Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren [1. Aufl.] 9783658313968, 9783658313975

Dieses Buch gibt einen umfassenden Überblick über die erfolgsentscheidenden Instrumente und Strategieansätze im Online-F

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German Pages XI, 282 [290] Year 2020

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Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren [1. Aufl.]
 9783658313968, 9783658313975

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Moderne Online-Kommunikation von Non-Profit-Organisationen (Kai Fischer)....Pages 1-18
Einführung in das Digitale Fundraising (Jörg Reschke)....Pages 19-45
Werkzeuge des Online-Fundraisings (Jörg Reschke)....Pages 47-60
Anforderungen an die eigene Internetseite (Jona Hölderle, Maik Meid, Jörg Reschke)....Pages 61-85
Content-Produktion für das Web (Tobias Dunkel, Maik Meid)....Pages 87-119
Fundraising auf der eigenen Internetseite (Nora-Hendrike Jäger)....Pages 121-156
Fundraising im Web an externen Touchpoints (Katja Prescher)....Pages 157-204
Digitales Peer-to-Peer-Fundraising (Jona Hölderle)....Pages 205-238
Donor Relation Management (Eva Hieninger, Gregor Nilsson)....Pages 239-264
Trends und Ausblick (Jörg Reschke, Claudia Winkler)....Pages 265-280
Back Matter ....Pages 281-282

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Jörg Reschke Hrsg.

OnlineFundraising Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren

Online-Fundraising

Jörg Reschke Hrsg.

Online-Fundraising Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren

Hrsg. Jörg Reschke Karlsruhe Karlsruhe, Deutschland

ISBN 978-3-658-31396-8    ISBN 978-3-658-31397-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Lange Zeit wurden die Onliner im Non-Profit-Bereich von ihren Kollegen belächelt. Schließlich sei das Internet nicht mehr als ein vergänglicher Zeitgeist und Facebook eher ein privater Spaß während der Arbeitszeit. Nicht selten sahen sich Online-Fundraiser zudem dem Verdacht der Ressourcenverschwendung ausgesetzt. Was zugespitzt klingen mag, ist eine äußerst realistische Beschreibung der Begleitumstände, mit denen die erste Generation der Online-Fundraiser zu Beginn der Zweitausenderjahre zu kämpfen hatte. Die Skepsis gegenüber dem Internet und Social Media im Kollegenkreis und insbesondere bei Entscheidungsträgern war enorm. Diejenigen, die das Potenzial für Spendergewinnung und -bindung online erkannten, waren in der Unterzahl – oftmals Einzelkämpfer in ihren Non-Profit-Organisationen oder sozialen Projekten. Die ersten kleinen Versammlungen dieser digital-sozialen Pioniere fanden auf Veranstaltungen wie dem Socialcamp und den Socialbars statt. Sie mündeten 2010 und 2011 in fundraising2.0-Camps, was man sich im Nachhinein als überdimensionale Selbsthilfegruppen vorstellen kann. Zu den Hauptthemen gehörte damals, wie man Spendenplattformen nutzt, Spendenformulare in die Internetseite integriert oder es schaffen kann, seinen Boss von Social Media zu überzeugen. Mit Ressourcen für das Online-Fundraising sah es damals mau aus. Wenige Stunden im Monat mussten ausreichen, um das völlig neue Portfolio an Möglichkeiten zu entdecken, zu verstehen und anzuwenden. Obwohl weder ausreichend Zeit- noch Investitionsmittel zur Verfügung standen, war der Erfolgsdruck von Beginn an äußerst hoch. Als könnte man annehmen, dass ein neues Fundraisinginstrument von heute auf morgen profitabel wäre. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Online-Fundraising gilt nicht mehr als unbedeutende Nische, sondern als ein natürlicher Bestandteil des Fundraising-Mixes. Die zukünftige Relevanz wird sogar allgemein als sehr hoch eingeschätzt. Es wurden Stellen und Teams in Non-Profit-Organisationen geschaffen, die das Online-Fundraising gestalten. Die Budgets sind weiterhin knapp, aber bereits um ein Vielfaches höher als in den Anfangsjahren. Und noch etwas hat sich geändert: Die Online-Fundraiser der ersten Generation, Pioniere und allesamt Autodidaktiken, wurden von der zweiten Generation abgelöst. Eine Generation, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern von Seminaren und Ausbildungsgängen profitieren konnte. V

VI

Vorwort

Heute gibt es neue Pioniere, die Bestehendes im Online-Fundraising mit neuen Ideen hinterfragen und ergänzen. Es gibt die selbstkritischen Abteilungsleitungen, die Rahmenbedingungen für innovative Ansätze sicherstellen und mutige Vorstände, die Experimente zulassen. Es gibt die Menschen, die bereits heute verstanden haben, dass das kanalorientierte Online-Fundraising nur eine Übergangserscheinung war und wir uns auf dem Weg zum digitalen Fundraising befinden. Dann kam die Corona-Pandemie – während wir dieses Buch schrieben – und die Digitalisierung von Arbeitsprozessen, das vernetzte Arbeiten über Standorte hinweg (inkl. Homeoffice und Remote Office) sowie die Verlagerung von Offline-Veranstaltungen in Onlinestreams war plötzlich denkbar und machbar. Im Nachhinein werden wir feststellen, dass diese Zeit vermutlich ein größerer Beschleuniger für die Digitalisierung im Non-­ Profit-­Sektor war als zahlreiche Förderprogramme des Bundes oder der Länder. Das macht Mut und Hoffnung für die Entwicklung, die uns bevorsteht. Einige der Pioniere des Online-Fundraisings sind in diesem Buch versammelt. Es sind Namen und Gesichter, die in den vergangenen zehn Jahren mit ihrer Arbeit, ihren Vorträgen und ihren Seminaren den Diskurs zu diesem Thema geprägt haben. Zusammen haben wir uns entschieden, unser Wissen und unsere Erfahrungen zu bündeln. Selbst wenn viele von uns Generalisten sind – vermutlich hätte es keiner von uns geschafft, ein solches Buch alleine zu schreiben. Vom gegenseitigen Redigieren und Mitdenken haben wir allesamt profitiert. Hoffentlich gewinnen Sie beim Lesen denselben Eindruck. Die Fundraisingpraxis in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist überwiegend weiblich. Insbesondere vor diesem Hintergrund fiel die Entscheidung schwer, aus Gründen des Leseflusses auf eine Vorgabe zur gendergerechten Schreibweise zu verzichten. Es wiegte höher, dass im Autorenteam keine einseitige Geschlechterdominanz besteht. Sämtliche Aussagen, die über Fundraiser, Spender, Entscheidungsträger und andere maskuline Personengruppen getroffen werden, gelten selbstverständlich in gleicher Weise für Fundraiserinnen, Spenderinnen, Entscheidungsträgerinnen und Frauen im Allgemeinen. Ein großer Dank geht an alle Autoren, die dieses Werk mit ihren Beiträgen geschaffen haben. Trotz Jobwechsel, Umzügen und unerwartetem Homeschooling während der Pandemie sind sie dem Projekt treu geblieben und haben ihre Arbeit daran fortgesetzt. Zum anderen möchte ich meinen Dank an den Verlag Springer Gabler und insbesondere an unsere Lektorin Imke Sander richten. Von unserer ersten zufälligen Begegnung über die Konzeptentwicklung bis zur ersten mündlichen Interessensbekundung verging lediglich eine Woche. Allen Beteiligten danke ich für das gegenseitige Vertrauen und die gute Zusammenarbeit! Beim Lesen dieses Buches wünsche ich Ihnen viele Inspirationen und neue Erkenntnisse sowie die Neugier zum Ausprobieren. Sollte Ihnen etwas unklar bleiben oder sollten Sie Ihre Erfahrungen mit dem Buch teilen wollen, dann freue ich mich von Ihnen zu hören. Nehmen Sie einfach über die Internetseite www.digitales-fundraising.de Kontakt zu mir auf. Karlsruhe, Deutschland

Jörg Reschke

Inhaltsverzeichnis

1 Moderne Online-Kommunikation von Non-­Profit-­Organisationen. . . . . . . . .   1 Kai Fischer 1.1 Vom Direktmarketing zur digitalen Kommunikation ����������������������������������   2 1.2 Nutzer/innen von Online-Kommunikation ��������������������������������������������������   6 1.3 Storytelling����������������������������������������������������������������������������������������������������   9 1.4 Von der Geschichte zur Donor-Journey��������������������������������������������������������  14 1.5 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  16 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  17 2 Einführung in das Digitale Fundraising. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Jörg Reschke 2.1 Digitales Fundraising������������������������������������������������������������������������������������  20 2.2 Stand des Online-Fundraisings in Deutschland��������������������������������������������  27 2.3 Institutional Readiness für Digitales Fundraising����������������������������������������  32 2.4 Digital Changemaker in der Organisation����������������������������������������������������  38 2.5 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  43 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  43 3 Werkzeuge des Online-Fundraisings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Jörg Reschke 3.1 Überblick der Werkzeuge������������������������������������������������������������������������������  48 3.2 Die eigene Internetseite��������������������������������������������������������������������������������  49 3.3 Spenden-Plattformen������������������������������������������������������������������������������������  50 3.4 Aktivisten-Fundraising���������������������������������������������������������������������������������  51 3.5 Crowdfunding ����������������������������������������������������������������������������������������������  52 3.6 Online-Auktionen ����������������������������������������������������������������������������������������  53 3.7 Freiwilligen-Plattformen������������������������������������������������������������������������������  53 3.8 Painless Giving ��������������������������������������������������������������������������������������������  54 3.9 Make or Buy im Digitalen Fundraising��������������������������������������������������������  55 3.10 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  59 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  59

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

4 Anforderungen an die eigene Internetseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Jona Hölderle, Maik Meid und Jörg Reschke 4.1 Anforderungen an Internetseiten������������������������������������������������������������������  62 4.1.1 Konzeptionelle Herausforderungen��������������������������������������������������  62 4.1.2 Inhaltliche Anforderungen����������������������������������������������������������������  63 4.1.3 Optische Anforderungen ������������������������������������������������������������������  64 4.1.4 Technische Anforderungen ��������������������������������������������������������������  66 4.1.5 Soziale Anforderungen���������������������������������������������������������������������  67 4.1.6 Anforderungen an die Usability��������������������������������������������������������  68 4.1.7 Relevanz der Internetseite für das Fundraising��������������������������������  70 4.2 Suchmaschinenoptimierung��������������������������������������������������������������������������  70 4.2.1 Entwicklungen bei Suchmaschinenanbietern ����������������������������������  71 4.2.2 Grundsätzliche Regeln der Suchmaschinenoptimierung������������������  71 4.3 Relaunch von Internetseiten��������������������������������������������������������������������������  74 4.3.1 Bestandsaufnahme und Problemanalyse������������������������������������������  74 4.3.2 Einen Relaunch richtig vorbereiten��������������������������������������������������  77 4.4 Conversion-Optimierung������������������������������������������������������������������������������  79 4.4.1 Mehr Kennzahlen als der ROI����������������������������������������������������������  79 4.4.2 Messung der Conversion Rate����������������������������������������������������������  81 4.4.3 Hypothesen- und Variantenbildung��������������������������������������������������  82 4.5 Fazit��������������������������������������������������������������������������������������������������������������  84 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  84 5 Content-Produktion für das Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Tobias Dunkel und Maik Meid 5.1 Texten für Online-Kanäle������������������������������������������������������������������������������  88 5.1.1 Ziele von Webtexten�������������������������������������������������������������������������  89 5.1.2 Eigenschaften von Texten für das Internet����������������������������������������  90 5.1.3 Überprüfung der Lesbarkeit��������������������������������������������������������������  93 5.1.4 Texte erstellen im Alltag ������������������������������������������������������������������  94 5.2 Fotoproduktion für Online-Kanäle ��������������������������������������������������������������  94 5.2.1 Einsatzbereiche für Fotos im Online-Fundraising����������������������������  95 5.2.2 Was macht gute Fotos für Online-Fundraising aus? ������������������������  98 5.2.3 Fototheorie����������������������������������������������������������������������������������������  99 5.2.4 Dateiformate ������������������������������������������������������������������������������������ 105 5.2.5 Fototechnische Ausrüstung �������������������������������������������������������������� 105 5.2.6 Software und Archivierung �������������������������������������������������������������� 106 5.2.7 Nutzung von Stockfotografie������������������������������������������������������������ 107 5.3 Videoproduktion für Online-Kanäle ������������������������������������������������������������ 110 5.3.1 Vorteile von Videos im Online-Fundraising�������������������������������������� 110 5.3.2 Die perfekte Video-Länge ���������������������������������������������������������������� 111 5.3.3 Mobile First�������������������������������������������������������������������������������������� 112

Inhaltsverzeichnis

IX

5.3.4 Das richtige Format: Hochkant vs. Querformat�������������������������������� 112 5.3.5 Videoarten und Einsatzzwecke �������������������������������������������������������� 113 5.3.6 Videotechnische Ausrüstung������������������������������������������������������������ 115 5.4 Profis oder Selbermachen?���������������������������������������������������������������������������� 116 5.5 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 118 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 118 6 Fundraising auf der eigenen Internetseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Nora-Hendrike Jäger 6.1 Warum eine eigene Internetseite? ���������������������������������������������������������������� 122 6.2 Spenderinformation�������������������������������������������������������������������������������������� 123 6.2.1 Zertifizierungen als vertrauensbildende Maßnahme������������������������ 123 6.2.2 Wie geht die Spendenorganisation mit meinem Geld um?�������������� 128 6.2.3 Das Spendenkonto���������������������������������������������������������������������������� 128 6.2.4 Spenderservice���������������������������������������������������������������������������������� 129 6.2.5 Datenschutz und DSGVO ���������������������������������������������������������������� 131 6.3 Das Spendenformular������������������������������������������������������������������������������������ 132 6.4 Fundraising Landingpages���������������������������������������������������������������������������� 143 6.4.1 Begriffsbestimmung Fundraising Landingpages������������������������������ 143 6.4.2 Aufbau einer Fundraising Landingpage������������������������������������������� 144 6.4.3 Finetuning der Landingpage ������������������������������������������������������������ 148 6.5 Spendenshop ������������������������������������������������������������������������������������������������ 149 6.5.1 Shoppinglisten���������������������������������������������������������������������������������� 150 6.5.2 Projektspenden���������������������������������������������������������������������������������� 151 6.5.3 Patenschaften������������������������������������������������������������������������������������ 152 6.5.4 Merchandising Shops������������������������������������������������������������������������ 153 6.6 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 154 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 155 7 Fundraising im Web an externen Touchpoints. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Katja Prescher 7.1 Spendenplattformen�������������������������������������������������������������������������������������� 158 7.2 Online-Auktionen ���������������������������������������������������������������������������������������� 161 7.3 Online-Marketing������������������������������������������������������������������������������������������ 164 7.3.1 Suchmaschinenwerbung (SEA)�������������������������������������������������������� 165 7.3.2 Social-Media-Marketing ������������������������������������������������������������������ 168 7.3.3 Online-Werbung�������������������������������������������������������������������������������� 172 7.3.4 Affiliate-Marketing �������������������������������������������������������������������������� 176 7.3.5 Video-Marketing ������������������������������������������������������������������������������ 178 7.3.6 Online-PR und Content-Marketing�������������������������������������������������� 180

X

Inhaltsverzeichnis

7.4 E-Mail-Marketing ���������������������������������������������������������������������������������������� 183 7.4.1 Erfolgsfaktoren im E-Mail-Marketing���������������������������������������������� 184 7.4.2 E-Mail-Marketing-Tools/Software���������������������������������������������������� 197 7.4.3 Rechtliche Rahmenbedingungen������������������������������������������������������ 199 7.5 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 201 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 202 8 Digitales Peer-to-Peer-Fundraising. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Jona Hölderle 8.1 Anlass- und Aktionsspenden������������������������������������������������������������������������ 206 8.1.1 Die Motivation hinter persönlichen Spendenaufrufen���������������������� 206 8.1.2 Der richtige Anlass für die Anlassspende ���������������������������������������� 207 8.1.3 Die Initiatoren im Peer-to-Peer Fundraising richtig unterstützen ������������������������������������������������������ 208 8.1.4 Peer-to-Peer-Software und -Plattformen������������������������������������������ 209 8.1.5 Facebook Fundraiser������������������������������������������������������������������������ 210 8.1.6 Spenderbindung im Peer-to-Peer-Fundraising���������������������������������� 212 8.1.7 Erfolgsfaktoren für Aktions- und Anlassspenden ���������������������������� 213 8.2 Social Media ������������������������������������������������������������������������������������������������ 214 8.2.1 Reichweite in sozialen Netzwerken�������������������������������������������������� 215 8.2.2 Vertrauen und Bindung �������������������������������������������������������������������� 217 8.2.3 Spenden auf Plattformen������������������������������������������������������������������ 220 8.2.4 Die persönlich vernetzten Fundraiser ���������������������������������������������� 222 8.2.5 Fundraising mit Influencern�������������������������������������������������������������� 223 8.2.6 Community-Management ���������������������������������������������������������������� 227 8.2.7 Werbung in sozialen Medien������������������������������������������������������������ 228 8.3 Crowdfunding-Kampagnen�������������������������������������������������������������������������� 231 8.3.1 Crowdfunding – Alter Wein in neuen Schläuchen?�������������������������� 232 8.3.2 Vom Crowdfunding fürs Fundraising lernen������������������������������������ 233 8.3.3 Eine Kampagne planen �������������������������������������������������������������������� 235 8.4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 236 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 237 9 Donor Relation Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Eva Hieninger und Gregor Nilsson 9.1 CRM und Marketing Automation im Donor Relation Management������������ 240 9.1.1 Donor Journey und Life Cycle Management������������������������������������ 241 9.1.2 CRM und Marketing Automation Software�������������������������������������� 244 9.1.3 Auswahl der geeigneten Software���������������������������������������������������� 248 9.1.4 Fallstricke der CRM-Implementierung�������������������������������������������� 251

Inhaltsverzeichnis

XI

9.2 Tracking�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 253 9.2.1 Kennzahlen im Online-Fundraising�������������������������������������������������� 254 9.2.2 Systeme und Typen von Tracking ���������������������������������������������������� 254 9.2.3 Webanalyse-Tools im Vergleich�������������������������������������������������������� 257 9.2.4 Big Data, Datenanalyse und Machine Learning ������������������������������ 259 9.3 Online-Bezahlsysteme���������������������������������������������������������������������������������� 261 9.4 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 263 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 264 10 Trends und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Jörg Reschke und Claudia Winkler 10.1 Anwendung von digitalen Fundraising-Technologien�������������������������������� 266 10.2 Von Megatrends bis Modetrends���������������������������������������������������������������� 269 10.2.1 Megatrends�������������������������������������������������������������������������������������� 269 10.2.2 Soziokulturelle Trends�������������������������������������������������������������������� 272 10.2.3 Technologische Trends�������������������������������������������������������������������� 273 10.3 Umgang mit Trends und Innovationen�������������������������������������������������������� 275 10.4 Fazit������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 278 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 279 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

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Moderne Online-Kommunikation von Non-­ Profit-­Organisationen Kai Fischer

Inhaltsverzeichnis 1.1  Vom Direktmarketing zur digitalen Kommunikation  1.2  Nutzer/innen von Online-Kommunikation  1.3  Storytelling  1.4  Von der Geschichte zur Donor-Journey  1.5  Fazit  Literatur 

 2  6  9  14  16  17

Zusammenfassung

Die Nutzung digitaler Kanäle hat sich in der deutschen Gesellschaft fast flächendeckend durchgesetzt. Selbst die Mehrheit der Über-70-Jährigen nutzt das Internet. Damit stehen Non-Profit-Organisationen vor der Herausforderung, digitale Kanäle flächendeckend in ihre Kommunikation zu integrieren. Allerdings führen die Nutzung digitaler Kanäle sowie die Anforderungen von Zielgruppen, die mit diesen Kanälen aufgewachsen sind, zu anderen Formen der Kommunikation, die für die Organisationen einen Changeprozess bedeuten. Viele Praktiken, die aus dem klassischen Direktmarketing kommen, können nicht in dieser Form auf digitale Kanäle übertragen werden. Dies hat zur Folge, dass Kommunikation insgesamt komplexer und fördererzentrierter wird.

K. Fischer (*) Mission Based Consulting, Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_1

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1.1

K. Fischer

Vom Direktmarketing zur digitalen Kommunikation

In den letzten 20 Jahren hat sich die Kommunikation – und damit auch die Anforderungen, die an die Kommunikation gestellt werden – gravierend gewandelt. Hiervon sind nicht nur Non-Profit-Organisationen, sondern auch Unternehmen und Behörden betroffen. Am Beispiel der Fundraising-Kommunikation soll dies in einigen groben Strichen nachgezeichnet werden. Fundraising, wie wir es heute kennen,1 entstand in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit dem Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen (Umweltbewegung, Frauenbewegung) entstand der Bedarf nach alternativen Formen der Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Verbunden mit dem Rückgang von Kirchensteuern wäh­rend wirtschaftlicher Rezessionen sowie von Spenden für Entwicklungshilfe entwickelte sich das moderne Fundraising. Charakteristisch für das moderne Fundraising war die Nutzung des Direktmarketings: Durch das Versenden von Briefen wurden emotionale Impulse ausgelöst, die zu Spenden führten. Im Direktmarketing hängt der Erfolg im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der Auswahl der „richtigen“ Adressaten, dem Thema der Spendenbitte und der Gestaltung der Aussendung (Brief, Umschlag, Response-Element). Während sich bei der klassischen Form der Werbung (z. B. Anzeigen oder Spots) die unmittelbare Reaktion der Adressaten nicht messen lässt, ist dies im Direktmarketing anders: Es soll eine unmittelbare Reaktion ausgelöst werden, die gemessen werden kann. Damit reagiert wird, werden Response-­ Elemente (z.  B. Überweisungsaufträge) mitversendet. Je höher die Reaktionsquote ist, desto besser passen die Erfolgsfaktoren zusammen. Die Nutzung des Direktmarketings hat für Non-Profit-Organisationen eine Reihe von Vorteilen: Durch Variationen und das Messen von Reaktionen können unterschiedliche Elemente einer Spendenbitte systematisch getestet werden. Hierdurch gelingt langfristig ein Lerneffekt: Man lernt, welche Elemente in welcher Form kombiniert werden müssen, um den Ertrag eines Mailings zu erhöhen. Gleichzeitig können im Direktmarketing Kosten und Erträge einander direkt zugeordnet werden. Durch die Berechnung eines Returns on Investment (ROI) lässt sich der Ertrag einer Maßnahme direkt belegen. Hierdurch gelingt es, die Nutzung von Ressourcen im Fundraising einfacher zu legitimieren: Je höher der ROI ausfällt, desto besser waren die eingesetzten Ressourcen investiert, da mit deren Einsatz im Fundraising ein Vielfaches für die Projekte und Programme eingeworben werden konnte. Ohne einen unmittelbaren Rückbezug von Kosten und Erträgen stehen Investitionen ins Fundraising grundsätzlich unter dem Verdacht, Mittel für Projekte und Programme zweckentfremdet und „verschleudert“ zu haben.  Das Sammeln von Spenden ist allerdings schon sehr viel älter. Eine der ältesten Spendenbitten ist im Brief des Paulus an die Korinther überliefert. Auch in West- und Ost-Deutschland gab es vor den 80er-Jahren eine Vielzahl von Aktivitäten, die wir heute dem Fundraising zurechnen würden. Zur Geschichte des Sammelns von Spenden in Deutschland vgl. Lingelbach (2009). 1

1  Moderne Online-Kommunikation von Non-Profit-Organisationen

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Diese Situation änderte sich Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts durch die Möglichkeiten digitaler Kommunikation. Auch wenn der Übergang in Deutschland lange dauerte, zeigten erste Versuche noch vor der Jahrtausendwende, dass sich über die digitalen Medien andere Zielgruppen erreichen ließen (im Durchschnitt waren Online-­ Spender etwa zehn Jahre jünger), die bereit waren, im Durchschnitt deutlich höhere Beträge zu geben. Allerdings zeigte sich auch, dass sich Logiken und Erfahrungen aus dem Direktmarketing nicht ohne Weiteres in die Online-Kommunikation übertragen ließen. Online-Kommunikation im Fundraising stellte neue Anforderungen, die zunächst nur begrenzt verstanden wurden. Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung mit Online-­Kommunikation lassen sich die Unterschiede mittlerweile benennen. Von der digitalen Broschüre zum Handlungsraum Wurden Verantwortliche, aber auch Fundraiserinnen und Fundraiser gefragt, wofür sie ihre Internetseite oder die anderen digitalen Kanäle einsetzten, kam fast einhellig die Antwort: zur Information. Zwar können auch mit digitalen Kanälen Menschen informiert werden, ihr eigentliches Potenzial entfalten sie aber, wenn man über die reine Information hinausgeht. Denn digitale Kanäle ermöglichen nicht nur einen Rückkanal, sondern eine komplexe Interaktion zwischen Organisation und Fördernden sowie zwischen den Fördernden untereinander. Es geht immer weniger um das Senden von Botschaften – die werden nach wie vor auch benötigt – als vielmehr um Austausch und Interaktion auf vielfältiger Ebene. Das Web wird damit zum Handlungsraum und unterscheidet sich erheblich vom Lesen von Briefen oder Broschüren. Von einer Reiz-Reaktion zum Beziehungsaufbau Standardmailings basieren auf einer relativ einfachen Logik von Reiz und Reaktion. Mit dem Brief wird ein Reiz ausgesendet, der zu einer unmittelbaren Reaktion – einer Spende – führt. Diese einfache Beziehung ist online nur selten abbildbar. Vielmehr geht es in der Online-Kommunikation um den Aufbau langfristiger Beziehungen. Langfristige Beziehungen verlaufen über mehrere Schritte, die sowohl über digitale als auch analoge Medien geführt werden können. Damit verändert sich auch die Qualität der Beziehung: Es geht nicht länger um die wiederholte Reaktion auf einen Spendenaufruf, sondern um gemeinsame Werte und geteilte Ziele als Basis der Kommunikation. Vom Mitleid zur Empörung Traditionelles Fundraising ist stark von Mitleid und Mitfreude abhängig. Diese Emotionen bilden die Basis für die Reaktion auf eine Spendenbitte. Im Online-Fundraising ist Leid an sich weniger attraktiv. Vielmehr verändern sich die Emotionen: Bei erfolgreicher Online-­ Kommunikation geht es um die Veränderung eines gesellschaftlichen Zustands und damit um Empörung als Triebkraft hinter der Handlung. Empörung lässt sich jedoch nicht mit der traditionellen Kommunikation auslösen. Vielmehr basiert Empörung auf wichtigen verletzten Werten. Dies erfordert von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten

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K. Fischer

eine deutlich stärkere Positionierung, die Herausarbeitung ihrer Mission (Warum existiert die Organisation?) sowie ein Bewusstsein über die eigene Theory of Change. Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte, die auf Empörung in den unterschiedlichen Ausprägungen setzen, sind in der Online-Kommunikation erfolgreicher, da sie sowohl besser wahrgenommen als auch ihre Unterstützer und Förderer besser mobilisieren können. Verbunden ist hiermit allerdings auch, dass Unterschiede zwischen unterschiedlichen Akteuren deutlicher hervortreten und Abgrenzungen stärker betont werden. Was auf der einen Seite zu einer stärkeren Einbindung führt, kann auf der anderen Seite abgrenzen und auch Türen verschließen. Von einer Ein-Kanal- zur Multichannel- bis zur Omnichannel-Kommunikation Das traditionelle Fundraising basiert auf einer Ein-Kanal-Kommunikation: Ob per Brief, Telefon oder auch Standwerbung werden potenzielle Förderer über einen Kanal angesprochen, der in der Regel auch einen Rückkanal beinhaltet. Darüber wird ein emotionaler Impuls gesendet, der anschließend mit einer spezifischen Reaktion – im Fundraising in der Regel die Spende – beantwortet wird. Ein Wechsel des Kanals ist nicht vorgesehen. Vielmehr wird im nächsten Durchgang wiederum dieser Kanal, von dem bekannt ist, dass der jeweilige Förderer bzw. die Förderin hierauf reagiert, noch einmal genutzt. Wer nicht über diesen Kanal ansprechbar ist, wird nicht erreicht und kommt daher auch nicht als Spender in Betracht. Sobald dieses einfache Reiz-Reaktion-System durchbrochen wird, stellt sich regelmäßig die Frage, über welche Kanäle am besten die Beziehungen angestoßen werden, wie die Bindung gelingt und wann am besten über welchen Kanal um Unterstützung gebeten wird. Dadurch ergeben sich in der Regel komplexere und über mehrere Kanäle hinweggehende Kommunikationssysteme: Der erste Kontakt kann über Facebook erfolgen, die Bindung über die eigene Internetseite oder den eigenen Channel bei YouTube, und für die Bitte werden Briefe und E-Mails eingesetzt. Gern auch beides, da sich die Wirkung verstärkt, wenn die Bitte gleichzeitig auf verschiedenen Kanälen ausgesprochen wird. In einem nächsten Schritt lässt sich immer weniger entscheiden, welcher Kanal für welche kommunikative Aufgabe am besten geeignet ist. Vielmehr entscheiden die Nutzer/ innen, welche Kanäle sie wann nutzen und welche Interaktion sie über welchen Kanal wollen. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, über alle Kanäle zu senden und Informationen für die unterschiedlichen Stadien des Beziehungsaufbaus anzubieten. Die Kanäle überlagern sich, und was vorher noch einzeln geplant war, stellt sich als komplexe Omnichannel-­Strategie dar. Bei einer Omnichannel-Kommunikation verschmelzen dann die Kommunikationskanäle und die Übergänge werden fließend. Die Nutzer erwarten hier eine lückenlose Fortsetzung des Dialogs und der Bearbeitung ihrer Anliegen über die verschiedenen Kanäle hinweg. Von der Push- zur Pull-Kommunikation Das klassische Direktmarketing ist eine Push-Kommunikation. Botschaften und emotionale Impulse werden potenziellen Förderer zugesandt, ohne dass vorher geklärt ist, ob

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diese die Kommunikation überhaupt wollen. Push-Kommunikation hat einen entscheidenden Vorteil: Fundraiser/innen müssen nicht abwarten, sondern entscheiden selbst, wann wer mit welcher Botschaft angesprochen wird. Push-Kommunikation ist im Internet in dieser Form kaum möglich oder adäquat. Zum einen bestehen rechtliche Beschränkungen, beispielsweise die Pflicht zum Opt-in bei der E-Mail-Kommunikation (Abschn.  7.4.1.1). Zum anderen ist eine Push-Kommunikation technisch ausgeschlossen, wenn Fundraiser/innen warten müssen, bis jemand die eigene Internetseite aufruft, um sich mit den Inhalten zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass eine Zusendung unverlangter Inhalte im Web schlicht sinnlos ist, da diese Form der Kommunikation als unseriös wahrgenommen und häufig einfach ignoriert wird (vgl. Theobald 2019). Sie erreicht in der Regel Menschen in einer Situation, wenn sie sich nicht mit den Inhalten einer Organisation beschäftigen wollen, da sie andere Intentionen haben. Hieraus folgt regelmäßig die Frage, welche Inhalte Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte im Web kommunizieren sollten, damit sich Menschen von selbst für sie interessieren. Hier geht es um die Relevanz der Botschaften und Inhalte für die Zielgruppen. Wenn diese für die Zielgruppen nicht relevant sind, werden sie sich mit ihnen nicht beschäftigen und auch nicht die Erlaubnis geben, Informationen zuzusenden. Vom Fokus auf das Medium zum Fokus auf die Förder/innen Während im traditionellen Fundraising die Medien im Zentrum stehen (Wie muss ich einen Brief formulieren, damit viele Menschen darauf mit einer Spende reagieren?), stehen in der Online-Kommunikation die Empfänger/innen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wenn Informationen und Botschaften für sie relevant sind, dann schließt sich zwingend die Frage an, um welche Botschaften es sich handelt. Diese Frage ist aber nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr existieren für unterschiedliche Zielgruppe und -personen unterschiedliche Antworten. Geht es bei einer Person um die eigene Einsamkeit, sind es bei anderen der Zorn über bestehende Umstände, die nicht toleriert werden können, oder die Frage nach der Wirkung, die mit der Spende erreicht werden kann. Je nachdem, wer angesprochen werden soll, verändern sich Botschaften und auch Gestaltung der Medien. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass Kommunikation immer kleinteiliger und Zielgruppen immer genauer angesprochen werden. Der konzeptionelle und operative Aufwand steigt. Dies sichert allerdings auf der anderen Seite den kommunikativen Erfolg. Nur, wenn die Kommunikation die Zielpersonen auch emotional erreicht werden, besteht überhaupt die Chance, eine Spende zu erhalten. Schließlich stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, Fundraising nach Methoden beziehungsweise einzelnen Kanälen zu klassifizieren. Aus Sicht der Fördernden ist dies nicht relevant. Sie wollen auswählen können, über welchen Kanal sie welche Botschaft zu welchem Zeitpunkt erhalten wollen. Entscheidend ist dann, was Fördernde an Kommunikation wollen, nicht der Fokus auf den Kanal. Die Beschränkung auf einen Kanal ist nicht mehr zeitgemäß und hat sich überlebt, daher sprechen wir heute von Digitalem Fundraising (Abschn. 2.1).

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Vom ROI zur Retention-Rate Im traditionellen Fundraising mit seinen Reiz-Reaktions-Mechanismen lässt sich der Erfolg gut mit Hilfe des Returns on Investment (ROI) messen. Hierbei wird das Verhältnis zwischen jedem eingesetzten Euro und dem hiermit erzielten Ertrag gemessen. Je größer der ROI, desto mehr Ressourcen können in den Projekten und Programmen eingesetzt werden. Sobald allerdings komplexere Beziehungen im Fokus stehen, eignet sich dieses Maß nicht mehr zur Bestimmung des Erfolgs. Denn zum Aufbau von Beziehungen gehören auch Kommunikationsanlässe, die für den Beziehungsaufbau notwendig sind, aber keinen unmittelbaren Ertrag in Form von Spenden bringen. Wenn Förder/innen zum Geburtstag telefonisch gratuliert wird oder eine Weihnachtskarte per Hand geschrieben wird, sind dies entstandene Kosten, die keine unmittelbare Spende hervorrufen. Allerdings fühlen sich Spendende wahrgenommen und erfahren persönliche Wertschätzung. Beides sind Voraussetzungen für langfristige Beziehungen (Burk 2003),2 die am Ende zu einem höheren Life-Time-Value (LTV) führen. Denn je länger die Beziehung dauert, je höher also die Rate ist, mit der Menschen auch in den Folgejahren wieder spenden (Retention-Rate), desto größer ist am Ende der ökonomische Erfolg. Schon geringe Erhöhungen der Retention-­Rate können langfristig bis zum doppelt oder dreifach kumuliertem Umsatz führen (Fischer 2020). Auch wenn Online zunächst lange nur als neuer Kanal erschienen ist, über den die bisherigen Botschaften in den bisherigen Formen abgespielt werden können, hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre gezeigt, dass dies nicht stimmt. Online stellt vielmehr eigene Anforderungen an die Kommunikation, die am Ende dazu führen, dass über Fundraising und die Form der Gewinnung und Ansprache von Förderern neu nachgedacht werden muss. Dies ist dann nicht nur auf Online-Kommunikation beschränkt, sondern bezieht sich grundsätzlich auf die Kommunikation mit Fördernden allgemein im Fundraising. Viele ursprüngliche Gewissheiten lösen sich auf und die Anforderungen und Logiken der Online-­Kommunikation ermöglichen neue Ansätze im Fundraising und der Kommunikation mit Fördernden.

1.2

Nutzer/innen von Online-Kommunikation

Um zu zeigen, wie dramatisch die Verschiebungen sind, lohnt sich ein Blick in die Online-­ Nutzungszahlen: Insgesamt nutzten 2019 86 % der Bevölkerung in Deutschland das Internet. Die Anzahl der Nutzer/innen ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gewachsen, auch wenn sich die Wachstumsrate abschwächt. Nach wie vor gilt, dass das Merkmal „Alter“ bei der Nutzung des Internets einen großen Einfluss hat. Jüngere Nutzergruppen  Penelope Burk (2003) zeigt, dass Dank, Wertschätzung sowie zeitnahe und unaufgeforderte Information, wie die Spenden eingesetzt und gewirkt haben, die entscheidenden Treiber für langfristige Förder-Beziehungen sind. 2

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sind bis zu 99 % im Internet aktiv. Aber auch bei den Über-70-Jährigen sind mehr als 52 % online (Initiative D21 2019). Dies entspricht etwa 7 Mio. Menschen in dieser Altersklasse in Deutschland (ARD ZDF 2019, S. 12) Diese Gruppe hat in den vergangenen Jahren erheblich aufgeholt. Neben dem Alter spielen auch Bildungsabschluss und der Ort, wo man lebt, eine Rolle bei der Internetnutzung: Je höher der Bildungsabschluss, desto mehr Menschen nutzen das Internet. Je größer der Ort, desto mehr Menschen sind online. Im Gegenschluss bedeutet dies, dass Menschen mit einem geringen Bildungsabschluss nur zu 64 % das Internet nutzen und die Bevölkerung auf dem Land mit 84 % ebenfalls die geringsten Nutzerzahlen aufweist (Initiative D21 2019, S. 14). Die Nutzung des Internets über mobile Geräte wie Smartphones und Tablets hat erheblich zugenommen. 74 % aller Menschen in der Bundesrepublik nutzen das Internet über solche Geräte. Während bei jüngeren Zielgruppen die meisten das Internet auch mobil nutzen, sind die Diskrepanzen bei älteren deutlicher: Bei den Über-70-Jährigen sind es immerhin noch 32 %, die auch mobil im Internet unterwegs sind. Bei den 60–69-Jährigen sind es schon doppelt so viele (64 %), auch wenn im Gegensatz 81 % dieser Altersgruppe das Internet nutzen (Initiative D21 2019, S. 12). Ebenfalls hat die Nutzungsdauer in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen: 2018 betrug sie im Schnitt 196 Minuten täglich. Das ist ein Anstieg von fast 50 Minuten zum Jahr davor. Seit Anfang des Jahrzehnts hat sie sich fast verdreifacht. Der Anteil der täglichen Internetnutzung steigt kontinuierlich stark an: Mittlerweile sind 71 % der Bevölkerung täglich online. Zum Vorjahr ist dies eine Zunahme um 14 %. Menschen, die mobil das Internet nutzen, sind noch länger aktiv: 2018 waren sie im Durchschnitt 240 Minuten täglich online (ARD, ZDF 2019, S. 4). Bei der Nutzung von Social Media dominiert WhatsApp: 76 % der Bevölkerung nutzt diesen Messenger in der täglichen Kommunikation. Mit deutlichem Abstand folgen Facebook (genutzt von 35 % der Bevölkerung) und Instagram (von 21 % der Bevölkerung genutzt). Mit weiterem deutlichem Abstand folgen dann Snapchat, Twitch, XING, Twitter, LinkedIn und TikTok. Diese Dienste werden jeweils von zwischen 6 % und 8 % der Bevölkerung genutzt, der noch recht junge Dienst TikTok von 2 % (ARD, ZDF 2019, S. 12). Befragt dazu, welche Aktivitäten im Internet dominieren, nutzen die meisten Deutschen das Internet zur Information (94 %) und zur Kommunikation (86 %). Es folgen das Erledigen von praktischen Dingen (77 %), Lesen und Schauen politischer Inhalte (71 %) und das Hören von Musik bzw. Schauen von Videos (71 %). Abgeschlagen ist die Nutzung des Internets zum Spielen (30 %) und zum Veröffentlichen eigener Inhalte (25 %) (Pokorny 2019). Auch die Nutzung von Internet- und Videotelefonie hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. 2019 hat mehr als die Hälfte (55 %) der 16–74 Jahre alten deutschen Bevölkerung entsprechende Dienste genutzt (Eurostat 2019). Im Zuge der Corona-­Krise 2020 dürften diese Zahlen weiter nach oben geschnellt sein. Fasst man die Ergebnisse zusammen, dann wird deutlich, dass sich die Nutzung des Internets in Deutschland flächendeckend durchgesetzt hat. Selbst in der Altersgruppe der Über-70-Jährigen  – die zur wichtigsten Spenderzielgruppe in Deutschland gehört  – ist mehr als die Hälfte im Internet erreichbar. Dieses Phänomen überrascht wenig, da viele

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der heute über 70-Jährigen noch in ihrer aktiven Berufstätigkeit mit dem Internet konfrontiert wurden und sich entsprechende Kenntnisse angeeignet haben. Darüber hinaus entdecken auch viele Ältere die Vorteile, die ihnen die Kommunikation über digitale Kanäle bieten – vom Einkaufen und der Recherche von Informationen bis hin zum Kontakt mit Kindern, Enkeln und Urenkeln. Davon auszugehen, dass Ältere nicht über das Internet erreicht werden können, ist heute ein Fehlschluss und entspricht kaum noch der Realität. Nach wie vor spielen auch Bildungsabschluss, Einkommen und der Wohnort eine Rolle bei der Internetnutzung. Es sind diejenigen mit höherem Einkommen und Bildungsabschluss und diejenigen, die in der Stadt wohnen, fast alle im Internet anzutreffen. Allerdings gleichen sich über die Jahre auch hier die Nutzer/innenzahlen an: Menschen mit einem geringeren Bildungsabschluss, niedrigerem Einkommen und auf dem Land wohnend holen auf. Auf eine Nutzung des Internets und die damit mögliche Kommunikation können immer weniger Menschen verzichten. Was aus den Zahlen ebenfalls deutlich wird: Die Mehrzahl der Deutschen nutzt das Internet mobil. Wer dies heute in seiner Kommunikationsstrategie nicht berücksichtigt, erreicht einen Teil der Bevölkerung nicht mehr. Die meisten Menschen in Deutschland werden das Internet über verschiedene Endgeräte nutzen – je nachdem, wo und in welcher Situation sie sich gerade befinden. Jede Online-Kommunikationsstrategie muss deshalb heute schon Anwendungen für mobile Nutzung berücksichtigen – und die Kommunikationsangebote entsprechend anpassen. Bei Social Media lohnt sich ein differenzierterer Blick: Ein Großteil der Kommunikation läuft zwar noch über Facebook, aber Messengerdienste wie WhatsApp haben die klassischen Anwendungen schon überholt. Und Social Media hat sich ausdifferenziert: Natürlich nutzt eine größere Gruppe Facebook, aber spezielle Zielgruppen sind hier schon nicht mehr zu finden: Die ganz Jungen sind zu anderen Diensten wie TikTok abgewandert, die etwas Älteren nutzen eher Instagram und im beruflichen Kontext sind LinkedIn und XING längst der Standard (Beisch et al. 2019) – und auch deren Potenziale sind bisher für das Fundraising kaum erschlossen. Interessant für Organisationen der Zivilgesellschaft ist, wie viele Menschen sich für Inhalte interessieren und sich vor allen Dingen informieren wollen. Hier sind Non-­Profit-­ Organisationen und soziale Projekte vielen Unternehmen weit überlegen: Denn gute Geschichten gibt es in diesem Sektor genug. Viele müssen nicht mühsam erst entwickelt werden. Sie sind vielfach vorhanden und müssen „nur“ eingesammelt werden. Hier deutet sich eine Entwicklung an, die Non-Profit-Organisationen in den nächsten Jahren auch leisten müssen: Von einer Organisation, die von sich erzählt zu einer Medienorganisation, die vor allen Dingen Geschichten für ihr Auditorium erzählt – und die so spannend sind, dass die Rezipienten immer wieder kommen. Zusammengefasst zeigen die Daten der Internetnutzung, dass nicht nur fast die gesamte deutsche Bevölkerung, sondern im Grunde auch die meisten Menschen weltweit, über das Internet erreicht werden können. Und es stehen nicht nur die Tools zur Verfügung, die die Kommunikation ermöglichen. Darüber hinaus wollen sich Menschen im Internet informieren. Alles drei sind sehr gute Voraussetzungen, digitale Kommunikation nicht nur

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e­ inzusetzen, sondern über das Internet gezielt auf die eigenen Zielgruppen zuzugehen, sie anzusprechen, zu begeistern – und einzuladen, langfristig mitzugehen und gemeinsam die Welt ein Stück besser zu machen.

1.3

Storytelling

Es klang schon an: Das Erzählen von Geschichten wird immer wichtiger. Denn entscheidend für den Erfolg einer Online-Kommunikation ist, dass Menschen wiederkehren und sich immer wieder mit Ihren Inhalten beschäftigen. Je mehr sie dies tun, desto besser verankern Sie sich im Hirn der potenziellen Förderer und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Unterstützung. Ein Mensch, der zufällig auf einer Internetseite vorbeikommt, weil er vielleicht irgendetwas im Internet gesucht hat, wird kaum beim ersten Mal direkt spenden. Aber wenn es gelingt, Interesse zu wecken und eine Beziehung aufzubauen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf Unterstützung. Eine gute Möglichkeit hierfür ist das Erzählen von Geschichten. Geschichten bestehen immer mindestens aus den folgenden Bestandteilen: • Personen  – die Hauptperson, eventuell ein Gegenspieler und manchmal auch noch andere • einer Herausforderung oder einem Konflikt, den die Hauptperson lösen muss • einer dramaturgischen Abfolge in mindestens drei Schritten

Personen im Storytelling Jede Geschichte hat eine Hauptperson. Die Hauptperson ist aktiv und handelt. Sie löst den Konflikt oder bewältigt die Herausforderung (manchmal scheitert sie auch). Auf jeden Fall gibt es immer jemanden, der aktiv ist. Neben der Hauptperson gibt es manchmal einen Gegenspieler. Bei Stars Wars ist Darth Vader der Gegenspieler von Luke Skywalker. Er verkörpert nicht nur die dunkle Seite der Macht, sondern muss auch überwunden werden. Während in Filmen und Romanen Gegenspieler oft Menschen sind, können es bei Non-Profit-Organisationen auch Umstände sein, die die Hauptperson herausfordern. Armut, Hunger, Ungerechtigkeit, Chancenlosigkeit und vieles anderes bildet dann einen strukturellen Gegenspieler, gegen den die Hauptperson antritt. In diesem Fall handelt der Gegenspieler nicht; er stellt eine Struktur dar, die der Hauptperson Widerstand leistet. Neben Hauptperson und Gegenspieler können in den Geschichten noch weitere Personen auftreten. Häufiger gibt es Mentoren, die die Hauptperson in die Lage versetzen, sich der Herausforderung zu stellen. Was wäre Luke Skywalker ohne Obi-Wan Kenobi? Mentoren handeln nicht direkt in der Geschichte, sie unterstützen die Hauptperson und versetzen sie in die Lage, ihre Aufgabe anzugehen. Sie machen die Hauptperson fit und stehen mit gutem Rat zur Seite.

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Dann können auch noch Verbündete auftreten, die sich mit der Hauptperson auf die Reise machen. Sie sind diejenigen, die mit Abenteuer bestehen und die die Hauptperson braucht, um das Ziel zu erreichen. Häufig haben sie Fähigkeiten und Kenntnisse, die die der Hauptperson ergänzen. Konzeptionell ist zu entscheiden, wer welche Rolle übernimmt. Wer ist in Ihren Geschichten die Hauptperson? Welche Rolle übernehmen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. übernimmt Ihre Organisation? Und vor allen Dingen: Welche Rolle haben Fördernde? Haben sie keine Rolle in Ihren Geschichten, verstehen sie nicht, was ihr Beitrag sein soll, und warum sie spenden sollten. Sind sie hingegen Teil der Geschichte, sind sie in einen größeren Zusammenhang eingebunden und verstehen, welche Rolle sie haben sowie ihren Beitrag zum Gelingen der Geschichte.3 Die Herausforderung der Story Neben den Akteuren der Geschichte spielt der Konflikt oder die Herausforderung eine zentrale Rolle im Storytelling. Ohne Konflikt oder Herausforderung gibt es keine Geschichte. Denn die Hauptperson ist vor die Ausgabe gestellt, diese Herausforderung zu lösen. Bei der Lösung schauen wir zu oder sind selbst involviert. Hieraus ergibt sich die Spannung der Geschichte. Fehlt diese, ist es für uns keine Geschichte. Konflikte und Herausforderungen können unterschiedlich konstruiert sein. Im klassischen Storytelling  – wenn man sich beispielsweise erfolgreiche Hollywood-Filme oder Romane anschaut – gibt es einen Gegenspieler zur Hauptperson, der überwunden werden muss. Bei Robin Hood ist es der Sheriff von Nottingham, in Herrn der Ringe ist es Sauron. Man kann allerdings auch Geschichten erzählen, in denen die Hauptperson eine strukturelle Herausforderung überwinden muss. Dies kommt bei Non-Profit-Organisation deutlich häufiger vor: Die Protagonisten kämpft dann gegen Hunger, Ausbeutung, schlechte Ausgangsbedingungen für Kinder und junge Menschen oder gegen ein verkrustetes Schulsystem. Die strukturellen Herausforderungen sind so vielfältig wie die Zwecke von Organisationen und Missionen, die erfüllt werden sollen. Der Vorteil bei der zweiten Variante ist, dass einer der Gegenspieler nicht als Person auftritt. Das macht es etwas einfacher, da man sich nicht an einzelnen Personen abarbeiten muss. Allerdings leiden manchmal auch die Geschichten. Denn sie sind weniger griffig und es stellt sich immer wieder die Frage, warum die strukturellen Herausforderungen überhaupt bestehen, wenn niemand daran Interesse hat. Zur Mobilisierung von Förderinnen und Förderern ist es einfacher, wenn der Gegenspieler – genauso wie mögliche Opfer – personalisiert werden. Das muss dann nicht immer ein Mensch sein. Eine Organisation wie ein Unternehmen oder ein Staat eignen sich hierfür auch.

 Patenschaften sind im Fundraising erfolgreich, wenn sie eine Rolle darstellen, bei der Fördernde wissen, welche Aufgabe sie im Rahmen der Geschichte zu erfüllen haben. 3

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Dramaturgie im Storytelling Schließlich hat jede Geschichte auch eine Dramaturgie. Diese besteht aus mindestens drei Schritten: der Exposition (der Ausgangssituation), dem Hauptteil und dem Ende. Vogler (2018) unterscheidet darüber hinaus 12 Schritte, in denen typischerweise Geschichten erzählt werden. Dabei umfasst jeder der drei Akte jeweils 4 Schritte. In der Exposition wird die Ausgangssituation geschildert: Die Hauptperson hat einen Alltag, bevor die Geschichte beginnt. Dann bricht ein Ereignis über ihn oder sie hinein bzw. jemand erscheint, der den Protagonisten zum Abenteuer ruft. Mit dem Hauptteil beginnt das Abenteuer. Die Hauptperson macht sich auf den Weg, um die Herausforderung zu lösen oder den Konflikt auszufechten. Hierbei gibt es unterschiedliche Ereignisse und manchmal werden ein Mentor und Verbündete benötigt, um zum Ergebnis zu kommen. Mit dem Erreichen des Ziels – dem Spannungshöhepunkt – endet dieser Teil. Am Schluss kommt die Hauptperson als veränderte Person zurück und die Geschichte löst sich auf. Diese Dramaturgie ist für alle Menschen universell gültig, denn in allen Kulturen wurden und werden Geschichten in ähnlicher Weise erzählt. In dieser Logik verstehen wir die Zusammenhänge intuitiv. Aufgrund des Spannungsbogens  – wir wollen wissen, ob die Hauptperson ihr Ziel erreicht – und der emotionalen Entlastung am Ende der Geschichte zieht uns eine gut erzählte Geschichte in ihren Bann und fesselt uns emotional. Es existieren neurophysiologische Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen während einer Geschichte ähnliche kognitive Prozesse durchmachen wie beim eigenen Erleben. Deswegen sind Geschichten vielen anderen Formen der Kommunikation überlegen: Wir verstehen sie intuitiv und ziehen hieraus dieselben Schlüsse wie aus etwas, das wir selbst erlebt haben. Wir nutzen Geschichten, um uns über Situationen zu verständigen und wir transportieren in Geschichten Werte. Deshalb erzählen wir uns im Alltag ständig Geschichten und jeder kann Geschichten erzählen, weil er oder sie dies jeden Tag macht. Vielleicht ist es etwas ungewohnt, über das Erzählen von Geschichten nachzudenken, aber wenn man sich ein wenig beobachtet, kann man erkennen, wie Geschichten im Alltag funktionieren, und dass sie auch sehr kurz sein können. Experten schaffen es, Geschichten in drei Sätzen zu erzählen. Weniger als drei Sätze sind nicht möglich, da es für jeden der drei Akte einen Satz braucht. Narrative im Storytelling Im traditionellen Fundraising werden häufig Opfer-Narrative genutzt: Spenden werden für ein unverschuldet in Not geratenes Kind oder Tier gesammelt. Emotional wird hierbei Mitleid erzeugt. Gleichzeitig wird eine soziale Norm der Solidarität aktiviert, die besagt, dass Menschen und Tieren in Not geholfen werden muss. Im jüdisch-christlichen Kulturraum ist die mit den Begriffen „Barmherzigkeit“ und „Nächstenliebe“ verbunden. In anderen Kulturräumen besteht diese Norm ebenfalls. Sie ist in allen größeren Kulturen als Norm bekannt und aktiv und verhindert ein Auseinanderfallen von Gesellschaften. Diese Narrative spielen online eine weniger große Rolle. Die Gründe hierfür sind bisher nicht erforscht, aber man kann annehmen, dass folgende Aspekte hierbei wichtig sind:

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• Bilder, die Leid darstellen, führen eher zur Reaktanz: Statt zu spenden, ziehen sich potenzielle Förder/innen aus der Situation zurück, da sie die Bilder nicht ertragen (Keller 2008). • Im Gegensatz zu vielen anderen Medien wird das Internet meistens intentional genutzt. Wenn man sich mit etwas beschäftigen will, werden Werbung und andere Formen der Unterbrechung ausgeblendet oder als störend empfunden. Dies trifft auch auf Spendenappelle zu. • Im Internet wird eine andere, jüngere Zielgruppe erreicht. Diese reagiert aufgrund persönlicher Erfahrungen anders. Haben ältere Zielgruppen noch selbst Leid und Not in Kriegs- und Nachkriegszeit erfahren (die „besten“ Spender/innen sind deutlich über 70), gilt dies für die nächsten Generationen nicht mehr. Sie können deshalb auch weniger gut über Opfer-Narrative angesprochen werden. Häufiger sind Organisationen im Internet erfolgreich, wenn Sie andere Geschichten erzählen. Gemeinsam die Welt zu retten und sie gezielt zu verändern ist eine Haltung, die besser zu jüngeren Zielgruppen passt. Geschichten von Veränderungen zu erzählen, die sich auf eine gemeinsam geteilte Mission beziehen, kann eine erfolgreichere Strategie sein als das Erzählen von Opfern, denen dringend geholfen werden muss. Im Fundraising und damit auch in der Online-Kommunikation sind Geschichten ein zentrales Werkzeug, um Beziehungen zu schaffen, Verständnis zu erzeugen und Werte zu vermitteln. Dabei wirken Geschichten stärker als rationale Erklärungen und Beschreibungen. Und selbst wenn man Geschichten und rationale Erklärungen mischt, sinkt die Bereitschaft zum Spenden. Deshalb ist es wichtig, Geschichten einen zentralen Raum in der Fundraising-Kommunikation einzuräumen. Weitere Textgattungen, die in der Kommunikation, und damit auch online, benötigt werden, sind: • Das Mission Statement, um eine Basis aus geteilten Werten und gemeinsamen Zielen zu schaffen. • Testimonials, die erzählen, warum sie sich für Ihre Organisation engagieren. • Technische Texte, die über den Prozess des Spendens und der weiteren Kommunikation informieren. Je nachdem, in welchem Stadium der Entscheidung über das Spenden sich potenzielle Förderer befinden, kommen andere Textgattungen infrage: Mit dem Mission Statement wird die Basis der Beziehung geschaffen (Warum sollen wir gemeinsam aktiv werden?). Mit den Geschichten wird ein Verständnis über die Organisation und ihre Arbeitsweise erzeugt: Werte, die im Mission Statement auftauchen, werden anhand der Praxis dargestellt. Steht die Entscheidung über die Spende an, sind Testimonials wichtig, die die Entscheidung positiv verstärken. Und die technischen Texte erklären nach der Entscheidung, wie der Prozess vonstattengeht.

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Beim Aufbau der Kommunikation sind psychische Aspekte der Wahrnehmung und Entscheidung zu berücksichtigen. So sind potenzielle Förderer schnell überfordert. Deshalb ist es besser, Geschichten mit nur einer Person zu erzählen. Am besten ist es darüber hinaus, wenn diese Person einen Namen und ein Bild hat. Je besser wir uns vorstellen können, für wen die Spende ist und welchen Effekt sie für diese Person (oder dieses Tier) hat, desto höher fallen Spenden aus. Das Erzählen einer Geschichte über eine individualisierte Person ist ein erster Schritt für eine Beziehung zwischen den Spendenden und den Empfängern der Leistung. Diese kann unterschiedlich ausfallen. Menschen können ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder können sich in die Situation der anderen hineinversetzen. Je stärker die Sympathie mit den Empfängern ausfällt, desto eher sind Menschen bereit, sich finanziell zu engagieren. Die Spendenbitte im Storytelling Weitere Aspekte spielen bei der Dramaturgie der Spendenbitte eine Rolle: Je näher Sie Ihrem Fundraisingziel kommen, desto eher und finanziell höher beteiligen sich Menschen daran, das Ziel zu erreichen. Sie sehen dann das Ende schon und wissen, dass sie bei einem erfolgreichen Projekt mitmachen. Ein ähnlicher Effekt tritt auf, wenn das Fundraising eine zeitliche Deadline hat. Je näher Sie der Deadline kommen, desto häufiger engagieren sich Menschen. Durch die Deadline wird eine Entscheidungssituation aufgebaut: Wer sich jetzt nicht entscheidet, gehört eventuell kurze Zeit später nicht mit zum Kreis der Unterstützer/innen. Der Gefahr, etwas zu verlieren oder eine Chance nicht zu nutzen, versuchen wir zu entgehen, wie jeder Verkäufer weiß, der Sonderangebote auslobt. Diese „Fear of Loss“ ist tief in unserer Psyche verankert. Je mehr Menschen sich selbst anstrengen, um Ihnen zu spenden, desto höher fallen die gegebenen Beträge aus. Läuft jemand einen Marathon oder fährt eine längere Strecke mit dem Fahrrad, besteht schon ein großes Commitment mit Ihrer Non-Profit-Organisation, die die Grundlage für die Entscheidung ist. Entsprechend spenden Menschen auch eher, wenn sie vorher etwas von ihrer Zeit gegeben haben. Wird zunächst eine Petition unterschrieben, besteht schon eine inhaltliche Beziehung, die dann mit der Bitte um eine Spende fortgesetzt wird. Hinzu kommt, dass Fördernde mit ihrer Spende einen Unterschied machen wollen. Wichtig ist deshalb zu beschreiben, wie die Spende wirkt und was durch die Spende bewirkt werden konnte. Diese Rückmeldung ist einer der wesentlichen Aspekte, wenn es zu einer langfristigen Beziehung kommt. Können Fördernde darüber hinaus über die Verwendung ihrer Spende mitentscheiden, beispielsweise wer ein ausgelobtes Stipendium bekommt, erhöht dies ebenfalls die Bereitschaft, sich langfristig mit höheren Beiträgen zu engagieren.4

 Für eine Übersicht über die hier beschriebenen psychischen Effekte des Spendens und Verweise auf die einzelnen Studien: Gauss (o. J.); Whillans (2016) und Fischer (2015).

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Diese Informationen und Geschichten müssen so auf der Website angeordnet werden, dass sie die Nutzer nicht überfordern. Denn je mehr Informationen eine Internetseite enthält, desto besser muss nicht nur die grafische Führung sein, sondern auch die Übersichtlichkeit der Seite. Für den grafischen Aufbau bzw. die Anordnung der Informationen hat sich eine Orientierung am „F“ als hilfreich herausgestellt. Der Aufbau folgt damit der Lesegewohnheit und der Blickrichtung unserer Augen: Das Auge setzt oben links an, bewegt sich dann nach rechts. Anschließend läuft der Blick zurück, ein Stück nach unten und dann wieder in der Diagonalen nach rechts. Dies bedeutet, dass die wichtigsten Informationen oben links und in den benachbarten Feldern stehen sollten. Unwichtigere Informationen stehen rechts, da hier das Auge seltener hinschaut und diese Informationen deshalb seltener wahrgenommen werden.

1.4

Von der Geschichte zur Donor-Journey

Fundraising basiert auf dem Aufbau von Beziehungen. Da diese aufgebaut und gepflegt werden müssen, reicht in der Regel ein einmaliger Appell nicht aus, um eine Spende zu erhalten bzw. nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Entsprechend gestaltet sich die Kommunikation im Fundraising anhand der Donor-Journey: Potenzielle Förderer werden mitgenommen, die Organisation kennenzulernen, Vertrauen und Beziehungen aufzubauen, um dann um Unterstützung gefragt zu werden. Die Donor-Journey umfasst 7 Schritte, die nacheinander gegangen werden: 1. Gerade im Internet muss zunächst der Ort identifiziert werden, an welchem sich potenzielle Förderer aufhalten und angesprochen werden können. Dieser Ort kann eine Suchmaschine sein oder ein Blog bzw. ein anderes Online-Medium, aber auch eine Werbung. Je nach Zielgruppe und dem Anliegen kommen unterschiedliche Orte infrage. Die Auswahl des Orts orientiert sich nach dem Kommunikationsverhalten der jeweiligen Zielgruppe. Der Ort muss nicht zwingend im Internet sein. Denkbar sind auch Artikel in Zeitschriften und Zeitungen oder Berichte in TV bzw. Radio. Hilfreich ist ein Bezug zum Thema der Organisation und der identifizierten Problemlage. Hier kann relativ schnell ein Bezug hergestellt und die Leser bzw. Zuhörer können auf die eigene Internetseite verwiesen werden, um hier das Thema weiter zu vertiefen. 2. Wenn der Ort gefunden wurde, muss die Aufmerksamkeit der potenziellen Förderer gewonnen werden. Neben dem Mitleid ist dies im Internet vor allen Dingen die Kommunikation von Missständen und Problemen, die bearbeitet werden müssen. Gerade wenn Werte verletzt werden, die für die potenziellen Förderer wichtig sind, werden Emotionen angesprochen und Reaktionen ausgelöst. 3. Nachdem Interesse geweckt worden ist, geht es darum, Adressen zu gewinnen, um im nächsten Schritt die potenziellen Förderer wieder ansprechen zu können. Das Angebot aktueller Informationen  – gerade auch, wie die Bearbeitung des Missstands weitergeht – kann ein interessantes Angebot sein, um in Kontakt zu bleiben.

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4. Wurden die Adressdaten gewonnen, geht es im nächsten Schritt um ein gegenseitiges Kennenlernen. „Gegenseitig“ ist hierbei wichtig. Denn die Organisation lernt, auf welche Themen und Ansprachen die potenzielle Förderin reagiert, welche Informationen angeschaut werden und unter welchen Bedingungen eine Reaktion erfolgt. Je spezifischer die Erkenntnisse sind, desto individueller kann die folgende Kommunikation ausgesteuert und ein entsprechendes Angebot zur Unterstützung unterbreitet werden. Potenzielle Förderer lernen ihrerseits die Organisation, die Themen und die Herangehensweise kennen. Ihnen wird vertraut und sie bauen über die Dauer der Beziehung Vertrauen auf. Wenn das gegenseitige Kennenlernen abgeschlossen ist, kommt es zum nächsten Schritt. 5. Mit der Einladung zur Unterstützung erfolgt der eigentliche Spendenakt. Je besser die Beziehung aufgebaut wurde und je besser sich beide Seiten kennen, desto individueller kann ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden und desto eher kommt es zur Spende. 6. Unmittelbar nachdem es zur Spende gekommen ist, geht es um Dank und Wertschätzung. Entscheidend dabei ist nicht, ob beides ausgesprochen wird, sondern wie es ankommt. Es kann leicht passieren, dass ein Dank per E-Mail nicht wahrgenommen oder als nicht adäquat eingeschätzt wird. Beides muss zum Spendenden und seinen Wünschen und Bedürfnissen passen. 7. Langfristig geht es dann um ein Involvieren und Engagieren der Fördernden. Regelmäßige Informationen sind ebenso Pflicht wie eine Einbindung in die Aktivitäten. Hier bieten sich heute mit Videocalls und anderen Techniken eine Reihe von Möglichkeiten an, die vielfach noch nicht annähernd ausgeschöpft worden sind.

Kampagnen zum Kontaktaufbau Gut können auch Kampagnen zum Aufbau von Kontakten eingesetzt werden. Ziel der meisten Kampagnen ist neben der Gewinnung von Aufmerksamkeit auch eine Handlung, beispielsweise die Unterstützung einer politischen Position in einer Petition. Die Bewerbung einer Online-Petition kann deshalb neben der Dokumentation der Anzahl der Unterstützer/innen, die das Anliegen unterstützen, auch dem Aufbau von Kontakten dienen. Der Vorteil von Kampagnen kann auch darin liegen, dass die Kontaktnetzwerke der Unterstützer/innen mit genutzt werden können. Wenn diese den Aufruf an ihre Kontakte weiterschicken, können Menschen erreicht und interessiert werden, die von der Organisation selbst nicht erreicht werden könnten. Hinzu kommt, dass davon ausgegangen werden kann, dass Kontakte von Unterstützer/innen tendenziell eher bereit sein dürften, sich auch in der Kampagne zu engagieren, da Menschen sich mit Menschen umgeben, die ihnen ähneln. Dies bezieht sich auch auf Werte und Einstellungen, die die Basis für die Beteiligung an einer Kampagne sind. Hinzu kommt, dass Menschen eher reagieren, wenn andere schon auf den Aufruf reagiert haben.

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In der Regel besteht auch eine gute Möglichkeit, im Rahmen einer Kampagne die Kontaktdaten der Unterstützer inklusive der Erlaubnis ihrer Nutzung erheben zu können. Betrachtet man das Narrativ vieler Kampagnen, dann werden Geschichten erzählt, die nicht abgeschlossen sind. Der Abschluss der Geschichte setzt die Beteiligung der Unterstützenden voraus. Damit wird eine Situation geschaffen, die im Storytelling als „Cliffhanger“ bezeichnet wird: Kurz vor dem Höhepunkt bricht die Geschichte ab und schafft so eine emotionale Bindung der Rezipienten an die Geschichte: Sie wollen wissen, wie sie ausgeht. Dasselbe Prinzip kann auch in Kampagnen eingesetzt werden: Die erzählte Geschichte setzt die Unterstützung voraus und wenn Unterstützende das – hoffentlich positive – Ergebnis erfahren wollen, können sie ihre E-Mail-Adresse bzw. andere Kontaktdaten hinterlassen. Das Anbieten von Informationen, wie Geschichten weitergehen, ist häufig ein gutes Angebot, dass Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte ihren Unterstützern machen können, um Kontaktdaten und die Erlaubnis ihrer Nutzung gewinnen zu können. Postadressen können gewonnen werden, wenn Informationen angeboten werden, die nur zugeschickt werden können. Unter Umständen sind die Erstellung und Produktion solcher Informationen teurer, dafür können postalisch nutzbare Adressen gewonnen werden. Dies ist hilfreich, da häufig bei der Spendenbitte die gleichzeitige Nutzung mehrerer Kanäle die Responsequote erhöhen kann. Zum gegenseitigen Kennenlernen und für die Bitte um eine Spende können neben den Online-Kanälen auch andere Kanäle und Medien eingesetzt werden. Welche sich hierfür eignen, muss in jedem Einzelfall getestet werden. Auch der Wechsel der Kanäle kann angezeigt sein, sowie die Ansprache über mehrere Kanäle. Auch neuere Verfahren, wie Videocalls, Live-Storys oder Webinare können sich eignen, damit sich potenzielle Förderer ein Bild von der Organisation und Organisationen sich ein Bild von den Interessenten machen können. In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass es sinnvoll ist, auf unterschiedlichen Kanälen mit (potenziellen) Förderern zu kommunizieren. Reine Online-Kommunikation führt für die meisten Zielgruppen – Ausnahmen bestätigen die Regel – zu schlechteren Ergebnissen. Erst dann, wenn Förderer über die Kanäle erreicht werden können, über die sie jeweils zur passenden Zeit angesprochen werden wollen, mit den Inhalten, die sie interessieren, gelingt ein langfristiger Beziehungsaufbau. Wenn dann noch über alle Kanäle gleiche Erfahrungen vermittelt werden, besteht die Chance, eine Marke nachhaltig aufzubauen und Fördernde langfristig mitzunehmen.

1.5

Fazit

Online-Kommunikation in den unterschiedlichsten Facetten hat sich in den letzten Jahren in Deutschland fast überall durchgesetzt. Auch wenn die Zahlen noch zeigen, dass über 70-Jährige oder auch Menschen mit niedrigerem Einkommen, niedrigerer formaler Bildung und auf dem Land wohnend noch nicht zu 100 % erreicht werden – die Mehrzahl

1  Moderne Online-Kommunikation von Non-Profit-Organisationen

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aller Menschen in Deutschland nutzt das Internet, auch mobil und mit immer noch zunehmenden Nutzungszeiten und -häufigkeiten. Und der Anteil der Menschen, die das Internet nicht nutzen, wird immer kleiner und in wenigen Jahren weitgehend verschwunden sein. Damit kann sich heute keine Organisation mehr leisten, auf Online-Kommunikation zu verzichten. Die eigene Internetseite oder das Profil auf Facebook sind dabei nur das Mindeste; vielmehr verändert die Einbindung von digitalen Medien die Kommunikation an sich. Klassische Formen, wie sie aus dem Direktmarketing bekannt sind, funktionieren immer weniger und sind für die Kommunikation im Internet nicht immer adäquat. Damit stehen alle Organisationen vor einem dreifachen Lernprozess: Auf der einen Seite müssen digitale Medien technisch beherrscht werden. Auf der anderen Seite sind neue Formen der Kommunikation zu entwickeln, die über die Anforderungen des Direktmarketings hinausgehen. Diese sind schließlich mit klassischen analogen Medien so zu verbinden, dass sich den Spendenden sowohl ein homogener Eindruck über alle Medien hinweg vermittelt, als auch die Freiheit, entscheiden zu können, was sie wann über welchen Kanal erhalten wollen. Aus diesen Ausführungen wird schon deutlich, dass der erfolgreiche Einsatz digitaler Kommunikation mit einem Changeprozess verbunden ist, der sowohl an Qualifikationen, Prozesse, technische Ausstattung als auch an die Verteilung von Ressourcen neue Anforderungen stellt. Nur wer sich auf diesen Prozess zur Entwicklung der Institutional Readiness einlässt (Abschn. 2.3), wird die Veränderungen, die aufgrund einer neuen Generation von Förderern auf die Organisationen zukommen, bewältigen können.

Literatur ARD ZDF, ARD-ZDF Onlinestudie. (2019). http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2019/Ergebnispraesentation_ARD_ZDF_Onlinestudie_PUBLIKATION_extern.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Beisch, N., Koch, W., & Schäfer, C. (2019). ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 – Mediale Internetnutzung und Video-on Demand gewinnen weiter an Bedeutung. Media Perspektiven, 9, 374–388. Burk, P. (2003). Donor-centered Fundraising. How to hold on your donors and raise much more money. Chicago: Burk & Associates Ltd. Eurostat. (2019). Anteil der Personen in Deutschland, die das Internet zum Telefonieren oder Videoanrufe nutzen, in den Jahren 2008 bis 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/457978/ umfrage/nutzung-von-internettelefonie-oder-videotelefonie-in-deutschland. Zugegriffen am 30.05.2020. Fischer, K. (2015). Warum Menschen Spenden. Ein Beitrag zur Gabe-theoretischen Fundierung des Fundraisings. Hamburg: Mission-Based Verlag. Fischer, K. (2019). Mission-based Fundraising. Höhere Spenden durch langfristige Beziehungen. Hamburg: Mission-Based Verlag. Fischer, K. (2020). Die Bedeutung der Retention-Rate für den Fundraising-Erfolg. White Paper Mission-Based Consulting. Hamburg. http://www.mission-based.de/files/cto_layout/PDFs/ÖkonomiedesFundraisingsII_Layout.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Gauss, A. (o. J.). 6 Fundraising psychology hacks you need to know. https://www.classy.org/blog/6-fundraising-psychology-hacks/. Zugegriffen am 17.05.2020.

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Dr. Kai Fischer  ist zertifizierter Fundraiser und berät seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführungen, Vorstände und Fundraiser/innen beim Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen, damit die Ressourcen nachhaltig zur Verfügung stehen, die benötigt werden, um die jeweilige Mission zu erfüllen. Er war der erste Experte in Deutschland, der sich systematisch mit digitaler Kommunikation und Online-Fundraising auseinandergesetzt hat. Seine Beratungsschwerpunkte sind darüber hinaus Strategie und Einführung von Fundraising in Organisationen sowie Kapital-Kampagnen und die Gewinnung neuer Spender/innen. Kai Fischer lehrt an der HWR in Berlin und ist Dozent der Fundraising Akademie. Er hat fünf Fachbücher zu Fundraising-Themen geschrieben; zuletzt „Mission-based Fundraising“. Sie können Dr. Kai Fischer unter www.mission-based.de und [email protected] erreichen.

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Einführung in das Digitale Fundraising Jörg Reschke

Inhaltsverzeichnis 2.1  Digitales Fundraising  2.2  Stand des Online-Fundraisings in Deutschland  2.3  Institutional Readiness für Digitales Fundraising  2.4  Digital Changemaker in der Organisation  2.5  Fazit  Literatur 

 20  27  32  38  43  43

Zusammenfassung

Aus Sicht des Fundraisings stellt das Digitale Fundraising einen Wendepunkt in Bezug auf den digitalen Wandel dar. Das zunächst instrumentelle Verständnis von Online-­ Fundraising verändert sich hin zu einer selbstverständlichen Ergänzung digitaler Technologien in das gesamte Fundraising. In diesem Kapitel wird die Entwicklung des Online-­Fundraisings beschrieben und es werden drei Handlungsebenen des Digitalen Fundraisings aufgezeigt. Förderliche Rahmenbedingungen für das Digitale Fundraising ergeben sich insbesondere aus der Herausbildung einer Institutional Readiness, wie sie vom Digital Changemaker innerhalb einer Organisation angeregt werden kann.

J. Reschke (*) sozialmarketing.de, Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_2

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2.1

J. Reschke

Digitales Fundraising

Digitales Fundraising – was ist das und was soll es sein? Ein E-Mail-Newsletter und Spendenbitten auf einer Facebookseite? Wenn Großspenden und Unternehmenspartnerschaften per Twitter ausgemacht werden? Oder reicht bereits ein Spendenformular auf der Internetseite um von Digitalem Fundraising zu sprechen? Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Online-Fundraising und Digitalem Fundraising? Es gab bislang kein einheitliches Verständnis davon, was Online-Fundraising ist. Grund hierfür ist unter anderem, dass eine Abgrenzung zwischen Online- und Offline-Fundraising bzw. Online- und Offline-Spenden sich als nicht trivial erweist (Urselmann 2014). Die klare Zuordnung einer Spende zu einem einzigen Vertriebs- und Kommunikationskanal fällt aufgrund der zunehmenden Vielzahl schwer. In einer kanal- und medienübergreifenden Fundraising-Kommunikation ist es nicht ungewöhnlich, dass beispielsweise ein Großflächenplakat oder das Print-­ Mailing einer Non-Profit-Organisation einen Link per QR-Code einbettet. Das Offline-Medium dient hier als Auslöser der Kommunikation. Nutzer, die den Code mit ihrem mobilen Endgerät scannen, werden auf die Internetseite der Organisation geführt. Wo die Kommunikation beispielsweise auf einer Landingpage fortgeführt wird und idealerweise zu einer Spende (z. B. per bei ApplePay hinterlegter Kredikarte) führt. Engt man die Definition lediglich auf die Vertriebskanäle (z. B. Spendenformular auf der Internetseite) ein, so bleibt unklar, auf welchem Wege die Spender dazu bewegt wurden, eine Spende zu tätigen. Der Fokus auf die einzelnen Kommunikationskanäle (z. B. E-Mail) wiederum lässt nur sehr begrenzt Rückschlusse darüber zu, welche anderen Kommunikations- und Vertriebskanäle hier gegebenenfalls gemeinsam gewirkt haben und wie der Erfolg der Maßnahme diesen gemeinsam zugeschrieben werden kann. Die Betrachtung des Spendenkanals (z. B. Überweisung), bringt erst recht wenig Aufschluss darüber, wie die Spende tatsächlich zustande kam. In der Praxis trifft man auf sehr unterschiedliche Einschätzungen, was Online-Fundraising bedeuten soll. Im Grunde genommen lassen diese sich auf unterschiedliche Verständnisse digitaler Kommunikation zurückführen. Drei unterschiedliche und aufeinander aufbauende Definitionen von „Online-Fundraising“ mögen dabei helfen, die Unterschiede deutlich zu machen. cc Internet-Fundraising  umfasst alle Maßnahmen, die über einen internetbasierten Vertriebskanal zu einer Spende für eine gemeinnützige, mildtägige oder kirchliche Organisation im Sinne der Abgabenordnung führen. Der Vertriebskanal Internet bildet den Mittelpunkt dieser Definition. Ein Beispiel für das Internet-Fundraising ist die Einbettung eines Spendenformulars auf der Internetseite der Organisation. Hier gelangt ein Nutzer beispielsweise über einen Spendenbutton auf der Startseite zum Spendenformular, füllt alle notwendigen Felder für die Transaktion aus und sendet diese ab. Der Fokus der Beschaffung liegt hier einzig auf der Geldspende. Typisch für Internet-Fundraising von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten ist, dass sie die Inhalte und Logiken allgemeiner (Offline-)Maßnahmen des Fundrai-

2  Einführung in das Digitale Fundraising

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sings auf die internetbasierten Werkzeuge übertragen werden. So wird beispielsweise das Print-Mailing im E-Mailing wiederholt, es werden Plakatmotive als Bannerwerbung geschaltet und Facebookseiten vor allem deshalb betrieben, weil es negativ auffallen würde, dort nicht vertreten zu sein. Ein nennenswertes Investment in internetbasierte Spenderkommunikation findet kaum statt und entsprechend dürften die zu erwartenden Erlöse eher gering ausfallen. Mit der Entwicklung des Web 2.0 und der Etablierung von Social-Media-Diensten im Alltag der Menschen, hat sich die Wahrnehmung von internetbasierter Kommunikation in den vergangenen Jahren deutlich verändert (Abschn. 1.2). Eine eher statische und wenig dialogorientierte Kommunikationspolitik des Web 1.0 entspricht nicht mehr den Ansprüchen der Menschen und den Anforderungen der digitalen Plattformen. Die Internetseite einer Organisation bildet zwar den Mittelpunkt des Multichannel-Online-Fundraising (Urselmann 2014), ist aber nur noch ein Kontaktpunkt von vielen. Zahlreiche weitere Instrumente des Online-Marketings wurden in die Fundraising-Kommunikation aufgenommen und führten zu einem breiteren Verständnis von Online-Fundraising. cc Online-Fundraising  umfasst sämtliche internetbasierten Kommunikationsmaßnahmen einer gemeinnützigen, mildtägigen oder kirchlichen Organisation im Sinne der Abgabenordnung, die zur Ressourcenbeschaffung beitragen. Anders als das Internet-Fundraising, ist das Online-Fundraising nicht mehr nur auf den Vertriebskanal Internet festgelegt. Online-Kommunikationsmaßnahmen werden flankierend zur Steigerung der Markenbekanntheit, des Community-Aufbaus und der Spenderbindung eingesetzt. Auch ist hier festzustellen, dass die Organisation als Absender und Dirigent im Zentrum der Kommunikation steht, die sie orchestriert. Der Ressourcenbegriff ist bereits weiter gefasst, denn mit den gleichen Instrumenten werden neben dem Spendenziel beispielsweise auch Advocacy-Ziele mit Online-Petitionen oder die Akquise von Freiwilligen erreicht. In der Praxis bedeutet dieses Verständnis von Online-Fundraising, dass neue internetbasierte Werkzeuge wie Spendenplattformen, Display-Kampagnen und E-Mail-Marketing in das Portfolio der Fundraising-Maßnahmen aufgenommen werden. Kampagnen werden interaktiver gestaltet und nutzen eine größere Bandbreite an Medienformaten in der Kommunikation. Aus externer Beratungsperspektive gewinnt der Autor den Eindruck, dass sich einige problematische Szenarien bei der Einführung von Online-Fundraising in Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten häufig wiederholen: Erstens wird die Auswahl der Online-Fundraising-Werkzeuge teils nicht mit Blick auf die übergreifende Fundraising-Strategie hin ausgewählt und angepasst. Zweitens sind es mitunter eher einzelne Leuchtturmprojekte, mit denen einzelne Organisationen ihre Online-Innovationskraft darstellen wollen und dies unter Zuhilfenahme von externen Ressourcen sicherstellen. Da­ runter leiden die nachhaltige Verankerung der Werkzeuge und die schrittweise Professionalisierung im Umgang mit diesen innerhalb der Fundraising-Teams. Drittens fehlt es an ausreichend Aufmerksamkeit und Zeit, die Werkzeuge jeweils so tief gehend einzuführen, dass nennenswerte Beiträge für das Fundraising erzielt werden.

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J. Reschke

Das Grundproblem des Online-Fundraising ist folgendes: Die Werkzeuge werden meist einzeln für sich betrachtet. Eine kanalübergreifende Kommunikation findet kaum statt und wenn, dann verfolgt sie einen One-size-fits-all-Ansatz, ohne dass auf die einzelnen Inte­ ressenten und Spender individuell eingegangen wird. Zudem führt die Zuspitzung von Online-Fundraising auf direkte Spenden auf der eigenen Internetseite häufig zum Fokus auf Neuspendergewinnung. Eine Einbeziehung von Online-Fundraising in andere Bereiche wie beispielsweise das Erbschaftsmarketing wird so verhindert. Die Autoren dieses Buches sind davon überzeugt, dass ein selbstreferenzielles Online-Fundraising, welches losgelöst von anderen Fundraising-Maßnahmen geplant und umgesetzt wird, keinen Idealzustand darstellt. Es bedarf einer umfassenden Vernetzung sämtlicher Maßnahmen zur Ressourcenbeschaffung, um eine spenderzentrierte Steuerung und Ausrichtung der Interaktionsangebote sicherzustellen. cc Digitales Fundraising  bezeichnet sämtliche Vertriebsmaßnahmen unter Verwendung digitaler Technologien zur Individualisierung und vernetzten Kommunikation, die zur Ressourcenbeschaffung einer gemeinnützigen, mildtägigen oder kirchlichen Organisation im Sinne der Abgabenordnung beitragen. Was das Digitale Fundraising vom Online-Fundraising unterscheidet, ist zum einen die Zusammenfassung sämtlicher Vertriebsmaßnahmen, ohne notwendigerweise auf einen internetbasierten Transaktionsweg einzugrenzen. Vielmehr liegt in der Verwendung digitaler Technologien zur Individualisierung die Basis für erstens eine individualisierte und auf die Interessenten oder Spender passgenaue und zweitens eine vernetzte Kommunikation über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg, wobei auf der bisherigen Interaktionshistorie aufgebaut wird. In der Praxis bedeutet Digitales Fundraising, dass nicht mehr die Internetseite im Mittelpunkt der Kommunikation steht, sondern dass sich der Fokus auf die Förderinnen und Förderer richtet, und ihre Bedürfnisse bezüglich der Inhalte, Frequenz und den Kanälen der Kommunikation respektiert werden (Abschn. 1.1). Digital bedeutet hier nicht notwendigerweise nur internetbasierte Kommunikation, sondern vielmehr den Einsatz digitaler Fundraising-Technologien für die effiziente und effektive Spenderansprache unabhängig davon, auf welchem Kommunikationskanal der letzte Touchpoint vor der Spendentransaktion stattfindet. Voraussetzungen für ein solches Vorgehen sind die erforderliche technische Basis und die Konzeption von Donor Journeys (Abschn. 9.1.1). Ein weiterer definitorischer Unterschied ist, dass die Vertriebsmaßnahmen nicht mehr nur von der Non-Profit-Organisation ausgehen (müssen). Anders als beim Online-­Fund­ raising, wo die Kommunikationsmaßnahmen durch die Organisation orchestriert werden, sind es die Spender, die die für sich passenden Kanäle auswählen und gegebenenfalls übergreifend fortführen. An dieser Stelle kommen beispielsweise Werkzeuge des Peer-toPeer-Fundraising (Abschn. 8.1) zum Einsatz, die Aktivisten ermöglichen selbst Anlassund Aktionsspenden zu starten, deren Inhalt und Kommunikationsmaßnahmen von Seiten der Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekte kaum gesteuert werden können.

2  Einführung in das Digitale Fundraising

cc

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Insgesamt beschreibt Digitales Fundraising eine grundsätzlich spenderzentrierte und digitalen Innovationen gegenüber offene Haltung, die in sämtlichen Fundraising-Maßnahmen zum Tragen kommen kann.

Im Prinzip haben Internet-Fundraising, Online-Fundraising und Digitales Fundraising alle ihre Berechtigung. Sie spiegeln das unterschiedliche Verständnis der handelnden beziehungsweise sprechenden Akteure wider. Eine Orientierung am Internet-Fundraising geht in der Regel mit einem gering ausgeprägten Verständnis des digitalen Wandels einher. Häufig ist dies geprägt von wenig Kenntnis über Werkzeuge und Mechanismen, schwacher Handlungserfahrung und daraus folgend dem Ausbleiben einer strategischen Priorisierung. Eine solche Haltung ist durchaus nachvollziehbar, wenn die Notwendigkeit zur Neuspendergewinnung aufgrund treuer Spender relativ gering ist und die Bestandsspender absehbar auch zukünftig kaum den Einsatz digitaler Kommunikationsmittel erwarten. Letztere Argumentation verliert jedoch an Halbwertszeit, wenn mittlerweile generell mehr als 90 % der Gesamtbevölkerung online sind und 71 % sogar täglich das Internet nutzen (Beisch et al. 2019). Das Online-Fundraising entspricht der aktuellen Realität vieler spendensammelnder Organisationen. Es wird als Teil des Fundraising-Portfolios geführt neben Direct Mailing, Face-to-Face, Erbschaftsfundraising und anderen Instrumenten. Je nach Größe des Teams wird in den meisten Fällen ein wenig Online-Fundraising „nebenbei“ erledigt oder einzelne Personen beziehungsweise kleine Teams sind für die Pflege der Internetseite unter Fundraising-Gesichtspunkten sowie die Betreuung einiger Werkzeuge wie Suchmaschinenwerbung und Spendenplattformen zuständig. Diese Personen verfügen meist über erste Erfahrungen im Online-Marketing, die sie sich selbst beigebracht oder in Seminaren angeeignet haben. Mit knappen Zeitressourcen und geringen Budgets können diese Online-­Fundraiser außerhalb von Leuchtturmprojekten wie einem Relaunch oder einzelnen Kampagnen relativ wenig bewegen. Die Spendeneinnahmen entsprechen der geringen strategischen Priorisierung. Pragmatisch ist diese Antwort und Haltung, weil sie von den Mitarbeitern wenig Veränderungsbereitschaft und von den Vorständen wenig Investitionen in neues Personal verlangt. Mit dem Digitalen Fundraising geht eine sehr innovations- und technologieaufgeschlossene Haltung einher, wie sie in Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten bislang nicht selbstverständlich ist. Der Anspruch von Online-Fundraisern, bei sämtlichen Fundraising-Maßnahmen eingebunden zu sein und vorab Tests durchführen zu wollen, entspricht in den meisten Fällen nicht ihrer informellen Rolle in der Organisationshierarchie. Zudem kann hier teilweise mehr von einer Vision als von gelebter Fundraising-Praxis gesprochen werden. Die tatsächliche Verzahnung und Teil-Automatisierung aller Kommunikationsinstrumente, die Verarbeitung und Analyse großer Spenderdaten, setzen eine technologische Basis an Customer Relationship Management (CRM) voraus, die in den wenigsten Fällen bereits zufriedenstellend gegeben ist. So besteht die Gefahr, dass hier zu

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J. Reschke

große Erwartungen auf schnelle Erfolge geschürt und dabei der langsame Prozess der Organisationsentwicklung unterschätzt wird. Alle drei Ansätze und die Haltungen, für die sie stehen, sind grundsätzlich richtig und nachvollziehbar vor dem Hintergrund der jeweiligen Institutional Readiness (Abschn. 2.3). Zudem sind sie historisch begründet – sie entsprachen dem Zeitgeist verschiedener Jahrzehnte. Im Sinne einer progressiven Entwicklung hin zu einer weiteren Professionalisierung des Fundraisings insgesamt, sollte es das Ziel aller Fundraiser sein, digitale Technologien zielgerichtet einzusetzen, Innovationen zuzulassen und selbst voranzutreiben. Der Kern erfolgreichen Online-Fundraisings liegt in der pragmatisch-optimistischen Vorgehensweise und mit dieser Perspektive wurde das vorliegende Buch geschrieben. Die Autoren dieses Buches sind davon überzeugt, dass Digitales Fundraising mehr als die Ergänzung einiger Online-Fundraising-Werkzeuge ist. Erst wenn sich das Online-­ Fundraising selbstverständlich in sämtliche Fundraising-Maßnahmen sinnvoll einfügt sowie diese auf Basis umfassender Spender- und Interaktionsanalysen miteinander verzahnt, dann kann von Digitalem Fundraising gesprochen werden. Entwicklung des Online-Fundraisings Erst Ende der Neunzigerjahre erreichte das Internet mit zunehmender Verbreitung von DSL-Leitungen den Durchbruch in der allgemeinen Bevölkerung. Im Jahr 2007 stellte Apple das erste iPhone vor und war Wegbereiter für viele weitere Smartphones, die in den Folgejahren den mobilen Internetzugang zum allgegenwärtigen Begleiter machten. Vor diesem Hintergrund beschrieben Reschke und Hölderle (2016) die ersten Entwicklungsschritte von Online-Fundraising: „Mit dem Aufkommen des Internets gehört es spätestens seit Ende der Neunzigerjahre zum Standard für Non-Profit-Organisationen eine eigene Webseite zu betreiben. Das Online-Fundraising dieser frühen Jahre beschränkte sich auf das Darstellen der Kontoverbindung, die Unterstützer auf ihre Blanko-Überweisungsträger übertragen konnten. In den Folgejahren fand das Online-Fundraising seine Erweiterung im Bereich von Bannerwerbung und Linkaufbau, um einen höheren Traffic auf die eigene Webseite zu lenken. Mit Spendenformularen wurde zudem ermöglicht, die Spenden-Transaktion auf der eigenen Webseite anzubieten, anstatt den Umweg über das persönliche Online-­Banking der Nutzer zu beschreiten. Nach der Jahrtausendwende verlagerte sich das Online-Fundraising hin zu Spenden-­Plattformen. Diese und andere Anbieter von Online-Fundraising-Instrumenten e­ tablierten sich als Dienstleister, die Spenden kostengünstiger und professioneller abwickeln konnten, als es Organisationen alleine schaffen würden. Insbesondere kleinen und mittelgroßen Organisationen gelang hiermit der Einstieg ins Online-Fundraising. Ein Schlüsselereignis für das Online-Fundraising in Deutschland stellte die Erdbeben-­Katastrophe in Haiti im Jahr 2010 dar. Hier wurden erstmals größere Spendensummen in kurzer Zeit online gesammelt. Non-Profit-Organisationen hatten aus früheren Fehlern und Katastrophen gelernt. Sie ließen nun ihre Spendenseiten auf leistungsstärkeren Server laufen. Ihre Online-Werbemittel mit Spendenaufrufen streuten sie schneller und gezielter. Zudem hatten soziale Netzwerke wie StudiVZ und Facebook eine ausreichend hohe Penetration erreicht, um Netzwerkeffekte auszulösen.

2  Einführung in das Digitale Fundraising

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Wichtige Impulse für das Online-Fundraising stellen heute Weiterentwicklungen von Spendenplattformen und Tool-Anbietern dar, die das Aktivisten-Fundraising und Zeitspenden ermöglichen. Beide Ansätze stehen stellvertretend für ein breites Verständnis von Online-Fundraising, das sich nicht nur auf monetäre Ziele beschränkt. Stattdessen werden ebenfalls nicht-monetäre Ressourcen mobilisiert, die zur Erreichung der Mission notwendig sind. Dazu zählen weitere digitale Ressourcen wie beispielsweise Reichweite, indirekte Kontakte, Schwarmintelligenz, Datenspenden und freiwilliges (Online-) Engagement. Heute wird Online-Fundraising im Idealfall im integrierten Kommunikationsmix betrieben, indem die Marketing- und Fundraisingziele kanalübergreifend aufeinander abgestimmt sind. Die Webseite dient hierbei als Knotenpunkt, der die verschiedenen Zugänge von Brief-Mailings, Display-Werbung, E-Mail-Marketing und Social Media orchestriert.“

Im zeitlichen Ablauf ist sehr gut zu erkennen, wie nach ersten kleinen Schritten zum online Spendensammeln ein zunehmend instrumenteller Ansatz verfolgt wird. Plattformund Werkzeuganbieter für Online-Fundraising waren Innovationstreiber der frühen 2000er-Jahre. Es brauchte einen Spenden-Peak rund um eine Katastrophe, damit Entscheidungsträger die gesteigerte Relevanz des Internets für das Fundraising und das veränderte Kommunikationsverhalten der Spender final anerkennen. In der Folge wurden eher Investitionen in mehr Personal, Internetpräsenz und Datenbank-­Infrastruktur getätigt. Im Grunde genommen ist das, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Whitepapers als Online-Fundraising bezeichnet wird, lediglich ein Brückeninstrument hin zum Digitalen Fundraising. Vom kanalübergreifenden Kommunikationsmix ist dort bereits die Rede und von der Internetseite als Kontenpunkt für alle orchestrierten Kommunikationsmittel. Parallel zum zunehmend breiteren Verständnis von Online-Fundraising veränderten sich die technischen Voraussetzungen in vielen Organisationen. Die finale SEPA-­ Einführung 2014 und das Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) 2019 nahmen viele Träger zum Anlass, ihre bestehenden Datenbank-Lösungen kritisch zu analysieren und zu erneuern. Sie schafften mit besserer Datenqualität die notwendigen Voraussetzungen für mehr Automatisierung und Individualisierung in der ­Spenderkommunikation. Drei Ebenen des Digitalen Fundraisings Bisher sollte deutlich geworden sein, dass es sich beim Digitalen Fundraising um ein komplexes Zusammenspiel aus Haltung und Verständnis, Werkzeugen und Fähigkeiten sowie organisatorischen Rahmenbedingungen handelt. Was hier noch ungenannt blieb, das ist die strategisch-konzeptionelle Ebene. Die Strategie für das Digitale Fundraising leitet sich von der allgemeinen Fundraising-Strategie ab. Dabei müssen die individuelle Situation des Projekts und die organisatorischen Rahmenbedingungen der Organisation berücksichtigt werden. Davon ausgehend werden die passenden Werkzeuge (Kap. 3) ausgewählt und zum Einsatz gebracht.

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J. Reschke

Als Online-Fundraising-Experte hat der Autor in den vergangenen zehn Jahren viele dutzend Vorträge gehalten, hunderte Teilnehmende in Workshops und Seminaren erlebt und zahlreiche Organisationen beraten. All diese Beobachtungen und Gespräche lassen sich im Grunde auf drei Ebenen des Online-Fundraisings zusammenführen: 1 . Fundraising auf der eigenen Internetseite 2. Fundraising im Web 3. Peer-to-Peer-Fundraising Die eigene Internetseite (Kap. 6) ist das ureigene digitale Hoheitsgebiet eines spendensammelnden Projekts oder einer Organisation. Hier besteht die volle Verfügung über Inhalte, Funktionen und Darstellung von Inhalten. Als langfristig angelegter Kommunikationskanal steht der Nutzen von Investitionen dauerhaft zur Verfügung und Elemente können stetig hinzugefügt werden. Das Fundraising im Web (Kap. 7) bedient sich an der Reichweite und den Funktionen von fremden Internetseiten. Dazu können beispielsweise direkte und indirekte Partnerseiten gehören, ebenso wie Plattformen für Spendenprojekte, Crowdfunding oder Online-­ Auktionen. Aufwand und Komplexität können sich je nach Werkzeug deutlich unterscheiden. In den meisten Fällen wird sich das Spendenprojekt in der Darstellung auf die vorhandenen Rahmenbedingungen der Seiten- oder Dienstbetreiber anpassen müssen. Andere Instrumente wie beispielsweise E-Mail-Marketing, Suchmaschinenwerbung und Display-Werbung können im Detail gesteuert und auf die Spenderbedürfnisse angepasst werden. Beim Peer-to-Peer-Fundraising (Kap. 8) findet eine Verlagerung der Verantwortung für das Fundraising statt. Spender und Unterstützer werden aktiver in die Aktivitäten eingebunden, übernehmen Teile der Kommunikation oder stellen gar selbst den Anlass für eine Spendenaktion dar. Das Mehr an persönlicher Reichweite geht zugleich mit einem gewissen Kontrollverlust auf Seiten der Organisation einher. Die drei Ebenen des Online-Fundraisings unterscheiden sich in der kurz- oder langfristigen Ausrichtung der Aktivitäten, dem Interaktionsgrad in der Spenderkommunikation, der Komplexität in der Handhabung und dem damit einhergehenden Aufwand an Zeit und Startressourcen. Es handelt sich ganz klar nicht um Ebenen im Sinne von Entwicklungsstufen, die jede spendensammelnde Organisation in der gleichen Weise  – wenn ­überhaupt  – durchlaufen müsste. Die Entwicklungen verlaufen zu unterschiedlich und individuell. Die Ebenen des Online-Fundraisings verlaufen parallel und können teilweise Überschneidungen aufweisen. Je nach Reifegrad und strategischer Fokussierung werden sie mit unterschiedlichem Tempo entwickelt. Natürlich bestehen innerhalb der Ebenen einige Abhängigkeiten um erfolgreich zu sein. Beispielsweise setzt Community-Management voraus, dass bereits aktiv in Social Media kommuniziert wird und die Inhalte der Organisation entsprechend aufbereitet werden. Der Komplexität eines Spendenshops wird man in der Regel nur dann gut begegnen, wenn bereits auf Erfahrungen und Daten zum Spendenverhalten zurückgegriffen werden

2  Einführung in das Digitale Fundraising

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kann. Und die notwendigen Fähigkeiten für eine umfangreiche Crowdfunding-Kampagne eignet man sich üblicherweise in kleineren allgemeinen Kampagnen an.

2.2

Stand des Online-Fundraisings in Deutschland

Wie steht es heute um das Online-Fundraising? Verschiedene Gründe machen es schwer, eine klare Antwort auf diese Frage zu geben. Es gibt keine Studie mit dem Fokus auf Online-Fundraising, welche konstant, neutral und repräsentativ die Veränderungen dokumentiert und analysiert. Diese Forschungslücke im Fundraising ist bereits seit Jahren bekannt und besteht weiterhin (Reschke 2012). Mit der jährlichen altruja-Fundraisingstudie und dem NGO-Meter von betterplace lab gibt es Ansätze in diese Richtung, jedoch erfüllen sie in der Zusammensetzung nicht den Anforderungen der Repräsentativität. Einen Erkenntniszugewinn bringen sie dennoch, indem sie Trends und Benchmarks liefern, mit der spendensammelnde Organisationen ihre eigene Entwicklung abgleichen können. Wenn es allgemeine Fundraising-Studien, die Online-Spenden betrachten, gibt, dann meist nur in Nebenaspekten und wenig differenziert. Darin wird beispielsweise der Anteil der Online-Spenden ausgewiesen, ohne die Online-Spendenwege zu unterscheiden oder den Anteil nach Höhe des Gesamtspendenaufkommens, der Größe der Organisation oder Professionalität des Fundraisings einzuordnen. Wissenschaftliche Studien für das Segment der Online-Spenden sind auch vor dem Hintergrund herausfordernd zu erstellen, dass die Datenlage insgesamt dürftig ist. Ob Spender bei repräsentativen Befragungen bezogen auf das vergangene Jahr noch exakt wissen, wie viel sie an welche Non-Profit-Organisation über welche Internetseite oder aufgrund welchen Anlasses gespendet haben, darf in Zweifel gezogen werden – vor allem wenn es sich mutmaßlich häufig um zweistellige Beträge handelt. Auf der anderen Seite setzt organisationsseitig eine ideale Differenzierung der Online-Spenden eine Professionalität voraus, mit der alle Spendenwege sehr detailliert dokumentiert und wortwörtlich bis auf den einzelnen Button und das verwendete Zahlungsmittel nachvollzogen werden können. Selbst wenn eine Organisation Kennzahlen über ihr Online-Fundraising bereitstellt, so bleiben Interpretationsspielräume. Ist beispielsweise eine über das Online-Formular ­abgewickelte Dauer-Lastschrift über eine Patenschaft als Online-Spende zu werten? Wie ist es zu werten, wenn das PDF-Formular zur Fördermitgliedschaft von der Internetseite heruntergeladen und per Brief eingesandt wird? Oder wenn ein Nutzer die Nummer des Spendenkontos von der Internetseite kopiert, um sie in das Überweisungsformular der Hausbank einzufügen? Und wird eine online ausgeführte Unternehmensspende den Online-Spenden oder den Unternehmenskooperationen zugeschlagen? Neben dem Spendenweg könnte man eine Spende auch nach dem Spendenanstoß unterscheiden, wie es einige Studien erfragen. Würde demnach als Online-Spende gelten, was über eine E-Mail oder ein Online-Banner auf einer Internetseite angestoßen wird?

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J. Reschke

Aber nicht, wenn ein Brief eine Person dazu motiviert, anstatt den mitversandten Überweisungsträger auszufüllen die Internetseite zu besuchen und dort direkt zu spenden? Die Mess-Problematik und eindeutige Zuordnung von Spenden werden im modernen Kommunikations-Mix noch deutlicher. Im Rahmen der Multichannel-Kommunikation kann von einer Wechselwirkung verschiedener Online- und Offline-Spendenanstöße ausgegangen werden. Es wäre also fahrlässig, die Spende allein dem Kanal (z.  B.  Brief, E-Mail, Internetseite, Social Media, Werbemittel) zuzuordnen, auf dem der letzte Kontakt stattgefunden hat. Insgesamt wird deutlich, dass die Erhebungen und Studien zu Online-Fundraising hierzulande kritisch hinterfragt werden müssen. Doch selbst wenn Methodik, Definitionen und Zusammensetzung der Teilnehmer teils verbesserungswürdig sind, so sind sie alles, worauf wir aktuell Zugriff nehmen können. Die Trends und Benchmarks geben wichtige Impulse, um das eigene Online-Fundraising zu hinterfragen. Der Online-Spendenmarkt Die einschlägige „Bilanz des Helfens“-Studie, die jährlich durch die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des Deutschen Spendenrates durchgeführt wird, weist seit ­Jahren ein langsames, aber stetiges Wachstum der Online-Spenden am gesamten Spendenmarkt aus (Abb. 2.1). Aus der Abbildung wird deutlich, dass der Anteil der online angestoßenen Spenden am gesamten Spendenaufkommen sich seit 2011 verdoppelt hat. Zum Spendenanstoß per Internet gehören beispielsweise die Internetseite einer Non-Profit-Organisation, Werbung im Internet und die Spendenbitte per E-Mail. Seit 2015 werden zudem Spendenanstöße durch Social Media gesondert erfasst. Die sprunghaften Anstiege in den Jahren 2013 und 2015 wurden jeweils auf die erhöhte spontane Spendenbereitschaft in Katastrophenfällen zu-

3 2,5

2,3

2,

1,8

1,5 1

1,3

0,1 2011

2012

2,1 1,7

1,1

1

0,5 0

2,1

1,8

2013

2013 Internet

2015

0,2 2016

0,3 2017

0,4

0,4

2018

2019

Soziale Medien

Abb. 2.1  Anteil am Spendenvolumen auf Basis des Spendenanstoßes (Eigene Darstellung auf Basis der GfK-Studien Bilanz des Helfens 2010 bis 2020)

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rückgeführt (Deutscher Spendenrat/GfK 2014). Anschließend hat sich der Peak zum neuen Basiswert verstetigt. Der Spendenanstoß ist allerdings nur eine von mehreren möglichen Herangehensweisen um den Online-Spendenmarkt zu erfassen. Eine andere Perspektive ist die des Spendenwegs. So wurden bereits im Jahr 2013 1,3 % der Spenden per Online-Überweisung auf der Homepage einer Non-Profit-Organisation oder eines sozialen Projekts getätigt. Per Online-Überweisung bei Banken waren es sogar 19,1 % (Deutscher Spendenrat/GfK 2014). Auf Fortbildungen und Tagungen zu Digitalem Fundraising fragt der Autor die Teilnehmenden regelmäßig, ob sie wissen, welchen Anteil die Online-Spenden am Gesamtspendenvolumen ihrer Organisation ausmachen. Die Spannweite der Antworten liegt regelmäßig zwischen zwei und etwa 40 Prozent  – mit insgesamt steigender Tendenz. Gleichbleibend ist, dass 10 bis 15 Prozent die Antwort nicht kennen. Entweder, weil sie ihnen nicht zur Verfügung gestellt oder gar nicht erst erhoben wurden. An der altruja Fundraising Studie 2019 nahmen über 1400 Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Rahmen einer Selbstauskunft teil. Wenngleich die Studie nicht repräsentativ angelegt ist, lassen sich viele Trends und Momentaufnahmen darin erkennen. Nahezu zwei Drittel der Befragten gab an, dass die Erträge des Online-­ Fundraisings weniger als ein Zehntel ihres gesamten Spendenvolumens ausmacht (Tab. 2.1). 16 Prozent können keine Angabe machen. Nur ein Fünftel der Organisationen kann mindestens zehn Prozent der Spenden auf Online-Fundraising zurückführen. Ein ähnliches Bild zeichnet die Studie NGO Meter von betterplace lab. Die deutlich kleinere Stichprobe von nur 25 Organisationen zeichnet sich durch die Detailtiefe der Befragung aus. Hier geben 60 % der Befragten an, weniger als 10 % der Spenden online zu erhalten (Carter 2019). Eine weitere Erkenntnis, die aus der altruja Online-Fundraising-Studie (ebenda) hervorgeht, ist der geringe Unterschied zwischen kleinen, mittelgroßen und großen Non-­Profit-­ Organisationen. Die Größe wird in dieser Studie am Gesamtspendenvolumen festgemacht, so dass Organisationen als klein gelten mit weniger als 50.000 Euro Spendeneinnahmen, als groß mit über 1 Million Euro Spendeneinnahmen und als mittelgroß in dem dazwischen liegenden Bereich. Tatsächlich ist nicht festzustellen, dass große Non-Profit-Organisationen überdurchschnittlich viele Spenden online einnehmen würden. Die vorgenannten Anteile am Spendenvolumen können ebenso als gut wie schlecht interpretiert werden. Bei einem gesamten privaten Spendenvolumen in Deutschland von mehr als 10 Milliarden Euro können bereits wenige Prozent Online-Spenden viel bewegen (Gricevic et al. 2020). Zugleich enttäuschen Online-Spenden-Anteile von mehrheitlich unter fünf Prozent all jene, die das Potenzial der Online-Spenden deutlich höher einschätzen. Tatsächlich taugen die Kennzahlen primär als Ausgangslage um die Performance der einzelnen Organisation zu hinterfragen. In der individuellen Interpretation von Input und ROI kann die Analyse nämlich sehr unterschiedlich ausfallen. Insgesamt ist das Investment in Online-Fundraising eher gering. Lediglich 15 % der spendensammelnden Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mindestens eine Person für das Online-Fundraising eingestellt (altruja 2019, S. 7). Ebenso verbleiben die finanziellen Investitionen in das Online-Fundraising relativ gering. 80 Prozent der Befragten gaben an, weniger als 5.000 Euro im Jahr hierfür bereitzustellen.

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Tab. 2.1  Anteil des Online-Fundraising am Gesamtspendenvolumen der teilnehmenden Organisationen (Eigene Tabelle auf Basis der altruja Online-Fundraising Studie 2019)

Festzuhalten ist: Das eigentlich für einen Wachstumsmarkt erwartbare Management-­ Verhalten aus Strategieentwicklung, Prototyping neuer Maßnahmen bei gleichzeitigem Investment in die hierfür relevante IT-Infrastruktur und das Personal findet zu wenig statt. Geringe Personalkapazitäten und Geldmittel für den Aufbau von Online-Fundraising bilden eine hausgemachte Entwicklungsbremse. Bei geringem Budget an Zeit und Geldmitteln sind die Anteile der Online-Spenden erwartbar niedrig. Womöglich haben wir es hier mit einem Henne-Ei-Problem zu tun: Braucht es Spender, die zunehmend online spenden, damit Organisationen in diesen Bereich investieren und sich verbessern? Oder steigen die Online-Spenden, wenn Fundraiser sich hier qualifizieren und ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausweiten? Relevanz des Online-Fundraisings Es gibt sachliche Gründe, warum die Relevanz von Online-Spenden künftig steigen wird. Hierzu gehört die zunehmende Akzeptanz von bargeldlosen Zahlungswegen (BITKOM 2019) und der Anstieg selbiger am Zahlungsaufkommen (ECC Köln 2019). Bereits 33 ­Prozent der Deutschen nutzen kontaktlose Zahlungssysteme mittels Bank- oder Kreditkarte, ihrem Smartphone oder einer Smartwatch (Postbank 2019). Im Jahr zuvor war es nur jeder Fünfte. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch jüngere Zielgruppen. Die Bereitschaft, sich vermehrt auf digitale Spendenwege einzulassen, könnte daher erfolgskritisch dafür sein, neue und insbesondere junge Zielgruppen für eine Spendenorganisation zu gewinnen. Eine besondere Rolle im Online-Fundraising nehmen große soziale Netzwerke ein. Studien ergeben, dass Spendenanstöße in einem Kommunikationsumfeld erfolgreich sind, indem Menschen mit ihren Freunden und Bekannten über das Spenden kommunizieren. Laut dem GfK CharityScope (GFK und deutscher Spendenrat e.V. 2015) gibt etwa ein Viertel der Spenderinnen und Spender unter 40 Jahren an, dass sie in sozialen Netzwerken über Spenden gelesen haben. Für fast 4  % der Personen war dies zugleich der Anstoß selbst eine Spende zu tätigen. Der Anteil dürfte heutzutage höher sein. Zum Zeitpunkt dieser Studie waren viele Spendenfunktionen wie die Fundraising-Aktionen auf Facebook oder der Spendenbutton in Instagram noch gar nicht verfügbar. Die These des Wachstumsmarktes unterstreichen die Erlöse, die mittels zweier recht neuer Fundraising-Instrumente auf etablierten Plattformen erreicht wurden. Zum Jahresbeginn 2020 wies Amazon Smile, das Spendenprogramm für Amazon-Kunden, bereits

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einen Wert von über sechs Millionen Euro aus (Abb. 2.2). Etwa genauso lange sind die Facebook-Spendenfunktionen in Deutschland verfügbar. Mitarbeiter der Plattform sprachen auf dem Facebook-NGO-Tag 2018 von 2,8 Millionen Euro Spenden, die in den ersten Monaten in Deutschland gesammelt wurden. Einzelne Organisationen wie SOS-­ Kinderdörfer sammelten bereits mehr als 700.000 Euro auf diesem Wege (Emminghaus 2019). Die Gesamtsumme der Spenden dürfte demnach noch über dem Ergebnis von AmazonSmile im gleichen Zeitraum liegen. Ein Vergleich mit betterplace verdeutlicht, dass dies ordentliche Summen sind: Deutschlands umsatzstärkste Spendenplattform erreichte erstmals 2015 ein Jahresspendenvolumen von 10 Millionen Euro, also acht Jahre nach dem Start der Plattform (gut.org 2016, S. 16). Die steigende Relevanz von Online-Fundraising erkennen die spendensammelnden Organisationen. Seit Beginn der jährlichen altruja Fundraising Studie im Jahr 2011 wird diesen Aktivitäten eine künftig höhere Relevanz beigemessen als sie jeweils aktuell hatte. So gaben im Jahr 2019 nur 16 Prozent der befragten Organisationen an, dass Online-­Fundraising ihr aktuell wichtigster Fundraisingkanal sei. Anders sieht der Blick in die nahe Zukunft aus: 44 % der Organisationen schätzen, dass Online-Fundraising in drei Jahren zu ihren relevantesten Fundraisingkanälen gehören wird (altruja 2019, S.  12). Das ist der Spitzenwert und liegt damit noch vor den Unternehmensspenden (44 %), staatlichen Hilfen (39 %), Förderungen durch Stiftungen (35 %) und Post-Mailings (25 %).

Abb. 2.2  Screenshot im Benutzerkonto auf smile.amazon.de

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Nun sollte man sich fragen, worin die Gründe dafür liegen, dass zwar die zunehmende Relevanz von Online-Fundraising erkannt ist und dennoch die Rahmenbedingungen dafür von den Entscheidungsträgern noch nicht geschaffen wurden. Womöglich liegen sie in der Organisationskultur selbst. Wenn eine allgemeine Skepsis gegenüber dem Internet, Social Media und Innovationen besteht, dann fällt es schwer, die notwendige Wertschätzung der digitalen Kommunikation und der damit einhergehenden hypothesenbasierten Fehler- und Lernkultur aufzubringen.

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Institutional Readiness für Digitales Fundraising

Digitales Fundraising ist deutlich komplexer und aufwendiger als die Ergänzung des Online-­Fundraising-Mixes um weitere Instrumente. So viel sollte bislang deutlich geworden sein. Tatsächlich handelt es sich um systemische Veränderungen in der gesamten Organisation. Sie betreffen die Strukturen gleichermaßen wie die bisherigen Zuständigkeiten, die Abläufe oder die Formen der internen Zusammenarbeit und auch die bisherige Kultur der Organisation bis hin zur inneren Haltung einzelner Beteiligter. Bei der Einführung und Entwicklung von Fundraisings wird häufig von der sogenannten Institutional Readiness gesprochen (Urselmann 2014, S. 377). Dieser etwas sperrige und sehr abstrakte Begriff bedeutet vor allem die (innere) Bereitschaft beziehungsweise die kollektive Fähigkeit der Organisation, sich den Besonderheiten des Fundraisings zuzuwenden. Das Verständnis von Institutional Readiness umfasst also mehr als die klassischen Ansätze der Betriebswirtschaftslehre oder des Qualitätsmanagements rund um Organisationsstruktur und Arbeitsprozesse. Um Fundraising erfolgreich implementieren zu können, braucht es neben angemessenen Rahmenbedingungen zum Arbeiten vor allem die emotionale und kognitive Bereitschaft der Stakeholder, sich bewusst darauf einzulassen. Damit wird Bereitschaft sowohl auf die Organisation als Ganzes als auch auf die in ihr agierenden Menschen bezogen. Fundraising wird nicht mit der Einstellung und Beauftragung einer einzelnen Person etabliert. Es handelt sich nicht um einen Mechanismus, der kurzfristig aktiviert werden kann. Es genügt eben nicht, wenn lediglich wenige Personen bereit sind für Fundraising. Der dauerhafte Erfolg stellt sich ein, wenn alle Beteiligten in der Organisation ein gemeinsames Verständnis entwickeln und viele an der Umsetzung konstruktiv mitwirken. Die Institutional Readiness ist für Digitales Fundraising gleichermaßen notwendig wie essenziell. Im Folgenden werden vor diesem Hintergrund insbesondere die förderlichen Rahmenbedingungen für das Digitale in den Fokus gerückt und präzisiert. Dabei wird vorausgesetzt, dass in dem Projekt oder der Organisation bereits ein grundlegendes und gemeinsames Verständnis von Fundraising besteht (Reuter 2016a).

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Stakeholder-Analyse Im Alltag fällt es manchmal schwer, die Zusammenhänge zwischen den Handlungen und ihren Akteuren im Innenleben einer Organisation zu überblicken sowie ihre Hintergründe und Motivationen zu verstehen. Um die Aufgeschlossenheit für Digitales Fundraising zu erreichen und um überhaupt komplexe Projekte durchzuführen, braucht es die Unterstützung dieser Stakeholder. Mit einer umfassenden Stakeholder-Analyse kann hier eine verlässliche Bestandsaufnahme für die Ableitung von Handlungsoptionen gelingen (Reuter 2016b). Zu Beginn der Stakeholder-Analyse steht die Identifizierung der relevanten Interessensgruppen und ihrer Repräsentanten. Hier kommen all jene in Frage, die innerhalb der Organisation agieren und – positiven wie negativen – Einfluss ausüben können. Dazu zählen in erster Linie Geschäftsführung, Verantwortliche von Arbeitsbereichen sowie der Vorstand. Gegebenenfalls sind weitere Gremien oder besondere Funktionen wie der Datenschutzbeauftragte zu berücksichtigen. Für die Profilbildung der einzelnen Stakeholder kann auf unterschiedliche Methoden zurückgegriffen werden. Ähnlich wie bei Personas (eine im Fundraising übliche prototypische Darstellung von Nutzern, beispielsweise Spendergruppen) können detaillierte Einschätzungen vorgenommen werden. Zweckmäßiger für die Analyse erscheint die tabellarische Darstellung und Synopse beispielsweise zu den folgenden Fragestellungen: • • • • • • •

Welche Funktion hat der Stakeholder in Bezug auf die Organisation? Welchen Einfluss hat der Stakeholder innerhalb der Organisation? Welche persönlichen Ziele verfolgt der Stakeholder? Wie ist das Fundraising-Verständnis des Stakeholders ausgeprägt? Wie ist das Verständnis des Stakeholders für das Digitale ausgeprägt? Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus? Welche Handlungsempfehlung kann daraus für die Einführung des Digitalen Fundraisings abgeleitet werden?

Das Beispiel des Stakeholders Pressesprecher (Tab. 2.2) in der folgenden Tabelle zeigt, wie ein Stakeholder-Profil herausgearbeitet sein kann: Die Durchführung einer Stakeholder-Analyse ist ein aufwendiger aber lohnenswerter Schritt. Sie schärft die Sinne für die beteiligten Akteure und hilft, sie in ihrem Handeln zu verstehen. Es wäre eine Überforderung, von Anfang an alle Stakeholder für das Digitale Fundraising zu überzeugen und ihre möglichen Zweifel oder Befürchtungen restlos auszuräumen. Mit einem sensiblen Stakeholder-Management kann einerseits besser auf sie eingegangen werden und zum anderen fällt es leichter, andere Stakeholder bei auftretenden Problemen als hilfreiche Unterstützer und Fürsprecher hinzuzuziehen.

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Tab. 2.2  Beispiel eines Stakeholder-Profils Stakeholder Einfluss Ziele Fundraising-Verständnis

Digital-Verständnis Chance Risiko Handlungsempfehlung

Pressesprecher Leitet Öffentlichkeitsarbeit, hoher Einfluss auf den Vorstand Häufige Berichterstattung, gutes Image erhalten, benötigt Presseanlässe wie Scheckübergaben von Unternehmen Mittel ausgeprägt – Nimmt Spenden eher als selbstverständlich gegeben an; ist mehr an größeren Unternehmensspenden interessiert, die sich in der Presse darstellen lassen Gering ausgeprägt – hat wenig Erfahrung und Wissen zu digitalen Instrumenten und kaum Motivation, daran etwas zu ändern Wird vom Vorstand um seine Meinung gefragt – könnte ein guter Lobbyist für die Sache sein Kritische Einstellung, da seine Offline-Ziele nicht unterstützt werden; seine Skepsis könnte er auf den Vorstand übertragen Aufzeigen was andere bereits tun – insbesondere direkte Mitbewerber und starke Marken, die er sehr wertschätzt

Handlungsfelder der Institutional Readiness Institutional Readiness kann nicht allein an Einzelpersonen festgemacht werden, auch wenn die handelnden Personen einer Organisation eine wichtige Rolle spielen. Daher gehört zu einer umfassenden Bestandsaufnahme der Organisation die Betrachtung der Arbeitsstrukturen und Prozesse, der Beziehungen und der Anerkennung sowie der technischen Systeme (Haibach 2016). Anders als die Stakeholder-Analyse wird hierbei der Fokus nicht ausschließlich auf die agierenden Einzelpersonen oder Personengruppen gelegt. Stattdessen werden übergreifende Mechanismen und strategische Leitlinien betrachtet. Ziel ist es einerseits, daraus die notwendigen Rahmenbedingungen abzuleiten und zugleich mögliche Hürden zu identifizieren, welche die Einführung von Digitalem Fundraising erschweren könnten. In der Regel sind einige Herausforderungen bereits aus der vorangegangen Stakeholder-­ Analyse bekannt. Dazu können beispielsweise teils blockierende Haltungen gegenüber Veränderungen und Innovation, Angst vor Kontrollverlust bei bestimmten Akteuren oder das Infragestellen des Mehrwertes gehören. Sind konkrete Hindernisse wie beispielsweise rechtliche Fragestellungen noch greifbar und beantwortbar, so fällt es schwerer, auf persönliche Vorbehalte und Ängste einzuwirken. Zur ganzheitlichen Betrachtung und Lösungsfindung werden außerdem im Rahmen der Bestandsaufnahme relevante Handlungsfelder analysiert: Strategie, Struktur, menschliches sowie technologisches Potenzial sowie Kultur (Abb. 2.3). Das Handlungsfeld der Strategie umfasst alle Elemente, die die perspektivische Ausrichtung aller Organisationsaktivitäten betreffen. Ausgehend von der Vision und dem Mission Statement wird formuliert, welchen Beitrag das Digitale Fundraising zur Verwirklichung der Organisationsziele leisten kann. Welchen Einfluss hat der verstärkte Einsatz

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Abb. 2.3  Handlungsfelder der Institutional Readiness (Eigene Abbildung in Anlehnung an Schedler und Proeller 2011)

digitaler Technologien hierbei? Welche Veränderungen sind zu erwarten oder gar anzustreben, die mit einem zunehmenden Verständnis des Digitalen einhergehen? Zum einen findet eine Übersetzungs- und Konkretisierungsleistung statt. Die Strategie für das Digitale Fundraising wird nicht für sich genommen formuliert, sondern aus der übergreifenden Fundraising-Strategie und der Vision abgeleitet. Zum anderen findet eine Absicherung der Zielvorhaben und des Wegs zur Zielerreichung statt, indem sie erneut hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden. Das kann beispielsweise in der Vernetzung von Aufgaben und Lösungswegen geschehen. Im Handlungsfeld der Struktur sind alle Aspekte der regelbasierten Organisation betroffen. Dazu gehören klar die Aufbau- und Ablauforganisation, welche die Verantwortung und Zuständigkeiten für Digitales Fundraising festlegen. Ebenso ist hier zu benennen, welche Personen oder Gruppen an konkreten Diskussions- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Die ethischen Grundsätze einer Organisation werden oftmals in Leitlinien festgelegt. Für das Digitale Fundraising werden diese erneut verinnerlicht und daraufhin wird überprüft, ob eine weitere Übersetzung und Konkretisierung auf neue Prozesse und Herausforderungen notwendig erscheint. In jedem Fall sind hier rechtliche Erfordernisse anzuerkennen, wie sie sich beispielsweise aus der Europäischen Datenschutzgrundverordnung oder der E-Privacy-Richtlinie ergeben. Interne Regelungen der Arbeitsplatzorganisationen sind ebenso zu betrachten. Wie ist beispielsweise die Frage der Internetnutzung am Arbeitsplatz geregelt? Wenn das private Surfen und Abrufen von persönlichen Postfächern untersagt ist: Wie sollte dann der Einsatz von sozialen Netzwerken wie Facebook im Fundraising stattfinden, bei denen die Nutzung eines persönlichen Accounts Voraussetzung ist? Bei der Analyse des Handlungsfeldes Potenzial stehen sowohl das menschliche als auch das technische Potenzial im Mittelpunkt. Das Erschließen des Humanpotenzials baut vor allem auf einem Wissensmanagement innerhalb der Organisation und einem moder-

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nen Personalmanagement auf. Letzteres geht über die Zuordnung von Personen und Stunden für bestimmte Aufgabenfelder hinaus und legt einen größeren Schwerpunkt auf die Personalentwicklung und des Kompetenzaufbaus. Dabei wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass insbesondere Fachkräfte mit Fundraising-Erfahrung und technologischer Expertise auf dem Personalmarkt wenig verfügbar sind. Zwei typische Szenarien sind die Rekrutierung von entweder Fachkräften im Digitalen Marketing mit wenig Non-Profit-Erfahrung oder Fundraising-Fachkräften mit gering ausgeprägtem Verständnis digitaler Marketingtechnologien. In beiden Fällen sind berufsbegleitende Fortbildungen zum Aufbau von Fähigkeiten und zugleich ein Coaching zur Herausbildung eines besseren Digital- bzw. Non-Profit-Verständnisses unabdingbar. Auch bei Neueinstellungen sollte der Schulterschluss mit dem Personalwesen gesucht werden. Neben den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bewerber sollte zukünftig darauf geachtet werden, dass die Bewerber der angestrebten digitalen Haltung nicht entgegenstehen. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass die Organisation bereits eine entsprechende Haltung und Prozesse zum Digitalen Fundraising entwickelt hat. Eine digitale Transformation im Fundraising gelingt nur auf Basis einer funktionierenden technischen Infrastruktur, welche die Anforderungen vernetzter und individualisierter Kommunikationsstrategien zuverlässig erfüllt. Dies fängt bei der Verschmelzung verschiedener IT-Dienste an und hört nicht bei der Orchestrierung von zahlreichen Datenbank-­ Schnittstellen auf. Immer kürzere Innovationszyklen und stetig wachsende Datenmengen erfordern eine andauernde Entwicklung und Optimierung der Systeme. Konkrete Anforderungen seitens des Digitalen Fundraisings müssen formuliert werden, was sowohl Prozesse mit interner (z. B. Zuordnung und Abwicklung von Spendenprozessen) als auch externer (z. B. Spenderansprache) Relevanz umfasst. Die konkreten Herausforderungen und Maßnahmen aus dem Handlungsfeld Potenzial sind für die Festlegung des globalen Budgets zum Aufbau und der Entwicklung des Digitalen Fundraisings maßgebend. Finanzielle Ressourcen für die Durchführung konkreter Kommunikationsmaßnahmen müssen zusätzlich betrachtet werden. Bei den bisher genannten Handlungsfeldern Strategie, Struktur und Potenzial handelt es sich um formell geregelte Elemente einer Organisation. Die Geschäftsführung und der Vorstand können in diesen Feldern bewusste Entscheidungen treffen und Maßnahmen festlegen, um Ziele zu erreichen. Beschränkter sind die direkten Einflussmöglichkeiten im letzten Handlungsfeld, der eher durch informelle Prozesse gestalteten Organisationskultur. In dem Handlungsfeld der Kultur steht die Analyse und Entwicklung von Wertemustern innerhalb der Organisation im Mittelpunkt. Was sind die informellen Leitlinien der Zusammenarbeit? Welche vorhandenen Motivationen sind für die Entwicklung des Fundraisings allgemein und insbesondere hin zum Digitalen Fundraising förderlich oder hinderlich? In welchen sichtbaren Verhaltensweisen manifestiert sich die Organisationskultur? Hinter sichtbaren Elementen wie Routinen und Ritualen stehen kollektive Werte und Grundannahmen, die man weiter berücksichtigen möchte.

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Eine für das Digitale Fundraising förderliche Organisationskultur geht mit besonderen Grundprämissen einher, wie sie heutzutage noch nicht in vielen Organisationen – weder im Profit- noch im Non-Profit-Bereich – gang und gäbe sind. Dazu gehören unter anderem das vernetzte Denken und die agile, kollaborative Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinweg, die verpflichtende Hypothesenbildung und das Testing als vorgelagerte Maßnahmen für datengetriebene Entscheidungen sowie die Herausbildung einer angemessenen Fehlerkultur, welche Innovationen und kontrolliertes Scheitern nicht sanktioniert. Viele dieser Aspekte finden sich in modernen Konzepten der New Work wieder (Breidenbach und Rollow 2019). Das informelle Wesen der Organisationskultur kann hauptsächlich indirekt beeinflusst werden. Beispielsweise können Themen in der internen Kommunikation auf Veranstaltungen, Besprechungen und Rundschreiben wiederholt platziert und gewünschtes Verhalten kann positiv hervorgehoben werden. Geschwindigkeit und Verlauf der Entwicklung von Organisationskultur ist nur bedingt vorhersehbar. Spätestens auf der Ebene der Teamleitungen und in Mitarbeitergesprächen finden direkte Austauschprozesse zwischen formellen Interventionsbereichen und der Organisationskultur statt. Individuelles Feedback und Sanktionen können hier zu Veränderungen auf Ebene der Einzelperson führen. Interventionen auf Gruppenebene können beispielsweise im Rahmen von internen Beteiligungsmodellen geschaffen werden (Reuter 2015a). Die Beeinflussung und die Zusammenhänge zwischen den Handlungsfeldern unterei­ nander werden an einem Beispiel deutlicher: Angenommen, Vorstand und Geschäftsleitung legen ein hohes Maß an Spenderorientierung als strategisches Leitziel fest. In der Folge werden jene Einheiten in der Organisationsstruktur mit direktem Spenderkontakt identifiziert und es wird beispielsweise eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Analyse der Donor Journey gebildet. Unter dem Gesichtspunkt des menschlichen Potenzials können Fortbildungen oder das Hinzuziehen von Experten beschlossen werden. Zum Erschließen des technischen Potenzials gehört in diesem Fall die notwendige Infrastruktur um mittels Datenanalyse etwaige Schwachstellen und Erfolgsansätze in der Donor Journey zu entdecken sowie die Auswirkungen neuer Maßnahmen zeitnah zu evaluieren. Um der Spenderorientierung in der Organisationskultur zur notwendigen Relevanz zu verhelfen, kann regelmäßig von diesbezüglichen Maßnahmen und Ergebnissen berichtet werden. Beispielsweise würde die Spenderzufriedenheit erfasst und kommuniziert sowie möglicherweise als Faktor der Leistungsbewertung von Mitarbeitenden herangezogen. Es ist deutlich geworden, dass die Entwicklung der Institutional Readiness für Digitales Fundraising vielen Abhängigkeiten innerhalb einer Organisation unterliegt. Der alle Ebenen umfassende Wandel braucht Zeit und ist Teil von Organisationsentwicklung. Diese findet ohnehin statt  – ausgelöst beispielsweise durch interne Faktoren wie einer stärkeren Spenderorientierung auf der strategischen Ebene oder durch externe Faktoren wie dem digitalen Wandel als Umweltbedingung. Gleichwohl braucht es eine strategische Steuerung dieses Prozesses, welche die verschiedenen Themen bündelt und für die Teilhabe der internen Stakeholder Sorge trägt.

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Klar ist auch: Ohne klaren Auftrag und Unterstützung der Geschäftsleitung und des Vorstandes wird es schwierig, die notwendigen und förderlichen Rahmenbedingungen zu gestalten, die es braucht, um Digitales Fundraising professionell und erfolgreich umzusetzen.

2.4

Digital Changemaker in der Organisation

Nerds, Geeks, digitale Pioniere, junge Wilde – jeder kennt sie oder hat sie schon mal erlebt. Digital affine Menschen – das Alter spielt hier übrigens keine Rolle – die mit großer Euphorie die Möglichkeiten des Internets und technischer Innovationen preisen. Sie sehen überall Chancen, die Projekte noch effizienter, noch innovativer und noch besser umzusetzen. Schlagwörter wie Blockchain, Automatisierung und künstliche Intelligenz sind für sie nicht ferne Zukunft, sondern Optionen, die es sofort zu ergreifen gilt. Zurückhaltung oder Einwände nehmen sie im Rausch ihrer Begeisterung mitunter als fehlendes Verständnis wahr. Sie fühlen sich ausgebremst oder von unwissenden Entscheidungsträgern geführt, die sie davon abhalten, ihr Potenzial für die Organisation voll zu entfalten. Ein vermeintlicher Konflikt der Generationen scheint vorprogrammiert. Das eigentliche Problem liegt in der beschriebenen Situation darin, dass der digital begeisterte Mitarbeiter sich womöglich der notwendigen Organisationsentwicklung auf den verschiedenen Ebenen der Institutional Readiness nicht bewusst ist. So ist es leicht vorauszusehen, dass diese Person zunehmend gegen Wände laufen wird und die Frustration steigt. Auf vergleichbare Widerstände und Herausforderungen würde eine Führungskraft stoßen, sollte sie versuchen, Digitales Fundraising von oben herab zu „verordnen“. Für einen rein instrumentellen Ansatz des Online-Fundraisings wie beispielsweise die Nutzung einer Spendenplattform mag das noch funktionieren. Für eine umfassende Einführung von Digitalem Fundraising braucht es hingegen eine andere Herangehensweise und ein anderes Rollenverständnis. Digital Changemaker Als Digital Changemaker werden die Personen verstanden, die eine Organisation beim Prozess des digitalen Wandels intern antreiben und begleiten. Sie helfen dabei, deren Werte und Ideale in die digitale Ära zu übertragen und sie mit den veränderten Umweltbedingungen zu verbinden. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle innerhalb der Organisation zu, wenn es um die Entwicklung eines umfassenden Verständnisses des digitalen Wandels geht. Sie sind Initiator von Veränderungen, geben Anstöße zur Kommunikation, begleiten Personen und Strukturen beim Wandel, sind interne Berater und halten die Dynamik der stattfindenden Organisationsentwicklung im Griff. Eine offizielle Aufgabenbeschreibung für Digital Changemaker gibt es nicht. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen, wenn Unternehmen einen Chief Digital Officer bestellen, wird die Verantwortung für den digitalen Wandel als formelle Aufgabe übertragen. In der Regel handelt es sich um eine Zuordnung oder Übernahme einer informellen Rolle.

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Brille, Geheimratsecken in frühen Jahren, täglich das gleiche farbige T-Shirt und häufige Verwendung von Anglizismen – so werden Nerds oft in der Popkultur dargestellt. Auf Digital Changemaker trifft dieses Bild selten zu. Ihre Gemeinsamkeiten basieren eher auf einer ähnlichen Biografie und ihrem Verhalten. Ein gemeinsames (oder allgemeines) Profil könnte in etwa so beschrieben werden: • Die Begeisterung für digitale Innovationen zeichnet sie schon seit Langem aus. Selbst wenn sie nicht Digital Natives sind, haben sie sich bereits früh mit der Technologie auseinandergesetzt  – nicht nur beobachtet, sondern selbst versucht, an Codes oder Hardware „herumzuschrauben“. Wenn ein neuer Social-Media-Dienst startet, dann registrieren sie sich dort früh und verschaffen sich hierüber ein erstes Bild. • Das Netzwerken in verschiedenen Feldern und Communities liegt ihnen im Blut. Sie besitzen die Fähigkeit zum Dialog, den Willen zum Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie die Bereitschaft zum Arbeiten in verteilten Netzwerken. • Sie brennen für gelebte Kollaboration. Sie möchten nicht nur wechselseitig Aufgaben absprechen und zusammenarbeiten, sondern tatsächlich gemeinsam Neues schaffen, sich gegenseitig inspirieren und sich im intensiven Austausch mit anderen weiterentwickeln. Die Überwindung von Organisations- oder Branchengrenzen stellt für sie kein Hindernis dar. • Digital Changemaker besitzen Empathie und die Fähigkeit auf die Bedürfnisse von Menschen individuell einzugehen. Sie verfügen über das Potenzial zur Mitarbeiterführung, gleichwohl sind sie bislang selten selbst in Führungspositionen anzutreffen. • Ihre Weiterbildung steuern Digital Changemaker selbst und auf diversen Wegen. Bei Fortbildungen und Konferenzen suchen sie den Austausch mit Kollegen, um sich über aktuelle Trends und Lösungswege anderer auf dem Laufenden zu halten. Im Alltag sind Blogs und Facebook-Fachgruppen ihre vorrangige Newsquelle. • Sie besitzen einen langen Atem und wissen, dass Veränderungen mitunter einige Zeit benötigen und nicht geradlinig verlaufen. Die Organisation und die handelnden Akteure behalten sie im Blick und haben erkannt, dass sie Ängsten und Skepsis mit Geduld begegnen müssen. Die Varianz und Ausprägung der genannten Eigenschaften sind in der Praxis sehr unterschiedlich. Dennoch eignen sie sich zu einer ersten Diagnose im Kollegenkreis – wer hat das Potenzial zum Digital Changemaker oder ist es bereits, ohne es zu wissen? Was bewegt Organisationen? Früher diskutierten Online-Fundraiser Fragen wie „How to educate your boss?“, also wie man Vorgesetzten vom Potenzial des Online-Spendensammelns überzeugt und ihre ­Skepsis gegenüber dem Internet überwindet. Zu glauben, dass es ausreichte, lediglich die Geschäftsführung oder den Vorstand zu überzeugen, war allerdings falsch. Stattdessen erfordert die ganzheitliche Einführung von Digitalem Fundraising einen Prozess der Organisationsentwicklung, welche möglichst alle Stakeholder einbezieht.

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Das fängt bereits innerhalb des Fundraising-Teams an: Während sich Online-­Fundraiser mit neuen technischen Trends wie künstlicher Intelligenz und der Optimierung von Spendenwegen auf mobilen Endgeräten beschäftigen, dürfen sie nicht vergessen, sich mit den anderen Fundraisern abzustimmen. So sollten sie online nicht nur für Einzelspenden, sondern ebenso für regelmäßige Spenden, Mitgliedschaften, Zeitspenden und Erbschaften werben. Zudem können sie helfen, einzelne Schritte für andere Fundraising-Instrumente zu übernehmen, beispielsweise indem sie Bildmaterial für ein Print-Mailing vor dem Versand mittels Online-Bannern auf ihre Wirkung testen. Unterstützung braucht die Entwicklung des Digitalen Fundraisings von allen Bereichen und Ebenen der Organisation. Den digitalen Wandel setzt eine Fundraising-Abteilung allein nicht um. In vielen Gesprächen des Autors mit Fundraisern, digitalen Innovatoren und Beratern wurde nach Strategien und Kommunikationsansätzen gefragt, mit denen Stakeholder und Gremien für den digitalen Wandel gewonnen werden: 1. Steter Tropfen höhlt den Stein Es mangelt nicht an Argumenten dafür, dass sich das Kommunikations- und Spendenverhalten der Menschen an den stattfindenden Medienwandel anpasst. Kurz- und mittelfristig mögen die Veränderungen, je nach Zielgruppe der Organisation, nicht für alle gleichbedeutend in den Konsequenzen sein. Doch im Sinne der langfristigen Ausrichtung und unter Berücksichtigung des demografischen Wandels (wobei die veränderte Mediennutzung nicht alleine am Alter festzumachen ist) bedarf es eines Bewusstseins für die Veränderungen. Einschlägige Studien liefern regelmäßig aktuelle Befunde. Fakten alleine reichen jedoch noch nicht. Sie müssen auf die angemessene Weise gestreut werden. Ob dies durch gelegentliches Weiterleiten von interessanten Funden an eine interne Mailingliste, durch regelmäßiges Präsentieren in Teamrunden oder auf andere Art stattfindet, hängt jeweils von den üblichen organisationsinternen Informationsflüssen ab. In jedem Fall ist es hilfreich, konkrete Anwendungsbeispiele von vergleichbaren Projekten und Organisationen vorzustellen. Wie läuft es mit und ohne verstärkten Einsatz digitaler Technologien? Das Differenzerlebnis macht den Unterschied besonders spürbar. 2. Ein Digital Changemaker kommt selten allein: Bildet Banden! Wenn man mit unverstelltem Blick auf die Kollegen schaut, dann fallen schnell einige Personen auf, die ebenfalls Eigenschaften von Digital Changemakers aufzeigen. Ob sie sich ihres Potenzials schon bewusst sind oder nicht – diese Gleichgesinnten gilt es zu identifizieren und über Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg miteinander zu vernetzen, sich abzustimmen und gemeinsam Ziele zu verfolgen. Mit gemeinsamer Mikro­ politik („Du redest mit ihm, und ich mit ihr...“) können Argumentationen erprobt und auf Diskussionen beeinflusst werden. Und im Zweifelsfall bereichern die unterschiedlichen Perspektiven mindestens die Wahrnehmung für die Dynamik innerhalb der Organisation oder des Projekts.

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3. Entscheidungen mit Stakeholdern vorbereiten Entscheidungen rund um Strategie und Rahmenbedingungen für den digitalen Wandel und das Digitale Fundraising müssen vorbereitet werden. Die verantwortlichen Personen und Gremien erst während einer Sitzung überzeugen zu wollen, das ist zu spät. Die möglichen Interessen und Bedenken unterscheiden sich je nach Person und Arbeitshintergrund so stark, dass sie vorab einzeln adressiert werden sollten. Die Argumente der Rechtsabteilung oder aus der Sicht des Controllings sind in der Regel ganz andere als jene der Personalabteilung oder des Marketings. Entsprechend unterschiedlich sind vorbereitende Gespräche und Präsentation aufgebaut und belegt. Nach dieser Vorbereitungsphase lässt sich besser abschätzen, ob eine Mehrheit für ein Vorgehen erreicht wird. Falls nicht, bleibt genügend Zeit um ein alternatives Vorgehen zu entwickeln oder einen besseren Zeitpunkt abzuwarten. 4. Schnellere U-Boote zu Wasser lassen Umfassende strukturelle Veränderungen bedürfen einige Zeit und viel Überzeugung bei den Entscheidungsträgern. Leichter und vor allem schneller sind sie dafür zu gewinnen, in einzelnen Projekten einen größeren Freiraum zu gewähren. So eignen sich unter anderem längere Kampagnen, beispielsweise zu einem Jubiläum oder einem größeren Fundraising-Projekt, um den verstärkten Einsatz digitaler Werkzeuge zu erproben. Ein positiver Gestaltungskorridor im Sinne von „in diesem Projekt sollen neue digitale Wege erprobt werden“ erleichtert es, einige Bedenken anderer Abteilungen oder Akteure zu umgehen. Mit Verweis auf die strategische Rückendeckung seitens der Geschäftsführung oder dem Vorstand können mit diesem Experimentierprojekt und in einem vereinbarten Experimentierzeitraum die bislang gesetzten Grenzen des Machbaren ein Stück weit verschoben werden. 5. Zwischen Höchstgeschwindigkeit und Tempolimit wechseln Immer schneller und immer weiter – das ist eine Einstellung, die in der Organisationsentwicklung hinderlich sein kann. Wenn die Haltung gegenüber dem digitalen Wandel verändert werden soll, dann reicht es nicht aus, einige schnelle Pioniere in ihrem Handeln zu bestärken. Vielmehr müssen am Ende alle relevanten Stakeholder mitgenommen werden und es muss von daher deren individuelles Veränderungstempo berücksichtigt werden. Für die nachhaltige Entwicklung ist es manchmal geschickter, kleinere Schritte zu gehen als theoretisch möglich, dafür aber die Menschen und die Kultur der Gesamtorganisation im Fokus zu behalten. Diese beispielhaften internen Überzeugungsstrategien sollen Mut machen: Mit den passenden Strategien lassen sich Vorbereitungen auf den digitalen Wandel treffen, dieser lässt sich mit den richtigen Impulsen befördern und das Digitale Fundraising kann nachhaltig entwickelt werden. Dabei gilt jedoch, dass die Veränderung der Organisationskultur Zeit braucht. Für Veränderungsprozesse dieser Art sind Zeiträume von ein bis drei Jahren bei entsprechender Begleitung realistisch. Aus diesem Grunde ist es für die Digital Change­ maker wichtig, die oben beschriebenen Handlungsmuster dauerhaft anzuwenden.

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Informelle Changemaker Zu Beginn dieses Kapitels ist kurz darauf eingegangen worden, dass die Rolle der Digital Changemaker in den seltensten Fällen formell benannt und zugeordnet wird. Der informelle Charakter dieser Rolle bringt einige Besonderheiten mit. Zwangsläufig wird sich die interne Wahrnehmung einer Person verändern, die sich beständig und strategisch auf ein Thema fokussiert und dieses kommuniziert. Das kann positive und negative Reaktionen bei den Kollegen hervorrufen. Einerseits kann das Engagement über den eigenen Auftrag und Aufgabenbereich hinaus Wertschätzung erfahren. Zugleich kann ein merkbar strategisches Vorgehen Zweifel in der Aufrichtigkeit erzeugen und Fragen aufwerfen, welche persönliche Agenda damit verfolgt wird. Das Wirken als Digital Changemaker, stetiger Impulsgeber und Antreiber für bestimmte Themen zu sein, setzt eine gewachsene Persönlichkeit voraus, die mit den dynamischen Reaktionen des Umfelds umzugehen weiß. Eine hohe Sensibilität für das eigene Verhalten und die Fremdwahrnehmung sind hier besonders förderlich. Dazu gehört auch, einige typische Fehler zu vermeiden, die das Risiko einer negativen Wahrnehmung der Person und des Themas unnötig vergrößern. Zu den häufigsten Fehlern von Digital Changemakers gehört, dass sie Organisationsentwicklung mit Aktivismus verwechseln. Unnötig aufgebauter Zeitdruck durch spontane Vorschläge oder wenig Vorbereitungszeit kann die Entscheidungsträger und Kollegen ebenso überfordern wie das stetige Verlangen von mehr Freiraum und mehr Ressourcen. Veränderungen brauchen Zeit um sich zu etablieren und Führungskräfte möchten erst mal die positiven Auswirkungen ihrer Entscheidungen wahrnehmen, bevor sie bereit sind, weiter voranzuschreiten. Umso wichtiger ist es, dass die Antreiber der Veränderung nicht zu viel versprechen und zu große Erfolge ankündigen, die sie dann womöglich nicht halten können. Solche Verhaltensweisen können zu einem (persönlichen) Misserfolg bei der Implementierung von Digitalem Fundraising führen, und diese negative Erfahrung kann sich als Hürde für zukünftige Changemaker erweisen (Reuter 2015b). Letztendlich bleibt zu sagen, dass es für den digitalen Wandel in Non-Profit-Organisationen bereits einige erprobte Strategien gibt. Erfolgsbeispiele und einige risikobehaftete Vorgehensweisen sind bekannt. Dennoch wird es immer so sein, dass jede Organisation für sich genommen ein spezielles und einzigartiges System aus Personen, Stakeholdern und von ihnen gebildeten Strukturen darstellt, die eine individuelle Vorgehensweise erfordern. Die Organisationsentwicklung und die Veränderung der Organisationskultur laufen nie exakt gleich ab. Es stellt sich die Frage, ob sich digitale Fundraiser zugleich als mitverantwortlich für die Organisationsentwicklung betrachten sollten. Überladen sie damit nicht ihre Rolle? Haben sie mit der Implementierung von neuen Werkzeugen und der Organisation der Zusammenarbeit nicht schon genug zu tun? Sicherlich ist es von Vorteil, wenn Fundraiser selbst die Organisationsentwicklung mitsteuern. Es ist jedoch nicht ihre primäre Aufgabe. Mindestens sollten sie die informellen Digital Changemaker erkennen und mit ihnen zusammenarbeiten können.

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Der erste begrenzende Faktor für Digitales Fundraising sind die Grenzen im Denken der Entscheidungsträger. Wird dieses Stück für Stück angeregt und gelingt es, Perspektiven auf das Thema zu weiten, so kann sich der Handlungsraum für digital-vernetzt denkende Fundraiser vergrößern. Digital Changemaker sind dabei Verbündete im digitalen Wandel, egal, ob diese selbst bereits Fundraising-Wissen mitbringen oder sich nur als digitale Unterstützer für das Fundraising verstehen.

2.5

Fazit

In den vergangenen Jahren hat sich das Online-Fundraising bei Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten etabliert. Gleichwohl gibt es noch sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die als Internet-Fundraising, Online-Fundraising und Digitales Fundraising bezeichnet werden können. Grundsätzlich lassen sich die Ebenen des Digitalen Fundraisings auf die eigene Internetseite, das Fundraising im Web und das digitale Peer-to-Peer-­ Fundraising zusammenfassen. Die Diversität im Verständnis spiegelt auch die aktuelle Relevanz internetbasierter oder -unterstützter Fundraising-Maßnahmen wider. So steigen bei Katastrophenfällen zwar die Anteile der Online-Spenden, doch ihr Anteil am Gesamtspendenvolumen verbleibt bisher gering. Der gestiegenen Akzeptanz von Online-Zahlungen auf Seiten der Spender steht ein geringes Investment an Mitarbeiterkapazität und Budget in das Digitale Fundraising auf Seiten der Non-Profit-Organisationen gegenüber. Mit der sich langsam entwickelnden Institutional Readiness für Digitales Fundraising sind Non-Profit-Organisationen zunehmend bereit, die förderlichen Rahmenbedingungen in Strategie, Struktur und Potenzial zu bereiten und die Organisationskultur zu entwickeln. In der Folge kann es Digital Changemakers zunehmend gelingen, den digitalen Wandel anzustoßen und zu begleiten, so dass ihre Kolleginnen und Kollegen in die Lage versetzt werden, das Digitale Fundraising in die Anwendung zu bringen.

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J. Reschke

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Jörg Reschke  ist Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising. Seit fünfzehn Jahren berät und schult er Unternehmen und Non-Profit-Organisationen, ihr volles Potenzial für mehr Beteiligung, Dialog und Marketing zu entdecken und zu heben. Als Dozent und Kursleiter ist er unter anderem bei der Europäischen Fernhochschule, dem Institut für Lernsysteme und der Fundraising-Akademie tätig. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband. Sie können Jörg Reschke unter www.joerg-reschke.de und [email protected] erreichen.

3

Werkzeuge des Online-Fundraisings Jörg Reschke

Inhaltsverzeichnis 3.1  Überblick der Werkzeuge  3.2  Die eigene Internetseite  3.3  Spenden-Plattformen  3.4  Aktivisten-Fundraising  3.5  Crowdfunding  3.6  Online-Auktionen  3.7  Freiwilligen-Plattformen  3.8  Painless Giving  3.9  Make or Buy im Digitalen Fundraising  3.10  Fazit  Literatur 

 48  49  50  51  52  53  53  54  55  59  59

Zusammenfassung

Dieses Kapitel vermittelt ein Grundverständnis der verschiedenen Werkzeuge und In­ strumente, mit denen Online-Fundraising erfolgreich umgesetzt wird. Dazu gehören die eigene Internetseite, Spenden-Plattformen, Aktivisten-Fundraising, Crowdfunding, Online-Auktionen, Freiwilligen-Plattformen und Painless Giving. Mit einer grundlegenden Kenntnis der Werkzeuge und ihrer Mechanismen können Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte Make-or-Buy-Überlegungen anstellen, um zu entscheiden, welche Leistungen sie selbst bereitstellen oder extern erbringen lassen.

J. Reschke (*) sozialmarketing.de, Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_3

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3.1

Überblick der Werkzeuge

Digitales Fundraising für ein Projekt oder eine Organisation wird nur dann erfolgreich sein, wenn die zur Strategie passenden Werkzeuge ausgewählt und professionell eingesetzt werden. Das ist leichter gesagt als getan! Von Suchmaschinenoptimierung, Spenden-Plattformen und Werbebannern hat vermutlich jeder schon mal etwas gehört. Viele haben bereits etwas auf eBay ersteigert oder online eingekauft. Einige haben einer Produktinnovation zum Durchbruch verholfen, indem sie früh in die Finanzierung über eine Crowdfunding-Plattform eingestiegen sind. Nur ganz wenige haben diese Instrumente für einen guten Zweck eingesetzt, indem sie damit ein soziales Projekt oder eine Non-Profit-Organisation unterstützten. Die erste Hürde ist es, die Funktionsweisen der verschiedenen Werkzeuge zu verstehen. Auf den ersten Blick scheinen viele Spenden-Plattformen gleich, doch die konzeptionellen Unterschiede sind teilweise erheblich. Zum Beispiel Crowdfunding und Spenden-­ Plattformen: Auch wenn sie aus Nutzersicht sehr ähnlich erscheinen, können sie vom Finanzamt sehr unterschiedlich bewertet werden. In so einem Fall droht Ungemach in Form von Steuernachzahlungen. Online-Fundraiser stehen vor der Herausforderung, all diese Konzepte (und viele weitere) zu kennen. Sie müssen die Funktionsweisen und Mechanismen verstehen, mögliche Fallstricke erkennen und sie sollten in der Lage sein zu entscheiden, was sie für einzelne Finanzierungsvorhaben einsetzen möchten. Damit Sie es von Anfang an richtig machen, setzen Sie sich in diesem Kapitel mit verschiedenen Werkzeugen auseinander. Für eine bessere Übersicht sind diese in folgenden Kategorien zusammengefasst: • • • • • • •

die eigene Internetseite Spenden-Plattformen Aktivisten-Fundraising Crowdfunding Online-Auktionen Freiwilligen-Plattformen Painless Giving

Nicht nur gibt es in jeder Kategorie eine Vielzahl von Werkzeugen und Anbietern, es kommen ständig neue hinzu. Es vergeht seit Jahren kein Monat, ohne dass eine neue Plattform, ein neues Fundraising-Startup oder ein anderes neues Tool erscheint und große, neue Möglichkeiten zum online Spendensammeln verspricht. Der Markt ist ständig in Bewegung und nicht wenige Anbieter verschwinden nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche.

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Zusammenarbeit mit neuen Plattformen Als Fundraiser einer Non-Profit-Organisation erhalten Sie gelegentlich Anfragen von Startups und neuen Plattformen, die Sie einladen, als Partner zum Start dabei zu sein. In so einer Situation gibt es einige Fragen: Lohnt es sich, die eigene Marke zur Verfügung zu stellen? Wie groß ist der strategische Vorteil als erste Organisation an Bord zu sein? Wie groß ist das Risiko? Ob das neue Werkzeug erfolgreich sein wird, das lässt sich niemals garantieren. Seien Sie gewarnt vor überhöhten Versprechungen. Hinterfragen Sie auch Ihre eigenen Annahmen und Erwartungen, insbesondere wenn Sie den Markt nicht komplett einschätzen können. Zur sorgfältigen Prüfung gehört es auf jeden Fall, dass Sie sich über die Investoren und die verantwortlichen Akteure informieren. Schauen Sie beispielsweise auf die vorhandene Expertise und die Geldgeber. Verstehen diese ihren Markt und die Besonderheiten von Non-Profit-Organisationen? Doch selbst mit der perfekten Kalkulation und den besten Leuten gilt: Der Erfolg ist niemals garantiert, aber wer sich nicht traut Neues zu wagen, der wird manchen Erfolg verpassen. Bleiben Sie realistisch. Der goldene Weg ist bei Interesse die Zusammenarbeit mit den neuen Anbietern beziehungsweise den etablierten Anbietern mit neuen Werkzeugen. So lernen sich die Akteure besser kennen und lernen die jeweiligen Bedürfnisse besser einzuschätzen. Durch frühes Feedback in der Entwicklungs- und Testphase tragen Online-Fundraiser dazu bei, dass die Angebotslandschaft sich insgesamt positiv entwickelt.

3.2

Die eigene Internetseite

Eine eigene Internetseite ist die Basisstation einer jeden Organisation im Internet. Sie ist die erste Anlaufstelle für Hintergrundinformationen über die Projekte und Tätigkeiten, dient als Wegweiser zu Accounts in sozialen Netzwerken und diese führen ihrerseits zu vertiefenden Informationen in Form von längeren Inhalten, Formularen und Downloads auf der Seite. Für das Fundraising nimmt die Internetseite eine größere Bedeutung ein, als manche anfangs glauben mögen. Neben den Online-Spenden, die direkt und eindeutig auf sie zurückzuführen sind, gibt es einen großen Graubereich weiterer Spenden, die zumindest indirekt durch die Internetseite beeinflusst sind. Skeptische Spender informieren sich über die Hintergründe und Wirkung, andere laden sich das Formular zur Fördermitgliedschaft online herunter, um es dann per Post einzusenden und weitere Unterstützer schreiben die Kontoverbindung auf den analogen Überweisungsträger ab. Anders als beispielsweise Profile in sozialen Netzwerken besteht über die eigene Internetseite die volle Gestaltungshoheit in Sachen Inhalte, Design und Nutzerinteraktion. Diese Tatsache bedeutet auch großes Potenzial, um das Erlebnis für Spenderzielgruppen passend zu gestalten. Unter Fundraising-Gesichtspunkten sind es einige grundsätzliche Optionen, mit denen potenzielle Spenderinnen und Spender an die Transaktion herangeführt werden:

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• Inhalte in verschiedenen Aufbereitungsformen und Medien, die dazu beitragen, dass Interessierte das Projekt oder die Organisation zu ihren relevanten Themen im Internet findet. (Kap. 5) • Bereitstellung von allen relevanten Informationen für verschiedene Spenderzielgruppen von der Kontoverbindung über Formen der Mitgliedschaft bis hin zu der Möglichkeit einer Testamentsspende. (Abschn. 6.2) • Mit einem Spendenformular können Unterstützer direkt online ihre einmalige oder regelmäßige Spende tätigen. Hierfür kann meist auf Angebote von Banken oder Dienstleistern zurückgegriffen werden, die in einigen Aspekten (z. B. Farben, Spendenzwecke) auf die Bedürfnisse der Organisation angepasst werden können. (Abschn. 6.3) • Als alternative oder ergänzende Varianten von Spendenformularen können Elemente wie beispielsweise Weihnachtskalender mit Spendenfunktion, Aktionen von Spenden-­ Plattformen oder die Möglichkeit für Spender, eigene Spendenaktionen anzulegen, in die eigene Internetseite eingebettet werden. • Landingpages beispielsweise für anzeigengestützte Kampagnen, die mit Inhalt und Benutzerinteraktion ganz klar und fokussiert an die vorangegangenen Werbemittel anschließen. (Abschn. 6.4) • In Spendenshops wird das Shopping-Erlebnis à la Amazon & Co nachgebildet, in dem Spendenbeispiele mit einem festgesetzten Wert in den Warenkorb gelegt und der Gegenwert am Ende gespendet wird. (Abschn. 6.5) Grundsätzlich ist eine Internetseite einem stetigen Wandel unterworfen. Die Optimierung von Inhalten auf Basis von Testing (Abschn. 4.4) und Suchmaschinenoptimierung (Abschn. 4.2) trägt ebenso dazu bei wie die Aktualisierung und Erweiterung von Inhalten.

3.3

Spenden-Plattformen

Auf Spenden-Plattformen haben gemeinnützige Organisationen die Möglichkeit, sich und ihren Finanzierungsbedarf darzustellen. Spenderinnen und Spender erhalten auf Spenden-­ Plattformen einen Überblick über verschiedene spendensammelnde Organisationen, können sich über die Projekte informieren und gegebenenfalls Fragen an die verantwortlichen Personen richten sowie direkt spenden. Organisationen bieten solche Plattformen die Möglichkeit, außerhalb der eigenen Internetseite zu sammeln. Das macht sie für Zufallsspender auf den Plattformen erreichbar und verlagert den Aufwand für den technischen Betrieb und die Weiterentwicklung auf die Plattformbetreiber. Auf den ersten Blick erscheinen die bekannten Spenden-Plattformen sehr gleich. Auf den zweiten Blick offenbaren sich jedoch unterschiedliche konzeptionelle Ansätze. So können sie von Darstellung und Benutzerinteraktion eher mit Priorität auf die Bedürfnisse der Organisationen oder auf jene der Spender gestaltet sein. Weitere Unterschiede liegen

3  Werkzeuge des Online-Fundraisings

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in der bundesweiten oder lokalen Ausrichtung sowie gegebenenfalls einer Eingrenzung auf bestimmte Themen bzw. Förderzwecke. Nachdem Spenden-Plattformen für Einzelpersonen als Empfänger aufgrund höherer Regulierung durch die Finanzaufsicht weitgehend eingestellt waren, gibt es nun wieder einzelne Anbieter, welche dieses Segment bedienen. (Abschn. 7.1) Beispiele für Spenden-Plattformen im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• • • • • • • • • •

3.4

www.betterplace.org (allgemeine Plattform, Deutschland, Österreich, Schweiz) www.HelpDirect.org (allgemeine Plattform, Deutschland) www.crowdfunding.at (allgemeine Plattform, Österreich) www.spendenbuch.ch (allgemeine Plattform, Schweiz) www.spendenplattform.ch (allgemeine Plattform, Schweiz) www.wir-bewegen.sh (regionale Plattform) www.die-wunscherfueller.de (regionale Plattform) www.effektiv-spenden.org (Nischen-Plattform) www.leetchi.com (privates Fundraising) www.gofundme.com (privates Fundraising) ◄

Aktivisten-Fundraising

Im Gegensatz zu Spenden-Plattformen stehen beim Aktivisten-Fundraising die Menschen im Vordergrund, die durch Anlassspenden, kreative Ideen oder sportlichen Einsatz Geld für gemeinnützige Zwecke in ihren Netzwerken einsammeln. Diese Personen nutzen einen persönlichen Anlass, um für Spenden zugunsten der von ihnen unterstützten Organisation aufzurufen. Das hat den Vorteil, dass sich Menschen bewusst für eine Organisation entscheiden und diese mit Herzblut und Leidenschaft unterstützen. Es handelt sich bei Aktivisten-Fundraising (Peer-to-Peer-Fundraising) um die Entsprechung der klassischen Anlassspende, wie sie bereits seit Jahrzehnten beispielsweise zu Geburtstagen, Beerdigungen und Spendenläufen üblich ist. Die Kommunikationsarbeit wird von den Aktivisten selbst geleistet. Für die erfolgreiche Umsetzung einer solchen Spendenaktion ist es wichtig, dass die Anlassgeber ausreichend gut und viel ­kommunizieren. Dabei ist es förderlich, wenn die Fundraiser des begünstigten Trägers mit Vorschlägen entsprechend Hilfestellung leisten. Mit Spendenaktionen aus dem Bereich des Aktivisten-Fundraising werden vordergründig Menschen aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis der Anlassgeber erreicht. Diese Kontakte zweiten Grades sind oftmals Menschen, zu denen die gemeinnützigen Träger noch nicht zu ihren regelmäßigen Spendern zählen. Die Erstspende ist damit eine willkommene Chance, die neuen Spender zu binden.

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Die Funktionalitäten für das Aktivisten-Fundraising werden von verschiedenen Plattformen und Dienstleistern angeboten. Sie setzen voraus, dass sich die spendenempfangenden Organisationen zuvor registrieren und die Möglichkeit für Spendenaktionen Dritter aktivieren. (Abschn. 8.1) Beispiele für Plattformen und Software-Anbieter zum Aktivisten-Fundraising im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• • • • • •

3.5

www.altruja.de www.fundraisingbox.com www.raisenow.com www.facebook.com/fundraisers actionpanda.wwf.de (Plattform des WWF Deutschland) life-changer.helvetas.ch (Plattform der Helvetas Schweiz) ◄

Crowdfunding

Crowdfunding kann sehr grob als Fundraising mit Gegenleistungen beschrieben werden. Dabei können sich Unterstützer je nach Höhe ihrer finanziellen Unterstützung eine Gegenleistung aus einem vorgegebenen Portfolio an Prämien auswählen. Anders als bei Spenden-Plattformen weist der Crowdfunding-Mechanismus eine höhere Dramaturgie auf: Nur wenn die Zielsumme im Zielzeitraum erreicht ist, wird auch das Geld der Unterstützer im Rahmen des „Alles oder Nichts“-Prinzips eingezogen. Andernfalls verfällt die Finanzierungszusage, da das Projekt ohne die erforderliche Summe nicht im vorgestellten Rahmen stattfinden könne. Aufgrund der Gegenleistung für die Finanzierung müssen die eingeworbenen Gelder in der Regel im wirtschaftlichen Betrieb verbucht und entsprechend versteuert werden. Es handelt sich dann nicht mehr um Spenden im steuerrechtlichen Sinne. Ausnahmen können unter Umständen mit Finanzämtern (vorab) abgesprochen werden, beispielsweise wenn auf die Gegenleistung aktiv verzichtet wird. Beachtet werden sollte auch das Umfeld auf Crowdfunding-Plattformen: Crowdfunding ist nicht auf den gemeinnützigen Bereich begrenzt. Als Projektstarter treten ebenso Einzelpersonen und Unternehmen auf. Projekte gemeinnütziger Träger stehen Seite an Seite mit CD-Produktionen von Bands, Buchprojekten, Festivals und innovativen Produktentwicklungen. Diesem Online-Fundraising-Werkzeug wird ein relativ hoher Aufwand für die damit verbundene Kampagne zugeschrieben. Ebenso groß sind allerdings die möglichen Lerneffekte für die Organisation und deren Fundraising insgesamt. (Abschn. 8.3)

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Beispiele für Crowdfunding-Plattformen im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• • • • • • • •

3.6

www.startnext.de (allgemeine Plattform für Deutschland, Österreich, Schweiz) www.gemeinwohlprojekte.at (allgemeine Plattform, Österreich) www.lokalhelden.ch (allgemeine Plattform, Schweizac) www.indiegogo.com (internationale Plattform) www.kickstarter.com (internationale Plattform) www.dueren-crowd.de (regionale Plattform) www.fairplaid.org (Nischen-Plattform für Sport) www.spieleschmiede.de (Nischen-Plattform für Spiele) ◄

Online-Auktionen

Waren Auktionen früher noch hauptsächlich mit traditionsreichen Auktionshäusern wie Sotheby‘s und Christie‘s verbunden, so hat spätestens der weltweit populärste Online-­ Marktplatz eBay dieses Format jedermann zugänglich gemacht. Online-Auktionen haben den Vorteil, dass sie unabhängig von einem Offline-Event mit der vermögenden und interessierten Zielgruppe sind. Gleichwohl braucht es auch für das Online-Format die entsprechende Zielgruppenansprache, allerdings über einen längeren Zeitraum verteilt und mit der angemessenen Bandbreite an Ansprachewegen. Voraussetzung für die Durchführung von Online-Auktionen sind zu versteigernde Güter, die viel Potenzial haben, sehr hohe Preise zu erzielen. Dabei kann es sich sowohl um materielle (z. B. das signierte Trikot eines bekannten Sportlers) als auch um immaterielle (z. B. ein Treffen mit einem Prominenten) Güter handeln. Obwohl der Geldgeber eine Leistung erhält, kann der Geldbetrag aufgrund der Zwischenschaltung einer Online-Auktionsplattform in der Regel als Spende geltend gemacht werden (allerdings für die Plattform, nicht für den Geldgeber). (Abschn. 7.2) Beispiele für Online-Auktions-Plattformen im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• • • •

3.7

www.unitedcharity.de (allgemeine Plattform, Deutschland) pages.ebay.de/ebayfuercharity (allgemeine Plattform, Deutschland) www.changemakers.ch (allgemeine Plattform, Schweiz) auktion.sporthilfe.at (Nischen-Plattform für Sport, Österreich) ◄

Freiwilligen-Plattformen

Projekte und Organisationen mit vielen Angeboten für freiwilliges Engagement können ihre Bemühungen um Engagierte mittels Online-Komponenten erweitern. Auf der eigenen Internetseite oder spezialisierten Plattformen ermöglichen sie mittels Angeboten für

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Zeitspenden die Kontaktaufnahme oder nehmen ihrerseits Kontakt zu Menschen auf, die passende Engagement-Angebote suchen. Neben klassischen Formaten des freiwilligen Engagements wie Vorstands- und Gremienarbeit, werden zunehmend projektbezogene und kurzzeitige Möglichkeiten des Engagements angeboten und nachgefragt. Freiwilligen-Plattformen dienen hier als Vermittler und Orientierungshilfe zwischen den Angeboten. Formen des freiwilligen Engagements, das hauptsächlich über das Internet stattfindet, beispielsweise am heimischen Rechner, vom Arbeitsrechner aus oder mobil per Handy, werden als Online-Volunteering bezeichnet. Mittels Online-Volunteering können auch jene potenziell Engagierten erreicht werden, die an ihr Zuhause gebunden sind (z. B. behinderte Menschen, Frauen und Männer in Erziehungszeiten), oder in anderen Regionen oder gar auf anderen Kontinenten leben (Jähnert 2016, S. 845). Beispiele für Freiwilligen-Plattformen im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• www.betterplace.org/de/discover-volunteering (allgemeine Plattform, Deutschland, Österreich, Schweiz) • www.gute-tat.de (allgemeine Plattform, Deutschland) • www.freiwilligenweb.at (allgemeine Plattform, Österreich) • www.bergwaldprojekt.ch (Nischen-Plattform für Waldprojekte, Schweiz) • www.onlinevolunteering.org (internationale Plattform) ◄

3.8

Painless Giving

Painless Giving beschreibt das Spenden von Kleinbeträgen, die an Alltagsausgaben und Produkte gekoppelt sind und „nebenbei“ gespendet werden. In diesen Bereich fallen verschiedene Ansätze, deren Gemeinsamkeit die oftmals durch Affiliate- oder Werbe-Einnahmen generierten Spenden im Cent- und niedrigen Euro-Bereich sind. Der Vorteil von Painless Giving für die Spender ist, dass sie keinen oder kaum finanziellen Mehraufwand tragen. Restcent-Beträge zum Aufrunden fallen kaum ins Gewicht und bei Einkaufsplattformen und Produkten aus dem Bereich Painless Giving fallen keine Mehrkosten an. Somit eignet sich dieses Instrument insbesondere für die Ansprache einkommensschwächerer Zielgruppen, die auf diese Weise keine Spenden aus dem eigenen Vermögen tätigen brauchen und trotzdem etwas Gutes tun. Einkaufsplattformen basieren auf dem im eCommerce üblichen Prinzip des Affiliate-­ Marketings (Thiem 2015). Sie erhalten für eine durch sie entstandene Vermittlung von Kunden bzw. Käufen eine Provision. Sie reichen die Provision, die sie für die Kauf-­ Vermittlung erhalten, vollständig oder teilweise an registrierte Non-Profit-Organisationen weiter. Dabei wird in der Regel der von den Kunden gewünschten Auswahl des Spendenempfängers entsprochen.

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Um als Non-Profit-Organisation über den Weg der Einkaufsplattformen oder von Painless-­Giving-Produkten Einnahmen zu erhalten, ist eine vorherige Registrierung bzw. Kooperationsvereinbarung notwendig. Erfahrungsgemäß führt die passive Verwendung kaum zu nennenswerten Erträgen. Vielmehr ist die aktive Kommunikation an die eigenen Unterstützer ratsam, damit diese ihr Online-Einkaufsverhalten anpassen. Beispiele für Painless Giving im deutschsprachigen Raum sind unter anderem

• • • • • • •

3.9

smile.amazon.de (Charity Shopping, Deutschland) www.bildungsspender.de (Charity Shopping, Deutschland) www.schulengel.de (Charity Shopping, Deutschland) www.shopplusplus.at (Charity Shopping, Österreich) www.ecosia.org (Suchmaschine, international) www.goood.de (Mobilfunkanbieter, Deutschland) www.goood-mobile.at (Mobilfunkanbieter, Österreich) ◄

Make or Buy im Digitalen Fundraising

Eine Non-Profit-Organisation oder ein soziales Projekt, welches Digitales Fundraising durchführen möchte, kommt kaum umher, Software einzusetzen. Sie bildet die technische Basis für das Funktionieren von Nutzer-Interaktion und Transaktionen. Eine wichtige Frage ist, ob die Bereitstellung der Software durch die Organisation selbst durchgeführt wird oder ob hierfür externe Dienstleister beauftragt beziehungsweise Online-Plattformen genutzt werden. Für eine Bereitstellung in Eigenregie werden fähige Programmiererinnen und Programmierer benötigt, welche über die notwendigen Kenntnisse der Programmiersprachen und IT-Sicherheit verfügen sowie zusätzlich die Anforderungen der Fundraiser verstehen und in geeignete Nutzer-Interaktionen übersetzen können. Diese zu finden fällt mitunter schwer. Das ist ein Grund, warum wir insbesondere im Digitalen Fundraising häufig Make-­or-Buy-Entscheidungen zu treffen haben. Beide Varianten einer Make-or-Buy-Entscheidung, also Eigenerstellung oder die Ausgliederung an Externe, haben Vor- und Nachteile. Diese abzuklären, das gehört zu den strategischen Aufgaben des Digitalen Fundraisings. Traditionell kommen hierfür zwei unterschiedliche Ansätze zur Entscheidungsfindung zum Tragen: der kostenrechnerische Ansatz und der organisationsstrategische Ansatz (vgl. Fischer 1992). Kostenrechnerischer Ansatz Der kostenrechnerische Ansatz vergleicht die Vollkosten der Eigenleistung mit denen der Fremdleistung. Hier werden also die Angebote externer Dienstleister den Kosten gegenübergestellt, die bei einer Bereitstellung in Eigenleistung entstehen. Unter anderem finden

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hier die Lohnkosten, Sozialabgaben, Fortbildungskosten sowie Anteile an den Fixkosten wie der Büromiete und -infrastruktur Berücksichtigung. Eine andere Vorgehensweise wird angewandt, wenn kurzfristige Make-or-Buy-Entscheidungen getroffen werden müssen und freie Kapazitäten einbezogen werden können. Hier sind „im Rahmen der Teilkostenrechnung nur die zusätzlichen variablen Kosten entscheidungsrelevant, da die fixen Kosten in dieser Entscheidungssituation ‚versunken‘ (sunk costs) sind. Besteht hingegen ein Engpass, müssen neben den variablen Kosten die engpassspezifischen Opportunitätskosten berücksichtigt werden“ (ebenda 1992, S. 20). Als problematisch stellt Fischer die scheinbare Objektivität des kostenrechnerischen Ansatzes heraus, die aufgrund der Schwierigkeiten der Bestimmung und Zurechenbarkeit von Gemeinkosten ungenau bleibt und im hohen Maße manipulierbar ist (ebenda, S. 22). Organisationsstrategischer Ansatz Mit dem organisationsstrategischen Ansatz (bei Fischer: unternehmensstrategischer Ansatz) wird die Make-or-Buy-Entscheidung anhand von Kriterien erörtert, die je nach Organisationsstrategie mit einer geringeren oder höheren Priorität für die Entscheidungsfindung herangezogen werden. So kann beispielsweise eine Wettbewerbsanalyse stattfinden, in der Erkenntnisse über die Kapazitäten und Kompetenzen der direkten Mitbewerber sowie deren Anteile von Eigen- und Fremdleistung zusammengetragen werden. Grundsätzlich macht der Einsatz von Fremdleistungen die Skalierung einfacher, wie es beispielsweise bei schnellem Wachstum oder für die kurzfristige Umsetzung von Kampagnen notwendig sein kann. Eine Umsetzung in Eigenleistung hingegen resultiert in der Einschränkung der Organisationsflexibilität aufgrund steigender Fixkosten und der Erhöhung der Austrittsbarrieren (ebenda, S.  25). Eine höhere Flexibilität weisen Werk- und Leistungsverträge mit Dienstleistern auf, bei denen Zeitraum, Fristen und Leistungsumfang schneller angepasst werden können. Entscheidend für den Erfolg der Aktivitäten im Digitalen Fundraising ist nicht zuletzt die Qualität der Arbeitsleistung. Adäquate Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen ausgebildet und vorgehalten werden. Es bedarf einer individuellen Betrachtung, ob die Kompetenzen bereits in der Non-Profit-Organisation vorhanden sind und für die geplanten Aufgaben eingesetzt werden können. Hier ist abzuwägen, ob durch den veränderten Einsatz der Kapazitäten bestimmte Tätigkeiten im Kerngeschäft der Organisation beeinträchtigt werden. Seeger (2014, S. 4) stellt sieben strategische, entscheidungsrelevante Faktoren für eine Make-or-Buy-Entscheidung heraus: die Strategie und Firmenphilosophie, die geplante Wachstumsgeschwindigkeit, die Verfügbarkeit von Personal, der angestrebte Internationalisierungsgrad, die Verfügbarkeit von IT-Ressourcen, die Ernsthaftigkeit des Unterfangens und die Wettbewerbssituation. Kritisch kann zum organisationsstrategischen Ansatz angemerkt werden, dass aus diesem ebenfalls keine allgemeingültigen Empfehlungen abgeleitet werden können (Fischer 1992, S. 25). Entscheider können jederzeit weitere strategische Kriterien einbringen, auswählen und priorisieren, so dass das Ergebnis verändert wird (ebenda).

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Sowohl der kostenrechnerische als auch der organisationsstrategische Ansatz zur Entscheidungsfindung können einen Beitrag zur Klärung leisten, weisen jedoch Defizite auf. Man sollte sich der unvollkommenen, zukunftsgerichteten Informationslage bewusst sein. Situationsbezogene Abwägung von Vor- und Nachteilen Immer wenn Online-Fundraising-Werkzeuge von externen Dienstleistern verwendet werden, sind Kompromisse notwendig. Von der Benutzeroberfläche, dem Corporate Design bis hin zu einzelnem Wording und dem Interaktions-Flow können sich Fundraiser viele Anpassungen wünschen. Solche individuellen Lösungen sind im Rahmen einer eigenen Entwicklung mit Programmierern im Haus keine zu große Herausforderung. In der bestehenden Software-Landschaft sind die Möglichkeiten oftmals beschränkter. Die Anbieter sind auf relativ homogene Lösungen angewiesen, um am Markt tragfähig zu sein. Es stellt sich unter anderem die Frage, in welchen Fällen die erwarteten Einnahmen die zeitlichen und finanziellen Aufwände zur Eigenentwicklung rechtfertigen. Bei kleineren Trägern mit ohnehin wenigen Fundraising- und IT-Kapazitäten ist die Make-or-Buy-­ Entscheidung schnell getroffen. Ein größeres Maß an Abwägung braucht es, wenn interne Kompetenzen und Kapazitäten bereits vorhanden sind oder die Investitionskosten vergleichsweise hoch sind. In diesem Fall sollten die Aufwände für Konzeption, Programmierung und Betrieb eingehender betrachtet werden, denn sie schwanken stark zwischen den verschiedenen Online-Fundraising-Werkzeugen (Abb. 3.1). Bei einem einfachen Spendenformular sind die Aufwände für Konzeption und Programmierung einmalig und gering. Laufende Kosten fallen lediglich für Betrieb und gegebenenfalls Updates an, um die sichere Übermittlung der Transaktionsdaten zur gewährleisten. Möchte ein Träger jedoch beispielsweise eine eigene Plattform für Aktivisten-Fund­raising entwickeln, so sind die größten Aufwände in der Konzeption und der Programmierung zu erwarten. Die Betriebskosten fallen hingegen vergleichsweise gering aus.

Konzeption

Betrieb • • • •

Weiterentwicklung Sicherheit Support und weiteres

Abb. 3.1  Kosten-Dreieck bei Digital-Projekten

• • • •

Strategie Detailkonzept Projektmanagement und weiteres

Programmierung • • • •

Frontend Backend Schnitstellen und weiteres

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J. Reschke

Neben der Größe der Projekte und ihrer strategischen Bedeutung fließen zahlreiche interne Randbedingungen wie vorhandenes Know-how, Budget und Kapazitäten in die Make-or-Buy-Entscheidung ein. Für eine Eigenentwicklung („Make“) können beispielsweise folgende Argumente sprechen • Eine hohe Individualität und Anpassung an die exakten und einzigartigen Bedürfnisse der Organisation sind möglich. • Neue Entwicklungen sind ein Faktor zur Differenzierung vom Wettbewerb. • Kleine Anpassungen können schnell vollzogen werden. • Die Lerneffekte und der Kompetenzaufbau in Konzeption und Programmierung verbleiben bei der Organisation und können für zukünftige Projekte genutzt werden. • Vertraulichkeit über interne Prozesse und mögliche Herausforderungen bleibt vollständig gewahrt. • Es besteht keine (zusätzliche) Abhängigkeit von externen Dienstleistern und Lieferanten. • Der Programmiercode ist genau bekannt. Zumindest wenn die verantwortlichen Entwickler im Haus bleiben bzw. eine gute Dokumentation hinterlassen.

Für eine Fremdentwicklung („Buy“) können beispielsweise folgende Argumente sprechen • Standard-Lösungen berücksichtigen bereits viele Standard-Prozesse. Durch die vielfache Erprobung mit verschiedensten Trägern sind diese Angebote in der Regel leicht verständlich und effizient. • Das Investitionsrisiko in neue Lösungen entfällt, wenn auf bereits vorhandene und erprobte Angebote zurückgegriffen wird. • Die Weiterentwicklung und Gewährleistung der Sicherheit sind das Kerngeschäft externer Anbieter. Sie verfügen in der Regel über die entsprechenden Spezialisten hierfür. • Anbieter haben Zugriff auf die Nutzungsdaten sämtlicher Nutzer, so dass sie umfangreiche Testings durchführen und bessere Analysedaten auswerten können. • Die rechtliche Verantwortung wird zum Teil ausgelagert (hilft im Schadensfall nur bei der Regulierung, nicht bei der Krisenkommunikation) • Manche Plattformlösungen verfügen über Netzwerkpotenziale, an die Eigenentwicklungen nicht herankommen können (z. B. Facebook). Manche Argumente wie Testing können damit entkräftet werden, dass man bei einer Eigenentwicklung sehr wohl von bestehenden Angeboten lernen kann. Gute Lösungen laden zum Inspirieren ein und geben Hinweise, die man für die Planung des eigenen Fundraising-­Werkzeuges berücksichtigt. Am zielführendsten erscheint eine kritische Analyse des Anpassungsbedarfs einzelner Lösungen an die notwendigen Anforderungen des Trägers:

3  Werkzeuge des Online-Fundraisings

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• Geringer Grad: z. B. Anpassung von Farben und Logo, Entfernung von Anbieter-Logo, Auswahl und Benennung von Formularfeldern • Mittlerer Grad: Anpassung der Nutzer-Interaktion, Anbindung an Datenbank-­ Schnittstellen und ergänzende Dienste wie Newsletter • Hoher Grad: Neuentwicklung von Funktionen, A/B-Testing von verschiedenen Varianten In vielen Fällen wird man sich für Plattform-Lösungen und den Einkauf von Software-­ Lösungen mit einem geringen Grad an Anpassungsmöglichkeiten entscheiden. Ausschlaggebend sind in der Regel die kürzere Zeit zur Implementierung und das Aufbauen auf vorhandene Erfahrungen sowie die Randbedingungen vieler Online-Fundraiser mit eingeschränkten IT-Kapazitäten und -Kompetenzen.

3.10 Fazit Die Vielfalt an Werkzeugen für das Online-Fundraising sowie das stetige Verschwinden bestehender und das Auftauchen neuer Plattformen und Anbieter sind gute Indikatoren dafür, dass Digitales Fundraising in einem recht komplexen und dynamischen Umfeld stattfindet. Wer in diesem Umfeld tätig werden möchte, tut gut daran, sich zunächst einen Überblick über die Konzepte, Grundsätze und Mechanismen der verschiedenen Werkzeuge zu verschaffen. Mit dem Grundverständnis der Werkzeuge, die auf der eigenen Internetseite oder auf zahlreichen Internet-Plattformen eingesetzt werden, kann deren Passfähigkeit auf die Situation und den konkreten Bedarf der Non-Profit-Organisation oder des sozialen Projekts abgeschätzt werden. Mit einer klugen Kommunikationsstrategie können sie in der Folge erfolgreich eingesetzt werden, um Spenden, Freiwillige oder andere Partnerschaften zu akquirieren. Es gilt zu bedenken, dass nicht alle Plattformen und Dienste in allen Ländern verfügbar sind. Nicht nur in solchen Situationen müssen Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte abwägen, welche Leistungen sie selbst erbringen und welche sie extern erbringen lassen wollen.

Literatur Fischer, M. (1992). Make-or-Buy-Entscheidungen im Marketing: Neue Institutionenlehre und Distributionspolitik. Neue betriebswirtschaftliche Forschung. Ausgabe 119. Wiesbaden: Gabler. Jähnert, H. (2016). Online-Volunteering. In Fundraising-Akademie (Hrsg.), Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden (S. 844–849). Wiesbaden: Springer-Gabler. Seeger, A. (2014). Make or Buy als Strategie für schnelleres Wachstum. Ab wann Shops selber anpacken müssen. iBusiness Dossier. Strategien für ein schnelles Wachstum: Make or Buy, 9(4), 4–6. München.

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J. Reschke

Thiem, C. (30.03.2015). Bei Kauf Spende  – Soziale Einkaufsplattformen. https://fundraiser-­ magazin.de/praxis-archiv/bei-kauf-spende-soziale-einkaufsplattformen.html. Zugegriffen am 30.05.2020.

Jörg Reschke  ist Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising. Seit fünfzehn Jahren berät und schult er Unternehmen und Non-Profit-Organisationen, ihr volles Potenzial für mehr Beteiligung, Dialog und Marketing zu entdecken und zu heben. Als Dozent und Kursleiter ist er unter anderem bei der Europäischen Fernhochschule, dem Institut für Lernsysteme und der Fundraising-Akademie tätig. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Ren­ dering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband. Sie können Jörg Reschke unter www.joerg-reschke.de und [email protected] erreichen.

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Anforderungen an die eigene Internetseite Ein digitales Aushängeschild mit Pflegebedarf Jona Hölderle, Maik Meid und Jörg Reschke

Inhaltsverzeichnis 4.1  Anforderungen an Internetseiten  4.2  Suchmaschinenoptimierung  4.3  Relaunch von Internetseiten  4.4  Conversion-Optimierung  4.5  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Die Internetseite einer gemeinnützigen Organisation ist trotz vieler weiterer Einflüsse durch ergänzende digitale Kanäle auf absehbare Zeit das wichtigste Medium im Online-­ Fundraising. Diese kann eigenständig gestaltet und auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer optimiert werden. Ein strategischer Betrieb, Suchmaschinenoptimierung, Tests und ständige Optimierungen sind die Voraussetzungen für neue Spender und Spenderbindung.

J. Hölderle (*) Pluralog, Neuenhagen bei Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] M. Meid Meid Fundraising Media, Hattingen, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Reschke sozialmarketing.de, Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_4

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J. Hölderle et al.

Und falls die Internetseite keine ausreichenden Ressourcen bietet, so kann eine in diesem Kapitel beschriebene Anpassung in Form eines Facelifts oder Relaunchs eine Lösung für einen Neustart sein.

4.1

Anforderungen an Internetseiten1

Internetseiten sind das primäre digitale Aushängeschild einer Organisation. Dabei sind Organisationen vollkommen frei in der Gestaltung der Inhalte. Doch da die Aufmerksamkeit begrenzt ist, konkurrieren mitunter unterschiedliche interne und externe Interessen um eine möglichst gute Platzierung innerhalb des Angebots. Im Rahmen der Konzeption einer neuen Internetseite oder eines Relaunchs müssen hier Grundsatzentscheidungen getroffen werden, damit der interne Aushandlungsprozess nicht ständig Kapazitäten bindet. Spätestens bei den Vorbereitungen einer neuen Internetseite tauchen folgende Fragen auf: Was macht eine gute Internetseite aus? Welchen Informationsbedürfnissen von Spendern und anderen Interessengruppen möchten wir genügen? Welche strategischen Entwicklungen der Organisation sollen abgebildet werden? Jede Non-Profit-Organisation wird ihre eigene Antwort auf diese Fragen finden müssen. Gleichwohl ergeben sich aus Zeitgeist und Wettbewerb einige sich regelmäßig verändernde konzeptionelle, inhaltliche, optische, technische und soziale Anforderungen an Internetseiten sowie an die allgemeine Usability, die man beachten sollte.

4.1.1 Konzeptionelle Herausforderungen Bei Online-Fundraising betreibenden Organisationen ist die Internetseite auf nicht absehbare Zeit weiterhin die wichtigste Kommunikationsplattform. Sie steht im Zentrum aller Bemühungen. Genauso sollte sie auch innerhalb der Organisation gesehen und bewertet werden. Sie ist kein Parallelkanal zu weiteren Medien, sondern an ihr orientiert sich alles. Im Fokus der Konzeption sollte die Perspektive der Nutzenden stehen. Dieser nutzerzentrische Ansatz hat im Laufe der Jahre an Bedeutung immer weiter zugenommen. Nicht das Interesse der Organisation steht im Fokus, sondern die Entwicklung der Internetseite. Wenn eine Internetseite erfolgreiche Spenden-Conversions erzielen will, dann muss sie sich ausnahmslos an den Interessen der Spenderinnen und Spender orientieren.

1  Bei diesem Kapitel handelt es sich um eine aktualisierte und erweitere Fassung eines bereits erschienenen Beitrags: Reschke, Jörg/Maik Meid (2016): Anforderungen an Internetseiten. In: Fundraising-Akademie (Hrsg.): Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden. 5. vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden.

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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Dabei kommen nicht alle Nutzenden über die Startseite. Lediglich circa 20 % der Besuchenden geben die URL der Organisation direkt in die Browserzeile ein. Der Rest wird über unterschiedliche Zuführungen akquiriert. Hier erhält die Suchmaschinenoptimierung eine besondere Bedeutung, jedoch auch das Platzieren von Anzeigen in Suchmaschinen sowie die Entwicklung von ansprechenden Geschichten und Hintergrundwissen in Verbindung mit schon vorhandenem Spenderdialog in sozialen Medien. Alle Wege haben den Zweck, potenzielle Spenderinnen und Spender auf das optimierte Spendenformular zu lenken, das von jeder Seite aus zu erreichen sein sollte. Zu diesem Zweck werden Internetseiten mit individuellen Landingpages, Chat- und Dialogmöglichkeiten und attraktiven Medien ausgestattet. Auf Basis einer Analyse des User-Verhaltens auf der eigenen Internetseite, kann das eigene Angebot kontinuierlich verbessert werden. Dadurch bleibt ein Internet-Angebot dynamisch und entwickelt sich Stück für Stück und im Laufe der Zeit inhaltlich und konzeptionell weiter. Durch den Einsatz von A/B-Tests können Vorlieben der Spenderinnen und Spender empirisch erfasst und als Erkenntnisgewinn in die Spenderkommunikation umgewandelt werden. Ein Relaunch könnte so im Prinzip ganz vermieden werden, da sich die Internetseite als System stets weiterentwickelt. Die Arbeit am Internet-Auftritt ist nie zu Ende. Auch nach einem Relaunch beginnt die eigentliche Arbeit erst. Räumen Sie der Internetseite genügend Ressourcen ein, planen Sie den strategischen Umgang mit ihr. Bilden Sie Arbeitsgruppen von Personen, die sich wirklich mit dem Thema befassen und vermeiden Sie paritätisch-demokratische Besetzung. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Operative Fehler entstehen oft in der mangelnden Messung und Prüfung von Kennzahlen und Nutzererfahrungswerte. Erst wenn das Verhalten auf der Internetseite wirklich verstanden ist, können sinnvolle Veränderungen entstehen. • Es entstehen Reibungsverluste bei den beteiligten Abteilungen. In einem sich fortschreibenden Konzept sollte genau definiert werden, welche Ansprüche sowohl Öffentlichkeitsarbeit als auch Fundraising an die Internetseite haben und welche Kommunikationsziele im Fokus stehen.

4.1.2 Inhaltliche Anforderungen Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über die Interessengruppen (Stakeholder), an die sich die Internetseite wenden soll. Dies können neben Interessierten am Themenfeld die Klienten, die Spenderinnen und Spender, das eigene Netzwerk aus Mitgliedern, Mitarbeitende und externe Gruppen wie Journalisten, Wettbewerber oder das Stiftungswesen sowie die öffentliche Verwaltung sein.

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Machen Sie sich Gedanken darüber, welche Informationsinteressen die Gruppen an die Organisation herantragen. Priorisieren Sie als Nächstes die Interessengruppen und nehmen Sie das Ergebnis als Grundlage für die weitere inhaltliche Gestaltung. Wenn Sie auf dieser Basis eine Struktur erstellen, dann gilt es, diese aus Sicht jeder Interessengruppe einzeln zu überprüfen. Kann jedes Informationsinteresse möglichst innerhalb von drei Klicks befriedigt werden? Erklärt sich die Benutzerführung der Internetseite von selbst? Für alle Texte auf der Internetseite gilt, dass sie in einfacher Sprache geschrieben sind. Werden Langfassungen angeboten, so braucht es dazu ebenfalls kürzere Zusammenfassungen. Text allein ist für eine gute Internetseite nicht genug. Die Inhalte und Aufgaben der Organisation sollten multimedial aufbereitet werden. Dazu gehören mindestens Fotos und Videos, aber auch Datensammlungen, Infografiken und andere Darstellungsformen mit einer möglichst hohen Attraktivität aus Sicht des Nutzers, nicht der Organisation selbst. Die Mission und das Arbeitsfeld der Organisation müssen auf den ersten Blick ersichtlich sein. Überschriften, Text und Gestaltung hierzu sollten eindeutig sein und durch Bildmaterial ergänzt werden. Insbesondere spendensammelnde Organisationen sollten aus Eigeninteresse oder aufgrund von Selbstverpflichtungen ein besonderes Augenmerk auf Transparenz legen. Die Kriterien (Satzung, Tätigkeitsbericht, Entscheidungsträger, Mittelherkunft, Mittelverwendung, Wirkungsmessung u. a.) der Initiative Transparente Zivilgesellschaft können hier als Checkliste dienen. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Der Name der Organisation wird auf der Startseite nicht dargestellt, sondern nur deren Abkürzung. • Bereiche werden mit „Aktuell“ überschrieben, aber die Inhalte wurden seit Monaten nicht aktualisiert. Die Täuschung mag im ersten Moment funktionieren, aber auf Dauer ist die Enttäuschung größer. • Es wird nur über die Erfolge der Organisation gesprochen. Mit dem Verschweigen von Herausforderungen, Risiken und Fehlern stellen sich Organisationen perfekter dar, als sie sind. • Standardsätze wie „Herzlich willkommen auf unserer Internetseite“ sollten vermieden werden und Besucher individueller und im Sinne der Organisationsausrichtung angesprochen werden.

4.1.3 Optische Anforderungen Kaum ein Kriterium für „gute“ Internetseiten ist so sehr dem Zeitgeist unterworfen wie das Design. Quer durch alle Internetseiten von Non-Profit-Organisationen sind gleiche Grundmuster zu erkennen. In den 1990er-Jahren war die Navigation standardmäßig links

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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zu finden. Heutzutage sind große Fotos der Status quo. Aber schon immer ist das Logo der Organisation in der oberen linken Ecke angebracht. cc

Die Wayback-Maschine ist ein Internet Archive der gleichnamigen Stiftung aus San Francisco. Auf archive.org/web können Sie die URL einer beliebigen Internetseite eingeben und anhand von Zeitmarkern zu früheren Versionen dieser Internetseite zurücksurfen.

Formuliert man die Anforderung eines „ansprechenden Designs“, versteht man heute vor allem die Organisation in „Inhalts-Containern“ darunter. Fotos, Meldungen, Call-to-­ Action, Feeds aus sozialen Medien – sie alle erhalten einen eigenen Container. Eine Internetseite ist heute quasi in Boxen organisiert. Navigation und Bedienungselemente auf einer Internetseite sollten eine einfache und effiziente Zielführung ermöglichen. Aktuell sind vier bis fünf Themenbereiche sinnvoll, und es sollte die Möglichkeit geben, mit maximal drei weiterführenden Klicks zu den gewünschten Informationen zu gelangen. Interessengruppen finden die für sie relevanten Informationen schnell und selbstständig. Ob dies gelingt, kann beispielsweise durch Fokusgruppen, eine Onsite-Befragung oder andere Usability-Tests geprüft werden. Das Corporate Design einer Organisation gibt einige visuelle Regeln vor, die bestimmen, wie diese in gedruckte und digitale Medien zu übertragen sind. Die Erfahrung zeigt, dass diese Leitfäden bei der Online-Gestaltung nicht immer vollständig anwendbar sind oder Lücken aufweisen. Wenn es darum geht, eine einheitliche Außendarstellung einzuhalten, muss das Corporate Design medienübergreifend umgesetzt werden – klingt einfach, ist es aber nicht. Im Idealfall wird die digitale Umsetzung bereits bei der Planung eines neuen Corporate Designs mitgedacht. Heute ist es fast nur noch eine Randnotiz, aber die Darstellung einer Internetseite sollte in allen gängigen Browsern optimal erfolgen. Ein Blick in die Statistik kann hilfreich sein: Mit welchen Browsern wurde in den vergangenen Monaten die Internetseite betrachtet? Mit welchen Versionen? Mitunter kann es vorkommen, dass die Darstellung lückenhaft ist oder Elemente verschoben sind. Im Extremfall wird eine Seite nicht vollständig angezeigt. Ebenso relevant ist die optimale Darstellung der Internetseite auf verschiedenen Endgeräten. Mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tablets nimmt auch die Vielfalt der Bildschirmgrößen zu, auf denen Internetseiten ansprechend ausschauen sollen. Die Lösung für diese Herausforderung lautet Responsive Webdesign, das Inhalte, Bilder und Texte automatisch an die Breite des Bildschirms anpasst. Dabei sollte vom kleinsten Bildschirm aus gedacht werden (mobile first). Sind hier die Inhalte in der richtigen Priorität übersichtlich dargestellt ist die Anpassung auf große Bildschirme meist leichter. Insbesondere bei der kanalübergreifenden Kommunikation (z.  B. mit E-Mail, Facebook, Twitter) und bei der Suchmaschinenwerbung hilft der Einsatz sog. Landingpages, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine konkrete Handlungsaufforderung (Call-­ to-­Action) zu lenken. Eine solche Landingpage reduziert die Gestaltungselemente und

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blendet beispielsweise die Navigation aus. Zu diesem Zweck sollten Vorlagen erstellt werden, die auch für kurzfristige Kampagnen eingesetzt werden können. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Riesige Bilder bestimmen die Internetseite und sorgen bei Nutzern mit einer langsamen oder eingeschränkten Internetverbindung für lange Wartezeiten. • Die Menüs bestehen aus mehr als fünf thematischen Bereichen und die Untermenüs lassen keinen logischen Aufbau erkennen. • Bilder werden lediglich als Füllelement zwischen die Texte und nicht als Gestaltungselemente platziert.

4.1.4 Technische Anforderungen Für das Content-Management-System wird üblicherweise auf Open-Source-Systeme wie Drupal, Typo3 und WordPress gesetzt. Der Grund dafür liegt unter anderem in der Risikominimierung in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern. Baut die eigene Internetseite auf dem proprietären System einer Agentur auf, so ist man sehr eng an diese gebunden und verfügt nicht über die manchmal notwendige Flexibilität. Was die technischen Anforderungen an eine Internetseite betrifft, so gilt es vor allem Fehler zu vermeiden. Einen Beitrag dazu leistet das Einhalten der aktuellen Standards des W3C (für HTML, CSS u. a.). Zur Fehlersuche bieten sich unter anderem die Google Search Console und eine große Anzahl weiterer kostenloser oder gegen Bezahlung buchbarer Instrumente. Für den Erfolg einer Internetseite leistet die Optimierung für die Auffindbarkeit in Suchmaschinen einen wesentlichen Beitrag. Je nach Kapazitäten und Strategie ist auszuwählen, wie stark dieser Fokus auf den Relaunch angewandt wird. Zumindest die technischen Grundvoraussetzungen sollten möglichst früh gelegt werden. Wichtig ist, die Suchmaschinenoptimierung bereits im Grundkonzept vorzusehen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Das Laden einer Internetseite sollte in möglichst kurzer Zeit geschehen. Die Ladezeit steigt mit jedem Element, das sichtbar oder im Hintergrund geladen wird. Als Richtwert für die sichtbaren Elemente einer Seite können drei Sekunden angenommen werden. Nutzer mobiler Endgeräte sind zwar geduldiger, aber das sollte den Anspruch an die technische Umsetzung nicht mindern. Rechtliche Anforderungen des Datenschutzes müssen selbstverständlich eingehalten werden. Aus Gründen der Datensparsamkeit und der informationellen Selbstbestimmung dürfen beispielsweise die IP-Adressen nicht in Analyseinstrumenten ausgelesen werden oder sollte die Übertragung sensibler Daten, beispielsweise die Nutzung von Kontaktformularen oder Online-Spenden-Funktionen, ausschließlich mit einer SSL-Verschlüsselung erfolgen.

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Barrierefreiheit hat zum Ziel, das Web-Angebot so zu gestalten, dass es auch mit eingeschränkten körperlichen oder technischen Möglichkeiten vollständig genutzt werden kann. Unter anderem gehört dazu die Sicherstellung der Skalierbarkeit von Inhalten, die logische Struktur der Seitenmenüs, der geschickte Einsatz von (Zwischen-)Überschriften und die Beschreibung von Medieninhalten. Für das Fundraising besonders relevant ist der Einsatz von Formularen, die die erwünschte Spendentransaktion letztendlich realisieren. Ob dabei auf Dienstleister zurückgegriffen wird oder ob die Formulare selbst gestaltet werden: Formulare sollten selbsterklärend sein und den Nutzer durch die Transaktion leiten. Dabei gilt es zu prüfen, welche Informationen die Organisation wirklich benötigt und welche zum Beispiel zur besseren Ansprache erhoben werden können. Die Übertragung der Daten an den Server muss verschlüsselt erfolgen (SSL-Protokoll). Die Logik und Rechtmäßigkeit der verschiedenen Abfragen innerhalb des Formulars verstärken den professionellen Eindruck ebenso wie die zu jedem Zeitpunkt des Prozesses mögliche Ansprechbarkeit eines Mitarbeitenden. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Beim Relaunch werden den Unterseiten neue URL zugewiesen und keine Brücken (Weiterleitungen) gelegt, so dass Links von anderen Internetseiten und Suchmaschinen ins Leere führen. • Die Suchmaschinenoptimierung der Texte wird dermaßen übertrieben, dass die Texte für den Nutzer kaum mehr verständlich sind und der Lesefluss erheblich beeinträchtigt ist. • Bei der Übertragung von finanziellen Transaktionen (z.  B.  Spenden) wird ein nicht mehr gültiges Sicherheitszertifikat aufgerufen und der Nutzer erhält eine entsprechende Warnmeldung. • Transaktionsformulare sind fehlerhaft gestaltet, überfrachtet mit Informationen oder lösen Fehlermeldungen aus. • Es wird bei der Gestaltung veraltete Technik eingesetzt (z. B. Flash), die nicht auf allen Endgeräten genutzt werden kann und Fehlermeldungen verursacht.

4.1.5 Soziale Anforderungen Der Einfluss von Non-Profit-Organisationen beruht unter anderem auf ihrer Mitgliederbasis und dem Grad ihrer Vernetzung in der Zivilgesellschaft. Allein schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Rolle sollte auch ihre Internetseite keine Einbahnstraße, sondern eine Einladung zum Informieren und zum Dialog sein. Die Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme sollten, wie das Impressum, mit einem Klick verfügbar sein – als Sub-Navigation ganz oben oder ganz unten auf der Internetseite.

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In der Regel gibt es für einzelne Themenfelder einer Organisation Referenten oder persönliche Ansprechpartner (z. B. Erbschaftsfundraising). Sie sollten mit Kontaktdaten auf „ihren“ Unterseiten entsprechend benannt werden. Neben der telefonischen Durchwahl und der persönlichen Mailadresse kann auch das Foto abgebildet werden. Damit sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennbar: Wer sich an sie wendet, weiß, mit wem er oder sie es zu tun hat. (Abschn. 6.2.4) Wer sich über die Aktivitäten einer Organisation auf dem Laufenden halten möchte, kann dies mittels regelmäßiger Besuche der Internetseite tun. Serviceorientierter ist das Anbieten von Abonnement-Services wie Newsletter und RSS-Feed. Auf diese Angebote sollte entsprechend hingewiesen werden. Auf der Internetseite einer Organisation befinden sich zahlreiche inhaltliche Beiträge. Es ist im Sinne des Reichweitenausbaus, wenn Besucher die Inhalte weiterverbreiten. Mittels Teilen-Funktionen von Facebook, WhatsApp, Twitter und Co. kann das Weiterverbreiten sehr vereinfacht werden. Existieren weitere Profile der Organisation im Internet – in sozialen Netzwerken oder auf Spendenplattformen –, sollten sie von der Internetseite entsprechend verlinkt werden. Die anschließende strategische Entscheidung betrifft die Größe der Verlinkung: als kleines Icon für die Kenner, ausgeschrieben und mit Logo oder als größere Box, gemeinsam mit den letzten Inhalten. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Es existiert kein RSS-Feed für die Internetseite der Organisation. Dies liegt vermutlich daran, dass das Content-Management-System veraltet ist und diesen Service nicht bietet oder der Dienst und seine Vorteile nicht bekannt sind. • Der Feed aus einem Social-Media-Profil wird ausgelesen und es werden die letzten drei Twitter-Nachrichten in der rechten Sidebar dargestellt, aber leider passiert dort seit Wochen nichts mehr. • Twitter-Nachrichten werden aus dem Facebook-Stream der Seite generiert, die wiederum automatisch über neue Blogbeiträge der Internetseite entstehen. Wenn dann der Twitter-Feed auf der Internetseite dargestellt wird, muss ein interessierter Besucher mehrfach klicken, um zum entsprechenden Inhalt zu gelangen.

4.1.6 Anforderungen an die Usability Als Usability wird die Nutzbarkeit der Internetseite aus Sicht der Besuchenden beschrieben. Eine gute Usability bedeutet also, dass die Nutzenden gut mit der Seite zurechtkommen, die relevanten Inhalte schnell finden, keine Probleme beim Konsum der Inhalte haben und nicht unnötigen Aufwand betreiben müssen, um das Gewünschte zu tun.

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Ein wichtiger Teil der Nutzbarkeit ist die interne Navigation. Hierzu zählt natürlich das Menü, aber auch jede andere interne Verlinkung im Text oder durch Teaser. Das Menü sollte einfach erfassbar sein und nicht zu viele Elemente und Ebenen enthalten. Gleichzeitig sollten alle wichtigen Elemente mit nur wenigen Klicks erreichbar sein. Aus diesem Grund bietet es sich an, weiterführende Links in den Text einzubauen und auf weitere relevante Seiten z. B. durch Teaser hinzuweisen. Wichtig ist es dabei, sich in die Interessen der Besuchenden hineinzuversetzen und möglichst relevante Verlinkungen vorzunehmen. Hier hilft es, immer den Leitsatz „Menschen die das hier interessant finden, könnten sich auch für jenes interessieren“ im Kopf zu haben. Besonders herausfordernd wird die Usability im Hinblick auf unterschiedliche Geräte. Gerade bei den kleinen Smartphone-Displays gibt es weniger gestalterische Möglichkeiten. So wird eine Seitenleiste mit Kontextinformationen wie einem Spendenaufruf oder einem Kontakt oft nicht angezeigt. Das Menü ist weniger präsent, durch die grobe Fingernavigation sind kleine Klickelemente nicht auswählbar … Gerade für gemeinnützige Organisationen sollte zudem eine möglichst barrierearme Umsetzung der Internetseite zu den Anforderungen gehören. Hierzu zählen z.  B. klare Kontraste, große Schriftarten und wenig störende Elemente. Aber auch die technische Optimierung für Screenreader von Menschen mit Sehbehinderungen gehört ebenso hierzu wie eine zielgruppengerechte Sprache. Als spendensammelnde Organisation gilt es zudem, Wert auf die Gestaltung der Spendenaufrufe (Call-to-Actions) zu legen. Sind diese klar erkennbar und überzeugend? Und kann man der Organisation überhaupt vertrauen? Hierfür können Ansprechpartner, Siegel, Kooperationspartner, Transparenzinformationen und ähnliches integriert werden. Typische Fehler, die es zu vermeiden gilt: • Die Suche der Seite führt nicht zu den wichtigen Inhaltsseiten, sondern auf irrelevante Seiten wie alte News. • Am Ende eines guten Textes fehlen weiterführende Links, die zu im Kontext passenden weiteren Inhalten führen. • Buttons und andere Klickelemente sind nicht von allen Menschen als solche erkennbar, weil sie zwar einem Designtrend (z. B. flat design) folgen, aber deutlich weniger geklickt werden. • Slider werden nicht geklickt, weil sie automatisch wechseln, bevor sie geklickt werden können. • Etwas ganz Besonderes kann gerade im Fundraising auch von Nachteil sein. Menschen haben gewisse Design-Gewohnheiten, mit denen man nicht brechen sollte. So sind unterstrichene Elemente immer Links, das Logo steht oben links und mobil wird das Menü durch einen „Burger“ symbolisiert. • Für Menschen, die das erste Mal auf der Internetseite sind, ist nicht klar erkennbar, um welche Organisation es sich handelt und ob dieser vertraut werden kann.

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4.1.7 Relevanz der Internetseite für das Fundraising Das Betreiben einer attraktiven Internetseite und die regelmäßige Neugestaltung ist eine Grundvoraussetzung für gelingendes Fundraising. Sowohl ein aufwendig geplanter einmaliger Relaunch als auch das Erstellen von relevantem Inhalt, erfordern Fachkenntnisse und binden Personal in Organisationen. Selbst wenn insbesondere der technische Bereich outgesourced werden kann, sollten Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte ein Budget und Personal für die Internetseite zur Verfügung stellen und dieses mit entsprechenden Prioritäten ausstatten. Schulungen und Weiterbildungen des Personals sollten gewährleistet sein. Zum aktuellen Zeitpunkt erscheint es empfehlenswert, alle drei bis fünf Jahre den Relaunch einer Internetseite vorzusehen. Allgemein gültige Lösungsansätze gibt es nicht. Jede Organisation bringt – wie beim Fundraising auch – unterschiedliche Voraussetzungen mit, verfolgt unterschiedliche Ziele und spricht unterschiedliche Zielgruppen an, die sie auf unterschiedlichen Wegen und mit diversen Inhalten gewinnt. Allgemein gültig ist lediglich die Bedeutung einer Internetseite an sich, da das Internet das allgemeine Leitmedium ist.

4.2

Suchmaschinenoptimierung2

Das Internet ist heute das wichtigste Rechercheinstrument für interessierte Menschen, die sich über die Arbeit gemeinnütziger Organisationen informieren möchten. Aber wie kann man sie auf die eigene Internetseite lotsen? Das geschieht entweder durch eine hohe Markenbekanntheit zum Beispiel durch die Suche nach dem Namen der Organisation, oder durch eine inhaltliche Suche nach einem speziellen Thema. In jedem Fall ist es eine aktive Entscheidung der Besucher. Im Falle der inhaltlichen Suche bieten die Suchmaschinen die einmalige Möglichkeit, auch als unbekannte Organisation eine thematische Relevanz und damit neue Interessierte zu erreichen. Hierfür sind Attraktivität und Informationsdichte der aufgefundenen Internetseite von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Bei der Recherche nach einem Thema kann es für Organisationen von existenzieller Bedeutung sein, eine besonders herausragende Position bei den Suchmaschinenergebnissen zu erlangen. Das gilt insbesondere dann, wenn dem Online-Fundraising eine hohe Bedeutung zukommt. Der durchschnittliche Nutzer von Suchmaschinen wählt in der Regel die Treffer aus, die ihm bei den Suchmaschinenergebnissen als Erstes ins Auge fallen. Dabei ist oftmals irrelevant, ob es sich um bezahlte Werbung oder um organisch generierte Ergebnisse handelt. Informationen sind nirgends so gut versteckt wie auf Seite zwei der Suchmaschinener­  Bei diesem Kapitel handelt es sich um eine aktualisierte und erweitere Fassung eines bereits erschienenen Beitrags: Reschke, Jörg/Maik Meid (2016): Suchmaschinenoptimierung. In: Fundraising-Akademie (Hrsg.): Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden. 5. vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden. 2

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gebnisse. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Nutzer nicht die ersten Einträge der Suchergebnisse nutzen. Damit eine Internetseite eine gute Platzierung erreicht, muss sie von der Suchmaschine vollständig lesbar sein. In die qualitative Bewertung von Internetseiten fließen zahlreiche Faktoren ein. Welche genauen Faktoren das sind, kann in vielen Fällen nur erahnt bzw. nach und nach erschlossen werden, da die entsprechenden Algorithmen zu den Betriebsgeheimnissen der Anbieter gehören.

4.2.1 Entwicklungen bei Suchmaschinenanbietern Suchergebnisse sind nicht statisch und unterliegen einem ständigen Wandel. So ist das Ziel der Suchmaschinenanbieter, dem Kunden möglichst optimale Ergebnisse für seine ganz persönlichen Bedürfnisse zu liefern, die relevant sind. Ständig verändern sich daher auch die Anforderungen an Internetseiten, deren Strukturen und Inhalte. Verändern Suchmaschinenanbieter ihre Strategie, hat das Folgen für jeden Betreiber von Internetseiten. Trotzdem haben bis heute einige wichtige Regeln Bestand, obwohl die verschiedenen Updates der letzten Jahre große Veränderungen mit sich brachten und von der SEO-Branche teils als Revolution bezeichnet wurden. Allerdings sind die Bedeutungen der einzelnen Faktoren schwankend, neue kommen hinzu und alte brechen weg. Relevanz für die Suchintention liefern Mit Relevanz ist hier der ausschlaggebende Faktor für den Besuch und die Nutzung der Internetseite gemeint, nicht das, was eine Organisation selbst für relevant erachtet. Hier findet also ein Perspektivwechsel statt. Relevant ist nur, was der Nutzer als relevant bewertet. Hierbei ist zu beachten, dass die Nutzenden mit einer bestimmten Intention, quasi einem Problem, zur Suche kommen. Nur, wenn diese beantwortet wird, sind Nutzende und Suchmaschine zufrieden. (Abschn. 9.1.1) Die Basis der Optimierung einer Internetseite bildet die regelmäßige und stetige Analyse durch hinterlegte Analyseinstrumente wie beispielsweise Matomo oder Google Analytics. Diese unterstützen unter anderem bei der Fehlererkennung oder der Lokalisierung von Seiten, von denen die meisten Besucher ohne Aktion wieder abspringen. Sie erkennen auch, welche Besucher die eigene Seite aufgerufen, welche Artikel gelesen und wie lange sie sich aufgehalten haben. All das hilft, konkrete Verbesserungspotenziale auszuschöpfen.

4.2.2 Grundsätzliche Regeln der Suchmaschinenoptimierung Suchmaschinenoptimierung unterscheidet zunächst zwischen „Off-Page-Optimierung“ und „On-Page-Optimierung“. Ersteres beschreibt die Optimierung außerhalb der eigenen Seite. Darunter ist zum einen der seriöse und organische Aufbau von Backlinks zu verstehen, also der Links von externen Internetseiten auf die eigene Seite. Beim Aufbau von

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Abb. 4.1  Eine Informationssuche nach „Online-Fundraising“ führt zu Seiten mit ausführlichen Inhalten. (Quelle: Screenshot Google)

Backlinks ist davon abzuraten, auf Dienstleister zurückzugreifen, die versprechen, in kürzester Zeit viele solcher Links zu erzeugen. Vielmehr ist hier ein organisches Wachstum anzuraten, indem gute Inhalte nach und nach von anderen relevanten und vertrauenswürdigen Internetseiten aufgegriffen und verlinkt werden. „On Page“ betrifft sämtliche Optimierungsmöglichkeiten auf der eigenen Seite. Hier gilt es zunächst, technische und konzeptionelle Fehler zu vermeiden, die eine Lesbarkeit und Verfügbarkeit der Inhalte für Suchmaschinen einschränken würden (Beispiel Abb. 4.1). Folgende Schraubstellen für On-Page-Optimierungen gibt es: 1. „Content is king!“ Allen regelmäßigen Anpassungen zum Trotz bleibt der attraktive, Mehrwert bringende Inhalt auf einer Internetseite die Königsdisziplin bei der Optimierung. Dabei sollte

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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6.

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besonders auf Themenwahl, Stil, Grammatik, Aufbau und Rechtschreibung ­geachtet werden, wobei die Einzigartigkeit des Textes nicht zu vergessen ist. Die Suchmaschine versucht nichts anderes, als den Suchenden das aus ihrer Sicht bestmögliche Ergebnis zu zeigen. Eindeutige Struktur Die Internetseite sollte eine eindeutige Struktur aufweisen. Haupt- und Unternavigation dürfen nicht verwirren. Die vergebenen Seitentitel und Seitennamen sollten aussagekräftig sein und im Idealfall das besonders in den Fokus gerückte Keyword enthalten. Seitenverlinkungen dürfen nicht in einer Sackgasse enden. Sauberer Quelltext Jede Internetseite besteht aus Quelltext, die dem Browser sagt, welche Elemente wie anzuordnen sind. Dieser sollte klar strukturiert sein und die Ladezeit nicht zu sehr verlangsamen. Im Quelltext werden auch Überschriften ausgezeichnet. Diese H1–H6 genannten Elemente strukturieren die Seite. Zudem gibt es unsichtbare Meta-Angaben. Die bekannten Schlagwörter finden dabei keine Verwendung mehr. Mit dem „Title“ und der „Description“ kann hingegen die Darstellung der Seite in der Suchmaschine beeinflusst werden. Mobile Optimierung/Responsive Design Die Internetseite muss auf die Nutzung unterschiedlichster Endgeräte zugeschnitten sein. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender Internetnutzung über mobile Endgeräte gewinnt dieser Faktor an Relevanz. Optimierte Bilder Bilder müssen einen passenden Titel und eine Beschreibung haben sowie für verschiedene Bildschirmgrößen einsetzbar sein. Auch die Dateibezeichnung von Bildern ist Teil von Suchmaschinenoptimierung, damit diese zu den entsprechenden Suchwörtern gefunden werden. Technik Eine Internetseite muss sich schnell laden und sollte mit den von der W3C veröffentlichten Standards konform sein. Fehlerseiten sollten klar erkennbar sein und möglichst vermieden werden. Nicht mehr aufrufbare Seiten sollten auf nachfolgende Seiten ähnlichen Inhalts weitergeleitet werden.

Suchmaschinenoptimierung als Prozess Suchmaschinenoptimierung ist kein abgeschlossener, einmaliger Prozess, sondern mit stetigem Controlling vergleichbar. Dauernd verändern sich Ranking-Faktoren durch die Suchmaschinenbetreiber, die unter Umständen neue Anforderungen an gute Internetseiten stellen. Es können sich auch die Suchwörter verändern oder neue hinzukommen, zu denen eine Organisation relevante Inhalte bereitstellt und möchte, dass sie gefunden werden. Jeder neue Beitrag auf einer Internetseite sollte daher unter Berücksichtigung der suchmaschinenrelevanten Faktoren geplant, aufgebaut und veröffentlicht werden. Auf diese Weise kann die Suchmaschinenoptimierung organisch fortgeführt werden. „Mal eben“ auf die 1. Position zu gelangen funktioniert nicht. Besetzt das Thema der Organisation eine

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inhaltliche Nische, kann der Aufbau einfacher erfolgen. Meist ist der inhaltliche Wettbewerb allerdings so stark, dass das Ziel „Position 1“ nur langfristig angegangen werden kann und das Ergebnis eines längeren inhaltlichen Prozesses ist. Zu spendenaffinen Zeiten wie Weihnachten wird der Wettbewerb fast ausschließlich über die Schaltung von Suchmaschinenanzeigen ausgetragen. Der Weg nach oben ist das Ziel.

4.3

Relaunch von Internetseiten

Es kann viele Anzeichen dafür geben, dass eine Internetseite einen Relaunch benötigt. Wenn der Traffic sinkt, die Conversion-Rate unterirdisch und das Google-Ranking kata­ strophal sind oder Vorstand und Mitarbeiter ihre Anliegen nicht mehr gut präsentiert finden, dann sind Anlässe zum Handeln da. Je nach Ergebnis der Problemanalyse kommen ein Facelift, Redesign oder Relaunch in Frage. Mit der richtigen Vorbereitung gelingt es, den Relaunch effizient zu gestalten, damit die Internetseite ihre Ziele wieder erfüllen kann.

4.3.1 Bestandsaufnahme und Problemanalyse Die meisten Internetseiten sind schon viele Jahre online und spiegeln einen jahrelangen Entwicklungsprozess wider. Immer wieder haben sie Ergänzungen durch neue Beiträge, neue Seiten, Widgets, Downloads und zahlreiche weitere Elemente erhalten, für deren Ergänzung es mal einen konkreten Anlass gab. Über diese gewachsenen Gebilde gilt es zunächst im Rahmen einer Bestandsaufnahme einen Überblick zu erhalten. Eine gründliche Analyse der aktuellen Situation umfasst unter anderem die Erfassung und Bewertung aller Seiten und Beiträge unter Gesichtspunkten von Traffic, Inhalt und technischer Umsetzung. Die Basis für Analyse des Traffics bilden üblicherweise eingesetzte Instrumente wie Google Analytics oder Matomo. Nach der Festlegung eines Untersuchungszeitraumes von beispielsweise 24–36 Monaten können die relevanten Analysedaten zur weiteren Verarbeitung heruntergeladen werden. Mit Hilfe dieser Tabellen gilt es unter anderem folgende Fragen zu beantworten: • • • • •

Über welche Zugangswege gelangen Nutzer auf die Internetseite? Welche Seiten und Beiträge werden wie häufig von Nutzern betrachtet? Auf welchen Seiten ist die Abbruchquote am höchsten? Welche Seiten werden vor einer Spende am häufigsten besucht? Welche Technologien werden genutzt? Wie hoch ist der Anteil von Smartphones im Vergleich zu Desktoprechnern? Welche Browser sind im Einsatz? • Welche Medien werden auf der Internetseite am intensivsten wahrgenommen? • Wo verhindert nicht optimierte Technologie (zum Beispiel in Form von Skripten) die Ladegeschwindigkeit?

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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• Aus welchem Land stammt der Traffic auf der Internetseite? Wichtig ist, dass sich Organisationen neben diesen allgemeingültigen Fragen auch individuelle Fragen stellen, die mit Hilfe von Analysedaten beantwortet werden können. Beispiel: Unterscheiden sich Spenden durch mobile Endgeräte in Höhe der Spende oder Projektzuordnung von Spenden, die via Desktop getätigt wurden? cc

Bei der Traffic-Analyse sollte man einen Blick auf unerwartet erfolgreiche Inhalte werfen. Manchmal gibt es einzelne, aus Organisationssicht längst vergessene Inhalte, die sich einer dauerhaft oder regelmäßig wiederkehrend hohen Besucherfrequenz erfreuen. Dies sind Honigtöpfe, die Besucher anlocken, und die im Rahmen des Relaunches vielleicht besser gebunden zur Conversion geführt werden könnten.

Die Analyse des Traffics wird heruntergebrochen auf die Seiten, Beiträge und Klickpfade der Nutzer. Wenn eine Internetseite über Jahre immer wieder mit neuen Inhalten ergänzt wird, dann wird es früher oder später dazu kommen, dass ein Teil dieser Inhalte monate- oder jahrelang nicht oder kaum mehr aufgerufen werden. Hier wird also ein Ballast an Inhalten mitgetragen, welche anscheinend nicht für die Nutzer und die Ziele der Organisation relevant erscheinen. Man sollte also mutig sein, die am wenigsten aufgerufenen Seiten entweder zu löschen oder sie für eine umfassende Aktualisierung und Anpassung vorzusehen. cc

Falls bisher kein Analyseinstrument im Einsatz ist und entsprechend keine belastbaren Daten zum Traffic vorliegen, wird dennoch eine vollständige Liste aller Inhalte der Internetseite benötigt. Eine solche Liste kann beispielsweise ebenfalls aus dem Content-Management-System exportiert werden. Alternativ gibt es Programme, die eine komplette Übersicht tabellenverarbeitbar erstellen.

Die inhaltliche Analyse (auch Content-Audit genannt) kann mit verschiedenen Zielsetzungen verbunden sein. Sie kann beispielsweise den Aktualisierungsbedarf ermitteln, Doppelungen finden, Zielgruppen für den Inhalt festlegen, Überarbeitungsbedarf im Design feststellen oder der Entwicklung neuer Content-Ideen dienen. Daraus ergeben sich für die inhaltliche Analyse folgende Fragen: • • • • • •

Sind die Inhalte aktuell? Ist eine Aktualisierung der Inhalte oder des Designs notwendig? Welche inhaltlichen Lücken sind gegebenenfalls feststellbar? Welche Inhalte bringen neue Besucher? Sind die Inhalte für Spenderinnen und Spender wirklich relevant? Welche Rolle spielen aktuelle Inhalte beim Überzeugen und Erreichen der Besucher?

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Für die Weiterarbeit an den Inhalten lohnt es sich, eine zweite Tabelle anzulegen, in der alle URLs mit Seitentitel, Erstellungsdatum, Autor, Typisierung, Kategorie und gegebenenfalls Tags gesammelt sind und jeweils eine eindeutige ID erhalten. Diese kann nun als Maßnahmenplan verwendet und in die Umsetzung gebracht werden. Ziel der technischen Analyse ist es, etwaige Probleme zu identifizieren, die eine bisherige schlechte Performance begründen und die mit einem Relaunch gelöst werden können. Zugleich sollen natürlich auch positive Effekte entdeckt und in der späteren Optimierung auf weitere Seiten übertragen werden. Im Rahmen der technischen Analyse stellen sich unter anderem folgende Fragen: • • • • •

Entspricht das Content-Management-System unseren Anforderungen und Fähigkeiten? Welche internen und externen Links sind mittlerweile tot? Werden die Seiten korrekt durch die Suchmaschinen indexiert? Sind die Ladezeiten für die Inhalte vertretbar? Welche Seiten haben z.  B. bei mobilen Endgeräten eine deutlich schlechtere Performance? • Welche Seiten werden von externen Quellen verlinkt? Die eingehende Bestandsaufnahme und Problemanalyse werden zahlreiche Erkenntnisse hervorgebracht haben. Auf dieser Basis kann man entweder zu dem Schluss kommen, dass die bisherige Internetseite den Zielen und Ansprüchen der Organisation (noch) ausreichend gerecht wird oder aber eine Veränderung stattfinden muss. Arten von Relaunches Je nach Art und Umfang der Probleme, welche die bisherige Internetseite mit sich bringt, kommen verschiedene Arten eines Relaunches in Frage: Facelift, Redesign und Relaunch. • Facelift: Auf ein Facelift (auch: Rebrush) greift man dann zurück, wenn sich die Umgestaltung der Internetseite vorrangig um die optische Aufbesserung dreht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Corporate Design geändert wurde und nun auch online umgesetzt wird. Die technische Basis einer Internetseite wird bei einem Facelift nicht verändert und auch das Layout der Seiten und Blogbeiträge bleibt weitgehend gleich. Änderungen beziehen sich beispielsweise auf den Einsatz von Farben, Logos, verwendeten Schriftarten und CTA-Elemente bis hin zu Aufzählungszeichen und Rahmen-­Elementen in Blogbeiträgen. • Redesign: Von einem Redesign spricht man, wenn eine Internetseite auf den neuesten grafischen und technischen Stand gebracht werden soll. Im Fokus steht hier die Verbesserung der Darstellung der Inhalte und die Usability für die Nutzer. Das kann beispielsweise bedeuten, dass neue Themes installiert werden, durch die der Seitenaufbau und das Layout gesteuert werden, oder dass Elemente zur Interaktion wie beispielsweise Slider oder Widgets eingebaut werden.

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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Das Content-Management-System bleibt bei einem Redesign bestehen und erhält lediglich eine Aktualisierung auf die neueste Version, was zu Veränderungen im Design und bei Plugins führen kann. Diese Auswirkungen müssen dann erneut auf ihre Funktionalität und auf das Design hin überprüft werden. • Relaunch: Bei einem Relaunch handelt es sich um eine umfangreiche Optimierung einer Internetseite, die Anpassungen in Design, Inhalt und Technik umfasst. In diesem Rahmen werden die Inhalte und die Struktur der Internetseite den gewonnenen Erkenntnissen beziehungsweise den neuen Anforderungen angepasst, beispielsweise im Rahmen einer neuen Nutzerführung und der Optimierung von Klickpfaden. Neue Seiten, Inhalte und Elemente der Interaktion werden hinzugefügt oder neu arrangiert. Dabei kann es passieren, dass die URLs angepasst und die früheren URLs entsprechend umgeleitet werden müssen. Der Wechsel eines Content-Management-Systems gehört ebenfalls in die Kategorie Relaunch, selbst wenn die äußere Darstellung der Internetseite nahezu identisch nachgebildet wird. Die drei Arten von Relaunch sind nach dem Arbeitsumfang sortiert, denn dieser entscheidet sich bei Facelift, Redesign oder Relaunch enorm. Gleiches gilt für die dafür notwendigen Fähigkeiten, die zur Umsetzung benötigt werden und den Grad der Einbindung von internen oder externen Akteuren. Während ein Facelift bei einer durchschnittlichen Internetseite beispielsweise innerhalb einer Woche abgeschlossen sein könnte, werden für einen kompletten Relaunch üblicherweise ein bis drei Jahre benötigt.

4.3.2 Einen Relaunch richtig vorbereiten Die umfassende Bestandsaufnahme und Problemanalyse waren bereits nicht nur die Grundlage für die Entscheidung über die Art des Relaunches, sondern bilden auch die Basis für die Vorbereitung eines selbigen. So kann daraus eine neue Informationsstruktur gebildet werden, die den Zielen der Internetseite besser gerecht wird. Hierzu ist es allerdings notwendig, dass die Zielsetzung der Internetseite klar definiert wird. In der Praxis haben wir es in Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten oftmals mit einer Vielzahl an Zielen zu tun, die verschiedene Abteilungen, Vorstände und externe Nutzergruppen an diese herantragen. An wen soll sich die Internetseite also primär wenden? An Interessierte und potenzielle Erstspender, an Dauerspender, die Klienten der Organisation oder den Ansprechpartnern aus der Klienten-vermittelnden Verwaltung, an Journalisten, die allgemeine Öffentlichkeit oder ganz andere Interessensgruppen? Welche Conversion-Ziele werden jeweils verfolgt? Es empfiehlt sich, an dieser Stelle eine Rangfolge der Interessensgruppen und Ziele zu erstellen, mindestens aber eine Sortierung in primäre und sekundäre Gruppen. Diese sollte gemeinsam mit der Geschäftsführung und dem Vorstand vereinbart werden. So ist eine

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eindeutige Priorisierung geschaffen, an der sich der weitere Relaunch orientieren und messen lassen kann. Gemäß der Priorisierung erfolgt die erneute Betrachtung der Analyse der Internetseite. Welche Seiten und Inhalte sind für die prioritären Zielgruppen am besten geeignet? Inwiefern können aus den Traffic-Daten bereits Rückschlüsse über das Verhalten von Besuchern aus genau dieser Zielgruppe abgeleitet werden? So können beispielsweise Segmentierungen aus der Quelle (u. a. E-Mail an Bestandsspender) oder anhand demografischer Informationen genauer betrachtet werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die (un)mittelbaren Bedürfnisse im Zuge einer Nutzerbefragung zu ermitteln, zu der aktuelle Besucher der Internetseite oder gezielt bestimmte Zielgruppen per Newsletter eingeladen werden. Im Zweifelsfalle kann eine Analyse durch externe Berater oder Agenturen dabei helfen, etwaige blinde Flecken zu entdecken oder Feedback zu den bisherigen Lösungsansätzen zu geben. Im Fundraising ist die Anwendung von Personas ein bekanntes und erprobtes Mittel für die Erstellung von Print- und E-Mailings. Bei der Neukonzeption der Internetseite kommt dieses Werkzeug ebenfalls zum Tragen. Anhand der Personas werden hierfür mehrere User Stories entwickelt. Diese sollen die typischen Anwendungsfälle beschreiben, bei denen Nutzer mit der Internetseite interagieren. Dabei werden die Touchpoints der Persona von Beginn bis Ende ihrer jeweiligen Intention so konkret und ausführlich beschrieben, dass sich daraus konkrete Anforderungen an die Internetseite ableiten lassen. All diese Vorbereitungen von der Analyse bis zu den User Stories bilden gemeinsam das Briefing für die Feinkonzeption und Umsetzung eines Relaunches. Ob dieser dann von einem internen Team, mit externer Unterstützung oder komplett durch eine externe Agentur umgesetzt wird, das ist für das Briefing weitgehend irrelevant. Die Grobkonzeption ist ohnehin nur ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg. Wichtig ist, dass im weiteren Prozess genügend Zeitfenster für Feedbackschleifen mit den wichtigsten internen und externen Stakeholdern vorgesehen sind. So wird sichergestellt, dass der finale Relaunch den Zielen und den Bedürfnissen der Zielgruppen optimal entspricht. Kosten eines Relaunches Die Kosten für einen Relaunch mit Konzeption, Inhalt, Design und Umsetzung belaufen sich bei Vergabe an eine externe Agentur erfahrungsgemäß auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Je nach Umfang der Internetseite und den Anforderungen kann der tatsächliche Wert allerdings deutlich darüber liegen. Alternativ könnte die Umsetzung zwar intern stattfinden – doch wären hier die notwendigen Kapazitäten verfügbar, so wäre im ersten Schritt vermutlich gar kein Relaunch notwendig gewesen. Der NGO-Berater Jona Hölderle fasst dies in der Aussage „Ein Relaunch ist immer ein Fehler“ zusammen (Hölderle 2016). Er argumentiert, dass eine Internetseite auch in kleinen Schritten verbessert und dies als kontinuierlicher Prozess betrachtet werden kann. Ihm zufolge gehen Organisationen lieber den Weg eines Relaunch-Projekts mit Budget, Maßnahmen, Agentur und festem Zeitraum, anstatt die eigenen Prozesse im Umgang mit der Internetseite zu hinterfragen. Das hat zur Folge, dass Non-Profit-Organisati-

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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onen und soziale Projekte länger mit schlechten Seiten leben müssen, und dass nach dem Relaunch oft nicht ein Prozess der kontinuierlichen Optimierung entsteht. cc

4.4

Mit dem Mythos Relaunch beschäftigt sich die Folge 5 des Fundraisingradios. Hier sprechen die Autoren Maik Meid, Jörg Reschke und Jona Hölderle darüber, was bei einem Relaunch zu beachten ist oder was eher zu den Mythen zählt. Linktipp: https://www.fundraising-radio.de/frr05-mythos-website-relaunch/

Conversion-Optimierung

Im Allgemeinen gilt das Fundraising bereits als sehr kennzahlenorientiert. Wenn es allerdings darum geht, welche Kennzahlen im Fokus stehen sollten, dann sind zwei Herausforderungen elementar: Die Fokussierung auf den Return on Investment (ROI) und die Vielzahl an alternativen Kennzahlen, die zur Verfügung stehen. Der ROI gehört zu den meistgenutzten Erfolgskennzahlen.3 Mit dem ROI wird über den ökonomischen Erfolg oder Nicht-Erfolg von Fundraising-Maßnahmen entschieden. Hat sich das Mailing gelohnt? Ist die Google-Ads-Kampagne erfolgreich? Rentiert sich die Anzeigenkampagne? Rechnet sich das Crowdfunding-Projekt? Übertreffen die Einnahmen des Spendenformulars den Aufwand der Programmierung?

4.4.1 Mehr Kennzahlen als der ROI Der Blick auf die ökonomische Kennzahl ROI ist scheinbar einfach und dennoch aus mehreren Gründen falsch. Erstens dient der ROI lediglich zur Einschätzung der Effizienz von Maßnahmen, nicht aber dient er der Bewertung des Gewinns. So sagt die Nettosumme der Spenden mehr über den Erfolg aus (Berg 2016). Zweitens gibt es neben der direkten Spendentransaktion weitere Ziele wie Beziehungsaufbau und Spenderbindung, die sich mit dem ROI nur unzureichend bemessen lassen. Drittens erzeugt die Einfachheit des ROI die Illusion, dass eine Maßnahme einmalig in ihrer Gesamtheit gemessen werden kann oder sollte. Das ist nicht der Fall. Im Digitalen Fundraising setzen wir Maßnahmen in kanalübergreifenden Donor Journeys (Abschn. 9.1.1) ein. Dazu gehören auch zahlreiche Elemente, die ohne eine direkte Spendentransaktion geplant sind. Ist der einzelne Facebook-Post dann von Nutzen? Ist das YouTube-Video mit der Zusammenfassung eines Projekts die Mühe wert? Was kann ein Jahresbericht mit Infografiken und Erläuterungen für das Fundraising eintragen? Mit der rein ökonomischen und kurzfristigen Perspektive könnte man zu dem falschen Schluss kommen, dass diese Aufwände ohne weiteres eingespart werden könnten.  Eine ausführliche Beschreibung und Gegenüberstellung verschiedener Kennzahlen im Fundraising bietet das Buch Database + Fundraising, Andreas Berg 2019, S. 74 ff. 3

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Alternative Kennzahlen gibt es im Digitalen Fundraising viele. Wenn es um die Internetseite geht, dann stehen Traffic, eindeutige Besucher, Absprungraten und Verweildauer hoch im Kurs. Beim E-Mail-Marketing sind die Anzahl der Abonnenten, Zustell-, ­Öffnungs- und Klickraten im Fokus der Auswertung. Beim Social Media Marketing sind es beispielsweise die Reichweite, Interaktionsrate und der Community-Wachstum. Und einzelne Kampagnen können unter anderem auf die Gesamtkosten, Cost per Click und die Cost per Action heruntergebrochen werden. Jede einzelne Online-Maßnahme ist auf diese Weise mit mehr als einem Dutzend Kennzahlen verbunden. Diese Vielfalt kann im ersten Moment überfordern. Was soll gemessen werden? Bei der Conversion-Optimierung handelt es sich um das kontinuierliche Entwickeln, Testen und Verifizieren von Hypothesen, mit denen die Zielerreichungsrate verbessert wird. Die Voraussetzung dafür ist, dass ein einzelnes Element und ein primäres Ziel festgelegt sind. In der Regel bestehen Kommunikationsmaßnahmen aus einer Vielzahl von Elementen, die für eine bestmögliche Conversion-Optimierung jeweils einzeln betrachtet werden müssen. Stellen wir uns beispielsweise eine Anzeigen-Kampagne auf Facebook vor, die auf eine Landingpage der Non-Profit-Organisation oder des sozialen Projekts und dort zu einer Transaktion im Spendenformular führen soll. In einer zu groben Analyse würde man lediglich den ROI aus der Kampagne betrachten. Das Ergebnis wäre eine einfache Ja/Nein-Entscheidung über den ökonomischen Erfolg der Gesamtmaßnahme. Ein wenig differenzierter ist die Analyse, wenn die Anzeigen und die Landingpage separat analysiert werden. Ein sehr umfassender Ansatz der Con­ version-­Optimierung liegt vor, wenn jedes der genannten Elemente nochmals in seinen Einzelbestandteilen betrachtet wird. Betrachtet man eine Facebook-Anzeige alleinstehend, so fallen hier bereits mehr als 20 Parameter ins Gewicht (Abb. 4.2). Jede Änderung eines Parameters beeinflusst das Ergeb-

Abb. 4.2  Parameter einer Facebook-Werbeanzeige (Eigene Darstellung)

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nis der Kampagne und folglich auch die Performance der in der Donor Journey folgenden Landingpage und des Spendenformulars. Ziele festlegen Selbst bei einem rein informativen Blogbeitrag, mit dem kein anderes Ziel als das Lesen verbunden ist, gibt es die Notwendigkeit einer Conversion-Optimierung: Wenn die durchschnittliche Verweildauer der Besucher unter der durchschnittlichen Lesezeit für den Beitrag liegt, dann besteht Handlungsbedarf in der Aufbereitung der Inhalte und Leserführung. Damit sollte deutlich werden: Konkrete Ziele und Conversion-Optimierung sind für sämtliche Bereiche einer Internetseite relevant. Die Ziele für eine Kampagne oder ein Kommunikationselement sollten möglichst konkret gefasst werden. Welche Handlung wird intendiert? Eine Einzelspende, der Kauf eines Spendenprodukts, der Download des Whitepapers oder Formulars auf Fördermitgliedschaft, das Abonnement des Newsletters oder die Unterzeichnung einer Petition? Eine möglichst konkrete Zielformulierung gelingt, indem sie SMART formuliert wird. Zielformulierung mit SMART

Für die Formulierung von konkreten Zielen gibt SMART eine gute Orientierung. Dieses Akronym aus dem Projektmanagement stammt aus dem Englischen und steht für Specific, Measurable, Achievable, Reasonable und Timed. Im Deutschen lässt es sich wie folgt anwenden: • • • • •

Spezifisch: Ziele sind möglichst präzise formuliert. Messbar: Ziele sind mit Messbarkeitskriterien verbunden. Aktivierend: Ziele sind positiv formuliert. Realistisch: Ziele sind im Bereich des realistisch Erreichbaren. Terminiert: Ziele sind mit einem fixen Datum festgelegt. ◄

Aus einer allgemeinen Zielformulierung „Wir möchten so viel Geld sammeln, dass kein Kind in Äthiopien mehr an Kinderlähmung erkrankt“ wird eine SMARTe Zielformulierung wie etwa „Im Laufe des nächsten Quartals wollen wir 2000 Euro sammeln, um 10.000 Kinder in Äthiopien mit einer Polio-Schluckimpfung vor Kinderlähmung zu schützen“. Auf diese Weise ist das Ziel für alle Beteiligten klarer und macht eine objektive Entscheidung über den Erfolg oder Nicht-Erfolg der Kampagne erst möglich.

4.4.2 Messung der Conversion Rate Die Conversion Rate bemisst sich an der Anzahl der Nutzer und der konkreten Zielsetzung bzw. Handlung, die ausgeführt werden soll. Für eine Landingpage mit dem Fokus auf eine Spende bemisst diese sich also mit der Anzahl der Conversions durch die Anzahl der ein-

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deutigen Seitenbesucher. Hat eine Landingpage in einem Monat 5000 Besucher und 100 von diesen führen eine Spende aus, so liegt die Conversion Rate bei 2 %. Wenn es sich um Traffic, der mittels einer Anzeige an eine bestimmte Zielgruppe ausgesteuert wird, handelt, so müssten wir diese Anzeige in die Berechnung der Conversion Rate für die Gesamtkampagne einbeziehen. Nehmen wir eine Conversion Rate der Anzeige (Klick auf die Anzeige) von 5 % an, so erreicht die Anzeige zwar 100.000 Personen, erreicht aber nur noch eine Conversion Rate in Höhe von 0,1 %. In Verbindung mit dem obigen Kampagnenziel braucht es nun die Spendensumme, um die Nettospendensumme zu ermitteln. In Annahme einer durchschnittlichen Spendenhöhe von 20 € (entspricht einer Spendensumme in Höhe von 3500 €) und abzüglich der Produktions- und Werbekosten in Höhe von 2000 € ergibt sich eine Nettospendensumme von 1500 €. Das Kampagnenziel wurde in diesem Fall noch nicht erreicht. Folglich sollte für den weiteren Verlauf der Kampagne eine Conversion-Optimierung stattfinden. Jede Ebene, also in diesem Fall die Anzeige und die Landingpage, können nun für sich betrachtet analysiert und optimiert werden. Erfahrungswerte im Vergleich zu anderen Kampagnen helfen dabei zu entscheiden, welche von beiden Ebenen zuerst optimiert wird. Was vermieden werden sollte, das ist die parallele Optimierung beider Ebenen, denn dann können die vorherigen Messwerte nicht mehr als Referenz herangezogen werden.

4.4.3 Hypothesen- und Variantenbildung Mit der Entscheidung darüber, welche Ebene zunächst optimiert werden soll, beginnt die Hypothesen- und Variantenbildung. In unserem Fallbeispiel ist die Conversion der Landingpage mit 2 % noch nicht zufriedenstellend – vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass bereits eine angemessene Zielgruppenauswahl bei der Anzeigenkampagne stattgefunden hat. Wir begeben uns also auf die Fehlersuche und stellen Hypothesen auf, mit denen eine bessere Performance der Landingpage erwartet wird. Das können beispielsweise folgende sein: • Mit der Übernahme des Bildmotivs aus der Anzeige für die Landingpage, erhöhen wir die konsistente Darstellung der Kampagne und erreichen eine höhere Conversion Rate. • Wenn wir den Spenden-Button rot statt grün färben, dann erhöhen wir die Sichtbarkeit des Call-to-Action und erreichen eine höhere Conversion Rate. • Durch die Kürzung des Teaser-Textes auf die Hälfte der Länge, erzählen wir das wichtige in weniger Worten und führen die Nutzer direkter zum Spendenformular, was zu einer höheren Conversion Rate führt. • Falls wir das Spendenformular auf fünf statt sieben Pflichtfelder reduzieren, dann erreichen wir eine höhere Conversion Rate.

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Abb. 4.3  A/B-Test des NABU Bundesverbandes mit unterschiedlichen Spendenbeträgen. (Quelle: Internetseite des NABU)

Bei einer anderen Problemstellung (z. B. geringe Durchschnittsspende) wird man zu anderen Hypothesen und Lösungsvarianten (z.  B. höhere Beispielwerte im Formular (vgl. Abb. 4.3)) gelangen. Diese thesenbasierte Entwicklung, die mit konkreten Messdaten überprüft wird, bildet den Kern der Conversion-Optimierung. Wenn Conversion-Optimierung richtig verstanden und angewandt wird, dann lösen kontinuierliche Hypothesenbildung und deren Verifizierung das Bauchgefühl in der Gestaltung von digitalen Nutzer-Interaktionen ab. Es handelt sich um einen ständigen Lernprozess, wie ein immer größerer Teil der Nutzer zu einer für sie und die Non-Profit-­ Organisation oder das soziale Projekt passenden Conversion geführt werden kann. Und wie man diese Ergebnisse erfolgreich auf andere Zielgruppen und Maßnahmen überträgt.

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cc

4.5

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Es gibt einige Tools, welche die Umsetzung von A/B-Testing auf der eigenen Internetseite erleichtern. Dazu gehören beispielsweise Optimizely, Adobe Target und Visual Website Optimizer. Für die Hypothesenbildung und -überprüfung kann es zudem hilfreich sein, die konkreten Nutzererlebnisse mittels Heatmaps und anderen Tracking-­ Maßnahmen nachzuverfolgen. Anwendungen für diesen Bereich bieten bei­ spielsweise Hotjar, Crazyegg und Mouseflow.

Fazit

Es klingt zwar fast schon konservativ, aber die Internetseite ist und bleibt auf absehbare Zeit das primäre Objekt des Interesses für gemeinnützige Organisationen, die Online-­ Fundraising strategisch und nachhaltig betreiben möchten. Auch wenn immer weitere Kanäle im Bereich Social Media hinzukommen: Nirgendwo sonst haben Non-Profit-­ Organisationen und soziale Projekte die Möglichkeit, Inhalte und Wege zur Spende derart zu optimieren, wie es für alle Beteiligten am sinnvollsten erscheint. Im Fokus aller Betrachtungen liegt dabei die Nutzerperspektive. Es ist nur ein kurzer Klick, und Besuchende haben sich vom Thema entfernt und sind auf einem anderen Angebot gelandet. Um dies zu verhindern, müssen sich Internetseiten mit einer Online-­Fund­ raising-­Ausrichtung stets anpassen und weiterentwickeln. Allgemeine Trends im Internet wie bei der Suchmaschinenoptimierung, Anpassungen an das allgemeine und spezielle Nutzerverhalten durch regelmäßige Tests sowie die dynamische Weiterentwicklung und Optimierung der eigenen Strategien, Ziele und Inhalte bilden dabei die Grundlage für gute und langfristige digitale Spenderbeziehungen. Und wenn die vorhandene Internetseite diese Voraussetzungen nicht mehr bietet sollte ein Relaunch ins Auge gefasst werden, der mit ähnlich hoher Energie und unter Zuhilfenahme von Profis umgesetzt wird.

Literatur Berg, A. (2016). Der Optimierungs-Selbstmord im Fundraising. https://sozialmarketing.de/der-optimierungs-selbstmord-im-fundraising/. Zugegriffen am 30.05.2020. Berg, A. (2019). Database + Fundraising: Mehr Spenden und bessere Marketing-Kommunikation mit Data-Driven-Fundraising. Fundraiser Magazin Gbr. Hölderle, J. (2016). Kolumne – Ein Relaunch ist immer ein Fehler. https://sozialmarketing.de/kommentar-relaunch-ist-immer-fehler. Zugegriffen am 30.05.2020.

4  Anforderungen an die eigene Internetseite

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Jona Hölderle,  Jahrgang 1983, Stiftungsmanager (DSA) und Diplom-­Verwaltungswissenschaftler; berät mit seiner Firma Pluralog gemeinnützige Organisationen im Online-Marketing. Seine Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Online-­Fundraising, Online-Marketing und Digitale Strategien. Dabei beschäftigt er sich mit der Frage, wie gemeinnützige Organisationen auch in Zukunft noch Spendende und Engagierte erreichen und einbeziehen können. Zudem lehrt er als Dozent u. A. bei der Fundraising-­Akademie und der paritätischen Akademie. Sie können Jona Hölderle unter www.pluralog.de und [email protected] erreichen. Maik Meid  ist Fundraising-Manager (FA) und Studienleiter an der Fundraising Akademie. Er verantwortet dort die Ausbildung im Online-Fundraising. Schwerpunkt seiner freiberuflichen Beratungstätigkeit ist die Begleitung von Unternehmen aus der Sozialwirtschaft im Bereich der Medienentwicklung. Die Grundlagen der Fotografie hat er Ende der 90er-Jahre im Studium erlernt. Seitdem entwickelt er u. a. individuelle Foto-Stocks für gemeinnützige Organisationen. Sie können Maik Meid unter www.fundraisingnetz.de und [email protected] erreichen. Jörg Reschke  ist Berater für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising. Seit fünfzehn Jahren berät und schult er Unternehmen und Non-Profit-Organisationen, ihr volles Potenzial für mehr Beteiligung, Dialog und Marketing zu entdecken und zu heben. Zudem lehrt er unter anderem bei der Europäischen Fernhochschule, dem Institut für Lernsysteme und der Fundraising-Akademie zu Fundraising, Social Media Marketing und E-Commerce. Er gründete die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband und leitete diese von 2013 bis 2019. Sie können Jörg Reschke unter www.joerg-reschke.de und [email protected] erreichen.

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Content-Produktion für das Web Tobias Dunkel und Maik Meid

Inhaltsverzeichnis 5.1  Texten für Online-Kanäle  5.2  Fotoproduktion für Online-Kanäle  5.3  Videoproduktion für Online-Kanäle  5.4  Profis oder Selbermachen?  5.5  Fazit  Literatur 

   88    94  110  116  118  118

Zusammenfassung

Die Content-Produktion für das Web umfasst die Bereiche Text, Fotografie und Video. Diese müssen auf die Zielgruppen im Fundraising hin angepasst, überprüft und professionell produziert werden. Dabei gilt es, den Besonderheiten von Non-Profit-­ Organisationen und sozialen Projekten sowie der Sensibilität ihrer Themenbereiche gerecht zu werden.

T. Dunkel Kommunikationsberater, Dortmund, Deutschland E-Mail: [email protected] M. Meid (*) Meid Fundraising Media, Hattingen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_5

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5.1

T. Dunkel und M. Meid

Texten für Online-Kanäle

Das Web begann mit Texten. Bereits vor dem Internet wurden in den 1990er-Jahren durch Mailbox-Systeme textbasierte Informationen übertragen, um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Ein technisches Protokoll zur Übertragung von Grafiken war noch nicht massentauglich und die Datenübertragungsraten waren bei weitem noch nicht ausreichend. Heute haben wir diese Schranken überwunden – aber Text ist weiterhin ein ganz zentrales Element der Online-Kommunikation. Grundsätzlich werden Internetseiten nach dem Prinzip des F-Patterns wahrgenommen. Dies beschreibt den Blickverlauf des Betrachters, der in Form des Buchstabens „F“ verläuft (Abb. 5.1). Dabei fällt das oben links gelegene Logo zuerst in den Blick. Danach folgen Menüpunkte sowie idealerweise ein großes Bild, das Emotionen auslösen soll. Durch den dann eingesetzten Text sollte die Bildsprache mit dem Inhalt verknüpft werden. Damit dies in geringer Zeitspanne gelingt, muss der Text auf Anhieb und ohne tieferes Nachdenken oder komplizierte Doppeldeutigkeiten für Betrachtende verständlich sein. Er muss sich in das Gesamtbild einfügen und darf weder irritieren, noch einen Hauch von Zweifel lassen, ob die Information nun passt oder nicht. Text-Bild-Scheren sind zu vermeiden. Beim Texten gilt, dass eine Internetseite nur einen sehr kurzen Moment Zeit hat, Menschen davon zu überzeugen, dass sie dort genau richtig sind. Das gilt umso mehr für das Fundraising. Denn dort ist davon auszugehen, dass Menschen nicht aktiv auf der

Abb. 5.1 Anwendung des F-Pattern-Blickverlaufs auf der Internetseite der Welthungerhilfe. (Quelle: Internetseite der Welthungerhilfe)

5  Content-Produktion für das Web

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I­ nternetseite gelandet sind und sich bereits im Vorhinein vorgenommen haben oder interessiert sind, zu spenden. Schon in der Schule haben wir gelernt zu unterscheiden, was Schriftsprache ist und wie sich diese von der gesprochenen Sprache teils drastisch unterscheidet. Das Texten für Online-Fundraising-Projekte und Webpräsenzen muss zum Teil von diesen Regeln Abstand nehmen. Ungeübte Texterinnen und Texter verfallen oft in eine Sprache, die mit der Realität kaum etwas zu tun hat. So wird bei Veranstaltungshinweisen darauf hingewiesen, dass für „das leibliche Wohl“ gesorgt ist und die Besucherinnen und Besucher „Spiel, Spaß und mehr“ erwartet. So spricht aber niemand mehr. Texte für den Einsatz auf Internetseiten funktionieren anders und müssen einfacher wirken. „Herzlich willkommen“ ist ein Rudiment aus den frühen 90er-Jahren, wo jeder Besucher quasi per Handschlag begrüßt werden konnte und es etwas Besonderes war, eine Internetseite zu besitzen. Heute nehmen beliebige Begrüßungsfloskeln dieser Art nur wichtigen Platz weg und behindern die Vermittlung der Kernbotschaft des Vereins.

5.1.1 Ziele von Webtexten Unterschiedliche Untersuchungen zeigen, dass bis zu 80 % der Besucherinnen und Besucher von Internetseiten keinen Text mehr lesen (Nielsen Norman Group 1997, 2011). Und diejenigen, die es tun, beginnen die Betrachtung mit Skimming, also dem kurzen Überfliegen des Textes in wenigen Sekunden. Texte auf Internetseiten müssen vor allem eines sein: selbsterklärend. Spenderinnen und Spender interessieren sich für die Geschichten und Erfolge der Menschen in der Organisation und vor allem für die Wirksamkeit ihrer Unterstützung. Sie sind nicht interessiert an Leitbildern, Organigrammen oder der Zusammensetzung der Abteilungen (Urban-Engels 2016). Im klassischen Fundraising ist bereits eingeübt, dass Briefe aus den Projekten vom Projektleiter in der Regel erfolgreicher sind als die vom Vorstand oder der Geschäftsführung. Auf der Internetseite verhält sich dies genauso. Man darf nicht davon ausgehen, dass sich Menschen mit den internen Begrifflichkeiten oder Fachausdrücken auskennen. So ist für Menschen, die nicht aus der Sozialarbeit stammen nicht klar, was sich hinter „Interdisziplinärer Frühförderung“ verbirgt, für die nun gespendet werden soll. Gleiches gilt für Abkürzungen wie AUW für „Ambulant unterstütztes Wohnen“. Auch wenn dieser Begriff politisch korrekt ist, so wird im Netz nachweislich eher nach dem nicht-inklusiven Begriff „Wohnen Behinderte“ gesucht. Gehen Sie davon aus, dass auf der Seite der Betrachtenden absolut keine Wissensvoraussetzungen vorhanden sind. Entwickeln Sie die Inhalte genau mit diesem Ansatz. Begeben Sie sich raus aus der Filterblase Ihrer Arbeit und lassen Sie beispielsweise alle Texte (sowie andere entwickelte Medien) von einer unabhängigen Person (Nachbar, Teamkollege beim Sport) gegenlesen und bitten Sie diese um ihre Meinung.

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Bei der Betrachtung eines Webtextes für das Online-Fundraising und darüber hinaus sind drei Schritte zu berücksichtigen, die aufeinander aufbauen. Diese laufen beim Betrachter im Idealfall unterbewusst und sehr schnell ab. 1. Was sollen die Betrachtenden nach der Lektüre fühlen? Beispiel: „Oh nein, eine Heuschreckenplage zerstört aktuell die ganze Ernte in Land X. Das bedroht die Existenz der Menschen vor Ort.“ 2. Was sollen die Betrachtenden nach der Lektüre wissen? Beispiel: „Ich habe verstanden, dass die Mitarbeitenden von Guter Verein e.V. vor Ort sind und als Experten des Landes und solcher Situationen die Lage sondieren.“ 3. Was sollen die Betrachtenden nach der Lektüre tun? Beispiel: „Mit einer Spende kann ich jetzt konkret die Arbeit von Guter Verein e.V. unterstützen und einen Teil zur Lösung beitragen.“

5.1.2 Eigenschaften von Texten für das Internet Detaillierte, emotionale und vertrauenswürdige Informationen über Projekte und die Organisationen dahinter interessieren Spenderinnen und Spender besonders. Daher muss es gelingen, einen Spagat aus werbenden Inhalten mit seriöser Information zu verbinden, bis hin zur konkret ausformulierten Spendenbitte. Texten kommt da eine besondere Bedeutung zu. Je nach Maßgabe der Zielsetzung einer Internetseite entstehen unterschiedliche Anforderungen an die Eigenschaften von Texten. Allgemeingültige Aussagen darüber zu treffen ist oft nicht zielführend. Dennoch wissen erfahrene Seitenbetreiber aus vielen Messungen über viele Jahre, was funktioniert und was nicht. Daraus entstanden folgende Erfahrungen: Länge von Texten Im Alltag gemeinnütziger Organisationen werden immer noch für den Print-Bereich konzipierte Texte 1:1 ins Netz übernommen. Eine Faustformel lautet jedoch, dass ein guter Webtext einen um 50 % geringeren Umfang aufweist als üblicher Print-Text. Einige Kanäle im Social-Media-Bereich (z. B. Twitter mit 280 Zeichen) sowie Google (bei Meta-­ Description oder Werbeanzeigen) geben strikte Textbegrenzungen vor, die sich in regelmäßigen Abständen verändern können. Im Fundraising wird häufig die Regel KISS angewandt. KISS steht für „Keep it simple and stupid“ oder „Keep it simple and short“, je nach Betrachtungsweise. Wobei die erste Auslegung, ohne despektierlich sein zu wollen, sinnvoller erscheint. Ein Text muss so kurz sein und so verständlich, dass er in kürzester Zeit wahrgenommen und verstanden wird. Ist also kurz immer gut? Nein, denn auch „Long Reads“ bieten in den genau dafür ausgelegten Fällen den Platz, den Themen benötigen. Allerdings sind diese im Online-­ Fundraising nur als tiefergehende und erweiterte Lektüre sinnvoll und nicht als Teaser für den Start in einen Online-Spenden-Vorgang.

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Abb. 5.2  Startseite der Internetseite der Stadtmission Nürnberg. (Quelle: Internetseite der Stadtmission Nürnberg)

Menüs Begriffe in der Navigation müssen selbsterklärend sein. Bereiche wie „Infos“ oder „Allgemein“ sind nicht zielführend. Nutzerinnen und Nutzer müssen auf Anhieb verstehen, was für Informationen sie hinter einem Begriff erwarten können. Positives Beispiel ist die Internetseite der Stadtmission Nürnberg (Abb. 5.2). Die Menüstruktur ist ausschließlich am Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet: „Ich brauche Hilfe“, „Ich will helfen“, „Ich suche einen Job“. Man kann auf dieser Seite auch spenden, aber dies steht zunächst nicht im Fokus. Beim Einsatz der Menüs ist gleichzeitig zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen nur noch ein geringer Teil über die Startseite auf die Internetseite gelangt. Der weiter verbreitete Weg ist über die Ergebnisse einer Suchmaschine auf eine vom Nutzer initiierte Suche oder Frage. Überschriften Überschriften sind kurz und knapp gehalten und mit einer starken Aussage oder Aufforderung verbunden. Sie stehen in Verbindung mit dem eingesetzten Foto und sind der Aufhänger, warum Menschen den Text lesen (sollen). Statt einem allgemeinen „Unterstützen und helfen“ ist das auffordernde „Spenden Sie jetzt für Katzen in Not!“ sinnvoller gewählt. In diesem Fall wirkt bereits die Überschrift darauf hin, dass es sich um eine konkrete Spendenbitte für ein ebenso sehr konkretes Projekt oder einen bestimmten Themenbereich handelt.

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In einem E-Mail Newsletter sollte die Betreffzeile nicht „Newsletter Verein e.V. Februar 2021“ lauten, da diese zu beliebig wirkt, nicht auf die Inhalte hinweist und ebenso nicht zu einer Aktion auffordert. Idealer wäre „Warum Verein e.V. Dich auch im Februar braucht.“ Eine solche Ansprache löst im besten Fall beim Adressaten ein konkretes Bedürfnis aus, das Projekt zu unterstützen. Fließtext Formulieren Sie den Hauptteil ihres Textes eindeutig. Vermeiden Sie metaphorische Doppeldeutigkeiten bei der Benennung von Fakten oder innerhalb ihrer Geschichte. Diese führen zu Verwechselungen, wenn der Betrachter kaum Zeit für die Wahrnehmung hat. Vermeiden Sie den Einsatz von Fachsprache unter der Berücksichtigung begründeter Ausnahmen in ihrem individuellen Fachgebiet oder bei der Ansprache einer speziellen Spenderschaft. Aber auch hier hat sich in Tests gezeigt, dass Menschen unabhängig ihres Bildungsgrads eher auf kurze und einfache Botschaften reagieren. Und das nicht nur, wenn es schnell gehen muss. Die Länge des idealen Fließtextes ist abhängig vom eingesetzten Endgerät. So können Inhalte, die auf dem Smartphone gelesen werden sollen, kürzer sein als auf Tablets oder Desktops. Hierbei sollte jedoch dringend auf die aktuell gültigen Vorgaben zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) geachtet werden, damit auch wirklich der komplette Inhalt indexiert werden kann. Schreiben Sie Webtexte aktivierend und aktiv. Vermeiden Sie dabei Füllwörter wie meist, dabei, besonders, insbesondere, dann, eher und andere. Entgegen der allgemein gelernten Regel, dass Zahlen bis zwölf ausgeschrieben werden, dürfen in Webtexten Ausnahmen gemacht werden. Zum einen aus Platzgründen, zum anderen bilden diese Zahlen in Fließtexten einen visuellen Anker, an denen sich das Auge orientieren kann. Zur visuellen Auflockerung dürfen bei längeren Texten auch kurze Bulletpoint-Aufzählungen eingesetzt werden. Satzlänge Eine gute Satzlänge beträgt fünf bis elf Wörter. Bilden Sie keine Kettensätze. Ein Gedanke, ein Absatz. Bilden Sie nach drei bis fünf Zeilen einen Absatz. Kommata verlängern einen Satz zum Teil unnötig. Entwickeln Sie lieber zwei kurze Sätze. Es klingt banal, aber aus Subjekt, Prädikat und Objekt bestehende Sätze sind am wirkungsvollsten. So können sich Nutzer beim Scannen kleine Stücke aus dem gesamten Text herausnehmen. Nach zwei bis drei Absätzen wird analog zu den Regeln der Suchmaschinenoptimierung eine Zwischenüberschrift zur Gliederung und besseren Lesbarkeit gesetzt (Abschn. 4.2). Diese Überschrift kann den darauffolgenden Text bereits zusammenfassen. Somit reicht dem Betrachter ein Scanvorgang über die Subüberschriften, um den Inhalt des Textes zu verstehen. Oder die Subüberschrift macht durch einen lesenswerten Teaser Lust darauf, den Text ganz zu lesen. Texte werden somit im Netz zu einem optisch gestaltbaren Medium. Teilbereiche, Sätze oder Worte können durch Fettsetzung oder dem Einsatz unterschiedlicher Farben

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hervorgehoben werden. Blocksatz und zentrierte Texte hingegen wirken nicht mehr zeitgemäß und erschweren die Wahrnehmung. Ebenso spielen die eingesetzten Schriftarten eine Rolle. Idealerweise sind diese für den Einsatz auf modernen Internetseiten optimiert. Hier kommt neben der Wahrnehmbarkeit und dem Corporate Design die Ladegeschwindigkeit hinzu. Sind Google-Fonts im Einsatz, so sollten diese lokal auf dem eigenen Webserver gespeichert sein und von dort abgerufen werden. An das Ende eines Textes gehört stets ein Call-to-Action, also eine Aufforderung („Jetzt anmelden!“, „Spenden Sie jetzt!“).

5.1.3 Überprüfung der Lesbarkeit Der Flesch-Reading-Ease ist ein Verfahren, mit dem Texte formal auf allgemeine Lesbarkeit getestet werden können. Der Index bietet eine gute Orientierung, ob Texte eher leicht oder eher schwieriger erfasst werden können. Zur Überprüfung können etliche kostenlose Tools im Netz eingesetzt werden. Darüber hinaus bieten komplexere SEO-Instrumente die Möglichkeit, ganze Internetseiten auf Lesbarkeit zu überprüfen. Erfahrungen haben gezeigt, dass ein für das Online-Fundraising geeigneter Text einen Flesch-Wert erreicht, der je nach Messmethode im mittleren bis einfachen Bereich liegt. Bereits angefertigte Texte können mit Hilfe dieser Methode gut und einfach überarbeitet werden. Der Flesch-Index bietet jedoch lediglich eine Orientierung zum Erlernen des besseren Textens und besitzt keine allumfassende Aussagekraft. Abb. 5.3 zeigt das Beispiel eines Flesch-Index-Tests einer Internetseite, der mit Hilfe des Tools Xovi durchgeführt wurde. Dieses Instrument überprüft eine ganze Seite auf die gute Lesbarkeit von Texten und wirft eine zusammenfassende Bewertung aus. Die Kategorisierung der Ergebnisse der verschiedenen Test-Instrumente kann variieren. Diese Internetseite sollte für den Einsatz im Online-Fundraising dringend überarbeitet werden.

Abb. 5.3  Beispiel eines Flesch-Index-Tests. (Quelle: Screenshotsuite.xovi.net)

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Sie können den Flesch-Test schnell und einfach selbst anwenden. Einige kostenfreie Instrumente sind beispielsweise fleschindex.de oder leichtlesbar.ch

5.1.4 Texte erstellen im Alltag Jede Person erarbeitet sich Texte anders. Gute Texte entstehen oft sehr spontan. Wenn sie jedoch strategisch eingesetzt werden müssen, dann sollten sie der Faustformel nach eine Nacht liegen bleiben. Wichtig bei der Erstellung: Fokussieren Sie sich. Schalten Sie das Telefon, E-Mails und sonstige Nachrichten aus. Schließen Sie die Bürotür. Entweder schreiben Sie drauf los, oder die Ideen werden zunächst per Mindmap oder Outliner grob sortiert. Nutzen Sie für das Schreiben Reintext-Editoren. Diese Editoren haben zum Teil eingebaute Flesch-Rechner und können auch die Lesedauer direkt anzeigen. Bei längeren und zeitintensiveren Texten schreiben viele Redakteure gerne mit weißer Schrift auf dunklem Hintergrund, da dies angenehmer für die Augen ist. Verlieren Sie keinen Gedanken an Rechtschreibung oder mögliche falsche Wortwahl. Die Gedanken sollen fließen. Erst ganz zum Schluss wird der Text rund gestaltet und es werden Fehler herausgenommen. Später wird der Text dann per Copy-Paste-Verfahren herauskopiert. Wichtig ist, dass nach einer Unterbrechung nicht wieder von vorne begonnen wird. Sparen Sie sich die Lektüre des bisherigen Textes und fahren Sie dort fort, wo Sie vorher beendet haben.

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Fotoproduktion für Online-Kanäle

Seit jeher sind Fotos und Bilder ein Standard-Element des Internets. Auch wenn sich die Anforderungen an Internetseiten in den vergangenen dreißig Jahren stark verändert haben, die Einbindung von Bildern ist geblieben und das aus einem guten Grund. An einer gefühlten Wahrheit hat sich nichts geändert: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Während bei der visuellen Aufnahme von Texten zunächst der Sinn der Botschaft im Gehirn übersetzt werden muss, so geschieht die Erfassung und Analyse von Fotos direkter und schneller. Ein Foto kann die Bedeutung der Botschaft delegieren. In den vergangenen Jahren haben sich beispielsweise mit Instagram und Pinterest Social-­Media-Dienste etabliert, deren Hauptelement der Kommunikation Fotos sind. Ein bekanntes Beispiel ist der Aufstieg in der Nutzung des ausschließlich auf Bild- und Videopublikation ausgelegten Instagram im Gegensatz zum deutlich textlastigeren Facebook. Auch das bereits totgeglaubte Flickr erhält neue Bedeutung. Je jünger die Nutzerinnen und Nutzer, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Nutzung von bildzentrierten Medien. Bilder bilden die Chance mit den eigenen Botschaften wahrgenommen zu werden in einer Zeit, in der Werbeimpulse und Push-Nachrichten zunehmend auf die Smartphones

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der Nutzer einprasseln. Das Foto ist quasi das Entré in eine Botschaft oder die Geschichte, die hinter einer Kampagne steht. Die Bounce-Rate von Internetseiten nimmt in den vergangenen Jahren stetig zu. Hat die gesuchte Botschaft den Betrachter nach einer bis drei Sekunden nicht erreicht, so springen 32 % wieder ab. Nach fünf Sekunden sind dies bereits 90 % (Michalik und Jung o. J.). Das Foto spielt dabei bei der Verankerung des Blickverlaufs eine besondere Rolle. Damit die Aussage der Botschaft verstanden wird, müssen alle Komponenten der Internetseite zusammenspielen. Das Foto rückt dabei in den Fokus. Mit der sich ständig verbessernden Technik ist es vermeintlich einfacher und günstiger geworden, gute Fotos zu produzieren. Die Technik ist jedoch nur ein – wenn auch wichtiger – Faktor. Entscheidender ist vielmehr, ob das Foto dem Zweck dient oder das Ziel erreicht, weshalb es überhaupt aufgenommen wird. Spenderinnen und Spender entscheiden im Online-Fundraising oft spontan, ob und wie viel sie spenden. Ein gutes Foto kann hier der entscheidende Wegbereiter sein. Es kann das Interesse am Thema stärken sowie den Betrachtenden sich mit der Thematik und Situation identifizieren lassen. Und es sorgt für das notwendige Vertrauen in die Organisation. Fotografie sollte daher mit großer Sorgfalt geplant und nicht nur nebenbei betrieben werden. Das große Ziel bei der Nutzung von Fotos und Bildern sollte sein, eine zur gemeinnützigen Organisation passende Bildsprache zu etablieren und dabei Schwankungen in der Qualität und der Wiedererkennung zu vermeiden. Die Bildsprache gehört in jedes gute Corporate Design Manual hinein. Eine solche Festlegung der Bildsprache enthält beispielsweise das Verhältnis zwischen den Abgebildeten. Als Beispiel dienen hier Klientinnen und Klienten einer Organisation der Eingliederungshilfe, die auf Fotos stets in kommunikativer Beziehung zu den Mitarbeitenden und ausnahmslos auf Augenhöhe dargestellt werden.

5.2.1 Einsatzbereiche für Fotos im Online-Fundraising Im Online-Fundraising treten immer wiederkehrende Einsatzbereiche auf. Regelmäßig werden Mitarbeitende, Verantwortliche in Projekten oder im Spenderservice fotografiert, um durch Bilder eine persönliche Beziehung zu Spenderinnen und Spendern aufzubauen. Diese können als Einzelportraits oder Teamfotos funktionieren. Stets muss vor der Aufnahme und Produktion geklärt werden, welchen Zweck die Fotos erfüllen. Schnappschüsse sind in der Regel nicht professionell einsetzbar, wenn es auch hier Ausnahmen geben kann. Die Planung guter Fotografie betrifft sowohl den allgemeinen Bildaufbau als auch den Einsatz geeigneter Technik. Portraitfotos Im Fokus von Portraitfotos steht eine gewisse Einheitlichkeit, die über alle Portraits hinweg hergestellt wird. Dabei geht es nicht in erster Linie um eine Gleichheit, als vielmehr um eine sympathische Wiedererkennung der agierenden Personen. Das betrifft zum einen

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die Wiederkennbarkeit bzw. das Corporate Design, und zum anderen sind Menschen hier die Kernbotschaft der Organisationen. Für eine hervorragende Darstellung der Mitarbeiter und Aktiven sollte eine wiederkehrende bzw. reproduzierbare Situation geschaffen werden. Hierfür eignet sich beispielsweise eine in der Einrichtung aufgebaute Fotoecke mit Banner im Hintergrund und guter Beleuchtung. Die jährliche Mitarbeiterveranstaltung ist eine andere Variante, bei der die Einhaltung grafischer und farblicher Vorgaben gewährleistet werden kann. Das Gegenteil und die zu vermeidende Variante wäre die Veröffentlichung von Schnappschüssen aus dem privaten Umfeld der Mitarbeitenden. Wände, Türen oder Rollups eignen sich nicht als Hintergrund für Portraitfotos. Besser geeignet wäre beispielsweise eine Backsteinwand im Hof oder eine weitläufige Fläche mit tief gehendem Hintergrund auf dem Gelände der Organisation. Sorgen Sie dafür, dass sich der Hintergrund ähnelt. Er muss nicht stets identisch sein, aber einen Wiedererkennungseffekt besitzen. Es wird Situationen geben, bei denen Sie keinen direkten Zugriff auf die Mitarbeitenden haben, weil diese beispielsweise durch den Projekteinsatz im Ausland nicht erreichbar sind. In diesem Fall sollten minimale Anforderungen und Hilfestellungen für ein Portraitfoto zur Verfügung gestellt werden, damit diese gelingen. Für Personen mit Leitungsverantwortung ist es ratsam, diese in verschiedenen Posen zu fotografieren. Das ermöglicht, verschiedene Einsatzzwecke abzudecken. So kann der normale E-Mail-Newsletter mit einer freundlichen Ausdrucksweise bestückt werden, während im Fall einer Krise oder eines Katastrophenfalls auf eher neutrale oder pessimistische Ausdrücke zurückgegriffen werden kann. Spendenübergaben und Gruppenfotos Wer kennt es nicht? Das klassische Bild einer klassischen Spendenübergabe mit einem überdimensionierten Spendenscheck  – vor allem Stiftungen und institutionelle Geber freuen sich über diese Form der Darstellung. Sie sollte ausschließlich für die Gebenden erfolgen. Für die Nutzung auf der eigenen Internetseite oder den Social-Media-Kanälen sind Alternativen zu bevorzugen. Gründe dafür liegen in der inflationär genutzten Darstellung dieser Art von Fotos in gemeinnützigen Organisationen (was eine Google Bildersuche mit dem Keyword „Spendenübergabe“ beweist). Darüber hinaus bietet die Geschichte hinter den Spenden in der Regel eine viel intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema als auch viel interessantere Bildmotive. Die Praxis zeigt, dass je extravaganter oder auch ethisch komplexer ein Themenbereich ist, desto anspruchsvoller können die fotografischen Ergebnisse sein. Eine Vorplanung ist dringend geraten und ermöglicht vieles, was aus dem Projektkontext heraus zunächst undenkbar scheint.

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Beispiel 1

Ein Geber hat ein Projekt zur Förderung von Angeboten des therapeutischen Reitens unterstützt, womöglich eine Patenschaft für ein Therapiepferd übernommen. Hier bietet es sich an – so es seitens des Gebers zugelassen wird – ein Foto mit Pferd und Spender im Sattel und in Verbindung mit den im Projekt aktiven Menschen umzusetzen. ◄ Beispiel 2

Ein Unternehmen hat die Anschaffung einer Küche in einem Vereinshaus gefördert. Anstatt einer Scheckübergabe wird die Küche unter Nutzung von Herd und Backofen eingeweiht. Diese Kochbilder wirken umso stärker als ein Spendenscheck. ◄ Aktions- und Projektfotos Fotos von Aktionen und Projekten sind oft zeitlos einsetzbar. Hier treffen sich Menschen, tauschen sich aus, reden miteinander, tun Dinge und lachen. Nahezu jede etwas vom Alltag abweichende Aktion bietet Fotosituationen, die über den Tag hinaus einsetzbar sind und gut in einen allgemeinen Fotostock übernommen werden können. Dies können klassische Sommerfeste sein, aber auch Demonstrationen, Projektpräsentationen und Vorführungen oder Empfänge. Bei der Erstellung von Fotos auf dieser Art von Veranstaltungen muss im Voraus geklärt sein, zu welchem Zweck die Fotoaufnahmen erfolgen. Sollen sie ausschließlich persönliche oder dokumentarische Zwecke erfüllen, so ist der Aufwand für eine Durchführung gering. Sollten die Fotos Fundraising-Zwecken dienen, sollte eine Vorbereitungszeit eingeplant werden. Dies betrifft sowohl technische Planungen (Licht im Raum, Möglichkeiten zur Fotografie, Platzierung von Stativen etc.) als auch zeitliche Planungen (Wann ist wer zugegen und hat Zeit für Fotos?). Falls der Einsatz professioneller Fotografen keine Option ist, dann sollte für diesen einen Tag mindestens eine Person abgestellt werden, die neben der Fotografie keine anderen Aufgaben hat. Die Fokussierung ist deshalb sinnvoll, weil die Wahrnehmung auf das Erblicken von guten Motiven vereinfacht wird. Bei Fotos aus Projekten im Ausland sind gemeinnützige Organisationen oft auf Fremdmaterial angewiesen oder auf Material, das durch Externe vor Ort produziert wurde. Hier muss besonders auf die Authentizität sowie die Verhinderung von „Poverty Porn“ geachtet werden. Fotos aus der Community, zum Beispiel von Spenderreisen Ein weiterer Einsatzbereich und Quelle von Fotos ist Fremdmaterial. Von Fremdmaterial sprechen wir, wenn sie von befreundeten Institutionen oder Einzelpersonen zur Verfügung gestellt werden. Das können beispielsweise Schnappschüsse aus Situationen sein, aber auch Aufnahmen professioneller Fotografen, die mit einem anderen Auftrag mit unserer Organisation in Berührung kamen und ihr Material anbieten.

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Fotobeiträge aus der Community, beispielsweise von einer Spendenreise haben den Charme, aus dem Leben zu stammen. Es ist natürlich fraglich, ob dieses Material eine ausreichende professionelle Qualität besitzt. Das ist aber auch nicht immer notwendig. Wenn Fotos von Spenderreisen genutzt werden, dann können Authentizität der Perspektive und die Nennung der ehrenamtlichen Fotografen etwaige technische Qualität in der Wirkung ausgleichen. Sie können „echter“ wirken und dem Betrachter ehrlich berichten, wie es vor Ort war. Gemeinnützige Organisationen gehen zum Teil dazu über, Fotoseminare für aktive Ehrenamtliche zu organisieren, um Basiswissen an Fotokenntnissen zu vermitteln und auf aufwendig organisierten Reisen gutes Material zu erhalten. Eine kleine Handreichung zu Regeln für gutes Fotografieren kann Teilnehmenden ebenso als Orientierung dienen.

5.2.2 Was macht gute Fotos für Online-Fundraising aus? Ob ein Foto im Sinn des Online-Fundraisings gelungen ist, darüber entscheidet nicht der individuelle Geschmack. Entscheidend sind ganz unemotional die Conversion Rate sowie die langfristige finanzielle und ideelle Bewertung innerhalb einer Kampagne oder eines Projektes. Der maßgebliche Faktor für die Steigerung der Conversion Rate liegt dabei eindeutig bei emotionaler Bildsprache. Die Schaffung von Emotionen beim Betrachter ist ein Hauptziel bei der Fotografie für das Online-Fundraising. Bei Fotos im Online-Fundraising geht es um das passende Motiv zum passenden Thema, das zur optimalen Information der Spenderinnen und Spendern und zu einer überdurchschnittlichen Conversion führt. Ob ein Foto objektiv gelungen ist und Emotionen auslöst, das legen insbesondere drei Kriterien fest: das Motiv/Subjekt, die Botschaft/Story und die Technik des Fotos. Erkennbares Motiv/Subjekt Sorgen Sie zunächst dafür, dass sich das Motiv des Fotos auch tatsächlich im Fokus befindet, sowohl was den Schärfefokus betrifft, als auch bezüglich der Größe. Es muss das größte sichtbare Element auf dem Foto sein. Nutzen Sie die gesamte Fläche des Fotos aus, besonders bei Fotos von Gruppen oder mehreren Personen. Qualitative Fotos für das Online-Fundraising sollten weit entfernt von einem künstlerischen Anspruch sein. Die Botschaft muss direkt vermittelt werden und dies geschieht mit einfachen und bekannten Mitteln. Folgende Fragen, sollten vor der Aufnahme bedacht werden: Sind Motiv(e) oder die erkennbare(n) Person(en) für nicht am Shooting beteiligte oder für der Organisation unbekannte Personen sympathisch? Sind sie (wieder)erkennbar? Sind sie einzigartig in Abgrenzung zu Beliebigkeit? Verstehen die Betrachter, was zu erkennen sein soll? Ist die Botschaft einfach erkennbar und eindeutig? Schafft es das Motiv, beim Betrachter innerhalb von einer Sekunde den Reiz auszulösen, länger hinzuschauen? Sorgt es im Idealfall für die Ausschüttung von positiv beeinflussenden Botenstoffen? Oder soll absichtlich das Gegenteil erzeugt werden?

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Das Motiv ist für den Betrachter noch schneller erkennbarer, wenn es reizauslösende Anteile enthält, die aus der Wahrnehmungspsychologie bekannt sind. Dies betrifft die Darstellung nackter Haut, die Einbindung des Kindchenschemas, die Nutzung von Signalfarben bis hin zu Totenschädeln. Botschaft/Story Ein gutes Foto muss eine entscheidende Antwort liefern: Besitzt es eine Botschaft? Ist diese Botschaft eindeutig und auf den ersten Blick für Außenstehende verständlich? Doppeldeutigkeiten sollten in der reinen Spendenakquise zunächst vermieden werden, da Entscheidungen über Spendenprozesse oft unterbewusst und zeitschnell entstehen. Passt die Botschaft zur Kampagne? Passt die Botschaft des Fotos in die Wiedererkennung der Organisation? Erwartet der Spender ein Foto, das in dieser Art veröffentlicht wird? Ist die hinter dem Foto stehende Botschaft der Zielgruppe vermittelbar? Technik des Fotos Ist ein Foto technisch schlecht erstellt worden, so lässt es sich später kaum retten oder optimal einsetzen. Achten Sie im Voraus darauf, dass gute Bedingungen bei der Erstellung herrschen. Sind Motiv(e) und/oder Person(en) in der Form und Position wie gewünscht erkennbar? Stehen sie im Licht bzw. sind sie ausgeleuchtet wie gewünscht? Kann man sie aus technischer Sicht gut erkennen? Ist das Foto für das entsprechende Medium aufgenommen und entwickelt worden? Passt die Technik zu den bisherigen veröffentlichten Medien? Sind die Fotos für die spätere Verarbeitung durch Dienstleister als „Freisteller“ nutzbar?

5.2.3 Fototheorie Eine technisch gute Aufnahme ist der wichtigste Faktor in der digitalen Fotografie. Ist ein perfektes Motiv nicht richtig belichtet, sitzt der Fokuspunkt falsch oder ist der Weißabgleich misslungen, dann ist das Foto in der Regel nicht nutzbar. Der allgemeine Mythos, dass Bildbearbeitungsprogramme den größten Teil retten können ist tatsächlich eher ein Mythos als Realität. Auch wenn sich Kameratechnik und Software in den vergangenen Jahren rasant entwickelt haben, so steht der Garant für gute Fotos weiterhin hinter Kamera. Gute Fotos entstehen nicht dadurch, dass man schlaue Bücher liest. Auch wenn Grundwissen an Fototheorie dazu gehört, so entstehen Fotos eben durch das Machen. Dem Fotografen Helmut Newton wird das Zitat nachgesagt, dass die ersten 10.000 Fotos die schlechtesten seien. Ziel muss es jedoch auch für Nicht-Profis sein, fehlende Erfahrung durch ein höheres Maß an Vorbereitung auszugleichen. Belichtung Digitalisierung verändert vieles, die physikalischen Grundlagen der Fotografie jedoch nicht. Licht fällt durch eine Optik auf eine Fläche. Lichtstärke, Lichtempfindlichkeit und

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Abb. 5.4  Belichtungsdreieck, welches das Zusammenspiel sowie die Abhängigkeit der in der Fotografie wichtigsten Faktoren darstellt. (Quelle: Maik Meid)

Größe der Öffnung am Objektiv (Blende) sowie Belichtungszeit entscheiden über das Aussehen des Fotos. Abb. 5.4 zeigt das „Belichtungsdreieck“, welches das Zusammenspiel sowie die Abhängigkeit der in der Fotografie wichtigsten Faktoren darstellt. Das Belichtungsdreieck ist die Basis sämtlicher Belichtungstheorien. Ist mehr Licht vorhanden, dann wird weniger Zeit benötigt, um ein Foto korrekt zu belichten. Wird es dunkler, dann kann zur Kompensation entweder die Lichtempfindlichkeit (meist am ISO Wert gemessen) verändert werden, die Blende geöffnet oder die Belichtungszeit verlängert werden. Jede Veränderung der Belichtung hat entsprechende Auswirkungen auf das fertige Foto. Einige Dinge können im Nachhinein am Rechner kompensiert werden. Es ist aber stets sinnvoll, bereits ein gutes Foto aufzunehmen. In den allermeisten Anwendungsfällen im Online-Fundraising und ohne professionelle Unterstützung sollte in zu dunklen Situationen in der Regel für mehr Licht gesorgt werden. Weitere Grundsätze der Belichtung: • Je höher der ISO-Wert, desto eher beginnt das Rauschen eines Bildes, das als Unschärfe oder „Pixelstörung“ auf dem Endbild zu erkennen ist. • Je heller das Umgebungslicht, desto schnellere Belichtungszeiten sind je nach Kamera möglich. Je dunkler die Umgebung, desto länger werden die Belichtungszeiten. Ungeübte werden bei Belichtungszeiten unter 1/40s ohne den Einsatz technischer Kompen-

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sation wie einem Stabilisator im Objektiv oder im Gehäuse oder die Nutzung eines Stativs an ihre Grenzen kommen. • Je weiter die Blende an der Kamera geöffnet ist, desto mehr kann mit der Schärfentiefe gearbeitet werden (vereinfacht dargestellt). Die Blende ist dabei gleichzeitig ein wichtiger Gestaltungsfaktor. Ob ein Bild korrekt belichtet ist, zeigt nicht das Display der Kamera oder des Smartphones an. Dort kann es oft zu Missverständnissen kommen, wenn die Displayhelligkeit falsche Ergebnisse vortäuscht. Eine korrekte Belichtung wird im Histogramm angezeigt. Gerade, wenn Fotos in unwiederholbaren Situationen aufgenommen (z. B. während einer Projektreise im Feld) werden, sollte nach der Aufnahme das Histogramm an der Kamera direkt überprüft werden, damit später keine Überraschungen auftauchen. Ein „gesundes“ Histogramm für eine Spendenübergabe oder ein Aktionsfoto zeigt ausgewogen gut belichtete Tiefen, Mitteltöne und Höhen an. Gleichzeitig sind bei nicht künstlerischen Fotos im Online-Fundraising die Kontraste ausgeglichen (Abb. 5.5). Abb. 5.6 zeigt das Histogramm des Fotos. Es ist erkennbar, dass dieses Bild hohe Anteile im hellen Bereich mitbringt. Schärfentiefe Die Größe der Öffnung der Blende sowie die Nähe zum Motiv in Verbindung mit dem benutzten Objektiv bestimmen die Intensität der Schärfentiefe. Je kleiner die Blendenzahl, desto größer die Öffnung. Je größer die Blendenzahl, desto kleiner die Öffnung. Die Größe

Abb. 5.5  Ein Kind hält ein Ei in die Kamera. (Quelle: Maik Meid)

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Abb. 5.6  Histogramm des Fotos. (Quelle: Maik Meid)

Abb. 5.7  Alltagssituation in einer Werkstatt eines Berufsbildungswerks. (Quelle: Maik Meid)

der Öffnung bestimmt die Schärfe des fokussierten Motivs. Abb. 5.7 zeigt eine Alltagssituation in einer Werkstatt eines Berufsbildungswerks. Durch den Einsatz der Schärfentiefe als kreatives Instrument können die Personen abgebildet werden, ohne dass sie erkannt werden. Der Einsatz von Schärfentiefe ist darüber hinaus abhängig von der Qualität der eingesetzten Optiken. Auch hier gilt leider, dass hochwertigere und lichtstärkere Objektive mit offenen Blenden teuer in der Anschaffung sind.

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Weißabgleich und Lichttemperatur Ohne in die Physik abzugleiten: Licht besteht aus unterschiedlichen Wellenlängen, die von unserem Gehirn in unterschiedlichen Farben interpretiert werden. Je nach Situation sind unterschiedliche Frequenzen für das Auge und den Sensor der Kamera eher sichtbar als andere. Besonders beliebt bei Landschafts- aber auch Portraitfotografen ist der Zeitraum der „Blauen Stunde“, in der sich die Sonne kurz unterhalb des Horizonts befindet und besonders weiches Licht im blauen Frequenzbereich ermöglicht. Licht in einem Seminarraum dagegen produziert ganz andere Farbtemperaturen, die später auf dem Foto entsprechend aussehen. Wenn zu einer künstlichen Beleuchtung noch Tageslicht von außen hinzukommt, dann wird es später aufwändig, ein Foto mit einer einheitlichen Stimmung zu produzieren. Bei der Fotografie für Internetseiten sollte darauf geachtet werden, dass eine einheitliche Lichtstimmung und ähnliche Farbwerte vorliegen. Der automatische Weißabgleich an der Kamera ist eine erste Hilfestellung dabei. Die Farbwerte sollten möglichst mit den Farben des Corporate Designs harmonieren. Zu viele unterschiedliche Farbstile vermischen die Wahrnehmung des Außenbilds beim Betrachter. Bildaufbau und Perspektive Die Wahl des sinnvollen Bildaufbaus unterteilt sich in zwei Faktoren: stilistische und technische. Da es im Online-Fundraising wichtig ist, dass die Botschaft des Fotos vermittelt wird und für einen ersten Eindruck nur wenig Zeit zur Verfügung steht, sollten Experimente vermieden werden und es sollte auf weitläufig bekannte Grundregeln zurückgegriffen werden. Eine der bekanntesten Regeln ist die Drittel-Regel. Befindet sich das Hauptelement des Fotos im Schnittpunkt von 2/3 des Bildes und ist auch der Rest des Bildes daran orientiert, so wird es vom Betrachter als angenehm harmonisch und symmetrisch empfunden. Eine Fortführung dieser Drittel-Regel führt zur Theorie des Goldenen Schnitts. Kameras und Smartphones unterstützen das Auffinden der Drittel durch das (oft optionale) Einblenden eines Rasters oder Gitternetzes (Abb. 5.8). An diesen Linien können für die Aussagekraft des Fotos wichtige Linien angeordnet werden. Die passende Platzierung von Linien ist weiterhin für eine gelungene Bildgestaltung verantwortlich und kann mit der Drittelregel kombiniert werden (Abb. 5.9). Zum gelungenen Bildaufbau gehört weiterhin die sinnvolle Aufteilung zwischen Vordergrund und Hintergrund in Verbindung mit einem attraktiven Mittelbereich. Diese drei Ebenen sind angenehm zu betrachten, besonders bei großflächigen Fotos aus Projekten, zum Beispiel in Verbindung mit Fundraising-Kampagnen im Naturschutz, und sorgen für einen Tiefeneffekt. Dieser Effekt gelingt besonders beim sinnvollen Einsatz der Schärfentiefe. Werden Menschen fotografiert, so kann die Perspektive entscheidend die Bedeutung eines Fotos verändern. Im Fundraising werden Menschen in der Regel als gleichberechtigt

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Abb. 5.8  Portrait mit angewandter Drittelregel. (Quelle: Maik Meid)

Abb. 5.9  Kombination aus Drittel-Regel und Fluchtpunktperspektive. (Quelle: Maik Meid)

und auf Augenhöhe dargestellt. Dies bedeutet, dass sich die Kamera auch auf Augenhöhe mit dem Motiv befinden muss. Die Ablichtung von oben „drückt“ das Bild, so dass die Personen klein wirken und durch den Betrachter sprichwörtlich klein gehalten werden. Besonders bei Kindern ist dies besonders problematisch. Die Perspektive von unten verleiht den abgelichteten Menschen eine Dominanz, die durch Blickrichtung und Veränderung des Winkels der Kamera einschlägig verändert werden kann.

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5.2.4 Dateiformate Moderne Kameras bieten unterschiedliche Dateiformate an, in denen Fotos abgespeichert werden können. Nahezu alle Digitalkameras und Smartphones wandeln die aufgenommenen Fotos in das verbreitete jpg-Format um. Überträgt man die Fotos auf Rechner oder Tablet, so lassen sie sich leicht öffnen, da jeder Computer dieses Bildformat als Standard öffnen kann. Das „professionellere“ Format mit viel mehr auch nachträglich veränderbaren Faktoren ist das Roh-Format (Beispieldateiendungen sind NEF oder CR2). Hierbei handelt es sich um Daten, die nicht komprimierte Informationen des Kamerasensors zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung stellen. Die in den Organisationen fotografierenden Personen sollten sich bei regelmäßigem Fotoeinsatz mit dieser Technologie befassen, um auch nachträglich vorhandenes Fotomaterial auf neue Einsatzgebiete anpassen zu können. Der Einsatz von Bild- und Fototechnologie im Internet ist dynamisch. Jedes Dateiformat besitzt unterschiedliche Spezifika und bietet verschiedene Einsatzmöglichkeiten mit Vor- und Nachteilen. Stets kommen neue teils proprietäre Formate hinzu (z.  B. webP), verschwinden aber oft wieder oder erhalten mit der Zeit keine allgemeine Bedeutung. Einige bleiben (z. B. png) oder erleben sogar eine Wiederbelebung (z. B. gif). Sie sollten diese Entwicklungen im Online-Fundraising stets beobachten, einschätzen, entsprechend reagieren und Inhalte anpassen.

5.2.5 Fototechnische Ausrüstung Eine beliebte Aussage zur Fototechnik ist, dass diese mittlerweile so gut ist, dass auch mit modernen und handelsüblichen Smartphones hochwertige Fotos und Videos produzierbar sind. Die Qualität von Kamera und Sensoren in Smartphones ist mittlerweile tatsächlich bemerkenswert. Dennoch muss dringend unterschieden werden, wofür die zu produzierenden Fotos verwendet und wie sie eingesetzt werden sollen. Für professionelle Fundraising-Fotos sind Aufnahmen mit Smartphones in der Regel nicht ausreichend. Das Ziel muss es sein, dass fotografierende Menschen in den Organisationen die Kamera so beherrschen, dass diese die gewünschten Dinge umsetzt. Dies geschieht besonders durch die Vermeidung des Automatik-Modus und durch viel Übung. Gemeinnützige Organisationen benötigen regelmäßig gute Fotos. Es ist davon auszugehen, dass nicht für jeden Zweck professionelle Hilfe beauftragt wird, alleine schon aus Budgetgründen. Für die Aufnahme von Motiven und Situationen für das Online-Fundraising ist eine gute Kamera eine solide Voraussetzung. Es ist davon auszugehen, dass in jeder Organisation unabhängig von ihrer Größe irgendeine Kamera vorhanden sein wird. Dabei ist es nicht entscheidend, wie alt eine Kamera ist. Die Jagd nach stets besser werdenden Werten befindet sich aktuell in einer Phase, die für Alltagsanwender kaum noch nachvollziehbar sind. Kameras ab dem Jahr 2015 und teils auch noch früher lassen

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sich nahezu alle unbeschränkt für den Fotobereich einsetzen. Achten Sie jedoch darauf, ob und in wie weit die Kamera später für Videoaufnahmen taugen soll und muss. Hier kann es Einschränkungen geben, da die Entwicklung dort stärker und schneller voran geht. Gehen Sie aber nicht mit jedem Trend mit. Eine solide Ausstattung für den Einsatz im Online-Fundraising besteht entweder aus einer digitalen Spiegelreflex-Kamera (z.  B.  Nikon, Sony, Canon) oder einer digitalen, spiegellosen Kamera (z. B. Nikon Z-Reihe, Sony Alpha, Canon, Fuji, Olympus) oder einer Bridge-Kamera (z. B. Nikon Coolpix, Canon Powershot, Panasonic Lumix). Alle sollten in der Lage sein, Rohformate zu speichern. Bei der Wahl der Objektive bleibt die Frage offen, ob feste Brennweiten oder Zoom-­ Objektive bevorzugt werden sollen. Festbrennweiten sind günstiger, leichter, bieten offenere Blenden und sind zum Teil sehr gut auf dem Gebrauchtmarkt zu bekommen. Die Handhabung ist jedoch nicht so flexibel und besonders bei ungeübten Menschen herausfordernd. Zoom-Objektive („Teleobjektive“) hingegen wiegen mehr, sind bei offenen Blenden teils enorm viel teurer und schwerer. Sie sind jedoch viel flexibler einsetzbar. Zusätzlich kann Zubehör hilfreich sein: ein festes und solides Stativ aus dem Bereich der Reisestative (z. B. Manfrotto, Cullmann), Speicherkarten, ein Aufsatzblitz und mindestens eine gute Kameratasche, beziehungsweise für den Feld-Einsatz eher ein Rucksack (z. B. Lowepro, Ortlieb). Hier sollte darauf geachtet werden, stets eine Größe zu groß zu kaufen, da die Ausstattung im Laufe der Zeit eher wächst. Für die spätere Bearbeitung der Fotos wird ein leistungsstarker aktueller Rechner mit viel Arbeitsspeicher benötigt. Noch entscheidender als die Rechenleistung ist die Qualität des Monitors. Menschen in gemeinnützigen Organisationen, die regelmäßig mit der Verarbeitung von Fotos zu tun haben, sollten einen speziell für die Bearbeitung von Fotos und Videos farbtreuen Monitor einsetzen. Sonst kann passieren, dass in einem letzten Schritt gute Fotos durch die Bearbeitung fälschlicherweise verfärbt exportiert werden, weil der Monitor die Farben nicht korrekt darstellt. Ein klassischer Office-Monitor reicht dafür nicht aus. Diese Investition ist ähnlich wichtig wie die Wahl einer guten Kamera.

5.2.6 Software und Archivierung Wer Fotos produziert, muss sie später bearbeiten. Dies betrifft sowohl die Bearbeitung jedes einzelnen Fotos zur Publikation, als auch die Bearbeitung der Meta-Daten sowie der Archivierung für die spätere Wiederauffindbarkeit. Kaum ein Foto kann im Online-­ Fundraising so eingesetzt werden, wie es aus der Kamera kommt. Mindestens minimale Bearbeitungen sind notwendig. Man unterscheidet hier zwischen Möglichkeiten der Bearbeitung sowie der Manipulation. Programme zur Fotobearbeitung und „Entwicklung“ sind zum Beispiel Adobe Lightroom, Capture One oder Luminar. Diese ermöglichen die teils im Stapel mögliche Anpassung von Weißabgleich, Kontrasten, Helligkeitswerten, Farb-Saturationen, Schärfungen oder weiteren Tonwerten. Gleichzeitig können diese Programme aus den ­Fotodaten

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weitere Dateiformate exportieren, die auch Auswirkungen auf die Dateigröße haben. Die meisten dieser Software-Produkte haben einen Schwerpunkt bei der Bearbeitung von den bereits erwähnten Roh-Dateien. Programme zur Manipulation können ebenfalls die oben genannten Dinge umsetzen, oft ist hier jedoch die Einzelbearbeitung der Bilder notwendig. Der Schwerpunkt von Programmen wie Adobe Photoshop oder Affinity Photo liegt auf der kreativen und individuellen Bildmanipulation. Sie können Störungen entfernen, Übergänge schaffen, weitere Bild- oder Schriftelemente addieren und künstlerische Effekte hinzufügen. Eine Herausforderung in gemeinnützigen Organisationen ist die zentrale Verwaltung von Fotos in einem Fotoarchiv. Dieses sollte den verantwortlichen Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, schlagwort- und projektgesteuert passende Fotos zur Verfügung zu stellen. Wobei berücksichtigt werden muss, dass unterschiedliche Abteilungen oder Personen Fotos beisteuern. In sehr vielen Fällen werden zu diesem Zweck Ordnerstrukturen auf dem eigenen Dateiserver geschaffen. Sollte dies der Fall sein, so müssen Regeln festgelegt werden, dass Fotos wiedergefunden werden können und welche Personen ablegen und ordnen dürfen, um Willkürlichkeit zu vermeiden. Dies beginnt bereits bei der Einheitlichkeit in der Benennung der Dateien. cc

Optimal ist der Einsatz spezieller professioneller Fotodatenbanken und Medien­ archivsoftware. Beispiele hierfür sind unter anderem: Picturemaxx Pixafe Canto pixx.io

5.2.7 Nutzung von Stockfotografie Auch wenn in den allermeisten Fällen realistische Fotos aus der eigenen Organisation denen aus Fotodatenbanken vorzuziehen sind, so kann der Einsatz von Stockfotoarchiven sinnvoll sein. Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich immer mehr kostenlose und kostenpflichtige Stockfotodatenbanken gegründet oder weiterentwickelt, die tagtäglich eine Flut hochwertiger Fotos zur Verfügung stehen. Vorweg: Der Einsatz eigener Fotos ist stets vorzuziehen, besonders im Online-­ Fundraising. Authentizität, Echtheit und vor allem Überprüfbarkeit gehören nicht nur zum guten Ton einer Einrichtung oder eines Projekts, sie sind auch Teil des Ethos einer jeden im Fundraising tätigen Person und für die Glaubwürdigkeit eines Vorhabens gegenüber Spenderinnen und Spendern unverzichtbar. Zudem kommt hinzu, dass auch bei der breiten Auswahl vorhandener Stockmedien oft ein eigener Look bestehen bleibt, der beim Betrachter eingeübt ist. Menschen erkennen Stockfotografien, weil sie mit dieser Art von Fotos tagtäglich überfrachtet werden. Ein „echtes“ Foto im Zusammenhang mit einer

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Fundraising-Aktion ist dagegen ein positives Beispiel realistischer Kommunikation. Stockfotos sollten aus Gründen der Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber den Spenderinnen und Spendern grundsätzlich nicht verwendet werden, wenn Geschichten über Menschen und echte Vorgänge im Projekt oder der Organisation erzählt werden sollen. Stockfotos können sinnvoll eingesetzt werden, wenn zeitnah und schnell eine Information mit einem Foto versehen werden muss und keine Möglichkeit besteht, intern zeitintensiver nach einem passenden Motiv zu suchen. Es gibt Einsatzbereiche, in denen entweder kein gutes Fotomaterial vorhanden ist oder eine andere Symbolik innerhalb der Geschichte im Vordergrund steht. So können durchaus emotionale oder orientierende Symbolfotos eingesetzt werden. Besonders beliebt sind Fotos von Blumen und Pflanzen, Landschaften oder Bezüge zu Feiertagen (Ostereier, Weihnachtsbäume, Adventskränze). Da diese Bilder jedoch von vielen Organisationen als auch von kommerziellen Firmen eingesetzt werden können sie beliebig wirken. Bei einem häufigeren und intensiveren Einsatz von Stockfotos, sollten einige Punkte beachtet werden. Die Foto-Archive stammen meist von unterschiedlichen Fotografinnen und Fotografen. Der Stil der eingestellten Fotos variiert. Das erschwert es einer Organisation, eine einheitliche Bildsprache zu etablieren. Es existieren Stockfotoarchive auf der Basis von Creative-Commons-Lizenzen, Archive auf der Basis von „Hauslizenzen“ sowie kommerziell ausgelegte Archive. Alle dort gelisteten Medien unterliegen speziellen Nutzungsbedingungen, die dringend eingehalten werden müssen. Fotos in kommerziellen Archiven (z. B. Adobe Stock, Shutterstock, Getty Images) werden dort gegen Geld vermarktet und dürfen auf der Basis einzuhaltender detaillierter Nutzungsrechte von der Organisation genutzt werden. Dies ist der sicherste Weg der Nutzung. In der Praxis hat sich gezeigt, dass weitere Stockfotoarchive mit vermeintlich kostenlosen Fotos im Laufe ihres Betriebs Fotolizenzen angepasst und auf eine „Hauslizenz“ umgestellt haben.1 Hier ist oft unklar, ob gemeinnützigen Organisationen im Sinne der deutschen Abgabenordnung die kostenlose Verwendung gestattet ist. Letztendlich hilft dann nur ein Blick in die oft komplexen Geschäftsbedingungen der Anbieter. Im Zweifelsfall und bei nicht eindeutig erkennbarer freier Verwendungsmöglichkeit ist von diesem Einsatz aus Schutz vor Rechtsstreitigkeiten abzuraten. Der Kauf der Nutzungsrechte sowie die Nutzung der eingesetzten Stockfotos setzt voraus, dass diese in der organisationsinternen Fotodatenbank mit der entsprechenden Lizenz versehen werden, um einen späteren Einsatz zu ermöglichen und im Falle einer ­rechtlichen Streitigkeit schnellen Zugriff auf die Nachweise über den rechtlich einwandfreien Einsatz zu besitzen.

 Ein Beispiel für die Nutzung solcher „Hauslizenzen“ sind die Fotoportale pexels.com oder pixabay. com, die neben der Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen auch eine eigene Lizenzierung vornehmen. 1

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Einsatz von Creative-Commons- Stockarchiven Eine beliebte Ausnahme beim Einsatz von Stockarchiven bieten Anbieter, die ihre dort hinterlegten Medien auf der Basis der Creative Commons ablegen. Die Creative Commons bestehen aus vorgefertigten Lizenzverträgen, mit denen jede medienschaffende Person die Nutzung der zur Verfügung gestellten Medien festlegen, öffnen und einschränken kann. Sie nutzen zu diesem Zweck unterschiedliche Lizenz-Module, die sich in der praktischen Suche nach guten Fotos besonders eignen. Die Anwendung dieser Lizenzierung ist einfach und seit Jahren erprobt. Es gibt im Internet und darüber hinaus ein vielfältiges Angebot, um sich mit der Systematik sowie dem Gemeinschaftsanspruch der Creative-Commons-Kreativen auseinanderzusetzen und dieses zu erlernen. Die am weitesten verbreitete Einschränkung ist die Namensnennung (Modul BY), die am Bild gemeinsam mit der Benennung der Lizenz vorgenommen werden muss. Darüber hinaus können Medienschaffende für jedes Medium weitere Module definieren. So existiert die Möglichkeit, Fotos (oder andere Medien) vor der Verarbeitung oder Veränderung zu schützen (Modul ND). Es kann ebenso festgelegt werden, dass die ursprüngliche Lizenz nicht verändert werden darf (Modul SA) oder das Medium nicht kommerziell genutzt werden darf (Modul NC). Hier gilt erneut der Hinweis, dass im internationalen Kontext „Non-Profit“ im Zweifelsfall die Nutzung in nach deutschem Recht als gemeinnützige Organisationen bezeichneten Vereine oder Stiftungen nicht einschließt. Unter nicht-­ kommerzieller Nutzung versteht das NC-Modul die nahezu ausschließlich private Nutzung. Dennoch bleiben auch unter dieser Berücksichtigung sehr viele nutzbare Medien übrig. Die genannten Module der Creative Commons sind unter Berücksichtigung ihrer Logik untereinander kombinierbar. Das interessanteste Feld bietet eine Version der Creative Commons, die auf nahezu alle Urheberrechte verzichtet. Unter der Bezeichnung CC0 veröffentlichte Medien sind in die Gemeinfreiheit entlassen und können uneingeschränkt genutzt werden. Zum Teil sind die Urheber gar nicht mehr erkennbar. Etliche Stockarchive haben sich auf CC0-Medien spezialisiert oder verweisen auf diese. Der Look dieser dort angebotenen Fotos unterscheidet sich zum Teil deutlich von denen kommerzieller Anbieter. Nachteil ist, dass sich kaum Menschen als Motiv finden, die authentisch sind. Aus bereits genannten Gründen sollte darauf aber sowieso verzichtet werden. cc

Es gibt einige Fotoarchive, die entweder vollständig oder teilweise Medien unter Creative-Commons-Lizenzen zur Verfügung stellen: Lifeofpix.com flickr.com pxhere.com meid.media (kostenlose Fotos des Autors für Non-Profits)

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Videoproduktion für Online-Kanäle

Die Bedeutung von Videos und anderen Bewegtbild-Inhalten im Netz und deren Verwendung auf Internetseiten, Social-Media-Plattformen und Netzwerken wie LinkedIn oder Xing hat rasant an Fahrt aufgenommen (Smith o. J.). Gründe dafür sind unter anderem die technische Verfügbarkeit, sowohl zur Produktion von Videos als auch zu deren Verbreitung über Smartphones mit Internet-Flatrates, und die immer schneller werdenden Datenübertragungsraten. Die Mediennutzung hat sich aufgrund der omnipräsenten Möglichkeiten über Smartphones, Tablets und Laptops stark verändert. Durch das mobile Konsumverhalten über die Generationen hinweg, ist es aktuell üblich, ständig online zu sein: auf dem Weg zur Arbeit, im Zug, in der U-Bahn und beim Schaufensterbummel. Dabei wird das Smartphone ständig eingesetzt um Dinge zu erledigen, zu navigieren und immer öfter auch Videos zu schauen (ARD, ZDF 2018; Frees und van Eimeren 2011).

5.3.1 Vorteile von Videos im Online-Fundraising Die Vorteile des Konsums von Videos auf mobilen Endgeräten liegen auf der Hand. Videos können aufgrund der audiovisuellen Eigenschaften anders als Texte mit weniger Aufmerksamkeit konsumiert werden. Durch die Audiowiedergabe ist es nicht nötig, ständig den Bildschirm im Auge zu behalten. Der Einsatz von Videos bietet im Online-Fundraising viele Vorteile (IP Deutschland GmbH 2015a). So können sie Inhalte, Kampagnen, Projekte und vor allem die Menschen hinter den vielen zu erzählenden Geschichten visualisieren. Durch das Sehen und Hören werden Zusammenhänge erlebbar, Projekte sichtbar und die Menschen hinter den Projekten und Organisationen bekommen nicht nur sprichwörtlich ein Gesicht. Der Betrachter wird im besten Fall emotionalisiert (Arbeitsgemeinschaft Teletest 2015) und im Idealfall so weit angesprochen, dass er das Projekt auf seine bevorzugte Art und Weise unterstützen möchte. Ein Phänomen, welches sich das Werbefernsehen seit jeher zu Nutze macht (IP Deutschland GmBH 2015b; SevenOneMedia o. J.). Es ist daher nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig, sich mit bewegten Bildern, sprich Videos zu beschäftigen. Gute Videos im Fundraising sprechen den Betrachter auf einer emotionalen Ebene an. Sie bieten einen Mehrwert gegenüber einem klassischen Flyer, wenn sie die Komplexität eines Themas reduzieren und dem Betrachter einen schnellen und unkomplizierten Einstieg in ein Thema oder eine Kampagne bieten. Ein gutes Fundraising-Video lässt den Betrachter am Ende des Films nicht ratlos zurück. Das Video selbst oder der Begleittext in der unmittelbaren Umgebung sollten dem Betrachter eine Möglichkeit zur Vertiefung des Themas oder zu einer konkreten Aktion bieten. Mit einem entsprechenden Call-to-Action (CTA) wird der Betrachter aufgefordert, sich weiter zu informieren, zu spenden oder mit dem Urheber des Videos in Kontakt zu

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treten. Genau wie das Video sollte der CTA vorher klar definiert werden und ausschließlich auf die Sicht des Betrachters optimiert werden. Je spezieller der CTA, desto näher kann der Betrachter an das konkrete Projekt gebunden werden.

5.3.2 Die perfekte Video-Länge In der Praxis wird oft die Frage nach der perfekten Länge für Videos gestellt. Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich können mehrere Faktoren helfen, sich einer sinnvollen Antwort zu nähern. Zunächst stellt sich die Frage nach einer oder mehreren Zielgruppen, die das Video erreichen soll. Diese Frage steht im Zentrum der Konzeption des Videos, da die Antwort darauf Einfluss auf zahlreiche Faktoren des Videos haben muss. Da verschiedene Zielgruppen über unterschiedliche Sehgewohnheiten verfügen, kann dies ein erster Hinweis auf eine sinnvolle Videolänge sein. Junge Zielgruppen sind eher kurze Videos gewöhnt, konsumieren häufiger unterwegs auf mobilen Endgeräten und fühlen sich von kürzeren Filmen eher angesprochen. Ältere Nutzer hingegen nutzen oft noch den stationären PC zu Hause und sind eher bereit, auch ein längeres Video zu konsumieren. Unabhängig von der Zielgruppe und der damit verbundenen sinnvollen Länge ist ein zweiter Aspekt noch wichtiger: der Inhalt. Ein Video sollte stets nur so lang sein, wie sein Inhalt es trägt. Ähnliche Überlegungen beeinflussen auch die Werbeindustrie und werden z. B. auch auf der Suche nach der perfekten Werbespotlänge herangezogen (IP Deutschland GmbH 2019; Jones 2016). Dies gilt besonders für Videos, die man meist nicht für die Nutzung in der eigenen Organisation, sondern für die Allgemeinheit veröffentlicht. Wenn schon in der Produktion der Eindruck aufkommt, dass in dem Video wenig passiert oder ab einer gewissen Stelle sogar Langeweile aufkommt, dann sollte unbedingt aktiv gegengesteuert werden. So können entweder die Konzeption des Videos verändert, Abschnitte gekürzt oder ganz gestrichen werden. Ein Tipp an dieser Stelle: Es ist hilfreich, Personen hinzuzuziehen, die mit dem eigentlichen Videoprojekt nichts zu tun haben oder nicht thematisch involviert sind. An ihnen kann gut die grundsätzliche Verständlichkeit des Videoinhaltes getestet werden. Die Themen Zeit und Videolänge sind in Zeiten von Videoportalen wie YouTube, Vimeo etc. unwichtig und wichtig zugleich. Unwichtig, da es zum aktuellen Zeitpunkt kaum noch Begrenzungen bei der Sendezeit mehr gibt. Wichtig aber dennoch, denn der Reflex des „Wegklickens“ ist im Internet extrem groß. Die Empfehlung ist, ein Video nicht zu lang werden zu lassen. Denn Messungen zeigen, dass die Bereitschaft dranzubleiben drastisch sinkt, je länger der Film dauert (Learn2Use o. J.; Jones 2016). Der aktuelle Trend zu eher kürzeren Videos findet sich nicht nur in der Gesamtlänge, sondern auch in der Komposition an sich wieder.

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Ein Beispiel

Galt im Journalismus früher bei der Produktion eines Fernsehbeitrages die Regel, dass ein Bild in einem TV-Beitrag nicht kürzer als drei Sekunden lang sein sollte, so hat sich dies aktuell drastisch verkürzt. Besonders jüngeres Publikum ist daran gewöhnt, schnell Inhalte zu erfassen und empfindet schnelle Bildabfolgen in Videos als normal. Grundsätzlich sollte sich daher die Schnelligkeit der Schnitte an die Zielgruppe anpassen. ◄

5.3.3 Mobile First Genau wie bei der Konzeption von Internetseiten so gilt auch bei der Videoproduktion das Mobile First-Prinzip (Sistrix 2018). Der Konsum von Videos auf mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets) und über Social-Media-Plattformen steigt stark an. Bereits heute machen Videos 60 % des weltweiten Internettraffics aus (Sandvine 2019). Die Nutzung am stationären Computer und auf der klassischen Internetseite werden dabei ebenfalls abgedeckt. Wird die mobile Bereitstellung des Videos in den Fokus gerückt, dann ergeben sich automatisch weitere Aspekte: So ergibt es, nicht nur aus Gründen der Barrierearmut, Sinn, Videos mit einem Untertitel zu versehen, um den Konsum des Videos auch ohne eine ­Audioausgabe zu ermöglichen. Auch große Videoplattformen tragen diesem Trend Rechnung, indem sie den Videoproduzenten verschiedene Tools zur Erstellung und Bearbeitung von Untertiteln an die Hand geben. Ergänzt werden diese Tools durch Programme, die Audioinhalte transkribieren und dem Video hinzufügen.2

5.3.4 Das richtige Format: Hochkant vs. Querformat Der Konsum auf verschiedenen Endgeräten hat einen weiteren, nicht unerheblichen Einfluss auf die technischen Rahmenbedingungen für Videos. Die Online-Plattformen verwenden unterschiedliche Bildformate und Seitenverhältnisse für die Veröffentlichung von Videos vor. So arbeitet YouTube aktuell mit dem aktuell auch gängigen 16:9 Querformat, welches der Betrachter auch aus dem Fernsehen kennt. Dieses Format nutzt derzeit auch Facebook, wenn man ein Video im News-Feed platziert. Allerdings zeichnen sich hier bereits Änderungen ab, die Facebook angekündigt hat, da der Großteil der Facebook-User das Netzwerk ausschließlich auf dem Smartphone nutzt. Anders sieht dies aus, wenn bei Facebook ein Video als Facebook-Story veröffentlicht wird. Dies muss im auch bei Instagram-­Stories üblichen Hochformat 9:16 veröffentlicht werden. Möchte man die Zielgruppe im Instagram-Feed mit einem Video erreichen, dann sollte das Video im Seitenver2  Vgl. https://support.google.com/youtube/answer/6373554?hl=de & bzw. https://support.google. com/youtube/answer/2734796?hl=de. Zugegriffen am 30.05.2020.

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Abb. 5.10  Zum Zeitpunkt der Erscheinung des Buchs übliche Videoformate

hältnis von 4:5 erstellt werden. Auch quadratische Videos im Seitenverhältnis 1:1 sind möglich (Abb. 5.10). Das Problem liegt auf der Hand: Wenn Sie ein Video im Querformat produziert haben und dies zu einem späteren Zeitpunkt in ein Hochformat-Video umwandeln, dann fällt rechts und links viel vom gedrehten Bild weg. Im schlechtesten Fall fehlen dadurch die entscheidenden Bilddetails und das Video wird unverständlich. Gleiches gilt für die Umwandlung von Hoch- in Querformate. Im Idealfall ist bereits bei der Konzeption des Videos klar, auf welchem Kanal und auf welcher Plattform das fertige Endprodukt publiziert wird. Das Video wird dann direkt im entsprechenden Hoch- bzw. Querformat gedreht. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, dann ergibt es sogar Sinn, dass das inhaltlich gleiche Video einmal im Hochformat (z. B. für Instagram) und im Querformat (zur Nutzung auf YouTube) gedreht und geschnitten wird. Der Ansatz der doppelten Produktion ist allerdings sehr aufwändig. Effizienter sind sicherlich die Produktion im klassischen Querformat und die spätere Konvertierung und ein Hochformat. In diesem Fall sollte man darauf achten, dass die entscheidenden Bildinformationen nicht am Rande des Bildes stattfinden, sondern eher in der Mitte des aufgenommenen Bildes, damit sie auch im konvertierten Hochformat noch zu sehen sind. Ein möglicher Widerspruch zur Aufnahme nach der Drittel-Regel.

5.3.5 Videoarten und Einsatzzwecke Neben verschiedenen Videoformaten können auch verschiedene Arten von Videos unterschieden werden. Die Art des Videos kann von der Zielgruppe und dem Einsatzzweck

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beeinflusst werden. Neben Videoinhalten, die z. B. das Image einer Organisation fördern sollen, existieren Videos, die einen dokumentarischen Charakter aufweisen, sich dem Thema Personalgewinnung widmen oder komplexe Sachverhalte erklären. Jede Videoart weist spezifische Merkmale auf, die den Betrachter leicht erkennen lassen, um was für eine Art des Videos es sich handelt. So kommen in imagefördernden Videos in der Regel aufwändige Hochglanzaufnahmen zum Einsatz, während im Bereich einer Dokumentation die Realität möglichst zu 100 % abgebildet wird. Videos sind so vielfältig, wie die Themen, die darin behandelt werden. Dienten Videos in der Vergangenheit oft nur zur Unterhaltung (Kinofilme, Serien, Musikvideos), so gibt es heute praktisch keinen Inhalt, der nicht in Videoform umgesetzt werden kann. Ein Beispiel

Immer mehr Menschen lernen mithilfe von Videos. Wo man früher zur Gebrauchsanweisung griff, nutzen aktuell immer mehr Menschen das Medium Video, um sich weiterzubilden oder um schnell und einfach Lerninhalte visuell zu erfassen und umzusetzen (Mogensen 2015). Für Organisationen bietet diese Entwicklung zahlreiche Möglichkeiten, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen und zu binden. So können durch Videos die Motive und das Arbeiten der eigenen Organisation dargestellt und erklärt werden, es kann aber auch der Spendenvorgang in einem Erklärvideo dem Betrachter nähergebracht werden. ◄ Videos mit einem er- bzw. aufklärenden Ziel können sich mehrerer Stilmittel bedienen, um die Informationen und Zusammenhänge anschaulich darzustellen und dem Betrachter zu vermitteln. In diesem Bereich sind viele Darstellungsarten denkbar: ein erklärender Moderator, unterstützende grafische Einblendungen oder auch eine bildliche Umsetzung in gezeichneten Schaubildern und animierten Zeichnungen. Diese Art der grafischen Umsetzung erfreut sich großer Beliebtheit und kann auch problemlos mithilfe von Online-­ Tools umgesetzt werden. In derartigen Tools findet man eine große Auswahl an Grafikelementen, die beliebig zusammengesetzt und arrangiert werden können. Eine aufwändigere und kostenintensivere Variante ist das Erstellen von individuellen Erklärvideos. Diese werden in der Regel von entsprechenden Dienstleistern umgesetzt, bieten eine deutlich höhere Individualität, sind aber auch kostenintensiver. Genau wie Imagevideos und Dokumentation sollten Videos mit erklärendem Charakter im Idealfall über eine Dramaturgie verfügen, um den Betrachter bis zum Ende des Videos an das Medium zu binden. Videos können genau wie Text und Fotos zu allen denkbaren Zwecken eingesetzt werden und so spielen Videoformate in fast allen Bereichen der Kommunikation eine zentrale Rolle. Wurden Videos ursprünglich im Fernsehjournalismus als berichtendes Medium eingesetzt, so setzt man heute Videos in allen Bereichen ein. Personalabteilungen geben in Videos Einblicke in ihre Organisation und suchen so neue Mitarbeiter, neue Mitarbeiter stellen sich in Videobotschaften Kolleginnen und Kollegen vor, Projektverantwortliche

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dokumentieren den Stand ihrer Projekte auf der ganzen Welt, gemeinnützige Organisationen setzen Videos zur Spenderbindung und Mittelgewinnung ein. Die technische Entwicklung der letzten Dekade ermöglicht auch für semiprofessionelle und Laienproduzenten das Einsetzen von Live-Übertragungen für die eigenen Zwecke. Durch die Verbreitung und Verfügbarkeit von hochleistungsfähigen Datennetzen (W-Lan, Mobilfunk) kann praktisch jeder mit einem Zugang zu einem entsprechenden Smartphone oder Tablet zum Sender werden. Zahlreiche Apps vereinfachen das Live-Streaming via Smartphone. So können Veranstaltungen, Diskussionsrunden etc. live ins Internet übertragen und so einem großen Publikum zugänglich gemacht werden. Eine Herausforderung bei einem entsprechenden Live-Stream kann die Audioqualität sein. Hier sollte man auf ein starkes und deutliches Tonsignal Wert legen, um die Qualität des Streams nicht unnötig zu vermindern. Bei einem Stream über W-Lan empfiehlt sich, kein öffentliches Netz zu nutzen, da sich bei einer entsprechenden Zahl an Zuschauern im Saal, die Geschwindigkeit und Bandbreite schnell reduziert und die Bildqualität des Streams leidet.

5.3.6 Videotechnische Ausrüstung Durch die technische Entwicklung der letzten zehn Jahre sind die Hürden zur Produktion eines Videos erheblich gesunken. Benötigte man früher oft große Kameras, umfangreiche Technik-Ausstattung für den Zusammenschnitt eines Videos sowie geschultes Personal, so reicht heute bereits ein exzellentes Smartphone und eine kurze Einarbeitung in eine entsprechende Schnitt-App. Die technische Aufnahmequalität stellt keine Herausforderung mehr dar. Alle großen Hersteller von Smartphones und Videokameras stellen den Nutzern Kameras mit hochauflösender Technik zur Verfügung. So ist heute Realität, was vor 15 Jahren nicht denkbar war: die Produktion eines Videos in HD-Qualität und sogar 4-fachem HD (4K) einfach, schnell und unkompliziert. Zur Unterstützung der hohen Aufnahmequalität macht es Sinn, in zusätzliche Ausrüstung zu investieren. So sind als wichtige Zusatzkomponenten, gerade bei der Videoproduktion mit einem Smartphone, ein zusätzliches externes Mikrofon zur Steigerung der Audioqualität und ein Stativ zur Sicherstellung von ruhigen und wackelfreien Aufnahmen zu nennen. Bei der Aufnahme selbst ist darauf zu achten, dass die drei wichtigsten technischen Faktoren korrekt eingestellt sind. Um eine gelungene Videoaufnahme zu erreichen, sollte die Belichtung der Aufnahmen und der Schärfebereich des Bildes korrekt sein sowie der Weißabgleich stimmen. Bei aktuellen Kameras können zwar automatische Programme diese Einstellungen übernehmen, jedoch sollten diese drei Faktoren sicherheitshalber nochmals überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Kleinere Anpassungen lassen sich später auch beim Zusammenschnitt des Videos problemlos durchführen. Die Bearbeitung und der Zusammenschnitt des erstellten Videomaterials, die so genannte Postproduktion, hat sich in der letzten Dekade deutlich vereinfacht. So verfügt

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nahezu jeder Computer, sowie die meisten Tablets und Smartphones über Möglichkeiten, Videomaterial weiterzuverarbeiten oder können diese durch den Einsatz von entsprechenden Apps und Programmen herstellen. Wie bei allen Softwareprodukten gibt es auch im Bereich der Schnittprogramme entsprechende „Platzhirsche“, sowie eine Vielzahl an weiteren Anbietern von Schnittprogrammen. Zu den zwei großen Anbietern von Schnittprogrammen zählen Adobe mit dem Schnittprogramm „Premiere“ und Apple mit der Software „Final Cut“. Beide sind kostenpflichtig. Daneben ist ein Videoschnitt mit kostenlosen Schnittprogrammen möglich: iMovie (Mac) und Da Vinci Resolve (Windows, Mac) sind in dieser Kategorie zu nennen. Dazwischen gibt es eine Vielzahl an Schnittprogrammen in verschiedenen Preiskategorien. Eine Einarbeitung benötigen alle Schnittprogramme, je nach Umfang der Funktionalitäten nimmt dieser mehr oder weniger Zeit in Anspruch. Alle Schnittprogramme verfügen über verschiedene Möglichkeiten, den fertigen Film zu exportieren und für die angedachten Kanäle bereitzustellen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Video-Tutorials der Anbieter als auch von Dritten erleichtert die Einarbeitung erheblich. Grundsätzlich gilt: Durch das quasi Wegfallen der technischen Hürden, wird es zunehmend wichtiger, auf die inhaltliche Qualität zu achten.

5.4

Profis oder Selbermachen?

Diese Frage stellt sich durch die in diesem Kapitel beschriebenen niedrigen technischen und finanziellen Hürden und führt fast zwangsläufig zu der Frage, ob die Organisationen auch weiterhin auf Leistungen von Agenturen im Bereich Foto und Video angewiesen sind, oder ob es nicht sinnvoll ist, selbst im Bereich der Contentproduktion aktiv zu werden: Make or Buy? Wer auf eine eindeutige Antwort hofft, wird bei diesem Thema eher nicht fündig werden (Abschn. 3.9). Die Erstellung guter Medien ist erlernbar. Regeln sind schnell angeeignet, eine Stetigkeit und Übung vorausgesetzt. Ein gewisses Interesse am Thema als auch ein gewisses Talent im Umgang mit Sprache, Fotos oder Videos sollten ebenfalls vorhanden sein. Dennoch steht die Frage im Raum, wie wichtig das eingesetzte Medium ist und ob Profis durch die eingesetzte Expertise nicht besser wirkende Ergebnisse erzielen. Dies kostet Sachmittel, ist oft aber eine Erleichterung im Alltag. Daneben gibt es Projekte, bei denen das Hinzuziehen von externen Dienstleistern Sinn ergibt oder sogar zwingend notwendig ist, wenn man ein entsprechendes Ergebnis erzielen möchte. Ein Profi erkennt, wann Medien eher beliebig wirken und nicht eingesetzt werden sollten. Somit unterscheiden sich diese von den vielen Bildern, die Mitarbeitende gemeinnütziger Organisationen aus den Projekten anfertigen. Es ist weiterhin nicht sinnvoll, ­Mittel für die Anschaffung von Videotechnik in die Hand zu nehmen, wenn diese lediglich einmal zum Einsatz kommt. In solchen Fällen sollte man selbstverständlich auf Dienstleister zurückgreifen, die das benötigte Equipment bereitstellen. Wobei sich auch gute Mietmodelle für Equipment etabliert haben.

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Fotos und Videos werden auch in der alltäglichen kontinuierlichen Kommunikation an Bedeutung gewinnen. Überlegen Sie, ob Sie dieses Know-how nicht in der eigenen Organisation etablieren können. Eines direkt vorweg: Um eigene Videokompetenzen zu erlernen und zu etablieren, muss man investieren. Dabei sind primär weniger finanzielle Mittel gemeint – ohne diese wird es ab einem gewissen Punkt auch nicht weitergehen – sondern zeitliche Investitionen. Sie benötigen entsprechendes Personal, dem vor allem Zeit für die Aus- und Fortbildung der Videokompetenzen eingeräumt wird. Dabei spielt es keine Rolle auf welchem Wege sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter fortbildet. Ein Online-­ Tutorial oder Webinar braucht genauso seine Zeit wie eine klassische Fortbildung bei einem Bildungsträger. Sollten gemeinnützige Organisationen regelmäßig Medien aus Wohngruppen, Projekten vor Ort oder dem Alltag durch eigene Mitarbeitende anfertigen lassen, so sollten diese einmalig und regelmäßig in der Handhabung von Kameras und Smartphones geschult werden. Und mit der reinen Aus- und Fortbildung ist es nicht getan. Auch nach der ersten Ausbildung müssen Zeiträume eingeplant werden, in denen das Erlernte ausprobiert, geübt und vertieft werden kann. Auch bei großen Kampagnen werden Dienstleister auch weiterhin ihre Berechtigung haben. cc

Kriterien bei der Auswahl eines Medien-Dienstleisters  Bei der Auswahl eines Profis sollte auf folgende Aspekte geachtet werden: • Versteht die Person die Arbeit der Organisation? Weiß sie, welche Themen behandelt werden? Kann die spezielle Sensibilität in eine gelungene Bild-/ Videosprache umgesetzt werden? Kann sie mit den Menschen vor Ort gut umgehen? So wird für die Bereiche Eingliederungshilfe oder Hospizarbeit ein be­sonderes Fingerspitzengefühl notwendig sein. • Können Sie sich vorstellen, längerfristig mit der Person zu arbeiten? Jeder Profi besitzt trotz detailliertem Briefing eine eigene (Bild-)Sprache, die sich aus der genutzten Technik und dem persönlichen Stil heraus ergibt. • Verstehen sich die Dienstleister eher als Künstler oder als Handwerker? Was passt besser zu Ihrer Organisation? Ist die Person in der Lage, falls gewünscht, Aufträge wirklich abzuarbeiten? Wie ist die Beratungskompetenz? • Auf welcher Basis wird die Dienstleistung bezahlt? Wie hoch sind Tages- und Stundensätze? Wie werden die Nutzungsrechte behandelt? Sind diese bereits inkludiert? Oder muss später individuell nachverhandelt werden? • Falls Medien vor Ort im Feld oder in besonderen Situationen erstellt werden sollen: Hat die Person die Erfahrung oder falls nicht, trauen Sie ihr die Reise in mögliche Krisen- oder Katastrophenländer zu? • Hat die Person Expertise in Dokumentationen, Reportagen und/oder je nach Notwendigkeit in der Erstellung von Portraits? Die Anwendungsgebiete der Fotografie haben sich soweit diversifiziert, dass nicht jeder alles beherrscht. (Beispielsweise ist ein hervorragender Food-Fotograf nicht unbedingt in der Lage, Dokumentationen zu fotografieren.)

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• Und zu guter Letzt: Gibt es Referenzarbeiten, die die Fähigkeiten bestätigen und bei denen Ihnen Bildsprache und der Stil gefallen? Haben andere Organisationen bereits mit der Person gearbeitet und gibt es positive Rückmeldungen?

5.5

Fazit

In den vergangenen Jahrzehnten waren Briefe neben dem persönlichen Gespräch das dominierende Werkzeug im Fundraising. Mit der Zeit hat sich die Kommunikation mit Förderinnen und Förderern zunehmend in das Internet verlagert – auf Internetseiten, in E-Mails und Social Media. Texte lassen sich im Web vergleichsweise schnell veröffentlichen. Angereichert mit Fotos und Videos entsteht lesenswerter und informativer Content, mit dem es gelingt, interessierte Personen davon zu überzeugen, einer Non-Profit-Organisation oder einem sozialem Projekt zu spenden. Die neuen Kommunikationswege machen erforderlich, dass die Fundraising-Kommunikation sich an die Gegebenheiten anpasst. Für die professionelle Content-­Produktion müssen die konzeptionellen Grundlagen der Medien- und Inhalte-­Entwicklung verstanden und die jeweiligen Besonderheiten des Mediums berücksichtigt werden. Ebenfalls beachtet werden die Besonderheiten von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten, was beispielsweise eine Sensibilität gegenüber ihren Themenbereichen und den Akteuren beziehungsweise Empfängern ihrer Leistungen umfasst. Wenngleich die Technik für die Medienerstellung zunächst komplex und herausfordernd scheinen mag, so sind die Regeln und Vorgehensweisen für den allgemeinen Bedarf recht schnell erlernbar. Auf die richtige Vorbereitung kommt es an. Für Non-Profit-­ Organisationen und soziale Projekte ist es letztlich eine situative oder strategische Entscheidung, welche Content-Produkte selbst erstellt und in welchen Fällen professionelle Dienstleister bei der Erstellung berücksichtigt werden.

Literatur Arbeitsgemeinschaft Teletest. (2015). Emotionale Bedeutung der Werbemedien Fernsehen und Print. https://www.screenforce.at/docs/default-source/Grundlagenstudien/Werbewirkung-Absatz/emologic_2015/emologic_2015.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. ARD, ZDF. (2018/2019). Multimedianutzung. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/multimedianutzung/video/. Zugegriffen am 30.05.2020. Frees, B., & Van Eimeren, B. (2011). Bewegtbildnutzung im Internet 2011: Mediatheken als Treiber. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2011/FreesEimeren.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. IP Deutschland GmBH. (2015a). Eye-Tracking: Bewegbild schlägt Anzeigen. https://www.ip.de/ fakten_und_trends/fourscreen/fourscreen_trends/ausgabe_032015/eye_tracking_studie.cfm. Zugegriffen am 30.05.2020.

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IP Deutschland GmBH. (2015b). Kartografie 8: Der Fourscreen-Werbewirkung auf der Spur. https:// www.ip.de/fakten_und_trends/fourscreen/fourscreen_trends/ausgabe_122015/fourscreen_wirkungen.cfm. Zugegriffen am 30.05.2020. IP Deutschland GmBH. (2019). Dossier zum Thema Spotlängen: Jede Sekunde zählt. https://www. ip.de/fakten_und_trends/werbewirkung/studiensteckbrief.cfm?studyId=4486&search=false. Zugegriffen am 30.05.2020. Jones, B. (2016). Videowerbung: Ist länger auch gleich besser?. https://www.thinkwithgoogle.com/ intl/de-de/marketingkanaele/youtube/videowerbung-ist-langer-auch-gleich-besser/. Zugegriffen am 30.05.2020. Learn2Use. (o.  J.). https://www.learn2use.de/optimale-videolange-im-internet/. Zugegriffen am 30.05.2020. Michalik, M., & Jung, E. (o.  J.). https://www.sistrix.de/frag-sistrix/welchen-einfluss-hat-pagespeed-auf-seo/. Zugegriffen am 30.05.2020. Mogensen, D. (2015). I-want-to-do moments: From home to beauty. https://www.thinkwithgoogle.com/ marketing-resources/micro-moments/i-want-to-do-micro-moments/. Zugegriffen am 30.05.2020. Nielsen Norman Group. (1997). https://www.nngroup.com/articles/how-users-read-on-the-web/. Zugegriffen am 30.05.2020. Nielsen Norman Group. (2011). https://www.nngroup.com/articles/how-long-do-users-stay-onweb-pages/. Zugegriffen am 30.05.2020. Sandvine. (2019). Global internet phenomena. https://www.sandvine.com/press-releases/sandvine-releases-2019-global-internet-phenomena-report. Zugegriffen am 30.05.2020. SevenOne Media. (o. J.). https://www.sevenonemedia.de/research/werbewirkung/grundlagen. Zugegriffen am 30.05.2020. Sistrix. (2018). Mobile First: Daten und Fakten der modernen SERPs. https://www.sistrix.de/downloads/study/sistrix_mobile_seo_study_de.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Smith, K. (o.  J.). https://www.brandwatch.com/de/blog/statistiken-youtube/. Zugegriffen am 30.05.2020. Urban-Engels, A. (2016). Mailing. In Fundraising-Akademie (Hrsg.), Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden (S. 689–705). Wiesbaden: Springer Gabler.

Tobias Dunkel  ist ausgebildeter Fernsehjournalist und hat seine Erfahrungen bei zahlreichen Sendern und Sendungsformaten gesammelt. Als Berater unterstützt er Organisationen und Unternehmen im Bereich der Video- und Digitalkommunikation. Im Bereich der Unternehmenskommunikation übersetzt er strategische Ziele in bewegtes Bild und nimmt dabei Kamera und Mikrofon selbst in die Hand. Sie können Tobias Dunkel unter www.tobias-dunkel.de und [email protected] erreichen. Maik Meid  ist Fundraising-Manager (FA) und Studienleiter an der Fundraising Akademie. Er verantwortet dort die Ausbildung im Online-Fundraising. Schwerpunkt seiner freiberuflichen Beratungstätigkeit ist die Begleitung von Unternehmen aus der Sozialwirtschaft im Bereich der Medienentwicklung. Die Grundlagen der Fotografie hat er Ende der 90er-Jahre im Studium erlernt. Seitdem entwickelt er u. a. individuelle Foto-Stocks für gemeinnützige Organisationen. Sie können Maik Meid unter www.fundraisingnetz.de und [email protected] erreichen.

Fundraising auf der eigenen Internetseite Praxistipps und Denkanstöße für Fundraising auf der eigenen Website Nora-Hendrike Jäger

Inhaltsverzeichnis 6.1  Warum eine eigene Internetseite?  6.2  Spenderinformation  6.3  Das Spendenformular  6.4  Fundraising Landingpages  6.5  Spendenshop  6.6  Fazit  Literatur 

 122  123  132  143  149  154  155

Zusammenfassung

Online-Fundraising umfasst heute eine Vielzahl von Werbe- und Inhaltsmaßnahmen, die miteinander verzahnt werden. Das Herz einer jeden Spendenkampagne ist und bleibt jedoch die Internetseite. Sie ist der Heimathafen der Organisation im weiten Internet. Alle Marketingmaßnahmen verweisen auf die Internetseite, hier befinden sich die Landingpages und das Spendenformular. Hier stellt sich die Organisation dem Spender umfassend dar und wirbt um sein Vertrauen. Dieses Kapitel bietet eine Vielzahl an Informationen, Denkanstößen und Praxistipps rund um das Fundraising auf der eigenen Internetseite.

N.-H. Jäger (*) Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_6

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6.1

N.-H. Jäger

Warum eine eigene Internetseite?

Ist eine eigene Internetseite überhaupt erforderlich? Es gibt heute eine Vielzahl an sozialen Netzwerken, auf denen sich Unternehmen und Organisationen darstellen, Bilder veröffentlichen und auch gleich noch mit ihren Unterstützern in den direkten Austauschen treten können. Ist da eine statische Internetseite nicht fast ein wenig veraltet, ja unmodern? Wer sich regelmäßig im Internet bewegt, weiß: Das nächste Update von Google, Facebook oder der Lieblings-App kommt bestimmt. Aus Sicherheitsgründen ist das auch gut so. Für normale Endnutzer besteht jedoch keinerlei Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf die Funktionen, die Gestaltung oder auch nur die Frage, wann das Update veröffentlicht wird. Wir sind abhängig. Manchmal bringt das nächste Update sehr positive Neuerungen, wie die sehr einfache und viral sehr gut funktionierende Geburtstags-Spendenfunktion von Facebook.1 Der Pferdefuß besteht leider darin, dass Facebook sich nicht sehr für deutsche Details wie Zuwendungsbestätigungen interessiert. Die Klärung solcher rechtlichen Fragen mit Facebook ist meist aufwendig und lässt gerade kleine Organisationen oft hilflos zurück. Das Fundraisingtool von Facebook ist eine tolle Erfindung – aber es ist eben nicht auf die deutschen Prozesse angepasst. Und schon gar nicht auf die einer einzelnen Organisation. Eine eigene Internetseite ist unabdingbar. Der wichtigste Grund: Sie macht unabhängig. Sie ist vergleichbar mit einem Privatgrundstück im Netz. Hier bestimmt die Organisation (also Sie!) was, wann und wie veröffentlicht wird und welche Funktionen angeboten werden. Hier kann die Organisation sich selbst präsentieren und sich von anderen Mitbewerbern durch eine wirklich gut durchdachte und serviceorientierte Internet-Präsenz abheben. Spendenkampagnen sind heute ohne Internetseiten kaum denkbar. Selbst bei einem klassischen Papier-Mailing gibt es Verweise ins Netz, um weitere Inhalte zu sehen und zum Spenden zu animieren. Jedes Plakat trägt eine URL. Im Internet lässt sich Spendenwerbung durch Bilder und Videos stärker emotionalisieren, sind die Spenden im Durchschnitt höher als auf klassischem Wege und die Reichweiten potenziell größer und oft günstiger. Durch die Automatisierung von Prozessen lässt sich hier mit weniger Materialund Personaleinsatz ein besserer Return-on-Invest erzielen als durch ein reines Papiermailing. Für eine spendenfinanzierte Organisation ist der Hauptzweck der Internetseite Fundraising. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass bestimmte Inhalte oder auch Zielgruppen eine untergeordnete Priorität haben. Oder gar nicht erst stattfinden. Beispielsweise ist die Ansprache von Kindern als Zielgruppe kein primäres Fundraisingziel (schließlich will niemand ihnen das Taschengeld wegnehmen). Ein weiteres Beispiel aus

 Hierbei können Facebooknutzer ihre Freunde anlässlich ihres Geburtstags um eine Spende für eine gemeinnützige Organisation bitten. https://www.facebook.com/help/1910205189301966?helpref=related 30.05.2020.

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6  Fundraising auf der eigenen Internetseite

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der Praxis: Die Seenotretter – DGzRS sprechen mit ihrer Internetseite die Spender an – gezielt nicht die Wassersportler, eine vermeintlich große Zielgruppe der Seenotretter. Für diese gibt es ein separates Informations- und Präventionsportal im Internet.2

6.2

Spenderinformation

Die Internetseite muss an den Bedürfnissen der Spender ausgerichtet sein. Die Leitfrage lautet also nicht: Was finden wir als Organisation wichtig? Sondern: Was suchen unsere Seitenbesucher? Oder um beide Interessen zu vereinen: Welche (Informations-)Angebote braucht der Besucher, um Spender zu werden? Der Filter für die Inhalte auf der ­Internetseite ist also nicht das eigene Sendungsbewusstsein, sondern basiert auf einer profunden Inhaltsrecherche dessen, was die Besucher anspricht und wie sie zu Spendern werden. „Das weiß doch jeder, dass wir von Spenden leben.“ Nein, woher denn? Wer Geld braucht, muss das auch (schön charmant) sagen. Aufmerksamkeit ist eine stark umkämpfte Ressource; vom Geld soll hier noch gar keine Rede sein. Jede Organisation muss sagen und am besten auch zeigen, warum bei ihr gespendet werden soll. Das darf nicht plump wirken und schon gar nicht verzweifelt – aber entschieden und klar. Was bewirkt eine Spende für Ihre Organisation? Die Ansprüche der Spender haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Vielen ist es heute wichtig, genau zu wissen, wofür ihr Geld eingesetzt wird. Sie möchten sogar selbst mitentscheiden, wo genau das Geld eingesetzt wird. Egal wie dies zu bewerten ist – eine Spendenorganisation sollte dieser Entwicklung proaktiv mit entsprechenden Angeboten begegnen. Beispiele helfen dem Spender, sich ein Bild zu machen und die eigene Unterstützung in den Kontext zu setzen.

6.2.1 Zertifizierungen als vertrauensbildende Maßnahme Das Angebot an Spender, im Internet Gutes zu tun, ist riesig. Nicht jeder möchte sich auf das eigene Bauchgefühl verlassen und so gibt es inzwischen eine Vielzahl an Möglichkeiten für Organisationen, sich zertifizieren zu lassen. Für den Spender ist ein solches Siegel hilfreich, es weckt Vertrauen und zeigt grundsätzlich erst einmal, dass die Organisation sich nicht scheut, sich einer externen Bewertung auszusetzen. Im Non-Profit-Sektor hat eine gewisse „Effizienz-Bewertung“ spürbar zugenommen. Der Spender möchte den Nutzen seiner guten Tat möglichst maximieren. Auch dieser Entwicklung muss Rechnung getragen werden. Vergleichbar ist es mit den Zertifizierungen von Onlineshops, wie das „Trusted Shop“-Siegel3 – auch hier möchten die Unternehmen den Besuchern ihrer Seite signalisie-

2 3

 Vgl. Wassersportportal der Seenotretter: www.sicher-auf-see.de  Vgl. Trusted Shops: https://www.trustedshops.de/

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ren: Uns kannst du vertrauen. Vertrauen ist im Fundraising die wichtigste Währung. Der Spender möchte ganz sicher sein, mit seinem freiwillig gegebenen Geld etwas Gutes zu tun. Alles, was ihn in diesem Glauben unterstützt, ist hilfreich. Während beim Onlineshopping ein Stück Ware, nehmen wir beispielsweise einen Pullover, den Besitzer wechselt und der Käufer also etwas ganz Konkretes erwirbt, wird beim Spenden „nur“ ein gutes Gefühl gegeben. Der gekaufte Pullover kann umgetauscht werden, wenn er nicht passt. Eine Spende wird sehr vermutlich nicht umgetauscht, also zurückgebucht – das erleben wir in der Praxis sehr selten. Sie wird gar nicht erst getätigt, wenn der Spender nicht überzeugt ist. Unter Kollegen wird die Frage nach dem Nutzen der Spendensiegel gerne diskutiert. Strahlt das Siegel am Ende heller als die Organisation? Ein klares Nein. Ein Zertifikat hilft, eine Entscheidung zu unterstützen. Für diese Entscheidung muss der Spender jedoch bereits eine Präferenz haben. Es gibt sicher nur wenige Ausnahmefälle, in denen Spendenentscheidungen auf Basis einer Liste mit zertifizierten Organisationen getroffen werden. In einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin wurde untersucht, ob ein Siegel zu einer Erhöhung der Spende führen kann. So würden sich auch die Kosten für das Siegel ­rentieren. Verschickt wurden für diese These zwei unterschiedliche Mailings einer Stiftung. In einem wurde gesondert auf das DZI-Spendensiegel hingewiesen. In der Tat spendeten die Unterstützer 10 % mehr, die wussten, dass die Stiftung zertifiziert ist (WZB 2017). Die Gegenthese lautet, dass viele Spender die Spendensiegel nicht kennen und einige hinterfragen auch ganz kritisch die Siegel selbst. Wieviel Aufwand macht es, sich zertifizieren zu lassen und was kostet dies? Für gemeinnützige Organisationen, die bestrebt sind, den Verwaltungsaufwand klein zu halten, ist dies keine unwesentliche Frage. Was passiert, sollten die Anforderungen in einem Jahr nicht erfüllt werden? Wenden sich die Spender ab? Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Wichtig ist, dass die Basis stimmt. Die Spendenorganisation sollte von sich aus mit geeigneten Publikationen für Transparenz sorgen. Wird der Umgang mit den Spenden erst kritisiert und hinterfragt, ist es mühsam, das verlorene Vertrauen zurück zu gewinnen. Auch hier geht es ein Stückweit um eine „gefühlte Transparenz“ und nicht nur um reine Fakten. Wichtig ist zu wissen, welches Spendensiegel was genau prüft. Daher geben wir hier einen kleinen Überblick über die bekanntesten Siegel und Zertifikate: Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) Das sicherlich umfassendste Siegel auf dem deutschen Spendenmarkt ist das DZI-­ Spenden-­Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Geprüft wird nach Leitlinie erst ab einem Tätigkeitszeitraum von mindestens zwei Jahren, in denen mindestens 25.000 Euro gesammelt wurden (DZI 2019). Nach Verleihung des Siegels darf dieses auf der Internetseite (und natürlich auch überall sonst) gezeigt werden und signalisiert dem Spender so, dass diese gemeinnützige Organisation den Anforderungen des DZI genügt. Neben der Veröffentlichung der Finanzen – die genauen Anforderungen unterscheiden sich hier nach der Größe der Organisation – erlässt das DZI auch Regeln für die Organisationsstruktur der Organisation. So müssen Organisationen, deren jährliche Gesamterträge

6  Fundraising auf der eigenen Internetseite

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mindestens zwei Jahre in Folge mehr als 5 Mio. EUR betragen, über ein schriftliches Konzept zur Korruptionsvorbeugung verfügen. Auch die Verteilung der Ausgaben wird reguliert. So dürfen Werbe- und Verwaltungsausgaben höchstens 30 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben betragen. Auch zu den Gehältern der Führungsebene lässt sich das DZI Auskunft erteilen. So müssen die Höhe und Zusammensetzung der Jahresgesamtbezüge hauptamtlicher Mitglieder des Leitungsorgans und der Geschäftsführung jeweils unter Angabe der Funktion und des Stellenumfangs mitgeteilt werden. Auch zur erfolgsabhängigen Vergütung im Fundraising erlässt das DZI Richtlinien. So darf der erfolgsabhängige Anteil bei der direkten Werbeansprache höchstens 50 Prozent der Vergütung betragen. Diese Regelung sichert sicherlich nach unten gut ab und verhindert, dass Organisationen mit DZI-Siegel Spendenwerbung nur auf Provisionsbasis betreiben. Auf der anderen Seite sind 50 % erfolgsabhängiges Gehalt auch Ansporn für eine vielleicht manchmal etwas forsche Ansprache. Diese DZI-Auflage zeigt exemplarisch sehr deutlich, dass ein Siegel eben kein Persilschein ist. Eine umfangreiche Prüfung, wie das DZI sie vornimmt, kostet je nach Umsatz der Organisation bis zu 12.000 Euro. Als Organisation muss die Entscheidung getroffen werden, ob diese 12.000 Euro eine Investition ins Fundraising sind – oder ob dieses Geld besser anders angelegt werden soll. Gültig ist das Siegel ab Ausstellung ein Jahr lang. Deutscher Spendenrat e.V. Der Deutsche Spendenrat e.V. verleiht ein Spendenzertifikat an seine Mitglieder, dessen Grundsätze von diesen selbst festgelegt werden. Als Mitglied im Spendenrat verpflichten sich die Organisationen, ihre „Strukturen, Tätigkeiten, Projekte und Finanzen im Rahmen eines Jahresberichts transparent, klar und verständlich offenzulegen.“4 Der Schwerpunkt liegt auf den Finanzen der antragsstellenden Organisationen, eine externe Prüfung ist vorgeschrieben. Doch eine Mitgliedschaft allein führt nicht zum Zertifikat. Dieses muss in einem zweiten Schritt beantragt werden. Für die Vergabe des Spendenzertifikats werden mindestens zwei unabhängige Wirtschaftsprüfungsinstitutionen eingesetzt. Insbesondere muss ein vollständiger und von einem Rechnungsprüfer geprüfter Finanzbericht vorliegen, welcher spätestens neun Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres direkt beim zuständigen Prüfungsinstitut einzureichen ist (Deutscher Spendenrat e.V. 2018a). 5 Die Kosten für eine Mitgliedschaft im Spendenrat liegen bei maximal 6.5000 Euro und errechnen sich prozentual aus den Einnahmen der Organisation (Deutscher Spendenrat (Deutscher Spendenrat 2018b). Zusätzlich fallen keine Kosten an. Ab Verleihung gilt das Siegel des Spendenrats für drei Jahre.6

 Vgl. Spendenzertifikat: https://www.spendenrat.de/spendenzertifikat/ 30.05.2020.  Anforderungskatalog für das Spendenzertifikat. 6  Vgl. Spendenzertifikat: https://www.spendenrat.de/spendenzertifikat/ 30.05.2020. 4 5

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Initiative transparente Zivilgesellschaft (ITZ) Die Initiative transparente Zivilgesellschaft wurde im Jahr 2010 von Transparency International Deutschland e.V. und weiteren Organisationen ins Leben gerufen.7 Zusammen wurden zehn grundlegende Punkte definiert, die jede zivilgesellschaftliche Organisation der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. Dazu zählen unter anderem die Satzung, die Namen der wesentlichen Entscheidungsträger sowie Angaben über Mittelherkunft, Mittelverwendung und Personalstruktur (Transparency o. J.). Der Prozess der Teilnehme sei bewusst unbürokratisch gehalten. Nachdem die Organisation die zehn Punkte vollständig auf Ihrer Internetseite veröffentlicht hat, kann sie die Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnen und absenden. Daraufhin findet eine Prüfung auf Vollständigkeit und Plausibilität statt. Ist diese erfolgreich abgeschlossen, erhält die beantragende Organisation das Logo der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Kosten entstehen für die teilnehmende Organisation nicht direkt, allerdings finanziert sich die Initiative transparente Zivilgesellschaft in erster Linie aus Spenden und Mitgliedbeiträgen (Transparency 2019). TÜV Vor allem bekannt durch die Prüfung von Autos ist der TÜV – dieser prüft allerdings nicht nur Gegenstände mit vier Reifen, sondern längst auch viele andere Branchen und deren Prozesse. Die geprüften Organisationen profitieren so branchenübergreifend von der sehr bekannten und vertrauenserweckenden Marke „TÜV“. Der TÜV Thüringen verleiht seit dem Jahr 2009 ein Zertifikat „zertifiziertes Fundraising“. Dieses bestätigt der geprüften Organisation, dass sie ein „Qualitätsmanagement zur Steuerung der Spendergewinnung und -betreuung“ besitzt.8 Ziel ist die kontinuierliche Verbesserung der internen Fund­ raising-­Prozesse. Zur Mittelverwendung wird nicht geprüft. Im Fokus der Prüfung stehen drei Punkte: 1. Spendenbeschaffung: Werden die zur Spendergewinnung und Spendenbeschaffung vorgegebenen Prozesse eingehalten? 2. Datenschutz: Werden die gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzes bei der Verwaltung der Spenderdaten und der Betreuung der Spender eingehalten? 3. Spenderzufriedenheit: Nur eine gute Spenderzufriedenheit sichert langfristig den Erfolg des Fundraisings. Daher überprüft der TÜV Thüringen die Rückmeldung der Spender an die Organisation.

 Trägerkreis: Transparency International Deutschland, Bundesverband Deutscher Stiftungen, Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), Deutscher Fundraising Verband, Deutscher Kulturrat, Deutscher Naturschutzring, Deutscher Spendenrat, Maecenata Stiftung, Phineo und dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen: (Transparency International e.V. o. J.). 8   Vgl. Prüfzeichen für Managementsysteme: https://www.tuev-thueringen.de/zeichen-zertifikate/ pruefzeichen/managementsysteme/fundraising/ 30.05.2020. 7

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Zu den Kosten macht der TÜV Thüringen keine Angaben auf seiner Internetseite. Alle drei Jahre muss die Zertifizierung wiederholt werden – dies spiegelt auch den Gedanken der kontinuierlichen Verbesserung wider. Das sind die großen, bekannten Spendensiegel, um die sich die Organisationen selbst bemühen müssen. Es gibt jedoch auch weitere Möglichkeiten, durch Dritte Vertrauen aufzubauen. Noch recht neu hinzugekommen ist das Institut Phineo. Entstanden aus einem Projekt der Bertelsmann Stiftung gehört diese u. a. zu den Gesellschaftern von Phineo.9 Seit Mai 2010 untersucht das Institut gemeinnützige Organisationen auf ihre „Wirkungstransparenz“ und veröffentlicht ein daraus erstelltes Ranking. So wurden im Jahr 2016 776 Organisationen analysiert, davon jedoch nur 227 empfohlen (Phineo 2019). Die Initiative „Deutschland rundet auf“ unterstützt beispielsweise nur Organisationen, die von Phineo empfohlen wurden. Neben den Siegeln und Instituten gibt es noch weitere Wege, Vertrauen über Dritte aufzubauen. Nutzerbewertungen im Internet kommt eine große Bedeutung zu. Dort können die Spender selbst Empfehlungen erteilen. Auf den Facebook-Seiten und über Google MyBusiness kann sich jeder zu seinen Erfahrungen mit der Organisation äußern und diese auch mit Sternen bewerten. Dies macht es für die Mitarbeiter einer gemeinnützigen Organisation umso wichtiger, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Nutzerbewertungen können auch selbst initiiert werden. Unternehmen wie eKomi bieten eine „Software as a Service“ an, mittels derer jeder Spender gebeten wird, eine Bewertung abzugeben.10 Diese Daten werden automatisch aggregiert und von eKomi überprüft. Anschließend werden sie an alle großen Suchmaschinen übermittelt und können auch auf der eigenen Internetseite ausgespielt werden.11 cc

Praxistipp: Wir empfehlen in jedem Fall die proaktive Nutzung der Social-Media-Bewertungen.

Der Einsatz einer Bewertungssoftware ist ein wenig „Geschmackssache“. Wenn die Organisation glaubt, es könne auch Spender verärgern oder verschrecken, dass diese nach einer Spende zu einer Bewertung eingeladen werden, sollte dies überdacht werden.

 Gesellschafter von Phineo ist unter anderem die Bertelsmann Stiftung mit 12% der Anteile (Quelle: https://www.phineo.org/transparenz). Zu den Partnern gehören unter anderen die Deutsche Börse AG, KPMG, New Philanthropy Capital, PricewaterhouseCoopers, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die Stiftung Aktive Bürgerschaft, die Schöpflin Stiftung und die Warth & Klein Grant Thornton AG. 30.05.2020. 10  Vgl. Ekomi: https://www.ekomi.de 30.05.2020. 11  Google hat die Regeln zur Anzeige von Rich Snippets überarbeitet. Sterne-Bewertungen werden zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in den organischen Suchergebnissen angezeigt. Hintergrund waren gefälschte und ungenaue Bewertungen über verschiedene Internetportale (Naqi Shahee 2019). 9

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Grundsätzlich signalisiert eine offene Haltung dem Spender: Wir haben nichts zu verbergen und sehen Bewertungen positiv entgegen. Auch wenn diese einmal negativ ausfallen. Gerade in diesen Momenten kann eine Spendenorganisation mit einer guten und schnellen Reaktion überzeugen. Fehler passieren  – die Frage ist, wie damit umgegangen wird.

6.2.2 Wie geht die Spendenorganisation mit meinem Geld um? Vertrauensbildendende Maßnahmen sind nicht nur die oben beschriebenen Siegel und Nutzerbewertungen. Mit der Veröffentlichung wichtiger Kennzahlen und Fakten auf der eigenen Internetseite zeigt die Organisation, wie sie mit den ihr anvertrauten Geldern umgeht und wofür diese konkret eingesetzt werden. Sie hat es also selbst in der Hand. Zu den Klassikern der Veröffentlichungen zählen die Jahresberichte mit einem Jahresabschluss. Diese sollten leicht auffindbar und gut strukturiert sein, um auch gelesen zu werden. Leider setzen die meisten Organisationen hier auf einen reinen PDF-Download. So wird zwar vorbildlich viel Information zur Verfügung gestellt – allerdings muss der Spender sich meist erst mal bis zu den letzten Seiten des Berichts durchscrollen, um die relevanten Finanzberichte zu lesen. Ein positives Beispiel in der Art der Darstellung ist der Bericht des WWF, der nicht nur auf einen PDF-Download setzt, sondern seine Inhalte auch für das Internet medial aufbereitet hat.12 Neben dem Jahresbericht sollte die Organisation auch durch ihre eigene Berichterstattung über die Verwendung der Spendengelder und die Ziele der Organisation aufklären. Auf der Internetseite muss der Spender sich leicht einen Überblick über die Aufgaben, Ziele und bestehenden Projekte verschaffen können.

6.2.3 Das Spendenkonto Wie kann gespendet werden? Wir empfehlen als erstes ein nutzerfreundliches Online-­ Spendenformular, welches die Daten perfekt aufbereitet in die eigene Datenbank „pustet“. Nur möchte nicht jeder Spender ein Online-Formular nutzen und alle seine Daten angeben. Daher braucht es ganz „old fashioned“ auch die Angabe des Spendenkontos auf der eigenen Internetseite. Am besten so, dass der Spender die IBAN gleich kopieren und in sein Online-Banking einfügen kann. Das Spendenkonto zu verstecken, damit möglichst viele Spender das Online-Formular nutzen, ist kein guter Stil und lässt datensensitive Spender vorzeitig abspringen.

 Vgl. Jahresbericht des WWF: https://www.wwf.de/ueber-uns/jahresbericht/ 30.05.2020.

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Praxistipp: Das Spendenkonto sollte auf der Spendenseite gut zu finden und idealerweise auch im Footer der Internetseite stets präsent sein.

Gibt es eine Bank, die sich im besonderen Maße für ein Spendenkonto eignet? Natürlich macht z. B. schon der Name der Bank für Sozialwirtschaft Sinn für eine Spendenorganisation. Diese Bank hat sich in besonderem Maße auf gemeinnützige Organisationen spezialisiert. Bekannte Kunden sind der WWF, UNICEF und der NABU. Auf der anderen Seite schafft auch eine Bank Vertrauen, die einen bekannten Namen trägt und bei welcher der Spender vielleicht sogar sein eigenes Konto führt. Das Image der Bank sollte also im besten Fall Vertrauen ausstrahlen. Reicht ein Spendenkonto für eine Organisation? Wir empfehlen gerade bei regionalen Projekten auch auf regionale Partner zu setzen. Eine Spendenaktion für den Zoo Hannover sollte nicht auf ein Spendenkonto bei der Sparkasse Rotenburg Osterholz gehen. Hier kann mit einfachen Mitteln dem Spender signalisiert werden, dass sein Geld regional eingesetzt wird. Dass es in der Realität für die Projekttransparenz keinen Unterschied macht, auf welches Konto das Geld eingezahlt wird, ist irrelevant. Es geht um die gefühlte Nähe des Spenders zu seinem Projekt.

6.2.4 Spenderservice Der Spenderservice ist die wichtigste Abteilung jeder Spendenorganisation. Hier gehen die Spenden ein und werden verdankt, hier werden alle Anfragen von Unterstützern bearbeitet, die Daten aktualisiert und Beziehungen zu den Spendern gepflegt. Wenn es hier nicht läuft, hilft auch keine Spendenkampagne. Der Begriff Spenderservice kann in zwei Richtungen argumentiert werden – einmal für die Bedürfnisse der Bestandsspender und natürlich auch für die der Neuspender. Wichtig ist in beiden Fällen, dem Spender ein gutes und sicheres Gefühl zu geben. Mitarbeiter des Spendenservices sollten bereits auf der Internetseite mit einem Bild und einer direkten Durchwahl ansprechbar sein. Betreuen mehrere ein Arbeitsgebiet oder arbeiten in Teilzeit, sollte auch dies auf der Seite dargestellt werden. Zur E-Mailadresse: Natürlich wirkt eine individuelle E-Mailadresse wie melanie. [email protected] vertrauenserweckend und nahbar. Auf der anderen Seite führt dies in eine Sackgasse, wenn die Mitarbeiterin krank oder im Urlaub ist. Bei einer Weiterleitung der E-Mail in diesen Momenten ist der Spender irritiert, warum seine persönliche Korrespondenz mit Frau Schmidt nun von Frau Müller weitergeführt wird und diese offenbar auch Zugriff auf die E-Mails hat. cc

Praxistipp: Eine einheitliche E-Mailadresse für den Spenderservice, auf die alle Mitarbeiter zugreifen können.

Anders verhält sich dies in wirklich sensiblen Angelegenheiten wie Erbschaften, im Fachjargon liebevoll „Zu erwartende Legate“, kurz ZEL, genannt oder bei Großspen-

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dern.13 Hier erwartet der Spender/Legatgeber völlig zu Recht eine sehr individuelle ­Betreuung. Dies beginnt bei der Auswahl des Ansprechpartners – es sollten also mindestens zwei Ansprechpartner zur Verfügung stehen, und natürlich sollte auch die Kontaktaufnahme persönlich und direkt möglich sein. Auch die Betreuung sollte sich von der Masse abheben. Jede Organisation muss für sich selbst entscheiden, ab wann sich eine individuellere Betreuung in welchem Umfang lohnt. Das hängt ab von der Durchschnittsspende, der Personalstruktur und den Möglichkeiten der Spender, sich einzubringen. Unter dem Begriff Spenderservice verstehen wir in erster Linie die Standardanfragen, die Spender umtreiben: • • • •

Ich möchte meinen Spendenbetrag verändern Meine Daten haben sich geändert Ich möchte weniger Post Wann kommt meine Zuwendungsbestätigung?

Auf diese Fragen sollten die Unterstützer schnell Antworten sowie gute und intuitive Formulare finden, um es Spender und Organisation leicht zu machen und gleich alle relevanten Informationen zu erfassen. Neben den klassischen Kommunikationswegen Telefon, E-Mail, Post und Fax sollten Organisationen auch über weitere Möglichkeiten nachdenken. Bewegen sich die Spender einer Organisation viel in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram oder nutzen sie Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram sollten auch diese zur Kommunikation mit der Organisation zur Verfügung stehen. Für sensible personenbezogene Daten sollte auf einen sichereren Kanal mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zurückgegriffen werden. Wichtig: E-Mails sind nicht automatisch ein sicherer Kanal. Dieser Ansatz der Omnichannel-Kommunikation stellt viele Spendenorganisation vor große organisatorische Herausforderungen. Sind diese Internetdienste im Spenderservice angesiedelt, in der Öffentlichkeitsarbeit oder im Marketing? In vielen Fällen müssen sich die internen Bereiche sehr eng abstimmen, da der Spender oder Besucher von außen selbstverständlich nicht nach internen Zuständigkeiten unterscheidet. Ebenso sollte es hier keine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Behandlung von Anfragen über Facebook oder per E-Mail geben: „Facebook hat länger geöffnet als das E-Mail-Postfach“. Dies ist der Pflichtteil im Spenderservice. Zur Kür gehören beispielsweise noch Spendermeinungen, wie SOS Kinderdorf e.V. sie veröffentlicht hat. Das baut weiteres Vertrauen zum potenziellen Spender auf und gibt gleichzeitig den Bestandsspendern eine

13  „Zu erwartende Legate“ trägt als Begriff auch dem Umstand Rechnung, dass die Organisation bis zum Schluss, also bis zum Tod des Erblassers, oftmals nicht genau wissen kann, ob und in welchem Umfang sie erben wird. Es kommt vor, dass Menschen ganz am Ende ihres Lebens ihr Testament noch einmal komplett ändern oder das Vermögen am Ende des Lebens schlicht aufgebraucht ist, und so nur Schulden vererbt werden.

6  Fundraising auf der eigenen Internetseite

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Bühne für ihren Einsatz.14 Gespeist werden diese Inhalte aus dem vom SOS Kinderdorf e.V. verwendeten Bewertungstool eKomi. Schön übersichtlich sind die guten alten „Fragen und Antworten“ auf die wichtigsten Spenderfragen. Diese finden sich daher bei vielen Organisationen z. B. bei SOS Kinderdorf e.V.15 und dem WWF.16 Neben dem klassischen Spenderservice, also dem Service für eine Person, die privat spendet, sollten auch noch weitere Bereiche, wie Unternehmensspenden, Mitgliedschaft schenken, Anlassspenden, Kondolenzspenden, Bußgelder, etc. dargestellt werden, auf die hier jedoch nicht im Detail eingegangen werden kann.

6.2.5 Datenschutz und DSGVO Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 25. Mai 2016 und dem Ende der Übergangsregelung am 25. Mai 2018 muss jedes Unternehmen und jede Organisation sehr detailliert über die Art und Weise, wie sie die Daten der Spender speichert und wozu, informieren. Rund um die neue Verordnung kam es sicherlich auch zu einigen amüsanten Stilblüten, wie der Bereinigung von Newsletter-Listen. Eine Welle von Einladungen zu Newslettern wurde versendet, begründet mit der neuen DSGVO. Hier diente die neue Verordnung einfach als Deckmantel, um den eigenen Newsletter überhaupt einmal gesetzeskonform mit Double Opt-in aufzusetzen – das war nur auch schon vorher geltendes Recht. Neben viel Panik, was und wieviel Information denn nun genau nötig seien, um nicht teuer abgemahnt zu werden, hat die Novelle für die Spender einen großen Fortschritt gebracht. Der Umgang mit Daten ist noch sorgfältiger und bewusster geworden – allerdings auch noch aufwendiger. Grundlegend ist die Verordnung nicht speziell für Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte gemacht, sondern eben für den kommerziellen Bereich, in dem in noch größerem Maßstab und oftmals auch noch sorgloser Daten erhoben, gespeichert und eingesetzt werden. Das bedeutet keinesfalls, dass sie für gemeinnützige Organisationen nicht zählt oder ihre Einhaltung egal sei. Kleine Organisationen stehen nur sicher nicht so sehr im Fokus. Wichtig ist, dass etwas getan wird und dass die Organisation auch über die aktuellen datenschutzrechtlichen Änderungen informiert bleibt. Daher geben wir an dieser Stelle nur zwei Hinweise für das Online-Fundraising:

  Vgl. Spendermeinungen bei SOS Kinderdorf: https://www.sos-kinderdorf.de/portal/spenden/ spenderservice/spendermeinungen 30.05.2020. 15  Vgl. Fragen und Antworten bei SOS Kinderdorf: https://www.sos-kinderdorf.de/portal/spenden/ spenderservice/fragen-und-antworten-faq 30.05.2020. 16  Vgl. Mitgliederservice des WWF: https://www.wwf.de/spenden-helfen/mitgliederservice/ 30.05.2020. 14

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1. Einwilligung in Cookies auf der Internetseite: Natürlich wollen wir weiterhin wissen, wer sich wie auf unseren Internetseiten bewegt und diese Personen auch mit Werbung verfolgen. Dies ist allerdings nur noch mit Erlaubnis der Nutzer gestattet. Der wichtige Grundsatz dazu lautet: „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Die Erhebung von Daten ist verboten – es sei denn, es erfolgt eine ausdrückliche Einwilligung. Daher ist ein sogenannter Cookie Layer auf der Internetseite Pflicht. In der Praxis ist die Umsetzung dieses Layers unterschiedlich. Einige Organisationen informieren lediglich darüber, dass sie Cookies setzen, andere fächern auch nach Cookie-Kategorien auf. Unterscheiden lässt sich in drei Kategorien: Cookies für die Basisfunktionen der Internetseite, Cookies für Webanalyse und Cookies für Marketing/Werbung. So kann der Nutzer seine Cookie-Auswahl konfigurieren. cc

Praxistipp: Wir empfehlen in jedem Fall einen Cookie Layer.

2. Datenschutz auf der Internetseite Dieser muss wie das Impressum der Internetseite gleich auf der Startseite auffindbar sein. Gleich zu Beginn sollte einmal der Verantwortliche für die Datenverarbeitung erwähnt werden (also in den meisten Fällen die Organisation selbst mit vollem Namen). Erwähnt werden müssen in jedem Fall die Werbepartner und die sozialen Netzwerke, auf denen die Organisation aktiv ist. Weitere Daten verarbeitende Stellen könnten sein: der Anbieter des Spendenformulars, Finanzdienstleister wie PayPal, welche die Spenden ermöglichen, Webanalysedienste und der Newsletter. Ein wichtiger Punkt am Ende: Der Hinweis auf den Datenschutzbeauftragten, an den der Nutzer sich bei Fragen wenden kann. Bei der Erstellung und Überarbeitung des eigenen Datenschutzes helfen zahlreiche Artikel im Internet und auch die Recherche auf anderen Datenschutzseiten kann sehr hilfreich sein.17 cc

Praxistipp: Gerade für kleine Organisationen lohnt sich ein externer Datenschutzbeauftragter, welcher mehrere Kunden fachlich betreut.

Dieses Kapitel kann und will keine Rechtsberatung zu diesem Thema leisten. Anhand einiger praxisnaher Fragestellungen und Situationen möchten wir für die Herausforderungen sensibilisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Betrachtung einen Einzelfall beschreibt. Im Zweifelsfall sollten stets fachkundige Juristen konsultiert werden.

6.3

Das Spendenformular

Das Spendenformular ist neben einer guten Landingpage das Kernelement des Online-­ Fundraisings. Im Wesentlichen gibt es zwei Wege: Entweder es wird eine Baukastenlösung von einem „Software-as-a-Service“-Anbieter genutzt. Als zuverlässige Anbieter sind  Zum Beispiel: https://www.e-recht24.de/.

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die Fundraisingbox wie auch altruja zu nennen.18 Der Vorteil: Das Formular lässt sich leicht in die eigene Internetseite integrieren und für die Funktionalität ist der Anbieter zuständig. Nachteil: weniger Möglichkeiten für individuelle Anpassungen. Oder die Organisation lässt sich ein eigenes Spendentool programmieren. Letzteres lässt natürlich sehr viel mehr Raum für Kreativität und Individualität, empfiehlt sich allerdings eher bei größeren Organisationen, da der Aufwand (und das benötigte Fachwissen) beträchtlich sind. Dafür ist im Fall einer eigenen Spendenanwendung allerdings auch die Wertschöpfung langfristig höher, da hier neben den eingebundenen Zahlungsdienstleistern für die Abwicklung der Zahlungen keine weiteren Abgaben anfallen. (Abschn. 3.9) Auch die Anbindung an die eigene Datenbank kann individueller gestaltet werden und verschlankt so die internen Prozesse. Egal für welchen Weg sich die Organisation entscheidet – die Kernelemente guter und nutzerfreundlicher Spendenformulare sind im Folgenden aus der Customer-Journey-Sicht (Abschn. 9.1.1) aufgeführt: Das Spendenformular muss leicht auffindbar sein. Niemand möchte lange auf der Internetseite suchen, wenn er sich finanziell verändern möchte. Auch für die Organisation ist es kontraproduktiv, ein formschönes Formular zu erstellen, es an die internen Prozesse anzudocken und niemand spendet, weil es versteckt ist. Am Markt etabliert hat sich der Spenden-Button oben auf der rechten Seite der Startseite, in vielen Fällen ist er rot – oder trägt eine andere Signalfarbe, um sich gut abzusetzen und in das Corporate Design zu passen. Er sollte auf jeder Unterseite am selben Platz erscheinen, um zum einen stets präsent auf das Thema Spenden hinzuweisen und zum anderen zu jedem Zeitpunkt eine Spende zu ermöglichen. In Abb. 6.1, 6.2, 6.3, 6.4 und 6.5 finden Sie einige Beispiele, wie der Spendenbutton aussehen kann. Platziert ist er meist auf der rechten oberen Seite der Internetseite. Grundsätzliche Funktionen Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Endgeräten und Browsern, die bedacht werden müssen. Grob unterteilt wird in Desktop, Tablet und Smartphone. Auf all diesen Geräten muss das Spendenformular funktionieren und gut dargestellt werden. Die Zeiten, in denen nur über den Desktop gespendet wurde, sind längst vorbei. Um der eigenen Spender-Zielgruppe ein angenehmes Surf-Erlebnis zu bescheren, lohnt ein Blick in die eigenen Webanalyse-Daten. Mit welchen Endgeräten sind die meisten Seitenbesucher unterwegs? Überwiegt noch der „gute alte“ Desktop oder ist dieser bereits vom Smartphone überholt worden? Viele Organisationen setzen auf Grund dieser Analysen auf den „mobile first“ Ansatz, also, die Internetseite und das Spendenformular werden in erster Linie für Smartphones entwickelt und die Desktop-Ansicht später davon abgelei-

 Vgl. Fundraisingbox: www.fundraisingbox.com und Altruja: www.altruja.de.

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Abb. 6.1  Beim WWF ist der Spendenbutton pink, unterteilt wird in „Spende“ und „Fördermitglied werden“. So wird auch die regelmäßige Lastschrift gleich prominent präsentiert und beworben. (Quelle: Internetseite des WWF)

Abb. 6.2  Zum Corporate Design des SOS Kinderdorf passt ein gelber Spendenbutton gleich rechts oben auf der Startseite. (Quelle: Internetseite des SOS Kinderdorf)

tet (Schwarz und Grote 2020). Bis vor einigen Jahren war dies genau umgekehrt. Der Trend geht zur mobilen Nutzung mit dem Smartphone, diese löst die traditionelle Nutzung mit dem Desktop langsam ab. Wichtig für jede Organisation ist jedoch, wie oben erwähnt, die Analyse der eigenen Zielgruppe. Ein Trend ist keine allgemeine Wahrheit. Ebenso analysiert werden sollten die verwendeten Browser um festzustellen, wie weit zurück in der Browser-Historie optimiert werden sollte, um die meisten Nutzer mitzunehmen.19 Je älter die Browser, desto teurer wird die Optimierung. Aus der Praxis sind auch

19  Das ist auch ein wichtiger Punkt in der Verhandlung mit potenziellen Agenturen für die Umsetzung. Hier entstehen sonst schnell ungeplante Kosten.

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Abb. 6.3  Wikimedia e.V. bewirbt gleich drei Möglichkeiten zu helfen, der Spendenbutton ist in klassischem rot (rosa) gehalten. (Quelle: Internetseite von Wikimedia)

Abb. 6.4  Ärzte ohne Grenzen e.V. bewirbt die Spende wie auch die Mitarbeit prominent auf der Startseite. Hier ist der Spendenbutton in die Navigation eingebunden. (Quelle: Ärzte ohne Grenzen)

Beschwerden von Nutzern bekannt, dass sie mit ihrem veralteten, nicht mehr von Microsoft unterstützten Internet Explorer, gar nicht spenden können. Den Hinweis, dass dies doch von Vorteil sei, wenn eine unsichere Spende gar nicht erst durchgeführt wird, nehmen nicht alle freudig auf. Jeder hat eine eigene Schmerzgrenze, was die Eingabe seiner persönlichen Daten angeht. Die Auswahl der Pflichtfelder muss mit Augenmaß geschehen. Grundsätzlich sind für die Übermittlung einer Spende nicht viele Daten notwendig. Um allerdings einen eindeutigen Kontakt in der Spender-Datenbank anzulegen, bedarf es so viel Information wie möglich. Daher sind in den meisten Formularen persönliche Daten inklusive Postanschrift und E-Mail-Adresse Pflichtfelder. Dies ermöglicht auch das Zusenden der Jahreszuwen-

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Abb. 6.5  Aktion Deutschland hilft setzt den Spendenbutton zweifach: oben in der Navigation als ersten Punkt und im aufmerksamkeitsstarken Headerbild. (Quelle: Internetseite von Aktion Deutschland hilft)

dungsbestätigung und das weitere Kontakthalten. Die eigenen Adressen sind in der Spendenwerbung meist die besten und ertragreichsten. Geburtstag und Telefon werden häufig mit abgefragt. Grundsätzlich gilt: Häufig werden alle Felder einfach ausgefüllt – insbesondere, wenn diese freiwillig sind. Zu diskutieren ist die Frage, ob ein Formular responsive ausgespielt wird, also sich je nach Bildschirmgröße anpasst, oder ob je nach Endgerät unterschiedliche Versionen gezeigt werden. In der Pflege ist ein responsives Formular natürlich leichter, allerdings gibt es auch gute Gründe für unterschiedliche Varianten: Die Darstellung kann noch besser angepasst werden, wenn zumindest für Smartphones und Desktop/Tablet unterschiedliche Formulare erstellt werden – diese sollten im Design und in der grundsätzlichen Funktionalität natürlich gleich aussehen. Wenn möglich sollte auch die Tastaturbelegung beim Smartphone so angepasst sein, dass beispielsweise im Feld der E-Mail-Adress-Eingabe auch gleich ein @-Zeichen erscheint. Ein guter Weg, den Spender positiv zu begleiten, ist eine einfache alpha-numerische Plausibilitätsprüfung in den Eingabefeldern. Bei der Straße dürfen nur Buchstaben stehen, bei der Hausnummer nur Zahlen und Buchstaben – ist dies korrekt, gibt es einen grünen Haken. Bei Abweichungen einen roten Strich. So fallen einfache Logikfehler gleich ins Auge und der Spender fühlt sich in seinem Tun wahrgenommen. Als Online-Fundraiser geht der Weiterbildungsblick immer stark in Richtung des eCommerce. Dort werden technische Neuerungen schneller und in größerem Maßstab umgesetzt, als das gemeinhin in der Fundraising-Szene der Fall ist. Es lohnt also durchaus den Blick über den Tellerrand schweifen zu lassen. Einige Dinge, die im Online-Shopping großartig funktionieren, lassen sich allerdings nicht unbedingt ins Fundraising überführen. So feiert Amazon große Erfolge damit, den Shopping-Trichter nur in eine Richtung zu führen – Richtung Kasse. Zurückgehen kann der Nutzer bei Amazon nicht (nur über den

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Browser). Davon raten wir ab, der Spender muss sich stets auf Augenhöhe behandelt fühlen und darf auf keinen Fall das Gefühl bekommen, die Organisation setze unlautere Methoden ein oder wolle nur „sein Bestes“. Vertrauen ist die wichtigste Währung im Fundraising. Die einzelnen Schritte des Spendenprozesses Der Spendenprozess sollte klar in einzelne Schritte unterteilt sein und der Spender muss zu jedem Schritt noch einmal zurückkehren können, ohne dass seine Daten verloren gehen. Dazu müssen diese in der Session gespeichert werden. Jeder Nutzer kennt den Ärger, wenn Daten mehrfach eingegeben werden müssen – auf der anderen Seite dürfen die Daten nicht ohne Grund gespeichert werden. Als Reihenfolge etabliert hat sich Folgendes: • • • •

Auswahl des Betrags Persönliche Daten Zahlungsweg Zusammenfassung/Bestätigung

Bezüglich einer sinnvollen Seiten-Aufteilung für diesen Prozess gibt es verschiedene Ansichten. Das SOS Kinderdorf e.V. als die größte Spendenorganisation in Deutschland arbeitet mit drei Stufen (Abb. 6.6). Im ersten Schritt werden alle persönlichen Daten abgefragt, darauf folgen die Zahlungsinformationen und im letzten Schritt kann der Spender in einer Übersicht noch einmal seine Daten validieren und die Spende abschließen. Das ist einfach und schlank, wenn auch die erste Seite des Prozesses recht umfangreich ist (Abb. 6.7), da

Abb. 6.6  In drei Schritten zur Spende. (Quelle: SOS Kinderdorf)

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Abb. 6.7  Die erste Seite des Spendenformulars ist umfangreich. (Quelle: Internetseite des SOS Kinderdorf)

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neben den persönlichen Daten auch noch der Zweck der Spende abgefragt wird und der Spender sich bereits für einen Zahlungsweg entscheiden muss. Auf dem Smartphone sieht das Formular genauso aus. Vorteilhaft ist bei dieser Darstellung der Verzicht auf überflüssige Klicks. Gerade mobile ist es von großem Vorteil, möglichst wenige Ladezeiten zu generieren, um keine unnötigen Absprünge zu riskieren. Daher empfehlen wir, die Daten mit möglichst wenig Klicks abzufragen. Spenden macht Spaß Die Spende soll ein sehr positives Gefühl beim Spender hinterlassen – damit er dieses Gefühl im besten Fall noch einmal wiederholen möchte. Hierbei helfen spielerische Elemente wie ein Schieberegler, um den Betrag festzulegen (Abb. 6.8). Diesen verwenden beispielsweise der WWF und auch Die Seenotretter – DGzRS setzen auf diese Technik. Bei Letzteren ist dieser gekoppelt an Verwendungsbeispiele, um gleich einen Eindruck vom konkreten Einsatz des Geldes zu vermitteln.20 Schiebt der Spender den Regler nach rechts, tauschen sich oben die Spendenbeispiele aus. Beim WWF kann der Spender unter vielen verschiedenen Umweltprojekten auswählen und so sein Herzensthema direkt unterstützen. Dabei ist jeweils ein anderer Spendenwert vor-

Abb. 6.8  Spendenformular mit Schieberegler des WWF. (Quelle: Internetseite des WWF)  Spendenformular der Seenotretter: https://spenden.seenotretter.de/ 30.05.2020 https://www.wwf.de/spenden-helfen/allgemeine-spende/formular/anzeigen/spenden/eintragen/ am 15.11.2019. 20

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belegt, der jedoch geändert werden kann. Für die Unterstützung des Tigers empfiehlt der WWF 80 Euro, während der Schutz der Bonobo-Affen nur 50 Euro kostet.21 Der Zahlungsrhythmus ist nicht vorbelegt. Mit diesen unterschiedlichen Spendenangeboten erreicht der WWF gut verschiedene Zielgruppen – sowohl vom Interesse als auch Einkommen. Obacht: Die Formulierungen zur Verwendung der Spende sollten immer so gewählt sein, dass bei Zielerreichung des Projekts ein anderer Zweck mit der Spende ebenso unterstützt werden darf. Projektspenden, die nicht zeitnah für das Projekt verwendet werden können, für welches sie gedacht sind, müssen zurückgezahlt werden. Das ist zum einen ärgerlich und vermittelt nach außen, die Organisation plane schlecht und habe es nicht nötig, Geld anzunehmen. Der Spaß dient natürlich auch einem weiteren strategischen Ziel, so viel Ehrlichkeit muss sein: Durch das Vorbelegen des Spendenbetrags wird eine gewisse Erwartungshaltung in Richtung des Spenders suggeriert. Natürlich kann der Spender den Betrag abändern – aber dieser dient als Orientierung und wird in vielen Fällen sogar direkt übernommen. Daher bedarf es auch hier eine Analyse der eigenen Spendendaten. Was ist die Durchschnittspende der Organisation und kann diese durch eine höhere Vorbelegung im Spendenformular vielleicht sogar weiter gesteigert werden? Technisch möglich ist es auch, unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedliche Beträge anzeigen zu lassen. Ergibt die Analyse der eigenen Webdaten beispielsweise, dass Spender, die mit einem IPad auf die Internetseite kommen, im Schnitt höhere Spenden geben, sollte hier eine entsprechende Vorbelegung erfolgen. Es wirkt besonders animierend und transparent, wenn der Spender seine gute Tat sofort sehen kann. So bietet z. B. altruja ein „Spendenbarometer“ an, welches gleich nach erfolgreichem Spenden-Abschluss steigt. Damit lassen sich natürlich auch schöne Spendenwettbewerbe austragen, bei denen zwei Gruppen gegeneinander antreten. Die Seenotretter – DGzRS haben 2013 beispielsweise unter dem Namen „Reetdach gegen Reeperbahn“ einen Spendenwettbewerb zwischen Hamburg und Sylt initiiert (Die Seenotretter 2013). Sylt gewann in einem spannenden Finale und der Seenotrettungskreuzer bekam einen Namen mit Sylt-Bezug. Ein Spendenwettbewerb sollte besser tagsüber enden und nicht abends um 00:00. cc

Praxistipp: Im Online-Fundraising kann mittels Datenanalyse und Aussteuerung unglaublich viel diversifiziert werden. Als Fundraiser sollte man sich trotzdem nicht in den Daten verlieren und auch immer wieder schauen, für welche Zielgruppe Einzelmaßnahmen lohnen. Auch die eigene Arbeitszeit kostet Geld, die von Agenturen erst recht, und so sollte am Beginn einer jeden Fundraising-Maßnahme eine kurze Kosten-Nutzen-Erwägung stehen. Nicht alles was möglich ist, ist auch sinnvoll.

Es versteht sich heute fast schon von selbst, erwähnt werden muss es trotzdem: Freude beim Spenden wird ganz allgemein auch durch „bunte Bilder“ erzeugt. Der Einsatz von 21  Sicherheit für die Bonobos: https://www.wwf.de/spenden-helfen/fuer-ein-projekt-spenden/bonobos/formular/anzeigen/spenden/eintragen/ 30.05.2020.

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Abb. 6.9  Die Seenotretter verwenden auf ihren Bildern stets das kleine Spendenschiffchen als Wiedererkennungssymbol. (Quelle: instagram.com/seenotretter)

ansprechenden Videos und Bildern hilft dem Spender, sich ein Bild zu machen. Die Organisation wirkt greif- und nahbar, der Grund für die Spende wird im besten Fall sichtbar. So erscheinen auch ferne Spendenziele, wie die immer wieder gerne zitierten „Brunnen in Afrika“, anfassbar. Im besten Fall entwickelt die Spendenorganisation eine eigene, stets wiedererkennbare Bildsprache, um sich von den Wettbewerbern abzugrenzen. Gerade bei den zahlreichen Hilfs- und Umweltorganisationen ist dies eine große Herausforderung. Die Motive gleichen sich schnell, auf Grund der ähnlichen Ziele und Aufgaben. Helfen können hier z. B. direkt ins Foto integrierte Icons oder Logos, die stets an derselben Stelle erscheinen und so das Bild auch bei der weiteren Verbreitung im Internet branden (Abb. 6.9). Der Zahlungsweg An diesem Punkt hat sich der Spender schon sehr weit festgelegt. Er hat sich für einen Betrag entschieden und seine persönlichen Daten eingegeben. Wichtig ist nun, ihn mit einem passenden Zahlungsmittel einfach abzuholen. „Passend“ ist natürlich sehr zielgruppenabhängig und so sollten erneut die eigenen Webanalyse-Daten herangezogen werden. Bei einigen Spendenorganisationen steht die Lastschrift für 50 % der Einnahmen und mehr, bei anderen ist PayPal der erfolgreichste Zahlungsweg. Wichtig ist es, einen gut ausgewogenen Blumenstrauß anzubieten – nicht zu viel und nicht zu wenig und vor allem unterschiedliche Wege. Klingt sehr theoretisch? Im Folgenden präsentieren wir die gängigsten Zahlungswege und ihre Vor- und Nachteile. • Lastschrift Die Lastschrift ist ein Muss in Deutschland. Auch die SEPA-Umstellung am 1. Februar 2014 und die damit einhergehende Einführung der IBAN konnte ihr nichts anhaben, ebenso wenig das Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 5. September 2019. Dieses

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bezieht sich auf die Deutsche Bahn, welche beim Anbieten der Lastschrift auf Grund der unterschiedlichen Kosten für die Bonitätsprüfung in Deutschland und Österreich die Lastschrift als Zahlungsweg auf Deutschland beschränkte (Fuchs 2019). Sofern die Spendenorganisation nationale Kampagnen für ihre Spendenwerbung nutzt, besteht hier also keine Bedrohung durch eine ungleiche Behandlung. Die Lastschrift ist die günstigste Zahlungsmethode und gerade wenn sie als regelmäßige Lastschrift erteilt wird, auch die zuverlässigste und lohnenswerteste Weise, online Geld einzunehmen. Eine Lastschrift kann jeder erteilen, der ein Girokonto besitzt. Und das sind in Deutschland 98,8 % der Bevölkerung (Capital 2017). Damit werden also mit einem Schlag viele Spender erreicht. Nachteilig ist, dass die Lastschrift acht Wochen lang zurückgegeben werden kann. Zum Problem wird dies mit der Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen, wenn diese bereits verschickt wurde und der Spender seine Spende zurückholt. Das passiert in der Praxis sehr selten, sollte aber bedacht werden. • Kreditkarte Die Kreditkarte ist ein Klassiker im Onlinegeschäft. Allerdings kommt es hier durch die PSD2 Richtlinie, welche seit dem 14. September 2019 in Kraft ist, zu großen Veränderungen (Schneider 2019). Zukünftig reicht es nicht mehr aus, mit Kreditkartennummer und Prüfziffer zu bezahlen. Leider haben die Banken sehr unterschiedliche Wege zur sogenannten „starken Kundenauthentifizierung“ entwickelt, so dass die Kreditkarte als Zahlungsmittel zumindest vorübergehend etwas Attraktivität verlieren wird – auch wenn die Richtlinie genau das Gegenteil erreichen will. Möglich werden mit der neuen Richtlinie übrigens auch wiederkehrende Zahlungen mittels ­Kreditkarte – das kann langfristig für Spendenorganisationen sehr interessant werden. Mit der Kreditkarte werden 36 % der Deutschen erreicht – mit langsam steigender Tendenz (Seibel 2018). • PayPal PayPal galt lange als sehr junges Zahlungsmittel – ist aber nun auf Grund der einfachen Nutzbarkeit wie auch der hohen Sicherheit mit ca. 20 Millionen Nutzerkonten in Deutschland sehr weit verbreitet und ein Must-have im Onlinespenden-Geschäft.22 Unsere Praxisempfehlung: Um einen Großteil der Bevölkerung abzudecken, sollten auf der eigenen Internetseite im Spendenformular immer Lastschrift, Kreditkarte und PayPal angeboten werden. Weitere Zahlungsarten komplettieren das Angebot, das „Brot-­und-­Butter“-Geschäft wird jedoch auf den klassischen drei genannten Wegen erzielt. • Internetzahldienste Für Zahlungen im Internet gibt es zunehmend Anbieter, die keine klassischen Banken sind, sondern sich auf einfache, sichere und schnelle Zahlungsmethoden spezialisieren.

22  PayPal Überblick: https://www.onlinehaendler-news.de/e-commerce-trends/payment/32273-paypal-ueberblick 30.05.2020.

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Dazu gehören ganz sicher Amazon Pay, sowie Apple Pay, Google Pay und Klarna. Diese Bezahlmethoden kommen dem Spender sowohl durch Benutzerfreundlichkeit als auch Schnelligkeit entgegen. Bei Klarna sind die Daten der Nutzer ab der ersten Nutzung hinterlegt, bei Apple Pay überspringt der Nutzer den kompletten Checkout-­ Prozess, da seine Daten bereits hinterlegt sind. Wir empfehlen, zusätzlich zu den drei klassischen Zahlungswegen Lastschrift, Kreditkarte und PayPal, ein bis zwei weitere Online-Bezahlverfahren anzubieten. Sinnvoll ist auch eine Aussteuerung nach Endgeräten für Bezahlmethoden wie Apple oder Google Pay. Bestätigung der Spende Im letzten Schritt bestätigt der Spender seine Daten und schickt die Spende ab. Gratulation, ein neuer Unterstützer ist gewonnen! Wichtig ist auf dieser Seite auch, noch einmal Vertrauen zu generieren. Die Daten sollten nur über eine sichere SSL-Verbindung übermittelt werden und obwohl dies ein Standard ist, sollte er nicht unerwähnt bleiben. Ebenso gibt ein kurzer Hinweis zur Datenverwendung transparent Auskunft darüber, wie die Organisation mit den erhaltenen Angaben umgeht und auch, was jetzt als nächstes passiert. Danke Zuviel Dankbarkeit gibt es im Fundraising nicht. Nach der Bestätigungsseite ist der Spendenprozess nicht zu Ende. Auf einer Danke-Seite empfehlen wir dem Spender noch einmal ausführlich für seine Unterstützung zu danken – am besten in Form einer persönlichen Videoansprache oder zumindest mit einem Bild. Bewährt hat sich auch eine personalisierte Dankes-Urkunde zum Herunterladen und ausdrucken. So hat der Spender gleich etwas „in der Hand“, was ihn auszeichnet und wertschätzt. Die Zuwendungsbestätigung wird separat versendet. Tue Gutes und rede darüber – auf der Dankesseite sollten möglichst auch die „Teilen-­ Buttons“ der gängigen sozialen Netzwerke eingebaut sein. cc

6.4

Praxistipp: Die glaubwürdigste Werbung machen nicht die Spendenorganisationen selbst, sondern deren Unterstützer.

Fundraising Landingpages

6.4.1 Begriffsbestimmung Fundraising Landingpages Landingpages sind eines der Kernthemen im Online Marketing. Natürlich braucht jede Spendenorganisation eine umfassende Internetseite, um sich selbst zu präsentieren. Wenn man so will, wird diese jedoch finanziert durch die Landingpages: „Eine Landingpage ist eine speziell auf eine Zielsetzung ausgerichtete Unterseite einer Internetseite. Sie dient nicht nur der Information, sondern soll Besucher dabei unterstützen und lenken etwas zu tun.“ (Reschke und Hieninger 2017). Mit dieser Definition werden zwei Elemente sehr

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deutlich: Zum einen ist nicht jede Unterseite der Internetseite eine Landingpage. Diese werden vielmehr erstellt, um einem bestimmten Zweck zu dienen. Zum zweiten soll die Landingpage den Nutzer lenken, er soll eine bestimmte Handlung ausführen. Zum Vergleich: Landingpages lassen sich im eCommerce grob in die folgenden drei Blöcke unterteilen: Für allgemeine Informationen, nach Kategorien oder im finalen Conversion-­Schritt die Produktseite (Wiesner 2017). Der Aufbau funktioniert hier wie eine Art Verkaufstrichter – als Beispiel soll der Schuhkauf dienen: Die erste Phase ist die der allgemeinen Orientierung: „Was für Schuhe gibt es eigentlich?“ Nach dieser Phase folgt die Konkretisierung auf der Stiefel-Kategorieseite: „Ich möchte gerne einen Stiefel kaufen – nur was genau für einen?“ Und in der letzten Phase, nach erfolgter Festlegung auf ein bestimmtes Paar: „Die schwarzen Lederstiefel gefallen mir  – die will ich kaufen!“ landet der Käufer im besten Fall auf der Produktseite eines schwarzen Stiefels, auf der er seinen Einkauf, die Conversion, tätigen kann. Sichtbar wird an diesem Beispiel die grundsätzliche Herangehensweise einer Google-­ Suche. Nutzer bewegen sich immer vom Allgemeinen „Ich möchte Schuhe kaufen“ hin zum Konkreten, eben dem schwarzen Lederstiefel. Es ist hilfreich, dass auch bei der Erstellung der eigenen Landingpages im Hinterkopf zu haben.

6.4.2 Aufbau einer Fundraising Landingpage Im Fundraising ist die Gruppierung der Landingpages, wie wir sie verwenden, etwas anders. Wir unterscheiden im Wesentlichen nach themenzentrierten oder Call-to-Action getriebenen Landingpages: • Landingpages für Themen: Um ein bestimmtes Thema im Netz zu besetzen und in den Suchmaschinen damit präsent zu sein, werden spezielle Themen-Landingpages erstellt. Einer der entscheidenden Faktoren für diese Art der Landingpages ist eine gute Suchmaschinenoptimierung (SEO) mit Keywords. • Landingpages mit Call-to-Action: Diese Seiten zielen auf den Abschluss einer bestimmten Handlung: Die Bestellung eines Newsletters, Unterzeichnung einer Petition oder eben Durchführung einer Spende. Gemein ist all diesen Seiten, dass sie ein Ziel haben: die Conversion. cc

Wichtig: Landingpages dienen immer nur einem Ziel!

Welche Elemente zeichnen eine gute Landingpage aus? Es klingt langweilig, aber erfolgreiche Landingpages bestehen immer wieder aus denselben Elementen in derselben Reihenfolge: „Hallo!“: Hero-Motiv und Headline Auf den ersten Blick erkennbar sollten ein emotionalisierendes Bild und eine aussagekräftige Headline sein. Gleich sichtbar ist auch das Logo der Spendenorganisation, um klar zu

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vermitteln, welche Organisation hier zu Spenden aufruft. Der Call-to-Action (CtA), in unserem Fall ein Button mit der Aufschrift „Jetzt spenden“ sollte gleich oben rechts sichtbar sein – für schnellentschlossene Spender. cc

Buttons sollten immer möglichst klar und auffordernd beschriftet sein. „Jetzt Newsletter bestellen“, „Jetzt registrieren“, usw. Aufmerksamkeit ist eine umkämpfte Ressource, es muss schnell erkennbar sein, wo geklickt werden soll.

Worum geht es hier? Einleitend steht ein kurzer Text, der die Kernelemente zusammenfasst – die klassischen W-Fragen sollten beantwortet werden. Wer, was, wie, wann und wieviel im besten Fall. Hier darf kein Roman entstehen, der Text muss schnell zu erfassen sein, auch Aufzählungen können dabei hilfreich sein, den Inhalt visuell schnell zu erfassen. cc

Praxistipp: „What’s in it for me?“  – Die Motivation zu spenden kommt aus dem Spender heraus. Und das nicht nur, weil er überzeugt von der guten Sache ist, sondern auch, weil er persönlich profitiert. Dieser Profit ist meist wertebasiert und kann ganz unterschiedlich aussehen. Wassersportler mögen besonders daran interessiert sein, die Plastikflut in den Meeren einzudämmen. Eltern, deren Kinder aus dem Haus sind, bedeutet eine Kinder-Patenschaft vielleicht eine virtuelle Verlängerung ihres Elternseins. Natürlich kann es auch hilfreich sein, einen konkreten Mehrwert wie eine Spendenurkunde oder eine selbstgemalte Postkarte im Gegenzug für die Spende zu übermitteln. Hier lässt sich mit verschiedenen Varianten der Landingpage testen, welcher „Mehrwert“ am erfolgreichsten zu einer Spende führt.

Überzeugt? Jetzt spenden! Wir empfehlen das Spendenformular gleich auf der Landingpage einzubetten. Damit werden weitere Klicks vermieden, die zu einem Absprung des Spenders führen könnten. Wie genau das Spendenformular gestaltet sein sollte, lesen Sie hier (Abschn. 6.3). Wichtig ist eine konkrete Erwartungshaltung zu übermitteln. Das kann eine Gesamtsumme mit Countdown sein, wie Wikimedia es jedes Jahr sehr erfolgreich praktiziert (Abb. 6.10) oder ein individueller Beitrag, der einen dringend benötigten (beispielhaften!) Gegenstand finanziert. (Abschn. 6.5.2) Ein eher klassisches Beispiel ist die Landingpage von Aktion Deutschland hilft e.V. (Abb. 6.11). Noch nicht so ganz dabei? Hilfreich ist es, auf der Landingpage auch vertrauensbildende Maßnahmen anzuführen. Trägt die Organisation ein Spendensiegel, sollte dieses in jedem Fall gut sichtbar abgebildet werden. Auch prominente Schirmherren oder Nutzerbewertungen sind hilfreich, um

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Abb. 6.10  Untypische Landingpage, ohne Bild, aber sehr erfolgreich optimiert durch A/B-Testing: die Wikimedia Kampagne. (Quelle: https://www.wikipedia.de/)

Abb. 6.11  Header Bild und die Logos der Bündnis Organisationen zeigen: Hier spenden Sie für eine große wichtige Sache. (Quelle: Internetseite Aktion Deutschland hilft)

den Spendenprozess zu initiieren. Es klingt gemein, aber Menschen spenden gerne für erfolgreiche Projekte, die von vielen unterstützt werden. Das erleichtert so gesehen die individuelle Auswahl: „Was viele gut finden, muss auch gut sein.“ Aktion Deutschland hilft e.V. hat seine Siegel und den Schirmherren beispielsweise am rechten Seitenrand gleich neben dem Spendenformular eingefügt (Abb. 6.12). Den Eindruck von großem Zuspruch zum Spendenprojekt können auch eingeblendete Namen und Spendenbeträge hervorrufen, dies nutzt z. B. der WWF (Abb. 6.13). Wichtig ist hierbei, den Datenschutz zu beachten, d. h. entweder muss der Spender sein Einverständnis geben oder der Name muss so angezeigt werden, dass kein Rückschluss auf die Person erfolgen kann.

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Abb. 6.12  Darunter folgt das Spendenformular und als Trust-Elemente der Schirmherr, der Kuratoriumsvorsitzende und die Zertifikate von Aktion Deutschland hilft e.V. (Quelle: Internetseite Aktion Deutschland hilft)

Abb. 6.13  Die Höhe der letzten Spende, der Namen und der Wohnort der Spender werden auf der Spendenseite des WWF Deutschland angegeben. (Quelle: www.wwf.de)

Auch Testimonials mit Bild und einer Bewertung der Organisation sind hilfreich. So sieht der Spender, dass andere bereits gespendet und dabei gute Erfahrungen gemacht haben. Was noch fehlt Das Spendenkonto sollte auf der Landingpage sichtbar sein, um eine Alternative für Spender zu bieten, die nicht das Onlineformular nutzen möchten. Wie prominent die Kontaktangaben präsentiert werden ist ein wenig Geschmacksache. In jedem Fall muss der Spender die Möglichkeit haben, Kontakt aufzunehmen, um Nachfragen stellen zu können. Sind

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die nötigen Angaben gleich auf der Spendenseite, muss der Spender die Landingpage gar nicht erst verlassen. Nicht fehlen sollte auch ein Hinweis auf die selbstverständliche SSL-Verschlüsselung der Internetseite. Die sichere Übertragung der Daten ist ein wichtiger Punkt, um für Vertrauen zu sorgen und seit 2015 laut Telemediengesetz auch für Unternehmen vorgeschrieben. Einige Browser warnen zudem vor unverschlüsselten Seiten, was Nutzer vom Besuch abschrecken kann. Eine gute Fehlerseite mit Kontaktdaten, falls es mal schief geht, darf auch nicht fehlen. Ist diese schön gestaltet und vielleicht sogar etwas humorvoll, kann die Organisation vielleicht sogar trotz des Missgeschicks punkten. Und was kommt nicht auf die Landingpage? Neben vielen Dingen, die unbedingt auf die Landingpage gehören, gibt es auch welche, die hier besser nicht zu sehen sind. Dazu gehört in jedem Fall die Seitennavigation. Diese wird auf Landingpages ausgeblendet, um keine unnötige Ablenkung zu bieten. Über einen Klick auf den Homebutton („gelernt“ ist das Logo der Organisation) kann der Spender natürlich wieder zurück auf die Startseite gelangen. Einige Links müssen schon aus gesetzlichen Gründen unten im Footer der Seite auftauchen, da diese auf jeder Internetseite sichtbar sein müssen. Dazu gehören das Impressum und der Datenschutz. Seit Inkrafttreten der DSGVO empfiehlt es sich auch, eine zusätzliche Spenderinformation hier zu verlinken.23 cc

Praxistipp: Fragen Sie sich, was der Besucher braucht, um von einer Spende überzeugt zu werden und diese mit einem guten Gefühl abzuschließen. Dann fügen Sie noch die gesetzlich vorgeschriebenen Links ein. Alles andere brauchen Sie nicht.

6.4.3 Finetuning der Landingpage Von welchen Touchpoints aus und mit welchen Endgeräten landen Besucher auf ihrer Landingpage? Typische Touchpoints sind beispielsweise: • • • • •

Newsletter Social Media organisch Social Media Advertising Search Engine Advertising (SEA) Displaywerbung auf anderen Internetseiten

Online werden Landingpages direkt über eine Verlinkung aufgerufen. Mittels UTM-­ Parameter kann dieser Link angereichert werden und unterschiedliche Varianten der Landingpage ausspielen.  Unter diesem Punkt verbirgt sich eine detaillierte Aufzählung der Art und Weise wie die Spendenorganisation die Daten verarbeitet. Ein Beispiel dafür finden Sie hier: https://www.seenotretter.de/ spenderinformation 30.05.2020. 23

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Wichtig ist, dass der Nutzerweg passt. In der Praxis wird die Landingpage für bestehende Newsletter-Abonnenten also kürzer und spezifischer gestaltet sein, als eine Landingpage für ein Kalt-E-Mailing. Bei ersterem braucht es weniger generelle Informationen zur Spendenorganisation, da diese bekannt ist und etwas weniger Trust-Elemente. Dafür aber Argumente, warum gerade für dieses Projekt noch einmal zusätzlich gespendet werden sollte. Keine Spendenorganisation sollte solche Verläufe in der Customer Journey allein dem Zufall überlassen – und gerade im Online-Fundraising lässt sich hier viel automatisieren. Die Landingpage muss in jedem Fall sowohl mobile als auch mit dem Desktop gut aufrufbar sein. Das Erscheinungsbild der Anzeigen muss zur Landingpage passen, um einen stimmigen Eindruck zu vermitteln. Auch rechtliche Aspekte müssen bedacht werden: Um Spendenwerbung über Google schalten zu können, müssen auf der Landingpage gewissen Angaben gemacht werden. Dazu gehören der rechtliche Status der Organisation, deren Vertretungsberechtigte sowie der Gemeinnützigkeitsnachweis. Gute Landingpages halten lange und werden immer besser (Testen!). Das bedeutet, dass Landingpages eben nicht nur für kurzfristige Spendenkampagnen gemacht sein sollten, sondern das ganze Jahr hindurch bespielt werden können. So kann das Zusammenspiel aus Werbemaßnahmen, deren Gestaltung und Landingpage immer weiter verbessert werden.

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Spendenshop

Unter dem Begriff „Spendenshop“ verbergen sich vier ganz unterschiedliche Modelle. In diesem Kapitel werden alle mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt. 1. Die sogenannte „Shoppinglist“ ist ein Klassiker aus dem Fundraising. Hier werden Beträge in Relation zu Gegenständen gesetzt, welche die Spendenorganisation ­beispielhaft benötigt. Fünf Euro am Tag helfen ein Kind zu ernähren, 20 Euro helfen eine Lifeline für einen Seenotretter zu kaufen. Wichtig: Es handelt sich hier um Beispiele – das muss auch im Text deutlich gemacht werden. 2. Konkreter sind die Projektspenden. Manche Organisationen betreiben hierfür sogar richtige Online-Shops. Dieser bietet bedarfsorientiert ganz konkrete Gegenstände an, für die gespendet wird. Die Spende wird zweckgebunden übermittelt und muss für den gespendeten Gegenstand verwendet werden. UNICEF bietet beispielsweise einen Spendenshop, in dem u. a. Moskitonetze gekauft werden können, um sie als Malariaschutz in Afrika einzusetzen.24

 Vgl.: Unicef Spendenshop: https://www.unicef.de/action/unicef/hilfsgueter/8610/8626/moskitonetz/show 30.05.2020. 24

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3. Eine sehr verbreitete Variante der Projektspenden sind Patenschaften, meist für Kinder. Hierbei übernimmt der Spender einen regelmäßigen Beitrag, um ein bestimmtes Kind zu unterstützen. Das Geld ist also auch zweckgebunden, wie bei Projektspenden. Besonders positiv aus Organisationssicht ist die emotional (und finanziell) nachhaltige Bindung des Spenders. 4. Gänzlich ohne Spende funktioniert der Merchandising Shop – hier werden wie in jedem Fanshop Artikel mit Logo und/oder Bezug zur Marke verkauft. Der Gewinn kommt der Spendenorganisation zu Gute. Gerade zwischen Shoppinglist und Projektspenden verschwimmen die Grenzen im Internet. Viele Spendenorganisationen bieten auf ihren Internetseiten Projektspenden an – oder zumindest erwecken sie diesen Eindruck. Wichtig für die Unterscheidung zwischen Shoppinglist und Projektspende bleibt der kleine Hinweis „z. B.“. Fehlt dieser, so muss es sich um eine konkrete Projektspende handeln. Allerdings wäre dies glaubwürdiger, wenn beim Kauf einer Ziege oder eines Moskitonetzes auch die Gesamtanzahl der benötigten Gegenstände genannt würde – oder vielleicht sogar ein Spendenbarometer den bisherigen Erfolg des Projekts veranschaulichen würde. Diese Angaben fehlen in vielen Fällen – und schaden damit dem Image der Spendenorganisationen allgemein. Andersrum gibt es auch Spendenshops, in denen Projektspenden wie ein Geburtspaket für 90 Euro oder ein Essenspaket für 34 Euro angeboten werden. Auf dem Weg durch den Purchase-Channel wird der Eindruck einer konkreten Projektspende allerdings eingeschränkt: „Wir setzen die Spende dort ein, wo sie am dringendsten gebraucht wird.“ Das ist buchhalterisch völlig korrekt, wenn es sich hier nicht um Projektspenden handelt und fast schon lobend zu erwähnen. Als Spender bleibt allerdings das unschöne Gefühl, veräppelt worden zu sein. Transparenter wäre dieser Hinweis im ersten Schritt der Auswahl gewesen. Hier wird das Spannungsfeld deutlich, in dem sich die gemeinnützigen Organisationen befinden: Auf der einen Seite erwartet der Spender mehr Mitbestimmung bei der Verwendung seiner Spende  – auf der anderen Seite sind gerade Projektspenden auch deutlich aufwendiger zu betreuen und nachzuhalten. cc

Praxistipp: Alle hier genannten Varianten gehören nicht unbedingt zum Brot-­und-­ Butter-Geschäft im Online-Fundraising. Wichtig für das eigene ­Online-­Fundraising ist und bleibt zunächst ein gut gestaltetes nutzerfreundliches Spendenformular auf der eigenen Internetseite.

6.5.1 Shoppinglisten Shoppinglisten sind vor allem aus der Welt der Papiermailings bekannt und keine Besonderheit des Internets. In der Tat finden sich zu diesem Thema kaum Beispiele. Die Idee ist so einfach wie gut: Mit der Auswahl von drei bis fünf Gegenständen wird visualisiert,

6  Fundraising auf der eigenen Internetseite

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Abb. 6.14  Screenshot des Spendenformulars der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. (Quelle: Internetseite DZgRS)

wieviel eine Spende wert ist und was damit Gutes getan wird. Das hilft dem potenziellen Spender, sich zu orientieren und sich ein Bild zu machen. Praktischerweise hilft es jedoch auch der Spendenorganisation auf subtile Weise ein gewisses Spendenniveau zu suggerieren. Der günstigste Gegenstand sollte also der erwünschten Mindestspende entsprechen, dann sollte es einen Mittelwert geben und einen etwas teuren, aber sehr attraktiven Gegenstand, welcher zu einer hohen Spende animiert. cc

Praxistipp: Bilder wirken oftmals realistischer, Zeichnungen veranschaulichen besser, dass es sich hier um ein Beispiel handelt. Um keine Enttäuschungen zu verursachen, würden wir Zeichnungen an dieser Stelle empfehlen. Das erleichtert auch die Abgrenzung zu Projektspenden.

Da nur mit Spendenbeispielen gearbeitet wird, müssen diese nicht buchhalterisch erfasst und nachgehalten werden. Die Spendenorganisation darf die eingeworbenen Spenden so verwenden, wie es am sinnvollsten ist. Wichtig ist, dass auf den beispielhaften Charakter hingewiesen wird. cc

Praxistipp: Eine Shoppinglist lässt sich auch direkt in ein Spendenformular einfügen, wie bei Die Seenotretter – DGzRS zu sehen. Wird der Schieberegler verschoben, tauschen sich oben die Zeichnungen aus (Abb. 6.14).

6.5.2 Projektspenden Unter den großen Spendenorganisationen bieten viele auch Projektspenden an. Hier lässt sich grob in zwei unterschiedliche Projektspenden-Kategorien unterteilen:

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Regionale oder thematische Projektspenden Die meisten Hilfsorganisationen ermöglichen dem Spender eine bestimmte Region oder Krise auszuwählen. Zynischerweise sind aktuelle Krisen gut zu bewerben – Katastrophen, die durch die Medien gehen, sind sehr präsent. Schaltet die Spendenorganisation Werbung neben redaktionellen Beiträgen zum Thema, ist der Weg zur Spende nicht mehr ganz so weit  – das Storytelling wird im Prinzip von den Medien übernommen. Dies erleichtert schnelle Kampagnen zu aktuellen Krisen auf der ganzen Welt. Bei den Tier- und Naturschutzorganisationen wird häufig konkrete Hilfe für einzelne Tierrassen oder Regionen beworben – eine sehr große Auswahl bietet hier der WWF (siehe Abb. 6.8). Gegenständliche Projektspenden Etwas anders gestalten die Seenotretter – DGzRS ihre Projektspendenaktionen. Um das große „Projekt Seenotrettung“ greifbarer zu machen, werden regelmäßig Neuanschaffungen wie Rettungswesten oder auch mal eine ganze Schiffsschraube im Fundraising eingesetzt. Ab einem gewissen Betrag erwartet der Spender zu Recht eine Plakette an „seiner“ Rettungsweste – dieser Aufwand muss beim Projekt-Setup bedacht werden. Handling der Spenden Wie die Projektspenden auf der eigenen Internetseite abgewickelt werden ist unterschiedlich. Handelt es sich eher um nicht zählbare Projekte für bestimmte Regionen oder Tiere, sind sie oftmals direkt im Spendenformular anwählbar. Das verdeutlicht das vorhin beschriebene Spannungsfeld – ist in den Formularen kein Hinweis auf die beispielhafte Verwendung der Spende zu finden, kann der Spender davon ausgehen, dass er eine konkrete Projektspende leistet. Bei konkreten Gegenständen empfiehlt sich zur einfachen Abwicklung eine Onlineshopping-Software. Das erleichtert die Verwaltung der verfügbaren „Fundraising-Produkte“ und bietet dem Spender Transparenz über die Verfügbarkeit. Auch ein Spendenbarometer erfüllt einen ähnlichen Zweck und legt den Fokus auf den bereits erreichten Erfolg. cc

Praxistipp: Wenn geplant ist, einen Namen auf einer Plakette zu veröffentlichen, sollte dieser gleich online mit abgefragt werden. Das Spendenformular sollte also um die entsprechenden Felder ergänzt werden. Aus Erfahrung wissen wir, dass oftmals auch nicht der eigene Name, sondern der einer besonderen Person auf der Plakette verewigt werden soll.

6.5.3 Patenschaften Eine weitere Form der Projektspende ist die Patenschaft. Kinderpatenschaften bieten vor allem die großen Organisationen SOS Kinderdorf e.V. und Plan e.V. an. Unterstützt wird konkret ein Kind (und seine Familie), meist sind Geschlecht und Region wählbar. Der Bei-

6  Fundraising auf der eigenen Internetseite

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trag für eine Patenschaft beträgt 28 Euro pro Monat und der darüber hinaus gehende Beitrag wird für den Mädchen-Fonds verwendet. Mit der Patenschaft unterstützen die Paten die Projektarbeit im Umfeld des Patenkindes, seiner Familie und Gemeinde. Dieser Mehraufwand für die Einrichtung eines solchen Systems lohnt sich, da die Patenschaften auf viele Jahre angelegt sind. Übertragbar ist dieses Modell nur bedingt – der Naturschutz Bund (NABU) bietet angelehnt an die Kinderpatenschaften eine Wolfspatenschaft an.25 Möchte die Organisation diesen Weg einschlagen, müssen im Vorfeld einige Fragen geklärt werden. Geht es tatsächlich um ein konkretes Kind, Tier oder einen Ort? Soll es eine Art Update darüber für den Spender geben und wenn ja mit welchem Inhalt/Aufwand und mit welcher Frequenz? Gibt es einen Mindesteinsatz? Das Modell der Patenschaft kann ein sehr gutes und nachhaltiges Spendenmodell sein, bei dem Organisation und Spender gleichermaßen profitieren  – wenn die Kommunikation dazu klar und transparent ist.

6.5.4 Merchandising Shops Merchandising ist kein Fundraising – es kann sich allerdings positiv auf dieses auswirken. Rein monetär betrachtet ergeben Online-Shops für die meisten Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte nur wenig Sinn. Das klingt provokant und soll mit einigen Argumenten belegt werden. Ein Becher kostet beispielsweise zwölf Euro (zzgl. Versandkosten). Würde der Käufer des Bechers einfach direkt spenden, kämen 100 % an (Abzüglich der Kosten für die Zahlungsabwicklung – die fallen beim Spenden ebenso an. Eine Ausnahme bildet die Vorauskasse als Zahlungsart). Durch den Kauf eines Bechers wird zwar die Markenbekanntheit erhöht, der Gewinn für die Organisation ist aber erst mal geringer. Von der Idee, einen Becher in den Shop aufzunehmen, bis zum fertigen Produkt im Verkaufsregal, verursacht der Becher Kosten. Sinnvoll aus Fundraising-Sicht ist dieses Geschäft erst richtig, wenn der gekaufte Becher den Beginn der Customer Journey hin zum Spender markiert. Der Shop sollte in jedem Fall der Adressgenerierung dienen. Schön ist auch, Kaufen und Spenden zu verbinden. Einige Shops bieten die Möglichkeit, den Einkaufskorb zugunsten der Spendenorganisation aufzurunden. Die Einkaufszahlen der Shops sind meist zu klein, um wirklich gute Einkaufspreise zu verhandeln. Herausfordernd ist auch die Planung: Wieviel Stück werden wir von dem neuen T-Shirt verkaufen? Manche Gegenstände halten auch nicht ewig, beispielsweise weil die Technik voranschreitet  – wer braucht heute noch VHS-Kassetten? Oder weil die Haltbarkeit schlicht nicht gegeben ist.

 Vgl. Wolfspatenschaften: https://www.nabu.de/spenden-und-mitmachen/patenschaften/wolf/index.html (30.05.2020).

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cc

Praxistipp: Gerade für kleine Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte lohnt sich das sogenannte „Streckengeschäft“. Die im Shop angebotenen Produkte werden erst auf Bestellung von einem externen Dienstleister gefertigt und versandt. Das bindet kein Kapital und ermöglicht eine größere Produktauswahl.

Der Betrieb der Internetseite, aber auch Lagerung und Versand müssen geklärt werden – entweder intern oder bei einem externen Logistikanbieter. Damit sind wir bei einer Richtungsfrage: Soll der Onlineshop intern oder extern geführt werden? Je nach Größe, Ressourcen und Strategie der Organisation wird es für beides gute Argumente geben – wir glauben, dass es an dieser Stelle kein richtig oder falsch gibt. Wichtig ist es allerdings, vor dem Aufsetzen eines Onlineshops all diese Punkte zu durchdenken. Beachtet werden muss ebenfalls die saubere Trennung von wirtschaftlichem, und damit jenseits der Freigrenzen auch steuerpflichtigem, Betrieb im Onlineshop und dem Zweckbetrieb des Vereins.26 Wird diese Trennung nicht sauber geführt, riskiert der Verein im schlimmsten Fall seine Gemeinnützigkeit. Trotz all dieser kritischen Punkte gibt es gute Gründe für einen Onlineshop: • Adressen generieren: Für einige Menschen ist es im ersten Schritt leichter, einen konkreten Gegenwert zu erwerben, als zu spenden. Mit gut durchdachten Folgemaßnahmen können diese Käufer in weiteren Schritten zum Spenden motiviert werden. Meist funktionieren die selbst generierten Adressen besser als gemietete Listen. • Die Fans erwarten es: Wenn die Spendenorganisation eine treue Fanbasis hat und diese auch im Shop kauft, ergibt es Sinn, einen Shop genau auf diese Bedürfnisse auszurichten. Das wirkt sich auch positiv auf die Preisgestaltung aus: Fans der Marke sind bereit, mehr als den eigentlichen Marktwert für gebrandete Artikel auszugeben. • Branding: Natürlich erhöht sich die Bekanntheit einer Organisation, wenn viele Menschen deren T-Shirts tragen oder aus ihren Tassen trinken. cc

6.6

Praxistipp: Nicht alle vier genannten Spendenshop-Beispiele ergeben für jede Organisation Sinn. Setzen Sie Schwerpunkte und analysieren Sie, wo Ihre Organisation punkten kann.

Fazit

Vier große Bereiche haben wir in diesem Kapitel betrachtet – vom Start mit einem Plädoyer für die eigene Internetseite über die Spenderinformation, das Spendenformular hin zu Fundraising-Landingpages und Spendenshops haben wir einen großen Bogen geschlagen.

26  Der Zweckbetrieb umfasst die Einnahmen aus Spenden, Mitgliedbeiträgen sowie eventuellen Zuschüssen der öffentlichen Hand. (Lindemann 2016).

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Deutlich wird dabei, dass es kein strategisches Online-Fundraising ohne eine eigene Internetseite geben kann. Erst diese ermöglicht die Verzahnung einzelner Webemaßnahmen hin zu einer schlüssigen eigenständigen Kampagne, unabhängig von einzelnen Konzernen und ihren Produkten. So können Social-Media-Kanäle genutzt werden, um auf ein Thema aufmerksam zu machen – verwiesen wird jedoch immer auf die eigene Landingpage, auf der mehr Information bereitgestellt wird und die Möglichkeit zur Conversion besteht. Werbung kann in den sozialen Netzwerken und auf anderen Internetseiten geschaltet werden  – die Zielgruppe speist sich jedoch vielfach aus den Besuchern der Organisationsseite. Die Internetseite ist und bleibt das zu Hause im Netz, der Ort, wo die Organisation immer präsent ist. Lieben Sie Ihre Internetseite, pflegen Sie diese sorgfältig und analysieren Sie regelmäßig, was Ihre Besucher interessiert und auf welchem Wege gespendet wird. Schauen Sie nach, wo die Conversions abgebrochen werden und verbessern Sie die Customer Journey. Online-Fundraising mit der eigenen Internetseite ist aufwendig – aber es macht Spaß! Nirgendwo sind Sie so frei in der Gestaltung, können Sie so viele Medien nebeneinanderher verwenden und einfach Neues testen. Dies ist kein Aufruf zu Leichtsinn – wohl aber zu Mut und Innovation, um es dem Spender leicht zu machen, seine Organisation zu lieben und sich gerne und mit Freude zu engagieren. Die Internetseite muss immer vom Spender ausgedacht werden – fangen Sie an.

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PHINEO. (2019). Facts. https://www.phineo.org/uploads/Downloads/PHINEO_Fact-Sheet.pdf. 30.05.2020. Ptock, J. (22.08.2018). Paypal zwischen Erfolgswelle, Abspaltung und Händlerkritik – ein Überblick. Online-Händler News. https://www.onlinehaendler-news.de/e-commerce-trends/payment/32273-paypal-ueberblick%2018.11.2019. Zugegriffen am 30.05.2020. Reschke, J., & Hieninger, E. (2017). „Conversion-Optimierung für Non-Profits“ auf sozialmarketing.de (23.11.2017). https://sozialmarketing.de/conversion-optimierung-einsatz-von-landingpages/. Zugegriffen am 30.05.2020. Schneider, K. (13.09.2019). „PSD2 tritt in Kraft: Kunden brauchen wegen Neuregelungen für Kreditkartenzahlungen viel Geduld“ Handelsblatt https://www.handelsblatt.com/technik/sicherheit-im-netz/psd2-tritt-in-kraft-kunden-brauchen-wegen-neuregelungen-fuer-kreditkartenzahlungen-viel-geduld/25008530.html?ticket=ST-673225-l3FGMYgz9nfyUGdvWT0v-ap6. Zugegriffen am 30.05.2020. Schwarz, N., & Grote, S. (2020). „Mobile First Design- es ist Zeit umzudenken“. https://www.meltwater.com/de/blog/mobile-first. 30.05.2020. Seibel, K. (19. Mai .2018). „Die seltsame Abneigung der Deutschen zur Kreditkarte“ WELT. https:// www.welt.de/finanzen/verbraucher/article176505524/Kreditkarte-Warum-die-Deutschen-bis-heute-die-Kreditkarte-verschmaehen.html. 30.05.2020. Transparency International e.V. (2019). „Jahresbericht 2018“. https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/2019/Jahresbericht_2018_Transparency_Deutschland.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Transparency International e.V. (o.  J.). https://www.transparency.de/mitmachen/initiative-transparente-zivilgesellschaft/. Zugegriffen am 30.05.2020. Wiesner, J. (14. Juni 2017). „XXL-Guide: Landing-Page-Typen und deren Einsatz im E-­Commerce“. Ryte-Magazine. https://de.ryte.com/magazine/xxl-guide-landingpagetypen-und-deren-einsatzim-ecommerce. Zugegriffen am 30.05.2020. WZB. (2017). „Spendensiegel erhöhen das Vertrauen in karitative Organisationen“. https://www. wzb.eu/de/pressemitteilung/spendensiegel-erhoehen-das-vertrauen-in-karitative-organisationen. Zugegriffen am 30.05.2020.

Nora-Hendrike Jäger  liebt Online-Fundraising und besonders die Verzahnung unterschiedlicher Maßnahmen, Aktionen und Kampagnen hin zu einem großen Ganzen. Diese Leidenschaft vermittelt sie als Dozentin u. a. der Fundraising Akademie und lebt diese bei Die Seenotretter – DGzRS aus. Sie können Nora-Hendrike Jäger unter [email protected] erreichen.

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Fundraising im Web an externen Touchpoints Auf allen Kanälen spenderzentriert interagieren Katja Prescher

Inhaltsverzeichnis 7.1  Spendenplattformen  7.2  Online-Auktionen  7.3  Online-Marketing  7.4  E-Mail-Marketing  7.5  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Wie entwickeln Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte Fundraising mit Hilfe des Webs? Wie sind neue potenzielle Spendergruppen über externe Internetseiten erreichbar, wie erweitern sie über diese ihren Online-Verteiler und gestalten die Spenderbindung? Über relevante Touchpoints wie externe Spenden und Auktionsplattformen sowie Online-Marketing (Suchmaschinenwerbung, Social-Media-Marketing, Online-­ Werbung, Affiliate-Marketing, Video-Marketing, Online-PR, Content-Marketing) und E-Mail-Marketing treten Non-Profit-Organisationen mit spezifischen Spendersegmenten in Kontakt, gestalten Spendererlebnisse bis sie eine gewünschte Zielhandlung wie die Conversion (z. B. Spende, E-Mail-Adresse) durchführen. Fundraising im Web hilft, die verfügbaren Kanäle im Sinne der Donor-Journey-Phasen zu nutzen, um ihren potenziellen Spenderinnen und Spendern Botschaften zukommen zu lassen, die sie ­interessieren  – im richtigen Moment, in der richtigen Form und mit dem passenden Call-­to-­Action. K. Prescher (*) SoZmark Communication, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_7

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Spendenplattformen

Sie sind aus dem Digitalen Fundraising kaum mehr wegzudenken: Spendenplattformen sind für viele Organisationen neben ihrer Internetseite der wichtigste Dreh- und Angelpunkt für interessierte und potenzielle Spender. Als Intermediär geben sie Interessierten einen Überblick über zahlreiche spendenfinanzierte Projekte. Organisationen können von ihrer Präsenz dort profitieren, da die Plattformen die Infrastruktur für Spenden-Trans­ aktionen unterhalten und bereitstellen. Spendenplattformen gibt es zahlreiche. Nicht nur Banken, Versicherungen und Förderkörperschaften sammeln für Organisationen, sondern auch eigene Plattformen von eher großen Non-Profit-Organisationen geben einen Überblick über ihre eigenen Projekte und Spendenmöglichkeiten. Das Angebot reicht von großen themenübergreifenden Plattformen bis zu kleinen, auf Nischenthemen fokussierte. Zum Teil handelt es sich dabei um sogenannte White-­Label-­ Lösungen, bei denen Unternehmen auf eine Art Projekt-Template der Spendenplattform zurückgreifen, diese aber in der Gestaltung an ihren eigenen Markenauftritt anpassen. Insbesondere viele kleine Organisationen, lokale Gruppen, kleinere Unternehmen und Einzelpersonen erhalten über Spendenplattformen die Chance, in das Digitale Fundraising einzusteigen. Ihnen fiele es sonst schwer, eine eigene technische Plattform und die Infrastruktur effizient bereitzustellen. Sie profitieren von den Interaktionen zwischen den Interessierten auf der Spendenplattform. Und sie sparen Ressourcen für Programmierung, Administration der Spendenabwicklung sowie System- und Transaktionskosten im Vergleich zum Aufsetzen und zur Nutzung selbst betriebener Lösungen. Spendenplattformen werden rege genutzt. Obwohl immer weniger Deutsche spenden, rechnen Spendenplattformen wie betterplace.org mit einem gegenläufigen Trend, was sie selbst betrifft: 15 % Wachstum zum Vorjahr (Kisling 2019). Neben den genannten Vorteilen für Non-Profit-Organisationen gibt es plausible Argumente, die aufzeigen, warum Spendenplattformen nicht das ideale Instrument für das Fundraising von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten sein sollten: Zum einen besteht eine große Konkurrenz mit vergleichbaren Projekten, die auf der Spendenplattform für Nutzer nur einen Klick entfernt sind. Auf der eigenen Internetseite könnte hingegen die Abwanderung zu anderen Projekten verhindert werden und es entstünde eher eine Bindung an die Organisation, statt an die Plattform. Angriffsfläche bietet auch die Abwicklungsart von Spenderdaten. Je nach rechtlicher Trägerschaft und Struktur der Plattform werden Spenden beispielsweise einzeln und direkt an die spendensammelnden Organisationen gegeben oder aber von einer Trägerkörperschaft gesammelt und gebündelt weitergereicht. Im ersten Fall liegen Spender-­ Bedankung, Ausstellung der Spendenbescheinigung und Maßnahmen zur Spenderbindung bei den Non-Profit-Organisationen. Im zweiten Fall übernimmt die Spendenplattform diese Aufgaben und entlastet damit die Organisationen, indem sie auch den Spenderser-

7  Fundraising im Web an externen Touchpoints

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vice sowie die weiterführende Informationsarbeit, beispielsweise über weitere förderwürdige Spendenprojekte (anderer Träger) leistet. Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) glaubt, dass Online-Spendenplattformen die traditionellen Spendensammlungen von NGOs nicht ablösen werden, sondern eher ergänzen. Es käme auf die eigenen Online-­ Marketing-­Aktivitäten an, da der eigene Markenaufbau langfristig die wirksamste und nachhaltigste Strategie sei, um Spenden und andere Finanzquellen ergiebig zu halten (Greuter und Wilke 2017). Aus Sicht der Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekte sollte zunächst eine strategische Entscheidung getroffen werden, welche Rolle den Spendenplattformen im eigenen Fundraisingmix – und unter Berücksichtigung der eigenen Ressourcen – zukommen soll. Anschließend sollte sich über die charakteristischen Merkmale und die Erfolgsfaktoren der verschiedenen Spendenplattformen informiert werden. Neben der gegebenenfalls regionalen oder thematischen Fokussierung kommen verschiedene konzeptionelle Ansätze der Spendenplattformen zum Einsatz. Spendenplattformen mit Community-Ansatz Wie sollen potenzielle Spender wissen, welchen Organisationen und Projekten sie auf einer Online-Spendenplattform vertrauen können? Erfahrungen und Meinungen der Spender haben bei Spendenplattformen mit Community-Ansatz einen hohen Stellenwert. Beim „Web of Trust“, wie es beispielsweise betterplace.org nennt, werden die positiven und negativen Nutzermeinungen zum jeweiligen Projekt hervorgehoben. Zudem können Projektleiter der Organisation Neuigkeiten auf ihrer Projektseite veröffentlichen. Der Community-­Ansatz soll dabei helfen, ein Vertrauensnetzwerk aufzubauen, welches die Spender informiert und das Spenden erleichtert (Lampe 2011). Der Community-Ansatz stellt das Fundraising vor die Herausforderung einer angemessenen Dialogfähigkeit. Zum einen sollte selbstverständlich auf Kommentare und Fragen der Nutzer eingegangen werden. Zum anderen sollte anhand von regelmäßigen Beiträgen über den Projektverlauf berichtet werden. Spendenplattformen mit Rankings Bei der Vielzahl an Projekten und Organisationen, die auf Spendenplattformen vertreten sind, stellt sich die Frage nach einer fairen Darstellung dieser Vielfalt. Eine Alternative zur manuellen Auswahl durch die Betreiber, der Listung in alphabetischer Reihenfolge, dem Kauf von Werbeplätzen auf der Startseite oder einem programmierten Zufallsprinzip, sind sogenannte Rankings. Beispielsweise entwickelte die Spendenplattform HelpDirect den sogenannten HelpRank.1 Dabei handelt es sich um ein Punktesystem, das den Transparenzgrad der Organisationen zeigen soll. Gewertet werden unter anderem Kontrollstrukturen und Spendensiegel.  Was ist der HelpRank? Vgl. https://www.helpdirect.org/informationen/helprank/. zugegriffen am: 30.05.2020.

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Kuratierte Spendenplattformen Grundsätzlich haben alle Spendenplattformen eines gemeinsam: es bedarf einiger Mindestkriterien, um dort gelistet zu werden. So muss beispielsweise die Gemeinnützigkeit durch einen aktuellen Freistellungsbescheid nachgewiesen und der aktuelle Spendenbedarf in einer Organisations- oder Projektbeschreibung dargestellt werden. Teilweise gibt es Ausschlusskriterien (z. B. für Projekte politischer Parteien) oder regionale sowie thematische Einschränkungen, welche die Betreiber vorgeben. Eine weitergehende Kuration der Spendenorganisationen und -projekte nehmen Spendenplattformen wie effektiv-spenden.de vor. Diese Plattform ist auf die Themen-Nische „effektives Spenden“ fokussiert und gibt konkrete Projektempfehlungen, bei denen es um die maximale Wirksamkeit ihrer Spende geht. Demnach sei ein Projekt umso wirksamer, je mehr Menschen (oder Tieren) mit dem gleichen Betrag geholfen werden könne. Den Nachweis dafür erbringen intensive Wirksamkeitsstudien, mit denen die Projekte auf Herz und Nieren geprüft würden (Reschke 2019; Jungblut 2019). Auf kuratierten Spendenplattformen geht es primär nicht darum, eine möglichst große Zahl verschiedener Hilfsorganisationen zu präsentieren, sondern nur jene, die den von ihnen festgelegten Kriterien am besten entsprechen. Plattformen für private Spendenaktionen Nachbarschaftshilfe über lokale Netzwerke liegt voll im Trend, besonders dann, wenn schnell und ohne Umwege per Klick sofort geholfen werden kann. Wenn direkte Beziehungen bestehen (unter Freunden, im Bekanntenkreis, in der eigenen Nachbarschaft), sind Menschen besonders spendenbereit und helfen gern, auch wenn es sich hierbei nicht um gemeinnützige Träger der Spendenaktionen handelt. Mittels kommerzieller Plattformen wie GoFundMe und Leetchi können sowohl Privatpersonen als auch gemeinnützige Organisationen eigene Kampagnen starten. Die Themen sind vielfältig und reichen von Spendenaktionen für Tierarztbesuche, für privat organisierte Kulturveranstaltung, Nachbarschaftsfeste und viele mehr. Die Plattformen für private Spendenaktionen leiden jedoch unter einem Image-Pro­ blem. In der Vergangenheit kam es immer häufiger dazu, dass fragwürdige Projekte freigeschaltet wurden, die zu negativer Berichterstattung in den Medien führten. Crowdfunding-Plattformen Crowdfunding-Plattformen haben viele Gemeinsamkeiten mit Spendenplattformen, da sie ebenfalls einen Überblick über eine Vielzahl an förderungswürdigen Projekten ermöglichen. Anders als bei gemeinnützigen Projekten handelt es sich hier jedoch in der Regel nicht um eine Spende, sondern beispielsweise um eine Investition in ein Unternehmen oder eine Produktinnovation (Abschn. 8.3).

7  Fundraising im Web an externen Touchpoints

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Gebühren Unabhängig vom konzeptionellen Ansatz der Plattformen ist die Registrierung für die Non-Profit-Organisationen und Projekte in der Regel kostenfrei. Je nach Geschäftsmodell und Kostenstruktur der Betreiber ist die Auszahlung der Spenden ebenfalls kostenfrei. Manche Plattformen werben bei den Spendenden um eine freiwillige Abgabe für den Betrieb oder behalten bei Weiterleitung der Spenden an die gemeinnützigen Träger eine kleine prozentuale Gebühr zurück. Beim Einsatz von Spendenplattformen im Fundraisingmix dürfen Fundraiser nicht der Illusion erliegen, dass mit dem Einstellen des Projekts auf der Plattform der eigene Aufwand erledigt wäre. Die Plattformbetreiber stellen die Infrastruktur für Spendenaktionen und führen eventuell Zufallsspender auf die Projektseiten. Die Hauptlast der Fundraising-­ Kommunikation obliegt jedoch weiterhin den Fundraisern.

7.2

Online-Auktionen

Das weltbekannte „3, 2, 1, meins!“ der kommerziellen Online-Auktionsplattform eBay und auch Charity-Auktionen im Rahmen von Fernsehgalas sind generell bekannt. Das klassische Prinzip der Auktion findet sich im Internet in vielfältiger Form: Online-­ Auktionen zugunsten gemeinnütziger Organisationen. Privatpersonen, Unternehmen oder Organisationen stellen ein Produkt, eine Leistung, ein Kunstwerk oder ein Erlebnis auf den Online-Marktplätzen ein. Nach der Auktion geht das Erworbene an diejenige Person, die den höchsten Spenden-Betrag im festgelegten Zeitfenster geboten hat. Auf Charity-Auktionen im deutschsprachigen Raum spezialisiert sind Anbieter wie z.  B.  United Charity. Auch klassische Auktions-Plattformen wie eBay arbeiten mit Non-Profit-Organisationen zusammen. Dort erscheinen die Auktionen zugunsten gemeinnütziger Organisationen im Umfeld der kommerziellen Angebote. Sie werden mit einem Charity-Band gekennzeichnet bzw. hervorgehoben. Die Auktionserlöse werden zu 100 % an die gemeinnützigen Organisationen weitergeleitet. Steuerrechtlich zu beachten ist, dass es sich bei den Erlösen von Online-Auktionen nicht um Spenden im klassischen Sinne handelt. Auktionsteilnehmer, die den höchsten Preis geboten haben, erhalten den Artikel. Auf diese Gegenleistung kann keine Spendenquittung ausgestellt werden, sondern die Einnahme muss entsprechend versteuert werden. Offline-Auktionen bei Events sind für einige Non-Profit-Organisationen und ihre Spender bereits eingeübte Fundraising-Instrumente. Hier hat sich in der Praxis neben der öffentlichen Auktion mit Nennung des jeweils aktuellen Höchstgebots die stille Auktion als weitere Methode etabliert. Entsprechende Online-Entsprechungen stiller Auktionen bieten Fundraising-Dienstleister zur Einbindung auf der Internetseite oder als eigene Auktions-­ Internetseite an.

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Interview mit Maike Fuest, Director Communications bei eBay Germany Für welche Organisationen und Projekte Online-Auktionen in Frage kommen, darüber haben wir mit Maike Fuest, Director Communications bei eBay Germany, gesprochen. • Maike Fuest, für welche Organisationen kommen Online-Auktionen als Fundraising-­ Instrument in Frage? Der Charity-Verkauf lohnt sich für alle. Allein in Deutschland bietet eBay seinen Händlern Zugang zu mehr als 18 Millionen aktiven Käufern. Für Non-Profit-Organisationen stellt diese Reichweite eine enorme Chance für ihr Fundraising dar. Im Rahmen des Programms können Non-Profit-­Organisationen neue oder gebrauchte Ware gebührenfrei verkaufen. Auch Unternehmen und Privatpersonen haben die Möglichkeit, Produkte zu vertreiben und den Erlös an eine Organisation ihrer Wahl zu spenden. • Wie können Organisationen teilnehmen? Welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen? Um Charity-Angebote einstellen zu können, müssen sich die Organisationen bei uns registrieren. Vorrausetzung dafür ist, dass sie als gemeinnützig anerkannte, beziehungsweise eingetragene Vereine aktiv sind. In Deutschland erfolgt die Prüfung über unseren Partner Haus des Stiftens. Im nächsten Schritt können dann das eBay-Konto angelegt und die notwendigen Dokumente eingereicht werden. Dazu gehören beispielsweise das Logo und die Kurzbeschreibung der Organisation. Nach der Freischaltung für das „eBay für Charity“-Programm sind die Organisationen berechtigt, Angebote einzustellen und für den guten Zweck zu verkaufen. Wir empfehlen den Wohltätigkeitsorganisationen darüber hinaus, die Verkäufe auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf den eigenen Kommunikationskanälen zu bewerben, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen. • Inwieweit unterstützt eBay in der Kommunikation, damit die Auktionen erfolgreich werden? Ausgewählte Aktionen werden von „eBay für Charity“ mit kostenlosen Marketing-Aktivitäten, wie beispiel0sweise Bannern auf der Internetseite, Beiträgen in Newslettern und auf SocialMedia-­Kanälen von eBay unterstützt. Je nach Auktionsinhalt und Zeitraum wird eine mögliche Unterstützung individuell geprüft. Grundsätzlich werden Charity-Verkäufe für eine noch bessere Sichtbarkeit auf dem weltweiten Online-Marktplatz eBay mit einer gelbblauen Schleife versehen und sind damit für Nutzer auf den ersten Blick von regulären Angeboten unterscheidbar. • Welche Vorteile haben teilnehmende Organisationen neben dem Auktionserlös? Erhalten sie die Kontaktdaten der Bietenden? Die Kontaktdaten des Meistbietenden erhalten die Organisationen von „eBay für Charity“, da sie auch für den Versand der Artikel verantwortlich sind. Außerdem erhöht der Verkauf eines Produktes für wohltätige Zwecke die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Käufer dafür interessiert. So erreichen Angebote bei eBay, deren Erlös an eine Wohltätigkeitsorganisation geht, bis zu vier Prozent höhere Preise und bis zu 14 Prozent mehr Gebote.

Richtige Angebote für Auktionen Für die erfolgreiche Umsetzung von Online-Auktion sollten spendensammelnde Organisationen und soziale Projekte zwei wichtige Voraussetzungen erfüllen: attraktive Auk­ tionsangebote bereitstellen und eine gut geplante Kommunikation an die passenden Zielgruppen umsetzen.

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Die Auktions-Plattformen stellen die technische Infrastruktur zur Verfügung. Teilweise erfolgt darüber hinaus eine inhaltliche und konzeptionelle Beratung oder die unterstützende Kommunikation durch die Plattformbetreiber. Prädestiniert für Online-Auktionen sind solche Produkte, Leistungen, Kunstwerke und Erlebnisse, die man normalerweise nicht erwerben kann. Non-Profit-Organisationen, die mit prominenten Personen an die Öffentlichkeit treten, versteigern ihre Auktionsangebote oftmals erfolgreicher. Signierte Bücher, Trikots und goldene Schallplatten sind ebenso geeignet wie ein Abendessen mit einem/einer Prominenten, Kunstwerke oder Requisiten einer Fernseh-Show. Unternehmenspartner hingegen stellen oft Gutscheine, beispielsweise für Events, Erlebnisparks oder Übernachtungen, als eine willkommene Alternative zu einer direkten Geldspende bereit. Der Erfolg von Online-Auktionen bemisst sich primär am Versteigerungserlös. Üblicherweise wird jedem Angebot ein Mindesterlös oder ein lenkender Richtwert zugewiesen, der deutlich übertroffen werden soll. Funktionen wie ein rückwärtszählender Countdown bis zum Auktionsende oder die Abgabe eines Maximalgebots, welches beim Über­bieten eines anderen Teilnehmers greift, können den Erlös steigern. Je nach Auktions-­Plattform schalten registrierte Non-Profit-Organisation diese Funktionen frei, die auch andere Charity-Auktionen zu ihren Gunsten erstellen können (Abschn.  8.1). Die Plattformbetreiber übernehmen dann die Verbindung zur Organisation und stellen sicher, dass die Erlöse direkt an die gemeinnützigen Träger geleitet werden. Interview mit Dagmar Kögel, Schirmherrin von United Charity Wie Online-Auktionen für gemeinnützige Organisationen am besten gelingen und was dabei zu beachten ist, darüber haben wir mit Dagmar Kögel gesprochen. Sie ist Schirmherrin von United Charity und repräsentiert die Plattform nach außen. Gemeinsam mit ihrem Team macht sie immer wieder Projektbesuche, um die Arbeit der Organisationen vor Ort zu sehen und die Verantwortlichen persönlich kennenzulernen. • Dagmar Kögel, welche Auktionen funktionieren grundsätzlich am besten und warum? Meet & Greets mit Prominenten und Einladungen zu VIP-Veranstaltungen, zum Beispiel zu Kinopremieren, sind eindeutig am beliebtesten bei den Bietern. Auch Plätze als Einlaufkind bei den Top-Fußballclubs sind heiß begehrt. Das sind alles Dinge, die sonst für Geld überhaupt nicht zu haben sind. Die Stiftung RTL – Wir helfen Kindern setzt jedes Jahr die Auktionen zum RTL-­ Spendenmarathon bei uns um und hat damit großen Erfolg. Hier gibt es immer viele Promi-Events zu ersteigern: Die Organisation Stars4Kids ist ein gutes Beispiel für eine kleinere, weniger bekannte Organisation, die sehr regelmäßig erfolgreich bei uns ist. Für sie versteigern wir hauptsächlich Sportsammlerstücke, zum Beispiel signierte Fußballtrikots, und die Organisation ist mittlerweile sehr gut mit zahlreichen Vereinen, Spielern und Trainern vernetzt. Sie haben fast permanent Auktionen bei uns online. • Welche Fehler sollten Non-Profit-Organisationen unbedingt vermeiden? Eher schlechte Erfahrungen machen wir mit Kleidung, selbst wenn es sich zum Beispiel um ein Designerkleid von einem Promi handelt. Das sind keine Dinge, die man typischerweise in der Vitrine ausstellt, und dann muss die G12röße passen  – anprobieren geht bei uns leider nicht. Fehler können in zu hohen Preisvorstellungen liegen. Es ist besser, Mindesterlöse nicht allzu hoch anzusetzen. Es ist uns aber auch wichtig, dass nichts unter Wert versteigert wird.

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• Inwieweit unterstützt United Charity in der Kommunikation, damit die Auktionen erfolgreich werden? Wir bewerben jede einzelne Auktion, wobei der Umfang vom Gegenstand abhängt. Dazu nutzen wir unsere Social-Media-Auftritte, den Newsletter, den wir etwa alle zwei Wochen versenden, wir kontaktieren themenrelevante Medien und schalten Google Ads, die wir durch das AdGrants-­Programm glücklicherweise kostenfrei nutzen können. Bei besonders reichweitenstarken Themen veröffentlichen wir Pressemitteilungen. • Was unterscheidet Auktionsplattformen von klassischen Spendenplattformen? Was haben Sie gemeinsam? Direktspenden sind auch bei uns möglich, das haben wir gemeinsam. Aber diese laufen eher nebenher und machen nur einen kleinen Teil der gesammelten Gelder aus. Bei unseren Auktionen geht es um eine Win-Win-Situation für alle Seiten: Der Auktionsgewinner „spendet“ nicht nur, wovon die begünstigte Organisation profitiert, sondern er erhält auch gleichzeitig etwas Besonderes, erfüllt sich oder jemand anderem oft sogar einen Traum. • Sind die Online-Auktionen eher ein saisonales Instrument für die Weihnachtszeit oder wie verteilen sich die Auktionen üblicherweise im Jahresverlauf? Die Vorweihnachtszeit ist auf jeden Fall der Jahreshöhepunkt, hier haben wir bis zu 500 laufende Auktionen am Tag, den Rest vom Jahr bewegen wir uns bei 100 bis 300 Auktionen täglich. Manche Organisationen starten über das Jahr verteilt regelmäßig Auktionen, andere nutzen z. B. ein Jubiläum oder einen anderen konkreten Anlass dazu, gleichzeitig oder kurz nacheinander mehrere Auktionen zu starten.

cc

Haus des Stiftens gGmbH zeigt zwei Webinare, die den Einstieg in die Welt der Online-Charity-Auktionen erleichtern: • Webinar „Einführung in eBay für Charity“ https://www.youtube.com/watch?v=hSk2Z8CnmAg, (30.05.2020) • Webinar „Fundraising mit Charity Auktionen“ https://www.youtube.com/ watch?v=gHylzTncUF0 (30.05.2020)

7.3

Online-Marketing

Das Online-Marketing erweitert den Kommunikations-Mix im Fundraising um zahlreiche Instrumente. Sie alle dienen dazu, weitere Touchpoints zu steuern, potenzielle Spender zu erreichen und sie zu einer Interaktion, bestenfalls einer Spende, zu leiten. Mit Hilfe von Suchmaschinenwerbung (SEA), Social-Media-Marketing, Online-Werbung, Affiliate-­ Werbung, Online-PR und Video-Marketing werden performanceorientierte Maßnahmen und Kampagnen zielgruppengenau ausgesteuert. Die Basis für das Online-Marketing bildet die Donor Journey (Abschn. 9.1.1). Die in diesem Kapitel besprochenen Instrumente können in Verbindung mit Tracking (Abschn. 9.2) besonders gut auf Interessierte und Spender ausgesteuert werden. So werden diese idealerweise genau dort abgeholt, wo sie sich in der jeweiligen Phase ihres Donor-­Lifecycles

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gerade befinden. Die verwendeten Instrumente führen sie zum nächsten Schritt auf dem Weg zur Conversion, beispielsweise zu einer Spende oder Fördermitgliedschaft.

7.3.1 Suchmaschinenwerbung (SEA) Wenn Suchende ein Keyword in Suchmaschinen wie Google, Bing oder Ecosia eingeben, dann haben sie ein konkretes Interesse. Dies kann die Suche nach einer Organisation oder nach einem spezifischen Projekt sein. Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising, kurz: SEA) hat die Aufgabe, Interessierten das beste passende Suchergebnis anzuzeigen. Werbeanzeigen wie sogenannte Google Ads in den Suchergebnissen führen die Suchenden mittels Anzeigen-Klick zum passenden Ziel: der Internetseite oder Landingpage. Die erfolgreichste Online-Suchmaschine ist seit vielen Jahren Google. Aus diesem Grund fokussiere ich an dieser Stelle auf diesen Anbieter. Das Anlegen von Google Ad-Kampagnen ist innerhalb des Anbieter-Tools relativ einfach. Herausfordernd sind primär die Aussteuerung effizienter Kampagnen und das Vermeiden von Streuverlusten. Google Ad Grants vs. Google Ads Unabhängig davon, ob eine Non-Profit-Organisation bereits mit dem kostenpflichtigen Programm Google Ads arbeitet oder nicht, kann sie sich um die Teilnahme am Google-­Ad-­ Grants-Programm 2 bewerben. Mit Google Ad Grants bietet die Suchmaschine Non-Profit-Organisationen eine unentgeltliche Werbeplattform: Sie verschenkt monatlich Google Ads im Wert von 10.000 US-Dollar. Für Google Ad Grants gelten jedoch andere Regeln im Vergleich zu den klassischen Google Ads (Hölderle 2013). Seit 01.01.2018 sind zudem verschärfte Grants-Richtlinien für die Freigabe und Umsetzung von Google-­Ad-­GrantsAktivitäten zu beachten. So müssen beispielsweise die Grant-Kampagnen insgesamt eine Klickrate von mindestens fünf Prozent aufweisen. Zum Vergleich: Bei den kommerziellen Google Ads wird eine Klickrate von zwei Prozent bereits als “gut” eingestuft. Eine Besonderheit im Google-Ad-Grants-Programm ist auch die Begrenzung der Keyword-Gebotshöhe auf maximal zwei US-Dollar. Anzeigen mit Keywords, welche über zwei US-Dollar kosten, werden in den Google Suchergebnissen nicht geschaltet. Aus diesem Grund investieren Non-Profit-Organisationen neben dem kostenfreien Google Ad Grants oftmals auch in klassische Google Ads. Klassische Google Ads bieten im Vergleich zum Google-Grants-Programm darüber hinaus mehr Spielraum und größere Reichweite. Denn klassische Google Ads können auch auf weiteren Kanälen beworben werden, z.  B. bei Google-Suchpartnern, im Google-­ Display-­Netzwerk und auf YouTube. Kirsten Niemann, Online-Marketing-Expertin,3 rät  Google Ad Grants Jetzt teilnehmen, für Interessierte aus Deutschland https://www.google.ch/intl/ de_de/grants/how-to-apply/, Österreich (https://www.google.ch/intl/de_at/grants/how-to-apply/ und der Schweiz https://www.google.ch/intl/de_ch/grants/how-to-apply/ zugegriffen: 30.05.2020. 3  Kirsten Niemann, 11 Jahre bei Google, zuletzt als Agency Relationship Managerin tätig, heute freiberufliche Online Marketing Managerin, im persönlichen Interview mit Katja Prescher am 18.03.2020. 2

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Organisationen, neben Google Ad Grants auch klassische Google Ads einzusetzen. Dies für alle Anzeigen, bei denen sie die zusätzlichen Anforderungen von Grants nicht erfüllen können oder möchten. Dies können Anforderungen sein wie: Klickrate von unter fünf Prozent oder Wörter und Personennamen als Keywords, welche für die Organisation wichtig sind, obwohl sie keinen direkten Zusammenhang mit dem Spenden haben. Jona Hölderle (2018) führt Google-Ad-Grant-Regeln im Detail in seinem sozialmarketing.de-­Blogartikel auf. cc

Das Google Ad Grants Account Review Dashboard (Dashboard für die Ad-GrantsKontoüberprüfung)4 hält Organisationen auf dem aktuellen Stand des AdGrants-Kontos und zeigt auf, ob Richtlinien eingehalten werden.

SEA-Kanäle innerhalb des Google-Universums Für welche Themen sich Suchende interessieren und in welcher Phase der Donor Journey sie sich befinden, kann mittels ihrer Suchanfragen, ihrem Verhalten und aufgrund ihrer Aktionen (beispielsweise auf der Internetseite) erkannt werden. Für eine erfolgreiche SEA-Kampagne müssen je nach Zielsetzung dann die entsprechenden SEA-Kanäle ausgewählt werden. Die wichtigsten sollen im Folgenden vorgestellt werden: Klassische Google-Ad-Anzeigen wie auch Google-Ad-Grants-Anzeigen werden in den Google-Suchergebnissen in Form von Textanzeigen angezeigt. Sie gelten als klassisches Pull-Instrument und sind abhängig vom Involvement der Suchenden. Zum Google-Display-Netzwerk (GDN) gehören Google-Produkte wie YouTube, Google Finanzen oder Gmail sowie ein Netzwerk von Millionen von Publisher-Partnern mit Platzierungsmöglichkeiten für Text-, Bild- und Video-Anzeigen. Über YouTube können insbesondere jüngere Zielgruppen mit verschiedensten Werbeformaten und ebenfalls breit gefächerten Targeting-Optionen erreicht werden (Abschn. 7.3.5). Mit Remarketing5 werden Personen angesprochen, die bereits Kontakt mit der Internetseite der Organisation oder mit einem YouTube-Video hatten. Die erneute Einblendung von Werbung kann sehr wirkungsvoll sein. Die Anzeigen können sowohl per Textanzeigen im Suchnetzwerk als auch per Display-Anzeigen über das Google-Display-Netzwerk ausgespielt werden. CC

Das Google-Display-Netzwerk kann nicht über das Google-Ad-Grants-­Programm genutzt werden, sondern nur über klassische Google-Ads.

Optimale Kampagnenstruktur Organisationen sollten ihre Kampagnenstruktur im Grant-Konto so aufbauen, dass für die unterschiedlichen Bedürfnisse der (potenziellen) Spender entsprechende Anzeigen mit Landingpage (Zielseite) gestaltet werden. Die Suchabsichten können trotz nahezu glei-

 Ad Grants-Hilfe: Übersicht über das Dashboard für die Ad Grants-Kontoüberprüfung https://support.google.com/grants/answer/9593760?hl=de zugegriffen: 30.05.2020. 5   Google Ads-Hilfe: Remarketing verwenden https://support.google.com/google-ads/answer/­ 2476688?hl=de zugegriffen: 13.3.2020. 4

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chen Keywords recht unterschiedlich sein. Wer beispielsweise „Kinderhilfsorganisation vor Ort“ in die Suchmaschine eingibt, hat sich noch nicht für eine Unterstützung entschieden. Möglich ist, dass die Entscheidung, ob unterstützt werden soll, noch offen ist. Wer hingegen nach „Kinderhilfsorganisation vor Ort unterstützen“ sucht, ist wesentlich näher an der Conversion. Diese Person ist in der Donor Journey bereits weiter vorangeschritten als die Suchenden mit erster Keyword-Kombination. Möchte die Organisation nun mit einer Anzeige beide Suchenden abholen, wird sie wahrscheinlich keine der beiden Erwartungen vollständig erfüllen. Für Suchende, die bereits genau wissen, was sie wollen, empfehlen sich spezifische Keywords. Zwar ergibt sich ein relativ niedriges Suchvolumen, doch wird tendenziell eine hohe Conversionrate erreicht. Grundsätzlich gilt, dass der Weg zur Spende nicht über eine einzelne Darstellung einer Anzeige läuft. Vielmehr muss der Weg zur Spende im Sinne der Donor Journey aufgebaut werden. Hier liegen mehrstufige Prozesse der Vertrauensbildung vor der Transaktion. Organisationen können sich die Customer Journey im Attributionstool von Google Ads anschauen. Dort wird schnell ersichtlich, dass die gradlinige Donor Journey eher die Ausnahme bildet. Oft geben die Suchenden beispielsweise mehrfach hintereinander einen Brand-Term (meist: den Namen der Organisation) ein und haben vorher kein allgemeineres Keyword gesucht, obwohl dies so erwartbar gewesen wäre. CC

Im Google-Ad-Grants-Konto sind standardmäßig nur die letzten 30 Tage vor der Conversion sichtbar. Hinweis: Conversion Tracking kann jedoch auf einen Zeitraum zwischen 1 bis 90 Tage eingestellt werden. Gleiches gilt für das Attributionsmodell. Auch dort ist der Standard 30 Tage, kann jedoch auf Werte der letzten 60 oder 90 Tage eingestellt werden. Wenn der Nutzer für die Spenden-Entscheidung länger braucht, so ist dies im Konto nicht sichtbar. Des Weiteren sind nur die Punkte der Donor Journey ersichtlich, welche via Google-Suche ablaufen. Ob der/die Suchende auch über andere Kommunikationskanäle etwas über die Organisation erfahren hat (Print­ magazin, Internetseite der Organisation oder andere Internetseiten), ist hier nicht zu erkennen. Auch wenn keine weiteren Informationen zur Verfügung stehen, so sind diese zumindest ein Anfang. Über ein übergreifendes Tool wie Google Analytics würde die Organisation mehr Informationen erhalten, da hier alle Online-Kanäle erfasst sind und zu sehen ist, welche Touchpoints der/die Suchende hatte (hier gilt ebenfalls: zeitlich beschränkt).

Die Landingpage (Zielseite), auf die die Spender nach Klick auf die SEA-Anzeige gelangen, sollte inhaltlich direkt an den Inhalt der Anzeige anknüpfen und konsistent im Corporate Design gestaltet sein – sowohl im Layout als auch in der Nutzerführung. Die Zielseite soll den Nutzer so einfach und so schnell wie möglich zur nächsten Phase der Donor Journey leiten. Würde lediglich auf die Homepage oder auf eine Seite verlinkt, die nur wenig an die Google-Ad-Anzeige anknüpft, wird dieses Ziel kaum erreicht. Gute

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SEA-Kampagnen überlassen dies nicht dem Zufall, sondern bereiten Landingpages vor, die der jeweiligen Suchanfrage der Spender entsprechen. So schaffen sie Vertrauen und bringen die gewünschten Ergebnisse. Erfolg kontrollieren: Wichtige Kennzahlen Online-Kampagnen haben den Fluch und Segen der auf den ersten Blick sehr guten Messbarkeit. Man kann direkt sehen, welche Maßnahmen zu welchem „Return“ (z. B. Umsatz, Spende) führen. Allerdings können die Zusammenhänge verloren gehen. Organisationen müssen sich darüber im Klaren sein, dass man nie alles sieht. Offline-Kontaktpunkte und länger andauernde Beziehungen sind in den Daten nicht ersichtlich. Kampagnen im kostenfreien Google-Ad-Grants-Programm werden von den Verantwortlichen meist nicht so streng nach dem Return on Investment (ROI) optimiert, weil es kein direktes „I“, also Investment, gebe. Die Media-Kosten würden von Google übernommen. Die strengeren Anforderungen in Ad Grants wirken diesem Laissez-faire entgegen. Bei Ad Grants wird meist der ROAS (Return on Advertising Spend, also Umsatz durch Werbeausgaben) berechnet. Das funktioniert wie bei anderen Kampagnen auch: Return (Spendenhöhe) geteilt durch Advertising Spend (Kosten für die Werbeanzeigen, die von dem von Google bereitgestellten Werbebudget abgerechnet wird) in Prozent („mal 100“). Das Ergebnis: Wie viel Umsatz hat die Organisation pro investiertem Euro/Franken erhalten. Gibt die Organisation genauso viel für Spenden aus, wie sie an Spenden einnimmt, beträgt der ROAS 100 %. Je mehr sie einnimmt, desto höher steigt der ROAS. Im kommerziellen Bereich werden oftmals ROAS von mindestens 500 % erwartet. Je nach Ziel der SEA-Kampagnen, können verschiedene Kennzahlen den Erfolg beschreiben. So wird bei der Erhöhung des Spendenvolumens beispielsweise auf den Wert pro Conversion geschaut. Bei der Steigerung der Bekanntheit auf Impressionen und Klicks und bei der Lead-Generierung auf die Anzahl der Conversion (z. B. E-Mail-Adressen).

7.3.2 Social-Media-Marketing Social-Media-Plattformen sind aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Plattformen wie Facebook, YouTube und Instagram gehören zu den beliebtesten Social-Media-Diensten (Kontor4 2020). Im Fundraising bieten sie den Vorteil einer zweiseitigen, auf Dialog ausgerichteten Kommunikation. Einer spenderzentrierten Fundraising-Strategie kommt dies zugute. Ein weiterer Vorteil ist die Vielfalt an Werbemöglichkeiten, welche diese Plattformen neben einer äußerst granularen Zielgruppeneinstellung zur Verfügung stellen. Social-­ Media-­Marketing gehört zu den wachstumsstärksten Online-Marketingkanälen (Schwarz und Vakhnenko 2019). Es ist relativ einfach Business-Accounts in den gängigen Social-Media-Plattformen zu erstellen und Beiträge zu veröffentlichen. Der organische Community-Aufbau gelingt am ehesten durch die Umsetzung einer ausgefeilten Content-Strategie, welche interessante Inhalte für die Zielgruppen aufbereitet und zu Likes und Kommentaren anregt.

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In den letzten Jahren erzielten jedoch klassische Beiträge in den gängigen Social-­ Media-­Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube, LinkedIn, Xing und Twitter immer weniger organische Reichweite. Ein Grund dafür ist, dass die Plattformen ihre Algorithmen stetig anpassen. Sie filtern die Inhalte, die Personen oder Organisationen teilen, und passen die Meldungen an die individuellen Nutzerpräferenzen an. Damit wollen sie erreichen, dass die Nutzer nur noch jene Inhalte sehen, mit denen sie am ehesten interagieren. Der stetige Rückgang an Reichweite, Klicks und Kommentaren bringt Non-Profit-­ Organisationen in Zugzwang, wenn sie an ihre früheren Erfolge in Social-Media-Plattformen anknüpfen wollen. Immer häufiger wird der Rückgang von Followern und Leads mit bezahlten Anzeigen ausgeglichen (Bernazzani 2017). Das Umfeld für Anzeigen auf Social-Media-Plattformen ist mitunter herausfordernd. Anders als in Suchmaschinen liegt kein direktes Suchverhalten zugrunde. Hier steht das Nutzerverhalten im Fokus, welches z. B. über ein Retargeting identifiziert werden kann. Mit kleinem Budget kann zwar schon viel erreicht werden, doch das Kampagnen-­ Management zielgerichtet und effizient zu gestalten, ist hingegen nicht simpel. Das richtige Management der Zielgruppen und (für mobile Endgeräte optimierte) Landingpages muss mit den Anzeigenformaten und Zielsetzungen in Einklang gebracht werden. cc

In der „Werbebibliothek“ können Anzeigen von Organisationen auf Facebook, Instagram, im Messenger und im Audience Network angesehen und nach Themen, Unternehmen oder Organisation sortiert werden. Bei Anzeigen, die Wahlwerbung oder Werbung zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen darstellen, werden das Targeting, das Budget und die Ausgaben offengelegt: facebook.com/ads/library.

Zielgruppen kennenlernen Man könnte meinen, Social-Media-Plattformen kennen unsere Zielgruppen besser als wir selbst. So werden beispielsweise Daten zum Klickverhalten in Interessen aggregiert und mit demografischen und soziografischen Daten zusammengeführt. Bei der Kampagnenerstellung können die von Plattformen angebotenen Zielgruppen-Informationen, für sehr feine Zielgruppen-Einstellungen verwendet werden. Eine Kampagne durchläuft anfangs immer eine Lernphase. Je mehr Budget pro Anzeigen zur Verfügung steht, desto schneller ist die Lernphase abgeschlossen. Zielgruppen und Budget sollten darum gebündelt werden. Größere Zielgruppen erzielen anfangs meist preiswertere Impressionen und Klickpreise, denn Plattformen wie Facebook haben mehr Spielraum zum Optimieren der Kampagne und können entsprechend erfolgreicher auf die dem Ziel ausgerichtete Zielgruppen ausspielen. Mit den Erkenntnissen über die Teil-­ Zielgruppen, die tatsächlich geklickt und interagiert haben, lassen sich zukünftige Kampagnen besser planen.

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Grobes Beispiel für Zielgruppen je Plattform:

• Instagram: junge, 20–50-Jährige, an der Organisation Interessierte • Facebook: 30–65-Jährige, z. B. pensionierte Fans, die gerne die Botschaft verbreiten und mit emotionalen Geschichten zu einer Spende bewegt werden können • LinkedIn: Fachpersonen, Unternehmen, die an einer Kooperation interessiert sind • Twitter: Journalisten/Journalistinnen und Politiker, Politikinteressierte ◄ Einen besonderen Ansatz zur Zielgruppen-Bestimmung bietet Facebook unter dem Namen „Custom Audience“ an (über ähnliche Werbe-Funktionen verfügt beispielsweise LinkedIn). Dabei laden die Seitenbetreiber ihre Lead- oder Spenderliste auf Facebook hoch. Die Plattform vergleicht diese mit Facebook-Profilen und kann daraus Cluster und Inte­ ressen ableiten, die einer allgemeinen Analyse in der organisationsinternen Spender-­ Datenbank verborgen geblieben wären. Die Plattform agiert dabei als Auftragsverarbeiter und ermöglicht im nächsten Schritt Personengruppen außerhalb des eigenen Spenderstamms, sogenannte „Lookalike“-Zielgruppen, einer Werbeanzeige festzulegen. Diese verfügt über eine hohe Übereinstimmung mit den Merkmalen und Interessen der bestehenden Spender. Die Chancen auf eine hohe Interaktionsrate beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit einer Conversion sind hier recht hoch. Gute Erkenntnisse über einen Optimierungsbedarf einer Anzeigenkampagne geben Vergleichswerte zu Kampagnen, welche bereits selbst von der Organisation durchgeführt wurden oder die von anderen Werbetreibenden an die gleiche Zielgruppe ausgeliefert wurden. Bei Facebook lautet dieser Vergleichswert „Relevance Score“ (Roth 2019). Er zeigt auf, wie relevant eine Anzeige für die ausgewählte Zielgruppe im Vergleich zu anderen Anzeigen ist. Donor Journey in der Social-Media-Welt Abhängig vom Fundraising-Produkt (z. B. Lead, einmalige oder regelmäßige Spende, Patenschaft, Großspende etc.) braucht es einige Zeit und Touchpoints mit der richtigen Botschaft, bis das Ziel (z. B. E-Mail-Adresse, Spende) erreicht wird. Werbeformate in Social-­ Media-­Diensten bieten Möglichkeiten, in den verschiedenen Phasen der Donor Journey die potenziellen Spender abzuholen und sie zu den nächsten Schritten bis zur Conversion zu führen. Facebook bietet z.  B. während der Kampagnenerstellung entsprechend den Funnel-Phasen passende Kampagnenziele an, die sich entlang der Donor Journey positionieren lassen. Analog lassen sich ähnliche Kampagnen und Ziele in anderen Social-­Media-­ Diensten kreieren. Mittels Aufmerksamkeit möchte die Organisation neue Menschen erreichen. Die Organisation kennt jedoch diese Personen nicht. Um diese zu identifizieren, ist in der ersten Kampagnen-Phase ein eher breites Zielgruppenprofil zu definieren. Es werden oft Kampagnen mit auffallenden Motiven und Texten eingesetzt, bei denen anfangs mit hohem Streuverlust zu rechnen ist. Die Cost-per-Conversion (CPA) kann in dieser Phase recht hoch sein. Doch dies gehört zur strategischen Vorgehensweise dazu, sie ist die Vorbereitung für die zweite Phase: das Retargeting.

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Die Personen, die in der sogenannten Prospecting-Phase auf eine Kampagne reagieren und mit dieser interagieren, können automatisch in eine kleinere sogenannte Retargeting-­ Custom-­Audience hinzugefügt werden. Ihnen können die Anzeigen nun in höherer Frequenz, oder es können bewusst andere Botschaften ausgespielt werden. Auf Basis dieser Zielgruppen-Segmentierung können potenzielle Spender gezielt mit individuellen Inhalten vom Top Funnel (z. B. Attention-Phase bzw. „Bekanntheit“ der Facebook Donor Journey) über den Middle Funnel (z. B. Interest-, Desire-Phase bzw. „Erwägung“ der Facebook Donor Journey) und letztendlich in den Bottom Funnel (z.  B. Action-Phase bzw. „Conversion“ der Facebook Donor Journey) geführt werden. Denn ist das Interesse geweckt z. B. mit einer Video-Anzeige, das Informationsbedürfnis befriedigt z. B. mit einer Karussell-Anzeige, greifen transaktionale Botschaften z. B. mit einer Bildanzeige. Das Prospecting für Nutzer, die noch nicht auf der Internetseite beziehungsweise der Landingpage waren, ist Voraussetzung für ein erfolgreiches Retargeting. Dies betrifft die Nutzer, die mindestens einmal auf der Seite der Organisation waren und über die ein Cookie gespeichert werden konnte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Organisation ihre Kampagnen den bereits bekannten, beziehungsweise den immer gleichen Followern/Followerinnen und Fans ausspielt. cc

Im Facebook-Analyse-Dashboard Inspect der Anzeigengruppen des Facebook-­ Werbeanzeigenmanager finden sich z.  B.  Insights zur aktuellen Zielgrup­ pensättigung.

Facebook und Instagram bieten zwar kein kostenloses Ad-Grants-Programm wie Google an, dafür geben beide Plattformen den Organisationen einige Fundraising-Tools in die Hand. Dazu gehören beispielsweise der Spenden-Sticker für Stories, der Spendenbutton sowie Peer-to-Peer-Fundraising- bzw. Spendenaktionen für Facebook-Seiten (Abschn. 8.1.5). Gemeinnützige Organisationen aus Deutschland und Österreich können bereits von den Spenden-Tools profitieren, die Facebook und Instagram bereitstellen, und diese teils direkt in Werbeanzeigen einbinden. Organisationen aus der Schweiz haben derzeit noch keinen Zugang zu diesen Tools. cc

Organisationen können auf der Hilfe-Seite von Facebook unter dem Punkt: „Länder, in denen du auf Facebook Spendenaktionen für persönliche Anliegen erstellen kannst“ sehen, in welchen Ländern Organisationen die Spen­denaktionen für sich nutzen können (https://www.facebook.com/help/837523116348786). Genauso ist auch der Sticker für Stories nur in solchen Ländern verfügbar, in denen Facebook-Spendenaktionen möglich sind. Auf dieser Hilfe-Seite von Instagram unter dem Punkt „Countries where Non-Profits fundraising tools are available“ sind diejenigen Länder aufgeführt, in denen Organisationen von diesem Tool profitieren (https://help.instagram.com/2031680250470701).

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Tab. 7.1  Marketing-Funnel-Phasen: Kennzahlen nach Zielen. Hinweis: Kennzahlen können nicht strikt getrennt werden, sie gehen Hand in Hand, überschneiden sich. Folgende Beispiele Marketing-Funnel Bekanntheit, Aufmerksamkeit, Attention-Phase (Top Funnel) Erwägung, Interest-, Desire-Phase, (Middle Funnel)

Conversion, Action-Phase, (Bottom Funnel)

Kampagnenziel Kennzahl Markenbekanntheit Impressionen, Video-Aufrufe Traffic, Leadgenerierung

Impressionen, Video-Aufrufe, Engagement (Klicks, Kommentare), Followers, Anzahl Leads Conversion, Anzahl Spenden, Verkäufe/Spenden, Zuwachs an Spenden, Download Anzahl Downloads

Erfolg kontrollieren: Wichtige Kennzahlen Gerade weil die Ressourcen in gemeinnützigen Organisationen begrenzt sind, ist es umso wichtiger sicherzustellen, dass die Anzeigen im Rahmen des Social Media-Marketings nachweisbar erfolgreich sind. Die Analyse-Tools der Social-Media-Plattformen messen die Performance und Reichweite von Anzeigen und liefern der Organisation Berichte. Unter anderem wird recht genau dargestellt, welche Personengruppen eine Anzeige gesehen und damit interagiert haben (Kreische 2015). Die wichtigste Kennzahl ist für viele die Conversion, wie z. B. die Spende oder eine resultierende Newsletter-Anmeldung. Eine effiziente Methode, diese zu verfolgen, ist der Einsatz von Tracking-Pixeln, die von den Plattformen bereitgestellt werden (Abschn. 9.2). Kennzahlen gibt es viele. Darum ist es umso zentraler, eine Kennzahl vom jeweiligen Ziel abzuleiten. In Tab. 7.1 finden Sie die Kennzahlen, die sich entsprechend den Phasen des Marketing-Funnels und damit den Zielen zuordnen lassen (Tab. 7.1).

7.3.3 Online-Werbung Klassische Banner und innovative Werbeformen Online-Werbung wird irrtümlich oft als Online-Marketing bezeichnet, wobei es jedoch ein Teilgebiet des Online-Marketings ist (Lammenett 2017). Online-Werbung (auch Digital Advertising oder auch Displaywerbung genannt) erscheint mit klassischen Bannern bei Inhaltsseiten wie News-Seiten, Blogs, in Social-Media-Diensten, auf andere Internetseiten oder innerhalb von Beiträgen auf Video-Plattformen. Der Klick auf beispielsweise ein Banner führt zur Landingpage (Zielseite), die gestalterisch und inhaltlich auf die Kernbotschaft, ein Hauptthema und ein Ziel fokussiert, um die Interessierten oder potenziellen Spender zum Ziel zu führen (beispielsweise Spende, Newsletter-Anmeldung, Download). Vier klassische Bannerformate dienten vor allem früher, teilweise auch heute, der gesamten Online-Werbebranche als Orientierung. Sie entspringen dem Universal Ad Package und sind international anerkannte Standard:

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• • • •

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Superbanner (728x90 Pixel) Rectangle (180x150 Pixel) Medium Rectangle (300x250 Pixel) und Wide Skyscraper (160x600/200x600 Pixel)

Die tatsächliche Bandbreite an Formaten in der Online-Werbung ist außerordentlich groß. So gibt es heute unzählige weitere Formate wie Bild-/Text-Banner, Animierte Banner, HTML-Banner, Transactive Banner (Abwicklung von Transaktionen auf dem Banner möglich), Streaming Banner (mit Audio- und Videoinhalten), Pixel Banner (Fläche wird von mehreren Werbetreibenden genutzt), Rich-Media-Banner (mit erweiterten Funktionen wie Videos, Spiele oder Tweets etc.) cc

Die Google Rich Media Gallery zeigt einige inspirierende Beispiele: richmedia­ gallery.com

Technische Infrastruktur zur Auslieferung von Bannern Organisationen können ihre Werbemittel wie Banner auf der eigenen Internetseite anbieten. Interessierte binden sie dann z.  B. über einen HTML-Code auf ihre Seite ein. Der Vertrieb und die Verbreitung sind jedoch aufwendig. Und wie messen sie den Erfolg, die Impressionen und Klicks? Ein weiterer Weg wäre über Online-Vermarkter oder Media-Agenturen, die wiederum den Kontakt zu Online-Vermarktern pflegen, zu gehen. Online-Vermarkter haben in ihrem Portfolio hunderte eigener und fremder Internetseiten und erreichen teilweise Millionen Nutzer. Die Markt- und Media-Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (agof) zeigt unter anderem digitale Reichweiten und Zielgruppenstrukturen Digitaler Vermarkter, Digitaler Gesamtangebote, Apps und Themen. Vermarkter oder Media-Agenturen bieten gemeinnützigen Organisationen meist Sonderrabatte an, mit etwas Glück auch unentgeltliche Pro-bono-Werbeplätze. Online-Vermarkter nutzen für die Bannerplatzierung datenbankbasierte Managementsysteme, sogenannte AdServer, welche die Banner zum entsprechenden Zeitpunkt und an die definierte Zielgruppe ausliefern, die Impressionen und Klicks messen und sie auswerten sowie optimieren. Es ist nicht einfach, die passenden Partnerunternehmen – ob Media-Agentur oder Vermarkter – für die Ausspielung von größeren Online-Werbekampagnen zu finden. Mit dem Wissen um die Zielgruppe, um konsumierte Online-Medien und um diverse Interessen der Zielgruppen kann das Angebot von Partnerunternehmen jedoch besser eingegrenzt und leichter eine Entscheidung getroffen werden. Donor Journey in der Online-Werbung Der Erfolg von Online-Werbung hängt vom strategischen und richtigen Einsatz der Werbung ab. Wie bei allen Maßnahmen gilt auch für Online-Werbung heute: für jede Phase der Donor Journey sowohl ein klares Ziel, die Zielgruppe und die zum Ziel passenden Anzei-

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genformate wählen, die Ergebnisse kontinuierlich überwachen und die Kampagne entsprechend optimieren. Die Conversion ist das übergeordnete Ziel aller Journeys. Auf dem Weg dorthin gibt es jedoch noch wichtige Schritte – von der Reichweite (Aufbau von Bekanntheit), Branding, Performance über Spendeneinnahmen bis hin zu Spenderbindung usw. Denn Vertrauen führt zu mehr Klicks. Eine starke Marke kann erfolgreiche Conversions bringen und zu besserer Spenderbindung führen. Abhängig von der Phase innerhalb der Donor Journey werden beispielsweise entsprechende Anzeigenformate und Botschaften verwendet, um spezifische Ziele zu erreichen. Online-Werbung ist ein sehr dynamischer Markt. Die schnellen und vielseitigen Entwicklungen im Auge zu behalten, ist herausfordernd. Zwei größere grundlegende Veränderungen auf dem Werbemarkt sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. Für gemeinnützige Organisationen bleibt es wichtig, diese Trends zu verfolgen, denn neben diversen Non-Profit-Programmen, die Social-Media-Plattformen anbieten, können auch kommerzielle Angebote ergänzend und effizient genutzt werden. Amazon: Marktplatz wird zur Suchmaschine Auf Amazon eignen sich z. B. Sponsored Brands Ads, um Aufmerksamkeit für die Organisation oder die Marke zu generieren (z. B. Top Funnel). Sogenannte Sponsored Products werden typischerweise im Bottom Funnel (z.  B. Action-Phase bzw. „Conversion“) verwendet. Nutzer mit einem bestimmten Interesse können mit Sponsored Display Ads angesprochen werden. Online-Werbung bei Amazon wirkt sich auch auf den organischen Amazon-­Traffic aus, denn gesponserte Klicks werden aufs Ranking der Suchergebnisseite gewertet. So werden Suchkampagnen mit Display-Anzeigen kombiniert, um Nutzer zu erreichen, die nach spezifischen Angeboten suchen. Amazon baut seine Advertising-Plattform mit ihrem Display-Netzwerk kontinuierlich aus. Diese wird auch über die Plattform hinausgehen – auf externe Partnerseiten. Amazon bietet damit Anzeigenformate in allen Phasen der Donor Journey an und könnte somit zu einem ähnlich großen Player wie Google und Facebook werden. Google: Suchmaschine wird zum Marktplatz Google nimmt diesen Trend bei Amazon ernst und zieht nach mit dem sogenannten „Google Market“, bei dem es darum geht, die gesamte Journey im Google-Universum abzubilden: von Aufmerksamkeit schaffen bis zum Verkauf bzw. zur Spende. Damit sich Google von der Suchmaschine zum Marktplatz verwandeln kann, bzw. die Nutzer nicht zu anderen Plattformen wie Amazon abwandern, können sie neue Produkte direkt bei Google beziehen. Mit der Einkaufsplattform in der Websuche „Google Shopping Actions“ (GSA) entsteht ein integrierter Marktplatz, wo der Einkauf auch per Sprachbefehl auf Google erfolgen kann, wenn GSA mit dem Google Assistant verknüpft sind. Produkte können direkt in der Google-Suchmaschine über die Transaktionsebene gekauft werden. Kaufund Bezahlprozess finden direkt auf der Google-Plattform statt. Nachteil dieser Lösung: Google fällt als Traffic-Quelle weg. Mit diesen neuen Lösungen entstehen auch neue

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Online-­Anzeigenformate wie sogenannte Shopping Ads, die über eine personalisierte Homepage jedem einzelnen Nutzer gezeigt werden und zu den „Google Shopping Actions“ führen. Ähnlich wie klassische Display Ads wird das neue Format Discovery Ads bekannten Google-Zielgruppen wie conversionbereiten Nutzern/Nutzerinnen, Remarketing-Zielgruppen sowie Targeting-Gruppen über Interessen und Demografie ausgespielt. Die Anzeigen stehen dem Discover-Feed der Google Discover Mobile App, im Home Feed der YouTube-App und in Gmail in den Tabs „Soziale Netzwerke“ sowie „Werbung“ zur Verfügung. Discovery Ads werden mit Hilfe von Machine Learning ausgespielt sowie in Nähe der zuerst konsumierten Informationen platziert. So sollen Streuverluste vermieden werden. Kennzahlen und Bezahlmodelle Der Einsatz der Werbemittel über Google Display oder YouTube Advertising, Facebook und Instagram Advertising, LinkedIn Advertising oder Amazon Advertising gehört heute zum Standard im Online-Marketing-Mix und bietet Vorteile: Alle Plattformen sammeln Informationen von Nutzern/Nutzerinnen und erstellen daraus Profile, um die Anzeigen auf deren Interessen auszuspielen und sie individuell auf die Zielgruppen anzupassen. Die Reaktion aufs Werbemittel, die Verweildauer auf der Landingpage und die Conversion können sofort gemessen werden. Dadurch kann die Kampagne sofort Step by Step angepasst und der Budgeteinsatz optimiert werden. Abhängig von der Plattform, vom Kampagnen-­Ziel und den Anzeigenformaten werden entsprechende Kennzahlen ausgewählt und berechnet. Für die Abrechnung von Anzeigen und Werbekampagnen haben sich mehrere Bezahlmodelle etabliert. Je nach Zielsetzung der Kampagne wird man sich für unterschiedliche Modelle entscheiden: • Cost per Click (CPC): CPC ist das häufigste Abrechnungsmodell. Kosten entstehen, wenn geklickt wird. Dadurch lässt sich das Kampagnenbudget einfacher planen und scheint kalkulierbar. Wichtig ist, die Kampagne auf möglichst viele Klicks zu optimieren. Denn umso mehr Impressionen die Kampagne erhält aber weniger Klicks, desto höher wird der Preis pro Klick. • Cost per Impression (CPI): Die Abrechnung erfolgt nach Reichweite. Dieses Bezahlmodell entspricht dem altbekannten Tausenderkontaktpreis. Kosten entstehen, wenn die Anzeige tausend Mal sichtbar angezeigt wurde. • Cost per Action (CPA): Entsteht eine Aktion (Conversion wie Spende oder die Anmeldung zum Newsletter) nach dem Klick auf die Anzeige, so entstehen Kosten. Die verschiedenen Bezahlmodelle müssen allerdings in Verbindung gesetzt werden mit der auf die Ziele der Kampagne und den zur Verfügung stehenden Ressourcen passenden Gebotsstrategie. So können beim manuellen Bieten genaue Beträge festgelegt werden. Alternativ wird beim automatischen Bieten lediglich ein Tages-, Gesamt- oder Kampag-

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nenbudget festgelegt. Dieses setzt der Werbeplattform einen Rahmen, in dessen Spielraum die Plattform auf Basis der aktuellen Verfügbarkeit und Konkurrenz selbst entscheidet, wie viele Klicks eine Anzeige erhält bzw. wie vielen Nutzern/Nutzerinnen sie angezeigt wird. Eine übergreifende Kennzahl, die im Online-Marketing ständig im Blick behalten wird, ist der Return on Advertising Spend (ROAS). Dieser wird auf Basis des Umsatzes abzüglich der Produkt- und Werbeausgaben berechnet. Er ermöglicht eine Differenzierung der Kampagnen nach den tatsächlich damit erzielten Gewinnen.

7.3.4 Affiliate-Marketing Affiliate-Marketing ist ein performanceorientiertes Partnerprogramm, ein internetbasiertes Provisionssystem, bei dem der eine Partner (Advertiser, auch Merchant), der Produkte oder Dienstleistungen anbietet, Provision an den anderen Partner (Affiliate, auch Publisher), dem Seitenbetreiber, zahlt, wenn dieser Besucher auf die Internetseite des ­Advertisers „schickt“. Der Advertiser belohnt den Affiliate-Partner mit einer Provision, wenn ein Besucher auf der Internetseite des Advertisers eine erfolgreiche Transaktion abgeschlossen hat. Affiliate-Marketing hilft, Zugang zu professionellen Affiliates zu erhalten, die ihnen die Möglichkeit geben, Organisations-Dienstleistungen (z. B. Infomaterial) oder Spendenprodukte (z.  B.  Spenden, Patenschaften, Mitgliedschaften u.  a.) über ihre Internetseite oder Plattform einer neuen Zielgruppe bekannt zu machen. Für Organisationen kann Affiliate-­Marketing eine kostengünstige und zeitsparende Maßnahme zur Neuspendergewinnung mit einem guten ROI sein. Da Affiliate-Marketing leistungs- und erfolgsbasiert abgerechnet wird, ist es im Vergleich zur klassischen Online-Werbung wie die Bannerwerbung planungssicherer. Seitenbetreiber (Affiliate, auch Publisher), die an einem Affiliate-Programm teilnehmen, erhalten eine Provision, wenn Besucher auf ihre Internetseite z. B. einen Banneroder Textlink mit einem sogenannten Affiliate-Link anklicken und ein Formular ausfüllen oder spenden. Allein mit vielen Besuchern verdienen Affiliates jedoch noch nichts. Erst wenn diese eine Conversion abschließen (z. B. Formular vollständig ausfüllen oder spenden), erhalten Affiliates eine Provision. Affiliates beziehen die Werbemittel und Links von Organisationen oder Unternehmen wie Shop-Betreibende (Advertiser, auch Merchant). Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung und der ePrivacy-Verordnung haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Affiliate-Tracking verschärft (BVDW 2020). Datenbasiertes Marketing wie Affiliate-Marketing ist von dieser Anpassung am stärksten betroffen. Organisationen als Advertiser (Merchants) können über affiliate-spezifische Cookies messen, wie viel Umsatz über ihre Affiliates eingehen und wie viel Provision sie an sie zahlen. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. erwartet, dass Cookie-­ Tracking durch alternative technische Verfahren abgelöst werde. Künftig würde sich damit das Affiliate-Marketing umfassend verändern (BVDW 2015).

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Netzwerke mit Vermittlerrolle Affiliate-Marketing kann in Eigenregie oder über ein Affiliate-Netzwerk durchgeführt werden. In Eigenregie fallen für die Advertiser zwar keine Gebühren und keine Provision an. Das Tracking muss jedoch selbst eingerichtet und Verträge müssen selbstständig aufgesetzt werden. Ein Vorteil gegenüber der Zusammenarbeit mit Netzwerken ist, dass jeder Klick auf das Banner oder den Textlink, der auf die Internetseite z. B. der Organisation führt, ein Backlink ist, was sich positiv auf die Suchmaschinenoptimierung auswirken kann, so Lammenett (2017, Kindle-Position1173). Betreuen Organisationen ein eigenes Affiliate-Programm, so kommt weiterer operativer Aufwand hinzu wie Provisionen prüfen, ggf. Stornierungen vornehmen, Anfragen der Affiliates beantworten, ansprechende Werbemittel wie Banner und Texte anbieten und regelmäßig aktualisieren sowie Marketing-­ Aktionen umsetzen. Aufwendig kann die Affiliate-Akquise werden, um neue Partner zu gewinnen. Wenn Organisationen sich für ein Affiliate-Netzwerk entscheiden, so sind zwischen dem externen Seitenbetreiber (Affiliates) und der Organisation (Advertiser) Affiliate-­ Marketing-­Netzwerke wie Awin AG, Belboon oder TradeTracker zwischengeschaltet. Das Affiliate-Marketing-Netzwerk übernimmt eine Vermittlerrolle. Gegen Gebühren bietet es Services und Infrastruktur an wie Tracking, Kundenmanagement, Zahlungen, technische Hilfestellungen. Affiliate-Marketing-Netzwerke tracken Affiliates im Netzwerk mittels Cookies und erkennen, welcher Affiliate welche Conversion generiert. Klicken Besucher einer Internetseite auf Affiliate-Links, wird ein entsprechender Cookie in ihren Browsern gesetzt. Sobald Besucher ein Formular ausfüllen oder eine Spende auf der Internetseite des Advertisers tätigen, wird ein Tracking-Pixel ausgelöst, der dafür sorgt, dass der Abschluss im System der Affiliate-Marketing-Netzwerke registriert wird. Affiliates erhalten damit ihre Provision. Wenn Organisationen als Advertiser (Merchants) an einem Affiliate-Marketing-Programm teilnehmen, bieten sie ein attraktives Provisionsmodell, damit Affiliates die Werbemittel der Organisation auf ihrer Internetseite bewerben. So bietet OXFAM Deutschland laut 100partnerprogramme.de eine Verkaufs-Provision von 3,50 Euro und ab dem 11. Verkauf 5,00 Euro an. Greenpeace Deutschland zahlt sogar 15,60 Euro pro Fördermitglied oder 6,25 Euro pro Einzelspende. Wohingegen SOS Kinderdörfer und Savethechildren ihren Affiliates nichts zahlen. cc

Als größte Suchmaschine für Partnerprogramme in Deutschland führt 100partner­ programme.de tausende Partnerprogramme für Publisher. Das Portal listet ebenso Partnerprogramme von gemeinnützigen Organisationen auf mit Vergütungsangaben und Hinweisen wie z.  B. in welchem Affiliate-­ Netzwerk Organisationen wie OXFAM Deutschland ihr Programm anbieten.

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7.3.5 Video-Marketing Videos kommen in jedem Teilgebiet des Online-Marketings zum Einsatz und haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Videoinhalte bleiben länger in Erinnerung als Text­ inhalte. Botschaften lassen sich über Video oft direkter transportieren als über Texte und erzielen eine höhere Reichweite. Diese Reichweite lässt sich für Fundraising-Ziele nutzen. Die Möglichkeiten für Online-Anzeigen sind vielfältig: über das Video selbst und über das Umfeld. Portale und Plattformen gibt es viele, über welche die Botschaften geworben werden können. YouTube, Vimeo, Facebook, LinkedIn, das Google Display Network und zahlreiche weitere Dienste bieten die Möglichkeit, Videos als Online-Anzeigen zu platzieren. Das Interesse und die Ausgaben für Video-Advertising wachsen stetig (Lammenett 2017. Kindle Position 2007). Video-Anzeigen mit wenig Streuverlust Video-Anzeigen können über Video-Portale und Social-Media-Plattformen sehr genau auf die Zielgruppe abgestimmt und ausgespielt werden – über das sogenannte Targeting. So lassen sich Streuverluste gering halten. Beispielsweise schließt das Targeting bei YouTube das Placement (also das Umfeld von Kanälen und Videos), die Themenauswahl, die ­Interessen und Demografie der Nutzer sowie das Remarketing (in Verbindung mit Google Analytics) mit ein. Wenn Videos prominent in den organischen (nicht bezahlten) Suchergebnissen erscheinen sollen, so unterstützt die Google Search Console, in die eine Video-Sitemap eingebunden werden kann. Mit der Video-Sitemap erhält Google alle wichtigen Informationen über die Video-Inhalte, die dann entsprechend vom Algorithmus der Suchmaschine erkannt und indexiert werden können. Die Werbeformate der Plattformen passen sich den Sehgewohnheiten der Nutzer an. Ein Beispiel hierfür sind die 6-Sekunden-Bumper-Werbespots, welche YouTube als Reaktion auf die geringe Aufmerksamkeitsspanne auf mobilen Endgeräten einführte. Inhalte und kreative Elemente sollten einfach gestaltet sein, damit die Anzeige leichter verstanden wird und in Erinnerung bleibt. Eine YouTube „Bumper Machine" hilft, längere Videos auf 6 Sekunden zu kürzen. Das Tool erkennt dabei relevante Szenen selbst und filtert die Markenbotschaft heraus (Gemsa 2019). Bumper-Ads eignen sich ebenso als Ergänzung zu Print- und Außenwerbung. Emotionales Storytelling für Awareness und Spenden Emotionales Storytelling bringt Bekanntheit und erfolgreiche Fundraising-Resultate. Ein Beispiel hierfür ist das Video „Karaoke gegen Krebs“. Kinder und Mitarbeiter des Kinderkrankenhauses Dartmouth-Hitchcock singen Playback den Song „Roar“ der Sängerin Katy Perry, in dem es darum geht, niemals aufzugeben, sich nicht unterkriegen zu lassen, als Kämpferin und Siegerin immer wieder aufzustehen. Bis heute erreichte das Video über fünf Millionen Views.

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Der Videoproduzent Jan Heilig (2019) führt den Erfolg des Videos auf das emotionale Storytelling zurück: „Für Fundraising- oder Awareness-Clips muss noch eine emotionale Komponente hinzukommen. Das ist hier im Video oben quasi immanent bei diesen unglaublich mutigen Kids im Cancer-Hospital, denn der Song passt natürlich inhaltlich perfekt. Aber wer in Social Media einmal über die eigenen Abonnentenzahlen hinauskommen will, hat hiermit eine sehr gute Chance.“ Videos, die bedeutende Erfolge erreichen, müssen nicht mit hohen Kampagnenkosten produziert worden sein. Die interaktive Video-Idee „Blowing in The Wind“ (Vgl. https:// vimeo.com/87648696) wurde ursprünglich von einem schwedischen Kosmetik-Unternehmen in einer Stockholmer U-Bahn umgesetzt. Fünf Tage nachdem das Video veröffentlicht wurde, hatte es auf der Video-Plattform Vimeo mehr als 1,6 Millionen Views. Die Swedish Childhood Cancer Foundation nimmt die Idee des schwedischen Kosmetik-­Unternehmens auf und überrascht mit einer unerwarteten, schockierenden Bildund Text-Botschaft: „Every day a child is diagnosed with cancer“. Mit dieser Wirkung sorgen sie für über 12 Millionen Views, Aufmerksamkeit und Spenden (Abb. 7.1). Erfolgskontrolle von Video-Aktivitäten Video-Anzeigen sind im Vergleich zu anderen Formaten vergleichsweise günstig. Werbekosten fallen an, wenn ein Video aufgerufen wurde, eine Interaktion stattfand oder es mindestens 30 Sekunden abgespielt wurde. Als Interaktions-Elemente kommen hier beispielsweise Klicks auf Overlays mit Call-to-Action, Infokarten oder Companion-Banner in Frage.

Abb. 7.1  „Every day a child is diagnosed with cancer‟ der Swedish Childhood Cancer Foundation. (Quelle: YouTube)

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Auswertungen des zielgruppenspezifischen Targetings und der  Video-­Remarketing-­ Kampagne lassen erkennen, wo sie optimiert werden können: welche Themen oder Kanäle zu gewünschten Interaktionen mit der Anzeige führten und wo entsprechend angepasst werden kann. Die Erfolgskontrolle von Video-Aktivitäten findet auf mehreren Ebenen statt. Ableitungen zur inhaltlichen Qualität spiegeln am ehesten die Klickzahlen, die View-Through-Rate und das Engagement wider. Neben der konzeptionellen und technischen Produktionsqualität des Videos an sich, kommen hier beispielsweise der Video-Titel, die Video-Beschreibung und enthaltene Keywords zum Tragen. Die ökonomische Erfolgsmessung hat die Optimierung des Cost-per-View zum Ziel, die beispielsweise durch Anpassungen in Gebotseinstellungen oder Frequency Capping erreicht wird. Weitere Kennzahlen wie die Conversion Rate hängt von den Zielsetzungen ab, mit denen ein Video vermarktet wird.

7.3.6 Online-PR und Content-Marketing Standen früher die einzelnen Kanäle und Zielgruppen im Fokus, so sind es heute die Themen: „Content first“ lautet der entsprechende Leitspruch. Claudia Mast, Professorin für Kommunikationswissenschaften und Journalistik an der Universität Hohenheim (­ Stuttgart) „Viele […] ersetzen das traditionelle, medienorientierte Planen und konzentrieren sich auf Produktionsprozesse für attraktive Inhalte. Über welche Kanäle und an welche Stakeholder sie dann verteilt werden, wird anschließend entschieden“ (Mast 2018, S. 19). Das heutige Verständnis von Content-Marketing und Online-PR ist recht divers. Lammenett (2017) beschreibt anschaulich verschiedene Perspektiven: Für den Social-­Media-­ Manager sei es das Seeding, also die Verbreitung von Inhalten einer Non-Profit-Organisation auf Plattformen. Für Verantwortliche der Öffentlichkeitsarbeit hingegen sei es der Kontaktaufbau und die Ansprache von Journalisten. Mit dem Blick der Suchmaschinenoptimierung (Abschn. 4.2) sollen es Methoden sein, um relevante Backlinks aufzubauen. Die Content-Spezialisten/-Spezialistinnen wiederum würden darunter die Konzeption von Inhalten verstehen, die für bestimmte Zielgruppen in der Donor Journey als Magnet und Instrument des Inbound-Marketings fungieren (Lammenett 2017 Kindle Position 2303). Im Grunde genommen sind alle dargestellten Herangehensweisen an Online-PR und Content-Marketing grundsätzlich berechtigt und notwendig. So meint der Content Strategist Mirko Lange (2017), dass es sich um eine übergreifende, strategische Marketing-­ Disziplin handele, die verschiedene Kommunikationsstränge, Geschichten und ihre Erzählstränge zusammenführe. Auch, wenn der Online-Medien-Konsum weiter steigt, sind klassische Medien nicht auszuschließen. Medienarbeit, Veranstaltungen und Print-Maßnahmen sind wichtige Säulen im Dialog mit den Stakeholdern. Online-Kommunikation wie Online-PR und Content-­

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Marketing kann nur erfolgreicher sein, wenn sie integrierter Bestandteil der Gesamtkommunikation ist. Public Relations Die International Public Relations Association (IPRA) definierte Ende 2019 Public Relation (PR) neu – kurz und bündig: cc Public Relations ist eine Entscheidungs-Management-Praxis, die darauf abzielt, Beziehungen und Interessen zwischen Organisationen und ihrer Öffentlichkeit aufzubauen, basierend auf der Bereitstellung von Informationen durch vertrauenswürdige und ethische Kommunikationsmethoden. Der Kommunikationsberater Klaus Eck (2010) hat passend den Unterschied zwischen klassischer PR und Online-PR zusammengefasst: „Online-PR unterscheidet sich von der klassischen PR vor allem durch die Dynamik, die das Internet mit sich bringt. Durch Echtzeitkommunikation und User-Generated-Content sind die Bedingungen, in denen Beziehungen zur Öffentlichkeit aufgebaut werden, deutlich komplexer. Durch Online-PR sollen diese Komplexität im Überblick gehalten und das Image beeinflusst werden. Online-PR baut Beziehungen zu den relevanten Influencern auf, tritt in Kontakt mit den Stakeholdern, verbreitet das Markenimage durch diverse Kanäle nach außen und bietet Informationsund Kontaktmöglichkeiten.“ Und wie ist die gemeinsame innere Haltung? Ist die Organisation bereit für Online-PR? Setzen sich alle – vom Mitarbeiter bis zum Vorstand – nachhaltig für Online-PR ein? Diese Haltung und Wertschätzung erwähnt Dr. Ansgar Zerfaß (2017, S. 10), Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig: „In der Online-PR ist die Klärung der eigenen Möglichkeiten – im Hinblick auf die Organisationskultur ebenso wie auf die Ressourcen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ist im Einzelnen zu klären, wie die Stakeholder der eigenen Organisation das Internet nutzen und unter welchen Bedingungen sie überhaupt mit Unternehmen oder Organisationen online in Kontakt kommen möchte“. Influencer Relations Eine wichtige Veränderung, die der Entwicklung der Online-PR in den vergangenen Jahren zugrunde liegt, ist die Abkehr vom Journalisten als (einziger) relevanter Adressat in der Generierung von Reichweite und Image. Influencer, Online-Meinungsführer, Podcaster, Blogger und andere Medienproduzenten sind als weitere zu adressierende Meinungsmacher hinzugekommen. YouTuber wie LeFloid erreichen mit ihren Videos aus einer Mischung von kuratierten und kommentierten News und Alltagsthemen ähnlich viele Menschen wie eine Ausgabe der Tagesschau. Unvergessen sind die Reichweite und Reaktionen, die beispielsweise der einstündige Meinungsbeitrag „Die Zerstörung der CDU“ von YouTuber Rezo kurz vor der deutschen Bundestagswahl 2019 erzielte (Breher 2019).

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Unabhängig von Format und Themenfeld handelt es sich um Menschen, die in ihrer jeweiligen Community über ein hohes Ansehen verfügen. Ihnen kommt hier eine indirekte Leitfunktion zu, welche für Werbe- und PR-Maßnahmen genutzt werden kann. Anstatt kurzfristiger Reichweite durch einmalige Nennungen oder das Weiterleiten von Beiträgen der Organisation steht bei den Influencer Relations ein nachhaltiger Beziehungsaufbau zwischen Influencer und Non-Profit-Organisation im Vordergrund. Die Authentizität und Reichweite der Influencer soll genutzt werden, um ein Spendenprodukt, ein Projekt oder eine Kampagnen-Message zu transportieren. Voraussetzung für das Gelingen ist, dass die Person das Anliegen der Non-Profit-Organisation versteht und teilt (Urban-Engels 2016, S. 697). Online-PR und Werbung Aktivitäten in der Online-PR können oft nicht einfach mehr von denen in der Online-­ Werbung, im Content-Marketing oder im Social-Media-Marketing direkt unterschieden werden. So haben PR und Werbung die gleiche Basis: Beeinflussung per Kommunikation; sie wollen Einstellungen, Meinungen und Verhalten der Zielgruppe verändern. PR hat im Vergleich zur Werbung zum Ziel zu informieren und Vertrauen zu bilden. Die Werbung bezahlt ihren Platz in den Medien, in denen die Botschaft unverändert präsentiert wird. PR hingegen motiviert die Medien, Themen und Argumente aufzunehmen und sie weiterzuverarbeiten. So ist z. B. das Native Advertising verwandt mit PR-Texten, das sogenannte Advertorial. Die Grenzen zwischen Werbung und PR verschwimmen dabei, denn der Text wird redaktionell aufgebaut, um den Anschein zu erwecken, es handle sich um einen unabhängigen, redaktionellen Artikel, aber als Werbung platziert. Content-Marketing-Strategie Einige Non-Profit-Organisationen haben in den vergangenen Jahren für jeden einzelnen Kanal (u. a. E-Mail, PR, Social Media) jeweils einzelne Strategien erstellt. Jeder Kanal hatte eigene Ziele, Zielgruppen und alle verfolgten eine eigene Donor Journey. Dieses Silo-Denken ist ineffizient und nicht zielführend. Stattdessen sollte eine gemeinsame Strategie entwickelt werden, die der Zielgruppe konsequent einen Nutzen bringt – abhängig von ihren Bedürfnissen und der jeweiligen Situation – ganz unabhängig vom Kanal. Nicht über das Anzeigenformat für Facebook, Twitter oder Instagram soll zu Beginn nachgedacht werden und wie es möglichst mit hoher Reichweite sowie mit vielen Klicks verbreitet werden kann, sondern über das Bedürfnis der Zielgruppe. Die Zielgruppe interessiert sich nicht für die Marke, sondern für ihre eigenen Bedürfnisse und die Lösung ihres eigenen Problems. Die Organisationsziele sollten dennoch im Auge behalten werden – der Nutzen für die Zielgruppe sollte sich auch positiv auf die Marke auswirken. Kommunikation ist heute ein komplexes System, in dem viele verschiedene Player interagieren und ihre Interaktionen Auswirkung auf andere haben. Es gibt keine klare Ursache-­Wirkung-Kette mehr. Wenn es komplexer wird, kann eventuell nach einer Aktion

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gesagt werden, warum etwas nicht funktionierte. Vorausschauend jedoch zu sagen: Wenn das gemacht wird, geschieht genau jenes, ist nicht mehr möglich. Umso wichtiger ist es heute, eine übergeordnete Story- und Themen-Strategie im Interesse der Zielgruppe zu entwickeln. Sie gibt Orientierung und entwickelt Vertrauen. Diesen Wechsel von der früheren Kanal- zur heutigen Content-Strategie geht Mirko Lange (2019) wie folgt an: „Die Themenstruktur entwickelt [man] aus einem zentralen Narrativ heraus, welche quasi die Positionierung des Unternehmens ist. Dann werden Themenfelder und Themen für das ganze Jahr definiert. Was in der Jahresplanung noch grob ist, wird schrittweise in der Quartals-, Monats- und ggf. Wochenplanung konkretisiert, wozu jeweils Gesamt-Redak­ tionsmeetings stattfinden“. Content-Verantwortliche haben die Aufgabe, alle internen Content-Produzenten dazu zu bringen, „gemeinsam zu planen und gemeinsam zu produzieren. Nur dann ergeben sich große Synergie-Effekte. Vor allem wird es einem dann auch gelingen, die so genannte ‘Customer Journey’ abzudecken: Denn der Kunde ist ja über viele Kanäle mit dem Unternehmen in Kontakt, und je besser diese auf einander abgestimmt sind, desto besser sind die Ergebnisse“, erläutert Lange (2017) in seinem strategischen Content Marketing Framework. CC

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Verfolgen Organisationen mit ihren Kampagnen eher kurzfristige oder langfristige Ziele? Kurzfristige sind auf Reichweite und einen „viralen“ Effekt aus, um z.  B. neue Besucher und in Folge eine Conversion zu generieren. Doch was tun, wenn die Aufmerksamkeit sinkt? Langfristige Ziele richten sich darauf aus, die Zielgruppe besser zu verstehen und ihr über eine effiziente Kommunikation einen Nutzen zu generieren, um eine nachhaltige Wirkung entstehen zu lassen. Aufmerksamkeitsstarke Kampagnen können diesen Content ergänzen (Roth 2015).

E-Mail-Marketing

E-Mail-Marketing ist ein klassisches Marketing-Instrument und eines der ältesten noch dazu. Die erste E-Mail sei vor fast 40 Jahren versendet worden. Ihren Siegeszug startete die E-Mail in Deutschland 1984. Wie beliebt die E-Mail einmal werden würde, ahnte damals niemand. In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation ständig erweitert, doch die Zahl der versendeten E-Mails weltweit stieg und steigt weiter an (Janssen-Holldiek 2019, S. 42). Es ist nach wie vor einer der relevantesten Kanäle im Online-Marketing. Gleichzeitig gehört E-Mail-Marketing zu den wohl am meisten unterschätzten Online-Kanälen. Die Ansprache potenzieller Online-Spender über E-Mails funktioniere immer besser. Und den großen Organisationen gelinge es bereits gut, dass viele Spenden am Ende des Besuchs auch tatsächlich getätigt würden. Die E-Mail als Fundraising-Instrument wird laut dem NGO-Meter eher von großen Organisationen genutzt als von kleinen und sehr kleinen Organisationen. Als größte Herausforderung für die geringe Nutzung wird vor

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allem mangelnde Zeit und Geld genannt (betterplace lab 2019). Die unterschiedliche Anwendung zwischen großen und kleinen Organisationen kann jedoch nicht im Aufwand des Instruments liegen: preisgünstig, schnell, aktuell, rücklaufstark, messbar, multimedial und durch Textbausteine auf den E-Mail-Empfänger individualisierbar (Aschoff 2005). Online-Fundraising ist der Aufbau von persönlichen Beziehungen. Die wichtigste Zielsetzung des E-Mail-Marketings aus Sicht des Fundraisings ist die Gewinnung (potenzieller) Spender – qualifizierte Interessierte, als auch Einzel-, Dauer- und Anlassspender (Urselmann 2018). E-Mail-Marketing verfolgt auch die Zielsetzung der Bindung (potenzieller) Spender beginnend mit dem Dank für die Erstspende. Der grundsätzliche Nutzen von E-Mails liegt in der fortgeschrittenen Marketing-Automation und einem möglichen hohen Grad an Individualisierung. Damit kann die Spenderbeziehung individueller und systematischer als bei vielen Offline-Maßnahmen aufgebaut werden. Der Einsatz von E-Mails im Fundraising war lange Zeit auf das Instrument Newsletter in Form von Massenmailings reduziert. Mittlerweile ist jedoch eine deutliche Professionalisierung erkennbar, welche durch Marketing-Automation geprägt ist und die Ansprache zunehmend individualisiert.

7.4.1 Erfolgsfaktoren im E-Mail-Marketing Es ist verlockend: Einfach eine E-Mail-News (Newsletter) schreiben und an eine Gesamtliste mit vielen Empfängern versenden. Kurzfristig ist diese schnell erstellt, jedoch ist eine solche Vorgehensweise langfristig nicht nur mit viel Aufwand, sondern auch mit hohem Streuverlust verbunden (Prescher 2019a). Hinter erfolgreichem E-Mail-Marketing verbirgt sich eine sorgfältige Planung, die mit dem Ziel, neue Spender zu gewinnen und zu binden beginnt, und mit den Zielgruppen und Segmenten weiterführt. Auf diese Weise können den Interessierten spezifische Angebote nähergebracht werden. Um E-Mail-Marketing gezielt umzusetzen, werden eine strategische Analyse vorangestellt, quantitative, qualitative Ziele bestimmt und die Inhalte nach den definierten Zielund Spendergruppen ausgerichtet. Auf dieser Basis können Entscheidungen zu Donor Journeys, über etwaige Automatisierungen und entsprechende Kennzahlen zur Erfolgsmessung getroffen werden. Checkliste: Planen von E-Mail-Marketing im Gesamtkontext

• Wer ist die wichtigste Ziel-/Spenderperson im Fundraising für die Organisation? Warum? • Welche Bedürfnisse hat diese Person? • Welche Datengrundlage liegt bei dieser Person vor (Offline/Online)? • Welches Thema (Story) und welches Spendenprodukt eignen sich für diese Person? • Was möchte die Organisation im Fundraising erreichen? (SMARTe Ziele formulieren)

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• Ziele priorisieren (langfristig/kurzfristig; wichtig/weniger wichtig; indirekt/direkt etc.). • Über welche Kennzahlen können die Ziele gemessen werden? • Warum E-Mail-Marketing und wie mit anderen Maßnahmen (on- und offline) integrieren? ◄ E-Mail-Marketing-Plan gezielt umsetzen Sind strategische Grundlagen festgelegt, kann nun die Umsetzung beginnen. Hierzu gibt es keinen Standardplan. Wichtige Meilensteine können aber folgende sein: 1. Adressen gewinnen und Permission einholen –– Newsletter-Anmeldung prominent platzieren und bewerben 2. Segmentieren –– Relevante Daten von Interessierten erhalten –– Double-Opt-in nutzen und Sicherheit sowie Vertrauen schaffen –– Der Willkommensmail wichtige Botschaften (projekt-, oder/und spendenbezogen) und Link zum Profilanreicherungsformular beifügen 3. Inhalt gestalten –– Segmentieren und individuelle Inhalte versenden 4. Testen und optimiert versenden –– A/B-Tests durchführen 5. Landingpage einfach und schnell erstellen 6. Erfolg kontrollieren: Wichtige Kennzahlen –– Versände auswerten und verbessern –– Wiederkehrende Prozesse automatisieren und langfristig Zeit sparen Jede Organisation sollte kritisch prüfen, ob E-Mail-Marketing-Automation (oder vereinfachte automatisierte Versendungen (Trigger)) für sie Sinn macht. Bei einer Umweltschutzorganisation mit einem relativ festen Spenderstamm lassen sich Automationsprozesse einfacher abbilden, als bei einer Katastrophenhilfeorganisation, die schnell handeln muss und eher spontane Spender aktiviert. Checkliste: Planen einer E-Mail-Kampagne

• Warum E-Mail einsetzen? Welches Ziel soll erreicht werden und wie kann E-Mail dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen? (Zuerst die Zielsetzung und alle weiteren Rahmenbedingungen, dann an die Technik denken.) • Wie sind die Rahmenbedingungen intern? Ist die Basis an Nutzer-Information ausreichend, um E-Mail-Marketing durchzuführen? Wie ist die Datenqualität für eine möglichst persönliche Ansprache? • Sind die Bedürfnisse der Zielgruppe bekannt? Ist das Wissen demzufolge vorhanden, mit E-Mail-Marketing und entsprechenden Inhalten optimal anzusetzen?

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• Sind mögliche Touchpoints der Nutzer mit der Organisation/mit dem Projekt – vom Erstkontakt zur Erst-Conversion (z. B. Spende) – bekannt? Können Klickpfade, in dem alle Kommunikations- und Fundraising-Maßnahmen mit dem gleichen Ziel zusammengefasst werden, abgebildet werden? Sind die Erwartungen und Erfahrungen, die der Nutzer macht, bekannt? ◄

7.4.1.1 Adressen gewinnen und Permission einholen Beständige Aufgabe von sozialen Projekten und Non-Profit-Organisationen ist es, ihre Reichweite auszubauen, um neue Interessierte und Spender zu gewinnen. Hierfür sollten sie auf eigene Ansprachewege setzen. Denn gekaufte E-Mail-Adressen führen meist nicht zum Erfolg – das haben zahlreiche Tests ergeben (Urselmann 2018). Nur Interessierten und Spendern, die die Organisation kennen und deren Interessen sie verfolgen, können relevante Inhalte geboten werden. Anmelde-Button an gewohnter Stelle Besucher, die sich gezielt zum Newsletter anmelden, möchten dies schnell und einfach tun. Sie suchen schon fast intuitiv auf der Startseite, oben rechts oder im Footer, weil dies übliche Platzierungen auf vielen Internetseiten sind. Platzierung inspiriert zum Anmelden Viele Besucher gelangen über externe Quellen auf Internetseiten, weil sie Informationen zu einem gewünschten Thema lesen wollen. Hier genügt ein E-Mail-Anmeldebutton im Header oder Footer oft nicht. Idealerweise knüpft das Newsletter-Anmeldeformular mit einem kurzen Teaser am Inhalt an und bietet dem Leser damit einen Mehrwert, welcher ihn inspiriert, sich spontan zum Newsletter anzumelden. Spontan überrascht und angemeldet Auch ein Popup, ein Fenster, welches sich bei einer bestimmten Mausbewegung des Besuchers öffnet, kann zu mehr Anmeldungen führen. Zu beachten ist, dass das Popup lediglich ein- bis zweimal pro User angezeigt wird. Die Einstellungen dazu können über das Content-Management-System (CMS) oder über ein entsprechendes Popup-Tool vorgenommen werden. Formular-Potenzial Die Einwilligung für künftige Versände kann mittels Spendenformular über ein Häkchen im Kontrollkästchen eingeholt werden (Windelband 2020). Wird der Spendenprozess abgebrochen, darf nur dann eine E-Mail versendet werden, wenn bereits eine Einwilligung der Person vorliegt. Wenn Spender die Internetseite monatelang nicht besuchten, könnten Reaktivierungsmails helfen (Prescher 2019b). So haben Formulare viel Potenzial, um mit dem Spender in Dialog zu treten.

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Offline wie online Kontaktpunkte wie Veranstaltungen, Kongresse, Messen, Seminare, Workshops und anderen Events können genutzt werden, um E-Mail-Adressen zu sammeln. Es braucht auch hier eine ausdrückliche Zustimmung der Interessierten zum künftigen E-Mail-Versand über ein Double-Opt-in. Die Einwilligung ist direkt z. B. über Tablet digital einzuholen (über das Anmeldeformular) oder über die Unterschriften auf einem Erfassungsbogen, die das Einverständnis belegt. Externe Quellen Externe Quellen wie Google-Grants-Anzeigen, die auf eine spezifische Landingpage (Zielseite) verlinken, die auf die Newsletter-Anmeldung fokussiert, können erfolgsversprechend sein. Über Google Analytics kann das Verhalten der Besucher ausgewertet ­werden. Auf Internetseiten, die besonders gut besucht werden, lohnt es sich, eine contextbezogene Newsletter-Anmeldung einzubinden. Mit SEO-Kampagnen für Interessierte passende Themen identifizieren und zu diesen Texte verfassen, in denen ein Anmeldeformular integriert ist, ist eine weitere Möglichkeit Anmeldungen zu erhalten. Intern wie extern Neue E-Mail-Adressen gehen nicht nur über externe Quellen ein. Auch die Mitarbeitenden einer Organisation haben die Aufgabe, sobald sie Kontakte aufnehmen, abzufragen, ob sie News per E-Mail erhalten möchten. Für das Einverständnis des Empfängers zum Erhalt von E-Mails senden sie den Interessierten den Link zur Anmeldung zu. Double-Opt-in: zweifache Bestätigung Permission (auch: Consent) ist die ausdrückliche Erlaubnis des Interessierten, ihm „Werbung“ zuzusenden. Über das Double-Opt-in-Verfahren im E-Mail-Marketing fordert die Organisation das Einverständnis des Empfängers zum Erhalt von E-Mails, nachdem sich der Interessierte freiwillig in das Anmeldeformular eingetragen hat. Mit dem Verfahren werden nicht nur qualifizierte E-Mail-Adressen und die aktive Einwilligung, sondern auch die rechtlichen Erfordernisse des Datenschutzes sichergestellt. Double-Opt-in bedeutet, dass Interessierte ihren Eintrag in den E-Mail-Verteiler zweimal bestätigen: Anfangs tragen sie E-Mail-Adresse ins Bestellformular ein und senden das Formular ab. Abschließend erhalten sie eine E-Mail, über die sie aufgefordert werden, ihre Anmeldung mit Linkklick zu bestätigen. Damit dokumentieren sie ihre Einwilligung und verifizieren die E-Mail-Adresse. Die E-Mail-Software speichert beide Einträge. Die Organisation hat nun den eindeutigen Nachweis, wann sich Interessierte angemeldet haben. Die Double-Opt-in-E-Mails sollten mindestens im Betreff einen Bezug zur Newsletteranmeldung haben, damit die Interessierten die E-Mails auch später noch zuordnen können und die Anmeldung bestätigen. Diese E-Mail muss bereits den Hinweis zur Abmeldemöglichkeit und Abmeldelink, die Angabe, dass Daten nicht an Dritte weitergegeben werden und einen Link zur Datenschutzerklärung enthalten. Auch in jeder künftigen E-Mail muss ein Abmeldelink vorhanden sein.

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Wichtig ist, dass in der Double-Opt-in-E-Mail keine weiteren Inhalte geschickt werden dürfen als solche, die sich explizit auf die Anmeldung beziehen. Erst nachdem das Double-­ Opt-­in abgeschlossen wurde, dürfen organisations- oder projektspezifische Inhalte, z. B. über eine nachfolgende Willkommensmail, versendet werden. Beispiel WWF Schweiz

WWF Schweiz versendet nach der Newsletter-Anmeldung auf der Internetseite eine Bestätigungs-E-Mail mit dem Betreff: „Anmeldung zum WWF-Newsletter“. Wird diese E-Mail nicht geöffnet oder nicht geklickt, erhält der Interessierte eine Reminder-­ E-­Mail mit Betreff: „Moment – da fehlt noch was…!“ Das Headerbild emotionalisiert und bestärkt, die Anmeldung zu bestätigen. Die Anrede ist noch nicht personalisiert, da dem Tool personenbezogene Daten erst nach Newsletter-Bestätigung zur Verfügung stehen. Der Call-to-Action ist klar und lädt zum Klicken, also zum Bestätigen, ein. Der Text nimmt Bezug auf künftige Newsletter-Themen und hebt den Nutzen hervor. Die Abmeldemöglichkeit wird erwähnt. In Deutschland müsste noch der Abmeldelink mitgesendet werden, in der Schweiz ist dies (noch) keine Pflicht. ◄

Ungültige Adressen Nicht erreichbare E-Mail-Adressen markiert eine professionelle E-Mail-Marketing-­ Software automatisch als Softbounce (z. B. bei einer Abwesenheitsnotiz) oder als Hardbounce (sobald die Adresse permanent ungültig ist). Diese werden nicht mehr angeschrieben. Bei jedem Adress-Import erkennt die Software ungültige Adressen. Bounces sollten darum nicht vollständig aus dem Tool gelöscht werden, da das Tool sie als solche kennzeichnet, was dem künftigen Versand dienlich ist. Mehrmals angeschriebene ungekennzeichnete Bounces verschlechtern die Qualität des E-Mail-Kontos. Sie verschlechtern die Responserate nach Versand und ziehen aufgrund von heute immer intelligenter werdenden Empfänger-E-Mail-Postfächern Reichweitennachteile mit sich – so könnten Kampagnen beispielsweise schneller als Spam-E-Mails gekennzeichnet werden (Strzyzewski 2014, S. 271).

7.4.1.2 Segmentieren und personalisieren Das volle Potenzial kann E-Mail-Marketing nur dann entfalten, wenn es sinnvoll auf die Zielgruppen oder Segmente abgestimmt und gut in einem Mix von (Fundraising-)Massnahmen integriert ist. Individuelle Inhalte erhöhen die Aufmerksamkeit beim Empfänger, die Spenderbeziehung und damit die Öffnungs- und Klickrate, was sich positiv auf die Conversion (z. B. Spende) auswirkt. Im Vergleich von Online- und Offline-Maßnahmen wird klar, dass Online-Maßnahmen wie E-Mail-Marketing technisch viel einfacher geplant und umgesetzt werden können als Offline-Maßnahmen. Es kann beispielsweise geplant werden, wann welche Interessenten oder Spender welche E-Mails und in welcher Reihenfolge, mit welchen Inhalten zu wel-

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chen Themen erhalten sollen. Innerhalb einer E-Mail können unterschiedliche Segmente individuell adressiert werden. Mittels Donor Journey (Abschn. 9.1.1) lässt sich genau analysieren und planen, entlang welcher Kontaktpunkte (Touchpoints) sich die Beziehung zwischen Spender und Organisation entwickeln könnte. E-Mail-Marketing ist der rote Faden in der Supporter und Donor Journey (Prescher 2019c). Es ist die Kommunikation mit Interessierten, auch über den Spenderlebenszyklus hinweg. Die Supporter und Donor Journey hilft beim Segmentieren und kann über E-Mail optimal begleitet werden, z.  B. von Interessierten über Einzelspender, Dauerspender, Großspender bis zu Testamentspender. Relevante Inhalte und Daten erhalten und anreichern Die Segmentierung sollte so einfach wie möglich gehalten werden, um Schritt für Schritt die Fundraising-Ergebnisse zu verbessern. Informationen von Empfängern können erhalten werden, z. B. über: • Profildaten anreichern • Nutzerrelevante Inhalte identifizieren • E-Mail-Reaktionen auswerten Im Anmeldeformular kann beispielsweise sehr datensparsam lediglich die E-Mail-­ Adresse abgefragt werden, um Interessierte einen einfachen Newsletter-Eintrag zu ermöglich. Zu diesem Zeitpunkt sind das Interesse und das Involvement grundsätzlich hoch. Darum lohnt es sich besonders jetzt, nach dem Double-Opt-in-Anmeldeprozess über eine Willkommensmail weitere Daten abzufragen, z. B. über ein Profilanreicherungsformular auf der Landingpage. Beispiel WWF Schweiz

WWF Schweiz versendet nach der Newsletter-Anmeldung auf der Internetseite und nach der Bestätigungs-E-Mail mit Betreff: „Anmeldung zum WWF-Newsletter“ einen Tag später eine Reminder-E-Mail mit Betreff: „Moment – da fehlt noch was…!“. Zwei Monate später erhalten die Interessierten eine dritte E-Mail mit dem Betreff: „Kennen wir uns?“. Diese dritte Mail verlinkt auf ein Formular zur Profilanreicherung. ◄ E-Mail-Umfragen lohnen sich, um weitere Daten zu erhalten, beispielsweise den Geburtstag, die Anrede oder eine persönliche Meinung. Je passgenauer die Informationen, desto besser kann E-Mail-Marketing segmentieren und personalisieren. Typische Segment-­ Beispiele zeigt die Tabelle Tab. 7.2 auf. Um Inhalte zu identifizieren, die zu den ersten Schritten der Donor Journey passen, helfen Daten aus der Google Search Console oder aus Google Analytics dabei, Informationen über Zugriffe auf SEO-Content zu erhalten sowie Keywords, über die Nutzer auf die Internetseite gelangen oder Suchbegriffe, die in der Suchfunktion eingegeben wurden

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Tab. 7.2  Beispiele typischer Segmente E-Mail-Verhalten

Fundraising-Lifecycle-Phase

Spenden-Verhalten

Organisationsintern

Spendenformular-Verhalten

Lead-Scoring

Weitere

• Geöffnet • Geklickt • Innerhalb des letzten Monats geklickt • In den letzten 1-2 Monaten nicht geöffnet • Vor über 2 Monaten Seite aufgerufen • Nie geöffnet/geklickt/nicht reagiert • Klick auf Thema xy • Interessiert • Entwicklungsfähig • Gebunden • Gefährdet • Verloren • Erstspende • Mehrfach-Einzelspende • Dauerspende (regelmäßige Spende) • Patenschaft • Mitgliedschaft • Anlassspende • Großspende • Interessenten • Betroffene, Angehörige, Fachpersonen • Kampagnenbezogen • Themenbezogen • Erfolgreich abgeschlossen • Zahlungsmittel-Fehler • Abgebrochen • Anzahl der Aufrufe der Internetseite • Anzahl geöffneter E-Mails • Facebook-Aktivitäten • Twitter-Aktivitäten • LinkedIn-Aktivitäten • Newsletter-Registrierung • Datum des letzten Besuch • Du-/Sie-Anrede • Jung/Alt • Weiblich/männlich

(Schilling 2020). Diese Inhalte können per E-Mail geteilt werden. Besser noch wäre, wenn die Datenbank (oder das Automation-Tool) in der Lage ist, diesen Inhalt nur solchen Adres­ sen zuzusenden, die diesen Inhalt noch nicht auf der Internetseite beziehungsweise der Landingpage gelesen haben. Auf Basis dieser Daten kann der Content von E-Mails und Landingpage stark individualisiert werden wie die persönliche Anrede, Text, Spendenbetrag, der Absender, Versanddatum und -uhrzeit sowie die Darstellung der E-Mail inklusive Bildauswahl sowie Platzierung und Bezeichnung des Call-to-Actions.

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7.4.1.3 Inhalt gestalten Die meisten Leser haben wenig Zeit und überfliegen E-Mails lediglich. Der Grundsatz lautet deshalb: Haupt-Botschaften direkt am Anfang formulieren. Ein wiedererkennbares Format und ein regelmäßiger Versand gibt den Empfängern Orientierung. E-Mails mit Folge-E-Mails, E-Mail-Reminder und E-Mail-Re-Reminder (an Empfänger, die die vorhergehende Mail nicht geöffnet oder geklickt haben) können effizient das zuvor definierte Spendenziel steigern. Das Einhalten der rechtlichen Rahmenbedingungen im E-Mail-­ Versand sowie ein sorgfältiges und professionelles Arbeiten – fehlerfrei mit funktionierenden Links – gehören zu den Hygiene-Faktoren und sorgen für Vertrauen. Folgende inhaltliche Punkte sind für ein erfolgreiches E-Mail-Marketing zu beachten, damit E-Mails auf den ersten Blick überzeugen: • • • • • • • • •

Stories erzählen Konsequent HTML und Text Newsletter oder monothematische Fundraising-E-Mail Relevante Betreffzeile, die der Leser einordnen kann und die zum Lesen animiert Aussagekräftige Absender-Adresse Klare, konsistente Struktur Aktivierender Call-to-Action Mobile first Versandzeiten erkennen

Stories erzählen Empfänger wollen Themen, die sie interessieren. Sie möchten auf den ersten Blick erkennen, warum etwas wichtig ist. Klarheit, Einfachheit sind am wichtigsten und geben dem Leser Orientierung. Erfolge stecken an, Erfolgsgeschichten helfen, die Beziehung zum (potenziellen) Spender aufzubauen. Wenn eine Geschichte Empathie entlockt und die Einsätze des Helden klar werden, werden die Empfänger reagieren. Konsequent HTML und Text Mit professionellen E-Mail-Tools können drei Versionen erstellt werden: Textmails, HTML-­Mails oder Text- und HTML-Mails. Textmails werden oft als Pressemitteilung und kurze Informationen an Geschäftspartner versendet. Nachteil: Texte können nicht verlinkt werden und der gestalterische Spielraum ist sehr begrenzt. HTML-Mails hingegen lassen sich mit Bildern und Farbelementen einfach gestalten. Die Öffnungsrate bei HTML-Mails wird über einen Tracking-Pixel genauer gemessen als bei Textmails. Der überwiegende Teil der E-Mail-Empfänger liest HTML-Mails. Nur wenige haben ihren E-Mail-Client auf Textmails eingestellt. Um sicher zu sein, dass die E-Mail bei allen Empfängern gut lesbar ankommt, empfiehlt es sich, immer auch die Textversion der HTML-Mail zu kontrollieren und ggf. zu überarbeiten.

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Newsletter oder monothematische Fundraising-E-Mail Der Newsletter verfolgt meist das Ziel der Spenderbindung und ist sachlich formuliert. Er beginnt oft mit einem Editorial und geht über zu mehreren Projekt-News oder -Updates. Absender kann beispielsweise das Team der Organisation oder die Geschäftsführung sein. Die monothematische Fundraising-E-Mail arbeitet hingegen mit emotionaler Bildsprache und Texten. Lediglich ein Thema und der Call-to-Action, die Handlungsaufforderung, die zur Themen-Seite mit Spendenformular führt, stehen im Fokus. Die Textstruktur ist häufig: 1. Problem, 2. Lösung, 3. Was macht die Organisation?, 4. Was kann der Spender tun?, 5. Handlungsaufforderung, 6. Dank, 7. Absender, 8. PS. Shoppinglist mit ­Spendenbeispielen. So wie der Newsletter ist auch die monothematische E-Mail im Corporate Design der Organisation gestaltet. Die monothematische E-Mail könnte sich farblich vom Newsletter abheben und einen Signalfarbton nutzen, um die Dringlichkeit hervorzuheben. Relevante Betreffzeile, die zum Lesen animiert „Warum soll ich diese E-Mail öffnen?“ Die Antwort muss den Lesern in den ersten Sekunden klar werden. Ob die E-Mail gelesen wird, hängt von der Formulierung der Betreffzeile ab. Ausgewählte Schlagwörter, die Neugierde wecken und Orientierung geben, können zu einer besseren Öffnungsrate führen. Einen Königsweg gibt es nicht. Ob ein Betreff wie „Fundraising-Newsletter 06/2020“ höhere Öffnungsraten bringt als ein story-, themenoder ereignisbezogener Betreff können A/B-Tests herausfinden. Der Pre-Header hat die Funktion des verlängerten Betreffs. Der Pre-Header-Text ist ausführlicher und konkreter formuliert als der Betreff. Aussagekräftige Absender-E-Mail-Adresse Die Absender-Adresse ist genauso wichtig wie der Betreff, damit die E-Mail geöffnet wird. Sie gibt Vertrauen und lässt schnell den Absender wiedererkennen. Eine aussagekräftige E-Mail-Adresse setzt sich aus dem persönlichen Namen und dem Namen der Organisation zusammen, z. B. Vor- u. Nachname (Organisation) . Der Organisationsname sollte in den ersten 15 Zeichen erscheinen. Entweder ist diese E-Mail-Adresse auch Antwort-Adresse oder eine entsprechende Antwort-Adresse wird im Tool hinzugefügt. E-Mails sind ein wichtiges Element in der Spenderbeziehung und sollten jederzeit ein Antworten zulassen. Klare, konsistente Struktur Eine übersichtliche und konsistente Gestaltung der E-Mail-Inhalte als auch der Internetseite bzw. Landingpage hilft den Lesern, die wichtigsten Botschaften schnell zu erfassen. Überschriften haben eine ähnlich große Bedeutung wie die Betreffzeile. Sie haben eine aktivierende Formulierung, die die Empfänger zum Weiterlesen motiviert. Beginnt sie mit einem Substantiv gefolgt von einem Verb, so sollten die weiteren Überschriften ähnlich aufgebaut sein. Diese gleichbleibende Struktur unterstützt die schnellere Informationsaufnahme. Der Kurztext oder Teasertext macht neugierig und motiviert zum Klicken. Den Lesern muss klar werden, was sie erwartet. Zusammen mit der Überschrift bauen der

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Kurztext und die Verlinkung Spannung auf. Die Verlinkung hat eine klare Aufforderung (einen Call-to-Action). Aktivierender Call-to-Action Sinn und Zweck des E-Mail-Versands ist, den Leser zu einer Handlung zu motivieren. Die Klick-Optionen sollten so konkret wie möglich sein mit wenig Ablenkung zuvor und danach. Kleine Optimierungen in der Formulierung, Farbe oder Form des Buttons oder Links können signifikanten Einfluss auf die Klickrate haben. A/B-Tests helfen dabei, die Call-to-­ Actions zu optimieren. Mobile first E-Mail-Inhalte werden abhängig vom Endgerät (Smartphone, Desktop, Tablet) und vom E-Mail-Client (Googlemail, Outlook, GMX oder andere) entsprechend unterschiedlich dargestellt. Die Inhalte sollten daher im einfachen HTML erstellt sein (ohne Flash-Inhalte, aufwendigen CSS-Code oder ähnliches) und die möglichen Ansichten vor Versand geprüft werden, um eine präzise Darstellung sicherzustellen. Die E-Mail-Marketing-­BenchmarkStudie von Inxmail (2019) veröffentlicht Kennzahlen und zeigt auf, dass mehr als die Hälfte der Empfänger ihre E-Mails auf dem Smartphone liest. Versandzeiten erkennen Eine häufig gestellte Frage: Wann ist der beste Versandzeitpunkt? Eine pauschale Antwort lässt sich hierauf nicht geben. Aufgabe der Organisation ist, strukturierte (bewusst geplante) Versände zu realisieren, A/B-Tests durchzuführen und regelmäßige Auswertungen vorzunehmen. Langfristig kann herausgefunden werden, welcher Versandzeitpunkt für welches Segment und/oder zu welchem Anlass passend wäre. Damit E-Mails nicht im Spam landen

• E-Mails nur über Server versenden, die in der Whitelist eingetragen sind. White-­ gelistete Server sorgen dafür, dass Mails als sicher eingestuft werden. Die meisten E-­Mail-­Anbieter greifen auf öffentliche Whitelists zurück • Sollte eine IP oder Domain „geblacklistet“6 sein, muss dieser Eintrag schnellst möglich, oft gegen Gebühr, entfernt werden • Absender verfügen über eine gute Versand-Reputation, wenn E-Mail-Adressen eine hohe Qualität aufweisen (aktiv, nicht bounced, ohne Fehler) • Auf Domains (URLs) verlinken, die auf keiner Blacklist stehen • Spamverdächtige Inhalte meiden: –– Wörter oder Satzteile nicht in Versalien –– Keine Ausrufezeichen und Begriffe wie „Gewinnen“ oder „gratis“ im Betreff oder im Text  Vgl. Deutsche DDV-Robinsonliste https://www.ichhabediewahl.de/?id=85&cid=42; I. D. I. Robinsonliste https://www.robinsonliste.de/, Schweizer Dialogmarketing Verband (SDV) https://www. sdv-konsumenteninfo.ch/, Österreichische ECG-Liste nach dem E-Commerce-Gesetz https://www. umweltberatung.at/die-robinsonliste zugegriffen: 15.02.2020.

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–– Bilder dürfen nicht mehr als ein Drittel des gesamten Inhalts ausmachen –– Auf die Bildgröße achten (Bilder mit MB- statt KB-Größe sind spamverdächtig) –– Gleichbleibende Absender-Domain verwenden ◄

7.4.1.4 Testen und optimiert versenden Gute Fundraising-Ergebnisse über E-Mail-Marketing sind über eine optimale Ziel-­ Optimierung zu erreichen. A/B-Tests helfen dabei, denn sie können ermitteln, welche Elemente oder Faktoren maßgeblich zur Zielerreichung, wie zum Beispiel die Steigerung der Conversion und darauf folgend Spendeneinnahmen, geführt haben (Abschn. 4.4). Für einen A/B-Test werden zwei Testgruppen gebildet. Damit die Ergebnisse signifikant sind, sollte die Testgruppe nicht zu klein sein, beispielsweise jeweils 5 bis 10 Prozent des gesamten Empfängerkreises. Jede dieser Gruppen erhält eine E-Mail-Version, die sich nur in einem Punkt voneinander unterscheiden. Wichtig ist, dass nur eine Variable angepasst wird, beispielsweise die Farbe oder die Bezeichnung eines Buttons (Kreische 2015). Anschließend werden die Reaktionen verglichen. Der A/B-Test ist immer mit exakt einer Hypothese und exakt einem Ziel verbunden. Beispielsweise: Der Button „Jetzt spenden“ in roter Signalfarbe führt zu einer höheren Anzahl Spendentransaktionen als derselbe Button in blau. Aus Fundraising-Sicht bieten sich je nach Fundraising-Strategie unterschiedliche Ziele der E-Mail-Optimierung an, beispielsweise Spendeneinnahmen steigern, Anzahl der Einzelspenden erhöhen oder der Anteil der Spender, die zu einem Upgrading ihrer Dauerspende bewegt werden konnten. Ziele der Spenderbindung bedienen sich eher allgemeinen Zielen des E-Mail-Marketings wie z. B. die Öffnungsrate oder Klickrate erhöhen, die Zustellbarkeit verbessern oder die Abmelderate verringern. Über A/B-Tests, bei denen z. B. zwei Versionen erstellt und gegengetestet werden, können Elemente des Newsletters wie beispielsweise ein üblicher Newsletter sowie eine kürzere Version getestet werden. Die Zielgruppen werden in zwei Gruppen geteilt, wobei an Gruppe A die Originalversion und an Gruppe B die veränderte Version gesendet wird. Anschließend vergleicht man die Reaktionen. Wichtig sei, nur eine veränderte Variable zu verändern, z. B. die Farbe des Buttons, um klare Ergebnisse zu erhalten, so Kreische (2015). Damit das Ergebnis aussagekräftig und statisch signifikant ist, solle die Laufzeit nicht zu kurz und nicht zu lang sein. Kreische verweist auf einen Online-Rechner, um die statistische Relevanz zu berechnen.7 Was in der E-Mail getestet werden kann Die Möglichkeiten zum Testen sind im E-Mail-Marketing sehr umfangreich. Zu den im Fundraising häufig getesteten Elementen gehören beispielsweise Betreffzeile, Absender, Versandzeitpunkt, um z.  B. die Öffnungsrate zu steigern, Inhalte, Layout, Überschrift, Call-to-Action-Button sowie Versandfrequenz, um z. B. die Conversionrate zu steigern. Mit der Zeit werden sich einige Hypothesen bestätigen und zur Regelkommunikation gehören. Dennoch sollten Tests regelmäßig wiederholt werden, um die bisherigen Ergeb7

 Vgl. vwo.com/ab-split-test-significance-calculator.

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nisse zu überprüfen. Mischa Rychener vom Schweizerischen Roten Kreuz fasst die Erkenntnisse des E-Mail-Fundraisings wie folgt zusammen: „Unsere besten Versandzeiten sind zwischen 11:00 und 15:00 Uhr; dienstags oder donnerstags, Emojis nutzen, monothematisch, nur einen Call-to-Action. Wir versenden max. zwei bis drei Spendenaufrufe pro Jahr und immer im Katastrophenfall.“8 Beispiel WWF Schweiz

Der WWF Schweiz fand heraus, dass der Versand-Zeitpunkt sehr wichtig ist. WWF Schweiz erstellte kurz vor Weihnachten 2015 spontan eine E-Mail. „Es gab keine eigene Landingpage und trotzdem war die Responserate mit 0.4 Prozent die höchste, die wir bisher im E-Mail-Marketing hatten. So konnten wir mit zwei bis drei Stunden Arbeit einen (tiefen) 5-stelligen Betrag einnehmen. Die Kombination aus Versandzeitpunkt und Thema ist aus meiner Sicht ein Schlüsselfaktor. Der Vorteil beim E-Mail: man ist flexibel und braucht sich nicht stur an eine Jahresplanung halten wie im Print“, betont Gregor Nilsson bis Oktober 2017 CDO bei WWF Schweiz, heute Managing Director bei getunik AG, Zürich. ◄ Johanna Mauersics von der Agentur DIRECT MIND betont, dass Testen eine dauerhafte Aufgabe ist und erst mit der Beständigkeit die Aussagekraft entsteht: „Testen, testen, testen, was das Zeug hält: Es gibt keine gültige Musterlösung für alle, sondern jeder muss für sich und seine Empfänger selbst rausfinden, was die Bedürfnisse sind und wie man sie bestmöglich abholt. Bei einem ist der Dienstag ein Bringer, beim anderen nicht. Es gibt natürlich Kultivierungseffekte bei den Empfängern, was aber nicht bedeutet, dass man diese nicht durchbrechen kann. Ein einzelner Test hat keine Aussage. Regelmäßigkeit im Testing bringt klare Erkenntnisse und hoffentlich auch Ergebnisse. Und wichtig: Auf eine Sache konzentrieren. Wenn ich versuche Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wird die Aussage nie valide. Also wirkliches A/B-Testing und kein A/B/C/D/E/F-Testing. Wenn ich sämtliche Bestandteile verändere, werden mögliche Rückschlüsse verfälscht.“9 Allgemein gültige Aussagen was im E-Mail-Marketing funktioniert oder nicht, lassen sich nicht über das Bauchgefühl oder Erfahrungen anderer treffen. Jede Organisation agiert unter eigenen Rahmenbedingungen, die sich mit anderen nicht vergleichen lassen. Darum ist es Aufgabe einer jeden Organisation, über A-/B-Tests selbst herauszufinden, wie sich z. B. Elemente des Newsletters, des Anmeldeformulars, der Internetseite oder Landingpage optimieren lassen. Für die Umsetzung von A-/B-Tests braucht es keine umfangreichen und technischen Kenntnisse. Jedes professionelle E-Mail-Marketing-Tool bietet bereits einfachste Möglichkeiten dazu und erlaubt es, mehrere Versionen von Newslettern und Landingpages zu erstellen und gegeneinander zu testen. Da sich das Verhalten der Empfänger verändert, sind Tests in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Um klare Ergebnisse zu erzielen, braucht es zuvor klar definierte Ziele, die mit den passenden Tests verfolgt werden.  Mischa Rychener, Digital Fundraising Managerin, Schweizerisches Rotes Kreuz, Bern, im persönlichen Interview mit Katja Prescher am 27.02.2019. 9  Johanna Mauersics, Senior Digital Marketing Managerin, DIRECT MIND, Wien, im persönlichen Interview mit Katja Prescher am 28.02.2020. 8

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7.4.1.5 Erfolg kontrollieren: Wichtige Kennzahlen Der Vorteil von Online-Maßnahmen: Kennzahlen können direkt nach Kampagnenstart eingesehen werden. Bereits etwa eine Stunde nach E-Mail-Versand ist ein Trend bei Öffnungsrate und Klickrate zu erkennen. Wichtig ist die ganzheitliche Betrachtungsweise: Abhängig von den zuvor formulierten Zielen, sind entsprechende Kennzahlen für die Zielerreichung relevant. So kann nicht nur die Öffnungs-, Klick- und Conversionrate eine Rolle spielen. Auch effektive Klickrate (CTOR), Bouncerate (nicht erreichbare E-Mail-Adressen), Abmelderate, ggf. die Beschwerderate und wie viele Zugriffe von mobilen Endgeräten kommen, können wichtige Kennzahlen sein, die bei der Optimierung von E-Mail-Marketing helfen (Prescher 2019a). Knapp 40 Prozent der befragten Organisationen des NGO-Meter (betterplace lab 2019) erreichen eine E-Mail-Öffnungsrate von über 20 Prozent. Im Vorjahr (2018) traf dies auf knapp zwei Drittel zu. Weitere Kennzahlen, die in entsprechenden Zeitabständen dokumentiert und ausgewertet werden können, um den Anmelde-Prozess zu optimieren, sind: Anzahl Anmeldungen und bestätigte Double-Opt-in-Anmeldungen und Anzahl Profilergänzungen, ggf. welche Formularfelder (nicht) ergänzt wurden. Benchmarks helfen, die eigenen Zahlen einordnen zu können. Zu empfehlen ist der E-Mail-Marketing-Benchmarks-Report von MailChimp (2019), die E-Mail-Marketing-­ Benchmark-Studie von Inxmail (2019), der Email-Marketing-Benchmarks-Report von Getresponse (2019) oder der Online-Technology-Report von Global NGO (Non-Profit Tech for Good 2019). Für optimale Fundraising-Ergebnisse ist neben der Optimierung von E-Mails auch die der Landingpages entscheidend. Nach Klick auf einen Link in der E-Mail können die entsprechende Verweildauer und Absprungrate auf der Landingpage sowie Anzahl Spender, Höhe Einnahmen, Anzahl Spendenformularabbrecher und die Conversionrate beurteilt werden. CC

Landingpage-Optimierung: Nicht nur der Traffic zählt, sondern eine klare Nutz­ erführung, die conversionfokussierte Kommunikation, einfache, verständliche und einheitliche Texte und Bilder. Merke: Bessere Nutzerführung = Schnellere Con­ version (z. B. Spendeneingang).

Mit dem Return on Investment (ROI) lässt sich das Kosten- und Nutzenverhältnis von Aktionen im E-Mail-Marketing einschätzen. Vieles lässt sich kaum exakt berechnen wie beispielsweise die Markenbekanntheit, Kundenzufriedenheit oder das Spenden mit Medienbrüchen. Entstehende Kosten sind Personalkosten, ggf. externe Leistungen oder Leistungen anderer Abteilungen, Abschreibung für Templates und Strategie usw. Einfach zu ermittelnde Werte würden bei der Berechnung genügen. Wichtig ist, den ROI langfristig und ganzheitlich zu betrachten und nicht nur für jeweils einzelne Versände. Ein Vergleich mit Werten anderer Organisationen ist nur eingeschränkt sinnvoll, da jede andere Bedingungen mit sich bringt.

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Stefan Stolle, Head Communications & Fundraising bei HELVETAS Swiss Intercooperation, meint, dass zu viele NPOs Fundraisingerfolg noch immer mit einem möglichst hohen Return on Investment (ROI) gleichsetzen würden, anstatt sich auf den Nettoertrag zu konzentrieren. Ohne Investitionen wären aber Innovationen und in Folge Wachstum der Erträge nicht möglich (Prescher 2013). Deshalb steht der ROI für ihn für „Restrict Our Innovation“. Ohne Investitionen ins Fundraising sei Spendenwachstum kaum mehr möglich. Fundraising ist jedoch ein investitionsgetriebenes Geschäft (Stolle 2012).

7.4.2 E-Mail-Marketing-Tools/Software Täglich werden E-Mail-Clients wie Outlook oder GoogleMail genutzt. Zwar können damit durchaus Massenmails versendet werden, allerdings sind ihre Funktionen nur sehr eingeschränkt. Zudem können sie zur Folge haben, dass die Mails im Spam-Postfach des Empfängers landen. Diese Einschränkungen nehmen die Anbieter aus Sicherheitsgründen bei einer hohen Anzahl von Empfängern vor. Non-Profit-Organisationen, die professionelle E-Mails zu Marketing- und Werbewecken an nur wenige Empfänger oder an mehrere hundert oder tausend Empfänger senden, kommen um eine professionelle E-Mail-Marketing-Software nicht herum. Zu den wichtigen Basisfunktionen dieser E-Mail-Marketing-Software gehören unter anderem: • Verwaltung von Empfängern inklusive Dokumentation ihrer Einwilligung zum E-MailEmpfang • Bereitstellung eines einfach zu bedienbaren Editors zur Erstellung von HTML- und Text-E-Mail • Segmentierung von Nutzern beispielsweise anhand von hinterlegten Tags oder anderen Merkmalen • A/B-Testing von verschiedenen E-Mail-Varianten • Umfassende statistische Auswertung relevanter Kennzahlen zur Performance einzelner E-Mail-Kampagnen wie Öffnungs- und Klickrate, Hard-/Softbounces (unzustellbare E-Mail-Adressen) • Whitelisted Server, damit der massenweise Versand von E-Mails nicht zu einem erhöhten Risiko führt und als Spam klassifiziert wird Einen deutlich weiteren Funktionsumfang bietet Marketing-Automation und die Inte­ gration in weitere Kommunikationskanäle an, so zum Beispiel: • Erstellung von einfachen E-Mail-Serien (z.  B.  Willkommens-E-Mail oder Themenserien) • Erstellung von komplexen E-Mail-Abfolgen in Kombination mit weiteren Kommunikations- und Transaktionskanälen (z. B. basierend auf Transaktionsdaten E-Mails nach (nicht-)erfolgreicher Spende)

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• Einbeziehung von Inhalten und Tracking-Daten der Internetseite • Lead Scoring von Nutzern anhand von Aktivitäten im Zusammenhang mit früheren E-Mails, auf Social-Media-Kanälen, der Internetseite oder SMS • Personalisierung von Web-Inhalten oder Erstellung von Membership-Bereichen mit Login • Synchronisation von Nutzerdaten mit der Datenbank/CRM-Software, Payment-­ Systemen und anderen Tools • Versandsteuerung weiterer Kommunikationskanäle (z. B. SMS, Social Media) Im Folgenden sollen drei von Organisationen häufig verwendete E-Mail-Marketing-­ Tools vorgestellt werden. MailChimp MailChimp, ein amerikanisches Tool und wohl weltweit führendes E-Mail-Marketing-­ Tool, zeichnet sich durch seine sehr nutzerfreundliche Bedienung aus. Empfängerdaten werden in den USA gespeichert. Es steht nur in englischer Sprache zur Verfügung. Die Online-Hilfe und der Support über E-Mail oder Chat sind auf Englisch. Kostenlos können monatlich an bis zu 2000 E-Mail-Adressen und insgesamt 10.000 E-Mails versendet werden, wobei das MailChimp-Logo am Ende einer jeden versendeten E-Mail mitgeschickt wird. Für den Versand an mehr als 2000 Empfänger fallen Gebühren an. Bei bezahlter Nutzung verschwindet das MailChimp-Logo. E-Mail-, Formular- und Landingpage-­ Vorlagen können auf einfache Weise individualisiert werden. Social-Media-Funktionen lassen sich leicht einbinden und entfernen. A/B-Tests, einfache E-Mail-Abfolgen, sogenannte Trigger-Mails, lassen sich einfach erstellen. MailChimp bietet zudem Schnittstellen bzw. lässt sich in hunderte Fremdsysteme integrieren. MailChimp eignet sich für Organisationen, die ins E-Mail-Marketing einsteigen oder auf einfache Weise E-Mail-Marketing umsetzen. Clever Reach CleverReach bezeichnet sich als führender Anbieter in Deutschland. Kostenlos können monatlich insgesamt 1000 E-Mails an bis zu 250 Empfänger versendet werden. Die Bedienung ist benutzerfreundlich. E-Mail- und Formular-Templates lassen sich einfach erstellen und anpassen. A/B-Tests sind umsetzbar. Social-Media-Funktionen sind einfügbar. Im Vergleich zu amerikanischen Anbietern sind die Trigger-Funktionen recht einfach und stehen noch am Anfang der Entwicklung. Der Support ist zahlungspflichtig. Empfängerdaten werden in Deutschland gespeichert. CleverReach sind für Organisationen geeignet, die ins E-Mail-Marketing einsteigen oder in einfacher Weise E-Mail-Marketing umsetzen, die mit sensiblen Empfängerdaten arbeiten und denen das Speichern der Empfängerdaten in Deutschland wichtig ist.

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ActiveCampaign ActiveCampaign ist ein Marketing-Automation-Tool, welches auf E-Mail-Automation fokussiert – mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Es steht in deutscher Sprache zur Verfügung. Die Online-Hilfe und der Support über E-Mail und Chat sind auf Englisch. Anfangs wirkt es etwas unübersichtlich. Nach kurzer Einarbeitung ist es jedoch ein sehr nützliches Tool, denn leistungsstarke Marketing-Automations können einfach umgesetzt werden. E-Mail-, Formular- und Automations-Templates lassen sich leicht erstellen und anpassen. Auch das Surfverhalten der Nutzer und SMS-Versand werden in der E-Mail-­ Automation berücksichtigt. Kontakte können zur Custom Audience  einer Facebook-­ Kampagnen hinzugefügt werden. Automatisierte Segmentierung, dynamische E-Mail-­ Inhalte, Lead-Scoring sind nur einige Funktionen, die Follow-Up-Prozesse im Fundraising und in der Kommunikation erleichtern und optimieren. ActiveCampaign eignet sich für Organisationen, die sich eingehend mit dem Thema beschäftigt haben und mit einem gut durchdachten Konzept durchstarten möchten. Die wesentlichen Trends der letzten Jahre im Software-Markt für E-Mail-Marketing sind der verstärkte Einsatz zertifizierter Server und Versandsysteme (Schwarz 2020). Insbesondere aufgrund der Europäischen Datenschutzgrundverordnung sind Server-­ Standortwahl und die Dokumentationspflichten auf Organisations- und Anbieterseite gleichermaßen stärker in den Fokus gerückt. cc

Professionelle E-Mail-Marketing-und Marketing-Automation-Tools lassen sich mit einer Customer-Relation-Management-(CRM)-Software verbinden (Abschn. 9.1). Dies ermöglicht einen schnellen automatisierten Datenaustausch. Der Abgleich geht dabei über die E-Mail-Adresse hinaus. So können beispielsweise die letzte Spen­ denhöhe, das vergangene Spendendatum und andere Daten (keine sensiblen Daten wie Bankdaten) beim E-Mail-Versand mitgegeben werden. Über ein spezifisches Tracking kann bei Klick auf den Spendenbutton in der E-Mail das Spendenformular bereits mit personenbezogenen Daten wie Vor-, Nachname und E-Mail-Adresse vorausgefüllt sein, damit der Spendenabschlussprozess so einfach und so schnell wie möglich abgeschlossen werden kann. Wichtig dabei ist die Einwilligung des Nutzers zum E-Mail-Versand.

7.4.3 Rechtliche Rahmenbedingungen Für das E-Mail-Marketing gibt es einige rechtliche Rahmenbedingungen, die zwingend zu beachten sind. Vieles basiert auf den nationalen Datenschutzgesetzen und wurde in den vergangenen Jahren mit der Einführung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aktualisiert. Einige relevante Auszüge mit besonderer Relevanz für das E-Mail-Marketing werden im Folgenden aufgezeigt. Dabei handelt es sich um allgemeine Hinweise und ausdrücklich nicht um eine Rechtsberatung. Bitte konsultieren Sie gegebenenfalls Fachanwälte, um sich und Ihre Organisation abzusichern.

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Mit jedem Anbieter eines Online-Tools zur Datenverarbeitung wie beispielsweise für das E-Mailing-Marketing müssen Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung (ADV) geschlossen werden. Diese klärt unter anderem, wie personenbezogene Daten im Auftrag der Organisation gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen. Mittlerweile sind Inhalt und Prozesse der ADV-Abwicklung weitgehend standardisiert. Meist können diese mit wenigen Klicks im Administrationsbereich der Tools abgeschlossen und abgespeichert werden. Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung hat einige Grundsätze (Lienhardt 2019) formuliert, die für den verantwortungsbewussten Umgang mit Nutzerdaten maßgeblich sind: 1. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz Die Einwilligung zur Speicherung und Verarbeitung persönlicher Daten muss freiwillig und spezifisch erfolgen. Beispielsweise muss sich der Nutzer für einen Newsletter aktiv anmelden (in der Regel nach dem sogenannten Double-Opt-in-Verfahren). 2. Prinzip Zweckbindung Personenbezogene Daten des Nutzers dürfen einzig für den Zweck oder die Zwecke eingesetzt werden, für die der Nutzer eingewilligt hat. 3. Prinzip Datenminimierung Bei der Anmeldung für einen E-Mail-Newsletter darf lediglich die E-Mail-Adresse ein Pflichtfeld sein. Andere Informationen wie Name und Geschlecht sind optional. 4. Prinzip Richtigkeit Für das E-Mail-Marketing bedeutet das Prinzip der Richtigkeit, dass etwaige durch den Nutzer übermittelte Änderungen seiner Daten unmittelbar angepasst werden müssen. 5. Prinzip Speicherbegrenzung E-Mail-Adressen und andere personenbezogene Daten dürfen nur so lange gespeichert werden, wie diese für die Erbringung der Leistung (z. B. Versand des Newsletters) erforderlich sind. 6. Prinzip Integrität und Vertraulichkeit Alle personenbezogenen Daten müssen in einer Weise sicher gespeichert werden, dass unbefugte Personen darauf keinen Zugriff erhalten können. 7. Prinzip Rechenschaftspflicht Nach dem Prinzip der Rechenschaftspflicht muss auf Nachfrage nachgewiesen werden, dass alle erforderlichen Maßnahmen für ausreichenden Datenschutz und Datensicherheit getroffen wurden. Datenschutz ist in der professionellen Kommunikation eine Selbstverständlichkeit. Wer für eine Non-Profit-Organisation oder ein soziales Projekt den Versand von E-Mail-­ Newslettern verantwortet, sollte sich intensiv mit den rechtlichen Rahmenbedingungen beschäftigen. Dies geschieht auch zum Schutz der rechtlichen Träger: Schon eine einzige E-Mail, die ohne Einwilligung des Empfängers verschickt wird, kann eine Abmahnung zur Folge haben und birgt entsprechende (finanzielle) Risiken.

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Zum Kern des Datenschutzes im E-Mail-Marketing gehört die Verwaltung der Einwilligungen. Von der Einholung und Dokumentation der Einwilligung nach dem Double-­Opt-­ in-Verfahren über die datenschutzkonforme Speicherung und Nutzung der personenbezogenen Daten bis hin zur Umsetzung von Abmeldungen oder dem anderweitigen Erlöschen der Einwilligung. Beim Versand von E-Mail-Newslettern ist zu beachten, dass diese jedes Mal drei Elemente mit rechtlicher Relevanz enthalten: • Erstens ein vollständiges Impressum, • zweitens einen Link zur Datenschutzerklärung und • drittens einen Link, der Nutzern die Verwaltung ihrer Einwilligung bzw. das Abmelden vom Newsletter ermöglicht.

7.5

Fazit

Spenderzentriertes Fundraising mit Hilfe des Web gelingt nicht, wenn jedem Organisationsbereich ein entsprechender Kanal zugeordnet wird, z.  B. das E-Mail-Marketing der Kommunikationsabteilung, oder wenn sich eine Abteilung um einen Kanal oder eine Plattform kümmert, z. B. die Fundraisingabteilung um die Spenden- und Auktionsplattform. Die Organisation schafft damit nicht zusammenhängende Spendererlebnisse, sondern es entsteht ein Problem: Prozesse wie Strategieentwicklung, Planung, Umsetzung und Auswertungen werden nicht aus der Donor-Journey-Sicht her betrachtet, sondern aus Abteilungssicht. Der Kanal oder die Plattform werden lediglich an dem Bedarf der Abteilung ausgerichtet. Hier erfüllen sie zwar einen gewissen Zweck. Das Denken der Mitarbeiter ist jedoch nach innen gerichtet, welches lediglich das Management der Non-Profit-Organisation unterstützt. Und so entsteht nur ein fragmentiertes Spendenerlebnis. Das Kapitel „Fundraising im Web“ beleuchtete zwar die einzelnen Kanäle wie externe Spenden- und Auktionsplattformen sowie Online-Marketing (Suchmaschinenwerbung, Social Media Marketing, Online-Werbung, Affiliate-Marketing, Video-Marketing, Online-­PR, Content-Marketing und E-Mail-Marketing). Die Aufgabe der Organisation ist es jedoch heute, nicht nur für den jeweiligen Kanal zu planen und Maßnahmen für diesen umzusetzen, sondern stattdessen eine gemeinsame Organisationsstruktur, ein durchgängiges Konzept anzuwenden, was sich den einzelnen Organisationsteilen unterordnet und das Denken nach außen richtet. Diese Verknüpfung schafft einen einheitlichen Ansatz, damit die Organisation ihre potenziellen Spender schneller kennenlernt und sie ein durchgängiges Spendenerlebnis über Touchpoints wie externe Spenden- und Auktionsplattformen, Online- und E-Mail-Marketing-Aktivitäten entstehen lassen kann, also für Spender eine gesamtheitliche Erfahrung mit der Organisation bietet.

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7  Fundraising im Web an externen Touchpoints

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Katja Prescher  kennt die Praxis aus über 15 Jahren Erfahrungen als Online-Fundraiserin in internationalen und regionalen Organisationen, Agenturen sowie bei Dienstleistern und fokussiert: User Journeys, Contentstrategie, Marketing-Automation, E-Mail-Marketing, Social Media, Website/Landingpages, SEO, SEA, Text. Sie arbeitete für namhafte Kunden wie Schweiz. MS-Gesellschaft, WWF Schweiz, Amnesty International, Caritas, Public Eye uvm. Heute gibt sie als Leiterin Kommunikation und Online-Fundraising einer Non-­Profit-­Organisation sowie als Leiterin Kommunikation eines Unternehmens als auch mit „SoZmark Communication“ Impulse für die stetigen Weiterentwicklung im Fundraising, in der Kommunikation und in der Kampagnenarbeit und bietet Organisationen und Unternehmen einheitliche Beratung, Konzeption und Umsetzung an. Sie können Katja Prescher unter www.sozmark.de und [email protected] erreichen.

Digitales Peer-to-Peer-Fundraising Die eigene Community zu Fundraisern und Fundraiserinnen machen Jona Hölderle

Inhaltsverzeichnis 8.1  Anlass- und Aktionsspenden  8.2  Social Media  8.3  Crowdfunding-Kampagnen  8.4  Fazit  Literatur 

 206  214  231  236  237

Zusammenfassung

Peer-to-Peer-Fundraising bezeichnet alle Fundraising-Maßnahmen, bei denen die Unterstützenden einer Organisation dazu beitragen, Spenden für die Organisation zu sammeln. Anders als bei der direkten Beziehung von Organisation und Spendenden, bitten hier Dritte die eigenen Bekannten (Peers) um Unterstützung der Organisation. Im erweiterten Sinne muss der Spendenaufruf dabei nicht direkt von den Unterstützenden kommen. Die Icebucket-Challenge hat gezeigt, welches Potenzial in der Kombination klassischer Peer-to-Peer-Fundraisings mit digitalen Medien liegt. Private Einzelpersonen, Influencer oder kooperierende Unternehmen können in ihrem Netzwerk eine Spendenaktion starten. Durch die Sichtbarkeit und die einfache Möglichkeit, alle Beteiligten auf dem Laufenden zu halten, kann sich der Effekt multiplizieren. Besonders relevant wird das Thema, wenn Organisationen neue und vor allem jüngere Zielgruppen erreichen möchten.

J. Hölderle (*) Pluralog, Neuenhagen bei Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_8

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8

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J. Hölderle

In diesem Kapitel betrachten wir deshalb zuerst Anlass- und Aktionsspenden im digitalen Raum, betrachten dann soziale Medien in Hinblick auf das Online-­Fundraising und lernen zum Schluss, was wir vom Crowdfunding für das Online-Fundraising lernen können.

8.1

Anlass- und Aktionsspenden

Anlassspenden sind die bekannteste Form des Peer-to-Peer-Fundraisings. Privatpersonen oder Unternehmen bitten zu einem bestimmten Anlass Menschen aus ihrem Umfeld um eine Spende an eine Organisation. Menschen, die andere Menschen um eine Spende bitten, werden Initiatoren genannt. Diejenigen, die daraufhin spenden, werden Anlassspender genannt (Harken und Hodsman 2019).

8.1.1 Die Motivation hinter persönlichen Spendenaufrufen Die Motivation bei Anlass- und Aktionsspenden unterscheidet sich stark zwischen Initiatoren und Spendenden. Bei den Spendenden geht die Gebe-Logik über ein thematisches Interesse hinaus und wird in erster Linie durch die Beziehung zwischen Initiatoren und Anlassspendern bestimmt. Die Spende trägt hier dazu bei, die soziale Beziehung zwischen beiden zu stärken (vgl. Fischer 2016, S. 52). Hier stehen Zugehörigkeit zum Freundeskreis oder einer anderen festen Gruppe sowie die Anerkennung durch die eigenen Peers im Vordergrund. Die klassischen Spendenlogiken wie Solidarität mit Betroffenen oder die Unterstützung einer Mission sind sicherlich förderlich, aber nicht ausschlaggebend für eine Spende. Dass die Initiatoren, mit denen eine meist enge Beziehung besteht, eine Organisation ausgewählt haben, genügt meist. Die Organisation darf jedoch nicht abschrecken oder negativ belegt sein. Etwas abweichend sind Spendenaktionen, welche aufgrund der Mission der Empfangsorganisation stark Identitätsstiftend sind. Dies kann beispielsweise eine Spendenaktion für die Tierrechtsorganisation PETA oder für eine Organisation sein, welche geflüchtete Menschen auf dem Mittelmeer unterstützt. Im Gegensatz zu den Anlassspendern haben aber die Initiatoren oftmals eine Beziehung zur Organisation. Viele unterstützen „ihre“ Organisation schon länger als Spender oder Ehrenamtliche. Das Initiieren einer Anlassspende kann dann gewissermaßen die nächste Stufe der Unterstützung sein, bei der über das eigene Engagement hinaus auch das persönliche Umfeld zur Unterstützung aktiviert wird. Aber nicht immer muss die Organisation hierfür bekannt sein. Auch eine Übereinstimmung in der Mission und den eigenen Werten kann hier ausschlaggebend sein. Eine besondere Gebe-Logik bei den Initiatoren ist die Erwiderung bei Betroffenheit. Hat der Initiator eine Spendenaktion in der Vergangenheit von der Organisation direkt oder indirekt profitiert, steigt die Bereitschaft, für diese

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Organisation Spenden zu sammeln. Besonders interessant ist die Anlassspende hier, wenn der Betroffene selber nicht in der Lage zu einer größeren finanziellen Unterstützung ist, durch seine Aktion aber einen großen Beitrag leisten kann. Beispiele wären hier ehemalige Bewohner eines Kinderdorfes, Freiwillige einer Organisation wie der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste oder der große Bereich der Selbsthilfe. Sowohl für Initiatoren als auch Anlassspender ist es wichtig, dass diese Art des Spendens eine gewisse Übung und Normalität im eigenen Freundeskreis hat. Während in den USA bereits 2015 etwa ein Viertel aller Online-Spenden durch Peer-to-Peer-Fundraising eingenommen wurde (Network for Good 2015) oder die britische Spendenplattform JustGiving bereits über 4,5 Mrd. US-Dollar an Spenden eingesammelt hat (Justgiving 2019), liegt der Anteil in Deutschland deutlich darunter. Erst in den letzten Jahren erhöhen sich die Einnahmen aus Online-Spendenaktionen, hervorgerufen durch eine steigende Gewöhnung und Akzeptanz von Spendenaktionen auf Facebook, Angebote von Plattformen wie betterplace und GoFundMe, sowie ein höheres Investment seitens der Organisationen. Auffällig ist dabei, dass Angebote wie GoFundMe sich nicht auf Spendenaktionen zugunsten gemeinnütziger Organisationen konzentrieren, sondern Sammlungen zugunsten einzelner Personen ermöglichen. Damit wird als Gebelogik an die Solidarität der Spendenden appelliert.

8.1.2 Der richtige Anlass für die Anlassspende Die Gründe für eine Spendenbitte können zahlreich sein. Besonders beliebt sind persönliche Anlässe zu denen üblicherweise Geschenke gegeben werden. Geburtstage, Taufen, Jubiläen, Trauerfeiern oder ähnliches eignen sich nach dem Motto Spenden statt Geschenke besonders gut. Statt um ein Geschenk, wird um eine Spende für eine Organisation gebeten. Insbesondere Initiatoren, die „ja schon alles haben“ erleichtern den Bekannten die Auswahl des Geschenkes ungemein und können „ihre“ Organisation damit fördern. Im Offline-Fundraising gibt es diese Form der Anlassspende unter anderem mit einer Spendenbox in welche Umschläge oder Geld eingeworfen werden kann. Online werden Anlassspenden in der Regel über eigene Spendenseiten abgewickelt. Dabei sind die Spendensumme und optional auch die einzelne Spende sichtbar für alle. Die Öffentlichkeit des Spendens und die Möglichkeit, Spenden zu kommentieren, können einen motivierenden Effekt haben und machen auch die Wirkung der Spendenaktion sichtbar. Persönliche Anlässe machen etwa die Hälfte aller Spendenaktionen aus (Harken und Hodsman 2019). Neben diesen persönlichen Anlässen hat sich eine Reihe anderer Anlässe etabliert. Beliebt ist es beispielsweise, sportliche Leistungen wie die Teilnahme an einem Marathon (oder einem weniger anspruchsvollen Lauf) mit einem Spendenaufruf zu kombinieren. Insbesondere in Großbritannien und den USA hat es sich dabei etabliert, dass Organisationen eigene Veranstaltungen organisieren, bei denen die Teilnehmenden im eigenen Bekanntenkreis Spenden sammeln. Auch in Deutschland gibt es beispielsweise den Run

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of Colors zugunsten der Aidshilfe Köln. Die Organisation HelpAge hat mit „Jede Oma zählt“ gleich eine ganze Kampagne gelauncht, bei der Läufer etwa am Berlin-Marathon teilnehmen können. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ob sich die Initiatoren als Anlass einen Eimer Eiswasser über den Kopf kippen, betrunken Gutes tun oder ab einer bestimmten Spende mit dem Rauchen aufhören. Wichtig ist die emotionale Beziehung zwischen den Initiatoren und den Anlassspendern. Der Anlass selber ist eben nur ein Anlass. Aber auch vollständig virtuelle Anlässe sind möglich. Verbunden mit Fitness-Apps kann beispielsweise jede beliebige Strecke zum Spendenlauf werden. Und nicht einmal der Sport muss real sein. Online-Spiele bieten ebenso einen Anlass für eine Spendenaktion. Natürlich kann es von Vorteil sein, wenn Anlass und Spendenzweck einen Zusammenhang haben, notwendig ist das jedoch nicht. Die Empfehlung der Initiatoren genügt häufig, um auch für eine unbekannte Organisation zu spenden. Dabei darf der Spendenzweck nicht abschrecken, was jedoch wegen der weitgehend homogenen Freundeskreise selten der Fall sein dürfte. Wichtiger als der persönliche Bezug der Spendenden zum Spendenthema ist, dass die Initiatoren klar machen, warum ihnen Thema und Organisation besonders am Herzen liegen.

8.1.3 Die Initiatoren im Peer-to-Peer Fundraising richtig unterstützen Nicht alle Unterstützenden einer Organisation sind geborene Fundraiser. Oft sind Menschen motiviert, etwas für eine Organisation zu tun, legen eine Spendenaktion an und wundern sich im Anschluss, dass keine Spenden eingehen. Aus diesem Grund sollte eine Organisation ihre Initiatoren möglichst intensiv unterstützen. Dies beginnt beim Einrichten einer Aktion. Hier können Beispieltexte zur Verfügung gestellt werden, aber auch der Hinweis, die persönliche Motivation für die Aktion herauszuarbeiten, ist wichtig. Eine besondere Rolle spielt das zu Beginn angegebene Spendenziel. Ist es zu hoch, wirkt das stark demotivierend auf die Aktionsspender. Ist es zu niedrig, werden nur wenig Spenden eingesammelt. Dennoch hat sich in den meisten Fällen ein eher bescheidenes Ziel als vorteilhaft gezeigt, zudem kann das Ziel, gepaart mit einer Erfolgsmeldung nachträglich nach oben korrigiert werden. Psychologisch besonders wichtig sind die ersten Spenden nach Start der Aktion. Ähnlich einem leeren Restaurant, wird auch auf „leere“ Spendenaktionen nur ungern gespendet. Hier sollten sowohl die Initiatoren als auch ein paar enge Freunde und Bekannte direkt zu Beginn spenden. Inhaltlich sollten die Initiatoren in ihrem Vorhaben gestärkt werden. Die Organisation bekommt die Möglichkeit zu vermitteln, welche positiven Änderungen sich mit den Spenden bewirken lassen. Hierfür können für die verschiedenen Zielsummen Shoppinglisten zur Verfügung gestellt werden. So kann eine einzelne Spendenaktion die Anschaffung wichtiger Schulmaterialien für das nächste Schuljahr sicherstellen. Von Seiten der Organisation kann Material wie ein Video über die eigene Arbeit bereitgestellt werden.

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Jede Kampagne benötigt eine gewisse Dramaturgie, um erfolgreich zu sein. Freunde und Bekannte müssen um Unterstützung gebeten, daran erinnert und über den Verlauf der Kampagne auf dem Laufenden gehalten werden. Wird ein Meilenstein erreicht oder über einen längeren Zeitraum nicht mehr gespendet, sollten die Initiatoren wieder aktiv werden.

8.1.4 Peer-to-Peer-Software und -Plattformen Zur technischen Abwicklung von Peer-to-Peer-Spendenaktionen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Organisationen können sich auf Spendenplattformen registrieren, können die Baukasten-Software diverser Formularanbieter nutzen oder die Funktion selber programmieren. Die einfachste Möglichkeit Spendenaktionen zu ermöglichen bieten Spendenplattformen (auf den Sonderfall Facebook gehen wir an späterer Stelle ein). Dort muss sich die Organisation nur registrieren und ist mit der weiteren Abwicklung kaum noch beschäftigt. Durch die Plattform-Lösung können Organisationen von potenziellen Initiatoren auf einem offenen Marktplatz gefunden werden. So kann es vorkommen, dass jemand zum eigenen Geburtstag eine Spendenaktion machen möchte, auf eine Plattform wie betterplace. org geht und sich dort eine passende Organisation aussucht. Zudem werden die Initiatoren teilautomatisiert von den Plattformen im Fundraising unterstützt. Da auch die Zahlungsabwicklung von der Plattform übernommen wird, wird jedoch der Kontakt zur Organisation (und der Datenfluss) auf ein Minimum reduziert. Organisationen haben kaum Möglichkeiten, mit den Anlassspendern und Initiatoren in Kontakt zu treten. Alternativ können Organisationen fertige Software-Lösungen für ihre Spendenaktionen nutzen. Fast alle großen Formularanbieter wie die FundraisingBox oder Altruja bieten dies an. Eingebunden auf der eigenen Internetseite können Initiatoren eine eigene Spendenaktion starten und bekommen eine eigene Landingpage zur Verfügung gestellt. Die Spenden landen ähnlich dem normalen Spendenformular direkt bei der Organisation und werden dort verarbeitet. Im Falle von Unternehmen oder anderen Multiplikatoren besteht zum Teil die Möglichkeit, die Spendenaktion auch auf der Internetseite der Initiatoren mit einzubinden. Anders als beim Spendenformular wird nicht nur den Aktionsspendern eine BestätigungsE-­Mail zugesendet, sondern es wird auch die Kommunikation mit den Initiatoren unterstützt. Anhand einer Reihe von Ereignissen lassen sich maßgeschneiderte E-Mails beispielsweise nach dem Einrichten einer Aktion, beim Erreichen eines wichtigen Zwischenzieles, bei langer Inaktivität oder bei Erreichung des Spendenzieles zusenden. Diese automatisierte Kommunikation sollte ordentlich geplant und getestet werden. Idealerweise bietet sie zudem immer individuelle Möglichkeiten der direkten Kommunikation mit der Organisation. Zudem sollten die Initiatoren animiert werden, den Spendenden Updates und Erinnerungen zuzusenden. Wem die Möglichkeiten der Anbieter nicht genügen, kann sich, wie beispielsweise der WWF Deutschland (Abb.  8.1), eine eigene Anlassspenden-Plattformen programmieren

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Abb. 8.1  Action Panda ist die eigene Anlassspenden-Plattform des WWF Deutschland, umgesetzt in Kooperation mit raisenow. (Quelle: Screenshot ActionPanda)

lassen. Dies ermöglicht die volle Flexibilität bei der Gestaltung der Plattform und – fast noch wichtiger – der Kommunikation mit den Initiatoren.

8.1.5 Facebook Fundraiser Facebook bietet als eines der größten sozialen Netzwerke seinen Mitgliedern die Möglichkeit, direkt auf der Plattform Spendenaktionen einzurichten. Aus Sicht der Initiatoren ist dies eine sehr bequeme Möglichkeit Gutes zu tun und ihre Lieblingsorganisationen und -projekte zu unterstützen. Sie können sich mit wenigen Klicks eine der registrierten Organisationen1 aussuchen und ohne weitere Anmeldung eine Spendenaktion anlegen (Abb. 8.2). Für die Kommunikation mit ihren Freunden müssen sie die Plattform nicht verlassen, sondern können direkt einladen, posten und Updates schreiben. Für die Spender ergeben sich zwei Vorteile. Zum einen ist die Bezahlung sehr einfach, zumindest wenn man Facebook vertraut. Da Name und Kontaktmöglichkeiten schon ­bekannt sind, müssen nur Zahlungsdaten angegeben werden. National spezifische Zahlungsweisen wie SEPA-Lastschrift werden dabei allerdings nicht angeboten. Noch bequemer wird es, wenn bereits für eine andere Aktion gespendet wurde. Die Zahlungsdaten bleiben gespeichert und die zweite Spende ist mit nur zwei Klicks getätigt. Eine e­ infachere 1  Eine aktuelle Anleitung zur Anmeldung und Abwicklung bei Facebook können Sie unter sozialmarketing.de/facebook-spenden/ finden.

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Abb. 8.2  Private Spendenaktion zugunsten der Seenotrettungsorganisation LIFELINE. (Quelle: Screenshot Facebook)

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Möglichkeit zu spenden lässt sich bisher kaum finden. Dies gilt insbesondere für Spenden von einem Smartphone. Der zweite Vorteil ist die Sichtbarkeit der eigenen Spende im Freundeskreis. Ohne viel eigenes Zutun, lässt sich die eigene gute Tat im Bekanntenkreis kommunizieren. Dies ist insbesondere für Spender von Vorteil, bei denen die Motive der Zugehörigkeit und Anerkennung im Vordergrund stehen. Die Vorteile für Initiatoren und Spender sind natürlich auch für Organisationen verlockend. Hinzu kommt, dass Facebook die Transaktionsgebühren übernimmt und 100 % des Spendenbetrags an die Organisationen weiterleitet. Von Nachteil ist, dass Facebook die komplette Abwicklung selber übernimmt. Zwischen Organisation und Spender gibt es keinen Kontakt. Weder gehen die Spenden direkt auf das Konto der Organisation, noch werden viele Spenderdaten an die Organisation weitergegeben (in der Regel nur der Name, selten die E-Mail-Adresse). Das macht das Ausstellen von Spendenbescheinigungen quasi unmöglich, schlimmer noch bietet es aber keine Möglichkeit zur Bedankung und Einbindung in den Projektverlauf. Dramatisch ist das bei den fehlenden Kontaktmöglichkeiten mit den Initiatoren. Hier muss auf Kommentare oder private Kommunikation ausgewichen werden. Im Kommunikationsnetzwerk Facebook kommt es zum kommunikativen Stillstand. Besonders schwierig ist das, wenn Initiatoren eine Aktion mit falschen Erwartungen starten und von der Organisation kaum unterstützt werden können. Eine automatisierte Kommunikation der Organisation mit den Initiatoren, wie wir sie von den eigenen Systemen kennen, ist ebenfalls nicht möglich.

8.1.6 Spenderbindung im Peer-to-Peer-Fundraising Anlassspender haben nicht in erster Linie einer Organisation gespendet, sondern die Initiatoren unterstützt. Aus diesem Grund sollten Anlassspender auch nicht als normale Spendende in die klassische Kommunikation aufgenommen werden. Normale Spendende haben sich aktiv für eine Organisation oder ihr Thema entschieden und können einfacher von weiteren Spenden überzeugt werden. Damit überhaupt eine Beziehung zur Organisation entsteht, müssen die Spendenden erst einmal Gelegenheit bekommen die Organisation kennenzulernen. Die Anlassspender sind aber auch keine „kalten“ Adressen ohne Vorwissen. Sie kommen mit einer starken Empfehlung der Initiatoren, zu denen in der Regel eine enge Beziehung besteht. Organisationen sollten also mit dem Dank beginnen, eine Beziehung zu ermöglichen, und sich neben dem Dank erst einmal vorstellen. Es sollte direkt auf die Aktion Bezug genommen werden und weitere Engagement-Möglichkeiten sollten vorgestellt werden. Besonders schwierig ist das, wenn Spendenaktionen auf Drittplattformen stattfinden. Oft bekommt man hier nur einen Namen oder bestenfalls eine E-Mail-Adresse. Dennoch sollte auch hier auf den Dank nicht verzichtet werden. Steht die E-Mail-Adresse zur Verfügung, kann mit einer automatisierten Dank-Strecke gedankt und die Organisation vorgestellt werden. Stehen keine Daten zur Verfügung, kann innerhalb der Aktion, oder auf dem

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jeweiligen Social-Media-Profil öffentlich gedankt werden. Sie können auch die Initiatoren bitten, den Dank und ggf. ein symbolisches Dankesgeschenk weiterzugeben. Fast noch wichtiger ist die Bindung der Initiatoren. Diese haben sich oft aktiv für die Organisation entschieden und mit ihrer Spendenaktion einen Beitrag zur Finanzierung erreicht, der sich mit Großspendern messen kann. Organisationen sollten die Chance nutzen, diese Leistung wertzuschätzen. Initiatoren sollten auch nach Ende der Aktion mitbekommen, was ihre Aktion bewirkt hat und welche weiteren Engagement-Möglichkeiten es innerhalb der Organisation gibt.

8.1.7 Erfolgsfaktoren für Aktions- und Anlassspenden Verschiedene Faktoren entscheiden darüber, ob sich Spendenaktionen für eine Organisation lohnen. Besonders hilfreich sind wirkliche Fans als Unterstützer, die gerne rausgehen und für das Ziel der Organisation sammeln. Aber Initiatoren alleine genügen nicht, sie müssen auch begleitet und unterstützt werden. Wenn es dann noch gelingt, einen Teil der Aktionsspender langfristig an die Organisation zu binden, lohnen sich Aktions- und Anlassspenden auf jeden Fall. Indirekte Werbung Die Unterstützer einer Organisation müssen von der Möglichkeit der Spendenaktionen erfahren. Hierfür gelingt direkte Werbung allerdings nur selten. Vielmehr ist es die Aufgabe der Organisation, die Möglichkeit der Aktionen bekannt zu machen und Ansprechpartner bereit zu stellen. Neben ganzjährigen Möglichkeiten wie Geburtstagsaktionen lohnt es sich auch, spezielle Kampagnen anzubieten. Werden beispielsweise mit der Aktion „Pawgust“ Spendenaktionen für Blindenführhunde gestartet, oder bei einem selbst organisierten Spendenlauf Spenden gesammelt, ist es leichter, Initiatoren zu finden. Etwas Besonderes Wodurch unterscheiden sich die Spendenaktionen einer Organisation von den Aktionen aller anderen Organisationen? Vielleicht ist der Anlass besonders witzig wie bei der Icebucket Challenge, vielleicht fällt es leicht im Freundeskreis über ein Thema zu reden, wenn man sich im sogenannten Movember einen Schnurrbart wachsen lässt. Das Besondere kann aber auch der exklusive Zugang zu einem Marathon oder die Unterstützung einer besonderen Community sein. Unterstützung der Initiatoren Initiatoren von Spendenaktionen dürfen nicht passiv sein. Wie bei professionellen Fundraisern zählt die aktive Aufforderung, für Aktionen zu spenden. Um dies gut zu machen, braucht es die professionelle Unterstützung durch die Organisation. Zudem wird eine Beziehung zu den Initiatoren aufgebaut, welche Teil der Wertschätzung der Aktion ist.

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Organisationen sollten Unterstützung dabei anbieten, die persönliche Geschichte hinter der Aktion gut und überzeugend zu erzählen. Sie sollten bei der Auswahl von Zielsumme und Projekt unterstützen und im Verlauf der Spendenaktion mit der richtigen Dramaturgie zur Seite stehen. Das persönliche Netzwerk zählt Das persönliche Netzwerk der Initiatoren zählt. Niemand sollte denken, dass jemand anderes als die eigenen Bekannten für eine persönliche Spendenaktion spenden. Die Initiatoren müssen dementsprechend ihr eigenes Netzwerk aktivieren und animieren. Die Öffentlichkeit der einzelnen Spenden kann dabei gerade in einem professionellen und semiprofessionellen Kontext helfen. Bei den Aktionsspenden geht es nicht nur darum Gutes zu tun, sondern auch darüber zu reden. Spendensummen färben ab Die Höhe, insbesondere der ersten Spenden, färbt ab. Vergleichsweise hohe Spendensummen können einen Aufwärtsdruck erzeugen, da ein Wettbewerb zwischen Spendern im höheren Bereich entsteht. Die Spender am oberen Ende buhlen darum, wer den höchsten Betrag gibt. Ebenso möchte niemand die geringste Spende leisten. Gelungene Spendenaktionen haben deshalb zu einem frühen Zeitpunkt der Aktion erste, nicht zu geringe Spenden. Danken Die Motivation für eine Spendenaktion zu spenden, weicht stark von der üblichen Spendenmotivation ab. Deshalb bieten Spendenaktionen eine große Chance, neue Zielgruppen zu erreichen. Allerdings ist dies kein Selbstläufer. Manche Anlassspender haben weder eine Beziehung zur Organisation noch zum Thema. Da jedoch Freundeskreise häufig homogen sind, steigt die Chance zur Bindung nach der ersten Anlassspende. Organisationen sollten deshalb auch Anlassspender weiter informieren, allerdings nicht einfach durch eine Aufnahme in den normalen Mailingzyklus für normale Spender.

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Social Media

Soziale Medien sind Netzwerke, die zum Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Eindrücken dienen. Anders als beispielsweise beim Thema E-Mail findet der Austausch dabei nicht nur zwischen der Organisation und dem potenziellen Unterstützer statt. Der Austausch ist in der Regel offen und auch für andere einsehbar. In einer oft unübersichtlichen Menge wird diskutiert, geteilt, geliked. Es werden Herzchen vergeben und Spitzen verteilt. Für spendensammelnde Organisationen ergeben sich hieraus verschiedene Vorteile. Da viele Menschen soziale Medien nutzen, können wir Menschen in ihrem Alltag mit unseren Anliegen erreichen. Dies gelingt in sozialen Medien auch dann, wenn der Nutzer sich in diesem Moment noch gar nicht mit unserem Anliegen beschäftigt. Vielleicht möchte je-

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mand nur vor der Arbeit schnell schauen, was die eigenen Freunde am Wochenende so gemacht haben und wird auf unsere tolle Aktion aufmerksam. Besonders wirksam ist dies, wenn der Beitrag nicht von einer unbekannten Organisation kommt, sondern über eine persönliche Empfehlung einer Freundin oder eines Freundes. Durch die ungeheuer große Anzahl an Beiträgen und die fehlende Fokussierung entstehen aber auch Nachteile. Wird der Beitrag überhaupt angezeigt, oder waren aus Sicht des Netzwerkes andere Themen relevanter? Passt der Beitrag in das Umfeld von aktuellen politischen Nachrichten, Sinnsprüchen und Sonnenuntergängen? Und letztendlich: Passt der Zeitpunkt für diese Art von Frage? Kurz vor der Arbeit möchte unsere Beispielnutzerin sich vielleicht nicht mit dem Thema Genitalverstümmelung in Subsahara-Afrika oder der Klimakatastrophe beschäftigen. Und überzeugt unser Beitrag, reicht vielleicht die Zeit nicht mehr, die Spende auch durchzuführen.

8.2.1 Reichweite in sozialen Netzwerken Reichweite ist nicht alles, aber ohne Reichweite ist alles nichts. Um in sozialen Medien erfolgreich zu sein, müssen wir die richtigen Menschen erreichen. Dabei lässt sich nicht sagen, dass mehr Fans/Follower/Abonnenten immer gut sind. Es müssen die Menschen erreicht werden, die auch in der Lage und bereit sind, uns zu unterstützen. Hierbei unterscheidet sich die Reichweite der Internetseite ganz essenziell von der Reichweite sozialer Medien. Ein Seitenbesuch folgt einem Bedarf, welcher sich in der Regel durch eine Suche ausdrückt. Jemand möchte etwas gegen Obdachlosigkeit in seiner Stadt unternehmen, gibt eine Suchphrase in ecosia.org oder eine andere Suchmaschine ein und landet auf unserer Internetseite. Was wie der einfachste Vorgang im Internet klingt, hat zwei Voraussetzungen: 1 . Die Besucherin muss schon wissen, was sie möchte. 2. Die Besucherin selber, oder die Suchmaschine, muss wissen, dass sie dies bei uns findet (Abschn. 4.2). Idealerweise ist die Besucherin anschließend dann genau zu dem Zeitpunkt auf der Internetseite, zu der sie sich mit dem Thema beschäftigen möchte. Damit ist sie leichter davon zu überzeugen zu spenden, den Newsletter zu abonnieren oder ähnliches. In Social Media ist das nun genau umgekehrt. Hier entsteht die Reichweite nicht durch eine aktive Äußerung eines Bedarfs. Die meisten Menschen nutzen soziale Medien in Momenten, in denen sie keine konkreten Informationen haben wollen, sondern in Momenten, in denen sie sich ablenken möchten. Vorm Fernseher, im Öffentlichen Personennahverkehr, in ruhigen Phasen auf der Arbeit oder auf Toilette.2 In diesen Momenten geben sie  Laut einer repräsentativen Online-Umfrage des Digitalverbands Bitkom nutzen 60 % der Befragten Social Media vorm Fernseher oder beim Streaming, 52  % in öffentlichen Verkehrsmitteln, 38  % während der Arbeit, Schule oder Uni und 37 % auf Toilette. (Bitkom 2018).

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keinen Suchbegriff ein oder gehen aktiv auf eine Internetseite, sondern sie öffnen ihr Lieblings-­Social-Network und lassen sich überraschen, was ihnen von Freunden, Bekannten, Firmen und Organisationen empfohlen wird. Dies hat zwei große Vorteile. Zum einen ist es möglich, Menschen mit gut aufbereiteten, emotionalen Themen zu erreichen, obwohl sie noch gar nicht wussten, dass sie diese interessieren. Zum anderen kommen die Beiträge als Empfehlung von Freunden, Bekannten oder vertrauenswürdigen Institutionen. Der sogenannte Social Proof, also der Nachweis, dass andere im Freundeskreis das auch gut finden, ist fester Bestandteil der Nachricht. Jedoch ist nicht jeder gute Inhalt auch für soziale Medien geeignet. Beiträge finden nur Reichweite, wenn sie von den eigenen Unterstützern geteilt und verbreitet werden. Dabei ist die Konkurrenz um Aufmerksamkeit nirgendwo höher als in sozialen Medien, findet doch keine thematische Vorauswahl statt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Social-­ Media-­Nutzer ein süßes Katzenvideo, gefolgt von einer Tirade des amerikanischen Präsidenten, gefolgt von Fotos einer Geburtstagsfeier angezeigt bekommt. Hier kann sich jede Organisation selber Gedanken machen, ob sie in diesem Umfeld als relevant wahrgenommen wird. Meiner Erfahrung nach überschätzen wir sehr oft die eigene Relevanz und machen uns aus diesem Grund zu wenig Gedanken über die Aufbereitung unserer eigenen Inhalte. Wegen der schieren Masse an Beiträgen und Diskussionen wird nicht jeder Beitrag einer Organisation allen Unterstützern angezeigt. Kein Nutzer wäre in der Lage, alle Social-­ Media-­Posts zu lesen. Aus diesem Grund filtern Algorithmen in allen großen sozialen Netzwerken die Beiträge vor und bestimmen, welche Beiträge die Nutzer zu sehen bekommen. Oft erreicht ein Beitrag nur eine einstellige Anzahl der eigenen Fans/Follower. Dabei gibt es drei Faktoren, die in fast jedem Social-Media-Algorithmus mitspielen: • Interaktion: Soziale Netzwerke sind Netzwerke zum Austausch. Dieser Austausch findet in Form von Interaktionen statt (klassisch Teilen, Kommentieren, Liken). Regt ein Beitrag nicht zu diesem Austausch an, wird er auch kaum Reichweite bekommen. • Zeit: Nichts ist so alt wie ein Social-Media-Post von gestern. Zwar vergisst das Internet angeblich nichts. De facto haben wir aber schon nach wenigen Stunden fast keine Reichweite mehr für einen Beitrag. Das bedeutet auch: Veröffentlichen wir für ein paar Tage nichts, finden wir in sozialen Netzwerken nicht mehr statt. • Affinität: Wie war die bisherige Beziehung zwischen Account/Seite und dem Nutzer? Wer in den letzten Tagen mit einem der Beiträge interagiert hat, bekommt die nächsten Beiträge mit einer höheren Wahrscheinlichkeit angezeigt. Diese sehr vereinfachte Darstellung des Algorithmus macht deutlich, dass Social Media eine professionelle Betreuung braucht, bevor wir es zu Fundraising-Zwecken nutzen können. Da soziale Medien sehr interaktiv sind bedeutet das aber auch, dass der zeitliche Aufwand für die Betreuung nicht zu unterschätzen ist. Vereinzelt sind die Abgrenzungen zwischen Suche und sozialen Netzwerken nicht so eindeutig. Netzwerke wie Pinterest und YouTube haben neben den sozialen Funktionen

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eine große Zugkraft als Suchmaschinen. YouTube ist sogar die zweitgrößte Suchmaschine nach Google.3 Ebenfalls suchähnlich ist das Auffinden von Beiträgen nach Hashtag, ­insbesondere auf Plattformen wie Instagram oder Twitter. Jedoch spielen in allen Fällen bei der Sortierung der Suchergebnisse soziale Signale wieder eine große Rolle. Die Suchfunktionen sozialer Medien ermöglichen es, ganz neue Menschen ohne vorherige Bindung an die Organisation zu erreichen. Das ist erstrebenswert, lässt sich aber nur langfristig in Fundraising-­Erfolge umwandeln.

8.2.2 Vertrauen und Bindung Nun erreichen wir die hoffentlich richtigen Menschen. Aber, wie können wir das im Fundraising nutzen? Die einfachste Form ist es, Social Media zu nutzen, um Vertrauen in die Organisation aufzubauen und zu erhalten. Vertrauen ist die Grundlage des Erfolgs im Fundraising und entsteht vor allem durch die Empfehlung im engeren sozialen Umfeld (Bohrer 2012a). Dies ist besonders wichtig, da selbst mehr als die Hälfte der Spender nicht wissen, welcher Organisation sie vertrauen können (Bohrer 2012b). Von den etwa zwei Drittel der nichtspendenden Menschen in Deutschland einmal ganz zu schweigen. Basis für dieses Vertrauen ist eine gute Arbeit der Organisation und ein klares Markenprofil. Zudem gehört eine transparente Darstellung von Arbeitsweise und Wirkung zu jeder seriösen Organisation. So wichtig aber die Fakten im Jahresbericht sind, so wenig Menschen erreichen diese. Zudem ist die broschürenhafte Darstellung eher werbend. In sozialen Medien lässt sich Vertrauen auf anderen Wegen schaffen. Hier wird durch eine konstante Kommunikation Vertrauen aufgebaut. Dies nicht nur zu vereinzelten Anlässen, sondern auf einer tagtäglichen Basis. Dabei gibt es jederzeit die Möglichkeit Fragen zu stellen, die Fragen der anderen Nutzer zu sehen und Reaktionen zu beobachten. Organisationen stellen dar, wie sie arbeiten, welche Werte sie vertreten und welche Wirkung sie erzeugen. Im besten Fall stellen sie dabei auch eigene Schwächen zur Schau und ermöglichen so den Unterstützern einen authentischen Einblick in die Arbeit. charity:water: Fehlgeschlagene Bohrung zum 4. Geburtstag

Die amerikanische Hilfsorganisation charity:water ist bekannt für die gute mediale Begleitung ihrer Aktionen vor Ort. Zu ihrem vierten Geburtstag 2010 haben sie deshalb eine Wasserbohrung in Moale in der Zentralafrikanische Republik live gestreamt. Anders als geplant war die Bohrung jedoch ein Fehlschlag. Nach mehr als 30 Stunden musste die Bohrung erfolglos abgebrochen werden, Team und Dorfbewohner waren endtäuscht und verzweifelt (Abb.  8.3). Das Feedback der Zuschauer jedoch war erstaunlich positiv. Scott Harrison der Gründer von charity:water fasste es wie folgt zusammen „Am Ende scheint dieses Video mehr Nachhall gefunden, als all die Happy 3  Dies gilt zumindest, wenn man Google und die Google-Bildersuche zusammenfasst. Mehr Informationen zur Verteilung von Suchanfragen unter: https://sparktoro.com/blog/2018-search-market-share-myths-vs-realities-of-google-bing-amazon-facebook-duckduckgo-more/.

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Abb. 8.3  Scott Harrison, Gründer von charity:water in einem Live-Video bei der fehlgeschlagenen Bohrung in Moale. (Quelle: YouTube)

Endings die wir in der Vergangenheit veröffentlicht haben.“ (Harrison 2010). Der transparente Umgang mit der Realität war für viele Zuschauer überraschend und hat das Vertrauen in die Arbeit der Organisation noch gestärkt. Auch die Bewohner von Moale konnten sich freuen. Mit einem Jahr Verspätung gelang die Bohrung endlich. ◄ Etwas pointiert könnte man von einer Art Karma sprechen, welches die Organisation durch ihre offene Kommunikation aufbaut. Die Social-Media-Kanäle lassen die potenziellen Unterstützer an der Arbeit der Organisation teilhaben, beziehen sie in Überlegungen ein und lassen sie Teil von etwas Größerem werden. Dieses Karma kann genutzt werden, um bei passendem Bedarf um Unterstützung zu bitten. Wichtig ist hierbei, wie so oft im Fundraising, in Beziehungen zu denken. Vertrauen lässt sich nicht „mal schnell“ aufbauen und so sollte auch die Social-Media-Arbeit langfristig ausgelegt sein. Fast niemand sieht zum ersten Mal den Beitrag einer Organisation und spendet direkt. Jedoch senkt die Kommunikation in sozialen Medien die Hürden zum Einstieg ins Spenden. Eine Interaktion wie ein Like ist einfach und schnell gesetzt, sie bietet der Organisation die Möglichkeit, weiter in Kontakt zu bleiben und um Unterstützung zu werben. Der Aufruf zur Spende muss dabei nicht unbedingt in sozialen Medien geschehen. In vielen Fällen ist dies nicht einmal die beste Möglichkeit. Ähnlich wie bei Plakatkampagnen, welche direkt nur zu geringen Spenden führt, kann die Social-Media-Arbeit auch die Grundlage für Spendenaufrufe in anderen On- und Offline-Medien sein. Auch in diesem Fall hilft es, wenn die Empfänger über soziale Medien gut informiert sind und der Organisation bereits ihr Vertrauen schenken oder sich im besten Fall als Teil der Organisation sehen.

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Spenderanalyse in sozialen Medien Eine direkt aus sozialen Medien getätigte Spende ist einfach zu analysieren. Hier kann entweder ein gesonderter Kampagnenparameter übergeben werden oder der Herkunftsparameter in der Webanalyse verwendet werden. Dies gilt allerdings nur, wenn im jeweiligen sozialen Netzwerk ein Link geklickt wurde. Schwierig ist der Abgleich zwischen Fans und Followern und der eigenen Spenderdatenbank. Dieser Abgleich würde es erlauben herauszufinden, welche Spender bereits vorher Online-­Unterstützer waren. Hierfür gibt es jedoch mehrere Hürden. Netzwerke wie Twitter oder Instagram setzen keine Klarnamen voraus, ein Abgleich ist damit nahezu unmöglich. In anderen Netzwerken wie zum Beispiel bei Facebook gibt es keine Einsicht in die Liste der eigenen Fans. Zudem sollten Sie jegliche Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Datenquellen datenschutzrechtlich hinterfragen.

Spenderbindung Mindestens genauso wichtig wie neue Spender zu gewinnen ist es, bestehende Spender zu binden. Dies gilt insbesondere bei langfristigen Unterstützern wie Mitgliedern, Paten und Dauerspendern welche auch die perfekten Multiplikatoren on- und offline sind. Werden diese Spender regelmäßig informiert und wird ihnen ein Forum zum Austausch gegeben, ist von einer geringeren Kündigungsquote auszugehen, auch wenn eine genaue Analyse schwierig ist (Siehe Kasten Spenderanalyse). Lassen Sie Ihren Spendern auch in sozialen Medien die Wertschätzung zukommen, die sie verdienen. Dies bedeutet, alle Fans über den Verlauf von Spendenprojekten auf dem Laufenden zu halten und für das Engagement der Unterstützer zu danken. Anders als bei der E-Mail lassen sich über soziale Medien in der Regel keine Einzelpersonen ansprechen.4 Manchmal kann es sich lohnen, alle Fans/Follower/Abonnenten als Unterstützer zu behandeln und sich regelmäßig für die tolle Unterstützung zu bedanken. Die Unterstützer werden sich freuen und die stillen Unterstützer sehen, dass auch andere die Organisation unterstützen. Im besten Fall führt der Dank bei dem einen oder anderen Noch-Nicht-­ Spender dazu, dass er sich als Unterstützer fühlt und die Unterstützung nachholt. Freundesfreunde Soziale Medien sind mehr als nur ein weiterer Verbreitungskanal. Die größte Kraft entfalten sie, wenn unsere Unterstützer für uns sprechen, uns empfehlen, unsere Inhalte teilen oder gar für uns um Spenden bitten. Die eigenen Social-Media-Accounts sollten also nur der Ausgangspunkt für Social-Media-Aktivitäten sein. Hier kommunizieren wir mit den besonders aktiven Unterstützern, mit den Menschen die ein langfristiges Interesse an uns haben und für die unser Thema eine hohe Relevanz hat. Gelingt dies, kann bei einzelnen Beiträgen über die bestehende Reichweite hinausgegangen werden. Im Rahmen einer Kampagne oder eines besonders relevanten Anlasses rufen wir unsere Unterstützer auf, das Thema in ihren Freundeskreis zu Freunden und Freundesfreunden hineinzutragen. Das setzt jedoch voraus, dass wir unsere Fans/ Follower wirklich als Unterstützer sehen und nicht als Empfänger unserer Botschaft.  Eine Ausnahme ist hier das Netzwerk Twitter. Jedoch sind hier nur für wenige Organisationen die richtigen Spenderzielgruppen vertreten. Ebenfalls möglich ist eine Eins-zu-eins-Kommunikation mittels Privatnachrichten und Messengern. Dies setzt aber immer eine aktive Einwilligung des Spenders voraus. Ein Like/Abo ist keine Einwilligung zu einer Eins-zu-eins-Kommunikation.

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8.2.3 Spenden auf Plattformen Natürlich ist es auch möglich, direkt im sozialen Netzwerk zu einer Spende aufzurufen. Dies geschieht in der Regel durch eigene Beiträge mit konkreten Aufrufen. Ein Spendenaufruf auf dem Profil selber kann dies unterstützen, die Profile werden aber im Vergleich zu den Beiträgen nur sehr selten aufgerufen. Wie immer gilt: Je konkreter der Aufruf, desto besser funktioniert er. Nur, wenn der Spendenaufruf sich zum interagieren (teilen, kommentieren, liken) eignet, erreicht er auch die gewünschte Zielgruppe. Besonders geeignet sind deshalb konkrete Unterstützungsbitten, zeitkritische Aufrufe oder Aktionen wie Verdopplungsspenden. Hunden helfen via Facebook

Insbesondere für kleine Organisationen mit treuen Unterstützern kann Facebook lohnend sein, z.  B. für Organisationen wie die schweizerisch-spanische Parenas-­ Pfotenhilfe. Hier wird insbesondere über Facebook immer aktuell über die Arbeit der Organisation berichtet und um Spenden für neu aufgenommene Hunde gebeten (Abb. 8.4). Was für Externe reichlich viel ist, kommt bei der Zielgruppe gut an. Zum Teil gibt es mehrmals täglich Updates von Tierarztbesuchen, Neuzugängen, Adoptionen oder dem Alltag im eigenen Tierheim. Dadurch entsteht eine Transparenz, die nicht der klassischen Jahresberichtstransparenz entspricht, aber eine authentische Teilhabe am Geschehen und an der Wirkung der eigenen Spenden ermöglicht. Mehr Infos unter Facebook: Parenas Pfotenhilfe CH ◄ Die Spende selber geschieht dann häufig auf der Internetseite der Organisation. Dies hat den Vorteil, dass die Seite individuell gestaltet werden kann und alle Spendendaten bei der Organisation landen. Allerdings muss für die Spende das Netzwerk verlassen werden und alle Spendendaten müssen vollständig eingegeben werden. Nach der erfolgreichen Spende gibt es innerhalb des sozialen Netzwerkes kein Feedback wie etwa einen Spendenstand oder die Nennung der Spendenden. Nicht in jedem Netzwerk ist es möglich, auf externe Internetseiten zu verlinken. Während dies auf Facebook und Twitter kein Problem ist, bieten Netzwerke wie Instagram keine Funktion zur Verlinkung mehr an. Auf Instagram sind Links nur für Organisationen mit mehr als 10.000 Followern in Stories, oder durch Werbung möglich. Hier muss dann der Link im Profil oder Google als Weg zur Spende herhalten. Direkte Spenden im sozialen Netzwerk Neben der Möglichkeit, die Spendenden auf die eigene Internetseite zu lenken, bieten manche soziale Netzwerke5 die Möglichkeit, direkt innerhalb der Plattform zu spenden. Hierbei wird die Zahlung an das Netzwerk geleistet und im Anschluss gebündelt und wie im Falle von Facebook ohne Abzüge an die Organisation weitergeleitet.  Stand 2019 bieten Facebook und Instagram eine Spendenmöglichkeit in Deutschland an. YouTube hat eine Spendenmöglichkeit angekündigt und ersten Organisationen in den USA zur Verfügung gestellt. 5

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Abb. 8.4  Facebook-Beitrag der Parenas Pfotenhilfe CH. (Quelle: Screenshot Facebook)

Direkte Spenden haben den großen Vorteil, dass sie sehr einfach und schnell innerhalb des Netzwerkes machbar sind. Wurde bereits einmal gespendet, können weitere Spenden ohne die Eingabe der persönlichen Daten und der Zahlungsdaten mit einem Klick getätigt werden, da das Netzwerk die Nutzungsdaten organisationsübergreifend speichert. Nach der einfachen Spende lassen sich die Spendendaten einfach wieder anzeigen. Das Netzwerk kann den aktuellen Spendenstand und die Liste der Unterstützenden anzeigen und Freunde automatisch darüber benachrichtigen. Es ist dadurch möglich, eine Öffentlichkeit für die Spende herzustellen, die im Idealfall neue Spenden nach sich zieht.

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Aber es gibt nicht nur Vorteile der direkten Spende in sozialen Netzwerken. Die Einfachheit für die Spendenden bedeutet ernst zu nehmende Nachteile für die Organisation. Es ist sehr schwierig, nach einer Spende den Kontakt zu den Unterstützenden aufrecht zu halten. Vom Netzwerk werden wenige bis gar keine Daten über die Spendenden an die Organisation weitergegeben. Ein ordentliches Opt-in in eine Folgekommunikation ist kaum zu bekommen. Auch auf Seite der Spendenden kann es zu Irritationen führen, wenn alle Zahlungs- und Personendaten an das jeweilige Netzwerk mit Sitz in den USA gegeben werden. Facebook stellt dafür einen Zahlungsbeleg, jedoch keine Spendenbescheinigung aus. Zudem sind die Zahlweisen meist auf internationale Zahlungsmittel wie Kreditkarte und PayPal beschränkt. Wie so oft im Fundraising, müssen Organisationen eine Abwägung zwischen Einfachheit und langfristigem Nutzen treffen. In den meisten Fällen wird diese Abwägung im professionellen Fundraising zugunsten der eigenen Spendenformulare ausgehen. Eine Ausnahme sind Spendensammlungen Dritter zugunsten der Organisation. Da hier die Bindung an die Organisation nicht so hoch ist, spielt die Einfachheit und die soziale Komponente der Sichtbarkeit von Zuwendungen eine größere Rolle.

8.2.4 Die persönlich vernetzten Fundraiser People give to people ist eine allseits bekannte Fundraising-Weisheit. Organisationen werden durch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter repräsentiert und wären ohne diese nicht in der Lage, zu funktionieren. Für Spendende ist der richtige Ansprechpartner ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob der Organisation zu trauen ist. In sozialen Medien ist die Selbstdarstellung von Personen ein elementarer Bestandteil, der für das Fundraising genutzt werden kann. Insbesondere in der individuellen Spenderbetreuung und bei Unternehmenskooperationen haben vernetzte Fundraiser in sozialen Medien einen Vorteil durch die niedrigschwellige Ansprache. Unterstützung bei der Ansprache von Unternehmen und Großspenderinnen In Business-Netzwerken wie Xing und LinkedIn ist es möglich, direkt nach den passenden Ansprechpartnern in einem Unternehmen zu suchen. Gibt es dabei gemeinsame Kontakte, werden diese angezeigt und können den Einstieg in die Kommunikation erleichtern, indem sie einen vorstellen oder man sich im Gespräch auf sie beruft. Ebenso hilfreich ist es, zu sehen, welche Unternehmerinnen und Unternehmer in sozialen Netzwerken angeben, Mitglied oder Förderer zu sein. Wer sich hier zur Organisation bekennt, ist im Fundraising leichter ansprechbar. Eigene Recherche der Ansprechpartner Aber nicht nur zur Recherche potenzieller Spender sind soziale Netzwerke gut. Auch potenzielle Spender recherchieren hier ihre Ansprechpartner. Wenn Sie hier als Organisation, aber auch als Person einen guten Eindruck hinterlassen, wird es leichter, einen Termin für

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ein Gespräch zu bekommen. Machen Sie deshalb schon in Ihren Social-Media-Profilen klar, warum Sie für das Thema Ihrer Organisation brennen und welche Möglichkeiten Sie potenziellen Spendern bieten, mit Ihnen Gutes zu tun. In Kontakt bleiben Fundraising ist eher ein Marathon als ein Sprint und nicht mit der ersten Spende abgeschlossen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, mit Ihren Unterstützern in Kontakt zu bleiben und für Ihre Fragen da zu sein, bieten soziale Medien und Messenger gute Voraussetzungen hierfür. Organisationen sollten nicht davor zurückschrecken, ihre Experten (Fundraiser, Geschäftsführer und Fachleute) zu zeigen und zu Wort kommen zu lassen. Kontakte bekommen so einen Einblick in das Innenleben der Organisation und können einfach und selbstbestimmt auf dem Laufenden gehalten werden. Geschehen kann dies öffentlich über soziale Netzwerke oder ganz persönlich durch Updates per Messenger beispielsweise von einer Reise ins Projektgebiet. Natürlich muss sich jeder Angestellte selber die Frage stellen, wie öffentlich er oder sie für die Organisation auftreten möchte. Während es in beruflichen Netzwerken wie Xing und LinkedIn kaum Probleme gibt, spielt in anderen Netzwerken die persönlich-berufliche Mischnutzung eine Rolle. Selbiges gilt für Handynummern und Messenger. Manche Fragen lassen sich dabei technisch durch ein Diensthandy lösen, manche hängen aber von der persönlichen Nutzung sozialer Medien ab und können nicht unabhängig von der Person bewertet werden.

8.2.5 Fundraising mit Influencern Mit dem Aufkommen von Stars und Sternchen auf YouTube, Instagram und Co. hat sich auch im Marketing ein ganz eigener Bereich des Influencer-Marketings herauskristallisiert. Im Kern geht es dabei darum, durch Empfehlung von reichweitenstarken Social-­ Media-­Nutzern eine Botschaft, in unserem Fall einen Spendenaufruf, an dessen Fans und Follower zu senden. Dementsprechend ist auch der Übergang vom normalen Social-­ Media-­Marketing zum Influencer-Marketing fließend. Letzten Endes ist jeder Social-­ Media-­Nutzer im Rahmen des eigenen Bekanntenkreises ein Micro-Influencer. Reichweitengewinn mit Influencern Die bekanntesten Influencer erreichen mit ihren Beiträgen und Videos oft deutlich mehr Menschen als die großen Non-Profit-Organisationen oder gar klassische Medien. Dies gilt insbesondere für die Themen Beauty/Mode, Comedy und Let’s Play (Video Spiele) mit mehreren Millionen Abonnenten auf YouTube und Instagram. Aber auch Menschen, die sich inhaltlich tiefer mit gemeinnützigen Themen befassen, haben eine große Reichweite. Am bekanntesten ist zum Zeitpunkt des Schreibens Rezo, der mit seinem Video zur CDU und zum Klimaschutz mehr als dreizehn Millionen Aufrufe hatte. Nachrichten-Formate auf YouTube wie beispielsweise von LeFloid oder MrWissen2Go erreichen regelmäßig hunderttausende meist junge Menschen.

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Wie beim Peer-to-Peer-Fundraising im Freundeskreis hilft auch im Influencer-Mar­ keting die authentische Empfehlung einer reichweitenstarken Person. Anders als beim Testimonial, soll die Empfehlung aber nicht nur Vertrauen schaffen, sondern auch direkt Reichweite in einer gewünschten Zielgruppe bringen. Influencer können im ganzen Entscheidungsprozess Einfluss nehmen. Ihr Einfluss ist dabei nicht nur auf die Phase der „Bedarfsweckung“ beschränkt (Lammenett 2019).6 Viele Zielgruppen lassen sich durch klassische Medien nur schwer erreichen. Das gilt auch für Online-Kanäle. Suchmaschinenoptimierung setzt ein bereits bestehendes Inte­ resse voraus, Newsletter brauchen ein Opt-in, in sozialen Medien werden oft nur bestehende Unterstützer gebunden und Werbung wird von Werbeblockern ausgeblendet oder von der menschlichen Wahrnehmung herausgefiltert. Multiplikatoren in sozialen Netzwerken erreichen mit ihren meist regelmäßigen Formaten dagegen ihre eigenen Fans und Follower konstant über einen langen Zeitraum und bauen eine enge Verbindung zwischen sich und ihren „Zuschauern“ auf. Berichten sie von den Themen einer Organisation und sind vielleicht auf die eine oder andere Weise selbst betroffen oder involviert, können komplett neue Zielgruppen für die Organisation erreicht werden. Die idealen Influencer findet man, indem man sich in der jeweiligen Zielgruppe umschaut und auskennt. Dabei sind nicht immer die Mega-Influencer mit ihren bekannten Namen am passendsten für eine Organisation. Häufig sind es die weniger bekannten Menschen, die in der Nische ihre Zielgruppe besser erreichen und die ohne große Werbedeals als vertrauenswürdiger wahrgenommen werden. Es lohnt sich als Non-Profit-Organisation auch, die eigenen Fans, Follower und Abonnenten im Auge zu behalten. Vielleicht hat ja der eine oder die andere bereits von sich aus Interesse an der Arbeit der Organisation gezeigt. Natürlich gibt es auch Plattformen und Agenturen wie reachbird oder reachhero die einem bei der Suche und zum Teil der Kontaktaufnahme behilflich sind. Zur Ansprache genügt oft die direkte Ansprache über YouTube, Instagram und Co. Bei „hauptberuflichen“ Kreativen ist oft ein Kontakt zum Management angegeben. Dabei gilt es zu bedenken, dass die eigene Organisation in der Regel nicht die erste und einzige Anfrage ist. Es gilt sich also zu überlegen, warum eine Zusammenarbeit für beide Seiten Vorteile bringt und warum ein Engagement für diese eine Organisation besonders gut passt. Die meisten Influencer sind kreative Menschen und haben keine Lust auf ihren eigenen Kanälen reine Werbung zu machen. In einer Kooperationsvereinbarung sollten die wichtigen Eckpunkte geklärt sein, die Organisation muss aber auch das Vertrauen erbringen können, dass das Gegenüber die eigene Zielgruppe am besten kennt. Die Influencerin Ischtar Isik ist beispielsweise 2017 zusammen mit anderen YouTubern und der Organisation Gemeinsam für Afrika nach Sambia gereist. In mehreren Videos hat sie von der Reise berichtet und mit ihrer persönlichen Spendenaktion konnten mehr als 16.000 € gesammelt werden (Abb. 8.5).  Eines der bekanntesten Phasen-Modelle ist dabei das AIDA-Prinzip. Es steht für die englischen Begriffe Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Verlangen/Bedarf) und Action (Handlung). Influencer haben die Reichweite, um Aufmerksamkeit zu generieren, können inhaltlich Interesse an einem Thema wecken, die Bedeutung für den Bedarf darstellen und direkt zu einer Handlung aufrufen. Im Falle von Facebook-Spendenaktionen oder Livestreams ist es sogar möglich, die Handlung der Spende direkt durchzuführen.

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Abb. 8.5  Ischtar Isiks Reise nach Sambia durch die mehr als 16.000 € gesammelt wurden. (Quelle: Screenshot YouTube)

Der persönliche Aufruf durch Influencer Im Fundraising wirkt der persönliche Aufruf deutlich stärker, als das in der allgemeinen Massenkommunikation gelingen kann. Mit Influencern ist es möglich, eine persönliche Nähe aufzubauen, wie sie sonst nur im privaten Bereich existiert. Das hilft, um aus der institutionellen Kommunikation auszusteigen und insbesondere für ungebundene Spender greifbarer zu werden. Wegen der oft jungen Zielgruppe, sollten sich Organisationen vor einer Kooperation bewusst machen, was das Ziel der Zusammenarbeit ist. Geht es eher langfristig um den Aufbau von Bekanntheit und Vertrauen? Oder sollen während einer Kampagne primär Spenden gesammelt werden? Sollen direkt Spenden gesammelt werden, sollte für Spender und Influencer sichtbar sein, welche Wirkung der eigene Spendenaufruf erzeugt. Hier bieten sich die verschiedenen Möglichkeiten des Peer-to-Peer-Fundraisings an. Die Empfehlung kann dabei ganz natürlich durch das eigene Interesse der Influencer oder durch eine Anfrage der Organisation, zuweilen über Influencer-Agenturen, zustande kommen. Während im kommerziellen Influencer-Marketing dabei teils hohe Honorare bezahlt werden, ist dies im Non-Profit-Bereich eher die Ausnahme. Um eine authentische Empfehlung zu bekommen, müssen Organisationen die kreative Erstellung der Beiträge dabei weitgehend überlassen und Kontrolle abgeben. Zwar werden in einem Gespräch und ggf. einem Briefing grobe Leitlinien gegeben, je weniger Vorgaben es dabei gibt, desto passender ist der Aufruf im jeweiligen Kanal. In diesem Sinne sollten die Influencer aus Sicht der Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekte eher als Journalisten, statt als Werbeträger verstanden werden. Sonderfall: Spendensammeln im Stream Eine Sonderform des Fundraisings mit und von Influencern sind Charity Streams. Angelehnt an die TV-Spendengalas werden bei einem Charity Stream während einer Live-­ Übertragung Spenden gesammelt und der aktuelle Spendenstand wird direkt angezeigt.

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Durchgeführt werden die Streams auf Plattformen wie Twitch oder YouTube, auf denen auch sonst viele Livestreams, insbesondere von Computerspielen (Let’s Plays) stattfinden. Die Abwicklung der Spenden findet über externe Partner wie betterplace.org statt, welche es ermöglichen, dass aktuelle Spenden und deren Kommentare direkt im Stream angezeigt werden. Um die Zuschauer zum Spenden zu motivieren, darf das Spenden nicht nebenbei laufen. Während des Streams sollten die Spendenden direkt aufgerufen werden zu spenden und selbstverständlich auch dankend erwähnt werden. Dies kann persönlich im Video, oder durch Einblendung der Spende geschehen. Das Setzen und Feiern von Zwischenzielen hilft allen Zuschauenden mitzufiebern und gibt neue Impulse zu spenden, ebenso wie die Einbeziehung der Spendenden durch Spiele und Challenges. Ein Charity Stream ist also eine Live-Spendenaktion von Influencern. Ähnlich wie bei anderen Spendenaktionen ist die Spendenlogik hier eher auf die Beziehung zu den Veranstaltern als zur gemeinnützigen Organisation zurückzuführen. Auffällig ist daher, dass die erfolgreichsten Charity Streams nicht von den Organisationen initiiert werden, sondern aus der Community heraus entstehen. Die Auswahl der Spendenempfänger ist dementsprechend stark von der persönlichen Bindung der Veranstalter abhängig. Zum Teil werden Organisationen durch eine Anfrage eher überrascht, da auch kleine Organisationen ausgewählt werden, welche nicht immer ein professionelles Fundraising haben. Friendly Fire: Spendeneinnahmen von mehr als einer Millionen Euro

Der seit 2015 jährlich stattfindende Charity Stream Friendly Fire ist die in Deutschland erfolgreichste Spendensammlung über einen Livestream. Durchgeführt wird es von einer Gruppe deutscher Let‘s Player (Menschen, welche einen Livestream ihrer Computerspiele veranstalten) rund um das Team von PietSmiet und Gronkh. Während eines Twitch-Livestreams konnten die Zuschauer über die Plattform betterplace spenden (Abb. 8.6). Dabei wurden Spendenstand und einzelne Spenden live im Stream angezeigt. Von den mehr als 1 Millionen Euro Einnahmen kamen über 700.000 Euro über diese Einzelspenden. Im Anschluss werden die Spendengelder an von den Veranstaltern ausgesuchte Organisationen ausgeschüttet. Mit dabei sind große und kleine Organisationen unterschiedlicher Bereiche, welche zum Teil kein eigenes Online-Fundraising betreiben. 2019 waren dies der Tierschutzbund, die Sozialhelden, das Pacific Garbage Screening, die Open Knowledge Foundation, Rett Deutschland, PrimaKlima, HateAid und Praxis ohne Grenzen Segeberg.7 ◄

Interne Influencer Weiter gefasst müssen Influencer aber nicht immer Prominente sein. Auch „interne Influencer“ wie die eigenen Ehrenamtlichen, Vorstände oder Mitarbeiter spielen hier eine Rolle. Niemand ist näher dran an der Organisation und kann sich mit mehr Überzeugung für die Sache einsetzen. Zudem ist davon auszugehen, dass in den meisten Organisationen  Wer möchte, kann sich die vollständigen 12 Stunden auf YouTube https://www.youtube.com/ watch?v=5jed_crs0Kk anschauen.

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Abb. 8.6  Das Team von Friendly Fire feiert den Spendenstand von 700.000. (Quelle Screenshot Twitch)

eine hohe Übereinstimmung zwischen den Engagierten und potenziellen Spendern besteht. Auch interne Influencer brauchen Anerkennung dafür, dass sie einen Aufruf teilen oder eine eigene Aktion starten. Als tief involvierte Menschen ist es zudem besonders wichtig, dass sie den konkreten Erfolg ihres Einsatzes sehen und die Spendengelder möglichst konkret eingesetzt werden.

8.2.6 Community-Management Peer-to-Peer-Fundraising bietet viele Möglichkeiten, die Fans und Follower auch ins Fundraising mit einzubinden. Die häufig naive Hoffnung „Wir stellen dort was ein und dann kommen die Spenden“ kann aber nur realisiert werden, wenn eine Organisation es schafft, Multiplikatoren und Spender richtig anzusprechen. Dabei genügt es nicht, soziale Medien als Verteiler für die sicherlich wichtigen Informationen der Organisation zu verwenden. Soziale Medien setzten den Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Eindrücken voraus. Findet dieser Austausch statt, schafft dies Vertrauen zwischen tatsächlichen Fans und der Organisation. Die Unterstützer können dann als Multiplikatoren in ihrem eigenen Bekanntenkreis die Organisation und ihre Arbeit empfehlen. Empfehlungen von Bekannten sind die wichtigste Werbeform und lassen am ehesten Vertrauen zur Organisation entstehen (Nielsen 2009; GfK und deutscher Spendenrat e.V. 2012). Ein Spendenprojekt zu starten ohne Multiplikatoren und Fürsprecher zu haben, das ist hingegen nur selten von Erfolg gekrönt. Deshalb gilt die alte Binsenweisheit: „Build your community before you need it!“ Ohne eine eigene Community als E-Mail-Verteiler oder

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als Social-Media-Follower, welche überzeugt von der Wichtigkeit einer Kampagne ist, wird es sehr schwer, die nötige Reichweite für ein neues Projekt zu bekommen. Jeder Social-Media-Kanal sollte deshalb aus der Sicht der Fans und Follower geplant werden. Was ist deren Interesse am Thema? Welches Interesse gibt es an einem Austausch? Was macht der Zielgruppe Spaß, wo kann sie Hilfe gebrauchen, welche Ungerechtigkeit regt sie auf? Nur, wenn eine Organisation klar kommunizieren kann, was der Mehrwert des Angebots ist, bestehen Chancen auf Reichweite und eine loyale Community. Community Management bedeutet dann, dass die Organisation nicht nur Informationen postet, sondern Diskussionen und Austausch in Gang hält. Sie muss sich selber in Kommentare einmischen, positive Stimmen stärken und destruktive Kritik verhindern. Anders als in anderen Medien ist jedes Feedback sofort öffentlich. Gerade bei größerer Aufmerksamkeit während einer Kampagne kann das dazu führen, dass sich auch Kritiker, Querulanten und Trolle zu Wort melden. Hier muss moderierend eingegriffen werden, ohne dass sich die eigene Community auf die Füße getreten fühlt. In den meisten sozialen Netzwerken haben Organisationen auf ihren Profilen Hausrecht und können Kommentare löschen oder Nutzer sperren, hier müssen aber personelle Ressourcen eingeplant werden, damit sich die eigenen Unterstützer weiterhin wohlfühlen. In den meisten Fällen kommt es jedoch nie zu ausufernder Kritik oder Shitstorms. Das weitaus größere Problem für viele Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte stellt die sinkende Reichweite dar. Dies darf jedoch nicht mit einem fehlenden Interesse verwechselt werden. Nicht jeder Inhalt und jedes Format passen zum Medium. Gerade die vielen kleinen Beiträge in sozialen Medien brauchen eine Kommunikation, die voll darauf ausgerichtet ist, kommentiert oder im eigenen Freundeskreis geteilt zu werden. Als Alternative zu den öffentlichen Profilen, haben sich in den letzten Jahren offene und geschlossene Gruppen herausgebildet. In dieser geschützteren Form der Social-­ Media-­Kommunikation kann der Austausch unter ehrenamtlichen Fundraisern und den Angestellten einer Organisation gefördert werden. Sie bieten die Möglichkeit eines exklusiven Zugangs und einer stärkeren Bindung an die Organisation.

8.2.7 Werbung in sozialen Medien Werbung ist ein gutes und funktionierendes Mittel, um potenzielle Spender anzusprechen. Werbung hat nur einen großen Nachteil: Sie kostet Geld. Damit muss die Frage nach dem Return on Investment (ROI) noch einmal deutlich klarer beantwortet werden, als in anderen Bereichen. Während klassische Bannerwerbung nach dem Ort der Anzeige geschaltet wird und Suchmaschinen-Werbung nach Intention des Besuchers angezeigt wird, kann Werbung in sozialen Medien gezielt einzelne Zielgruppen ansprechen. Da die meisten Menschen das Internet nicht mit einer reinen Spendenmotivation nutzen („Wem Spende ich heute?“), eignet sich zielgruppengenaue Spendenwerbung besonders gut. Hinzu kommt, dass die

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Nutzer von sozialen Medien grundsätzlich offen für Empfehlungen sind und nicht mit einem klaren Recherchebedarf wie beispielsweise bei einer Suche ankommen. Die Werbeanzeigen selber ähneln normalen Beiträgen im jeweiligen Netzwerk. Wie in sozialen Medien üblich, kann mit dem Beitrag interagiert werden, also es kann kommentiert, geteilt und geliked werden. Dies sorgt im besten Fall für Social Proof, die Anzeige wird also inklusive des hoffentlich positiven Feedbacks anderer echter Menschen ausgespielt. Da die Diskussionskultur in sozialen Medien aber nicht immer positiv ist, bedeutet das auch, dass während einer Anzeigenschaltung konstant moderiert werden muss. Insbesondere bei Themen wie der Hilfe für geflüchtete Menschen, Feminismus oder Klimaschutz kann dies einige Zeit und Nerven in Anspruch nehmen. Die Auswahl der Zielgruppe kann klassischerweise anhand der Profildaten (unter anderem Alter, Geschlecht, Wohnort) und anhand der Interessen (beispielsweise Katzen, Umweltschutz, Lateinamerika) geschehen. Etwas weitergehende Zielgruppenauswahlen sind mit datenintensiveren und datenschutzunfreundlicheren Tracking-Funktionen möglich. Die Preisgestaltung bei Social-Media-Werbung findet ähnlich wie bei Suchmaschinenwerbung durch ein Versteigerungssystem statt. Der Preis ist also abhängig von der Konkurrenzsituation und der Qualität der Anzeige. In der Regel wird deshalb für eine zuverlässige Preisaussage eine Testanzeige mit einem kleinen Budget geschaltet. Drei grundsätzliche Strategien zum Fundraising durch Social-Media-Werbung lassen sich unterscheiden: Direkte Spendenwerbung Direkte Spendenwerbung ist wohl auch in sozialen Medien die häufigste Form der Werbung. Dabei wird einer möglichst klaren Zielgruppe ein direkter Spendenaufruf mit einem Link zur Spendenseite angezeigt. Nur selten sind Menschen, die noch nie etwas von der Arbeit einer Organisation gehört haben, spontan bereit aufgrund einer Anzeige zu spenden. Diese Strategie funktioniert deshalb nur bei einer besonders geeigneten Zielgruppenauswahl, bei hoher Bekanntheit der Organisation innerhalb der Zielgruppe oder bei aktuell besonders spendenrelevanten Themen. Wird über die allgemeine Berichterstattung die Relevanz eines Themas breit vermittelt, kann auch ein direkter, quasi kalter Aufruf funktionieren. NABU-Patenwerbung für den Schutz der Fledermäuse

Der Naturschutzbund Deutschland schaltete 2019 Facebook-Anzeigen zur Bewerbung der Fledermaus-Patenschaft, einer Projekt-Patenschaft zur Unterstützung von Fledermaus-Schutz-Projekten. Die Werbung mit einem aufmerksamkeitsstarken Bild wurde an eine Zielgruppe ausgespielt, welche von Facebook als Gothic-Fans definiert wurde (Abb. 8.7). Mit der Annahme, dass Gothic-Fans sich mit dem Schutz von Fledermäusen identifizieren können, wurde insbesondere für die Möglichkeit die Patenschaft zu verschenken, geworben. ◄

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Abb. 8.7 Facebook-Werbung für die Fledermaus-Patenschaft des NABU. (Quelle: Screenshot Facebook)

Indirekte Spendenwerbung Etwas subtiler als die direkte Spendenwerbung sind Werbeanzeigen, welche versuchen erst einmal ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Hier wird dann beispielsweise dafür geworben erst einmal Fan/Follower zu werben oder den Newsletter der Organisation zu abonnieren. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit in einem langfristigen Kontakt zu treten und dann zeitverzögert um eine Unterstützung zu bitten. Zu besonders spendenrelevanten Zeitpunkten wie Weihnachten oder im Rahmen einer Naturkatastrophe kann die eigene Community um eine Spende gebeten werden. Zusätzlich kann dies mit einer Werbung auf die eigene Zielgruppe unterstützt werden. In keinem sozialen Netzwerk werden alle Fans/ Follower regelmäßig erreicht. Werbung auf die eigene Zielgruppe kann also sicherstellen, dass alle den Aufruf mitbekommen und kann durch mehrfaches Anzeigen eines Beitrages auch Menschen, die sich nicht spontan für eine Unterstützung entscheiden überzeugen.

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Engagement Funnel Mit Hilfe von bezahlter Werbung lässt sich auch ein mehrschrittiger Engagement Funnel umsetzen. In einem ersten Schritt wird hier auf ein Thema aufmerksam gemacht, ohne dies direkt mit einem Spendenaufruf zu verbinden. Erst in einem weiteren Schritt wird dann ein Spendenaufruf ausgespielt. Der Spendenaufruf erreicht aber nur Menschen, welche vorher bereits ein inhaltliches Interesse gezeigt haben und bei denen von einem gewissen Vorwissen ausgegangen werden kann. Klassischerweise braucht es für diese Form der Werbung den Einsatz von Tracking-Pixeln wie dem Facebook-Pixel auf der eigenen Internetseite. Wird diese Nutzung aus datenschutzrechtlichen Bedenken abgelehnt, gibt es vereinzelt Möglichkeiten, diese Form der Werbung auch innerhalb der Netzwerke umzusetzen. Zum Beispiel ermöglicht es Facebook, eine Werbeanzeige nur an Menschen auszuspielen, welche ein vorher geschaltetes Video mindestens 3 Sekunden lang angeschaut haben.

8.3

Crowdfunding-Kampagnen

Crowdfunding ist eine Anfang der 2010er-Jahre aufgekommene Bezeichnung für Schwarmfinanzierungen jedweder Art. Während die Finanzierung großer Projekte durch viele Kleinspender im gemeinnützigen und wohltätigen Bereich ein alter Hut ist, hat diese Art der Finanzierung in anderen Bereichen erst mit dem Internet und sozialen Medien Fahrt aufgenommen. Crowdfunding als Überbegriff wird dabei für vier Arten der Schwarmfinanzierung genutzt (Crowdsourcing.org 2012): 1. Crowddonation oder Donation-Based Crowdfunding, was weitgehend dem klassischen Fundraising gemeinnütziger Organisationen entspricht wie wir es alle kennen. 2. Crowdsupporting oder Reward-Based Crowdfunding, bei dem es eine nicht-­finanzielle Gegenleistung abhängig von der Höhe der Unterstützung gibt. Dies ist die häufigste Form von Crowdfunding und wird häufig zur Finanzierung von Projekten auch im nicht-gemeinnützigen Bereich verwendet. 3. Crowdlending oder Lending-Based Crowdfunding, bei dem es um eine Art Anleihen geht. 4. Crowdinvesting oder Equity-Based Crowdfunding, bei dem es um eine Art von Firmenbeteiligung geht. Alle Formen des Crowdfundings sind nicht auf gemeinnützige Organisationen beschränkt. Dabei hat sich insbesondere das Crowdsupporting mit dem Aufkommen großer Plattformen wie Indiegogo, Kickstarter oder in Deutschland startnext in der öffentlichen Wahrnehmung etabliert.

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8.3.1 Crowdfunding – Alter Wein in neuen Schläuchen? In Deutschland wurde das Crowdfunding als Form des Fundraisings nie in den Kanon der Fundraising-Maßnahmen aufgenommen. Crowdfunding ist hier eher ein Modebegriff für eine besondere Form des Fundraisings. Und das, obwohl ein Großteil der mit Crowdfunding verbundenen Merkmale im Fundraising schon immer eingesetzt werden. Die neu hinzugekommenen Funktionen und Erfahrungen lassen sich jedoch nur bedingt auf gemeinnützige Organisationen übertragen. Grundsätzlich können zwar alle Formen des Crowdfundings auch von Vereinen, Verbänden und Stiftungen betrieben werden. Jedoch muss dies häufig im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb geschehen. Insbesondere die häufig mit Crowdfunding-Kampagnen verbundenen spendenhöhenabhängigen Gegenleistungen sind mit dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht nicht vereinbar. Teil einer klassischen Crowdfunding-Kampagne ist es, die Geber durch Gegenleistungen (sogenannte Perks oder Dankeschöns) zu motivieren. In der Regel sind diese mit dem Projekt oder Produkt verknüpft. Gerade bei Produkten oder kulturellen Kampagnen ähnelt die Gegenleistung einer Vorbestellung. Wer 25 € für die Erstellung einer CD beiträgt, bekommt diese im Anschluss an die Produktion zugesendet. Wer 50 € gibt bekommt noch einen Bonustrack, und wer 500 € einzahlt bekommt ein eigens komponiertes Lied. Die Spende und die damit verbundenen steuerlichen Vorteile basieren jedoch auf der Unentgeltlichkeit und Fremdnützigkeit der Gabe. Hängt die Zuwendung ursächlich mit einem dem Geber gewährten Vorteil zusammen, handelt es sich nicht um eine steuerabzugsfähige Spende. Dies gilt auch, wenn der Spendenbetrag höher ist als der Wert der Gegenleistung. Weder das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ noch das treuhänderische Wirken der Plattformen stehen einer Einordnung als Spende entgegen (Bundesministerium für Finanzen 2017). Ackerdemia e.V.: Crowdfunding für die GemüseAckerdemie

Der gemeinnützige Verein Ackerdemia hat in den Jahren 2015 und 2017 zwei erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen auf startnext gestartet. Gesucht wurden dabei Unterstützer für die eigene GemüseAckerdemie (Abb. 8.8), in der Schulen und Kitas ihr eigenes Gemüse anbauen. Beide Kampagnen haben jeweils etwas mehr als 30.000  € eingebracht. Der auf 30 Tage festgelegte Zeitraum bot die Möglichkeit, die eigene Community zu aktivieren und weiter bekannt zu werden. Familienmitglieder, Freunde und vorhandene Unterstützer haben die Kampagne als Anlass genommen nicht nur zu spenden, sondern auch darüber zu reden und die Idee zu verbreiten. Zudem konnte die Kampagne genutzt werden, um Unternehmenskooperationen mit ins Boot zu holen, indem die Partner Gegenleistungen gespendet haben. Steuerlich konnten die Einnahmen aufgeteilt werden. Ein Teil der Crowdfunding-­ Beiträge war ohne geldwerte Gegenleistung und wurde als Spenden verbucht, ein anderer Teil mit Gegenleistung fiel in den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Mehr Informationen unter: https://www.startnext.com/ackernplus ◄

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Abb. 8.8  Crowdfundingaktion der GemüseAckerdemie auf startnext. (Quelle: Screenshot startnext)

8.3.2 Vom Crowdfunding fürs Fundraising lernen Auch wenn das klassische Crowdfunding über Crowdfunding-Plattformen nur selten ein Bestandteil einer gemeinnützigen Fundraising-Kampagne ist, so lassen sich Erfolgsrezepte aus dem Reward-Based Crowdfunding auch auf andere Bereiche des Online-­ Fundraisings übertragen. Alles-oder-Nichts-Prinzip Im Alles-oder-Nichts-Prinzip wird zu Beginn der Kampagne eine Summe festgelegt, welche für ein Projekt benötigt wird. Die Spende wird nur eingezogen, wenn die volle eingeplante Summe zustande kommt. In der Regel tritt die Crowdfunding-Plattform als Treuhänder auf und überweist nach Beendigung der Kampagne das Geld an die Organisation (im Erfolgsfall) oder zurück an die Spender (kommt die Summe nicht zustande). Der Gedanke hinter diesem Prinzip ist es, dass die Spendensumme wirklich benötigt wird, um das Projekt durchzuführen und keine weiteren finanziellen Ressourcen b­ ereitstehen. Dies ist insbesondere bei Kampagnen mit Gegenleistungen wichtig, da manche versprochene Gegenleistung nur funktionieren kann, wenn das gesamte Projekt zustande kommt. Aus Sicht des Spenders bietet das Alles-oder-Nichts-Prinzip eine gute Möglichkeit, den eigenen Beitrag zur Erreichung eines Zieles deutlich zu machen. Ist jedem Spender klar, dass 5000 € benötigt werden, kann der eigene Anteil leicht erfasst werden. Für die meisten, insbesondere großen, Organisationen ist diese Art der Projektplanung illusorisch. Allzu oft brauchen Projekte lange Vorbereitungszeiten und müssen im Notfall

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auch unabhängig vom tatsächlichen Spendenaufkommen finanziert werden. Dennoch kann man aus dem Erfolg dieses Prinzips lernen: • Dem Spender muss klar sein, wie seine Spende zum Erfolg eines Projektes beiträgt. Ist es nicht möglich nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip zu handeln, kann dies zum Beispiel durch ein Spendenbarometer verdeutlicht werden. Hier wird die Spende in jedem Fall verwendet, der Spender bekommt aber visualisiert, wie viel noch fehlt und wie der Fortschritt der Fundraising-Maßnahme ist. • Alternativ kann anhand von Beispielen deutlich gemacht werden, was der Beitrag des Einzelnen ist. So berechnet die Wikimedia in ihrer jährlichen Herbstkampagne „Wenn alle, die das jetzt lesen einen kleinen Beitrag leisten, ist unsere Spendenkampagne in einer Stunde vorüber.“ • Eine weitere Möglichkeit, die Wirksamkeit der Spende klarzumachen, ist die im Fundraising allzeit beliebte „Shopping-Liste“. Dabei wird den Spendern anhand von beispielhaften Geldbeträgen gezeigt, welche Wirkung ihre Spende hat.

Ideelle Gegenleistungen Menschen freuen sich über Anerkennung für ihre Taten. Dies gilt auch für Spenden. Wir sollten uns also bei unseren Fundraising-Kampagnen überlegen, welche ideellen Gegenleistungen sich auch im Gemeinnützigkeitsrecht mit einer Spende verknüpfen lassen. Dies kann die digitale Erwähnung der Spender auf der Spendenseite sein, eine wohlwollende E-Mail-Strecke, mit der die Spender an der Weiterentwicklung des Projektes beteiligt werden, eine Urkunde oder die Einladung der Spender zur Eröffnung des Projektes. Nicht jeder Spender hat hier dieselbe Motivation, jedoch wollen die wenigsten Spender lediglich ihr Geld loswerden und im Anschluss mit dem Projekt nichts mehr zu tun haben. Hier hilft das Bild von der Spende als „finanzielles Ehrenamt“, um den Spender an der Verwirklichung des Projektes ähnlich einem Ehrenamtlichen teilhaben zu lassen. Ein begrenzter Zeitrahmen Klassische Crowdfunding-Kampagnen laufen über einen festen Zeitraum in der Regel zwischen 30 und 45 Tagen. Was sich anhört wie ein beliebiger Zeitraum (und ein beliebiger Zeitraum ist) hat sich als guter Zeitraum bewährt, um einer Kampagne eine eigene Dramaturgie zu geben. Das festgelegte Ende der Kampagne nimmt dem Spender das gängige Verhaltensmuster: „Das hört sich gut an, das mache ich vielleicht später“, wobei später natürlich nie eintritt. Zudem zwingt es die Organisatoren, sich ein realistisches Bild der möglichen Einnahmen zu machen8 und ihre Ressourcen auf diesen Zeitraum zu konzentrieren. 8  Alternativ gibt es die Möglichkeit von so genannten Stretch-Goals. Für den Anfang wird eine eher gering angesetzte Summe angepeilt, welche bei frühzeitiger Erreichung erhöht werden kann. War zum Beispiel bei der Crowdfunding-Kampagne der Ackerdemie das erste Ziel mit 100 Kindern in der kommenden Saison ihr eigenes Gemüse anzubauen, wurde das Ziel zwischenzeitlich auf das Dreifache erhöht.

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8.3.3 Eine Kampagne planen Im Crowdfunding verdichtet sich alles auf den Zeitraum der Kampagne. Eine Organisation sollte deshalb gut vorbereitet sein, und direkt zu Beginn die richtigen Weichen stellen. Zum Teil helfen die Plattformen auch mit ausführlichen Checklisten dabei, die Kampagnen richtig aufzusetzen. Die richtige Plattform Zu Beginn steht die Entscheidung für die richtige Plattform. Dabei stellen sich vor allem die Fragen, welche steuerlichen Auswirkungen die Kampagne hat, und wie die Plattform einen hierbei unterstützt. Zudem gibt es einige wenige Plattformen, die eher nach dem „Nimm, was du kriegen kannst“-Prinzip statt des klassischen „Alles oder nichts“-Prinzips handeln. Zudem gibt es Plattformen, die schon eine eigene Crowd an regelmäßigen Unterstützern besitzen. Wirbt die Plattform aktiv für das eigene Projekt, kann das Startschwierigkeiten ausräumen. Besonders geeignet sind hier Plattformen mit spezieller inhaltlicher Ausrichtung wie beispielsweise ecocrowd.de oder einer regionalen Ausrichtung wie „Viele schaffen mehr“ der Volksbanken. Natürlich ist es auch möglich, eine Crowdfunding-Kampagne ohne Plattform durchzuführen. Neben dem hohen Aufwand fällt hier die treuhänderische Funktion der Plattform weg, welche das Geld annimmt und erst bei Erfolg der Kampagne ausbezahlt. Die Gegenleistungen Sollten Sie sich dafür entscheiden Gegenleistungen anzubieten, lohnt es sich, diese gut zu planen. Während der Kampagne muss die Gegenleistung die Unterstützer mit einem letzten Schubs dazu bringen, tatsächlich die Kreditkarte zu zücken. Es sollten deshalb unterschiedliche Gegenleistungen in unterschiedlichen Höhen angeboten werden. Jede Organisation sollte aber auch gut durchrechnen, welcher Gewinn noch bleibt, wenn Gegen­leistungen erstellt und versendet werden müssen. Sie wollen nicht am Ende ohne Gewinn dastehen, weil Sie Herstellungskosten oder Porto falsch berechnet haben. Der gute Auftritt Die Kampagnenseite muss Interesse wecken und erklären, welche positive Auswirkung das Erreichen des Zieles hat. Dabei hilft es auch, die handelnden Personen vorzustellen. Anders als bei anderen Finanzierungsformen gibt es viele Beispiele von erfolgreichen Crowdfunding-Aktionen einzelner Personen und Teams – ganz ohne große Institution. Die Kampagnenseite muss eine Geschichte erzählen an welcher die Crowd teilhaben kann. Am besten gelingt das mit einem Pitch-Video. Sowohl die persönliche Ansprache der Unterstützerinnen und Unterstützer, als auch humorvolle Elemente haben sich hier als erfolgsversprechend erwiesen. Und wie immer im Fundraising, darf der klare Call-to-Action nicht fehlen.

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Eine gute Präsentation des Projektes muss dazu führen, dass das Projekt gerne unterstützt wird. Was noch wichtiger ist: Die Kampagne muss auch Anlass dafür sein, das Projekt weiterzuempfehlen und darüber zu reden. So manche Crowdfunding-Kampagne hat schon Unterstützer gefunden, die sich nachher gefragt haben, was sie mit dem gewonnenen Dankeschön eigentlich tun sollen. Crowdbuilding Nun geht die Kampagne los. Aber wenn Sie niemandem Bescheid sagen, wird auch niemand die Kampagne finden. Deshalb ist es wichtig schon vor dem Start anzufangen, Unterstützerinnen und Unterstützer zu sammeln und auf die Kampagne vorzubereiten. Die Unterstützer können dabei aus dem Freundeskreis der Starter kommen oder bereits für andere Projekte gespendet haben. Sie können via E-Mail, per Brief oder in sozialen Medien erreicht werden. Wichtig ist, dass sie mit Schwung starten. „Wo schon viele Interesse und Unterstützung zeigen, gesellen sich andere schneller hinzu.“ (Bartelt et al. 2015). In der Regel sind die Fans und Unterstützerinnen der Kampagne für alle Nutzer sichtbar. Das sorgt für Vertrauen und ermöglicht es, durch die Zahlung Teil von etwas Größerem zu werden. Öffentlich einsehbare Listen entwickeln aber ähnlich wie Restaurants nur eine Anziehungskraft, wenn sie gefüllt sind. Dramaturgie Innerhalb des Kampagnenzeitraums braucht es eine eigene Dramaturgie, die es Ihnen erlaubt, mehrfach mit der Crowd, aber auch mit Multiplikatoren und Presse zu kommunizieren. Gibt es im Zeitraum eine wichtige Veranstaltung, ein besonderes Ereignis oder etwas anderes, was Sie aus dem Hut zaubern können? Zur Hilfe kommt Ihnen hier der feste Zeitraum, der insbesondere am Anfang und Ende sehr motivierend sein kann. Nach der Kampagne Wie jede Spendenkampagne ist auch die Crowdfunding-Kampagne nicht vorbei, wenn das Ziel erreicht wurde. Danach beginnt die eigentliche Arbeit. Bevor es jedoch ans Projekt geht, müssen Sie die Auszahlung der Plattform in die Wege leiten und den UnterstützerInnen Ihren Dank zusenden. Auch im Anschluss haben Sie in der Regel die Möglichkeit, über die Plattformen Projektupdates an alle herumzusenden. Die Spende ist nur der Beginn einer hoffentlich langen Beziehung.

8.4

Fazit

Digitales Peer-to-Peer-Fundraising bietet viele Chancen aus einer bestehenden Zielgruppe zu wachsen. Insbesondere durch Spendenaktionen können Unterstützer dazu gewonnen werden, vollkommen neue Zielgruppen im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis anzusprechen. Den Vorteilen steht aber auch ein Verlust an klassischen Möglichkeiten der

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Spenderbindung gegenüber. Organisationen müssen neue, kreative Wege finden, durch Spendenaktion gewonnene Spender an die eigene Organisation zu binden und bereit sein, mit einem geringeren Bindungsgrad zu leben. Fundraising in sozialen Medien geht dabei noch über klassisches Peer-to-Peer-Fundraising hinaus. Die großen Plattformen wie Facebook, YouTube und Instagram bieten ganz eigene Möglichkeiten, Reichweite zu gewinnen um sie in Organisationsbindung und Spenden zu verwandeln. Dabei spielt nicht nur der direkte Spendenaufruf von Peers eine Rolle, auch Werbung und die persönliche Vernetzung der Fundraisenden spielt hier eine größer werdende Rolle. Zudem bieten sich mit „Influencern“ Kooperationsmöglichkeiten an, die in Teilen die Zusammenarbeit mit Popstars und Fernsehprominenten ersetzt. Klassisches Crowdfunding ist im klassischen Fundraising in Deutschland eher eine Randerscheinung. Das liegt vor allem an der rechtlichen Einordnung, kann eine Gabe gegen Gegenleistung doch nicht als Spende steuerlich geltend gemacht werden. Jedoch finden sich im Crowdfunding viele Elemente, die auf das Online-Fundraising übertragen werden können. Zudem haben Organisationen wie beispielsweise kulturelle Einrichtungen kein Problem mit Gegenleistungen und der Versteuerung der Einnahmen. Das schnelle Geld ist auch mit Peer-to-Peer-Fundraising nicht zu erwarten. Dabei gilt für alle genannten Formen des Fundraisings, dass personelle Ressourcen für die Kommunikation mit Unterstützern bereitgestellt werden muss. Organisationen, welche neue Zielgruppen ansprechen und neue Gebelogiken einsetzen möchten, sollten diese Möglichkeit aber nicht verpassen.

Literatur Bartelt, D., Sterblich, U., Kreßner, T., & Theil, A. (2015). Das Crowdfunding Handbuch. Berlin: orange-press. Bitkom. (2018). bitkom.org/Presse/Presseinformation/Online-gleich-nach-dem-Aufwachen-und-kurzvor-dem-Einschlafen-Jeder-Zweite-nutzt-Social-Media-im-Bett.html. Zugegriffen am 30.05.2020. Bohrer, G. (2012a). Vorstellung des GfK CharityScopes 2012. Bohrer, G. (2012b). Wie denken die Deutschen über das Spenden? von Gertrud Bohrer, GfK CharityScope. Fundraiser-Magazin, 2. Bundesministerium für Finanzen. (2017). Spendenrechtliche Beurteilung von Crowdfunding. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/ Einkommensteuer/2017-12-15-Spendenrecht-Crowdfunding.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Zugegriffen am 30.05.2020. Cathexis Partners. (2017). The nonprofit’s guide to peer-to-peer fundraising.Celebration, FL: Cathexis Partners. Crowdsourcing.org. (2012). Crowdfunding Industry Report: Market Trends, Composition and Crowdfunding Platforms (kann über das Internet bezogen werden). Fischer, K. (2016). Gebe-Logiken. In Fundraising Akademie (Hrsg.), Fundraising – Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden (5. Aufl., S. 48–52). Wiesbaden: Springer Gabler. GfK, Deutscher Spendenrat e.V. (2012). Bilanz des Helfens. https://www.spendenrat.de/wp-content/ uploads/spendenrat/downloads/bdh/Bilanz_des_Helfens_2012.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Harken, S., & Hodsman, M. (2019). Online-Spendenaktionen. Wiesbaden: Springer Gabler.

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J. Hölderle

Harrison, S. (09. August 2010). „Failure on our Birthday“. Huffpost.com. Justgiving. (2019). pages.justgiving.com/charities.html. Zugegriffen am 30.05.2020. Lammenett, E. (2019). Praxiswissen Online Marketing. Wiesbaden: Springer Gabler. Network for Good. (2015). Digital giving index. networkforgood.com/digitalgivingindex. Zugegriffen am 30.05.2020. Nielsen. (2009). Vertrauen in Werbung. New York: Nielsen.

Jona Hölderle,  Jahrgang 1983, Stiftungsmanager (DSA) und Diplom-­Verwaltungswissenschaftler; berät mit seiner Firma Pluralog gemeinnützige Organisationen im Online-Marketing. Seine Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Online-­Fundraising, Online-Marketing und Digitale Strategien. Dabei beschäftigt er sich mit der Frage, wie gemeinnützige Organisationen auch in Zukunft noch Spendende und Engagierte erreichen und einbeziehen können. Zudem lehrt er als Dozent u.  a. bei der Fundraising-­Akademie und der paritätischen Akademie. Sie können Jona Hölderle unter pluralog.de und [email protected] erreichen.

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Donor Relation Management Mit Software-Einsatz im Digitalen Fundraising Eva Hieninger und Gregor Nilsson

Inhaltsverzeichnis 9.1  CRM und Marketing Automation im Donor Relation Management  9.2  Tracking  9.3  Online-Bezahlsysteme  9.4  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung CRM, Automation, Big Data, Tracking: Es ist ersichtlich – die Zukunft des Fundraisings ist fest im digitalen Fortschritt verankert. Ein grundlegendes Verständnis aktueller, digitaler Fundraising-Strategien und des dazugehörigen begrifflichen sowie technischen Know-hows sind heutzutage wichtige Garanten für den Erfolg beziehungsweise das Fortbestehen gemeinnütziger Organisationen und sozialer Projekte. Im Folgenden werden einige wichtige Grundsätze sowie Best Practices skizziert, um kurz die wichtigsten Entwicklungen sowie Strategien in diesem Bereich des Fundraisings zu beschreiben. Zudem werden auch Handlungsempfehlungen ausgesprochen und mögliche Entscheidungsfindungsprozesse grob veranschaulicht.

E. Hieninger (*) getunik GmbH, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] G. Nilsson getunik AG, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_9

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9.1

E. Hieninger und G. Nilsson

 RM und Marketing Automation im Donor C Relation Management

Donor Relationship Management, in Anlehnung an den in der Privatwirtschaft verwendeten Begriff Customer Relationship Management (CRM), umfasst sämtliche Maßnahmen zur Pflege der Beziehung mit den Fördernden eines Projekts oder einer Non-Profit-Organisation. Software-Lösungen, die in diesem Bereich eingesetzt werden, nennt man dementsprechend CRM-Software. Viele Organisationen (und teilweise auch Software-Hersteller) im deutschsprachigen Raum verwenden statt CRM nach wie vor den Begriff „Spender-­Datenbank“ oder nur „die Datenbank“. Dies offenbart ein veraltetes Verständnis von CRM-Software, wonach diese in erster Linie dazu dient, Daten zu speichern und bei Bedarf wieder zu exportieren. Moderne CRM-Lösungen gehen wesentlich weiter im Funktionsumfang und bieten neben der reinen Datenhaltung und -verwaltung unter anderem folgendes: • • • • • •

Kampagnen-Management Data Modeling Digitale Zahlungsmöglichkeiten Prozess-Steuerung E-Commerce-Integration Social Listening

Diese Funktionalitäten werden entweder von einem Hersteller (Plattform-Ansatz) oder durch Kombination unterschiedlicher Software-Lösungen (Best-of-­Breed-Ansatz) bereitgestellt. Die unterschiedlichen Software-Lösungen werden dann über Schnittstellen, sogenannte Integrationen, miteinander verbunden. Eine moderne CRM-Software ist im Grunde überlebenswichtig, wenn von Spenden abhängige Projekte und Organisationen in unserer von Individualisierung geprägten Gesellschaft bestehen bleiben wollen: Jeder Mensch hat eigene Interessen, Meinungen, finanzielle Möglichkeiten und Prägungen. Auch die Mediennutzung unterscheidet sich sehr stark zwischen den verschiedenen Spendergenerationen. Kurz gesagt: Es gibt nicht den einen Spendertyp, an dem alle Maßnahmen ausgerichtet sein können. Um bei Hunderttausenden von Datensätzen die persönlichen Präferenzen und die vergangenen Interaktionen jeder Person sinnvoll abbilden zu können, sind Software-Lösungen mit ausgereiften Datenmodellen notwendig. Nur damit können die Bedürfnisse der Spender*innen auf Datenebene interpretiert und daraus die richtigen Maßnahmen abgeleitet werden. Mit einer durchdachten Datenstruktur können Fragen beantwortet werden wie: • Wann sollte ich um eine Spende bitten? • Was ist ein angemessener Beitrag, um den ich bitten kann? • Welches Thema/welche Botschaft hat das höchste Potenzial, eine Spende auszulösen?

9  Donor Relation Management

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In Kombination mit Kampagnen-Management-Lösungen zur Steuerung von Kommunikationsabläufen können auf diese Weise individuelle Donor Journeys und Erlebnisse geschaffen werden, welche die Spendenbereitschaft stark erhöhen. Da nur ein ausgereiftes CRM diese Anforderungen erfüllen kann, wird die Auswahl der richtigen Software(-Kombination) zum zentralen Erfolgsfaktor im digitalen Fundraising.

9.1.1 Donor Journey und Life Cycle Management Eine Donor Journey beschreibt die unterschiedlichen Stadien und Interaktionen, welche ein Spender im Laufe der Beziehung mit einer Non-Profit-­Organisation durchläuft. Sie beschreibt die Maßnahmen vom ersten Kontakt bis hin zu dem Zeitpunkt, an dem er zum Dauerspender wird. Auch Maßnahmen für die Stadien ‚Gefährdet‘ und ‚Verloren‘ werden beschrieben. Eine der einfachsten Donor-Journey-Darstellungen umfasst sechs verschiedene Lifecycle-Stadien – siehe Abb. 9.1. Im Stadium „Neu“ geht es darum, dass der potenzielle Spender die Organisation kennenlernt. Die Markenbekanntheit muss gesteigert, und ein gutes Image muss aufgebaut werden. Die Maßnahmen sind abhängig von der Zielgruppe und haben jeweils die Intention, die Person in das nächste Stadium zu transferieren. Der erste Kontakt mit der Organisation macht bestenfalls interessiert. Die Adressaten wollen anschließend mehr über die Organisation und die Projekte erfahren, ehe sie ins nächste Stadium übertreten. Im „interessierten“ Stadium ist der potenzielle Spender bereits in Kontakt mit der Organisation. Er ist Fan oder Follower in den sozialen Kanälen, hat den Newsletter abonniert oder an einer Petition teilgenommen. Hier gilt es, den User weiter zu binden und zu vermitteln, warum eine Spende an die eigene Organisation sinnvoll ist. Sobald die Erstspende getätigt wurde, spricht man vom „entwicklungsfähigen“ Stadium. Die Neuspender haben ein Thema innerhalb des Organisations-­Portfolios gefunden, für welches sie brennen. Sie sind von der Arbeit und der Wirkung der Organisation überzeugt. Nun müssen die Entwicklungsfähigen passende Inhalte erhalten, damit es nicht nur bei einer Spende bleibt. Überzeugt die Kommunikation, kommt es zu einer langfristigen Bindung an die Organisation, beispielsweise in Form einer Dauerspende oder einer Mitgliedschaft. Dieses Stadium nennt man „gebunden“. Eine Identifikation mit der Organisation hat stattgefunden, und der Wunsch, diese langfristig zu unterstützen, ist vorhanden. Nun gilt es, dieses Sta-

Abb. 9.1  Die Stadien des Donor Life Cycle. (Eigene Darstellung)

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dium langfristig zu erhalten und den Spender in seiner Entscheidung zu bestätigen. Empfehlenswert ist deshalb, den Spender nicht ständig nach zusätzlichen Spenden für andere Projekte zu fragen. Wenn Potenzial für ein höheres Engagement erkannt wird, sollte stattdessen der Betrag der bestehenden Dauerspende erhöht werden, oder es sollten spezielle Spendenprodukte für Unterstützer in diesem Stadium entwickelt werden. Das bedeutet auch, ihnen Inhalte zu bieten, welche die Wirkung ihrer Spende vermitteln. Andernfalls folgt das Gefährdungsstadium und damit wird erneute Überzeugungsarbeit nötig, die Spendenden dauerhaft an die Organisation zu binden. Spenderinnen und Spender können aus verschiedenen Gründen „gefährdet“ sein. Gegebenenfalls lag es am falschen Inhalt, oder die Beziehungspflege fand nicht beziehungsweise nicht angemessen statt (z. B. Kanal, Inhalt, Frequenz). Auch eine Veränderung der Lebensumstände kann den Spender in das gefährdete Stadium bringen. Damit es nicht zu einer Kündigung kommt, ist es das Ziel von Fundraisern, dass die Spender gar nicht erst in das „verlorene“ Stadium gelangen. Diese anschließend wieder zu gewinnen ist aufwändig und teilweise nur mit ähnlichen Investitionen möglich, die mit Neuspender-Akquise vergleichbar sind. Ist der Fall dennoch eingetreten, lohnt es sich, zu analysieren, warum die Spender das Spenden einstellen. Daraus lassen sich wertvolle Rückschlüsse auf die weitere Spenderkommunikation mit noch bestehenden Spendern ziehen. Warum sind die Donor Journey und Life Cycle Management wichtig? Klassisches Fundraising basiert auf kanalzentrierter Kommunikation (Abb. 9.2). Nicht der Spender steht im Mittelpunkt, sondern die Maßnahme. In einer nicht digitalisierten Welt machte dieser Ansatz durchaus Sinn und bis heute wird er immer noch von vielen Organisationen verfolgt. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den organisationalen Strukturen der Non-Profit-Organisationen.

Abb. 9.2  Darstellung kanalzentrierter Fundraising-Kommunikation. (Eigene Darstellung)

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In einer digitalisierten Zeit bewegen sich potenzielle Spender in verschiedenen Kanälen und erhalten diverse Botschaften (Abb. 9.3). Die wenigsten leben entweder online oder offline. Nicht alle potenziellen Spender haben die gleichen Interessen. Deswegen bewegt sich moderne Fundraising-Kommunikation weg von der einzelnen Maßnahme und hin zum Spender. Man spricht dann von spenderzentrierter Kommunikation (Abb. 9.4). Durch neue Technologien werden Inhalte personalisiert und automatisiert ausgespielt. Auch die Bindung zur Organisation, also in welchem Life-Cycle-Stadium sich der Unterstützer befindet, wird mit einbezogen. So erhält jeder Supporter die persönlich passende Botschaft zum richtigen Zeitpunkt auf dem bevorzugten Kanal.

Abb. 9.3  Kanalzentrierte Fundraising-Kommunikation mit potenziellen Spendern und unterschiedlichen Interessen. (Eigene Darstellung)

Abb. 9.4  Spenderzentrierte Fundraising-Kommunikation nach Life-Cycle-Stadium. (Eigene Darstellung)

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Spenderzentrierte Kommunikation existiert nicht erst seitdem digitale Lösungen dies ermöglichen. Ken Burnett (1996) sprach bereits vor über zwei Dekaden in seiner Veröffentlichung „Friends for life: Relationship fundraising in Practice“ von Spenderzentrierung als erfolgreiche Fundraising-­Strategie. Neuspenderakquise und Lead Generierung sind teuer, weshalb diese Spender langfristig gebunden werden müssen. Dadurch amortisiert sich die Investition über den gesamten Zeitraum der Bindung. Man spricht hier von Life Time Value. Die individualisierte und personalisierte Kommunikation mit den potenziellen Interessierten oder Spendenden trägt nach Kent dazu bei, langfristige Beziehungen zwischen Unterstützern und der Organisation aufzubauen. Langfristige Beziehungen mit Spendenden haben wiederum den Vorteil, laufende und verlässliche Ressourcen zu generieren. Im Gegensatz zu Einzelspenden, wo die Neuakquisition immer wieder mit neuen, hohen Kosten verbunden ist. Die Definition von unterschiedlichen, eine Entwicklung abbildenden Life-Cycle-Stadien ermöglicht eine Kategorisierung potenzieller und bestehender Unterstützer. Im besten Fall werden Spender anschließend nicht nur in verschiedene Kategorien eingeteilt, sondern erleben während ihrer Interaktion mit einer Organisation mehrere Wechsel von einer Kategorie in eine andere. Diese Kombination der verschiedenen Wechsel bezeichnet man als Donor Journey. Da nicht alle Interessenten und/oder Unterstützer zur gleichen Zeit die gleichen Lifecycle durchlaufen, ist jede Donor Journey, zumindest im zeitlichen Kontext, anders. Entsprechend muss die Digital-Fundraising-Strategie spenderspezifisch im besten Fall automatisiert angepasst werden.

9.1.2 CRM und Marketing Automation Software Marketing Automation ist eine relativ junge Disziplin im Fundraising. Grundsätzlich handelt es sich dabei um einen Teilbereich des Beziehungsmanagements. Aus einer Software-Perspektive ist es sinnvoll, zwischen klassischer CRM- und Marketing-Automation-Software zu differenzieren. Generell bietet eine CRM-Software eine ganzheitliche und langfristige Lösung für das Sichern von spendenbezogenen Daten sowie Prozessen. Diese computergesteuerte Lösung ermöglicht demnach ein schnelles Zugreifen auf alle existierenden und (archivierten) kundenrelevanten Informationen. Sie ermöglicht dadurch eine zuverlässige Grundlage für individuelles Spendermanagement und individuelle Spenderbetreuung. Klassische CRM-Lösungen bieten im Wesentlichen folgende Funktionalitäten: • Verwaltung der Spender-Daten: Personalien, Adressdaten, Interessen, unterschriebene Petitionen, usw. • Verwaltung der Freiwilligen-Daten: Personalien, Adressdaten, Fähigkeiten, Einsatzzeiten, usw. • Übersicht aller wichtigen Interaktionen mit Unterstützern: Darstellung aller getätigten Spenden und laufenden Zusagen für wiederkehrende Spenden.

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• (Automatisierte) Verarbeitung von Zahlungen: Zuweisung von eingehenden Beiträgen zu einem Spenderdatensatz (Nebenbuchhaltung) • Event-Management: Verwaltung von Veranstaltungen, Location, Einladungen, Teilnehmerlisten • Legate-Verwaltung: Hinterlegungen von Informationen zu aktiven Testamenten und Legaten. • Zusagen-Management: Verwaltung von Verträgen für Zahlungsverpflichtungen (Mitgliederbeiträge, Patenschaften usw.) • Business Intelligence und Analytics: Aufbereitung und Visualisierung von Daten zu Analyse- und Steuerungszwecken. Damit decken diese Lösungen viele Bereiche ab, welche branchenspezifisch (z. B. Legate) sind und zusätzlich regionale Gegebenheiten berücksichtigen (z. B. lokale Zahlungsmittel). In den letzten 30 Jahren konnten sich dadurch mehrere Hersteller von sogenannten Branchenlösungen positionieren und die Organisationen mit geeigneten Software-Lösungen beliefern. Im DACH-Raum sind nach Einschätzung der Autoren die aktuell verbreitetsten Lösungen in diesem Bereich: • • • • • • • •

SEXTANT von ANT Informatik VEWA von Grün Software OM von Creativ Software Unitop von GOB Enter Brain von Enter Services CiviCRM Raiser’s Edge Fundraisingbox

Daneben treten in den letzten Jahren verstärkt auch Salesforce und Microsoft als Anbieter auf. 1 Dabei handelt es sich jedoch nicht um spezifische Software-­Lösungen für die Branche, sondern um spezielle Konfigurationen der existieren CRM-Produkte Sales Cloud von Salesforce (Non-Profit Success Pack) und Dynamics 365 CRM von Microsoft (Non-Profit Accelerator). Beide werden auch zunehmend von Non-Profit-Organisationen in Anspruch genommen. Marketing Automation bezeichnet den digitalen und softwaregestützten Prozess, der mit Hilfe gesammelter Spenderinformationen die Kommunikation zwischen Organisation und interessierten Unterstützern individualisiert, vereinfacht und automatisiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf einem effizienten, zielgerichteten und angepassten sowie vorher definierten Kommunikationsablauf mit Einzelnen beziehungsweise individuellen Spendern.  Vgl. Datanyze: Market Share Category – Customer Relationship Management, URL: https://www. datanyze.com/market-share/customer-relationship-management%2D%2D33/Germany (30.05.2020).

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Marketing-Automation-Lösungen bieten im Wesentlichen folgende Funktionalitäten: • Verwaltung von Leads und Unterstützern: Speicherung der steuerungsrelevanten Daten und Bereitstellung von Opt-in-Prozessen. • Tracking der Interaktionen an digitalen Touchpoints: Messen von Verhalten auf verschiedenen Kanälen und Festhalten der Reaktionen auf einem identifizierbaren Profil. • Erstellung und Auslieferung von Newslettern, Fundraising-E-Mails, SMS, Social Media Posts • Kampagnen-Management und -Automatisierung: Definition von Workflows mit komplexen, dynamischen Abläufen, welche voll automatisiert zur Laufzeit abgespielt werden. • Scoring und Segmentierung: Kategorisierung der Kontakte basierend auf Interaktionen und demografischen Daten. • Subscription Management: Festhalten von An- und Abmeldungen auf verschiedenen Kanälen. • Reporting und Analytics: Aufbereiten und Visualisieren von Performance-Daten zur Auswertung von Marketing-Aktionen. Für die optimale Nutzung dieser Tools sind fundierte Kenntnisse der Fundraising-Branche essenziell. Aus technischer Sicht jedoch gibt es für Hilfswerke keine spezifischen Anforderungen, welche erfüllt werden müssen. Deshalb gibt es kaum nennenswerte Anbieter mit einer Fokussierung auf die Non-­Profit-­Branche. Im DACH-Raum sind die meistgenutzten Lösungen für Marketing Automation nach Einschätzung der Autoren:2 • • • • • •

ActiveCampaign Salesforce Pardot Salesforce Marketing Cloud MailChimp episerver Hubspot

Anstelle der Branchenspezialisierung sind die Unterschiede eher in der Ausrichtung auf kleinere und mittlere (SMB-Lösungen) beziehungsweise große Organisationen und Unternehmen (Enterprise-Lösungen) zu finden. Damit einher gehen signifikante Unterschiede in Funktionsumfang und Preis. CRM und Marketing Automation: Plattform oder Marketing-Stack? Um digitales Fundraising zu betreiben, benötigen Organisationen sowohl eine klassische CRM-Software als auch eine Marketing-­Automation-­Lösung. Dabei können zwei unter2  Vgl. Datanyze: https://www.datanyze.com/market-share/marketing-automation%2D%2D3/Germany (30.05.2020).

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schiedliche Ansätze verfolgt werden: die Plattformlösung oder das Marketing-Stack. Bei der Plattformlösung werden alle Tools von einem Anbieter bezogen um die maximale Integrität sicherzustellen. Beim Marketing-Stack werden Tools verschiedener Anbieter eingesetzt und über Schnittstellen miteinander verknüpft. Letzterer Ansatz ist auch als Bestof-Breed bekannt. Typische Beispiele für Plattformlösungen sind Salesforce mit der Kombination Sales Cloud (CRM) und Marketing Cloud (Marketing Automation) sowie Microsoft mit Dynamics CRM und Dynamics for Marketing. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch Plattformlösungen oft aus aufgekauften Tools zusammengesetzt werden. So ist z. B. die Salesforce Marketing Cloud aus der früheren Stand-Alone-Lösung Exact Target entstanden und in die Salesforce-Plattform integriert worden. Gleiches gilt für das Mailing-Tool Pardot, welches heute integraler Bestandteil von Salesforce ist. Grundsätzlich sind beide Ansätze zielführend. Beide Ansätze bieten Vor- und Nachteile, welche es zu berücksichtigen gilt (Tab. 9.1). Welcher der beiden Ansätze passend ist, hängt von der individuellen Ausgangslage sowie der mittelfristigen Entwicklung der Organisation ab. Die Option Plattformlösung besteht überhaupt erst seit ca. 2015, da die beiden Anbieter Salesforce und Microsoft erst seither im deutschsprachigen Raum auftreten. In der Praxis gehen die Organisationen verschiedene Wege: Manche nehmen alle Tools der Plattformlösung, andere kombinieren Teile davon mit anderen cloudbasierten Lösungen. Die Migration in die Cloud und die Standardisierung der APIs (Schnittstellen) hat dazu geführt, dass wesentlich mehr Flexibilität in der Auswahl von Tools besteht. So las-

Tab. 9.1  Vergleich von Plattformlösung und Marketing-Stack Auswahl

Integration

Benutzeroberfläche (User Interface) Kosten

Erweiterbarkeit

Plattformlösung Es stehen nur die Tools zur Verfügung, welche die Plattform anbietet. Alle weiteren müssen wie beim Marketing-Stack angebunden werden. Die einzelnen Tools sind standardmäßig miteinander integriert und datendurchlässig. Gleiche oder zumindest ähnliche Benutzeroberfläche für alle Tools. Wenig Flexibilität, da Tool-Auswahl eingeschränkt.

Marketing-Stack Tools verschiedener Anbieter können je nach Bedarf zusammengestellt werden.

Zwischen den Tools müssen Schnittstellen programmiert oder zumindest konfiguriert werden. Jedes Tool hat eine eigene Benutzeroberfläche.

Durch À-la-carte-Prinzip mehr Flexibilität in der Auswahl von Tools und damit im Pricing. Neue Features stehen nur zur Neue Features von Drittanbietern können bei Erscheinen integriert Verfügung, wenn vom werden. Plattform-Hersteller angeboten.

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sen sich auch CRMs von Salesforce und Microsoft mit Automation-Lösungen wie ActiveCampaign und MailChimp relativ einfach verbinden und nutzen.

9.1.3 Auswahl der geeigneten Software Die passende Software ist in einer digitalisierten Welt zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Fundraising geworden. Dementsprechend sollten einem Evaluationsprozess genügend Zeit und Ressourcen gewidmet werden. Leider kommt es allzu oft vor, dass genau dieser Teil zu kurz kommt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Man steht unter Druck, weil das Alltagsgeschäft parallel läuft. Eventuell kann eine geplante Marketing-Kampagne mit der existierenden Software nicht durchgeführt werden. Es bestehen Abhängigkeiten und Einschränkungen durch existierende Systeme. Solche Faktoren sollten eigentlich keinen Einfluss auf eine Evaluation haben, denn sie bilden nur vorübergehende Anforderungen ab. Eine neue CRM-Lösung hingegen muss über Jahre hinweg den bestehenden und künftigen Anforderungen der Organisation gerecht werden. Wenn man einen Software-Hersteller ohne klares Briefing für eine Produkt-Demo einlädt, wird jeder gute Verkäufer seine Lösung als Perfect Match erscheinen lassen. Und dabei möglicherweise Funktionalitäten präsentieren, die in der Praxis nicht relevant sind, während die essenziellen Features fehlen oder suboptimal umgesetzt sind. Der Funktionsumfang muss deshalb zwingend von den konkreten Anforderungen der Organisation abgeleitet werden. Um diese zu ermitteln, sollten folgende Regeln beachtet werden: • Alle aktuellen und künftigen Nutzer müssen ihre Anforderungen einbringen können. • Alle Anforderungen müssen einheitlich dokumentiert und strukturiert werden. Während früher diese ausschließlich in einem Lastenheft dokumentiert wurden, kommen heute vermehrt sogenannte User Stories zum Einsatz. Diese beschreiben nicht einzelne Funktionen der Software, sondern ganze Arbeitsabläufe und die daraus erwarteten Benefits. Damit können auch weniger technologieaffine Mitarbeitende ihre Bedürfnisse klar und nachvollziehbar dokumentieren. • Die Anforderungen müssen klar priorisiert werden. Es wird sich kaum eine Lösung finden lassen, welche alle Bedürfnisse gleichermaßen befriedigt, weshalb ein klares gemeinsames Verständnis von Must- und Nice-to-Haves essenziell ist. • Bereitschaft zur Veränderung: Oft wird erwartet, dass gelernte Prozesse, welche im alten System funktionierten, im neuen System eins zu eins übernommen werden können. In der Realität ist das oft nicht umsetzbar. Eine Bereitschaft für die Neudefinition von geübten Prozessen ist deswegen unabdingbar. Reviews und Bewertungen anderer Nutzer*innen sind heutzutage in sehr vielen Branchen ein wichtiges Informationsmittel in der Kaufentscheidung. Auch wenn sie weniger bekannt sind als Tripadvisor & Co, gibt es solche Plattformen auch im Software-Umfeld. Seiten wie G2.com, trustradius.com, capterra.com und financesonline.com analysieren die Marktverhältnisse und nutzen die Bewertungen einzelner User. Dabei lohnt es sich, so-

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Abb. 9.5  Marketing Automation Grid von G2. (Quelle: https://www.g2.com/categories/marketing-automation)

wohl die Gesamt-Ratings als auch die einzelnen Kommentare zu betrachten. Auf diese Art gewinnt man einen guten Überblick und erfährt gleichzeitig Details zu Stärken und Schwächen der verschiedenen Software-Lösungen (Abb. 9.5). In diesem Zusammenhang lohnt sich auch ein Blick in die Vergangenheit: Seit wann ist die Software am Markt? Wie entwickeln sich Ratings und Installationen in den letzten 6–12 Monaten? Auch hier helfen die Reviews auf den erwähnten Plattformen sowie die Informationen zu Neuinstallationen von datanyze.com (Abb. 9.6). 360° Marketing, Donor Journeys, Omnichannel-Kommunikation, One-CustomerView: Im modernen Marketing dreht sich alles um die Frage, wie wir Botschaften orches­ triert und automatisiert ausspielen können. Weil diese Ausspielung und die Gewinnung von Daten selten über eine einzige Software stattfinden, gewinnen Schnittstellen immer stärker an Bedeutung. Obwohl CRM-Systeme von zahlreichen Organisationen schon genutzt werden um ihre Kundenhistorie festzuhalten, fehlt oft der Echtzeitzugang auf diese Daten in den genutzten Marketing-Automation- und E-Mail-Marketing-Softwares. Durch eine Schnittstelle zwischen diesen Programmen kann man allerdings den Wert der gewonnenen Daten bedeutend vergrößern, da durch deren Kopplung individualisierte Kommunikationsmaßnahmen

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Abb. 9.6  Screenshot der Entwicklung der Installationen für die Oracle Marketing Cloud. (Quelle: https://www.datanyze.com/market-share/marketing-automation/oracle-marketing-cloud-market-share)

erstellt werden können, welche eine deutlich höhere Relevanz und damit Impact haben. Um Kosten zu sparen und die Fehleranfälligkeit zu reduzieren, muss der Datenaustausch möglich schlank gehalten werden, d.  h. eine Replizierung aller Datenentitäten in allen Systemen ist zu vermeiden. Aus diesem Grund muss eine Datenstrategie kreiert werden, die folgende Punkte klärt: • Welche Daten werden gebraucht? • In welcher Datenbank sollten sie präsent sein? • Wann besteht Nutzungsbedarf für die Daten? Um diese Fragestellungen auf eine unkomplizierte Art und Weise zu beantworten, werden praktische Use Cases benutzt. Basierend auf diesen realen Beispielen wird eine Datenarchitektur zusammengestellt, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Datenbanken hervorhebt. Somit kann man sich vergewissern, dass die richtigen Daten am gewünschten Ort und zum passenden Moment bereitstehen. Nach der Fertigstellung der Datenarchitektur, wird diese anhand der Use Cases überprüft. Es gibt kaum einen so dynamischen Markt wie die Software-Branche. Es ist deshalb nahezu unmöglich zu wissen, ob die heute gewählte Software auch in 2–3 Jahren den Anforderungen genügen wird. Es gibt aber Indikatoren, welche die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen: • • • • •

Wie viele Integrationen zu Drittsystemen gibt es? Wie flexibel und wie gut dokumentiert ist die API? Wie oft werden neue Features herausgegeben? Gibt es eine einsehbare Product Roadmap? Können User Ideen eingeben und voten?

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Gibt es weitere Module, die man später zusätzlich lizenzieren kann? Je positiver diese Fragen beantwortet werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Software mit den steigenden Anforderungen mitwachsen kann. Beim Einholen von Angeboten sollten zusätzlich zu den Setup- und Lizenzkosten gemäß Status Quo auch die Preise für künftige Szenarien angefordert werden. Aufgrund der Dynamik im Digitalen Fundraising können sich die Verhältnisse schnell verändern. Was passiert, wenn 50.000 neue Kontakte in der Datenbank sind? Verändert sich der Preis, wenn doppelt so viele E-Mails versendet werden? Was, wenn weitere Funktionalitäten benötigt werden? Diese und weitere Fragen müssen vor dem Kauf geklärt werden. Ansonsten läuft man Gefahr, dass sich das scheinbar beste Angebot zur Kostenfalle entwickelt.

9.1.4 Fallstricke der CRM-Implementierung Die Implementierung eines neuen CRM-Systems verspricht immer eine Verbesserung des Status Quos. Endlich sollen all die ausgeklügelten Fundraising-Konzepte, welche die alte Software nicht abbilden konnte, umgesetzt werden können. Bis es soweit ist, muss die Organisation jedoch einen sehr anspruchsvollen Prozess durchlaufen. Die Implementierung eines neuen CRMs ist nämlich nicht nur ein IT-Projekt, sondern tangiert in hohem Maße auch die Arbeitsorganisation und -kultur. Wer die folgenden Punkte nicht berücksichtigt, riskiert neben hohen Kosten noch eine Verschlimmerung der Situation. Allzu oft wird in CRM-Projekten die menschliche Komponente vergessen. Im schlimmsten Fall kann ein Software-Wechsel existenzielle Ängste auslösen: Mitarbeitende, die seit 20 Jahren mit dem bestehenden CRM arbeiten, müssen auch für sich persönlich Vorteile und eine Perspektive durch den Software-Wechsel sehen. Bevor das Projekt starten kann, müssen alle involvierten Personen abgeholt und vom Nutzen eines Wechsels überzeugt werden. Die Einführung einer neuen CRM-Lösung bindet viele Ressourcen. Neben dem Tagesgeschäft ist ein solches Projekt ohne zusätzliche Personalressourcen kaum zu stemmen. Insbesondere für die Projektleitung muss eine Person mit ausreichenden Zeitressourcen und Entscheidungskompetenz definiert werden. Da das CRM von mehreren Fachabteilungen und -personen genutzt wird, prasseln auch jede Menge Anforderungen auf die Projektleitung ein. Um diese objektiv priorisieren zu können und um den Prozess schlank und effizient zu gestalten, lohnt es sich, eine Projektsteuerungsgruppe von 3–5 Personen aus dem Senior Management zu definieren. Die Steuerungsgruppe nimmt die richtungsweisenden Entscheide ab und unterstützt die Projektleitung zur Priorisierung oder Auflösung von Zielkonflikten. Bei der Implementierung einer neuen CRM-Lösung ist oft ein interessantes Phänomen zu beobachten: Obwohl sich das Team nach etwas Neuem sehnt, versuchen viele am Ende doch, die existierenden Prozesse in die neue Software „reinzuquetschen“. Dies kann zu einer so starken Umkonfiguration der Software führen, dass sie nicht mehr wie vorgesehen

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funktioniert. Bei der Einführung einer neuen CRM-Lösung muss deshalb die Bereitschaft vorhanden sein, die bestehenden Prozesse und Produkte an die neue Software anzupassen. Eine Software kann nur dann gut funktionieren, wenn sie für die Organisation optimal konfiguriert wurde. Deshalb kommt dem Implementierungspartner eine entscheidende Rolle zu. Nur wenn dieser die Business Needs versteht und in die Konfigurationsmöglichkeiten der Software übersetzen kann, wird der Benutzer in der Lage sein, die Software wunschgemäß zu nutzen. Deshalb sind bei der Evaluation einer Software-Lösung auch folgende Fragen wichtig: • • • •

Wie viele lokale Implementierungspartner gibt es? Haben diese Erfahrung mit der Fundraising-Branche? Wie sind andere Organisationen mit ihnen zufrieden? Haben sie ausreichend Kapazitäten für die Implementierung und die langfristige Betreuung? • Welche Konditionen bieten sie an? Damit das neue CRM auch nach der Einführung die Fundraising-Maßnahmen optimal unterstützt, müssen die Daten gemäß dem Datenkonzept gepflegt werden. Hierfür ist es wichtig, dass klare Konventionen für die verschiedenen Datenentitäten existieren und in einem Betriebskonzept definiert wird, wie die Daten zu pflegen sind. Oder wie der Schweizer CRM-Experte Harry Graf zu sagen pflegt: „Bevor ein neues Feld erfasst wird, müssen folgende Fragen beantwortet werden: Wozu werden die Daten benötigt? Wie werden die Daten erfasst? Wie werden die Daten gepflegt? Wie werden die Daten ausgewertet?“ Ohne ein Betriebskonzept, das von der Organisation gelebt wird, entsteht in kurzer Zeit eine unübersichtliche Datenstruktur, welche die Arbeit mit dem CRM stark erschwert. Die Akzeptanz der Mitarbeitenden ist ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Einführung einer neuen CRM-Software. Ebenso wird die konventionskonforme Nutzung im Betrieb darüber entscheiden, ob die neue Lösung auch mittel- bis langfristig den erhofften Nutzen erbringt. Vor diesem Hintergrund stellt die Usability einer Software einen sehr wichtigen Aspekt in der Evaluation dar. Anders gesagt: Es geht nicht nur darum, was eine Software kann, sondern auch wie sie gemacht ist. Es lohnt sich deshalb, sich nicht nur einzelne Funktionalitäten zeigen zu lassen, sondern ganze Arbeitsabläufe wie z. B. „einen Newsletter erstellen und versenden“. Damit bekommt man ein besseres Gespür dafür, wie einfach die Software zu nutzen ist. Außerdem sollte man auf die Möglichkeit bestehen, die Software eigenständig zu testen. Die Einführung einer neuen Software bedeutet auch personelle Veränderungen: Entweder müssen die bestehenden Mitarbeitenden befähigt oder neue Kollegen eingestellt werden. In diesem Kontext müssen das Know-how und die zeitlichen Ressourcen des Teams realistisch eingeschätzt werden. Das Projekt- und Betriebsbudget darf nicht nur die Lizenzkosten der Software beinhalten, sondern muss zwingend auch die Personal- und Schulungskosten erfassen.

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Tracking

Das Schöne am Digitalen Fundraising ist, dass man nachvollziehen kann, ob sich der Einsatz der verwendeten Fundraising-Technologien lohnt oder nicht. So ist es mit Hilfe von Tracking Pixeln nicht nur möglich herauszufinden, dass über einen bestimmten Kanal oder ein bestimmtes Werbemittel, eine Spende oder eine andere nicht-monetäre Conversion wie eine Newsletteranmeldung, eingegangen ist. Es ist außerdem möglich zu sehen, wie hoch diese Spende ist. Wenn CRM, Marketing-Automation und Internetseite mitei­ nander verknüpft sind, erfährt man zusätzlich, wer über welches Werbemittel wie viel gespendet hat. Anders als bei klassischen Maßnahmen wie Plakatwerbung, welche einmal gestartet, nicht so leicht wieder gestoppt oder optimiert werden können, gibt es im Digitalen Fundraising einen größeren Gestaltungsraum. Kampagnen können während ihrer Laufzeit hinsichtlich eines bestimmten Ziels optimiert werden. Zeichnet sich im Verlauf der Kampagne ab, dass das Ziel verfehlt wird, kann die Kampagne in der Regel sofort gestoppt werden. An das Tracking von Nutzern gibt es gesetzliche Anforderungen, die unbedingt beachtet werden müssen. Um Tracking gesetzeskonform einzusetzen, ist es wichtig, dass die Richtlinien des Europäischen Gerichtshofs eingehalten werden. Dieser sieht vor, dass ein Cookie-Einwilligungs-Banner und Detailinformationen über die für das Tracking verwendeten Cookies Pflicht sind (Abb. 9.7). Es darf keine Vorauswahl geben (BVDW 2019). Eine gute Balance zwischen Datenschutz und Usability hat beispielsweise Lufthansa gefunden. Die notwendige Vorauswahl ist hier schon angehakt und auch nicht optional. Die notwendigen Cookies sorgen dafür, dass die Internetseite reibungslos und uneingeschränkt funktioniert. Die optionalen Cookies, welche beispielsweise für Webstatistik, Usability oder personalisierte Werbung notwendig sind, können selbst hinzugefügt werden. Lufthansa erfüllt so alle gesetzlichen Anforderungen. Durch die grafische Gestaltung der Buttons wird der User dazu verleitet, alle Cookies zu aktivieren.

Abb. 9.7  Screenshot des Cookie-Banners auf lufthansa.com. (Zugegriffen: 30.05.2020)

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9.2.1 Kennzahlen im Online-Fundraising Damit Tracking effizient eingesetzt werden kann, ist es sinnvoll, sich im Vorfeld zu überlegen, welche Kennzahlen, sogenannte Key-­Performance-­Indikatoren (KPI), eine Aussage für das zu erreichende Ziel treffen können. Man kann grob zwischen drei Zielkategorien unterscheiden und diesen Kategorien unterschiedliche KPIs zuordnen. Beim Brand Marketing geht es vor allem darum, Reichweite und Sichtbarkeit für die eigene Organisation zu generieren. Ob man das eingesetzte Budget durch Spenden wieder zurückerhält oder vielleicht sogar mehr, also einen sogenannten positiven Return on Invest (ROI) erreicht, ist hier nicht das Ziel. Im Performance Marketing geht es um die Leistung der Maßnahme. Investiert man eine bestimmte Summe, soll diese mindestens wieder zurückkommen, im besten Falle sich sogar erhöhen. Der ROI soll positiv sein. Wichtig ist, die Maßnahme hier aber auch im Kontext des Spender-­Life-­Cycles zu bewerten. Kampagnen, die versuchen, neue Spender zu generieren, werden tendenziell niedrigere ROIs erzeugen, da die Zielgruppe noch nicht stark an die Organisation gebunden ist. Beim Donor Relationship Management stehen der Beziehungsaufbau und die Festigung der Bindung im Vordergrund. Ist ein Lead zunächst generiert bzw. ein Spender erst einmal gebunden, ist es wichtig, sie weiter bei Laune zu halten, damit sie der Organisation weiterhin treu bleiben (Tab. 9.2). Online-Fundraising wird oft als nicht stark performant im Vergleich mit anderen Fundraising-Maßnahmen bewertet, da der Gesamtanteil der über digitale Maßnahmen generierten Spenden bei vielen Organisation derzeit mit bis 10 % noch gering ist (altruja 2019; Carter 2019). Dahinter steht vielmals die Frage: „Wie kann man online mehr Einnahmen generieren?“. Wenn man die Frage allerdings anders stellt – „Wie kann man mit Hilfe der digitalen Kanäle mehr Einnahmen generieren?“ – verändert sich das Bild, und die Kennzahlen werden umfassender. So werden unter anderem folgende Kennzahlen relevant: • Anzahl der Online-Neuspender*innen im Vergleich zu analogen Kanälen • Erhöhung der Realisierungsquote nach einer Face-to-Face-Spende auf der Straße • Conversionrate von Telefonaktionen nach einer E-Mail-Serie So verschiebt sich das Bild. Es gibt per se keinen schlechteren oder besseren Kanal. Es ist wichtig, dass das Zusammenspiel der verschiedenen Kanäle im Kontext des Donor Life Cycles betrachtet wird und die Definition der Kennzahlen dem entspricht.

9.2.2 Systeme und Typen von Tracking Sind die Ziele definiert, ist es wichtig zu wissen, welche Arten von Tracking es gibt, damit diese Ziele messbar gemacht werden. Es gibt viele verschiedene Pixel, die auf der eigenen

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Tab. 9.2  Vergleich von Key-Performance-Indikatoren im Brand Marketing, Performance Marketing und Donor Relationship Marketing Brand Marketing

Performance Marketing

Donor Relationship Marketing

- Anzahl der Besucher auf der Internetseite - Anzahl der Besuche auf der Internetseite - Prozentsatz neuer Besucher auf der Internetseite - Impressions - Tausender Kontakt Preis (TKP) - Anzahl Likes in den Sozialen Medien -C  lick-Through-Rate (CTR): Prozentualer Anteil der User, welche eine bezahlte Anzeige sehen und dann auch darauf klicken - Conversionrate (CR): Prozentualer Anteil der User, welche die Internetseite besuchen und das definierte Ziel, z. B. eine Spende tätigen, erreichen - Durchschnittsspende - Spendenumsatz (pro Maßnahme oder Kanal) - Absprungrate - Prozentuale Steigerung der Newsletter-Empfänger - E-Mail-Öffnungsraten - E-Mail-Klickrate - E-Mail-Abmelder - Durchschnittliche Verweildauer auf der Internetseite - Engagement Rate Social Media - Retention Rate (Bindungsrate) - Durchschnittliche Dauerspenden-Dauer - Life Time Value: Gerade wenn Organisationen mit Dauerspendern arbeiten, ist es wichtig zu wissen, was der durchschnittliche Wert ist, welcher ein Spender über die gesamte Zeit, die er der Organisation treu ist, ausgibt/spendet.

Internetseite implementiert werden können, um Daten zu erhalten. Grob kann man drei verschiedene System-Arten unterscheiden: • Webanalyse Tools, z. B. Google Analytics, eTracker oder Matomo • Pixel von Werbeanzeigen-Anbietern, z. B. Google AdWords, Facebook Pixel oder andere Anbieter • CRM (in der Regel cloudbasiert) bzw. Automation Pixel, z. B. Salesforce oder ActiveCampaign Die Pixel können entweder direkt in den Code der Internetseite oder über sogenannte Tag Manager auf der Internetseite implementiert werden. Dabei gibt es verschiedene Arten, mit denen das Tracking erfolgreich umgesetzt werden kann: Conversion Tracking, Kampagne-Tracking, E-Commerce-Tracking und Behavioural Tracking. Beim Conversion Tracking wird im Webanalyse Tool oder im CRM ein bestimmtes Ziel, welches erreicht werden muss, definiert. Wenn dieses Ziel erreicht wird, wird dies

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erfasst. So kann beispielsweise gemessen werden, ob gespendet wurde und über welchen digitalen Kanal die Spende generiert wurde. Wenn es verschiedene Zwischenziele gibt, die ein User erreichen muss, spricht man von sogenannten Micro Conversions, z.  B. die verschiedenen Schritte innerhalb eines Spendenformulars. Das Hauptziel, z. B. die Spende, nennt man Macro Conversion. Kombiniert man Micro und Macro Conversion erhält man einen Conversion Funnel. Der Conversion Funnel ist vor allem dann interessant, um herauszufinden, wo ein Prozess optimiert werden kann. Springen beispielsweise sehr viele User auf der Bestätigungsseite kurz vor der Spende ab, lohnt es sich hier verschiedene Layouts zu testen, um die Conversionrate zu erhöhen. Mit Kampagnen-Tracking bieten verschiedene Webanalyse-Tools die Möglichkeit, genau zu analysieren, über welches Werbemittel die Conversions generiert wurden. Dazu werden an die URL, welche hinter dem Werbemittel liegt, sogenannte Tracking Parameter gehängt. In diesen Parametern stehen Informationen über die Kampagne, welche das Webanalyse Tool auswerten kann. Beispiel

Jedes Webanalyse-Tool hat eine andere Benennung bei den Parametern. Im Fall von Google Analytics sehen die Parameter wie folgt aus: http://www.beispielorganisation. org?utm_source=facebook&utm_medium=cpc&utm_campaign=Weihnachten&utm_ content=tiger • utm_source: Beschreibt die Quelle, wo der User auf die Anzeige geklickt hat. In diesem Fall war das Facebook. Hinter der Facebook-Anzeige liegt dann dieser Link. • utm_medium: Beschreibt das Medium, auf welches der User geklickt hat. In diesem Fall war das eine bezahlte Anzeige (cpc = Cost per Click). • utm_campaign: Beschreibt die Kampagne, in welcher diese Anzeige läuft. Andere Medien bzw. Quellen können den gleichen Kampagnennamen haben. So kann man auswerten, welche digitale Maßnahme innerhalb einer Kampagne am besten performt. • utm_content: Beschreibt den Anzeigeninhalt. In diesem Fall ist es eine Anzeige mit dem Anzeigeninhalt Tiger. Die Parameter werden vom Digitalverantwortlichen eigenständig definiert und dann hinter die URL gehängt. Um den Überblick über die verschiedenen URLs und Tracking-Parameter zu behalten, lohnt es sich, diese an einem Ort pro Kampagne zu bündeln (z. B. einer Excel Liste). ◄ E-Commerce-Tracking gibt im Webanalyse-Tool nicht nur Auskunft darüber, dass eine Spende eingegangen ist, sondern auch, wie hoch und wie oft für ein bestimmtes Spendenprodukt gespendet wird. Ziel des E-Commerce-Tracking ist die Optimierung des Spendenprozesses und die Steigerung der Conversionrate. Dafür werden sämtliche für den Spender relevanten Daten wie Gesamtumsatz, Dauer bis zur Transaktion, Anzahl der Sit-

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zungen bis zur Transaktion und mehr gespeichert. Aus diesen Informationen lassen sich Möglichkeiten der Optimierung ableiten. Besuchen Spender beispielsweise die Internetseite häufig, bevor es zu einer Transaktion kommt, fehlen eventuell Informationen über die Organisation oder ein bestimmtes Projekt. Das Behavioural Tracking verwendet Online-Nutzeraktivitäten (z. B. besuchte Seiten, angesehene Inhalte, Suchen, Klicks und Spenden), um spezifische Segmente zu generieren. Diese können dann verwendet werden, um eine eventuelle Folgekommunikation optimal auf die Bedürfnisse oder das Life-Cycle-­Stadium des Users anzupassen. Hat eine Internetseite User beispielsweise die „Vielen-Dank-für-Ihre-Spende-Seite“ besucht, oder ist der Spender-Status im CRM von Lead zu Einmalspender geändert worden, können diese Informationen als Trigger dienen, um eine Serie an E-Mails zur Bindung des Spenders zu starten. In Newslettern kann außerdem der Spenden-Call-to-Action je nach Spenderstatus oder Interaktion entsprechend geändert werden. Der Vorteil des Behavioural Trackings liegt klar auf der Hand: Der User erhält zum passenden Zeitpunkt auf dem passenden Kanal die richtige Botschaft. Nichtsdestotrotz kann Behavioural Tracking insbesondere in Bezug auf Datenschutz auch kritisch betrachtet werden. Auch die sogenannte „Filterblase“ stellt eine Herausforderung dar – für User und Organisation gleichermaßen. Wird ein Spender beispielsweise permanent mit den gleichen Inhalten bespielt, läuft man Gefahr, dass der User zum einen irgendwann genervt ist, zum anderen verpasst man die Möglichkeit, auf weitere wichtige Inhalte der Organisation aufmerksam zu machen.

9.2.3 Webanalyse-Tools im Vergleich Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an möglichen Webanalyse-Tools. Um das für die eigene Organisation passendste herauszufinden, gibt es Aspekte, auf die es sich zu achten lohnt. Zunächst ist es wichtig zu definieren, was mit dem Webanalyse-Tool erreicht werden soll. Lediglich ein Analysetool zu implementieren, welches danach nicht aktiv genutzt wird, ist nicht empfehlenswert. Insofern gilt es, sich folgende Fragen zu stellen: • Was soll getrackt werden? Oft ist von Big Data die Rede. Aber größer ist nicht gleich immer besser. Wichtig ist, dass die erhobenen Daten relevant sind und man sieht, ob wir sie in Aktionen ummünzen können, welche der Zielerreichung der Organisation dienen. Eine Definition, welche Daten geliefert werden sollen, ist der Startpunkt für die Suche nach dem Webanalyse-Tool. Grundlage hierfür können die definierten Kennzahlen bilden. • Welche Schnittstellen werden benötigt? Gibt es andere Tools, z. B. ein CRM oder ein Data Warehouse, welches mit dem Webanalyse-Tool verbunden werden soll? Dann gilt es zu klären, welche Schnittstellen für die Datenanbindung gebraucht werden und ob die unterschiedlichen Systeme verbunden werden können.

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• Wer arbeitet mit dem Tool? Soll die Fundraising-Referentin damit arbeiten? Oder ist das Tool für das Monitoring bei der Geschäftsführung relevant? Gibt es eine Person, die sich vor allem um digitale Themen kümmert. Neben eventuellen Schulungen können so auch die Anforderungen an das Tool konkretisiert werden. • Wie wird das Reporting dargestellt? Muss ein User geschult sein, um wesentliche Infos schnell erfassen zu können? Soll es nutzerspezifische Reports geben? Sollen die Daten visualisiert dargestellt werden? • Was braucht das Tool nicht abzubilden? Genauso wichtig, wie die Definition der Anforderungen ist es festzuhalten, was das Tool nicht unbedingt können muss. So kann auch bei der Auswahl ein Fokus gelegt werden. Ein Webanalyse-Tool muss beispielsweise nicht unbedingt Offline-Aktivitäten der Spender abdecken können. So ist sichergestellt, dass das gewählte Tool auch leisten kann, was erwartet und benötigt wird. Neben der tatsächlichen Analyse empfiehlt sich außerdem die Anwendung eines sogenannten Tag-Managers. Ein Tag-Manager ordnet alle Pixel, die auf der Organisationsseite implementiert sind. Das können zum Beispiel Pixel für das Converionpixel von Facebook oder Google Grants oder Pixel der E-Mail-­Marketing-­Lösung sein. Wenn ein Pixel ausgetauscht werden muss, ist es durch den Tag-Manager möglich, dies ohne Eingreifen in den Quellcode zu tun. Das heißt, man ist unabhängiger von der IT. Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz am meist verbreitetsten Tools zur Webanalyse sind nach Einschätzung der Autoren Google Analytics, Matomo und eTracker. • Google Analytics findet auch bei den meisten Non-Profits der DACH-Region eine gute Verbreitung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Tool ist kostenlos, die Usability ist sehr gut, die Anbindung an andere Google-Tools ist simpel und weltweit ist Google Analytics Marktführer in Sachen Webanalyse. Um Google Analytics datenschutzkonform anwenden zu können ist es wichtig, dass im Vorfeld die Einstellung getroffen wird, die IP-Adressen zu anonymisieren (vgl. https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/urteil-einsatz-von-google-analytics-ohne-ip-anonymisierung/). Darüber hinaus muss eine Auftragsdatenvereinbarung mit Google abgeschlossen werden. Dies kann leicht und rechtsgültig online durchgeführt werden. Alle vor Abschluss der Auftragsdatenvereinbarung erhobenen Daten müssen gelöscht werden. • Matomo (früher Piwik) ist eine Open-Source-Analytics-Lösung. Sie ist ebenfalls kostenlos. Die Installation verläuft auf eigenen Servern. Vorteil: Die Daten liegen bei der Organisation. Das Aufsetzen, die Implementierung und die tägliche Anwendung setzt allerdings ein gewisses Technikverständnis voraussetzt. Auch die Usability ist eher für technikaffine Nutzer geeignet. Will man mit Matomo tiefergehend analysieren (z. B. E-Commerce-Tracking) sind zusätzliche Plugins und gegebenenfalls technischer Support erforderlich. Beides ist nicht in der kostenlosen Variante enthalten. • eTracker bietet einen ähnlichen Funktionsumfang wie Google Analytics, ist allerdings nicht kostenlos. Die Usability ist mit einhergehender Schulung zu bewältigen. Außer-

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dem können die Parameter des Kampagnen-Trackings von Google auch durch eTracker ausgelesen werden. eTracker ist ein deutsches Unternehmen mit Servern in Deutschland. Webanalyse und deren Tools ermöglichen die exakte Erfassung und zeitnahe Auswertung verschiedenster Daten im Online-Fundraising. Das Erfassen bestimmter Daten dank Conversion-, Kampagnen- und E-Commerce-Tracking geben Hinweise auf die Effizienz und den Erfolg einzelner Maßnahmen. Zudem vereinfacht das Behavioural Tracking die Kommunikation mit individuellen Interessenten oder existierenden Unterstützern. So wird ermöglicht, dass zur richtigen Zeit, über den richtigen Kanal, die richtige Botschaft bei dem richtigen Gesprächspartner ankommt. Die Auswahl der richtigen Tracking-Instrumente für die Webanalyse darf daher nicht vernachlässigt werden. Es bedarf Vor- bzw. Nachteile entsprechend der Organisationsstruktur und -kapazitäten, gegeneinander abzuwägen. Wichtig bei der Entscheidungsfindung sind dabei die Einhaltung von Datenschutzregelungen und die Einstufung der eigenen IT-Kenntnisse. Eine Kombination der Tools ist nicht zu empfehlen, da diese auf unterschiedliche Arten die gleichen Daten liefern. Um eine erfolgreiche Optimierung der Prozesse durch Webanalyse zu gewährleisten, müssen die gewonnenen Daten nicht nur gesammelt, sondern auch regelmäßig ausgewertet sowie interpretiert werden. Im Verlauf des Webanalyse-Prozesses wird nämlich eine Vielzahl an Daten gesammelt, die es nicht nur zu kategorisieren, sondern auch zu verstehen gilt.

9.2.4 Big Data, Datenanalyse und Machine Learning Unter Big Data versteht man das Sammeln von strukturierten, halbstrukturierten und unstrukturierten Daten, welche von Organisationen zur Gewinnung von Informationen, zur Steuerung und Optimierung des Fundraisings gewonnen werden. Strukturierte Daten sind solche, die ein klares, von Algorithmen erkennbares Format besitzen und daher schnell entsprechend kategorisiert werden können. Bei unstrukturierten Daten hingegen können der Dateityp, das Bild, der Text oder Ähnliches selbst erkannt werden, jedoch können die Inhalte selbst nicht analysiert werden. Ein typisches Beispiel für halbstrukturierte Daten stellen daher E-Mail-Dateien dar. Dort erkennt ein Algorithmus einige besondere strukturelle Merkmale, die aufgrund des Aufbaus einer E-Mail immer gleichbleiben, wie zum Beispiel der Betreff, der Absender und der Empfänger. Der Inhalt der versendeten Mail erschließt sich dem Algorithmus nicht. Das Clustern, die Profilierung und die Bildung von Segmenten anhand von vorhandenen Daten stellen verschiedene Methoden der Datenanalyse dar. Oft werden diese Daten im Kontext von Machine Learning eingesetzt. Dabei werden Algorithmen mit großen Datensets gespeist, um relevante Erkenntnisse und Zusammenhänge zu gewinnen. Damit können beispielsweise automatisch Segmente gebildet und deren Spenden- oder Absprungwahrscheinlichkeit berechnet werden.

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Eines der am weitesten verbreiteten und erfolgreichsten Modelle für Machine Learning ist das sogenannte „Random-Forest-Modell“, welches auf Entscheidungsbäumen basiert. Durch dieses Modell kann beispielsweise vorhergesagt werden, ob ein Spender zukünftig Spender bleiben wird oder nicht. Um dies voraussagen zu können, graben sich die Wurzeln des Entscheidungsbaums tief in die Datensammlung eines Spenders. Sobald die Daten aufgenommen sind, wandern sie durch den ganzen Baum und seine verschiedenen Äste. Die einzelnen Äste analysieren einzelne Informationsblöcke aus dem Datensatz. So untersucht zum Beispiel ein Ast, wie oft der Spender in den letzten drei Monaten die gesendeten E-Mails einer Non-Profit-Organisation oder eines sozialen Projekts geöffnet hat. Ein anderer Ast überprüft, ob die Kreditkarte in den kommenden sechs Monaten ablaufen wird. Umso mehr Daten der Entscheidungsbaum erhält, desto mehr Äste bilden sich in dessen Krone. Schließlich sprießen auch Blätter aus den Ästen des Baums. Je nach Entscheidung sprießen verschiedenfarbige Blätter. Ein grünes Blatt symbolisiert eine positive Antwort, beispielsweise, dass der Spender der Organisation erhalten bleibt. Ein rotes Blatt steht für eine negative Antwort, also dafür, dass der Spender aufhört, die Organisation finanziell zu unterstützen. Als Antwort auf die Frage, ob der Spender bleibt oder nicht, lässt der Entscheidungsbaum ein einzelnes Blatt fallen. Natürlich fällt ein Blatt von der Farbe, die am Baum überrepräsentiert ist. Nun sind Entscheidungsbäume in der Welt der Daten keine besondere Ausnahme. Eine Vielzahl von ihnen kann zu jedem Zeitpunkt entstehen und bildet das „Random-Forest-Modell“. Um eine möglichst präzise Prognose über das zukünftige Spendenverhalten zu bekommen, müssen alle einzelnen, abgefallenen Blätter der Entscheidungsbäume im „Random Forest“ gesammelt werden. Diese ist besonders exakt, da sie eine Vielzahl von möglichen Alternativen gegeneinander aufwiegt. Machine Learning definiert anhand der gesammelten Spenderdaten selbst, welche und wie viele Entscheidungsbäume nötig sind, um den für einen Spender spezifischen, repräsentativen „Random Forest“ abzubilden. Die gesammelten Daten transformiert Machine Learning dann in eine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wichtig ist hier noch anzumerken, dass Machine Learning nicht nur punktuell angewendet wird. Machine Learning sammelt, analysiert und evaluiert Daten kontinuierlich und in Echtzeit. Das Ergebnis des Machine Learnings kann dann eingesetzt werden, um die Spender-Kommunikation so zu verändern, dass jeder individuelle Spender die richtige Botschaft, zum richtigen Zeitpunkt und über den erfolgversprechendsten Kanal erhält. Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn Machine Learning mit Marketing Automation kombiniert wird. So lassen sich die Ergebnisse des Machine-Learning-Prozesses in ein Marketing Automation Tool einspeisen, was wiederum automatisiert die Kommunikation triggert, welche den Spender vor dem Absprung bewahrt. Dieses Konzept der automatisierten Kommunikation, basierend auf Wahrscheinlichkeitsrechnung, wird besonders interessant, wenn man erkennt, wie vielfältig es eingesetzt werden kann. So kann man neben dem Spendenverhalten auch errechnen, wie hoch die wahrscheinlichen Spendeneinnahmen sein werden, oder wer ein hohes Potenzial bietet, Großspender zu werden.

9  Donor Relation Management

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Solche Methoden sind unter dem Begriff Predictive Modeling bekannt und bieten ein großes Potenzial, insbesondere für größere Organisationen, welche über große Mengen an Daten verfügen. Für die praktische Implementierung sind neben den nötigen Software-Tools auch die entsprechenden Fähigkeiten im Team nötig. Denn nur wenn die Daten richtig interpretiert werden, können sie auch gewinnbringend genutzt werden. cc

9.3

Einsatz von Dashboards  Um bei der Vielzahl von Daten nicht den Überblick zu verlieren, ist es zu empfehlen, die wichtigsten Zahlen und Daten in einem Dashboard abzubilden. Das Dashboard ist eine tabellenartige Darstellung von Diagrammen und wird durch Google Analytics oder andere Tools kontinuierlich mit Informationen gespeist. So wird sichergestellt, dass die Zahlen ständig aktuell sind. Durch die Möglichkeit zur Individualisierung des Layouts können die wichtigsten Zahlen visuell in den Vordergrund gerückt werden.

Online-Bezahlsysteme

Online-Spenden werden immer beliebter. Für eine Organisation ist es daher existenziell wichtig, ein Online-Bezahlsystem zu integrieren. Laut einer Untersuchung von betterplace generieren „gut ein Drittel (Vorjahr ein Viertel) der Organisationen (…) mehr als 20 % der Spenden online“ (Carter 2019). Der Markt an Online-Zahlungsmitteln ist riesig. Einige Systeme bieten neben der Bezahlmöglichkeit zusätzliche Absicherungen an. Manche Betreiber verzichten zum Beispiel darauf, Kreditkarten- oder Bankdaten an die jeweiligen Non-Profit-Organisationen zu übermitteln. Grundsätzlich gilt es zu wissen, dass es verschiedene Arten der digitalen Zahlung gibt. Diese richtet sich nach der Art des Speichermediums. Sie können hardware- oder softwaregestützt sein. Bei hardwaregestützten Produkten ist der Datenträger ein in eine Plastikkarte eingebauter Computerchip. Softwaregestützte Produkte benötigen eine spezielle Software. Diese übertragen eine elektronische Werteinheit digital, zum Beispiel über das Internet. PayPal bietet zum Beispiel solch eine softwarebasierte Lösung an. Der Kunde überweist hier von seinem Bankkonto, Geld auf sein online PayPal-Kundenkonto, das dann als PayPal-Guthaben gutgeschrieben wird. Bei einer Online-Zahlung wird dieses Guthaben mit wenigen Klicks dann belastet. Technisch konkret passiert Folgendes: Im Dialog zwischen mindestens zwei Rechnern über ein Rechnernetz kann die digitale Zahlung getätigt werden. Der Herausgeber des digitalen Geldes (in der Regel ein Kreditinstitut) übermittelt daraufhin einen äquivalenten Gegenwert in Form von elektronischem Geld an den Zahlungsempfänger. Um sicherzustellen, dass die Speicherung allen Sicherheitsanforderungen entspricht, erfolgt diese mit Hilfe von einem komplizierten Verschlüsselungsverfahren. Das übermittelte elektronische Geld ist eine Forderung gegenüber dem Bezahler, der diese dann beim herausgebenden Kreditinstitut einfordern kann.

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Chancen und Herausforderung Online-Bezahlsysteme sind weltweit verbreitet. Die Nutzung ist bestenfalls einfach und unkompliziert. Mit der weltweiten Verfügbarkeit von Online-­Bezahlsystemen können neue Zielgruppen erschlossen werden. Zusätzlich können bereits bestehende Nutzer durch einfache Zahlungsmöglichkeiten besser gebunden werden. Ein Beispiel hierfür ist der Nahverkehr-Personentransport. Während Taxen immer noch Bargeld als bevorzugtes Zahlungsmittel einsetzen, setzen andere Anbieter wie Uber auf bargeldlose Zahlungsmittel beziehungsweise die Bezahlung direkt in der App. Durch diesen Service entwickelte sich Uber zu einer ernsthaften Konkurrenz für Taxiunternehmen. Eine weitere Chance der Online-Bezahlsysteme ist die Vereinfachung des Zahlungsvorgangs. Nach einer einmaligen Registrierung können Bank- oder Kreditkartendaten automatisch gespeichert und bei der nächsten Zahlung per Auto-Fill ergänzt werden. So kann die Zahlung mit nur einem Klick erfolgen. Eine aufwendige manuelle Eingabe ist unnötig – was zu einer geringeren Abbruchquote führen kann. Sie stellen für die Spendenden einen Komfort dar. Als Herausforderung werden die teils hohen Sicherheitsmaßnahmen wahrgenommen, die Phishing-Attacken und ähnliches verhindern sollen. Zwar sind viele Online-Bezahlsysteme gut abgesichert. Jedoch ist es notwendig, diese ständig zu aktualisieren und zu verbessern. Gerade bei älteren Zielgruppen stoßen die Systeme nicht auf flächendeckende Akzeptanz (DIVSI 2016, S. 9; Jacob 2020). Globale und lokale Zahlungsmittel Grundsätzlich muss man zwischen globalen und lokalen Zahlungsmitteln unterscheiden. Unter globalen Zahlungsmitteln sind Zahlungsmittel zu verstehen, die weltweit anerkannt und eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kreditkarte. Lokale Zahlungsmittel werden vorzüglich in einem Land eingesetzt. Ein Beispiel für lokale Zahlungsmittel ist die IDEAL-Überweisung, ein Standard-Zahlungsmittel für niederländische Kunden. Es ermöglicht sichere Online-­Zahlungen direkt zwischen Bankkonten und zählt in den Niederlanden zu den beliebtesten Zahlungsarten. Ein weiteres Beispiel ist das schweizerische Zahlungssystem Twint  – eine Mobile Payment App für bargeldloses Zahlen. In der Schweiz stellt diese basierend auf den Daten von RaiseNow das Zahlungsmittel dar, das am zweithäufigsten für Online-Spenden genutzt wird. Das beliebteste Zahlungsmittel ist die Mastercard, an dritter Stelle steht die Visa-Card. Das beliebteste Zahlungsmittel in Deutschland ist PayPal, gefolgt von der Sofort-Überweisung. Digitale Zahlungsmöglichkeiten im klassischen Fundraising Wie bereits angemerkt steigt die Zahl der online generierten Spenden stetig, die meisten Organisationen generieren aber nach wie vor einen Großteil ihrer Spendeneinnahmen mit Hilfe analoger Kampagnen. Face-to-Face-Kampagnen, Briefverkehr, Plakatwerbungen und Telefundraising liefern nach wie vor gute Ergebnisse bezüglich Response und können vor allem auch mit sehr großen Volumina punkten. Gerade deshalb ist es sinnvoll, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um diese Fundraising-Kanäle noch effizienter zu nutzen. Denn digitales Fundraising bietet viel mehr Möglichkeiten als Spendenformulare auf der Internetseite.

9  Donor Relation Management

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Ein Beispiel hierfür ist die erfolgreiche Digitalisierung des Mailings durch den Schweizer Payment Anbieter Twint. Während eine Organisation wie die Caritas Schweiz früher ihre Spendenbriefe mit einem gedruckten Einzahlungsschein versendete, sind diese heutzutage zusätzlich mit einem QR-Code versehen. Dieser Code kann von Benutzern der Twint-App eingescannt und somit kann die Spende schnell und unkompliziert mit einem Swipe über den Smartphone-­Bildschirm getätigt werden. Damit können Geldbeträge nicht nur schneller überwiesen werden, sondern auch die Spenderdaten gelangen über digitale Schnittstellen direkt ins CRM. Der QR-Code ist personalisiert, so dass die Adressdaten bei der Zahlung nur überprüft werden müssen. Zusätzlich hat der User die Möglichkeit, die Daten mit einer E-Mail-Adresse und dem dazugehörigen Marketing Opt-in zu ergänzen. Dadurch können existierende Datensätze von Spender*innen angereichert werden und die Organisationen erhalten die Möglichkeit, in Echtzeit automatisierte Follow-ups anzustoßen. Generell beugt der vereinfachte Spendenprozess dem Abbruch eines Geldtransfers vor. So reduzieren Kreditkartenzahlungen im Face2Face Fundraising die Stornoquote stark. Des Weiteren kann der Erfolg einzelner Kampagnen präziser analysiert werden. Via Tracking ist eine zeitnahe Auskunft über die Höhe sowie die Häufigkeit der eingegangenen Spenden möglich. Gleichzeitig wird außerdem erfasst, welcher Kanal beziehungsweise welcher QR-Code zum Spenden benutzt wurde.

9.4

Fazit

Die Möglichkeiten im Donor Relation Management sind zahlreich. Um die Maßnahmen gezielt und kosteneffizient einzusetzen, braucht jede Organisation eine individuelle Strategie. Des Weiteren ist eine kontinuierliche Analyse der Daten unabdinglich, um möglichen Fallstricken taktisch entgegen zu wirken: • Analysieren Sie für Ihre Organisation, welcher Bereich des Donor Relationship Managements für Sie aktuell am dringendsten ist. • Identifizieren Sie, in welcher Phase des Lifecycles sich Ihre Unterstützer*innen bzw. Spender*innen befinden. • Formulieren Sie spezifische, messbare und terminierte Ziele. • Entwickeln Sie eine Strategie und wählen Sie die für Ihre Zielgruppe und Organisation passenden Maßnahmen. Berücksichtigen Sie dabei, wieviel finanzielle und personelle Ressourcen Sie haben. • Messen Sie Ihren Erfolg regelmäßig und passen Sie Ihre Strategie gegebenenfalls an. So erreichen Sie das Ziel einer individuellen Spenderansprache Schritt für Schritt, so dass jeder Unterstützer die passende Botschaft zum richtigen Zeitpunkt auf seinem bevorzugten Kanal erhält. Dadurch können nicht nur neue Kontakte generiert oder die Spenden­ einnahmen gesteigert werden, sondern auch die Bindung zwischen Spender und Hilfsorganisation kann erhöht werden.

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Literatur altruja. (2019). Online Fundraising Studie 2019. S.  10. https://www.altruja.de/assets/Altruja-Online-Fundraising-Studie-2019.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Burnett, K. (1996). Friends for life: Relationship fundraising in practice. London: The White Lion Press Limited. BVDW. (2019). https://www.bvdw.org/der-bvdw/news/detail/artikel/bvdw-sieht-im-eugh-urteil-zu-planet49-keine-generelle-verpflichtung-zur-einwilligung/. 01.10.2019. Zugegriffen am 30.05.2020. Carter, H. G. (2019). NGO-Meter 2019: Die Ergebnisse der Online-Fundraising-Umfrage. betterplace lab. https://www.betterplace-lab.org/ngo-meter-2019-die-ergebnisse-der-online-fundraising-umfrage. Zugegriffen am 30.05.2020. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet. (2016). DIVSI Ü60-Studie – Die digitalen Lebenswelten der über 60-Jährigen in. Deutschland https://www.divsi.de/wp-content/ uploads/2016/10/DIVSI-UE60-Studie.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Jacob, H. (2020). Zwangs-Digitalisierung im Zahlungsverkehr“ im IT-Finanzmagazin (23.03.2020). https://www.it-finanzmagazin.de/zwangs-digitalisierung-im-zahlungsverkehr-103231/. Zugegriffen am 30.05.2020.

Eva Hieninger  ist Partnerin und Managing Director der getunik GmbH und berät NGOs, Non-Profit-Organisation, Verbände, Parteien und Stiftungen zu den Themen Online-Marketing, Fundraising und Campaigning. Darüber hinaus ist sie Fachautorin und Speakerin bei diversen Branchenveranstaltungen. Sie können Eva Hieninger unter www.getunik.com und [email protected] erreichen. Gregor Nilsson  ist Geschäftsführer der getunik AG, einer internationalen Agentur mit Fokus auf der digitalen Transformation von Non-Profit-­Organisationen. Als ehemaliger Chief Digital Officer des WWF Schweiz kennt Gregor Nilsson die Bedürfnisse und Anforderungen seiner Kunden besonders gut und ist ein ausgewiesener Experte in den Bereichen Digital Fundraising und Marketing Automation. Sie können Gregor Nilsson unter www.getunik.com und [email protected] erreichen.

Trends und Ausblick Was heute und morgen das Digitale Fundraising verändert

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Jörg Reschke und Claudia Winkler

Inhaltsverzeichnis 10.1  Anwendung von digitalen Fundraising-Technologien  10.2  Von Megatrends bis Modetrends  10.3  Umgang mit Trends und Innovationen  10.4  Fazit  Literatur 

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Zusammenfassung

Es ist noch nicht lange her, dass Online-Fundraising an sich als ein Trend beschrieben wurde. Wer die in diesem Buch dargestellten Ansätze und Instrumente anwendet, der gehört in der allgemeinen Fundraising-Szene bereits zu den „Trendsettern“. Ein Überblick über die Megatrends, soziokulturellen und technologischen Trends ermöglicht eine Vorschau darauf, wie sich die Rahmenbedingungen für das Digitale Fundraising in den kommenden Jahren verändern werden.

J. Reschke (*) sozialmarketing.de, Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Winkler goood mobile, Wien, Österreich E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_10

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10.1 Anwendung von digitalen Fundraising-Technologien An neuen Ideen und Instrumenten für die Entwicklung des digitalen Fundraisings mangelt es nicht. Technologischer Fortschritt und neue Angebote sowohl von Dienstleistern als auch von Plattformen wie Facebook machen es Fundraiserinnen und Fundraisern eher schwer, den Überblick zu bewahren (Kap. 3). Ständig kommen neue Instrumente hinzu oder werden bestehende Angebote um Funktionen erweitert, die völlig neue Ansätze der Spenderaktivierung und -bindung ermöglichen. Zu den Aufgaben der Fundraising-Verantwortlichen in Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten gehören die Einschätzung und Entscheidung darüber, welche digitalen Fundraising-Technologien zukünftig überhaupt oder verstärkt zum Einsatz kommen sollen. Dafür ist es notwendig, dass sie zunächst von einer Innovation erfahren sowie deren Anwendbarkeit auf die Situation und innerhalb der verfügbaren Rahmenbedingungen der Non-Profit-Organisation oder des sozialen Projekts prüfen können. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Implementierung digitaler Fundraising-Technologien in Deutschland, Österreich und der Schweiz scheint durchaus gegeben. In vielen Diskussionen wird deutlich, dass der digitale Wandel als notwendig betrachtet wird, um auf den steigenden Wettbewerbsdruck im Markt zu reagieren und Chancen zur Steigerung der Spendeneinnahmen zu sichern. Entscheidungsträger im Non-Profit-Sektor stehen jedoch vor den gleichen Herausforderungen wie zahlreiche kleine und mittelständige Betriebe: Herausforderungen müssen unter anderem bei der Einhaltung des Datenschutzes und der Erneuerung der IT-Infrastruktur bewältigt werden, was bei geringem Investitionsbudget schwerfällt. Darüber hinaus müssen die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit digitalen Technologien weiter ausgebaut werden (KfW Research 2019). Das führt zum Teil dazu, dass der Reifegrad der Technologien und deren tatsächliche Anwendung in der Praxis auseinanderklaffen. Ein hilfreiches Modell zur Einordnung von Trends liefert die Diffusionstheorie nach E. M. Rogers (2003). Es ermöglicht einen Überblick darüber, welche digitalen Fundraising-­ Technologien bereits eine Verbreitung im Markt finden beziehungsweise welche erst von

Abb. 10.1  Anwendung von digitalen Fundraising-Technologien in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Eigene Abbildung)

10  Trends und Ausblick

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wenigen Akteuren angewandt werden. Letzteres kann beispielsweise auf einen vergleichsweisen geringen Reifegrad der Technologie für das Fundraising hindeuten, mindestens aber auf eine kleine Menge von Praxiserfahrungen, die darüber bekannt sind. Anstatt die Trends auf Verbrauchertypen anzuwenden, wie es Rogers macht, sind Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Grundgesamtheit, auf deren die Abbildung (Abb. 10.1) basiert. Um digitale Fundraising-Technologien in die allgemeine Anwendung zu bringen, braucht es einige Zeit. Sie müssen zunächst das Interesse von einzelnen Menschen wecken, die sich davon für das Fundraising einen positiven Effekt erwarten (Innovatoren). Wenn diese Menschen die geeigneten Rahmenbedingungen in ihrer Organisation vorfinden, so können sie zunächst mit kleinen Tests oder Experimenten erste Erfahrungen sammeln. Im kollegialen Austausch erfahren weitere Interessierte davon, kopieren das Projekt und es entstehen erste klare Ansätze eines allgemeinen Use Cases (Frühe Übernehmer). Mittels Vorträgen, Blogs und Zeitschriften beschäftigen sich Entscheidungsträger mit den Technologien oder Trends, so dass sie diese in der eigenen Non-Profit-Organisation eher zuzulassen bereit sind oder selbst ihre Mitarbeiter anregen, sich damit zu beschäftigen (Frühe Mehrheit). Angeregt durch den Wettbewerb und den Vorsprung anderer Organisationen übernehmen viele weitere Organisationen den Ansatz und können dabei von den Erfahrungen anderer profitieren (Späte Mehrheit). Eine Gruppe von eher risikoaversen Organisationen wird die mittlerweile als Standard empfundenen Technologien erst sehr spät (Nachzügler) oder nie übernehmen. Die Diffusionstheorie angewandt auf digitale Fundraising-Technologien gibt einen Überblick darüber, welche Instrumente bereits in der Breite angekommen sind, was aktuell vermehrte Anwendung findet und welche Innovationen entweder noch nicht ausgereift sind oder bisher nur bei ganz wenigen Non-Profit-Organisationen praktische Anwendung erfahren (Abb. 10.1)1 Das Spendenformular auf der eigenen Internetseite ist nach allgemeiner Auffassung bereits so ausgereift und etabliert, dass es nahezu jede Non-Profit-Organisation integriert hat. Im Grunde genommen ist dies aufgrund der hohen Verfügbarkeit bei Banken und Dienstleistern und für jedwedes Content-Management-System eine ebensolche Selbstverständlichkeit wie die Spendenkonto-Nummer in einem postalischen Mailing. Die Gruppe der spendensammelnden Organisationen, die sich erst jetzt mit diesem Instrument beschäftigt, gehört zu den sogenannten Nachzüglern. Zu den bereits sehr ausgereiften und verbreiteten digitalen Fundraising-Technologien gehören die Nutzung von Spendenplattformen und Charity Shopping sowie die Suchmaschinenwerbung. Wenngleich sich innerhalb dieser Instrumente regelmäßig Neuerungen und Umwälzungen durch Updates oder neue Reglementarien ergeben können, so ist die Anwendung weitgehend geübt. Die Anmeldung auf den einschlägigen Plattformen und  Diese Darstellung basiert auf den Einschätzungen der Autoren dieses Buches, die von den Autoren dieses Beitrages zusammengeführt und gewichtet wurden. Es ist geplant, diese Erhebung in den kommenden Jahren als umfangreichere Panel-Befragung fortzuführen.

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das Ausfüllen der Profile ist schnell gemacht und gehört gewissermaßen zu den Basics des Online-Fundraisings. Solche Non-Profit-Organisationen, die erst heute mit der Anwendung beginnen, gehören zu der Gruppe der späten Mehrheit. Ein großer Teil der betrachteten digitalen Fundraising-Technologien wurde der Gruppe der Frühen Mehrheit zugeordnet. Das bedeutet, dass die Technologien bereits weitgehend ausgereift sind, aber die Durchdringung bei den Non-Profit-Organisationen, für die diese Technologien relevant erscheinen, noch deutlich ansteigt. Beispielsweise sind Freiwilligen-­ Plattformen (Abschn.  3.7) zur Online-Akquise und -Vermittlung freiwilligen Engagements technologisch weitgehend ausgereift, aber es gibt noch einen relevanten Anteil an Freiwilligen-Organisationen, die diese nicht für sich einsetzen. Gleiches gilt für Spendenshops (Abschn.  6.5), die technologisch ausgereift sind, aber aus nachvollziehbaren Gründen eher in wenigen Online-Fundraising-Strategien Berücksichtigung finden. Der Gruppe der Frühen Übernehmer kann eine gewisse Affinität zu digitalen Fundraising-­Technologien zugeschrieben werden, denn sie setzen bereits einzelne Instrumente ein, die noch nicht den Tipping Point ihrer Verbreitung erfahren haben. Für Instrumente wie Crowdfunding (Abschn. 8.3), Marketing Automation (Abschn. 9.1) und Virtual Reality gibt es bereits zahlreiche Erfahrungswerte und Praxisbeispiele aus dem Non-­Profit-­ Bereich. Allerdings ist der Einsatz dieser Instrumente von vielen Fundraising-­Fachkräften noch nicht geübt. Es handelt sich hierbei um digitale Fundraising-­Technologien, deren Reifegrad noch nicht so hoch ist, dass sie von einer Mehrheit der Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekte eingesetzt würden. Zu den Innovatoren gehört nur eine kleine Gruppe von Organisationen oder Einzelpersonen, die eine so hohe digitale Affinität, Neugierde und Experimentierfreude sowie die dafür geeigneten Rahmenbedingungen in ihrer Arbeit mitbringen, dass sie sich mit noch recht neuen digitalen Fundraising-Technologien wie Künstlicher Intelligenz und Blockchain auseinandersetzen können. Die Praxiserfahrungen aus dem Non-Profit-Sektor sind hier noch relativ gering, so dass es ein besonderes Maß an Adaptionen und Enthusiasmus braucht, um neue Anwendungsfälle zu kreieren und in die Anwendung zu bringen. Vergleich zur Standortbestimmung Der Vergleich der eigenen Digitalen Fundraising-Praxis in Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten mit der Diffusionsmatrix dient der Standortbestimmung. Jede Organisation wird sich nach ihren spezifischen inneren und äußeren Rahmenbedingungen unterschiedlich einordnen. Die knappen zur Verfügung stehenden Ressourcen an Zeit, Wissen und Budget können eine angemessene Begründung sein um – in der aktuellen Situation – Instrumente bewusst nicht anzuwenden. Gleichwohl erhöht der zunehmende Erfahrungsvorsprung der Mitbewerber den Druck, an der bestehenden Situation Änderungen vorzunehmen und Rahmenbedingungen anzupassen. Für Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte liegt die Herausforderung nicht darin, möglichst viele digitale Fundraising-Technologien einzusetzen, sondern die jeweils passenden Instrumente auszuwählen und im Rahmen der übergreifenden Fundraising-­ Strategie einzusetzen.

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In der Vergangenheit war zu sehen, dass einzelne Instrumente in Organisationen in einer Weise eingeführt wurden, als wenn dies eine einmalige Anstrengung wäre. Anders als bei gedruckten Erscheinungen wie einer Visitenkarte oder Broschüre reicht es im Internet eben nicht aus, einmalig zu publizieren. Eine Internetseite braucht ständige Aktualisierung von Inhalten, Optimierung für die Auffindbarkeit von Suchmaschinen und eine Anpassung an die Interessen und Anforderungen der Zielgruppen. Wer nicht ständig testet und optimiert, der läuft Gefahr, die Bedürfnisse der Zielgruppe aus den Augen zu verlieren und ineffizient zu kommunizieren. In gleicher Weise gilt dies für sämtliche digitalen Fund­ raising-Technologien: Es braucht eine ständige Anpassung und Optimierung, um das Fundraising-Potenzial auszuschöpfen.

10.2 Von Megatrends bis Modetrends Es gibt unterschiedliche Verständnisse darüber, welche Laufzeit und Tiefe der Entwicklung mit Trends beschrieben werden. Für eine bessere Klarheit werden Trends für das Digitale Fundraising in folgenden Kategorien unterschieden: • Tiefgreifende Megatrends • Soziokulturelle Trends (gesellschaftlich) • Technologische Trends (Innovation und Reife) Wie bei allen die Zukunft betreffenden Aussagen, handelt es sich um eine nach bestem Wissen und Gewissen getroffene, wahrscheinlich eintreffende Annahme. Es wird niemanden wundern, wenn nicht alle der im Folgenden beschriebenen Trends in Gänze eintreffen. Ganz sicher sind Entscheidungsträger für das Fundraising gut beraten, wenn sie sich mit den Trends auseinandersetzen und die beschriebenen Entwicklungen eingehend verfolgen.

10.2.1 Megatrends Megatrends sind Entwicklungen, die das Potenzial haben, die Rahmenbedingungen des Handelns tief greifend zu verändern. Im Allgemeinen werden Megatrends eher mit einer Laufzeit von rund 20 Jahren geschätzt oder ihnen wird ein gewisser Ewigkeitscharakter unterstellt. Aufgrund des noch recht jungen Felds des Digitalen Fundraisings fällt es schwer, hier Voraussagen zu treffen, die über zehn Jahre hinaus gehen könnten. Nach dem Verständnis der Autoren werden die größten Auswirkungen der im Folgenden beschriebenen Megatrends im Laufe der kommenden fünf bis zehn Jahre eintreffen. Megatrend: Generationenwechsel Bei Betrachtung des deutschen Spendenmarktes ist festzustellen, dass nach wie vor der Anteil der Generation über 60 Jahre mit über der Hälfte des gesamten S ­ pendenaufkommens

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am größten ist (Deutscher Spendenrat und Gesellschaft für Konsumforschung 2019). In Österreich (Fundraising Verband Austria 2020, S. 6) und der Schweiz (Cueni und Tinner 2018, S. 2, 3) ist die Situation recht ähnlich. Aufgrund des demografischen Wandels stehen Non-Profit-Organisationen dem Problem gegenüber, dass ihr Stamm langjähriger und loyaler Dauerspender zunehmend ausstirbt. Nachfolgende Generationen tragen teils andere Werte und Erwartungen an Spendenorganisationen heran, als es ihre Vorgängergenerationen taten (Urselmann und Demmel 2018). Solche Veränderungen zwischen beispielsweise den Generationen der „Wiederaufbauer“ und der „Babyboomer“ sind bekannt und darauf haben Non-Profit-Generationen reagiert. Schwieriger zu „fassen“ scheint die aktuelle, jüngere Generation zu sein. Galt Transparenz in der Babyboomer-Generation noch als wichtiges Auswahlkriterium für eine Spende (ebenda), so wird sie in dieser Generation eher dem Image als Hygienefaktor untergeordnet. Sie kaufen anders ein als ihre Eltern. Sie wollen keine Jobs wie ihre Eltern, sie treffen sich nicht wie ihre Eltern, gehen nicht ins Kino wie ihre Eltern und konsumieren Informationen über andere Medien wie ihre Eltern. Warum sollten sie dann spenden wie ihre Eltern? Jüngere Menschen scheinen eher aktiv beitragen zu wollen, statt nur passiv zu spenden. Sie nehmen eher an Online-Spendenaktionen teil als andere Altersgruppen, rennen bei Charity-Läufen mit, nehmen an Spenden-Livestreams wie „loot for the world“ oder gut sichtbaren Aktionen wie „Movember“ teil. Demnach sind sie weniger durch weltanschauliche Überzeugungen zum Spenden motiviert. Eher streben sie nach pragmatischen Pro­ blemlösungen, die sie eher Organisationen mit einem jungen und frischen Image zutrauen (Fundraising Verband Austria 2020, S. 14). Ein Schlüssel zur Aktivierung ist die Niedrigschwelligkeit und Unverbindlichkeit, wie wir es schon aus dem Bereich des Freiwilligen-Engagements kennen. Eine jüngere Generation, die beitragen möchte wann und wie es ihr passt, ist eine Herausforderung für sämtliche Bindungsmaßnahmen einer Non-Profit-Organisation. Megatrend: Fluch und Segen der Internet-Giganten Internet-Giganten wie Facebook, Apple, Google und Amazon sind kräftige Akzeptanz-­ Treiber für digitale Trends. Ihre Kommunikationsmacht kann Technologien zum Durchbruch verhelfen, indem sie massenweise verfügbar und den Nutzern präsent gemacht wird. Beispielhaft für die Wirkung großer Plattformen auf das Fundraising sind die Spenden-­ Aktionen auf Facebook. Die grundsätzliche Funktion privater Spenden-Aktionen zugunsten sozialer Projekte gab es schon lange im Non-Profit-Bereich, teils auf Plattformen wie Betterplace und teils im Tool-Angebot von Dienstleistern wie Altruja, Fundraisingbox und RaiseNow. Einige Non-Profit-Organisationen wie Helvetas Schweiz (https://life-changer. helvetas.ch) und der WWF Deutschland (https://actionpanda.wwf.de) entwickelten sogar eigene Plattformen für diesen Zweck. Doch erst mit den Spenden-Aktionen auf Facebook gelang diesem digitalen Fundraising-Format der Durchbruch in der Masse. Ein Mehr an Spenden-Funktionen bietet auch mehr Chancen, um Spenden zu bitten. So gesehen sind die Plattformen Technologie-Helfer für Non-Profit-Organisationen, indem

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sie weitere Spenden-Funktionen freischalten. So hat beispielsweise Facebook vom Spendenbutton auf der Facebook-Seite einer Organisation über die Spendenaktionen hin zum Spenden-Button in Instagram-Stories stetig neue Funktionen eingeführt. Entsprechend ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Spenden auch direkt im Facebook- und WhatsApp-­ Messenger ermöglicht wird. Hier bieten sich neue und direkte Spenden-Chancen, insbesondere gegenüber jüngeren Altersgruppen, die nicht mehr primär per Brief angesprochen werden möchten. Ein anderes Beispiel ist das Programm Amazon Smile. Hier werden 0,5 % des Einkaufswerts an eine Non-Profit-Organisation geleitet, die der Kunde auswählt. Diese Form der Corporate Social Responsibility dient der Kundenbindung und bringt es insgesamt auf dutzende Millionen Euro jährlich für gemeinnützige Organisationen. Marktmacht bedeutet hier allerdings auch, dass dutzende kleiner Einkaufsplattformen wie Schulengel und Bildungsspender mit dem Launch der Amazon-eigenen Funktion vom Affiliate-Programm des Internet-Riesen ausgeschlossen wurden. In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen ist der Einfluss der großen Plattformen auf das Bezahlverhalten der Bevölkerung. Apple und Google rüsten ihre Smartphones bereits seit Jahren mit NFC-Chips aus, die das bargeldlose Bezahlen erlauben. Die Bequemlichkeit des kontaktlosen Bezahlens wirkt allerdings nachteilig auf das Ergebnis von Sammeldosen, mit denen Non-Profit-Organisationen in Kassennähe Bargeldspenden sammeln möchten. Facebook ging noch einen Schritt weiter und bastelte an einer neuen Währung mit dem Namen Libra, welche zumindest im ersten Anlauf am Widerstand der Finanzminister und Notenbankchefs führender Wirtschaftsnationen scheiterte (Schieritz 2019). Die Entwicklungen und Aktivitäten der großen Internet-Plattformen sind Fluch und Segen zugleich. Einige Organisationen haben den Einstieg ins Digitale Fundraising über Facebook gemacht und verzeichnen dort durchaus gute Erfolge. Mit dem Wachsen der Anteile der Spendentransaktionen und des -volumens einer Organisation auf einer spezifischen Plattform steigt jedoch die Abhängigkeit von diesem Anbieter. Mit der nächsten Änderung des Algorithmus könnte ein böses Erwachen kommen: Es gibt keine Garantie, dass die aktuell kostenlose Reichweite auf den Plattformen morgen noch gleichermaßen gegeben ist. Die Plattformen bestimmen selbst, welche Algorithmen und Funktionen verändert, gestrichen oder neu hinzugefügt werden. Erfahrungsgemäß spielen die tatsächlichen Bedürfnisse der Organisationen hier eine nachgeordnete Rolle. Megatrend: Purpose Economy Niemand wird bezweifeln, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben. Der Klimawandel erfordert ein deutliches Umdenken hinsichtlich unseres Konsumverhaltens, die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitswelt, sondern bestimmt gleichermaßen das Kaufverhalten ganzer Generationen. Die Bedeutung der sozialen Medien insbesondere für die jüngere Generation, hat das Informationsverhalten grundsätzlich verändert und macht diese Zielgruppe für klassische Kommunikationskanäle wie Tageszeitung und

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TV-Nachrichten enorm schwer erreichbar. Dies hat zu einem Verlust an Orientierungssicherheit geführt. Wir wissen nicht mehr so genau, wie es weitergeht. Es entstehen neue Wirtschaftsmodelle, in denen eine immer größere Gruppe von Menschen Gemeinschaft und Nachhaltigkeit vor schnellem Wachstum priorisieren. So geben laut einer Studie von Polycore und Spiegel 89 % der Befragten an, künftig nachhaltiger leben zu wollen (Polycore und Spiegel media 2019). Konzepte der Kreislaufwirtschaft boomen: lokaler, ökologischer Landbau, Crowdfarming und ähnliche. Angebote von Purpose-Unternehmen, die ihre Produkte auch auf soziales Engagement ausrichten, sind stark im Kommen. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Share. Mit dem Kauf eines Produkts dieser Marke in Partner-Supermärkten wie REWE und DM hilft man einem Menschen in Not: Jeder Bio-Nussriegel spendet eine Portion Essen, jede Handseife spendet ein Stück Seife und jede Flasche Wasser spendet einen Tag Trinkwasser. Wesentlich hierbei ist, dass die Produkte ungefähr gleich teuer sind wie vergleichbare Produkte. Angebote von Purpose-Unternehmen sind mittlerweile in vielen Branchen zu finden: Vom Erlös der Glasflaschen von Soulbottle wird ebenso ein Euro an Wasserprojekte gespendet wie bei Viva con agua. Der soziale Mobilfunkanbieter goood geht ähnliche Wege in der Mobilfunkbranche, indem zehn Prozent der monatlichen Grundgebühr an eine Non-Profit-Organisation gespendet wird, die der Kunde individuell auswählt. Soziale Projekte und Non-Profit-Organisationen können diesen wirtschaftlichen Wandel als Chance begreifen. Sie können entweder selbst mit sozialen Produkten ihr Portfolio durch nicht rein altruistische Angebote diversifizieren, oder mit Unternehmen zusammenarbeiten, die hier mit gleichen Werten aktiv sind.

10.2.2 Soziokulturelle Trends Das Spenden als Handlung ist ein sozialer Prozess und aus diesem Grund sind soziokulturelle Trends für das Fundraising von besonderer Bedeutung. Nicht nur unterscheidet sich das Spendenverhalten in verschiedenen Generationen (GfK 2017), sondern auch der Großteil der Gebe-Logiken an sich ist auf soziale Arrangements, die hinter den einzelnen Spenden-Handlungen stehen, zurückzuführen (Fischer 2016). Grundsätzlich beschreiben soziokulturelle Trends solche Veränderungen, die das Lebensgefühl der Menschen im Sozialen betreffen. Involvierung von Fördernden Auf einem stagnierenden Spendenmarkt wird der Konkurrenzdruck um die Spender zwischen den Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten stetig größer. Bei einem vergleichbaren guten Image sind es Nuancen, die aus Sicht der Förderer den Unterschied machen können. Ein solcher ist der Grad der Involvierung, also welche Möglichkeiten geboten werden an der Mission mitzuwirken. Die Bereitschaft zur Mitwirkung ist gerade in der Millenial-Generation hoch (Deloitte 2019):

10  Trends und Ausblick

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Menschen wollen unterschiedlich involviert werden. Erfolgreiche Organisationen erkennen das und kommunizieren kleine Dinge, die Menschen in ihrem Leben tun können, um eine Wirkung zu erzielen. Sie helfen Unterstützern, die Wirkungen zu verfolgen, die sie beitragen. Damit machen sie ihre Förderinnen und Förderer zu Botschaftern der guten Sache und stärken zugleich die Bindung an die Non-Profit-Organisation. Der Trend zu mehr Involvierung erklärt auch die zunehmende Beliebtheit von Peer-o-Peer-Spendenaktionen. Egoisierung der Gesellschaft Ein bereits seit einigen Jahren spürbarer Trend ist jener der zunehmenden Selbstdarstellung von Förderinnen und Förderern. „Tue Gutes und rede darüber“ scheint nicht mehr nur ein Grundprinzip der PR-Arbeit zu sein, sondern wird ebenfalls von Einzelpersonen übernommen. Ein Beispiel hierfür ist die Icebucket Challenge, die als kurzfristiger Hype im Jahr 2014 bekannt wurde. Der Trend ist daran erkennbar, dass sich Unterstützer zunehmend online selbst darstellen und verstärkt über ihr soziales Engagement und Spendenverhalten berichten. Der gesellschaftliche Beitrag wirkt als Mittel der narzisstischen Selbstdarstellung und Non-­ Profit-­Organisationen und soziale Projekte, die ihre Unterstützer kennen und diesem Trend mit einfachen Darstellungsformaten Rechnung tragen, werden belohnt. Dieser zunehmende Egoismus führt auch dazu, dass sich Unterstützer immer häufiger fragen: „What‘s in it for me?“. Diesem Trend können Organisationen mit der Ausspielung von geeignetem Content Rechnung tragen. So können beispielsweise Spender, die vom SOS Kinderdorf als Autorität im Bereich Kindererziehung regelmäßig Erziehungstipps bekommen, wahrscheinlicher gebunden werden, als wenn sie nur lediglich Spenden-­ Mailings erhielten.

10.2.3 Technologische Trends Mit technologischen Trends werden vorrangig solche Entwicklungen beschrieben, die das Potenzial haben, das Alltagsleben sowohl der Förderinnen und Förderer als auch der Fundraiserinnen und Fundraiser nachhaltig zu verändern. Dazu gehören beispielsweise Software und technologische Projekte, die früher ein hohes Maß an Spezialfähigkeiten bedurft hätten. So war das Aufkommen von sozialen Netzwerken und Content-Management-­ Systemen ein Trend, der es Menschen einfacher machte, selbst Inhalte im Internet zu veröffentlichen. No-Code-Software Einfachheit als Prozess ist künftig mehr denn je ein Schlüssel zum Fundraising-Erfolg. Hier haben viele Organisationen einiges aufzuholen, aber auch eine Chance auf Leapfrogging – das Überspringen von Technologieentwicklungen. Hilfreich hierbei ist die sogenannte No-Code-Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Personen ohne

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­ rogrammierkenntnisse oder ausreichende Ressourcen die Möglichkeit zu geben, in weniP gen Stunden digitale Produkte wie beispielsweise eine Internetseite zu erstellen, eine App zu entwerfen oder Geschäftsprozesse zu automatisieren. Die Entwicklung der eingängigen Fundraising-Tools zeigt eine Entwicklung hin zu lizenzbasierter No-Code-Software (No Code SAAS – Software as a Service) auf, die sich über Schnittstellen einfach mit Standard-Datenbanken verbinden lassen. Diese Angebote sind dadurch, dass sie oft transaktionsbasiert oder mit niedrigen monatlichen Gebühren genutzt werden können, eine risikoarme Form der Digitalisierung. Große Chancen bietet dieser Trend vor allem digitalen Newcomern im Non-Profit-­ Sektor. Sie können in der Verbindung verschiedener No-Code-Software in kurzer Zeit ein Tool-Set zusammenstellen, welches mit den komplexen, gewachsenen IT-Infrastrukturen vieler großer Organisationen mithalten kann. Künstliche Intelligenz Künstliche Intelligenz ist als Schlagwort bereits lange Zeit aus Science-Fiction-Filmen und der Wissenschaft bekannt. Populär wurde dieses Forschungsfeld spätestens Ende der neunziger Jahre, als es dem Schachcomputer Deep Blue erstmals gelang, den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparov in einer Partie zu besiegen. Anwendungsfälle für das Fundraising waren bisher noch wenig ausgereift und erfuhren kaum Verbreitung. Tatsächlich liegt in der Künstlichen Intelligenz ein enormes Potenzial für das Fundraising. Die Technologie macht es einfacher, das Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen vorherzusagen. Anwendungen im Bereich des Donor Relation Managements ermöglichen es Organisationen, ihre Unterstützer besser zu verstehen und damit die Kundenbeziehungen zu verbessern. Durch die Analyse von Spender- und Kommunikationsdaten in zuvor nicht da gewesener Tiefe sind genauere Cluster- und Segmentbildungen als bislang möglich und es können Vorhersagen über Kundenpräferenzen zu einer höheren Conversion von Interessenten zu Spendern beziehungsweise von Spendern zu höheren Spenden getroffen werden. Mit dem Fortschritt in der Künstlichen Intelligenz wird der Umfang der Automatisierung stetig größer werden. Die Chance liegt darin, mit einer besseren Datenauswertung das Spenden-­ Erlebnis von Anfang an bis zum Ende der Kundenbeziehung besser zu gestalten. Viele moderne CRM-Software haben bereits Elemente mit KI-Anwendung integriert, die die Kampagnenoptimierung erleichtern soll. Teilweise sind sich die Nutzer dessen nicht mal bewusst und einige Möglichkeiten werden als selbstverständlich in der Kampagnengestaltung angesehen. Am bekanntesten sind Fundraisern im Social-Media-Bereich wahrscheinlich die Lookalike-Audiences, die sich bei Kampagnenmanagern aufgrund ihrer Treffgenauigkeit großer Beliebtheit erfreuen. Immersive Video-Technologien Neue innovative Video-Technologien ermöglichen es, das Storytelling als höchst immersives Erlebnis umzusetzen. Die einfachste Variante sind personalisierte und interaktive

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Videoformate die in Kampagnen eingebunden werden und mit denen Unterstützer individuell angesprochen werden. Personalisierte Videos ermöglichen ein neuartiges Storytelling, indem Kundendaten zum Einsatz kommen und einzigartige Videos erstellt werden, die auf jeden einzelnen Betrachter zugeschnitten sind. Besonders in der Spender-Bedankung erzielen solche Formate sehr gute Ergebnisse. Weitere Varianten sind Virtual-Reality-Anwendungen, die Unterstützern ermöglichen, bessere Einblicke in die Arbeit von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten zu bekommen. Erste Anwendungsbeispiele kommen von Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Brot für die Welt, die ihre Förderinnen und Förderer mit Virtual Reality auf einen Projektbesuch mitnehmen, ohne dass das heimische Wohnzimmer verlassen werden muss. Blockchain Blockchain ist die Technologie, die unter anderem durch den Hype um Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt wurde. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei Blockchain um eine quasi endlose Kette digital verbundener Kassenbücher. Jede Transferaktion wird in einer Datenbank aufgezeichnet und ist für jeden einsehbar, aber verschlüsselt und fälschungssicher. Auch wenn Blockchain noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es bereits erste Ansätze zur Anwendung im Non-Profit-Sektor in zwei Bereichen. Erstens: Die lückenlose Dokumentation von Prozessen und Transaktionen in Projekten ermöglicht ein noch nicht da gewesenes Level an Transparenz und Wirkungsmessung. Zweitens: Es können über die rein digitalen Zahlungsströme Spendentransaktionen international und anonym durchgeführt werden. Für das Fundraising birgt diese Technologie Chancen und Risiken zugleich. Zwar sind ein höheres Maß an Transparenz und die Reduzierung von Überweisungsgebühren bei internationalen Zahlungstransfers gewünscht, das anonyme Empfangen von Spenden scheidet hingegen für manche gemeinnützige Träger aufgrund ihrer Ethik-Standards aus.

10.3 Umgang mit Trends und Innovationen Trends zu erkennen und zu verstehen ist nur der erste Schritt. Für den Umgang damit braucht es eine Innovations- und Fehlerkultur, die sich von der althergebrachten Organisationskultur unterscheidet. Die großen Fragen für viele Organisationen sind, wie es gelingt, Innovationen zuzulassen und zur Anwendung zu bringen. Dieses Kapitel widmet sich modernen Ansätzen, mit der die Digitalisierung adressiert wird und die sich für Non-­Profit-­ Organisationen eignen. Startup-Mentalität: klein anfangen, schnell handeln, früh scheitern Die Anwendung von Startup-Mentalität ist ein erfolgsversprechender Weg für digitale Innovationen im Non-Profit-Sektor allgemein und im Fundraising-Bereich im Besonderen:

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klein anfangen, schnell handeln und früh scheitern. Digitale Produkte werden oft als Minimalvariante (als sogenanntes Minimum Viable Product (MVP)) auf den Markt gebracht, um sie zu testen und dann im laufenden Betrieb zu optimieren (Ries 2001, S. 100 ff.). Das spart Kosten und trägt zu einer besseren Nutzererfahrung bei. Es erfordert Mut, insbesondere für etablierte Organisationen, digitale MVPs auf den Markt zu bringen. Bislang herrschte zumeist die Erwartungshaltung vor, dass Kampagnen bereits ab Start die bestmögliche Spendererfahrung liefern müssen. Im digitalen Zeitalter sind die Reaktionen der Spender auf digitale Angebote schwerer vorhersehbar, als die gelernten Reaktionen auf konventionelle Fundraising-Instrumente. Deshalb ist es sinnvoll, Neuerungen mit möglichst geringem Entwicklungsaufwand in einem ersten Schritt zu testen. Digitale Instrumente wie A/B-Testing (Abschn. 4.4) ermöglichen kostengünstiges und schnelles Testen von Kampagnenelementen. Erst wenn ein Element wirklich so optimiert ist, dass der Erfolg gesichert ist, werden digitale Kampa­ gnen und Angebote an eine breite Zielgruppe kommuniziert. Die Startup-Mentalität kann Organisationen und Entscheidungsträgern helfen, ihre Ängste vor digitalen Innovationen zu überwinden. Statt teuer, zeitaufwändig und risikoreich in digitale Lösungen zu investieren, können mit günstigen Experimenten schnelle Erfolge erzielt werden. Das motiviert zu weiteren Schritten in Richtung Digitalisierung. Organisatorische und disziplinäre Grenzen überwinden Innovationen sind in der Regel eher neue Kombinationen oder Hybride aus bestehenden Elementen als tatsächlich völlig neu. Zusammenarbeit und Systemdenken kann dabei helfen, neue Ansätze für digitale Fundraising-Innovationen mit geringerem Aufwand zu realisieren. Das gelingt besser, als wenn sie nur innerhalb der eigenen Organisation entwickelt werden. Es braucht Mut, aus der eigenen Organisation herauszutreten und Partnern zu finden, mit denen gemeinsam an einer nachhaltigeren Zukunft gearbeitet wird. Im Rahmen von Skill-based Corporate Volunteering sind Unternehmen mit digitalem Know-how oft bereit, mit ihrem Fachwissen zu unterstützen (McCallum et al. 2013). Ein Beispiel hierfür ist die Digitalisierungsinitiative digitalengagiert.de, bei der der deutsche Stifterverband in Kooperation mit Amazon Deutschland Organisationen mit digitalem Know-how bei der Digitalisierung unterstützt. Des Weiteren können Unterstützer großartige Partner und Inputgeber für innovative Fundraising-Lösungen sein. Die Einbeziehung von Kunden ist ein gängiger Weg in der Entwicklung digitaler Produkte. Non-Profit-Organisationen können Spender auf die gleiche Weise einbinden. Sie haben gegenüber klassischen Unternehmen den Vorteil, dass sie grundsätzlich über eine recht loyale Unterstützerbasis verfügen, die sich gerne an der Weiterentwicklung der Organisation beteiligen. Diese sind die Zielgruppe, wenn es um Umfragen zur Ideengenerierung oder Feedback zu neuen digitalen Prototypen geht. Partnerschaften mit Social Entrepreneuren aus dem Digitalbereich sind erfolgsversprechend und werden bereits von einigen Organisationen umgesetzt. Die Sachspendenplattformen innatura.de beispielsweise, die neuwertige Sachspenden einwirbt und sie an

10  Trends und Ausblick

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g­ emeinnützige Organisationen vermittelt. Sie agiert als Schnittstelle zwischen der Indus­ trie und den Organisationen und ist ebenso offen für Partnerschaften wie das Social Business vostel.de. Vostel ist eine digitale Engagement-Plattform, die Freiwillige und ge­ meinnützige Organisationen miteinander verbindet. Sie dient als Vermittlungsplattform zwischen Personen, die sich engagieren möchten und Non-Profit-Organisationen, die Unterstützung in Form eines kurzfristigen Einsatzes oder klassischen Ehrenamts benötigen. Immer weiter verbreitet sind auch Kooperationen mit Impact-Unternehmen im monetären Fundraising-­Bereich wo beispielsweise goood mobile (www.goood.de) oder Share (www. share.eu) durch den Verkauf nachhaltiger Produkte Spenden für Non-Profit-­Organisationen sammeln. Die Social Business Community ist im Kern ihrer Mission auf Zusammenarbeit ausgerichtet und kann in Kooperation mit etablierten Organisationen digitale soziale Innovationen auch im Fundraisingbereich testen und einführen. Das bietet Chancen für Innovationen, die innerhalb bestehender Organisationsstrukturen aufgrund von fehlendem digitalen Know-how oft nicht selbst durchgeführt werden können. Die Social Entrepreneurship Netzwerke SEND (www.send-ev.de) in Deutschland, SENA (www.sena.or.at) in Österreich und CooperativeSuisse (www.cooperativesuisse.ch) sind Anlaufstellen, um ein Gefühl für die Möglichkeiten des Sektors zu bekommen. Design Thinking für Fundraising-Innovationen nutzen Zur Lösung komplexer Herausforderungen bietet sich das Methodenset Design Thinking an (Schallmo 2017). Es basiert auf dem Einbeziehen von Kunden und Experten und der einfachen Frage „Wie könnten wir?“ statt einer eindimensionalen Aussage „Wir müssen“. So werden neue Möglichkeiten eröffnet und kreative Ideen ausgelöst. Sogenannte Design-Sprints sind ein geeignetes Workshop-Format, um Fachwissen außerhalb der Organisation auf strukturierte und effiziente Weise einzubinden. Es ist zudem sehr gut geeignet, um neue Fundraising-Ideen zu entwickeln und sie sofort mit den beteiligten Interessengruppen zu testen. Die neuen Initiativen und Produkte werden mit minimalem Aufwand gestartet. Mit dieser etablierten Methodik kann üblicherweise innerhalb von drei bis fünf Tagen eine digitale Idee entwickelt und bereits live getestet werden. Schritt für Schritt: klein anfangen, Erfolg haben, wachsen Die große Angst vieler Organisationen ist, dass Digitalisierungsprojekte zu groß und kostspielig für die Organisation sind. Aus Angst, dass der Aufwand zu groß ist und man scheitern könnte, bleiben einige Organisationen auf der sicheren Seite und machen nur das absolute Minimum. Dazu gehören dann beispielsweise die inhaltliche Nutzung von Social-Media-Kanälen und das Einbetten digitaler Spendenformulare auf der Internetseite. An dieser Stelle kommt das Konzept des „Slicing the Elephant“ ins Spiel. Eine Vorgehensweise, wie sie in der Organisationsentwicklung und der agilen Software-Entwicklung eingesetzt wird. Dabei geht es darum, einen Weg zu finden, das System in kleinen Schritten mit mehreren schnellen Erfolgen zu realisieren, anstatt bis zum Ende zu warten und dann eine große Veränderung vorzunehmen. Das lässt sich genauso auf die Digitalisierung

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im Fundraising anwenden. Fundraising-Verantwortliche können kleine digitale Projekte und Prototypen in ihrem Wirkungskreis günstig starten und testen. Und beim eintretenden Erfolg nehmen sie die nächste Stufe in Angriff. Viele kleine Schritte, die immer wieder gemacht werden, können zu massiven Veränderungen in der Organisation führen. So leisten sie einen Beitrag dazu, dass Non-Profit-­Organisation künftig anderen Organisationen in puncto Digitalisierung nicht mehr nachstehen. Organisationen müssen sich von der Annahme verabschieden, dass sie ein Digitalisierungsprojekt einmal extern vergeben und die Digitalisierung damit abgeschlossen wäre. Der Aufbau von technischem Know-how und Interesse an digitalen Trends ist eine wichtige Voraussetzung für etablierte Organisationen, um am Spendenmarkt langfristig weiter bestehen zu können. Digitale Angebote müssen laufend adaptiert und optimiert werden. So wie es in der Vergangenheit auch bei analogen Kampagnen der Fall war. Allerdings sind hierfür ein digitales Grundverständnis und ein agiler Managementstil nötig (vgl. Linder 2018), welche in vielen Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten oft erst noch aufgebaut werden muss. Der Kampf um digitale Talente im Arbeitsmarkt ist groß und es ist höchste Zeit für Non-Profit-Organisationen sich in diesem Feld zu positionieren. Das Management von Innovationen ist kein Einmalaufwand. Digitalisierung, das Testen von Prototypen und ständige Optimierung der Maßnahmen sind das neue Tagesgeschäft im Digitalen Fundraising.

10.4 Fazit Die Entwicklung des Digitalen Fundraisings ist seit jeher von technologischen Entwicklungen geprägt gewesen. Mit der Verfügbarkeit neuer digitaler Technologien begann die Anwendung in der Regel zunächst im kommerziellen Marketing und E-Commerce, bis eine Adaption für den Non-Profit-Sektor stattfand und teilweise eigene Instrumente für gemeinnützige Organisationen von Anbietern auf den Markt kamen. Es verwundert nicht, dass die Anwendung und Verbreitung digitaler Fundraising-­ Technologien im Non-Profit-Sektor höchst divers stattfinden. Den Herausforderungen des digitalen Wandels wird unterschiedlich begegnet und so sind die Voraussetzungen an Fähigkeiten und Kapazitäten sehr heterogen. Eine grobe Orientierung bietet eine Einordnung der Technologien und Instrumente beziehungsweise ihrer gegenwärtigen Anwendung in Deutschland, Österreich und der Schweiz in die Gruppen der Innovators, Early Adopters, Early Majority, Late Majority und Laggards nach Rogers. Mit dem Blick in die Zukunft gibt es einige tief greifende Megatrends, soziokulturelle und technologische Trends, die in den kommenden Jahren großen Einfluss auf das Digitale Fundraising haben werden, beziehungsweise seine Rahmenbedingungen entscheidend

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verändern. Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte sollten diese Entwicklungen im Blick behalten, um sich konzeptionell, technisch und gegebenenfalls rechtlich darauf vorzubereiten. Fakt ist, dass weitere disruptive Veränderungen aufgrund des digitalen Wandels unausweichlich sind.

Literatur Cueni, A., & Tinner, R (2018). Spenden-Rekordjahr 2017  in der Schweiz. Fundraiser-Magazin, 06/2018, 2–3. https://swissfundraising.org/wp-content/uploads/files/FRM_06-2018_Spenden-Rekordjahr_2017_in_der_Schweiz.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Deloitte. (2019). The Deloitte Global Millennial Survey 2019. (Studie ist im Internet verfügbar). Deutscher Spendenrat & Gesellschaft für Konsumforschung. (2019). Spendenjahr 2019. Bilanz des Helfens. https://www.spendenrat.de/wp-content/uploads/2020/03/Bilanz_des_Helfens_2020.pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Fischer, K. (2016). Gebe-Logiken. In Fundraising-Akademie (Hrsg.), Fundraising. Handbuch für Grundlagen, Strategien und Methoden (S. 48–57). Wiesbaden: Springer Gabler. Fundraising Verband Austria. (2020). Spendenverhalten und -motive der Österreicher*innen. In: Spendenbericht 2019. GfK. (2017). Spendenverhalten in unterschiedlichen Generationen Am Beispiel des Spendenvolumens in Deutschland. http://www.ziviz.info/download/file/fid/238. Zugegriffen am 01.06.2020. KfW Research. (2019). Going Digital – The Challenges Facing Europlan SME Survey 2019. https:// www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Studien-und-Materialien/PDF-Dateien-Paper-and-Proceedings-(EN)/European-SME-Survey-2019. pdf. Zugegriffen am 30.05.2020. Linder, D. (2018). KMU im digitalen Wandel. Ergebnisse empirischer Studien zu Arbeit, Führung und Organisation. Wiesbaden: Springer Gabler. McCallum, S., Schmid, M. A., & Price, L. (2013). CSR: A case for employee skills-based volunteering. Social Responsibility Journal, 9(3), 479–495. Polycore & Spiegel media. (2019). Nachhaltiges Leben 2020 – Marken und Medien in der Pflicht. https://www.yumpu.com/de/document/read/62985947/nachhaltiges-leben-2020-marken-undmedien-in-der-pflicht. Zugegriffen am 30.05.2020. Ries, E. (2001). The lean startup. Currency. London: Penguin Random House. Rogers, E. (2003). Diffusion of innovations (5. Aufl.). New York: Free Press. Schallmo, D. R. A. (2017). Design Thinking erfolgreich anwenden: So entwickeln Sie in 7 Phasen kundenorientierte Produkte und Dienstleistungen. Wiesbaden: Springer Gabler. Schieritz, M. (2019). Libra. Die eigene Währung ist gescheitert. Die Zeit, Nr. 44/2019. https://www. zeit.de/2019/44/facebook-libra-waehrung-soziales-netzwerk-mark-zuckerberg. Zugegriffen am 30.05.2020. Urselmann, M., & Demmel, R. (2018). Herausforderung Generationenwechsel. Was bedeuten neue Spendergenerationen für das Fundraising? Stiftung und Sponsoring, 3, 22–23.

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Jörg Reschke  ist Berater für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising. Seit fünfzehn Jahren berät und schult er Unternehmen und Non-Profit-Organisationen ihr volles Potenzial für mehr Beteiligung, Dialog und Marketing zu entdecken und zu heben. Zudem lehrt er unter anderem bei der Europäischen Fernhochschule, dem Institut für Lernsysteme und der Fundraising-Akademie zu Fundraising, Social Media Marketing und E-Commerce. Er gründete die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband und leitete diese von 2013 bis 2019. Sie können Jörg Reschke unter www.joerg-reschke.de und [email protected] erreichen. Claudia Winkler  ist leidenschaftliche soziale Innovatorin und Unternehmerin. Über viele Jahre war sie als Marketing-Direktorin im Mobilfunksektor tätig, zuletzt als Group Chief Marketing Officer der A1 Telekom Austria Gruppe. Später tauschte sie die Konzernkarriere ein und gründete mehrere Unternehmen, unter anderem das des nachhaltigen Mobilfunkers goood mobile in Deutschland und Österreich sowie das Adjacent Possible Network zur Beratung bei digitalen Transformationsprojekten. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche internationale Auszeichnungen u. a. als eine der „Most impactful global Social Innovators“ am World CSR Day 2019. Sie können Claudia Winkler unter www.goood-mobile.at und [email protected] erreichen.

Stichwortverzeichnis

A Affiliate-Marketing 176 Aktivisten-Fundraising 51 Altruja 27, 133, 209, 270 Amazon 174 Amazon Smile 31, 271

B Betterplace 159, 207, 270 betterplace lab 27 Big Data 259 Bilanz des Helfens 28 Blockchain 275

C Charity Stream 225 Community-Management 227 Content-Marketing 180 Creative Commons 109 Crowdfunding 52, 231 Customer Relationship Management 240

D Datenschutzgrundverordnung 25, 131, 199 Design Thinking 277 Deutscher Spendenrat 125 Digital Changemaker 39, 42 Digitales Fundraising 22 Direktmarketing 2 Donor Journey 14, 241

Donor Relationship Management 240 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) 25, 131, 199 DZI-Spenden-Siegel 124 E E-Mail-Marketing 183 F Facebook 7, 31, 122, 168, 178, 210, 271 Facelift 76 Flesch-Reading-Ease 93 Freiwilligen-Plattform 53 Fundraisingbox 133, 209, 245, 270 G GfK CharityScope 31 GoFundMe 160, 207 Google Ad Grants 165 H HelpDirect 159 I Influencer 181, 223 Initiative transparente Zivilgesellschaft 64, 126 Instagram 7, 168, 223 Institutional Readiness 33 Internet-Fundraising 20

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Reschke (Hrsg.), Online-Fundraising, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5

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282 K Künstliche Intelligenz 274 L Landingpage 143 LinkedIn 7, 169, 178, 222 M Make or Buy 55, 116 Marketing Automation 197, 244 Multichannel-Kommunikation 28 O Omnichannel-Kommunikation 4, 130, 249 Online-Auktion 53, 161 Online-Fundraising 21, 27 Online-Volunteering 54 Organisationskultur 37 P Painless Giving 54 Public Relations 181 R RaiseNow 270 Redesign 76 Relaunch 74, 77 Remarketing 166, 178 Return on Investment (ROI) 6, 79, 196, 254

Stichwortverzeichnis S soziales Netzwerk 31, 221 Spenden-Plattform 50, 158 Spendenshop 149 Stakeholder 33, 63 Storytelling 9, 178 Suchmaschinenoptimierung 70 Suchmaschinenwerbung (SEA) 165 T TikTok 7 Touchpoint 78 Tracking 253 TÜV-Zertifikat 126 Twitter 7, 169 V Vimeo 178

X Xing 7, 169, 222

Y YouTube 168, 178, 223

Z Zahlungsmittel 141, 261