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German Pages 108 [150] Year 1911
Mederdeutschland. Ein Anhang für die Mittel stufe des deutschen Lesebuches von
Karl Hessel, bearbeitet von Gustav Weihrauch.
(Siebente, sechste und fünfte Klasse höherer Mädchenschulen.)
Bonn 1910.
21. Marcus und E. Webers Verlag.
Vorwort. In dem deutschen Lesebuch für höhere Mädchenschulen von Karl Hessel ist, soweit es der Raum gestattet, jede deutsche Landschaft vertreten, nach der Eigenart ihrer Boden gestaltung, nach Volkstum und Mundart, Geschichte und Sage. Allein weil eben alle Landschaften bedacht werden mußten, so kam notwendig jede einzelne zu kurz. Und doch wird es immer klarer, wie notwendig es ist, irrt Unter richt möglichst an die Umgebung des Kindes anzuknüpfen, also die Heimatkunde stärker zu betonen. Diese Forderung ist neben der, die schöpferischen Kräfte des Kindes in ganz anderm Maße als bisher für die Erziehung auszunutzen, wohl unter allen pädagogischen Forderungen die am all gemeinsten anerkannte. Darum haben wir uns entschlossen, besondere An hänge für die einzelnen deutschen Landschaften herauszu geben, die für die Mittelstufe bestimmt sind, und zwar so, daß sie durch mehrere Jahrgänge hindurch zu gebrauchen sind, jenachdem die Bedürfnisse des Unterrichts es ver langen. Die Unterstufe behandelt das Leben des Kindes besser vhne zu große Rücksichtnahme auf das Heimatkund liche, für die Oberstufe schienen uns die in den Teilen 6 bis 8 dargebotenen Stoffe auszureichen. Der vorliegende Anhang ist für Schleswig-Holstein, Nord-Hannover, Mecklenburg und Hamburg gedacht. Er enthält Sagen, Darstellungen aus der Geschichte und Schil derungen von Land und Leuten, in Prosa und gebundener Rede. Die heimatliche Mundart durfte natürlich nicht zu kurz kommen. Da das Lesebuch int Dienste des deutschen
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Borwort.
Unterrichts steht, so ist für die Aufnahme die Form maß gebend gewesen. Es sind also solche Stücke gewählt, bei denen die Abrundung schon durch den Verfasser gegeben war und nicht erst künstlich geschaffen werden mußte. Aus demselben Grunde brauchte auch nicht nach Vollständigkeit und Lückenlosigkeit gestrebt werden, wenn auch mit das Ziel war, den heimatkundlichen Unterricht zu unter stützen. Und diese Aufgabe werden Lesebuch und Anhang zusammen gut erfüllen können. Denn da eine ganze Zahl
von Dichtern und Schriftstellern aus dem Gebiete, woraus der Anhang seinen Stoff nimmt, wegen ihrer Stellung in der deutschen Literatur auch in den Hauptteilen ver treten sein müssen, so werden durch das Gesamtwerk die verschiedensten Teile Niedersachsens geschildert, die wich tigsten Seiten seiner Kultur beleuchtet. Zu besonderem Danke sino wir verpflichtet für freund lichen Rat und Hilfe ven Herren Direktor Professor Dr. Rauten berg in Hamburg und Oberschulrat Ebe ling in Schwerin.
Koblenz und Hamburg, September 1910.
Karl Hessel. Gustav Weihrauch.
Hermann Allmers. 1. Marsch und Geest. Schon auf den ersten Blick tritt die unendliche Eigen tümlichkeit der Marschländer und ihre Verschiedenheit von der benachbarten Geest aufs stärkste hervor. Die Geest ist hoch, wellenförmig und hügelig; die Marsch bildet eine fast mit dem Meeresspiegel gleichliegende, vollkommen ebene Fläche. Auf der Geest zeigen sich Wälder und Heiden; sie ist von Quellen und Bächen durchrieselt, mit Geröll und zum Teil mächtigen Steinblöcken bedeckt. Sie besteht aus leichtem Sandboden und ist nur in der Nähe der Dörfer, welche oft mehrer« Stunden Weges auseinander liegen, bebaut. Alles das ist anders in der Marsch. Diese hat keine Quellen, keine Wälder, keine Heiden, keine Sand flächen; man findet sogar nicht einen einzigen Stein in ihr, es sei denn, daß er durch Menschen hergeführt wäre. Die Marsch ist eine einzige weite, grüne, fruchtbare und fast baumlose Ebene. Wild wenigstens wächst nicht ein einziger Baum, nur in den Dörfern, an den Gehöften und Wegen hat man sie gepflanzt. Aber kein Fleck ist da, der unbenutzt geblieben wäre. Weide reiht sich an Weide, Acker an Acker, schnurgerade Wege, Kanäle und Gräben durch schneiden nach allen Richtungen das mit zahlreichen Dörfern und stattlichen Einzelgehöften besetzte Land, und endlich, was dre Haupteigentümlichkeit der Marschen ausmacht, ein hoher, starker Deich, der sie in ihrer ganzen Ausdehnung umzieht, und hinter welchem dieselben liegen, wie hinter einem Festungswall, schützt sie vor den Fluten. Ebenso tritt der starke Kontrast mit der Geest in den Bewohnern hervor. Hessel, Lesebuch.
Anhang: Niederdeutschland.
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AllmerS.
2. Sturmflut. Um ganz die hohe Wichtigkeit und Bedeutung der Deiche zu begreifen, muß man einmal eine gewaltige Sturmflut mit angesehen haben; denn wer ein solches Er eignis nie erlebte, wird sich schwerlich von der Größe und Schrecklichkeit desselben eine Vorstellung machen können. Die rechte Zeit der Sturmfluten ist vom Oktober bis zum April. Wenn eine Zeitlang ein anhaltender Westwind weht, der große Wassermassen in den Kanal trieb, und diese nun, sich nach Nordosten oder Norden umsetzend, gegen die Küsten und weit in die Flüsse hinaufpeitscht, wodurch die Ebbe sehr aufgehalten oder fast ganz gehemmt wird, wenn sich dazu noch eine Springflut gesellt, dann steigen die wilden Wasser oft zu einer Höhe und Furchtbarkeit, die einem das Herz erbeben machen. Aber ruhig erwartet sie der Marschbewohner; weiß er doch, daß seine Deiche hoch und stark genug sind, ihm sichern Schutz zu gewähren. Höchstens mag ihm ein trüber Gedanke an die Mühen und Kosten der Deicharbeit kom men, die wenige Stunden herbeiführen können. So steht er, unbekümmert um den heulenden Sturm, auf der Kappe des Deichs und schaut in ernstem Sinnen auf die wallen den Fluten, von denen er genau weiß, wann sie den Deich heranströmen werden. Noch ist das Vorland trocken, noch sind die Fluten in ihrem Bette, doch man sieht schon, wie sie toben, wie sie sich bäumen und die weißen Zähne zeigen, als harrten sie voll Ungeduld der Stunde, da eine höhere Macht ihnen das Zeichen zum Angriffe gibt. Jetzt nahen sie. Lauter uud lauter wird das Brausen und Donnern. Sie erreichen das Vorland; in kurzer Zeit ist es bedeckt und beut nun, soweit das Auge reicht, nur eine einzige wilde Wasser wüste, deren Schaumkämme blendend weiß gegen das trübe Grau der Wogen abstechen. Kein Schiss ist weit und breit zu erspähen, alle sind sie vor dem Sturme in sichere Buch-
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ten geflüchtet, und nur hier und dort kündet ein einsamer Weidenbaum, der mit seinem nickenden, wild zerzausten Haupte aus den Fluten ragt, daß da unter den wilden Wogen grünes fruchtbares Land liegt. Und noch immer höher schwillt das Gewässer; jetzt ist auch die Bärme, der Fuß des Deiches, beflutet, endlich der Deich selbst, und es beginnt durch den Widerstand desselben eine furchtbare Brandung, ein wahrhaft majestätisches Schauspiel. Mit zerstörender Gewalt schnaubt Woge auf Woge an ihm hin auf ; kaum wird die erste zurückgewiesen von seiner Schrägung, als schon die nächste mit erneuter Wut heran rollt. Dazu steigt die Flut noch mit jedem Augenblicke; hochauf bäumen sich die wilden Wasser und schauen gierig über den Deich ins gesegnete Land, weit hinein ihren stäubenden Schaum schleudernd, als ob sie der Anblick ihres alten Eigentums mit doppelter Wut erfüllte. Dazu der heulende Sturm, der des Himmels dunkle Regenwolken in rasender Eile vor sich hinjagt; Scharen segelnder Möven, die umsonst mit dem Winde kämpfen, bis sie ermattet sich auf die geschützten Wiesen und Äcker flüchten, und endlich hie und da ein Marschbewohner, der trotz Sturmgewalt und Wogendrang sich mühsam längs des Deichs durch den spritzenden Schaum hinarbeitet, um zu erspähen, ob ihm nicht die Fluten einen Balken oder einige Bretter oder sonst eine Beute zutreiben: all dies vereint, gibt ein Bild von wilder Großartigkeit. Doch der Marschbewohner blickt noch immer kalt und ruhig in den Aufruhr. Hat nur der Deich hinreichende Höhe und Schrägung, so wird er nicht vor einer Flut weichen, ob auch ihre Wogen noch so mächtige Stücke her ausreißen und noch so tiefe Höhlungen in seinen Leib wühlen. Doch wehe ihm! wenn das Wasser so hoch steigt, daß es mit dem Gipfel des Deichs gleich wird. Vom unab lässigen Bespülen ist dann bald die festgetretene Kappe er weicht, und das Schicksal der Menschen hängt oft nur noch an einem Haar. Die geringste Lockerheit des Erdreichs,
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ein einziges Mauseloch oder ein Maulwurfsgang kann jetzt Ursache des größten Unglücks werden. Durch die kleinste Rinne dringt sofort das Wasser, spült sie schnell weiter und im Nu reißt ein Stück der Kappe fort. Ist aber das ge schehen, so ist auch ein Deichbruch unvermeidlich; denn mit furchtbarer Gewalt dringt jetzt die hochaufgestaute Flut durch die entstandene Öffnung, die mit jeder Minute breiter und breiter wird. Da endlich bricht auch das letzte noch feste Erdreich fort, und durch nichts mehr gehemmt, schießt donnernd und brausend der rasende Strom durch die weite Gasse dahin, tief den Grund aufwühlend, alles, was er auf seinem Wege findet, mit sich fortspülend, Häuser im Nu zertrümmernd, Bäume ausreißend, Menschen und Tiere in seinen Fluten begrabend und bald die weite ruhige Marschfläche in eine wilde graue Wasserfläche verwandelnd. Sowie sich daher eine Kappstürzung zeigen will, wird in höchster Hast das mögliche aufgeboten, um dieselbe zu verhindern. Sandsäcke, Mist, Stroh, Balken, Bretter, alles, was nur irgend dienlich sein kann, wird zur Verstärkung auf die bedrohte Stelle gebracht. Ebenso eilt man auch nach einem wirklichen Deichbruche, sowie nur die Ebbe es zuläßt, die entstandene Lücke für die nächste Flut so gut wie möglich zu verstopfen. Eiligst und mit großer Strenge werden selbst die umliegenden Ortschaften dazu aufgeboten, um schnell aus allem möglichen Material eine hohe mächtige Barrikade aufzuwerfen. Man arbeitet mit kaum glaub licher Anstrengung, und doch spült vielleicht schon wenige Stunden darauf die Flut das ganze mühevolle Werk wie der fort, und alles war umsonst.
Elise Averdieck. 3. Das Ende des großen Hamburger Brandes 1842. Auf der Straße war es gräßlich, der Himmel blut rot nach allen Seiten hin, von lichteren Wolken durch-
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Averdieck.
ein einziges Mauseloch oder ein Maulwurfsgang kann jetzt Ursache des größten Unglücks werden. Durch die kleinste Rinne dringt sofort das Wasser, spült sie schnell weiter und im Nu reißt ein Stück der Kappe fort. Ist aber das ge schehen, so ist auch ein Deichbruch unvermeidlich; denn mit furchtbarer Gewalt dringt jetzt die hochaufgestaute Flut durch die entstandene Öffnung, die mit jeder Minute breiter und breiter wird. Da endlich bricht auch das letzte noch feste Erdreich fort, und durch nichts mehr gehemmt, schießt donnernd und brausend der rasende Strom durch die weite Gasse dahin, tief den Grund aufwühlend, alles, was er auf seinem Wege findet, mit sich fortspülend, Häuser im Nu zertrümmernd, Bäume ausreißend, Menschen und Tiere in seinen Fluten begrabend und bald die weite ruhige Marschfläche in eine wilde graue Wasserfläche verwandelnd. Sowie sich daher eine Kappstürzung zeigen will, wird in höchster Hast das mögliche aufgeboten, um dieselbe zu verhindern. Sandsäcke, Mist, Stroh, Balken, Bretter, alles, was nur irgend dienlich sein kann, wird zur Verstärkung auf die bedrohte Stelle gebracht. Ebenso eilt man auch nach einem wirklichen Deichbruche, sowie nur die Ebbe es zuläßt, die entstandene Lücke für die nächste Flut so gut wie möglich zu verstopfen. Eiligst und mit großer Strenge werden selbst die umliegenden Ortschaften dazu aufgeboten, um schnell aus allem möglichen Material eine hohe mächtige Barrikade aufzuwerfen. Man arbeitet mit kaum glaub licher Anstrengung, und doch spült vielleicht schon wenige Stunden darauf die Flut das ganze mühevolle Werk wie der fort, und alles war umsonst.
Elise Averdieck. 3. Das Ende des großen Hamburger Brandes 1842. Auf der Straße war es gräßlich, der Himmel blut rot nach allen Seiten hin, von lichteren Wolken durch-
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flogen, die der Sturm in entsetzlicher Eile vorüberpeitschte. Sonst war's finster, nicht Mond noch Sterne zu sehen, das Volk in fürchterlicher Aufregung, jeden Menschen für einen Mordbrenner haltend. Man sagte, es seien manche mit Pechkränzen in den Händen eingefangen. Doch ist eigentlich nichts davon gründlich bewiesen. Alle Augen blicke erscholl der gräßliche Ruf: „Da is wedder een!" und dann ging's mit Knütteln und Hallo, ja mit Ge wehren und blanken Säbeln hinter irgend einem her, der, er mochte schuldig oder unschuldig sein, durchaus nur der Dunkelheit oder seiner eignen Schnelligkeit die Rettung seines Lebens verdankte. Denn wurde er ergriffen, so wurde er auch ungehört niedergeschlagen. Das schrille Pfeifen der in Tätigkeit getretenen Eisen bahn, auf der zur Einweihung die Bergedorfer Spritzen hergeholt und nun die Menschen und Sachen fortgebracht wurden — vermehrte die Schrecken der Nacht. Dieser fremd artige Ton, den man bisher noch nicht gehört hatte, wurde von dem großen Haufen für ein Zeichen gehalten, mit dem sich die Bande, von der sie Hamburg angefüllt und um geben glaubten, einander Kundschaft von ihrem Aufent halt und ihren Taten gäbe; und jeder Pfiff durchschauerte Tausende. Gegen neun Uhr beredeten wir von der Meden, sich ein bißchen niederzulegen. Doch kaum hatte er eine Stunde geruht, da kam ein Gardist und berichtete, es sei ein verdächtiger Mensch eingefangen, der sich auf Herrn von der Meden Berufe. Er gebe vor, Michers zu heißen. Dieser Mensch, früher von der Medens Waschmann, hatte tags zuvor sein Eigentum im Stich gelassen, um von der Meden beizustehen, hatte vom Morgen bis zur Nacht für ihn gearbeitet und war nun in den Verdacht des Stehlens und Mordbrennens gekommen. Von der Meden war außer sich; wie der Blitz war er ins Zeug und kam nach einer Stunde mit seinem treuen Michers zurück. Dieser erzählte, daß die Wachtstuben die Eingebrachten kaum zu fassen ver möchten. Bei- und übereinander lägen sie zum Teil fest
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geknebelt, ohne daß ein bestimmtes Tun gegen sie zeuge. Es sei furchtbar. Wichers begab sich endlich zur Ruhe, Mutter und Klara auf vieles Zureden auch; von der Meden war zu erregt, um schlafen zu können. Wir beide blieben int Wohnzimmer. Meine Augen sowie meine Gedanken wollten zum Lesen nicht dienen. Das Geschrei der Ver folger, die Flammenglut war noch immer int Zunehmen. Um zwölf kam Klara noch einmal wieder herunter. Wir standen schon am Fenster und sahen, was sie uns zeigen wollte. Die Gertrudenkirche brannte, und die Flammen stürmten mit unbeschreiblicher Wut himmelan, und nach kurzer Zeit stürzte das Gebäude mit bis dahin nicht gehörtem Krachen in sich zusammen. In unserer Straße (Linden straße) patrouillierten vier gute Freunde zu unserm Schutz auf und ab. Sie waren bewaffnet und ließen niemand durch, der nicht seinen Namen und den Zweck seines Gehens nannte. Die Nacht war schaurig, der Sturm heulte, die Flammen rasten und erhöhten das Gräßliche der sternen losen Dunkelheit. Der Regen, den wir seit sechs Wochen sehnsüchtig erwartet hatten, weil alles ausgedörrt war, fing jetzt an zu strömen; freilich nicht genug, um das Feuer zu löschen, aber doch genug, um durch Naßhalten der Häuser und zahllosen brennbaren Gegenstände, die Wiesen und Straßen bedeckten, den Flammen hindernd in den Weg zu treten. Um zwei Uhr labte ich unsere treue Patrouille mit heißem Kaffee, der ihnen sehr wohl tat. Um drei Uhr berichtete ein Vorübergehender, das letzte Haus am Holz damm *) stehe noch unbeschädigt. (Und das war von der Medens.) Mein Schwager eilte zur Stadt, aber nur, um es in Brand geraten und niederbrennen zu sehen! Keine Spritze legte mehr Hand an. Der Tag dämmerte, aber noch immer keine Hoffnung. Die andern überredeten mich, mich niederzulegen. Es war ♦) Holzdamm, jetziger Alsterdamm.
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vier Uhr. Ich tat's, obgleich ich dachte, daß es mir nicht gut tun würde. Die Erschlaffung drückte mir allerdings die Augen zu; aber nachdem ich drei Viertelstunden fürch terlich geträumt hatte, erwachte ich mit den heftigsten Kopf schmerzen, zugeschwollenen Augen, steifen Gliedern und solch Rieseln im Blut, daß ich mich vor Schmerz, Angst und Unruhe nicht zu lassen wußte. Ich kapitulierte flehend mit meinem Herrn und Gott, weil ich durchaus Kraft und Frische nicht entbehren konnte, und er ließ sich gnädig finden. Während ich mich wusch und ankleidete, ward mir von Minute zu Minute wohler, so daß ich, freilich mit einem Kamillentuch vor den Augen, um sechs Uhr frisch wieder fort konnte. Von den Schwestern holte ich mehrere Kessel Kaffee und ging damit in Amalie Sievekings Stift. Hier hatten drinnen und draußen mehr denn hundert Per sonen Schutz und Obdach gefunden. Man fand hier im kleinen ein Bild des Ganzen. Die einen jammernd, die andern gleichgültig. Welche getrost und helfend, welche fluchend und verwünschend. Hier aufopfernde Liebe, dort Lieblosigkeit und Haß und Neid. Zwischen allen eine große Kinderschar, sorglos und fröhlich, sich freuend an dem Neuen und an den Ferien. Als ich vom Stift zurückkam, begegnete mir ein Spritzenmann. Mit fröhlichem Gesicht streckte er mir die Hand entgegen mit einem „Dat Für is ut. . ." — Ich wollt's nicht glauben. Er sagte, daß cs vollends bis zur Alster durchgebrannt sei und nun alle Gefahr vorüber. Wir freuten uns mit Zittern. Von Stunde zu Stunde be stätigte sich die Freudenbotschaft mehr und mehr. Jubel erfüllte ein paar Stunden lang alle Gemüter. Dann aber machte dieser dem tiefsten Schmerze Platz; denn nun das Blut ruhig geworden war, übersah und überdachte man erst, wie ungeheuer das vorhandene Elend sei, wie groß und unersetzlich der Verlust. Alles eilte zur Stadt, um sich selbst zu überzeugen.
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Bätzler.
Ferdinand Bäßler. 4. Hermann Billing. Es war um das Jahr 940 n. Chr., da hütete nicht weit von Hermannsburg in der Lüneburger Heide ein drei zehn- bis verzehnjähriger Knabe die Rinderherde seines Vaters, als plötzlich ein prächtiger Zug von gewappneten Reitern dahergesprengt kam. Der Knabe sieht mit Lust die blinkenden Helme und Harnische, die glänzenden Speere und die hohen Reitersleute an und denkt wohl in seinem Herzen: „Wie prächtig sieht das aus!" Aber plötzlich biegen die Reiter von der sich krümmenden Straße ab und kommen querfeldein auf die Stelle zugeritten, wo er hütet. Das ist ihm zu arg; denn das Feld ist keine Straße, und das Feld gehört seinem Vater. Er besinnt sich kurz, geht den Reitern entgegen, stellt sich ihnen in den Weg und ruft ihnen mit dreister Stimme zu: „Kehrt um, die Straße ist euer, das Feld ist mein!" Ein hoher Mann, auf dessen Stirn ein majestätischer Ernst thront, reitet an der Spitze des Zuges und sieht ganz verwundert den Knaben an, der es wagt, sich ihm in den Weg zu stellen. Er hält sein Roß an und hat seine Freude an dem mutigen Jungen, der so kühn und furcht los seinen Blick erwidert und nicht vom Platze weicht. „Wer bist du, Knabe?" „Ich bin Hermann Billings ältester Sohn und heiße auch Hermann, und dies ist meines Vaters Feld; ihr dürft nicht hinüberreiten." — „Ich will's aber," erwiderte der Ritter mit drohendem Ernste, „weiche, oder ich stoße dich nieder!" Dabei erhob er den Speer. Der Knabe aber bleibt furchtlos stehen, sieht mit blitzen den Augen zu dem Ritter hinauf und spricht: „Recht muß Recht bleiben, und ihr dürft nicht über das Feld reiten, ihr reitet denn über mich weg." — „Was weißt du von Recht, Knabe?" — „Mein Vater ist der Billing," antwortete der Knabe, „vor einem Billing darf niemand das Recht verletzen."
Bäßler.
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Da ruft der Ritter noch drohender: „Ist das denn Recht, Knabe, deinem König den Gehorsam zu versagen? Ich bin Otto, dein König." — „Ihr wäret Otto, unser König, von dem mein Vater uns so viel erzählt? Nein, Ihr seid es nicht. König Otto schützt das Recht, und Ihr brecht das Recht; das tut König Otto nicht, sagt mein Vater." — „Führe mich zu deinem Vater, braver Knabe!" antwortete der König, und eine ungewöhnliche Milde und Freundlichkeit erglänzten aus seinem Angesicht. „Dort ist meines Vaters Hof, Ihr könnt ihn sehen," sagte Hermann, „aber die Rinder hier hat mir mein Vater anvertraut, ich darf sie nicht verlassen, kann Euch also auch nicht führen. Seid Ihr aber Otto, der König, so lenket ab vom Felde auf die Straße; denn der König schützt das Recht." Und der König Otto der Große ge horchte der Stimme des Knaben und lenkte sein Roß zurück auf die Straße. Bald wird Hermann vom Felde geholt. Der König ist bei seinem Vater eingekehrt und hat ihm gesagt: „Billing, gib mir deinen ältesten Sohn mit! Ich will ihn bei Hofe erziehen lassen; er wird ein treuer Mann werden, und ich brauche treue Männer." Und welcher gute Sachse konnte einem König wie Otto etwas abschlagen? So sollte denn der mutige Knabe mit seinem Könige ziehen, und als Otto ihn fragte: „Hermann, willst du mit mir ziehen?" da antwortete der Knabe freudig: „Ich will mit dir ziehen. Du bist der König; denn du schützest das Recht." Otto übergab den jungen Billing guten Lehrmeistern, in deren Pflege und Leitung er zu einem tugendlichen und tüchtigen Manne erwuchs. Der König hielt ihn wie einen seiner nächsten Freunde und vertraute dermaßen der Klug heit, Tapferkeit und Treue seines Pfleglings, daß er, als er seine Römersahrt antrat, ihm das eigene angestauunte Herzogtum Sachsen zur Verwaltung übergab. Dieser Her mann Billing ist der Ahnherr eines blühenden Geschlechtes
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Bäßler.
Beneke.
geworden, welches bis zum Jahre 1106 dem Sachsenlande seine Herzöge gab.
Otto Beneke. 5. Die verwünschte Lindebei Harvestehude. (Uml350.) Links an der Chaussee vom Rothenbaum nach Eppen dorf, wo jetzt viele neue Straßen angelegt sind und bereits manche schöne Häuser und Lustgärten prangen, da war noch am Anfänge des 19. Jahrhunderts nichts als eine zum St. Johannis-Klostergut gehörige große Vieh weide. Auf derselben stand ein kleiner kugelrunder Lin denbaum, der seit 500 Jahren nicht größer geworden, son dern an Dicke des Stammes, der Äste und der Krone grade so geblieben ist, wie er damals war, nur daß man der Rinde das hohe Alter des Baumes wohl ansehen konnte. Der Baum aber war verwünscht, und zwar der Sage nach bei folgender Gelegenheit: Im Kloster Frauental zu Harvestehude hatte ein junges schönes Mädchen aus angesehener Familie zu Hamburg aus Liebesgram den Schleier genommen. Sie hatte sich verlobt mit einem jungen Edelknappen der Umgegend, der war zu Heerfahrten in die Welt gezogen, um sich zu ver suchen, die güldenen Sporen zu verdienen, mit Ehre und guter Beute dann zurückzukehren und sie auf seine väter liche Burg heimzuführen als sein ehelich Gemahl. Die Zeit aber war längst umgewesen und der Geliebte nicht wiedergekommen. Darum wollte sie ihr Vater des Ver sprechens ledig achten und sie zwingen, einen andern Mann zu heiraten. Und da sie den nicht leiden konnte, auch noch immer in treuer Liebe ihrem fernen, vielleicht längst verstorbenen Geliebten anhing, so wußte sie sich nicht anders zu helfen, als daß sie ins Kloster ging. Einige Zeit danach aber kehrte der junge Ritter heim, und da er erfuhr, was geschehen, faßte er den Plan, seine vormalige Braut, es koste was es wolle, aus dem Kloster
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Bäßler.
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geworden, welches bis zum Jahre 1106 dem Sachsenlande seine Herzöge gab.
Otto Beneke. 5. Die verwünschte Lindebei Harvestehude. (Uml350.) Links an der Chaussee vom Rothenbaum nach Eppen dorf, wo jetzt viele neue Straßen angelegt sind und bereits manche schöne Häuser und Lustgärten prangen, da war noch am Anfänge des 19. Jahrhunderts nichts als eine zum St. Johannis-Klostergut gehörige große Vieh weide. Auf derselben stand ein kleiner kugelrunder Lin denbaum, der seit 500 Jahren nicht größer geworden, son dern an Dicke des Stammes, der Äste und der Krone grade so geblieben ist, wie er damals war, nur daß man der Rinde das hohe Alter des Baumes wohl ansehen konnte. Der Baum aber war verwünscht, und zwar der Sage nach bei folgender Gelegenheit: Im Kloster Frauental zu Harvestehude hatte ein junges schönes Mädchen aus angesehener Familie zu Hamburg aus Liebesgram den Schleier genommen. Sie hatte sich verlobt mit einem jungen Edelknappen der Umgegend, der war zu Heerfahrten in die Welt gezogen, um sich zu ver suchen, die güldenen Sporen zu verdienen, mit Ehre und guter Beute dann zurückzukehren und sie auf seine väter liche Burg heimzuführen als sein ehelich Gemahl. Die Zeit aber war längst umgewesen und der Geliebte nicht wiedergekommen. Darum wollte sie ihr Vater des Ver sprechens ledig achten und sie zwingen, einen andern Mann zu heiraten. Und da sie den nicht leiden konnte, auch noch immer in treuer Liebe ihrem fernen, vielleicht längst verstorbenen Geliebten anhing, so wußte sie sich nicht anders zu helfen, als daß sie ins Kloster ging. Einige Zeit danach aber kehrte der junge Ritter heim, und da er erfuhr, was geschehen, faßte er den Plan, seine vormalige Braut, es koste was es wolle, aus dem Kloster
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zu entführen und in ferne Lande mit ihr zu flüchten. Er wußte es auch anzustellen, daß sie Kundschaft von ihm empfing, und daß er sie einige Male in stiller Nachtzeit im Klostergarten sprach. Da ist er allemal durch die Alster geschwommen, über die Mauer geklettert und hat unter den großen Eichen, die noch bei Harvestehude stehen, sie erwartet. So sehr nun auch der Ritter bat, und so tief die arme Nonne ihr Verhängnis beklagte, so blieb sie doch ihrem Gelübde treu und verwarf festiglich sein Vorhaben, sie zu entführen. Und zuletzt sagte sie ihm feierlich für dieses Leben Valet, da sie gewillt, ihn fürder nicht wieder zu sehen; und vermahnte und tröstete ihn auf den Him mel. Nach diesem schmerzlichen Abschiede ist der Ritter sogleich aus dem Lande gezogen und geistlicher Ordens ritter geworden, hierorts aber gänzlich verschollen. Die grünen Eichen jedoch im Klostergarten haben dazu mal bei den nächtlichen Unterredungen einen Verräter ver borgen gehalten, und wider die arme Nonne ist beim geist lichen Gericht eine schwere Anklage wegen unerlaubten Liebeshandels und gebrochenen Gelübdes erhoben. Und da sie nun nicht leugnen konnte, ihren ehemaligen Verlobten zu mehreren Malen dort heimlich gesprochen zu haben, sonst aber, da der Ritter fern war, keinen Beweis ihrer Unschuld bringen konnte, so hielt man die schlimme Anschuldigung für erwiesen und verurteilte sie zum Tode und zum Begräbnis auf freiem Felde in ungeweihter Erde. Und ehe sie gerichtet wurde, hat sie's erbeten, daß ihr Leib auf dem Klosterfelde, in dem Hügel, darauf ein junger Lindenbaum, begraben werde, und hat gesagt: „Ich verwünsche den Lindenbaum, daß er niemals größer werde, als er jetzt ist, und das soll als ein Zeugnis gelten für meine Unschuld, denn so gewißlich er hinfort nicht mehr höher wachsen wird, so gewißlich sterbe ich, wie ich gelebt, als eine reine unschuldige Braut Christi." Und deshalb hat die neue Straße, welche diese denk würdige Stätte am nächsten berührt, den bedeutsamen
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Beneke.
schönen Namen „Jnnocentiastraße" erhalten. Der Baum selbst, der nun innerhalb eines großen Gartens zu liegen kam, hat wohl dessen modernen Anlagen weichen müssen.
6. Dat lütte Rümeten. 1429. Unter den vielen guten holsteinischen Fürsten aus dem Hause Schauenburg ist auch der Graf Otto zu nennen, welcher um 1429 zu Pinneberg auf seinem Schloß residierte und seine Herrschaft wohl regierte. Er war ein freundlicher Nachbar unserer Stadt und lebte mit mehreren Herren des Rats in guter Gevatterschaft; kam auch zum öfteren, wenn er etwa auf seiner Vogtei zu Ottenhusen oder Ottensen (von seinem Großvater Otto also genannt) gewesen war, nach Hamburg herein geritten, allwo er im Ratskeller einen weiblichen Trunk liebte und gemeiniglich von etlichen Rats herren daselbst bewirtet wurde. Von ihm wird nun folgen des erzählt: Als er einstmals also da sitzet und zecht mit den Hoch- und Wohlweisen und ist guter Dinge (und die Wohl weisen trachten, wie sie ihre noch fröhlicher machen und lassen ihm vom Mutterfäßchen den besten Firnewein zapfen), da ereignet es sich, daß unvermutet schnell die Zeit verstrichen und die Stunde, da alle Stadttore fest ver schlossen werden, vorüber ist. Saß also Herr Otto in der Stadt und konnte vor Tagesanbruch nicht wieder heim. Die Hoch- und Wohlweisen aber — vielleicht waren es Herr Bürgermeister Hinrich vom Berge und die Herren Erich von Tzeven, Martin Swartekopp und Simon von Utrecht, allesamt berühmte Männer und tapfere Kriegs helden — wußten ihrem Ehrengäste das Unglück so ver gnüglich vorzustellen, daß er sich nicht weiter darum grämte und der Einladung des Bürgermeisters, bis zum Morgen in seinem Hause Herberge zu nehmen, gern nachkam. Als nun der Graf daselbst angelangt, siehe da steht eine saubere Tafel mit den niedlichsten Speisen und herrlichsten Weinen zum Abendimbiß bereit, und des Bürgermeisters Haus-
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schönen Namen „Jnnocentiastraße" erhalten. Der Baum selbst, der nun innerhalb eines großen Gartens zu liegen kam, hat wohl dessen modernen Anlagen weichen müssen.
6. Dat lütte Rümeten. 1429. Unter den vielen guten holsteinischen Fürsten aus dem Hause Schauenburg ist auch der Graf Otto zu nennen, welcher um 1429 zu Pinneberg auf seinem Schloß residierte und seine Herrschaft wohl regierte. Er war ein freundlicher Nachbar unserer Stadt und lebte mit mehreren Herren des Rats in guter Gevatterschaft; kam auch zum öfteren, wenn er etwa auf seiner Vogtei zu Ottenhusen oder Ottensen (von seinem Großvater Otto also genannt) gewesen war, nach Hamburg herein geritten, allwo er im Ratskeller einen weiblichen Trunk liebte und gemeiniglich von etlichen Rats herren daselbst bewirtet wurde. Von ihm wird nun folgen des erzählt: Als er einstmals also da sitzet und zecht mit den Hoch- und Wohlweisen und ist guter Dinge (und die Wohl weisen trachten, wie sie ihre noch fröhlicher machen und lassen ihm vom Mutterfäßchen den besten Firnewein zapfen), da ereignet es sich, daß unvermutet schnell die Zeit verstrichen und die Stunde, da alle Stadttore fest ver schlossen werden, vorüber ist. Saß also Herr Otto in der Stadt und konnte vor Tagesanbruch nicht wieder heim. Die Hoch- und Wohlweisen aber — vielleicht waren es Herr Bürgermeister Hinrich vom Berge und die Herren Erich von Tzeven, Martin Swartekopp und Simon von Utrecht, allesamt berühmte Männer und tapfere Kriegs helden — wußten ihrem Ehrengäste das Unglück so ver gnüglich vorzustellen, daß er sich nicht weiter darum grämte und der Einladung des Bürgermeisters, bis zum Morgen in seinem Hause Herberge zu nehmen, gern nachkam. Als nun der Graf daselbst angelangt, siehe da steht eine saubere Tafel mit den niedlichsten Speisen und herrlichsten Weinen zum Abendimbiß bereit, und des Bürgermeisters Haus-
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frau kredenzt dem hohen Gaste den Goldpokal. Sie war «ne feine schöne Frau und ließ es sich angelegen sein, den Grafen wohl zu bedienen und gemeinsam mit ihrem Herrn in fröhlicher Rede so gut zu vergnügen, daß er von all den guten Dingen schier lustig wurde. Und als nun der reichliche Wein auch sein Bestes tat, da ist die schöne Bürgermeisterin mit lieblichen Worten und holdseligen Ge bärden den Grafen angegangen, daß er ihr doch das kleine Räumchen schenken möge, „dat lütte Rümeken" zwischen dem Millerntore und dem Bach, der zur Elbe läuft, weil die Hamburger Frauen gern auf der Stadt Gebiet ihre Linnen bleichen möchten. Und da sie so artig bat und der Graf ein ritterlicher Herr war, der einer bittenden Frau, zumal wenn sie schön war, nichts abschlagen konnte, er in seiner Vergnüglichkeit auch nicht genau sich entsann, daß das gewünschte kleine Räumchen eigentlich ziemlich groß sei — so gewährte er das Ansuchen günstig; und da zufällig Herr Hermann Krehenberg, der Protonotarius, hin zukam, und gleich eine später leider verloren gegangene Abtretungs-Urkunde darüber in die Feder fassen konnte, so unterschrieb der Graf Otto flugs und fröhlich den Brief und setzte sein Siegel dabei, worauf der Wein nach ab getanen Staatsgeschäften desto besser mundete, bis der Graf vom Bürgermeister und Protonotar, nicht ohne deren tätige Beihilfe, zu Bette geleitet wurde. Andern Morgens, als er heimkehrend über das ab getretene „lütte Rümeken" ritt, verwunderte er sich sehr über dessen Umfang, aber er war ein edelmütiger Herr, der fröhliche Schwänke wohl leiden konnte, darum lachte er über die List seiner Gastfreunde, die er nun wohl ver stand, und ließ die Sache gut sein. Und wenn er später, wie noch oft geschah, gen Hamburg zu Weine und Biere ritt, so nahm er sich besser in acht und verpaßte niemals wieder die Stunde des Torschlusses, und hat auch beim Bürgermeister niemals wieder geherbergt, und hat der schönen Frau Gevatterin lächelnd gesagt: um das ganze
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Beneke.
Hamburger Linnenzeug zu bleichen, möchte sie wohl seine ganze Herrschaft Pinneberg für ein — lüttes Rümeken ansehen und ihm fördersamst abschwätzen. Also soll es gekommen sein, daß die Stadt Hamburg den großen Raum bis an den Altonaer Grenzbach er worben hat. Und die seine Art, wie damals die weisen Väter der Stadt für deren Vergrößerung sorgten, wollen wir loben und die schöne Bürgermeisters-Frau dankbar preisen — auch wenn diese Geschichte nur eine Sage ist.
7. König Christian III. in Hamburg 1538. Von Staats-Geschäften. Am Freitage, den 3. Mai 1538 nachmittags ist der König mit seinen Räten aufs Rathaus geritten, um in der PapenSache zu verhandeln; daselbst waren die Herren des Rats und sechs Bürger aus jedem Kirchenspiele, samt unserm Superintendenten Dr. Äpinus und Pastor Stephan Kempe einerseits, und die Herren vom Dom-Kapitel andererseits, deren Zwistigkeiten der König zu vertragen suchte, wobei er großen Fleiß anwandte, um diesen ärgerlichen Handel gütlich beizulegen. Es kam aber zu nichts, denn es fand sich, daß die Papen keine genügende Vollmacht hatten zur Verhandlung, weshalb sie auch vom Könige einen guten „Schraper" (Ausputzer) bekamen. Darnach am Sonn abend, dem 4. Mai, fand die wichtige Verhandlung wegen der Huldigung statt, von der noch niemand wußte, wie sie enden würde, ob zum Heil und Frieden, oder zum Unglück und Krieg. Darum war verabredet, daß man zu vor im feierlichen Gottesdienst den Segen des Allerhöchsten herabrufen wolle auf das vorhabende Werk, damit das Auge klar und das Herz fest werde. Recht und Gerechtig keit, auf welcher Seite es sei, zu sehen, und darnach zu handeln. Also zog morgens früh der König mit seinem ganzen Gefolge fein demütig zu Fuße nach der St. NicolaiKirche, allwo ihm ein Gestühlte eingerichtet war. Und E. E. Rath in corpore und E. Oberalten, auch die für den.
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Beneke.
Hamburger Linnenzeug zu bleichen, möchte sie wohl seine ganze Herrschaft Pinneberg für ein — lüttes Rümeken ansehen und ihm fördersamst abschwätzen. Also soll es gekommen sein, daß die Stadt Hamburg den großen Raum bis an den Altonaer Grenzbach er worben hat. Und die seine Art, wie damals die weisen Väter der Stadt für deren Vergrößerung sorgten, wollen wir loben und die schöne Bürgermeisters-Frau dankbar preisen — auch wenn diese Geschichte nur eine Sage ist.
7. König Christian III. in Hamburg 1538. Von Staats-Geschäften. Am Freitage, den 3. Mai 1538 nachmittags ist der König mit seinen Räten aufs Rathaus geritten, um in der PapenSache zu verhandeln; daselbst waren die Herren des Rats und sechs Bürger aus jedem Kirchenspiele, samt unserm Superintendenten Dr. Äpinus und Pastor Stephan Kempe einerseits, und die Herren vom Dom-Kapitel andererseits, deren Zwistigkeiten der König zu vertragen suchte, wobei er großen Fleiß anwandte, um diesen ärgerlichen Handel gütlich beizulegen. Es kam aber zu nichts, denn es fand sich, daß die Papen keine genügende Vollmacht hatten zur Verhandlung, weshalb sie auch vom Könige einen guten „Schraper" (Ausputzer) bekamen. Darnach am Sonn abend, dem 4. Mai, fand die wichtige Verhandlung wegen der Huldigung statt, von der noch niemand wußte, wie sie enden würde, ob zum Heil und Frieden, oder zum Unglück und Krieg. Darum war verabredet, daß man zu vor im feierlichen Gottesdienst den Segen des Allerhöchsten herabrufen wolle auf das vorhabende Werk, damit das Auge klar und das Herz fest werde. Recht und Gerechtig keit, auf welcher Seite es sei, zu sehen, und darnach zu handeln. Also zog morgens früh der König mit seinem ganzen Gefolge fein demütig zu Fuße nach der St. NicolaiKirche, allwo ihm ein Gestühlte eingerichtet war. Und E. E. Rath in corpore und E. Oberalten, auch die für den.
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heutigen Akt geforderten 80 Bürger (20 aus jedem Kirch spiel), imgleichen noch viele andere Bürger und ansehn liche Personen waren gegenwärtig in ihrem besten Ge wände und Schmuck. Und nach dem Gesang hielt der Superintendent Herr Dr. Äpinus, einen gar erwecklichen. Sermon und erflehete Gottes Segen auf das vorhabende hochwichtige Werk herab. Nach Beendigung des Gottesdienstes kamen alle Be teiligten auf dem großen Rathause zusammen. Und auf der einen Seite der Halle saß in einem Armsessel der König; sein Geheimer Rat Johann Rantzau stand neben ihm, die übrigen Räte und Ritter aber standen dahinter, darunter der Marschalk Melchior Rantzau, Henrich, Jasper und Breide Rantzau, Wulf und Benedikt von Pogwisch, Gosche und Friedrich von Alefeld, der Haseldorfer, Clemens von der Wisch und der Ritter Henneke von Sehestedt. — Auf der andern Seite saß auf einem Stuhle der worthaltende älteste Bürgermeister Dietrich Hohusen, ein hochbejahrter rüstiger Herr, schon 33 Jahre im Rate und seit 21 Jahren Bür germeister ; und zu seinen beiden Seiten hatten die übrigen Bürgermeister und sämtliche Ratmannen nebst den Se kretarien ihren Platz, dahinter standen die 80 Bürger, je 20 nach ihren Kirchspielen. Und nachdem des Königs Kanzler die Forderung wegen der Erbhuldigung gestellt und die Väter der Stadt vermahnt hatte, ihre Schuldigkeit zu be denken und ihrer Lehnspflicht zu ihren Oberherren, dem Könige und seinen Brüdern, als Herzogen von Holstein, zu genügen, da erhub sich der alte Herr Hohusen, ant wortete mit ebenso höflichen und gütlichen als ernsten und festen Worten und zeigte, wie laut uralter Privilegien und Verträge die Stadt keine holsteinische, den Herzogen erbuntertänige Landstadt, sondern eine reichsunmittelbare sei, wie die Bürger die von den Vorfahren errungene Frei heit als ihr höchstes Gut würdig zu bewahren trachteten und davon nicht lassen könnten, selbst wenn ihnen kein ausdrücklich Huldigungs-Verbot des Kaisers zur Seite
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stünde: eingedenk aber nicht nur der werten Freundnachüarlichkeit, sondern auch der vielen von Seiner Majestät und dero glorreichen Vorfahren der Stadt erzeigten Gut taten und Gnaden, eingedenk auch der den Herzogen hiesigerseits nicht in Abrede gestellten Schirmherrlichkeit, wollten Rat und Bürger mit Freuden königliche Maje stät und deren durchlauchtigte Herren Brüder als Herzoge von Holstein anerkennen und als der Stadt Schirmherren -annehmen, als solchen ihnen auch treu und hold sein, woferne königliche Majestät dagegen die uralten Freiheiten, Privilegia und Gerechtigkeiten der Stadt anerkenne und ihre Aufrechterhaltung gelobe. Und während noch einiges pro et contra geredet wurde, mochte sich wohl der König von dem Rechte der Hamburger überzeugt haben, wie auch deren standhafte Behauptung der ererbten Freiheit und die so ehrerbietige als feste Rede des alten Hohusen ihm Wohl gefallen hatte. Dazu gab's damals ernstere Welthändel zu bedenken. Genug, der König sprach: In Gottes Namen, ja, er sei's zufrieden, und wurde sodann die Anerkennungs und Annehmungsformel ganz in der Weise beliebt, wie sie bei Zeiten der Könige Christian I., Johann und Fried rich I. stattgefunden hatte. Und stehenden Fußes und ent blößten Hauptes sprachen der Bürgermeister und sodann der König die Formeln aus, und letzterer bestätigte damit alle unsere Freiheiten und Gerechtigkeiten und gelobte, die Stadt zu verteidigen und gegen sie zu handeln, als ein frommer Fürst von Rechtes wegen tun soll. Und darauf gaben die Zweie sich einen ehrlichen Handschlag an Eides Statt; und alle Ratmannen und Bürger traten zum König, und jeder gab und empfing einen deutschen Handschlag. So war nun diese wichtige Sache glücklich abgehandelt und jeder Teil völlig zufrieden gestellt und lobte Gott im stillen Herzen. Und der alte Herr Hohusen strich sich ver gnügt den silberweißen Bart und ließ durch den Herren schenken Md die Diener Zuckerkraut (Konfekt) und rheini schen Wein umherreichen, und jeder anwesende Mann, Fürst,
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Ziatsherr, Ritter oder Bürger, nahm sein Glas und trank's dem andern zu nach altem Brauch. Und die Bürger traten vor und boten dem König Gruß, Glück und Heil. Und der König antwortete: „Dank habet ihr lieben Herren und Bürger!" Und darauf lud der König in freundlicher Rede Bürgermeister und Rat, so wie alle anwesenden Bürger auf des nächsten Tages Abend zu gaste, welche Einladung Herr Dietrich Hohusen im Namen aller mit geziemender Dankbarkeit annahm. Darnach hob der König die Sitzung auf und verließ, von der ganzen Versammlung begleitet, das Rathaus, um in seine Herberge zu gehen. Vom Turnier. Am andern Tage, gleich nach der Mittagstafel, ritt der König, in eitel Rot gekleidet, nach der Deichstraße am Orde des Hopfenmarktes, da war seine Rüstung. Bald darauf kam er ganz in Grün gekleidet auf die Rennbahn geritten und tummelte fein Roß so ritterlich, daß jeder mann ob der Reiterkunst Sr. Majestät sich freute. Abermals ritt er in seine Herberge und ließ sich einen Stechharnisch anlegen. Mittlerweile kamen die Königin und die Prinzeß Elisabeth mit ihrem Hofstaate angeritten, die nahmen alle ihren Platz der Rennbahn gegenüber in des Ratsherrn Johann Wetken Hause, in der oberen Dönns. Auch kam zu derselben Zeit unser Rat mit den Vornehmsten des Adels, die nahmen Platz auf dem Hopfensaal, zur Seite der Rennbahn. Darnach kam der König im Stech harnisch angeritten, die beiden jungen Fürsten von Lauen burg führten ihm die Schilde vor. Seine Edelleute gingen neben ihm, die trugen weiße Hemden über den Wämsern und goldne Ketten am Halse und Perlkränze im Haare und hatten ihre Gesichter geschwärzt wie die Mohren. Der König aber war sehr köstlich in Grün gekleidet und for derte ein Stechen mit dem Ritter Christopher von Velt heim, wobei die beiden jungen Fürsten neben dem König liefen; und die Trompeten schmetterten, das Stechen ging los, die Turnierer ritten aufeinander und trafen sich beide Hessel, Lesebuch. Anhang: Niederdeutschland.
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gut. Der König stach Herrn Christopher herunter, fiel selbst aber auch von der Gewalt des Stoßes zu Boden. Schnell halfen seine Junker ihm wieder auf. Darauf turnierten andere Ritter mit einander, der blieb fest im Sattel, jener wurde in den Sand geworfen; oft sielen beide. Nach Verlauf einer Stunde stach der König abermals mit einem andern Edelmann, den stach er ab, daß er unsanft vom Pferde kam. Darnach stach derselbe Edelmann mit Christopher von Veltheim, und beide fielen ab. Darauf stach ein Paar in Kürassen, der eine.kam zweimal zu Falle; ein anderes Paar stach scharf, auch der junge Lauenburger Fürst turnierte im vollen Küraß mit zweien Rittern; und so ging das Turnieren fort, so lange noch einige Ritterbürtige da waren, die solcher Er götzung zuliebe Knochen und Haut feil tragen mochten. Die kleine Straße aber, durch welche der König seinen Aufritt zum Turnier genommen hatte, nannte man ihm zu Ehren fortan die Königsstraße, aber schon vor 1685 nannte man sie den kleinen Burstah. Als nun dieser Lust genug getan war, begann eine andere. Abends gegen acht Uhr fand auf dem Eimbeckschen Hause ein Bankett und Tanzgelag statt; König und Königin und Prinzessin, die jungen Fürsten und alle Ritter, Junker und Hofdamen waren zugegen und tanzten bis Kehn Uhr. Dabei ward geschenkt Rheinwein, Eimbecker Bier, Hamburger Bier, so viel als man nur trinken konnte und mochte; es ging hoch her, und wohl an 100 Gläser wurden bei dem Vergnügen zerbrochen. Darnach auf die letzt wurde der König von all den guten Dingen so aus nehmend lustig, daß er in seiner Fröhlichkeit der Königin die Flege (Haube) vom Kopfe stieß und dann allen andern Frauen ,und Jungfern desgleichen, so daß sie alle in bloßen Köpfen und fliegenden Haaren tanzten, was gar „kürig und spaßhaft" zu sehen gewesen ist.
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8. Vom Ehrlichmachen. Zu Ende des vorigen oder anfangs dieses Jahrhun derts schlenderte eines schönen Morgens ein rotröckiger Stadtsoldat der Hamburger Garnison, dienstfrei und müßig durch die Straßen. Da gewahrt er einen Mann in schwerer Arbeit beschäftigt, um ein von der Schleife gefallenes totes Pferd wieder hinauf zu laden. Gutmütig von Natur und gefälligen mitleidigen Gemüts, kann er's nicht länger un tätig ansehen, wie der arme alte Mann sich so arg plagen muß und doch das Beest nicht auf die „Slöpe" bringen kann, — er besinnt sich also keinen Augenblick, sondern folgt unwillkürlich dem raschen Antriebe seines guten Herzens: greift das tote Roß mit kräftigen Fäusten an und fördert das nützliche Werk alsobald zu Ende. Durch das Bewußtsein einer guten Tat und den dankbaren Hände druck des greifen Mannes reichlich belohnt, will er seines Weges gehen und soeben einen guten Bekannten unter den inzwischen zahlreich versammelten Zuschauern an reden, als dieser vor ihm zurückweicht und aus dem Haufen vielfache Rügen seines Verfahrens laut werden. Da wird ihm sein Verbrechen gegen das Gesetz der Volks ehre klar, welches denn auch so mächtig sich erweist, daß seine Kameraden ihn meiden, daß die ganze Kompagnie einhellig beschließt, nicht länger mit dem zu dienen, der freiwillig dem Schinder bei seiner Arbeit geholfen, der dem Abdecker die Hand gegeben. Als einst der treffliche Herzog Karl August von Weimar der Sektion eines Lieblingsrosses beigewohnt und nun dem fungierenden Scharfrichterknecht durch den Leibjäger einen Laubtaler reichen lassen wollte, legte dieser das Geldstück nicht in die bereits dargebotene Hand des unehrlichen Mannes, sondern auf eine Karre. Der edle Herzog, dies gewahrend, sagte: „Albernheit", — nahm den Taler und händigte ihn mit den freundlichen Worten: „Da, Lands mann, nimm ein Trink ,eld von mir," dem hierdurch zur Menschenwürde erhobenen Knecht ein, der dann hocher2*
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freut in die durchlauchtige Hand griff und dazu sagte: „Ich bin nur ein sehr armer Kerl, aber dieser Taler soll in meiner Familie vererben und niemals kleingemacht werden." Wenn diese schöne Geschichte damals schon passiert und in Hamburg bekannt gewesen wäre, — wer weiß, vielleicht hätte einer der erleuchteten Bürgermeister eben so kühn dem albernen Vorurteil die Stirn geboten, um durch eine ähnliche Demonstration dem armen Soldaten die Reparation d'honneur zu verschaffen. Aber Magnifici erfuhren vermutlich von der Sache damals noch nichts. Und so schien denn der gute Mensch sonder Gnade der Weltstellung eines kastenlosen Paria anheim zu fallen, als «endlich seine Offiziere, die ihn ungern entließen, seine Rettung versuchten. Es wurde also ein ordentliches Kriegs gericht über ihn gehalten. Unter dem Vorsitz eines Leut nants erkannten 2 Sergeanten, 2 Korporale und 4 Ge meine zu Recht, daß der gute Kerl, allerdings unehr lich geworden, dennoch, dieweil sein Makel aus keiner moralisch ehrlosen Tat entsprungen, mittelst Fahnen schwenkens über ihn nach Soldatenbrauch wieder ehrlich gemacht werden könne und dürfe. Tags darauf formierten die dienstfreien Kompagnien des Regiments auf dem Pferde markte ein Karree. Der Kerl, ohne Waffen, mußte vor treten. Nachdem der Ober-Auditeur das Urteil verlesen, kniete jener nieder, der Fähnrich trat vor und schwenkte dreimal die Fahne über ihn, worauf der kommandierende
Major ausrief: „Nunmehro stehe auf als ein ehrlicher Soldat." Und er stand auf als ein ehrlicher Mann und Soldat, die Waffen wurden ihm zurückgegeben, er trat in Reih und Glied und verblieb bis an sein selig Ende in allen Ehren und Würden eines Grenadiers hiesiger Gar nison. Ja, er hatte aus diesem Handel noch die besondere Auszeichnung davongetragen, daß er in Hamburg unter dem Beinamen „der ehrliche Mann" eine Stadtmerk würdigkeit geworden war. Und da außer ihm niemand
Bettete.
Bismarck.
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in Hamburg existierte, dem die Ehrlichkeit in solcher Weise öffentlich dokumentiert war, so nannte man ihn auch wohl „den einzigen ehrlichen Mann in Hamburg".
Otto von Bismarck. 9. Brief an feine Schwester. Norderney, 9. September 1844.
Teure Kleine! Seit vierzehn Tagen hatte ich mir vorgenommen, Dir zu schreiben, ohne bisher in dem Drange der Geschäfte und Vergnügungen dazu gelangen zu können. Wenn Du neugierig bist, welches diese Geschäfte sein möchten, so bin ich wirklich bei der Beschränktheit meiner Zeit und dieses Papieres außer stände. Dir ein vollständiges Bild davon zu entwerfen, da ihre Reihenfolge und Beschaffenheit, je nach dem Wechsel der Ebbe und Flut, täglich die mannig faltigsten Abänderungen erleidet. Man badet nämlich nur zur Zeit des höchsten Wassers, weil dann der stärkste Wellenschlag ist, eine Zeit, die zwischen sechs morgens und sechs abends täglich um eine Stunde später eintritt — und in angenehmer Abwechslung die Vorzüge eines wind kalten, regnichten Sommermorgens bald in Gottes herr licher Natur unter den erhebenden Eindrücken von Sand und Seewasser genießen läßt, bald in meines Wirtes Mousse Onnen Fimmen fünf Fuß langem Bett unter den behag lichen Empfindungen, die das Liegen auf einer Seegras matratze in mir zu erwecken pflegt. Ebenso wechselt die Tadle d'hote ihrer Zeit nach zwischen ein und fünf Uhr, ihren Bestandteilen nach zwischen Schellfisch, Bohnen und Ham mel an den ungeraden, und Seezunge, Erbsen und Kalb an den geraden Tagen des Monats, woran sich im ersten Falle süßer Gries mit Fruchtsauce, im zweiten Pudding mit Rosinen anschließt. Damit das Auge den Gaumen nicht beneidet, sitzt neben mir eine Dame aus Dänemark,
Bettete.
Bismarck.
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in Hamburg existierte, dem die Ehrlichkeit in solcher Weise öffentlich dokumentiert war, so nannte man ihn auch wohl „den einzigen ehrlichen Mann in Hamburg".
Otto von Bismarck. 9. Brief an feine Schwester. Norderney, 9. September 1844.
Teure Kleine! Seit vierzehn Tagen hatte ich mir vorgenommen, Dir zu schreiben, ohne bisher in dem Drange der Geschäfte und Vergnügungen dazu gelangen zu können. Wenn Du neugierig bist, welches diese Geschäfte sein möchten, so bin ich wirklich bei der Beschränktheit meiner Zeit und dieses Papieres außer stände. Dir ein vollständiges Bild davon zu entwerfen, da ihre Reihenfolge und Beschaffenheit, je nach dem Wechsel der Ebbe und Flut, täglich die mannig faltigsten Abänderungen erleidet. Man badet nämlich nur zur Zeit des höchsten Wassers, weil dann der stärkste Wellenschlag ist, eine Zeit, die zwischen sechs morgens und sechs abends täglich um eine Stunde später eintritt — und in angenehmer Abwechslung die Vorzüge eines wind kalten, regnichten Sommermorgens bald in Gottes herr licher Natur unter den erhebenden Eindrücken von Sand und Seewasser genießen läßt, bald in meines Wirtes Mousse Onnen Fimmen fünf Fuß langem Bett unter den behag lichen Empfindungen, die das Liegen auf einer Seegras matratze in mir zu erwecken pflegt. Ebenso wechselt die Tadle d'hote ihrer Zeit nach zwischen ein und fünf Uhr, ihren Bestandteilen nach zwischen Schellfisch, Bohnen und Ham mel an den ungeraden, und Seezunge, Erbsen und Kalb an den geraden Tagen des Monats, woran sich im ersten Falle süßer Gries mit Fruchtsauce, im zweiten Pudding mit Rosinen anschließt. Damit das Auge den Gaumen nicht beneidet, sitzt neben mir eine Dame aus Dänemark,
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deren Anblick mich mit Wehmut und Heimweh füllt, denn sie erinnert mich an Pfeffer in Kniephof, wenn er sehr mager war, sie muß ein herrliches Gemüt haben, oder das Schicksal war ungerecht gegen sie, auch ist ihre Stimme sanft, und sie bietet mir zweimal von jeder Schüssel an, die vor ihr steht. Mir gegenüber sitzt der alte Graf Beust, eine jener Gestalten, die uns im Traum erscheinen, wenn wir schlafend übel werden; ein dicker Frosch ohne Beine, der vor jedem Bissen den Mund wie einen Nachtsack bis an die Schultern aufreißt, so daß ich mich schwindelnd am Rande des Tisches halte. Mein anderer Nachbar ist ein russischer Offizier; ein guter Junge, gebaut wie ein Stiefel knecht, langer schlanker Leib und kurze krumme Beine. Die meisten Leute sind schon abgereist, und unsere Tischgesell schaft ist von zwei- bis dreihundert auf zwölf- bis fünfzehn zusammengeschmolzen. Ich selbst habe mein Deputat an Bädern nun auch weg und werde mit dem nächsten Dampfschlff, welches übermorgen den elften erwartet wird, nach Helgoland abgehen und von dort über Hamburg nach Schön hausen kommen. Ich kann indes den Tag meiner An kunft nicht bestimmen, weil es nicht gewiß ist, daß das Dampfschiff übermorgen kommt; in den Bekanntmachungen ist diese Fahrt zwar angesetzt, sie pflegen aber die letzten Reisen, wie man mir sagt, oft fortzulassen, wenn sie keine hinreichende Anzahl von Passagieren erwarten, um ihre Kosten zu decken. Die Bremer Dampfschiffe gehen schon lange nicht mehr, und zu Lande mag ich nicht reisen, weil die Wege so schlecht sind, daß man erst am dritten Tag nach Hannover kommt, auch sind die Postwagen ab scheulich. Wenn also das Dampfboot übermorgen aus bleibt, so beabsichtige ich den Donnerstag mit einem Segel boot nach Helgoland zu fahren; von dort ist zweimal wöchentlich Verbindung nach Hamburg, ich weiß aber nicht an welchen Tagen. Der Vater schrieb mir, daß ihr am fünfzehnten nach Berlin gehen würdet; wenn ich mich also in Hamburg überzeuge, daß ich nicht bis zum fünfzehnten
Bismarck.
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per Dampf bei Euch eintreffen kann, so werde ich das Potsdamer Boot zu benutzen suchen und direkt nach Berlin gehen, um mit Euch für Kunst und Industrie zu schwärmen.
Wenn Du diesen Brief noch zeitig genug erhältst, was ich bei der Langsamkeit der hiesigen Posten kaum glaube, so könntest Du mir mit zwei Zeilen nach Hamburg, alte Stadt London, Nachricht geben, ob Vater seinen Reise plan etwa geändert hat. Soeben meldet mir der Jäger des Kronprinzen, daß ich für heut auf die Annehmlichkeiten der Table d'hote verzichten soll, um zum letzten Male bei Ihren König lichen Hoheiten zu essen, wo man im ganzen besser lebt. Dieser Hof ist überhaupt sehr liebenswürdig, für jetzt die einzige angenehme Gesellschaft hier. Die Kronprinzessin ist eine sehr heitere und liebenswürdige Dame, tanzt gern und ist munter wie ein Kind. Gestern machten wir im
dicksten Nebel eine Landpartie in die Dünen, kochten draußen Kaffee und späterhin Pellkartoffel, sprangen wie die Schul jugend von den Sandbergen, und obgleich inklusive Prin zessin nur vier Paare, tanzten wir, bis es finster wurde, auf dem Rasen und machten wie die Tollen bockspringende Ronden um unser Feuer, kindlich und champetre, on ne peut Pas plus. Dergleichen Partien, auch Seefahrten, bei denen die Herrschaften gewöhnlich krank wurden, haben wir öfter gemacht, und ich muß sagen, daß diese Hofgesellschaft, vor den meisten übrigen hier, wenigstens den Vorzug der Ungezwungenheit hatte. Unser Freund Malortie scheint in dessen diese Ansicht nicht zu teilen und sieht stets gelang weilt und verdrießlich aus; nur bei Whist und Zigarren scheint er sich etwas heimischer zu fühlen. Im ganzen ist es mir doch lieb, daß ich ihn nicht geheiratet habe; er ist meist ansteckend langweilig, seltene lichte Augen blicke ausgenommen. Das Baden gefällt mir hier sehr, und so einsam es ist, bleibe ich nicht ungern noch einige Tage. Ter Strand ist prächtig, ganz flach, ebener, weicher Sand ohne alle Steine, und Wellenschlag, wie ich ihn weder
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Bismarck.
in der Ostsee nach bei Dieppe je gesehen habe. Wenn ich eben noch bis an die Kniee im Wasser stehe, so kommt eine haushohe Welle (die Häuser sind hier nicht so hoch wie das Berliner Schloß) dreht mich zehnmal rundum und wirft mich zwanzig Schritt davon in den Sand, ein ein faches Vergnügen, dem ich mich aber täglich con amore so lange hingebe, als es die ärztlichen Vorschriften irgend gestatten. Mit der See habe ich mich überhaupt sehr be freundet; täglich segle ich einige Stunden, um dabei zu fischen und nach Delphinen und Seehunden zu schießen, von letzteren habe ich nur einen erlegt; ein so gutmütiges Hundegesicht, mit großen, schönen Augen, daß es mir ordentlich leid tat. Vor vierzehn Tagen hatten wir Stürme von seltener Heftigkeit; einige zwanzig Schiffe aller Nationen sind an den Inseln hier gestrandet, und mehrere Tage lang trieben unzählige Trümmer von Schiffen, Utensilien, Waren in Fässern, Leichen, Kleider und Papiere an. Ich selbst habe eine kleine Probe gehabt, wie Sturm ausaussieht; ich war mit einem fischenden Freunde, Tonke Hams, in vier Stunden nach der Insel Wangeroog ge fahren; auf dem Rückwege wurden wir in dem kleinen Boot vierundzwanzig Stunden umhergeschaukelt und hatten schon in der ersten keinen trockenen Faden an uns, ob gleich ich in einer angeblichen Kajüte lag; zum Glück waren wir mit Schinken und Portwein hinreichend verproviantiert, sonst wäre die Fahrt sehr verdrießlich gewesen. Herzliche Grüße an Vater und meinen Dank für seinen Brief, des gleichen an Antonie und Arnim. Leb wohl, mein Schatz, mein Herz, mein. . . Dein treuer Bruder Bismarck.
10, Brief ar» seine Braut. Schönhausen, Mein Engel! Ich werde zwar noch nicht abschicken, aber ich will müßigen Minuten benutzen, die mir
23. Februar 1847. diesen Brief morgen immer die wenigen bleiben, um dem Be-
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Bismarck.
in der Ostsee nach bei Dieppe je gesehen habe. Wenn ich eben noch bis an die Kniee im Wasser stehe, so kommt eine haushohe Welle (die Häuser sind hier nicht so hoch wie das Berliner Schloß) dreht mich zehnmal rundum und wirft mich zwanzig Schritt davon in den Sand, ein ein faches Vergnügen, dem ich mich aber täglich con amore so lange hingebe, als es die ärztlichen Vorschriften irgend gestatten. Mit der See habe ich mich überhaupt sehr be freundet; täglich segle ich einige Stunden, um dabei zu fischen und nach Delphinen und Seehunden zu schießen, von letzteren habe ich nur einen erlegt; ein so gutmütiges Hundegesicht, mit großen, schönen Augen, daß es mir ordentlich leid tat. Vor vierzehn Tagen hatten wir Stürme von seltener Heftigkeit; einige zwanzig Schiffe aller Nationen sind an den Inseln hier gestrandet, und mehrere Tage lang trieben unzählige Trümmer von Schiffen, Utensilien, Waren in Fässern, Leichen, Kleider und Papiere an. Ich selbst habe eine kleine Probe gehabt, wie Sturm ausaussieht; ich war mit einem fischenden Freunde, Tonke Hams, in vier Stunden nach der Insel Wangeroog ge fahren; auf dem Rückwege wurden wir in dem kleinen Boot vierundzwanzig Stunden umhergeschaukelt und hatten schon in der ersten keinen trockenen Faden an uns, ob gleich ich in einer angeblichen Kajüte lag; zum Glück waren wir mit Schinken und Portwein hinreichend verproviantiert, sonst wäre die Fahrt sehr verdrießlich gewesen. Herzliche Grüße an Vater und meinen Dank für seinen Brief, des gleichen an Antonie und Arnim. Leb wohl, mein Schatz, mein Herz, mein. . . Dein treuer Bruder Bismarck.
10, Brief ar» seine Braut. Schönhausen, Mein Engel! Ich werde zwar noch nicht abschicken, aber ich will müßigen Minuten benutzen, die mir
23. Februar 1847. diesen Brief morgen immer die wenigen bleiben, um dem Be-
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dürfnis, welches ich stündlich empfinde, dem, mit Dir zu verkehren, zu genügen, und Dir demnächst wieder eine Sonntagsepistel zu komponieren. Ich bin heute den ganzen Tag in Bewegung gewesen. The Morish King rode up and down, leider nicht through Granada's royal town, sondern zwischen Havelberg und Jerichow, zu Fuß, zu Wagen und zu Pferde und fror dabei recht tüchtig, weil ich nach dem warmen Wetter der letzten Tage mich gar nicht auf zwei Grad Kälte bei schneidendem Nordwind vor bereitet hatte und zu eilig oder zu faul war, wieder die Treppe zu ersteigen, als ich die frische Luft merkte. In der Nacht war es noch ganz leidlich gewesen und präch tiger Mondschein. Es war übrigens ein schönes Schau spiel, wenn die großen Eisfelder sich erst mit kanonen schußartigem Krachen schwerfällig in Bewegung setzen, sich aneinander zersplittern, bäumen, unter- und übereinander schieben, sich haushoch auftürmen, und mitunter Wälle quer über die Elbe bilden, vor denen der Strom sich aufstaut, bis er sie mit Toben durchbricht. Jetzt sind sie alle im Kampf zerbrochen, die Riesen, und das Wasser ganz dicht bedeckt mit Schollen, deren größte einige Quadratruten halten, und die es eilig mit mürrischem Klirren, wie ge brochene Ketten, der freien See zuträgt. Dies wird nun noch etwa drei Tage so anhalten, bis das Eis aus Böhmen durch ist, das schon seit einigen Tagen die Dresdener Brücke passiert. (Die Gefahr liegt darin, daß die Schollen sich stopfen, einen Damm bilden und den Strom davor auf stauen, oft zehn bis fünfzehn Fuß in wenigen Stunden.) Dann folgt das Hochwasser aus den Gebirgen, welches das oft meilenbreite Bett der Elbe ausfüllt und durch seine Masse an und für sich gefährlich ist. Wie lange das währt, können wir nicht vorherbestimmen. Der jetzige Frost, verbunden mit dem stauenden Seewind, hält es jedenfalls zurück. Leicht kann es so lange dauern, daß es doch nicht der Mühe lohnt, vor dem zwanzigsten nach Reinfeld zu kommen. Wenn mir dazu nur acht Tage
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Bismarck. Brinckman.
blieben, soll ich dann doch? oder willst Du mich dann erst nach dem zwanzigsten oder vielleicht achtzehnten un gestört haben? Es ist wahr, Bräutigam und Deichhaupt mann sind fast inkompatibel; aber wenn ich letzteres nicht wäre, wüßte ich doch gar nicht, wer es sein sollte. Die Revenuen sind klein dabei, und die Mühe zu Zeiten groß, Vie Herren der Gegend hier aber sehr interessiert und ohne Gemeingeist. Und wenn sich auch einer fände, der es des Titels halber, der hier wunderlicherweise sehr gesucht ist, täte, so gibt es doch hier, Gott verzeih mir die Sünde, keinen, der nicht entweder geschäftsuntauglich oder matt herzig wäre. Eine schöne Meinung, wirst Du denken, die ich von mir habe, daß ich allein das alles nicht bin; aber ich behaupte bei aller mir angeborenen Bescheidenheit, daß ich alle diese Fehler in geringerem Maße besitze als die andern hier im Lande, was freilich nicht viel sagen will.
John Brinckman. 11. Lünk UN Gälgösch. (Sperling und Goldammer). Jung, smit mi nich mit Stein un Strünk Hier vör min Schündör up dei Lünk Un up dei lütt Gälgösch! Wat du för 'n ölen Racker büst! Sühst nich, wat bei arm Vägel früst! Dei sünd ok Blaut un Fleisch.
Du heft to Hus bei Schottels buff, Du frettst Dag in, Dag ut för dull Un premst di buff bin Mag; — Gälgösch un Lünk, wat hungert bei! Er Disch liggt ünner Js un Snei, — Dat zeit er gor to schräg!
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Bismarck. Brinckman.
blieben, soll ich dann doch? oder willst Du mich dann erst nach dem zwanzigsten oder vielleicht achtzehnten un gestört haben? Es ist wahr, Bräutigam und Deichhaupt mann sind fast inkompatibel; aber wenn ich letzteres nicht wäre, wüßte ich doch gar nicht, wer es sein sollte. Die Revenuen sind klein dabei, und die Mühe zu Zeiten groß, Vie Herren der Gegend hier aber sehr interessiert und ohne Gemeingeist. Und wenn sich auch einer fände, der es des Titels halber, der hier wunderlicherweise sehr gesucht ist, täte, so gibt es doch hier, Gott verzeih mir die Sünde, keinen, der nicht entweder geschäftsuntauglich oder matt herzig wäre. Eine schöne Meinung, wirst Du denken, die ich von mir habe, daß ich allein das alles nicht bin; aber ich behaupte bei aller mir angeborenen Bescheidenheit, daß ich alle diese Fehler in geringerem Maße besitze als die andern hier im Lande, was freilich nicht viel sagen will.
John Brinckman. 11. Lünk UN Gälgösch. (Sperling und Goldammer). Jung, smit mi nich mit Stein un Strünk Hier vör min Schündör up dei Lünk Un up dei lütt Gälgösch! Wat du för 'n ölen Racker büst! Sühst nich, wat bei arm Vägel früst! Dei sünd ok Blaut un Fleisch.
Du heft to Hus bei Schottels buff, Du frettst Dag in, Dag ut för dull Un premst di buff bin Mag; — Gälgösch un Lünk, wat hungert bei! Er Disch liggt ünner Js un Snei, — Dat zeit er gor to schräg!
Brinckman.
Er Tid is hart, er Winter bür; Dat zeit er as bei Pracherlür, Glik van be Hanb to Munt. Ult wenn 'n Weitkurn van bei Däl Ok rut ens fltiggt, bat is nich väl, Utt bat is girn er günnt. Kumm her! Dor, nimm biß Hanb vull Or'n Utt bräg f er achter bal ttt’tt Gor'n Utt was boch einmal klok! Dat is 'ne schlichte Wittschaft man, Dei Käuh un Schap borchfaubern kann Urt nich er Lunkens ok. —
12. L' envoh. Tor tut'n büster Wäber up, Sübwest bei Haben glimmt! Dat lucht so hell un bunnert bor. Wenn bat man up nich stimmt! Dor 's Hagel in van eigen Ort, Dei 's blag' un swor as Bli, — Uit wenn ’t so neg' herannesohr't, Denn ktimmt bat up, ir ein sick wor't, Tenn treckt ’t nich mir vörbi. Hell klingt bat van bor üttitett her As Trummel utt Trumpet Uit braent, grar as Kanonen swer, As Büß utt as Muskel. Na, man nich bang! Wat ktimmt bat gelt! Uns ol Lanb Meckelborg Geit mit bi, Lannsmann, ok in Felb Un hett to rechte Tit sick stellt Uit fleit mit Gott sick börch. In Rostock vor bei bretbe Strat Dor steit 'n hogen Stein
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Brinckman.
Er Tid is hart, er Winter bür; Dat zeit er as bei Pracherlür, Glik van be Hanb to Munt. Ult wenn 'n Weitkurn van bei Däl Ok rut ens fltiggt, bat is nich väl, Utt bat is girn er günnt. Kumm her! Dor, nimm biß Hanb vull Or'n Utt bräg f er achter bal ttt’tt Gor'n Utt was boch einmal klok! Dat is 'ne schlichte Wittschaft man, Dei Käuh un Schap borchfaubern kann Urt nich er Lunkens ok. —
12. L' envoh. Tor tut'n büster Wäber up, Sübwest bei Haben glimmt! Dat lucht so hell un bunnert bor. Wenn bat man up nich stimmt! Dor 's Hagel in van eigen Ort, Dei 's blag' un swor as Bli, — Uit wenn ’t so neg' herannesohr't, Denn ktimmt bat up, ir ein sick wor't, Tenn treckt ’t nich mir vörbi. Hell klingt bat van bor üttitett her As Trummel utt Trumpet Uit braent, grar as Kanonen swer, As Büß utt as Muskel. Na, man nich bang! Wat ktimmt bat gelt! Uns ol Lanb Meckelborg Geit mit bi, Lannsmann, ok in Felb Un hett to rechte Tit sick stellt Uit fleit mit Gott sick börch. In Rostock vor bei bretbe Strat Dor steit 'n hogen Stein
27
28
Brinckman.
Drecke.
litt up den Stein steiht ’n Soldat, Un den kennt jedwerein; Dei wir echt Meckelbörger Blot, Un dei verstünn den Kram, Dei hälp uns ens ut all und Not, Dat ’s ewig schar’, bat hei is bot, Un Blücher is fin Nam. Dei har sick Anno dörtein lir’t, As grar son’n Wäder wir ’n Würd, dat ’s düsend Daler wirt. Ne, mir als Geld, väl mir! Dat Würd, dat dünn hei spraken hett, Drew' ball dat Wäder furt, — ’n Hundsfott, wän dat je vergelt Un wän sick bot nich up verleit, Un vörwarts! heit dat Wurt, Denn schenkt bei lew Gott sacht noch mal, Dat wat uns nötig beit, Son’n rechten echten General, Dei ock sin’n Kram versteit. Denn snall wi uns den Säwel an Un ströpt uns up bei Brok, All wat bei Plemp man böten kann, Un kaent wi denn noch vörwarts man. Na, je denn geit dat ok! —
Ernst Deecke. 13. Bergevorf verloren und gewonnen. 1399. Dazumal sah sich Herzog Erich sachsen um, und befand, daß es gar ein enges davon sich so viele Fürsten als er und seine nähren sollten; dachte derhalben nach, wie
von Unter Land wäre, Brüder er solche mut-
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Brinckman.
Drecke.
litt up den Stein steiht ’n Soldat, Un den kennt jedwerein; Dei wir echt Meckelbörger Blot, Un dei verstünn den Kram, Dei hälp uns ens ut all und Not, Dat ’s ewig schar’, bat hei is bot, Un Blücher is fin Nam. Dei har sick Anno dörtein lir’t, As grar son’n Wäder wir ’n Würd, dat ’s düsend Daler wirt. Ne, mir als Geld, väl mir! Dat Würd, dat dünn hei spraken hett, Drew' ball dat Wäder furt, — ’n Hundsfott, wän dat je vergelt Un wän sick bot nich up verleit, Un vörwarts! heit dat Wurt, Denn schenkt bei lew Gott sacht noch mal, Dat wat uns nötig beit, Son’n rechten echten General, Dei ock sin’n Kram versteit. Denn snall wi uns den Säwel an Un ströpt uns up bei Brok, All wat bei Plemp man böten kann, Un kaent wi denn noch vörwarts man. Na, je denn geit dat ok! —
Ernst Deecke. 13. Bergevorf verloren und gewonnen. 1399. Dazumal sah sich Herzog Erich sachsen um, und befand, daß es gar ein enges davon sich so viele Fürsten als er und seine nähren sollten; dachte derhalben nach, wie
von Unter Land wäre, Brüder er solche mut-
Deecke.
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willige Herren pflegen, daß er seine Herrschaft weiter möchte ausstrecken. Arm hatte sein Vater denen von Lübeck, die ihm großes Geld vorgestreckt, Bergedorf verpfändet; sie täten es aber auf Edelmannes Glauben einem frommen Junker ein, der in Kriegslist unerfahren und auch nicht vorsichtig genug war, Otto von Ritzerau, von dem sie Eides Pflicht genommen. Also kam Herzog Erich einmal in das Städtlein Berge dorf, ließ den Otto, der das Schloß zur Verwahrung hatte, zu sich fordern und fragte, wie es ihm ginge. „Es gehet mir ziemlich," sprach Junker Otto, „und hat alles seine Maße." — „Laß uns doch hingehen," sagte Herzog Erich weiter, „und sehen, wo du wohnst." Junker Otto versah sich keiner unfürstlichen Praktiken oder Schelmstücke, da er wohl wußte, daß solches Schloß nicht erstieget oder mit Ge walt eingenommen wäre, sondern um geliehenes Geld zu Pfand versetzt worden; er ließ daher den Herzog williglich aufs Schloß kommen. Als der Fürst nun oben war und mehr Gesindes mit sich gebracht, als Otto um sich hatte, sprach er: „Du hast es alles wohl verwahrt und lange genug geschützt und aufgehalten; ich will dich deiner Sorge, Mühe und Arbeit entledigen; zeuch nun, wohin du willst; ich will hinfort mein Erbschloß selbst bestellen und bewahren." Junker Atto sagte, er wolle doch auf guten Glauben mit ihm handeln; es sei wohl nicht sein Ernst, sondern sein Scherz. Der Herzog aber sprach: „Du hörst, was dir ge sagt wird: Wir wollen Unser Schloß selbst in Schutz nehmen." Wie Junker Otto das sah, daß es ernstlich gemeint und daß ihn seine Einfältigkeit betrogen, zog er mit Traurigkeit ab, setzte sich auf sein Pferd und ritt gen Lübeck. Da klagte er dem Burgemeister mit betrübtem Ge müt, wie er vom Herzoge betrogen wäre; und damit hat
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Deecke.
er seinen Leib überantwortet samt allem, was er hatte, also daß die Lübschen auch seines Lebens mächtig sein sollten. Hierauf befiehlt ihm ein Rat, er solle sich in der Herberge halten und bestricket (gefangen) sein, bis ihm andere Antwort zukomme. Obwohl nun auch Junker Otto bereit gewesen, sein Schloß Ritzerau, das er erblich hatte, den Lübschen für Bergedorf zu geben: so wollten sie es doch nicht nehmen, sondern hielten es für unchristlich, seine Kinder ihres väterlichen Erbes zu berauben. Doch geriet Junker Otto über solchen Handel in tiefe Bekümmernis und Schwermut und starb darnach zu Lübeck in großem Leide. Der Herzog behielt inmittels das Schloß Bergedorf und machte sich wenig Gedanken, mit was Ehre er solches täte; und war den Bürgern darum nicht besser gewogen. Auch das half nicht, daß die benachbarten Fürsten ihm Schande und Tadel anhängten. Er behielt es viel mehr so lange, bis man's ihm mit Wehr und Waffen wieder abgedrungen. Und das hat sich so begeben: Anno 1420 ungefähr war Herzog Erich bei allen seinen Nachbarn verhaßt und in Ungunst, sonderlich weil er's mit den Straßenräubern hielt, die von dem Schloß Bergedorf über eine Brücke unter dem Wasser, welche man nicht sehen konnte, heimlich hinten hinausgezogen, also daß man vorn nichts merkte. So kamen sie durch einen dicken Wald auf die Straße, fingen die Kaufleute, verbanden ihnen die Augen, drehten sie herum und führten sie fort, als gingen sie einen fernen Weg, obgleich sie nur einen kurzen Um schweif mit ihnen machten. Im Wald hatten sie dann ihren geheimen Schlupfwinkel, wo sie den Gefangenen alles abschatzten und bei Nacht auf ungebahnten und irren Wegen davon brachten. Dies hatten endlich die Lübecker und Hamburger genau ausgekundschaftet, vereinigten sich, nahmen Kriegsleute an und zogen mit 800 Mann zu Pferde und 3000 zu Fuß, Bürger und Kaufleute gen Bergedorf.
Deecke.
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Ihre obersten Hauptleute waren Herr Jordan Pleskow, Burgemeister zu Lübek, und Herr Heinrich Hoyer, Burgemeister zu Hamburg. Sie eroberten zuerst das Städtlein und plünderten es; darauf beschossen sie das Schloß vier Tage und Nächte und ließen denen, die darauf waren, keine Ruhe. Des fünften Tages in der Morgenstunde brachten sie aus dem Lager viel Stroh und Teertonnen an das Bollwerk, streuten Schwefel und Büchsenpulver dar unter und zündeten es gegen den Wind an. Davon erhub sich ein so greulich Feuer und Stank, daß des Herzogs Volk von dem Bollwerk auf das Schloß gar bald ent weichen mußte. Sofort liefen die Kriegsleute der beiden Städte unter solchem Rauch und Dampf das Bollwerk an und gewannen es; und setzten von da aus dem Schloß so ernstlich zu, daß sich die Feinde auf Gnade ergaben und davon zogen. Also nahmen die Hauptleute das Haus zu Bergedorf ein, steckten beider Städte Fähnlein darauf und besetzten es mit den Ihren. Von da rückten sie auf das Haus Riepenburg; das ergab sich ohne jegliche Gegenwehr. Auch das besetzten sie mit beider Städte Volk. Darnach zogen sie gen Kuddewörde, zerbrachen und schleiften daselbst die Feste und gingen heim.
14. Doktor Pommer. 1530 ist Doktor Johannes Bugenhagen oder Pommer gen Lübeck gekommen und hat in der Marienkirche seine erste Predigt getan, daß sich die große Menge der Zu hörer darüber verwundert. Er hat den fast zerrütteten Gottesdienst in eine christliche Kirchenordnung gefaßt, eine hohe Schule in St. Katharinen-Kloster angeordnet und das Burgkloster für arme Leute eingerichtet. Da er nun nach Wittenberg abgefordert worden, haben ihn die Herren des Rats ehrlich begabt und auf einem verdeckten Wagen mit vier Marstallpferden durch zwei ihrer Reitendiener zurückbringen lassen. Dessen ist der
Deecke.
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Ihre obersten Hauptleute waren Herr Jordan Pleskow, Burgemeister zu Lübek, und Herr Heinrich Hoyer, Burgemeister zu Hamburg. Sie eroberten zuerst das Städtlein und plünderten es; darauf beschossen sie das Schloß vier Tage und Nächte und ließen denen, die darauf waren, keine Ruhe. Des fünften Tages in der Morgenstunde brachten sie aus dem Lager viel Stroh und Teertonnen an das Bollwerk, streuten Schwefel und Büchsenpulver dar unter und zündeten es gegen den Wind an. Davon erhub sich ein so greulich Feuer und Stank, daß des Herzogs Volk von dem Bollwerk auf das Schloß gar bald ent weichen mußte. Sofort liefen die Kriegsleute der beiden Städte unter solchem Rauch und Dampf das Bollwerk an und gewannen es; und setzten von da aus dem Schloß so ernstlich zu, daß sich die Feinde auf Gnade ergaben und davon zogen. Also nahmen die Hauptleute das Haus zu Bergedorf ein, steckten beider Städte Fähnlein darauf und besetzten es mit den Ihren. Von da rückten sie auf das Haus Riepenburg; das ergab sich ohne jegliche Gegenwehr. Auch das besetzten sie mit beider Städte Volk. Darnach zogen sie gen Kuddewörde, zerbrachen und schleiften daselbst die Feste und gingen heim.
14. Doktor Pommer. 1530 ist Doktor Johannes Bugenhagen oder Pommer gen Lübeck gekommen und hat in der Marienkirche seine erste Predigt getan, daß sich die große Menge der Zu hörer darüber verwundert. Er hat den fast zerrütteten Gottesdienst in eine christliche Kirchenordnung gefaßt, eine hohe Schule in St. Katharinen-Kloster angeordnet und das Burgkloster für arme Leute eingerichtet. Da er nun nach Wittenberg abgefordert worden, haben ihn die Herren des Rats ehrlich begabt und auf einem verdeckten Wagen mit vier Marstallpferden durch zwei ihrer Reitendiener zurückbringen lassen. Dessen ist der
Deecke. Ernst.
32
Fuhrknecht, ein junger Bursch, höchlich unwillig gewesen, daß ein simpler Prädikant fahren sollte, wie seine Herren. Da sie also aufs freie Feld gelangt sind, denket er dem Doktor eine Farbe abzujagen und Ritter an ihm zu weriben; dreht sich also um und fragt: „Herr Doktor, ich hätte Ihn wohl etwas zu fragen; will Er mir in Güte antworten?" — „Ei, warum nicht?" spricht Bugenhagen. „Pflag der Apostel Petrus" — sagt der Knecht — „während seines Apostelamts auch also in behangenen Wagen mit Vorreutern einherzufahren wie Ihr?" Der Doktor sah, daß er es mit einem Schalk zu tun hatte, bedachte sich deswegen nicht lange, sondern sprach: „Mein Sohn, sobald der Apostel Petrus zu so gütigen und from men Leuten kam, wie deine Herren zu Lübeck sind, ließen ihn dieselben auch dergestalt wieder gen Hause führen, wie jetzo mir geschieht: kam er aber zu solchen losen Knollen und Schälken wie du bist, so mußte er alle Wege wohl zu Fuß und allein wiederum nach Hause gehen."
Otto Ernst. IS. Lütt Jan. Jan Ein Ein Von
Boje wünscht sich lange schon Schiff — ach Gott, wie lange schon! Schiff so groß — ein Schiff hurra: hier bis nach Amerika.
Die höchsten Tannen sind zu klein: Die Masten müßten Türme sein. Die stießen — hei, was ist dabei! — Klingling das Himmelsdach entzwei.
Die Die Jan Und
Wolken wären Segel gut, knallen wild im Wind vor Wut. Boje hängt am Klüverbaum strampelt nackt im Wellenschaum.
Deecke. Ernst.
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Fuhrknecht, ein junger Bursch, höchlich unwillig gewesen, daß ein simpler Prädikant fahren sollte, wie seine Herren. Da sie also aufs freie Feld gelangt sind, denket er dem Doktor eine Farbe abzujagen und Ritter an ihm zu weriben; dreht sich also um und fragt: „Herr Doktor, ich hätte Ihn wohl etwas zu fragen; will Er mir in Güte antworten?" — „Ei, warum nicht?" spricht Bugenhagen. „Pflag der Apostel Petrus" — sagt der Knecht — „während seines Apostelamts auch also in behangenen Wagen mit Vorreutern einherzufahren wie Ihr?" Der Doktor sah, daß er es mit einem Schalk zu tun hatte, bedachte sich deswegen nicht lange, sondern sprach: „Mein Sohn, sobald der Apostel Petrus zu so gütigen und from men Leuten kam, wie deine Herren zu Lübeck sind, ließen ihn dieselben auch dergestalt wieder gen Hause führen, wie jetzo mir geschieht: kam er aber zu solchen losen Knollen und Schälken wie du bist, so mußte er alle Wege wohl zu Fuß und allein wiederum nach Hause gehen."
Otto Ernst. IS. Lütt Jan. Jan Ein Ein Von
Boje wünscht sich lange schon Schiff — ach Gott, wie lange schon! Schiff so groß — ein Schiff hurra: hier bis nach Amerika.
Die höchsten Tannen sind zu klein: Die Masten müßten Türme sein. Die stießen — hei, was ist dabei! — Klingling das Himmelsdach entzwei.
Die Die Jan Und
Wolken wären Segel gut, knallen wild im Wind vor Wut. Boje hängt am Klüverbaum strampelt nackt im Wellenschaum.
Ernst.
Wie Ein Die Und
33
greift er da die Fische flink, Butt bei jedem Wellenblink! dörrt auf Deck der Sonnenschein, Jantje beißt vergnügt hinein.
Jan Boje segelt immerfort. Spuckt über Back- und Steuerbord Und kommt zurück trotz Schabernack, Das ganze Schiff voll Kautabak. Wer Der Jan Ein
aber ist Jan Boje, he? Teufelsmaat und Held zur See? Boje ist ein Fischerjung', Knirps, ein Kerl, ein frischer Jung'.
Grad liegt er auf dem Bauch im Sand Und lenkt ein schwimmend Brett am Band, Und ob die Woge kommt und geht. Ob sich sein Brett im Wirbel dreht, — Sein starrer Blick ins Ferne steht. Da schwillt's heran im Sonnengleiß Von tausend Segeln breit und weiß; Da hebt sich manch ein Riesenbug Wie düstrer Spuk und Augentrug. —
Das wandert ewig übers Meer. Wann kommt Jan Bojes Schiff daher?
16, Ris Randers. Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd. — Ein Schrei durch die Brandung!
Und brennt der Himmel, so sieht man's gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut, Gleich holt sich's der Abgrund. Nis Randers lugt, — und ohne Hast Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen." Hessel, Lesebuch.
Anhang: Niederdeutschland.
3
Ernst.
Wie Ein Die Und
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greift er da die Fische flink, Butt bei jedem Wellenblink! dörrt auf Deck der Sonnenschein, Jantje beißt vergnügt hinein.
Jan Boje segelt immerfort. Spuckt über Back- und Steuerbord Und kommt zurück trotz Schabernack, Das ganze Schiff voll Kautabak. Wer Der Jan Ein
aber ist Jan Boje, he? Teufelsmaat und Held zur See? Boje ist ein Fischerjung', Knirps, ein Kerl, ein frischer Jung'.
Grad liegt er auf dem Bauch im Sand Und lenkt ein schwimmend Brett am Band, Und ob die Woge kommt und geht. Ob sich sein Brett im Wirbel dreht, — Sein starrer Blick ins Ferne steht. Da schwillt's heran im Sonnengleiß Von tausend Segeln breit und weiß; Da hebt sich manch ein Riesenbug Wie düstrer Spuk und Augentrug. —
Das wandert ewig übers Meer. Wann kommt Jan Bojes Schiff daher?
16, Ris Randers. Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd. — Ein Schrei durch die Brandung!
Und brennt der Himmel, so sieht man's gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut, Gleich holt sich's der Abgrund. Nis Randers lugt, — und ohne Hast Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen." Hessel, Lesebuch.
Anhang: Niederdeutschland.
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34
Ernst.
Falke.
Da faßt ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein! Dich will ich behalten, du bliebst mir allein; Ich will's, deine Mutter! Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn; Drei Jahre verschollen ist Uwe schon. Mein Uwe, mein Uwe!"
Nis tritt auf die Brücke, die Mutter ihm nach. Da weist er aufs Wrack hin und spricht gemach: „Und seine Mutter?" Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs, Hohes, hartes Friesengewächs; Schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muß es zerschmettern... Nein, es blieb ganz!... Wie lange, wie lange?! Mit feurigen Peitschen hetzt das Meer Die menschenfressenden Rosse daher, Sie schnauben und schäumen.
Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt; Eins auf den Nacken des andern springt Mit stampfenden Hufen!
Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt! Was da —? Ein Boot, das landwärts hält! — — Sie sind es! Sie kommen! Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt. — — — Still! — ruft da nicht einer? Er schreit durch die Hand: „Sagt Mutter, 's ist Uwe!"
Gustav Falke. 17. Lütt Aanteken. Lütt Aanteken, lütt Aanteken, Weerst gistern noch in't Ei,
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Ernst.
Falke.
Da faßt ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein! Dich will ich behalten, du bliebst mir allein; Ich will's, deine Mutter! Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn; Drei Jahre verschollen ist Uwe schon. Mein Uwe, mein Uwe!"
Nis tritt auf die Brücke, die Mutter ihm nach. Da weist er aufs Wrack hin und spricht gemach: „Und seine Mutter?" Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs, Hohes, hartes Friesengewächs; Schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muß es zerschmettern... Nein, es blieb ganz!... Wie lange, wie lange?! Mit feurigen Peitschen hetzt das Meer Die menschenfressenden Rosse daher, Sie schnauben und schäumen.
Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt; Eins auf den Nacken des andern springt Mit stampfenden Hufen!
Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt! Was da —? Ein Boot, das landwärts hält! — — Sie sind es! Sie kommen! Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt. — — — Still! — ruft da nicht einer? Er schreit durch die Hand: „Sagt Mutter, 's ist Uwe!"
Gustav Falke. 17. Lütt Aanteken. Lütt Aanteken, lütt Aanteken, Weerst gistern noch in't Ei,
Falke.
Frapan.
36
litt peddst mi hüt mitt Blömeken All mit bin Föt entwei.
Lütt Aanteken, lütt Aanteken, De Blömeken hört mi, litt bar be lütte Regenpütt, De Regenpütt hört bi.
18. Döntje. So is be Sak togahn: Dree Abeboors hebbt up't Nest stahn. De een keek bann, Un be anner keek barin, Un be britte keek mit un dacht in sin Sinn: Wat kiekt toi all bree in bat Nest herin? Awer so is bat in be Welt ümmer wen, Wo een wat süht, will ok be anner wat sehn.
Ilse Frapan. 19. In der großen Reichenstratze. Über
ben
Fischmarkt
war
ich natürlich voransge-
sprungett, aber als wir in bie große Reichenstraße ein? bogen, stauben ba so viele große Frachttoagen, unb anbere Wagen fuhren vorbei, baß ich ganz orbentlich gehen mußte, wie bie großen Leute. „In welches Haus gehen wir?" fragte ich Onkel Hein. „In bas ba briiben, wo bie steinernen Rosen über ber Haustür ftnb," sagte Onkel. Ich freute unb wunderte mich sehr. In solch einem schönen alten Hanse war ich noch nie gewesen. Als wir an bie Haustreppe kamen, sah ich bie hübschen verzier ten Steingelänber, es kam mir vor, als breitete bas Haus nach allem, was hineinkam, bie Arme aus. Onkel lachte, baß ich so viel nach rechts unb links guckte, ihm war bas nichts Neues. „Gah to. Jung, soveel Tib hew ick nich," sagte Onkel und machte bie schwere 3»
Falke.
Frapan.
36
litt peddst mi hüt mitt Blömeken All mit bin Föt entwei.
Lütt Aanteken, lütt Aanteken, De Blömeken hört mi, litt bar be lütte Regenpütt, De Regenpütt hört bi.
18. Döntje. So is be Sak togahn: Dree Abeboors hebbt up't Nest stahn. De een keek bann, Un be anner keek barin, Un be britte keek mit un dacht in sin Sinn: Wat kiekt toi all bree in bat Nest herin? Awer so is bat in be Welt ümmer wen, Wo een wat süht, will ok be anner wat sehn.
Ilse Frapan. 19. In der großen Reichenstratze. Über
ben
Fischmarkt
war
ich natürlich voransge-
sprungett, aber als wir in bie große Reichenstraße ein? bogen, stauben ba so viele große Frachttoagen, unb anbere Wagen fuhren vorbei, baß ich ganz orbentlich gehen mußte, wie bie großen Leute. „In welches Haus gehen wir?" fragte ich Onkel Hein. „In bas ba briiben, wo bie steinernen Rosen über ber Haustür ftnb," sagte Onkel. Ich freute unb wunderte mich sehr. In solch einem schönen alten Hanse war ich noch nie gewesen. Als wir an bie Haustreppe kamen, sah ich bie hübschen verzier ten Steingelänber, es kam mir vor, als breitete bas Haus nach allem, was hineinkam, bie Arme aus. Onkel lachte, baß ich so viel nach rechts unb links guckte, ihm war bas nichts Neues. „Gah to. Jung, soveel Tib hew ick nich," sagte Onkel und machte bie schwere 3»
Falke.
Frapan.
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litt peddst mi hüt mitt Blömeken All mit bin Föt entwei.
Lütt Aanteken, lütt Aanteken, De Blömeken hört mi, litt bar be lütte Regenpütt, De Regenpütt hört bi.
18. Döntje. So is be Sak togahn: Dree Abeboors hebbt up't Nest stahn. De een keek bann, Un be anner keek barin, Un be britte keek mit un dacht in sin Sinn: Wat kiekt toi all bree in bat Nest herin? Awer so is bat in be Welt ümmer wen, Wo een wat süht, will ok be anner wat sehn.
Ilse Frapan. 19. In der großen Reichenstratze. Über
ben
Fischmarkt
war
ich natürlich voransge-
sprungett, aber als wir in bie große Reichenstraße ein? bogen, stauben ba so viele große Frachttoagen, unb anbere Wagen fuhren vorbei, baß ich ganz orbentlich gehen mußte, wie bie großen Leute. „In welches Haus gehen wir?" fragte ich Onkel Hein. „In bas ba briiben, wo bie steinernen Rosen über ber Haustür ftnb," sagte Onkel. Ich freute unb wunderte mich sehr. In solch einem schönen alten Hanse war ich noch nie gewesen. Als wir an bie Haustreppe kamen, sah ich bie hübschen verzier ten Steingelänber, es kam mir vor, als breitete bas Haus nach allem, was hineinkam, bie Arme aus. Onkel lachte, baß ich so viel nach rechts unb links guckte, ihm war bas nichts Neues. „Gah to. Jung, soveel Tib hew ick nich," sagte Onkel und machte bie schwere 3»
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Frapan.
Haustür auf. Da war vor uns eine offene Diele, ganz ohne Decke, voll von Kisten und Ballen und Fässern; und in der Mitte war ein riesengroßer Baumstamm, beinahe wie die Korallenbäume sah er aus, die uns Onkel Hein früher mitgebracht hatte. „Was ist das?" fragte ich. „Das ist die Winde, die geht nach dem Speicher oben," sagte Onkel, und damit gingen wir auf den verglasten Ausbauer los, der hinten auf der Diele war. „Go'n Dag, Köhnke!" sagte Onkel zu dem Mann, der in dem Ausbauer saß und in ein großes Buch etwas hineinschrieb. „Süh so, Petersen! ook wedder t'rügg?" rief Köhnke und fing an, mit Onkel zu sprechen. Ich stellte mich an das Fenster vom Ausbauer und guckte hinaus. Da war unten das Fleet, aber man konnte beinahe gar kein Wasser sehen, denn das ganze Fleet krimmelte und wimmelte von Schuten und Böten. Und die Schuten waren ebenso voll von Kisten, Ballen und Fässern, wie die Frachtwagen auf der Straße und die große Warendiele. Und die vielen, vielen Leute, die da arbeiteten und riefen und die Fässer und Kisten umluden oder die Güter an dicken Tauen in die Höhe zogen! Überall hingen Kräne an den obersten Speicherluken, und man sah Ballen in der Luft schweben und Hände, die sich aus den Luken streckten und sie oben hereinzogen. Ich hätte stundenlang aus dem Fenster gucken können. Aber Herr Köhnke rief mich an u,nd fragte mich, ob ich nicht mal Havanna-Honig probieren möchte. Ich kriegte drei kleine Probegläser voll. Der Honig schmeckte anders als unserer, ein bißchen körnig und schnapsig, aber doch sehr gut. Ein Glas voll trank ich aus, die zwei andern erlaubte Herr Köhnke mir mitzunehmen; sie waren ganz fest zugekorkt. Herr Köhnke, — er ist der Hausküper — ging mit uns hinauf. Es war ordentlich neblig auf der Diele. Die großen Steine des Fußbodens waren feucht und ausge treten. Auch die Treppenstufen waren ganz ausgehöhlt. Gewiß waren unzählige Menschen hier schon auf- und
Frapan.
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niedergegangen. Aber wenn sie auch ausgehöhlt waren, so knarrten sie doch gar nicht; unsere Treppen, in dem Haus, wo wir wohnen, knarren bei jedem Schritt, und dabei sind sie noch ganz neu. Auf der Treppe war ein trübes Dämmerlicht, aber ich konnte trotzdem das schöne Geländer sehen. Es war von Holz geschnitzt, Muscheln sah ich und Engelköpfe mit dicken Backen. Das Holz sah schon ganz schwarzbraun aus, es war schon so alt. Die Treppe führte auf eine Galerie mit vielen gelben Türen; die blanken Messingdrücker glänzten aus dem Halb dunkel. „Da ist das Privatkontor von unserm Herrn Konsul, und das sind all die andern Kontore!" sagte Köhnke, auf die Türen zeigend; er sprach ganz leise und ehrfurchtsvoll. Wir gingen in den zweiten Stock, wo früher die Familie des Kaufmanns gewohnt hatte, und wo jetzt meistens Lagerräume waren. Es waren große breite Stuben, mit braunen Balkendecken, die Fensterscheiben waren ganz klein und von grünem Glas. Wieder guckte ich in das Fleet hinunter. Es war jetzt, als guckte ich in einen Ab grund. Das grüngelbe Wasser, der graue Nebel, die schwarzen nassen Hauswände gegenüber, das alles sah eigentlich traurig aus. Aber die Leute auf den Schuten unten, die da beluden und entlöschten und hin- und herfuhren, hatten rote Gesichter, und ihr Rufen und Lachen war hier oben noch viel lauter und lustiger zu hören. Herr Köhnke war auch sehr lustig. In seiner kurzen Jacke mit den großen silbernen Knöpfen und mit dem schwarzen ledernen Schuh fell, über dem sein wohlgenährtes Gesicht mit dem grauen Bartrand herausguckte, sah er sehr zufrieden aus. Er kriegte seine dicke silberne Uhr heraus und fragte Onkel, ob er vielleicht noch die großen Elenshörner sehen wollte, so große hätten sie noch gar nicht gehabt, aber denn müßten wir mit auf den dritten Boden kommen. Je höher wir kamen, desto heller wurde es, da oben waren die Treppen mehr so wie Leitern.
38
Frapan. Grimm.
Mit eins prusteten uns drei große schwarze Katzen mit gesträubtem Haar und hohem Buckel entgegen. „Die sind wild," sagte Köhnke, „aber wenn wir nich 'n büschen forsche Speicherkatzen haben, denn fressen uns die Mäuse hier Nasen und Ohren ab." Die Elenshörner waren schwarz grau und so groß und schwer, daß ich nur mit Mühe eins aufheben konnte. Sie lagen da alle übereinander. „Die Sommen von Kanada," sagte Köhnke, „aber hier haben wir auch schöne Musikinstrumente." Und plötzlich gab Köhnke einen Ton von sich, daß die Fenster klirrten, so dröhnte das. „Je, das sind norwegische Ochsenhörner, die verlieren ihren Ton nicht, und wenn sie noch so lange lagern!" sagte Köhnke lachend, „früher, wenn Inventur war, denn wurde immer zur Eröffnung auf diesen geblasen." Auf dem Rückweg kriegte ich dann noch zwei Handvoll Mandeln aus einem Sack, der geplatzt war.
Brüder Grimm. 20. Das Dorf am Meer. Eine Heilige ging am Strand, sah nur zum Himmel und betete, da kamen die Bewohner des Dorfs Sonntags nachmittags, ein jeder geputzt in seidenen Kleidern, seinen Schatz im Arm, und spotteten ihrer Frömmigkeit. Sie achtete nicht darauf und bat Gott, daß er ihnen diese Sünde nicht zurechnen wolle. Am andern Morgen aber kamen zwei Ochsen und wühlten mit ihren Hörnern in einem nahegelegenen großen Sandberg, bis es Abend war; und in der Nacht kam ein mächtiger Sturmwind und wehte den ganzen aufgelockerten Sandberg über das Dorf hin, so daß es ganz zugedeckt wurde und alles darin, was Atem hatte, verdarb. Wenn die Leute aus benachbarten Dörfern herbeikamen und das verschüttete aufgraben wollten, so war immer, was sie tagsüber gearbeitet, nachts wieder zuge weht. Das dauert bis auf den heutigen Tag.
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Frapan. Grimm.
Mit eins prusteten uns drei große schwarze Katzen mit gesträubtem Haar und hohem Buckel entgegen. „Die sind wild," sagte Köhnke, „aber wenn wir nich 'n büschen forsche Speicherkatzen haben, denn fressen uns die Mäuse hier Nasen und Ohren ab." Die Elenshörner waren schwarz grau und so groß und schwer, daß ich nur mit Mühe eins aufheben konnte. Sie lagen da alle übereinander. „Die Sommen von Kanada," sagte Köhnke, „aber hier haben wir auch schöne Musikinstrumente." Und plötzlich gab Köhnke einen Ton von sich, daß die Fenster klirrten, so dröhnte das. „Je, das sind norwegische Ochsenhörner, die verlieren ihren Ton nicht, und wenn sie noch so lange lagern!" sagte Köhnke lachend, „früher, wenn Inventur war, denn wurde immer zur Eröffnung auf diesen geblasen." Auf dem Rückweg kriegte ich dann noch zwei Handvoll Mandeln aus einem Sack, der geplatzt war.
Brüder Grimm. 20. Das Dorf am Meer. Eine Heilige ging am Strand, sah nur zum Himmel und betete, da kamen die Bewohner des Dorfs Sonntags nachmittags, ein jeder geputzt in seidenen Kleidern, seinen Schatz im Arm, und spotteten ihrer Frömmigkeit. Sie achtete nicht darauf und bat Gott, daß er ihnen diese Sünde nicht zurechnen wolle. Am andern Morgen aber kamen zwei Ochsen und wühlten mit ihren Hörnern in einem nahegelegenen großen Sandberg, bis es Abend war; und in der Nacht kam ein mächtiger Sturmwind und wehte den ganzen aufgelockerten Sandberg über das Dorf hin, so daß es ganz zugedeckt wurde und alles darin, was Atem hatte, verdarb. Wenn die Leute aus benachbarten Dörfern herbeikamen und das verschüttete aufgraben wollten, so war immer, was sie tagsüber gearbeitet, nachts wieder zuge weht. Das dauert bis auf den heutigen Tag.
Grimm. Groth.
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21. Der heilige See der Hertha. Die Rendigner, Avionen, Angeln, Mariner, Eudosen, SuanthonenNndNuithonen, deutsche Völker, zwischen Flüssen und Wäldern wohnend, verehren insgesamt die Hertha, d. i. Mutter Erde, und glauben, daß sie sich in die menschlichen Dinge mischt und zu den Völkern gefahren kommt. Auf einem Eiland des Meeres liegt ein unentweihter, ihr ge heiligter Wald, da steht ihr Wagen, mit Decken umhüllt, nur ein einziger Priester darf ihm nahen. Dieser weiß es, wann die Göttin im heiligen Wagen erscheint; zwei weibliche Rinder ziehen sie fort, und jener folgt ehrer bietig nach. Wohin sie zu kommen und zu herbergen würdigt, da ist froher Tag und Hochzeit; da wird kein Krieg gestritten, keine Waffe ergriffen, das Eisen ver schlossen. Nur Friede und Ruhe ist dann bekannt und gewünscht; das währt solange, bis die Göttin genug unter den Men schen gewohnt hat und der Priester sie wieder ins Heilig tum zurückführt. In einem abgelegenen See wird Wagen, Decke und Göttin selbst gewaschen; die Knechte aber, die dabei dienen, verschlingt der See alsbald. Ein heimlicher Schrecken und eine heilige Unwissen heit sind daher stets über das gebreitet, was nur die jenigen anschauen, die gleich darauf sterben.
Klaus Groth. 22. Still, min Hanne. Still, Lüttje Lüttje Röhrt
min Hanne, hör mi to! Müse pipt int Stroh, Vageln slapt in Bom, de Flünk un pipt in Drom.
Still, min Hanne, hör mi an! Buten zeit de böse Mann,
Grimm. Groth.
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21. Der heilige See der Hertha. Die Rendigner, Avionen, Angeln, Mariner, Eudosen, SuanthonenNndNuithonen, deutsche Völker, zwischen Flüssen und Wäldern wohnend, verehren insgesamt die Hertha, d. i. Mutter Erde, und glauben, daß sie sich in die menschlichen Dinge mischt und zu den Völkern gefahren kommt. Auf einem Eiland des Meeres liegt ein unentweihter, ihr ge heiligter Wald, da steht ihr Wagen, mit Decken umhüllt, nur ein einziger Priester darf ihm nahen. Dieser weiß es, wann die Göttin im heiligen Wagen erscheint; zwei weibliche Rinder ziehen sie fort, und jener folgt ehrer bietig nach. Wohin sie zu kommen und zu herbergen würdigt, da ist froher Tag und Hochzeit; da wird kein Krieg gestritten, keine Waffe ergriffen, das Eisen ver schlossen. Nur Friede und Ruhe ist dann bekannt und gewünscht; das währt solange, bis die Göttin genug unter den Men schen gewohnt hat und der Priester sie wieder ins Heilig tum zurückführt. In einem abgelegenen See wird Wagen, Decke und Göttin selbst gewaschen; die Knechte aber, die dabei dienen, verschlingt der See alsbald. Ein heimlicher Schrecken und eine heilige Unwissen heit sind daher stets über das gebreitet, was nur die jenigen anschauen, die gleich darauf sterben.
Klaus Groth. 22. Still, min Hanne. Still, Lüttje Lüttje Röhrt
min Hanne, hör mi to! Müse pipt int Stroh, Vageln slapt in Bom, de Flünk un pipt in Drom.
Still, min Hanne, hör mi an! Buten zeit de böse Mann,
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Groth.
Baben gelt de stille Maan: „Kind, mutt bett dat Schrigen dan?"
Äwern Bom so still un blank, Äwert Hus an Heben lank, Un wo he frame Kinner süht, Kik mal an, wa lacht he blid! Denn seggt he to de böse Mann, Se wüllt en beten wider gan. Denn gat se beid, denn stat se beid Äwert Moor un äwer de Heid. Still, min Hanne, slap mal rar! Morgen is he wedder dar! Rein so gel, rein so blank, Äwern Bom an Himmel lank.
All int Gras de gelen Blom! Vageln pipt in Appelbom, Still un mak de Ogen to, Lüttje Müse pipt int Stroh.
23. De letzte Feide, 20. Juni 1559. Mich en Wort war hört, nich en Stimm, nich en Lut, Se stunn as de Schap oppe Weid, Se stunn as be Rest vun en dalslan Holt, To Föten de Trümmer vun Heid. So mit man seeg, de Besten ut Land, Dar weern se fülln as de Reth: Nu stunn noch de Rest un sak oppe Knee — Se swert ttu en Herrn den Eed.
Dar klopp wul menni Hart inne Bost, Un dat Blot dat krop un steeg. Doch de Ogen gungn mit Tran'n äwert Land, Un de Mund weer stumm un sweeg.
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Groth.
Baben gelt de stille Maan: „Kind, mutt bett dat Schrigen dan?"
Äwern Bom so still un blank, Äwert Hus an Heben lank, Un wo he frame Kinner süht, Kik mal an, wa lacht he blid! Denn seggt he to de böse Mann, Se wüllt en beten wider gan. Denn gat se beid, denn stat se beid Äwert Moor un äwer de Heid. Still, min Hanne, slap mal rar! Morgen is he wedder dar! Rein so gel, rein so blank, Äwern Bom an Himmel lank.
All int Gras de gelen Blom! Vageln pipt in Appelbom, Still un mak de Ogen to, Lüttje Müse pipt int Stroh.
23. De letzte Feide, 20. Juni 1559. Mich en Wort war hört, nich en Stimm, nich en Lut, Se stunn as de Schap oppe Weid, Se stunn as be Rest vun en dalslan Holt, To Föten de Trümmer vun Heid. So mit man seeg, de Besten ut Land, Dar weern se fülln as de Reth: Nu stunn noch de Rest un sak oppe Knee — Se swert ttu en Herrn den Eed.
Dar klopp wul menni Hart inne Bost, Un dat Blot dat krop un steeg. Doch de Ogen gungn mit Tran'n äwert Land, Un de Mund weer stumm un sweeg.
Groth. Denn wit umher de Besten ut Land In Freden un Strit tmrut, De legen nu bot oppet Feld vun Heid Un stumm ünner Asch un Schutt.
Nich en Lut war hört, as dat Haf un de Flöt, Un de Prester leet se swern, Oppe Knee dar leeg dat Ditmarscher Volk Un ibe achtunveertig Herrn. Noch schint de Heben der blau hendal Uit grört dat Holt un de Eer: De Ditmarschen fallt de Tran int Gras, Uit de Friheit seht se iti mehr!
24. Ol Büsum. Ol Busen liggt int Wille Haff, De Flöt de keem un wöhl en Graff. De Flöt de keem un spöl un spöl. Bet se de Insel ünnerwöhl. Dar blev keen Steen, dar blev keen Pahl, Dat Water schäl dat all hendal. Dar weer keen Beest, dar weer keen Hund, De ligt nu all in depen Grund.
Un allens, wat der lew und lach, Dat deck de See mit depe Nach. Mitünner in de Holle Ebb So süht man vunne Hüs de Köpp. Denn duckt de Torn herut ut Sand, As weert en Finger vun en Hand.
Denn hört man fach de Klocken klingn, Denn hört man fach de Kanter singn.
Denn geit dat lisen där de Luft „Begrabt den Leib in seine Gruft".
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Groth. Denn wit umher de Besten ut Land In Freden un Strit tmrut, De legen nu bot oppet Feld vun Heid Un stumm ünner Asch un Schutt.
Nich en Lut war hört, as dat Haf un de Flöt, Un de Prester leet se swern, Oppe Knee dar leeg dat Ditmarscher Volk Un ibe achtunveertig Herrn. Noch schint de Heben der blau hendal Uit grört dat Holt un de Eer: De Ditmarschen fallt de Tran int Gras, Uit de Friheit seht se iti mehr!
24. Ol Büsum. Ol Busen liggt int Wille Haff, De Flöt de keem un wöhl en Graff. De Flöt de keem un spöl un spöl. Bet se de Insel ünnerwöhl. Dar blev keen Steen, dar blev keen Pahl, Dat Water schäl dat all hendal. Dar weer keen Beest, dar weer keen Hund, De ligt nu all in depen Grund.
Un allens, wat der lew und lach, Dat deck de See mit depe Nach. Mitünner in de Holle Ebb So süht man vunne Hüs de Köpp. Denn duckt de Torn herut ut Sand, As weert en Finger vun en Hand.
Denn hört man fach de Klocken klingn, Denn hört man fach de Kanter singn.
Denn geit dat lisen där de Luft „Begrabt den Leib in seine Gruft".
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Groth.
25. Wihnachnabnd. Dat is en scharpen Wihnachnabnd! Greetdort, kik mal nan Kachelabnd! Grotvader fräst uns fünft noch bot, Em ward vär Kull de Näs al rot.
Och, lat He nu de Weeg man stan! He fchull man hier nan Lähnstohl gan! — Suh so! nu is de Stuv al rein, Un fehlt der nix, as Sand to strein. De Wi Wa De
Finstern tuest un muckt sik ni, mät noch rein mist Fürfatt bi! knarrt de Snee! Wats dat vär een? Frost malt idel flinke Been.
Dar kumt de Sünn! se 's füerrot! Wenn de man hölpt, so hett keen Not. Süh an! de Ecken schint al blank Un drippelt oppe Finsterbank. De Böm hebbt all er Winterkleed, Dats witt, so wit de Ogen seht. Man blot de Bek int Wischenland Is as en Spegel an de Wand. De Armn sünd richti al to Gang! De nachts ni warm liggt, slöppt ni lang. De lütten Dinger krupt so krumm Mit Hänschen an un Döker um. . . .
Och, een lütt Seel fangt an to weenn, Dats richti truri antosehn! Un so unschülli un so smuck, Vär Mitlidn ward dat Hart een buck. De Wächter De ward ok Sin Festleed Als sung he
hett sin Stutenaarn — öller mit de Jährn. bevt de Strat hentlank. sülm sin Graffgesank.
Helmold.
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Wenn he hier rin kumt mit sin Korf, So fragt em mal na Holt un Torf, Un gevt em man en Stuten mehr, Wenn't wul de letzte Wihnacht weer!
De Tid geit rascher as en Drom. Eerst krigt wi sülm en Wihnachtsbom, Denn kamt uns Kinner an de Reeg, Denn sitt Grotmoder bi de Weeg, Un ehr wi opkikt, sünd tot old, Un ehr tot umseht, sünd toi kold, Un Wihnachn kumt un geit in Drasf: Uns deckt de Snee int depe Graff.
Helmold. ,26. Bon der Erbauung Segebergs. Da der glorreiche Kaiser Lothar und seine ehrwürdige Gemahlin Richenza dem Dienste Gottes die andächtigste Fürsorge widmeten, so erschien vor dem Kaiser, als er sich zu Bardowick aufhielt, Vicelin, und legte ihm ans Herz, daß er dem Volke der Slawen nach der ihm vom Himmel verliehenen Macht ein Mittel zur Rettung ihrer Seelen darbieten möchte. Ferner wies er ihm nach, daß im wagrischen Lande ein geeigneter Berg vorhanden sei, um auf demselben zum Schutze des Landes eine königliche Burg zu errichten. Denn auch Kanut, der König der Obotriten, hatte einst denselben Ort besetzt. Aber die dort liegenden Krieger waren in der Nacht von Räubern ge fangen genommen, auf Anstiften des älteren Grafen Adolf, welcher von Kanut, wenn derselbe zu mächtig wurde, be drängt zu werden gefürchtet hatte. Der. Kaiser also gab dem klugen Rate des Bischofs Gehör und sandte sachver ständige Männer hin, um den Berg zu besichtigen, ob er zur Befestigung geeignet wäre. Als diese Vicelins Ansicht
Helmold.
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Wenn he hier rin kumt mit sin Korf, So fragt em mal na Holt un Torf, Un gevt em man en Stuten mehr, Wenn't wul de letzte Wihnacht weer!
De Tid geit rascher as en Drom. Eerst krigt wi sülm en Wihnachtsbom, Denn kamt uns Kinner an de Reeg, Denn sitt Grotmoder bi de Weeg, Un ehr wi opkikt, sünd tot old, Un ehr tot umseht, sünd toi kold, Un Wihnachn kumt un geit in Drasf: Uns deckt de Snee int depe Graff.
Helmold. ,26. Bon der Erbauung Segebergs. Da der glorreiche Kaiser Lothar und seine ehrwürdige Gemahlin Richenza dem Dienste Gottes die andächtigste Fürsorge widmeten, so erschien vor dem Kaiser, als er sich zu Bardowick aufhielt, Vicelin, und legte ihm ans Herz, daß er dem Volke der Slawen nach der ihm vom Himmel verliehenen Macht ein Mittel zur Rettung ihrer Seelen darbieten möchte. Ferner wies er ihm nach, daß im wagrischen Lande ein geeigneter Berg vorhanden sei, um auf demselben zum Schutze des Landes eine königliche Burg zu errichten. Denn auch Kanut, der König der Obotriten, hatte einst denselben Ort besetzt. Aber die dort liegenden Krieger waren in der Nacht von Räubern ge fangen genommen, auf Anstiften des älteren Grafen Adolf, welcher von Kanut, wenn derselbe zu mächtig wurde, be drängt zu werden gefürchtet hatte. Der. Kaiser also gab dem klugen Rate des Bischofs Gehör und sandte sachver ständige Männer hin, um den Berg zu besichtigen, ob er zur Befestigung geeignet wäre. Als diese Vicelins Ansicht
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Helmold.
bestätigten, kam er über den Fluß ins Land der Slawen an den bestimmten Ort und befahl dem ganzen Volke der Nordalbingier zum Baue der Burg herbeizueilen. Aber auch die "Fürsten der Slawen erschienen, dem Kaiser ge horsam, und halfen am Bau, obwohl mit großem Schmerze; denn sie merkten, daß damit eigentlich auf ihre Bedrückung hingearbeitet werde. Darum sagte ein Fürst der Slawen zu einem andern: „Siehst du diesen festen und emporragendeu Bau? Siehe, ich prophezeie dir, diese Burg wird eine Zwingburg für das ganze Land. Denn von hier aus rückend, werden sie zuerst Plön überwältigen, dann Olden burg und Lübeck. Darnach werden sie über die Trave gehen und Ratzeburg und das ganze Land der Polaben erobern. Aber auch das Land der Obotriten wird ihren Händen nicht entgehen." Jener antwortete: „Wer hat uns dies Unglück bereitet und dem König diesen Berg verraten?" Da erwiderte der Fürst: „Siehst du den kleinen Mann mit dem kahlen Haupte, der dort beim König steht? Der hat dies Unglück über uns gebracht." Die Burg also wurde fertig gebaut, mit einer zahlreichen Besatzung versehen und Siegeburg genannt. Der Kaiser aber setzte auf derselben als Befehlshaber seinen Getreuen Heriman ein. Damit nicht zufrieden, verordnete er auch die Gründung einer Kirche am Fuße des Berges; wobei er zur Unterhaltung des Gottesdienstes und der dort zu versammelnden geistlichen Brüder den Ertrag von sechs oder mehr Orten anwies, was dein Brauche gemäß durch besondere Urkunden festgesetzt wurde. Die Verwaltung des Kirchenbaues aber übertrug er dem Vicelin, damit derselbe auch die Errichtung von Wohnungen und die Herbeiziehung von Ansiedlern um so williger betreiben möchte. Dasselbe verfügte er auch inbetreff der Lübecker Kirche. Dann befahl er dem Pribislaw bei Verlust seiner Gnade, für den genannten Bischof oder dessen Stellvertreter angelegentlichst Sorge zu tragen. Er nahm sich, wie er selbst bezeugte, vor, das ganze Volk der Slawen dem heiligen Glauben zu unterwerfen und
Helmold.
aus dem machen.
Diener
Christi
45
Hertz.
einen
großen
Bischof
zu
Paul Hertz. 27. Hochwasser. Ihr armen Kinder, die ihr in Hamm und Borgfelde groß werdet! Ich bebaute euch trotz eurer vielgepriesenen Gärten. Was wißt ihr von Hochwasser! Fernher aus der Stadt hört ihr Schüsse herüber dröhnen, das ist alles, was ihr davon habt. Zu euch kommt das Wasser nicht hin, und so habt ihr keine Ahnung, welche Fülle der Ge nüsse und freudiger Aufregung mit solch einem Hochwasser auf dem holländischen Brook verbunden ist! Wenn der Wind zuerst recht steif aus Westen weht und darauf nach Norden umläuft, dann ist Hoffnung, daß es kommt. Dann wird nämlich das Wasser aus dem eng lischen Kanal zuerst tüchtig in die Nordsee gedrängt und endlich die Elbe hinauf getrieben. Jetzt schießen sie schon, wenn das Wasser in Cuxhaven die gewöhnliche Fluthöhe übersteigt, und dann wieder, wenn es hier zu steigen an fängt, kein Mensch wird klug aus dem Geschieße. Früher wurde der erste Fuß, um den das Wasser hier in Hamburg über die gewöhnliche Fluthöhe stieg, durch sechs uitb jeder folgende durch drei Schüsse angezeigt. Das war einfach und konnte jedermann begreifen. Die armen Bardowiekerweiber am Zippelhause waren Wlimm daran; denen lief es schon beim ersten Schuß in ihre „geelen Wötteln", wenn sie sie nicht glücklich unter jdem Dache ihres alten Kastells geborgen hatten. Beim zweiten Schuß trat es dort schon auf die Straße. Beim dritten kam es Meister Gaetckes Ziegen auf dem Wand bereiterbrook in ihren Stall. Beim vierten fingen eben daselbst die Tonnen an, gar vergnüglich durcheinander zu schwimmen, wenn sie nicht festgelegt waren. Beim fünften
Helmold.
aus dem machen.
Diener
Christi
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Hertz.
einen
großen
Bischof
zu
Paul Hertz. 27. Hochwasser. Ihr armen Kinder, die ihr in Hamm und Borgfelde groß werdet! Ich bebaute euch trotz eurer vielgepriesenen Gärten. Was wißt ihr von Hochwasser! Fernher aus der Stadt hört ihr Schüsse herüber dröhnen, das ist alles, was ihr davon habt. Zu euch kommt das Wasser nicht hin, und so habt ihr keine Ahnung, welche Fülle der Ge nüsse und freudiger Aufregung mit solch einem Hochwasser auf dem holländischen Brook verbunden ist! Wenn der Wind zuerst recht steif aus Westen weht und darauf nach Norden umläuft, dann ist Hoffnung, daß es kommt. Dann wird nämlich das Wasser aus dem eng lischen Kanal zuerst tüchtig in die Nordsee gedrängt und endlich die Elbe hinauf getrieben. Jetzt schießen sie schon, wenn das Wasser in Cuxhaven die gewöhnliche Fluthöhe übersteigt, und dann wieder, wenn es hier zu steigen an fängt, kein Mensch wird klug aus dem Geschieße. Früher wurde der erste Fuß, um den das Wasser hier in Hamburg über die gewöhnliche Fluthöhe stieg, durch sechs uitb jeder folgende durch drei Schüsse angezeigt. Das war einfach und konnte jedermann begreifen. Die armen Bardowiekerweiber am Zippelhause waren Wlimm daran; denen lief es schon beim ersten Schuß in ihre „geelen Wötteln", wenn sie sie nicht glücklich unter jdem Dache ihres alten Kastells geborgen hatten. Beim zweiten Schuß trat es dort schon auf die Straße. Beim dritten kam es Meister Gaetckes Ziegen auf dem Wand bereiterbrook in ihren Stall. Beim vierten fingen eben daselbst die Tonnen an, gar vergnüglich durcheinander zu schwimmen, wenn sie nicht festgelegt waren. Beim fünften
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Hertz.
trat es bei uns auf die Straße, beim sechsten aber ergoß es sich in einem anmutigen Katarakt über die Kellerstiege in unser Hai.L hinein — dann hatten wir die Bescherung. Aber nicht unvorbereitet traf uns der Feind. Schon Stunden vorher sah der Vater die Gefahr kommen. Mit Wind und Wetter auf der Elbe vertraut, konnten er und andere kundige Männer des Hauses ziemlich sicher im vor aus berechnen, wie hoch wohl die Flut steigen würde. Schon ehe die Schüsse fielen, wurde der alte Heinrich wiederholt hinausgeschickt, um nachzusehen, wie hoch das Wasser am Pegel stehe. „All teilt Foot' Herr, und bat Kubik" be richtete er einmal. Er wollte damit sagen „reichlich zehn Fuß". Schien die Sache bedenklich, so wurden alle Vor sichtsmaßregeln getroffen. Alles, was in den Souterrains nicht niet- und nagelfest war, wurde entweder nach der Diele getragen oder fest gegen die Decke abgestützt; auch die Türen wurden ausgenommen. Wehe, wenn das ein mal versäumt wurde! Dann schwammen nachher Suppen terrinen und Ascheimer, Schränke und Türen in einem wirren Durcheinander und in den merkwürdigsten Kom binationen umher. Kam die Flut in den Schulstunden, so wurden wir Kin der nach Hause geholt, teils um uns sicher daheim zu haben, teils um uns den Spaß zu gönnen. War alles gut vorbereitet, so sahen die Eltern dem kommenden Wasser mit Gleichmut entgegen, ein eigentlicher Schaden entstand nicht, und so störten sie uns denn nicht in unserer aus schließlich freudigen Auffassung des ganzen Ereignisses. Zuerst laufen wir noch auf der Straße umher und sehen dem mächtigen steigenden Strome zu, der das Fleet wie rasend durchflutet. Wir helfen Meister Gaetcke seine Ziegen und Schafe ins Haus bringen, wir tründeln seine Tonnen mit herbei, welche die Gesellen hoch aufeinander türmen, damit das Gewicht der oberen die unteren nieder hält. Dann aber ist es hohe Zeit, nach Hause zurück zukehren. Da steht das Wasser schon bis zur Mitte der
Straße! Vom Winde gepeitscht laufen die kleinen Wellen sichtlich mehr und mehr zum Hause hinauf, schon spült eine bis an die steinerne Einfassung der Kellertreppe. Nur noch einige Zoll, und das Wasser steht mit dem oberen Rande gleiche Wir Kinder sind alle auf der Haustreppe, auf dem Bei schlag versammelt und sehen mit gespannter Aufmerksam keit dem allen zu. Sieh, da treibt ein heftiger Windstoß die erste kleine Welle über die Einfassung der Kellertreppe hinunter! Lauter Jubel erschallt. Der Wind legt sich ein wenig, das Wasser scheint zu stehen — lange Gesichter. Aber da schlägt eine zweite Welle über, gleich hinterher die dritte, vierte — es kommt doch! Aus den einzelnen Wellen wird in wenigen Minuten ein regelmäßiger Strom, der die Stufen hinunterstürzt. Wie das rauscht und schäumt und spritzt! Atemlos sehen wir von unserm sichern Stand« au§dem Schauspiel zu. Allmählich aber füllt sich der Schlund— höher und höher steigt das Wasser im Keller — end lich steht es ebenso hoch wie draußen. Da hört der schöne Wasserfall auf, ruhig läuft die gelbe Flut über die Keller öffnung hin, als wenn dort gar keine Vertiefung wäre. Nun ist hier draußen für den Augenblick nichts mehr zu sehen, nun hinein ins Haus! Hurra! nun ist es da, das Hochwasser! Merkwürdige Töne erklingen aus der Küche, hört, wie es dort geheimnisvoll gurgelt und plätschert! Auch der Hof raum ist voll Wasser und der Garten ein See, das Lust haus eine Insel. Einige Dinge hat man doch versäumt zu bergen: da schwimmt ein Besen, und dort schaukelt sich gar lustig ein umgestülpter Eimer, auf dem eine Ratte sitzt. Weiterhin treibt noch etwas, wir können nicht er kennen, was es ist; einige meinen, es ist die Mütze des alten Heinrich, andere stimmen für das rund« Fußkissen Ernas. Diese Ding« müssen wir doch retten! Wenn das Wasser.höher wird, treiben sie sonst über die Laube weg auf Nimmerwiedersehn davon.
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Hertz.
Auf der Diele steht eine große Waschbalje und eine Badewanne, das sind ja herrliche Fahrzeuge! Wir tragen sie durch die blaue Stube uno den Saal und bringen sie an der Gartentreppe zu Wasser. Die zwei größten Jungen setzen sich hinein, als Ruder nehmen sie beliebige Brett stücke oder die Hände, und nun fahren sie lustig im Garten umher uud bringen in Gewahrsam, was da schwimmt; das eine ist wirklich Heinrichs Mütze. Sollte man wohl durch den Keller des Hinterhauses nach denk Hofe kommen können? Wir wollen es doch ein mal versuchen. Mutig steuern wir durch die vom Garten eingehende Tür in den engen Kellerdurchgang hinein. Frei lich ist's unheimlich da unten, fast ganz dunkel, die Decke dicht über uns! Auf Bördern und irgend hervorragenden Punkten sitzen Ratten und glotzen uns böse und zur äußersten Verteidigung bereit an. Aber nur vorwärts! Langsam und vorsichtig fahren wir weiter, uns mehr an den Wänden entlang schiebend, als rudernd. Wir atmen doch hoch auf, als wir endlich hindurch sind durch die dunkle Enge und von den anderen Kindern mit Jubel begrüßt auf dem Hofe anlangen! Nun geht es natürlich vom Hofe aus in die an ihm liegende Küche hinein; dort ist es hell wie sonst. Hei, wie es da anssieht! Die eine Anricht ist nicht gut abgestützt gewesen, nun treibt sie, mit den Beinen nach oben, kläg lich nmher. Auch einer der Geschirrborde muß übersetzen sein, da schwimmt die große Schüssel, in der immer die Grütze auf den Tisch kommt, und dort ein Teller, in dem ganz unversehrt eine Düte Rosinen liegt. Endlich .aber haben wir das Umherfahren satt. Wir ziehen die Badewanne und die Balje aufs Land und laufen alle zusammen nach der Haustür. Wie hat sich da inzwischen alles verändert! Nun steht das Wasser bei unserm Hause schon etwa zwei Fuß hoch auf der Straße, die Brüstung des Bollwerks am Fleet ist nicht mehr zu sehen, von uns zu Gaetckes hinüber erstreckt
Hertz, sich eine einzige Wasserfläche. Wie der Wind darüber hin fegt! Hie und da gehen noch Männer in großen Wasser stiefeln umher. Von der höher liegenden Brücke ab tragen sie Herren und Frauen „Huckepack" an ihre Haustüren. Kuhr und Schabbel, die Kommis, kommen so angeritten. Und da geht mit einmal Bruder John über die Brücke, auf hohen Stelzen schreitet er gemächlich und vorsichtig durchs Wasser! Aber tiefer und tiefer wird es nach dem Hause zu; wird er es trockenen Fußes erreichen? Ja, es geht eben gut! Als pflichtgetreuer Lehrling ist er so zu seinen Prinzipalen in der Gröninger Straße auf Stelzen hin und her gegangen. Höher und höher steigt das Wasser; vom Sturme ge peitscht, schlagen wilde kleine Wellen an die Haustreppe. Schon ist kein anderer Verkehr mehr möglich, als in Booten. Da sind auch schon welche; von der Holländischen Reihe her kommen sie angefahren. Sie verdienen sich ein gutes Stück Geld, indem sie Leute und Sachen hin und her bringen. Will der Sturm sich noch nicht legen? Der Vater beginnt besorgt zu werden, nur noch eine Stufe der Treppe ist nach, dann steht das Wasser auf der Diele. Plötzlich erhebt sich drüben ein donnerndes Gepolter. Der ganze Stapel Tonnen bei Meister Gaetcke ist inein ander gestürzt, nun treiben sie alle einzeln umher. Einige Fässer schwimmen gerade auf uns zu; rasch werden Stricke geholt und die Ausreißer angebunden. So tut jeder Nach bar, und so kann Meister Gaetcke morgen seine Tonnen wieder zusammen holen. Endlich kommt die Zeit der Ebbe. Kann auch das Wasser des Windes wegen nicht gleich zurückfluten, so steigt es doch nicht mehr. Bald indes fällt es sichtlich. Eine Stufe der Haustreppe nach der andern wird frei, rasch wie sie gekommen, verläuft die Flut, und nach drei oder vier Stunden fließt das Wasser wieder ruhig, wie es sich ge hört, im Fleete entlang. Hessel. Lesebuch.
Anhang: Ntederdeutschland.
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Nun sagt selbst, ihr Kinder, kann es wohl etwas Amüsanteres geben, als ein solches regelrechtes Hochwasser? Wie viele merkwürdigen und unerhörten Ereignisse könnte ich euch noch erzählen, die sich bei solchen Gelegenheiten in unserm Hause zugetragen haben! Alles war ja anders als sonst. Wir waren abgeschnitten von der Außenwelt, Schlachter und Bäcker waren nicht zu erreichen, auch der Milchmann blieb aus. In unserer Kellerküche konnte nicht gekocht werden, aber oben in Großmutters Küche wurden köstliche Mehl- und Eierspeisen bereitet, wahre Festgerichte. Statt der Milch erhielten wir Wein mit Wasser und Zucker. Denkt euch, mitunter morgens frühf zum ersten Frühstück schon Wein und Wasser und Zucker? Habt ihr das je er lebt? Es kam auch vor, daß Gäste bei uns waren, die des Wassers wegen nicht nach Hause konnten und deshalb bei uns schlafen mußten. Denen zuliebe wurde uns größeren Kindern dann auf den Sofas oder auf einer Matratze am Boden ein Lager bereitet.
Einmal war eine Tanzgesellschaft bei uns versammelt, die um 12 Uhr zu Ende sein sollte, aber inzwischen kam das Hochwasser, und es wurde beschlossen, sich nicht stören zu lassen, sondern fröhlich weiter zu tanzen, bis es wie der vorüber sei. Das geschah denn auch, unb es wurde vier Uhr morgens, bis die Gäste das Haus verlassen konnten. Eines Falles indes erinnere ich mich, wo der Scherz verstummte und uns allen recht bang ums Herz wurde. Etwa zehn Häuser von uns stand ein großer, aus Fach^ werk gebauter Speicher. Er trat, wie unser Hinterhaus, aus der Linie der übrigen Gebäude hervor und lag ihm frei gegenüber. Im Keller lagerte nngelöschter Kalk. Da trat eines Nachts das Hochwasser ein, der Kalk entzündete sich, und bald stand der ganze große Speicher von oben
bis unten in Flammen. Dabei alles ringsum unter Wasser! Schaurig spiegelte sich die feurige Lohe, die riesengroß in den dunklen Nachthimmel aufschoß, in den wilden Fluten. Rufe des Entsetzens und der Todesangst erschollen aus
Hertz,
den benachbarten Häusern, deren Bewohner sich ins Wasser stürzten, um sich zu retten. Niemand vermochte etwas gegen den Brand zu tun; die Feuerwehr konnte mit ihren Spritzen des Wassers wegen nicht an Ort und Stelle ge langen. Seltsam, eine Feuersbrunst, die zu vielen Wassers wegen nicht gelöscht werden konnte! Zum großen Glücke legte sich der Wind, der das Hochwasser veranlaßt hatte, bald gänzlich, sonst wäre unermeßlicher Schaden entstanden. So brannte das Feuer, wie eine ungeheure Fackel, ruhig nach oben. Auch in unserem Hause herrschte große Aufregung. Ihr könnt wohl denken, daß wir alle aufgestanden waren. Ein leiser Luftzug trieb die Funken gerade zu unserm Hinterhause herüber, sie sielen dicht auf unser Dach nie der. Wer Arme hatte, trug Wasser auf den Boden, und ein Kapitän des Vaters, der uns mit einigen Leuten zur Hilfe gekommen war, goß mit Gießkannen und Eimern die glimmenden Funken auf dem Dache aus.
Aber nicht die eigene Feuersgefahr war es, was uns am meisten erregte. Dicht neben dem brennenden Speicher wohnte eine uns befreundete Familie; wir wußten, der Hausvater sei verreist und also die Frau mit ihren Kin dern allein. Kaum aber war dies zur Sprache gekommen, da wußten auch die Männer im Hause, was sie zu tun hatten. Bis an die Brust durchs Wasser gehend, er reichten sie das gefährdete Haus. Die Frau war in Ver zweiflung, eben erst erwacht, die Kinder lagen noch in ihren Betten. Da wurden sie samt und sonders in warme Decken gehüllt und durchs Wasser zu uns hingetragen. Ja es war eine schauerliche Nacht; keiner, der sie mitgemacht, wird sie je vergessen!
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Liliencron.
Detlev von Liliencron. 28. Up -e eensame Hallig. „Min Mann De See geit Min Kind is Keen Minsch Ick bün
is weg. holl. krank, to Hülp. alleen."
De Mann is dor. Dat Kind is dod. Nu ligt int :Huus De kranke Fru. Se sünv alleen. Keen Dokter neech. Keen Minsch to Hülp. De lüttje Fru Js bi ehr Kind. He is alleen.
29. Trutz, blanke Hans. Heut bin ich über Rungholt gefahren, Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. Noch schlagen die Wellen da wild und empört, Wie damals, als sie die Marschen zerstört. Die Maschine des Dampfers schüttelte, stöhnte. Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte: Trutz, blanke Hans. Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden. Liegen die friesischen Inseln in Frieden. Und Zeugen weltenvernichtender Wut, Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut. Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten, Der Seehund schon sonnt sich auf sandigen Platten. Trutz, blanke Dans.
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Liliencron.
Detlev von Liliencron. 28. Up -e eensame Hallig. „Min Mann De See geit Min Kind is Keen Minsch Ick bün
is weg. holl. krank, to Hülp. alleen."
De Mann is dor. Dat Kind is dod. Nu ligt int :Huus De kranke Fru. Se sünv alleen. Keen Dokter neech. Keen Minsch to Hülp. De lüttje Fru Js bi ehr Kind. He is alleen.
29. Trutz, blanke Hans. Heut bin ich über Rungholt gefahren, Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. Noch schlagen die Wellen da wild und empört, Wie damals, als sie die Marschen zerstört. Die Maschine des Dampfers schüttelte, stöhnte. Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte: Trutz, blanke Hans. Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden. Liegen die friesischen Inseln in Frieden. Und Zeugen weltenvernichtender Wut, Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut. Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten, Der Seehund schon sonnt sich auf sandigen Platten. Trutz, blanke Dans.
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Im Ozean mitten schläft bis zur Stunde Ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde. Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand, Die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand. Es zieht sechs Stunden den Atem nach innen Und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen. Trutz, blanke Hans.
Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen Die Kiemen gewaltige Wassermassen. Dann holt das Untier tiefer Atem ein Und peitscht die Wellen und schläft wieder ein. Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken. Viel reiche Länder und Städte versinken. Trutz, blanke Hans. Rungholt ist reich und wird immer reicher. Kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher. Wie zur Blütezeit int alten Rom Staut hier täglich der Menschenstrom. Die Sänften tragen Syrer und Mohren, Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren. Trutz, blanke Hans. Auf allen Märkten, auf allen Gassen Lärmende Leute, betrunkene Massen. Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich: „Wir trutzen dir, blanker Hans, Nordseeteich!" Und wie sie drohend die Fäuste ballen. Zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen. Trutz, blanke Hans.
Die Wasser ebben, die Vögel ruhen, Der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen. Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn, Belächelt der protzigen Rungholter Wahn. Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen Das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen. Trutz, blanke Hans.
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Liliencron. Linde.
Und überall Friede, im Meer, in den Landen. Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden: Das Scheusal wälzte sich, atmete tief Und schloß die Augen wieder und schlief. Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen Kommen wie rasende Rosse geflogen. Trutz, blanke Hans.
Ein einziger Schrei — die Stadt ist versunken, Und Hunderttausende sind ertrunken. Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch, Schwamm andern Tags der stumme Fisch. Heut bin ich über Rungholt gefahren, Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. Trutz, blanke Hans?
Richard Linde. 30. Aus dem Leben der Finkenwärder Fischer. Der Höhepunkt des Fischerlebens ist Heimkehr und Ausfahrt. Auch für das Denken der Frau bedeutet es den Mittelpunkt. Sonst ist ihr Leben eintönig, bequem, so lange die Familie klein ist. Daher kann sie das Häus chen halten wie ein Schmuckkästchen, immer mit Blumen am Fenster, blitzblank uns sauber, die Zimmer klein wie Schiffskabinen, verschwenderisch mit Ol und Farbe ge strichen, wie es der Fischer liebt. Bisweilen findet man in den Stuben zierliche Schnitzarbeit, die der Fischer bei Windstille auskerbte, voll heimlicher Heimatgedanken, eine kleine Wiege, einen Untersatz für den Kochtopf oder ein Schiff für den Erstgeborenen. Wunderliche Orakel künden der Frau die Heimkehr an, aber die erste bestimmte Nach richt bringen die Fischerjungen, diese „Sleefs", die tagein, tagaus am Deich liegen, die Schule schwänzen und mit dem „Kieker" nach der Nummer des „aufkommenden" Fahr zeuges spähen. Wehe der Fischersfrau, die mit dem Boten-
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Liliencron. Linde.
Und überall Friede, im Meer, in den Landen. Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden: Das Scheusal wälzte sich, atmete tief Und schloß die Augen wieder und schlief. Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen Kommen wie rasende Rosse geflogen. Trutz, blanke Hans.
Ein einziger Schrei — die Stadt ist versunken, Und Hunderttausende sind ertrunken. Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch, Schwamm andern Tags der stumme Fisch. Heut bin ich über Rungholt gefahren, Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. Trutz, blanke Hans?
Richard Linde. 30. Aus dem Leben der Finkenwärder Fischer. Der Höhepunkt des Fischerlebens ist Heimkehr und Ausfahrt. Auch für das Denken der Frau bedeutet es den Mittelpunkt. Sonst ist ihr Leben eintönig, bequem, so lange die Familie klein ist. Daher kann sie das Häus chen halten wie ein Schmuckkästchen, immer mit Blumen am Fenster, blitzblank uns sauber, die Zimmer klein wie Schiffskabinen, verschwenderisch mit Ol und Farbe ge strichen, wie es der Fischer liebt. Bisweilen findet man in den Stuben zierliche Schnitzarbeit, die der Fischer bei Windstille auskerbte, voll heimlicher Heimatgedanken, eine kleine Wiege, einen Untersatz für den Kochtopf oder ein Schiff für den Erstgeborenen. Wunderliche Orakel künden der Frau die Heimkehr an, aber die erste bestimmte Nach richt bringen die Fischerjungen, diese „Sleefs", die tagein, tagaus am Deich liegen, die Schule schwänzen und mit dem „Kieker" nach der Nummer des „aufkommenden" Fahr zeuges spähen. Wehe der Fischersfrau, die mit dem Boten-
Linde.
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lohn knauserte, wenn sie die frohe Botschaft bringen: „Jannis kommt up!" Ihr würde nie wieder „angesagt". Dann wirft sich die Frau in ihr Feiergewand und fährt zum Fischmarkt in Altona, wo die Kutter anlegen. Da mag sie ihm von ferne winken und die braunen Segel fallen sehen. Der Bestmann eilt nach Finkenwärder und freut sich der Mädchen, der vielen fröhlichen Mädchen: „Geiht doch nix inne Welt ö'er lütt Finkward Deern!" Nur der Junge bleibt an Bord. Fischer und Fischersfrau geheu nach St. Pauli „up de Glitsch". Kein Kaiser und König kann fröhlicher sein. Der dunkle fischbeschwerte Ewer birgt sie zur Nachtzeit. In der Morgenfrühe werden die Fische verkauft und das Geld gezählt — Buchführung gibt es nirgends — und nun geht es heim zu dem Jüngsten in der Wiege, der alten Mutter, dem Gärtchen mit der Bank, dem rund lichen Schwein. Er freut sich des guten Trunkes, den er so lange entbehrt und der Lieblingsspeisen statt der „Suren supp" und der ewigen „Klüten". Man sollte meinen, daß auch sie als Meerjäger das Jägerlatein verständen. Aber es ist ausdrücklich hervorzuheben, daß sie niemals renom mieren. Der stärkste Sturm wird zu „en betten Kruswater, de us nattsprött het". Aus der Empfindung dieser heimkehrenden Fischer er klärt es sich, daß hier allein an der Elbe Sonntag für Sonntag Reigentanz und Musik ertönt. So kommt es, daß sie gern und gut tanzen, viel gewandter als rings auf den Dörfern. Linksherum ist die Regel. „Sik dreihn is das schoinste Vergnoigen", sagen die Mädchen. Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen. Es ist ein reiz volles Bild, wenn etwa zur Winterszeit ein wandernder Orgelspieler sich hierher verirrt hat. Dann sammeln sich 60 bis 100 Kinder auf dem Deich — denn dort ist die große Kinderstube — und stapfen im Tanz den dünnen Winterschnee, lauter lütte Butts und Deerns. Die Helle Wintersonne spielt über die roten Wangen, die lustigen
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Linde.
Augen und das lange unter der Pelzkappe flatternde Haar. Der Höhepunkt der Volkslustbarkeit ist „de grote Karkmeß" zur Sommersonnenwende. Dann ist jeder Fischer „bihus", und Kutter bei Kutter liegt bewimpelt am Priel. In dies Idyll der Heimkehr blickt, langsam über den Deich emporsteigend, das Schicksal mit starrem Antlitz. Der frohen Heimkehr steht Trennung und Tod gegenüber. Wenn in der Sturmnacht die Wellen immer höher am Deich emporlecken und die Lärmkanonen in immer kürzeren Pausen ertönen, dann gedenkt der Stadtbewohner wohl flüchtig im Halbschlafe der armen Seesischer im gebrech lichen Fahrzeug. Das ist hier anders. Dann gibt es hier schlaflose Nächte und Szenen tiefsten menschlichen Jam mers. Es ist wahr, manche Fischersfrau nimmt die Nach richt von dem Tode ihres Mannes ruhig entgegen: „Da mött ne Fischersfru jümmer mit reken. Dat is as wenn' Soldat inn' Krieg treckt." Aber es gibt auch Frauen, die von grauer Morgenfrühe bis zum Abend den Deich auf und ab gehen, wenn der Mann ausblieb, halb wirren Sinnes, jeden Ankommenden fragend. Nun beginnt die Qual tagelanger, oft wochenlanget Ungewißheit. „Gerd het em seihn!" — „Nei, he het ent nich seihn, 's nich wohr!" Dann kommt das Letzte, gegen das alles Kinderspiel im Leben ist. Man hat das Segel treibend gefunden. Zwei alte Männer der Sippe gehen den schweren Gang. Es dauert lange, bis sie das junge zuckende Weib allein lassen können. Das Los dieser Witwen ist hart. Daß sie sich wieder verheiraten, ist selten. Das gewöhnlichste ist, daß sie einen kleinen Kramhandel beginnen. Bei dem starken Sippenge fühl hält sich die Verwandtschaft verpflichtet, bei ihr zu kaufen. Diese kleinen Krämereien der Fischer- und Schiffer witwen sind typisch für die ganze Niederelbe. Es ist rührend zu sehen, wie das Volksempfinden ver sucht hat, das grause Schicksal zu zwingen oder zu über listen. Glückliche Reise wünschen ist streng verpönt, lieber
Linde.
Moltke.
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sagen: den Hals brechen. Auch das Wort „Adjüs" gibt es hier nicht. Es gilt fast wie ein Fluch, man sagt es nur dem, den man nicht wieder sehen will. Es ist, als ob man die leise schlummernden Geister nicht wecken möchte durch unbedachtes Wort. Auch heute nimmt der Fischer keinen Abschied von den Seinen. Abschied nehmen heißt nicht Wiedersehen, so sagen sie. Die Frau hört wohl an ihrem Herde, wie er mit schwerem Schritt, den Proviant sack auf dem Rücken, die steile Treppe herabkommt, über die Diele schlürft, aber sie sieht nicht zur Seite. So be steht die Einbildung, daß er überhaupt nicht fortgegangen ist. Früher war es Sitte, daß die Frau wortlos zum Schiffe mitging. Dann warf sie im Augenblick der Abfahrt ge trocknete Kräuter oder Erde oder eben ausgerissenes Gras vom Heimatboden in das Schiff. Es ist derselbe Gedanke, der auch hier zugrunde liegt. Eine Trennung von der Heimaterde hat dann nicht stattgefunden.
Helmuth von Moltke. 31. Die Runen. (Aus einem Briefe an seine Gemahlin.) Apenrade, den 6. August 1864. Nun muß ich Dir noch einen gut gelungenen Witz erzählen. Wir haben hier zwei Hünengräber (Hühnergräber, wie der Feldmarschall sagt) öffnen lassen. Fünfzig Mann unter Leitung des Major von Bernuth *) arbeiten daran. Das eine enthielt gar nichts, in dem andern fanden wir, aber schon ganz oben, einen Topf mit Knochenresten. Es wurde zwar behauptet, es sei der gewöhnliche schwarze jütische Topf, in welchem eine Gesellschaft ein Kotelett ge kocht, aber der Fund ist unzweifelhaft echt, und die Arbeit sollte folgenden Tages fortgesetzt werden. Unmittelbar vor dem Wegreiten schickte ich Henry nach dem Schiffszimmer platz und ließ ein recht altes, halb verfaultes Stück Holz *) Der persönliche Adjutant des Prinzen Karl.
Linde.
Moltke.
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sagen: den Hals brechen. Auch das Wort „Adjüs" gibt es hier nicht. Es gilt fast wie ein Fluch, man sagt es nur dem, den man nicht wieder sehen will. Es ist, als ob man die leise schlummernden Geister nicht wecken möchte durch unbedachtes Wort. Auch heute nimmt der Fischer keinen Abschied von den Seinen. Abschied nehmen heißt nicht Wiedersehen, so sagen sie. Die Frau hört wohl an ihrem Herde, wie er mit schwerem Schritt, den Proviant sack auf dem Rücken, die steile Treppe herabkommt, über die Diele schlürft, aber sie sieht nicht zur Seite. So be steht die Einbildung, daß er überhaupt nicht fortgegangen ist. Früher war es Sitte, daß die Frau wortlos zum Schiffe mitging. Dann warf sie im Augenblick der Abfahrt ge trocknete Kräuter oder Erde oder eben ausgerissenes Gras vom Heimatboden in das Schiff. Es ist derselbe Gedanke, der auch hier zugrunde liegt. Eine Trennung von der Heimaterde hat dann nicht stattgefunden.
Helmuth von Moltke. 31. Die Runen. (Aus einem Briefe an seine Gemahlin.) Apenrade, den 6. August 1864. Nun muß ich Dir noch einen gut gelungenen Witz erzählen. Wir haben hier zwei Hünengräber (Hühnergräber, wie der Feldmarschall sagt) öffnen lassen. Fünfzig Mann unter Leitung des Major von Bernuth *) arbeiten daran. Das eine enthielt gar nichts, in dem andern fanden wir, aber schon ganz oben, einen Topf mit Knochenresten. Es wurde zwar behauptet, es sei der gewöhnliche schwarze jütische Topf, in welchem eine Gesellschaft ein Kotelett ge kocht, aber der Fund ist unzweifelhaft echt, und die Arbeit sollte folgenden Tages fortgesetzt werden. Unmittelbar vor dem Wegreiten schickte ich Henry nach dem Schiffszimmer platz und ließ ein recht altes, halb verfaultes Stück Holz *) Der persönliche Adjutant des Prinzen Karl.
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Moltke-
holen, zwischen dessen Moosflecken ich mit Tinte und nach einem hier vorhandenen Runenalphabet schrieb, nämlich den Namen Bernuth: frprkm* Als ich hinauskam, war man mit der Arbeit auf eine große hölzerne Mulde, Schiff oder Sarg *) gestoßen. Da die Spitze aber noch tief in der Erde steckte, so mußte die steilstehende Wand des Hügels erst noch abgestoßen und die Mulde vorerst wieder mit Erde überschüttet werden. Ehe das geschah, praktizierte ich mein Brett unter die Kufe. Der Ungar verstand sogleich den ganzen Witz, lachte übers ganze Gesicht und schob das Brett schweigend unter. Inzwischen kam der Prinz und Bernuth mit den übrigen Offizieren. Vor ihren Augen fand nun die Erdarbeit und Bloßlegung der Mulde statt, und mit dem lebhaftesten Anteil wurde diese ganz und unbe schädigt herausgehoben, nachdem sonst nur einige Haare und ein Stück sehr groben Gewebes gefunden war. Was aber war das gegen den Fund einer ganz deutlichen, wohl erhaltenen Runenschrift, die unmittelbar unter dem Sarg und zwischen den Steinen dalag. Die Art der Auffindung ließ keinen Verdacht über die Echtheit zu, und besonders Oberst Mertens erging sich in Vermutungen über die Be deutung, das Alter usw. Die Eingeweihten hatten die größte Mühe, ernsthaft zu bleiben. (Den Prinzen hatte ich glück lich ins Geheimnis gezogen.) Alles brannte darauf, die Inschrift mit dem Alphabet zu Hause zu vergleichen. Doch bestimmte der Prinz, daß dies erst nach Tisch geschehen könne. Du kannst Dir nun das Lachen denken, als nach und nach Be, Ber, Bernuth zum Vorschein kam. Dieser zog sich gut aus der Affäre, und eigentlich blieb Mertens mit seinen antiquarischen Bemerkungen am meisten kom promittiert. — Heute ist alles nach dem Sundewitt, um in einem dortigen Moor Ausgrabungen anzustellen; ich aber habe den Kurier abwarten wollen. Adieu, liebe Marie, schreibe bald wieder. Herzlichst Dein H e l m u t h. ♦) Dieses Stück befindet sich jetzt in der Nordischen Abteilung deS Museums in Berlin.
Moltke.
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32 Brief an feine Gemahlin. Flensburg, den 16. September 1864.
Liebe Marie. Seit gestern ist das Stabsquartier des Oberkommandos hierher verlegt. Ich wohne bei Fritz und Betty, wo ich natürlich sehr gut aufgehoben bin. Da wir Don beiden Seiten vermeiden, über Politik zu sprechen, so geht alles gut. Die prinzliche Küche ist übrigens für den Stab hier geblieben. Nach zweieinhalbmonatlichem Aufenthalt in Apenrade ist diese Veränderung doch ganz angenehm. Der Prinz hat vier Wochen Urlaub, und bis zum Ablauf derselben wird doch endlich wohl der Friede abgeschlossen werden, obgleich dies Geschäft so langsam ver läuft, daß man an dem Erfolg irre werden könnte. Heute ist schon der Waffenstillstand kündbar. Es scheint, daß man in Kopenhagen immer noch auf größere europäische Ver wicklungen hofft. Ich wirke, wo ich kann, daß nun auch den dänisch redenden Schleswigern ihr Recht wird, und daß wir nicht in dasselbe Unrecht verfallen, um dessentwillen der Krieg geführt worden ist. Henry wird Euch von der interessanten Fahrt mit der Flotte erzählt haben. Wir erlebten einen wirklichen Sturm, und zwar Nummer zehn. Die Marine hat nämlich zwölf Nummern dafür, je nach der immer abnehmenden Zahl der Segel, die das Schiff noch führen kann. Wir hatten nur noch das viermal geraffte Marssegel auf. Das Geheul im Tauwerk war so, daß man kaum noch das Kommando und die Bootspfeife durch hörte. Die ganze Besatzung von vierhundert Mann war in Arbeit, um das Schiff, die Arcona, zu manövrieren. Nicht nur die Topraaen, sondern selbst die Stangen wurden aufs Deck gebracht, und es sah halsbrechend aus, wie die Leute oben arbeiten mußten, um sie herabzubringen. Wenn man solche Szenen mit Agrement ansehen will, so muß es gerade so kommen wie am 6. d. Mts., denn da wir dicht unter Land hinfuhren, so hatten wir trotz des heftigen Windes fast gar keine See. Es gelang auch niemand fee-
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Moltke.
krank zu werden, außer auf der sehr ranken Grille einige unangenehme Momente. Wäre der Wind östlich gestanden, so hätten wir eine furchtbare See gehabt, und da hätte die Sache anders ausgesehen. Einen sehr verschiedenen Anblick bot die Vineta am 13., wo das Quarterdeck derselben zu einem achtzig Fuß langen und fünfzig Fuß breiten Ballsaal für ein Fest her gerichtet war, welches die Flotte der Stadt Flensburg gab. Dach und Wände dieses Salons waren aus Segeln erbaut, welche im Innern mit den Flaggen aller Nationen und mit Laubgewinden und Topfgewächsen prachtvoll dekoriert waren. Die bedeckte Batterie unter dem Fußboden dieses Tanzsaales war zum Buffet, Spiel- und Rauchzimmer ein gerichtet. Höchst eigentümlich war das Ameublement des Festlokales, und kein anderer Festgeber könnte etwas Ähn liches herstellen. Abgesehen von verschiedenen Vierundzwanzigpfündern waren die Kronleuchter aus Geschütz rädern konstruiert, die ojt Zündnadelgewehren hingen und mit Entermessern und Äxten verziert waren. Überall waren Waffen als Schmuck angebracht. In der Mitte plätscherte unter Blumen und Felsblöcken eine Fontäne. Die wenigsten der fröhlichen Gäste ahnten wohl, auf welchem Vulkan sie tanzten; daß die Pulverkammer mit etlichen Zentnern Kriegsmunition unter ihren Füßen lag, hatte wenig zu bedeuten, aber längs des ganzen Bollwerks um das Deck standen Lichter in der Höhe von fünf Fuß herum. Ein ungeschicktes Zurücklehnen konnte die Spitzen, Bänder und Flitter vom Kopfputz einer Dame in Berüh rung mit den Lichtflammen bringen, die dann in diesen Palast von lauter Zündstoffen eine heillose Verwirrung ge bracht hätte, zumal nur ein Ausgang, eine mit Segeln überdeckte Schiffstreppe, vorhanden war. Man hatte denn auch die Spritzen der ganzen Flotte auf der Vineta ver sammelt, um bei einiger Besonnenheit der Gäste ein großes Unglück zu vermeiden. Die Pferde sind wohl. Gestern fuhr ich Fritz und
Moltke. Müllenhoff.
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Betty nach der Kupfermühle, heute regnet es den ganzen Tag. Adieu für heute, gute Marie. Herzlichst Dein
H elmuth.
Karl MUllenhoff. 33. Graf Rudolf auf der Bökelnborg. (1145.) Auf der Bökelnborg saß ein Graf Rudolf und hielt die Ditmarscher alle in so schwerer Dienstbarkeit, daß die Bauern zum Zeichen am Halse einen Klawen tragen mußten, mit dem sonst das Vieh im Stalle angebunden steht. Sie mußten den Schimpf dulden. Des Grafen Frau aber, die Walburg hieß, hatte ihn zu seiner ganzen Härte ange stiftet. Sie trieb ihn auch dazu, daß er noch eine große ungewöhnliche Schatzung in einem Jahre auflegte, in dem erst der Winter so hart war und die Kälte so grimmig, daß die Vögel in der Luft erfroren und herunterfielen und darauf Teurung und Hungersnot folgten, daß Menschen und Vieh in großer Anzahl starben. Da hielten die Bauern bei dem Grafen an, daß er ihnen das Korn erließe. Er sah wohl ein, daß doch wenig oder gar nichts einkommen könnte, und erließ ihnen also die Schatzung, doch unter der Be dingung, im folgenden Jahre sie doppelt zu entrichten. Zu der Zeit wohnte zwischen Schafstedt und Eckstedt auf Heine Viert ein reicher Bauer, ein vornehmer Mann. Den bat der Graf im folgenden Jahre einmal bei sich zu Gaste und traktierte ihn stattlich; während des Schmauses ließ er viel Musik machen. Nach einer Zeit lud ihn der Bauer dafür wieder ein und stellte ein großes Gastgebot au. Wie noch heutzutage geschieht bei großen Hochzeiten und Bieren, waren Säcke voll Korn dahin gestellt und Bretter dar über gelegt worden; darauf saßen die Gäste. Anstatt des Saitenspiels und der Musik aber ließ der Bauer erst alle seine Schweine heraus, dann die Schafe, dann das Jungvieh, darauf die Kühe, und endlich die Pferde, alle nacheinander.
Moltke. Müllenhoff.
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Betty nach der Kupfermühle, heute regnet es den ganzen Tag. Adieu für heute, gute Marie. Herzlichst Dein
H elmuth.
Karl MUllenhoff. 33. Graf Rudolf auf der Bökelnborg. (1145.) Auf der Bökelnborg saß ein Graf Rudolf und hielt die Ditmarscher alle in so schwerer Dienstbarkeit, daß die Bauern zum Zeichen am Halse einen Klawen tragen mußten, mit dem sonst das Vieh im Stalle angebunden steht. Sie mußten den Schimpf dulden. Des Grafen Frau aber, die Walburg hieß, hatte ihn zu seiner ganzen Härte ange stiftet. Sie trieb ihn auch dazu, daß er noch eine große ungewöhnliche Schatzung in einem Jahre auflegte, in dem erst der Winter so hart war und die Kälte so grimmig, daß die Vögel in der Luft erfroren und herunterfielen und darauf Teurung und Hungersnot folgten, daß Menschen und Vieh in großer Anzahl starben. Da hielten die Bauern bei dem Grafen an, daß er ihnen das Korn erließe. Er sah wohl ein, daß doch wenig oder gar nichts einkommen könnte, und erließ ihnen also die Schatzung, doch unter der Be dingung, im folgenden Jahre sie doppelt zu entrichten. Zu der Zeit wohnte zwischen Schafstedt und Eckstedt auf Heine Viert ein reicher Bauer, ein vornehmer Mann. Den bat der Graf im folgenden Jahre einmal bei sich zu Gaste und traktierte ihn stattlich; während des Schmauses ließ er viel Musik machen. Nach einer Zeit lud ihn der Bauer dafür wieder ein und stellte ein großes Gastgebot au. Wie noch heutzutage geschieht bei großen Hochzeiten und Bieren, waren Säcke voll Korn dahin gestellt und Bretter dar über gelegt worden; darauf saßen die Gäste. Anstatt des Saitenspiels und der Musik aber ließ der Bauer erst alle seine Schweine heraus, dann die Schafe, dann das Jungvieh, darauf die Kühe, und endlich die Pferde, alle nacheinander.
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Müllenhoff.
Die trieben mit Springen und Laufen ihre Kurzweil und machten keinen geringen Lärm. — Als die Frau des Grafen aber all den Reichtum sah, da schürte sie ihn an, daß er die Pacht nun ernstlich fordere. Darum hielt er auch die Bauern nun mit Gewalt dazu, daß sie beide, des vorigen Jahres rückständige und dieses Jahres fällige Pflicht eines mit dem andern aufbrächten. Die aber wurden ungeduldig und dachten auf Gelegenheit und Mittel, wie sie ihr Joch ablegen und ihre alte Freiheit wieder erlangen könnten. Solches ist ihnen gelungen auf diese Weise: Als sie am St. Martinsabend das Korn auf die Burg bringen sollten, schickten sie erst einige Wagen mit vollen Säcken voran. Auf den übrigen Wagen verbargen sich starke Männer in und unter die Säcke, und nebenher gingen nicht weniger starke, als wenn sie das Korn ab laden wollten. So fuhren sie eilends hinter einander her; bald war der Burgraum voll, und etliche hielten, wie ver abredet war, unter dem Tor, damit es nicht gesperrt würde. Als nun die vordern Wagen abgeladen wurden und der Graf nichts Arges befürchtete, erscholl von hinten das Losungswort: Röhret de Hände, Sniedet de Sacksbände! Da schnitten sich die Verborgenen heraus; die Wagen führer und die Sackträger rotteten sich mit ihnen zusammen, und mit ihren langen Messern bewaffnet fielen sie über die Leute in der Burg her und ermordeten alle. Die Gräfin aber ergriffen sie und warfen sie in das fließende Wasser, das bis auf den heutigen Tag nach ihr die Wolbersaue heißt. Den Grafen aber suchte man überall ver gebens. Als man nun das Schloß schleifte und zerstörte und schon der dritte Tag da war, da bemerkte man, daß die Elster, die der Graf gezähmt und zur Kurzweil immer bei sich gehabt hatte, vor einem verborgenen Gange saß und immer seinen Namen rief. Da zog man ihn hervor, erstach ihn und riß vollends alles nieder, daß weiter keine
Müllenhoff.
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Spur nachgeblieben ist, als der große Ringwall, der heut zutage den Burger Kirchhof einfaßt.
34. Graf Adolf als grauer Mönch. Als Graf Alfs beide Söhne erwachsen waren, er füllte .er sein Gelöbnis, das er in der Schlacht bei Born höved getan hatte, und trat in den Orden der grauen Mönche (Franziskaner). Nun erzählt man, daß er bettelnd wie ein andrer Bruder umherging und Almosen sammelte. Da begab es sich, daß er einmal in Kiel, wo er auch ein Kloster gestiftet hatte, auf der Straße ging und gerade eine Kanne voll Milch trug, als seine Söhne, die Grafen, mit vielem Gesinde daher geritten kamen. Da schämte er sich und wollte die Kanne verbergen; doch besann er sich, so daß de Demuit über die Eitelkeit siegte, und um sich zu strafen, goß er sich die ganze Kanne voll über den Kopf.
35. Die Schwarze Gret. Zwei arme Fischer, die auf der Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet und zogen .zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die Schwarze Gret, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Danne werk in der Nähe von Haddeby nach ihr Margaretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer int schwarzen Gewände — ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß int sogenannten Margaretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: „Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen." — Sie versprachen es und taten, wie die Gret gesagt hatte; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Gold-
Müllenhoff.
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Spur nachgeblieben ist, als der große Ringwall, der heut zutage den Burger Kirchhof einfaßt.
34. Graf Adolf als grauer Mönch. Als Graf Alfs beide Söhne erwachsen waren, er füllte .er sein Gelöbnis, das er in der Schlacht bei Born höved getan hatte, und trat in den Orden der grauen Mönche (Franziskaner). Nun erzählt man, daß er bettelnd wie ein andrer Bruder umherging und Almosen sammelte. Da begab es sich, daß er einmal in Kiel, wo er auch ein Kloster gestiftet hatte, auf der Straße ging und gerade eine Kanne voll Milch trug, als seine Söhne, die Grafen, mit vielem Gesinde daher geritten kamen. Da schämte er sich und wollte die Kanne verbergen; doch besann er sich, so daß de Demuit über die Eitelkeit siegte, und um sich zu strafen, goß er sich die ganze Kanne voll über den Kopf.
35. Die Schwarze Gret. Zwei arme Fischer, die auf der Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet und zogen .zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die Schwarze Gret, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Danne werk in der Nähe von Haddeby nach ihr Margaretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer int schwarzen Gewände — ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß int sogenannten Margaretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: „Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen." — Sie versprachen es und taten, wie die Gret gesagt hatte; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Gold-
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Spur nachgeblieben ist, als der große Ringwall, der heut zutage den Burger Kirchhof einfaßt.
34. Graf Adolf als grauer Mönch. Als Graf Alfs beide Söhne erwachsen waren, er füllte .er sein Gelöbnis, das er in der Schlacht bei Born höved getan hatte, und trat in den Orden der grauen Mönche (Franziskaner). Nun erzählt man, daß er bettelnd wie ein andrer Bruder umherging und Almosen sammelte. Da begab es sich, daß er einmal in Kiel, wo er auch ein Kloster gestiftet hatte, auf der Straße ging und gerade eine Kanne voll Milch trug, als seine Söhne, die Grafen, mit vielem Gesinde daher geritten kamen. Da schämte er sich und wollte die Kanne verbergen; doch besann er sich, so daß de Demuit über die Eitelkeit siegte, und um sich zu strafen, goß er sich die ganze Kanne voll über den Kopf.
35. Die Schwarze Gret. Zwei arme Fischer, die auf der Schleswiger Holm wohnten, hatten die ganze Nacht vergeblich gearbeitet und zogen .zum letztenmal ihre Netze wieder leer herauf. Als sie nun traurig heimfahren wollten, erschien ihnen die Schwarze Gret, die sich öfters den dortigen Fischern zeigt; sie kommt vom andern Ufer her, wo eine Stelle im Danne werk in der Nähe von Haddeby nach ihr Margaretenwerk heißt, und erscheint in königlicher Pracht mit Perlen und Diamanten geschmückt, aber immer int schwarzen Gewände — ganz so, wie sie früher auf dem Husumer Schloß int sogenannten Margaretensaal zu schauen war. Die sprach zu den Fischern: „Legt eure Netze noch einmal aus, ihr werdet einen reichen Fang tun; den besten Fisch aber, den ihr fangt, müßt ihr wieder ins Wasser werfen." — Sie versprachen es und taten, wie die Gret gesagt hatte; der Fang war so überschwenglich groß, daß ihn der Kahn kaum fassen wollte. Einer der Fische aber hatte Gold-
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Müllenhoff.
münzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen. „Das ist der beste Fisch," sprach der eine und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andere wehrte ihm und versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Gret ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mil Not entkam der and, re und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.
36. Die gelbe Blume. König Abels Schloß in Schleswig, wo der Verrat an seinem Bruder Erich geschah, ist spurlos verschwunden. Doch findet man auf dem Möwenberg noch unter dem Grase alte Kellermauern; hier liegen seine Schätze. Man hat da nachts Lichter und Flämmchen erblickt, und Schatz gräber haben da oft ihr Glück versucht. Aber niemand ist doch noch zu den großeil Schätzen gekommen. Einmal aber in einer Nacht ging ein Mann an der Schlei herauf, und wie er aufblickte, sah er auf dem Möwen berg ein helles Leuchten. Neugierig und erstaunt über das Wunder, folgte er dem Scheine; er merkte endlich gar nicht, daß er über das Wasser ging und es unter seinen Füßen wie Eis hielt, bis das Leuchten immer heller und heller ward und er am Ende vor einem nie gesehenen großen Schlosse stand. In dem Schloßhof aber sah er eine wun derbare gelbe Blume, die vor allem leuchtete und den Glanz verbreitete. Er brach sie ab und ging damit näher zum Schlosse, erst ging er rund herum, dann trat er ein; in dem Schlosse aber fand er alle Türen verschlossen; sobald er aber die Blume dran hielt, sprang sie auf. Er ging durch alle Gemächer, eines war immer herrlicher als das
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Müllenhoff.
münzen statt der Schuppen, Flossen von Smaragd und auf der Nase Perlen. „Das ist der beste Fisch," sprach der eine und wollte ihn wieder ins Wasser setzen. Aber der andere wehrte ihm und versteckte den Fisch unter den übrigen Haufen, daß die Gret ihn nicht sähe; dann ruderte er hastig zu, denn ihm war bange. Ungern folgte ihm sein Gefährte. Aber wie sie so hinfuhren, fingen die Fische im Boote allmählich an zu blinken wie Gold, denn der Goldfisch machte die übrigen auch golden. Und der Nachen ward immer schwerer und schwerer und versank endlich in die Tiefe, in die er den bösen Gesellen mit hinabzog. Mil Not entkam der and, re und erzählte die Geschichte den Holmer Fischern.
36. Die gelbe Blume. König Abels Schloß in Schleswig, wo der Verrat an seinem Bruder Erich geschah, ist spurlos verschwunden. Doch findet man auf dem Möwenberg noch unter dem Grase alte Kellermauern; hier liegen seine Schätze. Man hat da nachts Lichter und Flämmchen erblickt, und Schatz gräber haben da oft ihr Glück versucht. Aber niemand ist doch noch zu den großeil Schätzen gekommen. Einmal aber in einer Nacht ging ein Mann an der Schlei herauf, und wie er aufblickte, sah er auf dem Möwen berg ein helles Leuchten. Neugierig und erstaunt über das Wunder, folgte er dem Scheine; er merkte endlich gar nicht, daß er über das Wasser ging und es unter seinen Füßen wie Eis hielt, bis das Leuchten immer heller und heller ward und er am Ende vor einem nie gesehenen großen Schlosse stand. In dem Schloßhof aber sah er eine wun derbare gelbe Blume, die vor allem leuchtete und den Glanz verbreitete. Er brach sie ab und ging damit näher zum Schlosse, erst ging er rund herum, dann trat er ein; in dem Schlosse aber fand er alle Türen verschlossen; sobald er aber die Blume dran hielt, sprang sie auf. Er ging durch alle Gemächer, eines war immer herrlicher als das
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Müllenhoff. Prell.
andre. In dem letzten fand er endlich ein prächtiges Mahl angerichtet, und nachdem er sich niedergesetzt und nach Herzenslust gegessen und getrunken hatte, stand er auf und wollte wieder gehen. Da rief ihm eine Stimme zu: Vergiß das Beste nicht! Er sah sich um und erblickte niemand; unter all den Kostbarkeiten aber, die auf dem Tische standen, deuchte ihn nichts schöner als ein großer silberner Becher von gar künstlicher Arbeit. Da rief es zum zweiten Male: Vergiß das Beste nicht! Aber er langte nach dem Becher und wollte fortgehen; da rief es zum dritten Male: Vergiß das Beste nicht! Er sah sich noch einmal im Saale um, aber da er nichts Schöneres fand, behielt er den Becher uno ging damit über das Wasser nach der Stadt zu. Als er nun auf dem Lande sich um wandte, war das Schloß uno alle Herrlichkeit verschwun den, und nie hat er es wieder gesehen. Erst nach hundert Jahren blüht in einer Nacht die gelbe Blume wieder, und ein Glücklicher kann das Schloß erreichen und es öffnen. Den Becher aber behielt der Mann, und der ist nachher in die Silberkammer auf Gottorp gekommen, wo alte Leute ihn noch gesehen haben. Die Sachen sind jetzt alle nach Kopen hagen gebracht worden.
Marianne Prell. 37. Unsere Kuh (1813). Ihr erinnert euch wohl noch, daß mein Vater vor Beginn der eigentlichen Belagerung eine Kuh für uns kaufte. Anna, unsere alte treue Kinderfrau, die fünfzehn Jahre in unserem Hause gedient hat, nahm sich mit großer Sorgfalt der Kuh an; war sie doch als ehemalige Bäuerin bei Be handlung derselben so recht in ihrem ehemaligen Elemente. Das Trer hatte denn auch herrliches Gedeihen und gab so rerchlich Milch, daß es dadurch zum wahren Segen nicht allein für uns, sondern auch noch für manche andere wurde. Hessel, Lesebuch. Anhang: Niederdeutschland.
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Müllenhoff. Prell.
andre. In dem letzten fand er endlich ein prächtiges Mahl angerichtet, und nachdem er sich niedergesetzt und nach Herzenslust gegessen und getrunken hatte, stand er auf und wollte wieder gehen. Da rief ihm eine Stimme zu: Vergiß das Beste nicht! Er sah sich um und erblickte niemand; unter all den Kostbarkeiten aber, die auf dem Tische standen, deuchte ihn nichts schöner als ein großer silberner Becher von gar künstlicher Arbeit. Da rief es zum zweiten Male: Vergiß das Beste nicht! Aber er langte nach dem Becher und wollte fortgehen; da rief es zum dritten Male: Vergiß das Beste nicht! Er sah sich noch einmal im Saale um, aber da er nichts Schöneres fand, behielt er den Becher uno ging damit über das Wasser nach der Stadt zu. Als er nun auf dem Lande sich um wandte, war das Schloß uno alle Herrlichkeit verschwun den, und nie hat er es wieder gesehen. Erst nach hundert Jahren blüht in einer Nacht die gelbe Blume wieder, und ein Glücklicher kann das Schloß erreichen und es öffnen. Den Becher aber behielt der Mann, und der ist nachher in die Silberkammer auf Gottorp gekommen, wo alte Leute ihn noch gesehen haben. Die Sachen sind jetzt alle nach Kopen hagen gebracht worden.
Marianne Prell. 37. Unsere Kuh (1813). Ihr erinnert euch wohl noch, daß mein Vater vor Beginn der eigentlichen Belagerung eine Kuh für uns kaufte. Anna, unsere alte treue Kinderfrau, die fünfzehn Jahre in unserem Hause gedient hat, nahm sich mit großer Sorgfalt der Kuh an; war sie doch als ehemalige Bäuerin bei Be handlung derselben so recht in ihrem ehemaligen Elemente. Das Trer hatte denn auch herrliches Gedeihen und gab so rerchlich Milch, daß es dadurch zum wahren Segen nicht allein für uns, sondern auch noch für manche andere wurde. Hessel, Lesebuch. Anhang: Niederdeutschland.
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Unsere Tante ließ jeden Morgen eine Flasche Milch für sich und ihre Kinder von uns holen; jeden Abend brachte Vater selbst eine Flasche frischer Milch an unsere Groß mutter, und damit die Franzosen das ja nicht sehen sollten, so zog er dann immer seine alte dunkelblaue Chenille an (so nannte man damals eine Art Oberröcke mit mehreren großen Kragen; jetzt sieht man sie eigentlich nur noch bei den Droschkenkutschern). Alles, was wir dann noch an Milch irgend entbehren konnten, erhielten die Kinder oder alten Leute im Hospice de charite; jeden Morgen brachte uns ein Junge einen Sack mit Kartoffelschalen für die Kuh und nahm dann in dem Sack einige Kruken mit Milch wieder zurück. Sehr heimlich mußte das allerdings geschehen, denn da es den Franzosen selbst zuletzt an Futter für ihre Pferde mangelte, so hatten sie längst befohlen, daß alle Einwohner ihre Pferde abliefern sollten; das Vieh futter müßte für die Milirärpferde bleiben. Mit bluten dem Herzen mußten dann die wenigen Familien, die da mals noch Equipagen hielten, besonders die Ärzte, ihre Pferde nach dem Grasbrook liefern, wo dieselben nieder gestochen wurden; vorher aber wurden die Tiere genau besehen, und fanden die Franzosen sie besser als ihre eigenen, so tauschten sie dieselben um und behielten die besseren Pferde für sich. Daß sie dann auch alles vorrätige Futter Wegnahmen, versteht sich von selbst. Unsere Kuh suchten wir nun zu verbergen; lange Zeit war auch die Sache gut gegangen, bis eines Morgens unsere Anna gerade auf der Diele war, als einige Gen darmen hereinkamen und sie fragten, ob wir eine Kuh im Hause hätten. Die alte ehrliche Seele hatte natürlich gleich „Ja" gesagt, worauf die Gendarmen ihr auftrugen, ihrem Herrn zu sagen, es sei verboten Vieh zu halten, die Kuh müsse abgeliefert werden. Als sie mit dieser Hiobs post ins Wohnzimmer trat, versetzte Vater gleich: „Mit dem Abliefern wollen wir uns noch nicht übereilen; wenn die Gendarmen wiederkommen und ich nicht zu Hause bin.
Prell.
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so sagt nur, die Kuh sei geschlachtet." Zu einer so offen baren Lüge hatte aber weder unsre Mutter noch unsere Anna den Mut, obgleich gerade sie es waren, die so gerne die Kuh behalten hätten. Sie hatten auch nicht nötig zu lügen; nach einigen Tagen kam die Köchin voller Jubel herauf mit der Nachricht, die Gendarmen seien wieder da gewesen und hätten nach der Kuh gefragt, sie habe aber dreist geantwortet: die Kuh sei längst geschlachtet, und wenn sie, die Franzosen, noch etwas von dem Fleisch hätten haben wollen, so hätten sie sich früher melden müssen; jetzt wäre alles eingesalzen. Obgleich Mutter innerlich empört war über die Frechheit des Mädchens, so freute sie sich doch, daß die Sache so glücklich abgelaufen. Diese Freude dauerte aber nicht lange; die Franzosen mußten doch wohl den Worten des Mädchens nicht rechten Glauben geschenkt haben; denn nach wenigen Tagen bemerkten wir plötzlich wieder so einen kleinen Trupp Gendarmen auf unser Haus zu kommen, wie man sie gewöhnlich bei den Visitationen sah. Glücklicherweise war Vater zu Hause. Nun kam es darauf an, durch ein geschicktes Manöver die Kuh vor den Augen der Franzosen zu verbergen; Mutter mußte geschwind in der Wohnstube, wie zufällig, auf einen Nebentisch eine Flasche Wein und einige Gläser hinstellen; Anna bekam den Auf trag, der Kuh das Maul zuzubinden und sie dann aus ihrem Stall in ein kleines Torfschauer zu führen, welches gleichfalls seinen Eingang vom Hofe hatte, dasselbe aber verschließen und den Schlüssel in die Tasche zu stecken. Darauf ging Vater den Franzosen entgegen, und als sie die Kuh zu sehen verlangten, führte er sie in den Hof, zeigte ihnen den leeren Stall und sagte, daß wir allerdings eine Kuh gehabt hätten, daß sie aber selbst sehen könnten, sie sei nicht mehr da. Sie wollten nun auch das Torfschauer besehen; Vater bedauerte, daß es verschlossen sei, und bat sie, mit ihm hinaufzukommen, um den Schlüssel zu holen; sie folgten ihm in die Wohnstube, wo Vater die Herren zum Sitzen nötigte und jedem ein Glas Wein einschenkte, was 5*
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Reuter.
sie denn auch nicht verschmähten. Während dieser Zeit führte Anna die Kuh aus dem Torfschauer wieder in ihren alten Stall zurück; ich ward hinuntergeschickt den Schlüssel von Anna zu holen, Vater zeigte darauf den Gendarmen auch das leere Torfschauer, und diese verließen unser Haus mit der Überzeugung, daß wir zwar eine Kuh gehabt, aber jetzt keine mehr hätten. Sobald sie indes um die Straßenecke gebogen waren, da mußte denn auch das arme Tier wie der von seinen Banden befreit werden. Anna hatte ihr nämlich ihre dicke blauleinene Schürze ums Maul gebun den, und nun könnt ihr denken, mit welch freudigem Brüllen die Kuh ihre wiedergewonnene Freiheit begrüßte. — Als Ende März Annas Geburtstag war, da überraschte die Kuh sie des Morgens mit zwei neuen blau-leinenen Schürzen, die Mutter und ich genähet, Vater aber der Kuh um die Hörner gebunden hatte, und nun könnt ihr euch Annas und unsere Freude vorstellen!
Fritz Reuter. 38. De blinne Lchausterjung'. „Ach, Meister! Meister! ach, ick unglückselig Kind! Wo zeit mi dit? Herr Je, du mein! Ach, Meister! Jk bün stockenblind, Jk kann ok nich en Spirken seihn!" De Meister smitt den 'Leisten weg. Hei smitt den Spannreim in de Eck Un löppt nah sinen Jungen hen: „Herr Gott doch. Jung'! Wo is di denn?" „Ach, Meister! Meister! Kiken S' hir! Jk seih de Botter up't Brod nich mihr!" De Meister nimmt dat Botterbrod, Bekickt dat nipp von vörn un hin'n:
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sie denn auch nicht verschmähten. Während dieser Zeit führte Anna die Kuh aus dem Torfschauer wieder in ihren alten Stall zurück; ich ward hinuntergeschickt den Schlüssel von Anna zu holen, Vater zeigte darauf den Gendarmen auch das leere Torfschauer, und diese verließen unser Haus mit der Überzeugung, daß wir zwar eine Kuh gehabt, aber jetzt keine mehr hätten. Sobald sie indes um die Straßenecke gebogen waren, da mußte denn auch das arme Tier wie der von seinen Banden befreit werden. Anna hatte ihr nämlich ihre dicke blauleinene Schürze ums Maul gebun den, und nun könnt ihr denken, mit welch freudigem Brüllen die Kuh ihre wiedergewonnene Freiheit begrüßte. — Als Ende März Annas Geburtstag war, da überraschte die Kuh sie des Morgens mit zwei neuen blau-leinenen Schürzen, die Mutter und ich genähet, Vater aber der Kuh um die Hörner gebunden hatte, und nun könnt ihr euch Annas und unsere Freude vorstellen!
Fritz Reuter. 38. De blinne Lchausterjung'. „Ach, Meister! Meister! ach, ick unglückselig Kind! Wo zeit mi dit? Herr Je, du mein! Ach, Meister! Jk bün stockenblind, Jk kann ok nich en Spirken seihn!" De Meister smitt den 'Leisten weg. Hei smitt den Spannreim in de Eck Un löppt nah sinen Jungen hen: „Herr Gott doch. Jung'! Wo is di denn?" „Ach, Meister! Meister! Kiken S' hir! Jk seih de Botter up't Brod nich mihr!" De Meister nimmt dat Botterbrod, Bekickt dat nipp von vörn un hin'n:
Reuter.
SS
„So slag doch Gott den Düwel dod! — Jk Mwst kann ok kein Botter fin'n. Na täuw." Hei geiht tau de Fru Meistern hen Un seggt tau ehr: „Wat makst du denn? Wo is hier Botter op bat Brot, Dor slag doch Gott den Düwel dod." „Is bat nich gaud för so en Jungen? Ji sünd man all' so'n ßetfertyngen; Ji müggten Hus un Hof vertehren, Un ick fall fingerdick upsmeeren. So geit bat noch nich los! Prahl sacht! De Botter gelt en Grösch'ner acht." „Jh, Mudder, ward man nich glik bös, Hest du denn nich en beten Kes'?" Un richtig! Sei lett sik behüben Un deiht den Jungen Kes' upsniden. De Meister bringt bat Botterbrod herin, Giwwt bat den Jungen hen un fröggt. Ob sik sin Blindheit nu hadd leggt, Un ob hei wedder seihen tonn. „Ja, Meister," seggt de Jung' ganz swipp, „Ja, Meister, ja! Jk sei so nipp, As hadd 'k 'ne Brill up mine Näs', Jk seih bat Brod all dörch den Kes'."
39. De Gören bi ’t Gäus' Händen. As ’t Sommer würd un Frühjohr was. Dünn bretoen f ehr Gössel in't gräune Gras; Dünn sprungen de Gören Ut Stuwen un Dören Un danzten herümmer in'n Sünnenschin, Un ’t Freuen un Lachen hadd gor kein En'n, Un sprungen vör Lust un Uappten de Hän'n: „Kik Fiken, kik Pudel! des' säben sünd min! Kik, Fiken, kik Pudel! dit 's uns' oll grag Gant, Un wohrt man jug' Gäus', hei 's betsch, de oll Rekel;
Reuter.
SS
„So slag doch Gott den Düwel dod! — Jk Mwst kann ok kein Botter fin'n. Na täuw." Hei geiht tau de Fru Meistern hen Un seggt tau ehr: „Wat makst du denn? Wo is hier Botter op bat Brot, Dor slag doch Gott den Düwel dod." „Is bat nich gaud för so en Jungen? Ji sünd man all' so'n ßetfertyngen; Ji müggten Hus un Hof vertehren, Un ick fall fingerdick upsmeeren. So geit bat noch nich los! Prahl sacht! De Botter gelt en Grösch'ner acht." „Jh, Mudder, ward man nich glik bös, Hest du denn nich en beten Kes'?" Un richtig! Sei lett sik behüben Un deiht den Jungen Kes' upsniden. De Meister bringt bat Botterbrod herin, Giwwt bat den Jungen hen un fröggt. Ob sik sin Blindheit nu hadd leggt, Un ob hei wedder seihen tonn. „Ja, Meister," seggt de Jung' ganz swipp, „Ja, Meister, ja! Jk sei so nipp, As hadd 'k 'ne Brill up mine Näs', Jk seih bat Brod all dörch den Kes'."
39. De Gören bi ’t Gäus' Händen. As ’t Sommer würd un Frühjohr was. Dünn bretoen f ehr Gössel in't gräune Gras; Dünn sprungen de Gören Ut Stuwen un Dören Un danzten herümmer in'n Sünnenschin, Un ’t Freuen un Lachen hadd gor kein En'n, Un sprungen vör Lust un Uappten de Hän'n: „Kik Fiken, kik Pudel! des' säben sünd min! Kik, Fiken, kik Pudel! dit 's uns' oll grag Gant, Un wohrt man jug' Gäus', hei 's betsch, de oll Rekel;
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litt hollt jug man linksch, un hollt jug tau Hand! — Süh, nu geiht 't all los. — Entfamtige Ekel!" — Un sei stahn nu un slahn Mit de barkenen Stritt: „Willst, Racker, woll glik! Wat heww'n di uns' Gäus' un uns' Gösseling dahn?" So häuden sei 'runner nah grämte Wisch, Wo de Frühjohrsdag Hell dräwer lagg, As en reines Laken up Gottes Disch. De Disch steiht äwerst man noch arm, Dor 's nicks von Sommerkost tau seihn; De Blaumen wagen knapp tau bläuhn, Un lockt de Sünn ok hell un warm. Sei trugen all den Freden nid), Bersteten un vertrusten sich. Dat hartlichst Tüg, dat Winterkurn, Dar spitzt verdeuwelt fin de Uhr'n Un horkt Herute in de Welt, Ob Rip ok woll un Snei noch fällt; Dat Blatt, dat kämmt irst ganz bescheiden Un kickt fit nah den Nachtfrost um: „Büst, Racker, hir noch wo herüm? Irst gah din Weg', nahst will ’t mi Kreiden." Blag Öfchen butt unner den Wepeldurn, As wullt irst lur'n. Ob ’t fit ok schickt, Dat ’t fröhlich in de Welt 'rin kickt; De Botterblaum, deip in de Bläder Mit ehren Sünnenangesicht, Kickt nah de Sünn, as wull sei fragen: „Na, Swester, segg, kann ik ’t woll wagen? Un krig w' nahgradens beter Weder?" Un rechtsch un linksch un hin'n un vören, 'Dor spaddelt dat allens von Gören un Gören,
Reuter.
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De springen un möllern in't gräune Gras; Dat ein', bat liggt längs, un bat anner verbwas; Kein Mütz un kein Büx, Kein Strümp un kein Stäwel, Kein Rock un kein Nicks, Blot Beinen un Knäwel; So spabbelt bat 'rümmer in'n Sünnenschin. — Kann ’t sichtens up Jrben woll betet sin?
40. Meister Snut's Abschied von seinem Sohn. Den annern Dag steiht Meister Snut In sine Smäb. — Wo halt hei ut! Wo haut hei up bat Isen in! De Funken flogen vör Gewalt Em gläugnig in't Gesicht herin. Dat zischt un brus't, bat kloppt un klung! De ganz oll Smäb, be sus't un knallt; „So, nu man tau! Treck büßet, Jung!" — De Püster-Jung', be treckt un treckt, Bet hei vör Hitt be Tung' ntreckt, Un blöst ut Näs' un pust ut Nüster Noch buller, als sin eigen Püster. Den Meister is hüt nicks tau Dank, Sin Reb' is barsch, sin Stirn is krus; Dünn kümmt bett Gorentun entlang Jehann un Mubber ut bat Hus'. Jehann, ben Bünbel upgesackt. Den nigen Haut in Waßbauk packt, Swnng sinen knirkern Stock herüm, As wenn hüt np be ganze Jrb' Kein Smabgesell so lustig wir. Doch um bat Hart warb em so stimm. Em was seinbag' noch nich as hüt: Ach Gott, be Welt, be was so wib! Fünn hei sik borin woll taurecht? Hei habb tau Hus' woll bliwen müggt.
Reuter.
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De springen un möllern in't gräune Gras; Dat ein', bat liggt längs, un bat anner verbwas; Kein Mütz un kein Büx, Kein Strümp un kein Stäwel, Kein Rock un kein Nicks, Blot Beinen un Knäwel; So spabbelt bat 'rümmer in'n Sünnenschin. — Kann ’t sichtens up Jrben woll betet sin?
40. Meister Snut's Abschied von seinem Sohn. Den annern Dag steiht Meister Snut In sine Smäb. — Wo halt hei ut! Wo haut hei up bat Isen in! De Funken flogen vör Gewalt Em gläugnig in't Gesicht herin. Dat zischt un brus't, bat kloppt un klung! De ganz oll Smäb, be sus't un knallt; „So, nu man tau! Treck büßet, Jung!" — De Püster-Jung', be treckt un treckt, Bet hei vör Hitt be Tung' ntreckt, Un blöst ut Näs' un pust ut Nüster Noch buller, als sin eigen Püster. Den Meister is hüt nicks tau Dank, Sin Reb' is barsch, sin Stirn is krus; Dünn kümmt bett Gorentun entlang Jehann un Mubber ut bat Hus'. Jehann, ben Bünbel upgesackt. Den nigen Haut in Waßbauk packt, Swnng sinen knirkern Stock herüm, As wenn hüt np be ganze Jrb' Kein Smabgesell so lustig wir. Doch um bat Hart warb em so stimm. Em was seinbag' noch nich as hüt: Ach Gott, be Welt, be was so wib! Fünn hei sik borin woll taurecht? Hei habb tau Hus' woll bliwen müggt.
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De Ollsch, de gung an sine Sid, De Hand up sine Schuller leggt, De Klage Schört vör dat Gesicht: „Jehanning, Wander nich tau hrib, Jk heww meindag' süß keine Rauh, Gah nich ut Meckelnborg herut, För di is ’t grot naug, Jehann ©nut; Un nimmst du 't Strelitzsch noch dortau — Herr Je! Wo wullst du denn noch hen? Un schriw uns ok mal denn un wenn." Un drückt de Schört sik an dat Og' Un rohrt en Stück, doch binnen slog Dat Hart so stolz, as ’t slagen kann, Dat sei so’n staatschen Jungen tog. So kamen s' nah de Smäd heran. —
Oll Snut haut up dat Isen in, Dat zischt un sus’t, dat Hingt un knallt. De Püster-Jung' treckt vör Gewalt, De Püster pust, all wat hei künn. „Ach, Bader," seggt de Ollsch. — „Na, Bader," seggt de Jung'. — De Oll, de smäd’t, dat knallt un Uung — „Hei is nu hir..." — „Jk bün nu hir. . ." Oll Snut grippt mit de Tang in't Fü’r — Witt gläuht dat Isen linkelang. De Börslag Uimpert pinke — pank, Bautz! füllt de grote Hamer dal, Un noch einmal, un noch einmal! As wenn so'n Oß füllt ut 'ne Bäuk; Un ’t Isen wind't sik windelweik, Un Füer spritzt un Funken stöwen. — „Na, Bader, willst kein Antwurt gewen?" — „Ja, Bader, wull adjüs nu feggen." De Oll ward weg den Hamer leggen Un dreiht sik um: „Is dat Manier? So kümmst du in'ne Smäd herin?
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Wer, meinst du, dat ik för di bün? Hest du den Bündel up den Nacken, Denn möst di an den Meister wen'n, Dat Vaderseggen hett en En'n; Denn heit ’t mit mi ,auf Hufschmidtsch' snacken." Jehann gung stilling ut de Smäd. Wo schot bi Badern sine Red' Dat Blaud em gläugnig in't Gesicht, Dat ’t as sin Baders Isen lücht't! Hei kämm taurügg un stunn nu dor. Den blanken Haut up't gele Hör, Stiw as en Pal, grad as 'ne Ell, Un kek nich rechtsch un linksch un frög: „Mit Gunst, daß ich 'rein schreiten mög'? Gott ehr' das Handwerk, Meister und Gesell." — „Süh so, min Sühn, süh so is ’t recht! Bi Höflichkeit un richt'gen Gruß, Dor steiht di apen jedes Hus; Dat hett noch keinen Schaden bröcht. Du willst ,auf Hufschmidtsch' in de Welt, Un ik, ik heww ok nicks dorgegen. Obschonst ,auf Seehahnsch' sihr gefüllt. Un wat uns' Landslüd' sünd, de plegen ,Auf Kumpansch< in de Welt tau teihn. — Na, dat kümmt allens äwerein, De Hauptsak is, lihr wat, Jehann, Un lumm taurügg as Jhrenmann! Makt ’t Handwark di ok buten swart, Holl rein de Hand un rein dat Hart; Is ’t Mark tau En'n un dod dat Fü'r, Denn mak di sauber, glatt un schir; Dat is ok bin'n kein rendlich Mann, De nich sauber geiht, wenn hei ’t hewwen kann. Drei Johr, dat is 'ne lange Tid, Wenn ein sei vör sik liggen süht; Drei Johr, dat is 'ne körte Spann,
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Wenn ein sei süht von achter an; Sei sünd tau lang, üm s' tau verliren: Sei sünd tau kort, üm uttaulihren. Reis' nich ümher, as blinne Hess', Un sinnst du wat, denn kik irst tau; Wat up de Strat liggt, up den Meß, Dat nimm nich up, bat lat in Rauh! Gedanken gläuh in Helle Ess', Doch sünd sei rein von Slack un Slir, Denn fat bitt Mark mit Tangen an — Holl wiß, holl wiß, mitt Sühn Jehann, Un smäd bitt Mark in frischen Fü'r! Un hest du dörch de Welt di slagen, Un hett di ’t buten nich gefoll'n. Denn kannst bi tttt mal Umschau holl'n Un kannst nah Arbeit wedder fragen. Süh so, mitt Sühn! Un nu adjü! Un denk an Muddern un an mi! Un nu, mitt Sahn, herun den Haut!" Un leggt de Hand em up den Kopp: „Noch büst du gaud, tut bliw ok gaud!" Un langt den Hamer ut de Eck: „So, nu man tau! Nu, Jung', nu treck!" Jehann un Mudder gähn herut. „Treck düller. Jung'!" seggt Meister Snut, Un sweißt un smäd't, de Funken flogen Em in't Gesicht un in de Ogen, Dat hei sei, wenn ’t de Jung' nich süht, Sik ut de Ogen wischen müßt. „Na," seggt hei, „orndlich narschen is ’t; Wo dumm un dämlich spritzt dat hüt!" —
41. Grotzmutting, hei is dod! Großmutting sitt an den Fürhird, Dat Für brennt hell un warm;
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Wenn ein sei süht von achter an; Sei sünd tau lang, üm s' tau verliren: Sei sünd tau kort, üm uttaulihren. Reis' nich ümher, as blinne Hess', Un sinnst du wat, denn kik irst tau; Wat up de Strat liggt, up den Meß, Dat nimm nich up, bat lat in Rauh! Gedanken gläuh in Helle Ess', Doch sünd sei rein von Slack un Slir, Denn fat bitt Mark mit Tangen an — Holl wiß, holl wiß, mitt Sühn Jehann, Un smäd bitt Mark in frischen Fü'r! Un hest du dörch de Welt di slagen, Un hett di ’t buten nich gefoll'n. Denn kannst bi tttt mal Umschau holl'n Un kannst nah Arbeit wedder fragen. Süh so, mitt Sühn! Un nu adjü! Un denk an Muddern un an mi! Un nu, mitt Sahn, herun den Haut!" Un leggt de Hand em up den Kopp: „Noch büst du gaud, tut bliw ok gaud!" Un langt den Hamer ut de Eck: „So, nu man tau! Nu, Jung', nu treck!" Jehann un Mudder gähn herut. „Treck düller. Jung'!" seggt Meister Snut, Un sweißt un smäd't, de Funken flogen Em in't Gesicht un in de Ogen, Dat hei sei, wenn ’t de Jung' nich süht, Sik ut de Ogen wischen müßt. „Na," seggt hei, „orndlich narschen is ’t; Wo dumm un dämlich spritzt dat hüt!" —
41. Grotzmutting, hei is dod! Großmutting sitt an den Fürhird, Dat Für brennt hell un warm;
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Sei malt sik hüt kein Handgebird, Slapp hängt de Hand un de Arm.
Ult vör ehr sitt ehr Dochter-Kind, En Kind von achteihn Johr; Dat wirkt so iwrig un spinnt un spinnt Den Flaß, so weil as ehr Hör.
Un buten, dor brüst de Storm un Wind, De Regen, de gütt in Güten; Sei sitt so trurig un spinnt un spinnt; Gram hett dat Hart ehr ternten. Großmutting geiht an't Kind heran: „Du büst doch süs so bewandt; — Lat kamen, Kind, wat kamen kann; Liggt all'ns in Gottes Hand.
Vertru up ent, hei lett di nich; Giww Gott, den Herrn, de Ihr! —" „Großmutting, mi's so ängsterlich; Ick glöw, hei lewt nich mihr." „'Ne stimme Tid, 'ne böse Tid! — Holt still, min Kind, holt still! Un wehr di nich, wenn wat geschützt. Wenn Gott di strafen will." —
Un Wind un Storm, de Woll äwer dat Land un Sei dragen de Kundschaft Un't weit keiner, wohen Sei Un Sei Un
brusen furt dat Meer; von Urt tau Urt, un woher.
riten von Hütten dat Strohdack dal von Daglöhner-Katen de Fast; riten dat Kirchendack dal ahn Wahl dat Dack von den Königspalast.
Un't Kind steiht up so still un sacht Un geiht herut ut de Dör; In ehr ist Nacht un buten Nacht; „Ach Gott! Großmutting, kumm her!
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De ganze Hewen is Mäubtgrob, Von Nurben kümmt be Schin. — O grote Jammer! o grote Not! Dat möt woll Rostock sin." —
Un be Ollsch kümmt 'rut, un be grisen Hör, De fleigen in Storm un Winb; Mit blöbe Ogen starrt sei bor Un leggt be Hanb up ehr Kinb:
„Dat is kein Für, bat is kein Branb; Dat is en Gottes Gericht. Dat is bat Blaub, wat von bat Lanb Henup taum Hewen schriggt. Dat is be Finger von Gottes Hanb, De uns fall wisen taurecht; Dat is be Finger, be an be Wanb Hett schrewen, as Daniel seggt.
Dat is be Webberschin von Blaub; Dat heww ick vörbem all seihn, As be Franzmann treckte in frechen Maub Woll äwer bett butschen Rhein, As hei treckte in't kolle Rußlanb herin Un bitten Großvaber mi namm; Ick füll vun be Tib Wittfru sin, Wil bat hei nich Webber kämm. Dat was 'ne lange, lange Qual; Ick was noch so jung as bu; Nu seih ick't hüt taum annermal Un bün 'ne steinolle Fru.
Un boch is noch min Rat be best. Den ick bie gewen will: Wenn bu ok all'ns verluren hest, Hollt still, min Kinb, hollt still!" Großmutting in be Käk 'rin geiht; Dat Für gläuht hell un warm:
Reuter.
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Großmutting ehr Hart vel warmer gläuht; Sei höllt ehr Kind in den Arm.
De beiden sitten an'n Fürhird, De Ollsch is still un gemaud; Dat Mäten äwerst vör Bangen friert; Wo bewert dat junge Bland! „Großmutting, hork! — Heft härt, hest hürt? — Dor kloppt wat an de Dör. Großmutting, ach, mi friert, mi friert, Min Hart is gar tau swer." „Wes ruhig still; dat is de Wind, De schüddelt den Appelbom; Giww di gefangen, leiwes Kind, Denk, 't is en sweren Droom."
„Ne, Dat Rut Den
ne! Dat Noppt, dat kloppt hir an!" Mäten springt in En'n, ut de Dör; dor steiht en Mann, Mann, den füll sei ken'n. —
„Ja, ja! — En Breiw? en Breiw für mi? Grww her! giww her, giww rasch!" Hei halt em rut: „Hei is an di," Rut ut sin Schicksals-Tasch. Un as hei nu den Breiw ehr girorot, Dünn wendt s' em üm un ibn: „Großmutting, dat 's nich sine Schrift, Un ick weit woll, worum." Sei breckt den Breiw: ob hei lewt oder ob —? De Breiw füllt in ehren Schot; Sei smitt de Schürt sick äwer den Kopp: „Großmutting, hei is dod!"
42. Lhristbescherung in'n Pafterhus' tu Gurlitz. Endlich, endlich klung de Klingel, de Dör gung up un — ah! — dor stunn de Dannenbom midden in de Stuw up den runnen Disch, un unner den Dannenbom stunnen so vele
Reuter.
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Großmutting ehr Hart vel warmer gläuht; Sei höllt ehr Kind in den Arm.
De beiden sitten an'n Fürhird, De Ollsch is still un gemaud; Dat Mäten äwerst vör Bangen friert; Wo bewert dat junge Bland! „Großmutting, hork! — Heft härt, hest hürt? — Dor kloppt wat an de Dör. Großmutting, ach, mi friert, mi friert, Min Hart is gar tau swer." „Wes ruhig still; dat is de Wind, De schüddelt den Appelbom; Giww di gefangen, leiwes Kind, Denk, 't is en sweren Droom."
„Ne, Dat Rut Den
ne! Dat Noppt, dat kloppt hir an!" Mäten springt in En'n, ut de Dör; dor steiht en Mann, Mann, den füll sei ken'n. —
„Ja, ja! — En Breiw? en Breiw für mi? Grww her! giww her, giww rasch!" Hei halt em rut: „Hei is an di," Rut ut sin Schicksals-Tasch. Un as hei nu den Breiw ehr girorot, Dünn wendt s' em üm un ibn: „Großmutting, dat 's nich sine Schrift, Un ick weit woll, worum." Sei breckt den Breiw: ob hei lewt oder ob —? De Breiw füllt in ehren Schot; Sei smitt de Schürt sick äwer den Kopp: „Großmutting, hei is dod!"
42. Lhristbescherung in'n Pafterhus' tu Gurlitz. Endlich, endlich klung de Klingel, de Dör gung up un — ah! — dor stunn de Dannenbom midden in de Stuw up den runnen Disch, un unner den Dannenbom stunnen so vele
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Reuter.
Schütteln mit Appeln un Rät un Pepernät, as Husinwahners wiren, un noch twei babenin, ein' för Hawermannen un ein' för den jungen Herrn, un de Fru Pasturin burrte um den Disch herümmer un kreg Hawermannen un den Herrn von Rambow bi de Hand un ledd'te sei an den Disch heran: „Und dies ist Ihre Schüssel, und dies ist Ihre Schüssel, und Luise und mein Pastor werden ihre schon finden," un dreihte sik üm un rep: „Nu kam't man 'ran!" denn den Paster sin Knecht, Jürn, un Fru Pastern ehre Mätens, Rike un Dürten, stunnen ok all an de Dör parat tau ehren Kindjees: „Nu man 'ran! Un wo de blanke Daler in den Appel steckt, dat is jug', un wo de roden Däuker upliggen, dat is de beiden Mätens ehr, un wo de rode West upliggt, dat is Jürn sin. — Un Luising..." — Je ja, je ja! — Mit d e Red' kämm sei nich mihr prat, denn Lowise fat't sei üm un küßt ehr de Würd' von den Mun'n un hadd en wunderhübsches kirschrodes Wullen Kled in de Hand: „Mutter, das hast du getan!" Un hir möt ik leider mellen, dat de lütte Fru Pastern sik in den Pasterhus' so wid verget, dat sei leigen würd, grad nich utdrücklich, äwer doch mit Koppschüddeln un Winken up ehren Paster hen, un Lowise sprung nu up ehren Pleg'vader los: „Du hast's getan!" De äwer schüddelte ok mit den Kopp un säd, hei wir unschüllig daran, un Lowise flöt ehren eigenen Bader in den Arm un rep: „Nein, nein! Es ist von dir!" — Den ollen gauden Jnspekter würd gor tau weihmäudig, as hei den vullen Dank von sin Kind afwehren müßt, den atmet Lüd' üm ehr verdeint hadden, hei strek ehr äwer de glatten Hör, un de Ogen würden em natt, as hei sei bi de Hand föt un sei nah de Fru Pasturin brächte: „Ne, Wising, ne! Hir möst du di bedanken." — Äwer de Fru Pasturin hadd jitzt wenigstens kein Tid, den Dank antaunemen, denn sei was dorbi un treckte ehren Paster ut, blot üm tau seihn, wat em de nige Slaprock ok kleden un sitten ded, un 't was noch en Glück, dat sei up en Slaprock un nich up en Por
Reuter.
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Hosen verfallen was, denn in de Hast un de Freud von desen Abend hadd sei jo woll de Schanierlichkeit ut de Ogen set't. Un as de Rock gaud sitten un schön kleben bei), tred sei en por Schritt taurügg un kek ehren Paster an, as en Kind, wenn ’t 'ne nige Popp in de Sofaeck set't bett; un as sei sik ümdreihn beb, dünn fach sei up ehren Töller en blag' Paket liggen, dat hadd ehr Paster ganz heimlich doruppe schaben; un as sei hastig de Bänner afbünzelt un dorbi ümmer förfötsch weg red't hadd: wat dit woll sin künn, un ’t säuhlt sik so sonderbor an, un einer wull sik gewiß en Spaß mit ehr malen, dünn was ’t tauletzt en schönes swartsiden Kled. — Nu was de Freud vullstännig! Hawermann hadd up sinen Teller 'ne nige Pip funnen, de hadd hei in de Mund un roste vergnäuglich dorut, wenn ok man kolt; de Paster lagg in den nigen Slaprock, as 'ne Popp, in de Sofaeck un freute sik äwer de annern ehre Freud, un Fru Pastern un Lowise gungen up un dal in de Stuw un Höllen sik dat Tüg tau de nigen Kleber an den Liw un keken doran dal, wo ’t ehr woll laten würd, un streken daran dal, as wenn de Röck nu all glatt sitten füllen. „Julklapp!" rep Rike ehre lüde Stimm, un en Paket flog in de Dör: ,an die Frau Pastorin Behrens/ un ’t was 'ne hübsche Rutsch, un keiner wüßt, wo sei Her kamm. Un „Julklapp!" gung ’t Webber, un ’t was en niges, gesticktes Küssen för den Herrn Paster sinen Lehnstaul, keiner hadd ’t äwer bahn — ach, wat würd hüt in den Pasterhus' lagen! — Un „Julklapp!" un ’t lagg en Zettel in den Breif, un de Zettel totste up en annern Zettel, de lagg haben up den Bähn, un de Webber up en annern, be lagg unnen in den Keller, un de Webber up en annern, un de Webber . . . un wenn be Fru Pasturin den hübschen, gestickten Kragen hewwen wull, be ehr be stimmt was, müßte sei vörlöpig 'ne Rundreis' börch ehr
ganzes Hus antreden, bet sei em tauletzt ganz bichting bi in ehren eignen Paster sinen Stäwelschacht funn. — Un
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Reuter.
„Julklapp!" — Ach, bat was en grot Paket! ,An ben Herrn Pastor/ un as be ben Ümslag afreten habb, dünn was 't an be Fru Pasturin, un bunn was 't an Jürn, un bunn an Rike, un tauletzt was ’t an Lowise, un as be bat letzte Poppier 'runne reten Habb, bunn was ’t en lütten Neihbisch, grab so’n Neihbisch, as Hawermann mal vör langen Johren sine verstorbene Fru schenkt Habb. — Keiner wußt ’t, hei wüßt ’t. — Un „Julklapp!" — Bäuker för Lowise. — Un „Julklapp!" — ’ne gestickte Fautbeck
für Hawermannen. Rike kämm nu Webber 'rin in be Stuw un säb: „Fru Pastern, nu sünb sei all bor." — „Na, beim wollen wir
hinausgehen," was be Antwurt. — „Nein, liebe Regina," säb be Paster, „laß sie herein kommen!" — „Ach, Pastor, sie treten mir bie Stube so voll Schnee." — „Schabt ihm nicht! Nicht wahr, Rike, bu stehst morgen früh ein bißchen zeitiger auf unb scheuerst bie Stube?" — Dat wull Rike denn nu girn bauhn, un be Dör würb upmakt, un herinne schow fit Kopp an Kopp, Flaßköpp un Swartköpp, bat ganze lütte Görenvolk ut ben Dörp; un bor stunnen sei nu un wischten an be Näsen herümmer, un be Ogen würben ümmer gröter, un keken be Appeln un be Pepernät an, un be Müler beben sik utenanner, as wullen sei be Appeln un Pepernät ben richtigen Weg wisen, wo sei getrost herinner spazieren künnen. — „So," säb Fru Pastern, „nu mal all be Päten irst vör! — Hawermann," feste sei hentau, „nächst ben Eltern sind wir, mein Pastor unb ich, ja boch bie Nächsten zu unsern Paten." — Un äwer be Hälft von be Gesellschaft brängte sik nah vör, benn gaub bi be Hälft von all be Dörpgören habb Herr un Fru Pastern Vabber stahn. Un ein Mogelant Habb sik bor mit mang Drängt, bat was Jöchmg Rührbanz, be verleben Johr seihn Habb, bat be Päten mihr kregen, as be annern; äwer Stine Wasmuths würb bat gewähr un schow em taurügg un säb: „Jung’, bu düst jo gor kein Pät;" womit denn sme utverschamten Ansprüch fallen müßten.
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Reuter.
Nu kämm de Herr Paster mit Bäuker unner den Arm, un wat nu Päten wiren, de all äwer Winter bi em tau'm Beden gungen, de kregen en jeder en Gesangbauk, un de annern kregen Schriwbäuker un Tafeln un Fibeln un Kate-
kismen, je nahdem hei ’t insach; un jeder von de Gören säd: „Jk bedank mi ok, Pät!" äwer de en Gesangbauk kregen hadden, säden: „Jk bedank mi ok velmal, Herr Paster!" Dat was en Herkamen von öltlings her. — Un nu kämm Fru Pastern: „So! Ich nehme die Nüsse, Luise, du nimmst die Pfeffernüsse, und Herr von Rambow. Sie nehmen die Äpfelkörbe, un nu immer die Reihe entlang! — So, nu stellt jug mal all in Reihen hen un hollt jug' Geschirr parat!" — Äwer ganz ruhig gung dat nich af, dat gaww en Drängen un Schubsen, denn jeder wull in de irste Reih, un jeder Höll nu sin Geschirr vör sik, worin hei den Heilchrist säten wull: de lütten Dirns hadden ehr Schärten; äwer de Jungs hadden allens mitbröcht, wat holl was: de Hadd 'ne Schüttel, de hadd en Mehlbüdel, de hadd sinen Bader sinen Haut, un weck Höllen ahn alle Verlegenheiten, ganz drift, Fiwschepelsäck up, as künn 't ehr gar nicht fehlen, dat sei sei bet baben vull kregen. — Nu gung dat Verdecken los: „Süh da! — Da! — Da! — Holt!" rep de Fru Pastern, os sei bi so'n rechten dreihörigen Slüngel ankamm, „Herr von Rambow, dieser kriegt keine Äpfel, der hat sie sich schon im Som
mer voraus aus dem Garten selbst geholt." — „O, Fru Pastern..." — „Jung', heww ik di nich sülwst ut den groten Appelbom, de an de Mur steiht, mit en Staken 'rute halt?" — „O, Fru Pastern..." — „Nichts da! wer Appeln stehlt, kriggt kein' tau'm heiligen Christ. . ." — So gung ’t nu wider, äwer as sei bi Jöching Rührdanzen kämm, Höll sei wedder an: „Hest du di nich ver gangen Woch mit Krischan Kasbomen vör den Pasterhus' so flogen, dat min Rike jug hett utenanner bringen müßt?" „Ja, Fru Pastern, hei säd ok tau mi ..." — „Still! — Luise, der kriegt keine Pfeffernüsse." — „Ja, Fru Hessel, Lesebuch.
Anhang: Niederdeutschland.
ß
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Reuter.
Rimbert.
Pastern, toi hewwen uns äwer all wedder verdragen." — „Na, Luise, dann kriegt er auch Pfeffernüsse." — So toiren denn mitdetoil de Reihen tau En'n, un de Gören gungen af mit ehre Bescherung: „Gu'n Abend ok! Gu'n Abend ok!" denn bi des' Ort was bat Bedanken noch nich Mod'; un as sei ’rute toiren, kämm en ganz anner Gestecht in de Dör 'rinne tau hausten un tau kräpeln; bat rotten de ollen Spinnfrugens un de ollen Bessenbinners un Hölterntüffelmakers ut den Dörp, un ok so'n, de kein Handtierung mihr farig hegen. Mit de red'te denn de Pastor en christlich Wurt, wat ehr sihr taudräglich sin kunn, un de Fru Pastern gatow jedwereinen en groten Stoll, de ehr ok sihr taudräglich sin kunn, un as sei ’rute gungen, wünsch ten sei .Gottes Segen' up de Pasterlüd' 'runne.
Rimbert. 43. Aus dem Lebe« des Erzbischofs Ausgar. Unser Herr und Seelenhirt versah in der ihm anver trauten Diözese und bei den Dänen sein Amt mit Eifer und bewog durch seinen musterhaften Lebenswandel gar manchen zum Glauben. Dann begann er unter den Dänen und Slawen eine Anzahl von Knaben zu kaufen, andere auch aus der Gefangenschaft zu befreien, um sie zum Dienste Gottes zu erziehen. Einige dieser behielt er bei sich, andere übergab er dem Kloster Turholt zur weiteren Verpflegung. Hier bei ihm befanden sich unsere eurer Gemeinschaft an gehörenden Väter und Lehrer, durch deren Lehre und Unter weisung das Wort Gottes unter uns an Ruhm und frucht barem Wachstum zunahm. Während nun so, nach außen wie nach innen, auf löbliche und Gottes würdige Weise gewirkt wurde, ereignete es sich plötzlich, daß Seeräuber erschienen und die Stadt Hammaburg mit Schiffen umgaben. Dieses plötzliche und unerwartete Ereignis machte es unmöglich, das Landvolk
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Reuter.
Rimbert.
Pastern, toi hewwen uns äwer all wedder verdragen." — „Na, Luise, dann kriegt er auch Pfeffernüsse." — So toiren denn mitdetoil de Reihen tau En'n, un de Gören gungen af mit ehre Bescherung: „Gu'n Abend ok! Gu'n Abend ok!" denn bi des' Ort was bat Bedanken noch nich Mod'; un as sei ’rute toiren, kämm en ganz anner Gestecht in de Dör 'rinne tau hausten un tau kräpeln; bat rotten de ollen Spinnfrugens un de ollen Bessenbinners un Hölterntüffelmakers ut den Dörp, un ok so'n, de kein Handtierung mihr farig hegen. Mit de red'te denn de Pastor en christlich Wurt, wat ehr sihr taudräglich sin kunn, un de Fru Pastern gatow jedwereinen en groten Stoll, de ehr ok sihr taudräglich sin kunn, un as sei ’rute gungen, wünsch ten sei .Gottes Segen' up de Pasterlüd' 'runne.
Rimbert. 43. Aus dem Lebe« des Erzbischofs Ausgar. Unser Herr und Seelenhirt versah in der ihm anver trauten Diözese und bei den Dänen sein Amt mit Eifer und bewog durch seinen musterhaften Lebenswandel gar manchen zum Glauben. Dann begann er unter den Dänen und Slawen eine Anzahl von Knaben zu kaufen, andere auch aus der Gefangenschaft zu befreien, um sie zum Dienste Gottes zu erziehen. Einige dieser behielt er bei sich, andere übergab er dem Kloster Turholt zur weiteren Verpflegung. Hier bei ihm befanden sich unsere eurer Gemeinschaft an gehörenden Väter und Lehrer, durch deren Lehre und Unter weisung das Wort Gottes unter uns an Ruhm und frucht barem Wachstum zunahm. Während nun so, nach außen wie nach innen, auf löbliche und Gottes würdige Weise gewirkt wurde, ereignete es sich plötzlich, daß Seeräuber erschienen und die Stadt Hammaburg mit Schiffen umgaben. Dieses plötzliche und unerwartete Ereignis machte es unmöglich, das Landvolk
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Rimbert.
schnell genug zusammenzubringen, zumal der erlauchte Bern hard, der Graf, der damals dem Orte Vorstand, grade ab wesend war. Der Herr Bischof wollte mit den Städtern und der Besatzung der Burg zuerst, als er von der Ankunft der Seeräuber hörte, die Stadt halten, bis Hilfe heran käme; dann aber, als die Heiden nun hervordrangen und die Stadt belagerten, sah er ein, daß er keinen Widerstand zu leisten vermochte. Deshalb trug er nur Sorge, daß die heiligen Reliquienschätze fortgeschafft wurden, und ent kam darauf, während seine Geistlichen sich fliehend hier hin und dorthin zerstreuten, selbst nur mit genauer Not, sogar ohne sein Oberkleid. Auch die Bewohner verließen den Ort, irrten überall umher, manche entkamen, einige wurden gefangen, die meisten aber erschlagen. Als aber die Feinde endlich die Stadt einnahmen, plünderten sie und nahmen alles, was in der Stadt und in dem nächsten Dorfe war, und blieben dann — sie waren gegen Abend gekommen — noch die Nacht und die folgenden 24 Stun den. Dann, nachdem sie alles ausgeraubt und in Brand gesteckt hatten, zogen sie wieder ab. Damals ging sowohl die unter Leitung des Herrn Erzbischofs erbaute Kirche, ein wundervolles Werk, als auch das allgemein bewunderte Kloster in Flammen unter. Bei der Gelegenheit wurde auch eine gar schön geschriebene Bibel, welch« der erlauchte Kaiser unserm Vater verehrt hatte, nebst mehreren andern Büchern vom Feuer verzehrt. Auf diese Weise wurde alles, was Ansgar dort an Kirchengeräten oder andern Schätzen und Habseligkeiten besessen hatte, durch Brand und durch Feindesgewalt geraubt, so daß er beinahe nichts als das nackte Leben rettete. Denn vorher war fast nichts fortgeschafft', und auch nachher wurde nichts mit weggebracht, als was einer im Augenblicke des Davoneilens ergreifen und mit fortbekommen konnte. All dies Leid machte aber unserm heiligen Vater und Herrn das Herz durchaus nicht schwer, und kein sündhaftes Wort entfloh seinen Lippen, sondern, obwohl er beinahe 6*
Rimbert.
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Storm.
alles, was er seit dem Anfang seiner Amtsverwaltung ge sammelt, alles, was er auf die Aufführung von Bauten verwandt, wie mit einem Schlage verloren hatte, so wie derholte er doch oftmals das Wort Hiobs: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; wie es Gott gefallen hat, also ist's geschehen; der Name des Herrn sei gelobet.
Theodor Storm. 44. Gräber an der Küste (Herbst 1850). Mit Die Den Die
Kränzen haben wir das Grab geschmückt. stille Wiege unsrer jungen Toten; grünsten Efeu haben wir gepflückt, spätsten Astern, die das Jahr geboten.
Hier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft, Die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe; Vom Strand herüber weht der Meeresduft, Die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe.
Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her Im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel; Ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer Wirft seinen Glanz auf euren dunklen Hügel.
Und rissen sie die Farben auch herab. Für die so jung ihr ginget zu den Bleichen, O, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab Wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen. Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt; Doch künden sie, daß eure Kugeln trafen. Daß, als ihr euch zur ew'gen Ruh gestreckt,Den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen.
Ihr aber, denen ohne Trommelschlag Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen, Hört dieses Lied! uno harret auf den Tag, Daß unsre Reiter hier Reveille blasen! —
Rimbert.
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Storm.
alles, was er seit dem Anfang seiner Amtsverwaltung ge sammelt, alles, was er auf die Aufführung von Bauten verwandt, wie mit einem Schlage verloren hatte, so wie derholte er doch oftmals das Wort Hiobs: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; wie es Gott gefallen hat, also ist's geschehen; der Name des Herrn sei gelobet.
Theodor Storm. 44. Gräber an der Küste (Herbst 1850). Mit Die Den Die
Kränzen haben wir das Grab geschmückt. stille Wiege unsrer jungen Toten; grünsten Efeu haben wir gepflückt, spätsten Astern, die das Jahr geboten.
Hier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft, Die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe; Vom Strand herüber weht der Meeresduft, Die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe.
Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her Im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel; Ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer Wirft seinen Glanz auf euren dunklen Hügel.
Und rissen sie die Farben auch herab. Für die so jung ihr ginget zu den Bleichen, O, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab Wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen. Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt; Doch künden sie, daß eure Kugeln trafen. Daß, als ihr euch zur ew'gen Ruh gestreckt,Den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen.
Ihr aber, denen ohne Trommelschlag Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen, Hört dieses Lied! uno harret auf den Tag, Daß unsre Reiter hier Reveille blasen! —
Storm,
v. Strauß u. Torney.
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Doch sollte dieser heiße Lebensstreit Verloren gehn wie euer Blut im Sande Und nur im Reiche der Vergangenheit Der Name leben dieser schönen Lande:
In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht, Liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet! Beschützen konntet ihr die Heimat nicht. Doch habt ihr sterbend sie von Schmach gerettet. Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind, Und schlafet aus auf heimatlichen Kissen; Wir andern aber, die wir übrig sind, Wo werden wir im Elend sterben müssen!
Schon hatten wir zu festlichem Empfang Mit Kränzen in der Hand das Haus verlassen; Wir standen harrend ganze Nächte lang. Doch nur die Toten zogen durch die Gassen. —
So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft, Die spätsten Blumen, die das Jahr geboten! Schon fällt das Laub im letzten Sonnendust — Auch dieses Sommers Laub gehört den Toten.
Lulu v. Strauß u. Torney. 45. Hinter de« Düne«. Der Wind, von sprühenden Tropfen naß. Fuhr pfeifend über das Dünengras, Die Wolken jagten sich, regenschwer. Und hinter den Dünen dröhnte das Meer. Er liegt seitab, wo's zum Leuchtturm geht. Der Jnselfriedhof, im Sand verweht. Vergess'ne Kreuze, zerfallen fast. Auf morschen Tafeln die Schrift verblaßt. Grausilbern wuchert die Distel nur Um eingesunkener Hügel Spur. —
Storm,
v. Strauß u. Torney.
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Doch sollte dieser heiße Lebensstreit Verloren gehn wie euer Blut im Sande Und nur im Reiche der Vergangenheit Der Name leben dieser schönen Lande:
In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht, Liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet! Beschützen konntet ihr die Heimat nicht. Doch habt ihr sterbend sie von Schmach gerettet. Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind, Und schlafet aus auf heimatlichen Kissen; Wir andern aber, die wir übrig sind, Wo werden wir im Elend sterben müssen!
Schon hatten wir zu festlichem Empfang Mit Kränzen in der Hand das Haus verlassen; Wir standen harrend ganze Nächte lang. Doch nur die Toten zogen durch die Gassen. —
So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft, Die spätsten Blumen, die das Jahr geboten! Schon fällt das Laub im letzten Sonnendust — Auch dieses Sommers Laub gehört den Toten.
Lulu v. Strauß u. Torney. 45. Hinter de« Düne«. Der Wind, von sprühenden Tropfen naß. Fuhr pfeifend über das Dünengras, Die Wolken jagten sich, regenschwer. Und hinter den Dünen dröhnte das Meer. Er liegt seitab, wo's zum Leuchtturm geht. Der Jnselfriedhof, im Sand verweht. Vergess'ne Kreuze, zerfallen fast. Auf morschen Tafeln die Schrift verblaßt. Grausilbern wuchert die Distel nur Um eingesunkener Hügel Spur. —
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Grausilbern Die Möwe Sonst weite Und hinter
flattert mit schrillem Schrei taumelnd im Sturm vorbei — Öde nur, weiß und leer. den Dünen dröhnt das Meer.
Stand eine Tafel am Zaune dicht. Vom Sand verschüttet und schmucklos schlicht. Zur Seite bog ich das Dünengras Und las den Namen „Jan Remmen Raß" „Im Sturm verunglückt auf hoher See" — Und groß darunter „Christ Kyrie" — Kaum daß das Aug' noch die Worte sieht. Das alte gläubige Schifferlied, Der Schrei versinkender Todesnot Aus Wogenbranden und schwachem Boot!
Ich stand und schaute — ich stand und sann. Wild fuhr von Westen der Sturm heran. Weiß stob der Sand um die Hügel her. Und hinter den Dünen dröhnte das Meer.
Im Fischerdorfe das kleinste Haus, Das sucht' ich just mir zum Rasten aus. Vom Wind zerrissen und mannshoch kaum. Kroch bis ans Dach der Holunderbaum. Ein Stübchen drinnen mit Tisch und Bett. Die alte Bibel im Fensterbrett, Im Fenster Nelken und Immergrün. Am Herd strich schnurrend die Katze hin. — Ein Weib am Feuer, das Netze flickt, — Eisgrau das Haar, und die Stirn gebückt. Sie hob das Auge, sah scharf mich an. Schob dann den Stuhl mir zum Herd heran. Sacht pendelnd tickte am Herd die Uhr. Der Westwind hart an die Scheiben fuhr. Stumm saß die Alte. Kein Wort ward laur Da sah ich auf.
v. Strauß u. Torney.
„Was der Regen braut! Für Boot und Schiffer ist böse Zeit! Ihr Mann ist auch wohl noch draußen heut?" „Mein Mann?" sie strich sich das graue Haar. „Mein Mann ist tot. An die dreißig Jahr. Die S'lup war draußen zum Heringsfang, Er und zwei andre. Vier Tage lang. Ich weiß das alles wie heute noch. Die S'lup war alt, und die See ging hoch. Das Schiff ging unter mit Mann und Maus. Zwei Leichen warfen die Wellen aus. Auf Morgen ging's in der Sonntagsnacht, Da ist er tot mir ins Haus gebracht." Sie schlug die Blätter der Bibel um. Ein Bild dazwischen. Sie gab mir's stumm: Ein derber Schiffer nach alter Art, Seescharf die Augen, und grau der Bart. In steifen Lettern, vergilbt und blaß. Am Rand der Name: Jan Remmen Raß. . . .
„Der hält nun längst auf dem Kirchhof Ruh" — Die Alte nickte dem Bilde zu. Ging dann und holte von kahler Wand Ein andres Bildchen mit leiser Hand. „Und hier" — sie sprach es in weichem Ton — „Dies ist' der Junge. Der Jan, mein Sohn." Ich sah das Bildchen: Ein junges Blut, Die Augen lachend von Lebensmut, In Knabenlocken das helle Haar.
„Ein hübscher Junge, der Jan, nicht wahr? Der letzte Brief kam von Rio her. Nun schläft er draußen im Stillen Meer, Ihn nahm das Fieber, dem Hafen nah.... Ich weiß, sie warten, die beiden da, Der eine hier — und der Junge weit — Für mich ist auch nun bald Schlafenszeit."
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v. Strauß «. Torney.
Wisser.
Sie zog ihr Netz sich zum Fensterlicht. „Die alten Augen wollen nicht! Das Sie Vor Wir
macht das Weinen. So ist die See: tut uns wohl, und sie tut uns weh. dem da droben nur schweigt sie still. nehmen's hin, wie der Herrgott will."
In müdem Schweigen erstarb ihr Wort. Die Wanduhr tickte am Herde fort. Sacht maß den Takt zu dem Liede sie, Das um die Fenster der Weststurm schrie. Der Regen schlug an die Scheiben schwer. Und hinter den Dünen dröhnte das Meer.
Wilhelm Wisser. 46. Der Tunkrüper. De Tunkrüper hett sin Neß in't Wagenschur hatt. Nu sünd de Oln beid mal utflagen weß — se hebbt vör ehr Jungn wat to leben haln wullt — un hebbt de Lütten ganz alleen laten. Nan Titlang kümmt de Ol wa' to Hus. Wat 's hier passert? secht he. Wer hett ju wat dan, Kinner? Ji sünd je ganz verschüchtert. Och, Vadder, seggt se, hier köm eben son groten Bumann verbi — hu, wo feg he bös un schruteri ut! — de glup mit sin groten Ogen na uns Neß herin. Dar hebbt toi uns so vör verfert. So, secht de Ol, wonebn is he denn afbleben? Ja, seggt se, he is dar herümmer gähn. Töf! secht de Ol, den will rk na — west ji man still, Kinner, den will ik kriegen. Darmit flücht he je na. As he üm de Eck kümmt, do is de Löw dat, de geiht dar helank. De Tunkrüper is awer ne verfrarn. He fett sik up den Löbn sin Rüch hen un sangt 'n Schelln an. Wat Heß du bi min Hus to don, secht he, un min lütten Kinner to tierfern? De Löw kehrt sik dar gar ne an un geiht sin Gang. Do ward he noch duller schimpen, de Tunkrüper. Du Heß dar gar niks ver-
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v. Strauß «. Torney.
Wisser.
Sie zog ihr Netz sich zum Fensterlicht. „Die alten Augen wollen nicht! Das Sie Vor Wir
macht das Weinen. So ist die See: tut uns wohl, und sie tut uns weh. dem da droben nur schweigt sie still. nehmen's hin, wie der Herrgott will."
In müdem Schweigen erstarb ihr Wort. Die Wanduhr tickte am Herde fort. Sacht maß den Takt zu dem Liede sie, Das um die Fenster der Weststurm schrie. Der Regen schlug an die Scheiben schwer. Und hinter den Dünen dröhnte das Meer.
Wilhelm Wisser. 46. Der Tunkrüper. De Tunkrüper hett sin Neß in't Wagenschur hatt. Nu sünd de Oln beid mal utflagen weß — se hebbt vör ehr Jungn wat to leben haln wullt — un hebbt de Lütten ganz alleen laten. Nan Titlang kümmt de Ol wa' to Hus. Wat 's hier passert? secht he. Wer hett ju wat dan, Kinner? Ji sünd je ganz verschüchtert. Och, Vadder, seggt se, hier köm eben son groten Bumann verbi — hu, wo feg he bös un schruteri ut! — de glup mit sin groten Ogen na uns Neß herin. Dar hebbt toi uns so vör verfert. So, secht de Ol, wonebn is he denn afbleben? Ja, seggt se, he is dar herümmer gähn. Töf! secht de Ol, den will rk na — west ji man still, Kinner, den will ik kriegen. Darmit flücht he je na. As he üm de Eck kümmt, do is de Löw dat, de geiht dar helank. De Tunkrüper is awer ne verfrarn. He fett sik up den Löbn sin Rüch hen un sangt 'n Schelln an. Wat Heß du bi min Hus to don, secht he, un min lütten Kinner to tierfern? De Löw kehrt sik dar gar ne an un geiht sin Gang. Do ward he noch duller schimpen, de Tunkrüper. Du Heß dar gar niks ver-
Wisser.
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tarn, will 'k di man seggn! Un kümms dn wedder, secht he — un darmit bört he sin en Ben in Enn —, süß vedd ik di förts den Rüch in! Darup flücht he wa' trüch na sin Neß hen. So, Kinner, secht he, den Hess 'k dak aflehrt, de kümmt ne wedder. —
47. De ool Mann, de wedder na School seit. Dar sünd mal 'n paar ol Lüd weß. De Mann, dat 's 'n Daglöhner weß, un de Fru hett so as Badfru gähn. Nu hett de ol Fru mal wat int Presterhus to don hatt un steiht so in de Kök: do kricht de Kölsch grad 'n grot Stück Flesch utn Ketel, rech son schön, fett Flesch. Och Gott, secht de ol Fru, funn wi ul doch mal so'n schön, fett Flesch eten! Do kümmt den Prester sin Fru grad rin na de Kök, de hört dat. Ja, lütt Fru, secht se. Ehr Mann hett ne nog lehrt. Wenn he so vel lert hadd as ntin Mann, denn funn Se un Ehr Mann uk son fett Flesch eten. So, secht se, schull dat dar an liggn? Ja, dar licht dat an, secht se. As se to Hus kümmt, de ol Fru, du, Badder, secht se, weß wat? Na, wat denn, Mudder? Ja, secht se, unsen Prester sin Fru, de se, du hadds ne nog lert. Wenn du so vel lert hadd's as ehr Mann, denn funn wi uk son fett Flesch eten, as se in Ketel hadd'n. Un nu düch nti, wenn du so wuß as ik, denn kunns du noch'n beten wedder na Schol gähn, dat du noch'n beten to lers. Ja, Mudder, secht he, wenn du dat mens, denn kann ik dat je. Ja, secht se, denn will ik di morn früh ’n Fiwel gebn un denn geihs du mit de Scholkinner hen. As he in de Schol kümmt den annern Morgen, na, ntin god Mann, secht de Scholmeister, wat wull He denn? Ja, secht he, ntin Fru, de men, ik schull noch'n beten wedder na Schol gähn, dat ik noch'n beten to lern dö. Ne, ntin god Mann, secht de Scholmeister, dat lat He man betemn. Gah He man wedder hen to Hus. Dat is nu to lat. Na, he geiht je wedder hen to Hus mit sin Fiwel.
Wisser.
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tarn, will 'k di man seggn! Un kümms dn wedder, secht he — un darmit bört he sin en Ben in Enn —, süß vedd ik di förts den Rüch in! Darup flücht he wa' trüch na sin Neß hen. So, Kinner, secht he, den Hess 'k dak aflehrt, de kümmt ne wedder. —
47. De ool Mann, de wedder na School seit. Dar sünd mal 'n paar ol Lüd weß. De Mann, dat 's 'n Daglöhner weß, un de Fru hett so as Badfru gähn. Nu hett de ol Fru mal wat int Presterhus to don hatt un steiht so in de Kök: do kricht de Kölsch grad 'n grot Stück Flesch utn Ketel, rech son schön, fett Flesch. Och Gott, secht de ol Fru, funn wi ul doch mal so'n schön, fett Flesch eten! Do kümmt den Prester sin Fru grad rin na de Kök, de hört dat. Ja, lütt Fru, secht se. Ehr Mann hett ne nog lehrt. Wenn he so vel lert hadd as ntin Mann, denn funn Se un Ehr Mann uk son fett Flesch eten. So, secht se, schull dat dar an liggn? Ja, dar licht dat an, secht se. As se to Hus kümmt, de ol Fru, du, Badder, secht se, weß wat? Na, wat denn, Mudder? Ja, secht se, unsen Prester sin Fru, de se, du hadds ne nog lert. Wenn du so vel lert hadd's as ehr Mann, denn funn wi uk son fett Flesch eten, as se in Ketel hadd'n. Un nu düch nti, wenn du so wuß as ik, denn kunns du noch'n beten wedder na Schol gähn, dat du noch'n beten to lers. Ja, Mudder, secht he, wenn du dat mens, denn kann ik dat je. Ja, secht se, denn will ik di morn früh ’n Fiwel gebn un denn geihs du mit de Scholkinner hen. As he in de Schol kümmt den annern Morgen, na, ntin god Mann, secht de Scholmeister, wat wull He denn? Ja, secht he, ntin Fru, de men, ik schull noch'n beten wedder na Schol gähn, dat ik noch'n beten to lern dö. Ne, ntin god Mann, secht de Scholmeister, dat lat He man betemn. Gah He man wedder hen to Hus. Dat is nu to lat. Na, he geiht je wedder hen to Hus mit sin Fiwel.
so
Wisser.
As he bi sin Fru stimmt, na, Vadder, secht se, is de Schol al ut? Ne, secht he, ut is se noch ne. Awer de Scholmeister se, ik schull man wedder hen to Hus gähn. Dat wer al to lat. Denn mutt ik morn man 'n beten ehr hen gähn. Ja, Vadder, secht se, dat muß du denn je. Annern Mor gen geiht he al'n Stunn ehr weg. As he in de Schol kümmt, na, secht de Scholmeister, He stimmt je al wedder. Ja, secht he, Se sen gistern je, ik köm to lat. Nu bün ik vundag' al'n Stunn' ehr weg gähn. Ne, lütt Mann, secht de Scholmeister, denn hett He mi verkehrt verstahn. Ik men. He wer al to old to 'n Lern. So, secht he, so schall ik dat verstan? Na, denn Helpt dat je ne. Denn man atttis. Nu geiht he 'n annern Weg wedder trüch, un do sinn he tinnerwegens 'n groten Büdel vull Geld. As he to Hus kümmt, na, Vadder, secht se, is de Schol al wedder ut? Ne, secht he, awer de Scholmeister men, ik wer to'n Lern al to old. Awer ik bün likes got to gang kamn, secht he. Kik mal, Mudder, ik heffn groten Büdel vull Geld funn. O, Vadder, secht se, dat muß du je anmelln upn Amt. Dat dörbt toi je ne beholn. Awer toi kriet dar je sachs 'n beten vun af. Na, de ol Mann je hen to Amt. As he bi'n Amtmann kümmt, na, secht de Amtmann, wat hett He denn upn Harten? Ja, Herr Amtmann, secht he, ik wull Se man seggn, ik Hess Geld funn. So? secht de Amtmann. Wonehr hett He dat denn funn? Ja, secht he, as ik ut de Schol köm. O, min god' Mann, secht de Amtmann un lacht, dat kann He gern beholn. Dat Geld, wat do gulln hett, dat gelt nu doch ne mehr. Do hett he sin Geld je beholn. Un do hebbt se sik uk je sott fett Flesch köpen kunnt.
48. Hans un de Ries'. Dar is mal 'n Burn weß, de hett dre Söhns hatt, twe klok un en dumm'n. De dumm hett Hans heten. As se ran müssen sünd, de Jungs, do schüllt se uk je reisen.
so
Wisser.
As he bi sin Fru stimmt, na, Vadder, secht se, is de Schol al ut? Ne, secht he, ut is se noch ne. Awer de Scholmeister se, ik schull man wedder hen to Hus gähn. Dat wer al to lat. Denn mutt ik morn man 'n beten ehr hen gähn. Ja, Vadder, secht se, dat muß du denn je. Annern Mor gen geiht he al'n Stunn ehr weg. As he in de Schol kümmt, na, secht de Scholmeister, He stimmt je al wedder. Ja, secht he, Se sen gistern je, ik köm to lat. Nu bün ik vundag' al'n Stunn' ehr weg gähn. Ne, lütt Mann, secht de Scholmeister, denn hett He mi verkehrt verstahn. Ik men. He wer al to old to 'n Lern. So, secht he, so schall ik dat verstan? Na, denn Helpt dat je ne. Denn man atttis. Nu geiht he 'n annern Weg wedder trüch, un do sinn he tinnerwegens 'n groten Büdel vull Geld. As he to Hus kümmt, na, Vadder, secht se, is de Schol al wedder ut? Ne, secht he, awer de Scholmeister men, ik wer to'n Lern al to old. Awer ik bün likes got to gang kamn, secht he. Kik mal, Mudder, ik heffn groten Büdel vull Geld funn. O, Vadder, secht se, dat muß du je anmelln upn Amt. Dat dörbt toi je ne beholn. Awer toi kriet dar je sachs 'n beten vun af. Na, de ol Mann je hen to Amt. As he bi'n Amtmann kümmt, na, secht de Amtmann, wat hett He denn upn Harten? Ja, Herr Amtmann, secht he, ik wull Se man seggn, ik Hess Geld funn. So? secht de Amtmann. Wonehr hett He dat denn funn? Ja, secht he, as ik ut de Schol köm. O, min god' Mann, secht de Amtmann un lacht, dat kann He gern beholn. Dat Geld, wat do gulln hett, dat gelt nu doch ne mehr. Do hett he sin Geld je beholn. Un do hebbt se sik uk je sott fett Flesch köpen kunnt.
48. Hans un de Ries'. Dar is mal 'n Burn weß, de hett dre Söhns hatt, twe klok un en dumm'n. De dumm hett Hans heten. As se ran müssen sünd, de Jungs, do schüllt se uk je reisen.
Wisser.
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Toers schall de ölls weg. De kricht 'n Daler Reis'geld un geiht je los. Unnerwegens kümmt he in'n Holt. Dar begegnet em 'n Riesen. Wo wullt du hen? fragt de Ries'. Ja, secht he, ik schall reisen un mi wat versöken. Na, secht de Ries', denn giss man ras, wat du Heß. Un darmit nimmt he em sin'n Daler af. Do kann he so wa' to Hus gähn. Naher schall de twet Söhn je weg. Den geiht ’t, fort to verteiln, grad ebenso. As he wa' to Hus kümmt, do will Hans weg. Wat wullt du reisen? secht de Ol. De annern beiden sünd ne wit kamn, du kümms je gar so wit ne. Hans lett awer ne af: he will weg. Na, denn gah los, secht de Ol. Mitkriegen deis awer niks. Nu sangt Hans sik 'n Dacklünk, un denn halt he sik 'n verrotten Kömkees ut sin Mudder ehr Spiskamer, un do geiht he je los. As he in bat Holt kümmt, da begegent de Ries' em uk. Wo wullt du hen? fragt de Ries'. Ja, secht Hans, Hess ik di al fragt, wo du hen wullt? Wiß man ne so warrhaari! secht de Ries'. Ja, wat wullt denn? secht Hans. Du kanns mi niks don. Ja, secht de Ries', kanns du 'n Sten ünnerhoch smiten, de 'n Stunn weg blifft? Ja, secht Hans, ik kann en'n ünnerhoch smiten, de gar ne wa' dal kümmt. Un do grawwelt he so bi sik rüm, as wenn he sik ’n Sten söken will, un darbi kricht he sin'n Dacklünk ut de Tasch. Un do smitt he den ünnerhoch, un de Dacklünk flücht je weg. Do secht Hans to den Riesen: Kanns du Water ut'n Sten drücken? Ja, bat wet ’t ne, secht de Ries'. Ja, ik kann dat, secht Hans. Da söcht de Ries' sik'n Sten her un fangt an to drücken. He kann dar awer ken Water rut drücken. Do grawwelt Hans wa' so bi sik rüm, as wenn he sik uk 'n Sten söken will, un darbi kricht he sin Köm kees ut de Tasch un drückt, dat dat Water dar rut löppt. Do secht de Ries': du büß mi in de Owermach. Wullt
du bi mi denn'n as Knech? Ja, secht Hans. Do verenbart se sik öwer Lohn, un do ward Hans Knech bi den Riesen. As se to Hus kamt, da schall Hans 'n Drach Water
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Wisser.
haln utn Sot. Do kricht he'n paar so'n grot Emmers, de kann he knapp leddi dregen, vel weniger noch vull Water. He sücht awer doch to, bat he ehr hen kricht, un do füllt he ehr vull. Un as he ehr vull hatt, do lett he ehr dor stahn un fangt in den Sot an to plumpern. Den Riesen ward de Tit lang, un he stimmt em na. Na, Hans, secht he, du kümms ja ne wedder. Ja, secht Hans, ik heff hier 'n groten Fisch in 'n Sot, den wull ik ers fat hebbn. Ja, denn seh man to, secht de Ries', dat du em fat krichs. Dann drag ik mit dat Water to Hus. Do dricht de Ries' dat Water to Hus, un Hans Misst dar bi to plümpern. As de Ries' mit sin Drach weg gähn is, do geiht Hans na. Na, heß em? fragt de Ries'. Ne, secht Hans, ik kunn 'n ne fat kriegen. Annern Dag wtillt se to Holt un wüllt Holt haln. Do geiht Hans den Abend vörher hen un sagt sin'n Bom so wit in, dat he meis af is. Do haugt he den annern Morn man'n paar mal to, un do hett he sin'n Bom dal. Un de Ries' is bi sin'n ers anfungn. As se ehr Böm dal hebbt, do wtillt se ehr uk je to Hus dregen. Do secht Hans to den Riesen: So, nu muß du ünner den Stammenn, un ik will ünner den Pull, de is je swörer, dar stind je all de Tangs an. Do nimmt de Ries' den Stammenn opn Nacken, un Hans geiht achter in 'n Pull opn Tang sitten. As se 'n Flach dragen hebbt, do will de Ries' mal dal legg'n. Nu wullt al dal leggn? secht Hans. Denn töw man 'n beten; ik will min'n Enn ers fach dal leggn. As he op de Eer is, so, secht he, nu smit man vun Liw. As se ehr Böm hen to Hus hebbt, do is de ol Ries' ganz natt swet. Un Hans hett gar ken warm Sted. Do ward de ol Ries' doch bang vör em. Un he denkt, wenn Hans slapen beit, denn will he em bot maken. Hans is awer al so'n beten ahnhafti worbn: he stimmt bi un makt fit 'n Strohkerl un lecht den in sin Bett. Un he krüppt tinnert Bett. As dat nu so wat tim middn Nach ut'n is, do klimmt de Ries' mit'n grot Äx. Hans! secht
Wisser.
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he. Hans swicht still. Do ment de Ries', he slöppt. Un do nimmt he de Äx und fielt den Strohkerl darmit vorn Kopp. He ment je, dat is Hans. Annern Morn, as ’t Dag ward, do röppt de Ries': Hans! Ja, röppt Hans. Do verfert he sik, de ol Ries'. Naher stimmt Hans je rin ton Frukkoßeten. Do secht he to den Riesen: Mi hett öwernach 'n ol Milch vör'n Kopp stoken, dat schrimpt noch. As Hans wa' rut is, do secht de Ries' to sin Fru: Jk Hess em öwernach en'n mit de Äx vör'n Kopp geben, un he ment, em hett 'n Milch steten. Wo ward toi den Kerl wa' los? Do röppt je Hans herin un fragt em, wat he ne afgahn will. Ne, secht Hans. Ja, he schall uk'n Spint Geld hebbn. Ja, secht Hans, wenn du mi 'n Spint Geld giffs, gah ik af. Do gisst de Ries' em'n Spint Geld, un do geiht Hans af un geiht mit sin Geld hen to Hus. Do hett he'n Spint Geld hatt, und sin beiden kloken Bröder hebbt gar niks hatt.
49. Ditmarschen
(1404).
Dar is ein nie rad geraden To Gottorp up dem schlate, Dat hefft her Claes van Alefelde gedaen, Sinen edlen Heren to bäte. He let wol buwen ein gut schlot, Unsern erlichen lande to gramme, Do sprack sick Roleffs Bojeken föne, De beste in unsern lande:
„Tredet herto, gi stolten Ditmarschen! Unsen lummer Wille toi mieten, Wat hendeten gebuwet haen, Dat können wol hendken tobreken!"
De Ditmarschen repen averlut: „Dat lide toi nu und nummermere.
Wisser.
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he. Hans swicht still. Do ment de Ries', he slöppt. Un do nimmt he de Äx und fielt den Strohkerl darmit vorn Kopp. He ment je, dat is Hans. Annern Morn, as ’t Dag ward, do röppt de Ries': Hans! Ja, röppt Hans. Do verfert he sik, de ol Ries'. Naher stimmt Hans je rin ton Frukkoßeten. Do secht he to den Riesen: Mi hett öwernach 'n ol Milch vör'n Kopp stoken, dat schrimpt noch. As Hans wa' rut is, do secht de Ries' to sin Fru: Jk Hess em öwernach en'n mit de Äx vör'n Kopp geben, un he ment, em hett 'n Milch steten. Wo ward toi den Kerl wa' los? Do röppt je Hans herin un fragt em, wat he ne afgahn will. Ne, secht Hans. Ja, he schall uk'n Spint Geld hebbn. Ja, secht Hans, wenn du mi 'n Spint Geld giffs, gah ik af. Do gisst de Ries' em'n Spint Geld, un do geiht Hans af un geiht mit sin Geld hen to Hus. Do hett he'n Spint Geld hatt, und sin beiden kloken Bröder hebbt gar niks hatt.
49. Ditmarschen
(1404).
Dar is ein nie rad geraden To Gottorp up dem schlate, Dat hefft her Claes van Alefelde gedaen, Sinen edlen Heren to bäte. He let wol buwen ein gut schlot, Unsern erlichen lande to gramme, Do sprack sick Roleffs Bojeken föne, De beste in unsern lande:
„Tredet herto, gi stolten Ditmarschen! Unsen lummer Wille toi mieten, Wat hendeten gebuwet haen, Dat können wol hendken tobreken!"
De Ditmarschen repen averlut: „Dat lide toi nu und nummermere.
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Volks- und Kindersprüche.
Wi willen darumme wagen hals und Hut Und willen dat gar ummekeren. Wi willen darumme wagen goet und bloet Und willen dar alle umme sterven. Er dat der Holsten er avermoet So scholde unse schone lant vorderven!"
50. Volks- und Kindersprüche. 1.
Die Vögel wollten einen König haben. Alle kamen zu sammen. Da rief die Krähe: Quaark ok! Quaark ok! Der Hahn: Luter tiP Lüd! Luter riP Lüd! Das Huhn: Wat wat wat is denn dor to doon? Die Gans: Natt natt natt natt natt! Die Ente: Pracherwaark! Pracherwaark!
2. Buchfink.
Bookbinnerjung! Bookbinnerjung! Kiek mal, ik fleit! Zink, zink, zink, dat spöökt hier! Du Ding, Ding, Ding, komm, laat uns gähn spazieren! 3. Goldammer. Im Sommer: Wat frag ik na den Buurn sin Schüün? Im Winter: Wie schön is doch den Buurn sin Schüün!
4. Schwalbe. As ik weggüng, as ik weggüng, Weer Huus un Schüün vull, As ik wedderkeem, as ik wedderkeem, Weer alles wedder leer.
ö. Lamm. Wo is mien Mudder bläääm? Ik will na mien Muddäää!
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Volks- und Kindersprüche.
Wi willen darumme wagen hals und Hut Und willen dat gar ummekeren. Wi willen darumme wagen goet und bloet Und willen dar alle umme sterven. Er dat der Holsten er avermoet So scholde unse schone lant vorderven!"
50. Volks- und Kindersprüche. 1.
Die Vögel wollten einen König haben. Alle kamen zu sammen. Da rief die Krähe: Quaark ok! Quaark ok! Der Hahn: Luter tiP Lüd! Luter riP Lüd! Das Huhn: Wat wat wat is denn dor to doon? Die Gans: Natt natt natt natt natt! Die Ente: Pracherwaark! Pracherwaark!
2. Buchfink.
Bookbinnerjung! Bookbinnerjung! Kiek mal, ik fleit! Zink, zink, zink, dat spöökt hier! Du Ding, Ding, Ding, komm, laat uns gähn spazieren! 3. Goldammer. Im Sommer: Wat frag ik na den Buurn sin Schüün? Im Winter: Wie schön is doch den Buurn sin Schüün!
4. Schwalbe. As ik weggüng, as ik weggüng, Weer Huus un Schüün vull, As ik wedderkeem, as ik wedderkeem, Weer alles wedder leer.
ö. Lamm. Wo is mien Mudder bläääm? Ik will na mien Muddäää!
Volks- und Kindersprüche.
6. Storch.
Adeboor, du Langebeen, Wann wullt du na Femarn tehn? Wenn de Rogg riept. Wenn de Pogg piept, Wenn de geleit Appeln In de Kisten klappeln, Wenn de geleit Beren In de Kisten Heren, Wenn de go ölten Ringen In de Kisten Hingen, Denn will Langebeen Hen na Huus tehn. 7.
Wenn hier en Pott mit Bohnen steit Uit dar en Pott vull Brie, So laat ik Brie utt Bohnen stahn Uit danz mit nttett Marie.
8.
Wat sühst du denn so suur ut? So seh ik von Natur ut. De ganze Woch Kantüffelsupp, Den Sünndag is se noch nit up. 9. Ik leef, wat fielt is, Wenn't ok nich ntteit is Uit nich nticn wesen kann, Hess ik doch ntten Vergnügen dran.
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Erläuterungen.
Erläuterungen. In den mundartlichen Stücken sind wir im allgemeinen der Rechtschreibung der Schriftsteller gefolgt, obwohl diese sehr von einander abweicht, wie ja auch das Niederdeutsche in der Aussprache viele Schattierungen zeigt. Bei Wisser haben wir die von ihm angewandten Unterscheidungszeichen und Akzente sortgelassen. Die Einigungsvorschläge von Siebs beziehen sich nur auf das Friesische. Zu Nr. 5 (Beneke, Die verwünschte Linde): Harvestehude, Rotherbaum, Eppendorf frühere Vororte, jetzige Stadtteile Hamburgs; das Johanniskloster war ursprünglich ein Dominikanerkloster in der Stadt. In der Reformation wurde es ein Jungfrauenstift für Hamburger Bürgertöchter; es erhielt die Ländereien des NonnenUosters Frauental. Zu Nr. 7 (Beneke, Christian III. in Hamburg): Christian III. war König von Dänemark und Herzog von Schles wig und Holstein. Papensache = der Prozeß, den das katholisch gebliebene Domkapitel beim Reichskammergericht gegen Hamburg führte um Rückgabe der von der Stadt verwalteten Kloster- und Kirchengüter; E. E. Rat = ein ehrbarer Rat; E. Oberalten = ehrbare Oberalten; die Oberalten waren die drei Ersten der Bür gervertreter jedes Kirchspiels; Orde ---- Ecke, Spitze, dasselbe wie Ort; Dönns = Stube. Zu Nr. 8 (Beneke, Vom Ehrlichmachen): Laub taler = alte französische Silbermünze, etwa 4,80 Mk.; Magni ficenz ist die Anrede für die Hamburger Bürgermeister. Zu Nr. 10 (Bismarck, Brief): inkompatibel = un verträglich. Zu Nr. 11 (Brinckman, Lünk un Gälgösch): Pracherlür = Bettelleute; Or'n = Ähren. Zu Nr. 12 (Brinckman, L' envoY): Envoy ist die ültere französische Form für envoi = Geleit. Das Gedicht bezieht sich auf den Beginn des Krieges 1870. tüt = zieht; Brok = Hose, altdeutsch Bruch. Zu Nr. 13 (Deecke, Bergedorf gewonnen und verloren): Untersachsen ist das Herzogtum Sachsen-Lauenburg; Riepenburg in den Vierlanden an der Elbe; Kuddewörde an der oberen Bille. Zu Nr. 14 (Deecke, D r. Pommer): Reitendiener (rei tende Diener) = berittene, bewaffnete Boten des Senats, gleich zeitig Polizeimannschaft.
Erläuterungen.
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Zu Nr. 16 (Ernst, Nis Randers): Der Stoff ist prosaisch behandelt m Hessel, Band 4, Am Nordsoestrande. Zu Nr. 18 (Falte, Döntje): Döntje = kurze, spaßige Geschichte, Schwank; Adeboor = Storch. Zu Nr. 22 (Groth, Still, mirt Hanne): Flünk = Flügel; Maan = Mond; blid = vergnügt; rar — selten, schön, vortrefflich. Zu Nr. 23 (Groth, De letzte Feide): Feide = Fehde. Es handelt sich um die Schlacht bei Herde, wo die Mtmarschen. ihre Freiheit verloren und unter holsteimsche und damit mittelbar unter dänische Herrschaft kamen, dalslan = niedergeschlagen; Reth = Ried, Schilf. Zu Nr. 24 (Groth, Ol Büsum): Büsum liegt an der Meldorfer Bucht in Holstein; holte Ebb = tiefste Ebbe. Zu Nr. 25 (Groth, Wihnachnabnd): Greetdort = Margareta-Dorothea; früst = friert; tuest u. muckt hier = taueit nicht auf; Fürfatt = Gefäß mit Holzkohlen, worauf man die Füße zum Wärmen stellt; idel = ganz; Hänschen = Hand schuhe; buck = dick, straff; dat Hart ward een buck = man wird gerührt; Stuten = größeres Weißbrot; Stutenaarn = Stuten ernte. Zu Nr. 26 (Helmold, Erbauung Se-gebergs): Bicelin, f 1154, war der Apostel des östlichen Holsteins. Zu Nr. 27 (Hertz, Hochwasser): Hamm und Borg felde sind frühere Vororte, jetzige Stadtteile von Hamburg; Brook = Bruch, sumpfige Niederung, hier Straßenname; geele Wötteln = gelbe Wurzeln; die Bardowiekerinnen hatten von 1-537—1885 in Hamburg ein langes, niedriges Gebäude, vor dem sie ihre Grünwaren feilhielten, worin sie aber auch übernachteter:. Es hieß das Zippelhaus. Danach erhielt die Straße ihren Namen. Zippeln sind Zwiebeln. Waschbalje = Behälter zum Waschen. Zu Nr. 29 (Liliencron, Trutz, blanke Hans): Blanke Hans ist volkstümliche Benennung der Nordsee; Hal ligen = die kleinen Inseln zwischen Föhr urrd Eiderstedt. Rungholt wurde am 11. OL. 1634 durch eine Sturmflut zer stört. Zwischen Pellworm u. Nordstrand liegt der Rungholter Sand. Zu Nr. 30 (Linde, Aus dem Leben,der Finken wärder Fischer): Finkenwärder ist die westlichste der Inseln zwischen Norder- u. Süderelbe, unterhalb Altona. Bestmann = Matrose; Karkmeß = Kirchweihe; Priel ist hier ein Elbarm. Zu Nr. 32 (Moltke, Brief): Marssegel ist das 2. Segel von unten am vorderen Mast; Stangen sind die obersten Ver längerungen der Masten. Zu Nr. 33 (M ü l l e n h o f f, B ö ck e l n b u r g): Dies war Hessel, Lesebuch.
Anhang: Niederdeutschland.
's
Erläuterungen. ein festes Schloß der Grafen von Stade beim Kirchdorf Burg in Süderditmarschen, am Kaiser Wilhelm-Kanal, am 15. März 1145 von den Bauern zerstört. — Klaben (Kloben) ist ein Holzscheit. Zu Nr. 34 (Müllenhoff, Graf Adolf): Graf Adolf IV. von Schauenburg, siegte 1229 bei Bornhöved; er soll in Hamburg das Marien-Magdalenenkloster gestiftet haben. Zu Nr. 35 und 36 (Müllenhoff, Sagen): König Erik von Dänemark besuchte 1250 seinen Bruder Abel, Herzog von Schleswig. Es kam zu einem Streit zwischen den Brüdern, der damit endete, daß "Abel den König in einem Boote auf dem Möwenberg, einer Schleiinsel, ermorden ließ. Abel wurde nun König, starb aber schon nach zwei Jahren; ihm folgte sein Bruder Christopher, den 1259 ein Domprobst vergiftete. Für dessen unmündigen Sohn regierte die Mutter, Margarete von Pommern, wegen ihrer Reitkunst Spränghert (Springpferd), wegen ihrer dunkeln Farbe sort-e (schwarze) Grete genannt. Holm ist ein Teil der Stadt Schleswig. Die Holmer Fischer fangen besonders Brassen, die goldglänzende Schuppen haben, und deren Oberkiefer perlenartige Erhöhungen zeigt.
Zu Nr. 37 (Prell, Unsere Kuh): Die Franzosen be setzten Hamburg am 31. Mai 1813 und verließen die Stadt nach genau einem Jahre, sie verübten in dieser Zeit unerhörte Erpressungen und Grausamkeiten; ihr Befehlshaber war Mar schall Davoust. Der Grasbrook war damals noch Weideland, südlich der Stadt. Zu Nr. 38 (Reuter, De Minne Schausterjung): smitt = schmeißt, wirft; Spanreim = Spanriemen; nipp — genau; swipp = rasch. Zu Nr. 39 (Reuter, Gäus'häuden): Gäuse = Gänse; Gössel = junge Gänse; Fike = Sophiechen; Pudel — Kraus kopf; Gant = Gänserich; betsch = bissig; barkene Strük — birkene Sträucher; Gösselinge — Verkleinerung von Gössel; Händen = hüten; Wisch = Wiese; hartlichst Tüg — abgehär tetstes Zeug; Uhr'n — Ohren; Rip = Reif; breiden = aus breiten ; Öschen = Leberblume; Wepeldurn = Rosendorn; lurn = lauern; wöltern = wälzen; verdwas — quer; Knäwel — Finger. Zu Nr. 40 (Reuter, Meister Snut): gläugnig = glühend; Püster = Blasebalg; Gorentun = Gartenzaun; Knirk = Wacholder; naug = genug; tog — zog; linkelang = ganz entlang; Vörslag = Vorschlag mit dem Hammer; Bäuk = Buche; stilling = ganz still; teihn = ziehen; lihr wat — lerne.was; buten = außen; bin'n =^= innen; Meß — Mist; Slir — Schmutz; holl wiß = halte fest.
Erläuterungen.
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Zu Nr. 42 (Reuter, Die Christbescherung): Nät un Pepernät = Nüsse und Pfeffernüsse; babenin = obendrein; Zürn = Jürgen; Dürten = Dorothee; Kindjees (Kindjesus) = Christgeschenk; afbünzelt = abgeknotet; förfötsch — Fuß für Fuß, unausgesetzt; Rutsch = Fußbank; Bahn = Boden; Vadder stahn = Gevatter stehen; verleben = vergangen; dreihörrig (dreihaarig) = durchtrieben; Hölterntüfselmakers = Holzpäntoffelmacher. Zu Nr. 43 (Rimbert, Aus dem Leben Ansgars): Turholt in Flandern schenkte Ludwig der Fromme dem Ans gar. Rimberts Leben Ansgars ist den Mönchen von Corbie bei Amiens gewidmet. Die Normannen zerstörten 845 Hamburg. Zu Nr. 46 (W i s s e r, De T u n k r ü p e r): Tunkrüper = Zaunkriecher, Zaunkönig; schruteri = schauerlich; glupen = finster blicken; verfern = erschrecken: woneben = wo; verfrarn = bange; bören — heben; in Enn = in die Höhe; pedden = treten; förts = sofort. Zu Nr. 47 (W i s s e r, De o l Mann): betem'n = bei Seite; likes = gleichwohl; sachs = vielleicht; wonehr — wann. Zu Nr. 48 (Wisser, Hans un de RieP): Dacklünk = Dachsperling; Kömkees = Kümmelkäse; warrhaari — wider haarig ; Drach = Tracht; Sot = Brunnen; plümpern — mit einer Stange ins Wasser schlagen; fat kregen = zu fassen kriegen; sagen = sägen; Pull = Baumkrone; Tang — Zweig; Flach = Strecke; sweten = schwitzen; ahnhafti — ahnungsvoll: schrimpen = jucken, schmerzen; Spint = Hohlmaß, etwa 5 Liter. Man vgl. Kopisch, Wie Ralf dem Riesen half, Hessel, Lesebuch, 4. Teil. Zu Nr. 49 (D i t m a r s ch e n): Aus Uhland: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, Stuttgart, 1844. nie rad geraeden = neuer Rat geraten; schlate = Schlosse, im Nominativ Schlot; to bäte = zu Nutz; föne = Sohn; wreken — rächen; Hut — Haut (Uhland schreibt gut, Rautenberg schlägt die Lesart Hut vor); er bat der Holsten er avermoet = ehe daß der Holsten ihr Übermut. Die Rechtschreibung ist die aus dem 15. Jahrhundert. Zu Nr. 50 (Volks - und Kindersprüche): Aus Schu mann, Volks- und Kinderreime aus Lübeck und Umgegend, Lübeck, 1899. Pracherwaark = Bettelwerk; Femarn, auch Holland ist Volkserinnerung an das Land der Frau Holle; der Storch bringt die Kinder aus diesem Lande; tehn = ziehen.
100
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis der Quellen.
Lebensabriß der Verfasser und Nachweis
der Quellen. Allmers, Hermann, geb. 11. Febr. 1821 zu Rechtenfleth in der Osterstader Marsch, t 9. März 1902 daselbst. Nr. 1, 2 (Marschenbuch 2. Auflage, Oldenburg, 1875). Averdieck, Elise, geb. 26. Febr. 1808 zu Hamburg, t 4. Nov 1907 zu Hamburg. Nr. 3 (Lebenserinnerungen. Ham burg, 1908). Bäßler, Ferdinand, geb. 16. Jan. 1816 zu Zeitz, t 3. Febr. 1879 zu Pforta. Nr. 4 (Lagen aus der Geschichte des deutschen Volkes, 2. Aufl. Berlin, 1875). Beneke, Otto, geb. 5. Okt. 1812 zu Hamburg, t 9. Febr. 1891 zu Hamburg. Nr. 5, 6, 7 (Hamburgische Geschichten u. Sagen, Hamburg, 1853). Nr. 8 (Bon unehrlichen Leuten, 2. Auflage,. Berlin, 1889). Bismarck, Fürst Otto, geb. 1. April 1815 zu Schön hausen, f 30. Juli 1898 zu Friedrichsruh. Nr. 9, 10 (Aus Bismarcks Familienbriefen. Auswahl für die Jugend, Stuttgart u. Berlin, 1905). Brinckman, John, geb. 2. Juli 1814 zu Rostock, t 20. Sept. 1870 zu Güstrow. Nr. 11, 12 (Sämtliche Werke. Leipzig, 1903). Deecke, Ernst, geb. 1. Okt. 1805 zu Lübeck, f 24. April 1862 zu Lübeck. Nr. 13, 14 (Lübische Geschichten u. Sagen. Lübeck, 1890). Ernst, Otto, geb. 7. Okt. 1862 zu Ottensen bei Hamburg, lebt in Groß-Flottbeck bei Hamburg. Nr. 15, 16 (Stimmen des Mittags. Leipzig, 1901). Falke, Gustav, geb. 11. Januar 1853 zu Lübeck, lebt zu Groß-Borstel bei Hamburg. Nr. 17. 18 (Otto Speckters Vogel buch. Mit Gedichten von Gust. Falke, Hamburg, 1901). Frapan, Ilse, verheiratete Akunian, geb. 3. Febr. 1852 zu Hamburg, + 5. Dez. 1908 zu Zürich. Nr. 19 (Hamburger Bilder für Hamburger Kinder, Hamburg, 1899). Grimm, Brüder: 1. Jakob, geb. 4. Januar 1785 zu Hanau, t 20. Sept. 1863 zu Berlin. 2. Wilhelm, geb 24. Febr. 1786 zu Hanau, t 16. Dez. 1859 zu Berlin. Nr. 20, 21 (Deutsche Sagen, 2 Bde., Berlin, 1816—1818). Groth, Klaus, geb. 24. April 1819 zu Heide, Hol stein, t 2. Juni 1899 zu Kiel. Nr. 22—25 (Quickborn, 8. Aufl. Hamburg, J.860).
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Helmold war nach der Mitte des 12. Jahrhunderts lange Zeit Priester in Bosau am Plöner See. Nr. 26 (Helmolds ^Chro nik der Slaven, übersetzt von Laurent. Berlin 1852. Geschichts schreiber der deutschen Vorzeit, 12. Jahrh. 7. Bd.). Hertz, Paul, geb. 3. Sept. 1837 zu Hamburg, t 22. Juli 1897 zu Bendorf a. Rh. Nr. *27 (Unser Elternhaus. 12.—14. Tausend. Hamburg 1904). von Liliencron, Detlev, geb. 3. Juni 1844 zu Kiel, t 22. Juli 1909 zu Altrahlstedt bei Hamburg. Nr. 28, 29 (Werke, 7 Bde., 1904). Linde, Richard, geb. 21. Juli 1860 zu Hannover, lebt in Hamburg. Nr. 3Ö (Die Niederelbe. Berlin, Bielefeld u. Leipzig, 1908). von Moltke, Graf Helmuth, geb. 26. Oft. 1800 zu Parchim, Mecklenburg, t 24. April 1891 zu Berlin. Nr. 31, 32 (Moltkes Briefe an seine Braut u. Frau, Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien, 1894). M ü l l e n h o f f, Karl, geb. 8. Sept. 1818 zu Marne in Ditmarschen, t 19. Febr. 1884 zu Berlin. Nr. 33—36 (Sagen aus Schleswig-Holstein, Auswahl von Lund, Siegen, o. I.). Prell, Marianne, geb. 20. Juli 1805 zu Hamburg, t 27. Aug. 1877 zu Hamburg. Nr. 37 (Erinnerungen aus der Franzosenzeit in Hamburg, 4. Aufl. Hamburg, 1902). Reuter, Fritz, geb. 7. Nov. 1810 zu Stavenhagen, t 12. Juli 1874 zu Eisenach. Nr. 38—42 (Werke, Wismar, 1877). Rimbert, Zweiter Erzbischof von Hamburg u. Bremen, von 865 an, t 11. Juni 888 zu Bremen. Nr. 43 (Leben des Erzbischofs Ansgar. Übersetzt von Laureat. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 9. Jahrh. 8. Band). Storm, Theodor, geb. 14. Sept. 1817 zu Husum, t 4. Juli 1888 in Hademarschen bei Husum. Nr. 44 (Werke. 9. Auflage. Braunschweig, 1903). v. Strauß u. Torney, Sulu, geb. 20. Sept. 1873 zu Bückeburg, lebt daselbst. Nr. 45 (Balladen u. Lieder, Leipzig, 1902). W iss er , Wilhelm, geb. 27. Aug. 1843 zu Klenzau bei Eutin, lebt in Oldenburg. Nr. 46—48 (Wat Grotmoder verteilt. Ost holsteinische Volksmärchen. Leipzig, 1. Band 1904, 3. Band 1909).
Inhalt. Die Gedichte sind durch * bezeichnet. Sette
1. 2. 3. 4 5. 6. 7. 8. 9. 10. ♦11. *12. 13. 14. *15. *16. *17. *18. 19. 20. 21. *22. *23. *24. *25. 26. 27. *28. *29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. *38. *39. *40. ♦41. 42.
Allmers, Marsch und Geest................................................. 1 , Sturmflut.............................................................2 Averdieck, Elise, Das Ende deS großen Brandes 1842 4 Beneke, Die verwünschte Linde.......................................... 8 „ Dat lütte Rümeken.............................................. 10 „ Christian III. in Hamburg................................... 12 , Dom Ehrlichmachen............................................... 16 Bäßler, Hermann Billina.................................................... 19 BiSmar ck, Brief an seine Schwester............................ 21 , Brief an seine Braut......................................... 24 Brinckm an, Lünk und Gälgösch.........................................26 , L' envoy........................................................... 27 Deecke, Bergedorf verloren und gewonnen .... 28 , Dr. Pommer...........................................................31 Ernst, Lütt Jan.....................................................................32 „ NiS RanderS.................................................................. 33 Falke, Lütt Aanteken.........................................................34 , Döntje.............................................................................. 35 Frapan, In der großen Reichenstraße.............................35 Grimm, DaS Dorf am Meere...............................................38 , Der heilige See derHertha.....................................39 Groth, Still, min Hanne..................................................... 39 „ De letzte Feide........................................................... 40 , Ol Büsum..................................................................41 , Wihnachnabend..................................................... 42 Helmold, Die Erbauung Segebergs............................. 43 Hertz, Hochwasser....................................................................... 45 Liliencron, Up de eensame Hallig................................... 52 , Trutz, blanke Hans................................... 52 Linde, Aus dem Leben der Finkenwärder Fischer . . 54 Moltke, Die Runen (aus einem Briefe).............................57 „ Brief an seine Gemahlin........................................59 Müllenhoff, Graf Rudolf auf derBökelnburg . . 61 „ Graf Adolf als grauer Mönch... 63 , Die schwarze Gret........................... 63 „ Die gelbe Blume................................. 64 Prell, Marianne, Unsere Kuh...............................................65 Reuter, De Minne Schausterjung................................... 68 „ De Gören M't Gäus' häuden........................69 , Meister Snul's Abschied vonseinem Sohn . 71 „ Großmutting, hei is do!..............................74 , Christbescherung in^n Pasterhuf tuGurlitz . 77
Inhalt.
43. ♦44. *45. 46. 47. 48. *49. *50.
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Seite Rimbert, Aus dem Leben des Erzbischofs Ansgar . 82 Storm, Gräber an der Küste............................................... 84 Strauß-Torney, Lulu, Hinter den Dünen. . . 85 Miss er. De Tunkrüper........................................................... 88 , De ool Mann, de wedder na School geit . 89 „ HanS un de Riest................................................ ,90 Ditmarschen. Volkslied von 1404 ................................... 93 Volks- und Kindersprüche.......................................................... 94
Hierher gehören noch folgende Stücke, in der Neubearbeitung von Hessels Lesebuch (1910): Die Zahlen sind die Seitenzahlen der einzelnen Bände.
2. Teil: Frapan, Platzregen 100 „ In der Kellerwohnung 103 „ Die Feuerwehr 108 „ Auswanderer in Hamburg 124 Müllenhoff, Der Müller ohne Sorgen 170 „ Das brave Mütterchen 171
3. Teil: Grimm, Radbot läßt sich nicht taufen 128 Haas, Die Steinbutte 132 „ Der Stör 133 Zahnke, Höger rup 148 Scharrelmann, In der Elektrischen 183 4. ♦Kopisch, Kaspars Löffel 34 Bätzler, Wineta 97 Glaubrecht, Der Imker 129 Müllenhoff, DaS Licht der treuen Schwester 192 Trojan, Eisenbahnfahrt durch die norddeutsche Ebene 219 „ Der Königsschutz in Mecklenburg 222 Hamburg 242 Am Nordseestrande 244 Wie Eulenspiegel Milch verkauft (Bremen). 274
5. Teil: *Fontane, Wo Bismarck liegen soll 15 ♦Giesebrecht, Der Lotse 21 *Groth Matten Has 29 * „ Opstan 29 * „ Tunkönig 29 * „ Spatz 30 »Hebbel, Der Schiffer 32 ♦Holz, Een Boot is noch buten 48 ♦Kopisch, Tomte i Garden 57 ♦Löwenberg, Auf der Straßenbahn 63 Grimm, Der Hase und der Igel 182
Inhalt.
104 LönS, Der Kantor 213 Till Eulenspiegel 291
6. Teil: ♦Geibel, Lübeck 34 ♦Groth, Aanten mt Water 42 * Reuter, De Koppweihdag 66 * Storm, In Bulemanns HauS 241 7. Teil: AllmerS, Heidenacht 1 *Möser, Wallenstein vor Stralsund 62 Arndt, AuS meiner Kinderzeit 111 Schupps Freund' in der Not 257 Storm, Im Saal 272 8. rril: *Droste-Hülshoff, Der Knabe im Moor 15 ♦ „ Heidebilder 16 ♦Heine, Aus der ^Nordsee" 103 *Liliencron, Heidebilder 136 ♦W. Müller, Vineta 144 ♦Storm, Abseits 198 ♦ „ Die Stadt 199 AllmerS, Das niedersächsische Bauernhaus 241 „ Ein Tag auf dem Marschhof 242 Falke, Im Hamburger Hasen 262 Reuter, Niederdeutschland im Frühling 1813, 380
Druck von Julius Beltz, Hofbuchdr ucker, Langensalza.