»Nit wenig verwunderns und nachgedenkens«: Die »Reichstagsakten - Mittlere Reihe« in Edition und Forschung 9783666360831, 9783647360836, 9783525360835

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»Nit wenig verwunderns und nachgedenkens«: Die »Reichstagsakten - Mittlere Reihe« in Edition und Forschung
 9783666360831, 9783647360836, 9783525360835

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Schriftenreihe

der Historischen Kommission bei der

Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Band 92

»Nit wenig verwunderns

und nachgedenkens«

Die »Reichstagsakten – Mittlere Reihe« in Edition und Forschung Herausgegeben von

Eike Wolgast

Redaktion:

Dietmar Heil

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Schriftenreihe wird herausgegeben

vom Sekretär der Historischen Kommission:

Helmut Neuhaus

Mit 9 Abbildungen

Umschlagabbildung: Titelblatt zum Abschied des Reichstags in Trier

und Köln 1512, gedruckt bei Johann Schöffer in Mainz (Ausschnitt)

© Landeshauptarchiv Schwerin (Sign.: RTA I [Schweriner Archiv], Nr. 24, fol. 16)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar.

ISBN 978-3-647-36083-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: w w w.v-r.de

Gedruckt mit Unterstützung der Franz Schnabel Stiftung

und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen /

Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A.

www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen

schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany.

Satz: textformart, Göttingen | w ww.text-form-art.de

Druck und Bindung: A Hubert & Co, Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Helmut Neuhaus

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eike Wolgast

Einführung: Zur Geschichte und Entwicklung

der Edition »Deutsche Reichstagsakten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dietmar Heil

Per aspera ad acta. Ein Werkstattbericht zur Edition der Deutschen

Reichstagsakten aus der Zeit Kaiser Maximilians I. . . . . . . . . . . . . .

19

J. Friedrich Battenberg

Maximilian I. und die Juden im Heiligen Römischen Reich . . . . . . . .

45

Horst Carl

Reichstage – Bundestage – Landtage.

Foren politischer Kommunikation im Reich Maximilians I. . . . . . . . .

71

Reinhard Seyboth

Politik und religiöse Propaganda. Die Erhebung des Heiligen Rockes

durch Kaiser Maximilian I. im Rahmen des Trierer Reichstags 1512 . . .

87

Bibliographische Übersicht: Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe.

Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. (1486–1519) . . . . . . . . 109

Bildnachweis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Register

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Vorwort

Die »Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Aka­ demie der Wissenschaften« ist wiederholt der Publikationsort gewesen, an dem über den Fortgang der Arbeiten an der großen Edition der »Deutschen Reichs­ tagsakten« des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit berichtet wurde. 1986 gab Heinrich Lutz, der Abteilungsleiter der »Jüngeren Reihe« des Unterneh­ mens, zusammen mit Alfred Kohler einen Band unter dem Titel »Aus der Ar­ beit an den Reichstagen unter Kaiser Karl  V. Sieben Beiträge zu Fragen der Forschung und Edition« (Bd. 26) heraus. Zwei Jahre später ließen Heinz Anger­ meier, der Abteilungsleiter der »Mittleren Reihe«, und Erich Meuthen, der der »Älteren Reihe«, zu dem Thema »Fortschritte in der Geschichtswissenschaft durch Reichstagsaktenforschung« (Bd.  35) eine Dokumentation der Vorträge folgen, die 1986 auf dem 36. Deutschen Historikertag in Trier in einer gleich­ namigen Sektion gehalten worden waren. Je ein Editor aus den schon genannten Abteilungen sowie aus der neu gegründeten Abteilung »Reichsversammlungen 1556–1662« referierten anhand zentraler Themen ihrer Reichstagsepochen über die Bedeutung von Reichstagsakten im deutschen und europäischen Kontext. Der 1991 von Erich Meuthen vorgelegte Band »Reichstage und Kirche« (Bd. 42) ließ in vergleichbarer Weise zehn Editoren aus den vier Abteilungen zu Wort kommen. Ihre Beiträge gingen zurück auf ein Kolloquium der Historischen Kommission am 9. März 1990 in München. Und schließlich ist der von Maxi­ milian Lanzinner, Leiter der Abteilung »Reichsversammlungen 1556–1662« von 2003 bis 2014, zusammen mit Arno Strohmeyer im Jahre 2006 herausgegebene Band »Der Reichstag 1486–1613. Kommunikation – Wahrnehmung – Öffent­ lichkeiten« (Bd. 73) zu nennen, der mit 21 Vorträgen – aktuelle Forschungsten­ denzen aufgreifend und auf den Reichstag beziehend – eine große internationale Tagung vom 25. bis 27. September 2003 in Bonn dokumentiert. An diese Publikationen schließt der vorliegende Band mit vier Beiträgen an, die auf einen Workshop zu den »Deutschen Reichstagsakten, Mittlere Reihe« am 8. Oktober 2013 im Historischen Kolleg in München zurückgehen und in überarbeiteter Fassung zum Abdruck kommen. Eingeleitet wird er von Eike Wolgast als zuständigem Abteilungsleiter mit einem Überblick zur Geschichte und Entwicklung des Editionsunternehmens »Deutsche Reichstagsakten« ins­ gesamt von seinen Anfängen im Jahre 1857 bis zur Gegenwart. Nach der oben zuerst genannten Publikation zur »Jüngeren Reihe« konzentriert sich dieser Band wieder auf nur eine der vier Abteilungen, auf die »Mittlere Reihe«, die für die Edition der Akten der Reichstage in der Herrschaftszeit des Römischen Kö­ nigs und späteren Kaisers Maximilian I. von 1486 bis 1519 begründet wurde. Dank der hohen Kompetenz der Editoren und des großen Engagements der Ab­ teilungsleiter konnten in den letzten vier Jahrzehnten acht, zumeist mehrteilige

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Helmut Neuhaus

Bände vorgelegt werden, die die Akten der Reichstage von 1486 bis 1507 präsen­ tieren, ausgenommen der Band »Reichstage und Reichsversammlungen sowie Regimentsregierung 1499–1503«, der unter anderem den Augsburger Reichstag von 1500 umfasst. Es ist zu erwarten, dass die noch ausstehenden vier Bände bis zum Jahr 2020 fertig gestellt sein werden. Die in diesem Band der »Schriftenreihe« präsentierten vier Beiträge stam­ men von Autoren, die entweder als erfahrene Reichstagsakteneditoren oder als einschlägig ausgewiesene Historiker der Epoche Maximilians  I. hervorgetre­ ten sind. Dietmar Heil, der schon die Akten der Reichstage von Köln 1505 und Konstanz 1507 sowie zusammen mit Maximilian Lanzinner des Augsburger Reichstages des Jahres 1566 bearbeitet hat, erstattet unter dem Titel »Per as­ pera ad acta« einen »Werkstattbericht zur Edition der Deutschen Reichstags­ akten aus der Zeit Kaiser Maximilians I.« Höchst anschaulich berichtet er von seiner Arbeit als Editor, von seinen Erfahrungen in Archiven bei der Material­ erfassung sowie von den Arbeitsschritten bei der Auf bereitung und Erschlie­ ßung der Quellen, er thematisiert den wissenschaftlichen Ertrag von Editionen und nimmt Stellung zu Möglichkeiten und Grenzen digitaler Editionen im Ver­ gleich zu den traditionellen in Buchform. Reinhard Seyboth, der bereits die Ak­ ten der Reichstage von Frankfurt 1486 (zusammen mit Heinz Angermeier) und Nürnberg 1487 sowie die der Reichsversammlungen von 1491 bis 1493 ediert hat, wendet sich dem Trierer Reichstag des Jahres 1512 zu, dessen Akten er zur Zeit im Zusammenhang der Reichstage von Augsburg 1510 bis Köln 1512 ediert. Einmal mehr kann er am Beispiel der »Erhebung des Heiligen Rockes durch Kaiser Maximilian I. im Rahmen des Trierer Reichstags 1512« zeigen, in welch hohem Maße Reichstagsakten-Editionen zu erheblichen Erkenntnisfortschrit­ ten in der Geschichtswissenschaft beitragen. Mit J. Friedrich Battenberg (Darmstadt), Archivar, Jurist und Historiker, wendet sich einer der besten Kenner der Geschichte der Juden im spätmittel­ alterlichen und frühneuzeitlichen Reich dem Thema »Maximilian  I. und die Juden im Heiligen Römischen Reich« zu und arbeitet in einem weiten Kontext die »Judenpolitik« dieses Römischen Königs und Kaisers an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert heraus, die sich letztlich allerdings nur zum Teil mit Hilfe der Reichstagsakten erschließen lässt, da der österreichische Landesherr den Umgang mit den Juden im Reich nicht durchgängig als Reichsangelegen­ heit betrachtete. Horst Carl, breit ausgewiesener Frühneuzeit-Historiker an der Universität Gießen, wählt eine Außenperspektive auf den Reichstag des Hei­ ligen Römischen Reiches in der Epoche König und Kaiser Maximilians I. von den Bundestagen des Schwäbischen Bundes und von Landtagen ausgewählter Territorien aus, um auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede der »Politische[n] Kommunikation im Reich Maximilian I.« hinzuweisen, sowohl der maximilia­ neischen als noch mehr der sich rasch entwickelnden ständischen Aktivitäten. Die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissen­ schaften dankt den Referenten des Workshops vom 8. Oktober 2013 für ihre an­ regenden und die Diskussionen belebenden Vorträge und dafür, dass sie ihre

Vorwort

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Manuskripte für den Druck vorbereitet haben. Eike Wolgast gebührt als Ab­ teilungsleiter der so erfolgreichen »Mittleren Reihe« der »Deutschen Reichs­ tagsakten« ein herzlicher Dank für die Durchführung des Workshops und die Herausgabe dieses von ihm eingeleiteten Bandes sowie Dietmar Heil für des­ sen Redaktion. Und schließlich ist Karl-Ulrich Gelberg, dem Geschäftsführer der Historischen Kommission, vielmals für alle seine organisatorischen Arbei­ ten zu danken. München, im Dezember 2014

Helmut Neuhaus

Eike Wolgast

Einführung: Zur Geschichte und Entwicklung der Edition »Deutsche Reichstagsakten«

Der Begriff Deutsche Reichstagsakten1 ist nicht Bestandteil der Quellensprache, sondern ein Kunstbegriff des 19. Jahrhunderts. Das mit diesem Terminus tech­ nicus definierte Quellencorpus ist nicht identisch mit Stenographischen Be­ richten, wie sie seit Beginn des deutschen Konstitutionalismus Anfang des 19.  Jahrhunderts für Land-, Bundes- und Reichstage sowie die deutsche Na­ tionalversammlung von 1848/49 angefertigt und publiziert wurden. Die Deut­ schen Reichstagsakten sind aber auch bedeutend mehr als nur die Zusammen­ stellung des Juristen Johann Jakob Schmauß aus Halle, die Ernst August Koch 1747 in vier Bänden zum Druck brachte in seiner »Neuen und Vollständige­ ren Sammlung der Reichsabschiede, welche von den Zeiten Kaiser Konrads II. bis jetzo auf deutschen Reichstagen abgefasset worden samt den wichtigsten Reichsschlüssen, so auf dem noch währenden Reichstage zur Richtigkeit ge­ kommen sind«. Die Deutschen Reichstagsakten umfassen vielmehr Texte, die im Zusam­ menhang mit einem Reichstag des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit entstanden sind, einmal zur Vorbereitung des Tages in den Kanzleien des Kai­ sers und des Mainzer Erzkanzlers sowie in den Kanzleien der reichstagsberech­ tigten Fürsten und Städte (Proposition mit Ankündigung der Verhandlungs­ gegenstände, Instruktionen, Vollmachten und dergleichen), ferner – und dieser Komplex macht den Hauptteil der RTA aus – Texte, die während der Verhand­ lungen auf dem Reichstag entstanden. Vor allem in der Frühen Neuzeit wächst die Menge des produzierten Schriftguts durch das Beratungs- und Beschluss­ procedere, modern gesprochen: Gesetzgebungsverfahren, geradezu exponen­ tiell an: Beratung eines Textes in jeder der drei Kurien (Kurfürsten, Fürsten und Herren, Städte), Austausch der Texte zwischen erster und zweiter Kurie, nach 1 Zur Geschichte der Deutschen Reichstagsakten vgl. (mit Belegen) Wolgast, Eike: Deutsche Reichstagsakten, in: Lothar Gall (Hg.): »… für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2008, S.  79–120. Zur Edition von Reichstagsakten als »pluralistischer Edition«, weil verschiedene Textsorten umfassend, und als »Kunstprodukt«, da das Quellencorpus erst konstituiert werden muss, vgl. jetzt Helmrath, Johannes: (Humanisten) Edieren in den Deutschen Reichstagsakten, in: Sabine Holtz [u. a.] (Hg.): Humanisten edieren  – Gelehrte Pra xis im Südwesten in Renaissance und Gegenwart, Stuttgart 2014 (= Veröffentlichun­ gen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. B 196), S. 209–244.

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Eike Wolgast

Übereinstimmung Übermittlung des Ergebnisses an den Kaiser bzw. dessen Vertreter, Replik des Kaisers, erneute Kurienberatungen mit Triplik des Kaisers usw. so oft, bis es zu einer Einigung kommt oder der Punkt vertagt wird. Hat der Editor/die Editorin Glück, existieren Votenprotokolle der Beratungen in den Kurien oder in ad hoc gebildeten Gemeinsamen Ausschüssen, denn in derarti­ gen Protokollen lässt sich die Genese der Beschlussfassung besonders gut ver­ folgen. Alle Beschlüsse eines Reichstags werden in einem Reichsabschied zu­ sammengefasst, der vom Kaiser ausgefertigt wird. Ein besonderes Kapitel bilden »Sonstige Streitsachen« oder »Varia«: Sie enthalten vor allem Eingaben von Ein­ zelpersonen, Gruppen (z. B. Juden) oder Ständen an den Reichstag zu sehr un­ terschiedlichen Materien. Die Eingaben werden in einer Supplikationskommis­ sion bearbeitet – analog dem Petitionsausschuss moderner Parlamente. Die Edition »Deutsche Reichstagsakten« (RTA) geht unmittelbar auf Leopold von Ranke zurück. Bei den Vorarbeiten für seine »Deutsche Geschichte im Zeit­ alter der Reformation« war Ranke 1836 auf eine umfangreiche Sammlung von Materialien zu den Reichstagen im Stadtarchiv Frankfurt am Main gestoßen. Deren Aussagegehalt faszinierte ihn so, dass er notierte: »Für die Geschichte des Reiches von ungefähr 1450 bis 1650, in welcher Zeit es seinen Umschwung von den alten Zuständen zu den neuen genommen hat, ist … nichts wichtiger als eine Kenntnis, was auf den Reichstagen vorgegangen ist.« Die Edition die­ ser Akten sah er als einen wichtigen Beitrag zur »Entwicklung des deutschen Nationalgefühls« an. 1846 schlug Ranke daher auf der Frankfurter Versamm­ lung der Germanisten, das heißt von Juristen, Historikern und Philologen, die sich mit deutschen Themen beschäftigten, vor, einen »großen Geschichtsver­ ein« zu gründen, zu dessen ersten Aufgaben die Edition der RTA vom 15. bis zum 17.  Jahrhundert gehören sollte. Eine entsprechende Denkschrift wurde dem österreichischen Präsidialgesandten übergeben mit der Bitte, der Bundes­ tag möge dem Unternehmen – wie schon den Monumenta Germaniae Historica (MGH) – seinen Schutz gewähren, für die Öffnung der Archive sorgen und das Ganze finanzieren. Die Initiative blieb jedoch wirkungslos. 1857 beauftragte König Maximilian II. von Bayern den Ranke-Schüler Hein­ rich von Sybel, den er an die Universität München berufen hatte, ihm Vor­ schläge für Projekte zu machen, die »dem Gefühl für Deutschlands Wohl einen entsprechenden Ausdruck vor den Augen der Nation geben könnten«. Sybel nannte als erstes Projekt die Edition der Reichstagsakten. Ranke, der um ein Gutachten gebeten wurde, strukturierte das groß dimensionierte Projekt in einer Form, die – nach manchen Umwegen – der heutigen Gliederung durchaus entspricht: Vor Maximilian, Unter Maximilian, Reformationsepoche, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er stellte auch bereits Überlegungen an, wie Material ge­ wonnen werden könnte, und schlug für die erste Hälfte des 16.  Jahrhunderts vor, je ein kurfürstliches, fürstliches und städtisches Archiv auszuwerten, »ja«, wie er hinzufügte, »unter den Fürsten eigentlich drei: eins von einem geist­ lichen, eines von einem katholisch-weltlichen, ein anderes von einem protestan­ tischen Hofe«. Für die Vorbereitung eines Bandes rechnete er »ein paar Jahre«,

Einführung

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meinte aber, für die Zeit 1356–1519 werde wenig Material zu finden sein, so dass der Stoff »vielleicht in zwei Quartbänden« untergebracht werden könnte. Mit dieser Prognose stand am Beginn der Edition ein kardinaler Rechenfehler  – und der Zeit- und Umfangsirrtum begleitete die Arbeit an den Reichstagsakten von den Anfängen bis in die Gegenwart hinein. Aus den zwei Quartbänden, die Ranke veranschlagte, wurden 37 Bände, von denen bei weitem noch nicht alle erschienen sind. Als Reviergrenze zwischen MGH und RTA wurde auf Antrag von Georg Heinrich Pertz, dem Leiter der MGH, statt der Goldenen Bulle (1356) die Königswahl Wenzels (1376) vereinbart. König Maximilian II. bewilligte 1857 für das Projekt »Sammlung und Erfor­ schung der älteren deutschen Reichstagsakten« auf 12 Jahre eine Jahresdotation von 3.000 f l. aus seiner Privatschatulle. Die Leitung übernahm Sybel, der sie bis zu seinem Tod 1895 behielt. Die Deutschen Reichstagsakten sind also ein Jahr älter als die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wis­ senschaften, die 1858 gegründet wurde und die das neue Projekt übernahm. Auf der Gründungssitzung unterstrich Ranke nochmals die Bedeutung der Edition als »ein Unternehmen von größter Dimension« – eine Prophezeiung, die sich in einer Weise bestätigt hat, wie er sie sich vermutlich nicht vorgestellt hat. Unter Sybels Oberleitung wurde 1860 der Ranke-Schüler Julius Weizsäcker mit der Edition beauftragt; neben einer staunenswerten akademischen Kar­ riere, die ihn von München über Erlangen, Tübingen und Straßburg nach Ber­ lin führte, arbeitete er tatkräftig für die RTA, deren Leitung er bis zu seinem Tod 1889 in der Hand behielt. Allerdings musste er seine Auftraggeber, die ra­ sche Ergebnisse erwarteten, von Jahr zu Jahr vertrösten. 1865 begann der Druck des ersten Bandes mit den Akten unter König Wenzel 1376–1387, erst 1868 lag der erste Band mit über 800 Seiten vor, wenngleich das Titelblatt als Erschei­ nungsjahr 1867 aufführt. Ranke trat trotz der Unzufriedenheit der Kommission mit dem schleppenden Vorankommen auf der Plenarversammlung 1869 für die Weiterführung ein, da die deutsche Geschichte »ohne die Kunde und Erfor­ schung der Verhandlungen an den Reichstagen nicht begriffen werden« kann. »Selbst der immerwährende Reichstag ist einer durchgreifenden Behandlung von Grund aus würdig. Die Masse des Stoffes ist geeignet, jeden abzuschrecken, der Hand daran legen will. Aber geschehen muss es doch.« Auf die Hauptschwierigkeit, von der die Ältere Reihe bis heute geprägt ist, machte Weizsäcker in seinem ausführlichen Vorwort zum ersten Band auf­ merksam: »Es ist schon von vornherein sehr schwer, wo nicht unmöglich, zu sagen, was in der Zeit, um die es sich zunächst handelt …, ein Reichstag ist.« Ein Problem der Editionsarbeit war von vornherein die Fluktuation der Mit­ arbeiter, denen, wie Ludwig Quidde schon 1888 feststellte, »weder wissenschaft­ lich noch finanziell eine Stellung« geboten werden konnte, »die auf die Dauer befriedigt«. Die Mitarbeiter waren auf ein Monatsfixum (ohne Altersabsiche­ rung), auf Honorarbasis oder unentgeltlich tätig. Als Ausweg schlug Quidde vor, die Schulbehörde solle »eine fünfjährige Tätigkeit bei den Reichstagsakten nach dem Referendariat auf die künftige Lauf bahn als Gymnasiallehrer an­

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Eike Wolgast

rechnen«. Das Institut fest angestellter und ausreichend besoldeter Mitarbeiter setzte sich erst sehr allmählich in der Weimarer Republik und dann vor allem nach 1945 durch. Unter den an der Edition der Reichstagsakten Beteiligten ragt der gerade er­ wähnte Ludwig Quidde heraus, der seit 1881 Mitarbeiter war und in der Nach­ folge Weizsäckers die Abteilung von 1889 bis 1935 leitete. Quidde war ein ak­ tiver »Antiwilhelminer«, wie sein »Caligula« (1894) sowie eine Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung bezeugen, und ein bekennender Demokrat und Pa­ zifist, der 1927 als zweiter Deutscher den Friedensnobelpreis erhielt. Die frag­ los in ihrer großen Mehrheit konservativ-national gesinnten Mitglieder der Historischen Kommission haben diesen Außenseiter, der seit 1887 außerordent­ liches und seit 1907 ordentliches Mitglied der Kommission war, dennoch ertra­ gen, wenn auch nicht ohne Anfechtungen. Quidde hat selbst wenig ediert, sich aber immer aktiv und mit hoher Sachkenntnis an den Diskussionen über Edi­ tionsrichtlinien u. ä. beteiligt und seine Mitarbeiter kompetent angeleitet. Einer dieser Mitarbeiter war seit 1923 Helmut Weigel, ein glühender Antirepublikaner und Nationalist, der seit 1931 Mitglied der NSDAP war und, 1931 in Erlangen habilitiert, sich 1933 aktiv an der Gleichschaltung seiner Heimatuniversität be­ teiligte. Quidde arbeitete aber durchaus sachorientiert mit ihm zusammen. Erst 1935 – er lebte seit zwei Jahren als Emigrant in Genf – wurde Quidde mit Dan­ kesbezeugungen der Kommissionsspitze von der Leitung der Abteilung entbun­ den. Er starb 1941 in Genf. Obwohl seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts mehrere Regierungs­ zeiten parallel bearbeitet wurden (Wenzel/Ruprecht  – Sigismund  – Fried­ rich III.), wurde um des schnelleren Vorwärtskommens willen und aus Grün­ den besserer Vermarktbarkeit 1886 eine »Jüngere Reihe« vom Gesamtprojekt abgeteilt, in der die Akten unter Karl V. und womöglich darüber hinaus  – bis 1664  – ediert werden sollten. Offensichtlich unter dem Eindruck des Lu­ therjubiläums 1883 und den in Aussicht stehenden weiteren Festtagen der Re­ formationsmemoria wollte die Kommission die attraktive und größere Nach­ frage versprechende Epoche der Reformation exklusiv besetzen und nicht einem Konkurrenzunternehmen wie etwa den Publikationen aus den Kgl. Preußischen Staatsarchiven überlassen. Mit der Begründung der Jüngeren Reihe wurde die bisherige Serie zur Älteren Reihe, auch wenn sie bis heute nicht so auf den Titelblättern firmiert. Erster »Spezialdirektor« der neuen Abteilung wurde der Göttinger Historiker August Kluckhohn, nach dessen baldigem Tod war der eigentliche Bearbeiter und Herausgeber Adolf Wrede sein eigener Herr, der von 1887 bis zu seinem Tod 1908 drei Bände publizierte, von denen allerdings erst der dritte wirklich einen Reichstag, den von 1521, dokumentierte. Wrede erhielt eine »Jahresremuneration« von 1.500, später 2.000 Mk. Er war also Berufseditor. Das Problem der Stoffmenge stellte sich für die Jüngere Reihe noch drama­ tischer als für die Ältere Reihe, andererseits war hier ein eindeutigerer Rah­ men vorgegeben, da die Reichstage unter Karl V. zu einer genau definierten In­

Einführung

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stitution geworden waren. Zu einer massiven Krise der Edition der RTA kam es 1908/09, als der Kommissionspräsident Moriz Ritter angesichts der immer umfangreicher werdenden Bände bei immer kleiner werdenden Zeitabschnit­ ten, die sie dokumentierten, kritisch fragte, ob das methodische Verfahren der Urkundenedition »einfach auf die Herausgabe der Akten angewandt werden« könnte. »Die Massenhaftigkeit, Weitschweifigkeit und vorherrschende Dürf­ tigkeit des Inhalts der Akten« verbot es nach seiner Auffassung, weiterhin Voll­ texte im bisherigen Umfang zu präsentieren; stattdessen sollte verstärkt von Regesten und Aktenreferaten Gebrauch gemacht werden. Quidde und seine Mitarbeiter verteidigten ihr Editionsverfahren, die Jün­ gere Reihe suchte nach Wredes Tod unter der Leitung des Leipziger Histori­ kers Erich Brandenburg nach neuen Wegen. Das Ergebnis: chronologisches Ak­ tenreferat mit Quellenauszügen und wenigen zentralen Volltexten, das 1935 für Sondertagungen 1527/28 und den zweiten Speyerer Reichstag vorgelegt wurde, befriedigte außer dem Bearbeiter Johannes Kühn offenbar niemanden. Zwei weitere, nach demselben Muster angelegte Bände verbrannten als Manuskript 1943 im angeblich feuersicheren Schrank des Historischen Seminars in Leipzig, die große für die späteren Bände angelegte Materialsammlung verbrannte 1944 im Akademiegebäude in München. Sicherheitskopien gab es nicht. Um die Ältere Reihe weiter zu entlasten, kam es 1928 zu einer neuen Zell­ teilung, indem eine Mittlere Reihe für die Zeit Maximilians I. (1486–1519) be­ gründet wurde. Die neue Abteilung stand unter der Leitung von Paul Joa­ chimsen, nach dessen Tod – mit einem Interim unter Walter Goetz – von 1932 bis 1967 unter der Leitung des Heidelberger Historikers Willy Andreas. Erster Mitarbeiter wurde Hans Baron, ein Schüler Meineckes, der sich 1928 in Berlin mit einer Arbeit zum italienischen Humanismus habilitiert hatte. Auch am Be­ ginn dieser Reihe stand die Fehlrechnung: Baron veranschlagte für die Jahre 1486–1495 »wohl zwei Bände« – in Wirklichkeit wurden es fünf in sieben Teilbänden. Baron wurde wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 entlassen, obwohl sich auf seine Bitte der Kommissionssekretär Karl Alexander von Müller für ihn einsetzte. Er emigrierte 1938 in die USA, wo er allerdings nur schwer Fuß fasste, da sein Spezialgebiet dort kein Interesse fand. Nach Deutschland ist er dennoch bis zu seinem Tod 1988 nicht zurückgekehrt. Sein Nachfolger in der Mittleren Reihe wurde Ernst Bock, mit einem Monatsgehalt von 351 RM. Seine Arbeit war außerordentlich wenig effizient – bis 1972 ist in der Mittleren Reihe kein einziger Band erschienen, obwohl Bock bis 1943 vom Kriegsdienst befreit war und die Arbeit schon 1947 wieder aufnehmen konnte, wenngleich dann nur noch nebenamtlich. Nachdem Friedrich Hermann Schubert 1968–1973 die Mittlere Reihe geleitet hatte, wurde mit Heinz Angermeier ein Abteilungsleiter bestellt, der mit großer Energie und sehr aktiver Eigenbeteiligung am Editions­ geschäft die Mittlere Reihe mit zwei Mitarbeitern entscheidend voranbrachte. Bis zu seinem Tod 2007 erschienen sechs Bände in mehreren Teilbänden, An­ germeier hatte selbst mit Peter Schmid den großen Reichstag von Worms 1495 in drei Teilbänden bearbeitet.

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Eike Wolgast

Die Ältere Reihe, die seit der Abgliederung der Mittleren Reihe nur noch bis 1486 reicht und heute bei 1470 steht, leitete von 1935 bis 1979 als Nachfolger Quiddes Hermann Heimpel, ohne dass in dreißig Jahren auch nur ein einziger Band erschienen wäre. Über dieses Defizit wusste Heimpel die Kommission al­ lerdings wortgewandt hinwegzutäuschen. So stellte er 1958 fest, dass Band 19 »der Druckfertigkeit entscheidend angenähert« sei, so dass der Druck noch in demselben Jahr beginnen könne  – die erste Hälfte dieses Bandes erschien elf Jahre später! Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mittlere Reihe mit den beiden Mit­ arbeitern Bock und Heinz Gollwitzer seit 1947 wieder aktiv – bis heute ist es bei diesem Stellenbestand geblieben. Die Ältere Reihe, bei der erstmals in der Geschichte der RTA-Edition Frauen beschäftigt waren (Ingeborg Most-Kolbe und Henny Grüneisen), nahm ihre Arbeit ebenfalls 1947 wieder auf – sie ver­ fügt heute über eine Mitarbeiterstelle. Die Jüngere Reihe ruhte zunächst. Hier gelang dann Heinrich Lutz der Durchbruch, der die Arbeit professionalisierte und in Wien in einer eigenen Arbeitsstelle institutionalisierte. Die DFG und die Union der deutschen Akademien finanzierten drei Mitarbeiterstellen (eine weitere wurde aus dem Etat der Historischen Kommission bezahlt). Die Geld­ geber limitierten ihre Zuwendungen allerdings zeitlich (2005) – diese Begren­ zung erzwang schmerzliche Verzichte bei der Edition, führte aber auch zu einer heilsamen Konzentration auf das Kerngeschäft, so dass bis zum Auslau­ fen der Zuwendungen ab 1992 sechs Reichstage in zwölf Teilbänden ediert vor­ gelegt werden konnten. Die Jüngere Reihe wurde zudem 1986 entlastet, indem eine neue Reihe Reichsversammlungen 1556–1662 eröffnet wurde. Sie stand wie die Mittlere Reihe zunächst unter der Leitung von Heinz Angermeier, seit 2003 wird sie von Maximilian Lanzinner betreut (seit 2014 von Gabriele HaugMoritz). Für die Reichsversammlungen wurde ein Editionskonzept entwickelt, das an sich schon seit Begründung der Gesamtedition galt, aber niemals – zum Schaden der Edition – stringent befolgt wurde: Begrenzung der Edition auf die Zeit zwischen Proposition und Abschied, also Reichstagsakten statt Reichs­ akten; strenger thematischer Bezug auf die Verhandlungen; Restriktion in der Darbietung der Akten. In der Abteilung Reichsversammlungen sind bisher sie­ ben Bände in zwölf Teilbänden erschienen. Auch der Immerwährende Reichstag ab 1663 wurde in den Blick genommen. Nachdem ein erster Versuch in den achtziger Jahren misslungen war, konnte unter der Leitung von Herrn Lanzinner jüngst eine Machbarkeitsstudie in Auf­ trag gegeben werden, die positive Ergebnisse erbrachte. Insgesamt spiegelt die Geschichte der Deutschen Reichstagsakten die Ge­ schichte unserer Wissenschaft. Unberührt von allen Veränderungen bleibt, dass mit den RTA geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung betrieben und ein gewichtiges kulturelles Erbe gesichert wird. Wie die Präsentation der Ergeb­ nisse zukünftig erfolgt, ist noch offen. Zur Wahl steht das bisherige Verfahren: Edition traditionell lediglich auf Papier, Edition mit Online-Version (Hybrid­ edition), nur Online-Version, was allerdings der auf Dauer angelegten Bedeu­

Einführung

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tung des monumentalen Quellenwerkes nicht gerecht würde, zumal es fraglich erscheint, ob diese Art der Publikation nicht rasch durch neue Techniken wie­ derum überholt wird. Ich bin seit 1989 Abteilungsleiter der Jüngeren Reihe und seit 2008 auch der Mittleren Reihe. Meine Erfahrung ist, dass alles von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abhängt, von ihrer Freude am Editionsgeschäft, von ihrem Ein­ satz für die gemeinsame Sache, auch von ihrem Willen, fertig zu werden und al­ les dafür Notwendige zu tun, ohne einem Vollständigkeitsdrang nachzugeben. Alle Reihen der Deutschen Reichstagsakten werden ihr Ziel erreichen, die einen schneller, die anderen langsamer, aber überall wird wertvolles und für die For­ schung unverzichtbares Material bereit gestellt werden.

Dietmar Heil

Per aspera ad acta Ein Werkstattbericht zur Edition der Deutschen

Reichstagsakten aus der Zeit Kaiser Maximilians I.

1. Zum Begriff »Reichstag« Vermutlich würde es jedem Neuling ähnlich ergehen wie mir damals, als ich mich im März 1996 nach dem Wechsel von der Abteilung »Reichsversammlun­ gen« zur »Mittleren Reihe« an die Arbeit machte: Verblüffung über die enormen Unterschiede zwischen den Reichstagen Maximilians  I. (1486/93–1519) und seines Urenkels Maximilian II. (1564–1576) und anfängliche Ratlosigkeit, wie die daraus resultierenden editorischen Probleme zu lösen seien. Für die Zeit um 1500 steht, anders als etwa für den Augsburger Reichstag von 15661, noch kein detailliertes Protokoll der geschäftsführenden Mainzer Kanzlei zur Verfügung, die mit ihrer Registratur die gut sichtbaren und zuverlässigen Wegmarken für die Edition setzt. Dies bedeutet, dass die Zusammenstellung des Quellencorpus abgesehen von den so genannten Verhandlungsakten beinahe vollständig in der Verantwortung des Bearbeiters liegt, was mit der Erfüllung des für die »Mitt­ lere Reihe« erhobenen Vollständigkeitspostulats nur schwer vereinbar scheint. Das Studium der damals vorliegenden Bände ergab, dass mit den ersten drei Editionen aus dieser Abteilung völlig unterschiedliche Lösungsansätze unter­ nommen worden waren: Ernst Bock verfolgte noch die Konzeption, »allgemeine Reichsakten unter besonderer Berücksichtigung der Reichstage«2 herauszuge­ ben. Der von ihm betreute Frankfurter Reichstag von 1489 macht deshalb im Quellenteil gerade mal 240 von 1.410 Seiten aus. Heinz Gollwitzers radikaler Versuch intendierte eine strikt chronologische Rekonstruktion der Beratungen und Beschlüsse der von ihm als bereits frühneuzeitliche Reichsversammlungen

1 Lanzinner, Maximilian/Heil, Dietmar (Bearb.): Der Reichstag zu Augsburg 1566, München 2002 (=  Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen 1556–1662, hg. v. d. Histori­ schen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), Teilbd. 1, Texte C, S. 199–529. 2 Bock, Ernst (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: 1488–1490, Göttingen 1972/73 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.  3), S.  7 (Vorrede von F. H. Schubert). Vgl. auch Neuhaus, Helmut: Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert: Reichstag  – Reichskreistag  – Reichsdeputationstag, Berlin 1982 (=  Schriften zur Verfas­ sungsgeschichte, Bd. 33), S. 21 f.

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interpretierten Reichstage von 1496 bis 14983. Die so methodisch begrün­ dete und zugleich durch die Darbietungsform erzwungene Reduzierung des Quellenmaterials im Wesentlichen auf die so genannten »Reichssachen« (also Reichshilfe, Landfriede, Kammergericht, Exekution, Münzwesen und Policey) führte dazu, dass er zwar den Kern dieser Reichstage erfasste, nicht aber ihre Gesamtstruktur. Heinz Angermeier, der den Reichstag als temporäre Inten­ sivierung von Reichspolitik verstand4, beschritt einen anderen Weg. Er glie­ derte den Wormser Reichstag von 1495 nach seinen Materien auf und bezog, vereinfacht gesagt, sämtliches Aktenmaterial mit dem Etikett »Worms« ein. Seine Edition beinhaltet deshalb nicht nur reichstagsspezifisches Material, son­ dern umfasst als Momentaufnahme deutscher Geschichte auch das vom Reichs­ tag unabhängige historische Kontinuum. So wurde etwa das Agieren des Hofes während des Reichstags, aber eben außerhalb des Reichstags und seiner schon gewordenen Verfassung, mitdokumentiert5. Eine grundsätzliche Lösung gelang schließlich mit dem Ansatz von Reinhard Seyboth, an der thematischen Auf­ schlüsselung der Reichstage festzuhalten, dabei jedoch mit einem konkreteren Reichstagsbegriff zu arbeiten6. Alle neueren Editionen der »Mittleren Reihe« 3 Gollwitzer, Heinz (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Reichstage von Lindau, Worms und Freiburg 1496–1498, Göttingen 1979 (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wis­ senschaften, Bd. 6) [RTA MR VI]. 4 Angermeier, Heinz (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: Reichstag zu Worms 1495, Göttingen 1981 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Histori­ schen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 5) [RTA MR V], Teilbd. 1, S. 33. 5 WennAngermeier betont, dass der Wormser Reichstag in vielen Aspekten noch mittelalter­ lich verlaufen sei (RTA MR V/1 [wie Anm. 4], S. 58), und Paul-Joachim Heinig hoftagsähn­ liche Szenarien konstatiert (Reichstag und Reichstagsakten am Ende des Mittelalters, in: ZHF 17 [1990], S. 419–429, hier S. 420), ist darin auch eine infolge dieses Editionsansatzes teilweise verschobene Wahrnehmung erkennbar. Nach Maßgabe des genetischen Reichs­ tagsmodells von Peter Moraw, aufgrund der mit einer Strukturanalyse der Reichsver­ sammlungen verknüpften begriffsgeschichtlichen Untersuchung von Gabriele Annas und der Analyse der Reichsversammlungen der 1480er Jahre durch Reinhard Seyboth sind die grundlegenden Strukturen auf dem Wormser Reichstag bereits ausgeprägt. Vgl. Moraw, Pe­ ter: Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.): Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, Sigmaringen 1995, S. 207–242; Annas, Gabriele: Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen, 2 Bde., Göttingen 2004 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissen­ schaften, Bd. 68), bes. S. 77–97, 123–136; Seyboth, Reinhard: Die Reichstage der 1480er Jahre, in: Peter Moraw (Hg.): Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, Stuttgart 2002 (= Vorträge und Forschungen, Bd. 48), S. 519–545. 6 Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: Reichstag zu Nürnberg 1487, Göttingen 2001 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Histo­ rischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 2), Teilbd. 1, S.  41–43; Ders. (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: Reichsversamm­

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weisen in etwa die in Beilage 1 gezeigte Gliederung auf 7. Entscheidend ist, dass es sich dabei nicht so sehr um ein Konstrukt der Editoren handelt, sondern viel­ mehr das Reichstagsverständnis der Zeitgenossen gespiegelt wird. Die Teilneh­ mer differenzierten zwischen dem Reichstag im engeren Sinne, also den Ver­ handlungen von Kaiser und Kurien über die »Reichssachen«, und der durch Anlagerung weiterer Verhandlungsformen und -materien an den Reichstags­ kern erweiterten Reichsversammlung. Diese Materien wurden nicht notwen­ dig durch den Reichstag, aber auf dem Reichstag behandelt, etwa in bilatera­ len Verhandlungen zwischen Reichsoberhaupt und einzelnen Reichsständen. Die Kölner Versammlung von 1505 beispielsweise stellte sich formal zugleich als Reichstag und als königlicher Gerichtstag dar8. Dies war ein Ausnahmefall, doch tatsächlich gilt, dass sämtliche maximilianeischen Reichstage Schiedsund Gerichtstage, häufig auch Städtetage und Schwäbische Bundestage inklu­ dierten. Und natürlich erlebten und begriffen die Zeitgenossen Reichstage nicht nur als politische, sondern auch als soziale und kulturelle Phänomene. Ergibt sich also für die »Mittlere Reihe« die editorische Notwendigkeit, gegen­ über dem schon im bekannten »Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert«9 gleichsam idealtypisch beschriebenen und in der Vorstellung der Forschung verankerten Reichstag der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die einzubezie­ henden Themen beträchtlich auszubauen, so ist auch eine zeitliche Ausweitung der Edition über die bisweilen noch f ließenden Grenzen des Reichstags hin­ aus unvermeidbar. Dies hängt schon mit der ungleich schlechteren Überliefe­ rungslage um 1500 zusammen. Eine erhebliche Zahl ausschließlich mündlich behandelter Themen hinterließ naturgemäß keinen unmittelbaren Aktennie­ derschlag. Dass darüber verhandelt wurde und worum es genau ging, ist häu­ fig nur aus den so genannten Vor- und Nachakten zu entnehmen, also aus der lungen 1491–1493, München 2008 (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.  4), Teilbd. 1, S. 53 f. 7 Vereinfachte Gliederung von Band  9 der Mittleren Reihe. Heil, Dietmar (Bearb.): Deut­ sche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Der Reichstag zu Konstanz 1507, München 2014, (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9), Teilbd. 1, S. 5–10 [RTA MR IX]. Vgl. auch Ders. (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Der Reichstag zu Köln 1505, München 2008 (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kom­ mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8), Teilbd. 1, S. 6–11 [RTA MR VIII]. 8 Vgl. Heil, Dietmar: Der Reichstag zu Köln 1505. Ergebnisse einer Edition der Deutschen Reichstagsakten  – Mittlere Reihe, in: Jahresbericht der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2007, München 2008, S.  35–48, hier S.  42 f.  – http://www.historischekommission-muenchen.de/fileadmin/user_upload/pdf/jahresberichte/ jahresbericht2007.pdf [Stand: 15.1.2014]. 9 Rauch, Karl (Hg.): Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert. Eine offiziöse Darstellung aus der kurmainzischen Kanzlei, Weimar 1905 (=  Quellen und Studien zur Verfassungs­ geschichte des deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Bd. 1).

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Beilage 1

INHALTSVERZEICHNIS (vereinfachte Gliederung) QUELLEN I. 1. 2. 3.

KAPITEL: VORAKTEN: VORBEREITUNG DES REICHSTAGES Reichshilfe und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelegenheiten von Reichsständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisatorische Vorbereitung des Reichstages . . . . . . . . . . . . .

II. KAPITEL: DER REICHSTAG ZU KONSTANZ 1. Reichshilfe und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Reichstagsprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Verhandlungsakten des Reichstages und zugehörige Stücke . 1.3. Reichsabschied mit zugehörigen Aktenstücken . . . . . . . . 1.4. Reichsanschläge zu Romzug und Reichskammergericht . . . 2. Schwäbischer Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Städtetag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Königliche Reichsbelehnungen, Privilegienvergaben, Begnadungen und Konfirmationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schiedsverfahren während des Reichstages . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Streitsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Finanzangelegenheiten König Maximilians . . . . . . . . . . . . . 8. Sonstige Angelegenheiten von Reichsständen . . . . . . . . . . . . 9. Weisungen und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Chroniken, Aufzeichnungen und Verzeichnisse . . . . . . . . . . 10.1. Chroniken und Aufzeichnungen über den Reichstag . . . . 10.2. Überlieferung der »Reichsstädtischen Registratur« . . . . . 10.3. Teilnehmerverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4. Finanzieller Aufwand von Teilnehmern am Reichstag . . .

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III. KAPITEL: NACHAKTEN: VOLLZUG DER REICHSTAGSBESCHLÜSSE UND FOLGEN DES REICHSTAGES 1. Reichshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiedereröffnung des Reichskammergerichts . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angelegenheiten von Reichsständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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diplomatischen Vorbereitung der Verhandlungen oder aus späteren Bezug­ nahmen in den Korrespondenzen der Beteiligten. So erfährt man beispiels­ weise über die in einem Ausschuss der Kölner Reichsversammlung von 1505 ge­ troffenen Vereinbarungen zum Münzwesen exklusiv aus einem nach Ende des Reichstags verfassten Bericht des venezianischen Gesandten Vincenzo Querini. Über die ebenfalls in Köln geführten Verhandlungen Herzog Heinrichs V. von Mecklenburg mit König Maximilian wegen eines Konf likts mit Lübeck infor­ mieren ausschließlich einige erst im folgenden Jahr entstandenen Dokumente10. Der Reichstag weist aber auch durch die Auslagerung von Verhandlungsmate­ rien auf andere Tagungsformen über sich selbst hinaus, etwa mit der Anbe­ raumung eines Reichsmünztages durch die Wormser Reichsversammlung von 150911. Selbstverständlich sind Unterlagen zur Umsetzung und Wirksamkeit von Reichstagsbeschlüssen, in diesem Fall die Akten des Frankfurter Münz­ tages vom September 1509, ebenso wie vorbereitende Tagungen in die Edition zu integrieren.

2. Vollständigkeit der Materialerfassung? Diese »Grenzüberschreitung« deutet schon an, dass das den Mitarbeitern der »Mittleren Reihe« vorgegebene Ziel vollständiger Materialerfassung so gut wie unerreichbar ist, in einem archivalischen Hase- und Igel-Rennen aber dennoch hartnäckig verfolgt wird. Die thematische und zeitliche Ausweitung der Edi­ tionen erzwingt die Berücksichtigung einer Vielzahl von Archivbeständen: Es geht um die Überlieferungen möglichst aller Teilnehmer am Reichstag und der am Kaiserhof vertretenen Mächte, aber auch einzelner Fürsten und Städte, die so etwas wie Nachrichtenzentralen unterhielten12. Es geht um alle nur erdenklichen 10 RTA MR VIII/2 (wie Anm. 7), Nr. 825, S. 1290, Pkt. 3; S. 903, Anm. 2. 11 Reichsabschied vom 16.6.1509. StA Bamberg, Geheime Kanzlei, Nr.  6, fol. 200–202, hier fol. 202. 12 Zu nennen ist für die Zeit um 1500 neben Venedig insbesondere Mantua. In seiner prekä­ ren politischen Situation seit dem Italienzug Karls VIII. von Frankreich im Jahre 1494/95 gelangte Markgraf Francesco II. zur Einsicht in die Notwendigkeit aktiver Informations­ gewinnung. Er baute in der Folge ein große Teile Europas umspannendes Netz von Korres­ pondenzpartnern und Agenten auf. Vgl. Mazzoldi, Leonardo: Mantova. La storia, vol. II: Da Ludovico secondo marchese a Francesco secondo duca, Mantua 1973, S. 400 f. So be­ richtete etwa Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen seinem Cousin über die Verhand­ lungen des Augsburger Reichstags von 1500 und des Nürnberger Reichsregimentstags von 1501. Severidt, Ebba: Familie, Verwandtschaft und Karriere bei den Gonzaga. Struktur und Funktion von Familie und Verwandtschaft bei den Gonzaga und ihren deutschen Ver­ wandten (1444–1519), Leinfelden-Echterdingen 2002 (=  Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, Bd. 45), S. 308 f. Selbst im für Mantua politisch unproblematischen Jahr 1505 unterrichteten seine Informanten den Markgrafen unter anderem über die Vorgänge am Hof Maximilians  I. (Berichte der Gesandten Agostino Maria de Beccaria und Giovanni Francesco Peschiera), im Reich (Berichte des päpstlichen Gesandten Mariano de Bartho­

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Quellengruppen, die in irgendeiner Hinsicht Aufschluss über den Ablauf des Reichstags im weiteren Sinne geben können: natürlich die Verhandlungsakten, protokollartige Aufzeichnungen, Weisungen und Gesandtenberichte, Gutachten und Streitschriften sowie Urkunden, darüber hinaus aber auch alle anderen Kor­ respondenzformen, chronikalisches Material, serielle Quellen wie Rechnungs­ bücher usw.13 Nur drei Beispiele unter quantitativen Gesichtspunkten: Für den Wormser Reichstag 150914 sowie in vorbereitender Erfassung der Bestände für die beiden letzten noch ausstehenden Editionen der Abteilung, Bd. 12 (Reichs­ versammlungen 1513–1517) und Bd. 13 (Reichstag zu Augsburg 1518), mussten im Hauptstaatsarchiv Stuttgart über 100 Repertorien gesichtet werden. Für 1509 wurden dann 43 Archivalien durchgesehen, gelesen, exzerpiert oder für die wei­ tere Bearbeitung kopiert. Im Geheimen Staatsarchiv Berlin belief sich die Zahl auf 33 Findbücher und 48 Archivalien (Beilage 2). Selbst in einer kleinen Ein­ richtung wie dem Stadtarchiv Hagenau wurden für die Projekte Köln 1505 und Konstanz 1507 binnen eines Tages sechs Repertorien und acht Akten mit weit über 1.000 Seiten bewältigt sowie eine Mitschrift von sieben Seiten angefertigt. Die schließlich in den Archivalienverzeichnissen der Editionen aufgeliste­ ten Bestände und Nummern umfassen nur einen Teil  des gesichteten Mate­ rials. Beispielsweise weist das Findbuch für den im hessischen Staatsarchiv Mar­ lini, des Augsburger Juweliers Heinrich Exler, des Innsbrucker Hofmarschalls Paul von Liechtenstein, des Statthalters von Cavriana, Bartholomeo da Piacenza, und Ferrante Toccos), an der Kurie (Berichte Giovanni Gonzagas), am französischen Königshof (Berichte des Gesandten Giacomo d’Atri), in Mailand (Berichte des Gesandten Jamet de Nesson und des Mailänder Condottiere Galeazzo Visconti) und in Florenz (Berichte des Gesandten Francesco Malatesta). Archivio di Stato di Mantova, Archivio Gonzaga, serie E II 3, busta 439; E IV 3, busta 522; E VI 3, busta 544/1; E XV 3, busta 630; E X XV 3, busta 856; E XLIII 3, busta 1407; F II 6, busta 2116 (für die Zeit des Kölner Reichstags von 1505 ausgewertet in RTA MR VIII [wie Anm. 7]). 13 Der frühere Leiter der »Älteren Reihe« der deutschen Reichstagsakten, Erich Meuthen, de­ finierte die Aktenpublikation als »Zusammenstellung der Überlieferung aller Art zu einem historischen Ereignis«, in diesem Fall dem Reichstag. Meuthen, Erich: Der Quellenwan­ del vom Mittelalter zur Neuzeit und seine Folgen für die Kunst der Publikation, in: Lothar Gall/Rudolf Schieffer (Hg.): Quelleneditionen und kein Ende? Symposium der Monumenta Germaniae Historica und der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, 22./23.  Mai 1998, München 1999 (=  HZ, Beiheft NF 28), S. 17–36, hier S. 19 f. Johannes Helmrath, langjähriger Mitarbeiter der »Älteren Reihe«, be­ greift das Edieren von Reichstagsakten als Komposition verschiedenster Textsorten. Er be­ zeichnet das Ergebnis deshalb als pluralistische Edition. Helmrath, Johannes: (Humanisten) Edieren in den Deutschen Reichstagsakten, in: Sabine Holtz [u. a.] (Hg.): Humanisten edie­ ren – Gelehrte Praxis im Südwesten in Renaissance und Gegenwart, Stuttgart 2014 (Ver­ öffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. B 196), S. 209–244, hier S. 214 f. Dies gilt natürlich auch für die »Mittlere Reihe«. 14 In Vorbereitung: Heil, Dietmar (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: Der Reichstag zu Worms 1509, voraussichtlich München 2017 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wis­ senschaften, Bd. 10) [RTA MR X].

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Beilage 2

GStA BERLIN Preuß. Kulturbesitz (Aufzeichnung, S. 1 von 7) [1. Zentralbehörden der Mark Brandenburg ab 1188] [9bee/18bee] VII. HA Urkunden [chron. Verz. am Ende des FB]: [9bee] 1. Mark als Reichsstand (1.1. Kaiser- und Königsurkunden [M. I. jeweils in Kaiser- (1508–1519) und in Königsurkunden (1486–1508)]. 1.2. Papsturkun­ den. 1.3. Privaturkunden: Kff./Ff. etc.): 9bee Mark als Reichsstand, Urk. 88 (Beitritt KM/KK/KPF zur kf l. Einung von 1502, Or. m. S., Worms, 11.6.1509) [B9KFF1131/B]; Urk. 89 (10.5.1517); 90 (6.3.1518); 91 (7.9.1518); 92 (12.9.1518); 93 (15.9.1518). [9beN/18be] 2. Haussachen der Landesherren (2.1. Bestallungen; 2.2. Bünd­ nisse und Militärhilfe; 2.4. Kredite und Schulden; 2.6. Rechtssachen etc.): Urk. 70 (16.9.1518). [9beN/18be] 3.  Belehnungen der Landesherren: Märkische Ortschaften: Frankfurt/Stadt, Nr. 49 (3.7.1518).

[9beN] 9. Geistl. Fürsten und Stifter in Beziehung zur Mark (9.2. Ebm. Köln;

9.3. Bm. Halberstadt; 9.4. Ebm. Magdeburg; 9.5. Ebm. Mainz; 9.6. Bm. Meißen;

9.7. Bm. Münster; 9.8. Abtei Quedlinburg; 9.9. Stift Straßburg).

[9bee/18be] 10. Weltl. Reichsstände in Beziehung zur Mark (1.–23. Anhalt –

Württemberg): VII. HA, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark Bran­ denburg, Hamburg, Nr. 2 (HH unterstellt sich dem kbr. Schutz, Or. m. anh. S.,

in den hiligen pinghstdagen [27.5.]1509); Pommern, Nr. 116 (2.9.1518).

[9beN] 11. Fremde Mächte in Beziehung zur Mark (1–7 Dänemark – Spanien).

[9bee] 12.  Nichtmärk ische Urkunden: 9bee Lübeck, Nr. 2 (Transumpt eines

ksl. Mandats, Brüssel, 20.2.1509, gg. Dänemark, Or. Lübeck m. S. des Dekans

J. Grymmolt, 16.6.1509) [9GStAB].

[2. Zentrale Verwaltungs- und Justizbehörden] 2.1. Geheimer Rat (GR) [Sach-Reposituren:] 1. Beziehungen zum Kaiser, Rangerhöhung, Reichs- und Kreisangelegenheiten: [9bee/18bee] I. HA GR, Repos. 1 (Beziehungen zum Kaiser, zum Reich und zum Haus Österreich): 9bee Nr.  2  A [alt; jetzt Nr.  4!] (fol. 1–15 Korrespon­ denzen und RTA, 1507–1509, u. a. Berichte Eitelwolfs vom Stein, Supplik KBR an RT, Jun.1509 [Verm.: Kop. in Repos. 10, Nr. 2, Nrr. 11 und 12]). Nr. 5 [neu] (darin: Korrespondenz J. I.-M. I., 1517/18). [18beN] Repos. 3 (Böhm.-österr. Religionsirrungen und Unruhen). [9beN/13–17beN/18beN] Repos. 8 (Beziehungen zum hohen Adel im Reich). [9bee/13–17bee/18beN] Repos. 10 (Reichstagsverhandlungen): 9bee [2 × Pla­ netenzeichen] 2 N (RT Worms 1508/09); 2 P (RT Worms 1513); 2 Q (RT Mainz 1517).

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burg auf bewahrten Bestand »Hanauer Regierung« vier voluminöse Bände mit Reichstagsakten nach15. Darin fand sich jedoch nur ein einziges Schriftstück zum Wormser Reichstag von 150916. Vor allem aber müssen aufgrund der Viel­ zahl für die Editionen in Frage kommender Themen auch alle dafür einschlägi­ gen Bestände durchgesehen werden. Die bayerischen Instruktionen, Weisungen und Berichte in Bezug auf den Wormser Reichstag sind im Hauptstaatsarchiv München (Bestand: Kurbayern Äußeres Archiv) nur teilweise bei den Reichs­ tagsakten (Nr. 3136, 3137) zu finden. Die restliche Überlieferung ist nach Sach­ gruppen aufgesplittert. Weiteres Material fand sich nach der Durchsicht von Dutzenden in Frage kommender Betreffe in Aktengruppen mit Bezeichnungen wie »Pfalz-Neuburg, Jurisdiktionsstreitigkeiten« (Nr. 1241, 1242) und »Regens­ burg« (Nr. 1575). Leider wird die Erfüllung des Pensums durch die Archive nicht immer er­ leichtert. Manche Institute sind aufgrund personeller Engpässe genötigt, ihren Besuchern nur bestimmte Ausleihkontingente einzuräumen. Schlimmstenfalls sind dies drei Einheiten pro Tag. Vergegenwärtigt man sich die oben genannten Zahlen, sind die Konsequenzen für den Editor und in der Folge für die Finan­ zen der Kommission leicht zu ermessen. In dieser Hinsicht dürfen auch die teil­ weise immens hohen Kosten für Reproduktionen nicht unterschätzt werden, vor allem wenn umfangreiche Akten einem Urkundenbestand zugeschlagen wurden. Zwingt Raumnot die Archive zur Auslagerung von Beständen, stehen bestellte Dokumente unter Umständen erst in der folgenden Woche zur Verfügung. Exis­ tieren noch keine digitalisierten Findbücher für die Eruierung der Signaturen und Bestellung der Archivalien vor Reiseantritt, bleibt nur die Alternative zwi­ schen Verzicht auf die Einsichtnahme oder kostspieliger Verlängerung des Auf­ enthalts. Ein wirkliches Übel aus Benutzersicht ist es, wenn ganze Bestände nur noch in Form von Mikrofiches oder -filmen ausgegeben werden. In vielen finan­ ziell unzureichend ausgestatteten Archiven stehen für die Durchsicht des Ma­ terials zu wenige bzw. veraltete Lesegeräte bereit. Bisweilen ist kein Kopiergerät angeschlossen und es gibt keine Bilddrehfunktion. Keineswegs sind die Aufnah­ men immer gleich ausgerichtet. Die erforderlichen akrobatischen Verrenkungen, um auf dem Kopf stehende Texte lesen zu können, sind für die übrigen Besucher zweifellos sehr unterhaltsam. Aber auch wer sich eines modernen Geräts bemäch­ tigen konnte, sieht sich häufig mit schlechten und lückenhaften Aufnahmen kon­ frontiert. Das schnellere Ermüden am Lesegerät verringert das zu leistende Ta­ gespensum deutlich. Befinden sich die Geräte in schlecht belüfteten Lesekabinen, stellen sich nach einigen Stunden unvermeidlich körperliche Beschwerden ein.

15 StA Marburg, Best. 81 Hanauer Regierung, [Kaiser und Reich: Reichstage], A/180/2 (Zeit­ raum: 1500–1543), A/181/2 (1497–1543), A/205/3 (1507–1551) und A/206/16 (1501–1582).

16 Schreiben des kaiserlichen Reichstags-Kommissars Graf Adolf  III. von Nassau an Graf

Reinhard V. von Hanau-Münzenberg, Worms, dinstags nach exaudi [22.5.]1509; StA Mar­ burg, Best. 81, A/181/2, fol. 3–3’.

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Mitunter bedrohen auch unerwartete Risiken das gesundheitliche Wohl des Editors: In einem Fall gelangte der kurz vor der Pensionierung stehende Ar­ chivar zur Einsicht, dass es besser wäre, ich würde einen bestellten Aktenkar­ ton selbst ausheben, da ein möglicher Sturz von seiner äußerst wackligen Lei­ ter in meinem »noch jugendlichen Alter« voraussichtlich leichter zu verkraften wäre. Zu allem Überf luss enthielt das dann doch wohlbehalten erlangte Archi­ vale überhaupt kein Material zum aktuellen Projekt Worms 1509 – ein Druck­ fehler im Findbuch. Glücklicherweise seltene Ausnahmen bleiben Abwehrstrategien der Archi­ vare selbst: Als leider wirkungsvoll erweist sich in kleineren, schlecht erschlos­ senen Archiven die Verleugnung der Existenz bestimmter einschlägiger Be­ stände, so geschehen in einem süddeutschen Stadtarchiv in Hinblick auf seine Urkundenüberlieferung. Es kann aber auch passieren, dass angesichts einer grö­ ßeren Bestellserie die sachliche Notwendigkeit dazu einfach in Zweifel gezogen wird. Beim Besuch in einem ostdeutschen Archiv wenige Jahre nach der Wende wurde mir die Einsichtnahme in die Beständeübersicht verwehrt. Wie sich spä­ ter herausstellte, wollte man nicht transparent machen, dass die Archivtektonik noch die marxistische Geschichtsauffassung abbildete. In einer auf über zwanzig Jahren Archiverfahrung beruhenden Zwischen­ bilanz ist dennoch festzuhalten, dass die Benutzerfreundlichkeit der Archive insgesamt deutlich zugenommen hat. Die anfänglich verschiedentlich noch gül­ tige Klassifizierung des Benutzers als potentiellem Schädling ist dessen Wert­ schätzung gleichsam als Kunden gewichen. Wiederholt durfte ich Referenten bei unklaren Bestellungen in die Depots begleiten, um das gewünschte Doku­ ment gemeinsam ausfindig zu machen. Verschiedentlich wurden angesichts einer weiten Anreise die Kontingentbeschränkungen vorübergehend außer Kraft gesetzt. In kleineren Archiven war es mitunter möglich, für sehr teure Re­ produktionen niedrigere Kostensätze zu vereinbaren, oder es wurde gar die un­ entgeltliche Verwendung eines mitgebrachten Fotoapparates genehmigt. Die zunehmende Verfügbarkeit von Online-Findmitteln reduziert den Zeitaufwand für die eigentliche Archivarbeit deutlich. Den gleichen Effekt hat der signifikant gestiegene Aufwand der zuständigen Referenten bei der Beantwortung von An­ fragen. Angesichts knapper Kassen und der Notwendigkeit zur Beschleunigung der Projekte musste auch das Dienstreiseprogramm der »Mittleren Reihe« ge­ kürzt werden. Vor allem kleinere Einrichtungen erklärten sich in der Folge be­ reit, Recherchen in einem vertretbaren Rahmen selbst durchzuführen und in Frage kommendes Material in Form von Reproduktionen bereitzustellen. Auch wenn der Besuch dieser Archive nicht mehr möglich ist, stehen auf diese Weise für die Editionen wenigstens die wichtigsten Dokumente zur Verfügung17.

17 Die überwältigende Mehrzahl der Archivare verdient somit Dank für ihre zuvorkommende Hilfsbereitschaft und unermüdliche Geduld – so geschehen in RTA MR VIII/1 (wie Anm. 7), S. 15, und RTA MR IX/1 (wie Anm. 7), S. 13.

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Erweist sich die Arbeit in den Archiven als nicht immer einfach, so stellen selbst für einen erfahrenen und hartnäckigen Editor fehlerhafte Repertorien ein in der Regel unüberwindliches Hindernis dar. Was an Quellenmaterial falsch oder gar nicht ausgewiesen ist, kann auch nicht bestellt werden. Eine der sel­ tenen Ausnahmen: Bei den Recherchen für Konstanz 1507 waren im zentralen Bestand der Innsbrucker »Maximiliana« trotz zweimaliger Durchsicht des Re­ pertoriums keine Reichstagsakten ausfindig zu machen. Im Jahr 2012 eruierte ich bei den Recherchen für Worms 1509 und den Sondierungen für Augsburg 1518 die Signaturen VI/20 bzw. VI/28 und wagte nach kurzer Überlegung eine Blindbestellung mit der im Findbuch nicht nachgewiesenen Nummer VI/19. Heureka! Das tatsächlich existierende Aktenbündel enthielt unter anderem die Reste der österreichischen Überlieferung zum Konstanzer Reichstag. Obwohl das Manuskript zu diesem Zeitpunkt bereits zur Begutachtung vorlag, konnte das Material noch nachträglich eingearbeitet werden18. Doch bleiben solche glücklichen Funde Einzelfälle. So ist Vollständigkeit, ge­ messen am vorhandenen Aktenmaterial in den besuchten Archiven, von vorn­ herein nur näherungsweise, niemals aber ganz zu erreichen. Abgesehen da­ von kommt die Edition methodisch nicht umhin, wie der maximilianeische Reichstag eben auch, gewissermaßen am Rand auszufransen. Je weiter sich das ausgehobene Material vom Reichstagskern entfernt, desto selektiver ist es zu behandeln, um die Kontur des Reichstags nicht mit der kontinuierlichen Reichs­ geschichte verschwimmen zu lassen.

3. Auf bereitung und Erschließung der Quellen Ist die heuristische Phase abgeschlossen, beginnt in der Auseinandersetzung mit den Reproduktionen die eigentliche Editorenarbeit: Im Allgemeinen wer­ den die regelmäßig vorkommenden archivalischen Irrläufer wenn nicht bereits im Archiv, so doch spätestens vor ihrer Bearbeitung ausgeschieden. Beispiels­ weise erbrachte die Analyse einer  – laut Archivangabe und geltender For­ schungsmeinung  – vermeintlichen Supplikation des Hochmeisters Friedrich von Sachsen an die Kölner Reichsversammlung von 1505, dass es sich tatsäch­ lich um ein Gutachten des Ordenskanzlers Dietrich von Werthern aus dem Jahr 1507 handelte19. Ein im Staatsarchiv Marburg ausgehobenes, laut Archivarsver­ merk zwischen Februar 1508 und Juli 1509 und demzufolge in die hessischen 18 RTA MR IX/1 (wie Anm. 7), Nr. 110, Anm. 9; Nr. 117 mit Anm. 1 und 2; Nr. 145 (Kollations­ exemplar B); Nr. 201, Anm. 1; Nr. 734, Anm. 2; Nr. 744, Anm. 8; Nr. 753, Anm. 1; Nr. 754, Anm. 1; Nr. 755, Anm. 3; Nr. 762, Anm. 2; Nr. 764; Nr. 765; Nr. 767; Nr. 781, Anm. 1; Nr. 795, Anm. 6; Nr. 812, Anm. 3; Nr. 813, Anm. 1; Nr. 902, Anm. 4 u. ö.; Nr. 924, Anm. 2; Nr. 991, Anm. 3. Die beträchtliche Zahl der Verarbeitungsstellen verdeutlicht die Relevanz dieses Fundes für die Edition. 19 RTA MR VIII/1 (wie Anm. 7), S. 822 Anm. 1.

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Akten zum Wormser Reichstag von 1509 eingeordnetes Schreiben Kaiser Ma­ ximilians an seinen Kanzler Zyprian von Serntein20 war nach aufwändigen Re­ cherchen in den Zeitraum zwischen 1515 und 1517 einzuordnen, wird also für den künftigen zwölften Band der »Mittleren Reihe« einschlägig sein. Das gesicherte Quellenkorpus wird im Rahmen der Bearbeitung gravieren­ den Eingriffen unterzogen. Priorität hat nicht eine idealisierte Vorstellung phi­ lologischer Authentizität21, sondern die optimale Verfügbarkeit, vorrangig die Erleichterung des Textverständnisses für den Benutzer. Begründet ist dieses Verfahren schon aufgrund der, gemessen an mediävistischen Quellen, geringen Validität des einzelnen Dokuments. Bereits Moriz Ritter konstatierte 1909 die Weitschweifigkeit und inhaltliche Dürftigkeit der den Editionen zugrunde lie­ genden Akten22. Erst die strukturierte Zusammenfassung der Stücke begründet ihren Wert für die Geschichtswissenschaft. Die Eingriffe der Editoren23 betreffen bei handschriftlichen Texten die Ver­ einfachung des Buchstabenbestands, etwa durch Auf hebung unnötiger Kon­ sonantenreduplikationen. Bei schwer lesbaren Handschriften wie einer eigen­ händigen Aufzeichnung des Jülicher Kanzlers Wilhelm von Lüninck (Abb. 1) wird das Bemühen um eine Entscheidung über einfachen oder Doppelkonso­ 20 Undatierte Abschrift, mit einer Beilage (Antwort ständischer Vertreter an Räte Kaiser Ma­ ximilians I.). StA Marburg, Best. 2, Nr. 119, unfol. 21 Vgl. zum Authentizitätsproblem historisch-kritischer Editionen Lanzinner, Maximilian: Der authentische Text und das editorisch Mögliche: Deutsche Reichstagsakten. Reichsver­ sammlungen (1556–1662), in: Brigitte Merta/Andrea Sommerlechner/Herwig Weigl (Hg.): Vom Nutzen des Edierens. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Beste­ hen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Wien, 3.–5. Juni 2004, Wien/ München 2005 (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Er­ gänzungs-Bd. 47), S. 101–107. 22 Vgl. Wolgast, Eike: Deutsche Reichstagsakten, in: Lothar Gall (Hg.): »… für deutsche Ge­ schichts- und Quellenforschung.« 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2008, S. 79–120, hier S. 94. 23 Zu den Editionsrichtlinien der »Mittleren Reihe« vgl. RTA MR  V/1 (wie Anm.  4), S.  85; RTA MR VI (wie Anm. 3), S. 16; RTA MR VIII/1 (wie Anm. 7), S. 75. Die Vorgaben basie­ ren auf den Empfehlungen von Johannes Schultze: Richtlinien für die Edition von Quellen zur neueren deutschen Geschichte, in: Walter Heinemeyer (Hg.): Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen, Marburg/Hannover 22000, S.  27–39, und des Arbeitskrei­ ses »Editionsprobleme der frühen Neuzeit«: Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte, in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, Be­ richtsjahr 1980, Stuttgart 1981, S. 85–96; auch: http://w w w.ahf-muenchen.de/Arbeitskreise/ empfehlungen.shtml [Stand: 16.1.2014]. Augenscheinlich sind die Richtlinien innerhalb der Abteilung nicht unveränderlich. Zum einen unterliegen sie einem ständigen auf Optimie­ rung abzielenden Diskurs, zum anderen ergeben sich auch aus dem drucktechnischen Fort­ schritt neue Möglichkeiten, zuletzt beispielsweise die Darstellung von Diakritika bei der Ganztextwiedergabe zeitgenössischer Drucke. Man wird aber auch, wie bereits von Erich Meuthen: Der Methodenstand bei der Veröffentlichung mittelalterlichen Geschäftsschrift­ gutes, in: Der Archivar 28 (1975), Sp. 255–274, hier Sp. 261 mit Anm. 19, festgestellt, zwi­ schen den verschiedenen Editionen eine gewisse Toleranzbreite hinsichtlich der Einhaltung der Richtlinien einräumen.

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Abb. 1: Aufzeichnung des Jülicher Kanzlers Wilhelm von Lüninck über eine Erk lärung von Räten König Maximilians I., Köln, 12.6.1505.

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nanten ohnehin obsolet. Vokalisch gebrauchte Konsonanten werden nach ihrem Lautwert wiedergegeben. Die bei frühneuzeitlichen Texten keiner kontinuier­ lichen Regelmäßigkeit unterliegende, anscheinend eher an einem optisch-gra­ phischen Prinzip orientierte Groß- und Kleinschreibung wird normalisiert24. Die Großschreibung gilt einheitlich nur für Satzanfänge, Eigennamen im wei­ testen Sinne sowie Titel und Anreden. Verwendete Abkürzungen werden stan­ dardisiert oder aufgelöst, in der Regel stillschweigend. Offenkundige Schreib­ fehler werden emendiert, es wird aber keine philologische Textoptimierung versucht. Die Zeichensetzung, die ausgerechnet bei den gedruckten Texten häu­ fig noch dem rhythmisch-intonatorischen Prinzip des Mittelalters folgt, wird durch eine syntaktische Interpunktion ersetzt25. Italienische und französische Texte modernisieren wir behutsam im Hinblick auf die Zusammen- und Ge­ trenntschreibung sowie die Setzung von diakritischen Zeichen. Die Ganztext­ wiedergabe ist somit weder buchstaben- noch satzzeichengetreu (Beilage  3). Auch die Untergliederung der einzelnen Stücke nimmt häufig der Editor vor. Insgesamt sind die Eingriffe in die den Großteil der Edition ausmachenden handschriftlichen frühneuhochdeutschen Texte so gravierend, dass sie für phi­ lologische Fragestellungen kaum mehr geeignet sind. Für die gewissermaßen außerhalb des Reichstagskerns entstandenen Texte gilt ohnehin meist das Wie­ dergabeprinzip der Regestierung. Bisweilen genügt ein Auszug oder ein Ak­ tenreferat. Lediglich die vergleichsweise wenigen gedruckten zeitgenössischen Texte werden mit Ausnahme der Interpunktion möglichst vorlagengetreu wie­ dergegeben, auch um sie optisch von den übrigen Stücken abzuheben. Die gegenüber philologischen und mediävistischen Editionen stark redu­ zierte Kollationierung dient bei den zentralen Verhandlungsakten (die zwischen dem Reichsoberhaupt und dem reichsständischen Plenum ausgetauschten Re­ solutionen) – jedenfalls als Ideal – nun doch der Rekonstruktion des in der ge­ schäftsführenden Kanzlei zur Abschrift vorgelegten Archetypus. Nur hier wird vergleichsweise detailliert verfahren. Hinsichtlich aller übrigen Quellengrup­ pen macht die Kollationierung ausschließlich inhaltlich und textgenetisch re­ levante Überlieferungsvarianten transparent. Zur editorischen Sicherung der Texte gehören natürlich die Kennzeichnung ihres Fertigungsstandes, die Wie­ dergabe von Kanzleivermerken und Hinweise auf Besonderheiten, etwa Beschä­ digungen oder auch eine auffällige Flüchtigkeit des Geschriebenen. Jenseits al­

24 Reichmann, Oskar: Zur Edition frühneuhochdeutscher Texte. Sprachgeschichtliche Per­ spektiven, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 97 (1978), S. 337–361, hier S. 350; Stübing, Bernd: Zur Textwiedergabe in Editionen am Beispiel der Ziegenhainer Urbare, in: Peter Rück (Hg.): Mabillons Spur. Zweiundzwanzig Miszellen aus dem Fachgebiet für Histori­ sche Hilfswissenschaften der Philipps-Universität Marburg. Zum 80. Geburtstag von Wal­ ter Heinemeyer, Marburg/Lahn 1992, S. 77–89, hier S. 84 f. 25 Vgl. zur Diskussion zuletzt: Schubert, Martin: Interpunktion mittelalterlicher deutscher Texte durch die Herausgeber, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 27 (2013), S. 38–55, hier S. 40–42.

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Beilage 3

Modernisierung und Normierung des Zeichenbestands bei handschriftlichen Texten – Vereinfachung des Buchstabenbestands haben

habenn zceit

zeit – Wiedergabe nach dem Lautwert getrewen vnnd

getreuen

und

– Modernisierung der Getrennt- und Zusammenschreibung deß halben deßhalben

Lezonto

L’è zonto – Normierung der Groß- und Kleinschreibung – Unterdrückung diakritischer Zeichen(bei dt. Texten) wue rden wurden – Setzung diakritischer Zeichen (bei frz. und ital. Texten) poi mostro poi mostrò – Auf lösung oder Standardisierung von Abkürzungen misericordia Domini mis.ia dni. key. Maj. ksl. Mt. – Emendation von Schreibfehlern camtzler die rete des des hertzogs

canzler

die rete des herzogs

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ler überlieferungsgeschichtlichen Zufälle und unvermeidlichen Lücken hilft die Angabe aller bekannten Fundorte bei der Bewertung der einzelnen Stücke hin­ sichtlich ihres Zwecks und ihrer Bedeutung. Die Kommentierung der Texte26 vollzieht sich in einem konstanten Span­ nungsfeld zwischen Möglichkeit und Notwendigkeit. Welche Sachinforma­ tionen sind für den Benutzer notwendig, um die Texte verstehen zu können? Wie viel selbstständige Erschließungsarbeit kann man ihm zumuten? Uns lei­ tet dabei die Erwartung, dass der Rezipientenkreis aufgrund fehlender Voraus­ setzungen (geschichts-)wissenschaftsferne Interessenten wie auch die leistungs­ schwächsten Studierenden nicht mit einschließt und alle verbliebenen Nutzer sich gemeinhin vor der Auseinandersetzung mit den Quellen mithilfe der ein­ schlägigen Literatur in die Materie eingearbeitet haben. Auf solchen Vorüberlegungen basiert die Auf bereitung der Texte: Funk­ tionsträger werden identifiziert, verballhornte, abgekürzt oder unvollständig aufgeführte Namen werden aufgelöst bzw. vervollständigt, schwer verständ­ liche oder irreführende Formulierungen und Wörter werden aufgeschlüsselt. Dies gelingt nicht immer, aber fast immer. Fremde Textelemente werden nach­ gewiesen, Verweise auf ungedruckte und gedruckte Akten, aber auch Zitate im weitesten Sinne literarischer Natur belegt. Natürlich helfen Suchmaschinen und Datenbanken, entscheidend für den Erfolg der Kommentierung bleibt aber die Textkompetenz und Findigkeit des Bearbeiters. Äußerste Zurückhaltung erle­ gen wir uns bei inhaltlichen Fehlern in den Vorlagen auf: Falsche Einzelangaben wie irrige Angaben von Namen, Daten und Zahlen werden korrigiert. Schwie­ rig wird es bei der unter Maximilian I. bisweilen bewusst falschen, immer wie­ der allzu unkritisch von der Forschung übernommenen Darstellung von Sach­ verhalten. Meist wird hier nur knapp auf Literatur verwiesen, die den Benutzer zu einem eigenen Urteil befähigt. Wo allerdings Forschungslücken bestehen, wird versucht, dies durch archivaliengestützte Kommentierung auszugleichen (Beilage 4). Den raschen Zugriff auf die Texte unterstützen Inhaltsverzeichnis, Kopf­ regesten zu den einzelnen Stücken, Register (Orts- und Personenregister, selek­ tives Sachregister) und Stückeverzeichnis. Alle vier Erschließungshilfen werden beim aktuellen Editionsprojekt »Der Reichstag zu Worms 1509« während der laufenden Arbeiten mit Identifikationscodes für die bereits bearbeiteten Stücke erstellt. Dieses Verfahren erlaubt meist die sofortige Einordnung neuer Stücke in das entstehende Manuskript und unterstützt auch ganz konkret die rasche Identifizierung von Personen. Ein Beispiel: Das pfälzische Reichstagsprotokoll27 26 Vgl. auch Rolof f, Hans-Gert: Fragen zur Gestaltung von Kommentaren zu Textausgaben der Frühen Neuzeit, in: Lothar Mundt [u. a.] (Hg.): Probleme der Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Arbeitstagung der Kommission für die Edition von Texten der Frü­ hen Neuzeit, Tübingen 1992 (= Beihefte zu editio 3), S. 130–139. 27 HStA München, Kasten blau 103/4b, fol. 9–49; Reinschrift, Aufschrift: »Handelunge uf dem Richs tage zu Worms anno XVCIX nach den Ostern ungeverlich ergangen.«

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Beilage 4

Elemente der Texterschließung (im fortlaufenden Text oder als Fußnote) – Identifizierung von Funktionsträgern »brobst zu Stockart«

[Dr. Ludwig Vergenhans]

– Auf lösung verballhornter, abgekürzter oder unvollständiger Namen »Zuan Consecha« [= Hans von Königsegg] »Hie. R.« Hie[ronymus] R[udelauf ] – Korrektur bzw. Erk lärung fehlerhafter, miss- oder unverständlicher Schreibweisen »frogbersch« [= fruchtbares] – Korrektur sachlicher Fehler »vertrag von Arnhem«1 – Nachweis von Zitaten und Sprichwörtern »Vinum theologorum et tortae Jacobitarum«2

1

Schreibfehler, richtig: Tiel.

Gerson, Opera omnia  II, Sp. 639. 2

»Deßglichen hat Got Abraham geboten, sinem elichen kind sin erbschaft zu verlassen.« [Gen. 15,4]

– Nachweis von Zitaten aus gedruckten und ungedruckten Akten bzw. von Hinweisen darauf 3 Auszug aus § 1 der Augs­ »Das regement … haben sullen.«3 burger Regimentsordnung vom 2.7.1500; (Schmauss/Senckenberg, Sammlung II, S. 56). 4 »… der 1506 geschlossene Vertrag Or. m. 2 Ss., 25.6.1506; zwischen dem Ebf. von Köln und NRW LA, Abt. Rheinland, Zyprian von Serntein …«4 Kurköln Urkunde Nr. 3769 [knappe Inhaltsangabe …]. – Auf lösung von Hinweisen auf Stücke der Edition (interne Querverweise)  »… mit ainer zetl laut inligender copie …« [Nr. 210] – Entschlüsselung codierter Nachrichten »Ir Mt. wipil [= wil] nopen [= non] plupucepes [= plus] quam sepex [= sex] mipilliprapa [=  milia] hopomipinipes [= homines] vom Reipich [= Reich] fopordepren [= fordren].« – Erk lärung von Sachverhalten (auf archivalisches Material und Forschungs­ literatur gestützt)

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erwähnt im Zusammenhang mit Sessionsstreitigkeiten zwischen Bayern, PfalzSimmern und Pfalz-Zweibrücken einen gewissen »Dr. Philipp«. Wie zu dieser Zeit bei promovierten Akademikern durchaus üblich, ist also nur der Vorname genannt. Im provisorischen Register ist als Zeuge in einem während des Reichs­ tags in Worms ergangenen Schiedsurteils zwischen der Stadt Worms und dem dort ansässigen Stiftsklerus28 ein Dr. Philipp Aberlin aufgeführt. Recherchen ergaben, dass dieser seit 1503 und noch während des Wormser Reichstags als Zweibrücker Kanzler oder Rat fungierte. Der im Protokoll genannte Dr. Philipp ist demnach als Philipp Aberlin zu identifizieren. Die abschließend verfasste Einleitung beschränkt sich auf die notwendigen, auf drei wesentliche Elemente reduzierten Informationen für die Benutzung des Bandes. 1.  Quellenauswahl und Quellenbearbeitung werden transparent gemacht. 2. Da der Forschungsstand für die Reichsgeschichte um 1500 immer noch unzureichend ist, ist meistens eine knappe Darstellung der Vorgeschichte notwendig, um die so genannten Vorakten nicht über Gebühr belasten zu müs­ sen. 3. Ein Wegweiser durch die Edition hilft insbesondere dem noch unerfah­ renen Benutzer, sich zurechtzufinden, und macht den Experten auf Besonder­ heiten aufmerksam. Abbildung 2 und Beilage 5 illustrieren am Beispiel einer Furier-Instruktion Maximilians I. zum Kölner Reichstag von 1505 den Vorher/Nachher-Effekt un­ serer Editorentätigkeit. Aus einem schwer auffindbaren, in Hinblick auf die Korrekturen und Ergänzungen nicht einfach zu lesenden Archivale wurde ein für die historische Forschung erschlossenes Dokument (RTA MR  VIII/1, Nr. 263, S. 394 f.). Die beschriebene Standardisierung des Editionsverfahrens ist natürlich ide­ altypisch und unterliegt sowohl überlieferungsbedingten Schwankungen als auch der Notwendigkeit zur Anpassung an die Fähigkeiten und Arbeitsroutinen des einzelnen Editors. Doch sind die feststellbaren Abweichungen zwischen den neueren Publikationen der »Mittleren Reihe« nur noch marginal. Gleichzeitig wurde eine immense Beschleunigung des Produktionsausstoßes erreicht. Nach der Gründung der Abteilung im Jahre 1928 dauerte es beinahe ein halbes Jahr­ hundert, bis Ernst Bock 1972/73 die erste Edition (1488–1490) vorlegen konnte. 1979, 1981 und 1989 erschienen, zum Teil nach über zwanzigjähriger Bearbei­ tungszeit, die Bände 6 (1496–1498), 5 (1495) und 1 (1486)29. Inzwischen ist die Bearbeitungsdauer drastisch verkürzt. Die mit zwei hauptamtlichen Mitarbei­ tern ausgestattete Abteilung legte bereits 2001 (1487), 2008 (1491–1493 sowie 1505) und 2014 (1507) weitere vier Editionen vor. Anfang 2015 wird das über 2500 Seiten starke Manuskript zu Band 11 (1510–1512) fertig gestellt. Voraus­

28 StadtA Worms, 1 B, Nr. 1922/1, pag. 1–17; Druck, Aufschrift: »Entscheidt vnd vertrege zwi­ schenn der pfaff heidt vnd gemeyner Statt wormbs des weynschenckens vnd anderer stuck halber etc.« 29 Wolga st, Reichstagsakten (wie Anm. 22), S. 106, 110, 114.

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Abb. 2

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Beilage 5

263 Instruktion Kg. Maximilians für Sebastian Strasser und Heinrich Bernhard Beschaffung von Unterkünften für das kgl. Gefolge und für die geladenen

Reichsstände.

s.l., s.d., jedoch wohl Weißenburg/Elsaß, 17. April 1505.

HHStA Wien, Maximiliana 40, Fasz. II/15, fol. 118–119’ (Konz., Überschr.: Instruction, wes

unser diener Sebastian Strasser und Hainrich, furier1, zu Colen von unsern wegen handln

solten.).

/118/ Anfenglichen sollen sy unserm rat und rechenmaister Casius Hackenay auf die hiebeyligend credenz2 sagen, wie wir willens sein, in aigner person gen Co­ len zu kumen und etlich Ff. und stend dahin beschriben und furgenumen haben, in des von Mors haus3 zu ligen. Dasselb haus solten die gemelten unser dinera­ mit hilf des genanten-a Casius also fur uns zurichten; und wes sy darzu notdurftig werden, das sol ine Casius helfen bestellen. b-Und ob ainicher pau verer darin zu tun wer, sollen sye den dem Casius anzeigen, der dan weiter denselben machen sol lassen-b. Und dann furter in dem nechsten quartier an demselben haus solen die berur­ ten unser diener fur tausend pferd herberg und stallung verfahen und bestellen fur unser hofgesind und in dasselb quartier sunst niemands legen. c-Und solln in demselben quartier funfzig unser wappen aufschlagen-c. Item sy sollen bemeltem Casius sagen, das er uns fur 200 f l.rh. habern bestell und denselbigen von stund an aufschutten. Und so wir geen Coln kumen, wellen wir im den bezalen.4 /118’/ Item sy sollen unser reten zunechst bey unser herberg zu Collen ain lustig hauß fur ir person eingeben und zurichten lassen, inmassen ir furier anzaigen werd. Item danach sollen die furier Hg. Albrechten, Hg. Alexander, Hg. von Wirttenberg, Lgf. von Hessen und dem Schwebischen Pund, so Pfgf. in diesem krieg wider­ wertig seind gewest, ain sonder und aigen quartier zu Coln eingeben. [usw.; DH]. 1 Die Instruktion lautete ursprünglich auf den kgl. Kammerdiener Sebastian Aigl. Die entspre­ chenden Korrekturen werden im folgenden nicht berücksichtig t. 2 Nr. 262. 3 Gemeint ist der Mörs’sche Hof am Neumarkt. a-a) mit … genanten] Versehentlich gestrichen. b-b) Und … lassen] Einfügung am Rand. c-c) Und … aufschlagen] Einfügung. Danach folgt ein gestrichener Absatz: Darnach sollen sy fur unsern lb. swager und F., Hg. Albrechten von Bayern, zunechst an unserm quartier auch fur zweyhundert pferd herberg und stallung bestellen. Der folgende Text bis zum Ende ist von an­ derer Hand ergänzt. 4 Da Hackeney sich vor Beginn des RT am kgl. Hof auf hielt, gab er die ihn betreffenden Aufträge nach Köln weiter [Nr. 269] und veranlasste auch Heinrich Slebusch, deshalb an den Kölner Ma­ gistrat zu schreiben [Nrr. 220, fol. 8; 266, fol. 6’].

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sichtlich Mitte des gleichen Jahres folgt Band 10 (1509)30. Bei dann noch zwei ausstehenden Projekten – dem Mainzer Reichstag von 1517 einschließlich der vorangegangenen Rumpfreichstage und dem Augsburger Reichstag von 1518 – ist der Abschluss der Abteilung in wenigen Jahren absehbar.

4. Zum wissenschaftlichen Ertrag der Editionen Kurz nach meiner Anstellung in der »Mittleren Reihe« stellte der damalige Ab­ teilungsleiter zu den Fähigkeiten des editorisch ungeschulten Historikers im Hinblick auf archivalische Quellen fest: Er findet dreißig Prozent des relevan­ ten Materials nicht, zwanzig Prozent des gefundenen Materials kann er nicht ausreichend entziffern, zehn Prozent des für ihn lesbaren Materials versteht er nicht richtig. Natürlich variieren die Zahlen im Einzelfall, doch gerade an­ gesichts zunehmender Probleme junger Historiker bei den Archivrecherchen wird die zuverlässige Edition prinzipiell einen immer höheren Stellenwert be­ sitzen. Denn nach wie vor gilt ungeachtet aller Positivismuskritik das jüngst im Titel einer Festschrift formulierte Axiom: »Nulla historia sine fontibus«31. Jenseits der Überzeugung, dass die historische Quelle – und somit deren Edi­ tion  – nichts weniger als die »Lebensvoraussetzung für unsere Wissenschaft« darstellt32, wird allerdings im Bereich der Neueren Geschichte der Zusammen­ hang zwischen Editions- und Forschungstätigkeit merklich schwächer33. Es ist deshalb nicht unbegründet, von einer gewissen Entfremdung zwischen Editorik und Geschichtswissenschaft zu sprechen. Der Vorschlag Winfried Schulzes, die historische Editionstätigkeit gegenüber dem bisherigen Schwerpunkt der Quel­ lenbestände staatlicher Provenienz entsprechend der stattgefundenen »Diffe­ renzierung und Ausdehnung der Interessenlagen historischer Forschung« zu erweitern34, wäre ein prinzipiell geeigneter Weg, jedoch nicht für die Reichs­ tagsakten. Schon das definierte Editionsziel schließt eine solche Umorientie­ rung aus, sie ist aber auch nicht notwendig.

30 Der von Peter Schmid (Regensburg) als nebenamtlichem Mitarbeiter betreute Band 7 der Reihe beansprucht naturgemäß eine deutlich längere Bruttobearbeitungszeit. Als beson­ dere Hypothek erweist sich überdies die konzeptionelle Überlastung dieses Projekts mit dem Rumpfreichstag von 1499 (Worms/Köln/Mainz/Überlingen), dem fünf Monate lan­ gen, verhandlungsintensiven Augsburger Reichstag von 1500, dem Nürnberger Reichs­ regimentstag von 1501, dem Frankfurter Reichstagsprojekt von 1501 sowie der daran an­ schließenden Serie von Kurfürstentagen in den Jahren 1502/3. 31 Thaller, Anja/Gießauf, Johannes/Bernhard, Günther (Hg.): Nulla historia sine fontibus. Festschrift für Reinhard Härtel zum 65. Geburtstag, Graz 2010. 32 Meuthen, Quellenwandel (wie Anm. 13), S. 35. 33 Vgl. Schulze, Winfried: Editionstätigkeit und Forschungsorientierung in der Neueren Ge­ schichte, in: Merta, Nutzen (wie Anm. 21), S. 339–348, bes. S. 344–346. 34 Schulze, Editionstätigkeit (wie Anm. 33), S. 347 f.

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Natürlich kommunizieren die dargebotenen Texte schwerpunktmäßig poli­ tisches Handeln. Es ist ausgeschlossen, weiterführende Arbeiten zur politischen Geschichte des Reiches um 1500 ohne die edierten Reichstagsakten zu verfas­ sen. Doch reicht die wissenschaftliche Relevanz der Editionen weit über die­ sen Teilbereich hinaus. Schon die Vielfalt der herangezogenen Quellengrup­ pen garantiert ihre Nutzbarkeit für ein großes Spektrum von Fragestellungen auch jenseits des Politischen. Anfragen im Zusammenhang mit den laufenden Projekten, seien es punktuelle Auskünfte oder Anträge auf die Bereitstellung von Manuskriptteilen für aktuelle Forschungen kommen aus allen Teilgebie­ ten der Geschichtswissenschaft, zuletzt zu Themen der Kultur-, Kommunika­ tions-, Landes- und Kirchengeschichte, aber auch aus fachfremden Diszipli­ nen. So wurden die umfangreichen venezianischen Berichte vom Konstanzer Reichstag35 einem Regensburger Romanisten für grammatische Studien zur Verfügung gestellt. Unbestreitbar bleiben die Reichstagsakten Kaiser Maximi­ lians  I. für jedwede Auseinandersetzung mit der Geschichte des Reiches und Europas in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Neuzeit unverzichtbar und unersetzlich.

5. Chancen und Probleme der medialen Transformation – Digitale Edition vs. Druckfassung? Damit dies so bleibt, darf die Edition aber auch nicht in ihren aktuellen Stan­ dards petrifiziert werden. Die größte Herausforderung besteht derzeit wohl darin, auf das durch das Internet veränderte Verhalten der Benutzer bei der In­ formationsgewinnung im weitesten Sinne, aber auch ihre insgesamt schwinden­ den Fähigkeiten im Umgang mit frühneuzeitlichen Texten zu reagieren. Natür­ lich ist in diesem Sinne eine digitale Publikation der Reichstagsakten – und ich meine nicht nur eine Retrodigitalisierung der Druckausgaben  – unerlässlich. Der eine entscheidende Vorteil liegt auf der Hand: Die Online-Publikation er­ laubt eine deutlich verbesserte Sicht- und Verfügbarkeit. Sichtbarkeit bezeich­ net die Wahrnehmung der Reichstagsakten überhaupt in einem zentralen In­ formationsmedium der Gegenwart36. Die Verfügbarkeit bezieht sich allgemein

35 RTA MR IX/2 (wie Anm. 7), Nr. 654–700, S. 909–1012.

36 Der wiederholt in der Forschung kritisierten »Sichttrübung« aufgrund unüberschaubarer

Trefferzahlen und der ständigen Veränderung des World Wide Web (Fröhlich, Jürgen: »Was aber soelchs himmelkorn bedüt ist Gott allein zewüssen.« Phänomene ›strukturel­ ler Amnesie‹ in medialen Umbruchzeiten [Flugblatt und Internet], in: Klaus van Eickels/ Ruth Weichselbaumer/Ingrid Bennewitz (Hg.): Mediaevistik und Neue Medien, Ostfil­ dern 2004, S. 49–65, hier S. 64 f.; Wenzel, Edith: »Original« oder Fassungen? Zum aktuel­ len Forschungsstand in der germanistischen Mediävistik, in: Merta, Nutzen [wie Anm. 21], S. 65–72, hier S. 67 f.) wäre im Allgemeinen durch eine entsprechend offensive Kommuni­ kationspolitik der Historischen Kommission und im Besonderen durch die Lösung des

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auf die Benutzung der Edition unabhängig von wissenschaftlichen Bibliothe­ ken und nach den Grundsätzen des »Open Access«, konkret beispielsweise auf die Option zur Bildung von Volltextdatenbanken, die erstmals komplexe Suchanfragen nach Wörtern, Wortteilen oder Wortzusammenhängen erlau­ ben. So werden etwa intertextuelle Vergleiche für begriffsgeschichtliche Stu­ dien möglich. In eine ähnliche Richtung würde ein kumulatives Register wei­ sen. Da Raum keine Rolle mehr spielt, könnten neben gemäß den derzeitigen Editionsrichtlinien für historische Fragestellungen vereinfachten Texten nach philologischen Maßstäben möglichst authentische Fassungen angeboten wer­ den. Parallel zu den Regesten könnten wir den Benutzern Basistranskriptionen zur Verfügung stellen. Und es könnten für fremdsprachliche Texte Überset­ zungen angeboten werden. Vielleicht wäre dies auch bei niederdeutschen Quel­ len eine gute Idee. Offenkundig wünschenswert ist die Wiedergabe zusätzlicher kontextualisierender Materialien über Kommentar und Kollationierung hin­ aus. Digitale Faksimiles der Vorlagen sind bei Online-Urkundenpublikationen heute bereits Standard. Was allerdings die Reichstagsakten angeht, bestehen si­ cherlich erhebliche Probleme bei der Genehmigung durch die Vielzahl von Ar­ chiven, in denen Material ausgehoben wurde. Überhaupt wäre der zeitliche Mehraufwand für die künftig möglichen Angebote immens. Fraglich bleibt, ob er zu rechtfertigen wäre. Wie aus den Erläuterungen zu unserer Editionstätig­ keit hervorgeht, ist die fertige Edition gewissermaßen deren Kondensat. Dies ist methodisch begründet und nicht etwa den einschränkenden Bedingungen der Drucktechnologie37 geschuldet. Das auf eine größere Erschließungstiefe und Erschließungsmenge ausgerichtete methodische Paradigma der digitalen Edi­ torik38 konterkariert diesen Prozess geradezu. Anders als bei mediävistischen Editionen kommen die Stärken der neuen Medien nämlich dort, wo aufgrund einer großen handschriftlichen Vielfalt und Variabilität der Texte bislang kaum

Problems einer zuverlässigen Adressierbarkeit und Referenzierbarkeit der Editionen bzw. ihrer Elemente zu begegnen. Vgl. dazu Assmann, Bernhard/Sahle, Patrick: Digital ist besser. Die Monumenta Germaniae Historica mit den dMGH auf dem Weg in die Zukunft – eine Momentaufnahme, Norderstedt 2008 (= Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik, Bd. 1), S. 32–37; Prätor, Klaus: Zur Zukunft des Zitierens. Identität, Referenz und Granularität digitaler Dokumente, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissen­ schaft 25 (2011), S. 170–183, bes. S. 177–179. 37 Vgl. Sahle, Patrick: Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels, 3 Bde., Norderstedt 2013 (= Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik, Bde. 7–9), Bd. 1, S. 264–332; Ders.: Zwischen Medien­ gebundenheit und Transmedialisierung. Anmerkungen zum Verhältnis von Edition und Medien, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 24 (2010), S. 23–36, hier S. 23–26. Von der »Zwangsjacke Buch« sprechen bereits in ihrem 1993 erschienenen Aufsatz Hoffmann, Dirk/Jörgensen, Peter/Foelsche, Otmar: Computer-Edition statt BuchEdition. Notizen zu einer historisch-kritischen Edition – basierend auf dem Konzept von hypertext und hy permedia, in: ebd., 7 (1993), S. 210–220, hier S. 212–214. 38 Vgl. Sahle, Editionsformen (wie Anm. 37), Bd. 2, bes. S. 173, 219 f.

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lösbare Schwierigkeiten bei der Publikation im Druck auftraten39, im Falle der Reichstagsakten kaum zur Geltung. Aus der Sicht des Bearbeiters gestaltet sich die zwangsläufige Unabgeschlos­ senheit der digitalen Edition als Chance und Last zugleich: Im Unterschied zur Druckfassung können spätere Zufallsfunde in den Archiven einbezogen, fest­ gestellte Fehler nachträglich korrigiert und einschlägige Neuerscheinungen er­ gänzt werden. Externe Links ersetzen wenigstens teilweise die Quellen- und Li­ teraturhinweise und bieten darüber hinaus die Möglichkeit zur Zuschaltung ergänzenden Informationsmaterials wie beispielsweise biographischen Arti­ keln, Landkarten und Stammbäumen. Bereits als selbstverständlich gilt die Verknüpfung auf die biographischen Datensätze der Gemeinsamen Normda­ tei (GND) der deutschen Bibliotheken40. Bis zu einem gewissen Grad wird die Edition diskursiv: Voraussichtlich entwickelt sich ein kollaborativer Prozess zwischen Editor und Benutzern in Form von Anregungen, Kritik und Ergän­ zungen. Es deutet sich schon an: Jenseits der wünschenswerten Transparenz des Editionsprozesses für den Benutzer impliziert die Möglichkeit der weiteren Pf lege digitaler Editionen für den Bearbeiter eine erst mit der Lebensarbeitszeit endende Verpf lichtung und zusätzliche Belastung. Die Frage lautet natürlich auch, wer diese Verantwortung dann übernehmen soll (und kann). So erzeugt die digitale Edition eine beträchtliche Zahl zusätzlicher Anforderungen, die in ihrer Eigendynamik nicht ignoriert werden können. Kaum Sinn macht hinsichtlich der Reichstagsakten die häufig angeregte in­ krementelle Edition mit laufender Publikation41. Unsere Dokumente werden in einem ersten Arbeitsschritt möglichst rasch bearbeitet, um notwendige In­ formationen für die Weiterentwicklung und Verfeinerung der Suchstrategie in den noch unerledigten Archiven zu gewinnen. Die Stücke verbleiben dann re­ lativ lange Zeit in diesem »Rohzustand«, die sorgfältige Korrektur von Tran­ skription oder Regest und ohnehin die Erstellung der Apparate erfolgt meist erst Jahre später nach dem Abschluss der archivalischen Erschließungsphase. Die frühzeitige Freigabe des Zugriffs für den Benutzer vor Erreichen eines mit der Fertigstellung eines Manuskripts vergleichbaren Zustandes würde an Un­ seriosität grenzen. Ich möchte mich als Bearbeiter keinesfalls dem Verdacht aussetzen, leichtfertig fehlerhafte Texte zu verbreiten. Doch könnte wenigstens ein laufend ergänztes Verzeichnis der bearbeiteten Stücke online verfügbar ge­ macht werden. 39 Wenzel, »Original« (wie Anm.  36), S.  71; Thaller, Manfred: Reproduktion, Erschließung, Edition, Interpretation: Ihre Beziehungen in einer digitalen Welt, in: Merta, Nutzen (wie Anm. 21), S. 205–227, hier S. 220 f. 40 Gelberg, Karl-Ulrich: Alle Möglichkeiten der digitalen Welt, in: Akademie aktuell. Zeit­ schrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Ausg. 4/2012, S. 36 f.; Stadler, Peter: Normdateien in der Edition, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 26 (2012), S. 174–183. Vgl. für die APW: Lanzinner, Maximilian: Das Editionsprojekt der Acta Pacis Westphalicae, in: HZ 298 (2014), S. 29–60, hier S. 50–52. 41 Vgl. Sahle, Editionsformen (wie Anm. 37), Bd. 2, S. 220–222.

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Das zentrale Problem digitaler Editionen allerdings ist offenkundig die Art und Weise ihrer Benutzung. Nicht zufällig handelt es sich bei den Vorreitern solcher Unternehmen im Bereich der Geschichtswissenschaft meist um eng be­ grenzte Quellenkorpora, um serielle Quellen wie Zollregister oder Bürgerbü­ cher und um Urkundenreihen42. Ich selbst benutze bei der Editionsarbeit regel­ mäßig auch online verfügbare Editionen, in erster Linie die Abteilung XIV der Regesta Imperii43. Die Suche nach bestimmten Stücken oder Personen erfolgt komfortabel über eine Suchmaske. Begrenzte Treffermengen können schnell durchgesehen werden. Für komplexere Fragestellungen nach historischen Ab­ läufen und Zusammenhängen benutze ich jedoch die gedruckte Ausgabe44. Die Online-Publikation gestattet kein intensives und langes Lesen45. Benötigt man für seine Fragestellung eine Vielzahl von Stücken, geht leicht der Überblick ver­ loren. Auch wenn keine Druckfassung vorhanden wäre, würde ich dennoch aus Zeit- und Kostengründen darauf verzichten, die Edition komplett auszu­ drucken, sondern mich mit der Verarbeitung einiger punktueller Treffer be­ gnügen. Der historische Erkenntnisprozess wird zwangsläufig oberf lächlicher und zufälliger. Man könnte einwenden, dies sei eine Generationenfrage; für die kulturelle Prägung eines heutigen Endvierzigers spielte das Internet schlechter­ dings noch keine Rolle. Eine natürlich nicht repräsentative Befragung von sechs jüngeren Mediävisten und Frühneuzeithistorikern zwischen Anfang und Mitte 30 ergab indessen: Sie verfahren genauso – die digitale Edition wird benutzt, die gedruckte gelesen46. Meines Erachtens ist eine Hybridedition, also die ergän­ zende Bereitstellung beider medialen Formen, des bewährten Buches und der wie auch immer zu gestaltenden Online-Publikation, grundsätzlich die ideale Lösung des Rezeptionsproblems. So sind der komfortable Zugriff und das in­ tensive Studium gleichermaßen gewährleistet.

42 Vgl. das Verzeichnis digitaler historischer Editionen in: http://w ww.digitale-editionen.de/ vlet _ histo.html [Stand: 15.1.2014]. 43 http://w w w.regesta-imperii.de/regesten/suche.html [Stand: 15.1.2014]. 44 Wiesf lecker, Hermann (Bearb. unter Mitarbeit v. C. Beer, T. Geiger, M. Hollegger, K. Riedl, I. Wiesf lecker-Friedhuber): Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian  I. 1493–1519, Bde. 1–4, Wien/Köln/Weimar 1990–2004 (= J. F. Böhmer, Regesta Imperii XIV, Bde. 1–4). 45 So z. B. auch Jenks, Stuart: Das Netz und die Geschichtsforschung, in: Hansische Ge­ schichtsblätter 116 (1998), S. 163–184, hier S. 178, 180 Anm. 34. 46 Vgl. auch Göttsche, Dirk: Ausgabentypen und Ausgabenbenutzer, in: Rüdiger Nutt-Kofoth/ Bodo Plachta/H. T. M. van Vliet/Hermann Zwerschina (Hg.): Text und Edition – Positionen und Perspektiven, Berlin 2000, S. 37–64, hier S. 63.

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6. Fazit Die aktuelle Diskussion um die digitale Editorik greift die verbreitete metho­ dische Unsicherheit im Editionsbereich tätiger Historiker auf. Einerseits ist die Editionstheorie im Vergleich zu den Sprachwissenschaften bislang rela­ tiv schwach ausgeprägt, wenngleich die e-Editorik der Diskussion zweifellos wichtige Impulse verleiht. Andererseits klafft wie so oft eine beträchtliche Lü­ cke zwischen Theorie und Praxis. Die modulare Struktur der Online-Editionen scheint künftig die Möglichkeit zu bieten, auf alle notgedrungen einseitigen Festlegungen hinsichtlich einer verbindlichen Gestaltung verzichten zu kön­ nen. Der subjektive Faktor wäre damit scheinbar überwunden. Überblickt man allerdings die sich aus dem neuen Verfahren ergebenden Möglichkeiten wie die damit verbundenen Forderungen, so könnte auch der Eindruck entstehen, dass es sich angesichts einer notgedrungen begrenzten Benutzerkompetenz um den direkten Weg zum »informationellen Overload« handelt. Ohne überheblich klingen zu wollen, den Mitarbeitern der »Mittleren Reihe« fehlt ungeachtet der festen Überzeugung von der Möglichkeit und Notwen­ digkeit weiterer Optimierung dieses Gefühl methodischer Unsicherheit (weit­ gehend). Die beschriebene Vorgehensweise bei der Erstellung unserer Editionen erscheint mit Hinblick auf die vorgegebenen Editionsziele als beinahe ideal. Die seitens der e-Editorik erhobene Forderung nach einem Neudenken der Edi­ tion47 wäre hinsichtlich der Reichstagsakten eher kontraproduktiv. Die posi­ tiven Rückmeldungen durch Benutzer und Rezensenten scheinen uns Recht zu geben. Indessen steht die Diskussion um die künftige Gestaltung der »dRTA« noch ganz am Anfang. Es zeichnet sich ein sehr schmaler Grat ab zwischen dem Mach- bzw. Finanzierbaren auf Herstellerseite und den Anforderungen und Wünschen seitens der Rezipienten. Die vor Kurzem erschienene digitale Fas­ sung der als Hybridband konzipierten Edition zu den Akten des Regensburger Reichstags 1556/5748 wird als Pilotprojekt sicherlich auch Maßstäbe für die »Mittlere Reihe« setzen. Doch erschwert die durch den Wandel des Editions­ gegenstands Reichstag bedingte unterschiedliche Struktur der Bände eine für alle Abteilungen gültige Lösung.

47 Z. B. Assmann/Sahle, Digital (wie Anm. 36), S. 45. 48 Druckfassung: Leeb, Josef (Bearb.): Der Reichstag zu Regensburg 1556/57, 2 Teilbde., Mün­ chen 2013 (= Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen 1556–1662, hg. v. d. His­ torischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften).

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Maximilian I. und die Juden im Heiligen Römischen Reich 1. Der Versuch, die kaiserliche »Judenpolitik« der Zeit um 1500 aus den in der Edition der Deutschen Reichstagsakten mitgeteilten Quellen zu rekonstruie­ ren, erscheint zwar reizvoll, bleibt bei näherer Betrachtung aber durchaus pro­ blematisch. Das Bild, das auf der Grundlage der Verhandlungen der Reichstage entstehen würde, könnte nur fragmentarische und einseitige Perspektiven bie­ ten, und zwar deswegen, weil Judenangelegenheiten  – von Ausnahmen abge­ sehen – durchweg dann auf den Reichstagen behandelt wurden, wenn es darum ging, die Juden des Reichs oder wenigstens diejenigen in den Reichsstädten zu diversen Abgaben zur Finanzierung der Reichsinstitutionen, außenpolitischer Aktionen des Königs oder auch ständischer Projekte heranzuziehen. Die Er­ hebung des Gemeinen Pfennigs, dazu die Besteuerung der Juden in den Reichs­ städten und die Festlegung von Abgaben wie der Krönungssteuer und des al­ ten »Goldenen Opferpfennigs« standen hier ganz im Vordergrund. Zielrichtung und Konturen einer habsburgischen »Judenpolitik« dieser Zeit blieben weiter­ hin unsichtbar, da zwar Umrisse einer kaiserlichen bzw. reichsständischen Fis­ kalpolitik insgesamt identifiziert werden könnten, die weitere Beantwortung der Frage, inwieweit der Kaiser als eigentlicher Inhaber des Judenregals seiner Schutzverantwortung gegenüber den Juden nachgekommen ist, aber offen blei­ ben müsste. Darüber hinaus ergibt sich das Problem, ob man überhaupt von einer wie auch immer gearteten »Judenpolitik« sprechen kann, wie es in der Forschungs­ literatur immer wieder unref lektiert angenommen wird1. Im Folgenden wird dieser Begriff trotz aller Bedenken (namentlich Anachronismusverdacht!) ge­ 1 David H. Price, von dem die neueste Analyse zur Judenpolitik Maximilians stammt, stellt den Begriff nicht in Frage und gebraucht ihn unref lektiert: Price, David H.: »Großes Un­ heil wird daraus entstehen.« Die Judenpolitik Maximilians I., in: Sönke Lorenz/Dieter Mer­ tens (Hg.): Johannes Reuchlin und der »Judenbücherstreit«, Ostfildern 2013 (=  Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, Bd.  22), S.  199–222. In einer älteren Untersuchung von 1981 wurde noch von der »offiziellen Reichspolitik« [gegenüber Juden] gesprochen: Hör­ burger, Hortense: Judenvertreibungen im Spätmittelalter. Am Beispiel Esslingen und Kon­ stanz, Frankfurt am Main/New York 1981, bes. S. 93. Dies ist Konsequenz ihrer Auffassung, dass man »die Geschichte der Juden […] nicht isoliert als spezifisch jüdische Geschichte« se­ hen und erklären könne, sondern in einen wirtschaftlichen Gesamtkontext stellen müsse (ebd., S. 1).

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braucht, auch wenn es eine zielgerichtete, auf Juden bezogene Politik in dieser Zeit nicht gab. Die Juden und die jüdischen Gemeinden des Reichs waren wie andere Bevölkerungsgruppen und Stände eingebunden in ein Gesamtsystem der politischen Agenda, aber nicht das eigentliche Ziel königlicher bzw. herr­ schaftlicher Politik. Besteuerung und Schutz der Juden bildeten aus dem Blick­ winkel des kaiserlichen Hofes keine Eigenwerte, sondern waren einzelne Kom­ ponenten eines von Gott abgeleiteten und mit den Reichsständen geteilten Herrschaftsanspruchs, der in gleicher Weise auch die christlichen Untertanen erfasste. Behält man diesen Zusammenhang im Auge, so ist es zu rechtfertigen, die Juden als Gegenstand kaiserlicher Politik zu sehen und damit von »Juden­ politik« zu sprechen. Aber auch wenn man sich von der Quellengrundlage der Reichstagsakten löst und das Gesamtspektrum der Äußerungen des Königs und seines Hofes wie auch der Reaktionen seitens der christlichen wie jüdischen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt, stößt man recht bald auf beträchtliche Probleme, will man die Eigenständigkeit maximilianeischer Judenpolitik gegenüber der seines Va­ ters Friedrich III. oder auch seines Enkels Karl V. herausarbeiten. Bezeichnen­ derweise hatte eine vor elf Jahren im Wetzlarer Reichskammergerichtsmuseum gezeigte Ausstellung zu Maximilian auf ein eigenes Kapitel über das Verhältnis des Habsburgers zu den Juden verzichtet2, aber dieses auch nicht unter allgemei­ neren Gesichtspunkten behandelt. Man findet in diesem Katalog lediglich einen einzigen Hinweis auf die Judenaustreibungen, die Maximilian zu verhindern versucht habe, die er sich aber dann doch noch durch die Zusicherung von Ab­ lösesummen habe honorieren lassen, als sie sich nicht mehr verhindern ließen3. Mit der Aussage von Erna Tschech, der die einzige Monographie zur Juden­ politik Maximilians zu verdanken ist, es sei in der Lage der Juden unter Maxi­ milian eine »allgemeine Verschlechterung« eingetreten, wird man sich kaum begnügen wollen4. Denn es ist ja gerade die Frage, was davon etwa im Verant­ wortungsbereich König Maximilians gelegen hatte und was den damaligen poli­ tischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umständen geschuldet war, vom König aber nicht direkt gesteuert werden konnte. Es ist durchaus möglich, dass Tschech hier einem Fehlurteil unterlag und eine zeitgenössische Äuße­ rung zum Verhältnis Kaiser Friedrichs III. zu den Juden überinterpretierte. Der Franziskanermönch und Chronist Matthias Döring hatte nämlich Mitte des 15. Jahrhunderts spöttisch über diesen geäußert: »Volgo dicebatur rex Judaeo­ rum quam Romanorum propter familiaritatem, quam ad Judaeos habere videa­ tur«, und daraus hatte Tschech abgeleitet, dass sich Friedrich III. von Toleranz 2 Schmidt-von Rhein, Georg (Hg.): Kaiser Maximilian I., Bewahrer und Reformer, Ramstein 2002. 3 Schmidt-von Rhein, Georg: Maximilian aus der Sicht der Zeitgenossen, in: Ders., Kaiser Ma­ ximilian I. (wie Anm. 2), S. 290–303, hier S. 292. 4 Tschech, Erna: Maximilian und sein Verhältnis zu den Juden (1490–1519), masch. Diss. Graz 1971, S. 52.

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und Humanität gegenüber den Juden habe leiten lassen5. Dass ähnliche Aus­ sagen zu Maximilian fehlen, muss allerdings keineswegs heißen, sein Verhältnis zu den Juden von vorneherein in einem negativen Licht zu sehen. Ähnliches gilt für die Behauptung von David H.  Price, dass die »Unter­ schiede zu Friedrichs [Juden-]Politik in nahezu jeder Hinsicht offenkundig« ge­ wesen seien. Im Unterschied zu diesem sei Maximilian stets bereit gewesen, die Juden zu vertreiben. Zu diesem Zweck habe er geplant, das elsässische Land­ gericht wieder aufzurichten, bei dem sich die Juden in einem demütigenden Ri­ tual hätten unterwerfen müssen, wo nämlich »die Herren von Österreich die groß Freyheit haben, das ain Jud dem Richter under den Fueßen mueß lign fur ain Schemel«6. Der Kaiser habe ganz in Übereinstimmung mit den Empfehlun­ gen seines Reichsfiskals Johannes Gessl gehandelt, der in einem 1494 vorgeleg­ ten Gutachten den Nutzen der Juden bestritten und ihnen böse Absichten un­ terstellt hatte: »Nachdem die Juden der Cristenhait gantz unnutzlich sind, den Namen Gots uns auch täglich verspot[t]en und verf luechen, Landt und Leut ver­ derben, manigklichs Vermugen erschöpfen und tägliche Verretterei treiben und den Unglaubigen Kuntschaft geben, bedünckt sich das Reich mit inen merck­ lich beschwäert und uberladen ze sein.«7 Auch Price ließ sich damit von einem »Schwarz-Weiß-Bild« leiten, in dem Bestreben, die These einer erheblichen Verschlechterung habsburgischer Judenpolitik nach dem Tode Friedrichs  III. durch zeitgenössische Äußerungen zu untermauern. Und selbst die Äußerung Gessls gibt nur ein allgemein verbreitetes Vorurteil gegenüber den Juden wieder, mit dem der um sein Amt bangende Fiskalprokurator nur betonte und seinem Dienstherrn klar zu machen versuchte, dass er sich als treues Mitglied der Kir­ che durchaus im Einklang mit der judenfeindlichen Stimmung der Zeit befand. Es konnte kaum in seiner Absicht gelegen haben, sich damit von seinem alten Dienstherrn Friedrich III. abzusetzen und einer von dem Sohn erwarteten ag­ gressiven Politik gegenüber den Juden das Wort zu reden. Dass es Maximi­ lian stattdessen in vielen Fällen gelang, Judenvertreibungen zu verhindern oder diese nur gegen tragbare Ersatzlösungen zuzulassen, passt nicht in dieses Bild. Davon wird in den folgenden Ausführungen noch die Rede sein. Wenn Selma Stern sogar davon spricht, Josel von Rosheim, der wohl bedeu­ tendste Jude des Heiligen Römischen Reichs im beginnenden 16. Jahrhundert8, habe mit Kaiser Maximilian I. in enger politischer Verbindung gestanden und

5 Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 11.

6 Price, Die Judenpolitik Maximilians I. (wie Anm. 1), S. 202.

7 Zitiert nach: ebd., S. 200 Anm. 6 (doch hier weiter zum besseren Verständnis nach den üb­ lichen editionstechnischen Prinzipien normalisiert). Das gesamte Gutachten, mit dem Gessl seine Weiterbeschäftigung erreichen wollte, paraphrasiert bei Price, ebd., S.  199–202, mit der Bemerkung, Maximilian habe seine Politik danach ausgerichtet. 8 Zu ihm siehe den Überblick von: Battenberg, J. Friedrich: Art.  »Rosheim, Josel von (ca. 1478–1554), in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 29, Lfg. 3 u. 4, Berlin/New York 1998, S. 424–427.

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habe in Verhandlungen mit ihm auch einige große Erfolge erzielt9, so kann dies nicht ganz außer Acht gelassen werden. Wenn Josel seinerseits, der damals als sog. Befehlshaber der Judenheit des Heiligen Römischen Reichs unermüdlich im Auftrag der jüdischen Gemeinden an den Fürstenhöfen und am königlichen Hof zur Verbesserung ihrer Situation intervenierte, rückblickend über den 1519 verstorbenen Kaiser äußert, dass dessen Andenken zum Segen gereichen solle10, mag dies zwar eine formelhafte und inhaltlich wenig aussagekräftige Wendung sein; sie besagt aber doch so viel, dass Josel den Habsburger in guter Erinnerung halten wollte. Man sollte unter diesen Umständen also sehr vorsichtig mit allen pauschal abwertenden Äußerungen zur Judenpolitik Maximilians sein. Eine von Joseph Grünpeck, dem Dichter, Historiographen und Hofschreiber Maximilians I. in dessen »Historia Friderici et Maximiliani«11 überlieferte Äußerung, dass näm­ lich der Kaiser an seinem Hofe Juden nicht geduldet habe, dass er die »Juden nicht leiden konnte und sie sich stets vom Leibe gehalten habe«12, sollte man nicht überbewerten. Möglicherweise hielt es der König für politisch am klügs­ ten, mit Juden an seinem Innsbrucker Hof möglichst wenig in persönlichen Kon­ takt zu treten, um sich nicht zu unbedachten Maßnahmen hinreißen zu lassen. Und noch etwas hat in der historischen Forschung über die Judenpolitik Maximilians eine Rolle gespielt, nämlich sein im März 1496 den Landständen Kärntens, Krains und der Steiermark gegebenes Versprechen, die Juden aus dem Land zu vertreiben13. Hier erklärte Maximilian, die Juden hätten dem heiligen Sakrament des öfteren Schmach erwiesen; sie hätten auch christliche Kinder ge­ 9 Stern, Selma: Josel von Rosheim. Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Stuttgart 1959, S. 11 und öfters. 10 So nach Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 60; Stern, Josel von Rosheim (wie Anm. 9), S. 55. Das Original-Zitat aus dem um 1547 entstandenen »Sefer ha-Mikneh« (Buch des Er­ werbs) des Josel von Rosheim ediert bei: Kracauer, I[sidor]: Rabbi Joselmann de Rosheim, in: Revue des études Juives 16, Paris 1888, S. 84–105, hier S. 88 zu Ziff. 8. 11 Zu ihm Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maximilian  I.: Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd.  5: Der Kaiser und seine Umwelt. Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, München 1986, S. 366 f.; Slattery, Sarah/Kipf, J. Klaus: Grünpeck, Joseph, in: Franz Josef Worstbrock (Hg.): Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasser­ lexikon, Bd. 1, Berlin/New York 2008, Sp. 971–992. 12 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian, Bd.  5 (wie Anm.  11), S.  597. Danach auch Price, Juden­ politik (wie Anm. 1). 13 Urkunden von 1496 März 9 und 1496 März 18, bei: Wiesf lecker, Hermann (Bearb.): Aus­ gewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian  I. 1493–1519, Bd.  2 (1496–1498), Wien/Köln/Weimar 1993 (= J. F. Böhmer, Regesta Imperii XIV), Nr. 3817 und 3845. Zu den Vertreibungsprojekten unter König Maximilian aus den Jahren ab 1493 siehe den Über­ blick bei: Brugger, Eveline: Von der Ansiedlung bis zur Vertreibung – Juden in Österreich im Mittelalter, in: Eveline Brugger/Martha Keil/Albert Lichtblau/Christoph Lind/Barbara Stau­ dinger (Hg.): Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, S. 123–227, hier S. 224 ff. Vgl. dazu auch neuerdings: Fühner, Jochen: Kaiser Maximilian I. und die Juden in den österrei­ chischen Erblanden, Herne 2007.

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martert und getötet, auch deren Blut, wie es wörtlich hieß, »zu irem verstokkten [und] verdamlichen Wesen« verwendet. Mit falschen Urkunden hätten sie zu­ dem die Landstände in ihren Rechten betrogen. Eine Analyse der schon im Jahre 1493 einsetzenden Konf likte um die Juden, die der Landesherr zunächst schiedsrichterlich beilegen wollte14, hat jedoch er­ geben, dass Maximilian dem von den Ständen betriebenen Vertreibungsprojekt äußerst skeptisch gegenüberstand und nur unter erheblichem Druck agierte, bezeichnenderweise erst nach der Zusage der Stände, die dem König durch die Vertreibung entgehenden Einnahmen großzügig zu erstatten. Erna Tschech wollte zwar nicht so weit wie der Historiker Ludwig Geiger gehen, der zu dem Schluss kam, Maximilian habe von dem gesamten Projekt nichts gewusst15. Sie sprach aber dennoch von einem »ziemlichen Rechtsmissbrauch«16. Diesen sah sie überdies in einem etwas milderen Licht, weil die vertriebenen Juden ihr be­ wegliches Hab und Gut hätten mitnehmen können. Viele von ihnen sind außer­ dem durch ausdrückliche, noch im gleichen Jahr 1496 erteilte Privilegien König Maximilians am Rande seiner Erblande, nämlich in Marchegg und Eisenstadt, zur Wiederankurbelung der dort sehr geschädigten Wirtschaft wieder angesie­ delt worden17. Damit bleibt die Vertreibung in historischer Rückschau zwar, was sie war: ein für die Juden existenzbedrohender, vom Kaiser zu verantwortender politischer Akt. Doch im Unterschied zu vielen anderen Inhabern des Juden­ regals entledigte sich Maximilian nicht einfach der betroffenen Juden, sondern bot ihnen erträgliche Alternativen zur Begründung einer neuen Existenz in seinem eigenen Hoheitsgebiet. Berücksichtigt man all diese Umstände, auch die in der Forschungsliteratur durchaus erkannten positiven Seiten der Judenpolitik Maximilians, so ergibt sich ein von vielen Historikern in ähnlicher Weise geäußertes zwiespältiges Ur­ teil. Selma Stern spricht von einer »schwankenden Judenpolitik Maximilians«, die ihre letzte Ursache jedoch mehr in der politischen Lage gehabt habe, nicht aber in der Unberechenbarkeit oder einer Unzuverlässigkeit seines Charak­ ters18. Und auch Hermann Wiesf lecker kommt zum Ergebnis, dass Kaiser Ma­ ximilian, dessen besonderem Schutz die Juden des Reichs unterstanden, keine einheitliche Stellung eingenommen habe. Der Vorteil für die kaiserliche Kam­ mer habe für ihn stets die Hauptrolle gespielt19. Seine Schülerin Erna Tschech äußert sich ganz ähnlich, wenn sie schreibt, es sei im Verhalten des Kaisers den

Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 63 ff., bes. S. 66 f.

Zitiert nach: ebd. (wie Anm. 4), S. 66.

Ebd. (wie Anm. 4), S. 68.

Abdruck der Privilegien von 1496 Dezember 11 und Dezember 12 bei: Rauscher, Peter (Be­ arb.): Austria Judaica. Quellen zur Geschichte der Juden in Niederösterreich und Wien 1496–1671, Wien/München 2011 (= Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Ge­ schichtsforschung, Bd. 7), S. 85 f., Nr. 3 und 4. 18 Stern, Josel von Rosheim (wie Anm. 9), S. 36. 19 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 103. 14 15 16 17

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Juden gegenüber keine klare Linie zu erkennen, abgesehen davon, dass es ihm immer um den finanziellen Gewinn gegangen sei. Die einzelnen Judenschaften im Reich habe er sehr unterschiedlich behandelt20. Diese Äußerungen aus der Fachliteratur ließen sich gut aus den zeitgenös­ sischen Quellen erhärten. Man müsste dazu nur die zahlreichen kaiserlichen Privilegien und Vergünstigungen zugunsten der Juden21 mit Maximilians Aus­ weisungsverfügungen sowie seinen »privilegia de non tolerandis iudaeis«22 kon­ frontieren und gegeneinander abwägen. Man würde sehr bald feststellen, dass es genügend Beispiele für positive wie auch für negative Seiten der maximilia­ neischen Politik gegenüber den Juden des Reiches gab. Eine von einem zeitge­ nössischen Chronisten überlieferte Anekdote am Rande der Feierlichkeiten zur Königskrönung Maximilians im Aachener Rathaus im Jahre 1486 mag darauf einen Hinweis geben: Als eine Abordnung der Judenheit des Reiches dem Kö­ nig als Präsent einen Korb voller goldener Eier überreichen wollte, soll dieser scherzhaft geäußert haben, man müsse solche Hühner wohl behüten und dürfe sie nicht wieder laufen lassen23. Die tiefere Bedeutung dieser Anekdote könnte man darin sehen, dass der Erzähler wahrnahm, dass Maximilian sich durchaus freundlich auf die ihn kontaktierenden Juden einlassen konnte, dass er an ihnen aber vor allem interessiert war, weil sie für ihn eine potentielle Geldquelle dar­ stellten, die man nicht zum Versiegen bringen sollte. Schon aus diesem Grund dürften endgültige Vertreibungen von Juden für ihn kein probates Mittel seiner Politik gewesen sein. Einzugehen ist noch auf die neuerdings von David H. Price vertretene Mei­ nung, die Judenpolitik des zunächst judenfeindlich eingestellten Kaisers Ma­ ximilian habe sich im Zusammenhang mit dem Konf likt um die Vernichtung jüdischer Bücher völlig gewandelt24. Von 1514 an sei er zum offenen und eif­ rigen Unterstützer Johannes Reuchlins gegen die Inquisition geworden. Da­ mit habe sich ein »Wandel der politischen Dynamik zugunsten der Juden« voll­ zogen25. Bis 1510 habe Maximilian »die völlige Ausrottung des Judentums im 20 Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 61 f. 21 Dazu Battenberg, J. Friedrich: Die Privilegierung von Juden und der Judenschaft im Be­ reich des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, in: Barbara Dölemeyer/Heinz Mohnhaupt (Hg.): Das Privileg im europäischen Vergleich, Bd. 1, Frankfurt am Main 1997, S. 139–190. 22 Dazu Battenberg, J. Friedrich: Die »privilegia contra Iudaeos«. Zur Privilegienpraxis der rö­ misch-deutschen Kaiser in der Frühen Neuzeit, in: Barbara Dölemeyer/Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich, Bd. 2, Frankfurt am Main 1999, S. 85–115. 23 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 11), Bd. 1: Jugend, burgundisches Erbe und Römisches Königtum bis zur Alleinherrschaft 1459–1493, Wien 1971, S. 198. 24 Zu dem in der Forschungsliteratur heftig diskutierten Judenbücherstreit siehe neuerdings Price, David H.: Johannes Reuchlin and the Campaign to Destroy Jewish Books, Oxford 2011; zusammenfassend: Ders.: Johannes Reuchlin und der Judenbücherstreit, in: Lorenz/ Mertens, Johannes Reuchlin (wie Anm. 1), S. 55–82. 25 Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 214 f.

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Reich« im Auge gehabt; zwischen 1510 und 1514 habe er die Seiten gewechselt und habe sich jetzt als neuer Anhänger des Humanisten Reuchlin etwaigen Ver­ treibungsversuchen wie in Frankfurt am Main und in Regensburg entgegen gestemmt26. Diese Sichtweise übersieht, dass die dem Habsburger unterstellte anfängliche Radikalität gegenüber Juden ebenso wenig in den Quellen nach­ weisbar ist wie eine spätere besondere »Judenfreundlichkeit«. Vielmehr stan­ den für Maximilian stets pragmatische Gesichtspunkte im Vordergrund. Viel­ leicht haben die Gutachten Reuchlins bewirkt, ihn von der Unzweckmäßigkeit weiterer Judenvertreibungen zu überzeugen. An seiner inneren Reserve gegen­ über Juden, die im Übrigen auch bei Reuchlin nachzuweisen ist, änderte sich dadurch nichts: Juden waren eben nicht Ziel seiner Politik, sondern Mittel, um andere Ziele – etwa die Erweiterung seiner Machtbasis – besser zu erreichen. Die Durchführung oder Verhinderung von Vertreibungen waren vor wie nach dem Bücherstreit je nach Zweckmäßigkeit gleichwertige Optionen seiner politi­ schen Agenda, wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird.

2. Doch damit sollte man sich nicht zufrieden geben, da in all diesen Stellung­ nahmen offen bleibt, worin die eigentlichen Ursachen und Motive für die uns unentschieden erscheinende Haltung Kaiser Maximilians gegenüber den Juden lagen. Auch hier gibt es Erklärungsversuche. So wird behauptet, es sei Maximi­ lian um eine Ausbeutung der Juden wie auch um eine rücksichtslose Nutzung der Regalien gegangen27. Dazu wird behauptet, Maximilian habe nicht gezögert, die antijüdische Welle, die damals von Spanien aus über Europa hinweg ging, für sich fiskalisch zu nutzen; in Fragen des Geldes habe er gewissenlos gehan­ delt und habe deshalb nicht zu Unrecht im Geruch der Geldgier gestanden28. Der Vorteil der kaiserlichen Kammer habe stets die Hauptrolle gespielt29. Aber auch von reinem Opportunismus ist die Rede, die den König je nach Situation zu einer Verteidigung seines Kammerguts veranlasst30 oder auch den Verzicht auf weitere Schutzgewährung nahegelegt habe. Um etwaige alte Rechte und

26 Ebd. (wie Anm. 1), S. 218 f., 220 f.

27 Wiesf lecker, Hermann: Einleitung, in: Inge Wiesf lecker-Friedhuber (Hg.): Quellen zur Ge­ schichte Maximilians I. und seiner Zeit, Darmstadt 1996 (= Ausgewählte Quellen zur deut­ schen Geschichte der Neuzeit, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XIV), S. 1–27, hier S. 11. An anderer Stelle spricht Wiesf lecker (Kaiser Maximilian I., Bd. 5 [wie Anm. 11], S. 570) von einer gewalttätigen Ausbeutung des Judenregals. 28 Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 11), Bd. 2: Reichsreform und Kai­ serpolitik, 1493–1500, Entmachtung des Königs im Reich und in Europa, München 1975, S. 412. 29 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 103. 30 Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 44.

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Freiheiten der Juden habe er sich niemals gekümmert; vielmehr sei ihm allein der mögliche Nutzen, den er aus den Juden zu ziehen hoffte, ausschlaggebendes Motiv gewesen31. Alle diese Argumente lassen einen gemeinsamen Nenner erkennen: Sie wol­ len im Hinblick auf die Judenpolitik das Bild eines Königs vermitteln, der sich von alten Traditionen gelöst hatte und eine rein pragmatisch-fiskalische Poli­ tik betrieb, die von augenblicklichen Notwendigkeiten bestimmt war. Von die­ ser Perspektive aus gesehen waren die Jahre unter Maximilian für die Juden des Reichs tatsächlich keine gute Zeit, wie Hermann Wiesf lecker konstatiert, da nämlich die infolge der außenpolitischen Aktivitäten immer angespannte Lage der Finanzen dazu führte, dass die Juden stärker als unter Friedrich  III. be­ steuert und ausgebeutet wurden32. Dem widerspricht jedoch, dass Wiesf lecker an anderer Stelle Kaiser Ma­ ximilian ein leidenschaftliches Majestäts- und Reichsbewusstsein unterstellt, das sein politisches Handeln bestimmt habe33. Hätte diese Haltung nicht zur Folge haben müssen, dass auch die Juden des Heiligen Römischen Reichs, die seit Friedrich  II. als servi camere imperialis, als königliche Kammerknechte, dem Sonderschutz des Kaisers unterstellt waren34, ebenfalls im Fokus der Poli­ tik Maximilians standen? Oder waren die Kategorien »Opportunismus« und »Pragmatismus« für Maximilian doch wichtiger? Dieser unaufgelöste Widerspruch lässt erkennen, dass man die Judenpolitik eines römisch-deutschen Herrschers eigentlich nicht isoliert sehen darf, son­ dern in einen Gesamtzusammenhang der Zeitumstände wie auch der Gren­ zen und Möglichkeiten kaiserlicher Politik stellen muss. Es muss also eine Kon­ textualisierung stattfinden, da die Hinwendung zu oder die Abwendung von den Juden von den unterschiedlichsten Faktoren bestimmt sein konnte. Dies gilt für Maximilian ebenso wie für seine Vorgänger und Nachfolger im Kaiser­ tum. Dabei einen Gegensatz zwischen der Politik Friedrichs III. und der seines Sohnes Maximilian zu konstruieren, wie dies David H. Price tut, erscheint zu modern gedacht: Die Änderung der allgemeinen, politischen Umstände konnte durchaus zu einer Änderung der »Judenpolitik« führen, ohne dass sich damit die von religiösen Motiven bestimmte innere Einstellung zu den Juden änderte. Zwei Gesichtspunkte scheinen in diesem Argumentationszusammenhang von besonderer Bedeutung, Momente, die zwar in der Forschung längst an­ gesprochen, jedoch in ihrem Stellenwert für Maximilians Beziehungen zu den Juden noch nicht richtig eingeschätzt wurden. Mit Recht ist  – um zum ers­ ten Punkt zu kommen – schon mehrfach davon gesprochen worden, dass Kai­ 31 32 33 34

Ebd. (wie Anm. 4), S. 45 f.

Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 597.

Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 2 (wie Anm. 28), S. 414.

Dazu Battenberg, J. Friedrich: Des Kaisers Kammerknechte. Gedanken zur rechtlich­ sozialen Situation der Juden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: HZ 245 (1987), S. 545–599.

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ser Maximilian in vielen seiner Verfügungen für oder gegen die Juden betont, dass diese den Freiheiten des Hauses Österreich entsprechen müssten und die­ sem keinesfalls zum Schaden gereichen dürften35. Besonders häufig werden der­ artige Klauseln in Briefen zum Konf likt der Stadt Regensburg mit der dortigen Judenschaft gebraucht36. Die Regensburger Juden werden teils direkt dem Haus Österreich zugerechnet37, teils aber auch als Teil  des Kammerguts behandelt, wie es etwa 1514 ausgedrückt wurde, dass nämlich »die Judischaint in Regens­ purg uns zugehort, wir auch unser Oberkait und Camergut auf inen haben«38. Aus diesen Äußerungen kann man folgern, dass es Maximilian in seinem Ver­ halten gegenüber den Juden vor allem um das Wohl des Hauses Österreich, also seiner Erblande insgesamt, ging. Der finanzielle Nutzen, den er gewiss gerne als Entgelt für seine Schutzverpf lichtung über die Juden zog, war insofern kein Selbstzweck, sondern sollte als Mittel dazu dienen, das Ansehen des Hauses Österreich zu stärken. Dass er die Juden dazu als Teil seines Kammerguts behandelte, und damit das erbländische Hausvermögen meinte, nicht das des Reichs insgesamt, geht in die gleiche Richtung. Auffallenderweise wurden die Juden in den Urkunden Maximilians nur noch selten als kaiserliche Kammerknechte bezeichnet, wie es unter seinem Vater noch durchweg der Fall war. Das Heilige Römische Reich scheint für ihn nicht mehr der zentrale Bezugspunkt für seine Schutzverpf lich­ tungen über die Juden gewesen zu sein. Dies gilt auffallender Weise auch für die Juden der Reichsstadt Regensburg, die seit Ende 1503 nach dem Tod Georgs des Reichen und dem damit verbundenen Heimfall der an die Herzöge von Nieder­ bayern verpfändeten Judensteuer in Höhe von 200 Pfund Pfennigen wieder dem unmittelbaren Schutz des Königs unterstellt waren39. Da der verfassungsrecht­ liche Status von Regensburg, ob unter herzoglich-bayerischer oder unter könig­ licher Herrschaft, noch nicht entschieden war, musste sich auch Maximilian in dieser Situation nicht auf die Option »Freie Reichsstadt« festlegen. So schien die Verortung der städtischen Juden im Kammergut eine Möglichkeit zur Erweite­ rung erbländischer Schutz- und Nutzungsrechte im eigentlichen Reichsgebiet. Als die Stadt später, 1521, unter den Erbschutz des Hauses Österreich gestellt

35 Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 55 f. und öfters.

36 Schriftstücke der Jahre 1517 bis 1519, enthalten bei: Straus, Raphael (Bearb.): Urkun­ den und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453–1738, München 1960 (= Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte NF, Bd. XVIII), bes. Nr. 902, 913, 927, 945, 999 und 1013. Zu diesem Konf likt auch Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 216 ff. Price geht allerdings nicht auf die rechtlichen Aspekte des Regensburger Konf likts ein, son­ dern stellt die Agitationen des Dompredigers Balthasar Hubmaier in den Vordergrund. 37 Reskript von 1517 Mai 12; Straus, Urkunden (wie Anm. 36), S. 320 f., Nr. 902. 38 Reskript von 1514 Juni 6; ebd. (wie Anm. 36), S. 281 f., Nr. 806. 39 Herde, Peter: Art.  »Regensburg«, in: Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim (Hg.): Germania Judaica III: 1350–1519, 2. Teilbd.: Ortschaftsartikel Mährisch-Budwitz – Zwolle, Tübingen 1995, S. 1178–1230, hier S. 1185.

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wurde, waren die Juden allerdings schon vertrieben  – eine Entwicklung, die freilich erst nach dem Tode Maximilians eingesetzt hatte40. Dass diese königliche Strategie, Regensburg und vor allem die dortigen Ju­ den als eine Art Anhängsel des Hauses Österreich in Anspruch zu nehmen, auch direkte institutionelle Auswirkungen hatte, lässt sich sehr gut am Konf likt des Regensburger Stadtrats mit der dortigen jüdischen Gemeinde und auch der dortigen Geistlichkeit zeigen. Hierauf soll im Folgenden wegen der grundsätz­ lichen Bedeutung des Streits etwas ausführlicher eingegangen werden. Nach Ablösung der an Herzog Georg verpfändeten Judensteuer hatte der Kö­ nig von der dortigen Judenschaft die Zahlung der heimgefallenen rückständi­ gen Steuern in Höhe von 800 Gulden an seinen niederösterreichischen Kam­ mermeister Hans von Stetten gefordert, da er diesen Betrag zur Erhaltung des königlichen Kammergerichts verwenden wollte41. Mit dieser Strategie hatte Maximilian auch Erfolg42. Obwohl darauf hin die Stadt in einem ausführlichen Gutachten eigene Hoheitsrechte über die dortigen Juden beanspruchte, mit der Folge, dass sie von »gemeiner Judischeit alhie die jerlich Steur« einzuziehen be­ rechtigt sei43, bestand der König auf seinen Rechten. Er forderte dementspre­ chend im Mai 1510 erneut Steuern von den dortigen Juden, diesmal als Beitrag zur militärischen Hilfe im Feldzug gegen Venedig, wie ihm diese aufgrund des Augsburger Reichsabschieds zugestanden worden war44. Darüber hinaus nahm 40 Siehe die Übersicht bei: Hilz, Anneliese: Art. »Regensburg, in: Hans-Michael Körner/Alois Schmid (Hg.): Altbayern und Schwaben, Stuttgart 2006 (= Handbuch der Historischen Stät­ ten: Bayern I), S. 679–702, hier S. 697. 1521 hatte die Stadt als eine Art Gegenleistung von Karl V. das »privilegium de non tolerandis iudeis« erhalten. Siehe Herde, Art. »Regensburg« (wie Anm. 39), S. 1202. 41 Reskript von 1504 August 20; Straus, Urkunden (wie Anm. 36), S. 261, Nr. 746. Schon vor­ her war Hans von Stetten bevollmächtigt worden, die Ausstände des Kammergerichts ebenso wie die in Regensburg anfallende Judensteuer zu vereinnahmen. Dazu: Heil, Diet­ mar (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Der Reichstag zu Köln 1505, München 2008 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kom­ mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8) [RTA MR VIII], S. 388, Nr. 250, mit Anm. 1 und 2. Der Vollmachtsbrief für Hans von Stetten von 1504 Mai 26 ist regestiert bei: Wiesf lecker, Hermann (Bearb.): Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches un­ ter Maximilian I. 1493–1519, Bd. 1 (1493–1495), Wien/Köln/Weimar 1989 (= J. F. Böhmer, Regesta Imperii XIV), Nr. 18804. 42 Quittung über eine teilweise Zahlung der Judensteuer von 1505 Mai 20, bei: Straus, Urkun­ den (wie Anm. 36), S. 262, Nr. 751. 43 Undatiertes Gutachten von ca. 1507; ebd. (wie Anm. 36), S. 264 f., Nr. 760. 44 Abschied von 1510 Mai 22; Druck: Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512, voraussichtlich München 2016 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kom­ mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 11) [RTA MR XI], Nr. 125 [§ 1]; Instruktion Maximilians von 1510 Mai 20; Druck: ebd., Nr.  683. Zum Augsburger Reichstag siehe Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 11), Bd. 4: Grün­ dung des habsburgischen Weltreiches, Lebensabend und Tod 1508–1519, München 1981, S. 70 ff.

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er wenige Jahre später die Juden Regensburgs ausdrücklich in seinen und des Reiches Schutz, und zwar mit den gleichen Rechten, wie sie solche schon wäh­ rend der Pfandschaftszeit unter Herzog Georg von Bayern innegehabt hatten45. Die Folge war, dass sich der Stadtrat, der sich nun keinen eigenen Nutzen mehr von den Juden in seinen Mauern versprach, ernsthaft deren Ausweisung aus der Stadt betrieb, was Maximilian in einem Reskript an seine Kommissare in der Stadt 1514 dazu veranlasste, auf die Zugehörigkeit der dortigen Juden zu seiner Obrigkeit und auch zu seinem Kammergut zu verweisen46. Wenig später verfügte er außerdem, dass alle Handlungen gegen die Juden bis zu seiner baldi­ gen Ankunft in Regensburg zu unterbleiben hätten47. Mit diesem »Inhibitions­ mandat« konnte er immerhin die Beibehaltung des Status quo erreichen, nicht aber die unverändert hartnäckigen judenfeindlichen Agitationen des Regens­ burger Dompredigers Balthasar Hubmaier verhindern. Eine neue Phase im Konf likt zwischen der Stadt und der Judenschaft zu Re­ gensburg begann 1516, als Maximilian auf Ansuchen der letzteren beabsich­ tigte, den Streit auf dem nächsten Reichstag durch dazu bestellte Kommissare entscheiden zu lassen48. Kurz darauf jedoch schob er den Streit unter Auf­ hebung der bereits anberaumten Termine zur Entscheidung dem oberösterrei­ chischen Regiment in Innsbruck zu, mit der Anweisung an dieses, die Parteien zu verhören und möglichst zu vergleichen, die Sache notfalls aber ihm zur end­ gültigen Entscheidung vorzulegen49. Tatsächlich kam dort auch ein förmlicher Prozess zustande, nachdem die Stadt ebenso wie die Juden bevollmächtigte Ver­ treter zur Verteidigung ihrer Sache an den kaiserlichen Hof nach Innsbruck ent­ sandt hatten50. Da die Verhandlungen aber nicht zum Erfolg führten, erweiterte Maximilian im gleichen Jahr noch seine Kommission an das Innsbrucker Re­ giment auf die Kompetenz zu einem »rechtlichen Spruch on ferrer appellation« unter gleichzeitigem Erlass eines Inhibitionsmandats an die Prozessparteien51. Zwar ließ sich Maximilian zeitweise darauf ein, dass anstatt des Regiments der Regensburger Stadthauptmann Thomas Fuchs als Schiedsrichter vor Ort fun­ 45 Privileg von 1513 Juni 3, bei: Straus, Urkunden (wie Anm. 36), S. 280, Nr. 800. 46 »…dhweyl nu die Judischait in Regensburg uns zugehort«; Reskript von 1514 Juni 6; ebd. (wie Anm.  36), S.  281, Nr.  806. Dieses Reskript wird auch von Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 216 Anm. 77, zitiert 47 Reskript von 1514 September 9, bei: Straus, Urkunden (wie Anm. 36), S. 284, Nr. 808. Die Stadt ließ sich darauf ein, wie sich aus ihrem Schreiben von 1514 September 12 ergibt; ebd., S. 284, Nr. 809. 48 Reskript Maximilians an die Stadt von 1516 Februar 6; ebd. (wie Anm. 36), S. 288, Nr. 825. 49 Mandate an das Regiment zu Innsbruck und die Juden zu Regensburg von 1516 März 11 und März 19; ebd., S. 289 f., Nr. 828, 829 und 832. 50 Ladungsbrief des Regiments von 1516 April 5; ebd. (wie Anm. 36), S. 300, Nr. 839. Die Voll­ machtsbriefe der Stadt von 1516 April 21 mit einer gleichzeitigen Instruktion von 1516 Juli 14; ebd., S. 301 ff., Nr. 840 und 841 sowie S. 310, Nr. 857; das Prokuratorium der Juden von 1516 April 24 ebd. S. 304, Nr. 843. 51 Mandat von 1516 August 8; ebd. (wie Anm. 36), S. 310 f., Nr. 861.

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gieren sollte52; doch konnte dieser nicht tätig werden, da die Juden ihn nicht ak­ zeptieren wollten, weshalb der bereits erteilte Auftrag wenige Tage später wieder zurückgezogen werden musste53. Auf das in den Akten ausführlich dokumentierte Verfahren vor dem öster­ reichischen Regiment in Innsbruck soll hier nicht weiter eingegangen werden, da es zu keinem Ergebnis führte54  – abgesehen davon, dass der Regensburger Stadtrat dadurch über Jahre hinaus an der Ausführung seiner Judenvertrei­ bungspläne gehindert wurde. Auch der Plan der Stadt, den Prozess vor dem Regiment durch Appellation an das kaiserliche Kammergericht zu bringen55, scheiterte am Widerspruch Maximilians56. Dieser wies stattdessen seinen Kam­ merprokurator an, einen anderen, von diesem gegen die Regensburger Juden in Steuerfragen begonnenen Prozess vor dem Kammergericht in Worms einzustel­ len, ausdrücklich mit der Begründung, dass die Regensburger Juden dem Hause Österreich zugehörten57. Als diese seinem Verbot zuwider eine Ladung vor das Kammergericht erhielten, forderte der König die Stadt energisch auf, ihre Klage zurückzuziehen, da die Appellation den Freiheiten des Hauses Österreich zuwiderlaufe und das Regiment in Innsbruck als kaiserliche Kommission und ordentliches Gericht in der Sache zuständig bleibe58. Letztendlich musste sich die Stadt darauf einlassen und versuchte deshalb, durch umfangreiche Eingaben an das Regiment dieses von der Notwendigkeit einer Vertreibung der Juden aus Regensburg zu überzeugen59. 52 Reskript von 1516 Oktober 1; ebd. (wie Anm. 36), S. 313, Nr. 869; ein gleichzeitiges Mandat an das Regiment in Innsbruck, wegen der zwischenzeitlichen Verhandlung vor dem Stadt­ hauptmann in der Sache nicht weiter zu entscheiden, ebd., S. 313, Nr. 870. 53 Widerrufsmandate und Begleitreskripte Kaiser Maximilians von 1516 November 14; ebd. (wie Anm. 36), S. 313 f., Nr. 872, 873 und 874. 54 Lediglich ein in Abwesenheit der städtischen Vertreter gefälltes Versäumnisurteil kam zu­ stande, das aber von der Stadt nicht akzeptiert wurde; Protestbrief von 1518 Juli 23; ebd. (wie Anm. 36), S. 369, Nr. 997. 55 Instruktion der Stadt von 1517 Mai 11 an ihre Gesandten beim Regiment; ebd. (wie Anm. 36), S. 320, Nr. 901. 56 Protestbrief des Kammerprokurators im Namen des Königs und des Hauses Österreich ge­ gen die von der Stadt Regensburg angekündigte Appellation beim Reichskammergericht von 1517 Mai 29; ebd. (wie Anm. 36), S. 323, Nr. 911. Aus einem gleichzeitigen Bericht (ebd. S. 323, Nr. 913) ergibt sich, dass der Einspruch unter Berufung auf die Freiheiten des Hau­ ses Österreich erhoben wurde. 57 Reskript von 1517 Mai 12; ebd. (wie Anm. 36), S. 320 f., Nr. 902. 58 Mandat von 1517 August 9; ebd. (wie Anm. 36), S. 329, Nr. 927. Erneute Bitte der Stadt an das Regiment, das Verfahren wegen der Appellation an das Reichskammergericht abzu­ setzen (undatiert); ebd., S. 331, Nr. 932. 59 Von den zahlreichen Schriftsätzen der Stadt sei vor allem auf den von 1518 Juni 28 hin­ gewiesen, der sich hauptsächlich mit den Beschwerden der städtischen Handwerker gegen die Juden befasste; ebd. (wie Anm. 36), S. 348–353, Nr. 979. Eine umfangreiche Erwiderung der Judenschaft datiert von 1518 Juli 17; ebd., S. 355–361, Nr. 988. Sie warfen hier der Stadt­ obrigkeit vor, der Meinung zu sein, dass »die Juden nichts haben, des lufts leben, under dem ertreich wandeln und vertriben« (ebd., S. 359).

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Zu Beginn des Jahres 1519 setzte das Innsbrucker Regiment den beiden Pro­ zessparteien nochmals einen Verhandlungstermin an60. Da jedoch Maximi­ lian inzwischen verstorben war und die Stadt die Thronvakanz sofort für sich nutzte, um die Juden endgültig zu vertreiben61, hatte sich das Verfahren durch die äußeren Ereignisse erledigt. Dass der in der Forschungsliteratur als »juden­ freundlich« geltende Enkel und Nachfolger Maximilians, Kaiser Karl  V., die Vertreibung der Juden aus Regensburg nicht rückgängig machte, sondern sie nachträglich sogar durch ein »Privilegium de non tolerandis iudeis« sanktio­ nierte, allerdings gegen Entschädigung der vertriebenen Juden62, zeigt erneut, dass die innere Einstellung der habsburgischen Kaiser dieser Zeit gegenüber den Juden gleichbleibend war, unabhängig von einer eher pragmatischen Haltung in ihrer »Judenpolitik«. Was lässt sich nun aus diesem langwierigen Streit um prozessuale Zustän­ digkeiten entnehmen? So viel erscheint klar: Maximilian hatte in seiner Politik gegenüber den seinem Schutz unterstellten Juden ein festes Ziel vor Augen: Er rechnete diese nicht dem Reich zu, und damit auch nicht der Disposition durch die Stände; vielmehr zählte er die Juden zu seinem landesherrlichen Kammer­ gut, dessen Nutzen allein dem Hause Österreich zugutekommen sollte. Daran ändert nichts, dass er bereit war, aus den erzielten Einnahmen entsprechend den Beschlüssen der Reichstage auch das Kammergericht ebenso wie etwaige mi­ litärische Operationen zu finanzieren. Folglich war für die Regensburger Juden auch nicht das Reichskammergericht als ständisch dominiertes Gericht zustän­ dig, sondern das Regiment in Innsbruck, wo Maximilian auch häufig Hof hielt. Um dies durchzusetzen, wies er sogar seinen Prokurator am Wormser Kam­ mergericht an, Prozesse um Geldforderungen gegen Regensburger Juden dort nicht weiter zu verfolgen. Das Ansehen des Hauses Österreich war ihm wichti­ ger als die Verhinderung eines etwaigen Einnahmeausfalls.

3. Als zweiter Faktor, der die Politik Maximilians gegenüber den Juden des Reichs prägte, muss die stark judenfeindlich orientierte Stimmung der Zeit angesehen werden. Das 15. und frühe 16. Jahrhundert waren im römisch-deutschen Reich eine Zeit der Vertreibungen der Juden aus den meisten Reichsstädten und aus vielen Territorien63. Sehr gut kommt die Stimmung der Zeit in einem anony­ 60 Ladbrief von 1519 Januar 18; ebd. (wie Anm. 36), S. 380, Nr. 1037.

61 Herde, Art. »Regensburg« (wie Anm. 39), S. 1201 f.

62 Zusammenfassend dazu: Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 217 f. Anders als für Maximi­ lian waren die Rechte des Hauses Österreich gegenüber den Juden in Regensburg verzicht­ bar. Zu sanktionieren war nur die Unbotmäßigkeit der Stadtobrigkeit gegenüber den Re­ skripten des kaiserlichen Hofes. 63 Dazu s. Wenninger, Markus J.: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert, Wien/Köln/Graz

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men, im Jahre 1493 publizierten Flugblatt zum Ausdruck, das in gereimter Form seinen Lesern erklärte: »Noch ist das gröst / das allerböst / dass Fürsten [und] Herren / sich willent [er]neren / hie mit den snöden Juden / die doch die Habe / hie nehmen abe / der Cristenheit.«64 Die Folgerung, die der Leser daraus ziehen sollte, ist klar: Da die Juden die Christen ihrer Habe berauben, wird den Obrigkeiten empfohlen, mit jenen keine Geschäfte mehr zu machen; die Vertrei­ bung der Juden aus dem Lande wäre die logische, wenn auch hier unausgespro­ chene Folge gewesen. Der burgundische Adelige Pierre de Froissard sprach in einem 1497 geschriebenen Brief eine dementsprechende Befürchtung aus. Der Judenhass sei in Deutschland so allgemein verbreitet, dass selbst die ruhigs­ ten Leute in Aufregung gerieten, wenn auf die Juden und ihren Geldwucher die Rede komme. Und weiter: »Es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich und gleichzeitig in allen Gegenden eine blutige Verfolgung der Juden ausbräche, wie diese ja bereits aus mehreren Städten gewaltsam vertrieben sind.«65 Und natürlich war diese schlechte Meinung über die Juden auch auf den damaligen Reichstagen verbreitet. Als der Straßburger Gesandte Hans von Seckingen an seine Auftraggeberin im Juli 1489 über die Vorbereitungen zum Reichstag in Frankfurt am Main berichtete und sich dabei über die hohen Un­ terhaltskosten für das Gefolge König Maximilians beklagte, meinte er wörtlich: »Es ist hi, [als] wen[n] lige eyner under den Juden, also werden die Lüt geschun­ den.«66 Der Getreidemangel und die daraus resultierenden hohen Lebensmittelkosten wurden ganz selbstverständlich den Juden in die Schuhe geschoben – ein Argumentationsmuster, das sich bis heute erhalten hat. Die eigentlichen Ursa­ chen der Mangelsituation konnte man damals noch kaum erkennen, und so wa­ ren die Juden leicht zu Sündenböcken zu machen, wenn man sie als Akteure in Handel und Gewerbe wahrnahm und sich mit den von ihnen erhobenen Darle­ henszinsen konfrontiert sah. Was in diesen zufällig ausgewählten Äußerungen zum Ausdruck kommt, entsprach ganz auch der gelehrten Meinung, wie sie seit der Antike tradiert und von der Kirche verbreitet wurde. Es muss an dieser Stelle nur darauf hin­ gewiesen werden, dass selbst im humanistischen Diskurs der Zeit der Kern die­ ser alten Lehre nicht angetastet wurde. Deutlich wird dies in den Äußerungen 1981 (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 14); Burgard, Friedhelm/Haverkamp, Alfred/Mentgen, Gerd (Hg.): Judenvertreibungen in Mittelalter und früher Neuzeit, Hanno­ ver 1999 (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Bd. A 9). 64 Abdruck bei: Janssen, Johannes: Die allgemeinen Zustände des deutschen Volkes beim Ausgang des Mittelalters. 19./20. Auf l., besorgt durch Ludwig von Pastor, Freiburg 1913 (=  Johannes Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 1), S. 286 f. 65 Abgedruckt (in Übersetzung) bei: Janssen, Zustände (wie Anm. 64), S. 483. 66 Bock, Ernst (Hg.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: 1488–1490, Göttingen 1973 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 3) [RTA MR III], S. 1046 f., Nr. 268c, Zitat auf S. 1047.

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Johannes Reuchlins, der sich im Streit um die Forderung Johannes Pfefferkorns nach einer Vernichtung aller hebräischen Bücher vehement für die Rechte der Juden einsetzte. Als er nämlich in seinem berühmt gewordenen Gutachten un­ ter dem Namen »Augenspiegel« von 1510 für die Juden die Zubilligung des rö­ mischen Bürgerrechts gefordert hatte, schränkte er dies mit den Worten ein: »Item durch das Wort ›Bürger‹ hab ich den Juden kain [be]sondere Ere erboten, dann sie sind kainer Eren werdt.«67 Und dies war durchaus keine etwa aus Ge­ hässigkeit oder Hass gegenüber den Juden geäußerte Meinung. Sie entsprach vielmehr dem antiken Codex Iustiniani in der Kommentierung der mittelal­ terlichen Juristen, für die humanistisch gebildeten Juristen der Zeit eine glaub­ hafte Vorlage. Schon im 14. Jahrhundert hatte nämlich Bartolus de Saxoferrato in Auslegung der Codex-Stelle über die Rechtsstellung der Juden erklärt, dass die Juden in keiner Weise der Ehre oder der Würde teilhaftig sein könnten (»iu­ dei non possunt habere aliquem honorem seu dignitatem«)68. Eine Generation später entwickelte der kaiserliche Fiskalprokurator in einem Prozess vor dem Reichskammergericht die Rechtsvermutung, dass Juden bis zum Beweis des Ge­ genteils nur die Schädigung der Christen im Auge hätten. Jeder Jude habe, so sagt er wörtlich, »der Juden Nutz und Wolfart, dargegen aller Christen Verderp­ nus, Abgang und genzlich Vertielgung gewislich viel lieber […] begert – auch wo inen Forcht und Peen und Gewalt der Oberkeit nit abschreckte, on allen Zweifel mit andern Juden iren Nutz und unser aller Verderben im Auge«69. Es ist wohl anzunehmen, dass diese sowohl in der gelehrten Jurisprudenz als auch im alten Recht begründeten und von der Justiz des römisch-deutschen Reichs beachteten Normen am kaiserlichen Hof bekannt waren. Aufgrund des­ sen konnte der Kaiser ohne weiteres ein gewaltsames Vorgehen gegen die Ju­ den legitimieren und zugleich von den Juden verlangen, im Einzelfall ihre gu­ ten Absichten nachzuweisen. Vertragsbrüche waren damit ebenso gedeckt wie taktische politische Winkelzüge – übrigens ganz im Einklang mit den Lehren Niccolò Machiavellis, die am Innsbrucker Hof durchaus bekannt waren70. Als 67 Battenberg, J. Friedrich: Rechtliche Aspekte der vormodernen aschkenasischen Judenschaft in christlicher Umwelt. Zu einem Paradigmenwechsel im ›Judenrecht‹ im frühen 16. Jahr­ hundert, in: Eveline Brugger/Birgit Wiedl (Hg.): Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit, Innsbruck [u. a.] 2007, S. 9–33, hier S. 20; Ders., Josel von Rosheim, Befehlshaber der deutschen Judenheit, und die kaiserliche Gerichtsbar­ keit, in: Jost Hausmann/Thomas Krause (Hg.): ›Zur Erhaltung guter Ordnung‹. Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz. Festschrift für Wolfgang Sellert zum 65. Geburtstag, Köln [u. a.] 2000, S. 183–224, hier S. 205 f.; Ders., Juden als ›Bürger‹ des Heiligen Römischen Reichs im 16. Jahrhundert. Zu einem Paradigmenwechsel im ›Judenrecht‹ in der Reforma­ tionszeit, in: Rolf Decot/Matthieu Arnold (Hg.): Christen und Juden im Reformationszeit­ alter, Mainz 2007, S. 175–197, hier S. 192. 68 Battenberg, Rechtliche Aspekte (wie Anm. 67), S. 19; Ders., Josel von Rosheim (wie Anm. 67), S. 204. 69 Battenberg, Josel von Rosheim (wie Anm.  67), S.  219 f.; Ders., Juden als ›Bürger‹ (wie Anm. 67), S. 180. 70 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 491, 627.

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Gesandter seiner Heimatstadt Florenz war dieser 1508 selbst Gast am kaiser­ lichen Hof 71. Eine moralische Verurteilung dieser Politik aus heutiger Sicht her­ aus wäre anachronistisch. Ob Maximilian darüber hinaus die Ritualmordlegenden der Zeit für glaub­ würdig hielt, ist eher zu bezweifeln72. Dass er diese jedoch von Fall zu Fall zu politischen Zwecken einsetzte, konnte schon vorher im Fall der Vertreibung der Juden aus der Steiermark gezeigt werden. Ohne Bedenken nahm er deshalb auch den Kult um die Verehrung des angeblich von Juden rituell gemarterten und getöteten, später als Märtyrer selig gesprochenen Simon von Trient73 in das aktuelle Zeremoniell seiner Kaiserproklamation in Trient auf – und zwar ganz auf der Grundlage eines neuen kulturellen Codes, durch den unerklärbare Vor­ gänge zu realen Fakten erklärt und heilsgeschichtlich gedeutet wurden74. Fasst man die höfische Repräsentation in ihrer Funktion als allgemein verständliches Zeichen75, so kann man auch für Trient davon ausgehen, dass die Tragweite der Verbindung einer populären Märtyrerlegende mit der Inthronisierung Maxi­ milians von der höfischen Umwelt ohne weiteres verstanden wurde. Einem Bericht des Frankfurter Gesandten in Trient zufolge76 habe der Kö­ nig den silbernen Schrein mit den Reliquien des seligen Simon, den – wie es hier heißt – »die juden hievore von leben zum tod bracht haben«, von zwei Pries­ tern in das Schloss zu Trient bringen lassen, wo sich bereits etliche Reichsfürs­ ten versammelt hatten. In einer nachmittäglichen Prozession sei der Schrein zum Münster getragen und auf den Heiligkreuzaltar abgelegt worden. Dort habe sich der König ihm kniend in einem Gebet gewidmet und sich erst dann in Gegenwart einiger Fürsten, Grafen, Herren und Gesandten – unter ihnen auch 71 Ebd., S. 498. 72 Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), spricht für den Krönungsakt von Trient von der »bedeu­ tendste[n] Identifizierung Maximilians mit dem antijüdischen Kult« (S. 208), verkennt aber damit die Rolle, die Maximilian in der höfischen Repräsentation zu spielen hatte und die über seine persönlichen Anschauungen keine belastbare Auskunft gibt. 73 Dazu: Po-chia Hsia, R[onnie]: Trent 1475. Stories of  a Ritual Murder Trial, New Haven/ London 1992; Treue, Wolfgang: Der Trienter Judenprozess: Voraussetzungen – Abläufe – Auswirkungen (1475–1588), Hannover 1996 (=  Forschungen zur Geschichte der Juden, Bd. A 4); zusammenfassend: Quaglioni, Diego: Das Inquisitionsverfahren gegen die Juden von Trient (1475–1478), in: Susanna Buttaroni/Stanislaw Musial (Hg.): Ritualmord. Legen­ den in der europäischen Geschichte, Wien [u. a.] 2003, S. 85–130. 74 Po-chia Hsia, R[onnie]: The My th of Ritual Murder. Jews and Magic in Reformation Ger­ many, New Haven, London 1988, S. 52 f. 75 So nach einer Definition des barocken Zeremonialwissenschaftlers Julius Bernhard von Rohr, Volker Bauer: Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft. Haus­ väterliteratur und Kameralismus, Wien [u. a.] 1997 (= Frühneuzeitstudien NF, Bd. 1), S. 85. 76 Bericht Johann Froschs an den Rat der Stadt Frankfurt von 1508 Februar 8, abgedruckt bei: Heil, Dietmar (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I.: Der Reichs­ tag zu Konstanz 1507, München 2014 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9) [RTA MR IX], S. 1204 f., Nr. 836; Wiesf lecker-Friedhuber, Quellen (wie Anm. 27), S. 163 f., Nr. 46.

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Machiavelli für die Republik Florenz – zum erwählten römischen Kaiser aus­ rufen lassen77. Man mag die zeremonielle Einbeziehung des Simon-Kults in die Kaiser­ proklamation als eine Art Reverenz an den Ortsbischof und als Signal an die Geistlichkeit werten, dass sich der Habsburger streng an die kirchlichen Rituale halten wollte. Doch ist eines zu bedenken: Trotz des eher bescheidenen Aus­ maßes des Zeremoniells am Hof Maximilians I. und einer gewissen Tendenz, volkstümlich Anklang zu finden78, hatte dieser Kaiser doch ein ausgeprägtes Bedürfnis der Selbstdarstellung und -stilisierung79. Damit verbunden war eine ausgefeilte Symbolik, die von seinem Umkreis auch wahrgenommen und ver­ standen wurde. Also muss man annehmen, dass Maximilian weniger aus di­ plomatischen Gründen einem umstrittenen Märtyrer huldigte, als vielmehr dies deshalb tat, weil er diesen Akt der Verehrung als Teil, wenn nicht sogar als den Kern seiner Proklamation zum »Erwählten Kaiser« ansah. Über den his­ torischen Wahrheitsgehalt der Geschichte um Simon von Trient machte er sich sicher keine näheren Gedanken. Doch dass er mit dem Zeremoniell vor und im Dom zu Trient zugleich einen angeblichen Ritualmord von Juden für Zwecke der Selbstdarstellung nutzte, dürfte auch ihm sehr wohl bewusst gewesen sein. Ganz nach den Lehren seines Zeitgenossen Machiavelli wusste er dieses Ele­ ment im politischen Geschäft einzusetzen, um notfalls auch auf Juden Druck ausüben zu können.

4. Auf einen weiteren Punkt in der habsburgischen Judenpolitik soll nun einge­ gangen werden, weil dieser schon bei seinen Vorgängern spätestens seit Ru­ precht von der Pfalz eine große Rolle gespielt hatte. Gemeint ist das bei allen Herrschern des römisch-deutschen Reiches mehr oder weniger sichtbar zum Ausdruck kommende Bestreben, eine effektive Kontrolle über die Judenheit des Reichs auszuüben, und zwar ungeachtet dessen, dass das Judenregal und damit die Schutzherrschaft über die Juden schon längst nicht mehr vom Kaiser allein ausgeübt wurde, sondern ihm im späten 15.  Jahrhundert nur noch in seinem Kernbereich zustand. Es war bisher davon die Rede, dass Kaiser Maximilian neben einer Stärkung seiner finanziellen Potenz auf Kosten der Juden vor allem die Interessen des Hauses Österreich im Auge hatte und dazu auch ungeklärte Verfassungsverhält­ nisse wie die in Regensburg instrumentalisierte. Diese beiden Gesichtspunkte 77 Siehe die Beschreibung des Zeremoniells bei: Wiesf lecker, Kaiser Ma ximilian I., Bd. 4 (wie Anm. 44), S. 8 ff. 78 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 380 ff. 79 Kohler, Alfred: Kaiser Maximilian und sein Kaisertum, in: Schmidt-von Rhein, Kaiser Ma­ ximilian (wie Anm. 2), S. 83–90, hier S. 89.

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ziehen sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Judenpolitik. Doch ist diese so nicht abschließend zu beschreiben. Nicht alle Juden des römisch-deutschen Reichs konnten zum eigenen Kammergut gezogen werden und nicht jeder Kon­ f likt zwischen Christen und Juden ließ sich dem oberösterreichischen Regiment in Innsbruck zuweisen. Wollte Kaiser Maximilian die dem Heiligen Römischen Reich zustehenden Einnahmen von den Juden, wie die reichsstädtische Juden­ steuer, den Goldenen Opferpfennig oder auch die Krönungssteuer, für sich nutz­ bar machen, so war er auf eine reichsweite und effektiv arbeitende Organisation angewiesen, die legitimiert war, die geschuldeten Steuerleistungen in den jü­ dischen Gemeinden einzusammeln. Seit mindestens einem Jahrhundert gab es Versuche der deutschen Herrscher, durch Einsetzung von jüdischen Hochmeistern und eine Gesamtorganisation der jüdischen Gemeinden im Reichsverband Kontrolle auszuüben und die gefor­ derten Einnahmen zu sichern. Es verwundert daher nicht, dass auch in diesem Bereich Maximilian an die Strategie seiner Vorgänger anknüpfte. Das Problem bestand jedoch darin, dass die jüdischen Gemeinden gegenüber den christlichen Herrschern Autonomie beanspruchten und deshalb eine mit Bannrechten be­ gabte jüdische Autorität über sich nicht anerkannten. Hochmeister oder reichs­ weit tätige Rabbiner konnten nur dann Wirkung in die Gemeinden hinein ent­ falten, wenn sie von diesen vorab schon konsensual anerkannt worden waren. Erst mit der Einsetzung des Wormser Rabbiners Anselm von Köln 1435 zum »Obersten Meister und Rabbi« begann die Tradition des sog. Reichsrab­ binats, das seine Legitimation im Wesentlichen von den jüdischen Gemeinden herleiten konnte, das aber doch auch von den Kaisern in Anspruch genommen und für eigene Zwecke instrumentalisiert wurde80. Anselm war 1429 von Her­ zog Ludwig von Bayern-Ingolstadt zu einem Amtmann und Richter für inner­ jüdische Streitigkeiten bestellt worden, mit dem Recht, den jüdischen Bann aus­ zusprechen. 1435 hatte ihn dann Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg im Auftrag Kaiser Sigismunds zum Reichsrabbiner für das westliche und mitt­ lere Reich ernannt81. Der habsburgische Kaiser Friedrich III. knüpfte daran an und übertrug dem Rabbiner Levi von Völkermarkt, ansässig in der Reichsstadt Nürnberg, in den achtziger Jahren die Funktionen eines Hochmeisters der deut­ schen Judenheit, beauftragte ihn aber gleichzeitig mit der Erhebung von Reichssteuern. Daran nun konnte sein Sohn Maximilian anknüpfen. Dieser bestätigte Levi 1490 in seinem Amt82. Er, wie schon Samuel von Worms, scheinen in ihren jeweiligen Gemeinden über genügend Macht verfügt zu haben, um eine darüber hinausgehende Autorität entfalten und in kaiser­ 80 Siehe Stern, Moritz: Der Wormser Reichsrabbiner Anselm, in: Zeitschrift für die Ge­ schichte der Juden in Deutschland 5 (1935), S. 157–168. 81 Reuter, Fritz: Art. »Worms«, in: Germania Judaica, Bd. III, 2 (wie Anm. 39), S. 1671–1697, hier S. 1679 f. 82 Toch, Michael: Art. »Nürnberg«, in: Germania Judaica, Bd. III, 2 (wie Anm. 39), S. 1001– 1044, hier S. 1018. Dazu Tschech, Maximilian (wie Anm. 4), S. 19; Stern, Josel von Rosheim (wie Anm. 9), S. 76.

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lichem Auftrag tätig werden zu können. Das Gleiche muss auch für seinen Nachfolger Rabbi Samuel Elieser zum Wolf aus Worms gelten, der 1510 als Hochmeister und Vertreter der Judenheit des Reiches urkundlich erwähnt wurde83. 1521 wurde er unter Maximilians Nachfolger Karl V. auf dem Reichs­ tag zu Worms mit dem Titel eines »Obersten Rabbi gemeiner Judenschaft im Heiligen Reich« mit richterlichen Funktionen eingesetzt84. Aber auch ihm wur­ den fiskalische Aufträge erteilt, nämlich die Befugnis zur Einziehung des Gol­ denen Opferpfennigs85. Inwieweit er wie auch seine Amtsvorgänger eine reichs­ weite Wirksamkeit entfalten und wesentliche Funktionen für die kaiserliche Kammer ausüben konnten, ist nicht bekannt und mangels erhaltener Quel­ len auch nur schwer zu beurteilen. Ein Erfolgsmodell war es im beginnen­ den 16. Jahrhundert sicher nicht mehr, da die weitgehende Territorialisierung der Juden und die tendenzielle Autonomie der jüdischen Gemeinden86 kaum noch Zugriffsmöglichkeiten für Kräfte boten, die nur vom Kaiser her legiti­ miert waren. Jedoch ist in den Quellen zugleich zu beobachten, dass es spätestens un­ ter König Maximilian, von ihm vielleicht entsprechend befördert, nicht mehr nur einen einzigen Hochmeister an der Spitze der Judenschaft des Heiligen Rö­ mischen Reiches gab. Vielmehr bestand nun allem Anschein nach ein Netzwerk von verschiedenen, den jeweiligen reichsstädtischen Gemeinden zugeordneten Hochmeistern, die bisweilen von Maximilian in Generalmandaten gemein­ sam angesprochen wurden. Dies ergibt sich aus mehreren Mandaten des Königs von August und September 148987, in denen die Hochmeister verschiedener jü­ discher Gemeinden in den königlichen Städten des Reichs aufgefordert wurden, die »gemeiner Jüdischeit im Reiche«88 auferlegte Steuer in Höhe von 1.500 Gul­ den im Rahmen der auf dem Frankfurter Reichstag für den Flandernfeldzug bewilligten »Eilenden Hilfe«89 zu entrichten. In einer als Entwurf überliefer­ ten Erklärung Maximilians heißt es, dass dieser und sein Vater Friedrich sich »zu Behaltung des Heiligen Reichs Deutscher Nation und unser beider Heuser Osterrich und Burgundi mit der gemein Judischeit« auf einer Zusammenkunft in Nürnberg über die Höhe des Anschlags verglichen hätten, der auch bezahlt 83 Auch Schmuel zu Worms; zu ihm Reuter, Art. »Worms« (wie Anm. 80), S. 1682, zu Ziff. 30. 84 Reuter, Art. »Worms« (wie Anm. 81), S. 1682; Ders., Warmaisa. 1000 Jahre Juden in Worms, Frankfurt am Main 1987, S. 66. 85 Zimmer, Eric: Jewish Synods in Germany during the Late Middle Ages (1286–1603), New York 1978, S. 57 f. 86 Dazu Battenberg, J. Friedrich: Die jüdischen Gemeinden und Landjudenschaften im Hei­ ligen Römischen Reich. Zwischen landesherrlicher Kontrolle und Autonomie, in: Helmut Neuhaus (Hg.): Selbstverwaltung in der Geschichte Europas in Mittelalter und Neuzeit, Berlin 2010 (= Beiheft zu »Der Staat«, Heft 19), S. 101–136, mit Diskussion dazu S. 137–142. 87 Mandate von 1489 August 25 bis September 5; RTA MR III (wie Anm. 66), S. 1291–1294, Nr. 319a-f. 88 So in einem Mandat von 1489 August 26; ebd. (wie Anm. 66), S. 1294, Nr. 319e. 89 Hierzu Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 1 (wie Anm. 23), S. 222 ff.

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worden sei90  – wobei sich aus späteren Mandaten ergibt, dass die Frankfurter Gemeinde wie auch einige oberdeutsche Judenschaften säumig blieben91. Ähnliches wiederholte sich zwei Jahre später, als Kaiser Friedrich III. seinem Sohn Maximilian auf dessen Bitte die Erlaubnis erteilte, dass »er auf die Ju­ discheit, allenthalben in dem Heiligen Riche gesessen, einer Summa Gelts sa­ mentlich und sunderlich Ansleg tun und die von inen erfordern und einbrin­ gen, sich mit inen darumb vertragen und quittieren« solle92. Dem entsprechend gebot Maximilian im September 1491 »allen und iglichen Hochmeister[n] der Juden und gemeiner Judischeit allenthalben in unsern und des Heiligen Richs Stetten und Slossen«93, den auf sie entfallenden Anteil von 2.800 Gul­ den eines auf einem Nürnberger Tag als Reichshilfe gegen Frankreich und Böh­ men beschlossenen Anschlags zu bezahlen94. Auch jetzt gab es wieder Probleme mit der Frankfurter Judenschaft, die sich auf eine Verpfändung an die Stadt be­ rief. Doch scheinen ausweislich der Quittungen die meisten Gemeinden gezahlt zu haben95. Auch später noch wurden den Juden vergleichbare Steuerleistungen auf­ erlegt, so im November 1502 1.000 Gulden für die Finanzierung des geplanten Türkenfeldzugs96. Über deren Erfolg ist bisher wenig bekannt. Ob die in diesem Fall zur Einhebung bestellten Kommissare aus den jüdischen Gemeinden re­ krutiert wurden, wie dies in einer späteren Ordnung von 1510 bestimmt wurde, muss ebenso vorerst offen bleiben. Aus all diesen Zeugnissen ergibt sich, dass Maximilian sich mit einer reichs­ weiten Judenschaft konfrontiert sah, die vor allem in den königlichen Städten und einigen Herrschaften im Reich anzutreffen war. Ihr nicht zugerechnet wurde die erbländische Judenschaft einschließlich derjenigen der Stadt Regens­ 90 Erk lärung mit Quittung von 1489 August 26; RTA MR III (wie Anm. 66), S. 1294, Nr. 319e. 91 Mandate von 1489 September 5-November 26; ebd. (wie Anm. 66), S. 1294–1296, Nr. 319f-h. 92 Vollmachtsurkunde von 1491 Juni 9, bei: Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstags­ akten unter Maximilian I.: Reichsversammlungen 1491–1493, München 2008 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v.  d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4) [RTA MR IV], S. 808, Nr. 659. 93 Generalmandat von 1491 September 9; RTA MR IV (wie Anm. 92), S. 810, Nr. 662. 94 Beschlossen wurde auf dem Tag zu Nürnberg eine freiwillige Reichshilfe. Abschied von 1491 Juni 28; RTA MR IV (wie Anm. 92), S. 515 f., Nr. 366. Zu den außenpolitischen Kon­ f likten und dem nach Nürnberg einberufenen Tag siehe Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 1 (wie Anm. 23), S. 326 ff. 95 Quittungen von 1491 August 4 und 1492 Juli 30; RTA MR IV (wie Anm. 92), S. 809, Nr. 660; S. 812, Nr. 665. 96 Mandat an Friedberg von 1502 November 9, bei: Löwenstein, Uta (Bearb.): Quellen zur Ge­ schichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg 1267–1600, Wiesbaden 1989, Bd. 1, S. 171, Nr. 644a. Zum geplanten Vorgehen Maximilians gegen die Türken siehe Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Ma ximilian I. (wie Anm. 11), Bd. 3: Auf der Höhe des Lebens. 1500–1508. Der große Systemwechsel. Politischer Wiederaufstieg, München 1977, S.  26 ff. Auch für seinen 1507/8 geplanten Romzug beanspruchte der König eine Kopfsteuer der jüdischen Gemeinden. RTA MR IX/2 (wie Anm. 76), S. 1126 f., Nr. 743; S. 1274 Anm. 154.

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burg. Ansprechpartner für die Einhebung von Steuerleistungen waren die Hoch­ meister, die wohl meistenteils aus der jeweils angesprochenen jüdischen Ge­ meinde rekrutiert wurden. Wie sich aus den Nürnberger Reichstagsakten von 1491 ergibt, hatte der König darüber hinaus einen gewissen Mendlin aus »Walders­ heim«97 damit beauftragt, die festgesetzten Steuern von den Gemeinden ein­ zusammeln98. Tatsächlich war dieser Jude auch erfolgreich für die Einsamm­ lung der Gelder im Reich unterwegs. Die Frage, ob diese Organisationsform von Dauer war, ist schwer zu entschei­ den. Die Festlegung einer viermal jährlich zu entrichtenden Kopfsteuer von einem Gulden für die Juden, wie sie dem von Kaiser Ludwig dem Bayern ein­ geführten »Goldenen Opferpfennig« entsprach, konnte im Rahmen der Einfüh­ rung eines Gemeinen Pfennigs auf dem Wormser Reichstag vom August 149599 jedenfalls nicht umgesetzt werden. Nicht einmal die Frage, wer welche Summen von den jüdischen Gemeinden einsammeln sollte, wurde geklärt100. Die für die Erhebung des Gemeinen Pfennigs insgesamt zu ernennenden Kommissare wa­ ren auch für die den Juden auferlegte Kopfsteuer zuständig101. Erst auf dem Lindauer Reichstag ein Jahr später kam es zu neuen Vorstö­ ßen zur Einsammlung des Gemeinen Pfennigs von den Juden des Reichs, die nach dem Vorschlag Kurfürst Bertholds von Henneberg damit zum Unter­ halt des Königlichen Kammergerichts herangezogen werden sollten102. Hier­ mit wurde der Mainzer Kanzler und Reichsschatzmeister Dr. Georg Pfeffer betraut, dem immerhin in den jüdischen Gemeinden der Städte Frankfurt, Nürnberg und Worms die Einhebung gelang103. Auf dem Augsburger Reichstag 97 Nicht identifiziert, vielleicht Wallerstein. 98 Mandat Maximilians von 1491 September 7 an alle Hochmeister sowie Schreiben von Sep­ tember 10 an Mühlhausen; RTA MR IV (wie Anm. 92), S. 809, Nr. 661 mit Anm. 1. 99 Ordnung des Gemeinen Pfennigs von 1495 August 7, gedruckt bei: Angermeier, Heinz (Be­ arb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Reichstag zu Worms 1495, Göttin­ gen 1981 (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v.  d. Historischen Kommis­ sion bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 5) [RTA MR V], S. 537–562, Nr. 448, hier S. 547 (Art. 3, mit den Entwürfen vom 23. und 25. Juli). Dazu: Schmid, Peter: Der Gemeine Pfennig von 1495. Vorgeschichte und Entstehung, verfassungsgeschicht­ liche, politische und finanzielle Bedeutung, Göttingen 1989 (=  Schriftenreihe der His­ torischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 34), S. 180, 203 f. mit Anm. 213. 100 Schmid, Der Gemeine Pfennig (wie Anm. 99), S. 236 f.

101 So ebd., S. 238.

102 Protokoll von 1496 November 20, bei: Gollwitzer, Heinz (Bearb.): Deutsche Reichstags­ akten unter Maximilian I.: Reichstage von Lindau, Worms und Freiburg 1496–1498, Göt­ tingen 1979 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommis­ sion bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 6) [RTA MR VI], S. 220–222, Nr.  143, hier S.  221. Hierzu: Wiesf lecker, Kaiser Maximilian  I., Bd.  2 (wie Anm.  23), S. 264 f. 103 Dazu Schmid, Der Gemeine Pfennig (wie Anm. 99), S. 541–543. Hierzu siehe Battenberg, J. Friedrich (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Darm­ stadt 1080–1650, Wiesbaden 1995, S. 299 f., Nr. 1122.

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von 1500 wurde die von den Juden zu erhebende Kopfsteuer erneuert; sie musste jedoch angesichts der geringen Chancen einer vollständigen Eintreibung auf dem Trierer Reichstag von 1512 auf einen halben Gulden ermäßigt werden, mit der Maßgabe, dass – wie es in der in Köln beschlossenen Reichsordnung vom August des Jahres heißt104  – »der reich dem armen in solchem zustatten kom­ men« solle105. Bei all diesen Ordnungen zur Kopfsteuer der Juden fällt auf, dass Juden selbst mit ihrer Einsammlung nicht beauftragt wurden, dass vielmehr christ­ liche Kommissare oder auch der Reichsschatzmeister dazu eingesetzt wurden. Allem Anschein gab es seitens des kaiserlichen Hofes kein Vertrauen mehr in reichsweit oder regional tätige jüdische Funktionsträger, denen man die Steuer­ erhebung hätte überlassen können. Erst für das Jahr 1510 ist wieder ein Versuch Kaiser Maximilians überliefert, eine Gesamtorganisation der Judenschaft des Heiligen Römischen Reiches in kaiserliche Dienste zu nehmen und damit wohl auch dort die Einhebung von Judensteuern anzudocken. Aus einem Mandat des Habsburgers vom 8. August 1510 an die Juden des Heiligen Römischen Reichs106 ergibt sich, dass diese die Absicht hatten, zur Beratung über Maßnahmen gegen die Verletzung ihrer Pri­ vilegien eine Versammlung nach Worms einzuberufen. Um eine möglichst zahlreiche Beschickung eines solchen Treffens zu erreichen, hatten sie sich an den Kaiser mit der Bitte gewandt, zu einer solchen Zusammenkunft seine kai­ serliche Zustimmung zu erteilen. Unter Hinweis darauf, dass »solich gemeyne Besamlung on unser als Romischem Keiser Gunst und Willen nit bescheen mag«, setzte er fünf namentlich aufgeführte jüdische Kommissare ein, und zwar aus den Gemeinden Frankfurt, Colmar, Regensburg und Worms sowie aus dem Ober-Elsass. Diese »funf comissarn« sollten mit einer Frist von einem Monat zu der Wormser Versammlung einladen. Eric Zimmer vermutet nicht ohne Grund, dass dieses Gremium von den Juden selbst benannt und von Maximi­ lian nur bestätigt wurde107. Ob die Versammlung aber jemals wie beabsichtigt zusammentrat, muss be­ zweifelt werden. Möglicherweise hatten die um diese Zeit am Reichskammer­ 104 Abdruck des Kölner Abschieds von 1512 August 26; RTA MR XI (wie Anm. 44), Nr. 1011 [§ 16]; Wiesf lecker-Friedhuber, Quellen (wie Anm. 27), S. 200–211, Nr. 59, hier S. 207. 105 Dazu insgesamt Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 5 (wie Anm. 11), S. 595 f. 106 Mandat von 1510 August 8, bei: Zimmer, Jewish Synods (wie Anm. 85), S. 134–136, Nr. V. Das Mandat wurde unter anderem an die Stadt Frankfurt versandt, die es laut Bürgermeis­ terbuch im Rat verlesen ließ. Andernacht, Dietrich (Hg.): Regesten zur Geschichte der Ju­ den in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1401–1519, Hannover 1996, Teil 3: Die Re­ gesten der Jahre 1496–1519, Hannover 1996, S. 968, Nr. 3686. Siehe auch Stern, Josel von Rosheim (wie Anm. 9), S. 75. 107 Zimmer, Jewish Synods (wie Anm. 85), S. 56. Dafür spricht auch, dass ein Regensburger Vertreter benannt wurde, was Maximilian sicher nicht aus eigener Initiative getan hätte, weil er ja die Regensburger Judenschaft zu seinem erbländischen Kammergut zählte und damit dem Reich nicht unmittelbar zurechnen wollte.

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gericht ausgetragenen Streitigkeiten um eine im Mai 1510 von Maximilian eingeforderte Hilfe gegen die Venezianer die weitere Verfolgung des Plans ver­ eitelt108. Es kann aber angenommen werden, dass sich der Kaiser von einer sol­ chen Versammlung oder auch von den dazu ausschreibenden Kommissaren die Einsammlung seiner Reichshilfe gegen Venedig erhofft hatte.

5. Abschließend soll nochmals die Frage gestellt werden, ob sich in Maximilians »Judenpolitik« eine durchgehende Struktur feststellen lässt, ob dieser Kaiser, wie die bisherige Forschung meinte, opportunistisch und ohne klare Linie hin und her schwankte oder ob sogar – wie Price meint109  – ein Wandel von einer judenfeindlichen zu einer judenfreundlichen Politik festzustellen ist. Man tut, so ist als Ergebnis der vorstehenden Analysen zu sagen, diesem Habsburger ge­ wiss Unrecht und verkennt dessen politische Absichten, wenn man ihm eine von den Erfordernissen des Augenblicks bestimmte Ziel- und Planlosigkeit in seinem Verhältnis zu den Juden unterstellt. Gewiss war seine Politik hier auf den ersten Blick widersprüchlich. Privilegien für die Judenschaft, Vergünstigungen für einzelne jüdische Gemeinden und weitgehende Schutzbriefe für einzelne Juden gab es ebenso in reicher Anzahl wie Mandate über die Vertreibung von Juden und »privilegia de non tolerandis iudeis«. Aber man muss doch sehen, dass sich Maximilian bewusst in die Kontinuität zur Judenpolitik seines Vaters stellen wollte, auch wenn man ihm vielleicht nicht die gleiche Nähe zu den Juden wie diesem bescheinigen kann110. Allerdings ka­ men bei ihm neue Gesichtspunkte auf die politische Agenda, die sich – ohne so vom Kaiser beabsichtigt zu sein – zu Lasten der Judenheit des Reiches auswir­ ken konnten. Dies bedarf der Erläuterung. Maximilian war sehr viel mehr als Friedrich  III. Machtpolitiker, der ent­ schlossen die sich ihm bietenden Chancen zur Stärkung des Hauses Habsburg ergriff, aber auch wie dieser an den Rechten und der Würde des Heiligen Rö­ mischen Reiches festhielt. Die Judenschaft des Reichs und seiner Erblande, die er ganz im Sinne der kirchenrechtlichen und auch juristischen Lehre als ehrlos und minderberechtigt einstufte, konnte so leicht zu einem Spielball seiner Poli­ tik werden. Hinzu kommt die zum Ende des 15. Jahrhunderts überall im Reich zu beobachtende judenfeindliche Stimmung. Auch sie hat sein politisches Agie­ 108 Nachrichten von 1510 Mai 20, September 14 und Oktober 30 bei: Andernacht, Regesten (wie Anm. 106), S. 964, Nr. 3674; S. 970 f., Nr. 3696 und 3698; RTA MR XI (wie Anm. 44), Nr.  683, 687. Es ging hier darum, dass der Rat in Frankfurt den Anspruch erhebt, seit einem Pfandschaftsbrief Kaiser Karls IV. selbst für die Erhebung der Reichsanschläge der Juden zuständig zu sein, siehe Andernacht, ebd. S. 975, Nr. 3716, Gutachten des Frankfur­ ter Prokurators am kaiserlichen Kammergericht, Dr. Johann Rehlinger. 109 Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 214 ff. 110 Anders ebd., S. 202.

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ren beeinf lusst. Die weit verbreiteten magischen Vorstellungen über Praktiken des Ritualmords wie auch der Hostienschändung durch Juden – wie sie um die Jahrhundertwende etwa in Sternberg (1492) und Berlin (1510) zu antijüdischen Exzessen führten111 – bestimmten auch die gelehrten Diskurse der Zeit über die Juden. Natürlich hatten sie auch am habsburgischen Königshof Eingang gefun­ den. Maximilian war in ihnen genauso befangen wie die meisten anderen Fürs­ ten und Machthaber der Zeit. Ihm zu unterstellen, er habe sich dadurch per­ sönlich mit dem antijüdischen Kult identifiziert, wie dies David H. Price tut112, verkennt, dass die von populären Predigern der Zeit wie Balthasar Hubmaier in Regensburg verbreiteten und von der kirchlichen Lehre gestützten juden­ feindlichen Gedankensysteme in dieser Zeit geradezu den Charakter eines kul­ turellen Codes angenommen hatten, dem sich ein christlicher Kaiser kaum ent­ ziehen konnte. Es ist dennoch nicht zu übersehen, dass die Juden des römisch-deutschen Reiches in eine Rechtsordnung eingebunden waren, die auch vom Kaiser nicht durchbrochen werden konnte. Seit den Lehren Johannes Reuchlins war an den Reichsgerichten allgemein anerkannt, dass Juden als Bürger römischen Rechts Untertanen mit gleichem rechtlichem Status wie alle christlichen Untertanen waren. Kraft seines Judenregals, das er als oberster Schutzherr der Juden in seinem Kernbereich nicht aus den Händen gab, hatte der König das Recht zur Besteuerung der Juden als Gegenleistung für den besonderen Schutz, den zu ge­ währen er die Pf licht hatte. Wenn er in seinen Erblanden oder auch im Reich auf Druck einzelner Stände Vertreibungen zustimmte, so nur mit der Maßgabe, dass die vertriebenen Juden anderweit Schutz finden konnten. Darauf legte er nicht zuletzt deshalb Wert, weil nur so die Kapitalkraft der zu besteuernden Ju­ den auf Dauer erhalten blieb. Die Anekdote mit dem Geschenk der goldenen Eier bei der Königskrönung deckt gerade dies auf, dass Maximilian wohl kaum einer dauerhaften Vertreibung oder gar einer Verfolgung und Vernichtung der Juden zugestimmt hätte. In einem jedoch ist Kaiser Maximilian am Ende gescheitert: Es ist ihm nicht gelungen, eine dauerhafte reichsweite Organisation der Judenschaft zu er­ reichen, durch die er die Einhebung der Judensteuern mit einer Kontrolle über die jüdischen Gemeinden hätte verbinden können. Sicher lag es auch daran, dass die Rechtstitel für die Judensteuer noch zu unterschiedlich waren und der in der Nachfolge des alten »Goldenen Opferpfennigs« eingeführte Gemeine Pfennig nur wenige Chancen einer Realisierung hatte. Es haben sich keine Quel­ len darüber ermitteln lassen, ob das in den Anfängen der Königszeit Maximi­ lians installierte System der Hochmeister und eines zentralen, vom Kaiser ein­ gesetzten jüdischen Steuereintreibers mehr als eine Episode war. Die vielen 111 Dazu Backhaus, Fritz: Die Hostienschändungsprozesse von Sternberg (1492) und Ber­ lin (1510) und die Ausweisung der Juden, in: Jahrbuch für brandenburgische Landes­ geschichte 39 (1988), S. 7–26, bes. S. 12 f. 112 Price, Judenpolitik (wie Anm. 1), S. 208.

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städtischen Judenvertreibungen, die zum großen Teil  schon vor der Zeit Ma­ ximilians abgeschlossen waren, haben sicher ebenfalls dazu beigetragen, dass das Potential zum Auf bau einer derartigen reichsweiten Struktur erheblich ge­ schrumpft war. Und auch das aus der Zeit der Könige Sigismund und Fried­ rich III. überkommene Reichsrabbinat lebte zwar fort, konnte aber kaum noch für Zwecke des königlichen Hofes instrumentalisiert werden. Angesichts seiner zahlreichen politischen und militärischen Unternehmungen stand die Organi­ sation der Judenheit des römisch-deutschen Reiches für ihn spätestens seit dem Wormser Reichstag von 1495 nicht mehr im Fokus seines politischen Handelns. Letzten Endes kann man der »Judenpolitik« Maximilians – ebenso wie der seines Vaters Friedrich III. oder der seines Enkels Karl V. – nur gerecht werden, wenn man alle diejenigen Faktoren in die Betrachtung einbezieht, die sein poli­ tisches Handeln bestimmten und beeinf lussten. Es reicht nicht, zu sagen, dass Maximilians Politik gegenüber den Juden wesentlich von finanziellen Motiven bestimmt gewesen sei oder dass ihm nur das Wohl des Hauses Österreich am Herzen gelegen habe. Die Juden waren für ihn Elemente für zielgerichtetes poli­ tisches Handeln, das aber noch mehr von anderen Faktoren bestimmt wurde. Bezeichnenderweise kommen die Juden in der seit der Kaiserproklamation von Trient 1508 in ersten Konturen sichtbar werdenden »Ehrenpforte« als einer künstlerischen Gesamtbeschreibung maximilianeischer Politik zum Gedächt­ nis für die Nachwelt nicht vor113. Deutlicher konnte nicht dargestellt werden, dass die Juden des Reichs für den Kaiser nicht Gegenstand seiner Politik waren, den er der Erwähnung für wert erachtet hätte. Um seine »Judenpolitik« in seine Gesamtpolitik in den Rahmen der vor­ handenen rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen so­ wie der kulturellen Gegebenheiten der Zeit einordnen zu können, müsste al­ lerdings die bisher verfügbare Quellengrundlage noch um einiges erweitert werden. Insofern kann die vorstehende Analyse nur als eine vorläufige Bewer­ tung zur Zeit Maximilians angesehen werden, die auf einer noch durchaus frag­ mentarischen Quellenbasis gründet.

113 Dazu Schauerte, Thomas Ulrich: Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Alt­ dorfer im Dienst des Herrschers, München/Berlin 2001, bes. S. 31 ff.

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Reichstage – Bundestage – Landtage

Foren politischer Kommunikation im Reich Maximilians I.

1. Wenn eine Außenperspektive auf Institutionen eingenommen wird, hilft dies zunächst einmal dabei, eine offenbar systembedingte Tendenz zur Selbstrefe­ rentialität zu korrigieren. Gerade Historiker verstehen sich ja besonders gut auf das Metier der Kontextualisierung, und so ist es naheliegend, davon gerade auch bei historischen Institutionen Gebrauch zu machen. Weil dies sowohl auf his­ torische Institutionen wie den frühneuzeitlichen Reichstag als auch auf die wis­ senschaftliche Institution, die sich dessen Erforschung widmet, Anwendung finden kann, haben wir es im vorliegenden Fall der Edition der Reichstagsakten offensichtlich mit einer doppelten Kontextualisierung zu tun. Wenn die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reichstage in ihr jeweiliges Umfeld eingeordnet werden, öffnet solche Kontextualisierung das Thema »Reichstag« für größere politische und verfassungsgeschichtliche Zusammenhänge. Davon aber können wiederum Edition und Editoren selbst auch profitieren, denn sol­ che thematischen Öffnungen lassen sich ja stets als Belege dafür anführen, wie anschlussfähig die Edition für Themen und Objekte jenseits des eigenen Ge­ genstands – des Reichstags – ist. Man kann dies auch »adversativ« formulieren: Kontextualisierung als Remedium gegen Selbstgenügsamkeit oder eine gewisse Betriebsblindheit. Für die Reichstagsakten ist dies wohl eine besonders aufschlussreiche Kon­ stellation, denn sie hat sich bei ihren editorischen Grundentscheidungen im­ mer wieder zwischen den Polen eines »Zuwenig« oder »Zuviel« an Kontextua­ lisierung bewegt. Nicht immer hat sie es dabei geschafft, zwischen Skylla und Charybdis Kurs zu halten, denn gerade in der Älteren und der Jüngeren Reihe der Reichstagsakten ist das Pendel durchaus in extreme Positionen ausgeschla­ gen. Peter Moraws grundlegende Argumentation, wonach die Ältere Reihe der Reichstagsakten durch ihre Editionstätigkeit überhaupt erst einen Gegenstand »Reichstag« konstituiert habe1, lässt sich auch auf einen Mangel an Kontex­ tualisierung zurückführen, wenn mit Kontextualisierung denn eine kon­ sequente Historisierung gemeint ist. Die »Offenheit der Verfassungssituation«, die Moraw für das Spätmittelalter gerade am Beispiel der Reichsversammlungen und ihrer organisatorischen und institutionellen Verdichtung zum frühneuzeit­ 1 Moraw, Peter: Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: Hermann Weber (Hg.): Poli­ tische Ordnungen und soziale Kräfte im alten Reich, Wiesbaden 1980, S. 1–36.

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lichen Reichstag hervorgehoben hat, bedeutet zugleich die Unabgeschlossen­ heit gegenüber anderen Tagungs- oder Versammlungsformen wie königlichen Hoftagen oder auch den Kommunikationsformen privilegierter Einungen wie der Kurfürsten2. Die definitorische Festlegung der Editoren darauf, was sie als »Reichstage« jeweils berücksichtigten, verdankte sich also zu einem Gutteil dem Ausblenden von Kontexten, die solche Abgrenzungen unterliefen. Umgekehrt lassen sich in den Reichstagsakten der »Jüngeren Reihe« Bei­ spiele dafür finden, dass vor lauter Kontextualisierung der eigentliche Gegen­ stand der Edition zu verschwinden droht. So behandelten die von Wolfgang Steglich vorgelegten voluminösen beiden Teilbände von Band 8 die Zeit zwi­ schen dem Speyrer Reichstag 1529 und dem Augsburger Reichstag 1530, ohne dabei einen eigenen Reichstag zu thematisieren3. Steglich führte damit die schon in Band 7 von Johannes Kühn4 betriebene Ausweitung des dargebotenen Materials auf eine möglichst umfassende Präsentation der gesamten Reichs­ politik »unter Einbeziehung des ständischen Begleit- und Hintergrundgesche­ hens«5 fort. Dass mit dieser Ausweitung und dem entsprechenden editorischen Aufwand die Reichstagsaktenedition schon aus pragmatischen Gründen über­ fordert war, lag auf der Hand. Aber diese editorische Sackgasse machte darüber hinaus auch deutlich, dass Reichstage und Reichspolitik nicht deckungsgleich waren, sondern die Reichstage eben nur eines der Foren der Reichspolitik und Ausgestaltung der Verfassung des Reiches waren – wenngleich in der Regel das wichtigste. In welchem Maße es auf einem Reichstag gelang, die gesamte Reichs­ politik zu konzentrieren, war variabel und sagte stets auch etwas über die Be­ deutung des jeweiligen Reichstags aus. Die Frage der editorischen Bewältigung der immensen Quellenmassen und damit einhergehend der Begrenzung des Gegenstandes der Reichstagsaktenedi­ tionen, die ständiger Begleiter des Unternehmens gewesen ist, ist vor allem bei der Diskussion, ob eine Ausweitung der Reichstagsakten über das Jahr 1555 hinaus sinnvoll und machbar ist, noch einmal sehr grundsätzlich ref lektiert worden6. Dabei haben sich die Verantwortlichen für eine Doppelstrategie entschieden: 2 Moraw, Peter: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittel­ alter 1250 bis 1490 (Propyläen Geschichte Deutschlands, Bd. 3), Berlin 1985; Gotthard, Axel: Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband, 2 Bde., Husum 1999. 3 Steglich, Wolfgang (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Karl V., Bd. 8: 1529–1530, Göt­ tingen 1970 (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8). 4 Kühn, Johannes (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Karl V., Bd. 7: 1527–1529, Stuttgart 1935 (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 7). 5 Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit von 1500 bis zur Gegenwart, hg. v. Winfried Baumgart, Bd. 1: Das Zeitalter der Glaubensspaltung (1500–1618), bearb. v. Win­ fried Dotzauer, Darmstadt 1987, S. 16. 6 Angermeier, Heinz/Meuthen, Erich/Wolgast, Eike: Die Reichstagsakten-Edition. Zum Stand des Forschungsunternehmens der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in: Jahrbuch der Historischen Forschung 1998, S. 15–19.

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Einerseits beschränkt sich die neu gegründete Abteilung der »Reichsversamm­ lungen« für den Zeitraum nach 1556 nicht auf Reichstage, sondern nimmt aus­ drücklich auch Reichsversammlungen, die keine Reichstage gewesen sind, wie die Reichsdeputationstage in das Editionsprogramm auf. Andererseits ist das Editionskonzept selbst radikal auf das durch die Kurieneinteilung strukturierte Beratungs- und Verhandlungsgeschehen auf dem Reichstag komprimiert wor­ den7. Freilich bedingt diese Konzentration auf die »politische Kommunikation« des Reichstags, dass die Außenwirkung und Vernetzung des Reichstagsgesche­ hens mit Reichs- und Landesgeschichte ebenso in den Hintergrund tritt wie all­ tägliche Aspekte des Reichstagsgeschehens oder der Bereich der symbolischen Kommunikation8.

2. Eine solche Editionspolitik ref lektiert die zunehmende institutionelle Verfes­ tigung des Reichstags im 16. Jahrhundert von Karl V. bis zu Rudolf II., die es den Bearbeitern überhaupt erst ermöglicht, sich auf den nunmehr auch ver­ fahrenstechnisch klar abgrenzbaren Reichstag zu beschränken. Für die »Mitt­ lere Reihe« aber erscheint eine solche Konzentration auf Kosten einer möglichst breiten Kontextualisierung problematisch9, nähme sie doch damit das Ergebnis voraus, um dessen Genese in der Ära Maximilians I. es im Wesentlichen geht.

7 Lanzinner, Maximilian: Der authentische Text und das editorisch Mögliche: Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen (1556–1662), in: Brigitte Merta/Andrea Sommer­ lechner/Herwig Weigel (Hg.): Vom Nutzen des Edierens, Wien 2005, S. 101–198; Lanzinner, Maximilian/Heil, Dietmar: Der Augsburger Reichstag 1566. Ergebnisse einer Edition, in: HZ 274 (2002), S. 603–632. 8 Wie sehr diese Diskussionen die Reichstagsaktenedition auch ganz aktuell begleiten, lässt sich an den Diskussionen um den Immerwährenden Reichstag verfolgen. Auch hier sucht sich die Forschung im Vorgriff auf eine geplante Edition der Reichstagsakten, möglicher Kontextualisierungen des Reichstags und damit seiner Anschlussf ähigkeit an allgemeinere Fragestellungen und externe Perspektiven zu versichern. Lanzinner, Maximilian: Arbeits­ felder und Forschungsfragen zum Immerwährenden Reichstag, in: zeitenblicke 11, Nr.  2, [30.1.2013], URL: http://ww w.zeitenblicke.de/2012/2/Lanzinner/index_html. Vgl. ebenso die in dieser Hinsicht programmatische Tagung, die vom 14.–16.11.2013 unter dem Titel »Stadt, Reich, Europa. Multiple Perspektiven auf den Immerwährenden Reichstag zu Regensburg (1663–1806)« in Regenburg stattgefunden hat. 9 Dazu die grundsätzlichen Bemerkungen der Bearbeiter zu den Editionsgrundsätzen der Mittleren Reihe: Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: Reichstag zu Nürnberg 1487, Göttingen 2001 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 2) [RTA MR II], Teilbd. 1, S. 41 f.; Heil, Dietmar (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Ma­ ximilian I.: Der Reichstag zu Köln 1505, München 2008 (= Deutsche Reichstagsakten, Mitt­ lere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissen­ schaften, Bd. 8) [RTA MR VIII], Teilbd. 1, S. 67 f.

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Auch wenn weiterhin wichtige Reichstage der »Mittleren Reihe« noch nicht ediert sind – sie ist mit dem Gründungsjahr 1928 ja auch jünger als ihre Ge­ schwister der »Älteren« und »Jüngeren« Abteilung  –, haben die beiden aktu­ ellen Bearbeiter doch in einer Reihe von Aufsätzen und Darstellungen das Spe­ zifische dieser Transformationsperiode betont. Der Reichstag hat in den drei Jahrzehnten zwischen 1486 und 1519 – so hat es Reinhard Seyboth jüngst noch einmal formuliert – »eine derart tief greifende Umgestaltung erfahren, wie nie­ mals zuvor und danach in seiner langen Geschichte«10. Dass der Motor die­ ser Entwicklung König Maximilian mit seiner oft okkasionellen, stets aber die Stände herausfordernden Politik gewesen ist, ist sowohl in den jeweiligen Edi­ tionen und ihren Einleitungen wie der von Dietmar Heil zur letzterschienenen Edition des Kölner Reichstags von 1505 als auch 2011 in der Festschrift Lutten­ berger von Reinhard Seyboth noch einmal sehr deutlich herausgestrichen wor­ den11. Entscheidende Anstöße für den tiefgreifenden Wandlungsprozess sind natürlich auch von den ständischen Opponenten des Königs, namentlich von ihrem Protagonisten Berthold von Henneberg ausgegangen. Letztlich aber gab es nach seinem Tod 1504 niemanden auf Seite der Kurfürsten und Fürsten, der vergleichbar konsequent daran gearbeitet hätte, den Reichstag zum ständischen Forum der Reichspolitik aus- und umzugestalten. Maximilian hingegen nutzte schon die Kölner Reichsversammlung im folgenden Jahr, um den Reichstag eindrucksvoll zu dominieren, und auch in der Folgezeit bis zu seinem Tod drückte er der Reichsversammlung seinen Stempel auf – und sei es auch nur, um den Ständen durch gelegentliches Fernbleiben zu demonstrieren, dass seine Prä­ senz für das Gelingen eines Reichstags notwendige Voraussetzung war12. Der Preis solcher Selbstherrlichkeit war gerade in einer monarchischen Schwäche­ periode ab 1513 allerdings, dass die Stände sich seinen Werbungen erfolgreich

10 Seyboth, Reinhard: Gestalt und Wandel des Reichstages in der Ära Maximilians I., in: Franz Hederer/Christian König/Katrin Nina Marth/Christina Milz (Hg.): Handlungsräume. Fa­ cetten politischer Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Albrecht P. Luttenberger zum 65. Geburtstag, München 2011, S. 57–90, hier S. 90. 11 Heil, Einleitung zu RTA MR  VIII/1 (wie Anm.  9), S.  116–125; Seyboth, Gestalt (wie Anm. 10), S. 67–84. 12 Seyboth, Gestalt (wie Anm. 10), S. 75. In diesen Kontext gehört auch die allein auf kaiser­ liche Initiative zurückzuführende Verlegung des Trierer Reichstags 1512 nach Köln. Em­ bach, Michael/Dühr, Elisabeth (Hg.): Der Trierer Reichstag von 1512 in seinem histori­ schen Kontext. Ergebnisse der Trierer Tagung vom 19.–21.10.2010, Trier 2012. In der Umkehrung bedeutet dies aber auch, dass die nur von kaiserlichen Räten in Vertretung Maximilians geleiteten Reichstage zum Scheitern verurteilt waren. Vgl. Heil, Dietmar: An­ fengklich sollet ir inen sagen unser gnad und alles gut. Die Reichstagsinstruktionen und Reichstagsordnungen Kaiser Maximilians  I. (1486/93–1519), in: Anita Hipfinger [u. a.] (Hg.): Ordnung durch Tinte und Feder? Genese und Wirkung von Instruktionen im zeit­ lichen Längsschnitt vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Wien/München 2012 (= Ver­ öffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 60), S. 49–71, hier S. 69 f.

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verweigerten, indem sie diverse Reichstagsinitiativen des Kaisers ins Leere lau­ fen ließen13. So ist es nur auf den ersten Blick paradox, wenn sich am Ende dieser stark von der Person des Königs geprägten Dynamik (und Sprunghaftigkeit) die Reichsstände so weit vom König- und Kaisertum zu emanzipieren wussten, dass sie den Reichstag als eigenständiges ständisches Forum handhaben konnten14. Die Reichstage der 1520er Jahre in Abwesenheit des Kaisers sind dafür die ein­ drucksvolle Probe aufs Exempel. Dies scheint mir denn auch das wesentliche Resultat dieser Verdichtung politischer Kommunikation und der Verfassungs­ dynamik der maximilianeischen Ära zu sein. Denn für die Geschichte des Reichstags in seiner spezifischen Gestalt des Kompromisses zwischen Ständen und Königtum gilt, dass nicht so sehr das königliche Agieren erklärungsbedürf­ tig ist bzw. die Tatsache, dass es auch nach Maximilian den römisch-deut­ schen Kaisern immer wieder gelingen konnte, sich als Zentrum der politischen Kommunikation auf Reichsversammlungen, um die das Geschehen kreiste und strukturiert war, zu etablieren. Dies war gerade im Vergleich mit anderen europäischen Ständeversammlungen spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Normalität. Erklärungsbedürftig ist in einem viel größeren Maße, wie es den Reichsständen in ihrer extremen Vielfalt und Heterogenität gelingen konnte, ihren Reichstag zu einem einigermaßen funktionstüchtigen und handlungs­ fähigen Forum auszugestalten. Für diese verfassungsgeschichtliche Perspektive aber erscheint der Blick auf strukturell verwandte ständische Organisationen in der maximilianeischen Epoche sinnvoll, und deshalb wähle ich für eine Außenperspektive auf den Reichstag im Folgenden den Schwäbischen Bund und einige Landstände. Denn eine Parallele fällt sofort auf: Für beide ständischen Organisationsformen hat die maximilianeische Herausforderung – nicht anders als für den Reichstag – in hohem Maße als Motor kommunikativer Verdichtung und institutioneller Verfestigung gewirkt15.

13 Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maximilian I., Bd. 5: Der Kaiser und seine Umwelt, Mün­ chen 1986, S. 144–147. 14 Schon in der ständischen Wahlkapitulation für Karl V. suchten die Kurfürsten, einem will­ kürlichen Umgang des neuen Kaisers mit der Institution Reichstag Riegel vorzuschieben. Seyboth, Gestalt (wie Anm. 10), S. 85–87. 15 Press, Volker: Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten des 16.  und 17. Jahrhunderts, in: Peter Baumgart (Hg.): Ständetum und Staatsbildung in BrandenburgPreußen, Berlin/New York 1983, S. 280–318.

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Wenn ich mit dem Schwäbischen Bund beginne, so bitte ich um Nachsicht, wenn ich damit auf ein Thema zurückkomme, das ich schon vor längerer Zeit in der Habilitationsschrift traktiert habe16. Aber gerade wegen seiner Nähe und Affinität zur Entwicklung der Reichsverfassung, die ein Hauptmerkmal der Bundesgeschichte zwischen 1488 und 1534 darstellt, bietet er sich für eine ex­ terne Perspektive auf den Reichstag an17. Zunächst sei dabei noch einmal die Affinität dieser ständeübergreifenden Landfriedenseinung, die parallel zur Ver­ dichtung des Reichsverbandes und der Etablierung des Reichtags einen Groß­ teil der süddeutschen könignahen Reichsstände organisierte, zum Reichstag un­ terstrichen. Allein die Tatsache, dass der Bund führende Reichsstände und den reichsnahen Südwesten und Süden des Reiches teilweise f lächendeckend er­ fasste, machte ihn zu einem ständigen Begleiter der Reichspolitik wie auch der Verfassungsentwicklung. Diese Koinzidenz ermöglichte schon aus pragmatischen Gründen eine Wech­ selwirkung von Reichstagen und Schwäbischem Bund, weil gerade die Reichs­ tage ein Forum boten, auf dem die jeweils periodischen Verlängerungen des Bundes oder auch mögliche Ausweitungen um neue Mitglieder verhandelt wurden. Reichstage haben folglich eine entscheidende Rolle in der Geschichte des Schwäbischen Bundes gespielt, denn hier fielen wichtige Entscheidungen der Bundesgeschichte18. Dies beginnt schon mit der Bundesgründung selbst, denn vom Nürnberger Reichstag erließ Friedrich III. am 26. Juni 1487 das fol­ genschwere Mandat an die Mindermächtigen Schwabens, das den Anstoß zur Bundesgründung gab. Auch die erste Bundesverlängerung 1496 ist auf einem Reichstag, dem zu Worms 1495, auf den Weg gebracht worden. Die nächste und inhaltlich bedeutendste Bundesverlängerung 1500, bei der nunmehr auch die Fürsten auf einer eigenen Bank neben Adel und Städten in den Bund integriert wurden, wurde zwar auf einem langen und schwierigen Bundestag zu Esslin­ gen um die Jahreswende 1499/1500 unter Dach und Fach gebracht. Auf dem un­ mittelbar anschließenden Augsburger Reichstag wurde jedoch noch intensiv nachgearbeitet, um den heiklen Punkt der Aufnahme neuer Mitglieder zu re­ geln. Es ging in erster Linie um Nürnberg, gegen dessen Mitgliedschaft sich vor

16 Carl, Horst: Der Schwäbische Bund 1488–1534. Landfrieden und Genossenschaft im Über­ gang vom Spätmittelalter zur Reformation, Leinfelden 2000 (= Schriften zur südwestdeut­ schen Landeskunde, Bd. 25). 17 Carl, Horst: Identische Akteure – unterschiedliche Kommunikationsprofile. Schwäbische Bundestage und Reichstage in der Epoche Maximilians  I. im Vergleich, in: Maximilian Lanzinner/Arno Strohmeyer (Hg.): Der Reichstag 1486–1613: Kommunikation – Wahrneh­ mung – Öffentlichkeiten, München 2006 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 73), S. 29–54. 18 Carl, Schwäbischer Bund (wie Anm. 16), S. 46–54.

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allem der fränkische Markgraf stemmte. Eine Regelung wurde erst nach inten­ siven Verhandlungen gefunden, indem spezielle Ausnahmeregelungen für beide miteinander verfeindeten Parteien formuliert wurden19. Wie schon 1496 war der Verhandlungserfolg wohl insbesondere ein Verdienst Bertholds von Henneberg, der sich jeweils für Verlängerungen und Ausweitung des Kreises der Mitglieder besonders engagierte. Dass ein wichtiger Teil  der Verhandlungen zur Erstreckung des Bundes und zur Reformulierung der jeweiligen Bundbriefe auf Reichstagen verhan­ delt wurde, lässt sich ebenso auf dem Doppelreichstag zu Trier und Köln 1512 und selbst auf dem Wormser Reichstag von 1521 nachweisen, wo es vor allem von Maximilian I. und Karl V. bestellte hochrangige Vermittler gewesen sind, die mit den einzelnen Ständen entsprechende Verhandlungen führten. Für die Bundesmitglieder war also der Reichstag ein bevorzugtes Forum, solche für den Bund im Wortsinn existenziellen Verhandlungen zu führen. Die Vernetzung von Bundespolitik und Reichstag geht jedoch über diese Gründungs- und Verlängerungsakte hinaus. Gerade die Reichstagsakten lassen auch erkennen, worin reichspolitisch für Friedrich III. und Maximilian I. der Nutzen solch einer ständischen Organisation lag: Der König respektive Kaiser konnte seine Anforderungen – natürlich meist finanzieller Art – an eine orga­ nisierte Gruppierung von Reichsständen adressieren und musste sich nicht mit einer unkoordinierten Mannigfaltigkeit von Reichständen unterschiedlichster Couleur herumschlagen. Dass dies auch ein Nachteil sein konnte, zeigen die in den Reichstagsakten dokumentierten Vor- und Nachakten zu einzelnen Reichs­ tagen, denn der Zusammenschluss ermöglichte es den Bundesständen natür­ lich auch, sich königlichen Zumutungen kollektiv und mit größerer Aussicht auf Erfolg zu entziehen20. Die in allen bisherigen Akteneditionen der »Mittleren Reihe« durchgehalte­ nen Editionsgrundsätze, die dem offenen Charakter der Reichsversammlung Rechnung tragen, erlauben es, nicht nur die Verhandlungen auf dem Reichs­ tag, sondern auch die Abstimmungsprozesse der Bundesstände untereinander nachzuvollziehen – mehr noch: Diese sind dort in einer Weise umfassend doku­ mentiert und aufgearbeitet, dass sie für die Geschichte des Schwäbischen Bun­ des exemplarischen Charakter haben. Dies gilt umso mehr, als es bekanntlich nicht einmal eine zureichende Edition der Bundesabschiede gibt, denn Klüp­ fels Sammlung aus der Mitte des 19.  Jahrhunderts ist außerordentlich fehler­ 19 Seyboth, Reinhard: Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Mark­ graf Friedrichs des Älteren (1486–1515), Göttingen 1985 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 24), S. 238–256. 20 Dies lässt sich schon unmittelbar nach der Bundesgründung durch die gemeinsame Obstruktion der bundesverwandten Fürsten auf dem Nürnberger Reichstag 1487 und dem Frankfurter Reichstag 1489, aber auch durch das Agieren der Bundesverwandten auf dem Wormser Reichstag 1495 belegen. Vgl. Carl, Schwäbischer Bund (wie Anm. 16), S. 34, 78 f.

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haft und weist große, nicht gekennzeichnete Lücken auf 21. Ein einzelner For­ scher oder Editor wiederum – auch dies macht der Blick in die Reichstagsakten deutlich – wäre mit dem Unterfangen völlig überfordert, neben den Abschieden, die beispielsweise auch die oft bei Klüpfel unterschlagenen Schiedsverhandlun­ gen zwischen Mitgliedern vor der Bundesversammlung berücksichtigen müss­ ten, auch die Bundeskorrespondenzen zu erfassen. Allein die schlaglichtartige Berücksichtigung von Bundeskorrespondenzen in den Reichstagsakten ein­ schließlich der Weisungen, Berichte und Beschlüsse lässt die Dichte der bun­ desinternen Kommunikation erahnen. Auch wenn dies nur einzelne Phasen der Bundesgeschichte betrifft, existiert nur in den entsprechenden Reichstagsakten eine adäquate Edition, die die politische Kommunikation innerhalb des Bundes auf breiter Quellengrundlage erfasst. Forschungen zum Schwäbischen Bund profitieren folglich in hohem Maße von den Reichstagsakten. Die konf liktreiche und schließlich durchaus gegen die Interessen Friedrichs III. vorangetriebene Ausweitung des Bundes 1488/89 bis hin nach Franken und Kurmainz lässt sich in allen Einzelheiten aus Band 3 der Reichstagsakten der »Mittleren Reihe« rekonstruieren, denn dort sind die entsprechenden Verhandlungen umfassend dokumentiert und kommentiert22. Dies mag auch in der wissenschaftlichen Biographie des Bearbeiters Ernst Bock begründet gewesen sein, der 1927 seine grundlegende Dissertation zur Ge­ schichte des Schwäbischen Bundes veröffentlicht hatte23 und ein exzellenter Kenner der Bundesgeschichte gewesen ist. Bocks Edition der Reichstagsakten von 1972/73 mit umfangreichen Ausführungen zur Etablierung des Bundes vor dem Hintergrund der habsburgischen »Doppelregierung« im Reich rundet also in gewisser Weise ein Lebenswerk ab24. Konnte ich für meine eigenen Forschun­ gen zum Schwäbischen Bund auf Bocks Reichstagsaktenedition folglich mit Ge­ winn zurückgreifen, so konnte ich die 2001 von Reinhard Seyboth vorgelegte Edition der Akten des Nürnberger Reichstags von 1487 noch nicht berücksich­ tigen. Obwohl die Bundesgründung schon ein intensiv beforschtes Thema der älteren Forschung gewesen ist, lässt sich doch das Ineinandergreifen von stän­ discher Anregung und kaiserlicher Initiative erst hier in Gänze nachvollziehen25. 21 Klüpfel, Karl (Hg.): Urkunden zur Geschichte des Schwäbischen Bundes (1488–1534), 2 Theile, Stuttgart 1846/53. Zu den Defiziten der Edition vgl. Carl, Schwäbischer Bund (wie Anm. 16), S. 7 f. 22 Bock, Ernst (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.: 1488–1490, Göttingen 1972/73 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 3), Teilbd. 1, S. 371 ff. 23 Bock, Ernst: Der Schwäbische Bund und seine Verfassungen 1488–1534. Ein Beitrag zur Ge­ schichte der Reichsreform. Neudruck der Ausgabe Breslau 1927 mit Vorrede des Verfassers, Aalen 1968. 24 Angesichts der Tatsache, dass Ernst Bock in jahrzehntelanger Editionsarbeit nur diesen einen Band zustande gebracht hat, lässt sich allerdings bezweifeln, ob solche Fokussierung der Edition der Reichstagsakten insgesamt zugute gekommen ist. 25 RTA MR II/2 (wie Anm. 9), S. 753–791.

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Vorschläge für ein Zusammengehen von schwäbischen Ständen gegen bayeri­ sche Bedrohungen waren während des Reichstags von schwäbischen Teilneh­ mern in die Diskussion gebracht worden, doch erst Kaiser Friedrich  III. und seine Räte gossen diese in das Konzept eines dem Kaiser verpf lichteten Bundes zur Wahrung des Reichslandfriedens in Schwaben. Der Gang der Diskussionen lässt sich hier sehr genau nachverfolgen, freilich wird auch das Tentative dieser Diskussionen auf dem Reichstag deutlich – einen genialen Masterplan gab es je­ denfalls nicht. Erst in den aus diesen Diskussionen resultierenden Verhandlun­ gen mit den in Frage kommenden Ständen der Region wurde dann das Poten­ tial für eine nahezu f lächendeckende kaiserliche Sammlung der schwäbischen Mindermächtigen offenbar. Vergleichbaren Mehrwert für die Geschichte des Bundes bieten auch die bei­ den neueren Editionen der Reichstagsakten für die Jahre 1491 bis 1493 sowie für den Kölner Reichstag von 1505. Das wachsende Misstrauen vieler Bundes­ stände gegenüber Maximilian wird beispielsweise nachvollziehbar, wenn das undurchsichtige und eigennützige Treiben Maximilians auf dem Kölner Reichs­ tag schließlich auch dessen eigene Verbündete als Düpierte zurückließ, oder die dort vereinbarte Reichshilfe so eindeutig zu Lasten der Städte ging, dass dies auch im Bund die internen Animositäten zwischen den Ständen wieder an­ fachte26. Die anhand der Quittungen aufgestellte Gesamtleistung der Reichs­ stände ist für die Geschichte des Bundes gleichfalls erhellend, zeigt sie doch für diese Einungsperiode die städtischen Leistungen präzise an; die Bundesstädte legten ihren Anteil an der Reichshilfe gemäß der nach Steuerauf kommen be­ rechneten Bundessteuern um, wobei Ulms Anteil den der Konkurrentin Augs­ burg immer noch um ein Viertel übertraf 27.

4. Es wäre jedoch falsch, von diesen Verbindungen auf eine ungebrochene Ver­ f lechtungsgeschichte von Reichs- und Bundestagen zu schließen. Eine Orien­ tierung der Bundestage auf die Reichstage blieb situativ, bei aller Intensivie­ rung politischer Kommunikation monopolisierte ein Reichstag die der Stände keineswegs. Dies galt umso mehr, als die politische Kommunikation im Bund durchaus anderen Regeln folgen konnte, es mithin gerade in diesem Bereich auch eine klar erkennbare Distanz zwischen beiden ständischen Organisationen gab28. 26 RTA MR VIII/2 (wie Anm. 9), S. 1379–1396. 27 Ebd., S. 1407; Böhm, Christoph: Die Reichsstadt Augsburg und Kaiser Maximilian I. Unter­ suchungen zum Beziehungsgef lecht zwischen Reichsstadt und Herrscher an der Wende zur Neuzeit, Sigmaringen 1998 (= Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 36), S. 267–272. 28 Zum Folgenden vgl. Carl, Identische Akteure (wie Anm. 17), S. 32–38.

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Auf dem Reichstag agierten fürstliche Stände in Person oder vertreten durch bevollmächtigte Gesandte. Der Bundestag repräsentierte hingegen keine Voll­ versammlung der Mitglieder, sondern agierte als delegierter Ausschuss, der sich aus fürstlichen Räten und gewählten Vertretern von Adel und Städten zusam­ mensetzte. Ursprünglich waren dies je neun Delegierte von Adel und Reichs­ städten, ab 1500 wurden dann drei Bänke zu je sieben Bundesräten inklusive der der Bundesfürsten gebildet. Die Bundesfürsten konnten zwar in eigener Per­ son präsent sein, doch da sie ihren ständischen Vorrang nicht zur Geltung brin­ gen konnten, entwickelte sich der Bundestag rasch zu einer Versammlung von Gesandten. Die Abweichungen in personeller Zusammensetzung und Struktur erklären sich aus den unterschiedlichen Wurzeln von Reichs- und Bundestag: Beim Reichstag waren dies königlicher Hoftag und königlose Versammlungen der Kurfürsten, aus deren Kombination ein höchst eigenartiges politisches Ge­ bilde erwuchs. Die Bundestage hingegen standen ganz in der genossenschaft­ lichen Tradition von ständischen Landfriedenseinungen. Folglich konnte Kö­ nig Maximilian immer wieder einen Reichstag durch seine Anwesenheit und Inszenierungen seiner königlichen Rolle zum Hoftag umzufunktionieren, wäh­ rend dafür bei einem Bundestag die entsprechenden Traditionen fehlten, an die solch monarchisches Handeln anknüpfen konnte. Weil hier die Stände ohne königlichen Regisseur miteinander verhandelten und handelten, hatten Ver­ fahrensvorgaben  – also: Kommunikationsregeln  – zwangsläufig einen höhe­ ren Stellenwert als auf dem Reichstag, wo sich dies erst langsam im Verlauf des 16. Jahrhunderts herauskristallisierte29. Orientierten sich Personenkreis und Beratungsverfahren beim Reichstag am Herkommen, so legten sich die Bundesgenossen in ihrem Bundesbrief bzw. ih­ rer Bundesordnung auf die Verfahrensformen der Einung und damit auch auf die Regeln der Kommunikation fest. Weil gerade der Landfriedensschutz ra­ sche und effiziente Entscheidungen erforderte, schrieben die jeweiligen Bun­ desordnungen, auf deren Einhaltung sich die Mitglieder per Eid verpf lichteten, Mehrheitsentscheidungen vor. Wenn auf dem Reichstag Mehrheitsentscheidun­ gen, die auch für die Minderheit oder die Abwesenden bindend waren, noch lange umstritten blieben, so war dies auf Bundestagen selbstverständliche, weil vereinbarte Praxis. Im Unterschied zum Reichstag war hier das freie Man­ dat der Bundesräte anerkannt und die Geheimhaltungspf licht bei Beratungen weitgehend etabliert. In der Praxis mussten diese Vorgaben der ständischen 29 Rauch, Karl (Hg.): Traktat über den Reichstag im 16.  Jahrhundert. Eine offiziöse Dar­ stellung aus der Kurmainzischen Kanzlei, Weimar 1905 (=  Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Bd.  1, Heft 1); Schlaich, Klaus: Maioritas – protestatio – itio in partes – corpus Evangelicorum, in: ZRG, Kanonistische Abteilung 94 (1977), S. 264–299; 95 (1978), S. 139–174; ders., Die Mehrheits­ abstimmung im Reichstag zwischen 1495 und 1613, in: ZHF 10 (1983), S.  299–340; Heil, Dietmar: Verschriftlichung des Verfahrens als Modernisierung des Reichstags (1495–1586), in: Lanzinner/Strohmeyer, Reichstag (wie Anm. 17), S. 55–76.

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Realität und damit den üblichen Gepf logenheiten politischer Kommunika­ tion entsprechend immer wieder f lexibel gehandhabt werden. So wurde auch auf Bundestagen das »Hintersichbringen« von den Städten gerne praktiziert, indem die Gesandten sich auf mangelnde Instruktion und damit imperati­ ves Mandat beriefen, um unangenehme Beschlüsse zu vermeiden. Allerdings schrieben die Bundesordnungen dies als genau geregelte Ausnahme von der Norm fest, indem ein solches Hintersichbringen nur dann statthaft war, wenn der Bundestag zustimmte. Das Hintersichbringen wurde also an Mehrheitsent­ scheidungen rückgebunden und gerade nicht in das Belieben eines einzelnen Bundesrates gestellt. Verfahrensgeleitete politische Kommunikation spielte also bei den Bundes­ tagen eine weit größere Rolle als auf den maximilianeischen Reichstagen – und Maximilian als »geschworener Einungsgenosse« musste öfters die Erfahrung machen, dass er diese Verfahren selbst bei eigener Präsenz nur im Konsens mit anderen Bundesständen aushebeln konnte. Dass die politische Kommunika­ tion im Bund in viel höherem Maße von Verfahrensautonomie geprägt war als beim Reichstag, lässt sich mit Barbara Stollberg-Rilinger mittels eines recht ab­ strakten Kriteriums belegen, nämlich der Diskrepanz zwischen der immanen­ ten Logik des Verfahrens und der Logik der umgebenden Gesellschaft30. Ent­ sprachen Rangstreitigkeiten der Logik einer aristokratischen Ständegesellschaft und bot gerade der Reichstag solchen Rangstreitigkeiten ein öffentlichkeits­ wirksames Forum, so fehlte diese Dimension den Bundestagen gänzlich. Ver­ fahrensgeleitete politische Kommunikation war keineswegs selbstverständlich, was schon dadurch unterstrichen wird, dass die Bundesräte sich durch Eid auf das in der Bundesordnung schriftlich fixierte Prozedere verpf lichten mussten. Demgegenüber erscheint politische Kommunikation auf den Reichstagen der Maximilianszeit durch seine Orientierung am Herkommen und die gerade von Maximilian immer wieder vorgeführten Eingriffsmöglichkeiten geradezu als Gegenpol. Diese offenbare Polarität politischer Kommunikation lässt sich im vorlie­ genden Kontext für ein Argument im Sinne einer ständischen Außenperspek­ tive auf den Reichstag nutzen. Wenn es im unmittelbaren Umfeld der maximi­ lianeischen Reichstage solch regelgeleitete und verfahrensorientierte politische Kommunikation wie im Schwäbische Bund gab, dann drückte sich darin eine spezifisch ständische Dimension politischer Kommunikation aus. Mit Bezug auf den Reichstag könnte man durchaus auch Einf lüsse postulieren, denn im Verlauf des 16. Jahrhunderts bewegte sich der Reichstag in dem Maße, in dem er ständischer wurde, genau in diese Richtung einer zunehmend strikter geregel­ ten politischen Kommunikation. Wenn erst mit erheblicher zeitlicher Distanz das auch für die Reichsstände zentrale Problem, die Abschiede für Abwesende und Dissentierende einigermaßen verpf lichtend zu machen, auf den Reichs­ 30 Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Vormoderne politische Verfahren, Berlin 2001 (= ZHF, Beiheft 25), S. 9–24.

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tagen geregelt wurde, dann kann man umgekehrt durchaus eine Art Vorreiterrolle des Schwäbischen Bundes für die Entwicklung ständischer politischer Kommunikation erkennen. Direkte Einf lüsse wird man freilich nur in sehr wenigen Fällen empirisch nachweisen können, eher schon Parallelen. So lässt sich das Reichsregiment von 1500 mit einiger Berechtigung als Variante der innerständischen bzw. interkurialen Ausschüsse, wie sie auf Reichstagen der 1490er Jahre vorkom­ men, interpretieren31, denn auch im Reichsregiment wurde mit der formellen Gleichwertigkeit der einzelnen Abstimmenden bei unterschiedlicher Standes­ zugehörigkeit durchaus Ernst gemacht. Ein Blick auf parallele Entwicklun­ gen im Bund relativiert jedoch die Besonderheit dieser Entwicklung, denn die Reichsstände vollzogen nur nach, was die Bundesstände in Sachen stän­ deübergreifender Teilhabe bei der Bundeserstreckung zu Beginn des Jahres 1500 schon vorexerziert hatten. Die Integration der Fürsten auf einer eigenen dritten Bank des Bundes bedeutete ja auch, dass sie das Mehrheitsprinzip ak­ zeptieren mussten und von den Mindermächtigen überstimmt werden konn­ ten – ständischer Vorrang konnte auch hier nicht ohne weiteres reklamiert wer­ den. In beiden Fällen war im übrigen Berthold von Henneberg Urheber dieser Neuerungen. Auch wenn dies nicht reicht, einen direkten Einf luss nachzuwei­ sen, dürfte allein die Tatsache, dass in der Epoche forcierten Verfassungswan­ dels in Reich mit dem Schwäbischen Bund ein recht avanciertes Modell stän­ discher politischer Kommunikation existierte, das Agieren der Stände auch auf dem Reichstag beeinf lusst haben. Oder umgekehrt und weniger spekulativ: Ent­ sprechende institutionelle Errungenschaften des Reichstags werden durch sol­ che Kontextualisierungen auch ein Stück weit normalisiert.

5. Wenn auch die Landstände in den Kontext des Reichstags einbezogen werden können, ist dies der offenkundigen Parallele zur Verdichtung ständischer poli­ tischer Kommunikation geschuldet, wie sie beim Reichstag und beim Schwäbi­ schen Bund beobachtet werden kann. Auch die Landstände sind in einigen pro­ minenten Fällen in den beschleunigten Verfassungswandel im Reich involviert worden, so dass insgesamt die Jahre um 1500 einen Höhepunkt landständischer Geschichte markieren. Wie bei Reich und Bund hängt dies ganz wesentlich mit der Politik Maximilians zusammen, der durch sein Eingreifen in Auseinander­ setzungen zwischen Landständen und Landesherren erstere bewusst aufwer­

31 Neuhaus, Helmut: Wandlungen der Reichstagsorganisation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Johannes Kunisch (Hg.): Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichs­ geschichte, Berlin 1987 (= ZHF, Beiheft 3), S. 113–140, hier S. 120; Roll, Christine: Das zweite Reichsregiment 1521–1530, Köln/Weimar/Wien 1996, S. 66.

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tete. Landstände für eigene Interessen zu instrumentalisieren gehört zum festen Repertoire maximilianeischer Machtspiele im Reich32. Wie ein roter Faden ziehen sich landständische Konf likte durch die gesamte Regierungszeit Maximilians, angefangen bei der Entmachtung und schließlich Absetzung Erzherzog Sigmunds von Tirol durch die Stände, wobei allerdings vor allem Friedrich III. eine Schlüsselrolle als Regisseur im Hintergrund und Profiteur spielte. Maximilian vermochte dies freilich nicht minder geschickt, wie er bei seiner Unterstützung der württembergischen Stände- und Beam­ tenrevolte 1498 demonstrierte, die den unkalkulierbaren Herzog Eberhard II. seinen Thron kostete. Das Eingreifen in den bayerischen Erbfolgestreit nach dem Tod Herzog Georgs von Niederbayern 1503 ging mit einer engen Koope­ ration mit den niederbayerischen Ständen einher. Sie waren es, die schließlich an den König herantraten und um königliche Vermittlung zwischen den Erb­ kandidaten baten – nicht ohne dass dem König besonders verpf lichtete Land­ sassen diese Haltung der Stände aktiv herbeiführten. Im Vorfeld der Auseinan­ dersetzungen spielten jedenfalls die niederbayerischen Stände eine wesentliche Rolle, stützten sie doch die königliche Interventionspolitik und leisteten so­ gar der Realisierung des königlichen Interesses – also: des Erwerbs bayerischer Ämter – Vorschub33. Der Höhepunkt ständischer Auseinandersetzung mit ihren Landesherren und versuchter Einmischung Maximilians fällt in sein letztes Regierungs­ jahrzehnt. Anzuführen sind hier beispielsweise die Auseinandersetzungen zwi­ schen Anna von Mecklenburg und den hessischen Ständen von 1509 bis 1514 um die Vormundschaft für die Söhne des 1509 verstorbenen Landgrafen Wil­ helms II.  – hier allerdings unterstützte Maximilian die Regentin gegen die frondierende Adelsfraktion der hessischen Stände34. Ebenso kann auch auf die Absetzung Markgraf Friedrichs von Brandenburg-Ansbach durch seine Söhne hingewiesen werden. Ihr Vorgehen wurde durch Landtagsbeschwerden über die zunehmende finanzielle Zerrüttung auf einem Ansbacher Landtag 1514 vorbereitet. 1515 setzten sie den alten Markgrafen gefangen, doch nötigten die 32 Allgemein dazu Press, Formen des Ständewesens (wie Anm. 15), S. 283. Die jüngste Synopse für Süddeutschland und Tirol bietet Metz, Axel: Der Stände oberster Herr. Königtum und Landstände im süddeutschen Raum zur Zeit Maximilians I., Stuttgart 2009 (= Veröffent­ lichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. B 174), Stuttgart 2009. 33 Stauber, Reinhard: Herzog Georg von Bayern-Landshut und seine Reichspolitik. Möglich­ keiten und Grenzen reichsfürstlicher Politik im wittelsbachisch-habsburgischen Span­ nungsfeld zwischen 1470 und 1505, Kallmünz 1993 (=  Münchener historische Studien, Abt. Bayer. Geschichte, Bd. 15), S. 762 ff.; Heil, Einleitung zu RTA MR VIII (wie Anm. 9), S. 77–84. 34 Neu, Tim: Die Erschaffung der landständischen Verfassung. Kreativität, Heuchelei und Re­ präsentation in Hessen (1509–1655), Köln/Weimar/Wien 2013 (= Symbolische Kommuni­ kation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst / Studies presented to the International Commission for the History of Representative and Parliamentary In­ stitutions, Bd. 93), S. 97–130.

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Landstände sie, zur Schonung der Landesfinanzen vor fürstlichem Haushal­ ten das Land für mehrere Jahre zu verlassen – wobei der Älteste, Kasimir, sich in Dienste Maximilians begab. Hier beschränkte sich Maximilians Rolle dar­ auf, die Absetzung des alten Markgrafen zu akzeptieren und zu legitimieren35. Sehr viel intensiver aber war die Einbeziehung Maximilians in die Ausein­ andersetzungen der bayerischen Herzöge Wilhelm und Ludwig (X.) mit ihren opponierenden Ständen ab 1514, die sich an Erbstreitigkeiten der beiden Brüder entzündeten. Die Stände versuchten auf einem Landtag zu München 1514, zum Vermittler in diesem Streit zu avancieren, und sie versuchten gleichzeitig, eine von Maximilian energisch geforderte Schiedsrichterrolle zu verhindern. Noch allzu gut war den Beteiligten in Erinnerung, dass Maximilian eine solche Posi­ tion 1505 zum territorialen Nachteil Bayerns ausgenutzt hatte. Allen Bemühun­ gen Maximilians, eine solche Rolle erneut zu spielen, schoben schließlich die beiden Brüder durch eine Einigung untereinander einen Riegel vor, die dann in eine mit den Landständen ausgearbeitete Vereinbarung über die künftige Herr­ schaftsteilung mündete. Maximilian war damit aus dem Spiel36. Ärger noch lief es in Württemberg, wo Herzog Ulrich sich zunächst mit Hilfe seiner Landschaft gegen die aufständischen Bauern des Armen Konrad 1514 be­ haupten konnte. Der daraus resultierende Interessenausgleich mit den von der städtischen Ehrbarkeit dominierten Ständen im berühmten Tübinger Vertrag von 1514 wurde zwar in Anwesenheit und unter Mithilfe einer kaiserlichen De­ legation erreicht, jedoch nicht in Form eines kaiserlichen Schiedsvertrags37. In der Folge jedoch verscherzte es sich Herzog Ulrich sowohl mit der ständischen Führungsschicht als auch mit dem Kaiser aufgrund der Flucht seiner Ehefrau Sabine, die zugleich Maximilians Nichte war. Ein Zusammengehen von Kai­ ser und Ständen wie 1498 unterband jedoch Ulrich äußerst brutal, indem er 1516 die Führer der Ehrbarkeit, Konrad Breuning und Konrad Vaut, als mög­ liche Ansprechpartner des Kaisers eliminierte38. Und auch die Konfrontation Maximilians mit seinen eigenen Ständen in Gestalt des Innsbrucker General­ landtages aller österreichischen Länder zeigte die Grenzen seiner Ständepolitik schließlich drastisch auf, verweigerten ihm doch die eigenen Stände weitgehend die Gefolgschaft bzw. setzten ihn mit Forderungen unter Druck. Am Ende seiner Herrschaft erfuhr er selbst, was es hieß, von den eigenen Landständen in die Defensive gedrängt zu werden39. Die Landstände sind nun im Unterschied zum Schwäbischen Bund keine Mitspieler oder gar Mitstände am Reichstag gewesen, sie tauchten dort allen­ falls in Gestalt von Gesandten und Delegationen auf. Dies hat beispielsweise Al­ 35 Seyboth, Markgraftümer (wie Anm. 19), S. 416–432.

36 Merz, Der Stände oberster Herr (wie Anm. 32), S. 213–239.

37 So hat es missverständlich die ältere landesgeschichtliche Forschung formuliert. Vgl. da­ gegen Carl, Schwäbischer Bund (wie Anm. 16), S. 445. 38 Merz, Der Stände oberster Herr (wie Anm. 32), S. 168–175. 39 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian, Bd. 5 (wie Anm. 23), S. 198–202.

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brecht Luttenberger 2006 in einem Aufsatz mit dem Titel »Landstände, Kaiser und Reichstag« dazu bewogen, sich ganz auf diese Ebene der Interaktion zu be­ schränken, und er machte dies vor allem an der Präsenz von Delegationen der österreichischen Stände auf Reichstagen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fest40. Nicht die Einbeziehung von landständischen Delegierten in die politische Kommunikation des Reichstags aber scheint mir für die maximilianeische Epo­ che aufschlussreich, sondern erneut die Parallelen politischer Kommunikation. Auch der Bedeutungszuwachs der Landstände folgte der Logik einer königlich induzierten verdichteten politischen Kommunikation der Stände, die sich nicht nur in intensiverer Tagungstätigkeit, sondern auch in institutioneller Verfesti­ gung und beachtlichem Selbstbewusstsein äußert. Wie bei Bund und Reich hat die Herausforderung durch die königliche Politik, die eine bewusste Indienst­ nahme der Stände für eigene Ziele betrieben hat, an dieser Verdichtung we­ sentlichen Anteil gehabt. Aber hier zeigen gerade die letzten Regierungsjahre Maximilians auch die Grenzen, ja das Scheitern solcher Politik: Die durch ver­ dichtete politische Kommunikation zunehmend handlungsfähigeren Stände emanzipierten sich entweder erfolgreich von königlichen Eingriffen und Zu­ mutungen wie in Bayern, oder der Landesherr verhinderte königliche Interven­ tionen schlicht mit dem rücksichtslosen Einsatz der ihm zur Verfügung stehen­ den physischen Machtmittel wie in Württemberg.

6. Wenn hier für eine externe Perspektive auf den Reichstag in der maximilia­ neischen Epoche die ständische Seite so stark gewichtet worden ist, obwohl doch unstrittig das Reichsoberhaupt dieser Epoche seinen Stempel aufgedrückt hat, so sei dafür noch einmal auf die zugrunde liegende These verwiesen: Für die verfassungsgeschichtliche Diskussion der Geschichte des Alten Reiches ist das koordinierte Agieren der Stände mit seinen föderalen Fernwirkungen er­ klärungsbedürftiger als das Agieren des Reichsoberhauptes. Dass der Reichs­ tag sich in dieser Weise als Forum ständischer politischer Kommunikation eta­ blierte und durchsetzte, erscheint gerade angesichts königlicher Präsenz und Dynamik zunächst unwahrscheinlicher und stellt gerade deshalb eine bemer­ kenswerte Leistung dar. Dies etwa auf die Person Bertholds von Henneberg als Gegenspieler des Königs zu kaprizieren, wäre eine zu enge Sicht, denn letztlich geht diese Entwicklung auch nach Bertholds Tod unter Maximilian weiter. Der einigermaßen paradoxe Umstand, dass königliche Initiative, ja zeitweilige Do­ minanz im Ergebnis ständischer politischer Kommunikation zugute kam und dass es schließlich die Stände waren, die in einem längeren Prozess lernten, den Reichstag dann auch wirklich zu »handhaben«, ist der zweite Grund, weshalb 40 Luttenberger, Albrecht P.: Landstände, Kaiser und Reichstag, in: Lanzinner/Strohmeyer, Reichstag (wie Anm. 17), S. 163–193.

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ich mich im Vorliegenden auf ständische politische Kommunikation konzen­ triert habe. Der Blick auf den Schwäbischen Bund, aber auch die Landstände, lässt dabei erkennen, dass diese Dialektik zwischen Reichsoberhaupt und Stän­ den kein Spezifikum des Reichstags gewesen ist. Sowohl in der produktiven Herausforderung durch den König wie auch in den Strategien, diesen Zumu­ tungen zu begegnen, finden sich bei Bund und Landständen strukturelle Ent­ sprechungen. Der Blick auf den Schwäbischen Bund mit seinen eigenen Formen politischer Kommunikation zeigt zudem, dass es in dieser Hinsicht durchaus eigene Handlungs- und Erfahrungsressourcen neben dem Reichstag gab. Der Reichstag war in Sachen politischer Kommunikation nicht das exklusive Maß aller Dinge im Reich Maximilians. Dies aber lässt sich mit den bisher edierten Reichstagsakten der »Mittleren Reihe« nicht nur in Einklang bringen, sondern auch belegen – verwiesen sei auf die entsprechenden Erträge für eine Erforschung politischer Kommunikation im Schwäbischen Bund. Dass dem so ist, hängt mit den bewährten Editions­ grundsätzen zusammen, die den Reichstag als noch offenes und dynamisches Geschehen präsentieren, das aus dem Kontext anderer Ebenen der Reichspoli­ tik nicht isoliert werden soll. Dies gilt letztlich auch für die maximilianeische Ständepolitik, und ich bin gespannt, wie sich diese beispielsweise in den noch ausstehenden Reichstagsakten für die späten Regierungsjahre Maximilians nie­ derschlagen wird. Wenn man aber bekennt, auf weitere Editionen eines solchen Langzeitunternehmens wie der Reichstagsakten noch gespannt zu sein, ist dies aus meiner Sicht ein großes Kompliment.

Reinhard Seyboth

Politik und religiöse Propaganda

Die Erhebung des Heiligen Rockes durch

Kaiser Maximilian I. im Rahmen des Trierer Reichstags 1512

1. Der Trierer Reichstag 1512 im Kontext

der Reichsversammlungen Kaiser Maximilians I.

Die Reichstage der Ära Maximilians I. waren in aller Regel weitgehend nüchterne Veranstaltungen. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein diskutierten der Kaiser, die Reichsstände und deren Vertreter über zahlreiche reichsrelevante Themen und rangen in Ausschüssen monatelang um Kompromisse und Ergeb­ nisse. Vor allem die fürstlichen und städtischen Gesandten klagten in ihren Berich­ ten oftmals über den zähen Verlauf der Entscheidungsfindung und ihre dadurch bedingte lange Abwesenheit von zuhause1. Angesichts dieser Monotonie des Ar­ beitsalltags war jegliche Abwechslung äußerst willkommen. In erster Linie Kaiser Maximilian selbst war es, der durch höfische Festlichkeiten und Vergnügungen verschiedener Art für Zerstreuung sorgte. Der agile Monarch war nicht nur ein lei­ denschaftlicher Jäger, sondern hatte auch eine Vorliebe für den ritterlichen Zwei­ kampf, die er auf Reichstagen gerne vor großem Publikum öffentlichkeitswirk­ sam pf legte. Noch im Alter von 51 Jahren stieg er auf dem Augsburger Reichstag 1510 ein letztes Mal aufs Pferd, um gegen seinen alten politischen Weggefährten, den ebenfalls bereits 47-jährigen Kurfürsten Friedrich von Sachsen, die Kräfte zu messen2. Darüber hinaus blieben Maximilians Charme und seine Leutseligkeit vor allem den Nürnberger und Augsburger Bürgern noch lange in guter Erinnerung, veranstaltete er doch bei seinen dortigen Besuchen manches Armbrustschießen oder auch glanzvolle Bankette, bei denen er mit den schönen Patrizierfrauen tanzte3. 1 Einige Beispiele bei Seyboth, Reinhard: Wollet in allen unseren sachen guten vleiß ge­ brauchen. Nürnberger Gesandte auf Reichstagen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, in: Tobias Appl/Georg Köglmeier (Hg.): Regensburg, Bayern und das Reich. Festschrift für Peter Schmid zum 65. Geburtstag, Regensburg, 2010, S. 291–307, hier S. 300. 2 Beschreibungen dieses Zweikampfs: Die Chronik von Clemens Sender, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Augsburg, Bd. 4, Leipzig 1894, Neudruck Göttingen 1966 (= Die Chroniken der deutschen Städte vom 14.  bis ins 16.  Jahrhundert, Bd.  23), S.  1–404, hier S. 128 Anm. 9; Birken, Sigmund von (Hg.): Johann Jakob Fugger, Spiegel der Ehren des hoch­ loeblichsten Kayser- und Königlichen Erzhauses Oesterreich, Nürnberg 1668, S. 1274 f. 3 Beispiele vom Nürnberger Reichstag 1491: Heinrich Deichsler’s Chronik 1488–1506, in: Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 5, Leipzig 1874, Neudruck Göttingen 1961 (= Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 11), S. 533–706, hier S. 566; Etliche Geschichten 1488–1491, in: Ebd., S. 707–733, hier S. 732 f.

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Abb. 1: Titelblatt der auf dem Reichstag 1512 beschlossenen Reichsordnung, gedruckt bei Johann Schöffer in Mainz.

Konstatiert man diese zeittypischen Unterhaltungsformen in gewisser Weise als normativ für die Reichstage um 1500, so fällt eine der zahlreichen Versamm­ lungen doch deutlich aus dem Rahmen: der Trierer Reichstag von 1512. Dessen Sonderrolle ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass er der einzige Reichs­ tag war, der jemals in der altehrwürdigen Stadt an der Mosel stattfand. Ein wei­ teres Alleinstellungsmerkmal stellt der Umstand dar, dass diese Zusammen­ kunft auf dezidierten Wunsch des Kaisers Anfang Juli 1512 nach Köln verlegt, dort nahtlos fortgesetzt und schließlich nach weiteren achtwöchigen Beratun­ gen ergebnisreich beendet wurde. Noch wichtiger als diese äußeren Umstände

Politik und religiöse Propaga nda

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Abb. 2: Titelblatt des Kölner Reichsabschieds 1512, gedruckt bei Matthias Hupfuff in Straßburg.

ist allerdings ein inhaltlicher Aspekt. So lässt der kurz vor der Fertigstellung stehende Reichstagsaktenband 1510–15124 die Bedeutung des Trierer Reichs­ 4 Demnächst: Seyboth, Reinhard (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian  I., Bd.  11: Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 (=  Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wis­ senschaften, Bd. 11). – In der Forschungsliteratur wurden bislang nur einzelne thematische Aspekte des Reichstags 1512 wie etwa die Neuordnung der Reichskreise, die Reichsnotar­ ordnung oder die Maßnahmen zur Eindämmung das ausufernden Fehdeunwesens ansatz­ weise behandelt. Überblicke über das Tagungsgeschehen, die allerdings unzureichend sind,

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tags für die Ära Maximilians I. deutlich erkennen, erhielt doch hier die im Jahr­ zehnt zuvor eher stagnierende Reform des Reiches und seiner Verfassung neue, zukunftsweisende Impulse. Vor allem die in Köln beschlossene neue Reichs­ ordnung (Abb. 1), für die die Reichsstände bereits im Rahmen ihrer Trierer Be­ ratungen einen Richtung weisenden Entwurf ausgearbeitet hatten, griff zahl­ reiche aktuelle Entwicklungen und Probleme im Reich auf und formulierte dafür adäquate Lösungsvorschläge5. Weitere wichtige Resultate des Reichstags waren die Regelungen zu einer Reform des Reichskammergerichts6, die Reichs­ notarordnung7 sowie die sonstigen im Reichsabschied (Abb. 2) zusammenge­ fassten Beschlüsse8.

2. Kaiser Maximilians propagandistische Auseinandersetzung mit Papst Julius II. Es sind jedoch weniger diese politischen Implikationen des Trierer Reichstags, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen, sondern ein dortiges Ereignis, das sich im Jahr 2012 zum 500. Mal jährte und aufgrund seines enormen Stel­ lenwerts für die lokale Erinnerungskultur in Trier auch entsprechend aufwän­ dig gefeiert wurde: die Wiederauffindung und öffentliche Präsentation des so genannten Heiligen Rockes, den nach biblischer Überlieferung Jesus bei seiner

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bieten Rom, Ingrid: Kaiser Maximilian I., das Reich, die Erbländer und Europa im Jahre 1512, phil. Diss. masch. Graz 1973; Freidl, Josefa: Kaiser Maximilian I. und die Reichstage von 1511 bis 1518, phil. Diss. masch. Graz 1975, S. 7–70; Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maxi­ milian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 4: Gründung des habsburgischen Weltreiches, Lebensabend und Tod 1508–1519, München 1981, S. 269–277. Von der Reichsordnung gibt es mehrere zeitgenössische Druckfassungen. Eine davon ent­ stand in der Offizin von Johann Schöffer in Mainz (vorhanden unter anderem im HHStA Wien, AUR 1512 VIII 26), eine zweite bei Matthias Hupfuff in Straßburg (vorhanden u. a. in der BSB München, Res./2 J.publ.G 98a/2). Druck: Schmauß, Johann Jakob/Senckenberg, Heinrich Christian von (Hg.): Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede, Frankfurt a. M. 1747, Nachdruck Osnabrück 1967, S. 136–146. Zeitgenössischer Druck: HHStA Wien, AUR 1512 VIII 26. Zeitgenössische Drucke: BSB München, 2 J.pract.119 (deutsche Fassung); ebd., Res/2 J.publ.g. 98a/4 (lateinische Fassung). Druck: Schmauß/Senckenberg, Sammlung (wie Anm. 5), S. 151– 166 (synoptischer Abdruck beider Fassungen). Vgl. dazu Schmoeckel, Mathias: Die Reichs­ notariatsordnung von 1512. Entstehung und Würdigung, in: Ders./Werner Schubert (Hg.): Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Notariatsordnung von 1512, Ba­ den-Baden 2012, S. 29–74; Dorn, Franz: Die Reichsnotariatsordnung von 1512, in: Michael Embach/Elisabeth Dühr (Hg.): Der Trierer Reichstag von 1512 in seinem historischen Kon­ text. Ergebnisse der Trierer Tagung vom 19.–21.10.2012, Trier 2012, S. 253–268. Auch vom Reichsabschied 1512 gibt es mehrere zeitgenössische Druckfassungen, eine davon entstand bei Johann Schöffer (München, BSB, Res/2 A.lat.b. 284/3), eine andere bei Mat­ thias Hupfuff (BSB München, Res/2 J.publ.g. 98a/3). Druck: Schmauß/Senckenberg, Samm­ lung (wie Anm. 5), S. 147–151.

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Abb. 3: Der im Trierer Dom verwahrte Heilige Rock.

Kreuzigung getragen hat (Abb. 3). Kaiser Maximilian selbst war es, der wäh­ rend seines Aufenthalts in Trier die dortige Suche nach einer der wertvollsten Reliquien der Christenheit persönlich initiierte und dann auch deren erstmalige Zeigung veranlasste. Aus dem Blickwinkel der Reichstagsaktenforschung er­ geben sich hieraus zwei Fragen: 1. Welche Beweggründe veranlassten den Mon­ archen zu seiner Recherche? 2. Welche Rolle spielten die Vorgänge um den wie­ derentdeckten Heiligen Rock im Rahmen des Reichstags? Was Maximilians Motive im Zusammenhang mit dem Heiligen Rock betrifft, so wurde vor allem gemutmaßt, er habe mit ihm für seinen geplanten Türken­ kreuzzug werben wollen und gehofft, »damit den frommen Eifer und die Spen­ defreude des gläubigen Volkes anzuregen«9. Manche stimmten dieser These vor­ 9 Wiesf lecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 4), S. 271.

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behaltlos oder mit Einschränkungen zu, von anderen wurde sie in Frage gestellt10. In der Tat erscheint ein konkreter Bezug zu Maximilians Plänen für einen Feld­ zug gegen die Türken ziemlich unwahrscheinlich, denn der Kaiser brachte zwar dieses Projekt während seiner ganzen Regierungszeit immer wieder gerne ins Spiel und instrumentalisierte es dabei auch oft für ganz andere politische Ziele11. Im Jahr 1512 hingegen waren sein Denken und Handeln vollkommen von einem anderen Problem beherrscht: der kriegerischen Auseinandersetzung mit der Re­ publik Venedig. Ihr Ursprung lag im Jahr 1508, als Maximilian ein schon lange geplantes Vorhaben endlich verwirklichen wollte: den traditionellen Zug nach Rom, um sich dort vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen12. Doch die Venezia­ ner verweigerten dem Habsburger aus Angst vor dessen möglichen ausgreifen­ den Plänen in Oberitalien den Durchmarsch durch ihr Gebiet. Voll Zorn über die Vereitelung seines ihm so überaus wichtigen Planes brach Maximilian schon bald einen Krieg gegen die Adria-Metropole vom Zaun, den er trotz erheblicher Probleme bei der Finanzierung mit größter Verbissenheit führte. Diese Ausein­ andersetzung stand nicht nur jahrelang im Zentrum der kaiserlichen Politik, sie 10 Nach Reinhard, Wolfgang: Reichsreform und Reformation 1495–1555, in: Ders. (Hg.): Geb­ hardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 9, Stuttgart 102001, S. 109–356, hier S. 237, erfolgte die Erhebung »zwecks Kreuzzugspropaganda«, laut Schauerte, Thomas: Die Erhe­ bung des Trierer Rockes durch Kaiser Maximilian I. als »symbolische Argumentation«, in: Embach/Dühr, Trierer Reichstag von 1512 (wie Anm. 7), S. 55–67, hier S. 65, hatte sie »auch im Hinblick auf einen Türkenzug prospektiven Charakter«. Voltmer, Rita: »Heylige Stadt« oder »Pfaffennest«, freie Stadt oder Landschaft? Zu den Hintergründen der Trierer Heil­ tumsweisung des Jahres 1512, in: Wolfgang Schmid/Michael Embach (Hg.): Medulla Ge­ storum Treverensium des Johann Enen. Ein Trierer Heiltumsdruck von 1514. Faksimi­ leausgabe und Kommentar, Trier 2004 (=  Armarium Trevirense, Bd.  2), S.  125–152, hier S.  140 f., versucht die Interpretation Wiesf leckers durch ergänzende Aspekte zu stützen, während Embach, Michael: Die Rolle Kaiser Maximilians I. (1459–1519) im Rahmen der Trierer Heilig-Rock-Ausstellung von 1512, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 21 (1995), S. 409–438, hier S. 436, konstatiert, die These könne mangels überzeugender Be­ lege »nicht als hieb- und stichfest gelten.« Zu weiteren in der Forschung geäußerten Mut­ maßungen über die Beweggründe Maximilians vgl. Seibrich, Wolfgang: Die Trierer Heil­ tumsfahrt im Spätmittelalter, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 47 (1995), S. 45–125, hier S. 76–79; Kühne, Hartmut: ostensio reliquiarum. Untersuchungen über Ent­ stehung, Ausbreitung, Gestalt und Funktion der Heiltumsweisungen im römisch-deut­ schen Regnum, Berlin/New York 2000 (= Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd. 75), S. 502 f. 11 Vgl. hierzu Füssel, Stephan: Die Funktionalisierung der »Türkenfurcht« in der Propaganda Kaiser Maximilians I., in: Franz Fuchs (Hg.): Osmanische Expansion und europäischer Hu­ manismus. Akten des interdisziplinären Symposions vom 29. und 30. Mai 2003 im Stadt­ museum Wiener Neustadt, Wiesbaden 2005 (=  Pirckheimer-Jahrbuch für Renaissanceund Humanismusforschung), S. 9–30. 12 Vgl. dazu Heil, Dietmar: Er kompt nit gen Rom auf dyse jare. Zur Annahme des Kaisertitels durch Maximilian I. (1508), in: Appl/Köglmeier (Hg.): Regensburg (wie Anm. 1), S. 269–289; Wiesf lecker, Hermann: Maximilians I. Kaiserproklamation zu Trient (4. Februar 1508). Das Ereignis und seine Bedeutung, in: Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag, Graz 1965, S. 15–38.

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bietet auch einen geeigneten Interpretationsansatz für die Ereignisse rund um die Erhebung des Heiligen Rockes im Jahr 1512. Zu Maximilians Verbündeten im Krieg gegen Venedig gehörte anfangs auch Papst Julius II., der der vom Kaiser ins Leben gerufenen antivenezianischen Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508 beigetreten war und am 27. April 1509 über die Venezianer das Interdikt verhängt hatte13. Am 24. Februar 1510 hob er jedoch den Kirchenbann überraschend wieder auf und verständigte sich mit Venedig14. Dieser unerwartete Bündniswechsel Julius’ II. hatte für Maximilian schwerwiegende militärische Folgen und entzog seinem geschickt aufgebauten europäischen Bündniskonzept gegen Venedig ein zentrales Element. Deswegen richtete er nicht nur einen wütenden Aufruf an das Volk von Venedig zum Sturz des dortigen Stadtregiments15, sondern schmähte vor allem auch den »verf luch­ ten Papst« Julius II. wegen dessen »Verrat« aus Leibeskräften, nannte ihn einen »trunksüchtigen Pfaffen« und kündigte an, er selbst wolle eine Reform der Kir­ che in die Wege leiten16. Hierfür griff er unter anderem auch auf die seit langem bestehenden »Gravamina der deutschen Nation« gegen das Papsttum zurück. Im Herbst 1510 bekundete er gegenüber Jakob Wimpfeling seine Entschlossen­ heit, das Reich vom Joch der Kurie zu befreien und zu verhindern, dass von dort weiterhin so große Geldsummen nach Rom transferiert würden wie bisher17.

13 Brosch, Moritz: Papst Julius der Zweite und die Gründung des Kirchenstaates, Gotha 1878, S. 169. 14 Ebd., S. 192 f. 15 Archivio di Stato Venedig, Miscellanea atti diplomatici et privati, Busta 49, Nr.  1601. Druck: Albéri, Eugenio (Hg.): La relazioni degli ambasciatori veneti al senato durante il secolo decimosesto, Ser. 1,6: Relazioni di ambasciatori Veneti al senato, Volume II: Ger­ mania (1506–1554), Torino 1970 (= Monumenta politica et philosophica rariora, Bd. 2,9), S. 61–65. Vgl. dazu Lutter, Christina: »An das Volk von Venedig!« Propaganda Maximili­ ans I. in Venedig, in: Karel Hruza (Hg.): Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.–16. Jahrhundert), Wien 2002 (=  Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phi­ losophisch-Historische Klasse, Denkschriften, Bd.  307; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 6), S. 235–253, hier S. 243–250. 16 Wiesf lecker, Hermann: Kaiser Maximilian I. und die Kirche, in: Wilhelm Baum (Hg.): Kir­ che und Staat in Idee und Geschichte des Abendlandes. Festschrift zum 70. Geburtstag von Ferdinand Maaß SJ, Wien 1973, S. 143–165, hier S. 156; Ders.: Maximilian und die Päpste seiner Zeit, in: Römische historische Mitteilungen 22 (1980), S. 147–165, hier S. 155 f. 17 Instruktion Kaiser Maximilians für seinen Sekretär Jakob Spiegel zu einer Werbung bei Ja­ kob Wimpfeling, Überlingen, 18. September 1510. Druck: Knepper, Joseph: Jakob Wimp­ feling (1450–1528). Sein Leben und seine Werke nach den Quellen dargestellt, Freiburg i. Br. 1902 (= Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Vol­ kes, Bd.  3, 2.–4. Heft), Nr.  23. Vgl. dazu Ulmann, Heinrich: Studie über Maximilian’s  I. Plan einer deutschen Kirchenreform im Jahre 1510, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 3 (1879), S. 199–219; Gebhardt, Bruno: Die gravamina der Deutschen Nation gegen den rö­ mischen Hof. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Reformation, Breslau 21895, S. 77–90; Wer­ minghoff, Albert: Nationalkirchliche Bestrebungen im deutschen Mittelalter, Stuttgart 1910, Neudruck Amsterdam 1965, S. 121–133.

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Im folgenden Jahr vergrößerte er den Adressatenkreis seiner Vorwürfe noch ganz erheblich, indem er in einem Ausschreiben an sämtliche Reichsstände vom 20. Mai 1511 erklärte, es sei offenkundig, »das in dem bebstlichen gewalt und re­ giment, so allen cristglaubigen gut exempel und beyspil vortragen solt, merklich unordnung gehalten und der überf lüssig schatz, so täglichs an gelt, den merern teil aus teutscher nation, an den bäbstlichen hof kumet, mer zu triumph und andern weltlichen sachen dann zu Gots dienst oder widerstand der ungelaubi­ gen gebraucht und verswendt wirdet.« Da es seine Aufgabe sei, als »vogt und be­ schirmer der cristenlichen kirchen in solich unordenlich wesen zu sehen«, habe er beschlossen, »ein gemain concilium und versamblung der ganzen cristen­ hait, on das nichts fruchtberlichs gehandelt werden mag, zu berufen und zu hal­ ten. Dieweil aber Babst Julius, villeicht aus sorgen, das mit willen nit zulassen, sonder zu verhinderung desselben guten werks den Venedigern für und für an­ hangen wirdet, so muß aus not das swert gegen im und denselben Venedigern gebraucht werden«18. Mit dieser Kriegsdrohung unterstrich der Kaiser seine Ab­ sicht, ein gegen den Papst gerichtetes Konzil zustande zu bringen, das allerdings bereits kurz zuvor auf Betreiben des französischen Königs Ludwig XII. durch einige Kardinäle für den 1. September 1511 nach Pisa einberufen worden war19. Diese von Anfang an auf schwachen Beinen stehende Kirchenversammlung erschien Maximilian allerdings noch nicht als ausreichend schlagkräftiges In­ strument in seiner Auseinandersetzung mit Julius II. Deshalb berief er in einem weiteren Ausschreiben vom 20. Juli 1511 für den 16. Oktober einen Reichstag nach Augsburg ein, um dort gemeinsam mit den Ständen »das fürgenomen con­ cili zu notturft gemainer cristenhait […] und ander des heiligen Reichs und ander nation obligen und notturften zu bedenken [und] zu beratslagen«20. Seine Räte hatten ihm sogar empfohlen, »daz sich sein maiestät versehe, dasselb con­ cili auf obbemelt zeit auch daselbsthin [d. h. auf den Augsburger Reichstag] zu pringen«21. Dieser völlig neuartige, ja revolutionäre Gedanke eines vom Kai­ ser geführten Konzils im Rahmen einer Reichsversammlung wurde zwar von Maximilian letztlich doch nicht aufgegriffen, doch lässt ein anderes von ihm ins Spiel gebrachtes Vorhaben seine zweifellos vorhandenen cäsaropapistischen Bestrebungen klar erkennen. So äußerte er im August/September 1511 mehr­ fach die provokante Idee, selbst als Papst oder Gegenpapst den Stuhl Petri zu 18 Eines von zahlreichen Exemplaren im HStA München, KÄA 1244, fol. 62 (an Herzog Wil­ helm IV. von Bayern). 19 Vgl. Hefele, Carl Joseph von: Conciliengeschichte. Nach den Quellen bearbeitet, Bd. 8, fort­ gesetzt von J. Cardinal Hergenröther, Freiburg im Breisgau 1887, S. 436–439. 20 Eines von zahlreichen Exemplaren im LA Nordrhein-Westfalen – Abt. Rheinland (Stand­ ort Duisburg), Jülich-Berg I, Nr. 202, fol. 20 (an Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg). Im ersten Teil des Ausschreibens wiederholte Maximilian nochmals seine bisherigen Vorwürfe gegen Papst Julius II., indem er ihm erneut Verrat an den Zielen der Liga von Cambrai vor­ warf und auch wieder die Geldgier der Kurie anprangerte. 21 Undatierter Ratschlag nicht namentlich genannter kaiserlicher Räte. Tiroler LA Innsbruck, Maximiliana I 44/20 I. Teil, fol. 273a-282b, hier fol. 280a.

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übernehmen22. Statt, wie geschehen, den Realitätsgehalt und die konkrete Um­ setzungsmöglichkeit dieses spektakulär anmutenden Planes zu diskutieren, er­ scheint es sinnvoller, ihn als Höhepunkt des mehrjährigen, mit größter Verbis­ senheit geführten propagandistischen Kampfes Maximilians gegen Julius II. zu sehen, bei dem er mit allen Mitteln versuchte, seinen verhassten Gegenspieler zu diskreditieren und seine Qualifikation zur Führung der katholischen Kirche in Frage zu stellen.

3. Kaiser Maximilian auf dem Trierer Reichstag Obwohl der Kaiser im Herbst 1511 und zu Beginn des Jahres 1512 mit Span­ nung zu dem von ihm ausgeschriebenen Augsburger Reichstag erwartet wurde, zögerte er sein Erscheinen immer weiter hinaus. Grund dafür war seine sich zu­ spitzende Auseinandersetzung mit Herzog Karl von Geldern, der die habsbur­ gischen Besitzungen in den Niederlanden massiv bedrohte23. Im Februar 1512 entschloss sich Maximilian deshalb endgültig, den geplanten Reichstag nicht in Augsburg, sondern in einer näher zum Schauplatz des Konf likts gelegenen Stadt abzuhalten. Zunächst dachte er wohl an Köln, doch dann forderte er in seinem Ladeschreiben vom 28.  Februar die Reichsstände auf, »gen Trier oder Koblenz, welhes derselben ort uns […] am gelegnisten ansehen wirdet«, zu kom­ men24. Als er selbst am 5. März per Schiff in Koblenz eintraf, entschied er sich, den Reichstag in Trier durchzuführen. Zweifellos war dies eine ungewöhnliche Wahl, denn die Stadt an der Mosel zählte wegen ihrer dezentralen Lage, organi­ satorischer Defizite und mangelnder Erfahrung im Umgang mit Großveranstal­ tungen nicht zu den traditionellen Schauplätzen von Reichsversammlungen. Was bewog Maximilian dennoch, gerade hier einen großen und viel besuchten Reichstag abzuhalten? Ein Grund bestand sicherlich darin, dass Trier im Ge­ gensatz zu anderen Regionen des Reiches im Frühjahr 1512 ein Ort war, »da es nit sterb«25, d. h. an dem gerade keine ansteckenden Krankheiten grassierten, war doch dies stets eine überaus wichtige Voraussetzung dafür, dass eine Stadt überhaupt als Tagungsort in Frage kam. Für Maximilian mag darüber hinaus noch ein anderer Aspekt von Bedeutung gewesen sein. Als ebenso frommer wie 22 Hierzu eingehend Schulte, Aloys: Kaiser Maximilian I. als Kandidat für den päpstlichen Stuhl 1511, Leipzig 1906; Wiesf lecker, Hermann: Neue Beiträge zur Frage des Kaiser-Papst­ planes Maximilians I. im Jahre 1511, in: MIÖG 71 (1963), S. 311–332; Ders., Kaiser Maximi­ lian I. (wie Anm. 4), S. 91–95. 23 Zur nachfolgenden Einordnung des Geschehens um die Heilig-Rock-Erhebung in den Zu­ sammenhang des Trierer Reichstags vgl. Seyboth, Reinhard: Der Trierer Reichstag 1512 als europäisches Ereignis, in: Embach/Dühr. Trierer Reichstag von 1512 (wie Anm. 10), S. 11–39. 24 HStA München, KÄA 3138, fol. 112. 25 So der kaiserliche Rat Jakob Villinger in einem Schreiben an den kaiserlichen Kanzler Zy­ prian von Serntein, Würzburg, 24.2.1512. HHStA Wien, Maximiliana 25, Konv. Febr. 1512, fol. 92–93.

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geschichtlich interessierter Monarch hatte er sich wohl schon zu einem früheren Zeitpunkt, vielleicht aber auch erst ganz aktuell »auß alten un[d] vast [= sehr] alten historien und bücheren«26 über die Geschichte vom Heiligen Rock infor­ miert, der im 4. Jahrhundert durch die heilige Helena nach Trier gebracht wor­ den war. Seit ihrer Überführung vom Westchor des Domes zum Hauptaltar war die kostbare Reliquie nicht mehr gezeigt worden27. Stellt man eine Verbindung her zwischen diesem historischen Wissen Maximilians und seiner im Frühjahr 1512 noch immer schwelenden propagandistischen Auseinandersetzung mit Papst Julius II., so liegt die Vermutung nahe, dass der Kaiser spätestens Anfang März in Koblenz den Entschluss fasste, den Heiligen Rock als wirksames Instru­ ment gegen das missliebige Kirchenoberhaupt einzusetzen. Unter diesem Aspekt betrachtet, erscheinen einige der Trierer Ereignisse vor Beginn des dortigen Reichstags als Elemente einer wohlüberlegten, effektvol­ len Selbstinszenierung Maximilians. Während er selbst bereits am 10. März in Trier erschien, trafen die geladenen Reichsstände, bedingt durch die späte La­ dung, erst in den folgenden Wochen nach und nach ein. Über die Wartezeit bis zum offiziellen Tagungsbeginn am 16. April berichtet der Sekretär des Trierer Erzbischofs Richard von Greiffenklau, Peter Maier, in einer hochinformativen Aufzeichnung sehr anschaulich und detailreich28. Ihr zufolge demonstrierte Maximilian seine tiefe Gläubigkeit durch Teilnahme an verschiedenen Heili­ gen Messen im Dom (12. März), im erzbischöf lichen Palast, wo er auch wohnte (14. März), sowie in den altehrwürdigen Klöstern St. Maximin (19. März) und St. Matthias (28. März). Am Gottesdienst in St. Matthias nahmen auch bereits die schon anwesenden Reichsfürsten sowie Vertreter verschiedener europäischer Mächte teil. Am Palmsonntag (4. April) feierte der Kaiser mit etlichen Fürsten, in- und ausländischen Gesandten, darunter der Legat Papst Julius’ II., Lorenzo Campeggi, sowie anderen Diplomaten eine weitere Messe im Dom. Am Kar­ 26 Äußerung in der 1514 von Johann Enen verfassten Heiltumsschrift »Medulla Gestorum Treverensium«, zitiert nach Embach, Rolle Maximilians (wie Anm. 10), S. 421. 27 Vgl. dazu Pohslander, Hans A.: Der Trierer Heilige Rock und die Helena-Tradition, in: Erich Aretz/Michael Embach/Martin Persch/Franz Ronig (Hg.): Der Heilige Rock zu Trier. Studien zur Geschichte und Verehrung der Tunika Christi, Trier 21996, S. 119–130. 28 LHA Koblenz, Best. 701 Nr. 13, fol. 22a–40a. Druck: Stramberg, Christoph von (Hg.): Be­ richt über die Wahl Bischof Richards von Greiffenklau und den Trierer Reichstag 1512, in: R heinischer Antiquarius, Abt. 1, Bd. 2, Koblenz 1853, S. 336–357, hier S. 343–357; Gei­ ger, Roland/Stitz, Margarete (Bearb.): Der Trierer Reichstag im Jahre 1512. Die Aufzeich­ nungen des kurfürstlichen Sekretärs Peter Maier im Originalwortlaut und in neuerem Deutsch, St. Wendel 2012, S. 6–51 (synoptische Wiedergabe des Originaltextes und einer modernisierten Fassung). Modernisierte Teil-Wiedergabe: Kentenich, Gottfried: Geschichte der Stadt Trier von ihrer Gründung bis zur Gegenwart. Trier 1915, S. 318–325. – Zur Per­ son Peter Maiers vgl. Richter, Paul: Der kurtrierische Sekretär Peter Maier von Regensburg (1481–1542). Sein Leben und seine Schriften, in: Trierisches Archiv 8 (1905), S. 53–82. – Zur topographischen Orientierung in Trier zur Zeit des dortigen Reichstags vgl. Heinz, Stefan/ Tacke, Andreas/Weiner, Andreas: Trier 1512 – Heiliger Rock 2012. Reisewege durch das his­ torische Trier, Petersberg 2011.

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freitag (9. April) nahm er an der Feier der Passion Christi teil, am Karsamstag (10. April) ging er barfuß und im wollenen Büßergewand durch den Stadtgra­ ben hinaus nach St. Maximin, St. Paulin und St. Simeon und legte beim Abt von St. Matthias die Beichte ab. Am Osterfest (11. April) hörte er im Palast die Pre­ digt eines Mönches, am Ostermontag (12. April) besuchte er, wieder zusammen mit allen Reichstagsteilnehmern, eine weitere Messe im Dom. Das Signal, das von diesen zahlreichen, teilweise höchst eindrucksvollen religiösen Gesten aus­ gehen sollte, liegt auf der Hand: Maximilian wollte bei den deutschen Reichs­ ständen und den Vertretern der führenden Staaten Europas die Überzeugung we­ cken, dass er die von einem abendländischen Monarchen erwarteten christlichen Tugenden wie Frömmigkeit, Demut und Bußfertigkeit in hohem Maße verkör­ perte und damit eine größere moralische Berechtigung zur Führung der Chris­ tenheit besaß als das Oberhaupt der katholischen Kirche, der stark verweltlichte und in seiner persönlichen Lebensführung äußerst fragwürdige Papst Julius II.

4. Die Suche nach dem Heiligen Rock,

seine Auffindung und öffentliche Präsentation

Nur zwei Tage nach den glanzvollen Osterfeierlichkeiten erreichte die Abfolge äußerer Zeichen, mit denen Maximilian seine Kompetenz in kirchlich-religiö­ sen Dingen zu unterstreichen suchte, ihren Höhepunkt. »Unser herr kaiser geet mit groißem f lyß darmit umb, den rock unser[s] lieben Heren Jesu Christi zu su­ chen und zu fynden alhie zu Trier im doeme, da er lygen soll, als die alten croni­ ken manigfaltiglich und glauplich anzeygen. Man manet das folk daglich uf der canzel, Gott anzurufen umb hilf und gnade.« So lautet die erste Nachricht über die von Maximilian angeordnete und vom Gebet vieler Gläubiger begleitete Su­ che nach dem Heiligen Rock, die der Wormser Bürgermeister und Reichstagsgesandte Reinhard Noltz am 7. April an seine Heimatstadt übermittelte29. Eine Woche später, am 14.  April, wurde das Gewand Jesu zusammen mit zahlrei­ chen anderen Reliquien tatsächlich in einer vermauerten Öffnung auf der Rück­ seite des Hochaltars im Trierer Dom entdeckt. Die Nachricht von der Auffin­ dung verbreitete sich mit enormer Geschwindigkeit und erregte allenthalben größte Aufmerksamkeit. So schrieb der Jülicher Erbmarschall Wilhelm von Nesselrode bereits am 27. April an die Reichstagsgesandten Herzog Johanns III. von Kleve: »Item das gemeyne gerücht geyt hy zu lande, unsers Herrn Gotz rocke sulde alda zu Trier mit anders mehr heiltoms vonden syn. Wes davon ist, wilt doch, sovil moigelich, alher schryven, so myn gnedigster herr, myn herr van Waldeck ind ander sonderlich gerne wissen davan haven sulden.«30

29 StadtA Worms, Abt. 1 B, Nr. 1929/1, unfol.

30 LA Nordrhein-Westfalen – Abt. R heinland (Standort Duisburg), Jülich-Berg II, Nr. 2371,

fol. 97–98.

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Unmittelbar nach der Auffindung des Heiligen Rockes, am 16. April, wurde der Reichstag offiziell eröffnet. Auch diese enge zeitliche Abfolge lässt den be­ wusst geplanten Zusammenhang zwischen religiösem und weltlichem Ereignis und damit die politische Zielrichtung der Heilig-Rock-Suche erkennen. Dar­ über hinaus traf Maximilian in den folgenden Wochen Vorbereitungen für eine seinen Absichten dienliche wirkungsvolle Präsentation des spektakulären Fun­ des. Hierzu wurde für den Festtag Inventionis crucis (Kreuzfindung) am 3. Mai ein Gedächtnisgottesdienst zu Ehren der bereits am 31.  Januar 1510 verstor­ benen zweiten Gemahlin des Kaisers, Bianca Maria Sforza, anberaumt. Wäh­ rend der überaus feierlichen Messe im Dom, an der neben dem Kaiser wiede­ rum sämtliche Reichstagsbesucher teilnahmen, lagen der Heilige Rock und ein Teil der übrigen aufgefundenen Reliquien in mehreren Behältnissen auf einem separaten Altar vor dem Hauptaltar31. Einen Tag später fand im Dom ein wei­ terer Gedenkgottesdienst statt, diesmal zu Ehren der »fursten und herren, edel und unedel, die ir blut zu ufenthalt des heiligen römischen reychs in nechstver­ schynen kriegen oder sunst vergossen haben und von diser welt gescheiden«32. Gemeint waren damit zum einen die deutschen Gefallenen des nunmehr bereits mehrere Jahre dauernden Krieges Kaiser Maximilians gegen Venedig, zum an­ deren jene zahlreichen Adeligen aus dem Herrschaftsbereich Maximilians, die den Tod gefunden hatten, als ein französisch-kaiserliches Heer am 11.  April 1512 in der Schlacht bei Ravenna die vereint kämpfenden Truppen Papst Ju­ lius’ II. und König Ferdinands von Aragon besiegt hatte. Die Nachricht vom Verlauf dieser großen militärischen Auseinandersetzung, die auf beiden Sei­ ten insgesamt 15.000 bis 20.000 Opfer gefordert hatte, war erst wenige Tage vor dem Gedenkgottesdienst in Trier eingetroffen33. Auch bei dieser Messfeier wur­ den die aufgefundenen Reliquien den Anwesenden gezeigt. Unmittelbar danach und auch noch in den folgenden Wochen berichteten die Vertreter verschiede­ ner Fürsten, die nicht zum Reichstag erschienen waren, sowie reichsstädtische 31 Eine detaillierte Schilderung der Gedenkmesse bietet ein 1512 bei Martin Landsberg in Leipzig erschienener Druck: BSB München, H.  eccl. 2997. Laut Bericht des bayerischen Reichstagsgesandten Dr. Dietrich von Plieningen aus Trier vom 5. Mai 1512 hat der Kaiser seine verstorbene Gemahlin »herlich lassen im domstift besingen in gegenwurtigkait al­ ler stende und darnach lassen eroffnen das hailtum. Ist auch auf dem altar zugegen, doch in capsen gestanden wie unsers Hern Gottes rock.« HStA München, Kasten schwarz 9400, fol. 21–22. 32 Zitat aus einem 1512 bei Matthias Hupfuff in Straßburg erschienenen Druck. BSB Mün­ chen, Rar. 4077. 33 In einem Bericht aus Trier von Ende April 1512 an den Wormser Bürgermeister meldete der Reichstagsgesandte Reinhard Noltz, dass in der Schlacht von Ravenna »ob den 600 der besten edeln und kriegsleuten plieben us allen der ksl. Mt. anstoßenden landen«. StadtA Worms, Abt. 1 B Nr. 1929/1, unfol. Am 12. Mai 1512 übersandten die sächsischen Reichstagsgesandten an Kurfürst Friedrich, Herzog Johann und Herzog Georg von Sachsen ein Verzeichnis der in der Schlacht gefallenen oder gefangen genommenen deutschen Haupt­ leute. HStA Weimar, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 63–67. Zur Schlacht selbst vgl. Siedersleben, Erich: Die Schlacht bei Ravenna (11. April 1512), phil. Diss. Berlin 1907.

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Abb. 4: Frankfurter Verzeichnis der 1512 in Trier aufgefundenen Heiltümer.

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Gesandte ihren Auftraggebern über die Vorgänge in Trier und übersandten da­ bei teilweise auch genaue Verzeichnisse der entdeckten Heiltümer (Abb. 4)34. Auf diese Weise erhielten auch entferntere Regionen des Reiches rasche und ge­ naue Kunde vom denkwürdigen Geschehen in der Moselstadt. Die Absicht, die Kaiser Maximilian mit den beiden sorgfältig choreogra­ phierten und in ihrer Wirkung auf die Teilnehmer sicherlich sehr eindrucks­ vollen religiösen Inszenierungen vom 3.  und 4.  Mai verfolgte, ist deutlich er­ kennbar. Indem er die von ihm gezielt aufgespürten Heiltümer eben nicht isoliert für sich präsentierte (was durchaus denkbar und möglich gewesen wäre), sondern im Rahmen imposanter kirchlicher Feierlichkeiten zu Ehren seiner verstorbenen Ehefrau bzw. von Toten, die ihr Leben im Dienst des Hauses Habs­ burg verloren hatten, verknüpfte er sie ganz unmittelbar mit seiner Person, dem Ruhm seiner Dynastie und einem zentralen Thema seiner aktuellen Politik: der Auseinandersetzung mit Venedig und dem Krieg in Italien. Damit wurde aber vor allem der Heilige Rock auch gleichsam zum handgreif lichen Symbol des an­ haltenden propagandistischen Feldzugs des Kaisers gegen Papst Julius II. Nach Maximilians Lesart hatte das Kirchenoberhaupt durch seine Verständigung mit Venedig einen unverzeihlichen Verrat an dem im Vertrag von Cambrai be­ schworenen gemeinsamen Kampf gegen die Adria-Republik begangen und trug dadurch auch eine Mitschuld am Sterben vieler hochgestellter deutscher Ge­ fallener im Venezianerkrieg. Wenn ihrer in Gegenwart des Gewandes, das der Heiland auf seinem Weg zum Tod am Kreuz getragen hatte, gedacht wurde, so war Jesus Christus bei diesem sakralen Geschehen gleichsam selbst gegenwärtig und gewährte allen Beteiligten seine göttliche Gnade. Diesen spirituellen Hin­ tergrund der von Kaiser Maximilian ins Werk gesetzten Trierer Inszenierung empfanden und verstanden die gläubigen Zeitgenossen des frühen 16. Jahrhun­ derts sicherlich weitaus klarer als Betrachter in der heutigen säkularisierten Ge­ genwart. Zugleich wird aber auch erst aus der Rückschau deutlich, wie virtuos der habsburgische Monarch das gesamte Propagandainstrumentarium seiner Zeit einzusetzen wusste und dabei äußerst innovativ und kreativ ganz neue Wirkungsmechanismen ersann. Hatte bei den Gedenkgottesdiensten Anfang Mai neben dem Kaiser nur der illustre Kreis der Reichstagsteilnehmer den Heiligen Rock zu Gesicht be­ kommen, so blieb zunächst noch offen, ob er auch dem einfachen Volk ge­ zeigt werden sollte, war doch zur damaligen Zeit eine öffentliche Zurschau­ 34 Von den im Trierer Dom aufgefundenen Heiltümern sind, jeweils unter Akten zum Trierer Reichstag, folgende handschriftliche Verzeichnisse überliefert: IfStG Frankfurt, Reichs­ sachen II Nr. 1968 (je ein deutsches und ein lateinisches Exemplar); StA Nürnberg, Fürsten­ tum Brandenburg-Ansbach Nr. 1043 (dt.); HStA Stuttgart, A 129 Bü. 1 (dt.); LHA Koblenz, 1 C Nr. 17153, fol. 1 (lat.). Die Wormser Gesandten Reinhard Noltz, Philipp Wolf, Ludwig Böhel und Philipp Lang übersandten mit Schreiben vom 6. Mai 1512 an Worms eine Auf­ stellung, »was von heiligtumb alhie zu Trier im hohen altar gefunden, aber nit gezeigt und publicirt worden ist«. StadtA Worms, Abt. 1 B Nr. 1929/1, unfol. (das Verzeichnis liegt nicht vor.).

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stellung von Reliquien nach den Traditionen der Kirche eigentlich nicht üblich. Wie die beiden Frankfurter Reichstagsgesandten berichteten, sandte Maximi­ lian deshalb ein Gesuch an Papst Julius II., die Präsentation trotzdem zu gestat­ ten35. Allerdings äußerten sie bereits wenig später die Vermutung, man werde in Trier nicht allzu lange auf das Eintreffen der päpstlichen Genehmigung warten, sondern den Heiligen Rock schon bald zeigen36. In der Tat wuchsen in diesen Wochen die Neugier der immer zahlreicher zuströmenden Gläubigen und ihr Verlangen, die Tunika Christi endlich zu sehen, derart an, dass sich das Trierer Domkapitel als deren offizieller Besitzer zu einer öffentlichen Zei­ gung entschloss. Am 29. und 30. Mai wurden, wohl im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Konsekration des neuen Trierer Erzbischofs Richard von Greif­ fenklau, zunächst in sämtlichen Kirchen der Stadt die zahlreichen sonstigen Reliquien, die sechs Wochen zuvor entdeckt worden waren, den Gläubigen zur Verehrung dargeboten, bevor schließlich am 31. Mai, gleichsam als Höhepunkt, die erste allgemeine Präsentation des Heiligen Rockes von einem vor dem Mit­ telfenster der Westapsis des Domes aufgebauten Balkon aus erfolgte (Abb. 5)37. 15.000 Menschen nahmen an dieser Zeigung teil38. Als für den 30. Juni eine wei­ tere Zurschaustellung geplant wurde, erging zehn Tage zuvor die Weisung an alle Prediger der Erzdiözese Trier, dies den Gläubigen bekannt zu geben. Da­ bei wurde auch angekündigt, dass künftig jedes Jahr am Montag nach Pfings­ ten eine Heiltumsweisung stattfinden werde39. Dies war der Auftakt zu der bis heute fortbestehenden Wallfahrt zum Heiligen Rock. Die Verlautbarung von den Kanzeln hatte zur Folge, dass der zweiten, mehrwöchigen Präsentation ab dem 30. Juni bereits 80.000 bis 100.000 Menschen beiwohnten, »die allein aus 35 In dem Schreiben Jakob Hellers und Jakob Stralenbergs an den Rat von Frankfurt vom 4. Mai 1512 heißt es, der Heilige Rock sei »noch nit ofenlig eynmantz gezikt wordein, son­ der gen Rom geschikt, daß soligs mit verwilgong onders heiligen vaters, des Ba[b]st, beschin moß«. IfStG Frankfurt, RTA 29, fol. 7–8. 36 In ihrem Bericht an den Rat von Frankfurt vom 12. Mai 1512 meldeten die Frankfurter Ge­ sandten: »Des roukes onsers Hern halber hat kaiserliche maistät gen Rom geschikt, mit ver­ wilgong babstlicher heiligkeit dein tzo offen ond zigen, so er fonden, wiwol ich hart darfor hald, in drihen manhet ader linger gezikt werd.« Ebd., fol. 9–10. 37 Vgl. Seibrich, Wolfgang: Die Heilig-Rock-Ausstellungen und Heilig-Rock-Wallfahrten von 1512 bis 1765, in: Aretz/Embach/Persch/Ronig, Der Heilige Rock (wie Anm. 27), S. 175–217, hier S. 184. 38 Bericht Dr. Dietrichs von Plieningen an Herzog Wilhelm von Bayern vom 29./30. Mai 1512. HStA München, K ÄA 3138, fol. 122–123; Bericht der sächsischen Gesandten Cäsar Pf lug und Dr. Lorenz Zoch an Herzog Georg von Sachsen vom 30. Mai 1512. HStA Dresden, Ge­ heimes Archiv, Loc. 10181/2, fol. 12–13; Bericht Jakob Hellers an den Rat von Frankfurt vom 4. Juni 1512. IfStG Frankfurt, RTA 29, fol. 16–17; Protokoll der Wormser Gesandten über ihre Verhandlungen auf dem Reichstag (hier zum 31. Mai). StadtA Worms, 1 B 1944/1, unfol. 39 Druck: Falk, Franz (Hg.): Die pfarramtlichen Aufzeichnungen (Liber consuetudinum) des Florentius Diel zu St. Christoph in Mainz (1491–1518), Freiburg im Breisgau 1904 (= Erläu­ terungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes IV,3), S. 38; Be­ richt Jakob Hellers an den Rat von Frankfurt vom 19. Juni 1512. IfStG Frankfurt, RTA 29, fol. 21.

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Abb. 5: Zeigung des Heiligen Rockes.

Darstellung in der Heiltumsschrift Johann Scheckmanns von 1513.

dem rifir sind um Trier. […] Ich hab mein lebtag nit mer leut beinander ge­ sehen, als da gewesen sin«, bekannte staunend der kaiserliche Kanzler Zyprian von Serntein40, und auch der Frankfurter Gesandte Jakob Heller meinte: »Es 40 Schreiben an den kaiserlichen Rat Matthäus Lang vom 5. Juli 1512. HHStA Wien, Maximi­ liana 27, Konv. Juli 1512, fol. 34a-38b. Trier selbst hatte um das Jahr 1500 maximal nur etwa 6000 Einwohner. Irsigler, Franz: Die Landesgeschichte Triers zu Beginn des 16. Jahrhun­ derts – Ein Überblick, in: Embach/Dühr, Trierer Reichstag von 1512 (wie Anm. 7), S. 89–97, hier S. 90.

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gedunkt kein mentzen, als fil folk of eyn dak tzo eyner heltomsfart byeyn ge­ west ist«41. Auch wenn Zahlenangaben in der Frühen Neuzeit immer mit gro­ ßer Vorsicht zu genießen sind, so zeigen die genannten dennoch eindrucksvoll, wie sehr der Heilige Rock breiteste Volksschichten förmlich elektrisierte und zutiefst faszinierte. Zu den tausenden von Menschen, die 1512 die Ereignisse um die Auf­ findung und Zurschaustellung des Heiligen Rockes hautnah miterlebten, ge­ hörte auch der später als Hof künstler Kardinal Albrechts von Brandenburg be­ rühmt gewordene Seidensticker Hans Plock. Er verbrachte seine Gesellenjahre 1509–1512 in Trier und wurde dabei Augenzeuge der von tiefer Volksfrömmig­ keit geprägten Verehrung der angeblichen Tunika Christi. Seine dort und an­ dernorts gemachten Beobachtungen über ein immer stärker kommerzialisiertes Wallfahrts- und Ablasswesen entfremdeten ihn später der katholischen Kir­ che und überzeugten ihn von der Richtigkeit der heftigen Kritik Martin Lu­ thers am altgläubigen Reliquienkult. In der von ihm mit Zeichnungen Matthias Grünewalds illustrierten und mit eigenen Kommentaren versehenen LutherBibel, die 1541 in Wittenberg gedruckt wurde, ging er auch auf die Auffindung und Zurschaustellung des Heiligen Rockes ein, indem er, ganz vom reforma­ torischen Geist durchdrungen, behauptete, der Abt des Trierer Benediktiner­ klosters St. Marien habe das vorgebliche Hemd Marias »erdacht«. »Der Schnei­ der, der den Thumherrn unsers hergotes Rock hat zugericht, der hat auch das hemet ermacht, und als er sahe das gross Gekeufft und Opfer und er vielleicht darvon nichts überkam, reichet es inen, das er zu solicher Schinderei hat Ursach geben, und macht es offenbar, daß es eitel Betruck war, aber er ward gefangen und der Kopf abgehauen, drum, daß er es nichtig gemacht hat«42. Auch wenn diese abenteuerlich anmutende Geschichte, die die Auffindung des Heiligen Rockes als groß angelegten Schwindel des profitgierigen Trierer Domkapitels hinstellt, aus verschiedenen Gründen sicher nicht den historischen Tatsachen 41 Schreiben an den Rat von Frankfurt vom 30. Juni 1512. IfStG Frankfurt, RTA 29, fol. 27–29. – Der Kanzler des Bischofs von Chur, Dr. Johannes Rechberg, bezifferte als Augenzeuge der Zeigung ab dem 31.  Mai die Zahl der daran teilnehmenden Gläubigen auf 40.000. Sein Bericht beschreibt zudem sehr detailliert und anschaulich das äußere Erscheinungsbild des Heiligen Rockes. Druck: Ehses, St[efan]: Die Ausstellung des hl. Rockes zu Trier im Jahre 1512, in: Pastor Bonus. Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und Praxis 3 (1891), S. 284–287, hier S. 285 f. 42 Feldbauer, Otto: Die zweibändige Luther-Bibel, gedruckt 1541 von Hans Luft in Wittenberg aus dem Besitz des Seidenstickers Hans Plock (um 1490–1570). Transkription der Anmer­ kungen und Glossen des Seidenstickers Hans Plock, bearb. im Auftrag des Hauses der Baye­ rischen Geschichte, masch. Augsburg 2002, S. 32 f. Vgl. dazu Heinemann, Katharina: Aus­ geschnitten und eingek lebt: Die Grünewald-Zeichnungen des Seidenstickers Hans Plock, in: Rainhard Riepertinger/Evamaria Brockhoff/Katharina Heinemann (Hg.): Das Rätsel Grünewald, Augsburg 2002, S. 251 f. Ich danke Herrn Prof. Dr. Eike Wolgast für den Hin­ weis auf die Erwähnung des Heiligen Rockes in Plocks Luther-Bibel von 1541, Frau Katha­ rina Heinemann für die Vermittlung des Kontakts zu Herrn Feldbauer und diesem selbst für die Mitteilung der zitierten Textstelle aus seinem Manuskript.

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entspricht, so ist sie doch ein bemerkenswertes Indiz dafür, wie intensiv das Ge­ schehen von 1512 den damaligen Zeitgenossen im Gedächtnis haften blieb und ihre Gemüter noch nach Jahrzehnten bewegte.

5. Die Wirkung des Heilig-Rock-Geschehens auf

die Trierer Reichstagsberatungen und sein publizistisches Echo

Die nüchtern denkenden Teilnehmer am Trierer Reichstag reagierten auf das turbulente kirchlich-religiöse Treiben in ihrer unmittelbaren Umgebung zwar weit weniger enthusiastisch als die breiten Volksmassen, aber auch sie verfolgten es mit regem, teilweise staunendem Interesse. So stellte etwa der kursächsische Reichstagsgesandte Wolf von Weißenbach mit Blick auf die riesigen Pilgerscha­ ren, die zum Heiligen Rock strömten, gleichsam kopfschüttelnd fest: »Es ist ein unsag, wi di leut donoch leben und tuen«43. Obwohl diese Vorgänge keinen un­ mittelbaren Einf luss auf die politischen Verhandlungen des Reichstags hatten, so prägten sie diese Versammlung in atmosphärischer Hinsicht dennoch deut­ lich. An die Stelle der eingangs erwähnten profanen Zerstreuungen, wie sie auf anderen Reichstagen üblich waren, trat in Trier das sakrale Geschehen rund um den Heiligen Rock mit seinen starken spirituellen Wirkungen. Dies gilt vor allem auch für die Zeit nach der Abreise des Kaisers, der am 17. Mai zu seiner Tochter Margarethe in die Niederlande ritt, um ihr in ihrer Auseinandersetzung mit Herzog Karl von Geldern beizustehen. Hatte der kaiserliche Hof bis dahin einen zentralen Anlaufpunkt für viele Reichstagsteilnehmer gebildet, so über­ nahm diese wichtige kommunikative Funktion nunmehr bis zu einem gewissen Grad der Trierer Dom. Dort kam es am Rande der Gottesdienste und Heilig­ Rock-Zeigungen immer wieder zu vertraulichen Gesprächen von Reichsfürsten, kaiserlichen und ständischen Räten, auch manches vertrauliche Schriftstück wurde unter der Hand ausgetauscht. Auf diese Weise konnten stockende poli­ tische Verhandlungen wieder vorangebracht und einer Lösung zugeführt wer­ den44. Möglicherweise trug gerade dieser informelle Beratungsstil sogar in nicht geringem Maße dazu bei, dass der Reichstag von 1512 zu einem der inhalts­ reichsten und ergiebigsten der gesamten Maximilian-Ära wurde. Wirft man die Frage auf, welche Resonanz die Auffindung des Heiligen Rockes bei den Zeitgenossen auslöste, so muss man wiederum in erster Li­ nie von Kaiser Maximilian ausgehen. In den Wochen und Monaten unmittel­ bar nach Bekanntwerden des Fundes wurde an verschiedenen Orten im Reich eine ganze Reihe deutschsprachiger oder lateinischer so genannter Heiltumsdrucke publiziert. Etliche von ihnen betonen explizit, die Erhebung sei »durch geheiß vnd beuelhe«, »dorch gebethe vnd beuel« bzw. »ad instantiam« des Kai­ 43 Schreiben an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann von Sachsen vom 30. Juni 1512. HStA Weimar, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 79–80. 44 Beispiele bei Seyboth, Trierer Reichstag (wie Anm. 23), S. 27 Anm. 49.

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sers erfolgt45. Noch stärker wird dessen maßgebliche Rolle betont in zwei ande­ ren gedruckten Werken, die ebenfalls im Jahr 1512 erschienen, vermutlich so­ gar auf unmittelbare Veranlassung Maximilians. Beim ersten handelt es sich um eine Prosabearbeitung der bereits ausgangs des 12.  Jahrhunderts verfass­ ten Erzählung »Orendel«, beim zweiten um das »Lied vom Heiligen Rock«. Vor allem letzteres steht »gänzlich im Dienste einer weitestgehenden Fokussierung des Geschehens auf die Person des heilsstiftenden Maximilian«46 und bezweckt letztlich dessen »Selbstheiligung«47. Dieselbe Absicht verfolgt schließlich auch die Thematisierung des Heilig-Rock-Geschehens in zwei von Maximilian per­ sönlich in Auftrag gegebenen panegyrischen Lebensbeschreibungen. So zeigt ihn einer der Holzschnitte im »Weißkunig«, wie er vor dem Gewand Christi kniet und ihm seine Huldigung erweist (Abb. 6). Wenn man bedenkt, dass die 251 Abbildungen dieses autobiographischen Werks zwar zahlreiche wichtige Ereignisse und große Taten im Leben Maximilians künstlerisch darstellen, sich darunter aber keine einzige weitere befindet, die eindeutigen Bezug zu einem der zahlreichen von ihm abgehaltenen Reichstage hat, so ist auch dies ein In­ diz dafür, welch hohen ideellen Stellenwert Maximilian der von ihm initiier­ ten Erhebung des Heiligen Rockes auf der Trierer Reichsversammlung beimaß. Ähnliche Szenen wie das Bild im »Weißkunig« enthält auch ein Doppelbildnis in Maximilians »Ehrenpforte« (Abb. 7). Die linke Darstellung zeigt den Mon­ archen bei der Verehrung des Heiligen Rockes, die rechte kniend vor dem Re­ liquiar eines seiner Vorfahren, des Heiligen Leopold, dessen Kanonisation im

45 Vgl. das nicht weniger als 37 Nummern umfassende Verzeichnis zeitgenössischer Schrif­ ten über den Heiligen Rock bei Seibrich, Wolfgang: Die Heiltumsbücher der Trierer Heil­ tumsfahrt der Jahre 1512–1517, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 47 (1995), S. 127–147, hier Nr. 1, 3, 11, 13, 19, 19a. Vgl. auch Embach, Michael: Die Trierer Heiltums­ schriften des 16.  Jahrhunderts zwischen Wallfahrtspropaganda und Maximilians-Apo­ theose, in: Bernhard Schneider (Hg.): Wallfahrt und Kommunikation – Kommunikation über Wallfahrt, Mainz 2004, S.  229–244; Rothbrust, Barbara/Schmid, Wolfgang: Trierer Heiltumsdrucke – Eine Einführung, in: Schmid/Embach, Medulla Gestorum Treverensium (wie Anm. 10), S. 17–48; Heinz, Stefan: Ein wiederentdeckter Heiltumsdruck des Heiligen Rockes von 1512, in: Kurtrierisches Jahrbuch 48 (2008), S. 155–159; Johannes Scheckmann, Der Heilige Rock von Trier. »Ein wahrhafftiger Tractat« aus dem Jahre 1513 über die Auf­ findung und Ausstellung der »Tunika Christi« samt einer Auf listung sämtlicher damals bekannter Reliquien im Trierer Dom. Faksimile-Nachdruck der Postinkunabel mit einer Übertragung in die Sprache unserer Zeit von Dr. Charlotte Houben und einem Nachwort von Dr. Michael Embach. Sonderausgabe zur Wallfahrt von 1996, Briedel 1996; Hennen, [Gerhard]: Eine bibliographische Zusammenstellung der Trierer Heiligtumsbücher, deren Drucklegung durch die Ausstellung des Heiligen Rockes im Jahre 1512 veranlaßt wurde, in: Centralblatt für Bibliothekswesen 4 (1887), S. 481–550. 46 Embach, Michael: Im Spannungsfeld von profaner »Spielmannsepik« und christlicher Le­ gendarik  – Der Heilige Rock im mittelalterlichen Orendel-Gedicht, in: Aretz/Embach/ Persch/Ronig, Der Heilige Rock (wie Anm. 27), S. 763–797, hier S. 784. 47 Schauerte, Erhebung (wie Anm. 10), S. 66.

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Abb. 6: Kaiser Maximilian verehrt den Heiligen Rock.

Holzschnitt aus dem »Weißkunig«.

Jahr 1485 Maximilian selbst wesentlich mitinitiiert hatte48. Auch dieses Bei­ spiel unterstreicht, wie intensiv der begnadete Eigendarsteller und Propaganda­ experte auf dem Kaiserthron seine Selbststilisierung betrieb und damit gezielt an seiner Memoria arbeitete49. 48 Schauerte, Thomas: Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian  I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers, München 2001, S. 329. 49 Silver, Larry: Marketing Maximilian. The Visual Ideolog y of  a Holy Roman Emperor, Princeton 2008, S. 135, spricht im Zusammenhang mit den genannten Darstellungen Ma­ ximilians im »Weißkunig« und in der »Ehrenpforte« von »self-aggrandizement in religious terms«.

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Abb. 7: Kaiser Maximilian kniet vor dem Heiligen Rock (links) bzw.

dem Reliquiar des Heiligen Leopold (rechts). Darstellung aus der »Ehrenpforte«.

Dass man die in Trier offenkundig gewordene Reliquienbegeisterung Maximi­ lians auch andernorts mit großem Interesse registrierte, zeigte sich schon bald nach den Trierer Ereignissen. Am 13.  Juli machte der Kaiser auf seiner Reise von den Niederlanden nach Köln, wohin auf seinen persönlichen Wunsch der im Gang befindliche Reichstag verlegt worden war, in Aachen Station. Dort nutzte man die Gelegenheit, um dem hochgestellten Gast die im Münster ver­ wahrten, angeblich durch Karl den Großen zusammengetragenen Reliquien, darunter insbesondere das Kleid Mariens, die Windel des Jesuskindes, das Lei­ chentuch Johannes’ des Täufers und das Lendentuch, das Jesus am Kreuz trug, zu zeigen. Ihre turnusmäßig alle sieben Jahre stattfindende öffentliche Zei­ gung, zu der stets große Scharen von Pilgern nach Aachen kamen, hatte zuletzt

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1510 stattgefunden, doch für den Kaiser veranstaltete man nunmehr eine Son­ derpräsentation, wohl in dem Bemühen, die Aufmerksamkeit des Reichsober­ haupts auf die schon seit Jahrhunderten bestehende Aachener Heiltumsweisung zu lenken und sie gegenüber der erst vor kurzem mit durchschlagendem Erfolg begonnenen Wallfahrt zum Heiligen Rock nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Laut dem Bericht des kaiserlichen Hof kaplans Eberhard Senft an Kur­ fürst Friedrich von Sachsen wurde Maximilian von allen Mönchen und Pries­ tern der Stadt »mit einer schonen procession aus der herberg geholt […] und zwen prister haben St. Carels haupt getragen in der procession.« Nach dem fei­ erlichen Amt zeigte man ihm die vier genannten Hauptreliquien »ganz solemp­ niter ob den von der kirchen, nit anders, dann wy man solchs alle 7 jar weist,« anschließend überreichten ihm die Chorherren das rotseidene Tuch, »darin dy fier kosperlichen stuck gewickelt und gepunden sein gewest. Hat mir ir maies­ tet ein stük darvon geben. Solchs schick ich euer fürstlich gnaden hierinnen«50. Sicherlich war der sächsische Kurfürst über das wertvolle Geschenk erfreut, war er doch ständig auf der Suche nach Ergänzungen für seine umfangreiche Reliquiensammlung.

6. Schluss Im vorliegenden Beitrag wurde der Versuch unternommen, die Ereignisse um die Wiederauffindung und öffentliche Präsentation des Heiligen Rockes im Jahr 1512 in einem neuen Licht darzustellen. Dabei konnten mit Hilfe bislang weit­ gehend unbekannter Quellen nicht nur die Geschehensabläufe im einzelnen zu­ verlässig rekonstruiert, sondern auch die Zielsetzungen Kaiser Maximilians im Zusammenhang mit der Heilig-Rock-Erhebung plausibel gemacht werden. Den Hintergrund für diese Herangehensweise bildeten der Trierer Reichstag von 1512 und die editorische Beschäftigung mit seiner Quellenüberlieferung. Die neuen Erkenntnisse können als Beleg dafür gelten, welch fast unerschöpf liche Fundgrube die Reichstagsakten für die historische Forschung darstellen. Sie sind also keineswegs nur, wie man vielleicht meinen möchte, die zentrale Quelle zur spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Reichspolitik im engeren Sinne, son­ dern bieten auch für kirchen-, kultur- und rechtsgeschichtliche, biografische und sonstige Themenstellungen verschiedenster Teildisziplinen reiches An­ schauungsmaterial. Auf dieses bislang allenfalls punktuell ausgeschöpfte Infor­ mationspotential der Reichstagsakten möchte dieser Beitrag nachdrücklich auf­ merksam machen.

50 Schreiben vom 16. Juli 1512. HStA Weimar, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 84–85. Zur historischen Entwicklung und zum üblichen Ablauf der Aachener Heiltumsweisung vgl. Kühne, osten­ sio reliquiarum (wie Anm. 10), S. 153–184.

Bibliographische Übersicht: Deutsche Reichstagsakten,

Mittlere Reihe. Deutsche Reichstagsakten unter

Maximilian I. (1486–1519)

Band 1: Reichstag zu Frankfurt 1486. Bearbeitet von Heinz Angermeier unter Mitwir­ kung von Reinhard Seyboth, Göttingen 1989, 2 Teilbände, VI, 1088 S. Band 2: Reichstag zu Nürnberg 1487. Bearbeitet von Reinhard Seyboth, Göttingen 2001, 2 Teilbände, 1174 S. Band 3: Deutsche Reichstagsakten 1488–1490. Bearbeitet von Ernst Bock, Göttingen 1972, 2 Teilbände, 1469 S. Band 4: Reichsversammlungen 1491–1493. Bearbeitet von Reinhard Seyboth, Mün­ chen 2008, 2 Teilbände, 1402 S. Band 5: Reichstag von Worms 1495. Bearbeitet von Heinz Angermeier, Göttingen 1981, 2 Teilbände, X XVI, 1952 S. Band 6: Reichstage von Lindau, Worms und Freiburg 1496–1498. Bearbeitet von Heinz Gollwitzer, Göttingen 1979, 798 S. Band 7: Reichstage und Reichsversammlungen sowie Regimentsregierung 1499–1503. Bearbeitet von Peter Schmid (in Bearbeitung). Band 8: Der Reichstag zu Köln 1505. Bearbeitet von Dietmar Heil, München 2008, 2 Teilbände, 1557 S. Band 9: Der Reichstag zu Konstanz 1507. Bearbeitet von Dietmar Heil, München 2014, 2 Teilbände, 1504 S. Band 10: Der Reichstag zu Worms 1509. Bearbeitet von Dietmar Heil (in Bearbeitung, erscheint 2017). Band 11: Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512. Bearbeitet von Reinhard Seyboth (in Bearbeitung, erscheint 2016). Band 12: Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517. Bearbeitet von Reinhard Sey­ both (in Bearbeitung). Band 13: Der Reichstag zu Augsburg 1518. Bearbeitet von Dietmar Heil (in Bearbeitung).

Bildnachweis

Beitrag von Dietmar Heil (S. 19–43) Abb. 1: Nordrhein-Westfälisches Landesarchiv, Abt. Rheinland, Jülich-Berg I, Nr. 271, fol. 30. Abb. 2: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Maximiliana 40, Fasz. II/ 15, fol. 118.

Beitrag von Reinhard Seyboth (S. 87–108) Abb. 1: Landeshauptarchiv Schwerin, Reichstagsakten I (Schweriner Archiv) Nr. 24, fol. 3. Abb. 2: Bayerische Staatsbibliothek München, Res/2 J.publ.g. 98a Beibd. 3. Abb. 3: Hohe Domkirche Trier, Foto: Rita Heyen. Abb. 4: Institut für Stadtgeschichte Frank furt, Reichssachen II, Nr. 1968, unfol. Abb. 5: Johannes Scheckmann, Der Heilige Rock von Trier. »Ein wahrhafftiger Tractat« aus dem Jahre 1513 über die Auffindung und Ausstellung der »Tu­ nika Christi« samt einer Auf listung sämtlicher damals bekannter Reliquien im Trierer Dom. Faksimile-Nachdruck der Postinkunabel mit einer Über­ tragung in die Sprache unserer Zeit von Dr. Charlotte Houben und einem Nachwort von Dr. Michael Embach. Sonderausgabe zur Wallfahrt von 1996, Briedel 1996, S. 5. Abb. 6: Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Ma ximilian des Ersten. Von Ma x Treitzsaurwein auf dessen Angeben zusammengetragen, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten. Her­ ausgegeben aus dem Manuscripte der Kaiserl.-Königl. Hof bibliothek, Wien 1775, Nachdruck Weinheim 1985, Anhang S. 23, Abb. 197. Abb. 7: Michael Embach, Die Rolle Kaiser Ma ximilians I. (1459–1519) im Rahmen der Trierer Heilig-Rock-Ausstellung von 1512, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 21 (1995), S. 409–438, hier S. 434.

Abkürzungen

Abb. Abt. Anm. APW Art. AUR Bd. Bearb. Best. BSB Bü. Ebd. EGA fol. Hg./hg. HHStA HStA HZ IfStG KÄA Konv. LA LHA MIÖG NF pag. RTA RTA MR Sp. StA StadtA ZHF ZRG

Abbildung Abteilung Anmerkung Acta Pacis Westphalicae Artikel Allgemeine Urkundenreihe Band Bearbeiter Bestand Bayerische Staatsbibliothek Büschel Ebenda Ernestinisches Gesamtarchiv Folio Herausgeber/herausgegeben Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hauptstaatsarchiv Historische Zeitschrift Institut für Stadtgeschichte Kurbayern Äußeres Archiv Konvolut Landesarchiv Landeshauptarchiv Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Neue Folge Pagina Reichstagsakten Reichstagsakten. Mittlere Reihe Spalte Staatsarchiv Stadtarchiv Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift für Rechtsgeschichte

Autoren

Prof. Dr. J. Friedrich Battenberg, geb. 1946, Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt i. R. [email protected] Prof. Dr. Horst Carl, geb. 1959, Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen. [email protected] Dr. Dietmar Heil, geb. 1965, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. [email protected] Dr. Reinhard Seyboth, geb. 1953, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Histori­ schen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. [email protected] Prof. Dr. Dr.  h. c.  theol. Eike Wolgast, geb. 1936, emer. Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. [email protected]

Register

Aachen 50, 107 f.

Aberlin, Philipp 35

Andreas, Willy 15

Angermeier, Heinz 7 f., 15 f., 20

Ansbach 83

Aragon, König Ferdinand 98

Atri, Giacomo de 24

Augsburg 24, 79, 87

– RT (1500) 8, 23, 38, 65 f., 76

– RT (1510) 8, 54, 87

– RT (1511, geplant) 94 f. – RT (1518) 24, 28, 38

– RT (1530) 72

– RT (1566) 8, 19

Baron, Hans 15

Bartholini, Mariano de 23 f.

Bayern, Herzog Ludwig X. 84

– Herzog Wilhelm IV. 84, 94, 101

– König Maximilian II. 12 f., 15, 21

Bayern-Ingolstadt, Herzog Ludwig VII.

d. Bärtige 62

Bayern-Landshut, Herzog Georg d. Reiche

53–55, 83

Beccaria, Agostino Maria de 23

Berlin 13, 15, 24, 68

Bock, Ernst 15 f., 19, 35, 78

Böhel, Ludwig 100

Bonn 7

Brandenburg, Erich 15

Brandenburg-Ansbach, Markgraf

Friedrich II. 77, 83 f.

– Markgraf Kasimir 84

Breuning, Konrad 84

Cambrai, Liga von (1508) 93 f., 100

Campeggi, Lorenzo 96

Chur, Bischof Paul Ziegler 103

Colmar 66

Deutscher Orden, Hochmeister Friedrich

von Sachsen 28

Döring, Matthias 46

Eisenstadt 49

Elieser zum Wolf, Samuel 63

Enen, Johann 96

Erlangen 13 f.

Esslingen 76

Exler, Heinrich 24

Florenz 24, 60 f.

Frankfurt/Main 12, 51, 60, 64–67, 99,

101–103

– Reichsmünztag (1509) 23

– RT (1486) 8

– RT (1489) 19, 58, 63, 77

– RT (1501, geplant) 38

Frankreich, König Karl VIII. 23

– König Ludwig XII. 94

Freiburg, RT (1497/98) 20

Friedberg/Hess. 64

Friedrich II., Kaiser 52

Friedrich III., Kaiser 14, 46 f., 52 f., 62–64,

67, 69, 76–79, 83

Froissard, Pierre de 58

Frosch, Johann 60

Fuchs, Thomas 55

Geiger, Ludwig 49

Geldern, Herzog Karl 95, 104

Genf 14

Gessl, Johannes 47

Goetz, Walter 15

Gollwitzer, Heinz 16, 19

Gonzaga, Giovanni 24

Grüneisen, Henny 16

Grünewald, Matthias 103

Grünpeck, Joseph 48

Hanau-Münzenberg, Graf Reinhard V. 26

Heidelberg 15

Heimpel, Hermann 16

Helena, Hl. 96

Heller, Jakob 101 f.

Hessen, Landgraf Wilhelm II. 83

– Landgräfin Anna, geb. Herzogin von

Mecklenburg 83

Hubmaier, Balthasar 55, 68

Hupfuff, Matthias 89 f., 98

114

Register

Innsbruck 24, 28, 48, 55–57, 59, 84

Joachimsen, Paul 15

Juden 8, 12, 45–69

Jülich-Berg, Herzog Wilhelm IV. 94

Julius II., Papst 90, 93–98, 100 f.

Karl d. Große, Kaiser 107 f.

Karl IV., Kaiser 67

Karl V., Kaiser 7, 14, 46, 57, 63, 69, 73, 75, 77

Kleve, Herzog Johann III. 97

Kluckhohn, August 14

Klüpfel, Karl 77 f.

Koblenz 95 f.

Koch, Ernst August 11

Köln 30, 95, 107

– Anselm von 62

– RT (1499) s. Worms – RT (1505) 8, 21, 23 f., 28, 35, 74, 79

– RT (1512) s. Trier

Konstanz, RT (1507) 8, 24, 28, 39

Kühn, Johannes 15, 72

Landsberg, Martin 98

Lang, Matthäus 102

– Philipp 100

Leipzig 15, 98

Liechtenstein, Paul von 24

Lindau, RT (1496) 20, 65

Ludwig d. Bayer, Kaiser 65

Lübeck 23

Lüninck, Wilhelm von 29 f.

Luther, Martin 14, 103

Lutz, Heinrich 7, 16

Machiavelli, Niccolò 59, 61

Maier, Peter 96

Mailand 24

Mainz 88, 90

– Kardinal Albrecht von Brandenburg 103

– Kurfürst Berthold von Henneberg 65, 74,

77, 82, 85

– RT (1499) s. Worms – RT (1517) 38

Malatesta, Francesco 24

Mantua, Markgraf Francesco II. 23

Marburg 23, 28

Marchegg 49

Maximilian I., Kaiser 7 f., 12, 19, 23, 28–30,

33, 35, 39, 45–69, 73–75, 77, 79–88, 90–98,

100 f., 104–108

Maximilian II. Kaiser 19

Meck lenburg, Herzog Heinrich V. 23

Meinecke, Friedrich 15

Moraw, Peter 20, 71

Most-Kolbe, Ingeborg 16

Mühlhausen/Thür. 65

Müller, Karl Alexander von 15

München 7, 12 f., 15, 26, 84

Nassau-Wiesbaden, Graf Adolf III.

26

Nesselrode, Wilhelm von 97

Nesson, Jamet de 24

Noltz, Reinhard 97 f., 100

Nürnberg 62 f., 65, 76, 87

– Reichsregimentstag (1501) 23, 38

– RT (1487) 8, 76–78 – RT (1491) 64 f., 87

Österreich, Erzherzogin Margarethe

104

– Haus/Habsburger 53 f., 56 f., 61, 63, 67,

69, 95, 100

– Herzog Leopold III., Hl. 104, 107

Pertz, Georg Heinrich 13

Peschiera, Giovanni Francesco 23

Pfeffer, Georg 65

Pfefferkorn, Johannes 59

Pf lug, Cäsar 101

Piacenza, Bartholomeo da 24

Pisa, Konzil (1511) 94

Plieningen, Dietrich von 98, 101

Plock, Hans 103

Querini, Vincenzo 23

Quidde, Ludwig 13–16

Ranke, Leopold von 12 f.

Ravenna, Schlacht (1512) 98

Rechberg, Johannes 103

Regensburg 51, 53–57, 61, 64–66, 68

– RT (1556/57) 43

Rehlinger, Johann 67

Reuchlin, Johannes 50 f., 59, 68

Ritter, Moriz 15, 29

Rohr, Julius Bernhard von 60

Rom 64, 92 f., 101

Rosheim, Josel von 47 f.

Rudolf II., Kaiser 73

Ruprecht von der Pfalz, König 14, 61

Register Sachsen, Herzog Georg d. Bärtige 98,

101

– Herzog Johann d. Beständige 98, 104

– Kurfürst Friedrich III. d. Weise 23, 87,

98, 104, 108

Saxoferrato, Bartolus de 59

Scheckmann, Johann 102

Schmauß, Johann Jakob 11

Schöffer, Johann 88, 90

Schubert, Friedrich Hermann 15

Schwäbischer Bund 8, 21, 75–82, 84–86

Seckingen, Hans von 58

Senft, Eberhard 108

Serntein, Zyprian von 29, 95, 102

Sforza, Kaiserin Bianca Maria 98

Sigismund, Kaiser 14, 62, 69

Speyer, RT (1529) 15, 72

Spiegel, Jakob 93

Steglich, Wolfgang 72

Stern, Selma 47, 49

Sternberg 68

Stetten, Hans von 54

Stra lenberg, Ja kob 101

Straßburg 13, 58, 89 f., 98

Stuttgart 24

Sybel, Heinrich von 12 f.

Tirol, Erzherzog Sigmund 83

Tocco, Ferdinand 24

Trient 60 f., 69

– Simon von 60 f.

Trier 7, 88, 90 f., 95–104, 107

– Erzbischof Richard von Greiffenk lau 96,

101

– St. Marien 103

– St. Matthias 96

– St. Maximin 96 f. – St. Paulin 97

– St. Simeon 97

Trier/Köln, RT (1512) 8, 66, 74, 77, 87–90,

95–98, 100 f., 104 f., 107 f.

Tübingen 13, 84

Türken 64, 91 f.

Überlingen 93

– RT (1499) s. Worms

Ulm 79

Vaut, Konrad 84

Venedig 23, 54, 67, 92–94, 98, 100

Villinger, Jakob 95

Visconti, Galeazzo 24

Völkermarkt, Levi von 62

Waldeck-Eisenberg, Graf Philipp II. 97

Waldersheim, Mendel von 65

Weigel, Helmut 14

Weinsberg, Konrad von 62

Weißenbach, Wolf von 104

Weizsäcker, Julius 13 f.

Wenzel, König 13 f.

Werthern, Dietrich von 28

Wetzla r 46

Wien 16

Wiesf lecker, Hermann 49, 52

Wimpfeling, Jakob 93

Wittenberg 103

Wolf, Philipp 100

Worms 26, 35, 56 f., 63, 65 f., 97 f., 100 f.

– RT (1495) 15, 20, 65, 69, 76 f.

– RT (1497) 20

– RT (1499) 38

– RT (1509) 23 f., 26–29, 33, 35

– RT (1521) 63, 77

– Samuel/Schmuel von 62

Wrede, Adolf 14 f.

Württemberg, Herzog Eberhard II. 83

– Herzog Ulrich 84

– Herzogin Sabine 84

Würzburg 95

Zoch, Lorenz 101

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