsformen sind die Normalien für die k. k. Genie-Truppe detaillirt angeführt. Die Anordnung von Befestigungen , wenn Anhöhen vorliegen, (das Defilement), erscheint in einer sehr kurzen und bündigen Bearbeitung nach dem verstorbenen Obersten des Genie- Stabes A. Ritter von Tunkler, welcher gerade in diesem Fache als bedeutende Autorität gegolten. 4 correct ausgeführte, 68 Figuren enthaltende lithographirte Tafeln befördern das Verständniss dieses auch für den Nicht-Techniker immerhin wichtigen Abschnittes der Feldbefestigungskunst . Bei Weitem den grösseren Theil der vorliegenden Schluss- Lieferung des Brunner'schen Werkes füllt jedoch in 4 Abschnitten der II. taktische Theil der Anordnung von Feldbefestigungen aus. Derselbe berührt zuerst den Einfluss der Höhen auf die Feuerwirkung und Beweglichkeit der Truppen , die Definition von taktisch wichtigen Puncten der zu besetzenden Höhen mit Berücksichtigung der Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Waffen, und geht hierauf zur eigentlichen Anordnung der Schanzen, Batterien u. s. w. auf Höhen, sowohl im Allgemeinen als in speciellen Fällen über. Es folgt sodann die Lehre von der Anwendung der Feldbefestigungen im Kriege, die Herrichtung von Ortschaften und 1 ) Siehe Bücher-Anzeiger des Organ des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines, VI. Band , Seite XXIV u. f.

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Wäldern zur nachhaltigen Vertheidigung, die Befestigung der Schlachtfelder, endlich die fortificatorische Vorbereitung von Kriegsschauplätzen zum Zwecke der strategischen Sicherung der eigenen Armee- Operationen. Den Schluss dieses Theiles bildet die Lehre vom Angriff und von der Vertheidigung der Feldverschanzungen und befestigten Oertlichkeiten, in eben derselben gründlichen und eingehenden Weise behandelt und den Bedürfnissen eines weiten militärischen Leserkreises angepasst. Als gleichfalls sehr interessant, und in dieser Art ganz neu, müssen wir aber noch den 11. Abschnitt über die Verwendung der technischen Truppen im Kriege, ferner den Anhang über die Demolirungs-Minen im Felde hervorheben , worin nicht nur die gegenwärtig bestehende Sprengmunitions-Ausrüstung der k. k. Armee, sondern auch in grossen Zügen das Verfahren angegeben wird, wie Palissaden, Eisenbahnen , Brücken etc. mittelst Pulver oder Dynamit zerstört werden können. Bezüglich der anderen im Anfange befindlichen Zusammenstellungen wichtiger Daten' für die Feldbefestigung auf das Buch selbst verweisend , schliessen wir dessen flüchtige Inhalts- Angabe noch mit der Erwähnung der äusserst lehrreichen Beispiele von Manövrir-Brückenköpfen und der Befestigung einer taktischen Aufstellung, die am Schlusse des Werkes insoweit durchgeführt werden, um einen klaren Einblick in das Wesen derselben und in die dabei zu treffenden DetailVerfügungen über die Truppen und technischen Kräfte zu erlangen. Den zuletzt angeführten Abschnitten sammt Anhange sind weitere 5 Tafeln mit zusammen 55 schönen Figuren beigefügt. Die Sachkenntniss und die Gründlichkeit, mit welchen Hauptmann Brunner bei Verfassung seines auf den besten Quellen basirten Werkes vorgegangen ist, sind wohl über alles Lob erhaben. Möge ihm auch die Befriedigung zu Theil werden, diese Furcht mühevoller Arbeit bald in weitesten militärischen Kreisen eingebürgert und gewürdigt zu sehen . Als vorzüglicher Lehrbehelf und verlässlicher Rathgeber ist dieses Buch Jedermann bestens zu empfehlen , der sich in Feldbefestigungs-Fragen sowohl in technischer als taktischer Beziehung eingehend zu S. belehren wünscht. Leitfaden zum Unterrichte in der Heeres-Organisation für k. k. Cadeten - Schulen, Reserve- und Landwehr- Officiers - Aspiranten. Bearbeitet von Eduard Seling , k. k. Oberlieutenant im FM. Baron Hess 49. Linien - Infanterie- Regiment, Lehrer an der Wiener Cadetenschule. Mit 3 Tafeln . Wien 1874. Seidel. 1 f. 80 kr. Dieser Leitfaden, welcher zunächst zum Unterrichte in der Heeres- Organisation für die Frequentanten der k. k. Cadeten - Schulen , dann zum Studium für Officiers - Aspiranten bestimmt ist, enthält in den ersten 8 Theilen alle auf die Armee- Organisation der österr.-ungar. Monarchie Bezug nehmenden Gesetzes- und die im Verordnungsblatte des k. k. Heeres veröffentlichten organischen Bestimmungen, behandelt sodann im 9. Theile die Armee im Felde und im 10. Theile die im Heeres-Verbande stehenden, jedoch nicht aus dem Budget für das k. k . Heer erhaltenen militärisch organisirten Körper. Die Gliederung des Stoffes ist sehr übersichtlich gehalten und im 1. Theile als Voreinleitung eine Darstellung der Heeres-Ergänzung gegeben, wodurch dieses Buch gegenüber den ähnlichen kleineren Werken sich auszeichnet. Hie und da, wo der anfänglich bestimmte Rahmen dieses Buches „ als Lehrkönnen wir uns mit behelf für die k. k. Cadeten- Schulen " überschritten wird, den gemachten Zusätzen nur einverstanden erklären und diese Zusätze als der ganzen Arbeit entsprechend bezeichnen . zwei Der Herr Verfasser hat, wie er es in dem Vorworte auch erklärt, anerkannt vorzügliche Werke : „Kriegsmacht Oesterreichs" und „ Obauer's und Guttenberg's Train-, Communications- und Verpflegswesen vom operativen Standpunct" bei der Bearbeitung benützt. Das ganze Buch ist nicht allein ein seinem Zwecke entsprechender , sehr richtig bearbeiteter Lehrbehelf, sondern kann auch, da es über alle Einrichals gut tungen des österr. -ung. Heeres -Wesens verlässliche Aufschlüsse gibt, K. brauchbares Handbuch allgemein empfohlen werden .

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Die astronomisch-geodätischen Arbeiten des k. k. militär-geographischen Institutes in Wien . II. Bd . Enthaltend : Die Grundlinie von Sinj und das Dreiecksnetz in Dalmatien, dann die Verbindung desselben mit den italienischen Dreiecken in Apulien quer über das Adriatische Meer. Ausgeführt und herausgegeben durch die Triangulirungs - Calcul - Abtheilung des obgenannten Institutes. Wien. 1873. 5 fl. Der vorliegende, für Geodäten sehr interessante Band schliesst an die im ersten Bande veröffentlichten Arbeiten nicht unmittelbar an, welcher Umstand in der Vorrede entsprechend motivirt wird , während beide Bände ein sehr schätzbares Material für die europäische Gradmessung abgeben und das wissenschaftliche Publicum mit den geodätischen Arbeiten des k. k. geographischen Institutes bekannt machen. Der 1. Abschnitt des vorliegenden zweiten Bandes enthält die Messung der Grundlinie (bei Sinj ) und zeigt, dass trotz der grossen localen und meteorologischen Hindernisse diese Messung als vollkommen gelungen angesehen werden kann, wenn auch die genauen Bestimmungen der wahren Länge der Messstangen und der Ausdehnungs- Coëfficienten bis zur Zeit der Publication noch nicht vorgenommen wurden. Während die Doppelmessungen der dreitheiligen Basis eine durchschnittliche Differenz von 0°.001172 ( ohne Berücksichtigung des Zeichens) geben, resultirt aus der Combination der ganzen Doppelmessung nur eine Differenz von 0.000215. Der 2. Abschnitt behandelt das Dreiecksnetz, bespricht die Dreieckspuncte und ihre Sichtbarmachung, behandelt die verwendeten Instrumente, insbesondere einen von G. Starke in Wien construirten Heliotropen, welcher sich bei den unvermeidlichen langen Dreiecksseiten (bis 18 Meilen ) vollkommen bewährt hat. §. 6 dieses Abschnittes enthält allgemein interessante Wahrnehmungen über Refractions- und Vibrations-Erscheinungen. Der 3. Abschnitt enthält die Winkelbeobachtungen und der 4. die Ausgleichung des Dreiecksnetzes, aus welch' letzterer hervorgeht, dass der mittlere Fehler der Winkelmessungen den zehntausendsten Theil eines Grades nur wenig überschreitet. Der 5. Abschnitt endlich enthält die Berechnung der Entfernen der Dreieckspuncte untereinander und die topographischen Beschreibungen der Pucte. Das Buch, in der k. k. Hof- und Staatsdruckerei sehr deutlich und schön gedruckt, enthält als Beilagen : Tafel I. Umgebung der Basis bei Sinj im Maasse 1 : 28800. Tafel II. Die Markirung der Basispuncte im Maasse 1 : 20 und die Zeichnung des bei den grössten Dreiecksseiten benützten Heliotropen im Maasse 1 : 6. Tafel III den Uebersichtsplan des Dreiecksnetzes im Maasse 1 : 576000. J. W. Lehrbuch der Geometrie mit Einschluss der Coordinaten -Theorie und der Kegelschnitte. Zum Gebrauch bei den Vorträgen an der vereinigten Artillerie- und Ingenieur- Schule und zum Selbstunterrichte bearbeitet von Dr. K. H. M. Aschenborn, weiland Professor am Berliner Cadetenhause, Lehrer und Mitglied der Studien-Commission der vereinigten Artillerie- und Ingenieur- Schule . Erster Abschnitt : Die ebene Geometrie. Zweite unveränderte Auflage. Berlin 1873. R. v. Decker. 4 fl . 8 kr. Der in der Vorrede bestimmt angegebene Zweck des Buches, für die Vorträge an der königlichen vereinigten Artillerie- und Ingenieur- Schule zu dienen, gibt den Massstab für die Beurtheilung an die Hand. Anbindend an des Verfassers Lehrbuch der Arithmetik, setzt das vorliegende Werk einerseits gründliche Kenntnisse der Arithmetik, Algebra und der niederen Analysis voraus und bahnt anderseits das leichtere Verständniss der höheren Mathematik durch die angewendete Methode an. In diesem Sinne, als ein Glied der Kette mathematischer Lehrbehelfe, verdient das Werk alle Anerkennung , die Begriffsbestimmung ist präcis und leicht fasslich, die Lehrsätze und

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Gesetze sind einfach entwickelt, die Beweise sind auf dem kürzesten Wege durchgeführt, endlich ist die Anwendung des Erlernten durch einen reichen Schatz von Aufgaben, deren Lösung keine übertriebenen Anforderungen an den Schüler stellt, deutlich gemacht, so dass das Buch sowohl für den Selbstunterricht als auch für Lehrer der Geometrie, wenn selbe auch nach einem anderen Lehrbuche vortragen , sehr anempfohlen werden kann. Weniger wird auf die unmittelbare Anschauung eingewirkt und der Sinn für Raumgrössen auch nicht besonders entwickelt, welcher Umstand dadurch an Bedeutung verliert, dass die Geometrie im Buche nicht als selbstständige Disciplin behandelt wird , welche die mathematischen Studien abschliessend, den möglich allgemeinsten Nutzen für das praktische Leben bringen soll. Die allgemeine Gediegenheit und die grossen Vorzüge des Buches anerkennend, wollen wir doch auch auf einige kleine Mängel aufmerksam machen . §. 28. Bei Gesetz IV und V erschiene es uns zweckmässig, je noch eine Figur einzuschalten, welche die Richtigkeit des Gesetzes auch für stumpfwinklige Dreiecke ersichtlich macht, oder wäre wenigstens in einer Anmerkung diese Construction dem Schüler anzuempfehlen. §. 29. Gesetz II ist unklar, das Wort „ so " der ersten Zeile, wahrscheinlich durch Versehen eingeschaltet, stört den Sinn. §. 59. Sind die Buchstaben der Figur verschrieben. Endlich wird stellenweise, wie z. B. Seite 165 das Wort Raum für Fläche J. W. angewendet. Beschreibung graphischer und plastischer Lehrbehelfe für Terrainkunde und Geographie. Von Josef Barkovic , k . k. Oberlieutenant. Wien 1873. Seidel. 29 S. 50 kr. In der vorliegenden Brochure bespricht der Verfasser den grossen Nutzen´ plastischer Terrain- Darstellungen für den Unterricht im Kartenlesen , in der Terrainlehre, in der Aufnahme und Terrain-Darstellung , in der Geographie und Taktik. Der Beweis, dass besonders für die Ausbildung der auf allgemeine Wehrpflicht basirten Armee solche, den Anschauungsunterricht vermittelnde Behelfe sehr nothwendig sind, ist überzeugend durchgeführt. Das Streben des Verfassers, dem vielfach gefühlten Bedürfnisse gerecht zu werden, und den plastischen Lehrbehelfen in allen Schulen, besonders aber in den Bildungsanstalten der k. k. Armee allgemeine Anwendung zu sichern, können wir nur billigen, doch können wir anderseits der Ansicht nicht beipflichten, dass die um das 3 ja 6fache gegen die Horizontal-Dimensionen überhaltenen Höhen ohne Nachtheil für die Vorstellung bleiben würden, indem jedenfalls ein schon entwickeltes Vorstellungsvermögen nothwendig ist, die unwahr gegebenen Ueberhöhungen und die für jede Gradation nach einem anderen Verhältnisse gefälschten Neigungswinkel auf ihren richtigen Werth zurückzuführen . (Siehe VI. Band, 3. Heft, Seite 165 , 166 VII. Band, 3. und 4. Heft, Seite 159. J. W. Örgan des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins . ) Gesundheitspflege für das deutsche Heer. Vorträge für Officiere von Dr. Adolf Boehme , Stabs- und Bataillons - Arzt des FüsilierBataillons Holstein : Infanterie- Regiment Nr. 85. Berlin 1873. XII und 219 S. 2 fl. 70 kr. Die medicinische Polizei, die erst gegen Ende des vorigen Jahrhundertes durch den berühmten klinischen Lehrer in Wien , Peter Frank, ihre wissenschaftliche Begründung erhielt, hat durch die grossen Fortschritte der Naturwissenschaften, sowie durch die Entwicklung der politischen und Rechts - Verhältnisse in diesem Jahrhunderte so sehr an Ausdehnung ihres Wirkungskreises gewonnen, dass sie sich endlich aus den beengenden Banden der Staatsarzneikunde wo sie als Unterabtheilung der gerichtlichen Medicin stiefmütterlich behandelt wurde befreien und zur selbstständigen Doctrin erheben konnte. Als solche zerfällt sie wieder : a) in die öffentliche Gesundheitspflege (Sanitäts- Polizei, Hygiène publique). b) in die öffentliche Krankenpflege , und e) in die Medicinal- Ordnung.

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Sowohl die öffentliche Gesundheits- als auch die öffentliche Krankenpflege erstreben die Forderung des allgemeinen Gesundheitszustandes. Um diesen Zweck zu erreichen . müssen nicht nur die klimatischen und tellurischen Einflüsse, sondern auch Lebensweise, Beschäftigung, Sitten der jeweiligen Bewohner einer Gegend, ja selbst die einzelnen Bevölkerungs-Classen studirt werden . Insoferne also auch die medicinische Polizei ihre besondere Aufmerksamkeit dem Militärstande widmet, untersuchend, wie der Soldat aus seiner gewohnten Lebensweise herausgerissen, oft in ganz fremden Klimaten zu einer neuen, ungewohnten und anstrengenden Thätigkeit berufen , gegen so mannigfache auf ihn einstürmende schädliche Einflüsse anzukämpfen habe und wie diesen ungünstigen Einwirkungen entgegenzutreten sei , wird dieses Studium zur militärischen Hygiene, zur Lehre von der Gesundheitspflege des Soldaten. Mit den Fortschritten in den militärischen Wissenschaften hat auch die Lehre von der militärischen Hygiene gleichen Schritt gehalten . Sollten nun, wie es der Fortschritt der Wissenschaft und der Geist der Zeit verlangt, die Gesetze und Einrichtungen der Gesundheitspflege beim Militär nicht nur verbessert, sondern auch praktisch durchgeführt werden , dann müssen beide Factoren, die dazu berufen sind , die Öfficiere sowie die Militär- Aerzte mit den allgemeinen Grundsätzen der Militär- Hygiene, mit den Consequenzen, welche die Wissenschaft aus denselben gezogen hat, hauptsächlich aber mit ihrer praktischen Anwendung vertraut und bekannt gemacht sei . Darum ist ein Lehrbuch der militärischen Sanitätspflege für Officiere geschrieben " dringend nöthig und als Versuch, ein solches zu veröffentlichen, begrüssen wir die Vorträge von Dr. A. Boehme, unter dem Titel „ Gesundheitspflege für das deutsche Heer" mit dem Wunsche, es möge dieser Schritt auch in unserem Heere zu ähnlicher Anregung führen und die österreichische Militär-Literatur ehestens durch ein praktisches Handbuch für Officiere über die Militär-Sanitätspflege bereichert werden. Bevor wir das uns vorliegende Werk in seinen einzelnen Theilen besprechen, müssen wir gleich von vornherein bemerken, dass, wie es auch der Titel desselben bekundet, wir es hier weniger mit einem Lehrbuche der MilitärmedicinalPolizei im Allgemeinen zu thun haben, sondern mehr mit der Art und Weise, wie die Grundsätze dieser Wissenschaft beim deutschen Heere in Anwendung kommen. Dadurch ist der Rahmen bedeutend beengt worden . Wir glauben, dass bei Zusammenstellung eines solchen Lehrbuches für Officiere zuerst die allgemeinen Grundsätze der Militär- Sanitäts-Pflege aufzustellen wären, um dann an der Hand derselben durch Angabe und Vergleichung der verschiedenen Gesetzgebungen nachzuweisen, welche von den europäischen Staaten am rationellsten in seinen Einrichtungen der Militär- Sanitäts -Pflege vorgeschritten, und welche der einzelnen Vorschriften sich am praktischesten bewähren. Gehört ein solches Werk noch zu den piis desideriis, so müssen wir doch das Gute und Nützliche, welches das hier besprochene Werk mit seinem beschränkten Programme leistet, anerkennen . Dasselbe zerfällt in 9 sogenannte Vorträge. In der ersten Vorlesung : „Unser Heer und seine Ergänzung" werden besonders die Militär-Ersatz- Instruction vom 26. März 1868 und die Instruction für Militär- Aerzte zur Beurtheilung der Dienstbrauchbarkeit und Unbrauchbarkeit Militärpflichtiger vom 9. December 1858 wissenschaftlich erläutert. Leider ist die Art und Weise , Simulation und Dissimulation zu erkennen, gar nicht berührt, und doch dürfte die Bekanntschaft wenigstens der allgemeinsten Grundsätze in dieser Hinsicht für den mit der Recrutirung betrauten Officier, wenn er nicht vom Militär-Arzte ganz abhängig sein soll, zur Fällung eines selbstständigen Urtheiles von der grössten Wichtigkeit sein . In der zweiten Vorlesung : „ Der Recrut" wird die Nostalgie (Heimweh) nur sehr oberflächlich erwähnt. Vieles würde der Officier bei dem jungen Soldaten anders beurtheilen und dem entsprechend die Behandlungsweise einrichten, wenn er mit den Symptomen beginnender Nostalgie bekannt wäre ; denn das Fortschreiten dieser Krankheit hängt sehr oft von der ersten Behandlung ab. Bei der dritten Vorlesung : „ Dienst in der Garnison" wären unter Besprechung der Arrestlocale wohl die sanitätspolizeilichen Vorschriften , die bei Anlage derselben zu beobachten sind, etwas ausführlicher aufzuzählen , ebenso auch betreffs der Nahrung bei längerer Haft. Ueber die nöthigen sanitätspolizeilichen Rücksichten bei Anlage, Bau und Einrichtung der Militär- Straf-Anstalten, sowie über den Modus der Strafarbeiten vermissen wir jede weitere Angabe.

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In der vierten Vorlesung „ Marsch und Quartier" ist der Transport mittelst Eisenbahn nur mit wenigen Worten, der Wassertransport gar nicht berührt. Da bei der jetzigen Kriegführung die Eisenbahnen das vorzüglichste Transportmittel sind, so wäre wohl die zweckmässige Einrichtung desselben in sanitärer Beziehung mit Berufung auf die in den letzten Kriegen gemachten Erfahrungen eingehender zu besprechen gewesen. Die fünfte Vorlesung „ Bivouac und Lager“ . Der grosse Einfluss , den auf die Gesundheit einer Gegend die herrschenden Winde ausüben und der daher bei der Wahl eines Lazarethes zu berücksichtigen kommt, ist nicht besprochen worden. Ebenso sind nur wenige von den Cautelen beim Campiren im Freien während des Winters, die der Soldat im Einzelnen und die Truppe im Allgemeinen zu beobachten hat, angeführt. In der sechsten Vorlesung : „ Casernen “ wäre eingehender über die in denselben eingerichteten Wirthschaften (in Oesterreich Cantinen genannt) zu reden gewesen. Wir meinen, dass diesem Institute mit löblicher Ausnahme Englands in den übrigen Militär- Staaten noch immer zu wenig Gewicht beigelegt wird , und doch verdient diese Einrichtung, wenn sie zum Wohle und zum Vergnügen des Mannes dienen soll, eine ganz besondere Beachtung. In der siebenten Vorlesung : „Natural- Verpflegung" sind sowohl die Zeichen , woran gesundes Vieh erkannt wird, nicht mit der nöthigen Ausführlichkeit erwähnt, als auch nicht alle Krankheiten aufgezählt, welche das Fleisch schädlich machen. Bei der „Milch" wären die vielen Verfälschungsarten, wie z. B. Vermischungen mit Mehl, Kalbshirn, Pottasche, Seife zu besprechen gewesen, ebenso dass sie mit giftigen Stoffen geschwängert ist, sobald sie vor dem Verkaufe in kupfernen, messingenen oder schlecht verzinnten Gefässen aufbewahrt wurde ; dass hingegen die sogenannte blaue Milch, welche in Folge von Fütterung von blaufärbenden Kräutern entsteht, der Gesundheit nicht nachtheilig ist . Bei der „Butter" wären ähnliche Angaben zu machen, so z. B. dass alte , ranzige Butter sehr schädlich ist , dass sie keinesfalls in Gefässen mit schlechter Bleiglasur aufbewahrt werden darf, dass sie durch Mehl, Kreide, Gyps , Schwerspath, Alaun, Borax verfälschbar , dies jedoch durch die chemische Untersuchung mehr oder minder leicht zu entdecken sei. Beim Brod" wären noch folgende sanitätspolizeiliche Vorschriften nachzutragen: dass der Sauerteig sorgfältig aufzubewahren sei und zwar am besten in eichenen Gefässen, die zuvor ausgelaugt und inwendig verbohlt wurden ; dass das fertige Brod erst nach 24 Stunden der Mannschaft auszugeben, und dass es nur im abgekühlten Zustande, bei grosser Hitze aber unter besonderen Vorkehrungen gegen diese zu transportiren sei ; dass zum Brodtransporte nie Wagen gebraucht werden dürfen , mittelst welcher man vorher Kranke befördert, und dass selbst bei Benützung von Landesfuhren dieselben früher mit Stroh oder Heu zu belegen sind . (Ueber die Anlage von Feldbäckereien wurde nichts gesagt.) Bei „ Kartoffel " wäre wohl der Ausspruch Moleschott's in Erwägung zu ziehen : „ dass die Kartoffel den Muskeln keinen Faserstoff und keine Kraft, dem Gehirne weder Eiweis noch phosphorhaltiges Fett zuführt" , demnach die Kartoffel nie die Hauptnahrung des Soldaten ausmachen soll. Zu „Wasser" - dass man in Gegenden, welche nahe an Seen , Flüssen , Sümpfen u. dgl . liegen, zwar beim Graben bald auf Wasser stösst, doch dass dasselbe der Gesundheit sehr nachtheilig ist und man daher tiefer graben und bohren muss, bis man durch Sand- und Kies- Schichten auf einen festen thonigen oder lettigen Grund trifft ; endlich dass bei Brunnengrabungen die Nähe von Sumpfwasser, Pfützen, Cloaken, Friedhöfen, Latrinen, Stallungen u. a m. sorgfältigst zu vermeiden ist. Zu „Branntwein " - dass ein mässiger Genuss desselben, zumal wenn der Soldat viel im Freien verweilen muss , nicht nur nicht schädlich, sondern in Gegenden, wo es an gutem Trinkwasser gebricht, und die Luft oder das Klima feucht sind, sogar der Gesundheit zuträglich ist ; dass ein schwacher Branntwein der Verdauung weniger entspricht, als ein mässig starker, daher darauf zu sehen sei, dass er eine angemessene Stärke habe, was mittelst der Branntweinwage zu ermitteln ist ; dass ein Branntwein, der Lackmuspapier röthet, auf Kupfergehalt schliessen lässt. In der achten Vorlesung wurde ,,Bekleidung und Ausrüstung" mehr mit Berücksichtigung der preussischen Uniform besprochen . Man fühlt aus der Arbeit

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heraus, wie sehr sich das medicinische Gewissen des Autors gegen die Anerkennung des preussischen „ Helmes " sträubt. Dessgleichen ist auch die preussische Tragweise des Tornisters, der Patrontasche und des Seitengewehres einfach als entsprechend registrirt, ohne dass positive Daten über das bisher noch wenig gelöste Problem , welches die wenigst lästige und der Gesundheit des Mannes am meisten entsprechende Tragart seines Gepäckes und seiner Rüstung sei " gegeben wurden. Wir kommen endlich zur neunten und letzten Vorlesung : „ Krankenpflege“. Es ist diese vom Herrn Verfasser viel flüchtiger besprochen worden , als alle anderen Capitel, und zwar scheinbar aus dem Grunde, weil er die Krankenpflege mehr als eine innere Angelegenheit des Medicinal-Corps als der Armee- Officiere betrachtet, und doch handelt es sich unseres Gutdünkens nach hier um die öffentliche Krankenpflege , bei der die militärischen Sanitäts- und VerwaltungsBehörden mit den verschiedenen Truppen-Commanden mit der gleichen Sorgfalt , mit dem gleichen Grade von Verantwortlichkeit einzuschreiten haben. Ganz übergangen ist die Invalidisirung , ebenso das Begraben der Todten auf dem Schlachtfelde. Die so wichtigen Fragen, ob Tragbett oder Tragbahre, der Suspension derselben in Wagen, über sanitätsgemässe Einrichtung der Sanitäts-Züge der Eisenbahnen, über Arzt- und Magazins-Küchen-Wagen, über Transport der Arzneimittel wurden kaum andeutungsweise besprochen, auch die Genfer Convention nur äusserst flüchtig berührt und über freiwillige Krankenpflege nur Spärliches gesagt. Am wenigsten kann aber als ein wissenschaftlicher Beitrag zur Statistik der Mortalität die lakonische Angabe angesehen werden, dass z. B. die Sterblichkeit im Jahre 1867 von 1000 Mann Kopfstärke in Preussen 6.19 per mille, • · 9.40 in England n 11.74 17 in Frankreich 12.00 "7 in Oesterreich betrug. "" Es ist zwar richtig, dass Zahlen sprechen, aber damit sie eben belehrend sprechen, müssen sie so geordnet und gestellt werden, dass man irgend einen praktischen Nutzen aus ihnen ziehen kann, es müssen also vor Allem die gleichen Verhältnisse in Betracht gezogen, und alle die Rücksichten genommen werden , Wb. die eine statistische Nachweisung allein werthvoll machen. Die Magyaren und andere Ungarn. Von Franz von Löher. 1874. XVI. und 451 Seiten . 4 fl . 80 kr.

Leipzig

Ueber den Standpunct, den der Verfasser der vorliegenden ethnographischen Schilderungen eingenommen hat, wollen wir uns kein Urtheil erlauben , es wird dies in solchen Fällen stets dem Leser individuell überlassen bleiben müssen. Es mag indessen bemerkt werden, dass das vorliegende Werk über die Verhältnisse in Ungarn und die Eigenthümlichkeiten seiner Völkerschaften von hervorragendstem Interesse ist, und eine gründliche Lecture sehr verdient . Wir sind fest überzeugt, dass jeder Leser, der die ersten Blätter durchgesehen , gleich uns, sich nicht entschliessen kann, das Buch aus der Hand zu legen, bis er es bis zur letzten Seite gelesen. Die Lecture ist durch eine ausserordentlich anregende und angenehme Schreibweise erleichtert und wir glauben, dass dieses Buch berufen sein wird, in den Kreisen, die sich für die Frage speciell interessiren, einiges Aufsehen zu erregen. W. Wiens militärische Behörden und Anstalten. Ein Wegweiser für einheimische und fremde Officiere. Wien, Gerold , 1873. 90 kr. Wir haben schon einmal Gelegenheit genommen , im Interesse unserer auswärtigen Mitglieder auf einen Wiener Fremdenführer hinzuweisen, und wir glauben, aus denselben Gründen, die uns damals bestimmten, von dem engeren Programme unseres Bücher- Anzeigers momentan abzugehen, auch das vorliegende Büchlein unseren Mitgliedern , welche Wien besuchen, empfehlen zu dürfen. Es enthält die sämmtlichen Militär-Behörden, Anstalten, Truppen und Vereine der Residenz , ihre Vorstände, Commandanten, Professoren, Geschäftszweige, Aufnahmsbedingungen und Statuten bei Angabe der Empfangs- und BesichtigungsStunden, nebst zahlreichen anderen militärischen Notizen. Da es beabsichtigt scheint, diesen Fremdenführer jährlich neu erscheinen zu lassen, so ist dadurch die Beachtung aller eintretenden Veränderungen , be- - W. sonders was die Personalien anbelangt, gesichert.

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Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit. Dr. Joseph Egger. Innsbruck 1872. 1. und

Von

2. Bd . 4 fl. 40 kr.

Es liegen uns von diesem Werke bis jetzt der erste Band und zwei Lieferungen des zweiten Bandes vor und reichen diese bis gegen das Ende des 16. Jahrhundertes. Wenn sich die Tendenz des Werkes jedenfalls erst deutlicher erkennen lassen wird, sobald es zur Behandlung der neuen Zeit schreitet, so kann das kein Hinderniss sein, um zu constatiren, dass die Art der Bearbeitung bis jetzt eine objective und gerechte Auffassung zu verbürgen scheint. Die überaus bescheidene Vorrede, die nachzuweisen sucht , dass eine gründliche Geschichte Tirols aus Quellenmangel überhaupt noch gar nicht geschrieben werden könne, ist durch die Arbeit selbst widerlegt. Es ist ein historisches Werk von hervorragendem Range, das uns in dieser Geschichte Tirols vorliegt, und es findet sich eine Fülle gewissenhaften und ernsten Studiums darin, das dem Werke den verdienten Ehrenplatz sichern muss. Es fehlen uns die Quellen, um die kritische Sonde an die einzelnen Theile des Werkes zu legen, auch würde es der Raum, der uns zugemessen ist, kaum gestatten. Die Persönlichkeit des Verfassers und jener Männer, die das Zustandekommen dieses Buches gefördert haben , scheint uns jedoch eine Bürgschaft für die correcte Quellenarbeit zu sein , wie sie nicht besser gewährt werden kann . Von den Urbewohnern beginnend, schildert das Werk in schöner und übersichtlicher Gliederung die Geschichte eines der edelsten Kleinode der habsburgischen Krone, der es rechtlich angehört seit jener denkwürdigen Alpenfahrt Herzog Rudolfs des IV. von Oesterreich im Jänner 1363, da er über die Krimler Tauern herunterstieg nach Rodeneck, um den Vertrag zu schliessen, welcher seinem Hause das treue Land " Tirol erwerben sollte. Was uns entschieden angenehm berührte bei der Durchsicht dieses Werkes. das ist der gesunde Standpunct, den der Verfasser überall bei Betrachtung des Verhältnisses seines Landes zu anderen Ländern und anderen Machtfactoren gefunden hat. Nirgends drängt sich dem Leser jene widerliche Anmaassung mancher Landesgeschichten auf, die ihr betreffendes gar oft barbarisches, culturloses Land wie einen Fixstern in die Geschichte zu stellen suchen, um welches alles Andere nur so gelegentlich herumtanzt. Der echte Historiker wird die richtige Feinfühligkeit für das gegenseitige und das allgemeine Verhältniss der Länder und Völker auch für jene Zeit nicht missen, da dieselben scheinbar für sich abgeschlossen eines internationalen Verkehres im heutigen Sinne ganz entbehrten. Egger führt uns durch die Zeit, von der er spricht, und wir sehen diese Zeit in ihren Gestaltungen lebendig vor uns, ohne über den Tiroler Boden hinausgehen zu müssen. Der Verfasser hat es verstanden, den belebenden Hauch culturhistorischer Darstellung seinem Werke zu geben , der die Geschichte über das Niveau der Kriegs- und Aufruhr- Chronik erhebt. Dennoch müssen wir, um ehrliche Kritik zu üben, auch sagen, dass es dem Verfasser nicht überall gelungen ist, seinem Programme, ein populäres Werk zu schaffen, getreu zu bleiben. Es ist an einzelnen Stellen doch ein wenig ein gelehrtes Werk geworden, und wenn uns ein landläufiger Ausdruck gestattet ist - das Buch liest sich manchmal etwas schwer. Es ist aber andererseits so reich an Material, so gründlich und gediegen, dass wir es ganz entschieden auf das Beste empfehlen dürfen . Wer Interesse für die Geschichte dieses Landes hat, der kann dieses Buch nicht entbehren , in einer Bibliothek sollte es nicht fehlen . Wir glauben unsere militärischen Bibliotheken auf den hohen Werth gediegener Specialgeschichten der einzelnen Länder unseres Gesammtvaterlandes aufmerksam machen zu sollen, und wenn wir auch dringend warnen müssen vor dem nicht zu verantwortenden Ankaufe jener Werke, die nur dazu dienen , um nationale Hetzerei und particularistischen Dünkel zu fördern, so werden wir doch gediegene und objective Werke über die Geschichte unserer Länder als eine Zierde unserer militärischen Bibliotheken, wie als eine nothwendige VervollstänW. digung derselben bezeichnen dürfen .

Org. d. Wiener mil .-wissensch. Vereines. VIII . Band, 1874, Bücher-Anzeiger.

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La marine cuirassée, par M. P. Distere, ingénieur des constructions navales, secrétaire du conseil des travaux de la marine . Paris 1873.

8 und 237 S. gr . 8. Mit 7 Tafeln. 4 fl . 20 kr.

Eine sachverständige Arbeit über die jetzigen Panzerfahrzeuge und Thurmschiffe, bringt zuerst ihre Entstehungsgeschichte, beschreibt und beurtheilt die verschiedenen Systeme. berichtet nach amtlichen Daten sehr genau über die Arbeiten der französischen Kriegsmarine zur Schaffung einer Panzerflotte, schildert speciell die gegenwärtigen Panzerfahrzeuge und Thurmschiffe Frankreichs, würdigt die Panzerschiffe in Betreff auf Angriff und Vertheidigung der Meeresküsten, in Bezug ihrer Verwendung auf Flüssen und Landseen , bespricht die Widerstandskraft der Panzerungen , etc. und gibt zum Schluss nach sorgfältig gesammelten Quellen eine tabellarische Uebersicht aller Panzerflotten der Staaten (England, Frankreich, Deutschland, Oesterreich, Dänemark, Spanien, Niederlande, Italien , Russland, Schweden nnd Norwegen, Türkei, Aegypten, vereinigte Staaten von Nordamerika, Brasilien, Peru , Chili etc.) mit Angabe der einzelnen Fahrzeuge, ihrer Dimensionen. Panzerung. Artillerie, Maschinenkraft, Segel etc. Die sieben Tafeln, darstellend die verschiedenen Systeme, sind eine zweckmässige Beigabe des verA. dienstvollen Buches. Organische und intellectuelle Gebrechen unserer Infanterie und ihre Radical - Cur . Teschen 1874. Prohaska. 62 S. 60 kr. Es berührt uns nie angenehm, wenn im Buchhandel, dem Fremden ebenso zugänglich wie uns , Schriften erscheinen , die sei es auch oft in bester Absicht — von den schweren inneren Schäden sprechen , an denen wir noch immer leiden. Andererseits verkennen wir durchaus nicht , wir können es zu unserem tiefsten Bedauern nicht verkennen , --- dass in unseren einflussreicheren Kreisen jener Freimuth noch gar selten zu finden ist, der nothwendig wäre, um manche Täuschung , in die sehr maassgebende Persönlichkeiten verwickelt sind, zu verscheuchen. Da dringt denn manchmal ein patriotischer Nothschrei unten herauf, und wenn wir diesen auch lieber auf einem weniger geräuschvollen , weniger schädlichen Wege zu seinem Ziele gelangen sehen würden, als auf dem des Büchermarktes, so dürfen wir doch, die gute Absicht über die Form der Veröffentlichung stellend, uns dem Richtigen und Wahren nicht verschliessen , das sich manchmal in solchen Schriften findet. In vielfacher Form sind die Wünsche, die dringenden Bitten der Armee schon an den Tag getreten, es ist charakteristisch, dass fast in allen Fällen eine überraschende Gleichartigkeit der Anschauung herrscht. In den einzelnen Dingen, in denen der Verfasser über die in der Armee bereits als Ueberzeugung feststehenden Anschauungen hinausgeht, können wir uns nicht durchgehends zustimmend verhalten. Die Formirung förmlicher nationaler Corps können wir absolut nicht billigen , vor Allem im Interesse der höheren Führung nicht. Die Polyglotterie ist ein schwerer Uebelstand, den wir indessen dadurch sehr wesentlich und unnöthig vergrössern, dass wir nicht die leiseste Bemühung machen, unserem UnterofficiersCorps wenigstens einigermaassen die allgemeine Dienstsprache des Heeres einzuprägen. Das that man früher, als trotz der achtjährigen Dienstpflicht der Mann in der Regel auch nur 2, wenn es gut ging, 4 Jahre bei der Fahne blieb. Der Mechanismus der Armee functionirt nicht allein von oben herab als Unterricht, den der Officier gegenwärtig in den zahllosen Sprachen unserer Mannschaft ertheilen soll. Es führen auch Verbindungen wieder aufwärts, und es ist sehr traurig, dass seit wir den systematischen Unterricht in der Dienstsprache für die Mannschaft aufgegeben haben, der Meldungsdienst vor dem Feinde nur ausschliesslich durch die ohnehin numerisch nirgends ausreichenden Officiere gehandhabt werden kann, will man nicht die absurde Forderung aufstellen, dass jeder General und jeder Generalstabs- Officier eine Art Mezzofanti sein müsse. Sind wir also hier nicht ganz mit dem Verfasser der Brochure einverstanden. so sind wir es umsomehr in den Fragen der Schaffung eines BerufsUnterofficiersstandes, des Officiersnachwuchses, in der Forderung nach Hebung des streitbaren Elements , und selbstverständlich in dem allgemeinen Wunsch nach principieller Aenderung des Beförderungswesens. Die glückliche Lösung der Unterofficiersfrage ist eine Lebensfrage von eminentester Be-

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deutung geworden, kein Mittel und keine Mittel dürfen gescheut werden, für diesen Zweck. Unmittelbar an Wichtigkeit zunächst stehend, ist die Aufgabe der moralischen Hebung des streitbaren Elementes im Heere, wir können uns nicht mehr verhehlen , dass die Nivellirung der Rechnungsofficiere, Aerzte, Auditore, Reserveofficiere etc. etc. und der Combattants zersetzend wirkt. Die Vorschläge der Brochure bezüglich der organisatorischen Reform wollen wir nicht eingehender besprechen, es würde zu weit führen, aber wir müssen doch sagen, dass sie uns nicht ganz als „ Radical- Cur" erschienen sind. Die Brochure ist lesenswerth, aber wir wiederholen es : Es gibt bessere Wege, um eine gute Idee, einen wohlgemeinten Vorschlag an das richtige Ziel gelangen zu lassen, als eine Publication der 77 Gebrechen" unserer Infanterie. W. Ueber die Dienstpflichten des preussischen Infanterie- Unterofficiers. Von H. B. Potsdam. Döring. 1873. 48 kr. Die erschienene 2. Auflage dieses Büchleins gibt uns Veranlassung, noch einmal mit einigen Worten darauf zurückzukommen. Wir halten den Gedanken, die wesentlichen Pflichten und Aufgaben des Unterofficiers in lebendiger, anregender und dabei gedrängter Form zu schildern und für zahlreiche Fälle, wie sie sich im dienstlichen Leben des Unterofficiers ergeben, klare Verhaltungsregeln aufzustellen , für so praktisch und vortrefflich, dass wir viel Werth darauf legen würden, statt dem ermüdenden Vorlese-Unterricht, wie er leider noch immer bei so sehr vielen Abtheilungen getrieben wird, ein derartiges Büchlein in den Händen der Unterofficiere zu sehen . Die Idee, die dem Büchlein zu Grunde liegt, ist an sich schon ein ganzes Unterrichts-Programm für Unterofficiere, und wir glauben im Interesse der Unterabtheilungen immerhin darauf aufmerksam machen zu sollen. Wenn wir in Bezug auf Unterofficiere sehr wenig Gewicht auf jene Art Hilfsbücher legen , die in früheren Jahren häufig auf dem Büchermarkte zum Gebrauche für Officiere erschienen , und die unter dem Namen „ Officier im Felde" u. dgl. eine Unmasse von Daten aus allen möglichen Zweigen der Kriegs- und Dienstwissenschaften brachten, so geschieht dies deshalb, weil es uns viel werthvoller dünkt, dem Unterofficier in praktisch verständlicher Weise genau zu sagen , wie er die ihm in Krieg und Frieden normal zufallenden Aufgaben lösen soll, als wenn ihm Ausmaassen und Arbeitsleistungs - Berechnungen geboten werden, die er niemals berufen ist , praktisch anzuwenden. Man gebe in nuce nicht die ganze Kriegswissenschaft, sondern nur so viel, als darin gut Platz hat, dann wird es auch die noch ungeübte Hand unserer jungen Soldaten und Chargen herauszuschälen vermögen . Das ist die Idee des vorliegenden Büchleins, und darum halten wir es für W. empfehlenswerth. Betrachtungen über den Subaltern -Officier der schweizerischen Infanterie. Ein Wort an die Cameraden von der Infanterie von einem Basler Officier. Vortrag , gehalten in der Officiers- Gesellschaft in Basel . Basel 1873. Schweighauser. 48 kr. Es macht sich offenbar in den eidgenössischen Officierskreisen eine Strömung bemerkbar, zu der man die Schweiz im Interesse ihrer Wehrfähigkeit nur beglückwünschen kann . Es ist das unverkennbare Streben eines - wie es scheint, allerdings leider Theiles der schweizerischen Officiere, endlich auch für noch nicht dominirenden das eben an den gewöhlichen innern Fehlern der Miliz - Organisation leidende heimische Heer die unerlässlichsten Bedingungen militärischer Kraft und Wirksamkeit zu schaffen . Es sind Fehler, die sich in Cadre- Heeren nur mit äusserster Mühe, in MilizHeeren absolut niemals ausrotten lassen, aber der Kampf gegen sie ist nichts destoweniger ein strenge gebotener. Jeder Schritt, den man gegen sie gewinnt, ist ein grosser, segensreicher Erfolg, und die eine Hoffnung kann den Patrioten selbst dann ermuthigen, in seinem Kämpfen fortzufahren, wenn er weiss, dass 4*

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ein vollständiges Besiegen solcher Erbübel fast unmöglich, - die eine Hoffnung, diese Uebel mindestens auf den möglich kleinsten Kreis zu beschränken . Diese Abhandlung wird auch von umfassenderem Interesse, da die hier besprochenen Fragen grösstentheils auch in den anderen Armeen nicht zu den völlig gelösten gehören. Schwere moralische Krankheiten moderner Heere haben ihre Quelle in gewissen zersetzenden und verderblichen Principien der heutigen Zeit, und das treue und patriotische Ankämpfen gegen diese Krankheiten hat in der Regel gegen die Officierscorps der verschiedenen Heere wildes Geschrei ob ihrer reactionären Tendenzen wachgerufen . Es ist dabei doch nicht bewiesen worden, dass das Loslassen aller Bande dem Fortschritt mehr diene, als die verständige , maassvolle Arbeit. Auch den schweizerischen Officieren ist vor einiger Zeit der Vorwurf „junkerlicher Tendenzen" entgegengeschleudert worden ; wenn diese junkerlichen Tendenzen identisch sind mit der Forderung strenger Pflichterfüllung, unbeugsamer Disciplin und Hochhaltung der Würde und des Ansehens des Officiersstandes, gleichviel in welchem Lande und bei welcher Organisation , so stellen wir uns gerne und freudig an die Seite der so angegriffenen Schweizer Officiere. Wir sprechen dem Herrn Verfasser unsern Dank aus, mit so viel Kraft und Entschiedenheit für die gute Sache eingetreten zu sein, und wir dürfen die Lecture dieser Brochure auch nichtschweizerischen Officieren wohl empfehlen. Wir können es uns nicht versagen, einige treffliche Stellen hier wiederzugeben, sie bezeichnen den Geist und die klare Erkenntniss der nothwendigen Lebensbedingungen eines Heeres, die den Verfasser beseelten und leiteten . Nach ganz vorzüglicher Beleuchtung des Werthes der Infanterie, der Cadres, der Elemente, aus denen die Officierscorps sich bilden und aus denen sie sich bilden sollten , berührt er die militär- wissenschaftliche Schulung der Wehrpflichtigen. „Ich gestehe offen, dass ich nicht begreife, warum in den Schulen, (Volksund Mittelschulen ) wie sie bei uns sind, auf die zukünftige Militärpflicht der Schüler so beinahe gar keine Rücksicht genommen wird. " " Wenn nun in der Schule auf alle möglichen spätern Lebensstellungen Rücksicht genommen wird, sollte auch auf Vorbereitung zur zukünftigen Stellung des Wehrmannes und Officiers, welche allein allen Schweizern gemeinsam ist, Bedacht genommen werden. " Was uns ( Schweizer) in den letzten Jahren den Dienst bedeutend erschwert hat, ist das beständige Verändern der Reglemente." „Wenn auch Vereinfachungen, die längst gewünscht waren, vorgenommen werden , so soll man doch so conservativ verfahren als möglich, und die Benennungen und Commandos möglichst beibehalten , denn es ist immer besser , dass ein Officier ein möglicherweise mangelhafteres Reglement wenigstens genau kenne als dass er in einem neuen Mühe habe, sich zurecht zu finden." Und auf die Disciplin übergehend, nennt der Basler Officier es einen gefährlichen Irrthum, wenn das Hauptgewicht auf die Abrichtung der Truppen gelegt, und dabei nicht erkannt wird, wie nothwendig es ist, zugleich auf den militärischen Geist, den Geist der Ehre, des Anstandes, mithin der Disciplin einzuwirken." ,,Nicht durch seine Kenntnisse allein soll der Officier dem Soldaten seine Ueberlegenheit zu beweisen suchen , sondern durch sein ganzes Benehmen, seine Bildung, die sich durch ein gewisses, sicheres, selbstbewusstes Auftreten, verbunden mit Bescheidenheit , an den Tag legt. Kein Sichgehen lassen, kein Säbelgerassel darf heute mehr die Ueberlegenheit des Officiers marquiren . " Der militärische Gruss ist das äusserliche Zeichen des Respectes . Wer in Civil sich Unhöflichkeiten zu Schulden kommen lässt, den sieht man für einen Flegel an, wer aber in Uniform oder im Dienst dasselbe thut, der ist zu strafen.Wenn der Mantel fällt, so fällt der Herzog mit, und wenn die äusserlichen Zeichen des Respectes nicht mehr verlangt werden, wird man bald Mühe haben, den Respect selbst noch zu erlangen. “ So lange die französische Armee für die erste gehalten wurde, hielt man bei uns männiglich, die französische nonchalance" für „ Troupierchie " und beeilte sich, sie nachzuahmen ; wir sehen nun, wohin sie führt und mögen unsere Lehren daraus ziehen."

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Es ist, wir wiederholen , eine vorzügliche kleine Arbeit, die uns hier vorliegt, wir sind nicht im Stande, dem Verfasser irgendwo in wesentlichen Dingen Unrecht zu geben, und wir wünschen seinen Bestrebungen zum Vortheile seiner heimatlichen Wehrkraft das beste Gelingen , den Trost beifügend , dass die Bestrebungen auf diesem Gebiete auch anderwärts ein mühseliges und undankbares Geschäft sind. Aber der ehrliche Wille und die Liebe zum Lande hilft über manche W. Kränkung und manchen Fehlschlag hinaus. Ueber den Ural . Vortrag gehalten am 28. April 1873 im naturwissenschaftlichen Vereine zu Wien . Von Dr. Ferdinand von Hochstetter , Professor an der technischen Hochschule zu Wien. Berlin 1873. 58 Seiten in 8. 45 kr. Am 9. August 1872 hat der Autor eine Reise nach Russland angetreten, die ihn von Wien über Warschau, St. Petersburg, Moskau , Nischni-Nowgorod, Kasan, Perm etc. über den Ural nach Asien führte, am 9. October 1872 traf er wieder in Wien ein . In diesem Zeitraum hat er nicht weniger als 1500 deutsche Meilen zurückgelegt. Die Skizzirung dieser Reise, besonders die Beschreibung des Ural , ist ebenso anschaulich als lehrreich. Der ungewöhnlichen Energie und Zähigkeit, mit welcher Russland an der Erweiterung seines Eisenbahnnetzes arbeitet, wird darin lobend erwähnt, und vornehmlich die dringende Nothwendigkeit der Ausführung einer sibirischen Hauptbahn und einer uralischen Localbahn mit Rücksicht auf den Transito-Verkehr nach und von Sibirien und mit Rücksicht auf die uralischen Montan-Werke hervorgehoben . Die sibirische Hauptbahn erscheint im vollsten Sinne des Wortes als eine Weltbahn ; denn sie wird das Fluss- System der Wolga und Kama mit dem des Irtisch und Ob verbinden , d . h. die Barrière niederreissen, welche das europäische und asiatische Russland heute noch trennt. Höchst anziehend ist die Darstellung des Ural oder Uraltau (Felsengürtel oder GürtelA. gebirge). Sarauw, Christian von. Das russische Reich in seiner finanziellen und ökonomischen Entwicklung seit dem Krimkriege, nach officiellen Quellen dargestellt. Leipzig 1873. Schlicke. 6 fl. 75 kr. Bei der grossen Bedeutung, die Russlands Machtstellung im europäischen Staatenleben einnimmt, bildete der Mangel an gediegenen zuverlässigen Schriften über die dortigen Verhältnisse und verschiedenen Zweige des öffentlichen Lebens eine empfindliche Lücke in der deutschen Literatur. Ein nach officiellen russischen Quellen in deutscher Sprache bearbeitetes Werk muss daher um so erwünschter sein , wenn, wie hier, der Autor eine Persönlichkeit ist, die vollkommenes Beherrschen der beiden Sprachengebiete mit der genauesten auf eigene Anschauung basirenden Kenntniss des Landes in seltenem Maasse vereint. Das vom russischen Generalstabe herausgegebene grosse Werk : „ Statistische Beschreibung Russlands" machte in Christian von Sarauw den Wunsch rege, dasselbe dem deutschen Publikum zugänglich zu machen. Er wählte hiezu in richtiger Erkenntniss, dass die zahllosen Details desselben nur für Russland von Interesse sein können, statt der Uebersetzung die allerdings schwierigere Form der Bearbeitung, wodurch er jedoch den Vortheil erreichte, nebst eigenen Erfahrungen auch andere Quellen benützen zu können . Der militärische Theil des Werkes wurde von dem Verfasser aus dem Grunde ausgelassen , weil derselbe einerseits schon ein selbstständiges Buch über die russische Armee : „ Die Heeresmacht Russlands, Berlin 1870" geschrieben, andererseits nach Beendigung der noch bevorstehenden Reformen ein neues derartiges Werk zu liefern beabsichtiget. Der Hauptzweck des Buches ist somit, wie schon der Titel sagt, die kolossale finanzielle und ökonomische Entwicklung des russischen Reiches seit dem Krimkriege oder eigentlich seit der darauf gefolgten Aufhebung der Leibeigenschaft zu schildern. Diese hochherzige That Kaiser Alexander II., wodurch das russische Volk von den Fesseln hundertjähriger Knechtschaft befreit und in die Reihe der CulturStaaten aufgenommen wurde, musste gleichwohl bei der Eigenartigkeit der

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russischen Zustände mit den gewaltsamsten, manche Gefahr bergenden Erschütterungen und Krisen verbunden sein. Wenn diese auch dermalen noch theilweise fortwirken, so lassen sich andererseits auch die segenbringenden Wirkungen dieser Maassregel schon jetzt in der seit jener Zeit eingetretenen bedeutenden Entfaltung und Entwicklung aller Zweige des öffentlichen Lebens erkennen . Jeder Abschnitt des ebenso lehrreichen als geistvoll geschriebenen Buches liefert uns zahlreiche Belege dafür, interessante Vergleiche zwischen Einst und Jetzt, sowie die statistischen Nachweisungen desselben andererseits auch noch manchen wunden Fleck im russischen Staatsleben bekunden und blosslegen. Unter den 7 Abschnitten, in welche das Werk zerfällt, ist es vorzüglich der erste , die Finanzwirthschaft behandelnde, der uns in dieser Beziehung die markantesten Veränderungen vor Augen führt. Wenn man erfährt, dass Russland im Jahre 1722 bei einer Einwohnerzahl von 14 Millionen Menschen seine Staatsbedürfnisse mit nur eben so vielen Rubeln befriedigte, während seither die Bevölkerung um das Sechsfache, die Bedürfnisse des Staates jedoch um das Sechsunddreissigfache, die Staatseinnahmen seit dem Krimkriege allein um 62 gestiegen sind, so beurkundet dies einen gewiss sehr bedeutenden Aufschwung im russischen Culturleben, während anderseits die Betrachtung, dass die Getränkesteuer dermalen noch die ergiebigste aller Einnahmsquellen ist, und seit 35 Jahren ungefähr 1, der gesammten Staatseinnahmen liefert, dass die Ausgaben für den Unterricht nur 1. des Budgets ausmachen und das Postregal nicht nur keinen Ueberschuss sondern im Gegentheil eine sehr bedeutende Unterbalance gibt, auch auf zwei der grössten noch bestehenden Mängel im russischen Reiche, nämlich den Mangel an Volksbildung und an Communicationen hinweist. Es würde uns zu weit führen , die einzelnen Abschnitte des Werkes in der vorstehenden Weise zu besprechen und begnügen wir uns daher, dieselben anzuführen Der 1. Abschnitt behandelt, wie schon erwähnt, die Finanzwirthschaft und zwar die Staatseinnahmen und Ausgaben , die ausserordentlichen Einnahmen und Ausgaben , die Communal-Lasten, die russische Staatsschuld, die Creditinstitute Russlands, wobei die dermalen bestehenden Eisenbahn- Gesellschaften mit ihrem Capital in Rubeln ausgewiesen sind, und endlich in einem besonderen Theile die Finanzen des Grossherzogthums Finnland. Im 2. Abschnitte werden der Landbesitz und die bäuerlichen Verhältnisse und zwar jene der vormaligen gutsherrlichen Bauern , der Bauern auf den kaiserlichen Hofgütern und Domainen , der Kronbauern , der freien Ansiedler oder Zarunen in Bessarabien und der Kosaken , endlich der Landbesitz im Kaukasus, im Weichselgebiete oder dem früheren Königreiche Polen , in den Ostseeprovinzen und schliesslich im Grossherzogthume Finnland besprochen. Der 3. Abschnitt handelt von der Landwirthschaft und entwickelt die Eintheilung des Landes nach der Benützung des Bodens , die verschiedenen Methoden der Bewirthschaftung desselben, die Korn- Production , den Bau von Flachs, Hanf, Baumwolle, Runkelrüben , Tabak, Wein und Seide, die Viehzucht und die Forstwirthschaft. Im 4. Abschnitte wird der Bergbau, im 5. die Manufacturindustrie in 20 Unterabtheilungen behandelt. Der 6. Abschnitt enthält die Communicationen nämlich : Wasserstrassen, Landstrassen und Eisenbahnen, der 7. endlich den gesammten Handel Russlands in allen Zweigen desselben . Das Buch ist, wie schon die vorstehenden Angaben zur Genüge darthun dürften, allen jenen, welche sich über die finanziellen und ökonomischen Verhältnisse Russlands eingehend und zuverlässig unterrichten wollen , bestens zu empfehlen. Die äussere Ausstattung entspricht durchaus dem inneren Werthe. Rh. Der k. k. österr. Armee - Revolver nebst einem Anhange über den Infanterie-Officiers -Revolver, Patent Gasser. Nach authentischen Quellen verfasst von Alfred Ritter von Kropatschek, Hauptmann im k. k. Artillerie - Stabe . Wien 1873. Seidel. 80 kr . Diese Brochure ist für die allgemeine Waffenkunde insoferne von besonderem Werthe, als über Revolver überhaupt nur ziemlich dürftige Mittheilungen , und diese selbst in sehr zerstreuter Ordnung vorhanden sind.

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Hauptmann von Kropatschek hat, von der Geschichte der Revolver ausgehend , den österreichischen Armee-Revolver mit jener Systematik behandelt, welche seine Werke über die umgestalteten österreichischen Handfeuerwaffen und über die Gewehre mit Werndlverschluss auszeichnet, und es findet sich in der vorliegenden Arbeit sowohl die detaillirte Beschreibung der Waffe und ihrer Munition als auch eine auf die officiellen Versuche gegründete Sammlung von Daten , welche die Leistungsfähigkeit des Revolvers in jeder Hinsicht klarlegen. Wenngleich der Armee-Revolver eine vorzügliche Waffe repräsentirt, welche ihrem Zwecke in hohem Maasse entspricht, so ist doch sein Gewicht so gross, dass sie dadurch für einen Unberittenen unbequem wird. Der Verfasser hat sich durch diesen Umstand veranlasst gesehen, für Infanterie- Officiere einen leichteren Revolver nach dem nämlichen Principe zu construiren, welcher jedoch in Bezug der Leistungsfähigkeit der Ordonnanz-Waffe möglichst nahe kommt. In einem Anhange zur obigen Brochure wird auch dieser Revolver in analoger Weise, wie der in der Armee eingeführte, abgehandelt. Das Studium dieser Arbeit ist jedem Officier der mit der erwähnten Handfeuerwaffe ausgerüsteten Truppen, sowie jedem Infanterie-Officier, welcher sich mit dem leichteren Revolver, der nebenbei bemerkt, nicht nur eine sehr leistungsfähige, sondern auch elegante Waffe bildet, versieht, zu empfehlen . Sz. Waffenlehre, speciell bearbeitet für Handfeuerwaffen und deren Schiesstheorie, Technologie, Fabrikation und Controle, Munition, Geschichte und Verschiedenes. Von Rud. Schmidt , Major im schweizerischen Generalstabe. Basel 1872 , Schweighauser. 8 . 1 fl. 92 kr. Der Verfasser hat im Laufe seiner Thätigkeit als Instructions- Officier die Nothwendigkeit erkannt, dem Lehrenden in diesem Zweige der Militär- Wissenschaft einen möglichst gedrängten Leitfaden an die Hand zu geben, welcher das Einhalten der erforderlichen Systematik beim Unterrichte erleichtert. Dem Instructor obliegt es dann, das gebotene Material durch sein erhöhtes Wissen zu ergänzen , und das, hier in oft lakonischer Kürze Angedeutete , beim lebendigen Vortrage in der seinen Scolaren angemessenen Weise zu erweitern, zu erklären und zu beweisen. Diesen Zweck zu erfüllen, scheint uns die vorliegende Brochure ganz geeignet zu sein. Sie ruft dem Lehrer den aus den bedeutenderen Werken der Militärtechnik gesammelten Schatz an Wissen geordnet ins Gedächtniss zurück, das weitere Eingehen auf die einzelnen Themas je nach dem Lehrzwecke ihm überlassend. In 6 Abschnitte : Nahe- oder Handwaffen , Schutzwaffen, Feuerwaffen (allgemeine Theorie), Schiesstheorie, Technologie und Geschichte der Handfeuerwaffen getheilt, erleichtert sie aber nicht nur dem Lehrenden, wie dem Lernenden die Recapitulation früherer Studien, sondern vermag auch Privaten und Solchen, welche blos die Erlangung einer gewissen begrenzten Uebersicht auf dem Gebiete der Handfeuerwaffen anstreben, zum entsprechenden Selbstunterrichte zu dienen . S- z.

Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Von Dr. E. Gurlt, Professor der Chirurgie an der königl. Friedrich-Wilhelms -Universität zu Berlin etc. Berlin 1873. 20 und 866 S. gr. 8. 10 fl. 80 kr. Dieses gründlich gearbeitete Werk, das Ergebniss überaus mühsamer Forschungen in amtlichen Actenstücken und beachtenswerthen nichtamtlichen Aufzeichnungen, liefert eine ausführliche historische Darstellung der humanitären Bestrebungen zur Erleichterung des Loses der von den Leiden des Krieges Betroffenen, und ist durch Beibringung einer grossen Menge von bisher wenig oder gar nicht bekannten historischen Thatsachen und Daten ein wichtiger Beitrag zur Cultur- Geschichte. Im 1. Abschnitte sind : geschichtliche Studien über internationale Kriegs-Krankenpflege in den letzten dreihundert Jahren vor Abschluss der Genfer Convention mit Anführung von Cartels und Conventionen zur Auswechslung von Kriegsgefangenen, Capitulationen von Truppenkörpern und festen Plätzen, Waffenstillständen und Friedensschlüssen und darin Bedingungen wegen Verpflegung der Kranken und Verwundeten , von Verträgen über Schutz der Verwundeten und Kranken in Brunnen- und Badeorten etc. etc. (Belege aus der

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Periode von 1581 bis auf unsere Tage ) ; hierauf folgt Recapitulation des Inhalts der angeführten Verträge und Vergleich mit den Bestimmungen der Genfer Convention. Der 2. Abschnitt schildert die freiwillige Krankenpflege und andere Hilfsbestrebungen während der Kriege zu Anfang des neunzehnten Jahrhundertes (1800-1815) mit besonderer Rücksicht auf Heeres- und Volkskrankheiten , und beschreibt die diesbezüglichen Verhältnisse während der bezeichneten Kriegsepoche in : Oesterreich, Preussen, Baiern , Baden, Würtemberg, Hannover, Sachsen, im übrigen Deutschland , in Dänemark, Schweden, Niederlande, Schweiz, Gross-BriA. tannien, Russland und Frankreich. Hübner Otto, Dr. , Director des statistischen Centralarchives in Berlin. Statistische Tafel aller Länder der Erde. 22. Auflage. 1873. Frankfurt a . M. 30 kr. Die grosse Verbreitung dieses instructiven Blattes ist der beste Beweis seines Werthes. Billigkeit, übersichtliche Form der Darstellung und Reichhaltigkeit des gebotenen Materials bei steter Benützung der neuesten Daten sind es, denen diese Tafeln ihre Erfolge verdanken. Die im Jahre 1873 erschienene 22. Auflage bringt gleich der vorjährigen : Flächeninhalt, Staatsoberhaupt, Bevölkerung, Staatsausgaben und Schuld, Papiergeld, Heer, Kriegs- und Handelsflotte, Ein- und Ausfuhr, Haupt-Erzeugnisse, Münzen, Maasse und Gewichte, dann Hauptstädte und wichtigste Orte sammt Einwohnerzahl von 63 verschiedenen Staaten. Ausser diesen Hauptrubriken enthält die Tafel noch zahlreiche anderweitige Notizen, wie : Statistische Vergleiche über Religionsbekenntnisse, Geburten, Sterbefälle, Trauungen, Schulbesuch, Bodencultur, Production, Viehzählung , Industrie, Eisenbahn- und Telegraphenlänge der vorzüglichsten Staaten , Daten über Zölle, Steuern , Erwerbsquellen, Sparcassaeinlagen, Postverkehr u. s . w.; so zwar, dass beinahe jeder Stand darin Interessantes und Lehrreiches findet. Wünschenswerth wäre es , nur den wichtigsten Daten , insbesondere aber den Zahlen über Bevölkerung, wenigstens bei den grösseren europäischen Staaten die Quellenangabe, worauf diese basiren, respective das Jahr der Volkszählung in der Weise, wie dies bei Preussen geschehen, angefügt zu sehen . Die Tabelle würde dadurch vielleicht um Etwas an Umfang, jedenfalls aber um Bedeutendes an Deutlichkeit und Brauchbarkeit gewinnen. Ohne uns in weitere Details einzulassen, wollen wir nur Veränderungen, die uns bei den Daten über Flächeninhalt, Bevölkerung und stehendes Heer im Vergleiche mit der vorjährigen Tabelle aufgefallen sind, hervorheben. Europa Meilen, somit um erscheint in der diesjährigen Tafel mit 178.130 3.548 Meilen, Asien mit 796.005 Meilen , somit um 10.995 Meilen Meilen geringer eingestellt als im vorigen Jahre, während Afrika mit 543.570 um 570 Meilen , Amerika mit 747.680 Meilen um 1.680 Meilen und Australien mit 161.100 Meilen um 100 Meilen höher beziffert ist. Was die Einwohner betrifft, so finden wir bei Europa , Amerika und Australien die gleichen Ziffern , bei Asien jedoch eine Verminderung um 10 Millionen, bei Afrika eine Vermehrung um 2 Millionen , wodurch jedenfalls nur die Resultate neuerer Vermessungen , Forschungen und Volkszählungen zum Ausdrucke gelangen. Bei Dänemark wurde die Bevölkerung der Faröer und Island's in Richtigstellung der vorjährigen Zahl von 125.000 Menschen (offenbar nur ein Druckfehler) mit 79.800 angegeben. Im Stande der stehenden Heere weist die Tabelle folgende grössere VeränTabelle 1873 derungen aus und zwar : Tabelle 1872 402.000 (Friedensfuss) 412.000 10.000 Mann Deutsches Reich . 1,300.000 100.000 17 1,200.000 (Kriegsfuss) 163.000 963.000 Oesterreich-Ungarn . 800.000 (Kriegsfuss) Я Russland . 1,363.000 + 385.000 n 978.000 (Kriegsfuss) Frankreich . 450.000 50.000 " 400.000 (Friedensfuss) Griechenland 12.400 + 3.400 9.000 (Friedensfuss) China 300.000 (Friedensfuss) 100.000 200.000 Wir finden daher mit Ausnahme des himmlischen Reiches, das sein Heer nach Hübner auf Ein Drittel reducirt hat, überall nur Vermehrungen, bei den hier nicht angeführten Staaten aber die gleiche Ziffer oder nur unbedeutende VeränRh. derungen.

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Die Befestigungsfrage Italiens. Mittheilungen über deren gegenwärtigen Stand. Von Julius Bingler , Oberstlieutenant des k. k. Geniestabes . ( Separat - Abdruck aus den " Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens ".) Wien 1873 . Commissions -Verlag von L. W. Seidel & Sohn . 8. 56 S. 60 kr. Der Herr Verfasser des obigen Aufsatzes hat in den Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie - Wesens " bereits zweimal einschlägige Fragen behandelt . Im 1. bis 3. Heft von 1872 des genannten wissenschaftlichen Organs brachte er einen sehr gelungenen Auszug des bezüglichen officiellen Berichtes der königlich italienischen Commission für die allgemeine LandesVertheidigung (sammt Karten - Skizze und Legende), ferner im Jahre 1873 (7. und 8. Heft ) eine längere Erörterung der Local-Verhältnisse des Kriegshafens La Spezia (sammt Plan) , und der darauf basirten Befestigungs -Projecte dieses für Italien so wichtigen Seeplatzes . Ausserdem stand ihm ein reiches Material von in jüngster Zeit erschienenen italienischen Brochuren zu Gebote, die grossentheils aus der Feder namhafter militärischer Capacitäten stammten, und die Befestigungsfrage Italiens von den mannigfaltigsten Gesichtspuncten beleuchteten . Unter so kundiger Hand gestaltete sich daher obiger Aufsatz zu einer äusserst anregenden und interessanten militärischen Studie, welche nicht nur - wie der Herr Verfasser bescheiden meint die Orientirung über diese Frage und das Verständniss der betreffenden Parlaments-Debatten in Fachkreisen wesentlich fördern helfen wird , sondern auch ausserhalb derselben aufmerksam gelesen und eingehend gewürdigt zu werden verdient. Wir betrachten es daher als einen sehr glücklichen Griff und wissen dem Herrn Verfasser vielen Dank, dass dieser Aufsatz durch die vorliegende SeparatAusgabe weiteren militärischen Leserkreisen zugänglicher gemacht wurde, und sind überzeugt , dass abgesehen von allem Anderen die vielen eingestreuten , die Sache weniger vom technischen als vom rein-militärischen Standpuncte betrachtenden Reflexionen des Herrn Verfassers dem Aufsatze einen selbstständigen S. und grossen Werth in der einschlägigen Militär- Literatur sichern . Etude sur la fortification des capitales et l'investissement des camps retranchés par A. Brialmont, Colonel d'Étatmajor. Bruxelles. Muquardt 1873. gr. 8. p. 220 avec 2 planches . 4 fl. 20 kr. In der vielbestrittenen Frage über die Nothwendigkeit der Befestigung der Landes-Hauptstadt zur Vervollständigung eines jeden Staatenbefestigungs- Systemes hat der Erbauer der Festung Antwerpen natürlich längst bestimmte tellung genommen. Die Eigenschaft, der Sitz der Regierung zu sein“, kann für sich allein nie die Befestigung der Hauptstadt rechtfertigen ; die strategische Lage Strategisch wichtig gedes Platzes entscheidet hierüber ganz ausschliesslich. bei legene Städte wie London, Paris und Wien sollen daher befestigt sein strategisch ungünstig gelegenen, wie z. B. Brüssel, wäre die Befestigung ein Fehler . - Die Geschichte der Jahre 1870-71 erweitert diese Grundsätze noch dahin, dass auch bei Hauptstädten in strategisch wichtiger Lage die Befestigung nur dann rathsam sei, wenn sie in solcher Weise ausgeführt wird, dass die Cernirung unmöglich werde . Ist dies nicht möglich, so ist die Verlegung des Regierungssitzes unbedingt geboten , und weit weniger schädlich für die Fortführung des Vertheidigungskrieges als die Lähmung der Regierung durch ihre Einschliessung in der Hauptstadt. In seiner bekannten geistreichen Weise erörtert Oberst Brialmont im ersten Capitel, welche Hauptstädte demnach befestigt werden sollen, und hebt dabei besonders hervor, wie sehr meist die politische Wirkung des Falles der Hauptstadt überschätzt werde ; dieselbe habe sich eigentlich nur bei Paris stets entscheidend erwiesen . Das zweite Capitel ist den Betrachtungen über die Einschliessung von Lagerfestungen im Allgemeinen gewidmet. Brialmont weist darin, auf Basis der beiden Cernirungen von Metz und Paris, die Unhaltbarkeit aller in früherer Zeit von den besten Militär- Schriftstellern aufgestellten Grundsätze hinsichtlich der Stärkeverhältnisse zwischen Vertheidiger und Angreifer 1 : 3) etc. nach . Er zieht bei diesen Betrachtungen die Schlussfolgerung, dass nur im Beginne Org. d. Wiener mil.-wissensch. Vereines. VIII. Band, 1874, Bücher-Anzeiger. 5

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der Einschliessung, während des Aufmarsches der Corps in die Linie, der vom Vertheidiger möglichst auszunützende schwächste Moment für den Angreifer vorkomme ; sobald aber dieser Flankenmarsch beendet, und die Verstärkung der Positionen durch die Kunst begonnen ist, bleibt der Angreifer durch seine umfassende Stellung und durch die Defensivkraft der jetzigen Feuerwaffen gegen Frontal-Angriffe stets im Vortheile. Oberst Brialmont's Betrachtungen über die wohlmotivirten Bedenken Trochu's gegen die Ausführung solcher Frontal- Angriffe mit dem ihm zur Disposition stehenden Truppen- Materiale sind sehr bemerkenswerth. Aus den vor der Enquête- Commission (über die Amtirung der Regierung vom 4. September) gemachten Aussagen, citirt Oberst Brialmont zahlreiche Belege, welche einerseits die Unmöglichkeit beweisen, dass Trochu, wie man verlangte, die Cernirung durchbrechen sollte, und andererseits dem Verfasser zur Motivirung des in einem späteren Capitel enthaltenen Ausspruches dienen , dass man solche grosse Hauptstädte nur erfolgreich vertheidigen könne, indem man die Armee ausserhalb der Stadt ohne Contact mit der Bevölkerung lagere, in der Noyau-Enceinte selbst aber sturmfreie, abzuschliessende Werke einschalte, um sich nöthigenfalls auch gegen jede innere Vergewaltigung behaupten zu können. Im dritten Capitel erörtert der Verfasser die Cernirungs - Arbeiten ; wir wollen hier nur seine Ansicht hervorheben , dass die von den Deutschen vor Metz und Paris in zweiter Linie angeordneten „ Gefechts- Stellungen " wohl dort entbehrlich werden , wo das Terrain schon der ersten Linie grosse Defensiv-Vortheile bietet, und wenn sich dieselbe auf mehr als 3000 Schritte Entfernung von den Werken befindet. Im nächsten Capitel folgt eine Berechnung der zur Cernirung einer Lagerfestung nöthigen Kräfte, wenn man supponirt, dass dieselbe durch eine mobile Armee vertheidigt wird, und 4 Entsatz -Armeen heranziehen. Der Verfasser stellt hiebei eine Reihe von Hypothesen über die verschiedenen Stellungen dieser Armeen zu einander und über deren Kräfteverhältnisse auf, erörtert die vom Angreifer zu treffenden Gegenmaassregeln und aufzustellenden Beobachtungs - Corps etc und kommt zu dem Schlusse, dass man die Einschliessung mit einer Armee wagen und erfolgreich durchführen könne, welche weniger als die doppelte Stärke der Vertheidigungs-Armee erreiche. Ein Abschnitt dieses Capitels ist speciell die der Verwendung der Ueberschwemmungen bei Lagerfestungen gewidmet zu vermeiden sind, wenn sie die Cernirung erleichtern (wie bei Paris) . Im fünften Capitel legt der Verfasser seine Ansichten über die Organisirung der Befestigung eines grossen Central-Platzes dar. Unter den drei Manieren : 1. Ringsum gleichmässiger Fortgürtel (bis jetzt fast allein berücksichtigt), 2. Anlage von Forts- Gruppen ohne Enceinte, 3. NoyauEnceinte mit vorgelegten Forts- Gruppen , hält Brialmont die beiden Letzteren für geeigneter, den Zweck, „ Unmöglichkeit der Einschliessung" zu erreichen . Seine in diesem Capitel ausgesprochenen Ansichten über die Befestigung grosser Hauptstädte durch mehrere verschanzte Lager auf jenen Terrain- Zonen der Umgebung . welche hiefür die meisten Vortheile bieten , und die von ihm hervorgehobenen Schwächen der gleichmässigen Gürtel " -Befestigungen sind sehr lesenswerth; sie führen uns in einfachster Weise auf die neuesten Controversen in der fortificatorischen Wissenschaft. In VII Annexen sind dem Buche Auszüge, theilweise mit Noten des Verfassers aus verschiedenen auf die Cernirungen etc. bezüglichen Documenten und Schriften neuerer Zeit beigegeben. -- Manche Erörterungen sind polemischer Natur und gegen einen alten Widersacher, den belgischen Oberstlieutenant Vandevelde, resp. dessen neuere Schriften gerichtet ; das ganze Buch schliesst sich den vom Verfasser im „ Kampfe für Antwerpen" zahlreich publi-- B. oirten Schriften an.

Die Heeresverfassungen in ihrem Einflusse auf den Volkswohlstand . Von Leon Puslowski. I. Theil. Geschichtliche Entwickelung der französischen und preussischen Heeresverfassungen. Berlin 1873. Behr. 8. 95 Seiten. 1 fl. 20 kr. In welcher Weise am zweckmässigsten mit thunlichst geringen Kosten für den Staat und bei gleichzeitig möglichst kurzer Störung der gesammten wehrfähigen Mannschaft in ihren verschiedenen bürgerlichen Verhältnissen, insbesondere der Landwirthschaft, ein grosses kriegstüchtiges und jederzeit schlagfertiges Heer

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gegen den äusseren Feind bereit gestellt werden könne ?" dies ist die Frage, welche Puslowski in der, unter obangegebenem Titel zur Veröffentlichung gelangenden Schrift, zu beleuchten versucht hat. Dass der Autor für diese das gesammte Staatswohl, sowie die Interessen aller Stände einschneidend berührende, zeitgemässe Studie eine grosse Objectivität, ausgesprochene Schärfe des Blickes und Klarheit der Darstellung besitzt, zeigt bereits der vorliegende, gründlichen Quellenforschungen entsprungene erste Theil. Puslowski legt in diesem als Einleitung dienenden ersten Theile seinem Urtheile eine feste Basis, indem er die Entwicklung der Heeresverfassungen , und zwar vorzugsweise jene der französischen und preussischen Heere von der Thätigkeit Carnot's und Scharnhorst's an, in deutlich gegliederten Zügen schildert und die Vor- und Nachtheile der verschiedenen Heereseinrichtungen andeutet . Gross ist die Zahl schwerwiegender Erfahrungen, welche in dieser verhältnissmässig kurzen Zeit gemacht wurden und lässt sich aus selben mehrfach entnehmen , wie leicht die Macht eines Staates für lange Zeit in verderblicher Weise gelähmt werden kann, wenn egoistische Bestrebungen, Mangel an Erkenntniss der Staatspflichten und kleinliche Auffassung jene Bedingungen zu untergraben wissen, welche den weitreichenden Zwecken eines Staates zukommen, soll dieser die Interessen seiner Angehörigen unter allen Verhältnissen schirmen und fördern . Puslowski, welcher die Leistungen der an der Spitze der Heeresorganisirungen gestandenen Persönlichkeiten , die Einwirkungen der Volksvertretungen , die Eigenthümlichkeiten des Volkscharakters, die Einflussnahme der öffentlichen Meinung, u . s. w. ruhig motivirend unterscheidet und an den Erfolgen die Zweckmässigkeit der Heeresverfassungen prüft, lässt erwarten, es werde ihn seine genaue Kenntniss der Heereseinrichtungen nebst deren Resultaten in die Lage setzen , in gründlicher und beachtenswerther Art den Einfluss der Heeresverfassungen auf die geistige, moralische und wirthschaftliche Entwicklung der Nationen darzulegen. Wünschenswerth wäre , wenn sich Puslowski nicht wie dies im 1. Heft mitunter sichtlich ausschliesslich durch die Erfolge oder Misserfolge in seinen Ansichten leiten lassen wollte, und es muss ferner gehofft werden, es werde der Autor das Feld der Erfahrungen nicht jenem der Ideale räumen , sobald er sich nämlich seiner Schlussfrage zuwendet : „ob nicht doch bedeutende wirthschaftliche Momente gegen die absolute Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht sprechen, und ob die bisher stets nur als Chimäre angesehene „allgemeine Entwaffnung" nicht doch vom höheren volkswirthschaftlichen Standpunct aus wohlbegründet ist." Warum dem sachverständigen und seinen patriotischen Gesinnungen nach tadellosen Autor die Ausnützung amtlicher Behelfe verweigert wurde, wird von - R. R. Puslowski leider nicht erörtert.

Télégraphie électrique de campagne , par van den Bogaert, capitaine du génie. Deuxième édition , revue et augmentée. Bruxelles 1873 . C. Muquardt . 87 S. 1 fl. 50 kr. Während der letztverflossenen Jahrzehnte gelangten alle Armeen Europas dazu , sich mit electromagnetischen Telegraphen für den Dienst im Feide zu versehen , und so schuf auch das industrielle Belgien einen „ Feld-Telegraph" , von welchem manche Einrichtung nachahmungswürdig erscheint. So ist sicherlich manch Gutes an der Einrichtung, in genügender Menge das Materiale für eine isolirte Leitung mitzuführen . Eine solche allein ermöglicht die Herstellung einer telegraphischen Verbindung in kürzester Zeit, so dass jene selbst zu Beginn einer Schlacht bewirkt werden kann, um z. B. die Flügel der Aufstellung mit dem etwa in der Mitte befindlichen Hauptquartiere zu verbinden . Eine solche Verbindung ist aber bei den zur Jetztzeit in den Kampf kommenden Massen gewiss mehr als wünschenswerth und lässt sich vom optischen Telegraphen nicht erwarten , da dieser oftmals wegen Rauch und Pulverdampf seine Thätigkeit auf jene Distanzen wird einstellen müssen . Darin geht Belgien wie Frankreich mit dem guten Beispiele voran , dass nicht starr an dem Principe nur einer Gattung von Telegraphen-Leitung festgehalten wird. Das Apparat-System des belgischen Feldtelegraphen ist das eines Farbschreibers (des Digney'schen) ohne Relais, wie dies auch auf den Staatslinien Norddeutschlands und Belgiens allgemein Anwendung findet. Apparat sammt 5*

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zugehöriger Batterie (von Marié- Davy, wie in Oesterreich) sind in einem eigenen „Stationswagen" (voiture-poste) untergebracht, in welcher Hinsicht Belgien ebenfalls mit gutem Beispiele vorangeht. Die in Oesterreich früher bestandenen Stations wagen hat man durch die jetzigen „Apparatwagen" ersetzt, die genügend charakterisirt sind, wenn man deren Nettolast von 320 Pfunden neben die Bruttolast von 1919 Pfunden setzt, und wenn man noch erwähnt, dass eben wegen deren Einführung noch eine zweite Kalesche jeder Telegraphen -Expositur beigegeben werden musste . Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass in Belgien der Betriebsdienst des Feldtelegraphen nur von Personen des Militärstandes gehandhabt wird . Es mag eine gleiche Organisation bei uns vielleicht einigen Schwierigkeiten in der Hinsicht begegnen. als dadurch den Truppen Kräfte geraubt werden, die daselbst fruchtbringende Verwendung finden ; immerhin aber wäre die Sache eines reiflichen Studiums werth. Von all den erwähnten Eigenthümlichkeiten des belgischen Feldtelegraphen lässt sich eine ziemlich genaue Kenntniss aus dem erwähnten Werkchen schöpfen .... le. und wird dasselbe bestens anempfohlen . Die Unterofficiers-Frage als wichtigste Militärfrage der Gegenwart . Von Hellhof , königl . preussischer Lieutenant i . P. Leipzig. Luckhardt 1874. 60 kr. Der Mangel an geeignetem Nachwuchs für das Unterofficiers- Corps ist eine allgemeine, herrschende Krankheit der modernen Heere geworden . Es war ein Trugschluss , diesen Mangel durch die allgemeine Wehrpflicht gebannt zu glauben , ein Trugschluss in dem Falle. als man versäumen sollte, das geänderte innere Wesen eines Heeres zu beachten Man hat dies versäumt, ebenso in Preussen , wie in andern Ländern. Man hat in die moderne Heeresgestaltung die alte Stellung des Unterofficiers herübergenommen, ohne zu berücksichtigen, dass früher der Unterofficier aus Beruf in diesem Stande blieb. Die Existenzbedingungen jener Periode aber sind durchaus keine für den heutigen Tag. Man hat also versäumt, dem Unterofficiersstande auch nach heutigen Bedürfnissen und Begriffen den Charakter eines Berufszweiges zu geben , und man wundert sich nun, dass es keine Aspiranten für einen Beruf gibt, der gar nicht existirt. Was sind denn die Bedingungen , die eine Richtung menschlicher Thätigkeit zum geachteten und wünschenswerthen Berufszweige für den ehrenhaften Mann machen können ? 1. Aus dem gewählten Berufe heraus muss eine den mitgebrachten intellectuellen und moralischen Factoren entsprechende, ausreichend dotirte materielle Existenz in den Jahren der frischen Kraft sich ergeben , die nicht ärmlicher und drückender ist, als jene, welche sich der Altersgenosse ausserhalb dieses Berufs mit den gleichen geistigen und physischen Mitteln erwerben kann . 2. Der Beruf muss eine Anregung bieten, ein zu erstrebendes Ziel zeigen Heisse der Motor nun Ehrgeiz oder Erwerbslust oder wie immer, der Beruf muss ein Ziel haben. 3. Bei Erlangung reiferen Mannesalters muss der Beruf und der daraus resultirende Erwerb die Gründung einer Familie gestatten . 4. Für das Alter muss eine ausreichende, von Nahrungssorgen freie . geachtete Stellung im socialen Leben sicher sein, unter der Voraussetzung der allezeit erfüllten Pflicht. Dass der Unterofficiersstand des heutigen Tages keine einzige dieser Bedingungen erfüllt, ist klar. Jeder Taglöhner verdient das Dreifache dessen, was der Unterofficier erhält. Officier kann er nicht werden, sein Ehrgeiz ist erdrückt durch die Existenz und die Beförderung der einjährig Freiwilligen , eine Familie zu gründen vermag er in den meisten Fällen nur, wenn er eben die Armee verlässt, und die geachtete, angesehene bürgerliche Stellung , die ihm der Staat nach vollerfüllter 12jähriger Präsenzdienstleistung bietet, ist die eines Briefträgers, eines Gofangenwärters oder auch eines Strassen-Einräumers, und es steht ihm frei, in solcher Civilstaatsbedienstung und Altersversorgung zu verhungern, wann er immer will. Auch Hellhof geht von dem Einflusse des Ar-

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beitsmarktes auf den Unterofficiersnachwuchs und von der Nothwendigkeit, den Unterofficiersstand, wenn er etwas taugen soll , als Beruf aufzufassen, als Basis seiner Untersuchung aus. Trefflich schildert er das Wesen und Wirken des „ alten “ Unterofficiers, des Berufssoldaten, und als zu erstrebende Lösung der ganzen Unterofficiers-Frage bezeichnet er eben die restitutio in integrum, das Motto seiner Brochure. Das heisst, dem Frühergesagten entsprechend , eine Restitution im Wesen, aber mit der durch die heutigen Verhältnisse und die Entwerthung des Geldes bedingten andern Form. Ebenso treffend schildert Hellhof jenen Recrut-Unterofficier, der gegenwärtig in den Armeen Mittel-Europa's fast das ganze Unterofficiers-Corps bildet, und mit unwiderlegbarer Schärfe weist er nach, dass die Schaffung dieser Unterofficiere nicht nur den Verlust einiger Vortheile im Vergleiche zum Berufsunterofficier bedeute, sondern dass das neue Unterofficiersthum directe schwer und empfindlich dem Dienste schade. Wir bedauern , die betreffenden Stellen nicht hier citiren zu können , der Raum erlaubt es nicht. Sie sind sehr lesenswerth, sehr beherzigenswerth . Für die preussische Armee speciell wehrt sich Hellhof gegen die Ernennung von Unterofficieren zu Officieren während ihrer Dienstzeit, aber er will ihnen die Ernennung zu Landwehr-Officieren nach Vollstreckung der gesetzlichen 12jährigen Dienstpflicht bei ihrem Austritte sichern. Nach einer ebenso vorzüglichen Schilderung des heutigen einjährig Freiwilligenwesens geht er zu Vorschlägen über die materielle Form der Lösung der Frage über, und hier ist es, wo sich zum Theile die Ideen des Verfassers nicht mehr in so vollem Maasse den Verhältnissen der nichtpreussischen Armeen anpassen lassen , wie bisher. Seine Vorschläge umfassen eine ausgiebige Gehaltserhöhung, Pensionsrecht (nach 12 Jahren 45 % gegen Verzicht auf die Civilbedienstung , nach 20 Jahren den ganzen Unterofficiersgehalt , gesicherte Civilversorgung durch Eröffnung aller Stellen, auf die der Staat Einfluss hat, also aller subventionirten und staatlicher Concession bedürftigen Anstalten, Unterofficiersschulen in den Regimentern. Hebung des Ansehens gegenüber der Mannschaft und des eigenen Selbstgefühls, daher um so grössere Strenge. Im Ganzen sind diese Vorschläge empfehlenswerth für jedes Heer, aber wir glauben nicht, dass ihre Durchführung ausrei hen würde, um den Mangel des Nachwuchses ernstlich aufzuheben. In Preussen würde man damit vielleicht grössere Resultate erlangen, denn so sehr fühlbar auch dort der Uebelstand schon geworden , es ist doch noch immer besser daran, als andere Heere. Die Reformen, die vielleicht geeignet wären , auch bei uns die Unterofficiersfrage günstig zu lösen , sind nicht ganz so unklar, als es manchmal scheinen möchte, aber es hängt eben in organisatorischen Dingen Alles so enge aneinander, dass die Aenderung einer Sache immer den Umsturz von anderen Institutionen bedingt, wie auch eine einzige ungünstig ausgefallene Institution die ganze Organisation lähmen kanu. Ein krankes Glied macht den ganzen Körper krank. Die Institution, die eine Lösung der Unterofficiersfrage in Oesterreich zunächst betreffen würde, wäre das Beförderungsgesetz. Der Unterofficier, der nicht die geforderte wissenschaftliche Ausbildung besitzt, kann allerdings keineswegs mit dem geschulten Cadeten in eine Kategorie gesetzt werden. Aber es scheint doch nothwendig, auch ihm, dem bravdienenden Soldaten, ein Ziel , eine Zukunft zu bieten . Wenn jede so und so vielte Lieutenantsstelle für zehn Jahre präsent dienende brave Unterofficiere offen gehalten würde, die sie sich verdienen durch die lange praktische Erprobung und durch die gegenwärtig für Reserve- Officiere vorgeschriebene Prüfung, so hätte die Armee eine grosse Zahl nicht gelehrter, aber genügend ausgebildeter und praktischer Officiere gewonnen , und einen vielleicht nicht ganz unbeträchtlichen Theil der besseren Unterofficiere zu zehnjährigem Bleiben veranlasst. Eine Consequenz davon wäre allerdings, dass die Ernennung von jungen Leuten aller möglicher Berufsclassen zu Reserve-Officieren aufhöre. Der einjährig Freiwillige muss mehr militärwissenschaftlich thun, weil er wenig militärpraktisch zu erwerben vermag. Vor dem Feinde aber soll er Officier sein, wie jeder Andere. Da würde es sich wohl sehr empfehlen , ihn nach Schluss seines Freiwilligenjahres die normale Cadetenprüfung machen zu lassen, und ihn erst nach Beendigung seiner dritten Waffenübung zum Reserve-Officier zu machen .

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Die Erhöhung des Unterofficiersgehaltes ist zum Theile bereits angestrebt. Ein wesentliches Moment für den Erhalt von fortdienenden Unterofficieren liegt aber in den Civil-Bedienstungen, und diese sind gegenwärtig kaum auf richtiger Basis. Was aber eben in das Gebiet der Lebensfragen gehört, muss gefordert und gewährt werden, man darf da für weniger wichtige Dinge, und sei es selbst die Standesziffer, dafür mässige Forderungen aufstellen . Man fordert vom ausgedienten Unterofficier für die wenigen besseren Stellen dieselben absolvirten Schulen , wie für den achtzehnjährigen, militäruntauglichen Jungen, dem die löbliche Verwandtensippe auf das Pöstchen zu verhelfen beabsichtigt. Wesshalb fordert das Gesetz diese Schulen für den Jungen ? Nicht, weil im Obergymnasium gerade das einem Post- oder Telegraphenbeamten nothwendige Wissen speciell gelehrt wird , sondern weil man einigermaassen in der Schule eine Garantie für den ganzen geistigen und moralischen Gehalt des Aspiranten sucht und zu haben glaubt. Diese Garantie besitzt der Unterofficier, der nach 12 Jahren das Heer verlässt, begleitet von der Achtung und der Anerkennung seiner Vorgesetzten, in ganz anderem höherem Maasse, die absolvirte Schule kann ihn nicht höher stellen , als der bereits gelieferte Beweis seiner Brauchbarkeit für die entsprechende Sphäre civilämtlicher Thätigkeit. Eine bedeutende Erleichterung hierin ist zunächst nöthig Dann muss das System jahrelanger Exspectanz in Wahrheit, nicht nur auf dem Papier, aufhören, der Unterofficier muss ein Recht haben auf eine anständige Civilversorgung. Um dies zu können , müssen ihm nicht nur viel mehr Stellen geöffnet, sondern ihm dieselben auch ausschliesslich allein geöffnet werden , ohne Concurrenz nichtgedienter junger Bursche. Es muss daher im ganzen Ressort der Ministerien, besonders in jenem des Justiz-, des Finanz- und des Handelsministeriums reichlich vorgesorgt werden. Endlich aber muss man dahin gelangen , die niederen Dienerposten doch nur dem mit dem einfachsten Wissen ausgestatteten ausgedienten Unterofficiere vorzubehalten, dessen einzige aber auch unendlich werthvolle Empfehlung in seiner strengen. ehrenhaften, pflichttreuen Denkweise, in seinem wackern Charakter besteht . Für solche osten , wie Briefträger, Amtsdiener, Gefangenwärter etc., bedarf es auch nicht mehr. Dem intelligenten Unterofficiere aber muthe man nach 12 Jahren braven Dienstes solche Aemter nicht zu. Wenn man für ihn nicht wirkliche Subalternbeamtenstellen mit geachteter und wünschenswerther socialer Stellung finden kann, wenn man in dem gesammten Manipulationsdienst, ja in ganzen Beamtenbranchen nicht den natürlichen Platz für gutgediente, der Feder genügend mächtige Unterofficiere zu erblicken vermag . dann rede man nicht von einer bestehenden Civilversorgung ausgedienter Unterofficiere. Wir klagen stets über die Wirkungen , und nehmen uns nicht die Mühe, die Ursachen schädlicher Wirkungen zu beheben. Wir klagen über den Unterschied der einstigen Disciplin und der heutigen. und vergessen, dass wir mit dem heutigen Unterofficiersmaterial und nicht mit dem einstigen zu thun haben . Möge Hellhof's Wunsch wahr werden : „ Fiat restitutio in integrum! " Die Brochure verdient sehr gelesen zu werden. - W. ―

Zur Geschichte der Geographie in Oesterreich seit 1750. Von M. A. Becker. Wien 1873. 23 Seiten in 8. 30 kr. Besonderer Abdruck aus den 99 Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Wien 1873. " Der Verfasser, auf dem Gebiete der geographischen Wissenschaft vortheilnaft bekannt, schildert in gedrängter Kürze die Geschichte der geographischen Wissenschaft in Oesterreich seit der Regierung Maria Theresia's bis auf unsere Zeit und gibt dazu schätzenswerthe, den Gegenstand betreffende Notizen. -A

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Handbuch der Erdkunde. Von Gustav Adolph v. Kloeden, Dr. phil.. Professor an der städtischen Gewerbeschule zu Berlin . Berlin 1873. Dritte , durchwegs verbesserte und vermehrte Auflage . 1. Theil : Die physische Geographie. 16 und 1375 Seiten in 8. mit 288 Holzschnitten. 9 fl. Klöden's Handbuch der Erdkunde (3 Theile) enthält im ersten Theile : die physische Geographie ; im zweiten und dritten Theile : die politische Geographie (Länder- und Staatenkunde) und zwar im zweiten Theile Europa, im dritten Theile Asien , Australien , Afrika und Amerika. Kloeden's Handbuch der Erdkunde ( 1. Auflage 1859-1862, 2. Auflage 1866-1869) gehört zu den besten Leistungen der Universal- Geographie . Ein überaus reichhaltiger Stoff mit bewunderungswürdigem Fleisse aus bewährten Quellen zusammengetragen , erscheint darin sorgfältig gesichtet, wissenschaftlich geordnet und gegliedert, und durch Bestimmtheit und Klarheit des Ausdruckes ansprechend und leichtverständlich zur Darstellung gebracht. Der Autor hat in der neuen Auflage, um dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft zu entsprechen, der physischen Geographie, dieser Grundlage für seine gesammte geographische Arbeit, jene Veränderungen und Erweiterungen gegeben, welche durch die Forschungen der neuesten Zeit veranlasst worden sind. A. Der zweite Theil ist bereits im Drucke. Turkestan . Auf Grundlage einer im Jahre 1871 unternommenen Bereisung des Landes , geschildert von Alex. Petzhold . Leipzig 1874. Schlicke. VI. und 88 S. 2 fl. 40 kr. Petzhold arbeitet an einem grösseren Werke über die von ihm besuchten Gebiete Mittelasiens, da dasselbe jedoch nicht sobald druckreif zu werden scheint und das Interesse des Tages eifrig nach belehrenden Aufschlüssen über diese in letzterer Zeit so interessant gewordenen Gegenden begehrt, sah sich der Verfasser veranlasst, seinem grösseren Werke das vorliegende Heftchen vorauszusenden . Wir wissen ihm Dank dafür, denn die 88 Seiten enthalten so viele anregende Notizen, charakterisiren bei aller gebotenen Kürze so richtig und anschaulich die Boden- Cultur- und Bevölkerungs- Verhältnisse Turkestans, dass wir Jedem, dessen Aufmerksamkeit für dieses Land rege geworden , die Lecture dieses kleinen Büchleins bestens empfehlen . Der Stoff ist in 3 Capitel gegliedert, deren erstes und zweites uns mit Land und Leuten von Turkestan und ihren einfachen Lebensverhältnissen bekannt machen, während das dritte Capitel einer politischen Würdigung der centralWie die ersten 2 Capitel asiatischen Gegenwart und Zukunft gewidmet ist. eine schätzenswerthe Bereicherung unserer Kenntnisse von Turkestan liefern , ebenso interessant und belehrend sind auch die politischen Deductionen des Verfassers. Die Behauptung, Turkestan sei bereits oder werde demnächst zur Operationsbasis Russlands gegen Britisch- Indien, haben wir so oft gehört und gelesen, dass es wirklich der Mühe verlohnt das Unhaltbare einer solchen Annahme zu erweisen ; nun - wie unendlich Vieles, ja beinahe alle Bedingungen zu einer auch nur halbwegs gebrauchsfähigen Basis für grössere militärische Operationen diesen Landstrichen zur Stunde noch mangeln und für ganz unberechenbare Fernen noch mangeln werden. dafür liefern auch die Schilderungen des an Ort und Stelle gewesenen Verfassers hinreichende Belege. Die in den Text aufgenommenen 2 Karten-Skizzen erleichtern zur Genüge die ungefähre Orientirung des Lesers. Kl. Oberst Wenjukow . Die russisch-asiatischen Grenzlande . Aus dem Russischen übertragen von Krahmer , Hauptmann im königl . preussischen Grossen Generalstabe. Mit einer Uebersichtskarte . Erste Lieferung. Leipzig 1874. Grunow. 144 S. 1 fl. 80 kr. Oberst Wenjukow veröffentlichte bereits in den Jahren 1872 und 1873 im russischen Militär- Sammler eine Reihe von äusserst gediegenen Aufsätzen über die russisch-asiatischen Grenzgebiete, und ist in dieser Zeitschrift wiederholt auf

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den hohen Werth dieser Arbeiten hingewiesen worden. Diese zerstreuten Aufsätze sind nun bereichert durch die neuesten Forschungs-Resultate gesammelt als selbstständiges Werk erschienen und Hauptmann Krahmer hat sich entschieden vollen Anspruch auf den Dank aller Freunde der Geographie erworben, indem er dieses vorzügliche, eben so lehrreiche als interessante Buch dem deutschen Publikum zugänglich machte. Die eben erschienene erste Lieferung der Krahmer'schen Uebersetzung behandelt in kurzer aber die wichtigen Momente klar hervorhebender Weise das successive Festsetzen Russlands in Asien , schildert die eigenartigen Verhältnisse der ersten (russischen) Ansiedler, ihre Kämpfe, die Gründung ihrer Niederlassungen, die Organisationen der immer weiter vorschreitenden Linien etc. Sodann werden die einzelnen Grenzabschnitte en detail einer sehr ausführlichen militärgeographischen Würdigung unterzogen. Wenjukow theilt nämlich die über 10.000 Werst lange Grenze Russlands in Asien in 11 , durch physikalisch-geographische , ethnographische oder politische und militärische Verschiedenheiten gesonderte Abschnitte und geht in der Schilderung derselben von Osten gegen Westen zu, mit der Insel Sachalin beginnend . Wir empfehlen Allen , welche sich für die immer wichtiger werdenden russisch-asiatischen Beziehungen interessiren , wie den Freunden gediegener geographischer Lecture dieses ganz vorzügliche Werk, und sind der Ansicht, dass die deutsche militär- wissenschaftliche Literatur durch Herrn Krahmer's treffliche Uebersetzung eine äusserst schätzenswerthe Bereicherung erfahren hat. Kl. -

Studien über Bosnien, die Herzegowina und die bosnischen Bahnen unter Beschreibung einiger genereller Tracirungs-Methoden . Mitgetheilt von Geiger und Lebret , Ingenieure . Mit OriginalReiseskizzen , Längenprofil und Situation der bosnischen Bahnen . Separat- Abdruck aus der Allgemeinen Bauzeitung " . Wien 1873 . Waldheim. 23 S. 1 fl . 50 kr. Theilnehmer an den unter der Oberleitung des Ingenieurs Die Verfasser Pressel ausgeführten Vorarbeiten für die generelle Tracirung der türkischen , liefern hier in 2 Abschnitten : beziehungsweise bosnischen Eisenbahn- Linien 1. Eine kurze topographische Beschreibung des von ihnen gelegentlich der erwähnten Arbeiten bereisten Bosniens und der Herzogewina nebst einer allgemeinen Charakteristik des Landes und seiner Bewohner. 2. Die technischen Momente des General - Projectes und einige Abenteuer bei Durchführung ihrer Aufgabe. Beachtenswerth erscheint uns hiebei die bezüglich der Unrichtigkeit unserer Scheda'schen Karte gemachte Bemerkung. Was die beschriebene Art der Aufnahms-Methoden anbelangt, so müssen wir derselben weniger den Charakter der Originalität, als vielmehr jenem des Nothbehelfes zuerkennen. Der im Ganzen recht interessant geschriebenen Brochure sind einige nett ausgeführte Skizzen von Landschaften, sowie schliesslich ein Längen-Profil nebst --- H. Situation der projectirten bosnischen Bahnen beigefügt. Der graphische Höhen- und Latten- Distanzmesser . Von J. Roskiewicz , k. k. Oberstlieutenant . Wien 1873. Seidel. Dieses nach dem Principe der Kippregel construirte Instrument gestattet nebst den Horizontal- und Verticalwinkel-Bestimmungen , der Aufsuchung gleich hoher Puncte u. dgl. noch vorzugsweise : a) die relative Höhe aller auf einem Plane gegebenen oder gefundenen Puncte ohne Benützung des Cirkels und ohne Rechnung unmittelbar vom Standpuncte aus und zwar je nach dem Verjüngungsverhältnisse bis auf Decimeter oder selbst Centimeter zu bestimmen ; b) vermittelst einer Ablesungsscheibe die Ermittlung von Höhenunterschieden selbst nach solchen Höhenmessungen , welche mit einem anderen Winkelmess-Instrumente ausgeführt wurden ;

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c) die Anwendung als Nivellir-Instrument und in Verbindung mit einer kurzen, zusammenlegbaren Messplatte auch als Distanzmesser ; und endlich d) im Vereine mit dem Distanzmesser die Bestimmung relativer Höhenunterschiede von jedem beliebigen Puncte, nach jeder beliebigen Richtung , ohne die Nothwendigkeit, den Ausgangspunct der Messung nach seiner Höhe früher bestimmen zu müssen . Mit dieser letzten Fähigkeit erwachsen dem Ingenieur oder Mappeur, namentlich beim Nivelliren oder Detailliren ausgedehnter Waldstrecken, in welchen jede weitere Uebersicht mangelt, die ausserordentlichsten Vortheile hinsichtlich Richtigkeit und Schnelligkeit der Arbeit. Wir glauben uns zu dem Ausspruche berechtigt, dass das Erscheinen dieses in technischer Beziehung vielleicht noch der Vervollkommnung fähigen Instrumentes ¹ ) in Ingenieur- und namentlich in Militär-Mappirungskreisen der grössten Aufmerksamkeit und auch Zustimmung begegnen dürfte. Denn wer dazu verurtheilt ist, einige tausend Höhenwerthe vermittelst Logarithmen oder TangentenTafeln zu berechnen , wer beklommenen Herzens daran gehen muss , ganze Ketten von Höhenmessungen mit dem unverlässlichen und viel Zeit absorbirenden Aneroïd-Barometer zu bestimmen, der wird erleichtert und froh mit diesem Instrumente an die Arbeit schreiten, weil er von dem Alp - der möglichen ff. Unrichtigkeit seiner Messungen befreit sein wird. Oesterreichisch- ungarische Militärische Blätter. Monatszeitschrift, 1. Jahrgang 1874, 1. - 6 . Heft (I. Band). Verlag von Carl Prochaska in Teschen. Preis per Halbjahr (6 Hefte) 4 fl. Wir haben die Herausgabe mehrerer Hefte dieser neuesten Erscheinung der österr. periodischen Militärliteratur abgewartet, um uns ein gegründetes Urtheil über Tendenz, Charakter und Leistungen derselben bilden zu können . Um so offener können wir nun mit der Anerkennung hervortreten , dass die anonyme Redaction dieser neuen Zeitschrift ihre Aufgabe sehr ernst nimmt , und dass wir bei gleichmässiger Fortsetzung der bisherigen Leistungen glauben, die Armee habe in derselben ein neues, ihre Interessen warm vertretendes und nützliches , alle loyalen Bestrebungen förderndes Blatt gewonnen. Das Programm der „ Blätter" ist reichhaltig, indem es, über die engeren Grenzen der streng wissenschaftlichen Militär - Zeitschriften ( Streffleur" und „Organ" ) hinausgehend , auch solche Fragen aus dem Leben der Armee behandeln will, welche nicht in den Bereich der Militär- Wissenschaften gehören , und durch einen belletristischen Anhang, durch Mittheilungen über Jagd, Sport und Schachspiel, auch für Unterhaltung zu sorgen beabsichtigt . Neben den in jedem Hefte enthaltenen grösseren Aufsätzen, welche theilweise sehr bemerkenswerth sind, heben wir namentlich hervor, dass die Redaction sich zahlreiche und gutgeschriebene Correspondenzen des Auslandes zu sichern wusste, wodurch ebenfalls eine bei Monatsrevuen seltene Mannigfaltigkeit des Inhalts erzielt wird . Das Anwachsen der Militär- Literatur, und namentlich die internationale Ausbreitung der militärischen Studien, zwingen jede Militär-Zeitschrift, ihren Lesern Mittheilungen über die neuesten Erscheinungen im Buchhandel zu machen. Der „ Literatur- Bericht " der ö . u . mil . Blätter genügt dieser immer unerlässlicher werdenden Aufgabe ; das sachgemässe Eingehen der Recensenten auf Tendenz und Werth des Buches ist hier wohl die Hauptsache, lässt sich jedoch nach blos halbjähriger Erprobung noch nicht leicht mit Bestimmtheit constatiren ; was wir aber von den bisher publicirten Recensionen mit besonderem Vergnügen gleich jetzt hervorheben können , ist die Einhaltung eines durchaus objectiven , äusserst anständigen Tones, ein Beweis , dass in dieser Beziehung die betreffende Zusage des Programms vollständig erfüllt wurde. Die verschiedenen grösseren Arbeiten , welche dieser I. Band der Blätter enthält, beweisen , dass es sich die Redaction angelegen sein lasse, die vitalsten Fragen der Armee der Reihe nach in Discussion zu nehmen ; sie wird den 1) Wie wir hören , ist Oberstlieutenant Roskiewicz schon jetzt beschäftigt, durch das Anbringen feingängiger Schrauben die Sicherheit der Functionirung zu erhöhen .

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Blättern dadurch nicht allein rasch die Sympathien der Officiere gewinnen , sondern - da sie auch Controversen ihre Spalten öffnen auch zur Klärung und Erörterung vieler dieser Fragen nützlich beitragen. Die geistige und praktische Arbeit in allen Fächern des Militärwesens ist gegenwärtig eine so rastlose, drängende, die Zahl der zu klärenden Zeit- und Streit-Fragen" eine so ansehnliche, dass wir mit aufrichtiger Genugthuung jede neu erstehende Bahn begrüssen, welche günstigen Raum und Gelegenheit bietet zur Veröffentlichung militär-literarischer Arbeiten. Uns bangt nicht, dass der Stoff oder die gute Bearbeitung desselben mangeln werde, denn neue Gelegenheit regt auch neue Arbeiter an ; und darauf, dass auch diese neue Zeitschrift, sich den anerkannt guten unter den älter bestehenden österr. Militär-Journalen anschliessend , missgünstigen , gehässigen Ton sowie alles Persönliche" meiden — dass sie dem Schlechten und Gemeinen ihre Spalten verschliessen werde darauf glauben wir nach dem bisherigen Wirken der Redaction bereits fest vertrauen zu können . Wir begrüssen daher mit aufrichtiger Freude diese bisher in überraschender Weise gelungene neueste Bereicherung der österr. Militär- Literatur, und fügen nur noch hinzu , dass die äussere Ausstattung eine ganz gute ist, und auch ein- B. – zelne Plan-Beilagen gebracht werden . Kurzgefasste militärisch - geographische Beschreibung von MittelEuropa. Bearbeitet für den Gebrauch als Lehrbehelf und zum Selbststudium von E. Garger, k. k. Oberlieutenant des 73. Infanterie -Regiments. Leipzig 1873. Luckhardt. 8 und 270 Seiten in gr. 8. 3 fl. Meister der geographischen Wissenschaft wie : Ritter, Roon, Sydow erklären , dass der so wichtigen geographischen Wissenschaft stets eine selbstständige Behandlung gebühre, fordern, dass der Aufbau der Militär- Geographie stets auf dem Grunde der allgemeinen Geographie erfolge, und sind ausdrücklich dagegen . dass die Militär- Geographie in Verbindung mit bezüglichen militärischen Fächern durchgeführt werde. Eine Militär- Geographie ist nur dann praktisch-nützlich, wenn sie den Charakter und die Physiognomie des Landes klar und deutlich zeichnet , wenn sie die Statistik, d . h. die Würdigung der Kräfte des Landes als Hauptsache behandelt, und wenn sie dafür die Topographie nur auf das Nothwendigste beschränkt. Zuviel Detail ist immer undeutlich , abschreckend und verleidet das Studium . Ausführliche Einzelschilderungen gehören in's Gebiet der speciellen Recognoscirungen und nicht in jenes der Militär- Geographie. Recognoscirungen können allenfalls als Ergänzungen zur Militär- Geographie betrachtet werden. Die vorliegende militärisch-geographische Beschreibung von Mittel-Europa" • beruht auf wissenschaftlich richtiger Anschauung des Gegenstandes. Nach bewährten Quellen wie : Roon , Klöden , Wappaus, Massenbach, geographisch- statistischen Jahrbüchern und Zeitschriften etc. gearbeitet, erscheint der Stoff darin leicht übersichtlich gegliedert, das Wassernetz dient als Basis , die Unterabtheilung des Raumes erfolgt nach Flussgebieten, was die Orientirung wesentlich erleichtert, und die Klippe zuviel Detail " ist glücklich vermieden. Das Buch umfasst : Frankreich, Belgien. Niederlande, Deutschland, Oesterreich- Ungarn , Schweiz, Nord-Italien , Rumänien , West- und Südwest-Russland , enthält im 1. Hauptstücke : hydro-orographische Beschreibung , im 2. Hauptstücke : klimatische Uebersicht und im 3. Hauptstücke : statistische Volks-, Staats- und Wehrverhältnisse der genannten Länder. A.

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B. Bibliographischer Theil. Uebersicht der neueren literarischen Erscheinungen . ') Abgeschlossen mit 15. April 1874 . I. Literatur des deutsch -französischen Krieges 1870-1871 . Bazaine. Procès complet. Rapport du général de Rivière. Interrogatoire de Bazaine. Déposition des témoins. Requisitoire. Plaidoirie de Mr. Lachaud . Condamnation. Derniers détails. Paris. 8. 1 fl. 50 kr. Beschiessung, die, v. Verdun am 13. bis 15. October 1870 u . die Ursachen ihres Misserfolges . (Aus „ Oesterr.-ungar. Milit.-Blätter. ") Teschen . 8. 60 kr. Blocade, die, von Metz im Herbste 1870. Mit Angabe der deutschen und franz. Befestigungen u. d . Stellungen der einzelnen Corps u . Divis. 1 : 50,000 . Metz. Fol. 1 fl. 80 kr. Davall , E. maj . Les troupes franç. internées en Suisse à la fin de la guerre en 1871. Rapport rédigé par ordre du département milit . fédéral sur les documents officiels déposés dans ses archives. Avec carte, plan et tableaux. Bern. 4. 3 f . 60 kr. Delerot, E. Versailles pendant l'occupation . Recueil de documents pour servir à l'histoire de l'invasion allemande. Paris . 8. 2 f. 60 kr. Fontane. Th. Der Krieg gegen Frankreich 1870-1871. I. Bd. Der Krieg gegen das Kaiserreich. 2. Halbband. Von Gravelotte bis zur Capitulation von Metz (19. August bis 27. Octb. 1870). Mit 35 Plänen in Holzschnitt. Berlin . 8. 5 fl. 10 kr. Gedenkblätter an d. Krieg v. 1870 u. 1871. Ein namentliches Verzeichniss der Gefallenen, Verwundeten und Verstorbenen vom Porteépée - Fähnrich aufwärts. Von R. Görlitz. 8. 1 fl. 80 kr. Gedenkbuch des Krieges 1870-1871 u. der Aufrichtung des deutschen Reiches . Facsimiles der Denksprüche und Original-Handschriften der deutschen Fürsten, Feldherren und Staatsmänner im germanisch. Nationalmuseum zu Nürnberg. 1. u . 2. Abthlg. Nürnberg. Fol . à 3 fl. 24 kr. Goltz, Hptm. Frhr. Die 7 Tage v. Le Mans nebst einer Uebersicht ü. d. Operationen der 2. Armee gegen den Loir im Decbr. 1870. Vom Standpuncte d. Ober-Commandos der 2. Armee u. nach dessen Acten dargestellt. Mit 1 Karte. Berlin 8. 1 fl. 44 kr. Hanneken, Gener.- Lieut. H. v. Marschall Bazaine u. die Capitulation v. Metz. (Aus „Allg. Milit.- Zeitg. ") Darmstadt. 8. 48 kr. Hirth, Dr. G. u. Dr. J. v. Gosen. Tagebuch des deutsch-franz . Krieges 1870/71 . Eine Sammlung der wichtigeren Quellen . Mit Karten u . Plänen. Leipzig. 4. 2. Bd. Vom 28. August bis 28. October 1870. Mit Karten der Umgegend v. Beaumont, Sedan , Paris und Versailles und der Umgegend von Orléans 6 fl. 3. Bd . Vom 29. October 1870 bis zum Schlusse. Mit Karten und Plänen der Umgegend von Amiens, St. Quentin, Bapaume, Le Mans , Belfort-Montbéliard . 9 fl. 60 kr. Jacqmin, F. Les chemins de fer pendant la guerre de 1870-1871 . Leçons faites en 1872 à l'école des ponts- et- chaussées. 2. édit. Paris. 8. 2 fl. 10 kr. Janin. Journal de la guerre de 1870-1871 à Dijon et dans le département de la Côte-d'Or. 1. partie 14. - 31 . octobre 1870. Paris. 1 fl. Kaehler, Maj. Die Reiterei in der Schlacht bei Vionville u . Mars la Tours am 16. August 1870. 3. berichtigte und ergänzte Aufl . Mit 1 Steintafel. Berlin . 8. 90 kr. Kératry, E. de. Armée de Bretagne 1870-1871 . Déposition devant les Commissions d'enquête de l'Assemblée nationale, avec carte à l'appui. Paris . 8. 4 fl. 20 kr. L'armée de Bretagne 1870-1871 . M. M. Gambetta et de Kératry devant l'opinion publique. Avec carte Paris. 8. 3 fl. 50 kr.

1) Die periodischen Literatur-Erscheinungen und die Zeitschriften sind am Schlusse der bezüglichen Abtheilungen angegeben.

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Koch, Lt.. 0. F. Von der Ostsee bis zum Kanal. Die 17. Division während des Feldzuges gegen Frankr. 1870-1871 unter specieller Berücksichtigung des Mecklenb.-Grenad.- Regts. Nr. 89. Neustrelitz . 8. 1 fl. 50 kr . Krause, W. Gedächtnisshalle f. d . i. Feldzuge 1870-1871 gefallenen u. nachträglich verstorbenen deutschen Krieger. Alphabetisch geordnete Zusammenstellung biogr. Notizen ü. sämmtliche Opfer des Krieges . 7. - 8. Lfg. Berlin . 8. à 36 kr. , auf Velinpapier 60 kr. Krieg, der deutsch-französische, 1870-1871. Red . v. d. kriegsgesch. Abthlg . des Grossen Glstbs . 1. Theil. Geschichte des Kriegs bis zum Sturz des Kaiserreichs 5. Heft. Die Ereignisse bei Metz am 15. , 16. u. 17. August. Schlacht bei Vionville -Mars la Tour. Mit Plan 5 a u . b, 1 Uebersichts- und Operationskarte u. 5 Skizzen im Texte. (Schluss des I. Bandes). Berlin . 8. 4 fl. 92 kr. - der deutsch-französische, 1870-1871 u . das Generalstabswerk v. C. v. B. Berlin. 8. 2. Aufl. 1. Heft. Weissenburg -Wörth- Spicheren . Mit 1 Karte. 1 fl. 80 kr. Langres pendant la guerre de 1870-1871 d'après les documents offic. franç . et allem . recueillis par un officier de l'armée regulière . Paris . 8. Avec 1 carte. 90 kr. Leclerc, D. H. capit. 1870-1871 . Guerre de l'Allemagne contre la France . Tableaux statistiques des pertes des armées allemandes, assemblées chronologiquement dans l'ordre des batailles etc. Paris. 4. 1. et 2. parties 16 fl . 80 kr. Pfleiderer, Prof. Dr. E. Erinnerungen u. Erfahrungen eines Feldpredigers aus d. Kriege v. J. 1870-1871 . Stuttgart. 8. 96 kr. Pierret et Simon. Montmédy en 1870-1871 . Siège, bombardement, occupation . 1.- 3. livraison. Montmédy. 8. à 50 kr. Pirscher, Hptm Aufstellung und Dislocation_d. Truppen d . 5. Armee- Corps . General d . Inft. v. Kirchbach sowie der Truppen d. 2. bayr. Armee- Corps General d . Inft. v. Hartmann in der Cernirungslinie um Paris 1870-1871 bis incl. Feldwachen und Unterofficier-Posten. Berlin . 4. Mit 2 Karten . 1 fl . 80 k. Prieto y Villareal, E. , cap. 1870-1871 . Cartas escritas con motivo de la guerra Franco-Alemana. Madrid . 8. Mit 1 Karte und 3 Taf. 8. 1 fl. 80 kr. Procès du maréchal Bazaine. Compte rendu des débats du prémier conseil de guerre. Paris 8. 4 fl. Ramon. L'invasion en Picardie. Récits et documents concernant les communes de l'arrondissement de Péronne pendant la guerre allemande 1870-1871 . Paris. 8. 6 A. Russell, W. H. My Diary during the last great war. London. 8. 5 fl. 40 kr. Kriegstagebuch, mit Genehmigung d. Verf. bearb. v. M. Schlesinger. Leipzig. 8. 1 f. 80 kr. Schartenmayer, P U. (Vischer) . Der deutsche Krieg 1870-1871 . Ein Heldengedicht mit eingedr. Holzschn. Nördlingen. 8. 84 kr. Schmid, E. v. Antheil d . k. württ. 1. Feldbrigade am Kriege gegen Frankreich 1870 1871. Stuttgart. 8. 1 fl. 68 kr. Schubert, Oberst. Die Betheiligung des 12. (k. sächs. ) Armee- Corps an der Schlacht von Sedan. Mit Ordre de bataille und 1 Plan. Berlin 8. 72 kr. Strasbourg. Journal des mois d'août et septembre 1870. Siège et bombardements avec correspondence, pièces officielles , documents franç . et étrangers : Reponse au Conseil d'enquête par une réunion d'habitants et d'anciens officiers. Orné de 4 vues photogr. et suivi d'un plan des opérations du siège. Paris. 8. 6 fl. Tesar, W. Hptm. Kritik des Krieges 1870-1871 . 1., 2. u. 3. Heft. 1. Heft. Vom Kriegsbeginne bis einschlüssig 31. Juli . 2. u . 3. Heft vom 1. bis 6. August 1870. Mit 3 Skizzen . Lemberg. 8. 1 f . 80 kr. Wagner, R. Geschichte der Belagerung von Strassburg i . J. 1870. Auf Befehl der königl . General-Inspection des Ingenieurcorps u . d. Festungen nach amtl. Quellen bearb . Berlin. 8. 1. Theil. Mit 3 Plänen u . 8 Beilag. 3 fl. 60 kr. Waldstätten, Oberst Br. Die Schlacht bei Vionville u. Rezonville am 16. August 1870. Wien. 8. 60 kr.

Bücher-Anzeiger. LXIX Mil itärwissenschaften . II. Reine He He er er es es ve ve rf rwaltung , Ausrüstung , Reglements, as su a. ng , Rangs- und Eintheilungs - Listen , Erziehungswesen. Army list, The . Containing the names of officers of the Army , Royal Marines, Militia, Yeomanry and Volunteers . With an index. (By Authority .) London . 8. Monatliche Auflagen à 1 f. 44 kr. Barattieri, 0. I regolamenti di esercizi ed evoluzioni per le truppe a piedi in Austria ed in Prussia. Roma . 8. 90 kr . Czuba, F. Die Organisation des k. k. Heeres. In ihrem gegenwärt. Zustande systematisch dargestellt. 2. ergänzte Aufl . Wien . 8. 1 fl. 80 kr. Dally, A. capit . Répartition des troupes de l'armée active en corps d'armée, divisions et brigades , conformément à la loi du 24 juillet 1873 et en exécution des décrets des 28 et 29 septembre 1873. ( Publication de la Réunion des officiers ) Paris. 12. 1 fl. 20 kr. A. capit. Carte des régions militaires de la France. Paris . Mit 1 UebersichtsTabelle . 1 fl. 20 kr. Delaperrierre, M. E. sous - intendant milit. Cours de Législation et d'Administration milit. Paris . 8. 2 vol. 9 fl. Dienst- Reglement f. d k. k. Heer. 2. Theil. Felddienst. Wien . 8. 60 kr. Dohna, Hptm. Gf. H. Studien und Entwürfe f. e. Normal - Reglement der Infanterie im Sinne der modernen Kampfweise . Berlin . 8. 1. Hft. Mit 4 Fig. Taf. 90 kr. Europa in Waffen . Die sämmtlichen europäischen Heere in ihrer jetzigen Uniformirung. Nach authentischen Quellen . Für junge und alte Soldatenfreunde sowie für Militärs aller Stände und Länder . 14 Blätter nebst Titelblatt in feinstem Farbendrucke u Handcolorit ausgeführt nach Original- Aquarellen v. L. Burger, W. Emelé, O. Fikentscher, H. Lüders u. A. Stuttgart. qu. Fol. 6 fl. Exerciren , das , zu Pferd nach dem neuesten Reglement. 2. Theil. Augsburg 8. 45 kr. Feiss, Oberst J. Das Wehrwesen der Schweiz. Zürich . 8. 90 kr . Gesetz , das am 1. Jänner 1874 Allerhöchst bestätigte, u . d. allg . Wehrpflicht in Russland . ( Uebersetzt nach dem im „ Russ. Invalide" Nr. 2 u. 3 veröffentl. Texte. ) Riga, Moskau , Odessa. 8 48 kr. Griffe, die, u . die Chargirung mit dem Infanteriegewehr M/71 nach dem ExercirReglement v. J. 1870 u. den laut a. h. Ordre v. 26. Juni 1873 für die Handhabung des genannten Gewehres genehmigten Aenderungen . Berlin. 8. 12 kr. Handbuch der Instruction ü . das Scheibenschiessen f. d. m. dem aptirten Zündnadel- Gewehr- u. dem Inft .- Gewehr - Modell 71 bewaffneten Infant.- Bataillone. Nach der Instruction v. 2. November 1864 bearb. u . durch alle späteren Bestimmungen ergänzt u. vervollständigt. Berlin. 8. 72 kr. Helldorff, Oberst K. Dienst - Vorschriften d. k. preussischen Armee. Fortgesetzt m. Autorisation des Kgs .- Minist . 3. Aufl. Berlin . gr . 8. I. Theil ErgänzungsWesen . 1. Abthlg . Militär- Dienstpflicht. Ersatz - Wesen . 3 fl. 60 kr . 2. Abthg. Ergänzung der Offic . des stehenden Heeres. 36 kr . Jähns , M. Hptm. Volksthum u . Heerwesen . Vortrag gehalten im wissenschaftl. Vereine zu Berlin am 29. Jänner 1870. (Aus : „ Zeitschrift für VölkerPsychologie und Sprachwissenschaft . " ) Berlin. 8. 45 kr. Janski , L., Obstlt. Ueber die Truppenschulen des k. k. Heeres zur Heranbildung des Officiers- Nachwuchses. Zur Orientirung für Freunde des Heeres u . f. die Jugend gebildeter Classen . Wien . 8. 40 kr . Instruction ü. d . Behandlung der Küstengeschütze u. ihrer Munition . Behufs Sicherstellung guter Schusswirkun Berlin . 16. 60 kr. Istruzione sul fucile modello 1870. (2 g. settembre 1872) Ministero della guerra . Roma. kl. 8. Mit 1 Tafel. 30 kr. coll'arme pel fucile modello 1870 ( 1 settembre 1872 ). Ministero della guerra. Roma. kl. 8. 30 kr. pratiche speciali per gli zappatori di fanteria e cavalleria . 2. ediz . coll' appendice . ( Ministero della guerra) Roma. kl. 8. Mit 113 Seit . Tafeln. 1 fl. 80 kr .

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Istruzione per la mobilitazione e la formazione di guerra dell'esercito. (Ministero della guerra) Tomo I. Istruzione sulla formazione di guerra dell'esercito e dei suoi vari reparti e servizi. Roma 15. novembre 1873. Tomo II. Istruzioni sul servizio dei trasporti in campagna. Roma. kl. 8. 1. Th. 75 kr. 2. Th. 60 kr. Jurnitschek, Dr. Alf. Die Wehr- Reform in Oesterr.- Ung. v. 1866 bis 1873. (Aus des Verf.: „ Die Wehrmacht der österr. -ung. Monarchie i. J. 1873." ) Wien. 8. 1 fl. 80 kr. Leutgeb, Oblt. R. Schema des k. k. Heeres, S. M. Kriegsmarine, d. k. k. Landwehr u d. k . ung. Landwehr. Novb. 1873. 15. Aufl. Wien. 16. 48 kr. Loy, Oblt. A. Disciplinar- Strafen-Tabelle (sammt Verschärfungen) der k. k. Armee im Frieden . Teschen. Fol . ( 1 Blatt) 24 kr. Lüdinghausen, gen Wolff, Maj . F. Br. Organisation u. Dienst der Kriegsmacht des deutschen Reichs. Zugleich als Leitfaden der „ Dienstkenntniss" bei der Vorbereitung zum Offic.-Examen . 7. umgearb. u. verm. Aufl. Mit 1 Lithogr. Berlin. 8. 3 fl. Martens, C. v., k. württ Glmaj . Handbuch der Militärverpflegung im Frieden u. Krieg. 2. Aufl., mit 45 Holzschn.-Illust. u. 1 Eisenbahnkarte v. MittelEur. Stuttgart. 8. 5 f. 76 kr. Memoria sobre la organizacion militar de España en 1871 , redactada por el depósito de la guerra . Madrid. 4. 3 Bde. 27 A. Militär-Schematismus , k. k., für 1874 Wien. 8. 2 fl. 50 kr. Militär Straf- Vollstreckungs - Reglement. Berlin. 2. 72 kr. Navy list, The. Containing the officers on the active and retired list of the royal navy, General Regulations etc. (By Authority) London 8. Monatweise Ausgabe. à 2 fl. 16 kr. Pontonir- Reglement, k. preuss . Mit 62 in d. Text gedr. Holzschn. Berlin. 16. 90 kr. Rang- u. Quartier-Liste d. k. preuss. Ar. u. Marine f. d. J. 1873. Nebst der Anciennetäts-Liste d. Generale u. d . Stabsoffc . d . Armee u . der Flagg- u. Stabsoffc. der Marine. Mit Genehmigung S. M. des Königs . Berlin . 8. 3 fl. 60 kr. Ranglisten, vollständige, d. k . k. Armee, enthalt. ein Armee- Schema m. Angabe der Stationen etc. Ranglisten der Offic . u . Cadeten aller Chargen- Grade und aller Truppen etc. mit Einschluss der Ranglisten der Milit. -Geistl. , Truppen-Rechnungsführer , Auditore , Aerzte, Intendanten u. aller Milit.Beamten-Branchen, sowie d. k. ung. Landwehr, richtig gestellt 1. Mai 1874. Wien. Pränumerations- Preis 50 kr., sonst 70 kr. Règlement du 1er mars 1854 sur la conservation et l'entretien des armes dans les corps . Extrait en ce qui concerne les dispositions et décisions relatives aux armes modèle 1866 et aux armes blanches en service. Janvier 1874. (Ministère de la guerre .) Paris . 12. 1 f. 80 kr. Regolamento di disciplina militare. 25. gennaio 1874. Allegati Nr. 7. Istruzione per le scuole dei corpi. Nr. 8. Istruzione per la concessione degli attendenti. Nr. 9 Leggi e regolamenti sui matrimoni dei militari. Nr. 10. Istruzione per l'igiene della truppa. (Ministero della guerra. ) Roma. 8. 1 fl. 50 kr. sulla amministrazione degl'immobili dipendenti dal ministero della guerra. 1. gennaio 1874. (Minist. della guerra .) Roma. 8. 50 kr. organico per il servizio nei tribunali militari. (Ministero della guerra . ) Roma. 8. 60 kr. Saussine et Chevalet. Dictionnaire de législation et d'administration milit. Recueil des lois, décrets, décisions et réglement qui régissent l'armée de terre, classés selon l'ordre alphabétique des matières (avec table générale) commencé par Saussine et continué par Chevalet. Paris. 8. 22. et 23. livraison. (Schluss des 2. Bdes . GL. ) Paris. gr. 8. à 1 fl. 8 kr. Schema (Dislocation u . Eintheilung ) des k . k. Heeres, S. M. Kriegs-Marine, der k. k. Landwehr u . d. k. ung. Landwehr, Wien , Mai 1874. 40 kr. Scherff, W. v. Zwei- oder dreigliederig ? Eine reglementarische Studie. Berlin. S. 90 kr. Schöffler, B. u. A. Počta , Art.- Lieut. Atlas ü . d . k. k. österr. Artillerie-Materia!. Wien. Qu . Fol. 1. Lfg . (4 Steintaf.) 96 kr. Seling. Leitfaden zum Unterr. in der Heeres-Organisation f. k. k. Cadeten- Schulen , Reserve- u. Landwehr- Offic.- Aspiranten. Wien. 8. 1 f. 80 kr.

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Sicherheitsdienst f. d. Cavalerie. Nach den Allerhöchst. Verordgn . v. 29. Juni 1861 u. nach den sonst hergebrachten Formen zusammengest. durch GM. z. D. Otto Wilh. v. R. Potsdam . 4. Aufl. 16. 15 kr. Skizze, genetische, d. Lehrstoffes für den Unterr. in der Fortification aur den kgl. Kriegsschulen nach der Vorschrift v. 20. Mai 1859 ü. d. Methode, den Umfang u . die Eintheilung d . Unterr. auf d. königl. Kriegsschulen . 2. Heft. Abschnitt 5-10. Berlin . 8. 54 kr. Suppe, Prem.-Lt. Ausbildungs- Ideen . Ein Versuch, theoretische Forderungen an die Einzelausbildung d . Inft. auf die Praxis zu übertragen. Berlin. 8. 72 kr. Tröltsch, E. Frhr. v. Dislocations-Karte der Kriegsmacht des deutschen Reichs. Constanz. 1 1,000.000 . Fol. 3 fl. 60 kr. Unterofficier, der, als Chef einer Tiraillir- Gruppe. Basel. 16. 24 kr. Verordnung ü. die Ergänzung d . Offic .- Corps der kais. Marine nebst allerhöchst . Cabinets-Ordre v. 10. März 1874. Berlin. 8. 30 kr. Wachverhaltungen. Wortgetreuer Abdruck des 12. Abschnittes a. d. Dienst-Regl . f. d. k. k. Heer. 1. Theil . Teschen . 4. 48 kr. Wussow, v. k. pr . Lt. Grundsätze f. d . Behandlung des theoretischen DienstUnterrichts nach den Anforderungen der heutigen Zeit . Berlin. 8. 48 kr. Zusammenstellung der das Reglement f. d. Friedens-Lazarethe der k. preuss. Armee v. 5. Juli 1852 abändernden , resp. ergänz . Bestimmungen . Berlin . 8. 90 kr. b. Taktik, Strategie , Staaten vertheidigung , Militär - Geographie, Terrain - Lehre, Pionnier - Dienst, Fortification , Artillerie. Kriegskunst. Bartels . Prem.-Lt. Grundzüge d . angewandten Taktik. Dargestellt an e. Beispiel als Anleitung zum Selbststudium f. jüngere Offc. der deutschen Armee. Berlin . 8. 2. Heft . Mit 2 Anlagen, 1 Uebersichtskarte, 2 Terrain - Skizzen , 2 Holzschnitten. 1 fl. 20 kr. Barthélemy, le capit. Cours d'art milit. 1er fasc. Préliminaires et système milit . d'un Etat. Paris. 8. 50 kr. (Cet ouvrage sera publié en 20 fasc. mensuels qui formeront 2 vol . ) Beispiele zu Dispositionen für kleinere felddienstliche Uebungen . Nebst 3 Plänen. Leipzig. 8. 72 kr. Bernard , H., chef de bataill. Art de la guerre déduit de l'étude technique des campagnes (campagne de 1805 ) (Publication de la Réunion des offic.) Paris . 8. 3 fl. Bingler, J., Obstl. Die Befestigungsfrage Italiens. Mittheilungen über deren gegenwärtigen Stand. Wien. gr. 8. 60 kr. Brialmont, A. Étude sur la fortification des capitales et l'investissement des camps retranchés. Bruxelles 8. 4 fl. 20 kr. Bugeaud, le maréchal. Maximes et instructions sur l'art de la guerre ou Aidemémoire pratique de la guerre. Nouvelle édit. annotée par un offic . général . Avec planches, relié. Paris. 18. 2 fl. 50 kr. Buschbeck- Helldorf's Feld-Taschenbuch f. Offic. aller Waffen d. deutschen Armee zum Kriegs- und Friedens- Gebrauch. 3. Aufl. Bearb. v. mehreren preuss. Offc. Mit mehreren Hundert Abbildgn. 12. - 19, Lfg . Berlin . 16 . à 60 kr. Colomb, E. v. , GM. Entwurf zu allg. Regeln f. d. Aufstellung u. d . Gebrauch grösserer Cavalerie- Abtheilungen. Neisse. 8. 36 kr Croujat, le général. Batteries de guerre. Soins et conduite en campagne. Paris 8. 80 kr. Dogliotti, O. magg. Difesa dell'Italia secondo i principii sviluppati dal generale F. v. Kuhn nell'opera (Der Gebirgskrieg) la guerra di montagna. Roma. 8. 70 kr. Eugène, J. B., capit. Étude sur les chemins de fer et les télégraphes, au point de vue de la défense du territoire. Bruxelles. 2 vol . 8. 6 fl. Ferron. Considérations sur le système défensif de la France. Avec carte. Paris. 8. 1 fl. 50 kr. Fortification , die, in kurzer Darstellung u . im Anhalt an die „genetische Skizze“ f. d . Gebrauch jüngerer Officiere u . Offic.- Aspiranten. Mit Zeichnungen. 4. sehr verb. Aufl. Potsdam. 8. 1 fl. 80 kr.

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Gaede, K. Ueber den Bau gefesselter und lenkbarer Luftschiffe m. Rücksicht auf die Zwecke des Krieges. Mit 1 Tafel. Berlin . 8. 18 kr . (Gallina F.-M.-Lt.) Grundsätze f. d. Verwendung der Streitkräfte zum u. im Gefechte. Wien . 8. 1. Lfg. mit 5 Taf. 2 fl. 60 kr. 2. Lfg. 2 fl. Girard, H. Construction et emploi des défenses accessoires. 2. édit. Bruxelles . 8. 72 kr. Guerre, Le prossime, d'Italia . L'offesa e la difesa rispetto alla Francia e all'Austria . Torino. 8. 72 kr. Hotze, F. Maj . Die Veränderungen i . d . Taktik d . Inft. vom Standpuncte der neuesten Milit.- Literatur. (Aus Oesterr. Milt . Zeitschrift . ) Wien . 8. 72 kr. Ideen ü. Cavalerie- Verwendung u . Bewaffnung im Sinne der neuen Inft.-Taktik. Von e. österr. Offc. Olmütz. 8. 48 kr. Kavalerie- Manöver, d. grossen , in der preuss. Armee ( Herbst 1873) . Berlin . 8. 96 kr. Militär-Encyclopädie , allg . Hrsg . von einem Vereine deutscher Officiere u. A. 2. völlig umgearb. und verb. Aufl . Leipzig. 8. 59. und 60. ( Schluss- )Lfg . à 60 kr. Osio, E. capit . Verona e la linea dell'Adige nella difesa della frontiera nord-est. Verona. 8. 60 kr. Petre, A. capit. Kriegsspiel. Jeu de la guerre. Guide des opérations tactiques exécutées sur la carte. Bruxelles. 8. 75 kr. Physiologie du général en chef. Paris. 12. 1 fl. 50 kr. Popp, Hptm. K. Vorlesungen über Feldbefestigung . Mit 2 lith . Taf. München . 8. 1 fl. 68 kr. Principien der Kriegskunst. Vollständiges Handbuch der Kriegführung der Gegenwart in ihrem ganzen Umfange in den Lehren der grössten Meister, wie v. Clausewitz , Friedrich II., v. Jomini etc. dargestellt u . parallelisirt von v. S. Mit erläut. Abbild . 27. Lfg. Leipzig. 4. à 60 kr. Ricci, A. colon . La difesa interna delle valle del Po. Torino. 8. Mit 1 Skizze . 1 f. 20 kr Richards. Military Surveying and Field Sketching ; the various methods of Contouring, Levelling , Sketching without Instruments, Scale of Shade Examples in Military Drawing . London . 8. 7 fl. Rüdgisch, v. Die Bergzeichnung auf Plänen . Ein Lehrbehelf. Metz . 8. 2 fl . 70 kr. Terrain-Lehre, die, zum Gebrauche f. Unteroff. u. Vorbereitungs - Schulen , dann zum Selbststudium f. Einjährig - Freiwillige u . Unteroffic. fasslich bearb. v. k. k. Lt. v F. Mit 93 Fig. Prag. gr. 8. 72 kr. Verdy du Vernois, Obst. J. v. Studien ü. Truppen -Führung. 1. Th. Die InfanterieDivis. im Verbande d . Armee- Corps . 2. durchgesehene Aufl. Berlin. 8. 2. Heft. Mit 1 Gefechtsplan. 1 f. 20 kr. 3. Heft. Mit 2 Gefechtsplänen. 1 f . 80 kr. Waldersee, Gener. -Lt. F. G. Graf. Der Dienst des preuss. Inft. -Unteroffe . 13. Aufl. Unter Berücksicht der neueren Bestimmungen umgearb. v. Flügel-Adj . Oberst A. Gf. v. Waldersee. Berlin. 8. 90 kr. Wiens militärische Behörden u. Anstalten . Ein Wegweiser für einheimische u. fremde Officiere. Wien. 8. 90 kr. (Nebst einem Anhange des allgemeinen Fremdenführers u. 1 lithg. Plane. 1 f . 80 kr . ) Wille, Hptm. R. Leitfaden der allg. Maschinenlehre u der artilleristischen Technologie. Zum Gebrauche in d. vereinten Artill.- u. Ingenieur- Schule, sowie f. jüngere Offic. aller Waffen. 1. Abthlg. Allg. Maschinenlehre . 1. Heft. Die einfachen u. d. Kraftmaschinen . Mit 42 in d. Text gedr. Holzschn . u. 16 metallograph. Abbild. auf 2 Taf. Berlin. 8. 2 fl. 40 kr. Witte, Maj. W. Die Feld-Artillerie nach Einrichtung. Ausrüstung und Gebrauch. nebst einigen Regeln f. d. Behandlung d. Materials. 6. verm. u . verbess. Aufl. Mit 3 Taf. Berlin. 8. 2 fl. 40 kr. c. Militärische Zeitschriften.

Annuaire d'Art, de Sciences et de Technologie milit., publié par P. Henrard , maj . Avec le concours de M. M. A. Brialmont , Carlot et Beby , de Vos , Jacmart , Knepper , Leurs , Timmerhans etc. 1. année (1873 ) . Bruxelles. 18. Avec carte. 4 fl . 50 kr. Biblioth. k, militärische, f. Officiere aller Waffen . Leipzig. 8. 5. Band. Studien zum Mit.li- Strafgesetzbuch f. d. deutsche Reich vom Auditeur G. Herbst .

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1 fl. 20 kr. 6. Band. Die Unteroffic.-Frage als wichtigste Militärfrage der Gegenwart v. Lt. R. Helldorf. Die Waffen in d . internationalen Welt-Ausst. zu Wien 1873. Kritische Besprechung v. W. A- n. 1 fl . 20 kr. Blätter, österr. -ungarische militärische. 1. Jahrg . 1874. 1. u . 2. Bd. à 6 Hfte, Teschen . Lex. 8. à Band 4 fl. 80 kr. f. Kriegsverwaltung . Eine Zeit- u. Streitschrift. Hrsg. im Auftrage eines Vereines schweizerischer Offic. v. Hptm. E. Hepp. 2 Jahrg. 1874. 12 Nra. Bern . 4. 3 fl. Bulletin de l'intendance et des services administratifs de l'armée de terre. Recueil de documents offic. concernant les fonctionnaires de l'intendance, des hôpitaux, des subsistances et de l'habillement et du campement milit. Mit Beilage : L'annuaire spécial du corps de l'intendance et des personnels administratifs . Paris . 8. 9 fl. Giornale delle armi d'artiglieria e genio per l'anno 1874. Roma. 8. 13 fl. 50 kr. Jahrbuch, milit.- statist., f. 1871. Auf Anordnung d. k. k. Reichs-Krgs.-Minist. bearb. u. hrsg . v. d. III. Section des technischen u. administr. Comité's. Wien. 4. 1. Theil mit 1 color. Steintafel. 5 fl. 4C kr. der k. k. Kriegs-Marine 1874, im Auftrage d. Reichs-Kriegs-Minist, MarineSection zusammengestellt u . hrsg . v. Linienschiffs -Lieut. J. Frhr. v. Benko . Wien. 8. 2 fl . 40 kr. Journal militaire officiel. Edition refondue et mise à jour conformément à la décision ministérielle du 11 octobre 1871. Paris. 8. à 3 fl 60 kr. tome 8. ( 1857 à 1859) tome 9. ( 1860 à 1862) tome 10. ( 1863 à 1864) . tome 11. ( 1865 à 1867) . Militär-Verwaltung, die deutsche. Organ f. d. Beamten d. deutschen Heeres. Red. u. hrsg. v. H. Ertz . 2. Jahrg . 1874. 24 Nrn . Berlin . Hoch 4. Viertelj . 60 kr. Unterofficiers - Zeitung. Zeitschrift f. d . Unteroffic . aller Waffen, den Unteroffic.Aspiranten u . Einjährig - Freiwillige . Hrsg . u . red . v. G. v. Glasenapp . I. Milit. Theil. II. Allg . wissenschaftl. Theil . III. Versorgungszeitung . IV. Unterhaltungs-Lecture . Berlin. gr. 8. 1. Jahrg . 1874. 52 Nrn . Viertelj . 1 fl. 62 kr.

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III. Waffenwesen , mit Einschluss der Schiesspräparate. Dislere , M. P. La marine cuirassée. Paris. 8. 4 fl. 20 kr. Feldgeschützfrage, Zur, in Oesterr. Von einem k. k. Artill.- Offc. (Aus : Milit.Zeitg. ,,Vedette. ") Teschen . 8. 60 kr. Hentsch, Hptm. Die Theorie des Schiessens der Handfeuerwaffen mit besonderer Rücksicht des Zündnadel- Gewehrs. Populär dargestellt. Mit 4 lith. Tafeln. Darmstadt. 8. 96 kr. Die Entwicklungsgeschichte u. Construction sämmtl . Hinterladgewehre der europ . Staaten und Nordamerika's. Nr. 2. Holland . Mit 5 Taf. Abbildg . Leipzig . 8. 2 fl. 40 kr. Loché, H. Conférences sur l'histoire des armes. Berlin . 8. 1 fl. 20 kr. Maresch, O., k. k. Art.-Hptm. Die wichtigsten Systeme der modernen Handfeuerwaffen . Nebst „ Skizze d . histor . Entwicklungsganges der Handfeuerwaffen " u. „Einfluss der Handfeuerwaffen auf die Taktik. " ( Separatabdruck des 4. Abschnittes der „ Waffenlehre f. Offc . aller Waffen . ") Mit 11 Taf. Wien. 8. 2 fl 50 kr. Prehn, M. Ueber die bequemste Form des Luftwiderstand - Gesetzes , als Fortsetzung der „Ballistik der gezogenen Geschütze 1864." Berlin. 8. 1 fl. 50 kr . Rosset , G. colon . Esperienze mecaniche sulla resistenza dei principali metalli da bocche da fuoco. Con Atlante di 30 tavole e 25 specchi. Torino. 4. 16 fl. Sauer, Obstlt. K. Th . Grundriss der Waffenlehre. 2. Abthlg . Mit 10 lith. Taf. 2. vielf. umgearb. u . verm. Aufl. München gr. 8. 2 fl. 88 kr. Vorträge ü . d. Waffenlehre. Für k. k. Officiersschulen zusammengestellt v. A. G. Mit 187 Holzschn. i . Text. Teschen. 8. 2 fl. 40 kr. Waffenlehre, die, für Officiers- Aspiranten m. Berücksichtigung der „ genetischen Skizze" bearb. 4. umgearb. Aufl. Potsdam 8. 1 fl. 50 kr . Wille, Hptm. R. Leitfaden der Waffenlehre. Zum Gebrauche in den Kriegsschulen, sowie f. jüngere Officiere aller Waffen der deutschen Armee, unter 6 Org. d. Wiener mil.-wissensch. Vereines. VIII. Band, 1874, Bücher-Anzeiger.

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Zugrundelegung der genetischen Skizze des Lehrstoffs " Mit 61 in den Text gedr. Holzschn . u. 19 lith Abbild. auf 4 Taf. Berlin. 8. 6 fl. Zeichnungen zur Waffenlehre m. besond Berücksicht. der genetischen Skizze des Lehrstoffs f. d. Unterr. in der Waffenlehre auf den königl. Kriegsschulen" zusammeng. 32 lith. Taf. 4. verm. u . verb. Aufl. Potsdam. Fol. 3 fl. 60 kr. IV. Geschichte, Kriegsgeschichte, Kulturgeschichte . Memoiren.

Biographien ,

Ankershofen, G. Frh. Handbuch der Geschichte d . Hzgth Kärntens bis zur Vereinigung m. d . österr. Fürstenthümern. Nach d. Verf. Tode fortges. v. Dr. Karlmann Tangl. Klagenfurt . 8. 1. -4 . Bd . 27 fl. 42 kr. Archives de la Bastille. Documents inédits, recueillis et publiés par F. Ravaisson. Tomes V et VI . Règne de Louis XIV. ( 1678 à 1681.) Paris 8. à 5 fl. 40 kr . Archivio, il regio , generale di Venezia. Venezia. 8. Mit 4 Tafeln . 10 fl. 80 kr. Arco, d' , C. Studi intorno al municipio di Mantova dall'origine di questa fino all'anno 1863 ai quali fanno seguito documenti inediti e rari. Vol 1. —5 . Mantova. 8. 12 fl. 60 kr. Aufstand, der, in Spanien. Uebersicht der Carlisten-Bewegung an den Pyrenäen . 1 : 2.000,000. Weimar. Lithogr. Karte. 24 kr. Aymonino, C. Le guerre alpine. Studio storico-militare. Roma. 8. Vol. I. ( Sino all'anno 1500 ) 1 fl . 26 kr. Baer, W. Der vorgeschichtliche Mensch. Ursprung und Entwickelung des Menschengeschlechtes. Für Gebildete aller Stände. Nach dem Tode des Verfassers unter Mitwirkung von H. Schaffhausen vollendet u , hrsg . v . F. v. Hellwald. Mit über 500 in den Text gedr. Illustrationen u. 10 Tonbildern . II . Abthlg. ( Schluss . ) Leipzig . 8. 2 fl . 40 kr. Barthélemy, M. E de. Correspondance inédite de Turenne avec Michel Le Tellier et avec Louvois . Publiée sous les auspices de S. E. M. le Général de Cissey Ministre de la guerre. Paris. 8. 1 f. 80 kr. Baumstark, R. Kaiser Leopold I. (Aus Sammlung histor. Bildnisse . 2. Serie. III. Freiburg i. B. 8. 90 kr. Bechtold, Maj . Chr. v. Ulrich Pultz v. Carlsen . Ein echtes Soldatenleben Nach hinterlass. biogr. Skizzen . Darmstadt. 8. 36 kr. Beck, A. Lose Blätter zur Geschichte der k. sächsichen Armee. Auf Holz gezeichnet. Dresden. qu. 4. 41 Holzschnitttafeln u. 6 Seiten Text. 9 f . Beyr, R. Die Einnahme der Stadt, des Passes u. Schlosses Bregenz durch die Schweden i. J. 1647. Mit 1 lith. Plane derselben u . einem Anhange bisher unveröffentlicht gebliebener Documente. Lindau. 8. 30 kr. Böhtlingk, Dr. A. Die holländische Revolution 1787 u. der deutsche Fürstenbund m. besond. Bezug auf C. August v. Sachsen -Weimar. Bonn. 8. 72 kr. Bonhomme, H. Louis XV. et sa famille, d'après des lettres et des documents inédits. Paris. 18. 1 f . 80 kr. Brachvogel, A. E. Die Männer der deutschen Zeit. Eine Sammlung von Biographien unserer Fürsten, Staatsmänner und Helden. 11. u. 12. Lfg. Mit 3 Holzschnitttaf. auf Tonpapier. Hannover. 8. à 45 kr. Braun, K. Aus der Mappe eines deutschen Reichsbürgers. Cultur-Bilder und Studien. 3 Bde. Hannover. 8. 13 fl. 70 kr. Briefe u. Acten zur Geschichte des 16. Jhdt. m. besond. Rücksicht auf Baierns Fürstenhaus. Auf Veranlassung u. m. Unterstützung S. M. d. Königs von Bayern , Maxmilian II. hrsg . d . d. histor. Commission b. d. k. Akad . d. Wiss. München. Lex. 8. 1. Bd . Beiträge zur Reichsgesch. 1546-1551 . Bearb. v. A. Druffel 10 fl. 80 kr. Campaigns, The, of Napoleon . Arcole, Marengo, Jena, Waterloo The Campaign of Arcole extracted from Thiers' History of the French Revolution , and edited, with English Notes, by Edward E. Browen. With maps. London. 8. 2 fl 60 kr. Cantù, C. Della indipendenza italiana. Cronistoria divisa in tre periodi, francese , tedesco , nazionale. Disp. 20-23 . Torino 8. à 72 kr. Colbert, N. J. Traditions et souvenirs, ou mémoires touchant le temps et la vie du général Auguste Colbert ( 1793-1809) . Tome 1-4. Paris. 8. 18 fl.

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Corsi , C. Sommario di storia militare. Torino 8. 4 vol. e 4 atlanti. 15 fl. Drivok, P. Aeltere Geschichte der deutschen Reichsstadt Eger und des Reichsgebietes Egerland. In ihren Wechselbeziehungen zu den nachbarlichen deutschen Landen und Böhmen unter Benutzung urkundl. Materials dargestellt. 6. Lfg. Leipzig 8. à 45 kr Droysen , J. G. Geschichte der preuss. Politik. 5. Theil. 1. Bd . Friedrich der Grosse. Leipzig. 8. 1. 5. Theil. 1. Bd. 5 fl. 40 kr. Duncan. History of the royal regiment of artillery. Compiled from the original records . London . 8. 5 fl. Fischer, K. Geschichte der auswärtigen Politik u. Diplomatie im Reformationszeitalter 1485 1556. Gotha. 8. 2 fl. 40 kr. Forster, K. Geschichte des polnischen Aufstandes 1830 1831. Berlin. 2 Bde. 8. (In polnischer Sprache.) Fritsche, Ed. Quellenbuch zur Geschichte des deutschen Mittelalters, m. Anmerkungen und histor. Erläuterungen sowie Zusätzen. Leipzig. 8. 1 fl. 62 kr. Gerlach. De eerste expeditie tegen Atjin. Eene bydrage tot de indische kriegsgeschiedenis ; met twe scheten. Arnhem. 8. Met 1 kaarten. 2 fl. 60 kr. Gfrörer , A. F. Byzantinische Geschichten. Aus seinem Nachlasse hrsg ., ergänzt und fortgesetzt v. Prof. Dr. J. B. Weiss . 2. Bd. Graz. 8. 5 fl. 40 kr. Gindely, Dr. A. Ueber die Erbrechte des Hauses Habsburg auf die Krone von Ungarn in der Zeit v. d. J. 1526-1687. (Aus : Archiv f. öst. Geschichte.) Wien. 8. 36 kr. Goepp, Ed . Les grands hommes de la France. Hommes de guerre. Ouvrage orné de 4 portraits et de 3 cartes . 1. série. Kleber, Hoche, Desaix, Marceau, Dumesnil. Paris. 18. 1 fil. 20 kr. et E L. Cordier. Les grands hommes de la France, Navigateurs. Ouvrage accompagné de 2 cartes. Paris . 18. 1 fl. 80 kr. Grant Incidents in the Sepoy War. 1857 1858. Compiled from the private Journals of General Sir Hope Grant, together with some explanatory Chapters by H. Knollys. London . 8. 8 fl. 64 kr. Grossmann, J. Der kais. Gesandte Fz. v. Lisola i. Haag 1672-1673 . Ein Beitrag z. österr. Geschichte unter Kaiser Leopold I. Nach den Acten des Wiener Staatsarchives. (Aus : Archiv f. öst. Gesch. Wien . 8. 1 fl. 92 kr. Grote, H. George Grote . Sein Leben u. Wirken aus Familienpapieren, Tagebüchern und Originalbriefen. Autorisirte deutsche Uebersetzung v. L. Seligmann . Mit Portrait u. Facsimile. Leipzig . 8. 4 fl. 80 kr . Grouchy, de. Mémoires du maréchal de Grouchy, publiés par le marquis de Grouchy. tome 3 ( 1808-1815 ) , tome 4 ( 1815 ) . Paris. 8. à 3 fl. 60 kr. Hellwald, F. v. Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwickelung bis zur Gegenwart. Augsburg. 8. 1. Lfg . 72 kr . Herold, E. Malerische Wanderungen durch Prag. Mit eingedr. Holzschn. Prag. 8. 1.- 9. Heft à 72 kr. Hildebrandt. A. M. Heraldisches Musterbuch. 6. Lfg . ( Supplement. Mit Steintafeln . Berlin . Fol. 2 fl. 10 kr. Hillebrand, K. Frankreich u. die Franzosen in d. 2. Hälfte des 19. Jahrh. Eindrücke u. Erfahrungen. 2. umgearb. u verm. Aufl. Berlin . 8. 3 fl. Hirn, J. Rudolf v. Habsburg . Zur Erinnerung an die vor 600 Jahren stattgehabte Krönung des ersten Habsburgers. Wien. 8. 2 fl. Höfler, C. v. Carls I. (V. ) Königs von Aragon und Castilien Wahl zum römischen Könige 28. Juni 1519. Wien . 8. 1 fl. 20 kr Carls (V. ) erstes Auftreten in Spanien. (Aus Sitzgsb d. k. Akad . d. Wiss . ) Wien. Lex. 8. 60 kr Hüffer, Dr. G. Das Verhältniss des Königr. Burgund zu Kaiser u. Reich besond. unter Friedrich I. Paderborn . 8. 72 kr. H. Rheinisch-westphälische Zustände zur Zeit der franz . Revolution . Briefe d. kurköln . Geh.-R. Joh. Tillmann v. Peltzer a. d. J. 1795-1798 mit Erläuterungen. Bonn. 8. 1 fl. 20 kr. Hülsenbeck, Fr. Das römische Kastell Aliso an der Lippe nachgewiesen u aufgefunden. Mit 2 lith. u. color. Karten . Paderborn. 8. 1 fl. 44 kr. Jäger, Alb. Der Streit der Tyroler Landschaft mit Kaiser Friedrich III. wegen der Vormundschaft ü. Hzg. Sigmund v. Oesterr., von 1439-1446. (Aus : Archiv f. österr. Gesch. ) Wien. 8. 1 f 80 kr.

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Jäger, Alb. Beiträge zur Geschichte der Verhandlungen ü . d . erbfällig geword. gefürstete Grafschaft Tirol nach dem Tode des Erzhzg. Ferdinand v. 1595 bis 1597. (Aus : Archiv. f. österr. Gesch.) Wien. Lex. 8. 1 fl. 4 kr. Isaacsohn, Dr. S. Geschichte d . preuss . Beamtenthums v. Anfang des 15. Jahrh. bis auf die Gegenwart. 1. Bd . Das Beamtenthum in der Mark Brandenburg 1415-1604. Berlin. 8. 4 fl. 20 kr. Kaehler, Hptm. Seydlitz in seiner Bedeutung f. d . Reiterei v. damals u . jetzt. Vortr. i . d. milit. Gesellschaft zu Berlin am 100jähr. Gedächtnisstage seines Todes am 7. Nov. u . 10. Dec. 1873 geh. (Aus : Jahrbücher f. d. deutsche Ar. u. Marine). Berlin . 8. 90 kr. Keller, E. Le général Lamoricière , sa vie militaire, politique et religieuse . Avec 3 cartes, autographe et portrait. 2 vol . Paris. 8. 7 f. 80 kr. 1 Prem - Lt. Einführung in das Studium der Kriegsgeschichte . München. 8. 45 kr. Kerschbaumer, Dr. A. Geschichte der Stadt Tuln. Wien . 8. Mit 6 Steintafeln. 3 fl. 60 kr. Das kais. Frauenstift u. die Habsburgergruft zu Tuln . Mit 2 Taf. Wien . 8. 1 fl. 20 kr. Krig, Den dansk-tydske, i Aarene 1848-1850 . Udarbejdet paa Grundlag af officielle Documenter og med Krigsministeriets Tilladelse udgivet af Generalstaben. 2 den Del. Krigen i 1849. Forste Afsnit. Kjobenhavn. 8. 3 fl. Lacroix, P. (Bibliophile Jacob . ) Histoire de la vie et du règne de Nicolas I., empereur de Russie . Paris. 8. Tome 6. 7 fl . 20 kr. La Marmora, General A. Etwas mehr Licht. Enthüllungen ü. d . polit. u. milit. Ereignisse d. J. 1866. Aus dem Italienischen . Mainz 8. 2 fl. 40 kr. Legeay, U. Histoire de Louis XI . , son siècle, ses exploits comme Dauphin, ses dix ans d'administration en Dauphiné, ses cinq ans de résidence en Brabant et son règne d'après les titres originaux, les chroniques contemporaines et tous les témoignages les plus authentiques. Paris. 8 Tome I. 3 fl. 60 kr. Lotheisen, F. Literatur und Gesellschaft in Frankreich zur Zeit der Revolution 1789-1794. Zur Culturgeschichte des 18. Jahrh. Wien. 8. 3 fl. Lubbock, Sir John . Die vorgeschichtliche Zeit erläutert durch die Ueberreste des Alterthums u. die Sitten u. Gebräuche der jetzigen Wilden . Autoris. Ausg. f. Deutschland. Nach der 3. Aufl. aus dem Englischen v. A. Passow. Mit einleit. Vorwort v. R. Virchow. 1. Bd. Mit 180 Illustr. in Holzschn. 1 Grundriss u. 2 lith. Taf. ( wovon 1 chromolith . ) Jena . gr. 8 6 fl. Ludwig, C. A. Orts- und Wörter-Lexikon der deutschen Geschichte . Ein Hülfsbuch beim Studium derselben, alphabetisch geordn . Gera . gr. 8. 1 f 20 kr. Marie-Antoinette . Correspondance secrète entre Marie-Thérèse et le Cte . de Mercy-Argenteau. Avec les lettres de Marie-Thérèse et de Marie- Antoinette. Publiée avec une introduction et des notes par M. le chev. A. d'Arneth et M. A. Geffroy. Paris. 8. 12 fl. Massari , G. Il conte di Cavour. Ricordi biografici . Torino. 8. Mit 1 Portrait . 6 fl. Maurenbrecher, W. Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit. Leipzig. gr. 8. 4 fl . 80 kr. Mill, J. Stuart. Autobiography. London. 8. 5 fl . 40 kr . Moniteur des Dates contenant un million de renseignements biographiques, généalogiques et historiques. Supplément commencé par E. M. Oettinger. considérablement augmenté et continué jusq'à nos jours, redigé et édité par Dr. H. Schramm. 40. ( Suppl. 6.) livr. Leipzig . Imp. 4. 1 fl. 60 . Moreno, G. F. capit. Trattato di storia militare . Bologna. 8. 1. Theil. 2 fl. J. J. Breitinger u Zürich. Ein Kulturbild aus der Zeit des Mörikofer, J. C. 30jähr. Krieges. Leipzig. 8 2 fl . 70 kr. Nebenius, C. Geschichte der Pfalz. Heidelberg . 8. 1 f 80 kr. Neuhaus, Dr. J. C. Der Friede von Ryswick u. die Abtretung Strassburgs an Frankreich 1697. Grösstentheils nach ungedruckten Gesandtschafts- Berichten u. Sitzungs- Protocollen . Freiburg i. B. 8. 1 fl. 44 kr. Niemeyer, Pfr. H. A. Allgemeiner ausführlicher Geschichtskalender. Gedenkblätter auf alle Tage des Jahres . 1. - 3 . Heft. Berlin. gr. 8. à 30 kr. Noorden. C. v. Europäische Geschichte im 18. Jahrh. 1. Abtheil . Der spanische Erbfolgekrieg. Düsseldorf. 8. 1. Bd. 6 fl. 2. Bd. 7 fl. 20 kr. Palacky. F. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges i. d. J 1419-1436 . 2. Bd . Von d. J. 1429-1436. Prag. 8. 4 fl. 8 kr.

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Perini, O. Storia di Verona dal 1790 al 1822. Verona 16. Vol. I. 2 fl. 40 kr. Plutarch, der neue. Biographien hervorragender Charaktere der Geschichte, Literatur u. Kunst. Leipzig. 8. 1. Theil. Martin Luther v. H. Rückert. Oliver' Cromwell v. R. Pauli. Heinrich IV. v. Frankr. v M. Philippson Voltaire v. K. Rosenkranz . 3 f. 60 kr. Poetter, F. Ch. Die Geschichte der Philosophie im Grundriss . Ein übersichtlicher Blick in den Verlauf ihrer Entwickelung Elberfeld. 8. 1. Hälfte . Die griechische Philosophie 1 fl. 20 kr. 2. Hälfte. Die vor- und nachkantische Philosophie. 1 f. 80 kr. Priem, Custos J. P. Geschichte der Stadt Nürnberg v. d. ersten urkundl . Nachweis ihres Bestehens b. auf d. neueste Zeit . Nürnberg. 8. 1. - 5 . Lfg. à 36 kr. Prutz, Doc. Dr. H. Kaiser Friedrich I. 3. ( Schluss-) Bd . 1177-1190. Danzig. 8. 4 fl. 80 kr. Quitzmann, E. A. Die älteste Geschichte der Baiern bis zum Jahre 811. Mit 1 Geschichtskarte u . 1 Stammtafel der Agilulfinger. Braunschweig. 8. 4 fl. 80 kr. Rájacsich, Hpt. Br. Das Leben , die Sitten und Gebräuche der im Kaiserthum Oesterreich lebenden Südslaven. Aus dem Serbischen in's Deutsche übers. vom Verf. Wien. 8. 3 f. 60 kr. Rathgeber, Pfr. J. Colmar u Ludwig XIV . ( 1648—1715 ) . Ein Beitrag z . elsäss. Städtegesch. im 17. Jahrh. Aus ungedruckten Chroniken gesammelt. Stuttgart. 8. 1 f. 80 kr. Colmar u . die Schreckenszeit . Ein Tagebuch und Actenstücke aus d . Revolutionsjahren 1789-1796. Aus ungedr. Quellen gesammelt. Stuttgart 8. 1 fl . 20 kr. Recueil des historiens des croisades, publié par les soins de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres . Historiens orientaux. (En langues arabe et française. Tome I. Paris. Fol. 30 fl. Reden, Proklamationen , Kriegsberichte u . s . w. S. M. d . Kaisers u. Königs Wilhelm I. Umfassend den Zeitraum von Uebernahme der Regentschaft b. z. Eröffnung d. ersten deutschen Reichstages. 2. Aufl. Berlin, S. 1 i 20 kr . Ritter, M. Sachsen u. der Jülicher Erbfolgestreit (1483-1610.) Aus : Abhandl. d. k. bair. Akad. der Wiss . München gr. 4. 1 fl. 62 kr. Rothschild, Arth . de. Histoire de la poste aux lettres , depuis ses origines les plus anciennes jusq' à nos jours. Paris. 12. 1 f. 80 kr. Rückblick auf die legislatorische Thätigkeit des Kaisers Franz Josef I. Eine Festschrift. Wien . 8. 1 f. 20 kr. Ruthner, Dr. A. v. Das Kaiserthum Oesterreich in malerischen Original-Ansichten seiner reizendsten Landschaften und grossartigsten Naturschönheiten , seiner bedeutendsten Städte u . ausgezeichnetesten Bauwerke in Stahlstichen . Mit beschreibendem Text seiner Geschichte, seines Culturlebens u . seiner Topographie. Wien 4. 26. - 34. Heft. à 65 kr. Sacken, Dr. E. Frh. v. Ueber Ansiedelungen u . Funde aus heidnischer Zeit in Niederösterr. Mit 4 Tafeln . (Aus : Sitzungsber. d . k. Akad. d. Wiss . ) Wien . 8. 1 fl. 92 kr. Schelabuscki, E. Der vaterländische Krieg 1812 u . der General Kutusow. Moskau. 8. (In russischer Sprache. ) 3 fl. 60 kr. Schirrmacher, F. Die Entstehung des Kurfürstencollegiums. Berlin. 8. 1 fl. 80 kr. Schlosser's Fr. Ch. Weltgeschichte f. d . deutsche Volk. Mit Zugrundelegung d. Bearb. v. Dr. G. B. Kriegk, rev. v. Dr. O Jäger u. Prof. Dr. Th. Creizenach. Mit der Fortsetzung bis auf die Gegenwart, resp . Ende 1871. 79. -90. Lfg. Oberhausen . 8. à 30 kr. Schwartz, L., Lieut. - Examen critique de la campagne de 1815 en Belgique . Arlon . 8. Mit 5 Plänen. Siebmacher's, J , grosses u . allg . Wappenbuch in einer neuen u. vollst. geordneten u. reich vermehrten Aufl. m . herald. u. histor. - geneal . Erläuterungen neu hrsg. v. Arch.-R. v. Mülvenstedt, A. M. Hildebrandt, Hpt. Heyer v. Rosenfeld, Lt. Grützner, Gautsch u. A. 110. 115. Lfg. Nürnberg. Mit Steintafeln . gr. 4. Subsc. - Preis à 3 f. 60 kr. Einzelpreis a 4 fl. 50 kr. Spencer-Northcote, J. Geschichte des Johanniter-Ordens. Mit Genehmigung des Verf. übers. v. L. Studemund Münster. 8. 1 fl. 80 kr. Staatengeschichte der neuesten Zeit Leipzig. 8. 18. Bd Geschichte Italiens v. der Gründung der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart. Von Dr. H. Reuchlin. 4. (Schluss-) Theil . 4 fl. 32 kr. (1. - 18. Bd. = 50 fl. 40 kr. )

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Stumm, Lt. H. Aus Chiwa. Berichte. Mit 5 col . Karten. Berlin 8. 2 f. 40 kr. Susane, le général. Histoire de la cavalerie française. Paris . 8. 1 fl. 50 kr. Sydow, Oberst E. v. Ein Nachruf. Berlin. 8. 36 kr. Teissier, O. Histoire des divers agrandissements et des fortifications de la ville de Toulon, accompagnée d'un Mémoire inédit du maréchal de Vauban Avec 3 plans et i vue, en photographie, du port de Toulon en 1543. Paris. 8. 3 f. Trampler, Prof. R. Correspondenz des Cardinals Dietrichstein m. d. Hofkriegsraths-Präsidenten Collalto, nebst einem Anhange : Briefe Lustrier's aus Constantinopel, d. Markgrafen v. Brandenburg u . d . Grafen Schlick v . Passau. Mit Unterstützung des mährischen Landesausschusses herausg. Wien. 8. 1 fl. 44 kr. Vivenot, A. Ritt. v. Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Oesterreichs während der franz . Revolutionskriege 1790-1801 . Urkunden , Staatsschriften , diplomatische u. militärische Actenstücke, ausgewählt u. herausg . nach bisher noch ungedruckten Original- Documenten d . k. k. österr. Archive. 2. Bd. Die Politik d. österr. Vice- Staatskanzlers Gf. Ph. v. Cobenzl unter Kaiser Franz II. v. d. franz. Kriegserklärung u. dem Rücktritt d . Fürsten Kaunitz bis zur 2. Theilung Polens. April 1792 März 1793. Wien. 8. 8 fl. Zur Genesis der 2. Theilung Polens 1792-1793 . Wien. 8. 60 kr. Vögelin, Prof. S. Denkmäler der Weltgeschichte in malerischen Original - Ansichten . Geschichtlich und kunsthistor . beschrieben. 1-22. Lfg. Leipzig. 4. à 75 kr. Wanderungen , kritische u unkritische , ü . d . Gefechtsfelder der preuss . Armeen in Böhmen 1866. 2. Hft . Die Gefechte bei Skalitz und Schweinschädel. 2. ergänzte Aufl. Mit 5 Plänen u. Darstellungen der einzelnen Gefechtsmomente. Berlin . 8. 2 fl. 16 kr. Weber, Prof. Dir. Dr. G. Lehrbuch der Weltgeschichte m. bes. Rücksicht auf Cultur, Literatur u. Religionswesen. 2 Bde. 16. Aufl . vielf. umgearb., erweit. u. b. z. J. 1872 fortgeführt. Mit einem Namen- u. Sachregister Leipzig. Lex. 8. 8 fl. 70 kr. Wiedemann, Dr. Th. Die kirchliche Bücher-Censur in der Erzdiöcese Wien. I.- III. Nach den Acten des fürsterzbischöfl. Consistorial-Archives in Wien. (Aus „ Archiv f. österr. Gesch. ") . Wien . 8. 2 fl. 88 kr. Wollschläger, C. S. Die Cardinalzahlen der Geschichte des classischen Alterthums (bis 476 n. Chr. ) . Eisenach. 8. 1 f. 20 kr. Wurzbach, Dr. C. Biographisches Lexikon des Kaiserth. Oesterreich. enthaltend die Lebens- Skizzen der denkwürdigen Personen, welche seit 1750 i . d . österr. Kronländern geboren wurden und darin gelebt u . gewirkt haben. 26 Bd. Rhédey - Rosenauer und Nachträge. VI . Folge. Mit 5 genealog. Tafeln Wien . 8. 3 fl. Archiv f. österreichische Geschichte. Herausg. v. d. zur Pflege vaterländ . Geschichte aufgestellten Commiss. d. kais. Akad. d . Wissensch . Wien. 8. 50. Bd. 1. Hälfte 2 fl. 40 kr. 2. Hälfte 2 fl. 16 kr. 51. Bd . 1. Hälfte. 1 fl. 92 kr. Bibliotheca historica od. systematisch geordnete Uebersicht der in Deutschland u. d. Auslande auf d. Gebiete der gesammten Geschichte neu erschienenen Bücher. Herausg . v. Secr. W. Müldener. 21. Jahrg. 1. Heft . Januar- Juni 1873. Göttingen. gr. 8. 72 kr. Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen . Red. v. Dr. L. Schlesinger. 12. Jhrg. 1. , 2., 3. u . 4. Heft. Prag. Lex . 8. à 48 kr . des historischen Vereins f. Steiermark. Hrsg . von dessen Ausschusse. Graz. 8. 21. Heft. 1 fl . 50 kr. Bitsert, F. Register zu den 12 ersten Bänden des Archivs f. hessische Geschichte u. Alterthumskunde, sowie zu den . v. den verbundenen Geschichtsvereinen Cassel, Darmstadt, Mainz, Frankfurt und Wiesbaden i . d. J. 1852-1861 hrsg. Periodischen Blättern " u . den Quartalblättern d . histor . Vereins f. d. Grosshzgth. Hessen v. d J. 1861-1870. Darmstadt. 8. 1 fl . 20 kr . Schriften des Vereines für Geschichte des Bodensee's und seiner Umgebung. 4. Heft. Mit 2 lith . naturhistor. Taf. Lindau. hoch 4. 1 fl. 92 kr. ( 1. -4. Heft = 3 fl. 48 kr. ) Verkehr , numismatischer. Ein Verzeichniss verkäuflicher u . zum Ankauf gesuchter Münzen, Medaillen , Bücher etc. Hrsg. v. C G. Thieme. 12. Jahrg. 1874. ca. 4 Nr. Leipzig. 4. à 24 kr.

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V. Geographie, Statistik, Reisebeschreibungen. Adamy, H. Die Provinz Schlesien dargest. nach ihren geogr. u. statist. Verhältnissen . Ein Handb. f. d . Unterr. in der Heimatskunde zunächst beim Gebrauche d. v. Verfasser entworf. Wandkarte. 4. verbess. u. verm. Aufl. Mit 1 Karte. Breslau. 8. 5 f. 40 kr. Albrecht, Dr. Th. Formeln und Hilfstafeln f. geographische Ortsbestimmungen nebst kurzer Anleitg. zur Ausführung derselben . Leipzig. Hoch 4. 5 fl. 40 kr. Andree, R. Wendische Wanderstudien . Zur Kunde der Lausitz u. der Sorbenwenden. Mit Holzschn . eingedr u. auf 1 Tafel u. 1 ethnograph. Karte. Stuttgart. 8. 2 fl . 40 kr. Barković, J. Oblt . Beschreibung graphischer u. plastischer Lehrbehelfe f. Terrainkunde u. Geographie. Wien. 8. 50 kr. Beschreibung d. Oberamtes Brackenheim. Hrsg. v. k. statist.-topogr. Bureau. Mit 3 Tab., 1 Karte, 3 lith . Ansichten und 1 Grundriss . Stuttgart. 8. 2. fl. 52 kr. Brachelli , Dr. H. F. u . Dr. F. Migerka. Oesterreichs commercielle und industrielle Entwickelung in d . letzten Jahrzehenten . Mit 2 Steintaf. Wien. Lex. 8. 1 fl . 80kr. Cannabich's, J. G. Fr. Lehrbuch der Geographie nach den neuesten Friedensbestimmungen. 18. Aufl. Neu bearb v. Prof. Dr. F. M. Oertel. 2. Bd. 1. - 5. Lfg. Weimar. gr. 8. à 60 kr. Catalogue par ordre géographique des cartes . plans, vue de côtes, mémoires, instructions nautiques etc. qui composent l'hydrographie française . Ministère de la marine et des colonies. Paris . 8. 3 fl. Czoernig, Geh.-R. Präs. C. Freih. Das Land Görz u. Gradisca. (Mit Einschluss von Aquileja.) Geogr.-statist.-histor. dargestellt. Mit 1 chromolith . Karte. Wien. 8. 14 fl . 40 kr. Daniel, Prof. Dr. H. A. Deutschland nach seinen physischen u. politischen Verhältnissen geschildert . 4. vielf. verb. Aufl . Leipzig . 8. 2. Bd. Politische Geographie 5.- 13. Lfg. à 72 kr. Dorr, Dr. R. Ueber das Gestaltungsgesetz der Festlandsumrisse u . die symmetr. Lage der grossen Landmassen. Mit 2 Steintaf. Liegnitz . gr. 8. 1 fl. 80 kr. Elenco alfabetico dei Communi del regno d'Italia colla divisione amministrativa in mandamenti, circondari o distretti e provincie, e rispettiva popolazione giusta il censimento 1871. Milano. 16. 1 A. Gregorovius, F. Wanderjahre in Italien. Leipzig. 8. 1. Bd. Figuren , Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien. 4. Aufl . 2. Bd . Lateinische Sommer. 3. Aufl. à 5 fl. 24 kr. Klöden, Prof. Gust. Adf. Handbuch der Erdkunde. 1. Th. Handbuch der physischen Geographie. Mit 288 eingedr. Holzschn . 3. durchweg verb. u . verm . Aufl. 15.- 17. Lfg. Berlin gr. 8. à 60 kr. Kohl, J. G. Die geographische Lage der Hauptstädte Europa's. Leipzig. 8. 6 Al. Leger, L. Le monde slave, voyages et littérature. Paris. 12. 1 fl. 80 kr. Löher, F. v. Die Magyaren u. andere Ungarn. Leipzig. 8. 4 fl. 80 kr. Löper, C. Zur Geschichte des Verkehrs in Elsass -Lothringen m. besond. Berücks. d . Schifffahrt, d . Post-, Eisenbahn- u . Telegraphenwesens nach archival. u . anderen Quellen nebst 32 auf das Verkehrsleben bezügl. Urkunden aus der Zeit von 1350-1779. Strassburg 8. 2 fl. 40 kr. Lorenz, Sect.-R. Dr. J. u . Gen. - Insp. J. Wessely. Die Bodencultur Oesterreichs . Im Auftrage des k. k. Ackerbauminist. red . Wien. 8. 6 f. Magyarország helynévtára (Orts-Lexicon v. Ungarn . Hrsg . v. k. statist. Bureau) Budapest. 8. 9 Al. Maltzan, H. Frhr. v. Reisen in Arabien. Braunschweig. 8. 1. Bd . Reise nach Südarabien u . geogr. Fortsetzung im u. über den südwestl. Theil Arabiers . Mit 1 Karte. 7 fl. 20 kr. 2. Bd . Ad . Wrede's Reise in Hadhramaut Beled Beny Yssa u. Beled el Hadschar. Hrsg. m. e. Einleitg. Anmerkg. u . Erklärungen der Inschriften v. Obne versehen v. H. Freih . v. Maltzan. Nebst 1 Karte u. Facsimile der Inschrift v. Obne. 3 f. 60 kr. Mittheilungen, statist., ü . Elsass- Lothringen. Hrsg. v. d. statist. Bureau d . k. Oberpräsidiums in Strassburg . Strassburg. 8. 2. Heft. 3 A. 30 kr. 3. Heft. 4 fl. 65 kr. Möhner, P. Reginbald. Ein Tourist in Oesterreich während der Schwedenzeit . Aus dessen Papieren hrsg. v. Chorherrn Alb. Czerny. Linz. Lex. 8. 1 fl . 80 kr.

LXXX

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Nordpolfahrt, die zweite deutsche, i . d. J. 1869 u. 1870 unter Führung des Capitän K. Kolde wey. Hrsg. von dem Vereine f. d. deutsche Nordpolfahrt in Bremen. 2. Band . Wissenschaftliche Ergebnisse . Mit 31 Taf. in Lith. u. Kupferst. u. 3 lith. Karten. 1. Abthlg. Leipzig. 8. 7 fl. 20 kr. Oesterreicher, Liniensch.-Cap. J. Ritt. Die österr. Küstenaufnahme i . adriatischen Meere. Ueber Auftrag d. k. k. Reichs-Kriegs-Minist. , Marine- Section . Mit 5 Plänen. Triest. Lex. 8. 6 fl. 30 kr. Peschel , O. Völkerkunde. Leipzig gr. 8. 6 fl. 72 kr. Petzholdt. A. Turkestan . Auf Grundlage e. i. J. 1871 unternommenen Bereisung d. Landes. Mit 1 Holzschnitttaf. u. einigen i . d . Text gedr. Holzschnitt. Leipzig 8. 2 f. 40 kr. Report of the progress of the Ordnance Survay to 31st December 1872. London . 4. Mit Karten 2 fl . 20 kr. Ritter's geogr.- statist . Lexicon über die Erdtheile, Länder, Meere etc. Mit Angabe sämmtl. Post-, Eisenbahnen- und Telegraphen- Stationen der wichtigeren Länder f. Post-Bureaux. etc. 6. gänzlich umgearb., stark verm. u . verb. Aufl. Unter Redact. v. Dr. O. Henne - Am Rhyn. Leipzig. gr. 8. 1. Bd . 1. 2. 3. Lfg. 2. Bd . 1. 2. Lfg. à 90 kr. Roesler, R. Die Aralseefrage. Noch einmal geprüft. (Aus Sitzungsber . d . k. Acad. d . Wiss. ) Wien. Lex. 8. 84 kr. Rziha, Ob.-Ing. F. Die Bedeutung d . Hafens v. Triest f. Oesterr. Vortrag gehalt . i. deutschen polytechn . Vereine zu Prag. (Aus : Technische Blätter. ) Wien .. Lex. 8. 60 kr. Scharnaggel, Forstinsp. S. Die Forstwirthschaft im österr. Küstenlande m . vorzügl. Rücksicht auf die Karst- Bewaldg. Wien, 4. 1 fl. 20 kr. Schaubach. Die deutschen Alpen . 2. Aufl . Nachtrag zum 1. Theile enth . geologische Geschichte der Alpen . Fortsetzung. Trias von Dir. Dr. H. Emmerich. Jena. 8. 1 fl. 80. ( 1. Th. u. Nachtrag. 5 fl. 40 kr. ) Schebek, Secr. Dr. E. Collectiv- Ausstellung v. Beiträgen zur Geschichte der Preise, veranstaltet zur Weltausstellung 173 in Wien v. d . Handels- u. Gewerbekammer in Prag. (Pavillon d . Welthandels) Catalog. Prag. Lex. 8 . 1 A. SO kr. Schlichting, M. Erd- u . Völkerkunde in Bildern und Zusammenstellungen. 1. Theil. Europa nebst Darstellg. allg. geographischer Verhältnisse. Leipzig . S. 3 f. 60 kr. Schuster, Doc. Dr. H. M. Das Wiener Stadtrechts- od. Weichbildbuch . Wien. 8. 1 fl. 80 kr. Statistik , preussische. ( Amtliches Quellenwerk. ) Hrsg. in zwanglosen Heften v. k. statist. Bureau in Berlin . Berlin. gr. 4. 27. Band. 1 fl. 20 kr. Statistique de la France. Résultats généraux du dénombrement de 1872. 2. série, tome XXI. Fopulation. Paris . 4. 9 fl. Supan. Dr. A. G. Lehrbuch der Geographie nach den Principien der neuern Wissenschaft für österr. Mittelschulen u. verwandte Lehranstalten, sowie zum Selbstunterricht. Laibach. 8. 1 f 20 kr. Topographie v. Nieder- Oesterreich. ( Schilderung von Land, Bewohnern u. Orten. ) etc. nach den besten Quellen u. dem neuesten Stande der Forschung . Bearb. u. hrsg. v. Verein f. Landeskunde f. Niederösterr. Wien . 4. 6. Heft. Preis eines Heftes mit Einschluss der Illustrationen 1 fl. , für Vereins-Mitglieder 70 kr. Tschudi's, J. Schweizerführer. Reisetaschenbuch f. d . Schweiz u . das angrenzende Süd-Deutschland, Ober-Ital. u . Savoyen. 11. Aufl . A. u . d . Titel .: Tourist in der Sebweiz etc. Mit 1 lith. u. color. Karte der Schweiz, 54 Eisenbahnkärtchen, 9 Gebirgsprofiler u. 8 lith . Städteplänen . St. Gallen 16. 4 fi. 32 kr. Verzeichniss , alphabetisches, der Strassen u. Plätze Berlins m. Angabe der Lage nach den Himmelsrichtungen. Im Auftrage d. kais. Ober-Post-Dir. in Leipzig hrsg. 2. Aufl. Leipzig. 16. 9 kr. gleichnamiger oder ähnlich lautender Post-Orte. Aufgestellt im Novbr. 1873 . Berlin 8. 15 kr. Wenjukow, Oberst. Die russisch-asiatischen Grenzlande. Aus dem Russ. übers. v. Hptm. Krahmer. Mit 1 Uebersichtskarte. Leipzig. 8. 1. u. 2. Lfg. à 1 f . 80 kr Zaffauk , Hptm. Prof. J. Zeichenschlüssel zum Lesen russischer Karten. Mit 1 Tafel. Teschen. 8. 45 kr.

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LXXXI

Alpen-Freund, der Blätter f. Verbreitung v. Alpenkunde unter Jung u. Alt in populären u. unterhalt. Schildergn. aus d. Gesammtgebiet der Alpenwelt u . m. prakt. Winken zur genussvollen Bereisung derselben. In Verbindg. m. hervorrag. Alpenkennern hrsg . v. Dir. Dr. E. Amthor. Mit zahlr. Kunstbeilagen . 7. Bd . 6 Hefte. Gera. 8. à 45 kr. Beiträge zur Statistik der schweizerischen Eidgenossenschaft. Hrsg . v. statist. Bureau d . eidg. Departements d. Innern . Zürich . gr. 4. 17. Heft. Geburten, Sterbefälle u . Trauungen i . J. 1870. 2 fl . 40 kr. Bibliotheca geographica od. systematisch geordnete Uebersicht der in Deutschland u. dem Auslande auf dem Gebiete der gesammten Geographie neu erschienenen Bücher. Hrsg. v. Secr. Dr. W. Müldener. 21. Jahrg. 1. Hft . Januar Juni 1873. Göttingen . 8. 30 kr. Globus. Illustr. Zeitschrift f. Länder- u. Völkerkunde. Mit besond. Berücksichtg. der Anthropologie u. Ethnologie. In Verbindg. m. Fachmännern u. Künstlern hrsg. v. K. Andree. 1874. 25. u. 26. Bd . à 24 Nrn . Braunschweig. 4. à 7 fl. 20 kr. Jahrbuch d. österr. Alpen- Vereins. 9. Bd. 1873 ( 11. Jahrg . der Jahres Publikationen des Vereins. ) Mit 5 Kunst-Beilagen Wien . 8. 5 Al. - statistisches . f. d. J. 1872. Hrsg. v. d. k. k. statist. Central -Commiss . Wien. Lex. 8. 1. Heft Flächeninhalt, Bevölkerung, dann Wohnorte der im Reichsrathe vertret. Kgreiche u. Länder. 72 kr. 9. Heft. Sparcassen der i . Reichsrathe vertret. Kgr. etc. 54 kr. L'Italia economica nel 1873. Pubblicazione ufficiale. Roma 8. Mit 22 Karten u. Tafeln . Manuale del regno di Dalmazia per l'anno 1874 Compilato da L. Maschek, consigl imp. Anno IV . Zara. 8. 1 f. 25 kr. Mittheilungen aus dem Gebiete der Statistik. Hrsg. v. d. k. k. statist. CentralCommiss . 20. Jahrg . 2. Heft. Stand der Bibliotheken d. i . Reichsrathe vertret. Kgr. etc. Ende 1870. 1 Theil Bibliotheken der Unterrichts -Anstalten. Bearb. v. Rechn . -Offic. J. v. Pizzala. Wien. 8. 96 kr. aus Justus Perthes geogr. Anstalt ü . wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie v. Dr. A. Petermann. Ergänzungsheft. Nr. 35. Die Bevölkerung der Erde. Jährl. Uebersicht ü. neue Arealberechnungen, Gebietsveränderungen , Zählgn . und Schätzungn der Bevölkg. auf d . gesammten Erdoberfläche. Hrsg. v. E. Behm u. H. Wagner. II. Mit 2 Karten. Gotha. 4. 3 A. Registrande der geogr. statist . Abthlg. d. Grossen Generalstabes Neues aus d. Geogr.. Kartographie und Statistik Europas u. s . Colonien. Quellennachweise, Auszüge und Besprechungen zur laufenden Orientirung . 4. Jahrg. Octob. 1872 bis October 1873. Mit 1 kartograph. Uebersicht. Berlin 8. 6 f. Zeitschrift d. k. bayerischen statistischen Bureau. Red . v. dessen Vorstand Dr. G. Mayr 5. Jahrg. 1873. 4 Nrn. München. gr. 4. 3 fl. 15 kr. VI . Staatswissenschaft, Rechtspflege, Flugschriften . Attlmayr, Ed . Die Elemente des internationalen Seerechtes u . Sammlung von Verträgen. Ein Handbuch f. d . k. k. österr . See-Offic. 1. Bd. Das internationale Seerecht, dann Handel-, Schifffahrt- und Consular-Vorschriften. 2. Bd. Sammlung v. Verträgen . Wien . 8. 7 f . Bischof, Dr. H. Grundzüge e . Systemes der Nationalökonomik od . Volkswirthschaftslehre. Graz . 8. 1 Lfg. 1 fl . 20 kr. Bluntschli's Staatswörterbuch in 3 Bden. Auf Grundlage d . deutschen Staatswörterbuches v. Bluntschli und Brater in 11 Bden .. in Verbindg. m. mehreren Gelehrten bearb. u hrsg v. Dr. Löning. Zürich . 8. 25. - 27 . Lfg. à 48 kr. Gesetzsammlung f. das Her/gthum Kärnten . VIII. Heft. Klagenfurt, 8. 96 kr. Marpelt, Officier. Der militärische Ideendiebstahl. Ein Bruchstück aus dem Wirken des grössten Abenteurers der Weltgesch. und Kritik der neuesten Anordnungen u . leitenden Ideen , welche er selber ( lui même Louis Napoléon) in Folge der von Ihm dafür angeordneten Conferenzen u . nach deren Ergebnissen zur Erhöhung der Vertheidigungs- Fähigkeit Seines Landes f. d. Folgezeit als massgebend betrachtet und Seinen Instructionen f. d. MilitärBehörden u. höhere Offc. u. Beamten zu Grunde zu legen insgeheim befohlen hatte. Gotha. 3. 1 f . 80 kr.

LXXXII

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Recueil , nouveau , général de traités, conventions et autres transactions remarquables. servant à la connaissance des rélations étrangères des puissances et états dans leurs rapports mutuels. Rédigé sur copies, collections et publications authentiques. Continuation du grand recueil de G. Fr. de Martens par Ch. Samwer , et J. Hopf. Tome 18. A. s . 1. t . Recueil général de traités et autres actes relatifs aux rapports de droit international. Tome 5. Göttingen . gr. 8. 9 fl . ( 1. — 5. Bd . = 54 fl.) Reichsgesetze f. d. Kaiserth. Oesterreich. Prag 8. Nr. 43. Abänderung des Landwehrgesetzes und Verleihung v. Anstellgn . an gediente Unteroffic . 48 kr. Nr. 51. Gesetz ü. d. Deckung des Pferdebedarfs in Mobilisirungsfällen v. 16. April, 7. Mai u. 1. August 1873. 36 kr. Schuler-Libloy. Prof. F. Abriss der europ . Staats- u . Rechtsgeschichte. Berlin . 8. 3 fl. Starr, F. Vollst. Sach- und Nachschlage-Register zu sämmtl. Landesgesetzblät tern, der i . Reichsrath vertretenen Königreiche u. Länder von deren Beginn 1849 b. z. Schlusse d. J. 1873, nach Materien chronologisch geordnet. 3. Theil. Böhmen, Mähren u. Schlesien . Wien . 8. 2 fl. 40 kr.

Bibliographie, allg., der Staats- und Rechtswissenschaften. Uebersicht der auf diesen Gebieten im deutschen und ausländischen Buchhandel neu erschienenen Literatur. Red. O. Mühlbrecht . 7. Jahrg. 1874. 6 Doppel-Nrn . Berlin. 8. 2 f. 40 kr. Staatsarchiv, Das. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart. Begründet v. Aegidi u . Klauhold . In fortlauf. monatl . Heften hrsg. v. H. v. Kremer - Auenrode. 26. Bd . Januar bis Juni 1874. 6 Hefte. Leipzig. gr. 8. 5 fl. 4 kr.

VII. Mathematik, Aufnahme, Naturwissenschaften. Airy, Dir. G. Biddell. Ueber den Magnetismus. Autoris . deutsche Uebersetzg durchgesehen v. Observator Dr. Fr. Tietjen. Mit 74 eingedr. Holzschn . Berlin. 8. 2 fl. 25 kr. Arbeiten, die astronomisch- geodätischen, des k. k milit. -geogr. Institutes in Wien. II. Bd. Enthaltend: Die Grundlinie v. Sinj u. das Dreiecksnetz in Dalmatien, dann die Verbindung desselben mit d. italienischen Dreiecken in Apulien quer über d adriatische Meer. Ausgeführt u. hrsg. d. d . Triangulirungs-Calcul-Abth. des obgen. Instit. Wien. 4. 5 fl. Arndt, A. Das Mikroskop im Dienste des landwirthschaftl. u . gewerblichen Lebens sowie der Familie. Populäre Anweisung zur Behandlung u . praktischen Verwendung desselben. Mit 215 Text- Abbildgn . auf 100 Illustrat. u . 1 Titelbild. Berlin . 8. 3 fl. Aschenborn , Prof. Dr. K. H. M. Lehrbuch der Geometrie m . Einschluss der Coordinaten-Theorie u. der Kegelschnitte. Zum Gebrauche b. d. Vortragen an der vereint. Artill.- u. Ingenieur- Schule u . zum Selbstunterr. 1. Abschnitt. Die ebene Geometrie. 2. unveränd . Aufl. Mit eingedr. Holzschn . Berlin. 4 fl. 8 kr. Baer, Dr. K E. v. Reden , gehalten in wissenschaftl . Versammlungen u. kleinere Aufsätze vermischten Inhaltes. St. Petersburg. 8. 1. 2. Th. 1 Hälfte, 3. Theil. (Historische Fragen mit Hilfe der Naturwissenschaften beantwortet. Mit 1 Kärtchen u. 3 Holzschn. ) 10 fl. 50 kr. Bericht ü die Verhandlungen des internationalen Meteorologen-Congresses zu Wien . Protocolle u. Beilagen. Wien. Lex. 8. 1 fl. 20 kr. Bernstein , A. Naturwissenschaftliche Volksbücher. Wohlfeile Gesammt- Ausgabe. 4. vielf. verbess. u. verm . Aufl. Berlin . 1. - 8. Bdchen. 16. à 36 kr. Boltzmann, Dr. L. Experimental-Untersuchung über d . electrostatische Fernwirkung dialectrischer Körper. ( Sitzgs. - Ber. d. k. Akad . d . Wisssch. ) Mit 2 Taf. Wien 8. 1 fl. 20 kr. Brehm's illustrirtes Thierleben . Wohlfeile Volksausg. von F. Schödler. Mit 1:82 Abbildungen in eingedr. Holzschn . nach der Natur, ausgeführt unter Leitung von R. Kretschmer u . E. Schmidt u. 1 Karte „ Heimat der wichtigsten Thiere. " 8. u . 9. Th. Hildburghausen . Hoch 4. 1 fl. 80 kr.

LXXXIII Bücher-Anzeiger.

Burat, A. Géologie de la France. Paris. 8. 9 fl. 60 kr. Chauveau des Roches, Belin, et Vigreux. Hydraulique appliquée . Des divers appareils servant à élever l'eau pour alimentation , irrigations , épuisements etc. Paris. 8. Mit 14 Abbild . u. 16 Taf. 6 fl. Cotta, B. v. Die Geologie der Gegenwart dargestellt u. beleuchtet . 4. umgearb . Aufl. Mit dem Portrait des Verfassers in Stahlstich . Leipzig. 8. 4 fl. 80 kr. H. v. Handbuch von Aufgaben und Formeln aus der technischen Geometrie und Stereometrie sowie der ebenen Trigonometrie nach dem metrischen Maasse und Gewichte . Für höhere Schulen und zum Selbstunterrichte . Mit in den Text gedr. Holzschn . Eisenach . 8. 1 fl. 50 kr. Lösungen. 60 kr. Daniel, Prof. Dr. H. A. Handbuch der Geographie . 4. vielf. verbess. Aufl. Leipzig. Lfg.Das 72 kr. Darwi8.n ,1. Ch. Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Aus dem Engl. , übers. v. J. V. Carus. 2. Bd . 2. durchgeseh. und berichtig . Ausg . Stuttgart. gr. 8. à 6 fl. Deffert, C. F. Tafeln zur Berechnung rechtwinkeliger Coordinaten . Im Auftrage des Finanzministers bearb. Ster -Druck. Mit in den Text gedr. Zeichnungen u. 1 Uebersichtskarte. 2. verbess. u . verm. Aufl. Berlin . 4. 4 fl. 80 kr. Dölp, Prof. D. H. Die Determinanten nebst Anwendung auf die Lösung algebraischer und analitisch- geometrischer Aufgaben . Elementar behandelt . kr. Darmst gr. den 8. 1 Widers fl. 20 tand Domalip , K. adt Ueber einer Kreisscheibe bei verschiedener Lage der Elektroden (Aus Sitzgs .- Ber. der k. Akademie der Wissensch . ) Wien. 8. 12 kr. Dove , H. W. Das Gesetz der Stürme in seiner Beziehung zu den allgemeinen Bewegungen der Atmosphäre . Mit eingedr. Holzschn . und 2 lith. Karten 4. vermehrte Aufl. Berlin. 8. 3 fl. 60 kr. Esersky , Th. v. Multiplications- und Divisions -Tabellen bis zu jeder beliebigen Grösse . 2. vergrösserte Ster.-Ausg. Dresden . 4. 2 fl. 40 kr. Finger, Prof. J. Directe Deduction der Begriffe der algebraischen und arithmetischen Grundoperationen aus dem Grössen- und Zahlenbegriffe . Laibach. gr . 8. 60 zkr. Gorup-Besane , Prof. Dr. E. F v. Lehrbuch der Chemie f. d . Unterricht auf Universitäten , technischen Lehranstalten u. f. d. Selbststudium In 3 Bdn. 1. Bd . Lehrbuch der anorganischen Chemie. Mit besonderer Berücksichtig . d. neueren Theorien u . m. Einschluss der experimentellen Technik. 5. verbess . Aufl . Mit zahlreichen in den Text eigedr. Holzst. und einer farbigen Spectraltaf . Braunschweig . 8. 6 fl. 60 kr. Hammerschmied , Dr. J. Das Ozon und seine Wichtigkeit im Haushalte der Natur und des menschl . Körpers . Mit einem Anhange über allg. chemischphysical . Fragen . Wien . 8. 1 f 20 kr. Hayek, G. v., k k. Prof. Handbuch der Zoologie . Wien . 8. 1. u . 2. Lfg. Mit 147 gn. à flanzen 1 fl. 80 kr. Hehn,Abbild V. Culturp und Hausthiere in ihrem Uebergange aus Asien nach Griechenland und Italien , sowie in das übrige Europa . Historisch -linguist. Skizzen. 2. umgearb . Aufl. 1. - 2. Lfg. Berlin. 8. à 60 kr. Herzog, Ingen. Edm . Prakt. Anleitg . zum Höhenmessen mittelst Dosen- Barometer (Baromêtre anéroide und Baromêtre holostérique ) nebst Bemerkungen über generelle Tracirung . Mit 7 in den Text eingedr. Holzschn . 2. Aufl. Leipzig. 8. 90 kr. Hrabák, J. Gemeinnütziges, mathematisch-technisches Tabellenwerk. Eine möglichst vollständige Sammlung von Hilfstabellen für Rechnungen mit und ohne Logarithmen . Nebst zeitentsprechenden Maass-, Gewichts- und Geldrechnungstabellen , insbesondere für das metrische und englische, öster reichische und preussische Maass- und Gewichts-System. Leipzig. 8. 4 fl. 80 kr. Kühne, Prof. Dr. H. Th. Graphisch-statistischer Atlas zur Veranschaulichung geogr . , volkswirthschaftl., commercieller, industrieller, cultur-histor. , polit. etc. Verhältnisse. 7-14 . (Schluss-) Lfg Leipzig. 4. à 45 kr. Laube, G. C. Geologische Beobachtungen, gesammelt während der Reise auf der Hansa" und gelegentlich des Aufenthaltes in Süd- Grönland. Wien . 8. 1 fl. 56 kr. Leber, M. Edl. v. Die österr. Maasse und Gewichte am 1. Jänner 1873 und das metrische System. Mit einer Sammlung von Umwandlungs-Tabellen und

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einer Anleitung zu deren Benützung im Auftrage der k. k. Central-Inspection der österr. Eisenbahnen berechnet. Wien. Lex. 8. 1 f. 90 kr. Mayer, E. Grundzüge der praktischen Geometrie. Mit 148 Holzschn . und 4 lith. Taf. Wien 8. 4 fl. Močnik, Dr. F. Ritt. v. Lehrbuch der Geometrie f. d . oberen Classen der Mittelschulen . Mit 314 in den Text gedr. Holzschn . 12. neu bearb . Aufl. Wien. gr. 8. 2 fl. 16 kr. Müller, Arm . Ueber die Einwirkung des Lichtes auf Wasser. Ein Versuch zur Erklärung der chemischen Lichtreactionen des Gewitters und der Production organ. Substanz. Zürich. 8. 1 f. 68 kr. - J. Die Schule der Physik. Eine Anleitung zum ersten Unterricht in der Naturlehre. Zum Schulgebrauch und zur Selbstbelehrung. Mit 293 in den Text eingedr. Holzstichen. Braunschweig. 8. 1 f. 80 kr. F. Allgemeine Ethnographie. Wien . 8. 5 fl. 60 kr. Naturwissenschaften , die gesammten. Für das Verständniss weiterer Kreise u. auf wissenschaftl Grundlage bearb. v. Dippel , Gottlieb, Gurlt etc. Eingeleitet v. H. Masius . 3. neu bearb. und bereich . Aufl. In 3 Bdn . Mit zahlr. in den Text gedr. Holzschn , und 3 Sternkarten . 14.- 16 . Lfg. Essen . 8. à 45 kr. Pfaff, F. Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft. Mit einem Anhange : Geologische Versuche. Mit 60 Figuren in Holzschn . Leipzig . 8. 3 fl. 60 kr. Resal , H. Traité de mécanique général, comprenant les leçons professées à l'Ecole politechnique. Tome I. Cinématique. Theorèmes généraux de la mécanique. De l'équilibre et du mouvement des corps solides . Paris. 8. 5 fl. 70 kr. Rühlmann , Dr. R. Handbuch der mechanischen Wärme-Theorie. Nach E. Verdet's théorie mécanique de la chaleur bearb. Mit in den Text eingedr. Holzst. 1. Lfg. Braunschweig. 8 4 fl. 20 kr. Schleiden , Dr. M. J. Das Meer. 2. umgearb. und bedeut. vermehrte Aufl . Mit 28 Stahlst. in Farbendr., 300 Holzschn . und 1 Karte. 1. - 10. Lfg . Berlin. Lex. 8. à 1 fl. 50 kr. Schmarda. Lehrbuch der praktischen Messkunst. 3. berbess. Aufl . Mit 9 Tafeln Wien. 8. 2 fl. 50 kr. Schröder, E. Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studirende. 1. Bd. Die 7 algebraischen Operationen . Leipzig. 8. 4 fl. 80 kr. Schrön, Dir. Prof. Dr. Ludw. Siebenstellige gemeine Logarithmen der Zahlen von 1-108.000 und der Sinus, Cosinus, Tangenten und Cotangenten aller Winkel der Quadranten von 10 zu 10 Secunden . 13. rev. Ster.-Ausg . Tafel 1 und 2 des Gesammtwerkes in 3 Taf. Braunschweig. Hoch 4. 2 fl. 52 kr. Schüler, W. F. Die Arithmetik und Algebra in philosophischer Begründung. Vorlesungen. In 3 Theilen. Leipzig. 8. 1. Theil . Die 4 Species mit ganzen und gebrochenen positiven und negativen Grössen und die Determinanten. 2 fl. 40 kr. Seebach, K. v. Das mitteldeutsche Erdbeben vom 6. März 1872. Ein Beitrag zu der Lehre von den Erdbeben . Mit 2 Karten und 3 Taf. Leipzig. 8. 4 fl. 80 kr . Stoppani, A. e G. Negri. Geologia d'Italia. Milano. 8. 4 fl. 20 kr. Streckfuss, Prof. W. Lehrbuch der Perspective zum Schulgebrauche und Selbstunterrichte. Mit 1 Atlas mit 77 Steintafeln. 2. Auflage. Breslau . gr. 8. 8 fl. 40 kr. Suess, E. Die Erdbeben Nieder- Oesterr. (Aus : „ Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften. ") Mit 2 Karten . Wien, Lex . 8. 1 fl. 50 kr. Talbot, R. Der Lichtpaus-Process . Verfahren zum rein mechan . mühelosen Copiren von Zeichnungen jeder Art und Grösse mittelst lichtempfindl . Papiers. Für Bau-Behörden, Bergwerke, Maschinenfabriken etc. Nebst einer Lichtpause als Beilage. Berlin , gr. 8. 30 kr . Ule, Dr. O. Aus der Natur. Essays. 1. - 3 . Reihe. Mit eingedr. Holzsch. Leipzig br. 8. à 2 fl . 70 kr. Die Erde und die Erscheinungen ihrer Oberfläche in ihrer Beziehung zur Geschichte derselben und zum Leben ihrer Bewohner. Eine physische Erdbeschreibung nach E. Reclus, Mit 30 Buntdruck-Karten , sonstigen Beilagen und circa 300 Text- Illustrationen . Leipzig. Hoch 4. 1. - 13. Lfg. à 45 kr. Wiedemann , G. Die Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus . 2. Bd. Die Lehre von den Wirkungen des galvanischen Stromes in die Ferne. 2. verm . Auflage. 1. Abtheilung. Elektrodynamik, Elektromagnetismus und

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Diamagnetismus. Mit zahlreichen Holzst. 2. Lfg. (Schluss der 1. Abtheilung.) Braunschweig. gr. 8. 3 fl. Winkler, A. Probleme aus der Wärmelehre. Mit 2 Taf. Wien . 8. 1 f . 44 kr.

Annalen, der k. k Sternwarte in Wien. Hrsg. vom Dir. Prof. C. v. Littrow. 3. Folge. 20. Bd . Jahrgang 1870. Wien. 8. 6 fl. 60 kr. Bibliotheca historico-naturalis , physico- chemica et mathematica oder systematisch geordnete Uebersicht der in Deutschland und dem Auslande auf dem Gebiete der gesammten Naturwissenschaften und der Mathematik neu erschienenen Bücher. Hrg. von Dr. A. Metzger. 23. Jahrg . 1. Heft. Januar- Juni 1873. Göttingen. gr. 8. 48 kr. Gaea. Natur und Leben. Zeitschrift zur Verbreitung naturwissensch und geogr. Kenntnisse. Mittheilungen über alle wichtigen neuen Entdeckungen auf allen Gebieten der Naturwissenschaft. Allg. verständl. naturwissenschaftl. Abhandlungen aus der Feder anerkannter Schriftsteller. Hrsg. von H. J. Klein . 10. Jahrg . 1874. 12 Hefte mit eingedr. Holzschn . und Steintafeln. Leipzig. Lex. 8. à 60 kr. Jahrbücher der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus von Hofr. Dir. C. Jelinek und Prof. F. Osnaghi . Neue Folge. 8. Bd. Jahrg. 1871. Der ganzen Reihe 16. Bd . Wien . 4. 3 fl. 60 kr. Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaften . Red . von Dr. A. E. Vogl . 24. Jahrg. 1874. 12 Nrn. Prag , 8. 3 f. 15 kr. Natur, die. Zeitung zur Verbreitung naturwissenschftl. Kenntniss und Naturanschauung f. Leser aller Stände . ( Organ des „ deutschen Humboldt- Vereines. ") Hrsg. vom Dir. O. Ule und Dr. K. Müller. Mit xylogr. eingedr. Illustr. Halle. gr. 4. 23. Jahrg. 1874. 52 Nrn. Viertelj . 1 f. 50 kr. Revue der Fortschritte der Naturwissenschaften in theoretischer und praktischer Beziehung. Unter Mitwirkung von Fachmännern hrsg . von Dr. H. Klein. 1. Band 1873. Leipzig. 8. 3 fl. 60 kr. Schriften des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftl. Kenntnisse in Wien. 13. Bd. Jhrg. 1872-1873 . Red , v. G. R. v. Frauenfeld. Wien , 8. 3 fl. 60 kr. Vierteljahr- Revue der Fortschritte der Naturwissenschaften in theoretischer und praktischer Beziehung. Hrsg. von der Redaction der 77 Gaea" (Dr. H. Klein) . 2. Bd . Nr. 1. Physik, Meteorologie . Leipzig . 8. 90 kr .

VIII. Technische Werke, Eisenbahnen , Telegraphen , neue Erfindungen. Becker, Oberbau- R. M. Handbuch der Ingenieur-Wissenschaft. 4. Bd. Der Wasserbau in seinem ganzen Umfange u. m. besond. Rücksicht auf d. neuesten Constructionen . Ein Leitfaden zu Vorlesungen u. zum Selbstunterr. Mit Atlas enth. 35 grav. Kupfertafeln . 3. verb . u . vermehrte Auflage. Stuttgart. 8. 11 fil. 40 kr. Buch, das, der Erfindungen, Gewerbe u. Industrien . 73.- 82. Lfg. Ergänzungsband. Der Weltverkehr und seine Mittel . 1. - 10 . Lfg. Mit eingedruckten Holzschn. Leipzig. 8. à 30 kr. Cohn, Dr. G. Die Entwickelung der Eisenbahn- Gesetzgebung in England. Leipzig. 8. 4 fl. 32 kr. Geissendörfer, L. Schriften-Vorlagen f. Techniker aller Fächer. 8. Aufl. 16 Steintafeln . Heidelberg. qu. gr. 8. 72 kr. Hanhart, H. u. A. Waldner, Ingen. Tracirungs- Handbuch f. d . Ingenieurarbeiten im Felde b. d . Projectirung u. dem Bau v. Eisenbahnen u. Wegen. Mit eingedr. Holzschn. Berlin . gr. 16 2 fl. 40 kr. Henz-Streckert. Praktische Anleitung zum Erdbau. Mit einem Atlas von 19 Tafeln in Fol. Berlin . 8. 11 fl. 40 kr. Pinzger, L. Die geometrische Construction von Weichenanlagen für EisenbahnGleise m. zahlreichen Tabellen u . Rechnungs-Beispielen für den praktischen Gebrauch. Mit 73 Fig. Aachen. 8. 4 fl. 50 kr. Pochet, L. Nouvelle mécanique industrielle. Les machines à vapeur, à air chaud, à gaz, à air comprimé, les injecteurs à vapeur etc. Paris. Mit 1 Tafel. 8. 5 fl. 40 kr.

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Pollitzer, Mr. Die Bahnerhaltung. Theoretische u. prakt. Anleit. zum EisenbahnErhaltungsdienste. 1. Th. Das Oberbaumaterial . Die Herstellung und Erhaltung des Oberbaues. Mit 52 in den Text eingedr. Fig. 4 lith. Taf. und vielen für den praktischen Gebrauch sehr nützlichen Tabellen . Brünn. 8. 7 fl . 20 kr. Pouget, le comte , capit. La Télégraphie milit. par signaux. Paris. 8. 80 kr .

Bibliotheca mechanico-technologica od. systematisch geordnete Uebersicht aller der auf dem Gebiete der Mechanik u. Technik wie der gesammten Bauu. Ingenieur-Wissenschaften in Deutschland u. dem Auslande neu erschienenen Bücher. Hrsg. v. Secr. Dr. W. Müldener. 12. Jahrgang. 1. Heft. Jänner- Juni 1873. Göttingen gr. 8. 30 kr. Engineering . Deutsche Ausgabe . Vermehrt durch deutsche Original-Artikel. Hrsg. u . Red .: J. v. Strummer - Traunfels. 1. Jahrg. 1874. 52 Nrn. (2 Bde. m. eingedr. Holzsch. ) Wien . gr. 4. Halbjähr. 12 fl. Nachrichten, statistische, v. d. österr.-ungar. Eisenbahnen. Bearb. v. statist . Departement im k. k Handels-Ministerium. Wien . 4. 1. Bd. 1. Heft. Betriebsergebnisse d . J. 1870. 3 fl. ― statist. , v. d. preuss . Eisenbahnen . Bearb. auf Anordnung Sr Exc. des H. Ministers f. Handel. Berlin . 4. Bd . XX. Ergebnisse d. J. 1872 nebst 1 Uebersichtskarte u. 2 Nivellements-Plänen . 7 fl. 20 kr. Organ f. d. Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung. Organ d . Vereines deutscher Eisenbahn-Verwaltungen. Hrsg. v. E. Heusinger v. Waldegg. Sach- und Autoren -Register. Jahrg. 1864-1873 oder neue Folge Bd. I- X u. Suppl. - Bd . I - IV. Wiesbaden. gr. 4. 2 fl. 40 kr.

IX. Sanitätswesen, Veterinär- und Pferdekunde. Bernatzik, Dr. W., k. k. Prof. Commentar zur österr. Militär-Pharmakopõe v . J. 1873. Mit steter Hinweisung auf die Vorschriften der Landes-Pharinakopõe und der Militär-Pharmakopõe v. J. 1859. Mit 68 Holzschnitten. Wien . 8. 5 fl. 50 kr. Bestimmungen ü. d. Militär- Veterinär-Wesen . Berlin. 8. 45 kr. Déclat. Traitement des plaies au moyen de l'acide phénique, et des résultats que la nouvelle méthode a donnés pendant lé siége de Paris. Paris. 18. 1 fl. 20 kr. Frölich, Stabsarzt Dr. H. Zur Bücherkunde der milit.-medizinischen Wissenschaft. Berlin. 8. 1 fl . 20 kr. Gestüt- Album , deutsches. Photographien vorzügl . Pferde . Von H. Schnäbeli. Hrsg. unter Mitwirkung v. H. v. Nathusius, Pr.-Lt. J. v. Schwartz A. Krocker. Des ganzen Werkes 40. (Schluss- ) Lfg. oder 2. Serie. 20. Lfg. Berlin. qu . gr. Fol. à 5 f. 60 kr. Gropius u. Schmieden. Evacuations-Pavillon f. d. Kranken-Anstalt Bethanien in Berlin. Aus : Zeitsch. f. Bauwesen.) Mit 1 Tafel. Berlin. 8. 60 kr. Günther, J. A. Die Rotzkrankheit des Pferdes. Anleitung, um seine Hausthiere vor dieser verderbl. Krankheit zu schützen u. sich selbst vor erheblichem Schaden zu bewahren . Nebst einem Nachtrag : Stallhaltung u . Gesundheitslehre des Pferdes. Leipzig. 8. 60 kr. Gurlt. Prof. Dr. E. Zur Geschichte der internationalen und freiwill. Krankenpflege im Kriege. Leipzig. 8. 10 fl. 80 kr. Handbuch d. allg. u . speciellen Chirurgie m. Einschluss der topogr. Anatomie. Operations- und Verbandlehre. Bearb. von Dr. Agatz, Prof. Dr Bergmann, Prof. Dr. Billroth etc. Red . v. v. Pitha u. Billroth, Prof. D. D. Erlangen. 8. 3 Bd. 1. Abth . 1. Lfg. 1. Hälfte. Mit 29 Holzschn . 3 f. 60 kr. 2. Abth. 5. Lfg. 2. Hälfte. Mit 13 in den Text gedr. Holzschnitten . 1 fl. 44 kr. 3. Bd . 2. Abth. 7. Lfg. 1. Hälfte. Mit 4 Taf. 3 f. 12 kr. Hertwig, Med.-R. Prof. Dr. C. H. Praktisches Handbuch d. Chirurgie f. Thierärzte. 3. vermehrte u. verb . Aufl. Berlin . 8. 9 fl . 60 kr. Heyfelder, Staats - R. Oberstabsarzt Dr. O. Kriegs-chirurgisches Vademecum . St. Petersburg. 8. 2 fl . 40 kr. Hoffmann's Dr. medicinischer Führer durch Wien , dessen Unterrichts- . Santäts- und Humanitäts - Anstalten, nebst allen einschläg. Gesetzen und eine p

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vollst. Verzeichnisse d . medicinischen Lehrkörpers u. sämmtl. Sanitätspersonen nach neuesten authentischen Quellen bearb. Wien. 8. 3 fl. Houze de l'Aulnoit, A Chirurgie expérimentelle . Etude historique et clinique sur les amputations sous-périostées et de leur traitement par l'immobilisation du membre et du moignon . Avec 8 fig. et 4 lith . Paris . 8. 3 fl. 60 kr. Hueter. C. Die allg . Chirurgie . Eine Einleit . in das Studium der chirurgischen Wissenschaft. Nach dem Inhalte der an der Universität Greifswald in den J. 1869-1873 gehaltenen Vorlesungen. Für Aerzte und Studirende bearb. Mit 1 Taf u. 2 Holzschn . Leipzig. 8. 8 fl. 40 kr. Jessen, Prof. P. Zur Frage ü. d . Reinheit der Race d . Orlow'schen Träberpferdes . Aus dem Russ . übers. Wien. 8. i f . 20 kr. Langenbeck, Prof. Dir. Dr. B. Chirurgische Beobachtungen aus dem Kriege. Mit 11 Taf. Berlin . 8. 5 fl. 40 kr. Meyer, G. Hm . - Die Statik u. Mechanik des menschlichen Knochengerüstes . Mit 43 Fig. in Holzschn. Leipzig. 8. 5 f. 10 kr. Pinel , H. Le cheval usuel, ou le demi -sang. Ses producteurs, son élevage, son dressage, ses aptitudes et son emploi. Paris. 8. 2 fl. 10 kr. Ploetz, Pr.-Lt. A. v. Das Halbblutpferd als Cavaleriepferd , seine Leistungsfähigkeit u . die Erhöhung derselben durch Erziehung, Dressur u . Trainirung. Eine hippologisch- cavallerist . Studie. Halberstadt. 8. 45 kr. Regolamento di servizio interno delle direzioni di sanità e degli ospedali militari. Adottato in via provvisoria il 20 dicembre 1873 Roma. kl. 8. 45 kr. Regulativ f. d . Prüfung der Thierärzte , welche das Fähigkeits - Zeugniss zur Anstellung als Kreis- oder Departements-Thierärzte zu erwerben beabsichtigen . Rennpferde , die bedeutendsten, in anerkannt vorzügl. Photographien . Eine Collection v. 75 Bl. Berlin. qu. Fol. Subscr.-Preis à 1 f. 20 kr.; einzelne Blätter 1 fl. 80 kr. Rohlfs. Dr. H. Gemeinfassl . Heilkunde u. Gesundheitslehre f. Schiffsofficiere nebst einer Anleit . zum Gebrauche der Schiffsapotheken. 3. verb . Aufl. Mit eingedr. Holzschn . Halle. 8. 3 fl 24 kr. Schauenburg , Stabsarzt Dr. C. H. Handbuch der kriegschirurgischen Technik zum Gebrauch im Felde u. bei Vorlesungen . Mit 75 in den Text eingedr. Holzschn. Erlangen. 8. 3 f. 60 kr. Sonnenstich u. Hitzschlag , der, auf Märschen . Berlin . gr. 8. 15 kr.

Aesculap . Zeitschrift f. d . Gesammt-Heilkunde. Standesorgan f. Civil- u . MilitärAerzte. Red. Dr. Ed. Lewy u. J. Fronz. 4. Jahrg. 1874. 52 Nrn. Wien. 4. 7 fl. 20 kr. Archiv f. klinische Chirurgie. Hrsg. v. Prof. Dir. Dr. B. v. Langenbeck. Red . v. Prof Dr. Billroth u. Gurlt. 16. Bd . 1. Hft. Mit 3 Taf. Abbild. u. 1 Holzschn. Berlin 8. 4 fl . 80 kr. 2. Hft. Mit 11 Taf. Abbild. 6 fl . Bibliotheca medico-chirurgica, pharmaceutico- chemica et veterinaria od. geordnete Uebersicht aller in Deutschland u. im Auslande neu erschienenen medicinisch-chirurgisch- geburtshilfl. -pharmaceutisch-chemischen u . veterinärwissenschaftl . Bücher. Hrsg. v. C. J. Ruprecht 27. Jahrg. 1. Hft. Jän.Juni 1873. Göttingen. gr. 8. 34 kr. Bulletin de la médecine et de la pharmacie milit. Recueil de tous les documents offic. rélatifs à la médecine et à la pharmacie milit. Comprenant les lois , décrets, réglements, instructions, décisions , circulaires, notes , solutions et lettres ministérielles concernant les service médical et pharmaceutique dans les hôpitaux et le corps de troupes. Paris. 8. Mit den Beilagen : La Revue scientifique et administrative des médecins des arinées de terre et de mer. L'annuaire spécial du corps de santé milit. Un ouvrage de médecine à titre de prime. Paris. 8. 9 fl. Czuberka, Dr. C.. u. Dr. G. Kraus . Oesterr. Medicinal- Schematismus. Vollständiges Verzeichniss der Aerzte, Geburtshelfer, Thierärzte u . Apotheker aller im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, sowie sämmtlicher k. k. Militär-, resp. Landwehrärzte der österr -ung. Armee. Nach amtl . Quellen bearb. u. bis Medio November 1873 richtig gestellt. Wien . 16. 3 A. Halbblutzüchter, der. Wochenschrift f. Pferdezucht u. Volkswirthschaft. Officielles Organ der Section 6 (f. Pferdezucht ) d. k. k. Landwirthschafts- Gesellschaft. Hrsg L. Suchomel . Red. O. Mayr. 2. Jahrg . 1874. 52 Nrn. Wien. Fol . 7 fl. 20 kr.

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Jahrbuch f. Militär-Aerzte 1874. 9. Jahrg. Hrsg. v. Stabsarzt Dr. C. Pundschu . Wien. 16. 1 fl. 92 kr. Presse, internationale homoeopathische. Ob.- Red. Dr. C. Müller. 3. Jahrg. 1874. 12 Hefte. Leipzig . 8. 9 . Repertorium der Thierheilkunde. Hrsg. v. Prof E. Hering. 35. Jahrg. 1874. 4 Hefte. Stuttgart gr. 8. 2 fl. 88 kr. Rundschau, medicinisch-chirurgische. Monatsschrift f. d . gesammte pract . Heilkunde. Unter Mitwirkung v. DD . Auspitz . Baer , Barth etc. hrsg. v. Dr. K. Bettelheim. 15. ( Neue Folge 5. ) Jahrg . 1874. 12 Hefte . Wien. 8. 5 fl. 40 kr. Vierteljahresschrift, österreichische, f. wissenschaftl. Veterinärkunde. Hrsg. v. d. Mitglied . d. Wiener k. k. Thierarznei-Institutes . Red . Prof. DD . Müller u . Röll. Jahrg. 1874. 41. u. 42. Bd. à 2 Hefte. Wien . 8. 7 fl. 20 kr.

X. Encyklopädien , Verschiedenes. Akademie der Wissenschaften , die kaiserliche zu Wien : Sitzungsberichte. Philosophisch-historische Classe. 73. Bd. Jahrg. 1873. 2. u . 3. Heft. Wien . Lex. 8. 2 fl. 52 kr. 74. Bd . Jahrg. 1874. 1. u. 2. Hft. Mai- Juni. Wien . Lex. 8. 5 fl. 4 kr . 3. Hft. Juli . 2 fl. 70 kr. Denkschriften . Philosophisch-histor . Classe. 22. Bd . Wien . 4. 12 fl . Almanach de Gotha. Annuaire généalogique, diplomatique et statistique 1874 111. année. Mit 4 Stahlst. Gotha 16. 3 f. 60 kr. Prachtausg. 5 fl . 70 kr. Ausstellungs- Bericht, officieller. Hrsg . durch die General- Direction d . Weltausstellung unter General-Red. v . Prof. Dr. K. Th . Richter. Wien . Lex. & Nr. 9. Transportmittel u. anderes Betriebsmaterial f. Eisenbahnen v. E. Tilp. Nr. 12. Die Leistungen der Statistik u . allg . Bildungsmittel v. J. Löwenthal 72 kr. Nr. 17. Geogr. Bildungs- u . Unterrichtsmittel von A. Steinhauser. 45 kr. Nr. 18. Heerwesen, Heeresbekleidungs- u . Ausrüstungswesen v. C. Mayer. Das Heeresverpflegungswesen v. A. Poppyvič. 36 kr. Nr. 22. Beiträge zur Geschichte der Preise v. Dr. C. Th v. Ina ma - Sternegg. 72 kr. Nr. 23. Conserven, Fxtracte u . Fleischwaaren v. C. Warhanek. 24. kr. Nr. 25. Der Unterr. in der Geschichte v. Dr. E. Hannak. 48 kr. Nr. 27. Der Schreibunterr. v. J. Hüpscher. 36 kr. Nr. 31. Chirurgische Instrumente v. Dr. Mosetig v. Moorhot Dr. H. Adler, Dr. L. Schrötter, Dr. M. Benedikt 60 kr. Nr. 34 Die Zündwaaren u. Explosivstoffe v. Dr. W. F. Gintl. 48 kr. Nr. 35. Militär-Kartographie v. J. Zaffauk. 48 kr. Nr. 36. Der Zeichnen- u Kunstunterricht v. J. Langl. 1 fl . 4 kr . Nr. 41. Die chemische Industrie v. Prof. Dr. A. Lieben. 24 kr. Nr. 44. Waflen mit Ausnahme der Kriegswaffen v J. Newald . Metallwaaren v. C. Haas. Lampen- und Beleuch tungs-Apparate v. C. Cohn. 60 kr. Nr. 45. Allg. Bewaffnungs- u Artilleriewesen v. Hptm. G. Semrad u. Oblt. J. Sterbenz . 1 f . 80 kr. Nr. 54 Militär-Sanität u . freiwillige Hilfe i . Kriege v. Dr. Mosetig v. Moorhof 60 kr. Baumgarten, Dr. J. Handbuch d. franz. Sprache u. Literatur f. Polytechniker. Eine Sammlung gediegener und interessanter Abhandlgen . u. Aufsatze aus der neuesten polytechn . Literatur Frankreichs nebst militär. Studien c Schilderungen v. franz . Darstellern des letzten Krieges . Cassel . 8. 2 fl. 70 kr Bibliographie, Allg., für Deutschland . Ein wöchentl. Verzeichniss aller neuen Erscheinungen im Felde der Literatur. Nach den Wissenschaften geordnet Red . H. Rost . 32. Jahrg. 1874 52 Nr. Leipzig . (Hinrichs) 8. 3 f. 60 kr. Bibliothek, internationale wissenschaftliche. 2. Bd . Descendenzlehre u. Darwinsmus v. Prof. O. Schmidt Mit 26 Abbild. in eingedr. Holzschn . 3. Bi Geist und Körper . Die Theorien über ihre gegenseitigen Beziehgn. v. Pr.f A. Bain. Mit 4 Abbildgn. in Holzschn . 4. Bd. Der Ursprung d . Nation-a. Betrachtungen ü. d . Einfluss der natürl. Zuchtwahl u . d. Vererbung auf d Bildung polit. Gemeinwesen v. W. Bagehot. Leipzig (Brockhaus .. S à 3 fl. Bibliotheca philologica oder geordnete Uebersicht aller auf dem Gebiete de class. Alterthumswissenschaft wie der älteren und neueren Sprach wissenschaft in Deutschland u. dem Auslande neu erschienenen Bücher. Hrsg. v. Sea

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Dr. W. Müldener. 26. Jahrg. 1. Heft Jänner-Juni 1873. Göttingen gr. 8. 54 kr. Bilder-Atlas , Ikonographischer. Encyclopädie der Wissensch. u. Künste. Ein Ergänzungswerk zu jedem Conversations-Lex. 2. vollst. umgearb. Aufl. Nach dem neuesten Standpuncte der Wissenschaften bearb. unter Mitwirkung von Maj. K. G. Berneck, F. Bischoff, Prof. Dr. K. Bruhns etc. 500 Taf. in Stahlst. , Holzschn. u. Lithogr. Nebst erläuterndem Text. Leipzig. 89. bis 94. Lfg. (à 5 Bl. ) gr. Fol. à 45 kr. Erläuternder Text 5. u. 6. Lfg. 8. à 45 kr. Bilguer, P. R. Handbuch des Schachspiels. 5. durchgehends verb. u. verm. Aufl. Mit 1 lith. Bildnisse P. R. v. Bilguer's. 1. Hälfte. Leipzig. Lex. 8. 5 fl. 40 kr. Bocci, D. Dizionario storico, geografico, universale della Divina Commedia di Dante Alighieri, contenente la biografia dei personaggi e la notizia dei paesi etc. Roma. 18. 2 fl. 40 kr. Bosi , P. Dizionario storico, biografico, topografico militare d'Italia. Torino. 8. 1 fi. 60 kr. Conn, Dir. L. Der stenographische Dienst i . österr . Parlament nebst einer histor. Skizze der Entwickelung d. Stenographie in Oesterr. als Erläuterung seiner Exposition auf der Wiener Weltausstellung. Wien. 8. 30 kr. Conversations Lexikon, Deutsch-amerikanisches. Mit Rücksicht auf alle amerik. Verhältnisse u. auf das Leben der Deutschen in allen Welttheilen, m. Benutzg. aller deutsch ., amerik. , engl. u . franz. Quellen u. unter Mitwirkg. der hervorragendsten deutschen Schriftsteller Amerika's hrsg. v. Prof. Alex. J. Schem. 97. - 104. Lfg. New-York Lex. 8. à 45 kr. Dalen. Ch . van. English vocabulary, a choice collection of english words and idiomatical phrases. The pronunciation marked after the method ToussaintLangenscheidt. 2. edit. thoroughly revised. Berlin. 16. 60 kr. Dassenbacher, Dir. J. E. Kalendarium m. Jahrbuch der Unterrichts-Anstalten der im Reichsrathe vertretenen Kgreiche u. Länder. 6. Jahrg. 1874. Wien . 16. 1 f. 68 kr. Diefenbach, L. u. E. Wülcker. Hoch- u. nieder-deutsches Wörterbuch der mittleren u. neueren Zeit. Zur Ergänzung der vorhandenen Wörterbücher insbesondere des der Brüder Grimm. In 2 Bdn. 1. Lfg . Frankfurt a. M. 4 . à 1 fl. 44 kr. Doll , M. Vorlegeblätter z. Pflanzenzeichnen. Stuttgart. Fol. 7 fl. 20 kr. Flügel, Dr. Fr. Praktisches Wörterbuch der engl . u. deutschen Sprache. Unter Mitwirkung v. Dr. J. G. Flügel. 2 Thle. 11. durchgesehene und verbess . Aufl. Leipzig. 8. 9 fl. ( 1. Theil . English and german 3 f. 60 kr. 2. Theil, Deutsch-Englisch 5 fl. 40 kr.) Forst- und Jagd-Kalender f. d. J. 1874. Hrsg. v. böhm. Forstvereine. Red. v. Oberforstmstr. L. Schmidl . 16. Jahrg. Prag. 8. 1 fl. 68 kr. Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde. Begründet v. F. Pfeiffer. Hrsg. v. K. Bartsch. 18. Jahrg. Neue Reihe 6. Jahrg. 4 Hefte. Wien. 8. 7 fl . 20 kr. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. X. Bd . 3. Abth. Die Entwickelung der Chemie in der neueren Zeit, v. H. Kopp . München. 8. Subsc.-Pr. 1 fl . 44 kr. Einzelpreis 1 fl. 86 kr. Grimm J. u. W. Grimm. Deutsches Wörterbuch. Fortgesetzt von Dr. M. Heyne, Dr. R. Hildebrand u . Dr. K. Weigand . Leipzig. Lex. 8. 4. Bd . 1. Abth . 6 Lfg. Bearb. v. Dr. R. Hildebrand. 4. Bd. 2. Abthlg. 7. Lfg. Bearb. v. Dr. M. Heyne à 1 fl. 20 kr. Heyse's, Dr. J. A. deutsche Schulgrammatik od. kurzgefasstes Lehrbuch der deutschen Sprache mit Beispielen u. Uebungsaufgaben. In der Bearbeitung v. K. W. L. Heyse. 22. verbess. Ausgabe. Hannover. 8. 1 fl. 80 kr. Hof- und Staatshandbuch der österr.-ung. Monarchie f. d. J. 1874. 1. Jahrg. Wien 1874 gr. 8. 4 fl. 50 kr. Hofkalender, gothaischer genealogischer, nebst diplomatisch-statistischem Jahrbuch. 1874. III . Jahrg. Mit 4 Stahlst. Gotha. 16. 3 f. 60 kr. Prachtausg. 5 fl. 70 kr. Kaltschmidt, Dr. J. H. Neues vollst . Wörterbuch d. engl. u. deutsch. Sprache nebst einem kurzen Abriss d . engl. u. d . deutsch. Sprachlehre. A new a. complete dictionary of the english a. german languages with two sketches of grammar. 3. Ster. Ausg. vom Verf. selbst rev. u. wesentl . verm . u. verb . 5 Abdr. 2 Theile. Leipzig. gr. 8. 4 fl . 95 kr. 7 Org. d . Wiener mil.-wissensch. Vereines. VIII. Band, 187 ' , Bücher- Anzeiger.

XC

Bücher- Anzeiger.

Katalog, d. Bibliothek S. M. Kriegs-Marine. Abgeschlossen August 1871. Pola. Lex. 8. 1 fl . 62 kr. Klotz, Dr. R. Handwörterbuch der lateinischen Sprache . Unter Mitwirkung v. Dr. F. Lübker u. Dr. E. E. Hudemann hrsg. 5. Abdr. unveränd . nach der 3. vielf. verb. Aufl . Braunschweig. Lex. 8. 1. - 6. Lfg. à 24 kr. Knolly's, W. W. maj . A Handy Book of Militari terms London. 18. 1 fl . 44 kr. Konhäuser, F. Die Krankheiten des Hundes und deren Behandlung. Wien. 8. 1 fl. 68 kr. Krieg, Prof. H. Lehrbuch der stenogr. Correspondenzschrift (stenographische Nationalschrift) nach F. X. Gabelsberger's System. Nebst einem Anhang : Allg. Grundsätze der Parlamentsstenographie für Volks- und höhere Schulen sowie f. d. Selbstunterr. 3. Aufl. Dresden . 8. 60 kr. Kühnelt, A. P. Der Militär- Stenograph . Kurzgefasstes Lehrbuch d. deutschen Stenographie (nach Gabelsberger's System) . 2. umgearb. Aufl. Wien. gr. 8. 60 kr. Lespada, A. J. u. Lehr. Dr. H. Nabert. Grammatik der spanischen Sprache f. Deutsche. 2. verm . u. verb. Aufl . Halle. 8. 2 fl . 20 kr. Maltzahn , W. v. Deutscher Bücherschatz d . 16. 17. u. 18. bis um die Mitte d. 19. Jhdts. Gesammelt u. m. bibliogr. Erläuterungen. 1. Abthg Jena. gr. 8. 2 fl. 40 kr. Meyer's Conversations-Lexicon . 3. Aufl. Mit Holzschntaf. u. chromolith. Karten. Hilburghausen. Lex. 8. 1. - 9. Lfg. à 30 kr. Mittheilungen d . k. k. Central- Commission zur Erforschung u. Erhaltung der Baudenkmale . Hrsg. unter Leitung des Präs. Dr. J. A. Frhr. v. Helfert. Red . Dr. K. Lind . Personen- , Orts- u . Sach-Register zu dem 1. - 15. Bande u. zum 1. - 5. Jahrbuche. 1. Heft. Wien. 4. 1 fl . 20 kr. Monatsschrift, österr., f. Forstwesen. Hrsg v. österr. Reichsforstverein. Red. v. J. Wessely. 24. Bd . Jahrg . 1874. 12 Hefte mit Tafeln. Wien 8. 7 fl . 20 kr. Mussafia, Adf. Beitrag zur Kunde der nord-italienischen Mundarten im 15. Jhdt. (Aus : Denkschriften d. k. Acad . d . Wiss ) Wien . 4. 3 f . 84 kr. Italienische Sprachlehre in Regeln u. Beispielen f. den ersten Unterr. bearb. 7. Aufl. Wien. gr. 8. 1 fl. 80 kr. Neumeister , E. A. 10.000 ausländische Eigennamen mit beigefügter Aussprache u. kurzgefasster Aussprachlehre . Bernstadt. gr. 8. 60 kr. Pierer's Universal-Conversations-Lexicon der Vergangenheit u. Gegenwart ol neuestes encyclopädisches Wörterbuch aller Wissenschaften, Künste u Gewerbe 6. vollst. umgearb. Aufl . Mit zahlr. chromol. Kart. , Plänen u . Tab. Oberhausen. Lex. 8. 3. - 9 . Lfg. à 36 kr. Pocket- Dictionary, a new, of the english and danish languages . K. Tauchnitz's Ster. ed. new impression. Leipzig. 16. 2 f . 10 kr. Revue des deux mondes. 1874. XLIV année. 3. période. Tome 1-6. Paris . 8. 22 fl. 33 kr. Silb. u. 1 fl . 8 kr. Bnkin. Sachs, Dr. C. Encyclopädisches franz.-deutsches u. deutsch.-franz . Wörterbuch nebst genauer u . durchgängiger Angabe d. franz. Aussprache nach dem phonetischen System der Methode Toussaint-Langenscheidt. Grosse Ausg. 2. Theil. Deutsch-franz. 1. Lfg. Berlin. Lex. 8 72 kr. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, hrsg. v. R. Virchow u . Fr. v. Holtzendorff. Berlin. gr. 8. 189. Heft. Albrecht v. Halier u. seine Bedeutung f. d. deutsche Cultur v. Dr. Lissauer . 45 kr. 190. Heft. Christensclaverei u . Renegatenthum unter d . Völkern des Islam v. Dr. M F. Gmelin. 36 kr. Sanders, Dr. D. Deutscher Sprachschatz, geordnet nach Begriffen zur leichten Auffindung u . Auswahl des passenden Ausdrucks. Ein stylist. Hilfsbuch f. jeder Deutsch Schreibenden . Hamburg. 8. 2.- 4. Lfg. a 1 i 20 kr. Schmidt, M. J. Vollst . russisch -deutsches u . deutsch-russ . Wörterbuch zum Ge brauch beider Nationen, 2 Thle. Der 2. gänzl, umgearb . Ster - Ausg . neur Abdr. Leipzig. Lex. 8. 4 fl . 95 kr. Schul- u. Reise-Taschen- Wörterbuch d . franz. u . deutschen Sprache. Neue verb. u. verm . K. Tauchnitz'sche Ster.-Ausg . Neue Aufl. Leipzig . 16. 1 fl. 50k: der italienischen und deutschen Sprache. Neu verm. u. verb. K. Tauchnitz'scae Ster.- Ausg. Neue Aufl. Leipzig. 16. 1 fl. 50 kr. Serapeum der Stolze'schen Stenographie od. sachlich geordnetes Verzeichniss dr seither erschienenen Literaturwerke der Stolze'schen Stenographie , Hrsg. v. d. academ, Stenographievereine Stolziana zu Leipzig. Berlin. 8. 36 kr.

Bücher-Anzeiger.

XCI

Sitzungsberichte d. k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag. Prag. 8. Jahrg. 1873. 3 f. Statesman's year-book, The . Statistical and historical annual of the states of the civilised world . Handbook for politicians and merchants for the year 1873. Revised after official returns. By F. Martin . XI . annual publications. London and New York. 8. 7 fl. 35. Verzeichniss , halbjähr. alphabetisches der Bücher, Landkarten etc., welche vom Juli bis Decbr. 1873 neu erschienen od . neu aufgelegt worden sind, mit Angabe der Seitenzahl, der Verleger, der Preise, literar. Nachweisungen u . e. wissenschaftl. Uebersicht. Nebst e . Anhang : Die bedeutendsten Erscheinungen d. niederländischen Buchhandels 1873. Januar bis December. 151. Fortsetzung 1873. Leipzig. 8 , 1 fl . 80 kr. Wander, K. F. W. Deutsches Sprichwörter-Lex. Ein Hausschatz f. d . deutsche Volk. Leipzig. 4. 46.- 48. Lfg. à 1 fl. 20 kr. Weber, F. A. Vollst. Wörterbuch der englischen u. deutschen Sprache nebst Bezeichnung der Aussprache und Betonung nach Walker. A complete dictionary of the english and german languages to wich is added the pronunciation and accentuation according to Walker. 3. verb. u. verm . neu stereotyp. Ausg. Neuer Abdr. 2 Thle. Leipzig. gr. 16. 2 fl. 70 kr. Handwörterbuch der deutschen Sprache nebst den gebräuchlichsten Fremdwörtern, Angabe der Betonung u . Aussprache u. e. Verzeichnisse der unregelmässigen Zeitwörter. 12. rev. Ster.-Aufl. Leipzig, gr . 8. 3 fl. 60 kr . Weber's. J. J. illustr. Katechismen . Belehrungen aus dem Gebiete der Wissenschft. u. Künste. Leipzig 8. Nr. 5. Katech . der Phrenologie v. G. Scheve. Mit Titelbild u. 18 in den Text gedr. Abbild . 6. verb. Aufl. 72 kr. illustr. Gesundheitsbücher. Belehrungen ü . d . gesunden u , kranken Menschen u. die vernunftmässige Pflege desselben. Hrsg . v. theoretisch u . praktisch bewährten Aerzten . Leipzig . 8. Bereits erschienen . Die Zähne v . Dr. H. Klencke. Mit 38 Abbild. 90 kr. Das Auge v. Dr. F. M. Heymann. Mit 16 Abbild. 1 fl. 20 kr. Die Blutarmuth v. Dr. E. R. Pfaff. Mit 14 Abbild . 90 kr. Die Unterleibsbrüche v. Dr. F. Ravoth. Mit 27 Abb. 90 kr. Die Haut v. Dr. A. Kleinhans. Mit 27 Abbild . 1 fl. 20 kr. Das Ohr v. Dr. R. Hagen. Mit 39 Abbild . 1 fl. 20 kr. Die Lunge v. Dr. P. Niemeyer. Mit 17 Abbild . 1 fl. 20 kr. Der Kehlkopf v. Dr. C. J. Merkel. Mit 35 Abbild. 1 fl . 80 kr . Gicht u. Rheuma v. Dr. A Pagenstecher. Mit 13 Abbild. 90 kr. Wörterbuch, technologisches, in deutscher, französ. u. engl. Sprache, Gewerbe, Civil- u. Militär-Baukunst, Artillerie, Maschinenbau etc. umfassend. Mit. e. Vorwort v. Dir. Dr. K. Karmarsch, 3, Bd . französ. -deutsch .- engl. 2. verbess. u. vermehrte Aufl, bearb. v. Dr. O. Mothes. 1. Lfg. Wiesbaden . Lex. 8. 1 fl. 20 kr.

XI. Karten, Pläne, Atlanten. Atlas , topographischer, der Schweiz im Maassstabe d . Original- Aufnahmen nach dem Bundesgesetz v. 18. Dec. 1868 vom eidgenöss. Stabsbureau veröffentl. 4. Lfg. ( 12 Blätter. ) Bern. Fol. 8 fl . 28 kr. Carte topographique de la France, dite le l'état-major. 1 : 80.000. Paris. Erscheint in 274 Blättern , veröffentlicht sind 258 à 60 kr. de la France à l'échelle de 1 : 320.000 . Paris. Erschienen 25 Blätter. de la France, dressée au dépôt des fortifications à l'échelle de 1 : 500.000. Paris . Colorirt. In 15 Blättern . Erschienen Nr. 5 ( Paris ) 15 (Titelblatt) . Cultur- Atlas v. Nieder- Oesterreich nach den neuesten statistischen Erhebungen. Aus Anlass der Wiener Weltausstellung hrsg. v. d. k. k. LandwirthschaftsGesellsch. in Wien . 24 chromolith. Karten. Wien. qu. Fol. 6 fl. Generalstaben's topographisk kaart over Danmark i 1 : 80.000 . Kopenhagen à 1 Rd . Generalstabskarte, Topographische, vom preussischen Staate. 1 : 100.000. Berlin. à 60 kr. Nr. 107. Ortelsburg Nr. 299. E. Limburg a. d. Lahn. Nr. 106. Passenheim. 7*

XCII

Bücher-Anzeiger .

Graef's, Ad. Hand-Atlas des Himmels u. der Erde. 33 Blätter in Kupferst. mit Farbendruck u. Colorit nebst statist. Uebersichts-Tafel. 5. rev. Aufl. Weimar . Imp. Fol. 15. (Schluss-) Lfg à 60 kr. (complet = 12 8.) Hauer, F. Ritt. v. Geologische Uebersichtskarte d. österr.-ung. Monarchie. Nach den Aufnahmen d . k . k. geolog . Reichsanstalt bearb. 1 : 576.000 . Wien. * 4.- 12. ( Schluss-) Lfg. Nebst geologischen Uebersichts -Tabellen und erläuternden Text, à 5 fl. Kiepert, H. Physikalische Wandkarten. Nr. 4 u. 5. 1 : 8,000.000 . Lith. u. color. Berlin. Imp. Fol. Nr. 4. Asien 9 Bl. 7 fl . 20 kr . aufgez. in Mappe 11 fl. 40 kr. , aufgezog. mit Stäben 13 f. 20 kr. Nr. 5. Africa. 6 Bl . 4 fl. 80 kr.. aufgezog. in Mappe 6 fl. 60 kr. , aufgez. mit Stäben 9 fl. 60 kr. Neuer Atlas über alle Theile der Erde. 2. vollst. berichtigte und vermehrte Aufl. Berlin. 29 fl. 70 kr. Kozenn's, B. oro-hydrographischer Atlas in 12 chromolith . Karten. 3. Aufl. Wien. qu. 4. 72 kr. geographischer Schul-Atlas f. Gymnasien, Real- und Handelsschulen . 16 . Aufl. Ausgabe in 48 chromolith . Karten . Wien. qu. Fol. 4 f. 20 kr. Wandkarte der Planigloben . Chromolith. Wien. Imp. Fol. 2 fl. 40 kr. , auf Leinwand in Mappe 4 fl. 80 kr. Kühne, Prof. Dr. H. Th. Graphisch- statistischer Atlas zur Veranschaulichung geograph. , volkswirthschaftl., commercieller, industrieller, cultur-histor., polit. etc. Verhältnisse. Leipzig 1. - 8 . Heft. ( à 3 Steintaf. ) à 45 kr. Liebenow, W. , Rechnungsrath. Verkehrskarte von Oesterreich-Ungarn nebst den angrenzenden Ländern des deutschen Reiches, von Russland u. der europ. Türkei, 1 : 1,250.000. In Farbendruck u. colorirt. 6 Blätter. Berlin. 3 fl. 60 kr. Lilienfeld, S. Neuester Plan von Breslau. Nach dem vom Magistrate hrsg. Plane im vergröss. Maassstabe gezeichnet. Chromolith. Breslau. 72 kr. Messtischblätter v. preuss. Staate. Aufgenommen v. k. pr. Glstb. Hrsg . v. k. Minist. f. Handel. 1 : 25.000. Berlin . Fol. à 60 kr. Sect. 203 c., Harzburg. 254 b., Gerode. 306 , Schkeuditz. 320, Meuchen . 334. Predel. 348, Meuselwitz. 349 a., Windischleuba. 349 b., Bocka. 359, Magdala. 360 , Jena 361, Bürgel. 362 , Eisenberg . 363 , Langenberg. 364, Grossenstein. 365, Altenburg. 366, Lohma. 376, Blankenhayn. 377, Kahla. 378, Remda. 379, St. Gangolff. 380, Gera. 381 , Ronneburg. 382, Gössnitz. 383 , Nieder-Wiera. 393, Rudolsstadt. 394, Orlamünde. 395, Neustadt. 396, Triptis. 397, Weida. 398 a. , Waltersdorf. 398 b., Fraureuth. 409, Ziegenrück. 410, Börmitz . 411 , Zeulenroda. 412 , Naitschau. 413 , Greiz. 425, Mielersdorf. 426, Schönbach. 429, Rentwertshausen. 430, Dingsleben . 431 , Hildburghausen. 432, Eisfeld . 433 , Steinheide. 434, Spechtsbrunn . 438, Gefell. 439, Mendhausen. 440 , Römhild . 441 , Rodach. 442, Meeder 443, Neustadt a d. Heide. 444. Sonneberg 448 , Ried . 449 , Heldburg. 450 , Coburg. 451 , Oeslau . 452, Steinach. 453, Rossach Nipanicz, M. Karte des Königreiches Polen , mit Rücksicht auf Geographie, Administration , Kirchen-, Lehr- u. Gerichtswesen u. auf die Industrie bearb. nach officiellen Quellen. 2. Aufl. 1 : 504.000. Warschau. 4 Bl . col. 7 f . 50 kr. Oesterreicher, Freg.- Capit. T. Küstenkarte des adriatischen Meeres. 1 : 80.000 . Hrsg. v. d. k. k. Kriegs-Marine. Triest. Nr. 16 Spalato à 72 kr. Plan de Paris , indiquant les nouveaux percements et les changements de noms de voies publiques, avec plans supplémentaires pour les bois de Boulogne et de Vincennes. 1 : 12 50 ) . Paris. Chromolith. 3 fl. 60 kr . Post- und Eisenbahnkarte v. Deutschland in 12 Bl. Bearb. im Cours -Bureau des k. General-Postamtes 1 : 600.000 . Berlin. 1. -4 . Bl . à 1 fl. 20 kr. Reichert, Prem -Lt. Karte der Umgebung von Strassburg . Im Anschluss an die franz . Generalstabs-Karte f. d. Gebrauch der felddienstüb. Truppen croquirend bearb. 1 25.000. 6 Blatt Strassburg. Fol . 3 fl. 60 kr. Scheda, J. v., k. k. Oberst. Karte des österr.-ung. Reiches. 1 : 1,000.000. Wien . 4 Blätter 4 fl. See-Karten der deutschen Nordsee- Käste. Hrsg. v. d. kais. Admiralität. Berlin. gr. Fol. Nr. 1 Deutsche Bucht der Nordsee v. Grapow u. Hoffmann. 1 : 300.000. 4 Bl. 3 . 60 kr. Nr. 5. , 6. Uebersichtskarte der schlesw.-holst .

1

Bücher-Anzeiger.

XCIII

Westküste v. Grapow. 1 : 100.000 . Nördl. u. südl. Blatt à 2 f. 40 kr. Nr. 7. Jade-, Weser- u. Elbe-Mündungen v. Gra pow. 1 : 100.000 . 2 fl. 40 kr. Specialkarte vom europäischen Russland, vom k. russ . milit.-topogr. Depot. 1 : 420.000. In 145 Blättern (Blatt 1-78 erschienen) . St. Petersburg. à 70 kr. Spruner's Dr. K. v. Hand-Atlas f. d . Geschichte des Mittelalters u. der neueren Zeit. 3. Aufl. Neu bearb. v. Dr. Th. Menke. 90 col. Karten in Kupferstich. Gotha. qu. Fol. 9. - 10. Lfg. à 2 fl. 26 kr. Steinhauser, A. Karte der Alpen. (Hypsometrische Uebersicht sämmtlicher Alpen) im Maassst. 1 : 1,700.000 mit Horizontalschichten von 1000 Pariser Fuss Abstand. In Farbendruck. Wien. 1 fl. Stieler's Hand-Atlas ü. alle Theile der Erde u . über das Weltgebäude. 90 color. Karten in Kupferst. In 30 Lfg. à 90 kr. Erschienen 1.-19. Lfg. Einzelne Blätter u. zw. Nr. 1-80 u. 87-90 à 48 , Nr. 81-86 à 60 kr. ( Hiezu als Suppl.: Karte der Alpen aus G. Mayr's Atlas der Alpenländer zusammeng. u. vollst. umgearbeitet. 8 color. Blätter in Kupferst. Hand-Atlas Format. 1 : 450,000, für Käufer des Hand-Atlas 4 fl . 80 kr., Ladenpreis 6 f. ) Volbeding, H. Uebersichtskarte der näheren Umgebung Leipzigs mit besonderer Berücksichtigung der Schlachtfelder, Leipzig. Lith. 15 kr. Waltenberger, A. Specialkarte zum Führer durch Algäu u . Vorarlberg von 1,300.000. Stuttgart. 1 f. 38 kr. Ziegler, Dr. J. M. Topographische Karte des Ober-Engadins. 1 : 25.000. Zürich. 4 Bl. 10 fl. 20 kr. , aufgespannt 12 f. 60 kr.

Autoren - Verzeichniss der im kritischen Theile des Bücher - Anzeigers ( Band VIII) besprochenen Werke mit Angabe der Seitenzahl ¹). Arbeiten, Die, astron.-geodätischen des k. k. militär- geographischen Institutes . 2. Bd. 44. Aschenborn, Lehrbuch der Geometrie. 44. Barković. Beschreibung graphischer und plastischer Lehrbehelfe . 45 . Baumstark. Kaiser Leopold I. 21 . Beck. Einmarschkämpfe des deutschen Heeres 1870. 18 . Becker. Zur Geschichte der Geographie in Oesterreich seit 1750. 62. Bedeutung, Die, der Festungen. 6. Beispiele zu Dispositionen für kleinere felddienstl . Uebungen. 25. Betrachtungen über die Subaltern -Officiere d . schweiz . Infanterie. 51 . Bingler. Befestigungsfrage Italiens . 57. Blätter, österr. -ungarische. 1. Bd. 65. Boehme. Gesundheitspflege f. d . deutsche Heer . 45. Bogaert. Télégraphie électrique de campagne. 59 . Boguslawski. Ausbildung und Besichtigung oder Recrutentrupp u . Compag . 38 . Bonie. Fond et vitesse d'une troupe de caval . 24. Brialmont. Étude sur la fortification des capitales . 57. Brunner. Leitfaden zum Unterricht in der Feldbefestigung . 42 . Colomb. Entwurf zu allgem. Regeln für die Aufstellung grösserer CavalerieAbtheilungen. 35 . Dienstpflichten des preuss . Infanterie- Unterofficiers. Von H. B. 51 . Dislere. La marine cuirassée . 50. Egger. Geschichte Tirols. 49 . Exerciren zu Pferd nach dem neuesten Reglement. 2. Th. Augsburg . 25 . Feiss . Wehrwesen der Schweiz . 12. Firks. Die milit. Leistungsfähigkeit der europ . Staaten . 13 . Förster und Pidoll. Ein Cavalerie-Regiment im Aufklärungsdienst. 35 . (Gallina). Grundsätze für die Verwendung der Streitkräfte . 1. Lfg. 7. Garger. Milit . -geogr. Beschreibung von Mittel-Europa. 66. Gebrechen, Organische und intellectuelle, unserer Infanterie. 50 . Geiger und Lebret. Studien ü . Bosnien , d . Herzegowina u . d . bosn . Bahnen 64. Guerre, le prossime, d'Italia. 6 . Guillaume. Histoire des bandes d'ordonnances des Pays-bas . 24. Gurlt. Zur Gesch. d . internationalen u. freiwill . Krankenpflege. 55 . ¹) Die Seitenzahlen des Bücher-Anzeigers sind hier statt mit römischen Zahlzeichen mit arabischen Ziffern angegeben.

XCV Bücher-Anzeiger.

Hellhoff. Die Unterofficiers- Frage. 60. Hentsch. Entwicklungsgeschichte sämmtl. Hinterladergewehre . 32. Hochstetter. Ueber den Ural. 53. Hübner. Statistische Tafel aller Länder. 22. Aufl . 56. Jähns. Volksthum und Heerwesen . 1 . Jurnitschek. Wehrmacht der österr.-ung. Monarchie 1873. 36. Kloeden . Handbuch der Erdkunde. 63. Krainski. Kriegs- Ausbildung unserer Infanterie im Vergleiche zu jener Preussens . 14. Kropatschek. Der k. k. österr. Armee-Revolver. 54. La Marmora. Etwas mehr Licht. 2. Lauer. Mauerwerkssprengungen mit Dynamit. 27. Lebret, siehe : Geiger. Leitfaden f. d. Unterr. d . Inftr.-Unteroff. d. k. bayr. Armee. 26. Löher. Die Magyaren und andere Ungarn . 48 . Lossing. Geschichte d . Vereinigten Staaten. 2 . Lotheisen. Literatur und Gesellschaft in Frankreich 1789-1794. 24. Marsuzi. Nouveau système de fortifications permanentes. 4. Meckel. Studien über das Kriegsspiel. 41. Mittheilungen, Statistische, über Elsass -Lothringen. 32. Müller. Entwickelung der Feld-Artillerie 1815-1870 . 28. Neumann. Volkswirthschaftslehre mit bes. Anwend. auf das Heerwesen. 15. Osio. Verona e la linea dell' Adige. 19. Petre. Kriegsspiel . Jeu de la guerre. 42. Petzhold. Turkestan . 63. Pidoll, siehe : Förster. Popp. Vorlesungen über Feldbefestigung. 3. Puslowski . Heeresverfassungen in ihrem Einflusse auf den Volkswohlstand. 58. Ranke. Genesis des preussischen Staates . 24. Roskiewicz. Der graphische Höhen- und Latten -Distanzmesser. 64. Rüstow. Strategie und Taktik. 2. Band. 17. Sarauw. Das russische Reich seit dem Krimkriege. 53. Scherff. Studien zur neuen Infanterie-Taktik. 3. Heft. 8. Schmidt. Waffenlehre. 55. Seling. Leitfaden zum Unterrichte in d . Heeres - Organisation. 43. Skizze, Genetische, für den Unterricht in der Fortification . 26. Süssmilch. Die Märsche der Truppen . 19. Stumm. Aus Chiwa. 34. Tiedemann . Ursachen und Wirkungen im Festungskriege. 5. Tesar. Kritik des Krieges 1870–71 . 33. Unteroffiicier, Der, als Chef einer Tirailleur- Gruppe. 26. Wenjukow. Die russisch-asiatischen Grenzlande . 63. Wien's milit. Behörden und Anstalten . 48. Wussow. Grundsätze für die Behandlung des theoret. Dienst- Unterr. 40.

Strategische

Betrachtungen

über den

Feldzug

in

Deutschland

1796

von

Ludwig von Cornaro, k. k. Oberst, Generalstabs- Officier.

Nach Vorträgen , gehalten an der k. k . Kriegsschule.

WIEN, 1874. Verlag des militär - wissenschaftlichen Vereines. In Commission bei L. W. Seidel & Sohn ,

I Lage und erste Aufstellung der Franzosen und Oesterreicher vor Beginn des Krieges.

Der im Spätjahre 1795 zwischen Oesterreich und Frankreich wieder ausgebrochene Kampf schien bei Beginn ganz zu Gunsten Oesterreichs sich zu entscheiden. Als ob die kommende Epoche kriegerischen Glanzes ihre Schatten vorausgeworfen , feierte die Kriegskunst in Clerfayt's kurzem Siegeszuge einen ihrer schönsten Triumfe . Einfach und sicher war sein Plan, gross der Erfolg ; zuerst Jourdan an der Nidda angreifend und ihn zum fortgesetzten Rückzuge nöthigend , wendet sich Cler fayt alsbald nach Mainz , erstürmt die CircumvallationsLinie Pichegru's, wirft diesen hinter die Queich und wendet sich eben wieder gegen Jourdan, als ein Waffenstillstand am 21. December den Feindseligkeiten für einige Zeit A ein Ende macht. Die Operationen Clerfayt's bewiesen in schlagender Weise die Ursachen der Misserfolge in den vorhergegangenen Jahren ; sie zeigten den Werth offensiver Thätigkeit, und legten dar, was bei ausreichend offensivem Streben gegen die Franzosen ausgerichtet werden konnte. Die Siege Clerfayt's gewannen wohl die Pfalz und Mannheim, allein die Ausnützung der durch dieselben geschaffenen , überaus vortheilhaften strategischen Lage, war mit dem plötzlichen Abbruch der Feindseligkeiten in Frage gestellt. Der Wiederbeginn des Krieges in Deutschland - Anfang Juni 1796 - fand jedoch die beim Abschluss des vorhergegangenen Feldzuges bestandene Situation im Grossen vor. Die Franzosen hatten nichts gethan,

ihre ungünstige Lage

zu verbessern,

die Oesterreicher

aber

standen noch wie vor mit ihrer Hauptkraft in der Pfalz, wie ein Keil zwischen den beiden französischen Armeen und während bei den Franzosen die vor dem Kampfe bestandene Zweitheilung auch fernerhin aufrecht erhalten blieb, trat bei den Oesterreichern alsbald Erzherzog Carl an die Spitze der gesammten Streitkräfte am Rheine. Diese Wendung zum Besseren geschah mit dem Abgehen Wurmser's zur Armee nach Italien, und man kann die Selbstverläugnung des Grafen Latour, des neuen Commandanten der Ober-Rheinarmee , 1*

4 der sich freiwillig den Befehlen des Erzherzogs unterordnete,

wohl als

die Quelle des glücklichen Ausgangs des ganzen Feldzuges ansehen . „Nur Hinstreben nach einem Ziele und auf einem Wege", sagt Erzherzog Carl in der Beschreibung seines Feldzuges, „ nur kräftige Entschlüsse und Schnelligkeit in der Ausführung sichern den Erfolg im Kriege. Mehrere Menschen haben stets verschiedene Ansichten ; wenn also nicht der Wille eines Einzigen dazwischen tritt, so werden sie, wenn sie auch das nämliche Ziel haben, es doch immer auf verschiedenen Wegen zu erreichen suchen und an dem Zusammenwirken entgegengesetzter Kräfte nach einem Sinne scheitern. " Die Theilung des Commandos der Franzosen war eine Folge der Idee Carnot's , den Gegner doppelt zu umfassen. Die Wahl dieser letzteren Form des strategischen Angriffes,

welche die Theilung der Kraft zur Bedingung macht, dessen Gelingen sonach, als natürliche Folge der Theilung, auf sehr unsicherem Grunde beruht, da sie dem in der Mitte vereint stehenden Gegner die Mōglichkeit gewährt, zuerst an dem einen, dann an dem anderen Theile die Ueberlegenheit geltend zu machen ; kann wohl nur unter ganz besonderen Verhältnissen , als eine glückliche bezeichnet werden . Im vorliegenden Falle aber, wo die Theilung eine gleichmässige . die Entfernung der Ausgangspuncte der Operationen von einander eine bedeutende war , auch das Kräfteverhältniss in keiner Weise dazu berechtigte, barg dieses, auf dem Gedanken einer concentrischen Wirkung mit getrennten Massen , beruhende Verfahren von vornherein den Keim des Misserfolges in sich. Dieses Verfahren , welches dem Feldzuge 1794 in den Niederlanden seine Berühmtheit verdankte und in den Revolutionskriegen häufig Nachahmung fand, gelang stets nur dann , wenn der Gegner die Schwächen desselben nicht begriff, es musste aber misslingen, wenn der Gegner diese, in der Zersplitterung der Kraft beruhende Schwäche zu benützen verstand.

Die Operationen zum Entsatze Mantuas im Jahre 1796-1797 sind dafür der sprechendste Beweis. Die Oesterreicher sowie die mit ihnen vereinigten wenigen deutschen Reichstruppen und Emigranten hatten anfänglich über die Franzosen ein Uebergewicht von nahezu 20.000 Mann ; dasselbe lag jedoch ausschliesslich in der Reitertruppe, während die Franzosen in der entscheidenden Waffe, in der Infanterie, beinahe um 5000 Mann stärker waren, ein Verhältniss, das sich noch mehr zum Vortheile der Franzosen änderte, als Wurmser mit 22.000 Mann Infanterie und 3000 Reitern am 31. Mai nach Italien abrückte . Moralisch waren die Armeen beider

Theile wenig von einander verschieden ; geistig war der Erzherzog sowohl Jourdan , der wenig Talent besass, als auch Moreau, der zwar geistreiche Ideen, aber wenig Thatkraft hatte, weit überlegen . Die Streitkräfte der Franzosen standen längs der durch den Waffenstillstand stipulirten Demarcationslinie von Basel über Lengenfeld, hinter der Queich, Nahe, dem Mittel- und Nieder- Rhein bis Düsseldorf in einer Gesammtausdehnung von nahezu 75 deutschen Meilen. In unmittelberem Contacte mit dem Gegner lag der Gedanke an den Kampf, an die Möglichkeit angegriffen zu werden , so nahe. dass man die strategische Kräftevertheilung wohl in Berücksichtigung dieser Eventualität vorgenommen haben sollte. In dieser so übermässig ausgedehnten strategischen Front, vermisst man aber selbst die Concentrirung jeder Armee in sich . Die Sambre- und Maas-Armee stand cordonsartig zersplittert in einer Ausdehnung von 35 Meilen, die relativ stärksten Theile derselben:

an den Flügeln bei Düsseldorf und an der Nahe . Der rechte Flüge! unter Marceau auf 8 bis 9 Meilen ausgedehnt, war vom Centrum bei 4 , Meilen, dieses , auf eine Front von 7 Meilen verzettelt. vom linken Flügel 14 Meilen entfernt. Die Verbindung zwischen Centrum und linkem Flügel vermittelte die schwache Division Bonard bei Bonn und Cöln . Die Reserve - Cavalerie unter Bonneau stand bei

Trarbach an

der Mosel, in einer Entfernung von 20 Meilen vom linken Flügel. Diese Zersplitterung der Kräfte wurde durch die Beschaffenheit des Raumes um so nachtheiliger, da die Gegend beiderseits der Mosel von den rauhen, Eifel erfüllt ist.

vielfach verästeten Zweigen des Hundsrück und der

An der Nahe, als dem mit Rücksicht auf die Gruppirung der Österreichischen Streitkräfte, und der Verbindung mit Moreau wegen, empfindlichsten und wichtigsten Theile der Aufstellung , konnte Jourdan am Ende des 2. Marschtages höchstens einige 30.000 Mann , die ganze Armee aber nicht vor dem 8. Tage concentrirt haben. Die Aufstellung der Rhein- und Mosel-Armee zerfiel nach ihrer Lage und Beschaffenheit in zwei , Gruppen.

durch ihre Frontrichtung markirte

Die gegen Osten gekehrte Front hatte zwar den Rhein als Schutzwehr vor sich, die Kräfte auf derselben waren aber derart zersplittert. dass man von diesem Flügel kaum mehr als blosse Beobachtung erwarten konnte.

6 Da indessen ein Uebergang der Oesterreicher in dieser Strecke nicht wahrscheinlich war, konnte diese cordonartige Zersplitterung von 26.000 Mann auf eine Strecke von 25 Meilen füglich vermieden werden. Zur blossen Beobachtung hätten schwache Reiterabtheilungen genügt, die drei Divisionen unter Ferino, welche diesen Flügel bildeten , wären dagegen weit zweckmässiger vereint in der Gegend nördlich von Strassburg gestanden. Von hier aus, in günstiger Lage, um für den Fall einer nöthigen Abwehr, sowohl stromaufwärts als abwärts Verwendung zu finden, konnten sie , wenn erforderlich, in zwei Gewaltmärschen zum Gros der Armee an die Queich gezogen werden. Den nach Norden gekehrten Theil der strategischen Aufstellung Moreau's kann man als concentrirt bezeichnen . Vier Divisionen standen unmittelbar zum Kampfe bereit, eine 38.000 Mann fünfte Division - Taponnier konnte bereits am 2. Tage eingreifen. rechnet man noch Theile der Division Bourcier aus der Gegend von Lauterburg hinzu, so hätten am Tage der Schlacht 60.000 Mann in der Gegend von Landau versammelt sein können .. Die Aufstellung der Oesterreicher kann im Vergleiche zu jener der Franzosen günstig genannt werden . Allerdings war der linke Flügel, den grössten Theil der Ober- Rheinarmee bildend , mit etwa 30.000 Mann von Hüningen bis Philippsburg, ebenfalls im Sinne einer absoluten. Flussvertheidigung

zersplittert, allein dennoch war die ganze Auf-

stellung, weil auf dem rechten Flügel nur bis in die Gegend von Höchstebach reichend -- die Vortruppen an der Sieg abgerechnet um 12 Meilen kürzer als jene des Gegners. Weil sich die Hauptmassen der anfänglich getrennten Armeen im Centrum der ganzen Aufstellung befanden, war die Aufstellung auch in sich concentrirter. Innerhalb zweier Märsche konnten bei Baumholder 80.000 Mann Infanterie und 29.000 Reiter,

in drei Märschen selbst die Gesammt-

heit der im Centrum stehenden Kräfte, am Rehbache zwischen Neustadt und Mannheim versammelt sein. Die Möglichkeit der raschen Concentrirung überlegener Massen im Centrum, die offensive Aufstellung derselben in dem linken Uferlande des Rhein's, gegenüber der abträglichen Kräftevertheilung des Gegners, der Besitz der innern Linie und die aus selbem hervorgehende vortheilhafte Wirkungsfähigkeit gegen die inneren Flügel der feindlichen Armeen, machte die relativ günstige Lage der Oesterreicher aus Die Franzosen

waren schon durch die erste Aufstellung der

Oesterreicher so zu sagen, durchbrochen. Wenn nun auch kein Zweifel obwalten kann, dass die Oesterreicher anfänglich hinsichtlich der Zahl

immer aber bezüglich der Kräftevertheilung eine Ueberlegenheit besassen, so darf man doch andererseits nicht unberücksichtigt lassen , dass ihre Basisverhältnisse etwas ungünstig waren • und wenig Stützpuncte für eine kräftige Offensive, oder für eine durch Unglücksfälle nöthig gewordene Defensive boten. Zwar hatten die Oesterreicher auf linken Ufer des Rhein's und gerade im Centrum festen Fuss, während die Franzosen nur auf dem äussersten linken Flügel, mithin in einer Gegend den Rhein beherrschten, von welcher aus den Oesterdem

reichern die Offensive nicht besonders gefährlich war ; allein die Franzosen besassen am Rhein, an der Queich, Saar und Mosel eine Anzahl fester Puncte, welche ihre Vertheidigung sowohl, wie ihren Angriff, im Hinblick auf die eigene Sicherheit, als gut basirt erscheinen liessen . Selbst in den Defiléen der Vogesen begegnen wir Strassensperren. Diese Stärke des Landes, welche die Franzosen der Sorge um die Deckung ihrer Grenze, ihres Rückens, ihrer Magazine und Verbindungen überhob,

und ihnen daher eine grössere Freiheit für die

Angriffsoperationen verlieh , diese Stärke vermisst man auf österreichischer Seite beinahe ganz. Mit Ausnahme der festen Plätze Philippsburg, Mannheim, Mainz und Ehrenbreitstein, welche die Mitte der Aufstellung verstärkten, fehlte es am Rhein ober- und unterhalb sowohl,

wie in dem ganzen Lande dahinter an befestigten Puncten .

Die Basis der Oesterreicher lag in Böhmen und Oberösterreich, mehr als 50 Meilen hinter der ersten Aufstellung; kein fester Platz gab ihr absolute Stärke,

kein Brückenkopf über die Donau und ihre

vielen Zuflüsse bot die Möglichkeit eines sicheren Uferwechsels ; - der Besitz des Landes hing von dem Ausgange einer Schlacht ab. Fiel diese am Rhein zum Nachtheile der Oesterreicher aus, so war das Schicksal des Landes dem Zufalle preisgegeben, es stand dann der Weg zu dem Herzen der Monarchie offen ; kein vorbereiteter Raum bot dem Geschlagenen Schutz und Gelegenheit, sich zu stärken und zu erholen. Gleichsam als zweifelte man an der Möglichkeit eines Rhein -Ueberganges durch die Franzosen und eines Unfalles auf eigener Seite, hatte man die Sicherung des Rückens, der Basis und der Operationslinie fast gänzlich verabsäumt und war dabei in einen seltsamen Widerspruch verfallen . Während man nämlich den französischen Festungen einen übertriebenen Werth beimass, und wegen derselben die Möglichkeit einer kräftigen Offensive bezweifelte, dem defensiven Elemente beim Gegner einen unbegründeten

Einfluss

defensiven Maassregeln, heischten .

welche

einräumte, vernachlässigte das

eigene

Interesse

man jene

dringend er-

II. Ueber die von den Oesterreichern im Beginne des Krieges beabsichtigte Offensive . Die österreichische Regierung hatte bekanntlich den Entschluss gefasst,

den Feldzug 1796 in Deutschland angriffsweise zu führen.

Getreu dem Charakter der damaligen Kriegführung war der Plan entworfen worden , nach Verdrängung der Franzosen über die untere Mosel und die Vogesen, Landau zu belagern, sodann weiter im Elsass vorzudringen, sich der dortigen festen Plätze zu bemeistern , ja ,,bei fortdauerndem Glücke" selbst zur Blokade von Strassburg zu schreiten, wenn auch der Winter dazu verwendet werden sollte . Wir unterlassen die kritische Analyse dieses in seinen Zielen beschränkten Planes,

der niemals über das Stadium

eines Entwurfes gedieh,

dem

aber das Verdienst nicht abgesprochen werden kann, auf offensiven Gedanken beruht zu haben, und wollen uns damit befassen, zu untersuchen, in wie fern der Gedanke anzugreifen " Berechtigung hatte, dann, wie diese Offensive etwa auszuführen gewesen wäre. Wir haben im vorhergegangenen Capitel die strategische Lage besprochen,

welche

die letzten Ereignisse

des Feldzuges

1795 ge-

schaffen und das Jahr 1796 unverändert vorgefunden hatte. Der Schlussact des Feldzuges 1795 hatte gewissermaassen die Offensive bereits eingeleitet ; was in diesem Jahre durch den Waffenstillstand unterbrochen wurde, konnte und musste füglich im darauffolgenden fortgesetzt und vollendet werden , vorausgesetzt, dass die politische und militärische Situation keine völlig veränderte Gestalt > annahm . Diese Einleitung ,

deren Bedeutung hier durch den Besitz ge-

sicherter Uebergangspuncte über den Rhein, durch die Möglichkeit ungehindert debouchiren und im Unglücksfalle sicher zurückgehen zu können, klar zum Ausdrucke gelangt, war in ihrem Werthe noch dadurch erhöht worden, dass man vor den Brückenköpfen von Mainz und Mannheim, die verschanzten Lager von Hechtsheim und Mundenheim . erbaut und sich damit für das Fortschreiten des Angriffes eine gut situirte Zwischen-Basis geschaffen hatte. Wenn nun mit Rücksicht auf diese Stützpuncte und den Schutz, den das passive Element bot, die Offensive ganz unzweifelhaft zulässig war, so war sie es nicht minder in Beziehung auf die beweglichen Kriegsmittel, nach ihrer Zahl, Lage und Vorbereitung . Nach Entsendung von 25.000 Mann unter Wurmser nach Italien, waren (der erste Entwurf hatte auch noch auf diese gerechnet) , die Oesterreicher am Rheine in der Totalität noch etwa 148.000 Mann, die Franzosen 154.000 Mann stark. Dafür aber hatten die Oesterreicher

9 eine musterhafte Ausrüstung, eine zahlreiche, sehr gute Reiterei und den Vortheil, dass die Hauptmacht ihrer Kräfte concentrirt in der Pfalz stand. Die Geschichte des Feldzugs zeigt in der That, dass beim Beginne desselben, von den Oesterreichern 111 Bataillone und 185 Escadronen , oder wenn man die Durchschnittsstärke des Bataillons zu 740 Mann, jene der Escadronen

zu 160 Reiter rechnet,

Infanterie und 29.000 Reiter,

zusammen

beiläufig 82.000 Mann

111.000 Streiter auf dem

linken Rheinufer, an der Nahe, Lauter und am Rehbache standen. Dabei sind jene Truppen nicht einbegriffen , welche noch am Oberrhein, zwischen der Lahn und Sieg, und als Besatzungen in Mainz , und Ehrenbreitstein zurückgeblieben waren . Rechnet man aber selbst noch Einiges als Ersatz für die abmarschirten Theile der OberrheinArmee und als Besatzung Mannheims

ab,

so erübrigten,

bei ganz

ausreichend bewachten Flügeln , noch immer bei hunderttausend Mann, mit denen eine kräftige, gut gestützte Offensive gegen einen der beiden getrennten, in der Minderzahl befindlichen Gegner zu ergreifen war. Die schon im Beginne bestandene Trennung der Gegner wurde, als Jourdan den Rhein überschritten hatte, noch vergrössert, indem sich Jourdan, wenn auch nicht dem Raume, so doch der Zeit nach von Moreau noch mehr entfernte und somit die Aussichten für das Gelingen eines centralen österreichischen Angriffes bedeutend erhöhte . Die Beantwortung

der Frage, gegen welchen der beiden Gegner der

österreichische Angriff zuerst erfolgen sollte, ergibt sich unschwer aus der Natur der Verhältnisse. Die Rhein- und Mosel -Armee,

welche unter den Befehlen des

geistig begabteren gegnerischen Feldherrn stand, war auch die an Zahl stärkere der zwei grossen feindlichen Kräftegruppen . Mit der Hauptmasse ihrer Kraft, ganz nahe an der österreichischen Operationsfront, so zu sagen auf der Linie der Schwerpuncte beider kriegführender Staaten stehend , hatte diese Armee nach gelungenem Uebergang über den Rhein, den kürzesten Weg zur Donau vor sich. Die Sambre- und Maas -Armee dagegen stand entfernter und war selbst bei Beginn der Operationen nicht in sich concentrirt . Eine Offensive gegen diese Armee hätte weiters, und das gibt wohl den mächtigsten Ausschlag , die Verbindung mit dem Hauptsubjecte Mainz, gegen einen Angriff Moreau's blossgelegt. Die Rhein- und Mosel - Armee unter Moreau war somit der

wichtigere, der gefährlichere Gegner; ihr musste, wenn man sich für die Offensive entschied , der erste Schlag gelten .

10 Es drängt sich nun die Frage auf:

Wie musste

dieser

An-

griff erfolgen ? Bei der Wahl der Richtung für die zum Angriffe führende Operation wird man, geleitet von dem Streben nach günstigen strategischen und taktischen Bedingungen, sich für diejenige Richtung als die vortheilhafteste entscheiden, in welcher man der Idee am meisten gerecht werden kann zu trennen " , d. h. des Feindes Schwächen zu fassen und zu dessen Rückzugslinie in günstige Beziehungen zu gelangen. Hielt man an diesem Ziele fest, so durfte man folgerichtig Moreau nicht in der Front oder auf dem rechten Flügel anfallen. weil er dort vier Divisionen eng vereint hatte, die sich noch dazu auf Landau stützten, derart, dass zu den vereinten activen Mitteln auch noch passive traten .

In diesen Richtungen hatte weder die Idee der

„ Trennung, " noch das Streben nach günstigen Bedingungen für den Kampf und für die Wirkung auf die feindliche Rückzugslinie irgend eine Aussicht auf Erfolg. Wenn wir weiters an dasjenige erinnern,

was über das strate-

gische Verhältniss der beiderseitigen Armeen bereits gesagt wurde. dass eben der centrale Angriff schon durch die erste Aufstellung der Oesterreicher in der Pfalz begonnen war, so wird es klar, dass für den Angriff auch nur eine Richtung gewählt werden durfte , welche die Fortsetzung des Begonnenen gestattete, indem man die Trennung Moreau's von Jourdan aufrecht hielt und nach Möglichkeit vergrösserte. Trägt man den eben entwickelten Forderungen Rechnung , so ist es einleuchtend, dass der beste Weg einer Offensive gegen Moreau die einfache Umgehung seines linken Flügels war. Die Hauptkraft konnte hiezu , aus der Gegend von Kaiserslautern vordringend , den französischen linken Flügel bei Pirmasens anfallen, schlagen und dann gegen die Hauptmasse zu entscheidendem Schlage rasch vordringen, um das Herbeiziehen entfernterer Kräfte zu verhindern.

Dabei konnten geringe Kräfte der Oesterreicher zur momentanen Abwehr und zur Täuschung bestimmt, am Rehbache und gegen die Front Moreau's zurückgelassen werden . Erfolgte ein entschiedener, vielleicht auch durch Demonstrationen gut eingeleiteter Angriff der Oesterreicher in der angedeuteten Richtung, so blieb dem , in seiner Flanke arg gefährdeten Moreau, wollte er einen Kampf unter Verhältnissen vermeiden , die ihm für den Sieg geringe Aussicht boten, eine verlorene Schlacht aber zur Vernichtung steigern konnten, - nichts übrig, als nach Sammlung seiner Kräfte in einer rückwärts gelegenen , der österreichischen Flan-

11 kenwirkung mehr entrückten Gegend zu streben . Dann erst konnte er dem Erzherzog wieder entgegentreten und es kam dann auf die Entscheidung an, welche bei der Ueberlegenheit des Erzherzogs kaum zweifelhaft war. War Moreau entscheidend geschlagen, dann konnte sich der Erzherzog unbekümmert um seinen Rücken, der durch den erfochtenen Sieg ausreichend gesichert war, mit ganzer Kraft rasch gegen Jourdan wenden . Wäre dieser bis dahin auch bis an den Main gelangt, so hätten diese Erfolge wenig bedeutet, ja es war damit für den Erzherzog sogar der Vortheil geschaffen, durch die längere Operationslinie des Feindes nach einem Siege über denselben,

eine länger währende Verfolgung ,

daher eine grössere Ausbeute des Sieges zu erreichen . Die Operationslinie der Oesterreicher zum Angriffe Jourdan's konnte nur auf jenem Rheinufer liegen, auf dem sich eben Jourdan befand, da es galt, ihn zu schlagen, nicht aber zurückzumanövriren . Allerdings musste man mit Rücksicht auf die Verbindungen desselben eine Richtung des Angriffes wählen , die den Gegner von Westen und Süden ab, nord- und ostwärts drängte. Wir haben hiemit den Beweis versucht, dass eine zeitgerecht unternommene, kraftvolle Offensive der Oesterreicher, schon im Beginne des Feldzuges zu grossen Erfolgen führen konnte.

Diese Offensive unterblieb, wohl hauptsäch-

lich aus dem Grunde, weil die beiden österreichischen Armeen unter getrenntem Befehle standen. Hätte der Erzherzog schon im Beginne den Oberbefehl über alle Streitkräfte gehabt, so würde er bei dem offensiven Sinn, der die Thätigkeit dieses Feldherrn kennzeichnet, sich gewiss für den Angriff entschieden haben .

III . Die Operationen an der Lahn und Sieg, vom Beginne der Feindseligkeiten bis zum ersten Rückzuge Jourdans hinter den Rhein. Die Offensive Jourdan's ist im allgemeinen französischen Operationsplane begründet ; Jourdan sollte die Aufmerksamkeit vom Oberrhein ab und auf sich ziehen, dadurch aber das Ueberschreiten des Flusses dem General Moreau erleichtern, der den Uebergang erst erzwingen musste und dabei einem Offensivstosse mit überlegenen Massen aus Mainz und Mannheim ausgesetzt war, während von der Sambre- und Maas-Armee die Divisionen Lefebvre und Collaud bereits auf dem rechten Rheinufer in dem befestigten Düsseldorf standen . Der Gedanke, die Offensive mit der Vorrückung der Sambreund Maas-Armee einzuleiten ist unzweifelhaft ein richtiger,

die Art

12 und Weise jedoch, wie Jourdan diese Operation ausführte, ist nichts weniger als nachahmungswerth . Er lässt seinen linken Flügel unter Kleber am 1. Juni von Düsseldorf aus über die Agger gegen

die

Sieg vorrücken und überschreitet nach Maassgabe, als die Gegend vor der Front des Centrums frei gemacht wird, am 4. mit der Division Bonard bei Bonn, am 5. mit der Division Grenier bei Neuwied, den Rhein, während die Divisionen Bernadotte und Championnet sich noch am 7. auf dem Marsche nach Neuwied befanden. Erst am 12. , also zwölf Tage nach dem Beginne der Operationen stand die ganze zu der offensiven Operation auf dem rechten Rheinufer bestimmte Armee an der Lahn. Die Planlosigkeit dieser ersten Operationen der SambreMaas-Armee bedarf keines Commentars.

und

Die Concentrirung der Armee wird spät begonnen, Kleber zu einer selbstständigen Operation beauftragt, die zu dessen Niederlage führen konnte und dergestalt die Mitwirkung der Hauptkraft von den Erfolgen eines Theiles abhängig gemacht . Das vereinzelte Vorbrechen der Divisionen Kleber's hatte allerdings keine nachtheiligen Folgen gehabt,

vielmehr, ungeachtet

der

von diesem General begangenen Fehler, den Rückzug der Oesterreicher hinter die Lahn veranlasst ; aber wohl hauptsächlich desshalb, weil die österreichischen Kräfte, welche unter dem Prinzen Württemberg zwischen Lahn und Sieg standen , nicht concentrirt waren, der

öster-

reichische General somit, als der Angriff erfolgte, sich nicht in der Lage befand, seinen Gegner kräftig anzufallen . Hätte dieser General die 20.000 Mann, welche unter seinem Befehle standen,

oder doch einen

grossen Theil derselben , in

einer

Centralstellung , in der Gegend von Ukerath versammelt gehabt, so hätte er die französischen Divisionen in dem Augenblicke angreifen können, als sie, den Dispositionen Kleber's gemäss , die Sieg getrennt, ober- und unterhalb von Siegburg überschritten . Die Streitkräfte der Oesterreicher, welche der französische Angriff zwischen der Lahn und

Sieg vorfand,

waren nun allerdings

nicht so bedeutend, dass sie fähig gewesen wären, den überlegenen Kräften der Franzosen auf die Dauer Stand zu halten . Ihre Bestimmung konnte auch keine andere sein als Beobachtung und Zeitgewinn. Der französische Obergeneral musste aber gefasst sein, auf bedeutende Kräfte zu stossen und von diesem Gesichtspuncte aus müssen wir das getrennte Vorgehen der einzelnen Theile der Sambreund Maas-Armee gegen die Lahn entschieden tadeln . Richtig wäre es gewesen, wenn gleichzeitig mit der Vorrückung Kleber's an die

13 Sieg, auch das französische Centrum die Angriffsbewegung mit dem Rhein- Uebergange begonnen hätte. Wenn auch die Gegend von Neuwied auf dem rechten Ufer dem Vordringen manche Schwierigkeiten bereitet , so vermögen wir doch kein Hinderniss zu finden, das sich bei Bonn einem Uebergange auf das rechte Ufer des Stromes entgegengestellt hätte . Die Divisionen des Centrums, sammt der Reiter - Reserve, konnten aber in fünf Märschen bei Bonn concentrirt sein und, wenn die Versammlungsbewegun g rechtzeitig eingeleitet wurde, gleichzeitig mit dem Vordringen Kleber's die Operationen beginnen . Das Gelingen des Ueberganges ist nicht zu bezweifeln ; 30.000 Mann von einem entschiedenen Willen geleitet , hätten den Widerstand der österreichischen Vortruppen, deren Aufmerksamkeit überdies durch Kleber's Erscheinen gegen die Sieg gelenkt war, bald gebrochen . Als die französische Armee endlich am 12. die Lahn erreichte , standen die Oesterreicher etwa 25.000 Mann stark hinter diesem Flusse von Oberlahnstein bis Giessen auf 12 Meilen Front, ziemlich gleichmässig vertheilt . Ungeachtet dieser , den Franzosen so günstigen Verhältnisse verschob Jourdan den Angriff auf den 17. Ein rasches Vorgehen über Limburg konnte die Aufstellung durchbrechen , ein grosser Theil des österreichischen Corps vor dem Eintreffen von Verstärkungen geschlagen werden , und diese alsdann, auf sich selbst angewiesen, am 15. in der Gegend von Weitmünster angefallen werden , während Kleber's Divisionen an der Lahn die Front festgehalten hätten .

Die Nachrichten von den Ereignissen an der Sieg, von dem Uebergange der Division Grenier bei Neuwied, und dem Marsch e der Divisionen Championnet und Bernadotte den Rhein abwärts flössten dem Erzherzog Besorgnisse für seine Verbindungen ein und veranlassten ihn zu dem Entschlusse, sich mit einem Theile seiner Kraft gegen Jourdan zu wenden . Er liess 22 Bataillone und ebensoviele Escadronen von der Niederrhein - Armee unter Mercandin bei Mainz und marschirte mit dem Reste, 32 Bataillone und 81 Eskadronen in zwei Colonnen über Schwalbach, Homburg und Gräfenwiesbach, dann über Friedberg und Butzbach gegen die Lahn . Schon in der Wahl der zur Vorrückung gewählten Linien , gelangt die Absicht des Erzherzog's, den Feind auf seinem linken Flügel zu umgehen, zum Ausdruck. Die französischen Streitkräfte standen mit der Hauptmasse, gegen 50.000 Mann , zwischen Limburg und Nassau in einem Raume von wenig über drei Meilen Front, die Lahn vor sich ; die den linken Flügel bildende Division Lefebvre im Haken vom Flusse zurückgebogen.

14

Diese Aufstellung war so stark, dass man sie niemals

in

der

Front angreifen, sondern nur umgehen konnte. Die Rückzugsrichtung der Franzosen schien nun allerdings den Angriff gegen den rechten Flügel zu empfehlen ; allein das stark bedeckte und durchschnittene Terrain auf demselben, welches das Vordringen im Allgemeinen und besonders die Verwendung der überlegenen Reiterei der Oesterreicher erschwerte, vor allem aber die Beschaffenheit der Lahn, welche in jener Strecke so zu sagen in einer Rinne fliesst, deren sehr schroffe, oft felsige Ufer das Ueberschreiten des Flusses auf wenige Puncte beschränken und selbst an diesen mit grossen Schwierigkeiten verbinden, ja im Angesichte des Feindes oft ganz unmöglich machen, wiesen den Angriff unbedingt gegen den linken feindlichen Flügel. Die Umgehung über Wetzlar ist daher vollkommen begründet , weil sie dem Streben nach günstigen Kampfbedingungen entspringt. Die Bewegung der Oesterreicher vom Main zur Lahn war durch die Wahl der Richtung und die Theiluug der Colonnen zur Beschleunigung des Marsches gut eingeleitet und hinlänglich rasch ausgeführt. Die geringe Thätigkeit am 14. und 15. liesse sich jedoch nur durch eine grosse Ermüdung der Truppen rechtfertigen. Wäre das Plateau von Altstätten schon am 14. von den Oesterreichern stark besetzt worden und wäre der Angriff schon am 15. erfolgt, so würden die Resultate wesen sein.

unzweifelhaft viel bedeutender ge-

Der Erzherzog sagt darüber selbst : „Auch die Disposition zum Uebergange entsprach dem Zwecke - nur nicht die Wahl des Tages ; der 15. ging ganz verloren, wenn man bis zum 16. warten wollte. Der Erzherzog übersah diesen Nachtheil nicht. Er gab daher den Befehl, dass noch am 15. , nach Vorpoussirung der Avantgarde, der Feldmarschall-Lieutenant Werneck mit den hinter Wetzlar stehenden Oesterreichern vorrücken und sich des Debouchées und der Anhöhen vor der Stadt bemeistern, die Sachsen hingegen die von ihm verlassene Stellung beziehen sollten. " Die völlige Unthätigkeit der Franzosen machte, dass dieser Zeitverlust keine besonders nachtheiligen Folgen hatte. Lefebvre war zwar von Jourdan der Befehl zugegangen, seine Aufstellung zu ändern, um den Oesterreichern das Ueberschreiten der Lahn streitig zu machen, allein dieser Befehl war viel zu spät ertheilt worden, um auch ausgeführt werden zu können , zudem war die dazu bestimmte Kraft nicht ausreichend.

Auf Seite der Oesterreicher wäre eine bessere Concentrirung der an der Lahn bereits gestandenen oder unter dem Erzherzog dahin

1

15 gelangten Kräfte gegen den rechten Flügel bei Wetzlar im Sinne des beabsichtigten Flankenangriffes richtig gewesen , denn wir finden am Gefechtstage nur 19 Bataillone und 40 Escadronen des Erzherzog's , von Wetzlar ausgehend, an dem Kampfe betheiligt. Hiezu käme noch Kray mit 10 Bataillonen und 16 Escadronen zu zählen , der bei Braunfels und Leunen kaum eine Meile vom Gefechtsfelde entfernt gestanden war ; der Rest aber Hotze mit 5 Bataillonen und 12 Escadronen bei Mutten und hinter Weilburg, und Wartensleben mit 26 Bataillonen und 59 Escadronen, wovon jedoch nur 6 Bataillone und 28 Escadronen bei Nauheim hinter Limburg vereint, die übrigen Abthei- war, ausser jeder lungen aber an der ganzen Lahn vertheilt standen Verbindung mit dem Hauptangriffe, nicht im Stande, denselben wesentlich zu unterstützen, oder im Unglücksfalle eine Niederlage abzuwenden. Jourdan , welcher seine Aufgabe für eine rein demonstrative ansieht, dieselbe auch damit gelöst meint, dass er den Erzherzog auf sich gezogen hatte, trat sofort den Rückzug an, obwohl nur die Division des linken Flügels geschlagen worden war, und erreicht nach einigen Gefechten mit den auf allen Linien nachrückenden Oesterreichern den Rhein an denselben Puncten, von denen die Offensivbewegung ausgegangen war. Auf diese Weise endete die schlecht und lau eingeleitete, matt durchgeführte und in gleicher Weise beschlossene erste Offensive der Sambre- und Maas-Armee.

IV. Die Operationen Moreau's bis zur Schlacht von Malsch. Die unter Moreau stehende Rhein- und Mosel -Armee, welcher nach dem Plane des Directoriums, bei dem beabsichtigten concentrischen Angriffe die Hauptaufgabe zugedacht war, sollte den aus Paris erhaltenen Weisungen gemäss, den Rhein bei Strassburg und Hüningen überschreiten.

Die Wahl des Punctes „ Strassburg " , als derjenigen Stelle, an welcher der Hauptübergang erfolgen sollte und an welcher er auch wirklich stattfand, war in strategischer Beziehung vollkommen entsprechend, da derselbe auf der kürzesten Linie zum Donauthale liegt und bei der geringen Breite des Rheinthales und der Beschaffenheit des vorliegenden Gebirges wegen, ein an diesem Puncte gelungener Uebergang das Abtrennen der südlich Kehl gestandenen Streitkräfte des Feindes zur natürlichen Folge haben musste. Auch in taktischer und technischer Beziehung war die Wahl der obigen Uebergangsstelle vollkommen richtig .

Dass jedoch dieser

16 Punct , in dem fern vom Schauplatze des Krieges und vonl anger Hand vorbereiteten allgemeinen Operations -Entwurfe , bestimmt vorgezeichnet. wurde , daran müssen wir entschieden Anstoss nehmen . Diese Wahl

musste doch füglich Sache des Feldherrn sein, da sie ja von der momentanen strategischen Situation wesentlich beeinflusst und von dem Bestreben bedingt wird, ein solch' schwieriges Unternehmen sicher durchzuführen . Moreau's erste Operation war als Durchbruch gedacht ; sie beruhte auf der Hoffnung , die zersplitterte österreichische Ober - RheinArmee in dieser wenig widerstandsfähigen Verfassung zu überraschen , eine Trennung derselben in zwei Theile herbeizuführen und diese Trennung dauernd zu erhalten. Das also , was die Strategie als Vorbereitung für den taktischen Schlag thun konnte , das strebte sie der Idee nach an . Der Erzherzog fühlte die Gefahr , welche der Ober-Rhein -Armee drohte und erkannte mit richtigem Blicke , welche Bedeutung die Gegend von Kehl für dieselbe besass . Dem Feldzeugmeister Grafen Latour ertheilte Erzherzog Carl , auf die Meldung von der erfolgten Uebernahme des Commandos der Ober-Rhein -Armee, die Belehrung : „Den wichtigsten Punct am OberRhein , die Gegend von Kehl, nicht zu vernachlässigen , bei Offenburg ein Corps de réserve zu concentriren und bei Mannheim nur so viel Truppen zu verwenden , als die dortigen Verschanzungen und nachher die Festung zur Besatzung benöthigten . " Diese Instruction langte zu spät an. In der bekannten langen und abnorm seichten , an keiner Stelle zu erfolgreichem Widerstande fähigen Aufstellung , wartete die Ober-Rhein-Armee den Angriff der Franzosen ab. Was sich der strategische Durchbruch nur an Bedingungen für das Gelingen wünschen konnte, fand er vor ; einzig und allein der Rheinstrom , allerdings ein bedeutendes Hinderniss , schien der Ausführung Schwierigkeiten zu bereiten , aber hielt nicht gerade dieses Hinderniss die Oesterreicher in dem Glauben genügender Sicherheit gefangen ? Erwuchs aus dieser Schwierigkeit den Franzosen nicht gerade das wichtigste Moment für den Erfolg, das Moment der Möglichkeit einer Ueberraschung ! Es musste somit in dem Plane Moreau's liegen, die Vortheile , welche sich ihm aus der strategischen Lage boten, um so eher zu benützen , als ein Flussübergang auszuführen war, ein Unternehmen , welches , wenn der Gegner zu kräftiger Gegenwehr bereit steht, mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft ist. Damit aber

17 diese Lage, welche dem beabsichtigten Durchbruche so vortheilhafte Chancen bot , erhalten bleibe , damit der Flussübergang gelinge, war es nothwendig, den Gegner zu täuschen, verbergen.

die eigene Absicht zu

Die Aufstellung Moreau's war überdies eine viel zu lockere , um in unauffälliger Weise die Concentrirung des grössten Theiles seiner Kraft an dem gewählten Uebergangspuncte zu bewirken. Er musste die Aufmerksamkeit des Gegners von diesem vorbereitenden Acte ableiten, und zwar in einer Weise, dass dadurch zum Mindesten die Bedingungen nicht verschlimmert wurden , welche momentan die Ausführung des Durchbruches als möglich und vortheilhaft erscheinen liessen . Die

Richtung ,

welche

den Demonstrationen

zu

geben

war,

resultirt aus der Natur der Verhältnisse ; es galt, den Durchbruch vorzubereiten und dem Flussübergange vortheilhafte Bedingungen zu schaffen . Wir begegnen jedoch hier Forderungen,

welche ganz darnach

angethan waren, sich in ihren Wirkungen zu paralysiren .

Einestheils

schien es geboten, gegen den linken Flügel der Oesterreicher demonstriren ,

indem sich Moreau den Anschein gab,

zu

als wollte er

dort, etwa in der Gegend von Hüningen über den Rhein gehen eine Eventualität, die übrigens auch im Plane Carnot's ausgesprochen war um Kräfte der Oesterreicher dahin zu ziehen , und dadurch den Durchbruch,

in

seinen Folgen

um so

vollkommener zu gestalten ;

andererseits hätte eben durch eine solche Operation die Hauptkraft der Ober-Rhein -Armee, welche in der Gegend von Mannheim auf dem linken Ufer des Rheins stand oder doch ein Theil derselben - auch flussaufwärts, somit in eine Richtung gezogen werden können , wo sie Moreau , mit Rücksicht auf den geplanten Flussübergang, nicht erwünscht sein konnten . Ein grosser Theil der Armee Moreau's stand überdies in der Gegend von Landau ; das Wegziehen derselben hätte die Aufmerksamkeit der Oesterreicher bei Mannheim sofort auf die bewachte Rheinstrecke gelenkt und sie möglicherweise zur Verbesserung ihrer Lage durch Concentrirung der Kraft geführt. Mit einer Demonstration bei Hüningen wäre nun von Moreau allerdings das Abrücken einzelner Abtheilungen der Ober- Rhein -Armee selbst aus der Gegend von Kehl erreicht worden ; um aber dadurch nicht auch die Hauptkraft auf sich zu ziehen, bedurfte es einer gleichzeitigen Demonstration gegen letztere, um selbe in der Gegend von Mannheim festzuhalten . Die demonstrative Thätigkeit Moreau's, als Vorbereitung der beabsichtigten Angriffs - Operationen, entsprach nur zum Theile den hier 2

18 entwickelten Bedingungen . Sein rechter Flügel - die südlich Strassburg bis Basel gestandenen Divisionen Dela borde und Tuncq - verhielt sich vollkommen ruhig . Mit dem Centrum und linken Flügel, also mit der Hauptmasse seiner Streitkräfte, folgte jedoch Moreau der österreichischen Ober-Rhein-Armee, welche nach dem Abmarsche des Erzherzogs eine rückgängige Bewegung gegen den Brückenkopf von Mannheim angetreten hatte, griff dieselbe am 14. und 15. Juni mit Heftigkeit an, warf sie in ihre Verschanzungen und nahm vor denselben eine beobachtende Aufstellung. Mittlerweile liess er seine Vorkehrungen für den Uebergang selbst zu Strassburg mit der strengsten Geheimhaltung betreiben und setzte die Täuschung derart fort, dass er jene Abtheilungen, welche zuerst übergehen sollten , in der Nacht vom 19. zum 20. Juni aus ihrer Aufstellung vor den Verschanzungen Mannheims, mit dem Befehle in Marsch setzte,

nach Italien abzurücken .

Am

20. Juni endlich griff er die Oesterreicher mit dem Reste seiner Truppen nochmals heftig an und zwang sie in das verschanzte Lager selbst zu weichen. Zur selben Zeit war der grösste Theil der Divisionen Delaborde und Tuncq, mit der Bestimmung nach Worms, flussabwärts gerückt. Dieselben hatten sich sonach gegen den Uebergangspunct concentrirt. Die demonstrative Thätigkeit Moreau's berechtigt zu dem Schlusse , dass es ihm vor allem darum zu thun war, sicher auf das rechte Ufer des Rheins zu gelangen, dass er aber in seinem Plane auf die Folgen des strategischen Durchbruches keine besondere Rücksicht nahm. Sein Benehmen nach Gewinnung Behauptung . Demungeachtet fand

des

rechten Flussufers

bestätigt diese

er die österreichische Aufstellung unver-

ändert und mit ihr jene Gunst der Umstände, welche bei entschiedener Thätigkeit bedeutende Erfolge ausser Frage stellte. Der erste Uebergang sollte bekanntlich mit 15.000 Mann Infanterie und 600 Reitern , unter Ferino bei Strassburg, mit 10.000 Mann Infanterie und 860 Reitern, unter Beaupuy bei Gambsheim, zwei Meilen unterhalb Strassburg erfolgen. Drei kleinere Landungen bei Meisenheim , Goldscheuer, dann zwischen Strassburg und

Gambsheim waren be-

stimmt, diese Angriffe zu unterstützen . Wir stehen hier vor einer auffallenden Massregel und sehen uns daher veranlasst, nach den Ursachen zu forschen, welche Moreau bewogen haben mögen , seine für den ersten Angriff verfügbaren Kräfte durch die Detachirung der Division Beaupuy in zwei nahezu gleiche Theile zu scheiden. Derjenige, welcher einen Fluss im Angesichte des Feindes überschreiten will, sucht zunächst Truppen auf das feindliche Ufer zu

19 schaffen, um den Brückenschlag und den Uebergang der Haupttruppe zu decken und zu sichern. Nachdem die grösste Masse der Oesterreicher nördlich von Strassburg stand, drohte dem Uebergange die meiste Gefahr von Norden . Es mag also More au gedacht haben, sein Unternehmen gegen Kehl am besten dadurch zu schützen , dass er eben nach jener Gegend eine Abtheilung von bedeutender Stärke , einem Schirme gleich, über den Rhein schob, dabei entweder die Aufmerksamkeit des Gegners vom Hauptübergangspuncte abzog und nach einer Gegend lenkte, wo im Sinne einer Demonstration ein Uebergang Wahrscheinlichkeit für sich hatte, oder doch die Aufmerksamkeit theilte und sich dadurch das Durchdringen an einem oder dem anderen der beiden Puncte erleichterte . Die Idee Moreau's, den Gegner durch den Uebergang bei Gambsheim zu täuschen und damit eine weitere Erleichterung und grössere Sicherung des Unternehmens zu erreichen , hatte schon aus dem Grunde Berechtigung, weil ein Uebergang an diesem Puncte weitaus wahrscheinlicher war als bei Kehl ,

welches von den Oesterreichern ver-

schanzt worden war und als der stärkste Punct im ganzen Rhein- Cordon galt. Er war aber den Oesterreichern auch gefährlicher als ein Uebergang bei Kehl ,

denn abgesehen

davon,

dass

dieselben mit gutem

Grunde hoffen durften, an diesem relativ starken Puncte jeden Uebergangsversuch abzuweisen, war der Durchbruch um so vollkommener, je weiter gegen Norden er stattfand, weil damit um destomehr Kräfte der Oesterreicher abzutrennen waren. Wenn wir nun

die Idee eines Ueberganges bei Gambsheim in

demonstrativer Absicht und zu dem Zwecke, den Uebergang bei Kehl zu decken und zu erleichtern, als opportun anerkennen, so müssen wir doch bemerken, dass die Kraft, welche dazu verwendet werden sollte, weitaus zu hoch gegriffen war und in keinem Verhältnisse zu den überhaupt verfügbaren Mitteln stand .

Diese Detachirung diente unter

solchen Umständen nicht mehr zur Steigerung der Kraft, in welchem Falle allein Detachirungen gerechtfertigt sind, sondern sie erzeugte vielmehr Schwäche. Moreau konnte nur auf grosse Erfolge rechnen , wenn er mit concentrirter Kraft den Cordon der Oesterreicher durchbrach und darauf bedacht war, ohne Zeitverlust die Früchte zu ernten , welche ihm die Situation in überreicher Weise darbot. Diesen Bedingungen widersprach jedoch die Detachirung der Division Beaupuy , es kann also als ein für Moreau günstiger Zufall angesehen werden ,

dass der bei Gambsheim projectirte Uebergang an

Naturhindernissen scheiterte und schliesslich doch die ganze Kraft bei Kehl zur Verwendung gelangte. 2*

20 Dass der Uebergang Moreau's, die Wegnahine von Kehl und die Festsetzung der Franzosen auf dem rechten Rheinufer rasch und vollkommen gelang, bedarf, wenn man die Aufstellung der Oesterreicher berücksichtigt , wohl keines weiteren Commentars . Die strategische Vertheidigung ohne offensivem Gedanken , welcher die Form durchdringt und belebt, ist überhaupt nicht lebensfähig oder doch vor dem Siechthume kaum zu bewahren. Bedient sich die strategische Defensive gar der absoluten Flussvertheidigung - und in diesem Sinne stand die Ober- Rhein-Armee verzettelt dieser weitgehendsten Art der äussersten Passivität , so schafft sie damit selbst die Grundbedingungen des eigenen Verderbens. Auf einer übermässig langen Strecke soll bei diesem Systeme jeder Punct gedeckt, an jeder Stelle der Gegner abgewehrt, das Betreten des besetzten Ufers verhindert werden ; die natürliche Folge davon ist die Vertheilung der Kraft in einer Weise, dass einem nur mässig starken Angriffe nirgends ein nennenswerther Widerstand geleistet werden kann . Für diesen Ausspruch ist die Aufstellung der Vertheidiger des Ober-Rheins die beste Illustration, Aufstellung hier anzuführen :

7

General Fröhlich Meilen.

4

Conde'sches Meilen.

Corps

es sei uns daher gestattet diese

10.000 Mann

von Hüningen bis Sassbach

6000 Mann von

Sassbach bis

Ichenheim

Schwäbische Kreis -Truppen 7200 Mann von Ichenheim bis zur Rench 4 Meilen . General Sztarray 8000 Mann von der Rench bis Philippsburg 9 % Meile. Die schwäbischen Kreis -Truppen, gegen welche der französische Angriff erfolgte, standen compagnie- und bataillonsweise vertheilt, bei Kehl zwei Bataillone, bei Willstett in Reserve 6 Bataillone, 4 Escadronen. Das Obercommando dieser einzelnen Abtheilungen befand sich zu Mannheim. Bei solcher Aufstellung traf der in der Nacht zum 24. Juni ausgeführte Angriff der Franzosen nur zwei Bataillone des schwäbischen Kreis -Contingents, die selbst, wenn sie nicht überrascht worden wären, die Landung der Franzosen nicht abzuwehren vermocht hätten . Als der schwäbische Feldzeugmeister Stain mit der schwachen Reserve, von dem, eine Meile entfernten Willstädt herbeieilte, standen die Franzosen bereits mit überlegener Macht auf dem rechten Ufer schlecht armirten

und un-

genügend vertheidigten Verschanzungen bei Kehl wurden

des Rheins.

Die fehlerhaft angelegten,

von den

A

21 Franzosen bald genommen und schon um 10 Uhr Vormittag standen ihre Posten auf dem rechten Ufer der Kinzig und auf der Strasse nach Offenburg . Bei Betrachtung der nun

folgenden französischen Operationen

kommt vor allem die Wahl der Operationsrichtung zu erörtern . Nach gelungenem Uebergange standen Moreau für die Fortsetzung seiner Operationen drei Richtungen : Rhein auf- oder abwärts , oder jene über den Schwarzwald in's Donauthal zu Gebote . Dass Moreau bei Strassburg überging , weil er dort neben mancherlei taktischen und technischen Vortheilen seine Absicht durchführte, den Cordon der Oesterreicher zu durchbrechen und einen Theil derselben von der Hauptkraft abzudrängen , wissen wir bereits . Es geht aus dem bisher Gesagten aber auch klar hervor, dass Moreau , hätte er diese Absicht nicht gehabt , sich wahrscheinlich einen andern Punct hiezu gewählt haben würde, wo er einen geringeren Widerstand erwarten konnte als bei Kehl, z. B. den von der österreichischen Hauptkraft entferntesten Punct, Hüningen. Moreau wollte durchbrechen und so viel Kräfte als möglich von der Hauptkraft trennen , welche er am Main vermuthen musste . Dieser Umstand aber wies die Operationen der Franzosen unbedingt in die nördliche Richtung, in dieser war die eigene Sicherheit am meisten gewahrt, in dieser konnte auch der begonnene Durchbruch durch Bekämpfung der feindlichen Hauptmasse zu einer denden Thatsache gestaltet werden.

entschei-

Die Lage Moreau's war dabei allerdings nicht gefahrlos . Während er gegen den Erzherzog, dessen baldiges Erscheinen zu erwarten war, Fronte machte,

liess

er die

südlich abgetrennten Theile des

Gegners in seinem Rücken. Wenn man berücksichtigt, dass die französischen Streitkräfte nicht so zahlreich waren , um des taktischen Erfolges über den Erzherzog sicher zu sein, und dass den Franzosen im Falle einer Niederlage in den Abtheilungen von Condé , Fröhlich und Stain sehr gefährliche Gegner erstehen konnten, so wird man die schwierige Lage des Durchbrechenden, der auf allen Seiten vom Feinde. umgeben war, zu würdigen wissen, man wird aber auch erkennen , dass in einer solchen Lage nur rasche Entschlüsse und entschiedenes Handeln mit concentrirter Kraft zum Ziele führen.

Dass gegen denjenigen Theil des Gegners, der vorerst nicht angegriffen werden soll, zu detachiren sei, um im Rücken Sicherheit und zum mindesten Zeit zur Bekämpfung des anderen Theiles zu gewinnen , steht fest, aber gewiss ist auch andererseits, dass jede Detachirung schwächt.

22 Das richtige Maass darin zu treffen, bedingt eine weise Oeconomie in der Verwendung der Kraft, welche die Sicherheit einer Operation in jeder Beziehung zwar berücksichtigt, aber gerade deshalb niemals nach Nebenerfolgen strebt, wobei der Haupterfolg blossgestellt werden könnte . Die Entsendung der Division Ferino gegen Süden , die Vorrückung des ganzen Flügels unter S. Cyr in das Gebirge gegen die schwäbischen Truppen, die bereits geschlagen worden waren , endlich die Zurücklassung eines grossen Theiles der Division Delaborde auf dem linken. Rheinufer aufwärts Strassburg bis in die Gegend von Hüningen , erscheinen uns unbedingt als eine nicht zu rechtfertigende Kraftverschwendung . Wenn wir an Moreau den Maass - Stab anderer Feldherren anlegen, so finden wir ihn überhaupt nicht auf der Höhe seiner Aufgabe. Ein vollständiger Theoretiker, kühn im Entwurfe, aber zögernd in der Ausführung, scheinen ihm tausend Rücksichten wichtig und der Bedachtnahme werth. In welch' verschiedenem Lichte zeigt sich jene Kühnheit des Gedankens, jenes rücksichtslose Erfassen grosser Ziele, jene rasche Entschlussfähigkeit und gewaltige Art der Durchführung, die wir schon an Bonaparte's erstem Feldzuge bewundern . In Moreau's Lage war es dringend geboten, sobald als möglich gegen Norden vorzudringen, denn jeder Tag der Zögerung diente nur dem Gegner zum Nutzen ; je schneller der französische General seine Vortheile verfolgte , um so sicherer konnte er dieselben ausbeuten, indem er die noch nicht gesammelten, einzelnen Theile in ihrer Vereinzelung schlug .

zu

Die Sicherung seines Rückens einigen tausend Mann übertragend , denen noch Delaborde stossen konnte , welche Kräfte insge-

sammt sich auf das zu vervollständigende Kehl stützen konnten, hätte er gegen Fröhlich , die Schwaben und Emigranten genug gethan. Mit allem Uebrigen aber musste er thal abwärts rücken .

ohne

Zeitverlust

das

Rhein-

Die Operationen Moreau's nach dem gelungenen Rheinübergange sind ja nichts anderes und konnten nichts anderes sein , als eine Fortsetzung des mit dem Rheinübergange begonnenen Durchbruches, eine Operation, deren Erfolge am sichersten zu fesseln sind, wenn man das Begonnene ohne Unterbrechung mit äusserster Thatkraft und Entschiedenheit dem Ziele zuführt. Moreau handelte durchaus nicht in diesem Sinne. Am 25. Juni stand er bereits mit 30.000 Mann bei Kehl auf dem rechten Rheinufer ; allerdings mit einem Defilé im Rücken und auf allen Seiten von Feinden umgeben, deren Trennung er aber schon begonnen hatte.

23 Niemals schien es dringender, die Zeit und die momentane Ueberlegenheit durch einen raschen Schlag anszubeuten , damit die Gegner nicht zu einer Besserung ihrer Lage gelangten ; aber Moreau rückte erst am 27. Juni und zwar in 6 Colonnen und überdies auf beiden Ufern der Kinzig, vor. Nichts hielt ihn ab, schon am 26. mit ganzer Kraft auf einem Ufer der Kinzig sich auf den Gegner zu werfen , während er auf dem anderen eine schwache Abtheilung zur Abwehr stehen liess . Von dem Streben geleitet, möglichst viele Theile von der Hauptkraft abzutrennen, musste der Angriff gegen den feindlichen rechten Flügel zwischen der Kinzig und der Rench auf Urloffen und Oppenweier (Sztarray) erfolgen . Erst der Besitz der Bergstrasse vollendete die begonnene Trennung, indem dieselbe unmittelbar am Fusse des an Transversal -Verbindungen armen Gebirges zieht. Dass Moreau den geschlagenen schwäbischen Truppen in das Gebirge nachfolgen liess, können wir, wie dies schon bemerkt wurde , mit Rücksicht auf den Zeitverlust nicht als zweckmässig anerkennen . So matt und schlecht angelegt die Kämpfe am 27. waren, eben so fehlerhaft und energielos waren jene des 28. mit der hinter der Rench gestandenen etwa 9000 Mann starken österreichischen Abtheilung. Derselbe Gedanke, den wir für die Gefechte des 27. als leitend bezeichneten, hätte auch am 28. die Handlungsweise der Franzosen bestimmen sollen . Bei einem Angriffe längs des Rheins durch die Auen, also an und westlich der Thalstrasse, gegen die rechte Flanke und den Rücken der Oesterreicher, standen die grössten Erfolge zu erwarten , weil es gelingen konnte, die ganze Abtheilung oder doch den grössten Theil derselben in das Gebirge zu werfen. Auch im Hinblicke auf die Sicherung des eigenen, empfindlichen linken Flügels, wie nicht minder mit Rücksicht auf günstige Gefechtsbedingungen, war die Angriffsrichtung längs des Rheins, jener an der Bergstrasse entschieden vorzuziehen ; bei der Ueberlegenheit der österreichischen Cavalerie boten. die Rhein-Auen taktisch günstigere Verhältnisse als die offene Ebene von Renchen, wo die österreichische Reiterei eben so wirksam aufzutreten vermochte, indem sie vier Versuche der zweiten französischen Colonne zu debouchiren, jedes Mal vereitelte. Mit dem 29. tritt endlich sogar eine Pause in den Operationen, eine Periode völliger Unthätigkeit ein, welche bis 4. Juli währt und dem Erzherzoge Zeit gibt, zur Unterstützung der Ober- Rhein- Armee herbeizueilen. Die Gefechte von Gernsbach und Kuppenheim am 4. Juli , durch welche die Oesterreicher hinter die Murg und die obere Alb zurückgedrängt werden, unterbrechen zwar diese Unthätigkeit, um aber sofort

24 einer neuen Unterbrechung zu weichen , welche bis zur Schlacht von Malsch währt und dem Erzherzoge Gelegenheit gibt, selbst die Offensive zu ergreifen. Nach diesen Proben unzweifelhafter Energielosigkeit, welche der französische Ober- General an den Tag legte, sei es uns gestattet die Ansicht zu bekämpfen, nach welcher Moreau statt im Rheinthale , directe über den Schwarzwald hätte vorrücken sollen. So kühn und genial sich eine solche Operation

auf den ersten

Blick auch präsentiren möge, sie hätte gewiss den Erwartungen nicht entsprochen. Man wird zu Gunsten derselben einwenden, dass Moreau die Donau gewinnen, sich mit Jourdan vereinigen , Wartensteben vernichten und dann mit vereinter Kraft, also mit Uebermacht den Erzherzog anfallen und schlagen konnte ; die Partisane dieser Idee werden mit grellen Farben die Vortheile dieses Vorganges zu schildern sich bemühen, sie übersehen aber dabei dessen Nachtheile, welche von dieser Operation entschieden abrathen mussten . Im Kriege muss alles einfach und sicher sein ; einfach und sicher wäre aber eine solche Operation Moreau's wahrlich nicht gewesen. Ein Feldherr, der es wagt,

auf einen einzigen Punct basirt mit der

Armee in Gebirgs -Defiléen vorzudringen, während eine zahlreiche feindliche Armee in seiner Flanke steht, ihm seine Verbindungen mit einem Schritte zu unterbinden vermag ,

der Armee, welche in getrennten

Colonnen das Gebirge durchzieht in den Rücken marschiren ,

oder

besser in einer kürzeren Richtung sich ihr vorlegen, und sie beim Debouchiren unter den günstigsten Umständen angreifen kann ; ein Feldherr, der sich in eine solche Lage begeben würde, wäre wahrlich seiner Aufgabe nicht gewachsen. Was auf das Kleine passt, lässt sich nicht immer auf das Grosse anwenden. Für ein Streif-Commando, dessen Thätigkeit den Charakter des Abenteuerlichen nicht vermeiden kann , hätte ein Vordringen , wie es besprochen 40.000 Mann.

wurde,

Anwendung ,

niemals

für

eine Armee

von

Eine nähere Betrachtung zeigt übrigens das Illusorische der vermeintlichen Vortheile. Eine Operation vom Rhein an die Donau konnte nur auf den Gedanken gegründet sein , den taktischen Schlag östlich des Schwarzwaldes zu führen : wozu aber in weiter Ferne suchen, wozu nach weitab liegenden und daher noch zweifelhaften und unsicheren Erfolgen streben, wenn die momentene Situation schon sicheren Erfolg verspricht. Dass endlich mit dieser Operations-Richtung die Trennung der südlich abgedrängten Theile der Ober- Rhein -Armee von der Hauptmasse eine dauerndere geworden wäre, ist ebenfalls nur ein scheinbarer Vor-

25 theil , wie dies aus der Erörterung der Rückzugsverhältnisse der österreichischen Armee deutlich hervorgeht. Vor dem Abgehen Wurmser's zur Armee nach Italien, als die beiden Armeen am Ober- und Mittel - Rhein gleich stark und selbstständig waren, lag die Rückzugslinie der gegenüber Strassburg gestandenen Ober-Rhein- Armee in der Richtung gegen das Donauthal ; indem es der jeweilige, durch die Verhältnisse bestimmte, also variable Schwerpunct ist, der die Richtung bestimmt, wohin man bei zwingenden Umständen zurückgehen soll . Damals lag der Schwerpunct der Armee im Donauthale, weil in diesem der Schwerpunct der kriegführenden Macht zu finden war, der im Streben ihn directe zu decken attractiv wirkte. Aber für das augenblickliche Verhältniss , wo nach dem Abmarsche Wurmser's die am Ober-Rhein stehende Kraft nur der untergeordnete Theil der am unteren Main und nördlich davon befindlichen Hauptmacht war, trat die erwähnte Rücksicht in den Hintergrund, denn es lag der Schwerpunct in der Hauptmacht und der Rückzug der Kräfte der Nieder-Rhein- Armee konnte naturgemäss nur dahin gehen . Heute ' ) liegt der Schwerpunct Deutschlands nicht mehr im Donauthale, sondern an der Spree, es hat sohin das Donauthal für einen Krieg Deutschlands gegen Frankreich keine Bedeutung mehr, weil die Verbindungslinie der beiderseitigen Macht- Centren die Kräfte in eine andere Richtung lenkt. Sind die süddeutschen Streitkräfte vom Ober-Rhein (denn nur solche wird man hier finden) zum Rückzuge gezwungen, so werden sie denselben nicht gegen die Donau, sondern nach dem Maine ausführen müssen, weil in jener Richtung nicht allein der politische Schwerpunct liegt , sondern eben aus letzterem Grunde auch das Schwergewicht der deutschen Streitkräfte und der Anschluss an dieselbe zu finden sein wird. Immer ist es also der Schwerpunct , welcher die einzelnen Theile anzieht , der somit auch die Rückzugs -Richtungen bestimmt. Wenn also Moreau in Folge seines Rheinüberganges und der Operationen, welche ihm unmittelbar folgten, einen Theil der gegenüberstehenden Oesterreicher von ihrer natürlichen Rückzugslinie ab, in das Donauthal drängte, so war dieser Rückzug allerdings ein aufgezwungener, und Moreau erreichte damit einen strategischen Erfolg, der um so bedeutender war, je zahlreicher die Kräfte waren, er in solcher Weise von der Hauptkraft abdrängte . 1) Geschrieben im Jahre 1869.

welche

26 Dabei kommt nun zu bemerken, dass diese abgetrennten Theile sich vorerst sammeln und dann erst die Wiedervereinigung mit der Hauptkraft anstreben können . Diese Sammlung war eben so bald nicht ausführbar ; dicht hinter der Rheinlinie liegen die Defiléen des Schwarzwaldes, es konnte das Sammeln somit erst beim Austritte aus diesen Defiléen in das wegsamere Land

erfolgen ,

also nicht früher als auf der Transversale

Stockach, Möskirch, Hechingen , Tübingen, Stuttgart, Heilbronn ; am besten jedoch an der oberen Donau. Erst wenn diese Sammlung bewirkt war, konnte zur Vereinigung mit dem Erzherzoge geschritten werden.

Es hatte demnach Moreau

auch mit der Wahl der Operationslinie im Rheinthale die Trennung auf eine so lange Zeit herbeigeführt, dass jener Fall weiter gar nicht in Rechnung kam. Durch die Art, wie Moreau den Zeitfactor vernachlässigte, hätte sich dieses Verhältniss allerdings noch sehr zum Vortheile der Oesterreicher ändern können .

V. Die Schlacht von Malsch. Bei Erörterung der strategischen Verhältnisse der beiden kriegführenden Parteien im Beginne des Krieges, haben wir Anlass genommen, uns für eine Offensive der Oesterreicher auszusprechen,

dabei

jedoch betont, dass die Zweitheilung des Oberbefehles die Möglichkeit der Durchführung dieses an sich so richtigen Gedankens von vorn herein ausschloss.

im

Wie ganz anders hätte sich die Sachlage gestaltet, wenn schon Beginne des Krieges diese unglückliche Theilung des Befehles

nicht bestanden, wenn der Oberbefehl in Einer festen Hand , in jener des Erzherzogs gelegen hätte ! Es dürfte als Studie vielleicht nicht ohne Interesse sein , wenn wir, gestützt auf die theoretischen Lehren , ein Bild zu entrollen versuchen, wie wir uns für diesen Fall die Thatigkeit der Oesterreicher als am zweckmässigsten entfaltet vorstellen . Wir acceptiren die Kräftevertheilung wie sie bestand, eine Vertheilung, die begreiflicherweise weit besser sein konnte , setzen aber nur den einheitlichen Oberbefehl voraus und wollen vor Allem zur Beantwortung der Frage schreiten : Welches Verfahren sollte der österreichische Obercommandant unter solchen Umständen

zur Vereitung

der französischen Umfassungs-Pläne einschlagen ? Aus der Natur der Dinge geht hervor, dass der von einer doppelten strategischen Umgehung Bedrohte die Vortheile ausnützen soll, welche ihm die feindliche Theilung und die eigene Concentration bieten ,

dass er aber eben zu

27 diesem Zwecke in dem ersten Stadium der feindlichen Action

seine

Kraft in einer zweckmässigen, dem gefährlicheren Gegner besonders Rechnung tragenden Centralstellung vereint und bereit hält, um im günstigen Augenblicke mit überlegener Kraft denjenigen anzufallen, der es wagen sollte, die Wirkungssphäre dieser Centralstellung zu betreten . Der gefährlichere Gegner war, wie schon erörtert, zweifellos Moreau ; es musste daher der österreichische Feldherr diesem möglichst nahe bleiben , um bei Eintritt vortheilhafter Bedingungen denselben gleich angreifen zu können . Diese Bedingungen ergaben sich aber vorzugsweise dort, wo Flüsse, abschnittbildend den Kriegsschauplatz durchziehen und an und für sich schon zu den vortheilhaftesten strategischen und taktischen Combinationen Anlass geben. Sie fanden sich aber in ganz besonderem Maasse hier am Rheine für denjenigen, der dessen beiden Ufer beherrschte, am Rhein, den Jourdan schon überschritten, den aber Moreau, von der österreichischen Centralstellung aus flankirt, noch zu übersetzen hatte. Hätte es da noch bedeutenderer Gründe bedurft, um die Oesterreicher vorläufig in ihrer Centralstellung festzuhalten ? Es hätte gewiss den Wünschen des österreichischen Feldherrn entsprochen, wenn eine der beiden , durch den Rhein und weite Räume von einander getrennten Gegner, seinen concentrirten Kräften nahe kam, wie dies wirklich Moreau that, als er am 14. Juni, mit starker Macht, Mundenheim angriff, dabei auch noch seinen linken Flügel in einer für ihn ganz bedenklichen Weise vornahm . Fühlte sich aber der österreichische Feldherr zu

schwach, um

Moreau anzugreifen, so war auch seine Aufstellung auf dem linken Rheinufer, strenge genommen , nicht mehr nöthig. Ist man nämlich vor einer doppelten Umgehung bedroht , so muss man daran denken , die Gegner zu einer Zeit zu schlagen, während sie noch durch so grosse Räume getrennt sind, dass man einen gewissen Grad von Operationsfreiheit besitzt,

eine Operationsfreiheit.

mit welcher einzig und allein die Vortheile der

inneren Linie" aus-

genützt werden können , denn gerathen die Massen des Feindes zu nahe an einander, so verwandeln sich diese Vortheile in schwer wiegende Nachtheile, da die Gefahr nahe tritt, mit beiden Theilen des Gegners gleichzeitig kämpfen zu müssen. Hielt sich also der österreichische Feldherr, wie gesagt, nicht für so stark, um Moreau auf dem linken Ufer des Flusses zu schlagen, so ist es klar, dass er die günstigen Bedingungen dazu auf dem rechten suchen musste . Die Centralstellung , oder richtiger gesagt, der Centralraum, wechselte also das Ufer. War er früher zwischen Mainz und Mann-

28 heim auf dem linken Rheinufer gewesen , so kam er jetzt Mannheim, Mainz und Frankfurt auf das rechte zu liegen.

zwischen

Aus diesem Raume aber durfte sich die österreichische Hauptmacht, durch die demonstrativen Bewegungen des minder bedeutenden Jourdan nicht abziehen lassen. Der Main bot eine schützende Linie gegen denselben ; hinter diesem Flusse und auf Mainz, Frankfurt und Hanau gestützt, hätte ein Beobachtungs-Corps das Fortschreiten desselben insolange verzögern können, als die Hauptmacht Zeit bedurfte, gegen Moreau einen vernichtenden Schlag zu führen . Aus dem Centralraume konnte dieser General in 4 bis 5 Märschen erreicht und bald

nach bewirktem Flussübergange , als er noch bemüht war, sich die Vertheidiger des Ober-Rheins vom Halse zu schaffen, also noch unter Umständen angegriffen werden, die für ihn ziemlich kritischer Natur waren. Jourdan wurde erst nach dem Ueberschreiten des Rheins eine ernste Gefahr für die Oesterreicher, bis dahin aber konnte Moreau

geschlagen und die österreichische Hauptkraft zurückgekehrt sein.

wieder an den Main

Blieb indessen Moreau im Angriffe zurück, und hätte Jourdan den Main erreicht, bevor More au den Rhein überschritt , so überging die Gefährlichkeit von den Letztgenannten auf Jourdan, der sich als Angriffs-Object darbot. Aus Mainz debouchirend, konnte ihn der österreichische Feldherr mit überlegener Kraft angreifen und zurückwerfen , was weit ausgiebiger gelingen musste, rationen über Wetzlar factisch gelungen war.

als es bei den Ope-

Von Mainz aus und gegen den rechten Flügel Jourdans geführt , hätte ein kurzer Stoss, in einer empfindlichen Richtung und aus der Centralstellung mit ganzer Kraft unternommen, weit mehr erreicht, als die Operation auf dem langen Wege über Wetzlar. Der Rückzug Jourdan's erfolgte,

wie bekannt,

hauptsächlich

in Folge der Manöver des Erzherzogs, ohne bedenkliche Bedrohung der Rückzugswege, so dass er auch sogleich wieder umkehrte, als sich der Erzherzog gegen Moreau wenden musste. Wie ganz anders sind doch die Resultate eines Sieges auf dem Schlachtfelde , im Vergleiche zu jenen , die durch Manöver erreicht werden . Die Operationen der Oesterreicher, welche Jourdan von der Lahn verdrängten , während ein Stoss von Mainz aus am Main mit einem entscheidenden Siege der Oesterreicher geendet hätte , durch

welchen Jourdan auf längere Zeit operationsunfähig geworden wäre, geben wohl die beste Illustration dazu . Nach dieser Abweichung, der wir uns nicht entschlagen konnten , da sie uns als strategische Studie von Interesse und für die Beleuch-

29 tung der Forderung des einheitlichen Oberbefehles, als schlagend schien , übergehen wir von der Betrachtung idealer Verhältnisse auf das Gebiet der realen Thatsachen . Die Operationen des Erzherzogs gegen Jourdan haben wir in einem früheren Capitel besprochen . Ungeachtet seiner Erfolge erkannte der österreichische Feldherr wohl bald das Bedenkliche seiner Lage und blickte mit Besorgniss nach dem Oberrhein. Schon am 21. Juni verfügte er den Abmarsch von Abtheilungen dahin, des sächsischen Continentes und der Division Hotze, und entschloss sich, selbst nach dem Ober-Rhein abzugehen, nachdem er dem Feldzeugmeister Wartensleben das Commando am Nieder-Rhein übertragen hatte . Allein der Erzherzog sorgte dabei nicht für ausreichende Mittel , um des Sieges über Moreau sicher zu sein . Wir glauben nichts Besseres thun zu können , als darüber auf des Erzherzogs eigene Worte hinzuweisen . ') „ Der Erzherzog erkannte, dass die Gegend am oberen Neckar und an der Donau für ihn die wichtigste - und eine Vorrückung des Feindes auf den dahin führenden Strassen die gefährlichste, dass sie sogar entscheidend sei. " „In dieser Ueberzeugung und in der Unmöglichkeit seine Kräfte SO zu theilen, um auch am Nieder-Rhein der Sambre- und MaasArmee die Spitze zu bieten , hätte der Erzherzog auf die erste Nachricht von Moreau's Uebergang nur ein kleines Observations- Corps und nicht 36.000 Mann an der Lahn und 27.000 Mann in Mainz und in den Hechtsheimer Verschanzungen zurücklassen, hingegen -- mit Ausnahme dessen , was die Festung Mainz gegen einen coup de main erforderte mit allen übrigen Truppen vereint in Eilmärschen die Bergstrasse hinauf ziehen sollen . Er konnte dann mit mehr Zuversicht hoffen, am Ober-Rhein den Ausschlag zu geben ; und Wartensleben's Bestimmung durfte sich nicht weiter erstrecken, als den Feind zu beobachten, im Falle eines Rückzuges die Garnison von Mainz zu ergänzen, sowie die Gegend zwischen dem Main und dem Neckar zu gewinnen. " „ Die schwache Besetzung des Nieder-Rheins würde auf die Operation des Erzherzogs keinen widrigen Einfluss genommen haben , da er durch einen schnellen Entschluss, durch darauf gefolgte Eilmärsche, durch die Zeit, welche den Franzosen nöthig war, um davon unterrichtet zu werden und dann wieder über den Rhein zu setzen einen

1) Grundsätze der Strategie. erläutert durch Darstellung des Feldzuges 1796 in Deutschland .

30 Vorsprung von mehreren Tagen erhielt und folglich von Jourdan , weder eingeholt, noch in der Ausführung seines Vorhabens verhindert werden konnte. Die Betrachtungen

strategischer Natur,

der Kriegführung beleuchten ,

welche die Grundsätze

die Lehren der Theorie erhärten und

beweisen sollen, reflectiren der Natur der Sache gemäss, auf Schlachten und Gefechte nur insoferne, als es sich um die strategische Anlage des Kampfes, um die Umstände, unter denen derselbe stattfand und um dessen Folgen handelt. Unsere Beurtheilung der Schlacht von Malsch wird sich demnach ,

entsprechend

den

Beziehungen

strategischer

Thätigkeit

Schlacht, auch nur mit der Würdigung der Kraft befassen,

zur

welche

von beiden Seiten in den Kampf gebracht wurde, ferner mit Berücksichtigung der Zeit, in welcher derselbe beabsichtiget wurde und stattfand , sowie der Räume und Richtungen , Wirkung gelangten.

in welchen die Kräfte zur

Bezüglich der geringen Streitmittel der Oesterreicher am Tage von Malsch, haben wir bereits des Erzherzogs eigenen Ausspruch citirt. Der österreichische Feldherr war von der Lahn mit nur 15 Bataillonen, 20 Escadronen Oesterreicher und 8 Bataillonen , 9 Escadronen Sachsen an den Ober-Rhein zurückgekehrt, während 36.000 Mann am NiederRhein, 27.000 Mann bei Mainz stehen geblieben waren. Dass dies ein Fehler war, spricht des Erzherzogs eigenes Geständniss aus. Die beiden letztbemerkten Kräftegruppen sind, eben als Detachirungen, abseits vom Hauptzwecke zu betrachten. Detachirungen sollen aber nie ohne klar und bestimmt ausgesprochenen

Zweck stattfinden

und niemals stärker gemacht werden , als es zur Erreichung dieses Zweckes unbedingt erforderlich ist, sie sollen zur Steigerung der Kraft dienen, aber nie Schwächungen erzeugen. Wartensleben war trotz seiner 36.000 Mann zu schwach, um einen positiven Erfolg zu erringen, zu einer blos beobachtenden Thātigkeit aber war er viel zu stark ; die Gruppe bei Mainz endlich war ganz zwecklos. Auch dem Zeit- Momente finden wir auf österreichischer Seite nicht die durch die Verhältnisse gebotene Rücksicht gezollt. Am 3. Juli hatten die Sachsen Graben, die Oesterreicher Wiesenthal erreicht,

die Schlacht war aber erst für den 10. in Aussicht

genommen. Diese Verzögerung findet ihre Erklärung in den Bewegungen , welche der Erzherzog im Gebirge hatte ausführen lassen, worüber bei der Beschwerlichkeit der Communicationen und der bedeutenden Umwege wegen, welche die Truppen auszuführen hatten, loren gegangen war.

viel Zeit ver-

31 Bei Betrachtung der Raumverhältnisse gewahren wir bei beiden Theilen eine eigenthümliche Anschauung über den Werth des Gebirges in strategischer Beziehung, ein Hinübertragen des taktischen Begriffes vom Werthe der Ueberhöhung auf strategische Verhältnisse ; daraus nothwendigerweise entspringend, Halbheit und falsche Maassregeln. Von ihren geringen Streitkräften verwendeten die Oesterreicher 19 Bataillone und 29 Escadronen als linken Flügel im Gebirge, während der Rest, 25 Bataillone und die Masse der Reiterei, bestimmt war, im Rheinthale zu kämpfen . Die Absicht des Erzherzogs bestand darin , Moreau, durch im Rheinthale zu erfechtende Vortheile, von Strassburg abzudrängen . Mit dieser vollkommen richtigen Idee stand die Ausführung im Widerspruche, denn der österreichische Obergeneral theilte seine Kräfte in zwei Theile,

welche in keinem directen Zusammenhange standen ,

so

dass wir sie zur selben Zeit in zwei, nahezu selbstständige Aufgaben verwickelt sehen. Warum, so drängt sich unwillkürlich die Frage auf, -

detachirte der Erzherzog so viele Kräfte ins Gebirge , nachdem er doch auf seinem rechten Flügel den entscheidenden Kampf zu führen geSollte er für die Erhaltung der Linie über Pforzheim ins

dachte ?

Donauthal besorgt gewesen sein ? Hatte er wohl dazu Ursache ? Siegte der Erzherzog über Moreau, so konnte von einer Bedrohung des Donauthales durch letzteren ohnehin keine Rede sein ; der Erzherzog hatte erkannt ,

dass ein Sieg im Rheinthale die schnellste und voll-

ständigste Lösung aller Zweifel und Gefahren sei und hatte , geleitet von seinem heroischen Charakter, sich auch sofort und ganz richtig für den Angriff entschieden . Entschied sich jedoch der Kampf zum Vortheile der Franzosen , so wäre der Erzherzog gewiss weit besser als auf Pforzheim, - in welcher Richtung er in der nächsten Zeit keine Verstärkungen fand , - dem Rheine entlang auf Mainz zurückgegangen, wo er die dort überflüssigen Kräfte an sich ziehen und Moreau mit Ueberlegenheit die Spitze bieten konnte. Die flankirende Aufstellung im Rheinthale

hätte dem französi-

schen Obergeneral, wie bisher auch dann verboten, unbekümmert um seinen Rücken, seine Flanke, seine Verbindungen und seine Basis über das Gebirge gegen das Donauthal vorzudringen . Wollte aber der österreichische Feldherr der Linie über Pforzheim von vornherein eine besondere Sorgfalt zuwenden, so hätte es vollständig genügt, diesen Flügel - das Defensivfeld der Stellung bildend mit geringerer Kraft zu dotiren und durch fortificatorische Mittel zu verstärken. Dies weist auf die Forderung, in jeder Aufstellung scharf

32 zu unterscheiden, auf welchen Räumen defensive, und auf welchen fensive Zwecke zu verfolgen

sind ; in der geschickten Verbindung

dieser beiden Thätigkeiten liegt der Weg zum Siege. Indess entschied sich, ungeachtet der mangelhaften Kräfte-Vertheilung der Kampf im Rheinthale, wie bekannt, zu Gunsten der Oesterreicher,

während im Gebirge S. Cyr die

Oesterreicher unter

Kaim und die Sachsen unter Linth zurückdrängte . Diese Ereignisse auf dem linken Flügel veranlassten den österreichischen Feldherrn , trotz der errungenen Erfolge, am 10. Früh den Rückmarsch nach Pforzheim anzutreten, um die ihm am wichtigsten scheinende Linie und die Magazine in Heilbronn zu decken . Er gab damit die nicht geringen Vortheile aus der Hand, welche die Rokadelinie im Rheinthale besass, er trennte sich freiwillig von den am Main und nördlich davon stehenden Kräften . Uns will es jedoch bedünken , dass die Verbindungen über Pforzheim und die Magazine in Heilbronn durch den Unfall des österreichischen linken Flügels durchaus nicht wesentlich gefährdet waren, denn der Erzberzog hatte im Rheinthale auf der ganzen Linie und zwar mit der eigenen Hauptmacht gegen die Hauptmacht des Feindes, bedeutende Vortheile errungen;

es stand zu erwarten,

dass am

kommenden Tage, durch Verwendung der noch intakten und weit überlegenen österreichischen

Reiterei ,

auf einem ihr zusagenden Boden

der Sieg bis zur Niederlage Moreau's vervollständigt werde . Bestimmend ist aber stets der Haupterfolg. Demjenigen, der ihn errungen hat, fallen die Nebenerfolge als reife Früchte von selbst in den Schoos. Und so hätte nach einem Siege der Oesterreicher in der Ebene, S. Cyr, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, vernichtet zu werden, unbedingt umkehren müssen . Die Verbindungen der Oester-

" reicher waren also thatsächlich noch nicht gefährdet,

weil der auf

dem rechten Flügel schon angebahnte Sieg nur vollendet zu werden brauchte, um S. Cyr eiligst aus dem Gebirge zurückzurufen. Von der französischen , etwa 64.000 Mann starken Armee am Ober-Rhein, kamen am 9. Juli beiläufig 36.000 zur Schlacht ; die zahlreichen, in dieser Stärke wohl nicht hinreichend motivirten Detachirungen, absorbirten so namhafte Kräfte, dass für den eigentlichen Entscheidungskampf die Mittel unzureichend waren , um mit Zuversicht auf den Sieg rechnen zu können . Dass Moreau endlich dennoch Herr des Schlachtfeldes blieb,

vermag diesen strategischen Fehler nicht zu rechtfertigen ; waren die Oesterreicher doch in der Lage, am 10. zu siegen .

Und welche ver-

33

derbliche Folgen hätte ein solcher Sieg, wenn gehörig ausgenützt, für die Franzosen haben müssen . In der Zeit war Moreau allerdings insofern im Vortheile, als er dem Erzherzoge im Angriffe um einen Tag zuvor gekommen war; allein er hatte an der Zeit bis dahin schon so arg gesündigt , dass ihn dieser eine Tag , ohne glückliches Zusammentreffen günstiger Umstände, vom Verderben nicht gerettet hätte. Wir haben an einer früheren Stelle

schon bemerkt,

Zaudern Moreau's den Oesterreichern die Möglichkeit

wie das

verschaffen

konnte, mit weit überlegenen Kräften zum Kampfe zu erscheinen . Dieses scheinbar bedächtige, aber, wenn man die Verhältnisse ins Auge fasst, wie sie Moreau nicht unbekannt sein konnten , eigentlich unüberlegte Handeln , gibt auch in den drei letzten Tagen vor der Schlacht von Malsch den Oesterreichern Gelegenheit, sich für den Kampf vorzubereiten. Der Umstand,

dass

S. Cyr,

dem Moreau die Hauptaufgabe

zugedacht hatte, im Gebirge nur langsam vorwärts kam, vermag dieses sonst unbegreifliche Zögern wohl zu erklären , aber nicht zu entschuldigen. Die Zeit ist, wie uns die Geschichte der Kriege aller Epochen auf jedem ihrer Blätter in schlagendster Weise zeigt, im strategischen Calcul von unnennbarem Werthe . Diesen Werth gering schätzen, heisst sich gegen die Grund - Elemente der Kriegsführung schwer versündigen. Die für den Kampf verfügbaren französischen Streitkräfte finden wir in zwei, an Stärke wenig verschiedene Theile gegliedert. mit 18 Bataillonen war im Gebirge vorgeschoben,

S. Cyr

während der Rest

im Rheinthale operiren sollte. Moreau hatte bekanntlich die Absicht,

den linken Flügel der

Oesterreicher im Gebirge zu umgehen, zum Rückzuge zu zwingen und in dieser Weise die Strasse auf Pforzheim zu gewinnen, während sein linker Flügel

den Kampf

nur hinhalten

sollte .

Werth des Gebirges und des Punctes Pforzheim, noch geltende Satz :

Der eingebildete der zu jener Zeit

Das Zurückweichen des Feindes durch „ Ma nö-

ver" zu erreichen, beeinflusste in unrichtiger Weise die Entschlüsse des französischen Generals. Das Gewinnen gewisser Räume hat im Kriege ohne Zweifel einen bestimmten und zuweilen sogar nicht geringen Werth, aber dies nur insofern , als es sich darum handelt, für den kommenden Kampf günstige Vorbedingungen zu schaffen ; allein es bleibt dies doch nur immer ein Mittel , und kann niemals Selbstzweck sein. Der eigentlichste Zweck ist immer den Feind zu schlagen, also der Kampf und das ganze, allerdings nicht gleichgiltige Wesen der Strategie be3

34

steht darin ,

diesen Kampf vortheilhaft vorzubereiten ,

sowie den er-

kämpften Sieg ausgiebig auszunützen . Zur Zeit des Krieges, mit welchem sich diese Zeilen befassen , verwechselte man gewöhnlich Zweck und Mittel. Man trachtete den Feind zu schlagen, um in den Besitz gewisser Puncte, Linien und Räume zu gelangen . War dies durch sogenannte „ Manöver " zu erreichen gewesen, so dachte man den Zweck, Bodengewinn , durch einen solchen strategischen Sieg" errungen zu haben. Diese damals vorherrschenden Ideen erklären manches Handeln , welches sonst unbegreiflich bliebe oder als arger Verstoss betrachtet werden müsste. Moreau beabsichtigte ,

wie gesagt, den linken österreichischen Flügel anzugreifen. Wenn der Erzherzog bei Mainz und an der Lahn keine zweite Armee gehabt hätte, dann wäre wohl der Gedanke , die Oesterreicher durch ein Zurückdrücken ihres linken Flügels von der Donau abzudrängen, ganz richtig gewesen. Wie die Verhältnisse wirklich standen

und diese waren Moreau gewiss auch nicht fremd - scheint

es uns durchaus nicht glücklich gedacht, die Oesterreicher gerade dorthin drücken zu wollen, wo sie den namhaftesten Kraftzuwachs fanden. Bei der geringen Zahl der französischen Streitkräfte,

dem des-

halb zweifelhaften Ausgange des Kampfes und der dadurch bedingten grösseren Rücksicht auf die eigene Sicherheit, hätte Moreau seine Kräfte im Rheinthale beisammenhalten , den österreichischen rechten Flügel mit ganzer Kraft angreifen , im Gebirge aber blos, zur Sicherung der Flanke, das Defilé von Gernsbach durch eine

schwache Brigade

besetzen sollen . Es ist wahr, Moreau blieb trotz alldem Sieger und Herr seiner weiteren Entschlüsse. Dies vermag aber die Ansichten, welche wir ausgesprochen haben, nicht zu erschüttern . Eine Kritik, welche didaktischen Zwecken nützen soll, kann bei sorgfältigster Erwägung aller Umstände ihren absoluten Standpunet nicht verlassen, soll sie darthun. wie unter gegebenen Verhältnissen zu handeln ist. Von diesem Gesichtspuncte aus mögen diese Betrachtungen aufgefasst werden . Eine für Moreau glückliche Constellation

verschaffte

diesem

General bei Malsch den Erfolg und die naturgemässen Consequenzen desselben . Ob dieser Erfolg erreicht worden wäre, wenn der österrei chische Feldherr einen grossen Theil der bei Mainz unthätig gestandenen Kräfte auf das Schlachtfeld gebracht hätte, ja wenn nur weniger für seine Magazine am Neckar besorgt gewesen wäre ? Wir möchten diese Frage entschieden verneinen .

35

VI. Betrachtungen über die Ereignisse auf dem nördlichen Theile des Kriegsschauplatzes vom 28. Juni bis

24. Juli .

Zweite Vorrückung

der Sambre-

und Maas -Armee bis in die Gegend von Würzburg. Die Sambre- und Maas-Armee , welche nach dem Treffen von Wetzlar auf das linke Rheinufer zurückgegangen war, hatte im Allgemeinen dieselbe Aufstellung bezogen, die sie vor dem Beginne ihrer ersten Vorrückung über den Rhein , nach vollendeter Linksziehung inne hatte. Die Divisionen Lefebvre und Collaud unter Kleber, standen im verschanzten Lager von Düsseldorf, Bonard und Grenier bei Köln , Bernadotte und Championnet bei Koblenz, Poncet und Marceau, wie vorher an der Nahe zur Beobachtung von Mainz . Ihnen gegenüber nahmen die 36.000 Mann unter F. Z. M. Wartensleben eine Aufstellung ein, die man in jeder Beziehung als eine schlechte bezeichnen muss. Die Aufgabe Wartensleben's war der Wesenheit nach, Zeit zu gewinnen . Die ihm unterstellte Kraft wurde indessen , wie bereits besprochen, im Hinblicke auf diesen Zweck und auf das Gesammtziel der Operationen nicht richtig bemessen , denn sie war , wie ebenfalls erwähnt, zur blossen Beobachtung viel zu stark, zu einer wirksamen Vertheidigung gegen Jourdan dagegen zu schwach. Trotz dieses Factums kann doch andererseits nicht unerwähnt bleiben, dass Wartensleben immerhin auf partielle Erfolge rechnen konnte und diese zu erreichen auch bestrebt sein musste , um eben Zeit zu gewinnen . Zu diesem Resultate konnte der österreichische General nun aber sicher nicht gelangen,

wenn er die ohnehin

relativ geringe Kraft

durch eine geradezu unverantwortliche Zersplitterung total lahmlegte und seine Armee bis zu einem Grade völliger Ohnmacht verzettelte . Nachdem der Rhein die feindliche Front markirte , Uebergänge südlich Bonn nur bei Neuwied zu erwarten waren , so musste Wartensleben die grösste

Zahl seiner

Streitkräfte

in

einer Central-

Stellung beisammenhalten und diese derart wählen, dass er, wo möglich, nur gegen Theile des Feindes, sei es beim Uebergange desselben über den Rhein,

oder über die Sieg in den Kampf komme.

Hiezu

wäre nun wohl eine Aufstellung bei Altenkirchen ganz geeignet gewesen, niemals durfte aber, wie es geschah, eine solche bei Neukirch genommen werden , denn diese lag bei dem in Betracht kommenden Angriffsraume am weitesten gegen Osten ,

äusserte somit gar keine.

Wirkung gegen die zu beobachtende Rheinstrecke, sondern nur gegen die Uebergänge der oberen Sieg.

Sie war rein defensiver Natur, mit 3*

36 ganz einseitigem Zwecke, entsprach also umsoweniger den thatsächlichen Forderungen der Situation , als die daselbst vereinten Streitkräfte , 9000 Mann Infanterie und 3000 Reiter, also kaum ein Drittheil der Nieder- Rhein -Armee betragend, zu bedeutenden Erfolgen auch völlig unzureichend gewesen wären . Während die Gegend von Neuwied entschieden die meiste Bedeutung hatte, da eine von dort aus erfolgende Offensive die Oesterreicher der Gefahr aussetzte, in eine östliche Richtung geworfen, von der Donau und von den Streitkräften des Erzherzogs getrennt zu werden, war in der österreichischen Aufstellung der Schwerpunct auf den äussersten rechten Flügel verlegt worden . Dieser Aufstellung fehlte weiters der offensive Charakter , weil sie von den wahrscheinlichen Angriffsrichtungen des Feindes zu entfernt war, um partielle Erfolge über die etwa noch getrennten Abtheilungen des Gegners zu erringen, oder den Kampf unter günstigen Umständen beim Ueberschreiten des Rheins oder der Sieg aufzunehmen ; streng genommen war sie aber auch zu rein defensiven Zwecken nicht gut gewählt ,

denn der Feind konnte sie anstandslos in der

Richtung auf Limburg umgehen ,

und dadurch die Flanke und den

Rücken der Aufstellung gefährden. Wollten die Oesterreicher nun wirklich jeden grösseren Kampf vermeiden, so wäre für diesen Zweck eine Centralstellung zwischen Montabaur und Limburg zu empfehlen gewesen. Dort vermochten sie den wichtigen Posten Neuwied bald zu unterstützen , und sicherten gleichzeitig ihren Rückzug über die Streitkräfte des Erzherzogs .

Limburg nach Frankfurt und auf Die Beobachtung in erster Linie

konnten schwache Abtheilungen, besorgen .

meist der Reitertruppe entnommen,

Bei der eben besprochenen strategischen Aufstellung der NiederRhein -Arme ist leicht zu begreifen , ihrer zweiten Vorrückung ,

wieso die Franzosen ,

auch bei

an keiner Stelle besonderen Widerstand

fanden, und wie demgemäss der Rückzug der Oesterreicher hinter die Lahn so rasch erfolgte . Die Aufstellung der Oesterreicher hinter der Lahn war wo mōglich noch schlechter, als jene, welche sie zwischen diesem Flusse und der Sieg innegehabt hatten . Wiewohl sie jeden Augenblick des Angriffes gewärtig sein mussten, zersplitterten sie ihre Kraft auf einem zwölf Meilen langen Cordon von Giessen bis Ober- Lahnstein ; bei nur einiger Entschiedenheit auf Seite des Gegners mussten aus einer derartigen Zerlegung der Kräfte die traurigsten Folgen hervorgehen. Der Gegner war aber nicht minder ausgedehnt, und beschränkte sich am 7. Juli darauf,

37 die österreichischen Vortruppen vom rechten auf das linke Ufer zurückzuwerfen . Als jedoch an diesem Tage die Brücke von Runkel von der Brigade Delmas der Division Championnet genommen . wurde, scheint dem österreichischen General das Bedenkliche der Lage klar geworden, und er dadurch zur Ueberzeugung gelangt zu sein, unter solchen Umständen an einen

dass

ernsten Kampf nicht zu denken

sei, sondern vor Allem die Sammlung der Kräfte stattfinden müsse . Er trat sonach noch am 7. Juli und in der Nacht zum 8. den Rückzug an, dabei vom Feinde nur wenig belästigt. Die Operationen der Franzosen vom Zeitpuncte des Rheinüberganges bis zum Anlangen in der Gegend von Frankfurt waren gleichfalls nichts weniger als musterhaft. Jourdan's Aufgabe war : Wartensleben vom Erzherzog abzudrängen .

Er musste somit, um auch des taktischen Erfolges sicher

zu sein, trachten,

mit

concentrirter Kraft die Rückzugslinie

seines

Gegners in einer Weise zu gewinnen , damit dieser in eine mehr östliche Richtung gedrängt werden könne . Das Benehmen der Oesterreicher begünstigte ihn dabei ganz wesentlich allein Jourdan war von dem Geiste seiner Aufgabe nicht erfüllt. Er dachte nur immer an das Zurückdrücken des Feindes, beachtete nicht die Wichtigkeit und Empfindlichkeit der linken Flanke der Oesterreicher und bewegte sich langsam, in einer ungefähr sechs Meilen breiten Front zur Lahn und von diesem Flusse zum Main . Das Treffen bei Friedberg am 11. Juli hatte österreichischerseits keinen Zweck. Wartensleben schlug sich unter strategisch und taktisch gleich ungünstigen Verhältnissen,

weil ihm vom Erz-

herzog der Befehl zugekommen war , das rechte Mainufer nicht zu verlassen.

Die Ueberlegenheit seines Gegners ,

die Gefahr für den

weiteren Rückzug , nachdem Homburg vom Feinde bereits besetzt war, und endlich die Trennung von der Colonne Werneck's waren genügende Motive, fertiget hätten .

welche die Nichtbefolgung

des Befehles gerecht-

Auf Seite der Franzosen müssen wir den Angriff Kleber's als einen strategischen Fehler bezeichnen . Die Aufgabe Jourdan's erheischte das Zurückdrängen des linken österreichischen Flügels und dessen Abdrängung von der Strasse nach Frankfurt, als der kürzesten Dazu war es aber vortheilhaft, Verbindung mit dem Erzherzog. wenn der österreichische rechte Flügel lange in der vorwärts gelegenen Gegend verweilte, weil den Franzosen dann der Schachzug gegen den linken um so sicherer gelingen musste ; ja es wäre sogar nützlich gewesen, den rechten Flügel durch Demonstrationen zu fesseln , wel-

33 chem Unternehmen Wartensleben's Absicht zu kämpfen, auf halbem Weg entgegenkam. Drängen durfte man aber nur den linken Flügel: es wäre deshalb die Bewegung eines Theiles der Colonne Kleber's in der Richtung auf Homburg weit zweckmässiger gewesen . Bei diesem Anlasse wollen wir überhaupt daran erinnern , dass nach den Bestimmungen des Directoriums , Jourdan's Armee als die nördliche Gruppe der zu concentrischem Angriffe

vorrückenden.

französischen Kräfte nur im Grossen und Ganzen den rechten Flügel der Oesterreicher angreifen sollte, während Moreau in ähnlicher Weise. gegen den linken zu wirken hatte.

Dies war aber keineswegs buchstäblich aufzufassen , wie Jourdan dies gethan zu haben scheint. Der rechte Flügel , den das Directorium meinte, war das ganze Corps von Wartensleben , in seiner Gesammtheit, und wo immer, d. h. welchen Theil der Front derselben. immerhin er angriff, stets griff er den rechten Flügel der österreichischen Gesammtarmee an . Die Zwecke der beiderseitigen Gegner lagen ja ganz klar vor Augen.

Beide hatten im Grossen die ausgesprochene Absicht , ihre

eigenen Kräfte zu vereinigen, dagegen den Feind in seiner Trennung zu erhalten . Die Lage der Kräftegruppen auf dem Kriegstheater war derart , dass man nicht zweifeln konnte,

die inneren Flügel der getrennten

Armee seien die empfindlichen . Im Gegensatzę dazu war Jourdan von Anbeginn unablässig bemüht, den rechten Flügel Wartensleben's zu drücken ,

eine Richtung der Angriffsbewegung ,

wider seinen Willen konnte.

die diesen selbst

zur Vereinigung mit dem Erzherzog treiben

Diesen argen strategischen Fehler mag Jourdan begangen haben, weil er die Instruction des Directoriums

allzu buchstäblich befolgen

wollte, weil er durch diesen beständigen Druck auf den österreichischen rechten Flügel

jedes entscheidende . Gefecht zu vermeiden hoffte, was

unmöglich gewesen wäre ,

wenn er den empfindlichen linken Flügel

gedrängt hätte, endlich, weil er dadurch Wartensleben Besorgnisse für seine Verbindungen einzuflössen und ihn auf diese Weise strategisch zurück zu manövriren glaubte . Alle diese Gründe, welche die Handlungsweise des französischen Obergenerals bestimmt haben mögen, entlasten ihn nur wenig . Strategische Manöver" können niemals Selbstzweek, sondern nur das Mittel zur Erreichung vortheilhafter Kampfbedingungen sein. Man könnte sich mit dem Verfahren Jourdan's einigermaassen befreunden, wenn dieser Druck auf den feindlichen rechten Flügel nur vorübergehend als Mittel geübt worden wäre , um damit den tak-

39 tischen Schlag gut vorzubereiten.

Jourdan benützte aber selbst die

sich ihm bietenden günstigen Gelegenheiten zum Schlagen nicht in einer ausgiebigen, richtigen , entscheidenden Weise. Dass er dies z. B. an der Lahn versäumte, zeigt unzweifelhaft, dass ihm der beanständete Druck in der falschen Richtung nicht als das eben concedirte Mittel diente, sondern, dass er strategische Erfolge in einer Richtung suchte , wo sie im Grunde nicht zu finden waren, dass sein Blick für die grossen Verhältnisse getrübt, seiner Aufgabe nicht gewachsen war.

dass er

Die concentrirte Aufstellung der Oesterreicher hinter dem Main und der Besitz der Brückenköpfe von Castel und Frankfurt , hemmten bekanntlich die weiteren Fortschritte Jourdan's . Als aber der Erzherzog im Rückzuge gegen die Donau den oberen Neckar erreicht hatte, war das Festhalten der Mainlinie nicht mehr nöthig. Wie bekannt, erfolgte nunmehr auch sehr rasch die Capitulation Frankfurt's und der Rückmarsch des Corps Wartensleben nach Würzburg . Dass dieser Rückmarsch so früh begonnen und so schleunig durchgeführt wurde, war die erste zweckmässige Maassregel Wartensleben's . Er erreichte ungestört den Punct Würzburg, dessen Besitz ihm Bewegungsfreiheit nach allen Richtungen gewährte, das Festhalten der Verbindungen zur Donau über Kitzingen und Ochsenfurt sowie jener nach Böhmen ermöglichte und ihm erlaubte, den Gegner, im Falle dieser es versuchen wollte, über Schweinfurt vorzudringen, in der Flanke anzufallen. Dem französischen Obergeneral standen für die weitere Vorrückung aus der Gegend von Frankfurt drei Wege offen : durch den Spessart, über Aschaffenburg und Lengfurth und über Aschaffenburg, Miltenberg und Bischofsheim. Bei der ausgesprochenen Nothwendigkeit, die Vereinigung der Heeresgruppe unter Wartensleben und der Hauptgruppe an der Donau hintanzuhalten, war für Jourdan jene Operationslinie am zweckmässigsten,

die ihn in kürzester Zeit zum Angriffe

auf War-

tensleben's linken Flügel führte, und ihm doch die Verbindung mit seinen zurückgelassenen Detachements sicherte, auf welche er sich im Falle des Bedarfes zurückziehen, oder die er je nach Umständen ganz oder zum Theile heranziehen musste. Durch die Wahl dieser Operations -Linie sollte es also dem Gegner auch unmöglich gemacht werden, im Falle er die Offensive ergriff, die Sambre- und MaasArmee an ihrem rechten Flügel zu fassen und dieselbe von den zurückgelassenen namhaften Detachements ab- und nordwärts zu drängen .

40 Die Operationslinie, welche Jourdan einschlug , die Linie durch den Spessart, entsprach in keiner Weise den eben berührten Forderungen. Sie war mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten , welche aus der Beschaffenheit des betretenen Landstriches entstanden, in der Zeit die längste , sie machte es möglich, dass die Vereinigung des Erzherzogs und Wartensleben's jederzeit stattfinden

konnte,

ja man

drängte auf diese Weise Wartensleben gegen die Donau, von welcher er eben abgehalten werden sollte ; endlich erzeugte die Operation auf der von Jourdan gewählten nördlichen Linie, eine Situation, die es den Oesterreichern nahe legte, im gegebenen Augenblicke die innere Linie zwischen der Operationsarmee Jourdan's und den unter Marceau am Rhein zurückgebliebenen drei Divisionen zu gewinnen. Von den beiden anderen Linien verdiente jene über Miltenberg südlich des Main unbedingt den Vorzug. Dort war weder der Spessart zu durchziehen, noch der Main zu überschreiten, auf ihr war, bei gleichzeitiger bester Deckung der Verbindung mit Marceau, die Trennung der österreichischen Heeresgruppen zu erhalten . Die Vortheile einer Vereinigung der beiden französischen Armeen , oder doch wenigstens eine derartige Annäherung, dass der Erzherzog mit der Hauptkraft es nie mit einer allein zu thun haben konnte, scheinen aber Jourdan niemals klar gewesen zu sein . Die der Bewegung Jourdan's aus der Gegend von Frankfurt gegebene fehlerhafte Richtung hatte einen neuen Fehler zur unmittelbaren Folge, die Detachirung der Division Bernadotte über Miltenberg. Zu dieser Maassregel mag Jourdan theils durch den Wunsch veranlasst worden sein, Wartensleben Besorgnisse für seine Verbindung mit der Donau einzuflössen, und ihn dadurch, ohne Kampf. zum weiteren Rückzuge zu bewegen, sich selbst dagegen das Debouchiren aus dem Spessart zu erleichtern , theils mag ihn

dabei die

Sorge für die Verbindung mit Marceau geleitet haben , welche durch die Bewegung auf der nördlichen Linie einigermaassen blossgestellt war. Alle diese Ziele wären aber durch die Vorrückung der ganzen

Armee auf der Operationslinie südlich des Main am einfachsten und sichersten zu erreichen gewesen , während die Abtrennung eines Fünftheiles der Armee, und dessen Bewegung auf einer Linie, welche sich erst bei Würzburg mit der von Jourdan eingeschlagenen vereinigte . bis dahin aber in keiner Verbindung mit dieser stand , die ohnehin schon wesentlich reducirte Armee in einer ganz bedenklichen Weise schwächte.

41 Bei Würzburg standen die Oesterreicher auf einem Puncte, der ihnen volle Freiheit für die Wahl der ferneren Operationen bot : concentrirt, wie sie es noch nie früher waren ; ihnen gegenüber die Franzosen getheilt.

Die anfängliche Ueberlegenheit der Franzosen hatte

sich auf ein sehr bescheidenes Maass herabgemindert. Wenn dieser Umstand aber Wartensleben selbst unbekannt war, konnte er doch aus guten Gründen hoffen , bei der momentanen strategischen Lage, relativ stärker auftreten zu können . Seine Rückzugslinie ging über Nürnberg an die Donau nach Regensburg, sie war ganz ungefährdet , da Bernadotte, selbst wenn die am 22. Juli Abends erhaltene Nachricht von der Anwesenheit der Colonne dieses Generals bei Miltenberg richtig gewesen wäre, doch noch viel zu weit entfernt war,

um ein-

zugreifen. Am 21. Abends standen die österreichischen Vortruppen noch an der Tauber, vier Meilen von Würzburg, ohne bestimmte. Nachricht von der Annäherung der Colonne Bernadotte's, die in der That Würzburg erst am 30. Juli erreichte. Die Rückzugslinie der Franzosen hingegen führte , hinter ihrem rechten Flügel , beinahe in dessen Verlängerung durch den rauhen , defilé -reichen, ressourcen -armen Spessart . War dieser Landstrich so beschwerlich, dass Jourdan zu dessen Durchzug auf dem Vormarsche ohne auch nur den geringsten Widerstand zu finden sechs Tage gebraucht hatte , wie verderblich konnten dann diese Defiléen einer geschlagenen Armee auf dem Rückzuge , werden .

bei

lebhafter Verfolgung

Die Gelegenheit, mit Vortheil zu schlagen, war sonach für Wartensleben in jeder Beziehung vorhanden . Eine solche günstige Gelegenheit aber unbenützt verstreichen

zu lassen ,

den Rückzug

ohne

ausreichenden Grund fortzusetzen , ungeachtet des vom Erzherzog erhaltenen Befehles : „ bei Würzburg so lange als möglich zu halten ,

den

Rückzug nicht zu übereilen, damit Jourdan keinen Vorsprung gewinne,

wodurch er der rechten

Flanke der Hauptarmee gefährlich

werden könnte, " dies alles sind wahrlich arge strategische Fehler. Wartensleben hatte zwar beschlossen am 23. in drei Colonnen Jourdan anzugreifen , allein als er am 22. Abends durch einen Deserteur die Nachricht erhalten hatte, dass die Division Bernadotte am 20. unweit Miltenberg eingetroffen sei und gegen die Tauber rücke, wurde Kriegsrath gehalten , der Angriff aufgegeben und der Rückzug beschlossen. Es ist bekannt, dass jene Nachricht unrichtig war , da Bernadotte am 21. noch in der Gegend von Aschaffenburg stand. Nachdem übrigens die österreichischen Posten an der Tauber am 21. Abends. den Feind noch nicht zu Gesicht bekommen hatten ,

so war derselbe

42 jedenfalls noch so weit, dass er für den 23. und 24. weiter nicht in Betracht zu ziehen kam. Bis dahin aber konnte Jourdan geschlagen sein. Mit der Art und Weise, wie Wartensleben am 23. Juli anzugreifen die Absicht hatte, können wir uns nicht einverstanden erklären ; es sei uns demnach gestattet die Frage zu beantworten , in welcher Richtung dieser Angriff auszuführen gewesen wäre . In der französischen Sambre- und Maas-Armee lassen sich zu jener Zeit drei Gruppen unterscheiden .

Die Hauptmasse der Opera-

tionsarmee unter Jourdan's unmittelbarer Führung, in der langen Linie hinter der Wern, von Schweinfurt his Carlstadt, die Division Bernadotte auf dem linken Mainufer in der Gegend von Aschaffenburg, endlich die drei Divisionen, etwa 28.000 Mann, unter Marceau und Poneet bei Mainz und Ehrenbreitstein. Diese letztgenannte Gruppe muss hier um so mehr in Betracht kommen,

als sie den Ersatz

der

mangelnden passiven Mittel auf der Operationslinie repräsentirte und ja wieder zur Operationsarmee stossen musste, sobald sie vor den Plätzen entbehrlich wurde, oder falls Jourdan in die Lage kam, hinter deren Bereich zurückweichen zu müssen . In der Gruppirung der französischen Kraft fand sich also ein Verhältniss, welches zum Durchbruche geradezu aufforderte, worunter jedoch nicht ein Durchbruch der hinter der Wern stehenden Hauptkraft verstanden werden soll, denn diese hätte sich auf ihre Mitte in einem kleinen Marsche vereinigen können ; sondern ein Durchbruch der Gesammtmacht Jourdan's derart, dass die Hauptkraft durch einen kraftvollen Stoss gegen ihren rechten inneren Flügel von Bernadotte und den strategischen Reserven, als welche man Marceau's und Poncet's Streitkräfte ansehen kann, ab und in eine mehr nördliche Richtung gedrängt werde. Gelang dieser Angriff, woran bei der Zahl der Streitkräfte und ihrer Vertheilung kaum gezweifelt werden kann, da die französischen Divisionen nur nach und nach eintreffen und eben so einzeln geschlagen werden konnten (Lefebvre hätte sogar vier Meilen bis auf das efechtsfeld zu marschiren gehabt),

so stand Wartensleben zwi-

schen den getrennten Theilen der Sambre- und Maas-Armee, er konnte den erkämpften ersten Erfolg gegen die Theile in ausgiebigster Weise ausnützen und dem Hauptcorps bei dem Rückzuge durch den Spessart empfindliche Verlegenheiten bereiten . Nach gelungenem Schlage hätte selbstverständlich ein beträchtlicher Theil der Streitkräfte Wartensleben's in Eilmärschen an die Donau zur Vereinigung mit dem Erzherzog abrücken müssen.

43 Die in diesem Abschnitte

besprochenen Ereignisse geben ein

wenig erbauliches Bild von den strategischen Fähigkeiten der beiden einander gegenübergestandenen Gegner. Der Erzherzog sagt hierüber in der Beschreibung dieses Feldzuges eben so wahr als treffend : ,,Nicht jeder, der an der Spitze einer Armee steht, verdient den Namen eines Feldherrn . Mehreren ist die Wissenschaft des Krieges fremd, wenn sie gleich die Grundsätze der Kriegskunst besitzen . Ihre Geisteskräfte erlauben ihnen den Ueberblick des Krieges im Ganzen nicht. Sie werden blos durch taktische Beweggründe, also nur durch beschränkte augenblickliche Ansichten geleitet : nur diese bestimmen . ihre Bewegungen, ohne Plan für die Zukunft und für ihr endliches Ziel. Sie erwarten nach dem ersten Schritte eine Veranlassung zum zweiten, und hoffen durch mehrere nach einander folgende irgend ein Resultat zu erreichen, unbewusst , welches und auf welchem Wege !"

VII. Die Operationen des Erzherzogs vom Neckar bis

hinter die Donau .

Nach dreitägigem Aufenthalte bei Pforzheim brach der Erzherzog am 14. Juli auf und legte die etwa sechs Meilen betragende Strecke bis zum Neckar in der Gegend von Canstadt ,

zögernd gefolgt vom

Gegner, langsam in sechs Tagen zurück. Vom 19. bis zum 22. Juli Abends, in welche Zeit die Gefechte bei Canstadt und Esslingen fallen, verweilt die österreichische Armee in ihrer Aufstellung am Neckar, welcher Umstand sich wohl aus dem Bedürfnisse erklärt, den Einklang mit den Bewegungen der NiederRhein-Armee herzustellen. Hatte der Erzherzog früher, da er befürchtete , durch einen Stoss Jourdan's über den Main in südlicher Richtung seine Verbindungen bedroht zu sehen, den Wunsch geäussert, Jourdan noch vom Main abzuhalten , so musste der Erzherzog nun durch ein kurzes Verweilen am Neckar Wartensleben Zeit geben, sich ihm zu nähern . Das Erscheinen der französischen Abtheilungen vor seiner Front , hauptsächlich jedoch die Ungewissheit über die südlich des Main sich bewegende Colonne (Bernadotte) und die Lage der Dinge bei Wartensleben, der keine Anstalten traf, die Bewegungen Jourdan's zu erfahren und zur Kenntniss des Erzherzogs zu bringen, bewogen letzteren den Rückzug gegen die Donau fortzusetzen. Wenn man das Kraftverhältniss ins Auge fasst, wird man dieser Maassregel des österreichischen Feldherrn die volle Zustimmung nicht versagen können. Am 21. und 22. Juli erfolgte der Abfall des schwäbischen und sächsischen Kreis - Contingentes , wodurch die österreichische Armee um mehr als 10.000 Mann geschwächt wurde. Dass unter

41 solchen Umständen an einen erfolgreichen Widerstand oder gar an eine offensive Umkehr nicht zu denken war, ist wohl einleuchtend. Auf den 11. August fällt die Schlacht bei Neresheim. Der Erzherzog gibt dafür als Beweggrund an : die Wegschaffung der an der Donau bei Günzburg befindlichen Magazine und das Bestreben sich den weiteren Rückzug zu erleichtern . Zur Aufnahme eines grossen Kampfes sind jedoch immer Motive höherer Ordnung nöthig ; man nimmt keine Schlacht an, einzig zu dem Zwecke um sich zurückzuziehen , sondern nur , wenn man zu hoffen berechtigt ist, dem Kriege eine Wendung zum Besseren zu geben . Eben durch diese Schlacht konnte aber bei einer grösseren und ent. sprechender angeordneten Thätigkeit der Franzosen

der Rückzug der

österreichischen Armee erst vollends gefährdet , sohin eine gerade gegentheilige Wirkung erreicht werden ; wo aber eine solche Gefahr besteht, wo so grosse Fragen auf dem Spiele stehen , ist der Besitz oder Verlust eines Magazins Nebensache, umsomehr in einem reichen . Lande , in welchem

eine Armee von der geringen Stärke derjenigen,

welche der Erzherzog

in Person befehligte, vorübergehend auch ohne

Magazine vom Lande allein zu leben vermag . Ein Motiv zur Annahme der Schlacht hätte allenfalls

in den

Blössen liegen können , die sich Moreau durch seine Zersplitterung gab, allein der Erzherzog war selbst zu Fehlern seines

sehr getheilt,

Gegners besonderen Nutzen

ziehen

um aus den

zu können .

Die

eigenen Worte des Erzherzogs lauten hierüber folgendermaassen : „Der Erzherzog wagte zu viel, mehrere Tage in einer so ausgedehnten gefährlichen Stellung zuzubringen und seinen Gegner an sich kommen zu lassen. Die Wegschaffung der an der Donau befindlichen Magazine war keine hinreichende Ursache, um sich unter so ungünstigen Verhältnissen dem Verluste einer Schlacht auszusetzen . Er erkannte wohl die nachtheilige Lage, in die spätung gesetzt hatte, als Moreau so

er sich durch seine Ver-

nahe an der Stellung

seines

Centrums war ; aber ein Rückzug in Gegenwart des Feindes schien ihm nicht weniger gefährlich. „Er entschloss sich daher, die französische Armee anzugreifen , und sie wo möglich zurückzuwerfen , damit er sodann ungestört fortmarschiren und sich desto geschwinder mit Warten sleben vereinigen könne ; auch versprach er sich kein anderes Resultat von einem Siege , denn Jourdan war mittlerweile schon so weit vorgerückt, dass der Erzherzog den Vereinigungsplan ganz verfehlt haben würde , wenn er seinen Gegner nach einer gewonnenen Schlacht verfolgte. " Mit dem Uebergange des Erzherzogs über die Donau am 13. August tritt der Feldzug in eine neue Phase. Boten die bisherigen Ereig-

45 nisse dem jungen österreichischen Ober-Commandanten wenig Gelegen heit, sein strategisches Talent zu zeigen, so sollte er alsbald untrügliche Beweise jenes Feldherrnblickes , und jener Thatkraft liefern, die ihn nicht blos hoch

über

seine augenblicklich gegenüberstehenden

Gegner erhoben, sondern ihn auch dem grössten Schlachtengewinner aller Zeiten als gefährlichen Rivalen gegenüberstellten . Die Herbstsonne des Jahres 1796 leuchtete dem jungen Erzherzog bei seinen Siegen in Deutschland wie dem 27jährigen Bonaparte in Italien. Die beiden Feldherren, die sich später auf den Schlachtfeldern von Aspern und Wagram treffen und messen sollten , lenkten zum ersten Male die Blicke der ganzen Welt auf sich . Die Grundidee des Erzherzogs war stets die gewesen , im Verlaufe des Rückzuges mit den Streitkräften Wartensleben's , oder doch mit dem grössten Theile derselben vereint, entscheidende Schläge gegen die getrennten Theile der Franzosen zu führen. Mit diesem leitenden Gedanken scheint der Donau-Uebergang des Erzherzogs in scharfem Widerspruche zu stehen, indem die Oesterreicher die bisher festgehaltene innere Linie den Franzosen überlassend, eine äussere betreten. Es soll daher in den folgenden Betrachtungen versucht werden, die mit diesem Vorgehen in Beziehung stehenden Ursachen und deren Wirkungen zu erläutern . Die Rückzugslinie der Streitkräfte Wartensleben's sollte, behufs einer Vereinigung darüber bedarf es wohl keines Beweises, an die Donau führen, und sie war diesem General auch wirklich in der Richtung über Nürnberg auf Regensburg vorgezeichnet worden . Wartensleben ging jedoch, als er am 23. Juli die Gegend von Würzburg verlassen hatte, eigenthümlicher Weise excentrisch auf Zeil zurück : damit war aber die Hoffnung auf Vereinigung wieder in die Ferne gerückt, ja es lag, bei dem Umstande, als Wartensleben fortwährend seinem rechten Flügel bedeutende Sorgfalt zuwandte, während Jourdan nun auch gegen den linken österreichischen Flügel seine Aufmerksamkeit richtete, die Gefahr nahe, dass die Operationslinien der Franzosen aus doppelten äusseren doppelte in nere werden würden, damit war aber auch die Möglichkeit für immer geschwunden, die französischen Armeen einzeln zu schlagen. Der Plan des Erzherzogs drohte somit durch die fehlerhaften Maassregeln seines Unterbefehlshabers unausführbar zu werden. In einer solchen Lage musste der Erzherzog Mittel ersinnen , um die Gefahr zu beschwören, denn vereinigten sich die beiden feindlichen Armeen oder traten dieselben in zu nahe Beziehungen zu einander,

so war

bei ihrer numerischen Ueberlegenheit ein günstiges Resultat kaum mehr zu erwarten ; der Erzherzog musste daran

denken, durch die

46 strategische Anlage seiner weiteren Operationen wieder ein günstiges Verhältniss zu schaffen . Das hiefür geeignete, wenn auch drastische Mittel war der Uebergang auf das rechte Donauufer bei Donauwörth und es zeigt

sich

bezüglich dieses so folgenschweren Entschlusses das strategische Talent des Erzherzogs im schönsten Lichte. Die strategischen Vortheile, welche derselbe davon erwartet haben mag, waren : 1.

Moreau über die

Donau nachzuziehen, ihn dadurch von

Jourdan, welcher ihm schon sehr nahe stand, durch den Fluss räumlich und auch in der Zeit wieder mehr zu entfernen , denselben mithin von der inneren abermals auf die äussere Linie zu leiten . 2. Indem er die Donau zwischen sich und seinen Gegner brachte, günstige Bedingungen für den Kampf zu finden und

zwar, sowohl

wenn ihm der Gegner folgte, als auch wenn letzterer sich beikommen liess , an der Aufstellung des Erzherzogs vorbeizugehen. 3. Sich seinen eigenen Verstärkungen zu nähern, die theils aus dem Innern der Monarchie eintrafen, theils unter Fröhlich und Condé die Donau erreichten . 4. Durch die Donau gedeckt, rasch einen stromabwärtigen Uebergang zu gewinnen und von dort in Beziehung zu Wartensleben zu treten. Die Thatsachen zeigen,

dass der Erzherzog

sich in seinen Be-

rechnungen nicht täuschte. Der erste und schwerwiegendste der erreichten Erfolge war das Nachrücken Moreau's über die Donau , wodurch derselbe in der That von Jourdan sich so sehr entfernte, dass eine wechselseitige Unterstützung dieser beiden Generale vorderhand nicht mehr möglich und dem Erzherzog das Mittel geboten war , die späteren , in ihrem strategischen Grundgedanken schon jetzt vorhergesehenen Operationen

faktisch

auszuführen. Der zweite Erfolg

bestand darin, dass der Erzherzog nunmehr auch wirklich ungehindert sich mit Wartensleben vereinigen konnte. Fürwahr kein geringer Erfolg, denn das Schicksal des ganzen Feldzuges hing davon ab. War der Entschluss des Erzherzogs zum Rückzuge hinter die Donau, in den Verhältnissen begründet. vollkommen richtig, so war es nicht minder die Wahl des Punctes, an welchem der Uebergang ausgeführt wurde . Die Donau, welche den Kriegsschauplatz, selben nach der Richtung der Operationen durchziehend , in Abschnitte zerlegt, äusserte in diesem Feldzuge eine besonders tief eingreifende Wirkung. Betrachtet man in dem hydrographischen Netze des Kriegsschauplatzes die vier bedeutendsten Wasserlinien : Rhein, Donau, Neckar

47 und Main , in

ihren strategischen Beziehungen zu einander, so wird

man an der Donau drei Abschnitte zu unterscheiden vermögen. Der oberste Theil bis Ulm ist dem Rhein am nächsten gelegen und steht daher in innigen Beziehungen zu diesem Strome, bezüglich zu Operationen, die von demselben ausgehend, das Donau-Thal directe zu erreichen streben .

Die Donau-Strecke östlich Ulm erreicht eine Operation vom Neckar in der kürzesten Zeit, sie tritt also vermöge ihrer Lage in engere Beziehungen zum Neckar ; der östlichste Theil endlich, die Gegend Ingolstadt - Regensburg, nähert sich dem Main und wird sonach mit. diesem Flusse in enger, mit dem Neckar nur noch in geringer Wechselbeziehung stehen. Werden die Beziehungen des Neckar zur erwähnten Fluss - Strecke , die Laufrichtung der Donau und das Communications - Netz in Betracht gezogen, so ist ersichtlich, dass die kürzesten und besten Bewegungslinien, mit Umgehung der defilé-reichen rauhen Alp, in der Einsenkung zwischen dieser und dem fränkischen Jura an der Wörnitz die Donau bei Donauwörth erreichen , von wo aus dieser Fluss in seinem Laufe wieder eine mehr östliche Richtung annimmt . Es ist wohl begreiflich, dass alle diese Wechselbeziehungen erst durch die Kriegsbegebenheiten selbst eine bestimmte Gestalt annehmen : zweifellos ist es aber, dass sobald der Erzherzog den Neckar erreicht hatte und aus der Aufstellung an diesem Flusse die Donau gewinnen. wollte, er die Strecke Ulm- Donauwörth, als die für ihn bedeutungsvollste ansah, denn sie lag ihm nicht nur am nächsten, sondern verdiente auch vor der oberen Donaustrecke, mit Rücksicht auf den Kampf und das Bestreben, für denselben günstige Bedingungen zu schaffen, ganz unbedingt den Vorzug. Diese Bedingungen bestehen sowohl in der Möglichkeit mit allen Waffen und mit ganzer Macht, also bei Ausnutzung aller Kraft- Factoren den Gegner zu bekämpfen, während des letzteren Streitmittel nur allmälich zur Geltung kommen können , wie auch in den Beziehungen der Truppen - Aufstellungen zu den eigenen und feindlichen Verbindungen. Die ersterwähnte Forderung betreffend, lagen auf Seite des Erzherzogs die günstigsten Kampfoedingungen, sobald er hinter die Donau gegangen war, in der Möglichkeit, den Gegner entweder beim Uebergange anzugreifen,

oder denselben im Falle er, an der Fronte der

österreichischen Aufstellung vorbeigehend, die Operationen fortsetzte, in der Flanke anzufallen . Dazu bot aber die Donau abwärts Ulm weit mehr Vortheile als oberhalb dieses Punctes,

wo sie der vorhandenen

48 zahlreichen Furthen wegen nur eine untergeordnete militärische Bedeutung hat . Die weiters aufgestellte Forderung von den Beziehungen zu den Verbindungen , äussert sich in dem Bestreben auf die eigenen möglichst central basirt zu stehen, jene des Feindes dagegen zu bedrohen. Wäre der Erzherzog oberhalb Ulm über den Fluss gegangen, so hätte er dabei seine Verbindungen , welche in der eigenen rechten Flanke lagen, in Gefahr bringen können , wenn es Moreau einfiel diesen Flügel durch einen Uebergang östlich von Ulm zu umgehen ; dagegen blieb die österreichische Armee auf der Schwerpunctslinie und in guten Beziehungen zu ihren Rückzugslinien , wenn sie zwischen Ulm und Donauwörth den Fluss überschritt . Und gerade die Erörterung der Verhältnisse, unter denen es zum Kampfe kommen konnte, spricht für die glückliche Wahl des Uebergangspunctes.

Der Erzherzog war

ja noch keineswegs geschlagen ; er war noch immer in der Lage, den Kampf selbst auf dem linken Ufer der Donau zu suchen, im Falle Moreau durch ein weiteres Vorrücken auf diesem, also durch einen Flankenmarsch vor der Aufstellung des Erzherzogs vorbei, eine Blösse bot. Vorstehende Bemerkung dürfte an dieser Stelle,

wo es sich um

die erschöpfende Erläuterung der aufgeworfenen Frage handelt , nicht überflüssig sein, wenn auch allerdings beizufügen ist, dass im Augenblicke,

nach der allgemeinen Situation, ein verlustvoller, in seinen

Folgen noch unberechenbarer Kampf nicht erwünscht schien, auch durchaus nicht im Plane des Erzherzogs lag,

dieser

welcher vielmehr

eben daran ging, die bereits bedrohlich werdenden Fortschritte Jourdan's durch eine entschiedene Offensive zu brechen, von welcher, wie bereits besprochen wurde,

der Uferwechsel

eben eine

Bewegung war.. Demungeachtet war die Möglichkeit

vorbereitende eines Kampfes

mit Moreau nicht ausgeschlossen, es ist daher am Platze diesen Fall zu beleuchten. Wenn nun der Erzherzog auf Ulm zurückgegangen wäre, so hätte er die rauhe Alp vor sich gehabt ; die Beschwerlichkeit dieses Landstriches hätte ihm sodann nur erlaubt, den Rückschlag auf demselben Wege zu führen, auf dem er gekommen war, während Moreau die. Deckung einer eventuellen Flankenbewegung durch die Gunst der örtlichen Verhältnisse sehr erleichtert gewesen wäre . Die Ausnützung feindlicher Blössen wäre daher in diesem Falle schwierig gewesen . Weitaus günstiger war dagegen die Donaugegend abwärts von Ulm, am vortheilhaftesten aber die Gegend an der Wörnitz, deren Beschaffenheit sowohl der Maskirung eines Flankenmarsches auf Seite des Gegners keine Vortheile geboten hätte, als auch der eigenen Gefechtsthätigkeit aller Waffen, insbesondere der an Zahl und an Güte überlegenen österreichischen Reiterei günstig gewesen wäre.

49 Bei Donauwörth stand der Erzherzog somit in einer vortheilhaften Lage,

sowohl gegen

eine directe Vorrückung Moreau's als auch

gegen eine etwa beabsichtigte Umgehung des rechten Flügels,

dabei

gleichzeitig in einem günstigen Verhältnisse zum Lech, er war daher in der Lage, die Vortheile zweier Wasserläufe auszunützen . Je weiter endlich gegen Osten der Erzherzog in der besprochenen Strecke über die Donau zurückging,

desto

vortheilhafter stand er zu Wartens-

leben, zu seinen Hilfsquellen und Verstärkungen . Zur Vereinigung mit Wartensleben blieben dem Erzherzog die Brücken bei Neuburg, Ingolstadt und Regensburg, also eine genügende Anzahl Puncte übrig, um auf die Durchführung seiner strategischen Idee mit Zuversicht rechnen zu können .

Regensburg war

hiezu allerdings gegen Osten die

weil die Donau

äusserste Grenze,

von dort ab gegen Südosten , also excentrisch in einer Richtung fliesst, welche der beabsichtigten Vereinigung nicht förderlich sein konnte . Wenn wir in vorstehenden Betrachtungen den Beweis für die Richtigkeit der strategischen Idee des Erzherzogs, welche die österreichische Armee hinter die Donau führte, angetreten haben, so geschah es vorerst, um der Wahrheit ihr Recht einzuräumen , dann, weil uns in dem Bestreben , didaktischen Zwecken nützliches Material zuzuführen, die Sache als strategische Studie interessant schien . Dieser Rückmarsch des Erzherzogs hinter die Donau, diese Einleitung zu den nun folgenden, von einem richtigen offensiven Gedanken geleiteten Operationen, bildet gewissermaassen den Uebergang von der bis dahin unentschiedenen , einigermaassen schleppenden Kriegführung zu den brillanten Bewegungen, welche die österreichischen Waffen zum Siege führten. Seit dem Tage von Malsch, dem 10. Juli bis zum 13. August, dem Tage, an welchem der Erzherzog auf das rechte Donauufer zurückging, waren 34 Tage verflossen, in welcher Zeit die französische Armee des Rheins und der Mosel , in die Gegend von Neresheim gelangt, erst 21 Meilen zurückgelegt hatte. Angesichts dieses matten, wenn auch an Zahl überlegenen Gegners, dem die Bedingungen zum Siege in ausreichendem Maasse zu Gebote standen, war auch die Bewegung des Erzherzogs eine langsame geworden. Dem kühnen, entschiedenen Charakter des österreichischen Ober-Generals widerstrebte es, ohne Grund, wenigstens ohne zwingende Nothwendigkeit vor einem Gegner zurückzugehen, der ihm schon mehrfach Proben von Saumseligkeit gegeben hatte, ja wir sehen ihn zu wiederholten Malen,

getragen von den erwähnten

Charakter-Eigen-

schaften, an die Waffen appelliren , wiewohl es strenge genommen nicht nöthig war, da der Rückzug von dem hypervorsichtigen Gegner 4

50 nicht belästigt wurde und nach der allgemeinen strategischen Lage, der Augenblick zur offensiven Umkehr noch nicht gekommen war. Wenn wir nun zwar vom abstracten Standpuncte aus dieses Verfahren nicht völlig zu billigen vermögen, so dürfen wir doch nicht unerwähnt lassen, dass eben dieses besonnene, bedächtige Zurückgehen dieses, wir möchten sagen „An der Klinge bleiben " bei einem General von dem Schlage Moreau's eine entscheidende Wirkung hervorrufen musste, und in der That auch hervorgerufen hat, sicht dieses vorsichtigen Generals steigerte,

indem es die Vor-

ihn sogar zu einer Zeit,

als einige wenige, rasche Märsche genügt hätten, den Krieg zur Entscheidung zu bringen, abgehalten haben dürfte , den richtigen Entschluss zu fassen und die Thatkraft zum Durchbruch gelangen zu lassen. Welchen Einfluss geistige und moralische Factoren im Kriege haben und wie dieselben ,

wo es nur immer thunlich,

in Rechnung

zu ziehen sind, zeigt dieser Fall in schlagender Weise . Die Interessen der französischen Republik lagen auf dem deutschen Kriegsschauplatze wahrlich in schlechten Händen. Auf der einen Seite, ―― Jourdan, ― und seine gänzliche Unfähigkeit, auf der anderen, - Moreau, ein mässiges Talent, jeder Thatkraft jedoch baar, beide konnten trotz Ueberlegenheit, trotz günstiger Verhältnisse den Krieg zu keinem erfolgreichen Ende bringen . Die nun folgenden Ereignisse,

deren Besprechung wir in den

nächsten Capiteln versuchen wollen,

geben dafür den sprechendsten

Beweis ; hier sei uns nur noch erlaubt, einige Worte des Erzherzogs *) über die Operationen vom Rhein bis zur Donau anzuführen . ,, Wenn man die Manöver des Generals Moreau und des Erzherzogs Carl von Ende Juni bis halben August beobachtet, so findet man sie ganz mit den für ähnliche Fälle angenommenen Grundsätzen im Widerspruche . Eine Vorrückung mit überlegenen Kräften im Glücke soll rasch sein ; der Rückzug einer schwächeren Armee zwar mit Fassung, aber ohne unnützen Aufenthalt, mit Vorsicht in ihren Bewegungen, mit Sicherheit in ihren Aufstellungen . Moreau's Vorrückung war behutsam ,

der Rückzug des Erzherzogs langsam,

und Stellungen kühn und gewagt. der Aufschluss Feldherren. "

seine Manöver

Die Ursache dieses Betragens und

dieses Problems liegt in dem Charakter der beiden

*) Grundsätze der Strategie, erläutert durch die Darstellung des Feldzuges 1796 in Deutschland .

51

VIII . Der Donau- Uebergang Moreau's. Als der Erzherzog am 13. August , nach der Schlacht von Neresheim, die Donau bei Dillingen und Donauwörth überschritten. hatte, war die strategische Situation folgende : Der Erzherzog stand nit der Hauptmasse bei Nordheim, ein Theil unter Riese bei Burgau , Condé bei Schwabmünchen ; Fröhlich war auf dem Marsche nach dem Lech. Moreau stand zwischen der Wörnitz und der Brenz . Wartensleben hatte die Gegend von Amberg, ein Detachement unter Nauendorf Neumarkt, Jourdan Nürnberg erreicht . Wenn man diese Situation betrachtet, wird man zugeben müssen,

lass die Gunst der Umstände vollständig auf Seite der Franzosen war. Ihre Operationen von zwei entfernten Basispuncten ausgehend, jedoch nach einem gemeinsamen Objecte, der Gegend von Regensburg , gerichtet, stellen in ihrer Gesammtheit den concentrischen Angriff, das ist jene Angriffsform dar, welche zunächst der Ausgangspuncte, da lie Trennung am grössten ist, am ungünstigsten erscheint, mit jedem Schritte gegen das Object aber immer günstiger wird, bis sie schliessich bei diesem selbst, alle ihre frühere Gefährlichkeit verloren hat. Am 13. August hatten sich die Operations- Linien der Franzosen schon so sehr genähert, dass Moreau nur mehr 4 Märsche von Jourdan entfernt war. (Nördlingen- Nürnberg 11 Meilen . ) Eine directe Strasse über Oettingen, Gunzenhausen , verband diese beiden Puncte. Was waren,

aber

noch wichtiger ist,

im Gegensatze

zu

diese

Schwabach

beiden Operations- Linien

jenen der Oesterreicher,

aus

äusseren

Linien , innere geworden ; der Vereinigung der beiden französischen Massen lag kein Hinderniss mehr im Wege . Aus der Erwägung der Gründe,

welche den Erzherzog bewogen

haben mögen das Ufer zu wechseln, Gründe, welche im vorigen Capitel besprochen wurden , dann aus der Würdigung der im Augenblicke so überaus günstigen strategischen Lage, ergaben sich die Directiven für das. Handeln Moreau's gewissermaassen von selbst. Derselbe musste. nämlich trachten, sich die innere Linie zu wahren, und sich nicht von Jourdan zu entfernen, dafür war aber das Verbleiben auf dem linken Ufer der Donau unbedingt geboten. Wie wenig jedoch der französische Ober- General an die Verbindung mit der Sambre- und Maas-Armee dachte, beweiset der Umstand, dass er nicht einmal ein österreichisches Streifcommando von 200 Huszaren aus Eichstädt vertrieb. 4*

52 Wenn Moreau

berechtigt

gewesen

wäre

auf den taktischen

Schlag allein zu denken, so würde die Kritik gegen dessen DonauUebergang nichts einzuwenden haben : Wenn er z. B. westlich des Erzherzogs überging, so hätte er dies sogar ganz ohne Hinderniss thun können , weil Niemand da war, der ihm den Uebergang streitig gemacht hätte ; er wäre dabei auch in ein günstiges Verhältniss bezüglich des Kampfes gelangt, weil das trennende Hinderniss beseitigt war und er die Rückzugswege über den oberen Schwarzwald unmittelbar hinter sich bekam ; allein der Schwerpunct der Situation lag eben anderswo, er lag einzig und allein in dem vereinten Handeln der beiden französischen Armeen . Aber auch auf dem linken Ufer der Donau konnte der Gedanke an einen

nahe bevorstehenden

entscheidenden

Kampf festgehalten

werden ; ja es war zu hoffen durch geschickte Bewegungen den Erzherzog wieder auf dieses Ufer zurückzuziehen und dabei unter noch weit günstigeren Umständen zum Kampfe zu gelangen. Als Moreau der Rückzug der Oesterreicher hinter die Donau gemeldet wurde, musste er als Basis seiner weiteren Entschlüsse die Beweggründe für dieses Verhalten in Erwägung gezogen haben ; er konnte annehmen : es sei geschehen, um sich, durch den Fluss geschützt , der Verfolgung zu entziehen und für diesen Fall bessere Kampfbedingungen zu finden , oder durch die Donau gedeckt die innere Linie bei Regensburg zu gewinnen, oder endlich um Moreau zu verlocken über die Donau nachzufolgen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel , dass dieser General, wäre er sich über die Situation klar geworden, was bei nur einiger Würdigung der Verhältnisse nicht schwierig sein konnte , dieser Verlockung sicherlich widerstanden hätte ; er würde dann gewiss , statt dem Erzherzog zu folgen, seine Armee in einer Central- Stellung bei Nördlingen versammelt und aus dieser donauabwärts gegen Ingolstadt vorgedrungen sein . Ja selbst eine starke Demonstration in dieser Rich-

• tung, hätte, da sie allen Bedingungen einer solchen entsprach den Erzherzog mit einer bedeutenden Gefahr , der Trennung Wartensleben, bedrohte, ihre Wirkung geäussert, indem

sie

und von den

Uebergang der Oesterreicher auf das linke Ufer beschleunigte. Aus dem Central - Raume zwischen der Wörnitz und der Altmühl

hätte Moreau immer mit Vortheil wirken können , sei es, indem er den Erzherzog während des Flussüberganges oder während der Bewegung gegen Wartensleben in der Flanke anfiel. Dass bei solchem Benehmen gleichzeitig auch die Verbindung mit Jourdan im strategischen Sinne, mittelbar, durch die gegen Neumarkt vorrückende Division Bernadotte hergestellt gewesen wäre, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung.

53 Um dem Vorwurfe einer wohlfeilen Kritik zu begegnen , die hinterher alles weiss , möchten wir constatiren, dass wir darin sehr vorsichtig und stets bemüht sind uns auf den Standpunct desjenigen zu stellen, dessen Handlungen beurtheilt werden sollen und dabei sorgfältig erwägen, was demselben bekannt war, oder doch bekannt sein konnte. Unser Zweck ist kein anderer, als die Lehre vom Kriege durch geschichtliche Facta zu erhärten. Eine längere Erfahrung hat uns belehrt, dass wir dabei keine falschen Pfade wandeln. Wir glauben nun zur Beantwortung der Frage schreiten zu sollen, welcher Art die Motive gewesen sein mögen, die Moreau veranlassten, dem Erzherzoge auf das rechte Ufer der Donau zu folgen. Diese Motive konnten entweder in dem Wunsche bestanden haben, den Erzherzog bald entscheidend zu schlagen, oder es war der Befehl des Directoriums für die Handlungsweise Moreau's maassgebend „ über die Donau zu gehen und gegen den Lech vorzurücken , gegen Tirol zu detachiren. "

Rücksichtlich des erstangeführten Beweggrundes

wäre

dabei

zu be-

merken, dass derselbe wohl ein schwerwiegendes Argument bildet, indem es bekanntlich doch nur immer die Schlacht ist, welche jeder Operation den Stempel der Vollendung aufdrückt. Wenn der Hauptgedanke Moreau's also wirklich so unaufhaltsam auf das Schlagen gerichtet war, wenn er wirklich die Absicht hatte, dem Erzherzoge bald einen vernichtenden Schlag zu versetzen und sich den Weg nach dem Herzen des feindlichen Staates zu öffnen , so könnte die Kritik sich diesem Gedanken gegenüber : dem Hauptziele, dem Siege, selbst mit einer gewissen Kühnheit nachzustreben, nur zustimmend verhalten. Aber, dann hätte Moreau ganz anders handeln müssen , als er es wirklich that ; er durfte dem Erzherzoge den Rückzug hinter die Donau nicht gar so bequem machen, er musste ihn noch während des Ueberganges oder doch kurz darauf angreifen , um sich die Vortheile nicht entgehen zu lassen, die eine solche Lage bot und er konnte dies um so leichter thun, als ohnedies nach der Schlacht von Neresheim das österreichische Centrum durch das Zurückgehen beider Flügel in eine sehr gefährdete Lage gerieth . Es ist wahr, der Erzherzog war an diesem Tage nicht eigentlich geschlagen, es schien also in Moreau's Lage eine gewisse Vorsicht geboten; aber wenn auch der französische Ober-General nicht,

wie.

Bonaparte und später Napoleon I. so häufig, die höchste Vorsicht in der höchsten Kühnheit finden wollte , so sollte diese Vorsicht zum mindesten nicht in Unthätigkeit, in das gänzliche Aufgeben eines jeden offensiven Eingreifens ausarten, sie durfte nur in der Concentrirung der Kraft, zur Begegnung eines allfälligen Rückstosses zum Ausdrucke

54 gelangen. Oder man musste eben den Gedanken aufgeben zu schlagen und sich auf die weniger verantwortliche,

weil hinausschiebende und

verzögernde Kunst des 77 Manövrirens " verlegen . In gewohnter Weise versäumte Moreau auch hier den richtigen Augenblick. Er liess die österreichische Armee nach der Schlacht vom 11. August ungestört zurückgehen und setzte sich erst in Marsch, als diese die Donau schon passirt hatte. Er rückte sodann gegen die Wörnitz, in der Absicht, bei Donauwörth überzugehen, kehrte sodann um und überschritt endlich am 19. , sechs Tage nach den Oesterreichern , den Fluss . Dass der französische Ober-General die Zeit unmittelbar nach der Schlacht von Neresheim so ungenützt verstreichen liess , drückte die Chancen für das Gelingen des taktischen Schlages jedenfalls wesentlich herab. Demungeachtet hätte Moreau,

wenn er nicht in eine länger

währende Unthätigkeit verfallen wäre , so lange der Erzherzog noch westlich des Lech stand, also bis zum 15. August, den Uebergang erzwingen und die Oesterreicher,

welche an zwei von

einander drei

Meilen entfernten Puncten übergegangen waren, in einen entscheidenden Kampf verwickeln können ;

in keinem Falle

aber durfte er,

wie es

geschah, gänzlich von denselben ablassen, ja gewissermaassen ausser Fühlung treten, wollte er sich Gewissheit über die Absichten des österreichischen Feldherrn verschaffen . Dies alles beweist wohl mehr als nöthig, dass es Moreau gar nicht um das Schlagen zu thun war, und dass er aus dieser Ursache allein dem Erzherzog gewiss nicht über die Donau gefolgt war . Bezüglich des zweiten der angeführten möglichen Beweggründe muss bemerkt werden, dass der französische Ober- General spätere Befehle,

am 12. und 16. August,

erhalten hatte, welche ihn anwiesen,

die Vereinigung mit Jourdan durchzuführen .

Zwischen

diesen Be-

fehlen und den früher bemerkten , besteht nun allerdings ein Widerspruch, aber kein solcher, dessen Lösung unmöglich gewesen wäre.

Die Donau, mit ihrem Laufe in der Richtung der Operationen , und die durch diesen Fluss bewirkte Abschnittbildung, wies jedem Theile deutlich an, was zu thun sei . Jedem der beiden Gegner musste daran liegen sich nicht von diesem Strome zu trennen und die bestehenden Uebergänge in seinen Besitz zu bekommen , um nach Bedarf das Ufer wechseln zu können . Obwohl nun das Directorium das Vordringen gegen den Lech befohlen hatte, so war damit doch nicht gesagt, dass dies gegen den • oberen Lauf dieses Flusses geschehen müsse. Moreau konnte ganz gut des Directoriums ersten Befehl buchstäblich befolgen , ohne sich von der Donau zu trennen und die Ausführung der letzten Aufgabe in Frage zu stellen, ohne das, durch die strategische Situation

55 geschaffene, unabweisliche Gebot, die Donau festzuhalten, zu verletzen . Je mehr er sich aber von der Donau entfernte, desto mehr entfernte er sich auch von Jourdan und von jener Linie, an welcher die Vereinigung der österreichischen Armeen stattfinden konnte und um so weniger war er dann auch in der Lage, nach Bedarf das Ufer wechseln zu können.

Freilich war dieses Uferwechseln für Moreau mit Schwierigkeiten verknüpft, weil sich die Uebergänge in den Händen der Oesterreicher befanden . In diesem Umstande lag aber eine wiederholte Aufforderung, sollte oder wollte er über die Donau, dies rasch zu thun, dem Erzherzoge unverweilt zu folgen und fortwährend auf dessen rechten Flügel zu drücken , um ihn von seinen Brücken abzudrängen. Es ist bekannt, wie wenig der französische Ober- General diesen Forderungen gerecht wurde ; derselbe mag also wohl hauptsächlich in der Befolgung

des ersten Operations-Entwurfes über die Donau ge-

gangen sein; gewiss bleibt es aber, dass er weder die darin ausgesprochenen Weisungen gut befolgte, noch dass er es verstand, dieselben mit den später erhaltenen Befehlen in Einklang zu bringen. Zu dem Entschlusse Moreau's die Donau zu übersetzen und in einer Richtung vorzugehen,

die ihn von diesem Flusse trennte,

mag

endlich noch der Wunsch beigetragen haben, sich mit Ferino zu vereinigen und in eine günstigere Beziehung zur Basis am Ober- Rhein zu gelangen

allein die Vereinigung mit der Division Ferino konnte.

viel leichter geschehen, wenn sie Moreau zu sich herbeirief; da sie aber jedenfalls

gegen Tirol detachirt werden

musste,

wie es das

Directorium befohlen hatte, so war ja auf diesen Heerestheil ohnedies nicht zu zählen . Hinsichtlich des Wunsches, besser situirte Verbindungen zu erlangen, ist zu bemerken , dass durch das Vorgehen

Moreau's die

Armee zwar in günstigere Beziehungen zu ihrer Basis gelangte, allein er vernachlässigte dadurch, dem geographischen Elemente zu Liebe , die Vereinigung mit Jourdan , welche ihm in letzter Zeit wiederholt aufgetragen worden war. Uebrigens hatte Moreau mit seinem Donau-Uebergange die kürzeste Verbindung zur Basis noch gar nicht erreicht, denn diese lag noch weiter südlich . Erzherzoge ab.

Ob er sie überhaupt erreichen würde, hing vom

Es hätte sich also darum gehandelt diesen vorher zu schlagen ; wurde aber die österreichische Armee geschlagen, so wäre die kürzeste Verbindung ohnedies gegenstandslos geworden . Wurde aber Moreau besiegt,

dann konnte ihn ein Druck auf seinen rechten Flügel ganz leicht von der angestrebten kürzesten Rückzugslinie ab an die Donau drängen .

56 So wenig stichhältig nehmen sich also bei näherer Betrachtung die Motive aus, welchen zu Liebe Moreau das Naheliegende — das Einfache, die Vereinigung mit Jourdan, aufgab. Die Strafe dafür sollte nicht lange auf sich warten lassen . Wollte man Moreau's Fehler, an denen der ganze Feldzug ver-

loren ging , kurz charakterisiren , so könnte man sagen : er habe den Werth der Zeit gering geachtet und die Bedeutung der inneren Linie verkannt. Und fürwahr, selten wurde schwerer gegen diese gesündigt, als von Moreau hier an der Donau, wo ihr Werth und ihre Wichtigkeit so klar zu Tage traten, klarer als jemals in irgend einem anderen Feldzuge .

IX . Die Offensive des Erzherzogs. In der Zeit, als der Erzherzog , seine Offensive gegen Jourdan vorbereitend, auf das rechte Donau-Ufer zurückgegangen war und eben dazu schritt, seine glücklich gedachte Angriffsbewegung auszuführen, war der österreichische Heerestheil unter Wartensleben's Führung unaufgehalten an die Naab zurückgewichen . Moreau war indess, wie im vorigen Capitel berührt wurde, unbeweglich zwischen der Brenz und Wörnitz stehen geblieben und schickte sich erst am 19. August dazu an, die Donau bei Lauingen, Dillingen und Höchstädt zu überschreiten, ja er trieb seine Unthätigkeit so weit, dass er es völlig unterliess, die Gegend in der Richtung auf Neumarkt aufzuklären und die Verbindung mit der Sambre- und Maas -Armee aufzusuchen . Für den Erzherzog war es höchste Zeit nunmehr zur That werden zu lassen, was er so lange geplant und durch seinen Donau- Uebergang so glücklich eingeleitet hatte : die Vereinigung mit Wartensleben zum Angriffe Jourdan's. Längeres Zögern musste die Realisirung seines Planes vollständig in Frage stellen. Zwar hatte Wartensleben den Befehl erhalten, so lange als möglich bei Amberg zu halten , von wo eine Strasse über Neumarkt sowohl nach Neuburg

als nach Ingolstadt führt ;

im Unglücksfalle

aber sollte er die steilen Ufer der Naab vertheidigen, und wenn er auch von da verdrängt würde, durch das Defilé der Naab gedeckt, Regensburg gewinnen . Allein konnte der Erzherzog

nach den Erfah-

rungen, welche er bisher über seinen Unterbefehlshaber gemacht hatte, mit Zuversicht auf die Erfüllung dieses Befehles zählen ? Konnte der Erzherzog überhaupt unbedingt darauf bauen, noch rechtzeitig an der Vils und Naab zum Kampfe einzutreffen oder lag nicht die Möglichkeit weit näher, dass mittlerweile Wartensleben mehr ostwärts zurückgedrängt werde ?

57 Am 11. August stand dieser General bei Amberg, die Sambreund Maas-Armee am 13. , an dem Tage des Donau-Ueberganges des Erzherzogs, mit der Hauptmasse ihrer Streitkräfte bei Hersbruck an der Pegnitz, nur vier Meilen von Amberg, entfernt.

sieben Meilen von der Naab

In zwei Tagen konnten die Oesterreicher von Amberg, in weiteren zwei Tagen, also am 17. August, von der Naab vertrieben sein ; vom Lech dahin sind es aber auf dem kürzesten Wege 18 Meilen , also mindestens sechs Märsche.

Wenn nun der Erzherzog selbst am 14.

aufbrach, und täglich 3 Meilen zurücklegte, so konnte er doch nicht vor dem 19. zur Unterstützung Wartensleben's eingetroffen sein . Der Erzherzog mag in seinem Plane wohl auf die Persönlichkeit des französischen Ober-Generals gerechnet haben , der sich in diesem Feldzuge noch niemals durch eine besondere und zu rechter Zeit angewendete Thätigkeit ausgezeichnet hatte ; allein er erkannte den Ernst der Lage, denn schon am 15. rückte er mit dem zur Verstärkung Wartensleben's bestimmten Heerestheil nach Niederhausen und setzte am darauffolgenden Tage seinen Marsch in zwei Colonnen über Neuburg und Ingolstadt gegen Neumarkt fort. Dass sich der Erzherzog über die Zeit,

welche ihm mit Rück-

sicht auf den wenig thatkräftigen Ober-Commandanten der Sambreund Maas-Armee zur Durchführung der geplanten Offensive zu Gebote stand, nicht täuschte, zeigt die Geschichte dieses lehrreichen Feldzuges. Der 14., 15.

und

16. August vergingen mit unbedeutenden Schar-

mützeln der Vorposten ; am 17. zog sich Wartensleben in Folge des Gefechtes bei Neunkirchen , durch welches die österreichische Nachhut unter Kray, nach hartnäckigem Kampfe, vor den französischen Divisionen Collaud, Lefebvre und Grenier über Sulzbach nach Amberg weichen musste, hinter die Naab.

Erst am 20. besetzten die

Franzosen Amberg und drangen darüber hinaus gegen die Naab vor. Sie unterliessen

aber am darauffolgenden Tage den Angriff auf die

österreichische Hauptstellung, was wohl der Stärke dieser Stellung , dem langsamen Vorrücken der zur Umgehung auf das linke Naab-Ufer über Wernberg gegen Naabburg dirigirten Division Lefebvre, und der von der österreichischen Nachhut in den Gefechten am 17. , dann in jenen von Freyholz und Wölfering am 20. bewiesenen besonderen Tapferkeit und zähen Ausdauer zuzuschreiben ist.

Am 22.

war es

hiezu zu spät, denn schon machte sich die Annäherung des Erzherzogs in ganz bedenklicher Weise fühlbar. Jourdan versäumte so eine höchst kostbare Zeit, während welcher es ihm gelingen konnte, langen des Erzherzogs zum

Wartensleben noch vor dem Anweiteren Rückzuge zu zwingen.

Damit

58 wären nun allerdings die vom österreichischen Feldherrn beabsichtigten Pläne unausführbar geworden, wenn auch der Erzherzog durch seine Bewegung gegen Neumarkt niemals in eine schlimme Lage gerathen konnte, da er, selbst wenn sich Jourdan mit Uebermacht gegen ihn wandte, anstandslos bei Regensburg das rechte Donau-Ufer gewinnen und mit Latour wieder vereint hinter den Inn zurückgehen konnte. Von den Streitkräften, welche unter dem unmittelbaren Befehle des Erzherzogs am Lech gestanden hatten, bestimmte derselbe 28 Bataillone und 56 Escadronen (28.000 Mann ) zum Marsche nach Neumarkt, 30.000 Mann unter Latour, von welchen jedoch 12.000 Mann. unter Fröhlich in Vorarlberg und an der Tiroler Grenze vertheilt waren, blieben am Lech, Moreau gegenüber, der 59.000 Mann unter seinem unmittelbaren Befehl vereinigt hatte . In dieser Verfügung des Erzherzogs finden wir eine weise Oekonomie in Verwendung der Kräfte. Während derselbe zur Bekämpfung Jourdan's schritt, liess er, den Grundsätzen bei Abwehr eines concentrischen Angriffes gemäss, gegen More au wahrhaft nur ein Minimum an Kraft, mit der Bestimmung zu täuschen, sich den Rücken zu decken und Zeit zu gewinnen ; er hatte somit, was den Kraftfactor anbelangt, alles gethan , um sich den Sieg zu sichern. Wie der österreichische Feldherr aber auch in der Wahl des Mannes, dem er das Commando jener 18.000 Mann übertrug, einen glücklichen Griff that, davon soll an späterer Stelle Erwähnung geschehen . Ein gleiches Lob über die unter den obwaltenden Verhältnissen

unbedingt gebotene Schnelligkeit der Bewegung zu spenden , sind . wir nicht in der Lage, da die beiden auf Neumarkt marschirenden österreichischen Colonnen in den Tagen vom 15. bis 22. August nur tägliche Marschleistungen von ungefähr zwei Meilen aufweisen . Erklären lässt sich dies durch die zu jener Zeit noch herrschende Rücksicht

auf die

ausschliessliche Magazins - Verpflegung

und die

Schwerfälligkeit des Trains, dann durch die geringere Wegsamkeit des Landstriches, was der Bewegung manche Hindernisse bereitet haben mag. So findet sich z . B. in dem schon mehrfach citirten Werke des Erzherzogs über diesen Feldzug folgende Stelle : traf am 20. mit Tagesanbruch bei Hemau ein,

Die zweite Colonne. und zwar mit vieler

Anstrengung ; denn das linke Ufer der Altmühl bei Riedenburg ist so steil, und der Weg war so verdorben,

dass das Geschütz nur durch

Hilfe vieler Menschen und mit grossem Zeitverlust hinaufgebracht werden konnte."

Der weiteren Besprechung der Operationen des Erzherzogs, welche zu den Gefechten bei Teining und Neumarkt und zur Schlacht bei

59 Amberg führten,

müssen wir eine allgemeine Skizzirung der Kräfte-

vertheilung auf dem Kriegstheater und die Betrachtung Jourdan's als er Amberg erreicht hatte, voraussenden .

der Lage

Am 21. August standen : Oesterreicher. Armee in Baiern , Feld - Zeugmeister Latour am Lech von Landsberg bis Rain, mit 162 Bataillonen, 37 Escadronen , 18.000 Mann. Feldmarschall-Lieutenant Fröhlich an der oberen Iller und in Vorarlberg

12 Bataillone, 16 Escadronen , 12.000 Mann .

Armee in der oberen Pfalz . Feld -Zeugmeister Wartensleben an der Naab zwischen der Schwarzach und Schwandorf mit einem Detachement bei

Rosshaupt : 34 Bataillone,

90 Escadronen ,

29.500 Mann . General Nauendorf bei Tasswang : 5 Bataillone, 15 Escadronen , 4500 Mann. Erzherzog Carl im Anmarsche bei Villenhofen und Berching : 28 Bataillone, 56 Escadronen , 28.000 Mann . Garnisonen in Ehrenbreitstein , Mainz, Mannheim und Philippsburg 48 Bataillone, 9 Escadronen , 30.000 Mann . Franzosen. Rhein-

und

Mosel - Armee.

Ober- General

Moreau

Augsburg, 5 Infanterie-, 1 Cavalerie-Division, 64 Bataillone,

bei

80 Es-

cadronen, 59.500 Mann . General Lecourbe in Vorarlberg und an der oberen Iller : 7 Bataillone, 3 Escadronen , 6400 Mann . General Scherb zur Beobachtung vor Mannheim und Philippsburg : 3 Bataillone, 2 Escadronen, 3000 Mann. Garnisonen in Kehl, Landau und Bitsch : 9 Bataillone , 4 Escadronen, 8500 Mann. Sambre- und Maas - Armee. Ober-General Jourdan an der Naab zwischen Naabburg und Schwandorf : 4 Infanterie-, 1 CavalerieDivision, 36.000 Mann . Division Bernadotte bei Neumarkt, 9000 Mann. General Marceau mit 3 Divisionen zur Blocade von Mainz und Ehrenbreitstein, 26.000 Mann.

Jourdan hatte am 21. von Bernadotte die erste Nachricht von dem Anrücken des Erzherzogs erhalten ; die Bestätigung dieser Nachricht brachte der in der Nacht zum 22. erhaltene, aus Dillingen vom 20. datirte Brief Moreau's. Das späte Datum dieses Briefes wirft ein eigenthümliches Streiflicht auf die Thätigkeit dieses Generals und bestärkt uns neuerdings in dem Urtheile, welches wir über denselben in diesen Zeilen zu wiederholten Malen ausgesprochen haben. Noch sonderbarer klingt der Inhalt dieses Briefes, wenn man das darauffolgende Benehmen Moreau's betrachtet :

60 „ Le prince Charles paraît se diriger vers Ingolstadt,

ce qui

me fait croire qu'il pourrait renforcer momentanément Mr. de Wartensleben pour vous attaquer, je ne lui en donnerai pas le temps . Je le suivrai sans relâche ; je vous assure que je ne donnerai aucune relâche au prince Charles , et il ne pourra pas s'écarter de moi. " (Jourdan Mémoires . ) Das

bestimmte Versprechen,

dem

Gegner,

den

er

auf dem

Marsche über Ingolstadt vermuthet, ohne Unterlass zu folgen , mit der Armee jedoch nach Augsburg zu marschiren , ohne sich selbst zu kümmern, ob sich jene Vermuthung bestätige, ein solches Benehmen birgt wahrlich einen unlösbaren Widerspruch in sich. Ueber die Absicht des Erzherzogs konnte Jourdan nicht mehr im Zweifel sein , er konnte sich dabei aber auch der Hoffnung hingeben, dass Moreau sich ihm nähern werde. Sieht man aber selbst von dieser Möglichkeit ab,

so war die Lage Jourdan's insoferne

keine ungünstige, da er, im Ganzen um wenig über ein Viertheil, an Infanterie jedoch nur um ein Geringes schwächer, als die Gesammtheit seiner vorläufig noch getrennten Gegner, eben stand.

zwischen diesen

In dem Falle eines concentrischen Angriffes empfiehlt die Wissenschaft dem Bedrohten, beide Gegner auseinander zu halten , einen nach dem andern zu schlagen , und zwar sich zuerst gegen den Bedeutsameren, gegen den Gefährlicheren zu wenden . Dies war unbedingt der Erzherzog, denn abgesehen von der Persönlichkeit des österreichischen Ober-Generals, welche allein schon ausgereicht hätte, die unter dessen unmittelbarer Leitung stehende Heeresgruppe als die weitaus bedeutendere zu stempeln , bewegte sich dieselbe in der Richtung auf Neumarkt gegen die Rückzugslinie Jourdan's. Die Detachirung der Division Bernadotte nach Neumarkt, deutet auf die Besorgnisse, welche Jourdan schon früher für seinen. Rücken und seine Verbindungen hatte, allein es scheint der französische Ober-General über das dunkle Gefühl, dass gegen die Donau hin etwas geschehen müsse, nicht hinausgelangt zu sein, da er nicht das Richtige traf. Mit der Detachirung der Division Bernadotte konnte Jourdan unmöglich hoffen , einem ernsten Angriffe aus der Richtung von der Donau zu widerstehen , dazu war sie zu schwach ; aber zu dem Zwecke der Aufhellung der Flanke hätte Bernadotte aus der Gegend von Neumarkt vortreffliche Dienste leisten können, wenn ihm nicht die zu ausgiebiger Aufklärung einzig geeignete Waffe, die Cavalerie, gefehlt hätte. Jourdan fühlte dies endlich, aber als es schon zu spät war,

61 erst am 23. August setzte er die Cavalerie-Division Bonneau über Vilshofen gegen Neumarkt in Marsch ; dieselbe hätte gleich von vornherein Bernadotte zugewiesen werden sollen und können, um so mehr,

da sie in dem stark durchschnittenen und bedeckten

zwischen Pegnitz und Naab ohnedies nur wenig

Terrain

zu verwenden war.

Dadurch hätte sich aber die Lage Bernadotte's und mittelbar auch jene Jourdan's wesentlich anders gestaltet, da eine stärkere Cavalerie-Abtheilung an der Altmühl postirt, und von dieser Abtheilung gegen Nördlingen und die Donau gestreift werden konnte. Auf diese Weise wäre die Verbindung mit Moreau hergestellt

worden, die Bewegung des Erzherzogs wäre nicht verborgen geblieben und Jourdan desshalb auch in seinen Unternehmungen gegen Wartensleben viel freier und sicherer gewesen , als er es, in Unkenntniss darüber, was an der Donau geschah, in der That war. Wenn nun der französische Ober- General, durch die von uns geschilderten Maassregeln gegen überraschende Ereignisse gesichert, zu rechter Zeit die Bewegung des Erzherzogs erfahren hatte, demungeachtet aber von Wartensleben nicht abliess, sondern diesen erst noch entscheidend schlagen wollte, so lässt sich dagegen nichts einwenden. Er hatte dazu ausreichende Zeit, und brauchte nicht zu befürchten, darin in einer, seine Sicherheit gefährdenden Weise gestört zu werden . Sobald er aber sah,

er könne Wartensleben nichts Ent-

scheidendes anhaben , ohne die Sicherheit seines Rückens auf's Spiel zu setzen, musste er sich gegen den Erzherzog wenden und dazu in der Gegend von Neumarkt eine Art Central- Stellung zwischen seinen beiden Gegnern nehmen, wodurch er für alle Fälle seine Rückzugslinie wieder hinter sich bekam . Gegen Wartensleben reichte eine Division zur Deckung der Flanke vollkommen aus, denn dieselbe fand, zum Rückzug gezwungen, an den Defiléen der Pegnitz einen dem Gefechte der Minderzahl günstigen Landstrich.

Mit der Hauptkraft aber musste Jourdan den

Erzherzog beim Debouchiren über die Altmühl anfallen, wodurch ihm sehr günstige Bedingungen für den Kampf entstanden wären . glückte aber dieses Unternehmen ,

Miss-

so hatte die französische Armee

zum mindesten die kürzeste Rückzugslinie hinter sich . Jourdan handelte gerade in entgegengesetzter Weise ; seinem gefährlicheren Gegner, dem Erzherzog, stellte er nur eine Division entgegen und, ohne etwas Entscheidendes zu unternehmen, gegenüber Wartensleben stehen ,

wodurch

Lage bei Forach und Achtel gerieth, die ihn,

blieb er

er in jene schlimme wenn von den Oester-

reichern gehörig ausgebeutet, vollständig verderben konnte.

62 Nach dem Gefechte bei Teining am 22. August erfolgte am 23. die Vereinigung der beiden Colonnen des Erzherzogs bei diesem Orte . Ueber die geringen Erfolge bei Teining und die an den beiden genannten Tagen zurückgelegten kurzen Strecken, äussert sich das oft genannte Werk ganz treffend wie folgt : „Der Erzherzog hätte an diesem Tage (22. ) mehr leisten sollen ; da seine Recognoscirung die Vorbereitung

einer Offensive beabsich-

tigte, so wäre es zweckmässig gewesen, alle rückwärtigen Truppen in einer solchen Entfernung folgen zu lassen, dass er nicht Gefahr lief, sich wider seinen Willen engagiren zu müssen, und dass er sie doch schnell zum Angriff hervorziehen konnte. Wäre Hotze vorläufig davon benachrichtigt und zu gleichem Benehmen

angewiesen worden,

so

würde Neumarkt schon am 22. ganz sicher erreicht und Bernadotte empfindlich geschlagen worden sein. Dann aber hätten die Oesterreicher aus Jourdan's Verlegenheit einen um so grösseren Vortheil gezogen, als er nicht durch zweitägige Gefechte auf die Gefahr aufmerksam gemacht wurde, die ihm bevorstand . " Von der Donau zur Vereinigung mit Wartensleben hatte der Erzherzog über Neumarkt die kürzeste Richtung eingeschlagen ,

was

schon aus dem Grunde vollkommen gerechtfertigt erscheint, als sonst Wartensleben leicht noch vollends nach Böhmen gedrängt werden konnte. In der gewählten Richtung traf aber der österreichische Angriff noch überdies die Franzosen in der Flanke, welche sie durch die Division Bernadotte und später noch durch die Reserve - Cavalerie zu schützen bestrebt waren .

Die Division Bernadotte hatte der Erzherzog zum Rückzuge genöthigt und von Jourdan abgedrängt, somit dessen Hauptmacht um diese eine Division geschwächt . Von nun an aber macht sich das Anstreben eines doppelten Zweckes in störender Weise geltend .

Anstatt vor Allem nur auf den

Schlag gegen Jourdan mit concentrirter Kraft unter den gegebenen günstigen strategischen Umständen zu denken , herrscht gleichzeitig die Absicht, den Franzosen auch den Rückzug zu verlegen, wodurch eine unverhältnissmässige Theilung der Kräfte entstand. Ein Drängen gegen den rechten Flügel Jourdan's im Bereiche

etwa in der Richtung auf Sulzbach, wäre vollund auch der Absicht entsprechend gewesen, denn dadurch konnte dem geschlagenen Jourdan eben so gut der Rückzug benommen werden , ohne dass desshalb die günstigen Bedingungen für den Sieg, welche eben in dem Zusammenwirken der durch die des Schlachtfeldes, kommen richtig

Vereinigung mit Wartensleben geschaffenen Uebermacht bestanden, aufgegeben worden wären .

63 Dagegen können wir das Drängen gegen den rechten Flügel Bernadotte's nicht gut heissen , weil dadurch bei den Oesterreichern eine Kraftzersplitterung entstand, während beim Gegner die Anfangs abgedrängte Division Bernadotte, Jourdan wieder zugeführt wurde. Anstatt daher diese geschlagene Division nur mit untergeordneten Kräften zu verfolgen, und mit

der Hauptkraft den entscheidenden

Kampf zu suchen, geschah auch hier das Gegentheil . Mit nur 6 Bataillonen und 25 Escadronen rückte

der

öster-

reichische Ober - General gegen Amberg , während der ganze Rest der Truppen, welche Neumarkt erreicht hatten, der Division Bernadotte folgte. Diesem Umstande ist der geringe Verlust zuzuschreiben , welchem Jourdan aus der Gegend von Amberg zurückging.

mit

Nach den Ereignissen bei Amberg wurde bekanntlich die über Forchheim zurückgehende französische Armee von einem beträchtlichen Theile der Oesterreicher, den Abtheilungen unter Liechtenstein, Hotze und Sztarray auf dem linken Ufer der Regnitz parallel verfolgt ; eine Maassregel, die uns sehr richtig scheint, weil sie dem Gegner die kürzeste Linie auf Würzburg, zu einem Puncte verlegte, der für denselben zur Erlangung günstiger Rückzugsverhältnisse von besonderer Bedeutung war. Dass diese Bedeutung dem französischen OberGeneral nicht unbekannt gewesen , beweiset der von ihm für den 29. August beabsichtigte, aber unvorhergesehener Ereignisse wegen nicht ausgeführte Angriff über Seussling und der durch Hotze am 30. abgewiesene Durchbruchs -Versuch bei Burg Ebrach. Am 31. August hatte die französische Armee Schweinfurt und Lauringen erreicht . Die Oesterreicher standen an diesem Tage mit der Spitze bei Schwarzach am Main, mit der Queue bei Burg Ebrach in einer Tiefe von 5 Meilen , oder wenn man die gewöhnlichen Marschleistungen derselben in Anschlag bringt, von 2 starken Märschen. Das Schreiben, welches der Commandant der Sambre- und MaasArmee an diesem Tage von Moreau aus Augsburg mit der Nachricht über das Treffen bei Friedberg erhielt, scheint auf die nächsten Entschlüsse desselben einen bestimmenden Einfluss gehabt zu haben , da diese Nachricht die Vermuthung erzeugte, es habe der Erzherzog einen starken Heerestheil zur Unterstützung Latour's gegen die Donau detachirt. Es wirft sich somit hier die Frage auf, ob eine solche Vermuthung Jourdan's begründet war ? Der Offensive des Erzherzogs lag die Absicht zu Grunde , darüber konnte Jourdan wohl nicht in Zweifel sein, mit Wartensleben . vereint die Sambre- und Maas- Armee zu schlagen.

Bei Amberg ge-

64 lang ihm dies noch nicht und auch bis Würzburg hatte er ihr noch immer keinen entscheidenden Schlag beibringen können . Vielmehr war Jourdan bisher noch keineswegs zum Rückzuge gezwungen , sondern hatte denselben freiwillig aus strategischen Rücksichten angetreten , weil er seine Lage nicht darnach angethan meinte, um unter solchen Umständen den Entscheidungskampf wagen zu dürfen . Hatte also der Erzherzog

von Anfang

eine bestimmte Truppenzahl mitzubringen,

an für nöthig so war,

erachtet,

weil bisher noch

kein Schlag erfolgt war, auch keine Ursache eingetreten , einen grösseren Theil derselben entbehren zu können . An dem Resultate des Gefechtes bei Friedberg war, bei der bekannten colossalen Ueberlegenheit Moreau's ohnedies nichts mehr zu ändern ; hatte aber Latour trotz des erlittenen Unfalles seine Kampffähigkeit erhalten, so war aus dem bisherigen Verhalten Moreau's zu schliessen ,

dass die Verfolgung nicht besonders

energisch, der

österreichische General sonach bald wieder in der Lage sein werde, seiner Aufgabe nachzukommen . Je grösser übrigens der Raum wurde, der Moreau vom Rhein trennte,

desto günstiger wurden die Ver-

hältnisse für den Erzherzog zur Durchführung seiner Offensiv- Operationen gegen die beiden feindlichen Armeen. Die Geschichte dieses Feldzuges belehrt uns nun allerdings vom Gegentheile. Es hatte wirklich eine Detachirung gegen die Donau stattgefunden.

General Nauendorf war nämlich am 27. August mit

8 Bataillonen und 22 Escadronen gegen die Donau in Marsch gesetzt worden. Allein diese Entsendung bestand weder in einem starken Truppen-Corps, noch geschah sie in der Absicht, die Folgen des Treffens bei Friedberg gut zu machen, sondern zu rein defensivem Zwecke, im Interesse der Hauptoperation, um den Rücken und die Verbindungen der Hauptarmee gegen allfällige Unternehmungen Moreau's sicherzustellen und sich eines Donau-Ueberganges zu bemächtigen, oder wie es in dem Werke des Erzherzogs heisst : um die neue Communication vor den Unternehmungen Moreau's auf dem linken Ufer zu schützen, und auf der Defensionslinie des Feld - Zeugmeisters Latour“ offenbar kann darunter nur die Donau gemeint sein, „jenen Punct zu verstärken, der für die Haupt operation der wichtigste werden konnte. " Aber selbst zu diesem bestimmt ausgesprochenen Zwecke halten

wir die Detachirung Nauendorf's, so gering auch dessen Truppenzahl war,

nicht für nöthig .

Die Ueberlegenheit des Erzherzogs war

eine zu geringe, um des Sieges über Jourdan völlig gewiss zu sein ; vorerst handelte es sich aber gerade um diesen, alles Uebrige war Nebenzweck, der dem Hauptziele gegenüber in den Hintergrund treten musste.

65 Die Verbindungen, welche im Rücken der österreichischen Armee zur Donau führten ,

waren übrigens momentan von geringer Bedeutung. Moreau war viel zu entfernt, um die eben in Ausführung begriffene Operation stören zu können , ja selbst Streifungen desselben auf das linke Donau-Ufer wären nicht im Stande gewesen Verlegenheiten zu bereiten, indem der Erzherzog schon nach der Schlacht bei Amberg Anstalten getroffen hatte, dass alle Transporte und Zufuhren aus den österreichischen Staaten ihren Zug durch Böhmen über Schwarals Bamberg frei war, auf der Strasse von

zenfeld und späterhin , Eger nahmen .

Die Nachricht über das Treffen bei Friedberg und die Consequenzen, welche Jourdan daran knüpfte, riefen bekanntlich in diesem General die Hoffnung wach, es werde ein Gleichgewicht der Kräfte, vielleicht sogar eine Ueberlegenheit auf seiner Seite eingetreten , der weitere Rückzug damit vielleicht unnöthig geworden sein . Er glaubte sonach seiner Armee den ihr nothwendigen Rasttag gönnen und den. Entscheidungskampf suchen zu dürfen . In Schweinfurt angelangt, mag ihm ferner klar geworden sein, dass er sich in ungünstiger Lage befinde, weil die Oesterreicher Würzburg vor ihm erreichen und dort eine Flankenstellung nehmen konnten , aus welcher ihm dann eine grosse Gefahr drohte, weil er ohne den Besitz dieses Punctes an der Front der österreichischen Aufstellung vorbei, von den Zusammenrottungen der feindlich gesinnten Bewohner behelligt,

seinen Rückzug

durch die rauhen und wenig wegsamen Gegenden des Spessart nehmen musste. Dieser Rückzug konnte also für die, in Folge sehr eiliger rückgängiger Bewegung, etwas aus den Fugen gerathene französische Armee eine schwere Aufgabe, vielleicht eine Unmöglichkeit werden , wenn die Oesterreicher aus ihrer Flankenstellung bei Würzburg offensiv vorgingen .

entschieden

Jourdan hätte daher, auch ohne die Nachricht von dem Treffen bei Friedberg ,

die bei

Würzburg stehende

österreichische Armee

nicht unberücksichtigt lassen können . Und dies war wohl der eigentliche Hauptgrund , der Jourdan zur Schlacht zwang ; um in günstigere Verhältnisse zu gelangen ;

er wagte sie,

er musste Alles daran

setzen, Würzburg früher zu erreichen als die Oesterreicher, denn erst dort war ihm die bessere und sichere Rückzugslinie gesichert. Erreichte aber der Feind diesen Punct früher als er, so musste er trachten,

durch einen kräftig geführten Streich sich mit Gewalt

die angedeuteten besseren Verhältnisse

zu erobern .

Insoferne also

war der Entschluss zur Schlacht von seiner Seite vollkommen gerechtfertigt.

Wenn das Resultat kein günstiges war, so lag die Ursache 5

66 wohl hauptsächlich in den Missgriffen Jourdan's, der noch Kraft auszunützen verstand. -

weder Zeit

Die Sambre- und Maas-Armee hielt bekanntlich am 1. September bei Schweinfurt einen Rasttag. Wenn dies auch durch den Zustand der Armee einigermaassen gerechtfertigt erscheint, da in Folge der erlittenen Unfälle, der starken Märsche und schlechten Verpflegung, die physische und moralische Kraft stark herabgekommen , die Disciplin gelockert war, so muss es doch auffallend bleiben, dass Jourdan gar nichts that, sich des für ihn so wichtigen Punctes Würzburg zu versichern, dessen Besitz ihm die besseren Rückzugslinien über Lengfurth oder Miltenberg nach Aschaffenburg eröffnet hätte . War auch der französischen Armee, einige Ruhe nöthig,

wie eben bemerkt wurde,

so ist man doch zur Annahme berechtigt,

es Jourdan möglich war,

dass

eine Abtheilung zur Unterstützung der

Besatzung von Würzburg am 1. noch vor dem Anlangen der österreichischen Colonne unter Hotze daselbst eintreffen zu machen . Aber auch die Verfügungen des französischen Ober-Generals am 2. September, an welchem Tage von den Oesterreichern erst 20 Bataillone und 38 Escadronen auf dem rechten Main-Ufer standen, waren eben nicht geeignet, die Verhältnisse zu seinen Gunsten zu gestalten. Gleich tadelnswerth ist die Zurücklassung der ganzen Division Lefebvre bei Schweinfurt zur directen Deckung der Strasse über Hammelburg gegen die bei Hassfurt und Ober-Teres stehende schwache Colonne des Generals Elsnitz . Ja selbst am Abende des 2. September, als über die Absichten des Gegners kein Zweifel mehr herrschen konnte, dachte Jourdan nicht daran , diese Division , oder doch den grössten Theil derselben herbeizuziehen , obgleich Schweinfurt zu dieser Zeit jede Bedeutung verloren hatte, sowohl für das Wiederergreifen der Offensive nach einem Siege, welches wohl durch einen Uebergang auf das linke Main -Ufer, aber nicht durch eine Vorrückung auf dem rechten einzuleiten gewesen wäre, als auch für den Rückzug nach der in der Gegend von Würzburg erwarteten Schlacht, für welchen Fall nicht Schweinfurt wichtig war, sondern die Debouchéen über die Wern bei Arnstein. Nicht der linke ,

sondern der rechte franzō-

sische Flügel war der empfindliche, denn dort war die gefährlichste Wirkung von Seite der Oesterreicher zu besorgen. Wenn wir uns auch der Besprechung der Schlacht von Würzburg, als ausserhalb des Rahmens dieser Zeilen liegend, enthalten , so können wir doch nicht unterlassen, dem Anmarsch der französischen Armee zur Schlacht,

als einer Thätigkeit,

welche noch direct das

Gebiet der Strategie berührt, einige Worte zu widmen. In der Nacht vom 1. zum 2. September setzte sich bekanntlich

67

die französische Armee, mit Ausnahme der Division Lefebvre, gegen Würzburg in Marsch. Die Spitze hatte die Reserve- Cavalerie-Division Bonneau. Sie marschirte kurz vor Mitternacht ab. Ihr folgten um 2 Uhr die Divisionen Bernadotte und Champion net, diesen , nach einigen Stunden, die Division Grenier. Diese Marschordnung muss von einem zweifachen Gesichtspuncte aus gewürdigt werden. Die Bewegung war ein Vormarsch, wenn man ihren Zweck, ein Flankenmarsch, wenn man die Stellung der Oesterreicher berücksichtigt. Die französische Marsch- Disposition verträgt weder in der einen noch in der anderen Hinsicht die Kritik. Der oberste Zweck war die Behauptung

Würzburgs .

Es hätte

daher die Spitze der Armee aus solchen Truppen bestehen müssen, welche die Garnison dieses Platzes entweder unmittelbar durch Theilnahme an der Vertheidigung

oder mittelbar durch einen Angriff der

etwa schon vor der Festung unterstützen konnten.

eingetroffenen feindlichen Abtheilungen

Schwere Cavalerie ist aber nicht die Waffe ,

mit welcher man

geschlossene Städte vertheidigt, auch ist sie nicht dazu geeignet, eine Stellung anzugreifen, wie sie Hotze auf dem Galgenberg genommen. Wenn auch Bonneau vor dem Eintreffen der Oesterreicher bei Würzburg angelangt wäre, so würden seine 25 Escadronen dem Platze doch wenig materiellen Nutzen gewährt haben. Jedenfalls aber wären. die dadurch etwa erreichten Vortheile weit geringer anzuschlagen gewesen, als der Nachtheil, welcher der französischen Armee daraus erwachsen konnte, dass die gesammte Reserve -Cavalerie den übrigen Truppen um mehrere Stunden vorausgeeilt war. Jourdan würde in dem, freilich nicht eingetretenen , aber doch sehr möglichen Falle, dass der Erzherzog mit den Heerestheilen unter Kray und Wartensleben am Morgen des

2.

bei Volkach oder

Schwarzach den Main passirte und die Franzosen während des Marsches angriff, seine Reserve - Cavalerie schwer vermisst haben . Es wäre daher gewiss weit zweckmässiger gewesen, die Avantgarde aus leichter Reiterei zu bilden und dieser so schnell als möglich Infanterie folgen, die Division Bonneau aber in der exponirten Flanke marschiren zu lassen.

Aus der Bedeutung Würzburgs für die französische Armee erwuchs als natürliche Folge für den Erzherzog die Nothwendigkeit sich dieses Punctes vor dem Gegner zu bemächtigen, denselben dadurch auf die beschwerliche Linie durch den Spessart zu weisen. Diese Bedeutung,

sie war dem österreichischen Feldherrn kein

Geheimniss, die Richtung seines Vormarsches von der Pegnitz spricht 5*

68 dafür in unzweideutiger Weise , allein in der Bewegung waren die Österreichischen Colonnen in einer Art zurückgeblieben , die zu erheblichen Nachtheilen führen konnte. Der Erzherzog äussert sich darüber selbst „Aber

nicht

allein Jourdan,

seine Truppen

zu

sehr

sondern

getrennt.

auch

folgendermaassen ¹): der Erzherzog hatte

Sztarray konnte

am

2.

und

selbst noch am 3. eher geschlagen werden , als er ihn zu unterstützen vermochte. Durch den Rasttag bei Ober- Schwarzach am 2. blieb der Erzherzog zu weit von ihm entfernt und exponirte dadurch ein Corps , welches die Hälfte seiner Armee ausmachte. Er wollte zwar seine Rückzugslinie, so wie die Strasse von Bamberg decken : allein die letztere war nicht sehr gefährdet und im äussersten Falle blieb ihm die erste nach Nürnberg gewiss ; dagegen gewann er durch eine Stellung bei Kloster Schwarzach die Möglichkeit, dem FeldmarschallLieutenant Sztarray zu rechter Zeit Hilfe zu leisten. Auch war zur Verbindung mit demselben und zum Uebergange der Armee über den Main eine einzige Brücke nicht hinlänglich ; es gebrach aber an Mitteln, แ mehrere zu schlagen."

Die weiteren Ereignisse auf dem nördlichen Theile des Kriegstheaters sind zu sehr bekannt und zu oft besprochen, als dass eingehendere Betrachtungen darüber noch ein weiteres Interesse zu erwecken vermöchten, wir werden uns daher darauf beschränken, diese Operationen kurz anzudeuten :

seits

Die Früchte des Sieges bei Würzburg waren österreichischerdie Behauptung der kürzeren Communication an den Rhein und

der Marsch-Direction in die Flanke des Feindes, dessen Zurückwerfung auf eine unvortheilhafte Rückzugslinie, und schliesslich ein tiefer Eindruck auf die Stimmung der geschlagenen Armee. Während die französische Armee nach der erlittenen Niederlage in starken Märschen (bei 23 Meilen in 6 Tagen) durch den Spessart an die Lahn zurückging , trachtete der Erzherzog , von einem richtigen, strategischen Gedanken geleitet, die Gegend von Hanau zu erreichen, um in eine centrale Lage zwischen Jourdan und Marceau zu gelangen. Im Sinne einer parallelen Verfolgung liess er der geschlagenen Armee direct nur einen Heerestheil von 12 Bataillonen und 39 Escadronen folgen,

der jedoch seiner Aufgabe

wenig entsprach,

da er

in 5 Marschtagen nur 9 Meilen zurückgelegt hatte, also zu einer Zeit, als die Sambre- und Maas-Armee bereits an der Lahn stand , erst in die Gegend von Schlüchtern, an die Kinzig, kam .

1 ) Grundsätze der Strategie etc.

69 Auch der Erzherzog traf in Hanau zu spät ein, um aus diesem strategisch gutgewählten Central-Raume einen Vortheil über die beiden . getrennten Heeresgruppen

der

Gegner (Jourdan und Marceau )

ziehen, oder deren Vereinigung vereiteln zu können . Bei den Kämpfen an der Lahn weiss der Erzherzog den Gegner auf dessen linkem Flügel geschickt zu täuschen , während er den Druck gegen den rechten richtet. Dass der österreichische Feldherr diesmal einen Vorgang beobachtet, welcher den im Monate Juni an der Lahn stattgehabten Gefechten gerade entgegengesetzt ist, indem die schwierigere Stromstrecke zum Uebergange gewählt wird,

beruht im Bewusstsein der Kraft,

welche

im Interesse

eines möglichen grossen Erfolges zu kühnem Handeln

veranlasste.

Wir können uns unter diesem Gesichtspuncte damit nur

vollkommen einverstanden erklären . Bei Jourdan hingegen hatte das Gefühl der Ohnmacht noch immer die Oberhand : obwohl er 54.000 Mann , darunter 3 frische Divisionen , zur Stelle hatte, dem Erzherzoge somit gewachsen war, vermied er hier, wie später am Wiedbache, einen zweiten Entscheidungskampf. Es war endlich hohe Zeit zur Umkehr,

wollte

der Erzherzog

durch einen letzten Schlag gegen Moreau den Feldzug zu vollständigem Abschlusse bringen. Nach den Verfolgungs- Gefechten bei Altenkirchen beschliesst er denn auch in der That den Marsch nach dem Ober-Rhein ;

die dahin mitgenommenen,

ohnedies

nicht zahlreichen

Truppen, wurden jedoch successive zu Nebenaufgaben verwendet, so zwar, dass der österreichische Feldherr mit nur 9 Bataillonen und 17 Escadronen

an der Rench eintraf,

nachdem er,

von Hachenburg

bis dahin, in 22 Tagen etwa 40 Meilen zurückgelegt hatte. Es kann nicht geläugnet werden ,

dass diese Bewegung bei der

geringen Truppenzahl, mit der sie ausgeführt wurde und dem Zwecke , zu welchem sie geschah, zu langsam war, allein wir glauben bei dieser Gelegenheit das Factum constatiren zu sollen, dass die Oesterreicher in dem ganzen Feldzuge keine starken Marschleistungen aufzuweisen haben. Sie legten selbst in dringenden Fällen , selten, und dann nicht viel mehr als zwei Meilen im Tage zurück. Es dürfte dies, wie schon erwähnt, auf Rechnung der Schwerfälligkeit ihres Trains (Mitführen von Zelten) und ihrer Verpflegung zu setzen sein. Durch Heranziehung der im Schwarzwalde selbstständig gegen Moreau operirenden Heerestheile unter Na uendorf, Petrasch und Latour, vereinigte der Erzherzog am 17. October 34 Bataillone und 82 Escadronen unter seinem Befehle, schlug damit die Rhein- und Mosel- Armee, welche bereits zum grössten Theile das Rhein -Thal erreicht hatte, bei Emmendingen und Schliengen, vermochte aber den

70 Rückzug derselben bei Hüningen auf das linke Rhein-Ufer nicht zu verwehren .

Wenden

wir

nun

unsere Blicke

den Ereignissen

zu ,

welche

während der Offensive des Erzherzogs, südlich der Donau stattfanden : Wir verliessen Moreau

nach bewirktem Donau-Uebergange ,

als er mit 59.000 Mann gegen den Lech rückte, hinter welchem Flusse Latour mit nur 18.000 Mann hielt. Wir haben des Briefes an Jourdan gedacht , worin diesem General mitgetheilt wurde , dass der Erzherzog gegen ihn marschire , und in welchem Moreau verspricht, ohne Unterbrechung zu folgen . Es ist bekannt , wie wenig Moreau darum zu thun war, seinem Versprechen nachzukommen . Einige rasche Märsche und der durch das Gefecht bei Friedberg erlangte unmittelbare Contact mit dem Gegner mussten ihn bald überzeugt haben, dass er nicht des Feindes Hauptmacht vor sich habe. Statt nun in entschiedener Weise das Einzige zu thun, was in solcher Lage geboten war, Latour einen geringen Heerestheil gegenüber zu lassen und mit der Mehrzahl seiner Streitkräfte zur Unterstützung Jourdan's über die Donau nordwärts zu rücken , überlässt Moreau die Sambre- und Maas -Armee ihrem Verhängnisse und verbringt die Zeit der Krise in Unthätigkeit,

die nur zuweilen

durch

Kämpfe unterbrochen wird, welche der rastlose Latour gewissermaassen selbst provocirt. Können wir diesen General auch nicht aller Fehler freisprechen, so nöthigen uns doch seine Thatkraft und Entschlossenheit Bewunderung ab. Es würde uns zu weit führen , die Kreuz- und Querzüge des französischen Ober-Generals, die lebendige Verkörperung seiner fortwährenden Unentschlossenheit, zu erläutern , wir würden auch besorgen, damit dem von uns verfolgten Zwecke untreu zu werden , da diese Operationen jedes strategischen Interesses entbehren . Erwähnen wollen wir nur in Kürze, dass die Rhein- und Mosel -Armee vom 19. August , dem Tage ihres Donau-Ueberganges, bis zum 31. August, an welchem Tage sie gegen die Isar rückte, also in 13 Tagen, nur etwa 12 Meilen Raum nach vorwärts gewonnen hatte, dabei durch den gezwungen auf München weichenden Latour, von der Donau ab, in jene Richtung gezogen wurde. Noch ehe Moreau an diesem Flusse gegen Latour, der obwohl schon wiederholt geschlagen, immer bald wieder in der Verfassung ist, dem mehr als doppelt überlegenen Gegner die Spitze zu bieten , ja zuweilen selbst angreift, etwas Entscheidendes unternommen hatte, erhält er die Nachricht von den Ereignissen bei Würzburg. Jetzt erst hält er sich verpflichtet, Etwas zu thun, um der Sambre- und Maas-

71 Armee Luft zu verschaffen , aber erst am 10. September, zu einer Zeit, als diese bereits die Lahn, die Oesterreicher Frankfurt erreicht hatten , lässt er Desaix über die Donau rücken , und folgt selbst am 11. mit dem grössten Theile der Armee. Die genaue Kunde über Jourdan's weiteren Rückzug lässt ihn jedoch das Verspätete dieser Maassregel erkennen und macht ihm klar, dass auch sein ferneres Verbleiben in Baiern weder länger nöthig , noch auch räthlich sei. Er kehrt alsbald auf das rechte Fluss-Ufer zurück und erreicht am 16. September den Lech,

am 21. die Iller,

von Buchau am Feder- See und tritt,

am 30. die Gegend

nachdem er Latour, welcher,

befürchtend der Gegner könnte ihm entgehen, etwas sorglos nachdrängt, bei Biberach eine Schlappe beigebracht hatte, nach kurzer Pause den Rückzug durch das Höll-Thal in die oberrheinische Ebene an . Wir unterlassen es über den allbekannten und unverdient viel gerühmten Rückzug Moreau's zu sprechen . Es gehört wahrlich keine grosse Kunst dazu, sich in der zwölften Stunde für den noch relativ sichersten weil vom Feinde entferntesten - Weg zu entscheiden , wenn man besorgen muss , dass der Feind auf allen anderen zuvorkommen könne , gleichwie es keine besondere Anerkennung verdient, auf dem Marsche versäumen.

die gewöhnlichsten Vorsichtsmaassregeln

nicht zu

Moreau, der zu wiederholten Malen das Schicksal des ganzen Feldzuges in Händen hatte und der seine Lage auf dem Rückzuge durch den Schwarzwald, wenn sie eine üble war, nur selbst verschuldete , gelangte,

so unglaublich dies klingen mag,

Thaten armen,

aber an Beweisen

am Abende seines an

besonderer Energielosigkeit reichen

Feldzuges, durch eine an sich zwar richtige, aber eben gar nicht bedeutende Operation , welche die Aufmerksamkeit von seinen zahlreichen Missgriffen ablenkte, zu einem unverdienten Feldherrn-Ruhme. Was Rüstow

in

seinem

Werke :

„ Die

Feldherrnkunst

des

19. Jahrhunderts " sowohl darüber, wie, als strategisches Resumé des ganzen Feldzuges sagt, glauben wir, da es uns sehr treffend scheint , hier anführen zu sollen : „Dies ist der „ schöne " Rückzug Moreau's , welcher so viele Bewunderer gefunden hat ; bei genauerer Betrachtung kann man nicht umhin zu gestehen, dass die Schwierigkeiten , welche der französische General zu überwinden hatte, nicht eben bedeutend waren, und dass er diejenigen, welche er wirklich fand , bei ein wenig mehr Entschlossenheit und Schnelligkeit sehr leicht hätte ganz vermeiden können. Dagegen zeigte der Erzherzog Carl in diesem Feldzuge sehr deutlich, was vereinte Kraft, Gegnern hier Jourdan und Moreau

zwischen zwei getrennten zusammengehalten, ver-

72 mag, wenn man es versteht , durch Schnelligkeit die Zeit zu Geld zu machen. Unter allen solchen Verhältnissen muss man einzelne Theile der Kraft exponiren , um mit geringem Aufwande den einen der getrennten Gegner festzuhalten , während man sich mit seiner Hauptmacht auf den anderen wirft. Der Führer dieser Abtheilungen muss durch Thätigkeit und Unerschrockenheit zu ersetzen suchen, was ihm an reeller Kraft abgeht, und dem Erzherzog Carl lässt sich das Zeugniss nicht versagen, dass er den rechten Mann für einen solchen Posten traf, als er Latour gegen Moreau zurückliess. Wenn Latour's Unerschrockenheit auch bisweilen in Eigensinn , seine Thätigkeit in Leichtsinn ausartete, so war dies immer besser, als wenn er daran gedacht hätte, gleichfalls durch einen schönen " Rückzug sich unsterblichen Ruhm zu erwerben. " Dass nicht blos deutsche Schriftsteller die Verhältnisse so auffassen, wie wir sie eben skizzirten, geht auch aus den Memoiren des Herzogs von Rovigo hervor und mit dessen Worten wollen wir die Erörterungen über den für Oesterreich so ruhmvollen, für Frankreich aber so verunglückten Feldzug enden : „Statt dem Erzherzog sogleich auf das linke Donau-Ufer zu folgen und ihn zu zwingen, von der Beute abzulassen, die der Erzherzog in Jourdan zu Tode jagte, schickte sich Moreau mit seiner prächtigen Armee alsbald zum Rückzug an. Während der Erzherzog, à tire d'ailes, Jourdan von Punct zu Punct trieb und dann dem Heere Moreau's den Rückweg durch das Württembergische verlegte, kehrte Moreau von seiner militärischen Promenade in Süd- Deutschland langsam durch das Höll -Thal in die Rhein- Ebene zurück. So endete dieser Feldzug, von dem man Wunder erwarten durfte standen ja doch ein Jourdan und ein Moreau an der Spitze der Armeen , - wie der kreissende Berg, der eine Maus gebar. "

42

Taf. I.

43

50

Grade myst

Denberg

Kiew Odessa

Sumbor

Roximadow

49