Neue Technologien — neue Märkte [1. Aufl.] 978-3-409-39061-3;978-3-322-84356-2

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German Pages 112 Year 1980

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Neue Technologien — neue Märkte [1. Aufl.]
 978-3-409-39061-3;978-3-322-84356-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages N2-7
Neue Technologien in der Wirtschaft — Dialog zwischen Forschung und Praxis (Hans-Hilger Haunschild)....Pages 9-17
Die Bewältigung des technischen Fortschritts in der Industrie (Bernhard Plettner)....Pages 18-29
Betriebswirtschaftlich-organisatorische Voraussetzungen technologischer Innovationen (Erwin Grochla)....Pages 30-42
Finanzierung der Innovation in mittleren und kleinen Unternehmen (Peter Dietz)....Pages 43-47
Neue Produkte als unternehmerische Chance (Rudolf Gümbel)....Pages 48-69
Strategisches Marketing als Impulsgeber der 80er Jahre (Herbert Henzler)....Pages 70-86
Kurzbeiträge aus der Sicht der Praxis (Heinrich J. Klein)....Pages 87-90
Hans Schleussner (Hans Schleussner)....Pages 91-94
Rudolf Thiels (Rudolf Thiels)....Pages 95-96
Absicherung bei risikoreichen Märkten (Marlene Schwering)....Pages 97-112

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Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

Klaus v. Wysocki

Neue Technologienneue Märkte

zfbf

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Sonderheft 11 . 1980

Herausge~eben von der Schmalenbach-Gesellschaft Deutscne Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V" Köln ISBN 978-3-409-39061-3

© 1980 by Springer Fachmedien Wiesbaden Redaktionelle Bemerkungen: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliehe Forschung (ZfbF) führt die Tradition der Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung weiter, des ältesten betriebswirtschaftlichen Fachorgans, das im Jahre 1906 von Eugen Schmalenbach gegründet wurde. Die erste Folge der Zeitschrift erschien von 1906 bis 1944 als 1. bis 38. Jahrgang. Ab 1949 wurde sie als Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung - Neue Folge - von Kar! Hax fortgeführt, der bis 1978 im Auftrag der "Schmalenbach-Gesellschaft e. V." ihr Herausgeber war. Seit 1964 trägt sie den Namen Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF). Im Jahre1970 wurde die Herausgeberschaft einem Gremium übertragen. Seit 1979 ist die "Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V." Träger der Zeitschrift, der Präsident sowie ein Präsidialmitglied dieser Gesellschaft gehören dem Herausgebergremium an. Schriftleitung der ZfbF: Prof. Dr. Herbert Hax, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 5000 Köln 41, Tel. 02 21 - 4 704480. Schriftleitung des "Kontaktstudiums": Priv. Doz. Dr. Manfred Per!itz, Universitätsseminar der Wirtschaft, Haus Gracht, 5042 Erftstadt 1, Tel. 0 22 35 4 20 11. Die Herausgeber des "Kontaktstudiums" sind über folgende Anschriften zu erreichen. Dr. Dr. h.c. Marcus Bierich, Mitglied des Vorstandes der Mannesmann AG, Mannesmannufer 2, 4000 Düsseldorf, Prof. Dr. Walther Busse von Colbe und Prof. Dr. Gert Laßmann, Ruhr-Universität Bochum, Postfach 201048,4630 Bochum 1, Dr. Hans Günther Zempelin, Vorsitzender des Vorstandes der Enka-Gruppe, Enka-Haus, 5600 Wuppertal 1. Erscheinungsweise: Die ZfbF erscheint 12 mal im Jahr, jährlich können ein bis drei Sonderhefte hinzukommen. Bezugspreis: Einzelheft DM 9,30, Jahresabonnement DM 93,60. Jahresabonnement für Studenten gegen Vorlage einer Studienb(~scheinigung DM 58,80. Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten, 6 % Mehrwertsteuer sind in den Bezugspreisen enthalten. Sonderhefte werden extra in Rechnung gestellt. Den Abonnenten der ZfbF wird jedes Sonderheft gegen Rechnung mit einem Nachlaß von 25 % auf den Ladenpreis geliefert, bei Nichtgefallen kann das Sonderheft innerhalb einer Frist von drei Wochen portofrei an die Vertriebsfirma zurückgesandt werden. Mitglieder der "Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V." erhalten dieZfbF im Rahmen ihrer Mitgliedschaft kostenlos. Anträge auf Mitgliedschaft sind zu richten an die Geschäftsstelle der Gesellschaft, Tiberiusstraße 4,5000 Köln 51, Tel. 02 21 - 38 1542. Bestellungen: Alle Buchhandlungen, Postämter und der Verlag nehmen Bestellungen für die Zeitschrift entgegen. Abbestellungen sind sechs Wochen vor Halbjahresschluß (30. 6. und 31. 12.) möglich. Sie sind an den Verlag, bei Bezug über den Buchhandel an die betreffende Firma, zu richten. Anzeigenaufträge sind zu richten an: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Postfach 1546, 6200 Wiesbaden 1, Tel. 0 61 21 - 534(1), Gustav A. Kolb (Leitung), Monika Dannenberger (Stellvertr.). Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste Nr. 15 vom 1. 1. 1979 gültig. Für alle Beiträge behält sieb der Verlag alle Rechte vor, auch die Rechte des Nachdrucks, der übersetzung in fremde Sprachen sowie der fotomechanischen Wiedergabe. Gewerblichen Unternehmen wird die fotomechanische Vervielfältigung (Fotokopie, Mikrokopie) für den innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens gestattet. Wird die Gebühr in Wertmarken entrichtet, so ist je Vervielfältigungsseite eine Marke von DM 0,40 zu verwenden. Ein Merkblatt zur Erstellung von druckreifen Manuskripten stellt der Verlag auf Anfrage kostenlos zur Verfügung. Unverlangt eingesandte Besprechungsexemplare werden auf Verlangen zurückgegeben. Druck: Verlags- und Industriedruck GmbH, Walluf b. Wiesbaden.

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Sonderheft 11 . 1980

Neue Technologien - neue Märkte

Neue Technologien - neue Märkte Herausgegeben von der Schmalenbach-Gesellschaft Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.

SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH

Ausgewählte Beiträge des 33. Deutschen Betriebswirtschafter-Tages, Berlin, 1.-3. Oktober 1979.

©

1980 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1980 Umschlaggestaltung: Horst Koblitz, Wiesbaden Gesamtherstellung: Verlags- und Industriedruck GmbH, Walluf bei Wiesbaden Alle Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfältigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. ISBN 978-3-409-39061-3 ISBN 978-3-322-84356-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-84356-2

Vorwort

Das vorliegende Sonderheft zu Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliehe Forschung gibt Auszüge aus dem 33. Deutschen Betriebswirtschafter-Tag (DBT) wieder, der in der Zeit vom 1.-3. Oktober 1979 erstmals von der fusionierten Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. veranstaltet wurde. Aus dem breiten Spektrum der Beiträge, die auf diesem betriebswirtschaftlichen Kongreß in Berlin geleistet wurden, haben wir sieben Vorträge zusammengefaßt, die sich im Schwerpunkt mit dem Thema "Neue Technologien - neue Märkte" befassen. Die Begründung für diese Auswahl liegt darin, daß in dem harten weltweiten Wettbewerb, dem die heutige Wirtschaft ausgesetzt ist, dem technischen Fortschritt mehr Bedeutung denn je zukommt. Dies betrifft sowohl verfahrenstechnische Innovationen als auch die Entwicklung neuer Produkte und die Erschließung neuer Märkte. So rücken Fragen der Generierung und Verwertung neuer Ideen immer mehr in den Mittelpunkt betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Diskussionen. Auch die von der Bundesregierung initiierten Programme zur Forschungs- und Technologieförderung sind ein wichtiges Indiz für den hohen Stellenwert, der den Innovationen für die einzel- und gesamtwirtschaftliche Entwicklung beigemessen wird. In dem ersten Beitrag schildert Staatssekretär Haunschild unter dem Thema "Neue Technologien in der Wirtschaft - Dialog zwischen Forschung und Praxis" die Rolle des Staates bei der Förderung der Entwicklung neuer Technologien. Der folgende Beitrag von Plettner "Bewältigung des technischen Fortschritts in der Industrie" stellt am Beispiel der Elektroindustrie dar, wie technologische Innovationen im Unternehmen gesteuert und generiert werden und wie sie die Gesamtstruktur einer Unternehmung mitbestimmen können. Die Realisation und der Erfolg technologischer Innovationen sind keineswegs allein von der Effizienz technisch-naturwissenschaftlicher Forschung abhängig, sondern ebenso sehr von einer Reihe betriebswirtschaftlicher Voraussetzungen. Grochla setzt sich in seinem Beitrag mit den betriebswirtschaftlich-organisatorischen Voraussetzungen technologischer Innovatic;men auseinander. Mit der Finanzierung der Innovation in mittleren und kleinen Unternehmungen, denen im allgemeinen eine Rolle als Motor der Innovation zugesprochen wird, beschäftigt sich der Vortrag von Dietz. Die folgenden Beiträge beim DBT stehen unter dem Motto "Der vergessene Inlandsmarkt". Hiermit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die für die Unternehmungen notwendige Expansion der Märkte nicht allein durch die Erschließung von Auslandsmärkten bewerkstelligt werden kann, sondern daß auch in bereits erschlossenen regionalen Märkten durch neue Technologien und Marketing-Methoden weitere Marktsegmente generiert werden können.

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Der Beitrag von Gümbel zum Thema "Neue Produkte als unternehmerische Chance" liefert die theoretischen Grundlagen des Plädoyers für den Inlandsmarkt. Henzler schildert sodann unter dem Thema "Strategisches Marketing als Impulsgeber der 80er Jahre" das notwendige Rollenverständnis des Marketing als Folge veränderter Anforderungen. Anhand der historischen Analyse einiger konkreter Fälle wird sodann die praktische Bewältigung neuer Technologien und deren erfolgreiche Vermarktung dargestellt. Die Schrift wird abgerundet durch den Beitrag von Schwering zum Thema "Absicherung bei risikoreichen Märkten", der praktische Anhaltspunkte dafür gibt, wie die mit der Entwicklung neuer Produkte und der Erschließung neuer Märkte verbundenen Risiken abgefangen werden können. Das Sonderheft will nicht nur den Teilnehmern des 3 3. Deutschen BetriebswirtschafterTages die Möglichkeit bieten, das Gehörte nachzulesen, sondern vor allem auch allen Mitgliedern der Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft, den Abonnenten der ZfbF und der breiten Öffentlichkeit den Zugang zu den Ausführungen anläßlich des DBT nachträglich verschaffen.

Dr. Max Güntber (Präsident)

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Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Erwin Grochla (Vizepräsident)

Inhalt

Hans-Hilger Haunscbild Neue Technologien in der Wirtschaft - Dialog zwischen Forschung und Praxis

9

Bernbard Plettner Die Bewältigung des technischen Fortschritts in der Industrie

18

Erwin Grocbla Betriebswirtschaftlich-organisatorische Voraussetzungen technologischer Innovationen

30

Peter Dietz Finanzierung der Innovation in mittleren und kleinen Unternehmen

43

Rudol[ Gümbel Neue Produkte als unternehmerische Chance

48

Herbert Henzler Strategisches Marketing als Impulsgeber der 80er Jahre

70

Kurzbeiträge aus der Sicht der Praxis

Heinricb]. Klein

87

Hans Scbleussner

91

Rudol[ Tbiels

95

Marlene Scbwering Absicherung bei risikoreichen Märkten

97

7

Hans-Hilger Haunschild * Neue Technologien in der Wirtschaft - Dialog zwischen Forschung und Praxis

I. Technischer Fortschritt im Spannungsfeld ökonomischer und politischer Zielsetzungen Der technische Fortschritt ist heute Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion. Dies war nicht immer so. Früher wurde technischer Fortschritt weithin als etwas Positives begrüßt, heute dagegen nehmen kritische Stimmen zu. Man hört auch schrille Töne. Die Ursachen dafür liegen einerseits im wachsenden Bewußtsein, daß technische Entwicklungen zugleich Gefahren für die Umwelt zur Folge haben können. Man fürchtet überdies - mit Bezug etwa auf die Informationstechnologien oder auch die Fortschritte im Bereich der Gentechnologie - neuartige Manipulationen des Menschen. Und dann bedeuten Rationalisierung und Automatisierung immer auch den Wegfall von Arbeitsplätzen, ohne daß stets sofort eine gleichwertige Kompensation möglich ist. Nun wird niemand bestreiten wollen, daß unser Wohlstand, unser hohes Realeinkommen und die soziale Sicherung ohne technischen Fortschritt nicht möglich gewesen wären. Für die Bundesrepublik Deutschland ist die rechrzeitige Beherrschung und wirtschaftliche Nutzung neuer Technologien ein wichtiger Wettbewerbsfakwr. Unsere Exportchancen hängen entscheidend davon ab, ob wir auch zukünftig auf einem hohen Stand von Forschung und Entwicklung ein breites Spektrum qualitativ hochwertiger technischer Erzeugnisse, Industrieanlagen und Investitionsgüter auf dem Weltmarkt anbieten können. Welche Bedeutung besonders dem technologie-intensiven Maschinen- und Anlagenbau für unsere Wirtschaft zukommt, zeigen die Zusammenhänge zwischen Auslandsnachfrage nach Großanlagen und inländischer Beschäftigung und Produktion, die kürzlich durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt wurden. Danach induziert ein zusätzlicher Großauftrag über 500 Mio. DM, also z. B. eine Äthylenanlage, eine Zementfabrik oder eine Meerwasser- Entsalzungsanlage, eine inländische Beschäftigung von gut 15.000 Mann-Jahren oder Produktionseffekte im Wert von insgesamt 1,7 Milliarden DM. Aber auch die traditionellen Verbrauchsgüterindustrien müssen verstärkt moderne Fertigungstechnologien nutzen und technologisch fortgeschrittene Werkstoffe und Bauteile in ihre Produkte einbeziehen, um im internationalen Wettbewerb mit hochwertigen Qualitätsprodukten konkurrenzfähig zu bleiben. Technologische Fortschritte sind die Voraussetzung dafür, daß sich die Volkswirtschaft im internationalen Wettbewerb behaupten und an veränderte weltwirtschaftiiche Strukturen anpassen kann. So steift die massive und schlagartige Verteuerung der importierten Energieträger eine Herausforderung dar, die auf keinen Fall ohne neue technische Entwicklungen bewältigt werden kann. • Hans Hilger Haunscbild, Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung und Technologie.

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Das Dilemma ist offenkundig: Aus volkswirtschaftlicher und auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist technischer Fortschritt unerläßlich. Aus der Sicht des einzelnen und auch in gesamtgesellschaftlicher Betrachtung enthält er zugleich gewisse Bedrohungen. Dabei stehen Gefährdungen der Gesundheit, Beschränkungen der individuellen Freiheit und Veränderungen der gesamten Umwelt bis hin zum Arbeitsplatz im Vordergrund. Wie immer man die Akzente im einzelnen auch setzt: es ist wohl unbestritten, daß wir vor Zielkonflikten stehen, die nicht eindeutig gelöst werden können. Andererseits müssen sie gelöst werden; Problem-Diskussionen können und müssen Entscheidungen vorbereiten, sie können sie aber nicht ersetzen. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Die stürmische Entwicklung der Mikroelektronik, die zu einer extremen Verbilligung bei gleichzeitiger Leistungssteigerung, speziell der Mikroprozessoren, führte, wird - folgt man den Expertenmeinungen - eine tiefgreifende Rationalisierungs- und Automatisierungswelle zur Folge haben, die ernsthafte Beschäftigungsprobleme aufwerfen kann. Zwar hat - generell gesehen -- der technische Fortschritt unter den Faktoren, die Arbeitslosigkeit verursachen, eher nachrangige Bedeutung. Im Vordergrund stehen vielmehr Veränderungen in den außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der Wandel in den Bedürfnissen und Nachfragestrukturen der Konsumenten, ferner demographische Verschiebungen. Immerhin können aber spürbare negative Beschäftigungseffekte der Mikroelektronik in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Sollen wir deshalb auf diese Technologie verzichten oder wenigstens die Förderung der Forschung einstellen, die den Anschluß an den amerikanischen und japanischen Entwicklungsstand herstellen soll? Das Nein auf diese Frage wird häufig damit begründet, daß es einfach keine Alternative zur Nutzung dieser Technologie gebe. Man verweist auf Beispiele aus der Uhren- und Feinmechanischen Industrie, wo die teilweise verspätete Nutzung der neuen Informationsbausteine zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit geführt hat. Dieses Nein hat einen irritierend fatalistischen Unterton; man ergibt sich in ein unausweichliches,von außen aufgezwungenes, gewiss'~rmaßen fremdgesteuertes Schicksal. Aber ist die Situation in Wirklichkeit nicht doch etwas anders? Ist es nicht auch so, daß wir uns der neuen Technologien bedienen, um uns von schwerer eintöniger und stupider Arbeit zu entlasten, daß wir sie nutzen, um uns Annehmlichkeiten zu verschaffen, daß wir sie brauchen, um den Anforderungen einer hoch komplexen Industriegesellschaft gerecht zu werden, daß sie die Chance für ein Mehr an Information und Kommunikation enthalten, und das heißt die Chance für eine angemessenere Selbstverwirklichung? Entscheidend ist meines Erachtens, daß man den technischen Entwicklungsprozeß, nachdem man seine Probleme erkannt und analysiert hat, mit !positiver Wendung, d. h. zum allgemeinen Nutzen, steuert. Das eben skizzierte Dilemma sollte überwunden werden. Das ist nicht zuletzt auch deshalb entscheidend, damit neue Technologien auch von Nichtfachleuten akzeptiert werden können.

Il. Die Bedeutung des Dialoges zwischen Forschung und Praxis für den innovatorischen Spielraum der Unternehmen Produktinnovationen, die den Bestand eines Unternehmens auf längere Sicht sichern sollen, sind heute vielleicht vor allem eine Frage guten Managements. Ohne Zweifel ist das Innovieren schwieriger geworden: steigende Energie- und Rohstoffpreise, nachhaltige

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Wechselkursverschiebungen, längere Entwicklungszeiten verbunden mit kürzerer Produktlebensdauer und auch die internationale Verflechtung der Märkte erschweren die unternehmerische Entscheidung. Die Unternehmen sind darauf angewiesen, daß die neuen Produkte vom Markt auch angenommen werden. Für Erfolg oder Mißerfolg bei der Entwicklung neuer Erzeugnisse ist deshalb wichtig, daß die Forschungs-Teams marktorientiert arbeiten. Marktorientierung der Forschung setzt aber voraus, daß im Unternehmen ein ständiger Dialog zwischen Forschung und Entwicklung und den in der Marktforschung Tätigen organisiert wird. Erst die wechselseitige Kommunikation zwischen Vertrieb und Technik, Ingenieuren und Kaufleuten bietet die Gewähr, daß Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt, bzw. vermieden werden können. Parallel zu diesem unternehmensinternen Dialog muß aber auch der unternehmensexterne Dialog zwischen Wirtschaft und Hochschule gepflegt und entwickelt werden. Die Unternehmen benötigen innovationsgerechte Informations-, Entscheidungs- und Organisationssysteme, die dem zunehmend komplexeren mikro- und makroökonomischen Bedingungsrahmen bei der Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien Rechnung tragen. Die Hochschule hat friihzeitig begonnen, hier Grundlagenarbeit zu leisten. Sie hat aufbauend auf den Erkenntnissen der modernen Entscheidungstheorie integrierte Marketingund Produktplanungsmodelle entwickelt, die komplexe Zielstrukturen und Entscheidungsfelder berücksi.chtigen. Zur praxisgerechten Ausgestaltung der Managementtechniken bedarf es allerdings der Kooperation zwischen Wirtschaft und Hochschule in gemeinsamen Projekten. Solche Projekte bieten zugleich Ansatzpunkte für Wissenstransfer. Sie ermöglichen persönliches Engagement und den menschlichen Kontakt als Voraussetzung für einen problemorientierten Austausch von Erfahrungen und Lösungsmethoden. Die Kommunikation und Kooperation zwischen Wirtschaft und Hochschule ist ein Anliegen, dem das Bundesforschungsministerium z. B. durch die Förderung der DV-Anwendung in der Wirtschaft friihzeitig Rechnung getragen hat. So wurden Forschungen von Wirtschaft und Hochschulen speziell auf dem Gebiet der rechnergestützten Produktionssteuerung gefördert und Mittel für die DV-gerechte Gestaltung universell einsetz barer Entscheidungs- und Informationssysteme bereitgestellt. Um die Arbeitsabläufe in Wirtschaft und Verwaltung leistungsfähiger zu gestalten, wird in Zukunft besonders die Steigerung der Qualität, der Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit der Informationsverarbeitung im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen. Moderne Datenbanken und verbesserte Entscheidungsverfahren können jedoch Erfahrung, Intuition und Fingerspitzengefühl, die auch zukünftig den erfolgreichen Unternehmer auszeichnen, nicht ersetzen. Sie allein sind zwar keine Garanten für die Sicherung der Wirtschaftskraft eines Unternehmens; denn Aufgabe jedes Unternehmers ist es ja, wirtschaftlich sinnvolle Produkte, d. h. nachfragegerechte Erzeugnisse, herzustellen und zu verkaufen. Dazu muß er Märkte - national und international - aufspüren, pflegen und erhalten, und hierzu gehört auch, daß er seine Produkte je nach Konkurrenzlage und Nachfrageverschiebung qualitativ verbessert oder preisgünstiger anbietet. Aber nicht nur die Aktivitäten der jeweiligen Konkurrenten oder der Blick au f die Möglichkeiten des Marktes bestimmen heute allein die innovatorischen Spielräume der Unternehmen. Auch die Erwartungen und Anforderungen aus der Gesellschaft an eine ressourcenschonende, umweltfreundliche, humane Produktion sind zu beriicksichtigen und haben Gewicht in den unternehmerischen Entscheidungsabläufen. 11

Es ist der Verdienst der jüngeren betriebswirtschaftlichen Zielforschung, daß das traditionelle Bild vom einzig an Gewinnmaximierung interessierten Unternehmer heute so nicht mehr gilt. An seine Stelle ist eine differenziertere Betrachtungsweise getreten, die mit Recht davon ausgeht, daß den unternehmerischen Entscheidungen komplexe Zielstrukturen zugrunde lieg(:n, in denen Rentabilitäts- und Gewinnziele zwar wesentliche, aber keineswegs die alleinigen Entscheidungskriterien darstellen. Die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung zur Humanisierung des Arbeitslebens oder zur Entwicklung umweltschonender Produktionsverfahren wäre zum Scheitern verurteilt, wenn z. B. bessere Arbeitsbedingungen oder lärm- und emmissionsarme Fertigungsmethoden aus dem unternehmerischen Zielkatalog von vornherein verbannt wären. Da das nicht so ist, genügt es, daß die Bundesregierung in ihren Förderungsprogrammen Anreize dazu gibt, Forschung und Entwicklung auch unter dem Aspekt der Ressourcen- und Umweltschonung oder der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu sehen und durchzuführen. Sie braucht nicht auf das hoheitliche Instrumentarium von Geboten und Verboten mit einem entsprechenden Sanktionsmechanismus zurückzugreifen.

IIl. Prioritäten der staatlichen Forschungsförderung Der heutige Unternehmer ist noch in anderer Hinsicht hohen Erwartungen ausgesetzt. Er soll verantwortlich gegenüber Belegschaft, Zulieferern, Kapital- und Kreditgebern und nicht zuletzt auch dem Staat handeln, die alle Vertrauen in den Bestand des Unternehmens setzen, das ihnen Arbeitsplätze, Einkommen und Steuern garantieren soll. Dies mag erklären, warum in den Unternehmen oft technisch besonders riskante, marktferne oder kurzfristig wenig rentabel erscheinende Projekte nicht zum Zuge kommen, obwohl sie im besonderen öffentlichen Interesse liegen. Damit solche Vorhaben zur Erschließung von Energiequellen und Rohstoffen, für einen sparsamen Umgang mit Energie und Werkstoffen, der Technik im Dienst der Gesundheit und z. B. der Sicherheitsforschung dennoch aufgegriffen werden, gibt das Bundesministerium für Forschung und Technologie abgestufte, das jeweilige Risiko kompensierende finanzielle Anreize. Das sind staatliche Angebote an die Unternehmen; die letze Entscheidung bleibt in ihrer Hand. In unserem Wirtschaftssystem gehören Forschung und Entwicklung zu den selbstverständlichen Aufgaben der Unternehmen. Darin will und soll staatliche Forschungsförderung nichts ändern. 1978 betrugen die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft rund 19 Mrd. DM. Hiervon brachte die Wirtschaft selbst 15 Mrd. DM auf, das sind rund 78 %. Milt rund 3 Mrd. DM allein an direkten Zuschüssen oder Aufträgen förderte der Staat im Jlahre 1977 die industrielle Forschung und Entwicklung. Nahezu alle Mittel kamen vom Bund; mehr als die Hälfte davon für zivile Vorhaben. Der direkte Zuschuß zu unternehmenseigenen Forschungsarbeiten ist freilich nur eines von einer Mehrzahl von Instrumenten der staatlichen Förderung. Andere Instrumente sind Zuschüsse zur Förderung de:r Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten Anreize zur Beschäftigung·von Forschungs- und Entwicklungspersonal in kleinen und mittleren Unternehmen staatlich geförderte Innovationsberatung. 12

Der weitaus größte Teil der direkten Fördermittel für die industrielle Forschung und Entwicklung wird inzwischen vom Bundesministerium für Forschung und Technologie bereitgestellt. 1977 waren es 1,4 Mrd. DM, das sind rund 85 % aller Bundesmittel für zivile Industrieforschung und rund ein Drittel der gesamten Fördermittel des BMFT. Unsere Förderung erstreckt sich - und dies möchte ich deutlich herausstellen - keineswegs auf die gesamte Breite industrieller Forschung, sondern auf einige wichtige Schlüsselbereiche. Es sind Vorhaben, die dazu beitragen sollen, das Leistungsangebot der Wirtschaft in Richtung auf neue zukunftsweisende Technologien zu erweitern; der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und der Verbesserung der Infrastruktur dienen; zu Technologien führen, die nachteilige Auswirkungen oder Eigenheiten bisheriger Produktionsverfahren meiden, insbesondere Umweltschäden verringern oder Energie und Rohstoffe sparen. Wie wird hiernach die staatliche Forschungsförderung künftig konkret aussehen? Seit Ende der 60er Jahre wurde die Förderung der industriellen Forschung und Entwicklung in starkem Maße ausgebaut. Wird das so weitergehen? Mündet dies gar in staatliche Dauersubventionen, wie kritische Stimmen meinen? Blicken wir zurück auf die Anfänge der staatlichen Förderung industrieller Forschung und Entwicklung. In den 60er Jahren hatte die Bundesrepublik Deutschland einen beträchtlichen technologischen Nachholbedarf insbesondere in den Bereichen Luft- und Raumfahrt. Datenverarbeitung und Kernenergie. Man sprach bei uns, und in Europa allgemein, vom "Technological Gap". Dies erforderte eine Konzentration der vorhandenen Mittel auf einige wenige große Projekte, die sinnvoll nur durch Großunternehmen und Konsortien in Angriff genommen werden konnten. Heute stehen wir in diesen Bereichen, insbesondere der Kerntechnik, aber auch auf einigen Gebieten der Luft- und Raumfahrt sowie der Datenverarbeitung mit an der Spitze des technischen Fortschritts. Dies gibt die Möglichkeit, in einigen Fällen - so z. B. dem Bau mittlerer und großer DV-Anlagen - die Förderung einzuschränken und auslaufen zu lassen. Zu Beginn der 70er Jahre sah sich die industrielle Forschung infolge der rasch aufeinanderfolgenden DM-Aufwertungen vor eine weitere große Herausforderung gestellt, die mit der Freigabe der Wechselkurse im Jahre 1973 ihren Höhepunkt erreichte. Im Vergleich zu den Leitkursen zu Ende des Jahres 1972 war der DM-Außenwert um rund 40 % gestiegen. Die damit einhergehende schlagartige Verschlechterung der Wettbewerbssituation in der Exportgüterindustrie wurde durch die parallel einsetzenden hohen Steigerungen bei den Löhnen noch verstärkt und zwang die Unternehmen, ihre Forschungsbemühungen vor allem auf die Rationalisierung der Produktionstechniken zu konzentrieren. Diese grundlegenden Veränderungen in der außen- und binnenwirtschaftlichen Konstellation spielen in den Planungen von Forschung und Entwicklung heute und in Zukunft weiter eine wichtige Rolle. Auch wegen der nachhaltigen Erhöhung des Ölpreises wird der Rationalisierungsdruck unvermindert anhalten. Relativ arbeits- und energieintensive Industriezweige, die in der Bundesrepublik Deutschland besonders hohe Standortnachteile aufweisen, müssen - neben der Rationalisierung - möglicherweise diversifizieren, um durch eine Verbreiterung der Produktpalette und durch Qualitätsvorsprünge der Konkurrenz von Massenprodukten aus Niedriglohnländern zu begegnen. Solche Anforderungen

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werden - um ein Beispiel zu nennen - besonders an die Eisen- und Stahlindustrie gestellt. Der Staat fördert den notwendigen Strukturanpassungsprozeß im Rahmen seines Eisenund Stahlforschungsprogramms. Neben dem rationellen Energieeinsatz bei der Stahlerzeugung muß sich die Forschung auf Verbesserung von Qualität und Eigenschaften der Werkstoffe konzentrieren; zudem wird versucht, dem Stahl neue Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Hier hilft der Staat einem Industriezweig, sein Innovationsdefizit zu überwinden, ein Defizit, das nicht zuletzt darauf zurückgeht, daß die Forschung vernachlässigt wurde, und das, obwohl die amerikanischen und japanischen Anstrengungen auf diesem Sektor eine Warnung hätten sein müssen. Im Hinblick auf die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung und einen liberalen internationalen Warenaustausch müssen die Schwerpunkte staatlicher Förderung aber vor allem in jenen Bereichen liegen, die ein hohes technologisches Produktionsniveau und entsprechende Qualität der Arbeitsplätze voraussetzen. Ein wichtiger solcher Schlüsselbereich sind daher die Fertigungstechniken. Die Nachfrage nach Investitionsgütern ist durch eine wachsende Vielfalt individueller Kundenwünsche gekennzeichnet. Flexible Fertigungssysteme, die auch bei kleineren Losgrößen niedrige Herstellkosten ermöglichen, Modularisierung der Anlagen, prozeßbegleitende Qualitätskontrolle, Rohstoffschonung und Umweltfreundlichkeit und nicht zuletzt menschengerechte Gestaltung der Bedienungsplätze sind wichtige Stichworte. In enger Beziehung hierzu steht insbesondere die Integration moderner Informationstechnik in Maschinen und Komponenten. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie will die Förderung in diesem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich weiter verstärken und auf Vorhaben konzentrieren, in denen wissenschaftlich-technisches Neuland beschritten wird und wesentliche und risikoreiche Entwicklungsschritte zur Verbesserung von Maschinen, Komponenten und Verfahren anstehen. Dabei wollen wir durch eine Risikoteilung zwischen Staat und Wirtschaft der Gefahr entgegenwirken, daß notwendige technologische Entwicklungen versäumt oder verspätet in Angriff genommen werden. In der Diskussion üb,er die staatliche Technologiepolitik sind immer wieder Stimmen zu hören, die sich kritisch mit den Förderungsmethoden auseinandersetzen. Im Mittelpunkt steht dabei das Begriffspaar direkte und indirekte Forschungsförderung. Die Diskussion hierüber ist stark mit pauschalen Werturteilen belastet. Mit dem Ausdruck "direkte" Forschungsförderung, d. h. durch Zuwendung, verbinden die einen die Vorstellung von einem in die Unternehmen hineinregierenden Staat, die anderen halten die "indirekte" Forschungsförderung, d. h. vor allem durch steuerliche Maßnahmen, für wirkungslose Gießkannenförderung, bei der die Mitnehmereffekte überwiegen. Durch die in diesem Jahr eingeführten Zuschüsse zu den Personalkosten in Forschung und Entwicklung für mittlere und kleine Unternehm(:n und durch die Verbesserungen der Investitionszulage für diesen Zweck wird si,ch das Verhältnis von direkter zu indirekter Förderung 1979 voraussichtlich auf etwa 3 : 1 einstellen. Ist das ausgewogen? Ich halte die Frage für müßig, denn die Qualität der Förderung kann nicht an der Höhe der Mittel für das eine oder das andere Instrument gemessen werden. Unterschiedliche Instrumente sind erforderlich, je nachdem, welches forschungspolitische Ziel angestrebt werden soll. Die Wahl der Methode hängt vor allem davon ab, wie genau und konkret das Ziel vorgegeben werden kann. Je exakter und spezifischer die Aufgabe ist, desto eher kommt die direkte Förderung infrage. Wer zum Beispiel damit einverstan-

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den ist, daß der Staat die Entwicklung eines bestimmten Fertigungsverfahrens mit genau spezifizierten umwelt- und ressourcenschonenden Eigenschaften fördert, wird kaum prinzipielle Einwände gegen Projektförderungen erheben können. Umgekehrt ist indirekte Förderung dort geeignet, wo allgemeinere forschungsplitische Ziele, wie zum Beispiel die Ausweitung der Beschäftigung von naturwissenschaftlich-technischem Personal in mittleren und kleineren Unternehmen, verfolgt werden. Wer daher prinzipiell immer die eine Förderungskategorie für die beste hält - ohne die unterschiedlichen Problemlagen zu berücksichtigen - handelt wie ein Arzt, der ohne Diagnose allen Patienten die gleiche Medizin verordnet.

IV. Die steuerliche Behandlung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen Ein weiteres Beispiel aus der Praxis, das die Notwendigkeit differenzierter Betrachtung zeigt, ist die Frage der steuerlichen Behandlung von Forschungs- und EntwicklungsZuschüssen. Dies ist ein beliebtes Thema geworden. Kaum eine Woche vergeht, ohne daß in Zeitungsartikeln, Briefen oder auf einer Tagung beklagt wird, der Staat nähme durch die Besteuerung der Zuschüsse mit der einen Hand, was er mit der anderen gegeben hat. Dadurch werde die Förderung in ihrer Wirkung erheblich gemindert. Einige Unternehmen würden sogar zu den Banken abwandern, weil die Kreditfinanzierung selbst von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben dort billiger wäre als bei Zuwendungen durch die öffentliche Hand. Wie steht es nun wirklich mit der steuerlichen Bahandlung? Was sind die Fakten? Es reizt mich, gerade vor einer Versammlung von Betriebswirtschaftern hier etwas ins Detail zu gehen. 1. Betrieblich veranlaßte Zuwendungen an Unternehmen sind grundsätzlich in der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung als Betriebseinnahmen zu verbuchen. Demgemäß gelten auch Zuwendungen im Rahmen der direkten Projektförderung, Zuschüsse für Vertragsforschung und zur Erstinnovationsförderung als steuerpflichtige Betriebseinnahmen. 2. Soweit die Zuwendungen für Investitionen verwendet werden, besitzen die Unternehmen ein Wahlrecht bei der Verbuchung. Sie können die Zuwendungen entweder als steuerpflichtige Betriebseinnahmen verbuchen oder aber unmittelbar von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Investitionsgüter abziehen. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Kürzung der Anschaffugs- und Herstellungskosten, so kann es die Abschreibungen auf das Investitionsgut dann allerdings nur auf der verminderten Basis vornehmen, während ein Unternehmen, das die Zuwendungen als Einnahmen verbucht, die Abschreibungen in voller Höhe ansetzen kann. 3. Eine Sonderstellung nimmt die Forschungszulage nach dem Investitionszulagengesetz ein. Investitionszulagen für Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen gehören nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommenssteuergesetzes. Sie mindern auch nicht die Anschaffungs- und Herstellungskosten. Dieser Sonderfall hat zweierlei Ursachen: Zum einen ist die Forschungszulage eine Fortentwicklung der in früheren Jahren geltenden Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen, die den Nachteil hatten, daß sie entsprechende durch die Abschreibung kürzungsfähige Ge-

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winne voraussetzten und damit solche Unternehmen benachteiligten, die keine oder nicht ausreichende Gewinne erzielten. Durch die Einführung der Forschungszulage sollte vor allem dieser Nachteil vermieden werden. Damit erklärt sich auch, daß auf eine Verbuchung der Zulage als gewinnerhöhende Einnahme verzichtet wurde, da diese Regelung gerade das Ziel der Gewinnneutralität durchkreuzt hätte. Zum zweiten wurde auf eine Absetzung bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten deshalb verzichtet, weil dadurch der Förderungseffekt - die Zulage beträgt grundsätzlich 7,5 % der Anschaffugs- und Herstellungskosten - nun tatsächlich erheblich geschmälert worden wäre. Durch die Vorschriften über die buchhaltungsmäßige Erfassung von Zuwendungen für Forschung und Entwicklung ist jedoch nichts darüber ausgesagt, ob die Zuwendungen tatsächlich eine zusätzliche Steuerbelastung der Unternehmen herbeiführen. Dies hängt entscheidend davon ab, wofür die Zuwendungen in den Unternehmen verwendet werden. Werden sie im Sinne des Förderungszweckes für zusätzliche Forschungs- und Entwicklungs-Aufwendungen oder zur Aufrechterhaltung einer ansonsten geplanten Verminderung der Forschungs- und Entwicklungs-Tätigkeit verwendet, so stehen die Mehreinnahmen aus Zuwendungen (mindestens) entsprechende Mehrausgaben für Forschung und Entwicklung gegenüber. Die steuerliche Belastung des Unternehmens bleibt damit unverändert, ebenso wie der Förderungssatz. Es liegt also in der Hand der Unternehmen, ob sie Förderungsmittel zur Erweiterung ihrer Forschungs- und Entwicklungs-Tätigkeit verwenden und damit auf einfache Weise jede zusätzliche Steuerlast vermeiden. Es ist jedenfalls nicht einzusehen, daß denjenigen Unternehmen, die ihre Forschungs- und Entwicklungs-Tätigkeit trotz Zuwendung nicht ausweiten, daß also tendenziell den Mitnehmern auch noch di.~ Verbuchung als Betriebseinahme erlassen wird. Im übrigen würde nach geltendem Recht eine generelle Steuerbefreiung der Zuschüsse an der Nettoposition der Unternehmen nichts ändern, da dann nach § 3 c des Einkommensteuergesetzes die mit den Zuschüssen zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungs-Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürften. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu wissen, inwieweit sich Unternehmen bisher in ihrer Einstellung zu den Förderungsmaßnahmen von falschen Behauptungen über die Besteuerung der Zuwendung haben leiten lassen und warum. Möglicherweise gibt es ein wirkliches Informationsproblem, und meine Skizze der Situation soll Sie deshalb anregen, sich wegen einer vertieften Unterrichtung an das Bundesministerium für Forschung und Tehnologie zu wenden, wenn Sie konkret von dieser Thematik betroffen sind. Die an der steuerlichen Frage aufgehängte Kampagne gegen die direkte Projektförderung hat vor allem bei mittleren und kleinen Unternehmen viel Verwirrung gestiftet. Inwieweit den Betroffenen dadurch Nachrteile entstanden sind, ist schwer zu sagen. Andererseits kann festgestellt werden, daß das Bundesministerium für Forschung und Technologie 1978 nahezu 600 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bei mittleren und kleinen selbständigen Unternehmen gefördert hat. 80 % der Vorhaben entfielen auf Unternehmen mit Umsätzen unter 50 Mio. DM. Schwerpunkte waren anwendungsorientierte Vorhaben im Bereich der Datenv,erarbeitung, der Elektronik, der Physikalischen Technologien, der Energietechnik und der Humanisierung des Arbeitslebens. Gegenüber 1977 ist - ausgelöst durch die Maßnahmen des Gesamtkonzeptes für kleine und mittlere Unternehmen - ein deutlicher Anstieg um nahezu 50 % von 80 Mio. DM auf 120 Mio. DM bei den Förder16

mitteln zu verzeichnen. Rechnet man die für Vorhaben der Gemeinschaftsforschung und vergleichbare Organisationen der Wirtschaft bereitgestellten Mittel hinzu, die diesen Unternehmen mittelbar zugute kommen, so erreichen die Förderungsmittel des Bundesministerium für Forschung und Technologie in 1978 ein Volumen von 215 Mio. DM, das sind über 13 % der insgesamt an die Wirtschaft geflossenen Zuwendungen. Wenn man diese Bilanz betrachtet, die eine Erfolgsbilanz ist, verblüfft es einigermaßen, daß der Bundesverband Junger Unternehmer Zeitungsmeldungen zufolge neuerdings jede zusätzliche staatliche Förderung für den Mittelstand ablehnt, sich insbesondere gegen die direkte Forschungsförderung wendet und so weit geht, gleich das Forschungsministerium ganz abschaffen zu wollen. Vielleicht sollte dieser Verband auch einmal mit den zahlreichen Wirtschaftsverbänden sprechen, die mit dem Ministerium eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, und sich bei ausländischen Kollegen erklären lassen, warum diese ihre eigenen Regierungen drängen, unser Fördermodell zu übernehmen.

V. Perspektiven der Technologiepolitik Ich habe eingangs darauf hingeweisen, wie sehr die Ambivalenz der Technik, ihr positives und ihr negatives Potential, in das allgemeine Bewußtsein gerückt ist. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe der Technologiepolitik, positiver und negativer Aspekte technischer Entwicklungen zu analysieren, um eine sachgerechte Diskussion über "Für" und "Wider" und "Ob" und "Wie" neuer Technologien zu ermöglichen. Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat im Frühjahr dieses Jahres führende Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft zu einem Gedankenaustausch über Probleme und Perspektiven technischer Entwicklungen eingeladen, der helfen soll, eine gemeinsame Basis für ihr Verständnis herzustellen. In diesem Zusammenhang spielt Technology Assessment, etwas unhandlich als Technologiefolgenabschätzung übersetzt, eine wichtige Rolle. Hier sind vor allem die Hochschulen aufgerufen, das Wirkungssepktrum technischer Entwicklungen in seinen vielfältigen mikro- und makroökonomischen Verästelungen auf betrieblicher, volkswirtschaftlicher und sozialer Ebene zu erforschen und Kriterien für eine sachgerechte Technologiebewertung zu erarbeiten. Solche Grundlagenarbeit würde helfen, nicht nur den Informationsstand zu verbessern, sondern auch das Fundament für technologiepolitische Entscheidungen weiter festigen helfen. Denn am Ende des von der Bundesregierung begrüßten und von ihr, wie ich gezeigt habe, geförderten Diskussionsprozesses, der kein Selbstzweck ist, sondern ein notwendiger Verfahrensschritt in einer Demokratie, müssen Entscheidungen stehen; und diese Entscheidungen werden umso besser, je sorgfaltiger die Vorbereitungsarbeit mit Hilfe der Wissenschaft geleistet worden ist.

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Bernhard Plettner* Die Bewältigung des technischen Fortschritts in der Industrie

1. Was ist technischer Fortschritt? Es gibt eine ganze Anzahl von Definitionen des technischen Fortschritts. Mir stand, als ich den Titel dieses Referates festlegte, die von Fourastie vor Augen, die sich in seinem Buch "Die grosse Hoffnung des 20. Jahrhunderts" findet und den technischen Fortschritt kurz und bündig als eine "Steigerung des Produktionsvolumens je Rohstoff oder Arbeitszeiteinheit" definiert. Dem ist erläuternd hinzuzufügen, daß das Bemühen von Naturwissenschaft und Technik sich seit jeher nicht nur auf die Steigerung der Produktivität bekannter Verfahren, sondern auch auf die Nutzung bis dahin nicht bekannter, in der Natur liegender Möglichkeiten richtet, die bis dahin nicht oder unzureichend befriedigte Bedürfnisse zu decken imstande sind. Diese Vorgehensweise führte vielfach zu sogenannten Basisinnovationen. Die Dampfmaschine, die Dynamomaschine, das Telefon und die Elektronenröhre sind solche. Für unsere Zeit bestimmend - auf Innovationen der Vergangenheit fußend und in Verbindung damit wirksam werdend - sind zwei Basisinnovationen: 1. Der Transistor, aus dem der integrierte Schaltkreis und die Elektronik in der heutigen Form hervorgingen, die uns die Massenausbreitung der Rundfunkgeräte, der Fernsehgeräte und der Ton- und Videorecorder auf der einen Seite, die Technik der Datenverarbeitung auf der anderen und schließlich Satellitentechnik und Weltraumfahrt überhaupt erst möglich gemacht haben. Dem modernsten Kind, dem Mikroprozessor, wird nachgesagt, daß er mehr Arbeitsplätze "vernichte" als neue schaffe. Ich halte diese Aussage für falsch, denn, weltweit betrachtet, verbessert er unsere Chancen im Anlagengeschäft und wird dergestalt richtig genutzt, der Industrie insgesamt mehr Aufträge und damit Beschäftigung bringen. Seine optimale Programmierung für den jeweiligen Anwendungsfall wird bald zu den wichtigsten Akquisitionsargumenten gehören. Damit aber wird er das gleiche wie alle anderen Basisinnovationen verursachen: mehr Umsatz, mehr Beschäftigung und überdies für Benutzer und den Bediener: leichteres Leben.

2. Die Spaltung des Atomkerns und die Nutzung der Kernenergie. Zum Für und Wider dieser Basisinnovation kann ich mich nicht äußern. Die Behandlung dieses sehr komplexen Themas, Ihnen allen wohl bekannt, würde den zeitlichen Rahmen sprengen.



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Dipl.-lng. Dr. lng. e.h. Bernbard Plettner, Vorsitzender des Vorstandes der Siemens AG, München.

2. Warum brauchen wir den technischen Fortschrittr Nun kann man mit einem gewissen Recht die Frage stellen, ob wir den technischen Fortschritt auch fernerhin brauchen. Darauf kann es nur die eine Antwort geben: im härter werdenden weltweiten Wettbewerb muß sich unsere Industrie auch weiterhin behaupten, wenn wir den aus der bisherigen technischen Zivilisation hervorgegangenen materiellen Wohlstand, den erreichten Lebensstandard aufrechterhalten wollen. Dies müss~n wir wohl tun, denn es dürfte kaum jemand ernsthaft bereit sein, Abstriche am Lebensstandard hinzunehmen. Und den technischen Fortschritt brauchen wir heute umso mehr, als die Verknappung und die Verteuerung des Erdöls und vieler anderer Rohstoffe uns zwingen werden, immer höhere Kosten für die Au sgangsstoffe , die wir in unserer Industrie brauchen, hinzunehmen. Das Gesagte gilt umso mehr, als nicht damit zu rechnen ist, daß wir die in den Wiederaufbaujahren der Bundesrepublik auftretenden hohen Wachstumsraten auch in der Zukunft als Bundesgenossen bei der Lösung sozialer Probleme im Innern unseres Landes haben werden und überdies 4/5 der heute auf der Welt lebenden Menschen, was den Lebensstandard angeht, bisher zu kurz gekommen sind und ungeduldig darauf drängen, nun auch an den Erfolgen der technischen Zivilisation ihren Anteil zu haben. Schließlich, wir brauchen auch den technischen Fortschritt, um mit den Problemen fertig zu werden, die der technische Fortschritt von gestern hinterlassen hat. Es ist dies ein Begleitumstand jeder Entwicklung, daß sie nicht nur Vorteile hat, sondern auch Belastungen mit sich bringt. Allerdings warne ich dringend davor, daraus einen Teufelskreis zu konstruieren. Das wäre falsch, wie beispielsweise der über dem Ruhrgebiet wieder heller gewordene Himmel beweist. Die Einschränkung im Titel des Referates, die sagt, daß ich die Bewältigung des technischen Fortschritts in der Industrie behandeln werde, impliziert, daß dieser technische Fortschritt auch anderwärts zu bewältigen ist. Vom Individuum in seinem privaten Leben, denn von ihm wird körperliche und geistige Mobilität verlangt und die Bereitschaft, lebenslang zu lernen; ferner - und das ist nicht beliebt - sich mit der Gefahr abzufinden, bei Nachlassen der Leistungsfähigkeit vorzeitig ausgebootet zu werden. Von der Industriegesellschaft insgesamt wird verlangt, daß sie ein Instrumentarium bereithält, das geeignet ist, sowohl mit Konjunktur- wie mit Krisenzeiten fertig zu werden und überdies ein Netz der sozialen Sicherheit ausspannt für die Kranken und Alten, da im Zuge der Bildung der Industriegesellschaft mit ihren Wanderungsbewegungen und mit ihrer Vereinzelung des Menschen sowohl die Familienbande wie die Patronatsbindungen verloren gingen, die früher die schätzten, die ihr Brot nicht mehr selbst zu verdienen imstande waren.

3. Welche Probleme treten auf? Wo treten sie auf? Wie werden sie bewältigt? Auf den Beginn meines Referates zurückkommend: technischer Fortschritt ist nach Fourastie die Verringerung des Aufwandes an Material und Arbeitszeit bei der Entwicklung, Herstellung und Vertrieb eines Gutes oder dem Ablauf eines technischen Prozesses, eine Definition, der ich hinzugefügt habe, daß zur Erfüllung dieses Vorsatzes auch gehört, neue Möglichkeiten, beispeilsweise neue physikalische oder chemische Phänomene, auf19

zuspüren, diese in die Technik einzuführen und einen Bedarf zu decken oder eine Dienstleistung zu erbringen, die der Verbraucher wünscht, für die ein Markt existiert oder sich entwickeln wird. Die Durchführung, die Bewältigung dieser Aufgabe in der Industrie habe ich zu beschreiben und natürlich auch die auftretenden Begleit- bzw. Folgeerscheinungen zu diskutieren. Ich werde, um meine Ausführungen anschaulich zu machen, das Thema am Beispiel Siemens zu behandeln versuchen und beginne mit der Feststellung, daß Forschung und Entwicklung auch die Rationalisierung, verglichen mit der Zeit von vor 30 oder 40 Jahren, eine ganz neue Dimension im betrieblichen Geschehen angenommen haben. Allcrdings muß ich, wenn ich die Problematik am Beispiel Siemens erläutere, einschränkend hinzufügen, daß wir dadurch, daß wir auf allen drei Fortschrittsgebieten der Elektrotechnik tätig sind - Kerntechnik, Elektronik und elektronische Datenverarbeitung - im Gesamtgeschehen einen besonders hohen Anteil an der Entwicklung zweier Basisinnovationen haben, die noch relativ jung und stark im Fluß begriffen sind. Überdies führt diese Elektronik auch zu sehr tiefgreifenden Veränderungen von Techniken, die es seit langem in unserem Haus gibt. Ich meine damit nicht nur das Gesamtgebiet der Fernmeldetechnik, in der, wie Sie alle wissen, die Elektronik in breitem Stile um sich greift, sondern auch Gebiete der Mess· und Prozesstechnik, die eng verbunden mit der Starkstrom- und der medizinischen Technik durch die Einführung elektronischer Bauteile und durch die Ein· bringung datenverarbeitender Verfahren beträchtliche Umgestaltungen und Erweiterungen erfahren. Im zeitlichen Ablauf sah cs so aus, daß die 50er Jahre dem Wiederaufbau auf der Basis der vorhandenen Kenntnisse und technischen Lösungen gewidmet waren. Anfang der 60er Jahre wurde uns be\llUßt, daß wir zu neuen Ufern streben müßten, daß das Überleben auf dem Heimatmarkt und erst recht auf den Exportmärkten davon abhängen werde, wie schnell es uns geläng,e, mit neuen Fabrikaten, mit neuen Herstellungsverfahren, mit neuen Anlagen- und Systemtechniken auf den Markt zu kommen, die allesamt bessere Leistungsmerkmale bei deutlich niedrigeren Kosten aufwiesen. Eines der Schlagworte von damals war das von der 2. industriellen Revolution. Anfang der 60er Jahre kam es auch zu den ersten zweistelligen Zuwachsraten der Löhne und Gehälter, zur Kürzung der Wochen· arbeitszeit und Verlängerung des Urlaubs, zu Verschiebungen also im Verhältnis der Einsatzfaktoren Kapital und Arbeit. In den 70er Jahren hat sich die Innovationsgeschwindigkeit weiter erhöht, und zwar sowohl auf den Gebieten klassischer Technik, wie erst recht überall dort, wo die Halbleitertechnik, die Technik der integrierten Schaltkreise und die Digitaltechnik eine Rolle spielen. Um ein Beispiel aus der Reihe der klassischen Fabrikate zu bringen: Früher hatte eine neu konstruierte Motorenreihe eine Lebenszeit von etwa 12 Jahren; heute ist die Lebenszeit auf 6 bis 8 Jahre zurückgegangen und die laufende Rationalisierung während der Lebenszeit muß mindestens eine Verminderung des realen Aufwandes um 25 % bringen, wenn man im Wettbewerb mithalten will. Bei integrierten Schaltkreisen kann man damit rechnen, daß sich die Zahl der auf einem Chip unterzubringenden Bauelemente alle 4 Jahre verdoppelt und gleichzeitig der Preis pro Funktion auf die Hälfte zurückgeht. Die Prozessoren und Speicher elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, die diese integrierten Schaltkreise als Kernstück enthalten, werden alle 4 Jahre um die Hälfte billiger bei gleichzeitig meistens auf das Doppelte

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gestiegener Leistungsfähigkeit. Bei diesem und manchem weiteren Arbeitsgebiet, beispielsweise bei der Telefonvermittlungstechnik, bei der Mess- und Prozesstechnik, sind Forschung und Entwicklung integrierte Bestandteile des Herstellungsvorganges geworden. Es läßt sich kaum noch sagen, wo die Entwicklung endet und wo der Herstellungsprozess beginnt. Der Grund dafür ist folgender: Auf einem integrierten Schaltkreis sind winzige Transistoren und Kondensatoren in neben- und übereinanderliegenden leitenden isolierenden und halbleitenden Schichten angeordnet, die, wie alles in der Elektrotechnik, durch Leitungen miteinander verbunden sind. Bei den Strukturen, die wir zur Zeit herstellen können, beispielsweise bei der Breite der Leiter, sind wir heruntergekommen auf Breiten in der Gegend von 3-5 Tausendstel mm, das ist etwa 1110 der Dicke eines Frauenhaares. Da die Erhöhung der Packungsdichte nur durch eine weitere Verkleinerung der Strukturen erreicht werden kann und da es physikalisch möglich ist, daß man auf zwei, auf einen und in nicht allzu ferner Zukunft auf Strukturen in der Größenordnung von 0,5 Mikrometer wird herunterkommen können, ist diese Entwicklung im vollen Gange. Die Herstellung der integrierten Schalterkreise nun erfolgt in einem foto-chemischen Verfahren durch die Abbildung der Strukturen über Masken auf lichtempfindlichen Lack, der auf das Silizium aufgebracht ist und dort, wo er belichtet ist, weggeätzt werden kann. Die freigelegten Stellen werden dann behandelt, beispielsweise leitend gemacht oder auch isoliert. Die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes liegt in der Gegend von 111m, das heißt, die Wellennatur des Lichtes läßt Konturen derselben Größenordnung unscharf werden. Man muß, um kleinere Strukturen herstellen zu können, zu kurzweiligeren Strahlen, beispielsweise zu Elektronenstrahlen oder zu Röntgenstrahlen übergehen; man ist an der Grenze des mit sichtbarem Licht Machbaren angelangt. Daß die Behandlung der damit verbundenen Probleme nicht vom Betriebspraktiker bewältigt werden kann, bedarf nicht des Beweises. Das heißt aber, daß dieses Thema von Physikern und Mathematikern zu behandeln ist, also im Forschungslaboratorium. Andererseits fördert das gerade auf diesem Gebiet herrschende Innovationstempo gebieterisch, daß das im Labor erarbeitete unmittelbar und ohne jede Verzögerung in die Praxis überführt wird. Wir bewältigen diese Aufgabe dergestalt, daß nach Vorversuchen im Forschungslaboratorium die Wissenschaftler dieses Laboratoriums in der Fabrik die Fertigungslinie aufbauen und unter Anwendung der bei den Vorversuchen gemachten Erfahrungen in Betrieb nehmen und gleichzeitig die Fertigungsmannschaft ihnen über die Schulter schaut, mitzuarbeiten beginnt und so nicht nur die Handhabung der Apparaturen lernt, sondern von den beteiligten Wissenschaftlern auch erfährt, wie es zu den Verfahrensschritten kam und was dabei zu beachten ist. Nach dieser Schilderung einiger AufgabensteIlungen möchte ich mich nun der Frage zuwenden, wie Forschung und Entwicklung bei uns organisiert sind und mit welchen Mitteln wir diese Organisation führen. Wir haben, wie alle großen Elektrofirmen, ein zentral finanziertes Forschungslaboratorium, das zusammen mit einer weiteren Gruppe von Laboratorien, deren Aufgabe die Erarbeitung von neuen Fertigungsmethoden ist, im Zentralbereich Technik angesiedelt ist. Die Kostendeckung erfolgt etwa zur Hälfte durch bezahlte Aufträge der Unternehmensbereiche, die diese erteilen, wenn ihre apparative und personelle Ausstattung für die Durchführung eines Forschungsvorhabens nicht ausreicht; zum anderen Teil durch eine Umlage, die von den Ertragszentren erhoben wird. Maßstab ist die Veredelungsleistung.

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Die Steuerung der Arbeiten und die Genehmigung des Budgets erfülgt durch einen Vürstandsausschuß, dem die Leiter der Unternehmensbereiche angehören und dessen Vorsitz der Vürstandsvürsitzende führt. Diesem Vürstandsausschuß arbeiten Beiräte zu, die aus dafür qualifizierten leitenden Mitarbeitern des Stammhauses und der Tüchtergesellschaften zusammengesetzt sind. Zentral - im Fürschungslabüratürium und der Zentralabteilung Fertigungsaufgaben wird aber nur ein kleiner Bruchteil (8 %) der insgesamt für Fürschung und Entwicklung aufgewandten Mittel ausgegeben - im Geschäftsjahr 1977/78 waren es DM 2,3 Mrd. Die anderen 92 % der Aufwendungen werden in den Geschäftsbereichen, in den Werken und Betrieben dezentral aufgewandt. Der weitaus größte Teil davün für die Weiterentwicklung schün existierender fabrikate, System- üder Anlagentechniken und für die Ratiünalisierung in den fertigungsbetrieben. Die Entwicklung von Fabrikaten und Systemen erfülgt alsO' herstellungsnah in enger Zusammenarbeit vün herstellendem Werk und zuständigem Vertrieb, dessen Aufgabe es ist, die Markterfürdernisse einzubringen und Vürstellungen über die zu erreichenden Küstenziele. Weitere Randbedingungen sind Nürmen bzw. Standards, die vielfach Vürschriften über Abmessungen, Wirkungsgrade und andere technische Eigenschaften enthalten. Die steigenden Lühnküsten begannen schün vür 20 Jahren, die Entwurfspraxis zu beeinflußen. WO' man künnte, ging man beispielsweise vün Schraubbefestigungen auf Schnappbefestigungen über, eine Entwicklung, die SO' weit fürtgeschritten ist, daß bei unserem neuen elektronischen fernschreiber nur nüch 130 Schrauben - früher waren es über 1.000 - bei der Müntage des Gerätes im Werk anzuziehen sind. Bei der Festlegung des Entwicklungszieles werden natürlich auch schün eingetretene üder nüch zu erwartende Veränderungen der Einsatzfaktüren berücksichtigt, mit denen der spätere Abnehmer zu rechnen haben wird. Heute beispielsweise in erhöhtem Maße die sich abzeichnende Energieverknappung bzw. -verteuerung. Gesteuert wird die Fabrikate-Entwicklung vün den zuständigen Werks- und Vertriebsleitungen mit Küsten- und Zeitvürgaben, die bei einfacheren Aufgaben im allgemeinen auch erreicht werden; allerdings, je mächtiger die Aufgabe, umsü uns.icherer wird auch die Einhaltung vürgegebener Küsten und Zeiten. Letzter, wichtiger Prüfstein ist der Markt. Angemerkt sei, daß wir uns in ziemlichem Umfang der Wertanalyse und der anderen aus den USA stammenden Kreativitätstechniken bedienen. Und dies nicht nur bei der Fabrikate-Entwicklung. Die Vürgehensweise bei der Systementwicklung unterscheidet sich grundsätzlich nicht vün der Vürgehensweise bei der Fabrikate-Entwicklung, allerdings mit dem Unterschied, daß die Zahl der Bt:teiligten und der Aufwand im allgemeinen größer sein wird als bei der Fabrikate-Entwicklung. Um Ihnen davün eine Vürstellung zu geben: Bei dem seit etwa 3 Jahren bei der Bundespüst eingesetzten elektronischen Telex-Vermittlungssystem EDS mußten allein für die Entwicklung des Betriebssystems, der süftware, 1,2 Miü. Befehle geschrieben und die sO' entstandenen Prügramme getestet und implementiert werden. Eine gute Programmiermannschaft kann - je nach Umfang und Schwierigkeit des Vürhabens - zwei bis vier Befehle prO-Prügrammierer und Stunde fertig getestetes Prügramm erzeugen. Der Stundenaufwand belief sich in diesem Falle alsO' auf etwa 350.000 Mannstunden bzw. rund 175 Mannjahre allein für die süftware. Am Anfang der Entwicklung des Datenverarbeitungsgeschäfts anfangs der 60er Jahre belief sich der Küstenanteil der süftware am Gesamtaufwand auf etwa 25 %. Er ist im

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Lauf der Jahre dauernd gestiegen und liegt heute bei etwa 60 %; man schätzt, daß er in der Mitte der 80er Jahre schon bei 80 % liegen wird. Dies ist die Folge der früher geschilderten rapide steigenden Leistungsfähigkeit der sogenannten hardware und der firmware, d. h. der apparativen Ausrüstung und der sinkenden Preise der elektronischen Bauteile; daneben aber auch eine Folge des Anpackens immer mächtigerer Aufgaben mit der elektronischen Datenverarbeitung. Die Herstellung von software ist betriebswirtschaftlieh betrachtet ein schlecht in den Griff zu bekommender Vorgang, ebenso wie die Projektierung großer Anlagen der Energietechnik, über die ich anschließend sprechen werde. Dem eigentlichen Programmierungsvorgang, d. h. dem Schreiben des Programmes, geht eine Entwurfsphase voraus, in der mit dem künftigen Benutzer im iterativen Verfahren die Klärung der AufgabensteIlung erfolgt. Erst dann kann das Programm geschrieben werden und danach erfolgt das Austesten des Programms zuerst auf der hauseigenen Anlage und später beim Kunden. Aus dem ganzen Vorgang ist nur faßbar nach Zeit, Quantität und Qualität das Schreiben des Programms selbst, das etwa 15-20 % des Gesamtaufwandes darstellt. Es ist leider für absehbare Zeit eine Änderung dieses Zustandes nicht zu erwarten. Beim Anlagengeschäft im Bereich der Energietechnik geht es darum, aus Einzelfabrikaten, die als solche dem neu esten Stand der Technik entsprechen, Kombinationen herzustellen, die ein Ganzes bildend eine rationell arbeitende elektrische Ausrüstung einer Papier- oder Zementfabrik oder auch ein Kernkraftwerk ergeben. Das Anlagengeschäft hat - wie Ihnen bekannt - schon seit jeher im Handel mit Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle gespielt, die durch die Auftragserteilungen der OPEC-Länder nach dem Ölschock 1973 eine besondere Akzentuierung erfuhr. Hier handelt es sich vielfach um die Erstellung schlüsselfertiger Anlagen, bei denen ein Firmen-Konsortium oder auch ein Generalunternehmer - und das ist die Siemens AG nicht selten bei Anlagen der Energieerzeugung und -verteilung - es übernimmt, die gesamte maschinen technische und elektrische Ausrüstung zu liefern, den Bauteil mit zu kontrahieren und die Einhaltung der zugesagten Eigenschaften zu gewährleisten. Hier hat die Gruppe die besseren Auftragschancen, der es gelingt, auch den Dienstleistungsanteil billiger, schneller, sicherer und besser zu produzieren. Zu den Aufgaben in diesem Dienstleistungsanteil gehören Vorfeldarbeiten, wie technische Information, Kundenberatung und Klärung der AufgabensteIlung: weiter die Projektierung, d. h. Erarbeiten von Konzepten, Dimensionieren und Auswählen von Geräten, Zusammenstellen von Bausteinen, Kombinationen und Systemen, Ausfertigung von Angeboten und Leistungsverzeichnissen sowie Erstellen von Ausführungsübersichten. Die Abwicklung schließt ein: Erstellen von Terminplänen, Auswählen von Lieferanten, Ausfertigen von Bestellunterlagen, Überwachen von Lieferungen und Leistungen. Erstellen von Konstruktionszeichnungen, Schaltungsunterlagen, Verdrahtungs- und Kabelplänen, Zusammenstellung von Dokumentation für zu liefernde Erzeugnisse, Funktionsbeschreibungen, Montage-, Wartungs- und Inbetriebsetzungsanweisungen sowie FertigstelIen der Abrechnungsunterlagen, der Übergabeprotokolle usw. Allein im Bereich der industriellen Anlagentechnik des Unternehmensbereiches Energietechnik der Siemens AG sind heute für den Bestellverkehr und die genaue Beschreibung und Zuweisung von Geräten im Rahmen von Anlagengeschäften jährlich 40.000 Stücklisten mit etwa 4 Mio. Informationen erforderlich. Etwa das gleiche Informationsvolumen

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muß für Schaltungs- und Fertigungsunterlagen bewältigt werden. Eine solche Informationsmenge zu verarbeiten und den Informationsfluß zu optimieren, ist eine umfangreiche technisch-organisatorische Aufgabe, die mit den herkömmlichen Methoden nur schwer wirtschaftlich optimal gelöst werden kann, d. h. Datenverarbeitungsanlagen werden, wie später von mir zu erläutern sein wird, in großem Umfang eingesetzt.

Folge- bzw. Begleiterscheinungen des technischen Fortschritts in Industrie und Volkswirtschaft, die dort zu bewaltigen sind Schon Fourastie schreibt, eines der grundlegenden Kennzeichen des technischen Fortschritts bestehe darin, daß die' Planungs-, Konstruktions- und Vorbereitungsarbeiten sich im Verhältnis zur ausführenden Arbeit dauernd vermehren. Die von mir vorgeführten Beispiele bestätigen dies in eindrucksvoller Weise und unsere Personalstatistik liefert eine weitere Bestätigung: die Anzahl der bei Siemens beschäftigten Ingenieure, Naturwissenschaftler und der sonstigen qualifizierten technischen Tätigkeiten ist von 1962 bis 1978 um nicht weniger als 16.000 Personen angestiegen, so daß wir heute 50 % mehr Mitarbeiter dieser Qualiifikation beschäftigen. Mit dem Einzug elektronischer Verfahren in fast alle unsere Bereiche geht diese Entwicklung - so ist jedenfalls mein Eindruck - in verstärkter Form weiter. Demgegenüber ist die Anzahl der gewerblich Tätigen im betrachteten Zeitraum von 1962 bis 1978 um 22 % zurückgegangen, in absoluten Zahlen um 25.000 Personen, cl. h. der Zubau auf der einen Seite ist kleiner als der Abbau auf der anderen Seite. Betriebswirtschaftlich gesehen stehen wir also vor dem Tatbestand, daß die vorhandenen Fertigungsstätten schlechter ausgelastet werden und gleichzeitig neue Gebäude für Entwickler, Planer und Projektierer errichtet werden müssen. Für die Volkswirtschaft als Ganzes hat dies noch die unangenehme Seite, daß es möglich war, die Fertigungsstätten dezentral über das Land zu verteilen, daß diese "Denkfabriken" aber in den Ballungszentren in der Nähe der geistigen Zentren entstanden sind und sich trotz lebhaften Widerstrebens auf seiten der Firmenleitung auch dort weiter entwickeln. Sowohl die Entwicklung von Anlage-Entwürfen wie auch die von software für Datenverarbeitungsanlagen sind Vorgänge, bei denen die Routinearbeit weit hinter die schöpferische Ingenieurtätigkeit zurücktritt. Bei der Bearbeitung eines Problems sind überdies meist mehrere Disziplinen beteiligt, die alle das Ihre zum Gelingen beitragen. Menschen dieser Qualifikation wollen in der Stadt leben. Verschärft haben sich die Beschäftigungsprobleme in unseren Werkstätten seit Beginn der 70 er Jahre, seit das reale Wachstum unserer Volkswirtschaft auf 2, 3 und 4 % pro Jahr zurückgefallen ist. Denn seither ist in fast allen unseren Herstellungsbetrieben der jährlich eintretende Rationalisierungserfolg größer als die reale Zunahme im Auftragseingang mit der Folge laufend schlechter werdender Kapazitätsnutzung und mit der Folge sinkender Kopfzahlen. Allerdings muß ich hinzufügen, daß wir auf einer ganzen Reihe unserer klassischen Arbeitsgc:biete diese Erfahrung schon in den 60er Jahren gemacht haben, denn die Herstellung einfacher Motoren, Transformatoren, Schaltgeräte und Kabel wurde schon vor vielen Jahrzehnten in den großen Entwicklungsländern aufgenommen und verbreitet sich mittlerweile auch in den weniger bedeutenden sich entwickelnden Staaten. Nimmt man die Wertschöpfung je Beschäftigten als Maßstab für die Produktivität, so hat sich die Produktivität in der deutschen Elektroindustrie während der letzten 10 Jahre gut verdoppelt. In der amerikanischen Elektroindustrie ist sie - beiläufig bemerkt - in der 24

gleichen Zeit nur um etwa 35 % gestiegen. Infolge des hohen Produktivitätszuwachses in der deutschen Elektroindustrie entspricht deren Produktivitätsniveau heute fast dem amerikanischen. Daß die Leistung pro Kopf in der deutschen Industrie einmal an die der amerikanischen herankommen könnte, hätte vor 20 oder auch noch vor 10 Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Aber immerhin haben die Lohn- bzw. Arbeitskosten ebenfalls das amerikanische Niveau erreicht. Ein ganz besonderes Problem stellt sich dort, wo elektronische Baugruppen die Aufgaben übernehmen, die bisher von feinmechanischen Baugruppen erfüllt wurden. Sattsam bekannt ist dies aus der Uhren- und aus der Büromaschinenindustrie. Wir haben entsprechende Zahlen veröffentlicht, als der mechanische Fernschreiber von dem elektronischen Fernschreiber abgelöst wurde, wobei die am Stück zu leistenden Fertigungsstunden auf weniger als ein Viertel zurückgegangen sind. Wir stehen zur Zeit in der Telefonvermittlungstechnik in einer ähnlichen Phase, die dadurch abgemildert wird, daß Erweiterungen und Ersatzbeschaffungen schon vorhandener Anlagen noch in alter Technik vorgenommen werden, so daß der Übergang nicht gar zu schnell erfolgt. Ferner befindet sich, wie Sie wissen, das Kommunikationswesen auf dieser Welt in einer stürmischen Entwicklung, was uns - hoffentlich - entscheidend dabei helfen sollte, über eine Umsatzausweitung drastische Verringerungen unseres Personalstandes zu verhüten. Am Horizont sich abzeichnend ist die Substitution der Kupferleiter in Nachrichtenkabeln durch Glasfasern, die nicht nur billiger sind, sondern auch eine ganze Reihe technischer Vorzüge haben. Auch hier wird der vorhandene große Bestand schon installierter Kabel die schnelle Einführung der neuen Technik dämpfen, allerdings wie ich fürchte, in geringerem Maße, als dies bei der Vermittlungstechnik zu erwarten ist. In der öffentlichen Diskussion spielen diese Dinge eine große Rolle und nicht zuletzt deswegen habe ich sie erwähnt, ohne daß ich imstande wäre, andere Lösungen als die klassischen anzubieten: Forschung, Entwicklung, neue Fabrikate, neue Dienstleistungen, die für die Welt von Interesse sind und Aufträge und Beschäftigung bringen. Auf der anderen Seite Verkürzung der Arbeitszeit, wie schon geschehen, und Verlängerung des Urlaubs, beides so dosiert, daß es sich in den Kosten und Preisen unterbringen läßt, also auch von außen wirkende Faktoren, wie die Mehraufwendungen für Rohstoffe, Erdöl und andere Zulieferungen Berücksichtigung finden. Ich darf auch daran erinnern, daß in den ersten 20 Nachkriegsjahren 2,7 Mil\. Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft und 300.000 aus dem Bergbau - zusammen also 3 Mil\. - abgewandert sind und neue, meist bessere Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Wirtschaftsbereichen gefunden haben. In den Vereinigten Staaten, die im technischen Fortschritt eine Spitzenposition einnehmen, sieht es so aus, daß dort die Zahl der Arbeitsplätze in den letzten 10 Jahren - hauptsächlich im Dienstleistungssektor - um 18 Mil\. gestiegen ist. Und schließlich nähert sich auch die Bundesrepublick nach Besserung der Konjunkturlage wieder der Vollbeschäftigung. In den letzten 2 Jahren hat sich die Zahl der Arbeitsplätze um mehr als 400.000 vergrößert, obwohl sich der technische Fortschritt eher beschleunigt haben dürfte. Man darf die Lösung dieses Problems nie- im mikroökonomischen Bereich, d.h. in einer Firma, einer Branche erwarten. Lösungen kann es nur in der Volkswirtschaft als Ganzes geben.

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4. Probleme der geringen Produktivität im Dienstleistungsbereich Der wachsende Anteil der Dienstleistungen am Sozialprodukt, aber auch ihr zunehmender Anteil an den Kosten der Unternehmungen, führt zu einem Rückgang des Produktivitätszuwachses in den hochindustrialisierten Ländern. Sehr deutlich zu beobachten ist dies in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auch die Diskussion über diesen Gegenstand sehr lebhaft geführt wird. Der Grund dieser Entwicklung ist der bekannte Tatbestand, daß die Rationalisierungserfolge im tertiären Bereich, verglichen mit der Landwirtschaft und der Güterproduktion, unterdurchschnittlich klein sind. Nun ist man versucht, die bei der Herstellung von Gütern erprobten Methoden der Aufgabenunterteilung auch auf die Dienstleistungen anzuwenden, bei uns also auf den Herstellungsprozeß von Ingenieurleistungen in Entwicklung und Projektierung oder ganz allgemein gesagt, von software. Auf diesen Gegenstand möchte ich mich zunächst einmal beschränken. Ich beginne mit der Feststellung, daß die bei der Herstellung von Gütern erprobten Methoden der Aufgabenunterteilung auf die Vorgänge im Ingenieurbereich und bei der Herstellung von software nicht unmittelbar anwendbar sind. Man muß sich klarmachen, daß dann, wenn die ausführenden Stellen einer Fabrik die Aufgabe der Herstellung übernehmen, das herzustellende Aggregat vom Rechnungs- und Konstruktionsbüro völlig durchdacht ist und in allen Einzelheiten festliegt. Arbeitsvorbereitung, Einkauf, Fertigungsregelung, Vorfertigung und Montage sind dann Routineaufgaben, die präzise plan- und überwachbar und dergestalt auch optimierbar sind. Beim AnlagenentwUlrf ebenso wie bei der software-Herstellung handelt es sich um Tätigkeiten, die zu den ausgesprochen kreativen zu rechnen sind. Entsprechend muß auch der Menschentyp sein, der dort beschäftigt ist und solchen Menschen liegt es nicht, nachzuahmen, wiederzukäuen. Sie wollen vorwärts, sie wollen Neues schaffen, besonders dann, wenn sie jung sind. Hinzu kommt, daß bei Entwicklungsaufgaben, in der Anlagentechnik und bei der Herstellung von software für Datenverarbeitungsanlagen meist ein neues Problem vorliegt, das sicherlich Ähnlichkeiten mit schon gelösten Aufgaben aufweist, das aber auch seine Besonderheiten hat, die zu berücksichtigen sind. Leider ist es nun so, daß die Suche in vorhandenen Unterlagen nach ausgeführten Entwicklungen oder ausgeführten Anlagen außerordentlich viel mühseliger ist als das Aufschlagen von DIN-Blättern, in denen man Schrauben oder Bleche oder Werkzeuge oder Abmessungen von Kabeln sehr schnell und zielsicher finden kann. Software-Programme sind eine ganz besonders unübersichtliche Ansammlung von Papier. Trotzdem steht man diesen Problemen, mit denen wir uns nun schon seit Jahrzehnten befassen, nicht hilflos gegenüber. Schon bei der Schilderung des Hergangs der Fabrikateentwicklung und der daran beteiligten Stellen hatte ich erwähnt, daß der eigentliche Prüfstein später der Markt ist. Er entscheidet und gibt klar zu erkennen, ob man mit den Entwicklungszielen und den Kosten richtig gelegen hat oder nicht. Zwar dauert es leider - einige Jahre, bis im Einzelfall die Rückmeldung vom Markt kommt. Aber jedes

unserer Werke hat ja eine ganze Reihe von Fabrikatefamilien auf dem Markt, so daß laufend Rückmeldungen einlaufen, die wiederum der Firmenleitung ein ziemlich klares Bild darüber liefern, wie es um die Qualität von Entwicklung und Konstruktion steht, wie

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gut der Rationalisierungsstand der Fertigung ist. Schlüsse von der Vergangenheit auf die Gegenwart liefern im allgemeinen richtige Ergebnisse. Schwieriger sieht es auf den ersten Blick auf dem Gebiet der Anlagenprojektierung für die Energie- und für die Nachrichtentechnik aus. Hier aber ist es so, daß, wenn man weltweit tätig ist, in laufender Folge Angebote abgegeben werden auf dem Inlandsmarkt und auf den verschiedensten Exportmärkten, auf denen man immer wieder zwar auf etwa die gleichen Konkurrenten trifft, aber doch in wechselnder Stärke und in wechselnder Zusammensetzung. An einer Stelle sind beispielsweise die japanischen, an anderer die französischen oder die englischen oder die US-amerikanischen Firmen stärker, vielleicht durch frühere Kolonialbeziehungen im Vorteil, vielleicht älter eingesessen. Durch die laufende Beobachtung dieser Vorgänge gewinnt man doch ein sehr gutes Bild über die Wertigkeit der eigenen Technik und natürlich auch über die Wertigkeit, über die Qualität, über die Kosten des Stabes von Menschen, der die Anlagen projektiert. Zur Ermittlung betriebswirtschaftlich relevanter Daten haben wir in den Projektierungsabteilungen der Energietechnik schon in der zweiten Hälfte der 50 er Jahre begonnen, die für ein bestimmtes Projekt aufgewendeten Stunden zu erfassen und den Auftragskosten zuzurechnen. Diese Vorgehensweise war bei unseren Ingenieuren, wie sich denken läßt, zunächst überhaupt nicht beliebt, hat sich dann aber trotzdem schnell eingeführt, da die Ingenieure, die letzten Endes das Projekt im Auftragsfall bis zum Ende durchzustehen hatten, daran interessiert waren, genau zu wissen, welche Kosten bis zur Angebotsabgabe aufgelaufen waren und welche dann später bei der Abwicklung entstanden, weil sie nur so sich ein Bild über ihre Konkurrenzfähigkeit machen konnten. Wir wurden damals überrascht durch die Erkenntnis, daß es Anlagenarten gab, wo die "mitzuliefernde" Ingenieurkunst Anteile von bis zu 30 % am Gesamtaufwand darstellte, während in anderen Fällen ein Aufwand von weniger als 10 % auftrat. Hatte man dies bei der Angebotsabgabe nicht gewußt oder nicht berücksichtigt, standen Erlöse und Kosten bei der Endabrechnung nicht im richtigen Verhältnis zueinander oder man hatte wegen zu hohen Zuschlags den Auftrag erst gar nicht bekommen. Wenn Sie sich nun vorstellen, daß heute Großanlagen in OPEC-Ländern schlüsselfertig durchgezogen werden müssen und sich vergegenwärtigen, was es bedeutet, die Leistung der örtlichen Arbeitskräfte mit in die Kalkulation einzubeziehen, können Sie sich vorstellen, was alles berücksichtigt und eingearbeitet werden muß, wenn nach der Durchführung einer solchen Aufgabe die Kasse stimmen soll. Ich kann hinzufügen, sie stimmt, sonst stünden wir nicht so gut da; es gelingt uns aber auch, ein Überziehen zu vermeiden, sonst würden wir die Aufträge ja gar nicht erst erhalten. Schon Ende der 50 er Jahre fingen wir an, Schreibau tomaten bei der Herstellung von Angeboten einzusetzen und machten uns Gedanken über den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen für die Abwicklung von Routineaufgaben. Eine solche Routineaufgabe ist beispielsweise die Ableitung von Kabelplänen aus den beim Entwurf hergestellten Schaltungsunterlagen. Heute werden dergestalt nicht nur der Kabelbedarf nach Länge und Querschnitt vom Computer errechnet und über die Datenfernverbindung der Fabriken in Auftrag gegeben, sondern auch auf interaktiven grafischen Arbeitsplätzen Zeichnungen und Schaltbilder durch Ergänzung und Umformung schon ausgeführter ähnlicher Anlagen auf den speziellen Fall zugeschnitten und die Routinearbeit des Zeichnens dann von einer elektronisch gesteuerten Zeichenmaschine übernommen. Ähnliche Arbeitsplätze findet man in ziemlicher Anzahl in den Entwicklungsabteilungen für integrierte Schaltkreise, wobei die Computer dort sogar so programmiert sind, daß sie Entwurfsfehler verhüten.

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Besondere Bedeutung bei Großprojekten hat die Terminüberwachung. Hier ist die Datenverarbeitungsanlage quasi in ihrem Element, denn im sogenannten Netzplan geht es um Speicherung und Verknüpfung unübersichtlich großer, dauernd im Fluß befindlicher Datenbestände. Auch die Inbetriebse'tzungsarbeit auf der Baustelle kann erheblich dadurch erleichtert und verbilligt werden, daß anstelle von Relais- und Schützensteuerungen elektronische Steuergeräte treten, die programmierbar sind. Die Programme wiederum kann man speziellen dafür geschaffenen Bauelementen schon in den Projektierungsbüros aufprägen und diese auf die Baustelle senden, wo der Inbetriebsetzungsingenieur sie einlötet und damit die speziell erforderliche Funktion der Anlage herstellt. Wir haben also dem Ingenieur, dem kreativen Mitarbeiter Routinearbeit abgenommen, ihm überdies ein Arbeitsgerät in die Hand gedrückt, was ihn als solches schon interessiert, um nicht zu sagen, fesselt, und haben ihn dergestalt motiviert, sich dieses Arbeitsgerätes zu bedienen. Und so möchte ich ganz allgemein sagen, daß im überlegten Einsatz des Elektronenrechners, der sich natürlich auch hervorragend zur Archivierung technischer und kaufmännischer Daten eignet, wenn in richtiger, um nicht zu sagen attraktiver Weise eingeführt, ein außerordentliches Potential zur Verbesserung der Effizienz im tertiären Sektor ganz allgemein liegt. Es ist beinahe überflüssig, darauf hinzuweisen, in welchem Maße Banken, Sparkassen, Versicherungsgesells(:haften und natürlich auch die kaufmännische Verwaltung der großen Firmen sich heute schon der Datenverarbeitungsanlage bedienen. Trotzdem steht hier noch ein weites Feld offen, denn in der Bundesrepublik beispielsweise arbeitet von den Betrieben mit einern Jahresumsatz bis zu 1 Mio DM nur etwa ein Viertel mit einern Computer. Beträgt der Jahresumsatz bis zu 5 Mio DM, dann sind es schon 55 %, bis 20 Mio DM rund 75 % und bis 50 Mio DM rund 90 %. Für mich ist es keine Frage, daß die Datenverarbeitung generell auch in den mittleren und kleineren Betrieben, selbst in den Handwerksbetrieben ihren Platz finden wird. Allerdings werden wir, die Industrie, Datenverarbeitungsanlagen für diese Anwendung zur Verfügung stellen müssen, die vergleichsweise so einfach zu bed.jenen und so billig wie die Taschenrechner sind, bei denen man also nur eine ganz bestimmte und kleine Anzahl von Knöpfen zu drücken hat, um bestimmte Funktionen auszulösen und damit beispielsweise die Sprechstundenhilfe eines Arztes oder Zahnarztes in die Lage versetzt, nicht nur die Daten des Patienten richtig in der elektronischen Kartei zu führen, sondern auch die monatliche Abrechnung mit den Krankenkassen durchzuführen. Ein ganz besonderes Problem stellt heute noch die software-Herstellung für Datenverarbeitungsanlagen im eigentlichen Sinne dar; nicht ohne Absicht hatte ich erwähnt, daß software-Programme eine ganz besonders unübersichtliche Ansammlung von Papier seien. Infolgedessen ist die Übernahme eines Teiles eines Programm paketes problematisch und wird nur ungern angegangen. Wir haben, um hier den Markt zur Wirksamkeit zu bringen, bei der Gründung des Bereiches Daten- und Informationssysteme zu dem Hilfsmittel gegriffen, einen Geschäftsbereich Anwenderprogramme zu schaffen, der den hausinternen Bereichen wie auch der Kundschaft Programme anbietet und von den Erlösen sein Leben fristen muß. Der Bereich hat ein erstaunliches Wachstum erlebt, beschäftigt heute nahezu 1. 000 Personen und brachte es fertig, Erlöse und Kosten zur Deckung zu bringen. Das gelang natürlich nur dadurch, daß auch hier Programm teile übersichtlich geordnet und

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unterteilt in Paketen mit definierten Leistungsmerkmalen aus Computerspeichern abgerufen werden können, d. h. auch hier wurde versucht, das Angebot an schon vorhandenem Wissen s.chmackhaft darzubieten. Wir haben es auf den Gebieten der Forschung und Entwicklung, der Anlagenprojektierung und der Herstellung von software für Datenverarbeitungsanlagen mit einem kreativen Menschentyp zu tun, der dann gut und effizient arbeitet, wenn man ihn richtig motiviert. Motiviert ist er dann, wenn er interessante Aufgaben erhält, die er mit relativ großer Freiheit gestalten kann, wenn ihm richtige und attraktive Arbeitsmittel zur Verfügung stehen, wozu auch der gut ausgestattete Büroraum gehört und wenn er sich einerseits in seinem Team gut aufgehoben fühlt und auf der anderen Seite seine Kunst einsetzen kann im Wettbewerb mit dem Team von Männern, das bei der Konkurrenz arbeitet. Wenn man auf unserem Arbeitsgebiet Erfolg haben will, dann muß im Unternehmen die richtige Atmosphäre herrschen, dann muß das ganze Unternehmen auf Innovation, auf technischen Fortschritt getrimmt sein und auch die das geschäftliche Handeln begleitende und beschreibende Betriebswirtschaft sich dieser Zielsetzung unterwerfen. Ich glaube beschrieben zu haben, daß hier ein großes Arbeitsfeld für Ingenieure und Betriebswirte liegt. Ein Feld, das nur in gemeinsamer Arbeit erschlossen werden kann, das sich für die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft anbietet und auf dem wir zum Erfolg verpflichtet sind, wenn wir den technischen Fortschritt auf die Dauer bewältigen sollen.

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Erwin Grochla * Betriebswirtschaftlich-organisatorische Voraussetzungen technologischer Innovationen

1. Wirtschaftlicher Strukturwandel und Innovationszwang

Fragen der wirtschaftlichen Verwertung neuer Ideen rücken gerade in jüngster Zeit immer mehr in den Mittelpunkt betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Diskussionen. Symptomatisch hierfür ist die zunehmende Anzahl von Arbeitskreisen und Fachtagungen sowie von Publikationen und empirischen Untersuchungen, die sich mit den Bedingungen, Formen und Konsequenzen von Innovationen beschäftigten. Auch die von der Bundesregierung initiierten und geplanten Programme zur Forschungs- und Technologieförderung sind ein wichtiges Indiz für den hohen Stellenwert, der den Innovationen für die einzel- und gesamtwirtschaftliche Entwicklung beigemessen wird. Das verstärkte Interesse an Innovationen dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß sich die Wirtschaft - und zwar national wie international - seit einigen Jahren in einer iPhase struktureller Veränderungen befindet, die so tiefgreifend sind, daß ihnen kaum noch mit den bislang praktizierten, sondern meist nur mit neuartigen Strategien und Maßnahmen begegnet werden kann. Schlagworte wie "Innovationslücke", "Innovationssog" oder "Innovationszwang" markieren in diesem Zusammenhang die aktuellen Konturen einer Situation, in der sich für eine zunehmende Anzahl von Unternehmungen weniger die Frage stellt, ob sie Innovationen tätigen sollen, sondern vielmehr die Frage, wie Innovationen pla.nmäßig und in organisierter Weise als bestandserhaltende und entwicklungsfördernde Mittel eingesetzt werden können. Der somit weit verbreitete Innovationszwang wird gegenwärtig in erster Linie als technologischer Innovationszwang verstanden. Dies ist deshalb verständlich und vertretbar, weil die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien seit jeher eine wesentliche Grundlage und Triebkraft für die einzel- und gesamtwirtschaftliche Entwicklung darstellen. Als Betriebswirt - noch dazu auf einem Betriebswirtschaftertag - muß ich jedoch darauf hinweisen, daß der Erfolg technologischer Innovationen keineswegs allein von der Effizienz technisch-naturwissenschaftlich,~r Forschung und experimenteller Entwicklung abhängt, wenngleich diese Forschung und Entwicklung unverzichtbare Stationen eines jeden technologischen Innovationsprozesses sind. Vielmehr wird der Erfolg technologischer Innovationen ebensosehr auch von einer Reihe betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Voraussetzungen bestimmt. Diese betriebswirtschaftlich-organisatorischen Voraussetzungen sind in der Vergangenheit viel zu wenig beachtet worden. Sie sollen daher nachfolgend in ihren Grundzügen herausgearbeitet werden. •

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Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Erwin Grocbla,ürganisations-Seminar der Universität zu Köln.

2. Technologische Innovationen als Variante betrieblicher Innovationen Betriebliche Innovationen sind das Ergebnis von Problemlösungsprozessen, deren Ziel darin besteht, neue Ideen wirtschaftlich zu verwerten, indem diese Ideen in konkrete Realgüter oder Dienstleistungen, Strukturen oder Verfahren umgesetzt werden, die aus der Sicht der jeweiligen Unternehmung neu sind. Technologische Innovationen bilden dabei eine spezielle Variante betrieblicher Innovationen und sind mit anderen Innovationsarten eng verzahnt. So werden technologische Innovationen zwar grundsätzlich in Form von Produktinnovationen realisiert, indem die innovierende Unternehmung z. B. neue Produktionsanlagen oder Konsumgüter entwickelt, die für einen bereits vorhandenen "alten" Markt bestimmt sind, oder mit deren Hilfe ein "neuer" Markt erschlossen werden soll. Speziell die technologischen Innovationen in Form von neuen Produktionsanlagen werden dabei auf der Verwenderseite zum (beabsichtigten) Auslöser technologie-induzierter Verfahrensinnovationen, indem z. B. alte Produktionsanlagen durch neue ersetzt oder ein computergestütztes Informationssystem implementiert wird. Diese Verfahrensinnovationen können dann ihrerseits außerdem Struktur- sowie Sozialinnovationen nach sich ziehen, da neue organisatorische Lösungen zur Integration der implementierten neuen Technologien gefunden werden müssen und die Benutzung der neuen Technologien oft neue soziale Formen erfordert. Technologische Innovationen müssen zwar nicht immer derartige "Kettenreaktionen" auslösen. Aber bereits ohne einen solchen Verbund mehrerer Innovationsarten handelt es sich bei technologischen Innovationen um äußerst komplexe Problemlösungsprozesse, die durch eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Abhängigkeiten und Einflußfaktoren, Voraussetzungen und Konsequenzen gekennzeichnet sind. Durch eine phasenmäßige Differenzierung technologischer Innovationsprozesse läßt sich dies im einzelnen verdeutlichen. Grob gesehen sind drei Hauptphasen zu unterscheiden: (1) Ideengenerierung. Sie beginnt mit der groben Abgrenzung von Suchfeldern, in denen

nach neuen Ideen für neue Technologien gesucht wird, und führt über die Ideenfindung zum Vorschlag einer bestimmten Idee. (2) Ideenakzeptierung. Sie beinhaltet die Prüfung der vorgeschlagenen Idee, die Erarbeitung von Realisationsplänen (z. B. Konstruktionspläne) für die Ausgestaltung der neuen Technologie sowie die Entscheidung, die neue Technologie zu produzieren. (3) Ideenimplementierung. Sie umfaßt alle Maßnahmen, die mit der Produktion und dem Absatz einer technologischen Innovation verbunden sind, wobei insbesondere ein Innovationsmarketing sowie eine marktbezogene Akzeptanzkontrolle unerläßlich sind. Im Verlaufe technologischer Innovationsprozesse muß also insgesamt eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Aufgaben bewältigt werden, die vorwiegend geistiger Art sind. Zu einer systematischen Erfüllung dieser Aufgaben ist es sinnvoll, ganz bestimmte Problemlösungstechniken und verfahrenste~hnisch-methodische Instrumentarien einzusetzen. Um diese Techniken und Instrumentarien effizient nutzen zu können, ist es aber notwendig, ein personelles Kooperationsgefüge zu schaffen, in dem Forscher und Konstrukteure, Arbeitsvorbereiter und Produktionsplaner, Investitionsplaner und Marketingspezialisten zusammenarbeiten. Schließlich ist das Zusammenwirken dieser Personen durch ein System orga-

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nisatorischer Regelungen zu koordinieren und zu steuern, das in der Organisationsstruktur der Unternehmung verankert werden muß. Die angedeuteten Aufgaben und Maßnahmen werfen eine Fülle betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Probleme auf, deren Lösung eine notwendige Voraussetzung für die effiziente Abwicklung technologischer Innovationsprozesse darstellt. Schematisch anwendbare Allheilmittel gibt es dabei nicht!

3.

Betriebswirtschaltliche Voraussetzungen technologischer Innovationen

Die zur Durchführung technologischer Innovationen erforderlichen betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen beziehen sich in erster Linie auf den Einsatz von Problem lösungstechniken und verfahrenstechnisch-methodischen Instrumentarien, mit deren Hilfe die Aufgabenerfüllung in den oben genannten Phasen technologischer Innovationsprozesse systematisch unterstützt oder verbessert werden kann. Da in den einzelnen Phasen sehr unterschiedliche Aufgaben anfallen, werden auch entsprechende phasenspezifische Instrumentarien benötigt.

3.1 Instrumentarien zur Ideengenerierung Grundvoraussetzung einer technologischen Innovation ist bekanntlich die "richtige Idee". Die somit wesentliche Phase der Ideengenerierung ist allerdings durch schlechtdefinierte Aufgaben gekennzeichnet, deren Lösung ein hohes Maß an schöpferischer Phantasie bzw. Kreativität erfordern. Insbesondere bei der Ideenfindung kann daher nicht auf exakte Methoden zurückgegriffen werden. Jedoch bietet es sich hier an, Kreativitätstechniken wie z. B. "Brainstorming", "Morphologischer Kasten" oder "Synektik" - systematisch anzuwenden. Obwohl derartige Techniken in publizierter Form vorliegen und damit grundsätzlich allgemein zugänglich sind, werden sie - namentlich in Klein- und Mittelbetrieben - noch viel zu wenig als Hilfsmittel zur Ideengenerierung genutzt. So zeigen z. B. die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, die von Strebel u. a. im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Betriebswirtschaft durchgeführt wurde, daß Kreativitätstechniken nur von ca. 20 % der befragten Klein- und Mittelbetriebe verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit zur systematischen Unterstützung und Verstärkung des Problemlösungspotentials des Menschen bei der Generierung innovationsträchtiger Ideen eröffnet die moderne Informationstechnologie. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an den Einsatz interaktiver datenbank-gestützter ADV-Systeme zu denken, mit deren Hilfe publizierte technologische Forschungsergebnisse gespeichert, relativ schnell und zuverlässig über Terminals abgerufen und unter verschiedenen Aspekten ausgewertet werden können. Eine solche Unterstützung durch den Computer bei der Ideenfindung wird schon allein deshalb zweckmäßig sein, weil! insbesondere auf dem Technologiesektor recht umfangreiche "Forschungshalden" existieren. Die Kosten für eigene betriebliche Forschungsarbeiten könnten ganz erheblich reduziert werden, wenn diese "Halden" gezielt "abgetragen" und genutzt würden. So gibt es Schätzungen, daß betriebliche Forschungskosten bis zu 45 % eingespart werden könnten, wenn es gelänge, bereits publizierte Forschungsergebnisse aufzufinden. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, derartige "Wiedergewin-

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nehmungen eingesetzt, da derartige Instrumentarien aufgrund der sehr großen Problemkomplexität bislang nur mit Hilfe großer Computer effizient genutzt werden können. Aufgrund der gegenwärtig außerordentlich gestiegenen qualitativen und quantitativen Leistungsfähigkeit der Klein-Computer werden aber in zunehmendem Maße auch Kleinund Mittelbetriebe in die Lage versetzt, computer-gestützte Planungs- und Entscheidungsmodelle sowie Budgetierungstechniken einzusetzen. Daß in diesem Bereich noch ein erheblicher Nachholbedarf vorliegt, zeigen z. B. die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Produktinnovationen in der Schweiz (vgl. Scbelker, 1978). Aus diesen Ergebnissen geht u. a. hervor, daß Wirtschaftlichkeitsrechnungen in formalisierter Form nur von einem Drittel der befragten Unternehmungen regelmäßig eingesetzt werden und daß computer-gestützte Simulationsmodelle nur bei 6 % der Unternehmungen erste Anwendung finden. Aber selbst dann, wenn computer-gestützte Modelle und Methoden zur Bewertung und Auswahl technologischer Innovationsideen eingesetzt werden, ist zu beachten, daß die benötigten Daten über Kosten und Nutzen der Ideenrealisierung nur sehr schwer ermittelt bzw. bestimmt werden können. Wird auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Überlegungen die Entscheidung für die Realisierung einer ganz bestimmten technologischen Innovationsidee getroffen, so liegen damit gleichzeitig die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Ideenimplementierung fest.

3.3 Instrumentarien zur Ideenimplementierung Am Anfang der Implementierung einer technologischen Innovation steht die Ideenrealisierung. Diese beinhaltet nicht nur die eigentliche Produktion einer absatzfähigen Technologie, sondern umfaßt auch alle Maßnahmen und Aktivitäten, die mit der Planung und Ausgestaltung des Produktionsprozesses sowie mit dem Entwurf und der Entwicklung der Technologie selbst verbunden sind. Insbesondere die Entwurfsarbeiten können bei komplexen technologischen Innovationen kaum noch manuell, sondern meist nur mit Hilfe computer-gestützter Verfahren effizient bewältigt werden. Diese Verfahren basieren auf teilweise recht anspruchsvollen mathematischen Optimierungs- und Simulationsmodellen und werden namentlich in großen Industrieunternehmungen mit großem Erfolg praktiziert. Ein Beispiel hierfür sind die in der Automobilindustrie verwendeten Entwurfsmethodologien zur computer-gestützten Konstruktion von Karosserien. Die der eigentlichen Produktion vorgelagerten Entwurfsarbeiten sind eng verzahnt mit Zeit- und Terminplanungen im Rahmen der Arbeitsvorbereitung. Auch hier gibt es eine Fülle von Instrumentarien, die zur Planung, Steuerung und Überwachung des gesamten Produktionsprozesses eingesetzt werden können. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang nur auf die bekannten Netzplantechniken verwiesen, die sehr häufig in Form von Standard-Software vorliegen und in computer-gestützter Form nicht nur zur Zeit-, sondern auch zur Kostenplanung und -überwachung eingesetzt werden können. Bereits im Rahmen der Ideenakzeptierung sowie zu Beginn der Ideenrealisierung stellt die Beschaffung von Informationen über die unternehmungsindividuellen Marktgegebenheiten und Absatzchancen eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Verwertung technologischer Innovationen dar. !>ls Betriebswirt kann man Technokraten gegenüber 34

nungssysteme" mit strategischen Frühwarnsystemen zu koppeln, die in regelmäßigen Abständen über technologische Innovationen nicht nur innerhalb der eigenen Branche, sondern auch in angrenzenden oder fremden Branchen informieren und gefährliche Entwicklungen für die eigene Unternehmung aufzeigen. Schließlich ist zu beachten, daß die Suche nach Ideen für technologische Innovationen nicht ausschließlich als Aufgabe der Forschungs- und Entwicklungsabteilung angesehen werden kann. Vielmehr sollten an der Ideensuche grundsätzlich alle Mitarbeiter - und zwar vor allem aus dem Beschaffungs-, Produktions- und Absatzbereich - beteiligt sein. Eine derartige Ausweitung der Ideensuche kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn ein gut strukturiertes Kommunikationsnetz geschaffen wird, das es dem einzelnen Mitarbeiter ermöglicht, seine Ideen in der Gewißheit zu artikulieren, daß sie ernst genommen werden und nicht in die Akten wandern und dort versanden. Die Einführung von Formularen zur Ideenfixierung sowie regelmäßig stattfindende Innovationskonferenzen sind dabei Beispiele für Lösungsmöglichkeiten organisatorischer Art, die in Richtung eines umfassenden betrieblichen Vorschlagwesens zielen, das ein integraler Bestandteil technologischer Innovationsprozesse sein sollte. Während bei der Gewinnung von Ideen nur bestimmte Teilaufgaben mit Hilfe der genannten Techniken systematisch abgewickelt bzw. durch Computereinsatz unterstützt werden können, bieten sich in der Phase der Ideenakzeptierung vielfältigere Möglichkeiten für den Einsatz verfahrenstechnisch-methodischer Instrumentarien.

3.2 Instrumentarien zur Ideenakzeptierung Ob eine vorgeschlagene Innovationsidee akzeptiert wird, hängt letztlich davon ab, wie die Konsequenzen beurteilt werden, die sich aus unternehmungsindividueller Sicht bei Realisierung der Idee ergeben. Aus diesem Grunde sind in der Phase der Ideenakzeptierung Verfahren zur Bewertung und Auswahl technologischer Innovationsideen von besonderer Bedeutung. Technologische Innovationen können naturgemäß nur dann realisiert werden, wenn geeignete Produktionsanlagen und Produktionsverfahren zur Verfügung stehen, die entweder unmittelbar genutzt oder so umgerüstet werden können, daß sie innovationsadäquat sind. Darüber hinaus sind jedoch auch sehr häufig strukturelle Veränderungen im Produktionsbereich erforderlich, die den Charakter von Verfahrensinnovationen haben. Um derartige produktionstechnologische Voraussetzungen und Konsequenzen technologischer Innovationen zu erfassen und unter ökonomischen Gesichtspunkten beurteilen zu können, sind Kostenplanungen sowie vorausschauende Kapazitätsbelegungsrechnungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen unerläßlich. Die Ermittlung und Prognose der Wirtschaftlichkeit technologischer Innovationen bereitet allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Während die Kosten noch vergleichsweise zuverlässig auf der Basis grober Kostenkalkulationen oder im Rahmen von Investitionsrechnungen zu ermitteln sein dürften, kann der Nutzen nur selten exakt bestimmt werden. Hier kann lediglich auf subjektive Nutzenschätzungen und Verfahren der Nutzwertanalyse zurückgegriffen werden. Anspruchsvollere Planungs- und Entscheidungsmodelle sowie Budgetierungstechniken werden in diesem Zusammenhang z. Zt. nur in großen Unter-

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nicht oft genug die Binsenweisheit zitieren, daß letztlich allein der Markt über den Erfolg einer technologischen Innovation entscheidet. Daher ist eine möglichst frühzeitige und gründliche Sondierung der Absatzchancen einer neuen Technologie notwendig. Hier sind grundsätzlich alle Instrumentarien einsetzbar, die im Rahmen eines modernen Marketing Verwendung finden. Neben gesonderten Erh~bungen in Form systematischer Befragungen potentieller Markt-Zielgruppen und der Gegenüberstellung der Erhebungsergebnisse mit den Einschätzungen der Mitarbeiter im Absatzbereich sollten dabei auch die bereits bei der I.deenfindung genutzten Datenbestände über externe technologische Innovationen sowie über aktuelle Schwerpunkte der branchenspezifischen Forschung und Entwicklung herangezogen werden. Hierzu gehört schließlich auch eine Akzeptanzkontrolle, die nicht nur eine ex-post-Beurteilung realisierter technologischer Innovationen ermöglicht, sondern vor allem auch wertvolle Hinweise für zukünftige technologische Innovationen zu liefern vermag. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß sich die Problemlösungsprozesse bei technologischen Innovationen aus einer Vielzahl von Planungs- und Entscheidungsaktivitäten zusammensetzen, an deren Abwicklung letztlich alle betrieblichen Funktionsbereiche beteiligt sind. Die Effizienz und der Erfolg technologischer Innovationsprozesse hängen dabei ganz entscheidend davon ab, wie und mit Hilfe welcher verfahrenstechnischmethodischen Instrumentarien innovationsrelevante Daten gewonnen und gespeichert, verarbeitet und ausgewertet werden. Insbesondere durch den Einsatz moderner Berechnungs-, Planungs- und Entscheidungshilfsmittel sowie durch die Implementierung computer-gestützter Informationssysteme dürfte es möglich sein, diese Prozesse schneller und zuverlässiger und damit auch effizienter als bisher zu gestalten und abzuwickeln. Allerdings wird dies nur dann gelingen, wenn die Unternehmungsleitung dazu bereit ist, die Entwicklung und Realisierung technologischer Innovationen als eine gesam tbetriebliehe Aufgabe zu werten, die nicht allein an die Forschungs- und Entwicklungsabteilung delegiert werden kann, sondern an der letztlich alle betrieblichen Funktionsbereiche beteiligt werden müssen. Dies erfordert einen Umdenkungsprozeß, und zwar zum einen im Hinblick auf die Bereitschaft, mehr als bisher die genannten und weitere moderne verfahrenstechnisch-methodischen Instrumentarien einzusetzen, sowie zum anderen auch im Hinblick auf die Bereitschaft, neben und in Verbindung mit diesen elementaren betriebswirtschaftlichen auch gewisse organisatorische Voraussetzungen zu schaffen.

4. Organisatorische Voraussetzungen technologischer Innovationen Wenn auch der oben herausgestellte Nutzen des verfahrenstechnisch-methodischen Instrumentariums sehr hoch sein kann, so ist doch zu betonen, daß die Qualität technologischer Innovationen und damit auch deren Erfolg in erster Linie von dem vorhandenen oder aktivierbaren Innovationspotential des Managements und der Mitarbeiter abhängen. Die Größe dieses Potentials wird wiederum durch die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft aller in einer Unternehmung tätigen Personen bestimmt. Da die Spielräume für die Aktivierung und Entfaltung individueller Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft weitgehend durch organisatorische Regelungen bestimmt werden, stellt sich zunächst die Frage, wie organisatorische Regelungen beschaffen sein müssen, damit sie Innovationen möglichst stark fördern.

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4.1 Innovationsfördernde organisatorische Regelungen Organisationsstrukturen I~s~n s~ch unter verschiedenen Aspekten beschreiben, die in der Organisationstheorie als graduell abstufbare Merkmale bzw. als Dimensionen behandelt werden. Unter Beachtung dieser Dimensionen kann davo~ ausgegangen werden, daß Organisationsstrukturen innovationsfördernd sind, wenn: (1) die Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht zu groß sind,

(2) die Standardisierung und Formalisierung der Aufgabenerfüllung nicht zu weit getrieben werden, (3) die Dezentralisation der Entscheidungen gefördert wird, (4) die Kommunikationsstrukturen möglichst "offen" bzw. "durchlässig" gestaltet werden. Im einzelnen läßt sich dies wie folgt begründen: (1) Ein zu hohes Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung schafft erhebliche Barrieren für die Entfaltung der Kreativität und wirkt damit eher innovationshemmend als innovationsfördernd. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Aufgabenvielfalt durch ein zu hohes Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung für den Einzelnen reduziert und damit gleichzeitig die Anzahl der möglichen Handlungsfelder und Lösungsalternativen eingeengt wird. Empirische Befunde stützen die Hypothese, daß namentlich bei technologischen Innovationen eine hohe Aufgabenkomplexität bzw. ein geringes Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung einen positiven Einfluß vor allem auf die Ideenproduktion ausübt. (2) Ähnliche Effekte ergeben sich bezüglich des Ausmaßes an Standardisierung und Formalisierung. Auch hier untermauern empirische Befunde die Hypothese, daß eine zu starre Reglementierung der Aufgabenerfüllungsaktivitäten sich eher nachteilig auf die Motivation der Mitarbeiter und damit auf deren Bereitschaft zu innovativem Verhalten auswirkt. Dies gilt dabei nicht nur für die Phase der Ideengenerierung, sondern auch für die übrigen Phasen technologisc:her Innovationsprozesse. (3) Auch hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen dem Grad der Entscheidungszentralisation bzw. Entscheidungsdezentralisation und der Effizienz von Innovationsprozessen gibt es verschiedene empirische Untersuchungen, die u. a. in industriellen Forschungslabors durchgeführt wurden. Mit wenigen Ausnahmen zeigen die dabei gewonnenen Ergebnisse, daß die Einräumung von Entscheidungsspielräumen bzw. eine Entscheidungsdezentralisation einen positiven Einfluß auf die Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter ausübt. (4) Schließlich ist auch die Ausgestaltung der Kommunikationsstruktur von erheblicher Bedeutung für die Effizienz technologischer Innovationsprozesse. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, daß die "Offenheit" der Informationskanäle eine ganz wesentliche innovationsfördernde organisatorische Voraussetzung darstellt. Und zwar gilt dies sowohl in horizontaler wie vertikaler Richtung zwischen den innerbetrieblichen Stellen als auch zwischen diesen Stellen und der Umwelt. Darüber hinaus' bildet ein durch die "Offenheit" der Informationskanäle geförderter "ungehinderter" horizontaler und vertikaler Informationsaustausch ein gutes Mittel zur Koordination der Aktivitäten aller an technologischen Innovationsprozessen beteiligten Stellen. Die hier nur grob und überblickartigangedeuteten Zusammenhänge zeigen bereits, daß Organisationsstrukturen, die vom Typus der starren "bürokratischen" Organisation ab-

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weichen, gewisse innovationsfördernde Wirkungen zeigen können. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die genannten Dimensionen der Organisationsstruktur in den verschiedenen Phasen technologischer Innovationsprozesse unterschiedlich ausgeprägt sind. Ferner ist zu beachten, daß - teils losgelöst von, teils in Verbindung mit der Ausgestaltung der organisatorischen Regelungen - innovationsfördernde Wirkungen durch zahlreiche weitere Maßnahmen erzielt werden können. Verwiesen sei hier nur auf die Wirkung von Führungsstilen, Anreizsystemen, informalen Strukturen und Umwelteinflüssen. Schließlich üben auc~ bestimmte organisatorische Makrostrukturen wie z. B. die "Sparten-Organisation" oder die "Projekt-Organisation" und hierbei insbesondere die "Matrix-Organisation", einen Einfluß auf die Effizienz technologischer Innovationsprozesse aus. Bei all dem ist zu beachten, daß die Ausgestaltung innovationsfördernder organisatorischer Regelungen und Makrostrukturen nicht ad hoc und von Fall zu Fall erfolgen sollte, sondern als eine planmäßig zu erfüllende Daueraufgabe betrachtet werden muß. Um diese Daueraufgabe zu erfüllen, bedarf es einer permanenten Organisationsplanung und Organisationsentwicklung, deren Einrichtung und Durchführung eine eigenständige innovationsfördernde Maßnahme struktureller Art darstellt.

4.2 Permanente Organisationsplanung und Organisationsentwicklung Soll die innovationsfördernde Wirkung organisatorischer Regelungen und Strukturen stets in aktueller Form erhalten bleiben, so sind zwei Grundsätze zu beachten: (1) Die Organisationsstruktur einer Unternehmung darf nicht als ein zu konservierendes "Erbe der Väter" oder gar als unabdingbares "Schicksal" hingenommen werden. Sie muß vielmehr permanent kritisch hinterfragt, überprüft und aktualisiert werden, indem z. B. Alternativmodelle zur funktionalen Organisationsstruktur (wie z. B. Sparten-, Matrix- und Teamstrukturen) entwickelt werden. (2) Mehr als bisher muß ins Bewußtsein rücken, daß es keine Organisationsstruktur gibt, die unter allen umwelt- und betriebsspezifischen Bedingungen optimal ist. Organisationsstrukturen müssen vielmehr als "bedingte" bzw. "situative" Strukturen angesehen werden, die in Abhängigkeit von den jeweiligen internen und externen Bedingungen ihr jeweiliges unternehmungsindividuelles profil erhalten müssen. Um diese Grundsätze zu verwirklichen, benötigen wir den kreativen und kritischen Organisator - nicht den großen Schematisierer! In diesem Zusammenhang kann nur dann von einer effizienten organisatorischen Gestaltung gesprochen werden, wenn bei der Entwicklung organisatorischer Regeln: nicht -ad hoc disponiert und improvisiert, sondern langfristig und systematisch geplant wird und auf situative Veränderungen nicht nur reagiert wird, sondern diese Veränderungen und die daraus resultierenden organisatorischen Probleme sowie die entsprechenden Lösungen antizipiert werden. Im Vergleich zu den übrigen betrieblichen Planungsbereichen ist der Bereich der Organisationsplanung vergleichsweise unterentwickelt, obwohl in zunehmendem Maße die Notwendigkeit einer derartigen Planung erkannt wird. Diese Diskrepanz dürfte u. a. darauf 37

zurückzuführen sein" dag organisatorische Veränderungen spezielle Innovationen struktureller und sozialer Art erforderlich machen, die nicht nur mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden sind, sondern auch theoretisch fundiertes Gestaltungswissen voraussetzen, daß die Organisationstheorie z. Zt. nur ansatzweise zu liefern vermag. Ferner ist daran zu erinnern, daß neue Organisationsstrukturen erst dann zu leben beginnen, wenn die Menschen sich entsprechend den geplanten organisatorischen Regelungen verhalten. Daher muß die Organisationsplanung durch die sog. "Organisationsentwicklung" (Organizational Development) ergänzt werden. Die Organisationsentwicklung kann als eine verhaltenswissenschaftliche Strategie zur gezielten Beeinflussung individueller Einstellungs- und Verhaltensmuster angesehen werden. Ihre beiden Hauptziele lassen sich dabei grob wie folgt charakterisieren: Schaffung von Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung für alle Mitarbeiter, Erhöhung der Flexibilität sowie der Innovationsfähigkeit und der Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter durch gezielte Verbesserungen ihres Wissens und ihrer Motivation. Die Organisationsentwicklung ist somit als ein ganz wesentliches innovationsförderndes Instrument anzusehen. Leider gelangt dieses Instrument in der Bundesrepublik Deutschland erst allmählich zum Einsatz. Dies liegt u. a. daran, daß namentlich in industriellen Unternehmungen der Begriff "Entwicklung" häufig zu einseitig im technischen Sinne verstanden und deshalb nicht als eine die gesamte Unternehmung betreffende strategische Aufgabe eingestuft wird, bei der soziale Phänomene im Vordergrund stehen. Insgesamt existiert also auf dem Gebiet der Organisationsplanung und Organisationsentwicklung z. Zt. noch eine erhebliche Innovationslücke. Diese Lücke ist nur dann zu schliegen, wenn das Organisieren nicht als eine "kosmetische Operation" verstanden wird, die nur dann durchzuführen ist, wenn Umsatzeinbußen und fallende Wachstumsraten einen Zwang zu strukturellen Anderungen induzieren. Vielmehr sollte auch und sogar vor allem in "guten" Zeiten immer wieder nach Mitteln und Wegen zur Verbesserung der Organisationsstruktur gesucht werden. Da es sich bei der Organisationsplanung sowie vor allem bei der Organisationsentwicklung um Instrumente handelt, mit deren Hilfe die Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft der an technologischen Innovationsprozessen mitwirkenden Personen verbessert werden kann, ergeben sich sehr enge Verzahnungen zum Personalbereich. Die Einrichtung einer permanenten Personalplanung und Personalentwicklung ist daher als eine zusätzliche innovationsfördernde Maßnahme bzw. Voraussetzung anzusehen.

4.3 Permanente Personalplanung und Personalentwicklung Im Rahmen einer permanenten Personalplanung und Personalentwicklung ist sowohl die Beschaffung qualifizierter Fachkräfte als auch die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern als eine Daueraufgabt: zu begreifen, die sich nicht auf die Betreuung und Verwaltung des vorhandenen Personalbestandes beschränken darf, sondern in erster Linie zukunftsbezogen sein muß. Insbesondere die Rekrutierung hoch qualifizierter Fachkräfte für den Forschungs- und Entwicklungsbereich bereitet bei technologischen Innovationen erhebliche Schwierig38

keiten. Dies liegt u. a. darin, daß der Arbeitsmarkt auf diesem Gebiet inzwischen weitgehend internationalisiert ist und rein finanzielle Anreize allein nicht ausreichen, um hoch qualifizierte Fachkräfte für sich zu gewinnen. Fortschrittliche Unternehmungen haben dies erkannt und daraus die entsprechenden Konsequenzen für die Personalbeschaffung gezogen. So werden z. B. intensive und fest verankerte Kontakte zu Hochschulen und sonstigen akademischen Ausbildungs- und Forschungsstätten gepflegt, um schon frühzeitig besonders qualifizierte Studierende zu ermitteln und nach Abschluß der Ausbildung als Mitarbeiter zu gewinnen. Außerdem können den Mitarbeitern zahlreiche Anreize nicht-materieller Art geboten werden. Diese reichen von der weitgehend eigenständigen Bestimmung der Arbeitszeit oder sogar des Arbeitsortes über Möglichkeiten zur Publikation eigener Forschungsergebnisse, Finanzierung von Forschungsaufenthalten an außerbetrieblichen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Finanzierung der Teilnahme an Fachtagungen und internationalen Kongressen bis hin zur Gewährung von SonderurIaub oder gar eines beliebig zu nutzenden "Sabbaticals" . Neben diesen und weiteren Maßnahmen zur externen Rekrutierung hoch qualifizierter Mitarbeiter bieten sich auch verschiedene Möglichkeiten zur Ausschöpfung des bereits vorhandenen Personalbestandes an. Denn vielfach existiert bereits ein qualitativ hochwertiges personelles Innovationspotential, das allein deshalb nicht genutzt wird, weil auf eine systematische Erfassung, Auswertung und Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten der Mitarbeiter verzichtet wird. Hier bieten computer-gestützte Personal-Informationssysteme die Möglichkeit einer gezielten und schnellen Analyse, Bewertung und Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Weitere Maßnahmen zur Aktivierung und Nutzung des personellen Innovationspotentials sind "Werbeaktionen" in Form innerbetrieblicher SteIlenausschreibungen sowie vor allem systematisch angelegte und permanent durchgeführte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Dabei hat sich die Kombination von innerbetrieblichen Schulungsmaßnahmen mit überbetrieblichen und außerbetrieblichen Veranstaltungen in Form von Seminaren, Fachtagungen, Kongressen und Symposien oder durch Forschungssemester an Hochschulen als zweckmäßig erwiesen. Darüber hinaus dürfte die Effizienz technologischer Innovationsprozesse durch Weiterbildungsmaßnahmen gefördert werden, in denen den meist technisch orientierten Spezialisten des F&E-Bereichs das Wissen über die grundlegenden betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen technologischer Innovationen vermittelt wird. Um die angedeuteten Konturen einer derart breit angelegten permanenten Personalplanung und Personalentwicklung auszuformen, bedarf es der Bereitschaft des Personalmanagements, neue Wege zur Rekrutierung und qualitativen Verbesserung des Personalbestandes zu beschreiten. Dies ist eine Innovation eigener Art, die eine Überwindung bisheriger Denkschemata erfordert.

5. Zusammenfassung und Ausblick Technologische Innovation sind das Ergebnis äußerst komplizierter Problemlösungsprozesse, die sich durch einen sehr hohen Neuigkeitsgrad sowie durch ein besonders hohes Risiko- und Konfliktpotential auszeichnen und an deren Planung, Durchführung und 39

Überwachung alle betrieblichen Funktionsbereiche beteiligt sind. Die Effizienz dieser Prozesse läßt sich dabei durch die aufgezeigten betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Maßnahmen verbessern. Ohne Zweifel dürfte die höchst Effizienz zu erreichen sein, wenn alle Maßnahmen miteinander kombiniert werden. Dabei sind im Entwicklungsprozeß selbstverständlich Prioritäten zu setzen. Obwohl das Ausmaß der innovationsfördernden Wirkung der beschriebenen Maßnahmen im Einzelfall nur unter Einbeziehung unternehmungsindividueller Gegebenheiten bestimmbar sein dürfte, so kann doch tendenziell von folgender Rangordnung ausgegangen werden: (1) Der Erfolg technologischer Innovationsprozesse hängt in erster Linie von der Qualität

des vorhandenen oder aktivierbaren personellen Innovationspotentials ab. Der Einrichtung einer permanenten und zukunftsorientierten Personalplanung und Personalentwicklung dürfte daher eine gewisse Priorität zukommen. Dabei sollten insbesondere neue und unkonventionelle Wege zur Rekrutierung sowie zur Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter beschritten werden. (2) Eng verbunden damit ist die Einrichtung einer permanenten Organisationsplanung und Organisationsentwicklung. Denn nur auf diese Weise können die Rahmenbedingungen für mitarbeiterorientierte innovationsfördernde Organisationsstrukturen geschaffen werden. Auf diesem Gebiet wird vor allem die Organisationstheorie noch viel Forschungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten haben. (3) Eine der Hauptaufgaben der Organisationsplanung und Organisationsentwicklung muß darin bestehen, innovationsfördernde organisatorische Regelungen zu entwerfen und durchzusetzen. Dies erfordert vor allem die Bereitschaft der Unternehmungsführung, auch nicht-bürokratische Organisationsformen zu erproben. (4) Eine eher unterstützende Wirkung kommt schließlich den Methoden, Techniken und Verfahren zu, die in den einzelnen Phasen technologischer Innovationsprozesse zur systematischen' Gewinnung, Verarbeitung und Auswertung innovationsrelevanter Informationen benutzt werden können. Hier sollten insbesondere, mehr als bisher, bereits verfügbare Planungs- und Entscheidungshilfsmittel in computer-gestützter Form zum Einsatz gelangen. Die genannten Maßnahmen sowie auch die traditionellen Innovationsinstrumentarien "Forschung und Entwicklung" und "Vorschlagswesen" müssen dabei in Form eines aufeinander abgestimmten "Innovationsinstrumente-Mix" eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang scheint die in der Literatur zu findende Forderung nach Einrichtung eines "Integrierten Innovationsmanagements" auf eine mögliche Lösung hinzudeuten. Allerdings ist noch nicht genügend geklärt, wie dieses Management sich im einzelnen zusammensetzen sollte und wo es - seiner Bedeutung gemäß - in der Organisationsstruktur anzusiedeln ist. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die Realisierung eines integrierten Innovationsmanagements die Einrichtung verschiedener Beratungsstäbe, Planungsausschüsse und Entscheidungsgremien erforderlich macht, deren Mitglieder aus unterschiedlichen betrieblichen Funktionsbereichen zu rekrutieren sind. Für die organisatorische Ausgestaltung und Einbettung eines derartigen Managementsystems dürften Konzepte der Projektorganisation infrage kommen, wie sie z. B. bereits im Bereich des Großanlagenbaus oder bei großen ADV-Projekten erfolgreich praktiziert werden.

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Erst dann, wenn es gelingt, ein solches integriertes Innovationsmanagement zu schaffen, dem die systematische Planung, Steuerung und Überwachung technologischer Innovationsprojekte obliegt und das alle innovationsfördernden Instrumentarien zu einem integrierten Instrumente-Mix zu verknüpfen vermag, erst dann werden Innovationen - und insbesondere technologische Innovationen - zu dem, was sie letztlich sein sollten, nämlich Anlasser und Motor einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, deren Ziel darin besteht, die Handlungsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Unternehmungen und der in ihnen arbeitenden Menschen ständig zu verbessern.

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Peter Dietz * Finanzierung der Innovation in mittleren und kleinen Unternehmen

Für die volkswirtschaftliche Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen, deren Marktleistung innovativen Charakter hat, sind insbesondere drei Gesichtspunkte ausschlaggebend: 1. Neue Ideen setzen sich in kleinen Einheiten meist schneller durch und in marktgerechte Produkte um. Daher sind diese Unternehmen häufig Motoren der Innovation. 2. Kleinere Einheiten sind, wie bekannt, wesentlich flexibler. Das heißt, sind sind eher in der Lage, sich den Problemen des einzelnen Anwenders zu widmen und zu deren Lösung beizutragen. Mitunter führt dies zu dem, was man als "Ausweichen in Marktnischen" bezeichnet. Aber ich kenne da manch einen Abnehmer, der etwas verloren in einer Marktlücke stand und sehr froh war, daß sich ein kleines Unternehmen seiner Probleme annahm. 3. Eine breite Basis kleiner und mittlerer Unternehmen trägt zum Wettbewerb bei, ja sichert ihn eigentlich erst. Das läßt sich an allen Märkten ablesen, auf denen (noch) eine gesunde Konkurrenz den Käufer erfreut. Und es gilt auch und gerade, obwohl von der breiten Öffentlichkeit noch nicht so wahrgenommen, für Märkte mit beschleunigter technologischer Innovation der angebotenen Erzeugnisse. Lassen Sie mich ergänzen, daß sich jedes innovativ tätige kleine und mittlere Unternehmen an diesen Kriterien selbst zu messen hat, wenn es einen Platz in unserer Wirtschaftsordnung einnehmen will. Das heißt im Klartext: Es muß wahrhaft innovativ, flexibel und wettbewerbsfähig sein, um eine Daseinsberechtigung zu haben. Andererseits haben diese Unternehmen, wenn sie sich ihrer Rolle voll bewußt sind, bedeutende Wachstumschancen und schaffen dadurch in Zeiten des technologischen Wandels, wie wir ihn zur Zeit erleben, nicht nur qualifizierte Arbeitsplätze, sondern auch die Basis dafür, daß sich eine Industrienation wie die unsere langfristig behaupten kann. Unternehmen dieses Typus sehen sich jedoch einer Reihe von Problemen gegenüber, die mit betriebswirtschaftlich richtigem Vorgehen allein nicht zu lösen sind. Hier sind vor allem zwei Problemkreise zu nennen: Entwicklungsrisiko und Finanzierung. Während letzteres mein eigentliches Thema ist und weiterer Ausführungen bedarf, vorab ein paar Worte zu den Wagnissen, die in Forschung und Entwicklung stecken; präziser (da kleine Unternehmen selten und große auch nicht immer "forschen"): Im Entwurf technologisch hochstehender Produkte, ihrer fertigungsreifen Entwicklung sowie all den technischen Maßnahmen, die im Sinne einer erfolgreichen Markteinführung ergriffen werden müssen. • Peter Dietz, pers. haft. Gesellschafter und Geschäftsführer der Dietz Computer Systeme, Mülheim/Ruhr.

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Dies kostet nicht nut Geld, sondern ist auch schwer zu kaikuileren und zu kontrollieren; man läuft Gefahr, entweder das Entwicklungsziel zu verfehlen oder am Markt - der ja gerade bei neuen Technologien oft erst ein Markt der Zukunft ist - vorbei zu entwickeln. Es ist das Schicksal der betroffenen Unternehmer, auf Spezialisten angewiesen zu sein, was sie häufig damit beantworten, daß sie selbst Spezialisten werden, wenn sie es nicht von vornherein sind. Darin liegt die Gefahr, daß der Blick auf kaufmännische Notwendigkeiten verstellt wird. Andererseits geht es an der Spitze eines solchen Unternehmens nicht ohne Fachwissen und Markteinfühlungsvermögen, und nach meinem Eindruck ist dieses Stückehen Kreativität, dieser "Spaß an der Sache" die primäre Motivation für sie selbst, aber auch für die Mehrzahl der Mitarbeiter in diesen Unternehmen, - wahrscheinlich stärker ausgeprägt als in großen Organisationen. Nun dürften die großen und die kleinen Unternehmen mit Erfolg oder Mißerfolg ihrer Entwicklungen etwa die gleichen Probleme haben. Anders sieht es aus, wenn man die Finanzierung der Entwicklungen, der Produkt-Innovation schlechthin betrachtet. Kleine und mittlere Unternehmen haben meist ein relativ begrenztes Produkt-Spektrum, das in gewissen zeitlichen Abständen, dann aber oft in toto, einem kostenspieligen Innovationsschub unterzogen werden muß; bei größeren Unternehmen, und das gilt insbesondere für geschickt diversifizierte Konzerne, können gut verdienende Sparten eine andere in einer solchen Phase subventionieren. Jetzt werden Sie mit den Schultern zucken und sagen: Betriebswirtschaftlieh ist das lösbar, indem man zum Beispiel aus den Erträgen von heute Rücklagen für die morgen notwendigen Innovations-Aufwendungen bildet. Ganz abgesehen von den Hindernissen, die uns das Steuerrecht da in den Weg legt: Ich behaupte, daß kleinere innovative Unternehmen eine geringere Chance haben, solche Erträge in jedem Falle und in ausreichender Höhe zu erwirtschaften, wenigstens hierzulande. Denn die Erfahrung zeigt, daß kleine und mittlere Unternehmen ihre fortschrittlicheren Produkte und Dienstleistungen häufig unter Marktwert verkaufen müssen. Dem liegen weitgehend irrationale Ursachen zugrunde, vor allem die eher abwehrende Haltung grolkr Teile der Abnehmerschaft gegenüber neuen Ideen und Technologien, es sei denn, ein grolkr Name stünde dahinter. Ich bezweifle übrigens, daß diese überaus risikofeindliche, sich allseits absichernde Attitüde - die auf allen Ebenen, in jeder Branche, bei privaten und öffentlichen Auftraggebern gleichermaßen anzutreffen ist, - daß diese im Interesse eben dieser Abnehmer liegt und ihre eigenen Innovations-Bedürfnisse optimal erfüllt, und zwar deshalb, weil sie interessante Alternativen von vornherein ins Abseits stellt. Besonders diffizil wird die Finanzierungsfrage dann, wenn der an sich erfreuliche Umstand eintritt, daß das Unternehmen mit seinen fortschrittlichen Produkten auf einen aufnahmebereiten, stark wachsenden Markt trifft. Das ist ja gerade auf Gebieten starker Innovation nicht selten der Fall, und insofern ist das eine wirklich relevante Frage. Um seine Marktposition bis zu einem Punkt auszubauen, den ich die kritische Masse nennen möchte, und um nicht von der Konkurrenz der Großen zwar mit Verspätung, dafür aber um so sicherer überrollt zu werden, bedarf das Unternehmen nicht unerheblicher Mittel für die Ausweitung der Produktion, des Vertriebs, des Kundendienstes. Eigentlich ist jetzt eine Kapitalerhöhung fällig. Selbstfinanzierung erscheint nach dem eben Gesagten problematisch. Es bleibt also die Hereinnahme von Fremdkapital. Ab-

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gesehen von den Widrigkeiten unseres Gesellschaftsrechts und, zugegeben, gewisser Hemmungen, die man als selbständiger Unternehmer dabei hat: Wo soll dieses Kapital herkommen? Beginnen wir bei den privaten Anlegern. Jedes Jahr werden Milliardenbeträge aus diesem Bereich nicht nur für den Kauf der Aktien von Großunternehmen und Investmentfonds verwendet, sondern fließen in erheblichem Maße auch in Abschreibungsprojekte. Vom Containerschiff bis zum Charterflugzeug, vom Zonenrand bis Have1strand wurde da ziemlich unbesehen "investiert", erstens weil steuerbegünstigt - man nimmt mit, was da kommt -, und zweitens weil ja bekanntlich Schiffe schwimmen, Flugzeuge fliegen und Hotels von Gästen bevölkert werden und dabei auch noch irres Geld verdient wird. Aber können Sie sich vorstellen, daß der Privatmann Müller sein gutes Geld Leuten anvertraut, die sich mit so obskuren Dingen wie Laseroptik, Software oder Mikroprozessoren befassen? Ich auch nicht! Nun sind ja die Verhältnisse beispielsweise in den USA anders: Dort spielte der private Kapitalmarkt beim Ausbau einer breiten Basis technologisch orientierter, innovativer Unternehmen eine ganz große Rolle. Allein auf den Gebieten der Halbleiter- und Computer-Technik ist ihre Zahl inzwischen Legion: Von der 128. Straße in Boston bis zum Silicon Valley in Kalifornien bilden diese Firmen, von denen einige zwar wieder verschwinden, andere dagegen im Laufe der Zeit recht stattlich werden dürften, einen großen Aktivposten dieses Landes. Ohne die Risikobereitschaft, ohne den Glauben an die Dynamik der Innovation seitens der privaten Anleger und des Venture Capital Business wäre es nicht dahin gekommen. Man hat inzwischen, wie Sie wahrscheinlich wissen, auch bei uns den Versuch mit einer Wagnis-Finanzierungs-Gesellschaft unternommen, die sich inzwischen an etwa einem Dutzend Firmen, teilweise auch Neugründungen, mit insgesamt etwa 30 Mio DM beteiligt hat. Sicher erfreulich, aber angesichts des tatsächlichen Bedarfs an Risikokapital, der staatlichen Ausfallgarantie und des Engagements aller ersten Adressen der deutschen Bankwelt kein Wagnis, dessen Größe uns vor Ehrfurcht verstummen läßt. Im Gegenteil: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieses Institut in Gefahr läuft, als Wagnis-Minimierungs-Gesellschaft in die Geschichte der deutschen Betriebswirtschaft einzugehen. Ich komme nun zum Kapital "Fremdfinanzierung" und damit zur gerade erwähnten Bankwelt. Die allermeisten Unternehmen brauchen Kredite, um wirtschaften zu können; davon macht auch das innovative mittelständische Unternehmen keine Ausnahme. Kredite verlangen Sicherheiten; das ist eine eherne und gute Regel. Was aber ist das, Sicherheit, in dieser Welt des technologischen Wandels? Eines Wandels, der das eine Unternehmen bedroht, weil es stillsteht, keine Innovation betreibt, obwohl die Bilanzen der letzten fünf Jahre bestens aussehen und Grund und Boden für alle Kredite gut sind? Der für andere Unternehmen die Basis von Existenz und Wachstum bedeutet, obwohl sie weder fünf Jahre alt noch mit eigenem Grundvermögen gesegnet sind? Es liegt auf der Hand, daß viele der Unternehmen, von denen ich hier rede, bei banküblicher, sich vorwiegend auf Bilanzanalyse und Verkehrswerttaxen stützender Betrachtungsweise nur mäßige Chancen haben werden, ihren kurz- und mittelfristigen Kapitalbedarf zu decken. Ich glaube, das Bankgewerbe täte sich und der Volkswirtschaft einen Gefallen, legte es sich Instrumente zur Beurteilung anderer Kriterien zu, als da sind Produkt und Profil, Markt

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und Management eines Unternehmens. Dies ist zugegebenermaßen nicht einfach, aber durchaus möglich, wie einige wenige Beispiele zeigen. Bleibt für unsere Betrachtung noch e;ne Größe, die es in der reinen Lehre von der Finanzierung eigentlich gar nicht gibt, die aber realiter eine erhebliche Rolle für unser Thema spielt: Der Staat. Stellt man die vielfältigen Einflußmöglichkeiten zusammen, die der Staat hat, und die tatsächlichen Maßnahmen, die er ergreift, sei es auf dem Gebiet der Steuerpolitik, sei es im Wege direkter Förderung, und untersucht sie erstens auf ihre Zielsetzung in Bezug auf die Innovation, zweitens auf die Frage, inwieweit sie mittelstandsfreundlich sind!, so kommt in der Tat einiges zusammen, was die Unternehmen, von denen hier die Red,e ist, freundlich stimmen könnte, wenn sie an ihre Finanzierungsprobleme denken. Sonderabschreibungen für F & E-Investitionen, die allen Unternehmen zugute kommen, aber auch ausgesprochen mittelstandsfreundliche Maßnahmen wie die Zuwendungen an die Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen oder die Personalkosten-Zuschüsse für Forschung und Entwicklung sind zwar quantitativ nicht so durchschlagend, daß damit die bisher genannten Probleme aus der Welt geschafft wären; aber sie helfen und, vor allem, sie setzen Signale. Von ganz anderer Größenordnung, jedenfalls für die Begünstigten, sind die direkten Fördermaßnahmen auf verschiedenen Gebieten der Technologie. Hierüber ist viel gesagt und geschrieben worden, auch viel Kritisches. Die Frage, ob sie kleineren und mittleren Unternehmen, absolut und im Verhältnis zu den Großunternehmen, genutzt haben, kann ich schlüssig nur für mein unternehmerisches Umfeld - die Datenverarbeitung - beantworten. Aulkr Zweifel steht, daß die ersten beiden Datenverarbeitungs- Förderungsprogramme der Bundesregierung, die von Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre liefen, die kleinen und mittleren Unternehmen eindeutig benachteiligt haben, was den Zugang zu den Mitteln, deren (relative) Höhe und die Konditionen der Zuwendungen betrifft. Diese unbefriedigende Situation hat sich mit dem Dritten DV-Programm, das demnächst ausläuft und wohl keinen Nachfolger finden wird, deutlich verbessert, und ich möchte hier freimütig und dankbar bekennen, daß beispielsweise mein Unternehmen auch dank dieser Förderung gegenüber dem internationalen Wettbewerb eine adäquate Position einnehmen konnte, was auf diesem Gebiet gewiß nicht einfach ist. Es wäre nun interessant, die anderen Bereiche der Technologie-Förderung zu analysieren und zu fragen, was mit den rund neun Milliarden DM, die der Staat jährlich insgesamt für F & E-Förderung ausgibt und von denen fast vier Mrd DM in die Wirtschaft fließen, eigentlich geschieht und warum letztere, wie oft behauptet wird, in den Taschen weniger großer Organisationen hängen bleiben, - nur: Dazu bin ich nicht in der Lage. Nicht nur dies: Ich halte es für eine falsche und gefährliche Fragestellung im Kontext unseres Themas. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Erstens kann staatliche Hilfe nur subsidär und temporär sein, das heißt, sie kann und soll nur helfen bei der Lösung von Finanzierungsproblemen, und das auf Zeit. Zweitens besteht die Gefahr, daß sie beim Begünstigten eine Subventions-Mentalität hervorruft und gesunde kaufmännische, betriebswirtschaftliche Grundsätze vergessen macht: Beispiele hierfür gibt es leider zu viele. Drittens, und dabei ist mir besonders unwohl, könnte es sein, daß die staatliche Technologiepolitik eines Tages in das Fahrwasser von akuten Obsessionen gerät, von wohlgemeinten, aber bezweifelbaren Zukunftsprognosen und Bedürfnisanalysen. Es steht zu befürchten, daß sie zunehmend eher auf die verbreitete Angst vor der Innovation und deren

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Risiken reagiert, als daß sie deren Chancen in den Vordergrund stellt. Ich meine, wir als Unternehmer sollten uns da eher heraushalten und den Markt, den mündigen Käufer entscheiden lassen, worin mir übrigens auch gesellschaftlich das geringere Risiko zu liegen scheint. Das geht aber nur, wenn wir uns von staatlicher Hilfe, und das bedeutet letztlich Einflußnahme, weitgehend freimachen können. Insgesamt also ein Klagelied? Keineswegs, denn ich habe vergessen zu erwähnen, daß es in diesem Lande, auf den verschiedensten Sektoren, viele innovativ tätige kleine und mittlere Unternehmen gibt, die trotz aller widrigen Umstände ein gutes Bild und eine gesunde Basis für die zukünftige Rolle unserer Volkswirtschaft abgeben, mit risikofreudigen Unternehmern, engagierten Mitarbeitern und sehr guten Zukunftschancen. Nur: Es sollten noch viel mehr sein, und manch unnötiges Hindernis sollte ihnen aus dem Weg geräumt werden. Was ist zu tun? Konkret sollte man über folgendes nachdenken: 1. Privaten Anlegern sollten ihre Chancen deutlich gemacht werden, wenn sie vorüber-

gehend oder auf Dauer in das Wachstum von Unternehmen mit Innovations-Charakter investieren. Wenn nicht direkt, so über speziell dafür zu schaffende Institutionen, Fonds oder Investment-Gesellschaften. Banken und -Versicherungen könnten mit von der Partie sein. Und für den Anfang wäre ein steuerlicher Anreiz sinnoll, damit die Sache anläuft. 2. Kleinen und mittleren Unternehmen, die das Risiko eigener Forschung und Entwicklung im Sinne ständiger Produkt-Innovation auf sich nehmen, sollten steuerliche Vorteile gewährt werden, auf breiter Front, aber umgekehrt proportional zur Unternehmensgröße. Sie werden es dem Steuerzahler durch mehr Wettbewerb und vermehrte, sichere Arbeitsplätze wieder gutbringen. 3. Wo weder der Markt noch diese Maßnahmen ausreichen und ein langfristiges volkswirtschaftliches Interesse besteht, muß der Staat wohl weiterhin mit direkter TechnologieFörderung einspringen, aber unter der Prämisse: Subsidär und temporär. Und unter Einbeziehung auch und gerade der kleinen Unternehmen. Über diese Vorschläge hinaus scheint mir unser Thema vor allem Fragen des "Klimas" zu berühren, dem wir nicht nur ausgesetzt sind, sondern das wir alle miteinander schaffen. Vielleicht ist Ihnen wie mir aufgefallen, daß sich eines wie ein roter Faden durch unsere Betrachtung zog: Das Handeln der Wirtschaftssubjekte ist eher von Vorsicht, Mißtrauen, ja oft Furcht bestimmt, wo es um Innovation geht. Innovation aber impliziert Mut und Risikobereitschaft, Phantasie und Kreativität, Abkehr vom Gewohnten und Bequemen. Mir ist bewußt, daß dies in einer Zeit, die jeden gegen alles, alles gegen jeden absichern will - sozial, wirtschaftlich, innen- und rechtspolitisch -, daß dies augenblicklich nicht gerade populär ist. Aber ich bin absolut sicher, daß wir Mut und Phantasie an den Tag legen müssen, wenn wir als Industrienation bestehen und zugleich unsere individuellen Freiheitsräume erhalten wollen. Kein Referat ohne Zitat: Die Ökonomen Schumpeter und Adam Smith böten sich hier als unerschöpfliche Quellen an. Da aber die Angst vor der Innovation und ihren Konsequenzen von besonderer Aktualität ist, möchte ich nicht Adam, sondern Helmut Schmidt zitieren. Der Bundeskanzler nämlich hat vor kurzem geäußert, man dürfe bei aller berechtigten Sorge um bestimmte negative Folgen des zu erwartenden technologischen Wandels "nicht vergessen, daß der sicherste Arbeitsplatz bei einem Unternehmen ist, dessen Produkte wettbewerbsfähig sind". Dem ist nichts hinzuzufügen. 47

Rudolf Gümbel * Neue Produkte als unternehmerische Chance

Die Thematik enthält zwei provozierende Fragen: Erstens, ist der Inlandsmarkt wirklich vergessen und zweitens, wer würde schon bezweifeln, daß neue Produkte keine unternehmerische Chance darstellen? Davon ausgehend soll zunächst nach 1. Indikatoren des "Vergessens" gesucht werden. Angesichts der zweiten Provokation (man bedenke die außerordentlich hohen FLOPRaten) geht es im Hinblick auf neue Produkte weniger um die Risiken an sich, als vielmehr um die Möglichkeiten ihrer Beeinflussung. Dabei muß kritisch geprüft werden,

2. ob und inwieweit die Betriebswirtschaftslehre als Teil der ökonomischen Theorie überhaupt Hilfestellung bei der Problemlösung zu geben vermag. Nach dieser Vorklärung der Kompetenzfrage soll - anknüpfend an Schumpeter - auf die von ihm entwickelte These vom 3. schöpferischen Unternehmer als Motor wirtschaftlicher Entwicklung eingegangen werden, wobei vor allem Fragen des Rollenwandels interessieren. Schließlich und vor allem geht es um 4. neuartige Sichtweisen des Problemkreises "Innovation und neue Produkte". Wir werden dabei die Produkt innovation als Produktion von Information (über neue Produkte) auffassen und einen Überblick über einschlägige Produktionsverfahren vermitteln. Abschließend soll noch die Frage geprüft werden, ob und inwieweit im Zeitalter vordringenden Marketing-Denkens als Ausprägung moderner Absatzpolitik (Meffert) 5. ein Konflikt zwischen Produktion und marktorientiertem Denken besteht, oder fälschlicher Weise heraufbeschworen werden könnte.

1. Der "vergessene" Inlandsmarkt und seine Chancen In einem radikalen Sinne gibt es sicher keine Indikatoren, nach denen der Inlandsmarkt in Vergessenheit geraten sein könnte. Dennoch können Bedeutungsgewichte von In- bzw. Auslandsmärkten je nach Entwicklungsstand der Wirtschaft und der Branche, aber auch nach den Erfahrungen in der Vergangenheit unterschiedlich sein.

* Prof. Dr. Rudolf Gümbel, Johann-Wolfgang-Goethe Universität, Frankfurt/Main.

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1.1 Wirtschaftliche Autarkie versus Weltwirtschaft und Devisenbedarf Bei Rohstoffabhängigkeit (allgemein Einkauf von Produktionsfaktoren im Ausland) muß die Bereitstellung der dazu erforderlichen Devisen durch Verkäufe ins Ausland zur Erlangung entsprechend konvertierbarer Zahlungsmittel sichergestellt werden. In marktwirtschaftlichen Systemen vertraut man dabei auf starke individuelle Antriebskräfte, auf Unternehmer. Neben Rohstoffsicherung tritt die Motivation einer Ausnutzung von Degressionseffekten in der Fertigung, aber auch last but not least das Gewinnstreben. Das Gewinnstreben allein reicht aber zur Erklärung solchen Vorgehens nicht aus. Es gibt viele exportierende Unternehmungen, deren Gewinne der Höhe nach durchaus auf Inlandsmärkten zu verdienen wären. Es müssen also noch weitere Kräfte hinzukommen. Paradigmatisch für diese Position kann die gegenwärtige Frachtwerbung der Swiss Air angesehen werden, die mit folgendem Slogan auf ihre Leistungen aufmerksam macht: "Die schweizerische Volkswirtschaft ist rasch erklärt und sehr rasch begriffen: die Schweizer sind gezwungen aus der ganzen Welt die allerbesten Rohprodukte zu importieren und diese mit so viel Dienstleistung auszustatten, daß sie sich wieder in die ganze Welt exportieren lassen."

1.2 Die unternehmerische Kernfunktion der Erschließung neuer MaOrkte, sowie deren Wachstumsraten Die Hypothese, daß Höhe und Entwicklung von Wachstumsraten (Umsatz und/oder Gewinn) auch eine Dimension, sowohl zur Selbst- als auch zur Fremdeinschätzung unternehmerischen Erfolges sind, kann apriori nicht verworfen werden.

Abb. 1: Die Entwicklung des Umsatzes der deutschen Industrie von 1950-1978 Entwicklung des Umsatzes der deutschen Industrie von 1950-1978+

+

Jahr

gesamt in Mrd.DM

davon Auslandsumsatz in Mrd.DM

in %

1950

80,39

6,67

8,3

1960

266,37

41,82

15,7

1970

528,87+

102,07

19,3

5588,02

107,02

18,2

1978

1000,54

240,13

24,0

Rate 50/78

1 : 12,5

1 : 36

Ab 1968 ohne Umsatzsteuer. Ab 1970 verarbeitendes Gewerbe und Bergbau.

Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland - Ausgabe 1979, Köln 1979, S. 44

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In den letzten 28 Jahren liegen die durchschnittlichen Z.uwachsraten auf dem Auslandsmarkt insgesamt über jenen des Inlandsmarktes. Der Gesamtmarkt entwickelt sich in der Relation 1 : 12,5, der Auslandsmarkt jedoch wächst mit dem Faktor 36! (vgJ. Abbildung 1).

1.3 Das Erfolgskonstrukt "Anerkennung" auf Märkten außerhalb der Landesgrenzen Ein weiterer Indikator relativer Vernachlässigung des Inlandsmarktes ist, wie die Verhaltenswissenschaftler sagen, das "hypothetische Konstrukt" einer "Anerkennung auf Märkten außerhalb der Landesgrenzen" als Bestätigung erfolgreichen Wirkens durch Dritte, wobei der Inlandsmarkt als Einheit aufgefaßt wird. Man kann dabei allerdings nicht ausschließen, daß derartige Effekte auch Rückwirkungen auf den Inlandsmarkt haben.

1.4 Das Phänomen Exportqualität als Indikator höheren Leistungsniveaus In vielen Fällen ist die relative Bevorzugung des Erfolges auf Auslandsmärkten nicht ohne Rückwirkungen auf die Qualitätsstandards des Inlandsmarktes geblieben. Für Auslandsmärkte muß mit höheren, teilweise aber nur mit anderen Standards des Qualitätsmindestniveaus gearbeitet werden. Seit im Verlauf von mehr als fünf Jahrzehnten aus der Diffamierungsklausel "Made in Germany" ein positiver Qualitätsstandard wurde, setzte sich diese Erfahrung mit dem Konstrukt "Exportqualität" fort (VW-Standard, VW-Export etc.).

1.5 Glanz und Elend des sog. Konsumterrors Man kann nicht völlig ausschließen, daß die von Marxisten und ihren Derivaten in den sechziger Jahren einsetzende Kritik am Konsumverhalten zu einer erst später bemerkbaren Vernachlässigung des Inlandsmarktes geführt hat. Es ist hier nicht der Ort, über die Motive derartiger Kritik und möglicher Hypothesen zu spekulieren. Es sei nur kurz erwähnt, daß hier ein bemerkenswerter Unterschied existiert. Da gibt es einmal jenen Unterschied zwischen Generationen, die Elend und Mangel aus eigenem Erleben kennen und jenen Generationen, die offenbar ein relativer aber bescheidener Wohlstand als Ausgangsposition eigenen Wirkens ungeheuer zu belasten scheint. Dennoch gibt es bezüglich der Entwicklung der Einzelhandelsumsätze und ihrer Struktur deutliche Zeichen, in denen sich die oben beschriebene Kritikwelle ablesen läßt (z. B. im Textilbereich). Die mittlerweile aufweichende Tendenz zur Uniformierung im meist wenig schmutzempfindlichen Farbenbereich, mit sportiv angehauchtem Schuhwerk, hat in den entsprechenden Branchen, sowohl in der Industrie wie auch in den Handelsbetrieben zu verlustreichen Anpassungsprozessen geführt. Bemerkenswert ist, daß in Fortsetzung des "Reformhausdenkens" der frühen zwanziger Jahre mit sehr viel Affinität zum Funktionalismus der Dessauer BAUHAUS-Aktivitäten, neuerdings die Nostalgie-Welle ins Haus steht. 50

Vor allem das Entstehen sog. Alternativbetriebe 1 deutet darauf hin, da{~ bezüglich bestimmter Eigenschaften von Produkten im Inlandsmarkt eine Marktlücke entstanden war. Am Beispiel der Alternativdruckereien kann man sich dies so vergegenwärtigen: sowohl die Bisherigen wie die "Alternativen" drucken, nur letztere tun es halt alternativ! In einem marktwirtschaftlichen System mug man für jegliche Person dankbar sein, die bereit ist, Unternehmerrisiko individuell oder kollektiv zu tragen. Der Vergleich mit anderen Wirtschaftssystemen zeigt heute immer noch deutlich an, dag man auf derartige Initi.ativen im Hinblick auf Lebensstandard nur schwerlich zu verzichten mag!

1.6 Unterschiedliche Entwicklungsstabilitiit Die unterschiedlichen Einschätzungen der Entwicklungsstabilität des Inlandsmarktes in ihren wirtschaftlichen, vor allem aber auch in ihren politischen Dimensionen, haben seit 1973 zu beträchtlichen Auslandsinvestitionen geführt, womit naturgemäg Ressourcen für den Inlandsmarkt reduziert wurden. In der Mitte der siebziger Jahre ist Stagnation, im Einzelfall auch Rückgang der Auslandsumsätze zu beobachten, sicherlich nicht ohne umwertende Neueinschätzung der Möglichkeiten auf dem Inlandsmarkt und seinen vor allem auch politisch zu sehenden Stabilitätsindikatoren.

1.7 Wachsende Geldvermiigensbestiinde als Chance Unabhängig von der Organisation der Wirtschaft lägt sich eine gewisse Vernachlässigung von Inlandsmärkten auch dadurch indizieren, dag die Partner einer Volkswirtschaft die auf das Sozialprodukt erworbenen Anrechte (in Form von Einkommen) nicht oder nicht vollständig liquidieren, das heigt vor allem Geld z . horten beginnen. Die Ursache kann einmal darin liegen, daß ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist. Sie vermag aber ebenso daraus resultieren, dag für die noch nicht befriedigten Bedürfnisse ein entsprechendes Angebot nicht vorliegt. Beide Ursachenkomplexe sind freilich schwer voneinander trennbar. Betrachtet man nur den Bereich der Bundesrepublik Deutschland, so ergibt sich ein enormes Ansteigen nicht verausgabter Einkommensbestandteile. Der Epoche der Ratenkäufe mit ihrer den tatsächlich erzielten Einkommen vorauseilenden Befriedigung scheint nunmehr eine Epoche des stärker abwartenden Verhaltens zu folgen. 2

1.8 Zusammenfassung Mit den vorausgehenden Ausführungen haben wir deutlich zu machen versucht, daß die These einer relativen Vernachlässigung des Inlandsmarktes nicht so völlig aus der Luft Vgl. Schwender, R., Materialien zur Alternativen Ökonomie 1., 4. Aufl., 1978 Vgl. Gizycki, H. V.; Habicht, H., Oasen der Freiheit, 1978 2 Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland - Ausgabe 1979, S. 20

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gegriffen zu sein scheint, wie sie jener empfinden mag, der sich im Alltagsgeschäft mit den Problemen des Vordringens auf Inlandsmärkten befassen muß. Fassen wir zusammen, so ergeben sich folgende Einflußgrößen: 1. Existenznotwendige Beschaffung von Devisen durch Export 2. Anreiz höherer Wachstumsraten auf Auslandsmärkten 3. Prestigemotiv der Anerkennung im Ausland 4. Exportqualität als auch im Inlandsmarkt wahrgenommener Indikator relativ höherer Qualität 5. Abschreckungseffekt der Konsumterrorwelle 6. Absinkendes Vertrauen in die Entwicklungsstabilität des Inlandsmarktes, aber: Umkehr als Folge von Rückschlägen auf Auslandsmärkten 7. Wachsende Geldvermögensbestände als Chance auf dem Inlandsmarkt.

2. Ökonomische Theorie und Innovation in der Praxis Nachdem wir aufgezeigt haben, welche Indikatoren zumindest nicht gegen die These einer relativen Vernachlässigung des Inlandsmarktes sprechen, soll nun geprüft werden, was die Betriebswirtschaftslehre im Hinblick auf die Arbeit an Innovationen (hier: neuen Produkten) beizutragen vermag. Voranzustellen ist, da(~ sich die ökonomische Theorie mit dem Problem einer Variation der Qualität wirtschaftlicher Güter recht schwer getan hat. Sehr früh hat man Auswirkungen qualitativer Unterschiede in der Produktions- und Absatztheorie durch Grenzraten der Substitution (Grad der relativen Ersetzbarkeit eines Produktivfaktors durch den anderen) und Grenz.produktivitäten (relative Ertragswirkung der Mengensteigerung eines Produktionsfaktors) abzubilden versucht. Entsprechendes geschah unter dem Verwendungsaspekt im Bereich der Nutzen- bzw. Haushaitstheorie, soweit diese den privaten Haushalt zum Gegenstand hat. Diese relativ abstrakte Berücksichtigung von Produktunterschieden lag weniger im theoretischen Konzept begründet, sondern vielmehr in dem theoretischen Bemühen qualitative Unterschiede überhaupt in einer quantitativen Form abbilden zu können. Bei einer solchen, mehr axiomatisch zu nennenden Vorgehensweise, geht naturgemäß der Bezug zur Realität ganz oder zumindest weitgehend verloren. Die Ursache ist darin zu sehen, daß vor allem auch für Gestaitungsprobleme das Wahrnehmungskonstrukt "Qualität" in seine Dimensionen aufgelöst werden mußte. Diese Dimensionen lassen sich wie folgt charakterisieren: 1. Die Eigenschaftsarten, bezüglich derer sich wirtschaftliche Güter voneinander unterscheiden. 2. Die Trennung VOn naturwissenschaftlichen Problemen bezüglich einer Gestaltung von Eigenschaftsarten einerseits und den daraus resultierenden ökonomischen Problemen andererseits. 3. Die Charakterisierung von Eigenschaftsarten im Hinblick auf eine den ökonomischen Fragestellungen entsprechende Hypothesenbildung. 52

2.1 Die Mehrdimensionalität des Begriffes "Innovation" bzw. des Begriffes "Neue Produkte" Was als "Innovation" oder als "Neues Produkt" zu bezeichnen ist, hängt weniger von einer vermeintlich griffigen Definition des Begriffes ab, sondern vielmehr von der Operationalisierung der Dimensionen eines Produktes, sowie seinen Beziehungen zur Unternehmungs- und sonstigen Umwelt. Schmitt-Grohe nennt zusammenfassend" ... ordinal meßpare, veränderte Ausprägungen des produkt bezogenen Mix, insbesondere veränderte Ausprägungen der durch die Instrumente des Produkt-Mix wiedergegebenen ProduktCharakteristika aus der Sicht von Herstellern ..... 3, aber auch der Nachfrager. Man kann sachliche, zeitliche, räumliche und personale Dimensionsarten unterscheiden, in denen der Neuartigkeitsgrad einer Innovation gemessen werden kann. Bei den sachlichen Dimensionen handelt es sich um die Input-Output-Bezüge, d. h. um sachliche Eigenschaften der Produkte und des dazu erforderlichen Einsatzes. In diesem Zusammenhang kann man zwischen Verfahrens-, Struktur-, Personal- und Produktinnovationen unterscheiden. Nur diejenigen Teile der Dimensionsarten, die wahrnehmbar sind oder für die Nachfrager wahrnehmbar gemacht werden, haben Marktwirkung. Entsprechend beschreiben die zeitlichen Dimensionen wann bzw. seit wann bestimmte Eigenschaften marktrelevant sind, bzw. marktrelevant werden können. Um Innovationen in räumlicher Hinsicht handelt es sich dann, wenn bestimmte Neuartigkeiten der Produkte sich von Gebiet zu Gebiet fortpflanzen. Die Verhaltenswissenschaft hat diesem Problembereich unter dem Aspekt der Diffusionsforschung besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Am Anfang stand die Analyse der Ausbreitung agrartechnologischen Wissens bei der Anwendung von Landbebauungsmaschinen. 4 Die personale Dimension der Innovation bzw. der Ausbreitung neuartiger Produkte wurde erstmals von Spiegel in einem psychologisch orientierten Ausbreitungsmodell analysiert. 5 Mit den vorstehenden Ausführungen sollte nur deutlich gemacht werden, daß eine Begriffshuberei in Richtung der Abgrenzung von Innovation und deren Gegenteil nur außerordentlich schwierig durchzuführen ist, vor allem für die praktische Arbeit im Betrieb vergleichsweise wenig bringt. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Bereiche sowohl der Forschung als auch betriebspraktischer Arbeit gibt, in denen eine solche Differenzierung durchaus zu schwierigen empirischen Problemen führt. So ist etwa der Preisstatistiker im volkswirtschaftlichen Gesamtrahmen vor außerordentliche Probleme gestellt, wenn er qualitative Aufwärtsentwicklungen in den Preisstatistiken berücksichtigen sollte. Entsprechendes gilt für den Statistiker, der auf betrieblichem Niveau Aussagen über Preisniveauentwicklungen machen möchte. Riegel 6 hat in seiner Arbeit über Qualitätsvariation und Preisstatistik in neuerer Zeit auf diesen Problemkreis hingewiesen und Lösungsmöglichkeiten offeriert.

3 4 5 6

Scbmitt-Grobe, 1., Produktinnovation, 1972, S. 27 VgJ. dazu Kaas, K. P., Diffusion und Marketing, 1973 Vgl. Spiegel, B., Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld, 1961 Vgl. Riegel, }., Die Bedeutung der Qualitätsänderungen für die Messung der Preisentwicklung einzelner Lebenshaltungsgüter und die Verfahren zur Eliminierung ihres Einflusses, Diss., Frankfurt/M. 1975,5.12

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2.2 Technisches oder ökonomisches Denken als Quelle der Innovation Für die Beurteilung des Beitrages der Betriebswirtschaftslehre zur Innovation in der Praxis ist auch jene Frage wesentlich, ob und in welcher Weise technisches und/oder ökonomisches Denken bei der Innovation zusammenwirken. In hypothetischer Form lassen sich hier folgende Positionen charakterisieren: 1. Je stärker die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in Richtung Grundlagenforschung tendiert, um so geringer wird der direkte produktbezogene Einfluß ökonomischen Denkens (Dominanz der naturwissenschaftlichen Komponente). 2. Je stärker die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in Richtung nachfragebezogener Problemlösung tendiert, um so stärker wird der Einfluß sozioökonomisch orientierten Denkens und gipfelt in der Suche nach im konkreten Fall erwünschten Produkt-Eigenschaften (Dominanz der ök onomischen K omponen te).

In diesem bipolaren Spannungsfeld gewinnt seit etwa 10 Jahren ein weiterer Pol an Bedeutung. Aus dem bipolaren wird ein tripolares. Es handelt sich bei dem dritten Pol um ein hervortreten juristischen Denkens. Die Ursache dieser Entwicklung liegt in folgendem begründet: Unser Stereotyp, den wir beim Denken in der Kategorie "Produkt" verwenden, ist im wesentlichen durch den Sachgüterkern und seine Eigenschaften bestimmt, zumindest aufkrhalb der ausgesprochenen Dienstleistungsbranchen. Die Dienstleistungen, die sich um den Sachgüterkern angelagert haben, waren ursprünglich von eher subsidiärer Natur. Es gibt Indikatoren, die hier einen Wandel anzeigen, und zwar: 1. Im Investitio.nsgüterbereich beim sog. Consulting Engineering, 2. Im Konsumgüterbereich im Zusammenhang mit einer Erweiterung der Produkthaftung, 3. Im vertikalen Marketing in Verbindung mit dem sog. Kontrakt Marketing. 7 Im Kontrakt Marketing sind die Dispositionskompetenzen über Produktivfaktoren Gegenstand von Verträgen.

2.3 Der Eigenschaftsvektor wirtschaftlicher Güter als gemeinsame Plattform von ökonomischer Tbeorie und Innovation in der Praxis Der entscheidende Durchbruch zu einer auch praxisrelevanten Theorieentwicklung konnte erst dann erwartet werden, als der Komplex "Produkt" in seine Eigenschaftsarten aufgelöst wurde und eben die Kosten- und Erlöswirkungen (aber auch die zahlungsrelevanten Wirkungen) dieser Eigenschaftsarten explizit zunächst in Modellen abgebildet wurden, um daraus auch praxis-fähige Kalküle zu entwickeln. Meilensteine auf diesem Weg waren zunächst die Theorie der Preisdifferenzierung, die Anwendung der Linearen Programmierung im Bereich ökoriornischer Fragestellungen,

7 Vgl. Thompson, D. N., Contractual Marketing Systems, 1971

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sowie die Rezeption des statistischen Apparates der psychologischen Forschung, vor allen Dingen aber auch seine Weiterentwicklung im Hinblick auf die Handhabung großer Datenmengen. Damit wurden last but not least dem Vordringen verhaltenswissenschaftlicher Forschungskonzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre, speziell in der Theorie des Marketing, besondere Möglichkeiten eröffnet. Bei einem Anlaß wie dem des beim 33. Betriebswirtschaftler-Tages auftretenden Zusammentreffens von Praxis einerseits und Theorie andererseits, besteht im Hinblick auf die Betroffenen wohl auch ein Bedürfnis, die Theorieentwicklung in der Vergangenheit für diese in besonderer Weise darzustellen, um den Anschluß vom eigenen Studium an die heutige Situation der Theorie nachvollziehen zu können. Irgendwann hat jeder im Studium vom Problem der Preisdifferenzierung Kenntnis genommen. Früher hat man vielleicht zu wenig Wert darauf gelegt, daß es sich hierbei um die Erkenntnis handelt, daß die Gewinnwirkung in Teilmärkten einzusetzender Parameter unterschiedlich sein kann. Preisdifferenzierung berücksichtigt die unterschiedliche Preishergabebereitschaft von Nachfragern (Konsumenten oder Verwender). Die Theorie der Preisdifferenzierung legte damit die Grundlage zur Theorie der Marktsegmentierung. Die Grundregel lautet: Zerlege den Markt so lange in Teilmärkte, bis alle Elemente eines Teilmarktes in gleicher Weise auf die Einflußgrößen (Aktionsparameter) reagieren. Dies hat im Grunde genommen schon Stacke/berg in seinem Beitrag zur willkürlichen Teilung des Marktes bzw. die Auflösung von Märkten in ihre Elementarmärkte vor ungefähr vier Jahrzehnten vorgeschlagen. 8 Brems 9 hat in seiner Untersuchung der Kosten- und Erlöswirksamkeit von Produkteigenschaften dazu einen weiteren empirisch orientierten Beitrag geleistet. Die Literatur zur Marktsegmentierung hat diesen weit zurückreichenden Ansätzen bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ihre Bemühungen waren vielmehr auf die Bewältigung statistisch empirischen Problemgehaltes gerichtet (Wind).l0 Unter Verzicht auf eine Berücksichtigung komplizierterer Abhängigkeiten brachte die Rezeption der Linearen Programmierung in absatzwirtschaftlicher Hinsicht die Erkenntnis, daß die Produkteigenschaften einer differenzierten Berücksichtigung bedürfen. In einfachster Form drückt sich dieses, soweit keine die Linearität überschreitenden Beziehungen vorliegen, in Form von Spaltenvektoren bei Linearen Programmen aus. Geht man davon aus, daß die Variable x n (n = 1 ... n*) die Produktmenge darstellt, so wird in Linearen Programmen über m Zeilen hinweg abgebildet, ob und inwieweit sich diese Produktart auf die Beanspruchung betriebsinterner oder betriebsexterner Kapazitäten auswirkt. In der Volkswirtschaftslehre hat es lange gedauert bis die Erkenntnis reifte, daß die Trennung in Produkten und Konsumption funktionell und institutuionell so nicht durchgehalten werden kann. Es ist das besondere Verdienst von Lancaster aufzuzeigen, daß im Hinblick auf die Nutzenstiftung im Haushalt die Produkteigenschaften und deren Bewertung in eine differenzierte Theorie des privaten Haushaltes eingebaut werden müssen. Nur 8 Vgl. Stackelberg, H. V., Preisdiskrimination bei willkürlicher Teilung des Marktes, in: Archiv für mathematische Wirtschafts- und 50zialforschung, 5. Jg. (1939) 9 Vgl. Brems, H., Product Equilibrium under Monopolistic Competition, 1951 10 Vgl. Gümbe/, R., Zeitschriftenauswertung JoMR, in: Marketing ZFP, 1. Jg. (1979), 5. 68-69, hier 5.69

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dann besteht explizit die Möglichkeit, die Nutzenbeiträge der einzelnen Produktarten explizit zu erfassen. 11 Die neuere Entwicklung wirtschaftswissenschaftlichen Bemühens war dadurch gekennzeichnet, daß man über empirisch-statistische Methoden den Versuch unternahm, zwischen relevanten und nicht relevanten Produkteigenschaften zu unterscheiden. Ein Methodenkomplex der diesem Aufgabenbereich in besonderer Weise dient, ist vor allen Dingen die Diskriminanzanalyse. Letztere ist eines unter vielen Instrumenten, das vor allen Dingen von einer verhaltenswissenschaftlich orientierten Marketing-Theorie eingesetzt wurde. Man darf freilich nicht verkennen, daß die verhaltenswissenschaftlichen Forschungsbemühungen in den Kontext der Betriebswirtschaftslehre nicht oder noch nicht ausreichend integriert sind. Die Widerstände, die sich hier auftun, sind den älteren Fachgenossen am ehesten dadurch zu veranschaulichen, indem man auf jene Widerstände verweist, die sich beim Vordringen mathematischer Methoden, insbesondere aber jener der mehr praxisorientierten Verfahren des Operations Research in den letzten Jahrzehnten ergaben. Immerhin ist bemerkenswert, daß die von den Verhaltenswissenschaftlern angewandten Methoden auch dem Entdecken neuer bisher unbekannter Eigenschaftsarten dienen. Eine gewisse Verbindung einer mehr traditionellen mikroökonomischen Forschungsintention verbundenen mathematischen ModelIierung marktwirtschaftlicher Beziehungen mit jener modernen empirisch und verhaltenswissenschaftlich orientierten ergibt sich in den Modellen zur Neuprodukteinführung. In diesem Zusammenhang sind etwa das SPRINTER-Modell und das DEMON-Modell 12 zu erwähnen. Freilich darf nicht verkannt werden, daß bislang ein entscheidender Durchbruch derartiger, vor allem in den USA entwickelter Modelle nicht erfolgt ist. Enttäuschung über die Modellanwendung führte zum sog. Decision Calculus, der von Litt/e 13 entwickelt wurde. Es handelt sich in vereinfachter Form darum, die Modellkonstruktion weniger der Isomorphie einer objektivierten Umwelt anzupassen, sondern diese vielmehr auf jene von den Managern rezipierten Eigenschaften abzustellen. Mit anderen Worten, die Entwicklung geht weniger in Richtung objektivierter Totalmodelle, vielmehr werden Heuristiken ausgearbeitet, bei denen die Modellanpassung an den benutzenden Manager im Vordergrund steht. Vielleicht wird aus dieser Sicht auch verständlich, warum Simon den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat.

3. Die Rolle der Pionierunternebmung Die Rolle des Pionierunternehmers, des Innovateur par excellence, wurde kaum deutlicher herausgearbeitet, als von dem Sozialisten joset A. Scbumpeter. 14 In diesem Zusammenhang interessiert v. a. der Rollenwandel im Hinblick auf die Neuprodukt-Politik. 11 Vgl. LancasteT, K., A New Approach To Consumer Theory, in: The Journal of Pol. Economy, Vol. 74 (1966), S. 132-157 12 Vgl. Abschnitt 4.5., Punkt 5, S. 68 13 Vgl. Little, j. D. c., Models And Managers: The Concept üf ADecision Calculus, in: Management Science, Vol. 16 (1970), S. 8-466 - 8-485 14 Vgl. SchumpeteT, H. A., Capitalism, Sozialism and Democracy, 1942 deutsch: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 4. Aufl., 1975, S. 213-219

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3.1 Marktwiderstand und Unternehmerfunktion Schumpeter ging davon aus, daß gewissermaßen im säkularen Maßstab der fundamentale und radikale Widerstand gegen Neuerungen im Bereich der Produktpolitik abnehmend bzw. bereits ganz verschwunden sei, und daß es eine, wenn nicht sogar die Hauptaufgabe der Unternehmerfunktion sei, derartige Widerstände zu überwinden, von denen er sagt: "Wir haben gesehen, daß die Funktion der Unternehmer darin besteht, die Produktionsstruktur zu reformieren oder zu revolutionieren entweder durch die Ausnützung einer Erfindung oder, allgemeiner, einer noch unerprobten technischen Möglichkeit zur Produktion einer neuen Ware bzw. zur Produktion einer alten auf neue Weise, oder durch die Erschließung einer neuen Rohstoffquelle oder eines neuen Absatzgebietes oder durch die Reorganisation einer Industrie usw ... Diese Tätigkeit ist in erster Linie verantwortlich für die immer wiederkehrenden "Aufschwünge", die den wirtschaftlichen Organismus revolutionieren und für die immer wiederkehrenden "Rückschläge", ... begründet eine besondere ökonomische Funktion, erstens weil ... außerhalb der Routine-Aufgaben ... wegen der mannigfachen Widerstände der Umwelt ... von einer einfachen Weigerung bis zum physischen Angriff gegen den Mann, der die Produktion wagt. Zuversichtlich außerhalb der vertrauten Fahrrinne zu navigieren und diesen Widerstand zu überwinden, verlangt Fähigkeiten, die nur in einem kleinen Teil der Bevölkerung vorhanden sind und die den Unternehmertyp, wie auch die Unternehmerfunktion ausmachen. Diese Funktion besteht ihrem Wesen nach weder darin, irgendetwas zu erfinden, noch sonstwie Bedingungen zu schaffen, die die Unternehmung ausnützt. Sie besteht darin, daß sie Dinge in Gang setzt."IS

Schumpeter ist der Meinung, daß diese Funktion an Bedeutung verliert. Dies mag unter dem Eindruck des NEW DEAL für die Erstpublikation (1942) durchaus zutreffen, sieht indessen bald 40 Jahre danach anders aus. Marginal wird dies auch in sozialistisch orientierten ökonomischen Forschungsbemühungen deutlich. Es mag den einen oder anderen erschrecken, daß man in diesem Zusammenhang auch an Instanzen denkt, die in einer Gesellschaft darüber entscheiden, ob Bedürfnisse notwendig oder nicht notwendig sind. 16

3.2 Quantitative und qualitative Marktsättigung Schumpeter vertritt die Auffassung, daß die Unternehmerfunktion sich dann selbst überflüssig mache, wenn die Sättigung der Märkte erreicht und gesichert ist. Nach dem statistischen Bild der Konsumsättigung l7 des Marktes der BRD könnte man bei oberflächlicher Betrachtung auf ein relativ hohes Niveau der Konsumausstattung schließen. Gemessen an den technischen Möglichkeiten (z. B. der Telekommunikation) und im Hinblick auf die in Haushalten anstehenden Problemlösungen, empfiehlt es sich jedoch aus der Sicht konzeptioneller Gestaltung der Neuproduktentwicklung eher eine entgegengesetzte Position einzunehmen.

15 Schumpeter, j. A., a.a.O., 5. 214-215 16 Vgl. dazu etwa Hax, H., Die Legende von der ewigen Lampe, in: Markenartikel, 41. Jg. (1979), 5.412 17 Vgi. Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), a.a.O., 5. 23

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Von einem Zustand der Sättigung auch im Hinblick auf Sachgüter, dürften wir über Generationen hinweg noch weit entfernt sein. Dennoch erfährt jede Unternehmung oder die meisten davon, daß im Prinzip mehr produziert als verkauft werden kann. Gutenberg 18 sprach (1951) in diesem Zusammenhang von dem Absatz als Engpaßfaktor der Planung. Insofern gibt es sicher zu jedem Zeitpunkt Grenzen der Nachfrage, die auch durch noch so vorteilhafte Angebote schwerlich überschritten werden können. Das führt zum Problem der Prognose dieses Engpasses der Planung. Sie kann statisch oder dynamisch erfolgen. Bei den einfachen Verfahren der Entwicklung von Marktgrenzen konvergiert rein formal bedingt die Wachstumsfunktion gegen einen Grenzwert, der unabhängig von der Zeit als Variablen ist. Gibt man diese Annahme auf, wird es außerordentlich schwierig, jene Variablen als Funktion der Zeit zu bestimmen, von denen die Veränderung der Marktgrenzen vor allem langfristig abhängt. Ein Teil dieser Einflußgrößen ist bis heute noch nicht entdeckt, ein anderer Teil ist zwar qualitativ bekannt, in seiner Wirkungsstärke aber noch in weiten Bereichen unerforscht. 19 Bei diesen grundsätzlichen Überlegungen zu Marktgrenzen ist vor allem von Bedeutung, daß mit zunehmender Sicherung der physiologischen Grundbedürfnisse die darüber liegenden Bedürfnisschichten an Bedeutung gewinnen. Es ist für die Betriebswirtschaftslehre schon ein merkwürdiges Phänomen, daß die von Vershofen herausgestellte Bedeutung von Grundnutzen und Zusatznutzen erst dann größere Bedeutung erlangte, als diese (Analogie zu Anerkennungserfolgen der Exportindustrie) durch amerikanische Forschungsergebnisse im Wege des Reexportes bestätigt wurde. 2o Maslow 21 hat darauf hingewiesen, daß die Bedürfnisbefriedigung in mehreren, im Einzelfall nicht l!xakt abgrenzbaren Schichten ablaufe, nämlich neben der physiologischen Befriedigung von Grundbedürfnissen, dem Bedürfnis nach Sicherheit, dem Bedürfnis nach sozialen Beziehungen, dem Bedürfnis nach sozialer Wertschätzung und schließlich der Selbstverwirklichung verpflichtet sei. Die marktwirksame Bedeutung derartiger Bedürfnisschichten kann die Entwicklung der Fahrradindustrie und der Telekommunikation als Lernmittel veranschaulichen. Ein weiteres Beispiel kann darin gesehen werden, daß im Hinblick auf einen vermeintlich stagnierenden Markt für Waschmittel nur geringfügige Modifikationen im Wäschewechsel unserer Zeitgenossen enorme Auswirkungen auf den Waschmittelverbrauch zu zeitigen vermögen. Dies muß nicht unbedingt bedeuten, daß wir von unserem Niveau aus die sich unterdurchschnittlich verhaltenden Zeitgenossen als unsauber charakterisieren. Die klassischen Instrumente zur Überwindung des Marktwiderstandes waren und sind aktive Preispolitik, vor allem Preisherabsetzung, Werbung, Verbesserung des Zugangskomforts zum Produkt und bessere Anpassung der Güter an die Bedürfnisse der Nachfrager. Bei dieser Anpassung entsteht ein Konflikt Homogenität versus Heterogenität.

18 Vgl. Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 1951, S. 113 19 Vgl. Brockboff, K., Marktsättigung, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, hrsg. v. Bruno Tietz, 1974, Sp. 1402-1408 20 Zur Entwicklung in den dreißiger Jahren, vgl. Leitberer, E., Geschichte der handels- und absatz wirtschaftlichen Literatur, 1961, S. 106 21 Vgl. Maslow, A. w., Motivation and Personality, 1954

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Erstere ermöglicht Massenfertigung, deren rationalisierungsbedingten Kostenvorteile Voraussetzungen für die Senkung der Absatzpreise bieten. Trotz vielseitiger Klage über die Produktvielfalt, wurde in markt- und in planwirtschaftlichen Systemen dieser Konflikt in der Vergangenheit zu Gunsten der Heterogenität entschieden, wenngleich im Ausmaß hier beträchtliche Unterschiede existieren. Dies führt zur Marktsegmentierung, mit deren ständigem Voranschreiten die Vorteile relativ großer Fertigungslose tendenziell verlorengehen. Daraus ergibt sich als Chance für neue Produkte, daß es gerade die großbetrieblich unvollkommen durchführbare Segmentierung ist, die zugleich Marktlücken für kleinere Unternehmungen schafft. Im Hinblick auf Marktwiderstände ist aber die Pionierunternehmung vor allem im letzten Jahrzehnt zunehmend einem anderen Typ von Marktwiderstand, vor allem auf der Konsumgüterebene, ausgesetzt. Es handelt sich weniger um den Marktwiderstand auf der Ebene der jeweils definitiven Nachfrager, sondern um den Marktwiderstand auf der vorgelagerten Stufe des Handels. Das Schlagwort der Konkurrenz um die Regalkapazität im Handel hat in der Vergangenheit Furore gemacht. Vor allem im Bereich der Nahrungsund Genußmittel, aber auch in anderen Branchen ist es das existentielle Problem für den Anbieter neuer Produkte, Aufnahme in das Sortiment zu finden ("gelistet zu werden"). Man muß sich vergegenwärtigen, daß in bestimmten Branchen das industrielle Güterangebot (Universalsortiment) in den einzelnen Handelsbetrieben eine vergleichsweise geringe Repräsentanz findet. Diese ist sicher bei Dosensuppen größer als etwa bei Stühlen, Tischen oder in der Herrenkonfektion. Hier bahnt sich ein Konflikt an, der möglicherweise Ansatzpunkt für eine neuartige Entwicklung im Handel oder eine Revolution desselben werden kann. Die geringere Repräsentanz des von der Industrie gebotenen Universalsortiments durch Betriebe des Handels, macht zumindest auf dieser Stufe aktuelle Grenzen der Segmentierung von Pionierunternehmungen sichtbar. Man wird davon ausgehen können, daß sich die vielfältigen Produktionsmöglichkeiten im Bereich der Industrie auf die Dauer Bahn brechen werden. Die machtbedingte Abwehrposition des Handels wird sich auf die Dauer wohl kaum durchsetzen können. Wir beobachten seit wenigen Jahren eine zunehmende Tendenz universalistischer Betriebsformen des Handels, auf spezialistische Tendenzen umzuschwenken. Um es extrem zu formulieren: die Fehlplanungen im Bereich der Selbstbedienungswarenhäuser könnten jene Flächen bereitstellen, in denen künftig das Angebot hochspezialisierter Sortimente zentralisiert den Nachfrager findet (z. B. in der Herrenkonfektion). Es gibt einen weiteren Indikator dafür, daß der Marktwiderstand nicht essentiell ist, sondern offenbar ein nicht den Anforderungen entsprechendes Angebot die Käufer eher zum Sparen als zur unmittelbaren Geldausgabe im Konsum veranlaßt. Dies mag zu einem Teil sicher ein Ansparen im Hinblick auf die Beschaffung von Großobjekten sein. Zu denken muß es immerhin geben, daß die Höhe des Zinssatzes in einem Verhältnis zur Teuerungsrate steht, die eine Kassenhaltung der Konsumenten zumindest merkwürdig erscheinen läßt. Wir können festhalten, daß auch fast 40 Jahre nach der Publikation von Schumpeter bezüglich der Sättigungszustände auf Sachgütermärkten die Diagnose im Lichte dieser Erfahrung eher pessimistischer ausfällt, als Schumpeter sie im Kriegsjahre 1942 in Amerika hat formulieren können.

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3.3 Zur Organisati011, Größe und Marktform der Pionierunternehmung In einem Oberblicksaufsatz stellt Kieser 22 folgende Positionen als Ausgangspunkt seiner Analyse einander gegenüber:

1. Von Jewkes, Sa-wers, Stillermann 23 wird die Position vertreten, daß ein hoher Monopolisierungsgrad Innovation verhindert, da Monopole ihre MarktsteIlung durch Innovationen kaum nennenswert verbessern könnten. 2. Demgegenüber meint Schätzle 24 , daß allein die große Unternehmung weitreichende Innovation betreiben kann, weil nur sie die finanzielle und marktmäßige Absicherung als Voraussetzung für solche Innovationen bieten kann. 3. Kieser schließt daraus, daß Oligopole, in denen große Unternehmungen auftreten, ideale Voraussetzungen für die Innovation bieten, was insbesondere auf den Konkurrenzdruck und eine daraus resultierende hohe Innovationsrate zurückzuführen ist.

Die empirischen Untersuchungen, vor allem von Brockhofls, haben gezeigt, daß das Wachstum der großen Unternehmungen vor allem durch Innovation erklärt werden kann (Automobilindustrie 1950-1962). Um die Hypothese zu überprüfen, ob derartiges Wachstum ad infinitum erwartet werden dürfe, hat Kieser 26 mit Simulationsstudien die Plausibilität dieser Hypothese verstärkt aber auch gezeigt, daß für bestimmte Märkte dennoch Grenzen exisiteren. In diesem Zusammenhang ist es u. E. wesentlich zwischen "Invention", d. h. der Erfindung im ursprünglichen Sinne und relativer Innovation zu unterscheiden. Vor allem letztere bietet Gelegenheit zu einer Art "Kometenschweif-Effekt". Wir verstehen daruntc~r die von einer ursprünglichen Invention ausgehende Effekte, die vor allen Dingen die Innovation kleinerer und mittlerer Unternehmungen begünstigen. Der Bereich der soft-ware Entwicklung ist hierzu ein Paradebeispiel. Bezüglich der Organisation kann in diesem Zusammenhang auf das am gestrigen Tag vorausgegangene Ref,erat von Herrn Kollegen Grochla verwiesen werden, in dem das WILSON-Dilemma besondere Aufmerksamkeit fand. Die neueste Untersuchung zu den Eigenschaften der Pionier-Unternehmung wurde in diesem Sommer von Cooper 27 vorgelegt. Geht man von der Hypothese aus, daß die Pionier-Unternehmung durch das erfolgreiche Angebot neuer Produ.kte charakterisiert wird, so ist die vorliegende Studie in besonderer Weise geeignet,einen Beitrag zu diesem Problem zu leisten. Cooper untersucht 105 Firmen und erfaßt damit 102 Produkterfolge und 93 Mißerfolge (Flops). In die Untersuchung gehen 77 erhobene Variable ein, die auf 18 Faktoren reduziert werden können, womit 71,3 % der Varianz erklärt wird. Diese 18 Faktoren sind gemäß ihrer relativen Bedeutung: 28 22 Vgl. Kieser, A., Produktinnovation, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, hrsg. v. Bruno Tietz, 1974,Sp.1733-1743 23 Vgl. Jewkes, j., Sawers, D., Stil/ermann, R., The Sources of Innovation, 1958 24 Vgl. Scbätzle, G., Forschung und Entwicklung als unternehmerische Aufgabe, 1965 25 Vgl. Brockboff, K, Unternehmenswachstum und Sortimentsänderungen, 1966 26 Vgl. Kieser, A., Unternehmenswachstum und Produktinnovation, 1970 27 Vgl. Co oper, R. G., The Dimensions of Industrial New Product Success and Failure, in: Journal of Marketing, Vol. 43 (ll979), S. 93-103 28 Co oper, R. G., a.a.O., S. 98, Table 3 (Die Prozentzahlen geben die erklärte Varianz an)

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1. Technical & Production, Synergy & Proficiency (28,8 %) 2. Marketing Knowledge And Proficiency (11,7 %) 3. Newness To The Firm (10,1 %) 4. Product Uniqueness/Superiority (9,0 %) 5. Market Competitiveness and Customer Satisfaction (6,7 %) 6. Marketing & Managerial Synergy (5,1 %) 7. Product Technical Complexity & Magnitude (4,4 %) 8. Market Need, Growth and Size (3,5 %) 9. Strength of Marketing Communications & Launch Effort (3,1 %) 10. Product Determinateness (2,8 %) 11. Production Start-Up Proficiency (2,5 %) 12. Product Uniqueness (First to Market) (2,2 %) 13. Existence of a Dominant Competitor/Customers Satisfied (2,1 %) 14. Market Dynamism (1,8 %) 15. Relative Price of Product (1,7 %) 16. Proficiency of Precommercialization Acitivites (1,6 %) 17. Product Customness (1,6 %) 18. Source of Idea/Investment Magnitude (1,4 %) Betrachtet man die Ergebnisse zunächst oberflächlich, so mag sich manchem erfahrenen Praktiker der Verdacht aufdrängen, daß man an Hand einer solchen Studie eigentlich nur längst bekanntes in anderer Form wiederfindet. Indessen darf nicht verkannt werden, daß es bei derartiger Forschung vor allem darum geht, bisher intuitiv wahrgenommenes auf einer breiteren Basis zu bestätigen, oder gegebenenfalls auch zu widerlegen. In diesem Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, daß bestimmte Faktoren als ohne Einfluß ermittelt werden konnten. So ist etwa der Faktor "First to Market" (Nr. 14) ohne jede Bedeutung. Dasselbe gilt für "Proficiency of Precommercialization Activities" (Nr. 16), "Product Customness" (Nr. 17), "Proficiency of Production start-up" (Nr. 11) und die bloße Existenz großer Konkurrenten (Nr. 13). Indessen decken sich diese Ergebnisse recht gut mit jenen, die z. B. Kienbaum und Dettmeringen 1976 auf der "PRO-IN" Veranstaltung in Düsseldorf vorgetragen haben. 29 Kienbaum nennt dort als Eigenschaften der "Nicht-Pionierunternehmung": 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Mangelnde Auseinandersetzung mit dem Umfeld, Mangelhaftes Instrumentarium zur Beurteilung der eigenen Lage, Mangelnde Definition des Unternehmungszieles, Mangelnde Innovationsquellen, Mangelnde Kenntnis der Methoden und Mangelnde Kenntnis systematischer Innovation.

3.4 Pionierunternehmung und Trading-up

Bei einem sehr vordergründigen Verständnis von Marktwirtschaft und der Rolle der Pionierunternehmung könnte der Eindruck entstehen, eine ihrer Hauptaufgaben bestünde 29 Vgl. Zoufall, G., "Pro-In '76": Produktinnovation erfordert Beständigkeit und Methodik in: Rationalisierung, 27. Jg. (1976), S. 92-93, hier S. 93 '

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darin, durch Verbilligung von Produktionsmöglichkeiten aus den Luxusgütern der Vergangenheit die Massengüter der Zukunft zu gestalten. Dies war und ist sicher eine wesentliche Determinante der Pionierunternehmung. Es ist aber nicht zu übersehen, dag in der marktwirtschaftlichen Organisation gerade diese Aufgabe immer stärker von den sog. typischen industriellen Imitationsstandorten wahrgenommen wird, worauf Fels 30 insbesondere hingewiesen hat. Solche typischen Imitationsstandorte liegen in Ostasien, Brasilien aber auch in Ländern um das Mittelmeer. Auf die Notwendigkeit einer stärkeren Betonung des Trading-up im Rollenverständnis der Pionierunternehmung hat seitens des RKW vor allem Riihle von Lilienstern 31 hingewiesen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dag hier ein Konflikt zwischen den Tarifpartnern nicht zu bestehen scheint. Auch von Seiten der IG-Metall wurde auf diese Problemstruktur aufmerksam gamacht. Dies ist aus gewerkschaftlicher Sicht in besonderer Weise verständlich, weil die gelegentlich auftauchende Illusion von einer Beschränkung auf Blau-Pausen Export nur bedingt geeignet ist, Arbeitsplätze in diesem Lande zu sichern. In diesem Zusammenhang deutet sich aber auch an, dag im Hinblick auf das Marketing-Denken ein stärkeres Orientieren an den vorhandenen Produktionspotentialen die zukünftige Entwicklung entscheidend bestimmen dürfte.

3.5 Rentabilitiit und externe Kosten In der Zeit des vor allem "beschwerdefreien Wachstums" haben Probleme sog. externer Kosten eine untergeordnete Rolle gespielt. In den späten sechziger Jahren, vor allem aber in diesem Jahrzehnt, schlug das Pendel nach der anderen Seite aus und vielfach entsteht der Eindruck, dag die einstige Wissenschaftsgläubigkeit in ihr Gegenteil umzuschlagen droht. Cooley, Chefkonstrukteur eines grogen englischen Unternehmens, hat wohl mit typisch englischem Humor darauf hingewiesen, dag man sicher nicht davon ausgehen dürfe, dag bei der Automobilproduktion auf die Karosserien der Rost vorher aufgespritzt würde, dag Groganlagen nicht primär zur Flugverschmutzung gebaut werden und dag die Konzeption von Verpackungen nicht speziell im Hinblick auf eine Vergrögerung von Müllhalden erfolgt. 32 In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse von Mansfield und Rapoport 33 interessant, die für die USA ermitteln, dag bei der Neuproduktentwicklung die private Rentabilität 25 % und demgegenüber die soziale Rentabilität 50 % betrage. Unabhängig von der methodischen Problematik solcher Kennzahlen bleibt für unser Land immerhin anzumerken, dag es zwar an laut gewordenen Protesten bezüglich der Fehlentwicklung nicht gefehlt hat, indessen fehlt es bisher an vergleichbaren Untersuchungen vom MANSFIELDschen Typ. 30 Vgl. Fels, G., Innovationen und internationale Wettbewerbsfähigkeit, in: Rationalisierung, 27. Jg. (1976), S. 184-189 31 Vgl. Rüble von Lilie"stern, H., Von der Verteidigungs- zur Vorwärtsstrategie, in: Rationalisierung heute, hrsg. v. Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft (RKW) e.V., 1978 32 Vgl. Cooley, M., Entwurf, Technologie und Produktion für gesellschaftliche Bedürfnisse, in: Wechselwirkung, 1. Jg. (0/1979), S. 21-27, hier: S. 22 33 Vgl. Mansfield, E., Papoport, J., The Costs of Industrial Product Innovation, in: Management Science (Appl.), Vol. 21 (1975),S. 1380-1386

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Manche Diskussion könnte damit in emotionsfreiere Bahnen gelenkt werden. Dies scheint im Hinblick auf eine Verbesserung des sozialen Innovationsklimas in der Wirtschaft nicht unbedingt unerwünscht.

4. Produktionsinnovation als Informationsproduktion und die Produktionsverfahren Vor dem zweiten Weltkrieg hat es kaum nennenswerte Versuche gegeben, große kommerzielle Institutionen aufzubauen, deren Ziel primär die Produktion von Innovationen war. Das Großlabor der chemischen Industrie kommt dieser Entwicklungsstufe noch am nächsten. Erst in den siebziger Jahren verstärkt sich auch bei uns die Tendenz, die Innovation funktional als einen Prozeß aufzufassen. Dies kann aber heißen, daß dann auch InputOutput-Relationen strukturiert werden müssen. 34 Das Ergebnis, der Output, ist das akzeptierte realisierungsfähige Produkt als Innovation. Bei einer derartigen Sichtweise des Phänomens drängt sich naturgemäß die Frage nach den dafür geeigneten Produktionsverfahren auf. 4.1 Forschung als Geschaft Die weltweit herausragenden Beispiele solcher primär auf Innovation angelegter Organisationen bzw. Institutionen waren im Anfangsstadium die Tennessee Valley Authority (Konjunkturbelebung), die Organisation des Manhattan Projektes (Atombombe) und die Organisation des bemannten Weltraumfluges (NASA). Von dort war es aber noch ein weiter Weg bis zu jener Entwicklung, der in Amerika heute eine Vielzahl von Unternehmungen verpflichtet ist, nämlich Forschung als Geschäft zu betreiben und sei es, daß dies nur unter Zurückdrängung des Gewinnstrebens geschieht, wie etwa beim Batelle-Institut. Eine gewisse ältere Analogie finden wir bei den Marktforschungsunternehmungen, aber auch gelegentlich bei Beratungsunternehmungen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß die Käufer solcher Informationen zur Beurteilung der Sensorität der Ergebnisse über Informationen verfügen müssen, wie sie insbesondere auch die moderne Wissenschaftstheorie liefert, die damit ihre vermeintlich anhaftende Esoterik verliert und zu einer eminent praxisbedeutsamen Disziplin wird. Müssen doch die Produktionsverfahren der Innovation irgendwelche wenn-dann-Beziehungen enthalten, die der Bewährungsprüfung im Sinne Poppers auszusetzen sind. Wir wollen in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen, der dem Verständnis der Entwicklungsstufe, auf der wir uns befinden, dienlich sein könnte. Trotz der R