NonV2-Verben im Deutschen: Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zu einem morphosyntaktischen Problemfall (den es vielleicht gar nicht gibt) [1. Aufl.] 9783662619254, 9783662619261

Die Arbeit eröffnet eine neue Perspektive auf das eigentümliche Phänomen, dass bestimmte komplexe Verben nicht in Verbzw

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NonV2-Verben im Deutschen: Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zu einem morphosyntaktischen Problemfall (den es vielleicht gar nicht gibt) [1. Aufl.]
 9783662619254, 9783662619261

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-xi
Einleitung (Christian R. Forche)....Pages 1-8
Forschungsstand (Christian R. Forche)....Pages 9-63
Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita (Christian R. Forche)....Pages 65-265
Logistische Regressionsanalyse (Christian R. Forche)....Pages 267-311
NonV2-Verben – ein Geisterphänomen? (Christian R. Forche)....Pages 313-329
Schlussbemerkungen (Christian R. Forche)....Pages 331-333
Back Matter ....Pages 335-352

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Christian R. Forche

NonV2-Verben im Deutschen Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zu einem morphosyntaktischen Problemfall (den es vielleicht gar nicht gibt)

NonV2-Verben im Deutschen

Christian R. Forche

NonV2-Verben im Deutschen Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zu einem morphosyntaktischen Problemfall (den es vielleicht gar nicht gibt)

Christian R. Forche Leipzig, Deutschland Zugleich Dissertation, Freie Universität Berlin, 2018 D188

ISBN 978-3-662-61925-4 ISBN 978-3-662-61926-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold J.B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Für Erika Mann

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine überarbeitete und gekürzte Fassung meiner 2018 am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin angenommenen und verteidigten Dissertation. Sie versammelt allerhand Daten und daran geknüpfte Überlegungen zu einem Phänomen, das ich mittlerweile hassliebe. Ja, ich hassliebe es … oder liebe ich es hass? Ich weiß es nicht; inzwischen geht für mich alles. Dieses Buch ist an ganz unterschiedlichen Orten entstanden. Ich möchte es aber vorziehen, an dieser Stelle statt meinem Wilmersdorfer Wohnklo, Berlin, Potsdam, Bonn, Leipzig, etc. den zahlreichen Personen zu danken, die durch fruchtbare Anregungen, Ermutigungen und kritische Kommentare auf direkte oder indirekte Weise dazu beigetragen haben, dass dieses Buch nun tatsächlich vorliegt. Die folgende Liste wird hoffentlich die meisten von ihnen enthalten. An allererster Stelle danke ich meinen Doktoreltern. Horst J. Simon nahm mich bereits 2011 als studentische Hilfskraft in seine Arbeitsgruppe auf. In dieser Zeit prägte er mein (Nach-)Denken über Sprache aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln, wie es mein gesamtes Studium nicht hätte tun können. Unvergessen unser gemeinsamer Spazierirrgang durch das Labyrinth in der Bonner Rheinaue, das so sinnbildlich für diese Arbeit steht. Mein aufrichtigster Dank gebührt meinem Doktorvater dafür, dass er mir nicht nur determinans-isch das äußerst spannende Thema dieses Buches voranempfahl, sondern mir auch bei vielen wichtigen Lebensentscheidungen mit determinatum-ischen Rat beiseite stand. Barbara Schlücker als meiner Doktormutter schulde ich großen Dank für ihre wohlmeinenden und -platzierten ‚Arschtritte‘. Ich bin sehr glücklich, dass ich mithilfe ihrer wertvollen Kommentare, unschätzbaren konstruktiven Kritik und ausgezeichneten Betreuung die Möglichkeit hatte, dieses Buch zu vollenden und nun in dem Job arbeite, von dem ich lange geträumt habe. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Der Schreibprozess war geprägt von Gewissensbissen (Das und jenes wollte ich diese Woche schaffen), Nervenversagen (Das Dokument ist kaputt) und Zweifeln (Das Nur-mitseinen-eigenen-Gedanken-im-Kopf-eingesperrt-Sein). Da half es ungemein, in JK 31/233 und H.5 1.01 ein stets willkommener Gast sein zu dürfen. Für die wunderbare Arbeitsatmosphäre und den wissenschaftlichen Austausch möchte ich meinen Berliner und Potsdamer Kolleg/innen herzlich danken. Stellvertretend seien hier erwähnt: Evdokia Valcheva (bzw. Eva Meier), Christian Zimmer, Edgar Baumgärtner, Matthias Hüning, Ferdinand von Mengden, Jakob Maché, Martin Konvička, Philipp Krämer, Rebecca David, Susanne Chrambach, Truus De Wilde, Ulrike Freywald, Kathleen Schumann, Esther Jahns, Linda John und Christine Paul.

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NonV2-Verben im Deutschen

Meine Bonner und z.T. später Leipziger Kolleg/innen waren v.a. in der Endphase meine Cheerleader. Maximilian Frankowsky, Eva Kosmata, Jan Seifert, Christina Küpper und Kristina Krieger-Laude glaubten vielleicht mehr an die Fertigstellung dieser Arbeit als ich selbst. Für ihre Zuversicht und Freundschaft bin ich sehr dankbar. Besonders möchte ich auch Roland Schäfer für die Bereitstellung des DECOW-Korpus und seine Hilfe bei dem ‚schwarzen Fenster mit dem weißen Text‘ danken. Jana Häussler und Katerina Stathi haben mir sehr beim Verstehen des Mysteriums ‚Statistik‘ geholfen. Letzterer bin ich zudem für zahlreiche Gespräche, kontinuierliche Ermutigung und last-minute-Expertise zu großem Dank verpflichtet. Marta Schmidt, Carina Reibold und Girish Gopinathan vom J.B. Metzler Verlag danke ich für ihre Hilfe bei der Drucklegung des Buches. Auch möchte ich meine Dankbarkeit für die finanzielle und ideelle Förderung durch die Studienstiftung und das Land Berlin zum Ausdruck bringen, die mich einen Teil des Weges mit Promotionsstipendien unterstützten. Für nicht nur drei Jahre, sondern ein Drittel Jahrhundert gebührt nicht zuletzt mein tiefster Dank meinen Eltern Elvira und Reinald Forche, die wohl nie so wirklich verstanden haben, was und warum ich was mit Sprache mache, mich aber dennoch unermüdlich unterstütz(t)en. Ich hoffe, Ihr wisst, wie dankbar ich Euch dafür bin. Von ganzem Herzen danke ich auch Konrad Mazur und insbesondere Geoff Coates, die mich fortwährend daran erinnerten, dass es noch andere Dinge und An(ge)nehmlichkeit im Leben gibt als komische Verben. Tanja Ackermann, die zwar den letzten Satz dieses Buches beigesteuert hat, aber von Anfang an dabei war und mir nicht nur in mitternächtlichen Krisentelefonaten, wenn ich mir mal wieder meinen [sic!] Korpus verloren hatte, sondern auch in allen anderen Lebenssituationen in bedingungsloser Freundschaft zur Seite stand, kann ich gar nicht genug danken.

Leipzig, im März 2020

Christian Forche

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................ 1 1.1. Präliminarien................................................................................................................... 1 1.2. Problemstellung .............................................................................................................. 5 1.3. Zielsetzungen .................................................................................................................. 6 1.4. Aufbau der Arbeit ........................................................................................................... 7

2. Forschungsstand .................................................................................................. 9 2.1. Betroffene Verben ........................................................................................................ 10 2.1.1. Form und Genese ................................................................................................................................. 10 2.1.2. Widersprüchliche Aussagen (in der Literatur) ...........................................................................................................13

2.2. Faktoren, die die Stellungsrestriktion bedingen (Ansätze).......................................... 17 2.2.1. Rückbildung ..............................................................................................................................................................................17 2.2.2. Ansätze zu konfligierenden Wohlgeformtheitsbedingungen ...............................................................................19 2.2.2.1. Konfligierende Präverben (Doppelpartikel) .............................................................................................................................20 2.2.2.2 Initialbetonung ...........................................................................................................................................................................24 2.2.2.3. Zerstörung der (formalen) Ähnlichkeit (zur Rückbildungsbasis).............................................................................................27 2.2.2.4. Typologischer Split zwischen VO- und OV-Sprachen.............................................................................................................28 2.2.2.5. Zusammenfassung.....................................................................................................................................................................30

2.2.3. Indeterminiertheitsansätze ..................................................................................................................................................31 2.2.3.1. Unterspezifikation / unbestimmter kategorialer Status des Erstglieds .................................................................................................................... 31 2.2.3.2. Unsicherheit / Variation..................................................................................................................................................................................................................... 34

2.2.4. Historische/diachrone Herleitung ....................................................................................................................................36 2.2.5. Semantische Ansätze .............................................................................................................................................................40 2.2.5.1. Kompositionalitätsansätze.........................................................................................................................................................40 2.2.5.2. Quasi-Inkorporation ..................................................................................................................................................................42 2.2.5.3. Diskussion .................................................................................................................................................................................43 2.2.5.4. Eigensemantik des (Basis-)Verbs – Aktionsart.................................................................................................................................................................... 47

2.2.6. Interne Flexion .........................................................................................................................................................................48 2.2.7. Weitere Ansätze.......................................................................................................................................................................52 2.2.7.1. Kein Lösungsansatz ..................................................................................................................................................................52 2.2.7.2. Lexikalistische Ansätze.............................................................................................................................................................54 2.2.7.3. Frequenz, Alter, Analogiebildung, Kategorie des Erstglieds ...................................................................................................54 2.2.7.4. Größe des Mittelfelds ................................................................................................................................................................56 2.2.7.5. Nominalität ................................................................................................................................................................................57 2.2.7.6. Patiensorientierung (Konstruktionsgebundenheit) ............................................................................................................................................................. 58 2.2.7.7. Prosodie .....................................................................................................................................................................................58

2.3. Zusammenfassung und Hypothesen ............................................................................ 59

3. Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita........ 65 3.1. Methode und Experimentdesign .................................................................................. 66 3.1.1. Korpusuntersuchung ..............................................................................................................................................................66 3.1.1.1. Korpusauswahl ..........................................................................................................................................................................66 3.1.1.2. Suche .........................................................................................................................................................................................69 3.1.1.3. Annotation – Probleme der Kategorisierung ............................................................................................................................70

3.1.2. Fragebogenerhebung .............................................................................................................................................................80

x

NonV2-Verben im Deutschen

3.1.2.1. Prätest ........................................................................................................................................................................................81 3.1.2.2. Zweistufige Fragebogenstudie ..................................................................................................................................................83

3.2. Beschreibung der Daten ............................................................................................... 87 3.2.1. Korpusdaten ......................................................................................................................................... 87 3.2.1.1. Vergleichsfolie: Kanonisches Verbverhalten unterschiedlicher Verbtypen.............................................................................87 3.2.1.2. Verbale Pseudokomposita .........................................................................................................................................................95

3.2.2. Fragebogendaten ................................................................................................................................ 102

3.3. Auswertungen ............................................................................................................. 110 3.3.1. Partizipienhäufung: Doppelpartikelverben vs. Informationsstrukturelle Rahmenbedingen? .......... 111 3.3.1.1. uraufführen, etc. ......................................................................................................................................................................111 3.3.1.2. notoperieren ............................................................................................................................................................................123 3.3.1.3. erstveröffentlichen, erstversorgen ...........................................................................................................................................127 3.3.1.4. voranmelden, vorankündigen ..................................................................................................................................................130 3.3.1.5. Zusammenfassung ...................................................................................................................................................................131

3.3.2. Vermeintliche NonV2-Verben: Verbale Pseudokomposita als (Non-)Verben ................................ 132 3.3.2.1. ‚Verben‘ mit vielen nominalen Eigenschaften........................................................................................................................133 3.3.2.1.1. brandungsschwimmen, freistilschwimmen, strafstoßschießen.................................................................................................................................................................. 133 3.3.2.1.2. bausparen ................................................................................................................................................................................................................................................. 135 3.3.2.1.3. punktschweißen ......................................................................................................................................................................................................................................... 138 3.3.2.1.4. Sportarten.................................................................................................................................................................................................................................................. 138 3.3.2.1.5. ersterscheinen ........................................................................................................................................................................................................................................... 150 3.3.2.1.6. Zusammenfassung und Diskussion – Verbale Pseudokomposita als Massennomen ............................................................................................................................... 150

3.3.2.2. ‚Verben‘ ohne finite Formen...................................................................................................................................................156 3.3.2.2.1. schutzimpfen ............................................................................................................................................................................................................................................. 156 3.3.2.2.2. feuerverzinken ........................................................................................................................................................................................................................................... 160 3.3.2.2.3. kurpfuschen, urabstimmen ........................................................................................................................................................................................................................ 162 3.3.2.2.4. Niederfrequente erst-Verben .................................................................................................................................................................................................................... 163 3.3.2.2.5. Zusammenfassung und Diskussion – Verbale Pseudokomposita als Pseudopartizipien .......................................................................................................................... 164

3.3.2.3 Mehr oder weniger kanonische Verben ...................................................................................................................................168 3.3.2.3.1. zweckentfremden ....................................................................................................................................................................................................................................... 168 3.3.2.3.2. stoßlüften (und staubsaugen) .................................................................................................................................................................................................................... 170 3.3.2.3.3. auferstehen ................................................................................................................................................................................................................................................ 173 3.3.2.3.4. klugscheiße(r)n ......................................................................................................................................................................................................................................... 177 3.3.2.3.5. arschkriechen ............................................................................................................................................................................................................................................ 185 3.3.2.3.6. lobpreisen, radebrechen ........................................................................................................................................................................................................................... 186 3.3.2.3.7. handarbeiten ............................................................................................................................................................................................................................................. 188 3.3.2.3.8. raubkopieren ............................................................................................................................................................................................................................................. 190 3.3.2.3.9. Kopulativ-Verben ..................................................................................................................................................................................................................................... 192 3.3.2.3.10. Zusammenfassung .................................................................................................................................................................................................................................. 193

3.3.2.4 Diskussion – Verbale Pseudokomposita als (Non-)Verben.....................................................................................................194

3.3.3. Genuine NonV2-Verben ................................................................................................................... 199 3.3.3.1. voranmelden, vorankündigen und andere Doppelpartikelverben ...........................................................................................199 3.3.3.2. fehleinschätzen ........................................................................................................................................................................204 3.3.3.3. Verben mit reihenbildendem Erstglied (und unterschiedlichen Betonungsmustern).............................................................207 3.3.3.3.1. not-Verben ................................................................................................................................................................................................................................................ 208 3.3.3.3.2. zwangs-Verben ......................................................................................................................................................................................................................................... 212 3.3.3.3.3. straf-Verben .............................................................................................................................................................................................................................................. 216 3.3.3.3.4. erst-Verben ............................................................................................................................................................................................................................................... 220 3.3.3.3.5. bauch-Verben ........................................................................................................................................................................................................................................... 225 3.3.3.3.6. seil-Verben ................................................................................................................................................................................................................................................ 228 3.3.3.3.7. Skalare Erstglieder .................................................................................................................................................................................................................................... 229 3.3.2.3.8. Zusammenfassung .................................................................................................................................................................................................................................... 230

3.3.3.4. ehebrechen...............................................................................................................................................................................231 3.3.3.5. Zusammenfassung ...................................................................................................................................................................235

3.3.4. Zusammenhänge ................................................................................................................................ 236 3.3.4.1. Rückbildung (Wortbildungsbasis) ..........................................................................................................................................236 3.3.4.2. Frequenz ..................................................................................................................................................................................238 3.3.4.3. Kategorie und semantische Relation des Erstglieds ...............................................................................................................243 3.3.4.4. Größe des Mittelfelds ..............................................................................................................................................................249 3.3.4.5. Variation – Interne Flexion .....................................................................................................................................................251

Inhaltsverzeichnis

xi

3.4. Zusammenfassung und Diskussion ............................................................................ 254

4. Logistische Regressionsanalyse...................................................................... 267 4.1. Einleitung .................................................................................................................... 267 4.2. Auswahl der Variablen ............................................................................................... 269 4.2.1. Auswahl der Daten / Subsets ............................................................................................................. 269 4.2.2. Auswahl und Kodierung der Faktoren .............................................................................................. 270 4.2.2.1. Verb .........................................................................................................................................................................................271 4.2.2.2. Wortbildungsart – Rückbildung..............................................................................................................................................272 4.2.2.3. Morphologische Komplexität des Erstglieds – Doppelpartikel..............................................................................................273 4.2.2.4. Morphologische Komplexität des Verbstamms .....................................................................................................................273 4.2.2.5. Erstglied...................................................................................................................................................................................274 4.2.2.6. Kategorie des Erstglieds..........................................................................................................................................................274 4.2.2.7. Reihenbildendes Erstglied.......................................................................................................................................................275 4.2.2.8. Basisverb .................................................................................................................................................................................275 4.2.2.9. Initialakzent .............................................................................................................................................................................276 4.2.2.10. Stammendnebenbetonung .....................................................................................................................................................276 4.2.2.11. Wortform und Funktion ........................................................................................................................................................276 4.2.2.12. Trennung ...............................................................................................................................................................................277 4.2.2.13. Satz ........................................................................................................................................................................................277 4.2.2.14. Semantische Relation zwischen Erstglied und Basisverb – semantische Transparenz........................................................277 4.2.2.15. Aktionsart (Eigensemantik des [Basis-]Verbs).....................................................................................................................279 4.2.2.16. Fugenelement ........................................................................................................................................................................282 4.2.2.17. Nominalität ............................................................................................................................................................................282 4.2.2.18. Entrenchment ........................................................................................................................................................................283 4.2.2.19. Patiensorientiertheit...............................................................................................................................................................283 4.2.2.20. Lemmafrequenz ....................................................................................................................................................................284 4.2.2.21. Interne (Kopf-)Flexion ..........................................................................................................................................................285 4.2.2.22. Größe des Mittelfelds ............................................................................................................................................................286 4.2.2.23. Zusammenfassung.................................................................................................................................................................286

4.3. Auswertungen ............................................................................................................. 288 4.3.1. V2-Regression (2. Regression).......................................................................................................... 288 4.3.2. Finitheits-Regression (1. Regression) ............................................................................................... 301 4.3.3. Alternative Modelle ........................................................................................................................... 304 4.3.3.1. Größeres Datenset ...................................................................................................................................................................304 4.3.3.2. Datenset ohne auferstehen.......................................................................................................................................................306

4.4. Diskussion ................................................................................................................... 309

5. NonV2-Verben – ein Geisterphänomen? ....................................................... 313 5.1. Zusammenfassung – Gibt es überhaupt NonV2-Verben? ......................................... 313 5.2. Grammatiktheoretische Einordnung .......................................................................... 319 5.3. Desiderata ................................................................................................................... 328

6. Schlussbemerkungen....................................................................................... 331 7. Literatur- und Quellenverzeichnis ................................................................. 335

1. Einleitung In other words, this is a group consisting entirely of exceptions, and owing its status as a group entirely to its nuisance value, a notable victory for the living language over the normative instincts of grammarians. (STOPP 1957: 356)

Bereits im Jahr 1957 berichtet der Auslandsgermanist F. J. STOPP über eine Fülle von Verben (darunter uraufführen, erstaufführen, brandmarken, fachsimpeln, frohlocken, liebkosen, lobpreisen, lustwandeln, nasführen, willfahren, ehebrechen, notlanden, planzeichen, sackhüpfen, strafexerzieren), die Lexikografen und (v.a. normativen) Grammatikschreibern ein Dorn im Auge seien, da sie sich nicht in die feinsäuberlich aufgemachte Dichotomie von trennbaren und untrennbaren Verben einordnen ließen, sondern sich mal so, mal so verhalten. Darüber hinaus seien sie nicht regulär (d.h. regelhaft) gebildet und würden deshalb als Ausnahmen abgetan (vgl. STOPP 1957: 355-356). Gerade für Lerner/innen einer (Fremd-)Sprache bedeuten grammatische Ausnahmen immer große Schwierigkeiten, da diesesich in Ermangelung einer eingängigen Regel auf pures Auswendiglernen beschränken müssen. Aber nicht nur Lerner/innen stellen Irregularitäten vor Herausforderungen; letztlich muss auch jede Grammatiktheorie versuchen, solche Idiosynkratismen zu erklären und in ihr jeweiliges Modell zu integrieren.

1.1. Präliminarien Die deutsche Satzstellung gilt mit ihren vermeintlich vielen Ausnahmen als besonders komplex. Besonders markant ist dabei, dass sich die Verbstellung im Hauptsatz stark von derjenigen im Nebensatz unterscheidet (für einen kurzen Überblick zur Sytax des Deutschen s. MÜLLER 2015). Die lineare Anordnung der Wörter bzw. Satzglieder innerhalb eines Satzes sowie Zusammenhänge und Beschränkungen zwischen ihnen lassen sich schematisch am anschaulichsten durch das Modell der topologischen Felder darstellen (vgl. u.a. DRACH 1963; ENGEL 1970; REIS 1980; ASKEDAL 1986; HÖHLE 1986; DÜRSCHEID 62012: 85-105; MÜLLER 22013a: 31-35; WÖLLSTEIN 22014): Die möglichen Positionen des finiten Verbs unterteilen die Sätze des Deutschen in topologische Felder, wobei die erste und zweite Position des Verbs als öffnender Teil und die satzfinale Position als schließender Teil den Satz gewissermaßen einrahmen und eine sog. Verbal- bzw. Satzklammer bilden. Diese Klammerpositionen organisieren so den Satz (in fünf Felder bzw. Positionen). Die verschiedenen Satzformen bzw. -typen des Deutschen unterscheiden sich letztlich nur durch die Feldbesetzung, weshalb das Modell deskriptiv sehr mächtig ist, da es sämtliche Formtypen mit

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1_1

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NonV2-Verben im Deutschen

einem einzigen Schema erfassen kann und dabei die empirischen Fakten (zumindest der Oberflächenanalyse) sehr gut abzubilden vermag (REIS 1980: 80).1 Die wohl zentralste syntaktische Eigenschaft des Deutschen ist, dass das finite Verb in Hauptsätzen (aber auch in uneingeleiteten abhängigen Nebensätzen sowie wh-Interrogativsätzen) in der linken Satzklammer steht, d.h. die zweite Strukturposition einnimmt (V2). Eine Sprache gilt dann als V2-Sprache, wenn vor dem finiten Verb (normalerweise) nur eine Konstituente bzw. Phrase steht. Formal kann es sich dabei um jeden Phrasentyp handeln. Dabei darf die Phrase beliebig komplex sein, solange sie Satzgliedwert hat.2 Weiterhin ist davon auszugehen, dass das Deutsche eine SOV-Sprache ist. D.h. zugrundeliegend ist eigentlich die Verbletzt-Stellung (VL), wobei V2-Stellung durch Umstellung des finiten Verbs und einer weiteren Konstituente aus dieser abgeleitet wird (vgl. FOURQUET 1957; BIERWISCH 1963; 71971: 34).3 Das Deutsche ist also „eine abgeleitete V/2-Sprache mit zugrundeliegender SOV-Reihenfolge. Die scheinbare Freiheit der Wortstellung ist streng restringiert.“ (HAFTKA 1996: 140) Die verschiedenen Verbtypen erfüllen die V2-Anforderung auf unterschiedliche Weise: Während einfache Verben allein in der linken Satzklammer stehen ((1)a.,b.), gibt es bei morphologisch komplexen Verben zwei Möglichkeiten: entweder besetzen diese Position wie die Simplexverben unter Erhalt ihrer morphologischen Integrität ((1)c.) oder aber sie trennen einen Wortbestandteil ab, der in der rechten Satzklammer verbleibt ((1)d.). VF

(1) a. b. c. d. e. f. g.

Der Lehrer Der Lehrer Der Lehrer Der Lehrer ... Der Lehrer Der Lehrer

LSK

redet. hält verliest liest ob soll hat

MF

einen Vortrag. einen Text. einen Text der Lehrer einen Text einen Text einen Text

RSK

vor. vorliest. vorlesen. vorgelesen.

V2

Für diese beiden Verbklassen haben sich in der Literatur – entsprechend der Bezeichnung der den Verben vorangestellten Elemente – die Begriffe Präfix- resp. Partikelverben durchgesetzt.4 1

V1-Sätze, wie Entscheidungsfragen bzw. imperativische Aufforderungen, kenzeichnen sich z.B. durch ein unbesetztes Vorfeld. Zu den Grenzen der Darstellungsmöglichkeiten des Feldermodells s. z.B. ABRAHAM (32013: 557-559).

2

Hinsichtlich der Satzgliedfunktion handelt es sich häufig um das Subjekt, doch prinzipiell können alle Satzkonstituenten in dieser Position auftreten. „Daraus ergibt sich die fürs Deutsche typische Eigenschaft, dass bei Voranstellung eines nicht-subjektivischen Satzglieds das Subjekt postfinit erscheinen muss“ (FREYWALD 2018: 41), was deshalb manchmal (irreführenderweise) als Subjekt-Inversion bezeichnet wird.

3

Argumente für diese Basisstellung finden sich bei MÜLLER (32013b: 139-140) und FREYWALD (2018: 45-54).

4

Die Terminologie ist schwankend: V.a. in didaktisch orientierten (DaF-)Grammatiken wird vereinfacht von untrennbaren und trennbaren Vorsilben oder Präfixen geredet. Auch FLEISCHER & BARZ (1992: 316-346) nennen in älterer Auflage noch alle dem Verb zugeschlagenen Elemente ‚Präfix‘. ŠIMEČKOVÁ (1984: 133) spricht von nicht-distanzierbaren und distanzierbaren, HENZEN (31965: 87) von festen und unfesten Verben. EICHINGER (2000:102-103) unterscheidet zwischen Präfix- und Partikelverben; MOTSCH (22004: 44-48) unterscheidet noch differenzierter zwischen Präfixen als auch zwischen trennbaren und untrennbaren Verbpartikeln. Für einen Überblick siehe DONALIES (1999). In der vorliegenden Arbeit werden Präfixe und Partikeln, wenn der terminologische Unterschied nichts zur Sache tut, in Anlehnung an HINDERLING (1982: 81) allgemein als ‚Präverb‘ zusammengefasst oder meist auch einfach nur als ‚Erstglied‘ bezeichnet. Damit sind die Elemente eines Verbs gemeint, um die der Stamm bei der Bildung eines komplexen Verbs ergänzt wird; diese können durchaus auch adjektivischen, substantivischen oder verbalen Charakter aufweisen.

Einleitung

3

Sowohl Präfix- als auch Partikelverben bestehen aus einem Verb, das meist auch einzeln vorkommt,5 und einem linksseitig adjungierten Verbzusatz (Erstglied). Beide Verbklassen teilen zwar einige Gemeinsamkeiten – so befinden sich beide Verbtypen im Infnitiv ((1)f.) und in durch eine Subjunktion eingeleiteten Nebensätzen ungetrennt von ihren Erstgliedern als Ganzes in Verbletztstellung, d.h. in der rechten Satzklammer ((1)e.) –, sie verhalten sich aber in vielerlei Hinsicht konträr zueinander. Die wohl wichtigste Eigenschaft von Partikeln ist, dass sie stets betont sind. In der Kombination mit einem Basisverb liegt die Hauptbetonung auf dem Erstglied und nicht auf dem Verbstamm (ánlegen, vórlesen). Partikelverben besitzen folglich Initialakzent; FUHRHOP (2007: 17) spricht auch von „Kompositionsakzent“. Präfixe sind unbetont; die Hauptbetonung liegt auf dem Verbstamm (belégen, verlésen), wodurch das „Grundprinzip der Akzentuierung“ (EISENBERG 42013a: 135) im Deutschen gewahrt bleibt. Die unterschiedlichen Betonungsverhältnisse von Präfix- und Partikelverben haben Auswirkungen auf die anderen sprachlichen Ebenen. Beispielsweise ist die Partizip II-Bildung im Deutschen prosodisch gesteuert: Verbstämme, deren Hauptakzent nicht auf der ersten Silbe liegt, bilden es ohne das Perfekt-(Teil-)Morphem (-)ge- (vgl. z.B. WIESE 1996: 89-98). Entsprechend bilden Präfixverben ihr Partizip II ohne ge-; im erweiterten Infinitiv tritt zu nicht zwischen Präfix und Basis, sondern vor das gesamte komplexe Verb. (Sie können auch zusätzlich mit trennbaren Partikeln modifiziert werden, wobei das Partizip auch ohne -ge- gebildet wird und zu im erweiterten Infinitiv zwischen die Präverben rückt.) Partikeln hingegen können morphologisch und syntaktisch von ihrer Basis getrennt werden. Im Partizip II tritt das Affix -ge- zwischen Partikel und Basis (vgl. (1)g.); im erweiterten Infinitiv wird an gleicher Stelle zu eingesetzt. (Bei mehreren Partikeln werden diese als Ganzes getrennt.6) Neben dieser morphologischen Trennbarkeit gilt das zu im erweiterten Infinitiv auch als wichtiger Indikator für die ‚syntaktische Trennbarkeit‘ (vgl. ESCHENLOHR 1999: 151); man könnte diese Position auch mit MAAS (1992: 177) als „syntaktische ‚Sollbruchstelle‘“ bezeichnen, an der das komplexe Verb in bestimmten Kontexten (V2Stellung) getrennt wird. Tabelle 1 fasst die Eigenschaften von Präfix- und Partikelverben noch einmal zusammen.

5

Für beide Gruppen gibt es wenige komplexe Verben, für die kein Basisverb (mehr) existiert: [die Glut] anfachen ← *fachen, abmagern ← *magern (s. z.B. ZELLER 2001: 211-215), anstrengen ← *strengen; beginnen ← *ginnen, vergessen ← *gessen, verlieren ← *lieren, gebären ← *bären, u.a. (vgl. HENZEN 31965: 107; FLEISCHER & BARZ 42012: 377-378, 383, 389).

6

Es gilt ein „Iterationsverbot“ (ZIFONUN 1999: 281): Jedes Basisverb kann eigentlich nur eine Partikel zu sich nehmen. Dennoch können sich Partikeln selbst miteinander verbinden. Formen wie überein(stimmen), voran(kommen) stellen dann (komplexe) Worteinheiten dar. In der Literatur findet sich für diesen Typ Verb häufig der Begriff ‚Doppelpartikelverben‘ (z.B. HINDERLING 1982: 91; HARNISCH 1982; EICHINGER 2000; ERBEN 52006: 90; MCINTYRE 2001). In dieser Arbeit sollen Partikeln dieser Art allerdings unter den Begriff ‚komplexe Partikeln‘ gefasst werden, da sie offensichtlich eine eigene Einheit bilden, die sich dann mit einem Basisverb verbindet ([[vor] + [an]] + [kommen]. Damit sollen sie von Partikeln abgegrenzt werden, die wiederum ein Partikelverb als Basisverb nehmen ([vor] + [[an] + [melden]]). Nur letztere werden in dieser Arbeit als ‚Doppelpartikel‘ verstanden (s. Abschnitte 2.2.2.1, 3.3.1, und 3.3.3.). Auch Kombinationen aus Partikeln und Präfixen sind möglich (Partikel + Präfix: ausverkaufen, aufbewahren; Präfix + Partikel: verabreden, beauftragen).

4

NonV2-Verben im Deutschen

Präfixverben ▪

begrenzte Menge an Erstgliedern be-, ent-, er-, ge-, ver-, zer-



Erstglied unbetont

Partikelverben ▪

unbegrenzte Menge an Erstgliedern

ab, an, auf, aus, bei, vor, zurück, sammen, frei, heim, heraus, …



Erstglied betont



morphologisch trennbar

belégen, verlésen



morphologisch nicht trennbar

ánlegen, vórlesen

belegt, verlesen zu belegen, zu verlesen

angelegt, vorgelesen anzulegen, vorzulesen

*begelegt, *vergelesen, *bezulegen, *verzulesen



syntaktisch nicht trennbar

zu-

*geanlegt, * gevorlesen, *zu anlegen, *zu vorlesen



syntaktisch trennbar

Der Lehrer verliest einen Text. *Der Lehrer liest einen Text ver.

Der Lehrer liest einen Text vor. *Der Lehrer vorliest einen Text.

Tabelle 1: Unterschiede zwischen Präfix- und Partikelverben

Dass Präfixe ausschließlich gebunden und (in allen Umgebungen) positionsfest vorkommen, spricht für die Analyse als Affix. Demgegenüber scheinen Partikelverben keine morphologisch gebildeten Wörter zu sein, da morphologische Verbindungen nicht trennbar sind. Viele Linguist/innen gehen von einem eigenen Wortbildungsprozess aus, der Partikelverbbildung. Für Überblicke über verschiedene Ansätze und Analysen sei auf DEHÉ, JACKENDOFF & URBAN (2002), MCINTYRE (2015) und ÖHL (2016: 62-73) verwiesen. Nicht immer ist eine Kategorisierung in eine dieser beiden Gruppen eindeutig möglich (vgl. v.a. BECKER & PESCHEL 2003); es gibt Verben, deren Erstglieder in zwei Varianten – einer untrennbaren (Präfix) und einer trennbaren (Partikel) – existieren (vgl. RICH 2003). Zu diesen gehören neben Verben mit über-, unter-, um- oder durch-, die HUNDSNURSCHER (1968: 19) „Präpartikelverben“ nennt, auch die mit voll-, wieder-, wider-, miss- sowie Verben, deren Erstglieder eigentlich ausschließlich trennbar sind, aber mit einem nicht-trennbaren Erstglied kombiniert werden (aberkennen, anberaumen, etc.) und einige Verben mit nominalen Erstgliedern.7 All diese Verben sind aber in der einen oder anderen Variante V2-fähig.

7

Siehe auch BIERWISCH (71971: 119), MOSER (1979: 1), WIESE (1996: 287-302), MCINTYRE (2001: 48), THIEROFF (2003: 279), MAAS (22006: 274), Zweifelsfall-Duden (72011: 67), HENTSCHEL & WEYDT (42013: 47).

5

Einleitung

1.2. Problemstellung Es ist also davon auszugehen, dass jedes Verb im Deutschen – egal, wie es intern strukturiert bzw. gebildet ist – in V2 Position auftreten kann. Nun sind es gerade einige der von STOPP (1957) besprochenen Verben, die sich aber allem Anschein nach gegen diese Anforderung sperren: Der einschlägigen Literatur folgend, gelten für die meisten Sprachbenutzer/innen entsprechende Formen in selbstständigen Sätzen – egal ob als Ganzes (analog zu den Präfixverben, vgl. ((2)-(3)a.)) oder getrennt (analog zu den Partikelverben, vgl. ((2)-(3)b.))8 – als unmöglich oder zumindest stark markiert. (2) a. b. c. d. e. f.

* Der Regisseur */? Der Regisseur ... Der Regisseur Der Regisseur Das Stück

(3) a. b. c. d. e. f.

*/? Ich * Ich ... Ich Ich Es

uraufführt führt ob soll hat wird

bauspare spare weil muss habe wird

das Stück. das Stück der Regisseur das Stück das Stück das Stück (vom Regisseur)

schon jahrelang. schon jahrelang ich schon jahrelang schon jahrelang schon jahrelang schon jahrelang

urauf. uraufführt. uraufführen. uraufgeführt. uraufgeführt.

bau. bauspare. bausparen. baugespart/gebauspart. baugespart/gebauspart.

Offenbar ist bei diesen Verben die V2-Stellung, also die Standardposition im deklarativen Hauptsatz,9 problematisch. In der Regel wird hier auf eine periphrastische Verbalform ausgewichen (z.B. (2)-(3)d.-f.). Sprachbenutzer/innen bereitet es Zweifel, das im Fokus stehende Verb in eine finite Form zu bringen. Dies deutet keineswegs auf mangelnde Eloquenz hin; vielmehr verrät ihnen ihr Sprachgefühl, dass die finiten Formen von uraufführen oder bausparen in Hauptsatzstellung ungewöhnlich wirken, obwohl die Verwendung dieser Verben in VL-Stellung unverhofft sowohl infinit (((2)-(3)e.-f.))10 als auch – und das ist die Krux an der Sache – finit (((2)-(3)c.)) problemlos möglich ist. Das Problem liegt also nicht darin, das Verb überhaupt finit zu verwenden, sondern es in V2 zu setzen. Dies ist nicht trivial, da sich nicht nur uraufführen und bausparen derart eigentümlich verhalten, sondern die Menge solcher Verben (z.B. bauchreden, bergsteigen, ehebrechen, schutzimpfen, zwangsvollstrecken, zweckentfremden etc., um

8

Auch das Trennen einzelner Erstglieder gilt als unmöglich: (i)

9

* Der Regisseur aufführt das Stück ur. * Der Regisseur urführt das Stück auf.

Dies gilt selbstverständlich ebenso für: (ii)

10

a. b.

a. b.

* Uraufführt der Regisseur das Stück? */? Führt der Regisseur das Stück urauf?

bzw. * Uraufführ(e) das Stück! bzw. */? Führ(e) das Stück urauf!

Entsprechend ist auch Topikalisierung möglich: (iii) (iv)

Uraufführen soll der Regisseur das Stück. Zweckentfremden kann ich schon alles Mögliche.

6

NonV2-Verben im Deutschen

nur ein paar Beispiele zu nennen) größer ist als gemeinhin angenommen. Hier liegt also ein mehr als idiosynkratisches Muster vor, das es zu erklären gilt. Es handelt sich um Lexeme, die aufgrund ihrer semantischen und morphologischen Eigenschaften zwar eindeutig als Verben zu klassifizieren sind, sich aber syntaktisch nicht typisch verhalten. Die morphologische (Un-)Trennbarkeit ist bei den meisten Exemplaren klar geregelt (vgl. aber (3)e.-f.). Allgemein wird davon ausgegangen, dass diese Verben sämtliche finite Formen aufweisen. Es kann somit keine Flexionsdefektivität im Sinne von SIMS (2015: 26) angenommen werden.11 Das ‚grammatische Rätsel‘, das sogar im Typology of Defectiveness Project der Surrey Morphology Group um Greville CORBETT Erwähnung findet (BAERMAN 2009), besteht vielmehr darin, dass die einschlägigen Verben nicht die für das Deutsche typische V2-Position einnehmen können. Es liegt also ein Fall von syntaktischer Defektivität in Form einer ausgemachten Stellungsrestriktion vor. Dieses Sonderverhalten ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit

1.3. Zielsetzungen Offenbar greift hier eine syntaktische Regel auf die interne Struktur eines Wortes – es handelt sich ausschließlich um morphologisch komplexe Verben – zu, was gemäß der Lexical-IntegrityHypothese nicht zulässig ist (vgl. u.a. DI SCIULLO & WILLIAMS 1987: 48; ANDERSON 1992: 84; BRESNAN & MCHOMBO 1995: 181; BOOIJ 2009a: 97). Diese besagt, dass syntaktische Prozesse nicht in Wörter hineinschauen können, wodurch häufig eine scharfe Trennung zwischen morphologischer und syntaktischer Strukturbildung begründet wird. Als Schnittstellenphänomen zwischen den Ebenen Morphologie und Syntax eignen sich entsprechende Verben somit besonders, um zu eruieren, inwiefern syntaktische Regeln doch morphologiesensitiv sind. Darüber hinaus ist das Phänomen unter dem Gesichtspunkt der morphologischen Struktur der Verben und deren Zusammenwirken mit syntaktischen Operationen bedeutsam. Die bisherige linguistische Behandlung der einschlägigen Verben befasste sich allerdings nur recht oberflächlich mit der Frage, welche Eigenschaften es sein könnten, die Verben daran hindern, die V2-Position zu besetzen. Zwar haben die einschlägigen Verben vordergründig v.a. in generativen Arbeiten großes Interesse gefunden, aber letztlich immer nur in dem Zusammenhang, bestimmte theoretische Annahmen zu motivieren, wie z.B. FORTMANN (2007: 3) anmerkt: Dabei geht es um die Frage, ob neben der Projektion des Verbs und der funktionalen Projektion CP weitere zwischen beiden intervenierende funktionale Projektionen, insbesondere eine von den Finitheitsmerkmalen aufgespannte T(ense)P(hrase), postuliert werden muss oder nicht. Haider (1993) hat dies unter Hinweis auf die stellungsfesten Verben bestritten, Vikner (2001), (2005) und Sternefeld (2006) argumentieren in gleichem Sinne.

11

Es sei denn, man nimmt für V2- und für VL-Formen unterschiedliche Paradigmazellen an, was aber unintuitiv ist, da sich die verschiedenen Satztypen auseinander herleiten lassen. Zumindest In einigen Wörterbüchern und Sprachratgebern finden sich an entsprechenden Stellen Hinweise, dass diese Verben nur im Infinitiv oder Partizip II gebräuchlich sind.

7

Einleitung

Entsprechende Verben dienen häufig dazu, bestimmte Auffassungen zu be- oder zu widerlegen. Entsprechend wählt jede Arbeit auch nur eine geringe Anzahl an Beispiellexemen aus, welche die Argumentation unterstreichen, ohne diese aber empirisch zu prüfen (oder gar zu erklären). Dabei ist bekannt, dass rein introspektiv-intuitiv orientierte Herangehensweisen anfällig für Fehlurteile sind, die sich etwa aus den Erwartungen der Forscher/innen oder aus der suggestiven Struktur der nur oberflächlich betrachteten Sprachdaten ergeben (vgl. z.B. MÜLLER 2007; STEFANOWITSCH

2011; SCHÜTZE 2016).

Genau im Kontext dieser Auseinandersetzung ist die vorliegende Arbeit zu verorten. Erstes Ziel ist es, anhand einer großen Datenmenge (sowohl Korpus- als auch Experimentaldaten) die Faktenlage zu sichern, um so eine empirisch fundierte Basis für eine Interpretation der strukturellen und morphosyntaktischen Spezifika der stellungsrestringierten Verben zu schaffen. Das eigentliche Erkenntnisinteresse besteht darin, so diese stellungsrestringierten Verben im Deutschen12 besser zu verstehen. Unter der Ausgangsthese, dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren die Stellungsrestriktion bedingt und dass sich diese Faktoren über verschiedene Systemebenen der Linguistik erstrecken, sollen eben diese Faktoren herausgearbeitet werden, um so eine Erklärung für das Sonderverhalten dieser Verben zu entwickeln. Auch wenn am Ende eine grammatiktheoretische Verortung angedeutet wird, erfolgt keine umfassene Ausarbeitung eines bestimmten Modells. Vielmehr sollen bestehende Analysen bzw. theoretische Annahmen empirisch überprüft werden.

1.4. Aufbau der Arbeit Nach diesen einleitenden Bermerkungen erfolgt in Kapitel 2 die Rezeption des Forschungsstands, wobei gezeigt wird, dass in der einschlägigen Literatur zwar schon diverse Faktoren für die Stellungsrestriktion vorgeschlagen wurden, bisher aber noch keine zufriedenstellende Erklärung für das Phänomen gefunden werden konnte. Theoriegeleitet, aber möglichst theorieneutral werden bestehende Erklärungsansätze beschrieben, diskuert und zu 26 Hypothesen zusammengefasst, um sie im Anschluss empirisch zu überprüfen. Mit Ausnahme weniger explorativer Daten ist die empirische Aufarbeitung des Phänomens bislang nicht erfolgt. Aus diesem Grund wird im Kernstück der vorliegenden Arbeit (Kapitel 3) die Datenlage potentieller stellungsrestringierter Verben gesichert, um so die theoretischen Annahmen mit den sprachlichen Fakten abzugleichen. Mittels umfangreicher korpusbasierter Analysen und Befragungsstudien wird so eine Grundlage für die Interpretation der strukturellen und funktionalen Spe-

12

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf das Deutsche. V2-gehemmte Verben scheinen ohnehin nur in SOV-Sprachen vorzukommen (VIKNER 2005: 106-111). Zu NonV2-Verben im Niederländischen siehe KOOPMAN (1995), DEN DIKKEN (2003), BOOIJ (2010: 112-115; 2016: 2433-2434) und BROEKHUIS & CORVER (2016: 1253-1290).

8

NonV2-Verben im Deutschen

zifika derselben geschaffen. Die Korpusuntersuchung ist darauf angelegt, zu zeigen, wie die entsprechenden Lexeme tatsächlich in (möglichst zusammenhängenden) sprachlichen Äußerungen und natürlichen Kommunikationssituationen verwendet werden. Anhand von Fallstudien werden zum einen die Gebrauchsrealität einzelner potentieller V2-gehemmter Verben dargestellt sowie mögliche stellungsrestringierende Faktoren diskutiert. Dabei wird auch überprüft, ob die untersuchten Lexemen überhaupt eine eigene Klasse bilden. Da eine bloße Korpusanalyse bekanntermaßen keine negative Evidenz liefern kann, werden die Korpusergebnisse zusätzlich durch Sprecherbefragungen in Form einer Fragebogenstudie komplementiert, die u.a. Akzeptabilitätsurteile abfragt und das Ziel hat, Strategien ausfindig zu machen, die Sprachbenutzer/innen bei vermeintlich ungrammatikalischen Strukturen anwenden. Die stark empirische Grundausrichtung dieser Arbeit kann dabei als Ergänzung der vorwiegend generativistisch geführten Diskussionen zum Thema angesehen werden. Das Kapitel hat v.a. explorativen Charakter. So werden auf Grundlage der gewonnenen Daten auch neue Hypothesen entwickelt. Insbesondere wird dafür argumentiert, dass es sich bei vielen der untersuchten Lexeme gar nicht um Verben, sondern um Substantive oder Adjektive handelt.

Im sich anschließenden Kapitel 4 werden die Einzelbeobachtungen und -ergebnisse zusammengeführt. Um ein konsistenteres Bild zu erhalten und so die beobachtbare Variation zu erklären, werden Regressionsanalysen durchgeführt. Ziel ist die Erstellung eines statistischen Modells, das die Wahl der syntaktischen Struktur (V2 oder nicht) unter Berücksichtigung verschiedener, miteinander konkurrierender Einflussfaktoren bestmöglich vorherzusagen vermag. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Korpus- und Fragebogenuntersuchungen zusammen und zieht Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Regressionsanalyse, die dafür sprechen, dass es sich bei den vermeintlich stellungsrestringierenden Faktoren vielmehr um finitheitshemmende handelt. Dies berücksichtigend, wird diskutiert, ob das Phänomen V2-gehemmter Verben folglich überhaupt existiert oder ob es sich vielmehr um ein Geisterphänomen handelt. Darauf aufbauend erfolgt erstmals ein Vorschlag, wie dieser Gegenstandsbereich in Ansätzen mittels eines gebrauchsbasierten Modells erklärt werden kann, und wie dieses aber auch mit generativen Erklärungsmustern in Einklang gebracht werden kann. Hier folgt auch das Forschungsdesiderat. Das letzte Kapitel (Kapitel 6) lässt noch einmal die wichtigsten Stationen und Ergebnisse der Arbeit Revue passieren.

2. Forschungsstand Verben, die ein im letzten Kapitel problematisiertes eigentümliches Verhalten ausweisen, werden in der einschlägigen Literatur – z.T. je nach theoretischem Rahmen – recht unterschiedlich als defektive (Rückbildungs-)Verben (MCINTYRE 2001; 2002), Non-V2-Verben (FREYWALD & SIMON 2007), bewegungsresistente Verben (FORTMANN 2007; 2015), immobile Verben (VIKNER 2001; 2005; AHLERS 2010; BOOIJ 2010) oder C-phobische bzw. C°-phobe Verben (STERNEFELD 3

2008/2006; AHLERS 2010) bezeichnet. Alle beziehen sich aber auf dasselbe Phänomen, und

zwar darauf, dass die Verwendung der finiten Verbformen in V2-Stellung weitgehend gehemmt ist. Aus diesem Grund wird für die vorliegende Arbeit möglichst theorieneutral, aber selbsterklärend (in Anlehnung an FREYWALD & SIMON 2007) der Begriff ‚NonV2-Verben‘ gewählt. Bereits die unterschiedlichen Termini zeugen davon, dass es verschiedene Erklärungsansätze für die Stellungsrestriktion gibt. Diese sind z.T. recht unterschiedlich, widersprechen einander häufig und sind mitunter auch in sich widersprüchlich.13 Meist greifen sie zu kurz, wenn man die Datenlage adäquat erfassen will, d.h., es lassen sich stets Gegenbeispiele finden. Dies rührt auch daher, dass in der einschlägigen Literatur sowohl auf der Faktenebene als auch hinsichtlich der empirischen Basis noch weitgehend Unklarheit darüber herrscht, welche Verben überhaupt von der V2-Hemmung betroffen sind, was wiederum, wie im vorherigen Kapitel angedeutet, meist daran liegt, dass in diesen Arbeiten vielmehr die Motivation einer bestimmten (theoretischen) Auffassung verfolgt wird; entsprechend sind auch die Verben gewählt. Teil-

weise werden aber selbst Details wie die Genese bzw. die morphologische und syntaktische Trennbarkeit (s. Abschnitt 2.1.1.) entsprechender Verben unterschiedlich beurteilt. In diesem Kapitel soll zunächst ausgelotet werden, welche Verben potentiell unter die NonV2-Verben fallen (Abschnitt 2.1.). Anschließend werden alle Arbeiten, die sich eingängiger mit dem Phänomen der NonV2-Verben beschäftigen (d.h. einen Analysevorschlag oder Erklärungsansatz bieten), zusammengetragen, beschrieben und kritisch diskutiert (Abschnitt 2.2.). Am Ende des Kapitels werden die verschiedenen Einsichten aus dem Forschungsstand zusammengetragen, um eine Arbeitsdefinition für NonV2-Verben aufzustellen. Darüber hinaus wird ein Überblick über die im weiteren Verlauf der Arbeit zu untersuchende Faktoren bzw. zu prüfenden Hypothesen gegeben (Abschnitt 2.3.).

13

Der von FREYWALD & SIMON (2007: 181) aufgedeckte Widerspruch innerhalb nur eines Werks von EISENBERG (22004) bildet sicherlich nur einen Extremfall: * weil sie bauspart (Eisenberg 2004 : 235) weil er bauspart (Eisenberg 2004 : 341) * er spart bau (Eisenberg 2004 : 341)

Auch in der vierten Auflage (EISENBERG 42013a: 225, 326) wurde dieser nicht verbessert. Siehe auch VIKNER (2001: 111-112).

Zusatzmaterial online Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Kapitel (https://doi.org /10.1007/978-3-662-61926-1_2) enthalten. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1_2

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NonV2-Verben im Deutschen

2.1. Betroffene Verben Für FORCHE (2015) wurden bereits ein Großteil der in der einschlägigen Literatur vorkommenden Beispiele für NonV2-Verben sowie die aus zwei normativen Werken (der Duden-Grammatik [Duden Band 4] und der zweiten und siebten Auflage des Zweifelsfall-Dudens [Duden Band 9]), einer zufällig gewählten Wortbildungslehre (DONALIES 22005) und einem Neologismenwörterbuch (HERBERG, KINNE & STEFFENS 2004) zusammengestellt. Nach Hinzunahme einiger Hör-/Eigenbelege ergab sich eine Liste von mehr als 600 potentiellen NonV2-Verben, die den Ausgangspunkt für die Überlegungen der vorliegenden Arbeit bilden. Eine überarbeitete Liste mit weiteren Literaturangaben sowie den in dieser Arbeit empirisch untersuchten Verben findet sich im Anhang.

2.1.1. Form und Genese Zunächst soll es um die Frage gehen, was all diese Verben gemeinsam haben. Formal handelt es sich bei den NonV2-Verben stets um morphologisch komplexe Verben, „die zumindest oberflächlich eine Binarität suggerier[][en], wie sie für gewöhnlich Komposita eigen ist“ (FREYWALD & SIMON 2007: 182). Dabei handelt es sich vielmehr um Rückbildungen und Konversionen aus komplexen Nomina mit deverbalem Zweitglied, die sich unter den Begriff der ‚verbalen Pseudokomposita‘ zusammenfassen lassen (z.B. ÅSDAHL HOLMBERG 1976; MOSER 1979; ESCHENLOHR

1999).14 FREYWALD & SIMON (2007: 182-183) schlagen als oberflächliche Strukturen fol-

gende vier Kombinationen vor: (4) a. b. c. d.

Nomen + Verb, Verb + Verb, Adjektiv + Verb, Doppelpartikel + Verb,

Typ notlanden Typ mähdreschen Typ erstwählen Typ voranmelden

Ob bspw. erst- tatsächlich als Adjektiv zu klassifizieren ist oder ob es sich nicht um eine einfache Partikel handelt, bleibt zu diskutieren (s. Abschnitt 3.3.3.3.4.). generell sollte aber zusätzlich noch eine fünfte Kombination angesetzt werden: (4') e.

einfache Partikel + Verb,

Typ ursenden

Der (oberflächliche) formale Aufbau dieser Verben sagt allerdings noch nichts über ihr syntaktisches Verhalten aus; es lassen sich für jeden Typ zahlreiche Beispiele V2-fähiger Verben finden.15 Weitere (formale) Gruppierungen sind in der einschlägigen Literatur bisher kaum vorgeschlagen worden.16 Es nehmen lediglich bestimmte Autoren (z.B. FORTMANN 2007; AHLERS 2010;

14

Der Begriff ‚verbale Pseudokomposita‘ geht auf MARCHAND (21969: 100) zurück und wird häufig synonym mit Rückbildungsverben verwendet. In dieser Arbeit wird er (ähnlich wie bei ÅSDAHL HOLMBERG 1976) als Oberbegriff für Rückbildungs- und Konversionsverben gebraucht bzw. für Fälle, bei denen nicht eindeutig ist, welcher der beiden Wortbildungsprozesse vorliegt.

15

Beispielhaft seien hier schlussfolgern (a.), kennenlernen (b.), schönschreiben (c.), vorankommen (d.) und umfahren (e.) genannt.

16

Ausnahmen bilden MOSER (1979: 57-60) bzw. WESTENDORF (1986), die allerdings davon ausgehen, dass alle von ihnen betrachteten Verben V2-fähig sind. In FORCHE (2015), worauf diese Arbeit aufbaut, werden verschiedene Gruppen aufgrund der paradigmatischen Verteilung ausgemacht.

Forschungsstand

11

BOOIJ 2010) an, dass es sich bei all diesen Verbindungen um (Konversionen bzw. Rückbildungen von) Substantiv-Verb-Komposita handelt. Sie sehen das Erstglied als ausschließlich nominal an. Es bleibt aber offen, ob es sich dabei um selbständige Substantive, um substantivische (Kompositions-)Stämme oder sogar um (reanalysierte) Verbpartikeln handelt (vgl. FUHRHOP 2007: 31). ÅSDAHL

HOLMBERG (1976: 33) teilt verbale Pseudokomposita generell anhand der verschiedenen

Verwendungsweisen ihrer Partizipien II in vier bis fünf Gruppen ein. Hier deutet sich bereits die Frage an, woher NonV2-Verben überhaupt stammen. Allein aufgrund der Tatsache, dass alle angeführten Verben komplex sind, muss es sich bei den potentiellen NonV2-Verben um das Ergebnis von Wortbildungen handeln. Die Frage ist nur, welchen Typs. Die meisten Autor/innen gehen zwar davon aus, dass NonV2-Verben nicht wie klassische Präfix- oder Partikelverben entstanden sind, sondern durch Rückbildung (s. hierzu weiter Abschnitt 2.2.1.). Infrage kommen aber auch die Wortbildungsprozesse Konversion und Inkorporation (bzw. Univerbierung, Zusammenziehung/-rückung oder Noun-Stripping)17, möglicherweise auch Komposition. Grundsätzlich problematisch und letztlich auch der Grund für die divergierenden Beschreibungen ist wohl die Tatsache, daß die Wortbildung des Verbs meist mit den Kategorien und hinsichtlich der Muster analysiert wird, wie sie für die nominale Wortbildung entwickelt wurden und daß die spezifischen Unterschiede, die generell die Wortart Verb, und speziell das Verb im Deutschen in formaler und funktionaler Hinsicht aufweist, im allgemeinen nicht ausreichend berücksichtigt werden. (THURMAIR 1997: 164)

17

Die Begriffe ‚Univerbierung‘ und ‚Inkorporation‘ gehen in der Literatur häufig durcheinander (vgl. FUHRHOP 2007: 21). Meist wird Inkorporation aber als Spezialfall von Univerbierung beschrieben, bei dem eine Nominalphrase in direktem Kontakt mit einem Verb steht und das Verb (bzw. der Verbstamm) sich das Nomen (i.d.R. das vom Verb abhängige bzw. geforderte Substantiv, also sein internes Argument) einverleibt. GALLMANN (1999: 283-291) unterscheidet zwischen „Inkorporation im engen Sinne“, „Noun-Stripping“ und „Abstrakte Inkorporation“. „Inkorporation im engen Sinn liegt vor, wenn das inkorporierte Element ein bloßer Wortteil ist.“ (GALLMANN 1999: 283) Damit handelt es sich eigentlich nicht um eine eigene Entstehungsweise, sondern um Rückbildungen oder Konversionen von Nominalkomposita. Abstrakte Inkorporation sind letztlich der normalen Syntax zuzuordnen, da sie Extraktions- und Splitting-Konstruktionen ermöglichen und das vermeintlich inkorporierte Nomen quantifizierbar, erweiterbar, flektierbar und referenzfähig bleibt. Beim Noun-Stripping verliert das ursprüngliche Akkusativobjekt des Verbs diese Eigenschaften. „Der inkorporierte Stamm drückt damit ein Konzept aus und referiert nicht auf bestimmte Entitäten.“ (BUßMANN 32002: 309) Es erfolgt dadurch eine Semantikänderung in Richtung konventionalisierte Handlung. BOOIJ (2008: 14-18; 2009b: 19-22; 2010: 112-115) bezeichnet diesen Prozess als ‚Quasi-Nomen-Inkorporation‘. Auch ihm zufolge können Nomen-Verb-Verbindungen prinzipiell in drei strukturellen Konfigurationen auftreten: als normale Verbalphrasen (VPs), als Quasi-Inkorporationen und als Komposita (die hier eher als Konversionen angesehen werden). Oberflächlich zwar gleich, verhalten sich die drei Strukturen zum einen jeweils syntaktisch unterschiedlich. BOOIJ (2010: 101-102) gibt die verschiedenen Typen als konstruktionsgrammatische Schemata an. Die Eigenschaften sollten auch für das Deutsche gelten, wenn man ndl. aan het durch dt. am, bzw. ndl. geen durch dt. kein und ndl. niet durch dt. nicht ersetzt): (v)

regular syntax: [[… N0]NP V0]VP - N occurs before aan het in aan het INF-construction; - N precedes the complex predicate created by raising of V 0; - N can be negated by negative word geen; - N can be preceded by an adjectival modifier; - N can be stranded in root clauses with V in second position; - the past participle is formed by prefixing ge- to the stem of the V in V0. b. quasi-incorporation (syntactic compounding): [N0 V0]V0 - N occurs after aan het in aan het INF-construction; - N can be raised with V to form a higher clause complex predicate; - N can be preceded by negative word niet; - N cannot be preceded by an adjectival modifier; - N cannot be stranded in root clauses with V in second position; - the past participle is formed by prefixing ge- to the stem of the V in V0. c. morphological compounding: [N V]V0 - the NV appears as a unit in second position in root clauses - N and V cannot be split by syntactic rules - the past participle is formed by prefixing ge- before the N (BOOIJ 2010: 101-102)

a.

Die unterschiedlichen morphologischen Strukturen weisen dabei unterschiedliche semantische Interpretationen auf: die zweite Struktur (c) kann ausschließlich für „conventional actions that require a specific competence and are therefore nameworthy“ (BOOIJ 2010: 107) verwendet werden, wohingegen die erste Struktur (b) beides – „an event or a conventional action“ (BOOIJ 2010: 106) – ausdrücken kann. Rein oberflächlich sind diese Konstruktionen aufgrund ihrer Semantik nur schwer von Rektionskomposita zu trennen.

12

NonV2-Verben im Deutschen

THURMAIR (1997) schlägt deshalb ein neues Wortbildungsmuster – die ‚Konstitution‘ – vor, das alle Prozesse umfasst, die „der Verbindung eines Basisverbs mit anderen, kategorial unterschiedlichen Ausdrücken“ (THURMAIR 1997: 167) dienen. Aufgrund der prinzipiellen Zweiteiligkeit des Verbs ist dieses Muster stets klammerbildend (schließt also syntaktisch nicht-trennbare Produkte aus). Dabei verlieren die Erstglieder gewisse Eigenschaften ihrer Kategorie (bei Substantiven z.B. Referenzfähigkeit und Quantifizierbarkeit) und nähern sich so dem Status einer Partikel an. Allein mit einem neuen Dachbegriff (der sich auch nicht durchgesetzt hat) ist aber das grundsätzliche Problem, dass meist keine eindeutige Basis bestimmt werden kann, noch nicht gelöst. Darüber hinaus können auch nicht-trennbare Verben auf unterschiedliche Arten gebildet worden sein, die damit nicht berücksichtigt werden. Bei vielen der v.a. in dieser Arbeit untersuchten Verbalisierungsprodukte ist ohnehin nicht eindeutig, ob sie klammerbildend, sprich trennbar, sind oder nicht (s. auch Abschnitt 2.2.3.2.). Auch der Begriff ‚verbales Pseudokompositum‘ dient letztlich nur als Sammelbegriff für zweifelhaften Verbindungen, die ein Verb als Stamm haben.18 Wichtig ist, dass es sich bei diesen zweifelhaften Verben dennoch um lexikalische Einheiten handelt; es sind alles komplexe Lexeme. Letztlich kann nur eine gründliche diachrone Studie Indizien für die tatsächliche Entstehung liefern. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass man den Einheiten ihre Entstehung ansieht, weil sie sich besonders verhalten. Das besondere Verhalten kann dann logisch auf den Entstehensprozess zurückgeführt werden; eine Entstehung wird damit theoretisch nachgezeichnet. (FUHRHOP 2007: 20)

Es ist allerdings zweifelhaft, ob der/m durchschnittliche (linguistisch nicht vorgebildete) Sprachbenutzer/in der diachrone Entstehungsprozess jedes Lexems zugänglich ist, von daher sollte der zugrundeliegende Wortbildungsprozess der zu untersuchenden NonV2-Verben letztlich zweitranging sein. KALIUŠČENKO (2000: 7-8) geht sogar soweit zu sagen, dass die N>V-Ableitungsrichtung „dem Empfinden hinsichtlich der Verben staubsaugen, notlanden als sekundäre Bildungen zu Staubsauger und Notlandung“ widerspricht. Von einem synchronen Standpunkt aus lässt sich lediglich eine (morphologisch-)semantische Motiviertheit bzw. ein semantisches Analogieverhältnis zwischen komplexem Verb und z.B. einem komplexem Substantiv bestimmen (vgl. u.a. PITTNER 1998: 104; ERBEN 52006: 40; speziell zu NonV2-Verben s.a. FORTMANN 2007: 6; AHLERS 2010:

18

Es offenbart sich also, dass gerade die zuletzt besprochenen zweifelhaften Verbindungen (v.a. aus Substantiv und Verb) im Grenzbereich zwischen Lexem und Syntagma anzusiedeln sind (vgl. EICHINGER 2006: 1069). Ähnlich wie bei unterschiedlichen Analysen zu Partikelverben, lässt sich nicht eindeutig festlegen, ob es sich um morphologische oder syntaktische Bildungen handelt. Keineswegs überraschend bilden sie auch den kompliziertesten Typ im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung (vgl. z.B. EISENBERG 42013a: 324), vor deren Hintergrund diese Strukturen auch am häufigsten in der linguistischen Literatur diskutiert werden. Offenbar geraten hier verschiedene Schreibprinzipien miteinander in Konflikt (vgl. FUHRHOP 2007: 157-188). Aber auch in Hinblick auf die Groß- und Kleinschreibung sind diese Bildungen entsprechend schwierig und inkonsequent. Die orthografischen Problemfälle können an dieser Stelle allerdings nicht diskutiert werden.

Forschungsstand

13

93-103).19 So bleibt festzuhalten, dass konkrete Wortbildungsprozesse oft nicht eindeutig bestimmbar sind bzw. dass sich Wortbildungsbasen generell nur schwer motivieren lassen. Was die Eingliederung solcher Lexeme ins verbale Paradigma anbelangt – insbesondere bei der Frage nach der Verwendbarkeit im Hauptsatz, d.h. der syntaktischen Trennbarkeit –, sind die Hypothesen widersprüchlich, wie die Beispiele aus FREYWALD & SIMON (2007: 184) zeigen: Dabei scheint die Erweiterung […] auf trennbare Bildungen mit dem gesamten Paradigma [zuzulaufen]. (Günther 1997: 4; Hervorhebung UF / HS) Gebrauchsanalysen und Informantenbefragungen belegen insgesamt […] eine zunehmende Tendenz zu untrennbarem Gebrauch der Verben in den finiten Formen sowie zur Vervollständigung der Paradigmen. (Fleischer / Barz 1992: 353; Hervorhebung UF / HS)

Auch MOSER (1979: 1) und NERIUS (42007: 169) sprechen von einer Tendenz zur Univerbierung, wohingegen die Ausführungen von EISENBERG (42013a: 326-327) oder RONNEBERGER-SIBOLD (1991; 1994) bzw. NÜBLING u. a. (52017: 117-127) eher für eine Tendenz zur (allgemeinen) Klammerbildung (also Trennung bzw. Partikelverbbildung) sprechen.20

2.1.2. Widersprüchliche Aussagen (in der Literatur) Aber nicht nur Details wie Geneseerklärungen und -entwicklungen entsprechender Verben werden unterschiedlich beurteilt; in der einschlägigen Literatur herrscht noch weitgehend Unklarheit darüber, welche Verben überhaupt von der V2-Hemmung betroffen sind. Selbstverständlich gibt es eine große Anzahl komplexer Verben, die ohne Zweifel der Anforderung, in Hauptsätzen die zweite Strukturposition einzunehmen, gerecht werden, sei dies als Ganzes oder getrennt. Einige Beispiele: -

achtgeben (ESCHENLOHR 1999: 150; GALLMANN 1999: 270; EISENBERG 42013a: 326), brandmarken (ESCHENLOHR 1999: 150; MCINTRYE 2001: 59; FORTMANN 2007: 13; EISENBERG 42013a: 324), gewährleisten (WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 150; MCINTYRE 2002: 7; FORTMANN 2007: 13; EISENBERG 42013a: 224), handhaben (ESCHENLOHR 1999: 150; GALLMANN 1999: 286; FORTMANN 2007: 13; AHLERS 2010: 89; EISENBERG 42013a: 224), lustwandeln (WURZEL 1998: 332; ESCHENLOHR 1999: 146; FORTMANN 2007: 13; AHLERS 2010: 18; EISENBERG 42013a: 324), radfahren (WURZEL 1998: 337; ESCHENLOHR 1999: 146; GALLMANN 1999: 270), schlussfolgern (WURZEL 1998: 332; ESCHENLOHR 1999: 146; GALLMANN 1999: 286; FORTMANN 2007: 13; EISENBERG 42013a: 324), stattfinden (WURZEL 1998: 332; ESCHENLOHR 1999: 159; GALLMANN, 1999: 300; VIKNER 2005: 93; EISENBERG 42013a: 326), teilnehmen (WURZEL 1998: 332; ESCHENLOHR 1999: 150; GALLMANN 1999: 269; EISENBERG 42013: 326).

19

Für die untersuchten verbale Pseudokomposita trifft dies nur dann zu, wenn man wie AHLERS (2010: 51, 69, 89, 93-98) davon ausgeht, dass auch z.B. oberflächliche A+V- oder V+V-Verbindungen eigentlich auf ein Nominalkompositum zurückgehen.

20

Letztere ordnen dieses Phänomen in einen größeren funktionalen Zusammenhang stellen und Deutsch als „grenzmarkierende Sprache“ ein (dagegen s. z.B. BITTNER 2010).

14

NonV2-Verben im Deutschen

Bei den in der Literatur diskutierten Verben gibt es eine Reihe (prototypischer) Beispiele, über die sich alle Autor/innen einig sind, dass sie nicht in der linken Satzklammer stehen können, d.h., dass es sich um NonV2-Verben handelt: -

bauchlanden (WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 160; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 12; EISENBERG 42013a: 326)21, bergsteigen (WESTENDORF 1986: 292; WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 150; GALLMANN 1999: 301; VIKNER 2005: 88; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 19; EISENBERG 42013a: 326)22, bruchlanden (WURZEL 1993: 115; ESCHENLOHR 1999: 146; VIKNER 2005: 88; EISENBERG 42013a: 326), 23 ehebrechen (WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 150; MCINTYRE 2001: 54; VIKNER 2005: 88; FORTMANN 2007: 12, AHLERS 2010: 19; EISENBERG 42013a: 326)24, kopfrechnen (PLANK 1981: 162; WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 159; GALLMANN 1999: 301; MCINTYRE 2001: 54; VIKNER 2005: 88; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 17; EISENBERG 42013a: 326), kunststopfen (ESCHENLOHR 1999: 155; MCINTYRE 2001: 51-52; VIKNER 2005: 88; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 20; EISENBERG 42013a: 326), preiskegeln (ESCHENLOHR 1999: 150; VIKNER 2005: 89; FORTMANN 2007: 12; EISENBERG 42013a: 326), strafversetzen (PLANK 1981: 162; STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945; WURZEL 1993: 199; ESCHENLOHR 1999: 150; VIKNER 2005: 89; FORTMANN 2007:12¸ EISENBERG 42013a: 326), uraufführen (HAIDER 1993: 62; STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945; MCINTYRE 2001: 51, 56; VIKNER 2005: 84; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 19; HÖHLE 22019: 370), wettlaufen (STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945; WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 146; MCINTYRE 2001: 54; AHLERS 2010: 27), zwangsräumen (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 47; GÜNTHER 1997: 16; ESCHENLOHR 1999: 160, 167, 237; MCINTYRE 2002: 5; Duden Band 4 92016: 719) zwangsumsiedeln (Duden Band 9 21972: 770-771; ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 47; PLANK 1981: 163; MCINTYRE 2001: 54; Duden Band 9 72011: 1060), zweckentfremden (STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945; ESCHENLOHR 1999: 163; MCINTYRE 2001: 54; VIKNER 2005: 90; FORTMANN 2007:12; EISENBERG 42013a: 326).

Viele Verben werden allerdings nur ein Mal als Beispiel für ein NonV2-Verb herangezogen, so dass deren Aussagekraft nicht besonders groß ist, beispielsweise: -

asbestsanieren (WURZEL 1998: 339), auferstehen (VIKNER 2005: 89), auferwecken (VIKNER 2005: 89), auslautverhärten (ESCHENLOHR 1999: 237), dauerlaufen (ESCHENLOHR 1999: 237), dienstverpflichten (STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945), drehbohren (MCINTYRE 2001: 4), fehleinschätzen (WURZEL 1993: 119), feinschmecken (ESCHENLOHR 1999: 237), gegensprechen (VIKNER 2005: 89), handarbeiten (Duden Band 9 21972: 319), hellsehen (MCINTYRE 2001: 54), kopierschützen (ESCHENLOHR 1999: 237), liegestützen (MCINTYRE 2001: 56), Verben mit rück- als Erstglied (MCINTYRE 2002: 6), Verben mit skalarem über-/unter- als Erstglied (MCINTYRE 2001: 54), volkstanzen (AHLERS 2010: 100), zwangsberaten (ESCHENLOHR 1999: 237), zwischenprüfen (ESCHENLOHR 1999: 237).

21

Vgl. aber MOSER (1979: 58) und WESTENDORF (1986: 289).

22

Vgl. aber WESTENDORF (1986: 289).

23

Vgl. aber MOSER (1979: 58): „ich bergsteige“.

24

MOSER (1979: 59) und WESTENDORF (1986: 294) nehmen als V2- Form „[…] breche die Ehe“ an.

15

Forschungsstand

Es existiert aber auch eine Reihe von Verben, bei denen die Aussagen über ihre V2-Fähigkeit in der Literatur sehr widersprüchlich sind. Diese Fälle sind besonders interessant, denn hier offenbart sich eine eklatante Forschungslücke, die durch die vorliegende Arbeit teilweise geschlossen bzw. zumindest etwas verengt werden soll. Beispiele dafür sind: nicht V2-fähig

25

V2-fähig

-

auferstehen

(VIKNER 2005: 89)

(Duden-Universalwörterbuch 52003: 177)

-

bauchreden

(PLANK 1981: 162; HAIDER 1993: 62, Fn. 8; WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 146; MC INTYRE 2001: 54; VIKNER 2005: 88; FORTMANN 2007: 12; EISENBERG 42013a: 326; HÖHLE 22019: 371)

(WESTENDORF 1986: 290; laut Duden Band 9 [21972: 104] kommen Formen wie z.B. Er bauchredet schon wieder vereinzelt vor; nach Duden Band 9 72011: 141 ist dies nicht möglich)

-

erstaufführen

(VIKNER 2005: 89; FORTMANN 2007: 12)

(nicht bei STERNEFELD 2006: 515 unter den entsprechenden Verben aufgeführt25)

-

brandungsschwimmen

(EISENBERG 42013a: 225)

(GALLMANN 1999: 281, Fn. 5)

-

bruchrechen

(WURZEL 1993: 115; ESCHENLOHR 1999: 146; MCINTYRE 2001: 54; Duden Band 9 7 2011: 204)

(DONALIES 22005: 134)

-

brustschwimmen

(Duden Band 9 21972: 156; GALLMANN 1999: 301)

(MOSER 1979: 58; WURZEL 1998: 332; ESCHENLOHR 1999: 155; MCINTYRE 2002: 4; Duden Band 9 72011: 205; EISENBERG 42013a: 255)

-

fehleinschätzen

(WURZEL 1993: 119)

(ESCHENLOHR 1999: 148)

-

gasbeheizen

(WURZEL 1998: 338)

(MCINTYRE 2002: 6)

-

hohnlächeln

(VIKNER 2005: 90; FORTMANN 2007: 12)

(MOSER 1979: 58; nicht bei STERNEFELD 2006: 515 unter den entsprechenden Verben aufgeführt)

-

hohnsprechen

(VIKNER 2005: 90)

(MOSER 1979: 58; FORTMANN 2007: 12, Fn. 9)

-

lobpreisen

(AHLERS 2010: 25, Fn. 13 [zusammen mit anderen NonV2-Verben])

(ESCHENLOHR 199: 149, Fn. 97; FORTMANN 2007: 13; EISENBERG 42013a: 334)

-

kettenrauchen

(ESCHENLOHR 1999: 146; MCINTYRE 2001: 54)

(MCINTYRE 2002: 5)

-

notlanden

(PLANK 1981: 163; STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945-946; ESCHENLOHR 1999: 146; GALLMANN 1999: 298; MCINTYRE 2002: 7; AHLERS 2010: 40)

(MOSER 1979: 58; WESTENDORF (1986: 290); Duden Band 9 72011: 674; EISENBERG 42013a: 326; vgl. auch unterschiedliche Akzeptanzwerte in FREYWALD & SIMON 2007: 188)

STERNEFELD (32008/2006) führt eine Reihe von Beispielen auf, die er (vermeintlich) STIEBELS & WUNDERLICH (1994) entnommen hat – eine Gegenüberstellung der Beispiele aus verschiedenen Arbeiten zu NonV2-Verben zeigt allerdings, dass es sich um die von VIKNER (2005) besprochenen Verben handeln muss –; einige Verben unterschlägt er dabei, sodass vermutet werden kann, dass er diese möglicherweise nicht für NonV2-Verben hält.

16

NonV2-Verben im Deutschen

-

notschlachten

(PLANK 1981: 163; STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 945; MCINTYRE 2001:

(Duden Band 9 72011: 674)

51) -

nutznießen

(MCINTYRE 2001: 54)

(AHLERS 2010: 18; Duden Band 9 72011: 676)

-

prämiensparen

(MCINTYRE 2001: 54; VIKNER 2005: 90)

(MCINTYRE 2002: 5),

-

schutzimpfen

(PLANK 1981: 163; WURZEL 1998: 339; ESCHENLOHR 1999: 146; MCINTYRE 2001: 52; VIKNER 2005: 89; FORTMANN 2007: 12; AHLERS 2010: 19; EISENBERG 4 2013a: 326)

(WESTENDORF 1986: 290; Duden Band 9 2 1972: 583; Duden Band 9 72011: 822¸ Duden Band 4 92016: 719)

-

vorglühen

(VIKNER 2005: 90)

(FORTMANN 2007: 12, Fn. 9)

-

wetterleuchten

(FORTMANN 2007: 13; AHLERS 2010: 18)

(Duden Band 9 72011: 1018),

-

zwischenlanden

(VIKNER 2005: 90; FORTMANN 2007: 12)

(nicht bei STERNEFELD 2006: 515 unter den entsprechenden Verben aufgeführt)

Tabelle 2: Widersprüchliche Aussagen hinsichtlich der V2-Fähigkeit ausgewählter Verben in der Literatur

Darüber hinaus gibt es diverse Verben, die auch potentiell NonV2-Verben sein könnten; allerdings werden in den entsprechenden Arbeiten keine Aussagen zu morphologischer bzw. syntaktischer Trennbarkeit getroffen. Beispiele sind: -

grundausstatten (WURZEL 1998: 332) handwaschen (WURZEL 1998: 338; AHLERS 2010: 27 [zusammen mit anderen NonV2-Verben]) hartlöten (WURZEL 1998: 338; AHLERS 2010: 27 [zusammen mit anderen NonV2-Verben]) hungerstreiken (EISENBERG 32006: 338)(EISENBERG 32006: 338) klugscheißern (ESCHENLOHR 1999: 238) kollektivbestrafen (WURZEL 1998: 343) kunstturnen, kürturnen (EISENBERG 42013a: 224-225) lebensversichern (EISENBERG 32006: 338) lügenstrafen (ESCHENLOHR 1999: 149, Fn. 97; MCINTYRE 2002: 11) raubkopieren (AHLERS 2010: 15) turmspringen (AHLERS 2010: 27 [zusammen mit anderen NonV2-Verben]) verkehrsberuhigen (WURZEL 1998: 334; MCINTYRE 2002: 5) volkswandern (WURZEL 1998: 343)

Gerade zu dieser letzten Gruppe bieten die in MOSER (1979), WESTENDORF (1986) und v.a. GÜNTHER

(1997) enthaltenen Beispiellisten eine große Sammlung an potentiellen NonV2-Verben,

was ein Indiz dafür ist, dass das verbale Pseudokomposita (und damit vielleicht auch das Phänomen der Stellungsrestriktion) gar nicht so selten sind. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass sich viele der dort angeführten Verben möglicherweise ganz normal verhalten – und gar nicht (mehr) verwendet werden. Andere existieren m. E. überhaupt nur als Substantive (dazu mehr in Abschnitt 3.3.2.1.). In jedem Fall sollten die Ausführungen Beleg genug dafür sein, dass bei diesem Thema mit erheblicher sprecherindividueller Variation zu rechnen ist und dass man einer Erklärung für die Stellungsrestriktion mit einer rein introspektiven Herangehensweise keinen Schritt näher kommt.

Forschungsstand

17

2.2. Faktoren, die die Stellungsrestriktion bedingen (Ansätze) In diesem Unterkapitel werden sämtliche Arbeiten ausführlich beschrieben und kritisch diskutiert, die sich mit dem Phänomenbereich der NonV2-Verben beschäftigen und eine Erklärung oder zumindest Faktoren bzw. Gründe für die Stellungsrestriktion ins Feld führen. Die Diskussion geht dabei nicht wissenschaftschronologisch vor, sondern nach Ansätzen bzw. möglichen Faktoren.

2.2.1. Rückbildung Wie im vorherigen Abschnitt bereits besprochen, handelt es sich bei NonV2-Verben stets um komplexe Verben. Da aber der Großteil des deutschen Verbwortschatzes aus komplexem Verben besteht, kann Komplexität nicht als (alleiniger) Grund für die Stellungsrestriktion gelten. Dennoch gibt es verschiedene Autor/innen, die versuchen, das syntaktische Verhalten komplexer Verben jeweils auf einen typischen Wortbildungsprozess und die Stellungsrestriktion auf den Faktor Rückbildung zurückzuführen – so bereits in der ersten Erwähnung des Phänomens bei STOPP (1957). Als Rückbildung werden traditionellerweise Bildungen (Prozess und Ergebnis) bezeichnet, die durch das Löschen oder Austauschen eines Wortbildungsaffixes26 bei gleichzeitiger Transposition in eine andere Wortart erfolgen (vgl. FLEISCHER & BARZ 42012: 439-440). Es handelt sich also um einen Prozess der Verkürzung (und somit um das Gegenteil zur bzw. die Zurücknahme der Affigierung).27 Anders ausgedrückt, werden hier die Wortbildungsprozesse der Kürzung und der Konversion miteinander verbunden. Beispielsweise wird aus dem Kompositum Notlandung (mit Erstglied Not und Zweitglied Landung) durch Tilgung des Derivationssuffixes -ung und Konversion in die Wortart Verb ein Verbstamm notland-(-en) gebildet (ähnlich kurpfusch(en) < Kurpfuscher). Dies setzt voraus, dass das scheinbar kürzere Rückbildungsprodukt zeitlich nach seiner längeren Rückbildungsbasis aufgekommen sein muss; Rückbildung ist somit ein genuin diachroner Prozess. In diesem Zusammenhang wird häufig argumentiert, dass man Rückbildungsprodukte daran erkennen kann, dass sie in irgendeiner Form defektiv sind, bspw. indem sie (noch) kein vollständiges Flexionsparadigma ausgebildet haben (u.a. EISENBERG 1981: 81; WURZEL 1993: 111; LOHDE 2006: 52; ALTMANN 32011: 47, 62; FLEISCHER & BARZ 42012: 374; EISENBERG 42013a: 225) oder dass bei den Rückbildungsprodukten Formvariation auftritt (u.a. MOTSCH 22004: 48-49; ELSEN 22014: 201; vgl. auch ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 95). Entsprechend wird häufig behauptet, dass NonV2-Verben Rückbildungsverben seien (z.B. PLANK 1981; HAIDER 1993; 2010; STIEBELS & WUNDERLICH 1994; KOOPMAN 1995; STIEBELS 1996; ESCHENLOHR 1999; ZIFONUN 1999; SABEL 2000; MCINTYRE 2001; 2002; ZELLER 2001; 26

BOOIJ (32012: 41) formuliert es noch allgemeiner: „the less complex word is derived from the more complex word by omitting something“ (Hervorhebung CF). Er bezeichnet Rückbildung als die Umkehrung von Derivation.

27

Das rückgebildete Basismorphem kann dann wiederum mit weiteren Affixen verbunden werden.

18

NonV2-Verben im Deutschen

MÜLLER 2002; VIKNER 2005; FREYWALD & SIMON 2007; BOOIJ 2010; MURPHY 2019). ESCHENLOHR (1999: 236) führt die Stellungsrestriktion darauf zurück, dass durch Rückbildung v.a. Verben

mit Initialbetonung entstehen, was dazu führt, dass diese in einen Konflikt mit der sog. Klammerbildungsregel geraten (s. Abschnitt 2.2.2.2.) bzw. die (formale) Ähnlichkeit zwischen rückgebildetem Verb und Ursprungsform (zu sehr) verzerrt wird (s. Abschnitt 2.2.2.3.). FLEISCHER & BARZ (42012: 374) nennen Rückbildungsverben „grammatisch ‚minderwertig‘“. Ob dies wirklich der Fall ist, ist in Anbetracht tatsächlich belegter Rückbildungen wie fernsehen, schlussfolgern und staubsaugen, die ein vollständiges verbales Paradigma aufweisen und (mal syntaktisch getrennt, mal nicht) V2-fähig sind, fraglich.28 „Weil jedoch prinzipiell niemand alle deutschsprachigen geschriebenen und gesprochenen Texte aller Sprachstufen auswerten kann, kann prinzipiell niemals nachgewiesen werden, dass ein Wort vor einem anderen gebildet worden ist.“ (DONALIES 22005: 133-134) Und auch allein die Tatsache, dass ein bestimmtes Verb nicht alle Personal- und Tempusformen aufweist,29 macht es noch nicht zu einem NonV2-Verb im engeren Sinne, welches sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es finite Formen ausgebildet hat, die zwar in VL-Stellung verwendet werden können, aber nicht in V2 (vgl. auch ESCHENLOHR

1999: 147; FREYWALD & SIMON 2007: 183).30 Zwar scheint es tatsächlich so zu sein,

dass Sprachbenutzer/innen, die verbale Pseudokomposita verwenden, ihre Grundformen bevorzugen, da diese eine stärkere Assoziation der zu ihren nominalen Basen aufweisen (vgl. LAMBERTY & SCHMID 2013: 597); dies ist aber kein Grund anzunehmen, dass Defektivität (oder gar Variation) als Indikator für die Entstehungsbestimmung eines komplexen Lexems zu verwenden ist. Ohne das Defektivitäts- und Historizitätsargument (s.a.o.) lässt sich die Rückbildung nur schwer von anderen Wortbildungsprozessen (wie bspw. der Konversion) unterscheiden (vgl. Wunderlich 1986: 100), zumal auch die Ableitungsrichtung bei Konversionen (zumindest ohne diachrone Untersuchungen) nicht in allen Fällen mit Sicherheit angegeben werden kann (HenneEi-Problem).31 Oft kommen für ein- und dasselbe komplexe Verb verschiedene Rückbildungsba-

28

Zwar weist auch staubsaugen eine gewisse Formvariation und sprecherindividuelle Unterschiede auf, was die syntaktische Trennbarkeit anbelangt (s. Abschnitt 3.3.2.3.2.), aber man kann keinesfalls von einer V2-Hemmung sprechen.

29

Entsprechende Parallelen gibt es auch im Englischen, vgl. z.B. babysit – ?babysat, sightsee – ?sightsaw, broadcsat – ?broadcast (vgl. PLANK 1981: 266, Fn. 90; TAYLOR 2012: 66-67; s. aber BOOIJ 1989: 25-26).

30

Wie in Fn. 11 argumentiert, können V2-Vorkommen nicht als eigene Paradigmazellen angesehen werden. Dass ein Verb, das keine finiten Formen aufweist, auch nicht in V2-Stellung vorkommen kann, ist trivial.

31

Zur Beantwortung dieser Frage werden immer wieder verschiedene Kriterien ins Feld geführt (Produktivität von Kategorienwechsel generell, Semanalysen bzw. semantische Motiviertheit; vgl. LOHDE 2006: 49), allerdings liefern auch die nie eindeutige Ergebnisse (vgl. auch BERGENHOLTZ & MUGDAN 1979: 160-161). Für die Fragestellung dieser Arbeit problematisch ist, dass es Verben wie wettlaufen oder wettrennen gibt, die als Konversionsprodukte gelten, somit in V2-Stellung auftreten können, dies aber nicht tun (FORTMANN 2015: 595, 609; DEN DIKKEN 2003: 19-20). Damit zusammen hängt das Problem, dass bei bestimmten Lexemen möglicherweise von vornherein nicht eindeutig ist, zu welcher Klasse sie gehören. Ein möglicher Ausweg wäre zu sagen, dass Lexeme kategoriell unterspezifiziert sind und ihr Status durch den syntaktischer Kontext klar wird (vgl. BERGENHOLTZ & MUGDAN 1979: 347; RIJKHOFF 2007: 715-716).

Forschungsstand

19

sen bzw. sogar Wortbildungsarten in Frage: ist ehebrechen das Rückbildungsprodukt von Ehebruch oder Ehebrecher (STERNEFELD 2006: 519); oder handelt es sich doch eher um ein Konvertat des substantivierten Infinitivs das Ehebrechen (EICHINGER 2000: 171); oder ist es durch Inkorporation aus (die) Ehe brechen entstanden (FREYWALD & SIMON 2007: 183)? DONALIES (22005: 133135) und MOTSCH (22004: 49-50) bestreiten sogar, dass es den Prozess der Rückbildung überhaupt gibt (s. auch BERGENHOLTZ & MUGDAN 1979: 158-159). Und selbst wenn ist „eine Unterscheidung zwischen Rückbildung und Konversion in vielen Fällen nicht möglich“ (ESCHENLOHR 1999: 239). Als (ausweichender) Kompromiss für solche Bildungen wird häufig der Terminus ‚verbale Pseudokomposita‘ (MOSER 1979) verwendet. Der ‚Pseudocharakter‘ besteht darin, dass ihre Form die Konstituentenstruktur eines Kompositums vortäuscht, „deren Herkunft aber anders zu erklären ist“ (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 3, vgl. auch FUHRHOP 2007: 50).32 FREYWALD & SIMON (2007: 186187) vergleichen aber verschiedene Verben unterschiedlichen Wortbildungstyps miteinander und zeigen, dass die „V2-Fähigkeit von Verben und ihre syntaktische (Un-)Trennbarkeit [...] nicht vordergründig durch die Art ihrer morphologischen Entstehung beeinflusst“ (FREYWALD & SIMON 2007: 192) werden (siehe Abschnitt 2.2.7.3.). Für weitere Argumente, warum Rückbildung nicht für die V2-Hemmung verantwortlich gemacht werden kann, s. FORTMANN (2007: 6-10) und DEN DIKKEN (2003: 19-29). Rückbildung kann also kein ausschlaggebender Faktor sein; er kann aber mittelbar einen Einfluss haben, insofern als, dass verbale Pseudokomposita offenbar eine Oberflächenstruktur aufweisen, die zu konfligierenden Wohlgeformtheitsbedingungen (s. Abschnitt 2.2.2.) oder zu einer Unbestimmtheit des kategorialen Status des präfigierten Elements (s. Abschnitt 2.2.3.) führen kann.

2.2.2. Ansätze zu konfligierenden Wohlgeformtheitsbedingungen Das Problem der Stellungsrestriktion bei NonV2-Verben wird in der einschlägigen Literatur am häufigsten auf einen wie auch immer gearteten Konflikt zwischen zwei widerstrebenden Anforderungen zurückgeführt. Die Sprachbenutzer/innen stehen hier vor einem nicht lösbaren Dilemma.33 Dies besteht darin, dass zwei unterschiedliche Anforderungen konfligieren: die Erfüllung der einen Anforderung würde zwangsläufig zu einer Verletzung der anderen

32

FUHRHOP (2007: 21) nennt als Bedingungen für Rückbildung das Fehlen eines korrespondierenden regulären Syntagmas, das Vorhandensein einer alternativen Wortbildung sowie, aufgrund der Herleitungsverhältnisse, eine niedrigere Frequenz gegenüber der Rückbildungsbasis,32 aber auch das sind keine klaren Kriterien. Dass es sich nicht um Komposition handeln kann, lässt sich u.a. an der beschränkten Kombinierbarkeit von Substantiven mit Verben erkennen (vgl. MORCINEK 2012: 83), denn diese können nicht beliebig ausgesucht bzw. ausgetauscht werden.

33

FREYWALD & SIMON (2007: 185) nennen diese Art Ansätze deshalb auch „Buridan-Ansätze“. Sie beziehen sich auf ein Gleichnis, das (fälschlicherweise) dem Scholastiker Johannes Buridan zugeschrieben wird: Ein Esel steht genau in der Mitte zwischen zwei völlig gleichartigen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert, da es bei gleichen Motiven keinen vernünftigen Grund gibt, sich für einen der beiden Heuhaufen zu entscheiden.

20

NonV2-Verben im Deutschen

führen. Dabei sind meist verbinterne Anforderungen gemeint, nämlich ob das Präverb abzutrennen sei oder nicht (vgl. auch FREITAG 2019: 15-20). Die einzelnen Ansätze unterscheiden sich letztendlich nur in dem postulierten Grund, woher dieser Konflikt rührt.

2.2.2.1. Konfligierende Präverben (Doppelpartikel) HAIDER (1993: 62)34 zufolge ergibt sich die Unbeweglichkeit der Verben des Typs uraufführen aus einem Widerspruch zwischen dem Vorkommen einer trennbaren Partikel (auf-), die näher am Stamm steht und bei Bewegung nach V2 allerdings in situ bleiben würde, und einem untrennbaren Präfix (ur-), das sich zusammen mit dem Verb bewegen müsste. Beiden – widerstrebenden – Wohlgeformtheitsanforderungen kann das Verb nicht zugleich genügen. Das ur-Präfix schließt die Partikel gewissermaßen ein. Mit anderen Worten: die Sprachbenutzer/innen haben die Wahl zwischen zwei Regelverletzungen. Aus diesem Grund wird V2 meist vermieden. Das komplexe Verb kann demzufolge nur in Positionen vorkommen, die diesem Konflikt entgehen, d.h. in VL-Stellung; diese erachtet HAIDER (1993: 62) als „Grundposition“.35 Ganz ähnlich argumentiert KOOPMAN (1995) am Beispiel niederländischer Verben wie heruitgeven, herindelen, etc: „Particle verbs prefixed with her- fail to undergo V2, because the requirements that a particle must be stranded under V2 and that her- must pied-pipe somehow conflict“ (KOOPMAN 1995: 142).36 Auch bei BOCK V. WÜLFINGEN (2009: 19) und ZIFONUN (1999: 218) trifft man auf eine derartige Argumentation. Während KOOPMAN (1995) ausschließlich eine Partikel, nämlich her- ‘wieder’ betrachtet (vgl. DEN DIKKEN 2003: 21 für weitere Kritik), analysiert HAIDER (1993) zumindest Verben mit zwei präfigierten Elementen – präziser gesagt: Verben, die eine abtrennbare Partikel aufweisen, der ein untrennbares Präfix vorausgeht. Diese seltene und spezielle Form (Präfix-Partikel-Verb) kann aber nicht ausschließlich Grund für die Stellungsrestriktion sein, da man mit beauftragen, verabreichen, überanstrengen (vgl. z.B. STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 926), bezuschussen und veranschlagen eine Handvoll Verben findet, die sich erwartungsgemäß verhalten. Darüber hinaus gibt es Verben, die zwei abtrennbare Partikeln aufweisen und auch als nicht V2-fähig gelten, z.B. voranmelden (vgl. VIKNER 2005: 85; s. auch Abschnitt 3.3.1.4. und 3.3.3.1.). Demgegenüber

34

HAIDER (1993) gilt als der erste, der eine grammatiktheoretische Analyse für die NonV2-Verben vorschlägt (vgl. aber PLANK 1981: 161-165). Eigentlich beruft er sich aber auf Bemerkungen von HÖHLE (1991; 22019) (zu einem Aufsatz von Frey & Tappe 1991 zur „Interpretation der X-bar-Theorie und zur Syntax des Mittelfeldes“), der allerdings selbst keine Lösung bzw. Analyse formuliert (was aber auch gar nicht seine Absicht ist: „Wie die Struktureigenschaften von V e und V0 [...] genau zu formulieren sind, liegt nicht auf der Hand. Es dürfte vorteilhaft sein, diese Frage nicht jetzt im Entwurf eines ‚Fragments‘ eilig lösen zu wollen.“ [HÖHLE 22019: 372]).

35

Generell nutzt HAIDER in seiner generativen Analyse (finite) Verben, die nur in Verbletztstellung auftreten können, um gegen V-zu-I-Anhebung zu argumentieren.

36

KOOPMAN (1995: 156-159) nimmt weiterhin an, dass das äußerste der beiden Präverbien, also her-, overtes Abgleichen von Finitheitsmerkmalen blockiert. Dies wiederum bedeutet, dass nur LF-Abgleich möglich ist, was wiederum bedeutet, dass keine overte Bewegung zu einem merkmalsabgleichenden Kopf möglich ist.

21

Forschungsstand

existieren aber auch Verben mit mehreren präfigierten Elementen, die V2-fähig sind, z.B. abbestellen, wiederaufbauen, vorankommen, hinausgehen.37 Problematischer für die Analyse ist allerdings der Status von ur-, welches Haider als untrennbares Präfix ansieht. Entsprechend müsste beispielsweise ursenden V2-fähig (syntaktisch ungetrennt) sein, was aber nicht der Fall ist (vgl. FORTMANN 2015: 603; s. auch Abschnitt 3.3.1.1.). Ur- wird aber i.d.R. nicht zu den Verbalpräfixen gezählt (vgl. z.B. FLEISCHER & BARZ 42012: 115, 260-262, 354, aber nicht unter 377; DONALIES

2

2005: 99-100, 109, aber nicht unter 114-119; siehe auch WIESE 1996: 294). AHLERS (2010:

37) merkt darüber hinaus an, dass es sich bei ur- überhaupt nicht um ein Präfix handeln kann, „da Präfixe im Allgemeinen nicht betonbar sind; uraufführen ist aber anfangsbetont, sodass ur- möglicherweise eine Partikel sein kann; diese sind aber grundsätzlich abtrennungspflichtig, was mit der Haiderschen Erklärung gänzlich nicht einhergeht.“ 38 Dies lässt sich aber mir dem überarbeiten Ansatz von HAIDER (2005; 2010) vereinbaren, wo er nunmehr von „verbs with multiple separable prefixes“ (HAIDER 2010: 54) bzw. „verbs with more than one separable prefix“ (HAIDER 2010: 58, Hervorhebung im Original) spricht. Anhand der Beispiele in (5) argumentiert HAIDER (2010: 59) wie folgt:39 (5) a. b. c.

* Er kündigtei es vor-an-ei * Er an-kündigtei es vor-ei * Er vor-an-kündigtei es ei

If in (4c), kündigte moves [...], and an- is correctly stranded, vor- would still be attached to a morpheme, namely an-, and not a verbal trace, hence it would not count as stranded (4a). So it is ill formed, since vor- is a separable particle and thereby requires stranding. If, however, voris stranded (4b), the ankündigte must have moved. But then an- is not stranded and is therefore ill formed, just like (4c), with no stranding at all.

Letztlich ergibt sich derselbe Wohlgeformtheitskonflikt; es gibt keine (V2-)Konstellation, die die Anforderungen beider Partikeln gleichzeitig erfüllen kann. Beide Partikeln wollen jeweils alleine (mit der Verbspur) ‚gestrandet‘ werden. Der Ansatz an sich ist allerdings sehr theorieintern argumentiert (auch ohne empirische Motivation). Es erscheint nicht ganz einleuchtend, warum die beiden Partikel nicht zusammen in der rechten Satzklammer zurückbleiben können, wenn doch die Verbspur quasi für das Verb an sich steht. Warum können sie mit dem lexikalischen Basisverb gemeinsam in der rechten Satzklammer stehen, mit der entsprechenden Verbspur aber nur allein? DEN DIKKEN (2003) versucht dieses Problem durch eine genauere Differenzierung der involvierten Partikeln zu lösen. Ihm zufolge gibt es zwei Arten von Partikeln: Die meisten Partikeln

37 38 39

Bei den letzten beiden lässt sich einwenden, dass die Erstglieder zusammengesetzte Adverbien sind, die eine Einheit bilden. Generell hält AHLERS (2010: 82) hält ur- nicht für ein produktives Erstglied. Zu weiteren Kritikpunkten s. AHLERS (2010: 81-82). Bei HAIDER (2010: 59) ist es Beispiel (4). In seiner Darstellung fehlt das Index-i am bewegten Basisverb; dies wurde hier ergänzt. Das ‚e‘ steht für die Verbspur. Hervorhebungen erfolgen wie im Original.

22

NonV2-Verben im Deutschen

sind θ-Partikeln, die Komplemente des Verbkopfes sind,40 und damit eine Thetarolle an das Objekt vergeben, wodurch sie Accomplishments erzeugen. Sie können sich gemäß Binärverzweigungshypothese (s.a. HAIDER 2013: 105) (eigentlich) nicht mit weiteren θ-Partikeln verbinden, außer wenn sie unter bestimten Umständen in den Verbkopf inkorporiert werden (DEN DIKKEN 2003: 3-7).41 Daneben gibt es noch Asp-Partikeln, die basisgeneriert, also syntaktisch nicht autonom sind, und stets links von anderen Partikeln stehen und Skopus über die gesamte VP haben. DEN DIKKEN (2003: 9) rechnet sie somit der Flexionsmorphologie zu. Asp-Partikeln hängen von Accomplishments als Objekte ab. Aus diesem Grund können sie mit θ-Partikeln – und zwar nur in dieser Reihenfolge – kombiniert werden,42 aber nur wenn die θ-Partikel inkorporiert wird (DEN DIKKEN 2003: 11-13).43 Sie dient gewissermaßen als Wirt für die Asp-Partikel. Die beiden Partikeln verschmelzen miteinander und bilden innerhalb des komplexen Verbs eine Konstituente. Daraus ergeben sich vier mögliche Typen von Doppelpartikelverben (nach

DEN

DIKKEN 2003:

16, ohne Beispielangaben):44 DOUBLE PARTICLE VERB TYPE VERB Type I (voor-aan-melden) Type II (her-af-drukken) Type IIIa (voor-ver-kopen) Type IIIb (door-ver-kopen) Type IIIc (over-ver-hitten) Type IV (her-ver-delen)

VERB SECOND OF COMPLEX * * * * ? ‫ط‬

VERB SECOND WITH STRANDING ?* ?? ?* ‫ط‬

*

Tabelle 3: Vier Typen niederländischer Doppelpartikelverben und ihr Verhalten in V2 (nach DEN DIKKEN 2003: 16)

In Type I (the vooraanmelden type), neither particle is inherently affixal — i.e., both voor and aan in principle occur as free-standing particles (though aspectual voor in the sense of pre- is always prefixal). Type II involves a prefixal aspectual particle and a potentially free-standing θPrt. Type III is the combination of a potentially free-standing left-hand particle (although, once again, in their incarnations as aspectual particles they are in fact always prefixal) and a prefixal θparticle. And finally, Type IV features two inherently affixal particles. (DEN DIKKEN 2003: 16)45

40

Ähnlich wie ZELLER (2001) nimmt auch DEN DIKKEN (2003; 1995) (auf Basis von KAYNE 1985 u. GUÉRON 1990) an, dass Partikelverben als autonome Maximalprojektion innerhalb der Minimal-VP generiert werden und die VP nicht durch ‚scrambling‘ verlassen können. Partikelköpfe projizieren ihre eigenen Maximalprojektionen (Partikeln als syntaktisch autonome Konstituenten)

41

Dabei handelt es sich um eine last resort-Strategie, die eingesetzt wird, wenn z.B. keine funktionale Struktur vorliegt (DEN DIKKEN 2003: 5) oder wenn Partikeln mit anderen Partikeln kombiniert werden ( DEN DIKKEN 2003: 8).

42

θ-Partikeln können aufgrund der Binärverzweigungshypothese nicht miteinander kombiniert werden. Asp-Partikeln können nicht mit einander kombiniert werden, da der funktionale Kopf außerhalb der VP für nur ein Aspektmerkmalsbündel spezifiziert sein kann, andernfalls hätte dies eine Verletzung von Full Interpretation zur Folge.

43

Das sagt voraus, dass Doppelpartikelverben nie intransitiv sein können. Auf den Großteil der 158 in der Korpusstudie (s. Kapitel 3) untersuchten Doppelpartikelverben trifft dies auch tatsächlich zu; allerdings gibt es Ausreißer wie ersteindringen, ersteinsitzen, ersteintreten, ersteintreffen, ersteingehen, ersteinreisen, erstaufblühen, strafbergsteigen, strafabsitzen, zwangsausloggen.

44

DEN DIKKEN (2003: 35, Fn. 17) konzentriert sich vornämlich auf das Niederländische (insb. bei den auf Intuition beruhenden Grammatikalitätsurteilen), seine Analyse gelte aber für alle germanischen Sprachen.

45

Es ist möglicherweise einfacher, die Typen Pt-Pt-V, Px-Pt-V, Pt-Px-V und Px-Px-V anzusetzen (wobei Pt für das, was traditional Partikel, und Px für das, was traditionell Präfix genannt wird, steht).

23

Forschungsstand

Daraus lassen sich folgende Generalisierungen ableiten (DEN DIKKEN 2003: 18): ▪

wenn θ-Partikel nicht-affixisch ist,46 kann das Verb nicht in V2 stehen (I/II),



wenn die Asp-Partikel nicht-affixisch ist und die θ-Partikel affixisch, ist V2 unstabil (III),



wenn beide Asp-Partikeln oder beide θ-Partikeln affixisch sind, ist V2 problemlos möglich (IV)

Die Kombination aus Asp-Partikel und θ-Partikel kann nicht (zusammen) gestrandet werden, da die θ-Partikel basisgeneriert (inkorporiert) wird und affixisch (Präfix) ist. Wenn eine Asp-Partikel hinzukommt (III/IV), ändert das nichts an der Nichttrennbarkeit. Wenn aber eine θ-Partikel nicht affixisch ist (I/II), hält sie im Prinzip nichts davon ab, trennbar zu sein (auch mit AspPartikel). Die Vorhersage wäre, dass die Substruktur [θ-Prt Asp-Prt + θ-Prt] (ohne Inkorporation) als komplexe Partikel zusammen trennbar ist, was aber nicht voll grammatikalisch ist. DEN DIKKENs

(2003: 24) Erklärung hierfür ist, dass auch, wenn Asp-Partikeln von θ-Partikeln abhängig

sind, sie doch auch eine enge Beziehung zum Verb haben. Dies erkenne man z.B. daran, dass sie direkt mit Verben verbunden werden können, aber nicht z.B. mit Substantiven. Diese beiden Abhängkeitsbeziehungsbedingungen können nicht simultan erfüllt werden, weshalb V2 vermieden wird. Einen weiteren Hinweis sieht

DEN DIKKEN

(2003: 25-28) in der Platzierung des Infi-

nitivmarkers zu, worauf in Abschnitt 2.2.6. noch näher eingegangen wird. Das größte Problem, unter dem die Ansätze von HAIDER (1993; 2010), KOOPMAN (1995) und DEN DIKKEN (1995) leiden, ist, dass sie ausschließlich Doppelpartikelverben analysieren.47 Es existiert allerdings eine viel größere Gruppe von Verben mit nur einem präfigierten Element, bei denen folglich der Wohlgeformtheitskonflikt gar nicht erst auftreten dürfte, die aber trotzdem nicht V2-fähig sind (vgl. VIKNER 2005: 85), z.B. ehebrechen, schutzimpfen. DEN DIKKEN (2003: 37, Fn. 27; 41, Fn.35) gibt zwar am Rande an, dass seine Analyse auch auf derartige verbale Pseudokomposita mit nominalen Erstglied zutrifft, motiviert dies aber nicht. Es stellt sich die Frage, was der Unterschied zwischen beispielsweise teilnehmen und bausparen ist, bzw. anders gefragt, was ist der Grund, warum bau offenbar inkorporiert werden muss. Selbst wenn man tatsächlich nur Doppelpartikelverben betrachtet, bleibt unklar, warum die beiden Partikeln nicht zu einer komplexen Partikel reanalysiert werden können (wie z.B. bei ZIFONUN 1999: 218). Auch wenn diese Analysen den empirischen Prämissen nicht genügen bzw. nicht alle Fälle abdecken, hebt sie doch eine wichtige Beobachtung hervor, der viele der im Folgenden besprochenen Analysen nicht Rechnung tragen, nämlich dass bestimmte NonV2-Verben oberflächlich die Form von Doppelpartikelverben haben.48

46

Es ist egal, ob die Asp-Partikel affixisch ist oder nicht.

47

Die an diverser Stelle geäußerte Kritik an HAIDER (1993), seine Analyse decke nicht alle Fälle von immobilen Verben ab (u.a. VIKNER 2005: 85; STERNEFELD 2006: 519; FORTMANN 2007: 4; AHLERS 2010: 36), ist insoweit zurückzuweisen, als dass er bausparen und bauchtanzen in Fußnote 8 zwar erwähnt, allerdings für diese Verben keine Analyse formuliert.

48

Überhaupt ist es das Verdienst HAIDERs, das Problem der Stellungsrestriktionen sowie einen Lösungsansatz in die linguistische Diskussion eingebracht zu haben.

24

NonV2-Verben im Deutschen

2.2.2.2 Initialbetonung ESCHENLOHR (1999) geht zunächst von einem morphologischen Ansatz aus und versucht, wie bereits in Abschnitt 2.2.1. erwähnt, das Entstehen von verbalen Pseudokomposita anhand von formalen Kriterien und morphosyntaktischem Verhalten zu unterscheiden und so das Verhalten komplexer Verben auf bestimmte Wortbildungsprozess zurückzuführen. Ihr zufolge entstehen verbale Pseudokomposita im Deutschen durch Rückbildung, Konversion und Zusammenrückung. Deren Produkte verhalten sich morphosyntaktisch unterschiedlich, wie folgende Tabelle (ESCHENLOHR 1999: 152, 237) zusammenfasst: Bildungstyp synt. Zusammenrückung Rückbildung Konversion

Morphosyntaktisches Verhalten synt. u. morphol. trennbar morphologisch trennbar nicht trennbar

Tabelle 4: Zusammenhang zwischen dem morphosyntaktischen Verhalten verbaler Pseudokomposita und ihrer Genese nach ESCHENLOHR (1999: 152, 237)

Verben, die nicht in V2-Stellung stehen können, ordnet sie der Rückbildung49 zu. Als Rückbildungsprodukte sind sie zwar morphologisch (durch -ge- und zu), aber nicht syntaktisch trennbar. Dies liegt daran, dass aufgrund der Akzentverhältnisse der Wortbildungsbasis v.a. Verben mit Initialbetonung entstehen, was zu einem Konflikt führt, den ESCHENLOHR (1999: 236) wie folgt charakterisiert: „Es gilt die Regel, daß betonte Erstglieder von komplexen Verben in Verbzweitstellung getrennt werden und eine Verbklammer bilden.“ Diese Klammerbildungsregel, die an die morphologische und prosodische Struktur von Verben gekoppelt ist, sei aber nur auf wenige Möglichkeiten begrenzt: auf Partikel-Präpositionen wie auf, ab, an, ein, vor, zu, heim, weg50 etc., auf Partikel-Adverbien wie hinunter, herüber, hinaus, hinüber etc. und auf eine heterogene Restklasse von reanalysierten partikelartigen Elementen, die mit ihren Basisverben Reihen bilden, wie preis, kopf, probe, stand, halt, statt, teil etc.51 Wollen Sprachbenutzer/innen allerdings Rückbildungsprodukte in V2-Stellung verwenden, haben sie die Wahl zwischen zwei Regelverletzungen: entweder verstoßen sie gegen die Verbklammerregel oder bilden eine Verbklammer mit einem Element, das nicht zur geschlossenen Klasse der Verbpartikeln gehört. Aus diesem Grund werden V2-Kontexte meist vermieden (ESCHENLOHR 1999: 161, 236). Sie können auch nicht als Ganzes nach V2 bewegt 49

ESCHENLOHR (1999: 145) definert ‚Rückbildung‘ von der traditionellen Forschungsliteratur weitgehend abweichend als einen Abduktionsvorgang, [...] bei dem aus einem Derivat auf die Derivationsbasis geschlossen wird. Dabei ist weder gefordert, daß die Basis ‚länger‘ sein muß als der rückgebildete Stamm, noch sind damit Operationen wie Suffixtilgung oder -ersetzung verbunden. Es findet auch kein Wortartenwechsel im Sinne einer Umkategorisierung statt [...]. Bedingung ist allein, daß es ein zur Rückbildung konverses - d.h. [...] deverbales - Wortbildungsmuster geben muß. Identifizierbar ist eine rückgebildete Basis dadurch, daß es sich a) um eine ‚neue‘ Lexikoneinheit handelt und/oder b) um eine Lexikoneinheit, die aufgrund ihrer morphologischen Eigenschaften nicht durch einen anderen produktiven Wortbildungsprozess (Affigierung, Komposition, Konversion) entstanden sein kann.

PLANK (1981: 202) verfährt ähnlich. Ihm zufolge werden Rückbildungen spontan gebildet. Sie erscheinen eher zufällig und in den wenigsten Fällen werden sie etabliert (FUHRHOP 2007: 20). (Für einen Überblick über weitere Erklärungs- und Formalisierungsansätze zu Rückbildungen s. Štekauer 2015) 50

V.a. die letzten beiden sind m.E. nicht als Präpositionen, sondern als (ggf. reanalysierte partikelartige) Substantive zu werten.

51

Die Regel greift nicht bei Fällen wie antworten, heiraten usw., die die Betonung auf der ersten Silbe haben, ohne morphologisch strukturiert zu sein. Genauso wenig betrifft sie Verben wie unterjochen, hintergehen, die zwar morphologisch komplex sind, aber den Hauptakzent auf dem Stamm tragen (ESCHENLOHR 1999: 236).

Forschungsstand

25

werden, da laut ESCHENLOHR (1999: 160) das Erstglied in Analogie zu Verb-Objekt-Verbindungen als Objekt aufgefasst werden könne. Es sei aber nicht erlaubt, ein Objekt und ein finites Verb zusammen in die linke Satzklammer zu verschieben. Zusammengefasst ist aufgrund eines strukturellen Drucks, den einerseits Partikelverben, andererseits Verb-Objekt-Verbindungen auslösen, weder Abtrennung noch Zweitstellung für derartige Verben möglich. Zunächst einmal betrachtet ESCHENLOHR (1999) ausschließlich Verben mit substantivischem Erstglied; somit erfasst auch sie nicht alle möglichen NonV2-Verben. Darauf, dass ESCHENLOHRs (1999: 236) Reihenbildungsargument falsche Vorhersagen trifft, wird in Abschnitt 3.3.3.3. noch einmal genauer eingegangen. Die Problematik wird allerdings schon deutlich, wenn man Verben betrachtet, die skalare Präfixe wie über-, unter- (‘zu viel, zu wenigʼ) aufweisen (überfordern, unterbieten, überbewerten, etc.). Derartige Erstglieder sind nicht nur reihenbildend, sondern sehen exakt wie Präpositionen aus, weshalb die Klammerregel eigentlich greifen müsste. MCINTYRE (2001: 54; 2002: 1) hält Verben mit skalaren Präfixen aber für syntaktisch nicht trennbar und auch nicht V2-fähig. Generell führt aber auch er die Fähigkeit, dass Verben (v.a. syntaktisch getrennt) in V2-Stellung stehen können auf phonologische Bedingungen zurück. Trennbarkeit bzw. Diskontinuität im Deutschen sieht er aber als einen Eingriff der Syntax. Trennung passiert unabhängig vom Grad der semantischen und/oder morphologischen Einheit,52 sondern wird von Betonungsverhältnissen ausgelöst. MCINTYRE (2011: 53) stellt zwei Hypothesen auf, von denen die erste eine diachrone ist, die die Veranlagung des Deutschen zur Trennbarkeit begründen soll; die zweite bildet das Kernstück seiner Arbeit:53 a. The separability of pv’s [particle verbs] occurs in modern German because they were syntactic structures in earlier stages of the language and as such were subject to discontinuity. b. Stress Hypothesis: Separability is synchronically automatically triggered by the accentuation of the particle and is not necessarily symptomatic of a lack of a morphological and semantic unity between the constituents.

Genauer gesagt bedeutet das, dass die Trennbarkeit komplexer Verben mit der Betonung auf der ersten Konstituente zusammenhängt (MCINTYRE 2001: 53). Als Argument, um die Stress Hypothesis zu belegen, führt MCINTYRE (2001: 54) u.a. eben diese Verben mit skalaren Präfixen an – wenn der Verbstamm, zu dem diese hinzugefügt werden, mit einer unbetonten Silbe beginnen, wird das (eigentlich unbetonte) Präfix betont (um eine Abfolge unbetonter Silben zu vermeiden) und folglich in entsprechenden V2-Kontexten abgetrennt. Die Stellungsrestriktion der in dieser Arbeit untersuchten Verben, die MCINTYRE (2001: 54-60) als „defective verbs“ bezeichnet und

52

Dem widerspricht MCINTYRE (2001: 58) später (s.u.).

53

Es sei darauf hingewiesen, dass MCINTYRES (2001: 1) Untersuchungsgegenstand ausschließlich Doppelpartikelverben mit Erstgliedern der Form herab, hinab, heran, hinan, ran sind; diese sind syntaktisch trennbar. Seine Arbeit kann als Plädoyer für die Stress Hypothesis gelesen werden. Er nutzt Non-V2-Verben nur als Argument, um die Stress Hypothesis zu belegen. Er nimmt sich später etwas zurück und sagt „stress on the initial constituent of a complex verb is sufficient to create a tendency toward seperation, which may or may not be overridden by other factors.“ (MCINTYRE 2001: 60) Siehe hierzu Abschnitt 2.2.4.

26

NonV2-Verben im Deutschen

größtenteils zu den Rückbildungsverben54 zählt (MCINTYRE 2001: 55), interpretiert er „as an avoidance of forms where a choice must be made between seperability and inseperability“ (MCINTYRE

2001: 55). Die (durch die Stress Hypothesis begünstigte) Tendenz zur Trennung, sowie die

reiche Verbalflexion des Deutschen würden allerdings dazu führen, dass die (formale) Ähnlichkeit zwischen rückgebildetem Verb und Ursprungsform (zu sehr) verzerrt wird (s.a. nächster Abschnitt). Aus diesem Grund würden Sprachbenutzer/innen nicht trennen (und z.T. auch nicht flektieren); „subordinate clauses do not force a decision on seperability“ (MCINTYRE 2001: 57). Der Initialbetonungsansatz ist nicht problemfrei. Wenn Akzent alleine wirklich so ein dominanter Faktor wäre, bleibt unklar, warum nur bestimmte (Gruppen von) Verben von der Stellungsrestriktion betroffen sind. Warum wirkt ausgerechnet bei Verben mit skalaren Präfixen – selbst wenn die Akzentzuweisung auf außergewöhnliche Art erfolgt – die Trennung weniger natürlich als die Nichttrennung (z.B. missverstehen, wo sowohl Trennung als auch Nichttrennung vorkommen kann, s. ZELLER 2001: 65-66; BECKER & PESCHEL 2003: 95; u.a.)? Wenn Konflikt zwischen Betonungs- und Klammerregel verhindert, dass erstbetonte komplexe Verben in V2 stehen können, dann ist nicht einsehbar, warum sich (zahlreiche) Beispiele erstbetonter Verben finden lassen, die als Ganzes V2-fähig sind. Frühstücken, schriftstellern und schiedsrichtern ließen sich wohl über den Entstehungsprozess der Konversion erklären; aber ist dies auch bei mutmaßen, radebrechen, brandmarken und bauchpinseln der Fall, bei denen man klar eine morphologische Struktur erkennen kann? Wie bereits bemerkt, ist der Bildungstyp meist ohnehin nicht eindeutig bestimmbar (s.a. FREYWALD & SIMON 2007: 192 u. Abschnitt 2.2.7.3.). Hinzu kommt, dass bei vielen rückgebildeten Verben das Erstglied als Objekt interpretiert werden (vgl. auch BOOIJ 2010: 99-108) und somit das Zweitglied als finites Verb in V2 stehen kann; das Objekt wird nicht mitbewegt. Viel genereller ist nicht verständlich, warum, selbst wenn die Trennbarkeit der Erstglieder der Tatsache geschuldet ist, dass sie sonderbar betont werden, Partikelverben ohne Probleme getrennt werden können.55 Auch ist nicht ganz einzusehen, warum syntaktische Trennung, also Klammerbildung, die Ähnlichkeit zwischen rückgebildetem Verb und Ursprungsform so stark verzerren soll, wenn das Deutsche doch ohnehin zu klammernden Verfahren als „Mittel zu dem Zweck [...], Konstituentengrenzen zu markieren [neigt]. Diese Markierung entspricht einem Bedürfnis des Hörers; sie erleichtert [...] die syntaktische Dekodierung“ (RONNEBERGER-SIBOLD 1991: 228). Darüber hinaus würde MCINTYREs (2001) Akzentargumentation – v.a. bei Kontrast- oder Emphasefokus – Übergeneralisierungen vorhersagen: Wie jedes andere Präfixverb tragen beispielsweise unterschätzen und überschätzen ihre Hauptbetonung auf

54

Formal teilt MCINTYRE (2001: 54) defektive Verben zunächt in vier Gruppen ein (a. verb stem + verb; b. [scalar prefix][verb with unstressed initial syllable]; c1. backformation with the structure [element which was originally the nonhead of a complex noun][verb]; c2. noun + verb). V.a. letztere können nur gebildet werden, wenn das (komplexe) Ausgangsnomen lexikalisiert oder ein agentives Nomen auf -er ist (MCINTYRE 2001: 59).

55

Für ähnliche und weitere Kritik vgl. auch ZELLER (2001: 66-68).

27

Forschungsstand

dem Basisverb. Wenn aber ein Präfix mit einem anderen kontrastiert wird, wird dem Präfix eine Kontrastbetonung (in Beispiel (6) [= Beispiel (33) in ZELLER (2001: 67)] durch Großbuchstaben angezeigt) zugewiesen: (6) a. b.

Peter UNTERschätzt die Frauen, aber Hans ÜBERschätzt sie *Peter schätzt die Frauen UNTER, aber Hans schätzt sie ÜBER

(ZELLER 2001: 67)

Die Stress Hypothesis würde vorhersagen, dass solche Präfixverben nun entweder getrennt in V2 ((6)b.) auftreten können oder dass V2 komplett ausgeschlossen ist. ((6)a.) zeigt aber, dass V2 trotz der Akzentuierung des Präfixes möglich ist (vgl. ZELLER 2001: 67; s.a. DEN DIKKEN 2003: 18-19). Bei infiniten Formen müsste sich die Emphase- oder Kontrastbetonung zudem auf die Verteilung von -ge- bzw. zu auswirken (s. Abschnitt 1.1.), aber auch das ist nicht der Fall: (7) a. b. c.

Sie hat nichts VERbrochen, sondern ZERbrochen. *Sie hat nichts VERgebrochen, sondern ZERgebrochen. *Sie hat nichts geVERbrochen, sondern geZERbrochen

Der Grundgedanke, phonologische Überlegungen zur Erklärung der Stellungsrestriktionen bei NonV2-Verben mit einzubeziehen, ist sicherlich zu begrüßen, allerdings kann Initialbetonung nicht als der alles dominierende Schlüsselaspekt angesehen werden. Bislang in der Diskussion zu NonV2-Verben unerwähnt geblieben sind andere prosodische Überlegungen. Denkbar wäre z.B., dass durch Rückbildung Verben entstehen, die zwei direkt aufeinander folgende Betonungen aufweisen und somit gegen BEHAGHELs Tongewichtgesetz (BEHAGHEL 1932: 6, §1426, zitiert nach HOFFMANN 32010: 605) verstoßen (s. Abschnitt 3.3.3.3.2.) „Zwischen diesem physikalischen Gesetz und dem Gesetz der Zusammenordnung des geistig Zusammengehörigen [BEHAGHELs (1932: 4) erstes und oberstes Gesetz; CF] ergeben sich nun mehrfach Zusammenstöße“ (ebd.). Solche ‚Zusammenstöße‘ werden auch im nächsten Abschnitt illustriert.

2.2.2.3. Zerstörung der (formalen) Ähnlichkeit (zur Rückbildungsbasis) Auch ZELLER (2001: 76-80) macht als Grund für die Stellungsrestriktion der NonV2-Verben ihren Status als Rückbildungsprodukte geltend. Ihm zufolge werden rückgebildete Verben unter zwei Bedingungen lizensiert: Erstens sind sie – wie Partikelverben – phrasale Konstruktionen (ZELLER 2001: 77). Sie weisen auch dieselbe syntaktische Repräsentation wie Partikelverben auf (bzw. weisen Sprachbenutzer/innen rückgebildeten Verben diese neue syntaktische Struktur zu). Das Erstglied wird als Partikel reanalysiert, was letztlich auch bedeutet, dass z.B. urauf- eine Phrase projiziert. Dadurch verhalten sich Rückbildungsverben auch sonst wie Partikelverben: morphologische Trennbarkeit wird dadurch erklärt, dass Partikeln Komplemente des Verbs sind, die von Ihrem Basisverb (Bewegung nach Infl0) durch -zu- bzw. -ge- getrennt werden. Syntaktisch gesehen sind weder Partikelverben noch Rückbildungsverben Wörter (weshalb Verbbewegung nicht gegen die Lexical-Integrity-Hypothese verstößt). Allerdings ist – zweitens – in Bezug auf die phonologische Repräsentation das Kriterium ‚formale Ähnlichkeit‘

28

NonV2-Verben im Deutschen

relevant. Es ist eine Besonderheit von Rückbildungen, dass in der phonologischen Struktur das rückgebildete Verb so repräsentiert sein muss, dass es die phonologische Struktur des zugrundeliegenden Nominalkompositums widerspiegelt. Auch wenn ein Element als Partikel reanalysiert wird, verändert sich dadurch die Lautkette nicht: urauf- steht immer noch vor dem Verb. Selbst wenn zu (welches ZELLER [2001: 79] für ein Klitikon hält) eingeschoben wird, bleibt die lineare Ordnung erhalten (ZELLER 2001: 78-79). Beide Bedingungen können unter V2 nicht gleichzeitig erfüllt werden, denn V2 zerstört die formale Ähnlichkeit zwischen Rückbildungsbasis (Nominalkompositum) und Rückbildungsverb (so auch MCINTYRE 2001: 58). Nicht nur, dass sie nicht mehr adjazent sind, sie sind zudem noch in ihrer Reihenfolge vertauscht (ZELLER 2001: 79). Es wäre interessant, die Relevanz der linearen Ordnung zu testen, indem man z.B. die (reanalysierte) Partikel topikalisiert (was wieder zur selben Reihenfolge wie in der Rückbildungsbasis führen würde). Leider ist Partikeltopikalisierung aus unabhängigen Gründen laut ZELLER (2001: 88-99) nicht möglich und somit nicht testbar. Diese Behauptung ist m.E. nicht haltbar (vgl. z.B. MÜLLER 2002: 263-280; MEURERS & MÜLLER 2009: 927-929), denn die Serialisierung entspricht der (logischen) Konstruktion „A4: P in VF, V in LK“ bei HEINE, JACOBS & KÜLPMANN (2010: 39), die zeigen, dass diese Formen akzeptabler sind, als manch andere (ebd.: 43-44, 46). Empirisch problematischer ist die theorieinterne Annahme, dass urauf ein projektionsfähiges

Wort sein soll, was erwarten ließe, dass es auch in anderen Kontexten ungebunden vorkommen kann. Unklar bleibt auch, warum die Bewegungseinschränkung von urauf nicht auch für andere Partikelverben gilt bzw. warum diese (wie ZELLER [2001: 79, Fn. 14] selbst zugibt) in seltenen Fällen überschrieben werden kann.

2.2.2.4. Typologischer Split zwischen VO- und OV-Sprachen Die Sprachtypologie unterscheidet zwischen OV- und VO-Sprachen. Die unterschiedlichen Struktureigenschaften von OV- bzw. VO-Sprachen leiten sich letztlich daraus ab, ob die Sprachen kopf-finale bzw. kopf-initiale Phrasen aufweisen, was z.B. Vorhersagen über die Abfolgen von Prä- bzw. Postpositionen, Attributen, Genitivkomplementen, Relativsätzen etc. zulässt (vgl. GREENBERG 1963; DRYER 1992). HAIDER (2010: 10-25) führt anhand von acht Beobachtungen die entsprechenden Korrelationen v.a. in Bezug auf Verb- und Wortstellung im Satz vor (vgl. auch HAIDER 2013: 10-17). Wichtig für die NonV2-Verben ist Observation 4 Particle placement with particles verbs: • 4a The particle of particle verbs precedes the verb in clause –initial position in OV, but it follows in VO. • In VO, the particle of a particle verb may intervene between the objects of a double object construction, if the given language allows particle stranding. In OV, the particle is always in the clause-final, V°-adjacent position. (HAIDER 2010: 11, Hervorhebung im Original)

29

Forschungsstand

VIKNER (2005: 106-111) weist darauf hin, dass NonV2-Verben nur in (westgermanischen) OVSprachen und nicht in VO-Sprachen vorkommen können, da es stellungsbedingt – Präfixe können nur links vom Verbstamm stehen und Partikeln rechts davon – nicht möglich ist, „for any verbs to satisfy both the requirements on complex V° verbs (which are Prt–V) and the ones on complex V* verbs (which are V–Prt)“ (Vikner 2005: 110). Der kategoriale Status des Erstglieds kann folglich nicht unbestimmt sein (s. nächsten Abschnitt 2.2.3.). Ganz so geradlinige Vorhersagen lassen sich aber nicht treffen, da zum einen das Deutsche nicht als konsistente OV-Sprache gelten kann (s. DRYER 1995: 1054, 10661-1062; 2013) und da gerade in Hinblick auf Doppelpartikelverben z.B. das Englische diese gar nicht aufweist und sich im Niederländischen nicht alle Doppelpartikelverben gleich verhalten (i.S.v. gleich [un-]akzeptabel sind) (vgl. DEN DIKKEN 2003: 15).56 Maximal eine grobe Generalisierung ist möglich: Während in den skandinavischen Sprachen Doppelpartikelverben immer in V2 vorkommen können, zeigen sie in den westgermanischen Sprachen ein variables Verhalten (DEN DIKKEN 2003: 21). Infinitivmarker stehen in skandinavischen Sprachen immer vor dem Partikelverb, in westgermanischen Sprachen können sie zwischen Partikel und Verb auftreten (vgl.

DEN DIKKEN

2003: 25), was zu

Unsicherheiten im Gebrauch führen kann (s. Abschnitt 4.2.3.2., 4.2.7 und 5.3.4.5.). Diese Beobachtungen liefern allerdings noch keine Erklärung für die Stellungsrestriktion. Letztlich hebt die typologische Argumentation auf einen Konflikt aus der Kombination zwischen OV-Merkmalen – v.a. dem, dass Argumente und Verbzusätze vom Verb aus nach links verteilt werden – und dem V2-Constraint (vgl. MCINTYRE 2002) ab. Da v.a. das Deutsche und das Niederländische diese Kombination aufweisen, lässt sich annehmen, dass NonV2-Verben in anderen Sprachen (aufgrund nicht vorhandener Argument-Verb-Kontaktstellung) gar nicht vorkommen können.57 Diese Beobachtung legt nahe, dass im Deutschen nur in VL-Stellung eine für eine eventuelle Reanalyse notwendige Adjazenz von Verb und Erstglied gegeben ist, nicht aber, wie von AHLERS (2010: 63) behauptet, dass die Kontaktstellung von Objekt und Prädikat eine für immobile Verben notwendige Entwicklungsvoraussetzung bieten würde und dadurch alle immobilen Verben syntaktische Bildungen seien. Da NonV2-Verben allerdings oft den Rückbildungen zugerechnet werden, könnte man mit PLANK (1981: 266, Fn. 90) „als mögliche Parallele anführen, daß etwa auch im Englischen manche von komplexen Nomina rückgebildeten Verben bzw. Verbalkomposita teilweise defektiv sind; z.B. scheinen Verben wie to housekeep, sightsee, caretake im Praeteritum und vielleicht genereller in finiten Formen eher ungewöhnlich.“58 56

57

58

Darüber hinaus bleibt die Frage offen, warum sich (zumindest) bestimmte (dänische) Partikelverben ([V-Prt]v*) bei Auftreten einer zusätzlichen Partikel in eine V°-Struktur ([Prt-[Prt-V]V°]V*) zwingen lassen, aber nicht, wenn sie allein stehen (VIKNER 2005: 111). Dies würde vorhersagen, dass solch ein Verb syntaktisch getrennt V2-fähig wäre, was aber laut DEN DIKKEN (2003: 22) nicht den empirischen Fakten entspricht. Afrikans und Friesisch sind weitere SOV-Sprachen mit V2 (vgl. MÜLLER i. Vorb.). Eine interessantere Frage wäre, warum bestimmte Verben, wie z.B. im Dänischen *bjergbestige ‘bergsteigenʼ, *bugtale ‘bauchredenʼ oder *hovedregne ‘kopfrechnenʼ nicht existieren, andere aber schon, wie z.B. førsteopføre, uropføre ‚‘erstaufführen, uraufführenʼ, mellemlande ‘zwischenlandenʼ oder støvsuge ‚‘staubsaugenʼ (vgl. VIKNER 2005: 107-108, s.a. weitere

30

NonV2-Verben im Deutschen

2.2.2.5. Zusammenfassung Die prominentesten Lösungsansätze für die NonV2-Verben sind die, die konfligierende Wohlgeformtheitsbedingungen als Grund für die Stellungsrestriktion annehmen („Buridan-Ansätze“, FREYWALD & SIMON 2007: 185). Entsprechend sind sie eher generativen bzw. regelbasierten Theorieausrichtungen zuzuordnen. Sprachbenutzer/innen geraten in einen (unlösbaren) Konflikt, ob sie das Erstglied des Verbs abtrennen sollen, was aber eine andere Anforderung bzw. Regel verletzten würde, oder nicht, wodurch sie aber die Regel bzw. Anforderung, das Verb zu trennen, nicht beachten. Allen Vertretern dieser Ansätze gemeinsam ist, dass sie den Wortbildungsprozess der Rückbildung verantwortlich machen, dass es zu einem Konflikt kommt; sie unterscheiden aber in den postulierten Auswirkungen: sei dies nun aufgrund eines Widerspruchs zwischen abtrennungspflichtiger Partikel und untrennbarem Präfix (HAIDER 1993, 2010) oder genereller aufgrund von widerstreitenden partikelspezifischen (DEN DIKKEN 2003) bzw. (nicht weiter spezifizierten) innermorphologischen und morphosyntaktischen Merkmalen (PLANK 1981; s.w.u.). Andere Ansätze gehen davon aus, dass der Konflikt an prosodische Bedingungen geknüpft ist (ESCHENLOHR 1999, MCINTYRE 2001, 2002, z.T. auch PLANK 1981 u. ZELLER 2001): die durch Rückbildung entstandenen komplexen Verben sind stets initialbetont, weshalb ihr Erstglied abtrennbar sein müsste, bei syntaktischer Trennung ginge allerdings die ehemalige Konstituentenstruktur der Rückbildungsbasis verloren. Die folgende Kreuztabelle fasst noch einmal zusammen, welche zwei Bedingungen miteinander in Konflikt geraten können und welchen Konflikten die einzelnen Arbeiten zuzuordnen sind. Bedingung nicht zu trennen ĺ zu trennen Ļ trennbares Präverb Initialbetonung

trennbares Präverb

untrennbares Präverb

(formale) Ähnlichkeit (zur Rückbilungsbasis) zerstört

HAIDER (2010)

HAIDER (1993, u.a.)

ZELLER (2001)

ESCHENLOHR (1999)

MCINTYRE (2001, 2002)

Asp-Prt abKlQJLJYRQș-Prt

Asp-Part abhängig von Basisverb

DIKKEN (2003)

DEN

Tabelle 5: Zusammenfassende Übersicht konfligierender Wohlgeformtheitsbedingungen

Nicht in der Tabelle aufgeführt ist VIKNER (2005), der im Grunde genommen auch davon ausgeht, dass v.a. Doppelpartikelverben den verbinternen Anforderungen, die Präverben gleichzeitig abzutrennen und nicht abzutrennen, nicht gerecht werden können. Der Grund liegt ihm zufolge aber eher darin, dass die Verben generell für Trennung unterspezifiziert sind. Deshalb wird sein Ansatz zu den im nächsten Unterkapitel diskutierten gezählt. Beispiele dort). Dies deutet eher darauf hin, dass es sich nicht um syntaktische Restriktionen, sondern um irgendwelche Blockierungen bei der Wortbildung handelt.

Forschungsstand

31

2.2.3. Indeterminiertheitsansätze 2.2.3.1. Unterspezifikation / unbestimmter kategorialer Status des Erstglieds In der einschlägigen Literatur zu NonV2-Verben wird die erste Erwähnung des Phänomens der NonV2-Verben i.d.R. HÖHLE (1991; 22019) bzw. die erste analytische Behandlung HAIDER (1993) zugeschrieben; dabei liegt bereits mit PLANK (1981: 161-165) eine erste Annäherung an das Phänomen vor.59 Er sieht die Stellungsrestriktion bestimmter Verben als einen Fall von Regelindeterminiertheit an, d.h. „die Anwendbarkeit von Regeln und Formen ist nicht für alle systematisch vorstellbaren Anwendungsmöglichkeiten wohldefiniert“ (PLANK 1981: 162). PLANK (1981: 164) zufolge sind „[i]m Unterschied zu den typischen verbalen Präfigierungen, Suffigierungen und denominalen Derivationen [...] die Verbbildungsregeln, die komplexe Verben [...] spontan erzeugen, teilweise indeterminiert, insofern sie ihren Output nicht als feste oder trennbare Bildung spezifizieren.“ Diese Unterspezifikation führt demnach zu einer „Blockierung einer Verwendung in Kontexten, die eine Entscheidung notwendig machen“ (ebd.), d.h. von finiten Formen in der linken Satzklammer. Leider macht PLANK (1981) keine Angaben darüber, wie diese alternativen Verbbildungsregeln aussehen sollen. Dennoch entstehen wohl die meisten NonV2-Verben durch denominale Derivation, worunter man auch Rückbildung und Konversion fassen kann. Die Feststellung, dass viele komplexe Verben spontan gebildet werden, ist in Anbetracht der Tatsache, dass viele NonV2-Verben ad-hoc-Bildungen sind, vermutlich zutreffend; allerdings kann damit nicht erklärt werden, warum auch recht alte und frequente, kurzum ziemlich etablierte Verben wie ehebrechen und uraufführen keine Spezifizierung für die (syntaktische) Trennbarkeit entwickelt haben. Der Begriff der ‚Unterspezifikation‘, i.d.S., dass eine Form hinsichtlich des fraglichen markierten Merkmalwertes nicht spezifiziert ist (CORBETT 2012: 31-33), wirkt hier allerdings irreführend bzw. unpassend. Sollte Unterspezifikation nicht dazu führen, dass prinzipiell beide Möglichkeiten (die der syntaktischen Trennung sowie der Nicht-Trennung in V2) funktionieren? Die Ungrammatikalität von NonV2-Verben in V2 spräche eher für Überspezifikation bzw. Fehlspezifikation, d.h. es wird eine Form mit unpassenden Merkmalswerten gewählt. Aus diesem Grund halte ich es für geeigneter, von ‚Un- bzw. Nicht-Spezifikation‘ zu sprechen. Innerhalb eines generativen GB-Theorierahmens argumentiert VIKNER (VIKNER 2001: 100116; 2005) dass komplexe Verben für (Un-)Trennbarkeit syntaktisch spezifiziert sind. Ihm zufolge gibt es im Deutschen vier Klassen komplexer Verben (VIKNER 2005: 92-98), die sich aufgrund der Form und v.a. ihrer syntaktischen Trennbarkeit nach ihrer zugrundliegenden Repräsentation in folgender Tabelle (VIKNER 2005: 93) zusammenfassen lassen:

59

Die meinen Recherchen zufolge erste Kenntnisnahme des Phänomens erfolgte durch STOPP (1957: 355).

32

NonV2-Verben im Deutschen

Tabelle 6: Strukturelle Analysen verschiedener komplexer Verben nach VIKNER (2005: 93)

V° steht dabei für Verben, die im Lexikon als eine syntaktische Einheit geführt werden; sie sind somit nicht syntaktisch trennbar. Des Weiteren nimmt VIKNER (2005: 92) über dem verbalen Zweitglied, das immer V°-Status hat, eine zusätzliche Projektion V* an, die er in der syntaktischen Hierarchie unterhalb der Argumentebene V' (als Zwischenprojektion gemäß klassischem X'Schema; vgl. CHOMSKY 1970, JACKENDOFF 1977) ansiedelt.60 V* steht für eine Kombination aus einem abtrennbaren Erstglied (Partikel oder Nomen), das mit einem Verb zwar eine lexikalische Einheit, aber nicht zwangsläufig auch eine syntaktische X°-Konstituente bildet. Evidenz für die unterschiedlichen Projektionsstufen bietet die morphologische Abtrennbarkeit bei Partizip-Perfekt-Bildung durch das Präfix ge-, welches unmittelbar vor der syntaktischen V°-Kategorie auftreten müsse (VIKNER 2005: 93-94). V* ist nun also die Projektionsebene des Verbs, die einerseits den semantischen Abschluss des Verbs auf Wortebene bildet und andererseits für syntaktische Operationen transparent bleibt. Wird nun ein (komplexes) Verb in die linke Satzklammer (also nach C°) bewegt, kann sich nur ein V°-Element (als Ganzes) bewegen. Bewegt sich der Kopf V° eines V*-Elements, hinterlässt er die Partikel unter V* und eine Spur (t) (VIKNER 2005: 95-97). Die Immobilität mancher Verben resultiert nun daraus, dass diese „ BOTH the requirements imposed on complex verbs of the V° type AND the requirements imposed on complex verbs of the V* type“ (VIKNER 2005: 98) zu erfüllen haben. Einerseits werden sie klar als Verben angesehen, da sie Flexionsendungen erhalten können und als Ganzes so die Anforderungen für V° erfüllen; andererseits bestehen sie eindeutig aus zwei Teilen (N° + V°), die einzeln interpretierbar sind, was den Bedingungen für V* entspricht. Entsprechend dieser konfligierenden Wohlgeformtheitsbedingungen kann man diesen Erklärungsansatz auch zu denen in Abschnitt 2.2.2.

60

Ähnlich handhabt dies bereits BOOIJ (1990); mittlerweile hat dieser sich vom generativen Rahmen ab- und der Konstruktionsgrammatik zugewendet. Für seine aktuelle Analyse des Phänomens der NonV2-Verben siehe Abschnitt 2.2.5.2. Gegen BOOIJs (1990) Lösung sprechen sich auch STIEBELS & WUNDERLICH (1994: 927-944) aus und teilen sie komplexe Verben hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit zu syntaktischen Operationen mittels [±max]- bzw. [±min]-Merkmalen wie folgt ein (STIEBELS & WUNDERLICH 1994: 929): (vi)

a. compound: [Y−max X] b. prefix verb: [Y+min V] c. particle verb: [Y+max V]

[+max]-markierte Elemente können eine eigene syntaktische Position besetzen; [+min]-markierte Elemente hingegen sind für die Syntax unsichtbar. Beide sind morphologischen Operationen zugänglich. Während lexikalische Kategorien im Allgemeinen durch untrennbare [−max]-Elemente erweitert werden können (Komposition), erlauben nur Verben auch die Verknüpfung mit einem [+max]-Elements. Verbpartikeln sind also [+max]-markiert. Präfixe kommen nicht als selbstständige Wörter vor und weisen deshalb ein [+min]-Merkmal auf. Bei der Verbbewegung werden [+max]-Elemente zurückgelassen, Präfixe nicht (vgl. ebd.).

Forschungsstand

33

besprochen zählen. Da den Sprachbenutzer/innen beide Analysemöglichkeiten parallel zur Verfügung stehen, werden diese Verben gleichzeitig als V° und als V* klassifiziert. VIKNER (2005: 102) veranschaulicht dies wie folgt:

Abbildung 1: Bewegungsresistente Verben als Schnittpunkt zweier unterschiedlicher Verbklassen bzw. -analysemöglichkeiten (VIKNER 2005: 102)

Vereinfach gesagt, bedeutet das, dass Sprachbenutzer/innen Probleme dabei haben, die Erstglieder bestimmter Verben syntaktisch einzuordnen, nachdem sie das Letztglied als V° identifiziert haben. Ganz ähnlich argumentieren STIEBELS & WUNDERLICH (1994: 945-47). Auch sie gehen davon aus, dass infolge von Derivationsprozessen, die die morphologische Struktur verändern, Erstglieder nicht mehr eindeutig als Präfix ([+min]-Elemente) oder Partikel ([+max]-Elemente bestimmt werden können. Um das Entscheidungsproblem zu umgehen, vermeiden Sprachbenutzer/innen bei diesen Verben Verbbewegung und verwenden sie nur in Kontexten, in denen es sich nicht ergibt. Dieses Problem kann VIKNER (2005: 102) zufolge für einfache Partikelverben nicht auftreten, da sie (entgegen der These FORTMANNs 2007; s. Abschnitt 2.2.5.1.), wenn sie semantisch opak sind, lexikalisiert und somit eindeutig V° oder V* zuordenbar sein müssen; wenn sie nicht etabliert (bzw. lexikalisiert) sind, müssten sie (bzw. vielmehr ihre Partikeln) eine transparente Semantik aufweisen, die sie einer der Klassen (meist V*) zuweist. Für Doppelpartikelverben wie voranmelden greift die Analyse wieder, denn sie erfüllen sowohl die Anforderungen für V* (nämlich anmelden), aber gleichzeitig auch die für V°, da sich die trennbare Partikel vor- nicht mit einem V*-Knoten verbinden kann (VIKNER 2005: 105-106). M.E. wird nicht ganz klar, warum einige Verben sowohl als V° als auch als V* interpretiert werden können bzw. woher die Spezifikation überhaupt rührt. Darüber hinaus lässt sich die Erstgliedzuweisung nicht immer nachvollziehen. Woher weiß man besipielsweise, dass statt zur Kategorie N° gehört? Mir scheint es zweifelhaft, dass Sprachbenutzer/innen erkennen, dass es sich bei dem statt in stattfinden um ein Substantiv handelt. Genauso lässt sich fragen, ob Sprecher/innen z.B. bei dem Verb preisgeben das Erstglied preis tatsächlich als Substantiv interpretieren (es hat im Grunde genommen nichts mehr mit der nominalen Bedeutung ‘Preisʼ zu tun). Auch ist bei einigen Verben, v.a. bei denen mit ur-, erst- und rück als Erstglied, nicht ganz ersichtlich, „warum die[se] präfigierte Komponente nicht eindeutig ein Präfix sein sollte oder das Verb nicht eindeutig

34

NonV2-Verben im Deutschen

ein V°“ (FORTMANN 2007: 5). STIEBELS & WUNDERLICH (1994: 929) (vgl. Abschnitt 2.2.5.) führen beispielsweise ur- neben un- ausdrücklich als ein [+min]-spezifiziertes Element, d.h. als ein Präfix, auf (FORTMANN 2007: 6). Auch bei BOOIJ (2010: 101-102) ist ganz klar geregelt, welche Kategorie bzw. Struktur (Schema) einem Verb zugeordnet wird. Aber auch bei eindeutigen Erstgliedzuweisungen kommt es vor, dass VIKNERs (2005) Vorhersagen nicht immer den empirischen Fakten entsprechen, was DEN DIKKEN (2003: 22) zumindest für einige (niederländische) Verben zeigt, v.a. was die in Bezug auf die zu-Infigierung sehr variationsreiche Gruppe des Typ III betrifft.61 BOOIJ (2010: 114, Fn. 9) merkt an, dass, wenn man NonV2-Verben V°-Status zuweist, impliziert, dass das Partizipialpräfix ge- nicht infigiert, also direkt vor dem (eigentlichen) Verbalstamm, auftreten darf. Es gibt aber Beispiele, wo dies so ist; VIKNERs (2005: 100) eigene Daten, aber auch die von ÅSDAHL HOLMBERGs (1976: 40-92) (siehe Abschnitt 2.2.7.1., Beispiele unter (15)) zeigen, dass Unterschiede bei der Positionierung von (-)ge- und zu auftreten. Morphologische Trennbarkeit kann daher syntaktische Trennbarkeit und somit V2-Fähigkeit nicht bedingen (vgl. auch AHLERS 2010: 19). AHLERS (2010: 63) sieht die zusätzliche Projektion V* außerdem als einen „Versuch, semantische Einheiten syntaktisch zu fassen“ an. Allgemeiner gesagt, bildet sie nur eine theorieinterne Lösung und könnte so möglicherweise als unelegant betrachtet werden.62

2.2.3.2. Unsicherheit / Variation Die besprochene Unspezifischkeit bzw. Unsicherheit bei Sprachbenutzer/innen führt dazu, dass Variation – nicht nur bei der syntaktischen Gebrauchsweise, sondern auch in der Formenbildung generell (vgl. bereits MOSER 1979: 61) – auftritt, in der viele Autor/innen den Grund für die Stellungsrestriktion (bzw. zumindest für die Vermeidung bestimmter Formen) sehen. VIKNER (2005: 99-103) macht darauf aufmerksam, dass es sowohl bei den morphologischen Bildungen (Partizip II mit [-]ge- und Infinitiv mit zu) als auch bei der Verwendung finiter Verbformen in V2 erhebliche Unterschiede zwischen den Sprachbenutzer/innen gibt. Dies führt er darauf zurück, dass komplexe Verben individuell unterschiedlich der Klasse V° oder V* zugeordnet werden, was von verschiedenen Faktoren abhängen kann – die er leider nicht benennt. Die folgende Tabelle zeigt die Korpusergebnisse nach VIKNER (2005: 100, 103):63

61

„[S]ince Prt2 […] is inseparable, the combination of it and V must be a V0; if […] the aspectual particle is assumed to be inseparable, that should make the complex [Prt1–Prt2–V] a V0, which should hence be eligible for Verb Second. As we have seen, however, there is quite a bit of variation within [this] type“ ( DEN DIKKEN 2003: 22). Siehe auch Fußnote 56.

62

Ein kleinerer Kritikpunkt ist, dass VIKNER (2005: 90) vorglühen als ein Beispiel für ein immobiles Verb führt; es verhält sich aber m.E. ganz normal wie ein Partikelverb (so auch FORTMANN 2007: 12, Fn. 9).

63

VIKNER (2010: 100, 103) äußerst sich nicht konkret dazu, welches Korpus „of written German available at the Institut für deutsche Sprache in Mannheim“ er verwendet. Gemeint ist das über COSMAS II abfragbare Deutsche Referenzkorpus (DeReKo) in der jeweils aktuellen Version.

35

Forschungsstand

zu-Infinitiv 64

finite Verbformen

zuXV

XzuV

VL

V2

1

20

138

15

auferwecken

4

0

bausparen

2

0

erstaufführen

1

0

gefriertrocknen

1

1

18

0

2

0

notlanden

25

1

rückfragen

1

0

auferstehen

handhaben

528

7

lobpreisen

13

1

lustwandeln

17

2

40

1

hohnsprechen

manndecken maßregeln

sandstrahlen

3

21

sonnenbaden

4

0

4

0

strafversetzen

2

0

uraufführen

66

0

5

0

42

10

19

0

voranmelden wetteifern

37

2

zweckentfremden

1

6

zwischenlanden

Tabelle 7: Korpusergebnisse zu ausgewählten NonV2-Verben nach VIKNER (2005: 100, 103)

Bei den finiten Formen in V2 (letzte Spalte) wird nicht angegeben, ob sie syntaktisch getrennt wurden oder nicht. M.E. lässt sich anhand dieser Daten nicht wirklich Variation erkennen, da v.a. V2-Verwendungen für fast alle Verben gar nicht vorkommen – außer bei auferstehen und zweckentfremden. VIKNER (2005: 103) merkt dies auch an, mit dem Verweis, dass das genau die Verben sind, bei denen im zu-Infinitiv die morphologisch getrennte Variante überwiegt, aber auch Formen vorkommen, bei denen zu dem komplexen Verb vorangeht, was er als Beleg für Sprecherunsicherheiten ansieht. Ob allerdings jeweils nur ein einziger Beleg bereits für Variation spricht, ist fraglich. Zu den restlichen Verben macht VIKNER (2005) aber keine Aussagen bzw. erhebt nicht das Verhältnis zwischen finiten Formen und zu-Infinitiven. Und selbst wenn dies bedeutet, dass bei den entsprechenden Verben überhaupt keine zu-Infinitive bzw. finite Formen im Korpus vorkommen, spricht das nicht für Variation, sondern eher dagegen. Aussagekräftigere Ergebnisse, die große sprecherindividuelle Variation vermuten lassen, liefern FREYWALD & SIMON (2007), die neben einer Korpusuntersuchung auch eine Fragebogenstudie durchführten (s. ausführlicher Abschnitt 2.2.7.3). Dabei zeigt sich, dass bestimmte Akzeptabilitätswerte zwar relativ diffus streuen, was für Unsicherheit spricht, aber gerade bei den

64

Einzig bei sandstrahlen handelt es sich um die ge-Partizipien und nicht den zu-Infinitiv

36

NonV2-Verben im Deutschen

V2-Formen sehr klare Urteile gefällt werden V2-Stellung viele Proband/innen ein klares Urteil (FREYWALD & SIMON 2007: 190-192). Insgesamt wird jedoch in all diesen Arbeiten nicht ganz deutlich, weshalb Formschwankungen zu einer systematischen Stellungsrestriktion führen sollen. Sicherlich spielt Unsicherheit eine Rolle, denn sie kann dafür sorgen, dass Sprachbenutzer/innen ein Lexem vermeiden bzw. in einem unverfänglich(er)en Kontext (Ausweichkonstruktion) verwenden; ein Nichtverwenden in einem V2-Kontext wirkt dann wie eine V2-Hemmung. Allerdings sprechen Beispiele dagegen, wie etwa das bereits bei der Rückbildung erwähnte notorisch variationsanfällige Verb staubsaugen. Auch wenn sich Sprachbenutzer/innen uneinig sind, wie es formal zu trennen ist, können sie es dennoch auf die ein oder eben auf die andere Weise in V2 verwenden. Auch die von BECKER & PESCHEL (2003) untersuchten grammatischen Zweifelsfällen am Beispiel sowohl trennbarer und nicht-trennbarer Verben (insb. mit den Erstgliedern über-, unter-, um- durch- oder miss-) zeigen, dass selbst, wenn große Unsicherheiten bestehen oder sich einzelne Sprachbenutzer/innen unterschiedlich entscheiden, sie dennoch kein Problem damit haben, die ausgewählte Variante in V2 zu verwenden. Unsicherheit bzw. Formvariation kann also nicht alleine ausschlaggebend für die V2-Hemmung sein.

2.2.4. Historische/diachrone Herleitung Da Variation oft Wandel nach sich zieht, gibt es zusätzlich zu den besprochenen eher synchronen Erklärungsversuchen verschiedene Arbeiten zur Genese von Verben (s.a. Abschnitt 2.1.1.), die Vorhersagen darüber treffen, wie sich neue Verben allmählich ins grammatische System eingliedern. Die implizite Annahme in Hinblick auf die V2-Hemmung ist hierbei, dass bestimmte über Wortbildungsprozesse hergestellte Neubildungen aufgrund eben dieser relativen Neuheit in der Sprache ein gestörtes Flexionsparadigma aufweisen (FLEISCHER 1969: 287; STIEBELS & WUNDERLICH 1994; WURZEL 1993; 1998; MCINTYRE 2001). All diese Arbeiten postulieren dabei auch (direkt oder indirekt) implikative Akzeptabilitätsskalen. Da Sprecherurteile bei NonV2-Verben oft sehr unterschiedlich bzw. unsicher ausfallen, können anhand dieser zumindest Aussagen getroffen werden, wie z.B. wenn ein/e Sprecher/in ein finites Verb in Verbletzt-Stellung akzeptiert, wird er/sie es auch im zu- bzw. reinen Infinitiv tun. Die Akzeptabilitätsgrade nehmen von links nach rechts immer weiter ab. STIEBELS & WUNDERLICH (1994: 946) nehmen folgende (implikative) Akzeptabilitätsskala an: (8)

infinitive > zu-infinitive > finite verb > finite verb verb-final verb-first

Es fällt auf, dass hier Partizipien überhaupt keine Erwähnung finden. Ähnliche Skalen, die diese aber miteinbeziehen, finden sich auch bei ESCHENLOHR (1999: 156) (9) und FREYWALD & SIMON (2007: 183) (10). Dort wird darüber hinaus davon ausgegangen, dass entlang deren Verlaufs eine sich nach und nach vollziehende Eingliederung entsprechender Verben ins Paradigma stattfindet: (9)

Infinitiv > zu-Infinitiv / ge-Partizipbildung > finites Verb (Verbletzt) > finites Verb (Verberst)

37

Forschungsstand

(10)

Infinitiv >> zu-Infinitiv / ge-Partizip >> finite Formen im VL-Satz >> finite Formen in V2-Satz

Ganz ähnlich sind auch WURZELs (1993; 1998) Studien bzw. Tabellen zu lesen, in denen er komplexe Verben mit substantivischem Erstglied (unabhängig von ihrer Entstehungsweise) unter dem Wortbildungskonzept ‚Inkorporierung‘ behandelt. Dabei teilt er diese anhand zweier Parameter (Formenbestand und Unterbrechbarkeit) in sechs synchrone Klassen (sowie zugrundeliegende diachrone Wortbildungsmuster [diachrone Klassen], auf die hier nicht eingegangen werden soll) ein.65 Folgende Tabelle ist WURZEL (1998: 340) entnommen: Set of forms past participle

1./3.pl. pres.ind., subord. clause

other finite forms, subord. clause

finite forms, main clause

by grammat ical particles

by words

+

í

í

í

í

+

í

+

+

í

í

í

+

í

+

+

+

í

í

+

í

+

+

+

+

í

+

í

+

+

+

+

+

í

í

+

+

+

+

+

+

+

SC I kopfrechnen

SC II probesingen

SC III schutzimpfen

Separability

infinitive and present participle

SC IV bergsteigen

SC V maßregeln

SC 0 stattfinden

Tabelle 8: Morphosyntaktisches Verhalten verschiedener synchroner Verbklassen (SC) nach WURZEL (1998: 340)

Die für die vorliegende Arbeit relevanten Verben bilden die synchronen Klassen (SC) I bis IV, da sie nicht in finiter Form im Hauptsatz vorkommen. Innerhalb dieser unterscheiden sie sich durch ihr Vorkommen im Nebensatz und durch verschieden stark ausgeprägte Flexionsparadigmen voneinander. WURZEL (1993: 118-121; 1998: 341-343) beobachtet nun Gruppenübertritte von Klasse I über II, II und IV nach V bzw. nach 0.66 Dies ist gemäß der Natürlichkeitstheorie immer mit Markiertheitsabbau verbunden (vgl. WURZEL 1993: 118; 1998: 342-343).67 Ohne hierauf genauer eingehen zu wollen, kann vereinfacht behauptet werden, dass die Verben in der Tabelle klassenweise nach unten wandern; so kann die Kopfzeile der Tabelle auch als eine Art Akzeptabilitätsskala bzw. diachrone Entwicklungsskala angesehen werden. THIEROFFs (2003: 281-284) Ansatz zur Klärung der NonV2-Verben ist letztlich aus WURZEL (1998) entnommen.

65

Auch EISENBERG (1981: 80-84) klassifiziert komplexe Verben nach dem Kriterium der Trennbarkeit bzw. Bindungsfestigkeit in nur vier Klassen, allerdings mit dem Ziel Zweifelsfälle in der Groß- und Kleinschreibung grammatisch möglichst genau zu erfassen. Siehe auch EISENBERG (42013a: 317-327).

66

Wie WURZEL (1998) zu diesen Beobachtungen kommt, ob aus Selbsteinschätzung oder empirischer Untersuchung, wird nicht ganz klar. In WURZEL (1993) werden zumindest Wörterbücher erwähnt. Siehe auch ESCHENLOHR (1999: 146-149).

67

Dies geschieht aufgrund dreier unterschiedlich gerankter Markiertheitsprinzipien für die ‚Wortigkeit‘((A) einheitliche Flexion, (B) Nicht-Unterbrechbarkeit, (C) Vollständigkeit der Flexionsformen); siehe hierfür WURZEL (1993: 117-118), sowie die zusammenfassende Übersicht in WURZEL (1993: 122).

38

NonV2-Verben im Deutschen

So feindifferenziert die Klassen auch sind, umso schwerer fällt es, die Verben diesen eindeutig zuzuordnen. Das ist aber möglicherweise gar nicht nötig, weil die Stellungsrestriktion nicht von der Vollständigkeit des Paradigmas eines Verbs abhängt, da, wie ESCHENLOHR (1999: 147) und FREYWALD & SIMON (2007: 183) zeigen, in Verbletztstellung alle Flexionsformen möglich sein können. Allen Ansätzen gemeinsam ist die Annahme, dass Infinitive als „verbal-nominale Zwitterformen“ (ESCHENLOHR 1999: 153) die „zur Umkategorisierung der Wortart genutzte Übergangsstelle“ (EICHINGER 2000: 219) – quasi das „Einfallstor“ (FREYWALD & SIMON 2007: 185) – den Ausgangspunkt bilden. Substantive werden also „syntaktisch umgenutzt“ (DONALIES 22005: 124) indem ihr wortfinales -en als Flexionsaffix (Infinitivmarker) reanalysiert wird. ESCHENLOHR (1999: 156) hält die strukturelle Identität zur nominalen Ausgangsform „nur teilweise für überzeugend, denn [diese] bleibt ja nur gewahrt, wenn die substantivische Rückbildungsbasis ein Infinitiv [...] ist.“ Nicht ganz klar ist aber, warum (adjektivisch gebrauchte) Partizipien erst nach Infinitiven ausgebildet werden sollen. Viele NonV2-Verben bzw. deren Infinitive sind (mutmaßlich) gerade aus Perfekt-Partizipien oder aus Rückbildungen von -ung oder -er-Nominalisierungen entstanden. Hier zeigt MCINTYRE (2001: 57-58) ein alternatives, aber ähnliches Szenario auf: Auch bei ihm ist der Ausgangspunkt (0.) ein nominalisierter Infinitiv oder ein adjektivisches Partizip Perfekt (das Seiltanzen, ein videoüberwachter Platz). Danach (0.1.) wird angenommen, dass diese Formen nicht strikt nonverbal sind und in infiniten Kontexten vorkommen können (Kann Isolde seiltanzen? Dieser Platz wird videoüberwacht.). Sobald diese infiniten Formen als verbal angesehen werden (0.2.), folgen zwei Schritte, die zur Ausbildung eines vollständigen Paradigmas beitragen (diese müssen nicht unbedingt in der angegebenen Reihenfolge geschehen): -

(0.2.1.) Vorkommen der Form in allen infiniten Kontexten, inklusive erweiterter Infinitiv mit zu, (0.2.2.) Vorkommen der Form in allen Kontexten, in denen die Form mit der infiniten Form identisch ist, d.h. 1. und 3. Person Plural in Nebensätzen (weil wir/sie seiltanzen).

Den nächsten Schritt (0.3.) bildet das uneingeschränkte Vorkommen in Nebensätzen (da er den Platz videoüberwacht). Das Paradigma ist vollständig ausgebaut, wenn das Verb auch in Hauptsätzen vorkommen kann (1.).68 Für die in dieser Arbeit behandelten Verben stellt sich natürlich die Frage, wie diese Übergänge – insbesondere der von 0.3. nach 1. – zustande kommen bzw. warum letzterer gerade ausbleibt. Für MCINTRYE (2001: 58) liegt die einzige Erklärung darin, dass im Einklang mit der Stress Hypothesis (siehe Abschnitt 2.2.2.2.) eine Entscheidung bezüglich der syntaktischen Trennbarkeit getroffen werden muss. Dies sei allerdings schlecht, da so die formale Ähnlichkeit zwischen Derivationsbasis und -produkt verzerrt würde bzw. gebundene Formen (die durch

68

Interessanterweise scheint dieser Verlauf mit den Integrationsschritten entlehnter Verben übereinzustimmen. Zur Integration verbaler Anglizismen vgl. z.B. ANDROUTSOPOULOS (1998: 560-562) und EISENBERG (22012: 242-245).

Forschungsstand

39

Apokopierung oder Einfügen von Fugenelementen entstanden sind) isoliert würden (vgl. Abschnitt 2.2.2.3.); außerdem sei keine Doppelbesetzung der Partikelposition (rechte Satzklammer) möglich. Die Stress Hypothesis und somit die Tendenz zur syntaktischen Trennung kann nach MCINTYRE (2001: 59) allerdings überschrieben werden, wenn ein Verb „too useful to be unavailable in main clauses“ ist (radebrechen, brandmarken, mutmaßen). Hier lässt sich einwenden, dass Nützlichkeit bzw. Gebräuchlichkeit ein recht schwammiges Konzept ist. Was ist nützlich und wie sieht der Bezug zur Frequenz aus? Davon abgesehen lässt sich fragen, warum syntaktische Trennung so schlecht sein soll, wenn das Deutsche doch ohnehin zur Klammerbildung neigt (vgl. RONNEBERGER-SIBOLD 1991, siehe Abschnitt 2.2.2.2.). Dennoch kann MCINTYRES (2001) Aufstellung sehr dabei helfen Brückenkontexte für die einzelnen Übergänge auszumachen. Einen Brückenkontext für den Übergang von 0. zu 0.1. können beispielsweise Verbindungen mit sog. ‚Infinitivverben‘ (FUHRHOP 2002), insbesondere mit den Verben beibringen, lehren, lernen, trainieren, sich trauen und üben, sowie hassen, lieben und verabscheuen (FUHRHOP 2002: 104) bilden, deren Infinitivergänzung sowohl eine verbale als auch eine substantivische Interpretation zulässt, bilden (siehe auch Abschnitt 3.1.1.3.). Hierbei muss noch darauf hingewiesen werden, dass eine derartige Infinitivergänzung bzw. der Infinitiv generell an gewisse Satzpositionen gebunden ist, was in den genannten Arbeiten unerwähnt bleibt (s. Unterkapitel 5.2.). Dennoch ist der Übergangsbereich von eher nominaler Verwendungsweise zu eher verbaler Verwendungsweise für die infiniten Formen in den genannten Ansätzen recht ausführlich beschrieben. Über die Frage, welche Faktoren eine Rolle spielen, damit überhaupt finite Formen (in VL) gebildet werden können und ein verbales Paradigma (vollständig) ausgebaut werden kann, schweigen sich die Autoren allerdings aus. Unbeantwortet bleibt auch, warum einige Verben bei ihrer Entwicklung entlang der Skala an bestimmten Punkten stoppen. In Kapitel 5.4 dieser Arbeit wird eine eigene (differenziertere) Skala aufgestellt, die versucht etwas Licht auf diese Fragen zu werfen. Möglicherweise ist jedoch die Struktur der einzelnen Verben zu heterogen, als dass sie sich alle ähnlich verhalten würden. Dabei ist aber generell zu bedenken, dass Alter nicht proportional zum morphosyntaktischen Verhalten ist. Würde man die diachrone Entwicklung der NonV2-Verben nachzeichnen (was im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu leisten ist), kann ein Verb durchaus lange auf einer Stufe verharren, sich möglicherweise auch gar nicht weiterentwickeln. Wichtig wäre nur, zu zeigen, dass Schritt 3 nicht vor Schritt 1 kommen kann, was für die Existenz einer diachronen Entwicklungsskala spräche. Was die V2-Hemmung anbelangt, ist es aber fraglich, ob heutigen Sprachbenutzer/innen der historische Entstehungsprozess jedes Lexems zugänglich ist; dieser müsste dann mit jedem einzelnen Lexem als Lexikoneintrag im mentalen Lexikon abgespeichert sein. Dies spräche eher für eine lexikalistische Erklärung des Phänomens (s. nächster Abschnitt).

40

NonV2-Verben im Deutschen

2.2.5. Semantische Ansätze Sämtliche NonV2-Verben weisen eine äußerst komplexe und spezifische Semantik auf.69 ÅSDAHL HOLMBERG (1976: 93) spricht sogar davon, dass diese Verben komplette „Satzinhalte“ darstellen, „denen vorwiegend eine Nominalbildung zu Grunde liegt“, deren „Gesamtvorstellung“ verbal ausgedrückt wird (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 4). So ist es durchaus vielversprechend, die Bedeutung der NonV2-Verben näher zu betrachten. Eine Reihe von synchronen Arbeiten verfährt genau so und rückt die Semantik entsprechender Verben in den Vordergrund, indem sie v.a. die Interpretierbarkeit ihres Erstglieds diskutiert. Diese Ansätze sollen hier als „Kompositionalitätsansätze“ geführt werden.

2.2.5.1. Kompositionalitätsansätze FORTMANN (2007: 6-10; 2015: 598-600) sieht die Gründe für die Stellungsrestriktionen weder in spezifischen Bedingungen der Denominalisierung (v.a. Rückbildung) noch in der Wahl eines spezifischen präfigierten Elements (z.B. kann wett- sowohl bei ‚beweglichen‘ als auch bei ‚stellungsfesten‘ Verben vorkommen), sondern in der Semantik der komplexen Verben.70 Ihm zufolge weisen Non-V2-Verben „eine kompositionale Interpretation auf, bei der das präfigierte Element meist in einer Modifikatorrelation, seltener in einer Argumentrelation zum verbalen Kopf steht. Das hat neben anderem zur Folge, dass die Bedeutung des verbalen Stammes die des komplexen Verbs einschließt“ (FORTMANN 2007: 12). Bewegungsresistente Verben weisen so gewissermaßen eine „spezifische Subkonzeptbedeutung“ (SCHLÜCKER 2012: 6) auf und sind (kompositionell) transparent. Es folgen einige Beispiele (die Nummerierung nach FORTMANN 2007: 12 bleibt beibehalten): (11) a. c. d. e. f. j. h. n. q. 69

komplexes Verb bauchlanden bausparen bergsteigen ehebrechen erstwählen manndecken kopfrechnen schutzimpfen uraufführen

Interpretation Modalmodifikation [...] Finalmodifikation – sparen um zu bauen Direktional Objekt Temporalmodifikation [...] Objekt [...] Modalmodifikation [...] Finalmodifikation [...] Temporalmodifikation

Dies wird spätestens dann deutlich, wenn man versucht verbale Pseudokomposita z.B. für Interlinearglossierungen (vi) ins Englische zu übersetzen. (vii) (viii) (ix)

uraufführen ‘première / show for the first time’ notlanden ‘make a forced landing / make an emergency landing’ bausparen ‘save with a building society’ Ich kann mir bald ein Haus kaufen, weil ich schon jahrelang 1SG.NOM can-PRS.1SG 1SG.DAT soon DET-NEUT.SG.ACC house-NEUT.SG.ACC buy-INF because 1SG.NOM already year.long bauspare. building.save-PRS.1SG ‘I can soon buy a house because I’ve been saving with a building society for years.ʼ

Meist kann nicht ein einzelnes Wort herhalten, sondern eine ganze Phrase. Vgl. aber (x) 70

voranmelden ‘preregister’

Die von HÖHLE (1991, 22019) und HAIDER (1993) entwickelte generative Bewegungsanalyse wird aber auch ausgebaut; das erste Glied wird aus der N°-Ebene heraus in eine höhere Projektion des Verbs angehoben, sodass es das Verbalisierungssuffix k-kommandieren und damit modifizieren kann (FORTMANN 2007: 19-39; 2015: 603-607).

41

Forschungsstand

Demgegenüber seien mobile Verben „idiomatisiert und nicht kompositional“ (FORTMANN 2007: 14). FORTMANN (2007: 13) gibt u.a. folgende Beispiele: (12) a.

komplexes Verb brandmarken

b.

gewährleisten

d.

lobpreisen

g.

nachtwandeln

k.

wetterleuchten

Interpretation stigmatisieren brand ist keine modale Modifikation zu marken garantieren gewähr ist kein Argument von leisten [...] rühmen lob ist weder Argument noch Modifikation zu preisen [...] ohne Bewusstsein umherlaufen, synonym zu wandeln nacht ist keine temporale Modifikation zu wandeln [...] blitzen ohne zu donnern wetter ist keine modale Modifikation zu leuchten

Zu seiner Liste der semantisch transparenten Verben könnten eventuell noch Lokalmodifikationen wie seiltanzen ‘auf einem Seil tanzenʼ und moorbaden ‘im Moor badenʼ ergänzt werden.71 Die Korrelation zwischen V2-Hemmung und semantischer Transparenz kann allerdings nicht schon darauf beruhen, dass innerhalb der Projektionsstufe X0 die für die kompositionale Interpretation erforderlichen strukturellen Relationen überhaupt nicht hergestellt werden könnten (vgl. FORTMANN 2007: 15-16); die Bewegungsrestriktion rührt eher daher, dass das modifizierende (semantisch transparente) Erstglied des Kompositums sowohl von N als auch V eingeschlossen ist (FORTMANN 2007: 17). Da innerhalb der Wortstruktur ein Element in einer Argument- oder Modifikatorrelation zu einem vom Kopf repräsentierten Ereignis nur interpretiert werden kann, wenn es diesen Kopf c-kommandiert, kann das Erstglied nicht als Modifikator des vom Verb bezeichneten Ereignisses verstanden werden (FORTMANN 2007: 20-21). Um den Gegebenheiten der Interpretation gerecht zu werden, muss das von dem Nominalkompositum übernommene Erstglied in einer Position stehen, in der es das Verbalisierungssuffix c-kommandiert, was FORTMANN (2007: 21) durch Präfixanhebung72 analysiert. (13) a. [V maß [V [N maß [N [V schneid ]V -er ]N ]N ØV -n ]V ]V b. [V wett [V [N wett [N [V renn ]V -Ø ]N ]N ØV -en ]V ]V

(FORTMANN 2007: 21)

Wenn nun der V0-Kopf nach C0 bewegt würde, verließe die Spur innerhalb des Verbs die ckommandierte Domäne ihres Antezedens. Spuren müssen von ihren Antezedenten lizenziert werden. Da die Kopie aber phonologisch leer ist, wäre der overte Output ununterscheidbar von einer alleinigen Bewegung des Erstglieds, was wiederum durch den Einschluss in den Kopf blockiert ist (FORTMANN 2007: 22-26; 2015: 607).

71

Zu dieser semantischen Argumentation passen auch die amtlichen Rechtschreibregeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung passen (vgl. auch GÜNTER 1997: 7): „Es wird zusammengeschrieben, wenn der adjektivische Bestandteil zusammen mit dem verbalen Bestandteil eine neue, idiomatisierte Gesamtbedeutung bildet, die nicht auf der Basis der Bedeutungen der einzelnen Teile bestimmt werden kann“ (Deutsche Rechtschreibung §34, 2.2); ähnliches gilt für „Zusammensetzungen mit einem substantivischen ersten Bestandteil. Dabei handelt es sich um [...] Fälle, bei denen die ersten Bestandteile die Eigenschaften selbständiger Substantive weitgehend verloren haben“ (Deutsche Rechtschreibung §34, 3).

72

Begründet wird dies mit PESETSKY (1985), der auf Morphembewegung zurückgreift, um bestimmte Klammerparadoxien zu lösen. Die Darstellung erfolgt durch Durchstreichen.

42

NonV2-Verben im Deutschen

Unabhängig davon, ob man der generativen Analyse folgt, ist die Einsicht, dass die Semantik der NonV2-Verben, die eine starke Verbindung zu einem analogen Nominalkompositum aufweisen, und damit die Interpretierbarkeit ihres Erstglieds einen Einfluss auf das syntaktische Verhalten hat, durchaus interessant. Damit sind aber noch nicht alle semantischen Interpretationen zwischen Basisverb und Erstglied abgedeckt, die aber möglicherweise mit einem Inkorporationsansatz erfasst werden können.

2.2.5.2. Quasi-Inkorporation BOOIJ (2008: 14-18; 2009b: 19-22; 2010: 112-115; 22019: 236-238) entwickelt für NonV2-Verben eine morphologische Analyse, wobei er Quasi-Nomen-Inkorporationen73 im Niederländischen betrachtet; die Erklärung sollte aber auch für das Deutsche funktionieren.74 BOOIJ (2010: 101-102) zufolge können Nomen-Verb-Verbindungen in drei strukturellen Konfigurationen auftreten: als normale Verbalphrasen (VPs), als Quasi-Inkorporationen und als Komposita. Strukturell können Nomen-Verb-Kombinationen wie ndl. piano spelen75 ‘Klavier spielenʼ nun prinzipiell als normale Argument-Verb-Verbindungen („VPs consisting of an NP (containing a bare N0 only) and a V0“ [BOOIJ 2010: 101]) oder als Quasi-Inkorporation („[N0V0]V0 [...] expressing that NVs with noun incorporation are not words in the strict, morphological sense but syntactic compounds dominated by an X0 category symbol“ [BOOIJ 2010:101]) analysiert werden, die sich jeweils syntaktisch unterschiedlich verhalten (siehe Fn. 17) und unterschiedliche semantische Interpretationen aufweisen: die zweite Struktur kann ausschließlich für „conventional actions that require a specific competence and are therefore nameworthy“ (BOOIJ 2010: 107) verwendet werden,76 wohingegen die erste Struktur beides – „an event or a conventional action“ (BOOIJ 2010: 106) – ausdrücken kann. Da bei Letzterem beide Interpretationen zur Verfügung stehen, kann in V2-Kontexten die Verbindung auch syntaktisch getrennt werden; das finite Verb steht dann in der zweiten Strukturposition und das als Argument einer regulären VP (gemäß [[… N0]NP V0]VP) interpretierte Erstglied bleibt in situ. Dagegen unterscheiden sich Nomen-Verb-Kombinationen des Typs ndl. buik spreken ‘bauchredenʼ, deren Zweitglieder nicht in V2 vorkommen können. Der Grund hierfür liegt nach BOOIJ (2010: 112-115) darin, dass das nominale Erstglied kein Argument des Verbs bildet und

73

Der Begriff ‚quasi-incorporation‘ wurde von DAHL (2004: 218) vorgeschlagen, der ihn benutzt „[f]or constructions where [...] elements enter into closely knit units ... but stop short of actually being incorporated“. Er bezeichnet damit dasselbe, was GALLMANN (1999: 283) unter ‚Noun-Stripping‘ versteht (vgl. Fn. 17).

74

Die Analyse erfolgt im Rahmen seiner Construction Morphology, einer konstruktionsgrammatischen Theorie, die mittels abstrakter Schemata und Subschemata v.a. Wortbildungsmuster darzustellen versucht.

75

Es sei angemerkt, dass sich BOOIJ (2010: 97) hier bewusst nicht an die niederländische Orthografie hält.

76

Dies drückt BOOIJ (2010: 107) in seinem Theorierahmen durch folgendes Konstruktionsschema (Form-Funktions-Paar) aus: (xi)

[[N0i][V0j]]V0,k ↔[ conventional action Vj in which Ni is involved]k

wobei die Einschränkung getroffen werden muss, dass, wenn N0 nicht im Plural steht (BOOIJ 2010: 110), „the N0 position is filled by a bare noun that forms a lexical collocation with the verb“ (BOOIJ 2010: 107)

Forschungsstand

43

die Sequenz somit nicht als normale VP analysiert werden kann.77 Dementsprechend steht für diese Konstruktion nur die Analyse als Quasi-Inkorporation zur Verfügung, die aufgrund ihres phrasalen Status nicht in V2-Position (in der nur einzelne finite Verben und keine phrasalen Prädikate vorkommen können) stehen kann. Ein weiteres Unterscheidungskriterium für NonV2Verben ist nach (BOOIJ 2010: 114), dass das Erstglied nicht topikalisiert werden kann.78 Auch die Analyse als Kompositum (das als Ganzes ein finites Verb bildet: [N V]V0) greift nicht, da die semantische Interpretation eine völlig andere wäre.79

2.2.5.3. Diskussion Wenngleich die semantischen Ansätze von FORTMANN (2007) und BOOIJ (2010) sehr interessant (weil schwer zu widerlegen) sind, ist dennoch nicht ganz nachvollziehbar, warum eine kompositionale Semantik V2-Stellung, insbesondere syntaktische Trennung verhindern soll, zumal es doch auch sonst im Deutschen viele Fernabhängigkeiten gibt. Die Ansätze können zudem keine Vorhersagen darüber treffen, in welche Richtung die Entwicklung der idiomatisierten und damit V2-fähigen Verben geht. Welche sind syntaktisch trennbar und welche nicht? Anderherum merkt AHLERS (2010:

60) an, dass intransparente Verben „durch volksetymologische Reanalyse wieder transparent gemacht werden“ können; diese müssten dann ihre V2-Fähigkeit verlieren, was unplausibel ist. Darüber hinaus ist der Lösungsvorschlag nicht ganz haltbar, da sich viele V2-fähige kom-

plexe Verben finden lassen, die transparente Bedeutungen aufweisen, z.B. vorbereiten (was m.E. dieselbe Temporalmodifikation wie bei voranmelden ausweist), schönschreiben (Modalmodifikation), sattessen (Finalmodifikation),80 aber auch verbale Komposita wie spazierengehen. Dabei wird nicht zwischen den grundlegenden Arten bzw. Status von Konstituentenverbindungen unterschieden, nämlich Argumentsättigung oder Modifikation. Dies ist insbesondere für Argumentrelationen relevant, die FORTMANN (2007: 12) unter der Relation ‚Objekt‘

mit zu den Modalmodifikationen zählt. BOOIJs (2010: 101-102) Analyse hingegen würde z.B. vorhersagen, dass das Erstglied ehe- in ehebrechen als direktes Objekt (Argument) interpretiert werden kann; es müsste demnach von der Verbbasis trennbar sein. Hier widersprechen sich die

77

Diese Erklärung geht auf eine Generalisierung von ACKEMA (1999: 230) zurück: „If N is an argument of V, N-V is separable“.

78

Kontrastiven Fokus und damit Topikalisierung als Unterscheidungskriterium zwischen Partikel- und NonV2-Verben zu nutzen, halte ich für problematisch (s. auch HEINE et al. 2010). Zum einen ist m.E. teil habe ich nicht genommen nicht weniger schlecht oder gut als bauch habe ich nicht getanzt, zum anderen kommen derart Belege in einem Korpus nur äußerst selten vor, weshalb das Argument empirisch nur schwer zu prüfen ist.

79

BOOIJ (2010: 114, Fn. 10) geht auch auf sprecherindividuelle Variation ein, wenn er behauptet, dass zumindest „[i]ndividual cases of quasi-incorporation may be analysed as morphological compounds. In that case, they can occur in second position“. Die Variation liege demnach in der Unsicherheit der Sprecher/innen (aus den drei potentiellen Möglichkeiten), die zutreffende Struktur zuzuweisen (vgl. Abschnitt 2.2.3.2.).

80

Möglicherweise handelt es sich hierbei eher um eine Resultativkonstruktion, die sich der Argumentation entzieht.

44

NonV2-Verben im Deutschen

Ansätze offensichtlich. Für die meisten Verben, die oberflächlich wie Rektionskomposita aussehen, ist syntaktische Trennung auch tatsächlich der Fall, z.B. radfahren, achtgeben, danksagen. Es stellt sich also die Frage, warum dies dann bei einigen Verben (wohl nur bei ehebrechen, seilziehen, manndecken und evtl. auch bettnässen) nicht gelingt. Unklar bleibt, worin der Unterschied zu eventuellen Instrumentalmodifikationen (autofahren aber maschineschreiben) besteht. Überhaupt fällt es schwer, semantische Relationen eindeutig zuzuordnen, was zu unterschiedlichen Interpretationen und Wertungen führt. Entgegen FORTMANN (2007: 12) hält z.B.

VIKNER (2005: 102) bausparen für semantisch nicht transparent. Andere Beispiele für NonV2-Verben, die semantisch nicht transparent sind, sind m.E. sonnenbaden, das nicht

wirklich eine bestimmte Art zu baden darstellt, kurpfuschen, da die Bedeutung ‘ohne medizinische Ausbildung und behördliche Genehmigung Kranke behandelnʼ nicht wirklich von pfuschen subsumiert wird, wallfahren, da auch hier kompositionell nicht die Bedeutung ‘pilgernʼ hervorgeht, und rufmorden, wobei niemand durch Rufen umgebracht, sondern verleumdet wird.81 Auch ehebrechen wirkt gar nicht so transparent bzw. kompositional, da es nicht wirklich dieselbe Bedeutung wie die Ehe brechen hat. Zumindest kann man den einzel-

nen Gliedern nicht die Bedeutung ʻdie eheliche (geschlechtliche) Treue verletzenʼ ansehen.82 Möglicherweise ist es schon opaker, aber eben noch nicht zu opak, weshalb es nicht V2-fähig ist. Lobpreisen hingegen ist meiner Ansicht nach durchaus transparent: ʻmit Lob preisenʼ, nach

AHLERS (2010: 59) sogar lustwandeln: ʻaus/mit Lust wandelnʼ. Aussagen wie diese sind aber letztlich genauso ad-hoc und problematisch wie die gerade kritisierten. Hier zeigt sich das eigentliche Problem: nicht nur, dass semantische Transparenz bzw. kompositionelle Interpretierbarkeit nur sehr schwer zu fassen sind; wie häufig in der Literatur wird keine Trennung zwischen ‚Kompositionalität‘ und ‚Transparenz‘ (sowie auch ‚Literalität‘ bzw. ‚wörtliche Bedeutung‘) vorgenomen (vgl. auch SCHÄFER 2018: 66-73; SCHLECHTWEG 2018: 7982). Ein komplexer Ausdruck gilt als kompositionell, wenn seine Bedeutung nach dem FregePrinzip berechnet werden kann: Die Bedeutung eines Ausdrucks wird durch die Bedeutung seiner Bestandteile und die Art ihrer Kombination bestimmt. Das Problem ist allerdings, dass nicht klar ist, welche Arten der Kombination zu diesem Prinzip passen und welche nicht. Gerade bei den beschriebenen komplexen Verben können die Bedeutungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen nicht eindeutig aus den Bedeutungen der Bestandteile und der Struktur abgelesen werden – trotz klarer Präferenzen. Damit ist Kompositionalität aber immer mehr als die Bedeutung der

81

Tatsächlich wird der Ruf (einer Person) zerstört, was für eine Argumentrelation und damit syntaktische Trennung sprechen würde.

82

Darüber hinaus kritisiert z.B. STERNEFELD (2006: 519) FORTMANNs (2007) syntaktische Analyse. Setze man für das immobile Verb ehebrechen das Substantiv Ehebruch voraus, gerate die Ableitung mit dem Ablaut in Konflikt. Setze man hingegen Ehebrecher voraus, habe man nach FORTMANNs Methode zwei Varianten eines Nominalisierungssuffixes -er und -Ø, beispielsweise, was eine unnötige Duplizierung von Derivationsmorphemen darstelle.

Forschungsstand

45

Einzelkonstituenten. Sie bezieht sich eher auf Bedeutungsvorhersagbarkeit. Semantische Transparenz hingegen liegt vor, wenn die Einzelkomponenten (noch) erkennbar sind, d.h. wenn die konstituierenden Bedeutungen im Sinne des komplexen Ausdrucks einfach nur erkannt oder motiviert werden können (vgl. SANDRA 1990: 550; ZWITSERLOOD 1994: 366 in SCHÄFER 2018: 6768 u. SCHLECHTWEG 2018: 80-81). Dies ist bei allen von FORTMANN (2007) diskutierten komplexen Verben möglich. Denn selbst die Bedeutung eines Verbs wie arschkriechen (oder rufmorden) lässt sich herleiten. Selbstverständlich handelt es sich nicht um ‘eine bestimmte Art zu kriechenʼ; auch kann nicht die wörtliche Bedeutung ‘in den Arsch kriechenʼ angenommen werden, sondern dieses würdeloses Verhalten wird metaphorisch übertragen auf sich erniedrigendes Schmeicheln, um sich Vorteile zu verschaffen. Hier zeigt sich, dass FORTMANN (2007) vielmehr auf die Unterscheidung ‚wörtliche Beudeutung‘ vs. ‚übertragene Bedeutung‘ abhebt, die allerdings nur sehr schwer operationalisierbar ist. Auch der Test „AB ist eine bestimmte Art zu/von B“ ist letztlich nicht zur Ermittlung semantischer Transparenz geeignet, da er nur testet, ob das Zweitglied noch seine ursprüngliche Bedeutung aufweist. Dies setzt natürlich vorraus, dass es so etwas wie eine ursprüngliche bzw. wörtliche Bedeutung gibt. Von der kann man aber nur ausgehen, wenn ein Ausdruck mindestens zwei verschiedene Interpretationen erlaubt, was bei den meisten NonV2Verben nicht der Fall ist.83 Um die genaue Bedeutung(sbeziehung) zu verstehen, ist Zugang zu pragmatischen Informationen erforderlich (aber hier könnte argumentiert werden, dass sie außerhalb des Bereichs der Semantik liegen). Wie VIKNER (2005: 102) hinweist, braucht es „real world knowledge to interpret what [e.g.] bausparen ‘buildung-saveʼ means“ anstatt ausschließlich auf

kompositionelle Semantik zu bauen. Letztlich fußt FORTMANNs (2007) Erklärungversuch auch gar nicht auf dem Verständnis von von ‚Kompositionalität‘ und ‚Transparenz‘ allgemein, sondern nur auf eine bestimmte Bedeutungsrelation zwischen den Einzelkonstitueten. Was allerdings klar aus den Ansätzen hervorgeht, ist, dass NonV2-Verben noch eine sehr enge semantische Verbindung zum dazugehörigen Nominalkompositum aufweisen. AHLERS (2010: 60) meint aus FORTMANNs (2007) Listen immobiler und mobiler Verben klar erkennen zu können, „dass es zu jedem Hinterglied immobiler Verben ein zugehöriges Simplexverbum zu geben scheint.“ Bei den mobilen Verben sei das nicht immer der Fall; aus den gegebenen Beispielen träfe dies, wenn überhaupt, nur auf brandmarken (es existiert kein Verb *marken) zu. Dass es sich dabei aber nur um (wohl durch Konversion entstandene) syntaktisch nicht-trennbare Verben handelt, ist allerdings nicht haltbar, da es auch Partikelverben gibt, deren Basisverb nicht

83

Dass semantische Durchschaubarkeit/Vorhersagbarkeit nicht ausreicht, um morphologische oder syntaktische Verhaltensweisen zu erklären, zeigt sich auch z.B. bei Funktionsverbgefügen oder Idiomen (dt. ins Gras beißen, engl. kick the bucket) (vgl. MCINTYRE 2001: 40-41). Darüber hinaus müssen wörtliche Bedeutungen beim Verständnis der nicht-wörtlichen Bedeutung nicht notwendigerweise eine Rolle spielen (vgl. SCHÄFER 2018: 69).

46

NonV2-Verben im Deutschen

alleine vorkommt.84 In diesem Zusammenhang bleibt auch unklar, ob bzw. warum die entsprechenden NonV2-Verben statt durch Rückbildung bzw. Quasi-Inkorporation nicht auch durch Konversion entstanden sein können. Problematischer für die BOOIJsche Analyse ist allerdings, dass sie voraussetzt, dass alle NonV2-Verben Nomen-Verb-Verbindungen sind. Auch wenn sich alle NonV2-Verben auf ein Nominalkompositum zurückführen lassen (vgl. AHLERS 2010: 93-103), haben viele oberflächlich die Form von Doppelpartikelverben, für die diese Analyse nicht greift (es sei denn man argumentiert, dass Partikeln – trivialerweise – keine Argumente von Verben sind; aber weshalb lassen sich dann normale Partikelverben trennen?85). Generell wurden bislang kaum Fälle in der einschlägigen Literatur zu NonV2-Verben diskutiert, die (abgesehen von Doppelpartikelverben) kein substantivisches Erstglied aufweisen. Dies könnte daran liegen, dass bei Adjektiven als Erstglied syntaktische Trennung immer möglich zu sein scheint (vgl. MOSER 1979: 60), was möglicherweise auf die resultative Lesart zurückzuführen ist. Gegenbeispiele stellen aber liebkosen, klugscheiße(r)n, hartlöten (VIKNER 2005: 90; STERNEFELD 32008/2006: 344, 515; FORTMANN 2007: 12) und hellsehen (MCINTYRE 2001: 54) (sowie evtl. dummschwätzen, falschmünzen,

feinschmecken und tief(ge)frieren, -kühlen, vgl. ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 21; WESTENDORF 1986: 285,306, 313; ESCHENLOHR 1999: 237) dar. Auch verbale Kopulativkomposita wie grinskeuchen und fluchbeten (wozu möglicherweise auch lobpreisen zählen kann), bei denen Erst- und Zweitglied semantisch gleichwertig sind (und ihre interne Abfolge prinzipiell austauschbar) – sie sind also durchweg als kompositional transparent anzusehen –, stellen ein Problem für die Analyse dar: Da hier offenkundig weder eine Modifikator- noch eine Argumentrelation zugrundeliegt, wäre die Vorhersage, dass Kopulativverben syntaktisch ungetrennt V2-fähig sein sollten. Für die vorliegende Arbeit stellt sich v.a. die Frage, wie die beiden semantischen Erklärungsansätze empirisch zu überprüfen sind. Konkret bedeutet das: wie lässt sich ein Konzept wie ‚Kompositionalität‘ bzw. ‚semantische Transparenz‘ operationalisieren? So wie es FORTMANN (2007) formuliert, stellt ‚semantische Transparenz‘ letztlich nur ein Ettikett bzw. ein Label dafür dar, dass eine Modifikatorrelation vorliegt. Genau in diesem Sinne ist der Begriff im restlichen Verlauf der Arbeit zu verstehen. Unter der Annahme, dass komplexe (NonV2-)Verben gewissermaßen Hyponyme zu ihren Basisverben sind, wenn AB also eigentlich nur B ist, ergibt sich zunächst einmal die implizite Vorhersage, dass sich beide Verben (zumindest in Nicht-V2-Kontexten) ähnlich verhalten sollten. Aus diesem Grund werden NonV2-Verben mit ihren Basisverben verglichen. Darüber hinaus wirkt das Vorhandensein einer Modifikatorrelation zu allgemein, um ‚semantische Transparenz‘ bzw. ‚kompositionelle Interpretierbarkeit‘ testen zu können. Möglicherweise haben

84

Partikelverben: (die Glut) anfachen ← *fachen, abmagern ← *magern (vgl. ZELLER 2001: 211-215), anstrengen ← *strengen; Präfixverben: beginnen ← *ginnen, vergessen ← *gessen, verlieren ← *lieren, gebären ← *bären, u.a. (vgl. HENZEN 31965: 107; FLEISCHER & BARZ 42012: 377-378, 383, 389).

85

Zu Partikelverben im Niederländischen siehe BOOIJ (2010: 118-145).

47

Forschungsstand

unterschiedliche semantische Relationen bzw. Interpretationen des Erstglieds unterschiedlichen Einfluss auf die Verwendung eines komplexen Verbs (s. Abschnitte 3.3.2.1.4.2. u. 4.2.2.14.).

2.2.5.4. Eigensemantik des (Basis-)Verbs – Aktionsart In FORCHE (2015: 24, 25, 27) argumentierte ich, dass bestimmte Lexeme, speziell Handlungsnomen, aufgrund ihrer inhärenten agentivischen Semantik als Verben um- oder missinterpretiert werden können und somit verbaler wirken. Andersherum gibt es Verben offenbar Verben, die mehr oder weniger verb- bzw. nomenhaft und entsprechend für z.B. Wortbildungsmuster zugänglicher sind als andere. DEMSKE (2000) zeigt beispielsweise, dass -ung-Nominalisierungen vom Frühneuhochdeutschen zum Neuhochdeutschen hin deutlich an Produktivität verloren haben: während es im Frühneuhochdeutschen keinerlei Restriktionen gab, sind heute -ung-Bildungen u.a. bei Verben mit durativem, ingressiven oder inchoativen Aspekt ausgeschlossen (vgl. DEMSKE 2000: 369 sowie Referenzen darin). So werden -ung-Bildungen präferiert aus telischen Verben gebildet (vgl. DEMSKE 2000: 394). Dies legt nahe, dass Aktionsart (bzw. Telizität) eine wichtige Inputbeschränkung für verschiedene Nominalisierungsmuster ist, deren Ergebnisse sich auf einem Kontinuum zwischen Verb- und Nomennähe anordnen lassen (vgl. z.B. HARTMANN 2016: 107).86 Für syntaktische Prozesse (wie V2-Stellung) werden derartige Inputpräferenzen, die v.a. semantischer Natur sind, nicht angenommen (vgl. allerdings bestimmte unakkusativische Verben, die kein Passiv bilden können). Da aber (die Rückbildungsbasen von) NonV2-Verben selbst Wortbildungsergebnisse sind, gibt es möglicherweise von vornherein eine Präferenz zu bestimmten, eher unverbalen Mustern. Das -ung-Suffix selbst kann als ein Aspektmarkierer angesehen werden (vgl. DEMSKE 2000: 394), und zwar insofern, als dass die aspektuell-temporale Semantik der -ung-Bildung nicht durch die inhärenten temporalen Eigenschaften des Basisverbs festgelegt werden, sondern durch das Suffix selbst, durch das die Nominalisierung eine Ereignislesart erhält, „d. h. sie bezieht sich auf ein zeitlich abgeschlossenes Zeitintervall.“ (DEMSKE 2000: 394) Im Sinne LANGACKERs (1987a) wäre zu überlegen, inwieweit derartige abgegrenzte Entitäten (Substantive, telische Verben) nicht ohnehin eher untypisch verbal sind und somit seltener in verbtypischen Kontexten (V2) vorkommen. Darüber hinaus geht

DEN DIKKEN

(2003: 12) davon aus, dass sich bestimmte Erst-

glieder nur mit Accomplishment-Verben verbinden können, so dass die Grundgesamtheit an NonV2-Verben bereits ungleichmäßig verteilt ist. Inwieweit die Eigensemantik eines NonV2-Verbs oder dessen Basisverbs (v.a. in Hinblick auf Aktionsart bzw. Telizität) einen Einfluss auf ihr Vorkommen in typisch verbalen Konstruktionen hat, wurde bislang noch nicht untersucht. In Abschnitt 4.3. wird sich zeigen, dass es unter

86

Dass -ung-Derivate im Frühneuhochdeutschen noch eine viel größere Verbnähe aufweisen, zeigt sich auch auf syntaktischer Ebene: In den entsprechenden Kontexten fehlen oft nomentypische Eigenschaften wie Artikelwörter, adjektivische Modifikatoren und Pluralformen (DEMSKE 2000: 386).

48

NonV2-Verben im Deutschen

den NonV2-Verben einen auffälligen Überschuss an Achievement-Verben gibt, sodass überprüft werden soll, inwieweit die Aktionsart eines Verbs die Wahl einer bestimmten syntaktischen Konstruktion bedingen kann.

2.2.6. Interne Flexion Bereits in Abschnitt 2.2.2.1. wurde erwähnt, dass

DEN

DIKKEN (2003: 26) bei Doppelpartikel-

verben eine auffällige Parallelität zwischen der zu-Platzierung beim erweiterten Infinitiv und der Verwendbarkeit eines Doppelpartikelverbs in V2-Position ausmacht. Die entsprechende Tabelle ist hier noch einmal wiederholt, ergänzt um eine Spalte, die die Platzierung des zu-Infinitivmarkers angibt (vgl. DEN DIKKEN 2003: 26 ohne Beispielangaben): DOUBLE PARTICLE VERB TYPE VERB Type I (voor-aan-melden) Type II (her-af-drukken) Type IIIa (voor-ver-kopen) Type IIIb (door-ver-kopen) Type IIIc (over-ver-hitten) Type IV (her-ver-delen)

VERB SECOND OF COMPLEX * * * * ? ‫ط‬

VERB SECOND WITH STRANDING ?* ?? ?* ‫ط‬

*

INF-MARER FOLLOWING PRT ?(?) ? ?? ‫ط‬

*

Tabelle 9: Vier Typen niederländischer Doppelpartikelverben und ihr Verhalten in V2 und beim zu-Infintiv (nach DEN DIKKEN 2003: 26)

Partikeln können zusammen mit dem Basisverb in V2 stehen, wenn der Infinitivmarker zu, der wie das Partizip-II-Affix -ge- zu den Flexionspräfixen gezählt wird (s.a. HAIDER 1993: 235; PAFEL 2011: 22), davor steht.87 Ähnliches gelte laut DEN DIKKEN (2003: 27) tendenziell auch für Verben mit nominalem Erstglied, auch wenn die Korrelation hier nicht so deutlich ist. D.h. dort, wo zu außerhalb des komplexen Verbs anzutreffen ist, haben Sprachbenutzer/innen einen konkreten Anhaltspunkt, dass Flexion peripher (wie jegliche Flexion im Deutschen) erfolgt, und können dies nutzen, um entscheiden zu können, ob man das gesamte Verb nach V2 bewegen kann oder nicht. Wird zu allerdings zwischen Erstglied und Basisverb infigiert – mit anderen Worten: wenn intern flektiert wird –, treten Unsicherheiten bzw. Blockierungen in der V2-Verwendung auf, da verhindert wird, dass die EPP-Eigenschaft des C-Kopfs erfüllt wird, die wiederum die Bewegung zum C-Kopf (=V2) antreibt. 88 Die Flexion der Doppelpartikelverben des Typs I/II ist nicht erkennbar, da sie keine unmittelbare Konstituente des komplexen Kopfs ist.89 Dies betrifft allerdings nicht 87

In westgermanischen Sprachen trennt der Infinitivmarker Partikel und Basisverb. In skandinavischen Sprachen steht er immer vor dem Partikelverb und befindet sich so als lexikalisierter freier (VP-externer) Flexionskopf außerhalb des komplexen Verbs, weshalb auch Adverbiale dazwischen treten können.

88

Generativ-transformationell ausgerichtete Arbeiten erklären sich das Zustandekommen des V2-Effekts dadurch, dass zwei Eigenschaften, die an sich unabhängig voneinander sind, zusammen auftreten: ▪ a. Ein funktioneller Kopf in der linken Peripherie zieht das finite Verb an. ▪ b. Dieser funktionelle Kopf verlangt, dass eine Konstituente in dessen Spezifiziererposition bewegt wird. Die Eigenschaft b. kann als generalisiertes Extended-Projection-Principle (EPP) angesehen werden. Die Grundidee des EPP besteht darin, dass Sätze (d.h. IPs) eine Nominal- oder eine Determiniererphrase in der Subjektposition enthalten müssen. Ein verallgemeinertes EPP-Merkmal führt dazu, dass jede Art von Konstituente bewegt werden kann, und blockiert gleichzeitig, dass weitere Konstituenten über sie hinweg bewegt werden können. (HOLMBERG 2015: 375-376)

89

Das, was die Kopf-EPP-Eigenschaft von C erfüllen würde, ist in das komplexe Verb eingebettet und von außen nicht sichtbar.

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Forschungsstand

den Finitheitsabgleich (Agree- und Feature-Checking funktioniert). Dort wo der Infinitivmarker für beide Optionen schlecht ist, geht gar nichts. Die Variation beim Typ III – manchmal ist es möglich nur die Asp-Partikel zu trennen und manchmal das gesamte Verb in V2 zu benutzen – ergibt sich aus der Unsicherheit den Infinitivmarker zu setzen (DEN DIKKEN 2003: 28-30).90 Bei normalen Partikelverben tritt dieser Konflikt nicht auf, da deren Erstglieder nicht zwingend inkorporiert werden müssen und Flexion somit immer peripher ist. Die Korrelation zwischen der Platzierung des Infinitivmarkers und V2-Fähigkeit scheint sicher interessant, allerdings genügt auch dies nicht immer den empirischen Fakten: Es gibt durchaus Verben, bei denen die Verwendung des zu-Infinitivs klar geregelt ist, es aber dennoch keine V2-Vorkommen gibt (s. Abschnitt 3.3.4.5.). Dabei ist generell unklar, woher, Sprachbenutzer/innen ihr Wissen beziehen, wie der zu-Infinitiv zu setzen ist.91 Eine etwas anders geartete Analyse interner Flexion bietet AHLERS (2010), der aber die flexivische stark-schwach-Unterscheidung als Kriterium für eine wortbildungsmorphologische Differenzierung zugrunde legt, die wiederum syntaktische Effekte hervorruft. Aufgrund der (teils oben genannten) Widersprüche, die sich bei dem Versuch das Verhalten von NonV2-Verben über synchrone Wortbildungsprozesse herzuleiten, ergeben, geht AHLERS (2010: 93-103) als Motivation für deren Entstehen davon aus, dass ‚immobile komplexe Verben‘ immer in einem Analogieverhältnis zu einem korrespondierenden (lexikalisierten) Nominalkompositum stehen (und somit auch selbst Komposita sind). Aufgrund der Existenz des Nominalkompositums entstünde „im Verbalbereich ein terminologisch-konzeptueller Benennungsbedarf [...], der mit den Mitteln des Verbalbereichs nicht gefüllt werden kann“ (AHLERS 2010: 105). Evidenz für die Nomenhaftigkeit bilden Eigenschaften von Komposita wie Nichttrennbarkeit, Köpfigkeit, Vorkommen von Kompositionsfugen92 und Rekursivität. Diese und weitere Beobachtungen veranlassen AHLERS (2010: 74-83) dazu, das deutsche Verbsystem und verschiedene Verbtypen anhand morphosyntaktischer Kriterien (neu) zu systematisieren, wie die folgende Darstellung (AHLERS 2010: 83) veranschaulicht: (14) Verbstrukturen des Deutschen Komplexität Simplexverben Präfixverben

syntaktische Trennbarkeit Partikelverben

innere Kopfflektierbarkeit

mobile komplexe Verben

immobile komplexe Verben, (Doppelpartikelverben)

90

Vgl. ÅSDAHL HOLMBERG (1976): Dort, wo es relativ hohe Werte für N-zu-V gibt, gibt es schlechte Werte für die V2-Verwendung.

91

Zwar scheint dies, wie in Abschnitt 1.1. angedeutet, klar prosodisch geregelt zu sein, spätestens in Abschnitt 3.3.4.5 werde ich allerdings zeigen, dass diese einfache Korrelation nicht immer gilt. Auch das Argument, dass Asp-Partikel nur direkt mit Verben verbunden werden können, aber nicht mit Substantiven, ist für das Deutsche unhaltbar, vgl. voranmelden – vormachen – Vorschule.

92

Fugenelemente kommen im Deutschen allerdings auch in Derivationen vor (z.B. hoffnungslos, vertrauensvoll, beispielsweise).

50

NonV2-Verben im Deutschen

Morphosyntaktisch hängt die (Im-)Mobilität also mit den Kriterien Komplexität, syntaktische Trennbarkeit und innere Kopfflektierbarkeit wie folgt zusammen: NonV2-Verben müssen aus mindestens zwei freien Morphemen bestehen (AHLERS 2010: 75) (was sie von Simplex- und Präfixverben unterscheidet) und dürfen nicht syntaktisch trennbar sein (AHLERS 2010: 76) (was sie von Partikelverben unterscheidet).93 Der entscheidende Unterschied zwischen mobilen und immobilen komplexen Verben ist für AHLERS (2010: 79-81), dass letztere in sich einen weiteren verbalen Kopf aufweisen, der „immer stark flektieren [muss], sofern das korrespondierende Simplexverb stark konjugiert“ (AHLERS 2010: 80) (bergsteigen – *bergsteigte / bergstieg). Andersherum heißt das, dass mobile komplexe Verben stets schwach konjugiert werden (z.B. handhaben – handhabte / *handhatte, wallfahren – wallfahrte / *wallfuhr). „Es gibt zwar immobile komplexe Verben, deren korrespondierendes Simplexverb schwach konjugiert; in diesem Falle konjugiert aber auch das immobile komplexe Verb trivialerweise schwach“ (AHLERS 2010: 83). Ein innerer Kopf ist quasi in einem weiteren, äußeren kategorialen V°-Kopf enthalten. In AHLERSʼ (2010: 86) generativer Analyse kann sich nun das komplette Verb deswegen nicht nach C° bewegen, da funktionale Projektionen nur vom inneren Kopf ausgehen bzw. nur dieser an C° Finitheitsmerkmale abgleichen darf. Somit muss, da der innere in dem äußeren Kopf gefangen ist, die komplette Verbstruktur in situ bleiben. Eine ähnliche Analyse bietet SONG (2019: 76-80).94 So innovativ die These von AHLERS (2010) erscheinen mag, erklärt sie nicht konkret, warum aufgrund der Existenz des Nominalkompositums ein Benennungsbedarf im Verbalbereich bestehen muss. Bestünde dieser wirklich, so müsste auch aus jedem Nominalkompositum ein (NonV2-)Verb gebildet werden können, was jedoch nicht der Fall ist: (in Anlehnung an AHLERS 2010: 92: arschkriechen < Arschkriecher) *auftraggeben < Auftraggeber, *notstehen < Notstand oder *seifenblasen < Seifenblasen. Selbst wenn man diese Vorannahme akzeptiert, können doch alle (auch die stellungsrestringierten) Verben letztendlich mit periphrastischen Formen im Verbalbereich ausgedrückt werden. Unklar bleibt ebenfalls, weshalb sie deshalb selbst Komposita sein müssen und nicht durch Konversion entstanden sein können. Schwerwiegender aber ist, dass AHLERS (2010) bei den Nominalkomposita nicht zwischen Determinativ- und Kopulativkomposita (geschweige denn exozentrische / Possesivkomposita) differenziert. Bei Letzteren wäre das Zweitglied zwar der morphologische, aber nicht der semantische Kopf (mähdreschen). Bezüglich der ‚inneren Kopfflexion‘ fällt es schwer, neben handhaben (*handhatte) und wallfahren (*wallfuhr) weitere Beispiele für Verben zu finden, bei denen das Simplexverb stark und

93

Hier geht AHLERS (2010: 76ff.) (ähnlich wie ESCHENLOHR 1999 und ZELLER 2001) davon aus, dass unterschiedliche Wortbildungsprozesse zu unterschiedlichen morphologischen und syntaktischen Verbstrukturen führen. Partikelverben gehen auf syntaktische Zusammenbildungen zurück und sind deshalb trennbar; morphologische Bildungen produzieren X°-Kategorien und sind somit nicht trennbar (z.B. Konversion eines Nominalkompositums, das auch nicht trennbar ist).

94

Bei SONG (2019: 78) ist das komplexe Verb allerdings kein syntaktischer Kopf, sondern eine gewöhnliche gemergete Phrase, was die gelegentliche Ā-Bewegung des Nichtkopfes eines immobilen Verbs zu erklären versucht.

Forschungsstand

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das komplexe Verb schwach konjugiert. Bei dem vermeintlich starken Verb haben handelt es sich um ein Kurzverb, das ein generell sehr idiosynkratrisches Flexionsverhalten aufweist (vgl. u.a. NÜBLING 2000: 13-25). Neben wallfahren existiert auch ein eigenständiges Verb wallfahrten.95 Der Zweifelsfall-Duden (Duden Band 9 72011: 624-625) gibt an, dass das Verb lobpreisen „sowohl stark als auch schwach flektiert werden [kann]: du lobpreist (lobpreisest), du lobpreistest/lobpriesest, gelobpreist/lobgepriesen.“ Nach AHLERSʼ (2010: 79-81) These müsste die erste Variante V2-fähig sein, die zweite nicht.96 Wenn sich dies empirisch nicht bestätigt und sich keine weiteren derartigen Beispiele97 finden lassen, wäre das Kriterium hinfällig. Unabhängig davon bleibt die argumentative Richtung zwischen Kompositum und starker Flexion – was ist Explanans wozu – unklar. Mobile komplexe Verben, die nicht (wie z.B. autofahren, haushalten, kopfstehen, stattfinden, teilnehmen) syntaktisch trennbar sind, lassen sich in der Tat kaum finden. Gegenbeispiele wären allenfalls anerkennen (da laut AHLERS [2010: 83] „Doppelpartikelverben [...] aus denselben Gründen immobil sind, wie die übrigen immobilen Verben“), vollbringen (wenn man es als Adjektiv-Verb-Verbindung anstatt eines Präfixverbs ansieht) und eventuell radebrechen. Laut PAUL (1917: 257) handelt es sich bei letzterem Verb um „eine Ableitung aus einem allerdings nicht nachgewiesenen Subst. radebrëche [...] und wird daher schwach flektiert. Doch kommen zuweilen starke Formen vor, als ob es eine Zus. mit brechen wäre: rad(e)bricht Gryphius, Platen (DWb.), radebrach Heine 4, 336, geradebrochen Lu. (DWb.).“ In Abschnitt 3.3.2.3.6. wird gezeigt, dass solch starker Gebrauch durchaus auch im heutigen Sprachgebrauch vorkommt.98 Darüber hinaus lassen sich ohnehin nur wenige (potentielle) NonV2-Verben finden, die tatsächlich stark flektieren (s. Kapitel 3). Generell sind die Ansätze von DEN DIKKEN (2003) und AHLERS (2010) insofern problematisch, als dass sie nur theorieintern (bzw. in transformationellen Theorierahmen, die Bewegung vorsehen) funktionieren. Kurz zusammengefasst lautet das Argument, dass intern flektierte Köpfe nicht für Kopfbewegungsprozesse zugänglich sind, wodurch das Basisverb nicht in die V2-Position bewegt werden kann.

95

Eine Abfrage mit der lexikalischen Datenbank dlexDB ergab sogar 46 Token für das Lemma wallfahrten, aber nur 12 für wallfahren.

96

Ähnliches gilt vielleicht für mähdreschen (mähdreschte/mähdrosch).

97

Interessant ist jedoch, dass BOOIJs (2010: 115, Fn. 10) Beispiele aus dem Niederländischen offenbar dafürsprechen.

98

Auch bei der Formalisierung im Rahmen der Government & Binding-Theorie widerspricht sich AHLERS (2010: 85), wenn er sagt, dass das Verb „von seiner Basisposition zu einer von ihm projizierten, höheren funktionalen Position bewegt [wird], um Finitheitsmerkmale abzugleichen“ und sich dies „im Deutschen nur an der C°-Bewegung ablesen lässt“, aber dann davon ausgeht, dass (für immobile Verben) Finitheitsmerkmale „auch in der Basisposition abgeglichen werden können“ (AHLERS 2010: 88).

52

NonV2-Verben im Deutschen

2.2.7. Weitere Ansätze 2.2.7.1. Kein Lösungsansatz Neben den bisher erwähnten Arbeiten gibt es einige, die NonV2-Verben (oder einige ihrer Untergruppen) zwar zum Gegenstandsbereich haben, die allerdings keine eigenen Lösungs- bzw. Erklärungsansätze für die Stellungsrestriktion liefern. Sie seien hier nur kurz erwähnt. STERNEFELD (32008/2006) bietet lediglich eine Zusammenfassung der bestehenden generativen Erklärungsansätze für C°-phobe Verben. Ihm geht es (ähnlich wie bei HAIDER 1993, 2010) darum, Argumente für oder gegen eine I°-Projektion im Deutschen zu suchen. PITTNER (1998) bespricht zwar kurz NonV2-Verben, allerdings nur um sie vom Untersuchungsbereich ihrer Studie zu trennbaren Verben und paralleler syntaktischer Strukturen auszuschließen. Dementsprechend bietet sie auch keinen Lösungsvorschlag. FUHRHOP & WERNER (2016: 144) identifizieren zwar das Problem der Stellungsrestriktion, geben aber lediglich an, dass „[i]m Sinne der vorliegenden These [dass syntaktische Konversion die Funktion der Derivation übernimmt, CF] […] sich auch hier [zeigt], dass die Flexion (Morphosyntax) eine funktionale Ausweitung zulässt; sie hat ihre Grenzen (noch) an den ‚undeutlichen‘ Positionen.“ Was genau als „Grenze“ bzw. „‚undeutliche‘ Position“ zu verstehen ist, führen sie nicht aus.99 Die Untersuchung von MOSER (1979) beschäftigt sich zwar mit verbalen Pseudokomposita, listet die Verben aber nur auf. Dabei nimmt er den Versuch einer zweidimensionalen Grobgliederung bezüglich des Erstglieds vor, und zwar nach Trennbarkeit (feste oder unfester Bildung) und nach Status (Adverbiale oder Dativ- bzw. Akkusativobjekt). Es gibt aber kaum Hinweise auf Belege (mit Ausnahme dreier Wörterbücher). Darüber hinaus lässt sich kein Indiz dafür finden, dass MOSER (1979) die untersuchten Verben in irgendeiner Form für defektiv hält.100 Auch bei WESTENDORF (1986), die sich dem Problem der verbalen Pseudokomposita in Monographielänge widmet und sich „auf eine Sammlung von circa 1.500 Beispielwörtern“ (Westendorf 1986: 2) stützt, stellt an kaum einer Stelle fest, dass sich einige von ihnen in V2-Stellung auffällig verhalten. Die „semantisch-syntaktische Untersuchung“, die der Untertitel verspricht, gibt lediglich an, dass beispielsweise schutz- in schutzimpfen als Präpositionalobjekt zu impfen zu interpretieren ist (WESTENDORF 1986: 230a). Erst im Anhang des ersten Teils der Arbeit (WESTENDORF

1986: 284-316) gibt sie vereinzelt Hinweise, dass einige der Verben defektive Paradigmen

aufweisen. Zwar bietet diese Arbeit keinen Erklärungsansatz für das defektive Verhalten – Ziel 99

DONALIES (1999; 22005: 28-30) analysiert lediglich Verben mit positionsfesten Ersteinheiten (traditionell Präfixverben). Verben mit (syntaktisch) mobilen Bestandteilen (traditionell Partikelverben) behandelt sie als syntaktische Gefüge, die sie Präverbfügungen nennt. Somit fallen diese aus (ihrem Untersuchungsbereich) der Wortbildung (Bildung von Wörtern, d. h. syntaktisch untrennbare Einheiten) heraus. Sie unterscheidet allerdings nicht zwischen morphologischer und syntaktischer Trennbarkeit. Dementsprechend sind die Beispiele nicht sehr zahlreich. Auch LÜDELING (2001: 11-18) schließt (syntaktisch trennbare) komplexe Verben mit nominalem oder verbalen Erstglied aus ihrer Untersuchung zu Partikelverben aus, da sie diese Bildungen als nicht produktiv ansieht, sie keine Ausgangsbasen für Wortbildungsprozesse (z.B. in Adjektivderivationen mit bar)99 sein können und sich auch in der semantischen Interpretation unterscheiden.

100

Allerdings geht er zumindest bei ehebrechen davon aus, dass die Form mit Artikel (er bricht die Ehe) die V2-Form ist (MOSER 1979: 69).

53

Forschungsstand

der Arbeit ist eine Typisierung der Pseudokomposita –, allerdings bieten die sechs nach verschiedenen Verbgruppen erstellten Listen einen enormen Fundus an potentiellen NonV2-Verben. Dasselbe gilt für die Arbeiten von ÅSDAHL HOLMBERG (1976), GÜNTHER (1997) und MORCINEK

(2012). Sie untersuchen dabei vorrangig (die grammatische Basis bzw. Entwicklung der)

Getrennt- und Zusammenschreibung (und beraten so auch bei orthografischen Zweifelsfällen) von verbalen Pseudokomposita. Ihre Arbeiten beschränken sich dabei ausschließlich auf Nomen+Verb-Verbindungen. Bemerkenswert ist zumindest, dass ÅSDAHL HOLMBERG (1976: 93) bereits feststellt, dass verbale Pseudokomposita v.a. im Fachwortschatz (Technik, Sport, Belletristik [okkasionelle Bildungen]) vorkommen und erklärt dies mit einem Hang zur Sprachökonomie bzw. Streben nach Verdeutlichung (ÅSDAHL HOLMBERGs 1976: 98). Generell stellen derart verbale Pseudokomposita ÅSDAHL HOLMBERG (1976: 93) zufolge „Wörter für Satzinhalte dar, denen vorwiegend eine Nominalbildung zugrunde liegt, in der sich eine Ersparung von gewissen Ausdrucksmitteln (Präpositionen, Artikeln) vollzogen hat.“ So weisen sie auch nicht alle syntaktischen Merkmale des Verbs auf und werden häufig „in Verbindung mit modalen oder temporalen Hilfsverben in ziemlich stereotypen Satzabläufen mit dem Infinitiv oder dem Part. Prät. als Zielpol“ (ebd.) verwendet.101 Der Gebrauch finiter Formen komme aufgrund des Präteritumschwunds ohnehin nur für das Präsens in Betracht (vgl. ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 95). Leider kann sie aber nicht erklären, warum diese Formen in Nebensätzen viel akzeptabler sind, wie sie selbst feststellt (vgl. ÅSDAHL HOLMBERGs 1976: 96). Eine weitere interessante Beobachtung, die man den Ergebnissen von ÅSDAHL HOLMBERGs (1976: 31-32) Fragebogentest entnehmen kann, sei an dieser Stelle noch erwähnt, und zwar, dass das Sprachgefühl der Informanten in Bezug auf die grammatische Wohlgeformtheit – v.a. bei der ge-Partizip- und zu-Infinitiv-Bildung – stark variiert. Ausgewählte Beispiele sind in (15) aufgeführt: (15) a.

baugespart (26%)

gebauspart (7%)

b.

kunstgestopft (82%)

gekunststopft (3%)

c.

lobgepreist (–) lobgepriesen (20%)

d.

notgelandet (82%)

gelobpreist (32%) gelobpriesen (5%) lobpriesen (3%) genotlandet (11%)

e.

schutzgeimpft (75%)

geschutzimpft (5%)

f.

wettergeleuchtet (16%)

gewetterleuchtet (66%)

bauzusparen (29%) zu bausparen (19%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 51) kunstzustopfen (57%) zu kunststopfen (22%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 43) lobzupreisen (12%) zu lobpreisen (80%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 83) notzulanden (66%) zu notlanden (31%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 44) schutzzuimpfen (25%) zu schutzimpfen (31%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 45) wetterzuleuchten (7%) zu wetterleuchten (71%) (ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 91)

Eine kurze Diskussion dieser Daten erfolgt im Abschnitt 3.4. Prägnant ist vorerst die offensichtliche, zumindest zum Teil akzeptable Möglichkeit der morphologischen Trennung von Stamm und Präverb bei gleichzeitig nicht realisierbarer syntaktischer Trennung. Somit kann man 101

Zum „Zweck und Nutzen verbaler Wortbildung“ generell siehe EICHINGER (1997).

54

NonV2-Verben im Deutschen

feststellen, dass morphologische Trennbarkeit kein eindeutiges Kriterium für syntaktische Trennbarkeit und auch nicht für V2-Fähigkeit ist (vgl. auch AHLERS 2010: 19). Zwar ist die Methodik, die ÅSDAHL HOLMBERGs (1976) in ihrer Studie anwendet aus moderner Sicht aus verschiedenen Gründen kritisierbar, dennoch bilden ihre Informantenbefragungen die erste – und für lange Zeit einzige – empirische Studie zum Problem der verbalen Pseudokomposita bzw. NonV2-Verben. Fast alle der bisher diskutierten Ansätze verwenden bzw. beziehen sich auf ihre Daten.

2.2.7.2. Lexikalistische Ansätze Lexikalistische Ansätze zur Erklärung der V2-Restriktion seien hier nur kurz erwähnt. Ähnlich wie STIEBELS & WUNDERLICH (1994) teilt auch MÜLLER (2002: 32) (unter der Prämisse einer strikten Trennung von morphologischer und syntaktischer Struktur) komplexe Verben hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit zu syntaktischen Operationen anhand von Merkmalen ein. Im Rahmen der Head-Driven-Phrase-Structure-Grammar nimmt er an, dass die meisten Verben für das Kopfmerkmal INITIAL die Werte + und – haben können. Verben wie uraufführen seien aber im Lexikon für das Merkmal-Wert-Paar [INITIAL−] spezifiziert, weshalb die Linearisierungsregel (LP-Regel) „V[INITIAL+] < COMP[ ]“ (MÜLLER 2002: 31), die für die V2-Stellung zuständig ist, nicht auf sie angewendet werden kann.102 Ein generelles Problem lexikalistischer Ansätze ist, dass sie letztendlich nur aussagen können, dass beispielsweise uraufführen ein NonV2-Verb ist; sie drücken einem Wort sozusagen ein Label auf, können aber nicht erklären, warum es dieses Label bekommt. Sie erlauben weder funktionale Erklärungen noch Generalisierungen.

2.2.7.3. Frequenz, Alter, Analogiebildung, Kategorie des Erstglieds Abgesehen von ÅSDAHL HOLMBERGs (1976) Befragungen liegt mit FREYWALD & SIMON (2007) eine erste systematische empirische Untersuchung zu den NonV2-Verben vor. Die Autoren untersuchen mittels einer Fragebogen- sowie einer Korpusstudie, inwiefern Wortbildungsprozesse syntaktische Strukturen beeinflussen (können) (vgl. Abschnitt 2.2.1.). In der Fragebogenerhebung wurde exemplarisch die Akzeptabilität komplexer Verben, die durch Konversion (bausparen), Rückbildung (zwischenlanden) oder Inkorporation (ehebrechen) entstanden sind, in VLund V2-Stellung (zusammen und getrennt) abgefragt. Die Auswertung der Fragebögen zeigt u.a., dass die (laut Literatur nicht V2-fähigen) Verben bausparen und zwischenlanden in V2-Stellung durchaus akzeptiert werden und darüber hinaus eine jeweils spezifische Tendenz zur (Un)Trennbarkeit (bausparen: zusammen; zwischenlanden: getrennt) aufweisen. Ehebrechen in V2 hingegen evozierte vergleichsweise schlechte Akzeptabilitätswerte (Diagr. 1a.) (FREYWALD &

102

COMP

steht dabei für Komplemente (MÜLLER 2002: 19).

55

Forschungsstand

SIMON 2007: 186-187). Der Vergleich verschiedener Verben desselben Wortbildungstyps (zwischenlanden und notlanden) bestätigt diese Tendenzen allerdings nicht (Diagr. 1b.). a.

b.

Diagramm 1: Durchschnittliche Akzeptabilitätswerte verschiedener NonV2-Verben (FREYWALD & SIMON 2007: 187-188)

Somit können die Autoren keinen Zusammenhang zwischen Wortbildungsmuster und (Non-)V2Fähigkeit ausmachen. Vielmehr scheint aber „die Kategorie des potentiell als Partikel reanalysierbaren ‚Erstglieds‘ eine Rolle [zu] spielen. Verben mit demselben ‚Erstglied‘ ähneln sich in den Bewertungen durch die Sprecher stark, auch wenn sie durch verschiedene Wortbildungsprozesse entstanden sind“, was sicherlich damit zusammenhängt, „dass dem Sprecher hier Muster zur Verfügung stehen, die er zur Analogiebildung heranziehen kann, nämlich die gewöhnlichen Partikelverben, deren Partikeln großenteils mit Präpositionen homonym sind (vgl. etwa an-, auf-, unter-, zu- u.v.a.)“ (FREYWALD & SIMON 2007: 188). Darüber hinaus deuten die Ergebnisse der Korpusuntersuchung darauf hin, dass weder Frequenz noch Alter der Verben eine Rolle spielen. Zwischenlanden lässt V2-Stellung öfter zu als uraufführen, obwohl letzteres frequenter ist (FREYWALD & SIMON 2007: 190): uraufführen zwischenlanden

V2_zus 0 0

V2_getr 0 7

VL 84 25

ge-Part. 3490 34

zu-Inf. 14 4

Inf. 81 66

ges. 3669 136

Tabelle 10: Paradigmatische Vorkommen von uraufführen und zwischenlanden im DWDS-Korpus (absolute Zahlen, FREYWALD & SIMON 2007: 190)

Uraufführen ist darüber hinaus älter als zwischenlanden. „[E]s existiert bereits seit Beginn des 20. Jh. [...], wohingegen sich zwischenlanden im DWDS-Korpus erst in den 1930er Jahren belegen lässt. – Besonders deutlich wird dies beim Verb ehebrechen, das zwar schon seit dem 16. Jh. existiert [...], aber sich bis heute nicht zu einem voll funktionsfähigen Verb entwickelt hat“ (FREYWALD & SIMON 2007: 190, Fn. 12). Interessant ist die große sprecherindividuelle Variation, welche die Autoren aufzeigen. Sieht man sich die Akzeptabilitätswerte für das Verb voranmelden an, ergeben sich sowohl für VL- als auch für V2-getrennt-Stellung mittlere Werte (Diagr. 2a.). Hinter diesen Werten verbergen sich jedoch höchst unterschiedliche Entscheidungsmuster (Diagr. 2b.): während sich die VL-Werte relativ diffus über die gesamte Skala streuen, was von großer Unsicherheit bzw. Zweifel zeugt, haben bei der V2-Stellung viele Sprecher/innen ein klares Urteil. Es liegt hier also eine ausgeprägte Polarität vor (FREYWALD & SIMON 2007: 190-192, s. bereits Abschnitt 2.2.3.2.).

56

NonV2-Verben im Deutschen

a.

b.

Diagramm 2: Akzeptabilitätswerte für voranmelden (FREYWALD & SIMON 2007: 191)

AHLERS (2010: 70-71) gibt zu bedenken, dass die Ergebnisse zunächst erst einmal so gelesen werden könnten, „dass die Bewertungen in Verbletztstellung vornehmlich auf die Gültigkeit der Existenz des Verbums abgegeben werden, ob also beispielsweise das Verbum voranmelden in Analogie zu Voranmeldung zulässig ist oder nicht“, was die mittleren Akzeptanzwerte andeuten. Wenn das Verb aber eindeutig als solches erkannt wird, können möglicherweise klare Beurteilungen hinsichtlich der Trennbarkeit getroffen werden. Die Polarität könnte auch dadurch zustande gekommen sein, da es oft (möglicherweise eher normativ eingestellte) Proband/innen gibt, die der Meinung sind, in der Sprache gäbe es nur entweder ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ und somit eher Extremwerte ankreuzen. Mögliche Alternativen sind entsprechende Magnitude Estimation-Studien (z.B. BARD et al. 1996; FEATHERSTON 2005a; 2009) oder einfach eine Erhögungder Proband/innenzahl, um die Ergebnisse respräsentativer zu machen. Immerhin bietet die Studie von FREYWALD & SIMON (2007) erste exemplarische empirische ‚Probebohrungen‘, die als solide Grundlage für weitere Untersuchungen (wie der in Abschnitt 3.1.2.) dienen können.

2.2.7.4. Größe des Mittelfelds Aus eben solchen empirischen Untersuchungen (s. auch Kapitel 3) geht hervor, dass NonV2Verben hin und wieder doch finit in der linken Satzklammer auftreten. Geht man davon aus, dass V2 vermieden wird – sei es aufgrund widerstrebender Wohlgeformtheitsbedingungen oder um die Verbindung zur Rückbildungsbasis nicht zu zerstören –, ist zu erwarten, dass, wenn das Verb doch in V2 verwendet wird, dies in Kontexten passiert, in denen die Verletzungen klein sind. Für morphologisch untrennbare NonV2-Verben sind dies beispielsweise Hauptsätze, die kein Mittelfeld aufweisen (bzw. dies nicht gefüllt ist), wodurch sie der Ausgangsform stark ähneln (Kathleen SCHUHMANN p.c.).103 Entsprechend sollte bei morphologisch trennbaren NonV2-Verben das Mittelfeld so klein wie möglich sein, damit die Konstituenten der Rückbildung als zusammengehörig empfunden werden (Heide WEGENER p.c.). Die Analyse von BAYER & FREITAG 103

Kathleen SCHUHMANN (p.c.) hält einen Satz wie ((xvi)b.) für wesentlich akzeptabler als ((xvi)a.), da er der Nebensatzreihenfolge (xvi)c.) gleicht. (xii)

a. b. c.

Ich bauspare schon jahrelang. Ich bauspare. (… weil) ich bauspare.

Ich danke für diesen Hinweis.

Forschungsstand

57

(2016; i.E. [2020]) hingegen würde genau das Entgegengesetzte vorhersagen. Ihnen zufolge ist es eigentlich egal, was in der V2-Position steht – es können auch inhaltsleere Köpfe104 sein, Hauptsache ist, dass die Position gefüllt ist –, da das Verb bzw. dessen lexikalischer Gehalt nicht dort interpretiert wird, sondern erst am Ende des Satzes. D.h., es wird stets in seiner Grundposition rekonstruiert. In psycholinguistischen Untersuchungen zeigt sich, dass diese Rekonstruktion sogar besser funktioniert, je mehr sprachliches Material sich zwischen der V2-Position und der Grundposition befindet (Constantin FREITAG p.c.). In jedem Fall könnte die Größe des Mittelfeldes einen Einfluss auf die V2-Verträglichkeit von NonV2-Verben haben.

2.2.7.5. Nominalität AHLERS (2010: 100-101) weist darauf hin, dass viele NonV2-Verben zwischen ihrem Erstglied und Basisverb verbindende Elemente aufweisen, die als Fugenelemente analysiert werden können. Fugenelemente treten allerdings charakteristischerweise in Komposita auf.105 Da häufig davon ausgegangen wird, dass es eigentlich keine verbale Komposition gibt (vgl. z.B. SCHLÜCKER 2012: 6-7), sondern nur nominale, spricht dies stark für die Nominalität (oder zumindest die nominale Herkunft) dieser Bildungen. In FORCHE (2015: 22-30) argumentierte ich v.a. anhand von Distributionsdaten, dass sich bestimmte NonV2-Verben syntaktisch eher wie Substantive verhalten. So lässt sich die Hypothese aufstellen, dass NonV2-Verben aufgrund verschiedener nominaler Eigenschaften, die sie aufweisen, eher als Substantive interpretiert werden bzw. zu analysieren sind. Im Abschnitt 3.3.2.1. dieser Arbeit wird weiter der Frage nachgegangen, ob es sich bei NonV2-Verben nicht eigentlich um Substantive handelt, die als solche trivialerweise nicht in V2 stehen können. Für diese These spräche, dass sehr viele der z.B. von GÜNTHER (1997) angeführten (vermeintlichen) Verben bei Abfragen in der lexikalischen Datenbank dlexDB sowie im DWDS-Korpus (alle Korpora) nur großgeschrieben vorkommen. Dagegen spricht allerdings, dass man annehmen kann, dass letztlich die meisten Substantive (gerade wenn sie bereits aussehen wie Verben) per Konversion verbalisiert werden können. OLSEN (1990: 196, 200) wendet aber ein, dass N>V-Konversionen zwar (noch) möglich sind, ihre Produktivität allerdings stark mit denominalen Präfixverben konkurriert. Hier gilt es Faktoren zu finden, die den Konversionsprozess restringieren.

104

Gerade beim sog. ‚Verb doubling‘ (z.B. Schaden schadet ihm das nicht.) oder bei der tun-Periphrase zeigt sich, dass das Element in V2 eigentlich keine wirkliche lexikalische Bedeutung trägt (sondern nur Flexionsmerkmale).

105

Vgl. aber Fn. 92.

58

NonV2-Verben im Deutschen

2.2.7.6. Patiensorientierung (Konstruktionsgebundenheit) In FORCHE (2015: 17-22) argumentierte ich anhand von uraufführen, dass dessen V2-Hemmung eigentlich nur einen Reflex informationsstruktureller Rahmenbedingungen darstellt, da es fast ausschließlich passivisch gebraucht vorkommt. Aufgrund der Kollokationen mit Bühnenstücken bzw. Filmen werden gerade diese (bzw. der Aufführort oder -zeitpunkt) sprachlich fokussiert, weshalb keine Notwendigkeit besteht, finite Verbformen zu verwenden, da das Agens unwichtig ist. Uraufführen ist also stark patiensorientiert und weist aufgrund des kommunikativen Zwecks eine starke Affinität zu Passivkonstruktionen auf. Dieser Ansatz wird in Abschnitt 3.3.1. weiterverfolgt. Es ist durchaus denkbar, dass diese Beobachtung verallgemeinerbar ist und dass NonV2Verben aufgrund ihrer lexikalischen Spezifik (vgl. ÅSDAHL HOLMBERGs 1976: 93; allgemeiner: BYBEE 2006: 714; 2010: 77, 126) stark an bestimmte Konstruktionen gebunden sind.

2.2.7.7. Prosodie Abgesehen von der Beobachtung, dass alle NonV2-Verben auf der ersten Silbe betont sind (Initialbetonung, Kompositionsakzent), wurden bislang in der einschlägigen Literatur kaum phonologische bzw. prosodische Faktoren ins Spiel gebracht, die einen Einfluss auf die Stellungsrestriktion haben könnten. MURPHY (2019: 14-21) geht zumindest davon aus, dass es zwei Grade von phonologischer Abhängigkeit bei bestimmten Rückbildungsverben gibt, und zwar (i) strikte Adjazenz und (ii) Konkurrenz innerhalb derselben minimalen prosodischen Phrase, die dafür verantwortlich sind, ob ein Verb morphologisch trennbar ist (i) oder nicht (ii). In Abschnitt 2.2.2.2. wurde darüberhinaus mit BEHAGHELs (1932: 6, §1426) Tongewichtgesetz angedeutet, dass möglicherweise rhythmische Faktoren einen Einfluss auf die Wortstellung – und damit auch die V2Stellung – haben könnten. In Abschnitt 3.3.3.3.2. dieser Arbeit wird die Hypothese aufgestellt, dass eine Nebenbetonung (zusätzlich zur initialen Hauptbetonung) auf dem Ende des Verbstamms die Aussprache im syntaktischen Kontext erleichtert und somit das Vorkommen in V2 eher fördert. Dies träfe v.a. auf Verben zu, die auf -ier(en) enden.106 Diese zeichnen sich durch eine formale Besonderheit aus: -ier(en) ist stets betont. Da es so den Akzent von der Basis auf sich zieht, entstehen Verben, die eine (für das Deutsche eher untypische) Stammendbetonung aufweisen, was in bestimmten morphologischen Konstellationen zu Zweifelsfällen führen kann (vgl. BECKER

106

& PESCHEL 2003: 98).

-ieren lässt sich in das deutsche Infinitivflexiv -en und das französische Bindeglied -ier- unterteilen und wird seit dem 12.Jh. zur Eindeutschung (alt-)französischer Verben auf -er verwendet, was durch auf -ier auslautende französische Nomina agentis noch begünstigt wurde. Auch wenn ab dem 14. Jh. ebenfalls native Basen hinzukommen (z.B. amtieren), wird -ier(en) zum überwiegenden Teil mit fremdsprachlichen Basen verwendet (vgl. ÖHMANN 1970; FLEISCHER & BARZ 42012: 432-433). Es kann somit als ‚Fremdsuffix‘ bezeichnet werden. Außerdem wird es genutzt, um nominale Stämme, die auf einem unbetonten Vollvokal enden, verbalisieren zu können (vgl. NEEF 1998: 44-47). In dieser Arbeit werde ich Verben auf -ier(en), -ig(en) und -lich(en) als ‚Suffixverben‘ bezeichnen.

Forschungsstand

59

2.3. Zusammenfassung und Hypothesen So vielfältig die verschiedenen besprochenen Ansätze zur Erklärung des Phänomens der NonV2Verben auf den ersten Blick auch wirken, lassen sie sich doch vier größeren Argumentationslinien zuordnen. Die wenigsten davon kommen in Reinform vor. Die erste Gruppe umfasst die meisten eher synchron und generativisch ausgerichteten Arbeiten, die in irgendeiner Form davon ausgehen, dass die entsprechenden Verben vor einem nicht lösbaren Dilemma stehen, da zwei unterschiedliche Anforderungen in Konflikt geraten; die Erfüllung der einen Anforderung würde zwangsläufig zu einer Regelverletzung der anderen führen. Die Sprachbenutzer/innen können also nicht beiden Anforderungen gleichzeitig Genüge tun (PLANK 1981; HAIDER 1993; 2010; KOOPMAN 1995; ESCHENLOHR 1999; MCINTYRE 2001; DEN DIKKEN 2003; VIKNER 2005). Hierbei sind verbinterne Anforderungen gemeint, die miteinander konfligieren: nämlich ob das Erstglied vom Basisverb abzutrennen sei oder nicht; sei dies nun aufgrund eines Konflikts zwischen abtrennungspflichtiger Partikel und untrennbarem Präfix (HAIDER 1993), Doppelpartikligkeit (DEN DIKKEN 2003; HAIDER 2010) oder genereller aufgrund von widerstreitenden innermorphologischen und morphosyntaktischen Merkmalen (PLANK 1981). Andere Ansätze gehen davon aus, dass dies an prosodische Bedingungen geknüpft ist (ESCHENLOHR 1999; MCINTYRE 2001; z.T. auch PLANK 1981): die durch wie auch immer geartete Derivationsverfahren entstandenen komplexen Verben sind stets initialbetont, weshalb ihr Erstglied abtrennbar sein müsste; bei syntaktischer Trennung ginge allerdings die ehemalige Konstituentenstruktur der Derivationsbasen verloren (s.a. ZELLER 2001). In diesem Zusammenhang wird auch häufig versucht, einen Zusammenhang zwischen synchronen Wortbildungsprozessen von Nominalkomposita und dem syntaktischen Verhalten ihrer verbalen Produkte zu erkennen (ESCHENLOHR 1999; evtl. AHLERS 2010). Letztlich machen alle Arbeiten den Status der Verben als Rückbildungsprodukte bzw. verbales Pseudokompositum für das sonderbare Verhalten verantwortlich. Dass das syntaktische Verhalten wohl aber nicht aus dem Wortbildungsprozess abzuleiten ist, zeigen FREYWALD & SIMON (2007); allerdings scheint bei den Wortbildungsprodukten der Status des Erstglieds in Bezug auf morphologische (und syntaktische) Trennbarkeit unterspezifiziert (PLANK 1981; STIEBELS & WUNDERLICH 1994; VIKNER 2005; BOOIJ 2010). Ganz generell lässt sich sagen, dass Sprachbenutzer/innen offenbar Probleme haben, NonV2Verben syntaktisch einzuordnen (VIKNER 2005). Um dieser Unsicherheit zu entgehen, weichen sie auf Kontexte (zumeist infinite, aber auch finite Verwendungsweisen in VL-Stellung) aus, bei denen keine Entscheidung notwendig ist. Problematisch für all diese Ansätze ist jedoch, dass sich strukturell sehr ähnliche Verben finden lassen, bei denen diese Konflikte nicht auftreten, d.h. die eindeutig trennbar oder nicht trennbar und darüber hinaus auch V2-fähig sind.

60

NonV2-Verben im Deutschen

Hier setzen die Erklärungsansätze der zweiten groben Richtung ein, die davon ausgehen, dass bestimmte über Wortbildungsprozesse hergestellte Neubildungen aufgrund eben dieser relativen Neuheit in der Sprache ein gestörtes Flexionsparadigma aufweisen würden (STIEBELS & WUNDERLICH 1994; WURZEL 1993; 1998; MCINTYRE 2001). All diese Arbeiten postulieren dabei auch (direkt oder indirekt) implikative Akzeptabilitätsskalen zur Eingliederung in das verbale Paradigma, wobei die Akzeptabilitätsgrade von links nach rechts immer weiter abnehmen. In diesem Zusammenhang vertritt v.a WURZEL (1993: 339; 1998: 114-115) die These, dass, wenn ein Verb bestimmte Flexionsformen nicht aufweist, es folglich auch nicht finit in V2 verwendet werden kann. Hinzu kommt, dass diese Verben äußerst niederfrequent sind (PLANK 1981) und Sprachbenutzer/innen so keine Intuition haben, wie sie das Erstglied einordnen sollen und deshalb auf Ausweichkontexte zurückgegriffen wird. Dies ist allerdings eine andere Fragestellung und betrifft das NonV2-Phänomen nur bedingt. Dennoch lässt sich fragen, warum diese Flexionsstörung nicht auch bei neuen einfachen oder entlehnten Verben auftritt. Zudem zeigen ESCHENLOHR (1999) und FREYWALD & SIMON (2007), dass im subordinierten Nebensatz (also in VL-Stellung) Verben finit in allen Formen des Flexionsparadigmas vorkommen können, das Flexionsparadigma also keinesfalls defektiv ist. Die dritte grobe Linie kann wiederum innerhalb der synchronen Erklärungsansätze ausgemacht werden. Sie rücken v.a. die Semantik entsprechender Verben, die eine starke Verbindung zu einem analogen Nominalkompositum aufweisen (FORTMANN 2007; 2015; BOOIJ 2010; AHLERS

2010), in den Vordergrund und diskutieren die Interpretierbarkeit ihres Erstglieds (so auch

VIKNER 2005). Steht dieses in einer Modifikatorrelation zum verbalen Kopf, d.h. schließt die Bedeutung des Zweitglieds die Bedeutung des komplexen Verbs mit ein, so ist die Gesamtbedeutung (kompositionell) transparent und das Verb nicht V2-fähig (FORTMANN 2007). Kann dem Erstglied keine solche Modifikatorrelation, wodurch das komplexe Verb als Ganzes eine idiomatisierte Bedeutung aufweist (FORTMANN 2007), oder aber eine Argumentrolle (BOOIJ 2010) zugeschrieben werden, kann es finit in der linken Satzklammer stehen. Leider treffen diese Ansätze nicht in allen Fällen genaue Vorhersagen zu syntaktischer Trennbarkeit bzw. Nichttrennbarkeit; in einigen Fällen widersprechen sie sich sogar. Neben diesen großen Linien gibt es noch einige weniger prominente Ansätze, die die Stellungsrestriktion bestimmter Verben z.B. auf ihre inneres (Kopf-)Flexionsverhalten zurückführen (DEN DIKKEN 2003; AHLERS 2010; SONG 2019) oder einfach in den Lexikoneintrag verlagern (STIEBELS & WUNDERLICH 1994; MÜLLER 2002). Eher gebrauchsbasierte Ansätze, die auf Frequenz, Analogie oder Konstruktionsgebundenheit abzielen (FREYWALD & SIMON 2007; FORCHE 2015) sind noch in den Anfängen.

61

Forschungsstand

Aus dieser Literaturdiskussion heraus lassen sich NonV2-Verben zusammenfassend wie folgt definieren: NonV2-Verben ▪

können nicht in der linken Satzklammer (V2) stehen;



können aber finit in VL-Stellung auftreten;

Im Folgenden wird der Begriff ‚NonV2-Verben‘ verwendet, wenn sich eine solche V2-Hemmung beobachten lässt. In vielen Fällen sind allerdings keine Aussagen zur V2-Fähigkeit oder gar zu finiten Vorkommen möglich. Deshalb ist es zweckmäßiger, alle zu untersuchenden komlexen Verben unter dem Dachterminus ‚verbale Pseudokomposita‘ zu subsumieren. Entsprechenden Lexemen werden in der Literatur folgende Eigenschaften zugeschrieben: ▪

morphologische Komplexität



Rückbildungen (STOPP 1957; ESCHENLOHR 1999, MCINTYRE 2001, ZELLER 2001, u.a.)



Initialakzent (ESCHENLOHR 1999, MCINTYRE 2001)



Doppelpartikligkeit (HAIDER 1993, 2010, KOOPMAN 1995, DEN DIKKEN 2003)



z.T. morphologische Trennbarkeit bei syntaktischer Untrennbarkeit



strukturelle Ambiguität, Unterspezifikation, unbestimmter kategorialer Status des Erstglieds (PLANK 1981, VIKNER 2005)



(sprecherindividuelle) Variation in der Formenbildung auf (FREYWALD & SIMON 2007)



typologischer Split zwischen VO- und OV-Sprachen (VIKNER 2005)



Modifikatorrelation des Erstglieds (FORTMANN 2007)



keine Argumentrelation des Erstglieds (BOOIJ 2010)



kein reihenbildendes Erstglied (ESCHENLOHR 1999)



Niedrigfrequenz (PLANK 1981)



Diachrone Entwicklung: Infinitiv >> zu-Infinitiv/ ge-Partizipbildung >> 1./3.Pers.Pl. in VL >> finite Formen in VL >> finite Formen in V2 (STIEBELS & WUNDERLICH 1994, WURZEL 1993, 1998, MCINTYRE 2001, FREYWALD & SIMON 2007)



Patiensorientiertheit (Konstruktionsgebundenheit) (FORCHE 2015)



Nominalität (FORCHE 2015)



Innere (Kopf-)Flexion (DEN DIKKEN 2003, AHLERS 2010)



Lexikalistische Festlegung (STIEBELS & WUNDERLICH 1994, MÜLLER 2002, u.a.)

Zusammenfassend ist also zu sagen, dass in der bestehenden Forschungsliteratur keine Einigkeit über die Ursache der V2-Hemmung herrscht. Nicht nur, dass sich kein hinreichendes Kriterium, das für die Stellungsrestriktion verantwortlich ist, finden lässt; die verschiedenen Erklärungsansätze widersprechen einander teilweise recht stark. Dies liegt v.a. daran, dass einige Autor/innen (mal mehr, mal weniger explizit) eine bestimmte der aufgelisteten Eigenschaften als den alleinigen Grund für die Stellungsrestriktion ansehen. Damit sind aber deren Vorhersagen zu ungenau, da sich immer Gegenbeispiele finden lassen. Der Grund für diese Unzulänglichkeiten ist schnell gefunden: (fast) alle diskutierten Arbeiten gehen das Phänomen der Stellungsrestriktion nur theoretisch an. Als Datengrundlage dienen, wenn überhaupt, nur Wörterbücher, in denen die Einträge der entspre-

62

NonV2-Verben im Deutschen

chenden Verben den Vermerk „nur im Infinitiv u. Partizip II gebr.“ tragen. Systematische Untersuchungen darüber, wie diese Verben tatsächlich in (möglichst zusammenhängenden) sprachlichen Äußerungen und natürlichen Kommunikationssituationen verwendet werden, d.h. tiefergehende empirische Untersuchung, z.B. unter Zuhilfenahme computergestützter Korpuslinguistik oder systematisch erhobener Akzeptabilitätsurteile (bspw. durch Umfragestudien), fehlen weitgehend. Genau an diesem Punkt möchte die vorliegende Arbeit ansetzen und einen Beitrag dazu leisten, die Datenlage für verbale Pseudokomposita empirisch zu sichern. In den folgenden Kapiteln werden die potentiellen Bedingungen für die Stellungsrestriktion anhand ausgewählter verbaler Pseudokomposita mit den sprachlichen Fakten abgeglichen. In diesem Zusammenhang sollen folgende aus den beschriebenen Eigenschaften abgeleiteten (Hypo-)Thesen überprüft werden:107 ▪



Es gibt keine NonV2-Verben. (H1) o verbale Pseudokomposita verhalten sich wie kanonische Verben. (H1.1) o verbale Pseudokomposita verhalten sich gar nicht wie Verben, sondern wie Lexeme anderer Kategorien (Substantive, Adjektive). (H1.2)108 Verbale Pseudokomposita bilden keine (homogene) Klasse. (H2)

▪ ▪

Komplexe Verben tendieren weniger zu V2 als Simplizia. (H3) – Komplexität Rückgebildete Verben tendieren weniger zu V2 als Verben, die durch andere Wortbildungsprozesse entstanden sind. (H4) – Rückbildung o Rückgebildete Verben sind morphologisch trennbar, aber nicht V2-fähig; Konversionsverben sind nicht morphologisch trennbar und können in V2 auftreten. (H4.1)



Der kategorialer Status (Präfix oder Partikel) der Erstglieder ist nicht immer eindeutig zuzuordnen bzw. unspezifiziert. (H5) Die ursprüngliche Kategorie des Erstglieds hat aber einen Einfluss auf die V2-Fähigkeit: o Verben mit nominalen Erstgliedern tendieren weniger zu V2 als Verben mit adjektivischen, verbalen oder präpositionalen Erstgliedern (einfachen Partikeln). (H6) o Verben, die komplexe Erstglieder aufweisen, tendieren weniger zu V2 als Simplizia oder Verben mit nur einem Erstglied.109 (H7) ▪ Verben, die zwei (frei vorkommende) Erstglieder (Doppelpartikel) aufweisen, tendieren weniger zu V2 als Simplizia oder Verben mit nur einem Erstglied. (H8) – Doppelpartikligkeit • Dabei neigen Verben mit prototypischen Partikeln weniger zu V2 als Verben mit untypischen Partikeln. (H8.1)



Komplexe Verben, die ein reihenbildendes Erstglied aufweisen, tendieren häufiger zu V2. (H9) o Reihenbildende Erstglieder werden als Verbpartikel (re-)analysiert und (wie bei Partikelverben) syntaktisch getrennt. (H9.1) verbale Pseudokomposita, die wider Erwarten in V2 verwendet werden, werden syntaktisch nicht getrennt. (H10) – Trend zur Univerbierung (sprecherindividuelle) Variation (Unsicherheit) in der Formenbildung führt tendenziell zu V2-Vermeidung. (H11) V2-fähige Verben, deren Trennverhalten variiert, können als Indikator für das Trennungsverhalten bei verbalen Pseudokomposita dienen. (H12)

▪ ▪ ▪

107

Einige der Hypothesen werden erst im Verlauf der Datendiskussion entwickelt.

108

Unter ‚Verhalten‘ ist die paradigmatische Distribution zu verstehen.

109

Dabei sollte die V2-Fähigkeit von Pt-Pt-V über Px-Pt-V und Pt-Px-V nach Px-Px-V steigen.

Forschungsstand

▪ ▪



▪ ▪ ▪ ▪

63

Initialbetonte Verben tendieren weniger zu V2 als stammbetonte Verben. (H13) – Initialbetonung Komplexe Verben, die auf der letzten Silbe des Verbstamms einen zusätzlichen Akzent tragen, tendieren eher zu V2 als komplexe Verben, die nur eine Initialbetonung aufweisen. (H14) – Stammendnebenbetonung Komplexe Verben, bei denen das Erstglied in einer Modifikatorrelation zum Basisverb steht, tendieren weniger zu V2. (H15) – semantische Transparenz o V0-nahe Modifikatoren (z.B. Modal) tendieren eher zu V2 als V0-ferne Modifikatoren (Temporal, Lokal). (H16) Komplexe Verben, bei denen das Erstglied in einer Argumentrelation zum Basisverb steht, tendieren eher zu V2. (H17) Komplexe Verben, bei denen Erstglied und Basisverb in einer kopulativen Relation stehen, tendieren eher zu V2. (H18) Komplexe Verben mit wörtlicher Bedeutung tendieren eher zu V2 als Verben mit übertragener Bedeutung. (H19) Atelische Verben (Activity) neigen eher zu V2 als telische Verben (Accomplishment, Achievement). (H20)



Komplexe Verben, die intern flektieren, d.h., deren Basisverb stark flektiert bzw. deren Infinitivmarker zu zwischen Erstglied und Basisverb infigiert wird, tendieren weniger zu V2 als Verben, die schwach bzw. peripher flektieren. (H21)



Je kleiner das Mittelfeld ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein komplexes Verb in V2 auftritt. (H22)



Je frequenter ein Verb ist, desto häufiger treten dessen unterschiedliche Wortformen (darunter auch finite Formen in V2) auf. (H23)



Je weiter links eine Wortform auf der implikativen Akzeptabilitätsskala steht, desto häufiger kommt sie vor (bzw. desto höhere Akzeptabilitätswerte evoziert sie). (H24)



verbale Pseudokomposita sind (aus unterschiedlichen Gründen) an bestimmte Konstruktionen gebunden. (H25) – Entrenchment V2-Hemmung ist ein Reflex informationsstruktureller Rahmenbedingungen, d.h. inhärente Patiensorientiertheit, der formal eher durch Passivkonstruktionen Ausdruck verliehen wird. (H26) – Patiensorientiertheit



3. Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita Oberstes Ziel der empirischen Untersuchung ist es, zunächst einmal eine große Datenbasis zu schaffen, um so die Faktenlage zu sichern, d.h. zu zeigen, wie die einschlägigen Verben tatsächlich vorkommen bzw. verwendet und bewertet werden. Dabei sollen gleichzeitig verschiedene Faktoren, die die Stellungsrestriktion bedingen könnten, diskutiert bzw. untersucht werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die verschiedenen Faktoren subtil miteinander interagieren. Um den individuellen Beitrag eines einzelnen Faktors herausarbeiten und seine relative Wirkung gegenüber den jeweils anderen Faktoren bestimmen zu können, braucht es im Anschluss ein statistisches Modell, das idealerweise die Auswirkungen aller Faktoren mit allen ihren Werten gleichzeitig berücksichtigt. Allerdings beruht selbst die anspruchsvollste statistische Analyse notwendigerweise auf ein Korpus, das eine ausreichend große Anzahl an Daten liefert. Wenn das Korpus zu klein ist, können nur einige ausgewählte Faktoren analysiert werden, was wiederum nur bestimmte Aspekte der Daten liefert und nicht das vollständige Bild. Darüber hinaus sollen Aussagen darüber getroffen werden, welche Strategien Sprachbenutzer/innen anwenden, wenn sie angehalten werden, (vermeintlich) ungrammatische Formen zu bilden. Dafür findet eine Kombination aus zwei Methoden Anwendung: zum einen wird eine aufwendige Korpusstudie durchgeführt, die an verschiedenen Stellen durch eine Fragebogenstudie und im Anschluss durch eine multivariate statistische Analyse ergänzt wird. Zu einem kurzen Überblick über verschiedene Methoden der Erforschung von Variation sowie deren Probleme siehe ROSENBACH (2014: 216-230).110 In diesem Kapitel werden zunächst das Design (Abschnitt 3.1.) und die groben Ergebnisse (Abschnitt 3.2.) der beiden angewendeten Methoden vorgestellt. Das Kernstück der vorliegenden Arbeit bildet mit Unterkapitel 3.3. die ausführliche Darstellung verschiedener Fallstudien. Dieser große Komplex von Einzeldarstellungen ist nach Gruppen (und darin jeweils nach Lexemen) gegliedert, die aus den Grobergebnissen der Korpusstudie hervorgegangen sind. Die zu untersuchenden Verben selbst sind so ausgewählt, dass möglichst alle im vorherigen Abschnitt (2.3.) besprochenen Faktoren überprüft werden können. Dies gilt v.a. für die Korpusuntersuchung. In der Fragebogenstudie musste die Menge der zu testenden Items zwangsläufig klein gehalten werden. So wurden dort nur einzelne Verben gewählt, die sich für die aus der Korpusstudie ergebenden weiterführenden Fragestellungen eignen. Abschnitt 3.4. fasst die Ergebnisse der verschiedenen Fallstudien zusammen und enthält einen ersten Versuch, wie das Phänomen der NonV2-Verben bzw. verbale Pseudokomposita gebrauchsbasiert zu erklären ist.

110

Hier am Beispiel der Genitivalternation im Englischen.

Zusatzmaterial online Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Kapitel (https://doi.org /10.1007/978-3-662-61926-1_3) enthalten. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1_3

66

NonV2-Verben im Deutschen

3.1. Methode und Experimentdesign Zunächst werden die Wahl der Untersuchungsmethoden motiviert, das Vorgehen beschrieben und methodische Probleme diskutiert. Dies erfolgt nach Art der Datenerhebung getrennt: zunächst wird die Korpusstudie vorgestellt (3.1.1.) und im Anschluss die Fragebogenuntersuchung (3.1.2.); dabei werden der vorausgehende Prätest sowie die soziodemografischen Variablen bereits ausgewertet.

3.1.1. Korpusuntersuchung 3.1.1.1. Korpusauswahl Da, wie oben angedeutet, bestimmte komplexe Verben spontan erzeugt werden (PLANK 1981: 164) bzw. aufgrund eines möglichen Konflikts zweier widerstrebender Anforderungen vermeintlich nur in Kontexten verwendet werden, in denen man diesen umgeht, ist davon auszugehen, dass sie in reiner (v.a. redigierter) Schriftsprache nur selten vorkommen. Dennoch ist anzunehmen, dass sie zumindest im mündlichen Sprachgebrauch (z.B. in ad-hoc-Situationen) trotzdem verwendet werden und selbst deren finite Formen in V2-Kontexten im Sprachsystem potentiell verankerte Alternativen bilden.111 Um spontanen oder zumindest quasi-mündlichen Sprachgebrauch zu untersuchen, ist es, um an ausreichend computerverarbeitbare Daten zu gelangen, auf den ersten Blick sinnvoll, das Internet zur Recherche zu nutzen, da sich die dort verwendeten Register in einem „Stilmix aus sprechsprachlichen und schriftsprachlichen Elementen“ (SCHLOBINSKI & SIEVER 2000: 57) zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit bewegen, so dass auch Lexik und gram-

matische Konstruktionen, die vorwiegend im mündlichen Sprachgebrauch verwendet werden, in Schriftform vorliegen. Allerdings ist „weder die Art, noch die Anzahl, noch der Umfang der enthaltenen Texte geplant, Repräsentativität ist nicht gegeben und der Umfang des World Wide Web verändert sich konstant“ (SCHERER 2006: 74). Zudem ist, z.B. bei einer Google-Suchanfrage, der Algorithmus unbekannt und es gibt natürlich auch keine (linguistischen) Annotationen.112 Eine Recherche mit dem bereits vorhandenen Korpusrecherchesystem des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim COSMAS II scheidet für die hiesige Fragestellung jedoch aus, da die Textdatenbank ausschließlich Zeitungen, Sach-, Fach- sowie schöngeistige Literatur enthält (Deutsches Referenzkorpus), es sich dabei also ausschließlich um redigierte Texte handelt.

111

FREYWALD & SIMON (2007: 186) nutzen beispielsweise das DWDS-Kernkorpus sowie verschiedene (über die Webseite des DWDS verfügbare) Zeitungskorpora (Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Die Zeit, Potsdamer Nachrichten). Ihr Korpus hat einen Gesamtumfang von ca. 482 Mio. Textwörtern. Ein Vergleich der Belege für uraufführen mit denen im über 9 Milliarden großen COWKorpus zeigt, dass letzteres in absoluten Zahlen wenig überraschend viel mehr Konkordanzen liefert; prozentuell gesehen ergibt sich aber eine fast identische Verteilung (was für eine gute Ausgewogenheit bzw. Repräsentativität beider Korpora spricht). Im COWKorpus treten aber auch Belege – v.a. finite Verbformen in V2 – auf, die im DWDS-Korpus nicht vorkommen.

112

Man hat auch keinen Überblick über die Verteilung von Textsorten im Web. Zu weiteren Problemen und Möglichkeiten, das Internet als Korpus zu nutzen, siehe SCHERER (2006: 74-76).

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

67

Eine Lösung bietet die COW (COrp[us/ora] from the Web) bzw. das an der Freien Universität Berlin angesiedelte DFG-Projekt „Linguistic web characterization and web corpus creation“ (Roland SCHÄFER), in dessen Rahmen linguistisch aufbereiteten Korpora aus Webseiten von Gigatokengröße er- und bereitgestellt werden, die derzeit für die Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, und Schwedisch unter https://www.webcorpora.org/ zur Verfügung stehen. 113 Eines der verfügbaren Korpora, das DECOW2012-Korpus, bildete nach Fertigstellung am 29. Dezember 2011 mit einer Anzahl von über neun Milliarden (9 108 097 177) Tokens (aus 7 759 892 Dokumenten) lange Zeit das größte deutschsprachige Korpus.114 Eine derart immense Größe erweist sich v.a. bei seltenen sprachlichen Phänomenen wie dem der verbalen Pseudokomposita als äußerst vorteilhaft, da kleinere Korpora hier meist keine Belege bzw. sie nicht in ausreichender Zahl liefern. Aufgrund dieser Größe ist das DECOW2012-Korpus in acht Teilschnitten aufgeteilt, die (da sie auf verschiedenen Servern gespeichert sind) einzeln durchsucht werden müssen. Für normalfrequente Phänomene reicht es sicherlich nur eines dieser Subkorpora zu verwenden. In der vorliegenden Arbeit findet allerdings das komplette Korpus Anwendung, d.h. pro Verb bzw. Suche wurden alle acht Schnitten durchsucht, um genügend aussagekräftige Belege zu elizitieren, Bei frequenteren kanonischen Verben, die lediglich zu Vergleichen herangezogen werden, wurde hingegen nur eine Teilschnitte (i.d.R. DECOW2012-03 bestehend aus ungefähr 1,1 Milliarden Token) durchsucht. Da eben das untersuchte Phänomen so selten ist und ähnlich wie in der historischen Linguistik (vgl. LABOV 2010: 11; JANDA & JOSEPH 2003: 14) das Beste aus ‚schlechten‘, hier also wenigen Daten gemacht werden muss, wird das Gesamtkorpus gewissermaßen als Grundgesamtheit bzw. als Stichprobenpopulation angesehen, auch wenn es natürlich nicht ‚die deutsche Sprache‘ darstellt. Dabei wird auch i.d.R. mit absoluten Token-Frequenzen gearbeitet, auch wenn diese nur eine geringere (i.S.v. nicht generalisierbare) Aussagekraft haben. Um eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten, werden aber zusätzlich normierte Häufigkeit (also Vorkommen pro 1 Mio. Textwörter) angegeben.115 113

Auch ein Webkorpus kann allerdings nicht alle Probleme lösen, die Google-Anfragen mit sich bringen; z.B. ist nicht auszumachen, ob die Texte von Muttersprachler/innen stammen oder nicht. Dies liegt aber vielmehr an der Beschaffenheit des Internets generell.

114

Eine genaue Aufteilung der im Korpus auftretenden Textgenre (sowie nach Urheberschaft, Stil, Publikum, Ziel und Domäne) findet sich in SCHÄFER & BILDHAUER (2012: 493). Besonders hervorgehoben sei doch, dass der (quasi-)spontane Anteil bei 22,5 Prozent liegt, was vergleichsmäßig sehr viel ist.

115

Mittlerweile gibt es eine vierte Generation von Korpora im COW-Projekt, deren Daten eine Vielzahl von (extra-)linguistischen Annotationen hinzugefügt wurde, weshalb sie nicht nur über eine höhere Datenqualität verfügen; auch insgesamt ist z.B. das deutschsprachige DECOW16-Korpus mit über 20 Milliarden (20 495 087 352) Token quantitativ viel größer (vgl. http://corporafromtheweb.org/decow16/). Es ist per NoSketchEngine unter www.webcorpora.org zugänglich (vgl. auch SCHÄFER 2015). Zwar würde es das neue Korpus erlauben, eine noch größere Datenbasis zu erheben, da aber ein Großteil der Datenerhebung vor 2015 erfolgte und um ein einheitliches Arbeiten zu gewährleisten, wurde für alle Belegerhebungen dieselbe Datenquelle beansprucht. Nur für bestimmte Nacherhebungen, bei denen lediglich normalisierte Frequenzangaben zu Vergleichszwecken interessieren (v.a. Vergleichsverben und Rückbildungs- bzw. Konversionsbasen), kam z.T. das DECOW16-Korpus zur Anwendung. Um die Vergleichbarkeit zu wahren, wurde hieraus aber ein Subkorpus mit derselben Größe des DECOW2012-Korpus erstellt. Dafür wurde im NoSketchEngine unter "UNIQUE COW16 ID" der Wert "^[0-6].+$" eingetragen, wodurch sieben Sechzehntel der Dokument-IDs ausgewählt werden. Diese sind hexadzimal und näherungsweise uniform zufällig verteilt, sodass sich bei einer Korpus-Gesamtgröße von 20 Mrd. Tokens über eine Beschränkung auf 7 von 16 führenden Hex-Ziffern der ID ziemlich genau ein zufällig ausgewähltes 9 Mrd.-Token-Korpus ergibt (9,094,807,996 of 19,835,843,151 tokens).

68

NonV2-Verben im Deutschen

Für Das DECOW2012-Korpus, aber auch für die anderen COW-Korpora, sampelten116 SCHÄFER & BILDHAUER (2012:

486)

from all WWW documents under a given national TLD, written in an official language of the respective country and containing predominantly connected text.117 From each document, [they] attempt to extract all paragraphs of connected text, finally making sure that the majority of the text within the document occurs only once in the final corpus.

Dass diese Dublettenentfernung (vgl. SCHÄFER & BILDHAUER 2012: 490-491) nicht hundertprozentig funktioniert, zeigt sich vor allem bei Duplikationen innerhalb eines selben Dokuments. Dies tritt besonders häufig in Diskussionsforen auf, in denen Beiträge eines Nutzers von anderen Nutzern zitiert und anschließend kommentiert werden.

Abbildung 2: Beispiel für durch Zitationsfunktion entstandene Dubletten in Online-Diskussionsforen (https://www.dav-community.de/invisionboard/topic/36363-wandersaison-eroeffnen/page-3)

116

Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass es sich tatsächlich nur um eine Zufallsstichprobe (sample) aus der Population deutschsprachiger Dokumente handelt (SCHÄFER & BILDHAUER 2012: 486). Dies gilt natürlich für jede Korpusrecherche, da man nie von ‚dem Deutschen‘ bzw. der angenommenen Grundgesamtheit aller (potentiell) geäußerten deutschen Sätze ausgehen kann.

117

Bestimmte Textsorten (z.B. Auflistungen, tag clouds etc.) werden so ausgeschlossen (vgl. SCHÄFER & BILDHAUER 2012: 489-490).

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

69

Einerseits sind diese Zitatdubletten ein eindeutiges Indiz dafür, dass Sprache – und damit eben auch das untersuchte Lexem – rezipiert wird, andererseits kann häufiges Zitieren (oft gibt es auch [mehrere] Zitate in Zitaten) das Gesamtbild (und damit die Verteilung einzelner Wortformen etc.) zu sehr verzerren. Um einen Mittelweg zu finden, wurden in der vorliegenden Untersuchung derartige Dubletten, die auf der gleichen Seite des Forumthreads vorkommen (in Abb. 2 entspricht das Seite 3), entfernt; wenn das Zitat auf einer anderen Seite des Threads auftritt, blieb es als Beleg enthalten.

3.1.1.2. Suche Die linguistische Annotation erfolgt in COW automatisch mit TreeTagger (SCHMID 1995; 1999). Allerdings zeigt sich bei verbalen Pseudokomposita, dass zahlreiche Tokenisierungsfehler und v.a. Fehler beim POS-Tagging und der Lemmatisierung auftreten. Dies liegt sicherlich an der eigenwilligen Struktur der verbalen Pseudokomposita und deren niedriger Gebrauchsfrequenz. Praktisch heißt das, dass es nicht reicht z.B. den Suchbefehl [lemma="bergsteigen"] zu verwenden, um alle Lemmata des entsprechenden Verbs zu finden, da so die Gefahr besteht, Mengen von richtigen Suchergebnissen auszuschließen. Die Suchanfragen (die in der Abfragesprache CQP [Corpus Query Processor] erfolgen, das nach dem Textkonsolen/Shell-Prinzip funktioniert118) wurden dementsprechend relativ weitgefasst formuliert, z.B. [word="bergst.*"%c] (wobei .* für das Hinzufügen einer beliebigen Zeichenkette und %c für die Nichtunterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung steht); gleichzeitig wurde versucht möglichst viel unbrauchbares Material per logischem Operator ‚nicht‘ (z.B. [!word="bergstraße"%c]) von vornherein auszuschließen. Wortformen, die auf diese Weise nicht gefunden werden konnten (v.a. Perfekt-Partizipien und zu-Infinitive), mussten als exakte Zeichenketten (z.B. [word="berggestiegen"%c],119 [word="bergzusteigen"%c])

gesucht werden. Häufig hat es sich als sinnvoll herausgestellt, von vornherein, ein-

fach alle potentiellen Wortformen auf diese Art zu suchen.120 Probleme mit den Suchergebnissen treten generell bei Partikelverben auf, da die lemmabasierte Suche im Korpus nur die Formen erfasst, in denen Partikel und Verb zusammengeschrieben sind; Belege, in denen Verbpartikel und finites Verb in getrennter Position die Satzklammer bilden, werden in der Trefferliste nicht angezeigt. Potentielle (V2-)Belege würden so systematisch ausgeschlossen. Für den getrennten Gebrauch der Verben wurde deshalb das ‚matchall‘-Token zur Festlegung von Abständen (i.d.R. wurde ein Abstand von 20 Wörtern gewählt, die zwischen Verb

118

Der Corpus Query Processor ist ein Suchtool für Korpora, das reguläre Ausdrücke nutzt. Für das Handbuch siehe EVERT (2005).

119

Zur Absicherung wurden auch Suchanfragen der Art [word="gebergstiegen"%c], [word="berggesteigt"%c]und [word="gebergsteigt"%c] durchgeführt.

120

z.B.[word='berggehen|berggegangen.*|geberggangen|bergzugehen|berggeh|berggehe|berggehst|berggeht| bergging|berggingst|berggingen|berggingt|berggehend.*'%c] Je nach Frequenz des zu suchenden Lexems erfolgt dies in einer einzigen Suchanfrage oder nach Wortformen getrennt.

70

NonV2-Verben im Deutschen

und Partikel stehen können) innerhalb eines Satzes benutzt, z.B. [lemma="steigen" pos="VVFIN"] []{0,20} [word="berg"%c] within s.

&

121

Im Anschluss erfolgte die Aussortierung überbleibender Dubletten und unbrauchbarer Belege122 per Hand. Die Konkordanzen der verschiedenen Anfragen wurden zusammengeführt, randomisiert und anschließend von Hand nach Verbstellung, Wortform, Verwendungsweisen, Betonungsmuster, Kontext, sowie die in Abschnitt 2.3. aufgelisteten Faktoren kodiert.

3.1.1.3. Annotation – Probleme der Kategorisierung An dieser Stelle seien kurz die für diese Arbeit verwendeten Kodierungskonventionen erläutert, die für sämtliche Konkordanzauswertungen gelten. In diesem Abschnitt geht es v.a. um die Beleg- bzw. Wortformkodierung. Wie die in Abschnitt 2.3. herausgearbeiteten potentiell stellungsrestringierenden Faktoren operationalisiert und annotiert werden, wird ausführlich in Abschnitt 4.2.2. beschrieben. Gleichzeitig sollen gewisse problematische Fälle der Kategorisierung – konkret die Nomen-Verb-Distiktion und die Zwischenstellung von Partizipien zwischen Verben und Adjektiven – diskutiert werden.

121

Bei einer Abfrage wie [lemma="führen" & pos="VVFIN"] []{0,11} [word="auf" & pos="PTKVZ"] within s , wobei PTKVZ für einen abgetrennten Verbzusatz steht, können aber auch Probleme der folgenden Art auftreten, dass sich die Partikel auf ein anderes Verb bezieht: (xiii)

Mal wieder war es die erste richtige Torchance der Gäste auf der Waldau die zur Führung führte und es kam die Befürchtung auf, dass sich die Gäste mit einer sicheren Verteidigung anschickten diesen Vorsprung über die Zeit zu retten. 104574996 (http://www.blogigo.de/Fair_Ground_06/29.09.2007-KICKERS-SV-Wacker-Burghausen-1-1/75/)

Für den seltenen Fall, dass Topikalisierungen des Erstglieds vorkommen könnten, aber auch für sonstige Formen, die möglicherweise getrennt geschrieben sind, wurde dieser Befehl auch umgekehrt verwendet: [word='berg'%c][]{0,20} [lemma='steigen']. In beiden Fällen erhält man tausende unbrauchbare Belege, die händisch aussortiert werden müssen (s. folgende Fußnote). 122

Zu diesen unerwünschten Belegen zählen, neben (sinnlosen) Aufzählungen (xiii) und Belegen, die nichts mit dem gesuchten Verb zu tun haben (xiv - xv) auch Belege, in denen das gesuchte Verb bereits Ausgangsbasis für ein neues Wortbildungsprodukt ist (xvii), sowie Alternativkonstruktionen, die dem gesuchten Verb semantisch nicht entsprechen (xviii, xix): (xiv)

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(xv)

Bei jeder Wanderung gibts bei uns "Naturagility", wo wir über kleine wackelige Brückerl balancieren oder unter und über ästen und Bäumen durchklettern müssen, bergauf und bergab auf schmalen Bergsteigen unterwegs sind, wir üben dabei wichtige Sachen die wir auch fürs Fahren brauchen, außerdem können wir bis auf wenige wirklich heiße Tage immer wieder mit dem Roller oder TW etliche Kilometer unterwegs sein.

(http://web4640.server74.greatnet.de/ac/tagesgeldvergleich__zins.html)

99082953 (http://www.husky-forum.de/board4-der-schlittenhund/board6-erziehung-verhalten/7644-besch%C3%A4ftigung-desgeistes-der-nase-beim-hund/index3.html)

(xvi)

Sein Weg führte ihn kreuz und quer durch Berlin, die Stadt, die er besser kannte als jede andere, besser sogar als New York: Von Köpenick fuhr er nach Mitte, stieg am Alexanderplatz um in Richtung Prenzlauer Berg, nahm an der Schönhauser Allee die Ringbahn und umrundete zwei Mal die City, machte einen kurzen Abstecher nach Spandau . 889088110

(xvii)

Nur Jens Heim musste in seiner 9-Ball-Partie grösseren Wiederstand brechen ehe er letztendlich doch sicher mit 8:6 den dritten Siegpunkt einfuhr. 795947016

(xviii)

Angestiftet von einem welterfahrenen Cocktailtrinker und inspiriert durch bauspargünstige Happy-Hour-Preise floss der Long-IslandIce-Tea in Strömen. 236385248

(xix)

Da die Steuerfahndung und das Finanzamt ebenso massiv versuchten, gegen die Ehefrau meines Mandanten vorzugehen, brach die Ehe auseinander. 709049590

(xx)

Ich lese Biggis Bücher auf Deutsch, mache meine Gedanken auf Deutsch, bete und rede mit meinem Bauch auf Ungarisch, entspannen kann ich auch am besten so, also alles ist schön durcheinander. 778095575

(http://www.ullrichwegerich.de/page/3/)

(http://www.arnold4ever.de/_arnold2day_root/Seiten/main.html)

(http://www.magicmonday.de/news.html)

(http://www.seefelder.de/ueberuns/seefelder/Seite819.htm)

(http://www.frauenworte.de/vbforum/archive/index.php/t-11402.html)

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

71

Gerade bei den unflektierten auf -en endenden Formen treten hin und wieder Belege auf, die sich nur schwer einer Wortart bzw. Wortform zuordnen lassen. -en gilt als charakteristisches Verbaffix, und zwar so sehr, dass es zumindest von linguistischen Laien teilweise sogar als Verbalisierungsmorphem empfunden wird. Es handelt sich allerdings um einen Fall von Konversion. Per Konversion können Wörter ohne formale Mittel die Wortart wechseln; der Stamm wird dann mit Flexiven verbunden, die für die jeweils andere Wortart typisch sind. Deverbale morphologische Konversionsprodukte (z.B. der Lauf) erwerben i.d.R. alle nominalen Eigenschaften. Substantivierte Infinitive (syntaktische Konversion, z.B. das Laufen) hingegen verlieren typische Eigenschaften. Sie verhalten sich dann ähnlich wie untypische Nomen (z.B. Stoffsubstantive wie Wasser oder Singularia tantum wie Obst), insofern als dass sie nicht pluralisierbar sind und auch nicht mit unbestimmten Artikel verwendet werden können. Aus diesem Grund werden substantivierte Infinitive häufig nicht als echte Substantive angesehen, zumal sie in gewisser Weise als Ergänzung des

verbalen Flexionsparadigmas in Hinblick auf die Aktionsartendifferenzierung (z.B. Progressiv) angesehen werden können (vgl. FLEISCHER & BARZ 42012: 89). An dieser Stelle zeigt sich eine grundsätzliche Problematik dieser Arbeit, nämlich die, ob es sich bei einem zu betrachtenden Lexem um ein Substantiv oder ein Verb handelt. Für ausführliche Diskussionen von Unterscheidungskriterien siehe z.B. BROSCHART (1987), LANGACKER (1987a), BLACK & CHIAT (2003), KAUSCHKE (2007: 7-40) und SASSE (2015: 173-182).123 Eine viel diskutierte Frage ist dabei, ob die Zugehörigkeit zu einer Wortart kontinuierlich oder diskret ist. In eher formal orientierten Frameworks, wie der traditionellen generativen Grammatik, werden lexikalische Klassen angenommen, die sich aus Kombinationen der universell gültigen binären Merkmale [± N] und [± V] ableiten, wodurch sich jedes Lexem bzw. jede Wurzel eindeutig zuordnen lasse (CHOMSKY 1970; JACKENDOFF 1977; BAKER 2003).124 Nun weisen aber die im Korpus gesuchten Verben nicht alle diese Eigenschaften der Merkmalskombinationen auf. BAKER (2015: 15) räumt aber ein, dass ein und dieselbe Wurzel syntaktisch entweder als Substantiv oder als Verb verwendet werden kann, da es in der Funktion der lexikalischen Semantik der Wurzel liegen kann, relativ leicht mit verschiedenen syntaktischen Knoten assoziiert zu werden. Somit ist die Nomen-Verb-Distinktion sowohl kontinuierlich – in Hinblick auf die Wurzeleigenschaften – als auch diskret – in Hinblick auf die syntaktische Verwendungsweise.125 Alternativvorschläge zu diesem Problem

123

Auf die Kontroverse in der Sprachtypologie, ob die Nomen-Verb-Distinktion universell ist oder nicht, kann hier nicht eingegangen werden (s. EVANS 2000: 720-726 für einen Überblick).

124

Dass dies selbstverständlich nicht so unproblematisch ist, wie hier suggeriert, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Für Probleme solcher Annahmen siehe bspw. RAUH (2011: 79-86) und MÜLLER (22013a: 69). Auch gegenteilige Annahmen, dass Wurzelmorpheme nicht wortartgebunden sind (z.B. BERGENHOLTZ & MUGDAN 1979: 347), sind für das Deutsche nicht haltbar (vgl. OLSEN 1986: 121-122).

125

Durch die Kombinationen und/oder Reduktionen von Merkmalsrepräsentationen können auch für solche Einheiten syntaktische Kategorien beschrieben werden, die zugleich Eigenschaften zweier lexikalischer Kategorien aufweisen und z.B. sog. „squishes“ (ROSS 1972) bilden.

72

NonV2-Verben im Deutschen

bieten eher funktionalistisch bzw. kognitiv ausgerichtete Grammatiktheorien, die davon ausgehen, dass die Wortartgrenzen kontinuierlich bzw. fließend verlaufen (HOPPER & THOMPSON 1984; LAKOFF 1987; LANGACKER 1987b; 1991; HENGEVELD 1992; LEHMANN 1992; GIVÓN 2001; CROFT 2001; BYBEE 2010; TAYLOR 2012) und zudem auch durchlässig sind (BERG 2014). Klassenzugehörigkeit ergibt sich unmittelbar aus dem Sprachgebrauch, d.h. durch Generalisierungen, die Sprachbenutzer/innen über spezifische Nomina und Verben anstellen, die unterschiedliche referentielle Funktionen aufweisen. Beispielsweise postuliert LEHMANN (1992: 158) ein Kontinuum zwischen Substantiven, „für deren prototypische Mitglieder gilt: sie bezeichnen konkrete Gegenstände, sind semantisch nullwertig, und ihre primäre Funktion ist die Referenz“ und Verben, „für deren prototypische Mitglieder gilt: sie bezeichnen Ereignisse, sind semantisch mehrwertig, und ihre primäre Funktion ist die Prädikation“. Prototypische Substantive erkennt man also daran, dass sie ‚Ding‘-Konzepte repräsentieren (erkennbar an Numerus [konkrete Objekte sind zählbar] und Genus), an ihrem Status als Beteiligte an Ereignissen (erkennbar am Kasus und durch die Kombinierbarkeit mit Präpositionen), sowie an ihrem referentiellen Potential (Kombinierbarkeit mit definiten Artikeln und Demonstrativpronomen). Verben hingegen haben eher relationalen Charakter (erkennbar an Valenz und Kongruenz); sie strukturieren und perspektivieren Ereignisse (erkennbar an Tempus und Modus). Auch Merkmale, die für beide Klassen gelten, können typisierende Tendenzen aufweisen. Typischere Substantive (Individuativa) sind demnach eher ‚bounded‘, typischere Verben (Tätigkeiten, Vorgänge) eher ‚unbounded‘ (LANGACKER 1987a). Untypische Vertreter einer Wortart weisen entsprechend weniger – oder eben die entgegengesetzten – Eigenschaften auf. Sie entfernen sich somit von den Rändern des Kontinuums. Markierte Formen (wie deverbale Nomen od. desubstantivische Verben) befinden sich etwa in der Mitte des Kontinuums, da sie sowohl Kriterien für Verbalität als auch für Nominalität erfüllen (vgl. auch Unterkapitel 5.2). Was die Annotation der Korpusbelege diesbezüglich anbelangt, wurden folgende v.a. distributionell begründeten Entscheidungen getroffen: In den meisten Fällen liegt tatsächlich ein substantivierter Infinitiv (d.h. ein Substantiv) vor; dies ist recht eindeutig, wenn ihm ein Artikel (16), z.T. mit attributivem Adjektiv (17) und/oder (allerdings mit Ausnahmen) eine Präposition (18) vorausgeht, aber auch in Aufzählungen mit anderen Substantiven (19). Selbiges gilt bei Negationen mit kein (20).

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

(16)

73

Die eisige Kälte und der allgegenwärtige Wind machen das Bergsteigen hier zu einem Härtetest. 7106408 (http://www.leipzig-online.de/expedition/2/2010/12/guillaumet/)

(17)

Hervorragene Möglichkeiten für Wandern oder Trekking, bis hin zum anspruchsvollen Bergsteigen (bis 5000 m Höhe) werden vorgestellt. 264618892

(18) a.

ich persönlich sehe am bergsteigen nichts was die menschheit technisch weiter bringt.

(http://www.link-rebell.de/Reisen-Urlaub/Hotels-Pensionen-Ferienhaeuser/page-14.html) 236895062 (http://www.filmjournalisten.de/2010/01/11/domains-zu-verscheuern/)

b.

Für viele von uns war es auch eine echte Herausforderung, denn die meisten waren noch nie beim Bergsteigen. 25528272 (http://www.tigershockey.de/page/tagespresse/presse2007/09september/ 06.09.2007_tagblatt.php)

c.

Er sagte: »Claudia ist nicht so gut im Bergsteigen wie Sabrina, aber im flachen Gelände ist sie schneller.« 565604450 (http://www.goldmag.de/2011/03/ich-bin-nicht-hundertprozentig-sicher-ob-claudia-weisswas-auf-sie-zukommt/)

d.

die person hat nichts mit bergsteigen zu tun, sondern mit politik und ihr kennt den namen alle. 94141610 (http://www.fi-ausbilden.de/forum/archive/das-antwortspiel-t841.html)

e.

Wem nicht nach Wandern oder Bergsteigen zumute ist, kann auch die Kathedrale Notre-Damede-l'Assumption oder die Basilika Notre-Dame-Du Port besichtigen. 186852306 (http://www.billig-flieger-vergleich.de/flug/flug-Clermont%20Ferrand.html)

(19)

[...] Das war auch eine Geschäftsidee, die ich aufgegeben habe, die aber nicht grundsätzlich schlecht ist : Man druckt seine "Likes" in Form von 3×3 oder 4×4 Icons aus einer großen Auswahl vorne auf ein T-Shirt (Bier, Kino, Sex, Essen, Bergsteigen, was weiß ich) und seine "Dislikes" hintendrauf (Schneeschippen, Schaufensterbummel, Broccoli und so weiter, gerne auch mehrfach), und wenn man dann damit ausgeht, kann man unauffällig darauf abgeklopft werden, ob man jemandem gefallen könnte oder nicht. 261401596

(20)

Ohne Lebensgefahr ist das Bergsteigen im klassischen Sinne kein Bergsteigen.

(http://www.filmjournalisten.de/2010/01/11/domains-zu-verscheuern/) 158003334 (http://www.merian.de/reiseziele/artikel/a-651875-2.html)

Problematischer hingegen sind z.B. Progressivformen der Art (21). Hier wurde der Infinitiv als Verlaufsinfinitiv (i.S.v. VAN POTTELBERGE 2004: 192) und somit als verbal interpretiert. Als eindeutig verbal gilt der Infinitiv z.B. bei Auxiliarverben (22), oder Hebungs- und Kontrollverben (scheinen, lassen, etc.) (23) oder Modalverben etc. (24), auch wenn es natürlich Modalverben gibt, die ebenfalls mit Substantiven verwendet werden können (können, mögen).126 Auch Infinitive in tun-Periphrasen (25) und im Absentiv (DE GROOT 2000; VOGEL 2007) (26) wurden als verbal angesehen. Dasselbe gilt für Vorkommen mit Bewegungsverben (gehen, etc.) (27) und Perzeptionsverben (sehen etc.) (28) und Verneinungen mit nicht (29). Auch satzwertige Infinitivphrasen ohne finites Verb (30) und objektsprachliche Belege wie Nennformen (31) werden als verbale Infinitive gewertet, auch wenn sie nicht mit in die Berechnungen aufgenommen werden, da es sich nicht um syntaktische Infinitive handelt.

126

In bestimmten Fällen (z.B. in Aufzählungen mit anderen Substantiven o.ä.) wurde hier individuell entschieden.

74

NonV2-Verben im Deutschen

(21)

hat hier schon jemand das neue Rammstein Video gesehen, wo die am bergsteigen sind? 111214643 (http://forum.metal-hammer.de/archive/index.php/t-1087.html)

(22)

Hast Du noch nie daran gedacht, dass so ein Mann, der "super-fit und kerngesund" ist, auch mal gerne mit seiner Partnerin an seiner Seite segeln, klettern, bergsteigen, toben, tauchen o der sonstwas machen würde? 39480894 (http://www.elitepartner.de/forum/maenner-wuerdet-ihr-einebeziehung-mit-einer-rollstuhlfahrerin-eingehen-15791.html)

(23)

Hier lässt sich in ursprünglicher Umgebung ausgedehnt wandern, Radfahren, bergsteigen oder auch erholen 907789337

(24) a.

In der Umgebung von Tafrout kann man tagelang wandern und bergsteigen.

(http://www.rundreisen-team.de/region-52.html)

b.

213684336 (http://buchmesse.taz.de/4/reise/afrika/marokko/chillen-im-antiatlas/)

Des Wort allein, wennst Berichte liest von gewissen Tour'n un' so, dann willst halt da a amol bergsteig'n. 1087430738 (http://www.rolf-froehling.de/alle_reportagen/argentinien_14/argentinien_3.html)

(25)

Bergsteigen tu ich scho mein ganzes Leben lang, jedenfalls kommts mir so vor :rolleyes: und na ja ... nur fliegen is schöner ! 70779141

(26)

Vielleicht ist er ja Bergsteigen.

(27)

Ich gehe selber bergsteigen und da kann nun mal jeder Fehltritt tödlich sein.

(28)

Hast Du mal einen Boxer Seilspringen sehen?

(29)

Nur eine halbe Stunde vor der Stadt liegt der Starnberger See, der zweitgrößte See Bayerns und wer nicht bergsteigen will, hat von hier den schönsten Blick auf die Alpen, ohne Muskelka ter. 263961005

(http://www.gleitschirmdrachenforum.de/archive/index.php/t-6746.html) 35558666 (http://wohnsinn.frblog.de/beherzte-recherchen/)

205894606 (http://www.almac.de/forum/archive/index.php/t-12496.html)

994918299 (http://www.netzlaeufer.de/lauftreff/archive/index.php?t-6135.html)

(http://www.magazin-deutschland.de/de/leben/reiseland-deutschland/artikelansicht/article/10-mal-muenchen.html)

(30)

In den Sommerferien 2012, wieder gemeinsam mit französischen Jugendlichen kletter, Bergsteigen usw. – wir gehen ins 13. Jahr! 1041433813

(31)

Wie "bergsteigen" und ähnliche Fügungen sind (oder waren) viele jetzt getrennt geschriebene Fügungen eigenständige Verben und bezeichnen keine Handlungen, die auf ein Objekt gerichtet sind. 891434002

(http://www.heidenheim.de/jts/angebote/aktionen.html)

(http://web4640.server74.greatnet.de/bp/hypothek_vergleich.html)

Bestimmte Formen sind allerdings generell nicht eindeutig zuordenbar. Dies ist v.a. der Fall, wenn nicht entscheidbar ist, ob eine Sportart oder die Nennform des Infinitivs gemeint ist (32) oder bei Infinitivverben (FUHRHOP 2002), deren Infinitivergänzung sowohl eine verbale als auch eine substantivische Interpretation zulässt (33): (32)

IM SOMMER: Spazieren ohne Ende, Wandern bis in die höchsten Gipfel, Bergsteigen in des Zillertals 3000ern, Schwimmen, Radlfahren, Mountainbiken oder einfach nur die Seele baumeln lassen. 257777416

(33) a.

Wer Bergsteigen liebt, ist hier in der Schweiz im richtigen Urlaub.

(http://www.reisen-nonstop.de/hoteldetails-7429.htm)

b.

199386915 (http://www.billiger-reisen.de/fluege-schweiz.html)

Ist man sich sicher Bergsteigen lernen zu wollen, sollte man sich möglichst bald eine eigene Kletterausrüstung kaufen, denn ständiges ausleihen kann mit der Zeit sehr teuer werden. 86803682 (http://www.der-bergschreck.de/page/2/)

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

75

Für solche Fälle wurde eine Zwischenkategorie ‚beides‘ eingeführt, die zwischen ‚substantiviertem Infinitiv‘ und ‚Infinitiv‘ steht (in den Übersichtstabellen in schrägen Klammern /.../ angegeben ist). Daneben gibt es immer wieder (seltene) Konstruktionen, bei denen eine Entscheidung schwerfällt. (34)

Und wenn du das als arschkriechen betitelst, dann sind wir das wohlich.

(35)

Ok, kenne ich ja, also wieder etwas Brustschwimmen, das half aber auch nicht.

1083096464 (http://www.der-w.de/blog/uncategorized/der-w-in-den-medien-5.html) 264851988 (http://www.x-athlon.de/forum/archive/index.php/t-9319.html)

(36)

Fertig mit Klugscheißen! 361666912 (http://sweforum.schwedenstube.de/pasken-ostern-einberichtvonunbekanntensitten-und-gebrauchen-t13056.html)

(37)

Ich hab natürlich gut Klugscheissen – ich hab am Samstag (ausser der Morgenmessung zu Hause) sämtliche Messungen des Tages unter 5 mmol/ L gehabt, trotz sehr munterer Zufuhr von allem Möglichen. 694434304

(38)

Bergsteigen macht spass auch wenn wir das nur im kleinen auf Kraxselbergen machen die nicht mal die 200 Meter Grenze überschreiten "lach" aber ein solches Risiko eingehen ? 85613164

(http://www.insulinclub.de/archive/index.php/t-19925.html)

(http://www.gemischtesforum.de/archiv/topic_929.html)

(39)

Ich möchte dich schonmal beruhigen, wir sind hier zur Zeit ein sehr übersichtlicher Kreis an aktiven Usern, ich denke also nicht, dass wir hier "klugscheißen" nötig haben – wenn dann nur positive Kritik, eigene Erfahrungen oder Gutgläubigkeiten – jeder hat so seine Fehler (vielleicht gibt sie ja nicht jeder zu) 1206136516 (http:// www.abc-hundeforum.de/273-karin-und-emmi-sagen-hallo.html)

Um eine gewisse Absicherung und Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde als Kontrollinstanz zehn Linguist/innen an der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam 127 eine Art Fragebogen mit Originalbelegen aus dem Korpus – in denen allerdings das zu bestimmende Verb bzw. Lexem durch ein unverfängliches Vollverb (singen) ausgetauscht wurde – vorgelegt, mit der Bitte, die Wortform zu bestimmen (Interrater-Reliabilität, Inter-Annotator-Agreement). Die Ergebnisse sowie die jeweilige Entscheidung sind Tabelle 11 zu entnehmen. Sicherlich ließen sich die problematischen Formen auch der jeweils anderen Kategorie zuordnen, allerdings bleibt zu beachten, dass viele dieser Konstruktionen äußert selten vorkommen und damit das Gesamtergebnis bei einer Anderszuordnung kaum ändern bzw. beeinflussen werden. Dennoch sind solche Fälle besonders interessant, da sie sozusagen die Brückenkontexte (HEINE 2002: 84) bilden, in denen ein Lexem sowohl als Substantiv, aber auch schon als Verb wahrgenommen werden und sich möglicherweise so ein verbales Paradigma ausbilden kann.

127

An dieser Stelle sei meinen Kolleg/innen herzlich gedankt.

76

NonV2-Verben im Deutschen

Konstruktion Absentiv (sein + ...)

Substantiv - - - - - - - verb. Inf. ŰŰ ŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

Beispiel (26)

DOV«EHWLWHOQQHQQHQ

ŰŰŰŰŰŰŰ ŰŰŰ

am-Progressiv (sein + am)

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(34)

Æ

verb.Inf.

beim «

(21)

ŰŰŰŰŰŰŰŰ ŰŰ

Æ

Subst.

(18)

Bewegungsverb (gehen)

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(27)

DET ... (ist «)

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(16)

etwas «

ŰŰŰŰŰ ŰŰŰŰŰ

Æ

beides

(35)

fertig mit «

ŰŰŰŰŰŰŰŰ ŰŰ

Æ

beides

(36)

Grundform/Nennform/Metasprache

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(31)

gut (sein) im ...

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰ Ű

Æ

Subst.

(18)

gut «haben

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(37)

Hilfsverb (haben) Infinitivphrasen

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(22)

Ű ŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(30)

Infinitivverb (lernen)

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

beides

(33)

... lassen

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(23)

... macht Spaß

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(38)

mit «

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

Modalverb (können)

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(24)

nach «klingen

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

... nötig haben

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

beides

(39)

Perzeptionsverb

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(28)

Schluss mit ...

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

Spaß/Freude«am «

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰ Ű

Æ

Subst.

(18)

tun-Periphrase

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

verb.Inf.

(25)

zu tun haben mit ...

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

zum «

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

zumute sein nach «

ŰŰŰŰŰŰŰŰŰŰ

Æ

Subst.

(18)

(noch µne Runde «wenn schon «

Entscheidung

Tabelle 11: Inter-Annotator-Ergebnisse für die Einteilung verbaler oder substantivierter Infinitive

Ein ähnliches Kategorisierungsproblem ergibt sich bei der Wortform des Partizips (vgl. LENZ 1993; WUNDERLICH 1987; SOMMERFELD 1988; HOPPER & THOMPSON 1984: 704) – hier ist i.d.R. das Partizip II gemeint, auch wenn die Problematik auch auf das Partizip I zutrifft.128 Handelt es sich um eine Verbform oder um ein Adjektiv? Partizipien sind Wortformen, die sowohl Eigenschaften des Verbs als auch des Adjektivs in sich vereinigen. Sie besitzen zum einen die Valenz des zugrundeliegenden Verbs (d.h. sie weisen Argumente auf) und enthalten Angaben über Tempus und Genus Verbi. Auf der anderen Seite

128

Vgl. z.B. FUHRHOP & TEUBER (2000).

77

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

können sie aber auch dekliniert, d.h. nach Genus (des Substantivs), Kasus und Numerus verändert werden. Zudem können sie durch un- präfigiert werden (was nur Nomina vorbehalten ist und auch nur, wenn keine [agentivischen] Verbargumente vorliegen) und – mit Einschränkungen – kompariert werden. Ihre Distribution entspricht weitgehend der von Adjektiven; sie können attributiv, adverbial oder auch prädikativ verwendet werden (Ausnahmen bilden Partizipien, die auf ein intransitives und perfektivisches Verb zurückzuführen sind; deren Partizip II kann nicht attributiv verwendet werden, vgl. WUNDERLICH 1997: 21; EISENBERG 42013b: 101).129 HELBIG & BUSCHA (2001: 108-109) unterscheiden zwischen „notwendige[n] Partizip IIVerbindungen“, bei denen sich das Partizip stets mit einem Verb (i.d.R. einem Hilfsverb) verbindet, damit eine grammatische Funktion erfüllt und somit als verbal analysiert wird, und „freie[n] Partizip II-Verbindungen“, die sie zwar tendenziell auch den Verben zuschlagen. Analytische Vergangenheitsformen wie Perfekt und Plusquamperfekt (40) sowie Vorgangspassive mit werden (41) wurden entsprechend als solche kodiert. (40) a.

Auch wenn viele Leute über Reinhold Messner schimpfen, irgendwo respektiere ich seine Art, wie er berggestiegen ist – […]. 697154011 (http://www.bergleben.de/klettern/206-e_14476.html)

b.

Schon auf der Fahrt zu unserem Startpunkt für die Tour erzählte sie wo sie schon überall gebergsteigt ist. 776146110

c.

Ich hab mit dem Kleingärtner, mit dem Dix und mit dem Daum hinten im Hof strafexerziert.

(http://www.berndsteinke.de/usa1/150904.htm) 687990470 (http://www.hog-tem.de/Heimatblatt/2004/body_2004.html)

d.

In der 5. Staffel darf er wieder zurück ins Mutterhaus, nachdem ihn die Capitol AG zuletzt in die Pampa strafversetzt hatte. 359251715 (http://www.welt.de/fernsehen/article13704874/Stromberg-und-das-Erfolgsrezept-der-TVChauvis.xml)

(41)

Am 30. September 1935 wird "Porgy and Bess" am Colonial Theatre in Boston uraufgeführt. 13346335 (http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag1342.html)

Als attributives Adjektiv verwendete Partizipien II ((42)a.) konnten als eindeutig adjektivisch ausgemacht werden und somit bei den Auszählungen der paradigmatischen Vorkommen nicht beachtet. Dasselbe gilt für Substantivierungen dieser ((42)b.). Andere Verwendungen wie in (43) lassen sich nur schwer klassifizieren – es handelt sich entweder um Adverbiale oder um freie Prädikative (Teuber 2001). In keinem Fall kann man sie aber einer der Verbalkategorien zuordnen. (42) a.

Es sollen dort bruchgelandete UFOs probegeflogen, und Aliens gefangengehalten werden. 416661399 (http://www.studentshelp.de/p/referate/02/1532.htm)

b.

Da der Bruchgelandete im Stall schließlich äußerst unruhig wurde und auch versuchte, seine Flügel zu gebrauchen, entschloss man sich, ihn auf der Wiese bei seinen Eltern freizulassen . 814339296 (http://www.stoerche-oberschwaben.de/ostrach.html)

(43)

:confused: Ich mein, das gute Stück lag ja bruchgelandet mehrere Jahrzehnte in einem Wald und ist daher bestimmt nicht mehr ganz so in "flugfähigem Zustand" ...

120272679

(http://www.flugzeugforum.de/forum/archive/index.php/t-19333-p-8.html) 129

Partizipien I können generell nicht prädikativ verwendet werden (LENZ 1993: 42).

78

NonV2-Verben im Deutschen

Auch hier gibt es Graubereiche und uneindeutige Konstruktionen. Beispielsweise ist Belege, in denen ein finites Verb gänzlich fehlt kodiert (44), nur schwer bestimmbar, ob es sich um verbale Partizipien handelt – ganz zu schweigen davon, ob diese dann perfektivisch (bzw. aktivisch) oder passivisch zu interpretieren sind – oder um prädikative Angaben bzw. nachgestellte Attribute, was für den Adjektivstatus sprechen würde. Sie wurden als satzwertige Partizipphrasen (z.B. Duden Band 4 92016: 864-865) kodiert. Vereinzelt traten Konstruktionen wie in (45) auf, die als Rezipienten- bzw. Bewegungspassiv aufgefasst wurden. (44)

In den Jahren 1896/97 geschrieben , aber erst 1920 am Kleinen Schauspielhaus Berlin uraufgeführt, begleiten Skandale und Fehlinterpretationen die Rezeptionsgeschichte des Stückes. 534829219 (http://www.schauspielschule-genzmer.de/presse.htm)

(45) a.

Mit 19 bekam er seine Erste Symphonie uraufgeführt, mit 22 seine erste Oper "Die Nase". 862074566 (http://www.feuchtner.de/musik_inhalt/schost_dateien/dissident.html)

b.

Das Cousinchen kam in einer Rakete gebruchlandet, genau wie Superbaby 21 Jahre zuvor. 417940254 (http://www.demjod.de/0903.html)

Eine Konstruktion, in der der Zwitterstatus des Partizips II am deutlichsten zu Tage tritt, ist in Verbindung mit einer Form des Verbs sein (für die es mindestens drei Funktionen bzw. Analysen gibt [vgl. Thieroff 2007 und Referenzen darin]). Auf diese Weise kann zum einen das Perfekt intransitiver Bewegungs- und Zustandswechselverben gebildet werden, aber auch eine Konstruktion, die traditionellerweise als ‚Zustandspassiv‘ bezeichnet wird.130 Bei der Frage nach dessen syntaktischer Einordnung werden i.d.R. vier Positionen diskutiert (vgl. MAIENBORN 2007: 8587): (1) Das sein-Passiv entsteht dadurch, dass das Perfekt bzw. Plusquamperfekt des werdenPassivs um worden reduziert wird; es handelt sich also um ein elliptisches Vorgangspassiv (LENZ 1993: 49-54; HELBIG & BUSCHA 2001: 155). (2) Aufgrund der Parallelen zum Vorgangspassiv, das aber anderen Beschränkungen unterliegt als das sein-Passiv (letzteres erlaubt z.B. Zeitdaueradverbiale und eine reflexive Lesart), steht das Zustandspassiv als eigenes Genus Verbi gleichberechtigt neben dem Vorgangspassiv (BRINKER 1971; HÖHLE 1978; ZIFONUN 1992; ZIFONUN, HOFFMANN & STRECKER 1997: 1808-1823; HELBIG & BUSCHA 2001: 143).131 Ein Argument für den verbalen Status ist die adverbiale Modifikation. (3) Das Zustandspassiv bildet einen Übergangsbereich zwischen Aktiv und Passiv, indem es einen Zustand bezeichnet, bei dem ein vorangegangener Vorgang vorausgesetzt ist. Es wird als Resultativumskonstruktion analysiert (LITVINOV

& NEDJALKOV 1988; LEISS 1992: 156-190). (4) Das sog. Zustandspassiv ist eigentlich eine

Kopula-Prädikativum-Konstruktion mit einem prädikativ gebrauchtem Adjektiv (RAPP 1996; 1997: 161-218; MAIENBORN 2007); als Adjektiv-Diagnostiken werden angeführt, dass das Partizip

130

Alternativ existiert auch die Bezeichnung ‚sein-Passiv‘ (z.B. BRINKER 1971; HÖHLE 1978; ZIFONUN et al. 1997). In dieser Arbeit werden beide Begriffe synonym verwendet, ohne daran irgendwelche theoretischen Festlegungen zu knüpfen.

131

Dessen verbaler Status steht im Übrigen außer Frage.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

79

II (wie kanonische Adjektive auch) mit un- präfigiert sowie mit primären Adjektiven koordiniert (und z.T. kompariert) werden kann. Zudem kann es als Input für adjektivische Wortbildung fungieren.132 Entsprechend wird die im Korpus vorkommende Oberflächenformen der Art sein + Partizip II (46) (als [wenn auch nicht kanonische] verbale Kategorie) miteinbezogen und als ‚Zustandspassiv‘ kodiert. Dies ist aber lediglich als Etikette für die ambige Oberflächenform zu verstehen, ohne ihr die Zwitterhaftigkeit absprechen zu wollen. (46)

Stücke, die noch nicht ur- oder erstaufgeführt sind, können ebenfalls nicht von Amateurtheatern bestellt oder aufgeführt werden. 534829219 (http://www.felix-bloch-erben.de/index.php5/helpid/12/Action/showHelp/fbe/cc730972f206af5bdc2dc7b59d5acdf2/)

Für (weitere) Diagnostiken bzw. Tests zur Ermittlung des Wortstatus von Partizipien II sei auf ROTHSTEIN (2007) (sowie die Referenzen darin) verwiesen. Je nachdem, ob das Partizip II morphologisch getrennt ((40)a.) oder nicht ((40)b.)133 bzw. ohne das Affix (-)ge- ((40)c.-d.) auftritt, ist es in den folgenden Übersichtstabellen unter „XgeV“, „geXV“ bzw. ohne „ge-“ aufgeführt. Entsprechendes gilt für erweiterte Infinitive mit zu. Partizipien I wurden zwar erhoben, fließen aber nicht in die Datenauszählungen mit hinein, da sie keine verbalparadigmatischen Formen bilden. Sie treten letztlich nur als Adjektive auf und sind für die vorliegende Fragestellung demnach irrelevant. Die Bestimmung finiter Verwendungsweisen (egal ob in VL (47) oder V2 (48)) ergab keine Probleme. Syntaktische Trennbarkeit in V2 wird in den Tabellen als ‚getrennt‘, Nicht-Trennbarkeit als ‚zusammen‘ angegeben. Sie werden meist nach einzelnen Person-Numerus-Formen aufgeführt, u.a., um überprüfen zu können, ob die den infiniten Formen homonymen Formen häufiger vorkommen und so möglicherweise als Brückenkontexte dienen. (47)

Nun noch mein persönliches Anforderungsprofil: Gewicht ist mir egal, weil ich eben nicht bergsteige usw. 89913865

(48)

ich kenne keine ... bei vielen Bedürfnissen sind Kompromisse möglich (er steigt gerne Berg, ich nicht, also geht er mal alleine los. 167502078

(http://www.mi-fo.de/forum/lofiversion/index.php/t943.html)

(http://www.sektor6.com.saul.speedpartner.de/forum/archive/index.php?t-9659.html)

132

Mittlerweile besteht weitestgehend Konsens, das Zustandspassiv als Kopula-Adjektiv-Konstruktion zu analysieren. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welchen Wortartenstatus das Partizip II hat. Ist es tatsächlich ein Adjektiv oder ein deverbales Konvertat? Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob man diskrete Kategorien annimmt – bspw. indem man das Partizip als grundlegend verbal analysiert, das aber durch V>A-Konversion auch adjektivisch gebraucht werden kann – oder sagt, ein Partizip kann verschiedenen Kategorien, deren Grenzen durchlässig sind, angehören. Ohne eine neue (Zwischen-)Kategorie aufmachen zu wollen, halte ich mich an EISENBERG (42013a: 193) und NICOLAY (2007: 187-192), die dafür argumentiert, dass das Partizip II als „Mittelwort“ auf einem Kontinuum zwischen Verb und Adjektiv anzusiedeln ist: „In der passivischen seinKonstruktion hat das Partizip ,verbalere‘ Züge als in seiner attributiven Verwendung, aber ‚adjektivischere‘ als im werdenPassiv.“ (NICOLAY 2007: 189) Prototypisch betrachtet, handelt es sich letztlich um weniger gute Vertreter beider Kategorien (vgl. LENZ 1993: 63-73).

133

Bei diesen beiden gegebenen Beispielen kommt noch zusätzlich die Unterscheidung ‚stark‘ bzw. ‚schwach‘ hinzu.

80

NonV2-Verben im Deutschen

Die Ausführungen in diesem Abschnitt deuten bereits auf die bemerkenswerte Tatsache hin, dass in den Korpusdaten zu verbalen Pseudokomposita viele Belege vorkommen, deren Formen in irgendeiner Form ambig sind bzw. die sich nur schwer klassifizieren lassen. Dies zeugt davon, dass es sich um nicht kanonische Verben handelt. Insbesondere die infiniten, i.S.v. nicht-verbalfiniten, Formen entziehen sich einer eindeutigen Klassifizierung. Für die Auswertungen im folgenden Unterkapitel 3.3. gilt, dass in den Häufigkeitstabellen, die die paradigmatischen Vorkommen der einzelnen Verben darstellen, eindeutig nominale Belege (adjektivische und substantivische Verwendungsweisen) nicht erfasst sind,134 sondern nur potentiell verbale Belege, um das Gesamtbild nicht zu verzerren. Eine Ausnahme hierzu bilden die substantivierten Infinitive. Zwar werden sie in dieser Arbeit entgegen z.B. WURZEL (1988: 189) nicht als verbale Flexionsformen verstanden (s.a. FLEISCHER & BARZ 42012: 89), dennoch sollten sie nicht außer Acht gelassen werden, da sie ihren verbalen Charakter z.B. in Progressivformen bzw. teils sogar mit Modalverben zeigen und man somit Erkenntnisse über die diachrone Entwicklung bzw. deren Herkunft gewinnen kann. Für die Erhebung der in Abschnitt 3.2.1.1. vorgestellten Verben, die sich erwartbar verhalten, sowie für die an verschiedenen Stellen hinzugenommen Stichproben von Vergleichsverben gelten selbstverständlich dieselben Annotationskonventionen wie die eben beschriebenen. Allerdings trat bei diesen Verben das diskutierte Uneindeutigkeitsproblem sehr viel seltener auf.

3.1.2. Fragebogenerhebung Bestimmte Fragen werden durch die Korpusuntersuchung nicht beantwortet werden können. Ein Grundproblem von Korpusarbeit generell ist, dass sie keine negative Evidenz liefern kann und so die Gefahr besteht, dass „aus der beobachteten Abwesenheit von Belegen […] falsche Schlüsse über die Grundgesamtheit“ (PERKUHN et al. 2012: 50) gezogen werden. Möglicherweise finden Sprachbenutzer/innen bestimmte Konstruktionen gar nicht so schlecht. Nur weil eine Konstruktion nicht oder nur selten auftritt, muss das nicht heißen, dass Sprachbenutzer/innen sie grammatisch nicht wohlgeformt oder unakzeptabel finden (vgl. z.B. FEATHERSTON 2005b: 200-203). Aus diesem Grund sollen die Korpusergebnisse durch Sprecherbefragungen in Form einer Fragebogenstudie, die in Teilen auf FREYWALD & SIMON (2007) basiert, komplementiert werden. Der Vorteil einer schriftlichen Befragung ist, dass man in erheblich kürzerer Zeit viel mehr Personen befragen kann, als z.B. in Interviews und somit leichter eine akzeptable Stichprobengröße erhält. Um eine gewisse Selbstselektion der Stichprobe zu vermeiden, wurden die Fragebögen persönlich verteilt und vor Ort ausgefüllt, wodurch zusätzlich ein hoher Rücklauf gewährt wurde (vgl. ALBERT & MARX 22014: 63-64).

134

Im Text wird aber, wenn es wichtig erscheint, auch auf diese eingegangen.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

81

3.1.2.1. Prätest Zunächst soll mittels eines Prätests ermittelt werden, ob die zu untersuchenden Lexeme wirklich als Verben anerkannt werden und ob sie in VL-Stellung tatsächlich akzeptabler sind. Diese Frage wird allerdings nicht ohne Hintergedanken verfolgt: es soll ein empirisches Argument bedient werden können, weshalb in der eigentlichen Fragebogenstudie keine VL-finit-Formen aufgenommen werden. Aufgrund der Literatur zu NonV2-Verben lässt sich ohnehin annehmen, dass VL-finitFormen im Zweifel immer möglich sind. Vielmehr geht es aber darum, den Hauptfragebogen (Lückentext- bzw. Akzeptabilitätstest) möglichst klein zu halten.135 Der eigentlich Grund ist aber ein methodischer: Jede/r Proband/in soll jedes zu untersuchende Lexem nur einmal sehen, um der Gefahr zu entgehen, dass der/die Teilnehmer/in zurückblättert, um zu überprüfen, wie er/sie vorher vorgegangen ist. Dabei mag es ihm/ihr nicht bewusst sein, dass die Lücke in einem Nebensatz auftritt. Er/Sie sieht nur die syntaktisch ungetrennte Verwendung und nutzt sie ein weiteres Mal, wodurch die Ergebnisse verfälscht werden könnten. So wurden für einen ‚Lesetest‘ sieben kurze Texte entwickelt,136 die insgesamt neun verbale Pseudokomposita (bausparen, bruchlanden, notlanden, raubkopieren, schutzimpfen, stoßlüften, uraufführen, voranmelden, zwangspausieren) in verschiedenen Wortformen enthalten. Den Proband/innen (70 Erstsemesterstudierende an der Universität Potsdam; w: 57, m: 13; 60 gesamt

w 44 75 12 1 132

Geschlecht m k.A. 12 4 35 10 3 4 1 51 18

gesamt 60 120 19 2 201

Tabelle 12: Soziodemographische Angaben der Proband/innen

Diese ist nicht ganz ausgewogen. Fast zwei Drittel (65,7%) der Teilnehmenden sind weiblich. Der Großteil (59,7%) liegt in einer Altersspanne zwischen 20 und 40 Jahren. Beides ist aber zu erwarten, wenn man bedenkt, dass es sich um Germanistikstudierende handelt.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

87

3.2. Beschreibung der Daten In diesem Abschnitt soll lediglich ein grober Gesamtüberblick über die Daten gegeben werden. Es wird zunächst die Datenbasis der Korpusuntersuchung vorgestellt (3.2.1.). Darüber hinaus erfolgt die Beantwortung der Frage, bei welchen der untersuchten Verben es sich um ein NonV2Verb handelt und bei welchen nicht. Dafür wird zunächst gezeigt, welche syntaktischen Eigenschaften Verben (bzw. verschiedenen Verbtypen) im Deutschen generell aufweisen. Das so erarbeitete Standard- bzw. Normalverhalten deutscher Verben soll als Hintergrundfolie für die weitere Untersuchung dienen (3.2.1.1.). Im Vergleich dazu werden dann die Verteilungsmuster aller untersuchten verbalen Pseudokomposita zusammengefasst beschrieben (3.2.1.2.). Im Anschluss werden die Gesamtergebnisse der Fragebogenstudie dargestellt (3.2.2.). Die einzelnen verbalen Pseudokomposita werden dann im nächsten Unterkapitel (3.3.) ausführlich diskutiert.

3.2.1. Korpusdaten 3.2.1.1. Vergleichsfolie: Kanonisches Verbverhalten unterschiedlicher Verbtypen Die zentrale Vorannahme, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, ist, dass sich NonV2-Verben anders verhalten als es zu erwarten ist. Bevor dieses Sonderverhalten allerdings untersucht werden kann, stellt sich also die Frage, was überhaupt als erwartbares Verbverhalten angesehen werden kann. Anders ausgedrückt: Was sind kanonische Verben? Viele der letzten Kapitel besprochenen Arbeiten stellen mehr oder weniger explizit die These auf, dass das morphosyntaktische Verhalten verschiedener Verben durch ihren derivationellen Entstehungsprozess bzw. ihrer morphologischen Binnenstruktur vorhergesagt werden kann. Das sagt im Grunde genommen nichts anders voraus, als dass sich verschiedene Verbtypen (Simplexverben, Präfixverben, Partikelverben, Verben mit komplexen Erstgliedern, Suffixverben) unterschiedlich verhalten (H3). Um dies zu überprüfen wurde in einer Zufallsstichprobe von 5000 Sätzen aus dem DECOW2012-Korpus die Distributionen und das Verhalten der darin enthaltenen Vollverben144 untersucht. Da in den Auswertungskapiteln (3.3) v.a. mit paradigmatischen Verteilungsdaten gearbeitet wird, werden in der folgenden Tabelle die Häufigkeiten der verschiedenen Wortformen in absoluten sowie relativen Zahlen angegeben, und zwar nach den unterschiedlichen Verbtypen geordnet. Dass die Verben auf -ier(en) als gesonderte Gruppe aufgeführt werden, hat seinen Grund in Hypothese H14 (s. Abschnitt 3.3.3.3.2. und 4.2.2.10). Auf diese Weise können die verschiedenen Verbgruppen

144

Die Beschränkung muss logischerweise auf Vollverben erfolgen, da sie, wie die mit ihnen zu vergleichenden verbalen Pseudokomposita, eine fest umrissene lexikalische Bedeutung aufweisen und für sich allein Valenzträger sind und allein prädikatsfähig sein können (aber eben auch mit Nebenverben [Hilfs-, Modalverben etc.] vorkommen können). Nähme man die Nebenverben mit hinein, wäre der Anteil finiter Formen viel höher.

88

NonV2-Verben im Deutschen

einfacher nach Betonungsmustern geordnet werden. Die übrigen Suffixverben sind unter den anderen Verbtypen (je nachdem ob bzw. welches Erstglied sie aufweisen) eingeordnet. Verben, die multiple Erstglieder aufweisen, sind der Gruppe ‚komplexere Verben‘ zugeordnet. 

9HUE 6LPSOH[ YHUEHQ 

,QILQLWLY VXEVW ,QI

UHLQHU ,QI   





]X ,QI 

3DU WL]LS ,,

9HUEOHW]W 6J

9HUE]ZHLW

3O

6J

JH VDPW

3O





























































7\SHV



99W9ı9LJ9OLFK 9Y9YW9YW9YLJ 9YY



3UlIL[ YHUEHQ 

 







  







 



































3DUWLNHO YHUEHQ



























































NRPSOH [HUH9HU EHQ 























































7\SHV

3W93W9W3W9ı3W3W 9LJ3W9Y3W9YW 3W 3W 9 3W 3W9W 3W 3W9ı 3W 3W9YW





7\SHV

3[93[9W3[9ı3[ 9LJ3[9OLFK3[9YW3[ 9YLJ3[9YOLFK

LP9HU JOHLFK]X 9/

 





$XIWUH WHQV ZDKU VFKHLQ OLFKNHLW YRQ9





























7\SHV



3W3[93W93W3[93[3W 93[3W9LJ3[93[9LJ

9HUEHQ DXILHUHQ 











  

















































7\SHV



9LHU3[9LHU3W9LHU



9ROO YHUEHQ





  





 





 















































7DEHOOH3DUDGLJPDWLVFKH9RUNRPPHQYHUVFKLHGHQHU9HUENODVVHQ DEVROXWH=DKOHQXUHODWLYH9HUWHLOXQJ 

Zunächst einmal unterscheiden sich die verschiedenen Verbgruppen in ihrer Type-TokenFrequenz, v.a zwischen Simplexverben und komplexen Verben. Zwar enthält fast die Hälfte aller Belege (Tokens) ein Simplexverb als Vollverb, dennoch ist die Menge der einzelnen Verblexeme (Types) im Vergleich zu Präfix- und Partikelverben (die nur halb so viel Tokens aufweisen) relativ

89

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

gering. Dass die Gruppe der Partikelverben die meisten Types aufweist, zeugt davon, dass Partikelverbbildung tatsächlich der wohl produktivste Verbbildungsprozess ist. Mehrfach komplexe Verben – zu denen ein Großteil der in dieser Arbeit im Fokus stehenden Verben gehören – sind eher selten (2,4% aller Verben). Dasselbe gilt für Verben, die auf dem Fremdsuffix -ier(en) enden (noch 5%). Betrachtet man die Verteilung auf die einzelnen paradigmatischen Formen (in relativen Zahlen), wird deutlich, dass die verschiedenen Verbtypen nahezu gleich, zumindest auf sehr ähnliche Weise, über die verschiedenen Wortformen streuen. Simplexverben präferieren finite Formen (v.a. in V2) aber leicht (entsprechend H1, aber s.w.u.).145 Die wichtigste Feststellung ist, dass die Hälfte der Belege finite Formen ausmachen; Infinitive und Partizipien II bilden jeweils knapp ein Viertel. Nun lässt sich einwenden, dass sich natürlich jedes Verb idiosynkratisch verhält und in der Stichprobe jedes Verb (Lexem) mit nur ein oder zwei Vorkommen vertreten ist, so dass eigentlich keine Aussage über Verben an sich getroffen werden kann. Aber auch wenn man nur für ein einzelnes (relativ prototypisches) Verb (hier am Beispiel von singen) eine Stichprobe (von 2000 Belegen146) zieht, entspricht die relative Verteilung deren Wortformen grob die der für die Vollverben insgesamt beschriebenen. 

9HUE

,QILQLWLY VXEVW ,QI



VLQJHQ 

  

 

UHLQHU ,QI 



]X ,QI 



3DU WL]LS ,, 



9HUEOHW]W 6J

9HUE]ZHLW

3O

6J

JH VDPW

3O





























































$XIWUH WHQV ZDKU VFKHLQ OLFKNHLW YRQ9 LP9HU JOHLFK]X 9/







7DEHOOH3DUDGLJPDWLVFKH9RUNRPPHQYRQVLQJHQ DEVROXWH=DKOHQXUHODWLYH9HUWHLOXQJ 

So wird es als legitim angesehen, über die verschiedenen Verben in der Stichprobe hinwegzugeneralisieren und die Gruppe der ‚Vollverben‘ insgesamt als Vergleichsgröße bzw. -gruppe zu den später behandelten Non-V2-Verben zu nehmen. Die Verteilung der Vollverben wird somit als kanonisches Verhalten postuliert. Wenn in dieser Arbeit also von ‚kanonischen Verben‘ die Rede ist, ist darunter diese erwartbare Verteilung bzw. dieses erwartbare Verhalten zu verstehen. Es folgt ein Blick in die einzelnen Wortformen, angefangen bei der größten Gruppe, den finiten Belegen. Nicht weiter überraschend kommt hier die 3. Personen am häufigsten vor – v.a. im Singular macht sie über die Hälfte der Belege aus (V2: 57,0%; VL: 62,1%); im Plural ist es im-

145

Ein Chi-Quadrat-Test (der substantivierte Infinitive und uneindeutige Formen nicht miteinbezieht) ergibt zwar, dass sich die Verteilungen der Verbgruppen signifikant unterscheiden (χ2(16) = 152.390, ***p < 0.001, n = 4980); dies liegt aber an der großen Datenmenge. Die Effektstärke ist sehr gering (Cramérs V = 0.087, ***p < 0.001). Die weiteren Unterschiede liegen ohnehin eher bei den (für die Fragestellung dieser Arbeit nicht so relevanten) infiniten Formen.

146

Die fehlenden 2 Belege (0,1%) sind Inflektive (s.a. Abschnitt 3.3.2.3.4.).

90

NonV2-Verben im Deutschen

merhin knapp ein Viertel (V2: 22,1%; VL: 24,3%). Konzeptualisiert man die grammatische Kategorie ‚Person‘ als Diskursreferenten, so verweist die 3. Person (entweder anaphorisch oder kataphorisch) auf Entitäten jeglicher Art innerhalb einer sprachlichen Äußerung. Aus diesem Grund kommt sie so häufig vor. 1. und 2. Person hingegen sind deiktische Ausdrücke, die speziell auf Personen verweisen, die zwar am Sprechakt beteiligt (Sprecher/in bzw. Angesprochene/r), aber nicht Teil des Sprechakts sind. Für die in dieser Arbeit behandelten verbalen Pseudokomposita ist diese Tatsache aus verschiedenen Gründen relevant. Wenn in den Auswertungskapiteln beispielsweise kaum Belege in der 2. Person vorkommen, dann kann dies einfach nur daran liegen, dass diese Formen ohnehin sehr selten sind. Demgegenüber könnte die relativ häufig vorkommende 3. Person Plural, da sie formgleich mit dem Infinitiv ist, als Oberflächenform möglicherweise einen Ausgangspunkt für Brückenkontexte bei der Ausbildung eines verbalen Paradigmas bilden. (Zumindest bei stammendbetonen Verben [Präfixverben, Verben auf -ieren] gilt dies äquivalent für die 3.SG und dem Partizip II.) Häufig auftretende Formen sind also weniger markiert. Das relative Verhältnis der verschiedenen Personalformen ist, egal, ob das finite Verb in V2- oder in VL-Position vorkommt, recht ähnlich,147 wie die folgende Grafik verdeutlicht.

Diagramm 4: Verteilung finiter Verben nach Personalformen (in Haupt- und Nebensatz)

Interessant ist zudem noch die Verteilung der finiten Formen auf die beiden einfachen (synthetisch gebildeten) Tempora Präsens und Präteritum.148

147

1.SG 2.SG V2 12,3% 3,3% VL 6,9% 3,0%

3.SG

1.PL

2.PL

3.PL

57,0% 62,1%

3,8% 2,8%

1,4% 0,9%

22,1% 24,3%

Dass die 1.SG in Hauptsätzen etwas häufiger vorkommen als in Nebensätzen, liegt v.a. daran, dass hier auch Verba dicendi/sentiendi wie meinen oder glauben, die vielmehr als Diskursmarker bzw. Sprechersignale verwendet werden (IMO 2006), miterfasst wurden. Diese sind sicherlich auch für den Unterschied in der Gesamtverteilung verantwortlich. 148

V2 VL

PRÄSENS

PRÄTERITUM

1401 630

397 112

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

91

Diagramm 5: Verteilung finiter Verben nach Tempusformen (in Haupt- und Nebensatz)

Auch hier zeigt sich, dass die Tempusformen nicht gleich verteilt sind. Das Präsens dominiert mit 79,9 Prozent der finiten Belege aus der Stichprobe (2030 von 2540). Dagegen treten nur 510 (≜ 20,1%) Präteritalformen auf. Dieses asymmetrische Verhältnis lässt sich zum Teil sicherlich durch den allgemeinen Präteritumschwund begründen; v.a. im Oberdeutschen wurde das Präteritum als Vergangenheitstempus weitgehend durch das Perfekt verdrängt (vgl. ABRAHAM & CONRADIE 2001; FISCHER 2018). Allerdings kommen auch die Alternativtempora Perfekt oder Plusquamperfekt in der Stichprobe nur verhältnismäßig selten vor (465 Belege). Es ist also davon auszugehen, dass das typische Verhältnis zwischen NONPAST und PAST bei Vollverben bei ungefähr zwei Drittel zu einem Drittel liegt. Eine (für diese Arbeit nicht unrelevante) Auffälligkeit in Hinblick auf das V2-zu-VL-Verhältnis gibt es aber: Betrachtet man die relativen Zahlen (im Verhältnis zu den Gesamtbelegen einer Gruppe) der finiten Verbformen in VL-Position, so sind diese bei allen Verbtypen nahezu gleich (zwischen 13,5% und 16%). Bei den finiten Formen in V2-Position hingegen schlagen die Simplexverben mit 43 Prozent der Gesamtvorkommen zu Buche, wohingegen die anderen Gruppen nur auf rund 30 Prozent kommen. Hier zeigt sich eine ganz leichte Tendenz dahingehend, dass komplexe Verben149 etwas mehr zu anderen (periphrastischen) Formen neigen als einfache Verben (H3), auch wenn Komplexität V2- Stellung keinesfalls verhindert. Ein möglicher Grund hierfür könnte (neben dem erhöhten Vorkommen von Verba dicendi/sentiendi, s. Fn. 147) sein, dass sich bei Simplexverben prinzipiell nie die Möglichkeit ergibt, eine Lexikalklammer zu bilden, wohingegen bei komplexen Verben mitunter eine Entscheidung zur (Nicht-)Trennung getroffen werden muss, was mehr Gedächtnisleistung erfordert (vgl. THURMAIR 1991; ABRAHAM 2010). Dies würde auch die Annahme plausibel machen, dass die Größe des Mittelfelds bei komplexen Verben kleiner 149

Dass dies v.a. bei Verben, die auf dem Fremdsuffix -ier(en) enden, der Fall zu sein scheint, mag daran liegen, dass es sich bei den entsprechenden Lexemen eher um Fachtermini handelt, die in bildungssprachlichen Texten vorkommen. In diesen Textsorten wird die Aussage häufiger durch Modalverben etc. modifiziert.

92

NonV2-Verben im Deutschen

ist. In den folgenden Boxplots ist die Füllung der Mittelfelder in den Belegen der verschiedenen Verbtypen durch die Anzahl der darin enthaltenen Wörter angegeben (zur Zählmethodik der Mittelfeldgröße s. Abschnitt 3.3.4.4.).

Diagramm 6: Mittelfeldgrößen verschiedener Verbklassen

Beim Vergleich der Mittelfelder der unterschiedlichen Verbtypen lässt sich allerdings kaum ein Unterschied feststellen (engegen H22).150 Zwar kann das Mittelfeld prinzipiell beliebig groß sein, bei drei Viertel der Stichprobendaten liegt die Mittelfeldgröße aber zwischen 0 und 14. So kann man davon ausgehen, dass bei einem typischen Verb das Mittelfeld aus zwischen zwei bis sieben Wörtern besteht. Im Durchschnitt sind es x̅ = 5,8 (s = 4,274) Wörter (x̃ = 4).151

Diagramm 7: Mittelfeldgrößen kanonischer Verben

150

Ein Kruskal-Wallis-H-Test ergibt zwar, dass sich die Durchschnittsmittelfeldlängen bei den verschiedenen Verbtypen signifikant unterscheiden (χ2(4) = 11.552, p = **0.002), Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Tests) zeigen, dass sich lediglich die Gruppen ‚Simplexverben‘ und ‚Präfixverben‘ (z = -3.199, p = *.014) sowie ‚Präfixverben‘ und ‚Partikelverben‘ (z = 2.901, p = *.037) signifikant unterscheiden, wobei die Signifikanz nicht groß ist. Dies ist wohl auf die höhere Tokenfrequenz sowie die Ausreißer zurückzuführen. Auch die Effektstärke nach COHEN (1992) ist äußerst schwach (r = -0.075 bzw. r = 0.068), so dass man davon ausgehen kann, dass sich die verbgruppen in Beug auf die Mittelfeldgröße nicht unterscheiden.

151

Dieses Ergebnis unterscheidet sich leicht von THURMAIRs (1991: 188), die bei der Füllung der Lexikalklammer auf durchschnittlich 2,8 Wörter kommt. Sie betrachtet aber ausschließlich gesprochene Sprache.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

93

Für diese Arbeit am relevantesten ist aber das Verhältnis zwischen den finiten V2- und VLBelegen untereinander. Finite Formen kommen im Schnitt in der linken Satzklammer 2,42 Mal häufiger vor als in der rechten (1798 vs. 742 von insg. 2540 finiten Belegen). Wie die Säulendiagramme zu Personalformen und Tempora bereits verdeutlichten, entspricht dies einem Verhältnis von etwa 70 zu 30. Auch FISCHER (2013) hat sich verschiedene Satzstrukturen im Deutschen (und Englischen) angeschaut. Die folgende Tabelle ist FISCHER (2013: 186) entnommen und enthält die Vorkommenspositionen finiter Verben (Verbpositionen in HD1+2 [alle Satzarten]):

Tabelle 15: Vorkommenspositionen finiter Verben (Verbpositionen in HD1+2 [alle Satzarten], FISCHER 2013: 186)

Wie man sieht, machen finite VL-Belege 26,3 Prozent aus (letzte Spalte). Damit ergibt sich in FISCHERs (2013) Korpus, das nur Erzähltexte enthält,152 ein ähnliches (etwas größeres) V2-zu-VLVerhältnis (73,7 zu 26,3).153 Diese externe Evidenz rechtfertigt die Annahme, dass das typische Verhältnis finiter V2- und VL-Belege tatsächlich in diesem Bereich liegt. Das damit postulierte erwartbare Verhältnis wird wie folgt quantifiziert: Teilt man die V2-Belege (n) durch die Gesamtzahl der finiten Belege (k), erhält man einen Wert, der der erwarteten Auftretenswahrscheinlichkeit finiter Formen von V2 im Vergleich zu VL entspricht. Dieser wird später genutzt, um anhand eines Binomialtests herauszufinden, ob sich dieses Verhältnis eines fraglichen Verbs signifikant von dem kanonischer Verben unterscheidet, um es so entweder als NonV2-Verb zu klassifizieren oder 𝑛 nicht (s. Abschnitt 3.2.1.2.). Der ermittelte Binomialfaktor beträgt ( ) = 0,707874. 𝑘 Aus der vorherigen Tabelle konnte noch nicht entnommen werden, wie sich die übrigen Be-

lege, also die infiniten Verbformen (und damit Verben generell), auf Haupt- (HS) und Nebensätze

(NS) verteilen.154 Die folgende modifizierte Tabelle schlüsselt dies auf. (Substantivierte Infinitive und Formen, bei denen nicht eindeutig gesagt werden kann, ob es sich um einen substantivierten oder verbalen Infinitiv handelt [s. Abschnitt 3.1.1.3] werden ausgeschlossen, da diese i.d.R. keinem der Verbklammerfelder zugeordnet werden und es somit irrelevant ist, ob das Lexem im

152

FISCHER (2013: 23-28) nutzt für seine kontrastive Untersuchung zu deutschen und englischen Satzstrukturen und Verbergänzungen, um grammatische Komplexität und semantische Transparenz zwischen den beiden Sprachen zu vergleichen, ein kleines selbstzusammengestelltes Übersetzungskorpus, das zwei Kinder- bzw. Jugendbücher enthält (J.K. Rowlings Harry Potter and the Philosopher’s Stone und Cornelia Funkes Der Herr der Diebe). „Dieses Genre wurde ausgesucht, weil seine Sprache auf allgemeine Verständlichkeit zielt und deshalb hinsichtlich Komplexität und Register etwas näher an der gesprochenen Sprache angesiedelt sein dürfte als andere schriftliche Genre [sic!]. Zur Kontrolle wurde aber auch ein Text aus dem journalistischen Bereich hinzugezogen.“ (FISCHER 2013: 26) Die obere Tabelle bezieht sich nur auf den Funke-Text (HD1+2).

153

Leider können keine weiteren Vergleiche mit FISCHERs (2013) Arbeit gezogen werden, z.B. die Wortformdistributionen (s.o.), da er nicht einzelne Wortformen separat in Zahlen erfasst, sondern nur, wenn sie den Kopf einer Verbalphrase bilden (s. FISCHER 2013: 169).

154

Haupt- und Nebensatz (HS und NS) beziehen sich in dieser Arbeit lediglich auf Verbstellungstypen (V1 bzw.V2 und VL); so werden bspw. auch abhängige Sätze mit V2-Stellung als HS gewertet.

94

NonV2-Verben im Deutschen

Haupt- oder Nebensatz vorkommt. Ähnliches gilt für den erweiterten Infinitiv mit zu, der ausschließlich in Nebensätzen auftreten kann und somit das Gesamtbild verzerren würde.155 Verb Simplexverben Types:

407

Präfixverben Types:

442

Partikelverben Types:

509

komplexere Verben Types:

90

Verben auf -ieren Types:

121

Vollverben

Satztyp HS

Infinitiv subst. Inf.

14 /1/

reiner Inf.

zuInf

316

-

Partizip II

finit

249

998

1563 + 15

2143 + 182

122

363

580

gesamt

NS

-

/-/

95

167

HS

2 /2/

166

-

250

386

802 +3

1148

NS

58

121

116

172

346

+ 124

-

HS

1

156

-

196

314

666 +1

937

NS

54

94

68

149

271

+ 95

-

HS

-

23

-

20

39

82

NS

-

2

11

8

18

28

HS

-

/1/

38

-

44

61

143 +1

228

NS

/-/

16

21

29

40

85

+ 22

-

HS

17 /3/

699

-

759

1798

3256

-

225

414

742

1310

/-/

+ 167

+ 121

+ 94

110 + 11

+ 11

+ 21

+ 20

4566 + 434

NS

343

+ 414

Tabelle 16: Paradigmatische Vorkommen verschiedener Verbklassen verteilt auf Haupt- und Nebensätze (absolute Zahlen)

Haupt- und Nebensätze stehen also zueinander in einem Verhältnis von 71,3% zu 28,7%. Dies entspricht auch dem Verhältnis der finiten Belege zueinander (also dem ermittelten Binomialfaktor). Überhaupt ist auch die Verteilung der Wortformen untereinander innerhalb der Satztypen in diesem Verhältnis sehr ähnlich, was das zusammenfassende Säulendiagramm noch einmal verdeutlicht.

Diagramm 8: Paradigmatische Vorkommen kanonischer Verben verteilt auf Haupt- und Nebensätze 155

Beide Fälle sind in Tabelle 16 als kleingeschriebene graue Zahlen vermerkt.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

95

Es zeigt sich, dass die finiten Formen sowohl insgesamt als auch innerhalb ihrer jeweiligen Satzarten deutlich am häufigsten vorkommen. Hierin liegt, wie die folgenden Kapitel verdeutlichen, ein zentraler Unterschied zu den verbalen Pseudokomposita. Eine weitere aus den Tabellen zu entnehmende empirische Gegebenheit, die im Folgenden als Unterschied auffallen wird, ist, dass bei den kanonischen Verben kaum substantivierte Infinitiv auftreten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass der automatische Tagger (vgl. Abschnitt 3.1.1.1.) diese ohnehin als Substantiv getaggt hat, weshalb sie nicht in der Stichprobe auftauchen. Zu Gründen, warum der substantivierte Infinitiv überhaupt als Auswertungskategorie mitaufgenommen wurde, siehe Abschnitt 3.1.1.3. Als zentrales Fazit (und somit Hintergrundfolie für die Betrachtung des Gegenstands dieser Arbeit) zum morphosyntaktischen Verhalten deutscher Verben kann folgendes festgehalten werden: •

Finite Verbformen kommen deutlich häufiger vor als infinite (Infinitive, Partizipien). Damit sind auch synthetische Verbformen etwas häufiger als periphrastische. Dabei dominiert das Präsens gegenüber dem Präteritum deutlich (ungefähr in einem Verhältnis 80 zu 20).



Hauptsätze sind häufiger als Nebensätze (ungefähr in einem Verhältnis 70 zu 30). Somit ergibt sich für das Verhältnis V2 zu VL ein Binomialfaktor von 0,708.



Nominalisierte Formen sind eher selten.

Damit bilden Vollverben, die finit in der linken Satzklammer (V2-Position) stehen morphosyntaktisch den (proto-)typischen Fall eines Verbs im Deutschen.

3.2.1.2. Verbale Pseudokomposita Die Untersuchung der verbalen Pseudokomposita erfolgt lexembasiert. Bei der Auswahl der Lexeme wurde darauf geachtet, dass einerseits die in der einschlägigen Literatur genannten Beispiele gut abgedeckt sind. Hier bietet sich v.a. die Chance, Streitfälle, bei denen sich die Literatur uneinig ist, ob ein NonV2-Verb vorliegt oder nicht (s. Abschnitt 2.1.2.), zu klären. Darüber hinaus sind die Verben natürlich so gewählt, dass sie oberflächlich die Produkte verschiedener Wortbildungsmuster (Rückbildung, Konversion, Inkorporation) und verschiedene Formen (unterschiedliche Komplexitätsgrade: u.a. Doppelpartikelverben) beinhalten, kurzum, dass sie sich eignen, die diskutierten Erklärungsansätze bzw. Faktoren (s. Abschnitt 2.3.) zu überprüfen. Dabei ist es essentiell, dass genug Datenmaterial zur Verfügung steht, um überhaupt näherungsweise begründete Aussagen treffen zu können. Generell ist es das erklärte Ziel dieser Arbeit zum ersten Mal eine breite empirische Datenbasis zu verbalen Pseudokomposita zu erheben, mit dem Ziel, dass sie sich auch als Grundlage für weitere Untersuchungen erweisen kann.

96

NonV2-Verben im Deutschen

Insgesamt wurden (alle vorhandenen) Korpusdaten zu 916 verschiedenen verbalen Pseudokomposita (Lexemen) erhoben.156 Die Datenbasis für die Korpusuntersuchung stellen somit 107 640 Belege dar.157 Das folgende Säulendiagramm zeigt, wie sich die Belege auf die unterschiedlichen Wortformen (und Funktionen) verteilen. 70000

60000

50000

40000

30000

20000

10000

zu-Inf.

0

sonst.

Infinitiv

Part.II

finit

Diagramm 9: Paradigmatische Vorkommen aller untersuchten verbalen Pseudokomposita im DEWCOW2012-Korpus (N = 107 640) 156

Dass es sich um so viele verschiedene Lexeme handelt, rührt daher, dass der Einfluss verschiedener reihenbildender Erstglieder überprüft werden soll und somit jede (potentiell verbale) Wortform, die solch ein Erstglied aufweist, erhoben wurde. Häufig ist es allerdings zweifelhaft, ob zu bestimmten Wortformen (Partizipien) überhaupt ein Infinitiv existiert bzw. ob es sich bei dem Lexem überhaupt um ein Verb handelt. Hier sind die frequentesten Lexeme (in absteigender Reihenfolge) aufgelistet. Man erkennt bereits hier, wie schnell die Frequenzangaben von Verb zu Verb abnehmen und wie niederfrequent die Verben generell sind. auferstehen (25375), uraufführen (12980), erstnennen (9007), zweckentfremden (7785), erstgebären (7196), bergsteigen (6038), handarbeiten (3892), bausparen (3147), raubkopieren (3088), klugscheißen (2805), notlanden (2215), seilspringen (1973), brustschwimmen (1708), feuerverzinken (1685), strafversetzen (1364), stoßlüften (1157), voranmelden (1131), rückenschwimmen (955), ehebrechen (937), erstbeklagen (841), erstversorgen (735), vorankündigen (626), notoperieren (622), klugscheißern (584), notschlachten (493), kraulschwimmen (446), erstveröffentlichen (393), strafstoßschießen (283), seilhüpfen (278), bauchpinseln (271), arschkriechen (266), seilziehen (238), strafentlassen (228), erstaufführen (228), punktschweißen (227), seiltanzen (214), strafverfolgen (175), erstversterben (153), bruchlanden (151), erstbegehen (150), zwangsernähren (148), delfinschwimmen (131), notwassern (128), ersterscheinen (125), ersterwähnen (111), notversorgen (108), erstschaffen (106), fehleinschätzen (102), erstzulassen (98), berggehen (94), schutzimpfen (91), erstbeschreiben (88), strafexerzieren (87), erstberufen (85), zwangsverheiraten (84), zwangspausieren (68), ursenden (67), zwangsbeglücken (64), ersterkranken (61), erstimmatrikulieren (61), zwangsrekrutieren (57), zwangsbeatmen (54), sprechsingen (54), erstauftreten (54), erstwählen (52), zwangstaufen (50), nottaufen (47), notverkaufen (46), erstbauen (44), erstdenken (43), bauchtanzen (41), brandungsschwimmen (41), bauchsteuern (39), zwangsversteigern (38), erstschreiben (38), notbremsen (38), erstsenden (37), zwangsfüttern (36), erstangehen (36), notzüchtigen (35), bauchkraulen (35), ersterwählen (34), notöffnen (33), erstimpfen (31), erstbefüllen (31), erstschlüpfen (30), ersterschaffen (30), ersteichen (29), strafbedrohen (28), nottöten (28), zwangssterilisieren (27), erstbeauftragen (26), erstbeschuldigen (26), ersterkennen (26), zwangskastrieren (25), erstsehen (25), strafarbeiten (24), zwangsräumen (23), rührbraten (23), bergwandern (23), erstfinden (23), erstkaufen (23), erstbetreffen (22), notsichern (20)

157

Überbleibende Dubletten und unbrauchbare Belege (s. Abschnitt 3.1.1.1) sind dabei schon herausgerechnet.

97

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

Es zeigt sich deutlich, dass finite Formen nur einen geringen Anteil der Daten ausmachen. Die Partizipien II dominieren, gefolgt von den Infinitiven. Die genauen Zahlen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: MV

Imperativ KV n_PeriphrProgressivAbsentiv I_Phrase Perfekt V_Passiv Z_PassivR_Passiv B_PassivP_Phrase

Präs

Prät

NA

Adj

subst.AdjAdverbial Ellipse

EN Nennform

???

??? 5

Inflektiv

392

subst.Inf

18929

beides Infinitiv

1

101

941 11605

203

4498

29

64

39

591

71

290

zu_Inf

1601

Part.II

1

fin

42

12450

15618

1006

2

1

4362

134 4814

8 141 2

16494

10958

883

15

38

1311

Tabelle 17: Paradigmatische Vorkomen und funktionale Verteilung aller untersuchten verbalen Pseudokomposita im DEWCOW2012-Korpus (absolute Zahlen; N = 107 640)

Letztlich sind diese aber gar nicht so wichtig, sondern vielmehr die Beobachtung, dass annähernd die Hälfte158 der infinitivischen und partizipialen Formen überhaupt nicht verbal, sondern als Substantiv oder Adjektiv o.ä. verwendet wird (s. die verschiedenen grauen Balken). Dies lässt bereits darauf schließen, dass es sich bei den untersuchten Lexemen nicht um kanonische Verben handelt, sondern um welche, die einen nominalen Ursprung haben oder möglicherweise sogar selbst Nomina sind. In dieser Arbeit interessieren v.a. die (verhältnismäßig wenigen) finiten Formen. Bei Betrachtung der Tempora zeigt sich, dass fast 80 Prozent dieser im Präsens vorkommen. Dies wirkt zunächst sehr asymmetrisch und scheint Annahmen analog zu der von ÅSDAHL HOLMBERG (1976: 95) zu bestärken, dass aufgrund des Präteritumschwunds und einer wie auch immer gearteten V2-Hemmung, der Gebrauch von Präteritalformen ohnehin kaum in Betracht kommt, da das Präteritum mittels Perfekt bzw. Plusquamperfekt umgangen werden kann, wohingegen für das Präsens keine solche synonyme Ausweichkonstruktion vorliegt. Im letzten Abschnitt konnte allerdings bereits gezeigt werden, dass auch bei kanonischen Verben ein Präsens-PräteritumVerhältnis von 80 zu 20 Prozent herrscht. Der Grund für das Missverhältnis kann also nicht im Ausweichen aufgrund einer V2-Hemmung liegen. Auch bei den Partizipien II zeigt sich, dass die mit ihnen gebildeten Vergangenheitstempora nicht den größten Teil der partizipialen Verwendungsweisen ausmachen, sondern dass passivische Gebräuche (v.a. das Vorgangspassiv mit werden) überwiegen. Zustandspassive können dabei auch zu den adjektivischen Verwendungsweisen gezählt werden. Bei den Infinitiven sind die untersuchten verbalen Pseudokomposita i.d.R. Ergänzungen zu Modalverben oder zu Kontrollverben wie v.a. lassen. Die restlichen Konstruktionen (tun-Periphrasen, Progressive, Absentive, etc.) sind so selten, dass sie fast vernachlässigbar sind. Auffällig ist aber ein gewisser Prozentsatz (vergleichbar mit dem der zu-Infinitive) an Formen, die insofern ambig sind, als dass nicht genau bestimmt werden kann, ob es sich um einen verbalen oder einen substantivierten Infinitiv handelt (vgl. Abschnitt 3.1.1.3.) 158

Je nachdem, was man noch als verbal zulässig zählt, sind es 48 170 (44,8%) der Belege.

98

NonV2-Verben im Deutschen

D.h. insgesamt gibt es sehr viele Formen, die entweder tatsächlich nominal oder nur potentiell nominal sind, was die Gesamtpopulation der verbalen Pseudokomposita nicht sehr verbal erscheinen lässt. Hier kann man einwenden, dass diese Formen gar nicht zur Gesamtpopulation der verbalen Pseudokomposita gehören, da es sich wohl eher um Substantive bzw. Adjektive handelt. So lohnt es sich verschiedene Subsets zu bilden. Entfernt man alle nicht-ambigen nominalen Belege, bleibt ein Subset über, das nur noch 619 verschiedene Verblexeme beinhaltet, für die es mindestens einen genuin verbalen Beleg gibt.159 Entfernt man zusätzlich noch alle Lexeme, die nicht einen einzigen finiten Beleg im Korpus aufweisen, ergibt sich ein Subset, das nur noch die Hälfte (49,8%) der ursprünglichen Datenmenge ausmacht. In diesem befinden sich nur noch 172 verschiedene Verblexeme160 auf insgesamt 51 485 Belege. Ein weiteres Datenset, das lediglich die Hauptsätze aus dem eben erzeugten Subset enthält, bildet die Grundlage für die in Kapitel 4 durchgeführte Regressionsanalyse. Die Gründe für die Wahl dieses Subsets werden an entsprechender Stelle erläutert. Für den Moment soll das eher restriktiv zusammengestellte Verbalsubset noch mit dem Sample kanonischer Verben verglichen werden. Der Einfachheit halber wird sich nur auf die Verteilung der einzelnen Wortformen auf Haupt- und Nebensatz beschränkt.

Diagramm 10: Paradigmatische Vorkommen von verbalen Pseudokomposita verteilt auf Haupt- und Nebensätze (N = 51 485)

Zwei Unterschiede sind eklatant: Während bei den kanonischen Verben die finiten Formen über die Hälfte aller Belege ausmachen, kommen bei den verbalen Pseudokomposita die infiniten Formen wesentlich häufiger vor (Infinitive und Partizipien zusammengerechnet: 85%). Das Vorkommen einer Form im Haupt- oder Nebensatz bei den kanonischen Verben entspricht einem Verhältnis von ca. 70 zu 30 Prozent (vgl. den in Abschnitt 3.2.1.1. ermittelten Binomialfaktor von 0,71). Bei den verbalen Pseudokomposita gilt diese Relation zwar ungefähr so für die infiniten

159

Somit fallen 297 Lexeme heraus, die offenbar keine Verben sind.

160

Die Tatsache, dass 447 der im Subkorpus der verbalen Belege enthaltenen Verblexeme keine finiten Formen aufweisen, deutet darauf hin, dass es sich hier um eine andere Art von Verben handelt, nämlich solche, die generell keine finiten Formen haben.

Empirische Untersuchung zu ausgewählten verbalen Pseudokomposita

99

Formen; der Unterschied bei den finiten Vorkommen ist aber nicht nur genau entgegengesetzt, sondern auch noch größer (20 : 80). Dieser einfache Vergleich zeigt bereits, dass sich die Gesamtpopulation der verbalen Pseudokomposita insgesamt anders verhält als die der kanonischen Verben. Nun gilt allerdings zu beachten, dass sich nicht jedes verbale Pseudokompositum gleich bzw. relativ zu der Verteilung der Gesamtpopulation verhält; die einzelnen Lexeme streuen nicht im Verhältnis gleichmäßig über die einzelnen Wortformen. Vielmehr ist es so, dass die meisten von ihnen eine ganz bestimmte (mehr oder minder ausgeprägte) Präferenz für eine einzelne Wortform haben. Aus den unterschiedlichen Verteilungen lassen sich möglicherweise unterschiedliche Verhaltensmuster ableiten. Die folgende Gesamtübersicht zeigt u.a., welche Verben in dieser Arbeit überhaupt untersucht werden, sowie deren unterschiedliche relative Verteilungen auf die verschiedenen Wortformen. Man beachte, dass hier wieder die gesamte Datenbasis zugrunde gelegt wird, wobei die nominalen Partizipien (z.B. als attributives Adjektiv verwendete Partizipien II) nicht mitaufgenommen sind. Substantivierte Infinitive hingegen sind (gesondert) erfasst. Die folgende Übersichtstabelle erfasst (sowie auch die im Unterkapitel 3.3. verwendeten Tabellen) die (Häufigkeiten der) paradigmatischen Vorkommen (Wortformen) der einzelnen Lexeme. Die letzte Spalte gibt das Ergebnis eines durchgeführten Binomialtests wieder. Der Binomialtest testet, ob die Häufigkeitsverteilung der dichotomen Variablen ‚finit V2‘ und ‚finit VL‘ einer vermuteten Verteilung entspricht. Er vergleicht dabei die empirisch gefundene Eintretenswahrscheinlichkeit mit einer theoretisch erwarteten Wahrscheinlichkeit. Da sich finite Verben, wie gerade und in Abschnitt 3.2.1.1. gesehen, nicht gleichmäßig auf die linke und rechte Satzklammer verteilen (was einer relativen Häufigkeit von 50% entsprechen würde), kann nicht der Standardbinomialkoeffizient von 0,5 angewendet werden. Stattdessen wird als Koeffizient der Faktor verwendet, der anhand der Verteilung der kanonischen Verben ermittelt wurde (Binomialfaktor: 0,707874). Der p-Wert gibt also an, wie signifikant sich die Auftretenswahrscheinlichkeit von V2 (im Vergleich zu VL) bei einer erwarteten Wahrscheinlichkeit von 70,8% für das untersuchte Verb unterscheidet. Nur bei den Verben, die einen statistisch hochsignifikanten (***p=Modell202=glm(V2~Rueckbildung+Doppelpartikel+Reihenbildung_ErstgliedStammendnebenbetonung+semantischeTransparen z+Aktionsart+Nominalitaet+Patiensorientiertheit,data=Data1,family="binomial")

Deviance Residuals: Min 1Q Median -3.9860 0.0075 0.0967

3Q 0.3399

Max 1.2074

Coefficients: Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) (Intercept) 1.82312 0.20525 8.882 < 2e-16 Rueckbildungyes -0.09004 0.08636 -1.043 0.29712 Doppelpartikelyes 1.36955 0.30260 4.526 6.01e-06 Reihenbildung_Erstgliednein -0.39676 0.13801 -2.875 0.00404 Reihenbildung_Erstgliedvllt -0.39109 0.16968 -2.305 0.02118 Stammendnebenbetonungnein 0.69583 0.09648 7.212 5.51e-13 semantischeTransparenzyes -1.40669 0.13323 -10.558 < 2e-16 AktionsartAccomplishment 1.92475 0.11436 16.830 < 2e-16 AktionsartAchievement 2.40591 0.13857 17.362 < 2e-16 AktionsartState -0.09689 0.41190 -0.235 0.81403 Nominalitaetyes 2.54118 0.16529 15.374 < 2e-16 Patiensorientiertheityes 7.22808 1.00160 7.217 5.33e-13 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

*** *** ** * *** *** *** *** *** ***

(Dispersion parameter for binomial family taken to be 1) Null deviance: 9624.1 Residual deviance: 7011.7 AIC: 7035.7

on 30383 on 30372

degrees of freedom degrees of freedom

Number of Fisher Scoring iterations: 11

Zunächst muss die Güte des Modells insgesamt überprüft werden. Dafür werden die -2LLWerte des aufgestellten Regressionsmodells (residual deviance) und denen des ‚Basismodells‘ (null deviance) mittels eines Chi-Quadrat-Tests verglichen.375 Das Basismodell ist ein Modell, welches nur die Konstante berücksichtigt. Der Test zeigt, dass sich die beiden Modelle

374

Vgl. Fn. 361.

375

„Dazu verwendet dieser Test den Logarithmus des Werts der Likelihood-Funktion, welche im Zuge der Modellschätzung maximiert wurde [..]. Dieser logarithmierte Wert wird als "Log-Likelihood" oder kurz "LL" bezeichnet. Für die Schätzung der Modellgüte wird dieser Wert mit -2 multipliziert (-2LL). Der Wert -2LL beschreibt einen Fehlerterm.“ (http://www.methodenberatung.uzh.ch/de/datenanalyse/zusammenhaenge/lreg.html#11 )

290

NonV2-Verben im Deutschen

signifikant unterscheiden (χ2(11) = 2612.422; ***p < 0.001). Das Regressionsmodell leistet also insgesamt einen höheren Erklärungsbeitrag gegenüber der modalen Vorhersage. Auf Multikollinearität wurde bereits getestet. Kein Wert übersteigt 10: Rueckbildung Doppelpartikel Reihenbildung_Erstglied Stammendnebenbetonung semantischeTransparenz Aktionsart Nominalitaet Patiensorientiertheit

GVIF Df GVIF^(1/(2*Df)) 1.734427 1 1.316977 1.303270 1 1.141609 6.110415 2 1.572236 2.159191 1 1.469419 2.159399 1 1.469489 8.252960 3 1.421570 1.127852 1 1.062004 1.005949 1 1.002970

Als nächstes werden verschiedene Bestimmungsmaße errechnet, anhand derer überprüft wird, wie gut die Anpassung des Regressionsmodells an die vorliegenden Daten ist. Der Konkordanzindex C gibt das Verhältnis der Anzahl der Vorhersagen an, zu denen das Modell eine höhere V2-Wahrscheinlichkeit vorhergesagt hat und V2 auch tatsächlich auftritt bzw. andersherum. Für dieses Modell ist C = 0.883. Dies bedeutet, dass für 88,3 Prozent der V2:NonV2Paare eine korrekte Vorhersage getroffen wurde. Das Modell diskriminiert als sehr gut (vgl. HOSMER & LEMESHOW 2000: 162 nach LEVSHINA 2015: 259). Ein zweites wichtiges Maß ist R2. In Analogie zum R2 der linearen Regression wurden verschiedene Pseudo-Bestimmtheitsmaße errechnet (FIELD, MILS & FIELD 2012: 333-334): Hosmer and Lemeshow RL2: 0.271 Cox and Snell R2: 0.082 Nagelkerke R2: 0.303

Nagelkerkes R2 beispielsweise gibt den Anteil der Varianz an, der durch eine logistische Regression erklärt wird. Das Modell erklärt folglich 30,3 Prozent der Varianz, was zwar zunächst einmal nicht nach viel klingt, aber in Anbetracht der Komplexität des Phänomens und des Modells ein durchaus guter Wert ist. Wie in den Akzeptabilitätstestdaten zu sehen war, ist nämlich durchaus mit erheblicher sprecherindividueller Variation zu rechnen. Darüber hinaus können weitere Idiosynkratismen, Kodierungsfehler oder auch Faktoren, an die bislang noch nicht gedacht wurde, nicht ausgeschlossen werden. Da das Modell als Ganzes geeignet zu sein scheint, muss nun fallweise anhand der Residuen überprüft werden, ob es große Unterschiede zwischen den beobachteten und den geschätzten Werten gibt, denn Regressionen sind anfällig für Ausreißer. Bei Betrachtung der ‚HebelarmWerte‘ (Leverages, Hat-values) fällt auf, dass 28357 Datenpunkte über dem 3-fachen Durchschnitts-Leverage von 0.0004 ((k + 1)/ N [k: Anzahl der Prädiktoren (11); N: Samplegröße (30384)]) liegen (vgl. STEVENS 42002; nach FIELD, MILS & FIELD 2012: 270). Dies könnte dafür sprechen, dass diese einen unangemessenen großen Einfluss auf das Modell haben. Allerdings haben Fälle mit großer Hebelwirkung nicht unbedingt einen großen Einfluss auf den Regressionskoeffizienten, da sie eher an den Ergebnisvariablen als an den Prädiktoren gemessen werden

Logistische Regressionsanalyse

291

(vgl. FIELD, MILS & FIELD 2012: 270). Was die studentisierten und standardisierten Residuen anbelangt, sollten maximal fünf Prozent der Fälle außerhalb von ±1.96 (und nur 1% außerhalb von ±2.58) liegen. Es gibt keinen Fall, der darüber liegt (max. 1.21), und 604 Fälle, die drunter liegen. Dies entspricht weniger als zwei Prozent und ist somit in Ordnung. Allerdings treten 27 Fälle auf, bei denen der Wert unterhalb von -3 liegt. Es liegen also extreme Ausreißer vor. Eine Inspizierung der entsprechenden Datenpunkte zeigt, dass es jeweils V2-Belege sind. Neben einem voranmelden- und einem handarbeiten-Beleg, handelt es sich ausschließlich um zwangs-Verben-Belege. Das Ausreißerverhalten könnte entweder darauf zurückgeführt werden, dass der Faktor Nominalität (aufgrund des Fugenelements) die falschen Vorhersagen trifft.376 Wahrscheinlich ist auch, dass sich zwangs-Verben ohnehin, wie in Abschnitt 3.3.3.3.2. gesehen, viel verbhafter verhalten als sonstige NonV2-Verben und sie deshalb eigentlich einer anderen Population angehören.377 Zwangs-Verben sind also Grenzfälle (aber gerade um diese geht es ja auch), weshalb es als nicht gerechtfertigt angesehen wird, sie aus dem Modell auszuschließen. Es sollte aber berücksichtigt werden, dass das Modell so möglicherweise nicht hundertprozentig generalisierbar ist. Bei Betrachtung der Cooks-Distanzen, taucht kein Fall auf, der über dem Wert 1 liegt. Es gibt keinen Anlass zur Sorge, dass ein einzelner Datenpunkt, das Gesamtmodell beeinflusst oder verzerrt. Dasselbe gilt für die DFBeta’s (alle < 1). Auch dies spricht dafür, dass es keine einzelnen Datenpunkte gibt, die einen großen Einfluss auf die Parameterschätzung haben. Insgesamt ist das Modell also weitestgehend robust; es kann somit analysiert und interpretiert werden. Im Folgenden werden die einzelnen Koeffizienten betrachtet. Nicht nur der Regressionskoeffizient ist signifikant, sondern auch die Koeffizienten fast aller Faktorausprägungen – mit Ausnahme von Aktionsart.State und Rueckbildung. Da sowohl die Baseline (Intercept) als auch die Faktorenkoeffizienten positiv sind (d.h. kein Minus [-] als Vorzeichen haben), zeigt dies, dass bei Hinzunahme des Faktors V2 unwahrscheinlicher wird. D.h. alle aufgeführten Faktorausprägungen – mit Ausnahme der semantischen Transparenz – wirken V2-hemmend. Für den Faktor Doppelpartikel heißt dies beispielsweise, dass wenn ein Verb ein Erstglied aufweist, das oberflächlich wie eine Doppelpartikel aussieht, die Wahrscheinlichkeit, dass es in V2 vorkommt, sinkt. Auch wenn der Wert nicht besonders hoch ist (-1.37), erweist sich doch der Faktor als solches als signifikant. Berechnet man die Odds-Verhältnisse (s. Tabelle 122 unten), zeigt der entsprechende Wert für diesen Faktor, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Doppelpartikelverb in V2 steht, um das 3,93-fache sinkt. Eine derartige Aussage ergibt allerdings

376

Wie in 4.2.2.17. dargestellt, könnte auch der Faktor an sich ungeeignet sein.

377

Eine Darstellung der Residuen als Histogramm legt nahe, dass es sich um zwei unterschiedliche Populationen handelt, da zwei (eine kleine und eine große) Normalverteilungskurven zu erkennen sind.

292

NonV2-Verben im Deutschen

für kategoriale Variablen wenig Sinn.378 Die Odd Ratios (OR) können aber eine grobe Orientierung geben, wie stark der Faktor wirkt. Der Faktor Rueckbildung hingegen wirkt sich, entgegen der Erwartung, positiv auf die V2Fähigkeit aus (-0.09), allerdings nicht signifikant.379 So kann Rückbildung nicht als stellungsrestringierender Faktor gewertet werden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass, wie bereits in verschiedenen Abschnitten dieser Arbeit argumentiert, Rückbildung kein tatsächlicher formaler Prädiktor ist, sondern lediglich ein Prozess, der zu gewissen Oberflächenstrukturen (wie z.B. Doppelpartikelverben, stammendnebenbetonten Verben) oder (aufgrund der -ung-Tilgung) zu telischen Verben führt. Somit hat Rückbildung nur mittelbar einen Einfluss auf die V2-Fähigkeit. Dies legt nahe, dass es Interaktionen zwischen den verschiedenen Faktoren gibt. Interessant ist, dass wenn man die Berechnung der Interaktionen zwischen Rueckbildung und Doppelpartikel in das Modell mit aufnimmt, nicht nur weder die Einzelfaktoren noch deren Interaktion einen signifikanten Beitrag leisten, sondern auch, dass die Effektstärke (Erklärungskraft) des Modells insgesamt minimal steigt (R2 = 0.304).380 >Modell203=glm(V2~Rueckbildung*Doppelpartikel+Reihenbildung_ErstgliedStammendnebenbetonung+semantischeTransparen z+Aktionsart+Nominalitaet+Patiensorientiertheit,data=Data1,family="binomial")

Deviance Residuals: Min 1Q Median -3.9913 0.0074 0.0966

3Q 0.3398

Max 1.2099

Coefficients: Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) (Intercept) 1.84274 0.20528 8.977 < 2e-16 Rueckbildungyes -0.09960 0.08633 -1.154 0.24861 Doppelpartikelyes -6.68005 4.46961 -1.495 0.13503 Reihenbildung_Erstgliednein -0.40821 0.13835 -2.951 0.00317 Reihenbildung_Erstgliedvllt -0.41674 0.17010 -2.450 0.01428 Stammendnebenbetonungnein 0.69512 0.09639 7.211 5.54e-13 semantischeTransparenzyes -1.41107 0.13325 -10.589 < 2e-16 AktionsartAccomplishment 1.93008 0.11449 16.858 < 2e-16 AktionsartAchievement 2.39138 0.13870 17.242 < 2e-16 AktionsartState -0.12326 0.41245 -0.299 0.76505 Nominalitaetyes 2.54231 0.16550 15.361 < 2e-16 Patiensorientiertheityes 7.24635 1.00810 7.188 6.57e-13 Rueckbildungyes:Doppelpartikelyes 8.13724 4.47858 1.817 0.06923 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

*** ** * *** *** *** *** *** *** .

(Dispersion parameter for binomial family taken to be 1) Null deviance: 9624.1 Residual deviance: 7002.9 AIC: 7028.9

on 30383 on 30371

degrees of freedom degrees of freedom

Number of Fisher Scoring iterations: 11

Dies würde dafür sprechen, dass diese beiden formalen Faktoren keinen Einfluss auf die Stellung eines Verbs haben, sondern dass andere Faktoren eine größere Rolle spielen. Allerdings ist die

378

Zumal das Problem bei der Wahrscheinlichkeitsinterpretation darin besteht, dass sie nicht linear ansteigen. Eine Erhöhung (i.d.F. Änderung) eines Faktors hat also nicht immer denselben Effekt.

379

Das 95%-Konfidenzintervall für β schließt den Wert 1 ein.

380

Dies überrascht nicht. Je mehr Parameter ins Modell aufgenommen werden, desto besser ist natürlich die Abdeckung, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass die theoretische Erklärkraft besser wird.

293

Logistische Regressionsanalyse

Interaktion theoretisch nicht sinnvoll, was man daran erkennt, dass nicht alle vier Kombinationen von Doppelpartikel und Rueckbildung (in nennenswerter Zahl) vorkommen: Doppelpartikel nein Rückbildung gesamt

gesamt

ja

nein

13969

2

13971

ja

9421

6992

16413

23390

6994

30384

Tabelle 120: Doppelpartikelverben als Subtyp von Rückbildungsverben

D.h. die allermeisten Doppelpartikelverben sind Rückbildungen (mit Ausnahme zweier Belege, bei denen man sich aber auch streiten könnte). Entsprechend ergeben sich sehr große Multikollinearitätswerte (VIF = 267) für die Interaktion und den Faktor Doppelpartikel. Umgekehrt sind aber nicht alle Rückbildungen Doppelpartikelverben. Kurzum: Die beiden Faktoren sind nicht gleichrangig. Doppelpartikel ist eher als in Rueckbildung eingebettet (nested) zu betrachten. Aus diesem Grund wird an dem Ursprungsmodell festgehalten. Der These ESCHENLOHRs (1999) folgend, würde man erwarten, dass Verben mit nichtreihenbildenden Erstgliedern im Vergleich zu diesen eher VL-Formen bevorzugen. Dies kann durch das Modell nicht bestätigt werden. Wenn überhaupt neigen Verben ohne Reihenbildung_Erstglied eher zu V2-Formen (-0.39). Der Faktor ist allerdings nur leicht signifikant, so dass an seiner Vorhersagekraft gezweifelt werden kann, was bereits die Diskussion in Abschnitt 3.3.3.3. ergab. Die Signifikanz beim Faktor Stammendnebenbetonung hingegen bestärkt die These, dass prosodische Muster eine stellungsrestringierende Rolle spielen (können). Die Wahrscheinlichkeit, dass Verben, die nicht auf -ier(en) enden bzw. zusätzlich zum Erstglied kein weiteres Präfix aufweisen, in V2 stehen, sinkt. Dies mag damit zu begründen sein, dass eine Abfolge betonter und unbetonter Silben die Aussprache erleichtert, wohingegen zwei direkt aufeinander folgende Betonungen unnatürlicher wirken (vgl. BEHAGHEL 1932: 6, §1426). Allerdings ist das Odds Ratio sehr niedrig (2.01). Überraschend ist das Ergebnis, dass semantischeTransparenz.ja als einziger hochsignifikanter Faktor im Modell V2 begünstigt. Dies steht im Gegensatz zu FORTMANNs (2007) These, dass eine kompositionale Interpretation zwischen Erst- und Zweitglied durch V2-getrennt-Stellung nicht aufrechterhalten werden kann und das Verb als Ganzes somit nicht V2-fähig ist. Nun befinden sich aber in dem Regressionsdatenset ohnehin nur Verben, die sich in Hinblick auf ihr V2-Vorkommen statistisch signifikant von kanonischen Verben und anderen verbalen Pseudokomposita unterscheiden. Das Ergebnis mag deshalb daher rühren, dass nur fünf Prozent der Belege im Datenset ein semantisch intransparentes Verb aufweisen. Vielleicht liegt es aber auch gar nicht (wie in den Abschnitten 3.3.2.1.4.2., 3.3.2.2.5. und 3.3.2.3.9. argumentiert) an semantischer Transparenz an sich, sondern an den einzelnen semantischen Relationen zwischen Erstglied und Basisverb. Nimmt man diesen Faktor (semantischeRelation_Erstglied) allerdings alternativ zu semantischeTransparenz

294

NonV2-Verben im Deutschen

ins Modell auf, steigt zwar (aufgrund der erhöhten Freiheitsgrade bzw. Anzahl an Prädiktoren zunächst) die Vorhersagekraft (Nagelkerke R2 = 0.32), allerdings treten auch sehr hohe VIF-Werte (585.39) auf, was für starke Multikollinearität mit anderen Faktoren spricht und damit die gegen Grundannahmen der logistischen Regression verstößt.381 Außerdem würde das Modell – je nachdem, wie ausdifferenziert die semantischen Relationen angegeben werden – Lücken aufweisen; d.h. bestimmte Faktorkombinationen fehlen. Bei einer groben Einteilung aber würden Kopulativ, Lokal- und Temporalrelationen V2 eher hemmen, Argument- (Objekt-) und Modalmodifikationen eher begünstigen, was der Erwartung entspricht (lediglich Modal wäre aber signifikant).382 Wenn man nun davon ausgeht, dass letztere eher das Verb an sich modifizieren, die anderen eher die äußeren Umstände, dann scheint es nicht gänzlich abwegig, dass diese als genuinere Verben eher in V2 stehen können und so eine Modifikatorrelation (FORTMANNs semantische Transparenz) V2 eben fördern kann. Allerdings ist das Odds Ratio ohnehin nur recht gering: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein komplexes Verb in V2 steht, ist unter der Bedingung, dass sich dessen Gesamtbedeutung kompositionell aus den Einzelbedeutungen ergibt, nur 0,24-mal so hoch, wie unter der Bedingung ‚semantisch intransparent‘. Als sehr einflussreicher (ebenfalls semantischer) Faktor stellt sich Aktionsart heraus. Es zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein NonV2-Verb in V2 vorkommt signifikant sinkt, wenn es sich bei dem Verb um ein telisches Verb handelt (im Vergleich zu Activity-Verben). StateVerben, die ohnehin im Sample nicht häufig sind, haben keinen signifikanten Einfluss (würden aber eher V2 begünstigen). Insbesondere die Ausprägung Aktionsart.Achievement erweist sich als ein wichtiger stellungsrestringierender Faktor. Dies wird v.a. anhand des Odds-Verhältnisses deutlich: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Achievement-Verb in V2 (statt VL) vorkommt, ist 11,09-mal geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Activity-Verb in V2 auftritt. Dabei gilt zu beachten, dass die meisten (potentiellen) Activity-Verben überhaupt nicht mit in das Datenset

381

382

Um das Modell anzupassen, müssten der Faktor Aktionsart (was als weiterer semantischer Faktor naheliegt) und noch mindestens ein weiterer herausgenommen werden, was dann aber nur zu einer Modellgüte von R2 = 0.285 (Nagelkerke) führen würde. Deviance Residuals: Min 1Q Median -3.8987 0.0055 0.0882

3Q 0.3396

Max 1.4700

Coefficients: Estimate Std. Error z value (Intercept) 0.79868 0.24449 3.267 Rueckbildungyes 0.31995 0.11882 2.693 Doppelpartikelyes -0.70485 0.49165 -1.434 Reihenbildung_Erstgliednein -1.05796 0.17371 -6.090 Reihenbildung_Erstgliedvllt -0.46590 0.17958 -2.594 Stammendnebenbetonungnein 2.05892 0.15809 13.024 semantischeRelation_Erstglied_IIKopulativ 0.69601 0.24258 2.869 semantischeRelation_Erstglied_IILokal -0.09419 0.27813 -0.339 semantischeRelation_Erstglied_IIModal -1.78445 0.15142 -11.785 semantischeRelation_Erstglied_IIObjekt 0.47590 0.28571 1.666 semantischeRelation_Erstglied_IITemporal 0.76675 0.44024 1.742 AktionsartAccomplishment 1.19504 0.23398 5.108 AktionsartAchievement 2.11950 0.18705 11.331 AktionsartState 1.07271 0.48936 2.192 Nominalitaetyes 2.72321 0.16766 16.243 Patiensorientiertheityes 7.58432 1.00335 7.559 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1 (Dispersion parameter for binomial family taken to be 1) Null deviance: 9624.1 Residual deviance: 6862.2 AIC: 6894.2

on 30383 on 30368

degrees of freedom degrees of freedom

Number of Fisher Scoring iterations: 11

Pr(>|z|) 0.00109 0.00708 0.15167 1.13e-09 0.00948 < 2e-16 0.00412 0.73486 < 2e-16 0.09578 0.08157 3.26e-07 < 2e-16 0.02837 < 2e-16 4.06e-14

** ** *** ** *** ** *** . . *** *** * *** ***

295

Logistische Regressionsanalyse

der Regression aufgenommen wurden. Damit sind v.a. die in Abschnitt 3.3.2.1. diskutierten Lexeme gemeint, bei denen es sich meist um Sportarten handelt, die im Korpus keine (verbal-)finiten Formen aufweisen. Bei Accomplishment-Verben liegt das Odds Ratio immerhin noch bei 6,85. Dass der Wert etwas niedriger ist, kann daran liegen, dass viele Verben auf -ier(en) Accomplishment-Verben sind; diese sind gleichzeitig stammendbetont, was eher, wie gesehen, für V2-Fähigkeit spricht (wenn auch nur minimal). Diese beiden Faktoren konfligieren offenbar. Dass v.a. telische Verben so wenig V2-affin sind, mag darauf zurückzuführen sein, dass Rückbildung hier wieder einen mittelbaren Einfluss hat. Die meisten NonV2-Verben sind Rückbildungen und die meisten Rückbildungsbasen von NonV2-Verben sind vermeintliche -ung-Nominalisierungen. (Wie bereits diskutiert, ist natürlich nur das Basisverb eine -ung-Nominalisierung, die dann durch ein nominales Präfix oder ein Erstglied qua nominaler Komposition ergänzt wird.) Die -ung-Bildung präferiert telische Verben als Nominalisierungsbasis. Aber selbst „[u]nabhängig von der internen temporalen Struktur des Basisverbs erhält die entsprechende Nominalisierung durch das Derivationssuffix eine Ereignislesart, d. h. sie bezieht sich auf ein zeitlich abgeschlossenes Zeitintervall.“ (DEMSKE 2000: 394) Im Ergebnis entsteht also so etwas wie ein telisches Substantiv, das sich mit bestimmten Erstgliedern verbinden kann. DEN DIKKEN (2003: 12) merkt beispielsweise an, dass sich bestimmte Partikeln nur mit Accomplishment-Ausdrücken verbinden können. In jedem Fall würde auch die Rückführung in ein Verb (Rückbildung) nichts an der telischen Semantik des Lexems ändern. All dies bekräftigt die Hypothese, dass Abgeschlossenheit (boundedness) eine wichtige Rolle bei der Wahl der syntaktischen Konstruktion spielt. Abgeschlossenheit ist aber eher eine Eigenschaft von Substantiven, wobei Achievements noch nominaler (da punktueller und meist agenslos; s.u.) wirken als Accomplishments.383 So zeigt sich auch, dass der Faktor Nominalität einen ähnlich starken Einfluss auf die V2-Hemmung hat wie Aktionsart.Achievement. Dies stützt die These, dass es sich bei bestimmten NonV2383

Ein alternatives Modell, in dem Achievements und Accomplishments zu der Faktorausprägung Telizitaet.ja zusammengefasst sind, verändert das Bild nur minimal (χ2(9) = 2603.13; ***p < 0.001; AIC: 7041; Nagelkerke R2 = 0.302). Das Odds Ratio für diesen Regressor liegt bei 8.31. Deviance Residuals: Min 1Q Median -3.9361 0.0077 0.0994

3Q 0.3452

Max 1.2620

Coefficients: Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) (Intercept) 2.23421 0.14953 14.942 < 2e-16 Rueckbildungyes -0.15461 0.08281 -1.867 0.0619 Doppelpartikelyes 1.32987 0.29393 4.524 6.06e-06 Reihenbildung_Erstgliednein -0.71466 0.09098 -7.855 3.98e-15 Reihenbildung_Erstgliedvllt -0.64275 0.15132 -4.248 2.16e-05 Stammendnebenbetonungnein 0.65344 0.09337 6.998 2.60e-12 semantischeTransparenzyes -1.56159 0.12257 -12.741 < 2e-16 Telizitaettelisch 2.11804 0.09668 21.908 < 2e-16 Nominalitaetyes 2.51718 0.15986 15.746 < 2e-16 Patiensorientiertheityes 7.13448 1.00078 7.129 1.01e-12 --Signif. codes: 0 ‘***’ 0.001 ‘**’ 0.01 ‘*’ 0.05 ‘.’ 0.1 ‘ ’ 1

*** . *** *** *** *** *** *** *** ***

(Dispersion parameter for binomial family taken to be 1) Null deviance: 9624.1 Residual deviance: 7021.0 AIC: 7041

on 30383 on 30374

degrees of freedom degrees of freedom

Number of Fisher Scoring iterations: 11

Dies zeigt, dass Telizität ganz klar einen Einfluss auf das V2-Verhalten hat. Es wird aber am Ursprungsmodell festgehalten, da so deutlich wird, dass die beiden telischen Verbtypen einen unterschiedlichen Einfluss haben. (Dies wird in den Modellen weiter unter deutlicher.)

296

NonV2-Verben im Deutschen

Verben eigentlich gar nicht um Verben handelt, sondern um Substantive. Hier gilt natürlich zu beachten, dass im Datensatz bereits keine der in den Abschnitten 3.3.2.1 und 3.3.2.2. besprochenen Lexeme, von denen dies behauptet wurde, vorhanden sind, sondern lediglich solche Verben, die tatsächlich mindestens einmal eine finite V2-Form im Korpus aufweisen. Dennoch weisen diese offenbar so viele nominale Eigenschaften (unkanonische verbalsyntaktische Muster, Fugenelemente, etc.) auf, dass deren Nomenhaftigkeit ein Vorkommen in V2 eher hemmt. Dies deutet bereits darauf hin, dass es Interaktionen zwischen den beiden Faktoren gibt, wo der Effekt, den Nominalitaet hat, offenbar von dem Wert des Prädiktors Aktionsart abhängt.384 Tatsächlich scheinen die Interaktionen einen signifikanten Beitrag zum Modell zu leisten. Lediglich Interaktionen mit State-Verben bleiben nicht-signifikant. Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) […] AktionsartAccomplishment:Nominalitaetyes AktionsartAchievement:Nominalitaetyes AktionsartState:Nominalitaetyes

-1.87264

0.42521

1.91795

0.46716

-12.61989

144.49226

-4.404 1.06e-05 *** 4.106 4.03e-05 *** -0.087 0.930402

Insbesondere zeigt sich, dass v.a. Achievement-Verben offenbar Nominalität hervorrufen, und die Wahrscheinlichkeit, dass das Verb in V2 steht, sinkt.385 Hier könnte evtl. mit LANGACKERs (1987a: 58-61) Konzept des Boundings argumentiert werden, dass (typische zählbare) Substantive abgegrenzte Entitäten sind und Verben, wenn ihre Bedeutung Anfang und/oder Ende eines Prozesses bzw. eines Zustands betonen (telische Verben), auch grenzbezogen sind. An dieser Stelle soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass es aber auch eine Interaktion zwischen Accomplishment-Verben und Nominalität gibt, die sich dieser Erklärung entzieht, und zwar deshalb, weil sie V2 offenbar begünstigt. Warum zwei für sich allein genommene Faktoren V2 (signifikant) hemmen sollten, aber in Interaktion fördern, ist nicht ohne weiteres erklärbar. Es ist allerdings fraglich, inwieweit Interaktionen bei nicht experimentell erhobenen Daten (deren eindeutige Faktoren im Vorfeld erstellt werden) überhaupt (theoretisch) sinnvoll sind, da vorgefundene Daten (d.h. Korpusdaten) nicht manipulierbar sind (und Faktoren nur explorativ erkannt bzw. ausgemacht werden). Die grundlegende Frage ist schließlich auch, welche Wirkung die Faktoren auf die V2-Vorkommenswahrscheinlichkeit haben und nicht aufeinander. Aus diesem Grund werden die Interaktionen aus dem Modell ausgeschlossen.386

384

Entsprechendes gilt für das Modell, das den Faktor Telizitaet beinhaltet: […} Telizitaettelisch:Nominalitaetyes

Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) 1.06391

0.32687

3.255

0.00113 **

385

In einer Visualisierung der Beziehungen zwischen den beiden Faktoren ist der Effekt nicht zu sehen. Dies mag daran liegen, dass die State-Verben, da es so wenig Belege gibt, so stark streuen, dass man den Rest nicht erkennen kann. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es sich nicht um ein V2-spezifisches Problem handelt, sondern um eins, dass die Finitheit betrifft (s.w.u. – dort wird es deutlicher).

386

Alternativ könnte das vereinfachte Modell, dass den Faktor Telizitaet enthält, gewählt werden, da dort dieses Problem nicht zu Tage tritt.

Logistische Regressionsanalyse

297

Insgesamt zeigt sich aber, dass der Faktor Nominalitaet – bei aller gebotenen Vorsicht, dass hier möglicherweise unterschiedliche Dinge kodiert wurden (s.o.) – einen Einfluss hat und dass die untersuchten Verben, wie bereits in Abschnitt 3.2.1.2. anhand der Wortformverteilung deutlich wurde, ohnehin um sehr nominal anmutende Lexeme handelt. Dabei sind die adjektivischen und substantivischen Verwendungsweisen noch gar nicht einmal mehr in den Regressionsdatensets aufgenommen. Als einflussreichster Faktor (7.23) im Modell erweist sich allerdings Patiensorientiertheit.ja. Dies scheint die in FORCHE (2015) und in Abschnitt 3.1.3. aufgestellte Hypothese zu bestärken, dass bestimmte NonV2-Verben eigentlich gar nicht im engeren Sinne V2-gehemmt sind, sondern einfach nur nicht in V2 verwendet werden, da sie aufgrund ihres kommunikativen Zwecks eher an Passivkonstruktionen gebunden sind. Allerdings darf der starke Einfluss des Faktors Patiensorientiertheit nicht überbewertet werden, da es sich bei Patiensorientiertheit im Gegensatz zu dem ihm in Abschnitt 3.1.3. gegenübergestellten Faktor Doppelpartikel nicht um einen lexembezogenen, sondern um einen vorkommensbasierten Faktor handelt, der damit automatisch bereits gewisse Eigenschaften der abhängigen Variable aufweist (s.u.). Auch zeigt sich ein im Vergleich zu den anderen Koeffizienten höherer Standardfehler (1.0) (was aber einfach daran liegen könnte, dass auch der β-Koeffizient höher ist) sowie ein riesiges 95%-Konfidenzintervall für das Odds Ratio (309.26 - 24239.42). D.h., es lässt sich nicht sagen, wie groß die Wahrscheinlichkeit genau ist, dass ein Verb in einer Äußerung, in der das Agens als weniger prominent wichtig dargestellt werden soll, in V2 vorkommt, im Vergleich zu einer Konstruktionen, in denen das Agens wichtig ist, nur dass sie sehr niedrig ist. Viel wahrscheinlicher ist eben, eine markierte Form (v.a. einer Passivkonstruktion) zu verwenden, durch die das Agens in eine marginale, unwichtige Position verschoben wird bzw. gänzlich unerwähnt bleibt. Das Patiens bzw. Thema des Geschehens wird in der Topik- bzw. Fokusposition prominent hervorgeheben. Nur da ein Verb patiensorientiert ist, muss das aber nicht automatisch heißen, dass es überhaupt nicht in V2 vorkommen kann – man denke nur an die vielen kanonischen Verben, die eine geschehensperspektivische Semantik aufweisen (z.B. bestimmte Besitzwechselverben wie bekommen oder transitive Verben, die intransitiv gebraucht werden wie kochen), aber trotzdem in V2-Vorkommen können. Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass mit der Regression nur das Verhalten statistisch abgesicherter NonV2-Verben modelliert wird. Über andere (kanonische) Verben lässt das Modell keine Aussage zu. Es kann aber gemutmaßt werden, dass auch bei kanonischen Verben Patiensorientiertheit zumindest nicht V2-Fähigkeit fördert. In den Abschnitten 3.3.1.1. und 3.3.1.2. sowie 3.3.2.2.1. wurde bereits gezeigt, dass zumindest aufführen, operieren und impfen zu wesentlich weniger finiten Formen neigen als die restlichen kanonischen Verben. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, dass es sich bei diesem Faktor wohl nicht um einen genuinen stellungsrestringierenden Faktor handelt, sondern um einen, der statt auf grammatischer eher auf Diskur- bzw. Stilebene anzusiedeln ist.

298

NonV2-Verben im Deutschen

Innerhalb der Gruppe der NonV2-Verben kann Patiensorientiertheit allerdings als äußerst wichtiger Faktor angesehen werden.387 Der Großteil der Lexeme im Datenset wirkt insgesamt auch tatsächlich patiensorientiert (wodurch möglicherweise auch der Faktor Lemmafrequenz einverleibt wurde), was aber nicht heißt, dass diese transitiven Verben auch immer ihr Agens unterdrücken (sondern nur in 36,5% der Belege).388 Nun kann kritisiert werden, dass Patiensorientiert eigentlich kein wirklicher Prädiktor ist, und somit der Vorkommen in Passiven bzw. lassen-Konstruktionen nur eine Oberflächenerscheinung ist, aber dies ist nicht der Fall, da der Faktor auch V2-Ausprägungen (mit man) haben kann; nur kommen diese seltener vor. Dass Patiensorientiertheit zumindest zum Teil auch eine Eigenschaft des Lexems an sich ist, rührt sicherlich von der Komplexität desselben; die meisten NonV2-Verben sind semantisch so spezifisch, dass das Agens gut aus dem – oft sogar ohne – Kontext erschließbar und somit überflüssig ist. Für NonV2-Verben ist also die Chance, dass, wenn das Agens unterdrückt werden soll, eine finite V2-Struktur gewählt wird, um ein vielfaches geringer (s. OR) als die, dass eine Ausweichkonstruktion gewählt wird. Im Zusammenspiel mit dem auch relativ hohen Wert für Aktionsart.Achievement (bzw. dessen Interaktion mit Nominalität) spricht dies dafür, dass nicht so sehr formale Faktoren V2 hemmen, sondern die Eigensemantik jedes Verbs dazu führt, dass es in gewissen Konstruktionen (die den Agens ausblenden bzw. Abgeschlossenheit stärker ausdrücken) verwendet wird. Auch hier deutet dies wieder darauf hin, dass diese Faktoren interagieren, was durchaus Sinn ergibt. Bei DOWTY (1979: 183-184) findet sich beispielsweise der Hinweis, dass Accomplishment-Verben immer ein Agens zulassen; Achievement-Verben hingegen sind typischerweise nicht-agentiv.389 Dies mag damit zusammenhängen, dass graduell herbeigeführte Zustandswechsel (Accomplishments) i.d.R. intensional, d.h. das Ergebnis bestimmter Vorbereitungen einer handelnden Person, sind. Plötzliche Zustandswechsel (Achievements) hingegen sind oft nicht vorbereitet oder zumindest nicht aktiv beeinflussbar (vgl. VENDLER 1967: 105-106). Dies stellt aber lediglich Tendenzen dar.390 Allerdings erweisen sich die Interaktionen dieser beiden Faktoren bei deren Hinzunahme zum Modell als nicht signifikant; sie erhöhen die Vorhersagekraft nur minimal (R2 = 0.303).391 Damit sind die

387

Empfehlungen, wie bspw. übereinflussreiche Faktoren aus dem Modell herauszunehmen, würden für diesen Fall die Vorhersagekraft um über zehn Prozent (Nagelkerke R2 = 0.195) sinken lassen.

388

Wie bereits erwähnt, heißt das auch nicht, dass das Agens kommunikativ unwichtig sein muss, denn gerade auch in Passivkonstruktionen kann es rhematisiert/hervorgehoben werden.

389

In DOWTYs (1979: 71-129) Aspektkalkül wird dies deutlich am Fehlen des Operators DO und damit der Unvereinbarkeit mit dem Imperativ (vgl. DOWTY 1979: 110-121).

390

„Weder sind alle Accomplishment-Ausdrücke agentivisch (verdursten, aufblühen) noch sind alle Achievement-Ausdrücke in dieser Hinsicht gleich zu interpretieren. So lässt z.B. er hat den Schlüssel gefunden aufgrund der Thematizität der Objekt-NP den Schluss zu, dass das Ereignis willentlich herbeigeführt wurde, nicht aber er hat einen Schlüssel gefunden. Unabhängig davon, ob nach dem Schlüssel gesucht wurde oder nicht, handelt es sich bei finden jedoch um ein Achievementverb.“ (NICOLAY 2007: 35)

391

Es ergibt sich dasselbe Modell (nur Patiensorientiertheit ist etwas niedriger: 6.75) plus die Koeffizienten AktionsartAccomplishment:Patiensorientiertheityes AktionsartAchievement:Patiensorientiertheityes AktionsartState:Patiensorientiertheityes

Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) 10.79660 183.11940 0.059 0.95298 10.79918 524.71878 0.021 0.98358 11.82077 4317.41976 0.003 0.99782

299

Logistische Regressionsanalyse

beiden Faktoren offenbar doch unabhängig voneinander, was wohl daran liegt, dass es sich bei dem einen um einen lexembasierten Prädiktor handelt (Aktionsart), bei dem anderen um einen vorkommensbasierten Faktor (Patiensorientiertheit).392 Die Lemmafrequenz eines NonV2-Verbs hat hingegen, wie oben bereits erwähnt, keinen Einfluss. Insgesamt weisen also Patiensorientiertheit, Nominalitaet und Aktionsart den größten Erklärwert auf. Nimmt man diese Faktoren jeweils als alleinigen Prädiktor in ein Modell auf, decken sie bereits 12,3 Prozent, 8,3 Prozent resp. 4,8 Prozent der Gesamtvarianz ab (Nagelkerke R2). Lässt man die Faktoren jeweils aus dem Gesamtmodell heraus, ergeben sich entsprechend vergleichsweise niedrige R2-Werte, wie die folgende Tabelle zeigt: Weglassung des Faktors



Modellgüte Nagelkerke R2



Erklärkraft des Faktors (in %)

Rueckbildung

0.303

Doppelpartikel

0.302

0,0% 0,1%

Reihenbildung_Erstglied

0.302

0,1%

Stammendnebenbetonung

0.297

0,6%

semantischeTransparenz

0.291

1,2%

Aktionsart

0.250

5,3%

Nominalitaet

0.255

4,8%

Patiensorientiertheit

0.195

10,8%

Tabelle 121: Einfluss der verschiedenen V2-beeinflussenden Faktoren

Das heißt, bei Hinzunahme des Faktors Patiensorientiertheit steigt die Vorhersagekraft um 10,8 Prozent; bei Aktionsart immerhin um 5,3 Prozent. Entsprechend sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verb mit den gegebenen Ausprägungen in V2 vorkommt. Die Daten zeigen deutlich, dass die einzelnen Faktoren (ggf. mit Ausnahme von Patiensorientiertheit) tatsächlich kaum Einfluss haben bzw. dass die Einflussstärke äußerst subtil ist. Dies bestärkt die Ausgangshypothese dieser Arbeit, dass eine Vielzahl an Faktoren an der Stellungsrestriktion beteiligt ist und dass erst das komplexe Zusammenspiel, d.h. eine Kombination aus Faktoren zu V2-Hemmung führt. Besonders bezeichnend ist, dass gerade die am häufigsten in der einschlägigen Literatur diskutierten Faktoren – Rückbildung, Doppelpartikligkeit und semantische Transparenz – die sind, die am wenigsten Einfluss haben. Wichtiger dürften Aktionsart und Patiensorientiertheit zu sein, die sicherlich auch miteinander zusammenhängen. Darüber hinaus müssen auch noch weitere Faktoren existieren, die einen Einfluss haben – an die aber bislang noch niemand gedacht hat.

392

Weitere Interaktionsberechnungen (z.B. zwischen Doppelpartikel und Aktionsart) zeigen keine Verbesserungen des Modells.

300

NonV2-Verben im Deutschen

Abschließend soll das Modell393 noch einmal zusammengefasst werden. Die logistische Regressionsanalyse zeigt, dass sowohl das Modell als Ganzes als auch die meisten der einzelnen Koeffizienten der Variablen signifikant sind. Treten Doppelpartikel.ja, Stammendnebenbetonung.nein, Aktionsart.Achievement, Aktionsart.Accomplishment, Nominalitaet,ja und Patiensorientiertheit.ja auf, so sinkt die relative Wahrscheinlichkeit, dass das entsprechende Verb in V2 vorkommt. V2-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

1.82 ***

(Intercept)

Odds ratio

oberer Wert (97,5%)

(0.21)

4.13

6.19

9.24

(0.09)

0.77

0.91

1.08

(0.30)

2.24

3.93

7.38

5XHFNELOGXQJ

MD

'RSSHOSDUWLNHO

MD

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

- 0.40 **

(0.14)

0.51

0.67

0.88



YOOW

- 0.39 *

0.94

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

1.37 ***

(0.17)

0.48

0.68

0.70 ***

(0.10)

1.66

2.01

2.43

- 1.41 ***

(0.13)

0.19

0.24

0.32

$FFRPSOLVKPHQW

1.92 ***

(0.11)

5.48

6.85

8.59

$FKLHYHPHQW

2.41 ***

(0.14)

8.45

11.09

14.55

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] MD $NWLRQVDUW

- 0.09

6WDWH

(0.41)

0.43

0.91

2.18

1RPLQDOLWDHW

MD

- 0.10 2.54 ***

(0.16)

9.30

12.69

17.80

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

MD

7.23 ***

(1.00)

309.26

1377.58

24239.42

Tabelle 122: V2-Regression Modell: χ2(11) = 2612.422; ***p < 0.001; AIC: 7035.7; R2 = 0.271 (Hosmer & Lemeshow), 0.082 (Cox & Snell); 0.303 (Nagelkerke); C = 0.883; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 30 384

Für Verben, die eher patiensorientiert sind, d.h. für die das Agens nicht so wichtig ist, ist die Wahrscheinlichkeit enorm hoch, dass sie in einer Konstruktion vorkommen, in der das entsprechende Verb nicht in der linken Satzklammer steht, sondern von einem entsprechenden konstruktionsspezifischen Verb (lassen bzw. werden) (in der RSK) abhängt. Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass entsprechende agensvermeidende Konstruktionen (v.a. werden-Passive) auch häufig vorkommen und sich die entsprechenden Verben innerhalb der Konstruktion verfestigen, so dass diese Verben ohnehin weniger V2-affin sind. Wenn dann auch noch hinzukommt, dass sie eine Doppelpartikel und damit einhergehend kein wechselndes Akzentmuster (keine Stammendnebenbetonung) ausweisen, es sich um ein Achievement-Verb handelt, was für Abgeschlossenheit und damit eher für Nominalität spricht, und vielleicht auch sonst noch andere nominale Eigenschaften (z.B. Fugenelemente) aufweist, dann hat das Verb kaum Chancen in V2 zu stehen. Wie bereits angedeutet, sind die diskutieren Faktoren aber auf anderen Ebenen anzusiedeln, wodurch sie nur mittelbar einen Einfluss auf die V2-Fähigkeit eines Verbs haben. 393

Auf die Hinzunahme von Interaktion wird der besseren Übersicht halber verzichtet, zumal sie die Vorhersagekraft (zwar teils signifikant aber) nur gering verbessern.

301

Logistische Regressionsanalyse

4.3.2. Finitheits-Regression (1. Regression) Um die Hypothese zu überprüfen, dass die eben herausgearbeiteten Faktoren möglicherweise gar nicht zu einer V2- Hemmung führen, sondern es sich viel allgemeiner um eine Finitheitshemmung handelt, soll an dieser Stelle noch eine weitere logistische Regression gerechnet werden. Selbst wenn die Hypothese nicht bestärkt wird, soll so zumindest ein kleiner Beitrag geleistet werden, was die allgemeinere Frage anbelangt, welche Faktoren die Ausbildung finiter bzw. den Übergang von infiniten zu finiten Verbalformen begünstigen oder hemmen. Diese Finitheits-Regression darf allerdings nicht unhinterfragt hingenommen werden, da sie gewissermaßen lediglich durch die V2-Restringierung motiviert ist. Es spielen sicherlich (zumindest zusätzlich) noch ganz andere Faktoren, die Finitheit bedingen können, eine Rolle, die hier aber außer Acht gelassen werden. Es werden nur die Faktoren in Betracht gezogen, die bislang im Laufe der Arbeit diskutiert wurden. Das Vorgehen ist identisch. Zunächst wurde ein Modell erstellt, das alle Faktoren enthält (χ2(15) = 9443.741, ***p > 0.001; AIC: 27689; Nagelkerke R2 = 0.326), und anschließend überprüft, welche davon relevant sind. Auch hier traten hohe VIF-Werte bei Kategorie_Erstglied und Lemmafrequenz auf, was für Multikollinearität spricht. Nach Entfernung dieser Faktoren ergibt sich ein Modell, das dieselben Prädiktoren wie in der V2-Regression enthält und dabei sogar eine etwas höhere Erklärungskraft hat (31,9%).394 Finitheits-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

0.20 .

(Intercept)

Odds ratio

oberer Wert (97,5%)

(0.11)

0.98

1.22

1.53

5XHFNELOGXQJ

MD

- 0.06

(0.05)

0.86

0.94

1.04

'RSSHOSDUWLNHO

MD

- 0.54 ***

(0.09)

0.49

0.58

0.69

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

0.36 ***

(0.08)

1.23

1.43

1.66



YOOW

(0.09)

0.78

0.94

1.13

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

1.04 ***

(0.05)

2.56

2.83

3.13

- 0.76 ***

(0.09)

0.40

0.47

0.55

$FFRPSOLVKPHQW

1.06 ***

(0.07)

2.53

2.90

3.31

$FKLHYHPHQW

1.75 ***

(0.08)

4.96

5.76

6.69

(0.20)

0.49

0.72

1.07

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] MD $NWLRQVDUW

6WDWH

- 0.06

- 0.33

1RPLQDOLWDHW

MD

2.92 ***

(0.07)

16.10

18.55

21.50

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

MD

7.40 ***

(0.45)

760.51

1642.05

4591.65

Tabelle 123: Finitheits-Regression: Modell: χ2(11) = 9235.238; ***p < 0.001; AIC: 27889; R2 = 0.249 (Hosmer & Lemeshow), 0.163 (Cox & Snell); 0.319 (Nagelkerke); C = 0.833; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 51 955

394

Es sei angemerkt, dass die Vif-Werte für Reihenbildung_Erstglied (10.27) und Aktionsart (10.50) minimal erhöht sind. Da hier nicht von Multikollinearität auszugehen ist und um die Modelle vergleichbar zu halten, auch wenn sich der erste Faktor im ersten Modell als nur leicht signifikant herausgestellt hat, werden beide Faktoren im Modell behalten.

302

NonV2-Verben im Deutschen

Dabei sind nicht nur die enthaltenen Regressoren identisch; es haben auch dieselben entsprechenden Ausprägungen einen signifikanten Einfluss.395 Die Ergebnisse sind insgesamt sehr ähnlich zur V2-Regression. (Die einzelnen Werte unterscheiden sich meist nur um wenige Nachkommastellen.) Wieder ist der Faktor Rueckbildung nicht signifikant, was dafür spricht, dass die Wortbildungsart keinen Einfluss auf das syntaktische Vorkommen hat. Unerwartet – und damit auch der einzige bedeutsame Unterschied zum V2-Modell – ist das Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verb finit vorkommt, bei Auftreten einer Doppelpartikel steigt (wenn auch nur leicht). Dies bekräftigt, dass Doppelpartikelverben eine besondere Gruppe unter den NonV2-Verben bilden. Bereits im deskriptiven Teil der Arbeit konnte beobachtet werden, dass Doppelpartikelverben im Vergleich zu den anderen untersuchten Lexemen häufiger finit vorkommen. So ist diese Ausprägung ein Indiz dafür, dass man zwischen finitheits- und V2-hemmenden Faktoren unterscheiden sollte und Doppelpartikel tatsächlich ein stellungsrestringierender Faktor ist. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Verb finit auftritt (auch wenn sie sehr gering ist), sinkt, wenn es ein Erstglied aufweist, dass keine Reihen bildet (Reihenbildung_Erstglied.nein). Dies ist erwartbar, da aufgrund der fehlenden Typenfrequenz des Erstglieds die Präfigierung nicht unbedingt als Verbalisierungsmuster wahrgenommen wird. Die restlichen Faktoren ähneln sich sehr. SemantischeTransparenz begünstigt Finitheit leicht. Dies widerlegt die These, dass idiomatische Verwendungsweisen von Verben offenbar finite Formen präferieren. Allerdings wurde für die Finitheits-Regression ohnehin kein Zusammenhang zwischen Finitheit und semantischeRelation_Erstglied bzw. semantischeTransparenz angenommen. Telische Verben (sowohl Achievements als auch Accomplishments) wirken finitheitshemmend. Allerdings sind die Odds-Verhältnisse hier niedriger als in der V2-Regression. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Aktionsart tatsächlich eher ein stellungsrestringierender Faktor ist bzw. dass er zumindest stärker V2-hemmend als finitheitshemmend wirkt. Letztlich würde man auch nicht erwarten, dass Aktionsarten finite Verbalformen hemmen, da es sich ja um eine verbinhärente Eigenschaft handelt. Der Grund für das finitheitshemmende Verhalten kann vielmehr wieder in der Interaktion mit Nominalitaet gefunden werden.396 Anhand der folgenden Grafik ist deutlich zu erkennen, dass Achievement-Verben einen großen Einfluss auf den Faktor Nominalität hat, was wiederum damit erklärt werden kann, dass Achievements aufgrund ihrer

395

396

Zur Modellgüte ist zu sagen, dass es nur 496 Ausreißer (< 1%) (davon allerding 23 extreme Ausreißer [alles finite Belege: uraufführen (1), handarbeiten (4), zwangs-Verben (18)], die einer Erklärung bedürften) gibt; die Cook-Distanzen sind in Ordnung (kein Wert |z|) [...] AktionsartAccomplishment:Nominalitaetyes -1.81192 0.22535 -8.040 8.95e-16 *** AktionsartAchievement:Nominalitaetyes 2.08881 0.23224 8.994 < 2e-16 *** AktionsartState:Nominalitaetyes -0.73145 0.39031 -1.874 0.06093 .

303

Logistische Regressionsanalyse

sehr engen (plötzlichen) Abgeschlossenheit Substantiven ähnlich sind. Nominalitaet kann ganz klar als finitheitshemmender Faktor angesehen werden.

Diagramm 53: Interaktionen zwischen Nominalitaet und Aktionsart

Der Effekt bleibt aber im Wesentlichen gleich: (im Vergleich zu Activity-Verben) sind v.a. Achievement-Verben finitheitshemmender als Accomplishment-Verben. Die einflussreichsten Faktoren sind auch in diesem Modell wieder Nominalität und Patiensorientiertheit. Dies verwundert nicht, da sich die Thesen, dass es sich bei NonV2-Verben um nominale Lexeme handelt bzw. dass sie aufgrund ihres kommunikativen Zwecks an Passivkonstruktionen gebunden sind, ohnehin nicht wirklich auf die V2-Eigenschaft beziehen. Die einzelnen Ergebnisse interessieren gar nicht so sehr; viel wichtiger ist der Vergleich der beiden Regressionsmodelle. Rein rechnerisch lassen sich zwei Regressionsmodelle, die allerdings unterschiedliche abhängige Variablen aufweisen, nicht auf (signifikante) Unterschiede untersuchen. Der Vergleich der Modelle – oder vielmehr der daraus gezogenen Interpretationen – kann somit nur rein deskriptiv erfolgen: Es ist auffällig, dass nicht nur die Ausprägungen, sondern auch die einzelnen Koeffizientenwerte sowie die Odds ratios in beiden Regressionsmodellen sehr ähnlich sind. D.h., dass die Prädiktoren (mit Ausnahme des Faktors Doppelpartikel) jeweils dasselbe Ergebnis vorhersagen, wobei das Ergebnis aber einmal ‚V2‘ und einmal ‚Finitheit‘ ist. Da ‚V2‘ aber ‚Finitheit‘ impliziert (ein Verb kann trivialerweise nicht in V2-Position vorkommen, wenn es nicht finit ist), legt dies den Schluss nahe, dass die (vermeintlichen) V2hemmenden Faktoren eigentlich nur Teilmengen der finitheitshemmenden Faktoren sind. Der Vergleich zeigt deutlich, dass letztlich (fast) alle stellungsrestringierenden Faktoren, die in der einschlägigen Literatur diskutiert werden, tatsächlich keine wirklich V2-hemmenden Faktoren sind, sondern – viel genereller – finitheitshemmdende Faktoren. Das heißt auch, dass Verben, für die die Wahrscheinlichkeit, finite Formen auszubilden, ohnehin sehr gering ist, entsprechend auch nicht in Positionen, die Finitheit verlangen, vorkommen. Das muss im Umkehrschluss nicht

304

NonV2-Verben im Deutschen

heißen, dass es überhaupt keine stellungsrestringierenden Faktoren und damit auch keine NonV2-Verben gibt. Insbesondere das Ergebnis des Faktors Doppelpartikel zeigt, dass Doppelpartikligkeit letztlich nicht Finitheit einschränkt (sondern im Gegenteil fördert), und so Finitheit nicht unbedingt mit V2-Fähigkeit gleichzusetzen ist. Es deutet aber auch darauf hin, dass (wie bereits in den Anfängen der NonV2-Verb-Forschung angenommen, vgl. HAIDER 1993: 62) das Vorhandensein einer Doppelpartikel ein entscheidender stellungsrestringierender Faktor ist. Möglicherweise ist er sogar der einzige genuine. Dass er V2-Stellung nur hemmt bzw. einschränkt und nicht komplett unterbindet, zeigt sich daran, dass es v.a. die Doppelpartikelverben sind, die V2 vorkommen, wenn sie denn überhaupt finit vorkommen. Damit es tatsächlich zur V2-Vermeidung kommt, kumuliert der Faktor Doppelpartikel offenbar mit weiteren finitheitseinschränkenden Faktoren. Möglicherweise handelt es sich dabei auch um einen Faktor, der sprecherindividuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Auf die Frage, welche Faktoren die Ausbildung finiter bzw. den Übergang von infiniten zu finiten Verbalformen begünstigen, lässt sich tentativ folgende Antwort geben. Lediglich bei den Faktoren Doppelpartikel.ja und semantischeTransparenz.ja steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das entsprechende Verb finit vorkommt, signifikant. Im Umkehrschluss lässt sich aber vermuten, dass ein reihenbildendes Erstglied, eine Stammendnebenbetonung, die Aktionsart Activity sowie fehlende Nominalität und Patiensorientiertheit die Ausbildung finiter Formen fördern können. Darüber hinaus gibt es sicherlich noch viele weitere Faktoren. Für die eigentliche Fragestellung dieser Arbeit, welche Faktoren die V2-Stellungsrestriktion bedingen, kann (wenn auch etwas vorsichtig formuliert) festgehalten werden, dass zumindest die Faktoren, die sich im V2-Regressionsmodell als besonders einflussreich erwiesen haben, offenbar keine bzw. kaum genuin V2-hemmenden Faktoren sind, sondern finitheitshemmende.

4.3.3. Alternative Modelle 4.3.3.1. Größeres Datenset Wie oben (Abschnitt 4.2.1.) angemerkt, kann der Einwand erhoben werden, dass mit der Herausnahme der Verben, die sich im Korpus nicht signifikant von kanonischen Verben unterscheiden, das Datenset in Richtung der Hypothese, dass V2-hemmende Faktoren eigentlich finitheitshemmende Faktoren sind, gebiast wird, da dadurch ein Großteil finiter Formen generell herausgenommen wird. Führt man das gesamte Vorgehen analog an einem Datenset durch, das sämtliche in dieser Arbeit betrachteten verbalen Pseudokomposita enthält, führt dies kaum zu unterschiedlichen Ergebnissen. Da mag v.a. daran liegen, dass die Datensets für die einzelnen beiden Regressionen letztlich doch nur geringfügig größer sind (Finitheits-Regression: 52533 Belege,

305

Logistische Regressionsanalyse

V2-Regression: 30707 Belege). Es ergeben sich die gleichen Modelle, in denen sich die einzelnen Werte nur minimal (meist um nur ein paar Nachkommastellen) von denen der oben diskutierten unterscheiden. Finitheits-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

0.22 *

(Intercept)

Odds ratio

oberer Wert (97,5%)

(0.11)

1.00

1.24

1.54

5XHFNELOGXQJ

MD

- 0.01

(0.05)

0.91

0.99

1.09

'RSSHOSDUWLNHO

-D

- 0.56 ***

(0.09)

0.48

0.57

0.68

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

0.35 ***

(0.07)

1.24

1.42

1.63



9OOW

0.04

(0.09)

0.87

1.04

1.23

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

0.99 ***

(0.05)

2.45

2.70

2.98

- 0.83 ***

(0.08)

0.37

0.44

0.51

$FFRPSOLVKPHQW

1.09 ***

(0.07)

2.62

2.98

3.39

$FKLHYHPHQW

1.81 ***

(0.07)

5.30

6.10

7.01

(0.20)

0.49

0.71

1.06

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] -D $NWLRQVDUW

6WDWH

- 0.34 .

1RPLQDOLWDHW

-D

2.93 ***

(0.07)

16.26

18.72

21.69

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

-D

6.00 ***

(0.23)

266.85

404.60

652.99

Tabelle 124: Finitheits-Regression (2): Modell: χ2(11) = 933.7; ***p < 0.001; AIC: 28688; R2 = 0.246 (Hosmer & Lemeshow), 0.163 (Cox & Snell); 0.316 (Nagelkerke); C = 0.833; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 52 533

V2-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

1.68 ***

oberer Wert (97,5%)

(0.19)

3.66

5.35

7.78

(0.08)

0.87

1.02

1.20

(0.30)

2.13

3.70

6.90

- 0.25 *

(0.12)

0.61

0.76

0.98

- 0.05

(0.17)

0.70

0.95

1.30

0.61 ***

(0.09)

1.53

1.84

2.22

- 1.49 ***

(0.12)

0.18

0.22

0.29

$FFRPSOLVKPHQW

1.96 ***

(0.11)

5.78

7.13

8.83

$FKLHYHPHQW

2.63 ***

(0.13)

10.83

13.88

17.84

(Intercept)

5XHFNELOGXQJ

MD

'RSSHOSDUWLNHO

-D

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ



9OOW

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] -D $NWLRQVDUW

Odds ratio

6WDWH

- 0.02 1.31 ***

(0.41)

0.44

0.93

2.22

1RPLQDOLWDHW

-D

- 0.07 2.61 ***

(0.16)

9.94

13.55

19.00

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

-D

5.21 ***

(0.36)

96.47

183.76

408.30

Tabelle 125: V2-Regression (2): Modell: χ2(11) = 2922.914; ***p < 0.001; AIC: 7489.6; R2 = 0.281 (Hosmer & Lemeshow), 0.091 (Cox & Snell); 0.316 (Nagelkerke); C = 0.885; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 30 707

Unterschiede zeigen sich nur an wenigen Stellen: Durch das Mehr an Daten, zeigt sich, dass der Einfluss der Patiensorientiertheit offenbar etwas kleiner ist. Es handelt sich trotzdem weiter um den einflussreichsten Faktor; die Streuung ist hier aber geringer. Insgesamt können dieselben

306

NonV2-Verben im Deutschen

Interpretationen aus beiden Modellen gezogen werden. Interessant ist auch, dass hier beide Modelle denselben R2-Wert (0.316) aufweisen. Keines der beiden Modelle hat also eine größere Vorhersagekraft, was ein weiteres Mal dafür spricht, dass es dieselben Faktoren sind, die Finitheit und V2 beeinflussen (wiederum mit der Ausnahme Doppelpartikel). Dass allerdings die Erklärkraft der Finitheits-Regression mit mehr Daten im Vergleich zu der mit weniger Daten insgesamt sinkt (0.316 vs. 0.313), die der V2-Regression hingegen im Vergleich steigt (0.303 vs. 0.319), könnte ein Indiz dafür sein, dass möglicherweise doch unterschiedliche und auch noch unabhängige Faktoren V2 und Finitheit unterschiedlich beeinflussen (bspw. Doppelpartikel). Hier wäre es (generell) wichtig noch einmal eine größere Regression zu rechnen mit einem Sample, dass eine repräsentative Auswahl sowohl an verbalen Pseudokomposita als auch an kanonischen Verben enthält, um unabhängige Evidenz dafür zu erhalten, ob die gefundenen stellungs- bzw. finitheitsrestringierenden Faktoren nicht nur für in dieser Arbeit betrachteten Verben greifen, sondern allgemeine Gültigkeit haben. Für den Moment sollte dieses Vorgehen aber ausreichen und zeigen, dass die unterschiedlichen Modelle keine größeren Unterschiede aufweisen.

4.3.3.2. Datenset ohne auferstehen Ein weiterer Kritikpunkt an den oben beschrieben Modellen bzw. an deren Zustandekommen, könnte – ganz abgesehen von der generellen Unausgewogenheit des Datensets – die Inklusion des Verbs auferstehen sein. Immerhin machen diese Belege um die 40 Prozent der Gesamtbelege aus (Finitheits-Regression: 22799 von 51955; V2-Regression 11644 von 30384), wodurch sie einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Modell haben könnten. Hinzu kommt, dass, auch wenn sich auferstehen (in relativen Zahlen) wie ein NonV2-Verb verhält, (zumindest bei Betrachtung der absoluten Zahlen) 310 finite V2-Vorkommen eigentlich dafür sprechen, dass es sich nicht um ein NonV2-Verb handeln kann und es sich auch aus anderen (in Abschnitt 3.3.2.3.3. bereits aufgeführten) Gründen anders verhält als die anderen Verben im Sample: es ist älter und entsprechend anders entstanden (Wortbildung) und es gibt sehr viele formelhafte Belege (meist aus der Bibel), die zudem vielfach wiederholt vorkommen. Es gibt also gute Gründe, die dafür sprechen, auferstehen aus dem Regressionsmodell auszuschließen. Es ergeben sich folgende Regressionsmodelle:

307

Logistische Regressionsanalyse

Finitheits-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

1.05 ***

Odds ratio

oberer Wert (97,5%)

(0.18)

2.01

2.88

4.10

5XHFNELOGXQJ

MD

- 0.10

(0.09)

0.76

0.90

1.07

'RSSHOSDUWLNHO

MD

- 0.62 ***

(0.10)

0.44

0.54

0.65

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

- 0.06

(0.09)

0.79

0.94

1.11



YOOW

- 0.11

(0.12)

0.71

0.90

1.13

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

0.73 ***

(0.09)

1.74

2.07

2.46

- 0.93 ***

(0.10)

0.32

0.40

0.48

$FFRPSOLVKPHQW

1.12 ***

(0.07)

2.66

3.06

3.53

$FKLHYHPHQW

1.53 ***

(0.09)

3.81

4.61

5.57

(0.18)

1.27

1.80

2.58

(Intercept)

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] MD $NWLRQVDUW

6WDWH

- 0.59 **

1RPLQDOLWDHW

MD

0.53 ***

(0.09)

1.42

1.70

2.04

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

MD

7.30 ***

(0.45)

685.03

1479.00

4135.58

/HPPDIUHTXHQ]



(0.00)

1.00

1.00

1.00

- 0.00 *

Tabelle 126: Finitheits-Regression (ohne auferstehen) Modell: χ2(12) = 5816.158; ***p < 0.001; AIC: 13084; R2 = 0.308 (Hosmer & Lemeshow), 0.181 (Cox & Snell); 0.379 (Nagelkerke); C = 0.873; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 29 156

V2-Regression: ȕ

Regressor

95% Konfidenzintervall für ȕ (SE)

unterer Wert (2,5%)

Odds ratio

oberer Wert (97,5%)

1.86 ***

(0.31)

3.53

6.43

5XHFNELOGXQJ

MD

0.36 *

(0.15)

1.08

1.44

1.91

'RSSHOSDUWLNHO

MD

1.88 ***

(0.35)

3.40

6.58

13.57

5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

- 0.22

(0.15)

0.59

0.80

1.08



YOOW

- 0.01

(0.18)

0.70

1.01

1.45

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ

0.59 ***

(0.17)

1.30

1.81

2.51

- 1.20 ***

(0.16)

0.22

0.30

0.41

$FFRPSOLVKPHQW

2.46 ***

(0.15)

8.83

11.74

15.83

$FKLHYHPHQW

2.05 ***

(0.20)

5.21

7.77

11.65

6WDWH

0.62

(0.42)

0.84

1.86

4.56

1RPLQDOLWDHW

MD

0.68 ***

(0.19)

1.37

1.97

2.90

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

MD

7.11 ***

(1.00)

276.48

1227.63

21581.24

/HPPDIUHTXHQ]



- 0.00 ***

(0.00)

1.00

1.00

1.00

(Intercept)

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] MD $NWLRQVDUW

11.82

Tabelle 127: V2-Regression (ohne auferstehen) Modell: χ2(12) = 2210.56; ***p < 0.001; AIC: 4519.9; R2 = 0.33 (Hosmer & Lemeshow), 0.111 (Cox & Snell); 0.37 (Nagelkerke); C = 0.910; ***p < 0.001, **p < 0.01, *p < 0.05, .p < 0.1.; n = 18 740

Auch ohne auferstehen im Sample bleiben die beiden Modelle bzw. die Ausprägungen der Koeffizienten größtenteils stabil. Es handelt sich sogar um die besseren Modelle, da sie besser diskriminieren (87%-91%) und einen höheren Anteil der Variation erklären können (37%-38%). Die Aussagen bzw. Interpretationen, die anhand des Modells getroffen werden können, sind aber

308

NonV2-Verben im Deutschen

(mit wenigen Unterschieden) die gleichen wie oben: Weder Rück- noch Reihenbildung sind relevante Faktoren, alle anderen [mit Ausnahme von semantischeTransparenz) sind in ungefähr gleichem Ausmaß sowohl finitheits- als auch V2-hemmend und damit eigentlich keine stellungsrestringierenden Faktoren. Letzteres ist lediglich der Faktor Doppelpartikel. Ein Unterschied zu den obigen Modellen ist, dass der Faktor Lemmafrequenz hier aber einen signifikanten Einfluss hat (allerdings ist der Koeffizient sehr klein: -0.0001952).397 Offenbar hat das verhältnismäßig hochfrequente auferstehen den Faktor ‚Frequenz‘ vereinnahmt. Somit bestätigt sich die in Abschnitt 3.3.4.2. aufgedeckte Korrelation zwischen Lemmafrequenz und V2Vorkommen. Steigt die Lemmafrequenz um 1, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Verb in V2 vorkommt, um 1. Interessant ist, dass dieser Faktor allerdings nur in der V2-Regression signifikant ist, was darauf hindeutet, dass die Frequenz für das potentielle Vorkommen bzw. Entstehen finiter Formen nebensächlich ist. Nimmt man an, dass Gebrauchsfrequenz so etwas wie ‚Nützlichkeit‘ widerspiegelt, könnte dieses Ergebnis als empirische Evidenz für MCINTYREs (2001: 59) Hypothese bekräftigen, dass ein finites Verb erst dann von VL nach V2 übergeht, wenn es „too useful to be unavailable in main clauses“. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Nominalitaet im Vergleich zu den anderen Modellen einen weniger starken Einfluss hat. Dies zeugt davon, dass auferstehen relativ viele nicht genuin verbale Verwendungsweisen auf sich vereint, zumal die Form (sein + Partizip II) der am häufigsten auftretenden Belege (Christus/Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! (118) und (119) oben) ohnehin ambig ist (als Zustandspassiv würde Nominalitaet zutreffen, als Perfekt nicht). Auffällig ist auch, dass – zumindest in der V2-Regression – der Einfluss der beiden telischen Verb-Typen umgekehrt ist. Da (auf)erstehen als Achievement-Verb kodiert wurde, fallen so natürlich eine Vielzahl dieser heraus, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Accomplishment-Verb in V2 vorkommt geringer ist als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Achievement-Verb in V2 vorkommt (jeweils im Gegensatz zu einem Activity-Verb). Dass sich der Einfluss gerade dieser beiden Faktoren ändert, spricht wieder dafür, dass sie miteinander interagieren. Das aber in der Finitheits-Regression Achievement-Verben wieder (leicht) einflussreicher sind, könnte so interpretiert werden, dass zwar telische Verben insgesamt eher finitheitshemmend wirken, Accomplishments aber noch zusätzlich eine V2-hemmende Wirkung haben.

397

Das 95%-Konfidenzintervall für β liegt zwischen 0.9997478 und 0.9998597. Damit überschreitet es zwar nicht die 1.0, was angeben würde, dass der Faktor nicht signifikant ist, kommt ihr aber äußerst nahe.

309

Logistische Regressionsanalyse

4.4. Diskussion Anhand der logistischen Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass sich die Stellungsrestriktion (im Gegensatz zu dem, was einige Autor/innen suggerieren) nicht durch einen einzigen Faktor erklären lässt, sondern nur aufgrund eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren (die sich über verschiedene Systemebenen der Sprache erstrecken). Viele – aber nicht alle – der in der einschlägigen Literatur zu NonV2-Verben diskutierten Faktoren haben tatsächlich einen signifikanten Einfluss; dieser ist allerdings durchaus subtil. Bei genauerer Betrachtung der Faktoren stellt sich jedoch heraus, dass die meisten von ihnen keine genuin V2-hemmenden sind, sondern eigentlich viel genereller finitheitshemmende Faktoren. V2-Vorkommen impliziert aber Finitheit. Die Faktoren können selbstverständlich miteinander kumulieren. Das größte Gewicht haben dabei Patiensorientiertheit, Nominalitaet, sowie die Aktionsart telischer Verben. Die folgende Tabelle zeigt noch einmal zusammenfassend eine Hierarchisierung der relevanten Faktoren, die ein finites Vorkommen (in V2) beeinflussen (wobei  angibt, dass die Chancen sinken; wohingegen  angibt, dass sie steigen):398 



QXU)LQLWKHLW



QXU9

3DWLHQVRULHQWLHUWKHLW

MD





1RPLQDOLWDHW

MD



$NWLRQVDUW

$FKLHYHPHQW





$FFRPSOLVKPHQW



Ì Ì Ì Ì

'RSSHOSDUWLNHO

MD

Ê



Ì

6WDPPHQGQHEHQEHWRQXQJ

QHLQ



Ì



5HLKHQELOGXQJB(UVWJOLHG

QHLQ

Ì







Ê

VHPDQWLVFKH7UDQVSDUHQ] MD /HPPDIUHTXHQ]





  Ì)

 Ê)

Tabelle 128: Hierarchisierung der signifikanten finitheits- und V2-beeinflussenden Faktoren

Hier wird auch noch einmal deutlich, dass der einzig wirklich stellungsrestringierende Faktor Doppelpartikel ist. Warum dies so ist, wird im nächsten Kapitel noch besprochen. Auf die in Kapitel 3.3.1. aufgeworfene Frage jedenfalls, ob die Stellungsrestriktion bei Verben des Typs uraufführen an der Doppelpartikel (H8) oder der Patiensorientiertheit (H26) liegt, kann nun die Antwort lauten, dass beide Faktoren relevant sind, der der Patiensorientiertheit, aber den stärkeren Einfluss hat. Dies liegt aber nur daran, dass Patiensorientiertheit auf einer höheren Ebene operiert. Auch die These, dass es sich bei vielen verbalen Pseudokomposita eigentlich um Lexeme anderer, nämlich nominaler Kategorien handelt, konnte aufgrund des starken Einflusses des Faktors Nominalitaet bekräftigt werden. Der nominale Charakter dieser Verben ist z.T. auch auf deren

398

Die kleinen eingeklammerten Pfeile beziehen sich auf die Regressionsmodelle ohne auferstehen, die als präferiert gelten können.

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NonV2-Verben im Deutschen

zugrundeliegende Aktionsart (insb. Achievement) zurückzuführen. Überhaupt konnte mit Aktionsart ein Faktor ausgemacht werden, der bisher in der Literatur noch nie Erwähnung im Zusammenhang mit NonV2-Verben gefunden hat. Darüber hinaus erweist sich dieser (v.a. im Vergleich zu den immer wieder diskutierten) als ziemlich einflussreich. Dabei besteht in Hinblick auf Finitheit offenbar ein ganz genereller Zusammenhang zwischen den Faktoren Nominalität, Aktionsart bzw. Telizitaet und Patiensorientiertheit. Dies zeigt sich bereits daran, dass ein Großteil der untersuchten Verben (bzw. Lexeme) in der Wortform ‚Partizip II‘ vorkommt, die neben der resultativen auch eine passivische Lesart zulässt. Bereits in den rein deskriptiven Datenauswertungen (Kapitel 3.3.) zeigte sich, dass das Partizip oft häufiger als attributives Adjektiv auftritt als in potentiell verbalen Formen. Dies spricht für Nominalität. Dabei ist zu beachten, dass nur das Partizip II telischer intransitiver Verben attributiv verwendet werden kann (WUNDERLICH 1997: 21; EISENBERG 42013b: 101), so dass Aktionsart bereits einen Einfluss auf diese Verwendungsweise hat. Ein Adjektiv kann neben der attributiven Verwendungsweise auch prädikativ mit einem Kopulaverb gebraucht werden, um dieselbe Aussage zu treffen. Die daraus entstehende sein+Partizip II-Konstruktion ist in vielerlei Hinsicht ambig. Neben der nominalen Kopula-Prädikativum-Konstruktion kann sie auch verbal als sog. Zustandspassiv verstanden werden, was eine patiensorientierte Lesart zulässt. Auch hier spielt wieder Aktionsart eine Rolle. Nicht nur, dass Achievement-Verben typischerweise nicht-agentiv sind, da plötzliche Zustandswechsel nicht vorbereitet oder zumindest nicht aktiv beeinflussbar sind (Vendler 1967: 106); es gibt Autoren, die annehmen, dass ohnehin nur transitive telische Verben überhaupt ein solches Zustandspassiv bilden können (z.B. FLÄMIG 1991: 425; HELBIG & BUSCHA 2001: 156; EISENBERG 42013b: 125). Telische Verben bzw. Verbphrasen wiederum sind grenzbezogen. Diese Eigenschaft der Abgeschlossenheit teilen sie mit typischen Substantiven (count nouns), was wiederum für ihre Nominalität spricht. Die Tatsache, dass diese Zusammenhänge bestehen, die eher semantischer Natur sind, sowie auch die einflussstärksten Faktoren generell, lässt die Hypothese zu, dass nach noch mehr semantischen Faktoren gesucht werden muss, um den Übergang zu bzw. die Ausbildung finiter Formen zu beschreiben. Die semantische Transparenz zwischen Erstglied und Basisverb hingegen konnte allerdings weder als stellungs- noch als finitheitsrestringierender Faktor bestätigt werden. Zum Abschluss sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei allem Gesagten um Wahrscheinlichkeiten handelt, die nur für Verben bzw. Lexeme des in dieser Arbeit behandelten Typs gelten. Dabei handelt es sich um Lexeme, die an irgendeiner Stelle schon einmal als NonV2-Verben klassifiziert wurden. Auch wenn sich in dieser Arbeit für einige von ihnen herausgestellt hat, dass es möglicherweise keine NonV2-Verben sind, sind es doch nicht-kanonische Verben. Insgesamt bilden die untersuchten Subsets keine ausgewogene Datengrundlage. Für zukünftige Forschung wäre es wichtig, die logistische Regression zu replizieren, allerdings

Logistische Regressionsanalyse

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mit einem Sample, dass sowohl eine (auf verschiedenen Ebenen) repräsentative Auswahl an verbalen Pseudokomposita als auch an kanonischen Verben enthält, um unabhängige Evidenz dafür zu erhalten, ob die gefundenen finitheitshemmenden Faktoren nicht nur für gesicherte NonV2Verben greifen, sondern allgemeine Gültigkeit haben. Die Ergebnisse würden sogar noch stärker untermauert werden, wenn die Datengrundlage ein ausgewogenes Subset ausschließlich kanonischer Verben darstellt. Aber selbst wenn die Datengrundlage und die Ergebnisse als valide angenommen werden, lässt sich Kritik an der Interpretation des Modells äußern: wenn doch die Faktorausprägungen genau denselben Effekt sowohl auf Finitheit als auch auf V2 haben, warum kann man dann davon ausgehen, dass es wirklich finitheitshemmende Faktoren sind und nicht doch V2-hemmende Faktoren? In letzterem Fall müsste man annehmen, dass die letzten beiden Schritte der implikativen Skala entweder vertauscht – die Verteilung der kanonischen Verben spräche genau dafür – oder komplett zusammengelegt werden müssen. Dies ist aber zumindest in Anbetracht der in dieser Arbeit untersuchten Verben wenig überzeugend, da bei diesen finite Formen in VL stets häufiger vorkommen als in V2. Auch die Argumente dafür, dass Deutsch eine SOV-Sprache, sprechen für die Aufrechterhaltung der Stufen und somit auch dafür, dass die hemmenden Faktoren Finitheit (sowohl in VL als auch in V2) hemmen. Bei allen Unzulänglichkeiten, die das Modell aufweist, sollte aber deutlich geworden sein, dass gewisse Faktoren herausgearbeitet werden konnten, die einen vergleichsweise starken Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit haben, dass ein Verb finit vorkommt oder nicht. Die einflussreichen Faktoren sind insgesamt alles Eigenschaften, die zwar verbale Verwendungskontexte nicht ausschließen; sie sind aber typischer für nominale Konstruktionen, so dass offenbar die dominante bzw. frequentere Verwendung dieser Lexeme die Verbalität einschränkt.

5. NonV2-Verben – ein Geisterphänomen? She always says, my lord, that facts are like cows. If you look them in the face hard enough they generally run away. (Dorothy L. SAYERS Clouds of Witness [1926: 67])

5.1. Zusammenfassung – Gibt es überhaupt NonV2-Verben? Die Erforschung des grammatischen Phänomens, dass einige Verben im Deutschen nicht in der linken Satzklammer stehen können, und insbesondere die damit verbundene Frage, welche Faktoren diese Stellungsrestriktion bedingen, war das Hauptanliegen dieser Arbeit. In der einschlägigen Literatur zu den NonV2-Verben gibt es bereits einige Erklärungsansätze, die sich grob drei verschiedenen Strömungen zuordnen lassen. Die Aussagen in den meisten Arbeiten führen die Stellungsrestriktion auf einen Konflikt zwischen zwei widerstrebenden Anforderungen zurück, denen nicht gleichzeitig Genüge getan werden kann; daneben gibt es auch semantische Kompositionalitäts- und sprachhistorische Herleitungsansätze. Bereits während der Literaturdiskussion stellte sich heraus, dass die unterschiedlichen Ansätze und Thesen den Vorhersagen, die sie treffen, z.T. nicht genügen und an diversen Stellen widersprüchlich sind. Dies rührt v.a. daher, dass die meisten Ansätze versuchen, die Stellungsrestriktionen aufgrund nur eines Kriteriums (sei dies phonologischer, morphosyntaktischer, semantischer oder sprachevolutionärer Art) zu klären. In dieser Arbeit wurden nun drei empirische Studien (Korpusuntersuchung, Fragebogenstudie und Regressionsanalyse) durchgeführt, um die postulierten Faktoren (sowie weitere) mit den empirischen Gegebenheiten abzugleichen, um so einer umfangreichen Erklärung für die Stellungsrestriktion näher zu kommen. Schlussendlich kann auch mit der vorliegenden Untersuchung das Phänomen der NonV2Verben noch nicht „als hinreichend geklärt angesehen werden“ (AHLERS 2010: 112), da sich der Phänomenbereich als äußerst komplex darstellt. Dies liegt zum Großteil daran, dass sich die untersuchten Verben untereinander nicht einheitlich verhalten, was die Fragebogenstudie und v.a. die Korpusbeobachtungen zeigen. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es d i e Klasse der NonV2-Verben gar nicht gibt (H2) – und wenn, dann ist sie als sehr heterogen anzusehen, sodass sich eine umfängliche Erklärung ohnehin nur auf einer abstrakteren Ebene finden ließe. Dies soll im zweiten Teil dieses Kapitels (5.2.) in Ansätzen versucht werden. Zumindest wurden aber erstmals alle potentiellen stellungsrestringierenden Faktoren empirisch überprüft, wobei eine Reihe von relevanten Faktoren ermittelt werden konnte, die einen Einfluss – wenn auch keinen alleinigen – auf das syntaktische Verhalten haben. Andere Faktoren ließen sich wiederum ausschließen. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass der viel diskutierte Faktor ‚Rückbildung‘ nicht automatisch zu (defektiven Flexionsparadigmen und somit zu) NonV2-Verben führt (H4).

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1_5

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NonV2-Verben im Deutschen

Sein Einfluss ist eher mittelbar, und zwar insofern, als dass denominale Rückbildung (als untypischer Wortbildungsprozess) zu Verben führen kann, die gewisse Eigenschaften aufweisen, die V2- bzw. finitheitshemmend wirken: Als Ergebnis sieht ein Verb dann beispielsweise oberflächlich so aus, als wären zwei Partikeln präfigiert (Doppelpartikel). Der Faktor ‚Doppelpartikel‘ (H8) stellte sich als der wichtigste stellungsrestringierende Faktor heraus (wie bereits HAIDER 1993, 2005, 2010; KOOPMANN 1995; DEN DIKKEN 2003; sowie BOCK V. WÜLFINGEN 2009 annahmen). Dabei lässt sich die implikative Generalisierung aufstellen, dass alle Doppelpartikelverben Rückbildungsverben sind – aber nicht umgekehrt. Viele Rückbildungsbasen sind außerdem -ungNominalisierungen, die eine inhärent abgeschlossene Zeitstruktur aufweisen. Dadurch entstehen als Produkt v.a. telische Verben (insb. Achievements). Mit dem Einbezug der Aktionsart eines Verbs konnte in dieser Arbeit ein Faktor ausgemacht werden, der bisher in der einschlägigen Literatur noch keine Erwähnung im Zusammenhang mit NonV2-Verben gefunden hat, der sich aber (v.a. im Vergleich zu den immer wieder diskutierten Faktoren) als verhältnismäßig einflussreich erweist (H20). V.a. Achievement-Verben gelten typischerweise als nicht-agentiv, was sie in die Nähe von geschehensperspektivierenden Verb(forme)n rückt. Auch eine gewisse Patiensorientiertheit (und damit verbunden die Affinität zu Infiniten, passivischen Konstruktionen) konnte als relevanter (womöglich sogar als wichtigster) Faktor herausgearbeitet werden (H26). Letztlich führt Rückbildung auch zu verbuntypischen Betonungsverhältnissen. Die Produkte sind alle initialbetont (H13), was als Indikator für syntaktische Trennbarkeit gilt, wobei die Trennbarkeitsregel mit anderen Beschränkungen (bspw. semantische Transparenz durch formale Integrität, die sich aber auch nicht als relevant herausgestellt haben) zwar in Konflikt geraten, aber auch überschrieben werden kann. So sind Unsicherheiten in der Formenbildung (Zweifelsfälle) möglich, die jedoch nicht automatisch zu einer generellen V2-Vermeidung führen (H11). Eine fehlende Stammendbetonung bzw. genereller ein nicht regelmäßiges Aufeinanderfolgen betonter und unbetonter Silben hingegen kann die Verwendung in V2 erschweren (H14). Insbesondere die Verteilungsanalysen der Korpusstudie haben gezeigt, dass viele in der einschlägigen Literatur als NonV2-Verben gehandelte Lexeme fast ausschließlich in nominalen Konstruktionen gebraucht werden. Darüber hinaus weisen sie weitere nominale Eigenschaften auf, so dass man daraus schließen muss, dass diese Wörter eigentlich gar keine (echten) Verben sind, sondern einer anderen Wortart zuzuordnen sind, und zwar den Substantiven oder Adjektiven (H1.2). Genauer gesagt, handelt es sich um Nominal- oder Adjektivkomposita, deren Determinatum ein substantivierter Infinitiv oder adjektiviertes Partizip ist. So sieht der Kopf des Kompositums zwar aus wie ein Verb, es ist aber eigentlich keins (bzw. wurde noch nicht wieder zurück rückgebildet). Entsprechend sind komplexe Verben, die als substantivierter Infinitiv verwendet werden, nicht als substantiviert zu betrachten, sondern nur das Basisverb wurde substantiviert und verbindet sich per nominaler Komposition mit seinem Erstglied. Auch der große Einfluss der

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

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Faktors ‚Nominalität‘ (durch den neben nominalen Eigenschaften auch das Vorkommen nichtkanonischer Verbalformen operationalisiert ist) bestärkt die These, dass es sich bei diesen Lexemen eigentlich um Nomina handelt. Dies schließt aber nicht aus, dass komplexe Nomina (zumindest sprachspielerisch) wenn nötig durch Konversion verbalisiert werden können. Das ist vom System her vorgesehen und unterliegt eigentlich kaum Restriktionen; nur kann es aufgrund der mehrfachen Transposition vorkommen, dass die entstehenden Verben für das Merkmal ‚Trennung‘ unspezifiziert sind (H5). Dies stellt in infiniten Kontexten und in finiter VL-Position kein Problem dar, da keine Entscheidung zur Trennung getroffen werden muss. Unsicherheiten können allerdings v.a. dort auftreten, wo das Verb oberflächlich ein einfaches Basisverb mit nur einem Erstglied aufweist. Das (vermeintliche) Unbehagen, diese Verben auch finit in V2 zu verwenden, rührt daher, dass man kurz innehält und über die Trennungsoptionen nachdenkt (und u.U. eine Ausweichstrategie vorzieht). Die Fragebogenstudie legt aber nahe, dass wenn solche komplexen Verben in V2 verwendet werden, dann präferiert syntaktisch ungetrennt (H10). Nur wenn das entstandene Verb oberflächlich (zufällig) wie ein Doppelpartikelverb aussieht, dann wird getrennt. Dabei lässt sich feststellen, dass je prototypischer die (beiden) Partikeln sind, desto schwieriger erweist sich die Verwendung in V2. Die meisten der untersuchten Verben treten allerdings ohnehin nur in sehr spezifischen Kontexten und Konstruktionen (Passiv- oder Modalverbkonstruktionen) auf (H25), in denen sie – wenn überhaupt – zwar verbalisiert (s. Unterkapitel 5.2.), aber analogisch nur selten auf andere Kontexte übertragen werden. Solche Konstruktionen können durch die dem Erstglied inhärente Obligativität bedingt sein. Dennoch scheint hier auch die Unterscheidung in Finitheit und Infinitheit sowie der Einfluss letzterer besonders relevant, denn das Deutsche neigt dazu, für bestimmte semantische Kategorien wie Genus Verbi oder Modalität spezielle Markierungsstrategien zu verwenden. Während in anderen Sprachen z.B. ‚Möglichkeit‘ oder ‚Notwendigkeit‘ durch bestimmte morphologische Verbformen ausgedrückt werden, verwendet das Deutsche ein Hilfsverb im weiteren Sinne (dazu gehören auch Modalverben), von dem das Vollverb syntaktisch abhängt. Da Tempus- und Kongruenzmerkmale dabei nur einmal realisiert werden, entsteht ein Bedarf an Verbformen, die diese Merkmale gerade nicht kodieren: infiniten Formen. Unter den verbalen Pseudokomposita gibt es viele Exemplare, die nur solche und keinerlei finite Formen aufweisen. So sind auch keine Aussagen zu deren Status als NonV2-Verb möglich. Die genauere Untersuchung der verschiedenen (untersuchbaren) stellungsrestringierenden Faktoren zeigt aber, dass die Mehrzahl von ihnen ohnehin eher Finitheit beeinflusst (v.a. Patiensorientiertheit, Nominalitaet, Aktionsart telischer Verben und Stammendnebenbetonung) und man entsprechend genereller von finitheitshemmenden Faktoren sprechen sollte. Auch wenn das Deutsche eine Reihe von nicht-finiten Hauptsatzsatzkonstruktionen aufweist (vgl. GÄRTNER 2013), zeigt keine davon ein nicht-finites Verb in V2-Stellung. Daher reicht es nicht aus, eine Art unabhängiger Satz zu sein, um V2 auszulösen. Dies – und der Befund, dass sich

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NonV2-Verben im Deutschen

viele verbale Pseudokomposita entweder wie kanonische Verben verhalten oder anderen Wortarten zugeschlagen werden können – lässt daran zweifeln, ob es (das Phänomen der) NonV2-Verben überhaupt gibt (H1). Damit ist die Erklärung, warum einige Verben nicht in V2 vorkommen können, trivial: wenn es keine finiten Formen gibt, können sie auch nicht in der für finite Verbformen typischen V2-Position auftreten. NonV2-Verben sind somit ein Geisterphänomen. An dieser Stelle lassen sich (mindestens) zwei Einwände erheben: Zum einen kann diese Erklärung nicht dem Umstand Rechnung tragen, dass es (wie in Abschnitt 3.2.1.2. gesehen) so viele Verben gibt, deren Vorkommen finiter Formen in VL sich signifikant von dem in V2 unterscheidet. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass in VL keine Entscheidung zur potentiellen Trennung erzwungen wird, zum anderen – wie weiter unten (5.2.) ausgeführt – auf die Position ganz am Ende des Satzes, die m.E. offenkategoriell und restriktionslos ist. In dieser rechtssatzperipheren Position kann letztlich alles stehen. Der zweite Einwand liegt in dem Faktor der Doppelpartikligkeit, denn wie aus den verschiedenen Regressionsmodellen hervorgeht, ist dieser der einzige Faktor, der die Wahrscheinlichkeit der V2-Stellung hemmt, aber Finitheit fördert. Auch die deskriptiven Korpusdaten zeigen, dass die Häufigkeitsunterschiede zwischen finiten VL-Formen und V2-Formen bei Doppelpartikelverben am größten sind. Zudem sind sie in den Fragebogendaten diejenigen Verben, die die schlechtesten Werte evozieren. Dies ließe den Schluss zu, dass zumindest (oder auch nur) Doppelpartikelverben NonV2-Verben sind. Aber auch hier muss man nicht unbedingt von einem speziellen NonV2-Verb-Faktor ausgehen. Die Erklärung für das diskrepante Verhalten mag viel allgemeiner darin liegen, dass gewisse Konstruktionen existieren, die aufgrund ihrer Skopusverhältnisse andere in ihrem Skopus stehende Elemente einschließen. MEINUNGER (2006) und HAIDER (2013: 79-81) diskutieren fokussierende Operatoren, die verhindern, das ein Verb in V2-Stellung auftreten kann. Es handelt sich um Konstruktionen, in denen das Verb durch Vergleichselemente wie mehr als/denn, so gut wie, so eine Art, von nichts als, etc. modifiziert (adjungiert) wird. ((171)-(173)a.) zeigen eine Perfekt-Form mit finiten Hilfsverb in der linken Satzklammer (V2). Versucht man diese in eine semantisch äquivalente Präteritumsform zu überführen ((171)-(173)b.), schlägt dies fehl. ((171)(173)c.) zeigen, dass die Ungrammatikalität nicht durch die finite Verbform an sich ausgelöst wird, sondern durch die Position: solange ein verbales Element in der rechten Satzklammer bleibt, ist die Konstruktion grammatisch. So ist es offenbar möglich, das Adjunkt zusammen mit dem Verb in VL-Position zu realisieren, aber es gibt Restriktionen bei der Verwendung des finiten Verbs in V2-Stellung. (171) a. Der Wert hat sich weit mehr als bloß verdreifacht in diesen Tagen b. *Der Wert verdreifachtei sich weit mehr als bloß ei in diesen Tagen c. dass der Wert sich weit mehr als verdreifachtei in diesen Tagen. (172) a. Der Angeklagte hat so gut wie gestanden. b. *Der Angeklagte gestand so gut wie. c. weil der Angeklagte so gut wie gestand.

(HAIDER 2013: 79)

(MEINUNGER 2006: 130)

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

(173) a. Der Besuch hat sowas von geprahlt. b. *Der Besuch prahlte sowas von. c. weil der Besuch sowas von prahlte.

317

(MEINUNGER 2006: 130)

FREITAG (2019: 10-15) weist darauf hin, dass das Herausstellen eines fokussierten, zu vergleichenden Elements aus dem Skopus seines Vergleichsoperators generell nicht möglich ist. Dies betrifft nicht nur die Verbbewegung nach V2, sondern gilt für alle syntaktischen Kategorien. Auch wenn es sich bei den hier betrachteten Fällen syntaktisch gesehen um ganze Phrasen handelt, behauptet MEINUNGER (2006: 139), dass diese Restriktion am besten in phonologischer Hinsicht analysiert werden kann: Das Vergleichselement wird als eine Art Präfix reanalysiert und an das darauffolgende (finite) Verb klitisiert, das sich folglich nicht mehr von seinem Wirt trennen und nicht ohne ihn bewegt werden kann. The peculiarity of the whole phenomenon is that in contrast to canonical cliticization the clitics discussed here need NOT move in syntax, but they get hold of a host “with less effort”. They need not look for an attachment site; they just require something to follow them. If this requirement is not met, the structure is ungrammatical. (MEINUNGER 2006: 139-140)

In Bezug auf die V2-Diskussion plädiert MEINUNGER (2006) für eine Interface-Perspektive und zeigt, dass V2 sowohl von der konzeptuellen als auch von der phonologischen Schnittstelle eingeschränkt ist. Nimmt man allerdings an, dass es keine sprachlichen Module gibt bzw. zumindest keine klare Trennung zwischen den Modulen (z.B. Syntax und Morphologie; s. Unterkapitel 5.2.), dann lassen sich auch Doppelpartikelverben mit derartigen Konstruktionen vergleichen und analysieren. Auch hier lässt sich annehmen, dass die erste (also die linke) der zwei Partikeln an ihr Basisverb (einem Partikelverb) klitisiert wird. Dadurch entsteht eine Konstruktion, die phonologische Eigenschaften aufweist (z.B. eine fehlende Stammendbetonung, was durch die Regression durchaus bestärkt wird), die bei der Umstellung nach V2 phonologische Wohlgeformtheitsbedingungen verletzt. Vereinfacht gesagt: das Klitikon kann nicht allein am rechten Satzrand stehen.399 Beide Phänomene lassen sich also durch die gleichen Mittel erklären. Dass diese Erklärung allerdings nicht in allen Fällen greift, zeigt sich daran, dass es durchaus Belege für die finite Verwendung von Doppelpartikelverben in V2 gibt und auch deren Akzeptabilität teilweise hoch bewertet wird. Es treten also sprecherindividuelle Abweichungen auf. Diese lassen sich allerdings nur zum Teil dadurch erklären, dass Klitisierung in der Regel ein fakultativer Prozess ist, da dies sonst zu Formen wie in (i) (Fn. 8) führen würde, die allerdings nicht belegt sind. (i)

399

a. * Der Regisseur aufführt das Stück ur.

MEINUNGER (2006: 146) erklärt dies damit, dass der Parser von den phonologischen Konstituenten dem syntaktischen Objekt keine legitime Struktur zuweisen kann, wenn ein proklitisch-ähnliches Element an einer rechtsperipheren Position auftaucht. Sobald aber phonologisches Material diesem Element folgt, findet der phonologische Parser einen Wirt und die Struktur ist gerettet.

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NonV2-Verben im Deutschen

Zum einen räumt MEINUNGER (2006: 130) selbst ein, dass auch seine Beispiele grammatisch werden, wenn dem zu klitisierenden Element noch etwas folgt (z.B. ein Negationselement), v.a. wenn es sich um ein Partikelverb handelt (dessen Partikel in der rechten Satzklammer verbleibt).400 Zum anderen gibt es durchaus Sprachbenutzer/innen, die die Beispiele ((172)b.) und ((173)b.) durchaus für grammatikalisch halten – eventuell sogar Beispiel ((171')d.): (171') d. */?Der Wert mehr als verdreifachte sich in diesen Tagen.

Dies müsste natürlich noch einmal repräsentativ empirisch überprüft werden. Dennoch ist es zumindest sprecherindividuell möglich, dass linke Erstglied nur mit der Verbpartikel zu klitisieren, sodass die Doppelpartikel als Ganzes in der rechten Satzklammer und damit das Klitikon nicht alleine am rechten Rand steht, und das Basisverb (analog zu den Beispielen ((172)b.) und ((173)b.)) in V2 zu verwenden. Es ist davon auszugehen, dass Sprachbenutzer/innen dabei die Doppelpartikel als komplexe Partikel reanalysieren (vgl. ZIFONUN 1999: 218).401 Alternativ kann auch das komplette Verb (analog zu Beispiel ((197')d.)) in V2 verwendet werden; das ist aber seltener. Beide Möglichkeiten sind markiert, aber nicht unmöglich, was an dem Mismatch zwischen phonologischer und syntaktischer Struktur liegt. Wie hier ist auch der Mismatch bei den anderen besprochenen Verben zwischen morphologischer und syntaktischer Struktur auffällig. Dennoch lassen sich diese Mismatches überwinden (entweder durch Akzentverlagerung, Silbenlängung oder notfalls auch durch eine Ausweichkonstruktion), wodurch auch die lexikalische Integrität gewahrt bleibt. Überhaupt ist das eingangs aufgeworfene Problem des Verstoßes gegen die Lexical-Integrity-Hypothese nur ein vermeintliches, welches lediglich auf den Beobachtungen beruht, dass a) bestimmte Lexeme, von denen man annimmt, dass es sich um Verben handelt, syntaktisch nicht regulär benutzt werden können und dass b) all diesen ‚Verben‘ gemein ist, dass sie komplex sind. Daraus wird einfach geschlussfolgert, dass b) der Grund für a) sein muss, ohne in Betracht zu ziehen, dass die Gründe für das Sonderverhalten ganz woanders liegen könnten. Die Datendiskussion zeigte, dass es sich bei den meisten der vermeintlichen Verben um Nomina handelt, die sich auch syntaktisch wie Nomina verhalten. Syntaktische Regularitäten haben und brauchen also hier keinen Zugang zur wortinternen Struktur. Mit anderen Worten, der Grundsatz ‚keine Manipulation‘ des Lexical-Integrity-Prinzips findet keine Anwendung bzw. lässt sich anhand der sog. NonV2-Verben nicht nachweisen. Wofür die Daten aber durchaus sprechen ist, dass, wenn man wie BOOIJ (2009a: 97-98) eine strikte Trennung zwischen Morphologie und Syntax 400

401

Beispiele: (xxxiii)

Der Angeklagte gestand so gut wie gar nicht.

(xxxiv)

Unser Besuch gibt sowas von an.

(MEINUNGER 2006: 130)

Produktionsexperimente müssten zeigen, dass damit auch eine Akzentverschiebung (von úrauf- zu uráuf-) einhergeht. Mein Eindruck ist eher, dass etwas ähnliches geschieht wie bei BOHN, WIESE & DOMAHS (2011), die untersucht haben, wie Sprecher/innen mit zwei aufeinanderfolgenden betonten Silben (was eine Abweichungen von der ‚Rhythm Rule‘ darstellt) umgehen: Hier zeigt sich, dass für die Anfangssilben ein signifikanter Unterschied in der Länge besteht. Ich halte es für plausibel, dass das ur- in einem syntaktisch getrennten urauf- länger ausgesprochen wird als z.B. in der Form uraufgeführt. Dies kann aber anhand der lediglich schriftsprachlich erhobenen Daten dieser Arbeit nicht überprüft werden. Hier müssen psycholinguistische Studien folgen.

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

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aufgibt (und akzeptiert, dass phrasale Vergleichselemente als [klitisibare] bzw. Substantive kontextuell als Verben reanalysiert werden können), als einziges Merkmal für lexikalische Integrität bleibt, dass bei der Unterscheidung zwischen (komplexen) Wörtern und Phrasen, Wörter einen höheren Kohäsionsgrad aufweisen als die Phrase. Wenn die in dieser Arbeit betrachteten Lexeme als Verben in V2 verwendet werden, dann kohäsiv, also syntaktisch nicht getrennt. Dies wiederum bestärkt die These, dass es sich bei diesen nicht um NonV2-Verben handelt.

5.2. Grammatiktheoretische Einordnung Meiner Meinung nach zeigt die Beschäftigung mit NonV2-Verben, dass man, wenn man das Phänomen grammatiktheoretisch betrachtet, ein Modell braucht, das zwar einerseits stark regel- bzw. beschränkungsbasiert sein müsste (bspw. ein generatives Modell bzw. Optimalitätstheorie), um gewisse harte Constraints implementieren zu können. Andererseits muss das Modell auch weich genug sein, um dem gebrauchsbasierten Charakter bzw. dem in dieser Arbeit verfolgtem Bottomup-Ansatz gerecht zu werden. Die Regelbasiertheit lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass sich tatsächlich jedes Verb an den V2-Constraint hält und dass selbst, wenn man ein Verb (aus welchen Gründen auch immer) nicht als Vollverb in V2 verwenden kann, man doch immer eine Ausweichstrategie findet, in der ein Hilfs- oder Modalverb in der V2-Position steht, um eben dieser Regel gerecht zu werden. Allerdings scheint auch dieser Constraint nicht unumstößlich, wofür z.B. V3-Strukturen (MÜLLER 2005; BUNK 2016; WINKLER 2017) als Evidenz gelten können. Offenbar handelt es sich bei dem V2-Constraint nicht um eine uneingeschränkt anwendbare Regel, sondern, wenn überhaupt, um ein extrem häufiges Muster (bzw. Schema), „das im Rahmen bestimmter Konventionen, die sich ihrerseits aus Gebrauchsfrequenzen ergeben, produktiv auf neue Fälle übertragen werden kann.“ (HARTMANN 2016: 107) So lassen sich auch selbst Varianten der sonst so strikten Satzstruktur als Evidenz für die Grundannahmen gebrauchsbasierter Ansätze werten. Dennoch gehe ich davon aus, dass Sprachbenutzer/innen (wohl aufgrund unterschiedlich frequenter Muster) gewisse Regel (oder besser Regularitäten) bzw. Faktoren ableiten können und im Sinne FEATHERSTONs (2005b) oder BRESNANs (2007) ein (un[ter]bewusstes) Gespür für die Wirkung jedes Faktors bzw. jeder Faktorkombination auf die Wohlgeformtheit der Äußerung haben. Es gibt durchaus Faktoren, die das Vorkommen von V2-Formen – bzw. eigentlich viel allgemeiner von finiten Formen – begünstigen bzw. behindern, allerdings hat die logistische Regression gezeigt, dass deren Einflüsse sehr subtil sind (so subtil, dass es den Sprecher/innen wohl nicht bewusst auffällt). Andere Faktoren wirken etwas stärker; beispielsweise dürfte das Auftreten komplexer Erstglieder (i.d.S, dass die Erstglieder aus zwei Elementen, die auch als freies Morphem vorkommen könnten, bestehen) bei Verben als relativ starker Constraint gegen die Verwendung als Verb (in V2) zu sprechen. Letztlich gehören auch Doppelpartikelverben zu dieser

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NonV2-Verben im Deutschen

Gruppe, wobei hier die Beschränkung nicht mehr ganz so stark ist. Wohlgeformtheit und Variation werden also durch subtile Faktorkombinationen bzw. Beschränkungen hervorgerufen. Ohne das Modell im Einzelnen ausbuchstabieren zu wollen, soll ich an dieser Stelle für ein eklektisches Modell plädiert werden, d.h. eine Mischung aus gebrauchsbasiertem Modell nach BYBEE (2006, 2010), das z.B. das (an der OT angelehnte) 10-Kampf-Modell nach FEATHERSTON (2005b) integriert. Für eine gebrauchsbasierte Analyse verbalen Pseudokomposita spricht v.a. ihre starke Textsortenspezifizität bzw. -abhängigkeit. Damit sind sie sehr stark kontextgebunden. Viele der untersuchten Lexeme werden der Fachsprache zugeordnet, wobei man auch da von Kontextgebundenheit sprechen kann: klugscheiße(r)n findet sich fast ausschließlich in Internetforen; noch spezieller kommen die Verben, die Sportarten ausdrücken, überwiegend in Sportforen, Verben wie zwangsernähren und schutzimpfen hingegen in Haustierforen vor. Dadurch, dass die untersuchten Lexeme so stark auf bestimmte Kontexte beschränkt sind, treten sie entsprechend auch nur in bestimmten Konstruktionen auf. Die Gründe für die starke Konstruktionsgebundenheit können aber ganz unterschiedlicher Natur sein, z.B. Topik- und Fokusmarkierung (uraufführen, schutzimpfen), pragmatischer Druck (notlanden, zwangsernähren), formelhafte Sprache (ehebrechen, auferstehen), pragmatische Marker (klugscheißen), Brückenkontexte (bergsteigen), o.ä. Letztlich sind verbale Pseudokomposita aufgrund ihrer sehr spezifischen Semantik auf bestimmte pragmatische Funktionen festgelegt. Dies bestätigt eine der Grundannahmen gebrauchsorientierter Ansätze, dass Grammatik aus der Erfahrung der Sprachbenutzer/innen mit konkreten Token, also konkreten Wörtern und Äußerungen, hervorgeht und die syntaktische Struktur deshalb häufig mit spezifischen lexikalischen Ausdrücken verbunden ist.402 Bei verbalen Pseudokomposita ist es allerdings so, dass sie insgesamt sehr niederfrequent und die häufig wiederholten Konstruktionen nur innerhalb der Domäne des Einzellexems hochfrequent sind, weshalb die einzelne Konstruktion an sich als Chunk gespeichert wird und sich das verbale Pseudokompositum innerhalb dieser Verwendungsweise verfestigt (Entrenchment). Frequenz ist also die treibende Kraft für exemplarbasierte Speicherung und damit auch für die Kategorisierung (und Wandel). Beispielsweise sind die Lexeme, die in der Korpusstudie ausgesprochen häufig als (vermeintlich) substantivierte Infinitive auftraten, so stark als Substantive entrencht, dass sie offenbar kein verbales Paradigma (d.h. [verbal-]finite Formen) ausbilden. Nun ist starke Konstruktionsgebundenheit aber nicht mit Finitheits- oder V2-Blockierung oder, allgemeiner formuliert, Vorkommen nicht mit Wohlgeformtheit gleichzusetzen (vgl.

402

Während reine exemplarbasierte Ansätze die These ablehnen, dass Menschen Generalisierungen über Exemplare anstellen (vgl. TAYLOR 2012: 187), geht BYBEE (2010: 9, 78-80) davon aus, dass Sprachbenutzer/innen über einzelne Konstruktionen, denen sie begegnen, abstrahieren. TAYLOR (2012: 286-287) betont, dass im Gedächtnis gespeicherte Exemplare nicht als 1:1Kopien der erfahrenen Tokens missverstanden werden dürfen. Vielmehr werden die sprachlichen Rohdaten in mehrfacher Hinsicht kategorisiert, klassifiziert und analysiert (vgl. HARTMANN 2016: 16).

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

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FEATHERSTON 2005b: 200-203). Vielmehr konkurrieren syntaktische Realisierungen eines gegebenen semantischen Inhalts um den Output auf Basis bestimmter Faktoren. Dies bedeutet, dass eine bestimmte syntaktische Realisierung (z.B. Verwendung in V2) eines semantischen Inhalts zwar ziemlich gut gebildet sein kann (wie den Akzeptabilitätsurteilen zu entnehmen ist), aber praktisch niemals auftritt, einfach weil bessere syntaktische Alternativen existieren. In ähnlicher Weise kann eine syntaktische Realisierung als ziemlich schlecht beurteilt werden, jedoch erscheint sie dennoch im linguistischen Output (z.B. in den Korpusdaten), da sie für bestimmte Zwecke (z.B. Aufmerksamkeitshaschung) die beste der Menge struktureller Alternativen ist.403 Verschiedene (sprachliche und außersprachliche) Faktoren geraten folglich in einen Wettbewerb miteinander – das ist der Grundgedanke von FEATHERSTONs (2005b) „Decathlon Model“. Der Name dieses Modells leitet sich von der athletischen Disziplin des Zehnkampfes ab. Die Teilnehmer/innen nehmen an zehn verschiedenen Teildisziplinen teil und ihre Leistungen werden (standardisiert) in eine numerische Form umgewandelt. Die Summe dieser Punkte entscheidet, wer gewinnt. Allerdings werden die Punkte nicht anhand der relativen Leistung in den Teildisziplinen berechnet, sondern anhand der absoluten, was bedeutet, dass es egal ist, ob ein/e Athlet/in als Erster, Zweiter oder Dritter in einer Subdisziplin ins Ziel kommt; was zählt ist, dass er/sie seine/ihre persönliche Höchstleistung bringt. In gewissem Sinne konkurrieren die Teilnehmer/innen nicht so sehr gegeneinander, sondern gegen sich selbst. Der eigentliche Wettbewerb findet auf einer zweiten Ebene statt, wo die zehn numerischen Werte zusammengerechnet werden und der- oder diejenige mit der höchsten Punktezahl Gold erhält (FEATHERSTON 2005b: 196). Die verschiedenen relativen Leistungen lassen sich mit den in der Regressionsanalyse errechneten Wahrscheinlichkeitswerten (Odds Ratios) der einzelnen Faktoren für das Vorkommen in V2 vergleichen. Die kumulierten Wahrscheinlichkeiten (Wohlgeformtheitsbedingungen) ergeben eine Gesamtwahrscheinlichkeit für das Vorkommen in V2. Ist dieser Wert verhältnismäßig hoch (z.B. wenn es sich um ein nicht-patiensorientiertes, nicht-nominal anmutendes, stammendnebenbetontes Activity-Verb handelt), kann man davon ausgehen, dass die Form in V2 auch als grammatisch akzeptabel empfunden wird. Das muss aber noch nicht bedeuten, dass so eine Form auch geäußert wird, da eine äquivalente Ausweichkonstruktion mit z.B. einem Modalverb eine noch höhere Punktezahl erreichen würde. Die Tatsache, dass die Wahl probabilistisch erfolgt, erklärt das gelegentliche Vorkommen von suboptimalen Konstruktionen.

403

FEATHERSTON (2005b: 203) veranschaulicht dies anhand folgender Basketball-Analogie: Short people do not tend to become professional basketball players, in fact there may be no short basketball players. A ‘hard’ restriction? Plainly not. Short people can become basketball players if their other qualities (agility, speed, good aim) can make up for the disadvantage of shortness in this context. This may in practice never occur, but nevertheless the restriction is not a ‘hard’ one.

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NonV2-Verben im Deutschen

M.E. lässt sich das Zahnkampfmodell gut in ein Usage-based Modell integrieren,404 denn es macht deutlich, dass (zumindest teilweise) bewusst kognitiv auf die probabilistischen Faktoren(kombinationen) zugegriffen werden kann. Möglicherweise sind sich Sprachbenutzer/innen nicht der feinkörnigen kognitiven Arbeitsbelastung bewusst, aber grobkörnigeren Denkanstrengungen allemal, und zwar in dem Sinne, dass sie über analoge Formen nachdenken. Assoziatives Denken zeugt von einem metasprachlichen Bewusstsein. Je mehr der Faktoren für Finitheit sprechen, desto eher können in Analogie zu anderen Verben verbale Formen ausgebildet werden. Dabei helfen neben lokalen Effekten, also der Tatsache, dass Lexeme Familien bilden (führen – aufführen – aufgeführt – uraufgeführt – uraufführen – Uraufführung – Aufführung), v.a. uneindeutige Formen. Welchen Einfluss diese Formen haben bzw. über welche Schritte die Analogiebildung funktioniert, wurde bereits in Unterkapitel 3.4. angedeutet. Wichtig ist an dieser Stelle nur zu wiederholen, dass es fließende Übergänge zwischen Kategorien (hier: Wortarten) bzw. überlappende Kategorien gibt. Da sprachliche Kategorien aus konkreten Äußerungen abgeleitet sind, überschneiden sie sich gewöhnlich mit benachbarten Kategorien, die aus ähnlichen Token abgeleitet sind; Das heißt, es gibt keine klaren Grenzen zwischen ihnen. Damit bieten verbale Pseudokomposita Evidenz für eine graduelle Auffassung von Wortarten als prototypisch strukturierte Kategorien (vgl. z.B. LEHMANN 1992; CROFT 2001: 73-74, 87).405 Sie sind also an der Peripherie des Verb-Kreises – mit Überlappungen zu den peripheren Vertretern von Substantiven und Adjektiven – anzusiedeln. Da sie aber, wie gesehen keine homogene Gruppe bilden, sind sie auch in sich selbst prototypisch angeordnet. Die einzelnen Verben bzw. Verbgruppen weisen jeweils individuelle Ursprungs- bzw. prototypische Verwendungsweisen (Konstruktionen) auf, deren Reflex ein Geflecht aus Sonderverhaltensweisen darstellt, das komplexer ist als das Resultat (‚Nicht-Finitheit‘ bzw. ‚Nicht-V2-fähigkeit‘). Der Zusammenhang all dieser nicht-kanonischen Verben wird durch die Überschneidung dieses Resultats gesichert, wobei die Übergänge eher fließend sind und die Verben untereinander in einem mehr oder weniger engen Verhältnis stehen. Sie sind zueinander, aber auch zu eher prototypischen Verben gewissermaßen über Familienähnlichkeit verbunden. Mitglieder, die sich in ihren mehreren markanten Verwendungsweisen überschneiden, clustern dabei zu Subgruppen. Grafisch könnte dies in etwa so veranschaulicht werden:

404

Auch wenn dies FEATHERSTON (2005b: 203) ausdrücklich ausschließt.

405

Wie bereits in Abschnitt 3.3.3.1. gezeigt, sind auch die vorangestellten Erstglieder prototypisch nach Partikelhaftigkeit gegliedert.

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

323

Abbildung 10: Zusammenhalt verschiedener Verbtypen durch Familienähnlichkeiten (Cluster)

Hier stellt sich natürlich die Frage, woher diese Wörter, die weder wirkliche Substantive noch einwandfreie Verben sind, oder generell uneindeutige Formen kommen. Eine mögliche Lösung könnte in der Eigenschaft des Deutschen liegen, Satzpositionen aufzuweisen, die relativ lax mit Wortkategorien umgehen. Beispielsweise wird in der Literatur angenommen, dass die prädikative Position nach Kopulaverben für N>A-Konversion prädestiniert sei (vgl. ANDROUTSOPOULOS 1998: 187-193; PITTNER & BERMAN 2006). Die prädikative Funktion ist natürlich durch das regierende Element, dem Kopulaverb, festgelegt. Es verlangt von seinem Argument, dass es ein prädikatives Element ist, ist aber in den kategorialen Beschränkungen weniger strikt. Aufgrund der kategorialen Offenheit des Prädikativs und der Tatsache, dass Prädikative nicht referentiell sind, sondern Eigenschaften zuschreiben, und dass Prädikatsnomina über bestimmte adjektivische Eigenschaften wie Koordinierbarkeit mit Adjektiven verfügen (PITTNER & BERMAN 2006: 234-240), wird die Umkategorisierung egal welchen Lexems zu einem Adjektiv in dieser Position stark begünstigt. Sobald ein Lexem als Adjektiv verstanden wird, entsteht ein Bedürfnis, es über die prädikative Position hinaus auch in adverbialer und attributiver Position zu verwenden. Dies ist allerdings nicht in allen Fällen möglich ((176)b.) bzw. das Konvertat kann keine Flexionsmorpheme erhalten ((175)c.). Entsprechende Lexeme oszillieren noch zwischen ihrem Ursprungs- (z.B. Substantiv- oder Präpositions-) und Adjektivstatus. Erst die Verwendung des Konvertats in allen drei Grundpositionen eines Adjektivs bedeutet idealerweise die Vollendung des Konversionsprozesses. Dieser ist allerdings sehr sprecherindividuell (dennoch scheint es bereits Sprecher/innen zu geben, die [sprachspielerische] Beispiele wie ((177)c.) akzeptieren).

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NonV2-Verben im Deutschen

(174)

Die Party war schön.

(175) a. Die Party war Klasse. b. eine klasse Party c. *der klassen Party (176) a. Die Party war okay. b. ?eine okaye Party (177) a. Der Arm ist ab. b. */? der appe Arm c. ? Lieber dranner Arm als apper Arm! (178)

Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna.

GAETA (2014: 233-238) geht sogar einen Schritt weiter, indem er der prädikativen Position eine dekategorisierende Eigenschaft nachsagt. Ihm zufolge verlieren Elemente, die dort stehen, ihre wortartinhärenten Merkmale, weshalb es eben leicht zu N>A-Konversionen kommen kann. Letztlich kann hier aber jedes Lexem stehen und aufgrund der Dekategorisierung zu jeder Wortart gehörig uminterpretiert werden. So erweist sich die Position am Ende eines (Teil-)Satzes als besonders reanalysefreudig. Elemente, die sich dort befinden, können folglich auch als zur rechten Satzklammer gehörig uminterpretiert werden. Gerade bei Funktionsverbgefügen, Resultativkonstruktionen oder Kopulaverb-Prädikativum-Konstruktionen (wie dem Zustands- oder Rezipientenpassiv) ist z.B. oft unklar, ob der zweite Teil noch im Mittelfeld steht oder bereits in der rechten Satzklammer (zu Übergangsbereichen bei der Klammerbildung vgl. z.B. WÖLLSTEIN 22014: 37; GRANZOW-EMDEN

2

2014: 70-72; PITTNER & BERMAN 2015: 91-92). Auch ist eine generelle Reanalyse

als Verb möglich, zumal es sich bei den die prädikative Funktion auslösenden Kopulaverben um polyfunktionale Verben handelt, die auch als Voll- und v.a. Hilfsverben gebraucht werden können. Allerdings sind hier die kategorialen bzw. strukturellen Restriktionen etwas strenger: entsprechende Wörter müssen auf -en auslauten, welches als Infinitivmarker uminterpretiert werden kann, oder formgleich mit einem Partizip sein. Darüber hinaus muss der letzte Teil des Wortes auch als Verb interpretierbar sein.406 Dabei können Elemente, die vor dem entsprechenden Verb stehen (Argumente oder Modifikatoren), inkorporiert werden, denn nur in dieser Position ist eine für die Reanalyse notwendige Kontaktstellung von Verb und Erstglied gegeben. Aufgrund dieser Funktionsambiguität von Nomen und Verb entstehen komplexe Wörter, die einen verbalen Bestandteil haben und somit als Verben interpretiert werden und auch entsprechende Flexionsendungen erhalten können. In der Folge entsteht ein Bedürfnis, diese Verben auch in ihrer typischen Standardposition in deklarativen Hauptsätzen, also in V2-Stellung, zu verwenden. Da es sich hierbei allerdings nicht um ein vollwertiges Verb handelt, sondern vielmehr um ein ‚Nomen, das ein Verb sein will‘, kommt es zu einem Semantik-Morphosyntax-Mismatch, quasi einer kognitiven Dissonanz. Das Resultat ist die Vermeidung dieser Position, also Nicht-V2-Fähigkeit. Hat sich die Interpretation als Verb allerdings etabliert, kann sie sich auf andere verbale Kontexte ausdehnen. Dieser Prozess

406

Dies deckt sich mit AHLERS‘ (2010: 60) Beobachtung, dass es zu NonV2-Verben immer ein zugehöriges Simplexverb geben muss.

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

325

ist jedoch sehr dynamisch und sprecherindividuell. Je öfter individuelle Sprecher/innen ein komplexes Lexem als Verb verwenden bzw. je nützlicher diese Verwendungsweise für sie wird (vgl. MCINTYRE 2001: 59), desto verbaler empfinden sie diese. Sicherlich spielt dabei auch der Lexikalisierungsgrad eine nicht zu unterschätzende Rolle (vgl. PLANK 1981: 165). Diese Verben stehen dann entweder als Ganzes in V2 (die Fragebogendaten lege nahe, dass dies der Normalfall ist, vgl. auch bauchpinseln) oder sie werden – wenn die Kontexte stimmen (siehe z.B. brustschwimmen in Abschnitt 3.3.2.1.4.3.) – in Analogie zu den Partikelverben getrennt. (179)

Sie [[magV] [BaumhäuserN]]VP.

(180) a. Er [[magV] [das Bausparen]NP]VP. b. Er [[magV] [BausparenN]NP]VP. c. Er [magV bausparenV]VP. (181) a. Sie [[magV] [den Bauch]NP [pinselnV]]VP. b. Sie [[magV] [bauchNpinselnV]V]VP. c. Sie [[bauchpinselt]V gern]VP.

(Objektinkorporation)

(182) a. Er [[schwimmtV] [100m-Brust]NP]VP. b. Er [[schwimmtV] [100m]AdvP [Brust]NP]VP. c. Er [[schwimmtV] [100m]AdvP [Brust]Verbpart.]VP. (183) a. b. c. d.

Das Stück wird [aufgeführtPart]. Das Stück ist [aufgeführtAdj]. Das Stück ist [ur-] [aufgeführtAdj]. Das Stück wird [uraufgeführtPart].

(Präfigierung)

Dabei ist, da die (Teil-)Satzendposition relativ offenkategorial ist, die Besetzung nicht auf bestimmte Wortbildungsprodukte beschränkt. Letztlich kann hier (im Gegensatz zu anderen Positionen im Satz, bspw. der V2-Position, wo nur finite Verben stehen können) alles auftreten. Dass die Position prototypisch für Verben ist und somit die Umkategorisierung zu solchen begünstigt, ist darüber hinaus ein weiteres Argument dafür, dass sie die Basisposition für Verben im Deutschen bildet und das Deutsche somit eine SOV-Sprache ist. Generell sprechen diese uneindeutigen Formen und die Tatsache, dass z.B. stammendbetonte Verben (Partikel-Präfix-Verben, Verben auf -ieren), deren Partizip II homonym zur 3.SG.PRÄS ist, besser in V2 funktionieren, für eine Oberflächengrammatik, die nicht aus Regeln abgeleitet ist, sondern (qua Analogie) aus existierenden Formen. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass bei bestimmten Verben Topikalisierungen des Erstglieds möglich sind – dies entspricht Konstruktion „A4: P in VF, V in LK“ bei HEINE, JACOBS & KÜLPMANN (2010: 39) – und diese Formen akzeptabler sind, als manch andere (ebd.: 43-44, 46). (184)

Meine ersten Wk hab ich auch mit dem Trekkingrad gemacht und Brust schwimm ich heut noch. 1102108632 (http://www.x-athlon.de/forum/archive/index.php/t-1379.html)

Dies kann nur durch die (vermeintlich) wiederhergestellte Adjazenz der ursprünglichen Teilglieder erklärt werden, wodurch die semantische Dekodierung Erstglied+V-Kombinationen erleichtert wird. Das kann durch einen regelbasierten Ansatz, der mehrere syntaktische Bewegungen annehmen muss, wodurch die semantische Transparenz vermeintlich zerstört wird, nicht erklärt

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NonV2-Verben im Deutschen

werden. Auch dies spricht wieder für einen gebrauchsbasierten Ansatz, der keine Trennung zwischen Morphologie und Syntax (d.h. keine Module) vorsieht, sondern holistisch operiert (BYBEE 2010: 9). Die in dieser Arbeit immer wieder angeführten verschiedenen sprachlichen Ebenen sind damit eher heuristischer Natur. Des Weiteren spricht folgendes für eine Oberflächengrammatik: In den seltenen Fällen, in denen verbale Pseudokomposita finit auftreten, handelt es sich vorwiegend um finite Formen, die homonym zu infiniten Formen sind. Bei den stammendbetonten Verben ist das die 3.SG.PRÄS. (analog zum Partizip II) und bei Verben wie klugscheißen und zwangsernähren die 1. und 3.PL.PRÄS. (analog zum Infinitiv in der am häufigsten verwendeten Modalverbkonstruktion). Dies erleichtert offenbar die Gewöhnung an diese Formen. Wobei bei den meisten verbalen Pseudokomposita, bei denen aufgrund eines pragmatischen Drucks z.B. der Erstglieder not- bzw. zwangs- ohnehin eine Modalverbkonstruktion getriggert wird, eingeräumt werden muss, dass auch sie – wenn sie denn finit auftreten – meist in den 3. Personen vorkommen. Aber auch das spricht letztlich nur für probabilistische Verknüpfungen, die durch Ähnlichkeit und häufiges Miteinanderauftreten (Kookkurrenz) bestimmt sind, zumal die 3. Personen generell am frequentesten sind und sie somit analogisch einfacher gebildet werden können. Es bestehen also klar assoziative Verbindungen zu anderen Verben (v.a. Basisverben), wie dies in Abschnitt 3.4. bereits illustriert wurde, aber auch zu entsprechenden Substantiven. An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass diese Verbindungen relativ schwach sind, da die Verben an sich eher niederfrequent sind. Damit haben Sprachbenutzer/innen selten die Gelegenheit neue verbale Pseudokompositumstoken mit ihrer bestehenden Exemplarrepräsentation (die, wenn überhaupt, meist aus einer bestimmten Konstruktion besteht) abzugleichen und anzupassen. Versucht ein/e Sprecher/in in Analogie zu anderen Verben und unter unbewusster Anwendung der probabilistischen Restriktionen (die die logistische Regression versucht hat zu modellieren) finite Formen (in V2) zu bilden, kann es zu Unsicherheiten in der Verwendung und z.T. auch in der Formenbildung kommen. Andere Sprachbenutzer/innen haben eine solche Form mitunter noch nie gehört, weshalb sie sie möglicherweise nicht akzeptabel finden. Dies zeigt sich in den sehr unterschiedlichen Akzeptabilitätsgraden der Fragebogenstudienergebnisse. HARTMANN (2016: 17) schreibt, dass eine relativ breite Streuung in den Akzeptabilitätsurteilen von der graduellen Natur der jeweiligen Restriktionen [zeugt], was ebenfalls den Annahmen des gebrauchsbasierten Paradigmas entspricht: Ein regelbasierter Ansatz würde annähernd gleiche Bewertungen für Testitems vorhersagen, die die gleiche Restriktion verletzen; ein gebrauchsorientierter Ansatz indes bezieht […] Faktoren wie die unterschiedliche Frequenz […] mit ein und rechnet folglich mit Schwankungen“.

Hier zeigt sich auch, dass der konventionalisierte Charakter von sprachlichen Einheiten graduell ist: Das gleiche Zeichen ist für die Mitglieder einer bestimmten Sprachgemeinschaft nicht zwangsläufig gleich stark konventionalisiert.

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

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Ein Grund, warum diese Verben so selten sind, liegt sicherlich darin, dass sie nicht unbedingt benötigt werden, da entsprechende (komplexe) Substantive und v.a. Syntagmen zur Verfügung stehen. Dennoch können diese (komplexen) Substantive oder Syntagmen kondensiert als Verb benutzt werden – auch hier zeigt sich die Gebrauchsbasiertheit –, um entweder Satzinhalte verknappt wiederzugeben, um Ereignisse bzw. Situationen aus der Geschehensperspektive darzustellen, um unter Verwendung von Fachsprache kompetent zu wirken oder um einfach nur sprachspielerisch kreativ Aufmerksamkeit zu erregen. Es sind also unterschiedliche kommunikative Intensionen am Werk und unterschiedliche Verwendungsweisen haben unterschiedliche kommunikative Funktionen. Zwar ist der semantische Unterschied zwischen den verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten teilweise sehr subtil, aber dennoch sind sie nicht äquivalent. Die kondensierten Non-V2-Verb-Formen (in welcher Konstruktion auch immer) dienen, abstrakt betrachtet, wie für die Wortbildung (insb. Komposition) generell üblich, v.a. der Benennung für relativ festumrissene Kategorien, wohin gegen die phrasalen Ausweichkonstruktionen in der Syntax eher beschreibende Funktion haben (BECKER 1992: 16; ERBEN 52006: 24-25; vgl. HÜNING & SCHLÜCKER 2010: 793; s. aber SCHLÜCKER & PLAG 2011). Dies zeigt auch, dass Sprache dynamisch ist und Muster nicht ohne ihr Entstehen erklärt werden können. Ob der Vorschlag der reanalysefreudigen (Teil-)Satzendposition Aussagen über die Entwicklung bzw. Diachronie der einzelnen Verben bzw. verbalen Pseudokomposita generell erlaubt, bleibt zu prüfen. Der in Abschnitt 3.4. aufgestellten Akzeptabilitätsskala entspricht er aber. Auch wenn in der Arbeit selbst keine diachronen Daten erhoben wurden, vertritt der Autor diese Grundannahme, dass keine Trennung von Synchronie und Diachronie vorgenommen werden kann, und nimmt an, dass die Stufen der implikativen Akzeptabilitätsskala auch diachrone Entwicklungsstufen darstellen können. V.a die Übergangsbereiche von nominalen Formen wie Substantiv oder Partizip zu infiniten Verbalformen sind bisher gut beschrieben (Brückenkontexte). Anhand der Regression konnte darüber hinaus ein Beitrag geleistet werden, auch die anderen Übergangsbereiche, die bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden haben, etwas genauer zu beleuchten. Für den Übergang zu finiten Formen (der 1./3.PL.PRÄS), wurde bereits auf die Homonymie zum Infinitiv hingedeutet. Offenbar ist es zudem einfacher, finite Formen auszubilden, wenn das Verb nicht komplex ist. Handelt es sich allerdings um ein komplexes Verb kann sich eine Stammendnebenbetonung als förderlich erweisen, eben aufgrund der 3.SG-Partizip II-Homonymie. Auf welche Art ein Verb entstanden ist, ist allerdings nebensächlich. Wichtiger wirken semantische Faktoren wie Agentivität (Activity-Verb) und Idiomatizität zwischen Erstglied und Basisverb. Verben, die eher patiensorientiert und telisch sind bzw. generell viele nominale Merkmale aufweisen, fällt es schwerer, finite Formen auszubilden. In Anbetracht der Ergebnisse der zweiten Regression, die ergeben hat, dass es unabhängig von den

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NonV2-Verben im Deutschen

finitheitshemmenden Faktoren (mit Ausnahme der Doppelpartikligkeit) keine stellungsrestringierenden Faktoren gibt, ist es nicht unbedingt nötig, noch eine weitere Stufe in der Akzeptabilitätsskala anzunehmen. Die letzte Stufe der Skala würden einfach nur finite Formen generell bilden, die in Abhängigkeit des syntaktischen Kontexts entweder in VL- oder (durch unabhängige Gründe eventuell eingeschränkt) in V2-Position stehen.

5.3. Desiderata Selbstverständlich muss diese implikative Skala in weiteren Forschungen noch einmal diachron überprüft werden. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die in dieser Arbeit eingeführte Skala; auch die Aussage- bzw. Vorhersagekraft der etablierten Akzeptabilitätsskalen sind hinsichtlich diachroner Entwicklungen bzw. der Eingliederung in Paradigmen meines Wissens bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Generell steht, wie in Abschnitt 3.3.3.4. bereits angedeutet eine umfassende sprachhistorische Untersuchung der NonV2-Verben noch aus. Insbesondere da gebrauchsbasierte Ansätze davon ausgehen, dass eine Trennung von Synchronie und Diachronie nicht möglich ist, kann der Erklärungsversuch dieser Arbeit nur als tentativ und vorläufig betrachtet werden, so dass das Thema noch einmal aus einer diachronen Perspektive bearbeitet werden sollte. Dabei ist zu beachten, dass sich aufgrund der Seltenheit des Phänomens und der niedrigen Gebrauchsfrequenz der entsprechenden Lexeme die Datenakquise als sehr schwierig gestalten wird. Da die meisten der untersuchten Verben verhältnismäßig jung sind, bieten sich hier v.a. Studien zur Mikrodiachronie an. In den letzten Jahren sind aber auch verschiedene groß angelegte, morphologisch und syntaktisch annotierte Referenzkorpora der historischen Sprachstufen entwickelt worden, die als Grundlage für weitergehende makrodiachrone Untersuchungen dienen können, um z.B. die etablierten NonV2-Verben in ihrer langfristigen Entwicklung zu verfolgen.407 Wenn, wie in Abschnitt 3.3.3.4. erwähnt, im Mittelhochdeutschen verbale Pseudokomposita in ihren finiten Formen im Hauptsatz durchaus geläufig waren (vgl. ÅSDAHL HOLMBERG 1976: 17-18; ESCHENLOHR 1999: 149), dann stellt sich die Frage, ob es zum Neuhochdeut-

schen hin einen noch nicht erkannten (syntaktischen) Wandel gab, der diese Verwendung einschränkt. Andersherum müssen natürlich auch Verben in ihrer Entwicklung verfolgt werden, von denen angenommen werden kann, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt als defektiv galten, aber heute V2-fähig sind, um Rückschlüsse über Prinzipien und Möglichkeiten der Eingliederung von Lexemen ins verbale Paradigma zu ziehen. Eine derartige diachrone Untersuchung

407

S. z.B. die Referenzkorpora zum Althochdeutschen (http://www.deutschdiachrondigital.de/home/), Mittelhochdeutschen (https://www.linguistics.ruhr-uni-bochum.de/rem/index.html) und Frühneuhochdeutschen (http://www.ruhr-unibochum.de/wegera/ref/). Darüber hinaus wurde das Deutsche Textarchiv (DTA) (http://www.deutschestextarchiv.de/) in den letzten Jahren stark ausgebaut. Im LAUDATIO-Repository (http://www.laudatio-repository.org/repository/ view) befinden sich einige historische Korpora.

NonV2-Verben – ein Geisterphänomen?

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vermag obendrein empirische Evidenz dafür zu liefern, ob und inwieweit eine Umkategorisierung von Nomen zum Verb, wie in dieser Arbeit für die (Teil-)Satzendposition vorgeschlagen, an bestimmte syntaktische Positionen geknüpft ist. Aber auch synchron sollten die in dieser Arbeit erlangten Erkenntnisse noch einmal empirisch überprüft werden, indem die Regressionsanalyse mit einem Sample durchgeführt wird, das eine repräsentative Auswahl sowohl an verbalen Pseudokomposita als auch an kanonischen Verben – und möglicherweise auch nur kanonischen Verben – enthält, um unabhängige Evidenz dafür zu erhalten, ob die gefundenen stellungs- bzw. finitheitsrestringierenden Faktoren nicht nur für NonV2-Verben greifen, sondern für Verben generell. Um zu überprüfen, ob es sich wirklich nur um finitheitshemmende Faktoren handelt, sollte außerdem die Experimentalstudie repliziert werden, allerdings mit einem Fragebogen, in dem auch finite Formen in VL abgetestet werden. Dort und an anderer Stelle zeigte sich, dass möglicherweise phonologische Faktoren einen subtilen Einfluss haben (Initialbetonung, Stammendnebenbetonung, Klitisierung); dies kann aber an rein geschriebenen Daten nicht überzeugend dargelegt werden. Auch hier sind weitere Untersuchungen, z.B.: Produktionsstudien mit gesprochenem Material, notwendig. Überhaupt ist davon auszugehen, dass es noch weitere Faktoren gibt, die Finitheit bzw. V2 hemmen, die es auszumachen gilt. Beispielsweise sprechen die erhobenen zwar für eine Tendenz zur Univerbierung, sprecherindividuell wird aber auch (v.a. bei Doppelpartikel) getrennt. Hier stellt sich die Frage, ob es Sprachbenutzer/innen gibt, die generell eher zu Klammerstrukturen neigen, und welche Faktoren dies bedingen mögen. Es hat sich gezeigt, dass v.a. semantische und pragmatische (insbesondere kontextuelle) Faktoren zudem eine Rolle spielen, sodass nach weiteren dieser Art gesucht werden muss. Entsprechend steht auch noch eine präzisere grammatiktheoretische Ausformulierung bzw. Modellierung aus. Auf noch abstrakterer Ebene eignen sich die besprochenen Verben z.B., um einen Beitrag zur Ausnahmendiskussion und der Frage zu leisten, ob und wie Morphologie, Syntax und Semantik, aber auch Gebrauchsfrequenz bei der Stabilisierung oder beim Abbau von grammatischen Ausnahmen interagieren (SIMON & WIESE 2011). In jedem Fall lohnt sich eine weiterführende Betrachtung dieses hochinteressanten Schnittstellenphänomens, da es sich in den Randbereichen zwischen Wortbildung und Syntax, aber auch Phonologie, Semantik und dem Lexikon sowie Pragmatik bewegt und ein tieferes Verständnis der verbalen Pseudokomposita auch zu einem tieferen Verständnis der Natur von möglichen morphosyntaktischen Strukturen bzw. Sprache allgemein beitragen kann.

6. Schlussbemerkungen Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit dem eigentümlichen Phänomen, dass sich bestimmte komplexe Verben im Deutschen gegen die Anforderung sperren, in Hauptsätzen die zweite Strukturposition (V2) einzunehmen. In VL-Stellung können sie aber problemlos finit vorkommen. Um dieses Sonderverhalten zu erklären, gibt es in der einschlägigen Literatur bereits einige Ansätze. In der Regel wird die Stellungsrestriktion auf einen Konflikt zwischen der Anforderung das Erstglied syntaktisch zu trennen, mit der Anforderung, es nicht zu trennen, zurückgeführt, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Insbesondere Doppelpartikeln können weder als Ganzes getrennt werden, noch einzeln. Andere Ansätze suchen den Grund in der Interpretierbarkeit zwischen Erstglied und Basisverb, die durch syntaktische Trennung zerstört werden würde, oder in der Genese bzw. relativen Neuheit der Lexeme, weshalb noch nicht alle bzw. unsichere Formen ausgebildet wurden. Darüber hinaus wurde eine Reihe weiterer Eigenschaften von verbalen Pseudokomposita zusammengetragen, die als stellungsrestringierende Faktoren gelten können. Dabei klaffen die Beurteilung der einzelnen Autor/innen, welche Beispiele als V2-fähig gelten und welche nicht, stark auseinander. Hier zeigte sich eine eklatante Forschungslücke, insofern als dass die einschlägigen Verben bislang nie empirisch erfasst worden sind. Die empirische Aufarbeitung und damit die Sicherung der Faktenlage war erklärtes Ziel und Kernstück dieser Arbeit. Um aber eine Antwort auf die Frage zu finden, was diese Stellungsrestriktion hervorruft, musste zunächst gefragt werden, um was für (eine Art) Lexeme es sich bei den sog. NonV2-Verben überhaupt handelt bzw. ob sie eine eigene Klasse bilden. Hierfür wurden zunächst Verben verschiedener Komplexitätsgrade (Präfixverben, Partikelverben, mehrfach komplexe Verben, Verben auf -ieren) hinsichtlich ihrer paradigmatischen Vorkommen empirisch untersucht und gezeigt, dass sie sich nicht anders verhalten als Simplexverben. Dies bezeugt, dass Komplexität allein nicht V2-hemmend wirkt. Das Verhalten dieser kanonischen Verben kann wie folgt charakterisiert werden: Finite Verbformen kommen deutlich häufiger vor als infinite; nominalisierte Formen sind dabei eher selten. Als Vergleichswert am wichtigsten ist, dass die Verteilung auf Hauptsätze und Nebensätze in einem Verhältnis von 70 zu 30 erfolgt. Daraus ergibt sich auch der angewendete Binomialfaktor zur Überprüfung, ob ein Verb ein NonV2-Verb ist oder nicht. Bei diesen ist die Verteilung genau umgekehrt: infinite – v.a. nicht verbale – Formen herrschen vor; wenn überhaupt finite Formen vorkommen, dann häufiger in VL. Vor dieser Hintergrundfolie wurden zu ausgewählten verbale Pseudokomposita, die in der Literatur als NonV2Verben benannt wurden, umfangreiche Korpusstudien durchgeführt, die z.T. durch eine Fragebogenstudie komplementiert wurden. Anhand von Fallstudien wurden die vorgeschlagenen stellungsrestringierenden Faktoren bzw. Kriterien diskutiert. Dabei stellte sich zunächst heraus, dass

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1_6

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NonV2-Verben im Deutschen

sich die verschiedenen Verben untereinander höchst unterschiedlich verhalten. Verbale Pseudokomposita bilden also keine (einheitliche) Klasse. Vielmehr lassen sich verschiedene Gruppierungen ausmachen, wobei eine Reihe von Verben äußerst häufig entweder nur als substantivierter Infinitiv oder im Partizip II auftritt. Unter den Partizip-affinen Verben, die meist im Passiv vorkommen, befinden sich auch viele Doppelpartikelverben, die v.a. in der Fragebogenstudie die schlechtesten Akzeptabilitätswerte elizitierten. Anhand verschiedener verbaler Pseudokomposita, die unterschiedliche Erstgliedkombinationen aufweisen (Doppelpartikel, Partikel-Präfix, nur ein Erstglied, sowie vergleichbarer kanonischer Verben (i.d.R. deren Basisverben) wurde versucht zu zeigen, dass die (vermeintliche) Stellungsrestriktion möglicherweise nur ein Reflex informationsstruktureller Rahmenbedingungen ist, insofern als dass Sprachbenutzer/innen aufgrund der inhärenten Patiensorientiertheit Formen bevorzugen, die das Agens unterdrücken und die anderen thematische Rollen im Satz fokussieren. Dass dies nicht eindeutig belegt werden konnte, zeugt davon, dass beide Faktoren (Doppelpartikligkeit oder Patiensorientiertheit) einen Einfluss haben. Die substantivierten Infinitive wurden indessen als infinitivische Substantive, genauer als nominale Kontinuativa (Massennomen), analysiert. Ähnliches trifft auf Lexeme zu, die keine verbalfiniten, dafür aber viele adjektivische Formen aufweisen; diese sind vielmehr als N+A-Komposita bzw. PseudoPartizipien anzusehen. Es handelt sich also bei einem Großteil der untersuchten Lexeme gar nicht um Verben, sondern um Mitglieder anderer Kategorien, die allerdings mitunter (per Konversion) als Verben verwendet werden können, um einen speziellen kommunikativen Effekt zu erzielen. Bei anderen Lexemen lässt sich, trotz einer teilweise starken Konstruktionsgebundenheit bzw. Variation in der Formenbildung, keine V2-Hemmung feststellen. So konnte gezeigt werden, dass viele verbale Pseudokomposita keine NonV2-Verben sind. Bei den genuinen NonV2-Verben hingegen bestätigten sich die Thesen, dass Rückbildung zu defektiven Paradigmen und dass die Produktivität eines Erstglieds zu Partikelverbbildung führt, nicht. Allerdings kann Rückbildung mittelbar zu gewissen Oberflächenstrukturen wie z.B. Doppelpartikelverben oder Verben mit verbuntypischen Betonungsmustern führen, die einen Einfluss auf die V2-Fähigkeit haben können. Dies konnte anhand der Einzelstudien jedoch nicht eindeutig gezeigt werden. Offenbar interagieren, kumulieren und konkurrieren verschiedene Faktoren miteinander. Allen untersuchten Lexemen ist aber gemeinsam, dass sie innerhalb der Domäne des Einzellexems stark konstruktionsgebunden sind. Diese Konstruktionen können als das Einfallstor ins verbale Paradigma gewertet werden. Die Daten erforderten dabei aber eine Revidierung bestehender implikativer Akzeptabilitätsskalen, wobei der neue Vorschlag verschiedene Integrationswege zulässt und als mehrdimensional zu verstehen ist. An zwei der vorgeschlagenen Übergangsbereiche der Skala setzte die im Anschluss durchgeführte logistische Regressionsanalyse an. Ihr Ziel war es, Wahrscheinlichkeitsvorhersagen darüber zu treffen, wie groß der Einfluss einzelner Faktoren auf das Vorkommen in V2 ist (V2-

Schlussbemerkungen

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Regression). Es konnte gezeigt werden, dass viele der in der einschlägigen Literatur diskutierten Faktoren tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Wahl der syntaktischen Konstruktion haben, der meist aber sehr subtil ist. Der mit Abstand stärkste Faktor ist aber die Patiensorientiertheit, gefolgt von Nominalitaet und Aktionsart telischer Verben – alles Faktoren, die bislang in der Literatur vernachlässigt wurden. Dabei stehen diese in einem engen Zusammenhang: v.a. Achievement-Verben gelten als nicht-agentiv, was sie in die Nähe von geschehensperspektivierenden Verben rückt. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Verben in einer Konstruktion verwendet werden, die das Agens ausblendet (z.B.: Passivkonstruktionen, Infinitivkonstruktionen mit lassen), da es aus dem Kontext erschließbar ist. Die Eigenschaft ihrer zeitlichen Abgeschlossenheit (‚boundedness‘) teilen sie v.a. mit prototypischen Substantiven, was sie wiederum näher zum nominalen Pol rückt. Bei genauerer Betrachtung der Faktoren muss man allerdings feststellen, dass diese Faktoren keine genuin V2-hemmenden sind, sondern eigentlich (viel genereller) finitheitshemmende Faktoren (Finitheits-Regression). Dies und der empirische Befund, dass sich die meisten der untersuchten Lexeme entweder wie kanonische Verben verhalten oder Mitglieder anderer Wortarten sind, lässt den Schluss zu, dass es das Phänomen der NonV2-Verben eigentlich gar nicht gibt (bzw., dass es sich um ein Epiphänomen handelt). Als einziger genuin V2-hemmender Faktor konnte das Vorhandensein einer Doppelpartikel ausgemacht werden. Aber selbst Doppelpartikelverben lassen sich mit anderen Mitteln erklären, beispielsweise, wenn man die linksperiphere Partikel ähnlich wie skopuseinschließende Vergleichselemente als Klitikon analysiert. Sprecherindividuell kann die Doppelpartikel auch als komplexe Partikel reanalysiert werden, was möglicherweise mit einer Änderung der prosodischen Verhältnisse einhergeht. Dies muss allerdings in Folgestudien erhoben werden. Generell können nicht alle hier vorgeschlagenen Ansätze mithilfe der erhobenen Daten überprüft werden. Weitere Forschungsdesiderata bilden eine diachrone Untersuchung der untersuchten Lexeme, sowie eine Replikation der Regressionsanalysen mit einem ausgewogenen Datenset. Die vorliegende Arbeit selbst ist v.a. als empirisch-explorativ zu betrachten. Sie lieferte erstmals umfangreiche Daten zu vermeintlichen NonV2-Verben. In Bezug auf die grammatiktheoretische Einbettung wurde der Vorschlag unterbreitet, dass sich das Verhalten der untersuchten Lexeme am besten mittels eines gebrauchsbasierten Modells analysieren lässt (das sensibles sprachliches Wissen über Wahrscheinlichkeiten anhand eines 10-Kampf-Modells integriert). Die untersuchten verbalen Pseudokomposita selbst liefern dabei weitere Evidenz für eine graduelle Auffassung von Wortarten als prototypisch strukturierte Kategorien. Dabei handelt es sich bei ‚NonV2-Verben‘ um kategoriell uneindeutige Lexeme, die sich in den Peripheriebereichen von bzw. zwischen Verben, Substantiven und Adjektiven befinden. Damit lässt sich die vermeintliche Stellungsrestriktion vereinfacht wie folgt erklären: „Wenn man eh kein schönes Verb sein will, kann man auch auf die V2-Position pfeifen.“ (Tanja ACKERMANN p.c.)

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Sämtliche Onlinequellen wurden zuletzt am 19.01.2020 überprüft.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 C. R. Forche, NonV2-Verben im Deutschen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61926-1

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