Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien [7. Auflage] 3662664984, 9783662664988, 9783662664995

Das Rechtshandbuch stellt die Ahndung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in Online-Medien (Rundfunk und Telemedien)

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Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien [7. Auflage]
 3662664984, 9783662664988, 9783662664995

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über die Autoren
Abkürzungen
1: Einleitung
1.1 Geschichtliches zum Ordnungswidrigkeitenrecht
1.2 Schranken der Kommunikationsfreiheiten
1.2.1 Freiheit der Meinungsäußerung
1.2.2 Kommunikationsfreiheiten
1.2.3 Speziell: die Rundfunkfreiheit
1.3 Rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten
1.4 Telemedien
2: Allgemeiner Teil
2.1 Stellung und Funktion des OWiG
2.2 Geltung des OWiG
2.2.1 Sachlicher Geltungsbereich
2.2.2 Zeitlicher Geltungsbereich
2.2.3 Räumlicher Geltungsbereich
2.2.4 Persönlicher Geltungsbereich
2.2.4.1 Die rundfunkrechtlichen Bußgeldtatbestände
2.2.4.1.1 Medienstaatsvertrag
2.2.4.1.2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
2.2.4.2 Verfassungsrechtliche Probleme
2.3 Voraussetzungen der Ahndbarkeit
2.3.1 Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit
2.3.1.1 Objektiver Tatbestand
2.3.1.2 Subjektiver Tatbestand
2.3.1.2.1 Vorsatz
2.3.1.2.2 Fahrlässigkeit
2.3.1.2.3 Irrtumsfolgen
2.3.1.2.3.1 Irrtum im Bußgeldverfahren
2.3.1.2.3.2 Tatbestandsirrtum
2.3.1.2.3.3 Verbotsirrtum
2.3.1.2.3.4 Erlaubnisirrtum
2.3.1.2.3.5 Erlaubnistatbestandsirrtum
2.3.1.3 Rechtswidrigkeit
2.3.1.4 Vorwerfbarkeit
2.3.2 Tatort
2.3.3 Täter
2.3.3.1 Einheitstäter-Begriff
2.3.3.2 Handeln mehrerer
2.3.3.3 Handeln für einen anderen
2.4 Aufsichtspflichtverletzung, Organisationsverschulden
2.5 Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten
2.5.1 Verwarnung
2.5.2 Geldbuße
2.5.2.1 Bußgeldrahmen
2.5.2.1.1 Untergrenze
2.5.2.1.2 Obergrenze bei einzelnen Ordnungswidrigkeiten
2.5.2.1.3 Verbandsgeldbuße
2.5.2.2 Zumessungsregeln
2.5.2.2.1 Bedeutung der Tat
2.5.2.2.2 Schwere des Vorwurfs
2.5.2.2.3 Wirtschaftliche Verhältnisse
2.5.2.3 Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils
2.5.2.4 Mehrere Rechtsverletzungen
2.5.2.4.1 Tateinheit
2.5.2.4.1.1 Natürliche Handlungseinheit
2.5.2.4.1.2 Rechtliche Handlungseinheit
2.5.2.4.1.3 Konkurrenzen
2.5.2.4.2 Tatmehrheit
2.5.3 Nebenfolgen und weitere Sanktionsmöglichkeiten
2.5.3.1 Einziehung von Gegenständen
2.5.3.2 Einziehung von Taterträgen
2.5.3.3 Bekanntmachung im Rundfunk?
3: Strafbare und absolut unzulässige Angebote
3.1 Allgemeines
3.1.1 Sinn und Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags
3.1.2 „Absolute“ Verbote gem. § 4 Abs. 1 JMStV
3.1.3 Konkurrenz zu strafrechtlichen Verbreitungsverboten
3.1.4 Konkurrenz zu Sanktionsnormen des Jugendschutzgesetzes
3.2 Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen
3.3 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
3.4 Volksverhetzung
3.5 Leugnen oder Verharmlosen nationalsozialistischer Handlungen
3.6 Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Herrschaft
3.7 Gewaltdarstellung
3.8 Anleitung zu Straftaten
3.9 Kriegsverherrlichung
3.10 Verletzungen der Menschenwürde
3.11 Minderjährige in geschlechtsbetonter Körperhaltung
3.12 Harte Pornografie
3.13 Indizierte Werke mit strafbarem Inhalt
3.14 Einfache Pornografie
3.14.1 Einheitlicher Pornografiebegriff
3.14.2 Schutzzweck des Pornografieverbots
3.14.3 Kein Erzieherprivileg im Bußgeldverfahren
4: Jugendschutz
4.1 Indizierte jugendgefährdende Werke
4.1.1 Indizierung von Träger- und Telemedien
4.1.1.1 Die Liste jugendgefährdender Medien
4.1.1.2 „Indizierungswirkung“ kraft Gesetzes
4.1.2 Wesentlich veränderte Angebote
4.1.3 Die nicht offensichtlich jugendgefährdende Fernsehsendung
4.2 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote
4.2.1 Die gesetzliche Vermutung einer Entwicklungsbeeinträchtigung
4.2.2 § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV als Auffangtatbestand
4.2.3 Missachtung der Sendezeitgrenzen
4.2.4 Vorsorge auf andere Weise
4.2.5 Ausnahmen für digital verbreitetes Fernsehen
4.2.6 Das Berichterstattungsprivileg in § 5 Abs. 6 JMStV
4.2.7 Angebote mit Inhalten periodischer Druckerzeugnisse
4.3 Schutzvorkehrungen in Video-Sharing-Diensten
4.4 Unzulässige Programmankündigungen
4.5 Verletzung der Warnhinweispflicht
4.6 Jugendschutz in Werbung und Teleshopping
4.6.1 Werbung für indizierte Angebote
4.6.2 Werben mit der Liste jugendgefährdender Medien
4.6.3 Werben mit Indizierungsverfahren
4.7 Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten
4.8 Sendezeitbeschränkungen für Sendeformate
4.9 Abweichen von Altersfreigaben der FSK
4.10 Hinweis auf Altersfreigaben in Telemedien
4.11 Untätigkeit entgegen behördlichen Anordnungen
4.12 Auskunftspflichtverletzung
4.13 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter
4.14 Sperrung von Angeboten
4.15 Programmierung für Jugendschutzprogramme
4.16 Falsche Angaben im Anerkennungsverfahren
5: Gewinnspiele
5.1 Allgemeines
5.2 Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen
5.2.1 Minderjährige Nutzer
5.2.2 Erhöhtes Teilnahmeentgelt
5.2.3 Keine allgemeinen Teilnahmebedingungen
5.2.4 Unterlassene Protokollierung
5.2.5 Irreführende Angaben
5.2.5.1 Zur Irreführung geeignete und widersprüchliche Aussagen
5.2.5.1.1 Begehungsformen
5.2.5.1.2 Unechtes Unterlassungsdelikt
5.2.5.2 Vorspiegelung von Zeitdruck, Spielanreize
5.2.6 Eingriff in laufende Spielsendungen
5.2.7 Missachtung der Spielvorgaben
5.2.8 Unzureichende Teilnahmebedingungen
5.2.9 Verletzung von Informationspflichten
5.2.10 Auskunfts- und Vorlagepflichtverletzungen
5.3 Gewinnspiele zur Förderung von Arzneimittelkonsum
6: Werbung
6.1 Allgemeines
6.1.1 Werbung als Finanzierungsinstrument
6.1.2 Werbung als Drittäußerung
6.1.3 Europäisches Werberecht
6.1.4 Rundfunkwerberecht
6.1.5 Teleshopping
6.1.6 Legaldefinitionen
6.1.6.1 Rundfunkwerbung
6.1.6.2 Teleshopping
6.1.6.3 Produktplatzierung
6.2 Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für Zuwiderhandlungen in Telemedien
6.2.1 Das Verbot subliminaler Werbung
6.2.1.1 Rundfunk
6.2.1.2 Telemedien
6.2.2 Trennungsgrundsatz und Kennzeichnungsgebot
6.2.2.1 Verhaltensnormen
6.2.2.2 Sanktionsnormen
6.2.2.3 Einzelheiten
6.2.2.4 Keine Anwendung auf Teleshopping-Fenster
6.2.3 Werbetrennung bei geteiltem Bildschirm
6.2.4 Kennzeichnung von Dauerwerbesendungen
6.2.4.1 Begriff und Inhalt der Dauerwerbesendung
6.2.4.2 Kennzeichnung im Fernsehen
6.2.4.3 Kennzeichnung im Hörfunk
6.2.4.4 Umfang der Bußgeldbewehrung
6.2.5 Die Einfügung virtueller Werbung
6.2.6 Produktplatzierung
6.2.6.1 Allgemeines
6.2.6.2 Die Bußgeldtatbestände
6.2.6.2.1 Verhaltensnorm (Ausfüllungsnorm)
6.2.6.2.2 Saktionsnormen
6.2.7 Schleichwerbung und Themenplatzierung
6.2.7.1 Allgemeines
6.2.7.2 Das Schleichwerbeverbot
6.2.7.2.1 Der objektive Tatbestand
6.2.7.2.2 Der subjektive Tatbestand
6.2.7.2.3 Die Irreführungseignung
6.2.7.2.4 Der Schleichwerbung entsprechende Praktiken
6.2.7.3 Verbot der Themenplatzierung
6.2.8 Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art
6.2.8.1 Werbebegriff
6.2.8.2 Ausnahme: Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit
6.2.8.3 Zweck des Verbots ideeller „Werbung“
6.2.8.4 Sanktionsnormen
6.2.9 Werbung in Gottesdienstübertragungen und Kindersendungen
6.2.9.1 Gottesdienstübertragungen
6.2.9.2 Kindersendungen
6.2.9.3 „Unterbrechung“ durch Split-screen-Werbung?
6.2.9.3.1 Split-screen-Werbung im Rundfunk
6.2.9.3.2 Split-screen-Werbung in Telemedien
6.2.10 Sonstige Unterbrecherwerbung
6.2.11 Werbezeitüberschreitung
6.2.12 Unzulässige Teleshopping-Fenster
6.2.12.1 Unterschreitung der Mindestdauer
6.2.12.2 Unzureichende Kennzeichnung
6.3 Werbeverbote in Fachgesetzen
6.3.1 Das Tabakwerbeverbot
6.3.2 Heilmittelwerbung
6.3.2.1 Allgemeines
6.3.2.2 Zulassungspflichtige Arzneimittel
6.3.2.3 Pflichtangaben bei Arzneimittelwerbung
6.3.2.4 Verschreibungspflichtige Arzneimittel
6.3.2.5 Werbung ausländischer Unternehmen
6.3.2.6 Irreführende Heilmittelwerbung
6.3.2.7 Sonstige heilmittelwerberechtliche Ordnungswidrigkeiten
6.3.3 Glücksspielwerbung
6.3.3.1 Allgemeines
6.3.3.2 Der Glücksspielbegriff
6.3.3.3 Der glücksspielrechtliche Werbebegriff
6.3.3.4 Einzelne Ordnungswidrigkeiten
6.3.3.4.1 Glücksspielwerbung über Telekommunikationsanlagen
6.3.3.4.2 Glücksspielwerbung an Minderjährige
6.3.3.4.3 Glücksspielwerbung für Online-Spiele
6.3.3.4.4 Sportwettenwerbung bei Live-Übertragungen
6.3.3.4.5 Verbindung von Sportwettenwerbung mit Live-Zwischenständen
6.3.3.4.6 Werbung oder Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel
6.3.3.4.6.1 Werbung für unerlaubtes Glücksspiel
6.3.3.4.6.2 Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel
6.3.3.4.7 Werbung für virtuelle Automatenspiele
6.3.4 Werbung für Pornografie
6.3.5 Werbung für Prostitution
6.3.5.1 Nach dem Prostituiertenschutzgesetz
6.3.5.2 Nach § 119 OWiG
7: Sponsoring
7.1 Allgemeines
7.2 Unterlassene Sponsornennung
7.3 Unzulässige Sponsorsendungen
7.3.1 Unzulässige Werbewirkung
7.3.2 Sponsoring an Stelle unzulässiger Werbung
7.3.3 Nachrichten- und politische Informationssendungen
7.3.4 Kindersendungen und religiöse Sendungen
8: Datenschutz
8.1 Allgemeines
8.2 Datenschutz-Grundverordnung
8.2.1 Bußgeldtatbestände
8.2.2 Ausnahme für Behörden und öffentliche Stellen
8.2.3 Ausnahmen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
8.2.4 Allgemeine Verfahrensregelungen
8.2.5 Zumessung der Geldbuße
8.2.6 Verjährung
8.3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (künftig: Telekommunikation-Digitale Dienste-Datenschutz-Gesetz - TDDDSG)
9: Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten
9.1 Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten
9.1.1 Mitteilungspflichten bei Änderung der Niederlassungskriterien
9.1.2 Verbraucherschutzrechtliche Impressumspflicht
9.1.3 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit
9.1.4 Mitteilungspflichten gemäß Europaratskonvention
9.1.5 Nachweis der Programmbezugsquellen
9.1.6 Herausgabe von Daten über Zuschaueranteile
9.1.7 Allgemeine Änderungsmitteilungen
9.1.8 Jährlicher Bericht zu den Einflussverhältnissen
9.1.9 Bekanntmachung des Jahresabschlusses
9.1.10 Geplante Beteiligungsveränderungen
9.1.11 Weiterverbreitungsanzeige
9.1.11.1 Der Tatbestand der Weiterverbreitung
9.1.11.2 Die Anzeigepflicht
9.1.11.3 Exkulpation bei Pflichtübertragung auf Plattformbetreiber
9.1.11.4 Tathandlungsvarianten
9.2 Großereignisse gegen Entgelt
9.3 Unzulässige Rundfunkveranstaltung
9.3.1 Veranstalten von zulassungspflichtigem Rundfunk ohne Zulassung
9.3.1.1 Verbreitung über Satellit oder im Internet
9.3.1.2 Terrestrische Verbreitung
9.3.2 Veranstalten von nicht zulassungsfähigem Rundfunk
9.3.2.1 Rundfunkveranstaltung auf Basis einer rechtswidrigen Zulassung
9.3.2.2 Nachträgliches Entfallen einer Zulassungsvoraussetzung
9.3.2.2.1 Natürliche Personen als Rundfunkveranstalter
9.3.2.2.2 Juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften als Rundfunkveranstalter
9.3.2.3 Bestehen der Zulassungsbeschränkung nach § 53 Abs. 3 MStV
9.3.3 Veranstalten von unzulässigem zulassungsfreien Rundfunk
9.3.3.1 Vorbemerkung: Angebot und Nutzung von linearen TV-Streams
9.3.3.2 Zulässigkeitsvoraussetzungen für zulassungsfreie Rundfunkangebote
9.3.3.3 Exkurs: Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte und Mithaftung
9.3.4 Konkurrenzen
10: Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung
10.1 Anzeige des Plattformbetriebs
10.1.1 Anzeige des Betriebsbeginns
10.1.2 Nachträgliche Anzeige bei nicht angezeigtem Bestand
10.2 Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote
10.2.1 Inhaltliche oder technische Veränderungen
10.2.1.1 Ohne Einwilligung der Inhalteanbieter
10.2.1.2 Art der Veränderungen
10.2.2 Überlagerung mit Fremdinhalten oder Hinweisen darauf
10.2.3 Vermarktung oder öffentliches Zugänglichmachen
10.2.3.1 Entgeltliche oder unentgeltliche Vermarktung
10.2.3.2 Fernsehpiraterie und verwandte Erscheinungsformen
10.3 Belegung von Medienplattformen
10.3.1 Normadressaten
10.3.2 Belegungsgrundsätze
10.3.3 Unzulässige Belegung
10.3.3.1 Fernsehprogramme
10.3.3.1.1 Vorrangige Fernsehprogramme
10.3.3.1.2 Sonstige Fernsehprogramme
10.3.3.2 Hörfunkprogramme
10.3.4 Anzeigepflichtverletzungen
10.4 Zugang zu Medienplattformen
10.4.1 Ungleichbehandlung oder Behinderung von Anbietern
10.4.2 Anzeigepflichtverletzungen
10.4.2.1 Verwendung eines Zugangsberechtigungssystems
10.4.2.2 Verwendung von Schnittstellen für Anwendungsprogramme
10.4.2.3 Entgelte
10.4.2.4 Sonstige Änderungen
10.4.3 Nichterfüllung eines Auskunftsverlangens
10.4.4 Keine Offenlegung der Zugangsbedingungen
10.4.4.1 Gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt
10.4.4.2 Gegenüber Rundfunkveranstaltern und Telemedienanbietern
10.4.5 Unangemessene Entgelte für lokale und regionale Angebote
10.5 Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen
10.5.1 Gleichbehandlungsgebot
10.5.2 Verbot unbilliger Behinderung der Auffindbarkeit
10.5.3 Verbot diskriminierender Suchfunktion
10.5.4 Übergangsregelung als Tatbestandsausschluss
10.6 Darstellung des Rundfunks in Benutzeroberflächen
10.6.1 Erste Auswahlebene für den Rundfunk in seiner Gesamtheit
10.6.2 Auffindbarkeit von Public-value-Programmen
10.6.3 Vorrangige Darstellung von Regionalfensterprogrammen
10.6.4 Auffindbarkeit von Public-Value-Telemedien
10.6.5 Gewährleistung von Nutzerautonomie
10.7 Intransparente Auswahlgrundsätze
10.7.1 Normverpflichtete und -begünstigte
10.7.2 Transparenzanforderungen
10.7.3 Nutzerinformationen
10.8 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen
10.9 Medienintermediäre
10.9.1 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter
10.9.1.1 Keine ahndungsbegründende Konkretisierung durch Satzungsrecht
10.9.1.2 Inhalt der Benennung
10.9.1.3 Funktion des Zustellungsbevollmächtigten
10.9.2 Verletzung des Transparenzgebots
10.9.2.1 Allgemeine Informationspflicht
10.9.2.1.1 Kriterien für Zugang und Verbleib im Intermediär
10.9.2.1.2 Wesentliche Kriterien für Aggregation, Selektion und Präsentation
10.9.2.2 Keine Wahrnehmbarkeit einer Spezialisierung
10.9.2.3 Keine unverzügliche Wahrnehmbarmachung von Änderungen
10.9.2.3.1 Änderung der Kriterien für Zugang und Verbleib
10.9.2.3.2 Änderung zentraler Aggregations-, Selektions- und Präsentationskriterien
10.9.2.3.3 Änderung einer Spezialisierung
10.9.2.4 Verantwortlichkeit für die Kennzeichnung von Social Bots
10.9.3 Diskriminierung journalistisch-redaktioneller Angebote
10.9.4 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen
10.10 Barrierefreiheit
10.10.1 Entstehungsgeschichte
10.10.2 Adressaten der Barrierefreiheitsverpflichtungen
10.10.3 Die objektiven Bußgeldtatbestände
10.10.3.1 Keine Gewährleistung barrierefreien Zugangs
10.10.3.2 Beurteilung und Dokumentation der Barrierefreiheitsanforderungen
10.10.3.2.1 Unterlassen der Beurteilung
10.10.3.2.2 Unterlassene Dokumentation oder deren Aufbewahrung
10.10.3.2.3 Konkurrenzen
10.10.3.3 Keine barrierefreien Informationen für die Allgemeinheit
11: Telemedien
11.1 Impressumspflichtverletzungen
11.1.1 Nach dem Telemediengesetz (künftig: Digitale-Dienste-Gesetz)
11.1.2 Nach dem Medienstaatsvertrag
11.1.2.1 Allgemeine Impressumspflicht
11.1.2.2 Qualifizierte Impressumspflicht
11.2 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit
11.3 Kennzeichnungspflicht für Social Bots
11.4 Verletzung der Auskunftspflicht nach § 2c TMG
11.5 Werbe- und Sponsorbestimmungen
11.5.1 Allgemeine Bestimmungen
11.5.1.1 Verschleierung kommerzieller Kommunikation
11.5.1.2 Erkennbarkeit von Werbung
11.5.1.3 Trennung der Werbung von anderen Inhalten
11.5.1.4 Sonderfälle: Schleichwerbung und Produktplatzierung
11.5.1.4.1 Schleichwerbung in Telemedien
11.5.1.4.2 Produktplatzierung in Telemedien
11.5.1.5 Das Verbot subliminaler Werbung
11.5.1.6 Unzureichende Urheberangaben bei ideeller Werbung
11.5.2 Für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien
11.6 Missachtung einer vollziehbaren Sperrungsverfügung
11.7 Sperrung gegen Abruf der Aufsichtsbehörde
11.8 Unzureichende Verfahren für Videosharing-Dienste
11.8.1 Fehlendes oder fehlerhaftes Meldeverfahren
11.8.2 Fehlendes oder fehlerhaftes Abhilfeverfahren
12: Zuständigkeiten, Verfahren
12.1 Bußgeldbehörden
12.1.1 Sachliche Zuständigkeit
12.1.1.1 Subsidiäre Zuständigkeit nach § 36 OWiG
12.1.1.2 Zuständigkeit bei Aufsichtspflichtverletzungen
12.1.1.3 Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft
12.1.1.4 Zuständigkeit für medienrechtliche Ordnungswidrigkeiten
12.1.1.4.1 Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
12.1.1.4.2 Nach dem Medienstaatsvertrag
12.1.1.5 Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten nach dem Telemediengesetz
12.1.1.5.1 Gesetzliche Zuständigkeitsnormen
12.1.1.5.2 Delegationsverordnungen
12.1.1.6 Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten in Fachgesetzen
12.1.1.7 Konkurrierende sachliche Zuständigkeiten
12.1.2 Örtliche Zuständigkeit
12.1.2.1 Nach dem Medienstaatsvetrag
12.1.2.1.1 Anzeige- und Verfahrenspflichten
12.1.2.1.2 Programmverstöße
12.1.2.2 Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
12.2 Verfahrenshindernisse
12.2.1 Verjährung
12.2.1.1 Fristbeginn
12.2.1.2 Unterbrechung und Ruhen
12.2.1.3 Verjährungsfristen
12.2.1.3.1 Allgemeine Verjährungsfristen
12.2.1.3.2 Rundfunk- und telemedienbezogene Verjährungsfristen
12.2.1.4 Einzelfälle
12.2.1.4.1 Dauer-, Zustands- und echte Unterlassungsordnungswidrigkeiten
12.2.1.4.2 Organisationsverschulden
12.2.1.5 Absolute Verfolgungsverjährung
12.2.2 Befassung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle
12.2.2.1 Regulierte Selbstregulierung im Jugendmedienschutz
12.2.2.2 Befassung freiwilliger Selbstkontrolleinrichtungen im Rundfunk
12.2.2.3 Befassung freiwilliger Selbstkontrolleinrichtungen bei Telemedien
12.2.3 Rechtskräftige Vorentscheidung
12.3 Einleitung des Verfahrens
12.4 Aufgaben der Polizei im Bußgeldverfahren
12.5 Untersuchungsgrundsatz, Unschuldsvermutung
12.5.1 Einstellung des Verfahrens
12.5.1.1 aus Zweckmäßigkeitserwägungen
12.5.1.2 aus Rechtsgründen
12.5.2 Erlass eines Bußgeldbescheides
12.6 Bedeutung des Bußgeldbescheides
12.6.1 Der Bußgeldbescheid als Vollstreckungstitel
12.6.2 Der fehlerhafte Bußgeldbescheid
12.6.3 Der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren
12.7 Zwischenverfahren nach Einspruch
12.8 Vollstreckung
12.8.1 Grundsätze der Vollstreckung
12.8.2 Vollstreckungsverjährung
Literatur
Lehrbücher
Kommentare
Handbücher und Wörterbücher
Sonstige Sammelwerke
Monografien
Zeitschriftenbeiträge
Stichwortverzeichnis

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Roland Bornemann · Steffen Rittig

Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien 7. Auflage

Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien

Roland Bornemann • Steffen Rittig

Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien 7. Auflage

Roland Bornemann Ottobrunn, Deutschland

Steffen Rittig Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit Wiesbaden, Deutschland

ISBN 978-3-662-66498-8    ISBN 978-3-662-66499-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2001, 2011, 2012, 2013, 2015, 2018, 2023 5. Auflage: © EHV Academicpress GmbH, Bremen, Germany 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.

Vorwort

Seit dem Erscheinen dieses Handbuchs, das in der ersten Auflage 2001 den Titel „Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Mediendiensten“ trug, hat sich die Medienlandschaft und mit ihr die medienrechtliche Landschaft stark verändert. Änderungen des europäischen Sekundärrechts haben Änderungen in den nationalen Rechtsordnungen nach sich gezogen. Die Regulierung hat nach und nach weitere Bereiche erfasst. Stand ursprünglich die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk, später auch von Telemedien im Fokus der Gesetzgebung, sind längst Fragen der Distribution einbezogen worden. Dabei blieb die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die technische Infrastruktur (Telekommunikation) zu beachten. Die Länder als Rundfunkgesetzgeber haben die Bedeutung sog. Gatekeeper für die Gewährleistung von Meinungsvielfalt erkannt und Vorgaben für die Vielfaltssicherung durch Weiterverbreiter und Zugangsvermittler aufgestellt. Die wachsende Zahl von Bußgeldtatbeständen hat – erfreulicherweise – nicht zu einem entsprechenden Anwachsen von Bußgeldverfahren geführt. Für manche Bußgeldtatbestände steht im Gegenteil die Bewährung im Praxistest noch aus. Das bedeutet aber nicht, dass alle bis heute unangewendeten Bußgeldtatbestände überflüssig wären. Denn die Erfahrung lehrt, dass der Erfolg kooperativer Formen des Verwaltungshandelns der Aufsichtsbehörden oft von der Möglichkeit, Zwang anzuwenden, abhängt. Selbst Bußgeldtatbestände mit unklaren Anwendungsvoraussetzungen können mitunter eine einvernehmliche Lösung von Aufsichtsproblemen erst ermöglichen. Dass die zumeist zuständigen Landesmedienanstalten vergleichsweise selten Bußgeldverfahren durchführen, liegt zu einem Teil sicherlich an der Unhandlichkeit vieler Sonderdelikte gerade im Rundfunkbereich. Der ahndungsrechtlich taugliche Täter „Rundfunkveranstalter“ ist zumeist eine juristische Person des Privatrechts und mangels Handlungsfähigkeit als Täter einer Ordnungswidrigkeit untauglich. Der handelnde Mitarbeiter ist nicht selten mangels ahndungsbegründender Tätermerkmale als Täter ahndungsrechtlich untauglich; den haftbaren Vertretern ist meist keine eigene Tatbeteiligung nachzuweisen. Und der Rettungsanker „Aufsichtspflichtverletzung“ (§ 130 OWiG) findet oft keinen festen Ankergrund, denn er verlangt vom Tatrichter klare Darlegungen, durch welche (nahe liegenden) Organisations- oder Aufsichtsmaßnahmen die Bezugstat der handelnden untauglichen Täter hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können.

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Vorwort

Hinzu kommt, dass vielen Richterinnen und Richtern in den Bußgeldkammern der Amtsgerichte das ungewohnte Medienrecht als vermintes Gelände erscheinen mag. Darauf deuten jedenfalls häufige Verfahrenseinstellungen mit teils überraschenden Begründungen und manchmal wegen Verjährung bei Gericht hin. Dieses in siebter Auflage erscheinende Rechtshandbuch ist ein wichtiger Ratgeber für alle, die es vermeiden wollen, mit einem Bußgeldverfahren überzogen zu werden, für alle, deren Aufgabe es ist, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen und zu ahnden, und nicht zuletzt für die Verteidigerinnen und Verteidiger in medienrechtlichen Bußgeldverfahren. Es gehört deshalb in die Bibliotheken aller Rundfunkveranstalter und geschäftsmäßigen Telemedienanbieter einschließlich der Anbieter von Medienplattformen, Benutzeroberflächen und Medienintermediären. Es gehört in die Bibliotheken der Amtsgerichte und Staatsanwaltschaften zumindest an allen Medienstandorten in Deutschland und in die Bibliotheken aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in der Beratung von Medienunternehmen (Compliance) und bußgeldrechtlichen Verteidigung kompetent auftreten wollen. Für die Bibliotheken von Universitäten und Hochschulen, die Medienrecht anbieten, ist das Handbuch unverzichtbar. Von der ersten bis zur sechsten Auflage hat Roland Bornemann das Rechtshandbuch allein betreut. Dabei kamen ihm die Erfahrungen als Justiziar der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, als Lehrbeauftragter beim Mainzer Medieninstitut und seit 2011 als Honorarprofessor am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Mitarbeit an verschiedenen rundfunkrechtlichen Kommentaren zugute. Der Umfang der zu berücksichtigenden Vorschriften hat ständig zugenommen und sich im wachsenden Umfang des Handbuchs niedergeschlagen. So ist es zu begrüßen, dass mit Prof. Dr. Steffen Rittig ein weiterer kompetenter Autor gewonnen werden konnte. Seine langjährige Erfahrung als Hochschullehrer und Forschender im Medienrecht werden bei der Fortführung des Rechtshandbuchs wichtige Impulse geben. Anregungen aus der Leserschaft, die zur Verbesserung dienen können, sind nach wie vor sehr willkommen Während des Korrekturlaufs wurde der Referentenentwurf eines Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) vom 1.8.2023 bekannt, das zusammen mit dem Digital Services Act, einer direkt geltenden EU-Verordnung, am 17.2.2024 in Kraft treten soll. Es wird dann das Telemediengesetz (TMG) und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ablösen. Geneigte Leserinnen und Leser mögen die Bezeichnung Telemedien im Buch ab dem 17.2.2024 durch digitale Dienste, Telemedienanbieter durch Diensteanbieter ersetzen. Im Übrigen wird im Text nach Möglichkeit auf zu erwartende Änderungen hingewiesen. Ottobrunn/Mainz, Deutschland  2023 Juni

Roland Bornemann Steffen Rittig

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Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������   1 1.1 Geschichtliches zum Ordnungswidrigkeitenrecht������������������������������   1 1.2 Schranken der Kommunikationsfreiheiten������������������������������������������   3 1.2.1 Freiheit der Meinungsäußerung����������������������������������������������   3 1.2.2 Kommunikationsfreiheiten�����������������������������������������������������   4 1.2.3 Speziell: die Rundfunkfreiheit������������������������������������������������   4 1.3 Rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten����������������������������������������   5 1.4 Telemedien������������������������������������������������������������������������������������������   6

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Allgemeiner Teil ����������������������������������������������������������������������������������������   9 2.1 Stellung und Funktion des OWiG ������������������������������������������������������   9 2.2 Geltung des OWiG������������������������������������������������������������������������������  10 2.2.1 Sachlicher Geltungsbereich����������������������������������������������������  10 2.2.2 Zeitlicher Geltungsbereich������������������������������������������������������  10 2.2.3 Räumlicher Geltungsbereich��������������������������������������������������  11 2.2.4 Persönlicher Geltungsbereich ������������������������������������������������  12 2.3 Voraussetzungen der Ahndbarkeit������������������������������������������������������  17 2.3.1 Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit��������������������������������������  17 2.3.2 Tatort ��������������������������������������������������������������������������������������  30 2.3.3 Täter����������������������������������������������������������������������������������������  34 2.4 Aufsichtspflichtverletzung, Organisationsverschulden����������������������  37 2.5 Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten��������������������������������������������  40 2.5.1 Verwarnung ����������������������������������������������������������������������������  40 2.5.2 Geldbuße ��������������������������������������������������������������������������������  40 2.5.3 Nebenfolgen und weitere Sanktionsmöglichkeiten����������������  48

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 trafbare und absolut unzulässige Angebote������������������������������������������  53 S 3.1 Allgemeines����������������������������������������������������������������������������������������  53 3.1.1 Sinn und Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags������  53 3.1.2 „Absolute“ Verbote gem. § 4 Abs. 1 JMStV��������������������������  54 3.1.3 Konkurrenz zu strafrechtlichen Verbreitungsverboten������������  54 3.1.4 Konkurrenz zu Sanktionsnormen des Jugendschutzgesetzes��������������������������������������������������������������  56

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3.2 Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen����������������������  57 3.3 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ����������������������������  59 3.4 Volksverhetzung����������������������������������������������������������������������������������  60 3.5 Leugnen oder Verharmlosen nationalsozialistischer Handlungen ����������������������������������������������������������������������������������������  62 3.6 Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Herrschaft������������������������������������������������������  63 3.7 Gewaltdarstellung ������������������������������������������������������������������������������  64 3.8 Anleitung zu Straftaten ����������������������������������������������������������������������  66 3.9 Kriegsverherrlichung��������������������������������������������������������������������������  67 3.10 Verletzungen der Menschenwürde������������������������������������������������������  69 3.11 Minderjährige in geschlechtsbetonter Körperhaltung������������������������  72 3.12 Harte Pornografie��������������������������������������������������������������������������������  75 3.13 Indizierte Werke mit strafbarem Inhalt ����������������������������������������������  76 3.14 Einfache Pornografie��������������������������������������������������������������������������  77 3.14.1 Einheitlicher Pornografiebegriff ��������������������������������������������  77 3.14.2 Schutzzweck des Pornografieverbots��������������������������������������  78 3.14.3 Kein Erzieherprivileg im Bußgeldverfahren ��������������������������  80 4

Jugendschutz����������������������������������������������������������������������������������������������  81 4.1 Indizierte jugendgefährdende Werke��������������������������������������������������  81 4.1.1 Indizierung von Träger- und Telemedien��������������������������������  81 4.1.2 Wesentlich veränderte Angebote��������������������������������������������  83 4.1.3 Die nicht offensichtlich jugendgefährdende Fernsehsendung����������������������������������������������������������������������  83 4.2 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote������������������������������������������  85 4.2.1 Die gesetzliche Vermutung einer Entwicklungsbeeinträchtigung������������������������������������������������  86 4.2.2 § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV als Auffangtatbestand ��������������������  87 4.2.3 Missachtung der Sendezeitgrenzen����������������������������������������  88 4.2.4 Vorsorge auf andere Weise������������������������������������������������������  89 4.2.5 Ausnahmen für digital verbreitetes Fernsehen ����������������������  90 4.2.6 Das Berichterstattungsprivileg in § 5 Abs. 6 JMStV��������������  91 4.2.7 Angebote mit Inhalten periodischer Druckerzeugnisse����������  93 4.3 Schutzvorkehrungen in Video-Sharing-Diensten��������������������������������  93 4.4 Unzulässige Programmankündigungen����������������������������������������������  94 4.5 Verletzung der Warnhinweispflicht ����������������������������������������������������  95 4.6 Jugendschutz in Werbung und Teleshopping��������������������������������������  97 4.6.1 Werbung für indizierte Angebote��������������������������������������������  98 4.6.2 Werben mit der Liste jugendgefährdender Medien����������������  99 4.6.3 Werben mit Indizierungsverfahren������������������������������������������  99 4.7 Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten���������������������������������������� 100 4.8 Sendezeitbeschränkungen für Sendeformate�������������������������������������� 103 4.9 Abweichen von Altersfreigaben der FSK ������������������������������������������ 104 4.10 Hinweis auf Altersfreigaben in Telemedien���������������������������������������� 105

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4.11 Untätigkeit entgegen behördlichen Anordnungen������������������������������ 105 4.12 Auskunftspflichtverletzung ���������������������������������������������������������������� 107 4.13 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter���������������������������������� 108 4.14 Sperrung von Angeboten�������������������������������������������������������������������� 109 4.15 Programmierung für Jugendschutzprogramme���������������������������������� 110 4.16 Falsche Angaben im Anerkennungsverfahren������������������������������������ 111 5

Gewinnspiele���������������������������������������������������������������������������������������������� 113 5.1 Allgemeines���������������������������������������������������������������������������������������� 113 5.2 Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen������������������������ 115 5.2.1 Minderjährige Nutzer�������������������������������������������������������������� 115 5.2.2 Erhöhtes Teilnahmeentgelt������������������������������������������������������ 118 5.2.3 Keine allgemeinen Teilnahmebedingungen���������������������������� 118 5.2.4 Unterlassene Protokollierung�������������������������������������������������� 119 5.2.5 Irreführende Angaben ������������������������������������������������������������ 120 5.2.6 Eingriff in laufende Spielsendungen�������������������������������������� 121 5.2.7 Missachtung der Spielvorgaben���������������������������������������������� 122 5.2.8 Unzureichende Teilnahmebedingungen���������������������������������� 123 5.2.9 Verletzung von Informationspflichten������������������������������������ 124 5.2.10 Auskunfts- und Vorlagepflichtverletzungen���������������������������� 126 5.3 Gewinnspiele zur Förderung von Arzneimittelkonsum���������������������� 128

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Werbung������������������������������������������������������������������������������������������������������ 129 6.1 Allgemeines���������������������������������������������������������������������������������������� 129 6.1.1 Werbung als Finanzierungsinstrument������������������������������������ 129 6.1.2 Werbung als Drittäußerung ���������������������������������������������������� 129 6.1.3 Europäisches Werberecht�������������������������������������������������������� 130 6.1.4 Rundfunkwerberecht�������������������������������������������������������������� 130 6.1.5 Teleshopping �������������������������������������������������������������������������� 131 6.1.6 Legaldefinitionen�������������������������������������������������������������������� 132 6.2 Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für Zuwiderhandlungen in Telemedien ���������������������������������������������� 134 6.2.1 Das Verbot subliminaler Werbung������������������������������������������ 134 6.2.2 Trennungsgrundsatz und Kennzeichnungsgebot�������������������� 135 6.2.3 Werbetrennung bei geteiltem Bildschirm ������������������������������ 139 6.2.4 Kennzeichnung von Dauerwerbesendungen�������������������������� 139 6.2.5 Die Einfügung virtueller Werbung������������������������������������������ 143 6.2.6 Produktplatzierung������������������������������������������������������������������ 145 6.2.7 Schleichwerbung und Themenplatzierung������������������������������ 147 6.2.8 Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art �������������������������������������������������������������������������� 152 6.2.9 Werbung in Gottesdienstübertragungen und Kindersendungen�������������������������������������������������������������������� 155 6.2.10 Sonstige Unterbrecherwerbung���������������������������������������������� 157 6.2.11 Werbezeitüberschreitung�������������������������������������������������������� 159 6.2.12 Unzulässige Teleshopping-Fenster ���������������������������������������� 160

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6.3 Werbeverbote in Fachgesetzen������������������������������������������������������������ 162 6.3.1 Das Tabakwerbeverbot������������������������������������������������������������ 162 6.3.2 Heilmittelwerbung������������������������������������������������������������������ 164 6.3.3 Glücksspielwerbung���������������������������������������������������������������� 166 6.3.4 Werbung für Pornografie�������������������������������������������������������� 174 6.3.5 Werbung für Prostitution�������������������������������������������������������� 175 7

Sponsoring�������������������������������������������������������������������������������������������������� 179 7.1 Allgemeines���������������������������������������������������������������������������������������� 179 7.2 Unterlassene Sponsornennung������������������������������������������������������������ 181 7.3 Unzulässige Sponsorsendungen���������������������������������������������������������� 182 7.3.1 Unzulässige Werbewirkung���������������������������������������������������� 182 7.3.2 Sponsoring an Stelle unzulässiger Werbung �������������������������� 183 7.3.3 Nachrichten- und politische Informationssendungen ������������ 184 7.3.4 Kindersendungen und religiöse Sendungen���������������������������� 184

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Datenschutz������������������������������������������������������������������������������������������������ 185 8.1 Allgemeines���������������������������������������������������������������������������������������� 185 8.2 Datenschutz-Grundverordnung���������������������������������������������������������� 187 8.2.1 Bußgeldtatbestände ���������������������������������������������������������������� 187 8.2.2 Ausnahme für Behörden und öffentliche Stellen�������������������� 187 8.2.3 Ausnahmen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ������ 188 8.2.4 Allgemeine Verfahrensregelungen������������������������������������������ 189 8.2.5 Zumessung der Geldbuße ������������������������������������������������������ 191 8.2.6 Verjährung������������������������������������������������������������������������������ 191 8.3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (künftig: Telekommunikation-­Digitale Dienste-Datenschutz-Gesetz TDDDSG) ������������������������������������������������������������������������������������������ 192

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 eitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten������������������������������ 193 W 9.1 Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten���������������������� 193 9.1.1 Mitteilungspflichten bei Änderung der Niederlassungskriterien���������������������������������������������������������� 194 9.1.2 Verbraucherschutzrechtliche Impressumspflicht�������������������� 194 9.1.3 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit�������� 196 9.1.4 Mitteilungspflichten gemäß Europaratskonvention���������������� 197 9.1.5 Nachweis der Programmbezugsquellen���������������������������������� 198 9.1.6 Herausgabe von Daten über Zuschaueranteile������������������������ 199 9.1.7 Allgemeine Änderungsmitteilungen �������������������������������������� 200 9.1.8 Jährlicher Bericht zu den Einflussverhältnissen �������������������� 201 9.1.9 Bekanntmachung des Jahresabschlusses�������������������������������� 202 9.1.10 Geplante Beteiligungsveränderungen ������������������������������������ 204 9.1.11 Weiterverbreitungsanzeige������������������������������������������������������ 205 9.2 Großereignisse gegen Entgelt ������������������������������������������������������������ 207 9.3 Unzulässige Rundfunkveranstaltung�������������������������������������������������� 209 9.3.1 Veranstalten von zulassungspflichtigem Rundfunk ohne Zulassung ���������������������������������������������������������������������� 210

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9.3.2 Veranstalten von nicht zulassungsfähigem Rundfunk������������ 212 9.3.3 Veranstalten von unzulässigem zulassungsfreien Rundfunk�������������������������������������������������������������������������������� 217 9.3.4 Konkurrenzen�������������������������������������������������������������������������� 218 10 M  edienplattform-, Benutzeroberflächen- und ­Intermediärsregulierung �������������������������������������������������������������������������� 219 10.1 Anzeige des Plattformbetriebs���������������������������������������������������������� 220 10.1.1 Anzeige des Betriebsbeginns������������������������������������������������ 220 10.1.2 Nachträgliche Anzeige bei nicht angezeigtem Bestand���������������������������������������������������������������������������������� 221 10.2 Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote�������������������������� 221 10.2.1 Inhaltliche oder technische Veränderungen�������������������������� 221 10.2.2 Überlagerung mit Fremdinhalten oder Hinweisen darauf������������������������������������������������������������������������������������ 223 10.2.3 Vermarktung oder öffentliches Zugänglichmachen�������������� 225 10.3 Belegung von Medienplattformen���������������������������������������������������� 226 10.3.1 Normadressaten�������������������������������������������������������������������� 226 10.3.2 Belegungsgrundsätze������������������������������������������������������������ 226 10.3.3 Unzulässige Belegung���������������������������������������������������������� 227 10.3.4 Anzeigepflichtverletzungen�������������������������������������������������� 229 10.4 Zugang zu Medienplattformen���������������������������������������������������������� 229 10.4.1 Ungleichbehandlung oder Behinderung von Anbietern������������������������������������������������������������������������������ 229 10.4.2 Anzeigepflichtverletzungen�������������������������������������������������� 230 10.4.3 Nichterfüllung eines Auskunftsverlangens �������������������������� 232 10.4.4 Keine Offenlegung der Zugangsbedingungen���������������������� 232 10.4.5 Unangemessene Entgelte für lokale und regionale Angebote ������������������������������������������������������������������������������ 233 10.5 Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen�������������������������������������������� 233 10.5.1 Gleichbehandlungsgebot������������������������������������������������������ 234 10.5.2 Verbot unbilliger Behinderung der Auffindbarkeit �������������� 235 10.5.3 Verbot diskriminierender Suchfunktion�������������������������������� 235 10.5.4 Übergangsregelung als Tatbestandsausschluss �������������������� 235 10.6 Darstellung des Rundfunks in Benutzeroberflächen������������������������ 236 10.6.1 Erste Auswahlebene für den Rundfunk in seiner Gesamtheit���������������������������������������������������������������������������� 236 10.6.2 Auffindbarkeit von Public-value-Programmen �������������������� 237 10.6.3 Vorrangige Darstellung von Regionalfensterprogrammen������������������������������������������������ 238 10.6.4 Auffindbarkeit von Public-Value-Telemedien���������������������� 238 10.6.5 Gewährleistung von Nutzerautonomie���������������������������������� 239 10.7 Intransparente Auswahlgrundsätze �������������������������������������������������� 239 10.7.1 Normverpflichtete und -begünstigte������������������������������������� 239 10.7.2 Transparenzanforderungen���������������������������������������������������� 240 10.7.3 Nutzerinformationen ������������������������������������������������������������ 240

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10.8 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen ���������������������������������� 240 10.9 Medienintermediäre�������������������������������������������������������������������������� 241 10.9.1 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter������������������ 242 10.9.2 Verletzung des Transparenzgebots�������������������������������������� 244 10.9.3 Diskriminierung journalistisch-redaktioneller Angebote ���������������������������������������������������������������������������� 248 10.9.4 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen �������������������� 249 10.10 Barrierefreiheit���������������������������������������������������������������������������������� 250 10.10.1 Entstehungsgeschichte�������������������������������������������������������� 250 10.10.2 Adressaten der Barrierefreiheitsverpflichtungen���������������� 251 10.10.3 Die objektiven Bußgeldtatbestände������������������������������������ 252 11 Telemedien�������������������������������������������������������������������������������������������������� 257 11.1 Impressumspflichtverletzungen�������������������������������������������������������� 258 11.1.1 Nach dem Telemediengesetz (künftig: Digitale-­ Dienste-­Gesetz)������������������������������������������������������������������ 258 11.1.2 Nach dem Medienstaatsvertrag������������������������������������������ 259 11.2 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit������������������ 261 11.3 Kennzeichnungspflicht für Social Bots�������������������������������������������� 262 11.4 Verletzung der Auskunftspflicht nach § 2c TMG����������������������������� 262 11.5 Werbe- und Sponsorbestimmungen�������������������������������������������������� 264 11.5.1 Allgemeine Bestimmungen������������������������������������������������ 264 11.5.2 Für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien������������������������������������������������ 270 11.6 Missachtung einer vollziehbaren Sperrungsverfügung�������������������� 271 11.7 Sperrung gegen Abruf der Aufsichtsbehörde������������������������������������ 271 11.8 Unzureichende Verfahren für Videosharing-Dienste������������������������ 272 11.8.1 Fehlendes oder fehlerhaftes Meldeverfahren���������������������� 273 11.8.2 Fehlendes oder fehlerhaftes Abhilfeverfahren�������������������� 273 12 Zuständigkeiten, Verfahren���������������������������������������������������������������������� 275 12.1 Bußgeldbehörden������������������������������������������������������������������������������ 275 12.1.1 Sachliche Zuständigkeit������������������������������������������������������ 275 12.1.2 Örtliche Zuständigkeit�������������������������������������������������������� 282 12.2 Verfahrenshindernisse ���������������������������������������������������������������������� 284 12.2.1 Verjährung�������������������������������������������������������������������������� 284 12.2.2 Befassung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle�������������������������������������������������������������������� 297 12.2.3 Rechtskräftige Vorentscheidung������������������������������������������ 301 12.3 Einleitung des Verfahrens ���������������������������������������������������������������� 302 12.4 Aufgaben der Polizei im Bußgeldverfahren�������������������������������������� 304 12.5 Untersuchungsgrundsatz, Unschuldsvermutung������������������������������ 305 12.5.1 Einstellung des Verfahrens�������������������������������������������������� 306 12.5.2 Erlass eines Bußgeldbescheides������������������������������������������ 307

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12.6 Bedeutung des Bußgeldbescheides �������������������������������������������������� 308 12.6.1 Der Bußgeldbescheid als Vollstreckungstitel���������������������� 308 12.6.2 Der fehlerhafte Bußgeldbescheid���������������������������������������� 309 12.6.3 Der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren�������������� 310 12.7 Zwischenverfahren nach Einspruch�������������������������������������������������� 311 12.8 Vollstreckung������������������������������������������������������������������������������������ 311 12.8.1 Grundsätze der Vollstreckung �������������������������������������������� 311 12.8.2 Vollstreckungsverjährung��������������������������������������������������� 313 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Über die Autoren

Professor Roland  Bornemann  © Schmidbauer Photography. Ottobrunn Roland Bornemann, geboren 1955 in Hagen/Westf., ist seit April 2021 als Rechtsanwalt von der Rechtsanwaltskammer München zugelassen. Zuvor war er über 30 Jahre im Bereich Recht der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) tätig, den er seit 1991 geleitet hat. Er studierte an den Universitäten Regensburg und Würzburg sowie an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (heute: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) und legte beide juristische Staatsexamina in Würzburg ab. 1983 trat er als Regierungsrat z. A. in den bayerischen Staatsdienst ein. Nach einer Abordnung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverwaltungsgericht wurde er als Abteilungsleiter an das Landratsamt Fürstenfeldbruck versetzt. Bis zu seinem Wechsel zur BLM war er nebenberuflich als Referendararbeitsgemeinschaftsleiter bei der Regierung von Oberbayern und als Lehrbeauftragter an der Bayerischen Beamtenfachhochschule tätig. Seit 2002 lehrt er Medienstrafund -ordnungswidrigkeitenrecht im Weiterbildungsstudiengang Medienrecht in Mainz. 2011 wurde er auf Vorschlag der Fakultät Rechts- und Wirtschaftswissenschaften vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten zum Hono­rarprofessor an der Universität Mainz ernannt. Roland Bornemann ist Mitherausgeber des Nomos-­ Kommentars zum Jugendmedienschutz-­ Staatsvertrag sowie des Kommentars zum Bayerischen Mediengesetz mit Medienstaatsvertrag und JugendmedienschutzStaatsvertrag und Mitautor bei mehreren wissenschaftlichen Werken sowie Autor zahlreicher Beiträge in Fachzeitschriften.

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Über die Autoren

Professor Dr. Steffen  Rittig,  geboren 1975, ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. Zuvor war er Professor an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung, Referent im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz, hauptamtlicher Dozent an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz und zuvor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Rheinland-Pfalz sowie als Rechtsanwalt tätig. Er studierte Rechtswissenschaften und Medienrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie Verwaltungswissenschaften an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (heute: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer). Seine medien- und strafverfahrensrechtliche Dissertation an der Johannes Gutenberg-­ Universität Mainz wurde mit dem Dissertationspreis der Dr.-Feldbausch-Stiftung sowie mit dem Preis der Deutschen Hochschule der Polizei ausgezeichnet. Regelmäßig hat er Lehraufträge an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz sowie an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, wo er auch als assoziiertes Mitglied am Institut für Angewandte Forschung tätig ist. Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte liegen im öffentlichen Medienrecht, im Strafverfahrensrecht sowie im Strafrecht.

Abkürzungen

a. A. anderer Ansicht aaO. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt abl. ablehndend a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AfP Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (früher: Archiv für Presserecht) AG Amtsgericht mit Ortsangabe; Aktiengesellschaft AGGlüStV bayerisches Ausführungsgesetz zum GlüStV AG GlüStV Berliner Ausführungsgesetz zum GlüStV AG GlüStV NRW nordrhein-westfälisches Ausführungsgesetz zum GlüStV ALM Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten AMG Arzneimittelgesetz amtl. Begr. amtliche Begründung (zum Gesetzentwurf) Anm. Anmerkung ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland arg. argumentum Art. Artikel AT Allgemeiner Teil AVMD-RL Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste Az. Aktenzeichen BayMG Bayerisches Mediengesetz BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayPrG Bayerisches Pressegesetz BayRG Bayerisches Rundfunkgesetz BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BbgGlüAG brandenburgisches Ausführungsgesetz zum GlüStV BDSG Bundesdatenschutzgesetz ber. berichtigt Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch XVII

XVIII

Abkürzungen

BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungssammlung des BGH in Strafsachen Bl. Blatt BLM Bayerische Landeszentrale für neue Medien BNetzA Bundesnetzagentur Brema Bremische Landesmedienanstalt BremGlüG Bremisches Glücksspielgesetz BSG Bundessozialgericht BT-Drs. Bundestags-Drucksache Buchst. Buchstabe BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des BVerfG BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungssammlung des BVerwG CR Computer und Recht DAB Digital Audio Broadcasting DDG-E Referentenentwurf des Digitale-Dienste-Gesetzes ders. derselbe d. h. das heißt DLM Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten DLR-StV Deutschlandradio-Staatsvertrag DM Deutsche Mark DSA Digital Services Act der EU DSF Deutsches SportFernsehen (seit 2010: Sport1) DÖV Die Öffentliche Verwaltung Drs. Drucksache DS-GVO Datenschutzgrundverordnung der EU DVB Digital Video Broadcasting EG-FsRL EG-Fernsehrichtlinie EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch EMRK Europäische Menschenrechtskonvention Entsch. Entscheidung epd Evangelischer Pressedienst EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgende (Seite) ff. fortfolgende (Seiten) Fn. Fußnote FSF Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen FSK Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. gemäß GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz

Abkürzungen

GjSM

XIX

Gesetz über jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte (abgelöst durch das JuSchG) GlüÄndStV Glücksspieländerungsstaatsvertrag GlüG LSA Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt GlüStV Glücksspielstaatsvertrag vom 15.12.2011 GlüStV 2021 Glücksspielstaatsvertrag vom 23./29.10.2020 GlüStV AG schleswig-holsteinisches Ausführungsgesetz zum GlüStV GlüStVAG M-V Ausführungsgesetz zum GlüStV Mecklenburg-Vorpommern GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GO Geschäftsordnung GrS Großer Senat (bei obersten Bundesgerichten) GSS Gewinnspielsatzung(en) der Landesmedienanstalten GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt HDSIG Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz HDTV High Definition Television HGlüG Hessisches Glücksspielgesetz h.L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung HmbGlüÄndStVAG Hamburgisches Ausführungsgesetz zum GlüStV HS Halbsatz HWG Heilmittelwerbegesetz i. Erg. im Ergebnis i. R. d. im Rahmen der/des i. S. d. im Sinne der/des i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinn JGG Jugendgerichtsgesetz JMStV Jugendmedienschutz-Staatsvertrag JuSchG Jugendschutzgesetz JZ Juristenzeitung KEK Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KG Kommanditgesellschaft oder: Kammergericht (Berlin) KJM Kommission für Jugendmedienschutz krit. kritisch K&R Kommunikation und Recht LDSG-BW Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg LDSG-RP Landesdatenschutzgesetz Rheinland-Pfalz LFGB Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch LGlüG offizielles Kürzel der Landesglücksspielgesetze Baden-­ Württemberg und Rheinland-Pfalz LMBG Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz LMK Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (seit 28.12.2018: Medienanstalt Rheinland-Pfalz – Medienanstalt RLP)

XX

Abkürzungen

LOWiG baden-württembergisches Landesordnungswidrigkeitengesetz LPR Hessen Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (seit 30.11.2022: Medienanstalt Hessen) LRZ Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern MABB Medienanstalt Berlin-Brandenburg MA HSH Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein MA RLP Medienanstalt Rheinland-Pfalz m. a. W. mit anderen Worten MDR-StV Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk MDStV Mediendienste-Staatsvertrag MMR Multimedia und Recht MOModStV Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland MSA Medienanstalt Sachsen-Anhalt MStV Medienstaatsvertrag (Nachfolger des Rundfunkstaatsvertrags) MStV BBbg. Staatsvertrag über das Medienrecht in Berlin und Brandenburg MStV HSH Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein m. w. N. mit weiteren Nachweisen NDR-StV Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk nds. niedersächsisch n. F. neue Fassung NGlüSpG Niedersächsisches Glücksspielgesetz NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NLM Niedersächsische Landesmedienanstalt Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR Rechtsprechungsreport der NStZ NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz PrG Pressegesetz ProstSchG Prostituiertenschutzgesetz RÄndStV Rundfunkänderungsstaatsvertrag RennwLottG Rennwett- und Lotteriegesetz RG Reichsgericht RGSt Entscheidungssammlung des RG in Strafsachen Rn. Randnummer

Abkürzungen

RStV

XXI

Rundfunkstaatsvertrag (am 7.11.2020 durch den MStV abgelöst) RuF Rundfunk und Fernsehen (Zeitschrift, fortgeführt als M&K) S. Seite s. siehe SächsGlüStVAG Sächsisches Ausführungsgesetz zum GlüStV SächsOWiG Sächsisches Ordnungswidrigkeitengesetz SchweizBG Schweizerisches Bundesgericht SLM Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien StAnz Bayerischer Staatsanzeiger StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung TabakerzG Tabakerzeugnisgesetz TDDSG Teledienstedatenschutzgesetz ThürGlüG Thüringer Glücksspielgesetz TKG Telekommunikationsgesetz TLR Thüringer Landesmedienanstalt TMG Telemediengesetz UrhG Urheberrechtsgesetz Urt. Urteil UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VAUNET Verband Privater Medien e. V. (vormals: VPRT) VerfGH Verfassungsgerichtshof VGH Verwaltungsgerichtshof VorlTabakG Vorläufiges Tabakgesetz VSchDG Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz WDRG Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk WerbeRiL Werberichtlinien der Landesmedienanstalten (am 15.4.2021 aufgehoben durch WerbeS) WerbeS Satzung(en) zur Durchführung der Werbevorschriften des MStV Wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WRP Wettbewerb in Recht und Praxis ZAK Kommission für Zulassung und Aufsicht z. B. zum Beispiel ZDF Zweites Deutsches Fernsehen ZDF-StV ZDF-Staatsvertrag ZfWG Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM-RD Rechtsprechungsdienst der ZUM ZustV Zuständigkeitsverordnung zzt. Zurzeit

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Einleitung

1.1 Geschichtliches zum Ordnungswidrigkeitenrecht Das ältere Recht vereinte unter dem Titel „Strafrecht“ das Kriminalstrafrecht mit dem so genannten Polizeistrafrecht (Verwaltungsunrecht). Das ist im allgemeinen Sprachverständnis tief verwurzelt. Auch heute noch wird die Zufügung eines Nachteils – gleichviel ob zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur – umgangssprachlich gern als „Strafe“ bezeichnet. In seinen Anfängen war das Disziplinarrecht der Beamten, also das Berufsordnungsrecht der Staatsdiener, in das allgemeine Strafrecht eingewoben. Disziplinarvergehen und klassische Amtsverbrechen wurden nicht unterschieden. Die Ausübung der Straf- und der Disziplinargewalt waren nicht getrennt. Das Disziplinar„straf“recht erscheint bis ins 19. Jh. hinein als „Sonderstrafrecht“ des Beamten. Zu Zeiten des Großen Kurfürsten (1620–1688) und noch unter Friedrich II. (1712–1786) war die Verhängung der Todesstrafe als Disziplinarstrafe möglich.1 1958 schrieb von Weber: „Auch heute noch können kriminelle Strafe und Disziplinarmaßnahme einander ersetzen. Sie sind keine Gegensätze, sondern ineinander übergehende Erscheinungen, deren Abgrenzung nicht immer eindeutig möglich ist.“2 Diese an sich überholte Ansicht wirkt an verschiedenen Stellen bis in aktuelle juristische Diskussionen nach. Bedeutende Teile der Rechtswissenschaft sind nach wie vor der Auffassung, der Immunitätsschutz der Abgeordneten „wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung“ (Art. 46 Abs. 2 GG) beziehe sich „neben Kriminalstrafen … auch (auf) Sanktionen des Ordnungswidrigkeitenrechts, des Disziplinar- und des Standesrechts.“3  Bornemann, DÖV 1986, 93 (96 m. w. N.).  Zitiert bei Bornemann, DÖV 1986, 93 (96); vgl. auch Stettner in Dreier, GG, Art.  74 Rn.  21 m. w. N. 3  So z. B. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Art. 46 Rn. 26; ebenso BeckOK GG/Butzer, Art. 46 Rn. 13, was das Ordnungswidrigkeitenrecht betrifft, gegen die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und die Bundestagspraxis sowie einen Teil der Literatur und was die Disziplinarmaßnahmen betrifft, 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_1

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1 Einleitung

Im Großen und Ganzen darf aber heute als gesichert gelten, dass Kriminalstrafrecht und Verwaltungsunrecht (Ordnungswidrigkeiten) sowie das Berufsordnungsrecht (Disziplinarrecht) zu unterscheiden sind.4 Nach allgemeiner Rechtsauffassung5 gründet sich die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Ordnungswidrigkeitenrechts auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, d. h. auf den Kompetenztitel „Strafrecht“. Gleichwohl sollen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht wesensverschieden sein und sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung unterscheiden.6 Während die Strafe staatliches Zur-Verantwortung-Ziehen verbunden mit einem sozial-ethischen Unwerturteil über den Täter bedeute, handle es sich bei der Buße – lediglich – um eine nachdrückliche Pflichtenmahnung, der der „Ernst der Strafe“ fehle.7 Folgerichtig ordnet die Rechtswissenschaft der Geldbuße – unabhängig von ihrer Höhe – eine geringere Wertigkeit zu als der Geldstrafe.8 Konkret bedeutet dies: Eine Geldbuße wiegt – mangels sozial-ethischen Unwerturteils – juristisch weniger schwer als eine halb so hohe Geldstrafe. Zudem wird die Höhe der angemessenen Geldstrafe gem. § 46 Abs. 2 StGB auf der Grundlage der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, ausgehend von dem tatsächlichen oder erreichbaren Nettoeinkommen pro Tag und damit in Tagessätzen berechnet, was bei einkommensschwachen Personen zu sehr niedrigen Geldstrafen führen kann. Dagegen orientiert sich die Geldbuße gem. § 17 OWiG vorrangig an der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, während die wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt bleiben sollen, was bei einkommensschwachen Personen zu vergleichsweise harter Belastung führen kann. Dem Betroffenen werden diese Umstände kaum klarzumachen sein. Die Zielsetzung des Ordnungswidrigkeitenrechts, „Bagatelldelinquenz angemessen zu erfassen und vereinfacht ahnden zu können“,9 wird speziell in den rundfunk-

gegen BVerwG, Urt. v. 23.4.1985 – 2 WD 42/84, BVerwGE 83, 1 ff.; Disziplinarverfahren betreffen auch keine strafrechtliche Anklage i. S. d. Art. 6 Abs. 1 EMRK, EGMR, Urt. v. 16.7.2009 – 8453/04 – Bayer/Deutschland, NVwZ 2010, 1015  ff.; Entsprechendes gilt für das anwaltliche Standesrecht EGMR, Urt. v. 19.2.2013 – 47195/06 – Müller-Hartburg/Österreich, NJW 2014, 1791 (1792). 4  Aus der jüngeren Rspr. s. OVG Koblenz, Urt. v. 8.3.2016 – 3 A 10861/15.OVG, BeckRS 2016, 43671, Rn. 61; BVerwG, Beschl. v. 22.10.2018 – 2 B 30.18, BeckRS 2018, 29865 Rn. 7; OVG Hamburg, Urt. v. 30.11.2022 – 11 Bf 155/22.F, BeckRS 2022, 41871 Rn. 101; aber: NK-StGB/ Neumann, StGB § 17 Rn. 28 f. 5  Seit BVerfG, Beschl. v. 16.7.1969 – 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18. 6  Instruktiv Mitsch, OWiR, S.  15  ff.; zu den verschiedenen Theorien s. Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 1 Rn. 8 ff. 7  BVerfG, Beschl. v. 16.7.1969 – 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18 (33); differenzierter mit Blick auf die gewichtigen Ordnungswidrigkeiten des Wirtschaftsrechts BVerfG, Beschl. v. 21.6.1977  – 2 BvR 70, 361/75, BVerfGE 45, 272 (290). 8  Vgl. Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 22; Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 8 Rn. 5; KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 8. 9  Bülte, Grundriss, § 1 Rn. 34.

1.2  Schranken der Kommunikationsfreiheiten

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rechtlichen Bußgeldtatbeständen nicht leicht erkennbar. Schon der B ­ ußgeldrahmen von i. d. R. bis zu 500.000 € lässt gewisse Zweifel am Bagatellcharakter der Delikte aufkommen. Und die Aufwertung der schweren Jugendgefährdung zur Straftat durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (§  49 a RStV a.  F., nunmehr §  23 JMStV) zeigt, dass der Gesetzgeber seine Bewertung zumindest ändern kann. Ungeachtet aller rechtstheoretischen Erwägungen steht für den Rechtsanwender stets fest, welches Verhalten durch den Gesetzgeber als Straftat und welches als Ordnungswidrigkeit klassifiziert wird: Um Ordnungswidrigkeiten handelt es sich, wenn die Rechtsfolge als Geldbuße bezeichnet wird; um Straftaten, wenn von Freiheitsstrafe oder Geldstrafe die Rede ist.10

1.2 Schranken der Kommunikationsfreiheiten 1.2.1 Freiheit der Meinungsäußerung Die Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht (Art.  19 AEMR). Sie genießt Grundrechtsschutz auf europäischer (Art. 10 EMRK,11 Art. 11 EU-GrCharta12) wie auf nationaler Ebene (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).13 Die Meinungsfreiheit gewährt jedermann das Recht, seine Meinung öffentlich zu äußern oder auch zu verschweigen. Ungeachtet ihrer herausragenden Bedeutung für den Einzelnen und für die demokratische Gesellschaft kann sie nach Art. 5 Abs. 2 GG durch allgemeine Gesetze, die dem allgemeinen Rechtsgüterschutz dienen und nicht gegen bestimmte Meinungen gerichtet sind, beschränkt werden (Schrankenvorbehalt). Schrankengesetze müssen den Kern und Wesensgehalt der Grundrechte, die sie beschränken, unangetastet lassen; sie dürfen nur so angewendet werden, dass der Grundrechtsschutz nicht leerläuft.14 In modernen Gesellschaften ist die Teilhabe am öffentlichen Kommunikationsprozess auf (Massen-)Medien angewiesen. Die Meinungsäußerungsfreiheit gehört zusammen mit den Medienfreiheiten zu den Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Demokratie.15

 Mitsch, OWiR, S. 14 f. (Rn. 3, 5).  BeckOK InfoMedienR/Cornils, EMRK Art. 10 Rn. 12 (Stand: 01.11.2019); s. auch Payandeh, JuS 2016, 690. 12  BeckOK InfoMedienR/Cornils, EU-GrCharta Art. 11 Rn. 18 (Stand: 01.11.2019). 13  BeckOK InfoMedienR/Kühling, GG Art. 5 Rn. 1 ff. (Stand: 01.11.2020). 14  Instruktiv, Dürig/Herzog/Scholz/Grabenwarter, GG, Art. 5 Rn. 139 ff. 15  Bornemann, BayVBl. 2021, 181 m. w. N. 10 11

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1 Einleitung

1.2.2 Kommunikationsfreiheiten Anders als die Meinungsfreiheit und die „andere Seite der Medaille“, die Informationsfreiheit, sind die weiteren durch Art.  5 Abs.  1 GG gewährleisteten ­Kommunikationsfreiheiten keine urwüchsigen oder „natürlichen“ Freiheiten. Sie sind rechtserzeugt und normgeprägt. Das ist bei der Presse, die ihre Freiheit früh erkämpft hat und wenig reguliert ist, kaum zu sehen, beim spätgeborenen Rundfunk dafür umso deutlicher ausgeprägt.16 Im elektronischen Medienzeitalter werden Rundfunk- und Pressefreiheit gern kontrovers in Stellung gebracht. Während die klassische Interpretation alle massenmedial mittels Telekommunikation verbreiteten Inhalte der Rundfunkfreiheit zuordnet,17 wollen Pressevertreter den Schutzbereich der Pressefreiheit nicht verlassen.18 Einzelne Literaturstimmen versuchen ihre Aporie durch das Postulat einer weiteren Medienfreiheit, der Internetfreiheit19 oder Internetdienstefreiheit20 zu überdecken. Andere wollen nicht auf den Gesetzgeber warten und schlagen eine neue Abgrenzung zwischen Rundfunk- und Pressefreiheit vor, die alle „Lesemedien“ unabhängig von der Verkörperung in Druckerzeugnissen der Pressefreiheit zuordnet.21 Dieses Handbuch geht von einem weiten und dynamischen Rundfunkbegriff aus und hält an der traditionellen Unterscheidung anhand der Technik fest: Der Pressefreiheit unterfallen Druckerzeugnisse; Massenkommunikation per Telekommunikation wird vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst.22 Für die Erläuterung der Bußgeldvorschriften für Rundfunk- und Telemedienangebote ist die Frage der grundrechtlichen Zuordnung zur Rundfunk- oder Pressefreiheit ohne Relevanz: Beide Medienfreiheiten genießen Schutz vor staatlicher (Vor-)Zensur nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG und unterliegen dem Schrankenvorbehalt nach Art.  5 Abs.  2. Allen Medienfreiheiten des Art.  5 Abs.  1 Satz 2 GG ist der Grundsatz der Staatsfreiheit oder Staatsferne inhärent.23

1.2.3 Speziell: die Rundfunkfreiheit Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit wird, wie ausgeführt, im Rahmen „der allgemeinen Gesetze“ gewährleistet (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG). Von jeher hatten Rundfunkveranstalter bei ihrer Programmgestaltung die durch das allgemeine Strafrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht gezogenen Grenzen zu beachten. Dem  Vgl. Bornemann, MedienWirtschaft 2015, 30 (31 f.).  Beck RundfunkR/Schulz, RStV § 2 Rn. 21. 18  Vgl. Fiedler, ZUM 2010, 18. 19  Mecklenburg, ZUM 1997, 525. 20  Holznagel, NordÖR 2011, 205 (210 f.). 21  Gersdorf, AfP 2010, 421 (423 ff.); Lent, ZUM 2020, 593 (594). 22  Rittig, Auskunftsanspruch, S. 8 ff., insbes. S. 18. 23  Sachs/Bethge, GG Art. 5 Rn. 18. 16 17

1.3  Rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

5

steht nicht entgegen, dass Gesetze, welche die Rundfunkfreiheit beschränkend, ihrerseits im Lichte der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auszulegen sind.24 Ist somit einerseits klar, dass es auch in Rundfunksendungen verboten ist, andere zu beleidigen (§  185 StGB), so bietet dennoch der Einzelfall im Spannungsfeld zwischen Rundfunkfreiheit und Persönlichkeitsschutz, gegebenenfalls auch der Kunstfreiheit, Anlass für vielfältige kontroverse Diskussionen.25 Spezielle rundfunkrechtliche Straftatbestände (z. B. Art. 18 Abs. 4 BayRG) blieben die Ausnahme. Die Erwähnung des Rundfunks in allgemeinen Straftatbeständen (z. B. § 131 Abs. 2 StGB a. F.) erfolgte dann, wenn wegen der unkörperlichen Verbreitung von Rundfunksendungen durch Funkwellen eine besondere Erwähnung zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken erforderlich erschien. Ein regelrechtes Sonderstrafrecht des Rundfunks war der deutschen Nachkriegsrechtsordnung fremd. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ein ähnliches Bild: Die allgemeinen Verbotstatbestände sind für Rundfunkveranstalter – wie für jedermann – verbindlich.26 Früher im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz versteckt, findet sich eine vereinzelte „rundfunkrechtliche“ Ordnungswidrigkeit heute im Tabakerzeugnisgesetz des Bundes, der damit Art. 9 Abs. 1 Buchst. d AVMD-RL umgesetzt hat: das bußgeldbewehrte Verbot, für Tabakerzeugnisse in Hörfunk (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 7 TabakerzG), und Fernsehen (§ 20 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 9 TabakerzG) zu werben. Zwischenzeitlich wurde das Verbot auch auf Dienste der Informationsgesellschaft i. S. d. Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2003/33/EG erstreckt (§ 19 Abs. 3 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 7 TabakerzG).

1.3 Rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten Mit dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.8.1991 wurden erstmals einheitliche Bußgeldtatbestände für alle Anbieter bundesweit verbreiteter privater Rundfunkprogramme geschaffen. Damit reagierte der Gesetzgeber auf den Vorwurf aus der Praxis, es stehe für eine effektive Aufsicht kein hinreichend abgestufter Sanktionenkatalog zur Verfügung. Seither wurde die Zahl der Bußgeldtatbestände ständig vergrößert. Die Bußgeldvorschrift im Medienstaatsvertrag vom 14./28.4.2020, der am 7.11.2020 in Kraft getreten ist, fasst eine große Zahl von Ordnungswidrigkeiten zusammen. § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV enthält unter 24 Nummern Sonderdelikte für Ver Statt vieler Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 158 m. w. N.  Vgl. allgemein BayObLG, Urt. v. 18. 2. 1998 – 5 St RR 117–97, NJW 1999, 1982; OLG Hamm, Urt. v. 4.2.2004 – 3 U 168/03, ZUM 2004, 388; OLG München, Beschl. v. 14.9.2007 – 18 W 1902/07, NJW-RR 2008, 1220; BGH, Urt. v. 24.2.2022 – I ZR 2/21, NJW 2022, 1676 m. Anm. Schack; Bespr. Heinrich, GRUR-Prax 2022, 288; Borries, GRUR 2022, 632; Mäsch, JuS 2022, 1171. 26  Zum Beispiel 24 25

• • • •

öffentliche Aufforderung zu Ordnungswidrigkeiten, § 116 OWiG; Werbung für Prostitution, § 33 Abs. 2 Nr. 14 ProstSchG; Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen, § 43 BDSG; bestimmte Werbung für Heilmittel, § 15 Abs. 1 HWG; u. a.

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1 Einleitung

anstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk, die vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden können; für landesweiten und lokal/regionalen Rundfunk existieren weitere Bußgeldtatbestände in den Landesmediengesetzen, die in diesem Handbuch nicht erläutert werden. Teils für private Rundfunkveranstalter, teils für private Telemedienanbieter listet § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV unter 50 Nummern Ordnungswidrigkeiten auf, die nur vorsätzlich verwirklicht werden können. Die für private Anbieter (Rundfunkveranstalter und Telemedienanbieter) geltenden Bußgeldtatbestände in § 24 Abs. 1 JMStV kommen hinzu. Es sind unter 14 Nummern, Nr. 1 in Buchst. a–l unterteilt, aufgelistete Ordnungswidrigkeiten, die vorsätzlich und fahrlässig verwirklicht werden können, sieht man davon ab, dass die meisten der in Nr. 1 enthaltenen Tatbestände mit Vorsatztaten des (Kern-)Strafrechts kongruent sind. Durch die Einfügung von Ordnungswidrigkeitentatbeständen soll offensichtlich die Aufsicht über private Rundfunkveranstalter effektuiert werden. Die amtliche Begründung zu den Bußgeldbestimmungen des Bayerischen Mediengesetzes von 1992 führt dazu Folgendes aus: „Die Praxis hat gezeigt, daß insbesondere die Ahndung von Programmverstößen über Verwaltungszwang und Verwaltungsvollstreckung kaum praktikabel ist. Durch eine einfache Anordnung läßt sich ein bereits stattgefundener Programmverstoß nicht mehr ahnden, der Entzug der Genehmigung für einen Anbieter, der sich eines Programmverstoßes schuldig gemacht hat, wäre jedoch in den meisten Fällen unverhältnismäßig und verstieße deshalb gegen das Übermaßverbot.“27

Diese Begründung gilt analog für Rechtsverstöße außerhalb des Programms.

1.4 Telemedien Der Mediendienste-Staatsvertrag der Länder vom 28.1./12.2.1997 hatte den Bildschirmtext-Staatsvertrag (Btx-Staatsvertrag) abgelöst und die Rechtsverhältnisse für rundfunkähnliche Kommunikationsangebote bundesweit vereinheitlicht, die zuvor in verschiedenen Landesmediengesetzen unterschiedlich geregelt waren.28 Durch den Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 31.7./10.10.2006, der am 1.3.2007 in Kraft trat, wurde der Mediendienste-Staatsvertrag wieder aufgehoben. Die Vorschriften mit Anforderungen an die Inhalte von Telemedien (arg.: § 1 Abs. 4 TMG) wurden in einem neuen VI. Abschnitt (§§ 54–60) in den Rundfunkstaatsvertrag eingefügt. Die Ordnungswidrigkeitenvorschrift (§ 49 RStV) wurde zwar zusammen mit der Bestimmung über die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (§ 48 RStV) zu einem neuen Abschnitt im Rundfunkstaatsvertrag zusammengefasst, blieb aber an ihrem Platz „mitten im Gesetz“ und verwies für Rundfunkanbieter auf die vorhergehenden und für Plattformbetreiber sowie Telemedienanbieter auf die nachfolgenden Staatsvertragsbestimmungen. 27 28

 Bayer. Landtag, Drs. 12/6084, S. 35.  Vgl. auch Hesse, RundfunkR, S. 84 (Rn. 15).

1.4 Telemedien

7

Durch den Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland v. 14./28.4.202029 (MOModStV) wurden die Rechtsverhältnisse der Massenkommunikationsmittel Rundfunk und Telemedien neu geordnet. Der neue Medienstaatsvertrag (Art.  1 MOModStV) hat den Rundfunkstaatsvertrag abgelöst (Art.  9 MOModStV). Die Systematik des Medienstaatsvertrags (MStV), unterscheidet sich augenfällig von der Systematik des Vorgängerstaatsvertrags. Die allgemeinen Definitionen (§ 2 MStV) gelten nunmehr für Rundfunk und Telemedien; zuvor galt etwa die Definition des Werbebegriffs gem. § 1 Abs. 1 RStV ausschließlich für Rundfunk, auch wenn ein Großteil der Werbebestimmungen nach § 58 Abs. 3 RStV auf an die Allgemeinheit gerichtete Abrufdienste mit fernsehähnlichem Inhalt entsprechend anwendbar war. Wie allgemein üblich, befindet sich § 115 MStV mit den Bestimmungen zu Ordnungswidrigkeiten nunmehr im Schlussteil des Gesetzes. Die gesetzliche Definition des „Telemedienbegriffs“ in §  2 Abs.  1 Satz 3 MStV weicht im Wortlaut geringfügig von der Beschreibung in der Anwendungsbereichsregel des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG ab, ohne dass ein Unterschied in der Sache zu erkennen wäre. Demnach sind Telemedien alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des MStV. „Diese Begriffsbestimmung besteht also aus einem Positivmerkmal (elektronischer Informations- und Kommunikationsdienst) und drei Negativmerkmalen (kein Telekommunikationsdienst, kein telekommunikationsgestützter Dienst, kein Rundfunk).“30 Aus dieser Definition i. S. einer Auffangvorschrift erhellt, was die historische Entwicklung der Begriffe auf den Kopf zu stellen scheint: Rundfunk ist als „linearer Informations- und Kommunikationsdienst“, der „mittels Telekommunikation“ verbreitet wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MStV), ebenfalls ein elektronischer Informations- und Kommunikationsdienst, d. h. ein Unterfall der Telemedien – für den allerdings ein besonderes und wesentlich strengeres Regulierungsregime gilt als für „andere“ Telemedien.31 Ohne Einfluss auf die Interpretation des Rundfunkbegriffs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG durch das BVerfG bleibt die Einordnung massenkommunikativer Informations- und Kommunikationsdienste unter das strengere rundfunkrechtliche Regulierungsregime (§§ 52 ff. MStV) oder das liberalere für Telemedien (§§ 17 ff. MStV) durch den einfachen Gesetzgeber.32 Wenn der Gesetzgeber Telemedien wegen ihrer angenommenen geringeren Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung einem  Verkündet in den Gesetz- und Verordnungsblättern der Länder, in Bayern etwa im GVBl. 2020, 450; in Kraft getreten am 7.11.2020 (BayGVBl. 2021, 54). 30  Rittig, Auskunftsanspruch, S. 16, zum wortidentischen § 2 Abs. 1 S. 3 RStV. 31  S. die Wendung „private Rundfunkangebote und andere Telemedien“ in der Überschrift des Bayerischen Mediengesetzes. 32  Vgl. zu den ehemals sog. rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten des LMedienG Ba.-Wü., die den rundfunkähnlichen Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV entsprachen: BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987 – 1 BvR 147/86, 1 BvR 478/86, BVerfGE 74, 297 (350). 29

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1 Einleitung

reduzierten Regelungsregime unterwirft, so bedeutet dies nicht, dass sich Telemedienanbieter nicht auf den Schutz des Rundfunkgrundrechts in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen könnten.33 Soweit nichts Abweichendes vermerkt ist, gelten die nachfolgenden allgemeinen Ausführungen zu den Bußgeldtatbeständen sowohl für Rundfunk als auch für Telemedien. Der rein nationale „Telemedienbegriff“ wird vsl. am 17.2.2024 durch den Begriff des „digitalen Dienstes“ abgelöst. An diesem Tag wird die Verordnung (EU) 2022/2065 vom 19.9.2022 (ABl. L 277 vom. 27.10.2022, S. 1, ber. ABl. L 310 vom 1.12.2022, S. 17) , der sog. Digital Services Act (DSA), unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten. Am 1.8.2023 wurde ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für ein Umsetzungsgesetz zu dieser EU-Verordnung bekannt, das u. a. an die Stelle des Telemediengesetzes treten soll. Es wird für alle Anbieter digitaler Dienste (Diensteanbieter) gelten. Die Definition der digitalen Dienste in § 1 Abs. 4 Nr. 1 des Entwurfs des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) verweist auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 vom 9.9.2015 (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

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 BCHHG, BayMG Art. 1 Rn. 29 m. w. N.

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Allgemeiner Teil

2.1 Stellung und Funktion des OWiG Die Stellung und Funktion des OWiG in der Systematik der Ahndbarkeit und der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten lässt sich gut erfassen, wenn man es mit dem StGB und der StPO vergleicht: Während das StGB den Kern des materiellen Strafrechts in Form eines Lex generalis bildet und durch Strafnormen in Spezialgesetzen (etwa BtMG oder WaffG) ergänzt wird, enthält die StPO – ebenfalls als Lex generalis – die gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung des Strafverfahrens und insoweit formelles Strafrecht. Dass die durch diese Aufteilung in materielles und formelles Recht gebildete Systematik bisweilen durchbrochen wird, etwa durch Strafantragsregelungen im StGB, steht dem nicht entgegen. Mit dem OWiG hat der Gesetzgeber beim Ordnungswidrigkeitenrecht einen anderen Ansatz als im Strafrecht verfolgt: Das OWiG enthält als Lex generalis sowohl materielles Ordnungswidrigkeitenrecht in Form von einzelnen wenigen Ordnungswidrigkeitentatbeständen (Dritter Teil, §§ 111–130 OWiG), überwiegend allerdings formelles Ordnungswidrigkeitenrecht in Form von Verfahrensvorschriften. Ein kursorischer Blick in das Inhaltsverzeichnis des OWiG zeigt, dass die Mehrzahl der §§ 1–34 OWiG am StGB orientiert formuliert wurde, während die §§ 35–110c OWiG an das Erste bis Vierte Buch (§§ 1–373a StPO) und das Siebente Buch (§§ 449–473a StPO) der StPO erinnern. Da sich die meisten Vorschriften des OWiG mit Regelungen zum Verfahren beschäftigen, finden sich die wenigsten Ordnungswidrigkeitentatbestände im OWiG. Stattdessen sind sie im Ordnungsrecht zu suchen, also in den Gesetzen, die spezifische Verhaltensvorgaben machen. Im Kontext der Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien (künftig: digitale Dienste, s. o. 1.4) sind dies insbesondere die einschlägigen Staatsverträge.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_2

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2  Allgemeiner Teil

2.2 Geltung des OWiG 2.2.1 Sachlicher Geltungsbereich Das Ordnungswidrigkeitengesetz gilt sowohl für Ordnungswidrigkeiten nach Bundesrecht als auch nach Landesrecht (§ 2 OWiG). Da es sich bei dem für die Regelung der Ordnungswidrigkeiten herangezogenen Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (s. o. 1.1) um eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit handelt, bleibt der Landesgesetzgeber vor allem zur Schaffung materieller Bußgeldtatbestände im Rahmen seiner Gesetzgebungsmaterien befugt.1 Der Bundesgesetzgeber ist jedenfalls nicht berechtigt, sich landesrechtlicher Gesetzgebungsmaterien unter Berufung auf die Kompetenz zur Regelung des Strafrechts zu bemächtigen und auf diesem Umweg über die Kompetenz „Strafrecht“ eine der Länderkompetenz unterliegende Materie selbst sachlich zu regeln.2 Das hat besondere Bedeutung für die Kodifizierung rundfunkrechtlicher Bußgeldtatbestände. Der allgemeine und der verfahrensrechtliche Teil des Ordnungswidrigkeitengesetzes lassen dagegen für landesrechtliche Regelungen grundsätzlich keinen Raum, soweit nicht einzelne Bestimmungen des OWiG einen Vorbehalt zugunsten des Landesrechts enthalten.3

2.2.2 Zeitlicher Geltungsbereich Die Geldbuße bestimmt sich gem. § 4 Abs. 1 OWiG nach dem Gesetz, das zu dem Zeitpunkt gilt, in dem der Täter handelt oder – bei Unterlassungsdelikten – hätte handeln müssen, sog. Tatzeitprinzip.4 Damit begründet § 4 Abs. 1 OWiG, der inhaltlich dem § 2 Abs. 1 StGB entspricht, gemeinsam mit § 3 OWiG ein Rückwirkungsverbot für Ordnungswidrigkeitentatbestände.5 Ändert sich das Gesetz bis zur Entscheidung über die Geldbuße, so ist gem. § 4 Abs. 3 OWiG das mildeste Gesetz anzuwenden. Wird eine Straftat in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt oder umgekehrt, wie seinerzeit die offensichtlich schwere Jugendgefährdung (§  49a RStV a. F., nunmehr § 23 JMStV), so gilt der Bußgeldtatbestand unabhängig von der Höhe des Bußgeldrahmens stets als das mildere Gesetz.6

 Ebenso Mitsch, OWiR, S.  6  f. (Rn.  8); Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB Rn.  46 i.  V.  m. Rn. 36 vor § 1. 2  BVerfG, Beschl. v. 25.6.1969 – 2 BvR 128/66, BVerfGE 26, 246 (258); hierzu im Kontext des Pornografie-Strafrechts in § 184 ff. StGB und § 24 JMStV Bornemann, JZ 2022, 180 (185). 3  Vgl. Mitsch, OWiR, S.  5  f. (Rn.  6  f.); zum Ganzen Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB Rn. 36 ff. vor § 1. 4  Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 19. 5  BeckOK OWiG/Valerius, § 4 Rn. 1. 6  Krenberger/Krumm, OWiG § 4 Rn. 12; Lemke/Mosbacher, OWiG § 4 Rn. 19. 1

2.2  Geltung des OWiG

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Für eine Änderung der Rechtsprechung soll der Grundsatz des § 4 Abs. 3 OWiG nicht gelten, da sich hier nicht das Gesetz, sondern nur dessen Auslegung ändere. Wenn andererseits das Bundesverfassungsgericht im Wege sog. richterlicher Rechtsfortbildung unter Beachtung des Rechtsstaatsprinzips gewonnenes Richterrecht als „allgemeines Gesetz“ i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG ansieht und für geeignet hält, das Grundrecht der Rundfunkfreiheit zu beschränken,7 dann muss zumindest eine Rechtsänderung durch richterliche Rechtsfortbildung auch in Bezug auf § 4 Abs. 3 OWiG dieselben Wirkungen erzeugen wie eine Gesetzesänderung im demokratischen Rechtssetzungsverfahren.8 Für Verfahrensvorschriften gilt § 4 Abs. 3 OWiG nicht. Das Bußgeldverfahren richtet sich stets nach den jeweils zum Zeitpunkt der Vornahme einer Verfahrenshandlung aktuell gültigen Vorschriften.9

2.2.3 Räumlicher Geltungsbereich Der räumliche Geltungsbereich des OWiG als Bundesgesetz erstreckt sich zunächst auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.10 § 5 OWiG erweitert den Geltungsbereich darüber hinaus auf Schiffe und Flugzeuge, die berechtigt sind, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Dieser sog. Flaggengrundsatz findet sich auch in §§ 3, 4 StGB.11 Nichts anderes gilt für die materiellen Bußgeldtatbestände in anderen Bundesgesetzen (z. B. § 28 JuSchG, § 53 WaffG). Landesrechtliche Ordnungswidrigkeitentatbestände sind dagegen auf das Hoheitsgebiet des jeweiligen Landes beschränkt.12 Bei den originär rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten, die im Medienstaatsvertrag13 oder Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geregelt sind, handelt es sich um bundeseinheitlich geltendes materielles Landesrecht.14 Da es in der Bundesrepublik Deutschland keine bundesunmittelbaren Gebiete gibt, die keinem Land zugehören, stellt sich das Bundesgebiet als Summe der Ländergebiete dar.15 Somit gelten die Ordnungswidrigkeiten der in Lan-

 BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (292).  Ähnlich Lemke/Mosbacher, OWiG § 4 Rn. 21. 9  Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 23; für die Verjährungsvorschriften vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.1999 – 4 StR 453/99, NJW 2000, 820; BVerfG, Beschl. v. 31.1.2000 – 2 BvR 104/00, NJW 2000, 1554. 10  Krenberger/Krumm, OWiG § 5 Rn. 2; Lemke/Mosbacher, OWiG § 5 Rn. 1. 11  BeckOK OWiG/Valerius, § 5 Rn. 2. 12  Krenberger/Krumm, OWiG § 5 Rn. 51; Lemke/Mosbacher, OWiG § 5 Rn. 7; Mitsch, OWiR, S. 40 (Rn. 18). 13  Der Medienstaatsvertrag (MStV) ist am 7.11.2020 in Kraft getreten, verbunden mit der Aufhebung des früheren Rundfunkstaatsvertrags (RStV). 14  Vgl. Beck RundfunkR/Vesting, RStV § 1 Rn. 4 sowie Spindler/Schuster/Holznagel, RStV § 1 Rn. 5, jeweils zum früheren RStV. Ähnlich zum MStV BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 1 Rn. 21. 15  Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort Bundesgebiet. 7 8

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2  Allgemeiner Teil

desrecht transformierten Staatsverträge aller Länder im gesamten Bundesgebiet einschließlich der Küstengewässer bis zu einer Entfernung von 12 Seemeilen und der dem Festland vorgelagerten Inseln.16

2.2.4 Persönlicher Geltungsbereich Die Frage eines persönlichen Geltungsbereichs ist nicht in Bezug auf das Ordnungswidrigkeitengesetz, das für jedermann gilt, aber bei den medienrechtlichen Bußgeldtatbeständen zu erörtern, die im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und im Medienstaatsvertrag enthalten sind. Der allgemeine Teil des Jugendmedienschutz-­Staatsvertrags, der die Abschnitte I.–III. umfasst, gilt jeweils sowohl für öffentlich-­rechtliche als auch für private Rundfunkveranstalter und Telemedienanbieter. Das ergibt sich aus §  2 Abs. 1 JMStV i. Vm. dem Umstand, dass andere Abschnitte des JMStV ausweislich ihrer Überschriften nur für den nicht-öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten. Ein vergleichbares Bild ergibt sich im Medienstaatsvertrag. Auch dort gibt es mit den Abschnitten I. und II. allgemeine Vorschriften und daneben gibt es in den folgenden Abschnitten Bestimmungen, die nur für den öffentlich-­rechtlichen und solche, die nur für den privaten Rundfunk gelten.

2.2.4.1 Die rundfunkrechtlichen Bußgeldtatbestände 2.2.4.1.1 Medienstaatsvertrag Die früheren Bußgeldbestimmungen in § 49 Abs. 1 Satz 1 RStV wurden mit dem Inkrafttreten des MStV aufgehoben und durch den in großen Teilen inhaltlich identischen § 115 MStV ersetzt.17 Die neuen Bußgeldbestimmungen in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–17 MStV beziehen sich auf die §§ 1, 4, 7, 8, 9, 10, 13, 16 MStV und damit ganz überwiegend auf allgemeine Bestimmungen für den privaten Rundfunk. Die danach folgenden Bußgeldtatbestände Nr. 18–24 beziehen sich auf die §§ 52, 54, 57, 70, 71, 120 MStV und damit ganz überwiegend auf besondere Bestimmungen für den privaten Rundfunk. Auf die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geltenden besonderen Bestimmungen in §§ 26–49 MStV wird gerade nicht Bezug genommen. Aus dieser Systematik sowie dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV ergibt sich, dass diese Bußgeldtatbestände ausschließlich für die „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem [Anmerkung des Verf: in § 49 Abs. 1 Satz 1 RStV noch: „verbreitetem“] privaten Rundfunk“, d. h. Hörfunk und Fernsehen gelten. Wer Rundfunkveranstalter und damit taugliches Tatsubjekt dieser Sonderdelikte18 ist, ergibt sich aus der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV. Für die Frage, ob ein Rundfunkprogramm „bundes-

 Vgl. NK-StGB/Böse, §  3 Rn.  6: In der Nordsee nimmt Deutschland die 12-Seemeilenzone voll in Anspruch. 17  BeckOK InfoMedienR/Mitsch, MStV § 115 Rn. 1, 3. 18  BeckOK InfoMedienR/Mitsch, MStV § 115 Rn. 15. 16

2.2  Geltung des OWiG

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weit ausgerichtet“ ist, kann auf die amtliche Begründung zu § 3 MStV zurückgegriffen werden, die auszugsweise lautet:19 „Der bislang verwendete Begriff der ‚bundesweiten Verbreitung‘ wird im gesamten Staatsvertrag durch den der ‚bundesweiten Ausrichtung‘ ersetzt. Aufgrund der mittlerweile üblichen Verbreitung von Rundfunkprogrammen über das Internet oder Satellit hat sich das bisherige, allein technische Kriterium der bundesweiten Verbreitung überholt. Es kann deshalb für die Anwendbarkeit staatsvertraglicher oder sonstiger landesrechtlicher Bestimmungen nicht mehr maßgeblich sein. Vielmehr ist auf die entweder regional- bzw. landesbezogene oder aber bundesweite, inhaltliche Ausrichtung des Angebotes abzustellen. Hierbei ist auch die Intention des Veranstalters zu beachten.“20 Daraus folgt wiederum, dass diese Bußgeldtatbestände nicht für private Rundfunkveranstalter gelten, die lediglich landesweit, regional oder lokal ausgerichteten Rundfunk veranstalten. Die Bußgeldtatbestände des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV werden eingeleitet mit „wer“, sodass sie nominell für jedermann gelten. Allerdings beziehen sie sich ausdrücklich auf §§ 18, 22, 55, 57, 63, 74, 76, 79–86, 90, 92–95, 99a, 99c, 103, 109 MStV. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um allgemeine Bestimmungen für Telemedien, besondere Bestimmungen für den privaten Rundfunk und besondere Bestimmungen für einzelne Telemedien und erweisen sich insoweit ebenfalls als Sonderdelikte.21 Taugliche Tatsubjekte, also mögliche Täter, sind demnach insbesondere die Anbieter von Telemedien (anknüpfend an §§ 18, 22 MStV), insbesondere private Rundfunkveranstalter i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV (anknüpfend an §§ 55, 57) sowie ggf. die an ihm gem. § 62 MStV Beteiligten (anknüpfend an § 63 MStV), insbesondere Anbieter rundfunkähnlicher Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 18 MStV (anknüpfend an §§ 74, 76 MStV), insbesondere Anbieter von Medienplattformen i.  S.  d. §  2 Abs.  2 Nr.  14 MStV (anknüpfend an §§ 79–86, 90 MStV), insbesondere Anbieter von Benutzeroberflächen i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 15 MStV (anknüpfend an §§ 79–86, 90 MStV), insbesondere Anbieter von Medienintermediären i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 21 i. V. m. Nr. 16 MStV (anknüpfend an §§ 92–95 MStV), insbesondere Anbieter von Diensten, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen (anknüpfend an §§ 99a, 99c MStV), insbesondere Veranstalter von Fernsehprogrammen (anknüpfend an § 103 MStV) und insbesondere Adressaten von Maßnahmen der zuständigen Landesmedienanstalt (anknüpfend an § 109 MStV). Es wurde hier stets die „insbesondere“-Formulierung, gewählt, weil sie den materiellen Bezug der Bestimmungen aufzeigt. Die Bußgeldtatbestände des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV sind aber überwiegend so formuliert, dass sie alle treffen, die an der Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk oder dem Anbieten von Telemedien beteiligt sind und den Regeln des Medienstaatsvertrags unterliegen. Die Bußgeldtatbestände des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV gelten daher – anders als die in Satz 1 – unmittelbar auch im Bereich des lokalen, regionalen und landesweiten Rundfunks, soweit nicht der Anwendungsbereich der jeweiligen Ausfüllungsnorm auf bundesweit ausgerichteten Rundfunk beschränkt ist.

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 80b.  (BayLT-Drs. 18/7640, 86). 21  Vgl. KK-OWiG/Rogall, Rn. 19 vor § 8. 19 20

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2  Allgemeiner Teil

§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV stellt Verstöße gegen Bestimmungen der Gewinnspielsatzungen der Landesmedienanstalten ohne Einschränkung unter Bußgeldandrohung. Aus kompetenzrechtlichen Gründen kann Adressat einer Bußgeldnorm, die als Blanketttatbestand der Ausfüllung durch Satzung bedarf, jedoch nur sein, wer der Satzungsgewalt der Landesmedienanstalten unterliegt. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Gewinnspielsatzung (GSS)22 formuliert apodiktisch: „Minderjährigen darf die Teilnahme an Gewinnspielsendungen nicht gestattet werden.“ Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GSS begeht u. a. eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs 1 Satz 2 Nr. 10 MStV, „wer entgegen § 3 Abs. 1 Satz 1 […] dessen weitere Teilnahme […] nicht unterbindet, […]“ Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die Erziehungsberechtigten minderjähriger Rundfunknutzer von dem Verbot nicht betroffen sind und von der Bußgeldandrohung nicht erfasst werden. Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Vorschrift nicht erfasst werden, ergibt sich schon aus der eigenen Richtlinienkompetenz. So regelt §  11 MStV die Voraussetzungen, unter denen Gewinnspiele im Rundfunk zulässig sind. Allerdings obliegt es den öffentlich-­rechtlichen Rundfunkanstalten gem. §§ 40, 31 Abs. 1 MStV, die gestatteten kommerziellen Tätigkeiten zu konkretisieren, da sie nach dem Umkehrschluss des § 72 MStV, der nur für den privaten Rundfunk gilt, nicht der Satzungsgewalt der Landesmedienanstalten unterliegen.23 Anbieter von anderen als rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien (§ 74 MStV) müssen zwar gem. 22 Abs. 3 MStV die Gewinnspielvorschriften in § 11 MStV beachten, unterliegen aber nicht der Satzungsgewalt der Landesmedienanstalten nach § 72 Satz 1 MStV.24 Die Bußgeldtatbestände des deutschen Rundfunkrechts gelten – mit Ausnahme spezieller Pflichtverletzungen bei der Weiterverbreitung (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 48 MStV)  – grundsätzlich nicht für im Ausland zugelassene Rundfunkveranstalter, deren Programme in deutschen Kabelanlagen lediglich weiterverbreitet werden.25 2.2.4.1.2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Die Bußgeldtatbestände des JMStV sind in Bezug auf den persönlichen Geltungsbereich ähnlich gestaltet wie die des § 115 MStV. So gelten die Bußgeldtatbestände des § 24 Abs. 1 JMStV nur für Anbieter, die § 3 Nr. 2 JMStV als Rundfunkveranstalter oder Anbieter von Telemedien26 definiert. Damit sind nur die Anbieter taugliche Tatsubjekte, was den Bußgeldtatbestand zu einem Sonderdelikt27 in Abgren-

 Satzung zur Durchführung der Gewinnspielvorschriften des Medienstaatsvertrags (Gewinnspielsatzung – GSS) v. 19.2.2021, in Kraft getreten am 15.4.2021. 23  Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, BayVGH, Urt. v. 28.10.2009 – 7 N 09.1377, AfP 2010, 204 (208). 24  So BayVGH, Urt. v. 28.10.2009  – 7  N 09.1377, AfP 2010, 204 (209  f.) zum früheren RStV; a. A. zum früheren RStV Beck RundfunkR/Ladeur, RStV § 46 Rn. 11. 25  BeckOK InfoMedienR/Mitsch, MStV § 115 Rn. 16; zum früheren RStV ebenso HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 10; vgl. auch HK-MStV/Bornemann, JMStV § 24 Rn. 4. 26  S. insoweit § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG. 27  NK-JMStV/Mitsch, § 24 Rn. 2. 22

2.2  Geltung des OWiG

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zung zu einem Allgemeindelikt macht. Diese Tatbestände gelten unmittelbar auch für lokale, regionale und landesweite Anbieter, da § 13 JMStV nur die Geltung der §§ 14 bis 21 und § 24 Abs. 4 Satz 6 auf länderübergreifende Angebote beschränkt, nicht aber die Geltung des § 24 Abs. 1 JMStV. Etwas anders verhält es sich mit den Bußgeldtatbeständen aus §  24 Abs.  2 JMStV. Sie sind durch die Formulierung „wer“ vordergründig als Allgemeindelikte formuliert. Sie nehmen allerdings Bezug auf § 11 Abs. 5 bzw. § 19 Abs. 3 JMStV. Bei § 11 MStV handelt es sich um eine Bestimmung für Telemedien, dessen Abs. 5 an das Verbreiten und Zugänglichmachen anknüpft, weshalb es sich über diesen Weg doch um eine Art Sonderdelikt handelt. Sämtlichen Bußgeldtatbeständen des JMStV ist gemein, dass sie nicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten. Das ist dem § 24 JMStV zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, allerdings seiner Stellung im Gesetz. Er steht nämlich im VI. Abschnitt des JMStV, der die Überschrift „Ahndung von Verstößen der Anbieter mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ trägt.

2.2.4.2 Verfassungsrechtliche Probleme Die höchst unterschiedlichen Rechtsfolgen für identische Rechtsverstöße öffentlich-­ rechtlicher und privater Rundfunkveranstalter begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken.28 Die amtlichen Begründungen zum Rundfunkstaatsvertrag und zum Juge­nd­ medienschutz-­Staatsvertrag lassen nicht erkennen, dass bei den Staatsvertragsverhandlungen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage der unterschiedlichen Behandlung öffentlich-rechtlicher und privater Veranstalter stattgefunden hätte. Zwar sind unterschiedliche Regelungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk nicht in jedem Fall gleichheitswidrig. Die Frage ist allerdings, ob dies auch für die Sanktionierung von Gesetzesverstößen gilt. Die einschlägigen Bestimmungen des Kernstrafrechts (z. B. Gewaltdarstellung gem. § 131 Abs. 1 StGB) unterscheiden jedenfalls nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern.29 Die in der Literatur vertretene Ansicht, dass „die Sanktionierung von Rechtsverstößen durch externe Aufsichtsinstanzen im System der Binnenkontrolle des öffentlich-­ rechtlichen Rundfunks einen Fremdkörper darstellen würde“,30 die implizit jede Form

 Vorsichtig: HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 13 und HK-MStV/Bornemann JMStV § 24 Rn. 7; Beck RundfunkR/Schulz/Held, JMStV § 24 Rn. 3. Verfassungswidrig: Isensee/Axer, S. 68; Lesch, ZUM 2003, 44 (45); Liesching, MMR 2016, 97 (99f.). Im Ergebnis übereinstimmend Degenhart, ZUM 1997, S. 167; vgl. ferner BCHHG, BayMG Art. 37 Rn. 12; so auch der vom BVerfG mit Beschl. v. 2.12.2013 – 1 BvL 5/12, wegen Formmängeln als unzulässig verworfene (zweite) Vorlagebeschluss des AG Ludwigshafen v. 17.2.2012 – 5019 Js 6681/08.4dOWi – (Erstbeschl. v. 3.12.2008, Az. 5019 Js 6681/08.4dOWi mit Bespr. Degenhart, K&R 2009, 670 ff.); a. A. OLG Celle, AfP 1998, 226 (227) = ZUM 1997, 834 (836); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.6.1998 – 1 Ss 100/98, ZUM-RD 1999, 229 (231 f.). 29  So ausdrücklich NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 23 Rn. 12; zur Sanktionsfähigkeit im Rahmen des § 30 OWiG s. KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 35 f. 30  Zum früheren RStV Spindler/Schuster/Krone, RStV § 49 Rn. 4. 28

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der Rechtsaufsicht ablehnt, erscheint jedenfalls als Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unzureichend. Die weiterhin ins Feld geführte Erkenntnis, dass in der Debatte über eine notwendig erscheinende Reform der Aufsicht des öffentlichen Rundfunks die Einführung von Bußgeldvorschriften kaum eine Rolle spiele, und diese auch nur sinnvoll erscheine bei einer Umstellung auf eine externe staatsfreie Aufsicht, trägt den Schluss nicht, dass ein Verfassungsverstoß bei Beibehaltung des ungleichen Systems nicht vorliege.31 Schließlich wird eine gleichheitswidrige Regelung mit dem Argument in Abrede gestellt, die Verhältnisse seien ungleich, denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliege strengeren Anforderungen an das Programm und deutlich stärkeren Werberestriktionen, die auch durch vielfältige Mechanismen der Überwachung und Sanktion gesichert würden, und er sei stärker an den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz gebunden als private Veranstalter.32 Das ist gerade so, als wollte man fordern, Beamte, die einen Eid auf die Verfassung geleistet haben und der Disziplinargewalt ihres Dienstherrn unterliegen, von der Geltung des allgemeinen Strafrechts freizustellen. Für Amtsdelikte sieht der Strafgesetzgeber im Gegenteil höhere Strafen vor. So wird etwa die Urkundenfälschung, die ein Amtsträger unter Missbrauch seiner Befugnisse oder Stellung vornimmt, zum besonders schweren Fall mit einer verdoppelten Höchststrafe (§  267 Abs.  3 Satz 2 Nr.  4 StGB). Und selbst ein so ­unspezifisches Delikt wie eine Körperverletzung (§ 223 StGB) wird als Körperverletzung im Amt zu einem Vergehen, das nur in einem minder schweren Fall noch mit Geldstrafe statt Freiheitsstrafe geahndet werden kann (§ 340 Abs. 1 StGB). Die Erstreckung der Bußgeldandrohung für die Verletzung von identischen Rechtsverletzungen im Programm auch auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten würde diese solange tatsächlich nicht belasten, wie das besondere interne Kontrollsystem nicht versagt; wenn es aber versagt, ist bisher keine tragfähige Begründung dafür geliefert worden, warum es gerechtfertigt sein sollte, die öffentlich-rechtliche Säule des dualen Rundfunksystems sanktionslos zu stellen und die private zu sanktionieren. Das einzig bedenkenswerte Argument folgt aus dem Staatsfernegebot, das gegen die Verfolgung und Ahndung von Rundfunkinhaltsdelikten durch allgemeine staatliche Verwaltungsbehörden spricht. Das Problem ist allerdings durch die Zuständigkeit der staatsfernen Landesmedienanstalten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Medienstaatsvertrag und dem Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag (s. Kap. 12) bereits gelöst.

31 32

 So aber zum früheren RStV Beck RundfunkR/Kremer, RStV § 49 Rn. 12 f.  Wagner, ZUM 2013, 850 (855 m. w. N.).

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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2.3 Voraussetzungen der Ahndbarkeit 2.3.1 Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit Das dreigliedrige Prüfungsschema im Ordnungswidrigkeitenrecht entspricht – abgesehen vom Prüfungspunkt „Schuld“, der durch „Vorwerfbarkeit“ ersetzt wird – dem des Strafrechts und sieht bei vorsätzlichen Bußgeldtatbeständen typischerweise daher wie folgt aus: 1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand • Taterfolg • Tathandlung oder Unterlassen • Kausalität (bei Begehen) oder hypothetische Kausalität (bei Unterlassen) b) Subjektiver Tatbestand • Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestands • ggf. besondere tatbestandsspezifische subjektive Merkmale 2. Rechtswidrigkeit 3. Vorwerfbarkeit Als Ordnungswidrigkeit kann gem. § 10 OWiG nur vorsätzliches Handeln geahndet werden, außer wenn das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Geldbuße bedroht. Sofern fahrlässiges Handeln zu prüfen ist, entfällt innerhalb der Tatbestandsprüfung die Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand. Nur wenn ein Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit besteht (s. u. 12.3), ist zu prüfen, ob eine Handlung den objektiven und subjektiven Bußgeldtatbestand erfüllt, ob dies rechtswidrig war und dem Betroffenen, wie der Delinquent im Bußgeldverfahren einheitlich heißt,33 auch vorwerfbar ist. Während der Verwaltungsbeamte üblicherweise zuerst die Frage nach seiner Zuständigkeit stellt, muss er bei einem Fall aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuerst den Verdacht einer „Tat“ feststellen und diese „Tat“ rechtlich einordnen, bevor er prüfen kann, ob die eigene oder eine andere Behörde sachlich nach § 36 OWiG zuständig ist oder ob sogar Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben sind, die zur Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft verpflichten (§ 41 Abs. 1 OWiG). Auch die Frage, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung die Verfahrenseinstellung nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO verlangt, kann im Allgemeinen nicht beantwortet werden, bevor man geprüft hat, welche Ordnungswidrigkeit zumindest vorliegen könnte, denn die Verjährung hängt in der Regel vom Sanktionsrahmen ab (§ 31 Abs. 2 OWiG).34

 Mitsch, OWiR, S. 127 (Rn. 16).  Aber: § 24 Abs. 7 JMStV, § 115 Abs. 5 RStV, Art. 37 BayMG, § 37 Abs. 2 LMG RhPf; § 66 Abs. 2 Satz 2 SMG u. a. 33 34

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Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG). Verstöße gegen rundfunkrechtliche Verbotsnormen, die nicht ausdrücklich eine Geldbuße androhen, sind keine Ordnungswidrigkeit und können auch nicht im Analogiewege dazu werden.35 Steht also die Verletzung einer rundfunkrechtlichen Bestimmung im Raum, ist zunächst zu prüfen, ob es einen Bußgeldtatbestand gibt, der auf die rundfunkrechtliche Bestimmung Bezug nimmt und die Verletzung derselben ahndbar macht. Nicht nur formelle Gesetze können Ordnungswidrigkeiten enthalten. Auch Satzungen und Verordnungen (materielle Gesetze) erfüllen den Gesetzesbegriff des § 1 OWiG.36 Soweit ersichtlich, gibt es im deutschen Rundfunkrecht spezielle Ordnungswidrigkeiten nur in formellen Gesetzen; Ordnungswidrigkeiten in Satzungen oder Verordnungen von Landesmedienanstalten sind nicht bekannt. Allerdings wurde durch den Zehnten Rundfunk­ änderungsstaatsvertrag vom 19.12.2007, der am 1.9.2008 in Kraft trat, in den mittlerweile außer Kraft gesetzten Rundfunkstaatsvertrag mit § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RStV ein sog. Blanketttatbestand eingefügt, der erst im Zusammenspiel mit Bestimmungen der übereinstimmenden Satzungen der Landesmedienanstalten über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele nach § 46 Satz 1 i. V. m. § 8a RStV anwendbar wurde.37 Die eigentliche Sanktionsnorm einschließlich des Bußgeldrahmens von bis zu 500.000,00 € (§ 49 Abs. 2 RStV) war im Rundfunkstaatsvertrag enthalten, der durch Zustimmungsgesetze der Landesparlamente, in Bayern durch einfachen Zustimmungsbeschluss des Landtags (Art.  72 Abs.  2 BV),38 in unmittelbar geltendes materielles Landesrecht transformiert wurde. Die Verhaltensnormen fanden sich hingegen in den Bestimmungen der übereinstimmenden Gewinnspielsatzungen, die die gesetzlichen Vorgaben des § 8a RStV für Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen im Rundfunk näher ausgestalteten.39 Formelle Voraussetzung war, dass die Satzungsbestimmungen, welche die Blankettnorm ausfüllen, ihrerseits auf diese Norm rückverweisen. Der unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit kritikwürdige Rückgriff auf einen Blanketttatbestand hat sich aus der Sicht der Länder offenbar bewährt, denn auch der neue M ­ edienstaatsvertrag enthält in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV diese Konstruktion. Voraussetzung ist wiederum eine Satzung nach § 72 Satz 1 MStV, die sich auf Gewinnspiele gem. § 11 MStV bezieht. Gegenüber dem Rundfunkstaatsvertrag wurde die Satzungskompetenz der Landesmedienanstalten erweitert und auf rundfunkähnliche Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV (§ 74 Satz 1 MStV) sowie auf Pay-per-­view-Angebote i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV und sonstige linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien (§ 74 Satz 2 MStV) erstreckt.  Lemke/Mosbacher, OWiG § 3 Rn. 7; verfehlt insoweit BayVGH, Beschl. v. 18.12.1998, ZUM-RD 1999, 150 m. abl. Anm. Deuschle, ZUM 1999, 614 (617). 36  Lemke/Mosbacher, OWiG §  1 Rn.  10; Klesczewski/Krenberger, OWiR, §  2 Rn.  19  f.; Mitsch, OWiR, S. 31 (Rn. 2). 37  Zu Blanketttatbeständen s. näher KK-OWiG/Rogall, vor § 1 Rn. 15 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG Einl. Rn. 28 ff.; Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 2 Rn. 6 ff.; Mitsch, OWiR, S. 32 ff. (Rn. 3 f.). 38  Diese bayerische Verfassungspraxis ist grundgesetzkonform, s. BVerfG, Beschl. v. 7.5.1974 – 2 BvL 17/73, BVerfGE 37, 191 (197); Urt. v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60 (84). 39  S. dazu BayVGH, Urt. v. 28.10.2009 – 7 N 09.1377, AfP 2010, 204 = ZUM-RD 2010, 102, der die Erstreckung der Satzung auf Telemedien für unwirksam erklärt hat. 35

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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2.3.1.1 Objektiver Tatbestand Einen klassischen Bußgeldtatbestand enthält § 111 Abs. 1 OWiG, der auch Bedeutung in jedem anderen Bußgeldverfahren hat. „Ordnungswidrig handelt, wer einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Amtsträger oder einem zuständigen Soldaten der Bundeswehr über seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert.“ So leicht verständlich sind die Bußgeldtatbestände in Spezialgesetzen in der Regel nicht formuliert; sie fallen zumeist auseinander in eine Sanktionsnorm, die in der Regel in den Schlussvorschriften eines Gesetzes zu finden ist, und eine Ge- oder Verbotsnorm (Verhaltensnorm) im materiellen Teil des Gesetzes, auf welche die Sanktionsnorm verweist. § 24 Abs. 1 Nr. 2 JMStV z. B. stellt das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten „entgegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2“ unter Bußgeldandrohung, „die in sonstiger Weise pornografisch sind“. Um herauszufinden, was gemeint ist, muss man das schwer durchschaubare Zusammenwirken dieser Norm mit § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k (i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 JMStV), mit § 23 JMStV und das zum 1.1.2021 durch das 60. StGBÄndG überarbeitete Pornografiestrafrecht internalisiert haben, das zum Wegfall des vormaligen § 184d StGB (Zugänglichmachen pornografischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien; Abruf kinder- und jugendpornografischer Inhalte mittels Telemedien) führte.40 Erst aus der Zusammenschau wird die Reichweite des Bußgeldtatbestands deutlich Das mögliche Nebeneinander von Straftat und Ordnungswidrigkeit bringt die Bußgeldbehörde wegen §§ 21 Abs. 1, 41 Abs. 1 OWiG zwar nicht in Verlegenheit, denn sie hat das Verfahren bei Anhaltspunkten für eine Straftat stets an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wirft aber die verfassungsrechtliche Frage nach der Nichtigkeit der landesrechtlichen Bußgeldnorm auf;41 dazu näher u. 3.1.3. Besonders unübersichtlich ist es, wenn die Bußgeldbestimmung eines Landesmediengesetzes auf eine solche Norm verweist. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayMG etwa lautet: „Mit Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro kann belegt werden, 1. wer als Anbieter landesweit, regional oder lokal verbreiteter Programme vorsätzlich oder fahrlässig einen der in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 12, 14 bis 16 und 23 MStV in Verbindung mit Art. 7, 8, 20 und 29 bezeichneten Verstöße begeht, 2. wer in einem landesweit, regional oder lokal verbreiteten Programm einen in §  115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV in Verbindung mit Art. 9 bezeichneten Verstoß begeht und 3. wer als Anbieter landesweit verbreiteter Fernsehprogramme vorsätzlich oder fahrlässig einen der in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 und 22 MStV bezeichneten Verstöße begeht.“

Die Vorschrift hat gegenüber der in der 2. Auflage kritisierten Vorgängerfassung zwar an Übersichtlichkeit gewonnen, ohne dadurch aber leicht lesbar geworden zu sein. Ernsthafte Probleme ergeben sich aus einer solchen Verweisungstechnik, wenn die Gesetze zeitlich asynchron geändert werden und sich bei dem Gesetz, auf das

40 41

 Umfassend hierzu Bornemann, JZ 2022, 180–187.  Vgl. Mitsch, OWiR, S. 6 (Rn. 8); Liesching, MMR 2016, 97.

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2  Allgemeiner Teil

verwiesen wird, die Nummerierung der Tatbestände geändert hat. Das war in Bayern in dem Zeitraum zwischen dem 7.11.2020 (Inkrafttreten des MStV/Außerkrafttreten des RStV) und dem 1.4.2022 (Inkrafttreten der Anpassung des BayMG) der Fall. Der zwischen Berlin und Brandenburg über die Zusammenarbeit im Bereich der Medien geschlossene Staatsvertrag enthält in § 60 auch fast drei Jahre nach dem Außerkrafttreten42 noch die Verweisungen auf den außer Kraft getretenen§ 49 RStV. In jedem Fall beschreibt der objektive Tatbestand die rechtlich missbilligte und unter Sanktionsandrohung gestellte Handlung. „Handlung“ ist vom Wollen getragenes menschliches Verhalten (Tun oder Unterlassen).43 Ahndbar sind im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nach dem Medienstaatsvertrag, dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sowie den Landesmediengesetzen oder dem Jugendschutzgesetz und dem Telemediengesetz nur vollendete Taten, da der Versuch nicht ausdrücklich mit Geldbuße bedroht ist (vgl. § 13 Abs. 2 OWiG).

2.3.1.2 Subjektiver Tatbestand Die meisten rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten können sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden. Dies gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung namentlich für die in § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV und in § 24 Abs. 1 JMStV enthaltenen Bußgeldtatbestände, für das Tabakwerbe- und -sponsoringverbot (§ 35 Abs. 2 Nr. 7 bis 9 TabakerzG) und die Ordnungswidrigkeiten gem. § 28 Abs. 1 bis 3 JuSchG oder gem. § 11 Abs. 2 TMG (vgl. § 25 Abs. 2-4 DDG-E). Nur vorsätzlich können die in § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV und § 24 Abs. 2 JMStV sowie in § 28 Abs. 4 JuSchG und § 11 Abs. 1 TMG (§ 25 Abs. 1 DDG-E) enthaltenen Ordnungswidrigkeiten begangen werden (vgl. § 10 OWiG). Die genaue Feststellung des subjektiven Tatbestandes ist wichtig, weil das in § 115 Abs. 2 MStV und § 24 Abs. 3 JMStV für die Geldbuße vorgesehene Höchstmaß von bis zu 500.000,00 €, das in § 28 Abs. 5 JuSchG und § 11 Abs. 3 TMG (§ 25 Abs. 5 Nr. 3 DDG-E) vorgesehene Höchstmaß von 50.000,00 € und das in § 35 Abs. 4 TabakerzG vorgesehene Höchstmaß von 30.000,00 € bei fahrlässiger Tatbegehung nach § 17 Abs. 2 OWiG auf die Hälfte reduziert ist. Ist die Feststellung, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, nicht sicher möglich, ist von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.44 Vereinzelt kommen Bußgeldtatbestände mit zusätzlichen subjektiven Merkmalen vor. Prominentes Beispiel ist das Schleichwerbeverbot. Allerdings entdeckt man das den objektiven Tatbestand überschießende subjektive Element der Werbeabsicht nicht schon dann, wenn man Sanktions- und Verhaltensnorm, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 i. V. m. § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV, gelesen hat. Es findet sich vielmehr in § 2 Abs. 2 Nr. 9 MStV, der Definitionsnorm für Schleichwerbung, die jedoch in der Verweisungskette nicht auftaucht.

 Zuletzt geprüft am 11.9.2023.  Dazu näher Mitsch, OWiR, S. 51 ff. (Rn. 11 ff.). 44  Krenberger/Krumm, OWiG § 10 Rn. 42; Göhler, OWiG § 10 Rn. 7a. 42 43

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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2.3.1.2.1 Vorsatz Zum Vorsatz gehört die Kenntnis aller Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG ergibt, und die willentliche Handlung, mit der der Tatbestand verwirklicht wird.45 Wie im Strafrecht, so werden auch im Ordnungswidrigkeitenrecht drei Vorsatzstufen unterschieden.46 Die Differenzierung der Vorsatzstufen hängt davon ab, wie die Vorsatzelemente „Wissen“ und „Wollen“ im konkreten Fall in Bezug auf das in Rede stehende objektive Tatbestandsmerkmal ausgeprägt ist.47 Absicht (dolus directus ersten Grades) liegt vor, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, das jeweilige objektive Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, insoweit also zielgerichteter Erfolgswille besteht.48 Beispiel

Beispiel: Ein Veranstalter bundesweit ausgerichteten privaten Rundfunks hat mit einem Werbepartner einen besonders lukrativen Vertrag geschlossen, wonach besonders viel Geld an den Rundfunkveranstalter fließen soll, wenn es gelingt, den Werbecharakter der gesamten Sendung zu verschleiern. Weil der finanziell angeschlagene Rundfunkveranstalter die Werbeeinnahmen dringend benötigt, wird dort in Kenntnis der Rechtslage entschieden, die Sendung entgegen § 8 Abs. 5 Satz 2 MStV zu keinem Zeitpunkt als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen und auch nicht als solche anzukündigen. Das ist eine Ordnungswidrigkeit nach §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  6 MStV.  Dabei kam es dem Rundfunkveranstalter gerade darauf an, die Merkmale „nicht-ankündigen“ bzw. „nicht-kennzeichnen“ der Sendung als Dauerwerbesendung zu verwirklichen, in Bezug auf dieses objektive Merkmal des Bußgeldtatbestands lag also Absicht vor. ◄ Wissentlichkeit (dolus directus zweiten Grades, auch direkter Vorsatz genannt) ist dann anzunehmen, wenn der Täter sicher weiß, dass sein Handeln ein objektives Tatbestandsmerkmal erfüllt.49 Beispiel

Beispiel: Im obigen Beispiel kennt der Rundfunkveranstalter alle Umstände, die ihn zum Rundfunkveranstalter machen. Insoweit liegt Wissentlichkeit in Bezug auf das objektive Merkmal „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“ des Bußgeldtatbestands § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV vor. ◄

 Statt vieler Mitsch, S. 70 (Rn. 10 f.).  KK-OWiG/Rengier, § 10 Rn. 5. 47  KK-OWiG/Rengier, § 10 Rn. 5. 48  KK-OWiG/Rengier, § 10 Rn. 6. 49  KK-OWiG/Rengier, § 10 Rn. 10. 45 46

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2  Allgemeiner Teil

So genannter bedingter Vorsatz (dolus eventualis, auch Eventualvorsatz genannt) reicht in der Regel zur Verwirklichung eines Bußgeldtatbestands aus, weil die Tatbestände typischerweise keine höheren Anforderungen an die Vorsatzstufe formulieren.50 Beim bedingten Vorsatz handelt der Täter nicht, weil oder obwohl er positiv weiß, dass seine Handlung den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt, sondern er hält dies lediglich für möglich und nimmt es bewusst („billigend“) in Kauf.51 Beispiel

Beispiel: Ein Veranstalter, der die Zulassungsvoraussetzungen nach § 53 MStV erfüllt, möchte zulassungspflichtigen bundesweit ausgerichteten privaten Rundfunks veranstalten. Ob seine von ihm beantragte Zulassung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 MStV bereits erteilt wurde, weiß er nicht genau. Da er aber nicht weiter warten möchte, nimmt er den Sendebetrieb schon auf. Das ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV. Das Nicht-Vorliegen der Zulassung nimmt er billigend in Kauf. ◄ Der Feststellung der jeweils vorliegenden Vorsatzstufe kann auch bei Bußgeldtatbeständen Bedeutung zukommen, die nur bedingten Vorsatz voraussetzen, nämlich bei der Höhe der Geldbuße. Eine höhere Geldbuße kann angezeigt sein, wenn der Täter die Begehung des Bußgeldtatbestands nicht nur in Kauf nimmt, sondern sicher um die Verwirklichung der wesentlichen Unrechtsmerkmale weiß oder deren Verwirklichung sogar zielgerichtet anstrebt. Zusammengefasst lässt sich sagen: „Vorsatz ist das Wissen, daß die Tatbestandsverwirklichung vom gewollten (!) Handlungsvollzug abhängt, mag sie auch selbst nicht gewollt sein; kurz: Vorsatz ist Wissen um die Handlung nebst ihren Folgen.“52 Ausnahmsweise ist der bewusste Handlungsvollzug dann keine ausreichende Grundlage, von einer „billigenden“ Inkaufnahme auszugehen, wenn beim Täter eine von der Norm abweichende besondere Situation vorliegt, er z. B. psychische Störungen hat und in affektiver Erregung spontan und unüberlegt handelt.53 Soweit § 10 TMG (künftig: Art. 10 DSA) für Telemedienanbieter eine Haftungsprivilegierung vorsieht, ist bedingter Vorsatz als Vorsatzform nach Auffassung des Kammergerichts Berlin nicht ausreichend; die Haftungsprivilegierung gelte rechtsgebietsübergreifend und damit auch im Strafrecht.54 Nicht Voraussetzung ist, dass sich der Täter bewusst ist, etwas Verbotenes zu tun (Unrechtsbewusstsein). Die fehlende Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, entlastet den Täter nur dann, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte (§ 11 Abs. 2 OWiG). Soweit die Information über das geltende Recht für die Normadressaten zu den Berufspflichten55 ge-

 Dies gilt jedoch nicht bei § 11 Abs. 1 TMG, der nur die qualifizierte Vorsatzform der Absicht (dolus directus ersten Grades) pönalisiert. 51  Krenberger/Krumm, OWiG § 10 Rn. 12; Lemke/Mosbacher, OWiG § 10 Rn. 6; Göhler, OWiG § 10 Rn. 3. 52  Jakobs, AT, S. 261. 53  Vgl. BGH, Urt. v. 14.8.2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382 (3383). 54  KG, Beschl. v. 25.8.2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14, NJW 2014, 3798 m. Anm. I. M. Hassemer. 55  Vgl. dazu Göhler, OWiG § 11 Rn. 25 f. 50

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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hört, was für geschäftsmäßige Telemedienanbieter anzunehmen ist56 und in besonderer Weise für Rundfunkveranstalter gilt, bei denen die positive Prognose der gesetzmäßigen Rundfunkveranstaltung zu den persönlichen Zulassungsvoraussetzungen gehört (§  53 Abs. 1 Nr. 6 MStV) und die als Zulässigkeitsvoraussetzung auch für Veranstalter bundesweit ausgerichteter zulassungsfreier Rundfunkprogramme gilt (§ 54 Abs. 4 Satz 2 MStV), ist ein unvermeidbarer Verbotsirrtum allenfalls in Form eines Subsumtionsirrtums57 vorstellbar. Bei vorsätzlicher Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale im vermeidbaren Verbotsirrtum bleibt der Bußgeldrahmen für vorsätzliche Tatbegehung anwendbar. Im Rahmen der tatangemessenen Bußgeldzumessung (§ 17 Abs. 3 OWiG) kann das fehlende Unrechtsbewusstsein – je nach Fallgestaltung – mildernd berücksichtigt werden.58 2.3.1.2.2 Fahrlässigkeit Der Begriff der Fahrlässigkeit ist gesetzlich nicht definiert, sondern von der Rechtsprechung entwickelt worden. Fahrlässig handelt, wer pflichtwidrig die nach seinen subjektiven Möglichkeiten vorhersehbare Verwirklichung des Tatbestandes nicht vermeidet.59 Der Unterschied zum Vorsatz besteht bei der unbewussten Fahrlässigkeit darin, dass der Täter die tatbestandserfüllende Wirkung seiner Handlung nicht erkennt (obwohl er sie erkennen könnte). Dieser Sachverhalt wird in der Literatur gern umschrieben mit Sätzen wie: Fahrlässig handelt, „wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Bußgeldtatbestand verwirklicht.“60 Hat der Betroffene die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und nach objektiven Umständen zumutbare Sorgfalt aufgewandt und konnte er trotzdem nicht erkennen, dass er einen Bußgeldtatbestand verwirklicht, so hat er nicht fahrlässig gehandelt. Im selteneren Fall der bewussten Fahrlässigkeit erkennt der Täter zwar die Möglichkeit der Tatbestandserfüllung, vertraut auber fest darauf, das sich das Risiko in diesem Fall nicht verwirklichen werde. Das dreigliedrige Prüfungsschema im Ordnungswidrigkeitenrecht sieht bei fahrlässigen Bußgeldtatbeständen grundsätzlich wie folgt aus: 1. Tatbestand • Taterfolg • Tathandlung • Kausalität • objektive Fahrlässigkeit, d. h. –– objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei –– objektiver Vorhersehbarkeit des wesentlichen Kausalverlaufs und des Erfolgs  Auch die gesetzlichen Pflichten werden nach diesem Merkmal differenziert, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV. 57  S. dazu Göhler, OWiG § 11 Rn. 8. 58  Göhler, OWiG § 11 Rn. 29. 59  Vgl. Jakobs, AT, S. 317; Fischer, StGB § 15 Rn. 14. 60  Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 221; ähnlich Lemke/Mosbacher, OWiG § 10 Rn. 7; Göhler, OWiG § 10 Rn. 6. 56

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2  Allgemeiner Teil

2. Rechtswidrigkeit 3. Vorwerfbarkeit • subjektive Fahrlässigkeit, d. h. –– subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei –– subjektiver Vorhersehbarkeit des wesentlichen Kausalverlaufs und des Erfolgs • allgemeine Merkmal der Vorwerfbarkeit Obwohl die Fahrlässigkeitstat wie ein Auffangtatbestand61 wirkt (s. o. 2.3.1.2), ist sie kein Minus zum Vorsatz sondern ein Aliud, d. h. etwas anderes. Deshalb ist auch eine Wahlfeststellung im Bußgeldbescheid unzulässig, der Täter habe entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt.62 Der bloße Verdacht, möglicherweise habe der Täter die Tat sogar vorsätzlich verwirklicht, hindert dagegen die Ahndung wegen fahrlässigen Handelns nicht.63 2.3.1.2.3 Irrtumsfolgen 2.3.1.2.3.1  Irrtum im Bußgeldverfahren

Wie im Strafrecht, so gibt es auch im Bußgeldverfahren Irrtümer. Das liegt daran, dass der Aufbau des Bußgeldtatbestands letztlich dem des Straftatbestands entspricht. Bei den im Folgenden zu erörternden Irrtümern, nämlich Tatbestandsirrtum, Verbots­ irrtum, Erlaubnisirrtum und Erlaubnistatbestandsirrtum, ist zum besseren Verständnis zwischen Sachirrtum und Rechtsirrtum zu unterscheiden. Ein Sachirrtum liegt vor, wenn der Täter sich einen falschen Sachverhalt vorstellt,64 stark vereinfacht gesagt etwa „Hund anstatt Katze“ oder „setzen anstatt legen“. Beispiel

Beispiel: X, der bundesweit ausgerichteten privaten Rundfunk veranstalten will, hat eine Zulassung beantragt und geht irrtümlich davon aus, sie sei bereits erteilt. Hier fallen Vorstellung des X (= Zulassung wurde bereits erteilt) und Wirklichkeit (= Zulassung wurde noch nicht erteilt) auseinander. X stellt sich daher einen falschen Sachverhalt vor, befindet sich folglich im Sachirrtum. ◄ Der Rechtsirrtum ist das Gegenstück zum Sachirrtum. Ein Rechtsirrtum liegt vor, wenn der Täter einen Fehler bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts macht und daher die Rechtslage falsch einschätzt. Dabei kann der Rechtsanwender sich zu Unrecht in die Ahndbarkeit „hineinprüfen“ oder auch fälschlicherweise davon ausgehen, er sei nicht zu belangen.

 So ausdrücklich Krenberger/Krumm, OWiG § 10 Rn. 42.  Wie hier Lemke/Mosbacher, OWiG § 10 Rn. 9. 63  Göhler, OWiG § 10 Rn. 7a; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 220. 64  Ähnlich KK-OWiG/Rengier, § 11 Rn. 13. 61 62

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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Beispiel

Beispiel: X, der bundesweit ausgerichteten privaten Rundfunk veranstalten will, missversteht die Voraussetzungen des § 54 MStV und glaubt daher zu Unrecht, das von ihm geplante Rundfunkprogramm sei zulassungsfrei. ◄ Denkbar ist auch der Fall, dass sowohl ein Sachirrtum als auch ein Rechtsirrtum vorliegt, was als Doppelirrtum bezeichnet wird. Das ist dann der Fall, wenn der Täter von einem falschen Sachverhalt ausgeht und hieraus dann – auch noch – falsche rechtliche Schlüsse zieht. Das dürfte in der rundfunkrechtlichen Praxis aber nur ein seltener Ausnahmefall sein. 2.3.1.2.3.2 Tatbestandsirrtum

Im Tatbestandsirrtum, auch Tatumstandsirrtum genannt,65 handelt, wer bei der Begehung der Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Der Tatbestandsirrtum oder Tatumstandsirrtum ist folglich ein Irrtum über tatsächliche Umstände, die zum objektiven Tatbestand gehören,66 also ein Irrtum über die Sachlage und damit ein Sachirrtum, denn es wird der Sachverhalt falsch eingeschätzt. Dieser Irrtum schließt daher gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG den Vorsatz aus. Hieran anknüpfend stellt § 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG klar, dass in diesem Fall die Möglichkeit der Ahndung wegen Fahrlässigkeit bedacht werden muss, sofern der jeweilige Bußgeldtatbestand auch fahrlässig verwirklicht werden kann. Die Ordnungswidrigkeiten des Rundfunkstaatsvertrags und des Jugendmedienschutz-­ Staatsvertrags enthalten außer positiven tatsächlichen auch negative und z. T. normative, also wertende und insoweit wertausfüllungsbedürfte Merkmale. Insbesondere die normativen Merkmale können die Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum schwierig machen, die aber wegen der unterschiedlichen Folgen wichtig ist. Dabei ist zu bedenken, dass der Verbotsirrtum ein Irrtum über die Rechtslage ist, also ein Rechtsirrtum. Weiß z. B. der Veranstalter eines Bezahlfernsehprogramms (pay per channel) nicht, dass sein Angebot als Rundfunk (§ 2 Abs. 1 Satz 2 MStV) zulassungspflichtig ist (§ 52 MStV), so verkennt er das für die Rundfunkveranstaltung geltende präventive Verbot mit Zulassungsvorbehalt67 –und befindet sich im Rechtsirrtum, hier in der Form des Verbotsirrtums68 (s. u. 2.3.1.2.3.3). Glaubt er hingegen, das Aufklärungsschreiben der zuständigen Landesmedienanstalt mit dem Inhalt, zwar sei sein Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MStV) abzulehnen, jedoch seien keine unbehebbaren Hindernisse gegen eine Rundfunkzulassung nach §  53 MStV erkennbar, stelle schon die Rundfunkzulassung dar, so irrt er über das Vorliegen eines Tatbestandmerkmals (Zulassung zum Rundfunk) und befindet sich im Tatbestandsirrtum, der den Vorsatz ausschließt.  BeckOK OWiG/Valerius, § 11 Rn. 2.  KK-OWiG/Rengier, § 11 Rn. 2, 10. 67  Bornemann, ZUM 2010, 146. 68  Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 237, werten einen Irrtum über das Genehmigungserfordernis in solchen Fällen als Tatbestandsirrtum. 65 66

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2  Allgemeiner Teil

Während die Sonderdelikte für Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV in der Regel sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden können, sind die im Wesentlichen für Telemedienanbieter geltenden Ordnungswidrigkeiten in § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV entgegen der unter Geltung des Mediendienste-Staatsvertrags (1997–2007) bestehenden Rechtslage nur mehr vorsätzlich begehbar. Das bedeutet, dass der Telemedienanbieter bei glaubwürdiger Ausführung dahingehend, dass er sich in einem Tatbestandsirrtum befunden habe, mangels Vorsatzes von jeder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verantwortung frei ist. Anders ist die Rechtslage bei den Ordnungswidrigkeiten des §  11 Abs. 2 TMG (vgl. § 25 Abs. 2-4 DDG-E), die auch fahrlässig begangen werden können. Irrt sich ein nicht unter §§ 17 ff. MStV fallender Telemedienanbieter über den Umfang seiner Impressumspflicht nach § 5 TMG und DDG-E, muss in jedem Fall geprüft werden, ob der Irrtum sorgfaltswidrig war. Wer öffentlich Angebote an die Allgemeinheit macht, muss vorher die Rechtslage klären und gegebenenfalls Auskünfte bei Behörden oder Anwälten einholen.69 Die Ahndung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit ist möglich (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 TMG, § 25 Abs. 2 Nr. 1 DDG-E). Im Ergebnis gilt nichts anderes, wenn der Täter die Erlaubnispflicht seines Rundfunkangebots darum verkennt, weil er es unzutreffend als zulassungsfreies Telemedium einstuft.70 Viele Bußgeldtatbestände enthalten Merkmale, deren Verständnis eine Wertung erfordert. Beispielsweise die Eignung von Rundfunk- oder Telemedieninhalten, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV). Bei den normativen Tatbestandsmerkmalen wie z. B. einer Verletzung der Menschenwürde (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i JMStV) kommt es für die Annahme des Vorsatzes oder die Anerkennung eines Tatbestandsirrtums nicht darauf an, dass der Betroffene eine juristisch einwandfreie Subsumtion vornehmen kann; vielmehr reicht eine Parallelwertung in der Laiensphäre für die Annahme des Vorsatzes aus.71 Ob es sich bei einem im Verfahren vorgetragenen Irrtum um eine Schutzbehauptung oder glaubhaftes Vorbringen handelt, ist Tatfrage und Gegenstand der freien Beweiswürdigung. 2.3.1.2.3.3 Verbotsirrtum

Ein Täter, der alle objektiven Tatbestandsmerkmale wissentlich und willentlich verwirklicht, handelt auch dann vorsätzlich, wenn er sich nicht bewusst ist, etwas Verbotenes zu tun. Ihm fehlt zunächst nur das Unrechtsbewusstsein, weshalb er sich in einem Rechtsirrtum befindet. Konnte er den Irrtum über das Verboten-Sein seines Verhaltens nicht vermeiden, so handelt er nicht vorwerfbar (§ 11 Abs. 2 OWiG), weshalb bei der Prüfung der Ahndbarkeit mit der „Vorwerfbarkeit“ der Teil entfällt, der im Strafrecht der „Schuld“ entspricht. Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums wird insbesondere bei den rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten prak-

 Vgl. Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 72.  Vgl. Börner, K&R 1998, 347. 71  Vgl. KK-OWiG/Rengier, § 11 Rn. 15; Lemke/Mosbacher, OWiG § 11 Rn. 6. 69 70

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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tisch auszuschließen sein, weil die Kenntnis des Rechts für alle Rundfunkveranstalter zu den Berufspflichten gehört. Allenfalls für eine kurze Übergangszeit nach einer der im Rundfunkrecht leider allzu häufigen Rechtsänderungen erscheint ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorstellbar. Eine merkwürdige Rolle spielte die Rechtsfigur des unvermeidbaren Verbotsirrtums in der Form des Subsumtionsirrtums in der Strafverfolgungspraxis beim Pornografietatbestand (§ 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dem Anschein nach hatte sich zumindest in der Vergangenheit in Bayern die Praxis eingebürgert, Rundfunkveranstaltern beim erstmaligen Verstoß gegen das Pornografieverbot diesen Irrtum zuzubilligen und das Verfahren einzustellen. Zur Anklageerhebung neigten die Staatsanwaltschaften erst im Wiederholungsfall. So versuchte die Praxis sachgerechte Antworten auf eine Rechtsprechung zu geben, die den Pornografietatbestand für verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt hält. 2.3.1.2.3.4 Erlaubnisirrtum

Nimmt der Täter einen Rechtfertigungsgrund an, den die Rechtsordnung nicht oder nicht in dieser Form anerkennt, so ist sein Irrtum nach den Regeln des Verbotsirrtums zu behandeln.72 Bei dieser Variante des Verbotsirrtums spricht man auch von einem Erlaubnisirrtum.73 Folglich ist der Erlaubnisirrtum ein Rechtsirrtum, bei dem der Täter irrig vom Vorliegen eines tatsächlich nicht existenten Erlaubnissatzes ausgeht, der nach seiner Vorstellung die Rechtswidrigkeit seines Handelns entfallen lässt. 2.3.1.2.3.5 Erlaubnistatbestandsirrtum

Nimmt der Täter dagegen irrig einen Sachverhalt an, bei dessen Vorliegen sein Handeln durch einen anerkannten Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt wäre, liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor. Dieser wird auch als Erlaubnistatumstandsirrtum bezeichnet,74 weil sich der Irrtum auf Tatumstände, also auf objektive Rechtfertigungselemente (wie beispielsweise das Vorliegen eines Angriffs gegen den Täter) bezieht. Daraus folgt, dass dieser Irrtum ein Sachirrtum ist, weil sich der Täter einer in Wahrheit nicht gegebenen Sachlage ausgesetzt sieht und auf dieser Grundlage handelt. Ein Irrtum, der sich auf die Sachlage und damit auf die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes bezieht, ist naheliegenderweise nach den Grundsätzen über den Tatbestandsirrtum, also etwa „entsprechend“ § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG zu behandeln, der den Vorsatz ausschließt.75 Bei dieser Lösung bleibt trotz Irrtums die Ahndbarkeit wegen Fahrlässigkeit denkbar.

 HK-GS/Duttge, StGB § 16 Rn. 11; StGB § 17 Rn. 10.  Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 5 Rn. 67 f. 74  BeckOK OWiG/Valerius, § 11 Rn. 64. 75  Lemke/Mosbacher, OWiG §  11 Rn.  25; Bülte, Grundriss, §  7 Rn.  75; Mitsch, OWiR, S.  71 (Rn.  13), 83 (Rn.  10); Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn.  239  ff.; BeckOK OWiG/Valerius, §  11 Rn. 64. A. A. Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 5 Rn. 22 ff.: Verbotsirrtum. 72 73

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2  Allgemeiner Teil

2.3.1.3 Rechtswidrigkeit Die rundfunkrechtlichen Bestimmungen formulieren ordnende Vorgaben, deren Nichteinhaltung durch die Rechtsordnung typischerweise missbilligt, aber nicht unbedingt sanktioniert wird. Die Bußgeldtatbestände greifen jedoch einzelne dieser Vorgaben auf und drohen für den Fall des Verstoßes hiergegen eine Sanktion an. Anders als bei den bloß ordnenden Tatbeständen wird bei den Bußgeldtatbeständen also ein Verstoß gegen eine Vorgabe und damit ein Handeln (oder ein Unterlassen) näher beschrieben und von der Rechtsordnung als besonders missbilligt herausgehoben und mit einer „Strafmaßnahme“ (aber keiner „Strafe“ im Rechtssinn) belegt. Da der Bußgeldtatbestand also ein von der Rechtsordnung ausdrücklich verbotenes Verhalten beschreibt, indiziert die Erfüllung des objektiven Tatbestandes die Rechtswidrigkeit. Es entsteht damit das aus dem Strafrecht bekannte Regel-­Ausnahme-­Prinzip, wonach die Verwirklichung des Bußgeldtatbestands regelmäßig zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens führen wird, zugleich aber nach Ausnahmen zu schauen ist, die das grundsätzlich verbotene Verhalten im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen könnten. Die durch die Tatbestandsverwirklichung entstehende Indizwirkung wird widerlegt, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen, die auch als Erlaubnissätze bezeichnet werden. Rechtfertigungsgründe wie Notwehr (§ 15 OWiG) oder der rechtfertigende Notstand (§ 16 OWiG) dürften jedenfalls bei den speziellen rundfunkrechtlichen Bußgeldtatbeständen des Medienstaatsvertrags oder auch denen des Jugendmedienschutz-­ Staatsvertrags äußerst selten bleiben. Beispiel

Beispiel 1: X ist Inhaber einer sendetechnischen Anlage. Noch bevor seine beantragte rundfunkrechtliche Zulassung wirksam wird, tritt ein Katastrophenfall ein. Zur Warnung der Bevölkerung verbreitet er Gefahrenhinweise über den Rundfunk. In diesem Fall hätte X ohne Zulassung zulassungspflichtigen Rundfunk veranstaltet und den Bußgeldtatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV erfüllt, aber – je nachdem, ob die Gefahr auch anders abwendbar war – im rechtfertigenden Notstand nach § 16 OWiG, d. h. nicht rechtswidrig gehandelt. Beispiel 2: Terroristen stürmen die Räumlichkeiten einer Rundfunkredaktion und zwingen die Mitarbeiter zur Verbreitung entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte.76 In diesem Fall wäre eine Rechtfertigung durch einen rechtfertigenden Notstand gem. § 16 OWiG vorstellbar. ◄ Außerhalb des §  16 OWiG ist die sog. rechtfertigende Pflichtenkollision als Rechtfertigungsgrund anerkannt.77 Sie kommt in Betracht, wenn der Handelnde mehrere Handlungspflichten zu erfüllen hat, aber nicht allen nachkommen kann.78 Die Tat ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn der Täter die höherwertige Pflicht zulasten der geringerwertigen erfüllt.  Angelehnt an NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 23 Rn. 43.  Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 5 Rn. 77; Mitsch, OWiR, S. 87 (Rn. 18 ff.). 78  Krenberger/Krumm, OWiG § 16 Rn. 27. 76 77

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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Ob eine behördliche Erlaubnis als Rechtfertigungsgrund79 zu bewerten ist oder bereits die Tatbestandsmäßigkeit der Verhaltensweise ausschließt, hängt von der Zielrichtung des Verbots ab. Ist ein Verhalten wegen seiner Gefährlichkeit für a­ ndere oder die Allgemeinheit allgemein verboten und lässt das Gesetz lediglich im Einzelfall die Möglichkeit einer behördlichen Erlaubnis zu (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt), so wirkt sich die erteilte Erlaubnis als Rechtfertigungsgrund aus.80 Stellt dagegen die erlaubnispflichtige Handlung als solche (z. B. die Veranstaltung von Rundfunk) kein rechtlich missbilligtes Verhalten dar und soll die Erlaubnispflicht lediglich sicherstellen, dass der Behörde die Kontrolle über potenzielle Gefährdungen (z. B. für die Meinungsvielfalt, den Verbraucher- oder den Jugendschutz) ermöglicht wird (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), so ist die fehlende Erlaubnis (negativer) Bestandteil des objektiven Tatbestands der Bußgeldnorm, d. h. die – rechtzeitige – Erteilung der Erlaubnis schließt bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens aus.81 Wichtig ist die Unterscheidung vor allem, wie gezeigt werden konnte, für die Irrtumsfolgen.

2.3.1.4 Vorwerfbarkeit Die Vorwerfbarkeit in der Terminologie des Ordnungswidrigkeitenrechts entspricht der Schuld im Strafrecht.82 Bei einem erwachsenen gesunden Menschen, der keinem die Vorwerfbarkeit ausschließenden Irrtum unterliegt (vgl. § 11 Abs. 2 OWiG) kann die Vorwerfbarkeit angenommen werden (arg.: § 12 Abs. 2 OWiG), es sei denn, es liegt ein Entschuldigungsgrund vor (vgl. § 15 Abs. 3 OWiG). Bei einem Jugendlichen, also einer Person, die zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 1 Abs. 2 JGG), muss die Vorwerfbarkeit ausdrücklich festgestellt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Nach § 3 JGG ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, „wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Dies gilt nach § 46 Abs. 1 OWiG, der auf das JGG verweist, sinngemäß für die Verantwortlichkeit für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten. Umstritten ist die Frage, ob die Grundsätze über den entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB) auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gelten.83 Anlass für diese Überlegung ist der Umstand, dass der entschuldigende Notstand aus § 35 StGB keine Entsprechung im Ordnungswidrigkeitengesetz hat. Ein Teil der Literatur stellt sich auf den Standpunkt, dass die Tat bei Vorliegen der Voraussetzungen bereits gerechtfertigt

 Krenberger/Krumm, OWiG § 15 Rn. 32 ff; vgl. auch Lemke/Mosbacher, OWiG Einl. Rn. 32.  KK-OWiG/Rengier, Rn.  15 vor §§  15, 16; Mitsch, OWiR, S.  89 (Rn.  24); Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 59. 81  Vgl. KK-OWiG/Rengier, Rn. 15 vor §§ 15, 16; Mitsch, OWiR, S. 88 (Rn. 22); Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 58. 82  Krenberger/Krumm, OWiG § 1 Rn. 19; Mitsch, OWiR, S. 95 (Rn. 2). 83  Bejahend Krenberger/Krumm, OWiG § 15 Rn. 45 ff.; Bülte, Grundriss, § 2 Rn 63; Mitsch, OWiR, S. 103 f. (Rn. 22). 79 80

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2  Allgemeiner Teil

sei.84 Diese Auffassung überzeugt nicht, weil sie den prinzipiellen Unterschied in der Freistellung verkennt.85 Konsequenzen ergeben sich bei der Haftung für Organisationsverschulden nach § 130 OWiG oder bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 29a OWiG, die das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat verlangen. Ist aber der unmittelbare Täter nicht nur entschuldigt, sondern gerechtfertigt, fehlt es bereits an einer rechtswidrigen Tat. Ausnahmsweise kann eine vorwerfbare Pflichtverletzung ferner zu verneinen sein, wenn dem Täter aus besonderen Gründen pflichtgemäßes Handeln nicht zumutbar war.86 Das soll z. B. der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer auf ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers nach erfolglosen Gegenvorstellungen handelt, um seine Arbeitsstelle, auf die er angewiesen ist, nicht zu verlieren.87 In diesem Fall wird der Arbeitgeber selbst als Täter („Einheitstäter-Begriff“) zur Verantwortung gezogen werden können.

2.3.2 Tatort Sowohl für die Frage der Anwendbarkeit deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 5 OWiG) als auch für die Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung zuständigen Verwaltungsbehörde muss festgestellt werden, wo ein Rechtsverstoß bspw. durch eine Rundfunksendung „begangen“ wurde (§ 7 OWiG). Der „Ort der Handlung“ gem. § 7 OWiG ist der Ort im Geltungsbereich des Bußgeldtatbestands, an dem der Täter tätig geworden ist (Alt. 1) oder im Falle des Unterlassens hätte tätig werden müssen (Alt. 2) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (Alt. 3) oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte (Alt.  4). Hier besteht ein leichter Unterschied zwischen § 7 OWiG und § 9 StGB, denn bei § 9 StGB ist nicht „vom Ort der Handlung“, sondern vom „Ort der Tat“ die Rede. Außerdem kommt es in § 9 StGB nicht auf das Tätig-Werden, sondern auf das Handeln an. Nach wohl allgemeiner Ansicht beschränken sich die Unterschiede des jeweils ersten Absatzes der beiden Normen weitestgehend auf sprachliche und nicht auf inhaltliche Unterschiede.88 Dieser Ansatz ist auch vor dem Hintergrund des geringeren Unrechtsgehalts des Ordnungswidrigkeitenrechts sehr gut vertretbar, weil, wie sich weiter unten zeigt, der räumliche Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitenrechts deutlich kleiner ist als der des Strafrechts. Die Frage nach dem Tatort ist leicht zu beantworten bei den in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, beim Deutschlandradio und beim ZDF, aber auch bei lokalen, regionalen und landesweiten privaten Rundfunkanbietern. Sie

 Lemke/Mosbacher, OWiG §  16 Rn.  17; Göhler, OWiG §  16 Rn.  16; Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 5 Rn. 74; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 170 a. E. 85  Vgl. KK-OWiG/Rengier, Rn. 58 ff. vor §§ 15, 16; Mitsch, OWiR, S. 103 f. (Rn. 22). 86  Vgl. Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 5 Rn. 74 ff. 87  Lemke/Mosbacher, OWiG § 10 Rn. 16; Göhler, OWiG § 10 Rn. 15; kritisch dazu KK-OWiG/Rengier, Rn. 63 f. vor §§ 15, 16. 88  Statt vieler Krenberger/Krumm OWiG § 7 Rn. 1; BeckOK OWiG/Valerius OWiG § 7 Rn. 1. 84

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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haben ihren Sitz, an dem sie ihren Geschäftsbetrieb führen und alle Entscheidungen treffen sowie Handlungen vornehmen, im Geltungsbereich des Gesetzes. Schwierig kann die Beurteilung beim Satellitenrundfunk sein, insbesondere, wenn ein Veranstalter unter ausländischer Rechtshoheit sendet. Solange die britische Independent Television Commission (ITC) sog. „non-domestic satellite licences“ großzügig auch an ausländische Unternehmen vergab, war unklar, ob die nach ausländischem Rundfunkrecht veranstalteten (deutschsprachigen) Rundfunkprogramme deutschem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht unterfielen. Für die Beurteilung der Weiterverbreitungsfähigkeit in deutschen Kabelanlagen war aufgrund der Bestimmungen der EG-Fernsehrichtlinie89 klar, dass die Programme grundsätzlich keiner inhaltlichen Prüfung durch deutsche Behörden, d. h. hier der Landesmedienanstalten unterlagen. Die Situation wurde dadurch entschärft, dass der EuGH90 das Sitzlandprinzip zum ungeschriebenen Zuständigkeitsmerkmal für die Rundfunkzulassung erhoben hatte. Zwischenzeitlich wurde das EU-Recht angepasst. Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten im Sinne der Richtlinie unterliegen der Rechtshoheit eines Mitgliedsstaates, wenn dort ihre Hauptverwaltung ist und wesentliche Programmentscheidungen dort getroffen werden; in Zweifelsfällen wird auf den Ort der Programmentscheidung und des wesentlichen Teils des Sendepersonals abgestellt.91 Falls eine Niederlassung in diesem Sinne nicht feststellbar ist, gelten Mediendiensteanbieter dann als der Rechtshoheit unterworfen, wenn sie eine von dem Land zugeteilte Frequenz nutzen oder ihr Programm über einen Satelliten unter der Fernmeldehoheit des entsprechenden Landes verbreitet wird oder der sog. Uplink zum Satelliten in dem betreffenden Land stattfindet. § 1 Abs. 3–5 RStV in der ab 1.1.2016 geltenden Fassung setzte die Vorgaben der AVMD-Richtlinie in nationales Recht um. Mit § 1 Abs. 3–5 MStV wurde die Regelung fortgeschrieben und mit ÄndRL 2018/1808/EU (AVMD-RL (2018)) in Einklang gebracht,92 sowie die Telemedien in den Abs. 7–9 aufgenommen. Zulassungen an ausländische Firmen ohne irgendeinen Anknüpfungspunkt im Inland sind jedenfalls bei Empfangbarkeit ihrer Programme innerhalb der EU nicht mehr zulässig. Eine unzulässige ausländische Genehmigung wäre für deutsche Behörden in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Bleibt unklar, ob ein Rundfunkveranstalter oder Telemedienanbieter zur Verwirklichung eines Bußgeldtatbestandes im Inland gehandelt hat oder steht fest, dass er nicht im Inland gehandelt hat, kann unterschieden werden zwischen Rechtsverstößen, die einerseits durch die Ausstrahlung der Rundfunksendung (Rundfunkinhaltsdelikt93) oder Anbieten des Inhalts begangen wurden und andererseits der Verletzung sonstiger bußgeldbewehrter Pflichten des Rundfunkveranstalters oder Telemedienan-

 Art. 2 a Abs. 1 EG-FsRL, nunmehr Art. 3 AVMD-RL.  EuGH, Urt. v. 5.6.1997, Az. C-56/96, BeckRS 2004, 77569 = EuZW 1998, 91 = ZUM 1997, 934 (935). 91  Art. 2 Abs. 2 bis 4 AVMD-RL. 92  BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 1 Rn. 1. 93  Zum parallelen Begriff des „Presseinhaltsdelikts“ s. BGH, Urt. v. 19.3.1996 – KZR 1/95, AfP 1997, 467 = ZUM 1996, 682; Waldenberger/Hoß, AfP 2000, 247. 89 90

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2  Allgemeiner Teil

bieters. Inhaltsdelikte wurden grundsätzlich als sog. Distanzdelikte94 angesehen, da der verbotene „Erfolg“ der Handlung nach zuvor überwiegender Ansicht überall dort eintrat, wo die Sendung empfangen oder die Inhalte abgerufen werden konnte.95 Damit war bei Rundfunkinhaltsdelikten gewissermaßen das gesamte Empfangsgebiet Handlungsort i. S. d. § 7 OWiG.96 Jedenfalls bei deutschsprachigen Rundfunkinhaltsdelikten mit Empfangbarkeit in Deutschland war deshalb grundsätzlich deutsches Ordnungswidrigkeitenrecht einschließlich der bundeseinheitlich geltenden materiellen Bußgeldtatbestände des Rundfunkrechts anwendbar. Diese noch in der 6. Auflage beschriebene Praxis kann mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH zu Internetstraftaten regelmäßig keinen Bestand mehr haben, es sei denn, es wäre nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Alt. 3 oder 4. OWiG der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten oder hätte dort eintreten sollen. Abstrakte Gefährdungsdelikte wie §§ 86a, 130 Abs. 1, Abs. 3 StGB und ähnliche Strafbestimmungen beschreiben nach neuerer Rechtsprechung jedoch keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, weshalb eine Inlandstat auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Alt. 3 und 4 StGB durch einen möglichen inländischen Erfolgsort nicht begründet werden kann.97 Auch an dem „Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete umgeschlagen ist oder gar nur umschlagen kann, ist kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten“.98 „Erforderlich wäre insoweit vielmehr eine von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung […], zu der es in den Fällen einer bloß potentiellen Gefahr indes gerade nicht kommen muss; eine solche ist mithin kein Tatbestandsmerkmal und kein zum Tatbestand gehörender Erfolg“.99 Diese Rechtsprechung ist auf das Ordnungswidrigkeitenrecht zu übertragen, insbesondere bei den Tatbeständen des § 24 JMStV, die über § 4 JMStV der Struktur der §§ 86, 86a, 130 StGB nachgebildet und insoweit auch als abstrakte Gefährdungsordnungswidrigkeiten anzusehen sind. Das bedeutet, dass bei den Bußgeldtatbeständen für Rundfunk und Telemedien stets zu überlegen ist, ob der im Raum stehende Tatbestand tatsächlich einen „echten“ tatbestandlichen Erfolg voraussetzt, der im Inland eingetreten sein muss (§ 7 Abs. 1 Alt. 3 OWiG) oder eintreten sollte (§ 7 Abs. 1 Alt. 4 OWiG), oder ob es sich lediglich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Wenn die neuere Rechtsprechung in Strafsachen in den soeben angesprochenen Sachverhalten bis zum 31.12.2020 doch zu einer Verurteilung kam, dann lag das

 Vgl. Krenberger/Krumm, OWiG § 7 Rn. 2; Lemke/Mosbacher, OWiG § 7 Rn. 2, 6.  Vgl. auch BGH, Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, NJW 2001, 624 (627); Krenberger/Krumm, OWiG § 7 Rn. 7. 96  So im Ergebnis BGH, Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, NJW 2001, 624 (627) im Kontext des § 130 StGB. 97  BGH, Beschl. v. 19.8.2014 − 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81 Rn.  8 zu §  86a StGB; Beschl. v. 3.5.2016 − 3 StR 449/15, NStZ 2017, 146 (147) zu § 130 Abs. 3 StGB; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2018 – 1 RVs 12/18, NStZ-RR 2018, 292 (293) zu § 130 Abs. 1, Abs. 3 StGB. 98  BGH, Beschl. v. 19.8.2014 − 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81 Rn. 8 m. w. N. 99  BGH, Beschl. v. 3.5.2016 – 3 StR 449/15, NStZ 2017, 146 (147). 94 95

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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daran, dass § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB die Geltung des StGB für Auslandstaten in den dort bestimmten Fällen beansprucht und hierauf abgestellt wurde.100 Zum 1.1.2021 ist eine Änderung des § 5 StGB in Kraft getreten,101 wonach die in diesem Kontext wichtigen §§ 86, 86a, 111, 130 StGB auch dann nach dem StGB strafbar sind, wenn sie im Ausland begangen werden (§ 5 Nr. 3, 5a StGB). Regelungen, die mit §§ 5, 7 StGB vergleichbar wären und den Geltungsbereich deutscher Bestimmungen für Auslandstaten erweitern, gibt es im Ordnungswidrigkeitenrecht aber nicht. Folglich bleibt es im Ordnungswidrigkeitenrecht bei dem Rahmen, den die §§ 5, 7 OWiG abstecken. Es kommt in diesen Fällen also darauf an, ob im Inland gehandelt wurde oder der Erfolg dort eingetreten ist. Die Figur des Distanzdelikts kann bei Ordnungswidrigkeiten, die keinen „echten“ tatbestandlichen Erfolg voraussetzen, keine Anwendung mehr finden. Bei den übrigen bußgeldbewehrten Pflichtverletzungen von Satellitenrundfunkveranstaltern kommt es auf die Feststellung an, ob im Inland oder im Ausland zur Tatbestandserfüllung gehandelt wurde. Schon die gestuften Zuständigkeitsregelungen in Art. 2 AVMD-RL, § 1 Abs. 3 und 4 MStV zeigen, wie vielfältig die Anknüpfungspunkte sein können. Ort der Handlung im Sinn des Bußgeldrechts ist sowohl der Ort der Entscheidung über die Programmproduktion mit dem Ziel der Rundfunkverbreitung als auch die Zuleitung zum terrestrischen Sender oder die Nutzung der Erd-Satelliten-Sendestation, in § 1 Abs. 4 MStV „Satelliten-Bodenstation für die Aufwärtsstrecke“ genannt (Uplink). Die reine Produktionstätigkeit eines Dienstleistungsunternehmens auf Bestellung des Rundfunkveranstalters kann sich gegebenenfalls als Beteiligung darstellen.102 Hat ein an der Ordnungswidrigkeit Beteiligter in Deutschland gehandelt, kann die Tat unter den Bedingungen des § 7 Abs. 2 OWiG auch gegenüber den anderen Tatbeteiligten nach deutschem Recht geahndet werden. Im Übrigen ist für die Frage des Orts der Handlung auf den Ort dieser Produktionsstätte nicht abzustellen, da die Produktion als solche – ohne nachfolgende Rundfunkausstrahlung, über die der beauftragte Produzent nicht bestimmen kann – kein Rundfunkdelikt sein kann.103 Anders wäre der Fall dann, wenn schon die Produktion als solche – ohne Verbreitung – eine Ordnungswidrigkeit wäre; insoweit wird es sich aber um verschiedene Delikte oder zumindest um unterschiedliche Begehungsformen von Delikten handeln.

 BGH, Beschl. v. 3.5.2016 − 3 StR 449/15, NStZ 2017, 146 (147); OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2018 – 1 RVs 12/18, NStZ-RR 2018, 292 (293); 101  60. StrRÄG vom 30.11.2020, BGBl. 2020, 2600. zur Änderung des Strafgesetzbuches 102  So zum vormaligen RStV HK-RStV, RStV § 49 Rn. 15. 103  Zutreffend Lesch, ZUM 2003, 44 (46). 100

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2  Allgemeiner Teil

2.3.3 Täter 2.3.3.1 Einheitstäter-Begriff Anders als das Strafrecht unterscheidet das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe), sondern geht von der sog. Einheitstäterschaft aus. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder, der sich in relevanter Weise an einer Tat beteiligt hat, als Täter in Betracht kommt (§ 14 Abs. 1 OWiG). Die hierdurch angestrebte Vereinfachung in der Rechtsanwendung besteht jedoch allenfalls in der Darlegung im Bußgeldbescheid, nicht jedoch in der Erkenntnisgewinnung.104 Spätestens nachdem die Rechtsprechung über den Wortlaut des § 14 Abs. 2 OWiG hinaus eine Vorsatztat fordert, weil die weitergehende Ahndungsmöglichkeit im Ordnungswidrigkeitenrecht gegenüber dem Strafrecht, das für die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe als Haupttat eine Vorsatztat fordert (§§ 26, 27 Abs. 1 StGB), einen Wertungswiderspruch des Gesetzgebers darstelle,105 sind im Ordnungswidrigkeitenrecht ebenfalls Feststellungen zu den Tatbeteiligungen zu treffen und es muss die Haupttat bzw. der Haupttäter gefunden werden. Es wird mit Recht bezweifelt, dass diese strafrechtliche Betrachtungsweise für das angeblich anders geartete Ordnungswidrigkeitenrecht zwingend sei.106 Es erscheint a priori nicht einleuchtend, dass eine deutliche Pflichtenmahnung, die das Bußgeld darstellen soll, nicht einem weiteren Täter- oder Beteiligtenkreis erteilt werden könne als die eine gesellschaftliche Stigmatisierung auslösende Kriminalstrafe. Die die Norm einschränkende Interpretation der Rechtsprechung wird ja nicht daran festgemacht, dass keine missbilligenswerte Pflichtwidrigkeit vorläge, sondern daran, dass der Kreis der strafrechtlich verfolgbaren Tatbeteiligten enger gezogen sei. Ergibt die praktische Prüfung einen fahrlässig handelnden Haupttäter, den ein anderer vorsätzlich bei der Tat unterstützt, ist weiterhin zu prüfen, ob nicht der Haupttäter lediglich ein argloses Werkzeug eines „Hintermanns“ ist, der dann nach den Regeln über die sog. mittelbare Täterschaft selbst als der eigentliche Täter in Betracht kommt. Das könnte nahe liegen, wenn der Geschäftsführer eines Fernsehveranstalters den Mitarbeiter in der Programmplanung wohlwollend gewähren lässt, obwohl er erkennt, dass dieser aus Schlamperei versehentlich einen jugendgefährdenden Film außerhalb der erlaubten Zeitgrenzen des § 5 Abs. 4 JMStV programmiert (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV). Unterstellt, der Programmplaner gehört zum Kreis der in § 9 Abs. 2 OWiG genannten Personen, wäre er selbst wegen fahrlässiger Tatbegehung bußgeldpflichtig; nach der h. M. bliebe sein Chef mangels vorsätzlicher Haupttat unbehelligt. Oder der Geschäftsführer wird als unterlassender Garant und mittelbarer Täter belangt; dann bliebe der fahrlässig handelnde Mitarbeiter unbehelligt. Wegen der anzunehmenden kurzen Verjährungsfristen der rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten von sechs Monaten

 Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 94.  Siehe etwa BGH, Beschl. v. 6.4.1983  – 2 StR 547/82; KK-OWiG/Rengier, §  14 Rn.  8  ff.; BeckOK OWiG/Coen, § 14 Rn. 11; dagegen mit überzeugenden Gründen Mitsch, OWiR, S. 127 f. (Rn. 19). 106  Abweichende Ansichten nachgewiesen in Lemke/Mosbacher, OWiG § 14 Rn. 4. 104 105

2.3  Voraussetzungen der Ahndbarkeit

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(§ 24 Abs. 7 JMStV, § 115 Abs. 5 MStV) muss die Verfolgungsbehörde mit ihrer Beurteilung punktgenau – aus Sicht des überprüfenden Gerichts – landen, sonst bleiben Jugend- oder Rezipientenschutz auf der Strecke, weil niemand belangt werden kann, sondern die Verfolgungsverjährung eingetreten ist; dazu näher unten 12.2.1.

2.3.3.2 Handeln mehrerer Bei der Festsetzung einer Geldbuße gegen den Personenverband als Veranstalter ergibt sich eine besondere Situation, wenn mehrere vertretungsberechtigte leitende Mitarbeiter i. S. d. § 30 Abs. 1 OWiG an der Tatbestandsverwirklichung, sei es als selbstständig und unabhängig von anderen handelnder sog. Nebentäter, sei es in sonstiger Form, beteiligt waren. Obwohl der Verband für die Handlungen der Vertreter grundsätzlich so haftet, als sei er selbst der Täter, liegt doch bei der gemeinsamen Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit durch mehrere handelnde Organe nur eine Tat vor, sodass gegen den Verband auch nur einmal eine Geldbuße wegen der Ordnungswidrigkeit festgesetzt werden kann.107 2.3.3.3 Handeln für einen anderen Eine große Zahl von Ordnungswidrigkeiten des Medienstaatsvertrags können nur „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“ (§ 115 Abs. 1 Satz 1 MStV) und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags private Telemedienanbieter und Rundfunkveranstalter (§ 3 Nr. 2, § 24 Abs. 1 JMStV i. V. m. der Überschrift des VI. Abschnitts) begehen. Veranstalter ist grds. der Inhaber der rundfunkrechtlichen Genehmigung oder Zulassung (formeller Veranstalterbegriff),108 bei zulassungsfreier (§ 54 MStV) wie auch bei ungenehmigter zulassungspflichtiger Rundfunkveranstaltung derjenige (materieller Veranstalterbegriff), der die Programmentscheidungen trifft und die sendetechnische Verbreitung veranlasst (§ 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV, vgl. auch Art. 1 Buchst. f AVMD-RL „Fernsehveranstalter“). Da für bundesweit ausgerichtete Programme, sieht man von reinem Internetfernsehen ab, durchweg juristische Personen des Privatrechts entweder in der Form der GmbH oder der AG oder Personenhandelsgesellschaften in der Form der GmbH & Co. KG zugelassen sind, gibt es i.  d.  R. keine im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sinn handlungs- und schuldfähigen Veranstalter bundesweit verbreiteten privaten Rundfunks. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht wird jedoch den juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften109 das Handeln ihrer vertretungsberechtigten Organe zugerechnet. In dem Fall, dass ein gesetzlicher Vertreter oder ein sonst in § 30 Abs. 1

 KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 154; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 403.  BeckOK InfoMedienR/Mitsch, MStV § 115 Rn. 14; entsprechend zur vormaligen Rechtslage des RStV HK-RStV, RStV § 49 Rn. 7. 109  Gemeint ist nicht die allgemeine Rechtsfähigkeit aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit, die juristischen Personen zukommt, sondern jede von der Rechtsordnung anerkannte Fähigkeit Rechte zu erwerben. Rechtsfähig in diesem Sinn sind neben den Personenhandelsgesellschaften bspw. auch BGB-Gesellschaften, die am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056); instruktiv zu den teilweise unterschiedlichen Begrifflichkeiten BCHHG, BayMG Art 24 Rn. 8 ff. 107 108

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2  Allgemeiner Teil

OWiG Genannter eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, durch die Pflichten des Rundfunkveranstalters verletzt werden, kann – zusätzlich – gegen die juristische Person bzw. den Verband eine Geldbuße festgesetzt werden, sog. Verbandshaftung.110 Die Tatsache, dass es sich um eine zusätzliche Geldbuße gegen die juristische Person handelt, ergibt sich aus dem Umkehrschluss des § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG.111 Diese Bestimmung sieht das selbstständige, also isolierte Verfahren nur gegen die juristische Person nämlich als Ausnahme nur in den dort genannten Fällen vor und begründet insoweit den Grundsatz des sog. verbundenen Verfahrens.112 Der Normalfall ist also das verbundene Verfahren, das sich sowohl gegen die natürliche Person als auch zusätzlich gegen die juristische Person als „Verband“ richtet.113 Wird ein Verfahren gegen den Handelnden nicht eingeleitet, wird es eingestellt oder wird von Buße abgesehen und insoweit vom Normalfall des verbundenen Verfahrens abgewichen, ist die selbstständige, also isolierte Festsetzung einer Geldbuße nur gegen den Verband nach Maßgabe des § 30 Abs. 4 OWiG möglich. Interessanterweise hat sich die Rechtsprechung zu dieser Norm nicht mit dem Argument kritisch geäußert, die Erweiterung des Kreises der Haftenden gegenüber dem Strafrecht offenbare einen Wertungswiderspruch des Gesetzgebers und sei deshalb unzulässig (s. o.).114 In Ergänzung zur Sanktionsnorm in § 30 Abs. 1 OWiG115 überträgt § 9 OWiG als Zurechnungsregel die ahndungsbegründenden Tätermerkmale (hier: Veranstalter von [bundesweit ausgerichtetem] privaten Rundfunk) auf bestimmte Verantwortliche in den Unternehmen.116 Sie sind als Täter selbst Adressaten eines Bußgeldbescheides. Hat also der Geschäftsführer einer GmbH, ggf. diese wiederum geschäftsführende Komplementärin einer GmbH & Co. KG, selbst zur Tatbestandsverwirklichung gehandelt, möglicherweise als mittelbarer Täter oder als Garant durch Unterlassen, so kann gleichzeitig gegen ihn persönlich und gegen die durch ihn vertretene Gesellschaft je eine Geldbuße festgesetzt werden. Wer das ahndungsbegründende persönliche Tätermerkmal nicht aufweist, ist, auch wenn er nicht zu dem in § 9 OWiG genannten Personenkreis gehört, im Stande, als Beteiligter an der Vorsatztat eines möglichen Täters bußgeldpflichtig, d.  h. „Täter“ im Sinn des Ordnungswidrigkeitenrechts zu werden (§  14 Abs.  1 Satz 2 OWiG). Nach der hier kritisierten h.  M. ist aber nur vorsätzliche Beteiligung an einer Vorsatztat ahndbar.

 Zu den Grundlagen der Verbandshaftung etwa KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 1–15.  KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 162. 112  KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 162. 113  KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 162. 114  Vgl. Lemke/Mosbacher, OWiG § 30 Rn. 7. 115  S. Lemke/Mosbacher, OWiG § 30 Rn. 10; vgl. Mitsch, OWiR, S. 166; die früher überwiegende Meinung qualifizierte §  30 OWiG als Zurechnungsregel (so nach wie vor Krenberger/Krumm, OWiG § 30 Rn. 1, 5), über die dem Personenverband das ordnungswidrige Verhalten der vertretungsberechtigten Organe zugerechnet werde, vgl. Klesczewski/Krenberger, OWiR, § 8 Rn. 186 f., der seinerseits die Verbandsgeldbuße als „Gewinnabschöpfung mit Säumniszuschlag“ wegen eines „Perpetuierungsunrechts“ des Verbandes (Behalten des unrechtmäßig Erlangten) versteht. 116  Vgl. Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 101 ff. 110 111

2.4  Aufsichtspflichtverletzung, Organisationsverschulden

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2.4 Aufsichtspflichtverletzung, Organisationsverschulden Vom Sanktionstatbestand in § 30 OWiG117 und der Zurechnungsregel in § 9 OWiG118 – beide im „Ersten Teil. Allgemeine Vorschriften“ des OWiG zu finden – zu unterscheiden ist der materielle Bußgeldtatbestand des § 130 OWiG. Dieser sanktioniert als Auffangtatbestand119 das sog. Organisationsverschulden (Aufsichtspflichtverletzung) von Betriebsinhabern und wird wegen seines Charakters als „beteiligungsähnlicher Sondertatbestand“120 an dieser systematisch nicht ganz zutreffenden Stelle behandelt. Ist der Betriebsinhaber selbst an der „eigentlichen“ Tat beteiligt und sei es auch in der besonderen Konstellation des Begehens durch Unterlassung (§  8 OWiG), so kommt § 130 OWiG nicht zur Anwendung. § 130 OWiG ist ein echtes Unterlassungsdelikt.121 Tathandlung und Verschuldensbezug sind nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die Verletzung der Aufsichtspflicht (Unterlassung) beschränkt.122 Allerdings besteht die Aufsichtspflicht nicht abstrakt; die Art und Erforderlichkeit von Aufsichtsmaßnahmen kann nur im Hinblick auf deren Zweck bestimmt werden, die Verletzung bestimmter Betriebspflichten durch für das Unternehmen Tätige möglichst zu verhindern.123 Auf die Vorhersehbarkeit der konkreten Zuwiderhandlung kommt es nicht an. Vielmehr ist eine Konkretisierung nach Gefahrenkreisen veranlasst und ausreichend.124 Der Unternehmensinhaber muss aber erkennen können, dass die Gefahr von Zuwiderhandlungen gegen straf- oder bußgeldbewehrte Normen droht, die einen bestimmten Pflichtenkreis betreffen, und – vorsätzlich oder fahrlässig – Aufsichtsmaßnahmen zur Abwendung dieser Zuwiderhandlungsgefahren unterlassen haben.125 Die Zuwiderhandlung gegen die genannten Betriebspflichten durch für das Unternehmen Tätige ist kein objektives Tatbestandsmerkmal, sondern objektive Ahndbarkeitsbedingung.126 Hat bei den rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten ein nachgeordneter Mitarbeiter des Veranstalters oder Anbieters den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat erfüllt und wird dadurch eine Pflicht verletzt, die dem Veranstalter selbst obliegt („betriebsbezogene Pflicht“), so kommt die Durchführung eines Bußgeldverfahrens wegen Organisationsverschuldens gegen „den Inhaber (des) Be-

 Lemke/Mosbacher, OWiG § 30 Rn. 10; Mitsch, OWiR, S. 166 (Rn. 4 f.).  Krenberger/Krumm, OWiG § 9 Rn. 2; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 5; Mitsch, OWiR, S. 57 f. (Rn. 24). 119  OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.1985 – 5 Ss [OWi] 101/85 – 85/85 I; KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 124 m. w. N. 120  Mitsch, OWiR, S. 145. 121  KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 38. 122  Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 31; Mitsch, OWiR, S. 146 (Rn. 61). 123  Vgl. Maschke, Aufsicht in Betrieben, S.  32; vgl. auch Klesczewski/Krenberger, OWiR, §  7 Rn. 193. 124  Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 33. 125  So Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 34; vgl. auch Lemke/Mosbacher, OWiG § 130 Rn. 3. 126  Krenberger/Krumm, OWiG §  130 Rn.  24; Lemke/Mosbacher, OWiG §  130 Rn.  10; Mitsch, OWiR, S. 146 (Rn. 61). 117 118

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2  Allgemeiner Teil

triebes oder Unternehmens“ nach § 130 OWiG in Betracht. Voraussetzung ist, dass die durch einen Mitarbeiter oder sonst für den Veranstalter Tätigen127 – nicht notwendigerweise schuldhaft128  – begangene Pflichtwidrigkeit bei gehöriger Aufsicht verhindert „oder wesentlich erschwert worden wäre“.129 Es kommt nicht darauf an, ob der Täter der „Zuwiderhandlung“ Normadressat ist oder vorwerfbar handelt, sondern darauf, dass jemand, der für den Betriebsinhaber tätig ist, – dessen Person nicht zwingend festgestellt werden muss130 – aufgrund unzureichender Betriebsorganisation und Aufsicht eine bußgeld- oder strafbewehrte Pflicht des Betriebsinhabers verletzt und der Betriebs­ inhaber für diese Pflichtverletzung selbst nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.131 Soweit der seine Aufsichtspflicht vorwerfbar verletzt hat und dies ursächlich war für die geschehene Tat, haftet er nach § 130 OWiG. Wenn mehrere Personen als Aufsichtspflichtige verantwortlich sind, können Geldbußen gegen jeden Aufsichtspflichtigen in gesonderten Verfahren festgesetzt werden.132 Gegen den nachgeordneten Mitarbeiter selbst kann wegen Verstoßes gegen § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV oder § 24 Abs. 1 JMStV i. d. R. keine Geldbuße verhängt werden; Entsprechendes gilt bei solchen Bußgeldtatbeständen des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV, die sich wegen einer speziellen Adressierung der Verhaltensnormen (z. B. medienstaatsvertragliche Impressumspflichten der Telemedienanbieter, § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 18 MStV) ebenfalls als Sonderdelikte darstellen. Ist Betriebsinhaber – wie zumeist – eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, richtet sich die Übertragung persönlicher ahndungsbegründender Tätermerkmale ebenfalls nach § 9 OWiG und die Frage der Verbandshaftung ebenfalls nach § 30 OWiG.133 Bußgeldverfahren wegen Organisationsverschuldens kommen insbesondere in Betracht, wenn Verantwortlichkeiten in einem Unternehmen nicht oder nicht eindeutig geregelt sind oder wenn z. B. der Täter der Zuwiderhandlung bereits früher gegen gleichartige Bestimmungen verstoßen hatte, ohne dass gegen ihn die notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden.134 Andererseits dürfen keine überzogenen An-

 Vgl. Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 30; Lemke/Mosbacher, OWiG § 130 Rn. 17; Göhler, OWiG § 130 Rn. 19; Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 63; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 134; einschränkend KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 108. 128  Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 61; Mitsch, OWiR, § 13 Rn. 61; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 135. 129  Vgl. dazu Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 20. 130  Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 27; KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 110; Göhler, OWiG § 130 Rn. 20; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 134. 131  Vgl. KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 124; Göhler, OWiG § 130 Rn. 27; Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 22 f.; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 127. 132  Lemke/Mosbacher, OWiG § 130 Rn. 9; Göhler, OWiG § 130 Rn. 8 a. 133  S. Göhler, OWiG § 130 Rn. 4, 7 und 8; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 128. 134  Bei bekannten Vortaten besteht grundsätzlich eine gesteigerte Aufsichtspflicht, so Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 41; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 130; vgl. auch Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 18. 127

2.4  Aufsichtspflichtverletzung, Organisationsverschulden

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forderungen gestellt werden.135 Falls ein privates Rundfunkunternehmen oder ein (geschäftsmäßiger) Telemedienanbieter nicht so klein ist, dass die in § 30 Abs. 1 OWiG genannten Personen das gesetzwidrige Angebot selbst programmiert oder ins Netz gestellt haben, kommt eine Geldbuße gegen den Anbieter/Veranstalter bei Erstverstößen praktisch nicht in Betracht; die Verhängung einer Geldbuße gegen den handelnden Redakteur/Mitarbeiter bleibt unberührt, wenn dieser zum in §  9 Abs. 2 OWiG genannten Personenkreis gehört. Soweit ein Bußgeldtatbestand, wie z. B. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV (Verstoß gegen die Gewinnspielsatzungen der Landesmedienanstalten), nicht als Sonderdelikt ausgestaltet ist, d. h. kein ahndungsbegründendes persönliches Tätermerkmal enthält, ist die Ahndung des Geschäftsherrn nach § 130 OWiG neben der Verfolgung des Moderators wegen einer Zuwiderhandlung gegen bußgeldrelevante Vorschriften der Gewinnspielsatzung möglich. Allerdings kann § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV nur vorsätzlich begangen werden (s. § 10 OWiG). Teile der Literatur sehen einen Wertungswiderspruch darin, dass der Geschäftsherr im Fall eines fahrlässigen Organisationsverschuldens ahndbar ist, obwohl er als fahrlässiger Teilnehmer an der Bezugstat ungeahndet bliebe,136 und fordern als Voraussetzung für die Ahndung des Geschäftsherrn nach § 130 OWiG, dass der Mitarbeiter den objektiven Tatbestand einer nur vorsätzlich begehbaren Bezugstat mindestens mit Vorsatz erfüllt hat. Die fahrlässige Zuwiderhandlung gegen die bußgeldrelevanten Vorschriften der Gewinnspielsatzung stelle nämlich keine Ordnungswidrigkeit dar. Objektive Bedingung der Ahndbarkeit in § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist jedoch, dass eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten begangen wurde, deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Demgegenüber verweist Maschke darauf, dass die Aufsichtspflicht in § 130 OWiG als selbstständiges objektives Tatbestandsmerkmal und die Zuwiderhandlung lediglich als objektive Ahndbarkeitsbedingung ausgestaltet ist. Die objektive Ahndbarkeitsbedingung muss nur „vom äußeren Geschehensablauf her“ verwirklicht sein, damit eine Ahndung des Geschäftsherrn möglich wird. Der Unrechtssachverhalt bei Organisationsverschulden und Zuwiderhandlung ist jeweils ein anderer.137 Der Aufsichtspflichtige wird nicht für das Unrecht in Anspruch genommen, das durch die Bezugstat der Zuwiderhandlung verwirklicht wurde. Sein Unrecht liegt vielmehr in der Duldung von Zuständen im Betrieb, die für die Begehung betriebsbezogener Zuwiderhandlungen ursächlich sind.138

 AG Kiel, Urt. v. 21.3.1997 – 590 Js 8959/96. OWi II 38 OWi 12/96.  Vgl. Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 25; Lemke/Mosbacher, OWiG § 1 Rn. 11. 137  Vgl. Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 62. 138  Maschke, Aufsicht in Betrieben, S. 72. 135 136

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2  Allgemeiner Teil

2.5 Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten 2.5.1 Verwarnung § 56 Abs. 1 OWiG ermöglicht bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten eine Verwarnung mit oder ohne Verwarnungsgeld. „Die Verwarnung setzt eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung voraus, ohne dass eine gründliche Aufklärung des Sachverhalts erforderlich wäre. Es reicht aus, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild eine OWi gegeben ist.“139 Die Verwarnung ist nicht im eigentlichen Sinne Ahndung der Ordnungswidrigkeit, sondern lediglich Vorhalt des ordnungswidrigen Verhaltens. Die Verwarnung ohne Verwarnungsgeld ist gerichtlich nicht überprüfbar.140 Die Verwarnung mit Verwarnungsgeld ist nur wirksam, wenn der Betroffene nach Belehrung über sein Weigerungsrecht einverstanden ist und das Verwarnungsgeld sofort oder innerhalb einer eingeräumten Frist bezahlt. Sie wird als mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt aus Anlass einer Ordnungswidrigkeit qualifiziert.141 Die maximale Höhe des Verwarnungsgeldes beträgt nach § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG 55,00 €. Dies ist so außerhalb jeder Relation zum Bußgeldrahmen der § 115 Abs. 2 MStV und § 24 Abs. 3 JMStV, in dem sich die Gewichtigkeit der Ordnungswidrigkeiten der beiden Staatsverträge ausdrückt, dass die Möglichkeit der Verwarnung mit Verwarnungsgeld für die rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten nach § 115 MStV und § 24 JMStV praktisch ausscheidet. Entsprechendes gilt trotz des wesentlich geringeren Bußgeldrahmens für Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz, dem Telemediengesetz (künftig: Digitale-Dienste-Gesetz) und dem Tabakerzeugnisgesetz, wie ein Vergleich der spezialgesetzlichen Bußgeldrahmen mit dem Regelrahmen von höchstens 1000,00 € nach § 17 Abs. 1 OWiG ergibt.

2.5.2 Geldbuße 2.5.2.1 Bußgeldrahmen 2.5.2.1.1 Untergrenze Die geringstmögliche Geldbuße beträgt gem. § 17 Abs. 1 OWiG für alle Ordnungswidrigkeiten, auch solche, deren Höchstmaß in Spezialgesetzen geregelt ist, 5,00 € (absolute Untergrenze). „Die relative Untergrenze der festzusetzenden Geldbuße bildet die Höhe des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils (vgl. § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG).“142

 Lemke/Mosbacher, OWiG § 56 Rn. 9; ebenso KK-OWiG/Lutz, § 56 Rn. 3.  Krenberger/Krumm, OWiG § 56 Rn. 35; Lemke/Mosbacher, OWiG § 56 Rn. 10 m. w. N.; KKOWiG/Lutz, § 56 Rn. 6. 141  Lemke/Mosbacher, OWiG § 56 Rn. 3 m. w. N.; KK-OWiG/Lutz, § 56 Rn. 1. 142  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG §  11 Rn.  33 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 18.5.2017 – 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565 Rn. 32 m. Anm. Brand NJW 2017, 2569. 139 140

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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2.5.2.1.2  Obergrenze bei einzelnen Ordnungswidrigkeiten Für alle Ordnungswidrigkeiten des § 28a GlüStV 2021, des § 24 JMStV und die meisten des § 115 MStV sind als Höchstmaß 500.000,00 € bestimmt. Dabei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten. Für diesen Fall bestimmt § 17 Abs. 2 OWiG, dass fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrags der Geldbuße geahndet werden kann. Das bedeutet, dass die fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeiten des §  115 Abs. 1 Satz 1 MStV, des § 24 JMStV und des § 28a GlüStV 2021 im Höchstmaß mit einer Geldbuße in Höhe von 250.000,00 € geahndet werden können. Für die nur bei vorsätzlicher Begehung ahndbaren Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MStV ist eine Ahndung mit Geldbuße bis zu 50.000, für die nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 49 und 50 MStV bis zu 250.000,00 € vorgesehen. Im Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde übersehen den Bußgeldrahmen im damaligen § 49 Abs. 2 RStV an die geänderte Zählung in Absatz 1 Satz 2 anzupassen; die letzten beiden Tatbestände erhielten durch Einschub neuer Ordnungswidrigkeiten die Nummern 28 und 29. Dieser Fehler sollte durch Art.  2 Nr.  2 14. RÄndStV bereinigt werden. Der Änderungsstaatsvertrag ist jedoch nicht von allen Landesparlamenten ratifiziert und nach seinem Art. 4 Abs. 2 gegenstandslos geworden.143 Die Praxis konnte sich damit behelfen, dass sie den versehentlich für die Tatbestände in Nrn. 28 und 29 verdoppelten Bußgeldrahmen nicht ausschöpfte. Allerdings kam sie nicht darüber hinweg, dass bis zu einer Gesetzesänderung der Bußgeldrahmen für die Bußgeldtatbestände in § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 und 16 RStV nur halb so hoch war wie für die übrigen damals neu eingeführten Tatbestände (Nr. 16 bis 27). Der beabsichtigte Gleichlauf der Pönalisierung vorsätzlicher Verstöße gegen das Verbot subliminaler Werbung (damals § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Nr. 15 RStV) und das Werbetrennungsgebot (damals§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Nr. 16 RStV) für Rundfunkanbieter und die Anbieter audiovisueller Mediendienste mit fernsehähnlichen Inhalten auf Abruf (damals § 58 Abs. 3 RStV), wurde durch die unbeabsichtigte Halbierung des Bußgeldrahmens für die Telemedienanbieter verfehlt. Mit Inkrafttreten des § 115 MStV ist diese Problemstellung jedoch gelöst. Das Höchstmaß der Geldbuße für Verstöße gegen das Tabakwerbeverbot beträgt gem. §§ 19, 20 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 7 bis 9, Abs. 4 TabakerzG 30.000,00 € und für Verstöße gegen § 28 Abs. 1 bis 4 i. V. m. Abs. 5 JuSchG gegen § 11 Abs. 1 und 2 i. V. m. Abs. 3 TMG, § 25 Abs. 1 u. 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 3 DDG-E sowie gegen § 15 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 HWG jeweils 50.000,00 €. Für die Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG (Organisationsverschulden) gilt als Höchstmaß für die Person des Aufsichtspflichtigen (Geschäftsherrn) eine Geldbuße bis zu 1 Mio. €, wenn die begangene Pflichtverletzung mit Strafe bedroht ist (z. B. Gewaltverherrlichung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB, Verbreitung pornografischer Inhalte gem. § 184 StGB, schwere Jugendgefährdung nach § 23 JMStV oder die Straftatbestände des § 27 JuSchG sowie vorsätzliche irreführende Heilmittel-

143

 S. BayGVBl. 2011, 2.

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2  Allgemeiner Teil

werbung nach §  14 HWG). Ist die von nachgeordneten Mitarbeitern begangene Pflichtverletzung (Zuwiderhandlung) nicht mit Strafe, sondern mit Geldbuße bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (§ 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Ist die Aufsichtspflicht lediglich fahrlässig verletzt worden, halbiert sich der Bußgeldrahmen gem. § 17 Abs. 2 OWiG. Für den Fall, dass auch die Zuwiderhandlung nur fahrlässig begangen wurde, soll der Bußgeldrahmen ein weiteres Mal zu halbieren sein.144 Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie übersieht, dass die Bezugstat lediglich objektive Ahndbarkeitsbedingung ist, auf die sich der Vorsatz des für die mangelhafte Betriebsorganisation verantwortlichen Geschäftsherrn nicht zu beziehen braucht. Ob die Bezugstat ihrerseits durch den Dritten vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, ist nicht nur für den Grad der Vorwerfbarkeit des Geschäftsherrn irrelevant, sondern kann auch für die Bemessung des richtigen Bußgeldrahmens keine Rolle spielen. Richtiger Ansicht nach meint das in § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG „für die Pflichtverletzung angedrohte Höchstmaß der Geldbuße“ den maximalen Bußgeldrahmen der in Betracht kommenden Bußgeldnorm und nicht die generelle Reduktion für die fahrlässige Begehungsform von (Vorsatz-)Taten gem. § 17 Abs. 2 OWiG. Das Höchstmaß der Geldbuße kann überschritten werden, wenn dies erforderlich ist, um den wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat (§ 17 Abs. 4 OWiG). Die absolute Obergrenze einer Geldbuße bildet folglich die Summe aus dem gesetzlichen Höchstmaß der Geldbuße und den aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteilen.145 2.5.2.1.3 Verbandsgeldbuße Der Bußgeldrahmen für juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften beträgt bis zu 10 Mio. € bei vorsätzlichen und bis zu 5 Mio. € bei fahrlässigen betriebsbezogenen Straftaten ihrer vertretungsberechtigten leitenden Mitarbeiter (§ 30 Abs. 2 Satz 1 OWiG).146 Falls diese Mitarbeiter eine betriebsbezogene Ordnungswidrigkeit begehen, richtet sich die Verbandsgeldbuße grundsätzlich nach dem Bußgeldrahmen für die begangene Ordnungswidrigkeit (§ 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG). Im Falle von Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 OWiG gilt eine Besonderheit. Der Bußgeldrahmen für Aufsichtspflichtverletzungen, welche die Begehung betriebsbezogener Straftaten begünstigt haben, beträgt bis zu 1 Mio. € (§ 130 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Weil § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG jedoch die Anwendung des § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG vorschreibt, wird dieser Bußgeldrahmen für die Verbandsgeldbuße verzehnfacht und reicht ebenfalls bis 10 Mio.  €. Der Bußgeldrahmen für ­Aufsichtspflichtverletzungen, durch welche die Begehung von Ordnungswidrigkei-

 Göhler, OWiG § 130 Rn. 28; KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 23; KK-OWiG/Rogall, § 130 Rn. 121; vgl. auch Lemke/Mosbacher, OWiG § 130 Rn. 19; a. A. Krenberger/Krumm, OWiG § 130 Rn. 35. 145  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 33 m. w. N. 146  Der Bußgeldrahmen wurde durch das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 23.6.2013 (BGBl. I 1738) verzehnfacht. 144

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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ten begünstigt wurden, richtet sich nach dem Bußgeldrahmen für die begangenen Ordnungswidrigkeiten (§ 130 Abs. 3 Satz 3 OWiG). Insoweit ist die Anwendung des § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG nicht angeordnet, sodass die Verbandsgeldbuße sich aufgrund der doppelten gesetzlichen Verweisung ebenfalls nach dem Bußgeldrahmen für die Bezugstat richtet. Wirtschaftliche Vorteile aus den Taten können darüber hinaus abgeschöpft werden (§ 30 Abs. 3 i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG). Aus Gründen der Vereinfachung der Rechtsanwendung soll diese Abschöpfung, die primär durch Einziehung nach § 29a OWiG zu erreichen wäre, durch Erhöhung der Geldbuße wahrgenommen werden.147

2.5.2.2 Zumessungsregeln 2.5.2.2.1  Bedeutung der Tat Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Für die Feststellung der objektiven Bedeutung einer Ordnungswidrigkeit sind der Grad der Gefährdung oder Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter sowie das Ausmaß der Gefährdung oder Beeinträchtigung zu berücksichtigen.148 Die objektive Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist auch entscheidendes Zumessungskriterium für die Festsetzung der Geldbuße gegen den Verband als Veranstalter nach §  30 Abs.  1 oder Abs. 4 OWiG.149 2.5.2.2.2  Schwere des Vorwurfs Die Schwere des Vorwurfs, der den Täter trifft, ist unter Berücksichtigung aller persönlichen und der Tatumstände zu ermitteln,150 denn das ist der zweite in § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG genannte Aspekt. Wesentlicher Anknüpfungspunkt hierbei ist der Grad des individuell verwirklichten Unrechts. Anhaltspunkte hierfür können beispielsweise die Vorsatzform (Absichtlichkeit, Wissentlichkeit, billigendes Inkaufnehmen) oder die Art der Fahrlässigkeit (bewusste oder unbewusste Fahrlässigkeit) sein.151 Soll eine Geldbuße gegen den Verband als Veranstalter festgesetzt werden, erscheint die Schwere des Vorwurfs, der den handelnden Vertreter trifft, als Zumessungskriterium nur sehr bedingt geeignet. Zwar werden dem Verband die Handlungen seiner Vertreter auch im Ordnungswidrigkeitenrecht grundsätzlich „wie eigene“ zugerechnet.152 Andererseits darf der Zweck der Geldbuße gegen den Verband nicht verfehlt werden, der – neben der Abschöpfung des Gewinns – darin besteht, die Aufsichtsorgane des Verbandes zur sachgerechten Personalauswahl, Organisation und Überwachung anzuhalten. Infolgedessen ist in erster Linie nach dem Unrechtsgehalt und der sozialen Be-

 BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 113.  BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 40–57. 149  Vgl. auch KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 134; Lemke/Mosbacher, OWiG § 30 Rn. 58 f. 150  S. im Einzelnen KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 51 ff. m. w. N. 151  BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 59. 152  Vgl. Göhler, OWiG § 30 Rn. 36. 147 148

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2  Allgemeiner Teil

deutung der Bezugstat und weniger nach subjektiv-­individuellen Zurechnungsmomenten beim handelnden Vertreter zu fragen.153 In solchen Kontexten kann das Kriterium der Schwere des Vorwurfs also nicht in seiner Reinform Anwendung finden. 2.5.2.2.3  Wirtschaftliche Verhältnisse Da es sich bei den Ordnungswidrigkeiten des § 24 JMStV, des § 28 JuSchG, des § 11 TMG (§ 25 DDG-E), des § 115 MStV, des § 28a GlüStV 2021oder des § 35 TabakerzG grundsätzlich nicht um geringfügige Ordnungswidrigkeiten i. S. d. § 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz OWiG handelt, kommen bei der Zumessung der Geldbuße stets die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht (Umkehrschluss aus § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Die Geldbuße kann ihre Funktion als nachdrückliche Pflichtenmahnung nur erfüllen, wenn sie – im Rahmen der Tat- und Schuldangemessenheit – für den Täter spürbar ist.154 Grundsätzlich umfassen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters sein Einkommen und Vermögen.155 Schulden, denen kein entsprechender Vermögenswert gegenübersteht, sind infolgedessen abzuziehen.156 Maßgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bußgeldbemessung.157 Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse führen nur dann zur Herabsetzung einer tatund schuldangemessenen Geldbuße, wenn es sich nicht lediglich um vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten handelt, die auch durch die Gewährung von Zahlungserleichterungen gem. § 18 OWiG berücksichtigt werden können. Soweit es bei der Bußgeldzumessung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt, ist auf die persönlichen Verhältnisse des Bußgeldpflichtigen abzustellen. Werden Geldbußen gegen gesetzliche Vertreter oder leitende Mitarbeiter eines Veranstalters (§ 9 OWiG) festgesetzt, so sind deren persönliche wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde zu legen. Wird gem. § 30 Abs. 4 OWiG eine Geldbuße gegen den Verband als Anbieter/Veranstalter festgesetzt, so kommt es im Rahmen der Berücksichtigungsfähigkeit wirtschaftlicher Verhältnisse auf die Ertragskraft des Unternehmens an. Die Festsetzung einer Geldbuße gegen den Verband steht im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde (s. § 30 Abs. 1 letzter Halbsatz OWiG, Wortlaut „kann“).

2.5.2.3 Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils Bei der Festsetzung der Geldbuße fließt der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, gleichsam als Rechnungsposten in den einheitlich festzusetzenden Betrag ein. Es handelt sich hierbei – anders als bei der selbstständigen Einziehung von Taterträgen nach § 29a OWiG – nicht um eine „Nebenfolge“ der Ordnungswidrigkeit. Die (Gesamt-)Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil nicht lediglich abschöpfen, sondern ihn übersteigen (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Das heißt, dem Täter soll über die Abschöpfung der erlangten Vorteile hinaus ein

 Differenzierend KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 134 f.  Vgl. KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 112 ff.; BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 83. 155  BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 88. 156  Statt vieler KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 87 m. w. N. 157  AaO., § 17 Rn. 85. 153 154

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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Nachteil durch die Geldbuße zugefügt werden. Nur in diesem Fall kann die Geldbuße ihre Funktion als nachdrückliche Pflichtenmahnung erfüllen, ganz im Sinn einer spezialpräventiven Orientierung.158 Im Regelfall markiert also der wirtschaftliche Vorteil die Untergrenze der Geldbuße,159 während die Höchstgrenze durch die Summe aus der Höchstgrenze des gesetzlichen Bußgeldrahmens und dem wirtschaftlichen Vorteil festgelegt wird.160 „Der wirtschaftliche Vorteil ist im Vergleich zu der vermögensrechtlichen Gesamtsituation des Betroffenen zu errechnen, wie sie sich durch die Zuwiderhandlung ergeben hat und ohne diese für ihn eingetreten wäre“.161 Erlangte Gewinne sind ebenso zu berücksichtigen wie ersparte Aufwendungen. Andererseits können gemachte Aufwendungen gewinnmindernd zu berücksichtigen sein.162 Tatsächlich abgeführte sowie unanfechtbar festgesetzte Steuern sind abzugsfähig.163 Im Übrigen ist ein Ausgleich innerhalb des Steuerrechts zu finden.164 Im Einzelfall kann die Ermittlung des wirtschaftlichen Vorteils Schwierigkeiten machen. Wenn nur die Ermittlung der Höhe des Vorteils problematisch ist, kann die Bußgeldbehörde den Gewinn schätzen.165 Bei manchen Ordnungswidrigkeiten des § 115 MStV und des § 24 JMStV ist aber schon die Feststellung schwierig, ob aus der Ordnungswidrigkeit ein wirtschaftlicher Vorteil gezogen wurde. So machen die Veranstalter bei der verbotswidrigen Ausstrahlung von Filmankündigungen oder jugendgefährdenden Filmen außerhalb der festgelegten Sendezeiten geltend, aus der Verletzung der Sendezeitgrenzen keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt zu haben, da sich bei Beachtung der Zeitgrenzen am wirtschaftlichen Gesamtergebnis nichts geändert hätte. Die Ausstrahlung der publikumswirksamen Sendungen außerhalb der zulässigen Zeitgrenzen dürfte aber erfolgen, um eine noch größere Zuschauer- oder -hörerschaft zu finden und damit für die Werbevermarktung bessere Reichweitendaten vorweisen zu können. Das entscheidende Argument ergibt sich jedoch aus dem Grundsatz, dass bei der Höhe des abzuschöpfenden Gewinns hypothetische Einnahmen, die bei rechtmäßigem Alternativverhalten erzielt worden wären, grundsätzlich nicht in Anrechnung zu bringen sind.166 Das bedeutet, dass sowohl bei un Ähnlich BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 114.  BGH Urt. v. 18.5.2017 – 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565 Rn. 32 m. Anm. Brand, NJW 2017, 2569; Lemke/Mosbacher, OWiG § 17 Rn. 32; BeckOK OWiG/Sackreuther, § 17 Rn. 117. 160  Lemke/Mosbacher, OWiG § 17 Rn. 41. 161  Göhler, OWiG § 17 Rn. 41; vgl. auch KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 118 ff. 162  Lemke/Mosbacher, OWiG § 30 Rn. 64; KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 119 f. 163  KK-OWiG/Mitsch, §  17 Rn.  127  f. m.  w.  N.; zur früheren Rechtslage AG Hannover, Urt. v. 22.8.1996 – OWi 23 Js 44458/95, ZUM 1997, 838 (843), bestätigt durch OLG Celle, Beschl. v. 16.5.1997 – 2 Ss (OWi) 358/96, AfP 1998, 226 = ZUM 1997, 834 164  AG Hannover, Urt. v. 22.8.1996 – OWi 23 Js 44458/95, ZUM 1997, 838 (843), bestätigt durch OLG Celle, Beschl. v. 16.5.1997  – 2 Ss (OWi) 358/96, ZUMM 1997, 834; vgl. BFH, Urt. v. 6.4.2000 – IV R 31/99, NJW 2000, 3085; differenzierend Lemke/Mosbacher, OWiG § 17 Rn. 35; KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 158; s. auch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 S. 4 EStG. 165  Göhler, OWiG § 17 Rn. 43; KK-OWiG/Mitsch, § 17 Rn. 117. 166  Ebenso OLG Celle, Beschl. v. 16.5.1997 – 2 Ss (OWi) 358/96, AfP 1998, 226 (228) = NStZ 1997, 554 (556); Lemke/Mosbacher, OWiG, §  17 Rn.  32; KK-OWiG/Mitsch, §  17 Rn.  121; KK-OWiG/Rogall, § 30 Rn. 144. 158 159

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terlassener Werbekennzeichnung als auch bei Jugendschutzverstößen die Einnahmen aus den Werbeinseln in den entsprechenden Sendungen, die Bestandteil der Sendung sind (§ 8 Abs. 3 Satz 3 MStV „von anderen Sendungsteilen abgesetzt“),167 ein aus der Ordnungswidrigkeit gezogener wirtschaftlicher Vorteil sind. Soweit eine Geldbuße gegen die vertretungsberechtigten leitenden Mitarbeiter eines Veranstalters festgesetzt wird, bleiben wirtschaftliche Vorteile, die dem Veranstalter zugeflossen sind, bei der Bemessung der Geldbuße gegen den Mitarbeiter unberücksichtigt.168 Allerdings ist bei der gleichzeitigen Festsetzung einer Geldbuße gegen den Veranstalter nach § 30 Abs. 1 OWiG der wirtschaftliche Vorteil hinzuzurechnen.

2.5.2.4 Mehrere Rechtsverletzungen Mehrere Rechtsverletzungen können in einem Bußgeldbescheid geahndet werden. 2.5.2.4.1 Tateinheit Tateinheit liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze oder dasselbe Gesetz mehrmals verletzt (§ 19 Abs. 1 OWiG). 2.5.2.4.1.1  Natürliche Handlungseinheit

Von praktischer Bedeutung ist im Ordnungswidrigkeitenrecht hauptsächlich die Verletzung mehrerer Gesetze durch dieselbe Handlung.169 Ein besonders plastisches Beispiel ist die Verbreitung eines Hörfunkprogramms ohne Rundfunkzulassung über eine telekommunikationsrechtlich nicht zugeteilte UKW-Frequenz (s. u. 12.1.1.6). Wenn mehrere Gesetze durch eine Handlung verletzt sind, wird die Geldbuße nach dem Gesetz mit der höchsten Bußgeldandrohung bestimmt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 OWiG). Eine Handlung liegt dann vor, wenn willentliche menschliche Verhaltensweisen in einem so engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen, dass sie einem unbeteiligten Beobachter als Einheit erscheinen (sog. natürliche Handlungseinheit).170 „Dieselbe“ Handlung i. S. d. § 19 Abs. 1 OWiG kann aus einer einzigen gewillkürten Körperbewegung oder aus einer „Sinneinheit“ mehrerer zusammengehörender Teilakte bestehen. 2.5.2.4.1.2  Rechtliche Handlungseinheit

Von der natürlichen Handlungseinheit wird die rechtliche Handlungseinheit unterschieden. Sie verbindet mehrere an sich selbstständig erscheinende Verhaltensweisen unter rechtlichen Gesichtspunkten zu einer einzigen Handlung.171 Eine solche rechtliche Handlungseinheit liegt bei der sog. fortgesetzten Handlung vor, die von der Rechts­ praxis entwickelt worden ist. Eine fortgesetzte Handlung besteht aus mehreren Aus-

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann MStV § 8 Rn. 26.  Göhler, OWiG § 17 Rn. 46 m. w. N. 169  Vgl. Göhler, OWiG Rn. 29 vor § 19. 170  Vgl. Göhler, OWiG Rn. 3 vor § 19; KK-OWiG/Mitsch, § 19 Rn. 8 ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 6 ff. vor § 19. 171  Vgl. Göhler, OWiG Rn.  9 vor §  19; KK-OWiG/Mitsch, §  19 Rn.  16  ff.; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 12 vor § 19. 167 168

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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führungshandlungen, die denselben Tatbestand in gleichartiger Weise verwirklichen, dasselbe Rechtsgut verletzen und vom Täter mit Gesamtvorsatz oder Fortsetzungsvorsatz verwirklicht werden.172 Nach dem Schweizerischen Bundesgericht173 hat der Große Senat des Bundesgerichtshofs 1994 den Anwendungsbereich der fortgesetzten Handlung praktisch abgeschafft.174 Im „Brutto-Netto-Streit“ zwischen den Landesmedienanstalten und den Anbietern und Veranstaltern bundesweit verbreiteter Rundfunkprogramme um die erlaubte Häufigkeit der sog. Unterbrecherwerbung in Spielfilmen175 sind die Landesmedienanstalten davon ausgegangen, dass die von den Veranstaltern verabredete ständige Missachtung der Werberichtlinien und zu häufige Unterbrechung von Spielfilmen eine fortgesetzte Handlung aufgrund Gesamtvorsatzes und damit eine einzige Rechtsverletzung im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sinne darstellte.176 Sofern ein Gesetz mehrmals oder mehrere Gesetze einmal durch dieselbe Handlung verletzt werden (Tateinheit), wird eine einheitliche Geldbuße festgesetzt. Bei der Bußgeldzumessung kann das Ausmaß der Gefährdung oder Beeinträchtigung von Rechtsgütern berücksichtigt werden. 2.5.2.4.1.3 Konkurrenzen

Bei der tateinheitlichen Verletzung mehrerer Bußgeldtatbestände ist weiterhin zu untersuchen, in welchem Rangverhältnis die verletzten Normen zueinander stehen, zumal die rundfunkrechtlichen Bußgeldtatbestände mit einer einheitlichen Bußgeldandrohung versehen sind. So geht die spezielle Norm der allgemeineren vor mit der Folge, dass eine Geldbuße nur wegen Verletzung der spezielleren Norm verhängt wird. Die Spezialität ist gegeben, wenn der Tatbestand „einen anderen als notwendigen Bestandteil enthält.“177 Spezieller als ein Verstoß gegen das Trennungsgebot für Werbung und redaktionelles Programm (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MStV) ist beispielsweise die „Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes“, im Fachjargon split-screening genannt, ohne eindeutige Werbetrennung und Kennzeichnung (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MStV). Subsidiär wird dagegen ein Rechtssatz angewendet, wenn er dasselbe Schutzziel hat wie ein anderer Tatbestand, mit dem er in den wesentlichen Wertungen des ­Unrechtsgehalts übereinstimmt.178 Ein gutes Beispiel könnte das Zugänglichma Vgl. Göhler, OWiG Rn. 11 vor § 19; KK-OWiG/Mitsch, § 19 Rn. 45; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 15 vor § 19. 173  SchweizBG, Urt. v. 27.4.1990 – BGE 116 IV 121 sowie Urt. v. 8.3.1991 – BGE 117 IV 408, beide NStZ 1993, 331. 174  BHG GrS, Beschl. v. 3.5.1994 – GSSt 2/93 u. GSSt 3/93, NStZ 1994, 383 ff. mit Besprechung Zschockelt, NStZ 1994, 361 ff. = NJW 1994, S. 1663 ff. m. Besprechung Hamm, NJW 1994, 1636 f. 175  Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.2.1994  – 2 B 10185/94, ZUM 1994, 310  m. Anm. Bornemann. 176  Mitsch, OWiR, S. 199 (Rn. 7), geht von einer generellen Aufgabe der fortgesetzten Handlung aus; nunmehr auch Fischer, StGB Rn. 47 ff. vor § 52; für Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht differenzierend Lemke/Mosbacher, OWiG vor §§  19  ff. Rn.  15; dagegen KK-OWiG/Mitsch, § 19 Rn. 46. 177  Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 129; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 32 vor § 19. 178  Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 130; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 32 vor § 19. 172

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chen sexueller Schriften unterhalb der Pornografieschwelle (§ 119 Abs. 3 OWiG) sein, wenn nicht die Subsidiarität der Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat, in diesem Fall „Verbreitung pornographischer Inhalte“ nach § 184 StGB, ganz generell bereits durch § 21 Abs. 1 OWiG angeordnet wäre. Ein Auffangtatbestand ist eine besondere Form der Subsidiarität. Beispiel hierfür ist § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV, der das vorschriftswidrige Verbreiten oder Zugänglichmachen entwicklungsbeeinträchtigender Angebote mit Geldbuße bedroht. Er ist (zugleich) Auffangtatbestand für die Fälle nicht offensichtlich schwerer Jugendgefährdung, denen für die Strafbarkeit nach § 23 JMStV die objektive Strafbarkeitsbedingung der Offensichtlichkeit fehlt.179 Von Konsumtion wird gesprochen, wenn das konsumierende Gesetz den Unrechtsgehalt des konsumierten Gesetzes vollständig enthält,180 weil die Verwirklichung des zurücktretenden Tatbestandes eine typische Anschluss- oder Begleittat des vorrangigen Delikts ist.181 Die unterlassene Werbekennzeichnung i. S. v. § 115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  4 MStV wird beispielsweise von der Schleichwerbung i.  S.  v. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 MStV konsumiert. 2.5.2.4.2 Tatmehrheit Anders als im Strafrecht, das bei Tatmehrheit eine Gesamtstrafenbildung vorsieht, werden im Ordnungswidrigkeitenrecht mehrere Geldbußen, die aufgrund mehrerer begangener Ordnungswidrigkeiten verwirkt sind, die nicht durch dieselbe Handlung verwirklicht wurden, je gesondert festgesetzt (§ 20 OWiG). Sofern die Bußgeldbehörde bei Tatmehrheit die Bußgeldentscheidungen in einem Bescheid zusammenfasst,182 sind Geldbußen und Nebenfolgen grundsätzlich schematisch zu addieren.183

2.5.3 Nebenfolgen und weitere Sanktionsmöglichkeiten 2.5.3.1 Einziehung von Gegenständen Vom Charakter der Ordnungswidrigkeiten der Rundfunkstaatsverträge her könnte bei einigen Tatbeständen die Einziehung von Gegenständen in Betracht kommen. Insbesondere wäre nach Jugendschutzverstößen an die Einziehung von Bild- oder Tonträgern zu denken. Da die Einziehung von Gegenständen im Ordnungswidrigkeitenrecht nur zulässig ist, soweit das Gesetz es ausdrücklich vorsieht (§ 22 Abs. 1 OWiG), und dies in diesem Kontext nicht der Fall ist, kommt die Anordnung der Einziehung von Gegenständen als Nebenfolge zur Geldbuße in den Bußgeldverfahren nach Medienstaatsvertrag und nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nicht in Betracht.

 Ebenso HK-MStV/Bornemann, JMStV §  24 Rn.  27; Beck RundfunkR/Schulz/Held, JMStV § 24 Rn. 14a f. 180  Bülte, Grundriss, § 2 Rn. 133; Lemke/Mosbacher, OWiG Rn. 32 vor § 19. 181  Mitsch, OWiR, S. 202 (Rn. 12). 182  Vgl. Lemke/Mosbacher, OWiG § 20 Rn. 3. 183  KK-OWiG/Mitsch, § 20 Rn. 3. 179

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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Dagegen können Gegenstände, die sich auf einen Verstoß gegen das Tabakwerbeoder Tabaksponsorverbot im Rundfunk (§§ 19 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5, 20 i. V. m. § 35 Abs.  2 Nrn.  7, 8 und 9 TabakerzG) oder in Diensten der Informationsgesellschaft (§ 19 Abs. 3 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 7 TabakerzG) beziehen, gemäß § 36 TabakerzG eingezogen werden. Das Gleiche gilt für Werbematerial und sonstige Gegenstände, die sich auf eine Ordnungswidrigkeit nach dem Heilmittelwerbegesetz beziehen, denn sie können nach § 16 HWG eingezogen werden. Die Einziehung von Gegenständen, mit deren Hilfe eine Ordnungswidrigkeit nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch begangen wurde, ist nach § 61 LFGB möglich. § 28a Abs. 3 GlüStV 2021 lässt die Einziehung von Gegenständen zu, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht, die durch die Ordnungswidrigkeit hervorgebracht wurden oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (s. u. 6.3.3.1).

2.5.3.2 Einziehung von Taterträgen § 29a Abs. 1 OWiG ermöglicht die Einziehung von Taterträgen in einem Bußgeldverfahren, in dem keine Geldbuße festgesetzt wird. Abs. 5 ermöglicht sogar die selbstständige Anordnung der Einziehung von Taterträgen ohne eingeleitetes Bußgeldverfahren oder bei dessen Einstellung. Die vormalige Regelung zum Verfall wurde zum 1.1.2017 ersetzt, wie auch im Strafrecht. Die Einziehung zielt darauf ab, einen „deliktisch erlangten Gewinn“ in das Vermögen des Staates zu überführen, sodass sich die Begehung von Ordnungswidrigkeiten für den Betroffenen nicht lohnt.184 Anknüpfungspunkt ist eine Handlung, die den objektiven und subjektiven Tatbestand eines Bußgeldtatbestands erfüllt und auch rechtswidrig begangen wurde.185 Wenn Rechtfertigungsgründe gegeben sind, fehlt es bereits an der Rechtswidrigkeit der Handlung, weshalb die Einziehung ausgeschlossen ist. Es kommt aber nicht darauf an, ob der Handelnde die qualifizierenden Tätermerkmale erfüllt, ob er schuldhaft gehandelt hat usw. Die Einziehung von Taterträgen wird wohl überwiegend als Nebenfolge angesehen,186 auch wenn dies bei einer Maßnahme ohne Hauptfolge – die Einziehung tritt ja gerade nicht neben die Geldbuße  – begrifflich unsauber ist.187 §  29a OWiG schließt eine „Sanktionslücke“ für den Fall, dass gegen den Täter oder die juristische Person eine Geldbuße nicht festgesetzt wird oder nicht festgesetzt werden kann.188 Das ist z. B. der Fall, wenn ein nachgeordneter Mitarbeiter, der selbst die Tätermerkmale nicht erfüllt, eine bußgeldbewehrte Handlung begeht, durch die der Veranstalter einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, der Aufsichtspflichtige aber nachweisen kann, dass die Zuwiderhandlung trotz ordnungsgemäßer Aufsicht geschah. Wenn z.  B. ein Moderator einer Gewinnspielsendung vorsätzlich gegen die buß-

 KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 3.  KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 10. 186  KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 7. 187  KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 7; BeckOK OWiG/Meyberg, § 29a Rn. 6. 188  Anders bei Verfolgungsverjährung: Diese schließt gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG auch die Einziehung von Taterträgen aus, siehe etwa BeckOK OWiG/Gertler, § 31 Rn. 7. 184 185

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2  Allgemeiner Teil

geldbewehrten Bestimmungen der Gewinnspielsatzung verstoßen hat und dem Geschäftsherrn keine Aufsichtspflichtverletzung oder sonstiges Organisationsverschulden i. S. d. § 130 OWiG anzulasten ist, kann gegen den Moderator eine Geldbuße nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV i. V. m. § 12 GSS verhängt werden; da der Gewinn (Überschuss), den der Veranstalter aus der Gewinnspielsendung erwirtschaftet hat, dem Rundfunkveranstalter und nicht dem Moderator zugeflossen ist, bleibt er bei der Bußgeldbemessung außer Betracht. Eine Verbandsgeldbuße kommt nicht in Betracht, weil der Moderator nicht zu dem in § 30 OWiG genannten Personenkreis gehört. In diesem Fall kann der unrechtmäßige Gewinn nach § 29a Abs. 2 OWiG bei dem Arbeitgeber oder Auftraggeber, für den der Moderator gehandelt hat, abgeschöpft werden.189 Die Anordnung der Einziehung von Taterträgen kann nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 29a Abs. 1 OWiG nie neben einer Geldbuße wegen derselben Tat gegen denselben Betroffenen festgesetzt werden. § 29a Abs. 2 OWiG entspricht der Konstellation des § 30 OWiG insoweit, als Vermögensvorteile, die ein Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung einem Dritten verschafft, bei dem Dritten abgeschöpft werden können. Sofern ein Bußgeldverfahren gegen den Täter durchgeführt wird, ist die Einziehung von Taterträgen gegenüber dem Dritten als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit im Bußgeldbescheid anzuordnen.190 Nur wenn ein Bußgeldverfahren gegen den Täter nicht durchgeführt wird, kommt es zur so genannten selbstständigen Anordnung der Einziehung von Taterträgen nach § 29a Abs. 5 OWiG. Im Unterschied zu § 17 Abs. 4 OWiG spricht § 29a OWiG nicht vom wirtschaftlichen Vorteil, sondern von „etwas Erlangtem“. Nach h. M. ist diese Formulierung weiter als der Begriff „wirtschaftlicher Vorteil“ in § 17 Abs. 4 OWiG. Mit dem Begriff „etwas“ in § 29a OWiG soll jedweder materielle Wert von der Einziehung von Taterträgen erfasst werden.191 Der Vermögensvorteil besteht in jeder geldlich bezifferbaren günstigeren Vermögenslage als ohne die Tat.192 Nach den früheren Regelungen zum Verfall sollte alles, was der Täter für eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden (sog. Bruttoprinzip),193 weshalb Einnahmen aus einer unzulässigen Werbeunterbrechung nach der früheren Regelung in voller Höhe der Verfallsanordnung unterlagen.194 § 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG sieht allerdings vor, dass bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten die Aufwendungen des Täters oder des anderen ab-

 Vgl. Krenberger/Krumm, OWiG § 29a Rn. 18; Lemke/Mosbacher, OWiG § 29a Rn. 17; Mitsch, OWiR, S. 178 f. (Rn. 6 f.). 190  OLG Köln, Beschl. v. 5.3.2004 – Ss 60/04 (B), NJW 2004, 3057. 191  Lemke/Mosbacher, OWiG § 29a Rn. 6; KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 31. 192  Göhler, OWiG § 29a Rn. 4 ff. 193  Zur Historie auch des § 29a OWiG a. F. KK-OWiG/Mitsch, § 29a Rn. 48.; dieses Bruttoprinzip begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, BayObLG, Beschl. v. 19.6.1997  – 3 ObOWi 60/97, wistra 1997, 317 = NStZ-RR 1997, 339; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14.1. 2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 = NJW 2004, 2073 ff. zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB a. F. 194  OLG Celle, Beschl. v. 16.5.1997 – 2 Ss (OWi) 358/96, AfP 1998, 226 (228) = ZUM 1997, 834. 189

2.5  Rechtsfolgen der Ordnungswidrigkeiten

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zuziehen sind, sofern kein „Abzugsverbot“195 nach Satz 2 vorliegt. Nicht abzugsfähig nach Satz 2 ist alles, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, weshalb auch nicht das Nettoprinzip gilt. Da in der Praxis die meisten Aufwendungen, die im Kontext der Tat angefallen sind, ihrer Begehung oder Vorbereitung gedient haben dürften und deshalb unter Satz 2 fallen, dürfte diese Einschränkung, die zu einer Art modifiziertem Bruttoprinzip führen, kaum Auswirkungen haben.196

2.5.3.3 Bekanntmachung im Rundfunk? § 24 Abs. 6 JMStV und § 115 Abs. 4 MStV sehen die Möglichkeit vor, die Verbreitung einer rechtskräftigen Bußgeldentscheidung im Rundfunkprogramm zu verlangen, auch „elektronischer Pranger“ genannt.197 Entgegen dem ersten Anschein handelt es sich bei der Veröffentlichungspflicht nach § 115 Abs. 4 MStV nicht um eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Nebenfolge, sondern um eine rein verwaltungsrechtliche Maßnahme.198 Dasselbe gilt für die Veröffentlichung auf Basis des § 24 Abs. 6 JMStV.199 In beiden Fällen entscheidet deshalb nicht das erkennende Gericht im Bußgeldverfahren über die Veröffentlichung, sondern nach Rechtskraft der Entscheidung die zuständige Landesmedienanstalt. Unverständlich erscheint, dass die Veröffentlichungspflicht sich nicht auf strafgerichtliche Verurteilungen wegen Verbreitung pornografischer Inhalte (§ 184 StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) und Gewaltdarstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder auch der offensichtlich schweren Jugendgefährdung (§ 23 JMStV) bezieht. Nachdem die Entscheidung über die Veröffentlichung rechtskräftiger Bußgeldentscheidungen ungeachtet der systematischen Stellung im Gesetz nicht dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugehört (s. o.), ist die Zuständigkeit der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK, siehe § 104 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MStV) als Beschlussorgan der zuständigen Landesmedienanstalt nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 MStV gegenüber Anbietern von bundesweitem Rundfunk und bundesweiten Telemedien gegeben; bei der Anordnung der Veröffentlichung handelt es sich um eine außerhalb des nicht abschließenden Maßnahmenkatalogs des § 109 Abs. 1 Satz 2 MStV geregelte „Maßnahme“.200 Die Zuständigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM, siehe § 104 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 MStV) für länderübergreifende Angebote (§ 13 JMStV) ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 JMStV.

 BeckOK OWiG/Meyberg § 29a Rn. 44.  Ähnlich offenbar BeckOK OWiG/Meyberg § 29a Rn. 44 f.; differenzierend KK-OWiG/Mitsch § 29a Rn. 49 f. 197  BeckOK InfoMedienR/Mitsch MStV § 115 Rn. 33. 198  Überzeugend BeckOK InfoMedienR/Mitsch, MStV § 115 Rn. 33. 199  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 68. 200  Vgl. auch § 35 Satz 1 VwVfG. 195 196

3

Strafbare und absolut unzulässige Angebote

3.1 Allgemeines 3.1.1 Sinn und Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags Der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag  – JMStV) bezweckt nach seinem § 1 den einheitlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie den Schutz vor solchen Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geht also deutlich über den Jugendschutz hinaus.1 Es ist nämlich vielmehr so, dass der Schutz der Menschenwürde und der einschlägigen Rechtsgüter des Strafgesetzbuchs ein selbständig neben dem Jugendschutz stehendes Ziel dieses Staatsvertrags ist.2 Dies hat zur Folge, dass hierdurch der Schutzbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags im Verhältnis zum Strafgesetzbuch erweitert wird, weil die Unzulässigkeit der Angebote nach § 4 JMStV (dazu weiter unten) nicht von Tatbestandsmerkmalen des Strafrechts (etwa aus § 86 StGB) abhängig ist.3 Das wird oft verkannt. Es besteht deshalb bei der Interpretation des Jugendmedienschutz-­ Staatsvertrags von vornherein keine Veranlassung, Verbotsnormen in jedem Fall „jugendschutzkonform“ einzuschränken. Bei Meidung von Unklarheiten soll aber auch die Selbstverständlichkeit betont werden, dass die Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags naturgemäß  Vgl. NK-JMStV/Schwartmann/Hentsch, JMStV § 1 Rn. 5.  So schon NK-JMStV/Erdemir, § 4 Rn. 2. 3  NK-JMStV/Erdemir, § 4 Rn. 2. 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_3

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

nur für seinen Geltungsbereich Gültigkeit besitzen, also für Rundfunk und Telemedien. Daraus folgt nämlich, dass Trägermedien wie etwa Bücher, DVD, Blu-ray Discs etc. nicht dem Regelungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags unterliegen, sondern dem des Jugendschutzgesetzes.4

3.1.2 „Absolute“ Verbote gem. § 4 Abs. 1 JMStV Die für private Anbieter (Rundfunkveranstalter und Telemedienanbieter, § 3 Nr. 2 JMStV) geltende Bußgeldvorschrift in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis l JMStV sanktioniert die medienrechtlichen Verbote in § 4 Abs. 1 JMStV. Diese werden in Unterscheidung zu den Verboten des § 4 Abs. 2 JMStV gerne als „absolut“ bezeichnet,5 weil keine Ausnahme wie in § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV für Telemedien besteht. Die „Absolutheit“ macht die Verbote aber nicht gegen Rechtfertigungsgründe und Sozialadäquanzklauseln resistent (§ 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV). Deshalb dürfen beispielsweise Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinn des § 86a StGB in Dokumentarfilmen im Fernsehen gezeigt oder per Video on Demand angeboten werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB a. F. [statische Verweisung]; im Wesentlich übereinstimmend mit § 86 Abs. 4 StGB n. F.).

3.1.3 Konkurrenz zu strafrechtlichen Verbreitungsverboten § 24 Abs. 1 Nr. 1 JMStV enthält zu einem großen Teil Bußgeldtatbestände, die mit Straftatbeständen inhaltlich korrespondieren. Dies ergibt sich teils ausdrücklich durch Bezugnahme des § 24 JMStV auf das Strafgesetzbuch, überwiegend aber durch seine Bezugnahme auf § 4 JMStV, der wiederum Bezug nimmt auf Bestimmungen des Strafgesetzbuchs. Das mag zunächst verwirren und auch die Frage aufwerfen, ob den hinter dem JMStV stehenden Ländern insoweit die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Einer offenbar im Vordringen befindlichen Minderheitsmeinung nach verstießen zumindest die Tatbestände des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis f und j, Nr. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und 10, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV gegen die Grundsätze zur konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, da der Bundesgesetzgeber entsprechende Sachverhalte bereits sanktionsrechtlich geregelt habe.6 Aus rechtsdogmatischer Sicht sperrt eine wirksame bundesgesetzliche Strafnorm eine identische oder entgegenstehende landesgesetzliche Regelung (Art.  72 Abs. 1 GG), was die Folge hat, dass der konkurrierende Bußgeldtatbestand als kompetenzwidrige Norm nichtig ist. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG führt gem. Art. 72 Abs. 1 GG zu einem Geltungsvorrang vor entsprechenden landesrechtlichen Strafnormen. Der Nachteil für die mit diesem Umstand arbeitenden Praxis liegt darin, dass sie keine Verwerfungskompetenz für verfassungswidrige Parlamentsgesetze hat, also hier für den durch  So auch NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 23 Rn. 1.  Siehe etwa NK-JMStV/Erdemir, § 4 Rn. 3. 6  Liesching, MMR 2016, 97 (98); ähnlich NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV §  24 Rn. 7–11. 4 5

3.1 Allgemeines

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Zustimmungsgesetze in Landesrecht transformierten JMStV, denn das ist den Verfassungsgerichten vorbehalten. An dieser Stelle hilft der Praxis der bundesrechtliche § 21 OWiG, der den Umgang mit dieser Problematik vereinfacht, weil er einen allgemeinen Anwendungsvorrang des Strafrechts begründet, ohne die Geltung der verdrängten Bußgeldbestimmungen zu berühren. Die Praxis muss den gesetzlichen Anwendungsvorrang beachten und hat nicht zu entscheiden, ob die ­landesrechtlichen Bußgeldvorschriften wirksam oder nichtig sind; selbst wenn sie wirksam wären, geht das Strafrecht vor. Die Frage der Wirksamkeit oder Nichtigkeit der identischen Bußgeldbestimmungen würde erst Bedeutung erlangen, wenn der Bundesgesetzgeber den entsprechenden Straftatbestand aufhebt. Denkbar ist aber auch der Fall, dass vorsatzbezogene strafrechtliche Regelungen lediglich durch landesrechtliche Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitenrechts ergänzt werden.7 Die in Art. 72 Abs. 1 GG gewählte Formulierung „soweit“ ist zugunsten landesgesetzlicher Bestimmungen als Öffnungsklausel zu interpretieren,8 wie der in Art. 70 Abs. 1 GG formulierte Grundsatz („Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“) nahelegt. In dem Fall, in dem vorsätzliche Verstöße gegen in § 24 JMStV in Bezug genommene Vorschriften zugleich nach allgemeinem Strafrecht strafbar wären, gilt – wie oben ausgeführt – § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG, wonach in der Praxis nur die Strafnorm Anwendung findet.9 Im Übrigen bestehen gegen die Schaffung fahrlässig begehbarer Bußgeldtatbestände in den Fällen, in denen das allgemeine Strafgesetz nur vorsätzliche Tatbegehung unter Strafandrohung stellt, keine durchgreifenden Bedenken.10 Zwar stammt die Entscheidung, einen bußgeldrechtlichen Auffangtatbestand zu schaffen, nicht vom Bundesgesetzgeber, der die Vorsatztat unter Strafandrohung gestellt hat, sondern vom Landesgesetzgeber. Allerdings hat der Landesgesetzgeber die Zuständigkeit nicht nur für die Sachmaterie Rundfunkrecht, sondern auch für das Verwaltungsrecht, weshalb die Kodifizierung des Verwaltungsunrechts auch naheliegt. Bildlich gesprochen verdrängt die konkurrierende Kompetenz für die Strafrechtsgesetzgebung die des Landesgesetzgebers nicht, sondern überlagert sie vielmehr.11 Deshalb präkludiert die Entscheidung des Bundes als Strafgesetzgeber, nur die Vorsatztat unter Strafandrohung zu stellen, die Schaffung fahrlässiger Ordnungswidrigkeiten durch den Landesgesetzgeber insbesondere im Bereich der Sachmaterien in ausschließlich landesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz nicht.12

 NK-JMStV/Mitsch § 24 Rn. 11.  NK-JMStV/Mitsch § 24 Rn. 11. 9  NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 4. 10  Differenziert Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB Rn. 41 ff. vor § 1; a. A. NK-MedienstrafR/ Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 7–9. 11  BCHHG, BayMG Art.  37 Rn.  91; vgl. auch Lemke/Mosbacher, OWiG, Einleitung Rn.  12; a. A. Stettner in Dreier, GG Art. 74 Rn. 23, der unter Berufung auf Maunz eine umfassende bundesrechtliche Kodifikation mit Spielraum für den Landesgesetzgeber nur im Rahmen ausdrücklicher Vorbehalte annimmt; differenzierter Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB Rn. 36 ff. vor § 1; vgl. auch Seehaus, Pornografieverbot, S. 100 ff. 12  Im Ergebnis ebenso NK-JMStV/Mitsch § 24 Rn. 11; a. A. NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 7–9. 7 8

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

Seit Inkrafttreten des 60. StGBÄndG vom 30.11.2020 (BGBl. I 2600) stellen die Straftatbestände nicht mehr auf das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Schriften ab, sondern stellen das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Inhalten i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB n. F. unter Strafandrohung (z. B. § 86 Abs. 3 StGB). Straftatbestände, die auf §  11 Abs.  3 StGB verweisen, erfassen alle Inhalte, die auf ­Trägermedien verkörpert sind sowie solche, die unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden. Das erfasst auch die Übertragung durch Rundfunk und Telemedien, sodass sich die Bußgeldtatbestände bei voller Tatbestandsidentität auf die von der Strafnorm nicht erfasste Fahrlässigkeitsvariante beschränken.

3.1.4 Konkurrenz zu Sanktionsnormen des Jugendschutzgesetzes Das Jugendschutzgesetz des Bundes enthält in § 27 Straftatbestände des sog. Nebenstrafrechts und in § 28 Ordnungswidrigkeiten. Ihr Verhältnis zur landesrechtlichen Strafnorm in § 23 JMStV und zu den Ordnungswidrigkeiten in § 24 JMStV ist zu klären. Nach nicht unbestrittener, aber im Medienrecht herrschender Ansicht gehört die Materie Jugendschutz im Rundfunk zur Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkwesen.13 Damit übereinstimmend hat der Bundesgesetzgeber in § 1 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz JuSchG Rundfunk i. S. d. § 2 RStV ausdrücklich ausgenommen. Für Telemedien ist das Jugendschutzgesetz dagegen grundsätzlich anwendbar (§ 1 Abs. 3 JuSchG) und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei diesen Telemedien um Rundfunk i. S. d. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG (sog. verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff) handelt oder nicht. Die generelle, wenn auch im Einzelfall durchbrochene Trennlinie, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, verlief im Jugendschutz bis zum Inkrafttreten des 2. JuSchGÄndG vom 9.4.2021 (BGBl. I 742) zwischen der Regelung der materiellrechtlichen Anforderungen an Telemedien und der Kodifizierung der Rechtsfolgen (vgl. § 16 JuSchG a. F.).14 Ungeachtet der Neufassung der Norm, die den Ländern in Satz 1 die Befugnis zuspricht, über das JuSchG hinausgehende Regeln für Telemedien aufzustellen, und in Satz 2 den Grundsatz enthält, dass sich die inhaltlichen Anforderungen an Telemedien aus dem JMStV ergeben (vgl. auch § 2 Abs. 4 TMG, § 1 Abs. 2 DDG-­ E), spricht manches dafür, dass im Bereich des Sanktionsrechts keine Änderung be BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 8 m. w. N.; BCHHG, JMStV § 1 Rn. 6 ff.; Bethge, in BLM-Symposion Medienrecht 2001, S. 61 (66, 68); Dörr/Cole, Jugendschutz, S. 13: zweifelsfrei; instruktiv Erdemir, ZRP 2021, 53 (54); Gersdorf, RundfunkR, S. 82 ff.; Beck RundfunkR/Schulz/Held, JMStV § 1 Rn. 39; HK-MStV/Kreile, JMStV § 1 Rn. 7; Hesse, RundfunkR, S. 89 (Rn. 23); Hopf, Dissertation, S.  54  ff.; Langenfeld, MMR 2003, 303 (306); Reinwald, ZUM 2002, 119  ff.; Spindler/ Schuster/Erdemir, JMStV § 2 Rn. 3 unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 16.6.1981 – 1 BvL 89/78, NJW 1981, 1774 ff. = BVerfGE 57, 295 (326); a. A. Liesching, ZUM 2002, 868 (869) m. w. N, der jüngst eine gegenteilige h.  M. ausgemacht haben will: Liesching, Jugendschutzrecht, JuSchG § 16 Rn. 8. 14  Dazu näher Beck RundfunkR/Schulz, JMStV § 2 Rn. 4. 13

3.2  Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen

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absichtigt war und die Komplettverweisung der Telemedien in das Landesrecht insoweit gem. § 16 a. F. fortgilt. Dafür spricht die ausdrückliche Beschränkung des Straftatbestandes in § 27 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG auf Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Entscheidungen nach § 21 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 JuSchG, die zu Trägermedien ergangen sind, und die Aussparung von Zuwiderhandlungen gegen Entscheidungen, die nach § 21 Abs. 8 S. 1 Nr. 2 JuSchG zu Telemedien ergangen sind. Dann sind für Telemedien exklusiv §§ 23, 24 JMStV und nicht §§ 27, 28 JuSchG anwendbar. Fest steht jedenfalls, dass die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes in ihrer Gesamtheit mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht für die Rundfunkveranstaltung gelten. Abgesehen davon, dass sich § 6 JuSchG, der sich mit Spielhallen und Glücksspiel befasst, im Zweiten Abschnitt des Gesetzes mit der Überschrift „Jugendschutz in der Öffentlichkeit“ befindet, gilt deshalb § 6 Abs. 2 JuSchG für die Teilnahme von Kindern oder Jugendlichen an Gewinn- oder Glücksspielen im Rundfunk nicht. Vielmehr ist insoweit § 11 MStV einschlägig, der in Satz 5 die Wahrung der Belange des Jugendschutzes fordert, die nähere Ausgestaltung aber der Richtlinienkompetenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (§ 45 S. 1 MStV) und der Satzungs- und Richtlinienkompetenz der Landesmedienanstalten (§  72 Satz 1 MStV) überlässt. Infolgedessen gilt von vornherein auch der Bußgeldtatbestand in §  28 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG nicht, wenn einem Kind oder Jugendlichen die Teilnahme an einem Gewinnspiel bei einem Rundfunksender gestattet wird. Vielmehr ist für Gewinnspiele im Rundfunk § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Gewinnspielsatzung(en) der Landesmedienanstalten (GSS) einschlägig.

3.2 Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen Tathandlung i. S. d. § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten. Angebote sind gem. § 3 Nr. 1 JMStV Rundfunksendungen oder Inhalte von Telemedien. Vom Verbot umfasst werden solche Angebote, die „Propagandamittel i. S. d. § 86 des Strafgesetzbuchs darstellen, …“. Anders als noch bei Abfassung der 6. Auflage dieses Buchs spricht § 86 StGB mittlerweile nicht mehr von „Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB)“, sondern seit dem Inkrafttreten des 60. StGBÄndG am 1.1.2021 von „Inhalten (§ 11 Abs. 3 StGB)“. Inhalte i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden. Mit der Einführung des Inhaltsbegriffs ist es unerheblich geworden, ob die Inhalte auf einem Trägermedium verkörpert oder unkörperlich mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden. Propagandamittel i. S. d. § 86 Abs. 1 StGB (verfassungswidrige Organisationen) ist nach der Legaldefinition des § 86 Abs. 3 Satz 1 StGB nur ein solcher Inhalt, der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Das Wort „Propagandamittel“ ist bedingt durch die Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur, auf die auch gerade § 86 StGB abzielt,

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

eher negativ konnotiert15 und bedarf deshalb auch einer aufwieglerischen, kämpferisch-aggressiven Richtung.16 Die freiheitliche demokratische G ­ rundordnung umfasst nach überzeugender Auffassung mindestens das demokratische ausgestaltete Wahlrecht sowie das Rechtsstaatsprinzip inklusive der Teilaspekte Gewaltenteilung und richterliche Unabhängigkeit.17 Der Gedanke der Völkerverständigung umfasst das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens der Völker.18 Mit Ausnahme von Propagandamitteln, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation, etwa der NSDAP, fortzusetzen (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB), kommt es bei den in § 86 Abs. 1 Nr. 1–3 StGB genannten Propagandamitteln aber nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch darauf, dass es sich um Propagandamittel einer bestimmten Organisation handelt. Das heißt, die Propagandamittel müssen von einer bestimmten verfassungswidrigen Organisation stammen oder einen Bezug zu ihr aufweisen.19 Bei der Organisation muss es sich um eine vom Bundesverfassungsgericht verbotene Partei oder Vereinigung oder eine unanfechtbar festgestellte Ersatzorganisation handeln (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ferner fallen unter das Verbot Propagandamittel von sonstigen Vereinigungen, die unanfechtbar verboten sind, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten sowie von deren Ersatzorganisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Auch Propagandamittel von ausländischen Regierungen, Vereinigungen oder Einrichtungen, die für solche in Deutschland verbotenen Vereinigungen tätig sind, fallen unter das bußgeldbewehrte Verbot. § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV stellt ausdrücklich klar, dass nicht nur bezüglich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ahndbarkeit, sondern bereits für das „unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit“ geltende medienrechtliche Verbot in § 4 Abs. 1 Satz 1 JMStV Rechtfertigungs- oder Tatbestandsausschließungsgründe der korrespondierenden Strafbestimmungen gelten sollen. Der statischen Verweisung auf § 86 Abs. 3 StGB liegt die Gesetzesfassung vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 14.9.2021 (BGBl. I 4250) zugrunde, durch das in § 86 StGB ein neuer Abs. 3 eingefügt und der bisherige Abs. 3 unter leichter Veränderung zu Abs. 4 wurde; denn § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV wurde zuletzt durch den 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19.12.2015 geändert. Die herrschende Meinung erkennt in § 86 Abs. 3 a. F. bzw. Abs. 4 n. F. StGB eine tatbestandsausschließende sog. Sozialadäquanz-­Klausel.20 Für eine Darstellung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen zur staatsbürgerlichen Aufklärung oder zur Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, die nicht Propa­ gandazwecken dient, gilt das Verbot nicht. Nicht vom Verbot erfasst ist ferner die Darstellung solcher Propagandamittel, die künstlerischen Zwecken dient oder der Wissen So auch BeckOK StGB/Ellbogen § 86 Rn. 5.  NK-JMStV/Erdemir § 4 Rn. 4; BeckOK StGB/Ellbogen § 86 Rn. 6 f. 17  So bspw. NK-JMStV/Erdemir § 4 Rn. 4 m. w. N. 18  NK-JMStV/Erdemir § 4 Rn. 4 m. w. N. 19  NK-StGB/Paeffgen, StGB § 86 Rn. 18; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB § 86 Rn. 12. 20  Tatbestandsausschluss: BGH, Urt. v. 6.4.2000 – 1 StR 502/99, BGHSt 46, 36 (43) = NJW 2000, 2217; NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 14; NK-StGB/Paeffgen, StGB § 86 Rn. 38; Schönke/ Schröder/Sternberg-Lieben, StGB § 86 Rn. 17. 15 16

3.3  Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

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schaft, der Forschung, der Lehre oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen (sozialadäquaten) Zwecken. § 86 StGB stellt seit dem 22.9.2021 in seinem Absatz 2 auch das Verbreiten von Propagandamitteln terroristischer Organisationen unter Strafe. Für die hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a JMStV ist diese Erweiterung des Strafrechts jedoch ohne Belang. Das liegt daran, dass der in Bezug genommene § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JMStV, der nach der Änderung des § 86 StGB durch den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag vom 14./27.12.2021, in Kraft getreten am 30.6.2022, geändert wurde, nicht vollumfänglich auf § 86 StGB verweist, sondern nur soweit es um Propagandamittel geht, „deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist“; die Propagandamittel terroristischer Organisationen bleiben unerwähnt.

3.3 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Tathandlung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten (s. o.), die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen i. S. d. § 86a StGB verwenden (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JMStV). Entsprechende Kennzeichen sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, aber auch Parolen und Grußformen (§ 86a Abs. 2 Satz 1 StGB), nicht jedoch der bloße Name ohne besondere Stilisierung oder Formgebung.21 Dabei muss es sich um Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen handeln (verfassungswidrige Organisation, s. o. 3.2). Da § 86a StGB der Abwehr der symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter verfassungsfeindlicher Organisationen dient,22 muss das Kennzeichen in der Art einer sinnbildlichen Identifikation auf die verfassungswidrige Organisation verweisen.23 Zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen werden auf Grund § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB ebenfalls erfasst. Die englische Übersetzung „Blood and Honour“ ist nicht mehr „zum Verwechseln ähnlich“ mit „Blut und Ehre“, der Parole der Hitlerjugend, sondern maßgeblich verfremdet.24 Das muss erst recht für kodierte Kennzeichen wie z. B. HH für „Heil Hitler“ oder gar die Ersetzung des Buchstabens H durch die Ziffer 8 (H ist der achte Buchstabe des Alphabets) gelten.25 Soweit Parolen wie der Leitspruch der Hitlerjugend „Blut und Ehre“ oder etwa der sog. Hitlergruß (vgl. § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 StGB) nicht schriftlich fixiert, sondern mündlich geäußert und akustisch oder audiovisuell über Rund BGH, Urt. v. 13.8.2009 – 3 StR 228/09, NJW 2010, 163 (164); NK-MedienstrafR/Stegbauer, StGB § 86a Rn. 4. 22  BGH, Urt. v. 13.8.2009 – 3 StR 228/09, NJW 2010, 163 (164). 23  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 10. 24  BGH, Urt. v. 13.8.2009 – 3 StR 228/09, NJW 2010, 163; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben StGB § 86a Rn. 4; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.6.2006 – 1 BvR 150/03, NJW 2006, 3050. 25  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 10. 21

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

funk oder durch Telemedien (z. B. Audiofile) verbreitet werden, ist die Strafnorm in der Tathandlungsvariante des Verbreitens eines Kennzeichens unmittelbar ­einschlägig.26 Eines Rückgriffs auf §  24 JMStV, der insoweit zurücktritt (§  21 OWiG), bedarf es nicht. Bei einer Hakenkreuzfahne handelt es sich um einen körperlichen Gegenstand, der nicht durch elektromagnetische Wellen verbreitet werden kann. Daran hat die Neufassung des § 86a StGB nichts geändert. Es reicht für die Strafbarkeit indes aus, dass die Hakenkreuzfahne in einem mittels Telekommunikation verbreiteten Inhalt i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB „verwendet“ wird. Damit haben sich die Einwände, die in der Vorauflage gegen die unmittelbare Anwendung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf das Zeigen von Hakenkreuzfahnen in Rundfunk und Telemedien erhoben wurden, durch Gesetzesänderung erledigt. In Entsprechung zum vorhergehenden Tatbestand wird die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB a. F. im Rahmen sozialadäquater Zwecke nicht erfasst, es entfällt also wegen der Sozialadäquanz der objektive Tatbestand. Dabei erweist sich die strafrechtliche Praxis gegenüber Action- und Abenteuerfilmen wie z. B. „Indiana Jones“, in denen Hakenkreuzabzeichen verwendet werden, ohne dass die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB erfüllt wären, als sehr tolerant.27 Wird dagegen eine Berichterstattung über aktuelle Ereignisse (z. B. Demonstrationen) vom Moderator eines rechtsradikalen Internetangebots nur als Vorwand für das Zeigen des sog. Deutschen Grußes mit erhobenem rechten Arm genutzt, bleibt es bei der strafbaren Verwendung eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation.28 Die Tatbestandserweiterung des §  86a StGB vom 22.9.2021 auf Kennzeichen terroristischer Organisationen spielt im Kontext der hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit keine Rolle. Das liegt daran, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JMStV nicht umfassend auf § 86a StGB verweist, sondern nur in Bezug auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

3.4 Volksverhetzung § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c JMStV stellt das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten unter Bußgeldandrohung, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wer Die Verwendung der Parole in diesem Handbuch erfüllt den Straftatbestand aufgrund §  86a Abs. 3 StGB nicht, vgl. NK-StGB/Paeffgen, § 86a Rn. 18; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB § 86a Rn. 10. 27  Liesching, MMR 2010, 309 f.; zur Entwicklung bei Computerspielen Wager, MMR 2019, 80. 28  AG Weiden, Urt. v. 28.11.2014 – 2 Cs 11 Js 7384/14; vgl. auch Lackner/Kühl, StGB § 86 Rn. 8; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB § 86 Rn. 17. 26

3.4 Volksverhetzung

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den. Die Verbotsnorm in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JMStV nimmt nicht ausdrücklich auf §  130 StGB Bezug. Die Tatbestandsfassung enthält alle Tatbestandsmerkmale des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB, ohne sprachlich vollständig übereinzustimmen.29 Die Formulierung des § 130 Abs. 2 StGB hat sich durch die Einführung des Begriffs des Inhalts i. S. d. § 11 Abs. 3 StGB zum 22.9.2021 etwas vereinfacht, weil Inhalte unkörperlich sind und deshalb auch die Verbreitung mittels Informationsoder Kommunikationstechnik ohne Weiteres tatbestandsmäßig ist. Der frühere Schriften-Begriff (§ 11 Abs. 3 StGB a. F.), der Körperlichkeit voraussetzte, machte eine komplexere Formulierung des § 130 Abs. 2 StGB notwendig. Soweit Aufrufe zu Gewaltmaßnahmen oder zum Hass gegen Teile der Bevölkerung sowie Angriffe auf die Menschwürde anderer nicht durch Verbreitung von Inhalten geschehen, wird die Tat unmittelbar durch § 130 Abs. 1 StGB erfasst. Für die Tatbestandsmäßigkeit der Handlungen nach Absatz 1 ist zusätzlich ihre Eignung erforderlich, den öffentlichen Frieden zu stören. Letzteres ist für die Verbreitung von Inhalten im Rahmen des § 130 Abs. 2 StGB nach dem durch Weglassen dieser Formulierung eindeutigen Wortlauts der Norm nicht erforderlich. Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c JMStV ist wegen der im Lauf der Zeit mehrfach erweiterten Formulierung des § 130 Abs. 2 StGB sehr klein. Der Bußgeldtatbestand bleibt auf die Ahndung von Fahrlässigkeitstaten beschränkt, da § 130 StGB nur für Vorsatztaten gilt (§ 15 StGB). Praxisrelevanz könnte die Vorschrift für Fälle gewinnen, in denen der Geschäftsführer eines Rundfunkveranstalters oder der Chefredakteur (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG) den volksverhetzenden Beitrag eines freien Mitarbeiters ohne ausreichende inhaltliche Prüfung, d. h. sorgfaltswidrig in das Programm aufnimmt und ausstrahlt. Denn Rundfunkveranstalter, die eine Rundfunkzulassung nur erhalten können, wenn sie bzw. ihr gesetzlicher Vertreter (§  53 Abs. 2 Satz 1 MStV) die Gewähr dafür bieten, dass sie unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften Rundfunk veranstalten (§ 53 Abs. 1 Nr. 6 MStV), müssen bei der Programmgestaltung die Würde des Menschen achten und schützen sowie die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung achten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 MStV) und sollen die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken (§  51 Abs.  1 Satz 2 MStV) und haben die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags einzuhalten.30 Die Beachtung der rundfunkrechtlichen Verhaltensvorschriften gehört zu ihren Berufspflichten als Rundfunkveranstalter. Telemedienanbieter sind nach § 17 Satz 2 MStV ebenfalls an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und haben nach Satz 3 die Berufspflicht, „die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre … einzuhalten“. Das bestimmt den Sorgfaltsmaßstab für die Prüfung von Inhalten, die in die Programmplanung aufgenommen und ausgestrahlt werden. Der Bußgeldrahmen für Fahrlässigkeitstaten beträgt bis zu 250.000,00 € (§ 24 Abs. 3 JMStV, § 17 Abs. 2 OWiG).

29 30

 NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 16.  S. auch Depprich, in Schwartmann, Praxishandbuch, Kap. 29 Rn. 82 ff.

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

3.5 Leugnen oder Verharmlosen nationalsozialistischer Handlungen § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 JMStV wurden durch den Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 3./7.12.2015 geändert. Die Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches wurde gestrichen.31 Tathandlung ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten i.  S.  d. §  3 Nr.  1 JMStV, die eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise leugnen oder verharmlosen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Voraussetzung ist also zunächst das Leugnen oder Verharmlosen einer NS-­ Völkermordhandlung.32 Die Bestimmung knüpft an § 130 Abs. 3 StGB an, der eine öffentliche Billigung, Leugnung oder Verharmlosung mit Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens pönalisiert, und bleibt gleichzeitig dahinter zurück, indem das Billigen als Tathandlung fehlt. § 130 Abs. 3 StGB ist ein „persönliches Äußerungsdelikt“.33 Die Tathandlung muss öffentlich erfolgen. Die Verbreitung einer Äußerung durch Rundfunk, der sich bestimmungsgemäß an die Allgemeinheit richtet (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MStV) und in an die Allgemeinheit gerichteten Telemedien (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 1 Abs. 1 MStV) geschieht öffentlich, sodass es zu Überschneidungen zwischen Straftatbestand und Ordnungswidrigkeit kommen kann. Wenn ein Rundfunkredakteur nicht selbst eine verbotene Äußerung von sich gibt, muss unterschieden werden. Soweit in Online-Medien verbotene Leugnungen oder Verharmlosungen von NS-Völkermordhandlungen lediglich im Rahmen der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte wiedergegeben werden, ist dies bereits nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV i. V. m. § 86 Abs. 3 a. F. bzw. Abs. 4 n. F. StGB nicht tatbestandlich (vgl. auch § 130 Abs. 8 StGB). Soweit das Berichterstattungsprivileg nicht eingreift, sind Rundfunkmitarbeiter oder Mitarbeiter von Telemedienanbietern von der Strafandrohung des § 130 Abs. 3 StGB nur betroffen, wenn sie sich selbst die verbotenen Äußerungen zu eigen machen oder durch bewusstes Verschaffen der Verbreitungsplattform ihres Mediums für den Täter zum Gehilfen der Tat i. S. d. § 27 Abs. 1 StGB werden. Anderenfalls greift der Straftatbestand nicht. Insbesondere der Anbieter oder Beauftragte des Anbieters i. S. d. § 9 Abs. 2 OWiG, der aus Nachlässigkeit einem Täter eine Verbreitungsplattform für die verbotene Leugnung oder Verharmlosung von NS-Völkermordhandlungen in seinem Medium bietet, befindet sich nicht im Anwendungsbereich der überdies nur vorsätzlich verwirklichbaren Strafnorm, sondern im originären Anwendungsbereich der Bußgeldbestimmung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d JMStV.  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 17.  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 29 ff. 33  Schmitt, in Eberle/Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S.  433 (Rn.  97); ähnlich Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB § 130 Rn. 1a; vgl. auch NK-StGB/Ostendorf, § 130 Rn. 29; NK-MedienstrafR/Stegbauer, StGB § 130 Rn. 16. 31 32

3.6  Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Herrschaft

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Zusätzlich zur Leugnung oder Verharmlosung von NS-Völkermordhandlungen muss die Eignung der Handlung festgestellt werden, den öffentlichen Frieden zu stören, wie sich aus der Formulierung „geeignet ist“ ergibt. Anderenfalls ist bereits der Tatbestand nicht erfüllt. Geschützt wird der öffentliche Friede in der Bundesrepublik Deutschland. Schutzgut ist „der – ideale – Gesellschaftszustand, der äußerlich durch eine friedfertige demokratische Interessenregelung und entsprechende Gesetzesbefolgung sowie innerlich durch eine entsprechende kollektive Vertrauenseinstellung gekennzeichnet ist.“34 Zum öffentlichen Frieden gehört „ein Mindestmaß an Toleranz und ein öffentliches Klima, das nicht durch Unruhe, Unfrieden oder Unsicherheit gekennzeichnet ist.“35 Es kommt nicht darauf an, ob durch die störende Handlung „ein latentes Gewaltpotenzial produziert wird“.36

3.6 Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Herrschaft Der Tatbestand des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 JMStV wurde durch den Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 3./7.12.2015 neu eingefügt. Er pönalisiert neue Tatbestandsvarianten in der Verhaltensnorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 JMStV, die § 130 Abs. 4 StGB nachgebildet sind. Tathandlungsvarianten sind das Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Eine Billigung wird schon darin erkannt, dass die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft als „bedauerlich, aber unvermeidlich“ dargestellt wird.37 Billigen und Rechtfertigen überschneiden sich, denn eine Rechtfertigung liegt insbesondere vor bei einer verteidigenden Darstellung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, etwa durch die Bezeichnung als „notwendig“ oder in ähnlicher Weise.38 Verherrlichen bedeutet die positive Darstellung als großartig, imponierend oder heldenhaft,39 weshalb im Einzelfall wiederum Überschneidungen zur Billigung und zur Rechtfertigung vorliegen können. Erforderlich ist ferner, dass die Billigung, Rechtfertigung oder Verherrlichung die Würde der Opfer verletzt, wie der Wortlaut „in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise“ belegt. Fraglich ist, ob der Gesetzeswortlaut die positive Feststellung der tatsächlichen Störung des öffentlichen Friedens als strafbegründendes

 NK-StGB/Ostendorf, § 126 Rn. 6 m. w. N.  Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB § 126 Rn. 1. 36  Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB §  126 Rn.  1. Problematisch insoweit die zur Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen gem. § 166 StGB ergangene Entscheidung des LG München I, Beschl. v. 3.5.2006 – 9 O 8051/06, ZUM 2006, 578, die die zivilrechtliche Abwehransprüche einer Religionsgemeinschaft verneint, deren Mitglieder besonnen reagieren. 37  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 34 m. w. N. 38  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 34 m. w. N. 39  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 34. 34 35

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

Merkmal verlangt40 oder die Störung des öffentlichen Friedens bei der Erfüllung der sonstigen Tatbestandsmerkmale vermutet.41 Die wohl überwiegende Meinung scheint der zweiten Ansicht zu folgen, wonach die Verwirklichung der Tathandlung die Verletzung der Würde der Opfer impliziere.42 Dieser Ansatz hat zur Folge, dass dem Merkmal der „Würdeverletzung“ keine messbare Bedeutung zukommt,43 was mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz zumindest nicht unmittelbar überzeugt. Tatbestandliche Äußerungen, die „mittels Rundfunk oder Telemedien einer Person unter achtzehn Jahren oder der Öffentlichkeit zugänglich (gemacht werden)“, stellte bis zum 21.9.2021 § 130 Abs. 5 Satz 2 a. F. StGB unter Strafe. Durch den Ersatz des Begriffs der „Schrift“ durch „Inhalt“ in § 130 Abs. 2 StGB (s. o. Nr. 3.2) bedurfte es dieser Regelung nicht mehr, da der Inhaltsbegriff nach §  130 Abs.  6 StGB auch für Absatz 4 gilt. Der Anwendungsbereich des Bußgeldtatbestandes in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e JMStV beschränkt sich auf Fahrlässigkeitstaten.44 Das ergibt sich daraus, dass den Landesgesetzgebern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz zum Erlass einer vorsatzbezogenen Ordnungswidrigkeit fehlt, wenn, wie hier, derselbe Lebenssachverhalt bereits durch den Bundesgesetzgeber durch das Strafrecht geregelt ist. Wie oben unter 3.1.3 dargestellt, wird die Frage für die Praxis durch § 21 StGB gelöst, der – die dogmatische Problematik ausklammernd – schlicht einen Anwendungsvorrang für das Strafrecht proklamiert.

3.7 Gewaltdarstellung Tathandlung ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art und Weise schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt. Die Bestimmung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f JMStV knüpft i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 JMStV an § 131 StGB an. Dieser stellt in aktueller Fassung auf Inhalte (§ 11 Abs. 3 StGB) ab, die entweder verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) oder einer Person unter 18 Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich gemacht werden (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) oder näher bezeichnete Beschaffungshandlungen darstellen, um den Inhalt zu verwenden oder die Verwendung einer anderen Person zu ermöglichen (Abs. 1 Nr. 2). Auch hier bleibt die Straftat nach § 131 StGB wegen § 15 StGB auf vorsätzliche Handlungen beschränkt, während § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f JMStV auf die fahrlässige Tatbegehung beschränkt bleibt (siehe oben 3.1.3).

 So wohl NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 35.  So wohl BVerfG, Beschl. v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08, MMR 2010, 199, 202 m. Anm. Liesching; s. auch Fischer, StGB § 130 Rn. 14c. 42  NK-MedienstrafR/Stegbauer, § 130 Rn. 25. 43  So auch NK-MedienstrafR/Stegbauer, § 130 Rn. 25. 44  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 19. 40 41

3.7 Gewaltdarstellung

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Die Erstreckung des Tatbestandes auf Gewaltanwendung gegenüber menschenähnlichen Wesen wirft Fragen auf. Entsprechend dem Normzweck, die Gewöhnung an und die Steigerung von Aggressivität und Brutalität in der Gesellschaft zu bekämpfen,45 muss die Erweiterung restriktiv ausgelegt werden.46 Es ist insbesondere auf den Eindruck abzustellen, den eine Darstellung auf den Zuseher macht.47 Die amtliche Begründung zum Entwurf des § 131 StGB führt dazu aus: „§ 131 Abs. 1 soll um die Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erweitert werden, weil es nicht darauf ankommen kann, ob die Opfer der wiedergegebenen Gewalttätigkeiten als ‚Androide‘, ‚künstliche Menschen‘, ‚Außerirdische‘, ‚Untote‘, als Verkörperung übersinnlicher Wesen oder ähnliche Wesen dargestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob sie nach objektiven Maßstäben ihrer äußeren Gestalt nach Ähnlichkeit mit dem Menschen aufweisen. Die Ergänzung stellt zudem klar, dass auch gezeichnete Menschen oder in Form elektronischer Spezialeffekte dargestellte Menschen vom Tatbestand erfasst werden.“48 Anders als § 131 StGB nennt § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f JMStV keine menschen­ ähnlichen Wesen, schließt aber ausdrücklich „virtuelle Darstellungen“ ein. Die amtliche Begründung zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 JMStV erläutert dies wie folgt: „Hervorzuheben ist, dass nach dem zweiten Halbsatz nunmehr ausdrücklich geregelt ist, dass der Tatbestand auch dadurch verwirklicht werden kann, dass entsprechende Gewalttätigkeiten virtuell, d. h. durch elektronische Simulation, dargestellt werden. Durch die fortschreitende Technik wird es immer schwieriger, reale Abbildungen von Geschehnissen von virtuellen Darstellungen zu unterscheiden. In ihrer Auswirkung auf den Zuschauer von Rundfunksendungen oder den Nutzer von Telemedien bleiben beide Angebotsformen jedoch gleich. Deshalb ist es gerechtfertigt, auch virtuelle Darstellungen der Wiedergabe eines realen Geschehens gleichzustellen.“49 Die virtuellen Darstellungen sind demnach nicht mit den „menschenähnlichen Wesen“ im Straftatbestand gleichzusetzen,50 denn die virtuelle Darstellung betrifft primär die Herstellung der Darstellung, nicht aber das äußere Erscheinungsbild der gezeigten Personen oder Objekte.51 Andererseits muss mit dem Hinweis auf elektronische Simulation nicht nur die Ebene der Produktfertigung gemeint sein, die für den Betrachter womöglich unsichtbar bleibt. Virtuelle Darstellungen schließen deshalb begrifflich auch fiktive Darstellungen von Menschen (in Zeichentrickfilmen,52 z. B. Manga-Videos) ein. § 131 Abs. 2 StGB bestimmt, dass Abs. 1 nicht gilt, wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient, sog.  Schmitt, in Eberle/Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S. 429 (Rn. 80).  So auch Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 16; vgl. auch NK-StGB/Ostendorf, § 131 Rn. 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB § 131 Rn. 6. 47  Lackner/Kühl/Heger, StGB § 131 Rn. 4. 48  BT-Drs. 15/1311, 22. 49  Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, 16. 50  Ebenso Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 12; NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 20. 51  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 20. 52  Bejaht für „Die Simpsons“: NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 38. 45 46

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

Berichterstatterprivileg.53 Dies gilt gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV entsprechend für die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit nach §  24 Abs.  1 Nr.  1 Buchst. f JMStV.

3.8 Anleitung zu Straftaten Tathandlung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 StGB genannten rechtswidrigen Tat dienen. Solche Taten sind nach näherer Bestimmung in der genannten Strafvorschrift • • • • • • • • •

Landfriedensbruch, einzelne Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Mord und Totschlag, Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gefährliche Körperverletzung, schwere Körperverletzung, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Raub und räuberische Erpressung sowie einzelne gemeingefährliche Vergehen.

Der Bußgeldtatbestand korrespondiert mit § 130a StGB, der die Anleitung zu Straftaten pönalisiert, weicht in der Formulierung jedoch auffällig von der Strafvorschrift ab und ist insbesondere viel knapper. Der Strafgesetzgeber stellt darauf ab, dass Inhalte verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden, die geeignet sind als Anleitung zu dienen und bestimmt sind (Zweckbestimmung), die Bereitschaft anderer zu wecken oder zu fördern, eine solche Tat zu begehen. Dagegen stellt § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g JMStV auf die Verbreitung oder Zugänglichmachung von Angeboten unter Bußgeldandrohung, die als Anleitung zu den §  126 Abs. 1 StGB genannten rechtswidrigen Straftaten dienen. Die amtliche Begründung zur Verhaltensnorm (§  4 Abs.  1 Satz 1 Nr.  6 JMStV) nimmt einerseits bewusst auf § 130a StGB Bezug und spricht andererseits von Angeboten, die als Anleitung zu Straftaten dienen sollen.54 Das könnte darauf hindeuten, dass die Staatsvertragsparteien die objektive Eignung als Anleitung zu dienen und die finale Ausrichtung des Inhalts auf eine solche Anleitung sprachlich zusammenfassen wollten. Andererseits wäre es auch möglich, dass zur Nachahmung geeignete Anleitungen ohne finale Zweckbestimmung ihres Inhalts und unabhängig von der Strafwürdigkeit des Verhaltens von der elektronischen Verbreitung oder Zugänglichmachung an die Allgemeinheit ausgeschlossen werden sollten.55 Diese Interpretation kann neben der entsprechenden Formulierung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 JMStV auch den Verweis  MüKo StGB/Feilcke, StGB § 131 Rn. 49.  Z. B. Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, 16. 55  So Hoeren/Sieber/Holznagel/Altenhain, 20 Rn. 29. 53 54

3.9 Kriegsverherrlichung

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in§ 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV auf § 86 Abs. 3 StGB a. F. für sich ins Feld führen. Denn die Sozialadäquanzklausel kann denklogisch nur zur Anwendung kommen, wenn der Angebotsinhalt zwar die abstrakte Eignung aufweist, als Anleitung zu Straftaten zu dienen, es dem Anbieter aber gerade auf dieses Ergebnis nicht ankommt, sondern er mit der Verbreitung oder Zugänglichmachung vielmehr sozialadäquate Zwecke der Aufklärung, der Berichterstattung usw. verfolgt.56 Die Androhung der Geldbuße bezieht sich uneingeschränkt auf die Verbotsnorm in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 JMStV, die nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV ausdrücklich „entsprechend § 86 Abs. 3 StGB“ a. F. eingeschränkt ist; dass der Landesgesetzgeber nicht die entsprechende Geltung des § 130a Abs. 3 StGB angeordnet hat, der seinerseits die entsprechende Anwendung des § 86 Abs. 4 StGB n. F. anordnet, ist unschädlich. Demnach käme es nur auf die objektive Eignung des Angebots an, zu Straftaten anzuleiten und nicht auf die finale Ausrichtung des Inhalts auf diesen Zweck. Fraglich ist deshalb, ob sich die staatsvertragliche Bußgeldnorm nach der Neufassung des § 130a Abs. 3 StGB wegen des Vorrangs des Bundesrechts nur mehr auf die fahrlässige Tatbegehung beschränkt57 oder einen eigenständigen Anwendungsbereich bei vorsätzlicher Tatbegehung behalten hat.58 Letztere Ansicht scheint die überzeugendere und führt dann wegen der Subsidiarität der Bußgeldvorschriften im Verhältnis zum Strafrecht gem. § 21 OWiG zu folgendem Ergebnis: § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 JMStV kommt – von fahrlässiger Begehung einmal abgesehen – immer dann in Betracht, wenn die Vorsatzstraftat ausscheidet, weil die für § 130a StGB erforderliche Zweckbestimmung (s. o.) nicht besteht oder nicht nachweisbar ist.59

3.9 Kriegsverherrlichung Angebote mit kriegsverherrlichendem Inhalt sind gem. § 4 Abs. 1 Nr. 7 JMStV unzulässig. § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h JMStV stellt das Verbreiten oder Zugänglichmachen solcher Angebote unter Bußgeldandrohung. Anders als die zuvor erörterten Bestimmungen knüpfen diese nicht an eine Norm des Strafrechts an, weshalb eine Subsidiarität gem. § 21 OWiG ausgeschlossen ist. Es handelt sich vielmehr um originär rundfunkrechtliche Vorschriften i. w. S., die nicht in Konkurrenz zum Straftatbestand in § 27 Abs. 1 JuSchG treten können, wenn indizierte Tonträger oder Videofilme abgespielt werden und ihr Inhalt über das Medium Rundfunk oder über Tauschbörsen im Internet verbreitet wird.60 Zwar stellt § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG die elektronische Verbreitung dem gegenständlichen Verbreiten eines Trägermediums  Vgl. auch Fischer, StGB § 130a Rn. 22; Lackner/Kühl/Heger, StGB § 130a Rn. 11; Schönke/ Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB § 130a Rn. 10. 57  In diese Richtung offenbar NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 24. 58  In diesem Sinn NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 22. 59  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 22. 60  BCHHG, JMStV § 24 Rn. 54; Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 2 Rn. 8. 56

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

für den Anwendungsbereich des JuSchG ausdrücklich gleich, nimmt aber  – mit Rücksicht auf die Länderkompetenz – die Verbreitung durch Rundfunk davon aus. Materiell setzt die Tatbestandserfüllung eine Darstellungsweise voraus, durch die der Krieg als „anziehend, reizvoll, als romantisches Abenteuer, oder als wertvoll,  als eine hervorragende, auf keinem anderen Gebiet zu erreichende Bewährungsprobe für männliche Tugenden oder heldische Fähigkeiten oder auch nur als eine einzigartige Möglichkeit erscheint, Anerkennung, Ruhm oder Auszeichnung zu gewinnen.“61 Weist eine kriegsverherrlichende Darstellung die Merkmale eines offensichtlich schwer jugendgefährdenden Angebots i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JMStV auf, geht eine Bestrafung nach § 23 JMStV gem. § 21 OWiG vor.62 Nach einer verbreiteten Meinung, die sich auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG bzw. dessen Vorgängervorschrift beruft, soll der Begriff der Kriegsverherrlichung weit auszulegen sein und auch den Krieg lediglich verharmlosende Darstellungen erfassen.63 Dagegen bestehen jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der bußgeldrechtlichen Ahndung durchgreifende Bedenken. Der Gesetzgeber kann durch ausdrückliche Entscheidung die Verharmlosung der Verherrlichung gleichstellen, wie das in § 131 Abs. 1 StGB für die Gewaltdarstellung geschehen ist. Der Interpret einer Strafnorm, die eine solche Gleichstellung nicht enthält, darf es nicht, weil er sich sonst in den Bereich einer ahndungserweiternden Analogie begibt64 und folglich in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des §  3 OWiG gerät, der eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ aus Art. 103 Abs. 2 GG ist.65 Tathandlung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h JMStV ist „den Krieg verherrlichen“. Die Inbezugnahme des § 4 Abs. 1 Nr. 7 JMStV bestätigt das zusätzlich. Anders als in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d JMStV ist Tathandlung gerade nicht das bloße Verharmlosen. Eine Ordnungswidrigkeit liegt nur im Fall der positiven Kriegsverherrlichung vor. Lediglich den Krieg verharmlosende Darstellungen erfüllen den Bußgeldtatbestand nicht. Das Gleiche gilt für die wohlmeinende Darstellung oder Befürwortung eines Verteidigungskriegs, etwa zur Erhöhung der Wehrbereitschaft der Bevölkerung.66 Das ist die logische Schlussfolgerung einerseits aus Art. 26 GG, der kriegerische Handlungen in der Form eines Angriffskriegs als verfassungswidrig deklariert und andererseits aus der Regelung zur Wehrpflicht in Art. 12a GG, der mehrfach vom „Verteidigungsfall“ spricht.  HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 204; ähnlich NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 67.  HK-MStV/Bornemann, JMStV §  23 Rn.  23; vgl. NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 23 Rn. 52. 63  Beck RundfunkR/Hertel, JMStV § 4 Rn. 49; Landmann, in Eberle/Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S. 269 (Rn. 40); DKC HdB-MedienR/Cole/Ukrow Abschn. H Rn. 35; NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 25; vgl. Ricker/Weberling/Weberling, Presserecht, Kap. 60 Rn. 27; a. A. BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 64; Liesching, Jugendschutzrecht, JuSchG § 15 Rn. 59; HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 205; Hoeren/Sieber/Holznagel/Altenhain, 20, Rn. 34; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 69. 64  So schon NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 68. 65  Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt nach allgemeiner Auffassung auch bei Ordnungswidrigkeiten, siehe etwa BVerfG, Urt. v. 4.2.1975 – 2 BvL 5/74, BVerfGE 38, 348 = NJW 1975, 727 (730). 66  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 69. 61 62

3.10  Verletzungen der Menschenwürde

69

Objektive Kriegsberichterstattung erfüllt den Tatbestand der Kriegsverherrlichung nicht.67 Die fehlende Einbeziehung des Tatbestandes in die Ausnahmen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV steht dem nicht entgegen. Die Sozialadäquanzklausel dient der Herausnahme äußerlich tatbestandserfüllender Verhaltensweisen. Dessen bedarf es für a priori nicht tatbestandliche Handlungen nicht.

3.10 Verletzungen der Menschenwürde Die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine grundlegende Norm des Grundgesetzes, die im Rang über den einzelnen Freiheitsverbürgungen durch Grundrechte steht. Da der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG nur die staatliche Gewalt zur Achtung der Menschenwürde verpflichtet, bedarf es einer einfachgesetzlichen Regelung, die den Schutz der Menschenwürde im Mediensektor auch zur Aufgabe Privater erhebt.68 Dies erfolgt durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 JMStV, dessen Einhaltung durch die Bußgeldandrohung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i JMStV abgesichert werden soll. Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung ist die Menschenwürde im Verhältnis zu anderen Grundrechten nicht abwägungsfähig,69 wodurch sie „unantastbar“ i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG wird. Diesem Grundsatz entspricht die aktuelle Tatbestandsfassung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i JMStV („gegen die Menschwürde verstoßen, … durch die Darstellung“), die einen Abwägungsvorgang nahelegt „zwischen den Interessen (nicht der Menschenwürde!) des Betroffenen einerseits und der Berichterstattungsund Informationsfreiheit andererseits“.70 Es kann nämlich, und hieran knüpft die Formulierung im JMStV an, an der Darstellung menschlichen Leids ein berechtigtes Interesse geben. Beispielsweise können Bilder vom Grauen des Krieges gerechtfertigt sein, um die Weltbevölkerung aufzurütteln und etwa auf das Leid der Zivilbevölkerung aufmerksam zu machen; die Art der Berichterstattung (z. B. durch drastisches Vor-­Augen-­ Führen)71 muss allerdings die Würde der Opfer beachten, eine Darstellung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise muss strikt vermieden werden. Hingegen ist § 27 Abs. 1 i. V. m. § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG immer noch so formuliert („in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen“), als sei eine Rechtfertigung durch ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser die Menschenwürde verletzen Vgl. auch Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV §  4 Rn.  18; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 70. 68  HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 240 f.; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 80. 69  Vgl. statt vieler Di Fabio, Menschenwürde, S.  19, unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 (293) = NJW 1995, 3303 ff.; Dreier, in Dreier (Hrsg.), GG Art. 1 I Rn. 46; Dörr, Big Brother, S. 36; Fink, AfP 2001, 189 (191); Bornemann, K&R 2002, 301 (306); a. A. Landmann, in Eberle/ Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S. 271 f. (Rn. 47). 70  NK-JMStV/Erdemir § 4 Nr. 86. 71   NK-­JMStV/Erdemir § 4 Nr. 86. 67

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

den Form der Berichterstattung möglich.72 Richtig ist vielmehr, dass Sendungen, die die Menschenwürde verletzen, in Rundfunk und Telemedien generell und ausnahmslos verboten sind. Die Darstellung eines schwer leidenden oder sterbenden Menschen, die einem berechtigten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit entspricht, bspw. im Rahmen einer objektiven Kriegs- oder Katastrophenberichterstattung, verletzt indes die Würde des Dargestellten nicht.73 Es sollte aber „Konsens in unserer Gesellschaft sein, dass die grundlose oder ungerechtfertigt intensive Form der Darstellung der Qual von Menschen in den äußersten Grenzsituationen ihres Lebens die Würde derer verletzt, die sich dagegen nicht wehren können.“74 Tathandlung ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen eines Angebots, das gegen die Menschenwürde verstößt, d. h. die Menschenwürde verletzt. An dieser Stelle kann die Frage offenbleiben, ob die von den Ländern als Parteien des Rundfunkstaatsvertrags mit der Einführung des § 3 Abs. 1 Satz 1 RStV und der Fortführung durch § 3 Satz 1 MStV beabsichtigte Verstärkung des Schutzes der Menschenwürde im Rundfunk für Rundfunksendungen im Allgemeinen zu einer Änderung der Rechtslage geführt hat.75 Dem in § 51 Abs. 1 Satz 2 MStV enthaltenen Gebot, die Würde des Menschen zu achten, fügt § 3 Satz 1 MStV einen Schutzauftrag zugunsten der Menschenwürde hinzu („zu achten und zu schützen“). Die Bußgeldnorm bezieht sich aber nicht allgemein auf eine Verletzung der in den beiden genannten Vorschriften enthaltenen Programmgrundsätze, sondern lediglich auf eine Verletzungshandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 JMStV; damit ist für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts unzweifelhaft, dass keine anderen als die für allgemeine Menschenwürdeverletzungen entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung gelten. Interessanterweise spielt Art.  1 Abs.  1 GG in der Rechtsprechungspraxis „trotz seines hohen Rangs gerade deshalb eine quantitativ eher untergeordnete Rolle, weil das Ensemble der sonstigen Einzelgrundrechte, beginnend mit Art. 2 Abs. 1 GG letztlich die Menschenwürde konkretisiert; die Menschenwürde ist Fundament der nachfolgenden Grundrechte, zumindest wenn es um deren Wesensgehalte geht.“76 Die einem jeden Menschen – unabhängig von seiner Stellung, Leistung oder Leistungsfähigkeit – aufgrund seines Menschseins zukommende Würde ist nach allgemeiner Meinung jedenfalls dann verletzt, wenn die Subjektqualität eines Menschen „prinzipiell“ in Frage gestellt wird.77 Darstellungen in Rundfunk und ­Telemedien kommen als Verletzungshandlung dann in Betracht, wenn sie „einen Umgang mit Menschen billigen oder gar verherrlichen, der ihre Würde ‚mit Füßen tritt‘, etwa indem Gewalt und Sexualität in Beifall heischender Art vermengt werden oder Treibjagden auf Se-

 Bornemann, AfP 2010, 30 (31); Hopf, Dissertation, S. 267.  DKC HdB-MedienR/Cole/Ukrow Abschn. H Rn. 44; i. Erg. ebenso Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 31 ff.; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 87 f. 74  Bornemann, AfP 2010, 30 (31); vgl. auch OVG Niedersachsen, Beschl. v. 20.10.2008 – 10 LA 101/07, AfP 2009, 186 mit unberechtigter Kritik von Schumann, AfP 2009, 347. 75  Ablehnend Frotscher, Big Brother, S. 24. 76  Di Fabio, Menschenwürde, S. 18. 77  BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89, BVerfGE 87, 209 (228) = NJW 1993, 1457 ff. 72 73

3.10  Verletzungen der Menschenwürde

71

xualobjekte als lustvoller Sport dargeboten werden.“78 Die erforderliche Verletzungsintensität einer Tathandlung ist laut Di Fabio dann erreicht, • wenn Menschen in systematischer, nicht nur akzidenteller Weise öffentlich he­ rabgewürdigt werden, • wenn es durch die Darstellung nahegelegt oder gar propagiert wird, Menschen wie Tiere oder Sachen zu behandeln, • wenn zu Gewalt gegen Menschen oder gegen bestimmte abgrenzbare Gruppen aufgerufen oder Gewaltanwendung ersichtlich gebilligt wird • oder ansonsten in einem Einzelfall mit Menschen in schlechterdings unerträglicher Weise umgegangen wird.79 Ein Angriff auf die Menschenwürde kann grundsätzlich dann angenommen werden, wenn Menschen in einer Darstellung nicht mehr als eigenständige, willensbestimmte Wesen wahrgenommen, sondern lediglich für bestimmte Zwecke ausgeschlachtet werden.80 Auch die in einer freien Wirtschaftsgesellschaft nicht mehr sozialadäquate Kommerzialisierung des Menschen kann sich als Verletzung der Menschenwürde darstellen. Eine insoweit unzulässige Kommerzialisierung liegt insbesondere dann vor, „wenn Menschen von einem überlegenen Akteur aus Gründen wirtschaftlichen Erwerbsstrebens in eine für sie unentrinnbare Situation gebracht werden, die sie weder vollständig durchschauen noch als freier Akteur beherrschen können, der sie mithin ausgeliefert sind, und wenn die Gesamtumstände den oder die ausgelieferten Menschen in ihrem sozialen Achtungsanspruch verletzen, weil sie zum Gegenstand der Anprangerung, der Schaustellung oder der Verächtlichmachung herabgewürdigt werden.“81 Nach teilweise vertretener Ansicht ist fraglich, wie sich die Einwilligung des Verletzten auswirkt. Für den Fall der menschenunwürdigen Darstellung menschlichen Leidens (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 JMStV) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass eine Einwilligung des Verletzten unbeachtlich ist. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere seinen berühmten Peepshow-Entscheidungen82 und führt auch in der Literatur offenbar zu der ­Annahme, dass eine Einwilligung in allen Fällen ausgeschlossen sei.83 Der Einwand, die Freiheit über seine Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit zu entscheiden, sei Bestandteil des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts und es gehöre zur Menschenwürde, nicht zur „Leistung von Würde“ ge-

 Di Fabio, Menschenwürde, S.  25; zustimmend DKC Hdb-Medienrecht/Cole/Ukrow Abschn. H Rn. 41. 79  Di Fabio, Menschenwürde, S. 25 f. 80  Di Fabio, Menschenwürde, S. 27. 81  Di Fabio, Menschenwürde, S. 31 f.; zustimmend Dörr, Big Brother, S. 53; DKC Hdb-Medienrecht/Cole/Ukrow Abschn. H Rn. 40 ff.; Schuster/Spindler/Krone, RStV § 3 Rn. 17; BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 3 Rn 17. 82  BVerwG, Urt. v. 15.12.1981  – 1 C 232/79, BVerwGE 64, 274  =  NJW 1982, 664; Urt. v. 30.1.1990 – 1 C 26/87, BVerwGE 84, 314 = NVwZ 1990, 668. 83  So offenbar NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 24 Rn. 26. 78

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

zwungen zu werden,84 kann aber nicht kurzerhand als unbeachtlich abgetan werden. Aus diesem verfassungsrechtlichen Argument ist der Schluss zu ziehen, dass die Einwilligung jedenfalls unter bestimmten, eng zu fassenden Umständen denkbar sein muss. Allerdings ist in jedem Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich eine unbeeinflusste und freie Willensbetätigung des einwilligenden Verletzten vorliegt,85 die auf einer umfassenden Aufklärung oder sonst vollständigen Erfassung der Situation, etwa auf der Grundlage individueller Erfahrungen und Fähigkeiten, beruht.86 Dies wird zumeist nicht der Fall und die Einwilligung deshalb unbeachtlich sein. Zu Recht weist Di Fabio darauf hin, dass die Einwilligung im Sinne eines vorweg erklärten Einverständnisses etwas Prospektives, etwas Prognostisches hat, „mit dem man irren kann, ohne noch über Rückzugsmöglichkeiten zu verfügen.“87 Die Einwilligung des Gastes einer Talkshow im Fernsehen deckt jedenfalls dann in der Sendung vorkommende Verletzungen seiner Würde nicht ab, wenn aufgrund der Konfrontations- und Streitinszenierung, die für Zuschaueranreize sorgen soll und dabei mit den Mitteln der Überrumpelung zur Erzeugung spontaner Gefühlsausbrüche arbeitet, relevante Verletzungshandlungen gegenüber der Würde eines Gastes geschehen.88 Das Gleiche muss gelten, wenn der Charakter einer Sendung nachträglich so verändert wurde (etwa durch Schnitte, Auslassungen oder Kommentierungen), dass sich die ursprünglich wirksam erteilte Einwilligung im Rahmen ihrer Zweckbestimmung tatsächlich nicht mehr auf die ausgestrahlte Sendung bezieht.89

3.11 Minderjährige in geschlechtsbetonter Körperhaltung Tathandlung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen (sog. Posendarstellungen). Dabei spielt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm keine Rolle, ob es sich um realistische oder virtuelle Darstellungen handelt. Schon daraus erhellt, dass es auf das tatsächliche Alter der Dargestellten nicht ankommt. Virtuelle Figuren haben naturgemäß kein „wirkliches“ Lebensalter. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Figuren Kinder oder Jugendliche darstellen und vom Betrachter als solche assoziiert werden. Für Posendarstellungen mit realen Menschen kommt es dementsprechend nicht darauf an, ob reale Kinder oder Jugendliche abgebildet werden, sondern darauf, ob die in altersunangemessen geschlechtsbetonter Körperhaltung Abgebildeten aus  Vgl. Dreier, in Dreier (Hrsg.), GG Art. 1 I Rn. 149 ff. m. w. N.; auch Di Fabio, Menschenwürde, S. 45 f. m. w. N.; vgl. Dörr, Big Brother, S. 61 f.; Frotscher, Big Brother, S. 43; BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 3 Rn. 18. 85  Dörr, Big Brother, S. 67 ff. 86  BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 3 Rn. 18. 87  Di Fabio, Menschenwürde, S. 47 f. 88  Vgl. auch NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 121. 89  So etwa LG Berlin, Urt. v. 26.7.2012 – 27 O 14/12, ZUM-RD 2012, 595, zur Sendung „Frauentausch“; BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 3 Rn. 18 f. 84

3.11  Minderjährige in geschlechtsbetonter Körperhaltung

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Sicht eines unbefangenen Betrachters90 Kinder oder Jugendliche darstellen.91 Werden beispielsweise junge Frauen mit gering ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmalen mit abstehenden Pippi-Langstrumpf-Zöpfen oder sog. Rattenschwänzen und kindlichen Accessoires (z. B. Plüschtieren) in altersunangemessen geschlechtsbetonter Körperhaltung abgebildet, ist der objektive Tatbestand auch dann erfüllt, wenn die Darstellerinnen tatsächlich bereits erwachsen sind. Dies gilt umso mehr, wenn die Abbildungen Bestandteil eines Angebots mit der Bezeichnung Youngmodels, Teenmodels oder gar Preteenmodels o. Ä. sind. Altersangaben bei den Darstellungen sind mit größter Vorsicht zu behandeln. Abgesehen davon, dass sie falsch sein können, wird auch die Angabe „19 Jahre“ die Wirkung der Bilder auf Kinder und Jugendliche nicht in jedem Fall neutralisieren können.92 In der Neufassung des §  184b StGB durch das 49. StGBÄndG vom 21.1.2015 (BGBl. I 10) wurden Posendarstellungen des ganz oder teilweise unbekleideten Kindes „in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ in den Kinderpornografiebegriff einbezogen. Anders als das Medienrecht, das auf die Medienwirkung und deshalb auf die „Darstellung“ eines Kindes oder Jugendlichen, d. h. das Bild, das die Medien vermitteln, abstellt (Jugendmedienschutzperspektive), hat das Strafrecht den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung im Fokus und stellt auf die „Wiedergabe“ eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) oder Jugendlichen (§ 184c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB), d. h. auf den Missbrauch des minderjährigen „Sexualobjekts“ ab. Die Formulierung „unnatürlich geschlechtsbetont“ wurde durch das 60. StGBÄndG vom 30.11.2020 (BGBl. I 2600) in „aufreizend geschlechtsbetont“ geändert. Durch Gesetz vom 16.6.2021 (BGBl. I 1810) wurde Kinderpornografie von einem Vergehen in ein Verbrechen umgewandelt (vgl. § 12 StGB). Nach kriminalistischen Erfahrungen werden Bilder mit Kindern oder Jugendlichen in geschlechtsbetonter Körperhaltung gern von Pädophilen benutzt um Widerstand bei ihren Opfern abzubauen, denen die Darstellungen signalisieren sollen, es sei „normal“, wenn sich Kinder oder Jugendliche zum Anschauungs- und schließlich Sexualobjekt von Erwachsenen machen ließen.93 Neben Nacktdarstellungen können auch Abbildungen in Bade- oder Unterwäsche den objektiven Tatbestand erfüllen; Kindermodels in Bekleidungskatalogen seriöser Hersteller von B ­ ademoden oder Unterwäsche posieren typischerweise nicht in altersunangemessen geschlechtsbetonter Körperhaltung.94 Posenfotos in SM-typischer Latex-­Ganzkörperbekleidung werden vom Wortlaut des neu gefassten Straftatbestandes nicht, vom medienrechtlichen Verbot aber nach wie vor erfasst.95

 Hoeren/Sieber/Holnagel/Altenhain, 20, Rn. 43 stellt entsprechend dem Schutzzweck der Norm auf den minderjährigen Betrachter ab. 91  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 134 f. 92  A. A. für den Fall zutreffender Altersangabe BayVGH, Urt. v. 23.3.2011 – 7 BV 09.2517, MMR 2011, 557 (558). 93  Vgl. HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 288. 94  Ähnlich DKC HdB-Medienrecht/Cole/Ukrow Abschn. H Rn. 37. 95  So auch Hopf/Braml, ZUM 2014, 854 (855). 90

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

Fraglich ist, welche Bedeutung die Divergenz im Wortlaut einerseits der Strafnorm („aufreizend geschlechtsbetont“) und andererseits der Bußgeldnorm („unnatürlich geschlechtsbetont“) hat. Die jüngste Änderung im Strafrecht wurde damit begründet, dass auch Abbildungen schlafender Kinder erfasst werden sollten und eine Schlafhaltung könne schwerlich „unnatürlich“ sein.96 Damit reagierte der Gesetzgeber auf Kritik an der Vorgängerfassung, der lt. amtl. Begr. bereits das Motiv zugrunde lag, auch die Abbildung schlafender Kinder zu erfassen.97 Der Wortlautänderung lag mithin keine materielle Änderungsabsicht zugrunde, sondern lediglich das Motiv, eine Formulierung mit höherer Rechtssicherheit zu finden. Es wird in der Literatur bezweifelt, ob das gelungen ist. Insbesondere wird es einem objektiven Beobachter, auf den abzustellen sein soll, nicht leichter fallen, die Körperhaltung eines schlafenden Kindes „aufreizend geschlechtsbetont“ zu finden als „unnatürlich geschlechtsbetont“.98 Es spricht deshalb alles dafür, in Bezug auf des Merkmal der geschlechtsbetonten Darstellung von einer vollständigen Deckung der Strafnormen und der Bußgeldtatbestände auszugehen.99 Ein entscheidender Unterschied besteht insoweit, als § 184b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ÄndG, § 184c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB darauf abstellen, dass Kinder oder Jugendliche in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung ganz oder teilweise unbekleidet sind. Abgesehen davon, dass „teilweise unbekleidet“ grenzwertig ungenau ist, bleibt fraglich, ob der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Strafgesetzgebungskompetenz abschließenden Gebrauch gemacht und den Bußgeldtatbestand des § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j JMStV auch insoweit eingeschränkt hat, als dessen Tatbestandsfassung die Darstellung von bekleideten Kindern oder Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung umfasst. Die amtl. Begr. zum 60. StGBÄndG setzt sich mit dem Verhältnis von § 184b StGB zur Strafnorm in § 27 JuSchG auseinander, die insoweit parallel zu § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j JMStV formuliert ist. Sie spricht von einer „Auffangfunktion für Sachverhalte […], in denen es um Darstellungen gänzlich bekleideter Kinder oder Jugendlicher geht“.100 Das zeigt immerhin, dass im Kernstrafrecht keine abschließende Regelung getroffen werden sollte. Nicht nur § 27 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4 JuSchG wird, soweit er auch Posendarstellungen vollständig bekleideter Kinder erfasst, von den Pornografietatbeständen nicht verdrängt und bleibt nicht nur auf Fahrlässigkeits-, sondern mit seinem überschießenden Anwendungsbereich auch auf Vorsatztaten anwendbar;101 Entsprechendes muss für §  24 Abs.  1 Nr.  1 Buchst. j JMStV gelten.102

 BT-Drs. 19/19859, 21.  BT-Drs. 18/2601, 30. 98  Vgl. Fischer, StGB § 184b Rn. 9b; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 166. 99  Vgl. HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 311; NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 26. 100  BT-Drs. 19/19859, 65. 101  Bornemann, JZ 2022, 180 (184). 102  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 27. 96 97

3.12  Harte Pornografie

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3.12 Harte Pornografie Tathandlung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die pornografisch sind und • Gewalttätigkeiten oder • den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder • sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen. Damit knüpft der Staatsvertrag an die Merkmale der qualifizierten oder sog. harten Pornografie an.103 Reziprok zur Systematik des Strafgesetzbuchs, das zunächst in § 184 StGB die (einfache) Pornografie definiert, bevor es die Strafbarkeit für besonders qualifizierte pornografische Angebote (Gewaltpornografie, Sodomie, Kinderund Jugendpornografie) festlegt, statuiert der Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag zuerst das nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 in Rundfunk und Telemedien absolut geltende Verbot harter Pornografie, dem das allgemeine Pornografieverbot in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV folgt, das nur für den Rundfunk ausnahmslos gilt und für Telemedien, die nur Erwachsenen zugänglich sind, durch § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV aufgehoben ist. Während der Strafgesetzgeber den Strafrahmen für die je unterschiedlichen Pornografietatbestände sorgsam differenziert, ist der Bußgeldrahmen für alle Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Abs. 3 JMStV gleich und beträgt für Vorsatztaten bis zu 500.000,00 €, für Fahrlässigkeitstaten bis zu 250.000,00 € (s. § 17 Abs. 2 OWiG). Soweit die Strafandrohung der §§ 184 – 184c StGB reicht, kommt § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k JMStV nicht zur Anwendung (§ 21 Abs. 1 OWiG). Wie bei den Straftaten, die mittels Verwendung pornografischer Abbildungen/Schriften begangen werden, kommt es bei elektronischer Verbreitung im Wesentlichen auf die Wirkung der Darstellungen auf den Rezipienten an. Vor allem dem Medienrecht geht es nicht in erster Linie um den Schutz der darstellenden Akteure, sondern um die Wirkung auf die Mediennutzer. Deshalb liegt ahndbare bzw. strafbare Gewaltpornografie auch dann vor, wenn lediglich ein fiktives Geschehen wiedergegeben wird.104 In derselben Konsequenz liegt die Bejahung von Kinder- oder Jugendpornografie, wenn die Protagonisten der Darstellung lediglich als Kinder oder Jugendliche erscheinen, tatsächlich aber die Altersgrenze vom Kind zum Jugendlichen oder vom Jugendlichen zum Erwachsenen bereits überschritten haben.105 § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k JMStV hebt für alle harten Pornografieangebote besonders hervor, was für Kinderpornografie i. S. d.

 Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 45 ff.  Fischer, StGB §  184a Rn.  5; NK-StGB/Frommel, §  184d Rn.  16; Schönke/Schröder/Eisele, StGB § 184a Rn. 3. 105  Vgl. Fischer, StGB § 184b Rn. 6; Schönke/Schröder/Eisele, StGB § 184c Rn. 5; NK-StGB/Frommel, § 184d Rn. 18. 103 104

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

§ 184b Abs. 1 StGB allgemein anerkannt ist: Erfasst wird auch virtuelle Kinderpornografie.106 Zu den allgemeinen Pornografiemerkmalen s. u. 3.14.

3.13 Indizierte Werke mit strafbarem Inhalt Tathandlung in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l JMStV ist die Verbreitung oder Zugänglichmachung von Angeboten, die auf Grundlage einer Feststellung nach § 18 Abs. 5 JuSchG oder einer bejahenden Einschätzung nach § 18 Abs. 6 JuSchG in die Liste nach § 18 JuSchG aufgenommen worden sind (vormals Teile B und D der Liste)107 oder mit einem in diese Liste aufgrund entsprechender Bewertung aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Die Vorschrift erfasst mithin indizierte Telemedien. Nicht indizierungsfähige Rundfunksendungen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG) werden dann erfasst, wenn sie mit indizierten Träger- oder Telemedien ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Die Liste wird grds. im Bundesanzeiger bekannt gemacht (§ 24 Abs. 3 JuSchG) und führt Trägermedien und ggf. Telemedien auf, deren Inhalt nach Einschätzung der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien einen in §§ 86, 130, 130a, 131, 184a, 184b oder 184c StGB bezeichneten Inhalt hat. Der nichtöffentlich geführte Teil der Liste führt Telemedien mit entsprechendem Inhalt auf, deren Indizierung nach § 24 Abs. 2a Satz 2 JuSchG nicht bekannt gemacht wird, oder Trägermedien, deren Indizierung nicht bekannt gemacht wird, weil „anzunehmen ist, dass die Bekanntmachung der Wahrung des Jugendschutzes schaden würde.“ Ein solcher Schaden ist nach § 24 Abs. 2a Satz 3 JuSchG insbesondere dann anzunehmen, wenn die Bezeichnung des Mediums nur in der Weise, z. B. nur durch Nennung der URL, erfolgen kann, dass durch die Bezeichnung für Kinder und Jugendliche zugleich der unmittelbare Zugang möglich wird. Unzulässigkeit und Ahndbarkeit der Angebote hängen zwar nicht von der Indizierung ab, da alle infrage kommenden Inhalte bereits von den vorhergehenden Tatbeständen erfasst werden. Die Indizierung erleichtert aber den Nachweis, worauf schon die amtl. Begr. zutreffend hinweist. Davon abgesehen kann sich der Betroffene nicht mit Erfolg darauf berufen, die Indizierung habe zum Tatzeitpunkt zu Unrecht bestanden, wie eine spätere strafgerichtliche Entscheidung zum zugrundeliegenden Straftatbestand ergeben habe. Die in der Literatur teilweise vertretene Auffassung, die materielle Rechtmäßigkeit der Indizierung sei objektive Strafbarkeitsbedingung,108 wird der Tatbestandsfassung nicht gerecht, die lediglich auf eine wirksame Indizierung abstellt.109 Die Strafbewehrung eines Verwaltungsakts und die dadurch bedingte Bindung des Strafrichters an die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde verstößt  Fischer, StGB § 184b Rn. 5; Schönke/Schröder/Eisele, StGB § 184b Rn. 3b; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 (358 ff.); Ritlewski, K&R 2008, 94 (96). 107  Die Unterteilung der Liste in vier Teile (A–D) wurde durch das Zweite JuSchGÄndG vom 9.4.2021 (BGBl. I 742) aufgegeben, ohne dass sich an der Sache Wesentliches geändert hätte. 108  NK-MedienstrafR/Krawczyk, JuSchG § 27 Rn. 8 f. 109  Amtl. Begr., BT-Drs. 19/24909, 50. 106

3.14  Einfache Pornografie

77

nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Zweck der Vorschrift, Kinder- und Jugendschutz zu effektuieren und damit Verstößen gegen verwaltungsrechtliche Anordnungen auch mit Mitteln des Strafrechts entgegenzuwirken, bedingt zwangsläufig eine enge Verzahnung von Strafrecht und Verwaltungsrecht. Die Pflicht des Strafrichters, eine vollziehbare Indizierung wegen sachverständig festgestellter Jugendgefährdung, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar ist, jedenfalls grundsätzlich als gegeben hinzunehmen, folgt aus der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes in § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 JMStV, der auf eine bestehende Indizierung abstellt. Diese darf nicht nichtig und muss vollziehbar sein. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht.110 Leidet dagegen die Indizierung an einem so schweren Fehler, dass sie nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig ist, hängt die Tatbestandsmäßigkeit von der Erfüllung der inhaltlichen Voraussetzungen ab.111 Von der Bußgeldandrohung umfasst sind nach der eindeutigen Tatbestandsfassung auch mit dem indizierten Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleiche Angebote. Nicht mehr vom Bußgeldtatbestand erfasst sind inhaltlich wesentlich veränderte Angebote, obwohl das Verbreitungsverbot nach § 4 Abs. 3 JMStV bis zu einer Entscheidung durch die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (§ 17a Abs. 1 JuSchG) fortwirkt. Darauf nimmt § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst l JMStV jedoch weder im Wortlaut noch in der Verweisung Bezug. Einer ahndungserweiternden Interpretation über den klaren Wortsinn hinaus steht der Bestimmtheitsgrundsatz des § 3 OWiG entgegen.

3.14 Einfache Pornografie Tathandlung in § 24 Abs. 1 Nr. 2 JMStV ist das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die in sonstiger Weise pornografisch sind, d.  h. pornografischen Charakter haben ohne die qualifizierenden Merkmale der sog. harten Pornografie (s. o. 3.12) aufzuweisen. Anders als beim Verbot harter Pornografie und bei den sog. Posendarstellungen von Kindern und Jugendlichen nennt das Gesetz virtuelle Darstellungen nicht ausdrücklich.

3.14.1 Einheitlicher Pornografiebegriff Nach h. M. verwendet das Medienjugendschutzrecht keinen eigenen Pornografiebegriff. Dabei ist zu beachten, dass weder der Medien- noch der Strafgesetzgeber Pornografie definiert haben. Die Rechtsprechung zu § 184 StGB hat Merkmale heraus-

110 111

 Vgl. BVerfG 15.6.1989 – 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, 244.  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 31.

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

gearbeitet, die für Pornografie kennzeichnend sein sollen. Diese sind auch im Medienrecht zur Bestimmung von Pornografie anzuwenden.112 Es kann indes nicht schaden, sich zunächst die allgemeinsprachliche Bedeutung des Begriffs vor Augen zu führen. Das Fremdwörterbuch der kleinen Duden-Reihe erläutert Pornografie als obszöne Darstellung geschlechtlicher Vorgänge. Das Deutsche Universalwörterbuch A – Z der Duden-Reihe übersetzt zunächst das aus dem Griechischen stammende Fremdwort wissenschaftlich neutral mit „über Huren schreibend“. In der Tat bedeutet das griechische Wort πόρνη (porne) Hure. Darüber hinaus weist das Griechisch-Deutsche Schulwörterbuch von Gemoll die männliche Form πόρνος (pornos) für Hurer, Unzüchtiger aus, πορνεία (porneia) für Hurerei, πορνεῖον (porneion) für Bordell und das Verb πορνεύειν (porneuein) für sich preisgeben, huren. Das Verb γράφειν (graphein) bedeutet (in Wachs oder Stein) ritzen, einritzen, eingraben, malen und schreiben. Allein vom Wortsinn her wird deutlich, dass es bei Pornografie nicht um Nacktheit an sich und auch nicht um Geschlechtlichkeit als solche,113 sondern um die Beschreibung oder Darstellung der anrüchigen Sexualität geht, wie sie im Umfeld der Prostitution zu haben ist. Deren besondere Merkmale sind die weitgehende Beliebigkeit der wechselnden Partner und ihre von großen persönlichen Gefühlen unabhängige Leistungsbereitschaft. Deshalb ist die Qualifizierung eines Inhalts als pornografisch, wenn er unter Hintansetzung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielt,114 ohne weiteres einleuchtend. In einem jüngeren Urteil des BGH zur Kinderpornografie fehlt das Merkmal der „grob aufdringlichen Weise“: „…; pornographisch ist demgemäß die Darstellung entpersönlichter sexueller Verhaltensweisen, die die geschlechtliche Betätigung von personalen und sozialen Sinnbezügen trennt und den Menschen zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung macht (…).“ Da eine derartige degradierende Wirkung der Darstellung sexueller Handlungen von, an und vor Kindern jedoch in aller Regel innewohne, bedürfe es eines darüber hinausgehenden „vergröbernd-­ reißerischen“ Charakters der Darstellung nicht.115

3.14.2 Schutzzweck des Pornografieverbots Schutzzweck des Verbots einfacher Pornografie ist nach heute h.  M. neben dem Schutz der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen der Erwachsenenschutz vor ungewollter Konfrontation mit Pornografie.116 Der Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag  BVerwG, Urt. v. 20.2.2002 – 6 C 13/01, AfP 2002, 257 = NJW 2002, 2966 ff.; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 204. 113  S. auch Erdemir, MMR 2003, 628 (633). 114  Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort Pornografische Schriften, unter Hinweis auf BGH, NJW 1990, 3026; ähnlich im Ergebnis alle Kommentare zu § 184 StGB. 115  BGH, Urt. v. 11.2.2014 – 1 StR 485/13, NJW 2014, 1829 (1830) = NStZ 2015, 153 (154). 116  Vgl. Fischer, StGB § 184 Rn. 2 f.; Lackner/Kühl, StGB § 184 Rn. 1; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, StGB § 184 Rn. 5; Erdemir, MMR 2003, 628 (630); NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 199 f. 112

3.14  Einfache Pornografie

79

trägt dem dadurch Rechnung, dass Pornografie in Telemedien, die nur Erwachsenen zugänglich sind, vom allgemeinen Verbot ausgenommen wird (§  4 Abs.  2 Satz 2 JMStV). Da Erwachsene in diesem Fall eine Zugangshürde überwinden müssen, wählen sie das pornografische Angebot gezielt aus und geraten nicht versehentlich beim Surfen im Internet hinein. Den Verschlüsselungstechniken für den Rundfunk traute der Gesetzgeber anscheinend keine vergleichbare Wirksamkeit zu, denn im Rundfunk ist Pornografie ausnahmslos verboten, die pornografische Rundfunksendung eine Ordnungswidrigkeit. Es darf bezweifelt werden, dass diese unterschiedliche Behandlung durch ausreichende sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Durch das 60. StGBÄndG wurde § 184d StGB aufgehoben, dessen Absatz 1 Satz 2 – ungeachtet der semantischen Unterschiede – erkennbar konkordant mit dem medienrechtlichen Verbot aufgebaut war. Nunmehr richtet sich die Strafbarkeit pornografischer Inhalte nach § 184 StGB, der durch die Verweisung auf § 11 Abs. 3 StGB auch die unkörperliche Verbreitung „mittels Informations- oder Kommunikationstechnik“ erfasst und somit unmittelbar für die Verbreitung im Rundfunk gilt. Damit ist die Strafbarkeit für Rundfunkangebote mit Jugendschutz-Verschlüsselung entfallen. Das wurde im Gesetzgebungsverfahren offen angesprochen. Der Verfasser der amtl. Begr. zum 60. StGBÄndG geht davon aus, dass das rundfunkrechtliche „Totalverbot für Pornographie, […] nach dem Entwurf jedoch nicht mehr über § 184 in Verbindung mit § 184d StGB mit Strafe bewehrt ist, sondern allein im Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag normiert und für den privaten Rundfunk als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 € bewehrt ist (§ 4 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 24 Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Jugendmedienschutz-­Staatsvertrags).“117 Damit hat einfache Pornografie im Rundfunk aufgehört, ein Rundfunkinhaltsdelikt i. S. d. medienrechtlichen Verjährungsbestimmungen zu sein, da die Strafbarkeit nicht mehr „im Sinngehalt der Inhalte“, sondern nur mehr in den Modalitäten der Verbreitung liegt.118 Nur für Erwachsene zugängliche Rundfunksendungen mit einfacher Pornografie verjähren seit dem 1.1.2021 nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB – regulär – in drei Jahren. Die landesrechtliche Bußgeldbewehrung für das vorsätzliche Verbreiten oder Zugänglichmachen (einfach) pornografischer Angebote war unter der Geltung des § 184d StGB a. F. nichtig, weil sie kompetenzwidrig erlassen wurde (vgl. Art. 72, 73 Abs. 1 Nr. 1 GG);119 sie bleibt auch nach der Aufhebung des § 184 d StGB a. F. nichtig.120 Ein bußgeldbewehrtes Totalverbot für die Verbreitung pornografischer Sendungen im Rundfunk könnte nach Entfallen der Sperrwirkung durch § 184d StGB a. F. zwar nun durch die Länder erlassen werden, sieht man einmal von dem Gleichbehandlungsproblem mit Telemedienanbietern ab. Solange das aber nicht geschehen ist, eignet sich § 24 Abs. 1 Nr. 2 JMStV jedenfalls nicht als Grundlage für die Durchführung eines Bußgeldverfahrens wegen vorsätzlicher Pornografie in einer nur Erwachsenen zugängli BT-Drs. 19/19859, 63.  Bornemann, JZ 2022, 180 (182). 119  Vgl. Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art.  72 Rn.  11a; zu weit gehend NK-MedienstrafR/Gerhold/ Handel, JMStV § 24 Rn. 11, 34, die eine Sperrwirkung der §§ 184–184c StGB auch für Fahrlässigkeitstaten annehmen. 120  Vgl. Jarass/Pieroth/Kment, GG Art. 72 Rn. 14; Sachs/Degenhart, GG Art. 72 Rn. 38; BCHHG, JMStV § 24 Rn. 45. 117 118

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3  Strafbare und absolut unzulässige Angebote

chen Rundfunksendung. Bei Entscheidungserheblichkeit der Frage müsste der Richter im Bußgeldverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG vorlegen. Die behördliche Praxis kann sich bei bloßen Zweifeln an der Wirksamkeit der Bußgeldnorm auf das Verwerfungsmonopol des BVerfG für förmliche Parlamentsgesetze berufen und die Vorschrift bis zu einer möglichen Kassation durch das BVerfG anwenden. Ein Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Bußgeldverfahren berufen ist, würde sich allerdings dem Risiko der eigenen Strafverfolgung wegen der Verfolgung Unschuldiger aussetzen, wenn er von der Unwirksamkeit der Bußgeldbestimmung überzeugt ist, weil er dann „wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt“ i. S. d. § 344 Abs. 2 S. 1 StGB, der nach seinem Satz 2 Nr. 1 sinngemäß für das Bußgeldverfahren gilt;121 der Versuch ist strafbar (§ 344 Abs. 2 Satz 3 StGB).

3.14.3 Kein Erzieherprivileg im Bußgeldverfahren Das im Strafrecht geltende Erzieherprivileg (§ 184 Abs. 2 StGB), das auch in § 27 Abs. 4 JuSchG enthalten ist, wurde nicht ins Recht der Onlinemedien übernommen und spielt in Bußgeldverfahren wegen einfacher Pornografie in Rundfunk oder Telemedien keine Rolle.122

121 122

 Der Konflikt ist im Rahmen des Opportunitätsprinzips (§ 47 Abs. 1 OWiG) lösbar.  Krit. NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 23 Rn. 9.

4

Jugendschutz

Der Jugendschutz ist für alle Online-Medien (Rundfunk und Telemedien) im Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag vom 10.9.2002, in Kraft getreten am 1.4.2003, zuletzt geändert durch Art.  2 des Zweiten Medienänderungsstaatsvertrags v. 14./27.12.2021, einheitlich geregelt. Seit Inkrafttreten des 2. JuSchGÄndG1 hat die zur Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (Bundeszentrale) ausgebaute vormalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (§ 17 JuSchG) erweiterte Kompetenzen gegenüber Telemedienanbietern, aber nicht gegenüber Rundfunkveranstaltern (§ 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG). Wie schon bisher unterliegen Telemedien dem Indizierungsverfahren nach § 18 JuSchG. Die Anforderungen an die Inhalte von Telemedien richten sich gem. § 16 S. 2 JuSchG nach dem Jugendmedienschutz-­Staatsvertrag, der auch ein eigenes Sanktionsinstrumentarium bereithält. Bei den im Folgenden dargestellten Verbots- und Sanktionstatbeständen spricht man auch von den „relativen“ Verboten des Jugendmedienschutz-­Staatsvertrags, weil nur die Rundfunkverbreitung generell verboten ist, das Zugänglichmachen durch Telemedien in geschlossenen Erwachsenengruppen hingegen erlaubt ist (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV).

4.1 Indizierte jugendgefährdende Werke 4.1.1 Indizierung von Träger- und Telemedien 4.1.1.1 Die Liste jugendgefährdender Medien Die Verbreitung oder das Zugänglichmachen von Angeboten, die wegen strafbaren Inhalts in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen worden (indiziert) sind (vormals: Teil B und D der Liste), kann sich trotz der Legaldefinition des Angebots in § 3 Nr. 1 JMStV als Rundfunksendung oder Inhalt von Telemedien gleichwohl nur auf  Zweites Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes v. 9.4.2021, BGBl. I S. 742.

1

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_4

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4 Jugendschutz

Telemedien beziehen, weil Rundfunksendungen nicht indizierungsfähig sind (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG). Eine Rundfunksendung kann allerdings mit einem in dieser Liste aufgenommenen „Werk“ inhaltsgleich sein.2 Der „Werkbegriff“ ist im JMStV nicht definiert. Wegen der anderen Schutzrichtung kann nicht kurzerhand auf den urheberrechtlichen „Werkbegriff“ i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG zurückgegriffen werden. Wie im Urheberrecht, aber auch im Werkvertragsrecht (§  631 Abs.  2 BGB), setzt der „Werkbegriff“ keine Verkörperung auf einem Trägermedium voraus.3 Wenn ein Träger- oder Telemedium in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen wurde, kann die Frage, ob das Medium die geistige schöpferische Höhe erreicht, die urheberrechtsschutzfähig macht, dahinstehen. Sowohl im Rundfunk als auch in Telemedien sind die Inhalte solcher indizierten „Werke“ ausnahmslos unzulässig und das Verbreiten oder Zugänglichmachen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l JMStV mit Geldbuße bedroht. Der Bußgeldtatbestand erfasst auch im Wesentlichen inhaltsgleiche Werke und unterscheidet sich damit vom Sanktionstatbestand in § 27 JuSchG, der die von § 15 Abs. 3 JuSchG in die Vertriebsbeschränkungen einbezogenen wesentlich inhaltsgleichen Trägermedien nicht erfasst.4 Dagegen dürfen indizierte Angebote, die (lediglich) wegen ihrer Jugendschutzproblematik in die Liste nach § 18 JuSchG (vormals in den Teilen A und C) aufgenommen oder mit entsprechenden Werken (im Wesentlichen) inhaltsgleich sind, ausschließlich an Erwachsene in Telemedien verbreitet oder Erwachsenen zugänglich gemacht werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV); die Verbreitung von Rundfunksendungen, die mit diesen indizierten Werken ganz oder im Wesentlich inhaltsgleich sind, ist ausnahmslos unzulässig.5 Einen Verstoß bedroht § 24Abs. 1 Nr. 3 JMStV mit Geldbuße. Pay-per-view-Angebote, bei denen es sich um Fernsehprogramme i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Buchst. e AVMD-RL handelt, werden durch § 2 Abs. 3 MStV aus dem Rundfunkbegriff ausgenommen. Damit sind sie Telemedien i. S. d. Definition des § 2 Abs. 1 S. 3 MStV und fallen unter die Privilegierung nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV. Die Bußgeldbehörde muss sowohl bei Angeboten, die nicht indiziert sind, als auch bei der Fernsehausstrahlung einer geschnittenen Version eines indizierten Kinofilms selbst prüfen, ob diese inhaltlich mit indizierten Angeboten wesentlich übereinstimmen. Da Bußgeldbestimmungen nicht analogiefähig sind (§ 3 OWiG), kann der letzte Halbsatz des § 24 Abs. 1 Nr. 3 JMStV nicht in der Weise interpretiert werden, dass die Verbreitung aller Angebote bußgeldbewehrt sei, die von vergleichbarem Gefährdungspotenzial sind wie indizierte Träger- oder Telemedien. Vielmehr ist nur die Verbreitung oder Zugänglichmachung eines jugendgefährdenden Angebots nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 JMStV mit Geldbuße bedroht, dessen vollständige oder wesentliche Inhaltsgleichheit mit einem konkreten indizierten Träger- oder Telemedium zweifelsfrei festgestellt werden kann.

 NK-JMStV/Erdemir JMStV § 4 Rn. 191.  Vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhG § 2 Rn. 20. 4  Liesching, Jugendschutzrecht, JuSchG § 27 Rn. 3. 5  Zur Verfassungsmäßigkeit s. Hopf, Dissertation, S. 136 ff. 2 3

4.1  Indizierte jugendgefährdende Werke

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4.1.1.2 „Indizierungswirkung“ kraft Gesetzes6 Auch ohne Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien unterliegen schwer jugendgefährdende Trägermedien in bestimmten Fällen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 JuSchG) den (Vertriebs-)Beschränkungen des § 15 Abs. 1 JuSchG. Diese Ausnahme vom „konstitutiven Prinzip der Indizierung“ gilt jedoch nur für Trägermedien und hat für § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l und Nr. 3 JMStV keine Bedeutung. Beide ­Tatbestände knüpfen ausdrücklich an eine bestehende Listenaufnahme durch die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien an. Liegt eine solche nicht vor, sind die genannten Bußgeldtatbestände nicht einschlägig. Soweit die Tatbestände des § 15 Abs. 2 JuSchG Entsprechungen in § 24 Abs. 1 Nr. 1 JMStV haben, gelten die Ausführungen zur Konkurrenz in Nr. 3.1.4.

4.1.2 Wesentlich veränderte Angebote § 4 Abs. 3 JMStV erstreckt das Verbot für indizierte oder mit indizierten Werken im Wesentlichen inhaltsgleiche Angebote auf wesentlich veränderte Angebote – bis zu einer Entscheidung über die veränderten Angebote durch die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien. Wesentlich veränderte Angebote werden jedoch vom Bußgeldtatbestand nicht erfasst. Das ist die Konsequenz der Tatbestandsfassung, die die Androhung einer Geldbuße ausdrücklich auf Angebote beschränkt, die selbst indiziert oder mit indizierten Werken ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Da § 24 Abs. 1 Nr. 3 JMStV auf die Erweiterung des Verbots nach § 4 Abs. 3 JMStV weder im Wortlaut noch durch Verweisung Bezug nimmt, bleibt die Sanktionsnorm hinter der Reichweite des Verbots zurück. Bei der verbotswidrigen Verbreitung oder Zugänglichmachung inhaltlich wesentlich veränderter Fassungen indizierter Angebote sind medienverwaltungsrechtliche Maßnahmen nach §  20 JMStV, aber keine Ahndung mit Geldbuße möglich. Einer ahndungserweiternden Interpretation des § 24 Abs. 1 Nr. 3 JMStV steht der Bestimmtheitsgrundsatz des § 3 OWiG entgegen.

4.1.3 Die nicht offensichtlich jugendgefährdende Fernsehsendung Zwischen der nach Maßgabe des § 23 JMStV strafbaren Verbreitung oder Zugänglichmachung offensichtlich schwer jugendgefährdender Angebote und der Ahndbarkeit entwicklungsbeeinträchtigender Angebote7 nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV klafft eine gravierende Jugendschutzlücke, die unverändert aus dem Rundfunkstaatsvertrag und Mediendienste-Staatsvertrag übernommen wurde. Bei genauem  Die Formulierung verwenden Nikles/Roll/Spürck/Erdemir/Spürck/Erdemir, JuSchG § 15 Rn. 35.  Zur Unterscheidung zwischen Beeinträchtigung und Gefährdung Stettner, ZUM 2003, 425 (436); Liesching, ZUM 2005, 224 (225); s. auch NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 219 einerseits und § 5 Rn. 4 f. andererseits. 6 7

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4 Jugendschutz

Hinsehen drängt sich die Parallelität in der Jugendschutzsystematik des Jugendschutzgesetzes mit der des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages geradezu auf. Allerdings ist die Adaption der Jugendschutzsystematik des seinerzeitigen Gesetzes über jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte in den Rundfunkstaatsvertrag unvollständig geblieben.8 Das Problem wurde in der älteren Literatur nicht erkannt und ist erstmals praktisch geworden im Zusammenhang mit der Ahndung ­(offensichtlich) schwer jugendgefährdender Folgen der Freak-Show in dem Jugendmusiksender MTV. Während nämlich nach dem Jugendschutzgesetz jugendgefährdende und schwer jugendgefährdende Träger- oder Telemedien indiziert werden (§ 18 Abs. 1 JuSchG), kennt der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag die Kategorien der einfachen und schweren Jugendgefährdung nicht.9 Somit besteht die empfindliche Jugendschutzlücke unter der Geltung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags fort: Nicht indizierungsfähige reine Fernsehformate mit jugendgefährdendem oder schwer jugendgefährdendem Inhalt sind im Gesetz nicht namentlich erfasst, würden aber als Telemedien und auf Trägermedien indiziert werden.10 Lediglich dann, wenn ein Rundfunkveranstalter für die Herstellung seiner Sendung den Inhalt eines indizierten Trägermediums ganz oder im Wesentlichen verwendet, greift das Verbot des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. der Bußgeldnorm des § 24 Abs. 1 Nr. 3 JMStV. Zwar ist das Medienverwaltungsrecht analogiefähig, sodass – zumindest bis zum Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der das öffentlich diskutierte Problem nicht aufgegriffen hat11 – die Anordnung eines Verbreitungsverbots jugendgefährdender oder schwer jugendgefährdender Sendungen durch Landesmedienanstalten in Betracht kam, da die Wertung des Gesetzgebers aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 JMStV eindeutig und unmissverständlich ist.12 Eine bußgeldrechtliche Ahndung aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 JMStV ist aber nur bei verbotswidriger Verbreitung oder Zugänglichmachung solcher Angebote möglich, die unmittelbar dem Wortlaut der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 JMStV unterfallen. Eine andere Frage ist, ob ein anderer Tatbestand des § 24 JMStV den Unrechtsgehalt der Verbreitung oder Zugänglichmachung nicht offensichtlich (schwer) jugendgefährdender Angebote umfasst und als Auffangtatbestand fungieren kann; dazu 4.2.

 Bornemann, ZUM 2010, 407 (408); vgl. auch Vielhaber, MMR Beilage 9/2001, 16 (17).  Bornemann, NJW 2003, 787 (789); Hopf, ZUM 2008, 207 (210); NK-JMStV/Erdemir, JMStV §  4 Rn.  229; a.  A. BayVGH, Beschl. v. 17.3.2003, Az. 7 CS 02.2829, BeckRS 2003, 27898, Rn. 20; VG München, Urt. v. 4.11.2004–M 17 K 02.5297, ZUM 2005, 252 (254) mit krit. Anm. Liesching. 10  BCHHG, BayMG Art.  6 Rn.  111, JMStV §  24 Rn.  63; HK-MStV/Bornemann, JMStV §  24 Rn. 26; Hopf, Dissertation, S. 138 ff.; Schumann, ZUM 2004, 697 (700 f.). 11  Daraus könnte gefolgert werden, dass eine bewusste Gesetzeslücke vorliegt, die von der Exekutive nicht im Analogieweg geschlossen werden kann, sodass sich die Frage eines Wertungswiderspruchs neu stellen könnte. 12  So vor dem 19. RÄndStV Bornemann, ZUM 2010, 407 (409 ff.); von Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 4 Rn. 64, als unzulässige bußgeldrechtliche Analogie missverstanden. 8 9

4.2  Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

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4.2 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV enthält ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Tathandlung ist das ungeschützte Verbreiten oder Zugänglichmachen von Angeboten, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, es sei denn, der Anbieter kennzeichnet fahrlässig entgegen § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JMStV sein Angebot mit einer zu niedrigen Altersstufe. Das bedeutet: Die Tatbestandsausnahme („es sei denn“) gilt bei fahrlässiger, nicht aber bei vorsätzlicher Falschkennzeichnung mit einer zu niedrigen Altersstufe. Die Bußgeldandrohung erfasst also die auf Fahrlässigkeit beruhende Falschkennzeichnung noch nicht. Voraussetzung der Tatbestandserfüllung ist also, dass Minderjährige der Altersgruppe, für die das Angebot ungeeignet ist, • weder durch den Einsatz technischer Mittel (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 JMStV), • noch durch eine Alterskennzeichnung, die von geeigneten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden kann (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 JMStV), • noch durch die Wahl geeigneter Sendezeiten (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 JMStV) vom ungehinderten Angebotskonsum abgehalten werden. Falls sich der Anbieter für die Alterskennzeichnung als zugelassenen Schutzmechanismus entscheidet, ist die Ahndbarkeit auf den Fall der vorsätzlichen Kennzeichnung mit einer zu niedrigen Altersstufe, z. B. der Vorspiegelung, ein ab 16 Jahren geeignetes Angebot sei bereits ab 12 Jahren geeignet, beschränkt.13 Das besagt der durch den Neunzehnten Rundfunk­ änderungsstaatsvertrag eingefügte letzte Halbsatz der Bußgeldnorm. Die h. M. stellt für die Feststellung der Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung nicht ausschließlich auf den durchschnittlichen, sondern auch auf den gefährdungsgeneigten Minderjährigen ab.14 Erdemir will diesen Prüfungsmaßstab auf Angebote beschränken, die „von vornherein speziell auf besonders anfällige oder labile Jugendliche zugeschnitten sind“.15 Im Übrigen stellt er auf den durchschnittlichen Minderjährigen der jeweiligen Altersgruppe ab, wobei „die schwächeren und noch nicht so entwickelten Mitglieder einer Alterskategorie angemessen zu berücksichtigen (seien)“.16 Nr. 3.1.3 der Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten geben vor: „Die Beurteilung der Beeinträchtigung hat an den schwächeren und noch nicht so entwickelten Mitgliedern  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 38.  VG Berlin, Urt. v. 9.11.2011 – 27 A 64.07, ZUM 2012, 417 (423); VG Köln, Urt. v. 11. 4.2014 –19 L 1663/13; Urt. v. 2.9.2016 – 19 K 3287/15, MMR 2016, 851; VG Regensburg, Urt. v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177, ZUM-RD 2018, 369 (382 f.); BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 119; HK-MStV/Mellage, JMStV § 5 Rn. 12, 15; Roßnagel/Altenhain, MDStV § 8 Rn. 24; Landmann, in Eberle/Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S. 276 f.; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 5 Rn.  7; a.  A. Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV §  5 Rn.  15  ff.; instruktiv NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 13 ff., 18 ff.; krit. auch Wager/Waldeck, in: Erdemir, Das neue Jugendschutzgesetz, § 3 Rn. 28. 15  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 22. 16  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 21. 13 14

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4 Jugendschutz

der Altersgruppe zu erfolgen. Die mögliche Wirkung auf bereits gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche ist angemessen zu berücksichtigen.“ Wenn man die Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten als Rechtsnormen sui generis mit verbindlichem Anspruch begreift,17 ist damit der Maßstab jedenfalls de lege lata vorgegeben. Im Unterschied zur Jugendgefährdung sind als entwicklungsbeeinträchtigend solche Sendungen zu werten, die die Nerven überreizen, übermäßige Belastungen hervorrufen, die Fantasie über Gebühr erregen, die charakterliche, sittliche und geistige Erziehung hemmen, stören oder schädigen und die Erziehung zu verantwortungsbewussten Menschen in der Gesellschaft behindern.18

4.2.1 Die gesetzliche Vermutung einer Entwicklungsbeeinträchtigung Bei „Angeboten“, die eine Altersfreigabe durch die FSK haben und nach § 14 Abs. 2 JuSchG gekennzeichnet sind, oder Angeboten, die mit solchen im Wesentlichen inhaltsgleich sind, vermutet §  5 Abs.  2 JMStV die Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen der betroffenen Altersstufe. Bei Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 JMStV konnte es sich nicht um „Angebote“ i. S. d. Legaldefinition des § 3 Nr. 1 JMStV handeln, da es Altersfreigaben nach § 14 Abs. 2 JuSchG weder für Telemedien noch für Rundfunksendungen gab. § 14 Abs. 2 JuSchG befand sich vormals im 1. Unterabschnitt des 3. Abschnitts des JuSchG unter der Überschrift Trägermedien. Trägermedien sind aber keine „Angebote“ i. S. d. § 3 Nr. 1 JMStV; das JuSchG verwendet den Begriff „Angebote“ nicht. Die Vermutungsregel hatte aber nur dann einen Anwendungsbereich, wenn die „Angebote“ hier als Trägermedien mit einer Kennzeichnung nach § 14 Abs. 2 JuSchG verstanden wurden. Daraus war zu ersehen, dass die gesetzliche Angebotsdefinition in § 3 Nr. 1 JMStV mit der Behauptung übertreibt, sie gelte für das gesamte Gesetz.19 Durch das 2. JuSchGÄndG vom 9.4.2021 wurden die Unterabschnitte im 3. Abschnitt des JuSchG aufgehoben und die Beschränkung auf Trägermedien in § 14 Abs. 3 JuSchG gestrichen.20 Die amtl. Begr. zur Änderung des § 14 Abs. 3 JuSchG hält fest: „Die Änderung vollzieht die Einführung des einheitlichen Medienbegriffs in § 1 Absatz 1a nach. Die Regelungen und das Verfahren zur Altersfreigabe und entsprechenden Alterskennzeichnung des § 14 werden damit für die freiwillige Vorlage von Filmen und Spielprogrammen in Telemedien anwendbar. Die Änderung

 NK-JMStV/Bornemann JMStV § 15 Rn. 23 ff., 28.  Beck RundfunkR/Geidner JMStV § 5 Rn. 1; HK-MStV/Mellage, JMStV § 5 Rn. 14; Spindler/ Schuster/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 5 f.; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 4 ff. 19  Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV §  3 Rn.  3; NK-JMStV/Gutknecht, JMStV §  3 Rn.  6; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 31; HK-MStV/Mellage, JMStV § 5 Rn. 19 a. E. 20  Das übersieht Liesching, Jugenschutzrecht, JuSchG § 14 Rn. 10, der § 14 JuSchG weiterhin auf Trägermedien beschränkt sieht. 17 18

4.2  Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

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korrespondiert mit § 12 Satz 2 JMStV.“21 Aufgrund der Gesetzeshistorie ist jedoch unzweideutig, dass die Vermutungsregel des § 5 Abs. 2 JMStV jedenfalls auch gilt, wenn das indizierte „Angebot“ ein Trägermedium ist. Von der altersbezogenen Vermutung der Entwicklungsbeeinträchtigung können die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die KJM oder eine von dieser hierfür anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle nach § 9 Abs. 1 Satz 1 JMStV in Richtlinien oder durch Einzelfallentscheidung abweichen. Die gesetzliche Vermutung ist m. a. W. widerleglich. Deshalb kommt eine Ahndung nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV nach einer die Vermutung widerlegenden Entscheidung gem. § 9 Abs. 1 JMStV nicht in Betracht. Allerdings stellt § 24 Abs. 1 Nr. 10 JMStV die Verbreitung oder Zugänglichmachung eines solchen Angebots vor Einholung der entsprechenden Entscheidung unter eine eigene Bußgeldandrohung. Unter Verweis auf die Tatbestandsformulierung vertritt Mitsch die Auffassung, bei einer schlichten Anknüpfung an die Alterseinstufungen nach dem Jugendschutzgesetz sei stets § 24 Abs. 1 Nr. 10 JMStV anwendbar, da die gesetzliche Vermutung für die erforderliche Feststellung der Entwicklungsbeeinträchtigung bei der Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV („die geeignet sind, …“) nicht ausreiche. Vielmehr müsse für die Anwendbarkeit dieses Tatbestandes die Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung nicht nur vermutet, sondern belastbar festgestellt werden.22 Da für beide Bußgeldtatbestände eine identische Bußgeldandrohung gilt, ist die praktische Bedeutung der Unterscheidung gering.

4.2.2 § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV als Auffangtatbestand Mit Geldbuße kann belegt werden, wer entwicklungsbeeinträchtigende Angebote i. S. d. § 5 Abs. 1 JMStV verbreitet oder zugänglich macht, ohne dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Nach der amtl. Begr. zum Gesetzentwurf handelt es sich um einen allgemeinen Auffangtatbestand. Daraus ist zu schließen, dass auch jugendgefährdende oder schwer jugendgefährdende Fernsehangebote, die mangels Offensichtlichkeit der schweren Jugendgefährdung nicht nach § 23 JMStV bestraft werden können, jedenfalls dann nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV mit Geldbuße ahndbar sind, wenn sie ohne ausreichende Jugendschutzvorkehrung (vgl. § 5 Abs. 3 bis 5, § 9 Abs. 2 JMStV) verbreitet oder (Kindern oder Jugendlichen) zugänglich gemacht werden.23

 BT-Drs. 19/2409, 45.  NK-JMStV/Mitsch, § 24 Rn. 40. 23  BCHHG, JMStV §  24 Rn.  64; HK-MStV/Bornemann, JMStV §  24 Rn.  27; Beck RundfunkR/ Schulz/Held, JMStV § 24 Rn. 14a. 21 22

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4 Jugendschutz

Richtlinien oder Entscheidungen nach §  8 Abs.  1 JMStV konkretisieren24 die Pflichten des Anbieters, die dieser nach § 5 Abs. 1 JMStV zu beachten hat. Verstöße gegen Sendezeitbeschränkungen gem. §  8 Abs.  1 JMStV stellen sich deshalb als Nichtbeachtung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 JMStV dar und werden insoweit von § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV erfasst. Bei der Bestimmung des Umfangs der Verpflichtung des Anbieters, der entwicklungsbeeinträchtigende Angebote verbreiten oder zugänglich machen will, sind die Konkretisierungen und Ausnahmen des § 5 Abs. 4 bis 6 JMStV zu berücksichtigen.

4.2.3 Missachtung der Sendezeitgrenzen Während die strafbewehrten offensichtlich schwer jugendgefährdenden Sendungen25 nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JMStV im Rundfunk generell und in Telemedien außerhalb geschlossener Erwachsenengruppen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV) unzulässig sind, dürfen Rundfunksendungen und Inhalte von Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, nicht verbreitet oder zugänglich gemacht werden ohne dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Diese Vorsorge kann in der Wahl von Sendezeiten unter Beachtung der Vorgaben des §  5 Abs. 4 JMStV bestehen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 JMStV). Salopp ausgedrückt, beginnt der vom gesetzlichen Jugendschutz erfasste Tag um 6 Uhr und endet um 23 Uhr. In dieser Zeit müssen Anbieter, die eine öffentliche Gefahrenlage schaffen, sicherstellen, dass ausreichender Schutz der Kinder und Jugendlichen vor diesen Gefahren gewährleistet ist. Von 23 Uhr bis 6 Uhr liegt die Hauptlast der Verantwortung für etwaigen Medienkonsum bei den Eltern. Lediglich besonders gravierende Gefährdungen schließt der Gesetzgeber auch in der Zeit zwischen 23 Uhr und 6 Uhr aus, weil er offenbar die eingeschränkte Wirklichkeitsnähe seiner Vermutung selbst erkennt, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zwischen 23 und 6 Uhr üblicherweise im Bett sind,26 jedenfalls nicht vor dem Radiogerät oder dem Fernseher sitzen und nicht im Internet surfen. Deshalb sind (offensichtlich schwer) jugendgefährdende Angebote im Rundfunk generell verboten.27 Strafbar ist indes nur die schwere Jugendgefährdung, die auch offensichtlich ist; die Offensichtlichkeit ist objektive Strafbarkeitsbedingung.28

 BCHHG, BayMG Art. 10 Rn. 31 ff.; DKC HdB-Medienrecht/Cole/Ukrow, H Rn. 107; vgl. auch HK-RStV, RStV § 46 Rn. 4; a. A. BayVGH, Urt. v. 23.3.2011 – 7 BV 09.2517, MMR 2011, 557 (560), dagegen Bornemann, ZUM 2012, 89 (91). 25  S. dazu BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 104 ff.; HK-MStV/Ukrow, JMStV § 4 Rn. 382 ff. 26  „Kinder sehen auch nachts fern“, Hopf, Dissertation, S. 114 f.; vgl. auch BVerfG, ZUM 2011, 234 – Ultimate Fighting. 27  Vgl. Bornemann, ZUM 2010, 407 (410). 28  BCHHG, JMStV §  23 Rn.  11; HK-MStV/Bornemann, JMStV §  23 Rn.  15; offengelassen NK-JMStV/Mitsch, JMStV §  23 Rn.  6, 28, 39; a.  A.  NK-MedienstrafR/Krawczyk, JuSchG § 27 Rn. 56. 24

4.2  Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

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§ 5 Abs. 4 Satz 1 JMStV enthält den Grundsatz, dass die Verbreitung oder das Zugänglichmachen entwicklungsbeeinträchtigender Angebote nach 23 Uhr und bis 6 Uhr am nächsten Morgen zulässig ist. § 5 Abs. 4 Satz 2 JMStV setzt die allgemeine Sendezeitgrenze von 23 Uhr für Angebote, die geeignet sind, unter 16-­Jährige in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen, auf 22 Uhr herab. Den speziellen Fall des Anbietens von Filmen, die nach § 14 Abs. 2 JuSchG unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, behandelt § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV und ordnet ohne konkrete Zeitfestlegung an, bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Der Begriff der „Sendezeit“ ist verwirrend, da die Vorschrift ausweislich der amtl. Begr. auch für Telemedien gelten soll.29 Es sei gefordert, auf die besonderen Sehgewohnheiten der betroffenen Kinder Rücksicht zu nehmen.30 §  15 Abs. 2 JMStV ermächtigt die Landesmedienanstalten übereinstimmende Satzungen und Richtlinien zur Durchführung des Jugendmedienschutz-­Staatsvertrages zu erlassen. Davon haben die Landesmedienanstalten grundsätzlich Gebrauch gemacht. Die hier einschlägigen Jugendschutzrichtlinien31 legen sich in Nr. 3.2.3 nur insoweit fest, als ein Anbieter mit der Wahl einer Sende- oder Zugriffszeit nach 20 Uhr seine Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 JMStV erfüllt. Eine Verpflichtung zur Einhaltung der Sendeoder Zugriffszeit nach 20 Uhr enthält die Richtlinie nicht. Ein Anbieter, der keinerlei Vorkehrungen trifft, durch Sendezeitwahl dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen, verstößt gegen die gesetzliche Pflicht. Ob eine Sende- oder Zugriffszeit für die Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren beeinträchtigender Filme i. S. d. § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV vor 20 Uhr einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV darstellt, ist anhand des Einzelfalls zu prüfen, wobei die Prüfkriterien unklar sind. Damit dürfte der Bußgeldtatbestand praktisch leerlaufen.

4.2.4 Vorsorge auf andere Weise Bei den technischen oder sonstigen Mitteln des § 5 Abs. 3 JMStV wird es sich im Rundfunk hauptsächlich um eine besondere Verschlüsselung handeln. Der für das digital verbreitete Fernsehen geltende § 9 Abs. 2 JMStV stellt hierfür genauere Vorgaben auf und ermächtigt die Landesmedienanstalten übereinstimmendes Satzungsrecht zu erlassen, das die Voraussetzungen für ein Abweichen von den Sendezeitbeschränkungen des § 5 Abs. 4 JMStV konkretisieren kann.32 Telemedienanbieter können Sendezeitbeschränkungen für entwicklungsbeeinträchtigende Angebote vermeiden, indem sie ihre Angebote mit einer Alterskennzeichnung versehen, die von geeigneten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden kann (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 JMStV). Nutzen Anbieter die genannten technischen Möglichkeiten nicht, handeln sie pflichtwidrig, wenn sie die (Sende-)Zeiten des § 5 Abs. 4 JMStV nicht einhalten.

 S. auch Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 72; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 76.  Amtl. Begr., z. B. Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, S. 17. 31  http://www.kjm-online.de/files/pdf1/JuSchRiL.pdf; die bayerische Ausfertigung ist abgedruckt bei BCHHG, BayMG, Bd. II (Textsammlung), Signatur 3.2.7. 32  Dazu näher NK-JMStV/Gundel, JMStV § 9 Rn. 11 ff. 29 30

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4 Jugendschutz

Außer den technischen oder sonstigen Mitteln nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JMStV steht Telemedienanbietern eine weitere Erleichterung zur Verfügung. Bei Angeboten, die nur auf Kinder unter 14 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend wirken, reicht es nach § 5 Abs. 5 JMStV aus, wenn diese Angebote getrennt von für Kinder bestimmten Angeboten verbreitet oder zum Abruf bereitgehalten werden. Faktisch betrifft das nur die Altersfreigaben ohne Altersbeschränkung und ab sechs Jahren, da die nächste Stufe in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und im Rahmen des § 5 Abs. 2 JMStV i. V. m. § 14 Abs. 2 JuSchG (ab 12 Jahren) auch für junge Jugendliche bis einschlich 15 Jahren gilt und das Gesetz eine Zwischenstufe „ab vierzehn Jahren“ nicht kennt. Soweit kein Trägermedium mit Altersfreigabe verwendet wird, ist für das Telemedium eine originäre Bewertung der Alterseignung vorzunehmen. Dabei ist auf die Eignung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres abzustellen. Eine Ordnungswidrigkeit begeht der Telemedienanbieter, der die Entwicklung von unter 14-Jährigen beeinträchtigende Inhalte zusammen mit für Kinder bestimmten Angeboten verbreitet oder abrufbar macht.

4.2.5 Ausnahmen für digital verbreitetes Fernsehen Unklar war zunächst, ob § 9 Abs. 2 JMStV die Landesmedienanstalten lediglich ermächtigt, die Ausnahmen von Sendezeitbeschränkungen bei der Verwendung einer bestimmten Verschlüsselungstechnik näher zu bestimmen, oder ob der Erlass solcher übereinstimmenden Satzungen der Landesmedienanstalten Voraussetzung dafür ist, dass von den Sendezeitbeschränkungen des §  5 Abs.  4 JMStV abgewichen werden kann. Die amtl. Begr. zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag deutet zumindest in die Richtung, dass die Veranstalter digital verbreiteter Fernsehprogramme nur dann von den Sendezeitbeschränkungen abweichen durften, wenn die Landesmedienanstalten entsprechend übereinstimmende Satzungen erlassen und die gesetzlich vorgesehene „Vorsperre“ näher konkretisiert hätten.33 Laut der amtl. Begr. zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag entsprach in diesem Punkt die „neue“ (2003) der vorherigen Rechtslage.34 Allerdings kann nicht übersehen werden, dass die früheren Unterschiede in der Angebotsform zwischen analog und digital verbreitetem Fernsehen seit Einstellung der analogen Erstverbreitung keine Rolle mehr spielen. Insofern ist das Nebeneinander der in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JMStV genannten technischen Mittel und der besonderen Verschlüsselung nach §  9 Abs.  2 JMStV neu zu bewerten. Die seit dem 1.10.2016 geltende Fassung des § 9 Abs. 2 JMStV ist so zu interpretieren, dass der Erlass einer entsprechenden Satzung fakultativ ist.35

 Vgl. Bayer. Landtag, Drs. 14/1832, S. 21.  Vgl. Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, S. 19. 35  NK-JMStV/Gundel, JMStV § 9 Rn. 12. 33 34

4.2  Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

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4.2.6 Das Berichterstattungsprivileg in § 5 Abs. 6 JMStV Ferner schränkt das Berichterstattungsprivileg in § 5 Abs. 6 JMStV die Verpflichtung ein dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe das Angebot üblicherweise nicht wahrnehmen. Denn § 5 Abs. 1 JMStV „gilt nicht“ für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbaren Angeboten in Telemedien, es sei denn, es besteht kein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung. Für Darstellungen im Rahmen bestehenden Berichterstattungsinteresses entfällt die Pflicht zur Sendezeitbeachtung oder zum technischen Ausschluss des Zugangs von Kindern und Jugendlichen der betroffenen Altersstufen. Auch in diesem Fall liegt folglich kein Verbreiten oder Zugänglichmachen eines Angebots ­„entgegen § 5 Abs. 1“ vor, sodass es schon an der Tatbestandserfüllung der Ordnungswidrigkeit, d. h. an einer mit Geldbuße bedrohten Handlung i. S. d. § 1 Abs. 2 OWiG fehlt. Während die Privilegierung zuvor nur bei positiv festgestelltem besonderem Berichterstattungsinteresse galt, das sich auch auf die Form der Darstellung beziehen musste, ist die Beweislast nunmehr umgekehrt: Nicht der Anbieter muss sein Angebot mit einem besonderen Berichterstattungsinteresse verteidigen, sondern der Verstoßvorwurf steht und fällt mit dem Nachweis des fehlenden besonderen Interesses an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung durch die Aufsichtsbehörde. Die Privilegierung hat also eine wesentlich stärkere Bevorzugung der Medienfreiheiten und des Informationsinteresses gegenüber Belangen des Jugendschutzes erfahren. Umso mehr sind Versuche abzuwehren, die Privilegierung erweiternd zu interpretieren. Eine erweiternde Interpretation brächte nämlich die notwendige Austarierung zwischen mehreren Verfassungsgütern aus dem Gleichgewicht. Der Umstand, dass § 5 Abs. 6 JMStV das Ergebnis der Abwägung des Gesetzgebers zwischen Informations- und Medienfreiheiten auf der einen und den Belangen des Jugendschutzes auf der anderen Seite darstellt, ändert nichts daran, dass die Vorschrift für bestimmte – eng begrenzte Fälle – faktisch zu einer Suspendierung des Jugendschutzes führt. Das ist nur deshalb nicht verfassungswidrig, weil es eben das Ergebnis der Abwägung konfligierender Verfassungsgüter durch den Gesetzgeber ist, der hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum genießt. Der Norminterpret genießt diesen Gestaltungsspielraum nicht und muss sich an das Gesetz halten. Der Einwand, bei der Privilegierung handle es sich um keine Ausnahmevorschrift im rechtstechnischen Sinn,36 berechtigt gleichwohl nicht zu einer Privilegerweiterung praeter legem, die von der gesetzgeberischen Abwägung und Austarierung der konfligierenden Verfassungsgüter nicht mehr gedeckt ist. Dabei kann nicht ausgeblendet werden, dass die Staatsvertragsparteien ohne Reaktion auf die Kontroverse in der Literatur bei der Änderung des § 5 Abs. 6 JMStV an der stringenten Formulierung festgehalten haben. Denn es wäre ein Leichtes gewesen, die Privilegierung analog den strafrechtlichen Berichterstattungsprivilegien auf Sendungen zur (Zeit-)Geschichte auszudehnen (vgl. § 86 Abs. 3, darauf verweisend § 86a Abs. 3, § 130 Abs. 7, § 130a Abs. 4 StGB), wenn das gewollt gewesen wäre. Zumal 36

 So NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 80 f.

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4 Jugendschutz

der Begriff der „Zeitgeschichte“, wie für andere Bereiche des Medienrechts geklärt ist, auch das Zeitgeschehen umfasst, das sich jedoch nur auf die Gegenwart bezieht.37 Eine Ausdehnung der Privilegierung für Sendungen zum politischen Zeitgeschehen auf geschichtliche Vorgänge ist deshalb noch mehr als unter der vormaligen Rechtslage abzulehnen.38 Soweit eine Angebotsgestaltung nicht gelingt, welche die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht beeinträchtigen kann, erscheint es bei nicht aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen nicht unverhältnismäßig, den Anbieter ebenso wie die erwachsenen Adressaten seines Angebots auf kinder- und jugendsichere Zeiten oder geschützte Angebotsformen zu verweisen. Inwieweit die Konfrontation von Kindern und Jugendlichen mit den hässlichen Seiten der Realität ihre Entwicklung zu beeinträchtigen geeignet ist, kann nicht abstrakt-generell bestimmt,39 sondern nur in einer sachverständigen Einzelfallprüfung konkret ermittelt werden. Altenhain lehnt dieses Ergebnis mit dem Hinweis darauf ab, dass nach § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV für die absoluten Unzulässigkeitstatbestände, die auf Straftatbestände des Kernstrafrechts verweisen, für die der Strafgesetzgeber ein Berichterstattungsprivileg geregelt hat, § 86 Abs. 3 StGB a. F. entsprechend gilt, der eine Verbotsausnahme ausdrücklich für die „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ enthält.40 In der Sache läuft das auf eine partielle Normverwerfung wegen eines angenommenen Wertungswiderspruch des Gesetzes hinaus. So einfach liegen die Dinge indes nicht. Zum einen erfasst § 4 Abs. 1 Satz 2 die Verbotstatbestände in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7–11 nicht. Zum anderen enthält § 4 Abs. 1 Satz  1 JMStV absolute Verbreitungsverbote; die Verbotstatbestände dienen zu einem erheblichen Teil nicht nur dem Kinder- und Jugendschutz, sondern auch dem Erwachsenenschutz, überwiegend durch Schutz strafrechtlich geschützter Rechtsgüter. § 5 JMStV enthält demgegenüber nur Verbreitungsbeschränkungen zum zielgerichteten Kinder- und Jugendschutz. Selbst wenn sich die Privilegierung in § 4 Abs. 1 Satz 2 JMStV durch schlichte Verweisung auf strafrechtliche Berichterstattungsprivilegien als zu grobschlächtig erweisen sollte, kann das nicht vom Normanwender durch Missachtung des Wortlauts einer unter Jugendschutz- wie Informationsinteressen sorgfältig abgewogenen Gesetzesbestimmung „korrigiert“ werden. Der Verwerfungskompetenz des BVerfG bleibt es vorbehalten, den Gesetzgeber zu einer Nachbesserung aufzufordern, sollte dies verfassungsrechtlich geboten sein.

 Vgl. BeckOK InfoMedienR/Herrmann KunstUrhG §  23 Rn.  2  f.; BCHHG, BayMG Art.  6 Rn. 133. 38  Zutreffend Hopf/Braml, ZUM 2016, 1001 (1004); Hopf, ZUM 2009, 191 (195); vgl. auch HK-MStV/Mellage, JMStV § 5 Rn. 37; a. A. Liesching, MMR 2020, 87 (89);Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 5 Rn. 82; Beck RundfunkR/Geidner, JMStV § 5 Rn. 23; Spindler/Schuster/ Erdemir, JMStV § 5 Rn. 83 f. 39  Der Versuch von Liesching, ZUM 2009, 367 (368) überzeugt nicht. 40  HSH MMR-HdB/Altenhain Teil 20 Rn. 92. 37

4.3  Schutzvorkehrungen in Video-Sharing-Diensten

93

4.2.7 Angebote mit Inhalten periodischer Druckerzeugnisse Für die elektronische Presse sind die Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 JMStV, Schutz vor Wahrnehmung entwicklungsbeeinträchtigender Angebote durch Kinder oder Jugendliche zu gewährleisten, nach § 5 Abs. 7 JMStV erst verbindlich, nachdem die KJM – unter Berücksichtigung des Berichterstattungsprivilegs nach § 5 Abs. 6 JMStV – gegenüber dem Anbieter festgestellt hat, dass ein konkretes Angebot entwicklungsbeeinträchtigend ist.41 Die Privilegierung ist beschränkt auf die elektronische Ausgabe periodischer Printerzeugnisse, z. B. von Tageszeitungen.42 Der Anbieter des entwicklungsbeeinträchtigenden Angebots, das als elektronische Version mit dem Inhalt eines periodisch erscheinenden Druckwerks übereinstimmt, muss ab Wirksamwerden der Feststellung der KJM, deren Zuständigkeit und Befugnis sich unmittelbar aus § 5 Abs. 7 JMStV ergibt, Vorsorgemaßnahmen i. S. d. § 5 Abs. 3–5 JMStV treffen. Die Feststellung der KJM beruht nicht auf § 20 Abs. 1 JMStV, weil der Adressat bis zur Feststellung noch gegen keine Vorschrift des JMStV verstoßen hat; das wäre aber Voraussetzung für die Anordnungsbefugnis nach § 20 Abs. 1 JMStV. Die Feststellung löst gleichwohl Rechtswirkungen aus und ist als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG zu qualifizieren, den die KJM nicht selbst erlassen, sondern nur als internes Willensbildungsorgan einer Landesmedienanstalt beschließen kann. Rechtlich existent wird die Feststellung durch Bekanntgabe nach § 41 VwVfG gegenüber dem Anbieter, die durch das außenvertretungsberechtigte Organ, d.  h. den Direktor bzw. Präsidenten der Landesmedienanstalt zu bewirken ist. Gegen diesen feststellenden Verwaltungsakt kann der Adressat Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO erheben; ein Vorverfahren findet nach § 110 MStV nicht statt. Die Anfechtungsklage hat nach § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung. Daraus folgt, dass die Verpflichtung des Anbieters zur Beachtung des § 5 Abs. 1 S. 1 JMStV eine vollziehbare Feststellung der KJM voraussetzt. Falls die Voraussetzungen vorliegen, kann die zuständige Landesmedienanstalt nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung anordnen.

4.3 Schutzvorkehrungen in Video-Sharing-Diensten Der durch Art. 3 MOModStV als § 24 Abs. 1 Nr. 4a JMStV eingefügte Bußgeldtatbestand korrespondiert mit der gleichzeitig für Video-Sharing-Diensteanbieter eingefügten Verhaltensnorm in §  5a JMStV. §  5a JMStV dient der Umsetzung des Art. 28b AVMD-RL43 und unterlag insoweit nicht der Notifizierungspflicht,44 sodass keine europarechtlichen Einwände wegen unterbliebener Notifizierung der Änderung des JMStV durch Art. 3 MOModStV45 gegen die Norm bestehen.  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5 Rn. 84.  HK-MStV/Mellage, JMStV § 5 Rn. 39. 43  S. amtl. Begr., BayLT-Drs. 18/7640, 117. 44  Vgl. NK-JMStV/Gundel, JMStV §  27 Rn.  3; a.  A. Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 5a Rn. 1. 45  S. dazu BCHHG, JMStV § 2 Rn. 20; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 27 Rn. 3. 41 42

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4 Jugendschutz

Bußgeldbewehrt ist das Unterlassen angemessener Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten schützen sollen. Die rechtsstaatlich bedenkliche Weite des unbestimmten Rechtsbegriffs „angemessene Maßnahmen“46 wird durch die Regelbeispiele in § 5a Abs. 2 JMStV zurückgenommen. Im Zusammenspiel von §  5a Abs.  1 u. 2 JMStV sind die Regelbeispiele so zu lesen, als stünde im Normtext jeweils das Adjektiv „geeignete“ vor dem Wort „Systemen“, da nicht geeignete Systeme keine angemessene Maßnahme wären, um Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten zu schützen.47 § 5b JMStV aktiviert das Schutzkonzept der §§ 10a und 10b TMG. §§ 10a und 10b TMG sind subsidiär gegenüber § 3 NetzDG, der nur für Anbieter sozialer Netzwerke gilt, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG) und mindestens zwei Millionen registrierte Nutzer haben (arg.: § 1 Abs. 2 NetzDG). §§  10a und 10b TMG gelten  – wie auch §  5a JMStV  – dezidiert für Videosharingplattform-­ Dienste, in der Nomenklatur des Rundfunkrechts Video-­ Sharing-­Dienste, und ist insoweit spezieller als § 24a JuSchG, der sich allgemein an gewerbsmäßige Host-­Provider richtet (§ 24a Abs. 1 Satz 1 JuSchG), die mindestens eine Million Nutzer haben (arg.: § 24a Abs. 3 JuSchG).48 § 24a Abs. 2 Nr. 2 JuSchG ist wiederum insoweit, als es die Bereitstellung eines Melde- und Abhilfeverfahren „mit einer für Kinder und Jugendliche geeigneten Benutzerführung …“ fordert, spezieller. Inhaltlich ist § 24a JuSchG auf die „Schutzziele des Kinder- und Jugendmedienschutzes“ nach § 10a JuSchG fokussiert und wirkt insoweit spezieller als §§ 10a und 10b TMG, die als solche inhaltsneutral sind und stets mit den Normen des Landes- oder Bundesrechts zusammengelesen werden müssen, durch die sie aktiviert werden.49 Zusammen mit § 5a JMStV decken §§ 10a und 10b TMG dasselbe Themen­ spektrum ab, sodass daraus kein Vorrang für § 24a JuSchG abgeleitet werden kann – es sei denn, § 5a JMStV wäre wegen Kompetenzüberschreitung der Länder nichtig. Das Verhältnis von § 24a JuSchG einerseits zu § 5a JMStV und andererseits zu § 5b JMStV i. V. m. §§ 10a und 10b TMG ist umstritten.

4.4 Unzulässige Programmankündigungen Bis zum Inkrafttreten des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags unterlagen Programmankündigungen mit Bewegtbild (sog. Trailer) für Sendungen, die Sendezeitgrenzen unterliegen, denselben Sendezeitbeschränkungen wie die Sendung, die sie ankündigten.50 Dadurch sollte verhindert werden, dass durch Programm­ ankündigungen mit Bewegtbildern Anreize für Kinder oder Jugendliche geschaffen  Krit. NK-JMStV/Mitsch JMStV § 24 Rn. 41.  BCHHG, JMStV § 24 Rn. 70. 48  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 10a Rn. 10. 49  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG, § 10a Rn. 9. 50  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5c Rn. 7; so schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des JMStV BVerwG, Urt. v. 11.3.1998 – 6 C 12.97, ZUM 1998, 584 m. krit. Besprechung H. Schumann, ZUM 1998, 909. 46 47

4.5  Verletzung der Warnhinweispflicht

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werden, gerade diese entwicklungsbeeinträchtigenden Angebote im nachfolgenden Programm zu konsumieren.51 Es kam nicht darauf an, ob der Trailer selbst entwicklungsbeeinträchtigende Sequenzen enthielt. Durch den Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde § 10 Abs. 1 JMStV auf die bereits von § 5 Abs. 1 JMStV umfasste Selbstverständlichkeit ­reduziert, dass Programmtrailer ebenso keine Inhalte enthalten dürfen, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen, wie die Sendungen, die sie ankündigen. Die amtl. Begr. wollte den Abgeordneten der Länderparlamente weismachen, die Änderung diene der Klarstellung. Tatsächlich handelte es sich um eine faktische Streichung der vormaligen Trailerregelung.52 Der ehemals selbstständige Bußgeldtatbestand in § 24 Abs. 1 Nr. 11 JMStV a. F. (nunmehr: § 24 Abs. 1 Nr. 4b MStV) hat seither keinen Anwendungsbereich mehr, da er vollständig in § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV enthalten ist. Einen eigenen Anwendungsbereich hätte der Bußgeldtatbestand nur dann, wenn Programmankündigungen den Angebotsbegriff des §  3 Nr.  1 JMStV nicht erfüllen würden. In Telemedien würden sie als „Inhalt“ den „Angebotsbegriff“ sicher erfüllen. Sollten Programmankündigungen im Rundfunk den „Sendungsbegriff“ (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 MStV) nicht erfüllen, bedürfte es zu ihrer Erfassung des Tatbestandes in § 24 Abs. 1 Nr. 4b JMStV. Programmankündigungen sind, insbesondere, wenn sie aus Programmauszügen bestehen, Teil des redaktionellen Programms.53 Es ist nicht ersichtlich, warum ein Programmtrailer keine Sendung, sein sollte, die § 2 Abs. 2 Nr. 3 MStV definiert als inhaltlich zusammenhängenden, geschlossenen und zeitlich begrenzten Einzelbestandteil eines Sendeplans oder Katalogs „unabhängig von seiner Länge“.

4.5 Verletzung der Warnhinweispflicht Durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16.7./31.8.1999 sind die Rundfunkveranstalter verpflichtet worden, Sendungen, die nach § 3 Abs. 2 und 3 RStV a. F. „nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreitet werden dürfen“, durch akustische Zeichen anzukündigen oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung zu kennzeichnen. Zunächst schrieb § 10 Abs. 2 JMStV diese Rechtslage fort und machte durch Abstellen auf eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren deutlich, dass auch solche Sendungen erfasst wurden, die „nur“ zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verbreitet werden dürfen. Denn durch Sendungen, die sogar für 16- bis 18-Jährige entwicklungsbeeinträchtigend sind, werden auch unter 16-Jährige in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.54 Weil die Vorschrift sich im II. Abschnitt des Staatsvertrages befand, der nur für Rundfunk gilt, war zunächst in § 24 Abs. 1 Nr. 12 JMStV a. F. nur das Verbreiten von Sendungen – und nicht das Zugänglichmachen von Angeboten – ohne akustische Ankündigung oder andauernde optische Kennzeichnung unter Bußgeldandrohung gestellt.  Beck RundfunkR/Hertel, § 10 JMStV Rn. 2.  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5c Rn. 8. 53  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 70 Rn. 17. 54  Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 10 Rn. 23. 51 52

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4 Jugendschutz

Das haben die Staatsvertragsparteien mit Erlass des MOModStV vom. 14./28.4.2020 geändert und die Regelung in § 5c JMStV verschoben, d. h. in den I. Abschnitt mit den allgemeinen Vorschriften. Nunmehr gilt die Kennzeichnungspflicht auch für Telemedien. Die Sanktionsnorm findet sich in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4c JMStV. Sie enthält ein Begehungs- und kein Unterlassungsdelikt.55 Bußgeldbewehrt ist das Anbieten einer Sendung ohne entsprechende Kennzeichnung, d. h. aktives Tun. Verhaltens- und Sanktionsnorm stellen allerdings nach wie vor auf „Sendungen“ ab. Der Begriff der „Sendung“ wird zwar im Rahmen der Angebotsdefinition genannt (vgl. § 3 Nr. 1 JMStV), aber für den Anwendungsbereich des JMStV nicht eigens definiert. Teils wird auf den erweiterten Sendungsbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 3 MStV zurückgegriffen, der eine Sendung als „Einzelbestandteil eines Sendeplans oder Katalogs“ definiert.56 Der Sendeplan kommt in der Rundfunkdefinition des § 2 Abs. 1 S. 1 MStV vor, der Katalog in der Definition des rundfunkähnlichen Telemediums (§ 2 Abs. 2 Nr. 13). Inhalte von nicht rundfunkähnlichen Telemedien, denen es mangels anbieterseitigen Katalogs an der Sendungsqualität fehlt, werden zwar von der Angebotsdefinition in § 3 Nr. 1 JMStV, nicht aber von der Kennzeichnungspflicht in § 5c Abs. 2 JMStV erfasst, die auf Sendungen beschränkt ist. Im Unterschied zur Bestimmung über die Kennzeichnung von Rundfunkwerbung (§  8 Abs.  3 Satz 3 MStV) und der Rundfunkwerbung entsprechender Werbung in rundfunkähnlichen Telemedien (§ 8 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 74 Satz 1 MStV) sagt § 5c Abs. 2 JMStV nicht, dass die Kennzeichnung „dem Medium angemessen durch optische oder akustische Mittel“ zu bewirken sei. Auch die amtl. Begr. zur Vorgängerbestimmung in § 10 Abs. 2 JMStV a. F. ging nicht in diese Richtung, sondern verwies lediglich auf den seinerzeit geltenden Art. 22 Abs. 3 EG-FsRL (später Art. 27 Abs. 3 AVMD-RL a. F.), der ausschließlich für das Fernsehen und nicht für den Hörfunk galt. Zwischenzeitlich hat die EU die Anbieterpflicht, „ausreichende Informationen über Inhalte zu geben, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können“, allgemeiner gefasst und durch Aufnahme in Art. 6a Abs.  3 AVMD-RL auf alle audiovisuellen Mediendienste erstreckt.57 §  5c Abs.  2 JMStV entspricht der europarechtlichen Vorgabe und geht darüber hinaus, indem er auch Hörfunk erfasst.58 Demnach besteht für den Anbieter ein Wahlrecht, entwicklungsbeeinträchtigende Angebote entweder akustisch vor Beginn anzukündigen oder in geeigneter Weise durch optische Mittel als ungeeignet für die entsprechende Altersstufe kenntlich zu machen.59 Auf den Displays digitaler Hörfunkgeräte können nunmehr auch Hörfunksendungen optisch gekennzeichnet, im Übrigen aber nur akustisch angekündigt werden. Die Kennzeichnungspflicht ist wegen des potenziell von der Kennzeichnung ausgehenden Reizes gerade für empfängliche Kinder und Jugendli-

 NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 43.  HK-MStV/Mellage, JMStV § 5c Rn. 4; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5c Rn. 2; a. A. Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 5c Rn. 5 f.; BeckOK JMStV/Liesching, JMStV § 5c Rn. 4. 57  Vgl. HK-MStV/Mellage, JMStV § 5c Rn. 11. 58  Ebenso HK-MStV/Mellage, JMStV § 5c Rn. 2. 59  NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5c Rn. 10. 55 56

4.6  Jugendschutz in Werbung und Teleshopping

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che umstritten.60 Letztlich wirkt die Kennzeichnung als Appell an solche Erziehungsberechtigten, die selbst vor dem Fernseher oder Radiogerät sitzen und nicht bedenken, dass es nach Meinung des Gesetzgebers für ihre Kinder Zeit wäre, ins Bett zu gehen. Sind die Eltern nicht zu Hause, kann die Kennzeichnung einen unerwünschten Anreiz für die zu Schützenden geben, gerade diese Sendungen anzuschauen. Nach der amtl. Begr. „soll eine Kennzeichnungsmöglichkeit gewählt werden, die zusätzliche Werbeeffekte für jugendgefährdende Sendungen vermeiden hilft.“61 Dieser Appell an die Veranstalter hat keinen Niederschlag im Gesetzestext gefunden, ergibt sich aber mittelbar aus dem Zweck der Kennzeichnungspflicht. Bei nicht gekennzeichneter Ausstrahlung außerhalb der erlaubten Sendezeit ist wegen tateinheitlicher Verwirklichung beider Bußgeldtatbestände (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 und 4c JMStV) eine schuldangemessen erhöhte Geldbuße festzusetzen.62

4.6 Jugendschutz in Werbung und Teleshopping Anders als zunächst im Rundfunkstaatsvertrag (vgl. noch § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 22 RStV, nunmehr § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 23 MStV) sind bußgeldbewehrte Verstöße gegen Verpflichtungen der Anbieter im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag einzeln nummeriert. Dadurch erreicht die Bußgeldbestimmung des Jugendmedienschutz-­Staatsvertrags eine größere Übersichtlichkeit. Angesichts des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatzes ist diese Gesetzgebungstechnik zu begrüßen. Die Bußgeldandrohung gilt für Werbeverstöße und durch Verweisung auf § 6 Abs. 6 JMStV entsprechend für Teleshopping. Verstöße gegen § 6 Abs. 2 bis 5 JMStV sind nicht als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet und nicht mit Geldbuße bedroht. Für den Bereich des Rundfunkfinanzierungsrechts definiert § 2 Abs. 7 MStV Werbung als „jede Äußerung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen ist. Werbung ist insbesondere Rundfunkwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung; § 8 Abs. 9 und § 22 Abs. 1 Satz 3 bleiben unberührt.“ Entgegen verbreiteter Auffassung ist dieser Werbebegriff nicht ohne Weiteres den Verhaltensnormen des JMStV zugrunde zu legen. Vielmehr muss der ordnungsrechtliche Werbebegriff jeweils normzweckgerecht ermittelt werden.63  Vgl. BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 212; Hopf, Dissertation, S. 184 ff.; Landmann, in Eberle/Rudolf/Wasserburg, Mainzer Rechtshandbuch, S.  291 (Rn.  121); NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 5c Rn. 13. 61  Bayer. Landtag, Drs. 14/1832, S. 20. 62  Vgl. Lemke/Mosbacher, OWiG § 19 Rn. 5 f. 63  BCHHG, BayMG Art.  6 Rn.  141; HK-MStV/Kreile, JMStV §  6 Rn.  3; NK-JMStV/Schwartmann, JMStV §  6 Rn.  3; a.  A.  Beck RundfunkR/Ladeur, JMStV §  6 Rn.; Roßnagel/Altenhain, JMStV § 6 Rn. 10; Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 6 Rn. 2. 60

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4 Jugendschutz

Die Ordnung der verschiedenen Finanzierungsarten des Rundfunks durch den Medienstaatsvertrag hat ein völlig anderes Normziel als die jugendschutzrechtlichen Werberestriktionen.64 Vom Werbebegriff jedenfalls des § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV sind deshalb nicht nur die Schleichwerbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 9 MStV sowie die verbotene Ideenwerbung nach Maßgabe des § 8 Abs. 9 Satz 1 MStV umfasst, sondern jede Anpreisung indizierter Angebote in Rundfunk und Telemedien, gleichviel, ob sie im Rahmen des redaktionellen Programms oder eines speziell gekennzeichneten Werbeprogramms oder im Rahmen eines Sponsorhinweises verbreitet wird.65

4.6.1 Werbung für indizierte Angebote § 24 Abs. 1 Nr. 5 JMStV bedroht das Verbreiten oder Zugänglichmachen unzulässiger Werbung für indizierte Angebote nach § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV mit Geldbuße. Unter denselben Bedingungen, unter denen indizierte Angebote verbreitet oder zugänglichgemacht werden dürfen, ist auch die Werbung für diese Angebote erlaubt. Darüber hinausgehende Werbung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Eindeutig ist die Vorschrift im Hinblick auf Werbung in Rundfunk oder Telemedien für indizierte Telemedien. Nicht eindeutig ist sie im Hinblick auf Werbung für indizierte Trägermedien, die nicht unter den „Angebotsbegriff“ des § 3 Nr. 1 JMStV fallen. Die Werbung („anpreisen“) für indizierte Trägermedien durch das Verbreiten von Träger- oder Telemedien (§ 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG) ist eine Straftat (§ 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 JuSchG). Rundfunkwerbung für indizierte Trägermedien wird nur dann von der Bußgeldandrohung in § 24 Abs. 1 Nr. 5 JMStV erfasst, wenn man den „Angebotsbegriff“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV – ähnlich wie in § 5 Abs. 2 JMStV – in einem erweiterten Sinn versteht.66 Dafür sprechen Sinn und Zweck des Verbots sowie die Erkenntnis, dass der „Angebotsbegriff“ im JMStV entgegen dem durch § 3 Nr. 1 JMStV erzeugten Schein recht heterogen verwendet wird.67 Zwar unterscheidet der Gesetzeswortlaut in § 6 Abs. 1 Satz 3 JMStV, also innerhalb desselben Absatzes der Vorschrift, zwischen Angeboten und Trägermedien, für die ein Indizierungsverfahren anhängig ist

 Ähnlich wie beim glücksspielrechtlichen Internet-, Telefon- und Fernsehwerbeverbot, dazu Bornemann, K&R 2012, 653 (654); BayVGH, Beschl. v. 20.8.2020 – 7 CS 20.356, ZUM-RD 2021, 58 Rn. 16. 65  VG Regensburg, Urt. v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177, ZUM-RD 2018, 369 (381 f.); VG München Urt. v. 14.12.2017 – 17 K 16.4916, BeckRS 2017, 159319, Rn. 28, Zurückweisung des Antrags auf Berufungszulassung: BayVGH Beschl. v. 26.11.2020  – 7 ZB 18.708, BeckRS 2020, 36178; BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 141; NK-JMStV/Schwartmann, JMStV § 6 Rn. Rn. 3; s. auch NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 41. 66  So BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 142; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 6 Rn. 5; NK-JMStV/Schwartmann, JMStV § 6 Rn. 9; Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 6 Rn. 6; VG Regensburg, Urt. v. 18.10.2016 – RO 3 K 14.1177, ZUM-RD 2018, 369 (381 f.); vorsichtig Hopf/Braml, ZUM 2014, 854 (857); a. A. Beck RundfunkR/Ladeur, JMStV § 6 Rn. 10. 67  Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV §  3 Rn.  5; NK-JMStV/Gutknecht, JMStV §  3 Rn.  6; NK-JMStV/Erdemir, JMStV § 4 Rn. 191 f., Rn. 241, § 5 Rn. 31 f.; vgl auch BCHHG, BayMG Art. 6 Rn. 123; Beck RundfunkR/Held/Schulz, JMStV § 3 Rn. 21. 64

4.6  Jugendschutz in Werbung und Teleshopping

99

oder gewesen ist. Allerdings unterstreicht dies lediglich die Feststellung einer heterogenen Verwendung des Angebotsbegriffs, denn von den „Angeboten“ i.  S.  d. §  3 Nr. 1 JMStV sind nur die Inhalte von Telemedien indizierungsfähig, Rundfunksendungen nicht. Das Verbreiten von Teleshopping für indizierte Angebote ist ebenfalls bußgeldbewehrt. Die Vorschrift enthält ein Sonderdelikt auch für solche (Rundfunk-)Anbieter, die Teleshoppingspots oder -fenster verbreiten, in denen Dritte ihre Produkte verkaufen. Bei Teleshopping handelt es sich begrifflich um Versandhandel mit Waren und Dienstleistung unter Nutzung elektronischer Angebotsformen (vgl. § 2 Abs.  2 Nr.  11 MStV) und zugleich um eine Unterform der Werbung i.  S.  d. §  2 Abs. 2 Nr. 7 MStV. Ihrem Wortlaut nach erfasst die Bußgeldvorschrift nicht das Verhalten des Teleshoppers, der seine Produkte mit Hilfe des Rundfunks vertreibt.

4.6.2 Werben mit der Liste jugendgefährdender Medien Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 JMStV ist es unzulässig, die Liste der jugendgefährdenden Medien gem. § 18 JuSchG zum Zwecke der Werbung zu verbreiten oder zugänglich zu machen. Die Zuwiderhandlung ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 JMStV. Soweit der Begriff „Liste“ die verkörperten Inhalte meint, ist eine unkörperliche Verbreitung mittels Funkwellen begrifflich ausgeschlossen. Eine erweiternde Definition des Verbreitungsbegriffs wie in § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG fehlt im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Die erweiternde Definition in §  1 Abs.  2 Satz 2 JuSchG stellt dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien die entsprechenden elektronischen Handlungsformen gleich und nimmt – kompetenzgerecht – den Rundfunk ausdrücklich aus. Die Liste kann jedoch mittels Rundfunk nicht verbreitet werden. Auf die Verbreitung des Inhalts der Liste stellt § 24 Abs. 1 Nr. 6 JMStV nicht ab. Also läuft die Bußgeldvorschrift leer.68

4.6.3 Werben mit Indizierungsverfahren Gemäß § 15 Abs. 5 JuSchG darf bei geschäftlicher Werbung nicht darauf hingewiesen werden, dass ein Verfahren zur Aufnahme des Trägermediums oder eines inhaltsgleichen Telemediums in die Liste anhängig ist oder gewesen ist. § 6 Abs. 1 Satz 3 JMStV ist erkennbar dem Verbot in § 15 Abs. 5 JuSchG nachgebildet. Anders als in § 6 Abs. 1 Satz 1 ist der Begriff „Werbung“ in § 6 Abs. 1 Satz 3 JMStV deshalb enger zu verstehen. Eine Beschränkung allein auf die rundfunkrechtlich grundsätzlich erlaubte Wirtschaftswerbung in der Definition des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV wäre gleichwohl zu eng. Man wird normzweckgerecht auch die verbo-

68

 NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 47.

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4 Jugendschutz

tene Schleichwerbung einzubeziehen haben (vgl. § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV). Denn Schleichwerbung, obzwar verboten, stellt eine geschäftliche Handlung dar.69 Wer entgegen § 15 Abs. 5 JuSchG bei geschäftlicher Werbung für Trägermedien einen Hinweis auf ein laufendes oder früheres Verfahren zur Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien gibt, wird bei Vorsatz gem. § 27 Abs. 1 Nr. 4 und bei Fahrlässigkeit gem. § 27 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Täter ist der für den Inhalt der Werbebotschaft verantwortliche Werbetreibende. Aufgrund der Tatbestandsfassung ist es für die Strafbarkeit irrelevant, in welchem Medium die geschäftliche Werbung geschaltet wird. Der Medienanbieter, der Präsentationsfläche für die Werbung zur Verfügung stellt, kann als Tatbeteiligter (Mittäter oder Gehilfe) strafbar sein; dabei ist zu beachten, dass nur die vorsätzliche Beteiligung an Vorsatztaten strafbar ist (§ 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB). § 24 Abs. 1 Nr. 7 JMStV enthält ein Sonderdelikt für private Anbieter, konkret einen Bußgeldtatbestand, der das vorsätzliche oder fahrlässige Hinweisgeben und nicht etwa die Verbreitung oder Zugänglichmachung des Hinweises pönalisiert; damit weicht die Gesetzgebungstechnik auffällig von der Pönalisierung der Verbreitung oder Zugänglichmachung der Werbung für indizierte Angebote in § 24 Abs. 1 Nr. 5 JMStV ab. Soweit die Norm auch für Teleshopping gilt (§ 24 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 6 Abs. 6 JMStV), wird sie den Teleshoppinganbieter als Hinweisgeber erfassen. Im Übrigen trifft die Sanktionierung den Mediendiensteanbieter bei Eigenwerbung. Bei Fremdwerbung in redaktionellen Angeboten wird der Hinweis auf die Indizierung – außer bei Schleichwerbung – in aller Regel nicht vom Mediendiensteanbieter selbst, sondern vom Werbetreibenden „gegeben“ werden, der jedoch bereits von der vorrangigen Strafnorm in § 27 JuSchG (s. o.) erfasst wird.

4.7 Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und alle privaten Veranstalter länderübergreifend verbreiteter Fernsehprogramme sind gem. § 7 Abs. 1 JMStV verpflichtet, einen fachkundigen und in Ausübung seines besonderen Auftrags weisungsfreien Jugendschutzbeauftragten zu bestellen. Die Pflicht zur Bestellung eines entsprechenden Jugendschutzbeauftragten gilt grundsätzlich auch für geschäftsmäßige70 Anbieter von allgemein zugänglichen Telemedien, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten, sowie für Anbieter von Suchmaschinen. Während Anbieter von Suchmaschinen und Rundfunkveranstalter ohne Rücksicht auf den konkreten Inhalt ihrer Angebote zur Bestellung eines Ju-

 OLG Braunschweig, Urt. v. 13.5.2020 – 2 U 78/19, MMR 2020, 779 (780 f.); m. Bespr. Matthes GRUR-Prax 2020, 320. 70  „Geschäftsmäßig“ heißt nicht „gewerbsmäßig“ und verlangt keine Gewinnerzielungsabsicht. S. dazu Erdemir, K&R 2006, 500 (501); Brock/Schmittmann, in Schwartmann, Praxishandbuch, S. 377 (Rn. 145); HK-MStV, JMStV § 7 Rn. 7; NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 7 Rn. 9; Spindler/ Schuster/Erdemir, JMStV § 7 Rn. 7; OVG Magdeburg, Beschl. v. 18.5.2017 – 4 L 103/16, MMR 2017, 856. 69

4.7  Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten

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gendschutzbeauftragten verpflichtet sind, gilt die Pflicht für geschäftsmäßige Anbieter von allgemein zugänglichen Telemedien nur, sofern ihre Angebote entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten.71 Reine Zugangsvermittler (sog. Access-Provider) werden dagegen nicht erfasst. Sie sind weder Rundfunkveranstalter noch Suchmaschinenbetreiber, die unabhängig vom Inhalt ihrer Angebote verpflichtet sind. Der Zugang zu fremden Telemedien enthält als solcher keine Inhalte.72 Somit sind Access-Provider keine Anbieter, deren Telemedien entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten. Host-Provider hingegen, die fremde Inhalte speichern, werden als Anbieter dann erfasst, wenn die Telemedien, zu denen sie Zugriff gewähren, entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten.73 Entwicklungsbeeinträchtigend sind Angebote, die i. S. d. § 5 Abs. 1 JMStV geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Jugendgefährdend sind Angebote, welche die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Indizierung nach § 18 JuSchG erfüllen oder die ohne Indizierung den Verbreitungsbeschränkungen des § 15 JuSchG unterliegen (§ 15 Abs. 2 und 3 JuSchG) sowie vergleichbare Rundfunksendungen. Die Veranstalter länderübergreifend, aber nicht bundesweit verbreiteten Fernsehens und solche Telemedienanbieter i. S. d. § 7 Abs. 1 JMStV, die weniger als 50 Mitarbeiter haben oder auf deren Angebote nachweislich weniger als zehn Millionen Zugriffe im Monatsdurchschnitt eines Jahres erfolgen, sind berechtigt, die Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten auf eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle auszulagern (§  7 Abs.  2 JMStV). Solange von dieser Möglichkeit nicht wirksam Gebrauch gemacht ist, bleibt die Pflicht zur Bestellung eines eigenen Jugendschutzbeauftragten bestehen. Die Befreiung von der bußgeldbewehrten Pflicht zur Bestellung eines eigenen Jugendschutzbeauftragten setzt nach dem klaren Gesetzeswortlaut vo­ raus, dass sich der Anbieter nicht nur einer Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung anschließt, sondern diese auch zur Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten (vertraglich) verpflichtet und die Einrichtung tatsächlich bei der Programmplanung und Gestaltung entsprechend § 7 Abs. 3 JMStV beteiligt. Unzulänglichkeiten in diesem Bereich führen dazu, dass die Pflicht zur Bestellung eines eigenen Jugendschutzbeauftragten fortbesteht und ihre Nichterfüllung als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden kann.74 Alle Normadressaten, die sich der Pflicht zur Bestellung eines geeigneten Jugendschutzbeauftragten entziehen, handeln rechtswidrig. Nur die privaten Anbieter handeln auch ordnungswidrig, weil § 24 Abs. 1 Nr. 8 JMStV zum VI. Abschnitt mit der Überschrift „Ahndung von Verstößen der Anbieter mit Ausnahme des ­öffentlich-­rechtlichen Rundfunks“ gehört. Gerade das Beispiel der Bestellung eines  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.8.2019  – 1 BvR 811/17, NJW 2019, 3567; m. Bespr. Muckel, JA 2020, 155. 72  Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 7 Rn. 5. 73  NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 7 Rn. 8. 74  Vgl. Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 7 Rn. 15. 71

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4 Jugendschutz

geeigneten Jugendschutzbeauftragten macht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ungleichbehandlung verschiedener Anbieter bei der Sanktionierung durch den Gesetzgeber greifbar. Anbieter von Suchmaschinen, bei denen es sich um Medienintermediäre i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 16 MStV handelt, sind Telemedienanbieter75 und als solche Adressaten des Sonderdelikts für Anbieter in §  24 Abs.  1 Nr. 8 JMStV. Die unterlassene Bestellung „entgegen §  7“ beschränkt die Androhung einer Geldbuße zwar auf Mängel beim Bestellungsakt für den Jugendschutzbeauftragten und erfasst andere Pflichtverletzungen im Rahmen des § 7 JMStV (z. B. die unterlassene Beteiligung an der Programmplanung etc.) nicht. Der Tatbestand reicht aber über die für Rundfunkveranstalter vormals geltende engere Fassung des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 RStV a. F.76 hinaus. Durch den am Widerstand vor allem des nordrhein-westfälischen Landtags im Dezember 2010 gescheiterten Vierzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollte die Ordnungswidrigkeit wieder auf eine unterlassene Bestellung lediglich „entgegen § 7 Abs. 1“ beschränkt werden.77 Die amtl. Begr. versuchten den Landesparlamenten weiszumachen, es handle sich lediglich um eine redaktionelle Änderung.78 Tatsächlich hätte die Änderung die Ordnungswidrigkeit auf das vollständige Unterlassen der Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten beschränkt. In den späteren Änderungsstaatsverträgen wurde diese Änderung nicht aufgegriffen. Nach der geltenden Gesetzeslage unterlässt ein Anbieter „entgegen § 7“ die vorgeschriebene Bestellung des Jugendschutzbeauftragten bereits dann, wenn er einen Jugendschutzbeauftragten bestellt, dem die in § 7 Abs. 4 Satz 1 JMStV geforderte Sachkunde erkennbar fehlt.79 Die weitergehende Auffassung, dass bereits ein zum Jugendschutzbeauftragten bestellter Rechtsanwalt, der den Anbieter auch in aufsichtsrechtlichen Verfahren bzw. Sanktionsverfahren vertritt, wegen seiner „Feigenblattfunktion“ ein entgegen §  7 nicht bestellter Jugendschutzbeauftragter sei,80 sprengt den Rahmen des § 3 OWiG; eine Verfolgung und Ahndung (§ 35 OWiG) kommt nicht in Betracht.81 Aus der Funktion des Jugendschutzbeauftragten, den Anbieter zu beraten, folgt, dass der Anbieter bzw. sein gesetzlicher Vertreter sich nicht selbst zum Jugendschutzbeauftragten bestellen kann.82

 DKC HdB-MedienR/Janik, D 39; Ory, ZUM 2021, 472 (479).  In der Fassung des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 16.7./31.08.1999. 77  BayGVBl. 2011, S. 2. 78  Z. B. Bayer. Landtag, Drs. 16/5283, S. 10. 79  BCHHG, JMStV § 24 Rn. 83; HK-MStV/Bornemann, JMStV § 24 Rn. 35; HSH MMR-HdB/Altenhain Teil 20 Rn.  171; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV §  24 Rn.  36; a.  A.  NK-JMStV/ Mitsch, JMStV § 24 Rn. 51; zw. DKC HdB-MedienR/Cole/Ukrow H 100. 80  Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 7 Rn. 22; NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 7 Rn. 16. 81  Vgl. NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 7 Rn. 34 a. E. 82  BCHHG, JMStV § 7 Rn. 11; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 7 Rn. 13; NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 7 Rn. 17; Roßnagel/Altenhain, JMStV § 7 Rn. 23. 75 76

4.8  Sendezeitbeschränkungen für Sendeformate

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4.8 Sendezeitbeschränkungen für Sendeformate Tathandlung nach § 24 Abs. 1 Nr. 9 JMStV ist das Verbreiten eines Sendeformats entgegen Sendezeitbeschränkungen nach § 8 Abs. 2 JMStV; die Vorschrift gilt nur für den Rundfunk. Anders als für die Missachtung einer Sendezeitbeschränkung nach § 5 Abs. 4 JMStV, die bereits von dem Tatbestand in § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV erfasst wird, bedurfte es der Schaffung eines speziellen Bußgeldtatbestandes, um eine Missachtung von Sendezeitbeschränkungen für Sendeformate auch dann ahnden zu können, wenn die einzelne unter Missachtung der Sendezeitbeschränkung ausgestrahlte Folge selbst keine jugendschutzrelevanten Inhalte aufweist. Zur Vorgabe einer Sendezeitbeschränkung für Sendeformate nach § 8 Abs. 2 JMStV sind neben der KJM, die dabei als Organ der zuständigen Landesmedienanstalt handelt,83 auch die anerkannten Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen – letztere gegenüber den Anbietern, die sich ihnen angeschlossen oder ihren Statuten unterworfen haben  – befugt.84 Insoweit bedroht §  24 Abs.  1 Nr.  9 JMStV die Zuwiderhandlung gegen eine von Privaten (auf gesetzlicher Grundlage) vorgegebene Beschränkung.85 Dagegen bestehen jedoch keine rechtsstaatlichen Bedenken; insbesondere erfolgt die Bußgeldandrohung selbst in einem förmlichen Gesetz, das die tatbestandlichen Vo­ raussetzungen klar und deutlich beschreibt (vgl. §§ 1, 3 OWiG). Ob die Landesmedienanstalt (KJM) oder die freiwillige Selbstkontrolleinrichtung eine Sendezeitbeschränkung zu Recht oder zu Unrecht angeordnet hat, ist für die Tatbestandserfüllung irrelevant, solange die Anordnung der Sendezeitbeschränkung nicht an so schweren Fehlern leidet, dass sie nichtig ist.86 Ein Verstoß gegen die angeordnete zeitliche Beschränkung für das Sendeformat ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 9 JMStV. Falls die von der Ahndung betroffene Einzelsendung entwicklungsbeeinträchtigend ist, wird § 24 Abs. 1 Nr. 9 von § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV konsumiert. Die unterlassene Bezugnahme in § 24 Abs. 1 Nr. 9 JMStV auf angeordnete Sendezeitgrenzen nach § 8 Abs. 1 JMStV führt zwar zu seiner Unanwendbarkeit, aber zu keiner Ahndungslücke, weil Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 JMStV auf der entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung der erfassten einzelnen Filme beruhen. Somit ist bei Sendezeitbeschränkungen nach § 8 Abs. 1 JMStV von der unmittelbaren Geltung des § 5 Abs. 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV auszugehen. Ähnlich  NK-JMStV/Gundel, JMStV § 8 Rn. 8 f.  Das folgt nicht zuletzt aus § 19a Abs. 1 JMStV. Nell, Beurteilungsspielraum, S. 119, geht demgegenüber von einer Geltung für alle Anbieter aufgrund Beleihung der Freiwilligen Selbstkontroll­ einrichtungen mit Hoheitsrechten aus bzw. schließt, genau betrachtet, aus der angenommenen Allgemeinverbindlichkeit auf eine partielle Beleihung der Selbstkontrolleinrichtungen; dagegen NK-JMStV/Braml, JMStV § 19 Rn. 5 ff.; s. auch BCHHG, JMStV § 19 Rn. 5 ff.; Roßnagel/Altenhain, JMStV § 19 Rn. 18. 85  Die in der Staatsverwaltung etablierte Rechtsfigur eines mit der eigenständigen Erfüllung von Staatsaufgaben beauftragten und mit Hoheitsmacht beliehenen Privaten muss dafür nicht bemüht werden: NK-JMStV/Gundel, JMStV §  8 Rn.  12; so wohl auch Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 8 Rn. 16, anders aber § 19 Rn. 8. 86  Vgl. NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 52. 83 84

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4 Jugendschutz

wie § 5 Abs. 4 JMStV in generalisierender Form konkretisiert die Sendezeitfestlegung nach § 8 Abs. 1 JMStV für den Einzelfall den Umfang der Verpflichtung des Anbieters nach § 5 Abs. 1 JMStV und beschreibt eine mögliche Form der Erfüllung dieser Pflicht durch Wahl der vorgegebenen geeigneten Sendezeit. Allerdings setzt die Ahndung nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV den Nachweis der Eignung des Angebots zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern oder Jugendlichen der betroffenen Altersstufe voraus. Prüfungs- und Argumentationsaufwand sind also beträchtlich höher als bei der Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 9 JMStV.

4.9 Abweichen von Altersfreigaben der FSK § 5 Abs. 2 JMStV enthält die widerlegliche gesetzliche Vermutung,87 dass „Angebote“ (s. o. 4.2.1) mit einer Altersfreigabe nach § 14 JuSchG durch die FSK für Kinder und Jugendliche der Altersstufen, für die sie nicht freigegeben sind, entwicklungsbeeinträchtigend i. S. v. § 5 Abs. 1 JMStV sind. Das gilt „entsprechend“ für wesentlich inhaltsgleiche Angebote, also etwa für die Fernsehausstrahlung eines Videos mit Altersfreigabe der FSK. Als Rechtsfolge sind die Zeitgrenzen des § 5 Abs. 4 JMStV zu beachten, soweit keine technischen Mittel zur Konsumerschwerung für Kinder und Jugendliche der entsprechenden Altersstufe i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JMStV eingesetzt rsp. Telemedien nicht mit einer durch ein Jugendschutzprogramm auswertungsfähigen Alterskennzeichnung versehen werden. Eine Missachtung der Sendezeitgrenzen des Absatzes 4 begegnet dem Vorwurf aus § 5 Abs. 1 JMStV, wenn die Eignung des Angebots zur Entwicklungsbeeinträchtigung erwiesen ist. Als Nachweis der Entwicklungsbeeinträchtigung reicht die gesetzliche Vermutung des § 5 Abs. 2 JMStV nach Mitsch88 nicht aus, sodass eine Missachtung der Sendezeitgrenzen für Angebote mit Inhalten, für die eine Altersfreigabe der FSK besteht, stets nach § 24 Abs. 1 Nr. 10 JMStV zu ahnden sei.89 Die Tatbestandsformulierung ist allerdings sprachlich stark verkürzt: Sie geht von einem Verbreitungsverbot für Sendungen aus, deren Entwicklungsbeeinträchtigung nach § 5 Abs. 2 JMStV vermutet wird. Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote, gleichviel ob erwiesen (§ 5 Abs. 1 JMStV) oder vermutet (§ 5 Abs. 2 JMStV) dürfen mit technischem Schutz gegen den Konsum von Kindern und Jugendlichen der betroffenen Altersstufen und ungeschützt im Rahmen der Sendezeitbeschränkungen des § 5 Abs. 4 JMStV verbreitet werden. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Nr. 10 JMStV wird der Tatbestand aber anscheinend nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anbieter die Sendezeiten des § 5 Abs. 4 JMStV beachtet.90 Es kann jedoch nicht sein, dass die Sanktionsnorm (§ 24 JMStV) ein Verhalten pönalisiert, das die ­Verhaltensnorm (§ 5 JMStV) gestattet. Deshalb ist eine Tatbestandsreduktion analog § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV (s. 4.2.2) geboten.

 DKC HdB-MedienR/Cole/Ukrow H 56; Brock/Schmittmann, in Schwartmann, Praxishandbuch, S. 375 (Rn. 137). 88  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 40. 89  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 53. 90  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 54. 87

4.11  Untätigkeit entgegen behördlichen Anordnungen

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4.10 Hinweis auf Altersfreigaben in Telemedien Tathandlung in § 24 Abs. 1 Nr. 11 JMStV ist das Verbreiten von „Angeboten ohne den nach §  12 JMStV erforderlichen Hinweis“. §  12 JMStV ist zwar überschrieben mit „Kennzeichnungspflicht“, behandelt aber tatsächlich eine Hinweispflicht für Telemedienanbieter bei Verwendung gekennzeichneter Trägermedien mit Altersfreigaben nach § 14 Abs. 2 JuSchG,91 welche die Vermutung der Entwicklungsbeeinträchtigung i. S. d. § 5 Abs. 2 JMStV auslösen (s. o. 4.2.1). § 12 JMStV verpflichtet Anbieter von Telemedien, die mit kennzeichnungspflichtigen Trägermedien (§ 12 JuSchG) ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind, auf eine Kennzeichnung des zumindest wesentlich inhaltsgleichen Trägermediums nach §§ 12, 14 JuSchG in dem Angebot deutlich hinzuweisen. Durch die Tathandlung des Verbreitens von Angeboten i. S. d.§ 3 Nr. 1 JMStV ist deutlich, dass ausschließlich auf den vermittelten Inhalt und nicht auf die Substanz eines Trägermediums abgestellt wird. Der Begriff des Verbreitens stellt in diesem Fall nicht nur auf eine Verbreitung im Wege des Verteilmediums (vgl. § 2 Nr. 4 TMG) ab, sondern erfasst – ähnlich wie beim massenweisen Versand an Einzelpersonen durch die Post – ebenso die elektronische Übermittlung auf Anforderung (Abrufdienst).92 Die Formulierung der Vorschrift weist Parallelen zu § 12 Abs. 2 Satz 4 JuSchG auf, der Telemedienanbieter, „die Filme und Spielprogramme verbreiten“, verpflichtet in ihrem Angebot auf eine vorhandene Kennzeichnung deutlich hinzuweisen. Eine Zuwiderhandlung ist in § 28 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG bußgeldbewehrt. Verhaltens- und Sanktionsnorm sind richtigerweise auf den Internetversandhandel zu beschränken.93 Dann entsteht kein Konflikt mit § 16 Satz 2 JuSchG und keine Konkurrenz zu § 24 Abs. 1 Nr. 11 JMStV.

4.11 Untätigkeit entgegen behördlichen Anordnungen Die Untätigkeit eines Anbieters entgegen einer vollziehbaren aufsichtlichen Anordnung nach § 20 Abs. 1 JMStV wird durch § 24 Abs. 1 Nr. 12 JMStV unter Bußgeldandrohung gestellt. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Bei förmlichen Maßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörden, d. h. der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt (§ 14 Abs. 1 JMStV), handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um Verwaltungsakte i.  S.  v Verwaltungsverfahrensgesetz und Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. §  35 VwVfG). Maßnahmen können in Form f­eststellender Verwaltungsakte, z. B. der förmlichen Beanstandung eines Rechtsverstoßes oder der Feststellung eines Rechtsverhältnisses, oder auch in Form von Handlungsanweisungen (z.  B. optische Kennzeichnung oder akustische Ankündigung eines entwicklungsbeeinträchtigenden Angebots) oder Unterlassungsanordnungen (z. B. Sendeverbot) ergehen; von der Tatbestandsfassung wird allerdings nur die Untätigkeit entgegen einer Handlungsanweisung und nicht positives Tun entgegen einer Untersagungsverfügung erfasst!  Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 12 Rn. 4.  Vgl. Bornemann, MMR 2012, 157 (161). 93  Liesching, Jugendschutzrecht, JuSchG §  12 Rn.  26; Nickles/Roll/Spürck/Erdemir/Gutknecht/ Gutknecht, JuSchG § 12 Rn. 9. 91 92

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4 Jugendschutz

Feststellende Verwaltungsakte sind nicht vollstreckungsfähig. Ungeachtet dessen bestimmt § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO, dass Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung haben (s. o. 4.2.7). Im Gegenzug kann ggf. die „sofortige Vollziehung“ eines feststellenden Verwaltungsaktes angeordnet werden.94 Verwaltungsakte können vollzogen werden, nachdem sie bestandskräftig geworden sind, d. h. wenn keine ordentlichen Rechtsbehelfe mehr erhoben werden können. Vor Ablauf von Rechtsbehelfsfristen bzw. nach fristgerechter Erhebung von Rechtsbehelfen dürfen Verwaltungsakte nur dann vollzogen werden, wenn die sofortige Vollziehung entweder durch Gesetz (§  80 Abs.  2 Satz 1 Nr.  3 VwGO) oder schriftlich durch behördliche Anordnung im Einzelfall (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) angeordnet ist. Maßnahmen gegenüber Telemedienanbietern wegen jugendgefährdender Angebote i. S. d. § 4 JMStV sind nach § 20 Abs. 5 Satz 3 JMStV von Gesetzes wegen sofort vollziehbar. Darüber hinaus empfiehlt sich ein Blick in das jeweils anwendbare Landesmedienrecht, da einige Länder in ihren Landesmediengesetzen bzw. Medienstaatsverträgen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auszuschließen (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO), also die sofortige Vollziehung gesetzlich angeordnet haben.95 Denn sonst droht nicht nur die Anwendung von Verwaltungszwang, sondern auch die Verfolgung und Ahndung im Bußgeldverfahren, wenn eine Handlungsanweisung nicht sofort befolgt wird. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer aufsichtlichen Anordnung, auf die es freilich nicht ankommt, solange der Sofortvollzug nicht gerichtlich beseitigt worden ist, ist die Einschränkung durch § 20 Abs. 3 und 5 JMStV wichtig, aus denen sich Verfahrenshindernisse für die Aufsicht führende Landesmedienanstalt ergeben. Demnach kommen vor allem Maßnahmen gegenüber Anbietern in Betracht, die sich keiner Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung angeschlossen haben, sowie gegenüber angeschlossenen Rundfunkanbietern, die vorlagefähige Sendungen nicht vor der Ausstrahlung vorgelegt haben.96 Außerdem greifen Verfahrenshindernisse nicht, wenn ein Anbieter Vorgaben bzw. Einschränkungen der Freiwilligen S ­ elbstkontrolleinrichtung im Einzelfall missachtet hat. Soweit dagegen Freiwillige Selbstkontrolleinrichtungen ordnungsgemäß beteiligt wurden, sich ihre Entscheidung oder Unterlassung einer Entscheidung im Rahmen des vom Gesetzgeber akzeptierten Beurteilungsspielraums hält und der Anbieter eventuelle Vorgaben der Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung beachtet hat, steht Maßnahmen, deren Missachtung durch § 24 Abs. 1 Nr. 12 JMStV mit Geldbuße bedroht sind, ein Verfahrenshindernis entgegen. Das macht die Entscheidung jedoch nicht nichtig und beseitigt auch die sofortige Vollziehbarkeit nicht automatisch. Vielmehr müssen aus Verteidigersicht zur Vermeidung eines Bußgeldverfahrens schnellstmöglich die Ver-

 Schoch/Schneider/Schoch, VwGO § 80 Rn 197.  Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Klagen z.  B. in Berlin/Brandenburg, §  7 Abs.  3 MStV BB; gesetzlicher Sofortvollzug in Bayern für Eilentscheidungen des Präsidenten, Entscheidungen über die Zuweisung von Übertragungskapazitäten und Leistungsbescheide zur Einforderung des Finanzierungsbeitrags der Hauptprogrammveranstalter für die Regionalfensterprogramme, Art. 38 BayMG. 96  Zur Vorlagefähigkeit instruktiv BVerwG, Urt. v. 31.5.2017 – 6 C 10/15, BVerwGE 159, 49; Hopf/ Braml, ZUM 2018, 1 (8 f.); dies., ZUM 2021, 421 (430 f.); NK-JMStV/ Bornemann, JMStV § 20 Rn. 28. 94 95

4.12 Auskunftspflichtverletzung

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waltungsgerichte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §  80 Abs.  5 VwGO angerufen werden, um die Aufhebung der sofortigen Vollziehung bzw. die Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen zu erreichen.

4.12 Auskunftspflichtverletzung Die Verpflichtung eines Anbieters von Telemedien nach § 21 Abs. 1 JMStV, der KJM Auskunft über die Angebote und über die zur Wahrung des Jugendschutzes getroffenen Maßnahmen zu geben, ist durch die Bußgeldandrohung in § 24 Abs. 1 Nr. 13 JMStV mit Nachdruck versehen worden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes kann diese Verpflichtung sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verletzt werden. Fraglich ist, ob der Wortlaut die Erteilung unrichtiger Auskünfte erfasst. Immerhin lautet der Tatbestand des § 24 Abs. 1 Nr. 13 JMStV „entgegen § 21 Abs. 1 seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt“. Der Umfang der in § 21 Abs. 1 JMStV statuierten Auskunftspflicht ist demnach nicht bedeutungslos. Eine den Sachverhalt nicht mehr treffende grob falsche „Auskunft“ ist keine § 21 Abs. 1 JMStV entsprechende Auskunft. Auch wenn die Auskunft nicht kategorisch verweigert wird, kann deshalb eine Verletzung der Auskunftspflicht nach § 21 Abs. 1 JMStV vorliegen.97 „Entgegen § 21 Abs. 1 seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt“ wird deshalb so zu interpretieren sein, dass nur unbedeutende Ungenauigkeiten bei der Auskunftserteilung unschädlich sind, eine grob falsche Auskunft jedoch vom Tatbestand erfasst wird. Tathandlung ist die Verletzung der durch §  21 Abs.  1 JMStV statuierten Auskunftspflicht. Der Auskunftsanspruch der KJM, die lediglich internes Organ ohne Außenvertretungsbefugnis ist (§ 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV), wird von der nach § 14 Abs.  1, §  20 Abs.  6 JMStV zuständigen Landesmedienanstalt geltend gemacht.98 Eine lediglich verspätete Auskunft erfüllt den Tatbestand nicht. Sofern der Verpflichtete die Auskunftserteilung nicht definitiv und ausdrücklich verweigert, ist fraglich, ab welchem Zeitpunkt der Bußgeldtatbestand erfüllt ist. Bei Verzögerungen der Auskunftserteilung mit unklarer Zielsetzung empfiehlt es sich für die Aufsichtsstelle, eine angemessene Frist zu setzen und die Einleitung eines B ­ ußgeldverfahrens bei Fristversäumung anzudrohen. Geht die verlangte Auskunft vor Erlass des Bußgeldbescheides bei der zuständigen Landesmedienanstalt ein, ist das bereits eingeleitete Bußgeldverfahren zwingend nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.

 A. A. wohl NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 57: kein Täuschungsdelikt.  BCHHG, JMStV § 21 Rn. 5; Beck RundfunkR/Held, JMStV § 21 Rn. 15; NK-MedienR/Liesching Abschn. 82 Rn. 36; NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 21 Rn. 5. 97 98

108

4 Jugendschutz

4.13 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter § 24 Abs. 1 Nr. 13a i. V. m. § 21 Abs. 2 JMStV enthält ein Sonderdelikt für Telemedienanbieter ohne Inlandssitz; vorausgesetzt, die Vorschriften sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 JMStV auf sie anwendbar. Die Anwendungsbereichsregelung ist umstritten. Schon wegen unterlassener Notifizierung des Art. 3 MOModStV, der diese Vorschrift in § 2 JMStV eingefügt hat, bestehen Zweifel an der Geltung der Norm gegenüber Telemedienanbietern mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat.99 Jedenfalls beschränkt das Herkunftslandprinzip ein Vorgehen inländischer Stellen gegen EU-Ausländer auf besonders gelagerte Einzelfälle.100 Tathandlung ist das pflichtwidrige Unterlassen, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen (echtes Unterlassungsdelikt). Zur pflichtgemäßen Benennung gehört die Angabe einer Person oder einer Personenmehrheit unter Angabe einer zustellfähigen Adresse.101 Denn eine Person oder Stelle, an die Zustellungen mangels zustellfähiger Adresse nicht bewirkt werden können, ist nicht etwa ein benannter ungeeigneter Zustellungsbevollmächtigter, sondern erfüllt das Merkmal „Zustellungsbevollmächtigter“ wegen Unmöglichkeit einer Zustellung bereits dem Grunde nach nicht. Die Verletzung der besonderen Transparenzanforderungen des § 21 Abs. 2 JMStV, die verlangen, im Telemedienangebot „in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise“ auf den Zustellungsbevollmächtigten aufmerksam zu machen, werden dagegen nicht von der Bußgeldandrohung erfasst.102 Unterlassungsdelikte werden an jedem Ort begangen, an dem der Täter hätte handeln müssen (§ 7 Abs. 1 OWiG). Als Vorbild der Verhaltensnorm in § 21 Abs. 2 JMStV nennt die amtl. Begr. § 5 NetzDG.103 Unter der Paragrafenüberschrift „Inländischer Zustellungsbevollmächtigter“ formuliert § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG die Pflicht, „im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform … auf ihn aufmerksam zu machen.“ Daraus ist zu schließen, dass die Benennung va gegenüber inländischen Stellen (Bußgeld-, Strafverfolgungsbehörden, Gerichten) zu erfolgen hat und gedanklich dem Aufmerksammachen im Internetangebot vorausgeht. Der parallele Wortlaut des § 21 Abs. 2 JMStV verpflichtet ­ausländische Telemedienanbieter „im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.“ Das beschreibt eine Handlungspflicht im Inland und ist nicht als „missverständliche Formulierung“ abzutun, die in Wahrheit (nur) den Zustellungsbevollmächtigten im Inland meine.104 Tatsächlich umfassen die Verhaltensnormen die Pflicht zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten mit Adresse im Inland gegenüber Behörden und Gerichten im Inland.  BCHHG, JMStV § 2 Rn. 20 f.; NK-JMStV/Schwartmann, JMStV § 2 Rn. 2.  Instruktiv zu §  2 JMStV a.  F.  VG Düsseldorf, Beschl. v. 30.11.2021  – 27  L 1414/20, MMR 2022, 157 m.Anm. Liesching, bestätigt durch OVG NRW, Beschl. v. 7.9.2022 – 13 B 1911/21, MMR 2022, 1103 m. Anm. Liesching. 101  BCHHG, JMStV §  24 Rn.  94; vgl. auch BeckOK InfoMedienR/Knoke/Krüger, NetzDG §  5 Rn. 10, 13. 102  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 58. 103  BayLT-Drs. 18/7640, 120. 104  So aber NK-MedienR/Liesching, Abschn. 71 Rn. 62. 99

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4.14  Sperrung von Angeboten

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Das wird im Fall des § 5 Abs. 2 Satz 1 NetzDG sichtbar: „Für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde ist eine empfangsberechtigte Person im Inland gegenüber der in § 4 genannten Verwaltungsbehörde zu benennen.“ Es folgt aber schon allgemein aus der Zielrichtung der Benennungspflicht. Man könnte die Benennungspflicht bildhaft als „Bringschuld“ des Telemedienanbieters gegenüber inländischen Stellen beschreiben. Damit ist zugleich der inländische Handlungsort bzw. bei Zuwiderhandlung durch Unterlassen nach § 24 Abs. 1 Nr. 13a JMStV ein inländischer Handlungsort i. S. d. § 7 OWiG belegt. Das angebliche Leerlaufen des § 24 Abs. 1 Nr. 13a JMStV kann nicht mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Parallelbestimmung zu § 28 Abs. 6 JuSchG begründet werden, der eine Ahndung ausdrücklich für den Fall zulässt, dass die Ordnungswidrigkeit nicht im Inland begangen wird.105 Denn die Tatbestandsfassung des parallelen § 28 Abs. 3 Nr. 5 JuSchG lautet: „… entgegen § 24d Abs. 1 nicht sicherstellt, dass ein Empfangsbevollmächtigter im Inland benannt ist.“ Selbst benennen ist nur eine Möglichkeit sicherzustellen, „dass benannt ist“. Wie ein (ausländischer) Telemedienanbieter „sicherstellt“, dass ein Empfangsbevollmächtigter im Inland „benannt ist“, schreibt § 24d Abs. 1 JuSchG nicht vor und begründet somit keine unmittelbare Handlungspflicht im Inland, sodass ein inländischer Handlungsort für das Unterlassen nach § 7 OWiG nicht festgestellt werden kann; deshalb bedarf es der Regelung in § 28 Abs. 6 JuSchG um die Ahndbarkeit zu begründen, die sich für § 24 Abs. 1 Nr. 13a JMStV wegen der anderen Tatbestandsfassung bereits aus den allgemeinen bußgeldrechtlichen Grundsätzen ergibt.

4.14 Sperrung von Angeboten Der Anbieter darf seine Angebote nicht gegen den Abruf oder die Kenntnisnahme durch die zuständige Stelle sperren oder den Abruf oder die Kenntnisnahme erschweren (§ 21 Abs. 3 Satz 3 JMStV). „Zuständige Stelle“ i. S. d. Verhaltensnorm ist neben der zuständigen Landesmedienanstalt, handelnd durch ihr Organ KJM, auch jugendschutz.net als gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder (§ 18 Abs. 1 Satz 1 JMStV).106 § 24 Abs. 1 Nr. 14 JMStV stellt lediglich die Sperrung gegen den Abruf durch die zuständige Aufsichtsbehörde, d. h. die zuständige L ­ andesmedienanstalt (§ 14 Abs. 1 JMStV) unter Bußgeldandrohung.107 Die Tat ist ein Begehungsdelikt. Die pflichtwidrige Erschwerung des Abrufs oder der Kenntnisnahme erfüllt den Bußgeldtatbestand nicht. Angesichts der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 24 Abs. 7 JMStV) kommt der Einsicht große Bedeutung zu, dass nur die Sperrung bußgeldbewehrt ist, nicht jedoch die unterlassene Aufhebung einer Sperrung.108 Denn bei der Sperrung  So aber Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 24 Rn. 42.  NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 21 Rn. 15. 107  NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 21 Rn. 23. 108  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 59. 105 106

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4 Jugendschutz

dürfte es sich um eine punktuelle Handlung handeln, die ein sog. Zustandsdelikt und kein Dauerdelikt erzeugt. Damit beginnt die Verjährungsfrist nach Vornahme der Sperrung zu laufen (s. u. 12.2.1.4.1).

4.15 Programmierung für Jugendschutzprogramme Das durch § 24 Abs. 2 Nr. 1 JMStV bußgeldbewehrte Jugendschutzinstrument des § 11 Abs. 5 JMStV betrifft gewerbsmäßige Anbieter von Telemedien oder Anbieter, die in großem Umfang Telemedien anbieten. Es geht nicht um das Negativ-Rating i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JMStV, dessen vorsätzliche Falschkennzeichnung zur Ahndbarkeit wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV führt (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV). Vielmehr sollen Großanbieter von Telemedien auch für Kinder oder Jugendliche unbedenkliche Angebote für ein Jugendschutzprogramm lesbar kennzeichnen (sog. Positiv-Rating) und so Eltern die Aufgabe erleichtern, ihren Nachwuchs an geeignete Angebote heranzuführen. Die Nichterfüllung dieser Soll-­Vorgabe, die in der amtl. Begr. als „Programmsatz“ und „Appell an die Anbieter“ bezeichnet wird,109 ist nicht sanktioniert.110 Durch die Beschreibung der Tathandlung als „Kennzeichnen“ wird – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Verantwortlichkeitsregelungen der §§ 7–10 TMG (künftig: Art. 4-6 DSA) – klar, dass die Norm die Inhalteanbieter (Content-Provider) adressiert und jedenfalls nicht reine Zugangsvermittler (Access-Provider).111 Die vorsätzliche Falschkennzeichnung durch den Anbieter wird als Ordnungswidrigkeit von §  24 Abs. 2 Nr. 1 JMStV erfasst.112 Der in der Literatur anzutreffende Vorschlag, über den Umweg einer Anordnung nach § 20 Abs. 1 JMStV, die den Telemedienanbieter zum Positivrating verpflichtet, eine bußgeldrechtliche Ahndung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Untätigkeit entgegen einer vollziehbaren Anordnung nach §  24 Abs.  1 Nr.  14 JMStV zu ­ermöglichen,113 überzeugt nicht. Die Anordnungsbefugnis steht der zuständigen Landesmedienanstalt zu, wenn sie (durch die KJM) festgestellt hat, „dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen dieses Staatsvertrags verstoßen hat.“ Schon die Qualifikation des Positivratings als Obliegenheit durch Liesching114 spricht gegen eine selbstständig durchsetzbare Verpflichtung.115 Die amtl. Begr. bezeichnet die Vorschrift gar als „Programmsatz“ (s. o.), womit typischerweise nicht verpflichtende Normen beschrieben werden.116 Es erscheint deshalb verfehlt, die  BayLT-Drs. 14/10246, 20.  NK-JMStV/Keber, JMStV § 11 Rn. 56. 111  Vgl. Beck RundfunR/Schulz/Dankert, JMStV §  11 Rn.  57; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV §  11 Rn.  39; NK-JMStV/Keber, JMStV §  11 Rn.  54; Roßnagel/Altenhain, JMStV § 11 Rn. 14. 112  S. NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 60. 113  Beck RundfunkR/Schulz/Dankert, JMStV § 11 Rn. 60; Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 24 Rn. 45. 114  Liesching, Jugendschutzrecht, JMStV § 11 Rn. 41. 115  S. dazu Spindler/Schuster/Hain, RStV § 21 Rn. 4 ff. 116  Weber, Rechtswörterbuch, Stichwort „Programmsatz“. 109 110

4.16  Falsche Angaben im Anerkennungsverfahren

111

Faustregel für verwaltungsrechtliche Soll-Vorschriften anzuwenden, die zwar Ausnahmen vom Regelzwang („Muss-Vorschrift“) erlauben, aber eine nicht zur Disposition des Verpflichteten stehende selbstständig durchsetzbare Pflicht des Norm­ adressaten enthalten.117 Denn die Faustregel gibt einen ersten Anhaltspunkt, macht aber eine tiefer gehende Normanalyse nicht entbehrlich.118 Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung der Verhaltensnorm unter Einbeziehung der Gesetzeshistorie, dass sie keine selbstständig durchsetzbare Kennzeichnungspflicht begründet.

4.16 Falsche Angaben im Anerkennungsverfahren Vorsätzlich falsche Angaben im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens einer sog. Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle sind durch § 24 Abs. 2 Nr. 2 JMStV mit Geldbuße bedroht. Welche Angaben im Anerkennungsverfahren zu machen sind, ergibt sich im Einzelnen nicht aus dem Gesetz, sondern wird von der KJM nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Prüfumfangs nach § 19 Abs. 2 JMStV bestimmt. Sofern ein Betroffener der Auffassung ist, das Auskunftsbegehren der KJM sei von § 19 Abs. 2 JMStV nicht gedeckt und insoweit keine Angaben macht, greift die Bußgeldbestimmung nicht. In diesem Fall hat die KJM lediglich die Möglichkeit, die Erteilung der Anerkennung wegen unterlassener Mitwirkung zu verweigern bzw. das Verfahren nicht fortzuführen; der Antragsteller kann eine negative Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angreifen bzw. eine Untätigkeitsklage (§  75 VwGO) gegen die zuständige Landesmedienanstalt erheben, wenn die KJM seiner Meinung nach zu Unrecht wegen unterlassener Auskünfte über die Anerkennung nicht entscheidet. Die Bußgeldbestimmung greift nur dann, wenn der Antragsteller oder ein für ihn im Verfahren Tätiger Angaben macht, die nicht den Tatsachen entsprechen. Falsche Angaben sind auch dann ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant, wenn sich die KJM nicht täuschen lässt.119 Erst recht wird die Tatbestandsmäßigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass die KJM/Landesmedienanstalt bei Gesamtwürdigung aller Umstände auf einen Widerruf der mit falschen Angaben erschlichenen Genehmigung (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG) verzichtet.

 So aber Beck RundfunkR/Schulz/Dankert, JMStV § 11 Rn. 56; HK-MStV/Mellage, JMStV § 11 Rn. 25; Roßnagel/Altenhain, JMStV § 11 Rn. 15; a. A. BCHHG, JMStV § 11 Rn. 23; wohl auch Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV § 11 Rn. 17; Nikles/Roll/Spürck/Erdemir/Gutknecht/Spürck, JMStV § 11 Rn. 5. 118  S.  Schoch/Schneider/Geis, VwVfG §  40 Rn.  22  f., der darlegt, dass Soll-Verknüpfungen im Wortlaut einer Norm eine Ermessensermächtigung anzeigen können und als Ermessensentscheidung formulierte Normen zu gebundenen Entscheidungen führen usw. 119  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 61. 117

5

Gewinnspiele

5.1 Allgemeines Gewinnspiele sind seit Langem Bestandteil des Wirtschaftslebens und der Medienwelt. Von Zeit zu Zeit finden sie erhöhte Aufmerksamkeit. Im Januar 2010 erregte die vom BGH eingeholte Vorabentscheidung des EuGH zum Koppelungsverbot von Gewinnspielen mit Warenbestellungen (§ 4 Nr. 6 UWG) öffentliche Aufmerksamkeit.1 Im Februar 2020 legte der BGH das Verbot der Werbung mit Gewinnspielen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG vor; der EuGH entschied, dass das Verbot einer Gewinnspielteilnahme durch Einreichung eines Rezepts bei einer Versandapotheke nicht gegen europäisches Recht verstößt.2 Der aus dem bundesweiten „Frauenprogramm“ tm3 hervorgegangene „Transaktionssender“ 9Live finanzierte sich vollständig durch Einnahmen aus sog. Telefonmehrwertdiensten im Zusammenhang mit „Call-in-Sendungen“, hauptsächlich Gewinnspielen.3 Wirtschaftlich war diese Geschäftsidee anfangs ungemein erfolgreich. Deshalb wurde sie als zusätzliche Finanzierungssäule neben Werbung, Sponsoring und Teleshopping von anderen Fernsehveranstaltern kopiert. Das massenweise Angebot führte aber auch zu Fehlentwicklungen und zog zahlreiche Beschwerden von Bürgern und sogar – erfolglose – Strafanzeigen wegen Betrugsverdachts nach sich.4 Die Landesmedienanstalten versuchten durch allgemeine Verwaltungsrichtlinien mäßigend einzugreifen – mit mäßigem Erfolg. Schließlich reagierten die Länder und führten mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19.12.2007 eine gesetzliche Regelung über Gewinnspiele im Rundfunk (§ 8a RStV, nunmehr § 11 MStV) ein.  EuGH, Urt. V. 14.1.2010 – Rs. C-304/08, MMR 2010, 181.  EuGH, Urt. v. 15.7.2021  – C-190/20  – DocMorris NV/Apothekerkammer Nordrhein, GRUR 2021, 1325. 3  Vgl. die Darstellung von Christiane zu Salm, in BLM-Symposion Medienrecht 2006, S. 17 ff. 4  S. auch Hecker/Ruttig, GRUR 2005, 393; Wimmer, MMR 2007, 417; Oehme, JA 2009, 39. 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_5

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5 Gewinnspiele

Die Landesrundfunkanstalten sind mit der näheren Ausgestaltung  – insbesondere unter Jugendschutzgesichtspunkten – durch Richtlinien (§ 45 MStV) und die Landesmedienanstalten für die privaten Rundfunkveranstalter durch „gemeinsame“ Richtlinien oder Satzungen (§  72 Satz 1 MStV) beauftragt. Verstöße gegen die übereinstimmenden Gewinnspielsatzungen der Landesmedienanstalten können nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV, der nur vorsätzlich verwirklicht werden kann, als Ordnungswidrigkeit verfolgt und geahndet werden, soweit die Satzungen für einen bestimmten Tatbestand auf diese Norm verweisen. Während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch bei der Veranstaltung von Gewinnspielen aus Telefonmehrwertdiensten nicht nur keinen Gewinn, sondern schon keine Einnahmen erzielen dürfen (§ 11 Abs. 1 Satz 6 letzter Halbsatz i. V. m. § 35 Satz 3 MStV), stellen Gewinnspiele für private Rundfunkveranstalter eine zulässige Einnahmequelle dar. Für Gewinnspiele in rundfunkähnlichen sowie linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien gilt § 11 MStV entsprechend (§ 74 MStV). Dasselbe gilt nach § 22 Abs. 3 MStV für Telemedien nach § 19 Abs. 1 MStV, kurzum die elek­tronische Presse; Letztere werden von der Satzungsermächtigung der Landesmedienanstalten nicht umfasst. Wie schon der Rundfunkstaatsvertrag definiert auch der Medienstaatsvertrag den Gewinnspielbegriff nicht. Die Landesmedienanstalten haben für den Anwendungsbereich ihrer Satzungen5 Gewinnspiele definiert als „Bestandteil eines Rundfunkprogramms oder eines Telemedienangebots, der den nutzenden Personen im Falle der Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes, insbesondere in Form von Geld, Waren oder Dienstleistungen bietet.“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 GSS) Gewinnspiele sind nicht auf Geschicklichkeitsspiele beschränkt, bei denen der Gewinn oder Verlust vorwiegend von den Fähigkeiten oder dem Wissen des Spielers abhängt.6 Das Judikat des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Glücksspiele i. S. d. § 3 GlüStV im Rundfunk einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis bedürften, hat der Gesetzgeber obsolet werden lassen.7 § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 enthält für Gewinnspiele im Rundfunk eine spezifische Bereichsausnahme;8 für sie gilt nur § 11 MStV. Zur Unanwendbarkeit des § 6 JuSchG s. o. 3.1.4. Die Satzungen der Landesmedienanstalten erfassen ausdrücklich Telemedien privater Anbieter im Sinn des § 74 MStV (§ 1 Abs. 1 GSS). Die Kritik des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs9 an der Erstreckung der vormaligen Gewinnspielsatzungen nach dem Rundfunkstaatsvertrag auf Telemedien ist durch die Erweiterung der Satzungsermächtigung auf rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien in § 74 MStV überholt.  Am 15.4.2021 sind in allen Ländern übereinstimmende Gewinnspielsatzungen der Landesmedienanstalten (GSS) in Kraft getreten und haben die Gewinnspielsatzungen von 2009 (GWS) abgelöst. Die Landesmedienanstalten bieten auf Ihren Websites die jeweilige Landes-GSS zum He­ runterladen an. 6  BCHHG, MStV § 11 Rn. 13; BeckOK InfoMedienR/Atamanczuk, § 11 MStV Rn. 9 f.; Liesching, Jugendschutzrecht, MStV § 11 Rn.  7; Spindler/Schuster/Brings-Wiesen, RStV §  8a Rn.  32  f.; Lober/Neumüller, MMR 2010, 295 (296). 7  BVerwG, MMR 2011, 843 (845) mAnm Voigt. 8  HK-GlücksspielR/Hamacher, GlüStV § 2 Rn. 19. 9  BayVGH, Urt. v. 28.10.2009 – 7 N 09.1377, ZUM-RD 2010, 102 (113). 5

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

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5.2 Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV enthält einen sog. echten Blanketttatbestand.10 Der gesetzliche Bußgeldtatbestand beschreibt das ordnungswidrige Verhalten unter Verweisung auf Normen der „gemeinsamen“ Satzungen der Landesmedienanstalten nach § 72 Satz 1, § 74 i. V. m. § 11 MStV. Dabei handelt es sich um eine dynamische Verweisung, die im Ergebnis einer Ermächtigung zum Erlass einer bußgeldbewehrten Satzung nahekommt, denn die Satzungsgeber konkretisieren im Nachhinein die für Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen geltende Staatsvertragsbestimmung (§ 11 MStV), legen fest, welche Zuwiderhandlungen gegen Satzungsbestimmungen unter die Bußgeldandrohung des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, Abs. 2 MStV fallen sollen, und bleiben berechtigt, diese Bestimmungen später wieder zu ändern. Dabei genügen nur solche Satzungsbestimmungen den Erfordernissen für eine die Blankettnorm ausfüllende materielle Rechtsnorm (Ausfüllungsnorm), die ihrerseits auf § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 MStV rückverweisen.11 Der Bußgeldtatbestand setzt sich gewissermaßen aus der Blankettnorm, welche die Bußgeldandrohung enthält (§ 115 Abs. 2 MStV), und der Ausfüllungsnorm, deren Inhalt sie durch Verweisung inkorporiert, zusammen.12 Wenn die Gewinnspielsatzungen der Landesmedienanstalten in § 12 Abs. 2 GSS die Bußgeldandrohung des § 115 Abs. 2 MStV nachrichtlich wiedergeben, so hat dies rein deklaratorische Bedeutung, aber keinen eigenständigen Regelungsgehalt und ist insoweit unschädlich.

5.2.1 Minderjährige Nutzer § 3 Abs. 1 GSS verbietet den Rundfunkveranstaltern und Anbietern rundfunkähnlicher oder linear verbreiteter fernsehähnlicher Telemedien (§ 1 Abs. 1 GSS), Minderjährige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres an Gewinnspielsendungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GSS und Minderjährige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres („unter 14 Jahren“) an Einzelgewinnspielen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GSS teilnehmen zu lassen. Da die Veranstalter bei Call-in-Sendungen nicht verhindern können, dass ein Minderjähriger anruft, verbietet die Satzung lediglich, die Teilnahme zu gestatten. Auf den Ausschluss muss nach Maßgabe des § 10 GSS hingewiesen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GSS). Gewinne dürfen an ausgeschlossene Minderjährige, denen es gleichwohl gelungen ist mitzuspielen, nicht ausgeschüttet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 3 GSS). Bußgeldbewehrt sind

 S. dazu KK-OWiG/Rogall, vor §  1 Rn.  15  f.; Klesczewski/Krenberger/Klesczewski, OWiR, § 2 Rn. 8. 11  Vgl. KK-OWiG/Rogall, vor § 1 Rn. 17; Lemke/Mosbacher, OWiG, Einleitung Rn. 29; Mitsch, OWiR, S. 33 (Rn. 4). 12  Vgl. Krenberger/Krumm, OWiG § 1 Rn. 30. 10

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5 Gewinnspiele

• eine unterlassene Altersprüfung durch den Veranstalter bei konkreten Anhaltspunkten für die Minderjährigkeit sowie • die Fortsetzung etwa eines Telefonats nach Feststellung der Minderjährigkeit und • die verbotswidrige Gewinnausschüttung. Die §§ 107 ff. BGB haben auf die Geltung der öffentlich-rechtlichen Jugendschutzbestimmungen einschließlich des Bußgeldtatbestandes keinen Einfluss. Die Berufung auf den so genannten Taschengeldparagrafen rechtfertigt die Missachtung des Minderjährigenausschlusses durch Anbieter somit nicht. Im Gegenteil stellt das medienrechtliche Verbot ein Gesetz i. S. d. § 134 BGB dar.13 D. h., verbotswidrige Verträge mit Minderjährigen sind nichtig. Auch eine etwaige Einwilligung von Erziehungsberechtigten ändert daran nichts. Sie beseitigt folglich weder die Ahndbarkeit des Veranstalters noch hat sie Einfluss auf das Verbot der Gewinnausschüttung. Auf der anderen Seite rechtfertigt eine jung klingende Stimme allein den Ausschluss eines Anrufers vom Gewinnspiel nicht, das sich als Auslobung i. S. d. §§ 657 ff. BGB darstellt, sodass dem Gewinnspielveranstalter eine sorgfältige Ermittlung und verantwortliche Bewertung der Minderjährigkeitsindizien anzuraten ist. Unentgeltliche Gewinnspiele werden von dem bußgeldbewehrten Verbot des § 3 Abs. 1 GSS nicht erfasst (§ 2 Abs. 2 GSS). Unentgeltlichkeit im Sinn der Satzung wird durch § 2 Abs. 1 Nr. 4 GSS definiert. Unentgeltlichkeit wird „bei postalischem Kontakt“ dann angenommen, wenn „die Kosten einer Postkarte pro Teilnahme anfallen“. Das ist nachvollziehbar, zumal keine Verträge zwischen Gewinnspielanbietern und Postbeförderungsunternehmen bekannt geworden sind, aufgrund derer die Gewinnspielveranstalter einen Anteil am Postbeförderungsentgelt erhalten. In diesem Fall wird kein eigentlicher Spieleinsatz geleistet, sondern nur ein Transportentgelt entrichtet. So ist auch die Hinweispflicht bei unentgeltlichen Gewinnspielen in § 10 Abs. 5 GSS formuliert. Dementsprechend ist hinzuweisen „auf die Unentgeltlichkeit bzw. darauf, dass für die Teilnahme ausschließlich ein Entgelt für die Übermittlung einer Nachricht erhoben wird“. Die für einen telefonischen Kontakt festgelegte „Unentgeltlichkeitsgrenze“ von 0,14 € pro Teilnahme und bei Teilnahme per SMS von 0,20 € beruht auf Erkenntnissen aus einem Gutachten, das die Landesmedienanstalten bei wik consult, Bad Honnef, in Auftrag gegeben hatten. Demnach werde bei diesen Tarifen der Entgeltanteil, der nicht vom Telekommunikationsunternehmen für den Signaltransport beansprucht werde, vollständig vom technischen Dienstleister aufgesogen, der die Call-in-Sendungen für den Gewinnspielveranstalter abwickle. Die Annahme eines geringeren Gefährdungspotenzials durch Gewinnspiele, die dem Veranstalter keine Einnahmen bescheren, erscheint nachvollziehbar.14 Die Festsetzung der Beträge ist auf Tatsachenermittlungen gestützt. Sachlich wäre es auch gerechtfertigt, wenn die Satzungsgeber auf die Festlegung konkreter Beträge verzichtet und das abstrakte Prinzip festgeschrieben hätten. Denn der Gewinnspielveranstalter kann nicht  Zust. BeckOK InfoMedienR/Atamanczuk MStV § 11 Rn. 16; vgl. auch Spindler/Schuster/Spindler, BGB § 134 Rn. 2. 14  Streinz/Liesching/Hambach/Hopf/Braml, GWS § 3 Rn. 12. 13

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

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wissen, ob Anrufe aus einem Mobilfunknetz erfolgen, dessen Betreiber unterschiedliche Tarifmodelle mit z. T. höheren Einzelverbindungsentgelten als aus dem Festnetz anbietet. Die Satzungsgeber haben mit der Festlegung einer starren Entgeltgrenze dem Schutz Minderjähriger Vorrang gegeben. Die Ordnungswidrigkeit steht nicht in Konkurrenz zu dem nach § 28a Abs. 1 Nr. 3 GlüStV bußgeldbewehrtenTeilnahmeverbot für Minderjährige an öffentlichen Glücksspielen im Rundfunk (§ 4 Abs. 3 GlüStV), weil § 11 MStV lex specialis ist und Gewinnspiele im Rundfunk dem Regime des Glücksspielrechts nicht unterfallen (§  2 Abs. 11 GlüStV); ungeachtet der Beschränkung der Ausnahme in § 2 Abs. 11 GlüStV kann für rundfunkähnliche Telemedien nichts anderes gelten (§  74 i.  V.  m. §  11 MStV). Ferner besteht keine Konkurrenz zu dem durch § 28 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG bußgeldbewehrten Teilnahmeverbot für Minderjährige an einem Spiel mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit, weil das Jugendschutzgesetz des Bundes insgesamt auf Rundfunk nicht anwendbar ist.15 Für rundfunkähnliche Telemedien kann nicht zweifelhaft sein, dass die dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen16 und damit zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gehören.17 Diffiziler ist die Sache im Hinblick auf Telemedien nach § 19 Abs. 1 MStV, für die nach § 22 Abs. 3 MStV zwar die gesetzliche Gewinnspielvorschrift § 11 MStV entsprechend gilt, die aber nicht der Richtlinien- und Satzungskompetenz der Landesmedienanstalten nach § 72 Satz 1 i. V. m. § 11 MStV unterfallen. Für solche Telemedien fehlen Ausfüllungsnormen zu § 11 Abs. 1 Satz 5 MStV, der die Wahrung der Belange des Jugendschutzes fordert. Die ausdrückliche Ausnahme der Geltung des Glücksspielstaatsvertrags in § 2 Abs. 11 GlüStV beschränkt sich auf Gewinnspiele nach § 11 MStV im Rundfunk (s. o.). Ganz unabhängig von der Anwendbarkeit des § 11 MStV gilt aber, dass ein Glücksspiel i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV nur bei einem „nicht ganz unbeträchtlichen Einsatz“ bejaht werden kann.18 Verlangt der Veranstalter für die Teilnahme ein Entgelt von nicht mehr als 0,50 € incl. Mehrwertsteuer, unterfällt ein Gewinnspiel auch bei Zufallsabhängigkeit nicht dem Glücksspielbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV (s. u. 6.3.3.2).19 Möglich wäre dagegen eine Anwendung des § 28 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG, wenn man das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an „Spielen mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit“ (§ 6 Abs. 2 JuSchG) auf virtuelle Räume erstreckt.20

 Vgl. auch §  1 Abs.  2 Satz 2 JuSchG; ebenso Wimmer, MMR 2007, 420  f.; nach HK-­ GlücksspielR/Kleinert, JuSchG § 6 Rn. 11 soll die Frage dagegen ungeklärt sein. 16  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987 – 1 BvR 147/86, 1 BvR 478/86, BVerfGE 74, 297 (351 f.); Urt. v. 5.2.1991 – 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88, BVerfGE 83, 238 (302). 17  BVerfG, Urt. v. 28.2.1961 – 2 BvG 1 u. 2/60, BVerfGE 12, 205. 18  Vgl. Fischer, StGB, § 284 Rn. 5; Lober/Neumüller, MMR 2010, 295 (296). 19  BeckOK InfoMedienR/Atamanczuk, MStV § 11 Rn. 10; BCHHG MStV § 11 Rn. 11. 20  Bejahend Liesching, Gewinnspiele, S. 57 ff. 15

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5 Gewinnspiele

5.2.2 Erhöhtes Teilnahmeentgelt § 11 MStV verbietet, für die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder einer Gewinnspielsendung ein Entgelt von mehr als 0,50 € zu verlangen. Darauf wurde die Tathandlung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 GSS abgestimmt. Die Kritik in der Vorauflage gegen den von der Gesetzesfassung abweichenden Normtext in § 13 Abs. 1 Nr. 2 der vormaligen GWS hat sich damit erledigt. Das Gesetz verbietet, für die Teilnahme mehr als 0,50 € zu verlangen; Teilnahme in diesem Sinn ist jeder grundsätzlich erfolgsgeeignete Telefonanruf, E-Mail oder SMS, auch wenn der Teilnehmer durch technische Selektion tatsächlich daran gehindert wird, am eigentlichen Spiel durch Abgabe eines Lösungsvorschlags teilzunehmen.21 Der vom Gesetzgeber in Anspruch genommene Gewinnspielanbieter „verlangt“ für die Teilnahme das Entgelt, das der Teilnehmer für die günstigste allgemein zugängliche Teilnahmemöglichkeit entrichten muss.22

5.2.3 Keine allgemeinen Teilnahmebedingungen Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GSS muss der Anbieter „im Vorfeld“ der Spielveranstaltung allgemein verständliche Teilnahmebedingungen aufstellen und auf seiner Website sowie in einem vorhandenen Textbildangebot veröffentlichen. Eine Ordnungswidrigkeit begeht, wer entgegen dieser Verpflichtung keine „allgemein verständliche(n) Teilnahmebedingungen aufstellt oder diese nicht veröffentlicht“. Durch die Neufassung des § 12 Abs. 1 Nr. 3 GSS ist die Kritik in der Vorauflage an der Vorgängerfassung in § 13 Abs. 1 Nr. 3 GWS erledigt. Nunmehr ist auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur allgemein verständlichen Abfassung der Teilnahmebedingungen bußgeldbewehrt. Wer zwar vor Spielbeginn allgemein verständliche Teilnahmebedingungen aufstellt, es jedoch unterlässt, diese noch vor Spielbeginn („im Vorfeld“) zu veröffentlichen, begeht ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Tatbestandlich handelt ein Anbieter schon dann, wenn er die Veröffentlichung „entgegen § 5 Abs. 1 Satz 2“ nur im Textbildangebot oder nur auf der Website vornimmt und im zweiten von ihm betriebenen Medium unterlässt.23 Die Nichterstellung und Nichtveröffentlichung von Teilnahmebedingungen sind echte Unterlassungsdelikte. Durch die Handlungspflicht „im Vorfeld“ wird der Eindruck sog. Fälligkeitsdelikte erweckt. Die Formulierung der Sanktionsnorm greift das nicht auf, sondern stellt das Unterlassen unbefristet unter Bußgeldandrohung. Gleichwohl ist die Tathandlungsvariante der unterlassenen Aufstellung als eigenständige Ordnungswidrigkeit spätestens mit Spielbeginn „fällig“, sodass ab diesem Zeitpunkt die Verfolgungsverjährung von sechs Monaten nach § 115 Abs. 5 MStV zu laufen beginnt (vgl. u. 12.2).

 §  2 Abs.  1 Nr.  3 GSS: Versuch der Kontaktaufnahme unter Nutzung geeigneter Kommunikationswege. 22  So deutlich BayVGH, Urt. v. 12.12.2012 – 7 BV 12.968, ZUM 2013, 511 (513). 23  Streinz/Liesching/Hambach/Hopf/Braml, GWS § 13 Rn. 11. 21

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

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Anders ist die Veröffentlichungspflicht zu sehen. Denn es drängt sich auf, dass „Veröffentlichen“ nicht die punktuelle Handlung der einmaligen Online-­Freischaltung bedeutet. Vielmehr können die veröffentlichten Teilnahmebedingungen ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie bis zum Ende der von ihnen erfassten Spiele für die Nutzer ständig zugänglich gehalten werden. Es wäre zwar wünschenswert, dass sich die Satzungsgeber an den Gesetzesformulierungen bspw. zu den Impressumspflichten orientiert hätten, die verlangen, die Pflichtinformationen „ständig verfügbar zu halten“ (§ 18 Abs. 1 MStV, § 5 Abs. 1 TMG, § 5 Abs. 1 DDG-E). Eine normzweckorientierte Interpretation kann der Veröffentlichungspflicht der Teilnahmebedingungen aber den gleichen Sinn entnehmen. Demnach begönne die Verfolgungsverjährung erst mit einer (verspäteten) Veröffentlichung oder der Einstellung der Spiele, auf die sich die Teilnahmebedingungen beziehen, zu laufen. Wegen der inhaltlichen Anforderungen an die Teilnahmebedingungen (§ 9 Abs. 3 GSS) und Verletzungen dieser Anforderungen s. u. 5.2.9.

5.2.4 Unterlassene Protokollierung Üblicherweise wird bei Gewinnspielsendungen mit telefonischer Teilnahmemöglichkeit ein technischer Auswahlmechanismus eingeschaltet, der nur jeden x. Anrufer zum Studio bzw. Call-Center leitet und alle anderen Anrufer zu einer Bandansage, die ihnen die Erfolglosigkeit und die Entgeltpflichtigkeit des Anrufs mitteilt und nicht selten zu einer erneuten Spielteilnahme animiert. Damit wird vermieden, dass bei hohem Anruferaufkommen und begrenzter Leitungskapazität viele Anrufer ein – entgeltfreies – sog. Besetztzeichen hören. § 5 Abs. 2 GSS verpflichtet den Gewinnspielanbieter (gegendert: Anbietender genannt), der – unter Einschaltung eines technischen Dienstleisters – eine solche Gestaltung wählt, den Einsatz des Auswahlverfahrens, den Auswahlmechanismus oder dessen Parameter zu protokollieren. Ferner ist für jeden Zeitpunkt des Spiels die „Anzahl der nutzenden Personen“, womit offensichtlich die Teilnehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 GSS gemeint sind (vgl. auch § 9 Abs. 1 GSS), zu protokollieren.24 Eine unterlassene oder unvollständige (technische) Protokollierung („entgegen § 5 Abs. 2“) ist nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 GSS bußgeldbewehrt. Die Pflicht zur Protokollierung des Auswahlmechanismus’ (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GSS) entfällt bei sog. unentgeltlichen Spielen (§ 2 Abs. 2 GSS).

 Gegen die Pflicht zur Protokollierung und Vorlage der Unterlagen (§ 11 Abs. 2 MStV) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, NJW 1997, 1841 (Radio Dreyeckland). 24

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5 Gewinnspiele

5.2.5 Irreführende Angaben 5.2.5.1 Zur Irreführung geeignete und widersprüchliche Aussagen 5.2.5.1.1 Begehungsformen § 12 Abs. 1 Nr. 5 GSS sanktioniert Verstöße gegen § 6 Abs. 1 GSS, der das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 MStV näher ausgestaltet. Erfasst werden nicht nur die Äußerungen der Moderatoren, sondern alle Aussagen in der Sendung. Dazu gehören auch Bildschirmeinblendungen als Standtext oder Lauftext (sog. Crawls). Die Relativierung der Moderatorenaussagen durch einen Crawl mit dem Hinweis, der Moderator sei Teil des Spiels, beseitigt die Unrichtigkeit seiner Aussagen nicht und führt überdies zur Widersprüchlichkeit der senderseitigen Aussagen in diesem Spiel. Entsprechendes gilt für unklare Aussagen über einen Gewinn, der sich etwa aus einer kleinen Gewinnsumme und einem großen „Jackpot“ zusammensetzt, der aber bei richtiger Spiellösung nicht gewonnen wird, sondern die Beantwortung einer zusätzlichen Rätselfrage voraussetzt oder das „richtige“ Geburtsdatum des Anrufers, das mit einem willkürlich vom Gewinnspielveranstalter festgelegten Datum übereinstimmen muss. Ordnungswidrig handelt auch, wer den Eindruck erweckt, es sei besonders aussichtsreich „jetzt“ anzurufen, weil offenbar niemand mehr wach sei und niemand anrufe, während in Wahrheit nur kein Anrufer ins Studio durchgestellt wird. Bußgeldbewehrt sind schließlich falsche, widersprüchliche oder sonst irreführende Aussagen über den Schwierigkeitsgrad eines Spiels, die Lösungslogik, das Auswahlverfahren, die allgemeinen Teilnahmebedingungen oder die Auswahlchance. Zur Irreführung geeignet sind etwa Aussagen zur Zahl der „frei“ geschalteten Leitungen, wenn der Hinweis fehlt, dass es entscheidend darauf ankommt, zum richtigen Zeitpunkt anzurufen, zu dem etwa der „Hot Button“ vom Redakteur ausgelöst wird.25 5.2.5.1.2  Unechtes Unterlassungsdelikt Die vorsätzlich unterlassene Richtigstellung einer fahrlässigen Falschaussage oder -dar­ stellung wird durch § 8 OWiG in den Tatbestand einbezogen und ist ahndbar; durch die fahrlässige Falschdarstellung wurde eine Garantenstellung durch Ingerenz begründet.26

5.2.5.2 Vorspiegelung von Zeitdruck, Spielanreize § 12 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 6 Abs. 2 GSS stellt das Setzen besonderer Spielanreize unter Bußgeldandrohung. Der Spielveranstalter darf bei den Spielern keinen Entscheidungsdruck hervorrufen, der sie in ihrer freien Entscheidung über die Spielteilnahme beeinträchtigen könnte.

 Zutreffend Bolay, K&R 2009, 92 zum Hot Button: System aus Zufallselementen und Ermessens­ entscheidungen des Spielanbieters. 26  Mitsch, Gutachten, S. 82. 25

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

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Dazu gehört die Vorspiegelung eines Zeitdrucks. Sie ist zudem eine besondere Variante irreführender Aussagen über die Spieldauer, die sowohl auf das Spielende als auch auf die nächste konkrete Gewinnmöglichkeit durch Auslösen des „Hot Button“ bezogen sein kann. Auch das Herunterzählen (count down) bis zur vollen Stunde („noch 5 min bis 23 Uhr“), zu der eine neue Sendung beginnen soll, die dann doch erst 5 min nach der vollen Stunde beginnt, fällt unter das bußgeldbewehrte Verbot der Vorspiegelung von Zeitdruck „entgegen § 6 Abs. 2“. Außerdem ist die Darstellung des Gewinns als Lösung von persönlichen Notlagen ordnungswidrig. Die – ggf. zusätzliche – Verlockung, mit geringem Einsatz einen größeren Gewinn machen zu können, kann die Einsichtsfähigkeit nicht nur bei spielsüchtigen und suchtgefährdeten Personen beeinträchtigen und den inneren Widerstand gegen risikoreiche Mehrfachteilnahmen herabsetzen. Deshalb sind dem Spielveranstalter solche persuasiven Aussagen unter Bußgeldandrohung untersagt.

5.2.6 Eingriff in laufende Spielsendungen Eingriffe in laufende Gewinnspiele oder Gewinnspielsendungen entgegen dem Manipulationsverbot des § 7 GSS sind Ordnungswidrigkeiten nach § 12 Abs. 1 Nr. 7 GSS. Das generelle Veränderungsverbot wird durch die folgenden Regelbeispiele verdeutlicht. • Die Abänderung von Spielregeln Zum Beispiel dürfen nicht innerhalb einer Gewinnspielsendung zwei Zahlenrätsel angeboten werden, bei denen jeweils eine unterschiedliche Zählweise zugrunde gelegt wird. So dürfen nicht im einen Spiel Buchstaben im Text, die römischen Zahlzeichen entsprechen (I = 1; V = 5; X = 10; L = 50; C = 100; D = 500; M = 1000), mitgezählt werden, im zweiten Spiel derselben Gewinnspielsendung jedoch nur Lösungen anerkannt werden, die ausschließlich die in arabischen Ziffern ausgedrückten Zahlen berücksichtigen. Ferner ist es unzulässig für die Summenbildung angegebener Beträge oder Gewichte im einen Fall alle aus den Ziffern möglichen Zahlenkombinationen (in 143 sind z. B. folgende Zahlen und Zahlenkombinationen enthalten: 1, 3, 4, 13, 14, 31, 34, 41, 43, 134, 143, 314, 341, 413 und 431) zusammenzurechnen und im zweiten Spiel nur die als ganze Zahlen im Spiel vorkommenden. • Falsche Angaben zum Teilnehmeraufkommen Die Satzung nennt die Vorspiegelung weiterer oder fehlender nutzender Personen als Regelbeispiel für Veränderungen in einem laufenden Spiel, was nicht recht verständlich ist. Eine Subsumtion unter die Tathandlung „Eingriff in das laufende Gewinnspiel“ ist nicht möglich; eine Ahndung kommt allenfalls nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 6 Abs. 1 GSS in Betracht. • Eingriffe in die Teilnehmerauswahl Damit dürfte nicht der Ausschluss des praktizierten „Hot-Button-Modus“ bezweckt sein, bei dem der Redakteur durch willkürliches Auslösen des „Hot B ­ utton“ die Nutzerauswahl konkret in Gang setzt. Vielmehr sind als Regelbeispiel für Veränderungen während des laufenden Spiels solche Eingriffe gemeint, die zu Abweichungen vom kommunizierten Auswahlverfahren (§ 9 Abs. 2 GSS) führen.

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5 Gewinnspiele

• Eingriffe in die Rätsellösung Beispiele sind der Austausch von Lösungswörtern oder Suchbildern während des laufenden Spiels, aber auch die Wertung eines richtigen Lösungswortes als falsch oder die Nichtanerkennung eines vom Teilnehmer zutreffend benannten Bildfehlers. Die Ordnungswidrigkeit wird nicht dadurch beseitigt, dass den Teilnehmern, deren Lösungsvorschlag on air unzutreffend als falsch gewertet wurde, der zustehende Gewinn im Nachhinein ausbezahlt wird. Die falsche Lösungswertung bewirkt eine Täuschung – des betroffenen Teilnehmers (jedenfalls bis zur Gewinnauszahlung) und – der übrigen Mitspieler, die dadurch animiert werden, unter Vermeidung des als falsch bewerteten, tatsächlich aber richtigen Lösungsvorschlags mit Geldeinsatz weiter zu spielen. • Die Reduzierung des Gewinns Unzulässig ist das Anlocken von Teilnehmern durch das Versprechen einer hohen Gewinnsumme, die im weiteren Spielverlauf wieder reduziert wird. In der Praxis war eine Zeit lang die Variante beliebt, einen zunächst moderaten Gewinn in zeitlichen Intervallen zu erhöhen, weil angeblich keine Anrufe zu verzeichnen waren. Rechtzeitig vor dem Durchstellen der ersten Anrufer ins Studio mit der Chance, einen Lösungsvorschlag abzugeben, wurde die Gewinnsumme wieder reduziert. Eine solche Praxis ist seit Inkrafttreten der Gewinnspielsatzung ordnungswidrig und mit Geldbuße bis zu 500.000 € bedroht.

5.2.7 Missachtung der Spielvorgaben Tathandlung ist ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 8 GSS bei Durchführung und Gestaltung der Spiele (§ 12 Abs. 1 Nr. 8 GSS). • Dazu gehört gem. § 8 Abs. 1 GSS die Nichteinhaltung der vom Anbieter selbst aufgestellten und veröffentlichten verbindlichen Teilnahmebedingungen. • Nicht allgemein verständliche Spiellösungen (§ 8 Abs. 2 GSS) stellen eine Ordnungswidrigkeit dar. • Die Lösung muss mit Hilfe der technischen Ausstattung eines durchschnittlichen Haushalts nachvollziehbar sein. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn Fehler in geometrischen Zeichnungen oder abgebildeten Flaggen oder sonstigen Abbildungen auf Bildschirmen in haushaltsüblicher Größe und mit durchschnittlicher Auflösung nicht sicher identifiziert werden können. Anders ausgedrückt: Spiele, deren Auflösung einen HD-tauglichen Bildschirm mit 40 Zoll Bildschirmdiagonale als Mindestausstattung voraussetzen, sind solange unzulässig, bis eine entsprechende Geräteausstattung zum allgemeinen Standard gehört. Ferner muss bei der Gestaltung des Bildausschnitts oder der Maske darauf geachtet werden, dass der relevante Bildausschnitt nicht nur auf besonders großen Bildschirmen oder solchen in besonderen Formaten, sondern grundsätzlich auf Bildschirmen in den handelsüblichen Größen und Formaten abgebildet werden kann; auf besonders kleine Bildschirme für den portablen oder den mobilen Fernsehempfang in Fahrzeugen ist hingegen nicht abzustellen. Hat der Anbieter vorsätzlich gegen diese Pflicht verstoßen, kann eine Geldbuße festgesetzt werden.

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

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• Als Lösung sind bei Wortfindungsspielen nur solche Begriffe zulässig, die in allgemein zugänglichen Nachschlagewerken oder in allgemein zugänglicher Fachliteratur zu finden sind (§ 8 Abs. 3 GSS). Nicht als zulässig wurden von der zuständigen Landesmedienanstalt bei der Suche nach Wörtern, die auf „licht“ enden, die Adjektive „schwindlicht“ und „stachelicht“ anerkannt. Die in Bezug genommene Originalausgabe von Schillers Turandot und das historische Grimmsche Wörterbuch wurden nicht als allgemein zugängliche Nachschlagewerke oder allgemein zugängliche Fachliteratur i. S. d. Formulierung akzeptiert. Kein „Nachschlagewerk“ i. S. d. Satzung ist das Internet-„Lexikon“ Wikipedia. Die mit Wikipedia, Stichwort Nachschlagewerk, belegte Gegenmeinung versteht sich nicht „von selbst“.27 Diese offene Internetplattform erlaubt grundsätzlich jedermann, selbst verfasste Textbeiträge einzustellen oder bestehende Textbeiträge zu ergänzen, und würde dem Gewinnspielanbieter ermöglichen, Wortkreationen kurzerhand in Wikipedia einzutragen um ihre Existenz damit gegenüber der Aufsichtsbehörde nachzuweisen. Es sollte sich von selbst verstehen, dass diese Manipulationsmöglichkeit von vornherein ausgeschlossen werden muss. • Die Verweigerung der Ausschüttung des ausgelobten Gewinns bei Erfüllung der Gewinnbedingungen (§ 8 Abs. 4 GSS) ist eine Ordnungswidrigkeit. • Falls bei telefonischer Spielteilnahme ein ins Studio durchgestellter Teilnehmer keinen Lösungsvorschlag abgibt, sei es, dass er das Telefonat wortlos beendet (sog. Aufleger) oder dass er aus Überraschung keinen Lösungsvorschlag abgeben kann bzw. seine Lösung vergessen hat, ist sofort ein weiterer Teilnehmer durchzustellen (§ 8 Abs. 5 GSS). „Sofort“ bedeutet, dass der nächste technisch verfügbare Teilnehmer durchzustellen ist.28 Jede Verzögerung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Verpflichtung besteht nicht nach Abgabe eines falschen Lösungsvorschlags. • Grundsätzlich ist ein Gewinnspiel nach seiner Beendigung aufzulösen und die Auflösung zu veröffentlichen (§ 8 Abs. 6 GSS). Die Auflösung von Spielen muss allgemein verständlich im Programm dargestellt werden; in diesem Fall kann die Auflösung am Ende der Sendung erfolgen. Bei Suchspielen mit einer nicht abschließenden Zahl von möglichen Lösungen genügt der Anbieter seiner Pflicht, wenn er die Lösung durch Beispiele nachvollziehbar macht.

5.2.8 Unzureichende Teilnahmebedingungen § 12 Abs. 1 Nr. 9 GSS stellt Verstöße gegen einen Teil der in § 9 Abs. 3 GSS enthaltenen Verpflichtungen unter Bußgeldandrohung. § 9 Abs. 3 GSS stellt die Mindestanforderungen an die Teilnahmebedingungen auf, die der Anbieter nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GSS „im Vorfeld“ der Gewinnspielveranstaltung aufzustellen und zu veröffentlichen hat (s.  o. 5.2.3). Insoweit enthält § 12 Abs. 1 Nr. 9 GSS ein Sonderdelikt für Gewinnspielanbieter.29  Wie hier: BCHHG, MStV §  11 Rn.  25 gegen BayVGH, Urt. v. 28.10.2009  – 7  N 09.1377, ZUM-RD 2010, 102 (116); ihm folgend Beck RundfunkR/Müller, RStV § 8a Rn. 94; Streinz/Liesching/Hambach/Hopf/Braml, GWS § 9 Rn. 4. 28  S. auch Mitsch, Gutachten, S. 103. 29  Beck RundfunkR/Müller, RStV § 8a Rn. 107; „wohl aus der Sphäre des Rundfunkveranstalters“ Streinz/Liesching/Hambach/Hopf/Braml, GWS § 13 Rn. 24. 27

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5 Gewinnspiele

Es ist ordnungswidrig, wenn die Teilnahmebedingungen keine allgemein verständlichen Hinweise enthalten auf • das Teilnahmeentgelt einschließlich seiner Höhe, • den Jugendschutz gem. § 3 Abs. 1 GSS, d. h. auf Teilnahmebeschränkung bzw. Teilnahmeausschluss Minderjähriger bei Gewinnspielen bzw. Gewinnspielsendungen einschließlich des Hinweises auf die Einbehaltung verbotswidriger Gewinne, • die in § 4 GSS genannten abstrakt-generellen Regeln für den Ausschluss einzelner Teilnehmer, • die konkrete Ausgestaltung eines eingesetzten Auswahlverfahrens und • die allgemeinen Bedingungen für die Ausschüttung des Gewinns.

5.2.9 Verletzung von Informationspflichten § 12 Abs. 1 Nr. 10 GSS stellt eine Verletzung der in § 10 Abs. 1 bis 5 GSS geregelten Informationspflichten unter Bußgeldandrohung. Während § 9 Abs. 1 und 2 GSS allgemein die Gegenstände der Informationspflicht für alle Gewinnspielanbieter in Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und den von der Satzung erfassten Telemedien (§ 1 Abs.  1 GSS) festlegen, bestimmt §  10 GSS die Modalitäten der Erfüllung dieser Pflichten in Bewegtbildangeboten (Absatz 1 für Gewinnspielsendungen, Absatz 2 für Einzelgewinnspiele) und in Audioangeboten (Absatz 3 für Gewinnspielsendungen, Absatz 4 für Einzelgewinnspiele); Absatz 5 reduziert die Informationspflicht für sog. unentgeltliche Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen (s. o. 5.2.1). Mitsch nimmt daran Anstoß, dass weder die Bußgeldnorm noch die Verhaltensnormen (§§ 10 und 11 GWS a. F.) den Verpflichteten festlegen. Allenfalls beim Moderator eines Gewinnspiels oder einer Gewinnspielsendung liege die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Informationspflichten offen zutage. Die übrigen arbeitsteilig an der Gestaltung der Sendung Beteiligten dürften nicht ohne Rücksicht auf ihre Verantwortlichkeit zu Tätern des Unterlassungsdelikts gemacht werden.30 Das gilt unverändert für die Nachfolgeregelungen in §§ 9 und 10 GSS. Außer in den Teilnahmebedingungen (s. o. 5.2.3), die zu veröffentlichen sind, ist auch in den Medienangeboten deutlich hinzuweisen auf • das Teilnahmeentgelt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GSS), • den Ausschluss Minderjähriger (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GSS) und • den Einbehalt verbotswidriger Gewinne Minderjähriger (§  9 Abs.  1 Satz 2 Nr. 3 GSS).

30

 Mitsch, Gutachten,S. 114; zust. Streinz/Liesching/Hambach/Hopf/Braml, GWS § 13 Rn. 25.

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

125

Diese Hinweise müssen in Bewegtbildangeboten31 zu Beginn einer Gewinnspielsendung und in höchstens fünfzehnminütigem Abstand jeweils mündlich und zusätzlich während der gesamten Sendung durch deutlich lesbare Bildschirmeinblendung gegeben werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GSS). Ausgenommen von der Pflicht zur permanenten Bildschirmeinblendung wird der Hinweis auf den Einbehalt verbotswidriger Gewinne Minderjähriger durch § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GSS, der Textlaufbänder mit mindestens 10 s Länge im fünfminütigen Abstand für diesen Hinweis genügen lässt. Für Einzelgewinnspiele in Bewegtbildangeboten schreibt § 10 Abs. 2 Satz 1 GSS die o. g. Hinweise jeweils zur Eröffnung einer konkreten Teilnahmemöglichkeit in derselben Form wie diese vor. Ferner muss hingewiesen werden auf • die allgemeinen Teilnahmebedingungen und die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GSS), • die Tatsache, dass nicht jede entgeltpflichtige Teilnahme zur Auswahl eines Teilnehmers führt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GSS) und • den Zeitrahmen, in dem die Auswahl eines Teilnehmers vorgesehen ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GSS). Dies hat bei Gewinnspielsendungen in Bewegtbildangeboten durch mündliche Hinweise zu Beginn und in höchstens dreißigminütigem Abstand und zusätzlich durch ein dauerhaft eingesetztes deutlich lesbares Textlaufband zu erfolgen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 GSS). Jeder der vorgeschriebenen einzelnen Hinweise muss in diesem Textlaufband spätestens alle zehn Minuten berücksichtigt werden und zusätzlich muss mündlich mindestens alle zehn Minuten auf das Textlaufband hingewiesen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 und 4 GSS). Bei Einzelgewinnspielen in Bewegtbildangeboten wird offenbar der Hinweis auf die allgemeinen Teilnahmebedingungen zu Beginn jeder Eröffnung konkreter Teilnahmemöglichkeiten (§ 10 Abs. 2 Satz 1 GSS) für einen ausreichenden Hinweis auf die Tatsache gehalten, dass nicht jede entgeltpflichtige Teilnahme zur Auswahl des Teilnehmers führt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GSS), da die Darstellung der konkreten Ausgestaltung eines eingesetzten Auswahlverfahrens Inhalt der Teilnahmebedingungen zu sein hat (s. o. 5.2.3). Der Hinweis auf den Zeitrahmen für die Teilnehmerauswahl (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GSS) erschien offenbar bei Einzelgewinnspielen entbehrlich. Der durch § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 GSS vorgeschriebene Hinweis auf die Veröffentlichung der Auflösung gem. §  8 Abs.  6 GSS muss in Gewinnspielsendungen durch eine deutlich lesbare Bildschirmeinblendung von mindestens zehn Sekunden Dauer erfolgen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 GSS). Für Einzelgewinnspiele ist dieselbe Bildschirmeinblendung „im Rahmen der Darstellung der Auflösung gemäß § 8 Abs. 6 Satz 5“ vorgeschrieben. In Unterscheidung zum Textlaufband meint Bildschirmein Definitionsgemäß besteht Rundfunk aus „Angeboten in Bewegtbild oder Ton“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MSDtV); Bewegtbildangebote sind auch rundfunkähnliche Telemedien (§ 2 Abs. 2 Nr. 13) und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien (§ 2 Abs. 3). Telemedienangebote, die nur Text und Standbild enthalten, gehören nicht dazu. 31

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5 Gewinnspiele

blendung einen stehenden Text, der jedoch nicht Bildschirm füllend sein muss, wie sich aus dem Vergleich mit § 10 Abs. 1 Nr. 4 GSS ergibt, der dies für den dortigen Hinweis ausdrücklich vorschreibt. Bei Gewinnspielsendungen in Bewegtbildangeboten ist zu Beginn jeder Sendung und während des Verlaufs jeweils im Abstand von 60 min mündlich und zeitgleich für mindestens 30 s durch eine den überwiegenden Teil des Bildschirms füllende Texteinblendung das eingesetzte Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Spielvarianten deutlich wahrnehmbar und allgemein verständlich zu erläutern (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 GSS). Dazu gehört die genaue Darlegung, wie die Auswahl der Teilnehmer erfolgt (§ 9 Abs. 2 Satz 2 GSS). Für Einzelgewinnspiele gilt diese Darlegungspflicht nicht. Bei Gewinnspielsendungen in Audioangeboten sind deutlich wahrnehmbare mündliche Hinweise gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–6 GSS alle 15 min vorgeschrieben (§ 10 Abs. 3 Satz 1 GSS). Der Hinweis auf die Tatsache, dass nicht jede entgeltpflichtige Teilnahme zur Auswahl des Teilnehmers führt, darf stattdessen auch als entgeltfreie Bandansage dem tarifierten Telefonanruf vorgeschaltet werden (§ 10 Abs. 3 Satz 4 GSS). Die Erläuterung des Auswahlverfahrens gem. §  9 Abs.  2 GSS ist in Audio-Gewinnspielsendungen zu Beginn jeder Sendung und dann stündlich vorgeschrieben (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GSS). Die Lösungshinweise nach § 8 Abs. 6 Satz 5 GSS müssen deutlich wahrnehmbar erfolgen. Letzteres gilt auch für Einzelgewinnspiele in Audioangeboten (§ 10 Abs. 4 Satz 2 GSS). Im Übrigen müssen die Hinweise gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1– 4 GSS bei Einzelgewinnspielen vor jeder Eröffnung einer konkreten Teilnahmemöglichkeit deutlich wahrnehmbar gegeben werden (§  10 Abs.  4 Satz 1 GSS). Ausdrückliche eigene Hinweise gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 sind wie bei Einzelgewinnspielen in Bewegbildangeboten nicht vorgeschrieben.

5.2.10 Auskunfts- und Vorlagepflichtverletzungen Ordnungswidrig handeln Anbieter von Gewinnspielen und Gewinnspielsendungen, die ihrer jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde „entgegen § 11“, d. h. auf Verlangen, Auskünfte nicht erteilen oder Unterlagen nicht vorlegen. Eine Auskunftspflicht kann man in der Erläuterungspflicht in § 11 Abs. 1 Nr. 1 GSS erkennen. Im Übrigen enthält § 11 Abs. 1 GSS konkrete Vorlagepflichten. § 11 Abs. 2 Satz 1 GSS sieht eine dreimonatige Aufbewahrungsfrist für „die betreffenden Daten“ vor. § 11 Abs. 2 Satz 2 GSS statuiert die medienrechtliche Verpflichtung zur Beachtung telekommunikations- und datenschutzrechtlicher Vorschriften. Damit kann deren Durchsetzung medienverwaltungsrechtlich, nicht jedoch bußgeldrechtlich erzwungen werden, da Tathandlung in §  12 Abs.  1 Nr.  11 GSS ausschließlich die Nichterfüllung von Auskunfts- und Vorlagepflichten ist (vgl. § 3 OWiG). Die Aufbewahrungsfrist ist insofern von Bedeutung als die Nichtvorlagemöglichkeit wegen pflichtwidriger Vernichtung von Daten vor Ablauf von drei Monaten nicht exkulpieren kann.32 Die Nichtvorlage wegen Vernichtung nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfüllt den Bußgeldtatbe32

 Mitsch, Gutachten, S. 129.

5.2  Ordnungswidrigkeiten in den Gewinnspielsatzungen

127

stand dagegen nicht.33 Wer die Vorlage von Nachweisen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist verweigert, obwohl diese noch vorhanden sind, handelt ordnungswidrig; die dreimonatige Aufbewahrungsfrist befreit nicht von der Vorlageverpflichtung nach § 11 Abs. 1 GSS, sondern rechtfertigt die Datenvernichtung nach Fristablauf. §  11 Abs.  3 GSS trägt dem Anbieter auf, seine Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten vertraglich auf seine Erfüllungsgehilfen zu erstrecken. Eine Verletzung dieser Verpflichtung ist im Rahmen des § 12 Abs. 1 Nr. 11 GSS nicht selbstständig sanktionsfähig, führt aber dazu, dass eine Nichtvorlage von Nachweisen i. S. d. § 11 Abs. 1 GSS pflichtwidrig und bußgeldrechtlich ahndbar bleibt. Die Pflicht zur Vorlage einer ausführlichen Erläuterung angewandter Auswahlverfahren (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GSS) geht im Zweifel über die allgemein verständliche Erläuterung gegenüber den Nutzern gem. § 9 Abs. 2 GSS und die Darlegung in den Teilnahmebedingungen (§ 11 Abs. 3 GSS) hinaus und umfasst auch die Beantwortung von Nachfragen der zuständigen Aufsichtsbehörden. Die Verpflichtung zur Vorlage aktueller Fassungen benennt eine Selbstverständlichkeit und bedeutet bei sachgerechter Interpretation die zum nachgefragten Zeitpunkt aktuelle Fassung. Die Vorlagepflicht ist nicht auf zum Zeitpunkt des behördlichen Verlangens bereits fertig abgefasste Papiere oder sonstige Unterlagen/Daten beschränkt. Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, die Vorlage der Teilnahmebedingungen in aktueller Fassung zu verlangen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 GSS) und muss sich nicht auf die veröffentlichte Version verweisen lassen. Zudem kann sie die Vorlage interner Dienstanweisungen verlangen, welche die Veranstaltung der Sendung und die Durchführung der Spiele betreffen (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 GSS). Für die Prüfung des technischen Auswahlmechanismus’ müssen die Anbieter allgemein auswertungsfähige technische Protokolle vorlegen (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 GSS). Die Aufsichtsbehörde muss sich nicht mit Beschreibungen des Verfahrens oder Versicherungen des Anbieters zufrieden geben. Als Belege über das Teilnehmeraufkommen sind in erster Linie die Auswertungen der Protokolle, auf Verlangen aber auch technische Protokolle, vorzulegen. Schriftliche Nachweise über Gewinner und ausgezahlte Gewinnsummen (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 GSS) können Kopien der Gewinnmitteilungen, verbunden mit einem Nachweis des Postausgangs, sowie Bankauszahlungsbestätigungen sein. Welche Belege die Aufsichtsbehörde jeweils verlangt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen. Die ausführlichen Lösungsskizzen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 GSS) müssen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde weitergehend detailliert werden als die öffentlichen Lösungshinweise nach § 8 Abs. 6 GSS. Ist eine Lösung auch nach Auswertung der vorgelegten ausführlichen Lösungsskizze nicht vollständig klar, wird in der Regel ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 8 Abs. 2 GSS vorliegen (vgl. o. 5.2.8). Schließlich stellt die Nichtvorlage eines Belegs für die Veröffentlichung der Spiellösungen (§ 11 Abs. 1 Nr. 7 GSS) eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Beleg müssen gem. § 8 Abs. 6 Satz 2 GSS „für die Dauer von mindestens drei Tagen nach Ablauf des Spiels“ vorgehalten werden. Mit dem Ende der Pflicht beginnt die Verfolgungsverjährung zu laufen.

33

 Mitsch, Gutachten, S. 128.

128

5 Gewinnspiele

5.3 Gewinnspiele zur Förderung von Arzneimittelkonsum Im Januar 2017 erregte ein bayerischer Hörfunkanbieter durch die Ankündigung der Verlosung einer Brustvergrößerung großes Aufsehen.34 Bewerberinnen konnten sich mit Fotografien ihrer entblößten Brüste beim Radiosender bewerben. Ein ortsansässiger Schönheitschirurg sollte anhand der Brustfotos die Bewerberin auswählen, deren Brust er mit einer – für die Bewerberin unentgeltlichen – Operation im Wert von 5000 € vergrößern wollte. Mit einem Schlag wurde der Allgemeinheit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG bekannt, der es verbietet, außerhalb von Fachkreisen für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist zu „werben“, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren „einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.“ Eine vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlung stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 8 HWG dar, die mit Geldbuße bis zu 50.000,00 € bedroht ist (§ 15 Abs. 3 HWG). Nach der Einleitung eines aufsichtlichen Verfahrens unter verschiedenen u. a. jugendschutzrechtlichen Gesichtspunkten veröffentlichte der Radioanbieter folgende Mitteilung: „Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen und wegen des Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 des Heilmittelgesetzes (HWG) beendet Radio Galaxy Ingolstadt das Gewinnspiel ‚Der Radio Galaxy Traumbusen‘. Alle bisher eingegangenen Bewerbungen werden gelöscht.“35 Die Normstruktur des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG ist nicht ganz einfach. Verbotenes Verhalten ist das Werben für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel, die Tatmodalität mit Preisausschreibungen, Verlosungen oder anderen zufallsabhängigen Verfahren, sofern diese einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten. Dabei bleibt unklar, ob der Gesetzgeber bei Gewinnspielen, die „einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten“ das Vorliegen verbotener Arzneimittelwerbung vermutet, oder ob das Werben für Arzneimittel zusätzlich nachgewiesen werden muss.

 https://www.merkur.de/welt/radio-galaxy-stoppt-aktion-traumbusen-7239247.html; http://www. donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Ingolstadt-DKmobil-wochennl022017-Doch-kein-Traumbusen;art599,3312013; http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.rechtliche-probleme-radio-galaxy-umstrittene-brustvergroesserungs-aktion-gestoppt.5312f06a-ee61-4e3c-98c5-b74fed3ff4cc. html; https://kurier.at/leben/radio-galaxy-ingolstadt-radiosender-verlost-traumbusen/240.640.984 (abgerufen am 30.6.2023). 35  Zitiert nach http://www.radioszene.de/99840/brustvergroesserungs-op-radiosender-­galaxytraumbusen.html (abgerufen am 30.6.2023). 34

6

Werbung

6.1 Allgemeines 6.1.1 Werbung als Finanzierungsinstrument Aus Sicht der klassischen Medien (Film, Presse, Rundfunk) ist Werbung ein Finanzierungsinstrument. Besonders für private Rundfunkveranstalter stellt Werbung faktisch die Haupteinnahmequelle dar1 (vgl. § 69 MStV). Im Rahmen der Ausgestaltung der Rundfunkordnung hat der Gesetzgeber verschiedene Werbeformen im Rundfunk als Finanzierungsmittel intensiv geregelt. Außerhalb des Medienstaatsvertrags finden sich Regelungen zur Werbung, denen zumeist andere gesetzgeberische Motive zugrunde liegen; beim Tabakwerbeverbot z. B. der Gesundheitsschutz. Je nach Zielrichtung einer Norm kann der Begriff der „Werbung“ unterschiedlich zu verstehen sein, d. h. die Interpretation des jeweiligen Werbebegriffs hat sich am Normzweck zu orientieren.

6.1.2 Werbung als Drittäußerung Aus Sicht des Werbetreibenden ist das Medium Vehikel um Aufmerksamkeit für seine Produkte oder Anliegen zu gewinnen.2 So erweist sich Werbung im klassischen Verständnis aus Medienanbietersicht als Drittinhalt in seinem Medium. Dass Dritte in einem Rundfunkprogramm Sendezeit für ihre eigenen Zwecke erhalten, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn das Bundesverfassungsgericht leitet unmittelbar aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit einer präventiven Rundfunkzulassung und „staatlicher“ Beaufsichtigung privater Rundfunkveranstalter ab.3 Die Sendezeit Vgl. Blaue, Werbung, S. 28; Gersdorf, RundfunkR, S. 113; Hesse, RundfunkR, S. 236; Spindler/ Schuster/Döpkens, RStV § 43 Rn. 3. 2  Blaue, Werbung, S. 29. 3  BVerfG, Urt. v. 16.6.1981 – 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295 (326). 1

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_6

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130

6 Werbung

überlassung an Dritte, die kein Zulassungsverfahren durchlaufen haben und keiner Rundfunkaufsicht unterliegen, ist die begründungsbedürftige Ausnahme. Deshalb dürfen Drittsendezeiten im Rundfunk nur im Rahmen der gesetzlichen Regeln eingeräumt werden. Das hat besondere Bedeutung etwa für politische Werbung. Gesetzlich allgemein zugelassen, wenn auch mit gewisser zeitlicher Begrenzung, ist die gewerbliche Werbung zur Absatzförderung von Waren und Dienstleistungen. Grundsätzlich unzulässig – mit engen Ausnahmen – ist die Sendezeitüberlassung an Dritte für ideelle Werbezwecke; dazu näher unten.

6.1.3 Europäisches Werberecht Europäische Richtlinien verwenden den Oberbegriff „kommerzielle Kommunikation“. Neuere deutsche Gesetze haben diesen Begriff übernommen wie etwa das Telemediengesetz des Bundes (§ 2 Satz 1 Nr. 5, § 6 TMG; § 1 Abs. 4 Nr. 7, § 6 DDG-E). Art. 1 Abs. 1 Buchst. i AVMD-RL definiert den alten Begriff der „Fernsehwerbung“ als Unterfall der „audiovisuellen kommerziellen Kommunikation“ (Art. 1 Abs. 1 Buchst. h AVMD-RL). Auch die speziell geregelten Formen des Sponsorings (Art.  1 Abs.  1 Buchst. k AVMD-RL) und des Teleshoppings (Art.  1 Abs.  1 Buchst. l AVMD-RL) werden ausdrücklich als Unterfall der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation behandelt. Letztlich gilt das auch für die – verbotene – Schleichwerbung (Art. 1 Abs. 1 Buchst. j AVMD-RL), was in Art. 9 Abs. 1 Buchst. 1 AVMD-RL sichtbar wird: „au­ diovisuelle kommerzielle Kommunikation in Form der Schleichwerbung ist verboten.“ Die Formulierung der Definitionsnorm Art. 1 Abs. 1 Buchst. j AVMD-RL in der deutschen Sprachfassung „Schleichwerbung in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation“ ist sprachlich wie inhaltlich verfehlt; es geht gerade nicht um „Schleichwerbung in der Werbung“, sondern um schleichende Werbung im redaktionellen Programm! Im Unterschied zur Schleichwerbung ist die ebenfalls verbotene ideelle Werbung begrifflich keine kommerzielle Kommunikation (s. dazu unten 6.2.8).

6.1.4 Rundfunkwerberecht Mit Abstand am intensivsten ist Online-Werbung im Rundfunk reguliert. Insoweit erweist sich das hier behandelte Werberecht im Großen und Ganzen als Rundfunkwerberecht. Das gilt namentlich für die Unterbrecherwerbung und Werbemengenbegrenzungen, die jedoch seit dem Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 30.10./20.11.2009 auf Fernsehprogramme beschränkt sind; für Hörfunk gelten die Werbemengenbegrenzungen des § 70 MStV nicht. Eine Ausnahme im Bereich der Telemedien stellen die sog. Pay-per-view-Angebote dar, die § 2 Abs. 3 MStV aus dem Rundfunkbegriff ausnimmt. Für sie gelten weitgehend die Rundfunkwerberegeln (§ 74 Satz 2 MStV). Die §§ 8 und 10 MStV gelten auch für rundfunkähnliche Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV entsprechend (Abrufdienste mit hörfunk- oder fernsehähnlichen Inhalten). Für nicht rundfunkähnliche Telemedien

6.1 Allgemeines

131

gelten das in § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV eigenständig formulierte Erkennbarkeitsgebot und das in § 22 Abs. 1 Satz 2 MStV enthaltene Verbot, unterschwellige Techniken einzusetzen. Im Unterschied zu den Rundfunkveranstaltern haben Telemedienanbieter jedoch nur bei vorsätzlicher Tatbegehung mit Sanktionen zu rechnen. Der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist von dem Prinzip abgegangen, im Werbebereich lediglich sog. Formalverstöße unter Bußgeldandrohung zu stellen und hat praktisch sämtliche Ahndbarkeitslücken im Bereich der Zuwiderhandlung von privaten Rundfunkveranstaltern gegen Werbebestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags geschlossen. Da § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV nur an Veranstalter von bundesweit verbreitetem privaten Rundfunk adressiert ist, ist es konsequent, irreführende oder diskriminierende Werbung (§ 8 Abs. 1 MStV) nicht unter diese Bußgeldandrohung zu stellen, da in erster Linie die Werbetreibenden Verantwortung für die Werbeinhalte tragen.4 Auch Werbetreibende, die entgegen § 8 Abs. 2 MStV das Programm beeinflussen, müssen nicht mit einer Geldbuße rechnen. Soweit sich die Bußgeldbestimmungen in erster Linie an die Rundfunkveranstalter richten, erscheint dies systemkonsequent. Es sprechen aber keine kompetenzrechtlichen Gründe dagegen, dass der Rundfunkgesetzgeber rechtswidriges Verhalten derer, die Drittsendezeiten im Rundfunk in Anspruch nehmen, unter Bußgeldandrohung stellt.

6.1.5 Teleshopping Obwohl sich Teleshopping in grundlegender Weise von Werbung i. e. S. unterscheidet, sind die Werberegelungen grundsätzlich auf Teleshoppingsendungen anwendbar. Das ist seit dem Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag klargestellt und wird durch die Nennung des Teleshopping als Unterfall der „Werbung“ in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV nochmals verstärkt. Teleshopping bedeutet Fernabsatz von Waren und Dienstleistungen (Produkten). Demgegenüber besteht Werbung ihrem Wesen nach in der Anpreisung zum Zweck der Absatzförderung; Werbetätigkeit ist dem Erwerbsvorgang vorgelagert, wobei nicht zu leugnen ist, dass die Warenanpreisung beim Fernabsatz Werbecharakter hat. Die „Werbung“ beim Verkaufsvorgang bleibt als unselbstständiger Bestandteil dem Fernabsatz (Teleshopping) untergeordnet. Rundfunkwerbung dient stets der Finanzierung des Rundfunkprogramms (vgl. §§ 69 und 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV). Das gilt auch für Teleshoppingspots oder -fenster im Rundfunkprogramm. Es gilt nur eingeschränkt für „Eigenwerbung“, die über die Förderung der wirtschaftlichen Interessen des Rundfunkveranstalters einen eher mittelbaren Finanzierungsbeitrag zum Programm leistet. Komplette Werbe-, Eigenwerbe- und Teleshoppingkanäle (vgl. Art. 25 AVMD-RL, § 2 Abs. 2 Nr. 11, § 70 Abs. 3 und § 71 Abs. 2 MStV) verfolgen einen reinen Selbstzweck.

 So für die Presse entschieden von BGH, Urt. v. 26.1.2006 – I ZR 121/03, ZUM-RD 2006, 269; für den Rundfunk von BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20, MMR 2022, 45 Rn. 68 ff., Rn. 82 ff. mAnm Liesching; Besprechungen: Weismantel ZUM 2022, 105; Blach/Walisko GRUR 2022, 309; Bildhäuser GRUR-Prax 2022, 20. 4

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6 Werbung

Die rundfunkrechtliche Definition des Teleshoppings trägt darüber hinaus der medialen Beschränkung des Verteildienstes Rechnung, die eine unmittelbare Geschäftsabwicklung nicht zulässt, und definiert Teleshopping in §  2 Abs.  2 Nr.  11 MStV als eine sog. invitatio ad offerendum (Aufforderung ein Angebot abzugeben), die unmittelbar auf die Anbahnung eines Rechtsgeschäfts abzielt. Unabhängig davon gelten für die Einfügung von Teleshoppingsendungen in Rundfunkprogramme i. d. R. die für Werbesendungen geltenden Bestimmungen.

6.1.6 Legaldefinitionen § 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 MStV definiert den neuen Oberbegriff „Werbung“ in Anlehnung an die Definition der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation in Art. 1 Abs. 1 Buchst. h AVMD-RL wie folgt: „Werbung (ist) jede Äußerung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen ist. Werbung ist insbesondere Rundfunkwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung; § 8 Abs. 9 und § 22 Abs. 1 Satz 3 bleiben unberührt.“ Der Nachsatz „§ 8 Abs. 9 und § 22 Abs. 1 Satz 3 bleiben unberührt“ ist dadurch veranlasst, dass § 8 Abs. 9 MStV (Verbot ideeller „Werbung“) und § 22 Abs. 1 Satz 3 MStV (Zulassung ideeller „Werbung“ in sonstigen Telemedien) einen anderen als den in §  2 Abs. 2 Nr. 7 MStV definierten Werbebegriff (Wirtschaftswerbung) verwenden.5

6.1.6.1 Rundfunkwerbung Den Unterfall Rundfunkwerbung definiert § 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV in Übereinstimmung mit der vormals in Nr. 7 enthaltenen Vorgängerbestimmung wie folgt: „Rundfunkwerbung (ist) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern.“ Es geht um Äußerungen von natürlichen oder juristischen Personen, „die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen“, wie die Definition des Oberbegriffs „Werbung“ in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV klarstellt. Diese Äußerungen müssen der Förderung des entgeltlichen Produktabsatzes unmittelbar oder mittelbar, z.  B. durch Förderung des Unternehmensimages, dienen. Sie werden im Rundfunk gegen Ent BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 67; DKC HdB-MedienR/Kreile J Rn. 2.

5

6.1 Allgemeines

133

gelt, einen geldwerten Vermögensvorteil oder als Eigenwerbung von öffentlich-­ rechtlichen oder privaten Unternehmen oder von natürlichen Personen in ihrer Eigenschaft als private Rundfunkveranstalter (§ 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV) verbreitet. Für weitergehende Interpretationen, die etwa die Werbeabsicht des Rundfunkveranstalters als begriffskonstituierend verstehen wollen,6 besteht ungeachtet des nicht ganz klaren Wortlauts der Definitionsnorm kein Anlass.7

6.1.6.2 Teleshopping Teleshopping ist in § 2 Abs. 2 Nr. 11 MStV wie folgt definiert: „Teleshopping (ist) die Sendung direkter Angebote an die Öffentlichkeit für den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt in Form von Teleshoppingkanälen, -fenstern und -spots.“ 6.1.6.3 Produktplatzierung Die dritte in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV benannte Unterform, die im Kapitel über die Werbung zu behandeln ist, ist die vormals unzulässige, seit dem 13. Rundfunkänderungsstaatvertrag teillegalisierte und nunmehr durch § 8 Abs. 7 Satz 2 MStV grundsätzlich zugelassene Produktplatzierung; das als Unterfall von „Werbung“ aufgeführte Sponsoring wird in einem eigenen Kapitel (s. u. 7) behandelt. Als Produktplatzierung definiert § 2 Abs. 2 Nr. 12 MStV „jede Form der Werbung, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die entsprechende Marke einzubeziehen oder darauf Bezug zu nehmen, sodass diese innerhalb einer Sendung oder eines nutzergenerierten Videos erscheinen. Die kostenlose Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen ist Produktplatzierung, sofern die betreffende Ware oder Dienstleistung von bedeutendem Wert ist.“ Die Landesmedienanstalten haben von ihrer K ­ onkretisierungskompetenz durch Erlass übereinstimmender Werbesatzungen nach § 72 Satz 1 MStV Gebrauch gemacht. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WerbeS8 fällt die kostenlose Bereitstellung von Produkten, die begrifflich Waren und Dienstleistungen einbeziehen,9 unter die Vorschriften zur Produktplatzierung, „wenn der Wert des Produkts höher ist als 100 € und zugleich 1 % der Produktionskosten dieser Sendung, jedenfalls aber dann, wenn er den Betrag von 10.000,00 € erreicht („Waren und Dienstleistungen von besonderem Wert“).“

 Beck RundfunkR/Schulz, RStV § 2 Rn. 93; NK-MedienR/Goldbeck, Abschn. 26 Rn. 27 ff.  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 4. 8  Abgedruckt bei BCHHG unter der Signatur 3.2.8. 9  Vgl. die Definition des Verbraucherprodukts in § 2 Nr. 25 ProdSG. 6 7

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6 Werbung

6.2 Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für Zuwiderhandlungen in Telemedien 6.2.1 Das Verbot subliminaler Werbung Der Begriff „subliminale Werbung“ beschreibt den gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2 MStV unzulässigen Einsatz von Techniken zur unterschwelligen Beeinflussung. Die sog. subliminale Werbung „ist dadurch gekennzeichnet, dass durch kurze, nur Bruchteile von Sekunden dauernde Werbeeinblendungen in Filmen die Werbebotschaft vom Zuschauer zwar optisch perzipiert, jedoch nicht aperzipiert, d. h. nicht bewusst wahrgenommen wird.“10 Von der unterschwelligen Werbung ist die sog. Sugges­tivwerbung zu unterscheiden, bei der „die Werbebotschaft zwar bewusst wahrgenommen wird, jedoch ihre Verarbeitung durch den Werbeadressaten unterschwellig erfolgt.“11 Die Verbote in § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2 MStV sind unpersönlich formuliert. § 8 MStV befindet sich im Unterabschnitt für Rundfunk, § 22 MStV im Unterabschnitt für Telemedien. Die Verhaltensnormen gelten bei der Rundfunkveranstaltung bzw. beim Anbieten von Telemedien, sind aber nicht persönlich an Rundfunkveranstalter oder Telemedienanbieter adressiert. Anders verhält es sich mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MStV, der mit der Verhaltensnorm in § 8 Abs. 3 Satz 2 MStV korrespondierenden Sanktionsnorm: Sie ist an Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk adressiert. Für die Sanktionsnormen für Telemedienanbieter in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 11 MStV gilt nichts Entsprechendes: Sie sind wie die korrespondierenden Verhaltensnormen unpersönlich formuliert. Auf persönliche ahndungsbegründende Tätermerkmale kommt es insoweit nicht an.

6.2.1.1 Rundfunk Ordnungswidrig handelt, wer als Veranstalter von bundesweit verbreitetem privaten Rundfunk vorsätzlich oder fahrlässig in der Werbung entgegen §  8 Abs.  3 Satz 2 MStV Techniken zur unterschwelligen Beeinflussung einsetzt (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MStV). Das vormals in der Tatbestandserfassung erwähnte Teleshopping wird durch Einbeziehung in den erweiterten Werbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV weiterhin vom Bußgeldtatbestand erfasst. Nachdem Rundfunkveranstalter in der Regel Teleshoppingfenster in ihrem Programm nicht selbst gestalten, entsteht durch die Beschränkung des möglichen Täterkreises auf den Veranstalter von bundesweit verbreitetem privatem Rundfunk eine Ahndbarkeitslücke. Weil aber subliminale Techniken in der Praxis – soweit bekannt – eine geringe Rolle spielen und entsprechende Beeinflussungsversuche durch Teleshoppingfenster noch nicht bekannt geworden sind, mag sich daraus zzt. kein praktisches Problem ergeben. Es wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber mit Blick auf Teleshoppingfenster den möglichen Täterkreis erweitert.

 HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 82 m. w. N.; s. auch BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 56; Spindler/ Schuster/Döpkens, RStV § 7 Rn. 34. 11  HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 83 m. w. N. 10

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

135

Wer das Merkmal Veranstalter von bundesweit verbreitetem privaten Rundfunk nicht aufweist, ist grds. kein tauglicher Täter, es sei denn, er gehört zu dem Personenkreis, dem § 9 OWiG als handelnden Vertretern die persönlichen ahndungsbegründenden Tätermerkmale des Vertretenen zurechnet (s. o. 2.3.3.3).

6.2.1.2 Telemedien Ordnungswidrig handelt ferner, wer subliminale Werbung in Telemedien einsetzt (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 11 MStV). Weil § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV im Unterschied zu Satz 1 die Fahrlässigkeit nicht einbezieht, kann der Tatbestand gem. § 10 OWiG nur vorsätzlich verwirklicht werden. Die Ahndbarkeit des Personals von Telemedienanbietern richtet sich nach ihrem individuellen Tatbeitrag. Persönliche Tätermerkmale enthalten die Sanktionsnormen nicht.

6.2.2 Trennungsgrundsatz und Kennzeichnungsgebot Beispiel

Beispiel: Der Kommentator eines im Fernsehen übertragenen Fußballspiels gibt in einer Spielpause an eine andere Sprecherin ab. Es folgt ein Werbetrenner. Danach kommentiert die Sprecherin Spielergebnisse im Zusammenhang mit Sportwetten vor einem weichgezeichneten Stadionhintergrund. Zum Schluss gibt sie zurück an den Sportkommentator. ◄

6.2.2.1 Verhaltensnormen Werbung muss im Rundfunk, in rundfunkähnlichen und in linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein (§ 8 Abs. 3 Satz 1, § 74 MStV). Für sonstige Telemedien fordert § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV die klare – anstelle der leichten – Erkennbarkeit. Zu diesem Zweck müssen Rundfunkwerbung und Teleshopping dem Medium angemessen, d. h. im Fernsehen durch optische, im Hörfunk durch akustische Mittel oder räumlich eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein (§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 3 MStV). Nach § 74 MStV gilt das entsprechend für rundfunkähnliche Telemedien (Abrufdienste) und für linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien, namentlich für Pay-per-view-Angebote i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV. Andere Sendungsteile i. S. d. des Trennungsgrundsatzes sind nur solche, die ihrerseits keine Wirtschaftswerbung darstellen, sodass Spotwerbung, die auf eine Dauerwerbesendung folgt, nicht „abgesetzt“ werden muss.12 Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit gehören nicht zur Wirtschaftswerbung, sondern stellen „andere Sendungsteile“ dar, von denen die Werbung eindeutig abzusetzen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 2 WerbeS).13

12 13

 BVerwG, Urt. v. 24.6.2020 – 6 C 23.18, ZUM-RD 2021, 54 (58 Rn. 38 ff.).  BVerwG, Beschl. v. 27.6.2019 – 6 B 150/18, NVwZ-RR 2020, 158.

136

6 Werbung

Nachdem die „Werbeform“ Sponsoring nach § 2 Abs. 2 Nr. 10 MStV ein Beitrag zur direkten oder indirekten Finanzierung von Rundfunkprogrammen, rundfunkähnlichen Telemedien, Video-Sharing-Diensten, nutzergenerierten Videos oder einer Sendung ist, bleibt die Konsequenz des Erkennbarkeitsgebots für Sponsoring auf die Kennzeichnung gem. § 10 Abs. 1 beschränkt.14 Bezogen auf die Produktplatzierung führt die amtl. Begr. aus: „Das in Absatz 3 enthaltene Erkennbarkeits- und Trennungsgebot gilt für Produktplatzierung nur insoweit, als nur den besonderen Anforderungen des Absatzes 7 genügt werden muss.“15

6.2.2.2 Sanktionsnormen Zuwiderhandlungen gegen das Erkennbarkeitsgebot sind weder für Rundfunkveranstalter noch für Anbieter rundfunkähnlicher und linear verbreiteter fernsehähnlicher Telemedien bußgeldbewehrt. § 115 Abs. 1 MStV enthält in Satz 1 Nr. 4 für Rundfunkveranstalter und in Satz 2 Nr. 12 für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien einen Bußgeldtatbestand für Zuwiderhandlungen gegen das Kennzeichnungsgebot, das für Rundfunkwerbung bzw. der Rundfunkwerbung entsprechende Werbung und für Teleshopping gilt, aber nicht für Zuwiderhandlungen gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 8 Abs. 3 Satz 1 MStV. Anders die Bußgeldandrohung für nicht rundfunkähnliche sonstige Telemedien, die nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 sowohl greift, wenn Werbung nicht als solche klar erkennbar gemacht, als auch („oder“), wenn sie nicht eindeutig vom übrigen Inhalt getrennt wird (s. u. 11.5.1.2 und 11.5.1.3). Rundfunkveranstalter können die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich oder fahrlässig begehen, Telemedienanbieter nur vorsätzlich. 6.2.2.3 Einzelheiten Das Trennungs- und Kennzeichnungsgebot „hat lauterkeitsrechtliche, rezipienten- sowie verbraucherschutzrechtliche Facetten und einen festen medienrechtlichen Kern, in dem sich das Verbot der Programmbeeinflussung durch Werbetreibende und der Vertrauensanspruch des Rundfunks als Medium und Faktor der öffentlichen und individuellen Meinungsbildung verdichten.“16 Es dient dazu, „Schleichwerbung und sonstige nicht an den Prinzipien der Lauterkeit, der Wahrheit und der Klarheit der Werbung orientierte Mischformen sowie unterschwellige, für den Betrachter nicht ohne weiteres erkennbare Werbung zu vermeiden.“17 Ungeachtet dieses übergeordneten Zwecks muss bei der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Betrachtung zwischen den einzelnen Verletzungsformen (Schleichwerbung, unterschwellige Techniken, u. a.) unterschieden werden. Bei den Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder Satz 2 Nr. 12 MStV ist ausschließlich das Unterlassen einer Kennzeichnung von Rundfunkwerbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV und von Teleshopping erfasst.

 Klickermann, MMR 2020, 150 (153).  BayLT-Drs. 18/7640, 88 16  Bornemann, ZUM 2015, 48 (49). 17  HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 65; vgl. auch BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 49. 14 15

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

137

Zwar verfolgen Erkennbarkeits- und Trennungsgebot denselben Zweck. Sie haben jedoch eigenständige Bedeutung.18 Die Erkennbarkeit von Werbung im Programm macht die vom Gesetz zusätzlich geforderte eindeutige Kennzeichnung zur Absetzung von anderen Sendungsteilen nicht entbehrlich. Die eindeutige Erkennbarkeit des Werbetrenners hat „für das Fernsehen auf einen durchschnittlichen, nicht übermäßig konzentrierten Zuschauer (abzustellen), der das Programm an sich vorbeiziehen lässt. Für das Nachmittags- und Vorabendprogramm sind jugendliche und alte Zuschauer einzubeziehen.“19 Nach den Werbesatzungen der Landesmedienanstalten muss grundsätzlich zur Kennzeichnung in Bewegbildangeboten ein optisches Signal von mindestens drei Sekunden Dauer verwendet werden, das sich eindeutig vom Senderlogo unterscheidet und nach seiner Gestaltung eindeutig als Ankündigung wahrnehmbar ist, „dass als nächstes Werbung folgt“ (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WerbeS). Bei sog. Scharnierwerbung zwischen zwei Sendungen oder Sendungen und Programmtrailern, welche die Sendung nicht unterbricht, reicht nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WerbeS eine Sprachankündigung, die das Wort Werbung oder ein Wort mit dem gleichen Wortstamm („Werb“) enthält. In Audioangeboten muss – soweit das Wort Werbung oder ein anderes Wort mit dem gleichen Wortstamm (z. B. Werbesendung, Werbebeitrag o. Ä.) nicht gesprochen wird, ein ausschließlich für die Werbekennzeichnung verwendetes Tonsignal (Werbejingle) verwendet werden (§ 5 Abs. 1 WerbeS). Die Vorgaben gelten nach § 5 Abs.  3 WerbeS für Teleshopping(spots) entsprechend; für Teleshoppingfenster gibt § 71 Satz 2 MStV eine klare optische und akustische Kennzeichnung „als Teleshopping-Fenster“ vor (s. u. 6.2.2.4). Wenn ein Werbespot oder ein Teleshoppingspot (vgl. § 70 Abs. 1 MStV) ohne ordnungsgemäße „Absetzung“ ausgestrahlt wird, ist der objektive Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder Satz 2 Nr. 12 MStV erfüllt. Die Kennzeichnungspflicht gilt auch für Hinweise auf sog. Begleitmaterialien, die direkt vom Programm abgeleitet sind, also z. B. auf eine DVD oder Blu-Ray-­Disc von der Sendung oder Sendereihe. Ungeachtet des missverständlichen Wortlauts des § 70 Abs. 2 MStV ergibt sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift, dass sie nicht etwa den Werbebegriff i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV modifiziert, sondern die Programmhinweise und Eigenwerbung für Begleitmaterialien nur aus der Anrechnung auf das Werbezeitkontingent des § 70 Abs. 1 MStV ausnimmt.20 Das ist auch das Ergebnis einer europarechtskonformen Interpretation (vgl. Art. 23 AVMD-RL). Die Hinweise auf Begleitmaterialen lassen sich zwanglos unter die Definitionsmerkmale des §  2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, ggf. in Form der Eigenwerbung subsumieren. Für die Programmhinweise ist zu beachten, dass Trailer aus Programmauszügen keine Werbung darstellen, sondern als Auszug aus dem redaktionellen Programm auch dann Programmbestandteil bleiben, wenn sie mehrfach am Tag und als Hinweis auf nachfolgende Sendungen ausgestrahlt werden. Was begrifflich nicht zur  BVerwG, Urt. v. 14.10.2015 – BVerwG 6 C 17.14, ZUM 2016, 194 m. Anm. Bornemann.  BVerwG, Urt. v. 14.10.2015 – BVerwG 6 C 17.14, ZUM 2016, 194 (197). 20  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 70 Rn. 16; Spindler/Schuster/Döpkens, RStV § 45 Rn.  11; differenzierend Beck RundfunkR/Schulz, RStV §  2 Rn.  99  f.; a.  A.  HK-MStV/Kreile, MStV § 70 Rn. 26. 18 19

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6 Werbung

Werbung gehört, unterliegt auch nicht dem Trennungsgrundsatz und nicht dem Kennzeichnungsgebot. Aus demselben Grund sind die in § 70 Abs. 2 RStV genannten Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV kennzeichnungspflichtig, denn sie stellen keine Werbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV dar (s. u. 6.2.8). Für entgeltlich verbreitete Beiträge Dritter im Dienst der Öffentlichkeit gilt nach § 12 Abs. 4 Satz 3 WerbeS die nicht bußgeldbewehrte Pflicht, „auf den Auftraggeber und die Drittfinanzierung … deutlich hinzuweisen.“ Wenn sich der Mediendiensteanbieter den Beitrag im Dienst der Öffentlichkeit durch unentgeltliche Verbreitung zu Eigen macht, ist es wie bei Kooperationsprogrammen oder Kaufprogrammen nicht erforderlich, auf die Beteiligung fremder Autoren hinzuweisen (§ 12 Abs. 4 Satz 4 WerbeS). Fraglich ist, ob nur der Beginn oder auch das Ende der Werbung kenntlich zu machen ist. Die h. M. schränkt die Kennzeichnungspflicht am Ende der Werbung in teleologischer Interpretation auf die (besonderen) Fälle ein, in denen es aus Gründen der Klarheit erforderlich erscheint.21 Dabei geht man davon aus, dass die Bestimmung vor allem eine Schutzfunktion gegenüber den Rezipienten durch „Warnung“ vor der Suggestivwirkung von Werbung erfülle. Nachdem die Praxis, insbesondere im Privatfernsehen, zunächst von der Möglichkeit gern Gebrauch machte, den Schluss der Werbesendungen nicht zu kennzeichnen, ist festzustellen, dass die Kennzeichnung der Fortsetzung von Spielfilmen nach Werbeunterbrechungen wieder Standard geworden ist. Beispiel

Im vorangestellten Beispielsfall erfolgte eine an sich ordnungsgemäße Werbetrennung. Der Inhalt des Werbespots war aber wegen der starken Angleichung an die Gestaltungsmerkmale des redaktionellen Programms nicht leicht als Werbung erkennbar und vom redaktionellen Programm unterscheidbar. Die zuständige Landesmedienanstalt hat eine Beanstandung wegen Zuwiderhandlung gegen die nicht bußgeldbewehrte Vorgängerbestimmung des § 8 Abs. 3 Satz 1 MStV ausgesprochen.22 Die Einleitung eines Bußgeldverfahrens kam aufgrund der Beschränkung des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 MStV nicht in Betracht. ◄

6.2.2.4 Keine Anwendung auf Teleshopping-Fenster Für Teleshopping-Fenster i. S. d. § 71 Abs. 1 MStV wird § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MStV durch die speziellere Bestimmung in §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  23 MStV verdrängt.

 So BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 54; HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 64; vgl. auch Engels/Giebel, ZUM 2000, 270; Spindler/Schuster/Döpkens, RStV § 7 Rn. 32. 22  Die Klage des privaten Fernsehveranstalters gegen den Beanstandungsbescheid hat das VG München, Urt. v. 08.11.2018 – M 17 K 17.1664, ZUM-RD 2019, 355 abgewiesen. 21

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6.2.3 Werbetrennung bei geteiltem Bildschirm Während beim Hörfunk aus der Natur der Sache folgt, dass die Absetzung von anderen Sendungsteilen nur in der zeitlichen Abfolge möglich ist, wurde durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Fernsehen die Möglichkeit der räumlichen Trennung von Werbung, nunmehr Rundfunkwerbung, und redaktionellem Programm eröffnet (§ 8 Abs. 4 RStV). Tatbestandsmerkmal ist zunächst eine Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes mit Rundfunkwerbung, was bereits auf eine gewisse optische Aufteilung des Bildschirms hindeutet, da es sich bei rein „inhaltlicher Teilbelegung“ um Schleichwerbung handeln dürfte. Die „Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes“ muss „eindeutig optisch getrennt“ sein, um die Tatbestandsmäßigkeit zu vermeiden. Wenngleich eine „Teilbelegung“ mit Werbekennzeichnung ohne Eindeutigkeit der optischen Trennung nicht vorstellbar erscheint, ist allein die fehlende Eindeutigkeit der optischen Trennung außer der fehlenden Kennzeichnung ausreichend, um die Ahndbarkeit zu begründen. Dieses zeigt, wie wichtig dem Gesetzgeber das Thema ist und dass sein Anliegen dahin geht, auch unvorhersehbare Umgehungsversuche zu erfassen. Zur Split-screen-Werbung in Gottesdienstübertragungen s. 6.2.9. Für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien gilt Entsprechendes gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 MStV. Es bleibt zu beachten, dass in Telemedien nur der vorsätzliche Verstoß ahndbar ist. Die unterlassene Kennzeichnung bei optischer Bildschirmteilung gem. §  115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RStV ist lex specialis gegenüber Verletzung der allgemeinen Kennzeichnungspflicht gem.§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RStV.

6.2.4 Kennzeichnung von Dauerwerbesendungen Beispiel

Beispiel: In einem lokalen Hörfunkprogramm werden regelmäßig örtliche Firmen vorgestellt. Der Moderator unterhält sich mit einem Firmenvertreter über das Unternehmen und seine Produkte. Dazwischen werden Musikstücke eingespielt. Eine solche Sendung, in der die Firmenprodukte ausführlich präsentiert wurden, beanstandete die zuständige Landesmedienanstalt wegen unzureichender Kennzeichnung als Dauerwerbesendung. Der Hörfunkanbieter erhebt Klage und lässt unter Beweisangebot vortragen, für seine redaktionell gestaltete Sendung keinen geldwerten Vorteil erhalten zu haben.23 ◄

6.2.4.1 Begriff und Inhalt der Dauerwerbesendung § 8 Abs. 5 MStV erklärt Dauerwerbesendungen für zulässig, „wenn der Werbecharakter erkennbar im Vordergrund steht und die Werbung einen wesentlichen Bestandteil der  Der Sachverhalt wird ausführlich dargestellt im Urteil des VG Bayreuth, v. 24.9.2018 – B 3 K 18.764, ZUM-RD 2019, 295. 23

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6 Werbung

Sendung darstellt.“ Damit unterscheidet sich eine Dauerwerbesendung von einer typischen Schleichwerbesendung (s. u. 6.2.7), die stets unzulässig ist. Zwar enthält auch die Dauerwerbesendung redaktionelle Gestaltungselemente, der Werbecharakter muss jedoch überwiegen; Werbung muss erkennbar im Vordergrund stehen.24 Dagegen handelt es sich bei der Schleichwerbung typischerweise um einen vordergründig redaktionell gestalteten Beitrag, in den Werbebotschaften so eingefügt sind, dass sich dem Rezipienten die Werbeabsicht möglichst nicht aufdrängt. Solche Schleichwerbung wird nicht durch die Kennzeichnung zu einer zulässigen Dauerwerbesendung. Wegen der Möglichkeiten und Grenzen gekennzeichneter Produktplatzierung s. u. 6.2.6. Der Wortlaut des § 8 Abs. 5 MStV wurde gegenüber der Vorgängervorschrift § 7 Abs. 5 RStV nicht geändert. Der neue Werbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV (s. o. 6.1.6) könnte zu der Annahme verleiten, dass Dauerwerbesendungen nunmehr außer Rundfunkwerbung auch Sponsoring, Produktplatzierung und Teleshopping enthalten dürften. Dem stehen allerdings die gesetzlichen Vorgaben für Sponsoring und Produktplatzierung entgegen, die durch besondere Hinweise zum Kauf nicht einmal anregen dürfen, was sich mit überwiegendem Anteil und Im-­Vordergrund-­Stehen von Werbung, die definitionsgemäß der Absatzförderung dient, den typprägenden Merkmalen einer Dauerwerbesendung, nicht verträgt. Dauerwerbesendungen mit Teleshopping widersprechen der Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 11 MStV, die Teleshopping i. S. d. Medienstaatsvertrags auf Teleshopping-Kanäle, -Fenster und -Spots beschränkt, und für Teleshopping-Fenster eine speziellere Kennzeichnung und eine Mindestlänge von 15 min vorschreibt. Im Rahmen der Bußgeldbewehrung ist der Blick aber auf Ankündigung und Dauerkennzeichnung gerichtet, sodass es hier auf detailliertere Überlegungen zum zulässigen Inhalt von Dauerwerbesendungen nicht ankommt.25 Aus dem Begriff „Dauerwerbesendung“ folgt, dass in Bezug auf die zeitliche Länge eine Unterscheidung von Werbespots möglich sein muss. § 7 Abs. 1 WerbeS orientiert sich an den beiden Merkmalen Dauer und redaktionelle Gestaltung und lautet wie folgt: „Eine Dauerwerbesendung i.  S.  v. §  8 Abs.  5 MStV ist ein Programmbeitrag mit einer Dauer von mindestens 90 s.“ Typischerweise sind bei Dauerwerbesendungen Werbeelemente und redaktionelle Programmbestandteile eng miteinander verbunden, wobei die Werbung dominiert. Beispiele sind sog. Spielshows wie „Glücksrad“ oder „Der Preis ist heiß“. Die Spielhandlungen haben untergeordnete Bedeutung und führen zielgerichtet jeweils auf die Werbung hin. Die redaktionelle Gestaltung bildet lediglich den Rahmen für die unterschiedlich ausgestaltete Werbung.26

 Dazu näher BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 37, 39.  Dazu näher BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 35 ff. 26  HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 106. 24 25

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6.2.4.2 Kennzeichnung im Fernsehen Auch wenn eine Dauerwerbesendung begrifflich nur vorliegt, wenn der Werbecharakter erkennbar im Vordergrund steht, erhöht sich gleichwohl wegen der Vermischung von Werbung und redaktionellem Programm gegenüber der üblichen Spotwerbung die Gefahr, dass der Zuschauer den Charakter als Werbesendung nicht durchgängig eindeutig wahrnimmt.27 Dauerwerbesendungen müssen deshalb nach § 8 Abs. 5 Satz 2 MStV zu Beginn als Dauerwerbesendung angekündigt und während ihres gesamten Verlaufs „als solche“ gekennzeichnet werden. Die vorgeschriebene Ankündigung einer Dauerwerbesendung erfüllt denselben Zweck wie die in § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV vorgeschriebene eindeutige „Absetzung“ von anderen Sendungsteilen und darf hinter den in § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV normierten Anforderungen nicht zurückbleiben.28 Für Bewegtbildangebote schreiben die Werbesatzungen der Landesmedienanstalten die dauernde Kennzeichnung mit dem Schriftzug Werbesendung oder Werbebeitrag vor (§ 7 Abs. 4 WerbeS). Der Schriftzug muss sich durch Größe, Form und Farbgebung deutlich lesbar vom Hintergrund der laufenden Sendung abheben. Obergerichtlich geklärt ist, dass eine andauernde Kennzeichnung mit dem Schriftzug „Promotion“ nicht ausreicht.29 6.2.4.3 Kennzeichnung im Hörfunk Für die Kennzeichnung in Audioangeboten schreibt § 7 Abs. 3 WerbeS zusätzlich zur Ankündigung als Dauerwerbesendung vor ihrem Beginn vor, dass während des Verlaufs bei jedem weiteren zur Dauerwerbesendung zugehörigen Teil ein Hinweis auf das Vorliegen einer Dauerwerbesendung erfolgen muss (§ 7 Abs. 3 Satz 2 WerbeS). Als ausreichenden Hinweis bezeichnet § 7 Abs. 3 Satz 3 WerbeS „insbesondere die Verwendung der Worte ‚Werbesendung‘ oder ‚Werbebeitrag‘.“ Hinweise, die typischen Sponsorhinweisen gleichen, reichen nicht aus. So genügt insbesondere in Audioangeboten nicht der gesprochene Text: „Die folgende Sendung widmen Ihnen Radio X und Coca Cola“. Sowohl beim Internethörfunk als auch bei neuen Radioempfangsgeräten mit Display, insbesondere bei DAB-Radios besteht die technische Möglichkeit zu einer andauernden Kennzeichnung mit einem Schriftzug. Es spricht nichts dagegen, den Anbietern von im DAB- bzw. DAB+-Standard verbreiteten oder von Internethörfunkprogrammen zusätzlich zur akustischen Ankündigung auch die andauernde Kennzeichnung mit dem Schriftzug „Werbesendung“ oder „Werbebeitrag“ abzuverlangen; der Wortlaut der Rechtsvorschrift spricht jedenfalls eher dafür als dagegen,.30

 BVerwG, Urt. v. 24.6.2020 – 6 C 23.18, ZUM-RD 2021, 54 Rn. 24.  Vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2020 – 6 C 23.18, ZUM-RD 2021, 54 Rn. 20. 29  BayVGH, Beschl. v. 15.10.2008, Az. 7 CS 08.2309; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 9.9.2008 – OVG 11 S 51.08, ZUM-RD 2009, 559; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.11.2008 – 2 B 10957/08.OVG, ZUM-RD 2009, 176. 30  Zust. NK-MedienR/Goldbeck, Abschn. 26 Rn. 126; HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 127. 27 28

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6 Werbung

6.2.4.4 Umfang der Bußgeldbewehrung Anders als unter der Geltung des Rundfunkstaatsvertrags ist die Bußgeldandrohung nicht auf die Verletzung der Pflicht zur Dauerkennzeichnung beschränkt. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 MStV sind sowohl Zuwiderhandlungen gegen die Pflicht zur Ankündigung als auch gegen die Pflicht zur Verlaufskennzeichnung tatbestandlich. Die Formulierung „nicht zu Beginn … ankündigt“, korrespondiert mit der gegenüber § 7 Abs. 5 Satz 2 RStV  unveränderten Verhaltensnorm in § 8 Abs. 5 Satz 2 MStV. Es handelt sich lediglich um eine semantische Variante der Formulierungen in § 7 Abs. 3 und 4 WerbeS, die eine Ankündigung vor dem Beginn vorschreiben. Denn eine Ankündigung geht dem angekündigten Ereignis begrifflich voraus. Dass die in der Verhaltensnorm vorgeschriebene Ankündigung „zu Beginn“ vor Beginn erfolgen muss, ist zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt.31 Es besteht kein Anlass, den identischen Wortlaut in der Sanktionsnorm abweichend von der Verhaltensnorm zu interpretieren. Anbieter rundfunkähnlicher oder linear verbreiteter fernsehähnlicher Telemedien oder deren Mitarbeiter handeln tatbestandlich nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 MStV, wenn sie vorsätzlich eine Dauerwerbesendung „zu Beginn“ nicht ankündigen oder während ihres gesamten Verlaufs nicht als solche kennzeichnen. Anders als in der Vorauflage für § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 RStV dargestellt, ist nunmehr nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 MStV auch für Telemedienangebote das Unterlassen der Ankündigung „zu Beginn“ mit Geldbuße bedroht. Für die Art der Verlaufskennzeichnung gilt § 7 Abs. 3 und 4 WerbeS. Die Pflicht zur Ankündigung und zur Dauerkennzeichnung bestehen nebenei­ nander und haben eigenständige Bedeutung, auch wenn sie in einem Satz der Verhaltensnorm zusammengefasst sind. Ob der Gesetzgeber mehrere Hand­ lungspflichten wie beim Erkennbarkeits- und Trennungsgebot für sonstige Telemedienanbieter in einem Satz zusammenfasst (§  22 Abs.  1 Satz 1 MStV) oder die entsprechenden Pflichten für andere Anbieter in zwei Sätze fasst (§ 8 Abs. 3 Satz 1 und 3 MStV), ist rechtlich ohne Belang. Normadressaten, die eine Dauerwerbesendung vor ihrem Beginn ordnungsgemäß ankündigen, aber keine Dauerkennzeichnung vornehmen, begehen eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 oder Satz 2 Nr.  14 MStV.  Umgekehrt begehen sie bei ordnungsgemäßer Dauerkennzeichnung, aber unterlassener Ankündigung eine Ordnungswidrigkeit. Das sind zwei unterschiedliche Tathandlungen, für die je ein eigener Tatentschluss erforderlich ist, sodass Tatmehrheit i. S. d. § 20 OWiG vorliegt, die zu zwei selbstständigen Bußgeldfestsetzungen führt. Eine Gesamtgeldbußenbildung sieht das OWiG nicht vor. Eine Zusammenfassung beider Entscheidungen in einem Bußgeldbescheid ist zulässig.32

31 32

 BVerwG, Urt. v. 24.6.2020 – 6 C 23.18, ZUM-RD 2021, 54 Rn. 24.  KK-OWiG/Mitsch, OWiG § 20 Rn. 4.

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Beispiel

Hätte die Landesmedienanstalt im vorangestellten Beispielsfall statt oder neben einer Beanstandung einen Bußgeldbescheid wegen unterbliebener Ankündigung und Kennzeichnung als Dauerwerbesendung erlassen, hätte der Richter im Bußgeldverfahren mit einem Hinweis nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 265 Abs. 1 StPO zur Bußgeldzahlung wegen Schleichwerbung verurteilen können. Wie oben dargestellt, war ein wirtschaftlicher Vorteil des Hörfunkanbieters für die Ausstrahlung des Beitrags nicht nachweisbar, der § 8 Abs. 5 MStV zugrunde liegende Werbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7, 8 MStV mithin nicht erfüllt. Dezente Schleichwerbung kann zwar nicht durch Kennzeichnung als Dauerwerbesendung legalisiert werden (s. o. 6.2.4.1). Umgekehrt kann aber eine nicht als Werbung gekennzeichnete Unternehmens- oder Produktpräsentation im redaktionellen Programm gegen das Schleichwerbeverbot verstoßen; deshalb hatte die Landesmedienanstalt den Vorwurf im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren durch Änderung des Ausgangsbescheides erfolgreich auf Schleichwerbung umgestellt.33 ◄

6.2.5 Die Einfügung virtueller Werbung Die Einfügung von Werbebotschaften in Sendungen durch nachträgliche digitale Bildbearbeitung ist seit dem Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag dann zulässig, wenn • am Anfang und am Ende der betreffenden Sendung darauf hingewiesen wird und • durch sie eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird (§ 8 Abs. 6 Satz 1 MStV). Da der Rundfunkveranstalter oder sein Produzent bei der virtuellen Werbung eine Werbebotschaft durch nachträgliche digitale Bildbearbeitung in das ausgestrahlte Programmsignal einfügt, sollte klar sein, dass es sich hier um einen Programmbestandteil handelt, der allen Regelungen des Rundfunkrechts unterliegt. Bei der „am Ort der Übertragung ohnehin bestehenden Werbung“ handelt es sich dagegen nicht um „Werbung“ i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, für die eine telemediale Verbreitung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung begriffskonstitutiv ist. Die am Übertragungsort bestehende Plakat- oder Bandenwerbung (Stadion) gehört zur abgebildeten Realität und ist vor deren telemedialer Übertragung nicht „im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV). Ohne besondere gesetzliche Bestimmung war die virtuelle Werbung nach alter Rechtslage in der Regel als Schleichwerbung oder wegen Verletzung des Trennungsund Kennzeichnungsgebots grundsätzlich unzulässig.34 Nicht den Regeln für Rund Vgl. VG Bayreuth, Urt. v. 24.9.2018 – B 3 K 18.764, ZUM-RD 2019, 295.  Davon geht auch die amtliche Begründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV aus, Bayer. Landtag, Drs. 14/1832, S. 20. 33 34

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6 Werbung

funkwerbung unterlagen Werbebotschaften in der abgefilmten Lebenswirklichkeit, z.  B.  Bandenwerbung in Fußballstadien, Werbung auf Formel-1-­Fahrzeugen usw. Nachdem Trennungsgebot und Schleichwerbungsverbot häufig nicht in ihrer Funktion als Integritätsschutz für das redaktionelle Programm, sondern vorrangig als Schutznorm für Rundfunkrezipienten wahrgenommen werden, haben die Rundfunkveranstalter argumentiert, die für den Zuschauer nicht wahrnehmbare virtuelle Ersetzung der Bandenwerbung in Fußballstadien könne dem Schutzzweck des Gesetzes nicht zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber ist dieser Forderung nachgekommen und hat zu Recht weitergehenden Wünschen der Rundfunkveranstalter eine Absage erteilt, auch sonstige Flächen z. B. des Spielfeldes für virtuelle Werbung zu nutzen. Insoweit bleibt es bei dem grundsätzlichen Gebot, die Werbung von anderen Sendungsteilen abzusetzen; die bloße Ersetzung von in der Lebenswirklichkeit vorhandenen Werbeflächen, etwa durch gebietsrichtige Werbung für regionale Marken bei einer Fußballübertragung aus einem ausländischen Stadion, verstößt nicht gegen die Zwecke des Trennungsgebots. Rundfunkveranstalter, die sich an die Beschränkungen des § 8 Abs. 6 Satz 1 MStV nicht halten und vorsätzlich oder fahrlässig darüber hinausgehend virtuelle Werbung in Sendungen einfügen, begehen eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 MStV. Pönalisierte Tathandlung ist „virtuelle Werbung in Sendungen einfügt“. Eine Sendung ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 MStV entweder Einzelbestandteil eines Sendeplans (Rundfunk) oder eines Katalogs (Abrufdienst). Rundfunk wird in der Definitionsnorm durch das Begriffspaar „Veranstaltung und Verbreitung“ beschrieben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MStV). Das Verbreiten einer Sendung mit unzulässig eingefügter virtueller Werbung als solches ist aufgrund der Tatbestandsfassung nicht bußgeldbewehrt, sondern der Vorgang der unzulässigen Einfügung von virtueller Werbung. Das Einfügen von Werbung gehört zum Produktionsvorgang. Vollendet ist die Tat aber erst mit der Verbreitung, die aus einer Audio- oder Videoproduktion eine Rundfunksendung macht. Als Täter wird derjenige anzusehen sein, der die Verantwortung für die unzulässige Einfügung der virtuellen Werbung trägt, sie bspw. angeordnet hat. Der umsetzende Techniker wird keine Tatherrschaft haben und eher als Gehilfe fungieren, wodurch er allerdings (auch) zum Täter i. S. d. Einheitstäterbegriffs des § 14 Abs. 1 OWiG werden kann, vorausgesetzt, einer der Tatbeteiligten verfügt – ggf. durch Zurechnung nach § 9 OWiG – über das ahndungsbegründende persönliche Tätermerkmal „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“. Entsprechendes gilt für die vorsätzliche unzulässige Einfügung virtueller Werbung in rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 MStV. Bei linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien, z. B. Pay-per-view-Programmen (§ 2 Abs. 3 MStV) gelten die Ausführungen zum Rundfunk uneingeschränkt, sieht man davon ab, dass die Ordnungswidrigkeit nur vorsätzlich verwirklicht werden kann. Bei rundfunkähnlichen Telemedien handelt es sich definitionsgemäß um Abrufdienste (§ 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV). Sie werden nicht live gesendet. Die Tathandlung „virtuelle Werbung in Sendungen einfügt“ gehört zum Produktionsvorgang und besteht in einer Vorbereitungshandlung für das „Bereitstellen“ zum individuellen Abruf, durch das überhaupt erst ein rundfunkähnliches Telemedium entsteht. Das wirft Fragen für die Feststellung des Vorsatzes aber auch für den Beginn der Verfolgungsverjährung auf (s. u. 12.2.1.4.1). Insbesondere dann, wenn

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

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die virtuelle Werbung unzulässig in eine Live-­Übertragung eingefügt wird, die anschließend in der Mediathek des Rundfunkveranstalters zweitverwertet wird, ohne dass eine neue Tathandlung „Einfügen“ vorgenommen wird. Allenfalls dann, wenn der Täter der „Einfügung“ in eine Rundfunksendung wusste, dass die Sendung anschließend in der Mediathek zweitverwertet wird, kann ihm die Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 MStV vorgeworfen werden. Die Verfolgungsverjährung läuft nicht vor der Vollendung der Tat, die das Bereitstellung zum individuellen Abruf voraussetzt, wodurch ein Telemedium erst existent wird. Sowohl für die unzulässige Einfügung virtueller Werbung in eine Rundfunksendung als auch in eine Telemediensendung beträgt der Bußgeldrahmen bis zu 500.000,00 € (§ 115 Abs. 2 MStV).

6.2.6 Produktplatzierung 6.2.6.1 Allgemeines Produktplatzierung ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 12 Satz 1 MStV „jede Form der Werbung, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt eine Dienstleistung oder eine entsprechende Marke einzubeziehen oder darauf Bezug zu nehmen, sodass diese innerhalb einer Sendung oder eines nutzergenerierten Videos erscheinen.“ Satz 2 der Definitionsnorm bezieht die unentgeltliche Bereitstellung solcher Waren und Dienstleistungen, die von bedeutendem Wert sind, gewissermaßen als Unterfall der Erwähnung „gegen eine ähnliche Gegenleistung“ in den Begriff der „Produktplatzierung“ ein.35 Produktplatzierung war im europäischen Recht lange Zeit als Schleichwerbung unzulässig. Sie wurde zur Herstellung von Chancengleichheit mit amerikanischen Produktionen bei der Novellierung der AVMD-RL von 2007 teillegalisiert. Das geschah in Form eines allgemeinen Verbots mit fakultativen Ausnahmemöglichkeiten für die Mitgliedsstaaten. Die AVMD-Novelle wurde durch den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 30.10./20.11.2009 umgesetzt, der von den Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch machte. Der nächsten Öffnungsschritt erfolgte durch die Novelle der AVMD-RL von 2018, die der Medienstaatsvertrag umsetzt. Seither ist Produktplatzierung grundsätzlich zulässig. Europarechtskonforme allgemeine Ausnahmen (Unzulässigkeitstatbestände) werden in § 8 Abs. 7 Satz 2 MStV aufgeführt (s. die Spiegelstrichaufzählung u. 6.2.6.2.1). Auf die weitergehenden Beschränkungen nach §  38 MStV für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sei hingewiesen; sie sind für dieses Handbuch ohne Bedeutung, weil die Ordnungswidrigkeiten des §  115 MStV nicht für öffentlich-­ rechtliche Rundfunkveranstalter gelten. § 115 Abs. 1 MStV behandelt Verstöße gegen die Regeln der Produktplatzierung in zwei getrennten Tatbeständen. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 und Satz 2 Nr. 17 MStV behandelt das „Betreiben“ von Produktplatzierung getrennt von Verstößen gegen die Kennzeichnungspflichten, die in Satz 1 Nr. 10 bzw. Satz 2 Nr. 18 sanktioniert 35

 S. dazu BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV§ 8 Rn. 46.

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sind. Unter der Geltung des RStV war die Kennzeichnung unverzichtbares Merkmal der Produktplatzierungsdefinition; sie war begriffskonstituierend. Im geltenden Recht ist die Kennzeichnung in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben nur mehr Zulässigkeitsvoraussetzung.36 Es kann m. a. W. unzulässige Produktplatzierung geben, die nicht gekennzeichnet ist, aber trotzdem nicht alle Merkmale des Schleichwerbebegriffs erfüllt; etwa wenn die Werbeabsicht des Mediendiensteanbieters nicht nachweisbar ist. Das war zuvor nicht möglich, weil bei fehlender Kennzeichnung begrifflich keine Produktplatzierung vorlag.37 Die unentgeltliche „Produktbeistellung“38 von geringwertigen Waren oder Dienstleistungen ist begrifflich keine Produktplatzierung (s. o.) und wird somit nicht vom Verbot in § 8 Abs. 1 Satz 1 MStV und entsprechend nicht von der Bußgeldandrohung erfasst. Für die Produktbeistellung geringwertiger Güter gilt zwar auch das Verbot einer zu starken Produktherausstellung nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 MStV, das jedoch als solches nicht bußgeldbewehrt ist. Die Frage, ob der erhebliche Wert absolut oder relativ zu den Produktionskosten der jeweiligen Sendung zu bestimmen ist,39 hat der Gesetzgeber nicht beantwortet, sondern der Konkretisierungskompetenz der Landesmedienanstalten überlassen. Diese haben in § 10 Abs. 1 Satz 1 WerbeS eine allgemeine Freigrenze von 100,00 € bestimmt und i. Ü. festgelegt, dass kostenlos überlassene Produkte dann von bedeutendem Wert i. S. der Produktplatzierungsvorschriften sind, wenn ihr Wert 1 % der Produktionskosten der Sendung beträgt, in die sie eingebettet sind, „jedenfalls aber dann, wenn er den Betrag von 10.000,00 € erreicht.“ Der Wert mehrerer durch einen Partner bereitgestellter Produkte wird nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WerbeS zusammengerechnet. § 10 Abs. 1 Satz 3 WerbeS stellt ausdrücklich klar, dass die Einbeziehung von kostenlos bereitgestellten Produkten, die nicht in diesem Sinn von besonderem Wert sind, „in allen Sendungen ohne Kennzeichnung zulässig (ist).“

6.2.6.2 Die Bußgeldtatbestände 6.2.6.2.1  Verhaltensnorm (Ausfüllungsnorm) • Stets unzulässig sind Produktplatzierungen in Fernsehfensterprogrammen (Regionalfenster nach § 59 Abs. 4 MStV und Fernsehfenster für unabhängige Dritte nach § 65 MStV). Unentgeltliche Produktbeistellungen von geringwertigen Waren oder Dienstleistungen in Fensterprogrammen werden hingegen vom bußgeldbewehrten Verbot nicht erfasst, da sie begrifflich von der Produktplatzierung unterschieden werden (s. o.). • Entsprechendes gilt für Nachrichtensendungen und für

 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23.7.2014 – 6 C 31.13, ZUM 2015, 78 Rn. 36.  Castendyk, ZUM 2010, 29 (31); HK-MStV/Dörr, MStV §  2 Rn.  92; krit. Beck RundfunkR/ Schulz, RStV § 2 Rn. 159. 38  So bezeichnet in der Regierungsbegründung zu § 44 RStV 2010, Bayer. Landtag, Drs. 16/2736, S. 13; Castendyk bevorzugt den in § 44 Satz 1 Nr. 2 RStV genannten Begriff der „Produktionshilfe“, ZUM 2010, 29 (32). 39  Vgl. Castendyk, ZUM 2010, 29 (32). 36 37

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• Sendungen zur politischen Information; dieses Verbot wurde gegenüber der Vorgängerfassung, die die Unzulässigkeit auf Sendungen zum politischen Zeitgeschehen beschränkt hatte, erweitert. Sendungen zur politischen Information können sich (auch) auf die Zeitgeschichte und müssen sich nicht (nur) auf das Zeitgeschehen, d. h. auf aktuelle Ereignisse, beziehen. • Unzulässig sind Produktplatzierungen auch in Verbrauchersendungen (vgl. § 3 Nr. 16 WerbeS), • Sendungen religiösen Inhalts (vgl. § 3 Nr. 8 WerbeS) und • Kindersendungen (vgl. § 3 Nr. 7 WerbeS). 6.2.6.2.2 Saktionsnormen Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk, die entgegen den Verboten in der vorstehenden Spiegelstrichaufzählung vorsätzlich oder fahrlässig Produktplatzierung betreiben, begehen eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 MStV. Wer in bundesweit ausgerichteten rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien vorsätzlich unzulässige Produktplatzierung in diesem Sinn betreibt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr. 17 MStV. Eine unzureichende Kennzeichnung im Rundfunk (vgl. § 8 Abs. 7 Satz 4 und 5 MStV i. V. m. § 10 Abs. 5 WerbeS) erfüllt den objektiven Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 MStV. Eine unzureichende Kennzeichnung in rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien erfüllt den objektiven Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 MStV. Die Kennzeichnungspflicht entfällt bei Fremdproduktionen – außer bei Auftragsproduktionen – dann, wenn nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden kann, ob Produktplatzierung enthalten ist (§ 8 Abs. 7 Satz 6 MStV i. V. m. § 10 Abs. 6 WerbeS). Allerdings besteht in diesem Fall eine Hinweispflicht, die in der amtlichen Begründung als Dokumentation erfolgloser Nachforschungen bezeichnet wird.40 Das Unterlassen dieses Hinweises ist als solches nicht bußgeldbewehrt. Sofern auf eine Produktplatzierung nur zu Beginn oder nur am Ende einer Sendung hingewiesen wird oder der Hinweis nach einer Werbeunterbrechung nicht wiederholt wird, ist der objektive Bußgeldtatbestand der unzureichenden Kennzeichnung gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 (Rundfunk) bzw. Satz 2 Nr. 18 (rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien) MStV erfüllt.

6.2.7 Schleichwerbung und Themenplatzierung 6.2.7.1 Allgemeines Die gesetzlichen Regelungen zu den Finanzierungsbedingungen des Rundfunks behandeln die Grundvoraussetzungen der Rundfunkveranstaltung.41 Sie gehören damit insgesamt zur Kategorie der Ausgestaltungsgesetzgebung. Ausgestaltungsge40 41

 Bayer. Landtag, Drs. 16/2736, 11.  BVerfG, Urt. v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60 (90, 93).

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setze geben der ausgestaltungsbedürftigen Rundfunkfreiheit42 Substanz und Kontur. Konturierung wirkt begrenzend ohne damit automatisch zur Schranke i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG zu mutieren.43 Das gilt grundsätzlich auch insoweit, als der ausgestaltende Gesetzgeber konfligierende Verfassungsgüter zum Ausgleich bringt. Schrankengesetze dienen dagegen in erster Linie dem Schutz nicht kommunikationsbezogener Drittgüter. Soweit Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht fallen, wird ein Unterschied in der verfassungsrechtlichen Betrachtung nicht gerechtfertigt sein. Die Werberestriktionen des Medienstaatsvertrags, der insoweit die Rundfunkfreiheit ausgestaltet und die Finanzierungsbedingungen für die Rundfunkveranstaltung und – mit Ausnahme der Werbemengenbegrenzung und der Unterbrecherregeln – auch für rundfunkähnliche Telemedien festlegt (§ 74 MStV), erweisen sich grundsätzlich nicht als Schranken der Rundfunkfreiheit, sondern grenzen die verbotenen Verhaltensweisen im Wege der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit aus deren Gewährleistungsbereich aus. So offensichtlich, wie das Verbot der Beeinflussung des übrigen Programms durch Werbung (§ 8 Abs. 2 MStV) der Unabhängigkeit des Rundfunkveranstalters und der Integrität des Programms dient und keine Schranke der Rundfunkfreiheit darstellt, dient auch das Schleichwerbeverbot der Unabhängigkeit und Integrität des redaktionellen Programms und erweist sich so als grenzziehende Ausgestaltungsregelung. M. a. W.: Schleichwerbung wird von der Rundfunkfreiheit nicht geschützt.44 Das gilt auch für unzulässige Themenplatzierung.45

6.2.7.2 Das Schleichwerbeverbot Durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde das Schleichwerbeverbot mit Geldbuße bedroht. Durch den Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde es neu gefasst. Schleichwerbung als spezielle Form der kommerziellen Kommunikation (s. o. 6.1.3) ist „die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 MStV). Damit ist Schleichwerbung begrifflich auf Sendungen beschränkt.46 Sendungen sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 MStV – unabhängig von ihrer Länge – Einzelbestandteile eines Sendeplans (Rundfunk, linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien) oder  Vgl. BVerfG, Urt. v. 4.11.1986 – 1 BvF 1/84, BVerfGE 73, 118 (166); Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220 (237); Beschl. v. 26.10.2005  – 1 BvR 396/98, BVerfGE 114, 371 (387). 43  Differenzierend Spindler/Schuster/Döpkens, RStV § 7 Rn. 13. 44  BayVGH, Beschl. v. 21.9.2018 – 7 CE 18.1722, ZUM-RD 2018, 686 (692). 45  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 43; Bornemann, ZUM 2015, 48 (49). 46  HK-MStV/Dörr, MStV § 2 Rn. 78. 42

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eines Katalogs (rundfunkähnliche Telemedien). In nutzergenerierten Videos, die keine „Sendungen“ enthalten, kann Schleichwerbung definitionsgemäß nicht vorkommen. Das Schleichwerbeverbot des § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV gilt unmittelbar für Rundfunk und nach § 74 MStV entsprechend für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien. Es gilt nach § 98 Abs. 1 MStV auch für Video-­ Sharing-­Dienste; aufgrund der sendungsbezogenen Definition der Schleichwerbung aber nur, soweit diese Sendungen enthalten.47 Das Schleichwerbeverbot als solches gilt nicht für sonstige Telemedien. Zwar läuft redaktionell getarnte Werbung sowohl dem Erkennbarkeits- als auch dem Trennungsgrundsatz des § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV zuwider. Das gilt aber aufgrund der Werbedefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV nur für entgeltliche Produkt- oder Unternehmenspräsentationen.48 Die Schleichwerbedefinition umfasst dagegen auch unentgeltliche Präsentationen, wie sich aus der Vermutungsregel des § 2 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 MStV ergibt, wonach die Werbeabsicht des Veranstalters „insbesondere“ bei Entgeltlichkeit angenommen wird.49 Somit kann nur entgeltliche vorsätzliche Schleichwerbung in sonstigen Telemedien als Verstoß gegen Erkennbarkeits- oder Trennungsgebot nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV geahndet werden (s. u. 11.5.1.4.1). Während die Bußgeldtatbestände des §  115 Abs.  1 Satz 2 MStV als Vorsatztaten ausgestaltet sind, können die Ordnungswidrigkeiten des Satzes 1, d.  h. auch das Schleichwerbeverbot, nach dem Wortlaut des Gesetzes sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden. Bußgeldbewehrt ist das vorsätzliche oder fahrlässige „Betreiben“ von Schleichwerbung, Themenplatzierungen oder entsprechenden Praktiken entgegen § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV. Die amtliche Begründung zur ursprünglichen Fassung der Schleichwerbedefinition ging davon aus, dass sich der Inhalt des Schleichwerbeverbots in Art.  13 Abs.  2 der Europaratskonvention mit dem des Art.  1 Buchst. d der EG-Fernsehrichtlinie (nunmehr: Art. 1 Abs. 1 Buchst. j AVMD-RL) decke.50 Der Wortlaut der Bestimmungen differiert jedoch – nach wie vor – nicht unerheblich, insbesondere verzichtet die Europaratskonvention auf das Merkmal der Irreführungseignung. 6.2.7.2.1  Der objektive Tatbestand Zum objektiven Tatbestand der Ordnungswidrigkeit gehört „die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen“, kurzum: die Produkt- oder Unternehmenspräsentation im redaktionellen Programm. 6.2.7.2.2  Der subjektive Tatbestand Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich auf die redaktionelle Produkt- oder Unternehmenspräsentation beziehen.

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 98 Rn. 15 f.  Vgl. BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 126/20, MMR 2021, 892 Rn. 38 ff. mAnm. Klickermann. 49  Ebenso zum europarechtlichen Vorbild: EuGH, Urt. v. 9.6.2011  – C-52/10, ZUM-RD 2011, 393 (395). 50  Bayer. Landtag, Drs. 14/1832, S. 20. 47 48

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Zusätzlich hat der Schleichwerbetatbestand  – ähnlich wie das Diebstahlsdelikt (§ 242 StGB) – eine überschießende Innentendenz: hier das subjektive Merkmal der Werbeabsicht, dort die Zueignungsabsicht.51 Personell ist die Werbeabsicht eingegrenzt auf eine solche des Veranstalters. Der Sinn der Vorschrift dürfte darin bestehen, den Rundfunkveranstalter bei „aufgedrängter“ Schleichwerbung vom Ordnungswidrigkeitsvorwurf freizustellen.52 Das subjektive Merkmal muss im Verfahren positiv festgestellt werden.53 Dabei ist ein Indizienbeweis zulässig.54 Eine juristische Person oder Personenvereinigung als Veranstalter ist denknotwendig absichtslos; in diesen Fällen ist auf die Absicht der Organe bzw. beauftragten Personen abzustellen, deren Verhalten dem Veranstalter zuzurechnen ist.55 Sofern der Betroffene nicht geständig ist, muss auf das Vorliegen subjektiver Tatbestandmerkmale aus objektiven Merkmalen geschlossen werden. Stärkstes Indiz für Werbeabsicht ist entgeltliches Handeln.56 Aber auch Waren- oder Dienstleistungspräsentationen im redaktionellen Programm, für die eine Gegenleistung nicht erbracht wurde, können dem Schleichwerbeverbot unterfallen.57 Wichtige Indizien sind etwa die nach Art und Ausmaß zu bewertende Intensität der Werbewirkung58 oder die Unausgewogenheit in der Auswahl der Hersteller oder Dienstleister,59 insbesondere eine Alleinstellung. Ist eine Produktdarstellung (Waren oder Dienstleistungen) redaktionell gerechtfertigt und dramaturgisch geboten, erfolgt sie aus programmlichen Gründen und nicht in Werbeabsicht, d. h. der subjektive Tatbestand ist nicht erfüllt. § 9 Satz 2 WerbeS schreibt eine Prüfung „anhand des programmlich-­redaktionellen Konzepts des Anbieters“ vor, die „alle Umstände des Einzelfalls wie Intensität der Darstellung oder Alleinstellungsindiz einer wertenden Gesamtbetrachtung“ unterzieht. 6.2.7.2.3  Die Irreführungseignung Die aktuelle Gesetzesfassung spricht aus, dass redaktionell getarnte Produkt- oder Unternehmenspräsentation, „mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann“.60  Näher dazu Bornemann/Schleyer, ZfWG 2016, 174 (176).  Vgl. Kreile, ZUM 2000, 194 (198). 53  Beck RundfunkR/Schulz, RStV § 2 Rn. 116 f. 54  OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.6.2007 – 11 N 2/07, NVwZ-RR 2007, 681 (682); OLG Celle, Beschl. v. 26.7.2013 – 322 SsBs 167/12, AfP 2014, 456 (458); Beck RundfunkR/Ladeur RStV § 7 Rn. 47. 55  Vgl. BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 104; DKC HdB-MedienR/Kreile J Rn. 40; vgl auch Blaue, Werbung, S. 189 ff.; OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2015 – 2 Ss (OWi) 112/15, ZUM-RD 2015, 660. 56  Vgl. Gounalakis, WRP 2005, 1476 (1482 f.); auch Hahn/Lamprecht-Weißenborn, in Schwartmann, Praxishandbuch, Kap. 6 Rn. 45. 57  EuGH, Urt. v. 9.6.2011 – C-52/10, ZUM-RD 2011, 393; BVerwG, Urt. v. 22.6.2016 – 6 C 9.15, ZUM 2016, 900, Bespr. Schoene, GRUR-Prax 2016, 539. 58  Gounalakis, WRP 2005, 1476 (1480); vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.12.2008 – 2 A 10327/08.OVG, ZUM 2009, 507. 59  Gounalakis, WRP 2005, 1476 (1482). 60  VG München, Urt. v. 11.7.2019 – 17 K 17.5395, Rn. 45. 51 52

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Diese Ergänzung des Wortlauts ist zu begrüßen. An die Eignung der Erwähnung oder Darstellung, die Allgemeinheit bezüglich des Werbezwecks irrezuführen, waren richtiger Ansicht nach von Anfang an keine zu hohen Anforderungen zu stellen, denn die Irreführungseignung redaktionell getarnter Werbung ist gesetzgeberische Motivation für das Schleichwerbeverbot;61 als Definitionsmerkmal schien dies deshalb den Signatarstaaten der Europaratskonvention entbehrlich. Redaktionell getarnte Werbung ist grds. geeignet, die Allgemeinheit über die Werbeabsicht irrezuführen.62 Nur eine eindeutige Kennzeichnung beseitigt die Eignung zur Irreführung des Publikums über den Werbecharakter. Die Bußgeldandrohung entfällt nicht für besonders dreiste und insoweit erkennbare Schleichwerbung. Bei der nicht gekennzeichneten Platzierung von Produkten in redaktionell gestalteten R ­ undfunksendungen handelt es sich deshalb nur dann nicht um Schleichwerbung, wenn die Darstellung aus dramaturgischen Gründen erfolgt oder dem Berichterstattungsinteresse dient.63 6.2.7.2.4  Der Schleichwerbung entsprechende Praktiken Das Gesetz lässt offen, was der Schleichwerbung entsprechende Praktiken sind. Nach der amtl. Begr. war hierbei besonders an das Teleshopping gedacht. Soweit dem Wortlaut der Definition der Schleichwerbung in §  2 Abs.  2 Nr.  9 MStV ein eingeschränkterer Geltungsbereich als dem nach Meinung der amtl. Begr. inhaltsgleichen Schleichwerbeverbot des Art. 13 Abs. 3 Europaratskonvention zu entnehmen sein sollte, kann das Verbot entsprechender Praktiken in §  8 Abs.  7 Satz 1 MStV insoweit als Korrekturfaktor angewandt werden.

6.2.7.3 Verbot der Themenplatzierung Das Verbot der Themenplatzierung schließt eine Gesetzeslücke, die zwischen dem Beeinflussungsverbot für Werbetreibende (§ 8 Abs. 2 Satz 2 MStV), Anbietern von Teleshopping-Spots und -Fenstern (§ 8 Abs. 2 Satz 3 MStV) sowie der Werbung mittels Produktplatzierung (§  8 Abs.  7 Satz 3 Nr.  1 MStV), und dem Beeinflussungsverbot für Sponsoren (§ 10 Abs. 2 MStV) vormals bestand: die Beeinflussung des redaktionellen Programms durch Dritte (auch) außerhalb des Bereichs der Wirtschaftswerbung.64 Folgerichtig umfasst die Definition der Themenplatzierung in § 3 Nr. 13 WerbeS „die Behandlung von Themen im redaktionellen Inhalt im Interesse oder auf Betreiben Dritter, insbesondere wenn der Anbieter dafür ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhält oder in Aussicht gestellt bekommt.“ § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 MStV stellt das „Betreiben“ von Themenplatzierung (oder entspre Vgl. die ablehnende Anmerkung von Deuschle in ZUM 1999, 614 ff. zum Beschluss des BayVGH v. 18.12.1998 – 7 ZS 98.1660/7 ZS 98.2969, ZUM-RD 1999, 150. 62  OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.2008  – 2 A 10327/08.OVG, ZUM 2009, 507 (512); BCHHG, BayMG, Art. 8 Rn. 108; Beck RundfunkR/Ladeur, RStV § 7 Rn. 47; HK-MStV/Dörr, MStV § 2 Rn. 79: Spindler/Schuster/Holznagel, RStV § 2 Rn. 74; Platho, MMR 2008, 582 (585); vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.7.2014 – BVerwG 6 C 31.13, ZUM 2015, 78 (81). 63  Wie hier HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 32c. 64  Castendyk, ZUM 2005, 857 (863); vgl. auch Blaue, Werbung, S. 342 f.; BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 109; Spindler/Schuster/Döpkens, RStV § 7 Rn. 71. 61

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chender Praktiken) entgegen § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV unter Bußgeldandrohung. Da die Ordnungswidrigkeit als Sonderdelikt von Veranstaltern bundesweit ausgerichteten privaten Rundfunks ausgestaltet ist, kann als „Betreiben“ der Themenplatzierung nur die Aufnahme des Themas durch den Rundfunkveranstalter in das redaktionelle Programm infolge Fremdeinflusses und nicht als Ergebnis autonomer eigener Entscheidung über den Programminhalt verstanden werden. Wirtschaftliche Vorteile, die der Rundfunkveranstalter für die Themensetzung erhält, sind im Bußgeldverfahren abzuschöpfen (§ 17 Abs. 4 OWiG). Vorsätzliche Schleichwerbung oder Themenplatzierung oder entsprechende Praktiken in rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 16 MStV. Durch Zusammenfassung von Schleichwerbung und Themenplatzierung im bisherigen Schleichwerbetatbestand umfasst die Bußgeldandrohung für „entsprechende Praktiken“ nunmehr auch den Bereich der Themenplatzierung. Einen besonderen Anwendungsbereich dürfte das in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 MStV pönalisierte Betreiben von der Schleichwerbung oder der Themenplatzierung entsprechenden Praktiken im Bereich der sog. ideellen Werbung haben. Die Bußgeldbewehrung der Verbreitung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Werbung in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 MStV bezieht sich auf Drittsendungen im Programm.65 Ideelle Werbung stellt keine „Werbung“ i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV dar. Sie ist keine Form der kommerziellen Kommunikation. Vom Mediendiensteanbieter selbst betriebene, redaktionell getarnte politische oder weltanschauliche Werbung fällt begrifflich nicht unter den Schleichwerbetatbestand. Sie kann aber als der Schleichwerbung oder der Themenplatzierung entsprechende Praktik begriffen werden und fällt dann unter den Sanktionstatbestand in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 MStV.66

6.2.8 Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art 6.2.8.1 Werbebegriff Einen lang andauernden Streit zur Frage, welcher Werbebegriff den rundfunkrechtlichen Bestimmungen zugrunde liege, hat der Gesetzgeber durch eine Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV, nunmehr § 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV, beendet. Unter den erlaubten Werbeformen des Rundfunkrechts ist stets nur Wirtschaftswerbung zu verstehen.67 Ideelle Werbung ist  – mit Ausnahme der nach §  68 Abs.  2 MStV zugelassenen Wahlpropaganda in Vorwahlzeiten – grundsätzlich unzulässig; das will letztlich § 8 Abs. 9 Satz 1 MStV sagen, der für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernseh­ ähnliche Telemedien nach § 74 MStV entsprechend gilt.  Bornemann, MMR 2020, 453 (454 f.); ders., BayVBl. 2021, 181 (183 f.).  BeckOK InfoMedienR/Bornemann MStV § 8 Rn. 62. 67  Blaue, Werbung, S.  189; Gersdorf, RundfunkR, S.  115 (Rn.  253); Beck RundfunkR/Schulz, RStV §  2 Rn.  92; Hesse, RundfunkR, S.  103 (Rn.  50); Spindler/Schuster/Holznagel, RStV §  2 Rn. 62; HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 27 ff., nicht ganz klar jedoch Rn. 225; BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 2 Rn. 53. 65 66

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Nach der sog. amtl. Begr. diente die Einführung des Verbots der Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art der Verdeutlichung des Ziels, „lediglich Wirtschaftswerbung zuzulassen.“68 Mit der Begriffstrias „politisch, weltanschaulich oder religiös“ in § 7 Abs. 9 Satz 1 RStV (nunmehr: § 8 Abs. 9 Satz 1 MStV) wollte der Gesetzgeber alle Formen ideeller Werbung erfassen.69 Die Ausnahme des so­ cialadvertising aus dem Verbot ideeller Werbung, das laut amtl. Begr. von dem Verbot nicht berührt wurde,70 durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag erfolgte im Zuge der Umsetzung des 1997 novellierten § 18 EG-FsRL; es machte socialadvertising nicht zur Wirtschaftswerbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV als Finanzierungsinstrument des Rundfunks (§ 69 MStV).71

6.2.8.2 Ausnahme: Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit Das bedeutet, dass socialadvertising, im Gesetzestext nunmehr als „Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit“ bezeichnet, nicht den allgemeinen Werbevorschriften des Rundfunkstaatsvertrags unterfällt, also weder in den Werbeblock gehört, noch auf die Werbezeit angerechnet wird und nicht als Werbung kennzeichnungspflichtig ist. Medienrechtlich gebotene Quellenangaben bleiben unberührt (§ 12 Abs. 4 Satz 3 WerbeS). Fehler bei der richtigen Platzierung oder Ausweisung des socialadvertising sind nicht mit Geldbuße bedroht. Während Schleichwerbung zwar auch verboten, aber begrifflich zumindest eine Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation ist, wie Art. 9 Abs. 1 Buchst. a AVMD-RL eindeutig aussagt („audiovisuelle kommerzielle Kommunikation in Form von Schleichwerbung ist verboten“), sind socialadvertising und ideelle Werbung begrifflich keine audiovisuelle kommerzielle Kommunikation – und zwar auch dann nicht, wenn Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit gegen Entgelt verbreitet werden.72 6.2.8.3 Zweck des Verbots ideeller „Werbung“ Historisch gesehen war Rundfunkwerbung stets Sendezeitüberlassung an Dritte zu Werbezwecken.73 Vor diesem Hintergrund ist einsichtig, dass der Gesetzgeber den Zutritt Dritter, die weder gesellschaftlich kontrolliert werden wie die Landesrundfunkanstalten noch von Landesmedienanstalten zugelassen sind oder überwacht werden, zum Medium Rundfunk für die Verbreitung ihrer Ideen nicht eröffnen wollte.74 Insoweit dient das Verbot, Dritten Sendezeit zu ideellen Werbezwecken zu überlassen, der Sicherung einer an Vielfaltsgesichtspunkten orientierten ausgewogenen Rundfunkberichterstattung, gehört zur positiven Rundfunkordnung und

 Bayer. Landtag, Drs. 12/3026, S. 42.  Im Ergebnis wohl ebenso Hesse, RundfunkR, S. 103 f. (Rn. 51 f.). 70  Bayer. Landtag, Drs. 12/3026, 42. 71  Näher zum Ganzen BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 73 ff. 72  Bornemann, MMR 2020, 453 (455). 73  S. BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 9. 74  Vgl. Engels/Giebel, ZUM 2000, 274; HK-MStV/Kreile, MStV § 8 Rn. 31 f. 68 69

154

6 Werbung

ist Teil der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit.75 Sofern der zugelassene Rundfunkveranstalter im Rahmen einer redaktionell gestalteten Sendung selbst Stellung für oder gegen eine politische oder weltanschauliche Position bezieht, bedarf es der Bemühung des Werbebegriffs nicht. In diesem Fall gelten vielmehr die allgemeinen Programmgrundsätze, wonach ein gewisses Maß an Vielfalt und Ausgewogenheit zu gewährleisten ist.76 Dauerhafte ideologische Einseitigkeiten in Rundfunkprogrammen können sich als Verletzung der Programmgrundsätze darstellen. Ein Programm, das die Bildung der öffentlichen Meinung in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflusst, ist nach § 59 Abs. 2 MStV unzulässig. Programmentscheidungen des redaktionell verantwortlichen Mediendiensteanbieters mit politischen, religiösen oder weltanschaulichen Bezügen werden nicht durch § 8 Abs. 9 Satz 1 i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 bzw. Satz 2 Nr. 19 MStV mit dem Verfahrens- und Sanktionsinstrumentarium des Ordnungswidrigkeitenrechts ahndbar. Mit den vorstehenden Erläuterungen lässt sich allerdings der Sinn des Verbots ideeller Werbung in – zulassungsfreien – rundfunkähnlichen und linear verbreiteten fernsehähnlichen Abrufdiensten (§ 74 i. V. m. § 8 Abs. 9 MStV) nicht erklären. Vielmehr muss insoweit der Hinweis auf die Umsetzung der AVMD-Richtlinie genügen, die „audiovisuelle kommerzielle Kommunikation“ zulässt (vgl. Art. 1 Abs. 1, Buchst. a, ii, Buchst. h AVMD-RL) und im expliziten Gegensatz zu Art. 2 Buchst. f Europaratskonvention ideelle Werbung nicht vorsieht. Innerhalb der EU geht die AVMD-­ Richtlinie vor (Art. 27 Abs. 1 Europaratskonvention). Neu ist die Freigabe ideeller Werbung in nicht rundfunkähnlichen Telemedien durch § 22 Abs. 1 Satz 3 MStV. Sie ist nur zulässig mit einer besonderen, von der üblichen Werbekennzeichnung abweichenden Kennzeichnung. Die vorsätzliche Missachtung dieser besonderen Kennzeichnungspflicht ist bußgeldbewehrt (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 MStV); s. dazu 11.5.1.6.

6.2.8.4 Sanktionsnormen Ein Rundfunkveranstalter, der einem Dritten vorsätzlich oder fahrlässig Sendezeit in einem bundesweit ausgerichteten Programm zur Darstellung seiner ideellen Zielsetzung überlässt, seien sie politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art, ­handelt ordnungswidrig im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 MStV. Tathandlung ist nicht das Werben, sondern das Verbreiten der Werbung (eines Dritten); der Tatbestand ist in § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV enthalten und somit Sonderdelikt für Rundfunkveranstalter. Der Dritte kann als Tatbeteiligter i. R. d. § 14 OWiG verfolgt werden. Die vorsätzliche Verbreitung ideeller Werbung in rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  19 MStV.  Die Anordnung der entsprechenden Geltung für Teleshopping nach dem vormaligen § 7 Abs. 9 Satz 2 und § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 23  BayVerfGH, Urt. v. 25.5.2007 – Vf. 15–VII–04, NVwZ-RR 2008, 145 (146); zust. Gundel, ZUM 2013, 921 (923). 76  Bornemann, BayVBl. 2021, 181 (184). 75

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

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RStV wurde nicht in § 8 Abs. 9 und § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 MStV übernommen. Da § 8 Abs. 9 MStV einen anderen „Werbebegriff“ verwendet als den in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV definierten, worauf die Definitionsnorm am Ende ausdrücklich hinweist („bleiben unberührt“), ist Teleshopping zwar in den Wirtschaftswerbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV einbezogen, nicht jedoch Bestandteil der von § 8 Abs. 9 MStV verbotenen ideellen „Werbung“.77 Das Rätselraten in den Vorauflagen über die Bedeutung des politischen, religiösen oder weltanschaulichen Teleshoppings wurde dadurch beendet.

6.2.9 Werbung in Gottesdienstübertragungen und Kindersendungen Beispiel

Beispiel: In einem bundesweit ausgerichteten Fernsehprogramm wird während einer Kindersendung der Bildschirm für die Einbringung von Rundfunkwerbung geteilt (Split-screen-Werbung). ◄ § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 MStV pönalisiert die Unterbrechung von • Gottesdienstübertragungen und • Kindersendungen durch Rundfunkwerbung oder Teleshopping-Spots. Die Ersetzung des in der Vorgängervorschrift enthaltenen Begriffs der „Werbung“ durch „Rundfunkwerbung“ bedeutet nicht, dass Produktplatzierung in Gottesdienstübertragungen nunmehr zulässig wäre, denn die Gottesdienstübertragung ist ein Unterfall einer „Sendung religiösen Inhalts“, in der nach § 8 Abs. 7 Satz 2 MStV Produktplatzierung unzulässig ist; das Verbot bezieht sich ausdrücklich auch auf Kindersendungen. Nicht ganz so klar ist die Situation hinsichtlich einer Unterbrechung durch einen Sponsorhinweis, denn § 10 Abs. 4 Satz 2 MStV enthält l­ediglich das Verbot, in Kindersendungen und Sendungen religiösen Inhalts Sponsorenlogos zu zeigen. Insoweit hat sich keine Rechtsänderung ergeben; Sponsoring wurde vom vormaligen „Werbebegriff“ (ebenfalls) nicht umfasst. Bußgeldrechtlich spielen Sponsorenhinweise als mögliche Unterbrecher von Kindersendungen oder Gottesdienstübertragungen aufgrund der Tatbestandsfassung in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 bzw. Satz 2 20 MStV keine Rolle. Dem Gesetzeswortlaut nach gilt § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 i. V. m. § 9 Abs. 1 MStV für vorsätzliche oder fahrlässige Unterbrecherwerbung in Kindersendungen oder bei Gottesdienstübertragungen in Hörfunk und Fernsehen.78  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 8 Rn. 67.  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Zwick, MStV §  9 Rn.  2; HK-MStV/Kreile, MStV §  9 Rn.  14; NK-MedienR/Goldbeck Abschn. 26 Rn. 248. 77 78

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6 Werbung

6.2.9.1 Gottesdienstübertragungen Der Begriff der „Gottesdienstübertragung“ ist weit zu fassen (§ 3 Nr. 15 WerbeS). Geschützt vor Werbeunterbrechung wird die Übertragung jedweder kultischen Handlung einer Religionsgemeinschaft, unabhängig davon, ob sie in der Liturgie der betreffenden Gemeinschaft als Gottesdienst, Andacht, Messe, Requiem o.  ä. bezeichnet wird.79 Der Schutz vor Werbeunterbrechung betrifft nicht nur die Drittsendezeiten der Kirchen i. S. d. § 68 Abs. 1 MStV. Entschließt sich ein Rundfunkveranstalter im Rahmen seiner Redaktionshoheit zur Übertragung eines Gottesdienstes, greift die rundfunkrechtliche Schutzvorschrift ein. Das gilt auch für die Übertragung kommentierter Gottesdienste, etwa einer Krönungsmesse, des Hochzeitsgottesdienstes bei einer Adels- oder Prominentenhochzeit oder einem Requiem für ein verstorbenes Staatsoberhaupt oder einen sonstigen Prominenten. Ferner meint Gottesdienstübertragung lediglich die Übertragung eines realen Gottesdienstes mit funktechnischen Mitteln. 6.2.9.2 Kindersendungen § 3 Nr. 7 WerbeS der Landesmedienanstalten definiert Kindersendungen als solche, „die sich nach einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung von Inhalt, Form und Sendezeit überwiegend an unter Vierzehnjährige wenden.“ Die Anwendung auf den Einzelfall bleibt schwierig genug. Die Versuche der Veranstalter, Zeichentrickserien z. B. der „Familie Feuerstein“ zu Familienserien umzudefinieren, weil nicht nur Kinder vor dem Bildschirm sitzen, können nicht überzeugen. Eine Kindersendung ist vielmehr zu bejahen, wenn eine Gesamtschau ergibt, dass eine Sendung besonders auf die kindliche Wahrnehmung zugeschnitten und überwiegend an Erleben, Erfahrungshorizont und Sprachwelt des Kindes orientiert ist.80 Maßgeblich kommt es darauf an, ob ein Beitrag objektiv geeignet ist, als Kindersendung eingesetzt zu werden und ob er auch so eingesetzt werden soll.81 Der tageszeitlichen Platzierung im Programm kommt eine Indizwirkung zu. 6.2.9.3 „Unterbrechung“ durch Split-screen-Werbung? 6.2.9.3.1  Split-screen-Werbung im Rundfunk Tathandlung in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 MStV ist – korrespondierend mit § 9 Abs. 1 MStV, auf den die Norm verweist – die „Unterbrechung“ von Kindersendungen oder Gottesdiensten. Bei der Bildschirmteilung (Split-screen-Werbung) läuft das redaktionelle Programm indes – auf verkleinertem Bildschirm – ununterbrochen weiter. Zwar gilt das Verbot des § 9 Abs. 1 gem. § 8 Abs. 4 Satz 3 MStV für Split-screen-Werbung „entsprechend“. Das bedeutet, dass Split-screen-Werbung während einer Kindersendung oder Gottesdienstübertragung unzulässig ist. Es fehlt jedoch die Anordnung der

 Vgl. BeckOK InfoMedienR/Zwick, MStV § 9 Rn. 4.  BeckOK InfoMedienR/Zwick, MStV § 9 Rn. 7 f.; BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 255; instruktiv HK-MStV/Kreile, MStV § 9 Rn. 19 ff. 81  VG Hannover, Urt. v. 8.7.1997, Az. 6 A 1647/94, Bl. 12 f. des Urteilsumdrucks. 79 80

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

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entsprechenden Geltung im Bußgeldtatbestand, der nur auf § 9 Abs. 1 und nicht auch auf § 8 Abs. 4 Satz 3 MStV Bezug nimmt.82 Unterbrochen wird das redaktionelle Programm durch eine Split-screen-­Werbung dann, wenn der Begleitton der Rundfunksendung zugunsten des Tonsignals des Werbebeitrags ausgeblendet wird. Eine solche Gestaltung von Split-screen-­ Werbung wurde zwar bisher in der Praxis nicht beobachtet, wird aber in der Literatur diskutiert.83 Da Split-screen-Werbung nach § 8 Abs. 4 Satz 2 MStV zu 100 % auf das Kontingent der Spotwerbezeit angerechnet wird, sprechen keine Argumente gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Split-screen-Werbung mit „Werbeton“. In Kindersendungen oder bei Gottesdienstübertragungen ist Split-screen-Werbung generell verboten, aber nur bei Ersetzung des Tons durch das Tonsignal der Werbebotschaft bußgeldbewehrt, weil nur in diesem Fall die Tathandlung der „Unterbrechung“ einer Kindersendung oder einer Gottesdienstübertragung erfüllt ist. 6.2.9.3.2  Split-screen-Werbung in Telemedien Etwas anderes galt aufgrund der unterschiedlichen Tatbestandsfassung beim sog. Payper-view, d. h. Angeboten, die aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden und nach wie vor aus dem Rundfunkbegriff a­ usgenommen sind (§ 2 Abs. 3 MStV). Für diese Angebote galt gem. § 58 Abs. 3 Satz 2 RStV das Verbot der Werbeunterbrechung für Gottesdienste in § 7a Abs. 1 RStV entsprechend. § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 24 RStV pönalisierte vom Wortlaut der Verhaltensnorm abweichend die vorsätzliche Integration von Werbung oder Teleshopping-­Spots in Bewegtbildangebote eines Gottesdienstes „entgegen § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 7a Abs. 1“. Dieser Unterschied ist mit Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags nivelliert worden. Für Payper-view-Angebote und andere linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien ordnet § 74 Satz 2 MStV die entsprechende Geltung des § 9 MStV an. Die korrespondierende Sanktionsnorm § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 20 MStV stellt inzwischen auf das Unterbrechen des Bewegtbildangebots eines Gottesdienstes oder eines Bewegtbildangebots für Kinder durch „der Rundfunkwerbung entsprechende Werbung“ oder durch Teleshopping ab. Damit erstreckt sich die Bußgeldandrohung für vorsätzliche Unterbrecherwerbung sowohl auf linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien als auch auf audiovisuelle Angebote auf Abruf; sie erstreckt sich nicht auf Audioangebote. Für die Unterbrechungshandlung gilt das unter 6.2.9.3.1 Gesagte.

6.2.10 Sonstige Unterbrecherwerbung Filme mit Ausnahme von Serien, Reihen und Dokumentarfilmen sowie Kinospielfilme und Nachrichtensendungen dürfen für jeden programmierten Zeitraum von mindestens 30 min einmal für Fernsehwerbung oder Teleshopping unterbrochen werden.  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV§ 8 Rn. 33.  DKC MedienR-HdB/Kreile J 25; vgl. Beck RundfunkR/Ladeur RStV § 7 Rn. 35: Schwartmann MedienR-HdB/Hahn/Lamprecht-Weißenborn Kap. 6 Rn. 94; diff. BCHHG BayMG Art. 8 Rn. 65 f. 82 83

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6 Werbung

Werden Filme in zu kurzen Abständen unterbrochen, ist der objektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfüllt. Weil die Mindestabstände, die § 9 Abs. 3 MStV vorgibt, bei Serien, Reihen und Dokumentarfilmen nicht einzuhalten sind, haben Rundfunkveranstalter versucht, Filme nach irgendeinem gemeinsamen Merkmal zu Serien oder Reihen „zusammenzufassen“.84 Zwischenzeitlich haben die Landesmedienanstalten in § 3 Nr. 6 WerbeS die Reihe definiert als „eine Folge von eigenständigen Filmen, die aufgrund inhaltlicher, thematischer und formaler Schwerpunkte erkennbar ein gemeinsames inhaltliches Konzept aufweisen.“ Als Reihe werden etwa die Folgen des „Tatort“ (ARD) oder „Der Alte“ (ZDF) verstanden.85 Davon unterscheiden sich Serien durch eine i.  d.  R. periodische Folge mehrerer inhaltlich aufeinander aufbauender Sendungen, „die durch gemeinsame formale Merkmale als zusammengehörend gekennzeichnet sind“ (§ 3 Nr. 10 WerbeS). Das gilt z. B. für „Game of Thrones“ (RTL II), „Der Bergdoktor“ (ZDF), „Verliebt in Berlin“ (SAT.1). § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 MStV stellt die Unterbrechung „entgegen den in § 9 Abs. 3 genannten Voraussetzungen“ von Filmen mit Ausnahme von Serien, Reihen und Dokumentarfilmen, sowie von Kinofilmen und Nachrichtensendungen durch Fernsehwerbung oder Teleshopping unter Bußgeldandrohung. Der Begriff der „Fernsehwerbung“ kommt in § 8 Abs. 8 und § 9 Abs. 3 MStV vor, wird aber, anders als „Rundfunkwerbung“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV), nicht eigens definiert. In § 8 Abs. 4 MStV über die „Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes“ d. h. die Bildschirmteilung (sog. Split-screen-Werbung) verwendet der Gesetzgeber den definierten Begriff der „Rundfunkwerbung“, obwohl es um nichts anderes gehen kann als in § 8 Abs. 8 oder § 9 Abs. 3 MStV: „Rundfunkwerbung“ im Fernsehen, also Fernsehwerbung. Letztlich soll deutlich gemacht werden, dass die Vorschrift für Hörfunk nicht gilt und dass nicht der weite Werbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV verwendet wird, der Produktplatzierung, Sponsoring und Teleshopping einschließt. Dadurch wird die ausdrückliche Nennung des Teleshoppings in § 9 Abs. 3 und § 115 Abs. 1 Satz  1 Nr.  13 MStV erforderlich. Das Unterbrecherverbot ist nicht auf Teleshopping-Spots beschränkt, woraus folgt, dass auch eine Unterbrechung durch Teleshopping-Fenster i. S. d. § 71 Abs. 1 MStV (erst recht) unzulässig und bußgeldbewehrt ist. Zur Sendedauer von Fernsehsendungen werden An- und Absagen sowie Erläuterungen, die im Zusammenhang mit der Sendung stehen, aber auch die enthaltene Werbung, die § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV als Teil der Sendung versteht, hinzugerechnet. Das bußgeldbewehrte Verbot wirkt nach der linearen Verbreitung fort und gilt auch für die anschließend in der Mediathek zum Abruf bereitgehaltene Sendung (§  115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 21 MStV), allerdings wegen § 10 OWiG nur für Vorsatztaten.

 Zu den Definitionen im Einzelnen s. HK-MStV/Kreile, MStV §  9 Rn.  45  ff.; vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 16.5.1997 – 2 Ss (OWi) 358/96, ZUM 1997, 834. 85  Schuster/Spindler/Döpkens, RStV § 7a Rn. 22. 84

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

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6.2.11 Werbezeitüberschreitung § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 22 MStV bedroht die Überschreitung der zulässigen Dauer der „Werbung“ entgegen § 70 Abs. 1 Satz 1 MStV, d. h. in bundesweit ausgerichteten Fernsehprogrammen, mit Geldbuße. Ungeachtet der Verwendung des weiten „Werbebegriffs“ in der Sanktionsnorm gibt § 70 Abs. 1 Satz 1 MStV unter der Paragrafenüberschrift „Dauer der Fernsehwerbung“ ausschließlich „für Fernsehwerbespots und Teleshopping-Spots“ Werbemengenbegrenzungen vor. Hörfunkwerbung ist mengenmäßig nicht mehr reguliert. Dauerwerbesendungen und Teleshoppingfenster im Fernsehen ebenfalls nicht. Was nicht „Fernsehwerbespot oder Teleshoppingspot“ ist, wird von § 70 Abs. 1 Satz 1 MStV nicht erfasst und damit auch nicht von der Bußgeldandrohung in §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  22 MStV. Die angeblichen Ausnahmen von Satz 1 in § 70 Abs. 1 Satz 2 MStV sind banal, weil es sich weder bei der „ausgenommenen“ Produktplatzierung, noch bei regulären Sponsorhinweisen um „Fernsehwerbespots oder ­Teleshopping-­Spots“ handelt. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Ausnahmen in § 70 Abs. 2 MStV.86 § 70 Abs. 2 MStV erläutert, dass die gesetzlichen Pflichthinweise („Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“ [Fassung ab 27.12.2023]) der Dauer der Werbespots, denen sie beigefügt sind, nicht hinzugerechnet werden und auf die Höchstsendezeit nach § 70 Abs. 1 Satz 1 MStV anrechnungsfrei bleiben. Dasselbe gilt für neutrale Einzelbilder, die in § 15 WerbeS als „inhaltsleere Einzelbilder“ zwischen den Spots („schwarze Sekunden“) bezeichnet werden. Die Ausnahme für Sponsorhinweise gilt nur, wenn diese mit dem gesponserten Programm verbunden sind. Werden Sponsorhinweise mit Programmankündigungen ausgestrahlt, sind sie nach § 14 Abs. 5 Satz 2 WerbeS auf das Werbespotkontingent anzurechnen.87 Die frühere Beschränkung für Spotwerbung auf 20  % im Einstundenzeitraum gilt nur mehr für die Sendestunde von 23:00 bis 24:00 Uhr. In dieser Sendezeit ist die fahrlässige oder vorsätzliche Überschreitung von 12 min Werbezeit eine Ordnungswidrigkeit. Weiterhin gilt eine Werbemengenbegrenzung auf 20 % der Sendezeit von 6:00 Uhr bis 24:00 Uhr. In der Zeit von Mitternacht bis 6:00 Uhr gelten – wie im Hörfunk generell – keine Werbemengenbegrenzungen mehr. Der Gesetzgeber hat Sendezeitcluster gebildet, in denen die 20 %-Begrenzung einzuhalten ist. In den fünf Stunden vor 23:00 Uhr ist die zulässige Spotwerbung auf maximal eine Stunde (20 %) begrenzt. Über die Platzierung der Fernsehwerbe- oder Teleshopping-Spots, die gemäß § 3 Nr. 12 WerbeS jeweils nur eine Dauer von weniger als 90 s aufweisen dürfen, entscheidet der Fernsehveranstalter nach Belieben; die Einschränkung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 MStV, wonach Einzelspots die Ausnahme bleiben müssen – außer bei der Übertragung von Sportereignissen –, ist nicht bußgeldbewehrt und aufgrund der relativ unbestimmten Gesetzesfassung, die keinerlei Kriterien für die Anerkennung von Ausnahmen nennt, für die Aufsichtsinstanzen schwer durchsetzbar.

86 87

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 70 Rn.16 ff.  Vgl. EuGH, Urt. v. 17.2.2016 – C-314/14 – Sanoma Media Finland Oy, MMR 2016, 626 (628 f.).

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6 Werbung

In den zwölf Stunden von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr darf Spotwerbung bis zu 20 %, das sind zusammengerechnet zwei Stunden und 24 min, nach grds. freier Entscheidung des Fernsehveranstalters (s. o.) eingebracht werden. Somit erfasst die Tathandlung das vorsätzliche oder fahrlässige Überschreiten der zulässigen Dauer der Werbung entgegen § 70 Abs. 1 Satz 1 in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 22 MStV durch Fernsehwerbe- und Teleshoppingspots mit einer Gesamtdauer von mehr als • zwei Stunden und 24 min in der Zeit von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, • einer Stunde in der Zeit von 18:00 Uhr bis 23:00 Uhr und • 12 min in der Zeit von 23:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

6.2.12 Unzulässige Teleshopping-Fenster Für die Ausstrahlung eines Teleshopping-Fensters in einem Rundfunkprogramm stellt § 71 Abs. 1 MStV Regeln auf, die einerseits der Integrität des Programms und daneben der Transparenz und dem Zuschauerinteresse dienen. Die Verbreitung eines Teleshopping-Fensters von weniger als 15 min ununterbrochener Dauer, und die Ausstrahlung von Teleshopping-Fenstern, die nicht optisch und akustisch klar als solche gekennzeichnet sind, sind jeweils Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 23 MStV.

6.2.12.1 Unterschreitung der Mindestdauer Durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist § 45a RStV (nunmehr: § 71 MStV) eingefügt worden, der sich mit den zulässigen Sendezeiten für Teleshopping-­ Fenster befasst. Der Dreizehnte Rundfunkänderungsstaatvertrag hat die Bestimmung erheblich liberalisiert. Während der Medienstaatsvertrag keine Hinweise für die mögliche oder zulässige Länge von Werbespots oder Teleshopping-Spots enthält, sondern dies der Konkretisierungskompetenz der Landesmedienanstalten überlässt, gibt §  71 Abs.  1 MStV in Übereinstimmung mit Art. 24 AVMD-RL für Teleshopping-Fenster eine Mindestdauer von 15 min ohne Unterbrechung vor. Die Landesmedienanstalten haben in § 3 Nr. 12 WerbeS von ihrer Konkretisierungskompetenz Gebrauch gemacht und als „Spot“ einen Sendungsteil von weniger als 90 s Länge definiert, der vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar ist und die Voraussetzungen der Definition der Rundfunkwerbung in § 2 Abs. 2 Nr. 8 MStV erfüllt. Genau genommen haben sie damit einen Werbespot definiert. Dauerwerbesendungen i. S. d. § 8 Abs. 5 MStV beginnen ab einer Länge von 90 s (§ 7 Abs. 1 WerbeS). Für die Abgrenzung zwischen Teleshopping-Spots und Teleshopping-Fenstern stellt sich die Frage, ob eine Sendung von mehr als 90 s Dauer ein Teleshopping-Spot im Sinne des Gesetzes sein kann.88 Teleshopping-Sendungen innerhalb von Rundfunkprogrammen, die eine 88

 Ebenso Kreile, ZUM 2000, 201.

6.2  Sonderdelikte für Anbieter von Rundfunk, Allgemeindelikte für …

161

längere Sendedauer als Teleshopping-Spots und eine geringere als Teleshopping-­ Fenster (mindestens 15 min Dauer) haben, sind nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 MStV unzulässig.89 Aus diesem Grund und wegen der spezielleren Kennzeichnungspflicht ist Teleshopping als Dauerwerbesendung unzulässig (s. o. 6.2.4.4). Nachdem der Gesetzgeber die Definition des Teleshoppings in § 2 Abs. 2 Nr. 10 RStV (nunmehr: § 2 Abs. 2 Nr. 11 MStV) durch den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18.12.2008 dahin ergänzt hatte, dass unter Teleshopping nur Sendungen in Form von Teleshoppingkanälen, -fenstern und -spots zu verstehen sind,90 ist für die Einführung einer zusätzlichen Kategorie von „Teleshopping-­Sendungen“ kein Raum mehr.91 Teleshoppingsendungen von mehr als 90 s und weniger als 15 min Länge erfüllen den Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 23 MStV in der ersten Tatbestandsvariante. Allerdings wären die Landesmedienanstalten nicht gehindert, im Wege einer Änderung ihrer gemeinsamen bzw. übereinstimmenden Werbesatzungen festzulegen, dass Teleshopping-Spots 120 oder 150 s lang sein dürfen.92 Selbst wenn der Verweis auf die Definition der Rundfunkwerbung in der Spotdefinition des § 3 Nr. 12 WerbeS Zweifel wecken könnte, ob diese Festlegung unmittelbar für Teleshopping gilt, so fehlen doch Anhaltspunkte für eine abweichende Bestimmung der Spotlänge für Teleshopping-Spots. Warum unterschiedliche zeitliche Vorgaben für Werbe- und Teleshopping-Spots gelten sollten, die in den Werbebestimmungen des Medienstaatsvertrags gleichbehandelt werden, ist – mangels abweichender Regelung in den Werbesatzungen – nicht zu erkennen. Auch für Teleshopping-Spots ist deshalb davon auszugehen, dass sie kürzer als 90 s sein müssen bzw. die Spoteigenschaft bei längerer Dauer verlieren. Nachdem die Definitionsnorm Teleshopping in den Formen Spot, Fenster oder Kanal festlegt, ist Teleshopping zwischen Spot- und Fensterlänge nicht zulässig.93

6.2.12.2 Unzureichende Kennzeichnung Während gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV Teleshopping und Rundfunkwerbung dem Medium angemessen, d. h. im Fernsehen durch optische und im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein müssen, schreibt § 71 Abs. 1 Satz 2 MStV für Teleshopping-Fenster kumulativ eine akustische Ankündigung zu Beginn und eine optische Kennzeichnung als Teleshopping-­Fenster vor. Soweit §  71 MStV auch für den Hörfunk gilt, läuft die optische Kennzeichnungspflicht nur bei Digital- und Internetradios mit Display nicht wegen technischer Unmöglichkeit ins Leere. Die optische und akustische Kennzeichnung wird sich für das Fernsehen als akustische Ankündigung zu Beginn und optische Dauerkennzeichnung während der Sendung darstellen.94  Spindler/Schuster/Döpkens, RStV § 45 Rn. 6, § 45a Rn. 5; a. A. Beck RundfunkR/Ladeur, RStV § 45a Rn. 7. 90  Das erläutert die amtliche Begründung mit dem Hinweis: „Diese Klarstellung ist notwendig, damit alle Angebotsformen erfasst werden.“ (Bayer. Landtag, Drs. 16/260, S. 12) 91  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 71 Rn. 1; BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 22. 92  Zutreffend BCHHG, BayMG Art. 8 Rn. 23. 93  A. A. wohl HK-MStV/Kreile, MStV § 70 Rn. 11. 94  Ebenso HK-MStV/Kreile, MStV § 71 Rn. 7. 89

162

6 Werbung

Sowohl das Fehlen der akustischen Ankündigung als auch das Fehlen der optischen Dauerkennzeichnung erfüllt jeweils für sich genommen den Bußgeldtatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 23 MStV. Unterlassene Ankündigung und unterlassene Dauerkennzeichnung sind unterschiedliche Tathandlungen, die je einen ­eigenen Tatentschluss erfordern; kumuliert führen sie zur tatmehrheitlichen Erfüllung des Bußgeldtatbestandes (vgl. o. 6.2.4.4).

6.3 Werbeverbote in Fachgesetzen Werbeverbote in Fachgesetzen richten sich typischerweise an den Werbetreibenden. Sie gelten in erster Linie dem, der den Inhalt der Werbung bestimmt. Das ist nicht der Anbieter von Rundfunk oder Telemedien, der lediglich Sendezeit oder Präsentationsfläche in seinem Medium zur Verfügung stellt. Gleichwohl ist auch der Rundfunkveranstalter (§ 51 Abs. 1 Satz 4 MStV) wie der Telemedienanbieter, der sein Angebot an die Allgemeinheit richtet (§ 17 Abs. 1 Satz 3 MStV), an die allgemeinen Gesetze gebunden. Insoweit entfalten auch die Werbeverbote, die für Werbetreibende gelten, Wirkung für die Medienanbieter, ohne dass diese damit unmittelbar für die Werbeinhalte verantwortlich werden. Eine Mithaftung für die Inhalte kann sich jedoch aus der Verletzung von Prüfpflichten des Mediendiensteanbieters ergeben.95 Die Zurverfügungstellung von Sendezeit oder Präsentationsfläche für ordnungswidrige Werbung durch einen Medienanbieter stellt einen wesentlichen Tatbeitrag dar, der zur Ahndung auch des Medienanbieters führen kann (s. § 14 OWiG). Das gilt grundsätzlich ebenso für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in ihrer Eigenschaft als öffentliche Unternehmen96 (vgl. § 130 Abs. 2 OWiG).

6.3.1 Das Tabakwerbeverbot Das in Art. 9 Abs. 1 Buchst. d AVMD-RL und in Art. 15 Abs. 1 der Europaratskonvention enthaltene Tabakwerbeverbot findet sich im Medienstaatsvertrag nicht wieder. Zwar haben die staatsvertragsschließenden Länder, die für die Rundfunkgesetzgebung zuständig sind, die AVMD-Richtlinie im Übrigen umgesetzt. Aber das Tabakwerbeverbot im Rundfunk hat der für die Rundfunkgesetzgebung unzuständige Bundesgesetzgeber zunächst in § 22 Abs. 1 LMBG, später in § 21a Abs. 2 und § 21b Abs. 4 VorlTabakG und nunmehr in §§ 19, 20 TabakerzG geregelt. Einen Verstoß gegen das Verbot, für Tabakerzeugnisse im Hörfunk oder im Fernsehen zu werben, hat er als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet, die jedermann begehen kann. Normadressat ist zunächst der Werbungtreibende, der Sendezeit für die Verbreitung der von ihm gestalteten und in Instruktiv für den Rundfunk: BGH, Urt. v. 22.07.2021 – I ZR 194/20, MMR 2022, 45 Rn. 68 ff., Rn. 82 ff. m. Anm. Liesching; Besprechungen: Weismantel ZUM 2022, 105; Blach/Walisko GRUR 2022, 309; Bildhäuser GRUR-Prax 2022, 20 96  OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.11.1987 – 6 U 87/87, NJW-RR 1989, 167; OLG München, Urt. v. 11.3.1999 – U (K) 5733/98, ZUM-RD 1999, 270 (273). 95

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

163

haltlich verantworteten Werbebotschaft ankauft, und nicht der Rundfunkveranstalter, der die Sendezeit für die Werbung in seinem Angebot gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Private wie öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter bzw. deren jeweils verantwortlich handelnde Mitarbeiter können grundsätzlich als Beteiligte gem. §  14 OWiG zur Verantwortung gezogen werden. Für Telemedien ist das Tabakwerbeverbot für Dienste der Informationsgesellschaft in § 19 Abs. 3 TabakerzG einschlägig. Für sie gilt das Tabakwerbeverbot im selben Umfang wie für Printmedien. Das heißt Tabakwerbung in Angeboten, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt sind, ist zulässig. Tabakwerbung in an die Allgemeinheit adressierten Angeboten ist untersagt. Der dem Tabakwerbeverbot zugrunde liegende Werbebegriff ist entsprechend der ordnungsrechtlichen Zielsetzung des Gesetzes weit und nicht mit dem rundfunkrechtlichen Werbebegriff in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV identisch. Die Definitionsnorm in § 2 Nr. 6 TabakerzG definiert „Werbung“ als „jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern.“ Ungeachtet dessen nimmt das in § 20 TabakerzG enthaltene Verbot, für Tabakerzeugnisse in audiovisuellen Mediendiensten zu werben, ausdrücklich auf die Definition der „audiovisuellen kommerziellen Kommunikation“ in Art. 1 Abs. 1 Buchst. h AVMD-RiL Bezug. Diese Definition lautet: „Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dienen. Diese Bilder sind einer Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen unter anderem Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung.“ Der allgemeine Werbebegriff des § 2 TabakerzG ist insoweit weiter als die Definition der kommerziellen Kommunikation in der AVMD-Richtlinie, als er auch solche Äußerungen einbezieht, die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs getätigt werden, und enger insoweit, als Sponsoring nicht mitumfasst wird. Tathandlung ist das Werben für Tabakerzeugnisse in elektronischen Online-Medien (Rundfunk und Telemedien). Der Hersteller oder Verkäufer von Tabakerzeugnissen ist allerdings für die Tatbestandsverwirklichung auf die Mitwirkung des Medienanbieters angewiesen. Ordnungswidrige Fernsehwerbung ist aufgrund der Gesetzesfassung ein anderer Tatbestand als ordnungswidrige Z ­ eitungs- oder Plakatwerbung. Die Ausstrahlung einer redaktionellen Sendung, in der ein rauchender Akteur auftritt, mag eine gewisse Anreizwirkung zugunsten des Tabakkonsums enthalten, stellt jedoch keine Tabakwerbung im Sinn des bußgeldbewehrten Verbots dar. Anders die dramaturgisch nicht gerechtfertigte Darstellung von Tabakwaren im redaktionellen Programm, die der Verantwortliche für den Medieninhalt (Rundfunkveranstalter, Diensteanbieter) in Werbeabsicht vornimmt. Auch Schleichwerbung, obzwar verboten, ist eine Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation im Sinn beider EU-Richtlinien. Art. 9 Abs. 1 lit. a Halbsatz 2 AVMD-RL lässt keinen Zweifel: „audiovisuelle kommerzielle Kommunikation in Form von Schleichwerbung ist verboten.“ Bei Schleichwerbung für Tabakerzeugnisse wirbt der Medienanbieter, der nicht nur Sendezeit oder Präsentationsfläche für fremde Inhalte, etwa den Werbespot des Tabakherstel-

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6 Werbung

lers, zur Verfügung stellt, sondern selbst ungekennzeichnete „Werbung“ in das redaktionelle Programm einfügt und das Publikum dadurch über die Werbeabsicht irreführt. Gem. § 35 Abs. 4 TabakerzG können Verstöße gegen die vorstehend beschriebenen Verbote mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 € geahndet werden. Der Bußgeldrahmen für fahrlässige Tatbegehung beträgt gem. §  17 Abs.  2 OWiG bis zu 15.000,00 €. Schleichwerbung für Tabakerzeugnisse im Fernsehen erfüllt gleichzeitig zwei Bußgeldtatbestände: § 35 Abs. 2 Nr. 9 TabakerzG und § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 MStV. Die Ahndung erfolgt durch die Festsetzung einer einheitlichen Geldbuße, die sich gem. § 19 Abs. 2 OWiG nach dem Gesetz richtet, das die höchste Geldbuße androht. Folglich ist wegen tateinheitlicher Werbung für Tabakerzeugnisse und Schleichwerbung eine Geldbuße bis zu 500.000,00 € (§ 115 Abs. 2 MStV) bei Vorsatz und bis zu 250.000,00 € bei Fahrlässigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) festzusetzen. Schleichwerbung für Tabakerzeugnisse in rundfunkähnlichen oder linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien ist nach § 35 Abs. 2 Nr. 7 TabakerzG und bei vorsätzlicher Tatbegehung nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 16 MStV zu ahnden; der Bußgeldrahmen beträgt ebenfalls bis zu 500.000,00 €. Bei fahrlässiger Tatbegehung richtet sich die Ahndung ausschließlich nach § 35 Abs. 2 Nr. 7 TabakerzG; der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 15.000,00 € (s. o.).

6.3.2 Heilmittelwerbung 6.3.2.1 Allgemeines § 15 HWG97 enthält einen umfangreichen Katalog von Bußgeldtatbeständen im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel, sonstige Medizinprodukte und ­andere Mittel, Verfahren und Gegenstände, die sich auf Krankheit oder Krankheitsbehandlung bei Mensch und Tier beziehen (§ 1 HWG). Die Tatbestände des § 15 Abs. 1 HWG können sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden. Die mögliche Geldbuße beträgt bis zu 50.000,00 € (§ 15 Abs. 3 HWG). Im Folgenden soll eine Auswahl von Ordnungswidrigkeiten näher vorgestellt werden. Die Werbebeschränkungen und -verbote des Heilmittelwerbegesetzes richten sich unmittelbar an denjenigen, der für Heilmittel wirbt. In Online-Medien wirbt, wer Sendezeit im Rundfunk oder Präsentationsfläche in Telemedien rsp. digitalen Diensten für die Verbreitung seiner Werbebotschaft ankauft. An dieser Stelle wird die Erkenntnis bedeutsam, dass klassische Werbung Drittsendung im Programm ist. Die inhaltliche Verantwortung für die Werbeaussage trägt in erster Linie der Werbungtreibende. Das Heilmittelwerbegesetz ist ein allgemeines Gesetz, das geeignet ist die Rundfunkfreiheit zu beschränken (Art. 5 Abs. 2 GG). Sowohl Rundfunkveranstalter (§ 51 Abs. 1 Satz 4 MStV) als auch Anbieter von Telemedien (§ 17 Abs. 1 Satz 3 MStV)  Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz – HWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.1994 (BGBl. I S.  3068), zuletzt geändert durch Art. 7 Gesetz vom 19.7.2023 (BGBl. I Nr. 197). 97

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

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haben die allgemeinen Gesetze einzuhalten. Damit sind die heilmittelrechtlichen Werbeverbote grundsätzlich auch medienrechtlich beachtlich. Ungeachtet dessen wird der Inhaber des Werbeträgers damit nicht zum Werbungtreibenden i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 HWG. Allerdings kommt eine Verfolgung und Ahndung als Tatbeteiligter (§ 14 OWiG) in Betracht. Die Einräumung von Werbeflächen wird sich zumindest als Beihilfe zur fremden Tat qualifizieren lassen, wobei zu beachten ist, dass die h. M. in Analogie zum Strafrecht gegen den Wortlaut des § 14 OWiG nur die vorsätzliche Beihilfe zur Vorsatztat für ahndbar hält.

6.3.2.2 Zulassungspflichtige Arzneimittel § 3a HWG verbietet jede Werbung für nicht zugelassene zulassungspflichtige Arzneimittel einschließlich der Werbung für Anwendungsgebiete, für die ein Arzneimittel nicht zugelassen ist. Wer Werbung entgegen § 3a HWG betreibt, handelt ordnungswidrig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 HWG). 6.3.2.3 Pflichtangaben bei Arzneimittelwerbung Wer bei der Werbung für Arzneimittel keine oder unvollständige Pflichtangaben macht, handelt ordnungswidrig. Zu den Pflichtangaben gehören neben der Bezeichnung des Arzneimittels Name oder Firma und Sitz des pharmazeutischen Unternehmers, grundsätzlich auch Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen und Nebenwirkungen, Warnhinweise wie auf der Arzneimittelverpackung, der Hinweis auf eine Verschreibungspflicht sowie Angaben zur Zusammensetzung des Arzneimittels (§ 4 Abs. 1 Satz 1 HWG). Dabei ist allerdings zu beachten, dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht allgemein, sondern nur bei Ärzten, Tierärzten, Apothekern und sonstigen berechtigten Arzneimittelhändlern geworben werden darf (§ 10 Abs. 1 HWG). Die Angaben zur Zusammensetzung müssen enthalten die vollständige qualitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen und sonstigen Bestandteilen sowie quantitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen unter Verwendung gebräuchlicher Bezeichnungen für jede Darreichungsform des Arzneimittels (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. d AMG). Davon gibt es freilich Ausnahmen, die insbesondere die sog. traditionellen pflanzlichen Arzneimittel betreffen (z. B. § 4 Abs. 1 Satz 2 HWG). Bei homöopathischen Arzneimitteln ist sogar eine Angabe von Anwendungsgebieten bei der Werbung unzulässig (§ 5 HWG). Die vorschriftswidrige Werbung mit solchen Angaben ist wie die Werbung ohne die erforderlichen Pflichtangaben eine Ordnungswidrigkeit gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 HWG. 6.3.2.4 Verschreibungspflichtige Arzneimittel Wer für verschreibungspflichtige Arzneimittel oder für Medikamente gegen Schlaflosigkeit sowie Psychopharmaka außerhalb der in §  10 HWG genannten Fachkreise wirbt, handelt gem. § 15 Abs. 1 Nr. 7 HWG ordnungswidrig. Von dem Verbot nicht erfasst werden pflanzliche Beruhigungsmittel, soweit diese als Nahrungsergänzungsmittel und nicht als Arzneimittel gelten. 6.3.2.5 Werbung ausländischer Unternehmen Unternehmen, die keinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen für Heilmittel nur dann im Inland werben, wenn sie jemanden mit der Wahrnehmung

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der Pflichten aus dem Heilmittelwerbegesetz betrauen, der seinen Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat und nach dem Heilmittelwerbegesetz unbeschränkt strafrechtlich verfolgt werden kann. Werbung eines Unternehmens, das diese Bedingung nicht erfüllt, stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 10 HWG dar.

6.3.2.6 Irreführende Heilmittelwerbung Während vorsätzliche irreführende Heilmittelwerbung gem. § 14 HWG eine Straftat darstellt, ist fahrlässige irreführende Heilmittelwerbung entgegen § 3 HWG eine Ordnungswidrigkeit nach § 15 Abs. 2 HWG. Tathandlung ist die Behauptung therapeutischer Wirkungen, die ein Heilmittel nicht hat, aber auch das fälschliche Erwecken des Eindrucks, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden könne, bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen einträten oder dass die Werbung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet werde. Ferner sind unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit von Heilmitteln, die Art und Weise der Verfahren oder Behandlung sowie über Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolg des Herstellers oder Erfinders tatbestandserfüllend. Die mögliche Geldbuße beträgt bis zu 20.000,00 € (§ 15 Abs. 3 HWG). 6.3.2.7 Sonstige heilmittelwerberechtliche Ordnungswidrigkeiten Des Weiteren enthält § 15 Abs. 1 HWG eine Reihe von Tatbeständen, die unzulässige Werbung mit Gutachten o. Ä. zum Gegenstand haben (Nr. 3), mit Zugaben verbunden sind (Nr. 4), mit dem Bezug von Arzneimitteln via Teleshopping (Nr. 5) oder für eine Fernbehandlung werben (Nr. 6) und anderes. Auf die Darstellung im Einzelnen wird wegen der bisher nicht erkennbaren Praxisrelevanz verzichtet. Hinsichtlich „Werbung durch Gewinnspiele“ außerhalb von Fachkreisen (§  11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, § 15 Abs. 1 Nr. 8 HWG) wird auf den Abschnitt über Gewinnspiele verwiesen (s. o. 5.3).

6.3.3 Glücksspielwerbung 6.3.3.1 Allgemeines Am 1.1.2008 löste der Glücksspielstaatsvertrag der Länder den verfassungswidrigen Lotteriestaatsvertrag98 ab. Am 31.12.2011 trat er wieder außer Kraft, da die Ministerpräsidenten seine Fortgeltung nicht beschlossen hatten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Am 15.12.2011 haben die Regierungschefinnen und -chefs von 15 Ländern – mit Ausnahme Schleswig-Holsteins  – den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag unterschrieben. Am 1.7.2012 ist der aus zwei Artikeln und einem Anhang bestehende Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag99 zunächst in 14 Ländern in Kraft getreten; Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben später von dem in Art. 2 Abs. 2a Erster 98 99

 Vgl. BVerfG, 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276.  BayGVBl. 2012, S. 318.

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

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GlüÄndStV vorgesehenen Beitrittsrecht Gebrauch gemacht. Seitdem galt der Staatsvertrag bundeseinheitlich. Er hat die Zeit des strengen öffentlich-rechtlichen Glücksspielmonopols in Deutschland beendet und ein beschränktes Lizenzmodell für Sportwetten eingeführt.100 Seine Geltungsdauer war nach § 35 Abs. 2 GlüStV bis zum Ablauf des 30.6.2021 befristet. Die Länder haben einen neuen Glücksspielstaatsvertrag auf unbestimmte Dauer geschlossen, der am 1.7.2021 in Kraft getreten ist (§ 35 Abs. 1 GlüStV 2021). Der Anwendungsbereich erstreckt sich nach § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 nicht auf Gewinnspiele im Rundfunk; für diese gilt § 11 MStV (s. Kapitel 5). Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag enthält in § 28a eine Ordnungswidrigkeitenbestimmung. § 28a Abs. 1 GlüStV 2021 umfasst in einer bis 58 reichenden Nummernaufzählung zahlreiche Bußgeldtatbestände. Daneben stellt § 28 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021 den einzelnen Ländern frei, in den Ausführungsgesetzen (weitere) Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten zu schaffen; die Formulierung ist unverändert aus dem Vorgängerstaatsvertrag übernommen worden, der seinerseits noch keine Ordnungswidrigkeiten enthalten hatte. Gleichwohl liegt kein Redaktionsversehen vor. Zwar bezweckt der neue § 28a GlüStV 2021 die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten durch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder nach § 9 GlüStV 2021 auf Basis eines ländereinheitlichen Katalogs von Ordnungswidrigkeiten und dient daher zugleich einer einheitlichen Rechtsanwendung und der Rechtssicherheit. Es soll aber möglich bleiben, dass die Länder „für ihren Hoheitsbereich weitere Ordnungswidrigkeitstatbestände, insbesondere für das stationäre Angebot, (festlegen).“101 Für dieses Handbuch sind nur die Tatbestände des § 28a GlüStV 2021 interessant. Der gesetzliche Bußgeldrahmen reicht von 5,00  € (§  17 Abs.  1 OWiG) bis zu 500.000,00 € für Vorsatztaten (§ 28a Abs. 2 GlüStV 2021) und bis zu 250.000,00 € für Fahrlässigkeitstaten (§ 17 Abs. 2 OWiG). § 28a Abs. 3 GlüStV 2021 sieht als Nebenfolge die Einziehung von Gegenständen vor, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht oder die durch sie hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind. Auf § 22 Abs. 2 und § 23 OWiG wird in der Vorschrift verwiesen. Der Gesetzgeber mag in erster Linie an die Einziehung von Utensilien zur Veranstaltung unzulässiger Glücksspiele gedacht haben. Allerdings differenziert die Vorschrift nicht und gilt auch für die bußgeldbewehrten Werbeverbote. In diesem Zusammenhang erweist sich der Einheitstäterbegriff des § 14 OWiG als problematisch, der nicht zwischen Beteiligungsformen (Tatbeteiligung, Anstiftung, Beihilfe) unterscheidet. So kann der mitwirkende Rundfunkveranstalter oder Diensteanbieter zum Täter i. S. d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG werden,102 dem Gegenstände entzogen werden können, die bei der ordnungswidrigen Werbung Verwendung fanden. Im Hinblick auf Medienschaffende ist die Rundfunkfreiheit angemessen zu berücksichtigen. Deshalb müssen technische Einrichtungen von der Einziehung ausgenommen werden, die für die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk oder Telemedien bzw. digitalen Diensten benötigt werden.

 Aber: Becker, ZfWG 2015, 410; Hess. VGH, Beschl. v. 16.10.2015 – 8 B 1028/15, ZfWG 2015, 478 m. Anm. Krewer, Bespr. Kirchhof, NVwZ 2016, 124. 101  Bayer. Landtag, Drs. 18/11128, 159. 102  Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG § 22 Rn. 7. 100

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6 Werbung

Die Ordnungswidrigkeiten können nach dem Einleitungssatz des § 28a Abs. 1 GlüStV 2021 vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden.

6.3.3.2 Der Glücksspielbegriff Während § 284 StGB, der u. a. die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis mit Strafe bedroht, die Definition des Glücksspielbegriffs der Praxis überlässt, wartet § 3 Abs. 1 GlüStV 2021 wie schon in den Vorgängerstaatsverträgen mit einer Begriffsdefinition des Glücksspiels auf. Ein solches liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Wetten auf den Ausgang zukünftiger Ereignisse sind Glücksspiele (§ 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021). Die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 erfasst unentgeltliche Spiele  – auch außerhalb geschlossener Personenkreise – ebenso wenig wie sog. Geschicklichkeitsspiele, bei denen „zumindest wesentlich auch Aufmerksamkeit, Fähigkeit und Kenntnisse der beteiligten Durchschnittsspieler über Gewinn und Verlust entscheiden.“103 Die Rechtsprechung der Strafgerichte geht traditionell davon aus, dass öffentliche Glücksspiele nur dann unter § 284 StGB fallen, wenn ein Einsatz in Form eines „nicht ganz unbeträchtlichen Vermögenswertes“ zu leisten ist.104 Vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags hatte sich wohl ein allgemeiner Konsens herausgebildet, dass jedenfalls Einsätze von bis zu 50 Cent unterhalb dieser Schwelle bleiben.105 Nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags wurde zum Teil die Auffassung vertreten, es existiere nunmehr ein neuer ordnungsrechtlicher Glücksspielbegriff, der enger sei als der in § 284 Abs. 1 StGB verwendete, denn § 3 Abs. 1 GlüStV stelle lediglich auf Entgeltlichkeit, nicht jedoch auf eine bestimmte Entgelthöhe ab. Zunächst ist festzustellen, dass im Wortlaut des § 284 Abs. 1 StGB nicht einmal von einem Entgelt, geschweige denn von einer bestimmten Entgelthöhe die Rede ist. Das ungeschriebene Merkmal der Entgeltlichkeit ist Ergebnis richterlicher Rechtsfindung. Insoweit gibt die Aufnahme des Entgeltlichkeitsmerkmals in § 3 Abs. 1 GlüStV zunächst nichts dafür her, dass der Staatsvertrag einen vom Strafrecht abweichenden Glücksspielbegriff enthalte. Aber auch sonst gibt die Entstehungsgeschichte dafür nichts her.106 Der Bundesgerichtshof107 und das Bundesverwaltungsgericht108 gehen deshalb zu Recht davon aus, dass Strafrecht und Glücksspielstaatsvertrag einen einheitlichen Glücksspielbegriff verwenden. Zwischenzeitlich „hat sich gewissermaßen die Anerkennung einer „De-minimis-Schwelle“ in Rechtsprechung und Literatur als deutlich h. M. etabliert, so dass bei Einnahmeentgelten  So zur parallelen Situation im Strafrecht Lackner/Kühl, StGB § 284 Rn. 5; NK-MedienstrafR/Lubitz/Niemz, StGB § 284 Rn. 11 f.. 104  Lackner/Kühl, StGB § 284 Rn. 2; Schönke/Schröder/Heine/Hecker, StGB § 284 Rn. 8. 105  LG Berlin, Urt. v. 28.9.2004 – 5 O 241/04, MMR 2005, 126; OLG München, Urt. v. 28.7.2005 – U (K) 1834/05, MMR 2005, 774. 106  Vgl. Blaue, ZUM 2011, 119 (120 f.); Gummer, ZUM 2011, 105 (109 f.); Hambach/Münstermann, K&R 2009, 457 (461); s. auch Kruis, NVwZ 2012, 797; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/ Pfütze, GlüStV § 3 Rn. 6 ff. 107  BGH, Urt. v. 28.9.2011 – I ZR 92/09, MMR 2012, 191 m. insoweit zust. Anm. Liesching, Bespr. Blaue, GRUR-Prax 2012, 40. 108  BVerwG, Urt. v. 16.10.2013 – 8 C 21.12, MMR 2014, 207. 103

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

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i. H. v. lediglich 0,50 € nicht vom Vorliegen eines Glücksspiels i. S. d. GlüStV – auch nicht nach seiner Neufassung aus dem Jahre 2021 – auszugehen ist.“109

6.3.3.3 Der glücksspielrechtliche Werbebegriff Nach wie vor definiert der Glücksspielstaatsvertrag den Werbebegriff, der seinen Verhaltensnormen zugrunde liegt, nicht.110 Das glücksspielrechtliche Werbeverbot findet seine Rechtfertigung in einem ordnungsrechtlichen Ansatz. Es dient in erster Linie dem Schutz vulnerabler Gruppen, z. B. Minderjähriger, spielsuchtgefährdeter oder spielsüchtiger Personen vor den Gefahren des Glücksspiels.111 Bei normzweckorientierter Interpretation ist von einem weiten Werbebegriff auszugehen. 6.3.3.4 Einzelne Ordnungswidrigkeiten Für Glücksspielwerbung in Online-Medien sind die Ordnungswidrigkeiten nach § 28a Abs. 1 Nr. 7–10 und 14, 15 und 53 GlüStV 2021 relevant. Der Einleitungssatz „ordnungswidrig handelt, wer …“ enthält kein ahndungsbegründendes persönliches Tätermerkmal, sondern richtet sich an jedermann. Falls die Ausfüllungsnormen keinen speziellen Adressaten haben, handelt es sich um Allgemeindelikte. Tathandlung in § 28a Abs. 1 Nr. 7, 9 und 10 GlüStV 2021 ist „werben“. Werbender ist, wer eine Werbeäußerung selbst tätigt oder in Auftrag gibt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021). Ein Zeitungsverleger oder Mediendiensteanbieter, der einem Werbetreibenden Präsentationsfläche vermietet, wirbt nicht selbst, sondern verbreitet (fremde) Werbung (vgl. o. 6.2.8.4 und 6.3). Anderes gilt bei sog. redaktioneller Werbung. Nimmt ein Mediendiensteanbieter Werbeaussagen für Glücksspiel in sein redaktionelles Angebot auf, betreibt er die (Schleich-)Werbung selbst und verbreitet nicht nur fremde Werbung (vgl. o. 6.2.7.2). Die Unterstützungshandlung durch Zurverfügungstellung von Präsentationsflächen im Medienangebot kann als Tatbeteiligung zur Einbeziehung des Mediendiensteanbieters als Täter nach dem Einheitstäterbegriff des § 14 OWiG führen und eine Ahndung rechtfertigen. Vergleichbares gilt für die Tathandlungen „Werbung an Minderjährige richtet“ in § 28a Abs. 1 Nr. 8 GlüStV 2021 und für das Werben oder Betreiben von Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel nach § 28a Abs. 1 Nr. 15 GlüStV 2021. Die Tathandlung kann sowohl durch die inhaltliche Aufmachung der Werbebotschaft als auch durch die Wahl des Publikationsorgans, z. B. eine Kindersendung oder eine Jugendzeitschrift, verwirklicht werden. 6.3.3.4.1  Glücksspielwerbung über Telekommunikationsanlagen Wie im Nebenordnungswidrigkeitenrecht üblich, setzt sich der Bußgeldtatbestand aus einer Sanktionsnorm (Blankett), hier: § 28a Abs. 1 Nr. 7 GlüStV 2021, und einer Verhaltensnorm (Ausfüllungsnorm), hier: § 5 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021, zusammen. Die Sanktionsnorm ist als Allgemeindelikt („wer“) und das Verbot in der Verhaltensnorm unpersönlich formuliert: Werbung über Telekommunikationsanlagen ist verboten. Somit liegt eine Ordnungswidrigkeit in der Gestalt eines Allgemeindelikts vor, das grds. jedermann begehen kann.  HK-GlücksspielR/Hamacher, GlüStV § 3 Rn. 6.  HK-GlückspielR/Schmitz, GlüstV § 5 Rn. 3. 111  Vgl. HK-GlücksspielR/Schmitz, GlüStV § 5 Rn. 1. 109 110

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6 Werbung

Der Bußgeldtatbestand erfasst vor allem unverlangte Werbeanrufe. Denn die Verbotsausnahmen in § 5 Abs. 1 Satz 5 und 6 GlüStV 2021 gelten ungeachtet der Verweisung nur auf § 5 Abs. 1 Satz 4 GlüStV 2021 auch für die Sanktionierung. Materiellrechtlich erlaubtes Verhalten kann nicht unter Bußgeldandrohung gestellt werden. Werbende Äußerungen im Rahmen von Telefonanrufen potenzieller Spielteilnehmer bei Glücksspielveranstaltern oder -vermittlern sind erlaubt (§ 5 Abs. 1 Satz 5 GlüStV 2021). Innerhalb eines bestehenden Vertragsverhältnisses sind bei vorliegender Einwilligung des Spielteilnehmers auch Werbeanrufe zulässig, die von Veranstaltern oder Vermittlern ausgehen (§ 5 Abs. 1 Satz 6 GlüStV 2021).112 6.3.3.4.2  Glücksspielwerbung an Minderjährige Nach dem unpersönlich formulierten Verbot in § 5 Abs. 2 Satz 4 GlüStV 2021 darf „sich“ Werbung nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Die Sanktionsnorm stellt nur an Minderjährige gerichtete Glücksspielwerbung unter Bußgeldandrohung. Die Sanktionsnorm bleibt also hinter der Verhaltensnorm zurück. Das ist nicht nur generell zulässig, sondern erscheint angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs der „vergleichbar gefährdeten Zielgruppen“ sogar rechtsstaatlich geboten. Die Beantwortung der Frage, wann sich Werbung an Kinder richtet, ist schon schwierig genug. Das wirft die Frage nach der Bestimmtheit des Bußgeldtatbestandes auf. Die Formulierung in § 5 Abs. 2 Satz 5 GlüStV 2021, wonach Minderjährige als Empfänger von Werbung „soweit möglich … auszunehmen (sind)“, bringt keine Klarheit. Tathandlung ist „Werbung an Minderjährige richtet“. Richten beschreibt ein finales Handeln. Das ist bei Werbemaßnahmen zu bejahen, die in einem Kontext ­erfolgen, der bevorzugt oder überwiegend von Minderjährigen wahrgenommen wird.113 Eine Verpflichtung sicherzustellen, dass Minderjährige Glücksspielwerbung üblicherweise nicht wahrnehmen, enthält der Staatsvertrag nicht. Wird Glücksspielwerbung an Erwachsene gerichtet, wird die Ordnungswidrigkeit nicht dadurch verwirklicht, dass die Werbung auch von Minderjährigen wahrgenommen wird. Die zunehmende Sitte, das Publikum zu duzen, könnte für Werbetreibende Risiken bergen und sie dem Vorwurf nahebringen, die Werbung verbotswidrig an Minderjährige zu richten. 6.3.3.4.3  Glücksspielwerbung für Online-Spiele § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 enthält ein tageszeitliches Verbot für Werbung im Rundfunk und Internet für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-­ Casinospiele. § 3 Abs. 1a GlüStV 2021 definiert die genannten virtuellen Spiele als virtuelle Nachbildung sog. terrestrischer Spiele. In dem Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr sind Rundfunk- und Internetwerbung für die vorgenannten virtuellen Spiele verboten. Zuwiderhandlungen sind Ordnungswidrigkeiten nach § 28a Abs. 1 Nr. 9 GlüStV 2021. Rundfunk umfasst Hörfunk und Fernsehen. Aus der Unterscheidung zwischen „Werbung und Sponsoring“ in dem Verbot für uner112 113

 HK-GlücksspielR/Schmitz, GlüStV § 5 Rn. 8.  HK-GlücksspielR/Schmitz, GlüStV § 5 Rn. 11.

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

171

laubtes Glücksspiel in § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 ist zu schließen, dass Sponsoring und Werbung begrifflich strikt getrennt werden; der neue rundfunkrechtliche Werbebegriff in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, der Rundfunkwerbung und Sponsoring umfasst, ist hierfür irrelevant. Wenn aber Sponsoring nicht in den Werbebegriff eingeschlossen ist, fällt das Sponsoring für eine Fernsehsendung durch den Veranstalter eines Online-Casinospiels nicht generell unter das Verbot, sondern nur dann, wenn sich die Ausgestaltung des Sponsorhinweises als Werbung für das Glücksspiel darstellt; das ist der Fall, wenn der Sponsorhinweis einen Anreiz zur Spielteilnahme setzt.114 Von neutralen Sponsorhinweisen zur Imagepflege des Sponsors wird i. d. R. kein Anreiz zur Spielteilnahme ausgehen. 6.3.3.4.4  Sportwettenwerbung bei Live-Übertragungen Tathandlung ist das Werben für Sportwetten auf ein Sportereignis unmittelbar vor oder während der Live-Übertragung dieses Sportereignisses (§ 28a Abs. 1 Nr. 10 i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2021). Das Werbeverbot gilt nach der Verhaltensnorm für den das Sportereignis „übertragenden Kanal“. „Der übertragende Kanal“ ist aus Nutzersicht zu bestimmen und nicht durch technische Zuführungswege definiert. Konkret: Wird in einem mit dem Internet verbundenen Fernsehgerät (Connected oder smart TV) in die Live-Übertragung eines Sportereignisses über das Internet Sportwettenwerbung für dieses Ereignis in das Rundfunksignal „eingeblendet“ und – vom Nutzer unverlangt – auf dem Bildschirm sichtbar gemacht, findet die Werbung gleichwohl „auf dem übertragenden Kanal“ statt und der Bußgeldtatbestand ist verwirklicht, obwohl „der übertragende Kanal“ aus zwei unterschiedlichen Signalquellen gespeist wird. 6.3.3.4.5 Verbindung von Sportwettenwerbung mit Live-­ Zwischenständen Nach § 5 Abs. 6 Satz 2 GlüStV 2021 dürfen Live-Zwischenstände von Sportereignissen nicht mit der Werbung für Sportwetten auf dieses Sportereignis verbunden werden; ausgenommen auf der eigenen Internetseite eines Wettanbieters. Während die Verhaltensnorm von den Live-Zwischenständen ausgeht und untersagt, diese mit Werbung zu verbinden, geht die Sanktionsnorm in § 28a Abs. 1 Nr. 14 GlüStV 2021 von der Werbung aus und stellt deren Verbindung mit den Live-­Zwischenständen unter Bußgeldandrohung. Das mag ungewöhnlich, dürfte aber unschädlich sein. Ob die Zwischenstände mit Werbung verbunden werden oder die Werbung mit Zwischenständen: Es wird um dasselbe Verbot, nur aus zwei verschiedenen Blickrichtungen, gehen. Wenn ein Live-Ticker mit Zwischenständen im Internet mit Werbung für Sportwetten für das entsprechende Sportereignis verbunden wird, dürfe zwangsläufig auch die Werbung mit dem Zwischenstand verbunden werden. 6.3.3.4.6  Werbung oder Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel Unter dem Oberbegriff der Werbeverbote ist das Sonsoringverbot für unerlaubtes Glücksspiel in diesem Handbuch systematisch nicht ganz passend eingeordnet. Die Darstellung in Kap. 7 Sponsoring würde das Verbot aber aus seinem Zusammen114

 Vgl. BayVGH, Beschl. v. 20.8.2020 – 7 CS 20.356, ZUM-RD 2021, 58 (60).

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6 Werbung

hang reißen. Deshalb wird das Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel bei der Behandlung des Bußgeldtatbestandes in § 28a Abs. 1 Nr. 15 GlüStV 2021 dargestellt, der beide Tathandlungen, Werben und Sponsern, in einer Nummer vereint. 6.3.3.4.6.1  Werbung für unerlaubtes Glücksspiel

Der Bußgeldtatbestand in § 28a Abs. 1 Nr. 15 GlüStV 2021 kollidiert mit dem strafrechtlichen Verbot der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel in § 284 Abs. 4 StGB. Die amtl. Begr. erläutert dies mit der lapidaren Formulierung: „Die Strafbarkeit unerlaubten Glücksspiels steht den Ordnungswidrigkeitstatbeständen auch insoweit nicht entgegen, als eine mit einer Geldbuße bedrohte Handlung zugleich einen Straftatbestand erfüllt. In diesen Fällen findet § 21 OWiG Anwendung.“115 Tatsächlich sperrt eine wirksame bundesgesetzliche Strafnorm eine entsprechende landesgesetzliche Regelung (Art. 72 Abs. 1 GG). Die vorsätzliche Werbung für unerlaubtes Glücksspiel ist strafbar als bundesgesetzlich in § 284 Abs. 4 StGB geregelte Straftat; der konkurrierende Bußgeldtatbestand ist – beschränkt auf die Vorsatztat – als kompetenzwidrige Norm nichtig.116 Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG führt gem. Art. 72 Abs. 1 GG zu einem Geltungsvorrang vor entsprechenden landesrechtlichen Strafnormen. Der Nachteil für die Praxis: Sie hat keine Verwerfungskompetenz für verfassungswidrige Parlamentsgesetze, also hier für den durch Zustimmungsgesetze in Landesrecht transformierten § 28a GlüStV 2021; das ist den Verfassungsgerichten vorbehalten. An dieser Stelle hilft der bundesrechtliche §  21 OWiG, der einen allgemeinen Anwendungsvorrang des Strafrechts begründet ohne die Geltung der ­verdrängten Bußgeldbestimmungen zu berühren. Die Praxis muss den gesetzlichen Anwendungsvorrang beachten und hat nicht zu entscheiden, ob die landesrechtlichen Bußgeldvorschriften wirksam oder nichtig sind; selbst wenn sie wirksam wären: Strafrecht geht vor. Die Frage der Wirksamkeit oder Nichtigkeit der Vorsatzvariante des §  28a Abs.  1 Nr.  17 GlüStV wird erst virulent, wenn der Bundesgesetzgeber § 284 Abs. 4 StGB aufhebt (vgl. o. 3.14.2). Eigenständige Bedeutung hat §  28a Abs.  1 Nr.  15 GlüStV 2021 bei fahrlässigem Verhalten, das in den §§ 284 ff. StGB nicht mit Strafe bedroht ist. Es spricht alles dafür, die nach § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verbotene Werbung genauso zu interpretieren wie in der Sanktionsnorm § 284 Abs. 4 StGB.117 Der Strafrechtskommentar von Lackner/Kühl führt hierzu aus: „Werben ist eine … mit den Mitteln der Propaganda betriebene Tätigkeit (…), mit der Teilnehmer an Glücksspielen gewonnen werden sollen; dies kann durch Gewinn versprechende Ankündigungen oder Anpreisungen (…) geschehen.“118 Aus der Tatsache, dass sich die erlaubten Werbeformen für erlaubtes Glücksspiel „nach Art und Umfang“ nur in den engen Grenzen bewegen dürfen, die durch die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags vorgegeben sind (§ 5 Abs. 2 GlüStV 2021), folgt  Bayer Landtag, Drs. 18/11128, 159.  Jarass/Pieroth/Kment, GG Art. 72 Rn. 11a; Sachs/Degenhart, GG Art. 72 Rn. 38. 117  Im Ergebnis ebenso Streinz/Liesching/Hambach/Sirch/Bolay, GlüstV § 5 Rn. 27. 118  Lackner/Kühl/Heger, StGB § 284 Rn. 15; ähnlich Schönke/Schröder/Heine/Hecker, StGB § 284 Rn. 34; s. auch Fischer, StGB § 284 Rn. 24 i. V. m. § 129 Rn. 25. 115 116

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

173

nichts anderes. Das galt sogar für die strengere Vorgängernorm, die das Bundesverwaltungsgericht so interpretierte, dass eine konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtete Werbung nicht zum Wetten auffordern, anreizen oder ermuntern dürfe.119 § 5 Abs. 2 GlüStV 2021 gibt Werbebeschränkungen vor, enthält jedoch keine Definition des Werbebegriffs. Zwar ging das Bundesverwaltungsgericht von einem weiten Werbeverständnis aus, wenn es „jeden an das Publikum gerichteten Hinweis eines Anbieters auf ein eigenes entgeltliches Angebot“ darunter fasste und fortfuhr: „Dazu zählt auch die sachliche Information des Monopolanbieters über die Möglichkeit, bei ihm legal Wetten abzuschließen.“120 Ein Verhalten, das nicht darauf abzielt, Teilnehmer zu gewinnen, ist jedoch begrifflich keine Werbung für Glücksspiel. Deshalb fiel schon unter der Geltung der strengeren Vorgängernorm eine allgemeine Imagewerbung nicht unter das Verbot, wenn sie „nach ihrem Aussagegehalt nicht zum Wetten (motiviert)“.121 In dieselbe Richtung deutete der Hinweis in der seinerzeitigen amtl. Begr., wonach „vom Verbot nicht umfasst sind andere Programmteile, die von der Werbung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 RStV optisch zu trennen sind, wie die Ziehung der Lottozahlen und Sendungen, die zugelassene Lotterien zum Gegenstand haben.“122 6.3.3.4.6.2  Sponsoring für unerlaubtes Glücksspiel

§ 28a Abs. 1 Nr. 15 i. V. m. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 stellt auch das Betreiben von Sponsoring unter Bußgeldandrohung. Sponsoring stellt eine finanzielle Unterstützung z.  B. eines Fernsehveranstalters oder Telemedienanbieters bzw. Anbieters digitaler Dienste (Diensteanbieter)  dar (§  2 Abs.  2 Nr.  10 MStV, Art.  1 Abs.  1 Buchst. k AVMD-RL). Der finanzielle Unterstützer betreibt Sponsoring. Fraglich ist, was Sponsoring „für unerlaubte Glücksspiele“ bedeutet. Ein personenbezogenes Verbot für die Veranstalter unerlaubter Glücksspiele, Mediensponsoring zu betreiben, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Es erfasst demnach nur solche Sponsorings, bei denen eine Glücksspielmarke im Sponsorhinweis genannt wird oder aus ihm erkenntlich ist. Als Interpretationshilfe mag die Definition des Sponsorings in § 2 Nr. 6 TabakerzG herangezogen werden, dem ein ähnlicher Schutzzweck zugrunde liegt: Danach ist Sponsoring „jeder öffentliche oder private Beitrag zu einer Veranstaltung oder einer Aktivität … mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Erzeugnisses zu fördern“. Sponsoring zur Imageförderung des Sponsors ohne erkennbaren Bezug zu einem Glücksspielangebot dürfte nicht darunter fallen. 6.3.3.4.7  Werbung für virtuelle Automatenspiele Virtuelle Automatenspiele werden in § 3 Abs. 1a GlüStV 2021 definiert als im Internet angebotene Nachbildungen terrestrischer Automatenspiele. „Gemeint sind in diesem Rahmen vornehmlich Nachbildungen von Walzenspielgeräten (engl.

 Urteil v. 24.11.2010, Az. 8 C 15.09, BeckRS 2011, 47354.  BVerwG, Urt. v. 24.11.2010, Az. 8 C 15.09, BeckRS 2011, 47354, Rn. 50. 121  BVerwG, Urt. v. 11.07.2011, Az. 8 C 11.10, BeckRS 2011, 53129, Rn. 32. 122  Bayer. Landtag, Drs. 15/8486, S. 15. 119 120

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6 Werbung

‚Slot-Machines‘).“123 Sie sind nur unter engen Voraussetzungen im Internet zulässig (§  22a Abs.  12 GlüStV 2021); sie sind erlaubnispflichtig (§  22a Abs.  1 Satz 2 GlüStV 2021). § 22a Abs. 1 Satz 6 GlüStV 2021 stellt ausdrücklich klar, dass virtuelle Automatenspiele ohne die erforderliche Erlaubnis unerlaubte Glücksspiele sind. Werbung für unerlaubtes Glücksspiel ist verboten (s. o. 6.3.3.4.6.1). Aber auch die Werbung für erlaubte virtuelle Automatenspiele unterliegt besonderen Beschränkungen: Die Verwendung der Begriffe „Casino“ oder „Casinospiele“ ist nach § 21a Abs. 11 GlüStV 2021 in der Werbung genau so unzulässig wie in Zusammenhängen mit der Veranstaltung und dem Vertrieb von virtuellen Automatenspielen. Damit soll eine Verwechslung mit Online-Casinospielen verhindert werden, die § 3 Abs. 1a GlüStV 2021 definiert als virtuelle Nachbildungen von Bankhalterspielen und Live-Übertragung eines terrestrisch durchgeführten Bankhalterspiels mit Teilnahmemöglichkeit über das Internet. „Inhaltlich sind hier die klassischen Tisch-Spiele (engl. ‚Table Games‘) gemeint, wie z. B. Black Jack und Roulette, aber auch hierzulande eher unbekannte Bankhalterspiele, wie z. B. das in den USA sehr beliebte Craps, Baccara oder ‚Let it ride‘.“124 Ein Werbetreibender, der vorsätzlich oder fahrlässig für Automatenspiele unter Verwendung des Begriffs „Casino“ oder „Casinospiel(e)“ wirbt, verwirklicht den Bußgeldtatbestand nach §  28a Abs.  1 Nr.  53 GlüStV 2021. Die Verwendung des Plurals „Casinospiele“ ist unglücklich, macht die Norm aber nicht unbestimmt. Auch die Verwendung des Singulars „Casinospiel“ erfüllt den objektiven Tatbestand. Tateinheit mit §  28a Abs.  1 Nr.  15 GlüStV 2021 (Werbung für unerlaubtes Glücksspiel) ist möglich. Sie führt nach § 19 OWiG zu einer erhöhten einheitlichen Geldbuße.

6.3.4 Werbung für Pornografie Soweit pornografische Träger- oder Telemedien indiziert wurden, gelten für die Werbung die Ausführungen in Kap. 4 unter Gliederungspunkt 4.6.1. Pornografische Träger- und Telemedien unterliegen den Vertriebsbeschränkungen des Jugendschutzgesetzes jedoch auch ohne Indizierung (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG). Wer außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel (einfach) pornografische Trägeroder Telemedien durch das Verbreiten von Träger- oder Telemedien bzw. digitale Dienste anbietet, ankündigt oder anpreist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 6 JuSchG), begeht eine Straftat nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 Nr. 1 JuSchG. Der Mediendiensteanbieter, der die Werbezeit oder Präsentationsfläche in seinem Medium zur Verfügung stellt, macht sich wegen Beihilfe strafbar, wenn er sich vorsätzlich an einer solchen Vorsatztat des Werbetreibenden beteiligt (§ 27 StGB). Das Verbreiten oder Zugänglichmachen von Werbung für pornografische, aber nicht indizierte Werke erfasst § 24 JMStV nicht. § 15 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 6 JuSchG ist ausdrücklich auf die Tathandlung „Verbreiten von Träger- oder Teleme123 124

 HK-GlücksspielR/Hamacher, GlüstV § 3 Rn. 15.  HK-GlüchsspielR/Hamacher, GlüStV § 3 Rn. 16.

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

175

dien … “ beschränkt und erfasst Rundfunkwerbung nicht (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 2 JuSchG). Werbung für Pornografie wird von § 24 Abs. 1 Nr. 2 JMStV nur dann erfasst, wenn sie ihrerseits pornografischen Inhalt hat. Das Bewerben pornografischer Inhalte ist nach § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar, wenn es öffentlich an Orten erfolgt, der Personen unter 18 Jahren zugänglich ist, oder durch das Verbreiten von Schriften außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Fachhandel. Von der ersten Variante würde die Projektion auf eine Videowand im öffentlichen Raum ohne Zugangsbeschränkung für Minderjährige im Rahmen des sog. Public Viewing erfasst. Die Strafandrohung für das Bewerben von Inhalten mit gewalt- oder tierpornografischen (§ 184a Satz 1 Nr. 2 StGB), kinder- (§ 184b Abs. 1 Nr. 4 StGB) oder jugendpornografischen Inhalten (§ 184c Abs. 1 Nr. 4 StGB) gilt inzwischen auch für das Verbreiten mittels Informations- oder Kommunikationstechnik (§  11 Abs.  3 StGB) und erfasst Rundfunk und Telemedien bzw. digitale Dienste gleichermaßen. Vorsätzliches Werben für pornografische Inhalte i. S. d. § 184a bis 184c StGB ist eine Straftat. Der Mediendiensteanbieter, der Werbezeit oder Präsentationsfläche in seinem Medium zur Verfügung stellt, macht sich wegen Beihilfe strafbar, wenn er sich vorsätzlich an einer solchen Vorsatztat des Werbetreibenden beteiligt (§ 27 StGB). Verbleibende Ahndbarkeitslücken können durch Anwendung des § 118 OWiG als Auffangnorm (§ 118 Abs. 2 OWiG) geschlossen werden. Werben für Pornografie durch Rundfunk, soweit nicht von anderen Vorschriften erfasst, ist als grob ungehörige Handlung, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen, unter Bußgeldandrohung gestellt. §  118 Abs.  1 OWiG kann nur vorsätzlich verwirklicht werden (§ 10 OWiG). Der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 1000,00 € (§ 17 Abs. 1 OWiG).

6.3.5 Werbung für Prostitution 6.3.5.1 Nach dem Prostituiertenschutzgesetz Am 1.7.2017 ist das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG)125 mit einem eigenen Werbeverbot (§ 32 Abs. 3 ProstSchG) in Kraft getreten und hat das Prostitutionswerbeverbot nach § 120 OWiG a. F. abgelöst. Vorsätzliche und fahrlässige Zuwiderhandlungen stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 2 Nr. 14 ProstSchG dar, die gem. § 33 Abs. 3 ProstSchG mit Geldbuße bis zu 10.000,00 € bedroht ist. Das bedeutet eine Verzehnfachung des Bußgeldrahmens des § 120 OWiG a. F., der auf das Verbot der Ausübung der Prostitution in Sperrgebieten reduziert wurde. Die Ausfüllungsnorm wurde durch Art. 7 des 60. StGBÄndG126 geändert. Das verbotene Verhalten wurde vom Verbreiten einer Schrift auf das Verbreiten eines  Art. 1 des Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 21.10.2016 (BGBl. I S. 2372). 126  Sechzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland v. 30.11.2020 (BGBl. I 2600). 125

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6 Werbung

Inhalts mit dem Klammerzusatz (§ 11 Abs. 3 StGB) umgestellt, womit die unkörperliche Verbreitung mittels Informations- und Kommunikationstechnik unmittelbar einbezogen ist. Tathandlung ist das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Gelegenheiten zu sexuellen Dienstleistungen durch das Verbreiten von Inhalten und die Bekanntgabe von „Erklärungen solchen Inhalts“. Dem Verbreiten ist das öffentliche Zugänglichmachen gleichgestellt (§ 32 Abs. 3 Satz 2 ProstSchG). Das Verbot der Prostitutionswerbung gilt nur, wenn besondere Hinweise auf die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr • ohne Kondom (§ 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ProstSchG) oder • mit Schwangeren (§ 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ProstSchG), in beiden Fällen auch dann, wenn der Hinweis in mittelbarer oder sprachlich verdeckter Form erfolgt, oder • in einer Weise, die nach der Art der Darstellung, nach Inhalt oder Umfang oder nach Art des Trägermediums und seiner Verbreitung geeignet ist, schutzbedürftige Rechtsgüter der Allgemeinheit, insbesondere den Jugendschutz, konkret zu beeinträchtigen. Die amtl. Begr. gibt nähere Erläuterungen zu „mittelbaren“ Hinweisen und der sprachlich verdeckten Form: Das Verbot erstreckt sich neben der expliziten Werbung für vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehr „ohne Kondom“ auch auf szenetypische Abkürzungen wie beispielsweise „AO“, „FO“ oder sprachliche Umschreibungen wie z. B. „naturgeil“, „tabulos“. Sie erläutert ferner den Zweck der in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ProstSchG beschriebenen Modalitäten, die in erster Linie auf einen Schutz der Jugend und der Allgemeinheit vor unerbetener Konfrontation mit sexualisierten Inhalten abzielten. Gegenstände, auf die sich eine Ordnungswidrigkeit nach §  33 Abs.  2 Nr.  14 ProstSchG bezieht, können nach §  33a Abs.  1 ProstSchG eingezogen werden (s. § 22 OWiG).

6.3.5.2 Nach § 119 OWiG § 119 OWiG hat durch seine Neufassung Relevanz für Rundfunk und Telemedien bekommen. Das gilt namentlich für § 119 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 OWiG, der eine Werbeform für sexuelle Handlungen bzw. für Mittel oder Gegenstände des sexuellen Gebrauchs pönalisiert. Ordnungswidrig handelt nach §  119 Abs.  1 Nr.  2 OWiG, wer in grob anstößiger Weise durch das Verbreiten eines Inhalts Gelegenheit zu sexuellen Handlungen … anpreist, m. a. W. bewirbt. Durch den Klammerzusatz (§ 11 Abs. 3 StGB) wird nunmehr die unkörperliche Verbreitung mittels Telekommunikation erfasst. „Grob anstößig (Abs. 1 Nr. 2) ist die Tathandlung, wenn sie erheblich gegen Sitte, Anstands- und Schamgefühl verstößt, so dass sie für den jeweiligen moralischen Standard unzumutbar ist. Dabei ist auch dem gewandelten Verständnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.“127 Nach § 119 Abs. 2 OWiG ist auch grob anstößige Werbung für Sexspielzeug oder Mittel, die dem sexuellen Gebrauch dienen (z. B. Kondome), bußgeldbewehrt. Wer127

 Krenberger/Krumm, OWiG § 119 Rn. 14.

6.3  Werbeverbote in Fachgesetzen

177

bung bspw. für Masturbationsgeräte wird im Umfeld einer Kindersendung als grob anstößig zu bewerten sein. Im Übrigen hängt die Beurteilung der Form der Werbung als grob anstößig von den Umständen des Einzelfalls ab.128 Die Ordnungswidrigkeit kann nur vorsätzlich verwirklicht werden. Die Geldbuße beträgt bis zu 10.000,00 € (§ 119 Abs. 4 OWiG). Gegenstände, die sich auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 119 OWiG beziehen, können nach § 123 OWiG eingezogen werden. Im Fall des § 119 Abs. 2 beschränkt § 123 Abs. 3 OWiG die Einziehung auf das Werbematerial und die zu seiner Herstellung gebrauchten oder bestimmten Vorrichtungen.

128

 Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG § 119 Rn. 21.

7

Sponsoring

7.1 Allgemeines Sponsoring bezeichnet im Recht der elektronischen Onlinemedien (Rundfunk und Telemedien) den Finanzierungsbeitrag eines an der Produktion unbeteiligten Dritten, der fremde Inhalte mit dem Ziel der eigenen Imagepflege finanziell unterstützt. Die europäische Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) rechnet Sponsoring zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation, obwohl der geförderte Kommunikationsinhalt nicht kommerziell ist. Der Medienstaatsvertrag fasst Sponsoring gar unter den erweiterten neuen „Werbebegriff“. Dabei darf nur der Hinweis auf die Finanzierung durch den Sponsor eine gewisse Werbewirkung haben, der finanziell unterstütze Kommunikationsinhalt darf keine Werbung für den Sponsor sein. Trotz der Einbeziehung in den neuen Werbebegriff, der „insbesondere Rundfunkwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung“ umfasst, gelten für Sponsoring eigenständige Regeln.1 In den grundlegenden Vorschriften des Medienstaatsvertrags über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (§ 35 Satz 1 MStV) findet es lediglich Erwähnung als „sonstige Einnahmen“. Das wird der Bedeutung des Sponsorings für die Praxis nicht gerecht.2 Seit dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15./21.12.2010 darf Sponsoring im öffentlich-­rechtlichen Fernsehen nur mehr bei der Übertragung von Großereignissen ohne Einschränkung stattfinden. Im Übrigen ist Sponsoring auf die Zeiten vor 20 Uhr beschränkt und an Sonntagen sowie an bundeseinheitlichen Feiertagen untersagt (§ 39 Abs. 6 MStV). Im privaten Rundfunk und in privaten Telemedien gelten keine zeitlichen Beschränkungen für das Sponsoring. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass § 39 MStV sich im III. Abschn. „Besondere Bestimmungen für den öffentlich-­rechtlichen Rundfunk“ befindet und der IV.  Abschn.  „Besondere  BeckOK InfoMedienR/Himmelsbach MStV § 10 Rn. 2 u. 4.  Vgl. BCHHG, BayMG Art.  9 Rn.  1; s. auch Hahn/Lamprecht-Weißenborn, in Schwartmann, Praxishandbuch, Kap. 6 Rn. 67. 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_7

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7 Sponsoring

­ estimmungen für den privaten Rundfunk“ eine vergleichbare, das Sponsoring einB schränkende Bestimmung im 4. Unterabschnitt „Finanzierung, Werbung“ nicht enthält. Eine Legaldefinition für Sponsoring enthält § 2 Abs. 2 Nr. 10 MStV. Demnach ist „Sponsoring jeder Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten, der Bereitstellung von rundfunkähnlichen Telemedien oder Video-Sharing-Diensten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung von Rundfunkprogrammen, rundfunkähnlichen Telemedien, Video-Sharing-Diensten, nutzergenerierten Videos oder einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person oder Personenvereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistungen zu fördern.“ Anders als bei Rundfunkwerbung (§  2 Abs.  2 Nr.  8 MStV) und bei dieser vergleichbarer Werbung in rundfunkähnlichen Telemedien (§  74 Satz  1 MStV) kauft der Sponsor keine Sendezeit vom Mediendiensteanbieter für die Verbreitung eigener Inhalte, sondern unterstützt dessen (redaktionelles) Angebot finanziell; anders als der Mäzen jedoch nicht uneigennützig, sondern um Aufmerksamkeit für sich oder sein „Geschäft“ zu erwerben. Die zulässige Ausgestaltung von Sponsorhinweisen richtet sich nach § 10 Abs. 1 MStV.  Das gilt entsprechend auch für rundfunkähnliche Telemedien i.  S.  d. §  2 Abs. 2 Nr. 13 MStV, z. B. Video on Demand, und bedeutet, dass „zu Beginn oder am Ende auf die Finanzierung durch den Sponsor in vertretbarer Kürze und in angemessener Weise deutlich hingewiesen werden“ muss. Neben oder anstelle des Namens des Sponsors kann auch dessen Firmenemblem oder eine Marke, ein anderes Symbol des Sponsors, ein Hinweis auf seine Produkte und Dienstleistungen oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen eingeblendet werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 MStV). Sponsorenhinweise im Fernsehen, die nicht mit der gesponserten Sendung verbunden sind, bspw. bei Programmankündigungen, sind als Werbung zu werten und auf den 20 %-Anteil nach Art 23 Abs. 1 AVMD-RL (§  70 Abs.  1 MStV) anzurechnen.3 Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die rundfunkrechtliche Unterscheidung zwischen Sponsoring und Rundfunkwerbung, bei der es um die Unterscheidung von Finanzierungsarten für audiovisuelle oder Audio-Mediendienste geht, ohne Einfluss auf die Interpretation der Werbebegriffe bleibt, die in allgemeinen Gesetzen verwendet werden, die dem Schutz nicht kommunikationsbezogener Rechtsgüter dienen. Denn die in einem Gesetz verwendeten Begriffe müssen dem Normzweck entsprechend interpretiert werden: Ordnungsrechtliche Werbeverbote, die dem Gesundheits- oder dem Kinder- und Jugendschutz dienen, müssen der ordnungsrechtlichen Zielsetzung entsprechend so interpretiert werden, dass alle Anreize zu verbotenen Verhaltensweisen als „Werben“ verboten sind. Das gilt nicht nur für das Glücksspielrecht (s. o. 6.3.3.3), sondern auch für das Heilmittelwerberecht und das Tabakwerbeverbot. Im Einzelfall

 EuGH, Urt. v. 17.2.2016 – C-314/14, MMR 2016, 626 (629); BeckOK InfoMedienR/Bornemann MStV § 70 Rn. 15. 3

7.2  Unterlassene Sponsornennung

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kann somit ein rundfunkrechtlich hinsichtlich der Werbewirkung noch tolerabler Sponsorhinweis verbotene Glücksspiel-,4 Heilmittel- oder Tabakwerbung sein. Die medienrechtlichen Bestimmungen bedrohen nicht die Sponsoren, sondern die Anbieter elektronischer Mediendienste (Rundfunkveranstalter und Telemedienoder allgemein Diensteanbieter i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, § 1 Abs. 1 DDG-E) mit Geldbuße. Für den Rundfunk ergibt sich das aus dem Einleitungssatz des § 115 Abs.  1 Satz 1 MStV („als Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“) und für Diensteanbieter und deren verantwortliche Mitarbeiter aus der Tatbestandsfassung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 22 und 23 MStV. Dabei geht es um zwei unterschiedliche Tatvarianten: • die Verletzung der Pflicht auf die Finanzierung durch den Sponsor hinzuweisen (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14, Satz 2 Nr. 22 MStV) und • die Verbreitung unzulässig gesponserter Hörfunk- oder Fernsehsendungen bzw. rundfunkähnlicher Telemedien (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15, Satz 2 Nr. 23 MStV). Soweit Beschränkungen oder Verbote für das Sponsoring in Fachgesetzen bestehen, sind diese an die Sponsoren und nicht an die Mediendiensteanbieter adressiert (z. B. § 35 Abs. 2 Nr. 7–9 i. V. m. §§ 19, 20 TabakerzG).

7.2 Unterlassene Sponsornennung Bei einem Sponsoring „von Rundfunkprogrammen, rundfunkähnlichen Telemedien, Video-Sharing-Diensten, nutzergenerierten Videos“ ist der Mediendiensteanbieter nach § 10 Abs. 1 Satz 1 HS 1 MStV verpflichtet, eindeutig auf das Bestehen einer Sponsoring-Vereinbarung hinzuweisen. Bei Sponsoring einer „Sendung“ hat er auf die komplette oder teilweise Fremdfinanzierung dieser Sendung zu Beginn oder am Ende hinzuweisen. Es genügt ein deutlicher Hinweis „auf die Finanzierung durch den Sponsor in vertretbarer Kürze“ zu Beginn oder am Ende der Sendung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 MStV). Eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 oder Satz 2 Nr. 22 MStV liegt vor, wenn der Mediendiensteanbieter (Rundfunkveranstalter oder Diensteanbieter) • nicht eindeutig auf das Bestehen einer Sponsoring-Vereinbarung hinweist oder • im Fall des Sendungssponsorings weder zu Beginn noch am Ende der Sendung einen eindeutigen Sponsorhinweis setzt. Die genannten Ordnungswidrigkeitentatbestände enthalten echte Unterlassungsdelikte. Tathandlung ist das Unterlassen eines eindeutigen Hinweises. Überlängen eindeutiger Hinweise oder überbordende Werbewirkung sind nach § 10 Abs. 1 MStV i. V. m. § 14 WerbeS unzulässig („in vertretbarer Kürze und in  BayVGH, Beschl. v. 20.8.2020 – 7 CS 20.356, ZUM-RD 2021, 58 (60 Rn. 16).

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7 Sponsoring

angemessener Weise“), aber nicht bußgeldbewehrt. Eine Prüfung der Tatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 oder Satz 2 Nr. 23 MStV bleibt unberührt.

7.3 Unzulässige Sponsorsendungen Die Verbreitung unzulässig gesponserter Sendungen durch Rundfunkveranstalter oder Anbieter rundfunkähnlicher Telemedien (Abrufdienste) sowie linearer fernsehähnlicher Telemedien (§ 74 MStV) ist gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 oder Satz 2 Nr. 23 MStV mit Geldbuße bedroht. Aufgrund der Tatbestandsfassung des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 23 MStV beschränkt sich die Bußgeldandrohung auf die „Verbreitung“ unzulässig gesponserter Bewegtbildangebote; Audioangebote auf Abruf werden nicht einbezogen. Soweit Beiträge oder Einflussnahmen der Sponsoren die Sendungen rundfunkrechtlich unzulässig machen, werden die Sponsoren von der Bußgeldandrohung für die Tathandlung „Verbreiten“ der unzulässig gesponserten Sendung nicht erfasst. Aus dem Blickwinkel der Tathandlung „Verbreiten“ dürften die gesetzwidrigen Formen des Sponserns lediglich Vorbereitungshandlungen und keine Beteiligungsformen darstellen. Eine Anstiftung des Mediendiensteanbieters durch den Sponsor ist denkbar;5 sie führt im Rahmen des Einheitstäterbegriffs des § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Ahnung des Anstifters als „Täter“ der Ordnungswidrigkeit, zu der er angestiftet hat.6 Wenn der Angestiftete das persönliche ahndungsbegründende Tätermerkmal (z. B. „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“) aufweist, reicht dies für die Ahndbarkeit des Anstifters nach § 14 Abs. 1 Satz 2 OWiG aus. Anstifter ist, wer einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat (vgl. § 27 StGB). Dem Anstifter muss nachgewiesen werden, dass er – allein oder mit anderen zusammen – den Tatentschluss im Täter hervorgerufen hat.

7.3.1 Unzulässige Werbewirkung Erweiternd ist in die Bußgeldandrohung ein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 MStV einbezogen worden, wonach gesponserte Sendungen nicht zum Verkauf, zum Kauf oder zur Miete oder Pacht von Erzeugnissen oder Dienstleistungen des Sponsors oder eines Dritten, vor allem durch entsprechende besondere Hinweise, anregen dürfen. Nach der Durchführungsbestimmung in§ 14 Abs. 6 Satz 1 WerbeS regt ein Sponsorhinweis zum Produktabsatz an, „wenn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der gesponserten Sendung und des Sponsorhinweises ein Kaufimpuls ausgelöst werden kann.“ Es geht also um die inhaltliche Gestaltung der finanziell unterstützten redaktionellen Sendung des Anbieters. Nicht der qua Definition (§ 2 Abs. 2 Nr. 10 MStV) an  Vgl. Krenberger/Krumm OWiG § 14 Rn. 26 ff.  Krenberger/Krumm OWiG § 14 Rn. 1; Göhler/Gürtler/Thoma OWiG § 14 Rn. 7.

5 6

7.3  Unzulässige Sponsorsendungen

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der Rundfunksendung unbeteiligte Sponsor, dem § 10 Abs. 2 MStV eine Einflussnahme auf die redaktionelle Gestaltung verbietet, wird durch § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 oder Satz 2 Nr. 23 MStV in Haftung genommen, sondern der finanziell begünstigte Anbieter, der der Versuchung erliegt, das Programm entsprechend den wirtschaftlichen Interessen des Sponsors zu gestalten. Tathandlung ist das Verbreiten der unzulässig gestalteten Sendung.

7.3.2 Sponsoring an Stelle unzulässiger Werbung Das vormalige bußgeldbewehrte Sponsorverbot für Tabakwarenhersteller und – seit dem Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag  – Tabakwarenverkäufer (§  8 Abs. 4 RStV) sowie Pharma-Unternehmen (§ 8 Abs. 5 RStV) wurde nicht in § 10 MStV übernommen.7 Die Staatsvertragsparteien haben darauf verzichtet, weil bundesrechtlich geregelt ist: Wer in der Haupttätigkeit Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse herstellt oder verkauft, darf keine audiovisuelle kommerzielle Kommunikation betreiben, die das Sponsoring umfasst (§ 20 TabakerzG; vgl. auch Art. 9 Abs. 1 Buchst. d AVMD-RL). Die Beteiligung von Mediendiensteanbietern an der Ordnungswidrigkeit nach § 35 Abs. 2 Nr. 7–9 TabakerzG richtet sich nach den allgemeinen Tatbeteiligungsregeln (Anstiftung, Beihilfe, Mittäterschaft), die am Ende im Einheitstäterbegriff des § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG aufgehen. Die Sponsormöglichkeiten für Unternehmen, deren Tätigkeit die Herstellung oder den Verkauf von Arzneimitteln und medizinischen Behandlungen umfasst, richtet sich nunmehr nur noch nach den Vorschriften des Heilmittelwerberechts.8 Zur möglichen Tatbeteiligung des Mediendiensteanbieters gilt das zum Tabaksponsoring Gesagte. Das von der Literatur in der früheren Gesetzesfassung erkannte Sponsoringverbot für politische Parteien,9 die gemäß § 8 Abs. 9 MStV – allerdings nur außerhalb der Wahlwerbung in Vorwahlzeiten (vgl. § 68 Abs. 2 MStV) – nicht werben dürfen, fand seit Inkrafttreten des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags im Gesetzeswortlaut keine Stütze mehr. Ob die mit dem Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in § 8 Abs. 8 RStV (nunmher § 10 Abs. 6 MStV) angeordnete entsprechende Geltung des Verbots politischer, weltanschaulicher und religiöser Werbung (§ 8 Abs. 9 Satz 1 MStV) bedeutet, dass bspw. Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften und politische Parteien und Wählergruppen nicht als Sponsor auftreten dürfen, oder ob es bedeutet, dass Sponsorhinweise unzulässig sind, von denen eine entsprechende werbliche Wirkung ausgehen kann, ist nicht zweifelsfrei zu bestimmen. Da nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 MStV nur Verstöße gegen § 10 Abs. 3 und 4 MStV bußgeldbewehrt sind, kommt eine Verfolgung und Ahndung als Ordnungswidrigkeit nur bei unzulässiger ideeller Werbung i. S. d. § 8 Abs. 9 Satz 1 MStV und nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 oder  BeckOK InfoMedienR/Himmelsbach MStV § 10 Rn. 60.  BeckOK InfoMedienR/Himmelsbach MStV § 10 Rn. 69 ff. 9  Z. B. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, 2. Aufl. 1995, § 7 Rn. 39. 7 8

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7 Sponsoring

Satz 2 Nr.  16 MStV bei entsprechender Themenplatzierung oder entsprechenden Praktiken i. S. d. § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV in Betracht (s. o. 6.2.7.3).10 Aufgrund der weitgehenden Gleichsetzung schon des Parteikürzels mit politischen Ideen und Programmen dürfte Parteiensponsoring allerdings in aller Regel die Grenze zur unzulässigen Werbung politischer Art überschreiten.11

7.3.3 Nachrichten- und politische Informationssendungen Die Ausstrahlung von gesponserten Nachrichtensendungen und gesponserten Sendungen zur politischen Information12 ist gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 RStV generell mit Geldbuße bedroht. Bei diesen für die öffentliche Meinungsbildung wichtigen Sendungen soll von vornherein der Eindruck vermieden werden, die Objektivität könnte durch einen Sponsor beeinträchtigt sein. Zu den Nachrichtensendungen zählen neben den klassischen Nachrichtensendungen auch Nachrichtenjournale wie z.  B. die Tagesschau, Tagesthemen, heute journal. Sendungen zum politischen Zeitgeschehen sind Magazinsendungen wie Brennpunkt, PANORAMA, Explosiv – Das Magazin oder SPIEGEL-TV. Nicht darunter fallen sog. Infotainment-Sendungen, bei denen der Unterhaltungscharakter im Vordergrund steht wie z. B. EIN§RUCH – DIE SHOW DER RECHTSIRRTÜMER (RTL), Der heiße Stuhl o. ä., auch wenn sich diese mit politischen Fragen befassen.13

7.3.4 Kindersendungen und religiöse Sendungen Kindersendungen wie auch Sendungen religiösen Inhalts dürfen gesponsert werden. Es muss auch in diesen Fällen auf die Finanzierung durch den Sponsor hingewiesen werden. Die durch § 10 Abs. 1 Satz 2 MStV erweiterten Hinweismöglichkeiten, neben oder anstelle des Namens des Sponsors dessen Firmenemblem, eine Marke, ein anderes Symbol des Sponsors, … oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen einzublenden, wird für Kindersendungen und Sendungen religiösen Inhalts durch § 10 Abs. 4 Satz 2 MStV wieder eingeschränkt. Das Zeigen von Sponsorenlogos ist bußgeldbewehrt nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 oder Satz 2 Nr. 23 i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 2 MStV. Das Verbot geht auf die Ermächtigung in Art. 10 Abs. 4 Satz 2 AVMD-RL zurück.

 S. dazu Bornemann BayVBl. 2021, 181 (184).  HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 49. 12  Vor dem 13. RÄndStV: „Sendungen zum politischen Zeitgeschehen“. 13  Zutreffend HK-RStV/Kreile RStV §  8 Rn.  41; BeckOK InfoMedienR/Himmelsbach MStV § 10 Rn. 77. 10 11

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Datenschutz

8.1 Allgemeines „Sich über Vorgänge unserer Lebenswelt zu informieren, liegt im Wesen des Menschen und macht einen wesentlichen Teil seiner Kultur aus. Zu diesen Informationen gehören auch Daten über andere Mitmenschen, personalisiert oder anonymisiert“.1 Da das Sammeln von Informationen sowie deren Auswertung und Weitergabe für die Betroffenen von Nachteil sein kann, sind vorbeugende Regelungen zum Schutz dieser Daten notwendig.2 Mit dem Ziel der EU-weiten Harmonisierung eines hohen datenschutzrechtlichen Standards ist am 25.5.2018 die europäische Datenschutz-­Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft getreten.3 Dabei trat die DS-­GVO an die Stelle nationaler datenschutzrechtlicher Bestimmungen, allerdings war sie häufig durch weitere nationale Bestimmungen bis Mai 2018 zu ergänzen.4 Das Verhältnis von Medienfreiheit einerseits und Datenschutz andererseits ist wegen der differenten Interessen von einer Konfliktlage geprägt. Bei der Rundfunkfreiheit handelt sich um ein dienendes und zugleich drittnütziges Freiheitsrecht.5 Sie ist in Bezug auf den Schutzbereich eng mit der Pressefreiheit verwandt und dient der gleichen Aufgabe wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG, nämlich der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, und das in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung

 BeckOK DatenschutzR/Wolff/Brink DS-GVO Einleitung zur DS-GVO Rn. 1.  BeckOK DatenschutzR/Wolff/Brink DS-GVO Einleitung zur DS-GVO Rn. 2. 3  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), EU L 119/1. 4  BeckOK DatenschutzR/Wolff/Brink DS-GVO Einleitung zur DS-GVO Rn. 19. 5  Dörr, ZUM 2004, 536 (537 f.); Rittig, DÖV 2015, 645 (646). 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_8

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8 Datenschutz

p­ olitischer Meinungen beschränkten Sinn.6 Gelebte Medienfreiheit ist daher im Kontext journalistischer Tätigkeit angewiesen auf die Sammlung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen, auch gerade individualisierbare. Das Datenschutzrecht wiederum fußt auf dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung7 als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Es gibt die Befugnis selbst darüber zu bestimmen, welche persönlichen Daten preisgegeben und verwendet werden dürfen.8 Die einfachgesetzliche Umsetzung des verfassungsmäßigen Schutzauftrags hat denknotwendig zur Folge, dass das Datenschutzrecht tendenziell auf die informationelle Abschottung und auf die Verhinderung der Beobachtung und Ausspähung zielen muss.9 Deshalb ist das Datenschutzrecht weitgehend in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Um im Bereich der Medien und damit im Wirkungsbereich der Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG einen Ausgleich zwischen den Interessenlagen zu finden, sah bis zum Inkrafttreten der DS-GVO bereits das BDSG (damals § 41 Abs. 1) das sog. Medienprivileg vor. Eine Bestimmung mit ähnlicher Zielrichtung ist Art. 85 Abs. 2 DS-GVO. Er sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten für die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken Abweichungen oder Ausnahmen für die dort genannten Bereiche der DS-­GVO (namentlich Kapitel II – Grundsätze, Kapitel III – Rechte der betroffenen Person, Kapitel IV – Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter, Kapitel V – Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen, Kapitel VI – Unabhängige Aufsichtsbehörden, Kapitel VII – Zusammenarbeit und Kohärenz, Kapitel IX – Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vorzusehen haben, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Die Herausforderung für den Gesetzgeber und die Rechtsanwender liegt darin, dass die ergänzenden Regelungen völlig unterschiedliche Bereiche erfassen müssen, nämlich nicht nur den Rundfunkveranstalter als Profi, sondern auch den Laien-Telemedien- bzw. -Diensteanbieter. Dabei sind, wie sich aus Erwägungsgrund 153 ergibt, die privilegierten Verarbeitungszwecke weit auszulegen, „um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen“.10 Voraussetzung ist allerdings, dass stets die m ­ einungsbildende Wirkung im Vordergrund steht,11 weshalb die ­Privilegierung „für wahllos ins Internet gestellte Daten“ keine Anwendung finden kann.12  BVerfG Beschl. v. 24.3.1987 – 1 BvR 147/86 u. a., NJW 1987, 2987; BeckOK GG/Schemmer GG Art. 5 Rn. 61; Rittig, DÖV 2015, 645 (646). 7  Grundlegend das sog. Volkszählungsurteil, BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.  a., BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff. 8  BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff.; Rittig, DÖV 2015, 645 (647). 9  Eberle, MMR 2008, 508 (509); Rittig, DÖV 2015, 645 (647). 10  Erwägungsgrund DS-GVO Nr. 153, letzter Satz. 11  BeckOK DatenschutzR/Lauber-Rönsberg DS-GVO Art. 85 Rn. 18. 12  BeckOK DatenschutzR/Lauber-Rönsberg DS-GVO Art. 85 Rn. 18. 6

8.2 Datenschutz-Grundverordnung

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Umgesetzt wurde das Medienprivileg für Rundfunk und Telemedien zunächst in §§ 9c, 57 RStV, später dann in § 12 MStV für den Rundfunk und in § 23 MStV für die Telemedien. § 12 Abs. 1 Satz 1–3 MStV begründet zunächst ein Datengeheimnis für Datenverarbeitungsprozesse zu journalistischen Zwecken. Die Sätze 4 und 5 stellen fest, welche Regelungen der DS-GVO im Kontext journalistischer Zwecke „im Übrigen“ gelten, woraus wiederum zu schließen ist, dass die nicht genannten Bestimmungen auch nicht anwendbar sind.13 Die Struktur des § 23 MStV ist für den Bereich der Telemedien an das Medienprivileg für den Rundfunk in §  12 MStV angelehnt. Die Privilegierung des Rundfunks und der Telemedien bei der Verarbeitung von Daten zu journalistischen Zwecken schließt allerdings die Ahndung von Verstößen gegen den Datenschutz nicht aus. An dieser Stelle knüpft die DS-GVO an.

8.2 Datenschutz-Grundverordnung 8.2.1 Bußgeldtatbestände Der Aufbau der DS-GVO ähnelt dem Aufbau des MStV: Im vorderen Teil finden sich (unter anderem) Verhaltensnormen und dahinter, namentlich in Art. 83 Abs. 4–6 DS-GVO sind die Bußgeldtatbestände normiert. Die Bußgeldtatbestände nehmen jeweils Bezug auf konkret bezeichnete Verhaltensnormen. Art. 83 Abs. 4 DS-GVO enthält unter Anknüpfung an sieben Verhaltensnormen drei Bußgeldtatbestände und stellt hierfür Geldbußen bis zu 10.000.000,00  € in Aussicht, bei einem Unternehmen bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs, je nachdem, welcher der Beträge höher ist. Art. 83 Abs. 5 DS-GVO enthält fünf Bußgeldtatbestände und nimmt dabei Bezug auf 20 Verhaltensnormen. Im Unterschied zu Abs. 4 drohen hier Geldbußen bis zu 20.000.000,00 €, bei einem Unternehmen bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs, je nachdem, welcher der Beträge höher ist. In Art. 83 Abs. 6 DS-GVO wird eine Geldbuße für den Fall angedroht, dass einer Anweisung einer Aufsichtsbehörde gem. Art.  58 Abs.  2 DS-GVO nicht gefolgt wird. Vorgesehen ist hierfür eine Geldbuße von bis zu 20.000.000,00 €, bei einem Unternehmen bis zu 4  % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs, je nachdem, welcher der Beträge höher ist.

8.2.2 Ausnahme für Behörden und öffentliche Stellen Eine Besonderheit findet sich in Art. 83 Abs. 7 DS-GVO. Diese Bestimmung gestattet es den Mitgliedsstaaten festzulegen, ob und in welchem Umfang gegen 13

 BeckOK InfoMedienR/Gummer MStV § 12 Rn. 4.

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8 Datenschutz

Behörden und öffentliche Stellen, die in dem betreffenden Mitgliedsstaat niedergelassen sind, Geldbußen verhängt werden. Es handelt sich also um eine Öffnungsklausel zugunsten nationalen Rechts.14 Hieran knüpft §  43 Abs.  3 BDSG an, der bestimmt, dass gegen Behörden und sonstige öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Abs.  1 BDSG  – das sind öffentliche Stellen des Bundes  – keine Geldbußen verhängt werden. Aus § 1 BDSG ergibt sich, dass das BDSG als Bundesgesetz im Rahmen der gesetzgeberischen Zuständigkeit des Bundes in den Ländern nur gilt, soweit der Datenschutz dort nicht durch Landesgesetz geregelt ist.15 Soweit ersichtlich, haben alle Länder ein eigenes Landesdatenschutzgesetz, weshalb die Anwendung des BDSG, abgesehen von planvollen Verweisen durch den jeweiligen Landesgesetzgeber, dort im Zuständigkeitsbereich des Landes ausgeschlossen ist. Soweit ersichtlich, haben auch die Länder Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, öffentliche Stellen von Geldbußen zu verschonen. So heißt es bspw. in §  24 Abs.  3 Satz 1 LDSG-RP: „Gegen öffentliche Stellen werden keine Geldbußen verhängt“. Ähnlich ist es in § 28 LDSG-BW formuliert, leicht abweichend in § 36 Abs. 2 HDSIG.

8.2.3 Ausnahmen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Viele Landesdatenschutzgesetze bestimmen, dass sie keine Anwendung finden für die Verarbeitung personenbezogener Daten in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt des Landes oder der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die das Land durch Staatsvertrag mitgestaltet hat oder für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die in dem Land ihren Sitz haben. So heißt es bspw. in § 2 Abs. 6 Satz 1 LDSG-RP: „Für die Verarbeitung personenbezogener Daten beim Südwestrundfunk (SWR) sowie beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) finden die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung“. Umgekehrt ist es bspw. in Baden-­ Württemberg gelöst, wo es in § 3 Abs. 3 Satz 1 LDSG-BW heißt: „Soweit besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor“. Wenn die Geltung des Landesdatenschutzgesetzes für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten solchermaßen aufgehoben oder eingeschränkt ist, sehen die Länder im Gesetz über die Rundfunkanstalt oder im einschlägigen Staatsvertrag Regelungen für den Datenschutz vor, insbesondere die Einrichtung eines Rundfunkdatenschutzbeauftragten, siehe etwa §§ 16–18 ZDF-StV, §§ 16–18 DLR-StV, §§ 38–40 MDR-StV, §§ 44–46 NDR-StV, §§ 49–51 WDRG, Art. 21 BayRG. Dies geht mindestens vielfach mit Bestimmungen einher, wonach die Verhängung einer Geldbuße gegen die jeweilige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht zulässig ist. So ist es vorgesehen bspw. in § 18 Abs. 1 Satz 4 ZDF-StV, § 18 Abs. 1 Satz 4 DLR-StV, § 40 Abs. 1 Satz 4 MDR-StV, § 46 Abs. 1 Satz 4 NDRStV und § 51 Abs. 1 Satz 4 WDRG, Art. 21 Abs. 6 Satz 3 BayRG. 14 15

 BeckOK DatenschutzR/Holländer DS-GVO Art. 83 Rn. 79.  Hierzu bspw. BeckOK DatenschutzR/Gusy/Eichenhofer BDSG § 1 Rn. 27 f., 30.

8.2 Datenschutz-Grundverordnung

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Für den SWR wird das gleiche Ergebnis auf anderem Weg erreicht.16 § 39 Abs. 1 Satz 1 SWR-StV ordnet an, dass die auf Rundfunkanstalten anwendbaren Bestimmungen des Datenschutzgesetzes des Landes gelten, in dem der Dienstort der Intendanz liegt, was gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 SWR-StV Stuttgart und damit Baden-­ Württemberg ist. Solchermaßen wieder auf das LDSG-BW verwiesen, findet sich im dortigen § 27 Abs. 7 Satz 2 die Regelung, wonach gegen den Südwestrundfunk keine Geldbußen verhängt werden dürfen. Diese Freistellung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten von Geldbußen darf man als überraschend bezeichnen. Festzuhalten ist insoweit, dass (auch) im Bereich der datenschutzrechtlichen Regelungen eine Ungleichbehandlung der privaten Rundfunkveranstalter und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besteht (s. auch 2.2.4.2), die  – bei entsprechenden datenschutzrechtlichen Verstößen  – viele Millionen Euro Geldbuße ersparen kann.

8.2.4 Allgemeine Verfahrensregelungen Gem. Art.  83 Abs.  8 DS-GVO muss die Ausübung der eigenen Befugnisse zur Durchführung des Bußgeldverfahrens durch eine Aufsichtsbehörde angemessenen Verfahrensgarantien gemäß dem Unionsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelfe und ordnungsgemäßer Verfahren, unterliegen. Daraus folgt, dass die DS-GVO zwar rechtsstaatliche Mindeststandards für das Bußgeldverfahren einfordert, zugleich aber selbst keine Regelung zur Durchführung des Bußgeldverfahrens enthält, sondern dies vielmehr dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten überlässt. Daher wäre für die Bundesrepublik im BDSG nach solchen Bestimmungen zu suchen, da das BDSG im Verhältnis zum OWiG Lex specialis ist. § 41 Abs. 1 BDSG verweist für „Verstöße“ nach Art. 83 Abs. 4–6 DS-GVO auf das OWiG, für „Verfahren wegen eines Verstoßes“ nach Art. 83 Abs. 4–6 DS-GVO verweist Abs. 2 auf das OWiG, die StPO und das GVG. Wie die Differenzierung zwischen beiden Absätzen vorzunehmen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, ist umstritten.17 Unter anderem wegen dieser noch offenen Rechtsfrage ist bisher auch noch nicht abschließend geklärt, ob ein unmittelbarer Durchgriff auf juristische Personen nach Europarecht möglich ist18 oder ob sich die Verbandshaftung ausschließlich nach den insoweit engeren Voraussetzungen des § 30 OWiG richtet, die die Pflichtverletzung einer individualisierbaren Person aus dem in § 30 Abs. 1 OWiG ­genannten Personen-

 Zur früheren Rechtslage beim SWR vor Inkrafttreten der DS-GVO kursorisch bspw. Rittig, DÖV 2015, 645 (648 ff.). 17  Hierzu etwa Gola/Heckmann/Ehmann BDSG § 41 Rn. 10 f. 18  In diese Richtung etwa LG Bonn, Urt. v. 11.11.2020 – 29 OWi 1/20, ZD 2021, 154 ff. 16

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8 Datenschutz

kreis voraussetzt.19 Das Kammergericht hat dem EuGH20 daher im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren zwei Fragen zu Art.  83 DS-GVO vorgelegt.21 Der Generalanwalt geht in seinem Schlussantrag vom 27.4.2023 davon aus, dass Art. 58 Abs. 2 Buchst. i) DS-GVO dahin auszulegen ist, dass die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist, nicht von der vorherigen Feststellung eines Verstoßes durch eine oder mehrere individualisierte natürliche Person(en), die im Dienst dieser juristischen Person stehen, abhängt.22 Die Geldbußen, die nach der DS-GVO verhängt werden können, setzen seiner Ansicht nach allerdings die Feststellung voraus, dass das den geahndeten Verstoß begründende Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig war.23 Würde sich der EuGH die Rechtsauffassung des Generalanwalts zu eigen machen, so käme es für die Verhängung einer Geldbuße nicht auf das Vorliegen der engen personenbezogenen Voraussetzungen des §  30 OWiG an, soweit jedenfalls Vorsatz oder Fahrlässigkeit irgendeines Mitarbeiters nachweisbar ist. Durch §  41 BDSG ausdrücklich ausgenommen werden §§  17, 35, 36 OWiG, weshalb die in §  17 OWiG getroffenen Regelungen zur Höhe der Geldbuße (s.  o.  2.5.2) ebenso wenig gelten wie die Vorgaben in §§  35, 36 OWiG zur Verfolgung und Ahndung durch die Verwaltungsbehörde und die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde. Es gelten ferner nicht die Bestimmungen über die Verwarnung (§§ 56–58 OWiG), über die Anordnung der Einziehung (§ 87 OWiG), über die Festsetzung der Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (§  88 OWiG), über die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 99 OWiG) und über die nachträglichen Entscheidungen über die Einziehung (§ 100 OWiG). In verfahrensrechtlicher Hinsicht besonders relevant ist, dass gem. § 41 Abs. 2 Satz 3 BDSG die Bestimmung des § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG mit der Maßgabe Anwendung findet, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, einstellen kann. Ferner sieht § 41 Abs. 1 Satz 3 BDSG vor, dass § 68 OWiG mit der Maßgabe Anwendung findet, dass das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von 100.000,00 € übersteigt. Das wird beinahe regelmäßig der Fall sein, weil Art.  83 Abs.  4 bis 6 DS-GVO Geldbußen von 10.000.000,00  € (bei einem Unternehmen: bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs) bis 20.000.000,00 € (bei einem Unternehmen: bis zu 4  % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs) androht.  In diese Richtung etwa LG Berlin, Beschl. v. 18.2.2021 – 526 OWi LG 212 Js-OWi 1/20 (1/20), ZD 2021, 270 ff. 20  Der EuGH führt das Verfahren unter dem Aktenzeichen C-807/21. 21  KG, Beschl. v. 6.12.2021  – 3 Ws 250/21, ZD 2022, 156  ff.; Kühn/Sembritzki, ZD-Aktuell 2023, 01082. 22  Generalanwalt beim EuGH (Campos Sánchez-Bordona), Tenor des Schlussantrags v. 27.04.2023, BeckRS 2023, 8604. 23  Generalanwalt beim EuGH (Campos Sánchez-Bordona), Tenor des Schlussantrags v. 27.04.2023, BeckRS 2023, 8604. 19

8.2 Datenschutz-Grundverordnung

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8.2.5 Zumessung der Geldbuße Art. 83 Abs. 1 DS-GVO bestimmt, dass eine Geldbuße in jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig und abschreckend zu sein hat („Mindesttrias“ als Gebot der Sicherstellung von effektiven Geldbußen).24 Art. 83 Abs. 2 Satz 1 DS-GVO sieht vor, dass Geldbußen je nach den Umständen des Einzelfalls zusätzlich zu oder anstelle von Maßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. a) bis h) und i) DS-GVO verhängt werden. Damit gibt es auch die Möglichkeit, bei geringfügigen Verstößen im Kontext bestimmter Sachverhalte eine Verwarnung auszusprechen25 allerdings nicht auf der Grundlage des gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 BDSG nicht anwendbaren § 56 ff. OWiG, sondern nach Art. 83 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 58 Abs. 2 b) DS-GVO. Geht es um die Entscheidung über die Verhängung der Geldbuße und um deren Höhe, so ergibt sich aus § 41 Abs. 1 Satz 2 BDSG, dass § 17 OWiG und damit die oben (Nr.  2.5.2.2) erläuterten Regelungen zur Zumessung der Geldbuße bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht nicht gelten. Das liegt daran, dass Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO einen eigenen Katalog mit Zumessungskriterien mit dem Ziel vorhält, bei den Mitgliedsstaaten eine einheitliche Sanktionszumessung zu erreichen.26 Eine tabellarische Fallsammlung zu bereits erlassenen Bußgeldern findet sich im Internet unter https://enforcementtracker.com.27

8.2.6 Verjährung Die DS-GVO enthält überraschenderweise keine Regelungen zur Verjährung. Insoweit endet an dieser Stelle die durch die DS-GVO angestrebte Gleichmäßigkeit der Rechtsgestaltung in den Mitgliedsstaaten. Das kann zwischen den Mitgliedsstaaten zu erheblichen Unterschieden bei der Verfolgung von datenschutzrechtlichen Ordnungswidrigkeiten führen, obwohl eher nicht davon auszugehen ist, dass die DS-­GVO diese Unterschiedlichkeit bezweckt und intendiert hat.28 Für Bußgeldverfahren in der Zuständigkeit deutscher Aufsichtsbehörden bedeutet dies, dass über den Verweis in § 41 BDSG die Verjährungsregelungen in §§ 31–34 OWiG gelten (siehe hierzu unten Nr. 12.2.1). Das bedeutet, dass es – anders als beispielsweise in § 115 Abs. 5 MStV – keine verkürzten Verjährungsfristen gibt, vielmehr gilt wegen der besonders hohen Geldbußen gem. § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG eine dreijährige Verjährungsfrist.

 BeckOK DatenschutzR/Holländer DS-GVO Art. 83 Rn. 22.  Erwägungsgrund DS-GVO Nr. 148. 26  BeckOK DatenschutzR/Holländer DS-GVO Art. 83 Rn. 25. 27  Zuletzt abgerufen am 15.6.2023. 28  BeckOK DatenschutzR/Holländer DS-GVO Art. 83 Rn. 29. 24 25

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8 Datenschutz

8.3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (künftig: Telekommunikation-Digitale Dienste-Datenschutz-Gesetz - TDDDSG) Mit dem Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien  – Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) sollte unter anderem die Anpassung der Datenschutzbestimmungen des TMG an die DS-GVO erfolgen.29 Das TTDSG soll nach Art. 8 des Referentenentwurfs vom 1.8.2023 eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze ab 17.2.2024 umbenannt werden in Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und in digitalen Diensten – Telekommunikation-DigitaleDienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDSG). Es enthält in Teil 3 Bestimmungen zum Telemediendatenschutz, unter anderem zu technischen und organisatorischen Vorkehrungen (§  19 TTDSG), zur Verarbeitung personenbezogener Daten Minderjähriger (§ 20 TTDSG), zum Auskunftsverfahren bei Bestandsdaten (§ 22 TTDSG) und zum Auskunftsverfahren bei Nutzungsdaten (§ 24 TTDSG). Der Verstoß gegen diese Bestimmungen ist gem.§  28 Abs.  1 Nr.  11–13 i.  V.  m. Abs.  2 TTDSG mit Geldbuße bis zu 300.000,00 € bedroht.

29

 Gierschmann, MMR 2023, 22.

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Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

9.1 Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten Seit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19.12.2007 gelten die bußgeldbewehrten Informations- und Publizitätspflichten des Rundfunkstaatsvertrags bzw. nunmehr des Medienstaatsvertrags grds. für private Rundfunkveranstalter. § 1 Abs. 9 MStV verpflichtet Fernsehveranstalter zur Information über alle Änderungen, welche für die europarechtlich vorgeformte Bestimmung des EU-Mitgliedsstaats, der die Rechtshoheit ausübt, maßgeblich sind. Die Bußgeldbewehrung der Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit sind nach § 7 Abs. 2 MStV auf bundesweit ausgerichtete private Fernsehprogramme beschränkt. Für die Informationspflichten nach Art.  6 Abs.  2 Europaratskonvention gilt weiterhin die Beschränkung auf Fernsehveranstalter nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 MStV, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Europaratskonvention nur für das Fernsehen gilt. Die Informations- und Publizitätspflichten der §§ 55 ff. MStV gelten nach §  50 Satz 1 MStV dagegen für alle privaten Veranstalter bundesweit ausgerichteter Rundfunkangebote (Hörfunk und Fernsehen). Die Informationspflichten sind gegenüber der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt zu erfüllen. Die örtliche Zuständigkeit war im Rundfunkstaatsvertrag nicht geregelt. Sie ergibt sich nunmehr aus § 106 MStV. Für Altfälle belässt es § 119 MStV bei der Zuständigkeit der Anzeige- oder Zulassungsanstalt, die vormals vom Rundfunkveranstalter durch Antragstellung oder vom Plattformbetreiber durch Anzeige festgelegt wurde (§  36 Abs.  1 Satz 1 RStV). Das Kuriosum des deutschen Rundfunkrechts, dass Anbieter von Medienplattformen und Veranstalter bundesweit verbreiteten Rundfunks ihre zuständige Aufsichtsbehörde samt anzuwendendem Landesrecht frei wählen konnten,1 hat mit Inkrafttreten des Medien Der von SAT.1 gewählte Zuständigkeitswechsel führte zu einem langwierigen Rechtsstreit zwischen den Landesmedienanstalten in Rheinland-Pfalz und Hamburg/Schleswig-Holstein; er wurde 1

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_9

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

staatsvertrags ein Ende gefunden. Nunmehr ist die Sitzlandanstalt die primär zuständige Aufsicht (§  106 Abs.  1 Satz 1 MStV). Soweit Veranstalter aus dem EU-Ausland nach § 1 Abs. 3 oder 4 MStV deutscher Rechtshoheit unterliegen, entscheidet nach § 106 Abs. 1 Satz 2 MStV die Landesmedienanstalt, die zuerst mit der Sache befasst worden ist (Prioritätsprinzip).

9.1.1 Mitteilungspflichten bei Änderung der Niederlassungskriterien Die Mitgliedsstaaten der EU haben in Art. 2 AVMD-RL hoch differenzierte Regelungen getroffen, die festlegen, welcher Staat die Rechtshoheit über einen audiovisuellen Mediendiensteanbieter ausübt.2 Darauf beruhen die Bestimmungen zur deutschen Rechtshoheit über Fernsehveranstalter nach § 1 Abs. 3 und 4 MStV. Neben in Deutschland niedergelassenen Fernsehveranstaltern unterliegen solche deutscher Rechtshoheit, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1–3 MStV aufgrund bestimmter inländischer Anknüpfungspunkte (Sitz der Hauptverwaltung, Ort der redaktionellen Entscheidungen oder der Tätigkeit des Programmpersonals) als niedergelassen gelten. Für diese Fernsehveranstalter garantiert Deutschland den übrigen EU-Mitgliedsstaaten gem. Art.  2 Abs.  1 AVMD-RL, „dafür zu sorgen“, dass die Fernsehprogramme den rundfunkrechtlichen Vorschriften entsprechen (Sendestaatsprinzip). Diese Fernsehveranstalter müssen die nach Landesrecht zuständigen Stellen, d. h. die jeweils zuständige Landesmedienanstalt über alle Änderungen informieren, „die die Feststellung der Rechtshoheit nach den Absätzen 3 und 4 berühren könnten.“ Weder die Verhaltensnorm noch die Sanktionsnorm gibt einen Hinweis darauf, wann die Information „fällig“ ist. Die Informationspflicht ist gewissermaßen „zeitlos“. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung dieser Informationspflicht durch den privaten Veranstalter eines bundesweit ausgerichteten Fernsehprogramms bedroht §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  1 i.  V.  m. Abs.  2 MStV mit Geldbuße bis zu 500.000,00 €.

9.1.2 Verbraucherschutzrechtliche Impressumspflicht Durch den Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 30.10./20.11.2009 wurde § 9b Abs. 2 RStV (nunmehr: § 4 Abs. 1 MStV) mit einer Impressumspflicht für Rundfunkveranstalter eingefügt. Ausweislich der amtl. Begr. geschah dies zur Umsetzung des Art. 3a (nunmehr: Art. 5) AVMD-RL.

letztinstanzlich entschieden durch BVerwG, Urt. v. 15.7.2020 – 6 C 6.19, BVerwGE 169, 177, m. Anm. Bornemann, K&R 2020, 853; Bespr. Enaux/Wüsthof, GRUR-Prax 2021, 28; Gundel, ZUM 2021, 1. 2  Zur Vorgeschichte s. EuGH, Urt. v. 10.9.1966, Rs. C-222/94.

9.1  Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten

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Eine Verletzung der Informationspflicht ist in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MStV als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet. Tathandlung ist das Unterlassen der ­Herstellung eines für Rundfunkrezipienten leichten, unmittelbaren und ständigen Zugangs zu • • • •

Namen und geografischer Anschrift, Kommunikationsdaten für schnelle und effiziente Kommunikation, „zuständiger Aufsicht“ und Mitgliedsstaat, dessen Rechtshoheit sie unterworfen sind

des jeweiligen Rundfunkveranstalters. Die leichte, unmittelbare und ständige Zugänglichkeit muss im Rahmen des „Gesamtangebots“ des Rundfunkveranstalters hergestellt werden. Ob § 4 Abs. 1 Nr. 1 MStV „Name und geografische Anschrift“ fordert, der für Telemedien geltende § 18 Abs. 1 Nr. 1 MStV „Name und Anschrift“ oder § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG und DDG-E „den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind“: Es ist stets dasselbe gemeint. Es muss eine ladungsfähige Anschrift angegeben werden, unter der man gegenüber dem eindeutig identifizierbaren Anbieter/Veranstalter Zustellungen, etwa ein Gegendarstellungsverlangen oder gerichtliche Verfügungen, bewirken kann;3 eine Postfachadresse genügt nicht.4 Als Beispiel der Kommunikationsdaten, die gemeint sind, nennt Art. 5 AVMD-RL ausdrücklich die E-Mail-Adresse und macht zugleich deutlich („einschließlich“), dass dies als einziges Kommunikationsmittel zur schnellen und effizienten Kommunikation nicht ausreichend ist. Man wird mindestens zusätzlich eine Telefonnummer fordern dürfen. Ob weiterhin ein Telefaxanschluss angegeben werden muss, ist nicht sicher. Wenn der Anbieter Telefonnummer und E-Mail-Adresse angibt, hat er seiner Pflicht unter ordnungswidrigkeitenrechtlicher Blickrichtung genügt. Zwar muss die Kontaktaufnahme mittels der angegebenen Kommunikationsmöglichkeiten nicht unentgeltlich möglich sein. „Effizient“ ist jedoch nur eine Kommunikation, bei der das übliche Transportentgelt für die Nachricht und allenfalls überschaubare Zusatzentgelte für die technische Abwicklung durch einen Dienstleister anfallen, aber keine darüber hinausgehenden Entgelte erhoben werden, die zu Einnahmen beim Diensteanbieter führen.5 Jedenfalls ist neben einer E-Mail-Adresse die Angabe lediglich einer telefonischen Mehrwertnummer, für deren Nutzung minütlich Entgelte i. H. v. 0,49 € aus dem Festnetz und bis zu 2,99 € aus Mobilfunknetzen erhoben werden, unzureichend.6 Welche Informationen zur zuständigen Aufsicht gegeben werden müssen, sagt weder der Medienstaatsvertrag  Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2018 – I ZR 257/16, NJW-RR 2019, 61.  HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 61; Hoeren/Sieber/Holznagel/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 136. 5  Vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2008 – Rs. C-298/07, MMR 2009, 25 ff. m. Anm. Ott; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG § 5 Rn. 47. 6  Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.10.2014 – 6 U 219/13, MMR 2015, 32, bestätigt durch BGH, Urt. v. 25.2.2016 – I ZR 238/14, MMR 2016, 629 m. Anm. Isele. 3 4

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

noch die AVMD-Richtlinie. Es spricht viel dafür, dass die richtige Bezeichnung der zuständigen Landesmedienanstalt ohne Adressdaten ausreichend ist, um die bußgeldbewehrte Pflicht zu erfüllen. Unklar ist indes, was leichte, unmittelbare und ständige Zugänglichkeit der Impressumsdaten im Gesamtangebot eines Rundfunkveranstalters bedeutet. Während Telemedienanbieter nach § 18 Abs. 1 MStV die Informationen mit den Impressumsangaben leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten haben, was den allgemeinen Informationspflichten nach § 5 Abs. 1 TMG und DDG-E entspricht, müssen Rundfunkveranstalter die Informationen leicht, unmittelbar und ständig zugänglich machen. Im Rahmen eines Fernsehprogramms wäre das wohl nur durch Dauerbildschirmeinblendung und in Hörfunkprogrammen gar nicht möglich. Der Hinweis auf das Gesamtangebot könnte so verstanden werden, dass Rundfunkveranstalter ihrer ständigen Impressumspflicht außerhalb des Programms in Telemedien bzw. digitalen Diensten (Internetauftritten) nachkommen können. Dafür spricht zum einen die Erwähnung der Internetseite unter den Kommunikationswegen in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c AVMD-RL und zum anderen die Verwendung des Begriffs „Gesamtangebot“ in der Definition des Medienplattformanbieters. Als Gesamtangebot versteht § 2 Abs. 2 Nr. 14 MStV offenbar die Zusammenfassung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien oder Telemedien nach § 19 Abs. 1 MStV. Zwar ist die Definition der Medienplattform im Rahmen der Impressumspflicht des § 16 Abs. 1 MStV nicht unmittelbar einschlägig. Sie gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass die leichte, unmittelbare und ständige Zugänglichkeit der Impressumsangaben auf der Internetseite eines Rundfunkveranstalters ausreichend ist. In dieser Interpretation begegnet der Bußgeldtatbestand hinsichtlich seiner Bestimmtheit keinen rechtsstaatlichen Bedenken.

9.1.3 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit § 7 Abs. 1 MStV enthält für Veranstalter bundesweit ausgerichteter privater Fernsehprogramme die schwache Verpflichtung („sollen … im Rahmen der technischen und finanziellen Möglichkeit“), über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus barrierefreie Angebote aufnehmen und den Umfang solcher Angebote stetig und schrittweise ausweiten, wobei den Belangen von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen Rechnung zu tragen ist. Ziel ist der Bestimmung ist es, die stetige und schrittweise Ausweitung barrierefreier Fernsehangebote voranzutreiben und hierzu nach §  7 Abs. 2 Satz 1 MStV „über die getroffenen und zukünftigen Maßnahmen“ mindestens alle drei Jahre an die Landesmedienanstalt zu berichten. Der Verstoß gegen die Berichtspflicht ist nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a MStV bußgeldbewehrt. Der Bußgeldtatbestand wurde nachträglich durch den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag eingefügt, der am 30.6.2022 in Kraft getreten ist. Die in der amtl. Begr. formelhaft als „Folgeänderung“ erläuterte Bußgeldbewehrung der Berichtspflicht soll offenbar den „Ernst“ des bisher wenig beachteten Anliegens7 verdeutlichen und mittelbaren Druck aufbauen, ohne eine zu starke unmittelbare Belastung der privaten Fernsehveranstalter zu verursachen. Ein Bericht mit dem Ergebnis: „Keine ge BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 7 Rn. 8.

7

9.1  Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten

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troffenen oder beabsichtigten Maßnahmen“ erfüllt die bußgeldbewehrte Berichtspflicht. Ob sie ein aufsichtliches Einschreiten (§§ 104, 109 MStV) auslöst und wie die Landesmedienanstalten die schwach ausgeprägte Handlungspflicht nach §  7 Abs.  1 MStV einfordern können, ist für das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht relevant. Die Verhaltensnorm enthält einen „Fälligkeitstermin“ („mindesten alle drei Jahre“). Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sprechen gute Gründe dafür, vom Beginn der Verjährung mit dem Beginn des vierten Jahres nach dem letzten Dreijahreszeitraum auszugehen (s. u. 12.2).

9.1.4 Mitteilungspflichten gemäß Europaratskonvention Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 MStV sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter verpflichtet, auf Verlangen der nach Landesrecht zuständigen Behörde gemäß Art. 6 Abs. 2 Europaratskonvention „Informationen über den Rundfunkveranstalter“ zur Verfügung zu stellen. Nach Art.  6 Abs.  2 Satz 2 Europaratskonvention, der für grenzüberschreitendes Fernsehen gilt, handelt es sich dabei „zumindest“ um den Namen oder die Bezeichnung, den Sitz und die Rechtsstellung, die Zusammensetzung des Kapitals, der Art, des Zwecks und der Modalität der Finanzierung des Programms des Veranstalters und den Namen des gesetzlichen Vertreters. „Gleiches gilt für private Fernsehveranstalter“ (§  16 Abs.  1 Satz 2 MStV), bei denen die Landesmedienanstalten im Verfahren zwischengeschaltet sind. Auch die Veranstalter von nach § 54 MStV zulassungsfreien bundesweit ausgerichteten Fernsehprogrammen sind Fernsehveranstalter i. S. d. § 16 MStV. § 16 MStV dient zwar der Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Europaratskonvention, ist aber nach dem Normtext nicht ausdrücklich auf bundesweit ausgerichtetes Fernsehen beschränkt. In der Literatur wird die Frage diskutiert, ob sich die Auskunftspflicht auf landesweit, regional oder lokal ausgerichtete Fernsehprogramme erstrecke.8 Selbst wann man das bejaht, führt die ausdrückliche Beschränkung der Sanktionsnorm auf „Veranstalter von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk“ dazu, dass eine Verletzung der Auskunftspflicht bspw. durch Anbieter von Lokalfernsehen, das über Satellit verbreitet wird, nicht nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr.  17 MStV verfolgt werden kann. Die europarechtliche Einordnung als grenzüberschreitendes Fernsehen stellt auf die technische Verbreitung „über Kabel, über terrestrische Sender oder über Satellit“ mit Empfangbarkeit „in einer oder mehreren anderen Vertragsparteien“ ab (Art. 3 Europaratskonvention). Die bundesweite oder nicht bundesweite Ausrichtung i. S. d. § 52 Abs. 1 Satz 3 und 4 MStV stellt demgegenüber auf die inhaltliche Ausrichtung des Programms ab.9 Durch den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag vom 14./27.12.2021 wurde §  16 Abs.  3 MStV mit der Begründung gestrichen, dass er durch Einfügung des  BeckOK InfoMedienR/Bergler, MStV § 16 Rn. 6.  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV §  8 Rn.  80b, 80c; auch BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 3 Rn. 3. 8 9

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

§ 111a MStV entbehrlich geworden sei.10 Dabei ging § 16 Abs. 3 Satz 2 MStV verloren: „Satz 1 gilt auch für Teleshoppingkanäle.“ Für Teleshopping-Kanäle gelten die Bestimmungen des II. Abschnitts, in dem sich § 16 MStV befindet, nach § 1 Abs. 6 MStV indes nur, sofern dies ausdrücklich bestimmt ist. Demnach gilt die bußgeldbewehrte Auskunftspflicht seit dem Inkrafttreten des Zweiten Medienänderungsstaatsvertrags am 30.6.2022 nicht mehr für Teleshopping-Kanäle.11 Falls Fernsehveranstalter auf berechtigtes Verlangen ihrer zuständigen Behörde diese Informationen nicht herausgeben, handeln sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Veranstalter pflichtwidrig. Nur bei privaten Veranstaltern bundesweit ausgerichteter Fernsehprogramme ist der Rechtsverstoß, der keine unmittelbare Programmrelevanz besitzt, bußgeldbewehrt. An diesem Tatbestand wird die ungerechtfertigte ordnungswidrigkeitenrechtliche Ungleichbehandlung öffentlich-­ rechtlicher und privater Veranstalter besonders deutlich. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist davon auszugehen, dass die Verletzung der Informationspflicht nach § 16 durch § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 MStV nur insoweit mit Geldbuße bedroht ist, als es um die in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Europaratskonvention konkret genannten Angaben geht. Soweit darüber hinausgehende Informationen verweigert werden, handeln Fernsehveranstalter nicht ordnungswidrig.

9.1.5 Nachweis der Programmbezugsquellen § 57 Abs. 2 MStV (vormals: § 23 Abs. 2 RStV) verpflichtet Fernsehveranstalter, spätestens zum Ende des neunten auf das Geschäftsjahr folgenden Monats der zuständigen Landesmedienanstalt eine Aufstellung „der Programmbezugsquellen“ vorzulegen. Der Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 21 MStV ist sowohl bei der nicht rechtzeitigen Vorlage bei der zuständigen Landesmedienanstalt als auch bei der fristgemäßen Vorlage einer unvollständigen Aufstellung der Programmbezugsquellen erfüllt. Die Pflicht zur Vorlage einer Aufstellung „der Programmbezugsquellen“ ist nur dann erfüllt, wenn die Aufstellung die Programmbezugsquellen i.  S.  d. §  57 MStV auflistet12; sonst würde es sich lediglich um eine Aufstellung „von“ (einigen der) Programmbezugsquellen handeln. Allerdings ist eine restriktive Interpretation des Begriffs der „Programmbezugsquelle“ geboten. Mitarbeiter – ob feste oder freie – sind keine „Programmbezugsquelle“ i. S. d. § 57 MStV.13 Vielmehr sollten hierunter nur „Quellen“ verstanden werden, aus denen der Rundfunkveranstalter Fertigprodukte bezieht, nicht jedoch Informationsdienste, die Material für die Programmproduktion durch den Rundfunkveranstalter bereitstellen wie z. B. Nachrichtenagenturen (AP, dpa, Reuters).14 Mitteilungspflichtig sind auf jeden Fall regelmäßige Auftragsproduzenten und Zulieferer sowie Film- und sonstige  Bayer. Landtag, Drs. 18/22292, 6.  Vorsichtig BCHHG, MStV § 16 Rn. 1: Geltung für Teleshopping „wohl derzeit zu verneinen“. 12  A. A. HK-MStV/Kreile, MStV § 57 Rn. 10. 13  A. A. HK-MStV/Kreile, MStV § 57 Rn. 9. 14  A. A. BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 57 Rn. 11; HK-MStV/Kreile, MStV § 57 Rn. 9. 10 11

9.1  Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten

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Rechtehändler, von denen Lizenzware bezogen wird, insbesondere internationaler Lizenzware, die ohne das Recht erworben wird, das Programmsignal zu verändern.15 Solange Sportrechte in der Weise vermarktet werden, dass es nur um den Zugang des Rundfunkveranstalters zum Sportereignis geht, mag fraglich sein, ob es sich schon um eine Programmbezugsquelle handelt, da das Programm zwar an der „Quelle“ entsteht, aber vom Rundfunkveranstalter nicht bezogen, sondern mit eigenem Personal erstellt wird. Eindeutig zu bejahen ist die Programmbezugsquelle dagegen, wenn der DFB im eigenen Auftrag einen Spielmitschnitt produzieren lässt und den Rundfunkveranstaltern ein sendefähiges Programmsignal zu Verfügung stellt. Auch bei der Zulieferung von Halbfertigprodukten bspw. in der Form ausgewählten Bildmaterials, das lediglich mit eigenen Kommentaren der Rundfunkanstalt versehen werden kann, dürfte von einer Programmbezugsquelle auszugehen sein. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 21 MStV kann als „Fälligkeitsdelikt“ angesehen werden (vgl. u. 12.2), da ausdrücklich das Unterlassen der fristgemäßen Vorlage bußgeldbewehrt ist. Die Verjährung beginnt demnach mit Beginn des zehnten auf das Ende des Geschäftsjahrs folgenden Monats.

9.1.6 Herausgabe von Daten über Zuschaueranteile Die bußgeldbewehrte Bestimmung des § 34 Satz 2 RStV (nunmehr: § 120 MStV) sollte ursprünglich die Funktionsfähigkeit der Vielfaltssicherung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von bundesweiten Fernsehprogrammen für den Übergangszeitraum sichern, bis alle neuen Verfahren eingespielt wären und greifen. Bis die ersten aus dem Verfahren nach § 61 MStV (vormals: § 27 RStV) gewonnenen Daten zur Verfügung stehen, sind gem. § 120 Abs. 1 Satz 1 MStV „die vorhandenen Daten über Zuschaueranteile zugrunde zu legen.“ § 120 Abs. 1 Satz 2 MStV verpflichtet „die Veranstalter“, bei ihnen vorhandene Daten über Zuschaueranteile auf Anforderung der KEK zur Verfügung zu stellen. §115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 24 MStV bedroht das Nicht-zur-Verfügung-Stellen der beim Fernsehveranstalter vorhandenen Daten über Zuschaueranteile mit Geldbuße. Der Tatbestand ist zwar nicht nur erfüllt, wenn sich ein Veranstalter ausdrücklich der Aufforderung zur Datenherausgabe verweigert. Wenn der Veranstalter auf eine Aufforderung nicht reagiert, fragt sich aber, ab wann eine Geldbuße verwirkt ist. Besteht Veranlassung davon auszugehen, dass bei dem Veranstalter relevante Daten vorhanden sind, sollte er in einem solchen Fall ein zweites Mal unter Setzung einer angemessenen Frist zur Herausgabe der bei ihm vorhandenen Daten aufgefordert werden, bevor die Zulassungsanstalt ein Bußgeldverfahren einleitet. Ab dem Vorliegen der ersten im Verfahren nach § 61 MStV gewonnenen Daten wird der Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 24 MStV obsolet. Die Verweigerung der Mitwirkung im Verfahren nach §  61 MStV ist nicht bußgeldbewehrt, stellt aber den  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV §  57 Rn.  11; Beck RundfunkR/Schuler-Harms, RStV § 23 Rn. 16; Spindler/Schuster/Nüßing, RStV § 23 Rn. 6. 15

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

Widerruf der Rundfunkzulassung in das Ermessen der Zulassungsanstalt (§61 Abs. 3 Satz 2 MStV).

9.1.7 Allgemeine Änderungsmitteilungen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 MStV ist allgemein und nicht als Sonderdelikt für private Rundfunkveranstalter formuliert. Der Tatbestand erfasst das vorsätzliche Unterlassen einer Mitteilung, zu der ein Bewerber um eine Rundfunkzulassung oder ein sonst im Zulassungsverfahren Auskunfts- oder Vorlagepflichtiger (vgl. § 55 Abs. 4 MStV) nach den Vorschriften des Medienstaatsvertrags verpflichtet ist (vgl. §  55 Abs. 1 bis 3 MStV), wenn sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung Änderungen in den zulassungsrelevanten Umständen ergeben haben. Unrichtige oder unvollständige Angaben bei Antragstellung werden von dem Bußgeldtatbestand nicht erfasst. Zur Rundfunkveranstaltung auf Grundlage einer erschlichenen Zulassung s. u. 9.3.2.1. Die bußgeldbewehrte Pflicht zur Mitteilung von Änderungen besteht nach Erteilung der Zulassung, durch die der Antragsteller zum Veranstalter wird, fort. Sie bezieht sich nicht auf lediglich geplante, d. h. bevorstehende Änderungen (s. insoweit § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 MStV). Die Lesbarkeit der Vorschrift ist aufgrund der gestuften Verweisung über § 55 Abs. 6 auf § 55 Abs. 1 ff. MStV sehr erschwert. Vor allem ist die Aufzählung konkreter Auskunfts- und Vorlagepflichten in § 55 Abs. 2 MStV nicht abschließend („insbesondere“). Aus rechtsstaatlichen Gründen wird man die Bußgeldandrohung auf die unterlassene Mitteilung von Änderungen in Angelegenheiten des § 55 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 MStV zu beschränken haben.16 Praxisrelevant sind insbesondere Änderungen im Gesellschafterkreis des Antragstellers und der mit ihm verbundenen Unternehmen (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 MStV) und bei Vereinbarungen mit Relevanz für die Programmgestaltung i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 4 MStV. Seltener, aber von gleichem Gewicht, sind in der Praxis Änderungen in den Gesellschaftsverträgen (§ 55 Abs. 2 Nr. 3 MStV). Nachträgliche Änderungen in den persönlichen Verflechtungen der Beteiligten, etwa durch Heirat oder Adoption (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 MStV), dürften seltene Ausnahmen bleiben. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MStV wird durch Nr. 7 ergänzt und korrespondiert mit Nr. 9. Die amtl. Begr. zu § 21 Abs. 6 RStV (nunmehr § 55 Abs. 6 MStV) hält ausdrücklich fest, dass diese Verpflichtung „selbständig neben derjenigen aus §  29“ (nunmehr: § 63 MStV) besteht.17 Der Bußgeldtatbestand ist bereits verwirklicht, wenn die Mitteilung über Änderungen, die nach Antragstellung eingetreten sind, nicht unverzüglich, d.  h. nicht ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt. Die Tatbestandsfassung macht die Ordnungswidrigkeit zu einem sog. Fälligkeitsdelikt (s. u. 12.2.1). Im Rahmen des Opportunitätsgrundsatzes steht die Einleitung eines Bußgeldverfahrens bei verspäteter Mitteilung im Ermessen der zuständigen Landesmedienanstalt (§ 47 Abs. 1 OWiG). 16 17

 HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 81.  Bayer. Landtag, Drs. 13/5683, 28.

9.1  Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten

201

9.1.8 Jährlicher Bericht zu den Einflussverhältnissen Die in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 MStV bußgeldbewehrte Verpflichtung nach§ 55 Abs. 7 MStV, zu Beginn jedes neuen Jahres eine Erklärung zu den nach § 62 MStV maßgeblichen Beteiligungs- und Einflussverhältnissen abzugeben, besteht unabhängig davon, ob sich im abgelaufenen Jahr etwas geändert hat.18 Hierfür besteht ein praktisches Bedürfnis. Es ist möglich, dass eine als unbedenklich bestätigte geplante Änderung in den Beteiligungsverhältnissen eines Veranstalters nicht vollzogen wird.19 Bisher besteht keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung für den Veranstalter, das Scheitern oder den Vollzug angezeigter geplanter Änderungen mitzuteilen. Der jährliche Statusbericht verschafft insofern Klarheit und belastet den Veranstalter nicht unangemessen. Die Mitteilungspflicht „nach Ablauf eines Kalenderjahres“ erlischt durch Erfüllung. Die Überschreitung der Unverzüglichkeits-Grenze markiert den Beginn der Ordnungswidrigkeit, aber nicht das Ende der Mitteilungspflicht. Das Unterlassen der Abgabe des Statusberichts ist gleichwohl der nach der in diesem Handbuch vertretenen Ansicht ein Fälligkeitsdelikt (s. u. 12.2), nach der zumindest bisher h. M. jedoch ein Dauerdelikt.20 Der Statusbericht ist auch dann abzugeben, wenn der Verpflichtete eine im abgelaufenen Jahr eingetretene Änderung entgegen § 55 Abs. 6 MStV – von der zuständigen Landesmedienanstalt unerkannt – nicht mitgeteilt hat. Unbeschadet des Grundsatzes, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (vgl. § 56 Abs. 6 MStV), rechtfertigt die Verletzung einer bußgeldbewehrten Mitteilungspflicht weitere und andere Mitteilungspflichtverletzungen nicht. Die Vorschrift enthält ein Sonderdelikt für private Rundfunkveranstalter und die unmittelbar oder mittelbar Beteiligten i. S. d. § 62 MStV; dies ergibt sich aus der Zusammenschau von Sanktions- und Verhaltensnorm. § 62 MStV ist eine komplexe Zurechnungsnorm im Zusammenhang mit der Vielfaltssicherung im bundesweiten Fernsehen. § 62 Abs. 1 Satz 1 MStV rechnet Unternehmen Programme zu, die sie selbst veranstalten (Var.  1); das Unternehmen ist Rundfunkveranstalter. Einem Unternehmen werden außerdem Programme zugerechnet, die ein anderes Unternehmen veranstaltet, an dem es unmittelbar mit 25 % oder mehr der Kapital- oder Stimmrechtsanteile beteiligt ist (Var. 2); das andere Unternehmen ist tätiger Rundfunkveranstalter. Ob das unmittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligte seinerseits Rundfunkveranstalter ist oder nicht, spielt für die Programmzurechnung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 MStV keine Rolle. Wenn § 55 Abs. 7 MStV am Rundfunkveranstalter „i. S. d. § 62 Beteiligte“ in die Pflicht nimmt, sind das die an einem Rundfunkveranstalter mit mindestens 25 % der Kapital- oder Stimmrechtsanteile  S. amtl. Begründung zur Vorgängerbestimmung § 21 Abs. 7, Bayer. Landtag, Drs. 13/5683, 28; vgl. auch zur gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung § 40 GmbHG. 19  Der Anbieter DSF (Rechtsvorgänger von Sport1) hatte eine nach bayerischem Recht notwendige Genehmigung zur Fortsetzung der Anbietertätigkeit für eine neue Gesellschafterkonstellation bereits erhalten. Die eintrittswilligen ausländischen Gesellschafter verzichteten jedoch letztlich auf den Erwerb der angebotenen Gesellschaftsanteile. 20  Vgl. BeckOK OWiG/Gertler, OWiG § 31 Rn. 34; Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG § 31 Rn. 11. 18

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

unmittelbar Beteiligten, bei einer Personen- oder Kapitalgesellschaft also Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft Aktionäre. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 MStV werden einem Unternehmen ferner Programme aller anderen Unternehmen zugerechnet, an denen es mittelbar beteiligt ist, sofern die anderen Unternehmen zu ihm im Verhältnis eines verbundenen Unternehmens i. S. v. § 15 AktG stehen und zusätzlich an ihm mit 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte beteiligt sind. Erforderlich ist mithin eine Beteiligung an dem Drittunternehmen auf nachgelagerter gesellschaftsrechtlicher Ebene bei gleichzeitiger (unmittelbarer) Beteiligung des Drittunternehmens mit mindestens 25  % der Kapital- oder Stimmrechtsanteile; die Unternehmen müssen sog. verbundene Unternehmen i. S. d. § 15 AktG sein. Die Konstellation geht insoweit über die Zurechnung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 MStV hinaus, als das Programm nicht nur dem mit 25  % beteiligten (Erst-)Unternehmen zugerechnet wird, sondern dem Drittunternehmen, an dem die Beteiligung besteht, wenn zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind. § 61 Abs. 1 Satz 2 MStV nimmt einen Perspektivwechsel vor: Das beteiligte (Erst-)Unternehmen aus Satz 1 wird hier gewissermaßen zum Drittunternehmen, an dem das Drittunternehmen aus Satz 1 seinerseits, aber nur mittelbar beteiligt ist; § 62 Abs. 1 Satz 2 MStV rechnet dem mittelbar beteiligten verbundenen Unternehmen in diesem Fall das Programm wie ein eigenes zu 100 % zu. Die Publizitätspflicht nach § 57 Abs. 1 Satz 2 MStV verweist nicht pauschal auf § 62 MStV, sondern differenziert und nimmt • unmittelbar Beteiligte, denen das Programm des Veranstalters nach § 62 Abs. 1 Satz 1 MStV und • mittelbar Beteiligte, denen das Programm nach § 62 Abs. 1 Satz 2 MStV zuzurechnen ist, in die Pflicht. Ungeachtet des weniger differenzierten Wortlauts kann § 55 Abs. 7 i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 MStV nichts anderes bedeuten. Den Beteiligten nach § 62 Abs. 2 MStV gleichgestellte Dritte mögen von der Verhaltensnorm angesprochen werden. Sie sind jedoch keine „Beteiligten“ i. S. d. Sanktionsnorm, für die der strenge Bestimmtheitsgrundsatz des § 3 OWiG gilt. Die Bußgeldandrohung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 MStV betrifft deshalb nicht Personen, die den Beteiligten lediglich gleichgestellt sind, sondern ausschließlich unmittelbar oder mittelbar am Veranstalter i. S. d. § 62 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV Beteiligte. Wie alle Tatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV kann der Tatbestand nur vorsätzlich verwirklicht werden (s. § 10 OWiG).

9.1.9 Bekanntmachung des Jahresabschlusses § 57 Abs. 1 Satz 1 MStV erweitert die nach Handels- und Gesellschaftsrecht bestehenden Verpflichtungen zur Aufstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen für die Veranstalter von bundesweit ausgerichteten Rundfunkprogrammen (s. § 50 Satz 1 MStV) „nach Maßgabe der Vorschriften des Handels-

9.1  Verletzung von Informations- und Publizitätspflichten

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gesetzbuches, die für große Kapitalgesellschaften gelten“. § 57 Abs. 1 Satz 2 MStV erstreckt die Verpflichtung auf die unmittelbar Beteiligten, denen das Programm des Veranstalters gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 und die mittelbar Beteiligten, denen das Programm nach § 62 Abs. 1 Satz 2 MStV zuzurechnen ist.21 Demnach trifft die Pflicht zur Bilanzierung nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Regeln und zur entsprechenden Veröffentlichung alle Unternehmen, die an einem Rundfunkveranstalter unmittelbar mit mindestens 25 % beteiligt sind (§ 62 Abs. 1 Satz 1 MStV), sowie alle Unternehmen, an denen ein Rundfunkveranstalter mit mindestens 25 % beteiligt ist, falls diese Unternehmen ihrerseits mittelbar, d. h. auf nachgelagerter Gesellschaftsebene, an dem Veranstalter beteiligt sind und die Unternehmen im Verhältnis verbundener Unternehmen i. S. v. § 15 AktG zueinander stehen.22 Für die Veranstalter zulassungsfreier bundesweit ausgerichteter Rundfunkprogramme gilt § 57 gem. § 54 Abs. 4 Satz 1 MStV nicht. Abgesehen davon, dass die nach handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften bestehenden Verpflichtungen in der Praxis nicht selten – folgenlos – missachtet werden, ist die einheitliche Inpflichtnahme aller (privaten) Veranstalter zulassungspflichtiger bundesweit ausgerichteter Rundfunkprogramme und der an ihnen i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 2 MStV Beteiligten ohne Rücksicht auf die Rechtsform samt der Bußgeldbewehrung grundsätzlich sachgerecht und angemessen. Angesichts der Bedeutung des Rundfunks für die öffentliche Meinungsbildung ist die Transparenz wichtig. Das Gesetz stellt auf den Veranstalter bzw. das Unternehmen der genannten Beteiligten ab. Jahresabschlüsse der Konzernmutter einer Senderfamilie reichen zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht nicht aus.23 Der Bußgeldtatbestand, der sich aus Sanktionsnorm (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MStV) und Ausfüllungsnorm (§ 57 Abs. 1 MStV) zusammensetzt, erfasst ausdrücklich neben dem Rundfunkveranstalter selbst die unmittelbar Beteiligten, denen das Programm des Veranstalters gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 MStV und die mittelbar Beteiligten, denen das Programm nach § 62 Abs. 1 Satz 2 MStV zuzurechnen ist. Der Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MStV enthält ein echtes Unterlassungsdelikt, das nur vorsätzlich verwirklicht werden kann. Aufgrund der Tatbestandsfassung ist sowohl das Unterlassen der fristgerechten Erstellung als auch („oder“) der fristgemäßen Bekanntmachung eines Jahresabschlusses samt Anhang und Lagebericht nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften durch die jeweiligen Normverpflichteten für ihr jeweils eigenes Unternehmen bußgeldbewehrt. Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn zu Beginn des zehnten Monats nach Ablauf des Geschäftsjahres der Jahresabschluss „samt Anhang und Jahresbericht“ noch nicht bekannt gemacht ist. Die fristgerechte Bekanntmachung des Jahresabschlusses ohne Anhang oder Jahresbericht ist nicht ausreichend und hindert die Durchführung eines Bußgeldverfahrens nicht; allerdings findet bei der tatangemessenen Bußgeldbemessung eine Berücksichtigung statt.

 BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 57 Rn. 10.  Zur Verfassungskonformität s. BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 57 Rn. 4 f. 23  VG Berlin, Urt. v. 22.5.2012 – VG 27 K 339.10, BeckRS 2012, 51680. 21 22

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

Die besondere rundfunkrechtliche Bekanntmachungsfrist ist nach dem Normtext „bis zum Ende des neunten auf das Ende des Geschäftsjahres folgenden Monat“ zu erfüllen. Es spricht manches dafür, die Grundsätze der neuen BGH-Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei sog. Fälligkeitsdelikten anzuwenden.24 Dann beginnt die sechsmonatige Verjährung mit Beginn des auf das Geschäftsjahr folgenden zehnten Monats. Anderenfalls begönne sie erst ab nachträglicher Pflichterfüllung (Erstellung, Bekanntmachung) oder Erlöschen (durch Beendigung des Rundfunkbetriebs) zu laufen. Die unvorsätzliche Fristversäumung erfüllt den subjektiven Bußgeldtatbestand nicht. Ein eingeleitetes Bußgeldverfahren ist zwingend nach §  46 Abs.  1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Stellt ein Normverpflichteter nach der Fristversäumung seine Bemühungen zur Erstellung und Bekanntmachung endgültig ein, stellt die Perpetuierung des Unterlassens keine neue oder eigene Ordnungswidrigkeit dar.

9.1.10 Geplante Beteiligungsveränderungen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 MStV richtet sich an den Veranstalter und an die weiteren anmeldepflichtigen Beteiligten i. S. d. § 63 Satz 2 MStV. Der Veranstalter hat – gegebenenfalls handelnd durch seinen gesetzlichen Vertreter  – der zuständigen Landesmedienanstalt, d. h. seiner Zulassungsanstalt, geplante Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse und der sonstigen Einflüsse i. S. d. § 62 Abs. 1 bis 3 MStV vor dem Vollzug anzumelden.25 Die gleiche Pflicht trifft die an dem Veranstalter beteiligten Gesellschafter und mittelbar Beteiligten (s. o. 9.1.6). Nicht anmeldepflichtig sind die Erwerber von Geschäftsanteilen, d. h. eintrittswillige künftige Gesellschafter. Es ist nicht näher einzugrenzen, von welchem Planungsstand an die Anmeldepflicht besteht. Eine Ahndung mit Geldbuße kommt nur dann in Betracht, wenn die Anmeldepflicht bis zum letztmöglichen Zeitpunkt nicht erfüllt wurde, d. h. wenn die Änderung der Beteiligungs- oder sonst maßgeblichen Einflussverhältnisse vor Anmeldung vollzogen wurde. Eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse ist nicht erst dann vollzogen i. S. d. § 63 Satz 4 MStV, wenn alle erstrebten Rechtswirkungen endgültig eingetreten sind. Wurde z. B. der Erwerb von Gesellschaftsanteilen notariell beurkundet, der Eintritt der Rechtswirkungen aber von der Bezahlung des Kaufpreises abhängig gemacht, ist die Anmeldung mit der Absendung des Überweisungsauftrags nicht mehr pflichtkonform. Von einer lediglich geplanten ­Veränderung kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Veranstalter bereits  Vgl. BGH, Beschl. v. 1.9.2020 – 1 StR 58/19, NJW 2020, 3469 m. Anm. Klötzer-Assion, Anm. Gehm, NZWiSt 2021, 16, Bespr. Schulteis, GWR 2020, 481; s. noch den Anfragebeschluss des BGH v. 13.11.2019 − 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 m. Anm. Lanzinner, Bespr. Lorenz, FD-StrafR 2020, 425803, Beukelmann, NJW-Spezial 2020, 89, Zieglmeier, NZS 2020, 196 und die Zustimmung der Strafsenate des BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – 3 ARs 1/20, BeckRS 2020, 3029; BGH Beschl. v. 6.2.2020 – 5 ARS 1.20, BeckRS 2020, 2837; BGH Beschl. v. 15.7.2020 – 2 ARs 9/20, BeckRS 2020, 19829. 25  BeckOK InfoMedienR/Müller-Terpitz, MStV § 63 Rn. 3 ff. 24

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vertragliche Verpflichtungen zur Umsetzung der Planung eingegangen ist, von denen er nicht mehr ohne weiteres zurücktreten kann. Vertragsabschlüsse unter Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Landesmedienanstalt schließen dagegen den Tatbestand aus.

9.1.11 Weiterverbreitungsanzeige 9.1.11.1 Der Tatbestand der Weiterverbreitung Im Unterschied zur (Erst-)Verbreitung (vgl. Art. 2 Buchst. a Europaratskonvention), dem Bereitstellen eines linearen Mediendienstes für den zeitgleichen Empfang, wie Art. 1 Buchst. e AVMD-RL formuliert, bezeichnet die Weiterverbreitung den Empfang eines Mediendienstes und seine Weiterverbreitung mittels eines weiteren Verbreitungsmediums (vgl. Art. 2 Buchst. b Europaratskonvention). Der Anbieter „verbreitet“ den Inhalt eines audiovisuellen Mediendienstes dadurch, dass er ihn mit der Möglichkeit des massenweisen Empfangs mit funktechnischen Mitteln aussendet bzw. aussenden lässt. Der Veranstalter eines Satellitenfernsehprogramms „verfügt“ üblicherweise nur als Mieter über Kapazität auf einem direktstrahlenden Rundfunksatelliten. Tatsächlich liefert er sein sendefertiges Signal zumeist über ebenfalls angemietete Leitungen von seinem Studio zur Aufwärtsstation, dem sog. Uplink eines Satellitenbetreibers, der die Sendesignale im Auftrag des Rundfunkveranstalters über Satellit ausstrahlt. Die Weiterverbreitung in einem anderen Verteilmedium, z. B. in einer Breitbandkabelanlage, setzt den Empfang mittels einer technisch geeigneten Empfangseinrichtung, üblicherweise eine technische Aufbereitung des Sendesignals und die Einspeisung in die Kabelanlage voraus. Breitbandkabelanlagen wurden von der Deutschen Bundespost ursprünglich als reine Verteilnetze ausgebaut. Nach der Privatisierung der Kabelnetze wurden diese zunehmend für bidirektionale Kommunikation aufgerüstet und ermöglichen heute in der Regel neben dem Rundfunkempfang originärer Kabel- und weiterverbreiteter terrestrischer oder Satellitenprogramme auch einen Internetzugang und Telefonie (sog. triple play). Technisch hat nur der Kabelnetzbetreiber – bei digitaler Technik als Anbieter einer Medienplattform i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 19 MStV – die Möglichkeit zu entscheiden, welche Dienste dem Kabelendkunden angeboten werden. Den technischen Vorgang der Weiterverbreitung beherrscht nur der Anbieter der Medienplattform. Urheberrechtlich ist er jedoch zur Weiterverbreitung eines audiovisuellen Mediendienstes nur mit Zustimmung des Rundfunkveranstalters oder Telemedienanbieters berechtigt.26  S. dazu § 87 Abs. 5 UrhG: „1Sendeunternehmen und Weitersendedienste sind gegenseitig verpflichtet, einen Vertrag über die Weitersendung im Sinne des § 20b Absatz 1 Satz 1 durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, sofern nicht ein die Ablehnung des Vertragsabschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht; die Verpflichtung des Sendeunternehmens gilt auch für die ihm in Bezug auf die eigene Sendung eingeräumten oder übertragenen Senderechte. 2Auf Verlangen des Weitersendedienstes oder des Sendeunternehmens ist der Vertrag gemeinsam mit den in Bezug auf die Weitersendung durch Kabelsysteme oder 26

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

9.1.11.2 Die Anzeigepflicht Sendetechnisch unterscheiden sich der (Erst-)Verbreitungs- und der Weiterverbreitungsvorgang grundsätzlich nicht. Gleichwohl stellt das Rundfunkrecht unterschiedliche Anforderungen auf: Die Weiterverbreitung ist von der grundsätzlich bestehenden Zulassungspflicht für die (Erst-)Verbreitung (vgl. §  52 Abs.  1 Satz 1 MStV) befreit. Das heißt, dass der territorial zuständige Rundfunkgesetzgeber des Empfangslandes eine andernorts bereits durchgeführte rundfunkrechtliche Prüfung und Beaufsichtigung akzeptiert und die Weiterverbreitung in seinem Zuständigkeitsgebiet keinen zusätzlichen eigenen Anforderungen unterwirft. Für europäische Programme ist die Bundesrepublik Deutschland dazu gem. Art. 3 Abs. 1 AVMD-RL verpflichtet (s. auch Art. 4 der Europaratskonvention). Rundfunkrechtlich bedarf es für die zeitgleiche und unveränderte Weiterverbreitung von bundesweit empfangbaren Fernsehprogrammen, die in Europa in rechtlich zulässiger Weise veranstaltet werden, keiner Formalitäten; sie ist nach § 103 Abs. 1 Satz 1 MStV ohne weiteres zulässig;27 auf die Erweiterung des § 103 Abs. 1 MStV durch den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag über Weiterverbreitungsfälle hinaus, kommt es im Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 48 MStV nicht an, der auf die Verletzung von Anzeigepflichten bei der Weiterverbreitung beschränkt ist. Fernsehprogramme aus Drittstaaten, die weder in der EU unter dem Rechtsregime der AVMD-Richtlinie noch im Geltungsbereich der Europaratskonvention veranstaltet werden, müssen vor ihrer Weiterverbreitung in Deutschland mindestens einen Monat vor Beginn der Weiterverbreitung vom Rundfunkveranstalter bei der für die Plattform territorial zuständigen28 Landesmedienanstalt angezeigt werden. Die Anzeige muss nach § 103 Abs. 2 Satz 3 MStV die Nennung eines Programmverantwortlichen, eine Beschreibung des Programms und die Vorlage einer Zulassung oder eines vergleichbaren Dokuments enthalten. 9.1.11.3 Exkulpation bei Pflichtübertragung auf Plattformbetreiber § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 48 i. V. m. § 103 Abs. 2 Satz 1 MStV enthält aufgrund der Adressierung der Ausfüllungsnorm einen Sondertatbestand für Veranstalter nichteuropäischer Fernsehprogramme. Die fakultativ vorgesehene freiwillige Anzeige durch den Plattformbetreiber (§ 103 Abs. 2 Satz 2 MStV) erfolgt mit befreiender Wirkung für den Veranstalter. Der Wortlaut des Bußgeldtatbestandes wurde geändert. War der Rundfunkveranstalter bisher nur vom Tatbestand ausgenommen, wenn die Anzeige durch den Plattformanbieter „vorgenommen wurde“, lautet die Mikrowellensysteme anspruchsberechtigten Verwertungsgesellschaften zu schließen, sofern nicht ein die Ablehnung eines gemeinsamen Vertragsschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht. 3 Sofern Sendeunternehmen und Weitersendedienste Verhandlungen über andere Formen der Weitersendung aufnehmen, führen sie diese nach Treu und Glauben.“ 27  BCHHG, MStV § 103 Rn. 5. 28  Die Verwendung des Begriffs „Geltungsbereich“ in §103 Abs. 2 Satz 1 MStV ist so schief wie in der Vorläuferbestimmung § 51b Abs. 2 Satz 1 RStV: Normen haben einen Geltungsbereich, Institutionen einen Zuständigkeitsbereich.

9.2  Großereignisse gegen Entgelt

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aktuelle Gesetzesfassung: „soweit die Anzeige nicht nach § 103 Abs. 2 Satz 2 durch den Anbieter einer Medienplattform vorgenommen wird.“ Das dürfte bedeuten, dass sich der Rundfunkveranstalter gegenüber der Bußgeldbehörde nicht erst durch den Nachweis der erfolgten Anzeige des Plattformanbieters, sondern bereits durch den Nachweis einer verbindlichen Vereinbarung mit dem Anbieter der Medienplattform exkulpieren kann, dass diesem die fristgemäße Anzeige im Innenverhältnis obliegt. Die Ahndung als Ordnungswidrigkeit setzt – wie bei allen Tatbeständen des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV – den Nachweis des Vorsatzes im Bußgeldverfahren voraus (s. § 10 OWiG).

9.1.11.4 Tathandlungsvarianten Bußgeldbewehrt ist nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht nur die verspätete oder unterlassene, sondern auch die unvollständige Anzeige. In der Verspätungsvariante (weniger als einen Monat vor Beginn der Weiterverbreitung) handelt es sich um ein „Fälligkeitsdelikt“ (s. u. 12.2). Neben der Verspätungsvariante enthält die Tatbestandsfassung als eigenständigen Unterlassungstatbestand die Variante „nicht … anzeigt“, die im Wege eines Erst-recht-Schlusses in die Verspätungsvariante („nicht rechtzeitig … anzeigt“) hineingelesen werden könnte. Die unbefristete Pönalisierung der Nichtanzeige in der Tatbestandsfassung hat zur Folge, dass die Verfolgungsverjährung mit Erfüllung der Anzeigepflicht bzw. Kenntniserlangung der Landesmedienanstalt29 oder mit Beendigung der Weiterverbreitung zu laufen beginnt. Bei der unvollständigen Anzeige handelt es sich um ein Begehungsdelikt; die Verjährung beginnt mit Einreichung der unvollständigen Anzeige bei der zuständigen Landesmedienanstalt.

9.2 Großereignisse gegen Entgelt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 AVMD-RL30 erlaubt den EU-Staaten, „Ereignisse, denen der betreffende Mitgliedsstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst“, mit der Konsequenz in eine Liste aufzunehmen, dass diese nicht ausschließlich im verschlüsselten Bezahlfernsehen übertragen werden dürfen, sondern im ohne besonderes Entgelt empfangbaren Fernsehen, dem sog. Free-TV, zumindest eine zeitversetzte Berichterstattung erfolgt. § 13 Abs. 2 MStV enthält eine solche Liste, die Deutschland als Sport-, insbesondere aber als Fußballnation ausweist. Außer vielfältigsten Fußballereignissen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2–5 MStV) sind nur noch die Olympischen Sommer- und Winterspiele Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung in Deutschland,31 wobei gem. §  13 Abs.  2 Satz 2 MStV jedes Einzelereignis der Spiele als Großereignis i. S. d. Vorschrift gilt. Eine zeitgleiche Ausstrahlung aller als Großereignis geltenden Einzelereignisse in einem linear  Vgl. BayObLG, Urt. v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 103/90, NJW 1991, 711 (712).  ABl. EG Nr. L 95 vom 15.4.2010, S. 1. 31  BCHHG, MStV § 13 Rn. 47; krit. dazu BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 13 Rn. 10. 29 30

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

verbreiteten Programm ist bei den Olympischen Spielen bereits aus praktischen Gründen unmöglich. Abgesehen davon verlangt § 13 Abs. 1 MStV die E ­ rmöglichung der zeitgleichen, allenfalls geringfügig zeitversetzten, Ausstrahlung zu angemessenen Bedingungen in einem frei empfangbaren Programm, das in mehr als zwei Dritteln der rund 35  Mio. Fernsehhaushalte in Deutschland tatsächlich empfangbar ist, bevor eine Ausstrahlung im verschlüsselten Bezahlfernsehen zugelassen ist. Es gibt in Deutschland ein sehr vielfältiges digitales Bezahlfernseh-Angebot, das jeweils in sog. Vermarktungspaketen angeboten wird (z.  B.  Sky, Vodafone Premium, Magenta TV, DAZN Unlimited, Giga TV). Gesetzgeberisches Anliegen ist die Zugänglichmachung besonderer Großereignisse für die Mehrheit der Fernsehnutzer ohne zusätzliche Bezahlung. Die Sicht des § 13 MStV ist deshalb nicht veranstalterbezogen.32 Sofern ein Rundfunkveranstalter gleichzeitig werbefinanziertes Free-TV als auch Bezahlfernsehen anbietet, ist er nicht verpflichtet, einem anderen Veranstalter die Ausstrahlung im Free-TV zu angemessenen Bedingungen zu ermöglichen; er kann das innerhalb der eigenen sog. Senderfamilie bewegen. Entschließt sich ein Pay-TV-Veranstalter nicht zur parallelen Übertragung eines Großereignisses in einem seinem Einflussbereich zurechenbaren frei empfangbaren Programm, so wird man zur Vermeidung der Folgen des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16 MStV zumindest verlangen müssen, dass er einem oder zwei besonders finanzkräftigen Konkurrenten, die über geeignete Programme i. S. d. § 13 Abs. 1 MStV verfügen, ein faires Angebot macht. Unangemessen sind die Bedingungen dann, wenn weder Einigkeit über die konkrete Vergütungshöhe erzielt wird noch die Bereitschaft besteht, ein Schiedsverfahren zu vereinbaren und die Übertragung zu ermöglichen.33 Falls der zwischen möglichem Rechteerwerb und Beginn des Großereignisses liegende Zeitraum dies zulässt, ist der Pay-TV-Veranstalter gut beraten, allen in Frage kommenden Veranstaltern frei empfangbarer Programme im privaten und öffentlich-­rechtlichen Rundfunksystem in Deutschland die Übertragung zu angemessenen Bedingungen anzubieten, bevor er sich zur entgeltlichen Ausstrahlung in seinem verschlüsselten Programm entschließt. Jedenfalls ist es an ihm, im Bußgeldverfahren nachzuweisen, dass er die Ausstrahlung in einem geeigneten frei empfangbaren Programm zu angemessenen Bedingungen erfolglos angeboten hat. Wenn sich kein Veranstalter findet, der das Ereignis zu angemessenen Bedingungen, die notfalls in einem Schiedsgerichtsverfahren festzustellen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 2 MStV), im sog. Free-TV übertragen will, ist eine Übertragung exklusiv im Bezahlfernsehen zulässig.34 Eine Geldbuße ist nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16 MStV jedenfalls dann verwirkt, wenn vor der verschlüsselten Ausstrahlung zum entgeltlichen Empfang überhaupt keinem vom eigenen Einflussbereich des Pay-TV-Veranstalters unabhängigen Free-TV-Veranstalter die Übertragung eines der in §  13 Abs.  2 MStV genannten Großereignisse zu angemessenen Bedingungen angeboten wurde.  Vgl. auch Hesse, ZUM 2000, 191.  Vgl. BCHHG, MStV § 13 Rn. 40; BeckOK InfoMedienR/Cornils, MStV § 13 Rn. 19. 34  Vgl. BCHHG, MStV § 13 Rn. 29. 32 33

9.3  Unzulässige Rundfunkveranstaltung

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9.3 Unzulässige Rundfunkveranstaltung Lt. amtl. Begr. entspricht „§ 115 … dem bisherigen § 49 des Rundfunkstaatsvertrages und enthält die durch die materiell-rechtlichen Neuregelungen und Anpassungen des Medienstaatsvertrages notwendigen Folgeänderungen im Bereich der Ordnungswidrigkeiten.“ Mehr verrät die amtl. Begr. zu § 115 MStV nicht. Die „materiell-rechtlichen Neuregelungen“ im Zulassungsrecht sind nicht unwesentlich. Die bisherige Aufteilung in zulassungspflichtigen Rundfunk (§  20 Abs.  1 Satz 1 RStV), anzeigepflichtigen Internethörfunk (§  20b RStV) und anmelde- und zulassungsfreie Telemedien (§ 54 Abs. 1 Satz 1 RStV), die unter bestimmten Voraussetzungen durch einstimmigen Beschluss der ZAK dem Rundfunk zugeordnet werden konnten (§  20 Abs.  2 RStV), wurde im Medienstaatsvertrag nämlich nicht fortgeführt. Zwischen zulassungspflichtigen Rundfunkprogrammen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 MStV) und anmelde- und zulassungsfreien Telemedien (§ 17 Satz 1 MStV) wurde in §  54 MStV eine neue Kategorie des anmelde- und zulassungsfreien Rundfunks eingeführt, der allen rundfunkrechtlichen Regularien  – mit Ausnahme der Zulassungspflicht – unterliegt. Der vormals lediglich anzeigepflichtige reine Internethörfunk (§ 20b RStV) unterliegt nun der Zulassungspflicht, soweit er nicht nach §  54 MStV zulassungsfrei ist. Nach altem Recht ordnungsgemäß angezeigte Internethörfunkprogramme gelten nach § 54 Abs. 3 MStV als zugelassene Programme – auch dann, wenn sie nach neuem Recht zulassungsfrei wären.35 Beim Übergang zum Medienstaatsvertrag wurden die fünf Ausnahmen aus dem Rundfunkbegriff in §  2 Abs.  3 RStV bis auf eine zusammengestrichen: §  2 Abs.  3 MStV definiert Pay-­per-­view-Angebote, bei denen es sich um „Fernsehprogramme“ i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Buchst. e AVMD-RL handelt, aus dem Rundfunkbegriff heraus, unterstellt sie aber neben „sonstigen linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien“ in § 74 Satz 2 MStV weitgehend dem Rundfunkwerberecht. Die übrigen Ausnahmen aus dem Rundfunkbegriff sind entfallen. Soweit nicht die neue Definition des Sendplans in § 2 Abs. 2 Nr. 2 MStV36 der Subsumtion eines linearen audiovisuellen Medienangebots unter den Rundfunkbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 MStV entgegensteht, finden sich die ehemaligen „Ausnahmetelemedien“ des §  2 Abs.  3 Nr.  1–4 RStV im Rechtsregime für zulassungsfreie Rundfunkprogramme i. S. d. § 54 MStV wieder. § 49 RStV enthielt eine Bußgeldandrohung für die Veranstaltung von Rundfunk ohne Zulassung (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 RStV) und eine in gleicher Höhe für die unterlassene oder nicht vollständige Anzeige eines ausschließlich im Internet verbreiteten Hörfunkprogramms (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 RStV). Nur die Anzeigepflichtverletzung, nicht die Veranstaltung von nicht angezeigtem Internethörfunk war bußgeldbewehrt; das war für die Verfolgungsverjährung bedeutsam. §  115 MStV enthält Bußgeldandrohungen in gleicher Höhe (§ 115 Abs. 2 MStV) für die Veranstaltung von zulassungspflichtigem Rundfunk ohne Zulassung (§ 115 Abs. 1

 Bornemann, ZUM 2021, 555 (558).  Zum vormaligen Recht s. Bornemann, ZUM 2013, 845 (848); OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2019 – OVG 11 S 72.18, ZUM-RD 2020, 412 m. Bespr. Bornemann, K&R 2019, 377 (378). 35 36

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

Satz 1 Nr.  18), für die Veranstaltung von zulassungspflichtigem Rundfunk, ohne dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 53 MStV erfüllt sind (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19), und für die Veranstaltung von zulassungsfreiem Rundfunk, ohne dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechend § 53 MStV – mit Ausnahme von dessen Absatz 1 Satz 1 – erfüllt sind (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 20 MStV).

9.3.1 Veranstalten von zulassungspflichtigem Rundfunk ohne Zulassung 9.3.1.1 Verbreitung über Satellit oder im Internet Vormals waren Rundfunkprogramme ohne Ausnahme zulassungspflichtig. Seit Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags sind sie grds. zulassungspflichtig (§ 52 Abs. 1 Satz 1 MStV). Eine Zulassungspflicht für Rundfunkprogramme wird aus verwaltungsrechtlicher Sicht als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt interpretiert.37 Die zulassungspflichtige Rundfunkveranstaltung stellt als solche kein rechtlich missbilligtes Verhalten dar. Zu missbilligen ist die Veranstaltung zulassungspflichtiger Rundfunkprogramme ohne Zulassung deshalb, weil der Betroffene vor Beginn der Rundfunkveranstaltung keine Landesmedienanstalt eingeschaltet hat, der somit die Kontrolle über potenzielle Gefährdungen (z. B Jugendschutz) nicht ermöglicht wurde.38 Das Merkmal „ohne Zulassung“ ist negatives Tatbestandsmerkmal. Ein Veranstalter (§ 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV) von bundesweit ausgerichtetem privaten Rundfunk, der nicht über eine vollziehbare Zulassung einer Landesmedienanstalt nach § 53 MStV verfügt, veranstaltet – außer im Fall des § 54 Abs. 1 MStV (zulassungsfreie Rundfunkprogramme) – „entgegen § 52 Abs. 1 Satz 1 ohne Zulassung ein Rundfunkprogramm.“ Ob noch keine Zulassung wirksam erteilt wurde oder eine bestehende Zulassung mit Sofortvollzug entzogen wurde, spielt keine Rolle. Beide Konstellationen erfüllen den Bußgeldtatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV. Die Tatbestandserfüllung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Rundfunkveranstaltung genehmigungsfähig ist. Der objektive Tatbestand ist auch – erst recht – erfüllt, wenn die Rundfunkveranstaltung nicht genehmigungsfähig ist. Der Bußgeldrahmen von 5,00 € (§ 17 Abs. 1 Satz 1 OWiG) bis zu 500.000,00 € (§ 115 Abs.  2 MStV) eröffnet genügend Spielraum, um zwischen der Schwere des Vorwurfs zu differenzieren, der den Täter bei der Veranstaltung einerseits zulassungsfähigen oder andererseits nicht zulassungsfähigen zulassungspflichtigen Rundfunks trifft (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Unkenntnis der Erlaubnispflicht – soweit glaubwürdig – wäre als (vermeidbarer) Verbotsirrtum (Irrtum über die Rechtslage) zu behandeln (s. o. 2.3.1.2.3).39 Anders aber, wenn der Betroffene irrig die tatsächlichen Voraussetzungen der Ge Fechner, Medienrecht Kap. 10 Rn. 187.  Vgl. Mitsch, OWiR, S. 88 f. (Rn. 22). 39  Von Tatbestandsirrtum gehen in solchen Fällen aus: Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 208, 237. 37 38

9.3  Unzulässige Rundfunkveranstaltung

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nehmigungsfreiheit nach §  54 Abs.  1 MStV angenommen hat. Die Zulassungspflicht entfällt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MStV z. B. für Rundfunkprogramme, „die nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten“. Die Landesmedienanstalten haben auf Grund der Satzungsermächtigung in §  54 Abs.  2 MStV dazu konkretisierende Regelungen in übereinstimmenden „Satzung(en) zur Konkretisierung der Zulassungsfreiheit nach §  54 Abs.  1 des Medienstaatsvertrags (Satzung Zulassungsfreiheit  – ZFS)“ erlassen, die am 15.4.2021  in Kraft getreten sind. Kriterien für eine geringe Meinungsbildungsrelevanz sind nach § 4 Abs. 2 ZFS bspw., dass der Inhalt ausschließlich oder klar überwiegend die Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen bezweckt (Nr. 1) oder ausschließlich oder klar überwiegend Belange der persönlichen Lebensgestaltung betrifft (Nr. 2). In § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 4 ZFS finden sich die vormals als „Veranstaltungsrundfunk“ bzw. „Einrichtungsrundfunk“ bekannten Sendungen wieder, für die §  20 Abs.  3 RStV den Landesgesetzgebern ermöglichte, vereinfachte Zulassungsverfahren vorzusehen. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MStV lässt die Zulassungspflicht für Programme entfallen, „die im Durchschnitt von sechs Monaten weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen oder in ihrer prognostizierten Entwicklung erreichen werden.“ Veranstalter von neuen Internetangeboten werden sich zumindest in den ersten sechs Monaten nach Aufnahme der Sendetätigkeit i. d. R. darauf berufen können, dass sie von der Zulassungsfreiheit ihres Angebots ausgegangen seien. Ferner begründet die irrige Annahme, dass eine Erlaubnis vorläge, einen Tatbestandsirrtum (Irrtum über die Sachlage), der den Vorsatz ausschließt.40 Ein Satellitenbetreiber oder auch ein Internet-Service-Provider, der ein bundesweit ausgerichtetes Rundfunkprogramm für den Veranstalter streamt, kann selbst Adressat eines Bußgeldbescheides sein, obwohl er nicht Veranstalter ist, da gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 OWiG die Beteiligung an der Tat des Veranstalters ausreichend ist. Das Fehlen der Veranstaltereigenschaft kann unter Umständen mildernd berücksichtigt werden. Nach h. M. ist nur die vorsätzliche Beteiligung an einer „fremden“ Tat bußgeldbewehrt.41 Befindet sich der Satellitenbetreiber oder Internet-­Service-­ Provider beispielsweise über das Vorliegen einer Zulassung im Tatbestandsirrtum, stellt er sich also fälschlicherweise die erfolgte Erteilung einer Zulassung vor oder weiß er nichts vom erfolgten Zulassungswiderruf, handelt er ohne Vorsatz und wäre nach der h. M. nicht ahndbar.

9.3.1.2 Terrestrische Verbreitung Seit Bestehen der Bundesrepublik war die Nutzung von erdgebundenen drahtlosen Sendeanlagen (sog. terrestrische Sender) ausschließlich im Recht der einzelnen Länder geregelt, die die Hoheit über die terrestrischen Sendeanlagen auf ihrem Staatsgebiet beanspruchten. Durch den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19.12.2007 wurde ein neuer § 51a RStV (nunmehr: § 101 MStV) eingefügt, der die bundesweite Zuweisung von drahtlosen Übertragungskapazitäten durch die Landes-

40 41

 BeckOK InfoMedienR/Mitsch, § 49 RStV Rn. 69 und 69.1.  Göhler, OWiG § 14 Rn. 3 f.

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medienanstalten möglich machte.42 § 102 MStV regelt das Zusammenwirken der Landesmedienanstalten bei der Zuweisung solcher drahtlosen Übertragungskapazitäten für bundesweite Versorgungsbedarfe. Für die originäre Verbreitung bundesweit ausgerichteter Hörfunkprogramme im bundesweiten DAB-Multiplex gilt die Zulassungspflicht nach § 52 Abs. 1 Satz 1 MStV, soweit kein Fall nach §  54 Abs.  1 MStV vorliegt. Werden zulassungspflichtige bundesweit ausgerichtete Hörfunkprogramme im bundesweiten DAB-­ Multiplex ohne Zulassung verbreitet, ist § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV für den Sendebeginn vor Erteilung einer Zulassung bzw. die Fortsetzung der Sendetätigkeit nach dem vollziehbaren Entzug der Rundfunkzulassung einschlägig. Findet eine Nutzung bspw. einer landesweiten DAB-Bedeckung für die zusätzliche Verbreitung eines zulassungspflichtigen bundesweit ausgerichteten Satellitenhörfunkangebots statt, ist § 115 MStV nur für die Satellitenverbreitung einschlägig; die Beurteilung der zusätzlichen terrestrischen Verbreitung im landesweiten DAB-Multiplex richtet sich allein nach dem Landesmedienrecht des betroffenen Landes. Im Bereich der terrestrischen Verbreitung des Fernsehens in digitaler Technik sind die Landesmedienanstalten mit der Einführung der zweiten Generation von digitalen Sendeanlagen und Empfangsgeräten (DVB-T2) einen neuen Weg gegangen. Sie haben die Übertragungskapazitäten nicht mehr jeweils einem Fernsehveranstalter für die Verbreitung eines bestimmten Programms zugewiesen. Die Übertragungskapazitäten der terrestrischen Sendeanlagen wurden stattdessen der Media Broadcast als Sendernetzbetreiber i.  S.  d. §  3 Nr.  7 TKG für den Betrieb einer Medienplattform i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 14 MStV zugewiesen; die Zuweisung an den Anbieter einer Medienplattform sieht § 102 Abs. 1 MStV ausdrücklich vor. Anders als beim digitalen Hörfunk haben sich keine Fernsehangebote entwickelt, die ausschließlich terrestrisch bundesweit verbreitet werden. Vielmehr handelt es sich um die zusätzliche DVB-T-Verbreitung entweder von Satellitenprogrammen, die ohnehin von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV erfasst werden, oder von lokal, regional oder landesweit ausgerichteten Fernsehprogrammen, deren Ursprung die Verbreitung in regionalen Breitbandkabelnetzen ist. Deren Veranstalter gehören nicht zu den Adressaten des § 115 MStV; für sie gelten ausschließlich die Ordnungswidrigkeitentatbestände des für sie zuständigen Landesmedienrechts.

9.3.2 Veranstalten von nicht zulassungsfähigem Rundfunk Beispiel

Die Deutsche Kreditbank (DKB), ein Tochterunternehmen der Bayerischen Landesbank AöR erwirbt eine Personenhandelsgesellschaft, um die Insolvenz des Unternehmens zu verhindern und Arbeitsplätze zu sichern. Die erworbene Personenhandelsgesellschaft veranstaltet ein bundesweit ausgerichtetes zulassungspflichtiges Rundfunkprogramm. ◄ 42

 So die amtl. Begr., Bayer Landtag, Drs. 15/9667, 21.

9.3  Unzulässige Rundfunkveranstaltung

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Der Bußgeldtatbestand der Veranstaltung zulassungspflichtigen, aber nicht zulassungsfähigen Rundfunks (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV) ist neu. In der amtl. Begr. wird der neue Tatbestand nicht erläutert. Im Normtext „fehlt“ das negative Tatbestandsmerkmal „ohne Zulassung“. Die spontane Vermutung, es könnte ein Redaktionsversehen vorliegen, da anderenfalls der Gesetzgeber einem Zulassungsinhaber das Risiko der falschen Anwendung des § 53 MStV durch die zulassende Landesmedienanstalt auferlegen würde, wird durch einen Vergleich der Bußgeldandrohungen erschüttert. Denn es gibt keine Differenzierung beim Bußgeldrahmen; das spricht gegen die Annahme einer Qualifizierung des vorhergehenden Bußgeldtatbestandes. Ein unterschiedlicher Unrechtsgehalt, eine unterschiedliche Schwere des Vorwurfs bei der Veranstaltung zulassungspflichtigen Rundfunks ohne Zulassung kann vollständig im Rahmen einer Ahndung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV geleistet werden. Der Unterschied in den Tatbestandsfassungen einerseits des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 und andererseits Nr. 19 MStV wäre für die Frage der Ahndbarkeit und des anzuwendenden Bußgeldrahmen völlig bedeutungslos, wenn man in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV das negative Tatbestandsmerkmal „ohne Zulassung“ hineinlesen würde. Wenn der Normtext aus Respekt vor dem demokratischen Gesetzgeber wortgetreu ausgelegt und die Normgeltung nicht entgegen dem Wortlaut eingeschränkt wird, müssen ein paar schwierige Fragen beantwortet werden. Sie haben kein derartiges Gewicht, dass eine Normreduktion im Wege verfassungskonformer Interpretation geboten wäre. Eine genaue Analyse nahe liegender Fallkonstellationen macht deutlich, dass § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV einen sinnvollen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Anwendungsbereich hat, wenn er auf die zugelassene Veranstaltung von zulassungspflichtigem, aber nicht zulassungsfähigem Rundfunk angewendet wird – und darüber hinaus restriktiv zu handhaben ist.

9.3.2.1 Rundfunkveranstaltung auf Basis einer rechtswidrigen Zulassung In § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV ist das Merkmal der fehlenden Zulassungsfähigkeit nach §  53 MStV entscheidend. Die Tatbestandserfüllung wird nicht durch eine – bei Fehlen der Zulassungsvoraussetzungen rechtswidrige – Zulassung ausgeschlossen. Der objektive Tatbestand ist durch das Veranstalten eines Rundfunkprogramms unter zwei Voraussetzungen erfüllt: • es handelt sich um ein nach § 52 Abs. 1 Satz 1 MStV zulassungspflichtiges, aber • nach § 53 MStV nicht zulassungsfähiges bundesweit ausgerichtetes Rundfunkprogramm, das entweder nachträglich unzulässig geworden ist (vgl. §  108 Abs.  2 Nr.  1 MStV) oder das von vornherein nicht hätte genehmigt werden dürfen (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 1 MStV). Damit würde die Erschleichung einer Rundfunkzulassung mit

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falschen Angaben zwar nicht als solche ordnungswidrig, aber die Aufnahme der Rundfunkverbreitung aufgrund einer erschlichenen Zulassung. Der Einwand, der Gesetzgeber hätte das Erschleichen einer Rundfunkzulassung unmittelbar bußgeldbewehren können, verfängt nicht. Denn der Unrechtsgehalt der Rundfunkveranstaltung mit erschlichener Zulassung ist ungleich größer als der des Erschleichens der Z ­ ulassung, von der dann möglicherweise kein Gebrauch gemacht wird. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die weniger gefährliche Vorbereitungshandlung des Erschleichens der Zulassung nicht selbstständig zu sanktionieren, ist nicht kritikwürdig. Die Sondersituation des Rundfunks, die das BVerfG mit der Begriffstrias „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ beschreibt,43 macht das Medium zu einem eminenten Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Die Massenmedien sind Demokratie konstituierend.44 Die Kehrseite der Medaille ist, dass ihr Meinungsbeeinflussungspotenzial zugleich Demokratie gefährdend sein kann. Deshalb hat eine wehrhafte Demokratie ein vitales Interesse daran, ungeeignete Personen vom Zugang zum wirkmächtigen Rundfunk auszuschließen. Das führt einerseits zu einem verringerten Vertrauensschutz bei Zulassungsrücknahme und -widerruf, die nicht im Ermessen der Landesmedienanstalt stehen; zur Wahrung verfassungsrechtlicher Verhältnismäßigkeit sind dem Rundfunkveranstalter bei abhilfefähigen Defiziten Fristen zur Abhilfe einzuräumen.45 Entschädigungsansprüche schließt §  108 Abs.  3 Satz  1 MStV aus. Es führt andererseits nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV auch zu einer Verringerung des Vertrauensschutzes auf die Wirkung einer Zulassung im Bußgeldverfahren, wenn tatsächlich Gründe für den Ausschluss von der Rundfunkveranstaltung vorliegen. Bei erschlichener Zulassung verdient der Zulassungsinhaber keinen Vertrau­ ensschutz. Bei einer von Anfang an rechtswidrig erteilten Zulassung, die nicht auf falschen Angaben des Antragstellers beruht, wird im Regelfall eine Ahndung nicht in Betracht kommen, weil der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sein wird. Das Vertrauen des arglos handelnden Bewerbers um eine Rundfunkzulassung auf das rechtmäßige Verhalten der Zulassungsbehörde ist nicht pflichtwidrig. Ohne Erfüllung des subjektiven Tatbestandes liegt aber auch keine „mit Geldbuße bedrohte Handlung“ i. S. d. § 1 Abs. 2 OWiG vor und der Zulassungsinhaber ist keinen bußgeldrechtlichen Repressalien ausgesetzt.

 BVerfG, Urt. v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60 (87) = NJW 1994, 1942 ff.; Urt. v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06, BVerfGE 119, 181 (214 f.) = MMR 2007, 770  ff.; Urt. v. 25.3.2014  – 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11, BVerfGE 136, 9 (28) = NVwZ 2014, 867 ff. 44  BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202 (221) = NJW 1973, 1226 ff.; Teilurt. v. 5.8.1966 – 1 BvR 586/62, 610/63, 512/64, BVerfGE 20, 162 (174 f.) = NJW 1966, 1603 ff. 45  Vgl. VG Augsburg, Urt. v. 5.12.2018 – Au 7 K 17.1342, ZUM-RD 2019, 288 (291). 43

9.3  Unzulässige Rundfunkveranstaltung

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9.3.2.2 Nachträgliches Entfallen einer Zulassungsvoraussetzung 9.3.2.2.1  Natürliche Personen als Rundfunkveranstalter Bei nachträglichem Entfallen der persönlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 53 MStV ist die Fortsetzung der Rundfunkveranstaltung nach Nr. 19 schon vor dem Wirksamwerden des Zulassungswiderrufs eine mit Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit. Dabei wird zwischen behebbaren Defiziten bei den Zulassungsvoraussetzungen und nicht behebbaren Defiziten zu unterscheiden sein. Bei einer natürlichen Person als Rundfunkveranstalter ist der Verlust der Geschäftsfähigkeit (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 MStV) wie auch der Verlust der Fähigkeit öffentliche Ämter zu bekleiden (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 MStV) oder die Verwirkung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 MStV) jedenfalls kurz- bis mittelfristig nicht behebbar. Die Rundfunkzulassung kann als höchstpersönliches Recht nicht kurzerhand weitergegeben werden. Der Rundfunkveranstalter muss zur Vermeidung einer Geldbuße den Rundfunkbetrieb einstellen. Allerdings ermöglicht der Opportunitätsgrundsatz des § 47 Abs. 1 OWiG die Vereinbarung der unverzüglichen Einrichtung eines Notregimes unter der Leitung eines Dritten mit der zuständigen Landesmedienanstalt, das die Vernichtung von Arbeitsplätzen vermeidet. Der Verlust der persönlichen Voraussetzungen des Rundfunkveranstalters nach § 53 Abs. 1 Nr. 1–5 MStV beruht auf gerichtlichen Entscheidungen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1–4 MStV) oder der Sitzverlegung durch den Zulassungsinhaber (§ 53 Abs. 1 Nr. 5 MStV). Insoweit ist der Zulassungsinhaber gegenüber einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung nicht schutzbedürftig. Anders mag es sich bei der Voraussetzung der persönlichen Zuverlässigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 6 MStV verhalten. Zwar beruht das Entfallen dieser Zulassungsvoraussetzung ebenfalls auf dem Verhalten des Rundfunkveranstalters und führt zur Rechtswidrigkeit der Zulassung, die nach § 108 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a MStV nach dem erfolglosen Verstreichen einer Abhilfefrist zwingend zu widerrufen ist.46 Es dürfte aber nur in Ausnahmefällen auf der Hand liegen, ob diese Zulassungsvoraussetzung tatsächlich nachträglich entfallen ist. Deshalb erscheint eine verwaltungsrechtliche Klärung – zumindest im Eilverfahren – vorgreiflich und die „vorzeitige“ Einleitung eines Bußgeldverfahrens nicht sachgerecht. Da die Rundfunkveranstaltung durch einen unzuverlässigen Rundfunkveranstalter ein Dauerdelikt ist, beginnt die Verfolgungsverjährung erst mit der Einstellung des Sendebetriebs oder der Behebung der Unzuverlässigkeit zu laufen. Insofern ist für die Bußgeldbehörde keine Eile geboten. 9.3.2.2.2 Juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften als Rundfunkveranstalter Entsprechende Defizite beim gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter einer juristischen Person, auf den § 53 Abs. 2 Satz 1 MStV abstellt, sind durch Bestellung  BCHHG, MStV §  108 Rn.  11; Beck RundfunkR/Schuler-Harms, RStV §  38 Rn.  44; HK-­ RStV/Stettner, RStV §  38 Rn.  15. Die Fristsetzung ist bei nicht abhilfefähigen Mängeln entbehrlich. 46

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eines neuen Vertreters behebbar. Wenn die Gesellschaftsorgane zügig einen neuen Vertreter installieren, kann die zuständige Landesmedienanstalt im Rahmen des § 47 Abs. 1 OWiG auf die Einleitung und Durchführung eines Bußgeldverfahrens verzichten.

9.3.2.3 Bestehen der Zulassungsbeschränkung nach § 53 Abs. 3 MStV Auch bei einer Verletzung des Staatsfernegebots nach § 53 Abs. 3 MStV wird ein nicht zulassungsfähiges Rundfunkprogramm veranstaltet. Dass § 108 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a MStV zwischen Zulassungsvoraussetzungen nach § 53 Abs. 1 und 2 und Zulassungsbeschränkungen nach § 53 Abs. 3 MStV unterscheiden, spielt für den Bußgeldtatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV keine Rolle: Tathandlung ist das Veranstalten eines zulassungspflichtigen, aber nicht zulassungsfähigen Rundfunkprogramms „entgegen § 52 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 53“. Beruht eine zu Unrecht erteilte Zulassung nicht auf falschen oder unvollständigen Angaben, wird im Regelfall eine Ahndung nicht in Betracht kommen, weil der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sein wird. Nachträgliche Veränderungen finden aufseiten des Rundfunkveranstalters statt. Bei einer feindlichen Übernahme wird das Management im Zweifel keine „Tatherrschaft“ haben. Gleichwohl: Tathandlung ist nicht der Erwerb der Kapital- oder Stimmrechtsanteile an einem Rundfunkveranstalter, sondern die Rundfunkveranstaltung in einer wegen Staatseinflusses unzulässigen Gesellschaftskonstellation. Insofern kommt die Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch das mit der feindlichen Übernahme nicht einverstandene Management des Rundfunkveranstalters in Frage. Erst recht gilt dies nach der zu erwartenden Auswechselung des Managements für die neuen Vertreter des Unternehmens, denn die Veranstaltung nicht zulassungsfähigen Rundfunks ist ein Dauerdelikt. Lösung

Im Beispielsfall erwirbt eine Bank, die mittelbar im Eigentum des Freistaates Bayern und des Sparkassenverbandes steht, einen sog. bundesweiten Rundfunkveranstalter. Damit entfällt nach Zulassungserteilung die Voraussetzung, dass nur ausreichend staatsferne private Unternehmen als Rundfunkveranstalter zugelassen werden dürfen (§ 53 Abs. 3 Satz 2 MStV). Die Fortsetzung der Rundfunkveranstaltung nach dem Erwerb der Kapital- oder Stimmrechtsanteile durch die staatlich kontrollierte DKB erfüllt den Bußgeldtatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 19 MStV. Gesetzliche Vertreter des Rundfunkveranstalters sind nach § 9 Abs. 1 OWiG grds. taugliche Täter. Die Vertreter der DKB kommen als Tatbeteiligte nach § 14 Abs. 1 OWiG in Frage. Über die Verbandsgeldbuße können ggf. Taterträge abgeschöpft werden (§ 30 Abs. 3 OWiG). ◄

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9.3.3 Veranstalten von unzulässigem zulassungsfreien Rundfunk 9.3.3.1 Vorbemerkung: Angebot und Nutzung von linearen TV-Streams Nach der Fernsehpiraterie-Studie 2022/2023, die Goldmedia im Auftrag des VAUNET – Verband Privater Medien e. V. erstellt hat,47 nutzten 2022 insgesamt 5,9 Mio. Personen in Deutschland illegale lineare TV-Streams. Seit 2018 hätten sich die ­Zahlen verdoppelt. Die Nutzung illegaler Streaming-Angebote verursache immense wirtschaftliche Schäden für den etablierten Bewegtbildmarkt, deren Summe Goldmedia auf 1,1 Mrd. € beziffert.48 Illegale lineare TV-Streams machen aufsichtliches Einschreiten besonders deshalb schwer, weil sie im Zweifel bei keiner Landesmedienanstalt angemeldet wurden, seien sie zulassungspflichtig oder zulassungsfrei. Für die zulassungsfreien Rundfunkprogramme macht ein wenig weiser Gesetzgeber die Anmeldefreiheit zum Prinzip (§  54 Abs.  1 Satz 1 MStV). Die Landesmedienanstalten müssen zuerst auf lineare TV-Streams aufmerksam werden und deren Urheber ermitteln, bevor sie mit ihm in Verbindung treten können um zu prüfen, ob es sich um ein legales zulassungsfreies oder um ein illegales Rundfunkprogramm handelt. Illegal kann das Programm nicht nur dann veranstaltet werden, wenn es sich um ein zulassungspflichtiges Programm ohne Zulassung handelt. 9.3.3.2 Zulässigkeitsvoraussetzungen für zulassungsfreie Rundfunkangebote Auch zulassungsfreier Rundfunk hat Zulässigkeitsvoraussetzungen. §  54 Abs.  4 Satz 2 MStV ordnet die entsprechende Geltung der Zulassungsvoraussetzungen des § 53 MStV mit Ausnahme von dessen Absatz 1 Nr. 1, d. h. des Geschäftsfähigkeitserfordernisses, an. Nach der amtl. Begr. soll die Veranstaltung von zulassungsfreiem Rundfunk „auch Jugendlichen, also Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit möglich (sein).“49 Zwar enthält §  2 Abs.  2 MStV keine Definition eines Jugendlichen. Man wird aber davon ausgehen können, dass die Staatsvertragsparteien dieselben Altersgrenzen wie in § 3 Nr. 4 JMStV vor Augen haben, wonach Jugendlicher ist, „wer 14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.“ § 54 Abs. 4 Satz 2 MStV nimmt § 53 Abs. 1 Nr. 1 MStV schlicht aus der Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit aus. § 53 Abs. 1 Nr. 5 MStV mit dem Erfordernis der gerichtlichen Verfolgbarkeit verhindert, dass beschränkt Geschäftsfähige vor Vollendung des 14. Lebensjahres (vgl. § 106 BGB) zulassungsfreien Rundfunk veranstalten dürfen. Zur gerichtlichen Verfolgbarkeit gehört die strafrechtliche Verfolgbarkeit, die ein  Im Internet abrufbar unter: https://vau.net/wp-content/uploads/2023/01/VAUNET-­Studie_Fernsehpiraterie-­2022-2023-25.01.2023.pdf (abgerufen am 16.6.2023). 48  Goldmedia, Fernsehpiraterie, S. 4. 49  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 98. 47

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9  Weitere rundfunkrechtliche Ordnungswidrigkeiten

Mindestalter von 14 Jahren voraussetzt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 OWiG, § 19 StGB). Dass die gerichtliche Verfolgbarkeit in § 53 Abs. 1 Nr. 5 MStV im textlichen Zusammenhang mit dem (Wohn-)Sitzerfordernis aufgeführt ist, schmälert seine allgemeine Bedeutung nicht, die es außer bei Exterritorialität, Immunität oder Indemnität50 bei nicht voll geschäftsfähigen Personen entfaltet.51 Die Zulassungsvoraussetzungen beim zulassungspflichtigen Rundfunk (s.  o. 9.3.2) werden zu Zulässigkeitsvoraussetzungen beim zulassungsfreien Rundfunk. Fehlen die Voraussetzungen des § 53 MStV, werden sowohl der zulassungspflichtige wie der zulassungsfreie Rundfunk rechtswidrig veranstaltet  – mit einer Unterscheidung lediglich beim Erfordernis der vollen Geschäftsfähigkeit.

9.3.3.3 Exkurs: Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte und Mithaftung Der Verzicht auf die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit (§  2 BGB) als rundfunkrechtliches Zulässigkeitserfordernis ändert nichts an zivilrechtlichen Genehmigungserfordernissen für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften beschränkt geschäftsfähiger Personen (§§ 106 ff. BGB). Das kann die Frage nach der „inhaltlichen Verantwortung“ des Rundfunkveranstalters (§ 2 Abs. 2 Nr. 17 MStV) aufwerfen. Soweit Jugendliche mit eigenem Equipment Bewegtbildaufnahmen herstellen und über befugtermaßen genutzte Internetzugänge streamen, werden sich solche Fragen i. d. R. nicht stellen. Sobald urheberrechtlich geschütztes Material eingesetzt werden soll, das nicht im Rahmen des „Taschengeldparagrafen“ § 107 BGB erworben werden kann, stellen sich jedoch Fragen der zivilrechtlichen Genehmigungspflicht und ihrer Auswirkung auf die inhaltliche Verantwortung und damit auch der Mithaftung der gesetzlichen Vertreter.

9.3.4 Konkurrenzen Die Tatbestände der unzulässigen Rundfunkveranstaltung decken den Unrechtsgehalt von Jugendschutz- und Werbeverstößen sowie sonstiger Rundfunkinhaltsdelikte nicht mit ab, sodass entsprechende  – zusätzliche  – bußgeldbewehrte Verstöße, die in Tateinheit zum Dauerdelikt der ordnungswidrigen Rundfunkveranstaltung stehen, zur angemessenen Erhöhung der Geldbuße führen (§ 19 OWiG). Entsprechendes gilt für die Verletzung von Kennzeichnungspflichten, die der Ermöglichung der Rechtsdurchsetzung dienen (s. o. 9.1.1 und 9.1.2). Allenfalls gegenüber die Verletzung der Melde- und Berichtspflichten des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 bis 9 MStV kann die Veranstaltung zulassungspflichtigen Rundfunks ohne Zulassung nach §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr.  18 MStV als die weitergehende Norm angesehen werden, die die vorgenannten konsumiert. Tateinheit mit ungenehmigter Frequenznutzung (§ 228 Abs. 1 Nr. 17 TKG) ist möglich (vgl. 12.1.1.6). 50 51

 Dazu Beck RundfunkR/Bumke/Schuler-Harms, RStV § 20a Rn. 12.  Vgl. HK-MStV/Dörr, MStV § 53 Rn. 8.

Medienplattform-, Benutzeroberflächenund Intermediärsregulierung

10

Die Plattformregulierung wurde durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zum 1.9.2008 in den Rundfunkstaatsvertrag eingefügt. Medienplattformen sind Telemedien bzw. Vermittlungsdienste i. S. d. Art. 3 Buchst. g DSA. Es gibt sie nur auf digitalen Übertragungskapazitäten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 14 Buchst. a MStV). Der Anbieter einer Medienplattform trägt die Verantwortung für die Auswahl der Angebote einer Medienplattform (§ 2 Abs. 2 Nr. 19 MStV) und unterscheidet sich dadurch vom Telekommunikationsdienste-Anbieter (§ 3 Nr. 1 TKG), der lediglich von Kunden nachgefragte Telekommunikationsdienstleistungen erbringt. Medienplattformanbieter ist, wer auf digitalen Übertragungskapazitäten oder digitalen Datenströmen Rundfunk, rundfunkähnliche Telemedien oder Telemedien nach §  19 Abs. 1 MStV – ggf. softwarebasiert – zu einem von ihm bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst. Ein Medienplattformanbieter i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 19 MStV kann selbst auch Inhalteanbieter von Rundfunk- oder Telemedienangeboten sein. Wer allerdings nur eigene und nicht auch Drittangebote zusammenfasst, betreibt nach Maßgabe des§ 2 Abs. 2 Nr. 14 Buchst. b MStV keine Plattform.1 Benutzeroberflächen waren im Rahmen der Plattformregulierung schon bisher Gegenstand des Rundfunkrechts; sie erfahren im Medienstaatsvertrag als verselbstständigter Regelungsgegenstand erhöhte Aufmerksamkeit.2 Neu als Regelungsobjekt hinzugekommen sind Medienintermediäre, die auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregieren, selektieren und allgemein zugänglich präsentieren, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen. Die Regelungen zu Video-Sharing-Diensten dienen der Umsetzung der europarechtlichen Regelungen zu Video-Sharing-Plattform-Diensten.

 Der in § 2 Abs. 2 Nr. 12 RStV dafür verwendete Begriff des „Programmbouquets“ wurde nicht in den MStV übernommen. 2  BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 79 Rn. 4. 1

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_10

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220

10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

Die Ordnungswidrigkeiten im Hinblick auf die Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung sind in §  115 Abs.  1 Satz 2 MStV ­enthalten und ausschließlich als Vorsatztaten ausgestaltet. Soweit die Ausfüllungsnormen an die Anbieter bestimmter Telemedien adressiert sind, handelt es sich um Sonderdelikte.

10.1 Anzeige des Plattformbetriebs 10.1.1 Anzeige des Betriebsbeginns Alle Anbieter (vgl. § 78 Satz 1 und 2 MStV),3 die nach Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags eine Medienplattform oder eine Benutzeroberfläche anbieten wollen, müssen dies mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme der zuständigen Landesmedienanstalt anmelden. Wie schon bei Einführung der Anzeigepflicht durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag gilt diese – zunächst – nur für neue Medienplattformen und Benutzeroberflächen (aber: s. u. 10.1.2). Die Anzeigepflicht gilt entsprechend „bei wesentlichen Änderungen“ (§  79 Abs. 2 Satz 2 MStV). Bußgeldbewehrt sind nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 24 MStV die unterlassene, die verspätete sowie die unvollständige Anzeige des beabsichtigten Betriebs einer Medienplattform oder Benutzeroberfläche sowie die unterlassene, verspätete oder unvollständige Anzeige einer wesentlichen Änderung. Zur Vollständigkeit der Anzeige gehören die Angaben, die auch ein Rundfunkveranstalter im Zulassungsverfahren nach § 53 Abs. 1 und 2 MStV machen muss (§ 79 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 MStV), und Angaben zur technischen und voraussichtlichen Nutzungsreichweite. In den Tathandlungsvarianten „nicht, nicht rechtzeitig … anzeigt“ liegt jeweils ein echtes Unterlassungsdelikt vor. Obwohl bei der Variante „nicht vollständig anzeigt“ der Fehler allein im Weglassen liegt, handelt es sich um eine spezielle Form einer unrichtigen Anzeige, d.  h. ein Begehungsdelikt: die Einreichung einer notleidenden Anzeige. Bei der unvollständigen Anzeige beginnt die Verfolgungsverjährung mit Einreichung der unvollständigen Anzeige für diese Tathandlungsvariante zu laufen. Rechtzeitig ist eine Anzeige mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme; insoweit liegt ein „Fälligkeitsdelikt“ vor (s. u. 12.2). Neben der Verspätungsvariante hat der Gesetzgeber die Nichtanzeige unbefristet unter Bußgeldandrohung gestellt. Wegen dieser Tatbestandsfassung beginnt die Verfolgungsverjährung bei unterlassener Anzeige mit der verspäteten Erfüllung bzw. tatsächlicher Kenntniserlangung durch die zuständige Landesmedienanstalt4 oder mit Einstellung des Betriebs der anzeigepflichtigen Medienplattform oder Benutzeroberfläche zu laufen.

 Vgl. BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 78 Rn. 51.  Vgl. BayObLG, Urt. v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 103/90, NJW 1990, 711 (712).

3 4

10.2  Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote

221

10.1.2 Nachträgliche Anzeige bei nicht angezeigtem Bestand Bei Inkrafttreten der Vorschrift bereits in Betrieb befindliche Plattformen und Benutzeroberflächen werden  – zunächst  – von der Anzeigepflicht nicht erfasst. Sie werden jedoch nacherfasst: Für sie gilt eine eigenständige Regelung in § 90 Abs. 2 MStV, „die Anzeige nach § 79 Abs. 2 spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrages vorzunehmen.“ Das ist gegenüber der Vorgängerregelung in § 53b Abs. 2 RStV nicht neu. Neu ist die Bußgeldandrohung für die Verletzung der nachträglichen Anzeigepflicht in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 40 MStV. Die Pflicht zur Anzeige „spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten“ kann ab Beginn des siebten Monats nach Inkrafttreten nicht mehr erfüllt werden. Die Sanktionsnorm stellt ausdrücklich das Unterlassen der Anzeige „spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrages“ ab. Es liegt ein sog. Fälligkeitsdelikt vor (s. u. 12.2). Die sechsmonatige Verjährungsfrist begann also für die Nichtanzeige der Bestandsplattformen oder -benutzeroberflächen am 8.5.2021 zu laufen und endete mit Ablauf des 7.11.2021, sofern sie bis dahin nicht nach §  33 OWiG unterbrochen wurde. Die absolute Verjährung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG trat mit Ablauf des 7.5.2023 ein, sofern bis dahin kein erstinstanzliches Urteil oder – ohne mündliche Verhandlung – ein Beschluss nach § 72 OWiG ergangen war, das bzw. der den Ablauf der Verjährungsfrist bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss hemmt (§ 32 Abs. 2 OWiG).

10.2 Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 25 MStV ist eine rundfunkrechtliche Bußgeldbestimmung für bestimmte Urheberrechtsverletzungen durch Anbieter von Medienplattformen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift handelt der Plattformbetreiber ordnungswidrig, der „entgegen §  80 Abs.  1  in Verbindung mit Abs.  2 Rundfunkprogramme, einschließlich des HbbTV-Signals, rundfunkähnliche Telemedien oder Teile davon inhaltlich oder technisch verändert, im Zuge ihrer Abbildung oder akustischen Wiedergabe vollständig oder teilweise mit Werbung, Inhalten aus Rundfunkprogrammen oder rundfunkähnlichen Telemedien einschließlich Empfehlungen oder Hinweisen hierauf, überlagert oder ihre Abbildung zu diesem Zweck skaliert oder einzelne Rundfunkprogramme oder Inhalte in Angebotspakete aufnimmt oder in anderer Weise entgeltlich oder unentgeltlich vermarktet oder öffentlich zugänglich macht“.

10.2.1 Inhaltliche oder technische Veränderungen Das bußgeldbewehrte Verbot schützt personell Rundfunkveranstalter und Anbieter rundfunkähnlicher Telemedien; Letztere kamen im Text der Vorgängerfassung § 52a Abs. 3 RStV – trotz Nennung in der amtl. Begr. – noch nicht vor. Es schützt

222

10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

gegenständlich die Integrität der Angebote einmal vor inhaltlicher Veränderung, zum anderen aber auch vor Beeinträchtigungen der Wahrnehmung der Angebote durch die Adressaten.

10.2.1.1 Ohne Einwilligung der Inhalteanbieter Auch wenn die Wörter „ohne Zustimmung des jeweiligen Rundfunkveranstalters“ in der Sanktionsnorm gestrichen wurden: Bußgeldbewehrt sind inhaltliche und technische Veränderungen „entgegen § 80 Abs. 1“, und das bedeutet – nunmehr – ohne Einwilligung des jeweiligen Rundfunkveranstalters oder Anbieters rundfunkähnlicher Telemedien. Die amtl. Begr. zu § 80 MStV behauptet zwar: „Das Verbot der technischen oder inhaltlichen Veränderung von Inhalten und Übertragungssignalen ohne Zustimmung des Verantwortlichen bleibt erhalten (Nummer 1).“ Tatsächlich wurde im Normtext aber nicht nur der Anbieter rundfunkähnlicher Telemedien ergänzt, sondern auch der Ausdruck „Zustimmung“ durch „Einwilligung“ ersetzt. Das kann nach der Legaldefinition der Einwilligung in § 183 Satz 1 BGB5 nur bedeuten, dass nur mehr die vorherige Zustimmung6 des betroffenen Rundfunkveranstalters oder Anbieters rundfunkähnlicher Telemedien die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt, die nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB) dagegen nicht. Die Position der Rundfunkveranstalter und erst recht der neu aufgenommenen Anbieter rundfunkähnlicher Telemedien ist dadurch wesentlich gestärkt worden. Die Bußgeldbehörde kann einem bestehenden oder bei nachträglicher Zustimmung (Genehmigung) möglicherweise entfallenen Ahndungsbedürfnis im Rahmen des Opportunitätsgrundsatzes (§ 47 Abs. 1 OWiG) ausreichend Rechnung tragen. Die Einwilligung des jeweils für den Inhalt Verantwortlichen ist negatives Tatbestandsmerkmal und nicht nur Rechtfertigungsgrund. Die erteilte Einwilligung (vorherige Zustimmung) schließt die Tatbestandserfüllung aus. 10.2.1.2 Art der Veränderungen Das Verbot inhaltlicher Veränderungen ist ebenso umfassend wie selbsterklärend. Das Verbot technischer Veränderungen ist ungeachtet der Ersetzung der kopulativen Konjunktion „und“ in der Vorgängervorschrift durch ein adjunktives, nicht ausschließendes „Oder“ teleologisch auf technische Veränderungen zu beschränken, die zu einer beim Empfänger wahrnehmbaren Veränderung führen.7 Technische Vorgänge, die zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Plattformbetriebs gehören und die Kommunikation zwischen Anbieter/Veranstalter und Empfänger in keiner Weise beeinträchtigen, laufen dem Schutzzweck nicht zuwider. Dazu kann etwa die Modulation der empfangenen Satellitensignale zum Zweck der Einspeisung in eine Breitbandkabelanlage gehören, die in einem anderen Frequenzbereich arbeitet. Dem Wortsinn nach ist das eine technische Veränderung, die aber an der Wahrnehmbarkeit des übertragenen Inhalts nichts ändert bzw. sogar für die Wahrnehmbarmachung in den Kabelempfangshaushalten notwendig ist.  „Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) …“.  Vgl. auch BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 7. 7  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 20. 5 6

10.2  Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote

223

Wenn der Anbieter der Medienplattform dabei das begleitende HbbTV-Signal ausfiltert oder sonst aktiv unterdrückt (§ 3 Abs. 2 MB-Satzung),8 sodass die Red-­ button-­Funktion zur Umschaltung bspw. aus einem Fernsehprogramm in die Mediathek des Anbieters nicht mehr funktioniert, erfüllt er den objektiven Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 25 MStV. Aufgrund der Verbotsausnahme in § 80 Abs. 2 MStV, auf die in der Sanktionsnorm ausdrücklich verwiesen wird, sind technische Veränderungen, die ausschließlich einer effizienten Kapazitätsnutzung dienen und die Einhaltung des vereinbarten oder, im Fall, dass keine Vereinbarung getroffen wurde, marktüblichen Qualitätsstandards nicht beeinträchtigen, auch ohne Einwilligung zulässig und aus der Bußgeldandrohung ausgenommen. Die effiziente Kapazitätsauslastung kann z.  B. zu einer Änderung im Codierstandard führen, die aus dem Verbot nach Absatz 1 ausgenommen ist, wenn sie nicht mit einer Qualitätseinbuße verbunden ist.9 Wurde nicht ausdrücklich ein Qualitätsstandard vereinbart, gilt der marktübliche als geschuldet. Die Bestimmung sichert den Inhalteanbietern Teilhabe am technischen Fortschritt. Ein Wandel des Qualitätsstandards ist beispielsweise von SD (Standard Definition) zu HD (High Definition) erfolgt und vollzieht sich gerade hin zu UHD (Ultra High Definition, auch als 4K bezeichnet), während sich die Weiterentwicklung zu UHD-2 (8K) bereits abzeichnet. Zurzeit dürfte HD marktüblich sein.

10.2.2 Überlagerung mit Fremdinhalten oder Hinweisen darauf Die Integrität eines Rundfunk- oder rundfunkähnlichen Telemedienangebots wird auch durch eine Überblendung oder Überlagerung, wie das Gesetz formuliert, mit Fremdinhalten verletzt. Die Bußgeldandrohung greift schon bei teilweiser Überlagerung von Bild oder Ton durch Werbung, Inhalte aus Rundfunkprogrammen oder rundfunkähnlichen Telemedien sowie („einschließlich“) Empfehlungen oder Hinweisen hierauf. „Überlagerungen mit oder Skalierungen für Smart-Home-Anwendungen, individuelle Kommunikation, Bedienelemente der Benutzeroberfläche u.  ä. sind davon nicht berührt.“10 Die größten Praxisrelevanz dürfte die zulässige Überlagerung im Rahmen der Menüsteuerung aufweisen.11 Verblüffend ist die Beschränkung der verbotenen Überblendungsinhalte auf Rundfunkprogramme und rundfunkähnliche Telemedien sowie Empfehlungen dafür und Hinweise darauf. Denn damit fallen aus der Bußgeldbewehrung Hinweise auf Pay-per-view-Programme i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV sowie „sonstige linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien“ heraus. § 74 Satz 2 MStV sieht Pay-per-view-­ Angebote, die gem. § 2 Abs. 3 MStV kein Rundfunk und somit automatisch Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3 MStV sind, offenbar als Prototyp eines fernsehähnlichen Telemediums an, dem „sonstige linear verbreitete fernsehähnliche

 BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 9.  BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 18. 10  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 103. 11  BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 21. 8 9

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

Telemedien“ gleichgestellt werden. Im Übrigen existiert keine Definition des fernsehähnlichen Telemediums. Rundfunkähnliche Telemedien „mit Inhalten, die nach Form und Gestaltung … fernsehähnlich sind“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV) sind gleichwohl keine „fernsehähnlichen Telemedien“, jedenfalls nicht i.  S.  d. §  2 Abs. 3 und 74 Satz 2 MStV. Linear verbreitete Telemedien sind definitionsgemäß keine rundfunkähnlichen Telemedien, bei denen es sich ausnahmslos um Abrufdienste ­handelt. Sonach könnte zumindest ohne Gefahr einer bußgeldrechtlichen Ahndung ein Rundfunkprogramm mit einem Hinweis auf ein Pay-per-view-Angebot überlagert werden oder mit einer Empfehlung für ein lineares Programm, dem mangels Sendeplan i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 MStV die Rundfunkqualität fehlt, wodurch es automatisch zum Telemedium i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3 MStV, nicht aber zum rundfunkähnlichen Telemedium i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV wird. Ein absurdes Ergebnis. Fraglich erscheint, ob es sich bei sog. Pre-Roll-Werbung mittels akustischer oder visueller Einblendungen, die zeitlich unmittelbar nach Anwahl durch den Nutzer und vor Beginn des Rundfunkprogramms erfolgen (Pre-Roll) um eine verbotene „Überlagerung“ handelt.12 §  3 Abs.  2 MB-Satzung stellt einer Überlagerung „akustische oder visuelle Einblendungen gleich, die zeitlich unmittelbar nach Anwahl durch den Nutzer und vor Beginn des Rundfunkprogramms erfolgen (Pre-Roll).“ Eine satzungsrechtliche Gleichstellung von Lebenssachverhalten mit Tatbestandsmerkmalen einer Ordnungswidrigkeit wird nicht gemeint sein, denn sie würde die Normgeltung auf nicht vom Normtext erfasste Sachverhalte erweitern und die Befugnis des Satzungsgebers „Einzelheiten zur Konkretisierung“ der Bestimmungen zu regeln, überschreiten. Ungeachtet des missverständlichen Wortlauts ist der Satzungsbestimmung tatsächlich eine Normkonkretisierung zu entnehmen. Denn beim Hineinschalten in ein laufendes Rundfunkprogramm liegt jedenfalls faktisch eine Überlagerung vor, selbst wenn der Anbieter der Medienplattform dem Nutzer technisch erst verzögert Zugang zu dem laufenden (linearen) Rundfunkprogramm gewährt. Es ist auf die Sicht des Nutzers abzustellen: Der Nutzer hat sich für die Einschaltung eines in diesem Moment linear verbreiteten Rundfunkprogramms entschieden. Er bekommt aber zunächst eine vom Anbieter der Medienplattform praktisch über das vom Nutzer eingeschaltete laufende Rundfunkprogramm gelegte Werbung zu sehen oder zu hören.13 Das kann als eine „Überlagerung“ i. S. d. § 80 Abs. 1 Nr. 2 MStV verstanden werden, wie es die MB-Satzung richtig sieht, und steht einer Überlagerung nicht nur gleich, wie sie missverständlich formuliert. Bei einem Abrufdienst, zu dem §  3 Abs.  2 MB-Satzung keine Aussage trifft, dürfte Pre-Roll-Werbung dem Ausdruck entsprechend eine „Vorschaltung“ und keine „Überlagerung“ sein; sie stellt keine Ordnungswidrigkeit dar.

12 13

 Bejahend Ory, ZUM 2021, 472 (478) unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 MB-Satzung.  BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 80 Rn. 11.

10.2  Veränderung oder Vermarktung fremder Angebote

225

10.2.3 Vermarktung oder öffentliches Zugänglichmachen 10.2.3.1 Entgeltliche oder unentgeltliche Vermarktung Ferner ist bußgeldbewehrt, wenn ein Plattformanbieter i.  S.  d. §  2 Abs.  2 Nr.  14 MStV, der eine Medienplattform gem. § 79 Abs. 1 MStV betreibt, einzelne Rundfunkprogramme oder Inhalte in Programmpakete aufnimmt oder in anderer Weise vermarktet. Aus dem Wortlaut wird ersichtlich, dass es nicht um die rein technische Zusammenfassung zu „Programmpaketen“ etwa im Sinne eines Multiplexes, sondern um Vermarktungszusammenhänge geht. Erfasst wird nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich auch die unentgeltliche Vermarktung. Das könnte etwa der Fall werden, wenn Anbieter einer Medienplattform bei der digitalen Radioverbreitung im Interesse der Werbewirtschaft „Vermarktungspakete“ schnüren würden. In diesem Fall könnten Radionutzer verschlüsselt angebotene Programmpakete beispielsweise gegen eine einmalige Technikgebühr freischalten lassen und müssten für den Programmbezug kein laufendes Entgelt bezahlen. Der Vermarktungseffekt würde vielmehr durch eine Attraktivitätssteigerung für die Werbevermarktung infolge besserer Zielgruppenansprache bei entsprechend zusammengestellten Programmpaketen erreicht. Im Verhältnis zwischen dem Anbieter der Medienplattform und Endnutzer wäre die „Vermarktung“ jedoch unentgeltlich. 10.2.3.2 Fernsehpiraterie und verwandte Erscheinungsformen Mit der Pönalisierung der öffentlichen Zugänglichmachung ohne Einwilligung des Anbieters/Veranstalters wird eine Lücke geschlossen, die sog. Pay-­ TV-­ Veranstaltern teils große Probleme bereitet hatten: Die „unbefugte“ Weiterverbreitung des entschlüsselten Programms.14 Die Durchsetzung des Entgeltanspruchs beim Bezahlfernsehen gehört grds. nicht zu den definierten Aufgaben der Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden. Die Verbreitung der Programme war rundfunkrechtlich zugelassen; der Weiterverbreitung standen rundfunkrechtliche Bestimmungen nicht entgegen. Die Sicherstellung des Entgeltanspruchs beim Abonnementfernsehen durch Verschlüsselung ist eine Frage des Zivilrechts und keine originäre Aufgabe der Medienaufsicht. Gleichwohl gehört die Finanzierung zu den Essentialia der Rundfunkveranstaltung und wird vom Grundrecht der Rundfunkfreiheit umfasst. Die Gesetzgebungsbefugnis des Rundfunkgesetzgebers kann deshalb nicht bestritten werden. Auf dieser gesetzlichen Basis haben die Landesmedienanstalten nunmehr die Aufgabe, im Rahmen der Plattformregulierung einzufordern, dass der Anbieter der Medienplattform Programme nicht ohne Einwilligung der Veranstalter öffentlich zugänglich macht. Das schließt die decodierte Weiterverbreitung codierter Angebote ein.

 S. auch die Fernsehpiraterie-Studie 2022/2023 von Goldmedia im Auftrag des VAUNET (o. 9.3.3.1). 14

226

10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

10.3 Belegung von Medienplattformen Die Vorgaben für die Belegung von Medienplattformen werden auf infrastrukturgebundene Medienplattformen (mit mindestens 10.000 angeschlossenen Wohneinheiten) „und deren Benutzeroberflächen“ beschränkt (s. §  78 Satz 2 MStV). Da Telemedien i. d. R. als Abrufdienste angeboten werden, was nur in offenen Netzstrukturen möglich ist,15 beziehen sich die Belegungsvorgaben nur auf Fernsehen (§ 81 Abs. 2 MStV) und Hörfunk (§ 81 Abs. 3 MStV). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass Medienplattformen – wie schon bisher – durch den Einsatz digitaler Verbreitungstechnik definiert sind.

10.3.1 Normadressaten Betroffen von der durch § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 26 MStV bußgeldbewehrten Verpflichtung in § 81 Abs. 2–4 MStV sind Anbieter infrastrukturgebundener Medienplattformen, die nicht unter die Ausnahmen des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MStV fallen; ausgenommen sind demnach infrastrukturgebundene Medienplattformen „mit in der Regel weniger als 10.000 angeschlossenen Wohneinheiten und deren Benutzeroberflächen“.

10.3.2 Belegungsgrundsätze Der Gesetzgeber respektiert das „Widmungsrecht“ des Kabelnetz- oder allgemein Infrastrukturbetreibers.16 Im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (amtl. Begr.) macht er Belegungsvorgaben, die jeweils höchstens ein Drittel der vom Anbieter der Medienplattform für die digitale Verbreitung von Fernsehen (§ 81 Abs. 2 MStV) oder Hörfunk (§ 81 Abs. 3 MStV) gewidmeten Kapazität strikt „binden“. Für eine genau so große Kapazität stellt er jeweils allgemeine Belegungsgrundsätze auf. Für die verbleibende Kapazität, die dann größer ist als ein Drittel der gesamten Übertragungskapazität der Medienplattform, wenn der Bereich, der für die Pflichtprogramme genutzt werden kann, ein Drittel der jeweiligen für Hörfunk oder Fernsehen vorgesehenen Gesamtkapazität unterschreitet, stellt der Gesetzgeber die Anbieter der betroffenen infrastrukturgebundenen Medienplattformen von allen Belegungsvorgaben außer dem Diskriminierungsverbot des § 82 Abs. 2 MStV und den allgemeinen Gesetzen frei.

15 16

 BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 81 Rn. 6.  BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 81 Rn. 25.

10.3  Belegung von Medienplattformen

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10.3.3 Unzulässige Belegung 10.3.3.1 Fernsehprogramme 10.3.3.1.1  Vorrangige Fernsehprogramme Im Idealfall reicht ein Drittel der für Fernsehen zur Verfügung gestellten Übertragungskapazität einer Medienplattform für die Berücksichtigung aller in §  81 Abs. 2 Nr. 1–3 MStV genannten Fernsehprogramme aus. Dann muss der Plattformanbieter sicherstellen, dass die erforderliche Kapazität für die Verbreitung der zur bundesweiten Verbreitung gesetzlich vorgesehenen Fernsehprogramme der öffentlich-­rechtlichen Rundfunkanstalten (vgl. § 28 MStV) sowie der sog. Dritten Programme einschließlich der programmbegleitenden Dienste  – für die Landesfenster der Dritten gilt dies nur im Landesgebiet – zur Verfügung stehen.17 Unter programmbegleitenden Diensten sind z. B. elektronische Programmführer oder der Videotext (Teletext) zu verstehen. Sofern eine Verbreitung über die zur Verfügung stehenden Kapazitäten faktisch darum scheitert, weil sich der Anbieter der Medienplattform mit den Rundfunkanstalten über die finanziellen Bedingungen nicht einigt, liegt keine Verletzung dieser Bestimmung vor, sofern der Anbieter der Medienplattform keine unangemessenen Bedingungen anbietet. Diese schon bisher vertretene Auffassung hat durch die Kündigung der Einspeiseverträge und Weigerung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ab dem 1.1.2013 weiterhin Einspeiseentgelte an die großen Kabelanlagenbetreiber zu zahlen, eine besondere Brisanz erhalten.18 Zwischenzeitlich ist der Streit zwischen Kabelanlagenbetreibern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten höchstrichterlich zugunsten der Ersteren geklärt.19 Ferner muss innerhalb des maximalen Drittels der digitalen Fernsehübertragungskapazität auch Übertragungskapazität für die privaten bundesweit verbreiteten Fernsehprogramme mit Regionalfenstern (vgl. § 59 Abs. 4 MStV) zur Verfügung gestellt werden (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b MStV) und schließlich für die lokalen und regionalen Fernsehprogramme sowie für die Offenen Kanäle (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c MStV). Überschreitet die Summe der nach Nr. 1 zu berücksichtigenden Fernsehprogramme bereits das Drittel der für die Fernsehverbreitung gewidmeten Kapazität, muss der Anbieter der Medienplattform die Kapazität nicht aufstocken. Er ist verpflichtet, vorrangig die beitragsfinanzierten20 öffentlich-­rechtlichen Fernsehprogramme für das jeweilige gesetzlich bestimmte Verbreitungsgebiet zu berücksichtigen. Abgesehen davon gelten bei zu klein di BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 81 Rn. 29.  BGH, Urt. v. 16.6.2015 – KZR 83/13, MMR 2015, 762 m. Anm. Weisser; Bespr. Dörr, JuS 2016, 86; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2017 − VI-U (Kart) 16/13, NZKart 2017, 481 19  BGH, Urt. v. 3.12.2019 − KZR 29/17, NZKart 2020, 255; Bespr. Peifer, LMK 2020, 430420; BGH, Urt. v. 18.2.2020 − KZR 6/17 NZKart 2020, 323; Bespr. Lettl, LMK 2020, 429781; BGH, Urt. v. 18.2.2020 – KZR 7/17, NJW-RR 2020, 546 (Einspeiseentgelt III). 20  Der Fünfzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat den Rundfunkgebührenstaatsvertrag durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ersetzt. 17 18

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

mensionierten Gesamtkapazitäten die vorstehend beschriebenen Belegungsgrundsätze entsprechend. Bei ausreichender digitaler Übertragungskapazität ist die Belegung des ersten Drittels dann ordnungswidrig, wenn • nicht allen in § 81 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a–c MStV genannten Programmen eine Verbreitung im allgemeinen Fernsehstandard • oder wenn entgegen § 81 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d MStV technisch minderwertige Übertragungskapazitäten angeboten werden, z. B. ein Übertragungsbereich, der wegen Kollisionen mit militärischen Frequenznutzungen mit Leistungsreduzierungen versehen ist. Der Plattformbetreiber kann allerdings den entlastenden Nachweis nach § 81 Abs. 4 MStV führen, dass dem Gebot der Meinungsvielfalt bereits auf eine der dort genannten anderen Weisen Rechnung getragen wird.21 10.3.3.1.2  Sonstige Fernsehprogramme In einem zweiten Teilbereich der digitalen Fernsehübertragungskapazität, der genauso groß ist wie die Kapazität für die Programme nach Nr. 1, entscheidet der Plattformbetreiber über die Belegung mit Fernsehprogrammen nach gesetzlichen Vielfaltskriterien (§  81 Abs.  1 Nr.  2 MStV). Programme, die dem Anbieter der Medienplattform gem. § 62 MStV als eigene zugerechnet oder die exklusiv von ihm vermarktet werden, zählen gemäß § 81 Abs. 5 Satz 1 MStV in diesem Bereich nicht mit. Der Plattformbetreiber darf Wünsche der angeschlossenen Teilnehmer berücksichtigen, muss aber im Ergebnis eine Vielzahl von Programmveranstaltern berücksichtigen sowie ein vielfältiges Programmangebot aus Vollprogrammen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 MStV), Spartenprogrammen (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 MStV) und Fremdsprachenprogramme, darunter eine ausreichende Anzahl „nicht entgeltfinanzierter Programme“, sowie Telemedien gewährleisten. Angesichts der großen Unbestimmtheit dürfte die Bußgeldvorschrift keine Praxisrelevanz erlangen. Der entlastende Nachweis nach § 81 Abs. 4 MStV ist zudem möglich. Der darüber hinausgehende, für die Fernsehverbreitung gewidmete Kapazitätsbereich der Plattform kann ohne Beachtung von Meinungsvielfaltsgesichtspunkten mit rechtlich allgemein zulässigen Programmen belegt werden. Wer bei der Plattformbelegung (vorsätzlich) nicht genehmigten zulassungspflichtigen Programmen Kapazitäten einräumt, kann wegen Beteiligung an ungenehmigter Rundfunkveranstaltung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV in die Pflicht genommen werden; das persönliche Merkmal „Veranstalter von bundesweit verbreitetem privatem Rundfunk“ muss dazu gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 OWiG bei ihm nicht vorliegen.

10.3.3.2 Hörfunkprogramme Bis zu höchstens einem Drittel der für die digitale Hörfunkübertragung gewidmeten Übertragungskapazität ist mit gesetzlichen Vorgaben für die Plattformbelegung 21

 Dazu näher BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 81 Rn. 55 ff.

10.4  Zugang zu Medienplattformen

229

b­ elastet. In diesem Rahmen und Umfang ist den gesetzlich für das jeweilige Verbreitungsgebiet bestimmten beitragsfinanzierten Hörfunkprogrammen und pro­ grammbegleitenden Diensten die Verbreitung anzubieten. Die unterlassene Sicherstellung von höchstens einem Drittel der Hörfunkübertragungskapazitäten für • die gebietsrichtigen beitragsfinanzierten Hörfunkprogramme und programmbegleitenden Dienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und • die für das jeweilige Land zugelassenen Hörfunkprogramme sowie die offenen Kanäle stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Anders als beim Fernsehen ist die Zurverfügungstellung minderwertiger Kapazitäten nicht mit Geldbuße bedroht. Anders als bei der Kabelweiterverbreitung von Fernsehprogrammen ist ein solches Problem in der Praxis allerdings auch nicht bekannt geworden. Innerhalb eines gleich großen weiteren Bereichs der digitalen Hörfunküber­ tragungs-­Gesamtkapazität gelten vergleichbare Vielfaltskriterien wie für die Fernsehübertragung. Im Übrigen sind nur die allgemeinen Gesetze zu beachten. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 26 MStV enthält echte Unterlassungsdelikte. Bußgeldbewehrt sind alle Verstöße gegen die vorstehend beschriebenen Verpflichtungen, Kapazitäten in bestimmtem Umfang zu bestimmten Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Es überrascht nicht, dass der nur vorsätzlich zu verwirklichende Bußgeldtatbestand in der Praxis keine Bedeutung erlangt hat.

10.3.4 Anzeigepflichtverletzungen Nicht nur der Betrieb einer Plattform ist anzeigepflichtig (s.  o. 10.1). Nach §  81 Abs.  5 Satz 2 MStV hat der Plattformbetreiber der zuständigen Landesmedienanstalt allerdings nur auf Verlangen auch die konkrete Belegung seiner Medienplattform mit Rundfunkprogrammen anzuzeigen. Die nach einem Auskunftsverlangen der zuständigen Landesmedienanstalt vorsätzlich unterlassene, verspätete oder unvollständige Anzeige der Programmbelegung ist nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 26 MStV mit Geldbuße bedroht.

10.4 Zugang zu Medienplattformen 10.4.1 Ungleichbehandlung oder Behinderung von Anbietern Auch § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 27 MStV enthält im ersten Halbsatz ein Sonderdelikt für Anbieter von Medienplattformen, wie ein Blick in die Verhaltensnorm §  82 Abs. 2 MStV ergibt. § 82 MStV gilt nicht nur für infrastrukturgebundene, sondern auch für offene Medienplattformen.22 22

 BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 82 Rn. 30.

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

Tathandlung ist • die unmittelbare oder mittelbare unbillige Behinderung von –– Rundfunkveranstaltern, –– Anbietern rundfunkähnlicher Telemedien oder –– Anbietern von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten nach §  19 Abs.  1 MStV (elektronische Presse) beim Zugang zu Medienplattformen oder • die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigte Ungleichbehandlung gleichartiger Anbieter. Der zitierte § 82 Abs. 2 Satz 2 MStV grenzt einerseits die Modalitäten der Tathandlung ein und bezieht andererseits auch mittelbare Behinderungen oder Ungleichbehandlungen in den Tatbestand ein. Diskriminierungsfreiheit und Gleichbehandlung müssen bei der Verwendung von • Zugangsberechtigungssystemen („Conditional Access“),23 • Schnittstellen für Anwendungsprogramme („Application Programming Interface“), • bei sonstigen technischen Vorgaben zu diesen Themen gegenüber den Herstellern digitaler Rundfunkempfangsgeräte (z. B. im Rahmen sog. Zertifizierungen) sowie auch • bei der Ausgestaltung von Zugangsbedingungen, insbesondere Entgelten und Tarifen sichergestellt werden. Anderenfalls greift die Bußgeldandrohung des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 27 MStV.

10.4.2 Anzeigepflichtverletzungen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 28 MStV enthält eine ganze Reihe von Bußgeldtatbeständen. Ordnungswidrig handelt ein Adressat des §  81 Abs.  3 Satz 1 oder 2 MStV, der gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt Folgendes (s.  u. 10.4.2.1 bis 10.4.2.4) nicht unaufgefordert unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nach Beginn der Verwendung bzw. nach einer Änderung („oder Satz 2“) anzeigt. Die Anzeigepflicht soll sicherstellen, dass die Landesmedienanstalten ihrer Aufsichtsaufgabe nachkommen können.24 Es wäre sicher besonders förderlich, wenn Anbieter von Medienplattformen eine Anzeige schon vor Aufnahme der Nutzung machen würden.25 Der Wortlaut des Gesetzes verpflichtet sie aber nicht dazu.26 Der objek Ein ausführliches Glossar bietet die Landesmedienanstalt Saarland (LMS) im Internet an unter: http://www.lmsaar.de/die-lms/glossar; vgl. auch HK-RStV, RStV § 52c Rn. 5. 24  Spindler/Schuster/Jahn, RStV § 52c Rn. 39. 25  HK-RStV, RStV § 52c Rn. 26. 26  Hahn/Vesting/Schulz, RStV § 52c Rn. 53. 23

10.4  Zugang zu Medienplattformen

231

tive Ordnungswidrigkeitentatbestand ist deshalb (erst) dann erfüllt, wenn die Anzeige der Verwendung – vom Zeitpunkt des Beginns der Verwendung an gerechnet – oder einer späteren Änderung nicht unverzüglich, sondern verzögert erfolgt.27 Es handelt sich um ein „Fälligkeitsdelikt“ (s. u. 12.2).

10.4.2.1 Verwendung eines Zugangsberechtigungssystems Die Anzeige der „Verwendung eines Zugangsberechtigungssystems“ (Conditional Access) darf sich nicht auf die Angabe beschränken, dass (irgend-)ein Zugangsberechtigungssystem verwendet wird, sondern muss eine Beschreibung der wesentlichen technischen Parameter des konkret verwendeten Systems enthalten. Allerdings ist nicht jede Unvollständigkeit in der Beschreibung des Systems bußgeldbewehrt, sondern erst eine solche Unzulänglichkeit der Beschreibung, dass eine Beurteilung des verwendeten Systems schlechterdings unmöglich ist. Kleinere Ungenauigkeiten in der Anzeige kann die Landesmedienanstalt durch Auskunftsersuchen nach § 82 Abs. 3 Satz 3 MStV aufklären. Die Erteilung unzureichender Auskünfte auf ein solches Auskunftsersuchen hin ist durch die Verweisung auf § 82 Abs. 3 Satz 3 MStV ebenfalls mit Geldbuße bedroht. 10.4.2.2 Verwendung von Schnittstellen für Anwendungsprogramme Die Verwendung einer Schnittstelle für Anwendungsprogramme (API) ist ebenfalls unverzüglich anzuzeigen. Die verspätete Anzeige erfüllt den objektiven Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 28 MStV. 10.4.2.3 Entgelte Anzeigepflichtige Entgelte „hierfür“ sind solche, die für die Verwendung, sei es des Zugangsberechtigungssystems, sei es des sog. Basisnavigators oder einer Schnittstelle für Anwendungssoftware erhoben werden. Anzuzeigen sind laut amtl. Begr. die „berechneten Entgelte“. Im Rahmen des § 82 Abs. 3 Satz 3 MStV kann die zuständige Landesmedienanstalt nähere Auskünfte für die Nachvollziehbarkeit der Berechnung verlangen. Die Verweigerung der Auskünfte erfüllt den Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 28 letzter HS MStV. Zu Entgelten für den Zugang zur Medienplattform s. u. 10.4.4. 10.4.2.4 Sonstige Änderungen Auch die verspätete oder unterlassene Anzeige von Änderungen bei der Verwendung von Zugangsberechtigungssystemen oder Schnittstellen für Anwendungspro­ gramme ist ordnungswidrig. Anzeigepflichtig sind alle Änderungen von Tatsachen und Sachverhalten, die (notwendiger) Bestandteil der Erstanzeigen sind. Die unter Die fast einhellige Formulierung der Kommentarliteratur „spätestens bei Aufnahme der Nutzung des Systems“ BeckOK InfoMedienR/Gummer, RStV § 52c Rn. 57; HK-RStV, RStV § 52c Rn. 26; Spindler/Schuster/Jahn, RStV § 52c Rn. 39; ähnlich Hahn/Vesting/Schulz, RStV § 52c Rn. 53: „in jedem Fall … zu Beginn der Tätigkeit“, entspricht mehr dem Wunsch nach einer guten als der Interpretation der bestehenden Regelung. 27

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

lassene Änderungsanzeige ist auch dann ahndbar, wenn die erstmalige Aufnahme des Dienstes pflichtwidrig nicht angezeigt worden war. Unbeschadet des Grundsatzes, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, wird die zusätzliche Verletzung der Änderungsanzeigepflicht durch die vorangegangene Verletzung einer bußgeldbewehrten Anzeigepflicht weder gerechtfertigt noch entschuldigt.

10.4.3 Nichterfüllung eines Auskunftsverlangens Im Unterschied zu den vorstehend behandelten Anzeigepflichten ist die in §  115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 28 MStV bußgeldbewehrte Auskunftspflicht gem. § 82 Abs. 3 Satz 3 MStV gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt nur auf deren Verlangen zu erfüllen. Sofern die Landesmedienanstalt keine Frist setzt, ist der Sachverhalt nur bei ausdrücklicher Verweigerung der Auskunftserteilung eindeutig. Mit Geldbuße bedroht ist die Nichterteilung der erforderlichen Auskünfte. Werden mehrere Auskünfte angefordert, erfüllt schon die Verweigerung einzelner Auskünfte den Bußgeldtatbestand. Wird aber eine Auskunft zu einem abverlangten Punkt oder Thema unvollständig erteilt, bestehen gegen die Anwendung der Vorschrift Bedenken, da nur das Nichterteilen, aber nicht das unvollständige oder nicht richtige Erteilen von Auskünften bußgeldbewehrt ist. Überdies muss dem Betroffenen Vorsatz nachgewiesen werden. Eine „verspätete“ Auskunftserteilung führt zum Tatbestandsausschluss; eine „nicht rechtzeitige“ Auskunftserteilung ist nicht bußgeldbewehrt.

10.4.4 Keine Offenlegung der Zugangsbedingungen 10.4.4.1 Gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt Bußgeldbewehrt ist nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 29 MStV die unvollständige und – erst recht – die unterlassene Offenlegung der Zugangsbedingungen, insbesondere Entgelte und Tarife nach § 83 Abs. 1 MStV. Verpflichtete sind alle Anbieter einer Medienplattform mit Ausnahme der nach § 78 Satz 2 MStV privilegierten Anbieter offener oder „kleiner“ infrastrukturgebundener Medienplattformen. „Die Offenlegungspflicht nach Abs.  1 gilt für Zugangsbedingungen allgemein und fördert daher die Interessen aller derjenigen, die Zugang zu den betroffenen Medienplattformen begehren.“28 Das Gesetz verlangt nicht nur eine Offenlegung auf Verlangen, sodass die verpflichteten Anbieter einer Medienplattform unaufgefordert zur Offenlegung gegenüber der für sie zuständigen Landesmedienanstalt verpflichtet sind.29

28 29

 BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 83 Rn. 10.  BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 83 Rn. 14.

10.5  Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen

233

10.4.4.2 Gegenüber Rundfunkveranstaltern und Telemedienanbietern Nach § 86 Abs. 3 MStV besteht auch eine Offenlegungspflicht gegenüber Rundfunkveranstaltern, Anbietern rundfunkähnlicher Telemedien und Telemedien nach §  19 Abs.  1 MStV, diesen gegenüber jedoch nur auf Nachfrage und im Rahmen eines berechtigten Interesses. Da die Vorschrift den Inhalteanbietern die Ausübung ihres Beschwerderechts ermöglichen soll, wird ein Interesse „immer dann vorliegen, wenn der betroffene Anbieter einen hinreichenden Verdacht bzw. nachvollziehbare Anhaltspunkte hat anzunehmen, die Zugangsbedingungen würden gegebenenfalls nicht rechtmäßig ausgestaltet sein (vgl. § 82 Abs. 2 Nr. 4), und er wäre hiervon betroffen.“30 Die Bußgeldandrohung für die vorsätzliche Verweigerung der Offenlegung der Zugangsbedingungen trotz Nachfrage und berechtigtem Interesse des Inhalteanbieters ist in §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  39 MStV als letzte Tathandlungsvariante enthalten.

10.4.5 Unangemessene Entgelte für lokale und regionale Angebote Die Verpflichtung der Anbieter von Medienplattformen, Entgelte und Tarife so auszugestalten, „dass auch regionale und lokale Angebote zu angemessenen Bedingungen verbreitet werden können“ (§ 83 Abs. 2 Satz 1 MStV) war schon bisher in § 52d Satz 4 RStV mit dem Zusatz der Chancengleichheit der Bedingungen enthalten, aber nicht bußgeldbewehrt. Die Sanktionslücke wird durch § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr.  30 MStV geschlossen. Durch die Reduzierung des Normtextes auf angemessene Bedingungen ist ein Einfallstor für Ausreden geschlossen. Die Chancengleichheit unter Gleichen ist bereits durch § 82 Abs. 2 MStV vorgegeben. Es wird in der Praxis schwierig genug sein festzulegen, ab wann Einspeiseentgelte bspw. für Lokalhörfunk oder -fernsehen unangemessen sind und die Schwelle zur Ordnungswidrigkeit überschritten wurde. Die Androhung einer Geldbuße dürfte sich mehr zur Erzielung von Verhandlungsergebnissen „im Schatten des Rechts“ eignen als zur Anwendung in einem Bußgeldverfahren wegen einer Vorsatztat.

10.5 Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen Benutzeroberflächen sind Telemedien, die eine Übersicht über die Angebote von Medienplattformen geben und der Navigation einschließlich Ansteuerung der einzelnen Angebote oder Inhalte dienen. Die vollständige gesetzliche Definition enthält § 2 Abs. 2 Nr. 15 MStV; in einer Buchstabenaufzählung werden drei Regelbeispiele für Benutzeroberflächen genannt, die deutlich machen, dass sowohl in

30

 BeckOK InfoMedienR/Gummer, MStV § 86 Rn. 25.

234

10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

Medienplattformen integrierte als auch externe einschließlich gerätegebundene ­Benutzeroberflächen unter die Definition fallen. Anbieter einer Benutzeroberfläche ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 20 MStV, wer über die Gestaltung der Übersicht abschließend entscheidet. Die mit §  84 MStV (Ausfüllungsnorm) korrespondierenden Sanktionsnormen in §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr. 31–36 MStV richten sich an die Adressaten der Ausfüllungsnorm: Anbieter von Benutzeroberflächen „großer“ Medienplattformen; denn für kleine Medienplattformen gilt § 84 MStV nach § 78 Satz 2 MStV nicht. Die Darstellung im Basisnavigator ist für die Auffindbarkeit von Angeboten im Gesamtangebot einer Medienplattform essenziell. Ein diskriminierungsfreier Zugang zur Medienplattform nützt kaum etwas, wenn bei der Auffindbarkeit diskriminiert wird.31 Zur Auffindbarkeit gehört („insbesondere“) die Sortierung, Anordnung oder Präsentation in Benutzeroberflächen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 MStV). Diskriminierungsfrei sind nach § 84 Abs. 2 Satz 2 MStV Sortierungen nach Alphabet, Genres oder Nutzerreichweiten. Unbillige Behinderungen sind untersagt. „Alle Angebote müssen mittels einer Suchfunktion diskriminierungsfrei auffindbar sein.“ (§ 84 Abs. 2 Satz 3 MStV) § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 31 MStV stellt alle Verletzungen der Vorgaben des § 84 Abs. 2 MStV unter Bußgeldandrohung: • die unterschiedliche Behandlung gleichartiger Angebote ohne sachlich gerechtfertigten Grund, • die unbillige Behinderung der Auffindbarkeit und • eine Suchfunktion, die nicht alle Angebote diskriminierungsfrei auffindbar macht.

10.5.1 Gleichbehandlungsgebot Das Gleichbehandlungsgebot drängt zunächst innerhalb der Angebotstypik auf Verwirklichung, die zwischen Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien und Telemedien nach § 19 Abs. 1 MStV (elektronische Presse) unterscheidet. Auch innerhalb der jeweiligen Kategorie ist eine Ungleichbehandlung aber nicht schlechthin unzulässig; sie bedarf jedoch eines rechtfertigenden sachlichen Grundes. Die Formulierung der Vielfaltsvorgaben in § 81 Abs. 2 Nr. 2 MStV, wonach Vollprogramme, nicht entgeltfinanzierte Programme, Spartenprogramme mit Schwerpunkt Nachrichten und Fremdsprachenprogramme in ein vielfältiges Angebot im Zuschauerinteresse einzubeziehen und Teleshoppingkanäle angemessen zu berücksichtigen sind, mag Anhaltspunkte für mögliche Unterscheidungen bieten. Wenn sich der Anbieter der Benutzeroberfläche für eine Sortierung nach Alphabet entschieden hat, ist er bei der praktischen Umsetzung daran gebunden. Eine Abweichung, in § 10 Abs. 3 Satz 5 MB-Satzung als Diskriminierung bezeichnet, erfüllt die Tathandlungsvariante der unterschiedlichen Behandlung ohne sachlich ge31

 Vgl. MAH UrhR/Christmann § 22 Rn. 118.

10.5  Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen

235

rechtfertigten Grund; denn der rechtfertigende sachliche Grund kann nur innerhalb des vom Anbieter installierten Systems gefunden werden. Unzulässig wäre es, wenn die Benutzeroberfläche eigene Inhalte des Anbieters der Medienplattform bevorzugt darstellen würde. „Ausnahmsweise ist die Voranstellung eigener Angebote/Inhalte zulässig, wenn es aufgrund eines klar geäußerten Nutzerwillens einen klaren Konnex zwischen der Voranstellung ebendieser Angebote/Inhalte und dem Nutzerwillen gibt, der Nutzer bspw. für die Nutzung bestimmter Angebote/Inhalte zahlt (§ 10 Abs. 3 Satz 7 Nr. 2 MB-Satzung).“32 Der schlichte Verkauf von Rangpositionen für die Darstellung ist selbst dann medienrechtlich unzulässig, wenn der Anbieter der Benutzeroberfläche allen Rundfunkveranstaltern usw. den Zugang zu gleichen Entgelten anbietet. Denn mediale Vielfalt ist durch reine Marktmechanismen nicht ausreichend herstellbar. Unter die Tathandlungsvariante der unzulässigen Ungleichbehandlung lässt sich der Sachverhalt dann subsumieren, wenn das – weiche („in der Regel“) – Verbot in § 10 Abs. 3 Satz 7 Nr.  1 MB-Satzung Entgeltlichkeit als unzulässigen, d.  h. keinen rechtfertigenden sachlichen Grund qualifiziert.

10.5.2 Verbot unbilliger Behinderung der Auffindbarkeit Die Auffindbarkeit darf durch die Ausgestaltung der Benutzeroberfläche nicht unbillig behindert werden. Damit soll die Chancengerechtigkeit bei der Auffindbarkeit der Angebote gesichert werden.

10.5.3 Verbot diskriminierender Suchfunktion Die Benutzeroberfläche muss eine Suchfunktion enthalten (§  10 Abs.  4 Satz 1 MB-Satzung). Diese muss die Möglichkeit bieten, nach allen auf der Medienplattform enthaltenen Angeboten zu suchen. Ein Angebot i.  d.  S. sind etwa Fernsehprogramme (bspw. SAT.1, RTL, ZDF); eine Benutzeroberfläche, die nur die Inhalte, also etwa einzelne Sendungen (bspw. „Lenßen übernimmt“, „Unter uns“ oder „Der Bergdoktor“), darstellen würde, entspräche dem bußgeldbewehrten Gebot, eine Suchfunktion anzubieten, die alle Angebote auffindbar macht, nicht. Das Ergebnis der Suche einschließlich der während des Suchvorgangs gemachten Suchvorschläge (z.  B. durch eine Autocomplete-Funktion) muss diskriminierungsfrei sein (§  10 Abs. 4 Satz 2 MB-Satzung).

10.5.4 Übergangsregelung als Tatbestandsausschluss § 84 Abs. 7 MStV enthält eine Ausnahmeregelung, die zum Tatbestandsausschluss führt. Es geht einmal um Altgeräte, die sich bereits im Markt befinden und nicht 32

 BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 84 Rn. 19.

236

10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

nachgerüstet werden können.33 Der Anbieter der Benutzeroberfläche muss auch hinsichtlich neuer Geräte nicht auf den technischen Standard aller am Markt gehandelter Empfangsgeräte abstellen. Lt. amtl. Begr. gilt die Ausnahme auch „für Neugeräte, die technisch nicht in der Lage sind, den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.“34 Über den Fall technischer Unmöglichkeit hinaus, entfallen die Pflichten des Anbieters einer Benutzeroberfläche auch hinsichtlich solcher Empfangsgeräte, bei denen eine nachträgliche Umsetzung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes ist nach den konkretisierenden Bestimmungen in § 10 Abs. 8 MB-Satzung in einer Gesamtabwägung festzustellen, „bei der insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit des Anbieters, der Aufwand für sonstige der Auffindbarkeit dienende Funktionen der Benutzeroberfläche sowie Art und Umfang des bei Nichtumsetzung begangenen Verstoßes berücksichtigt ­werden.“ Bei allem rechtsstaatlich gebotenen Bemühen um eine Rationalisierung des Abwägungsvorgangs wird es ohne subjektive Wertungen bei der Beurteilung nicht abgehen. Die Last dafür hat der Gesetzgeber dem Anbieter der Benutzeroberfläche auferlegt, denn er muss nachweisen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme vorliegen. Soweit der Nachweis nicht erbracht ist, ist die Sanktionierung möglich.

10.6 Darstellung des Rundfunks in Benutzeroberflächen 10.6.1 Erste Auswahlebene für den Rundfunk in seiner Gesamtheit Der in einer Benutzeroberfläche vermittelte Rundfunk in seiner Gesamtheit muss auf der ersten Auswahlebene unmittelbar erreichbar und leicht auffindbar sein (§ 84 Abs. 3 Satz 1 MStV). „Die Basisauffindbarkeit ist auf der ersten Steuerungsebene, d. h. der ‚Startseite‘ oder der ersten Ebene der Menüführung zu verwirklichen.“35 Die zur Konkretisierung erlassenen Bestimmungen in § 10 Abs. 5 MB-Satzung schärfen die Kontur der Verpflichtung gegenüber dem Gesetzestext sehr dezent. Die blasse Erläuterung, dass Angebote leicht auffindbar sind, „wenn sie einfach und schnell zu finden sind“, gewinnt allenfalls durch die Beispiele „da sie beispielsweise vorangestellt oder hervorgehoben präsentiert werden, beispielsweise durch einen eigenen Button“ etwas an Farbe (§ 10 Abs. 5 Satz 1 MB-Satzung). Die Hinweise für den Beurteilungsprozess („richtet sich nach Art, Umfang und Ausgestaltung er Benutzeroberfläche“) wirken wie ein Passepartout: Sie rahmen das Bild ohne zur Schärfung der Konturen beizutragen.

 BeckOK InfoMedienR/Gummer/Atamanczuk, MStV § 84 Rn. 43.  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 106. 35  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 105. 33 34

10.6  Darstellung des Rundfunks in Benutzeroberflächen

237

Es bleibt für die Anwendung des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 32 MStV ferner zu beachten, dass es nicht um einzelne Programme, sondern um den durch die Benutzeroberfläche vermittelten Rundfunk in seiner Gesamtheit geht.

10.6.2 Auffindbarkeit von Public-value-Programmen Innerhalb des Rundfunkbereichs der Benutzeroberfläche werden sog. Public-­value-­ Programme besonders geschützt. Dazu gehören • die beitragsfinanzierten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, • die beiden Fernsehvollprogramme mit Regionalfenstern nach §  59 Abs.  4 MStV, und • die privaten Programme, die besonders zur Meinungs- und Angebotsvielfalt beitragen. Die öffentlich-rechtlichen Programme nach dem ersten Spiegelstrich und die Fernsehvollprogramme mit Regionalfenstern, das sind nach wie vor SAT.1 und RTL, erkennt der Anbieter einer Benutzeroberfläche durch einen Blick ins Gesetz. Für die Identifizierung der „privaten Programme, die in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten“ reicht der Blick ins Gesetz nicht. Vielmehr bedarf es einer Entscheidung der Landesmedienanstalten. § 84 Abs. 5 Satz 3 MStV gibt ein öffentliches Ausschreibungsverfahren vor. Die anschließende Entscheidung ergeht jeweils für drei Jahre und ist im Internetauftritt der Landesmedienanstalten zu veröffentlichen. Verfahren und Kriterien haben die Landesmedienanstalten in übereinstimmenden Satzungen zur Durchführung der Vorschriften gemäß §  84 Abs.  8 Medienstaatsvertrag zur leichten Auffindbarkeit von privaten Angeboten (Public-Value-Satzung) festgelegt. Die Satzungen sind nach Durchführung eines Notifizierungsverfahrens bei der EU-Kommission in allen Ländern am 1.9.2021 in Kraft getreten. Im September 2021 haben die Landesmedienanstalten auf der Basis von §  3 Public-­Value-Satzung getrennt für Audio- und Bewegtbildangebote je eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, bei der sich Anbieter bewerben konnten. Das Ergebnis ist in einer sechsseitigen Gesamtliste dargestellt und im Internetangebot der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten veröffentlicht.36 Darüber hinaus haben die Landesmedienanstalten „Empfehlung für die Reihenfolgen-Listungen zur Umsetzung durch die Anbieter von Benutzeroberflächen für Bewegtbild-, Audio- und Telemedienangebote“ veröffentlicht,37 die nach der Selbst Abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/die_medienanstalten/ Themen/Public_Value/Gesamtliste_Public-Value-Angebote_final.pdf (abgerufen am 11.3.2023). 37  Abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/die_medienanstalten/Themen/Public_Value/Public_Value_Empfehlungen_Listungen_final_neu.pdf (abgerufen am 11.3.2023). 36

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

angabe auf einer „Einigung zwischen den Medienanstalten und den Anbietern gesetzlich bestimmter beitragsfinanzierter Programme ARD, ZDF und Deutschlandradio (vgl. § 9 Abs. 4 Public Value-Satzung)“ beruhen. Diese Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich. Der Anbieter einer Benutzeroberfläche, der die genannten Public-Value-­ Programme „nicht leicht auffindbar macht“, erfüllt den objektiven Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 33 MStV. Der Nachweis nach § 84 Abs. 7 MStV bleibt unbenommen (s. o. 10.5.4).

10.6.3 Vorrangige Darstellung von Regionalfensterprogrammen § 84 Abs. 3 Satz 3 MStV gibt für Benutzeroberflächen eine vorrangige Darstellung für „Hauptprogramme mit Fensterprogramm“ gegenüber dem ohne Fenster ausgestrahlten Hauptprogramm vor. Durch den Klammerzusatz (§  59 Abs.  4) ist ­klargestellt, dass es um die dort genannten Regionalfensterprogramme i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 6 MStV geht. Es liegt auf der Hand, dass die Sendezeiten für unabhängige Dritte, die in § 65 MStV ebenfalls als „Fensterprogramm“ bezeichnet werden, nicht gemeint sind. Denn es geht um den Vorrang des Hauptprogramms mit Fenster gegenüber dem Hauptprogramm ohne Fenster. Neben dem Hauptprogramm mit Drittsendezeiten („Fensterprogramm“) nach § 65 MStV gibt es jedoch kein Hauptprogramm ohne Fensterprogramm. Denn die Fensterprogramme unabhängiger Dritter müssen als vielfaltssichernde Maßnahme i. S. d. § 64 Nr. 1 MStV integraler Bestandteil des Satellitensignals des Hauptprogramms sein, das ohne diese Drittsendezeiten nicht verbreitet werden darf. Hinsichtlich der Regionalfenster ist die Situation schon deshalb anders, weil nicht in allen Ländern der Bundesrepublik Regionalfenster vorkommen. Deshalb muss der Hauptprogrammveranstalter ein eigenes durchgehendes Hauptprogramm anbieten, um nicht in den fensterfreien Ländern Sendelücken zu produzieren. Den gesetzlichen Public-Value-Status haben diese Hauptprogramme, konkret SAT.1 und RTL, wegen der Regionalfenster. Deshalb müssen in der Benutzeroberfläche Hauptprogramme mit Regionalfensterprogrammen vorrangig dargestellt werden. Weiterhin müssen die gebietsrichtigen Regionalfenster vorrangig vor gebietsfremden Regionalfenstern dargestellt werden. Das vorsätzliche Unterlassen der vorstehend beschriebenen Vorrangdarstellung bedroht § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 34 MStV mit Geldbuße. Der Nachweis nach § 84 Abs. 7 MStV bleibt unbenommen (s. o. 10.5.4).

10.6.4 Auffindbarkeit von Public-Value-Telemedien § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 35 MStV bedroht das Unterlassen, Public-Value-Telemedien oder softwarebasierte Anwendungen, die ihrer unmittelbaren Ansteuerung dienen, leicht auffindbar darzustellen. Umfasst sind vor allem rundfunkähnliche Telemedienangebote mit gesetzlichem Public-Value-Status wie auch mit von den

10.7  Intransparente Auswahlgrundsätze

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Landesmedienanstalten festgestelltem Public-Value-Status. Maßgeblich ist, ob ein sog. Durchschnittsnutzer, „der nicht über spezifische technische Kenntnisse verfügt“, die Angebote und softwarebasierten Anwendungen im Bedienmenü der Benutzeroberfläche leicht auffinden kann (vgl. § 10 Abs. 2 MB-Satzung). Der Nachweis nach § 84 Abs. 7 MStV bleibt unbenommen (s. o. 10.5.4).

10.6.5 Gewährleistung von Nutzerautonomie Benutzeroberflächen bzw. Navigatoren sind wichtige Hilfsmittel bei der Auffindung und Ansteuerung von Angeboten und Inhalten. Das Verhalten der Bürger bei der Nutzung des Gesamtangebots einer Medienplattform gehört zur autonomen Wahrnehmung der Informationsfreiheit. Das Nutzerverhalten ist nicht regulierungsfähig. Der Gesetzgeber ist vielmehr angehalten, den Freiraum der Nutzer zur autonomen Grundrechtswahrnehmung zu sichern. Die Vorgaben für die „Werkseinstellungen“ der Benutzeroberflächen dienen der Gewährleistung von Angebots- und Vielfaltssicherung durch die Sicherstellung chancengleichen Zugangs zu Medienplattformen und gleichen die Interessen der Inhalteanbieter gegenüber eigenständigen Distributoren und sog. Gatekeepern ab. Der Nutzer darf Medienangebote nutzen, wie er will. Das kann den wirtschaftlichen Interessen der Anbieter von Benutzeroberflächen oder Medienplattformen zuwiderlaufen. Damit der Nutzer in der Ausübung seiner Freiheit nicht beschränkt wird, dürfen ihn Benutzeroberflächen nicht bevormunden, z. B. dadurch, dass sie ihm dauerhaft eine Programmreihung vorgeben, die nicht seinen Interessen entspricht. Der Anbieter der Benutzeroberfläche muss deshalb dafür Sorge tragen, dass der Nutzer auf seinem eigenen Empfangsgerät eigene Favoritenlisten bilden kann, die ihm das Auffinden und Ansteuern der von ihm bevorzugten Angebote und Inhalte jederzeit leicht möglich macht. Ist nicht dafür Sorge getragen, „dass die Sortierung oder Anordnung von Angeboten oder Inhalten auf einfache Weise und dauerhaft durch den Nutzer individualisiert werden kann,“ so ist der objektive Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 36 MStV erfüllt. Der Nachweis nach § 84 Abs. 7 MStV bleibt unbenommen (s. o. 10.5.4).

10.7 Intransparente Auswahlgrundsätze § 85 Satz 1 MStV enthält anspruchsvolle Anforderungen an die Transparenz von Medienplattformen und Benutzeroberflächen, die in Satz 2 konkretisiert und detailliert werden; Satz 3 betrifft die Kommunikation gegenüber den Nutzern.

10.7.1 Normverpflichtete und -begünstigte Die Verpflichtung in §  85 Satz 1 MStV ist unpersönlich formuliert. Sie betrifft Medienplattformen und Benutzeroberflächen, nennt aber ausdrücklich weder Ver-

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

pflichtete noch Begünstigte. Die Herstellung von Transparenz ist naturgemäß von den Anbietern zu leisten. Ziel der Verpflichtung ist die Transparenz ausschließlich im Hinblick auf Rundfunkprogramme, rundfunkähnliche Telemedien und die elektronische Presse i. S. d. § 19 Abs. 1 MStV. Zu weitergehenden Auskunftsrechten der Rundfunkveranstalter und Anbieter der hier genannten Telemedien s. u.

10.7.2 Transparenzanforderungen Transparent gemacht werden müssen die „zugrunde liegenden Grundsätze für die Auswahl von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien und Telemedien nach § 19 Abs. 1 und für ihre Organisation.“ Dies umfasst • die Kriterien, nach denen Inhalte sortiert, angeordnet und präsentiert werden, • wie die Sortierung oder Anordnung durch den Nutzer individualisiert werden kann, • nach welchen grundlegenden Kriterien Empfehlungen erfolgen und • unter welchen Bedingungen Veränderungen erfolgen (s. o. 10.2.1 und 10.2.2). Wird diese Transparenz vorsätzlich nicht hergestellt, ist der objektive Tatbestand des §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  37 MStV erfüllt, der im letzten Halbsatz auch unzureichende Nutzerinformationen pönalisiert.

10.7.3 Nutzerinformationen Während Aufsichtsbehörden im Anzeigeverfahren befasst werden und Rundfunkveranstalter sowie Telemedienanbieter Verträge mit Anbietern von Medienplattformen abschließen, haben Nutzer i.  d.  R. keine vergleichbar intensiven Kommunikationseben. Ihnen sind nach §  85 Satz 3 MStV Informationen „in leicht wahrnehmbarer, unmittelbar erreichbarer und ständig verfügbarer Weise zur Verfügung zu stellen.“ Lt. amtl. Begr. knüpft die Formulierung an § 5 Abs. 1 TMG zur Impressumspflicht bei geschäftsmäßigen Telemedien an.38 Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter 11.1.1 verwiesen.

10.8 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen sind nach § 86 Abs. 1 Satz 1 MStV verpflichtet der zuständigen Landesmedienanstalt auf Verlangen unverzüglich die erforderlichen Informationen und Unterlagen vorzulegen. Die Erweiterung der Verhaltensnorm gegenüber der Vorgängerbestimmung (§ 52e RStV) 38

 Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 106.

10.9 Medienintermediäre

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um die Vorlage von Informationen wurde in der Sanktionsnorm § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr.  38 MStV nicht nachvollzogen, die gegenüber ihrer Vorgängerfassung (§  49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 RStV) nur um das Wort „unverzüglich“ angereichert wurde. Die Bußgeldandrohung beschränkt sich somit auf die unterlassene oder verspätete Vorlage der erforderlichen Unterlagen. Die Pönalisierung ausschließlich der nicht unverzüglichen Vorlage macht die Ordnungswidrigkeit zu einem „Fälligkeitsdelikt“ (s. u. 12.2). Zu den erforderlichen Unterlagen gehören entsprechend § 55 MStV alle Belege zu den gesellschaftsrechtlichen Angaben, die im Zulassungsverfahren von Rundfunkveranstaltern zu machen sind. Das ist konsequent, denn für den Plattformbetrieb gelten nach § 79 Abs. 1 MStV dieselben persönlichen Voraussetzungen wie für eine Rundfunkzulassung. Es dürfen alle Unterlagen angefordert werden und sind dann zwingend vorzulegen, die zur Beurteilung rechtlich relevanter Sachverhalte im Zusammenhang mit den Pflichten der Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen von Bedeutung sind. Ein Bußgeldverfahren kann eingeleitet werden, wenn der Plattformbetreiber nach Eingang der Aufforderung durch die zuständige Landesmedienanstalt nicht unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, tätig wird und die verlangten Unterlagen vorlegt. Die bußgeldbewehrte Vorlagepflicht wird nur durch ein Verlangen der zuständigen Landesmedienanstalt ausgelöst. Auf das Verlangen einer unzuständigen Landesmedienanstalt kann der Anbieter einer Medienplattform oder einer Benutzeroberfläche ungestraft untätig bleiben (vgl. u. 10.9.4).

10.9 Medienintermediäre Medienintermediäre werden in § 2 Abs. 2 Nr. 16 MStV als Telemedien definiert. Sie gehören mit den Medienplattformen und Benutzeroberflächen zu den Vermittlern von Medieninhalten (vgl. Art. 3 Buchst. g DSA), die in der medienpolitischen Diskussion unter dem plastischen Begriff der „Gatekeeper“ zusammengefasst werden.39 In der Art von Pförtnern, Brückenwächtern oder Schleusenwärtern kontrollieren und beeinflussen Gatekeeper den Zugang zu Diensten oder Informationen. Sie tun dies grds. nach eigenen Regeln, gebändigt lediglich durch gesetzliche Diskriminierungsverbote und Transparenzgebote. „Ziel des §  93 ist, dass Nutzer von Medienintermediären ebenso wie Anbieter von journalistisch-redaktionellen Inhalten Informationen dazu erhalten, wie der jeweilige Medienintermediär funktioniert. Für beide Gruppen müssen nachvollziehbare Informationen transparent gemacht werden.“40 Anbieter von Medienintermediären aggregieren, selektieren und präsentieren „auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter … ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen“ dem Publikum allgemein zugänglich. Das unterscheidet einen Medienintermediär von einer Medienplattform, die „Rundfunk,  Vgl. Ory, ZUM 2021, 472 (473); Gerecke/Stark, GRUR 2021, 816 (818); BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 91 Rn. 2 f. 40  BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 93 Rn. 2. 39

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

rundfunkähnliche Telemedien oder Telemedien nach § 19 Abs. 1 zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 14 MStV). Zu den Medienintermediären gehören z.  B. Suchmaschinen (Google, yahoo) oder User Generated Content-Portale.41 Die Vorgaben des Medienstaatsvertrags erfassen Medienintermediäre, die im Halbjahresdurchschnitt in Deutschland mindestens eine Million Nutzer pro Monat erreichen oder in ihrer prognostizierten Entwicklung erreichen werden (arg.: § 91 Abs. 2 Nr. 1 MStV). Gezählt werden die unterschiedlichen Nutzer, „unique user“, wie die amtl. Begr. klarstellt, und nicht die Zahl der Zugriffe (Klicks) auf einen Inhalt.42 Nicht erfasst werden nach § 91 Abs. 2 Nr. 2 MStV auch Medienintermediäre, die auf die Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten mit Bezug zu Waren oder Dienstleistungen spezialisiert sind, wie Preisvergleichsportale (z. B. Check24).43 Die weitere Ausnahme für Medienintermediäre, die ausschließlich privaten oder familiären Zwecken dienen (§ 91 Abs. 2 Nr. 3 MStV) und nicht bereits unter die Untergrenze der Zugriffszahlen fallen, ist schwer vorstellbar.44 Auch die nach §  91 Abs.  2 MStV aus der Regulierung im engeren Sinn ausgenommenen Medienintermediäre sind nach §  95 MStV zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet, welche die zuständige Landesmedienanstalt für die medienrechtliche Beurteilung benötigt. Für den Geltungsbereich der Vorschriften für Medienintermediäre ist nach §  1 Abs. 8 MStV nicht – wie allgemein – die Niederlassung in Deutschland nach Maßgabe des § 2a TMG maßgebend, sondern die Frage, ob die jeweiligen Medienintermediäre zur Nutzung in Deutschland bestimmt sind. Das bejaht § 1 Abs. 8 Satz 2 MStV für den Fall, dass „sie sich in der Gesamtschau, insbesondere durch die verwendete Sprache, die angebotenen Inhalte oder Marketingaktivitäten, an Nutzer in Deutschland richten oder in Deutschland einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Refinanzierung erzielen.“

10.9.1 Kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter Inländische wie ausländische Medienintermediäre werden, sofern sie nicht aus der Medienintermediärsregulierung ausgenommen sind, durch § 92 MStV verpflichtet, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen und in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen. Die Bußgeldbewehrung bleibt hinter der Handlungspflicht zurück, denn nur die unterlassene Bestellung – entgegen der Bestellungspflicht – wird in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 41 MStV mit Geldbuße bedroht. Die Verletzung der besonderen Transparenzanforderungen des § 91 Satz 1 MStV, die verlangen, im Angebot „in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise“ auf den Zustellungsbevollmächtigten aufmerksam zu machen, werden dagegen nicht von der Bußgeldandrohung erfasst (vgl. 4.13).  Die Pflicht nach § 92 Satz 1 MStV „im Inland ... zu benennen“ be Löw, MMR 2022, 637 (638 f.).  So dezidiert die amtl. Begr., Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 107. 43  BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 91 Rn. 10. 44  BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 91 Rn. 12. 41 42

10.9 Medienintermediäre

243

gründet einen inländischen Handlungsort i. S. d. § 7 Abs. 1 OWiG. Nicht so eindeutig ist das für künftige Ordnungswidrigkeiten nach dem vsl. ab 17.2.2024 geltenden § 25 Abs. 4 Nr. 2 DDG-E,  der das Unterlassen der Benennung einer inländischen Kontaktstelle entgegen Art. 11 DSA unter Bußgeldandrohung stellt. Es wird abzuwarten sein, ob der Gesetzeswortlaut im Rahmen der parlamentarischen Beratungen in diesem Punkt „nachgeschärft“ werden wird.

10.9.1.1 Keine ahndungsbegründende Konkretisierung durch Satzungsrecht § 3 Abs. 1 der übereinstimmenden Satzungen der Landesmedienanstalten zur Regulierung von Medienintermediären gemäß § 96 Medienstaatsvertrag (MI-Satzung), die am 1.1.2022 in Kraft getreten sind, verengt die zulässigen Z ­ ustellungsbevollmächtigten auf natürliche oder juristische Personen (§ 3 Abs. 1 MI-Satzung); eine Gleichstellung von (teil-)rechtsfähigen Personengesellschaften wie in § 2 Satz 2 TMG fehlt. Diese Einschränkung dürfte von der Satzungsermächtigung in § 96 Satz 1 MStV zur Konkretisierung von §  92 MStV nicht mehr gedeckt sein, denn durch diese Satzungsbestimmung würde das Wahlrecht des Anbieters bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung unzulässig verkürzt. Der Satzungsgeber würde ohne Grundlage im Gesetz rechtsfähige Personengesellschaften, die keine juristischen Personen, aber Träger von Rechten und Pflichten sind, klagen und verklagt werden können, als Zustellungsbevollmächtigte ausschließen. Bspw. wäre es nach der Satzungsregelung unzulässig Rechtsanwaltsgesellschaften in Form einer Partnergesellschaft zu benennen. Bedenken bestehen auch gegen den satzungsrechtlichen Ausschluss von inländischen Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 MI-Satzung).45 Zwar stellen Satzungen Gesetze im materiellen Sinn dar und können nach § 3 OWiG Grundlage für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit sein. Dies setzt jedoch voraus, dass die Satzungsbestimmungen eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage haben. Daran bestehen hier Zweifel. Eine Verfolgung und Ahndung nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 41 MStV dürfte scheitern, wenn der Anbieter eines Medienintermediärs entgegen §  3 Abs.  1 MI-Satzung eine rechtsfähige Personengesellschaft, z.  B. eine Personenhandelsgesellschaft oder eine Anwaltskanzlei in Form einer Partnergesellschaft nach dem Partnerschaftsgesetz als Zustellungsbevollmächtigten benannt hat. 10.9.1.2 Inhalt der Benennung Zur pflichtgemäßen Benennung gehört die Angabe einer unternehmensinternen oder -externen Person (oder rechtsfähigen Gesellschaft) unter Angabe einer zustellfähigen Adresse (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 MI-Satzung).46 Denn eine Person oder Stelle, an die Zustellungen mangels zustellfähiger Adresse nicht bewirkt werden können, ist nicht etwa ein benannter ungeeigneter Zustellungsbevollmächtigter, sondern erfüllt das Merkmal „Zustellungsbevollmächtigter“ wegen Unmöglichkeit einer Zustellung bereits dem Grunde nach nicht. Wird dagegen eine Rechtsanwaltsgesell Vgl. BeckOK InfoMedienR/Knoke/Krüger, NetzDG § 5 Rn. 10.  Vgl. BCHHG, JMStV § 24 Rn. 94; vgl. auch BeckOK InfoMedienR/Knoke/Krüger, NetzDG § 5 Rn. 10, 13. 45 46

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

schaft unter Angabe ihrer ladungsfähigen Anschrift als Zustellungsbevollmächtigter benannt, hat der Anbieter zwar satzungswidrig gehandelt, aber nicht die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten i.  S.  d. §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  41 MStV unterlassen.

10.9.1.3 Funktion des Zustellungsbevollmächtigten Der inländische Zustellungsbevollmächtigte hat die Funktion eines aktiven Briefkastens. Seine Funktion ist auf Verfahren nach § 115 MStV beschränkt. Anders als nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG können keine Zustellungen in aufsichtsrechtlichen Verfahren an ihn bewirkt werden.47 Die amtl. Begr. spricht von der „Rechtsverfolgung im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 115“.48 Das heißt, die Benennung gilt für Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten aus dem Katalog des §115 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV. Die Briefkastenfunktion gilt bereits für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens oder dessen Vorbereitung (§  91 Satz 2 MStV). Ein Bußgeldverfahren bleibt nach seinem (vorläufigen) Abschluss durch Bußgeldbescheid auch für die auf einen Einspruch nach §  67 OWiG folgenden Verfahrensschritte ein „Verfahren nach § 115 MStV“. Das gilt sowohl für das Zwischenverfahren bei der Bußgeldbehörde nach § 69 OWiG wie auch für die Verwerfung eines unzulässigen Einspruchs durch das Gericht (§ 70 Abs. 1 OWiG) und für das gerichtliche Bußgeldverfahren nach einem zulässigen Einspruch. Dem Wortlaut des § 92 MStV lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Vorschrift (nur) bezwecke, „die Rechtsverfolgung durch die Landesmedienanstalten zu erleichtern.“49

10.9.2 Verletzung des Transparenzgebots Die Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 42–45 MStV korrespondieren mit den vier Absätzen des §  93 MStV im Unterabschnitt über Medienintermediäre mit der Paragrafenüberschrift „Transparenz“.50 Nach der amtl. Begr. dienen die Transparenzvorgaben des § 93 MStV der Sicherung der Meinungsvielfalt – und nicht nur Absatz 1, dessen Wortlaut diese Zielsetzung aufgenommen hat.51

10.9.2.1 Allgemeine Informationspflicht Die vorgeschriebene Art und Weise der Vorhaltung der in § 93 Abs. 1 MStV geforderten Informationen ist den Impressumspflichten nach § 5 Abs. 1 TMG (s. u. 11.1.1) und § 18 Abs. 1 MStV (s. u. 11.1.2) nachgebildet. Das Erfordernis der leich Die Aufforderung an einen ausländischen Beteiligten im medienrechtlichen Aufsichtsverfahren, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, richtet sich nach § 15 VwVfG; dazu näher BeckOK VwVfG/Birk, VwVfG § 15 Rn. 1 ff. 48  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108. 49  A.A. BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 92 Rn. 1 (Hervorhebung im Original). 50  Zu den Transparenzanforderungen an Medienplattformen und Benutzeroberflächen s. o. 10.7. 51  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108. 47

10.9 Medienintermediäre

245

ten Erkennbarkeit in den Impressumsvorschriften wurde „mit Blick auf die akustische Ausrichtung digitaler Sprachassistenten“ durch das Erfordernis der leichten Wahrnehmbarkeit ersetzt.52 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur leichten Erkennbarkeit, unmittelbaren Erreichbarkeit und ständigen Verfügbarkeit in Glie­ derungspunkt 11.1.1 und 11.1.2 Bezug genommen werden. Die erforderlichen Informationen sind in §  93 Abs.  1 Nr.  1 und 2 MStV beschrieben. Die Kriterien, die über den Zugang eines Inhalts zu einem Medienintermediär und über den Verbleib entscheiden (Nr. 1), konkretisiert § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 MI-Satzung; die zentralen Kriterien einer Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten und ihre Gewichtung einschließlich Informationen über die Funktionsweise in verständlicher Sprache (Nr.  2) konkretisiert §  6 Abs.  2 Satz 2 Nr. 1–8 MI-Satzung. Der korrespondierende Sanktionstatbestand in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr.  42 MStV ist echtes Unterlassungsdelikt, soweit das Nicht-­Verfügbar-­ Halten der vorgeschriebenen Informationen pönalisiert ist, und Begehungsdelikt hinsichtlich der Tathandlungsvariante „nicht in der vorgeschriebenen Weise verfügbar hält“. 10.9.2.1.1  Kriterien für Zugang und Verbleib im Intermediär Die Angaben unterscheiden sich naturgemäß nach der Art eines Intermediärs. Alle Anbieter werden Angaben machen können, wie ein Inhalt wahrnehmbar gemacht wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 MI-Satzung). Der Fall, dass bestimmte Inhalte im Intermediär verbleiben (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 MI-Satzung) hat eine andere Bedeutung für einen Kommunikationsdienst wie den als  twitter bekanntgewordenen Dienst X  als für eine Suchmaschine wie Google. Entsprechend unterschiedlich sind die Informationen, die im Internetangebot bereitgehalten werden.53 Informationen über monetäre Einflüsse auf Zugang und Verbleib von Inhalten i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 MI-Satzung lassen sich unter die Vorgaben des § 93 Abs. 1 Nr. 1 MStV über die Kriterien subsumieren, die über Zugang und Verbleib eines Inhalts entscheiden; sie halten sich im Rahmen der Konkretisierungskompetenz der Landesmedienanstalten. Denn sie konkretisieren die ahndungsbegründenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmale ohne sie zu verändern und sind insoweit auch für die ordnungswidrigkeitenrechtliche Beurteilung maßgeblich. Die gesetzliche Einräumung einer Konkretisierungskompetenz in § 96 MStV ist auch für den Strafrichter verbindlich, solange Satzungsbestimmungen nicht mit den gesetzlichen Vorgaben kollidieren. 10.9.2.1.2 Wesentliche Kriterien für Aggregation, Selektion und Präsentation Für die Aggregation, Selektion und Präsentation ist lediglich über die zentralen Kriterien zu informieren. Lt. amtl. Begr. umfasst dies „ausdrücklich auch Informationen über die grundsätzliche Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen. Krite-

 Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108.  Twitter: https://help.twitter.com/de/using-twitter/twitter-timeline (abgerufen am 11.6.2023); Google: https://www.google.com/search/howsearchworks/?fg=1 (abgerufen am 11.6.2023). 52 53

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

rien im Sinne dieses Absatzes dürften zum Beispiel der Standort des Nutzers oder dessen Sprache sein.“54 Überraschend weit aufgefächert ist § 6 Abs. 2 MI-Satzung zur Konkretisierung der zentralen Kriterien. Die ausufernde Aufzählung in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1–8 MI-Satzung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit („insbesondere“). Dabei wecken mehrere ihrer Formulierungen Zweifel, ob sie noch „die zentralen Kriterien“ konkretisieren, über die nach der sanktionsbewehrten Verhaltensnorm leicht wahrnehmbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu informieren ist. Nach der hier vertretenen Auffassung hat die satzungsrechtliche Verpflichtung, die Optimierungsziele, die mit den zentralen Kriterien verfolgt werden, zu beschreiben (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MI-Satzung), keine Grundlage im Gesetzestext. Hinsichtlich der „Information über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen“ bemüht sich § 6 Abs. 2 Satz 2 MI-Satzung im Übrigen darum, Einblicke zu gewinnen ohne die Offenlegung von Algorithmen und (sonstigen) Geschäftsgeheimnissen zu fordern.55 Der korrespondierende Sanktionstatbestand in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 42 MStV ist Unterlassungsdelikt, soweit das Nicht-Verfügbar-Halten der vorgeschriebenen Informationen pönalisiert ist, und Begehungsdelikt hinsichtlich der Tathandlungsvariante „nicht in der vorgeschriebenen Weise verfügbar hält.“

10.9.2.2 Keine Wahrnehmbarkeit einer Spezialisierung Eine thematische Spezialisierung muss der Anbieter eines Medienintermediärs, soweit er der Regulierung unterliegt (s. § 93 Abs. 2 Satz 2 MStV), „durch die Gestaltung des Angebots wahrnehmbar … machen“ (§ 93 Abs. 2 Satz 1 MStV). Unterlässt er dies vorsätzlich, droht ihm eine Geldbuße nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 43 MStV. Der Tatbestand enthält ein echtes Unterlassungsdelikt. Fehlende Wahrnehmbarkeit erfüllt den objektiven Tatbestand. Die amtl. Begr. erläutert die Ausfüllungsnorm wie folgt: „Nach Absatz 2 müssen Intermediäre, die eine bestimmte Spezialisierung aufweisen (z.  B.  Nachrichtensuchmaschine, Berufsnetzwerk, bestimmte weltanschauliche Ausrichtung), diese Spezialisierung durch die Gestaltung oder akustische Vermittlung des Angebots gegenüber dem Nutzer deutlich machen. Auch insoweit soll der Anbieter die Mittel grundsätzlich selbst wählen können. Dies kann z. B. durch den entsprechenden Titel des Angebots erfolgen.“56 Insbesondere das Beispiel der weltanschaulichen Ausrichtung zeigt, dass Transparenz auch bei der Spezialisierung ein wichtiges Anliegen ist. Gleichwohl verlangt der Gesetzeswortlaut nur Wahrnehmbarkeit und keine leichte Wahrnehmbarkeit. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass die Spezialisierung „auf den ersten Blick“ gewissermaßen für jedermann wahrnehmbar sein muss.57 Eine unzweideutige Wahrnehmbarkeit für den durchschnittlichen Nutzer „bei näherem Hinsehen“ wird als noch ausreichend anzusehen sein.  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108.  Vgl. Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108. 56  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 108. 57  So aber BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 92 Rn. 32. 54 55

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10.9.2.3 Keine unverzügliche Wahrnehmbarmachung von Änderungen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 44 i. V. m. § 93 Abs. 3 MStV enthält echte Unterlassungsdelikte, die nur vorsätzlich verwirklicht werden können. 10.9.2.3.1  Änderung der Kriterien für Zugang und Verbleib Wer vorsätzlich eine Änderung der in § 93 Abs. 1 MStV genannten Kriterien nicht unverzüglich – nach der Änderung – in derselben Weise wahrnehmbar macht, wie dies für die Information über die Kriterien vorgeschrieben ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 44 MStV. Dieselbe Weise schließt in diesem Fall die leichte Wahrnehmbarkeit, unmittelbare Erreichbarkeit und ständige Verfügbarkeit ein, die der Einleitungssatz von § 93 Abs. 1 MStV fordert. 10.9.2.3.2 Änderung zentraler Aggregations-, Selektions- und Präsentationskriterien Die Pflicht zur unverzüglichen Wahrnehmbarmachung ist nach dem Wortlaut auf eine Änderung der Kriterien beschränkt. Durch den Wortlaut des § 91 Abs. 1 Nr. 2 MStV ist sie zusätzlich auf die zentralen Kriterien begrenzt. Soweit §  93 Abs.  1 Nr. 2 MStV über die zentralen Kriterien hinaus gehende Informationen über die Gewichtung der Kriterien einschließlich Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen verlangt, bleibt der für Änderungen maßgebliche Wortlaut des § 93 Abs. 3 MStV als Ausfüllungsnorm einer Bußgeldbestimmung dahinter zurück. Einer erweiternden Auslegung steht §  3 OWiG entgegen. Allerdings bedeutet „Wahrnehmbarkeit in derselben Weise“ auch hier: leichte Wahrnehmbarkeit (s. o. 10.9.2.3.1). Nur die schuldhaft verzögerte („unverzüglich“) oder die unterlassene Wahrnehmbarmachung von Änderungen der zentralen Kriterien ist bußgeldbewehrt. 10.9.2.3.3  Änderung einer Spezialisierung Auch die Änderung einer Spezialisierung ist unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, wahrnehmbar zu machen. Anders als § 93 Abs. 1 MStV verlangt Absatz 2 keine leichte Wahrnehmbarkeit, sodass „dieselbe Weise“ sich wie bei der Erstinformation auf die „einfache“ Wahrnehmbarkeit der Änderungsinformation beschränkt (vgl. o. 10.9.2.2).

10.9.2.4 Verantwortlichkeit für die Kennzeichnung von Social Bots § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 45 i. V. m. § 93 Abs. 4 MStV ist an die Anbieter sozialer Netzwerke adressiert. Die Anbieter sozialer Netzwerke haben dafür Sorge zu tragen, dass die Verwendung sog. „Meinungsroboter“ in Telemedien, neudeutsch Social Bots (s. u. 11.3), die in ihren sozialen Netzwerken enthalten sind, pflichtgemäß gekennzeichnet werden.58 Die Kennzeichnungspflicht als solche obliegt nach § 18 Abs.  3 MStV den „Anbietern von Telemedien in sozialen Netzwerken“, deren Pflichtverletzung nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV mit Geldbuße bedroht ist. 58

 Vgl. BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 93 Rn. 37.

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

Die gesetzliche Verhaltenspflicht der Anbieter sozialer Netzwerke „ist äußerst weich und offen formuliert.“59 Das macht sie für eine Bußgeldbewehrung nicht gerade geeignet. Der Bußgeldtatbestand wird – außer als Drohkulisse in Verhandlungen von Aufsichtsbehörden mit Anbietern sozialer Netzwerke  – kaum praktische Bedeutung erlangen.

10.9.3 Diskriminierung journalistisch-redaktioneller Angebote Die Verfolgung von Diskriminierungen journalistisch-redaktionell gestalteter Angebote durch einen Medienintermediär steht unter Vorbehalt. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 46 MStV enthält eine Art Antragsdelikt, dessen Verfolgung voraussetzt, dass der Verletzte den Verstoß bei der zuständigen Landesmedienanstalt geltend macht (§ 94 Abs. 3 Satz 1 MStV); fehlt die „Geltendmachung“, besteht ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung und Ahndung als Ordnungswidrigkeit. Nur in offensichtlichen Fällen ist der zuständigen Landesmedienanstalt eine Verfolgung von Amts wegen möglich (§ 94 Abs. 3 Satz 2 MStV). Ein offensichtlicher Fall liegt nach § 11 Abs. 4 MI-Satzung vor, „wenn der dem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zu Grunde liegende Sachverhalt für Dritte klar erkennbar ist.“ Ist der Verstoß für die Richterin oder den Richter (Dritter) im gerichtlichen Bußgeldverfahren nicht klar erkennbar, besteht sonach Veranlassung, ein von Amts wegen eingeleitetes Bußgeldverfahren wegen des Verfahrenshindernisses der fehlenden Geltendmachung durch den Verletzten, wie das Pendant zum Strafantrag in Antragsverfahren nach dem Strafgesetzbuch hier heißt, einzustellen. Abgesehen davon sind die Tatbestandsvoraussetzungen schwierig genug. Denn das Diskriminierungsverbot gilt nur für Angebote, auf deren Wahrnehmbarkeit der Medienintermediär „besonders hohen Einfluss“ hat. Der besonders hohe Einfluss bezieht sich lt. amtl. Begr. nicht auf die konkreten Angebote, sondern auf die Bedeutung des Medienintermediärs und seine Marktstellung, m.  a.  W. auf das vermutete Reichweitenpotenzial des Medienintermediärs als solchen.60 Diesen Faden spinnt § 7 Abs. 2 MI-Satzung fort und rekurriert auf die Stellung des Medienintermediärs in den jeweils relevanten Märkten (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MI-Satzung) und auf eine Gesamtschau der Nutzung, etwa anhand der zur Verfügung stehenden Nutzungsreichweiten, Nutzerzahlen, Verweildauer und Aktivität der Nutzer oder Anzahl der Views je Nutzer (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MI-Satzung). Hinzu kommt eine definitorische Eingrenzung von Diskriminierungshandlungen durch § 94 Abs. 2 MStV auf systematische Abweichungen von den eigenen Kriterien (i. V. m. § 8 MI-Satzung) oder systematische unbillige Behinderungen (i. V. m. § 9 MI-Satzung). Die amtl. Begr. stellt klar: „Absatz 2 regelt die beiden Varianten des Verbotes abschließend. Weitere Anwendungsfälle werden von dem Verbot nicht erfasst.“61  Löber/Roßnagel, MMR 2019, 493 (498).  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 109. 61  Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 109. 59 60

10.9 Medienintermediäre

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Die Landesmedienanstalten bezeichnen die Geltendmachung der Diskri­ minierung durch den Verletzten (§  94 Abs.  3 Satz 1 MStV) in §  11 MI-Satzung als  Beschwerde und erlegen dem Beschwerdeführer eine Begründungspflicht auf (§ 11 Abs. 3 MI-Satzung). Zudem soll der Beschwerdeführer Nachweise vorlegen. Daraus wird eine gewisse Verzweiflung der Landesmedienanstalten im Hinblick auf die Handhabbarkeit der Tatbestandsmerkmale erkennbar. Sollte es gleichwohl jemals zu einem Bußgeldbescheid kommen, wäre es kaum überraschend, wenn der Richter oder die Richterin am Amtsgericht den Vorgang zu Nachermittlungen nach § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG zurückgeben würde, um das Verfahren bei unzureichendem Ergebnis durch Beschluss „endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben“ (§ 69 Abs. 5 Satz 2 OWiG).

10.9.4 Keine Vorlage der erforderlichen Unterlagen § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47 i. V. m. § 95 MStV ist an alle Anbieter von Medienintermediären adressiert. Das folgt aus der Rückausnahme des § 95 MStV in der Ausnahme nach § 91 Abs. 2 MStV aus der Regulierung für bestimmte Intermediäre. Vorzulegen sind nach § 95 Satz 1 MStV „die erforderlichen Unterlagen“. Die amtl. Begr. weist auf die Ähnlichkeit mit dem für Medienplattformen und Benutzeroberflächen geltenden § 86 MStV hin (s. o. 10.8).62 Tatsächlich wurde die Vorlagepflicht des § 86 Abs. 1 Satz 1 MStV gegenüber der Vorgängernorm auf „Informationen und Unterlagen“ erweitert. Demgegenüber verlangt § 95 Satz 1 MStV nur die Vorlage von Unterlagen, nicht jedoch von Informationen, die nicht in den beim Anbieter geführten bzw. vorhandenen Unterlagen enthalten sind. Auch wenn in §  95 Satz 2 MStV auf § 56 MStV verwiesen wird, aus dem sich ein Auskunfts-, also Informationsrecht der zuständigen Landesmedienanstalt ergibt, bleibt die pönalisierte Tathandlung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47 MStV doch darauf beschränkt, dass erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt werden. Grundsätzlich sind alle Unterlagen über Sachverhalte erforderlich, „denen bei der Prüfung, ob die Anforderungen der §§ 91 ff. eingehalten sind, eine Relevanz zukommen kann.“63 Allerdings muss schon bei der Anforderung von Unterlagen berücksichtigt werden, ob ein Medienintermediär betroffen ist, der unter die Ausnahme des § 91 Abs. 2 MStV fällt oder dies zumindest geltend macht oder nicht. Ist gerade diese Frage strittig, muss das Vorlageverlangen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bis zur Klärung dieser Frage auf die Unterlagen beschränkt werden, die zur Beurteilung etwa der nach § 91 Abs. 2 Nr. 1 MStV relevanten Nutzerzahlen erforderlich sind. Für Medienintermediäre, die der Vollregulierung unterliegen, konkretisiert § 13 Abs. 1 Satz 2 MI-Satzung die Auskunfts- und Vorlagepflicht. Nr. 1 nennt „die Vorlage sämtlicher Dokumentationen …, die die Kriterien im Sinne von § 93 Abs. 1 Nr. 1 MStV bzw. die zentralen Kriterien und deren Gewichtung sowie die Funktions62 63

 Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 110.  BeckOK InfoMedienR/Zimmer/Liebermann, MStV § 95 Rn. 3.

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

weise der eingesetzten Algorithmen im Sinne von § 93 Abs. 1 Nr. 2 MStV belegen.“ Nr. 2 zur Befugnis der Landesmedienanstalt nach § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 MStV Zeugen zu vernehmen und Nr. 3 zur Forderung einer eidesstaatlichen Versicherung nach §  56 Abs.  3 Satz 1 MStV betreffen die Beweiserhebung durch die Landesmedienanstalt. Nr.  4 über die Vorlage vertraglicher Vereinbarungen konkretisiert wiederum die Vorlagepflicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird durch § 58 MStV garantiert. Voraussetzung der Tatbestandserfüllung ist ein Verlangen der zuständigen Landesmedienanstalt. Auf das Verlangen einer unzuständigen Landesmedienanstalt muss der Medienintermediär nicht reagieren. Bei Redaktionsschluss gab twitter (nunmehr: X) als inländischen Zustellungsbevollmächtigten eine „T.  I. Kontakt GmbH“ mit einer c/o-Adresse bei einer Münchner Anwaltsgesellschaft an.64 Das wirft die Frage nach der zuständigen Landesmedienanstalt auf. Bei der GmbH handelt es sich wohl um eine in Berlin ansässige Firma, die als Geschäftszweck „Die Erbringung von Dienstleistungen zur Unterstützung von Benutzern des Microbloggingdienstes und sozialen Netzwerks Twitter“ angibt.65 Wäre die GmbH entgegen der hier vertretenen Auffassung (vgl. o. 4.13 und 10.9.1) als Zustellungsbevollmächtigter (wirksam) benannt, wäre die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) zuständig, da §  106 Abs. 2 Satz 2 MStV auf den Sitz des Zustellungsbevollmächtigten abstellt. Wäre die Münchner Anwaltsgesellschaft als Zustellungsbevollmächtigte anzusehen, wäre die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) zuständig. Läge überhaupt keine wirksame Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten vor, wären nach §  106 Abs. 1 Satz 2 MStV bis zum ersten zuständigkeitskonkretisierenden Zugriff durch eine alle Landesmedienanstalt zuständig. Die mutmaßlich zuständige Landesmedienanstalt kann wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeldverfahren einleiten. In der Anfangsphase wird sie jedoch unter Einsatz aller Maßnahmen zur Identitätsfeststellung (vgl. u. 11.4) zu klären haben, ob sie tatsächlich zuständig ist, weil ohne Vorlageverlangen der zuständigen Landesmedienanstalt keine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47 MStV vorliegt.

10.10 Barrierefreiheit 10.10.1 Entstehungsgeschichte Durch den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag vom 14./27.12.2021, der am 30.6.2022 in Kraft getreten ist, wurde nach § 99 MStV ein neuer 5. Unterabschnitt „Dienste, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen“ mit den §§  99a–99d mit korrespondierenden Sanktionsnormen in §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  47a–47d eingefügt; §  99e MStV n.F. enthält eine Satzungs- und Richtlinienermächtigung zugunsten der Landesmedienanstalten und erlegt ihnen in Absatz 2  https://legal.twitter.com/de/imprint (abgerufen am 9.9.2023).  https://firmeneintrag.creditreform.de/10117/2012744412/T_I_KONTAKT_GMBH (abgerufen am 9.9.2023). 64 65

10.10 Barrierefreiheit

251

gleichzeitig Informations- und Vorlagepflichten auf, die gegenüber den nach § 111a MStV berichtspflichtigen Behörden zu erfüllen sind. Diese neuen Bestimmungen bilden lt. amtl. Begr. den „wesentlichen Gegenstand“ des Änderungsstaatsvertrags,66 der in der Debatte teils als „Barrierefreiheitsstaatsvertrag“ wahrgenommen wurde.67 Mit dem Staatsvertrag werden Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (nachfolgend: Richtlinie (EU) 2019/882) umgesetzt. Hinzu kommt die Übergangsvorschrift in § 121a MStV, die nach der EU-Richtlinie mögliche Übergangsfristen ausschöpft. Die neuen §§ 99a–99d MStV gelten nach § 121a Abs. 1 MStV erst für Dienste, die nach dem 27.6.2025 neu für die Verbraucher angeboten oder erbracht werden. Vor diesem Datum bereits im Einsatz befindliche Produkte dürfen nach §  121a Abs.  2 MStV bis zum 27.6.2030 weiterverwendet werden, wenn sie vor dem 28.6.2025 rechtmäßig eingesetzt wurden.

10.10.2 Adressaten der Barrierefreiheitsverpflichtungen Adressaten der Bußgeldbestimmungen sind entsprechend den Ausfüllungsnormen §§ 99a und 99c MStV Anbieter von Diensten, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen. Solche Dienste definiert § 2 Abs. 2 Nr. 31 MStV als Telemedien, die genutzt werden, „um Fernsehprogramme und fernsehähnliche Telemedien sowie alle bereitgestellten Funktionen, die auf die Umsetzung von Maßnahmen zurückgehen, die getroffen werden, um diese Angebote nach den §§ 7 und 76 zugänglich zu machen, zu ermitteln, auszuwählen, Informationen darüber zu erhalten und diese Angebote anzusehen; einschließlich elektronischer Programmführer.“ Nach Angaben der amtl. Begr. soll der Normtext eine Übernahme der Begriffsbestimmung aus Artikel 3 Nr. 6 der Richtlinie (EU) 2019/882 unter Anpassung des Wortlauts an die Terminologie des Medienstaatsvertrags darstellen.68 Art. 3 Nr. 6 der RL (EU) 2019/882 ist eine Definitionsnorm. Sie lautet: „‚Dienste, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen‘ über elektronische Kommunikationsnetze übermittelte Dienste, die genutzt werden, um audiovisuelle Mediendienste zu ermitteln, auszuwählen, Informationen darüber zu erhalten und diese Dienste anzusehen, sowie alle bereitgestellten Funktionen  – wie beispielsweise Untertitel für Gehörlose und Schwerhörige, Audiodeskription, gesprochene Untertitel und Gebärdensprachdolmetschung –, die auf die Umsetzung von Maßnahmen zurückgehen, die getroffen werden, um diese Dienste gemäß Artikel 7 der Richtlinie 2010/13/EU zugänglich zu machen; und umfasst auch elektronische Programmführer (EPG);…“ Während der im Richtlinientext und in den staatsvertraglichen Verhaltensnormen verwendete Begriff der „audiovisuellen Mediendienste“ lineare und Abrufdienste  Bayer. Landtag, Drs. 18/22292, 12.  MMR-Aktuell 2021, 44370. 68  Bayer. Landtag, Drs. 18/22292, 14. 66 67

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

umfasst (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Unterbuchst. i AVMD-RL), ist der in der Definitionsnorm §  2 Abs.  2 Nr.  31 MStV verwendete Begriff der „fernsehähnlichen Telemedien“ alles andere als klar. Eindeutig ist nur, dass sog. Pay-per-view-Angebote i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV, bei denen es sich um Fernsehprogramme i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Buchst. e AVMD-RL handelt,69 in § 74 Satz 2 MStV als (linear verbreitete) fernsehähnliche Telemedien bezeichnet werden. Der Begriff des „fernsehähnlichen Telemediums“ ist abgesehen von diesem Hinweis in § 74 Satz 2 MStV an keiner Stelle im Staatsvertrag definiert. Es gibt zwar innerhalb der „rundfunkähnlichen Telemedien“ nach § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV eine Unterabteilung von Abrufdiensten, „die nach Form und Gestaltung … fernsehähnlich sind.“ Begrifflich handelt es sich dabei jedoch um eine Unterform der „rundfunkähnlichen Telemedien“, bei denen es sich im Unterschied zu den in § 74 Satz 2 MStV genannten linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien definitionsgemäß um Abrufdienste handelt. Der Hinweis auf § 76 MStV bringt keinen Erkenntnisgewinn, denn auch diese Vorschrift ist von schwerwiegenden Zweifeln hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs behaftet (s. u. 11.2). Ob die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber  – europarechtskonform  – gewiss auch die Mediatheken der Fernsehveranstalter im Blick hatte,70 ausreicht, um die Ahndungsfähigkeit des Anbieters eines Zugangsdienstes zu begründen, mag zweifelhaft erscheinen. Dass ein Zugangsdienst ausschließlich audiovisuelle Abrufdienste betrifft und keine linearen Angebote umfasst, dürfte indes nicht der Regelfall sein, sodass sich die praktische Bedeutung der Frage in Grenzen halten wird. Die Ordnungswidrigkeiten befinden sich in § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV, der Vorsatz voraussetzt (s. § 10 OWiG). Soweit die Konformitätsvermutung des § 99b Abs. 1 MStV greift, ist eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen. Das gilt namentlich für Dienste, die europarechtlich harmonisierten Normen entsprechen.

10.10.3 Die objektiven Bußgeldtatbestände 10.10.3.1 Keine Gewährleistung barrierefreien Zugangs § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47a MStV ist echtes Unterlassungsdelikt und bedroht drei Unterlassungsvarianten mit Geldbuße. Das Unterlassen • der Gewährleistung barrierefreien Zugangs, • der barrierefreien Gestaltung der Auswahl der Angebote und • der Unterstützung der barrierefreien Nutzung. Für die erste Unterlassungsvariante ist die Definition des barrierefreien Angebots in § 2 Abs. 2 Nr. 30 MStV maßgeblich. Barrierefrei ist ein Angebot demnach, „das für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, bei Nutzung behindertenbedingt notwendiger Hilfsmittel, nach dem jeweiligen Stand der Technik ohne besondere Erschwernis und möglichst ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar ist.“ 69 70

 EuGH, MMR 2005, 517.  MAH UrheberR/Poche/Kopf § 30 Rn. 322.

10.10 Barrierefreiheit

253

Barrierefreiheit, die Anstrengungen über den jeweiligen Stand der Technik hi­ naus erfordern würde, ist so wenig geschuldet wie ein Hinausgehen über die ­allgemein übliche Weise. Barrierefreiheit setzt auch nicht zwingend, sondern nur „möglichst“ Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe voraus. Dadurch wird der Begriff „Barrierefreiheit“ zu einem Euphemismus für „Behindertenfreundlichkeit“. Der Staat meint es gut mit behinderten Menschen und will ihnen entgegenkommen – soweit es nicht zu aufwendig und zu teuer wird. Der möglicherweise gesellschaftlich unvermeidbare Kompromisscharakter der Barrierefreiheitsanforderungen macht das Anliegen nicht unsympathisch, aber ungeeignet für das strafähnliche Bußgeldverfahren. Der Rechtsbegriff „Barrierefreier Zugang“ ist nicht so eindeutig, dass er nur ganz oder gar nicht gewährleistet werden könnte. Bußgeldbewehrt ist das Unterlassen, nicht die unzureichende Gewährleistung. Entsprechendes gilt dann auch für die barrierefreie Gestaltung der Auswahl und erst recht für die Unterstützung einer barrierefreien Nutzung: Unterstützung kann umfassend oder unzureichend sein. Nur die unterlassene, nicht eine unzureichende Unterstützung ist bußgeldbewehrt. Die Unterlassungen sind nicht tatbestandserfüllend, wenn die geforderten Handlungen zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Anbieter führen würde oder zu einer grundlegenden Veränderung des angebotenen Dienstes. Auffällig ist die Divergenz zur Ausfüllungsnorm, die von der Handlungspflicht befreit, wenn die pflichtige Handlung zu einer wesentlichen Änderung des Dienstes führen würde, die zu einer grundlegenden Änderung seiner Wesensmerkmale führt. Es scheint so zu sein, dass die Bußgeldandrohung hinter der Reichweite der Verpflichtung zum Handeln zurückbleibt. Das trifft auch im Hinblick auf § 99a Abs. 1 Satz 3 MStV zu. Gegenüber der Einforderung der Handlungspflichten nach § 99a Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV durch die zuständige Aufsicht kann sich der Anbieter nach § 99a Abs. 1 Satz 3 MStV nicht darauf berufen, die Erfüllung führe zu einer unverhältnismäßigen Belastung, wenn er fremde („nichteigene“) öffentliche oder private Mittel zur Verbesserung der Barrierefreiheit erhalten hat. Für die Ahndbarkeit kommt es nach dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47a MStV darauf an, dass objektiv keine unverhältnismäßige Belastung vorliegt. Der Tatbestandsausschluss ist von Amts wegen zu berücksichtigen und nicht davon abhängig, dass sich der Betroffene da­ rauf beruft; insofern verschärft § 99a Abs. 1 Satz 3 MStV die ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung nicht.

10.10.3.2 Beurteilung und Dokumentation der Barrierefreiheitsanforderungen Anbieter von Diensten i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 31 MStV, die Zugang zu audiovisuellen Diensten ermöglichen, sind nach § 99a Abs. 2 MStV verpflichtet, eine Beurteilung vorzunehmen, ob die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen nach §  99a Abs. 1 MStV eine grundlegende Veränderung mit sich bringen oder zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde. Mit dieser Bestimmung setzen die Staatsvertragsparteien Art.  14 Abs.  2 RL(EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen um. Nach §  99a Abs.  3 MStV haben sie diese Beurteilung zu dokumentieren und alle einschlägigen Ergebnisse fünf Jahre lang nach der letzten Erbringung des entsprechenden Dienstes aufzu-

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

bewahren. Auf Verlangen müssen sie der zuständigen Landesmedienanstalt eine Kopie der Beurteilung übermitteln. Auf Kleinstunternehmen gem. Art. 3 Nr. 23 der RL (EU) 2019/882 finden die Bestimmungen nach § 99a Abs. 5 MStV keine Anwendung. „Kleinstunternehmen“ ist ein Unternehmen, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. EUR erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Mio. EUR beläuft. 10.10.3.2.1  Unterlassen der Beurteilung Das vorsätzliche Unterlassen der Beurteilung nach §  99a Abs.  2 MStV ist eine eigenständige Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47b MStV. Was zu einer ordnungsgemäßen Beurteilung gehört, gibt die amtl. Begr. durch folgende Erläuterungen zu erkennen: „Wann eine solche unverhältnismäßige Belastung vorliegt, bestimmt sich nach Maßgabe des Anhangs VI der Richtlinie (EU) 2019/882. Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sind nur berechtigte Gründe zu berücksichtigen. Mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis sind keine berechtigten Gründe. Für die Bewertung, ob eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, sind ferner die Erwägungsgründe 66 ff. der Richtlinie (EU) 2019/882 heranzuziehen.“71 Allerdings ist das Unterlassungsdelikt nicht bereits durch eine unzulängliche Beurteilung erfüllt, sondern nur, wenn keine Beurteilung vorgenommen wurde. Die Bußgeldbehörde muss dem Betroffenen die Tat nachweisen. Falls der Betroffene versichert, eine Beurteilung vorgenommen zu haben, steht die Bußgeldbehörde vor der Frage, wie sie ihm das Gegenteil nachweisen soll. Fehlende Dokumentation ist Tathandlung in dem nachfolgenden Bußgeldtatbestand. Um sie geht es also nicht. Zur Widerlegung des Vorwurfs der unterlassenen Beurteilung reicht mithin der mündliche Vortrag eines mehr oder weniger vollständigen Beurteilungsergebnisses in jedem Fall aus. 10.10.3.2.2  Unterlassene Dokumentation oder deren Aufbewahrung § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47c MStV enthält eine eigenständige Ordnungswidrigkeit mit zwei Unterlassungsvarianten. Wer keine Dokumentation nach §  99a Abs.  3 Satz 1 MStV vornimmt, erfüllt den objektiven Tatbestand. Ebenso handelt ordnungswidrig, wer die Dokumentation nicht für fünf Jahre nach der letzten Erbringung des Dienstes aufbewahrt. Auf die Pflicht, der zuständigen Landesmedienanstalt auf Verlangen eine Kopie der Beurteilung zu übermitteln (§  99a Abs. 3 Satz 2 MStV), verweist die Sanktionsnorm weder im Text noch in der Verweisung. Somit ist die unterlassene Übermittlung einer Kopie auf Verlangen der zuständigen Landesmedienanstalt nicht bußgeldbewehrt. Das ist eine höchst unzweckmäßige Gesetzgebungstechnik. Während eine unterlassene Vorlage leicht feststellbar ist, muss die unterlassene Dokumentation im Bußgeldverfahren nachgewiesen werden. Das ermöglicht einem säumigen Anbieter die ahndungsbefreiende Vorlage einer – unbeweisbar rückdatierten – Dokumentation noch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. 71

 Bayer. Landtag, Drs. 18/22292, 16.

10.10 Barrierefreiheit

255

Ebenso wird die in § 99a Abs. 4 MStV enthaltene Pflicht, nach Veränderungen, oder auf Aufforderung der zuständigen Landesmedienanstalt, mindestens aber alle fünf Jahre eine neue Beurteilung vorzunehmen, in den Sanktionsnormen nicht aufgegriffen. Für den Fall, dass Anbieter die erneute Beurteilung entgegen § 99a Abs. 4 MStV nicht vornehmen, erfüllt dies keinen Bußgeldtatbestand. Falls sie die erneute Beurteilung vornehmen, gilt für diese neue Beurteilung, da es sich wiederum um eine „Beurteilung nach § 99a Abs. 2 MStV“ handelt, auch wenn die Verpflichtung dazu aus dem nicht bußgeldbewehrten § 99a Abs. 4 MStV folgt, wieder die in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47c MStV bußgeldbewehrte Dokumentationspflicht nach § 99a Abs. 3 Satz 1 MStV. 10.10.3.2.3 Konkurrenzen Falls das vorsätzliche Unterlassen der Beurteilung feststeht, verdrängt § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47b MStV das Unterlassen der Dokumentation nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr.  47c MStV.  Der Unrechtsgehalt der unterlassenen Dokumentation geht vollständig im Unrechtsgehalt der unterlassenen Beurteilung als dem gravierenderen Delikt auf. Somit findet eine Ahndung nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47c MStV nur statt, wenn das Unterlassen der Beurteilung nicht sicher nachweisbar ist. Da nicht die unterlassene Vorlage an die Landesmedienanstalt, sondern die unterlassene Erstellung der Dokumentation unter Bußgeldandrohung steht, ist die Durchführung eines Bußgeldverfahrens durch die Notwendigkeit des Nachweises der unterlassenen Dokumentation erschwert.

10.10.3.3 Keine barrierefreien Informationen für die Allgemeinheit Nach § 99c Abs. 1 MStV müssen Anbieter von Diensten, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen, die Allgemeinheit in barrierefreier Form darüber informieren, wie sie die Barrierefreiheitsanforderungen nach § 99a Abs. 1 MStV, d. h. die Gewährleistung barrierefreien Zugangs, barrierefreie Ausgestaltung der Angebotsauswahl und Unterstützung der barrierefreien Nutzung, erfüllen. § 99c MStV will Art.  13 Abs.  2 RL (EU) 2019/882 umsetzen. Die in eine Indikativ-­ Aussage gekleidete Forderung des Art. 13 Abs. 2 Satz 2 RL (EU) 2019/882 „Diese Informationen werden der Allgemeinheit in schriftlicher und mündlicher Form bereitgestellt, auch in einer für Menschen mit Behinderungen barrierefreien Form“, findet sich nicht expressis verbis in § 99c Abs. 2 MStV wieder. Diesen Umstand vernebelt die amtl. Begr. mit dem Satz: „Soweit dabei nach Artikel 13 Abs. 2 Satz 2 die Informationen auch in ‚mündlicher Form‘ bereitzustellen sind, genügt es, wenn die Informationen auch in akustisch wahrnehmbarer Art und Weise dargeboten werden.“72 Für die Bußgeldbewehrung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47d MStV kommt es darauf an, ob der Anbieter „in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise“ in barrierefreier Form Angaben macht. Eine ausdrückliche Forderung von geschriebenem und gesprochenem Text ist der Bestimmung nicht mit der für Strafnormen zu fordernden Klarheit zu entnehmen. Wenn die Website bspw. den Zugriff auf eine Textdatei anbietet, die handelsübliche 72

 Bayer. Landtag, Drs. 18/22292, 17.

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10  Medienplattform-, Benutzeroberflächen- und Intermediärsregulierung

PC, Laptops, iPads usw. in gesprochenen Text umwandeln können, ist der objektive Tatbestand nicht erfüllt. § 99c Abs. 2 MStV beschreibt, was eine vollständige Information zu enthalten hat: eine allgemeine Beschreibung der Dienste, eine Beschreibung und Erläuterung, die zur Nutzung dieser Dienste erforderlich sind sowie die Angabe der zuständigen Landesmedienanstalt. Die Angabe der Landesmedienanstalt gehört schon nicht zur Angabe, „wie die Barrierefreiheitsanforderungen nach § 99a Abs. 1 erfüllt werden.“ Abgesehen davon ist nach der Tatbestandsfassung nur eine fehlende oder die nicht in barrierefreier Form dargebotene Information, nicht aber eine inhaltlich unzulängliche Beschreibung mit Geldbuße bedroht. Wenn unvollständige Angaben bußgeldbewehrt sein sollen, drückt der Gesetzgeber dies wie in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 48 MStV auch aus und stellt alle Tathandlungsvarianten unter Bußgeldandrohung: „nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig … anzeigt“. Das ist hier unterblieben. Die „Lücke“ wirkt sich zulasten des staatlichen Verfolgungsanspruchs aus: Der lässige Diensteanbieter bleibt sanktionsfrei.

Telemedien

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Der Rechtsbegriff der „Telemedien“ wurde als Oberbegriff für die vormals bundes­ gesetzlich geregelten Teledienste und landesstaatsvertraglich geregelten Medi­ endienste erstmals im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder vom 10./27.9.2002 und im gleichzeitig in Kraft getretenen Jugendschutzgesetz des Bun­ des vom 23.7.2002 verwendet.1 Zwischenzeitlich haben sich Bundes- und Landes­ gesetzgeber für die Behandlung von elektronischen Informations- und Kommunika­ tionsdiensten, die weder Telekommunikationsdienste i. S. d. Telekommunikations­ gesetzes noch Rundfunk i.  S.  d. Rundfunkgesetze sind, ganz allgemein auf den Begriff „Telemedien“ geeinigt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 TMG, § 2 Abs. 1 Satz 3 MStV).2 Diensteanbieter ist gem. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG jede natürliche oder juristische Per­ son, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Nach § 1 Abs. 1 des Referentenentwurfs eines Digitale-­Dienste-­ Gesetzes (DDG-E) sind ab dem 17.2.2024 Diensteanbieter „alle Anbieter digita­ ler  Dienste (Diensteanbieter), soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.“ Nach § 2 Satz 2 TMG sind den juristischen Personen die Personengesellschaf­ ten gleichgestellt, die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Damit fasst das Telemediengesetz – wie zuvor das Teledienstegesetz und der Mediendienste-Staatsvertrag – unter dem Begriff „Diens­ teanbieter drei Kategorien zusammen: Diensteanbieter, die eigene Telemedien zur Nutzung bereithalten (sog. Content-Provider), die fremde Telemedien zur Nutzung bereithalten (sog. Host-Provider) und solche, die lediglich den Zugang zur Nutzung von Telemedien vermitteln (sog. Access-Provider).3

 BeckOK InfoMedienR/Martini, TMG § 1 Rn. 5.  BeckOK InfoMedienR/Martini, TMG § 2 Rn. 7 f. 3  BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 2 Rn. 8. 1 2

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_11

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11 Telemedien

11.1 Impressumspflichtverletzungen 11.1.1 Nach dem Telemediengesetz (künftig: Digitale-­Dienste-Gesetz) Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5 Abs. 1 TMG (vgl. § 5 DDG-E) eine Information nicht, nicht richtig oder nicht vollständig verfügbar hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 TMG (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 1 DDG-E), die bei vorsätzlicher Tatbegehung mit Geldbuße bis zu 50.000,00  € bedroht ist (vgl. § 25 Abs. 5 Nr. 3 DDG-E). Da § 5 Abs. 1 TMG die Anbieter von geschäftsmä­ ßigen, in der Regel gegen Entgelt angebotenen Telemedien in die Pflicht nimmt, handelt es sich um ein Sonderdelikt für Telemedienanbieter. Als geschäftsmäßig werden Telemedien definiert, die „in der Regel“, was so viel bedeuten soll wie üb­ licherweise, gegen Entgelt angeboten werden.4 Gewerbsmäßiges, auf Gewinnerzie­ lung gerichtetes Anbieten des konkreten Telemediums ist nicht Voraussetzung. Ein nachhaltiges Anbieten erfüllt das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit auch dann, wenn im konkreten Fall keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.5 Nicht erfasst wer­ den jedoch private Telemedien, die üblicherweise nicht gegen Entgelt angebo­ ten werden. Es ist nicht geboten, die Impressumspflicht auf sog. Content-Provider zu beschrän­ ken, die eigene Telemedien zur Nutzung bereithalten.6 Host- und Access-7Provider wer­ den nicht unangemessen belastet. Zwar sieht der Gesetzgeber in §§  7–9 TMG  (vgl. Art. 4-6 DSA) unterschiedliche Verantwortungsgrade für die verschiedenen Zugangs­ vermittlungen des Anbietens i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG vor. Jedoch haftet selbst der sog. Access-Provider – eingeschränkt – für Jugendschutzverstöße8 (vgl. auch Art. 4 Abs. 3 DSA) und – nachrangig – gem. § 109 Abs. 1 MStV9 sowie – hilfsweise – urheber- und wettbewerbsrechtlich als „Zustandsstörer“, wenn der Handlungsstörer nicht greifbar ist.10 Die Durchsetzung der Ansprüche gegenüber einem Diensteanbieter (Content-, Host- oder Access-Provider) setzt voraus, dass dieser eindeutig bestimmbar ist. Die Impressumsangaben müssen „leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“ gehalten werden. Zu den Mindestangaben gehören der – vollständige – Name (s. u. 11.1.2.1) sowie die ladungsfähige Anschrift und bei juristischen Personen der Vertretungsberechtigte.  Dazu näher BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 5 Rn. 28 ff.  OVG Magdeburg, Beschl. v. 18.5.2017 – 4 L 103/16, ZUM-RD 2017, 637 (639 f.). 6  Vgl. Beck TDG/Brönneke, TMG § 5 Rn. 39; NK-MedienR/Held, Abschn. 69 Rn. 27; a. A. wohl Waldenberger/Hoß, AfP 2000, 241. 7  A.  A. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG §  5 Rn.  17; BeckOK IT-Recht/Sesing-­ Wagenpfeil, TMG § 5 Rn. 19; BeckOK InfoMedienR/Ott, TMG § 5 Rn. 7: wegen Fehlens einer „praxisgerechten Möglichkeit zur Anbringung einer Anbieterkennzeichnung“. 8  Vgl. NK-JMStV/Gutknecht, JMStV § 3 Rn. 13 ff. 9  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Fiedler, MStV §  109 Rn.  52  f.; NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 20. 10  Vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.3.2014  – C-314/12UPC, MMR 2014, 397  m. Anm. Roth, EuZW 2014, 388 m. Anm. Karl, oder GRUR 2014, 468 m. Anm. Marly; BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, MMR 2016, 180 m. Anm. Finger. 4 5

11.1 Impressumspflichtverletzungen

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Anders als in § 18 Abs. 1 Nr. 2 MStV ist die Anschrift des Vertretungsberechtigten nicht genannt. Vielmehr wird auf die Anschrift der Niederlassung des Diensteanbieters abgestellt. Das ist gerade bei geschäftsmäßig handelnden Diensteanbietern sachgerecht. Weiter sind Angaben vorgeschrieben, die eine schnelle elektronische Kontakt­ aufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglichen, „einschließlich der Ad­ resse der elektronischen Post“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG; § 5 Abs. 1 Nr. 2 DDG-E). Der Gesetzgeber verlangt also zusätzlich zur E-Mail-Adresse mindestens die Angabe einer weiteren elektronischen Kontaktmöglichkeit zur unmittelbaren Kommunika­ tion. Der Diensteanbieter erfüllt diese Verpflichtung durch Angabe einer Telefon­ nummer genau so gut wie mit einer Telefaxnummer. Die zusätzliche Angabe nur einer teuren Mehrwertdienstenummer, deren Entgelthöhe nicht allein die technische Dienstleistung der Nachrichtenübermittlung und technischen Organisation der Kommunikation abgilt, sondern (Neben-)Einnahmen des Diensteanbieters gene­ riert, ist pflichtwidrig.11 Neben der Adresse der elektronischen Post fehlt dann eine weitere vorgeschriebene Angabe, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglicht, wenn pflichtwidrig nur eine Mehr­ wertdienstenummer angegeben wird, deren Kosten von der Inanspruchnahme ab­ schrecken; die Information wird entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 unvollständig verfügbar gehalten i. S. d. § 11 Abs. 2 Nr. 2 TMG (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 1 DDG-E). Weitere Pflichtangaben zu Aufsichtsbehörden betreffen Telemedien im Rahmen einer zulassungspflichtigen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG; § 5 Abs. 1 Nr. 3 DDGE). Bestimmte Registereintragungen müssen von Handelsunternehmen, Genossen­ schaften, Partnerschaften oder Vereinen angegeben werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG und DDG-E). Ferner sind nähere Angaben für bestimmte Berufsgruppen vorge­ schrieben, z. B. solche, die in Kammern organisiert sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG und DDG-E). Umsatzsteuer- und Wirtschafts-Identifikationsnummer sind zu nennen (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG und DDG-E) und im Falle einer Liquidation oder Abwick­ lung von Kapitalgesellschaften ist auch auf diesen Umstand leicht erkennbar hinzu­ weisen (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 TMG und DDG-E). Jede vorsätzliche oder fahrlässige Ver­ letzung von Informationspflichten aus § 5 Abs. 1 TMG (§ 5 DDG-E) wird in § 11 Abs. 2 Nr. 2 TMG (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 DDG-E) bußgeldbewehrt.12

11.1.2 Nach dem Medienstaatsvertrag 11.1.2.1 Allgemeine Impressumspflicht Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MStV handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich ent­ gegen § 18 Abs. 1 MStV bei Telemedien den Namen oder die Anschrift oder bei ju­ ristischen Personen den Namen oder die Anschrift des Vertretungsberechtigten nicht oder nicht richtig verfügbar hält. Anders als § 5 TMG und DDG-E verpflichtet

 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 2.10.2014 – 6 U 219/13, MMR 2015, 32; bestätigt durch BGH, Urt. v. 25.2.2016 – I ZR 238/14, MMR 2016, 629 m. Anm. Isele. 12  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 25. 11

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11 Telemedien

§ 18 Abs. 1 MStV auch nicht geschäftsmäßig handelnde Telemedienanbieter13 und nimmt nur Anbieter von Telemedien aus, die ausschließlich persönlichen oder fami­ liären Zwecken dienen. Die Namensangabe muss bei natürlichen Personen aus mindestens einem voll ausgeschriebenen Vornamen und dem Familiennamen des Anbieters bestehen.14 Pseudonyme, Berufs-, Ordens- oder Künstlernamen genügen grundsätzlich nicht; ausnahmsweise kann ihre Verwendung dann ausreichend sein, wenn sie dem ge­ wöhnlichen Nutzer des Angebots bekannt sind bzw. nicht der Verschleierung der Identität oder Erschwerung der Identifikation des Anbieters des Telemediums die­ nen.15 Die Anschrift kann den Wohn- oder den Geschäftssitz bezeichnen. Sie muss Straße bzw. Platz und Hausnummer, Postleitzahl und Ort enthalten. Nicht ausrei­ chend ist die Nennung einer E-Mail-Adresse,16 aber auch nicht eines Postfachs,17 da Klagen und Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen nicht an Postfach-­Adressen zugestellt werden können, „so dass Kenntnis nur der Postfach-Nummer einen schnel­ len Rechtsschutz gegen einen Anbieter bzw. – im Falle des Absatz 2 – einen Verant­ wortlichen entgegen dem Zweck der Vorschrift erschweren würde.“18 Die Angabe eines falschen Namens oder einer unvollständigen Anschrift ist als „nicht richtiges“ Verfügbarhalten ebenso mit Geldbuße bedroht wie das völlige Unterlassen der Kenn­ zeichnung. Zur leichten Erkennbarkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 MStV gehört auch, dass die Angaben lesbar sind. Das betrifft zum einen die Gestaltung und bedeutet, dass sich die Angaben deutlich vom Hintergrund abheben müssen und gut wahrnehmbar sind.19 Zum anderen heißt es, dass für die Namens- und Anschriftennennung das la­ teinische Alphabet genutzt werden muss; ein in Deutschland lebender Russe, der ein in deutscher Sprache verfasstes Angebot anbietet, genügt mit der Namens- und An­ schriftenwiedergabe in kyrillischer Schrift der Verpflichtung nicht. Entsprechendes gilt für Namensangaben in japanischen oder chinesischen Schriftzeichen.20 Die Ordnungswidrigkeit ist nach §  115 Abs.  2 MStV mit Geldbuße bis zu 50.000,00 € bedroht.

11.1.2.2 Qualifizierte Impressumspflicht Die Bußgeldbewehrung einer Verletzung der qualifizierten Impressumspflicht für Anbieter von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen vollstän­ dig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wieder­ gegeben oder in periodischer Folge Texte verbreitet werden (§ 18 Abs. 2 MStV, vor­  Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, RStV §  55 Rn.  10  ff.; vgl. auch Beck RundfunkR/­ Held, RStV § 55 Rn. 26; BeckOK InfoMedienR/Lent, MStV § 18 Rn. 3. 14  Vgl. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG §  5 Rn.  44; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.11.2008 – I-20 U 125/08, K&R 2009, 125 (126). 15  Vgl. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG § 5 Rn. 47. 16  Beck RundfunkR/Held, RStV § 55 Rn. 31. 17  Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG § 5 Rn. 46. 18  Waldenberger/Hoß, AfP 2000, 237 (240). 19  Beck RundfunkR/Held, RStV § 55 Rn. 35; vgl. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG § 5 Rn. 24 ff. 20  Instruktiv zur Sprachfrage Spindler/Schuster/Schirmbacher/Micklitz, TMG § 5 Rn. 34 f. 13

11.2  Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit

261

mals § 55 Abs. 2 RStV), welche § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RStV enthalten hatte, ist beim Übergang zum MStV nicht übernommen worden. § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV pönalisiert in Nr. 1 Verstöße gegen § 18 Abs. 1 und in Nr. 2 Verstöße gegen § 18 Abs. 3 MStV, aber nicht mehr gegen § 18 Abs. 2 MStV. Die Ausführungen in der Vorauflage (S. 198 f.) zur qualifizierten Impressumspflicht des § 55 Abs. 2 RStV (nunmehr: § 18 Abs. 2 MStV) sind mit Inkrafttreten des MStV am 7.11.2020 gegen­ standslos geworden.

11.2 Berichtspflichten über Maßnahmen zur Barrierefreiheit Die schwache Verpflichtung bundesweiter Fernsehveranstalter („sollen … im Rah­ men der technischen undihrer  finanziellen Möglichkeit“) zur Aufnahme barriere­ freier Angebote für Menschen mit Behinderungen (s. o. 9.1.2) gilt nach § 76 MStV entsprechend für fernsehähnliche Telemedien. Es wird davon auszugehen sein, dass die entsprechende Geltung des § 7 MStV – parallel zum Fernsehen – auf bundes­ weit ausgerichtete Telemedien beschränkt ist. § 74 Satz 2 MStV sieht Pay-per-view-Angebote, die gem. § 2 Abs. 3 MStV kein Rundfunk und somit automatisch Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3 MStV sind, offenbar als Prototyp eines fernsehähnlichen Telemediums an, dem „sonstige linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien“ gleichgestellt werden. Im Übrigen exis­ tiert keine Definition des fernsehähnlichen Telemediums. Rundfunkähnliche Tele­ medien i. S. d. Definitionsnorm in § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV können zwar Inhalte auf­ weisen, die „nach Form und Gestaltung hörfunk- oder fernsehähnlich sind“. Sie hei­ ßen aber insgesamt rundfunkähnliche Telemedien und sind als Abrufdienste definiert. Wären fernsehähnliche Telemedien ein Unterfall der in § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV definierten rundfunkähnlichen Telemedien, gälte auch das weitere Definiti­ onsmerkmal, dass sie „aus einem vom Anbieter festgelegten Katalog zum individu­ ellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt bereitgestellt werden.“ Dann könnte es linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien nicht geben, weil sie ge­ rade keine Abrufdienste sind: Es wäre ein Widerspruch in sich. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 23a MStV bedroht den Anbieter fernsehähnlicher Tele­ medien mit Geldbuße, der entgegen § 76 i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 MStV „seiner Berichtspflicht nicht nachkommt“. Hiervon wird ohne Weiteres der Anbieter eines linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemediums erfasst, obwohl fraglich er­ scheint, ob die Architekten der Norm (nur) linear verbreitete Angebote im Blick hat­ ten. Denn § 75 MStV nennt für das Kurzberichterstattungsrecht die Konstellation, dass „die gleiche Sendung von demselben Fernsehveranstalter zeitversetzt angebo­ ten wird“. Daraus schließt die amtl. Begr., dass ein Veranstalter seine über das Kurz­ berichterstattungsrecht erstellten Inhalte „damit sowohl im ­Rundfunkprogramm (§ 14) als auch auf Abruf (§ 75) verwerten (kann).“21 Mit Rücksicht auf das strin­ gente Bestimmtheitsgebot des § 3 OWiG bestehen gleichwohl durchgreifende Be­ denken dagegen, den Bußgeldtatbestand kurzerhand auf „rundfunkähnliche Tele­ medien“ mit fernsehähnlichen Inhalten anzuwenden. 21

 Bayer. Landtag, Drs. 18/7640, 101.

262

11 Telemedien

11.3 Kennzeichnungspflicht für Social Bots Erstmals enthält § 18 Abs. 3 MStV eine in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV bußgeld­ bewehrte Kennzeichnungspflicht für die Verwendung sog. Social Bots in sozialen Netzwerken, d. h. für automatisch generierte Inhalte in personalisierten Nutzerkon­ ten. „Meinungsroboter“, die menschliche Verhaltensweisen in sozialen Netzwerken imitieren, müssen kenntlich sein.22 Dabei geht es nicht um die Verpflichtung der An­ bieter von Medienintermediären i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 16 MStV, die soziale Netz­ werke anbieten, dafür Sorge zu tragen, dass Telemedien im Sinne von § 18 Abs. 3 MStV gekennzeichnet werden (§ 93 Abs. 4 MStV): Um diese Verpflichtung geht es in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 45 MStV, der dafür einen eigenen Bußgeldtatbestand be­ reithält. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 MStV ist ein Sonderdelikt für An­ bieter von Telemedien in sozialen Netzwerken. Der Verwender von Social Bots muss dem jeweiligen Beitrag einen gut lesbaren Hinweis bei- oder voranstellen, dass dieser Beitrag unter Einsatz eines Social Bot erstellt wurde.23 Nach § 18 Abs. 3 Satz 3 MStV ist das nicht nur dann der Fall, wenn Inhalte und Mitteilungen unmit­ telbar vor dem Versenden automatisch generiert wurden, sondern auch dann, „wenn bei dem Versand automatisiert auf einen vorgefertigten Inhalt oder eine vorpro­ grammierte Mitteilung zurückgegriffen wird.“ Tatbestandliches Verhalten ist die Nichtvornahme der vorgeschriebenen Kenntlichmachung. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV enthält ein echtes Unterlassungsdelikt, das nur vorsätzlich verwirklicht wer­ den kann. Das Analogieverbot des § 3 OWiG verbietet es, die Vornahme fehlerhafter Kenn­ zeichnungen zu ahnden, wenn bspw. entgegen § 18 Abs. 3 Satz 2 MStV ein schlecht lesbarer Hinweis gegeben wird. Anders als § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MStV stellt Nr. 2 das „nicht richtige“ Erfüllen der Pflicht nicht unter Bußgeldandrohung. Das ist für die Praxis bindend.

11.4 Verletzung der Auskunftspflicht nach § 2c TMG § 2c i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TMG wurde zur Umsetzung von Art. 2 Abs. 5a AVMD-RL durch Gesetz vom 19.11.2020 (BGBl. 2020 I 2456) neu aufgenom­ men. Auf Verlangen der zuständigen Behörde müssen die Anbieter von audiovisu­ ellen Mediendiensten i.  S.  d. §  2 Satz 1 Nr.  6 und  7 TMG und von Videosharingplattform-­Diensten i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 10 und 11 TMG Auskünfte über die in § 2a Abs. 2– 7 TMG genannten Kriterien erteilen, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der Behörde nach § 2b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 TMG erforderlich ist (vgl. § 10 DDG-E). Die erforderlichen Auskünfte auf Verlangen der zuständigen Behörde nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzei­ tig zu erteilen, erfüllt den objektiven Tatbestand des §  11 Abs.  2 Nr.  1 TMG 22 23

 BeckOK InfoMedienR/Lent, MStV § 18 Rn. 13 ff.  Gerecke/Stark, GRUR 2021, 816 (819).

11.4  Verletzung der Auskunftspflicht nach § 2c TMG

263

(vgl.  §  25  Abs. 4 Nr. 1 DDG-E), der in der ersten Tathandlungsvariante echtes Unterlassungsdelikt und in den Varianten „nicht richtig oder nicht rechtzeitig er­ teilt“ Begehungsdelikt ist. Unvollständig sind Auskünfte eines Videosharingplatt­ form-Anbieters z. B., wenn zwar die Kriterien für die Sitzbestimmung der eige­ nen Gesellschaft genannt, aber die nach § 2a Abs. 4–6 TMG relevanten Angaben zu Mutter- oder Tochterunternehmen sowie zu „anderen Unternehmen der Gruppe“ verschwiegen werden. Taugliche Täter sind audiovisuelle Mediendiens­ teanbieter und Videosharingplattform-Anbieter (Sonderdelikt). Angaben, die für die Erfüllung der Aufgaben nach § 2b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 TMG nicht erfor­ derlich sind, werden von der Auskunftspflicht nicht erfasst. Bei den Aufgaben geht es um die Führung (Erstellung und Pflege) von Listen, aus denen sich ergibt, welche Mediendiensteanbieter der Rechtshoheit der einzelnen Mitgliedsstaaten unterliegen. Die Listen sind der Europäischen Kommission nach Art. 2 Abs. 5b AVMD-RL zu übermitteln. Damit sie stets auf aktuellem Stand sind, müssen die Mitgliedsstaaten nach Art. 2 Abs. 5a AVMD-RL sicherstellen, dass die Medien­ diensteanbieter ihre Regulierungsbehörden über alle Änderungen unterrichten, die die Feststellung der Rechtshoheit berühren können. § 2b Abs. 1 Satz 2 TMG enthält die Pflicht der Listen führenden Aufsichtsbehörde, zu jedem audiovisuel­ len Mediendiensteanbieter und Videosharingplattform-Anbieter die „maßgebli­ chen Kriterien“ nach § 2a Abs. 2–7 TMG anzugeben. Das sind die gesetzlichen Kriterien, nach denen sich die Bestimmung Deutschlands als Sitzland bei nicht nach § 2a Abs. 1 TMG im Inland niedergelassenen Anbietern richtet. Die Verwei­ gerung solcher Auskünften, die die zuständige Behörde benötigt, um die Aufga­ ben nach § 2b Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 TMG zu erfüllen, d. h. eine Liste der Anbie­ ter mit tatsächlichem oder rechtlichem, genauer: gesetzlich fingiertem, Sitz in Deutschland zu erstellen, ist ordnungswidrig.24 Die bußgeldbewehrte Auskunftspflicht wird nur durch ein Auskunftsverlangen der zuständigen Behörde aktiviert. Die in der Literatur anzutreffende Behauptung, die „Zuständigkeit der Auskunft verlangenden Behörde (sei) nicht Voraussetzung eines berechtigten Auskunftsverlangens“25 widerspricht dem klaren Gesetzeswort­ laut. Die Verweigerung der angeforderten Auskünfte oder falsche Auskünfte gegen­ über einer unzuständigen Behörde sind nicht tatbestandlich. Stellt die „potenziell“ zuständige Behörde Fragen, die nicht oder falsch beantwortet werden, ist dies kein Fall des § 11 Abs. 2 Nr. 1 TMG.26 Eine mutmaßlich zuständige Behörde, für deren Zuständigkeit tatsächliche An­ haltspunkte bestehen, hat Anlass, bei entsprechendem Anfangsverdacht einer Ver­ letzung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 TMG ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit reicht für eine Identitätsfeststellung bei dem Betroffenen aus.27 Für die Identitätsfeststellung im Bußgeldverfahren gelten allgemein §  46

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 21.  BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 2c Rn. 5. 26  A. A. BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 11 Rn. 10. 27  Vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG Vor § 59 Rn. 140. 24 25

264

11 Telemedien

Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 163b, 163c StPO.28 Werden Auskunftsansprüche zur Iden­ titätsfeststellung verweigert oder vorsätzlich unrichtig erteilt, stellt dies eine Ord­ nungswidrigkeit nach § 111 OWiG dar, der unrichtige Angaben zu „Vor-, Familienoder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit“ bußgeldbe­ wehrt. Die Bußgeldbehörde ist für die Identitätsfeststellung „zuständige Be­ hörde“ i. S. d. § 111 Abs. 1 OWiG. Erkennt der Auskunftsverweigerer diese Zustän­ digkeit fahrlässig nicht, kann er nach § 111 Abs. 2 OWiG verfolgt und geahndet werden. Stellt sich im Ermittlungsverfahren heraus, dass die Zuständigkeit nach § 2c TMG nicht besteht, gebietet § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO die Einstellung des Bußgeldverfahrens zur Ahndung der Auskunftspflichtverletzung nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 TMG. Die in § 2b Abs. 2 TMG (vgl. § 9 Abs. 2 DDG-E) genannte „für Kultur und Me­ dien zuständige oberste Bundesbehörde“ ist nach § 2b Abs. 3 TMG (vgl. § 9 Abs. 3 DDG-E) zuständig für die Übermittlung der Listen an die Europäische Kommis­ sion. Daraus erwächst ihr kein unmittelbarer Auskunftsanspruch gegenüber dem Anbieter. Die für den Anbieter zuständige Aufsichtsbehörde ergibt sich aus §  24 MStV i. V. m. jeweils einem Landesgesetz.

11.5 Werbe- und Sponsorbestimmungen 11.5.1 Allgemeine Bestimmungen Anders als der Rundfunkstaatsvertrag, der im Laufe der Zeit um Bestimmungen für Telemedien ergänzt worden war und zum Schluss den wenig beachteten Langtitel „Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien“ trug, hat der Medienstaatvertrag, der als Art.  1 des Staatsvertrags über die Modernisierung der Medienordnung in Deutschland vom 14./28. April 2020 am 7.11.2020 in Kraft trat, eine möglichst um­ fassende Ordnung der elektronischen Onlinemedien Rundfunk und Telemedien zum Ziel. Der Unterabschnitt über Telemedien (§§ 17–25 MStV) im II. Abschnitt mit den Allgemeinen Bestimmungen nimmt sich angesichts der Vielzahl der Son­ derreglungen für besondere Telemedien (§§ 74–99e MStV) bescheiden aus. Die Werberegeln, die für alle gelten, sofern sie nicht von spezielleren Bestimmun­ gen verdrängt werden, finden sich in §  22 MStV unter der Überschrift „Werbung, Sponsoring, Gewinnspiele“. Für rundfunkähnliche Telemedien i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV, für Pay-per-view-Angebote i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV und für „sonstige linear ver­ breitete fernsehähnliche Telemedien“ gilt nach § 74 MStV weitgehend Rundfunkwer­ berecht, das in erheblichen Teilen nach dem nicht bußgeldbewehrten § 98 Abs. 1 MStV auch für Video-Sharing-Dienste gilt.29 Die Werberegelung für Video-Sharing-Dienste verweist nicht auf das Verbot ideeller „Werbung“ in § 8 Abs. 9 MStV und gilt deshalb ausschließlich für Wirtschaftswerbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV.30  KK-OWiG/Lampe, OWiG § 46 Rn. 23.  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 98 Rn. 4. 30  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 98 Rn. 17. 28 29

11.5  Werbe- und Sponsorbestimmungen

265

§  22 MStV besteht aus drei Absätzen mit sehr heterogenem Regelungsinhalt. Nur Verstöße gegen die drei Sätze des ersten Absatzes sind in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3–5 MStV mit Geldbuße bedroht. Von den besonderen Pflichten der Diensteanbieter bei kommerziellen Kommuni­ kationen in § 6 TMG und DDG-E ist nur die Zuwiderhandlung gegen § 6 Abs. 2 in § 11 Abs. 1 TMG bzw. § 25 Abs. 1 DDG-E bußgeldbewehrt.31

11.5.1.1 Verschleierung kommerzieller Kommunikation § 11 Abs. 1 TMG (vgl. § 25 Abs. 1 DDG-E) stellt eine spezielle Form „schleichen­ der“ Werbung unter Bußgeldandrohung: die Verheimlichung des Absenders oder die Verschleierung des kommerziellen Charakters einer mit E-Mail verschickten werblichen Nachricht.32 Tathandlung ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TMG und DDG-E eine entsprechende Gestaltung der Kopf- oder Betreffzeile der E-Mail.33 Schon die Defi­ nition des Verschleierns oder Verheimlichens in §  6 Abs.  2 Satz 2 TMG und DDG-E  enthält das den objektiven Tatbestand überschießende subjektive Tatbe­ standsmerkmal der Verheimlichungs- bzw. Irreführungsabsicht bei der Gestaltung der Kopf- oder Betreffzeile.34 Darüber hinaus schränkt § 11 Abs. 1 TMG (ebenso § 25 Abs. 1 DDG-E) als möglicherweise einzige Bußgeldvorschrift im deutschen Recht die Ahndbarkeit auf die qualifizierte Vorsatzform der Absicht (dolus directus 1. Grades) ein.35 Absicht wird zur Unterscheidung vom direkten Vorsatz (dolus di­ rectus 2. Grades), der mit der Formel vom „Wissen und Wollen der Tatbestandsver­ wirklichung“ beschrieben wird (näher dazu 2.3.1.2.1), als „zielgerichteter Erfolgs­ wille“ gekennzeichnet.36 Auf den Eintritt des Erfolgs kommt es nicht an. 11.5.1.2 Erkennbarkeit von Werbung Die erweiterte Werbedefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV stimmt sachlich mit der Definition der kommerziellen Kommunikation in Art.  1 Abs.  1 lit. h AVMD-RL, sieht man von dessen Beschränkung auf audiovisuelle Kommunikation ab, und mit § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG, § 1 Abs. 4 Nr. 7 DDG-E im Wesentlichen überein. Die For­ mulierung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und DDG-E „Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein“ entspricht dem Erkennbarkeitsgebot für Werbung in § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV für Telemedien, die dem Regime des MStV unterfallen, und dem rundfunkrechtlichen Erkennbarkeitsgebot in § 8 Abs. 3 Satz 1 MStV, der zusätzlich den verstärkenden Gedanken der leichten Unterscheidbarkeit vom redaktionellen Programm enthält. Die Verletzung dieses gesetzlich vorgegebe­ nen Erkennbarkeitsgebots für Werbung ist weder in § 11 TMG oder § 25 DDG-E noch für Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien bußgeldbewehrt, aber – und eben nur – für sonstige Telemedien, für die § 22 Abs. 1 MStV gilt.

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 15; Roßnagel/Bär, TMG a. F. § 16 Rn. 16.  BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 6 Rn. 48. 33  BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 6 Rn. 34  BeckOK InfoMedienR/Pries, TMG § 6 Rn. 19 f. 35  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 15. 36  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 11 Rn. 6. 31 32

266

11 Telemedien

§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV bedroht jeden Normadressaten des § 22 Abs. 1 MStV mit Geldbuße, der „Werbung nicht als solche klar erkennbar macht.“ Die Ordnungswidrigkeit kann nach §  115 Abs.  2 MStV mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 € geahndet werden. Die schärfere Ahndung der tendenziell weniger in­ tensiv regulierten „sonstigen“ Telemedien ist irritierend. Der Grund dafür lässt sich der Begründung des Staatsvertrags nicht entnehmen.

11.5.1.3 Trennung der Werbung von anderen Inhalten Alternativ („oder“) stellt § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV die Verletzung des in § 22 Abs.  1 Satz 1 MStV kumulativ („und“) enthaltenen Trennungsgrundsatzes unter Bußgeldandrohung; das Pendant für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernse­ hähnliche Telemedien ist in Nr. 12 enthalten (s. o. 6.2.2.2). Pönalisiert sind nur Vor­ satztaten. Tathandlung ist „Werbung … nicht eindeutig vom übrigen Inhalt trennt.“ Nicht nur das völlige Fehlen einer Zäsur zwischen Werbung und übrigem Inhalt ist tatbestandlich, sondern bereits eine zu schwache Zäsur, die nicht eindeutig als Tren­ nung wahrgenommen wird. Die Rechtsprechung zum rundfunkrechtlichen Tren­ nungsgrundsatz erscheint ungeachtet der europarechtlich „überformten“ abwei­ chenden Formulierung in § 8 Abs. 3 Satz 3 MStV übertragbar. Das BVerwG fordert, dass „sich dem aufmerksamen, aber nicht hoch konzentrierten Zuschauer auf Grund der Gestaltung des als Zäsur eingesetzten Mittels und der sonstigen Umstände der Eindruck aufdrängen muss, dass als nächstes Werbung ausgestrahlt wird.“37 11.5.1.4 Sonderfälle: Schleichwerbung und Produktplatzierung §  22 MStV behandelt weder Produktplatzierung noch Schleichwerbung aus­ drücklich. 11.5.1.4.1 Schleichwerbung in Telemedien Soweit das Schleichwerbeverbot spezielle Ausformung des Erkennbarkeitsgebots und des Trennungsgrundsatzes ist,38 gilt es auch ohne ausdrückliche gesetzliche Er­ wähnung.39 Ein entscheidender Unterschied zwischen dem für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien entsprechend geltenden Schleich­ werbeverbot des § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV und dem Schleichwerbeverbot qua Erkenn­ barkeits- und Trennungsgrundsatz nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV besteht indessen: Der Werbebegriff des § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV ist gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV da­ durch gekennzeichnet, dass die werbliche Äußerung „gegen Entgelt oder eine ähn­ liche Gegenleistung oder als Eigenwerbung in … einem Telemedium aufgenommen ist.“ Die Definition des Schleichwerbebegriffs in § 2 Abs. 2 Nr. 9 MStV, der dem Schleichwerbeverbot in § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV zugrunde liegt, setzt nicht zwin­ gend Entgeltlichkeit voraus.40 Dagegen wird der Trennungsgrundsatz nur durch  BVerwG, Urt. v. 14.10.2015 – 6 C 17/14, NVwZ-RR 2016, 142 (143).  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Martini, MStV § 2 Rn. 66. 39  Vgl. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, TMG § 6 Rn. 21 ff. 40  OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2015 – 2 Ss (OWi) 112/15, ZUM-RD 2015, 660; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.6.2016 – 6 C 9/15, NVwZ-RR 2016, 773 (774 f.); EuGH, Urt. v. 9.6.2011 – C-52/10, EuZW 2011, 555. 37 38

11.5  Werbe- und Sponsorbestimmungen

267

eigene („Eigenwerbung“) oder entgeltlich aufgenommene Wirtschaftswerbung ohne deutliche Trennung vom übrigen Inhalt verletzt.41 11.5.1.4.2 Produktplatzierung in Telemedien Die Erstreckung des „Werbebegriffs“ auf Produktplatzierung wirft für nicht rund­ funkähnliche Telemedien Fragen auf, die für die Reichweite der Bußgeldbewehrung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV von essenzieller Bedeutung sind. Für Anbieter nicht rundfunkähnlicher Telemedien gelten die besonderen Be­ stimmungen des § 8 Abs. 7 MStV über die Produktplatzierung nicht und auch nicht entsprechend. Für sie gilt lediglich das Erkennbarkeits- und Kennzeichnungsgebot für Werbung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV. Produktplatzierung als Unterfall der Werbung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV wird zwar davon umfasst. Es ist aber un­ klar, wie Produktplatzierung, die ohne spezialgesetzliche Bestimmung unter der Geltung des Erkennbarkeits- und Kennzeichnungsgebots im Rundfunk zuvor un­ zulässig war, ohne spezialgesetzliche Regelung in sonstigen Telemedien aussehen könnte. Wenn aus der fehlenden Regelung nicht die Unzulässigkeit der Produkt­ platzierung in nicht rundfunkähnlichen Telemedien folgen soll, kann nur eine Ge­ staltung von Produktplatzierung in Analogie zu den Regeln, die für Rundfunk und rundfunkähnliche Telemedien gelten, in Betracht kommen. Die Wohltat einer sol­ chen „rechtsbegründenden“ Analogie würde den Anbietern sonstiger Telemedien Handlungsspielräume eröffnen, die ihnen eine strenge Anwendung der für sie gel­ tenden – verkürzten – Werbevorschriften verschließt. Eine den Telemedienanbieter begünstigende Analoganwendung der für Rundfunk geltenden Produktplatzie­ rungsvorschriften würde nicht zu einer Verschärfung der Bußgeldbestimmung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MStV führen, die Verstöße sowohl gegen den Erkennbar­ keitsgrundsatz als auch gegen die Kennzeichnungspflicht unter Bußgeldandrohung stellt. Sie würde im Gegenteil die nach dem Wortlaut der Vorschrift mögliche Ahn­ dung einschränken. Das löst keinen Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz in§ 3 OWiG aus.42 Diese Analogie erscheint deshalb als Alternative zum Totalver­ bot der Produktplatzierung für Anbieter sonstiger Telemedien, die tendenziell einem weniger strengen Regime als Rundfunkveranstalter und Anbieter rundfun­ kähnlicher Telemedien unterliegen, diskutabel. Rechtsprechung dazu existiert bis­ her nicht.

11.5.1.5 Das Verbot subliminaler Werbung § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MStV bedroht den Einsatz sog. unterschwelliger Techni­ ken in der Werbung mit Geldbuße. Der für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien geltenden Tatbestand nach § 115 Abs. 2 Nr. 11 MStV stellt ohne abweichende Regelungsabsicht auf „Techniken zur unterschwelligen Be­ einflussung“ ab; die semantische Abweichung der Ausfüllungsnorm § 8 Abs. 3 Satz 41 42

 Vgl. BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 125/20, MMR 2021, 886 (Rn. 64 ff.).  Unzulässig ist nur die belastende Analogiebildung: Klesczewski/Krenberger, OWiR § 2 Rn. 28.

268

11 Telemedien

2 MStV „Techniken der unterschwelligen Beeinflussung“ ist der Übereinstimmung mit Art. 9 Abs. 1 lit. b AVMD-RL geschuldet und dürfte nicht zu anderen Ergebnis­ sen führen. Auf die Ausführungen zu 6.2.1 wird verwiesen.

11.5.1.6 Unzureichende Urheberangaben bei ideeller Werbung Beispiel

Beispiel: Ein Influencer informiert auf seinem YouTube-Kanal über die Auflö­ sung der Demonstration von Klimaaktivisten in Lützerath, das dem Braunkohle­ tageabbau weichen soll. Am Schluss des Beitrags ruft er seine Follower dazu auf, die „Klimaverräter“ von den GRÜNEN künftig nicht mehr zu wählen. Alternativ: Aufruf, künftig anstatt der GRÜNEN die Partei Klimaliste Deutschland zu wählen. Später stellt sich heraus, dass die Partei den Beitrag „ge­ sponsert“ hat. ◄ Das Verbot ideeller Werbung (s. o. 6.2.8), das für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien entsprechend gilt (s. o. 6.2.8.4), ist für sons­ tige Telemedien unbeachtlich. Ideelle Werbung ist zwar keine Wirtschaftswerbung, also keine „Werbung“ i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, worauf der letzte Halbsatz der Definition auch hinweist: „§ 8 Abs. 9 und § 22 Abs. 1 Satz 3 bleiben unberührt,“ Deshalb gehört sie zum „übrigen Inhalt“, der von der Wirtschaftswerbung eindeutig getrennt sein muss.43 Gleichwohl stellt ideelle Werbung in nicht rundfunkähnlichen Telemedien aber einen kennzeichnungspflichtigen „übrigen Inhalt“ dar: Es muss nach § 22 Abs. 1 Satz 3 MStV „auf den Werbetreibenden oder Auftraggeber in angemessener Weise deutlich hingewiesen werden.“ Wer also in sein Telemedienangebot „Werbung po­ litischer, weltanschaulicher oder religiöser Art“ aufnimmt und vorsätzlich nicht auf den Werbetreibenden oder den Auftraggeber „in angemessener Weise deutlich hinweist“, riskiert eine Verfolgung und Ahndung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 MStV. Zur näheren Bestimmung der angemessenen Weise des deutlichen Hinweises verweist § 22 Abs. 1 Satz 3 HS 2 MStV auf die gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung des Sponsorhinweises in § 10 Abs. 1 Satz 2 MStV: Anstelle des Namens des Werbetreibenden oder Auftraggebers  – aber auch zusätzlich („neben“) – kann dessen Firmenemblem oder eine Marke, ein an­ deres Symbol des Auftraggebers oder Werbetreibenden oder ein entsprechendes unterscheidungskräftiges Zeichen  – hier bspw. ein Parteikürzel  – eigeblen­ det werden. § 22 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 MStV gilt auch für Video-­ Sharing-­Diensteanbieter bei der Eigenvermarktung und für nutzergenerierte Videos  Entschieden für das Verhältnis von Werbung und Beiträgen im Dienst der Öffentlichkeit (social spots): BVerwG, Beschl. v. 27.6.2019 – 6 B 150/18, NVwZ-RR 2020, 158 f.; s. auch Bornemann, MMR 2020, 453 (456). 43

11.5  Werbe- und Sponsorbestimmungen

269

in Video-Sharing-Diensten, sofern sie keine rundfunkähnlichen Telemedien sind, für die nach § 74 Satz 1 MStV das Verbot ideeller Werbung gem. § 8 Abs. 9 i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 MStV gilt (s. o. 6.2.8.4). § 22 Abs. 1 Satz 3 MStV wird nicht von §  98 Abs.  1 MStV, der speziellen Werbevorschrift für Video-­Sharing-­ Dienste verdrängt, da dieser nur Regelungen für Wirtschaftswerbung i.  S.  d. §  2 Abs. 2 Nr. 7 MStV enthält.44 Beispiel

Im Beispielsfall überlässt der Influencer keinem Dritten eine Präsentationsfläche in seinem Angebot für dessen politische Zielsetzung, sondern gibt ein eigenes politisches Statement ab. Das ist kein Fall „politischer Werbung“ (vgl. 6.2.8.1 ff.), sondern „politische Propaganda als redaktioneller Inhalt.“45 Sie ist von der Mei­ nungsfreiheit des Anbieters umfasst und unterliegt keinem speziellen gesetzli­ chen Verbot. ◄ Beispiel

In der Beispielsalternative wird später bekannt, dass die Partei Geld an den Influ­ encer gezahlt hat. Die euphemistische Bezeichnung als „Sponsoring“ ändert nichts an dem Dritteinfluss, die den „Sponsor“ als „Auftraggeber“ i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 3 MStV qualifiziert. Im Übrigen spricht die Angabe, dass der Influ­ encer einen eigenen „YouTube-Kanal“ betreibt, dafür, dass sein Beitrag als Ab­ rufangebot aus einem vom Anbieter festgelegten Katalog i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 MStV ein rundfunkähnliches Telemedium ist. Das Werberecht für rundfunkähn­ liche Telemedien ist filigran ausziseliert. Das nach § 74 Satz 1 MStV entspre­ chend geltende Verbot politischer Werbung nach §  8 Abs.  9 Satz 1 MStV be­ schränkt sich auf Drittsendungen (s. o. 6.2.8.3). Es erfasst nicht eigene politische Propaganda des audiovisuellen Mediendiensteanbieters. „Eigene“ inhaltliche Äußerungen im Drittinteresse sind anhand des Verbots der „Themenplatzierung sowie entsprechende(r) Praktiken“ nach § 8 Abs. 7 Satz 1 MStV zu prüfen, des­ sen entsprechende Geltung § 74 Satz 1 MStV für rundfunkähnliche Telemedien ebenfalls anordnet; für sonstige Telemedien gilt es nicht. Die Platzierung politi­ scher Themen „insbesondere wenn der Anbieter dafür ein Entgelt erhält“ (§ 3 Nr. 13 WerbeS) oder ungekennzeichnete Wahlaufrufe durch den Anbieter rund­ funkähnlicher Telemedien stellen ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar (s.  o. 6.2.7.3). ◄ Somit läge entweder eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 oder – bei Qualifizierung als rundfunkähnliches Telemedium – Nr. 16 MStV vor.

44 45

 BeckOK InfoMedienR/Bornemann, MStV § 98 Rn. 17 f.  Bornemann, BayVBl. 2021, 181 (184); ders., MMR 2020, 453 (454 f.).

270

11 Telemedien

11.5.2 Für rundfunkähnliche und linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien Die Bußgeldtatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11–23 MStV wurden als § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15–27 RStV durch den Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsver­ trag vom 30.10./20.11.2009 erstmals eingefügt. Nach aktuellem Stand enthalten sie Bußgeldandrohungen für Werbeverstöße durch Anbieter von rundfunkähnlichen Telemedien i.  S.  d. §  2 Abs.  2 Nr.  13 MStV sowie von Pay-per-view-Angeboten i. S. d. § 2 Abs. 3 MStV und von „sonstigen linear verbreiteten fernsehähnlichen Telemedien“ (§ 74 MStV). Vormals waren diese Tatbestände auf Abrufdienste mit fernsehähnlichen Inhalten i. S. d. § 58 Abs. 3 RStV und auf lineare Pay-per-view-­ Angebote beschränkt. Nunmehr sind auch hörfunkähnliche Abrufdienste einbe­ zogen. Im Unterschied zu den entsprechenden Werbeverstößen durch Rundfunkanbieter ist für Telemedienanbieter nur die vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung unter Bußgeldandrohung gestellt (s. § 10 OWiG). Die Tatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV sind wie Allgemeindelikte formu­ liert („wer“). Da der Bußgeldtatbestand aus einer Sanktionsnorm mit der Buß­ geldandrohung und einer Verhaltensnorm im materiellen Teil, auf die verwiesen wird (Ausfüllungsnorm), zusammengesetzt ist, hat die Formulierung der Sanktions­ norm nur Indizwirkung. Soweit die Ausfüllungsnorm einen speziellen Adressaten hat, handelt es sich gleichwohl um ein Sonderdelikt (s. o. 2.2.4.1.1). Die Sanktionstatbestände des § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV verweisen – anders als zuvor § 49 Abs. 1 Satz 2 Nr. 21 RStV – auf keine Ausfüllungsnorm, die das Anbie­ ten von Telemedien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten betrifft. Das bewirkt eine definitive Beschränkung der Bußgeldtatbestände auch des allgemein formulier­ ten § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV auf den privaten Sektor. Es fehlt lediglich das ahn­ dungsbegründende persönliche Tätermerkmal „Rundfunkveranstalter“. Im Übrigen sind die Tatbestände, abgesehen von sachbedingten terminologi­ schen Unterschieden (z.  B. „Angebotsteile“ in Satz 2 Nr.  12 anstelle von „Sen­ dungsteilen“ in Satz 1 Nr. 4), weitgehend parallel zu den Tatbeständen für Rund­ funkveranstalter formuliert. Insoweit kann auf die Kommentierung der entsprechen­ den Tatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 1 MStV verwiesen werden. Die Tatbestände in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 13, 14, und 23 MStV sind auf Bewegtbildangebote be­ schränkt. Die Bußgeldbewehrung von Unterbrecherwerbung in Gottesdienstübertragun­ gen und Kindersendungen (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 20 MStV) und von Unterbre­ cherwerbung in Filmen (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 21 MStV) bleiben gem. § 74 Satz 2 MStV auf Pay-per-view-Angebote (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 MStV) und sonstige linear verbreitete fernsehähnliche Telemedien beschränkt, da die Ausfüllungsnorm  §  9 MStV für rundfunkähnliche Telemedien, d.  h. Abrufdienste (§  2 Abs.  2 Nr.  13 MStV), nach § 74 Satz 1 MStV nicht gilt.

11.7  Sperrung gegen Abruf der Aufsichtsbehörde

271

11.6 Missachtung einer vollziehbaren Sperrungsverfügung Ein Diensteanbieter, den die zuständige Aufsichtsbehörde durch bestandskräftigen oder sofort vollziehbaren Bescheid verpflichtet hat, ein bestimmtes Angebot ganz oder teilweise46 gegen Abruf zu sperren, verwirklicht den Ordnungswidrigkeitentat­ bestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 49 MStV, wenn er der vollziehbaren Anordnung vorsätzlich zuwiderhandelt. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Aus der Verweisung auf § 109 Abs. 1 Satz 2, auch i. V. m. Abs. 4 Satz 1 MStV, ergibt sich, dass dies für Zuwiderhandlungen gegen alle auf der Basis des § 109 Abs. 1 Satz 1 u. 2 MStV ergehenden Sperrungsverfügungen gilt, auch für solche, die im Einklang mit § 109 Abs. 3 Satz 1 MStV gegenüber Access-Providern erlassen wer­ den.47 Werden deutsche Access-Provider wegen Inhalten, die gegen die Bestimmun­ gen des MStV verstoßen (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 1–3 MStV), wegen anzunehmender Erfolglosigkeit von Maßnahmen gegen den Content-Provider (§ 109 Abs. 3 Satz 1 MStV) nach § 109 Abs. 1 Satz 1 u. 2 MStV ordnungsrechtlich in Anspruch genom­ men, sichert die Bußgeldbestimmung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 49 MStV die Be­ folgung einer Sperrungsverfügung durch Bußgeldbewehrung zusätzlich ab. Auf die materielle Rechtmäßigkeit der Sperrungsverfügung kommt es nicht an, solange die Verfügung vollziehbar ist.48 Die Ordnungswidrigkeit ist nach §  115 Abs.  2 MStV mit Geldbuße bis zu 250.000,00 € bedroht.

11.7 Sperrung gegen Abruf der Aufsichtsbehörde Der Tatbestand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 50 MStV entspricht – mit Ausnahme der Ausgestaltung lediglich als Vorsatztat – dem vormals in § 24 Abs. 1 Nr. 10 MDStV enthaltenen. Einen parallelen Bußgeldtatbestand, der auch fahrlässig verwirklicht werden kann, enthält § 24 Abs. 1 Nr. 14 JMStV für den Bereich des Jugendschutzes (s. o. 4.14). Mit Geldbuße bedroht ist die Sperrung gegen den nach § 109 Abs. 4 Satz 3 MStV unentgeltlichen Abruf durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Es han­ delt sich um ein Begehungsdelikt. „Keine Ordnungswidrigkeit begeht deshalb, wer sich weigert an der Aufhebung einer Sperrung aktiv mitzuwirken.“49 Es liegt auch kein unechtes Unterlassungsdelikt vor, da die Pflicht zur Erfolgsabwendung i. S. d. § 8 OWiG nur auf Abwehr der Sperrung gerichtet ist und nicht auf Wiederherstel­ lung eines vor Erfolgseintritt des Begehungsdelikts (Sperrung) bestehenden Zustandes.

 Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte etwa bei der Sperrungsverfügung gegen Access-Provider wegen Seiten mit rechtsradikalen Inhalten die Nutzung zu Zwecken der Wissenschaft, Forschung und Lehre ausgenommen, Dietlein/Heinemann, K&R 2004, 418, Fn. 1. 47  Vgl. BCHHG MStV § 109 Rn. 3 f. 48  Vgl. Mitsch, OWiR, S. 63. 49  NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 59. 46

272

11 Telemedien

§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 50 MStV gilt ausschließlich für Abrufdienste. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut und der Entwicklungsgeschichte der Ausfüllungs­ norm.50 Soweit massenkommunikative Informations- und Kommunikationsange­ bote elektronisch als Verteildienst verbreitet werden, findet eine individuelle An­ forderung (Abruf) nicht statt (§ 2 Satz 1 Nr. 4 TMG). Auch die Verhaltensnorm spricht nur vom Abruf und weder alternativ vom Zugriff oder von der Nutzung (vgl. §  21 Abs.  3 Satz 1 JMStV) noch alternativ von Kenntnisnahme (vgl. §  21 Abs.  3 Satz 3 JMStV). Wegen des Bestimmtheitsgebots (§  3 OWiG) ist §  115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 50 MStV deshalb ausschließlich auf Abrufdienste und nicht auf Verteildienste anzuwenden. Ein sachlicher Grund für die Ausnahme des Bezahl­ fernsehens aus der Pflicht zur Sicherstellung eines unentgeltlichen Zugangs der Aufsichtsbehörden zu dem Angebotsinhalt (vgl. § 109 Abs. 4 Satz 1 u. 2 MStV) ist nicht zu erkennen.51 § 109 Abs. 4 Satz 1 MStV gewährt einen Anspruch auf unentgeltlichen Abruf von Angeboten nur im Rahmen der Aufsicht. Daraus folgt nicht, dass die Behörde jeweils einen unentgeltlichen Abruf von Angeboten mit ganz konkreten Aufsichts­ zwecken rechtfertigen oder tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ver­ stößen darlegen müsste.52 Ein unentgeltlicher Abruf ist auch für anlasslose Stichpro­ ben zu ermöglichen. Der Prüfzweck bedingt, dass die Aufsichtsbehörde die Einrich­ tung eines unentgeltlichen ständigen Zugangs verlangen kann. Müsste sie von Fall zu Fall je einen Antrag auf Gewährung eines unentgeltlichen Abrufs stellen, könn­ ten Manipulationen von Seiten eines Anbieters, der sich einer wirkungsvollen Auf­ sicht entziehen will, nicht ausgeschlossen werden. Wenn ein Diensteanbieter seine Angebote vorsätzlich gegen den unentgeltlichen Abruf durch die zuständige Aufsichtsbehörde sperrt, so erfüllt er den Bußgeldtatbe­ stand des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 50 MStV, der nach § 115 Abs. 2 MStV mit Geld­ buße bis zu 250.000,00 € bedroht ist.

11.8 Unzureichende Verfahren für Videosharing-Dienste Durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes und anderer Ge­ setze vom 19.11.2020 (BGBl. I 2456) wurden §§ 10a und 10b i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 3 TMG eingefügt. Sie sind seit dem 27.11.2020 in Kraft und dienen der Umset­ zung des Art. 28b AVMD-RL mit der Artikelüberschrift „Schutzmaßnahmen durch Video-Sharing-Plattform-Anbieter“ in nationales Recht. § 10a TMG regelt ein ge­ genüber dem NetzDG subsidiäres Verfahren zur Meldung von Nutzerbeschwerden über rechtswidrige audiovisuelle Inhalte auf Videosharingplattform-Diensten. § 10b TMG regelt das Verfahren zur Abhilfe solcher Nutzerbeschwerden. Beide

 BCHHG MStV § 109 Rn. 19.  BCHHG MStV § 109 Rn. 19. 52  Vgl. NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 21 Rn. 27; a. A. BeckOK InfoMedienR/Fiedler, MStV § 109 Rn. 69. 50 51

11.8  Unzureichende Verfahren für Videosharing-Dienste

273

­ orschriften werden aktiviert, wenn ein Bundes- oder Landesgesetz auf sie ver­ V weist, wie dies z. B. in § 99 MStV oder § 5b JMStV geschieht.53 Normadressaten sind Videosharingplattform-Anbieter i.  S.  d. §  2  S.  1 Nr.  11 TMG. Die Tathandlungsvarianten „nicht, nicht richtig oder nicht vollständig vor­ hält“ pönalisieren in Var. 1 und 3 („nicht … oder nicht vollständig vorhält“) ein Un­ terlassen. Trotz der negativen Formulierung („nicht richtig vorhält“) beschreibt Var. 2 kein Unterlassen, sondern ein Tun, nämlich das Vorhalten eines Verfahrens, das jedoch den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht, also ein falsches Vorhalten. Das unvollständige Vorhalten ist zwar auch regelwidrig und insoweit „nicht rich­ tig“; seine Fehlerhaftigkeit besteht aber ausschließlich im Weglassen (Unterlassen). Die Fehlerhaftigkeit der Var.  2 besteht  – darüber hinaus  – in inhaltlichen Feh­ lern. Künftig sind Art. 20 DSA und § 25 Abs. 4 Nr. 13 DDG-E einschlägig.

11.8.1 Fehlendes oder fehlerhaftes Meldeverfahren § 10a TMG (künftig Art. 16 DSA) beschreibt ein elektronisches Verfahren zur Mel­ dung von Nutzerbeschwerden. Nutzern muss im Rahmen des Videosharingplattform-­ Dienstes eine Funktion zur Verfügung gestellt werden, mit der sie Beschwerden über Inhalte elektronisch melden können.54 Unterlässt der Plattformanbieter es, eine solche Funktion einzurichten, ist der objektive Unterlassungstatbestand „ein Ver­ fahren nicht vorhält“ verwirklicht. Richtet er ein leicht erkennbares und bedienba­ res, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares (§  10a Abs.  2 Nr.  1 TMG) Meldeverfahren ein, das aber keine Möglichkeit vorsieht, die Nutzerbeschwerde näher zu begründen (§ 10a Abs. 2 Nr. 2 TMG), so ist die Var. 3 („nicht vollständig vorhält“) erfüllt. Bietet der Plattformanbieter bspw. entgegen §  10a Abs.  2 Nr.  1 TMG ein kompliziert handhabbares Verfahren oder ein nicht unmittelbar, sondern erst nach Aufruf anderer Dienste erreichbares Meldeverfahren an, so wäre Var. 2 („nicht richtig vorhält“) erfüllt (vgl. § 25 Abs. 4 Nr. 8 DDG-E).

11.8.2 Fehlendes oder fehlerhaftes Abhilfeverfahren § 10b regelt das sich an die Meldung anschließende Verfahren der Abhilfe der Nut­ zerbeschwerde.55 Bußgeldbewehrt ist nach dem Normtext ausschließlich das Nicht­ vorhalten eines für die Reaktionen auf die Beschwerden erforderlichen Verfahrens und nicht die Verletzung von Pflichten des Videosharingdienste-Anbieters nach § 10b Satz 2 Nr. 1–11 TMG bei der Behandlung von Beschwerden.56 Die amtl. Begr. hält zur Erfüllung der Verfahrensvoraussetzung nach § 10b Satz 1 Nr. 1 TMG für  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 10a Rn. 5 f.; BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 10a Rn. 5. 54  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 10a Rn. 16. 55  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG § 10b Rn. 2 ff. 56  BeckOK InfoMedienR/Bornemann, TMG §  11 Rn.  29; zust. BeckOK IT-Recht/Sesing-­ Wagenpfeil, TMG § 11 Rn. 17. 53

274

11 Telemedien

erforderlich, „dass der Videosharingplattform-Anbieter intern eine Stelle einrichtet, die mit der Bearbeitung der Nutzerbeschwerden betraut ist“. Zur Erfüllung des § 10b Satz 1 Nr. 2 TMG wird gar gefordert, „dass diese Stelle insoweit möglichst durchgehend mit einer natürlichen Person besetzt sein muss, damit gewährleistet ist, dass der Prüfpflicht und sich einer etwaig daran anschließenden Handlungs­ pflicht unverzüglich nach Eingang der Beschwerde nachgekommen werden kann“.57 Dem Normtext selbst kann diese extensive Interpretation indes nicht entnommen werden, sodass die Vorschrift, die sogar eine unvollständige oder „nicht richtige“ Vorhaltung des Verfahrens mit Geldbuße bedroht, wegen mangelnder Bestimmtheit im Hinblick auf § 10b Satz 2 Nr. 1 und 2 TMG nichtig sein dürfte.58 Soweit das Ver­ fahren keine Vorkehrungen zur Dokumentation und Speicherung i. S. d. § 10b S. 1 Nr. 3–11 TMG zur Wahrung der Nutzerrechte vorsieht, erscheint der Bußgeldtatbe­ stand dagegen als noch hinreichend bestimmt. § 11 Abs. 2 Nr. 3 TMG kann vorsätz­ lich und fahrlässig verwirklicht werden.

57 58

 BT-Drs. 19/18789, 39.  A. A. BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, TMG § 11 Rn. 18.1.

Zuständigkeiten, Verfahren

12

12.1 Bußgeldbehörden 12.1.1 Sachliche Zuständigkeit 12.1.1.1 Subsidiäre Zuständigkeit nach § 36 OWiG Die Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes über die sachliche Zuständigkeit von Bußgeldbehörden gelten subsidiär gegenüber fachgesetzlichen Spezialregelungen (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Fehlt eine spezialgesetzliche Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit, so ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 2 OWiG die fachlich zuständige oberste Landesbehörde zuständige Bußgeldbehörde, falls das Gesetz von Landesbehörden ausgeführt wird, das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird. Die durch § 36 Abs. 1 Nr. 2 OWiG begründete sachliche Zuständigkeit von Bußgeldbehörden kann durch Rechtsverordnung auf andere Behörden oder Stellen übertragen werden. 12.1.1.2 Zuständigkeit bei Aufsichtspflichtverletzungen Die den Rundfunk und die Telemedien bzw. digitalen Dienste  betreffenden Ordnungswidrigkeiten sind ganz überwiegend außerhalb des OWiG geregelt (siehe vorangegangene Kapitel) und in den einschlägigen Bestimmungen gibt es auch Festlegungen für die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung der bußgeldbewehrten Verfehlungen. Andererseits gilt aber auch für diese Spezialmaterie der Auffangtatbestand der Verletzung der Aufsichtspflicht gem. § 130 OWiG, der die Rundfunkveranstalter und die Telemedienanbieter treffen kann. Allerdings enthält §  130 OWiG als allgemeine Bestimmung keine Regelung zur sachlichen Zuständigkeit. Dieses Nebeneinander von Spezialmaterie und allgemeiner Bestimmung könnte nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des § 36 OWiG dazu führen, dass die sachliche Zuständigkeit für die rundfunk- oder telemedienspezifische Pflichtverletzung einerseits und für die Verletzung der Aufsichtspflicht gem. § 130 OWiG durch Rundfunkveranstalter und Telemedienanbieter (Diensteanbieter) andererseits ausei© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5_12

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276

12  Zuständigkeiten, Verfahren

nanderfallen.1 Wenn sich die Verletzung der Aufsichtspflicht der Rundfunkveranstalter und Diensteanbieter aber auf die Verletzung rundfunk- oder telemedienbezogener Pflichten bezieht, wäre es für die Bearbeitung nicht zielführend, wenn eine Behörde damit beschäftigt wäre, die keine Expertise in der Spezialmaterie aufweist, beispielsweise die Kommunalverwaltung als Kreisordnungsbehörde oder die Polizei. Das sieht auch der Gesetzgeber so und hat daher mit § 131 Abs. 3 OWiG eine spezielle Verfahrensvorschrift für § 130 OWiG (und weitere, in diesem Kontext uninteressante Bußgeldbestimmungen) geschaffen. Die sachliche Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung des Organisationsverschuldens (Aufsichtspflichtverletzung) nach § 130 OWiG richtet sich zur Vermeidung der aufgezeigten Problematik deshalb gem. § 131 Abs. 3 OWiG stets nach denjenigen Vorschriften, die für die Pflichtverletzung gelten, d. h. im hiesigen Kontext also nach den Vorschriften für Rundfunk und Telemedien bzw. digitale Dienste. Falls die Pflichtverletzung eine Straftat ist, findet im Rahmen einer „Hilfskon­ struktion“2 eine hypothetische Prüfung statt, welche Verfahrensvorschriften gelten würden, wenn die Straftat nur eine Ordnungswidrigkeit wäre.3 Hätte beispielsweise der Gesetzgeber die offensichtlich schwere Jugendgefährdung in § 23 JMStV nicht unter Strafandrohung gestellt, sondern mit Geldbuße bedroht, so wäre der Tatbestand in § 24 JMStV neben den übrigen Ordnungswidrigkeiten aufgezählt, für deren Ahndung und Verfolgung die in § 24 Abs. 4 JMStV genannten Landesmedienanstalten zuständig sind. Diese sind somit für die Verfolgung und Ahndung des Organisationsverschuldens des Geschäftsherrn nach § 130 OWiG zuständig, wenn die Zuwiderhandlung gegen betriebsbezogene Pflichten in einer nach § 23 JMStV strafbaren offensichtlich schweren Jugendgefährdung besteht. Die Zuständigkeit für die Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG kann also auch dann bei der zuständigen Verwaltungsbehörde liegen, wenn die Zuwiderhandlung eine Straftat ist. Handelt es sich bei der Zuwiderhandlung um eine Straftat aus dem Kernstrafrecht und kann aufgrund der hypothetischen Prüfung keine ordnungswidrigkeitenrechtliche Zuordnung vorgenommen werden, so ist die Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der Aufsichtspflichtverletzung zuständig.4

12.1.1.3 Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Soweit die Staatsanwaltschaft im Rahmen der §§ 40 bis 42 OWiG für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, die mit Straftaten zusammenhängen, entfällt die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde (§ 35 Abs. 1 OWiG).  Allgemein zu dieser dem § 131 Abs. 3 OWiG zugrundeliegenden Problematik etwa KK-OWiG/Ellbogen § 131 Rn. 26; BeckOK OWiG/Beck § 131 Rn. 20. 2  Diesen durchaus passenden Begriff nutzen bspw. KK-OWiG/Ellbogen §  131 Rn.  27; BeckOK OWiG/Beck § 131 Rn. 21. 3  Krenberger/Krumm, OWiG § 131 Rn. 19; KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 131 Rn. 27; Lemke/Mosbacher, OWiG § 131 Rn. 5. 4  BeckOK OWiG/Beck, OWiG §  131 Rn.  21; Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG §  131 Rn.  9; KK-OWiG/Ellbogen, OWiG § 131 Rn. 27; Krenberger/Krumm, OWiG § 131 Rn. 19. 1

12.1 Bußgeldbehörden

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12.1.1.4 Zuständigkeit für medienrechtliche Ordnungswidrigkeiten 12.1.1.4.1 Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Die gesetzliche Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist für Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in § 24 Abs. 4 JMStV enthalten. Sachlich zuständig sind die Landesmedienanstalten. Genauer gesagt ist für Rundfunkanbieter die Zulassungsanstalt und für Telemedienanbieter sowie für Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle vorrangig die Sitzlandanstalt zuständig.5 § 24 Abs. 4 Satz 6 JMStV wiederholt ausdrücklich die Organzuständigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM, siehe §§ 14 ff. JMStV), die sich bereits aus § 16 Satz 2 Nr. 9 JMStV ergibt. Die zusätzliche Nennung in § 24 Abs. 4 Satz 6 JMStV dürfte der besseren Zitatfähigkeit in § 13 JMStV geschuldet sein, der die Zuständigkeit der KJM auf Ordnungswidrigkeiten von Anbietern länderübergreifender Angebote beschränkt. Die KJM wird als internes Willensbildungs- und Entscheidungsorgan der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt tätig (§  14 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 JMStV). Die Beschlüsse der KJM haben keine unmittelbare Außenwirkung. Sie sind gegenüber den anderen Organen der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt bindend (§  17 Abs.  1 Satz 5 JMStV). Außenwirkung erhält eine Entscheidung der KJM erst durch Umsetzung in einen Bescheid und dessen Bekanntgabe  durch das außenvertretungsberechtigte Organ der zuständigen Landesmedienanstalt.6 Bei landesweiten, regionalen oder lokalen Angeboten ergibt sich die Organzuständigkeit für Entscheidungen in Bußgeldverfahren aus dem jeweiligen Landesmedienrecht. 12.1.1.4.2 Nach dem Medienstaatsvertrag Die gesetzliche Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist für Ordnungswidrigkeiten nach dem Medienstaatsvertrag in § 115 Abs. 3 Satz 1 MStV enthalten, der wiederum auf § 106 MStV verweist. § 106 MStV gilt unmittelbar für aufsichtsrechtliche, d.  h. medienverwaltungsrechtliche Verfahren zur Einhaltung der Bestimmungen des Medienstaatsvertrags (vgl. §  104 Abs.  1 MStV) und legt für diese die Zuständigkeit einer Landesmedienanstalt gegenüber Rundfunkveranstaltern oder Telemedienanbietern fest. Die Zuständigkeit für die Aufsicht über Telemedienanbieter zur Einhaltung der Bestimmungen des Telemediengesetzes (künftig: Digitale-Dienste-Gesetz) ist davon nicht umfasst. Diese richtet sich gem. § 24 MStV nach besonderen landesrechtlichen Vorschriften. Nach § 106 Abs. 1 MStV ist bei bundesweit ausgerichteten Angeboten vorbehaltlich abweichender Regelungen die Landesmedienanstalt des Landes zuständig, in dem der betroffene Veranstalter, Anbieter, Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 1 Satz 2 oder Verantwortliche nach § 18 Abs. 2 MStV seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen ständigen Aufenthalt hat. Abweichend davon legt die Über NK-JMStV/Mitsch JMStV § 24 Rn. 70.  NK-JMStV/Bornemann JMStV § 14 Rn. 12; NK-JMStV/Hopf JMStV § 16 Rn. 3.

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

gangsbestimmung in § 119 Abs. 1 MStV fest, dass bei Zulassungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags die Zulassungsanstalt zuständige Landesmedienanstalt bleibt. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 RStV konnte der Veranstalter eines bundesweit verbreiteten Rundfunkprogramms seine Zulassungsanstalt in Deutschland frei wählen. Entsprechend konnten Plattformbetreiber die notwendige Anzeige des Plattformbetriebs bei einer Anstalt ihrer Wahl einreichen. Die nach altem Recht ­begründeten Zuständigkeiten bleiben unverändert bestehen. Der Rundfunkveranstalter kann diesen Zustand ändern, indem er einen neuen Zulassungsantrag bei seiner Sitzlandanstalt stellt, wie dies ProSieben gemacht und die Zulassung ab 1. Januar 2020 von Berlin in das Sitzland Bayern verlegt hat. Demgegenüber ist für RTL II mit Sitz in Bayern die Medienanstalt Hessen als Zulassungsanstalt zuständig geblieben. Neben der Generalausnahme nach § 119 MStV für altrechtliche Fälle legt § 106 Abs. 2 MStV teilweise überlappende Abweichungen vom Sitzlandprinzip fest. Als Obersatz kann herauskristallisiert werden: Wenn eine Zulassung existiert, ist immer die Zulassungsanstalt zuständig. Im bußgeldrechtlichen Zusammenhang sind weiter von besonderem Interesse die Aufsichtszuständigkeit über Medienplattformen und Benutzeroberflächen (§ 106 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 MStV), die bei der Landesmedienanstalt liegen, die die Anzeige des Anbieters entgegengenommen hat (s. auch § 119 Abs. 1 Satz 2 MStV), sowie die Aufsichtszuständigkeit über Medienintermediäre, die sich bis zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nach dem Prioritätsprinzip § 106 Abs. 1 Satz 2 MStV richtet: die Landesmedienanstalt, die zuerst mit der Sache befasst wurde, und anschließend nach dem Sitz des Zustellungsbevollmächtigten (§ 106 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 MStV). Die in § 106 Abs. 2 Satz 4 MStV enthaltene Verfahrensbestimmung für die Befassung der ZAK setzt die Organzuständigkeit der ZAK nach § 105 Abs. 1 MStV voraus, die – wie schon im Rundfunkstaatsvertrag und im Unterschied zur Zuständigkeit der KJM nach § 16 Satz 2 Nr. 9, § 24 Abs. 4 Satz 6 JMStV – in Bußgeldverfahren nach § 115 MStV nicht besteht. Anders als § 36 OWiG für die sachliche enthält § 37 OWiG für die örtliche Zuständigkeit der Bußgeldbehörde keine Subsidiaritätsklausel. Um zu entscheiden, ob eine unzulässige landesrechtliche Abweichung vom bundesrechtlich geregelten Bußgeldverfahren vorliegt, könnte entscheidend sein, ob § 106 Abs. 1 Satz 2 MStV die sachliche Zuständigkeit festlegt oder mit einer örtlichen Zuständigkeitsfestlegung lediglich einen positiven Kompetenzkonflikt zwischen mehreren sachlich zuständigen Behörden verhindern will, was letztlich Aufgabe der §§ 37 ff. OWiG ist. Für ausländische Betroffene legt das Prioritätsprinzip des § 106 Abs. 1 Satz 2 MStV die sachliche Zuständigkeit i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG fest. Für den Fall mehrfacher sachlicher Zuständigkeiten nach § 106 Abs. 1 Satz 1 MStV enthält Satz 2 dagegen eine Kollisionsregel vergleichbar mit §  39 Abs.  1 OWiG.  Da beiden Vorschriften aber das Prioritätsprinzip zugrunde liegt, kann die Frage in einem Praktikerhandbuch als akademisch dahingestellt bleiben. Möglicherweise wegen der satzungsrechtlichen Beschränkung zulässiger Zustellungsbevollmächtigter auf natürliche oder juristische Personen (§  3 Abs.  1 MI-­ Satzung), zu denen eine Rechtsanwaltssozietät in Form einer Partnerschaftsgesell-

12.1 Bußgeldbehörden

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schaft nicht zählt, haben einzelne Medienintermediäre eine juristische Person des Privatrechts mit einer c/o-Adresse bei einer inländischen Rechtsanwaltsgesellschaft benannt. Der als Twitter bekannt gewordene Dienst X etwa benennt die „T. I. Kontakt GmbH“ als Zustellungsbevollmächtigte mit einer c/o Adresse bei einer ­Münchner Rechtsanwaltsgesellschaft.7 Bei der GmbH dürfte es sich um eine in Berlin ansässige Firma handeln, die als Geschäftszweck „Die Erbringung von Dienstleistungen zur Unterstützung von Benutzern des Microbloggingdienstes und sozialen Netzwerks Twitter“ angibt. Wäre die GmbH der benannte inländische Zustellungsbevollmächtigte, so wäre nach dessen Sitz in Berlin die Zuständigkeit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) begründet, da § 106 Abs. 2 Satz 2 MStV auf den Sitz abstellt. Wenn dagegen ein Zustellungsbevollmächtigter ohne ladungsfähige Anschrift ein Widerspruch in sich und die Bestellung der GmbH daher unwirksam ist (vgl. o. 4.13 und 10.9.1), könnte allenfalls die Münchner Anwaltsgesellschaft – entgegen § 3 Abs. 1 MI-Satzung – als inländischer Zustellungsbevollmächtigter fungieren; das würde die Zuständigkeit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) begründen. Die gleichlautenden Bestimmungen in § 115 Abs. 3 Satz 3 MStV und § 24 Abs. 5 Satz 2 JMStV, die die Einleitung eines Verfahrens in mehreren Ländern voraussetzen, sind von geringer praktischer Bedeutung. Der frühere Hauptanwendungsfall einer eigenständigen Zulassung für die zusätzliche Verbreitung von Satellitenfernsehprogrammen über terrestrische Sender8 hat sich überlebt. Die Landesmedienanstalten haben bei der Zuweisung von drahtlosen DVB-T2-Frequenzen von der in § 102 Abs. 1 MStV eröffneten Möglichkeit einer Zuweisung nicht an einzelne Programmveranstalter, sondern an Anbieter von Medienplattformen Gebrauch gemacht. Eigenständige Zulassungen für die zusätzliche terrestrische Verbreitung von Satellitenfernsehprogrammen in den Ländern gibt es nicht mehr. Die Anbieter der Medienplattformen entscheiden über die Belegung ihrer Medienplattform nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und wählen unter den zugelassenen Rundfunkprogrammen aus.

12.1.1.5 Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten nach dem Telemediengesetz 12.1.1.5.1 Gesetzliche Zuständigkeitsnormen § 11 TMG enthält Ordnungswidrigkeiten, aber keine spezialgesetzliche Festlegung der sachlich zuständigen Bußgeldbehörden; teilweise anders § 25 Abs. 7 DDG-­ E.  Da das Telemediengesetz in Landesverwaltung ausgeführt wird (vgl. Art.  83 GG), kann sich eine spezialgesetzliche Zuständigkeitsbestimmung auch aus Landesrecht ergeben. Das ist z. B. in Hamburg und Schleswig-Holstein der Fall: § 37 Abs. 6 MStV HSH legt die Zuständigkeit der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-­ Holstein als Bußgeldbehörde fest. Ebenso in Hessen: Die Hessische Medienanstalt ist nach § 48 Abs. 6 HPMG „die zuständige Behörde für die Verfolgung und Ahn https://legal.twitter.com/de/imprint (abgerufen am 12.06.2023).  Vgl. Jarass, ZUM 1994, 319.

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

dung von Ordnungswidrigkeiten nach § 11 Abs. 1 und 2 des Telemediengesetzes.“ Entsprechendes gilt für Mecklenburg-Vorpommern nach § 67 Abs. 3 RundfunkG M-V; die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) in Baden-Württemberg nach § 51 Abs. 4 LMedienG nur zuständig für die Ordnungswidrigkeiten des § 11 Abs. 2 TMG. Teilweise (z. B. § 63 Nr. 2 BremLMG) nehmen die Zuständigkeitsbestimmungen noch auf § 16 TMG Bezug, der durch Art. 3 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I 1982) geändert und zu § 11 wurde. Am 17.2.2024 soll das Telemediengesetz (TMG) im Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) aufgehen (s.o. 1.4). 12.1.1.5.2 Delegationsverordnungen Ohne spezielle gesetzliche Regelung richtet sich die Zuständigkeit der Bußgeldbehörde nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 OWiG. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a OWiG ist die fachlich zuständige oberste Landesbehörde zuständig; nach § 36 Abs. 2 OWiG kann die Landesregierung diese Zuständigkeit jedoch durch Rechtsverordnung weiterdelegieren. Das ist beispielsweise in Bayern geschehen: § 87 Abs. 1 ZuStV legt als Regelfall die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fest, welcher der Vollzug der Rechtsvorschrift obliegt, gegen die sich die Zuwiderhandlung richtet. Das ist nach Art. 1 Abs. 2 Ausführungsgesetz Medienstaatsverträge (AGM)9 die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), zu deren Zuständigkeiten seit dem 1. April 2022 die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Telemediengesetzes mit Ausnahme der Datenschutzbestimmungen gehört. Eine ähnliche Regelzuständigkeit für die allgemeinen Aufsichtsbehörden enthält § 1 Abs. 4 ZustVO-OWiG in Niedersachsen. In Berlin sind die Bezirksämter zuständig nach § 1 Nr. 1 Buchst. d ZustVO-OWiG für Ordnungswidrigkeiten nach § 11 Abs.  1 und Abs.  2 Nr.  1 TMG; eine vergleichbare Zuständigkeitsbestimmung, wenngleich noch zu § 16 TMG a. F., enthält § 4 Nr. 37 OWiZuVO zugunsten der Landesdirektion Sachsen; Vergleichbares gilt nach § 2 Nr. 5 ZustVO-OWi, der die Zuständigkeit des Landesverwaltungsamts in Sachsen-Anhalt festlegt.

12.1.1.6 Zuständigkeit für Ordnungswidrigkeiten in Fachgesetzen In weiteren Fachgesetzen sind Ordnungswidrigkeiten enthalten, die auch im Rundfunk oder für Telemedien zu beachten sind. Prominentes Beispiel ist das Tabakwerbeverbot im Hörfunk (§ 19 Abs. 1 TabakerzG) und im Fernsehen (§ 20 TabakerzG) i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 7–9 TabakerzG. Aber auch bei der nach § 118 OWiG verbotenen Werbung für Pornografie oder der nach § 33 Abs. 2 Nr. 14 ProstSchG verbotenen Werbung für Prostitution oder bei einem heilmittelwerberechtlich verbotenen Gewinnspiel in Rundfunk oder Telemedien (§  15 Abs.  1 Nr.  8 HWG) muss die Frage beantwortet werden, welche Behörde für die Verfolgung und Ahndung zuständig ist. Die in der Vorauflage in diesem Zusammenhang erörterte Zuständigkeit für Bußgeldverfahren nach den Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag ist zwischenzeitlich durch den Gesetzgeber geregelt worden. Für die in § 28a Abs. 1 GlüStV 2021 unter 58 Nummern aufgeführten Bußgeldtatbestände legt Absatz 4 als zuständige Verwaltungsbehörde i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die nach § 9 GlüStV  Zuletzt geändert durch § 3 Gesetz vom 24.3.2022 (BayGVBl. 70).

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12.1 Bußgeldbehörden

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2021 zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde fest; es ist zu untersuchen, inwieweit dies mit dem Staatsfernegebot der Rundfunkaufsicht vereinbar ist (s. u.). Weder das Tabakerzeugnisgesetz noch bspw. das Ordnungswidrigkeitengesetz oder das Prostituiertenschutzgesetz enthalten eine ausdrückliche Bestimmung der nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuständigen Verwaltungsbehörde. Auf dem Weg über § 36 Abs. 2 OWiG, stößt man in wohl allen Ländern auf Delegationsverordnungen. Diese unterscheiden sich in Umfang und Detaillierung sehr stark. In Bayern erklärt § 87 Abs. 1 Satz 1 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juli 2015 (BayGVBl S. 184) die für den Vollzug der verletzten materiellen Bestimmungen zuständigen Behörden auch für die Ahndung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten für zuständig. Sofern solche Regelungen fehlen, sind nicht selten die allgemeinen Sicherheitsbehörden zuständig, i. d. R. die Kreisverwaltungsbehörden. Bedenken, die gegen Verwaltungsmaßnahmen staatlicher Ordnungsbehörden gegenüber Rundfunkveranstaltern bestehen,10 erfassen ohne weiteres die Verfolgung und Ahndung im Bußgeldverfahren.11 Nachdem die Landesmedienanstalten richtiger Ansicht nach exklusiv zuständig sind für die Aufsicht über die Rundfunkveranstaltung durch Private12 und im Rahmen dieser Aufsicht auch für die Einhaltung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze zu sorgen haben (§ 51 Abs. 1 Satz 4, § 109 Abs. 1 MStV),13 spricht manches dafür, sie nach den allgemeinen Regeln als zuständige Bußgeldbehörden auch für die Programmverstöße anzusehen, die Bußgeldbestimmungen der allgemeinen Gesetze verletzen. Der Einwand, dass einzelne Gesetze die Bußgeldbehörde davon abweichend festlegen, kann möglicherweise wie folgt aufgelöst werden. Zuständigkeitsbestimmungen zugunsten von Staatsbehörden, z. B. § 28a Abs. 6 GlüStV 2021, sind verfassungskonform auszulegen. Wegen der verfassungsrechtlich begründeten Aufsicht der staatsfernen Landesmedienanstalten über die Rundfunkveranstalter,14 die der Sicherung der Rundfunkfreiheit dient, dürfen die o.  g. Zuständigkeitsbestimmungen zur Verfolgung von Programmverstößen der Rundfunkveranstalter nicht angewendet werden.15 Gegen die Zuständigkeit staatlicher Behörden für die Verfolgung und Ahndung von Glücksspielveranstaltern, die in elektronischen Medien Werbung schalten, bestehen keine Bedenken.16

 Vgl. VG Berlin, Beschl. v 27.11.2006 – VG 27 A 311.06, ZUM-RD 2007, 51; VG Köln, Beschl. v. 03.06.2009  – 6  L 798/09, ZUM-RD 2010, 308; OVG Münster, Beschl. v. 7.9.2022  – 13 B 1911/21, ZUM-RD 2023, 250 (257 f.); anders wohl BayVGH, Beschl. v. 9. Januar 2007 – 7 CS 06.2495, AfP 2007, 172 (176). 11  Vgl. auch HK-RStV/Bornemann, RStV § 49 Rn. 13. 12  Gundel, ZUM 2010, 770 (774 ff.). 13  Gersdorf, RundfunkR, S. 183 (Rn. 424): „Soweit Normen nur Anforderungen der allgemeinen Gesetze wiederholen, liegt ihre Bedeutung darin, die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten zu begründen, deren Kontrollumfang sich auf die Rundfunkgesetze beschränkt; …“ 14  Für strikte Staatsferne bei der Aufsicht Gersdorf, RundfunkR, S. 58 f. (Rn. 134 ff.). 15  A. A. Handel, MMR 2015, 704 (706). 16  Gundel, ZUM 2010, 770 (778). 10

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

12.1.1.7 Konkurrierende sachliche Zuständigkeiten Für die Verfolgung und Ahndung mehrerer in Tateinheit zueinander stehender Ordnungswidrigkeiten können verschiedene Bußgeldbehörden sachlich zuständig sein. Wer etwa in Bayern nach Art.  26 BayMG genehmigungsfreien lokalen Hörfunk ­entgegen einer Untersagung durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) veranstaltet oder verbreitet, verwirklicht eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayMG. Falls dies mittels einer Sendeanlage bspw. vom eigenen Grundstück aus über eine nicht durch die Fernmeldeverwaltung zugeteilte UKW-Frequenz geschieht, wird zugleich eine Ordnungswidrigkeit nach §  228 Abs. 2 Nr. 17 TKG (Frequenznutzung ohne Frequenzzuteilung) verwirklicht. Die eine Handlung (Senden eines Hörfunkprogramms) verletzt in diesem Fall gleichzeitig mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (§ 19 Abs. 1 OWiG). Zuständige Bußgeldbehörde unter dem Gesichtspunkt der untersagten Rundfunkveranstaltung ist die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Zuständige Bußgeldbehörde unter dem Gesichtspunkt der Frequenznutzung ohne fernmelderechtliche Frequenzzuteilung ist die Bundesnetzagentur (BNetzA). Der Konfliktlösungsmechanismus des § 39 Abs. 1 OWiG ist auf der ersten Stufe schlicht: Wer von den sachlich zuständigen Behörden den Betroffenen zuerst vernommen hat oder hat vernehmen lassen, genießt Vorrang. Die vorrangig zuständige Behörde kann die Durchführung des Verfahrens im Vereinbarungsweg auf eine andere sachlich zuständige Behörde übertragen. Beansprucht eine Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit für sich, kann aber keine Einigung mit anderen zuständigen Behörden erzielen, entscheiden gem. § 39 Abs. 3 Nr. 2, 3 OWiG die Gerichte, da die staatsfernen Landesmedienanstalten und andere Bußgeldbehörden keine gemeinsame übergeordnete Behörde i. S. d. § 39 Abs. 3 Nr. 1 OWiG haben. Die in § 39 Abs. 1 Satz 2 OWiG für diesen Fall vorgeschriebene Anhörung der anderen sachlich zuständigen Verwaltungsbehörde ist verfassungskonform dahin zu interpretieren, dass die BNetzA hinsichtlich der Feststellung, ob unzulässig Rundfunk veranstaltet wird, sei es zulassungspflichtiger Rundfunk ohne Rundfunkzulassung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayMG), sei es untersagter zulassungsfreier Rundfunk (Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayMG), an die Beurteilung durch die zuständige Landesmedienanstalt rechtlich gebunden ist, damit die Gefahr nicht entstehen kann, dass eine staatliche Verwaltungsbehörde aufgrund eigener Entscheidung die Veranstaltung von Rundfunk behindert. Im umgekehrten Fall wird die Landesmedienanstalt gut beraten sein, sich die Beurteilung der BNetzA ebenfalls zu eigen zu machen, ohne dass eine zwingende Rechtspflicht hierzu besteht.

12.1.2 Örtliche Zuständigkeit Soweit mehrere Bußgeldbehörden sachlich zuständig sind,17 bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach §§ 37 ff. OWiG.

17

 Krenberger/Krumm, OWiG § 37 Rn. 1; Lemke/Mosbacher, OWiG § 37 Rn. 1.

12.1 Bußgeldbehörden

283

12.1.2.1 Nach dem Medienstaatsvetrag Es kann zwischen zwei Arten von rundfunkrechtlichen Bußgeldtatbeständen unterschieden werden. 12.1.2.1.1 Anzeige- und Verfahrenspflichten Bußgeldbewehrte Anzeige- und Verfahrenspflichten obliegen den Veranstaltern bundesweit verbreiteten privaten Rundfunks grundsätzlich nur gegenüber der Satellitenzulassungsanstalt.18 Handlungsort ist gem. § 7 Abs. 1 OWiG der Sitz der Satellitenzulassungsanstalt, der gegenüber die Handlung (z. B. Mitteilung von Änderungen gem. § 55 Abs. 6 oder 7, von geplanten Änderungen der Beteiligungsverhältnisse gem. § 63 oder z. B. Vorlage der Programmbezugsquellen gem. § 57 Abs. 2 MStV, etc.) vorzunehmen wäre. Im praktischen Ergebnis bedeutet das für die örtliche Zuständigkeit: Soweit die Landesmedienanstalt, welche die Satellitenzulassung erteilt hat, für bestimmte Fragen ausschließlich zuständig ist (Verbandszuständigkeit), ist sie auch zur Ahndung und Verfolgung diesbezüglicher Ordnungswidrigkeiten ausschließlich (sachlich und örtlich) zuständig. Eine Sondersituation besteht bei unterlassener Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten durch einen ausländischen Medienintermediär, der nach § 1 Abs. 8, § 91 MStV der deutschen Regulierung unterliegt (s. o. 10.9). Vor der Befassung einer einzelnen Landesmedienanstalt mit der Sache, die nach § 106 Abs. 1 Satz 2 MStV eine Zuständigkeit begründet, sind potenziell alle Landesmedienanstalten sachlich zuständige Bußgeldbehörden. Zur Vermeidung paralleler Ermittlungsverfahren wird jede ein Verfahren einleitende Landesmedienanstalt verpflichtet, alle übrigen Landesmedienanstalten über die Verfahrenseinleitung unverzüglich zu unterrichten (§ 115 Abs. 3 Satz 2 MStV). 12.1.2.1.2 Programmverstöße Die abweichende Situation bei Programmverstößen, die auf eigenständigen Rundfunkzulassungen für die Vergabe terrestrischer Frequenzen beruhte, ist sachlich überholt (s. o. 12.1.1.4.2). Diese überholte Konstellation haben § 24 Abs. 5 JMStV und § 115 Abs. 3 Satz 2 und 3 MStV im Visier.

12.1.2.2 Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Für Rundfunkveranstalter ist sachlich und örtlich zuständig die Zulassungsanstalt (§ 24 Abs. 4 Satz 1 und 2 JMStV). Die Situation unterscheidet sich insoweit nicht von den Ordnungswidrigkeiten nach dem Medienstaatsvertrag; auch eine Zuständigkeit in mehreren Ländern kennt § 24 Abs. 5 JMStV (s. o. 12.1.1.4.2). Für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeiten von Telemedienanbietern ist die Landesmedienanstalt des Sitzlandes, hilfsweise die des Wohnsitzes und schließlich die zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich der Anbieter seinen ständigen Aufenthalt hat (§ 24 Abs. 4 Satz 2 JMStV).

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 Vgl. auch § 50 Satz 3 MStV.

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

Für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeiten von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 JMStV) gilt vorrangig das Sitzlandprinzip (§ 24 Abs. 4 Satz 4 JMStV).

12.2 Verfahrenshindernisse 12.2.1 Verjährung Seit einer frühen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts19 wird die strafrechtliche Verjährung in der Rechtsprechung einheitlich als Prozesshindernis angesehen,20 ohne dass der Begriff in der Entscheidung verwendet würde. Ungeachtet der Regelung im Allgemeinen Teil des StGB und des OWiG, erweist sich die Verjährung der Sache nach als verfahrensrechtliches Institut21 und wird seit der dritten Auflage nicht mehr im Allgemeinen Teil, sondern im verfahrensrechtlichen Teil dieses Handbuchs behandelt. Eine Tat kann nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt und geahndet werden, wenn sie verjährt ist; auch die Anordnung von Nebenfolgen ist ausgeschlossen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Folglich wohnt der Verjährung eine starke rechtsstaatliche, also die Macht des Staats limitierende Funktion inne. Ihr kommt bei Ordnungswidrigkeiten eine besonders hohe Bedeutung zu, da es sich lediglich um Verwaltungsunrecht handelt und die sozialschädliche Wirkung deshalb häufig sehr gering ist. Wie sich im Folgenden zeigen und unten (siehe 12.2.1.3) vertieft wird, folgt die Verjährung jedenfalls im Grundsatz einer einfachen Logik: Je höher der Gesetzgeber die sozialschädliche Wirkung der Nichtbeachtung der ordnungsrechtlichen Vorgabe einschätzt, desto höher ist das drohende Bußgeld, und je höher das drohende Bußgeld, desto länger dauert der Eintritt der Verjährung. Folglich richtet sich die Verjährung, vorbehaltlich spezialgesetzlicher Sonderregelungen, nach der Höhe der angedrohten Sanktion (§ 31 Abs. 2 OWiG). Dogmatisch begründet wird der Ahndungsverzicht auch gerade damit, dass die präventive Wirkung, die von einer Ahndung ausgehen soll, umso geringer werde, je mehr Zeit zwischen Tatbegehung und Ahndung liegt.22 Zudem müsse zugunsten des Rechtsverletzers von einem Anpassungsprozess an das geltende Recht ausgegangen werden, wenn dieser bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung längere Zeit unauffällig gewesen sei, was einen Verzicht auf Ahndung wegen entsprechender Bewährung vertretbar erscheinen lasse.23

 BVerfG, Beschl. v. 18.09.1952 – 1 BvR 612/52, BVerfGE 1, 418 (423) = NJW 1953, 177.  Vgl. statt vieler NK-StGB/Saliger, Rn. 3 ff. vor §§ 78 ff.; Krenberger/Krumm, OWiG § 31 Rn. 2; Ricker/Weberling, Presserecht, Kap. 17 Rn. 52; Mitsch, OWiR, § 24 Rn. 28. 21  So bspw. auch MüKo StGB/Mitsch StGB Vor § 78 Rn. 1. 22  MüKo StGB/Mitsch StGB § 78 Rn. 3; Holzner/Rittig, Strafverfolgungsverjährung, S. 118. 23  MüKo StGB/Mitsch StGB § 78 Rn. 3; Holzner/Rittig, Strafverfolgungsverjährung, S. 118 19 20

12.2 Verfahrenshindernisse

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12.2.1.1 Fristbeginn Die Verjährung der Ordnungswidrigkeiten beginnt, sobald die zur Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlungen beendet sind (§  31 Abs.  3 Satz 1 OWiG). Die Praxis geht mit der wohl sehr weit überwiegenden Literatur dabei von einer Parallelität der Regelungen zur Verjährung der Unterlassungsstraftatbestände und der Unterlassungsordnungswidrigkeiten aus,24 obwohl das nicht zwingend ist, da die Bestimmungen unterschiedlich formuliert sind. Während § 78a Satz 1 StGB die Verjährung mit Beendigung der „Tat“ beginnen lässt, reicht für § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG die Beendigung der „Handlung“. Der Tatbegriff des § 78a Satz 1 StGB meint „ein[en] Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit, ein[en] Sachverhalt“, während „Handlung“, etwa als tatbestandsmäßige Ausführungshandlung, in Abhängigkeit des konkreten Teils auch nur einer von mehreren Bestandteilen eines längeren Sachverhalts sein kann. Gleichwohl wird dieser sprachliche Unterschied, für den Fischer bezogen auf § 78a StGB eine Erklärung liefert,25 in den allermeisten Fällen wieder dadurch egalisiert, dass beide Bestimmungen in ihrem Satz 2 ergänzen, dass es bei Erfolgsdelikten auf den Zeitpunkt des Eintritts des Erfolgs ankommt. Die Feststellung der Beendigung der Tathandlung ist nach § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG Voraussetzung für den Beginn der Verfolgungsverjährung und setzt eine genaue Analyse des Tatbestands voraus. Soweit § 115 MStV und § 24 JMStV Programmverstöße ahnden, ist die Sache einfach, denn die Verjährung beginnt unstreitig mit dem Ende der Ausstrahlung des Sendebeitrags zu laufen. Nach allgemeiner Ansicht zählt der Tag, an dem das fristauslösende Ereignis stattfand, als erster Tag der Verjährungsfrist.26 Eine gesetzliche Regel wie in § 187 Abs. 1 BGB oder § 42 StPO, die festlegt, dass der Tag des fristauslösenden Ereignisses nicht mitgerechnet wird (vgl. auch § 43 StPO) fehlt für die Verjährungsfrist. Bei wortgetreuer Gesetzesauslegung würde bspw. eine einjährige Verjährungsfrist für eine am 2. Januar um 12 Uhr beendete Tat am 2. Januar des Folgejahres um 11:59 Uhr ablaufen. So genau verfährt die h. M. nicht. Sie rechnet den Tattag voll in die Frist ein und verkürzt sie damit genau genommen, in dem genannten Beispiel um knapp 12 h. Denn eine nach Monaten oder Jahren bemessene Verjährungsfrist endet danach mit dem Tag, „der im Kalender dem Anfangstag vorangeht“27 im genannten Beispiel ist das der 1. Januar um 23 Uhr 59 min und 59 s. Anders verhält es sich bei durch Handeln begangenen Dauerordnungswidrigkeiten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ein vom Täter geschaffener rechtswidriger Zustand pflichtwidrig aufrechterhalten wird.28 Daraus ist zu schließen, dass Dauerdelikte erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands, etwa durch Ab-

 Beispielhaft: KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 31 Rn. 3.  Fischer, StGB § 78a Rn. 2 f. 26  Krenberger/Krumm, OWiG §  31 Rn.  20; KK-OWiG/Graf, §  31 Rn.  23; vgl. auch Lackner/ Kühl, StGB § 78a Rn. 2; Fischer, StGB § 78a Rn. 6; NK-StGB/Saliger, § 78a Rn. 9; Schönke/ Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch StGB § 78a Rn. 1. 27  Lemke/Mosbacher, OWiG § 31 Rn. 31. 28  KK-OWiG/Ellbogen, § 31 Rn. 25; NK-StGB/Saliger, § 78a Rn. 19. 24 25

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

schluss der Handlung, enden,29 weshalb nach allgemeiner Ansicht erst in diesem Augenblick die Verjährung zu laufen beginnt. In diesen Fällen entfaltet der Bußgeldbescheid, sofern der Betroffene davon Kenntnis hat, nach wohl allgemeiner Ansicht die Wirkung einer Zäsur, was zwei Folgen hat: Zum einen beginnt die Verjährung für die Handlungen vor Erlass des Bußgeldbescheids mit Erlass des Bußgeldbescheids30 (beachte aber die Verjährungsunterbrechung gem. §  33 Abs.  1 Nr.  8 OWiG). Zum anderen stellt sich der fortgesetzte Rechtsverstoß nach Erlass des Bußgeldbescheids als neue Tat dar,31 deren Verjährung erst wieder mit Beendigung des rechtswidrigen Zustands beginnt. Zu Einzelfällen siehe unten 12.2.1.4.1. Wie die Dauerordnungswidrigkeit produziert auch die Zustandsordnungswidrigkeit einen andauernden rechtswidrigen Zustand. Allerdings wird die rechtswidrige Handlung nicht wie bei der Dauerordnungswidrigkeit fortgesetzt, sondern es dauert lediglich die Wirkung der Handlung, also der der Fallgruppe namensgebende Zustand an.32 Es handelt sich also um eine faktische Nachwirkung der tatbestandsmäßigen Handlung, weshalb der Tatbestand aufgrund seiner Formulierung bereits vorher vollendet ist.33 Daraus folgt, dass die Verjährung nach Maßgabe des §  31 Abs. 3 Satz 1 OWiG auch schon mit dem Abschluss der Handlung beginnt, die den Zustand herbeigeführt hat,34 also deutlich früher als bei der Dauerordnungswidrigkeit. Zu Einzelfällen siehe unten 12.2.1.4.1. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wann bei echten Unterlassungsordnungswidrigkeiten, etwa bei unterlassenen Pflichtmitteilungen, die Verjährung beginnt. Gerade hier besteht das eingangs skizzierte Problem um die Frage der Übertragung der strafrechtlichen Kasuistik auf das Ordnungswidrigkeitenrecht, denn im Strafrecht existiert die sich hier abzeichnende Fragestellung in dieser Form nicht. § 78a Satz 1 StGB knüpft den Beginn der Verjährung nämlich an die Beendigung der „Tat“, was bei echten Unterlassungsstraftatbeständen völlig unproblematisch ist, weil es sich bei ihrer Verwirklichung auch begrifflich um „Taten“ handelt. § 31 Abs.  3 Satz 1 OWiG spricht aber vom Verjährungsbeginn mit Beendigung der „Handlung“. Im Kontext eines Ordnungwidrigkeitentatbestands wäre das Erfordernis einer „Handlung“ gerade nicht vorbehaltlos durch ein Unterlassen zu verwirklichen, weil andernfalls der dies regelnde § 8 OWiG überflüssig wäre. Hier geht es allerdings um das Verständnis einer Norm des Allgemeinen Teils des OWiG, die – anders als ein Ordnungswidrigkeitentatbestand – keine Sanktionswirkung begrün-

 Krenberger/Krumm, OWiG §  31 Rn.  14 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 11.06.1965  – 2 StR 187/65, BGHSt 20, 228 = NJW 1965, 1817; BeckOK OWiG/Gertler § 31 Rn. 27; HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 29. 30  BayObLG, Beschl. v. 6.8.1958 – BWReg. 4 St. 4/58; Krenberger/Krumm OWiG § 31 Rn. 14; BeckOK OWiG/Gertler OWiG § 31 Rn. 27. 31  BeckOK OWiG/Gertler § 31 Rn. 27; Krenberger/Krumm OWiG § 31 Rn. 14; HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 29. 32  Hierzu etwa BGH, Urt. v. 7.3.1984 – 3 StR 550/83 (S), NJW 1984, 1764, im Kontext politischer Verdächtigung. 33  Krenberger/Krumm, OWiG § 1 Rn. 31; vgl. auch KK-OWiG/Mitsch, § 19 Rn. 27. 34  Krenberger/Krumm OWiG § 31 Rn. 15; KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 31 Rn. 28. 29

12.2 Verfahrenshindernisse

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det. Deshalb ergibt sich aus der Zusammenschau der §§ 1, 8 OWiG, dass unter den mehrfach belegten Begriff der Handlung in diesem Zusammenhang „sowohl aktives menschliches Tun als auch Unterlassen“ fällt.35 Folglich muss § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG so verstanden werden, dass unter den dortigen verjährungsbezogenem Handlungsbegriff auch bußgeldbewehrtes Unterlassens fällt. Das hat wiederum zur ­Konsequenz, dass die von der h. M. vorgenommene Übertragung der zu den Unterlassungsstraftatbeständen entwickelten Grundsätze auf das Ordnungswidrigkeitenrecht ohne ernsthafte Alternative ist, auch wenn der Wortlaut des § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG anders als § 78a Satz 1 StGB formuliert ist. Die Kommentarliteratur und damit die h.M gehen davon aus, dass die Verjährung bei echten Unterlassungsordnungswidrigkeiten beginnt, wenn die Handlungspflicht entfällt,36 und verweist dabei auf eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen, die allerdings sehr unterschiedliche (Straf-)Tatbestände und Fallgestaltungen betreffen. Dabei wird nicht ausdrücklich, aber gedanklich eine Verknüpfung der echten Unterlassungsordnungswidrigkeiten mit den Dauerordnungswidrigkeiten begründet, wodurch sich im Wesentlichen zwei Fallgruppen ergeben: Danach beginnt die Verjährung, wenn (1.) der Handlungspflichtige die ihn treffende Verhaltenspflicht doch noch erfüllt37 oder (2.) wenn das Interesse der zuständigen Behörde an der Mitteilung entfällt, etwa deshalb, weil sie anderweitig vom fraglichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat.38 Dem ersten Ansatz ist, was die h. M. aber gut erträgt, bei näherer Betrachtung entgegenzuhalten, dass der Beginn der Verjährung unter Umständen auf völlig unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird, was bei bloßem Verwaltungsunrecht nach rechtsstaatlichen Maßstäben hier nicht recht überzeugen will. Gegen den zweiten Ansatz, der dem Handlungspflichtigen deutlich entgegenkommt, spricht, dass der Wegfall des behördlichen Interesses, etwa durch anderweitige Kenntniserlangung, vom Zufall abhängen kann. Ferner ist beiden Ansätzen vorzuhalten, dass sie den Handlungspflichtigen letztlich vor die Wahl stellen, entweder seine Unterlassungsordnungswidrigkeit dauerhaft fortzusetzen oder durch Nachholung der Verhaltenspflicht seine bußgeldbewehrte Unterlassung gegenüber der Behörde aufzudecken.39 Zudem ist beiden Ansätzen immanent, letztlich darauf abzuzielen, die Erfüllung der Verhaltenspflicht durch einen späten Beginn der Verjährungsfrist, also mit Bußgeldtatbeständen durchsetzen zu wollen, obwohl Bußgeldtatbestände nur der Ahndung dienen sollen. Dieser Umstand verdient aus rechtsstaatlicher Sicht Kritik, denn für die Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Verhaltenspflichten sind vorran BeckOK OWiG/Gerhold OWiG § 1 Rn. 6; ähnlich KK-OWiG/Rogall OWiG § 1 Rn. 4.  KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 31 Rn. 26; BeckOK OWiG/Gertler OWiG § 31 Rn. 34; Krenberger/Krumm OWiG § 31 Rn. 16; HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 30. 37  BayObLG, Urt. v. 28.8.1990  – RReg. 4  St 103/90, NJW 1991, 711 (712); BGH, Urt. v. 19.12.2018  – 1 StR 444/18, BeckRS 2018, 38370 Rn.  11; BeckOK OWiG/Gertler OWiG§  31 Rn. 34; KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 31 Rn. 26; HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 30. 38  BayObLG, Urt. v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 103/90, NJW 1991, 711 (712); HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 30; zumindest ähnliche Aspekte BeckOK OWiG/Gertler OWiG § 31 Rn. 34. 39  Argument nach Lanzinner, NStZ 2020, 162 (163). 35 36

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gig die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen. Insoweit wäre also gegebenenfalls mit dem Widerruf einer Zulassung oder anderen aufsichtlichen Maßnahmen (§ 109 MStV) zu drohen. Dem steht wiederum das nachvollziehbare Bedürfnis der Praxis der Landesmedienanstalten entgegen, das Bußgeldverfahren nicht als Drohkulisse zu verlieren, da das Inaussichtstellen aufsichtlicher Maßnahmen keine vergleichbar disziplinierende Wirkung in Bezug auf die Einhaltung des Ordnungsrechts entfaltet, zumal die Androhung des Widerrufs einer Zulassung häufig unverhältnismäßig sein wird. Der Vorteil des Ordnungswidrigkeitenrechts gegenüber dem Verwaltungsrecht liegt aus der Sicht einer Aufsichtsbehörde unbestreitbar darin, dass der Betroffene im Bußgeldverfahren ganz persönlich eine schmerzliche Sanktion auf sich zukommen sieht oder deren Wirkung fühlt und die damit erkenntnisleitende Wirkung zumindest bei den Profis der Branche erfahrungsgemäß für einen längeren Zeitraum anhält. Auch wenn es die derzeitige Praxis (noch) nicht abbildet, soll hier für den Beginn der Verjährungsfristen bei echten Unterlassungsordnungswidrigkeiten eine Überlegung aufgezeigt werden, die der 1. Strafsenat des BGH im Jahr 2019 im Zusammenhang mit dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB entwickelt hat.40 Danach beginnt die Verjährung bereits mit dem Verstreichen-­ Lassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen.41 Dafür spricht, dass die Verletzung der Verhaltenspflicht durch die Nichtvornahme der Pflichtmeldung irreversibel eingetreten und durch weiteres Untätigbleiben nicht mehr vertieft wird.42 Damit ist die Bußgeldbewehrung eines weiteren Unterlassens nach Vollendung des Tatbestands über den Weg des Hinauszögern des Verjährungsbeginns nicht gerechtfertigt.43 Zudem ist ins Feld zu führen, dass dieser Ansatz die auch im MStV und JMStV deutlich erkennbare Trennung zwischen Verhaltensnorm einerseits und Bußgeldtatbestand andererseits beachtet. Denn die Frage, ob die Verhaltenspflicht nachzuholen ist oder nicht, darf keine zwingende Korrelation zu der Frage des Verjährungsbeginns haben, sondern darf nur von der Formulierung der Verhaltenspflicht abhängen, mit deren Ausgestaltung der Gesetzgeber seinen dahin gehenden Willen kundgetan hat oder haben sollte. Diesem Ansatz folgend, sind bei diesen „Fälligkeitsdelikten“ die in den Bußgeldnormen oder in den Verhaltensnormen enthalten Fälligkeitszeitpunkte näher zu beleuchten. So stößt man in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Nr. 10, Nr. 14 sowie in Abs. 1  Vgl. BGH, Beschl. v. 1.9.2020 – 1 StR 58/19, NJW 2020, 3469 m. Anm. Klötzer-Assion, Anm. Gehm, NZWiSt 2021, 16, Bespr. Schulteis, GWR 2020, 481; s. noch den Anfragebeschluss des BGH v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 m. Anm. Lanzinner, Bespr. Lorenz, FD-StrafR 2020, 425803, Beukelmann, NJW-Spezial 2020, 89, Zieglmeier, NZS 2020, 196 und die Zustimmung der Strafsenate des BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – 3 ARs 1/20, BeckRS 2020, 3029; BGH Beschl. v. 6.2.2020 – 5 ARS 1.20, BeckRS 2020, 2837; BGH Beschl. v. 15.7.2020 – 2 ARs 9/20, BeckRS 2020, 19829. Eine ähnliche Anknüpfung an den gesetzlich verlangten Handlungszeitpunkt gab es vorher vereinzelt, siehe etwa die in KK-OWiG/Ellbogen OWiG § 31 Rn. 26 zusammengetragenen älteren Judikate. 41  BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 ff. 42  Ähnlich BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 (160 f.). 43  Ähnlich BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 (160 f.). 40

12.2 Verfahrenshindernisse

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Satz 2 Nr. 14 MStV auf die Formulierung „nicht zu Beginn […] ankündigt“. Das ist ein Fälligkeitszeitpunkt, der überwiegend in der Art von „vor Beginn“ verstanden wird.44 In diesem Kontext ist aber entscheidend, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit jedenfalls dann überschritten ist, wenn nicht spätestens mit Beginn die ­Verhaltenspflicht (Ankündigung) erfüllt wird. Vergleichbar ist die Frist „nicht zu Beginn […] kennzeichnet“ in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 MStV. Die Bestimmung „am Ende [der Sendung]“ in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 MStV dürfte indes so zu verstehen sein, dass das Verhalten in den letzten Sekunden oder im unmittelbaren, als nicht anderweit unterbrochenen Anschluss der Sendung zu erfolgen hat. Folglich ist die Fälligkeit jedenfalls dann verstrichen, wenn die Sendung ohne Hinweis ihren Abschluss fand, etwa weil etwas anderes ausgestrahlt wurde. Vergleichbar verhält es sich bei „nicht […] zum Ende [einer Sendung]“ in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 18 MStV. „Auf Verlangen“ (siehe § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 i. V. m. § 16 Abs. 1 Satz 1 MStV sowie § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 47 MStV) setzt ein ausdrückliches Einfordern durch die Landesmedienanstalt voraus. Das bringt für den vorliegenden Fall aber keinen Erkenntnisgewinn, weil dem Adressaten auf das Verlangen hin noch ein angemessener Reaktionszeitraum zugebilligt werden muss. Daher ist bei einem solchen Verlangen die Festsetzung einer angemessenen Reaktionsfrist sinnvoll, weil mit deren Verstreichen-Lassen nicht nur der Bußgeldtatbestand vollendet ist, sondern auch die Verjährung zu laufen beginnt. Genauso verhält es sich bei „seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt“ in § 24 Abs. 1 Nr. 13 JMStV, denn eine Auskunftspflicht setzt zwar womöglich kein ausdrückliches Auskunftsverlangen voraus, aber zumindest „einen Hinweis auf den Kontrollfall“,45 also eine behördliche Äußerung, der der Wunsch nach näheren Informationen zu entnehmen ist. Die Formulierung „nicht fristgemäß“, beispielsweise in §  115 Abs.  1 Satz 1 Nr. 21 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MStV, nimmt unmittelbar Bezug auf eine gesetzliche Fristbestimmung, die in der Verhaltensnorm oder an anderer Stelle zu finden sein muss. Damit beginnt die Verjährungsfrist nach Ablauf der Fristbestimmung, also am darauffolgenden Tag. Das Gleiche gilt für „nicht rechtzeitig“, beispielsweise in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 24, Nr. 26, Nr. 48 MStV. Eine im Umgang einfache gesetzliche Fristbestimmung ist auch die Formulierung „nicht spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrages“ in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 40 MStV. Komplex ist die Fristbestimmung, wenn der Bußgeldtatbestand von „nicht unverzüglich“ spricht, etwa in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Nr. 7, Nr. 28, Nr. 38, Nr. 44 MStV. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern,46 wobei auch fahrlässiges Zögern die Schuldhaftigkeit begründen und damit die Unverzüglichkeit ausschließen kann.47 Unverzüglichkeit kommt als Begriff in verschiedenen gesetzlichen Kontexten vor. Deshalb ist damit begründete Handlungsfrist nicht einheitlich bestimmt, vielmehr ist ihre maximale Dauer im Kontext der jeweiligen Verhaltenspflicht und  BeckOK InfoMedienR/Bornemann MStV § 8 Rn. 38 m. w. N.  NK-JMStV/Bornemann, § 21 Rn. 3. 46  BeckOK InfoMedienR/Martini MStV § 55 Rn. 29. 47  BeckOK BGB/Wendtland BGB § 121 Rn. 6. 44 45

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der von ihr ausgelösten zeitlichen und organisatorischen Aufwände zu bemessen.48 In Abhängigkeit von den ein mögliches Zögern begründenden Umständen des Einzelfalls kann Unverzüglichkeit womöglich auch noch dann vorliegen, wenn ein oder zwei Wochen ins Land gegangen sind, auch wenn grundsätzlich an einen Zeitraum von allenfalls wenigen Tagen zu denken ist – Voraussetzung ist in allen Fällen aber stets die Orientierung an einer „gebotenen Eile“.49 Die hier in Rede stehenden Mitteilungspflichten gegenüber der Landesmedienanstalt können bei den Betroffenen zwar erhebliche Arbeitsaufwände auslösen, allerdings werden die die Mitteilungspflicht begründenden Umstände typischerweise nicht überraschend entstehen. Vor diesem Hintergrund sollte Unverzüglichkeit allerspätestens dann nicht mehr gegeben sein, wenn seit dem die Mitteilungspflicht auslösenden Ereignis sieben bis 14 Tage vergangen sind, sodass die Verjährungsfrist jedenfalls mit dem 15 Tag beginnen würde. Da ein früher Verjährungsbeginn für den Betroffenen günstig ist, kann es also je nach Gang des Verfahrens sein, dass er selbst vorträgt, zu sehr schnellen Mitteilungen in der Lage zu sein, dies im konkreten Fall aber schuldhaft verzögert zu haben.  Bei echten Unterlassungsordnungswidrigkeiten ohne Fristbestimmung, beispielsweise § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MStV, könnte man bei Betonung rechtsstaatlicher Aspekte der Ansicht sein, die Verjährung müsse mit dem untätigen Verstreichen-Lassen der Handlungspflicht beginnen. In der Praxis wird diese Fallgruppe jedoch wie Begehungs-Dauerordnungswidrigkeiten behandelt, was bedeutet, dass Verjährungsbeginn erst angenommen wird, sobald die Handlungspflicht entfällt, insbesondere durch Vornahme der Handlung.50 Das ist wegen der ewig drohenden Ahndung bei bloßem Verwaltungsunrecht von begrenzter Überzeugungskraft, entspricht aber wohl allgemeiner Ansicht. Ein Argument gibt es aber, dass dieses Ergebnis stützen mag: Mangels gesetzlicher Fristbestimmung erscheint auch die Handlungspflicht „zeitlos“, weshalb der Imperativ der Verhaltensnorm den Handlungspflichten auch dauerhaft anspricht.

12.2.1.2 Unterbrechung und Ruhen Die Verjährungsvorschriften einschließlich der Unterbrechungsmöglichkeiten nach § 33 OWiG gelten entsprechend, wenn selbstständige Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG (selbstständig festgesetzte Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen) oder § 29a Abs. 5 OWiG (selbstständig angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen) durchgeführt werden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Zeiten, in denen die Verjährung ruht (§ 32 Abs. 1 OWiG) oder nicht abläuft (§ 32 Abs. 2 OWiG), werden bei der Bestimmung der Frist nicht mitgerechnet; nach dem Ende des Ruhens läuft die Frist weiter und beginnt – anders als bei der Unterbrechung, siehe § 33 Abs. 1 Satz 1 OWiG – nicht von neuem. Die Verjährung ruht z. B., wenn vor dem Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil ergangen ist, bis zum rechtskräftigen  In diese Richtung BeckOK BGB/Wendtland BGB § 121 Rn. 6 f.  BAG, Urt. v. 21.2.1991 – 2 AZR 449/90, NJW 1991, 2723 (2725 f.); BeckOK BGB/Wendtland BGB § 121 Rn. 8. 50  Jeweils mit etlichen Nachweisen: KK-OWiG/Ellbogen OWiG §  31 Rn.  26; BeckOK OWiG/ Gertler OWiG § 31 Rn. 34; Krenberger/Krumm OWiG § 31 Rn. 16; HK-OWiG/Louis § 31 Rn. 30. 48 49

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Abschluss des Verfahrens (§ 32 Abs. 2 OWiG). Solange die Verjährung ruht, läuft auch die sog. absolute Verjährung nicht weiter.51 Es verjährt nicht die gesamte Tat im prozessualen Sinn einheitlich, sondern jede Tatbestandsverwirklichung für sich, und zwar nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. Die Wirkung und Reichweite der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ist also personenbezogen, wie sich aus § 33 Abs. 4 Satz 1 OWiG ergibt. Das hat zur Folge, dass die Verfolgung jedes einzelnen Tatbeteiligten gesondert zu prüfen ist. Wird bspw. übersehen, bzgl. eines Tatbeteiligten die Verjährung rechtzeitig zu unterbrechen, so verjährt die Tat mit Wirkung nur für diesen Tatbeteiligten, während andere Beteiligte, denen gegenüber die Verjährung wirksam unterbrochen wurde, verfolgt und geahndet werden können. Diesen gegenüber wirkt die Unterbrechung jedoch „tatbezogen“, d. h. auch hinsichtlich anderer durch die Tat verwirklichter Delikte als des zunächst verfolgten.52 Einzelne Handlungen zur Unterbrechung der Verjährungsfrist können nur dann mehrmals angewendet werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich zulässt, z. B. in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4, 6 oder 11 OWiG (Wortlaut: „jede …“). Ansonsten ist die Unterbrechung der Verjährung durch eine bestimmte Unterbrechungshandlung nur einmal möglich. Dies gilt namentlich für die Unterbrechungsmöglichkeit durch die Handlungsalternativen des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG (erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe).53 „In der Versendung des Anhörungsschreibens liegt die Anordnung der Bekanntgabe.“54 Eine wirksame Bekanntgabe an den Betroffenen ist für die Unterbrechungswirkung nicht erforderlich. Es reicht vielmehr schon die mit dem Handzeichen des Amtsträgers versehene Anordnung der Vernehmung aus.55 Diese interne Unterbrechungsmöglichkeit ist für die Bußgeldbehörde günstig. Als Kehrseite der Medaille beginnt die neue Verjährungsfrist ab der internen Unterbrechungshandlung neu zu laufen und nicht erst ab Bekanntgabe an den Betroffenen. Das muss bei der Fristberechnung beachtet werden. Vorbereitungshandlungen unterbrechen die Verjährung dagegen noch nicht.56 Im Übrigen ist zu beachten, dass die Vorlage der Bußgeldbehörde an die Staatsanwaltschaft die Verjährung nicht unterbricht. Vielmehr tritt die Unterbrechungswirkung erst mit Eingang der Akten beim Amtsgericht ein (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG). Umgekehrt unterbricht die Abgabe der Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde zur Verfolgung als Ordnungswidrigkeit nach § 43 OWiG die Verjährung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 OWiG). Die verjährungsunterbrechende Wirkung des Bußgeld-

 Krenberger/Krumm, OWiG § 33 Rn. 96.  KK-OWiG/Ellbogen, § 33 Rn. 121. 53  Krenberger/Krumm, OWiG § 33 Rn. 13. 54  OLG Bamberg, Beschl. v. 10.05.2012, Az. 2 Ss OWi 549/2012. 55  Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG § 33 Rn. 45. 56  Verfehlt insoweit LG Berlin, Beschl. v. 8.11.2017 – 528 Qs 73/17, ZUM 2019, 444 m. abl. Anm. Bornemann. 51 52

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

bescheides nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG bleibt auch dann bestehen, wenn er von der Bußgeldbehörde später wieder zurückgenommen wird.57

12.2.1.3 Verjährungsfristen 12.2.1.3.1 Allgemeine Verjährungsfristen Die Verfolgungsverjährung richtet sich gem. § 31 Abs. 2 OWiG nach der Höhe der maximal möglichen Sanktion und folgt damit der Systematik im Strafrecht aus § 78 Abs.  3 StGB.  Die Verfolgungsverjährung tritt bei Ordnungswidrigkeiten, die im Höchstmaß mit Geldbuße bis zu 1000,00 € bedroht sind, nach sechs Monaten ein (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG). Davon betroffen ist bspw. Werbung für Pornografie im Rahmen des § 118 OWiG, wie sich mangels anderweitiger Bestimmung aus § 17 Abs. 1 OWiG ergibt (s. o. 6.3.4). Werbung für Prostitution unterfällt seit dem 1. Juli 2017 nicht mehr dem § 120 OWiG, sondern dem § 33 Abs. 2 Nr. 14 ProstSchG (s. o. 6.3.5). Hierfür droht nach § 33 Abs. 3 ProstSchG eine Geldbuße bis zu 10.000 €, wodurch die zweijährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG greift. Ganz überwiegend sind die in diesem Handbuch dargestellten Ordnungswidrigkeiten jedoch mit mehr als 15.000,00 € Geldbuße bedroht und würden deshalb nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG in drei Jahren verjähren. Soweit § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV ordnungswidriges Verhalten von Telemedienanbietern erfasst, gilt die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 115 Abs. 5 MStV). Sie erfasst ausdrücklich Impressumspflichtverletzungen von Telemedienanbietern, soweit sie von § 18 MStV erfasst werden, nicht jedoch die Impressumspflichtverletzungen der geschäftsmäßigen Diensteanbieter nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 TMG, § 25 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 DDG-E. 12.2.1.3.2 Rundfunk- und telemedienbezogene Verjährungsfristen Sowohl § 24 Abs. 7 JMStV als auch § 115 Abs. 5 RStV sehen die Verjährung der Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien in sechs Monaten vor und haben insoweit als Lex specialis Vorrang vor der allgemeinen Verjährungsregel aus § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, die eine Verjährung erst nach drei Jahren vorsähe. Die Privilegierung des Rundfunks und der Telemedien durch Verkürzung der regulären Verjährungsfristen dient einem möglichst freien und ungehinderten Kommunikationsprozess und entspricht der Situation im Presserecht. Die Verjährung läuft ab Beendigung der Tathandlung bzw. ab Erfolgseintritt, weshalb mangels spezieller Regelung diesbezüglich wieder § 31 Abs. 3 OWiG als Lex generalis gilt. Wenn eine Rundfunksendung mit ordnungswidrigem Inhalt wiederholt ausgestrahlt wird, beginnt nach jeder Wiederholung eine neue Verjährungsfrist zu laufen. Eine Unterscheidung zwischen den sog. Rundfunkinhaltsdelikten und anderen Ordnungswidrigkeiten haben die Staatsvertragsparteien nicht getroffen. Die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen einer am 28. Januar verbreiteten ordnungswidrigen Fernsehsendung mit entwicklungsbeeinträchtigendem Inhalt (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV) ist deshalb am 28. Juli bereits wegen eingetretener Verjährung unzulässig (§  31 57

 Krenberger/Krumm, OWiG § 33 Rn. 63.

12.2 Verfahrenshindernisse

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OWiG i. V. m. § 24 Abs. 7 JMStV); die Verjährungsfrist endete in diesem Fall am 27. Juli um 24 Uhr (s. o.). Zudem sind in zahlreichen Landesgesetzen Verjährungsvorschriften enthalten. Am einfachsten ist die Situation in den Ländern zu erfassen, die ein einheitliches Gesetz für alle Mediengattungen erlassen haben, das Sonderbestimmungen für Presse, Rundfunk und Telemedien enthält wie z.  B. §  37 Abs.  1, Abs.  2 LMG Rh.-Pf., § 66 Abs. 1, Abs. 2 SaarlLMG. Immer noch einigermaßen übersichtlich ist die Situation in Ländern, die eine rundfunk- oder telemedienbezogene Verjährungsvorschrift in das Landesmediengesetz (z.  B.  Art.  37 BayMG, §  51 Abs.  6 LMG Ba.-Wü., § 52 Abs. 4 Medienstaatsvertrag HSH; § 125 Abs. 6 LMG NRW) aufgenommen haben, wenngleich hier zumeist die Verjährung der Ordnungswidrigkeiten in Telemedien spezialgesetzlich ungeregelt bleibt. Es gibt aber auch Länder, in denen die Verjährungsvorschrift des Presserechts ausdrücklich auf Rundfunk erstreckt wird, wie z. B. in Brandenburg (§ 17 BbgPG). Bei landesrechtlichen Ordnungswidrigkeiten, für die der Medienstaatsvertrag und der Jugendmedienschutz-­ Staatsvertrag nicht gelten, besonders aber auch für strafbare Rundfunkinhaltsdelikte (z. B. Art. 18a BayRG i. d. F. bis zum 31.12.2016, § 17 BbgPG) lohnt sich ein Blick in die medienrechtlichen Landesgesetze zur Beurteilung der Verjährungsfrist.

12.2.1.4 Einzelfälle 12.2.1.4.1 Dauer-, Zustands- und echte Unterlassungsordnungswidrigkeiten Wie unter 12.2.1.1 erläutert, zeichnen sich Dauerdelikte dadurch aus, dass ein vom Täter geschaffener rechtswidriger Zustand pflichtwidrig aufrechterhalten wird.58 Sie enden folglich mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands,59 weshalb nach Maßgabe des § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Eine typische Dauerordnungswidrigkeit ist etwa die ungenehmigte Rundfunkveranstaltung (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV). Wie das Dauerdelikt produziert auch das Zustandsdelikt einen andauernden rechtswidrigen Zustand, allerdings als Nachwirkung der Tathandlung. Als Beispiel ist die vorsätzliche Sperrung gegen den Abruf durch die Aufsichtsbehörde zu nennen (§ 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 50 MStV). Sobald der Anbieter die Sperrung durch aktive Maßnahmen bewirkt hat, ist die Tat vollendet, was den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzt. Zwar hat die ordnungswidrige Sperrung einen gesetzwidrigen Zustand bewirkt, der fortbesteht. Der Anbieter erhält ihn jedoch nicht pflichtwidrig aufrecht, da er über den Sperrvorgang hinaus keine Aktivitäten entfaltet. Das Nicht-Rückgängigmachen der Sperrung ist unterlassene Folgenbeseitigung, die nicht von § 8 OWiG umfasst wird. Eine Pflicht zur Erfolgsabwendung beschränkt

 KK-OWiG/Ellbogen, § 31 Rn. 25; NK-StGB/Saliger, § 78a Rn. 19.  Krenberger/Krumm, OWiG §  31 Rn.  14 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 11.06.1965  – 2 StR 187/65, BGHSt 20, 228 = NJW 1965, 1817; BeckOK OWiG/Gertler § 31 Rn. 27. 58 59

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

sich auf den Sperrvorgang und erstreckt sich nicht auf Folgenbeseitigung nach erfolgter Sperrung.60 Wenn es um es um das Unterlassen von Mitteilungs- oder Meldepflichten als echte Unterlassungsordnungswidrigkeiten geht, ist es abweichend von der bisher überwiegenden Praxis deutlich naheliegender, für den Beginn der Verjährung auf das Verstreichen-Lassen des Fälligkeitszeitpunkts der geforderten Handlung abzustellen, siehe oben 12.2.1.1. Beispielsweise verpflichtet § 63 MStV dazu, jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen oder sonstigen Einflüssen bei der zuständigen Landesmedienanstalt vor ihrem Vollzug schriftlich anzumelden (Verhaltensnorm). Das Unterlassen der Anmeldung „geplanter Veränderungen“ ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 MStV (Sanktionsnorm). Die Verpflichtung zur schriftlichen Mitteilung vor Vollzug kann nach Vollzug der Veränderung offensichtlich nicht mehr erfüllt werden, denn eine vollzogene ist keine geplante Veränderung mehr. Die Verjährungsfrist beginnt folglich, anknüpfend an die Fälligkeitsbestimmung („vor ihrem Vollzug“) mit dem Vollzug der rechtswidrig nicht zuvor mitgeteilten Beteiligungsveränderung zu laufen. Gelingt den Mitteilungspflichtigen die Verheimlichung länger als sechs Monate, ist die Verfolgungsverjährung der Ordnungswidrigkeit eingetreten (§ 115 Abs. 5 MStV). Da die Verhaltensnorm § 63 MStV die Mitteilungspflicht zeitlich präzise auf „vor Vollzug“ der Änderung (im Sinn eines „bis zur Änderung“) konkretisiert, ist – was für das Bußgeldverfahren aber keine Relevanz hat – die Mitteilung auch nicht nachzuholen. Das ist im Rahmen der Aufsicht auch nicht weiter bedenklich, denn es besteht nach § 55 Abs. 7 MStV auch die Pflicht, die vollzogene Änderung im Rahmen des jährlichen Statusberichts anzuzeigen. Der Verstoß gegen die Berichtspflicht aus § 55 Abs. 7 MStV ist wiederum nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 MStV ahndbar. Wenn eine Verhaltensnorm vorsieht, dass man eine Information verfügbar halten muss, dann liegt die Annahme auf der Hand, dass diese Rechtspflicht täglich „frisch“ besteht. Die bußgeldrelevante Formulierung „nicht […] verfügbar hält“ in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 42 MStV enthält jedoch keine konkretisierbare Handlungsfrist. Deshalb ist das Nicht-Verfügbarhalten eine echte Unterlassungsordnungswidrigkeit in der Art einer Dauerordnungswidrigkeit. Überträgt man die oben erörterten Grundsätze der h.  M. zum Verjährungsbeginn bei Dauerordnungswidrigkeiten (siehe 12.2.1.1) auf diesen Fall, dann ergibt sich, dass die Verjährung erst dann zu laufen beginnt, wenn der vom Täter durch sein Unterlassen geschaffene rechtswidrige Zustand endet, beispielsweise durch Verfügbarhalten der richtigen Informationen oder durch Einstellung seines Angebots. Dieses Ergebnis der h. M. ist auf der Grundlage rechtsstaatlicher Maßstäbe zunächst wenig überzeugend, weil der Eintritt der Verfolgungsverjährung aufgeschoben wird. Es ist aber auch kaum eine andere Lösung vorstellbar, weil die Ratio legis der zugrunde liegenden Verhaltensnorm – hier: Sicherstellung der Erreichbarkeit des Anbieters – sonst nicht erreicht werden kann. Daher passt auch die Einordnung als Zustandsdelikt nicht recht, denn  Ebenso zum parallelen Bußgeldtatbestand in §  24 Abs.  1 Nr.  14 JMStV: NK-JMStV/Mitsch, JMStV § 24 Rn. 59. 60

12.2 Verfahrenshindernisse

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seine Einhaltung der Pflicht „verfügbar halten“ wird der Verpflichtete auf der Grundlage der Ratio legis in einem gewissen Turnus zu überprüfen haben. Sieht man die Variante „nicht richtig verfügbar hält“ als echtes Unterlassungsdelikt in der Art einer Dauerordnungswidrigkeit an, ergibt sich hier mit der h. M. dasselbe, d. h. die Verjährung beginnt erst dann zu laufen beginnt, wenn der vom Täter durch sein Unterlassen geschaffene rechtswidrige Zustand endet, beispielsweise durch Verfügbarhalten der richtigen Informationen oder durch Einstellung seines Angebots. Diese Ausführungen gelten entsprechend für „nicht […] oder nicht vollständig anzeigt“ in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 24, Nr. 26, Nr. 48 MStV sowie für „nicht oder nicht vollständig […] offenlegt“ in §  115 Abs.  1 Satz 2 Nr.  29 MStV. Hätte der Täter jedoch vor dem Eintritt der Verjährung erneut den Vorsatz gefasst, die Informationen weiterhin nicht richtig verfügbar zu halten, läge die Annahme einer neuen Tat nahe. Ein unvollständiges oder sonst falsches Verfügbarhalten, Anzeigen oder Offenlegen erschöpft sich indes nicht im Unterlassen, sondern beschreibt ein pflicht- und regelwidriges Tun. Der Täter hält verfügbar, aber nicht korrekt, er zeigt an, aber nicht vollständig usw. Das legt nahe, von Begehungsdelikten auszugehen, deren Verjährung ab Vollendung des Delikts zu laufen beginnt. Die Nichtvornahme einer erforderlichen Kenntlichmachung in § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStV ist eine echte Unterlassungsordnungswidrigkeit in der Art einer Dauerordnungswidrigkeit. Damit beginnt die Verjährung nach den unter 12.2.1.1 erläuterten Grundsätzen erst, wenn der vom Täter durch sein Unterlassen geschaffene rechtswidrige Zustand endet, beispielsweise durch Erfüllung seiner Pflicht oder durch Einstellung seines Angebots. Das Einfügen virtueller Werbung in Rundfunksendungen ist in § 8 Abs. 6 MStV geregelt und der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß dagegen in §  115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 MStV mit Geldbuße bedroht. Einfügen ist eine Handlung, weshalb es sich um ein Begehungsdelikt handelt, bei dem die Verjährung – eigentlich – mit der Beendigung der Einfügungshandlung beginnt. Entsprechend verhält es sich gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 i. V. m. § 74 Satz 2 MStV bei einer Vorsatztat, wenn es sich nicht um Rundfunk, sondern um Pay-per-view-Angebot oder sonstige linear verbreitete fernsehähnlichen Telemedien handelt. Obwohl die Tathandlung nur „einfügen“ verlangt, wird man in beiden Fällen verlangen müssen, dass das fehlerhafte Angebot auch tatsächlich gesendet oder zum Abruf bereitgehalten wurde, weil andernfalls die Ratio legis der Verhaltensnormen nicht berührt ist. Für das Bußgeldverfahren hat das die Konsequenz, dass die Verjährung erst mit der Sendung oder dem Bereitstellen zum Abruf beginnen kann (s. o. 6.2.5). Eine besondere Situation kann entstehen, wenn die Rundfunkveranstaltertätigkeit mit Genehmigung der zuständigen Landesmedienanstalt von Konzerntochter- auf -muttergesellschaften – oder umgekehrt – verlagert wird.61 In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen und Lageberichten nach § 57 Abs. 1 Satz 1 MStV erst „bis zum Ende des neunten auf das Ende des Geschäftsjahres folgenden Monats“ zu erfüllen ist. Vor diesem Zeitpunkt liegt noch keine ordnungswidrige Pflichtwidrigkeit vor; folg61

 Wie im ProSiebenSat.1-Konzern 2012/13 geschehen.

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lich kann noch keine Verjährung zu laufen beginnen. Es sprechen gute Gründe dafür, einen Übergang der Veröffentlichungspflicht auf die Rechtsnachfolgerin für die zurückliegenden Zeiträume der Rundfunkveranstaltertätigkeit anzunehmen. Sollte die Veröffentlichungspflicht für die zurückliegende Zeit nicht auf den übernehmenden Rundfunkveranstalter übergehen, wäre zwar das säumige Unternehmen ab Übergang der Rundfunkveranstaltertätigkeit auf Konzernmutter-, -schwester oder -tochter kein Rundfunkveranstalter mehr. Die Veröffentlichungspflicht bliebe dann aber als nachwirkende Rechtspflicht bei der Vorgängergesellschaft bestehen. Gründe gegen die Anwendung der Bußgeldbestimmung wegen der Verletzung nachwirkender Veranstalterpflichten sind nicht ersichtlich, zumal § 115 Abs. 1 Satz 2 MStV selbst kein persönliches ahndungsbegründendes Tätermerkmal enthält („wer“). Bei einer konzerninternen Verlagerung der Rundfunkveranstaltertätigkeit ist auch das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung von Jahresabschluss und Lagebericht nicht erloschen. Sofern das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, verjähren vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 MStV folglich erst fünfzehn Monate nach dem Ende der Veranstaltertätigkeit der als Rundfunkveranstalter ausscheidenden Konzerngesellschaften. 12.2.1.4.2 Organisationsverschulden Die Aufsichtspflichtverletzung gem. §  130 OWiG (Organisationsverschulden) als echtes Unterlassungsdelikt weist darüber hinaus die Besonderheit auf, dass die Ahndbarkeit vom Hinzutreten einer Bezugstat (Zuwiderhandlung) als objektiver Ahndbarkeitsbedingung abhängt. Das hat auch Konsequenzen für den Lauf der Verjährungsfrist. Die Verjährung beginnt mit der letzten Zuwiderhandlung gegen betriebsbezogene Pflichten.62 Zu einem Fall fortgesetzter Untätigkeit des Geschäftsherrn hat der BGH ausgeführt, dass „eine Verletzung der Aufsichtspflicht i.S. von § 130 OWiG zumindest solange nicht beendet“ ist, „wie nach einer bestimmten Zuwiderhandlung gegen betriebsbezogene Pflichten in nächster Zeit weitere Verstöße derselben Art zu befürchten sind“.63 Die Konsequenz dieser Auffassung ist, dass die Verfolgungsverjährung mangels Beendigung i. S. d. § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht zu laufen beginnt, solange die „Befürchtung“ weiterer Unterlassungsverstöße im Raum steht.

12.2.1.5 Absolute Verfolgungsverjährung Verfahrenshandlungen nach § 33 Abs. 1 OWiG unterbrechen die Verfolgungsverjährung mit der Folge, dass die Verjährungsfrist nach jeder Unterbrechung von neuem zu laufen beginnt (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG, siehe oben 12.2.1.2). Dies hätte zur Folge, dass bei mehrfachen Unterbrechungshandlungen i.  S.  d. §  33 Abs.  1 OWiG niemals Verfolgungsverjährung einträte. Mit Blick darauf, dass es sich lediglich um Verwaltungsunrecht handelt, stünde dies im Widerspruch zu dem gesetzgeberischen Ziel der Verfolgungsverjährung, die nämlich für den zeitnahen Eintritt  Krenberger/Krumm, OWiG § 31 Rn. 10.  BGH, Beschl. v. 09.07.1984 – KRB 1/84, BGHSt 32, 389 (392) = NStZ 1985, 77; Lemke/Mosbacher, OWiG § 31 Rn. 21. 62 63

12.2 Verfahrenshindernisse

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von Rechtsfrieden sorgen soll.64 Daher hat der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 3 Satz 2 ff. OWiG eine äußerste Grenze der Verjährungsfrist eingeführt, die sog. absolute Verjährung. Die absolute Verjährung tritt grundsätzlich dann ein, wenn die doppelte Zeit der gesetzlichen Frist, mindestens jedoch zwei Jahre für die Verfolgungsverjährung ins Land gegangen sind (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Die absolute Verjährung hat bei Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien unmittelbar greifbare Folgen: Auch wenn die zuständige Landesmedienanstalt Verfahrenshandlungen i. S. d. § 33 OWiG vornimmt, die die Verjährung unterbrechen, so können die Ordnungswidrigkeiten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und des Medienstaatsvertrags mit ihrer kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist nach zwei (!) Jahren endgültig nicht mehr verfolgt werden. Denn die absolute Verjährung beträgt zwar im Allgemeinen das Doppelte der gesetzlichen Verjährung, mindestens jedoch zwei Jahre (§ 33 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG). Anderes gilt dann, wenn eine Handlung strafrechtlich verfolgt wird, die zugleich Straftat und Ordnungswidrigkeit ist. In diesem Fall gilt auch für die Ordnungswidrigkeit die gesetzliche Verjährungsfrist, die für die Straftat gilt (§ 33 Abs. 3 Satz 3 OWiG). Die absolute Verjährungsfrist für die Ordnungswidrigkeit beträgt in diesem Fall das Doppelte der Verjährungsfrist für die Straftat, mindestens jedoch zwei Jahre. Sofern keine spezialgesetzliche Bestimmung in Landesgesetzen existiert und die Strafverfolgungspraxis für Ordnungswidrigkeiten nach § 11 TMG (§ 25 DDG-E) nicht im Wege der Analogiebildung die kurzen rundfunk- bzw. telemedienbezogenen Verjährungsfristen annimmt, verjähren diese wegen des hohen Bußgeldrahmens bis 50.000  € gem. §  31 Abs.  2 Nr.  1 OWiG in drei Jahren; die absolute Verjährung würde gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG nach der doppelten Frist eintreten, folglich also nach sechs Jahren.

12.2.2 Befassung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle 12.2.2.1 Regulierte Selbstregulierung im Jugendmedienschutz Mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wurde ein neues Modell der regulierten Selbstregulierung oder Co-Regulierung im Jugendmedienschutz eingeführt. Das Modell lehnt sich nur scheinbar an die im Jugendschutzrecht des Bundes etablierte Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) an. Während sich die FSK aus Prüfern zusammensetzt, die zu einem Teil von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio) ernannt und zum anderen Teil von der öffentlichen Hand entsandt werden,65 sind z. B. die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) oder die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM), beides von der KJM gem. §  19 JMStV anerkannte Einrichtungen, reine Selbstkontrollorgane von Vereinen aus Rundfunkveranstaltern bzw. Telemedienanbietern. Während Entscheidungen der FSK im Ernstfall von der obersten Landesjugendschutzbehörde kassiert werden können (§ 14 Abs. 6 64 65

 Ähnlich KK-OWiG/Ellbogen, § 33 Rn. 116.  Vgl. http://www.fsk.de/index.asp?SeitID=472&TID=473 (zuletzt abgerufen am 6.6.2023).

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Satz 2 JuSchG),66 stellen Entscheidungen der anerkannten Einrichtungen nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Hürden für Maßnahmen der KJM auf, die nur im Fall der Überschreitung des Beurteilungsspielraums überwunden werden können (§ 20 Abs. 3 und 5 JMStV). Der Gesetzgeber bezeichnet die Nichteingriffsschwelle der öffentlich-rechtlichen Aufsicht als Beurteilungsspielraum und verwendet damit einen Begriff aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht. Beurteilungsspielraum der staatlichen Exekutive ist ein Entscheidungsspielraum auf ­Tatbestandsseite, der – anders als das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite – überhaupt nur absolut ausnahmsweise besteht, und zwar nur im Kontext der wenigen anerkannten Fallgruppen.67 Entscheidungen der anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle gem. § 19 JMStV akzeptiert der Gesetzgeber als Letztentscheidungen Privater im Jugendschutz ohne staatliche Kassationsmöglichkeit in den Grenzen, die für einen exekutivischen Beurteilungsspielraum bestehen würden.68 Das ergibt sich aus § 20 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 JMStV.69 Entscheidungen der Freiwilligen Selbstkontrolle stellen Verfahrenshindernisse für den Erlass hoheitlicher Maßnahmen dar, es sei denn, die Freiwillige Selbstkontrolle überschreitet den Rahmen eines „Beurteilungsspielraums“. Die Annahme einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums der Exekutive ist eine hohe Hürde, denn ein tatsächlich bestehender Beurteilungsspielraum ist gerade zu seiner Aufrechterhaltung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar.70 Auch wenn die Konstellation der Austarierung der Staatsgewalten auf das Verhältnis zwischen Landesmedienanstalt/KJM und Freiwilliger Selbstkontrolle nicht richtig passt, wird sich die Prüfung der KJM regelmäßig darauf beschränken müssen, ob im Rahmen der Beurteilung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde, ob sachfremde Erwägungen Anwendung fanden oder ob anerkannte Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden.71 Nachdem der Anschluss an eine Selbstkontrolleinrichtung im Bereich der elek­ tronischen Online-Medien (Rundfunk und Telemedien) tatsächlich freiwillig ist, musste der Gesetzgeber Anreize für die Anbieter/Veranstalter schaffen, sich einer Selbstkontrolleinrichtung anzuschließen, welche durch die Mitglieder zu finanzieren ist. Deshalb arbeitet das Gesetz mit Privilegierungen. Demgegenüber dürfen nach dem Jugendschutzgesetz des Bundes grundsätzlich nur solche Trägermedien, die über eine Altersfreigabe der FSK verfügen, an Jugendliche oder Kinder abgegeben werden (§ 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1, vgl. auch § 11 Abs. 1 JuSchG). Die Abgabe von DVD oder Blue-Ray-Discs72 ohne Altersfreigabe der FSK, die etwas anderes als vom Veranstalter als solche ausgewiesene Informations- oder Lernprogramme  Liesching, Jugendschutzrecht, JuSchG § 14 Rn. 64.  Allgemein zum Beurteilungsspielraum Schoch/Schneider/Geis VwVfG § 40 Rn. 134 ff. 68  Instruktiv NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 29 ff. 69  Zur Einführung der Norm mit dem JMStV etwa Kreile/Diesbach, ZUM 2002, 859 (855). 70  Schoch/Schneider/Geis VwVfG § 40 Rn. 134. 71  NK-JMStV/Bornemann § 20 Rn. 34–38. 72  Die bis zum 30.4.2021 im Gesetzestext beispielhaft genannten Videocassetten dürften Kinder und Jugendliche kaum mehr kennen. Sie wurden daher zum 1.5.2021 durch den Begriff „programmierte Datenträger (Bildträger)“ ersetzt. 66 67

12.2 Verfahrenshindernisse

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enthalten, an Kinder oder Jugendliche ist eine Ordnungswidrigkeit (§  28 Abs.  1 Nr. 15 JuSchG) und mit Geldbuße bis zu 50.000 € bedroht (§ 28 Abs. 5 JuSchG). Damit liegt die freiwillige Vorlage an die FSK zum Erhalt einer Altersfreigabe im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des Anbieters, der mit den geringstnötigen Vertriebsbeschränkungen am Markt agieren will.

12.2.2.2 Befassung freiwilliger Selbstkontrolleinrichtungen im Rundfunk Ein weitgehendes Verbot, Rundfunksendungen vor 23  Uhr auszustrahlen, wenn diese nicht vorab einer freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung vorgelegen haben, würde zu einer verfassungsrechtlich höchst problematischen Einschränkung der Rundfunkfreiheit führen. Deshalb ist das Modell der Coregulierung im Rundfunk anders konstruiert als bei Trägermedien. Sofern ein Rundfunkanbieter vorlagefähige Sendungen aufgrund eigener Entscheidung vor ihrer Ausstrahlung vorlegt, wirkt sich die Entscheidung der freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung – und ihre Beachtung durch den Anbieter – als Verfahrenshindernis für „Maßnahmen durch die KJM“ aus (§ 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV). Wortlaut und Systematik der Vorschrift, die im V.  Abschnitt des JMStV über den „Vollzug für Anbieter mit Ausnahme des öffentlich-­rechtlichen Rundfunks“ steht und nicht im VI. Abschnitt mit der Überschrift „Ahndung von Verstößen …“, legen eine Geltung der Privilegierung für medienverwaltungsrechtliche Maßnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 JMStV (vgl. auch § 35 VwVfG) nahe. Die sog. amtliche Begründung zum Staatsvertrag sieht die Privilegierung jedoch auch und sogar „insbesondere“ für Entscheidungen über die Ahndung als Ordnungswidrigkeit durch die KJM (§ 16 Satz 2 Nr. 8 JMStV).73 Zwar ist die bußgeldrechtliche Ahndung keine „Maßnahme“ nach §  20 Abs.  3 Satz 1 JMStV, aber immerhin eine „Maßnahme“ nach § 50 OWiG.74 Es liegt zwar nicht sehr nahe, dass in zwei Absätzen derselben Bestimmung derselbe Rechtsbegriff in unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird, ist aber auch nicht verboten; die amtliche Begründung legt die unterschiedliche Begriffsverwendung offen. Im Übrigen wäre es höchst merkwürdig, wenn ein Verfahrenshindernis für verwaltungsrechtliche Maßnahmen der KJM bestünde, die KJM dieses Hindernis aber durch ein Ausweichen auf das Bußgeldverfahren im Ergebnis unterlaufen und Verstöße, die sie nicht beanstanden dürfte, mit Geldbuße ahnden könnte. Das Verfahrenshindernis gilt nur für ein Tätigwerden der KJM bzw. der zuständigen Landesmedienanstalt gegenüber Veranstaltern länderübergreifender Rundfunkprogramme (§ 13 JMStV). Ein Verfahrenshindernis besteht sogar bei nicht vorlagefähigen Rundfunksendungen, wenn die freiwillige Selbstkontrolleinrichtung im Nachhinein einen Verstoß verneint, die bei länderübergreifenden Angeboten zuständige KJM (s. §  13 JMStV) ihn aber bejaht. Unterstellt, der Verstoß liegt tatsächlich vor, so wird er durch die Entscheidung der freiwilligen Selbstkontrolleinrichtung zwar weder ge-

73 74

 Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, S. 25.  NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 39.

300

12  Zuständigkeiten, Verfahren

rechtfertigt noch entschuldigt, die Entscheidung stellt aber ein Verfahrenshindernis dar, solange sie die Grenzen eines Beurteilungsspielraums nicht überschreitet.75 Diese Privilegierung gilt nicht bei Verstößen gegen § 4 Abs. 1 JMStV, wie § 20 Abs. 3 Satz 5 JMStV nunmehr ausdrücklich feststellt.76 Aus der zuletzt genannten Tatsache erschließt sich auch, dass eine Erstreckung des Verfahrenshindernisses auf das Strafrecht durch Analogie nicht in Betracht kommen kann.77

12.2.2.3 Befassung freiwilliger Selbstkontrolleinrichtungen bei Telemedien Bei Telemedien ist eine Vorabvorlage, wie es sie im Rundfunk gibt (siehe oben 12.2.2.2 sowie § 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV), nicht vorgesehen. Wenn sich ein Telemedienanbieter einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließt oder ihren Statuten unterwirft, hat dies zur Folge, dass die KJM mit der Behauptung, ein Angebot verstoße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, zuerst die freiwillige Selbstkontrolleinrichtung befassen muss (§ 20 Abs. 5 Satz 1 JMStV). Nur bei Entscheidungen oder dem Unterlassen von Entscheidungen, die den Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolleinrichtung überschreiten, sind Maßnahmen der KJM „nach Absatz 1“ gestattet. Obwohl die Ahndung als Ordnungswidrigkeit keine Maßnahme nach §  20 Abs.  1 JMStV darstellt, meint die amtliche Begründung, dieses Verfahrenshindernis gelte auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht und sogar für eine mögliche Ahndung als Straftat.78 Letzteres geht auffällig über die amtliche Begründung zu § 20 Abs. 3 JMStV – auf derselben Seite der Landtagsdrucksache – hinaus, ist durch den Gesetzeswortlaut nicht mehr gedeckt, steht in einem unauflösbaren inhaltlichen Widerspruch zur Ausnahme der Verstöße gegen §  4 Abs.  1 JMStV von der Privilegierung des §  20 Abs. 5 JMStV und ist im Ergebnis unbeachtlich; ein Verfahrenshindernis für die Strafverfolgung durch Entscheidung eines privaten Prüfergremiums besteht im Ergebnis nicht. Obwohl für Telemedien eine Privilegierung auch im Bußgeldverfahren nicht explizit geregelt ist, denn der Gesetzestext beschränkt ihre Wirkung – anders als für Rundfunkveranstalter in § 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV – explizit auf „Maßnahmen nach Absatz 1 gegen den Anbieter“ und damit auf medienverwaltungsrechtliche Maßnahmen, die die KJM auf Grundlage der Befugnisnorm § 20 Abs. 1 JMStV beschließen könnte, ist aus Gründen der Modellkonsistenz ein Absehen von der Verfolgung im Bußgeldverfahren zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen veranlasst.79  S. dazu näher NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 29 ff.  So schon zur vormaligen Gesetzesfassung VG Hannover, Urt. v. 8.7.2014 – 7 A 4679/12, BeckRS 2014, 53372, das die Ausnahme bei einer Menschenwürdeverletzung i. Erg. auf vorab vorgelegte Sendungen erstreckt hatte (Freigabe durch die FSF kein Verfahrenshindernis). 77  I.  Erg. ebenso Spindler/Schuster/Erdemir, JMStV §  23 Rn.  10, instruktiv NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 45; a. A. NK-MedienstrafR/Gerhold/Handel, JMStV § 23 Rn. 11. 78  Bayer. Landtag, Drs. 14/10246, S. 25. 79  NK-JMStV/Bornemann, JMStV § 20 Rn. 45. 75 76

12.2 

Verfahrenshindernisse

301

12.2.3 Rechtskräftige Vorentscheidung Bußgeldbescheide und gerichtliche Entscheidungen über die bußgeldbewehrte Tat erwachsen in Rechtskraft, weshalb eine weitere Verfolgung dieser Tat als Ordnungswidrigkeit naturgemäß nicht mehr möglich ist. Das Verbot der doppelten Sanktionierung ergibt sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen,80 wird aber in § 84 Abs. 1 OWiG noch einmal aufgegriffen. Für die Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, deren Verfolgung mehreren Bußgeldstellen obliegen kann, hat dieser Grundsatz eine hohe praktische Relevanz: Hat eine von mehreren zuständigen Bußgeldbehörden einen Bußgeldbescheid erlassen und ist dieser rechtskräftig geworden, kann dieselbe Tat auch von anderen zuständigen Bußgeldbehörden nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Hätte bspw. die Bundesnetzagentur bei ihrer Ahndung einer ungenehmigten Frequenznutzung übersehen, dass zugleich eine ungenehmigte Rundfunkveranstaltung vorlag, würde die Rechtskraft ihres Bußgeldbescheides die zuständige Landesmedienanstalt an der Verfolgung und Ahndung der tateinheitlich verwirklichten Ordnungswidrigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 18 MStV hindern. Es kommt also nicht darauf an, ob die Tat im Bußgeldbescheid unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, also im materiellen Sinn zutreffend behandelt wurde, sondern nur, ob die Tat im verfahrensrechtlichen Sinn,81 also die Tat als soziales Geschehen Gegenstand der Entscheidung war. Die Rechtskraft wirkt sich für die weitere Verfolgung derselben Tat als Verfahrenshindernis aus, das von Amts wegen zu beachten ist.82 Bei Dauerordnungswidrigkeiten gilt das nur für die Tatabschnitte, die vor dem Erlass des Bußgeldbescheides bzw. der gerichtlichen Verurteilung wegen der Ordnungswidrigkeit liegen. Wird eine Dauerordnungswidrigkeit nach der Entscheidung fortgesetzt oder über den Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten, gilt das Verhalten nach der Entscheidung als neue Ordnungswidrigkeit.83 Auch bei einem Freispruch hat das Gericht i. S. d. § 84 Abs. 1 OWiG „über die Tat“ entschieden. Nach Rechtskraft der Entscheidung besteht für die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ein Verfahrenshindernis. §  21 Abs.  2 OWiG wird insoweit durch § 84 Abs. 1 OWiG verdrängt.

 Ob über die allgemeinen Grundsätze hinaus für Ordnungswidrigkeiten auch auf das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung aus Art. 103 Abs. 3 GG zurückgegriffen werden kann, ist umstritten. Das hängt von der Frage ab, ob man Bußgeldtatbestände als „allgemeine Strafgesetze“ i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG ansieht, siehe hierzu bspw. Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG Art. 103 Abs. 3 Rn. 55–58. Darauf kommt es hier aber nicht an, weil es nur um die Ausschlusswirkung der einen Ordnungswidrigkeit in Bezug auf eine andere geht, nicht um eine Ausschlusswirkung auch in Bezug auf Straftatbestände. 81  KK-OWiG/Lutz, § 84 Rn. 1. 82  Krenberger/Krumm, OWiG § 84 Rn. 5. 83  Krenberger/Krumm, OWiG § 84 Rn. 7; KK-OWiG/Lutz, § 84 Rn. 6. 80

302

12  Zuständigkeiten, Verfahren

12.3 Einleitung des Verfahrens Das Verfahren zur Verfolgung und ggf. Ahndung einer Ordnungswidrigkeit darf nur eingeleitet werden, wenn bereits ein Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit besteht.84 Ermittlungen zur Aufklärung der Frage, ob überhaupt ein Anfangsverdacht besteht, sind also unzulässig. Das ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem OWiG, sondern aus dem Umstand, dass § 46 Abs. 1 OWiG unter anderem auf die Strafprozessordnung verweist. Damit gelten die Grundsätze der §  152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO sinngemäß, wonach „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit vorliegen müssen (Aspekt des § 152 Abs. 2 StPO a. E.), damit die zuständige Behörde zu ihrer Entschließung darüber, ob ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist, den Sachverhalt erforschen kann (Aspekt des § 160 Abs. 1 StPO). Der Verweis auf § 152 Abs. 2 StPO darf allerdings nicht missverstanden werden, denn der erste Teil der Norm, der eine Verpflichtung zur Strafverfolgung enthält, sog. Legalitätsprinzip, gilt im Ordnungswidrigkeitenverfahren gerade nicht. Nach dem im Verhältnis zur StPO spezielleren § 47 Abs. 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nämlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, sog. Opportunitätsprinzip. Die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit werden sich typischerweise aus eigenen Wahrnehmungen der Verwaltungsbehörde ergeben oder aus einer Ordnungswidrigkeitenanzeige (§  46 Abs.  1 OWiG i. V. m. § 158 Abs. 1 StPO). Weitere Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens ist der Aspekt, dass kein Verfahrenshindernis vorliegen darf, siehe oben 12.2. In dem Bußgeldverfahren kann die Verwaltungsbehörde grundsätzlich alle Befugnisse in Form von Ermächtigungsgrundlagen beanspruchen, die die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten hat (§ 46 Abs. 2 OWiG). Ausgeschlossen sind allerdings freiheitsentziehende Maßnahmen und Maßnahmen zum Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis (§ 46 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Ausgeschlossen sind ferner alle Ermittlungsmaßnahmen der StPO, die eine Straftat von besonderer Bedeutung (bspw. längerfristige Observation, § 163f StPO), eine schwere Straftat (bspw. Telekommunikationsüberwachung, §  100a StPO) oder eine besonders schwere Straftat (bspw. Online-Durchsuchung, § 100b StPO) voraussetzen. Zudem werden die Ermittlungsmaßnahmen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt, der ein Element des Rechtsstaatsprinzips ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewirkt, dass jede einzelne Ermittlungsmaßnahme in Bezug auf den legitimen Zweck, also die Verfolgung und Ahndung einer Ordnungswidrigkeit, geeignet, erforderlich und angemessen sein muss.85 Dabei limitiert die Angemessenheit grundrechtsintensive Ermittlungsmaßnahmen noch stärker als im Strafrecht, da es lediglich um die Verfolgung und Ahndung einer Ordnungswidrigkeit geht. In Abhängigkeit von der Intensität des Tatverdachts und der Stärke des Verfolgungsinteresses, zu dessen Einschätzung die Bußgeldrahmen herangezogen werden sollten, 84 85

 Krenberger/Krumm, OWiG § 46 Rn. 27.  Hierzu etwa KK-OWiG/Lampe OWiG § 46 Rn. 12 f.

12.3  Einleitung des Verfahrens

303

kommen als typische Ermittlungsmaßnahmen vor allem die Anhörung des Betroffenen (§ 55 OWiG), Vernehmungen und gegebenenfalls die formlose Sicherstellung (§ 94 Abs. 1 StPO) sowie die förmliche Beschlagnahme (§§ 94 Abs. 2, 98 StPO) von potenziellen Beweisgegenständen in Betracht, sofern es sich dabei nicht um Postsendungen handelt, ggf. auch eine Durchsuchung etwa von Geschäftsräumen zum Auffinden potenzieller Beweisgegenstände. Durchsuchung und Beschlagnahme werden aber regelmäßig ausscheiden, wenn ein Bezug zu einem Beweisverwertungsverbot besteht, etwa weil es sich um Redaktionsräume handelt (§ 97 StPO). Die Einleitung eines Bußgeldverfahrens soll aktenkundig gemacht werden.86 Sie wird in der Regel durch die Anhörung des Betroffenen im Außenverhältnis deutlich. Die Einleitung eines Bußgeldverfahrens ist eine Maßnahme, die zur Vorbereitung der Entscheidung getroffen wird, ob ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, und gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 OWiG nicht angreifbar.87 Wenn die im Einzelfall zuständige Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit geprüft und festgestellt hat, dass die möglicherweise vorliegende Ordnungswidrigkeit nicht verjährt ist und auch sonst keine Verfolgungshindernisse bestehen, entscheidet sie gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen88 darüber, ob ein Bußgeldverfahren durchgeführt werden soll (sog. Opportunitätsgrundsatz). Im Rahmen dieser Entscheidung wird sie abzuwägen haben, ob eine nachdrückliche Pflichtenmahnung z. B. gegenüber dem leitenden vertretungsberechtigten Mitarbeiter eines Veranstalters die Festsetzung einer Geldbuße gegenüber dem Mitarbeiter selbst (vgl. § 9 OWiG) erforderlich erscheinen lässt, ob – z. B. weil der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat dem Veranstalter zugeflossen ist – daneben die Festsetzung einer Geldbuße gem. § 30 Abs. 1 OWiG gegenüber der juristischen Person des Veranstalters in Betracht kommt oder ob es ausreichend erscheint, die Geldbuße gegen die juristische Person im selbstständigen Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG festzusetzen und ein Verfahren gegen den Mitarbeiter nicht einzuleiten. Es kann auch bei geringer Schuld ausreichend sein, von der Einleitung eines Bußgeldverfahrens überhaupt abzusehen und lediglich die Einziehung des Wertes von Taterträgen im selbstständigen Verfahren nach § 29a OWiG anzuordnen. Das Bußgeldverfahren steht weder in einem nachrangigen noch in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zu verwaltungsrechtlichen Maßnahmen. Die Verwaltungsbehörde kann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob sie mit Beanstandungs- und Untersagungsverfügungen oder einem Bußgeldbescheid auf Verstöße reagieren will oder ob sie beide Maßnahmen nebeneinander für erforderlich hält.89

 Göhler/Seitz/Bauer, OWiG Vor § 59 Rn. 33; KK-OWiG/Lutz, OWiG Vor § 53 Rn. 38.  Göhler, OWiG § 62 Rn. 4; KK-OWiG/Kurz, § 62 Rn. 7; Lemke/Mosbacher, OWiG § 62 Rn. 7. 88  KK-OWiG/Mitsch, § 47 Rn. 2, 107 ff. 89  Vgl. auch Isensee/Axer, S. 22; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG Vor § 59 Rn. 1b. 86 87

304

12  Zuständigkeiten, Verfahren

12.4 Aufgaben der Polizei im Bußgeldverfahren § 53 OWiG, der den Behörden und Beamten des Polizeidienstes die Aufgabe zuweist, nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen und dabei alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhüten, gilt auch für Ordnungswidrigkeiten nach §  24 JMStV und §  115 MStV. Angesichts der Aufgabe der Landesmedienanstalten, die von ihnen genehmigten Programme zu überwachen und der in den Landesmediengesetzen geregelten Verpflichtungen der Rundfunkveranstalter, ihre Programme aufzuzeichnen, für eine gewisse Zeit aufzubewahren und der Zulassungsanstalt auf Verlangen vorzulegen, kann in § 53 Abs. 1 OWiG nicht die Aufgabe der Polizei hineingelesen werden, in Deutschland zugelassene Rundfunkprogramme systematisch oder regelmäßig zu beobachten. Programme außerhalb Deutschlands zugelassener Rundfunkveranstalter unterliegen keinen deutschen Ordnungswidrigkeitenbestimmungen. Insoweit erscheint allenfalls eine Beobachtung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten denkbar; dies insbesondere dann, wenn der Veranstalter einen firmenrechtlichen Anknüpfungspunkt im Inland hat oder die Programmproduktion in Deutschland erfolgt und gemeinschaftliche Tatbegehung zwischen dem Veranstalter und dem Produzenten in Betracht kommt. Im Hinblick auf Verstöße von Telemedienanbietern (Diensteanbietern)  gegen Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags werden die Landesmedienanstalten auf der Ermittlungsseite durch die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder „jugendschutz.net“ unterstützt (§ 18 Abs. 3 JMStV), die organisatorisch an die Kommission für Jugendmedienschutz (§§ 14 ff. JMStV) angebunden ist. Im Übrigen kann die Bußgeldbehörde, weil sie nach §  46 Abs.  2 OWiG die Rechte der Staatsanwaltschaft hat, zur Ausführung einzelner Ermittlungshandlungen an Polizeidienststellen Ermittlungsaufträge erteilen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. §  161 Abs.  1 StPO). Ermittlungsaufträge an die Polizei erfolgen „in einem Weisungsverhältnis eigener Art“ und stellen keine Amtshilfeersuchen dar.90 Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, diesem Ersuchen oder Auftrag zu genügen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO). In den Flächenstaaten bietet es sich z. B. an, vom Sitz der Landesmedienanstalt weit entfernt wohnende aussagewillige Zeugen durch Polizeikräfte vor Ort vernehmen zu lassen. Bei den rundfunkrechtlichen Ordnungswidrigkeiten i. w. S. bietet sich die Inanspruchnahme der Polizei vor allem für die Durchführung formloser Sicherstellungen von potenziellen Beweisgegenständen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 94 Abs. 1 StPO), gegebenenfalls auch in der Form der Beschlagnahme (§ 46 Abs. 1 OWiG i.  V.  m. §§  94 Abs.  2, 98 StPO), oder Durchsuchungsanordnungen (§  46 Abs.  1 OWiG i. V. m. §§ 102, 103 StPO) an, da insoweit die Landesmedienanstalten über kein geeignetes eigenes Personal und auch nicht über die zur Einhaltung der vielfältigen Form- und Verfahrensvorschriften idealerweise bereitzuhaltenden Dokumente verfügen. Dies dürfte im Großen und Ganzen auch für in einzelnen Ländern noch zuständige staatliche Aufsichtsbehörden über die Einhaltung der Bestimmungen 90

 Vgl. Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 501.

12.5  Untersuchungsgrundsatz, Unschuldsvermutung

305

des Telemediengesetzes (künftig: Digitale-Dienste-Gesetzes) durch Diensteanbieter gelten. Bei Gefahr im Verzug bedarf es für Durchsuchungen keiner richterlichen Anordnung, vielmehr darf die Anordnung in diesem Fall von der Verwaltungsbehörde getroffen werden (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 105 Abs. 1 StPO). Das Gleiche gilt für die Beschlagnahme von potenziellen Beweisgegenständen, sofern die Beschlagnahme nicht in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt erfolgt (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 98 Abs. 1 StPO). In beiden Fällen sollte sich die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung polizeilicher Unterstützung versichern.91 Die Annahme von Gefahr im Verzug ist allerdings eine hohe Hürde und der Begriff deshalb eng auszulegen.92 Denn in diesem Fall verschiebt sich nicht nur die Anordnungsbefugnis für diese Maßnahmen, sondern es entfällt der durch das Gesetz als Regelfall vorgesehene vorgeschaltete Rechtsschutz durch die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch einen nach Art. 97 Abs. 1 GG unabhängigen Richter. Gefahr im Verzug liegt daher nur vor, wenn die Anordnung der Maßnahme durch die originär befugte Stelle (hier: Gericht) in der konkreten Situation nicht abgewartet werden kann, ohne dass ein Beweismittel verloren ginge oder in seinem Beweiswert erheblich beeinträchtigt würde oder eine andere vergleichbare Situation einträte.93 Dies muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind, reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus.94

12.5 Untersuchungsgrundsatz, Unschuldsvermutung Bei der Aufklärung des Sachverhalts gilt der Untersuchungsgrundsatz, d.  h., die Verwaltungsbehörde hat von Amts wegen sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 160 Abs. 2 StPO). Eine besondere Bedeutung im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes kommt der Anhörung gem. § 55 OWiG zu. Die Anhörung ist nicht mit einer Vernehmung im Strafverfahren gem. § 163a StPO gleichzusetzen, weil es nach Maßgabe des insoweit spezielleren § 55 Abs. 1 OWiG in allen Bußgeldverfahren genügt, wenn dem Betroffenen vor Abschluss der Ermittlungen Gelegenheit gegeben wird, sich zu der Beschuldigung zu äußern. Dieser Ansatz soll zwar einerseits einer schleunigen Verfahrenserledigung dienen,95 andererseits aber dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs entsprechen,96 das aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt. Vor diesem Hintergrund mag es überraschen, dass der Verzicht auf eine Anhörung in Fällen, in denen das  Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 511.  BVerfG, Urt. v. 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 ff. = NJW 2001, 1121 ff. 93  Rittig/Hartmann-Wergen, Ermittlungsverfahren, Fall 21 m. w. N. 94  BVerfG, Urt. v. 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 ff. = NJW 2001, 1121 ff. 95  KK-OWiG/Lutz, § 55 Rn. 1. 96  BeckOK OWiG/Straßer, § 55 Rn. 1. 91 92

306

12  Zuständigkeiten, Verfahren

­ erfahren nicht eingestellt wird, den Bußgeldbescheid nicht nichtig macht.97 Damit V ist der Bußgeldbescheid zwar mit einem in Bezug auf das Ziel des Art. 103 Abs. 1 GG bedeutenden Verfahrensfehler belastet, der aber durch das Gehör im Einspruchsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren geheilt wird.98 Findet zur Untersuchung des Verdachts sogar eine Vernehmung des Betroffenen statt, so braucht in Abkehr von den Regelungen des Strafprozessrechts nicht darauf hingewiesen werden, dass schon zuvor ein Verteidiger konsultiert werden kann (§ 55 Abs. 2 Satz 1 OWiG). Der vom Bußgeldverfahren Betroffene ist nicht verpflichtet, bei seiner Anhörung oder Vernehmung oder im Rahmen anderer Ermittlungsmaßnahmen an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und darf sich vielmehr auch schlicht schweigend verteidigen, wobei er hierüber zu belehren ist (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch „aus der aktiven Verweigerung der Mitwirkung an der Sachaufklärung“ darf grundsätzlich kein für den Betroffenen nachteiliger Schluss gezogen werden.99 Bis zu seiner vollen Überführung gilt er als unschuldig.100 Dabei ist aber zu beachten, dass der Bußgeldbescheid auf einem vereinfachten Erkenntnisverfahren beruht.101 Der Bußgeldbescheid tritt dem Betroffenen wie ein Angebot gegenüber, die Ahndung hinzunehmen. Umfassende Ermittlung soll nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 69 Abs. 2 Satz 2 OWiG) erst im Zwischenverfahren und schließlich dem Tatrichter aufgegeben sein.102

12.5.1 Einstellung des Verfahrens 12.5.1.1 aus Zweckmäßigkeitserwägungen Die zuständigen Verwaltungsbehörden können eingeleitete Bußgeldverfahren, solange diese bei ihnen anhängig sind, in jeder Lage des Verfahrens unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten einstellen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG). „Auch die Opportunitätseinstellung bedarf des Einstellungsgrundes.“103 Die Kriterien der strafprozessualen „Opportunitätseinstellung“ in den §§  153  ff. StPO sind nicht anwendbar, weil diese Bestimmungen begrifflich „ein Vergehen“ und damit den Verdacht einer Straftat voraussetzen, können aber als Orientierungshilfe dienen. Die pflichtwidrige Einstellung eines Bußgeldverfahrens hat außerhalb der Dienstaufsicht keine Konsequenzen,104 insbesondere kann keine Strafvereitelung im Amt gem. §§ 258, 258a StGB vorliegen, weil dies ein „Strafgesetz“ voraussetzt und ein Bußgeldtatbestand nicht ausreicht. Anders verhält es sich, wenn die pflichtwidrige  BeckOK OWiG/Straßer, § 55 Rn. 13.  Krenberger/Krumm, OWiG § 55 Rn. 3. 99  Vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2000 – 3 StR 531/99, BGHSt 45, 367 ff. = NJW 2000, 1962 (1663). 100  Göhler, OWiG § 46 Rn. 10b; KK-OWiG/Lampe, § 46 Rn. 11. 101  Vgl. auch § 69 Abs. 2 Satz 2 OWiG. 102  Göhler/Seitz/Bauer, OWiG Vor § 65 Rn. 6; zweifelnd Bülte, Grundriss,§ 3 Rn. 63 ff.; vgl. auch Lemke/Mosbacher, OWiG § 46 Rn. 18. 103  KK-OWiG/Mitsch, § 47 Rn. 106. 104  Bülte, Grundriss, § 1 Rn. 52. 97 98

12.5  Untersuchungsgrundsatz, Unschuldsvermutung

307

Einstellung des Bußgeldverfahrens die Qualität der vorsätzlichen Rechtsbeugung i. S. d. § 339 StGB erreicht. Die Verfahrenseinstellung ist auch dann wirksam, wenn sie lediglich aktenkundig gemacht, aber dem Betroffenen nicht mitgeteilt wurde.105 War der Betroffene förmlich im Bußgeldverfahren angehört worden, so ist er über die Einstellung des Verfahrens zu unterrichten.106

12.5.1.2 aus Rechtsgründen Haben die Ermittlungen keinen genügenden Anlass für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit ergeben, so ist das Verfahren zwingend einzustellen gem. §  46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO.107 Das Verfahren ist auch zwingend einzustellen, wenn Verfahrenshindernisse (siehe oben 12.2) vorliegen. Hatte beispielsweise eine Landesmedienanstalt zur Unterbrechung der Verjährung einer Entwicklungsbeeinträchtigung durch eine Live-Sendung im Rundfunk ein Bußgeldverfahren eingeleitet, bevor das Ergebnis der Befassung einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (s. §  20 Abs.  3 Satz 2 JMStV) vorlag, und ergibt sich aus der Befassung der FSF ein Verfahrenshindernis, so ist die Einstellung des bereits eingeleiteten Verfahrens zwingend. Ferner führt der Eintritt der Verjährung (siehe oben 12.2.1) zu einem Verfahrenshindernis, das in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu beachten ist und zwingend zur Verfahrenseinstellung führt. Wird das Bußgeldverfahren ohne Rücksicht auf das erkannte Vorliegen zwingender Einstellungsgründe fortgeführt, droht dem zuständigen Amtsträger ggf. eine Bestrafung wegen Verfolgung Unschuldiger nach § 344 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB. Der Versuch ist strafbar (§ 344 Abs. 2 Satz 3 StGB).

12.5.2 Erlass eines Bußgeldbescheides Haben die Ermittlungen das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit ergeben und hält die Bußgeldbehörde eine Ahndung für erforderlich, so erlässt sie einen Bußgeldbescheid (vgl. § 65 OWiG). § 66 OWiG gibt den notwendigen Inhalt eines Bußgeldbescheides detailliert vor. Ein Bußgeldbescheid kann nachträglich nur bezüglich offensichtlicher (Schreib-) Fehler berichtigt, aber nicht geändert und nicht ergänzt werden.108 Ist der Bußgeldbescheid inhaltlich unrichtig oder hat die Behörde z. B. vergessen, über eine Nebenfolge, auch über die gleichzeitige Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person gem. § 30 Abs. 1 OWiG, zu entscheiden, so bleibt ihr nur die Möglichkeit, den Bußgeldbescheid aufzuheben und einen neuen Bußgeldbescheid zu erlassen,  KK-OWiG/Mitsch, § 47 Rn. 82.  Göhler, OWiG Rn.  158 vor §  59; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn.  628; nach Ansicht von KK-OWiG/Mitsch, § 47 Rn. 85, „soll“ die Mitteilung lediglich erfolgen. 107  Göhler, OWiG §  47 Rn.  22a; KK-OWiG/Mitsch, §  47 Rn.  101; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 625. 108  Göhler, OWiG § 66 Rn. 37; KK-OWiG/Kurz, § 65 Rn. 29. 105 106

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

wenn nicht inzwischen z. B. die Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Dies wird nur dann der Fall sein, wenn die absolute Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG eingetreten ist, da die Rücknahme des Bußgeldbescheids seine die Verjährung unterbrechende Wirkung nicht beseitigt.109 Für den erneuten Erlass eines Bußgeldbescheides gilt das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht.110 Sofern die Bußgeldbehörde im Einzelfall Anhaltspunkte dafür erkennt, dass es dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldbuße sofort zu zahlen, so kann sie bereits im Bußgeldbescheid über Zahlungserleichterungen gem. § 18 OWiG entscheiden. Dabei kann auch angeordnet werden, dass die Zahlungserleichterung entfällt, wenn der Betroffene einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt (§ 18 Satz 2 OWiG). Die Bewilligung von Ratenzahlung oder einer Zahlungsfrist ist aber auch im Nachhinein möglich. Nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung entscheidet darüber die Vollstreckungsbehörde (§ 93 Abs. 1 OWiG). Wurde der Bußgeldbescheid rechtskräftig, ist dies die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat (§ 92 OWiG).

12.6 Bedeutung des Bußgeldbescheides 12.6.1 Der Bußgeldbescheid als Vollstreckungstitel Der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig, wenn der Betroffene keinen Rechtsbehelf (Einspruch gem. § 67 OWiG) einlegt, wenn er einen eingelegten Einspruch zurücknimmt oder wenn der Einspruch endgültig „als unzulässig verworfen“ (Entscheidungsformel des § 70 Abs. 1 OWiG) wird. In diesem Fall bestimmen einige Landesgesetze zur Ausführung des Ordnungswidrigkeitengesetzes111 und eine Reihe von Landesmediengesetzen, dass die festgesetzten Geldbußen der jeweiligen Landesmedienanstalt zufließen. Mit wenigen Ausnahmen sehen die Landesmediengesetze Zweckbestimmungen für die vereinnahmten Bußgelder vor. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) muss vereinnahmte Bußgelder gem. Art.  36 Abs. 3 BayMG für die Programm- und Technikförderung der von ihr zugelassenen Anbieter (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 4 und 5 BayMG), für die Förderung freier mittelständischer Fernseh- und Hörfunkproduktionen, für die Aus- und Fortbildung von Fachkräften für den Medienbereich sowie für die Medienpädagogik (Art. 11 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 BayMG) verwenden. Der Medienanstalt Rheinland-Pfalz (bis 2020: Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK)) stehen gem.§  36 Abs. 6 Satz 2 rh.-pf. LMG verhängte Bußgelder zur Förderung der privaten Medien und für Projekte zur Förderung der Medienkompetenz in Rheinland-Pfalz zu. Ähn Vgl. KK-OWiG/Graf, § 33 Rn. 78; Lemke/Mosbacher, OWiG § 33 Rn. 53; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 618. 110  KK-OWiG/Kurz, § 65 Rn. 26; Lemke/Mosbacher, OWiG § 65 Rn. 11. 111  Z. B. § 2 Abs. 1 LOWiG; § 1 Abs. 1 nds. AG OWiG; § 2 SächsOWiG. 109

12.6  Bedeutung des Bußgeldbescheides

309

lich ist es bei der Landesmedienanstalt Saarland (LMS), ihr stehen die von ihr für Ordnungswidrigkeiten verhängten Bußgelder zur Förderung des privaten Rundfunks im Saarland zu (§ 65 Abs. 3 SMG). Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-­ Holstein (MA HSH) verwendet die Einnahmen aus Geldbußen zur allgemeinen Aufgabenfinanzierung (§ 52 Abs. 3 Satz 2 Medienstaatsvertrag HSH), das Gleiche gilt für die Medienanstalt Hessen gem. § 48 Abs. 4 Satz 2 HPMG. Entsprechend ist die Situation in Berlin und Brandenburg (§ 60 Abs. 3 MStVBB). Soweit Vorschriften in Landesgesetzen fehlen, die speziell den Landesmedienanstalten oder allgemein den Bußgeldbehörden die festgesetzten Geldbußen zuweisen, fließen diese gem. § 90 Abs. 2 OWiG in die Staatskasse des jeweiligen Landes. Im Fall von Werbeverstößen nationaler Fernsehveranstalter kann es sich um erhebliche Summen handeln. Die frühere rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt hatte im so genannten Brutto-Netto-Streit bereits eine Geldbuße in Höhe von ca. 15 Mio. DM gegen Sat. 1 beschlossen, die nach der Vorlage des OVG Rheinland-Pfalz112 an den EuGH im Verwaltungsrechtsstreit nicht mehr festgesetzt wurde. Der Betrag wäre dem privaten Rundfunk wieder zugutegekommen, wenn der Bußgeldbescheid erlassen und rechtskräftig geworden wäre. Gegenüber dem Veranstalter des Programms RTL-­ Television wurde im gerichtlichen Verfahren wegen unzulässiger Werbeunterbrechungen nach § 29a OWiG a. F. der Verfall von DM 20.127.751,- rechtskräftig festgesetzt.113 Erfolgt die Bußgeldfestsetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung nach einem zulässigen Einspruch, so fließen die im Gerichtsverfahren festgesetzten Geldbußen auf jeden Fall in die Justizkasse des Landes.114 Um keine gerichtliche Bußgeldfestsetzung handelt es sich, wenn das Gericht einen Einspruch als unzulässig verwirft.115 In diesem Fall wird der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde rechtskräftig und ist Grundlage für die Vollstreckung der festgesetzten Geldbuße.

12.6.2 Der fehlerhafte Bußgeldbescheid Ein Bußgeldbescheid, der nicht an so schweren Fehlern leidet, dass er nichtig ist, mag rechtswidrig sein, ist aber wirksam und erwächst in Rechtskraft, wenn der Betroffene keinen Einspruch einlegt. Als Mindestvoraussetzungen für die Wirksamkeit sind Schriftform116 und die unverwechselbare Bezeichnung

 Beschl. v. 18.02.1994 – 2 B 10185/94, ZUM 1994, 310.  OLG Celle, Beschl. v. 16.05.1997 – 2 Ss (OWi) 358/96, AfP 1998, 226 (227) = ZUM 1997, 834 (836); RTL hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde 2004 zurückgenommen und insgesamt über 12 Mio. € (9,9 Mio. € zuzügl. Zinsen) an das Land Niedersachsen bezahlt, http://www. handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/geldbusse-an-niedersachsen-rtl-muss-fuer-zu-viel-werbung-zahlen/2375398.html (zuletzt abgerufen am 7.3.2023). 114  Vgl. Göhler, OWiG § 90 Rn. 37; KK-OWiG/Mitsch, § 90 Rn. 32. 115  Göhler, OWiG, Rn. 4 vor § 89; KK-OWiG/Mitsch, § 89 Rn. 9. 116  Mitsch, OWiR, S. 267 (Rn. 5). 112 113

310

12  Zuständigkeiten, Verfahren

• der Person des Betroffenen, • der vorgeworfenen Tat und • der Rechtsfolgen erforderlich.117 Dabei sind fehlerhafte Personenangaben unschädlich, wenn die gemeinte Person identifizierbar ist.118

12.6.3 Der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren Anders als im Verwaltungsstreitverfahren urteilt das Gericht nicht über den Bescheid, sondern über die Tat. M.a.W.: Das Gericht überprüft nicht die Verwaltungsentscheidung, sondern trifft eine eigene Sachentscheidung. Deshalb wird der Bußgeldbescheid weder ganz oder teilweise aufgehoben noch bestätigt. „Der Bußgeldbescheid ist im gerichtlichen Verfahren nicht Untersuchungsgegenstand, sondern er hat die Funktion einer anklageähnlichen Verfahrensvoraussetzung.“119 Das Gericht prüft deshalb nicht, ob der Bußgeldbescheid formell und materiell rechtmäßig ist, sondern lediglich, „ob er formell und inhaltlich eine ausreichende Verfahrensgrundlage darstellt.“120 Für das gerichtliche Verfahren ist deshalb lediglich die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides erforderlich. Beispielsweise können gegen die Zulässigkeit des gerichtlichen Verfahrens Verfahrensfehler beim Zustandekommen der Behördenentscheidung grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. So kommt es von vornherein auf die unter den Verwaltungsgerichten umstrittene Frage des Verhältnisses der Begründungspflicht der internen Beschlussorgane nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 JMStV, § 104 Abs. 9 Satz 3 und 4 MStV zur „externen“ Begründungspflicht der einen Bescheid erlassenden Behörde (vgl. § 39 VwVfG)121 nicht an. Das bedeutet konkret, dass ein fehlerhafter, aber nicht unwirksamer Bußgeldbescheid der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens – mit der Möglichkeit der Verurteilung oder des Freispruchs – nicht entgegensteht.

 Krenberger/Krumm, OWiG § 66 Rn. 33.  Krenberger/Krumm, OWiG § 66 Rn. 34; Lemke/Mosbacher, OWiG § 66 Rn. 33; Mitsch, OWiR, S. 268 (Rn. 7). 119  Mitsch, OWiR, S. 266 (Rn. 4). 120  Lemke/Mosbacher, OWiG § 66 Rn. 30. 121  VG Hannover, Urt. v. 27.1.2011 – 7 A 5630/08, ZUM 2011, 517 m. abl. Anm. Bornemann; VG Berlin, Urt. v. 19.6.2012 – VG 27 A 71.08, ZUM 2013, 236; a. A. VG München, Urt. v. 11.10.2012 – M 17  K 10.6273, BeckRS 2013, 46383; VG München, Urt. v. 16.4.2015  – M 17  K 13.1601, ZUM-RD 2015, 681 (689 f.); OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29.4.2014 – 2 A 10894/13.OVG, ZUM 2014, 739 (742). 117 118

12.8 Vollstreckung

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12.7 Zwischenverfahren nach Einspruch Hat der Adressat des Bußgeldbescheides Einspruch gegen den Bescheid eingelegt, findet gem. § 69 OWiG ein Zwischenverfahren bei der Verwaltungsbehörde statt. Die Verwaltungsbehörde prüft zunächst, ob der Einspruch in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt wurde. Ist dies nicht der Fall, verwirft sie den Einspruch gem. § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG „als unzulässig“, soweit sie im Fall der Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 OWiG). Gegen diese Entscheidung, die in Bescheidsform ergeht, ist innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Zustellung Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum Amtsgericht möglich (§ 69 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 1 OWiG). Ist der Einspruch zulässig, prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält oder zurücknimmt (§ 69 Abs. 2 Satz 1 OWiG). Anders als eine Widerspruchsbehörde im Verwaltungsverfahren hat sie nicht die Möglichkeit, einen fehlerhaften Bußgeldbescheid nachzubessern. Eine „Heilung“ ist ihr allenfalls in der Form möglich, dass sie einen fehlerhaften Bußgeldbescheid aufhebt und einen fehlerfreien neu erlässt. Auch im Zwischenverfahren kann die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid aufheben und das Verfahren aus Opportunitätsgründen einstellen oder, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, ggf. auf der Grundlage von Nachermittlungen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 OWiG), einen fehlerfreien neuen Bußgeldbescheid erlassen. Die Befugnis zum Erlass oder der Aufhebung des Bußgeldbescheides bleibt der Verwaltungsbehörde auch nach Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft erhalten, während die Verfahrensbefugnisse im Übrigen nach Akteneingang auf die Staatsanwaltschaft übergehen.122 Allerdings kann die Staatsanwaltschaft einen Einspruch nicht als unzulässig verwerfen, wie der Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG belegt. Wenn sie den Einspruch für unzulässig hält, kann sie die Sache zur Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückgeben oder die Akten nach § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG zur Entscheidung nach § 70 Abs. 1 OWiG an das Amtsgericht weiterleiten.123 Die Aufhebung eines Bußgeldbescheides beseitigt seine verjährungsunterbrechende Wirkung nicht.124

12.8 Vollstreckung 12.8.1 Grundsätze der Vollstreckung Die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen richtet sich sinngemäß nach der StPO (§ 91 OWiG). Die Vollstreckung von Geldbußen aus rechtskräftigen  Krenberger/Krumm, OWiG § 69 Rn. 35.  Bülte, Grundriss, § 3 Rn. 248. 124  Krenberger/Krumm, OWiG § 33 Rn. 63; Lemke/Mosbacher, OWiG § 33 Rn. 53; Rosenkötter/ Louis, OWiR, Rn. 618. 122 123

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12  Zuständigkeiten, Verfahren

Bußgeldbescheiden der Verwaltungsbehörde richtet sich nach dem jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes (§  90 Abs.  1 letzter Halbsatz OWiG). Vollstreckungsbehörde ist in diesen Fällen aber nicht die Staatsanwaltschaft gem. § 451 Abs. 1 StPO, sondern aufgrund § 92 OWiG als Lex specialis die Behörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Grundsätzlich können Geldbußen – oder im Fall der Zahlungserleichterung nach § 18 bzw. § 93 OWiG – Teilbeträge einer Geldbuße zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit, d.  h. nach Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheides beigetrieben werden. Ausnahmsweise können Geldbußen bereits vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit beigetrieben werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Betroffene der Zahlung entziehen will (§ 95 Abs. 1 OWiG). Anders als sonst im Verwaltungsvollstreckungsrecht bedarf es keiner vorherigen Mahnung des Betroffenen.125 Der rechtskräftige Bußgeldbescheid stellt einen Vollstreckungstitel dar. Ob Landesmedienanstalten als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die (lediglich) einer eingeschränkten Rechtsaufsicht unterstehen, befugt sind, Vollstreckungshandlungen durch eigene Bedienstete vorzunehmen, richtet sich nach dem jeweiligen Landesvollstreckungsrecht. In Bayern etwa schließt Art.  27 Abs.  1 Satz 2 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) die Pfändung und Einziehung von Geldforderungen durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) aus, was bedeutet, dass sie sich mit einem Amtshilfeersuchen an die Justizverwaltung wenden und die Hilfe von Gerichtsvollziehern in Anspruch nehmen oder einen Antrag bei Gericht auf Pfändung und Überweisung von Kontoguthaben stellen muss. Dazu übersendet sie den mit der Vollstreckungsklausel versehenen Bußgeldbescheid (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) mit einem entsprechenden Ersuchen oder Antrag an die jeweilige Stelle. Auch in unbewegliches Vermögen kann vollstreckt werden, wenn das bewegliche Vermögen zur Befriedigung der Forderung (Geldbuße zuzüglich Kosten und ggf. Nebenfolgen) nicht ausreicht.126 Eine Vollstreckung in den Nachlass ist dagegen ausdrücklich ausgeschlossen (§ 101 OWiG). Ist der Betroffene zahlungsunfähig, so kann die Vollstreckungsbehörde anordnen, dass die Vollstreckung unterbleibt (§ 95 Abs. 2 OWiG). Sofern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vor Ablauf der Vollstreckungsverjährung bessern, kann die Vollstreckung wieder aufgenommen werden.127 Solange ein Betroffener noch kreditwürdig ist, ist er nicht zahlungsunfähig im Sinne dieser Bestimmung.128 Zahlt der Betroffene die Geldbuße nicht freiwillig und ist er nach den vorstehenden Grundsätzen nicht zahlungsunfähig, so kann – unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen nach § 96 OWiG Erzwingungshaft bis zu sechs Wochen für eine Geldbuße und bis zu drei Monaten wegen mehrerer in einem Bescheid zusammengefasster Geldbußen angeordnet werden; Voraussetzung ist, dass er im Bußgeldbescheid auf die Möglichkeit  Vgl. Göhler, OWiG § 90 Rn. 11; KK-OWiG/Mitsch, § 90 Rn. 18.  Krenberger/Krumm, OWiG § 90 Rn. 14; Lemke/Mosbacher, OWiG § 90 Rn. 13. 127  Göhler, OWiG § 95 Rn. 7; KK-OWiG/Mitsch, § 95 Rn. 17. 128  Göhler, OWiG § 95 Rn. 5; KK-OWiG/Mitsch, § 95 Rn. 14. 125 126

12.8 Vollstreckung

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der Erzwingungshaft hingewiesen wurde (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 OWiG). Ist im verbundenen Verfahren (§ 30 Abs. 1 OWiG) oder im selbstständigen Verfahren (§ 30 Abs. 4 OWiG) eine Geldbuße gegen eine juristische Person festgesetzt worden, so kann die Vollstreckungsbehörde beim zuständigen Amtsgericht (§ 104 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) die Erzwingungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter der juristischen Person beantragen.129 Die Erzwingungshaft ist Beugemittel wie die Ersatzzwangshaft im Verwaltungsvollstreckungsrecht und unterscheidet sich damit grundlegend von der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB). Zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten kann Freiheitsstrafe nicht verhängt werden. Auch darin manifestiert sich die geringere Wertigkeit der Geldbuße gegenüber der Geldstrafe (s. o. 1.1), die bei Uneinbringlichkeit durch Freiheitsstrafe ersetzt werden kann. Daraus ergibt sich als logische Folge andererseits, dass die Erzwingungshaft die Höhe der zu zahlenden Geldbuße nicht mindert. Vielmehr dient sie nur dazu, den Zahlungsunwillen zu beugen. Auch nach abgesessener Erzwingungshaft kann die Vollstreckungsbehörde bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen wegen der vollen Höhe der Geldbuße, Kosten, Ordnungsgelder usw. vollstrecken.

12.8.2 Vollstreckungsverjährung Die Vollstreckung einer rechtskräftig festgesetzten Geldbuße von bis zu 1000,00 € darf lediglich drei Jahre nach Eintritt der Rechtskraft, die einer Geldbuße von mehr als 1000  € bis zu fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden (§ 34 OWiG).

 Vgl. Göhler, OWiG §  96 Rn.  34; KK-OWiG/Mitsch, §  99 Rn.  5; Rosenkötter/Louis, OWiR, Rn. 780. 129

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Stichwortverzeichnis

A Abhilfeverfahen bei Nutzerbeschwerden 273 Abruf durch Aufsichtsbehörde 272 unentgeltlicher 271 Absatzförderung 131 Absicht als subjektives Tatbestandselement 150 als Vorsatzform 265 Access-Provider 257 Sperrungsverfügung 271 Adresse zustellfähige 243 Ahndbarkeit Bedingung, objektive 37 Voraussetzungen 17 Ahndbarkeitsbedingung, objektive 39 Ahndbarkeitslücke 134 Allgemeindelikt 270 Alternativverhalten, rechtmäßiges 45 Altersfreigabe 86, 104 der FSK 104 Hinweis in Telemedien 105 Alterskennzeichnung 89 durch Anbieter 85 Analogie 68 ahndungsbefreiende 267 Analogieverbot 18 Anbieter geschäftsmäßiger 100, 258 im JMStV 54 privater 100 von Telemedien 257 Anfangsverdacht 17, 302 Angebot barrierefreies 252 inhaltsgleiches 77

i. S. d. § 5 Abs. 2 JMStV 86 i. S. d. § 6 Abs. 1 JMStV 98 Legaldefinition 81, 86 Anhörung 305 Anleitung zur Straftat 66 Anmeldepflicht Beteiligungsänderung 204 Anschrift 195, 260 Anstiftung 34 Antragsdelikt 248 Anzeige, unverzügliche 230 Anzeigepflicht API 231 Conditional Access 231 für Benutzeroberflächen 220 für Medienplattform 220 Plattformbelegung 229 Weiterverbreitung 206 API (Application Programming Interface) 230 Anzeigepflicht 231 Arzneimittel verschreibungspflichtige 165 zulassungspflichtige 165 Aufbewahrungsfrist 126 Auffangtatbestand 37, 48, 84, 87 Aufsichtspflicht 42 Aufsichtspflichtverletzung 37 Auftragsproduktion 147 Ausfüllungsnorm für Sanktionsnorm 270 Auskunftsanspruch der KJM 107 Auskunftspflicht nach § 2c TMG 262 Ausnahmevorschrift Privilegierung 91 AVMD-Richtlinie 33

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bornemann, S. Rittig, Ordnungswidrigkeiten in Rundfunk und Telemedien, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66499-5

321

322 B Barrierefreiheit 253 Barrierefreiheitsanforderung 253 für Telemedien 261 Information über 255 Basisnavigator 234 Beanstandung 105 Behinderung unbillige 234 Behörde, zuständige i. S. d. § 111 OWiG 264 nach § 2c TMG 263 Beihilfe 34 Belastung unverhältnismäßige 253 Benutzergruppe geschlossene 88 Benutzeroberfläche 233 Anbieter 234 Auswahlebene 236 Regulierung von 219 Steuerungsebene 236 Suchfunktion 235 Berichterstattung als Vorwand 60 Berichterstattungsinteresse Beweislast 91 Berichterstattungsprivileg 62, 91 Beschlagnahme 304 Betroffener 17, 306, 312 ausländischer 278 Beugemittel 313 Beurteilungsspielraum 300 Beweislast für Berichterstattungsinteresse 91 Beweiswürdigung 26 Bezahlfernsehen 207, 208 Bildschirmformat 122 Bildschirmteilung 139 Billigen der NS-Herrschaft 63 Blanketttatbestand 18, 115 Bundesgebiet 11 Bußgeld 309 Bußgeldbemessung 97 Bußgeldbescheid 307–309 als Sachurteilsvoraussetzung 310 Rechtskraft 309 Bußgeldrahmen 42 für Aufsichtspflichtverletzung 42 für Verbandsgeldbuße 42 Obergrenze 41 Untergrenze 40 Bußgeldzumessung 23, 43, 44, 47

Stichwortverzeichnis C Conditional Access 230 Anzeigepflicht 231 Content-Provider 257 Coregulierung 299 count down 121

D Darstellung fiktive 65 virtuelle 65, 72, 77 Datengeheimnis 187 Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken 187 Dauerordnungswidrigkeit 301 Dauerwerbesendung 139, 141 mit Rundfunkwerbung 140 und Schleichwerbung 140 Delegationsverordnung sachliche Zuständigkeit 280 Diskriminierungshandlung systematische 248 Diskriminierungsverbot Benutzeroberfläche 235 Display 96, 141, 161 Distanzdelikt 32 Dokumentation fehlende 254 Dokumentationspflicht 255

E EG-Fernsehrichtlinie 31 Eigenwerbekanal 131 Einheitstäter 34 Einnahmen, hypothetische 45 Einspruch 308, 309, 311 Einwilligung, 72, 222 Erziehungsberechtigter 116 in Verletzung der Menschenwürde 71 Einziehung von Gegenständen 48 von Taterträgen 49, 50 Entgelt anzeigepflichtiges 231 Entwicklungsbeeinträchtigung 85, 87 Prüfungsmaßstab 85 Erkennbarkeitsgebot für Produktplatzierung 136 für Sponsoring 136 für Werbung 265 Erlaubnisirrtum 27

Stichwortverzeichnis Erlaubnispflicht 29 Erlaubnistatbestandsirrtum 27 Erlaubnisvorbehalt präventives Verbot 210 Ermessen 44, 200, 303, 304 Erzwingungshaft 312 Europaratskonvention 162, 193, 197, 198 F Fahrlässigkeit 23, 24 Fälligkeitsdelikt Verjährungsbeginn 288 Favoritenliste 239 Fernabsatz 131 Fernsehen digitales 90 länderübergreifendes 101 Freispruch 301 Freiwillige Selbstkontrolle 87, 111, 297 Freiwillige Selbstkontrolleinrichtung als Jugendschutzbeauftragter 101 Fremdproduktion 147 Friede, öffentlicher 63 G Garant 34, 36 Garantenstellung 120 Gatekeeper 241 Gefahr im Verzug 305 Gefährdung 88 Geldbuße 40, 308 Geltungsbereich persönlicher 12 räumlicher 11 sachlicher 10 zeitlicher 10 Gerichtsvollzieher 312 Geschäftsführer 36 Geschäftsgeheimnis 250 Geschicklichkeitsspiel 114, 168 Gesetz formelles 18 materielles 18 Gesetzeslücke 83 Gesetzgebungskompetenz der Länder 56 des Bundes 2 konkurrierende 55 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 91 Gewaltdarstellung 64

323 Gewaltpornografie 75 Gewinn Schätzung 45 Gewinnabschöpfung 42, 44 Gewinnspiel 113, 117 Heilmittelwerbeverbot 128 Gewinnsumme 122 Gleichbehandlungsgebot 234 Glücksspiel 57 Begriff 168 Gottesdienstübertragung 156 Großereignis 207, 208 H Hakenkreuzfahne 60 Handlung 20 fortgesetzte 46 Handlungseinheit natürliche 46 rechtliche 46 Handlungsort 32, 33 Handlungsstörer 258 Haupttat 34 Hinweis auf Indizierungsverfahren 100 Host-Provider 257 Hot Button 120 I Ideenwerbung 153 in Telemedien 268 Identitätsfeststellung im Bußgeldverfahren 263 Impressumspflicht Mindestangaben 258 nach MStV 259 nach TMG 258 qualifizierte 260 Rundfunk 194 Telemedien 26 Indizienbeweis 150 Indizierung 76, 84 Informationsinteresse 91 Informationspflicht 193, 197, 198 bei Gewinnspiel 124 Ingerenz 120 Intermediärsregulierung 220 Irreführung bei Gewinnspielen 120 über Werbeabsicht 151 Werbung für Heilmittel 166

324 J Jahresabschluss 203 Jugendbeeinträchtigung siehe Entwicklungsbeeinträchtigung Jugendgefährdung 82, 84 schwere 86 Jugendschutz 81 Jugendschutzbeauftragter 100, 101 Bestellung 100 ohne Sachkunde 102 Jugendschutzgesetz 56 Jugendschutzkennzeichnung 95 jugendschutz.net 304 Jugendschutzprogramm 85 Jugendschutzrichtlinie 89 K Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 58, 59 verfremdete 59 Kennzeichnungsgebot für Rundfunkwerbung 135 Kennzeichnungspflicht 136, 139, 141, 161 Kinderpornografie 75 virtuelle 76 Kindersendung 184 Definition 156 KJM (Kommission für Jugendmedienschutz) 103 Auskunftsanspruch 107 Kleinstunternehmen Definition 254 Kollisionsregel örtliche Zuständigkeit 278 Kommerzialisierung 71 Kommunikation unmittelbare 259 Kommunikation, kommerzielle 163 in Telemedien 265 Kommunikationsfreiheit 4 Konkurrenz 47 Konsumtion 48, 103 Körperhaltung, geschlechtsbetonte 72 Kreisverwaltungsbehörde 281 Kriegsverherrlichung 67 L Landesgesetzgeber 10 Landesmedienanstalt Sitzlandanstalt 277 Zulassungsanstalt 278 Liste jugendgefährdender Medien 99

Stichwortverzeichnis M Medien jugendgefährdende, Liste 99 Mediendienst 6 Mediendienste-Staatsvertrag 6 Medienintermediär ausländischer 283 Definition 241 Medienstaatsvertrag 5, 7 Mehrwertdienstenummer 259 Meinungsfreiheit 3 Meinungsroboter siehe Social Bots Meldeverfahren Videosharingplattform 273 Menschenwürde 53, 69–71 Menschenwürdeverletzung 70, 71 Minderjährige 115, 124 gefährdungsgeneigte 85 Mindeststandards rechtsstaatliche 189 Missachtung von Sendezeitgrenzen 88, 94 N Nachermittlung durch Bußgeldbehörde 249 im Zwischenverfahren 311 Nachrichtensendung 91, 158, 184 Namensangabe 260 Nebenfolge 48, 284 Nebenfolgen 44, 48 Notstand 28 entschuldigender 29 Notwehr 28 Nutzerbeschwerde siehe Meldeverfahren O Opportunitätsprinzip 303 Ordnungswidrigkeit 3, 18 Ordnungswidrigkeitenrecht 2 Organisationsverschulden 276 siehe auch Aufsichtspflichtverletzung Organzuständigkeit der KJM 277 P Pädophile 73 Partnerschaftsgesetz 243 Pay-per-view-Angebote Telemedium 130 Person juristische 36

Stichwortverzeichnis Personenhandelsgesellschaften 35 Pflichtenkollision, rechtfertigende 28 Pflichtenmahnung 2, 44, 45 Pflichtverletzung 30 Plattformbelegung Anzeigepflicht 229 Bedingungen 227 Plattformbetreiber 205, 206 Plattformregulierung 219 Polizei 304 Pornografie, 27 Begriff 78 einfache 77 harte 75 Posendarstellung 72 Positiv-Rating 110 Post, elektronische 259 Preisvergleichsportal 242 Pre-Roll-Werbung 224 Pressefreiheit 4 Prioritätsprinzip 194 sachliche Zuständigkeit 278 Produktbeistellung 146 Produktplatzierung Definition 133, 145 in Telemedien 267 unzulässige 145, 146 Programmankündigung 94 Programmbezugsquelle 198 Programmführer elektronischer 251 Programmgrundsatz 154 Promotion 141 Propagandamittel 57 Prostituiertenschutzgesetz 175 Prostitution 78 Prostitutionswerbung mit Schwangeren 176 ohne Kondom 176 Prozesshindernis 284 Psychopharmaka Werbung für 165 Public-value Angebote 237 Public-Value-Programm Auffindbarkeit 238 Public-Value-Status für Rundfunkprogramme 238 für Telemedien 238 Publizitätspflicht 193, 203 Q Qualitätsstandard bei Medienplattformen 223

325 R Ratenzahlung 308 Rechtfertigungsgründe 27, 28, 49 Rechtsanwalt als Jugendschutzbeauftragter 102 Rechtshoheit 31 Rechtswidrigkeit 28 Registereintragung 259 Richterrecht 11 Rundfunk 8 Rundfunkfreiheit 4 Rundfunkinhaltsdelikt 31 Verjährung 293 Rundfunkveranstalter 4 privater 12, 35 Rundfunkveranstaltung nicht zulassungsfähige 213 ohne Zulassung 210 ungenehmigte 301 zulassungsfreie 209 Zulassungspflicht 210 Rundfunkwerbung 131 als Drittsendung 153 Definition 132 Rundfunkzulassung erschlichene 213 S Sanktionsnorm 19, 36 Satellitenbetreiber 211 Satellitenrundfunk 31, 33 Satzung 89 Schätzung des Gewinns 45 Scheinjugendliche 73, 75 Schleichwerbeverbot 148 Schleichwerbung 48, 130, 136, 139, 143 für Tabakerzeugnisse 163 in Telemedien 266 Schrankengesetz 148 Schrankenvorbehalt 3, 4 Schuld 29 Schutzbehauptung 26 Selbstbestimmung, informationelle 186 Sendestaatsprinzip 194 Sendeverbot 105 Sendezeitbeschränkung für Sendeformate 103 Sendezeitgrenze 89 Sexualität 78 Sexualobjekt 73 Signalintegrität 223 social advertising 153

326 Social Bots 247 Kennzeichnungspflicht 262 Sodomie 75 Sorgfaltsmaßstab 61 Sozialadäquanz 58, 67 Sperrungsverfügung 271 Spezialität 47, 138, 139 Spielshow 140 Splitscreen-Werbung 139 Sponsorhinweis 181 Sponsoring 179, 183 politischer Parteien 183 von Kindersendung 184 von Nachrichten 184 Staatsferne 4 Staatsfernegebot Zulassungsvoraussetzung 216 Störung des öffentlichen Friedens 61–63 Strafbarkeitsbedingung, objektive 48, 88 Strafrecht 1, 2 Straftat als Zuwiderhandlung 276 Subsidiarität 47 Subsumtionsirrtum 27 Suchmaschine 242 Suggestivwerbung 134 T Tabakerzeugnisgesetz 162 Tabakwerbeverbot 20, 49, 162 Bußgeldrahmen 41 Talkshow 72 Taschengeldparagraf 116 Tat 17, 34 Tatbestand objektiver 19, 37 subjektiver 20 Tatbestandsausschluss 253 Tatbestandsirrtum 25–27, 210 Tatbestandsmerkmal negatives 210 normatives 26 objektives 26 subjektives 265 Tatbestandsreduktion 104 Tateinheit 46, 47 konkurrierende Verfolgungszuständigkeit 282 Täter 34, 36 Tätermerkmal persönliches 36 Täterschaft, mittelbare 34

Stichwortverzeichnis Tatmehrheit 48 Tatort 30 Technik, unterschwellige 267 siehe auch Werbung, subliminale Teilnahmebedingung 118, 122, 123, 125 Teilnahmeentgelt verlangtes 118 Teilnahmeverbot 117 Teilnehmeraufkommen 121 Teilnehmerauswahl 121 Telemedien 6, 89 Begriff 7 Regulierungsregime 7 Telemediengesetz Aufsichtszuständigkeit 277 sachliche Zuständigkeit 279 Telemedium Begriff 257 fernsehähnliches 135, 144, 152, 154, 223, 252, 261 linear verbreitetes 224 rundfunkähnliches 139, 261 Telemedium, rundfunkähnliches, 135 Abrufdienste 130 Teleshopping 131, 132 Definition 133 Teleshopping-Fenster 138, 160, 161 Teleshoppingkanal 131 Teleshoppingsendung 160, 161 Teleshopping-Spots 160 Transparenz bei Spezialisierung 246 Transparenzanforderung an Benutzeroberflächen 240 Trennungsgrundsatz andere Sendungsteile 135 für Rundfunkwerbung 135 für Werbung 266 TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-­ Datenschutz-Gesetz) 192 U Ungleichbehandlung 198 Unrechtsbewusstsein 22, 26 Unschuldsvermutung 305 Unterbrecherwerbung 155 in Gottesdienstübertragungen 156 Unterlassen 36 Unterlassungsdelikt echtes 37 unechtes 37 Untersuchungsgrundsatz 305 Uplink 31, 33, 205

Stichwortverzeichnis V Veränderung inhaltliche 83 Veranstalter 35 Verbandsgeldbuße 42 Verbandshaftung 35 im Datenschutzrecht 189 Verbot mit Befreiungsvorbehalt 29 mit Erlaubnisvorbehalt 29, 210 Verbotsirrtum, 23, 25–27 unvermeidbarer 26 Verbotsirrtum 23 Verbotsnorm 19 Verbreitungsverbot 77, 84 Verfahrenseinstellung aus Opportunität 306 Mitteilung 307 notwendige 307 Verfahrenshindernis 106, 284, 299–301 Verfall von Vermögensvorteilen 303, 309 Verfolgung Unschuldiger 307 Verfolgungsverjährung 284 absolute 296 Aufsichtspflicht 296 Beginn 285 bei Dauerdelikten 285, 293 bei Unterlassungsdelikt 286 bei Zustandsdelikt 286 Frist 292 Fristberechnung 285 im Datenschutzrecht 191 Ruhen 291 Unterbrechung 290, 291 Verhaltensnorm 19 Verhältnis, wirtschaftliches 44 Verharmlosen Gewalttat 64 Krieg 68 NS-Völkermord 62 Verherrlichen Krieg 67 NS-Herrschaft 63 Verjährung Verfolgungsverjährung 35, 308 Vollstreckungsverjährung 312 Verjährungsfrist presserechtliche 293 rundfunkrechtliche 292 Vermutung der Entwicklungsbeeinträchtigung 87 widerlegliche 87 Veröffentlichung von Bußgeldentscheidungen 51

327 Verschlechterungsverbot reformatio in peius 308 Verschleierung des kommerziellen Charakters 265 Verschlüsselung 79, 89 Versuch 20 Vertreter 35 Verwaltungsunrecht 1 Verwarnung 40 nach DSG-VO 191 Videosharingplattform-Anbieter Auskunftspflicht 263 Volksverhetzung 60 Vollstreckung 309, 311, 312 unzulässige 312 Vollstreckungsbehörde 308, 312 Vollstreckungsklausel 312 Vollstreckungstitel 308, 312 Vollstreckungsverjährung 313 Vorentscheidung, rechtskräftige als Verfahrenshindernis 301 Vorlagepflicht Konkretisierung 250 Vorsatz 21, 34 Absicht 21 bedingter 22 Wissentlichkeit 21 Vorsperre 90 Vorteil, wirtschaftlicher 45 bei Verbandsgeldbuße 43 Vorwerfbarkeit 29 W Wahlfeststellung 24 Wahlpropaganda 152 Weiterverbreitung 205 Werbeabsicht 140, 150 Werbebegriff glücksspielrechtlicher 169 ideelle Werbung 132 jugendschutzrechtlicher 99 rundfunkwerberechtlicher 152 Tabakwerbeverbot 163 Werbekennzeichnung 96, 139 Werberegel für Telemedien 264 Werbesatzung Landesmedienanstalten 133 Werbezeitüberschreitung 159 Werbung Definition 132 für Arzneimittel 165 für Heilmittel 164

328 Werbung (cont.) für indizierte Angebote 98 für indizierte Werke 174 für Pornografie 174 geschäftliche 99 mit Indizierung 99 pornografische 175 subliminale 134 virtuelle 143 Werk, indiziertes 76 Wertungswiderspruch 34, 36, 39 Wesen, menschenähnliches 65 Wirtschaftswerbung 152 Z Zahlenrätsel 121 Zeitgeschehen, politisches 91 Zeitgeschichte 91 Zeugeneinvernahme 304

Stichwortverzeichnis Zulassungsvoraussetzung nachtr. Entfallen 215 persönliche 213 Zuschaueranteil 199 Zuständigkeit bei Aufsichtspflichtverletzung 275 bei Programmverstößen 281 der Staatsanwaltschaft 276 örtliche 278, 282 sachliche 275, 277 Zustandsdelikt 293 Zustands-Störer 271 Zustellungsbevollmächtigter Funktion 244 inländischer 242, 278 satzungswidrig 244 Zuwiderhandlung 37 Zweigniederlassung inländische 243 Zwischenverfahren 311