Napoléon Bonaparte oder der entfesselte Prometheus: Napoléon Bonaparte ou Prométhée déchaîné
 9783737003674, 9783847103677, 9783847003670

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Deutschland und Frankreich im wissenschaftlichen Dialog Le dialogue scientifique franco-allemand

Band / Volume 5

Herausgegeben von Willi Jung, FranÅoise R¦tif und Catherine Robert Collection dirig¦e par Willi Jung, FranÅoise R¦tif et Catherine Robert

Willi Jung (Hg.)

Napol¦on Bonaparte oder der entfesselte Prometheus Napol¦on Bonaparte ou Prom¦th¦e d¦cha„n¦

Mit 10 Abbbildungen

V& R unipress Bonn University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0367-7 ISBN 978-3-8470-0367-0 (E-Book) Veröffentlichungen der Bonn University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt in Zusammenarbeit mit dem Büro für Hochschulkooperation der französischen Botschaft (Nordrhein-Westfalen und Hessen). Ó 2015, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Reiterbildnis des Kaisers Napoleon I. (1807/08) der Maler Heinrich und Ferdinand Olivier. Mit freundlicher Genehmigung der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Avant-propos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Geschichte und Politik – Histoire et politique Jacques-Olivier Boudon (Paris) Napol¦on et l’Europe. La formation du systÀme continental et l’¦mergence de l’id¦e f¦d¦rative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Guido Braun (Bonn) Zwischen Tradition und Innovation. Napoleons Kaiserkrönung 1804 . . .

39

Gabriele B. Clemens (Saarbrücken) Verwaltungseliten und die napoleonische Amalgampolitik in den linksrheinischen Departements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Literatur und Mythos – Littérature et mythe Fabienne Bercegol (Toulouse) Un mythe romantique : Napol¦on dans les M¦moires d’outre-tombe de Chateaubriand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philippe Berthier (Paris) Stendhal entre Bonaparte et Napol¦on

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Barbara Beßlich (Heidelberg) Zwischen Abwehr und Anverwandlung. Der deutsche Napoleon-Mythos im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Inhalt

Hermann Krüssel (Aachen) Napoleon Bonaparte und das Rheinland in lateinischen Dichtungen von 1802 bis 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

III. Kultur – Culture Jean-FranÅois Bazin (Gevrey-Chambertin) Napol¦on et son vin : le choix du Chambertin . . . . . . . . . . . . . . . 185 David Chaillou (Arras) Musiques et musiciens europ¦ens dans le Paris de Napol¦on Ier . . . . . . 197 Barbara Dölemeyer (Frankfurt am Main) »…was ewig bleiben wird, das ist mein Code civil…« Napoleon als Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Autorinnen und Autoren des Bandes

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Avant-propos

Depuis plusieurs ann¦es d¦sormais, l’Institut franÅais Bonn organise en coop¦ration avec les Etudes franÅaises (Romanistik) de l’Universit¦ de Bonn un cycle annuel de conf¦rences prestigieuses consacr¦es — une th¦matique li¦e — la France. De 2008 — 2012 j’ai eu la joie de diriger l’Institut et de concevoir ces cycles de conf¦rences avec Willi Jung, partenaire et interlocuteur privil¦gi¦ de l’Institut — l’Universit¦. En 2007 – 2008, dans le cadre du programme de l’agr¦gation d’allemand, j’avais enseign¦ — l’Universit¦ Paris-Sorbonne les » mutations politiques, sociales, ¦conomiques et culturelles dans les pays de langue allemande entre 1789 et 1815 « – programme donc plac¦ pour partie sous le signe de Napol¦on. Peu de temps aprÀs, au cours du semestre d’hiver 2010, la figure historique et mythique s’imposa pour moi cette fois au cœur de l’Institut. En effet la Kunst – und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland accueillit alors une grande exposition, » Napoleon und Europa – Traum und Trauma «, portant sur l’onde de choc que constitua le ph¦nomÀne Napol¦on un regard historiographique assez neuf se voulant nettement europ¦en. Le choix th¦matique de notre cycle de conf¦rences 2010 – 2011 s’imposa alors comme une ¦vidence et avec Willi Jung nous l’¦labor–mes comme un programme accompagnant cette exposition qui devait d’ailleurs franchir le Rhin en 2013 et Þtre pr¦sent¦e au Mus¦e de l’Arm¦e — Paris. Alors que la derniÀre exposition consacr¦e — Napol¦on en France remontait — 1969, ann¦e du bicentenaire de sa naissance, dans un jeu de miroir franco-allemand, l’exposition — Bonn rendait en quelque sorte l’exposition — Paris possible. Il ¦tait clair pour nous d’embl¦e que si l’impulsion du cycle devait Þtre donn¦e par des conf¦rences d’historiens, la figure napol¦onienne devait ¦galement Þtre abord¦e par d’autres disciplines. Nous avons donc choisi une approche r¦solument pluridisciplinaire, faisant affleurer aussi le mythe litt¦raire, jetant un ¦clairage sur la scÀne musicale et l’instrument politique qu’elle repr¦senta pour Napol¦on ou bien encore explicitant le lien entre Napol¦on et le Chambertin !

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Avant-propos

Napol¦on fut donc, pour notre plus grand plaisir, pendant un semestre au centre de de la programmation de l’Institut franÅais. Que Willi Jung avec qui j’ai organis¦ ce cycle et le personnel de l’Institut, notamment Miriam Franke et FranÅois Favre soient ici remerci¦s. Catherine Robert Ma„tre de conf¦rences, Universit¦ Paris-Sorbonne Attach¦e de Coop¦ration Universitaire pour le Royaume-Uni, Londres

Einleitung »Zwar werden sie selbst wieder herabgedrängt, aber die Kraft der englischen Armee ist im Erlöschen, die Faust, die jene Hügel umkrallt, beginnt sich zu lockern. Und wie nun die dezimierte französische Kavallerie vor den Geschützen zurückweicht, rückt die letzte Reserve Napoleons, die alte Garde, schwer und langsamen Schrittes heran, um den Hügel zu stürmen, dessen Besitz das Schicksal Europas verbürgt.« Aus: Stefan Zweig, »Die Weltminute von Waterloo. Napoleon, 18. Juni 1815«, in: Sternstunden der Menschheit: Zwölf historische Miniaturen. S. Fischer, Frankfurt/M 1962, S. 118.

Am 18. Juni 2015 jährt sich zum 200. Male die Schlacht von Waterloo, die das Ende der napoleonischen Herrschaft in Europa besiegelte und zur endgültigen Verbannung des Kaisers nach St. Helena führte. In seiner Novelle »Die Weltminute von Waterloo« hat Stefan Zweig dieses Ereignis extrem verdichtet in einer literarischen Novelle gestaltet, er ist aber nicht der einzige, zahlreiche Schriftsteller gingen ihm auf diesem Terrain voran oder folgten ihm nach. Waterloo bedeutete aber nicht nur das Ende, das Zitat des Münchener Historikers Thomas Nipperdey »Am Anfang war Napoleon« unterstreicht einmal mehr auch die positiven Folgen der napoleonischen Herrschaft für Deutschland und Europa. Die Gedenkfeiern im Jahre 2015 werden sicherlich die komplexen negativen und positiven Aspekte der napoleonischen Zeit in Erinnerung rufen und damit auch anschließen an die große Ausstellung unter dem Titel »Napoleon und Europa. Traum und Trauma«, die von Dezember 2010 bis April 2011 in Bonn in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat. Bonn zählt aus vielerlei Gründen zu den deutsch-französischen Erinnerungsorten par excellence. Als im Zuge der französischen Revolution die linksrheinischen Territorien, u. a. das D¦partement Rhin et Moselle, an Frankreich angegliedert wurden, blieb Bonn bis 1815 unter französischer Herrschaft, nach dem Wiener Kongress gehörten die Stadt und das Rheinland zur preußischen Rheinprovinz. Auch daran wird im Jahre 2015 erinnert werden. Die für das Rheinland hoch bedeutsame Geschichte der »Franzosenzeit« (1794 – 1813/14) und ihre Wirkungsgeschichte bis heute ist 2012 in dem von Jürgen Wilhelm herausgegebenen Sammelband Napoleon am Rhein1 mit sieben einschlägigen Beiträgen eindrucksvoll dokumentiert und analysiert worden. Nach dem Ende der verheerenden Kriege im 20. Jahrhundert ist die neue Politik der deutschfranzösischen Versöhnung und Freundschaft für immer untrennbar mit Bonn und den Namen Konrad Adenauers und Charles de Gaulles verknüpft. 1 Jürgen Wilhelm, Napoleon am Rhein. Wirkung und Erinnerung einer Epoche. Greven, Köln 2012

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Einleitung

Der vorliegende Sammelband unter dem Titel Napoleon oder der entfesselte Prometheus geht auf eine Ringvorlesung zurück, die im Wintersemester 2010/11 von der damaligen Leiterin des Institut franÅais Bonn, Catherine Robert, und mir durchgeführt wurde. Sie war Teil des Begleitprogramms der bereits erwähnten großen Napoleon-Ausstellung in Bonn. In der Ausgabe von LE MONDE vom 25. 12. 2010 konnte man unter dem Titel »Bonn s’attaque aux multiples visages de Napol¦on« lesen: Le g¦n¦ral Robert Bresse, directeur du Mus¦e de l’arm¦e aux Invalides, — Paris, le reconna„t : une exposition comme celle qui vient de s’ouvrir — Bonn, en Allemagne, est impossible — concevoir en France. «On n’est pas encore capable de promener un regard objectif sur cet homme», constate ce parachutiste. La preuve : la derniÀre grande exposition en France sur Napol¦on Bonaparte remonte — 1969, bicentenaire de sa naissance.

Der vom Herausgeber gewählte Titel des Sammelbandes geht auf ein einschlägiges Kapitel in Hans Blumenbergs Werk Arbeit am Mythos (1979) zurück, »Prometheus wird Napoleon, Napoleon Prometheus«.2 Blumenberg geht eingangs auf ein Zitat Nietzsches ein, in dem es um Goethes Verhältnis zu Napoleon geht. Weder die Freiheitskriege noch die französische Revolution – das Ereignis, um dessentwillen er seinen Faust, ja das ganze Problem ›Mensch‹ umgedacht hat, war das Erscheinen Napoleons.3 Blumenbergs Arbeit am Mythos konzentriert sich auf Variationen des Mythos, Mythen als Denkformen und Welterklärungen. Noch für die Aufklärung waren Mythen gleichbedeutend mit Ammenmärchen. Das Prometheus-Mythologem ist für Blumenberg nicht mehr ein Element in der Klasse der Mythen, sondern der eine Mythos vom Ende aller Mythen. Für Goethe »ist die Einmaligkeit der dämonischen Figur noch nicht angetastet, auch nicht durch die Projektion des alten Titanen. Denn Napoleons Konvergenz mit Prometheus ist die mit einer dem Mythos ästhetisch und biographisch schon entrissenen Figur. Sie selbst zu sein, musste Goethe zuvor resigniert haben«.4 Goethe und Napoleon sind sich im Oktober des Jahres 1808 auf dem Fürstentag in Erfurt begegnet, eine historische Begegnung, die Gustav Seibt5 minutiös dargestellt und in den Zusammenhang der Zeit eingeordnet hat. Napoleons Bemerkung »Vous Þtes un homme« bleibt ebenso unvergessen wie die Tatsache, dass Goethe auch nach dem Sturz Napoleons den ihm verliehenen Orden der Ehrenlegion auch weiterhin mit Stolz getragen hat. Zum Prometheus-Mythos sollten an dieser Stelle noch einige Worte hinzugefügt werden. Prometheus ist in der griechischen Mythologie der Freund und 2 3 4 5

Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos. Suhrkamp, Frankfurt/M 1979, S.504 – 566. Op.cit. S.504. Op.cit., S.566. Gustav Seibt, Goethe und Napoleon. Eine historische Begegnung. dtv, München 2010 (12008).

Einleitung

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Kulturstifter der Menschheit, den Menschen brachte er u. a. das Feuer, bis heute ist der Prometheus-Mythos daher mit dem technologischen Fortschritt des Menschen verknüpft. Schon die Generation der Romantiker sah in Napoleon eine moderne Variation des antiken Prometheus-Mythos. Zeus, der Tyrann im Olymp, wusste nichts von Dankbarkeit, denn Prometheus hat ihm geholfen, seinen Vater Kronos zu stürzen. Aber Prometheus wird an einen KaukasusFelsen geschmiedet. Und Tag für Tag hackt ihm ein Adler die Leber heraus, die aber über Nacht wieder nachwächst. Das Martyrium ist ein ewiges.6 Napoleon scheint, nach einer Phase der Entfesselung, auf der Insel St. Helena im Exil wie Prometheus wieder an seinen Felsen gefesselt zu sein. Die mythische Wahrnehmung Napoleons hatte die Generation der Romantiker in der Tat beflügelt, die den Grundstein zum modernen Napoleon-Mythos gelegt haben. Die Begeisterung gipfelte in der Überführung der sterblichen Überreste Napoleons von St. Helena in den Pariser Invalidendom im Dezember 1840. Aber auch schon sein Todestag am 5. Mai 1821 war bereits Anlass für eine literarische Mystifizierung des Kaisers. Heute gilt uns der entfesselte Prometheus wie gesagt als Mythos des Fortschritts, auch und vor allem des nicht mehr beherrschbaren Fortschritts. Wenn man sich allerdings nur auf den positiven Fortschrittsaspekt bezieht, dann ist der Mythendeutung des Historikers Nipperdey, mit gewissen Einschränkungen, versteht sich, beizupflichten. In dieser Einleitung muss natürlich auch die Abbildung auf dem Einband kurz erläutert werden. Sie zeigt das Reiterbildnis des Kaisers Napoleon I. (1807/ 08) der Maler Heinrich und Ferdinand Olivier. Der Kulturstiftung DessauWörlitz danke ich an dieser Stelle sehr nachdrücklich, sie hat mir großzügiger Weise die Abdruckrechte für dieses Gemälde gewährt. Man sieht den Kaiser zu Pferde, nicht nach vorne, sondern seitwärts blickend, auf einem weißen Schimmel auf einer roten Pferdedecke mit goldenen Fransen sitzend, mit der rechten Hand zur Seite weisend. Es scheint, als reite er der Sonne entgegen, gen Osten, durch deutsche Lande, und das ganze Gemälde erinnert teilweise an deutsche Landschaftsbilder des 16. Jahrhunderts. Dem Kaiser folgen die Truppen mit Musik und ihnen voran schreiten die Offiziere. B¦n¦dicte Savoy schreibt hierzu im Ausstellungskatalog: »Hier reitet ein Motivbild, eine Heiligenfigur vorbei, ein Heiliger Georg ohne Drachen. Oder ist Napoleon selbst der Drache?«7 Das Gemälde wurde vom Herzog von Anhalt-Dessau in Auftrag gegeben und 1808 in Paris gemalt, nach Savoy ist es eine Kompilation und Transformation 6 Wolfgang Storch, Burghard Damerau (Hrsg.): Mythos Prometheus. Texte von Hesiod bis Ren¦ Char (= Reclams Universal-Bibliothek. 1528). 1. Auflage. Reclam, Leipzig 1995; Claus Leggewie, Ursula Renner, Peter Risthaus (Hrsg.): Prometheische Kultur. Wo kommen unsere Energien her? Wilhelm Fink, München 2013. 7 Napoleon und Europa. Traum und Trauma. Ausstellungskatalog, Bundeskunsthalle Bonn. Prestel, München/Berlin/London/New York 2010, S.171.

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Einleitung

bereits existierender Vorlagen. So seien die Gesichtszüge nach Robert LefÀvres Napoleon-Porträt (1805), die Landschaft nach Altdorfers Alexanderschlacht und die militärische Szenerie nach der Schlacht bei den Pyramiden von LouisFranÅois Lejeune (1806) künstlerisch gestaltet. Da es zu Lebzeiten Napoleons nur insgesamt vier Reiter-Bildnisse gab, kann man mit Fug und Recht diesem weniger martialischen, sondern eher naiv-sentimentalischen Napoleon-Porträt eine besondere kulturhistorische und auch politische Dimension beimessen, wenn nicht gar von einer Verklärung des Kaisers sprechen. Die in diesem Band vereinigten Aufsätze gehen teilweise auf Vorträge im Rahmen der bereits erwähnten Ringvorlesung zurück, einige wurden eigens für diesen Band verfasst. Bei den Autorinnen und Autoren handelt es sich um ausgezeichnete Kenner der napoleonischen Ära, sie sind durch einschlägige Publikationen zu den jeweiligen Themenbereichen breit ausgewiesen. Die Beiträge wurden in drei Sektionen unterteilt, die zugleich die thematischen Schwerpunkte des Sammelbandes abbilden. Sektion I behandelt unter der Überschrift GESCHICHTE UND POLITIK – HISTOIRE ET POLITIQUE historisch-politische Themenkomplexe, die Verfasser sind renommierte Historiker und Napoleon-Experten. Jacques-Olivier Boudon befaßt sich mit dem Verhältnis Napoleons zu Europa und analysiert die Bildung eines kontinentalen Systems unter französischer Vorherrschaft. Er situiert Napoleons Europavorstellungen zwischen Europakonzepten des 18. Jahrhunderts und der europäischen Einigungsbewegung im 20. Jahrhundert. Guido Braun zeigt am Beispiel von Napoleons Kaiserkrönung von 1804 dessen Einordnung zwischen Tradition und Innovation. Für seine Bewunderer habe dieser Krönung, so Braun, nicht die gleiche symbolische Kraft angehaftet, wie sie die Salbungen des 16. Jahrhunderts in den zeitgenössischen Chroniken deutlich werden ließen. Den Oppositionellen sei die innere Widersprüchlichkeit des usurpatorischen Regimes vor Augen geführt worden, denn Napoleon sei fast mit einem Monarchen des 18. Jahrhunderts vergleichbar gewesen, der die in Europa von der Französischen Revolution verursachten Transformationen nicht akzeptiert habe. Gabriele Clemens setzt sich mit den Verwaltungseliten und der napoleonischen Amalgampolitik in den vier linksrheinischen Departements auseinander. Sie betont, dass nach 1813 eine Wiederherstellung der Zustände des Ancien R¦gime in diesen und auch anderen von Napoleon okkupierten Gebieten nicht mehr möglich war. Die nachfolgenden Herrscher mussten sich mit den unter Napoleon gesetzten Verfassungsstandards und dem sich in der Zwischenzeit herausgebildeten Staats- und Rechtsbewusstsein auseinandersetzen. Und gerade die Beamten sahen sich nach zweimaligem Herrschaftswechsel binnen weniger Jahren als diejenigen Experten, die das Staatsschiff auf Kurs hielten. Die napoleonischen Jahre verschafften ihnen ein Expertenwissen, von dem sie auch in der Zukunft profitierten.

Einleitung

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Sektion II beschäftigt sich mit LITERATUR UND MYTHOS – LITTERATURE ET MYTHE, die vier Beiträge stammen aus der Feder von angesehenen deutschen und französischen Literaturwissenschaftlern. Fabienne Bercegol beleuchtet den romantischen Napoleon-Mythos in den M¦moires d’outre-tombe von Chateaubriand. Chateaubriand ist ein Zeitgenosse Kaiser Napoleons, in seine M¦moires d’outre-tombe hat er eine Napoleon-Biographie eingearbeitet, in der er meisterhaft alle Motive zusammenführt, die aus Napoleon die zentrale Gestalt der romantischen Vorstellungswelt machen. Er läßt keinen Aspekt aus, von der mythischen Verkörperung des Emporkömmlings bis zu denen des Gesetzgebers und Exilanten, des Mannes, der fasziniert und in Angst und Schrecken versetzt, oder der ratlos macht durch seine Theatralik und seinen Zynismus. Philippe Berthier beleuchtet die Positionierung des großen französischen Realisten Stendhal im Spannungsfeld der Entwicklung des Kaisers. Napoleon verkörpert für ihn auf tragische Weise eine Rückkehr zu monarchischen Strukturen, während er doch selbst für einen permanenten Neubeginn stehen wollte. Stendhal sieht in ihm, und dies mit der Begrifflichkeit Chateaubriands, weniger einen Zerstörer der Unabhängigkeit als den Vater der Emanzipation. Barbara Beßlich verfolgt die Spuren des Napoleon-Mythos in Deutschland, speziell in der deutschen Literatur. So nannte ihn Heinrich Heine den »weltlichen Heiland«, Goethe pries ihn als »Kompendium der Welt«. Friedrich Hebbel begegnete ihm oft im Traum als sein Kammerdiener und Friedrich Nietzsche sah in ihm die »Synthesis von Unmensch und Übermensch.« In der deutschen Nachkriegsliteratur identifiziert Beßlich das Bemühen, Napoleon aus seinem nationalen Sonderstatus, der ihm Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland zugedacht worden war, zu lösen, Napoleon zu ›normalisieren‹. Hermann Krüssel betritt eine philologische terra incognita und konfrontiert den Leser mit einem bisher überwiegend unbekannten und wenig erschlossenen Gebiet, Napoleon und das Rheinland in den lateinischen Dichtungen von 1801 bis 1840. Im Mittelpunkt steht dabei die Stadt Aachen, die dank Napoleon wieder eine Bedeutung erlangt hatte, als Präfektursitz des RoerD¦partements und erstmals als Bischofssitz. Die lateinischen Gedichte sind Ausweis des auf Napoleon Bonaparte bezogenen Karlskults in dem behandelten Zeitraum. Die Sektion III versammelt unter der Überschrift KULTUR – CULTURE drei außergewöhnliche Beiträge zu Wein, Musik und Recht bei Napoleon. JeanFranÅois Bazin erläutert vor dem Hintergrund der Biographie Napoleons dessen Vorliebe für die Weine des Burgund, speziell den Chambertin. In seiner Jugend hielt sich Napoleon – im Rahmen seiner Militärlaufbahn – in Burgund (Autun, Auxonne) auf. Für ihn war der Wein eine konstante, tägliche und erholsame Verbindung mit dem Leben, außer im Exil auf St. Helena; mit dem Wein sind seine Kindheits- und Jugenderinnerungen eng verknüpft. David Chaillou führt

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Einleitung

uns in das Musikleben in Paris zur Zeit Napoleons. Dieses Musikleben war weltoffen, unterschiedliche Einflüsse sind erkennbar, die italienische, deutsche und französische Musik sind aber dominant. Chaillou führt uns ein in die Musikdebatten und Musikästhetik der Zeit, die für die spätere Entwicklung der Komponisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägend waren, zumal Persönlichkeiten wie Cherubini und der Lehrer von Berlioz, Reicha, einflussreiche Musiklehrer am Pariser Konservatorium waren. Beethovens 1. Symphonie wird übrigens schon 1807 am Konservatorium aufgeführt. Etwa 40 Werke von Beethoven enthält schon der Pariser Beethoven-Katalog von 1810. In den Konzertprogrammen rangiert Beethoven jedoch hinter Haydn und Mozart. Barbara Dölemeyer beschließt den Band mit einem Beitrag über Napoleon als Gesetzgeber. Napoleon selbst sagte: » … was ewig bleiben wird, das ist mein Code civil…«, und erkannte damit bereits selbst das vor allem Bleibende seiner Herrschaft. Die »cinq codes«, d. h. die fünf Gesetzbücher für Zivil-, Straf- und Handelsrecht und die beiden Prozessordnungen, die in den Jahren 1804 bis 1810 publiziert wurden, stellen einen Ausgleich zwischen überliefertem französischem Recht und den Ideen des vernunftgeprägten Naturrechts sowie der Revolution dar. Dölemeyer unterstreicht die kulturprägende Wirkung des napoleonischen Rechts im beginnenden 19. Jahrhundert. Der vorliegende Napoleon-Band ist interdisziplinär ausgerichtet, um die multiplen Facetten dieser für das 18. und 19. Jahrhundert dominanten Herrschergestalt zu erfassen und in ihrer Wirkung auf Politik, Geschichte, Literatur, Önologie, Musik und Recht auszuleuchten. Es sind Schlaglichter auf eine bis heute kontrovers diskutierte Herrschergestalt. Napoleon hat am Ende auch die europäische Einigungsgeschichte stärker inspiriert als zeitweise angenommen und strukturelle Grundlagen der künftigen Identität Europas geschaffen. Dass Europa unter Führung einer Nation scheitern musste, lehrt die Geschichte. Die nationalen Erhebungen gegen Napoleon wurden Grundlage der Entstehung vieler europäischer Nationen. Auch die Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich (1813 – 1815) jähren sich zum 200. Mal. So geht Alexandra Bleyer beispielsweise in ihrem rezenten Werk dem Mythos Volkskriege nach und geht auf den spanischen Unabhängigkeitskrieg, den österreichischen Nationalkrieg, den vaterländischen Krieg Russlands sowie die deutschen Befreiungskriege ein.8 Die antinapoleonischen Kriege wurden als ›Volks- und Meinungskriege‹ geplant und geführt, den übermächtigen Gegner galt es, mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: Nationalkrieg und Propaganda. Sie geht vor allem der provokanten Frage nach: Wie viel Volk steckte in den

8 Bleyer, Alexandra, Auf gegen Napoleon! Mythos Volkskriege. WBG, Darmstadt 2013.

Einleitung

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Volkskriegen? Auch Arnulf Krause9 widmet sich jüngst diesen napoleonischen Befreiungskriegen, in denen Freiheit und Einheit zu Schlüsselbegriffen der deutschen Geschichte wurden. Die Freiheit ging 1933 ganz Deutschland verloren und wurde für die gesamte Nation erst wieder 1989/90 erreicht. Die Grundlagen der heutigen deutschen Nation wurden jedoch hier gelegt. Die Epoche Napoleons hat zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Begriff der Nation, aber glücklicherweise auch darüber hinaus zu einer intensiven Reflexion der europäischen Einigung und Integration geführt. Einer der großen Literaten und Intellektuellen des 19. Jahrhunderts, Victor Hugo, hatte in seinen Reden und in Le Rhin der Europa-Idee bereits das Wort geredet und sich für die »Vereinigten Staaten von Europa« begeistert. Für ihn konnte die europäische Integration nur die logische Schlussfolgerung aus den historischen Erfahrungen des europäischen Kontinents sein. Seine Eröffnungsrede zum Pariser Friedenskongress am 21. August 1849 ist nicht nur ein engagiertes Plädoyer für die Vereinigten Staaten von Europa, sondern zugleich Ausweis seiner zutiefst europäischen Gesinnung. Das Werk von Karl dem Großen und Napoleon ohne kriegerische, sondern nur mit friedlichen Mitteln auf einer neuen Grundlage fortzusetzen, darin sah er 1849 bereits die Hauptaufgabe europäischer Politik. Die Einführung soll schließen mit einem Wort des Dankes an all jene, ohne die dieser Sammelband nicht entstanden wäre. Zunächst möchte ich Catherine Robert danken, die die Vortragsreihe in Bonn mit mir zusammen organisiert hat. Ganz besonders danken möchte ich den Autorinnen und Autoren, die sich immer kooperativ und engagiert gezeigt und wissenschaftliche Beiträge von hoher Qualität eingereicht haben. Hervorzuheben ist am Ende auch die hervorragende Zusammenarbeit mit dem Verlag, und hier vor allem mit Frau Ruth Vachek, Anke Moseberg und Mitarbeiterinnen, die auf so kompetente und angenehme Weise das Buchprojekt von Anfang an gefördert und unterstützt haben. Willi Jung

9 Arnulf Krause, Der Kampf um Freiheit. Die Napoleonischen Befreiungskriege in Deutschland. WBG, Darmstadt 2013.

I. Geschichte und Politik – Histoire et politique

Jacques-Olivier Boudon (Paris)

Napoléon et l’Europe. La formation du système continental et l’émergence de l’idée fédérative

La domination de Napol¦on sur l’Europe qui ne cesse de cro„tre au fil des conquÞtes a conduit — s’interroger sur les motifs qui guidaient sa politique expansionniste, d’autant mieux que celle-ci ne semblait pas r¦pondre — un plan pr¦cis d’annexions. Napol¦on lui-mÞme a quelque peu brouill¦ les pistes, en se pr¦sentant — Sainte-H¦lÀne comme favorable — l’unit¦ europ¦enne. Mais s’il s’engage dans cette voie, ce n’est pas le fruit du hasard. Enfant des LumiÀres, il a eu vent des projets de paix universelle qui envisageaient la formation d’une Europe unie. Il sera ¦videmment int¦ressant de faire la part des choses pour tenter de comprendre de quelle maniÀre, avant Sainte-H¦lÀne, Napol¦on avait eu une vision europ¦enne. Ce thÀme a fortement marqu¦ les esprits. Depuis sa mort, cette dimension r¦currente de son œuvre est mise en valeur. Ainsi, dÀs 1826, Alexandre Doin dans un ouvrage intitul¦ Napol¦on et l’Europe, montre que Napol¦on avait les armes pour parachever l’unit¦ europ¦enne : »Quelles que fussent les id¦es de Napol¦on, il ¦tait — la tÞte du siÀcle et marchait avec l’Europe nouvelle contre l’Europe ancienne1«. Doin oppose en fait l’Europe des peuples — l’Europe des rois, mais reproche — Napol¦on d’avoir abandonn¦ les peuples pour se rapprocher des rois, ce qui causa, — ses yeux, sa perte. »Du moment que Napol¦on r¦tablit les distinctions nobiliaires, la grande r¦formation politique de l’Europe devint impossible. Napol¦on marchant dans le sens des rois, la guerre ne pouvait avoir d’autre r¦sultat que quelque d¦possession, quelque changement de dynastie2«. Cette analyse montre l’ambivalence de la politique de Napol¦on, qui ne sut jamais suivre une ligne continue dans sa politique europ¦enne. Mais il est vrai aussi qu’il dut tenir compte d’un contexte en constante ¦volution. Napol¦on a-til eu une vision europ¦enne, au-del— de sa soif d’expansion ? Certes, il faut se garder de tout anachronisme et de toute vision t¦l¦ologique de l’histoire. A cet 1 Alexandre Doin : Napol¦on et l’Europe. Fragments historiques, 2 vol., Paris [Baudouin FrÀres] 1826, p. 428 et 420.; Ibid., t. 2, p. 8 – 9. 2 Ibid., p. 30.

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Jacques-Olivier Boudon

¦gard, ne cherchons pas sous l’Empire un modÀle de la construction europ¦enne op¦r¦e au XXe siÀcle, mais en revanche on peut s’interroger sur l’¦volution de sa vision de l’Europe. N’est-elle pas le signe d’un esprit lui-mÞme en mutation, homme des LumiÀres, nourri de culture antique, qui s’ouvre, au contact des peuples, — la question des nationalit¦s ?

L’extension de l’Europe napoléonienne La construction de l’Europe napol¦onienne ne r¦pond donc pas — un plan uniforme, ¦tabli pr¦alablement et que Napol¦on aurait suivi — la lettre3. L’empereur s’adapte au gr¦ des conquÞtes. Il doit tout d’abord tenir compte de l’h¦ritage de la R¦volution. Celle-ci a ¦labor¦ la th¦orie des »frontiÀres naturelles«, d¦fendue par Danton devant l’Assembl¦e L¦gislative, en 1792 et que Napol¦on Bonaparte intÀgre dans un premier temps4. Elle conduit — d¦fendre la frontiÀre du Rhin, objet des d¦bats autour de la paix de Lun¦ville en 18015. Mais ce cadre des frontiÀres naturelles est trÀs vite d¦pass¦ lorsque le Premier consul intÀgre — la France le Pi¦mont, situ¦ de l’autre cút¦ des Alpes6. N¦anmoins les annexions restent pour l’heure limit¦es, Napol¦on Bonaparte pr¦f¦rant conserver, en l’adaptant, la formule des Etats satellites inaugur¦e par le Directoire. Car le Consulat h¦rite aussi d’une tradition de protection des »r¦publiques sœurs«, constitu¦es — la fin de la Convention et sous le Directoire, en Hollande, en Suisse et en Italie, avec une justification id¦ologique, fond¦e sur l’exportation par la France de ses id¦aux r¦volutionnaires vers des Etats plus ou moins mar3 Dans une ample bibliographie, voir notamment Jean Tulard : Le Grand Empire. Paris [Albin Michel] 1980, r¦¦d. 2010, et L’Europe de Napol¦on, Roanne, Horvath, 1989. ; Stuart Woolf : Napol¦on et la conquÞte de l’Europe. Paris [Flammarion] 1990, 398 p.. ; Michael Broers : Europe under Napoleon 1799 – 1815., Londres 1996. ; Philip Dwyer (dir.) : Napoleon and Europe. Londres [Longman] 2001, 328 p.. ; Geoffrey Ellis : The Napoleonic Empire., New York [Palgrave Macmillan] 2e ed., 2003, 166 p.. Et pour un bilan historiographique embrassant ces ¦tudes, R. S. Alexander : Napoleon. Londres [Arnold] 2001, 274 p., chap. 8, »Napoleon and Europe : conqueror or unifier ?«. Depuis sont encore parus la somme de Thierry Lentz, Nouvelle histoire du Premier Empire, Fayard, 4 vol.; Thierry Lentz (dir.) : Napol¦on et l’Europe, Paris [Fayard] 2004; Jean-Cl¦ment Martin (dir.) : Napol¦on et l’Europe. Rennes [Publications de l’Universit¦ de Rennes] 2002. 4 Jacques Godechot : La Grande Nation, L’expansion r¦volutionnaire de la France dans le monde de 1789 — 1799. Paris [Aubier, r¦¦d. 1983], 544 p. 5 Philippe Sagnac : Le Rhin franÅais, et pour replacer cette question dans un contexte plus g¦n¦ral.; Paul W. Schroeder : The Transformation of European Politics 1763 – 1848. Oxford [The Clarendon Press] 1994, 894 p. 6 Michael Broers : Napoleonic Imperialism and the Savoyard Monarchy 1773 – 1821. State Building in Piedmont. Lampeter [The Edwin Mellen Press] 1997, 582 p., p. 275 et suiv.; Josiane Bourguet-Rouvyere : »L’annexion du Pi¦mont — la France et la question de l’unit¦ italienne«, Revue de l’Institut Napol¦on, (2004/n8 188), p. 7 – 22.

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qu¦s par le despotisme7. A l’arriv¦e au pouvoir de Bonaparte, ces r¦publiques sœurs ont ¦t¦ chahut¦es par la guerre de la 2e coalition, mais elles se reconstituent pour l’essentiel, Bonaparte conservant donc ces Etats satellites calqu¦s sur le modÀle franÅais, avant de les r¦organiser, en deux temps. En janvier 1802, il dirige la refonte de la R¦publique italienne — Lyon et s’en fait proclamer pr¦sident, mais laisse en fait un notable lombard, Melzi d’Eril, diriger le pays avec le titre de vice-pr¦sident8. En 1803, il s’insinue dans les affaires des Suisses et s’impose comme protecteur de la Conf¦d¦ration helv¦tique9, de mÞme qu’il garde un œil sur la R¦publique batave o¾ les repr¦sentants franÅais, S¦monville en tÞte10, sont intervenus dÀs 1801, pour assurer un contrúle sur les pouvoirs publics avec la r¦daction d’une nouvelle constitution11. Mais en la matiÀre, le Consulat se situe finalement dans le droit fil de la politique amorc¦e par le Directoire. Dans un second temps, ces R¦publiques sont conduites — ¦voluer dans leurs institutions, au gr¦ des changements intervenus en France. La formation de l’Empire conduit en effet — la transformation de la R¦publique italienne en un Royaume d’Italie dont la cr¦ation est d¦cid¦e en mars 1805. Napol¦on avait envisag¦ de le confier — son frÀre Joseph. Il obtient finalement d’Þtre d¦sign¦ comme roi d’Italie, les notables italiens mettant comme condition — ce choix que la couronne d’Italie soit confi¦e — Napol¦on — titre personnel, son successeur — la tÞte de l’empire ne pouvant en h¦riter. Le voyage effectu¦ en Italie du nord par Napol¦on pour recevoir la couronne de fer des mains de l’archevÞque de Milan permet — l’empereur d’asseoir un peu plus son autorit¦ sur le pays. Il d¦cide alors de confier — son beau-fils, EugÀne de Beauharnais, le soin de le repr¦senter — Milan, avec le titre de vice-roi. EugÀne se substitue donc — Melzi d’Eril, ce qui confirme la volont¦ napol¦onienne de mieux contrúler les affaires italiennes. EugÀne est aussi g¦n¦ral, et assure donc le commandement en chef de l’arm¦e d’Italie, ce qui s’avÀre pr¦cieux — la veille de la reprise de la guerre sur le continent.

7 Jacques Godechot : La Grande Nation. op. cit., et Michel Vovelle : Les r¦publiques-sœurs sous le regard de la Grande Nation 1795 – 1803. De l’Italie aux portes de l’Empire ottoman, l’impact du modÀle r¦publicain franÅais. Paris [L’Harmattan] 2000, 350 p. 8 Alain Pillepich : Napol¦on et les Italiens. Paris [Nouveau Monde Editions] 2003, 226 p. 9 Jacques Czouz-Tornare : Quand Bonaparte recr¦a la Suisse. La genÀse et la mise en œuvre de l’acte de m¦diation, aspects des relations franco-suisses autour de 1803. Paris [Soci¦t¦ des Etudes Robespierristes] 2006. 10 Jacques Parent : Charles-Louis Huguet de S¦monville. De Mirabeau — Louis-Philippe, haute politique et basses intrigues. Paris [Editions S.P.M., Kronos] 2002, 248 p., p. 127 et suiv. 11 Annie Jourdan : »Impossible fusion ou impossible r¦union ? Napol¦on et — R¦publique batave«, dans : Natalie Petiteau (dir.), Voies nouvelles pour l’histoire du Premier Empire. Territoires, Pouvoirs, Identit¦s, Paris, [Boutique de l’Histoire] 2003, 304 p., p. 99 – 119; et La R¦volution batave entre la France et l’Am¦rique (1795 – 1806). Rennes [Publications de l’Universit¦ de Rennes] 2008, 488 p.

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Napol¦on profite aussi de sa venue en Italie pour annexer — l’empire la R¦publique ligure, d¦j— de fait administr¦e par les FranÅais, en la personne de Salicetti. La R¦publique ligure est transform¦e en trois d¦partements franÅais. C’est aussi — l’occasion de ce voyage que l’emprise franÅaise sur le Duch¦ de Parme se renforce, Moreau de Saint M¦ry gouvernant ce territoire en y imposant la loi franÅaise, notamment la conscription, avant que ce duch¦ soit transform¦ en d¦partements trois ans plus tard12. Enfin, c’est aussi en juin 1805 que Napol¦on d¦cide de confier — sa sœur Elisa et — son beau-frÀre F¦lix Bacciochi le gouvernement de l’antique r¦publique de Lucques, Elisa devenant princesse de Lucques et de Piombino. Cette inflexion dans la politique ¦trangÀre de Napol¦on annonce les changements qui interviennent au lendemain de la victoire d’Austerlitz. Cette nouvelle intrusion dans les affaires italiennes n’est du reste pas sans rapport avec la d¦cision des Autrichiens d’entrer en guerre en 1805. Ils ne peuvent en effet supporter cette main mise sur une de leur ancienne chasse gard¦e. Mais en organisant, avec l’Angleterre et la Russie, une troisiÀme coalition contre la France, les Autrichiens ne s’attendaient sans doute pas — Þtre les principaux perdants de la r¦organisation territoriale qui allait suivre. De fait, au lendemain de la bataille d’Austerlitz13, la carte de l’Europe change de forme, en mÞme temps que se dessinent plus nettement les projets europ¦ens de Napol¦on. Le trait¦ de Presbourg, sign¦ le 26 d¦cembre 1805 entre la France et l’Autriche, entra„ne — court terme la recomposition de l’espace allemand. L’Autriche cÀde en effet — la France le duch¦ de ClÀves qui, adjoint au duch¦ de Berg c¦d¦ pr¦c¦demment par la Prusse en ¦change du Hanovre, forme le Grand Duch¦ de Berg et de ClÀves, confi¦ en mars 1806 — Murat et Caroline, beau-frÀre et sœur de Napol¦on. Plus qu’une simple annexion, il s’agit de faire de ce nouvel Etat un EtatmodÀle dans l’Allemagne franÅaise en voie de constitution14. Napol¦on continue ainsi — avancer ses pions dans l’espace germanique. Il avait d¦j— en 1803 influenc¦ fortement la recomposition du Saint Empire romain germanique, sanctionn¦e par le recÀs de f¦vrier 1803, favorisant ses alli¦s en Allemagne, notamment la BaviÀre, et rassurant la Prusse. Trois ans plus tard, la d¦faite de l’Autriche, lui permet d’asseoir un peu plus sa domination. Il r¦compense ses alli¦s, par des conquÞtes territoriales (la BaviÀre qui h¦rite du Tyrol, le Wur12 Christine Peyrard / FranÅis Pomponi / Michel Vovelle (dir.) : L’administration napol¦onienne en Europe. Adh¦sions et r¦sistances. Aix [Publications de l’Universit¦ de Provence] 2006. 13 Jacques Garnier : Austerlitz. Paris [Fayard] 2005; Adrien Goetz : 1805 : Austerlitz. Napoleon and the destruction of the third coalition. Londres [Greenhill Press] 2005, 368 p. 14 Aux travaux anciens de Charles Schmidt : Le Grand Duch¦ de Berg (1806 – 1813). Etude sur la domination franÅaise en Allemagne sous Napol¦on Ier. Paris [Alcan] 1905, 528 p., il convient d’ajouter d¦sormais Bettina Severin-Barboutie : Französische Herrschaftspolitik und Modernisierung. Verwaltungs- und Verfassungsreformen im Großherzogtum Berg (1806 – 1813). Munich / Oldenbourg 2007, 410 p.

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temberg et le Bade), mais aussi par des mesures symboliques, — savoir la transformation des ¦lectorats de BaviÀre, et du Wurtemberg en royaumes tandis que l’¦lectorat de Bade devenait le Grand Duch¦ de Bade. Leurs souverains prenaient ainsi rang dans le collÀge des princes au sein du Saint Empire, dont la fin est pourtant proche. En effet l’autre transformation majeure est la cr¦ation de la Conf¦d¦ration du Rhin en juillet 1806, qui comprend seize Etats alli¦s de l’Empire, dont les trois piliers de l’alliance de 1805, ainsi que le Grand Duch¦ de Berg et de ClÀves. C’est une autre maniÀre de la part de Napol¦on de renforcer son emprise sur l’Allemagne. Certes il n’exige pas de contrúler la politique int¦rieure de ces pays qui conservent leur souverain, mais il leur impose sa diplomatie et surtout les contraint — fournir des troupes — la Grande Arm¦e. Au mÞme moment, il r¦organise l’Italie, fait occuper le littoral des Etats pontificaux et se lance — la conquÞte du Royaume de Naples, confi¦ — son frÀre Joseph en mars 1806, au moment mÞme o¾ la R¦publique batave se transforme en un Royaume de Hollande, plac¦ entre les mains de son autre frÀre, Louis15. Cette politique prolonge la pratique inaugur¦e en 1805. On passe ainsi d’un systÀme d’Etats satellites — un systÀme de Royaumes dirig¦s par des membres de la famille imp¦riale. Une nouvelle ¦tape est franchie en 1807, au lendemain de la guerre de la 4e coalition. Le trait¦ de Tilsit entra„ne en effet le d¦membrement d’une partie de la Prusse et la constitution du royaume de Westphalie, r¦serv¦ au dernier frÀre de Napol¦on, J¦rúme Bonaparte, et conÅu lui aussi comme un Etat modÀle16. Enfin en 1808, la conquÞte de l’Espagne s’accompagne de la formation d’un royaume, confi¦ — Joseph, qui ¦pouse le mÞme modÀle. Ce qui caract¦rise ces Etats, apparemment autonomes, c’est qu’ils changent de souverain et adoptent une nouvelle constitution. Napol¦on a incontestablement cherch¦ — ¦tablir en Europe un systÀme dynastique, en ¦tendant les rameaux de la famille Bonaparte, appel¦e — former le lien politique entre les diverses composantes de l’Empire. Mais cette pratique n’est pas syst¦matique. Dans le mÞme temps en effet, l’extension de l’influence napol¦onienne se traduit aussi par la satellisation d’Etats qui, sans Þtre conquis militairement, passent de fait sous la domination franÅaise. C’est particuliÀrement vrai en Allemagne – l’exemple le plus notable ¦tant la BaviÀre – o¾ Napol¦on s’appuie sur la Conf¦d¦ration des Etats du Rhin, fond¦e en 1806 et dont il est le protecteur. La plupart des Etats qui en sont membres conservent leur souverain et leurs institutions propres, ce qui ne signifie pas qu’ils ne subissent pas eux aussi certaines ¦volutions politiques. 15 Annie Jourdan (dir.) : Louis, roi de Hollande. Paris [Nouveau Monde Edition] 2010. 16 Helmut Berding : Le Royaume de Westphalie, Etat-modÀle, Francia, 10, 1982, p. 345 – 358; Jacques-Olivier Boudon : J¦rúme Bonaparte, frÀre prodigue de Napol¦on (1784 – 1860). Paris [Fayard] 2008, 728 p., deuxiÀme partie.

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A partir de 1808, une derniÀre phase s’ouvre dans la construction de l’espace europ¦en, avec la reprise des annexions, suscit¦es par l’application du blocus continental. La France annexe en 1808 la Toscane, c’est-—-dire l’ancien royaume d’Etrurie qui a cess¦ d’exister un an plus tút, et le duch¦ de Parme. La mÞme ann¦e, l’arm¦e franÅaise occupe Rome, pr¦lude — l’annexion des Etats du pape et — leur transformation en deux d¦partements franÅais en 1809. Elle cr¦e aussi un nouveau type de structure, avec les Provinces illyriennes, compos¦es des territoires pris — l’Autriche en 1805 (l’Istrie et la Dalmatie) et en 1809 (une partie de la Croatie, la Carniole et la Carinthie) qui ne forment pas un Etat ind¦pendant, ne sont pas non plus des d¦partements de l’empire franÅais, mais sont en fait directement rattach¦s — Napol¦on, repr¦sent¦ sur place par un Gouverneur g¦n¦ral17. L’extension se poursuit en 1810 avec l’annexion du royaume de Hollande et de la r¦gion de Hambourg. La France pr¦sente d¦sormais cet aspect longiligne d’un empire aux 130 d¦partements s’¦tendant des bouches de l’Elbe jusqu’— Rome, avec l’intention d’assurer un meilleur contrúle des cútes, dans le cadre du blocus continental. Apparemment donc, pr¦vaut l’impression d’un Empire mosaque, constitu¦ d’¦l¦ments divers et sans ordre v¦ritable. En 1811 toutefois l’organisation s’est simplifi¦e. Elle laisse voir une France constitu¦e de cent trente d¦partements, des royaumes vassaux (Italie, Naples, Espagne, Westphalie, Berg) tenus par des membres de la famille imp¦riale, et des Etats satellites gouvern¦s par des souverains indigÀnes, mais souvent alli¦s — la dynastie Bonaparte par un lien matrimonial. Mais Napol¦on a-t-il eu un projet plus ambitieux de f¦d¦ration europ¦enne ?

Un système fédératif Dans l’euphorie de la victoire remport¦e sur les Russes en 1807, suivie des trait¦s de Tilsit, Napol¦on regarde avec gourmandise l’œuvre qu’il a construite. Pr¦sentant ses conquÞtes aux d¦put¦s du Corps l¦gislatif, il s’exclame : »Depuis votre derniÀre session, de nouvelles guerres, de nouveaux triomphes, de nouveaux trait¦s de paix ont chang¦ la face de l’Europe politique. […] La France est unie aux peuples de l’Allemagne par les lois de la Conf¦d¦ration du Rhin, — ceux de l’Espagne, de la Hollande, de la Suisse et de l’Italie par les lois de notre systÀme f¦d¦ratif. Nos nouveaux rapports avec la Russie sont ciment¦s par l’estime 17 Franck J. Bundy : The Administration of the Illyrian Provincies of the French Empire, 1809 – 1813. New-York-Londres [Garland Publishing] 1987, 678 p. : Jacques-Olivier Boudon (dir.) : Les Provinces illyriennes dans l’Europe napol¦onienne. Paris [SPM Collection de l’Institut Napol¦on] 2011.

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r¦ciproque de ces deux grandes nations. Dans tout ce que j’ai fait, j’ai eu uniquement en vue le bonheur de mes peuples, plus cher — mes yeux que ma propre gloire18«. L’id¦e d’un »systÀme f¦d¦ratif« est jet¦e. Elle reste cependant floue dans ses dispositions, mÞme si l’on voit appara„tre la justification d’une union n¦cessaire au »bonheur des peuples« qui vient en droite ligne de la philosophie des LumiÀres. C’est exactement la formule que Napol¦on utilise en adressant — son frÀre J¦rúme, sa feuille de route au moment de partir en Westphalie19. Dernier frÀre dot¦ d’un royaume, J¦rúme n’a aucune exp¦rience en matiÀre politique ou administrative ; Napol¦on entend donc le former lui-mÞme et lui inculquer ses id¦es. De plus, la constitution du Royaume de Westphalie que Napol¦on conÅoit d’embl¦e comme un Etat modÀle doit servir de r¦f¦rence — l’ensemble de sa politique europ¦enne20. »Le bonheur de vos peuples, ¦crit Napol¦on — J¦rúme, m’importe, non seulement par l’influence qu’il peut avoir sur votre gloire et la mienne, mais aussi du point de vue du systÀme g¦n¦ral de l’Europe« et il lui explique que ce qu’attend le peuple, c’est l’¦galit¦ des droits et la fin de la f¦odalit¦. »Les bienfaits du code Napol¦on, la publicit¦ des proc¦dures, l’¦tablissement des jurys, seront autant de caractÀres distinctifs de votre monarchie […] Les peuples d’Allemagne, ceux de France, d’Italie, d’Espagne d¦sirent l’¦galit¦ et veulent des id¦es lib¦rales. Voil— bien des ann¦es que je mÀne les affaires de l’Europe, et j’ai eu lieu de me convaincre que le bourdonnement des privil¦gi¦s ¦tait contraire — l’opinion g¦n¦rale21«. Le bonheur des peuples trouve toutefois des limites quand, en Westphalie par exemple, Napol¦on retient une part des biens de la couronne pour doter ses g¦n¦raux et pr¦lÀve des subsides importants sur le budget du jeune Etat, sans compter les troupes mobilis¦es pour les guerres de l’Empire22. Cette pression financiÀre et humaine explique que l’exportation du modÀle franÅais ait pu provoquer des r¦sistances. De fait, loin de favoriser l’autonomie des peuples, Napol¦on d¦veloppe au contraire une vision trÀs centralis¦e de la construction europ¦enne, autour de la

18 Moniteur Universel, 17 ao˜t 1807, Discours de Napol¦on sur la paix. 19 Jacques-Olivier Boudon : J¦rúme Bonaparte, op. cit. 20 Jacques-Olivier Boudon : »L’exportation du modÀle franÅais dans l’Allemagne napol¦onienne : l’exemple de la Westphalie«, dans : Jean-Cl¦ment Martin (dir.): Napol¦on et l’Europe. Colloque de La Roche-sur-Yon. Rennes [Presses Universitaires de Rennes] 2002, 170 p., p. 103 – 114. 21 Napol¦on — J¦rúme, 15 novembre 1807, Correspondance de Napol¦on Ier (n8 13361), t. 16, p. 166. 22 Helmut Berding : Napoleonische Herrschafts-und Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen 1807 – 1813, Göttingen [Vandenhoeck & Ruprecht] 1973, 160 p. ; idem., »Les dotations imp¦riales dans le royaume de Westphalie«, dans : Revue de l’Institut Napol¦on, 1976 (n8 132), p. 91 – 100.

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France et de Paris23. Ainsi en est-il de l’unification juridique du continent europ¦en que Napol¦on envisage dÀs 1805, avec l’exportation du Code civil, rebaptis¦ Code Napol¦on en 1807. Il est alors pr¦sent¦ par le conseiller d’Etat Bigot de Pr¦ameneu comme »l’arche sainte pour laquelle nous donnerons aux peuples voisins l’exemple d’un respect religieux24«. On peut bien s˜r y voir le souci de renforcer l’emprise franÅaise sur l’Europe en lui imposant les lois du conqu¦rant. Il faut aussi prendre en compte la volont¦ de faire dispara„tre en Europe la f¦odalit¦. C’est l’un des grands acquis de l’occupation franÅaise. Elle abolit la soci¦t¦ d’Ancien R¦gime en ¦tendant la notion d’¦galit¦ civile, qui conduit notamment — la disparition du servage l— o¾ il existait encore. Rappelons en outre que cette volont¦ d’unification est au cœur des d¦bats r¦volutionnaires, dans le cadre mÞme d’une France divis¦e, avant 1789, sur le plan juridique. Ce souci r¦pond — l’id¦al des hommes des LumiÀres pour lesquels le bonheur des peuples passe par l’organisation d’une soci¦t¦ bien ordonn¦e, car le Code civil impose des devoirs, mais garantit aussi des droits, en particulier ce droit si cher aux partisans de la R¦volution comme de l’Empire, le droit de propri¦t¦. Le Code Napol¦on fait ainsi passer l’Europe d’une soci¦t¦ constitu¦e de corps — une soci¦t¦ form¦e d’individus r¦unis au sein de la famille, pierre angulaire de la soci¦t¦ napol¦onienne. Dans sa volont¦ d’unification juridique, Napol¦on ne souffre aucune exception. Ainsi — son frÀre Louis qui lui proposait quelques amendements au Code publi¦ en Hollande, il r¦pond avec vigueur : »Si vous faites retoucher au code Napol¦on, ce ne sera plus le code Napol¦on« et il pr¦cise sa pens¦e : »Une nation de 1 800 000 –mes ne peut pas avoir une l¦gislation — part. Les Romains donnaient leurs lois — leurs alli¦s : pourquoi la France ne ferait-elle pas adopter les siennes en Hollande ? Il est n¦cessaire ¦galement que vous adoptiez le systÀme mon¦taire franÅais ; ce que fait l’Espagne, l’Allemagne, toute l’Italie, pourquoi ne le feriez-vous pas ? Cela resserre les liens des nations d’avoir les mÞmes lois civiles et les mÞmes monnaies. Quand je dis les »mÞmes monnaies«, j’entends bien que vos monnaies porteront les armes de Hollande et l’effigie du roi ; mais le type, mais l’organisation doivent Þtre les mÞmes25«. De fait, dÀs 1805, Napol¦on a impos¦ la diffusion du Code civil aux espaces sous domination franÅaise. C’est d’abord le royaume d’Italie qui l’adopte, puis une partie de l’Allemagne, la Hollande, les Provinces illyriennes, le Royaume de Naples et le Duch¦ de Varsovie. A Rome, la Consulta fut charg¦e de liquider les

23 Voir Jean Tulard : Le Grand Empire, op.cit. 24 Moniteur Universel, 24 ao˜t 1807, S¦ance du Corps l¦gislatif du 24 ao˜t, Rapport de Bigot de Pr¦ameneu. 25 Napol¦on — Louis, 13 novembre 1807, n8 13357, Correspondance, t. 16, p. 161.

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restes de l’administration pontificale et y introduisit le Code Napol¦on26, avant l’int¦gration — l’Empire. Dans le Royaume de Naples, l’introduction fut ralentie par la pression des notables locaux. DÀs octobre 1807, Napol¦on ¦crivait pourtant — Joseph : »Mon frÀre, Je ne sais pas si vous avez ¦tabli le code Napol¦on dans votre royaume. Je d¦sirerais qu’il y f˜t mis en vigueur comme loi civile de vos Etats, — dater du 1er janvier prochain. L’Allemagne l’adopte; l’Espagne ne tardera pas — l’adopter. Il y a beaucoup d’avantages — cela27«. En fait le Royaume de Naples ne l’adopte qu’en 1809 sous Murat. Au mÞme moment, Napol¦on s’applique — ce qu’il soit diffus¦ en Allemagne, ¦crivant en ce sens — son ministre Champagny28. Cette demande de Napol¦on fut partiellement entendue puisque le prince-primat et le grand duc de Hesse-Darmstadt, rejoints par le duc de Nassau, constituÀrent une commission, si¦geant — Giessen, charg¦e d’¦tudier la possibilit¦ de faire entrer le code dans leurs Etats. En revanche, les deux royaumes de Wurtemberg et de BaviÀre se refusent — l’adopter, sous la pression de l’aristocratie locale, ce qui montre les limites de l’influence franÅaise en Allemagne. Ces divers pays le publiÀrent, avec parfois certaines att¦nuations du texte original, malgr¦ les propos de Napol¦on — Louis, par exemple en Pologne o¾ le Code ne s’applique pas aux juifs qui repr¦sentent prÀs de 7 % de la population. Ailleurs, il consent — des entorses, par exemple en laissant les ministres des cultes tenir dans plusieurs pays les registres d’¦tat civil, en acceptant des am¦nagements concernant le divorce, — Naples notamment29. En Allemagne, — part la Westphalie et le grand duch¦ de Berg, gouvern¦s par des napol¦onides, aucun Etat n’adopta le code Napol¦on sans correction. C’est corrig¦ qu’il fut repris par le grand duch¦ de Bade, par les duch¦s de Nassau et de Hesse-Darmstadt, ou encore le grand duch¦ de Francfort30. Certes, son introduction n’a pas ¦t¦ uniforme, mais le code civil faÅonne de nouvelles relations sociales dans l’Europe napol¦onienne ; il parachÀve la destruction de la f¦odalit¦ et, sauf en certains cas, lacise le mariage qui devient un contrat civique, avant que d’Þtre religieux. Il s’ensuit une relative transformation dans les maniÀres de vivre en soci¦t¦, de tester, de se marier, de concevoir la place des enfants dans la famille. La modernisation du droit engendr¦e par le Code civil a donc contribu¦ — une uni-

26 Carla Nardi : Napoleone e Roma. La politica della Consulta romana. Rome [Collection de l’Ecole franÅaise de Rome], n8 115/1989, 226 p. 27 Napol¦on — Joseph, 31 octobre 1807, dans : Vincent Haegele (¦d.) : Napol¦on et Joseph. Correspondance int¦grale 1784 – 1818. Paris [Tallandier] 2007, p. 443. 28 Napol¦on — Champagny, 31 octobre 1807. 29 Cl¦mence Zacharie-Tchakarian : »Le Code civil, instrument de l’unification de l’Empire«, dans : Thierry Lentz (dir.) : Napol¦on et l’Europe. Paris [Fayard] 2004, p. 180 – 200. 30 Paul-L. Weinacht : »Les Etats de la Conf¦d¦ration du Rhin face au Code Napol¦on«, dans : Jean-Cl¦ment Martin : Napol¦on et l’Europe. Rennes [PUR] 2002, p. 91 – 101.

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formisation des rapports sociaux — travers l’Europe, d’autant mieux que la trace laiss¦e s’est perp¦tu¦e dans bien des pays au-del— de l’¦pisode napol¦onien. La diffusion du Code Napol¦on pr¦figure la volont¦ plus large de l’empereur d’imposer — l’Europe le modÀle constitutionnel qui pr¦vaut en France, suivant une tradition amorc¦e — l’¦poque des r¦publiques sœurs. Le lien entre les deux textes est particuliÀrement tiss¦ dans le cas de la Westphalie, puisque la constitution octroy¦e — J¦rúme contient elle-mÞme le Code civil qui doit donc Þtre mis en application au mÞme moment que la constitution. »Le code Napol¦on formera la loi civile du royaume de Westphalie, — compter du 1er janvier 1808«, pr¦cise l’article 45. Et Napol¦on insiste pour qu’aucun d¦lai ne soit mis dans sa diffusion. »Ce qui m’importe surtout, c’est que vous ne diff¦riez en rien l’¦tablissement du code Napol¦on. La constitution l’¦tablit irr¦vocablement au 1er janvier. Si vous en retardiez la mise en vigueur, cela deviendrait une question de droit public, car, si des successions venaient — s’ouvrir, vous seriez embarrass¦ par mille r¦clamations. On ne manquera pas de vous faire des objections : opposez-y une ferme volont¦31«. La volont¦ de faire de la Westphalie un Etat modÀle pour l’ensemble de la Conf¦d¦ration du Rhin est alors clairement affirm¦e par Napol¦on qui, sur le terrain constitutionnel, est mieux entendu qu’en matiÀre de diffusion du Code, puisque la BaviÀre adopte une constitution en 180832. La mÞme ann¦e, le Royaume de Naples s’en est ¦galement dot¦, tandis que l’Espagne avait la sienne depuis juillet 180833. C’est ainsi — une grande partie de l’Europe sous domination napol¦onienne que se diffuse le principe constitutionnel qui pour l’heure reste assez limit¦ dans son fonctionnement mais acclimate les pays concern¦s — une autre forme de pratiques politiques. Ce n’est pas un hasard si les CortÀs de Cadix adoptent leur propre constitution en 1812, tandis qu’— la chute de l’Europe napol¦onienne, certains pays restent attach¦s — la constitution, les Pays-Bas notamment. Elle dispara„t en Allemagne, mais pour mieux resurgir comme l’une des principales revendications des lib¦raux au cours des mouvements r¦volutionnaires qui se d¦veloppent — partir de 1817. Les constitutions de l’¦poque napol¦onienne n’¦taient en rien des garantes des libert¦s politiques, mais elles ont, tout comme le Code civil, introduit l’id¦e du pacte social dans les relations entre individus et en ce sens ont eu une influence importante sur le d¦veloppement des soci¦t¦s europ¦ennes. Mais d’autres ¦l¦ments contribuent — l’unification de l’espace europ¦en, par exemple l’extension de l’unit¦ de poids et de mesures, vant¦e par Laplace, ma31 Lettre de Napol¦on — J¦rúme, 15 novembre 1807. 32 Michel Stephan (dir.) : Bayerns Anfänge als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Munich [Staatliche Archive Bayerns] 2008, 336 p. 33 Pierre Conard : La constitution de Bayonne. Essai d’¦dition critique. Paris [BibliothÀque d’Histoire Moderne] 1910.

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th¦maticien et s¦nateur, en 1813 : »Quelle circonstance peut Þtre plus favorable — leur adoption, que celle, o¾ Napol¦on le Grand r¦unit la moiti¦ de l’Europe sous son empire et par l’ascendant de son exemple exerce sur l’autre moiti¦ la plus heureuse influence ? Gr–ce — son G¦nie, l’Europe entiÀre ne formera bientút qu’une immense famille, unie par la mÞme religion, le mÞme Code des lois et les mÞmes mesures«. La diffusion de la langue franÅaise est un autre facteur d’unification. MÞme si son enseignement n’est pas obligatoire hors des limites de la France des cent trente d¦partements, le franÅais devient de fait la langue de l’administration, celle dont la possession s’impose pour faire carriÀre sous l’Empire. La France b¦n¦ficie en ce domaine de la bonne diffusion du franÅais dans les milieux de la noblesse europ¦enne au XVIIIe siÀcle. Le franÅais s’affirme alors comme langue europ¦enne. Toutefois lors de l’annexion du royaume de Hollande et des r¦gions de l’Allemagne septentrionale, une disposition stipule que »la langue allemande ou hollandaise pourra Þtre employ¦e concurremment avec la langue franÅaise dans les tribunaux, actes des administrations, actes des notaires et conventions priv¦es34«. Par certains cút¦s aussi, le blocus continental participe de la construction d’un espace ¦conomique europ¦en dont les contours s’affinent. Dirig¦ contre l’Angleterre, il exclut de fait cette puissance maritime, selon un plan d’organisation qui aura la vie dure35. L’Europe napol¦onienne se construit en effet contre l’Angleterre qui est aussi — l’origine de sa destruction, car Londres ne pouvait admettre une h¦g¦monie franÅaise qui contrevenait au principe d’¦quilibre europ¦en. Quant — la Russie, on sait que l’une des clauses du trait¦ de Tilsit pr¦voyait son int¦gration au systÀme continental et que son refus de s’int¦grer pleinement est en partie — l’origine de la campagne de Russie. Ce n’est pas un hasard si la d¦faite de Napol¦on en 1814 est provoqu¦e par les deux puissances marginales de l’Europe que sont le Royaume-Uni et la Russie qu’Auguste Doin dans son ouvrage sur Napol¦on et l’Europe invitait du reste — laisser — l’¦cart d’une ¦ventuelle f¦d¦ration europ¦enne. De toute maniÀre, l’unit¦ ¦conomique ne fut pas r¦alis¦e puisque chaque Etat conserve ses frontiÀres et ses droits de douane. La construction d’un espace uni est donc trÀs imparfaite, en particulier — cause des r¦sistances au blocus qui entra„ne une multitude de fraudes36, mÞme 34 Archives parlementaires de 1787 — 1860, 2e s¦rie (1800 — 1860), t. 11, s¦ance du Corps l¦gislatif du 13 d¦cembre 1810, documents relatifs — la r¦union de la Hollande. 35 Marcel Dunan : »La v¦ritable place de Napol¦on dans l’histoire de l’Europe«, dans : Marcel Dunan (dir.) : Napol¦on et l’Europe, actes de la session de la Commission Internationale pour l’enseignement de l’Histoire, Cannes 1960. Paris-Bruxelles [Brepols] 1961, 180 p., p. 141 – 152. 36 Silvia Marzagalli : »Les boulevards de la fraude«. Le n¦goce maritime et le blocus continental, 1806 – 1813 : Bordeaux, Hambourg, Livourne, Villeneuve d’Asq [Presses Universitaires du Septentrion] 1999, 396 p.; »Napol¦on, l’Europe et le blocus continental. Application et

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si, lorsque les ordres de Napol¦on sont appliqu¦s, le blocus est efficace et affaiblit notablement l’Angleterre37. Enfin Napol¦on n’envisage — aucun moment des institutions politiques communes — tous les Etats, mÞme si l’extension de la France — cent trente d¦partements conduit — ouvrir le S¦nat et le Corps l¦gislatif — des hommes venus de Hollande, d’Allemagne, de Suisse ou d’Italie, ce qui fait que l’on peut voir dans ces assembl¦es l’embryon d’un parlement europ¦en. De mÞme, la rencontre des souverains — Erfurt en octobre 1808 peut appara„tre comme une tentative de mettre sur pied un congrÀs europ¦en que l’abb¦ de Saint-Pierre appelait de ses vœux dans son Projet de paix perp¦tuelle. Mais toujours la pr¦occupation de Napol¦on demeure d’Þtre le centre de cette Europe qu’il domine. De plus il ne parvient pas — imposer ses vues — l’ensemble des populations et — recevoir leur adh¦sion.

Les résistances à l’hégémonie napoléonienne Malgr¦ la pression ¦conomique et militaire appliqu¦e aux pays soumis, l’imposition du modÀle franÅais a finalement rencontr¦ peu de r¦sistances, — une exception notable : la p¦ninsule Ib¦rique. Pourtant la passivit¦ de l’opinion publique ne signifie pas acquiescement face aux r¦formes franÅaises. Comme en France du reste, on constate des refus de servir dans l’arm¦e, qui conduisent par exemple — r¦duire le contingent exig¦ de la Hollande. Ici ou l—, des soldats franÅais de l’arm¦e d’occupation sont victimes de meurtres. Ailleurs, comme en Italie, la r¦sistance s’exprime sous la forme du brigandage38. Mais la forte pr¦sence de l’administration, de la police et de l’arm¦e empÞche le plus souvent la coordination de ces actes isol¦s. Il est cependant quelques exemples de r¦sistances mieux organis¦es. Ainsi — l’arriv¦e des troupes franÅaises dans le royaume de Naples, une partie de la population calabraise se r¦volte, avec le soutien du clerg¦ et l’aide des Anglais qui croisent au large et organisent la r¦sistance de GaÀte. L’insurrection est incarn¦e par Fra Diavolo qui donne du fil — retordre aux troupes franÅaises men¦es par le mar¦chal Mass¦na et au sein desquels s’illustrent notamment le colonel Hugo ou le g¦n¦ral Lamarque, que l’on retrouve ensuite en Espagne. Les r¦actions — partir de l’¦tude de trois villes portuaires : Bordeaux, Hambourg, Livourne«, dans : Jean-Cl¦ment Martin : Napol¦on et l’Europe, op. cit., p. 71 – 90. 37 FranÅois Crouzet : L’¦conomie britannique et le blocus continental, 1806 – 1813. Paris [r¦¦d. Economica] 1987. 38 Nicolas Bourguinat : »Brigandage, maintien de l’ordre et r¦pression dans l’Italie napol¦onienne centrale et m¦ridionale«, dans : Natalie Petiteau (dir.) : Conflits d’Empire, Cahiers du Grisco. Universit¦ de Poitiers 2006.

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FranÅais parviennent non sans mal — ¦radiquer le mouvement, au terme d’une lutte sans merci, extrÞmement violente, s’inspirant de la r¦pression conduite en Vend¦e en 1793 – 1794. Des villages entiers sont ras¦s ou incendi¦s, malgr¦ les lettres de Joseph au mar¦chal Mass¦na qui l’incitent — mod¦rer ses ardeurs. Les insurg¦s sont fusill¦s ou envoy¦s aux galÀres, sans qu’on puisse ¦tablir le nombre exact des victimes d’une r¦pression qui fut sans merci39. L’insurrection de Calabre se reproduit dans des proportions trÀs sup¦rieures en Espagne o¾ dÀs le d¦but du mois de mai 1808, la r¦volte ¦clate contre l’occupation franÅaise40. Elle se propage — l’ensemble du pays au cours du printemps et seconde les efforts de l’arm¦e royale rest¦e fidÀle — Ferdinand. Joseph, arriv¦ — Madrid en juillet 1808, doit quitter sa capitale — la fin du mois — la suite de la d¦faite de Baylen. Certes, gr–ce — la campagne conduite par Napol¦on lui-mÞme, — la fin de l’ann¦e, les FranÅais reprennent pied en Espagne dont il contrúle sur le papier la majeure partie, Joseph ayant reconquis sa capitale. Mais pendant cinq ans, la r¦sistance espagnole ne cesse de se manifester, en particulier sous la forme d’une gu¦rilla qui provoque des ravages dans les rangs franÅais. A aucun moment, l’arm¦e d’occupation ne conna„t de r¦pit. Elle est sans cesse harcel¦e, les communications avec ses arriÀres sont toujours menac¦es, contribuant — cr¦er un climat d’ins¦curit¦ et de peur qui entra„ne — son tour une r¦action de violence extrÞme. Mais en mÞme temps, la guerre d’Espagne est l’exemple de l’¦chec d’une occupation fond¦e sur la r¦pression et la terreur41. DÀs 1808, on ne compte pas les massacres de populations civiles, les femmes viol¦es, les villes et les villages pill¦s et br˜l¦s, les ¦glises et couvents d¦vast¦s. Loin de terroriser la population, cette violence exacerbe la lutte contre l’arm¦e franÅaise, conduisant — une guerre totale. Dans ces conditions, l’organisation d’un royaume d’Espagne, 39 Nicolas Cadet : »Anatomie d’une ›petite guerre‹, la campagne de Calabre de 1806 – 1807«, Revue d’histoire du XIXe siÀcle, 30, 2005. 40 La bibliographie sur la guerre d’Espagne est immense et s’est consid¦rablement enrichie — l’occasion du bicentenaire. Voir notamment Jean-Ren¦ Aymes : L’Espagne contre Napol¦on. La guerre d’ind¦pendance espagnole (1808 – 1813). Paris [Nouveau Monde Editions] 2003, 255 p.; Miguel Artola : La Guerra de la Independencia, Espasa, Pozuelo de Alarcûn r¦¦d. 2008.; Antonio Moliner Prada (dir.) : La Guerra de la Independencia en EspaÇa (1808 – 1814), Alella [Nabla ediciones] 2007; Jos¦ Cayuela / Jos¦ Ýngel Gallego (dir.) : La Guerra de la Independencia. Historia b¦lica, pueblo y naciûn en EspaÇa, Salamanque [Ediciones Universidad de Salamanca] 2008.; Francisco Miranda Rubio (dir.) : Guerra, sociedad y pol†tica (1808 – 1814). Pampelune [Universidad Pfflblica de Navarra] 2008. Voir aussi le bilan historiographique tir¦ par Jean-Ren¦ Aymes : »La comm¦moration du bicentenaire de la Guerre d’Ind¦pendance (1808 – 1814) en Espagne et dans d’autres pays«, dans : Cahiers de civilisation espagnole contemporaine (5) 2009. 41 Jean-Marc Lafon : L’Andalousie et Napol¦on. Contre-insurrection, collaboration et r¦sistances dans le Midi de l’Espagne (1808 – 1812). Paris [Nouveau Monde Editions/Fondation Napol¦on] 2007, 590 p.; Antonio Moliner Prada : Catalunya contra Napoleû. La Guerra del Franc¦s, 1808 – 1814. Lleida [PagÀs editor] 2007.

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dot¦ d’une constitution lib¦rale, n’a plus beaucoup de sens. Du reste, Joseph ne conserve guÀre d’autorit¦ que sur Madrid et ses environs42. Les autres r¦gions sont gouvern¦es par les chefs de guerre qui se partagent le territoire et l’administrent militairement, ne se privant pas au passage de grossir leurs fortunes par d’importantes saisies. Ainsi l’Espagne refuse d’Þtre mise au pas par Napol¦on et finit par vaincre43. Avec l’aide des Anglais, la r¦sistance espagnole parvient en effet — chasser les FranÅais du royaume — la fin de 181344. L’exemple espagnol suscite — son tour l’¦mulation. Il prouve qu’un peuple peut r¦sister — l’h¦g¦monie franÅaise. L’Autriche qui s’apprÞte — entrer en guerre contre Napol¦on encourage ainsi le mouvement de r¦bellion qui s’organise dans le Tyrol, naguÀre possession de la maison des Habsbourg, devenu bavarois en 1806. La BaviÀre n’appartient pas — l’empire franÅais. C’est un royaume alli¦, mais trÀs d¦pendant militairement de la France, comme l’a montr¦ la campagne de 1805 lorsque l’Autriche l’a envahie. La greffe du Tyrol sur la BaviÀre n’a pas pris, en partie parce que la BaviÀre a voulu imposer — cette r¦gion de montagnes, trÀs catholique, sa politique de s¦cularisation, d’o¾ la r¦sistance des populations face — une mise en cause de leur cadre de vie traditionnel. De la r¦sistance passive, on passe en 1809 — la r¦bellion arm¦e, avec le soulÀvement de paysans anim¦ par l’aubergiste Andreas Hofer. Les insurg¦s tiennent tÞte — l’arm¦e bavaroise, obligeant Napol¦on — envoyer des troupes dans la r¦gion, une fois achev¦e la campagne contre l’Autriche. Les ordres de l’empereur au mar¦chal Lefebvre sont clairs : »Mon intention, lui ¦crit Napol¦on le 30 juillet 1809, est que, au reÅu de la pr¦sente, vous exigiez qu’on vous livre cent cinquante otages pris dans tous les cantons du Tyrol, que vous fassiez piller et br˜ler au moins six gros villages et les maisons de chefs, et que vous d¦clariez que je mettrai le pays — feu et — sang, si l’on ne me rapporte pas tous les fusils, et au moins dix-huit mille, et autant de paires de pistolets que je sais y exister. Faites la loi que toute maison dans laquelle un fusil sera trouv¦ sera ras¦e, tout Tyrolien sur lequel un fusil sera trouv¦, pass¦ par les armes… Soyez terrible«. L’ordre est sans ambigut¦; il vise — susciter la terreur ; c’est une arme de dissuasion efficace et qu’il n’est donc pas

42 Vincent Haegele : Napol¦on et Joseph Bonaparte. Le pouvoir et l’ambition. Paris [Tallandier] 2010, 638 p.. 43 Richard Hocquellet : »La nation espagnole face — Napol¦on : r¦sistance et collaboration«, dans : Jean-Cl¦ment Martin (dir.) : Napol¦on et l’Europe. Colloque de La Roche-sur-Yon. Rennes [Presses Universitaires de Rennes] 2002, 170 p., p. 151 – 165 et R¦sistance et R¦volution durant l’occupation napol¦onienne en Espagne, 1808 – 1812. Paris [Boutique de l’Histoire Editions] 2001, 370 p. 44 Il ne faut pas oublier non plus la r¦sistance portugaise, voir Nicole Gotteri : Napol¦on et le Portugal, Paris [Bernard Giovanagelli] 2002, et parmi les publications suscit¦es par le bicentenaire, Jos¦-Luis Cardoso / Nuno GonÅalo Monteiro / Jos¦ Vincente Serrao (dir.) : Portugal, Brasil et a Europa napoleonica, Lisbonne [ICS] 2011.

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besoin d’utiliser. La brutalit¦ des premiÀres escarmouches suffit — faire cesser l’insurrection, Andreas Hofer ¦tant lui-mÞme arrÞt¦ et fusill¦ le 20 f¦vrier 1810. La pression militaire exerc¦e sur les Etats allemands par l’arm¦e napol¦onienne contribue aussi au d¦tachement des populations des Etats de la Conf¦d¦ration du Rhin — l’¦gard de la France, mÞme si celle-ci conserve des partisans. Un retournement s’opÀre dans les milieux intellectuels, chez les ¦crivains romantiques qui, — l’image de Arnim, Brentano ou Schlegel manifestent leur int¦rÞt pour le pass¦ de l’Allemagne et exaltent le Rhin allemand45. Schlegel se convertit au catholicisme et publie — Cologne ses Philosophische Vorlesungen contre les id¦es de la R¦volution. A Cologne, Goerres et les frÀres Boisser¦e se mobilisent en faveur de l’achÀvement de la cath¦drale, symbole de l’esprit allemand. Les romantiques de Heidelberg, se rallient — l’id¦e du Volksgeist contre l’esprit individualiste franÅais. Surtout en 1808, Fichte publie ses Discours — la nation allemande, avant de devenir le premier pr¦sident de l’Universit¦ de Berlin. La r¦sistance — la conscription est une autre forme de cette opposition. En Hesse, par exemple, 20 000 hommes se soulÀvent en 1806 et s’emparent de Magdebourg avant que la r¦volte soit ¦cras¦e. Dans le Royaume de Westphalie aussi, les d¦sertions manifestent un refus du nouvel ordre, mÞme si au total l’insoumission est plus faible que dans le Sud-Ouest de la France o¾ dans certains d¦partements les taux d’insoumission peuvent atteindre 50 %46. L’Allemagne voit aussi fleurir les rameaux du Tugendbund, association fond¦e en avril 1808 — Königsberg, qui comprend vite 700 membres pour la plupart officiers et intellectuels, r¦partis en 25 groupes — travers toute l’Allemagne, — l’exception des d¦partements rh¦nans. Elle œuvre — la r¦sistance antifranÅaise. Depuis 1808, Gneisenau a pr¦par¦ un plan d’insurrection g¦n¦rale de l’Allemagne qui explique en partie les mouvements de r¦volte qui embrasent le pays en 1809 — l’occasion de la guerre contre l’Autriche, notamment dans le Royaume de Westphalie47. Mais la d¦faite de l’Autriche oblige — abandonner ce plan. Dans le mÞme temps, le roi de Prusse prend la d¦cision de dissoudre officiellement le Tugendbund, aprÀs l’attentat perp¦tr¦ par Staps contre Napol¦on. Le plan de Gneisenau est cependant repens¦ en 1811, puis en juin 1812, il est pr¦sent¦ au tsar Alexandre par les membres du Comit¦ pour les affaires allemandes r¦unissant — Saint-P¦tersbourg des ¦migr¦s prussiens, dont Gneisenau, Clausewitz ou Stein. Or plusieurs insurrections spontan¦es se d¦veloppent entre 45 Roger Dufraisse : »L’opposition anti-napol¦onienne en Allemagne 1805 – 1809«, dans : L’Allemagne — l’¦poque napol¦onienne. Questions d’histoire politique, ¦conomique et sociale, op. cit., p. 449 – 469. 46 Louis BergÀs : R¦sister — la conscription 1798 – 1814. Le cas des d¦partements aquitains. Paris [CTHS] 2002. 47 Owen Connelly : Napoleon’s Satellite Kingdoms. Managing Conquered Peoples. Malabar (Floride), [Robert E. Krieger Publishing Company] 1990, 381 p., p. 200 – 206.

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le Rhin et le Ni¦men, notamment en Prusse orientale, dans le Grand Duch¦ de Berg en janvier 1813, autour de Hambourg en f¦vrier, ce qui contraint l’arm¦e napol¦onienne — y envoyer 40 000 hommes. Hormis l’Espagne, les tentatives de r¦sistance — l’occupation franÅaise ont ¦t¦ courtes et trÀs localis¦es. Faut-il en conclure que les r¦formes introduites par la France ont ¦t¦ bien accueillies par la population ? Les changements sont en effet ind¦niables. L’Empire impose sa constitution, son modÀle d’administration, son droit, voire sa langue, il obtient aussi des concours sur place, avec le ralliement d’une fraction de la population. Ces ralli¦s proviennent notamment d’une bourgeoisie lib¦rale qui se satisfait de la fin de la f¦odalit¦ et de la toute puissance de l’Eglise, tire profit de la vente des biens nationaux, et se f¦licite d’Þtre associ¦e au gouvernement, gr–ce aux nombreux emplois qu’offre la nouvelle administration. Beaucoup appartiennent aux loges maÅonniques alors en plein renouveau et qui servent v¦ritablement de point de contact entre ¦lites franÅaises et ¦trangÀres. Certains sont attach¦s — la France, tels ces afrancesados qui en se ralliant — Joseph ¦pouse sa cause48 et doivent ensuite s’exiler en France49. D’autres sont davantage opportunistes et servent le souverain en place, quitte — l’abandonner dÀs que le vent tourne.

Napoléon, précurseur de l’Europe unie ? Faire de Napol¦on le pÀre de l’Europe communautaire serait bien s˜r abusif, car l’Europe de Napol¦on s’est construite par la guerre lorsque celle de Jean Monnet r¦pondait — un ardent d¦sir de paix. Pourtant l’id¦e d’Europe est un moyen de l¦gitimation de son action militaire, comme avait pu l’Þtre l’id¦e que la France r¦volutionnaire exportait les principes de 8950. Or Napol¦on est conscient que l’Europe forme un espace particulier, avec son histoire, ses traditions et ses mœurs. Fin connaisseur de l’Antiquit¦ et du Moyen Age, il ne peut s’empÞcher de comparer l’œuvre qu’il a b–tie avec l’empire romain51 ou avec l’empire caro48 Voir le livre classique, r¦cemment r¦¦dit¦, de Miguel Artola : Los Afrancesados, r¦¦d. Madrid [Alianza Editorial] 2008. 49 Jean-Ren¦ Aymes : La d¦portation sous le Premier Empire. Les Espagnols en France, 1808 – 1814, Paris [Publications de la Sorbonne] 1983, 568 p. 50 Jean-Baptiste Duroselle consacre un chapitre — ce thÀme : »La tentative napol¦onienne d’unification europ¦enne«, dans : L’id¦e d’Europe dans l’histoire. Paris [DenoÚl] 1965, 346 p., — la diff¦rence de Pierre Renouvin : »L’id¦e de F¦d¦ration europ¦enne dans la pens¦e politique du XIXe siÀcle«, dans : The Zaharoff Lecture for 1949. Oxford [Clarendon Press,] 1949, 23 p., qui n’¦voque pas la p¦riode napol¦onienne. 51 Edouard Driault met en avant cette dimension de son œuvre dans sa fresque en cinq volumes : Napol¦on et l’Europe, Paris [Picard] 1911 – 1927.

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lingien52, mÞme si son objectif n’est pas de reproduire — l’identique ces constructions du pass¦. Il n’empÞche, ces modÀles restent pr¦sents — son esprit, et lorsqu’il envisage la diffusion du Code civil — une partie de l’Europe, sans doute a-t-il — l’esprit l’impr¦gnation du droit romain dans le sud de l’Europe. Mais Napol¦on est aussi nourri des nombreux projets qui ont vu le jour depuis le XVIIIe siÀcle en faveur d’une r¦organisation de l’Europe53. Depuis l’abb¦ de Saint-Pierre et son Projet de paix perp¦tuelle, publi¦ au d¦but du XVIIIe siÀcle, jusqu’— Kant, auteur d’un trait¦ du mÞme titre en 1795, les ouvrages sur l’Europe se sont multipli¦s54. Napol¦on les conna„t. Il a lu aussi Rousseau qui, dans ses Consid¦rations sur le Gouvernement de Pologne, ¦crivait en 1771 : »Il n’y a plus aujourd’hui de FranÅais, d’Allemands, d’Espagnols, d’Anglais, quoi qu’on en dise; il n’y a que des Europ¦ens. Tous ont les mÞmes go˜ts, les mÞmes passions, les mÞmes mœurs, parce qu’aucun n’a reÅu de forme nationale par une institution particuliÀre«. Il conna„t aussi le livre publi¦ en 1797 par l’historien suisse, Jean de Muller, Vue g¦n¦rale de l’Histoire du genre humain, qui connut alors un grand succÀs. Or Napol¦on eut l’occasion de s’entretenir avec Jean de Muller, devenu ministre du royaume de Westphalie et sans soute lui a-t-il emprunt¦ ses vues sur le devenir des Etats-Unis et de la Russie, puissances montantes face — une Europe sur le d¦clin. Il faut cependant attendre les Cent-Jours pour que soit formul¦e explicitement l’id¦e que les conquÞtes territoriales suivaient un plan pr¦¦tabli, visant — une organisation f¦d¦rale de l’Europe. Conscient que les guerres ont pu susciter une certaine r¦probation parmi les peuples, Napol¦on les justifie a posteriori, dans l’Acte additionnel aux constitutions de l’Empire dont le pr¦ambule explique : »Nous avions alors pour but d’organiser un grand systÀme f¦d¦ratif europ¦en, que nous avions adopt¦ comme conforme — l’esprit du siÀcle, et favorable aux progrÀs de la civilisation«. La fin des guerres napol¦oniennes conduit alors — s’interroger sur l’organisation de l’Europe. En octobre 1814, le comte de SaintSimon a publi¦ en collaboration avec Augustin Thierry, De la r¦organisation de la soci¦t¦ europ¦enne, dans lequel il prúne l’¦tablissement d’une f¦d¦ration europ¦enne, avec des institutions propres, un Parlement notamment, mais aussi une monnaie commune. Pour Saint-Simon, dont on sait combien il inspirera le futur Napol¦on III, l’unit¦ europ¦enne doit permettre le d¦veloppement de l’¦conomie et du commerce et donc favoriser l’enrichissement des plus pauvres. Mais les propos de l’acte additionnel sont surtout influenc¦s par Benjamin 52 H. Rössler : Napol¦ons Griff nach der Karlskrone. Munich 1957. 53 Ren¦ Pomeau : L’Europe des LumiÀres. Cosmopolitisme et unit¦ europ¦enne au 18e siÀcle. Paris [Stock] 1966, 240 p. 54 Annie Jourdan : L’empire de Napol¦on. Paris [Flammarion] 2000 et Napol¦on et la paix universelle. Utopie et r¦alit¦«, dans : Jean-Cl¦ment Martin (dir.) : Napol¦on et l’Europe, op. cit., p. 55 – 69.

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Constant, auteur un an plus tút De l’esprit de conquÞte et de l’usurpation dans leurs rapports avec la civilisation europ¦enne, ouvrage tout entier baign¦ de l’id¦e d’une n¦cessaire union entre les peuples d’Europe. A Sainte-H¦lÀne, Napol¦on revient avec encore plus de pr¦cision sur la question europ¦enne. Dans une page du M¦morial rest¦e c¦lÀbre, il recompose son œuvre, montrant comment elle avait pour but de favoriser l’unit¦ des peuples, avant d’envisager une f¦d¦ration de ces ensembles nationaux : »Une de mes plus grandes pens¦es avait ¦t¦ l’agglom¦ration, la concentration des mÞmes peuples g¦ographiques qu’ont dissous, morcel¦s les r¦volutions et la politique. Ainsi, l’on compte en Europe, bien qu’¦pars, plus de trente millions de FranÅais, quinze millions d’Italiens, quinze millions d’Espagnols, trente millions d’Allemands : j’eusse voulu faire de chacun de ces peuples un seul et mÞme corps de nation. […] AprÀs cette simplification sommaire, il e˜t ¦t¦ plus possible de se livrer — la chimÀre du beau id¦al de la civilisation : c’est dans cet ¦tat de choses qu’on e˜t trouv¦ plus de chances d’amener partout l’unit¦ des codes, celle des principes, des opinions, des sentiments, des vues et des int¦rÞts. Alors peut-Þtre — la faveur des lumiÀres universellement r¦pandues, devenait-il permis de rÞver, pour la grande famille europ¦enne, l’application du congrÀs am¦ricain, ou celle des Amphictyons de la GrÀce; et quelle perspective alors de force, de grandeur, de jouissance, de prosp¦rit¦ ! Quel grand et magnifique spectacle55«.

Napol¦on se mue ainsi en pÀre de l’¦veil des nations, alors que sa politique a au contraire tendu — maintenir la division au sein de l’ensemble allemand et surtout italien, par crainte de voir se dresser contre la France une puissance concurrente. Pour lui, cette »agglom¦ration« des peuples est un pr¦alable — l’unit¦ de l’Europe qu’il perÅoit donc comme une f¦d¦ration de nations. Celle-ci reste cependant — ses yeux une chimÀre. Mais — Sainte-H¦lÀne, isol¦ du reste du monde, il peut se laisser aller — rÞver — l’unit¦ des codes, des institutions, des mœurs, selon un modÀle double : la GrÀce antique et l’organisation communautaire de ses cit¦s, et les Etats-Unis, r¦cemment constitu¦s, sur un mode f¦d¦ral, et qui continuent de fasciner les Europ¦ens lib¦raux. Mais en le formulant, Napol¦on donne corps — son rÞve initial : »l’impulsion est donn¦e, et je ne pense pas qu’aprÀs ma chute et la disparition de mon systÀme, il y ait en Europe d’autre grand ¦quilibre possible que l’agglom¦ration et la conf¦d¦ration des grands peuples«. Le comte de Las Cases qui, — Sainte-H¦lÀne, retranscrit les propos et les pens¦es de Napol¦on, pr¦cise ses intentions, — la date du 24 ao˜t 1816 : »Il passait ensuite en revue ce qu’il e˜t propos¦ pour la post¦rit¦, les int¦rÞts, la jouissance et le bien-Þtre de l’association europ¦enne. Il e˜t voulu les mÞmes principes, le mÞme systÀme partout; un code europ¦en, une cour de cassation europ¦enne, redressant pour tous les erreurs, comme la nútre redresse chez nous celles de nos 55 Emmanuel de Las Cases : M¦morial de Sainte-H¦lÀne, 11 novembre 1816.

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tribunaux. Une mÞme monnaie sous des coins diff¦rents; les mÞmes poids, les mÞmes mesures, les mÞmes lois, etc. etc. L’Europe, disait-il, n’e˜t bientút fait de la sorte v¦ritablement qu’un mÞme peuple, et chacun en voyageant partout, se f˜t trouv¦ toujours, dans la patrie commune«56. Le projet prend de l’extension, mais encore une fois la primaut¦ est accord¦e aux questions juridiques, Napol¦on restant fascin¦ par le Code qu’il a cr¦¦. Au moment o¾ il prononce ces phrases, Napol¦on sait par ailleurs que la r¦organisation de l’Europe a pris un autre visage, — l’occasion du congrÀs de Vienne qu’il fustige, en r¦¦crivant l’histoire de la guerre contre la Russie : »Satisfait sur ces grands points, et tranquille partout, j’aurais eu aussi mon congrÀs et ma sainte-alliance. Ce sont des id¦es qu’on m’a vol¦es«. Pour l’heure en effet, l’Europe qui s’organise — Vienne s’appuie sur le principe de la restauration des monarchies r¦gnant avant 1789, tout en remodelant pour partie la carte du continent. Il n’est pas question de f¦d¦ration, ni mÞme d’institutions communes, et les traces de l’occupation franÅaise sont g¦n¦ralement effac¦es, mÞme si certaines demeurent, sur le plan du droit notamment. N¦anmoins l’id¦e d’une police europ¦enne d¦cid¦e pour empÞcher le d¦veloppement de nouveau mouvement r¦volutionnaire, puis l’organisation de congrÀs p¦riodiques pour discuter des modalit¦s d’application des trait¦s de Vienne s’inscrivent dans le contexte des projets europ¦ens n¦s au XVIIIe siÀcle. Mais Napol¦on Bonaparte, — Sainte-H¦lÀne, veut aller plus loin, en se pr¦sentant comme le pr¦curseur d’une Europe f¦d¦r¦e, ce qu’il n’a finalement ¦t¦ que fort partiellement. Pour les Europ¦ens en effet, l’Europe de Napol¦on fut d’abord perÅue comme un moyen de pressurer les populations, en r¦clamant toujours plus de troupes pour la Grande Arm¦e et d’argent pour la guerre. Et dans l’imm¦diat, l’œuvre de Napol¦on a surtout eu pour cons¦quence de favoriser l’¦mergence de l’id¦e nationale. Le XIXe siÀcle est celui de l’¦veil des nations, le XXe siÀcle celui de la construction europ¦enne.

56 Emmanuel de Las Cases, op. cit.

Guido Braun (Bonn)

Zwischen Tradition und Innovation. Napoleons Kaiserkrönung 1804 »Intitulata Bonaparate«: Ludwig van Beethoven und Napoleons Kaisertum

Zur »Generation Bonaparte«, welcher die erste Sektion der in Bonn 2010/2011 präsentierten Napoleon-Ausstellung gewidmet ist,1 muss zweifellos sein ein gutes Jahr jüngerer Zeitgenosse Ludwig van Beethoven gezählt werden.2 Das politische Denken Beethovens stand im Spannungsfeld ideeller republikanischer Grundüberzeugungen, die er durch die Französische Revolution verwirklicht sah, und einem – weniger ideologischen als vielmehr »lebensweltlichen« und »pragmatischen« – Patriotismus, der sich besonders in den Augenblicken politisch-militärischer Spannungen zwischen den deutschen Staaten und Frankreich zeigte. Für sein Werk prägender waren vermutlich die Ideen von 1789. Ein »Revolutionsgestus« manifestiert sich namentlich in der hauptsächlich 1803 komponierten Dritten Symphonie Es-Dur, der sogenannten »Sinfonia eroica«. Dass die Eroica den revolutionären »Geist« des 1789 angebrochenen Zeitalters in Töne fasse, gelte, so Carl Dahlhaus, ungeachtet der Frage, »ob Beethoven die Revolutionsidee durch Napoleon weitergetragen oder – seit 1804 – verraten glaubte«.3 In der Tat bildete gerade das Jahr 1804, in dem 1 Napoleon und Europa. Traum und Trauma. [Ausstellung] Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 17. Dezember 2010 bis 25. April 2011. Kuratiert von B¦n¦dicte Savoy unter Mitarbeit von Yann Potin. München/ Berlin/ London/ New York 2010. Als Einführungen in die napoleonische Zeit seien folgende Handbuchdarstellungen empfohlen: Elisabeth Fehrenbach: Vom Ancien R¦gime zum Wiener Kongress. München 52008 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 12); Bernhard Struck / Claire Gantet: Revolution, Krieg und Verflechtung, 1789 – 1815. Darmstadt 2008 (WBG Deutsch-französische Geschichte, 5). 2 Napoleon Bonaparte wurde am 15. August 1769 in Ajaccio, Ludwig van Beethoven wahrscheinlich am 16. Dezember 1770 in Bonn geboren. 3 Zur politischen Haltung Beethovens und der Wirkung seiner Ideale auf seine Kompositionen vgl. die Biographie von Carl Dahlhaus: Ludwig van Beethoven und seine Zeit. Laaber 2002 (Die großen Komponisten) [Jubiläumsausgabe der 3. Aufl. 1993], die angeführten Zitate S. 45, 49 und 56; Martin Geck: »›Heißt das nicht Handeln bey Ihnen: Componiren?‹ Napoleon als Leitstern Beethovens«, in: Veit Veltzke (Hg.): Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein und Weser. Köln / Weimar / Wien 2007, S. 547 – 552. Geck charakterisiert Beethoven als Republikaner, attestiert dem Komponisten, dass er »zumindest von fern« mit der Französi-

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Beethoven die Eroica abschloss, eine Zäsur im Verhältnis des Komponisten zu Napoleon Bonaparte. Als Beethoven im Mai 1804 Kunde davon erhielt, dass der Erste Konsul der Französischen Republik, Bonaparte, sich zum Kaiser der Franzosen habe erheben lassen, soll er, wie sein Schüler Ferdinand Ries berichtet, zornentbrannt das Titelblatt der Eroica zerrissen haben, mit dem er die Dritte Symphonie Bonaparte nicht nur gewidmet, sondern ihr sogar seinen Namen gegeben hatte: Bei dieser Symphonie hatte Beethoven sich Buonaparte gedacht, aber diesen, als er noch erster Consul war. Beethoven schätzte ihn damals außerordentlich hoch, und verglich ihn den größten römischen Consuln. […] Ich war der erste, der ihm die Nachricht brachte, Buonaparte habe sich zum Kaiser erklärt, worauf er in Wuth geriet und ausrief: ›Ist der auch nicht anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize fröhnen; er wird sich nun höher, wie alle Andern stellen, ein Tyrann werden!‹ Beethoven ging an den Tisch [auf dem seine Symphonie lag], faßte das Titelblatt oben an, riß es ganz durch und warf es auf die Erde.4

Dieser Bericht erscheint dem Beethoven-Biographen Dahlhaus »glaubwürdig« und zugleich als ein »Mythos«, insofern der Sachverhalt »isoliert und aus dem geschichtlichen Kontext in einen symbolischen versetzt« worden sei. In der Tat wird die Abkehr von der ursprünglichen Benennung durch eine (von Beethoven geprüfte und mit zahlreichen eigenhändigen Verbesserungen und Hinzufügungen versehene) Kopistenabschrift bestätigt, auf der die Worte »Intitulata Bonaparte« (das heißt »benannt nach Bonaparte«) getilgt wurden.5 Die Abwendung Beethovens von Bonaparte aufgrund dessen Strebens nach dem Kaisertum ist im historischen Bewusstsein beiderseits des Rheins so tief verwurzelt, dass selbst eine jüngst erschienene Besprechung der Bonner Napoleon-Ausstellung darauf rekurriert.6 Zugleich verdeutlicht die erwähnte Abschrift jedoch, dass das Kaisertum zwar einen Einschnitt in Beethovens Verhältnis zu Napoleon schen Revolution »sympathisiert hat«, schreibt ihm ferner – trotz der von Beethoven komponierten vaterländischen Lieder – »eine geheime Sympathie für die jakobinische Bewegung« zu. Vor allem aber sieht Geck in Beethoven einen Bewunderer des »genialen Zeitgenossen Napoleon« (S. 547 f., 552). 4 Aus den »Biographische[n] Notizen über Ludwig van Beethoven« (Koblenz 1838) zitiert nach Dahlhaus 2002, S. 52. 5 Die Kopie gehört zu den Exponaten der Bonner Ausstellung; vgl. Napoleon und Europa 2010, S. 174, Nr. 34. 6 Mit dem Hinweis auf das in der vorhergehenden Fußnote bezeichnete Exponat; vgl. Fr¦d¦ric Lema„tre: »Bonn et les multiples visages de Napol¦on. La cit¦ allemande a confi¦ — des historiens franÅais la r¦alisation d’une exposition, loin des clich¦s«, in: Le Monde, s¦lection hebdomadaire (samedi 1er janvier) 2011, S. 10 (mit Resümee S. 1). Angesichts der Tatsache, dass Lema„tre die Ausgewogenheit der Bonner Ausstellung lobt, ist die Einseitigkeit des ausgewählten Bildmaterials seines Artikels (drei Symbole napoleonischer Niederlagen!) umso erstaunlicher.

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bildete, jedoch keinen unumkehrbaren Bruch provozierte, denn einige Zeilen darunter wurden später von Beethoven eigenhändig mit Bleistift die Worte hinzugefügt: »Geschrieben auf Bonparte«. In einem Brief vom 26. August 1804 bezeichnete Beethoven seine Symphonie ferner als »eigentlich betitelt Bonaparte« und dokumentierte damit – wie Dahlhaus schlüssig folgert – sein Festhalten »an der inneren Beziehung des Werkes zu Napoleon«, wenngleich ein öffentliches Bekenntnis zu diesem Titel oder einer entsprechenden Widmung angesichts der Kaisererhebung, der späteren Krönung und dann auch wegen des 1805 ausbrechenden französisch-österreichischen Krieges unterblieb.7 Das Problem der Zueignung der Eroica an Bonaparte erweist sich also als weitaus vielschichtiger und komplexer, als es die Anekdote aus dem Mai 1804 (die sich im Übrigen auf seine Ernennung zum Kaiser, nicht auf die – erst im Dezember 1804 vollzogene – Krönung Napoleons bezog, wie bisweilen fälschlich behauptet wird)8 suggeriert. Ungeachtet der Komplexität ihrer Deutung vermag die geschilderte Szene jedoch die Unwägbarkeiten und Gefahren zu verdeutlichen, mit denen Bonaparte auf seinem Weg zum Kaisertum zu rechnen hatte, denn es stand für ihn dabei nichts weniger als das Wohlwollen und die Unterstützung der den revolutionär-republikanischen Ideen von 1789 verpflichteten Intellektuellen und politischen Eliten auf dem Spiel. David Chanteranne, der 2004 eine umfassende Monographie zu Napoleons Kaiserkrönung vorlegte, eröffnet sein erstes Kapitel mit der dargestellten Beethoven-Anekdote9. Am Beginn seines Buches und auch unseres Beitrages steht damit die Frage, warum Napoleon – zumindest nach dem Urteil vieler Zeitgenossen – am 2. Dezember 1804 endgültig Bonaparte und seine republikanischen Ideale verriet und unter dem Giebel von Notre Dame, wo er sich zum Kaiser krönte, begrub. Die Antwort auf diese provokatorische Frage – die jedoch im Grunde nicht mehr provoziert, als die Krönung selbst es 1804 tat, und die sowohl Napoleons Zeitgenossen als auch die Historiographie seit 200 Jahren umtreibt – erweist sich als komplex, und es wird deutlich, dass der Prozess, welcher zur Etablierung der vierten französischen Herrscherdynastie und ihrer imperialmonarchischen Strukturen führte, nicht immer gänzlich von Bonaparte selbst 7 Ausgewogene Gesamtbeurteilung der Verbindung zwischen der Eroica und Napoleon bei Dahlhaus 2002, S. 45 – 56, die zuletzt angeführten Zitate S. 48 und 52 f. Zur Dritten Symphonie und ihrer Widmung ebenfalls detailliert Peter Schleuning: »Die Tat des Prometheus«, in: Martin Geck / Peter Schleuning: »Geschrieben auf Bonaparte«. Beethovens »Eroica«: Revolution, Reaktion, Rezeption. Reinbek 1989, S. 13 – 189, insbes. S. 138 – 161 (Schleuning sieht grundsätzlich in der Tilgung der Zueignung lediglich einen »kurzen republikanischen Wutausbruch« Beethovens [S. 144] und keinen fundamentalen Bruch seiner Beziehung zu Napoleon); zuletzt Geck 2007, S. 550 ff. 8 Zuletzt bei Lema„tre 2011. 9 David Chanteranne: Le sacre de Napol¦on. Paris 2004 (BibliothÀque Napol¦onienne), Kapitel I: GenÀse d’une conscience politique, S. 21 – 37.

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gesteuert werden konnte, jedoch insbesondere im Verlauf des Jahres 1804 dezidiert von ihm betrieben wurde. Warum beschritt Bonaparte diesen Weg, in welcher Weise versuchte er Kaisertum, Revolution und Republik zu versöhnen? Ein Blick auf seine Kaiserkrönung, ihre Vorgeschichte und ihre Wirkungsgeschichte bietet Einsichten in zentrale Aspekte seines Herrschaftsverständnisses, seines ambivalenten Verhältnisses zu den Errungenschaften von 1789 sowie seiner Herrschersymbolik und Herrschaftsrepräsentation.

Napoleon Kaiser der Franzosen Am 2. Dezember 1804 krönte Napoleon Bonaparte sich selbst zu Napoleon I., Kaiser der Franzosen.10 Die prunkvolle Krönungszeremonie fand in Notre Dame de Paris statt. Sie sollte die Legitimität der napoleonischen Herrschaft – namentlich gegenüber den Bourbonen, deren Königtum die Französische Revolution beseitigt hatte, und ihrem Thronanwärter Ludwig XVIII. – betonen und wurde im Beisein des Papstes, des Hofstaates und des diplomatischen Corps vollzogen. Napoleon I. war der einzige Vertreter seiner »Dynastie«, der Krönung und Salbung vollzog. Der Kaiser krönte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Gemahlin Jos¦phine, die er am Vortrag kirchlich geheiratet hatte,11 zur Kaiserin. Das Protokoll der Zeremonie wurde durch die Staatsdruckerei, die Imprimerie nationale, aufgelegt und verbreitet. Der Maler Jacques-Louis David hielt die 10 Dieser Beitrag ist in erster Linie als Einführung des Studierenden und des historisch Interessierten in die Thematik konzipiert. Gerade im Umkreis der 200-Jahr-Feier von Napoleons Kaiserkrönung 2004 erschienen jedoch zahlreiche französischsprachige Publikationen zu diesem Thema, darunter mehrere Monographien, deren für die deutsche Fachwelt interessante neue Ansätze und Interpretationen daher hier zumindest skizziert werden sollen. Zur Einführung in die jüngere französische Forschungsliteratur zur Krönung Napoleons vgl. Guido Braun: »Neuere Publikationen zu Napoleon I. und zum Sacre von 1804. Ein Forschungsbericht«, in: Francia. Forschungen zur Westeuropäischen Geschichte (33/2) 2006, S. 97 – 122. Einen Überblick über die bis in die 1980er Jahre publizierten Forschungsbeiträge bietet die Bibliographie von Ronald J. Caldwell: The Era of Napoleon. A Bibliography of the History of Western Civilization, 1799 – 1815, (2 Bde), zur Krönung Bd. I. New York/ London 1991 (Garland Reference Library of the Humanities, 1097), S. 60, Nr. 1969 – 2007. Weiterhin großer Beliebtheit erfreut sich unter den »klassischen« Darstellungen die Monographie von Jos¦ Cabanis: Le Sacre de Napol¦on, 2 d¦cembre 1804. [Paris] 1970 (Trente journ¦es qui ont fait la France, 21) [mehrere Neuauflagen, zuletzt [Paris] 2007], von uns im Folgenden zitiert nach der Ausgabe [Paris] 1994 (Folio/Histoire, 59). 11 Die weltliche Eheschließung war bereits am 9. März 1796 erfolgt. Die kirchliche Trauung hatte Jos¦phine durch ein kurzfristiges Bekenntnis beim Papst, es liege bislang keine katholische Ehe vor, gewissermaßen von Napoleon erzwungen. Ein wichtiger Beweggrund kann darin vermutet werden, dass Jos¦phine eine wegen der Kinderlosigkeit der Verbindung drohende Scheidung ihrer Ehe zu verhindern suchte.

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Szene der Krönung Jos¦phines – allerdings keineswegs in jeder Hinsicht realitätsgetreu – für die Nachwelt fest. Die Selbstkrönung Napoleons war kein spontaner und improvisierter Akt, sondern stellte das Ergebnis langwieriger Verhandlungen mit dem Papst über das Krönungsprotokoll dar. Sie sanktionierte im Grunde die Errichtung einer neuen Monarchie, einer »vierten Dynastie«12 in Frankreich und brach insofern mit dem Erbe der Französischen Revolution. Unmittelbar im Anschluss an die eigentliche Krönungszeremonie beschwor der Kaiser jedoch die Errungenschaften eben dieser Revolution. Wenn man beide Teile der Feierlichkeiten in Notre Dame betrachtet, erweist sich die Kaiserkrönung in ihrem Verhältnis zur Revolution daher als janusköpfig. Der Papst hatte sich im Übrigen vereinbarungsgemäß zurückgezogen, als Napoleon – neben anderen Bestimmungen – sich verpflichtete, die Rechtsgleichheit, die politischen Freiheitsrechte, insbesondere auch die Religionsfreiheit, die Unwiderruflichkeit der Veräußerung der Nationalgüter sowie die Integrität des Territoriums der Französischen Republik zu bewahren. Mit der Gleichheit (libert¦) und der Freiheit (¦galit¦) waren zwei grundlegende Prinzipien der Revolution zumindest dem Buchstaben des Schwurs nach gewahrt worden. Wesentlich für die Akzeptanz der Krönung war jedoch die konkrete Verpflichtung, den Verkauf der Nationalgüter, das heißt der im Kontext der Revolution enteigneten und veräußerten Güter (der Kirche und der Gegenrevolutionäre), nicht in Frage zu stellen, denn dies hätte eine neue Umverteilung des Besitzes mit sich gebracht, an der die Nutznießer dieser revolutionären Maßnahme kein Interesse hatten. Der napoleonische Eid vom 2. Dezember 1804 steht – wie die gesamte Krönungszeremonie – zwischen Tradition und Innovation. Neben einigen für die Krönung eines Monarchen unerhörten Elementen wie der Sanktionierung des Verkaufs von Kirchenbesitz, der Garantie von rechtlicher Gleichheit und politischen Freiheitsrechten, die dem System der alten französischen Monarchie und seiner Gesellschaftsordnung (dem »Ancien R¦gime«) diametral entgegenstanden, enthielt der Schwur nämlich auch Elemente, die auf die alten Grundgesetze des französischen Königreiches verwiesen. Dazu gehörte die Verpflichtung des Herrschers, die Integrität des Staatsgebietes zu bewahren, eine Obliegenheit, die im Prinzip der Unveräußerlichkeit der Krondomäne des Ancien R¦gime ihre 12 Zur Gründung der »vierten Dynastie« durch Napoleon vgl. Michel Keraturet: »Entre r¦volution et construction dynastique: les paradoxes de la monarchie napol¦onienne«, in: Rainer Babel / Guido Braun / Thomas Nicklas (Hg.): Bourbon und Wittelsbach. Neuere Forschungen zur Dynastiengeschichte. Münster 2010 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V., 33), S. 165 – 181. Die »neue Dynastie« war auch einer der Vorzüge, welche die Orientierung an Karl dem Großen und seinem Kaisertum Napoleon nach einer Empfehlung seines Beraters Pierre Louis Rœderer zu bieten vermochte; vgl. Mascilli Migliorini 2002, S. 222.

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Entsprechung hatte. Ferner verpflichtete sich Napoleon, bei der Steuererhebung die Gesetze zu wahren. Die Krönung in Notre Dame wurde von einer zweiten im Dom zu Mailand gefolgt: Am 26. Mai 1805 krönte sich Napoleon dort mit der eisernen langobardischen Krone, nachdem ihn am 9. März desselben Jahres die in Paris zusammengetretene italienische Versammlung, die Consulta, zum König von Italien bestimmt hatte.13 Durch die Verbindung von König- und Kaisertum diesund jenseits der Alpen zog der Kaiser der Franzosen mit seinem Vorbild Karl dem Großen gleich. Wie hatte ein aus recht bescheidenem korsischen Hause stammender Außenseiter eine solche Machtstellung erringen können?

Napoleons Weg zur Kaiserwürde Obwohl die Vorgeschichte der Kaiserkrönung einen wichtigen Schlüssel zu ihrem Verständnis bietet, kann es in diesem Beitrag nicht darum gehen, den Aufstieg des 1769 geborenen Napoleon Bonaparte zu einer militärischen und politischen Führungsfigur im Frankreich der Revolution und des Direktoriums nachzuzeichnen.14 Doch einige wichtige Etappen verdienen hier genannt zu werden. Schon als Befehlshaber über die Italienarmee wirkte er weit über seine militärischen Funktionen hinaus und übernahm weitgehend selbständig politische Verhandlungen mit dem Kriegsgegner. Dadurch erwies sich Bonaparte als eigenständig denkender und handelnder, ambitionierter Akteur auf der politischen Bühne, der seine strategischen Fähigkeiten und militärischen Erfolge konsequent für die eigene politische Karriere zu nutzen wusste. Die Grundlage für seine Herrschaft bildete der Staatsstreich des 18. Brumaire nach dem Kalender der Französischen Revolution (10. November 1799 unserer Zeitrech13 Zur napoleonischen Herrschaft in Italien vgl. Michael Broers: The Napoleonic Empire in Italy, 1796 – 1814. Cultural Imperialism in a European Context? Basingstoke 2005. 14 Anstelle vieler Werke (Napoleon ist die von Biographen meist behandelte Person nach Jesus Christus!) sei hier nur auf den französischen Klassiker von Jean Tulard, die neueste umfangreiche deutsche Biographie und eine jüngere, herausragende italienische Arbeit verwiesen: Jean Tulard: Napol¦on ou Le mythe du sauveur. Paris 1977 [diverse Neuauflagen, zuletzt Paris 2008], von uns zitiert nach der Aufl. [Paris] 2003; deutsche Übersetzung unter dem Titel: Napoleon oder der Mythos des Retters. Aus dem Französischen. Tübingen 1977; Luigi Mascilli Migliorini: Napoleone. Rom 22002 (Profili, Nuova serie, 29) [Rom 12001]; eine französische Übersetzung erschien unter dem Titel: Napol¦on, traduit de l’italien par JeanMichel Gardair, en collaboration avec l’Istituto Italiano per gli Studi Filosofici. Paris 2004; Johannes Willms: Napoleon. Eine Biographie. München 2005 (bezüglich der Etablierung des Kaisertums und der Krönung schildert der Verfasser, S. 373 – 399, nachdrücklich die Schwierigkeiten, mit denen sich Napoleon in seiner eigenen Familie wegen deren exorbitanter Forderungen konfrontiert sah).

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nung) im Anschluss an den militärisch gescheiterten, seine Karriere letztlich aber nicht hindernden Ägypten-Feldzug. Infolge dieses Staatsstreichs avancierte Bonaparte zum Ersten Konsul. Wie später das Kaiserreich, so griff auch die Französische Republik gerne auf Bezeichnungen und Herrschaftssymbole aus römischer Zeit zurück. Wenn man nach den Gründen für den Machtzuwachs Bonapartes sucht, so sind neben seinen militärischen und politischen Erfolgen auch seine politischen Konzeptionen zu berücksichtigen. Bonaparte hatte klar erkannt, dass es dem französischen »Volk« (und dabei nicht zuletzt dem Besitzbürgertum, das von der mit dem Verkauf der Nationalgüter vollzogenen Umschichtung profitiert hatte) auf eine Stabilisierung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ankam. Dieses Bedürfnis vermochte Bonaparte zu befriedigen, bevor er mit dem Kaiserreich (Empire) und seiner Expansion die wohl bedeutendste Umgestaltung einleitete, die der europäische Kontinent und nicht zuletzt auch Frankreich selbst jemals in einer so kurzen Zeitspanne durchlebt haben. Nicht zuletzt für die deutsche Geschichte markiert seine Herrschaft eine tiefe Zäsur, die mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1806 verbunden ist.15 Im Zuge der napoleonischen Kriege annektierte Frankreich zahlreiche benachbarte Territorien. Im Zenit der Macht Napoleons I. gehörten neben den französischen Kerngebieten die belgischen, holländischen, hanseatischen, linksrheinischen, italienischen und illyrischen D¦partements als integrale Bestandteile dem Empire an. Alle diese europäischen Regionen wurden mehr oder weniger intensiv vom napoleonischen Reformwerk erfasst. Sicherlich sollte man das Grand Empire nicht als vorweggenommene Europäische Union bewerten, auch wenn dieser Vergleich durchaus diskutiert wurde.16 Doch die Anfänge der napoleonischen Herrschaft versprachen Frankreich zunächst Ruhe und führten außenpolitisch (wenn auch nur vorübergehend) zum Frieden, in den auch England eingeschlossen war. Dem am Ende des 18. Jahrhunderts greifbaren Bedürfnis der Franzosen nach einer Herrschaftsstabilisierung entsprechend erklärte der Erste Konsul die Revolution für beendet. Ihre Errungenschaften (darunter die mit ihr vollzogene Besitzverteilung) sollten jedoch bewahrt werden. Diese Leitgedanken lagen dem Verfassungsentwurf zugrunde, den Bonaparte am 15. Dezember 1799 dem französischen Volk zur Abstimmung vorlegte. Durch diese Verfassung des Jahres VIII (der Ära der Französischen Revolution) wurde Bonapartes Stellung als Erster Konsul verfassungsrechtlich begründet und legitimiert. 15 Die reichhaltige neuere einschlägige Literatur zum Reichsende wird besprochen von Horst Carl: »Epochenjahr 1806? Neue Forschungen zum Ende des Alten Reiches«, in: Zeitschrift für Historische Forschung (37/2) 2010, S. 249 – 261. 16 Vgl. Stuart Woolf: Napoleon’s integration of Europe. London / New York 1991.

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Auch die weiteren wichtigen Etappen hin zum Kaisertum wurden durch Beschlüsse des französischen Senats und durch Plebiszite sanktioniert. Aufgrund einer Volksabstimmung, deren Ergebnis (eine überwältigende Zustimmung) am 2. August 1802 bekannt gegeben wurde, und eines Senatsbeschlusses vom 4. August desselben Jahres stieg Bonaparte zum Konsul auf Lebenszeit auf. Als Zeichen der Dankbarkeit für den prestigeträchtigen Friedensschluss von Amiens mit England, der am 6. Mai dem Tribunat vorgelegt worden war, hatte der Senat »Napoleon Bonaparte« am 8. Mai seine vorgezogene Wiederwahl als Erster Konsul für weitere zehn Jahre angetragen und dabei erstmals amtlich seinen Vornamen verwendet.17 Bonaparte, dem der Vorschlag des Senats keineswegs weit genug entgegenkam, hatte jedoch daraufhin ein Plebiszit über das Konsulat auf Lebenszeit durchzusetzen vermocht. Durch Senatsbeschluss vom 14. Thermidor des Jahres X (4. August 1802) wurde die Verfassung der Französischen Republik aus dem Jahr VIII diesen neuen Gegebenheiten angepasst. Dadurch wurde dem Ersten Konsul unter anderem das Recht eingeräumt, sowohl seine beiden Amtskollegen als auch seinen eigenen Nachfolger zu ernennen, sowie das Recht, völkerrechtliche Verträge ohne Konsultation der Versammlungen abzuschließen. Dennoch wurde mit dem Konsulat auf Lebenszeit und dem damit verbundenen Recht auf Benennung eines Nachfolgers keineswegs eine neue Dynastie begründet. Dieser Schritt sollte erst mit der Kaiserkrönung von 1804 und der Geburt eines Thronfolgers, des »Königs von Rom«, der aus seiner Ehe mit der österreichischen Erzherzogin und Kaisertochter Marie Luise hervorging, vollzogen werden. Während dieser Jahre zwischen dem 18. Brumaire und der Kaiserkrönung wurden in Frankreich bedeutende innen- und außenpolitische Weichenstellungen vollzogen.18 Vor allem in den Bereichen Justiz und Verwaltung setzte Bonaparte ein umfangreiches Reformwerk und Modernisierungsprogramm in Gang, dessen Errungenschaften in der Folge, gerade auch in der expansiven Zeit des Empire, auf die direkt oder indirekt der napoleonischen Herrschaft unterstehenden Gebiete übertragen wurden. Frankreich erhielt Institutionen, die (wie die Banque de France) teilweise bis in unsere Zeit fortbestehen. Diese inneren Reformen waren für die spätere Ausgestaltung der napoleonischen Kaiserherrschaft von grundlegender Bedeutung. Als »das eindrucksvollste Symbol« für »die napoleonische Stabilisierung der Revolution« kann der am 21. März 1804 verabschiedete Code civil gelten, das bürgerliche Gesetzbuch, welches genau zu der Zeit, in der sich »die Umwandlung des neuen Regimes in eine erbliche 17 Roger Dufraisse: Napoleon. Revolutionär und Monarch. Eine Biographie. Mit einem Nachwort von Eberhard Weis. Aus dem Französischen von Suzanne Gangloff. München 1994 [Original unter dem Titel: Napol¦on. Paris 1987], S. 81. 18 Eine exzellente Darstellung der Phase vom Staatsstreich des Brumaire bis zum Kaisertum bietet Mascilli Migliorini 2002, S. 163 – 237.

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Monarchie« ankündigte, sowohl das »Autoritätsprinzip« als auch die seit 1789 vollzogene gesellschaftliche Entwicklung, namentlich die Prinzipien der Menschenrechts-Erklärung, sanktionierte und damit eine Art »Kompromiß« zwischen alter und neuer Ordnung bildete. Mit dem Code civil wurde ferner »die Säkularisierung des Rechts durch Ausklammern der Religion aus der bürgerlichen Gesetzgebung« zementiert.19 Diese Bestimmung war jedoch keineswegs Ausdruck einer homogenen Religionspolitik. Außenpolitisch schuf Bonaparte nämlich gerade durch den Abschluss eines Konkordats mit dem Heiligen Stuhl am 5. Juli 1801 eine wichtige Voraussetzung dafür, dass seine Salbung und Krönung in der am 2. Dezember 1804 realisierten Form vollzogen werden konnten, das heißt namentlich im Beisein des Papstes.20 Papst- und Kaisertum waren in der Geschichte des christlichen Abendlandes seit der Zeit Karls des Großen und seiner Krönung am Weihnachtstag des Jahres 800 aufs Engste miteinander verbunden. Damit soll nicht gesagt werden, dass alle politischen Richtungsentscheidungen und Maßnahmen Bonapartes konsequent auf die Errichtung des Kaisertums hinzielten. Die unerlässlichen Voraussetzungen dazu wurden jedoch vor allem in den Jahren 1801 bis 1804 dezidiert geschaffen. Die Einführung eines französischen Kaisertums diente zum einen der Überhöhung des Ruhmes des französischen Herrschers und damit auch seiner Nation, zum anderen – und darin lag die wesentliche Triebfeder – der Verstetigung der napoleonischen Herrschaft. Die Ausschaltung Bonapartes und des von ihm etablierten politischen Systems sollte nicht mehr durch die »Beseitigung« seiner Person, das heißt durch ein Attentat, möglich sein. Nicht erst durch die 1804 aufgedeckte englisch-royalistische Verschwörung ergab sich eine solche Bedrohung für die Person und die Regierung Napoleons, bereits von April bis Juni 1802 waren innerhalb weniger Monate vier Verschwörungen aufgedeckt worden, welche die Absetzung oder sogar die Ermordung des Ersten Konsuls angestrebt hatten. Sowohl Bonaparte selbst als auch eine »neomonarchistische Strömung« unter seinen Anhängern setzte sich spätestens seit dem Frieden von Amiens (27. März 1802) »die Konsolidierung der Macht Bonapartes« zum Ziel, die zunächst durch das Konsulat auf Lebenszeit erreicht wurde.21 Von innen wie von außen sah sich Bonapartes Regierung jedoch in den Jahren 1803 und 1804 neuen Bedrohungen ausgesetzt: Am 23. Mai 1803 endete durch die englische Kriegserklärung der in Amiens erst 1802 etablierte Friedenszustand. Im Januar 1804 wurde die Verschwörung des Georges Cadoudal entdeckt, 19 Dufraisse 1994, S. 83 f. 20 Zum Konkordat vgl. Rodney J. Dean: L’Êglise constitutionnelle, Napol¦on et le concordat de 1801. Paris 2004. 21 Dufraisse 1994, S. 79.

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der im August des Vorjahres von einem englischen Schiff an der Küste der Normandie abgesetzt worden war und mit Komplizen im Umkreis enger Verwandter des hingerichteten letzten bourbonischen Königs des Ancien R¦gime, Ludwig XVI., unter anderem in der Entourage seines Bruders, des Grafen von Artois, in Verbindung stand. Die Verschwörung endete mit der Hinrichtung Cadoudals, während seine Anhänger das gleiche Schicksal oder die Verbannung traf. Trotz der erfolgreichen Niederschlagung der Verschwörung demonstrierten diese Vorgänge die prekäre Lage der Regierung. Ein erbliches Kaisertum konnte – so durfte nicht zuletzt Bonaparte selbst hoffen – seine eigene Herrschaft und darüber hinaus auch seine Nachfolge weitaus besser sichern als das Konsulat auf Lebenszeit und die Zukunft seines Systems den Wechselfällen der Geschichte entziehen. Die Kaiserwürde diente in diesem Zusammenhang der Verankerung des Neulings im (vermeintlich) fest etablierten Kreis der europäischen Monarchien, und zwar in der rangmäßigen »Spitzengruppe«, welcher mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation als Vertreter einer buchstäblich 1000jährigen Kaisertradition und dem russischen Zaren bereits zwei den Kaisertitel tragende Monarchen angehörten. Vorbereitet wurde Napoleons Kaisertum durch den endgültigen Bruch zwischen Bonaparte und den Bourbonen: In der Nacht zum 15. März 1804 ließ Bonaparte den Herzog von Enghien aus dem neutralen Ettenheim entführen und als vermeintlichen Verschwörer am 21. desselben Monats in Vincennes hinrichten. Die Forderung nach der Errichtung eines französischen Kaisertums wurde im Tribunat am 30. April 1804 erhoben.22 Der Vorschlag wurde dort von Cur¦e eingebracht, der zu den Befürwortern der Hinrichtung Ludwigs XVI. gehört hatte und Bonaparte durch die Ermordung des Herzogs von Enghien in den Kreis der Königsmörder aufgenommen sah.23 Aufgrund seiner Initiative wurde die Maschinerie in Gang gesetzt, welche nun konkret und zielgerichtet auf den Akt des 2. Dezember 1804 hinsteuerte. Bereits am 25. Flor¦al XII (18. Mai 1804) proklamierte der Senat die Einführung des erblichen Kaisertums: »Die Regierung der Republik«, so wurde in diesem Senatsbeschluss verfügt, »wird einem Kaiser anvertraut, der den Titel Kaiser der Franzosen trägt«, ferner : »Napoleon 22 Mit der Vorgeschichte und der Geschichte der Kaiserkrönung befassen sich neben der in diesem Beitrag genannten Spezialliteratur und den Biographien auch die allgemeinen Darstellungen der Geschichte des Ersten Kaiserreiches. Vgl. unter den jüngeren Werken v. a. Jacques-Olivier Boudon: Histoire du Consulat et de l’Empire, 1799 – 1815. Paris 2000 (Pour l’Histoire), S. 145 – 161 zum Sacre [Paris 22003 (Tempus, 30)]. Die umfangreichste neuere Darstellung ist Thierry Lentz: Nouvelle histoire du Premier Empire, 4 Bde. Paris 2002 – 2010; zur Kaiserkrönung darin insbes. Bd. I (2002 [Nachdruck 2005]), S. 81 – 101. 23 Zur Bedeutung der Ermordung des Herzogs von Enghien im Vorfeld der Errichtung des Kaisertums vgl. auch Mascilli Migliorini 2002, S. 223 f.

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Bonaparte, derzeit Erster Konsul der Republik, ist Kaiser der Franzosen«, und zwar »von Gottes Gnaden und aufgrund der Konstitutionen der Republik«.24 Bereits in der Verbindung des dem Ancien R¦gime entlehnten Gottesgnadentums mit der Berufung auf die republikanische Verfassung wird die traditionalinnovative Janusköpfigkeit des napoleonischen Kaisertums offensichtlich. Daneben regelte der Senat die Thronfolge und etablierte eine neue Aristokratie, die »noblesse d’Empire« – ein Schritt, der in einem zentralen Punkt der gesellschaftlichen und politischen Ordnung eine entschiedene Abkehr vom Gleichheitsprinzip der Französischen Revolution bedeutete, während Artikel 53 desselben Senatsbeschlusses den Herrscher auf die Wahrung der Rechtsgleichheit verpflichtete. Wie beim Konsulat auf Lebenszeit wurde das Prinzip der Erblichkeit des Kaisertums Napoleons (nicht aber dieses Kaisertum an sich) durch eine Volksabstimmung legitimiert. Nach dem im November 1804 verkündeten amtlichen Endergebnis sollen dabei über 3,5 Millionen Ja-Stimmen lediglich 2 579 Ablehnungen gegenüber gestanden haben. Roger Dufraisse hat das durch Senatus consultum und Plebiszit etablierte erbliche Kaisertum Napoleons sehr prägnant als »eine durch einige aus dem Jahre 1789 stammende Prinzipien und Rechte eingeschränkte Monarchie« charakterisiert.25

Das Entscheidungsjahr 1804: Von der demokratischen zur göttlichen Legitimation Mit der demokratischen Absicherung seines erblichen Kaisertums hätte sich der zu Napoleon I. aufgestiegene Bonaparte eigentlich zufrieden geben können, so meinten nicht nur einige Zeitgenossen, sondern auch spätere Historiker – zumal die Fiktion, Frankreich sei weiterhin eine Republik, der Kaiser mithin nicht Kaiser von Frankreich, sondern Kaiser der Franzosen, zunächst weiter aufrecht erhalten werden sollte. Doch auch das war letztlich ein (bewusster oder unbewusster) Rückgriff auf die antike Kaisertradition,26 denn auch Octavian hatte das in seiner – augusteischen – Zeit etablierte Herrschaftssystem, welches wir heute die »römische Kaiserzeit« zu nennen pflegen, als wiederhergestellte Republik (res publica restaurata) bezeichnet. Ohne Salbung und Krönung war das französische Kaisertum allerdings un24 Deutsche Übersetzung aus dem Senatsbeschluss zitiert nach Dufraisse 1994, S. 90 und 92. 25 Ebd., S. 92 (in der Vorlage heißt es fälschlich »stammenden«). 26 Nach der Verkündung der Resultate des Plebiszites am 6. November 1804 avancierte Paris in der politischen Gelegenheitsdichtung zum »neuen Rom«, über das Napoleon als Cäsar herrsche; vgl. Tulard 2003, S. 172.

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vollkommener als die Stellung der alten französischen Könige und auch der übrigen zeitgenössischen Monarchen, die nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch spirituell und ideologisch durch Krönungs- und/oder Salbungszeremonien abgesichert war. Napoleon fehlte ohne diesen Akt ein Stück des Glanzes und der Sicherheit (namentlich die Legitimation durch das göttliche Recht), welche ihm nur Krönung und Salbung zu verleihen vermochten. Dadurch, dass die Salbung schließlich durch den Papst erfolgte, vermochte Napoleon selbst die Bourbonen zu »übertrumpfen«,27 die sich in der Regel durch den Erzbischof von Reims hatten krönen lassen. Napoleon ließ seit Mai 1804 deutlich werden, dass er keine reine Zivilzeremonie, sondern eine förmliche Krönung und Salbung wünsche. Dabei bezog er sich nicht allein auf das Vorbild Karls des Großen, sondern auch auf die Salbung Pippins des Kurzen 754 durch Stefan II. in Soissons. Nach Cambac¦rÀs, dem zweiten Konsul und in der Kaiserzeit Erzkanzler Frankreichs, stand dies in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tatsache, dass auch Pippin der Begründer einer neuen Dynastie war, ein Argument, das auch Napoleon selbst im Staatsrat vorbrachte. Napoleon hielt an diesem religiös-mystischen Vorhaben trotz des Hinweises seines neuen Erzkanzlers auf die sich vermutlich in den politischen Eliten regenden Widerstände, namentlich durch die allbekannte Kritik Condorcets, des liberalen französischen Philosophen der Aufklärung, an der religiösen Symbolik des Sacre, fest, um mit seinem Volk eine mystische Verbindung einzugehen und somit (im Sinne des Mediävisten Ernst Kantorowicz) die Unvergänglichkeit der Monarchie zu begründen28. Nachdem durch das Senatus consultum vom 3. Mai 1804 die Errichtung eines französischen Kaisertums beschlossen worden war, verfolgte Napoleon unmittelbar und mit allem Nachdruck den Plan einer Kaiserkrönung unter Beteiligung des Papstes. Noch vor der offiziellen Proklamation des Kaiserreiches, die am 18. Mai 1804 in der oben dargestellten Form vollzogen wurde, erläuterte er diesen Plan am 10. Mai in Saint-Cloud dem päpstlichen Gesandten Kardinal Caprara. Die angesichts der laizistischen Revolutionsideologie unerhörte Einladung an den Papst und die religiöse Komponente der Salbung verhalfen ihm, wie bereits Jos¦ Cabanis prägnant formulierte, dazu, dem bourbonischen Thronanwärter Ludwig XVIII. eine Heerschar von Priestern als Gefolgsleute zu rauben und die Katholiken den Royalisten zu entfremden, denen viele unter ihnen noch eng verbunden waren.29 Salbung und Krönung dienten auch in dieser Hinsicht der Herrschaftssicherung. Die Einladung an den Papst traf am 22. Mai 27 So zutreffend Dufraisse 1994, S. 92. 28 Vgl. Laurence Chatel de Brancion: Le sacre de Napol¦on. Le rÞve de changer le monde. Paris 2004 (Pour l’Histoire), S. 68 f. und 71. 29 Vgl. Cabanis 1994; daran anknüpfend Chanteranne 2004, S. 45.

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in Rom ein und wurde dort wie ein kaiserlicher Befehl aufgefasst. Um Schaden von der französischen Kirche abzuwenden, lenkte Pius VII. ein und nahm an. Als Termin wurde von der Kurie ursprünglich der Krönungstag Karls des Großen, das heißt der Weihnachtstag, von Napoleon der Jahrestag seines Staatsstreichs (9. November) favorisiert. Für eine religiöse Zeremonie war eine solche Forderung sehr ungewöhnlich. Bereits diese Unterschiede in der Terminfrage verdeutlichen, dass es Pius VII. um »eine heilige Handlung« zu tun war, Napoleon dagegen »um die Veranstaltung eines politischen Schauspiels«.30 Letztlich wurde, auch aus pragmatischen Gesichtspunkten, der 2. Dezember gewählt. Für den Sacre des Kaisers war Reims als Ort der bourbonischen Königssalbungen von vornherein ausgeschlossen. Das vom Kaiser bevorzugte Paris konnte sich schließlich gegen Lyon, Orl¦ans und das in die engere Wahl gezogene Aachen durchsetzen, obwohl die einzige zuvor in Notre Dame de Paris vollzogene Salbung (nämlich die Heinrichs VI. von England 1431) zu den dunkleren Punkten der französischen Geschichte zählte. Aus klimatischen Gründen – in der Tat war der schließlich gewählte Krönungstag ungewöhnlich kalt – und um die Menschenmassen von der Zeremonie fernzuhalten, wurde der Champ-deMars ausgeschlossen. Aufgrund des Widerstandes mehrerer für die Entchristianisierung verantwortlicher Staatsräte gegen eine Zeremonie in einer dem Klerus gehörenden Kirche wurde zunächst der staatliche Invalidendom ausgewählt. Doch die räumliche Enge gab schließlich den Ausschlag für Notre Dame, das dem Kaiser angesichts der Einladung an den Papst ohnehin geeigneter erschien. Die Architekten schufen dort für die Krönung und die Salbung des Kaisers einen Dekor, der sich im Wesentlichen an mittelalterlichen statt antiken Vorbildern orientierte, um den passenden Rahmen für den Empfang des neuen Karl des Großen abzugeben.31 Napoleon ließ sogleich Schmuckstücke für die Kathedralen von Notre Dame de Paris und Aachen anfertigen, das er vier Monate vor seiner Krönungszeremonie, vom 2. September 1804 an, besuchte, dort am Reliquiar Karls des Großen weilte und sich auch mit dieser Reise sinnfällig in die karolingische Tradition stellte.32 Der Kaiser der Franzosen bereitete mit aller gebotenen Sorgfalt und 30 Hans Hattenhauer : »›Unxerunt Salomonem‹ – Kaiserkrönung Napoleons I. am 2. Dezember 1804«, in: Klaus Grupp / Ulrich Hufeld (Hg.): Recht – Kultur – Finanzen. Festschrift für Reinhard Mußnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005. Heidelberg 2005, S. 629 – 651, hier S. 634. 31 Zur Entscheidung über den Ort und die erwogenen Alternativen vgl. Chatel de Brancion 2004, S. 69 f., 98 – 101 und 105 ff. 32 Zur Bedeutung der karolingischen Tradition für Napoleon (nicht nur anlässlich seiner Krönung) vgl. Thierry Lentz: »Napol¦on et Charlemagne«, in: Thierry Lentz (Hg.): Napol¦on et l’Europe. Regards sur une politique. Actes du colloque organis¦ par la direction des Archives du ministÀre des Affaires ¦trangÀres et la Fondation Napol¦on, 18 et 19 novembre 2004. [Paris] 2005, S. 11 – 30.

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Umsicht eines der zentralen Ereignisse seiner Herrschaft vor. Dies gilt auch für die Vorbereitung der medialen Inszenierung, die – wie von Historikern mehrfach hervorgehoben worden ist – von Napoleon methodisch wie eine große Schlacht geplant wurde. Napoleon war sich nämlich bewusst, dass das Erhabene und das Lächerliche nur einen Schritt weit auseinander liegen. An Jean-Baptiste Isabey, den er zum Dessinateur du cabinet de l’Empereur et des c¦r¦monies ernannt hatte, richtete der Kaiser daher die Worte: »Entre le sublime et le ridicule il n’y a qu’un pas«.33 Als eine solche Gratwanderung lässt sich die Symbolik der Salbungs- und Krönungszeremonie des 2. Dezember 1804 charakterisieren, die in ihrer Verbindung sehr verschiedener Traditionsstränge und historischer Anspielungen zwischen Symbiose und Eklektizismus oszilliert.

Die Salbungs- und Krönungszeremonie des 2. Dezember 1804 Ungeachtet eines nicht unbefangenen, sehr zurückhaltenden Umgangs der französischen Politik mit dem napoleonischen Erbe (von dem sich gleichwohl mit Dominique de Villepin ein ehemaliger Premierminister als exzellenter Kenner der Materie abhebt34), erfreuen sich Napoleon und seine Kaiserkrönung zu Beginn des 21. Jahrhunderts eines ungebrochenen Interesses der Fachwelt und des historisch interessierten Publikums. So sind allein mindestens sechs selbständige Veröffentlichungen zu nennen, die um 2004, aus Anlass der 200Jahr-Feier der Kaiserkrönung Napoleons I., erschienen: zwei Monographien von David Chanteranne35 und von Laurence Chatel de Brancion,36 ein durch Thierry Lentz herausgegebener und von einer Forschergruppe der Fondation Napol¦on bearbeiteter Sammelband,37 der umfangreiche Katalog einer Ausstellung im Mus¦e Fesch in Napoleons Geburtsstadt Ajaccio38 sowie zwei reich 33 Zitiert nach Chatel de Brancion 2004, S. 79. 34 Aus seiner Feder stammen mehrere zwischen 2001 und 2009 veröffentlichte Napoleonica, zuerst Dominique de Villepin: Les Cent-Jours ou l’esprit du sacrifice. [Paris] 2001 (Pour l’Histoire) [mehrere Neuausgaben, zuletzt Paris 2003]. 35 Chanteranne 2004. 36 Chatel de Brancion 2004. 37 Êmilie Barthet / Pierre Bontemps / IrÀne Delage / Peter Hicks / Karine Huguenaud / Chantal Lheureux-Prevot: Le sacre de Napol¦on: 2 d¦cembre 1804, sous la direction de Thierry Lentz, avant-propos du baron Gourgaud. [Paris] 2003; zitiert: Lentz 2003. 38 Napol¦on le sacre. [Exposition] Mus¦e Fesch, Ville d’Ajaccio 23 avril–3 octobre 2004. Ajaccio 2004. Der sehr reich illustrierte Ausstellungskatalog zu der in Bonapartes Geburtsstadt veranstalteten Sonderausstellung ist, der Aufteilung der Ausstellung auf drei Räume entsprechend, in drei Kapitel gegliedert: »Des rois de France — l’Empereur des FranÅais«; »La symbolique du Sacre«; »Le jour du Sacre«. Eingeleitet wird diese Präsentation der Ausstellungsstücke durch neun Essays: Thierry Lentz befasst sich mit der Proklamation

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illustrierte, von Jean Tulard39 respektive von Patrick Rambaud und Pierre-Jean ChalenÅon40 herausgegebene Bildbände. Ferner stellte ein vom Louvre bei Gelegenheit des Bicentenaire (200-Jahr-Feier) herausgegebener Ausstellungskatalog Davids malerische Darstellung des Sujets in den Mittelpunkt.41 Die Geschichte dieser Krönungszeremonie, ihre Vorgeschichte und ihre Nachwirkung darf damit als hervorragend dokumentiert gelten42 – wenngleich längst nicht alle Fragen beantwortet sind und die Gesamtinterpretation der Zeremonie sowie ihre Einordung aufgrund von Inkohärenzen und Widersprüchen schwierig bleiben.43 Ferner sei darauf hingewiesen, dass im Jahre 2007 der

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des Kaiserreiches. David Chanteranne analysiert in seinem Beitrag zur Zeremonie des Sacre die vier Grundelemente (Salbung, Krönung, Thronbesteigung und Verfassungseid), ihre technische Umsetzung, ihre Darstellung für die Nachwelt in Text und Bild sowie die zeitgenössische Wahrnehmung. Jean-Marc Olivesi untersucht den Sacre als Legitimität stiftendes Ritual, Annie Jourdan als Gesellschaftsvertrag (»pacte social«). Jacques-Olivier Boudon widmet sich dem Thema Pius VII., die französische Kirche und der Sacre. Bernard Chevallier untersucht die Vorbereitungen der von der Stadt Paris anlässlich des Sacre veranstalteten Feierlichkeiten. Claudette Joannis präsentiert die beim Sacre getragenen Kostüme, Danielle Gaborit-Chopin die Insignien und die sich darin widerspiegelnde karolingische Tradition. Sylvain LaveissiÀre widmet sich der Darstellung des Sacre in der Malerei. Jean Tulard: Le sacre de l’empereur Napol¦on. Histoire et L¦gende. Paris 2004. Dieser Bildband bietet neben einer historischen Einleitung und weiteren Text- und Bildquellen v. a. den offiziellen, vom Großzeremonienmeister Louis-Philippe de S¦gur 1805 verfassten ProcÀs-Verbal (das Krönungsprotokoll) und den Livre du Sacre von Êtienne Aignan mit den historischen Ansichten der Krönungszeremonie und den entsprechenden Kostümbildern. Patrick Rambaud / Pierre-Jean ChalenÅon: Le Sacre de Napol¦on. Pr¦face de Jean Tulard, avant-propos du Comte Alexandre Walewski, introduction de son Altesse Imp¦riale le Prince Napol¦on. Paris 2004. Dieser prunkvoll illustrierte Bildband trägt unverkennbar hagiographischen Charakter, ein Eindruck, der nicht nur durch die direkte Beteiligung der kaiserlichen Familie an seinem Zustandekommen entsteht. Das Buch setzt sich aus zwei Kapiteln zusammen, die dem Tag des 2. Dezember 1804 im Allgemeinen und den Stunden des Sacre im Besonderen gewidmet sind. Die verschiedenen Traditionslinien, die sich im Sacre bündelten, werden hier ikonographisch belegt: Napoleon als Nachfolger Karls des Großen und als »empereur — la romaine«, wie ihn eine Sammlung klassizistischer Büsten im römischen Stil darstellen. Von den Kostümen des Sacre über die Insignien bis zum Tafelgeschirr bieten die Abbildungen einen Rundumschlag um die kaiserliche Herrschaftsrepräsentation und -propaganda. »Le sacre de Napol¦on« peint par David. [Exposition] Paris, Mus¦e du Louvre, 21 octobre 2004 – 17 janvier 2005. [Catalogue par] Sylvain Laveissiere, avec la collaboration de David Chanteranne, Anne Dion-Tenenbaum, Alain Pougetoux [u. a.], photographies de Erich Lessing. Paris/ Mailand 2004. Die angeführten Werke beschreiben detailliert den äußeren Ablauf des Geschehens. In unserer folgenden kurzen Schilderung der Vorgänge kann daher auf Einzelnachweise verzichtet werden. Dementsprechend betonte Hattenhauer bereits 2005 in seiner konzisen Studie zu diesem Ereignis aus allgemeinhistorischer und rechtsgeschichtlicher Perspektive, dass es angesichts der reichhaltigen Literatur über die Kaiserkrönung »schwerlich etwas tatsächlich Neues zu entdecken« gebe – wobei der Autor jedoch (noch) keine der seit 2003 erschienenen fundierten und weiterführenden jüngeren Arbeiten zum Thema rezipierte! Gleichzeitig hob der

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einschlägige, vierte Band der wissenschaftlichen Neuausgabe der NapoleonKorrespondenz erschien, welcher die Jahre 1803 und 1804, das heißt chronologisch die Vorverhandlungen sowie die Kaiserproklamation und -krönung umfasst44. Der ereignisgeschichtliche Ablauf von Napoleons Sacre war bereits vor den Neuerscheinungen zum Jubiläum von 2004 sehr gut bekannt.45 Neben zahlreichen Einzelstudien zu den verschiedensten Facetten dieses Ereignisses (unter anderem zu den einschlägigen diplomatischen Verhandlungen, ferner zu den Kostümen und den musikalischen Darbietungen der Krönungsfeierlichkeiten, den das Ereignis festhaltenden Gemälden etc.) nahmen sich im 19. und 20. Jahrhundert mehrere Monographien des Themas an.46 Dieser Befund, dass der Sacre gut erforscht ist, galt jedoch, wie Chanteranne betont, lange Zeit nicht für die interpretative Durchdringung der Ereignisse in seinem Umfeld,47 einer Aufgabe, der sich im Grunde genommen, zumindest im Hinblick auf die Interpretation der Herrschaftsinszenierung, erst Jean Tulard gestellt habe, wie Chanteranne zugespitzt formuliert.48 Sicherlich wäre es verfehlt zu behaupten, dass sich die frühere Geschichtswissenschaft nicht um die Interpretation des Sacre bemüht habe, aber es ist zweifellos zutreffend, dass sich jede Generation nicht nur ein eigenes Bild von der Person Napoleons, sondern auch vom Sacre macht und dass in dieser Hinsicht seit Jean Tulard gerade die Erforschung der politischen Symbolik bedeutende Fortschritte erzielen konnte (dies wurde

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Verfasser hervor, dass ungeachtet der exzellenten Forschungslage nur »[w]einige andere Kapitel der französischen Verfassungsgeschichte« dem über das Geschehen Nachdenkenden »derartige Rätsel« aufgeben wie die Krönung von 1804; vgl. Hattenhauer 2005, zur Bewertung des Forschungsstandes und der offenen Fragen insbes. S. 629 (Zitate) und 630. Napol¦on Bonaparte: Correspondance g¦n¦rale. Tome quatriÀme: Ruptures et fondation, 1803 – 1804. Pr¦face par Thierry Lentz. Volume plac¦ sous la direction de FranÅois Houdecek en collaboration avec Gabriel Madec. [Paris] 2007. So konnte 2004 in einem Überblick über die einschlägigen Forschungen zu Recht festgestellt werden: »Pas une minute de la c¦l¦bration qui n’ait donn¦ lieu — un court commentaire dans tel ou tel article ou ouvrage ayant trait — la p¦riode du Consulat ou de l’Empire, pas la moindre anecdote entr¦e dans la l¦gende qui n’ait ¦t¦ omise«; Chanteranne 2004, S. 13. Vgl. dazu die bereits genannte Bibliographie von Caldwell 1991. In Frankreich wie auch in Deutschland gaben namentlich die Zentenarfeiern von 1904 den Anlass für mehrere einschlägige Publikationen. »Mais — travers l’¦tude des m¦moires in¦dits, des piÀces d’archives et de l’ensemble des documents dont les collections priv¦es sont pourvues, en mettant l’accent sur tel ¦v¦nement plutút que sur tel autre, en cherchant — illustrer plutút qu’— expliquer, donc moins sans doute — comprendre la signification et la port¦e politique, institutionnelle et dynastique aux yeux des principaux acteurs du temps, ces ouvrages avaient souhait¦ pr¦senter dans le menu les ¦l¦ments constitutifs de la fÞte, davantage que d¦cortiquer la pens¦e profonde des acteurs et des t¦moins«; Chanteranne 2004, S. 15. »Il a fallu attendre Jean Tulard pour qu’apparaissent les notions de ›mise en scÀne du pouvoir‹ et de ›repr¦sentation officielle‹, concepts qui avaient d¦finitivement scell¦ le passage d’une ›dictature de salut public‹ — une ›monarchie h¦r¦ditaire‹«; ebd.

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selbstverständlich nicht zuletzt erst aufgrund der fundierten Aufarbeitung der Fakten möglich, welche die vorhergehende Forschung geleistet hatte). Napoleon hatte sich entschlossen, keine der herkömmlichen französischen Krönungsliturgien des Ancien R¦gime zu wählen. Zur Auswahl gestanden hätten hierbei namentlich der Krönungsordo von Reims und der etwas kürzere Ordo von Paris.49 In den Verhandlungen mit Pius VII. war der französische Unterhändler, Kardinal Fesch, danach gefragt worden, welchen Ordo der Kaiser vorziehe, und hatte dabei eigenmächtig die Pariser Liturgie gewählt. Doch Napoleon setzte seinen Entschluss durch, eine eigene Zeremonie zu kreieren, bei der er sich allerdings durchaus auf eine Vielzahl von Elementen anderer Krönungstraditionen stützte. Dieser neue Ordo, in den lediglich die zur Wahrung der Kontinuität unverzichtbaren »Grundmauern« der ansonsten völlig »entkernt[en]« französischen Königs-Krönungsliturgie erhalten blieben, sollte nach Napoleons Willen eine »Deutung seines Kaisertums zeigen«.50 Die Zeremonie des Krönungstages (2. Dezember 1804) lässt sich in drei Teile untergliedern: im ersten Teil wurde Napoleon gemäß dem traditionellen, auf diesen Anlass hin jedoch in bestimmten Punkten adaptierten Salbungsritual der französischen Könige zum »Gesalbten des Herrn« gemacht; darauf folgte die Selbstkrönung des Kaisers und die ebenfalls von ihm vollzogene Krönung der Kaiserin Jos¦phine; letztlich gelobte der Gekrönte, wie bereits im zweiten Abschnitt dieses Beitrages erwähnt, die Einhaltung der sogenannten Organischen Artikel, die wesentliche Errungenschaften der Französischen Revolution festlegten.51 In Bezug auf die mediale Inszenierung des Ereignisses und deren Rezeption ist zu betonen, dass die kaiserliche Propaganda in erster Linie nicht die Salbung (den traditionellen Sacre), sondern die Krönung malen und damit für die Nachwelt festhalten ließ, und dieses Bild wirkte tatsächlich prägend: Die Franzosen sprechen daher gemeinhin vom Sacre, haben aber die Krönung vor Augen. Dieser Umstand wird jedoch auch in jüngeren französischen Publikationen (weder von Chanteranne noch von Chatel de Brancion, welche die beiden letzten Monographien zum Thema vorlegten) kaum beachtet.52 Chatel de Brancion begründet allerdings sehr überzeugend, warum die Salbung für die kaiserliche 49 Innerhalb der französischen Krönungsgeschichte des Ancien R¦gime hatte es bereits mehrere Anpassungen gegeben, sodass die Krönungsformulare – bei aller Traditionsbindung, die solchen Liturgien zu eigen ist – durchaus nicht als statisch aufzufassen sind. 50 Hattenhauer 2005, S. 633 und 650, eine tabellarische Gegenüberstellung des Krönungsordo Ludwigs XVI. von 1775 und Napoleons I. von 1804 ebd., S. 649 f. 51 Überzeugende Einteilung nach Dufraisse 1994, S. 92, der allerdings die Krönung Jos¦phines übergeht. 52 Vielleicht bedarf es bisweilen des Blicks von außen, um die Besonderheit des (scheinbar) Vertrauten hinreichend zu erkennen.

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Propaganda untauglich war : Die Salbung konnte und durfte nicht gemalt werden, wenn der Geschichte nicht das Andenken an einen dem Papst unterstellten Kaiser vermittelt werden sollte.53 Dennoch sind auch Darstellungen überliefert, die den Kaiser der Franzosen mit einem gebeugten Knie zeigen, wie er von Pius VII. die dreifache Salbung erhält (anstelle der neunfachen des französischen Königs).54 Mit Salbung und Krönung führte Napoleon im Grunde die mittelalterliche (und zugleich frühneuzeitliche) Tradition fort, wobei die Revolution von 1789 den Bezug auf die Bourbonen, nicht jedoch auf das mittelalterliche fränkische bzw. französische Königtum ausschloss. Schon im Frankreich des Ancien R¦gime basierte der Herrschaftsantritt im Wesentlichen auf den konstitutiven und Legitimität stiftenden Elementen der Krönung und der Salbung des Herrschers.55 Napoleons Kaiserreich knüpfte an dieses Erbe an. Im Gegensatz zu den Engländern und zu den Deutschen pflegen sich die Franzosen jedoch auch heute noch in ihrem Sprachgebrauch eher auf die Salbung (Sacre) als auf die Krönung zu beziehen, wie der Kunsthistoriker David Chanteranne in der Einleitung seiner Monographie zum Sacre Napoleons I. betont.56 Im Vordergrund stehe bei den Franzosen, so Chanteranne, mit der Herrschersalbung eher der religiöse, kirchliche und liturgische Aspekt, bei den Engländern und Deutschen mit seiner Krönung der verfassungsmäßige, politische Akt (»aspect constitutionnel«, »acte civil«).57 Die Salbung trenne den Gesalbten von den gewöhnlich Sterblichen, wohingegen die Krönung die Verbindung des Souveräns mit der Nation symbolisiere, deren Zusammenhalt durch den Krönungseid – das bereits genannte, dritte konstitutive Element – zusätzlich verstärkt werde. Besonders die neuere Monographie von Chanteranne unterscheidet deutlich die im Sacre zusammenfließenden Traditionsstränge: das karolingische und das 53 »Le sacre ne sera pas peint afin de ne pas laisser dans l’Histoire l’image de l’Empereur inf¦rieur au Pape«. 54 Vgl. in Chatel de Brancion 2004 die Abbildungen zwischen S. 176 und 177, hier die Salbung Napoleons aus dem Livre du Sacre von Percier und Fontaine, 1807, mit dem Kommentar Chatel de Brancions (die nicht paginierten Abbildungen sind offenbar nicht in allen Exemplaren des Buches an derselben Stelle eingefügt worden). In diesem Kommentar findet sich auch das in der vorhergehenden Fußnote angeführte Zitat. 55 Vgl. zu den Königskrönungen und -salbungen zusammenfassend Richard A. Jackson: Vivat Rex. Histoire des sacres et couronnements en France, 1364 – 1825. Traduit par Monique Arav. Straßburg 1984 (Association des Publications prÀs les Universit¦s de Strasbourg). Eine epochen- und verschiedene Kulturkreise übergreifende Geschichte von Krönungsritualen bieten Marion Steinicke / Stefan Weinfurter (Hg.): Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich. Köln/ Weimar/ Wien 2005. 56 Chanteranne 2004, S. 11 f. 57 Bei dieser Gegenüberstellung der Bedeutungen von Salbung und Krönung kann Chanteranne, ebd., S. 12, sich auf den 1805 in Paris erschienenen »C¦r¦monial de l’Empire franÅois« stützen.

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monarchische Erbe58 sowie die jungen, aber nicht zu vernachlässigenden republikanischen Traditionen. Chanterannes Darstellung erweist sich gerade in ihrem Bestreben, mit einem sehr hohen Maß an Präzision die verschiedenen Traditionsstränge zu differenzieren, die sich im Sacre verquickten, als durchaus innovativ. Das karolingische Erbe war nach Chanteranne für Napoleon von sehr großem Gewicht, und zwar sowohl bei der ideologischen Vorbereitung des Sacre (man denke zum Beispiel an Napoleons Reise auf den Spuren der Karolinger nach Aachen im September 1804) als auch bei den konkreten diplomatischen Verhandlungen, insbesondere mit dem Papst. Auch Pius VII. erwies sich als Anhänger der karolingischen Tradition und ließ durch seinen Legaten Caprara zunächst den Tag der Krönung Karls des Großen, den 25. Dezember, für den Sacre vorschlagen. Napoleon selbst war für die wichtigste Abweichung von dieser Tradition verantwortlich: die Selbstkrönung des Kaisers anstelle der Krönung durch den Papst. Der Sacre von 1804 ist dessen ungeachtet nicht nur als Verbindung von Napoleon fortentwickelter und zu etwas Neuem umgestalteter französisch-monarchischer und revolutionärer Elemente zu verstehen, sondern beruhte auch auf einer dritten (karolingischen) Grundkomponente – eine Tatsache, die bislang selbstverständlich keineswegs unbekannt war, gerade von Chanteranne jedoch mit aller wünschenswerten Klarheit herausgearbeitet und dargelegt wird. Ferner wird in seiner Darstellung deutlich, dass die Kaiserkrönung als mediales Ereignis betrachtet zu werden verdient, und zwar erstens im Hinblick auf die Botschaften, die durch militärische Darbietungen, Volksfeste, Malerei etc. transportiert wurden, und zweitens in Bezug auf die Reaktionen der Zeitgenossen. Hierbei erweisen sich sowohl die Ikonographie als auch die Printmedien (offizielle Publikationen, Zeitungen, Memoirenliteratur etc.) und handschriftliche Quellen (wie beispielsweise Briefe) als aufschlussreich. Eine zweite umfassende Monographie zum Sacre wurde 2004 von Laurence Chatel de Brancion vorgelegt, die der Forschung als Spezialistin für Cambac¦rÀs bekannt ist. Die Verfasserin führt in ihrem Werk den Nachweis, dass die Zeremonie des Sacre sehr improvisiert war, was nicht bedeutet, dass sie nicht eingehend geplant und geprobt worden wäre,59 sondern vielmehr, dass sie sich deutlich von allen Vorbildern abhob. Gleichwohl waren die konkreten Vorbereitungen für den Sacre Napoleons, wie Chatel de Brancion betont, deutlich kürzer bemessen als beim letzten Bourbonenkönig des Ancien R¦gime, Ludwig XVI., dessen Planungen für seine am 11. Juni 1775 in Reims vollzogene Krönung mehr als ein Jahr in Anspruch genommen hatten. Selbstverständlich 58 Letzteres meint bei diesem Autor die Tradition des französischen (bourbonischen) Königtums des Ancien R¦gime. 59 Vgl. Chatel de Brancion 2004, S. 99.

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geht Chatel de Brancion in vielerlei Hinsicht denselben Grundfragen nach wie Chanteranne. Sie fragt beispielsweise danach, warum Napoleon in einem laizistischen Staat diesen von den liberalen Eliten als Rückkehr zum Ancien R¦gime gefürchteten liturgischen Akt vollziehen wollte.60 Die Verfasserin würdigt ebenso gebührend den Anteil der karolingischen Tradition. Nachdem Napoleon entschieden habe, von dem Krönungsprotokoll der französischen Könige abzuweichen, habe er sich demjenigen Karls des Großen mit seinen byzantinischen Zügen genähert und Elemente der Romantik darin eingebunden. Diese Betonung der Romantik zeigt aber auch eine deutlich eigenständige Tendenz der Verfasserin, die sich bei Chanteranne kaum widerspiegelt: Goethes Werther und die Gedichte Ossians, denen Chatel de Brancion für das napoleonische Denken eine prägende Kraft unterstellt, kommen in dessen Buch gar nicht vor. Sowohl bei Chanteranne als auch bei Chatel de Brancion wird die mittelalterliche Komponente des Ereignisses vom 2. Dezember 1804 nachdrücklich betont. Ihre Argumentation vermag zu überzeugen. Gleichwohl wird man auch nach der Lektüre des Werkes von Chatel de Brancion den antikisierenden Kaiser und den Erben der französischen Monarchie sowie der Revolution nunmehr nicht durch den mittelalterlich-romantischen ersetzen, sondern die verschiedenen Facetten der Herrschaftsrepräsentation und der politischen Ideologie neben- und ineinander fügen müssen. Die Diskussion über die Vorbilder und ihre eigenständige Umgestaltung durch Napoleon bei der Vorbereitung des Sacre bietet wichtige Anhaltspunkte für das napoleonische Herrschaftsverständnis. In dieser Hinsicht ist nicht zuletzt darauf hinzuweisen, dass Napoleon durchaus auch bei der zeitgenössischen Krönungszeremonie des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation Vorbilder für seine eigene Krönung suchte. Hierauf rekurriert er explizit bei seinem Wunsch, dass der Reichsapfel auf dem Altar gesegnet und ihm anschließend überreicht werden möge.61 Die Verwendung des Reichsapfels war bei den Krönungszeremonien der französischen Könige hingegen unüblich gewesen. Am 2. Dezember 1804 übernahm es Marschall Berthier, dem Kaiser den Reichsapfel zu überreichen. Obschon die Differenzierung der verschiedenen Traditionsstränge und ihrer Umformung auch im Kontext des Sacre sehr vielversprechend erscheint, ist im

60 Zu diesem Problem vgl. oben. 61 Vgl. Napoleon 2007, S. 966, Nr. 9434, Napoleon an S¦gur, Grand Ma„tre des C¦r¦monies, Paris, 9 frimaire an XIII [30. November 1804] : »Monsieur S¦gur, mon grand ma„tre des c¦r¦monies, le globe imp¦rial ne doit pas Þtre consid¦r¦ comme un des honneurs de Charlemagne; il doit Þtre mis sur l’autel et b¦ni, et m’Þtre remis un moment pour le porter. Il y aurait de l’inconv¦nient — omettre cette formalit¦ qui a ¦t¦ toujours usit¦e dans le sacre des empereurs d’Occident et qui se pratique aujourd’hui au sacre de l’empereur d’Allemagne«.

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Kontext unseres Beitrages aus raumökonomischen Gründen im Weiteren eine Konzentration auf wenige Hinweise zur Krönungszeremonie selbst erforderlich. Die wichtigen Entscheidungen über den Ablauf der Zeremonie traf Napoleon selbst. Geladen wurden fast ausschließlich französische Teilnehmer, Repräsentanten der verschiedenen Institutionen aus Paris und der Provinz, ferner das diplomatische Corps, mit der gewichtigen Ausnahme des Papstes aber keine großen auswärtigen Fürsten. Die Musik wurde in den wichtigsten Teilen (Messe und Te Deum) von Giovanni Paisiello komponiert, während eine Vielzahl weiterer Stücke (darunter der Krönungsmarsch) von Jean-FranÅois Le Sueur stammt. Für die musikalische Gestaltung sorgten der päpstliche Chor sowie beinahe 500 weitere Instrumentalisten und Sänger. Das Formular des Krönungsordo entstand unter hauptsächlicher Mitwirkung des Juristen Jean Êtienne Marie Portalis. Der Kaiser legte großen Wert darauf, nicht vom Portal aus in die Kirche geleitet zu werden, wie dies mit den Königen des Ancien R¦gime durch die Bischöfe geschehen war, denn er halte sich in seinem eigenen Reich auf und sei daher mit den Örtlichkeiten bestens vertraut. Auch in anderer Hinsicht wurde jede Unterwürfigkeit gegenüber Papst und Kirche vermieden. Pius VII. hatte nicht das Recht, sich in die Kathedrale tragen zu lassen, sondern musste sie zu Fuß betreten. Es entfielen auch die Verbeugung des Kaisers vor dem Papst, seine Niederwerfung vor dem Altar, die kirchliche Befugnis, die Eignung des Kandidaten für sein kaiserliches Amt zu examinieren, der Schutzeid des Monarchen für die Kirche sowie weitere Elemente, mit der die Herrschaft der Könige sich einst der göttlichen Ordnung unterstellt hatte. Der Papst hatte den Kaiser nur zu salben, nicht zu krönen, denn Letzteres übernahm Napoleon selbst62 – hielt sich dabei die Krone jedoch nur über das Haupt, denn er trug nach antiker Tradition einen Lorbeerkranz –, ebenso wie die Krönung Jos¦phines, welche die Krone vor dem Kaiser kniend empfing. Gemäß der französischen Krönungstradition des Ancien R¦gime war die Krönung der Königin prinzipiell möglich und sie war auch mehrfach vollzogen worden. Gleichwohl existierte dafür keine verbindliche Regel. Selbst nach der Tradition des Ancien R¦gime bedeutete daher weder eine Krönung der Kaiserin noch der Verzicht darauf einen Verstoß gegen das Herkommen. Über die Frage, warum Napoleon Jos¦phine krönte, wurden verschiedene Hypothesen formuliert, persönliche Zuneigung scheint hier durchaus ein wichtiges Motiv gewesen zu sein. Vor ihrer Krönung durch Napoleon war Jos¦phine – wie der Kaiser selbst – durch den Papst gesalbt worden. Hinsichtlich der Salbung hatte die Französische Revolution einen irreversi62 Eine Selbstkrönung war in der europäischen Krönungsgeschichte zwar ein Traditionsbruch, jedoch kein absolutes Novum, denn ähnliche Vorgänge sind bereits früher belegt, beispielsweise bei der preußischen Rangerhöhung von 1701; vgl. Hattenhauer 2005, S. 644 ff.

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blen Bruch mit dem Herkommen eingeleitet, denn die Heilige Ampulle, in der sich das himmlische Salböl der Franken befunden haben soll, war in ihren Wirren zerstört worden. Daher musste 1804 neues Salböl geweiht werden. Abendländischen erbmonarchischen Vorbildern war jedoch die Anlehnung an den biblischen König Salomon verpflichtet, die Le Sueur für seine Mottete zur Salbung wählte. Darin lässt sich vermutlich auch der Anspruch Napoleons sehen, selbst eine Erbmonarchie gründen zu wollen.63 Auf das dritte traditionelle Element der französischen Krönungsliturgie, die Thronsetzung, welche in der Regel nach der Krönung des Königs durch den Erzbischof von Reims vorgenommen worden war, verzichtete Napoleon bewusst, um keine Abhängigkeit gegenüber Kirche und Papst zu demonstrieren. Allerdings nahmen der Kaiser und die Kaiserin selbst nach der vollständig abgeschlossenen Krönungszeremonie einen anderen Sitz ein als zuvor: Während das Te Deum erklang, schritt das Paar vom kleinen Thron (petit trúne) zum großen (grand trúne). Es lässt sich daher von einer Selbstinthronisierung sprechen. Die Formel seines Eides auf die Organischen Artikel, mit der die Zeremonie abschloss, als der Papst sich bereits in die Sakristei zurückgezogen hatte, wurde Napoleon durch die Präsidenten der vier Versammlungen vorgelegt: FranÅois de Neufch–teau repräsentierte den Senat, Fabre de l’Aude trat als Vertreter des Tribunats auf, während Fontanes und Bigot de Pr¦ameneu das Corps l¦gislatif bzw. den Conseil d’Êtat vertraten. Napoleon hatte ihnen seine Entscheidung über den Ablauf dieses Teils der Zeremonie mit Schreiben vom 30. November 1804 mitgeteilt. Dieses Schreiben ist weniger in der Form einer Einladung als im Tenor einer Weisung abgefasst, die vom Kaiser vorgesehenen Funktionen bei dieser Zeremonie auszuüben.64 Trotz aller innovativen Elemente der Krönungs- und Salbungszeremonie (besonders mit dem anschließenden Verfassungsschwur) erscheint es überaus bemerkenswert, dass sich Napoleon bei dieser Zeremonie »so sorgfältig an die

63 So die überzeugende Vermutung von Hattenhauer, ebd., S. 643 f. 64 Vgl. Napoleon 2007, S. 966, Nr. 9433, Napoleon an FranÅois de Neufch–teau, pr¦sident du S¦nat, Paris, 9 frimaire an XIII [30. November 1804] : »Nous avons choisi le onziÀme jour du pr¦sent mois de frimaire pour la c¦r¦monie de notre sacre et de notre couronnement. Les constitutions de l’Empire appellent les grands corps de l’Êtat pour y assister et nous avons convoqu¦ tous les citoyens dont elles exigent la pr¦sence. Les sentiments dont nous sommes anim¦s pour le S¦nat nous ont en mÞme temps port¦ — d¦cider que la formule du serment nous sera pr¦sent¦e par son pr¦sident. Nous vous faisons en cons¦quence cette lettre pour que vous ayez — faire conna„tre au S¦nat que nous d¦sirons qu’il se rende dimanche prochain onze frimaire dans l’¦glise m¦tropolitaine de Paris et que son pr¦sident y remplisse les fonctions que nous lui avons destin¦es«. Gleichlautende Schreiben gingen an die drei übrigen Versammlungspräsidenten (ebd., Anm. 1).

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traditionelle Herrschaftssymbolik einer angeblich absterbenden Welt [hielt], die er soeben selbst zum Einsturz brachte«.65

Das Ringen um die Anerkennung des Kaisertums und der »vierten Dynastie« Napoleon, so wurde im vorletzten Abschnitt betont, sah sehr deutlich die schmale Grenze zwischen Erhabenem und Lächerlichem. Dass die von ihm im Wesentlichen selbst konzipierte Zeremonie des 2. Dezember 1804 durchaus zahlreiche Ansätze für napoleonkritische Karikaturisten bot, zeigt nicht zuletzt die berühmte Karikatur des Krönungszuges durch den Briten James Gillray. Zeugnisse französischer Emigranten in Großbritannien belegen, mit welchem Enthusiasmus dort solche Karikaturen aufgenommen wurden. Sehr selten ist jedoch in jüngeren französischen Forschungsbeiträgen die Dekonstruktion der kaiserlichen Autorepräsentation vertreten, wie sie sich beispielsweise anhand der englischen Karikaturen veranschaulichen lässt.66 Anders als es die erwähnten Karikaturen nahelegen, verlief die Etablierung im Kreis der europäischen Monarchen für Napoleon, der durch die Hinrichtung des Herzogs von Enghien scharf mit dem Ancien R¦gime gebrochen hatte, trotz mancher Rückschläge zunächst im Wesentlichen erfolgreich. Allein Großbritannien sollte Napoleons Kaisertitel niemals anerkennen. Nicht zuletzt durch militärische Erfolge (man denke vor allem an die Schlacht von Austerlitz, auf den Tag genau ein Jahr nach der Kaiserkrönung) vermochte sich Napoleon im Kreise der europäischen Monarchen einen Platz zu erringen und sogar als dynastischer Partner akzeptiert zu werden. Zur Sicherung seiner Nachfolge ließ er sich von Jos¦phine de Beauharnais scheiden und heiratete am 2. April 1810 die 18jährige Tochter des Kaisers von Österreich, Marie Luise. Die Erzherzogin war eine Großnichte der letzten französischen Königin Marie Antoinette und ihres Gemahls Ludwig XVI., die beide der Guillotine zum Opfer gefallen waren. Mit dem Erbe der Revolution brach Napoleon durch diese Eheschließung, während die alte Monarchie Österreich ihn bereitwillig in den Kreis der vielleicht bedeutendsten europäischen Herrscherfamilie der Frühen Neuzeit aufnahm. Ein wichtiges Motiv dafür lag in dem Bestreben Fürst Metternichs, durch diese 65 Hattenhauer 2005, S. 630. 66 Chatel de Brancion bietet gleichwohl eine höchst anschauliche Gegenüberstellung der kaiserlichen Selbstrepräsentation und ihrer Karikierung, indem sie Gillrays Karikatur gleich unter Davids Monumentalgemälde der Krönung abbildet; vgl. Chatel de Brancion 2004, Abbildung zwischen S. 176 und 177 (zur zwischen verschiedenen Exemplaren der Auflage divergierenden Position der Abbildungen siehe oben). Gillrays Karikatur ist auch abgebildet in Lentz 2003, S. 162.

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dynastische Verbindung die französisch-russische Allianz zu unterminieren, die bereits durch die Zurückweisung des Ansinnens Napoleons, eine russische Großfürstin zu heiraten, durch Zar Alexander einen deutlichen Riss erfahren hatte. Nach der Kinderlosigkeit der Verbindung zwischen Napoleon und Jos¦phine wurde dem Kaiser der Franzosen gleich im ersten Jahr seiner Ehe mit der österreichischen Kaisertochter am 20. März 1811 ein Sohn und Stammhalter geboren. Wenn sich auch zu Beginn der Kaiserherrschaft Napoleons mannigfaltige Anklänge an eine republikanische Grundordnung finden, so weichen diese im Laufe der Geschichte des Empire sukzessiv einem offeneren und eindeutigeren Bekenntnis zur Monarchie. Am Anfang dieses Empire diente der Rekurs auf die Republik und die mit ihr verbundenen demokratischen Legitimationsmittel wie das Plebiszit der Etablierung und der Absicherung der neuen Herrschaftsform. Zenit und Niedergang des Empire standen im Gegensatz dazu jedoch im Zeichen der Herrschaftssicherung durch eine Stärkung der monarchischen und autokratischen Machtstrukturen sowie ihrer symbolischen Repräsentation. Sinnfälliger Ausdruck des Wandels im Herrschaftsverständnis und in der Herrschaftsdarstellung des Empire sind beispielsweise die Aufgabe des französischen Revolutionskalenders zum 31. Dezember 1805, der Verzicht auf die Formel, der zufolge Napoleons Kaisertum sich auf die »Konstitutionen der Republik« gründete, nach dem 28. Mai 1807 sowie die Umstellung der Münzprägungen, die bis 1808 im Namen der »R¦publique franÅaise. Napol¦on Empereur«, seit dem 1. Januar 1809 aber mit der Umschrift »Empire franÅais« erfolgten. Somit löste sich sukzessiv der republikanisch-monarchische Doppelcharakter des Regimes auf und ließ eine zunehmend traditionelle Monarchie zutage treten – eine Entwicklung, die in einem veritablen und nicht zu leugnenden »Verrat an der Revolution im Kaiserreich« gipfelte.67 Außenpolitisch waren Napoleons Etablierung unter den europäischen Monarchen und dessen Oberherrschaft über einen großen Teil Europas aufs Engste mit seiner militärischen Machtstellung verknüpft. Als der Zenit dieser Macht überschritten war und seine Widersacher erfolgreich zum Gegenangriff schritten, zerbrach Napoleons Herrschaft vollends, und es sollte sich erweisen, dass sein Kaisertum nicht zu einer dauerhaften »vierten Dynastie« geführt hatte, dass weder die verfassungsrechtliche noch die sakrale Legitimation dieses hinreichend absichern konnten. Der am 2. Dezember 1804 unternommene Versuch einer solchen Legitimationsstiftung ist jedoch durchaus als ein Zeugnis der Weitsicht Napoleons zu deuten.68 67 Vgl. Dufraisse 1994, S. 92 und 119 (Zitat) bis 127. 68 So überzeugend Hattenhauer 2005, S. 651.

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Fazit: Das Scheitern des napoleonischen Empire und das Nachwirken seiner Kaiseridee Am 11. April 1804 musste Napoleon I. seinen Thronverzicht erklären, nachdem das von ihm in Europa etablierte Herrschaftssystem militärisch und damit auch politisch zusammengebrochen war. Das Ende des Ersten Kaiserreiches konnte auch die Hundert-Tage-Herrschaft des Jahres 1815 nicht verhindern, als Napoleon vorübergehend wieder aus seinem Exil (zunächst der Insel Elba) zurückgekehrt und vom Verbannten zum Herrscher Frankreichs aufgestiegen war. Das neuerliche Exil, nun auf der fernen Insel St. Helena im Südatlantik, dann Napoleons Tod 1821 begruben die Hoffnungen auf die Wiederherstellung seiner Kaiserherrschaft. Immerhin lebten seine Kaiseridee und auch seine Dynastie (wenngleich nicht in direkter Linie) im Zweiten Kaiserreich (1852 – 1870) unter Napoleon III. fort. Obwohl Napoleon I. selbst die Kaiserkrönung insgesamt nicht als gelungen empfunden hatte, gab es durchaus Elemente, die im Nachhinein Anklang fanden. Die von Le Sueur eigens zu diesem Anlass komponierte Motette Unxerunt Salomonem wurde 1825 bei der Krönung des französischen Königs Karl X., die in der traditionellen Krönungsstadt Reims erfolgte, wieder aufgeführt. In der jüngeren Forschung erfreut sich das Erste Kaiserreich ungebrochener Beliebtheit. Es erscheint bemerkenswert, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 200 Jahre nach der napoleonischen Kaiserkrönung, mindestens ein halbes Dutzend selbständige neue Publikationen dieses Ereignisses gedenken, während es sich 1804 um einen Misserfolg handelte, um eine Inszenierung, die nicht einmal Napoleon selbst ganz zu überzeugen vermochte. In der Tat betrachtete der Kaiser die Ergebnisse des Sacre als allenfalls mittelmäßig und sah, dass dieser Schritt ihm traditionelle Befürworter entfremden konnte, ohne dass er dadurch neue zu gewinnen hoffen konnte69 – das eingangs angeführte Beispiel Beethovens belegt eindrücklich, welch abträglichen Einfluss das Kaisertum selbst schon auf bedeutende Intellektuelle ausübte. Unter Einbeziehung auch abgelegener Text- und Bildquellen war es der jüngeren Forschung in unserem beginnenden 21. Jahrhundert möglich, zu einer noch differenzierteren Beurteilung und Einordnung des an sich bereits gut bekannten und erforschten Sacre zu gelangen. Vielleicht wäre es wünschenswert, in künftigen Forschungsbeiträgen kritischeren zeitgenössischen Stimmen ein 69 »Et finalement, Napol¦on lui-mÞme n’en [von der Kaiserkrönung] fit pas grand cas, en d¦pit de la commande — David et des beaux livres. Il fut embarrass¦ par les r¦sultats mitig¦s de l’op¦ration qui n’apportait rien de plus — sa l¦gitimit¦ personnelle et risquait de lui ali¦ner certains de ses soutiens sans lui en gagner de nouveau«, urteilt Thierry Lentz: »Vivat imperator in aeternum?«, in: Lentz 2003, S. 159 – 173, hier S. 159.

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besseres Gehör zu verschaffen, die vermutlich besser erklären könnten, warum die sonst so effiziente napoleonische Propaganda gerade beim Sacre zunächst ganz offensichtlich nicht ihre gewohnte Wirkung zu entfalten vermochte. Die bisweilen vertretene These, auf lange Sicht sei der Sacre dennoch zu einer Erfolgsgeschichte geworden, scheint durch jüngere, sehr kritische Stimmen gegenüber Napoleon in Frage gestellt zu werden. Schon im Jahre des Bicentenaire des Sacre (2004) zeigte die politische Klasse im Gegensatz zu vielen Museen und wissenschaftlichen Einrichtungen Zurückhaltung; dies galt noch mehr im Jahr des Bicentenaire von Austerlitz (2005), in dem sich das öffentliche Bild von Napoleon, der die Sklaverei wieder einführte, mit der Diskussion um das Gesetz vom 23. Februar 2005 über die Auswirkungen der französischen Kolonialherrschaft verquickte70. Auch wäre in der Forschungsliteratur eine weniger auf Frankreich zentrierte Betrachtung wünschenswert: Die übrigen europäischen Mächte spielen, abgesehen von den diplomatischen Vorverhandlungen, in den einschlägigen jüngeren französischen Publikationen kaum eine Rolle; welches Bild sich das Ausland von der Kaiserkrönung machte, wird bestenfalls in groben Zügen skizziert. In diesen Punkten lägen also Perspektiven für weitere Arbeiten zu Napoleons Kaiserkrönung. Welches Verständnis des Sacre zeigt sich in den jüngeren Darstellungen? In der Schlussbetrachtung seiner Monographie über Napoleons Kaiserkrönung (einem der jüngsten Beiträge zu diesem Thema, der unter den neueren Publikationen wohl die kohärenteste Gesamtdeutung liefert) interpretiert David Chanteranne den Sacre als Manifestation des französischen Wunsches nach nationaler Eintracht, als eine Zeremonie, in der sich »un d¦sir de concorde nationale« ausdrücke.71 Diese zugespitzte These lässt sich sicherlich im einzelnen diskutieren, jedoch erscheint es zweifellos begrüßenswert, dass der Verfasser nach einer differenzierten Analyse des Sacre, seiner Vor- und Wirkungsgeschichte, eine dezidierte Gesamtinterpretation versucht, die das Geschehen und seine Wahrnehmung in die französische Geschichte einordnet. Der Sacre konstituierte nach Chanteranne eine idealtypische Verbindung der Grundzüge des Premier Empire, ein wahrhaftes Spiegelbild der gesamten na70 Vgl. (stellvertretend für viele andere Pressereaktionen, die der Historiker später einzuordnen haben wird) Beno„t Hopquins: »Ni Chirac ni Villepin ne comm¦morent Napol¦on, accus¦ d’esclavagisme«, in: Le Monde, s¦lection hebdomadaire (samedi 3 d¦cembre) 2005, S. 7. Chirac war seinerzeit französischer Staatspräsident, der (hervorragende NapoleonKenner) de Villepin Premierminister. Zu Stellungnahmen seitens der Fachwissenschaft zu diesen Vorgängen vgl. u. a. Emmanuel Le Roy Ladurie: »Napol¦on boycott¦, l’Histoire amput¦e«, in: Le Figaro (1er d¦cembre) 2005, S. 14 (und 1); Steven Englund, »Le soleil occult¦ d’Austerlitz«, in: Le Mondes des livres (2 d¦cembre) 2005, S. 2. 71 Chanteranne 2004, S. 231.

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poleonischen Herrschaft, deren Grundlagen sowohl in der monarchischen Tradition des Ancien R¦gime als auch in der republikanischen Ideologie zu finden seien.72 Doch gerade diese innere Widersprüchlichkeit habe weniger die Zeitgenossen73 als vielmehr die Nachwelt zu überzeugen vermocht.74 Letztlich sei der Sacre für Napoleon und seine Propaganda eher ein Misserfolg gewesen: Für seine Bewunderer habe dem Sacre nicht die gleiche symbolische Kraft angehaftet, wie sie die Salbungen des 16. Jahrhunderts in den zeitgenössischen Chroniken deutlich werden ließen. Den Oppositionellen sei die innere Widersprüchlichkeit des usurpatorischen Regimes vor Augen geführt worden. Im Grunde sei Napoleon fast mit einem Monarchen des 18. Jahrhunderts vergleichbar gewesen, der die in Europa von der Französischen Revolution verursachten Transformationen nicht akzeptiert habe. Doch im Nachhinein wurde der Sacre einem Urteil zufolge, dem Chanteranne sich zu Recht anschließt, zu einem verklärten Ereignis, fast zur Legende, die in der Erinnerung an die napoleonische Zeit einen immer breiteren Raum und eine größere Wirkmächtigkeit einzunehmen vermag, zum »¦v¦nement myst¦rieux, presque l¦gendaire, qui s’impose — l’imagination des peuples, qui para„t recul¦ — l’infini dans les temps et qui grandit par l’¦loignement«.75

72 Ebd.: »ConÅue dans la plus stricte observance des traditions royales d’Ancien R¦gime et r¦v¦latrice d’une id¦ologie fondamentalement r¦publicaine, la solennit¦ napol¦onienne [konkret richtet der Verfasser seinen Blick auf den Sacre] repr¦sente — elle seule un parfait r¦sum¦ historique du r¦gime tout entier«. 73 Ebd., S. 243: »Le message d¦livr¦ en 1804 reste ambigu pour la majorit¦ des t¦moins. Il n’a pas convaincu la population. En revanche, il a permis une totale identification entre l’image de Napol¦on et l’exercice du pouvoir«. 74 Ebd., S. 245 f. Dies belegt Chanteranne mit Hinweisen auf die Verbindung zeremonieller monarchischer Bezüge und republikanischer Diskurse in der Fünften Republik. Gerade diese letzte These erscheint jedoch durch die Zurückhaltung der staatlichen Autoritäten bei den Jubiläums-Feierlichkeiten von 2004 (zur Kaiserkrönung) und 2005 (zur Schlacht von Austerlitz) sowie die aktuellen Debatten um die historische Rolle Napoleons, zugespitzt formuliert die Polarisierung, die sich in der französischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Interpretation der napoleonischen Epoche abzeichnet, keineswegs unanfechtbar. 75 Zitiert nach ebd., S. 244.

Gabriele B. Clemens (Saarbrücken)

Verwaltungseliten und die napoleonische Amalgampolitik in den linksrheinischen Departements

Im Zuge der Revolutionskriege und der napoleonischen Eroberungen annektierte Frankreich große benachbarte Gebiete. Auf dem Höhepunkt der Macht Napoleons gehörten zum Imperium neben dem französischen Kernland die belgischen, holländischen, hanseatischen, linksrheinischen und italienischen Departements als integrale Bestandteile. Alle diese europäischen Regionen wurden von dem radikalen Reformwerk der Französischen Revolution erfasst. Gewiss kann und darf man das Grand Empire nicht als vorweggenommene Europäische Union bewerten. Weder die Belgier, die Italiener, die Deutschen oder andere Europäer wurden ernsthaft gefragt, ob und in welcher Form sie zum Empire gehören wollten. Es gab zwar Plebiszite, aber mit diesen wurde nichts entschieden. Und das napoleonische System hatte durchaus repressiven Charakter, aufgrund der fast ständig geführten Kriege und der zunehmend hohen Steuerlast. Gleichwohl waren die Errungenschaften, die infolge der Französischen Revolution in die Nachbarländer exportiert wurden, bemerkenswert. In den von Frankreich annektierten Gebieten waren Einfluss und Auswirkungen der revolutionären und napoleonischen Politik zweifellos am größten. Mit den Annexionen seit den 1790er Jahren war zudem mehr als ein einfacher Herrschaftswechsel verbunden. Von grundlegender Bedeutung war überall die Neuorganisation von Justiz- und Verwaltungswesen, ferner die Übernahme der französischen Gerichtsordnung, der Gewerbefreiheit, der Aufbau einer modernen Verwaltung und der Reform des Steuersystems sowie die Abschaffung der Feudalrechte und damit einhergehend die Aufhebung des Zehnten. Erst diese radikale Beseitigung überkommener Privilegien, verbunden mit der rechtlichen Gleichstellung aller Bürger und die Einführung eines modernen Rechtssystems bildeten wesentliche Voraussetzungen für die weitere Entwicklung. Für viele europäische Regionen waren dies epochale Einschnitte, da umwälzende Reformen Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen bedingten und Neues an die Stelle überkommener Traditionen gesetzt wurde.1 Die Administration der 1 Zum Epochencharakter der französischen Zeit in den rheinischen Departements Jürgen

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neuen Territorien wurde modernisiert, rationalisiert und zentralisiert. Um eine derartig umfassend angelegte Reform durchzuführen, bedurfte es einer immensen Anzahl möglichst gut ausgebildeter Beamter. Es reichte nicht, einige wenige Spitzenbeamten in die neuen Departements zu entsenden. Allein für die Neuordnung von Justiz-, Forst- und Steuerverwaltung brauchte man Zehntausende Mitarbeiter. Es war weder dem Direktorium, noch nach 1800 Napoleon möglich, die Stellen in der Administration mehrheitlich mit Beamten aus dem Interieur zu besetzen. Zum einen wäre es rein numerisch kaum möglich gewesen, entsprechend erfahrene Beamte in ausreichender Zahl abzuordnen, zum anderen wäre eine derartige Maßnahme auch nicht klug gewesen. Die Einführung eines völlig neuen Verwaltungssystems in Aachen, Bonn, Köln, Mainz oder Trier und die damit zwangsläufig einhergehenden Traditionsbrüche waren der Bevölkerung leichter zu vermitteln, wenn sie von ihnen bereits bekannten Beamten getragen wurden. Thematisiert wird im Folgenden, ob und wie der französische Staat die Beamtenschaft der neu erworbenen Gebiete integrierte, bzw. wie die neuen Herrscher Legitimität zu vermitteln und ob sie Akzeptanz herzustellen vermochten. Die zuvor amtierenden Regenten hatten gemäß autoritärer bis aufklärerisch-reformatorischer Ideen geherrscht. Ihre viel diskutierten Reformversuche vermochten sie meist nicht durchzusetzen. Inwieweit die ortsansässigen Beamten nun gewillt waren, staatliche Reformen zu tragen, sollten sie bald nach Ausbruch der Revolution unter Beweis stellen, als ihre Gebiete zunächst erobert und dann annektiert wurden. Für viele Beamte stellte sich Ende der 1790er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Frage, ob sie bereit waren, einem neuen Herren zu dienen, und für die neuen Herren stellte sich vice versa die Frage, welche Diener denn ihren Ansprüchen genügten. Die Forschungslage für die annektierten Departements ist sehr disparat. Stuart Woolf hat schon vor rund 15 Jahren wesentliche Grundzüge der napoleonischen Integrationspolitik herausgearbeitet, beschränkte sich dabei aber auf die absolute Verwaltungsspitze, obwohl er durchaus sah, dass es für die angestrebten Integrations- und Akkulturationsprozesse nicht nur auf die Präfekten ankam, sondern dass diese für eine erfolgreiche Politik auf ein ganzes Heer von Beamten und Bediensteten angewiesen waren.2 Umfassendere Untersuchungen gibt es auf den mittleren und unteren Verwaltungsebenen bislang nur für die die rheinischen Departements, auf die sich die folgenden Ausführungen im Wesentlichen konzentrieren. Die linksrheinischen Gebiete erfuhren zwischen 1794 und 1814, also binnen Müller: »1798 – Das Jahr des Umbruchs im Rheinland«, in: Rheinische Vierteljahrsblätter (62) 1998, S. 205 – 237. 2 Stuart Woolf: Napoleon’s Integration of Europe. London / New York 1991.

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nur zwanzig Jahren, aufgrund ihrer traditionell konfliktreichen Grenzlage und der Auswirkungen der Französischen Revolution gleich zwei Herrschaftswechsel. Vor der Eroberung durch die Revolutionstruppen im Jahr 1794 war das Gebiet in eine Vielzahl geistlicher und weltlicher Territorialgewalten zersplittert gewesen. Allen voran sind die drei geistlichen Kurfürstentümer Mainz, Trier und Köln hervorzuheben. Darüber hinaus bildeten die Kurpfalz, die Fürstentümer Nassau-Saarbrücken und Pfalz-Zweibrücken im Süden sowie das Herzogtum Jülich im Nordwesten größere weltliche Herrschaftskomplexe. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts besaß auch Preußen mit dem ehemaligen Herzogtum Kleve Gebiete am Niederrhein. Ihren Stand als freie Reichsstädte hatten bis dahin Aachen und Köln bewahren können. Dazu kamen noch eine Reihe kleinerer Grafschaften und Fürstentümer.3 Als im Jahr 1789 die Französische Revolution ausbrach, blieb es auch im Rheinland nicht ruhig. Maueranschläge und Pamphlete erschienen mit Verweis auf den »freien Bürgerstaat«, den Paris eingerichtet habe. Es wurde zum Widerstand gegen die Obrigkeit aufgerufen. Zudem kam es im Sommer 1789 in zahlreichen rheinischen Städten zu Protesten, meist ausgelöst von zunftbürgerlichen Gruppen.4 Danach kehrte wieder Ruhe ein, und erst durch die österreichisch-preußische Kriegserklärung wurden die Rheinlande direkt in das politische Geschehen involviert. Preußen hatte nämlich erwartet, leichte Beute zu machen, als es sich Österreich nach der im April erfolgten Kriegserklärung durch die französische Nationalversammlung als Koalitionspartner anschloss. Im September 1792 zerbrach diese Illusion, nach dem erfolglosen Versuch der Koalitionstruppen in Ostfrankreich einzumarschieren, mit der Niederlage von Valmy. Das alte fürstliche Europa und die beiden damals angeblich besten Armeen schienen nichts gegen den Geist der Revolution ausrichten zu können. Auf jeden Fall kamen sie nicht gegen den Schwung und den Idealismus der Revolutionstruppen an. Im Gegenzug eroberte General Custine das linke Rheinufer, das ab 1794 dann für zwanzig Jahre unter französischer Herrschaft bleiben sollte. Während sich die österreichischen und preußischen Truppen über den Rhein zurückzogen, flohen die Landesherren, und die zurückbleibende Bevölkerung leistete keinen nennenswerten Widerstand. In den ersten Jahren nach der Besetzung des Linksrheinischen wechselten sich in rascher Folge häufig rivalisierende militärische und zivile Verwaltungsorganisationen ab. Die Bevölkerung litt unter den hohen Kontributionen. Die 3 Franz Irsigler: Herrschaftsgebiete im Jahr 1789 (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft und Karte 5,1). Köln 1982. 4 Günther Birtsch: »Soziale Unruhen, ständische Repräsentation. Trier in der Zeit der Französischen Revolution«, in: Mentalitäten und Lebensverhältnisse. Rudolf Vierhaus zum 60. Geburtstag. Göttingen 1982, S. 143 – 159.

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Verwirklichung französischer Parolen wie »Libert¦, Egalit¦, Fraternit¦« oder »Krieg den Palästen und Friede den Hütten« ließ auf sich warten.5 Nachdem Österreich im Frieden von Campo Formio im Oktober 1797 alle linksrheinischen Gebiete in Geheimartikeln abgetreten hatte, begann der Neuaufbau der Verwaltung nach französischem Muster.6 1798 wurde das Territorium in vier Departements unterteilt. Es entstanden im Norden das Rur-Departement mit der Hauptstadt Aachen, das Rhein-Mosel-Departement entlang der Rheingrenze mit der Hauptstadt Koblenz, das Saar-Departement im Südwesten mit Trier als Regierungssitz sowie das südlich angrenzende Donnersberg-Departement mit Mainz als Verwaltungszentrum. Die neuen rheinischen Departements untergliederte Generalgouverneur Rudler, der wie seine Nachfolger in Mainz amtierte, gemäß einer zentralisierten Verwaltungsreform in Kantone, die mehrere Mairien umfassten. 1800 wurde dann im Zuge der Einführung des Präfektursystems zudem jedes Departement in drei bis vier Arrondissements mit einem Unterpräfekten an seiner Spitze unterteilt.7 Bei der Einführung des Präfektursystems hielt die neue Regierung weiterhin an der zentralen Funktion des Gouvernementskommissars für alle vier Departements fest. Erst nach dem Frieden von Lun¦ville (9. Februar 1801) und der damit erfolgten endgültigen Abtretung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich wurden Gesetzgebung und Verwaltung den in den innerfranzösischen Departements geltenden Richtlinien angeglichen. Die jeweiligen Präfekten waren nun der Regierung in Paris direkt verantwortlich, erhielten von dort ihre Direktiven und waren wiederum weisungsberechtigt für die Unterpräfekten auf Arrondissementsebene sowie auf der Gemeindeebene für die Maires. Sowohl die

5 Ludwig Käss: Die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung auf dem linken Rheinufer durch die Franzosen während der Besatzung 1792 bis zum Frieden von Lun¦ville (1801), Diss. Mainz 1929; Jacques Godechot: Les Commissaires aux arm¦es sous le Directoire. Contribution — l’¦tude des rapports entre les pouvoirs civils et militaires, 2 Bde. Paris 1941; Max Braubach: »Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß (1648 – 1815)«, in: Franz Petri / Georg Droege (Hg.): Rheinische Geschichte, Bd. 2. Düsseldorf 1976, S. 219 – 365; Timothy Charles William Blanning: The French Revolution in Germany. Occupation and Resistance in the Rhineland 1792 – 1802. Oxford 1983. Blanning überzeichnet in seiner Arbeit die Situation völlig, in dem er die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Franzosen als Widerstand kennzeichnet, dabei verhielt sie sich mehrheitlich passiv, und gerade in intellektuellen Kreisen herrschte begeisterte Aufbruchstimmung, als die Franzosen die überkommenen Strukturen des Alten Reiches im Linksrheinischen hinwegfegten. 6 Vgl. hierzu grundlegend Sabine Graumann: Französische Verwaltung am Niederrhein. Das Roerdepartement 1798 – 1813. Essen 1990. 7 Rainer Ortlepp: »Die französische Verwaltungsorganisation in den besetzten linksrheinischen Gebieten 1797 – 1814 unter besonderer Berücksichtigung des Departements Donnersberg«, in: Alois Gerlich (Hg.): Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit. Kontinuität und Wandel im Gefolge der Französischen Revolution am Mittelrhein. Wiesbaden 1982, S. 132 – 151.

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Maires – in den Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern – als auch die Unterpräfekten und Präfekten wurden direkt von Napoleon ernannt.8 Von der Forschung werden seit langem Fragen diskutiert, ob und inwieweit die Französische Revolution grundsätzliche strukturelle Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft bewirkt hat, ob sie Modernisierungsprozesse in Gang setzte oder im Gegenteil Prozesse wie die Industrialisierung in Frankreich gar verhinderte. Die Antworten fallen sehr verschieden aus, je nach Blickwinkel und negativem oder positivem Revolutionsverständnis der einzelnen Historiker.9 Für die deutsche Geschichtswissenschaft darf man in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass nationale Ressentiments die Historiographie bis in die 1950er Jahre und teilweise darüber hinaus in einem entscheidenden Maße geprägt haben. Die französische Zeit wurde als Epoche ausbeuterischer Repression bzw. als verhasste Fremdherrschaft dargestellt.10 Darüber hinaus wurden über zahlreiche von den Franzosen durchgeführte Reformen und Maßnahmen in der älteren Forschung hartnäckig Vorurteile und Halbwahrheiten tradiert, die teilweise bis zum heutigen Tag nachwirken. Doch selbst diejenigen Autoren, die ihre Darstellung der Jahre von 1794 – 1814 in betont düsteren Farben halten, kommen nicht umhin, die Verwaltungs- und Justizreformen positiv zu bewerten.11 Um die napoleonische Beamtenpolitik zu analysieren, werden drei Themenkreise angesprochen, die uns erste Auskünfte geben über Erfolg oder Misserfolg der französischen Regierung die neuen Gebiete zu integrieren. Zunächst wird erläutert, wie die Beamten rekrutiert wurden, welche Fähigkeiten bzw. Merkmale sie für ihre zukünftigen Aufgaben qualifizierten. Dann werden die Karrieremuster, -verläufe und -chancen verfolgt, wobei hier aber der geographische Rahmen der annektierten Gebiete überschritten wird, da es den neuen Beamten durchaus gelang, in allen Teilen des Empires zu reüssieren. Weiterhin werden die Versuche Napoleons vorgestellt, eine neue, auf ihn eingeschworene Beamtenelite zu formen, und in diesem Zusammenhang wird ge8 Jörg Engelbrecht: »Grundzüge der französischen Verwaltungspolitik auf dem linken Rheinufer (1794 – 1814)«, in: Christof Dipper / Wolfgang Schieder / Rainer Schulze (Hg.): Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien – Verwaltung und Justiz. Berlin 1995, S. 79 – 91. 9 Hansgeorg Molitor : »Bewegungen im deutsch-französischen Rheinland um 1800«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte (6) 1980, S. 187 – 209; Christof Dipper : »Einleitung: Die zwei Gesichter der napoleonischen Herrschaft«, in: Christof Dipper / Wolfgang Schieder / Rainer Schulze (Hg.): Napoleonische Herrschaft, S. 11 – 29. 10 Besonders pointiert Conrady : Die Rheinlande in der Franzosenzeit (1750 bis 1815). Stuttgart 1922. 11 Beate Carola Padtberg: »Die rheinisch-preußische Geschichte zwischen 1815 und 1915 im Spiegel der Veröffentlichungen seit dem Ersten Weltkrieg. Ein Forschungsüberblick«, in: Joseph Hansen: Preußen und Rheinland von 1815 bis 1915. Hundert Jahre politischen Lebens am Rhein, hrsg. von Georg Mölich. Köln 1990, S. 327 – 349.

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fragt, ob es den vielfach versetzten Beamten gelang, sich an ihren Einsatzorten in die lokalen Gesellschaften zu integrieren. Hat sich die Historiographie schon länger mit den Rekrutierungsmechanismen befasst, so betritt der vorliegende Beitrag in den Punkten zwei und drei weitgehend Neuland.

Rekrutierung der Beamten Gehen wir also zunächst der Frage nach, wie die Positionen in der Verwaltung besetzt wurden. Bis zum heutigen Tag fehlt eine systematische Studie zu den Beamten der rheinischen Departements. Grundlegend ist noch immer ein 1960 publizierter Aufsatz von Karl-Georg Faber zu den Verwaltungs- und Justizbeamten.12 Dieser beruht auf der Auswertung einer von Gouvernementskommissar Henri Sh¦e im Jahr 1800 durchgeführten Umfrage. Sh¦e wollte wissen, welche Beamten in den linksrheinischen Departements in der Zivilverwaltung und in den Justizbehörden tätig waren und ließ ihnen einen Fragebogen zukommen. Auf diesem Bogen sollten Stelleninhaber und Aspiranten wahrheitsgemäß über ihre Laufbahn und ihren Werdegang berichten, aber auch darüber, welchen Platz sie in der Zukunft einzunehmen wünschten. Rund 900 Bögen wurden ausgefüllt und bieten eine hervorragende Quelle für die unterschiedlichsten Fragestellungen.13 Problematisch ist jedoch, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, die über die Stellenpolitik der nächsten Dekade naturgemäß keine Rückschlüsse zulässt. Zudem wurden wichtige Verwaltungsbereiche wie Finanzen, Polizei, Forst und Zoll in Sh¦es Umfrage überhaupt nicht erfasst. Des Weiteren wurde auch nicht jeder, der einen Bogen schickte, in den Staatsdienst übernommen. Analysiert man die Stellenvergabe während der napoleonischen Zeit eingehender, so lassen sich folgende Kriterien festmachen: Zunächst war es während der französischen Zeit für alle Posten sehr förderlich, über gute Beziehungen zu verfügen, wobei sich besonders gut vernetzte Verwandte in Paris gerne für Familienmitglieder in der Provinz engagierten. Eine beachtliche Anzahl von Beamten in den Spitzenpositionen von Justiz und Verwaltung im Rheinland war verwandt mit einflussreichen Politikern in der Metropole, die ihren Einfluss für sie gelten machten. So war beispielsweise der Generaleinnehmer des RheinMosel-Departements, Jacques Wulfrand d’Alton, ein Schwiegersohn des ehe12 Karl-Georg Faber : »Verwaltungs- und Justizbeamte auf dem linken Rheinufer«, in: Geschichte und Landeskunde. Festschrift für Franz Steinbach. Bonn 1960, S. 350 – 388, hier S. 384. 13 Sie lagern heute im Stadtarchiv Mainz; Bestand 60: Êtats des services des Fonctionnaires des d¦partements de la Roer, du Rhin-et-Moselle, du Mont-Tonnerre et de la Sarre.

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maligen Generalkommissars und späteren Senators Henri Sh¦e.14 Des Weiteren war der Domänendirektor des Donnersberg-Departements, Nicolas Guyon, Neffe des Konvents- und Direktoriumsmitglieds Reubell.15 Als der Generaleinnehmer des Rur-Departements Jean Marie Harent 1803 von seinem Posten aus Gesundheitsgründen zurücktrat, wurde der mit ihm verwandte John Gay sein Nachfolger.16 Man vergab aber nicht nur Spitzenfunktionen, sondern auch untergeordnete Stellen nach diesem Kriterium, wobei wir häufiger nachweisen können, dass etwa der Steuerdirektor eines Departements jüngere Familienmitglieder in seinem Amtsbezirk unterzubringen versuchte. So hatte eben jener Generaleinnehmer Harent seinem Bruder Claude den lukrativen Posten eines Vorgesetzten für den Steuerbezirk des Arrondissements Aachen verschafft.17 Die Regierung achtete zudem bei der Stellenbesetzung im Rheinland nach Möglichkeit darauf, vermehrt Bewerber aus Lothringen und dem Elsass einzusetzen, um das delikate Sprachenproblem möglichst zu entschärfen. Weiterhin waren während der Revolutionskriege erworbene Verdienste für eine Anstellung in der Verwaltung nützlich. So wurde etwa Jean FranÅois Debruyn nach seinem Dienst als Offizier in der französischen Armee mit der sehr einträglichen Stelle der payeur g¦n¦ral im Rur-Departement bedacht.18 Desgleichen hatte sich der Steuerdirektor des Rhein-Mosel-Departements, FranÅois Franchemont,19 im Umfeld des Generals Lazare Hoche als capitaine hervorgetan. Sein Kollege im Saar-Departement, Jacques Louis Failly, leitete zuvor ein Freiwilligenbatallion.20 Nicht zuletzt auf den unteren Ebenen der Finanzverwaltung treffen wir immer wieder auf ehemalige Militärs, die es anscheinend zu versorgen galt.21 Auch auf Fachkenntnisse wurde großer Wert gelegt. So war der Steuerdirektor des Rur-Departements, Isaac Lerat, zuvor in derselben Funktion im SambreMeuse-Departement tätig gewesen.22 Die Aachener und Trierer Domänendirektoren, Jean Baptiste Darrabiat und Jean Bernard Berger, hatten vor ihrer Ernennung jeweils die Stelle eines Domänendirektors oder -inspektors im In14 Jean Tulard: Napol¦on et la noblesse d’Empire. Nouvelle ¦dition revue et augment¦e. Paris 1986, S. 178. Sh¦e sorgte auch dafür, dass für seinen Schwiegersohn ein Majorat eingerichtet wurde, das ihm allein eine Rente von 6.500 Francs einbrachte. Zudem wurde der Generaleinnehmer von Napoleon zum Comte de l’Empire erhoben. 15 Joseph Hansen: Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution 1780 – 1801, 4 Bde. Bonn 1931 – 1938, hier Bd. 4. S. 1225. 16 Gabriele B. Clemens: »Beamte im napoleonischen Rheinland«, in: Christof Dipper / Wolfgang Schieder / Rainer Schulze (Hg.): Napoleonische Herrschaft. S. 141 – 157, hier S. 146. 17 Joseph Hansen: Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, Bd. 4. S. 465 und 508. 18 Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables du Premier Empire, 28 Bde., Bd. 3. Paris 1978 – 2001, S. 125. 19 Joseph Hansen: Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, Bd. 3. S. 910. 20 Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables, Bd. 3. S. 49 f. 21 Gabriele B. Clemens: Beamte im napoleonischen Rheinland, S. 147. 22 Sabine Graumann: Verwaltung, S. 112.

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terieur bekleidet.23 Auf den unteren Verwaltungsebenen finden sich in den Akten ebenfalls positive Vermerke, wenn bei Bewerbern bereits professionelle Kenntnisse in der Finanzverwaltung vorhanden waren. Alles in allem wurden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Beamten der linksrheinischen Departements wie in Frankreich nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt: Klientelismus, Nepotismus und professionelle Eignung.24 Schauen wir uns die französische Stellenpolitik für den sensiblen Bereich der Finanzverwaltung genauer an. Die Finanzverwaltung bestand zunächst aus der Verwaltung der direkten Steuern und der Domänenverwaltung; ab 1804 gab es dann eine eigene Administration für die inzwischen zunehmend erhobenen indirekten Steuern.25 Eine wesentliche Bedeutung kam dabei der Administration der direkten Steuern zu, wobei diese Art der Besteuerung vier Bereiche umfasste. An erster Stelle stand die Grundsteuer, die auf Bodenerträge erhoben wurde und den weitaus größten Teil des Steueraufkommens ausmachte. So betrug beispielsweise der Grundsteuerbetrag für das reiche Rur-Departement allein im Jahr 1807 über 3,6 Millionen Francs.26 Die zweite Taxe, die Personal- und Mobiliarsteuer, setzte sich aus fünf verschiedenen Abgaben für Grund- und Mobiliarbesitz, Dienstpersonal, Pferde, Industrieeinkünfte und Wohnungen zusammen. Darüber hinaus wurde den Gewerbetreibenden eine Patentsteuer auferlegt, die nach dem Ertrag des Unternehmens und der Stadtgröße gestaffelt war. Eine weitere direkte Steuer erhob man auf die Anzahl der Türen und Fenster. Sie hatte – wie teilweise auch die Mobiliarsteuer – den Charakter einer Luxustaxe.27 Diese vier Steuern bildeten während des 19. Jahrhunderts die Basis

23 Darrabiat hatte zuvor als Domänendirektor im Departement Sambre-et-Meuse gearbeitet; vgl. Sabine Graumann: Verwaltung, S. 118. Bezügl. Berger s. Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables, Bd. 3. S. 48. 24 Vgl. hierzu die Studie von Catherine Lecomte: »La professionnalisation des fonctions publiques territoriales en France au 19e siÀcle«, in: Erk Volkmar Heyen (Hg.): Formation und Transformation des Verwaltungswissens in Frankreich und Deutschland (18./19. Jh.). BadenBaden 1989, S. 161 – 185. Zum Problem der Günstlingswirtschaft und des Nepotismus‹ im Bestallung- und Beförderungssystems Elisabeth Fehrenbach: »Das napoleonische Modell des Beamtentums und sein Einfluß auf die deutsche Geschichte«, in: L’educazione giuridica IV – Il pubblico funzionario: modelli storici et comparativi, Bd. 2. Perugia 1981, S. 219 – 237, hier S. 234. 25 Michael Rowe: From Reich to State. The Rhineland in the Revolutionary Age, 1780 – 1830. Cambridge 2003. S. 104 f. 26 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Bestand Rur-Departement, Nr. 1504. 27 Zum Steuersystem in den rheinischen Departements allgemein: Winfried Dotzauer: »Die Liste der Meistbesteuerten des Jahres 1807 im Saar-Departement. Zum Problem der fiskalischen Erfassung von Kapital und Wirtschaft im napoleonischen Rheinland«, in: Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte (8) 1982, S. 58 – 85.

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des französischen Steuersystems. Eine Kapital- und/oder Ertragssteuer hat es hingegen nicht gegeben.28 Der zweite Administrationsbereich betraf die indirekten Steuern und die Verwaltung der Nationalgüter,29 die ab 1803 öffentlich verkauft wurden. Welche Bedeutung ihm in den linksrheinischen Gebieten zukam, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass man staatlicherseits in nur zehn Jahren mehr als 14.000 Immobilien im Wert von rund 66 Millionen Francs versteigerte. Außerdem oblag dieser Verwaltung die Eintreibung der indirekten Steuer. Dazu zählte zunächst die Einregistrierungsgebühr, die bei notariellen Akten entfiel. Sie musste prozentual für alle Immobilienkauf-, Pacht- und Kreditverträge entrichtet werden. Zur Veranschaulichung der Bedeutung dieser Abgaben sei erwähnt, dass allein im Jahr 1808 beachtliche 180 Millionen Francs an Einregistrierungs- und Stempelgebühren aus dem gesamten Empire in die Staatskasse flossen.30 Zudem lasteten Abgaben auf Hypotheken, Spielkarten sowie Gerichtsdokumenten. Diese Art der indirekten Besteuerung war zwar eigentlich von der Constituante während der Revolution abgeschafft, aber bereits vom Direktorium aufgrund der hohen Staatsverschuldung in veränderter Form wieder eingeführt worden. Unter Napoleon wuchs die Zahl der indirekten Steuern schließlich derart an, dass für sie 1804 eine neue Verwaltung eingerichtet wurde: die r¦gie des droits r¦unis. Ihr unterstand die Einnahme der für Getränke, Destillate, Salz, Tabak und anderes mehr zu entrichtenden Gebühren.31 An der Spitze jeder dieser drei zentralistisch und hierarchisch aufgebauten Finanzverwaltungen gab es einen Direktor ; ihm unterstanden die Inspektoren 28 Jaques Godechot: Les institutions de la France sous la R¦volution et l’Empire. Paris 21968, S. 639 f. 29 Frankreich konfiszierte und veräußerte sowohl die Güter der geistlichen Institutionen auf dem linken Rheinufer als auch die des reichsständischen Adels. Im Unterschied zum rechtsrheinischen Adel, der größtenteils seine Hoheitsrechte mit dem Reichsdeputationshauptschluss verlor, mußte der reichsständische Adel auf dem linken Rheinufer darüber hinaus eine mit der Vermögenssäkularisation vergleichbare Vermögensmediatisierung hinnehmen. Sowohl die enteigneten Güter des geistlichen als auch der zahlreichen weltlichen Eigentümer wurden von den Franzosen unterschiedslos als Nationalgüter (biens nationaux) bezeichnet und ab dem Jahr 1803 in den vier rheinischen Departements gemeinsam veräußert. Vgl. zu diesen Prozessen den grundlegenden Beitrag von Christof Dipper : »Probleme einer Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Säkularisation in Deutschland (1803 – 1813)«, in: Armgard von Reden-Dohna (Hg): Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons. Wiesbaden 1979, S. 123 – 170 und vor allem die an der Trierer Universität entstandene umfassende Quellenedition unter der Leitung von: Wolfgang Schieder (Hg.): Säkularisation und Mediatisierung in den rheinischen Departements: 1803 – 1813. Edition des Datenmaterials der zu veräußernden Nationalgüter, 5 Teile in 7 Bänden. Boppard am Rhein 1991. 30 R. Chabanne: Les institutions de la France de la fin de l’Ancien r¦gime — l’avÀnement de la IIIe R¦publique (1789 – 1875). Lyon 1977, S. 245. 31 G. Sautel: Histoire des institutions publiques depuis la R¦volution franÅaise. Paris 71990, S. 367 f.

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und eine größere Zahl von Einnehmern. Hinzu kam in jedem Departement ein Generaleinnehmer. Dieser receveur g¦n¦ral verfügte als einziger über einen Gesamtüberblick der regionalen Steuereinnahmen und -ausgaben.32 Die Steuergelder liefen bei ihm ein und er transferierte sie täglich nach Paris an das nationale Schatzamt. Dieser Teil der Finanzverwaltung funktionierte weiterhin wie während des Ancien R¦gime; die Steuereinnahmen wurden verpachtet, und der Pächter hatte hohe Kautionssummen als Sicherheit zu hinterlegen, wobei diese Bürgschaft dem zwölften Teil seiner zu erwartenden Einnahmen entsprach. Weiterhin gab es jeweils einen Generalzahlmeister pro Departement. Die leitenden und sehr hoch dotierten Spitzenfunktionen der Finanzverwaltung wurden in den neuen Departements mehrheitlich Franzosen anvertraut.33 Von den insgesamt 36 Direktoren, die zwischen 1800 und 1813 den Finanzverwaltungen im Linksrheinischen vorstanden, waren 30 gebürtige Franzosen. Die Mehrzahl stammte aus Lothringen oder dem Elsass und war somit deutschsprachig oder sie kamen aus der Hauptstadt Paris. Ein wesentlicher Aspekt, der bei der Einstellung der Finanzbeamten beachtet wurde, war die finanzielle Situation des Bewerbers. Bei den französischen Beamten handelte es sich nicht – wie es vorurteilsbehaftete Zeitgenossen gerne darstellten – um Personen, die völlig mittellos ins Rheinland kamen, sich dort unmäßig bereicherten und 1814 mit prall gefüllten Taschen die Flucht antraten.34 Anstellungen in der Finanzverwaltung waren an hohe Kautionsstellungen gebunden, die progressiv zu den verwalteten Summen stiegen. So belasteten die französischen Finanzbeamten mehrheitlich Familienbesitz in Innerfrankreich als hypothekarische Sicherheit.35 Sie waren häufig schon Beamte im Ancien R¦gime unter Ludwig XVI. gewesen und hatten ebenso studiert wie ihre deutschen Kollegen. Gemäß einer Anweisung Napoleons sollte die Direktion der indirekten Steuerverwaltung in den linksrheinischen Departements vorzugsweise mit Einheimischen besetzt werden.36 Trotz dieser Bestimmung waren vier Direkto32 Zur Bedeutung der receveurs g¦n¦raux s. Louis Bergeron: »Die ›Receveurs G¦n¦raux‹ im Konsulat und Kaiserreich«, in: Geschichte und Gesellschaft (6) 1980, S. 484 – 489. 33 So verhielt es sich auch im benachbarten Großherzogtum Berg, wo geborene Franzosen fast ausschließlich die wichtigsten Stellen im Finanzressort besetzten; Heinz Karl Junk: »Verwaltung und Verwalter des Großherzogtum Bergs«, in: Burkhard Dietz / Jörg Engelbrecht (Hg.): Charles Schmidt. Das Großherzogtum Berg 1806 – 1813. Eine Studie zur französischen Herrschaft in Deutschland unter Napoleon I. Neustadt / Aisch 1999, S. 438 – 492, hier S. 476. Vgl. zu den Auswirkungen der napoleonischen Zeit insgesamt: Veit Veltzke (Hg.): Napoleon, Trikolore und Kaiseradler über Rhein und Weser. Köln u. a. 2007. 34 Johann Gottlob Schulz: Wanderungen, Kreuz- und Querzüge eines Reisenden an den Ufern des Rheins mit Episoden. o.O. [Altenburg] 1805, S. 310. 35 Gabriele B. Clemens: Immobilienhändler und Spekulanten. Die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung der Großkäufer bei den Nationalgüterversteigerungen in den rheinischen Departments (1800 – 1813). Boppard/ Rhein 1995, S. 65. 36 Sabine Graumann: Verwaltung, S. 124.

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ren der Droits r¦unis gebürtige Franzosen.37 Daneben standen aber auch drei Rheinländer an der Spitze der Verwaltung. Ernannt wurden mit Alexander Lippe38 aus Koblenz und Friedrich Handel39 aus Mainz zwei ehemalige kurfürstliche Hofräte. Der dritte, Christian Ludwig Hosemann, war gebürtiger Pfälzer. Die Ernennung verdankte er seinem Schwager, dem in französischen Diensten stehenden General Rapp, sowie seiner vorherigen Tätigkeit als Regierungskommissar.40 Auf der nachfolgenden Verwaltungsebene, der die Gruppe der Inspektoren, Verifikatoren und Kontrolleure zuzuordnen ist, wurden ebenfalls überwiegend gebürtige Franzosen angestellt. Auch bei den Domäneneinnehmern – also den Vertretern der unteren Verwaltungsstufen – handelte es sich zu Beginn der napoleonischen Zeit meist um Beamte aus Innerfrankreich. Im Laufe der Jahre betraute man jedoch vermehrt Einheimische mit diesen Posten.41 Allein als Einnehmer der indirekten und direkten Steuern wurden vornehmlich gebürtige Deutsche eingesetzt, weil anders der große Personalbedarf nicht zu decken war. So gab es allein im Rur-Departement 280 Steuereinnehmer und im Saar-Departement immerhin noch 102. Entsprechend attraktiv war die Besoldung in der Finanzverwaltung. Die Direktoren der Steuerverwaltungen erhielten ein Jahresgehalt von 10.500 Francs, was etwa dem eines Präfekten entsprach. Die Inspektoren verdienten 6.000 Francs jährlich, die Verifikatoren immerhin noch 3.500 Francs. Als Vergleich sei angeführt, dass ein Richter am Ersten Instanzgericht maximal 1.800 Francs verdiente und ein Tagelöhner sich mit einem Franc am Tag begnügen musste. Den Einnehmern standen mindestens 1.200 Francs zu, je nach Einnahmebezirk erhöhte sich die Summe aber auf bis zu 3.000 Francs und mehr. Das Gehalt war in diesen Fällen abhängig vom Steueraufkommen des jeweiligen Verwaltungsbezirks. Auch bei den Generaleinnehmern, den wohl vermögendsten Beamten, entschied das Steueraufkommen des Departements, an dem sie prozentual beteiligt waren, über ihre Einkünfte. So war diese Position im reichen Rur-De-

37 Clavareau (Donnersberg-Departement), Pitou und Bergier (Rhein-Mosel-Departement) und Bergerot (Saar-Departement). 38 Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables, Bd. 3, S. 139. 39 Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, in: Elisabeth Dühr / Christl LehnertLeven (Hg.): Unter der Trikolore. Sous le drapeau tricolore. Trier in Frankreich – Napoleon in Trier. TrÀves en France – Napol¦on — TrÀves, Katalog-Handbuch, 2 Bde, hier Bd.1. Trier 2004, S. 105 – 181, S. 135 f. 40 Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables, Bd. 16, S. 74. 41 Hier ist der Behauptung von Sabine Graumann zu widersprechen, dass Einheimische keinen Zugang zu derartigen Stellen gehabt hätten; Sabine Graumann: Verwaltung, S. 121. So gab es etwa im Hunsrück sowohl französische als auch deutsche Steuereinnehmer ; Jürgen König: Der Hunsrück in der französischen Zeit (1789/94 – 1814). Darmstadt 1995, S. 160 – 164.

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partement ungleich lukrativer als im insgesamt ärmeren Saar-Departement.42 Insgesamt dürfte die Pariser Stellenbesetzungspolitik in der Finanzverwaltung kaum von den rheinischen Notabeln begrüßt worden sein, wurden sie doch bei der Verteilung der höchsten Positionen häufig exkludiert, zumindest aber deutlich benachteiligt. Wesentlich besser sahen ihre Karrierechancen hingegen im Justizwesen aus. Weit weniger gut dotiert – abgesehen von den Posten an den Appellationsgerichtshöfen – waren die Stellen für Richter und Staatsanwälte, was aber nichts daran änderte, dass das Ausbildungsniveau der Juristen noch besser war als das der Finanzbeamten. Hier können wir davon ausgehen, dass bei der Übernahme in den französischen Staatsdienst fast alle nicht nur ein entsprechendes Studium, sondern auch Berufserfahrungen vorweisen konnten. Viele französische Juristen, die im Rheinland als Richter und Staatsanwälte arbeiteten, waren zuvor an den Parl¦ments des Ancien r¦gime tätig gewesen. Eine große Anzahl konnte eine Funktion am Parl¦ment in Nancy vorweisen.43 Sowohl für die französischen als auch für die deutschen Beamten kam es infolge der Revolution zu einer völligen Neugestaltung des Justizwesens. In Frankreich setzten die Reformen zu Beginn der 1790er Jahre ein, im Linksrheinischen mit dem Neuaufbau der Verwaltung durch Regierungskommissar FranÅois Joseph Rudler.44 Seit dessen Verwaltungsreform zu Beginn des Jahres 1798 gab es in jedem Departement Zivil- und Kriminalgerichte. Ab 1802 kam es im Zuge einer Neuorganisation zu einer völligen Angleichung an das französische Gerichtswesen. Für jedes Arrondissement wurde ein Gericht der ersten Instanz eingerichtet, jedes Departement erhielt ein Kriminalgericht, und in Trier kam noch der Appellationsgerichtshof hinzu, eine Revisionsinstanz, die wiederum für mehrere Departements zuständig war.45 In der älteren Forschung ging man davon aus, dass fast die gesamte Justizverwaltung deutsch war und nach 1800 deutsch blieb.46 Eigene Auswertungen kommen jedoch zu deutlich abweichenden Resultaten. Auf der Grundlage einer Analyse der im Almanach imp¦rial abgedruckten Beamtenlisten stellte sich heraus, dass etwa am rheinischen Appellationsgericht die prestigeträchtigen und 42 Bezüglich der Gehälter vgl. Sabine Graumann: Verwaltung, S. 122 und 183. 43 Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«. 44 Hansgeorg Molitor : Vom Untertan zum Administr¦. Studien zur französischen Herrschaft und zum Verhältnis der Bevölkerung im Rhein-Mosel-Raum von den Revolutionskriegen bis zum Ende der napoleonischen Zeit. Wiesbaden 1980, S. 55 – 61; Sabine Graumann: Verwaltung, S. 151 – 205. 45 Antonio Grilli: Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer 1797 – 1803. Frankfurt am Main 1999. 46 Karl-Georg Faber : Verwaltungs- und Justizbeamte, S. 359.

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gut dotierten Richterposten immer zu über 50 % mit Franzosen besetzt wurden.47 Die leitenden Funktionen am Appellationsgericht, die des Präsidenten und des Generalstaatsanwalts, blieben lange Zeit Franzosen vorbehalten. Erst bei der letzten Personalaufstellung im Jahr 1813, als neben dem Präsidenten nun drei Stellvertreter amtierten, findet sich der erste deutsche Vizepräsident auf der Liste: Georg Friedrich von Rebmann.48 Bei den Gerichten der Ersten Instanz kam es nicht zu einem derart auffälligen Übergewicht französischer Beamter, doch kann von einem insgesamt deutschen Beamtenstand selbst bei dieser Instanz keine Rede sein. Detaillierte Auswertungen führen hier jedoch zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der gebürtigen Franzosen ständig sank und am Ende des Empires bei 19 % lag. Bemerkenswert ist zudem, dass bei den Neuzugängen kaum mehr Franzosen nachzuweisen sind; d. h. die frei werdenden Stellen gingen zunehmend oder fast ausschließlich an deutsche Kandidaten. Bei diesen und anderen deutschen Beamten gab es vor allem in der napoleonischen Zeit keine nennenswerten Rekrutierungsschwierigkeiten oder Eidverweigerer, in großer Zahl bewarben sie sich um die Stellen in den neuen Verwaltungen. Der Grad der Akzeptanz war natürlich zum einen abhängig von der mehr oder weniger vorhandenen Bindung an die alten Herren, zum anderen zählte eine beachtliche Zahl der Beamten zu den Anhängern der Aufklärung, die durchaus die Vorzüge des neuen Systems erkannten.49 Beamte, die ihrem ehemaligen Landesherren ins Exil folgten, blieben in der Minderzahl und kehrten auch häufig recht bald wieder zurück, weil sie keine Anstellungen mehr fanden und ihre Familien ernähren mussten.

Karriereverläufe im Grand Empire Communis opinio in der Forschung ist, dass die Spitzenpositionen in der Verwaltung der annektierten Gebiete den Franzosen vorbehalten blieben und die Einheimischen leer ausgingen. Als Beleg wird dann meist die Besetzung der Präfektenstellen angeführt. Dieses Argument ist aber haltlos, da die Präfekten 47 Vgl. Almanach imp¦rial pour l’an XIII. Paris 1805; Almanach imp¦rial pour l’ann¦e M.DCCC.X. Paris 1810; Almanach imp¦rial pour l’ann¦e M.DCCC.XIII. Paris 1813. 48 Karl-Georg Faber: »Johann Andreas Georg Friedrich Rebmann (1768 – 1824)«, in: Pfälzische Lebensbilder, Bd. 1. Speyer 1964, S. 191 – 217; Rainer Kawa: Georg Friedrich Rebmann (1768 – 1824). Studien zu Leben und Werk eines deutschen Jakobiners. Bonn 1980; Elmar Wadle / Gerhard Sauder (Hg.): Georg Friedrich Rebmann (1768 – 1824). Autor, Jakobiner, Richter. Sigmaringen 1997. 49 Michael Broers insistiert in seiner Studie zu den europäischen Auswirkungen der napoleonischen Herrschaft mehrfach auf diese Affinität, Michael Broers: Europe under Napoleon 1799 – 1815. London / New York 1996, S. 2, 126 und 133.

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nie in ihrer Heimatregion eingesetzt wurden.50 Bei den Unterpräfekten im Rheinland handelte es sich dann ohnehin schon wieder überwiegend um Einheimische. Wenn auch – wie dargelegt – aus Frankreich stammende Beamte in der Finanzverwaltung bevorzugt wurden, bedeutet dies nicht, dass den in deutschen Gebieten geborenen Aspiranten eine Karriere in anderen Teilen des Empires verwehrt blieb. Von der Forschung wurde dieser Aspekt bisher allenfalls in Einzelfällen angesprochen, wohingegen systematische Untersuchungen weiterhin fehlen. Erste Nachforschungen belegen hervorragende Karriereverläufe von deutschen Beamten im napoleonischen Empire. So wurde der spätere Trierer Bürgermeister Wilhelm Haw am Ende des Empires Präfekt von Troyes (D¦partement de l’Aube),51 und der Pfälzer Johann von Birnbaum zum Präfekten im luxemburgischen Wälder-Departement ernannt.52 Den Neffen des bedeutenden kurkölnischen Ministers Graf Anton von Belderbusch und Bruder des sehr vermögenden Bonner Maires Anton von Belderbusch, Graf Karl von Belderbusch, machte Napoleon zum Präfekten des Oise-Departement.53 Ein weiteres interessantes Beispiel bietet der Karriereweg von Karl Ludwig von Keverberg. Seit 1804 Unterpräfekt im Arrondissement Kleve, wurde er 1811 zum Präfekten des neu geschaffenen Oberems-Departements ernannt und übernahm nach dem Wiener Kongress höchste Verwaltungsämter in den Niederlanden.54 Ehemals hohe preußische Beamte wurden darüber hinaus in den neu geschaffenen rechtsrheinischen Departements als Präfekten eingesetzt, so etwa Freiherr Karl Joseph von Mylius im Ems-Departement, der preußische Kammerherr und Freiherr Giesbert Christian von Romberg im Ruhr-Departement und schließlich Graf Franz Joseph Anton von Spee im Rhein-Department.55 Darüber hinaus diente eine Reihe gebürtiger Belgier als Präfekten in Innerfrankreich.56 Doch nicht nur in der Zivilverwaltung machten die Neufranzosen erstaunliche Karrieren. Dem Trierer Franz Marx gelang es, einen der attraktivsten Posten – nämlich den des Generaleinnehmers – in der Finanzverwaltung im Elsass zu 50 Isser Woloch: Napoleon and His Collaborators. The Making of Dictatorship. New York/ London 2001, S. 53. 51 Hubert Schiel: »Die Trierer Oberbürgermeister des 19. Jahrhunderts nach ihren Personalakten«, in Kurtrierisches Jahrbuch (7) 1967, S. 82 – 90. 52 Jean Savant: Les pr¦fets de Napol¦on. Paris 1958, S. 249. 53 Edith Ennen: »Bonn in der Napoleonischen Ära«, in: Dietrich Höroldt (Hg.): Geschichte der Stadt Bonn in vier Bänden, Bd. 4: Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794 – 1989. Bonn 1989, S. 39 – 63, hier S. 48. 54 Gustav Mücke: Die geschichtliche Stellung des Arrondissements und seines Verwalters zur Zeit der napoleonischen Herrschaft, dargestellt an dem Leben und Wirken Karl Ludwig von Keverbergs als Unterpräfekt in Cleve, Diss. Phil.. Bonn 1935, S. 6 f. 55 Heinz Karl Junk: Verwaltung und Verwalter, S. 481. 56 Alexander Grab: Napoleon and the transformation of Europe. Basingtoke / New York 2003, S. 79.

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besetzen. Vor der Revolution war Marx als Einnehmer des Trierer Domkapitels tätig gewesen. Um französischer Generaleinnehmer zu werden, brauchte man dreierlei: Erfahrungen in der Finanzverwaltung, sehr gute Beziehungen und Vermögen. Vorgeschlagen hatte Marx der Trierer Präfekt Joseph Bexon d’Ormechville beim Finanzminister im Jahr XI (1803), weil dieser ihn gebeten hatte, einen Kandidaten mit guter Reputation zu nennen. Da man gerade einen Generaleinnehmer aus Innerfrankreich für das benachbarte Donnersberg-Departement ernannt habe, wollte man nun auch – sozusagen zum Ausgleich – einen rheinischen Kandidaten bei einer der nächsten Stellenbesetzungen bedenken. Als Begründung für seine Auswahl gab Bexon d’Ormechville an, dass Marx langjährige Erfahrungen als »Finanzmanager« des Trierer Domkapitels aufzuweisen habe, die französische Sprache beherrsche und über ausreichenden Grundbesitz verfüge, um die erforderliche hohe Kaution zu stellen. Nach dem Ende der napoleonischen Zeit blieb Marx im Elsass, da er sich in seiner neuen Heimat sehr gut etabliert zu haben scheint. So lässt er sich unter anderem in der honorigen Soci¦t¦ d’¦mulation von Colmar nachweisen, einer Sozietät, in der sich die lokalen Notabeln dem wissenschaftlichen Fortschritt in Industrie und Kommerz widmeten. Franz Marx starb am 4. Februar 1831 reich und geachtet in Colmar. Sein Grabmal steht noch heute dort auf dem städtischen Friedhof.57 Aus der Reihe bemerkenswerter Lebensläufe seien drei weitere Beispiele aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen skizziert. Der Trierer Steuerdirektor Friedrich Handel wurde 1811 zum Chef der Verwaltung in den neuen niederländischen Departements ernannt (Sitz in Arnheim).58 Er konnte dies als Auszeichnung betrachten, da bevorzugt deutsche Beamte, die sich in den rheinischen Departements bewährt hatten, in den gerade erst hinzugekommenen Gebieten zum Verwaltungsaufbau des Empires eingesetzt wurden, etwa in Westfalen, Berg und Holland. In das 1806 neu gegründete Großherzogtum Berg wurde der Trierer Advokat des Appellationsgerichts, Joseph Mathis, versetzt. In diesem napoleonischen Vasallenfürstentum avancierte er zum Generalsekretär des Finanzministers.59 Als letztes Beispiel sei der Sohn des Trierer Appellationshofrichters Johann Heinrich Rosbach angeführt. Matthias Rosbach, der wie sein Vater Jura studiert hatte, erhielt zunächst eine Stelle in der lukrativen Do57 Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 276, Akten der Präfektur des Saar-Departements, Nr. 285: Ernennung von Marx zum Generaleinnehmer des Haut-Rhin-Departements; Pierre Leuilliot: L’Alsace au d¦but du XIXe siÀcle, I. Paris 1959, S. 398; Louis Bergeron / Guy Chaussinand-Nogaret (Hg.): Grands Notables, Bd. 11, S. 40; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 26. Strasbourg 1995, S. 2542. 58 Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, S. 135 f. 59 Gabriele B. Clemens: Immobilienhändler und Spekulanten, S. 353. Zum Herzogtum Berg vgl. Jörg Engelbrecht: Das Herzogtum Berg im Zeitalter der Französischen Revolution. Modernisierungsprozesse zwischen bayerischem und französischem Modell. Paderborn 1996.

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mänenverwaltung in Cochem. 1809 wurde er als vorzüglich besoldeter Steuerund Zollinspektor, mit einem Jahresgehalt von immerhin 8.000 – 9.000 Francs, in die neuen illyrischen Provinzen, welche Kärnten, Krain, Görz, Triest und Istrien umfassten, versetzt.60 Achteten die Machthaber in Paris bei der Schaffung der rheinischen Departements nach Möglichkeit darauf, Bewerber aus Lothringen und dem Elsass einzusetzen, um das delikate Sprachenproblem zu entschärfen, so wurden nun Verwaltungsexperten aus den rheinischen Departements aufgrund ihrer bereits gewonnenen Verwaltungserfahrung und -praxis sowie ihrer Sprachkompetenz in die später hinzugekommenen Departements entsandt. Gewiss lassen diese Beispiele noch keine generellen Aussagen über Aufstiegsmöglichkeiten von Deutschen im Empire zu, sie zeigen aber, dass derartige Karriereverläufe möglich waren und dies zunehmend gegen Ende der napoleonischen Herrschaft. Vermutlich wären bei einer längeren französischen Herrschaftsdauer die Karrierechancen für rheinische Notabeln weiter gestiegen.61 Michael Broers weist in seiner Studie zu Europa unter Napoleon überzeugend darauf hin, dass sich für Viele im Empire ganz andere Karrierechancen ergaben, als in den zahlreichen Kleinstaaten, die bis zur Jahrhundertwende die deutsche politische Landkarte weitgehend dominierten.62 Doch 1814 wurde so manch hoffnungsvolle Laufbahn jäh unterbrochen. – Als die alliierten Truppen die linksrheinischen Gebiete im Januar 1814 einnahmen, blieb den Franzosen Zeit, sich in aller Ruhe zurückzuziehen. Es gab weder einen begeisterten Empfang für die »Befreiungstruppen«, wovon sollte man auch befreit werden, noch kam es zu Ausschreitungen gegenüber den Franzosen, die ja nun vogelfrei waren. In den letzten zwanzig Jahren waren nicht nur Ehen, sondern auch Freundschaften entstanden und manch einer, wie der gerade zum Präfekten in Troyes (D¦partement de l’Aube) ernannte Wilhelm Haw, war wohl wenig begeistert über diese Art der »Befreiung«, die für ihn letztendlich einen irreparablen Karrierebruch bedeutete.

60 Konstantin Cnyrim: »Die trierische Familie Rosbach im 19. Jahrhundert«, in: Kurtrierisches Jahrbuch (25) 1985, S. 221 – 235, hier S. 229. 61 Zum wachsenden Einfluß von Rheinländern während des Empires: Michael Rowe: »Between Empire and Home Town: The Napoleonic Rule on the Rhine«, in: The Historical Journal (42/ 3) 1999, S. 643 – 674, hier S. 654. 62 Michael Broers: Europe under Napoleon, S. 135.

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Das napoleonische Amalgam – ein Mittel der gesellschaftlichen Integration? Napoleons Gesellschaftspolitik zielte darauf ab, eine ihm ergebene imperiale Elite zu schaffen. Reiche, Mächtige und Fähige, Bürgerliche wie Adlige, versuchte er zum einen mit Nobilitierungen, Auszeichnungen und Dotationen an sich zu binden, zum anderen beteiligte er sie zumindest an den politischen Diskursen in zahlreichen Räten von der nationalen bis zur lokalen Ebene.63 In dieses System wurden die Beamten geschickt eingebunden. So erhob Napoleon etwa leitende Justizbeamte unabhängig von ihrer Herkunft zu Rittern der Ehrenlegion. Die neuen französischen Beamten saßen paritätisch neben den regionalen Notabeln in den Arrondissements- und Departementsräten, in die ausschließlich die Höchstbesteuerten gewählt werden konnten, und berieten zusammen über Steuerverteilung und Verwaltungsfragen. Gemeinsam und in Konkurrenz zueinander kumulierten sie Gremiensitze. Deutschen Beamten wie dem Aachener Präfekturrat Johann Friedrich Jacobi gelang 1810 sogar die Wahl in den Pariser Corps L¦gislatif. Sein Fall ist besonders interessant. Jacobi arbeitete nicht nur seit 1800 als Präfekturrat im französischen Staatsdienst und hat in dieser Funktion auch öfters die jeweiligen Präfekten vertreten, sondern er engagierte sich zugleich als Tuchfabrikant. In diesem Metier machte er aber allerdings 1804 Bankrott. Damit wäre er als Politiker eigentlich nicht mehr zu halten gewesen. Sein Name erscheint aber weiterhin auf der Liste der Höchstbesteuerten, obwohl er wirtschaftlich erledigt war. Um seinen Bankrott abzuwenden und so nicht auf seine Mitarbeit und sein Engagement als Präfektur- und Departementsrat verzichten zu müssen, gewährte ihm das Innenministerium einen äußerst großzügigen Kredit in Höhe von 140.000 Francs. Doch bildet Jacobi nur ein herausragendes Beispiel für die hohe Wertschätzung eines rheinischen Beamten in französischen Diensten. Auf der anderen Seite vermochten es französische Beamten wiederum, sich erfolgreich in der Kommunalpolitik zu etablieren. Dem aus Dünkirchen stammenden Finanzbeamten Jacques Louis Herpein gelang beispielsweise die Wahl in den Trierer Stadtrat, der politischen Hochburg der Einheimischen. Dies spricht für einen hohen Grad der Akzeptanz seiner Person.64 63 Zum Charakter dieser Notabelngesellschaft Jean Tulard: »ProblÀmes sociaux de la France imp¦riale«, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine (17) 1970, S. 639 – 663; Louis Bergeron: L’¦pisode napol¦onien. Aspects int¦rieurs. Paris 1972; Geoffrey Ellis: »Rhine and Loire: Napoleonic elites and social order«, in: Gwynne Lewis / Colin Lucas: Beyond the terror. Essays in French Regional and Social History, 1794 – 1815. London 1983; Marco Violardo: Il notabilitato piemontese da Napoleone a Carlo Alberto. Torino 1995. 64 Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, S. 141 f.

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Die vielfältigen Formen der Kooperation und Integration beschränkten sich aber keineswegs auf die staatlich gesteuerte Regionalpolitik, zu vielfältigen Kontakten kam es auch zwischen »neuen« und »alten« Beamten im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und familiären Bereich. Detaillierte Untersuchungen zur gesellschaftlichen Integration der Neubürger liegen derzeit nur für die Departementshauptstadt Trier vor, und an dieser Stelle kann lediglich summarisch auf drei Aspekte hingewiesen werden: Geselliges Leben, Konnubium und Immobilienbesitz. Die in Trier, aber nicht nur dort lebenden Beamten, standen aus beruflichen wie aus privaten Gründen in engem, täglichen Kontakt zueinander.65 Aufgrund der Quellenlage können wir nicht sagen, wie konfliktfrei das Leben zwischen den Alteingesessenen und den Neubürgern verlief. Autobiographisches Material ist nur selten überliefert. So dürfte es etwa innerhalb der Gruppe der französischen Beamten zu Animositäten gekommen sein. Begegneten sich doch in den Straßen Triers Personen wie der radikale Revolutionär und neue Generalstaatsanwalt Claude Emanuel Dobsen, der im Nationalkonvent für die Hinrichtung Ludwigs XVI. gestimmt hatte, dem Präfekten Keppler, dessen Vater als Syndikus der Abtei von Andlau von Jakobinern guillotiniert worden war.66 Insgesamt scheinen die Kontakte innerhalb der französischen Beamtengruppe aber gut und eng gewesen zu sein, was Vormundschaften und Ehen zwischen Kindern der Beamten oder Militärs belegen, die sich erst in Trier kennen gelernt haben. Es heiratete etwa Dieudonn¦ Rigaud, der Sohn des örtlichen Divisionskommandanten General Antoine Rigaud, im Jahr 1810 eine Tochter des aus Lothringen stammenden Appellationshofrichters und Mitglied des Corps L¦gislatif Jean Jacques D’Hame. Doch auch die ehemals kurfürstlichen Beamten hegten wohl keine Bedenken, in französische Familien einzuheiraten. Beispielsweise ehelichte die kurtrierische Beamtenwitwe Therese Haw den rund zehn Jahre jüngeren Generalzahlmeister Nicolas G¦rotin. Der Trierer Staatsanwalt Wilhelm Fritsch verheiratete gleich zwei seiner Schwestern mit französischen Beamten.67 Dabei bildet die Moselstadt keine Ausnahme. Auch in Aachen,68 Köln69 oder in kleineren Provinzstädten70 65 Zu Streitigkeiten und Unstimmigkeiten innerhalb der Verwaltung des Saardepartements s. Wolfgang Hans Stein: »Verwaltungspartizipation, Denunziation und Öffentlichkeit im SaarDepartement unter dem Direktorium 1798 – 1800. Teil 1: Die Departementsverwaltung«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte (26) 2000, S. 179 – 214; Idem: »Verwaltungspartizipation, Denunziation und Öffentlichkeit im Saar-Departement unter dem Direktorium 1798 – 1800. Teil 2: Die Kantonsmunizipalitäten«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, (27) 2001, S. 109 – 180. 66 Vgl. die biographischen Informationen zu Keppler in Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 20. Strasbourg 1993, S. 1929 f.; Jean Savant: Les pr¦fets, S. 304 f. 67 Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, S. 123, 127, 136 und 168. 68 Hier sei nur auf die Ehe der Tochter eines der ranghöchsten Finanzbeamten, dem Domänendirektor Jean Baptiste Darrabiat, mit dem Präsidenten des Aachener Kriminalgerichts

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heirateten französische Beamte und Offiziere in deutsche Familien ein, wobei Braut und Bräutigam durchweg den Notabeln der Region angehörten oder zu den Notabeln in ihrer Herkunftsregion zu zählen sind. Die in derartigen Kreisen üblicherweise abgeschlossenen Eheverträge verweisen darauf, dass die Vermögenssituation zwischen den Partnern übereinstimmte. Und überhaupt war die Zahl derartiger Eheschließungen auch unterhalb der Notabelnebene insgesamt erstaunlich hoch. Stichproben für Koblenz ergaben, dass in den Jahren 1798 – 1802 jede siebte Ehe einen deutschen und französischen Partner verband.71 Daneben gab es natürlich noch viele andere Möglichkeiten zu mehr oder weniger intensiven informellen Begegnungen innerhalb der Trierer Notabeln. Man begegnete sich möglicherweise beim Kirchgang oder im Gasthaus, aber auch in den Gesellschaften der Stadt, die durchweg von französischen und deutschen Mitgliedern besucht wurden. Gemeinsame kulturelle Interessen, vergleichbare Ausbildungswege und vor allem das entsprechende Vermögen erlaubte es ihnen, elitäre Vereinsformen wie die Freimaurerloge oder das Lesekabinett zu besuchen.72 Die aus Aachen überlieferte Nachricht, dass viele in französischer Zeit aus gesellschaftlichen Gründen um Aufnahme in die Loge nachsuchten, ist bezeichnend für die Formierung einer neuen Notabelngesellschaft, zu der es auch in anderen linksrheinischen Städten kam.73 Feder-

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Hermann Joseph Meller verwiesen; vgl. Gabriele B. Clemens: Immobilienhändler und Spekulanten, S. 353 f. In Köln heiratete der Bruder der Regierungskommissar Rudler, Xaver, der als französischer Beamter in Köln tätig war, bereits 1796 eine Tochter des vermögenden Kaufmanns Friedrich Karl Heimann; der General Georgeon wiederum ehelichte eine Tochter des Advokaten Hamm; Gisela Mettele: Bürgertum in Köln 1775 – 1870: Gemeinsinn und freie Association. München 1998, S. 96. Klaus Müller wertet derartige Ehen aber als Ausnahmen. Klaus Müller : Köln von der französischen zur preußischen Herrschaft 1794 – 1815. Köln 2005, S. 260. Bezüglich dieser Fragestellung hilft letztendlich nur eine systematische Sichtung der Zivilstandsregister weiter. Zwei Schwestern des späteren Unterpräfekten Andreas van Recum heirateten junge französische Offiziere der Revolutionsarmee, die ältere Maria Magdalena Pierre FranÅois Paravey, einen Kaufmannssohn aus Gray, die jüngere Joseph Jean Saglio. Beide agierten später in der napoleonischen Zeit äußerst erfolgreich als Kaufleute. Bei diesen Hochzeiten handelte es sich auch kaum um Zufallsverbindungen, sie bewegten sich vielmehr im sozialen Rahmen des aufsteigenden Bürgertums; vgl. Karl-Georg Faber : Andreas van Recum 1765 – 1828. Ein rheinischer Kosmopolit. Bonn 1969, S. 212 – 217. Michael Rowe: From Reich to State, S. 130. Gabriele B. Clemens: »Das gesellige Trier«, in: Elisabeth Dühr / Christl Lehnert-Leven: Unter der Trikolore. Sous le drapeau tricolore. Trier in Frankreich – Napoleon in Trier. TrÀves en France – Napol¦on — TrÀves, Katalog-Handbuch, 2 Bde, hier Bd.1. Trier 2004, S. 95 – 103. August Pauls: Annalen der Aachener Freimaurerei. Frankfurt am Main 1949, S. 85 f.; Winfried Dotzauer : Freimaurergesellschaften am Rhein. Aufgeklärte Sozietäten auf dem linken Rheinufer vom Ausgang des Ancien r¦gime bis zum Ende der Napoleonischen Herrschaft. Wiesbaden 1977.

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führend in Trier waren die zahlreich in der Loge engagierten französischen und deutschen Beamten sowie Militärs. Schon die Gründung der neuen Loge, die »R¦union des Amis de l’Humanit¦«, im Jahr 1805 verweist auf den gemischt französisch-deutschen Charakter der Gesellschaft. Als Initiatoren taten sich der reichste Weinhändler der Region, Matthias Joseph Hayn, der gleich 1.200 Francs zu den Unkosten der ersten Anschaffungen stiftete, sowie jeweils ein deutscher und ein französischer Beamter hervor. Bei dem Deutschen handelte es sich um Joseph Mathis, einen Advokaten des Trierer Appellationsgerichts. Das dritte Gründungsmitglied war sein französischer Kollege Louis Pierre de Saint Martin, der als Richter an eben jenem Appellationsgericht arbeitete. Der als besonders eifrig geltende Freimaurer avancierte dann auch zum Meister vom Stuhl der Trierer Loge.74 Nach seiner Versetzung an das Appellationsgericht in Lüttich folgten ihm an der Logenspitze mit Nicolas de RoziÀres und Karl Ruppenthal zwei weitere Richter des Appellationsgerichtshofs sowie einer der ranghöchsten Finanzbeamten des Departements, der aus Paris stammende Domänendirektor Jean Berger. Bei dem letzten Meister der französischen Zeit handelte es sich abermals um einen Juristen, den in Lothringen geborenen Georges FranÅois Bidault; er hatte es bis zum Generalstaatsanwalt am Ersten Instanzgericht in Trier gebracht.75 Auch in Köln waren vor allem französische Beamte und Offiziere vertreten, die schon in Frankreich Freimaurer gewesen waren und nach ihrer Versetzung ins Rheinland in die örtlichen Logen eintraten. Von den 186 Mitgliedern, welche die Kölner Loge im Jahr 1801 zählte, waren 94 »Auswärtige«, darunter zahlreiche französische Beamte und Offiziere.76 Die patriotische Trierer »Gesellschaft für nützliche Forschungen« war ebenfalls eine gemischt deutsch-französische Assoziation. Bei dieser 1801 von hohen Beamten und Vertretern des Bürgertums initiierten Gründung handelt es sich um eine der zeittypischen gelehrten, elitären Gesellschaften, die darauf abzielten, die Landwirtschaft, Gewerbe und Wissenschaften zu fördern. Die Leitung kam qua Amt dem jeweiligen Präfekten zu. Der letzte Präsident, Bruneteau de Sainte-Suzanne, wurde von der Gesellschaft bemerkenswerterweise 1820 – einige Jahre nach dem Abzug der Franzosen – zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.77 74 Guido Groß: Trierer Geistesleben unter dem Einfluß von Aufklärung und Romantik (1750 – 1850). Trier 1956; Winfried Dotzauer: »Das aufgeklärte Trier. Freimaurer und Lesegesellschaft bis zum Ende der napoleonischen Zeit«, in: Johannes Bärmann / Alois Gerlich / Ludwig Petry (Hg.): Geschichtliche Landeskunde. Wiesbaden 1979, S. 214 – 277. 75 Joseph Dressler : Geschichte der Trierer Gerichte 1794 – 1813. Trier 1957, S. 11 f., 16, 34 und 36; Winfried Dotzauer : Das aufgeklärte Trier, S. 246. 76 Gisela Mettele: Bürgertum, S. 96. 77 Katharina M. Reidel: Geschichte der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier (1801 – 1900). Trier 1975, S. 100; Gabriele B. Clemens: »Von der französischen Provinzakademie

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Dieselbe Ehre war bereits zwei Jahre zuvor dem mittlerweile nach BesanÅon gezogenen ehemaligen Trierer Domänendirektor Jean Berger zuteil geworden.78 Politisch opportun waren derartige Ehrungen zu diesem Zeitpunkt gewiss nicht, sie belegen aber, dass gemeinsame Mitgliedschaften in derartigen kulturellen Gesellschaften Verbindungen entstehen ließen, die nach den napoleonischen Kriegen nicht abrissen. Vorliegende Untersuchungen zur Wohnsituation legen nahe, dass die französischen Beamten sich darauf einrichteten, länger in Trier zu bleiben. Die Mehrzahl von ihnen kaufte Spitzenimmobilien in den besten Wohnlagen. So dachte der genannte letzte Trierer Präfekt, Bruneteau de St. Susanne, anscheinend daran, sich dauerhaft in Trier niederzulassen, zumindest deuten umfangreiche Grundstückskäufe darauf hin. Zusammen mit dem Großkaufmann Christoph Philipp Nell, den er schon seit ihrer gemeinsamen Zeit als Abgeordnete im Corps L¦gislatif in Paris kannte, erwarb er 1811 über 30 Hektar Ackerland im Trierer Umland für über 27.000 Francs.79 Doch auch auf der deutschen Seite schien man davon auszugehen, dass die rheinischen Departements noch lange zum Empire gehören würden, sonst hätte man die Söhne nicht in Frankreich, sondern in rechtsrheinischen Gebieten für ihre zukünftige Karriere als Juristen, Weinhändler oder Offiziere ausbilden lassen.80 Alles in allem entsteht der Eindruck, dass innerhalb der Notabeln Akkulturationsprozesse voranzuschreiten schienen. Autobiographische Quellen, die diesen Prozess begrüßen, kritisieren oder auch nur reflektieren, liegen bedauerlicherweise nicht in repräsentativer Form vor. Die Beamtenschaft im Linksrheinischen hat – nach den chaotischen Zuständen während der ersten Jahre der militärischen Besatzungszeit – die franzum deutschen Geschichtsverein – Die Gesellschaft für nützliche Forschungen im überregionalen Vergleich«, in: Kurtrierisches Jahrbuch (40) 2000, S. 391 – 409. 78 Katharina M. Reidel: Geschichte der Gesellschaft, S. 100. 79 Weiterhin erwarb er im selben Jahr von einem Trierer Arzt verschiedene Liegenschaften in einem heutigen Trierer Vorort für 22.000 Francs; Gabriele B. Clemens: Immobilienhändler und Spekulanten, S. 165. 80 Auch zu diesem Thema gibt es noch keine umfassenderen Untersuchungen sondern nur vereinzelte Hinweise. Zur Ausbildung von rheinischen Adelssöhnen auf den Militärakademien St. Cyr oder La FlÞche: Karl-Georg Faber: »Die Rheinländer und Napoleon«, in: Francia (1) 1973, S. 374 – 394, hier S. 386. Der spätere Trierer Bürgermeister Wilhelm Haw hatte Jura in Paris studiert, und ein vermögender Trierer Weinhändler schickte seinen Sohn zur Ausbildung nach Bordeaux; vgl. Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, S. 134 u. 136 f. Michael Rowe geht davon aus, dass die Rheinländer ihre Söhne nur in geringer Zahl an die französischen Militärakademien schickten, wobei man hier natürlich einwenden kann, dass es im Rheinland auch kaum militärische Traditionen gab; Michael Rowe: From Reich to State, S. 136. Wiederum völlig anders verhielt es sich im Rechtsrheinischen. Michael Broers verweist hier auf die überaus große Bereitschaft etwa der hessischen Reichsritter, sich in napoleonischen Dienst zu profilieren; Michael Broers: Europe under Napoleon, S. 134.

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zösische Herrschaft weitgehend akzeptiert81 und dies wohl nicht zuletzt aufgrund ihres in erster Linie rationalen Charakters. Verglichen mit der außerordentlich schwerfälligen kollegialen und aristokratischen Herrschaftspraxis des Ancien r¦gime zeichnete sich die neue Verwaltung durch eine zeitgemäße Gerichtsordnung, klare Kompetenzenabgrenzung und eine deutlich modernisierte Verwaltung aus.82 All dies erleichterte die Akzeptanz und Mitarbeit im neuen Regierungssystem. Auch Michael Rowe geht in seiner Monographie über das Rheinland während des revolutionären Zeitalters davon aus, dass die napoleonische Herrschaft deshalb akzeptiert wurde, weil sie pragmatisch orientiert war und lokale und regionale Führungseliten einzubinden verstand.83 Angefügt seien noch einige Bemerkungen zu den Karriereverläufen in preußischer beziehungsweise bayerischer oder hessischer Zeit. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Beamten wurde übernommen.84 Schon die Beibehaltung des französischen Rechts und der Domänenverwaltung erforderte nach 1814 die Weiterbeschäftigung des erfahrenen Personals. Da die französischen Beamten fast durchweg ins Interieur zurückkehrten, waren vor allem in der Finanz- und Forstverwaltung zahlreiche Stellen vakant. Diese erhielten nun Einheimische, die zuvor an untergeordneter Position in den entsprechenden Bereichen tätig gewesen waren, oder neue Beamte aus dem Rechtsrheinischen. Gesuche von französischen Beamten auf Übernahme, wie die des Trierer Forstinspektors Joseph Massa aus Straßburg, wurden abgelehnt.85 Wenige deutsche Beamte bekamen Schwierigkeiten wegen ihrer fran81 Die größte Resistenz gegenüber der französischen Herrschaft gab es zu Beginn noch in den preußischen Gebieten am Niederrhein, wo die Beamten zuvor in relativer Autonomie handeln konnten und der weit entfernte preußische Monarch in den 1780er und 1790er Jahren wenig Interesse an diesen Gebieten zeigte; vgl. Wilhelm Steffens: »Die linksrheinischen Provinzen Preußens unter französischer Herrschaft 1794 – 1802«, in Rheinische Vierteljahrsblätter (19) 1954, S. 402 – 462. 82 Joseph Hansen: Die Rheinprovinz 1815 – 1915. Hundert Jahre preußischer Herrschaft am Rhein. Bonn 1917, S. 2. 83 Michael Rowe: From Reich to State. 84 In der bayerischen Pfalz hatten in den Spitzenpositionen von 146 Beamten nur 10 nicht zuvor im französischen Staatsdienst gestanden; Heiner Haan: »Kontinuität und Diskontinuität in der pfälzischen Beamtenschaft im Übergang von der französischen zur bayerischen Herrschaft (1814 – 1818)«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte (2) 1976, S. 285 – 309. Zur großen Kontinuität in der Stellenpolitik Bayerns in der Pfalz bis zum Jahr 1830 s. weiterhin: Idem., »Die bayerische Personalpolitik in der Pfalz von 1816/18 bis 1849«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte (3) 1977, S. 351 – 394. Für Preußen vgl. Rüdiger Schütz: Preußen und die Rheinlande. Studien zur preußischen Integration im Vormärz. Wiesbaden 1979; Manfred Koltes: Das Rheinland zwischen Frankreich und Preußen. Studien zur Kontinuität und Wandel am Beginn der preußischen Herrschaft. Köln u. a. 1992. 85 Massa übernahm die Leitung der Forstverwaltung 1803. Zuvor war er bereits in benachbarten Regionen in der Forstwirtschaft tätig gewesen, so seit Juni 1799 als Unterinspektor in Neustadt an der Weinstraße. Im Frühjahr 1814 bemühte er sich – allerdings vergeblich – um

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zosenfreundlichen Haltung. Die überwiegende Mehrzahl hatte – wie in der französischen Zeit – keine Mühe damit, neuen Herren zu dienen. Für viele von ihnen war es der zweite Machtwechsel. So arrangierte sich etwa der Jurist Johann Heinrich Rosbach nach dem abermaligen Regierungswechsel in den Jahren 1814/1815 anscheinend problemlos. Das Appellationsgericht blieb der Stadt Trier zunächst erhalten und die Beamten blieben auf ihren Posten. 1819 wurde der Appellhof jedoch nach Köln verlegt und Rosbach 1820 zum Landgerichtsrat in Trier mit einem jährlichen Gehalt von 1.000 Talern ernannt. Selbst die preußische Regierung hatte keine Probleme damit, ihn für seine Leistungen während der französischen Zeit zu würdigen. Anlässlich seines 50jährigen Dienstjubiläums im Justizwesen wurde er vom preußischen König mit dem Roten-Adler-Orden dritter Klasse ausgezeichnet, obwohl Rosbach erst seit 14 Jahren preußischer Beamter war.86 Bei beiden Herrschaftswechseln 1794 und 1814 stellten sich die vor Ort arbeitenden Beamten den neuen Herren mehrheitlich zur Verfügung. Ihre Motive, in den Dienst einzutreten, bestanden in dem Wunsch nach materieller Absicherung, ihrem Verantwortungsgefühl und während der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts teilweise in Sympathien für die Ideen der Französischen Revolution.87 Nationale Argumente oder ein Konzept der Fremdherrschaft scheinen um 1800 im Linksrheinischen noch keine Rolle gespielt zu haben. Karl-Georg Faber bemerkte über das Verhältnis der Rheinländer zu den Franzosen in seinem Aufsatz über die Beamten kurz und präzise: »Nationales Bewußtsein war diesen Beamten ebenso wie der Majorität der Bevölkerung damals noch völlig fremd«.88 In den darauffolgenden Jahrzehnten hat die Forschung dieses Bild grosso modo bestätigt.89 Auch diese Tatsache scheint die Akzeptanz des neuen Regierungs-

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eine Übernahme in leitender Position im preußischen Forstwesen; vgl. Gabriele B. Clemens: »Die Notabeln der Franzosenzeit«, S. 158 f. Vgl. Konstantin Cnyrim: Familie Rosbach. Im Königreich Westphalen lassen sich ähnliche Motivationen nachweisen; vgl. Gabriele B. Clemens: »Fürstendiener – Kollaborateure? Die Beamten im Königreich Westphalen«, in: Jens Flemming / Dietfrid Krause-Vilmar (Hg.): Fremdherrschaft und Freiheit. Das Königreich Westpahlen als napoleonischer Modellstaat, Kassel 2009, S. 119 – 135. Karl-Georg Faber : Verwaltungs- und Justizbeamte, S. 367. Zu demselben Ergebnis kommt schon rund dreißig Jahre früher Gustav Mücke in seiner Arbeit über den Präfekten Keverberg: »In der damaligen Zeit kann man noch nicht von einem Nationalgefühl im heutigen Sinne sprechen.« Gustav Mücke: Stellung, S. 133. Auch die seltenen zeitgenössischen Tagebücher bieten keine Hinweise, dass es in der Bevölkerung ein deutsches Nationalgefühl gegeben hat; Friedrich Schmitt: »Die französische Herrschaft von 1792/96 bis 1914 im Nahegebiet in der Sicht von Zeitzeugen«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte (24)1998, S. 269 – 303, hier S. 302. Erwähnt seien an dieser Stelle nur Hansgeorg Molitor : Untertan; Uwe Andrae: Die Rheinländer, die Revolution und der Krieg 1794 – 1798. Studie über das Erzstift Köln unter der Besatzung durch französische Revolutionstruppen 1794 – 1798 im Spiegel von Petitionen. Essen 1994. S. ferner den Aufsatz von Winfried Speitkamp zum Protestverhalten in der

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systems und seiner Beamter erleichtert zu haben. Die nationale Rheinromantik, ein Produkt der Befreiungskriege, entstand nicht im Rheinland, sondern wurde vielmehr von Nichtrheinländern propagiert. Zudem erreichte sie ihren Höhepunkt erst um 1840. Auch bei dem erneuten Herrschaftswechsel 1814 gab es nur vereinzelt Beispiele für eine grundsätzliche Oppositionshaltung. So war etwa nach dem Einmarsch der alliierten Truppen Georg Friedrich von Rebmann, der einzige deutsche Vize-Präsident des Appellationsgerichtshofs in Trier, zunächst unentschlossen, ob er in den preußischen Staatsdienst eintreten sollte oder nicht. Da er glaubte, nur dort leben und arbeiten zu können, wo er seine Ideale verwirklicht fand, entschied er sich für die bayerische Pfalz. Rebmann vollzog diesen Schritt subjektiv durchaus glaubwürdig mit der Feststellung, dass das Erbe der Revolution in dem Rheinbundstaat am ehesten gesichert sei. Für die preußischen Gebiete des Rheinlandes befürchtete er hingegen eine konservative Wende.90 Die Mehrzahl seiner ehemaligen Kollegen hegte derartige grundsätzliche Zweifel nicht, und wenn doch, dann nicht in dem Maße, dass sie für sie handlungsleitend waren – nacheinander dienten sie drei Herren. Bei aller Bereitschaft, den Dienstherren zu wechseln, bestand jedoch keine Bereitschaft, die einmal errungenen Rechte und die in Grundzügen moderne Verwaltung wieder aufzugeben.91 Zwar verfolgte Preußen, dem die größten Gebietsteile der ehemaligen rheinischen Departements auf dem Wiener Kongress zugefallen waren, bezüglich der Verwaltung und des Justizwesens ein gesamtstaatlich orientiertes, integrationspolitisches Konzept gegenüber den neuen Provinzen, verzichtete aber angesichts des rheinischen Widerstandes auf die einfache Übertragung der preußischen Gesetze. Deshalb blieb beispielsfranzösischen Zeit, der überzeugend nachweist, dass sich die Proteste in Deutschland gegen die Anforderungen des modernen Staates im Allgemeinen und die Bürokratie im Besonderen richteten, aber nicht ausgesprochen antifranzösisch waren. Sie standen vielmehr in ihren Erscheinungsformen und Hintergründen in frühneuzeitlichen Protesttraditionen; Winfried Speitkamp: »Sozialer und politischer Protest im napoleonischen Deutschland«, in: Walter Heinemeyer (Hg.): Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen; 1897 – 1997. Marburg 1997, S. 713 – 730. 90 1816 wurde er zum Präsidenten des Appellationsgerichtes für den bayerischen Rheinkreis in Zweibrücken ernannt, 1818 in den Adelsstand erhoben. In seinen letzten Lebensjahren – er starb bereits früh mit 56 Jahren – setzte er sich in der Pfalz vehement und erfolgreich für die Beibehaltung des französischen Rechts ein. Seine zahlreichen theoretischen Schriften zum französischen Rechtssystem und seine politische Publizistik haben ihn über die Provinz hinaus berühmt gemacht. Bis zu seinem Tod gehörte er zu den energischsten Vertretern der liberalen Ideale, den nach 1815 aufkommenden romantischen Nationalismus lehnte er entschieden ab; Karl-Georg Faber : »Die Übernahme von A.G.F. Rebmann in den bayerischen Dienst«, in Mitteilungen des Historischen Vereins für die Pfalz (56) 1958, S. 152 – 157. 91 Zur Rationalität der Verwaltung im benachbarten Großherzogtum Berg vgl. Bettina SeverinBarboutie: Französische Herrschaft und Modernisierung. Verwaltungs- und Verfassungsreformen im Großherzogtum Berg (1806 – 1813). München 2008.

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weise die als fortschrittlich geltende französische Rechts- und Gerichtsverfassung weitgehend erhalten. Weiterhin wurde nicht an der Gemeindeordnung mit ihrer Gleichberechtigung von Stadt- und Landgemeinden gerührt.92 Die rheinischen Notabeln verteidigten vehement die Errungenschaften der französischen Zeit, für die sich bald der Name »rheinische Institutionen« einbürgerte.93 Symptomatisch für diese Haltung ist schließlich die Tatsache, dass einige der um 1800 in den größeren Städten gegründeten Kasinogesellschaften im Vormärz mehrmals Schauplätze von Demonstrationen der Notabelnopposition gegen die preußischen Militär- und Zivilverwaltung gewesen sind.94 Auch in der Pfalz dauerte es aufgrund der französischen Herrschaft und den mit ihr verbundenen Errungenschaften noch lange, bis sie in das bayerische Staatswesen integriert werden konnte. Es sollten also nach 1815 noch Jahrzehnte vergehen, bis die Franzosen allmählich zu Erbfeinden mutierten und die französische Herrschaft zunehmend als »Fremdherrschaft« interpretiert wurde.95 Selbst in den deutschen Regionen, die nur wenige Jahre zum von Napoleon geschaffenen Königreich Westfalen gehört hatten, war nach 1813 eine Wiederherstellung der Zustände des Ancien R¦gimes nicht mehr möglich.96 In Hannover, Braunschweig, Kurhessen und Preußen mussten sich die nachfolgenden Herrscher mit den unter Napoleon gesetzten Verfassungsstandards und dem sich in der Zwischenzeit herausgebildeten Staats- und Rechtsbewusstsein auseinandersetzen.97 Gerade die Beamten sahen sich nach zweimaligem Herrschaftswechsel binnen weniger Jahren als diejenigen Experten, die das Staats-

92 Rüdiger Schütz: Preußen und die Rheinlande. 93 Franz Dumont: »Befreiung oder Fremdherrschaft. Zur Besatzungspolitik am Rhein im Zeitalter der Revolution«, in: Peter Hüttenberger / Hansgeorg Molitor (Hg.): Franzosen und Deutsche am Rhein 1789 – 1918 – 1945. Essen 1989, S. 91 – 113, hier S. 110. 94 Über den Vorfall im Trierer Kasino (1834, Absingen der Marseillaise) vgl. Karl Heinrich Höfele: »Die Stadt Trier und der preußische Staat im Vormärz«, in: Trier und das Reich, Bd. 2. Köln 1939, S. 31. Über eine ähnliche, gegen das preußische Militär gerichtete Affaire im Koblenzer Kasino (1844) vgl. Karl-Georg Faber : Christian von Strambergs Rheinischer Antiquarius, Diss. Phil. (MS.). Mainz 1952, Bl. 30. 95 Gemäß der Habilitationsschrift von Christian Koller gab es vor 1824 ohnehin noch nicht einmal das Wort Fremdherrschaft und es dauerte noch bis um 1840, bis sich der Begriff der Fremdherrschaft für die französische Zeit etablierte; vgl. Christian Koller : Fremdherrschaft. Ein politischer Kampfbegriff im Zeitalter des Nationalismus. Frankfurt / New York 2005. 96 Vgl. zu den politischen und gesellschaftlichen Reformen in diesem Modellstaat: König Lustik !? J¦rúme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen, Katalog der Hessischen Landesausstellung 2008. München 2008. 97 Armin Owzar : »Eine Nation auf Widerruf – Zum politischen Bewusstseinswandel im Königreich Westphalen«, in: Helga Schnabel-Schüle / Andreas Gestrich (Hg.): Fremde Herrscher – fremdes Volk. Inklusions- und Exklusionsfiguren bei Herrschaftswechseln in Europa. Trier 2006, S. 43 – 73, hier S. 47.

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schiff auf Kurs hielten.98 Die napoleonischen Jahre verschafften ihnen ein Expertenwissen, von dem sie auch in der Zukunft profitierten.

98 Helmut Berding hat auf dieses neue Selbstverständnis der Beamten und ihre Entwicklung vom Fürsten- zum selbstbewussten Staatsdiener als erster aufmerksam gemacht: Helmut Berding: »Loyalitätskonflikte unter napoleonischer Herrschaft. Die Situation der Staatsdiener im Königreich Westfalen«, in: Dieter Albrecht / Karl Otmar von Aretin / Winfried Schulze (Hg.): Europa im Umbruch 1750 – 1850. Festschrift Eberhard Weis zum 70. Geburtstag. München 1995, S. 241 – 257, hier S. 257. Ähnlich argumentiert auch: Stefan Brakensiek: Fürstendiener – Staatsbeamte – Bürger. Amtsführung und Lebenswelt der Ortsbeamten in niederhessischen Kleinstädten (1750 – 1830). Göttingen 1999.

II. Literatur und Mythos – Littérature et mythe

Fabienne Bercegol (Toulouse)

Un mythe romantique : Napoléon dans les Mémoires d’outre-tombe de Chateaubriand

Chateaubriand a ins¦r¦ dans ses M¦moires d’outre-tombe une vie de Napol¦on qui occupe plusieurs livres dans lesquels, »sans cesser d’Þtre ¦crivain de m¦moires«, il se fait »historien«, puisqu’il doit alors mÞler — ses »confidences priv¦es1« la grande Histoire, en livrant le r¦cit de la fulgurante ascension de Napol¦on et de sa non moins extraordinaire chute. Cet ensemble offre un tableau trÀs complet de l’itin¦raire de l’Empereur, que Chateaubriand suit d’une „le — l’autre, en l’occurrence, de sa naissance corse — sa mort dans l’exil de SainteH¦lÀne, en n’omettant aucun des ¦pisodes marquants de son rÀgne, et notamment en s’arrÞtant longuement sur ses diff¦rentes campagnes militaires et sur ses deux retraites forc¦es vers l’„le d’Elbe et vers l’„le de Sainte-H¦lÀne. Faute de pouvoir s’appuyer sur son propre t¦moignage, puisqu’il est rarement sur le lieu de l’action, Chateaubriand s’efforce de garantir l’authenticit¦ de sa narration et d’en certifier l’exactitude chronologique et factuelle, en l’¦tayant de nombreux documents, lettres ou extraits de m¦moires des soldats de l’Empereur, bulletins de la Grande Arm¦e, ¦crits de Napol¦on lui-mÞme, qu’il n’h¦site pas — citer longuement. Le mÞme souci de montrer son s¦rieux le conduit — souligner qu’il ne rechigne pas devant les »charges et les servitudes de l’¦crivain« historien, et qu’il prend donc le risque de donner »de fastidieuses productions de g¦n¦alogies, de froides disquisitions sur les faits, d’insipides v¦rifications de dates2«, ce qu’il commence effectivement par faire en pr¦sentant la famille Bonaparte et en rouvrant le dossier de la date de naissance de Napol¦on, pr¦tendument falsifi¦e pour qu’elle ne pr¦cÀde pas la r¦union de la Corse — la France et pour que l’Empereur puisse donc se d¦clarer FranÅais3. 1 FranÅois-Ren¦ de Chateaubriand/J.-C. Berchet (¦d.) : M¦moires d’outre-tombe. t. II. Paris 1992, p. 319. Toutes nos r¦f¦rences renverront d¦sormais — cette ¦dition. 2 Ibid., p. 321. 3 Voir le chapitre »Naissance et enfance de Bonaparte«, ibid., p. 328 – 332. Napol¦on est n¦ le 15 ao˜t 1769 — Ajaccio, un an aprÀs la vente de la Corse — la France. Ses d¦tracteurs ont pr¦tendu qu’il ¦tait n¦ en 1768, pour pouvoir le pr¦senter comme »¦tranger«.

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Joignant l’utile — l’agr¦able, il ne manque pas de parsemer son r¦cit d’anecdotes piquantes, cens¦es d¦voiler le vrai caractÀre de l’Empereur, le montrer tel qu’il est, en r¦v¦lant, sous le masque de l’homme public, l’homme priv¦, par exemple dans sa relation aux femmes. Ainsi se pla„t-il — raconter les amours italiennes de Napol¦on avec de jeunes filles qu’il se d¦pÞchait de cong¦dier, de toute ¦vidence peu retenu par leurs charmes, ce qui vaut — l’Empereur ce commentaire cinglant du m¦morialiste, outr¦ par ce d¦faut de galanterie : Les femmes, en g¦n¦ral, d¦testaient Bonaparte comme mÀres; elles l’aimaient peu comme femmes, parce qu’elles n’en ¦taient pas aim¦es : sans d¦licatesse, il les insultait, ou ne les recherchait que pour un moment4.

S¦duit, comme tous les romantiques, par ces anecdotes qui font p¦n¦trer dans les coulisses de la grande Histoire et qui d¦couvrent l’intimit¦ des h¦ros, Chateaubriand juge n¦cessaire de rapporter de telles historiettes souvent — port¦e d¦mystificatrice, parce qu’elles permettent de saisir une personnalit¦ historique dans sa totalit¦, de la montrer dans ses moments de gloire mais aussi dans ses aspects ridicules, lorsqu’elle atteint au sublime ou chute dans le grotesque, comme dirait Victor Hugo. De fait, Chateaubriand adopte dans son r¦cit la mÞme esth¦tique du m¦lange pour repr¦senter l’int¦gralit¦ de la nature humaine, faite de beaut¦ et de laideur, de noblesse et de bassesse. Il se f¦licite que, comme le drame shakespearien, le genre des m¦moires puisse faire voir »l’envers des ¦v¦nements«, »les scÀnes basses et hautes5«, d’o¾ l’ambivalence constante de son portrait de Napol¦on, qui fait autant ressortir ses petitesses que sa grandeur. Il reprend par exemple aux d¦tracteurs de Napol¦on l’image d’un Empereur d¦grad¦ par son histrionisme, par l’habitude qu’il a de jouer sans cesse son personnage et de se jouer ainsi des autres. Dans son portrait r¦capitulatif, il fait d’ailleurs du cabotinage de Napol¦on la raison principale de la complexit¦ de son caractÀre, que l’on a du mal — cerner, parce que l’on ne sait jamais s’il faut le prendre au s¦rieux, et il finit par le soupÅonner d’imposture : õ la fois modÀle et copie, personnage r¦el et acteur repr¦sentant ce personnage, Napol¦on ¦tait son propre mime ; il ne se serait pas cru un h¦ros s’il ne se f˜t affubl¦ du costume d’un h¦ros. Cette ¦trange faiblesse donne — ses ¦tonnantes r¦alit¦s quelque chose de faux et d’¦quivoque; on craint de prendre le roi des rois pour Roscius, ou Roscius pour le roi des rois6.

Ce caractÀre incertain, capable du meilleur comme du pire, se r¦vÀle pleinement lors du d¦part pour l’„le d’Elbe. Chateaubriand mobilise alors toutes les ressources du r¦cit grotesque pour camper Napol¦on en vaincu pusillanime, prÞt — 4 Ibid., p. 414 – 415. 5 Ibid., p. 664. 6 Ibid., p. 724.

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accepter toutes les humiliations pour sauver sa peau. Incapable de rester — la hauteur des h¦ros courageux de l’Antiquit¦, qui savaient pr¦server leur honneur jusque dans la d¦faite et dans la mort, Napol¦on appara„t suffisamment veule pour se complaire dans sa d¦ch¦ance. Le m¦morialiste sait, bien s˜r, qu’il n’en restera pas l— et qu’il porte en lui la facult¦ de se relever, mais on note qu’il ¦vite alors d’identifier Napol¦on au ph¦nix renaissant toujours de ses cendres et qu’il pr¦fÀre avoir recours — des comparants moins nobles qui maintiennent le ridicule de la situation, qu’il s’agisse du »nain« prÞt — »relever sa tÞte de Briar¦e« ou d’»Asmod¦e sort[ant] en fum¦e ¦norme du flacon o¾ il s’¦tait comprim¦7«. Mais Chateaubriand ne saurait se contenter d’un r¦cit circonstanci¦ agr¦ment¦ d’¦pisodes pittoresques et il abandonne vite le programme de recherches m¦thodiques qu’il avait annonc¦. Il finit par reconna„tre qu’il ne »s’occupe pas d’une vie particuliÀre de Bonaparte«, qu’il ne fait que »trace[r] l’abr¦g¦ et le r¦sum¦ de ses actions«, qu’il »pein[t] ses batailles« et »ne les d¦cri[t] pas8«, parce que la mission de l’historien r¦pond — ses yeux — des exigences plus ¦lev¦es. Ici comme ailleurs, Chateaubriand se pose en herm¦neute de l’Histoire, en analyste soucieux de d¦passer le simple relev¦ des faits pour les situer dans le devenir historique et pour comprendre comment ils font sens, comment ils ont pu en Þtre le moteur ou en constituer un tournant. La t–che qu’il s’assigne est de rendre compte du rúle des grands hommes dans le mouvement de l’Histoire, d’expliquer les raisons, politiques, ¦conomiques, id¦ologiques, de leur fortune et de leur ¦chec, voire de montrer comment leur action s’inscrit dans un plan providentiel : Chateaubriand est en effet convaincu que Dieu se sert des hommes et de leurs passions, qu’il manipule — leur insu, pour arriver — ses fins. õ ses yeux, il est donc du devoir de l’historien de d¦gager la vertu historique des passions humaines, de percevoir le dessein providentiel qu’elles servent sans le savoir. Ainsi, — peine a-t-il rapport¦ la victoire d’Austerlitz et pris acte de la toutepuissance de Napol¦on, — la voix duquel »les rois entraient ou sautaient par les fenÞtres«, qu’il s’empresse de remarquer : »Les dessins de la Providence ne s’accomplissaient pas moins avec ceux de Napol¦on : on voit marcher — la fois Dieu et l’homme«. Et Chateaubriand en profite pour peindre alors un Napol¦on manipul¦ par la Providence, qui ne ma„trise rien de l’Histoire qu’il croit gouverner et qui va bientút se retourner contre lui. De fait, Chateaubriand constate ironiquement que »Bonaparte aprÀs sa victoire ordonne de b–tir le pont d’Austerlitz — Paris«, mais que »le ciel ordonne — Alexandre d’y passer«; de mÞme, quelques phrases plus loin, il note que l’Empereur a »d¦cr¦t[¦] la re7 Ibid., p. 593. Chateaubriand fait allusion au diable malicieux du roman de mœurs satirique de Lesage, Le Diable boiteux (1707) : lib¦r¦ par un ¦tudiant volage du flacon o¾ un magicien l’avait enferm¦, il permet — »l’¦colier« de d¦couvrir ce qui se passe sous les toits de Madrid. 8 Ibid., p. 410.

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stauration de l’¦glise de Saint-Denis«, mais qu’il »n’y sera jamais enseveli«, ce qui lui inspire ce trait d¦sabus¦ : »l’homme creuse la tombe; Dieu en dispose9«. Le m¦morialiste se pla„t — humilier par de tels raccourcis les grands hommes de la trempe de Napol¦on, en montrant qu’arrive souvent le contraire de ce qu’ils avaient esp¦r¦ et que reste vaine leur pr¦tention — diriger le cours de l’Histoire. L’ambivalence du portrait qu’il brosse de l’Empereur tient ¦galement — cette conception ironique de l’Histoire qui oppose toujours au tableau des hauts faits napol¦oniens le constat implacable de la catastrophe finale, r¦v¦latrice de la pr¦carit¦ de toute grandeur humaine et de la vanit¦ de toute ambition de ma„trise des ¦v¦nements. Chateaubriand met en outre — profit le recul que lui confÀre sa position de m¦morialiste, puisqu’il r¦dige cette biographie de Napol¦on sous la monarchie de Juillet, pour dresser un bilan, ¦valuer l’action de Napol¦on et distinguer nettement ce qui a servi la France de ce qui lui a port¦ tort. D’o¾ la pr¦sence finale de chapitres synth¦tiques, intitul¦s successivement »Jugement sur Bonaparte«, »CaractÀre de Bonaparte«, »Si Bonaparte nous a laiss¦ en renomm¦e ce qu’il nous a út¦ en force ?«, qui ¦tablissent un inventaire et qui font para„tre l’Empereur devant le tribunal de la m¦moire. Car sous la plume de Chateaubriand, l’historien se pr¦sente toujours doubl¦ d’un juge. De fait, Chateaubriand se fonde sur la vision surplombante que lui donne sa posture de m¦morialiste d’outre-tombe pour instruire le procÀs des acteurs de l’Histoire et pour prononcer sur eux un verdict d¦finitif. Dans le cadre de sa vie de Napol¦on, il endosse le rúle de l’historien redresseur de torts par lequel il avait eu l’audace de braver le despote, en lui rappelant, dans un article v¦h¦ment, publi¦ dans le Mercure en juillet 1807, que »lorsque, dans le silence de l’abjection, l’on n’entend plus retentir que la cha„ne de l’esclave et la voix du d¦lateur ; lorsque tout tremble devant le tyran, et qu’il est aussi dangereux d’encourir sa faveur que de m¦riter sa disgr–ce, l’historien para„t, charg¦ de la vengeance des peuples«. Chateaubriand a voulu Þtre le nouveau Tacite — qui »l’intÀgre Providence«, comme il l’¦crivait encore dans cet article, »a livr¦ […] la gloire du ma„tre du monde10«. Aussi dans les M¦moires d’outre-tombe se campe-t-il en arbitre suprÞme charg¦ d’appr¦cier l’action du souverain et de dessiner le portrait qui devra rester de lui. Chateaubriand se reconna„t le devoir de r¦genter la m¦moire nationale, de d¦cider de la gloire posthume de tous ceux qui comparaissent devant lui. Or, cette t–che lui semble d’autant plus urgente qu’au moment o¾ il raconte la vie de l’Empereur, Napol¦on, disparu en 1821, est d¦j— devenu »une figure l¦gendaire compos¦e des

9 Ibid., p. 420 – 421. 10 Chateaubriand donne une version condens¦e de l’article dans ses M¦moires d’outre-tombe, ibid., p. 212.

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lubies du poÀte, des devis du soldat et des contes du peuple11«. Sa vie de Napol¦on est donc aussi — lire comme une r¦ponse — l’essor de ce mythe, qu’il entend corriger pour ¦chapper au »despotisme de sa m¦moire«, car force lui est de constater que Napol¦on a remport¦ la derniÀre victoire sur la mort et sur l’oubli, et qu’il rÀgne sans rival sur l’imaginaire des g¦n¦rations n¦es — l’apog¦e de son empire. Chateaubriand d¦couvre avec effroi que Napol¦on est plus — craindre depuis sa disparition que lorsqu’il ¦tait en vie, car plus rien ne r¦siste au personnage mythique, forc¦ment id¦alis¦, truff¦ d’erreurs et de lacunes, dont a accouch¦ la m¦moire collective. D’o¾ cet inqui¦tant paradoxe relev¦ par le m¦morialiste dans son bilan : Le monde appartient — Bonaparte; ce que le ravageur n’avait pu achever de conqu¦rir, sa renomm¦e l’usurpe; vivant il a manqu¦ le monde, mort il le possÀde12.

DÀs lors, Chateaubriand va t–cher d’opposer — l’opinion abus¦e par une image falsifi¦e le portrait rectifi¦ de l’Empereur par un ¦crivain qui a ¦t¦ son exact contemporain et qui peut donc s’appuyer sur ce v¦cu pour faire le tri dans la l¦gende et d¦noncer ce qui n’est que mensonges. C’est pourquoi sa vie de Napol¦on ne vaut pas seulement par le t¦moignage pr¦cieux qu’elle donne sur la personnalit¦ contrast¦e de l’Empereur et par la vue panoramique qu’elle offre de son rÀgne : son int¦rÞt provient tout autant de la r¦flexion lucide sur la genÀse d’un mythe politique et sur sa part de fabulation qu’y mÀne Chateaubriand, somm¦ de comprendre pourquoi et comment l’Empereur a pu s’emparer de l’imaginaire romantique. Lui-mÞme n’a pas ¦chapp¦ — cette s¦duction, et il le reconna„t volontiers. Comme tous les hommes de son temps, il a ¦t¦ fascin¦ par l’ascension de Bonaparte et par ses succÀs militaires, et l’enthousiasme suscit¦ par ses premiers triomphes n’est pas totalement retomb¦ avec l’avÀnement de Napol¦on et l’affirmation de son despotisme. Ainsi avoue-t-il que son »admiration pour Bonaparte a toujours ¦t¦ grande et sincÀre, alors mÞme qu’[il] attaquai[t] Napol¦on avec le plus de vivacit¦13«, et au moment de conclure, il a conscience d’avoir donn¦ un portrait qui dessine »une des premiÀres figures de l’histoire14«. De fait, la grandeur incomparable de Napol¦on lui est confirm¦e a contrario par le sentiment qu’il a de retomber, — la fin de son rÀgne, dans une Histoire sans gloire, d¦sesp¦r¦ment m¦diocre. En d¦pit de son engagement en faveur des Bourbons, Chateaubriand doit bien admettre que Louis XVIII a beaucoup moins de prestance et de charisme que l’Empereur, et que toute confrontation avec ce dernier le couvre de ridicule. Racontant le d¦but des Cents-Jours, il ne peut du reste 11 12 13 14

Ibid., p. 731. Ibid. Ibid., p. 565. Ibid., p. 727.

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s’empÞcher de railler le roi qui se contente de donner l’ordre de »courir sus« Napol¦on de retour de l’„le d’Elbe. Un trait lui suffit pour moquer tout — la fois l’anachronisme, l’impuissance politique et l’infirmit¦ physique de Louis XVIII, et pour le rabaisser d’autant — cút¦ de la s¦duisante figure du h¦ros vigoureux, prompt — se rendre ma„tre de la terre : »Louis XVIII, sans jambes, courir sus le conqu¦rant qui enjambait la terre15« ! L’avÀnement de Charles X, dont il fustige la politique r¦actionnaire, et pire, le rÀgne bourgeois de Louis-Philippe, vont d¦finitivement le convaincre d’une d¦ch¦ance de l’Histoire aprÀs les temps napol¦oniens, ce qu’il consigne sans d¦tour au moment de reprendre le fil de son r¦cit : Retomber de Bonaparte et de l’Empire — ce qui les a suivis, c’est tomber de la r¦alit¦ dans le n¦ant, du sommet d’une montagne dans un gouffre. Tout n’est-il pas termin¦ avec Napol¦on ? Aurais-je d˜ parler d’autre chose ? Quel personnage peut int¦resser en dehors de lui ?

Le d¦pit de Chateaubriand est d’autant plus grand qu’il constate que, faute de h¦ros de l’envergure de Napol¦on, son œuvre risque de perdre de son int¦rÞt et de sa grandeur, en passant des »g¦ants« du pass¦ — »la soci¦t¦ de cirons qui s’est engendr¦e16«. Quelles que soient ses pr¦ventions — l’¦gard de l’Empereur, le m¦morialiste ne peut que regretter celui qui, »comme Charlemagne, attach[ait] une ¦pop¦e — son histoire17« et qui lui permettait ainsi de porter son r¦cit — cette hauteur. Les ressources po¦tiques du rÀgne de Napol¦on confrontent Chateaubriand — l’ambigut¦ de l’h¦rosme du Mal, moralement r¦pr¦hensible, mais artistiquement f¦cond : Chateaubriand se rend compte qu’il lui faut choisir entre une Histoire grandiose, qui comble ses vœux de poÀte ¦pique, mais qui pactise avec l’¦nergie du Mal, et une Histoire sans violence, qui s’enlise dans la m¦diocrit¦ et qui tarit l’inspiration ¦pique. S’il refuse d’alimenter aveugl¦ment le culte de Napol¦on, il sait gr¦ — cet Þtre solaire d’avoir illumin¦ ses m¦moires d’un rayon de gloire, en lui donnant l’occasion de brosser un prestigieux portrait. De fait, Chateaubriand profite de la geste napol¦onienne pour enrichir ses m¦moires d’une fresque ¦pique qui emprunte au modÀle h¦roque, tel qu’on le trouve codifi¦ dans l’¦pop¦e, ses thÀmes et ses structures. Il construit autour de Napol¦on un mythe h¦roque qui en reprend le sch¦ma g¦n¦ral, en mettant en scÀne un surhomme confront¦ — une s¦rie d’¦preuves et promis, malgr¦ sa mort, — l’apoth¦ose18. FidÀle — l’architecture globale du mythe h¦roque, Chateaubriand 15 16 17 18

Ibid., p. 630. Ibid., t. III., p. 21 – 23. Ibid., t. II., p. 373. Sur ce mythe h¦roque qui structure le portrait de Napol¦on, nous renvoyons, pour une analyse plus approfondie, — notre livre : La Po¦tique de Chateaubriand : le portrait dans les M¦moires d’outre-tombe. Paris 1997.

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en reprend aussi les d¦tails, celui, par exemple, de l’obscurit¦ de la naissance, illustr¦e ici par l’incertitude de la date et par la modestie des origines familiales. Chateaubriand s’arrÞte — plusieurs reprises sur ce motif de l’humilit¦ de sa naissance qui va Þtre au fondement de la fortune romantique de Napol¦on, en le faisant appara„tre comme un autodidacte sublime qui s’est fait tout seul et qui, contrairement aux rois, h¦ritiers de leur puissance, ne doit le pouvoir — personne d’autre qu’— lui-mÞme. Sa biographie de l’Empereur commence par l’¦loge inconditionnel de celui qui »ne trouva point le pouvoir dans sa famille« mais »le cr¦a«; elle se poursuit par l’hommage rendu — un homme dont la »grandeur« »vient de ce qu’il ¦tait parti de lui-mÞme : rien de son sang ne l’avait pr¦c¦d¦ et n’avait pr¦par¦ sa puissance«, et elle se termine encore par cette affirmation cat¦gorique : »il est grand surtout pour Þtre n¦ de lui seul, pour avoir su, sans autre autorit¦ que celle de son g¦nie, pour avoir su, lui, se faire ob¦ir par trentesix millions de sujets — l’¦poque o¾ aucune illusion n’environne les trúnes19«. Êrig¦ en modÀle par sa capacit¦ — forger seul son destin, Napol¦on est d¦crit, toujours selon les codes du mythe h¦roque, comme un homme ayant eu deux vies, une premiÀre existence anonyme et mis¦rable, avant la r¦v¦lation de son g¦nie et la reconnaissance publique. Cette »petite vie« qu’il dut »traverser avant d’arriver — une grande vie«, cette »avant-scÀne« qui d¦couvre un »Bonaparte inconnu« avant l’avÀnement de »l’immense Napol¦on20«, correspondent — la p¦riode d’occultation que connaissent habituellement les h¦ros dans le mythe et permettent — Chateaubriand d’en actualiser la signification en faisant de Napol¦on le symbole romantique du g¦nie m¦connu, m¦pris¦, longtemps en butte — l’hostilit¦ de ses semblables. Ainsi, juste avant le r¦cit de ses triomphes en Italie, aprÀs avoir relat¦ sa difficile conquÞte du pouvoir, Chateaubriand annonce : Il a maintenant travers¦ ces malheurs auxquels sont condamn¦es les natures sup¦rieures avant d’Þtre reconnues, contraintes de s’humilier sous les m¦diocrit¦s dont le patronage leur est n¦cessaire.

Et, selon son habitude, il conclut sans transition par une image puissamment ¦vocatoire, qui donne une touche d’exotisme — la destin¦e capricieuse de Napol¦on : »le germe du plus haut palmier est d’abord abrit¦ par l’Arabe sous un vase d’argile21«. L’¦clat des exp¦ditions militaires qui suivent, et notamment le triomphe fulgurant de Bonaparte en Italie, achÀvent de parfaire le portrait du h¦ros conqu¦rant et Chateaubriand ne manque pas de lui accorder tous les attributs, la jeunesse, la fougue, l’extraordinaire c¦l¦rit¦, qui justifient de reconna„tre en lui 19 M¦moires d’outre-tombe, t. II., p. 325, 708 et 733. 20 Ibid., p. 325 et 341. 21 Ibid., p. 361 – 362.

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un nouvel Alexandre. Ces campagnes militaires men¦es tambour battant sont l’¦quivalent des travaux accomplis dans le mythe par le h¦ros et ont pour fonction de montrer les capacit¦s exceptionnelles d’un homme que sa sup¦riorit¦ voue — prendre le commandement et — devenir le chef d’un peuple. Chateaubriand brode sur le canevas du mythe en donnant une nouvelle version du combat du h¦ros solitaire contre un ennemi multiple. C’est en effet ce sc¦nario glorieux qu’il r¦active pour repr¦senter Napol¦on affrontant seul toute l’Europe coalis¦e, ce qui lui vaut cette ultime marque d’admiration de sa part : »il est grand pour avoir abattu tous les rois ses opposants, pour avoir d¦fait toutes les arm¦es quelle qu’ait ¦t¦ la diff¦rence de leur discipline et de leur valeur22«. Suivant jusqu’au bout la logique du mythe h¦roque, Chateaubriand conclut en exploitant l’un de ses motifs les plus essentiels, celui du triomphe du h¦ros sur la mort. L’opinion populaire, on le sait, s’¦tait refus¦e — croire — la disparition du grand homme : le vieux grognard balzacien du M¦decin de campagne se moque de ceux qui proclament la mort de l’Empereur et il pr¦fÀre croire — une retraite dans le d¦sert, conforme — une proph¦tie faite sur celui qu’il nomme »le lion du d¦sert23«. Chateaubriand ne reprend pas de telles croyances, mais il emprunte au mythe l’id¦e qu’un homme de la trempe de Napol¦on ne saurait s’effacer et doit, d’une faÅon ou d’une autre, retrouver une nouvelle vie. La description qu’il donne de son cadavre au moment de son exhumation est sur ce point significative, car il y insiste sur la »beaut¦24« de ce corps qui semble miraculeusement avoir ¦t¦ pr¦serv¦ de toute corruption. Et Chateaubriand de remarquer : »Bonaparte a pass¦ par le tombeau, comme il a pass¦ partout, sans s’y arrÞter25«. Cette phrase fait certes r¦f¦rence — la translation des cendres, qui continue l’existence vagabonde du conqu¦rant toujours en mouvement, mais sur le plan symbolique, elle signifie que le h¦ros ne saurait finir avec sa mort et que son destin va s’accomplir dans une seconde vie. Cette nouvelle vie, Chateaubriand l’identifie au culte dont Napol¦on est l’objet et qui, comme dans le mythe, opÀre le renversement de la chute en »apoth¦ose26«. Chateaubriand utilise ce mot pour d¦signer l’exil de Napol¦on — Sainte-H¦lÀne, parce qu’il a bien compris que c’¦tait cette fin tragique qui avait paradoxalement permis — l’Empereur d¦chu de gagner les cœurs et de dominer d¦finitivement l’imaginaire des g¦n¦rations — venir. Dans les chapitres conclusifs de sa biographie, il constate : »une autre cause de la popularit¦ de Napol¦on tient — l’affliction de ses derniers jours«, parce que, explique-t-il, l’¦motion suscit¦e par son bannissement et par son humiliation fit alors oublier les souffrances qu’il avait caus¦es. Ainsi »sa gloire a 22 23 24 25 26

Ibid., p. 733. Balzac/P. Berthier (¦d.) : Le M¦decin de campagne. Paris 1974, p. 240. M¦moires d’outre-tombe., t. II., p. 759. Ibid., p. 760. Ibid., p. 733.

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profit¦ de son malheur27« : par la l¦gende qu’elle nourrit, la mort du h¦ros proscrit se change en avÀnement, puisqu’elle lui confÀre — jamais, dans la m¦moire collective, le prestige sans ¦gal du malheur. Pour construire cette image sublime de Napol¦on, Chateaubriand a ¦galement recours — un style ¦pique qui vise constamment — grandir son modÀle par l’utilisation massive de comparaisons et de m¦taphores le repr¦sentant sous les traits d’un g¦ant ou d’animaux, l’aigle, le lion, qui incarnent la force et la souverainet¦. D’autres images sont mobilis¦es pour conf¦rer — l’Empereur une dimension cosmique en le comparant — des corps c¦lestes, soleil, ¦toiles ou comÀtes ou — des ¦l¦ments naturels majestueux, comme les fleuves (le Nil, par exemple), tandis que Chateaubriand multiplie les parallÀles pour retrouver en lui l’¦toffe des grandes figures historiques du pass¦, comme Alexandre. On note que pour raconter la vie de cet Þtre — part, le m¦morialiste se pla„t — aur¦oler sa narration de merveilleux, en doublant le r¦cit des faits av¦r¦s de la mention d’¦v¦nements pr¦monitoires ou de possibles interventions surnaturelles qui accr¦ditent l’id¦e que l’on a affaire — un h¦ros en lien avec des forces qui le d¦passent. Ainsi en va-t-il du retentissement cosmique qu’il tient — donner — l’entr¦e en scÀne de Bonaparte : On sentait en 1789, au moment o¾ Bonaparte apparaissait, quelque chose de formidable, une inqui¦tude dont on ne pouvait se rendre compte. Quand le globe est menac¦ d’une catastrophe, on en est averti par des commotions latentes; on a peur ; on ¦coute pendant la nuit; on reste les yeux attach¦s sur le ciel sans savoir ce que l’on a et ce qui va arriver28.

Guett¦e par le monde entier dans un climat d’angoisse, la venue du h¦ros s’inscrit, — travers cette analogie digne des trag¦dies shakespeariennes, dans un univers fantastique, o¾ tout prend valeur de pr¦sage. Ce »temps de l’attente et de l’appel29« est mis en avant par Chateaubriand, parce qu’il lui permet d’identifier Napol¦on au personnage mythique du sauveur, dont l’irruption dans l’histoire est toujours pr¦par¦e par une semblable phase d’esp¦rances et de craintes. Au fil de son r¦cit, Chateaubriand se pla„t — rapporter les signes que le destin semble faire — Napol¦on, tout comme les visions et les pressentiments qui assaillent ce dernier : il reprend un dialogue entre l’Empereur et son oncle, le cardinal Fesch, au cours duquel Napol¦on lui d¦signe une ¦toile qu’il est le seul — percevoir; il rappelle qu’au moment de p¦n¦trer sur le territoire russe, »le cheval de Napol¦on s’abattit et qu’on entendit murmurer : »c’est un mauvais pr¦sage; un Romain reculerait««; — Moscou, il note qu’ »un pr¦sage avait un moment ranim¦ les 27 Ibid., p. 727. 28 Ibid., p. 341. 29 Sur cette composante du mythe du sauveur, voir R. Girardet : Mythes et mythologies politiques. Paris 1986.

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esprits : un vautour s’¦tait embarrass¦ dans les cha„nes qui soutenaient la croix de la principale ¦glise« et il conclut que »Rome e˜t, comme Moscou, vu dans ce pr¦sage la captivit¦ de Napol¦on«. Plus loin, il souligne la perplexit¦ de l’Empereur qui voit des »corneilles vagissantes« voleter autour de la croix qu’il fait d¦tacher des monuments de Moscou pour la rapporter — Paris : »«Que me veulent ces oiseaux ?« disait Bonaparte30«. Toutes ces anecdotes que Chateaubriand prend la peine de relater t¦moignent de son go˜t pour une Histoire travers¦e de forces irrationnelles, qui se rapproche de la l¦gende par les ¦tonnantes concidences dont elle est le th¦–tre. S’il se d¦fie des mensonges du mythe napol¦onien, Chateaubriand le renforce aussi par cette narration qui emprunte aux ressources du merveilleux pour camper un personnage visionnaire, complice de forces invisibles, dont la vie sem¦e de signes pr¦monitoires semble Þtre dirig¦e de plus haut. Tout est fait pour que Napol¦on apparaisse comme un Þtre surnaturel, si longtemps invincible qu’il semble incarner le Destin qui rÀgle le sort du monde31. DÀs lors, Chateaubriand prend conscience que l’on ne peut rendre compte du caractÀre et de la vie d’un tel personnage en l’expliquant d’aprÀs les lois qui r¦gissent l’humanit¦ ordinaire. Le portrait qu’il laisse de lui oscille entre des qualifications contradictoires qu’il est difficile de r¦unir en une image coh¦rente. Tour — tour l–che et courageux, capable des plus extraordinaires exploits comme des pires bassesses, Napol¦on est pr¦sent¦ comme un »Þtre incompr¦hensible«, dot¦ d’une nature »complexe« qui r¦siste — toute explication32. Cette irr¦ductibilit¦ aux grilles de l’analyse psychologique traditionnelle confirme la singularit¦ de l’homme sup¦rieur et enveloppe sa nature d’un mystÀre sans lequel son portrait ne pourrait acc¦der — une dimension mythique. De fait, Chateaubriand a compris qu’il fallait laisser des zones d’ombre dans son tableau pour que la personnalit¦ de l’Empereur paraisse d’autant plus ¦nigmatique, et donc d’autant plus fascinante. En brossant ce portrait ¦pique de l’Empereur et en saluant par exemple avec ferveur les »miracles de son intelligence militaire« et l’habilet¦ du l¦gislateur, qui a su doter la France d’institutions durables33, Chateaubriand a incontestablement particip¦ — l’essor d’un culte autour de sa personne et de son action, mais il n’a pas renonc¦ pour autant — son souci d’aboutir — un portrait juste, qui ne verse pas r¦trospectivement dans l’idol–trie. Aussi pr¦vient-il — plusieurs reprises que, contrairement — Walter Scott, autre biographe de Napol¦on — qui il reproche la »mod¦ration« de jugements qui d¦g¦nÀrent en »apologie«, il ne se laissera pas »¦bloui[r] par les succÀs fabuleux qu’il d¦crit«, ni »[…] ¦cras[er] par le mer30 31 32 33

Successivement : M¦moires d’outre-tombe., t. II., p. 459, 469, 486 et 497. Ibid., p. 720 : »Bonaparte a ¦t¦ v¦ritablement le Destin pendant seize ann¦es«. Ibid., p. 726. Ibid., p. 719 et p. 717 : Chateaubriand loue Bonaparte pour avoir ¦t¦ un »esprit infatigable, habile et sens¦ dans l’administration, un l¦gislateur laborieux et raisonnable«.

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veilleux de la gloire34«. Ne voulant pas »Þtre une sotte grue et tomber du haut mal d’admiration35«, Chateaubriand tient surtout — se distinguer de la jeunesse romantique qui, n’ayant pas connu Napol¦on, s’est laiss¦ abuser par les mensonges colport¦s sur lui et ne veut plus voir les taches qui d¦gradent son image glorieuse de conqu¦rant. Constatant que »les miracles de ses armes ont ensorcel¦ la jeunesse« et ont appris — sa g¦n¦ration »— adorer la force brutale36«, Chateaubriand se donne pour mission de r¦tablir la v¦rit¦ et de revenir — la fois sur le modÀle de guerre laiss¦ par Napol¦on et sur le h¦ros militaire qu’il a ¦t¦. DÀs lors, s’il reconna„t que »Bonaparte a invent¦ la grande guerre« en levant de trÀs nombreuses troupes et en privil¦giant une tactique de conquÞte — marche forc¦e, c’est aussitút pour ajouter que, par l’excÀs mÞme de son imp¦tuosit¦ et par l’¦normit¦ des batailles ainsi engag¦es, »Napol¦on a tu¦ la guerre en l’exag¦rant« et qu’il y a maintenant urgence — revenir — un autre type de »guerre civilis¦e«, moins gourmande en hommes, et donc moins meurtriÀre37. Le combat impitoyable qu’il entend mener contre les mensonges de la l¦gende conduit Chateaubriand — cibler, pour la d¦molir, l’image populaire du chef militaire g¦n¦reux, proche de ses soldats, soucieux de leur confort et de leur moral, qui a ¦t¦ abondamment diffus¦e par ses admirateurs. C’est pourquoi, renouant pour le coup avec la verve vengeresse de son pamphlet De Buonaparte et des Bourbons dans lequel il avait d¦j— repris les principaux ¦l¦ments de la l¦gende noire de l’Empereur38, Chateaubriand accumule les anecdotes qui montrent la cruaut¦ de Napol¦on et qui le campent en soldat sans cœur, souverainement indiff¦rent aux malheurs de ses troupes. Ainsi — Wagram, il illustre l’impassibilit¦ et le cynisme de l’Empereur face au spectacle de la tuerie, en rapportant son commentaire laconique : »Voil— une grande consommation39« ! Dans un autre passage, il ironise sur un bulletin de la Grande Arm¦e qui, en pleine d¦b–cle militaire, ose conclure sur l’excellente sant¦ de Napol¦on; indign¦ par le peu de cas fait de la souffrance des soldats, il s’exclame alors : »Familles, s¦chez vos larmes : Napol¦on se porte bien40«. Plein de m¦pris pour les hommes de la troupe, Napol¦on ne se comporte pas mieux avec les grad¦s : Chateaubriand tient — souligner — plusieurs reprises que »domination et jalousie41« sont le fond de son caractÀre et l’empÞchent d’Þtre reconnaissant — l’¦gard des plus valeureux de ses chefs. 34 35 36 37 38

Ibid., p. 396. Ibid., p. 728. Ibid., p. 727. Ibid., p. 448 – 449. Chateaubriand publie ce pamphlet en avril 1814, pour pr¦parer l’opinion au retour de la monarchie. Jean-Paul Cl¦ment en a donn¦ une ¦dition annot¦e dans le volume : Chateaubriand : Grands ¦crits politiques, t. I, Paris 1993. 39 M¦moires d’outre-tombe, t. II, p. 449 – 450. 40 Ibid., p. 521. 41 Ibid., p. 402.

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La campagne de d¦mystification dans laquelle le m¦morialiste se lance l’oblige ¦galement — s’en prendre — la propagande orchestr¦e par Napol¦on pour en d¦mentir un — un tous les mensonges. Chateaubriand cite r¦guliÀrement des documents — charge pour contrer l’image avantageuse de l’Empereur que diffusent les tableaux, les livres sur lui ou les bulletins de la Grande Arm¦e. C’est le cas par exemple des massacres de Jaffa, de la visite de Bonaparte aux pestif¦r¦s et des rumeurs d’empoisonnement des malades : le m¦morialiste prend soin de multiplier les t¦moignages, en pr¦cisant ses sources, pour confronter leurs dires au discours officiel et pour t–cher de r¦tablir la v¦rit¦42. Soucieux de varier sa m¦thode de r¦futation, il lui arrive de d¦laisser l’argumentation serr¦e — partir d’un montage de citations pour miser sur l’efficacit¦ subversive de son ironie. Voici par exemple comment, aprÀs avoir raill¦ les chansons de B¦ranger ¦crites en l’honneur de Napol¦on, il attaque les tableaux de propagande compos¦s par Gros et par David : Ce n’¦tait pas tout que de mentir aux oreilles, il fallait mentir aux yeux : ici, dans une gravure, c’est Bonaparte qui se d¦couvre devant les bless¦s autrichiens, l— c’est un petit tourlourou qui empÞche l’empereur de passer, plus loin Napol¦on touche les pestif¦r¦s de Jaffa, et il ne les a jamais touch¦s; il traverse le Saint-Bernard sur un cheval fougueux dans des tourbillons de neige, et il faisait le plus beau temps du monde43.

Reprenant la rh¦torique accusatrice du De Buonaparte, Chateaubriand r¦fute ici formellement toutes les belles scÀnes repr¦sent¦es par ces toiles qui ont servi la propagation de la l¦gende, notamment le tableau de David montrant le cavalier ma„trisant en plein ¦lan son cheval cabr¦, qui allait devenir aux yeux des romantiques le symbole de l’¦nergie. Le d¦sir de corriger les infid¦lit¦s du mythe — l’–pre r¦alit¦ pousse enfin Chateaubriand — renouer avec l’¦criture de la contre-¦pop¦e qu’il avait d¦j— pratiqu¦e dans la relation de la campagne militaire — laquelle il avait particip¦, en 1792. De fait, le r¦cit des exp¦ditions napol¦oniennes lui donne une nouvelle occasion de promouvoir un autre type de narration militaire, qui rompt avec les conventions id¦alisantes de l’¦pop¦e pour oser montrer la guerre telle qu’elle est vraiment. Chateaubriand n’y repr¦sente plus les combats comme un spectacle magnifique de bravoure savamment ordonn¦ par des stratÀges ing¦nieux, mais il aligne des scÀnes d’un r¦alisme brutal, pour exposer l’horreur des carnages et la misÀre du quotidien des soldats. Par exemple, il se pla„t — ruiner toutes les 42 Ibid., p. 384 – 399. 43 Ibid., p. 725. Chateaubriand fait allusion — une gravure repr¦sentant Bonaparte en train de saluer des bless¦s autrichiens aprÀs la bataille d’Austerlitz (la scÀne se retrouve sur la toile de Jean-Baptiste Debret, Napol¦on rend hommage au courage malheureux, expos¦e au Salon en 1805), au tableau de Gros expos¦ au Salon de 1804, Bonaparte visitant les pestif¦r¦s de Jaffa, et au c¦lÀbre tableau de David, Le Premier Consul franchissant les Alpes au col du Grand SaintBernard (1801).

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illusions d’h¦rosme et d’exotisme suscit¦es par la campagne d’Êgypte en citant une lettre de Tallien — sa femme, dans laquelle ce dernier d¦crit les d¦sagr¦ments de sa vie de soldat, le d¦nuement dont lui et ses semblables souffrent, »les mouches, les punaises, les fourmis, les cousins, tous les insectes [qui les] d¦vorent44«. Plus loin, une page de Bourrienne vient encore assombrir le tableau, en ¦voquant l’enfer des marches dans le d¦sert, la »soif d¦vorante« qui les tourmente au milieu »des dunes br˜lantes«, et le »cruel ¦gosme« qui s’empare des hommes harass¦s, au point de leur faire abandonner sur le bord de la route leurs compagnons bless¦s ou malades45. Mais c’est surtout la campagne de Russie et l’h¦catombe humaine qu’elle produit dans le froid terrible de l’hiver qui oblige Chateaubriand — changer de registre, — rompre avec l’¦criture stylis¦e de l’¦pop¦e pour montrer sans fard l’horreur inoue des agonies dans des circonstances ¦pouvantables. Accumulant les d¦tails les plus atroces, il d¦crit alors des soldats mutil¦s, affam¦s, d¦guenill¦s, accabl¦s par leurs souffrances et par l’angoisse de la mort qui les ¦treint. Ainsi en va-t-il de ce soldat »priv¦ des deux jambes« qu’il montre r¦fugi¦ dans »le corps d’un cheval effondr¦ par son obus« et r¦duit — se nourrir en rongeant la chair de l’animal et — panser ses plaies avec »les viandes putr¦fi¦es« des cadavres dispos¦s — sa port¦e46. Comme d’autres ¦crivains de sa g¦n¦ration, Stendhal notamment, Chateaubriand transforme la retraite de Russie en une exp¦rience des extrÞmes, dont la violence paroxystique appelle une esth¦tique de la terreur, seule capable de rendre le sublime de l’effroi qui se d¦gage de cette boucherie. Comme il l’avait d¦j— fait dans le r¦cit des campagnes contre-r¦volutionnaires, le m¦morialiste en profite ¦galement pour rendre hommage — tous les hommes de la troupe qui se sont d¦vou¦s pour la cause imp¦riale et qui sont souvent morts dans la solitude et dans l’anonymat. De fait, si Chateaubriand se pla„t — devenir le biographe des grands hommes, il aime aussi se faire l’historien des humbles, dont la m¦moire collective ne retient ni le nom ni les actes de bravoure. C’est — ce devoir imp¦rieux de r¦parer les lacunes du souvenir qu’il ob¦it en rendant un vibrant hommage aux »paysans laiss¦s en Russie«, qu’il soupÅonne ses compatriotes d’avoir honteusement oubli¦s, sauf pour tirer profit de la calcination de leurs os en les transformant en charbon ou en vernis. Outr¦ par tant d’indiff¦rence et par le comportement de ces industriels qu’il compare — des »hyÀnes sacrilÀges«, Chateaubriand prend alors l’une de ses postures favorites, celle de l’unique t¦moin qui se souvient encore des pauvres disparus :

44 Ibid., p. 382 – 383. 45 Ibid., p. 398. 46 Ibid., p. 501.

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Il n’y a peut-Þtre que moi qui, dans les soir¦es d’automne, en regardant voler au haut du ciel les oiseaux du Nord, me souvienne qu’ils [les murs de Moscou] ont vu la tombe de nos compatriotes47.

Mais cette compassion affich¦e pour les simples soldats tomb¦s loin de leurs foyers sert aussi une intention pol¦mique, car elle revient — les d¦signer comme d’authentiques h¦ros et — leur redistribuer un peu de la gloire que s’est injustement attribu¦e Napol¦on. Chateaubriand fait partie des admirateurs fervents des arm¦es napol¦oniennes qui considÀrent, avec Hugo, qu’il faut leur rendre cette »gloire usurp¦e48« par un chef trop orgueilleux et trop ¦goste. S’il reste attach¦ au culte des grands hommes, il sait aussi percevoir la grandeur ¦pique du peuple combattant, auquel il entend bien redonner toute sa dignit¦ en lui faisant place dans l’Histoire. Censeur impitoyable du h¦ros sanguinaire qu’a ¦t¦ Napol¦on par les meurtres qu’il a ordonn¦s, notamment celui du duc d’Enghien, et par les monstrueuses batailles qu’il a provoqu¦es, Chateaubriand n’¦pargne pas non plus le despote, qu’il fustige avec la mÞme hargne pour sa haine des libert¦s. Tout au long de sa biographie, Napol¦on appara„t comme le »forgeur de jougs49« qui a trahi l’h¦ritage r¦volutionnaire en luttant constamment contre l’ind¦pendance des peuples et qui a fini par »ab–tardi[r] les caractÀres« en »faÅonn[ant] la soci¦t¦ — l’ob¦issance passive50«. Au moment du bilan, Chateaubriand ne considÀre pas avec plus d’indulgence les fautes commises par le stratÀge militaire et politique, qu’il s’agisse de l’invasion injuste de l’Espagne, de l’»absurde et honteuse querelle avec le pape«, de l’abandon honteux de la Pologne, ou de la »vraie extravagance« que fut l’exp¦dition de Russie51. Et la critique se fait d’autant plus acerbe que Chateaubriand constate que cette politique de conquÞte a nui — la France, en se soldant par un »amoindrissement de territoire et de puissance52«. Il est d’ailleurs convaincu que Napol¦on n’a jamais agi au nom de l’int¦rÞt national, mais que »son unique but ¦tait d’Þtre personnellement le ma„tre du globe53«, quitte — sacrifier — cette ambition d¦mesur¦e la paix et la prosp¦rit¦ de son pays. C’est ce qu’illustre selon lui sa d¦cision de fuir l’„le d’Elbe pour tenter de reconqu¦rir le pouvoir. Chateaubriand rappelle qu’au retour de Napol¦on, les princes ¦taient toujours r¦unis en congrÀs — Vienne et ne pouvaient que r¦agir 47 48 49 50 51 52

Ibid., p. 503 – 504. Victor Hugo : õ mon pÀre. Odes et Ballades, livre II. M¦moires d’outre-tombe, t. II, p. 726. Ibid., p. 730. Ibid., p. 459, 462, 508. Ibid., p. 728. Voir encore cette remarque, p. 719 : »Il avait le monde sous ses pieds et il n’en a tir¦ qu’une prison pour lui, un exil pour sa famille, la perte de toutes ses conquÞtes et d’une portion du vieux sol franÅais«. 53 Ibid., p. 719.

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violemment — l’annonce de son r¦tablissement. Il reproche donc — Napol¦on d’avoir d¦lib¦r¦ment mis en p¦ril la France pour servir sa volont¦ de se venger et de r¦gner de nouveau : Il immolait — sa passion de repara„tre sur la scÀne le repos d’un peuple qui lui avait prodigu¦ son sang et ses tr¦sors; il exposait au d¦membrement la patrie dont il tenait tout ce qu’il avait ¦t¦ dans le pass¦ et tout ce qu’il sera dans l’avenir. Il y eut dans cette conception fantastique un ¦gosme f¦roce, un manque effroyable de reconnaissance et de g¦n¦rosit¦ envers la France54.

Le caractÀre hassable de l’Empereur et ses fautes commises contre le droit des peuples expliquent que Chateaubriand se montre indulgent, voire ¦logieux, — l’¦gard des souverains qui lui ont r¦sist¦, comme le tsar Alexandre ou la reine de Prusse, ¦rig¦e en victime path¦tique de l’intransigeance et de la grossiÀret¦ de l’Empereur55. Sa rancœur le conduit mÞme — pactiser avec l’ennemi. C’est par exemple le cas lors de la campagne de Saxe, en 1813 : Chateaubriand ne tarit pas d’¦loges sur la courageuse jeunesse allemande qui s’est lev¦e contre l’oppresseur pour d¦fendre la libert¦ de son pays. S’il rend hommage — l’engagement patriotique de Fichte, qui cesse ses cours — Berlin pour aller s’enrúler dans l’arm¦e, il s’arrÞte surtout longuement sur la figure h¦roque et tragique de Karl Theodor Körner, dont il cite les hymnes remplis de ferveur militaire et d’amour de la libert¦. Sans nul doute Chateaubriand se reconna„t-il en ce poÀte soldat qui sait mettre sa plume et son ¦p¦e au service de sa patrie, jusqu’— mourir pour elle. Il se sent en tout cas suffisamment de compassion pour lui pour regretter une nouvelle fois l’oubli dans lequel tombent de tels h¦ros et pour d¦noncer les souverains liberticides qui punirent ensuite ces jeunes aux »sentiments ¦lev¦s56«. La vie de Napol¦on que nous venons d’analyser montre combien Chateaubriand a tenu — passer au crible l’¦pop¦e imp¦riale, pour l¦guer — la post¦rit¦ une image aussi fidÀle que possible de la personnalit¦ de l’Empereur et un bilan fiable de son action. Mais — la fin de son r¦cit, il doit admettre l’inutilit¦ de son combat contre les s¦ductions de la l¦gende et se faire — l’id¦e que le »h¦ros fantastique« cr¦¦ par le mythe »restera le personnage r¦el«, tandis que »les autres portraits dispara„tront57«. Le constat est amer et renforce l’impression qu’a souvent le m¦morialiste de r¦v¦ler en vain la v¦rit¦ — des contemporains qui ne l’¦coutent plus et dont il se sent de plus en plus ¦tranger. Et pourtant, ce sentiment d’impuissance de l’¦crivain ne doit pas masquer la force de cette biographie qui 54 Ibid., p. 619 – 620. 55 Ibid., p. 427 : »Napol¦on, odieux dÀs le d¦but pour la reine de Prusse, ne voulut rien accorder — ses intercessions. Elle habitait esseul¦e une petite maison sur la rive droite du Ni¦men, et on lui fit l’honneur de la prier deux fois aux festins des empereurs«. 56 Ibid., p. 532 – 538. 57 Ibid., p. 731.

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permet de comprendre, par son ambivalence mÞme, pourquoi Napol¦on a pu Þtre perÅu comme le h¦ros romantique par excellence, pourquoi il a pu cristalliser autour de sa personne tous les rÞves d’une g¦n¦ration frustr¦e de gloire et d’avenir. C’est d’abord que Chateaubriand a su parfaitement cerner le mythe du Moi qui se construisait autour de la destin¦e de cet homme qui s’est fait tout seul et qui a su plier le monde — ses volont¦s. Sous sa plume, Napol¦on revit sous les traits du h¦ros ¦nergique et invincible, dont les romantiques continueront d’admirer et d’envier la fougue et la toute-puissance. MÞme s’il la critique durement, Chateaubriand leur transmet ¦galement la m¦moire de l’¦clat militaire de l’empire et de l’h¦rosme dont ces temps pouvaient Þtre le th¦–tre pour tous. Il leur offre l’image grandiose d’un incomparable meneur d’hommes et d’un faiseur d’Histoire, mais il ne tait pas ses petitesses, et c’est pr¦cis¦ment en exhibant les contrastes de ce caractÀre et de cette vie qu’il rejoint l’imaginaire romantique. Car, — la fois »g¦ant« et »grimacier58«, Napol¦on peut alors incarner la double postulation vers le sublime et vers le grotesque de l’homme romantique, qui se sait apte — descendre autant qu’— monter, et qui se pla„t — se reconna„tre en des figures nobles ou triviales. Ainsi en va-t-il de l’histrionisme de Napol¦on, de sa capacit¦ — se jouer des codes du pouvoir et — d¦choir : ils font de lui l’incarnation possible de l’ironiste romantique qui peut rire de tout, tourner en d¦rision les occupations les plus s¦rieuses, et affirmer par l— sa libert¦ absolue. Ainsi en va-til ¦galement de l’alliance de la »sagesse« et de la »folie« que Chateaubriand ne cesse de retrouver dans le d¦sordre des id¦es et des actions napol¦oniennes59. C’est donner la d¦finition du g¦nie romantique, s’il est vrai que ce dernier se signale toujours par sa »sublime d¦mence60« et illustre ainsi la proximit¦ de la grandeur et de la folie, soulign¦e depuis l’Antiquit¦. H¦ros conqu¦rant, le Napol¦on de Chateaubriand reste surtout romantique par la dualit¦ d’un caractÀre dont l’¦nergie se nuance toujours de m¦lancolie et semble vou¦e — l’¦chec par son excÀs mÞme. De fait, par le r¦cit qu’il donne de sa jeunesse solitaire et ennuy¦e, travers¦e par moments de pulsions suicidaires, Chateaubriand rapproche Bonaparte du type du h¦ros tourment¦ et d¦sesp¦r¦, en proie au mal de vivre, dont il a donn¦ le modÀle avec Ren¦. AprÀs l’agitation des ann¦es de rÀgne, ce temp¦rament m¦lancolique refait surface dans l’exil de Sainte-H¦lÀne, o¾ Napol¦on, rendu — la solitude, contemple tout — loisir l’an¦antissement de son empire et affronte dans son abandon la pens¦e du n¦ant de tout. Dans cet ultime moment de sa vie, il incarne la fatalit¦ de l’¦nergie ro58 Ibid., p. 376. 59 Les livres disparates qu’emporte Napol¦on en Êgypte illustrent aux yeux du m¦morialiste le »chaos« qui rÀgne dans sa tÞte. Il note alors : »Il mÞlait les id¦es positives et les sentiments romanesques, les systÀmes et les chimÀres, les ¦tudes s¦rieuses et les emportements de l’imagination, la sagesse et la folie«. Voir : ibid., p. 374. 60 Ibid., p. 401 (»la sorte de sublime d¦mence qui agitait Bonaparte«).

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mantique emport¦e par sa d¦mesure et promise au ch–timent. Du reste, Chateaubriand ne manque pas d’¦tablir des parallÀles entre les destin¦es de l’Empereur et celles des grandes figures de la transgression et de l’expiation, qu’il s’agisse de Satan, l’ange rebelle d¦sol¦ face au spectacle de tout ce qu’il a perdu, ou de Prom¦th¦e »d¦chir¦ vivant par la mort61«, comme l’Empereur proscrit sur son rocher. Sans doute est-ce dans cette inflexion m¦lancolique de la biographie du grand homme qu’il faut chercher la touche personnelle de Chateaubriand, dont la r¦flexion sur le cours de l’Histoire est toujours impr¦gn¦e de la m¦ditation spirituelle sur la vanit¦ du monde et des gloires humaines. C’est en tout cas ce thÀme lancinant de son ¦criture m¦morialiste qui ouvre et qui conclut la vie de Napol¦on. De fait, Chateaubriand commence par un parallÀle entre l’Empereur et Alcibiade, deux h¦ros partis jeunes — la conquÞte du monde, qui ont connu l’ivresse de la gloire, militaire et politique, avant d’essuyer des revers et de finir bannis, loin de leur patrie. Ainsi est introduite d’embl¦e la vision d’une Histoire cyclique, o¾ la chute suit toujours de prÀs l’apog¦e, si bien que se r¦vÀlent totalement illusoire la joie du vainqueur et vains ses espoirs de succÀs durable. Le tableau de Napol¦on exil¦ — Sainte-H¦lÀne vient — la fin d¦livrer la mÞme leÅon sur la pr¦carit¦ des r¦ussites humaines et sur la vanit¦ des renomm¦es. Entretemps, le thÀme est repris par la pr¦sentation de l’empire napol¦onien comme une architecture de songes. De fait, Chateaubriand commence par opposer — la futilit¦ de ses occupations chim¦riques l’importance du »vaste ¦difice« construit par Napol¦on, mais c’est pour faire remarquer aussitút la briÀvet¦ de l’Empire qui d¦ment la solidit¦ de l’ensemble : Je vais suivre l’immense fortune de Bonaparte qui, nonobstant, a pass¦ si vite que ses jours occupent une courte p¦riode du temps renferm¦ dans ces M¦moires62.

Plus loin, c’est l’Empire lui-mÞme qui est d¦sign¦ comme un »songe immense, mais rapide comme la nuit d¦sordonn¦e qui l’avait enfant¦63«. Ce glissement m¦taphorique du monument vers le songe souligne assez l’inanit¦ de cette entreprise colossale, qui n’est jamais que tissu d’illusions en regard de l’histoire de l’humanit¦. Certes, Chateaubriand suggÀre ¦galement par l— le merveilleux d’un rÀgne qui para„t irr¦el — force de prodiges et qui comble par ses hauts faits la rÞverie h¦roque. Mais l’accent reste mis sur la fragilit¦ de ces conquÞtes qui d¦montrent le d¦risoire des vies humaines. MÞme lorsqu’il retrace l’¦pop¦e imp¦riale, Chateaubriand reste, comme l’avait bien vu Julien Gracq, le peintre des »grandes mises au tombeau de l’Histoire«, celui qui se pla„t — la contemp61 Ibid., p. 744. 62 Ibid., p. 321. 63 Ibid., p. 374.

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lation morose des souverains tomb¦s et des gloires enfuies, et qui enserre dans sa pince de n¦ant« un monde »r¦duit sous le regard — une pure transparence rÞveuse64«.

64 Julien Gracq/M. Levaillant (¦d.) : Le grand paon, 1961, pr¦face aux M¦moires d’outre-tombe. Paris 1982, p. ix et xi.

Philippe Berthier (Paris)

Stendhal entre Bonaparte et Napoléon

Lorsque, dans son autobiographie Vie de Henry Brulard, Stendhal ¦voque son arriv¦e — Paris, — seize ans, il ne manque pas de sugg¦rer — son lecteur une troublante concidence, dans laquelle il l’invite implicitement — envisager un parall¦lisme de destin : le tout jeune ¦chapp¦ de son trou de province d¦barque dans la capitale, o¾ il aspire — r¦aliser son ambition d’Þtre le MoliÀre du XIXe siÀcle, au moment mÞme o¾ le g¦n¦ral Bonaparte, le 18 brumaire 1799, s’approche d¦cisivement du pouvoir. La plume, l’¦p¦e : double visage all¦gorique d’une mÞme tentation d’emprise sur les hommes, qui tantalisera de maniÀre endurante l’imaginaire de plusieurs g¦n¦rations d’¦crivains (que l’on songe seulement — Balzac). Henri Beyle est alors loin de se douter qu’une circonstance toute fortuite – son lien de cousinage avec Pierre Daru, secr¦taire g¦n¦ral du ministÀre de la Guerre – va l’entra„ner, de Milan — Moscou, dans ce sillage du nouvel astre venu illuminer l’horizon de l’histoire moderne. Ayant refus¦ de se pr¦senter — l’Êcole Polytechnique, il h¦site sur son avenir et perd son temps, jusqu’— ce qu’impatient¦ son parent ne le force manu militari – c’est le cas de le dire – — le suivre avec l’arm¦e qui va passer les Alpes pour confirmer l’affranchissement de l’Italie. DÀs 1795, Henri s’exaltait devant le bel uniforme des dragons en transit par Grenoble, et qui sera le sien bientút : image lyrique de la jeunesse, de la bravoure, de la libert¦ contagieuse, qui restera chez lui un mythe moteur et nourrira jusqu’— la fin les rÞveries les plus tendres et les plus h¦roques. Les premiÀres pages de La Chartreuse de Parme paieront magnifiquement une dette de fid¦lit¦ — soi, et fixent pour toujours les traits d’un fantasme qu’un miracle de l’histoire permet d’incarner dans le temps : l’humanit¦ mue et, abandonnant ses vieilles peaux, s’¦broue neuve et joyeuse sous un ciel de promesses printaniÀres : »On ¦tait plong¦ dans une nuit profonde par la continuation du despotisme jaloux de Charles-Quint et de Philippe II; on renversa leurs statues, et tout — coup on se trouva inond¦ de lumiÀre1«. La campagne de 1796 restera d¦finitivement pour lui le moment le plus sublime de la trajectoire 1 Stendhal : La Chartreuse de Parme. Romans. Pl¦iade, t. II, p. 26.

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Philippe Berthier

de Bonaparte, parce que le plus d¦sint¦ress¦. Il n’y a l— que l’amour sincÀre de la libert¦, servi par des prodiges de valeur et de g¦nie militaire. Quatre ans plus tard, par une gr–ce inoue de l’existence, il lui est donn¦ de faire concider sa propre entr¦e dans l’–ge d’homme avec le deuxiÀme acte de cette splendide ¦pop¦e. Stendhal ne peut se plaindre, comme Musset, d’Þtre n¦ trop tard. Il a b¦n¦fici¦ d’une conjonction unique entre son accession personnelle — l’univers adulte et ce qui lui est apparu comme un formidable espoir de r¦g¦n¦ration de l’espÀce humaine. Mais peut-Þtre dÀs 1800 le ver ¦tait-il dans le fruit : selon Stendhal, la partie la plus po¦tiquement chevaleresque et romanesquement pure de la vie de Bonaparte prend fin — l’occupation de Venise par les FranÅais, soit dÀs 1797 – un ¦clair. Car Stendhal bientút d¦chante. C’est avec la violence d’un amour trahi qu’il r¦agit — ce qui lui appara„t clairement comme la confiscation de l’id¦al r¦volutionnaire, superbement propag¦ en Italie, au profit de la r¦installation sournoise de tout ce qu’on avait voulu abolir. Lorsqu’il constate : »Le temps est pass¦ d’Þtre r¦publicain2«, il manifeste qu’il a parfaitement senti le changement de vent. Sa fureur libertaire l’emplit — tel point qu’il ne peut regarder les Tuileries, nouveau Versailles, qu’avec un mouvement de rage : »Le feu de la haine brillait dans mes yeux. Ce ch–teau […] pÀse sur mes ¦paules3«. Le sacre imp¦rial ne d¦clenche que sarcasmes chez le jacobin imp¦nitent : »Je r¦fl¦chissais beaucoup toute cette journ¦e sur cette alliance si ¦vidente de tous les charlatans. La religion venant sacrer la tyrannie, et tout cela au nom du bonheur des hommes4«. Et lorsque, se r¦galant de l’anecdote selon laquelle Napol¦on aurait chass¦ — coups de pied Volney, puis l’aurait fait menacer d’un »accident« au cas o¾ il continuerait — faire du mauvais esprit, Stendhal conclut : »If true, for a future Tacite«, on voit que, au moins dans l’intimit¦ du Journal5, il n’h¦site pas — ranger le despote tout neuf parmi ses collÀgues les plus m¦pris¦s de la vieille Rome. La conclusion s’impose, c’est celle que tire amÀrement Lucien Leuwen : »Heureux les h¦ros morts avant 18046« ! Napol¦on r¦installe toutes les antiquailles monarchistes que ce fils de la R¦volution ¦tait pr¦cis¦ment venu liquider ; il ¦touffe les LumiÀres, redoute par-dessus tout l’ind¦pendance de la pens¦e; il organise syst¦matiquement autour de lui la servilit¦, voire le suicide de l’esprit. Obs¦d¦ par la »couronnomanie«, pu¦rilement fascin¦ par des hochets surann¦s, il s’engage dans l’engrenage infernal de la libido dominandi, qui finira par le mener aux lisiÀres de la folie. MÞme int¦gr¦ — l’administration imp¦riale, et pouss¦ par l’ambition qui 2 3 4 5 6

Journal (3 mai 1804), Œuvres intimes. Pl¦iade, t. I, p. 72. Note du 11 juillet 1804, Journal litt¦raire. Cercle du Bibliophile, t. I, p. 572. Journal (9 d¦cembre 1804), loc. cit., p. 156. Ibid., pp. 184 – 185 (15 janvier 1805). Lucien Leuwen : Œuvres romanesques complÀtes. Pl¦iade, t. II., p. 742.

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d¦verrouille alors toutes les carriÀres, Stendhal reste ¦tonnamment lucide sur la nature d’un r¦gime qu’il sert avec conscience, comp¦tence et r¦el d¦vouement, comme adjoint aux commissaires des guerres (1806 – 1809), en Allemagne et en Autriche, auditeur au Conseil d’Êtat (1810), Inspecteur du mobilier de la Couronne, puis Directeur des approvisionnements de r¦serve pendant la campagne de Russie (1812 – 1813). Non seulement il ne partage pas l’ivresse de l’expansionnisme tous azimuts, mais en 1807, par exemple, il souhaite »passionn¦ment« que Napol¦on ne conquiÀre pas l’Angleterre7. Certes, comme tout le monde, y compris les opposants, il salue avec joie la naissance du roi de Rome, mais dans le mÞme temps il souffre de l’aplatissement universel devant le Ma„tre. Que, selon son propre aveu, il ait fait Ranuce-Ernest, le prince de Parme dans La Chartreuse, »d’aprÀs la cour de Saint-Cloud« en 1810 – 18118, ¦quivaut aux pamphlets les plus cruels. Quant aux g¦n¦raux, il n’a jamais eu d’illusion sur leur compte. Craignant de tomber »dans la barbarie militaire«, il les juge (et il les voit de prÀs) comme de »plats jean-sucres« que l’intoxication de bulletins fabriqu¦s habille mensongÀrement de gloire. Et pourtant, Napol¦on reste incontestablement tabou pour Stendhal, ce mÞme Stendhal qui est tout autant qu’un autre (et plus que beaucoup d’autres) conscient des tares de ce gouvernement qu’il soutient, — sa place, de son mieux. Et pas seulement pour des raisons d’opportunit¦s mat¦rielles (sa r¦ussite ¦conomique et sociale est int¦ress¦e — la survie de cet Empire qui le propulse : ce sera le seul moment de sa vie o¾ il a le vent en poupe). Comment articuler les termes de cette apparente contradiction : d’une part, qu’en quatorze ans d’administration, Napol¦on ait »avili les cœurs et remplac¦ l’enthousiasme un peu dupe des R¦publiques par l’¦gosme des monarchies«, ce qui fait qu’en 1815, la monarchie ¦tant en quelque sorte d¦j— revenue, le monarque a pu changer sans v¦ritable r¦volution, et dans l’inertie populaire – et qu’en mÞme temps constatant ce qu’il faut bien appeler un ¦chec ou une monstrueuse d¦viation du projet initial, Stendhal, au-del— de toutes les critiques et de tous les constats n¦gatifs, puisse tout de mÞme d¦clarer : »L’amour pour Napol¦on est la seule passion qui me soit rest¦e, ce qui ne m’empÞche point de voir les d¦fauts de son esprit et les mis¦rables faiblesses« qu’on peut lui reprocher ?9 Contradiction qui n’en est pas une, et s’explique avant tout par la fid¦lit¦ — tout ce qu’on a investi dans une image id¦ale de soi : Stendhal n’a jamais gu¦ri de son franchissement initiatique des Alpes en 1800, dans la mouvance du mince archange descendu porter — l’Italie l’esprit de libert¦. Bonaparte a accouch¦ Henri Beyle de Stendhal, et c’est une dette imprescriptible qu’il fallait payer au monarque bouffi. Il est clair que 7 »Vie de Henry Brulard«, Œuvres intimes. t. II, p. 858. 8 »Lettre — Balzac« (16 octobre 1840), Correspondance g¦n¦rale. Champion, t. VI, p. 405. 9 »Napol¦on«, Stock, p. 250.

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Napol¦on a succomb¦ — la pesanteur, — l’opacit¦ institutionnelle, engourdissant peu — peu le feu sacr¦. Êternelle d¦gradation selon P¦guy de la mystique en politique, des ¦poques en p¦riodes. Mais le principe qu’il avait incarn¦ est si radicalement s¦minal qu’il ne peut s’offusquer. Principe que Stendhal, sans se d¦juger, n’a cess¦ d’inscrire au cœur de l’id¦e qu’il se fait de la civilisation. D’o¾ l’appr¦ciation, une fois de plus bifrons, port¦e sur Waterloo : lorsqu’on voit les ravages exerc¦s sur les FranÅais par la courtisanerie n¦o-monarchique, on en vient presque — se r¦jouir que cette d¦faite ait interrompu le cours du processus; et, pour r¦parer aussitút ce blasphÀme, Stendhal se dit convaincu que Waterloo a d¦fait ce qu’avait fait Marengo, c’est-—-dire recul¦ d’un siÀcle la civilisation europ¦enne, et constitue un malheur pour la raison humaine10. Napol¦on n’avait pu tuer Bonaparte, ou son mythe, et jusque dans les tentatives les plus folles de la fin – le d¦barquement de Golfe-Juan, qui appara„t — Stendhal »l’action la plus ¦tonnante de l’histoire«, suscite les »most gay hopes« comme une triomphale surprise d’op¦ra et mobilise aussitút, cela va de soi, un adolescent italien g¦n¦reux, quittant tout pour aller lui prÞter secours11 – on sent ¦clater l’imagination inapaisable du g¦nie. Ce dialogue qu’il ne cesse de poursuivre avec soimÞme au sujet d’un homme auquel il a passionn¦ment adh¦r¦ avant de le juger sans pouvoir jamais s’en d¦tacher, Stendhal le fait entendre dans »l’objectivit¦« des voix romanesques en le mettant dans la bouche de Falcoz et de Saint-Giraud : - Ah ! ne dis pas de mal de lui, s’¦cria Falcoz. Jamais la France n’a ¦t¦ si haut dans l’estime des peuples que pendant les treize ans qu’il a r¦gn¦. Alors, il y avait de la grandeur dans tout ce qu’on faisait. - Ton empereur, que le diable emporte, reprit l’homme de quarante-quatre ans, n’a ¦t¦ grand que sur les champs de bataille, et lorsqu’il a r¦tabli les finances vers 1802. Que veut dire toute sa conduite depuis ? Avec ses chambellans, sa pompe et ses r¦ceptions aux Tuileries, il a donn¦ une nouvelle ¦dition de toutes les niaiseries monarchiques12.

Telle est la triste ¦vidence : cet homme qui »voulait nous gu¦rir de dix-huit siÀcles de christianisme et de f¦odalit¦« a fini par voler — la France la libert¦ dont elle jouissait en 1800. C’est vrai. Mais il cr¦ait, et s’il avait pu gouverner quelques ann¦es encore, aprÀs avoir ¦limin¦ les menaces ¦trangÀres, il aurait sans doute rel–ch¦ son autorit¦, Napol¦on II e˜t ¦t¦ constitutionnel, c’est-—-dire sens¦13. Il y a eu en lui quelque chose d’immortel, qui transcende faiblesses et retombements, et fait de sa vie »un hymne en faveur de la grandeur d’–me14«. Autour de la figure symbolique de Napol¦on, on voit bien que pour Stendhal l’invincible 10 11 12 13 14

Journal (25 juillet 1815), loc. cit., p. 942. »La Chartreuse de Parme«, loc. cit., pp. 48 – 51. »Le Rouge et le Noir«, Œuvres romanesques complÀtes. Pl¦iade, t. I, p. 558. Journal (septembre 1815), loc. cit., pp. 946 – 947. »Napol¦on«, loc. cit., p. 48.

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promesse po¦tique l’emporte sur la froideur du bilan politique. Le lyrisme de l’¦nergie s’incarne dans cet esprit sans repos qui a remu¦ comme en se jouant le monde, et Stendhal en fait l’emblÀme de tout ce qui fouette la volont¦ et exhausse l’Þtre au-dessus de lui-mÞme, le convoque corn¦liennement au d¦passement. C’est pourquoi, dans Le Rouge et le Noir, un jeune paysan franc-comtois cache son portrait sous sa paillasse, comme celui d’une amoureuse, pour se rappeler — l’ordre du courage d’aller jusqu’au bout de soi : »Aux armes !« InfidÀle — sa propre inspiration, Napol¦on n’en appara„t pas moins comme une sorte de talisman qu’on invoque silencieusement comme, dans Armance, Octave de Malivert cinglant le long des cútes de la Corse — la rencontre de son destin, lorsqu’il s’agit de ne pas d¦choir de l’id¦e qu’on se fait de soi-mÞme15. D’o¾ le caractÀre magique de son contact : Stendhal se flatte de travailler directement et beaucoup avec lui (mÞme s’il a avou¦ que c’¦tait une h–blerie), il se fantasme en grognard pris — la boutonniÀre, voire tortill¦ — l’oreille, parce que du grand homme rayonne un mana qui transfigure tout ce qui s’approche et aspire la personnalit¦ comme une assomption. Lorsqu’il apprend la d¦faite d¦finitive de l’Empereur, Stendhal est — Venise. Son Journal note — chaud sa sensation, et elle est toute simple dans sa force : »C’est la premiÀre fois de ma vie que je sens bien l’amour de la patrie16«. Il a beau ajouter quelques consid¦rations-alibis pour la police, au cas o¾ un indiscret surprendrait ses papiers, ou encore pour se faire accroire que, Napol¦on disparu, il lui reste tout de mÞme des raisons de vivre agr¦ablement (»[…] je suis passager sur le vaisseau. L’essentiel est qu’on ait la tranquillit¦ et de bons spectacles«), c’est le r¦flexe national qui est imm¦diat, d¦terminant. Les FranÅais sont battus, c’est la France qui est humili¦e (et non le seul Napol¦on). La monarchie ne lavera jamais — ses yeux cette tache originelle d’avoir ¦t¦ r¦install¦e dans ses palais par une d¦route des armes franÅaises. Stendhal est sans illusions, quand il remarque : »Ne nous ¦pouvantons pas de l’¦norme distance qu’il y a des sauvages — nous, la moiti¦ des FranÅais ne comprend pas encore le mot patrie17«. C’est reconna„tre un certain ¦chec de la R¦volution, incapable d’enraciner dans les esprits et dans les cœurs un id¦al civique qui devrait largement transcender les int¦rÞts particuliers, et dont – audel— de toutes ses incons¦quences, pour lesquelles, nous l’avons vu, Stendhal n’¦tait pas tendre – Napol¦on est bien le d¦positaire et l’h¦ritier. Autour de la signification de Waterloo s’affrontent deux lectures exclusives l’une de l’autre : cette bataille marque-t-elle la r¦appropriation de la France par elle-mÞme (f˜t-ce avec l’aide »fraternelle et internationaliste«, comme on devait dire ailleurs et plus 15 »Armance«, Œuvres romanesques complÀtes. Pl¦iade, t. I, p. 242. 16 25 juillet 1815, loc. cit., p. 943. 17 Journal (6 d¦cembre 1814), loc. cit., p. 222.

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tard, de non-FranÅais), ou tout au contraire inaugure-t-elle une ¦clipse de l’id¦e nationale ? Et cette question en induit imm¦diatement une autre, celle de la place r¦serv¦e par l’Histoire — celui dont Waterloo a interrompu la carriÀre. Comme il le sera plus tard par les Consid¦rations sur les principaux ¦v¦nements de la R¦volution franÅaise de Mme de StaÚl, auxquelles il entreprendra de r¦pliquer dans une Vie de Napol¦on inachev¦e (1817 – 1818)18, Stendhal a ¦t¦ indign¦, ¦coeur¦ par le pamphlet de Chateaubriand De Buonaparte et des Bourbons (avril 1814). Que pouvait-il penser d’un texte o¾, de maniÀre obsessive et maniaque, il ¦tait affirm¦ que Buonaparte, par son nom – que Stendhal reproche — Chateaubriand d’estropier d¦lib¦r¦ment –, par son origine et son action, n’avait rien de commun avec le g¦nie de la France ? Que ce Barbare — moiti¦ africain, ou carabe (il est compar¦ — Toussaint-Louverture !) constitue une aberration t¦ratologique dans le destin du pays, r¦incarne Moloch, Attila, fl¦au du genre humain, grand Satan et mal absolu ? C’est la n¦gation du caractÀre essentiellement patriotique de l’action de Napol¦on qui le r¦volte, cet effort pour trancher le lien ombilical entre la France et lui. La grande r¦conciliation nationale que Chateaubriand attendait des Bourbons replac¦s sur leur trúne, c’est de Napol¦on et de lui seul que Stendhal l’esp¦rait : »Vous avez ¦touff¦ les partis pendant quatorze ans, vous avez forc¦ le Chouan et le Jacobin — Þtre FranÅais, et ce nom, Sire, vous l’avez port¦ si haut, que tút ou tard ils s’embrasseront au pied de vos troph¦es19« . Comment plus nettement montrer que les errements d’un homme gris¦ par le pouvoir sans partage ne pÀsent au bout du compte pas lourd face — l’¦nergie et — la pr¦gnance qu’il a su donner — l’id¦e nationale ? D’o¾ en r¦action un rench¦rissement dans le positif (r¦pondant — sa maniÀre au rench¦rissement dans le n¦gatif pratiqu¦ par Chateaubriand), lorsqu’au m¦pris des faits, Stendhal assure qu’il »adora« toujours Napol¦on, qu’il fut l’unique objet de son respect, etc.20 õ l’excÀs d’ignominie blasph¦matoire dont t¦moignait l’¦crit de Chateaubriand, on ne pouvait qu’opposer un excÀs inverse, autant que possible r¦parateur. Surtout si l’on prend en compte l’insondable m¦diocrit¦ des pygm¦es qui ont suivi, laquelle, par r¦verb¦ration impitoyable, ne peut que souligner tout ce qu’on a perdu en perdant Napol¦on. Reste qu’il faut donner tout son sens et sa v¦rit¦ — la formule lapidaire de la Vie de Henry Brulard : »je tombai avec Napol¦on en avril 181421«. Formule o¾ ne doit pas se lire la vanit¦ de vouloir — tout prix associer son petit destin — celui du g¦ant pour (se) donner l’illusion d’Þtre un g¦ant soi-mÞme (Stendhal ne s’est jamais inflig¦ le ridicule de se penser foudroy¦ par Waterloo), mais tout simplement 18 En 1836 – 1837, Stendhal mettra en chantier des M¦moires sur Napol¦on, qu’il n’achÀvera pas davantage. 19 »Histoire de la peinture en Italie«, d¦dicace pour un projet de seconde ¦dition. 20 »Souvenirs d’¦gotisme«, Œuvres intimes. t. II, p. 980. 21 Ibid., p. 540.

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d’abord une constatation factuelle – la fin de l’Empire signifie pour lui la fin de sa carriÀre –, et, plus profond¦ment et surtout, la fiert¦ incontestable, que rien ni personne ne pourra lui úter, d’avoir particip¦, — son modeste rang, — une entreprise imparfaite et bris¦e, mais dont on sait qu’elle ¦tait hors du commun, et occupera pour longtemps l’imaginaire des hommes. De 1800 — 1814, Stendhal a ¦t¦ pris dans un appel d’air, non pas aveugl¦ment, mais tout au contraire les yeux grands ouverts, en pleine conscience de ses limites, de son ¦lan de plus en plus ralenti ou d¦voy¦. Il ne l’a jamais reni¦, justement parce que c’¦tait un ¦lan, d˜t-il peu — peu s’amortir, s’ossifier dans la platitude courtisanesque ou la langue de bois. Le drame de Napol¦on, c’est qu’il a fini par devenir lui-mÞme un retour (des friperies monarchiques), alors que toute sa n¦cessit¦ ¦tait de convoquer en permanence — un d¦part : en quoi il s’identifiait, dans l’Histoire, avec l’un des imp¦ratifs les plus cat¦goriques de la morale beyliste. Pour reprendre les termes mÞmes de Chateaubriand, Stendhal a d¦finitivement pr¦f¦r¦ voir en lui, plutút que »le destructeur des ind¦pendances«, »le pÀre des ¦mancipations22«.

22 M¦moires d’Outre-Tombe. La PochothÀque, t. I, p. 1232.

Barbara Beßlich (Heidelberg)

Zwischen Abwehr und Anverwandlung. Der deutsche Napoleon-Mythos im 19. und 20. Jahrhundert

Heinrich Heine nannte ihn den »weltlichen Heiland«, Goethe pries ihn als »Kompendium der Welt«. Friedrich Hebbel begegnete ihm oft im Traum als sein Kammerdiener und Friedrich Nietzsche sah in ihm die »Synthesis von Unmensch und Übermensch.«1 Dass Napoleon für die politische und gesellschaftliche Realität in Deutschland im 19. Jahrhundert von nicht zu überschätzender Bedeutung war, ist beinahe müßig festzustellen. Und dies wird vielleicht besonders sinnfällig in dem Satz, mit dem der Historiker Thomas Nipperdey seine Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts beginnen ließ: »Am Anfang war Napoleon.«2 Dass diese Wirkung Napoleons sich aber nicht in der staatlichen Modernisierung Deutschlands und dem Nationalismus der Befreiungskriege erschöpfte, sondern sich im kollektiven Gedächtnis der Deutschen weit über 1848 hinaus festschrieb, ist in Deutschland nach 1945 nur noch selten betont worden. Napoleon ist aber für das gesamte 19. Jahrhundert in Deutschland eine zentrale Schlüsselfigur der Imagination. Die deutschen literarischen Texte über Napoleon reflektieren dabei niemals nur die napoleonische Vergangenheit, sondern immer auch die deutsche Gegenwart (ihrer Entstehungszeit) und wirken auch als Teil der kulturellen Sinnproduktion der Gesellschaft auf diese Gesellschaft zurück. Wenn unmittelbar nach 1945 Deutsche auf den deutschen Napoleon-Mythos zu sprechen kamen, so beschränkten sie sich zumeist entweder auf die liberale Napoleon-Legende des Vormärz oder sie deuteten vage an, dass hier etwas nicht ganz Geheures thematisiert werde. Golo Mann erinnerte 1955 nur noch allge1 Heinrich Heine: Historisch-Kritische Gesamtausgabe der Werke, Bd. 6, Manfred Windfuhr (Hg.), Hamburg 1973, S. 195; Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Schaffens (Münchner Ausgabe), Heinz Schlaffer (Hg.). München 1986, S. 159; Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe, Bd. II/1, besorgt v. Richard Maria Werner. 1903, S. 230; Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe. 15 Bde., hier Bd. 5, Giorgio Colli / Mazzino Montinari (Hg.). München 1988, S. 288. 2 Thomas Nipperdey : Deutsche Geschichte 1800 – 1866. Bürgerwelt und Starker Staat. München 1987, S. 11.

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Barbara Beßlich

mein daran, »der Napoleon-Mythos habe nachmals in Deutschland kräftiger geblüht und wirksamere Folgen [gehabt] als in Frankreich selber.«3 Friedrich Sieburg verglich 1956 das englische und französische Napoleon-Bild mit dem der Deutschen und wurde etwas deutlicher : Von ganz anderen Kräften ist das deutsche Napoleon-Bild bestimmt. Es ist für unser eigenes Wesen bezeichnender als für das des Eroberers. Nirgendwo hat er eine so unausgeglichene und hitzige Bewunderung gefunden wie in unserer Literatur. […] Aber wer auch die Feder führen, wer auch die Stimme erheben mag, ein gelassenes Verhältnis zu Napoleon bringt kein Deutscher auf. Die besondere Art seiner Größe rührt in uns Saiten an, deren Schwingungen keine Harmonie ergibt.4

Diese Zitate deuten an, dass Napoleon in der historischen Mythologie der Deutschen bis 1945 eine erhebliche Rolle gespielt hatte. Friedrich Stählin fühlte sich 1952 bemüßigt, Napoleons Glanz und Fall mit der unmittelbaren deutschen Vergangenheit in Verbindung zu bringen und sprach blümerant über ein »geschichtliches Gleichnis«, das die Deutschen für ihre eigene Situation 1945 in der Betrachtung von Napoleons Schicksal finden könnten.5 In diesen Zitaten klingt ein zugleich identifikatorisches und problematisches Verhältnis ›der Deutschen‹ zu Napoleon an, das freilich nie ganz exakt bestimmt, sondern lediglich raunend als prekär auratisiert wird. Was die deutsche Literatur zwischen 1800 und 1945 immer wieder und in unterschiedlicher, aber eben doch auffallend »unausgeglichener« Weise dazu veranlasste, sich mit Napoleons kometenhaftem Aufstieg aus dem Nichts zum Herrscher über Europa, mit seinem widerspruchsvollen Verhältnis zur Revolution und seinem schroffen Untergang auseinander zu setzen, ist lange Zeit kaum analysiert worden. Daher möchte vorliegende Skizze einen kleinen Einblick in diese deutschsprachige NapoleonLiteratur vermitteln.6 Es geht in diesen deutschen Texten nicht nur um das Verhältnis zur Französischen Revolution und napoleonischen Diktatur, sondern immer auch um ein nationales und kulturelles Selbstporträt, um das spannungsreiche Verhältnis zur historischen Größe, um messianische Hoffnungen, um den Bezug zu veränderten Begriffen von Politik, Staat, Macht, Charisma, Krieg und Erfolg, um den Mythos vom starken Mann und um das Genie, das sich selbst erschafft, um die Sehnsucht nach Außeralltäglichkeit, kinetischer Kraft und Heroismus. Begriffe wie ›Schicksal‹ und ›Dämonie‹ durchziehen die deutsche Napoleon-Literatur 3 Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1955, S. 64. 4 Friedrich Sieburg: Napoleon. Die hundert Tage. Stuttgart 1956, S. 415 und 436. 5 Friedrich Stählin: Napoleons Glanz und Fall im deutschen Urteil. Wandlungen des deutschen Napoleonbildes. Braunschweig 1952, S. 5. 6 Dieser Überblick fußt auf meiner germanistischen Habilitationsschrift: Barbara Beßlich: Der deutsche Napoleon-Mythos. Literatur und Erinnerung 1800 – 1945. Darmstadt 2007.

Zwischen Abwehr und Anverwandlung

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leitmotivisch. Dabei wird Napoleon immer mehr zum Argument in der zivilisationskritischen Beweisführung, dass es in einer entzauberten Welt und technisierten Massengesellschaft doch noch auf das Individuum ankommt. Man kann in der deutschen Literatur eine Entwicklung kultureller Deutungsmuster über die Epochenschwelle von 1848 hinaus nachzeichnen, die Napoleon nicht mehr als Nationalfeind der Befreiungskriege darstellen, sondern sich sukzessive identifikatorisch auf Deutschland beziehen. Diese nationale Identifikation wird durch einen Dichter-Mythos vorbereitet. Die Dichter begreifen Napoleon bereits nach 1821 als schöpferisches Genie und vergleichen seine politische und militärische Tätigkeit mit der eigenen eines Künstlers, der alte Regeln zerbricht und sich neue autonom nach Bedarf setzt. Damit ist Napoleon nicht mehr der feindliche Eroberer und die fremde unbegriffene Macht, sondern er wird metaphorisch Teil der eigenen Welt. Gleichermaßen bedeutet dies eine (frühe) Politisierung des Genie-Gedankens und eine Ästhetisierung Napoleons. Als Genie der Dichter, lebt Napoleon über die Literatur im kulturellen Gedächtnis der Deutschen zwischen 1848 und 1870 fort, in einer Zeit, in der die deutsche Geschichtswissenschaft und die Politik eher napoleonkritisch eingestellt sind. Nach 1890 hingegen wird der Napoleon-Mythos schließlich über die Literatur hinaus mehr und mehr national identifikatorisch auf Deutschland bezogen. Die historische Person Napoleons wird mit der deutschen Nation rhetorisch verglichen, indem Deutschland als personifiziertes Subjekt der Geschichte verstanden wird, dem ein napoleonischer Charakter und Willen zugesprochen wird. Die antienglische Stimmung im wilhelminischen Deutschland trägt zu solchen Vergleichen bei. Im Jahr 1913, bei den 100-Jahr-Feiern der Befreiungskriege wird Napoleon auffällig als symbolischer Gegner ausgespart und gleichzeitig in eine nationale Mythologie der Deutschen eingebunden, so dass sich ein wackerer Bismarck-Verehrer und Napoleon-Gegner empört: Diese Verherrlichung Napoleons ist […] ein seit Jahren immer mehr sich verbreitender Unfug. In den Schaufenstern trifft man ständig Büsten, Bilder und Bücher, die für Napoleon begeistern, und so mancher Deutscher hat über seinem Schreibtisch statt eines Bildes des Schmiedes der deutschen Einheit oder des Kaisers ein Napoleonbildnis hängen und ist stolz darauf.7

Dieses Echauffement verdeutlicht, wie die Erinnerung an Napoleon zusehends einen Platz einnimmt, der traditionellerweise in einer historischen Mythologie des zweiten deutschen Reichs eigentlich preußisch-deutschen Figuren zugedacht ist. Auch der Erste Weltkrieg ändert nichts an der napoleonischen Kon7 Jeannot Emil Freiherr von Grotthuss: »Türmers Tagebuch: wie wir feiern«, in: Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist (15) 1912/1913, S. 83 f.

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junktur — im Gegenteil: Die Deutschen vergleichen sich explizit mit Napoleon im Kampf gegen England und den Rest der Welt, und analogisieren nach 1918 das postrevolutionäre Deutschland mit Frankreich 1799, das auf einen Retter aus der demokratischen Krise wartet. Der identifikatorische Napoleon-Mythos grassiert in den 1920er Jahren derart intensiv in Deutschland, dass 1926 die (heute erstaunlich anmutende) Aussage von der »Wesensgleiche zwischen Napoleon und den Deutschen« gemacht werden konnte und die Satire sich bereits mit »Napoleon I. als Nationalhelden der Deutschen« auseinander setzte.8

Mythische Muster an ihren Grenzen: Deutsche Napoleon-Literatur zu Lebzeiten Bonapartes Nur eine kurze Spanne über galt Napoleon den Deutschen in der Zeit der Befreiungskriege als Nationalfeind. Aber schon bevor die Publizistik der Befreiungskriege Napoleon zum Antichristen dämonisierte, hatten die deutschen Schriftsteller den General der Italienfeldzüge zum Halbgott verklärt. Die Verteufelungen Napoleons zum »Höllensohn« reagierten bereits auf deutsche Divinisierungen Napoleons seit 1797. Die deutsche Literatur über Napoleon zu dessen Lebzeiten versucht, Napoleon zu vergleichen, in mythischen oder historischen Rollen zu stilisieren. Die von Napoleon begeisterten Schriftsteller schwärmten etwa von dem neuen Prometheus. Sie stellten Napoleon in eine militärische Reihe mit Alexander dem Großen, Hannibal, Caesar und Karl dem Großen. Solche affirmativen Mythisierungen wurden von Napoleon selbst lanciert. Vergleiche mit Hannibal oder Karl dem Großen förderte Napoleon in einer systematischen Öffentlichkeitsarbeit und Kunstpolitik. Während er politisch konsequent europäische Traditionen aushebelte, stellte er sich gleichzeitig ikonographisch in abendländische Zusammenhänge. Die deutschen Gegner Napoleons suchten ebenfalls nach Vergleichsgrößen, die sie entweder in historischen, außereuropäischen, nicht-christlichen Gewaltherrschern fanden wie Attila, Tamerlan, Dschingis Khan oder Süleiman II. oder sie bedichteten Napoleon in religiösen Mustern zum Gegner Gottes, sei es zum alttestamentlichen Pharao, der das auserwählte Volk knechtet, oder sei es zum apokalyptischen Drachen. In diesen Mythisierungen lassen sich antagonistische Reflexe beobachten. Dem orientalischen Despoten steht der europäische Friedensherrscher gegenüber, dem alttestamentlichen Brudermörder Kain der antike Halbgott Prometheus. Zur Zeit der Befreiungskriege reichte die Spanne der christlichen Mythisierungen für Napoleon in Deutschland vom 8 Berthold Vallentin: Napoleon und die Deutschen. Berlin 1926, S. 9 ; Werner Hegemann: Napoleon oder »Kniefall vor dem Heros«. Hellerau 1927, unpaginierte Widmungsseite.

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Heiland bis zum »Höllensohn«. Chateaubriand beschrieb dieses mythologische Kaleidoskop, das sich zu Lebzeiten Napoleons zusammengesetzt und 1848 verfestigt hatte, folgendermaßen: Bonaparte ist nicht mehr der wahre Bonaparte, er ist eine legendäre Gestalt, zusammengesetzt aus den Phantasien der Dichter, den Erinnerungen der Soldaten, und den Erzählungen des Volkes. Wie wir ihn heute sehen, ist er der Karl der Große und der Alexander der mittelalterlichen Epen. Dieser phantastische Held wird die reale Person bleiben, die anderen Porträts werden verschwinden.9

Hinter der Vielfalt der Deutungsangebote (Karl der Große und Alexander) verschwand »die reale Person« immer mehr. Chateaubriands Aussage illustriert die Inflation der Napoleon-Mythisierungen. In einer mythischen Bastelarbeit wurden Napoleon verschiedene Rollen angepasst, die nicht immer stimmig waren, aber als Bruchstücke der Geschichte eines Individuums Eingang fanden und aktualisiert wurden. Die »Phantasien der Dichter« zielten darauf, die außergewöhnliche Gestalt Napoleons verständlicher zu machen. Dabei hatten diese vergleichenden Mythisierungen immer auch kompensatorischen und prophetischen Charakter. Das Überangebot an mythischen und historischen Vergleichsfiguren für Napoleon war ein Zeichen für die qualitative Unzulänglichkeit der einzelnen Analogien. Wenn beim einzelnen Vergleich die Unterschiede größer als die Ähnlichkeiten waren, wurde dies oft durch ganze Vergleichskataloge quantitativ ausgeglichen. Sie sollten den Zeitgenossen Unerklärliches erklären. Die Mythisierungen boten Deutungen an und verbanden Unbekanntes mit Bekanntem. Dieses Dichten in Mustern bot die Möglichkeit, eine Geschichte in der Vergangenheit oder im Mythos zu Ende erzählen zu können, von der man vor 1821 nicht wusste, wie sie sich in der Gegenwart weiterentwickeln würde. Die Mythisierungen fungierten als kompensatorische Prophetien. Im mythologischen Vergleich sollte entschlüsselt werden, was in der Realität verschlossen blieb. Dass solche Muster aber nie ganz der historischen Realität entsprachen, wird in einigen Texten besonders deutlich, welche die Unzulänglichkeit dieser Muster selbst reflektieren, etwa in einem Gedichtentwurf von Hölderlin. Friedrich Hölderlin betrachtete 1797/98 in seinem Gedicht-Entwurf Buonaparte nicht so sehr den Revolutionsgeneral selbst, sondern seine historische Person als poetisches Problem. Das Verhältnis von Dichtung und Geschichte wird am Beispiel Bonapartes reflektiert:

9 FranÅois Ren¦ Auguste de Chateaubriand: Erinnerungen, hg., neu übertr. u. mit einem Nachwort v. Sigrid von Massenbach. München 1968, S. 422.

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Buonaparte

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Heilige Gefäße sind die Dichter, Worin des Lebens Wein, der Geist Der Helden, sich aufbewahrt, Aber der Geist dieses Jünglings, Der schnelle, müßt er es nicht zersprengen, Wo es ihn fassen wollte, das Gefäß? Der Dichter laß ihn unberührt wie den Geist der Natur, An solchem Stoffe wird zum Knaben der Meister. Er kann im Gedichte nicht leben und bleiben, Er lebt und bleibt in der Welt.10

Bonaparte wird im gesamten Gedicht nicht beim Namen genannt. Allein der Titel gibt Aufschluss über die Identität des als »Jüngling« bezeichneten Helden des Gedichts. Das Lebensalter wird zum Charakteristikum des bedichteten Bonaparte. Aufgabe der Dichtung sei es, Heldentaten (»des Lebens Wein, den j Geist Der Helden«) ästhetisch festzuhalten, das Leben lyrisch auf Dauer zu stellen und der Nachwelt zu überliefern. Diese Kompetenz der Dichter sakralisiert sie zu »heilige[n] Gefäße[n]« (V. 1). Ganz im antiken Sinn wird den Dichtern die Aufgabe des Rühmens zugedacht. Damit beschreibt die erste Strophe eine allgemeine Zuständigkeit der Poesie. Aber die zweite Strophe, die vom Allgemeinen zum Besonderen und vom Plural in den bestimmten Singular wechselt, macht deutlich, dass für den konkreten Fall »dieses Jünglings« (V. 4), nämlich Bonaparte, die allgemeinen Regeln nicht gelten. Die doppelte Metapher der ersten Strophe von den Dichtern als »Gefäßen« für den »Wein« heroischen Geistes wird fragend fortgeführt. Nachgestellt wird Bonapartes Geist als »Der schnelle« (V. 5) charakterisiert, der das poetische »Gefäß« »zersprengen« würde : Bonapartes Lebensintensität übersteigt somit poetisches Fassungsvermögen. Die Charakterisierung Bonapartes als »schnell« mag ihren historischen Rückhalt in dem so rapide geführten Italienfeldzug haben. Aus dieser Geschwindigkeit resultiert eine Kraft, die sich poetisch nicht mehr fassen lässt. Die beiden abschließenden Strophen ziehen die Konsequenz aus dem Problem und erlassen die poetologische Direktive, Bonaparte als Thema zu meiden. Bonaparte wird aus dem Bereich der Geschichte katapultiert und in den der Naturgewalt transformiert. Er ist nicht mit historischen Kategorien zu messen, sondern er gleicht dem »Geist der Natur« (V. 7). Für ihn gelten nicht die Regeln historischer Dichtung. Hölderlin enthistorisiert die Gestalt Bonapartes und entrückt ihn in den Bereich der Natur über menschliche Sphären hinaus beinahe ins Göttliche hinein; Bonaparte wird so zum Nu10 Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 1. Jochen Schmidt (Hg.). Frankfurt a. M. 1992, S. 374.

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minosum. Die letzte Strophe stellt noch einmal in einer Quintessenz Leben und Poesie gegeneinander. Das Gedicht trennt chiastisch die Welt und die Kunst als gegensätzliche Sphären, von denen nur die Welt für Bonaparte gedacht ist. Hölderlin schrieb so ein Gedicht über das Problem, dass man über Bonaparte keine Gedichte schreiben kann. Damit widerlegte er sich performativ einerseits selbst und gab andererseits schon in der verknappten Entwurfs-Form Hinweise darauf, dass er diesen Unsagbarkeitstopos durchaus ernst nahm. Hölderlins Gedicht-Entwurf demonstriert nicht nur die Unzulänglichkeit bestimmter literarischer Muster für Bonaparte, sondern steigert das Problem ins Generelle: Schlechterdings kein literarisches Muster mag Hölderlin für Bonaparte hinreichend erscheinen. Begeisterte man sich in Deutschland für den Revolutionsgeneral Bonaparte, so stand man dem Konsul auf Lebenszeit schon sehr viel skeptischer gegenüber. Die Kaiserkrönung 1804 schließlich löste europaweit intellektuelle Wutausbrüche aus. Beethoven, nachdem er von der Kaiserkrönung erfahren hatte, soll zornig das Titelblatt der Partitur seiner Eroica zerrissen und damit die ursprüngliche Widmung an Napoleon getilgt haben. Mit der Gründung des Rheinbundes gewann die Gegenwärtigkeit napoleonischen Machtstrebens für die Deutschen eine neue Dimension. Napoleon wurde nun nicht mehr nur unter politischen, sondern mehr und mehr auch unter nationalen Parametern wahrgenommen. Aus dem kritisch beäugten Revolutionsbändiger wurde allmählich ein Nationalfeind konzipiert. Das lässt sich gut in den Schriften von Ernst Moritz Arndt und Joseph Görres nachvollziehen, die keineswegs von Anfang an napoleonfeindlich gesonnen waren. In den Befreiungskriegen schließlich fühlten sich Johann Gottlieb Fichte und Heinrich von Kleist bemüßigt, schriftstellerisch gegen Napoleon tätig zu werden. Auch E. T. A. Hoffmann schrieb eine antinapoleonische Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden. In der Lyrik der Befreiungskriege wird vor allem eine religiöse Bildsprache gewählt. Nationalismus und religiöses Sprechen vermischen sich hier. Nicht nur die Apokalypse war ein wichtiger Bildspender für die antinapoleonische Literatur der Befreiungskriege, auch das Alte Testament wurde metaphorisch beliehen. Der strafende und rächende Kriegsgott des Alten Testaments sollte einen wirksamen Rückhalt im Kampf gegen Napoleon bieten. Als Herr der Heerscharen sollte Gott im Befreiungskrieg wie im Alten Testament dem Heer als Führer voranziehen, in die Schlacht eingreifen, sein Volk schützen, schließlich siegen und Napoleon bestrafen. Die religiöse Bildsprache der Befreiungskriegslyrik wurde Mittel zum nationalen Zweck. Wie sehr dabei der Pietismus die patriotisch-politische Sprache beeinflusste, hat die Forschung hinlänglich untersucht. Der Kampf gegen Napoleon wurde rhetorisch zum nationalen Erweckungserlebnis, überformt mit Gelöbnisformeln und appellativ-pathetischem Ausdruck. Die Poesie der Befreiungs-

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kriege bemühte sich, aus den Trümmern des Heiligen Römischen Reiches eine Nation zu erdichten, in der jenseits politisch realer Grenzen Des Deutschen Vaterland kulturnational dort ausgemacht wurde, wo »die Deutsche Zunge klingt« (Arndt). Dass das eine Projektion einer bildungsbürgerlichen Minderheit war und es mithin falsch ist, von einer allgemeinen »nationalen Erhebung« 1813 zu sprechen, hat die neuere Nationalismus-Forschung betont. Es scheint vielmehr sinnvoll, von einer poetischen Antizipation der Nation in der Befreiungskriegslyrik auszugehen, die sich vor allem in der Ausrichtung gegen Napoleon als Feind profilierte. Das konnte dann zu regelrechten Schimpfkanonaden führen wie die von Johann Friedrich Schink. Dessen Dem Korsen gewidmete Schand- und Schimpfode erschöpfte sich in einer wilden Rüpelei: Abschaum der Menschheit, der mit Schwert und Feuer Die Welt durchzog, verbreitend Ach und Weh! Brandmark der Zeiten, Wütrich, Ungeheuer, Wie keines w a r, keins i s t , keins s e i n wird je! Blutsauger, Völkergeißel, Weltzertreter, Pest, Räuberhauptmann, Henker und Bandit, Du menschgewordner Satan, Missetäter, Wie selbst der Abgrund keinen sah und sieht!11

Zwischen 1815 und 1821 rückten die Schriftsteller aber erstaunlich schnell ab von solchen politischen Invektiven und verklärten zusehends den nach St. Helena Verbannten zum Märtyrer. St. Helena wurde zum romantischen Nebelreich ästhetisiert und gegen ein prosaisches Europa abgesetzt. Es muss betont werden, wie auch in Deutschland noch zu Lebzeiten Napoleons nach 1815 aus dem Nationalfeind alsbald wieder eine zu verehrende legendarische Gestalt wurde. Der Verbannung Napoleons folgte eine sukzessive Verklärung. Relativ rasch verschob sich die Haltung in der deutschen Literatur von der ängstlich-zornigen Befreiungskriegs-Abwehr in eine größere Gelassenheit, die Napoleons Schicksal in balladeskem Ton als historisch distanzierbare Geschichte erzählte. Die nationale Perspektive trat zurück, die Aggression verflüchtigte sich. Je weniger bedrohlich Napoleon erschien, desto weniger wurden auch übermenschliche Kräfte zu seiner Deutung und Bekämpfung beschworen. Zur Gruppe dieser balladesk verklärenden Gedichte gehören auch Heinrich Heines Grenadiere, die nicht Napoleon selbst, sondern den volkstümlichen Bonapartismus in den Blick nehmen. Die Größe Napoleons spiegelt sich hier in der Größe der Verehrung, die er hervorruft. Das napoleonlose Europa wird als 11 Johann Friedrich Schink: »Dem Korsen. Schand- und Schimpfode. Zur Feier der Zernichtungsschlacht am 18. und 19. Oktober 1813«, in: Spies, Hans-Bernd (Hg.): Die Erhebung gegen Napoleon 1806 – 1814/15. Darmstadt 1981, S. 326.

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eine öde und sinnentleerte Welt konfrontiert mit der Vision von dem wiederkehrenden Kaiser. Die Entstehungszeit des Gedichts ist unsicher, Heine selbst erinnerte ex post das Jahr 1816; wahrscheinlicher ist 1819/20 als Entstehungszeit anzunehmen. Populär geworden vor allem auch durch die Vertonungen von Robert Schumann und Richard Wagner, schildert die volkstümliche Ballade die grenzenlose Napoleon-Verehrung zweier französischer Grenadiere, die aus russischer Kriegsgefangenschaft nach 1815 zurückkehren: Die Grenadiere Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’, Die waren in Rußland gefangen. Und als sie kamen in’s deutsche Quartier, Sie ließen die Köpfe hangen. 5 Da hörten sie beide die traurige Mähr : Daß Frankreich verloren gegangen, Besiegt und zerschlagen das große Heer, – Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. Da weinten zusammen die Grenadier’ 10 Wohl ob der kläglichen Kunde. Der Eine sprach: Wie weh wird mir, Wie brennt meine alte Wunde. Der Andre sprach: Das Lied ist aus, Auch ich möcht’ mit dir sterben, 15 Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus, Die ohne mich verderben. Was scheert mich Weib, was scheert mich Kind, Ich trage weit bess’res Verlangen; Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind, – 20 Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! Gewähr’ mir Bruder eine Bitt’: Wenn ich jetzt sterben werde, So nimm meine Leiche nach Frankreich mit, Begrab’ mich in Frankreichs Erde. 25 Das Ehrenkreuz am rothen Band Sollst du aufs Herz mir legen; Die Flinte gieb mir in die Hand, Und gürt’ mir um den Degen. So will ich liegen und horchen still, 30 Wie eine Schildwach, im Grabe, Bis einst ich höre Kanonengebrüll, Und wiehernder Rosse Getrabe.

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Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab, Viel Schwerter klirren und blitzen; Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab’, – Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.12

Die neun Strophen — vier Verse mit wechselnd männlichem und weiblichem Kreuzreim inszenieren mit ihrer aufgelockert-einfachen jambisch-daktylischen Form den Stil einer Volksballade. Das Versende fällt zumeist mit dem Abschluss einer syntaktischen Einheit zusammen, Enjambements sind die Ausnahme. Der einfache Satzbau unterstützt den volkstümlich balladesken Eindruck. Direkte Rede, durch einfache Inquit-Formeln (»der Eine sprach« »Der Andre sprach«) eingeleitet, dominiert das Gedicht (Strophen 3 – 9). Von einem erzählerischen Anfang (Strophe 1 – 3) ausgehend, wechselt die Ballade in einen Dialog (Strophe 3 – 4), um in einem Monolog des einen Grenadiers zu münden (Strophe 4 – 9), der aus der Realität ins Visionäre zielt (Strophe 7 – 9). Die beiden Grenadiere bleiben anonym, werden zu »der Eine« (V. 11) und »der Andre« (V. 13) verallgemeinert. Inversionen und Archaismen wie »traurige Mähr« (V. 5) und »kläglichen Kunde« (V. 10) intensivieren den Charakter künstlich rekonstruierter Einfachheit. Altertümliche Verbformen wie »hangen« (V. 4) und antiquiert anmutende Konstruktionen wie »wohl ob der kläglichen Kunde« (V. 10) erzeugen die Illusion einer früheren Sprachstufe. Dazu trägt ebenfalls die dreifache Wiederholung von »der Kaiser, der Kaiser« (V. 8, 20, 36) bei, die jeweils am Strophenende den Refrain einer Volksballade imitiert. Mit all diesen Mitteln rückt Heine einen für ihn aktuellen politischen Stoff in eine künstlich aufgebaute Ferne. Der moderne Napoleon-Stoff wird archaisiert und in eine vormodern anmutende Form angepasst. So verdeutlicht Heine auch die Unzeitgemäßheit Napoleons selbst. Dem Anachronismus der Form entspricht der Anachronismus des Inhalts, in dem noch einmal in modernen Zeiten vormoderner Heldenmut und absolute Selbstaufgabe von fast homerischen Ausmaßen bedichtet werden. Der zweite Grenadier steigert dabei die Selbstaufgabe zu einer Preisgabe seiner familiären Bindungen: »Was scheert mich Weib, was scheert mich Kind j Ich trage weit bess’res Verlangen; j Laß sie betteln gehen, wenn sie hungrig sind« (V. 17 – 19). Während dem ersten Grenadier »Weib und Kind zu Haus« (V. 15) Verpflichtung zum Weiterleben bedeuten, nivelliert die Not Napoleons für den zweiten Grenadier jegliche familiäre soziale Verantwortung, was sich auch syntaktisch darin verdeutlicht, dass »Weib und Kind« (V. 15) nicht mehr wie beim ersten Grenadier syndetisch verbunden als familiäre Einheit begriffen, sondern syntaktisch zerrissen werden in zwei unabhängige Elemente: »Was 12 Heinrich Heine: Historisch-Kritische Gesamtausgabe der Werke. Bd. I,1. Pierre Grappin (Hg.). Hamburg 1975, S. 76 – 79.

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scheert mich Weib, was scheert mich Kind« (V. 17). Der intime Zusammenhalt der bürgerlichen Familie, wie er etwa im Bürgerlichen Trauerspiel als Utopie und Gegenwelt zum höfischen Absolutismus beschworen wurde, wird hier unterlaufen und in Frage gestellt. Heines Grenadier suspendiert in seiner grenzenlosen Napoleon-Verehrung die Grundregeln der bürgerlichen Gesellschaft und katapultiert sich in heroischere, vorbürgerliche Zeiten. Das Ende der kaiserlichen Herrschaft macht ein sinnvolles Leben für den einen Grenadier unmöglich. Im Spiegel des unbedingten Bonapartismus deutet Heine hier bereits die Öde und Epigonalität eines Europas ohne Napoleon an. Für den Grenadier bedeutet Napoleons Ende das Ende des eigenen Lebens und er trifft Vorrichtungen für seinen Tod. Mit diesem Tod ist aber das Treueverhältnis gegenüber Napoleon nicht beendet, sondern tritt in eine Art Übergangsstadium, in ein Interregnum ein. Die letzten beiden Strophen beschließen das Gedicht mit einer apokalyptischen Vision von der bonapartistischen Treue über den Tod hinaus, die sich in einer Art napoleonischem Jüngsten Gericht beweisen kann. Dekoriert mit dem »Ehrenkreuz am rothen Band« (V. 25) (also dem Kreuz der Ehrenlegion) und gerüstet mit »Flinte« (V. 27) und »Degen« (V. 28) will der Grenadier im Tod eine »Schildwach, im Grabe« (V. 30) halten – auf Abruf, bis zur Wiederkunft des Kaisers, der mit »Kanonengebrüll« (V. 31) nach Frankreich zurückkehrt. Heine zitiert hier den Barbarossa-Mythos, also die Sage vom dem im Kyffhäuser-Berg schlafenden Kaiser Barbarossa, der einst aufwachen und entschwundene Kaiserherrlichkeit wiederherstellen wird. Heine zitiert aber nicht zu deutsch-nationalen Zwecken, wie dies etwa Friedrich Rückert in seinem Barbarossa-Gedicht unternahm. Heine funktionalisiert den Kyffhäuser-Mythos bonapartistisch um und entnationalisiert ihn. Nicht der deutsche Barbarossa kehrt aus dem Kyffhäuser zurück, um die deutsche Reichseinheit wiederherzustellen, sondern Napoleon kommt von St. Helena zurück, um seine Nationen überspannende Herrschaft fortzusetzen. Damit nutzt Heine die sich im Barbarossa-Mythos ausdrückende deutsche Reichssehnsucht als Formvorlage, um sie letztlich mit demjenigen als mythischen Erlöser zu besetzen, der für das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verantwortlich zeichnete. Diese nationale Enteignung ironisiert indirekt den nationalen Pomp des Barbarossa-Mythos etwa bei Rückert oder später bei Hauff. Besonderheit von Heines Mythos-Variation ist es darüber hinaus, dass die Wiederkehr des Kaisers eingeleitet wird durch die Wiederkehr seines Grenadiers, dessen Wiederauferstehung aus dem Grab der Leser stellvertretend für Napoleons Wiederkehr nachvollziehen kann. So öffnet Heines, wohl noch zu Lebzeiten Napoleons verfasste Ballade, bereits den Raum für Wiedergänger-Legenden und zeichnet im Gedichtverlauf den Weg aus der Realität in die mythische Entrückung eines nach dem Tode zurückkehrenden Kaisers. Immermann wird später nach Napoleons Tod, wie auch

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Victor Hugo, diesen Vergleich von Napoleon mit Barbarossa weiterführen. Die Kluft zwischen einer ohne Napoleon öden und epigonalen Welt und der nur noch in der Vision eines sterbenden Grenadiers zu erträumenden Größe macht die Spannung dieser Ballade aus, die nur noch in der Erinnerung der Grenadiere vormodernes Heldentum greifbar macht.

Erinnerte Größe in kleinen Zeiten: Die deutsche Napoleon-Literatur im 19. und 20. Jahrhundert In dem Moment, in dem Napoleons Eskamotierung aus Europa Endgültigkeit erreicht, dichten Friedrich Rückert, August von Platen und Heine NapoleonBalladen, die der geographischen Entrückung auch formalen Ausdruck verleihen. Diese Balladen berichten zwar von zeitgenössischen Ereignissen. Sie tun dies aber in einem historisierend-verfremdenden Stil, der das Geschehen ins Ungefähre entrückt oder in mythische Vorzeit entfernt, sei es, dass bei Rückert (Der Götter Rath) antike Götter die Disziplinierung Napoleons in Angriff nehmen, sei es, dass bei Platen (Colombos Geist) Napoleon bei der Überfahrt nach St. Helena jenseits historischer Glaubwürdigkeit ins weltgeschichtliche Zwiegespräch mit Christoph Columbus kommt, oder sei es bei Heine (Die Grenadiere), der zwei Soldaten Napoleons zu vorbürgerlichen Heroen stilisiert, von denen der eine Napoleons mythische Wiederkehr erwartet. Bei Platen (Colombos Geist) und Heine (Die Grenadiere) wird bereits angedeutet, dass Europas Abschied von Napoleon den Auftakt zu einem Zeitalter der Epigonalität bedeutet. Die Literatur inszenierte Napoleons Tod am 5. Mai 1821 als Epochenschwelle. Das literarische Epigonentum in Deutschland definierte sich nicht erst in Auseinandersetzung mit dem Tod Hegels und Goethes, sondern entstand bereits in der Reflexion auf den ennui und das Nachgeborensein nach dem Tod Napoleons. Napoleon avancierte dann zur Symbolfigur des Liberalismus im Vormärz. Mit Napoleon machte Heine gegen die Restauration mobil, und er konnte das mit direkten Napoleon-Zitaten tun, denn Napoleon hatte sich in seinen auf St. Helena diktierten Erinnerungen im Nachhinein zum großen Liberalen stilisiert. Aber der Bezug auf Napoleon erschöpfte sich zwischen 1821 und 1848 fast nie in politischer Agitation, sondern transportierte immer auch eine beinahe apathische Zerrissenheit und melancholische Erinnerung an vergangene Größe. Napoleon wurde im 19. Jahrhundert zur poetologischen Sonde, mit der die Dichter selbstkritisch ihre subjektiv empfundene Winzigkeit reflektierten. Jakob Burckhardts Diktum, »Größe ist, was wir nicht sind«, ließe sich als Motto der deutschen Napoleon-Literatur des 19. Jahrhunderts begreifen. Je mehr die Gegenwart Größe vermissen ließ, desto intensiver (und zum Teil in flagellanter

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Manier) wurde die vergangene Größe Napoleons beschworen. Napoleon wurde so zum Stellvertreter für mangelnde gegenwärtige Genies. Mit Nietzsche veränderte sich der Tonfall der deutschen Literatur über Napoleon: Alles Kontemplative, das noch Napoleon-Texten von Immermann, Gaudy und Zedlitz zu Eigen war, scheint verschwunden. Mit größtem Pathos und identifikatorischem Ernst schreibt Nietzsche seinen Napoleon zu einer atavistischen Symbolfigur um, die gegen Rousseau einen Geistesaristokratismus antiken Zuschnitts verkörpert und als wahre Rückkehr zur Natur jenseits von Gut und Böse stilisiert wird. Nietzsche verkehrt die napoleonischen Stilisierungen des Vormärz ins Gegenteil. Nietzsches Napoleon steht nicht mehr für Liberalismus und bürgerliche Freiheiten, sondern wird zum Inbegriff des Anti-Bürgers, dessen Leben auf Kampf eingestellt und gegen Kapitalismus und Besitzstandsdenken ausgerichtet ist. Dieser Napoleon ist gegen die nivellierende Massengesellschaft der unzeitgemäße Beweis von Größe. Napoleon verkörpert für Nietzsche einen aristokratischen Typus, der in der Moderne zum seltenen Anachronismus geworden ist. In der Abhandlung Zur Genealogie der Moral (1887) sakralisiert er Napoleons welthistorischen Auftritt: »Wie ein letzter Fingerzeig zum andren Wege erschien Napoleon, jener einzelnste und spätestgeborene Mensch, den es jemals gab, und in ihm das fleischgewordene Problem des vornehmen Ideals an sich.«13 Dass Nietzsches Napoleon ein Feind jeglichen Nationalismus darstellt, hat die vulgarisierende, rechte Nietzsche-Rezeption im frühen 20. Jahrhundert hingegen oft vernachlässigt oder ignoriert. Die bisherige Konzentration der Forschung auf den liberalen Napoleon-Enthusiasmus des Vormärz ließ den falschen Eindruck aufkommen, als sei die literarische Beschäftigung mit Napoleon in Deutschland nach 1821 eine vornehmlich liberal-progressive, frankophile und kosmopolitische Angelegenheit gewesen, während ein konservativer Nationalismus in Napoleon den Nationalfeind ausgemacht hätte. Das trifft aber für das späte 19. Jahrhundert nicht mehr für die Literatur zu. Nietzsches Enthusiasmus initiiert einen zivilisationskritischen Napoleon-Diskurs, der mit Napoleon den Wunsch nach dem starken Mann in der Gegenwart thematisiert. In einer vulgarisierenden Nietzsche-Rezeption wird Napoleon zum historisch realisierten »Übermenschen« und Recken gegen die Moderne umgedeutet. Dass der Nationalsozialismus ein eigenes Napoleonbild literarisierte und mit Napoleon die Republik-Demontage übte und rekapitulierte, eine heroische Anthropologie entwarf und für seine Weltherrschaftspläne eine napoleonische Tradition zu stiften versuchte, blieb bisher auch weitgehend unbeachtet. Spätestens seit 1933 wird mit Napoleon-Texten in Deutschland über Hitler debat13 Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, 15 Bde., Bd. 5. Giorgio Colli / Mazzino Montinari (Hg.). München 1988, S. 287 f.

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tiert, und das verstärkt sich mit dem Russlandfeldzug noch einmal. Nicht der zeitgenössische literarische Vergleich von Hitler und Napoleon, scheint mir dabei schließlich das Erstaunliche, sondern vielmehr die rhetorische Zurichtung einer ganzen Nation auf einen napoleonischen Charakter. Die in diesen Texten immer wieder gestellte Frage, ob Männer oder Völker Geschichte machen, beantwortet der deutsche Napoleon-Mythos im 20. Jahrhundert, indem er im ›napoleonischen Nationalcharakter der Deutschen‹ beide Elemente metaphorisch verbindet. Die deutsche Auseinandersetzung mit Napoleon wird im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert regelrecht zur erinnerungsgeschichtlichen Schule des nationalen Heroismus inszeniert. Wenn Friedrich Sieburg 1956 zerknirscht von den unharmonischen Schwingungen sprach, welche die Auseinandersetzung mit Napoleon bei den Deutschen auslöse, so war dies auch eine hermetische Selbstkritik. 1939 hatte Sieburg nämlich die napoleonische Wahlverwandtschaft der Deutschen (mit ähnlichen Metaphern, aber ganz anderer Wertung) als einen dämonischen Heroismus und ein faustisches Wesen begriffen, die den Franzosen im Unterschied zu den Deutschen, so Sieburg, gänzlich fehlten: Immer wieder geschieht es, daß der Deutsche den großen Kaiser gegen den Franzosen verteidigt. Nicht weil er uns, ohne es zu wollen, durch seine Gewalttat zu einem göttlichen Aufflammen deutschen Selbstbewußtseins verholfen hat, […] sondern weil seine dämonische Natur mit vertrauter Stimme zu uns spricht und das Heldische in ihm eine verwandte Saite in uns anrührt. Wir sind fähig, das Wirken des Weltgeistes in ihm zu spüren und gelten zu lassen. Der Trieb des Helden, über sich selbst hinauszuwachsen, ja sich zu sprengen, ist eine durchaus deutsche Möglichkeit, während es vom Franzosen als etwas Widerwärtiges, ja Gefährliches verstanden wird. […] So liefert unser Verständnis für das heldische Streben ins Kosmische selbst die Antwort auf die Frage, was Napoleon eigentlich am Ebro und in Düsseldorf zu suchen hatte.14

Napoleon ist an allem schuld. Dieser Titel einer Filmkomödie von Curt Goetz formuliert überspitzt das Motto einer Stellvertreterdiskussion unmittelbar nach 1945. Die nationalen Selbstbesinnungsschriften, die nach 1945 erschienen, verglichen immer wieder Hitler und Napoleon, was zumeist als Entlastungsdiskurs fungierte. Dass im frühen 20. Jahrhundert der Ruf nach einem nationalen Retter in Deutschland mit Bezug auf Napoleon formuliert worden war, wurde jetzt als Vorwurf auf Napoleon rückübertragen. »Ohne Napoleon kein Hitler«, lautete der unausgesprochene Kern dieser Debatte. Aus der Suche nach Erklärungen entwickelte sich eine Fahndung nach Vorläufern. Solche zeitlichen

14 Friedrich Sieburg: Blick durchs Fenster. Aus 10 Jahren England und Frankreich. Frankfurt a. M. 1939, S. 46 – 64, hier S. 48, unter der Zwischenüberschrift Frankreich gegen das Heroische.

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Abfolgen implizierten dann oft die Vorstellung, dass es sich hier nur noch um graduelle, nicht mehr um prinzipielle Unterschiede handele. Napoleon muß nach Nürnberg, forderte dementsprechend im Titel ein Bühnenstück von 1946, das Napoleon zu den Kriegsverbrecherprozessen in die Gegenwart vor Gericht zitierte. Hier wurde Napoleon in die Realität des Nachkriegsdeutschlands katapultiert und musste sich in Nürnberg gleichsam in einem weltgerichtlichen Prozess verantworten. Das Drama erklärte Napoleon und den deutschen Napoleon-Mythos zum Mitschuldigen am Nationalsozialismus. Der mangelnden Entmythisierung Napoleons nach 1821 wurde die Verantwortung am Aufstieg des Nationalsozialismus übertragen. An Napoleon apostrophiert hieß es, hätten die Sieger von damals »Sie nicht als souverän noch nach dem Thronverzicht geehrt, sondern Sie als Verbrecher vor Gericht gestellt, so wäre der Welt auch Ihr Nachfolger erspart geblieben, und Ihr Name noch früher erloschen sein, als es jetzt geschehen wird.«15 Bei diesen bemerkenswerten Schuldverteilungen ging es also nicht nur um einen Personen- und Herrschaftsvergleich, sondern auch um die Gründe für die heroische Entflammbarkeit einer Bevölkerung für diese Personen. Man sprach in toxischen Bildern etwa vom »Gift« Napoleon, das die Immunität der Deutschen gegen Hitler geschwächt habe. Dass eine solche napoleonische Genese des ›deutschen Heroismus‹ durchaus hausgemacht, die napoleonische Tradition bewusst im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gestiftet worden war und sich nicht etwa natürlich aus einem Gang der Geschichte ergab, blieb in solchen Erklärungen unberücksichtigt. Der ›napoleonische Nationalcharakter der Deutschen‹ war eine deutsche Erfindung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die nichts mit der historischen Person Napoleons zu tun hatte. Nicht Napoleon war an allem schuld, sondern die Konstruktion einer spezifischen napoleonischen Disposition der Deutschen wurde essentialisiert und jetzt als Schuldvorwurf auf Napoleon zurückprojiziert. Als Urvater aller modernen Diktaturen geschmäht und als ›Vorläufer‹ Hitlers geächtet, verschwand Napoleon zusehends aus der historischen Mythologie der Deutschen. Während unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg der Vergleich zwischen Hitler und Napoleon noch direkt ausgesprochen wurde, rückte er ab Mitte der 1950er Jahre ›zwischen die Zeilen‹. Es entwickelte sich eine ausgefeilte Technik der raunenden Andeutung und des beredten Schweigens. Die zeitgenössischen Leser wussten, was gemeint war, wenn Friedrich Sieburg nebulös von den »unharmonischen Schwingungen« sprach, welche die Beschäftigung der Deutschen mit Napoleon ausgelöst habe, und es gehörte zum rhetorischen Komment, dies unausgesprochen zu lassen. 15 Roland Marwitz: Napoleon muß nach Nürnberg. Ein Bühnenstück in acht Bildern. Bühnenmanuskript. München o. J. [1946], S. 37.

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Gleichzeitig bewirkte das wachsende Interesse der Geschichtswissenschaft für gesellschaftliche Strukturen und wirtschaftliche Bedingungen der Geschichte, dass eine biographische Annäherung an Napoleon als ›großen Mann‹ eher als akademisch angestaubt oder gar als geschichtsverfälschend begriffen wurde. Die Beschäftigung mit ›großen Männern, die Geschichte machen‹, schien eine verkrustet-langweilige Angelegenheit des 19. Jahrhunderts zu sein, teleologische Verzeichnungen zu provozieren und (für einige) eine ideologische Gefahr zu bergen. Dieser erinnerungs- und wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung korrespondierte in der deutschen Nachkriegsliteratur das Bemühen, Napoleon aus seinem nationalen Sonderstatus, der ihm Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland zugedacht worden war, zu lösen. In entmythisierender Absicht galt es, Napoleon zu ›normalisieren‹. Wenn Napoleon überhaupt noch in der deutschen Nachkriegsliteratur auftauchte (und das geschah nur noch höchst selten), dann als anachronistische Randfigur, die in eine historische Riege von Gewaltherrschern eingegliedert wurde. Aus dem (in Napoleon gespiegelten) nationalen Selbstporträt wurde wieder eine politische Fremdvorstellung. Dass ehemals mit Napoleon ein poetisches Wunschbild oder ein nationaler Selbstentwurf formuliert worden war, schien kaum noch vorstellbar und einer lang vergangenen Epoche anzugehören. Hölderlins lyrische Prognose, »Er kann im Gedichte nicht leben und bleiben, Er lebt und bleibt in der Welt«, traf für die deutsche Literatur nach 1945 nicht mehr zu.

Hermann Krüssel (Aachen)

Napoleon Bonaparte und das Rheinland in lateinischen Dichtungen von 1802 bis 18401

Eine euphorische Stimmung in Aachen (Juli 1803) Im Aachener Domarchiv befindet sich, von der Öffentlichkeit unbemerkt, ein DIN-A3 großes Blatt.2 Es ist an Napoleon Bonaparte gerichtet und enthält eine lateinische Ode. Die Überschrift gibt in programmatischer Weise eine euphorische Stimmung des Jahres 1803 in Aachen wieder und lautet auf Deutsch: »Dem Ersten Konsul der französischen Republik, Napoleon Bonaparte, dem in Kriegen unbesiegten Helden, Europas Friedensbringer, Wiederhersteller der Religion, Beschützer der Wissenschaften und Künste, Bewahrer der öffentlichen Ruhe, Gönner dieser Stadt, wegen der herausragenden Verdienste gegen das heilige und weltliche Gemeinwesen unsterblichen Ruhmes würdig, der die Städte Belgiens durchzogen hat und nach Aachen sich wendet unter dem Jubel von Klerus und Volk.«3

1 Grundlage des vorliegenden Beitrages bildet meine aktuelle Monographie: Hermann Krüssel: Napoleo Latinitate vestitus. Napoleon Bonaparte in lateinischen Dichtungen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Januar 2011 erscheint Band I: Von der Französischen Revolution bis zum Konsulat Bonapartes (1790 – 1804) = Noctes Neolatinae, hgg. von Marc Laureys und Karl August Neuhausen, Bd. 15, Hildesheim 2011. Dieser Band enthält lateinische Gedichte, Übersetzungen im jeweiligen Versmaß sowie Einführungen und Kommentare. Weitere Bände sind geplant (Bd. II: Von der Kaiserkrönung bis zur Scheidung von Josephine, 1804 – 1809; Bd. III: Heirat mit Marie Louise, Geburt und Taufe des Königs von Rom, 1810 – 1811; Bd. IV: Napoleons Abstieg, 1812 – 1815; Bd. V. Napoleons Ende und die Rezeption). Lateinische Gedichte für und gegen Napoleon wurden in fast ganz Europa geschrieben, die Anzahl der Verse übersteigt insgesamt bei weitem 20.000 Verse. Davon werden im ersten Band etwa 4.300 lateinische Verse vorgestellt. 2 Domarchiv Aachen, Bestand Propsteiarchiv Nr. 427. Erstmals vollständig, ohne Kommentar, veröffentlicht in: Hermann Krüssel: Horatius Aquisgranensis. Aachen im Spiegel des neulateinischen Dichters Johann Gerhard Joseph von Asten (1765 – 1831) = Noctes Neolatinae, Bd.3. Hildesheim 2004, S. 732 – 741; mit Kommentar : Hermann Krüssel 2011 (wie Anm. 1), Bd.1, S. 454 – 468. 3 Die Übersetzungen im Versmaß der lateinischen Vorlage stammen vom Autor dieses Beitrages.

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Napoleon Bonaparte befindet sich zur Zeit in Belgien, d. h. er zieht am 21. Juli 18034 von der belgischen Küste weiter nach Brüssel (Belgii urbibus) und verlässt die Stadt am 30. Juli, um am 31. Juli in Maastricht anzukommen. In diesen Tagen muss diese Ode geschrieben worden sein; tatsächlich reiste Bonaparte nicht, wie angekündigt, weiter nach Aachen, wo sein Besuch für die Zeit zwischen dem 24. Juli und dem 13. August geplant war, sondern er kehrte über Lüttich (1.–3. August) nach Paris zurück. Die Ode war also in gewisser Weise umsonst geschrieben worden. Und doch lohnt sich ein Blick: Bonaparte ist noch Konsul, lebenslanger Konsul der Französischen Republik, er hat sich schon in jungen Jahren als unbesiegter General großen militärischen Ruhm erworben durch seine Feldzüge 1796/97 in Oberitalien, manche zählen den Ägyptenfeldzug 1799/ 1800 noch dazu. Er ist ein Heros bellis invictus, nach den Friedensschlüssen von Lun¦ville am 9. Februar 1801 und von Amiens am 25. und 27. März 1802 herrschte Frieden in Europa, zu verdanken dem Europae Pacificator! Nach den Wirren der Französischen Revolution war auch in Aachen die Ausübung des kirchlichen Lebens eingeschränkt gewesen, so hatte z. B. 1797 die Heiligtumsfahrt nicht stattfinden können. Doch nach dem Abschluss des Konkordates zwischen Bonaparte und Papst Pius VII. im Jahre 1801 wurde Bonaparte gefeiert als Religionis Restitutor. Künste und Wissenschaften wurden von ihm gefördert, Bonaparte war ein Scientiarum et Artium Tutor, er hatte durch die Machtübernahme am 9. November 1799 in Paris das Direktorium gestürzt und damit Hoffnungen auf einen Garanten friedvoller Zeiten und einer öffentliche Ruhe geweckt – tranquillitatis publicae vindex –, und er wurde auch als Gönner der 4 Alle Informationen zu Napoleons Itinerar sind entnommen dem Standardwerk: Jean Tulard / Louis Garros: Napol¦on au jour le jour. Paris 1992.

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Stadt Aachen – Urbis fautor – gefeiert. Diese Überschrift beinhaltet an Titeln alles, was nach den Zeiten nach der Französischen Revolution mit ihren Bürgerkriegen und Kriegen, den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und der Behinderung der Religionsausübung endlich zu einer Hoffnung auf bessere Zeiten, auf goldene Zeiten, Anlass gab, kurz: Es blühte eine Bonapartebegeisterung. Verfasser dieser Ode ist der Aachener Jakob Lambert Cuvelier (1750 – 1810). Der ehemalige Schüler des Aachener Jesuitengymnasiums, der Jesuit werden wollte, war nach Auflösung des Jesuitenordens als Weltpriester und Lehrer in Aachen tätig. Den Besuch in Aachen kündigt er mit einem Chronogramm an, die Addition der römischen Zahlbuchstaben ergibt die Zahl 1803. Alles Wesentliche steckt in diesem Chronogramm: der Aufenthalt in Belgien mit dem Ziel Aachen als Anlass, Klerus bzw. Domkapitel als Auftraggeber und die Stimmung. Kein Wort ist ohne Zahlbuchstaben: ein perfektes lateinisches Chronogramm! Doch es lohnt sich auch ein Blick in die Ode mit ihren 36 alkäischen Strophen, wie Horaz sie gern verwendete. Die ersten beiden Strophen lauten: O Stadt, berühmt vom Namen des Granus her, Olim Imperantis nomine Caroli, berühmter einst vom Namen des Kaisers Karl, Regnisque et armis Principumque durch Reich und Waffen und durch prächt’ge Magnifico decorata cultu. Krönung von Königen ausgezeichnet. 5 Dum lecta Sedes Imperii novis Solang du als erlesener Sitz des Reichs Sceptrum et Coronam Caesaribus dabas, den künft’gen Kaisern Szepter und Krone gabst, Late per Europen et orbis warst in Europa und dem Rest des Per reliquas celebrata terras! Kreises der Welt du ganz weit gefeiert! Urbs clara Grani nomine, clarior

Urbs clara und sedes imperii erinnern an die Aachener Karlshymne Urbs Aquensis, urbs regalis, regni sedes principalis. Szepter und Reichskrone werden genannt, die dem künftigen Kaiser zustanden. Aachen, dessen Bedeutung seit der letzten Krönung im Jahre 1531 geschwunden war, stand kurz davor, wieder eine große Bedeutung zu erlangen. Einige weitere Strophen verdeutlichen die erwartungsvolle Stimmung in Aachen: Geht ihm entgegen fröhlichen Schrittes, geht! Dem Konsul als dem Stifter des Friedens klatscht, Cives Aquenses, Consulisque ihr Bürger Aachens, zu, des Konsuls Pacificas celebrate laudes! Ruhm, der den Frieden uns herstellt, feiert! Omnes disertis dicite vocibus: Ihr alle, sprecht mit Worten, die deutlich sind: ›Laeti videmus, maxime Consulum, »Froh sehen wir dich, Größter der Konsuln, dich, Te publicarum, Te sacrarum Garant der öffentlichen Ordnung

Ite, ite laetis gressibus obviam, Pacis datori plaudite Consuli, 40

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Praesidium Bonaparte rerum!‹ … Secura frugum Rura perambulat 50 Cornuque ditat divite Faustitas, Pax alma dum per Te citatis Regna subit populosque bigis. … 125 Urbs nostra per te muneribus novis Sacri cathedra praesulis eminet Et sede praefecti novisque Judiciis celebrata, supra … Mens alta Magni sit tibi Caroli, Piumque pectus; sors tibi prospera 135 Contingat Augusti, senique Nestoreum tibi cedat aevum.

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und, Bonaparte, den Garant des Kultes.« Ohn’ Sorge um die Frucht fließt die Roer dahin, das reiche Füllhorn schüttet Fortuna aus, wobei, von dir kutschiert, der Friede Völker und Reiche besucht im Wagen. Durch dich erhebt sich dank neuer Ämter, dank des heil’gen Bischofssitzes hier unsre Stadt, ist dank dem Präfekturensitz und neuer Gerichte bekannt, darüber … Hab du des großen Karls so erhabnen Sinn, sein frommes Herz; das günstige Schicksal von Augustus werde dir zuteil, dir falle als Greis zu des Nestor Alter.

Der napoleonische Karlskult kommt auf (Juli 1802) Aachen hatte wieder eine Bedeutung erlangt, als Präfektursitz des RoerD¦partements und erstmals – dank Bonapartes Gnaden – als Bischofssitz, der erst ein Jahr vorher, am 25. Juli 1802, von Marc Antoine Berdolet in Besitz genommen war. Tatsächlich hatte ein auf Napoleon Bonaparte bezogener Karlskult bereits am 25. Juli 1802 eingesetzt, als Johann Gerhard Joseph von Asten, Registrator in der Präfekturverwaltung in Aachen, ein Carmen gratulatorium für Marc Antoine Berdolet anlässlich seiner Einführung in das Bistum Aachen schrieb. Darin heißt es in v. 23 f.: Ille Heros, magnum Carolum qui laudibus aequat, A Carolo structum proteget aequus opus. Jener Held, der dem großen Karl an Verherrlichung gleichkommt, wird wie er dieses Werk schützen, das Karl hat erbaut.

Hier fiel zum ersten Mal in Aachen ein dezenter Hinweis auf Napoleon Bonaparte in Verbindung mit Karl dem Großen. Parallelen zwischen Karl und Napoleon Bonaparte wurden fortan betont, zunächst, um auf eine Unterstützung durch Napoleon Bonaparte (proteget) für den Aachener Dom zu hoffen, den Karl der Große hatte bauen lassen (a Carolo structum opus).5 War Napoleon Bonaparte an diesem 25. Juli nur angedeutet und noch nicht mit Namen genannt worden, änderte sich dies innerhalb von knapp drei Wochen in einem weiteren Gedicht von Astens, betitelt: Napoleoni Bonaparte Primo Reipublicae Gallicae 5 Gerhard Joseph von Asten: »Carmen gratulatorium Reverendissimo Domino Marco Antonio Berdolet Aquisgranensium Episcopo die installationis suae 25. Julii 1802 a parochis urbis Aquisgranensis oblatum«. Text, Übersetzung und Kommentar, in: Krüssel (wie Anm. 2), S. 293 – 306.

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Consuli. Die Ode ist an Napoleon Bonaparte gerichtet, in den letzten beiden Strophen erinnert von Asten an Karl den Großen (v. 89 f. urbs ista magno condita Carolo), um dann in einem abschließenden Wunsch auf Napoleons Gunst für die Stadt Aachen und den Aachener Dom hinzuweisen (v. 93 f. urbs atque templum, quod tenet, inclytum, tuos favores dignius excitant). Die Grundlagen für einen auf Karl den Großen beruhenden Napoleonkult waren gelegt. Urbs ista magno condita Carolo 90 Regnique sedes, nunc ab Episcopo Suoque Praefecto peramplas Ducit opes geminumque nomen. Urbs atque Templum, quod tenet, inclytum, Tuos favores dignius excitant. 95 Hic cara Majorum suorum Inveniunt monumenta Galli.

Von Karl dem Großen wurde die Stadt erbaut der Sitz des Reiches, leitet vom Bischof her und vom Präfekten seinen großen Einfluss sowie seinen Doppelnamen. Die Stadt und auch ihr Dom, der bedeutend ist erwecken mehr als würdig die Gunst von dir, hier finden die Franzosen ihrer Vorfahren wertvolle Monumente.

Rückblick: Die erste lateinische Ode für Bonaparte (Juni 1797) Bereits 1802 hatte also der Karlskult für Napoleon eingesetzt. Doch die erste lateinische Ode für Bonaparte hatte nach der Kapitulation der Festung Mantua (2. Februar 1797) der Niederländer Jeronimo de Bosch verfasst.6 De Bosch nahm in seiner Ode ad Bonaparte am 12. Juni 1797 viele Elemente aus Vergils Aeneis auf, die auf den Ruhm des Augustus und anderer Römer Bezug nahmen, wählte aber das horazische Gewand einer Ode in der alkäischen Strophe, nicht ohne sich auch inhaltlich immer wieder an Horaz zu orientieren. Die 1., 7. und 28. Strophe lauten:

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Ad Buonaparte, 12 jun. 1797 Quae lingua vatum linguave civium Ornet decoris proelia laudibus Commendet aut seclis futuris, Buonaparte, tuos triumphos? … Conjux amato reddita conjugi

An Bonaparte, 12. Juni 1797 Welch’ Zunge, ob von Dichtern, von Bürger kann mit ihrem Lobe rühmen die Schlachten all, kann deine Siege, Bonaparte, künftigen Menschengeschlechtern singen? Zurückgegeben ist dem geliebten Mann

6 Vom Gedicht Jeronimo de Bosch, Ad Buonaparte, 12 jun. 1797 befinden sich in der BibliothÀque Nationale zwei Ausgaben (Sign. FRBNF 30134115 und FRBNF 30134116) sowie eine niederländische Übersetzung von Cornelis van Lennep (FRBNF 31538215); ein Exemplar befindet sich in der Universitätsbibliothek Leiden: Portefeuille 13 I, Gelegenheitsgedichten 1796 – 1803, Nr. 4. Das Gedicht ist jetzt ediert, übersetzt und kommentiert in: Krüssel 2011 (wie Anm. 1), S. 140 – 152.

142 Gaudensque vinclis sponsa jugalibus Te liberatorem celebrant Inque tuos properant lacertos. … Sic Pax resurgat cinctaque spiceis 110 Illustret orbem tempora frondibus, Aedemque honoratam Minervae Mercuriique Lares frequentet.

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die Frau, die Braut freut sich an dem Ehebund, sie feiern dich als den Befreier und eilen schnellstens in deine Arme. So blüh der Frieden auf und geb Licht der Welt, mit Ähren von dem Korne bekränzt am Haupt, Minervas ehrenvollen Tempel suche er auf und das Haus des Merkur.

Mit dieser Veröffentlichung aus dem Jahre 1797 gehört de Bosch zu den Dichtern der ersten Stunde, die Bonaparte, der zu diesem Zeitpunkt erst 27 Jahre alt war, in einem lateinischen Gedicht gepriesen haben. Dadurch nimmt diese Ode, in der noch die Schreibweise Buonaparte gewählt ist, einen besonderen Stellenwert ein. Zum ersten Mal bringt ein Dichter in lateinischer Sprache die große Sehnsucht nach Frieden in napoleonischer Zeit zum Ausdruck. Wenn Pax, Minerva und Merkur zusammen erwähnt werden, steht dahinter der Wunsch, dass die Nachricht vom Frieden nicht nur verbreitet wird, sondern nun auch Handel (Merkur) und Künste (Minerva) blühen werden. Damit ist de Bosch seinen zeitgenössischen Dichtern um drei, vier Jahre voraus. So erschien im Jahre 1801 ein Carmen pastorale ad Bonampartem Principem Reipublicae Consulem, Liberatorem Italiae, Fundatorem Pacis, in dem der italienische Autor Nicola Corona, ein Bruder des Arztes und Innenministers der Repubblica Romana von 1797 bis 1799, Camillo Corona, unter dem Pseudonym Stefano Laonice aus Italiens Sicht Bonapartes Verdienste in der Form pries, dass sich in einer Ekloge von 381 Versen drei Hirten, deren Namen aus Vergils siebter Ekloge bekannt sind, treffen, um Bonaparte als Friedensstifter und Garanten der Freiheit zu preisen.7 Die Anspielungen auf Oktavian/Augustus sind unübersehbar. Sieht man auf die Fülle der Parallelen bei anderen Dichtern, auch im Rheinland,8 drängt sich für die Jahre des Wirkens des Konsuls Bonaparte der Gedanke an Napoleon als alter Augustus (zweiter Augustus) auf. Wie man das augusteische Herrscherlob eines Vergil oder Horaz nur würdigen kann, wenn man die vorherigen Bürgerkriege berücksichtigt, so gilt analog für die napoleonische Panegyrik, dass auf die Französische Revolution eine Schreckensherrschaft folgte. Vom Beginn der Abfassung der vergilischen Eklogen im Jahre 42 v. Chr. unter dem Eindruck der Rückgabe des zuvor enteigneten Landbesitzes bis zur Ernennung des Octavian zum Augustus vergingen 15 Jahre; genauso lang war die Zeitspanne zwischen der Französischen Revolution und der Kaiserkrönung 7 Zwei Drucke befinden sich in der BibliothÀque Nationale, Sign. FRBNF 30737849 und FRBNF 33280865. Das Gedicht mit Übersetzung und Kommentar jetzt in: Krüssel 2011 (wie Anm. 1), Bd. I, S. 280 – 311. 8 Vgl. z. B. Cuvelier, Primo Rei publicae Francicae Consuli, v.72 compositis venerantur armis. Die Vorlage bildet Hor. carm. 4, 14, 52 compositis venerantur armis, dort mit Bezug auf den Kaiser Augustus.

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1804. Sahen die Römer in der Ermordung Ciceros das Ende der Republik, so empfanden viele Europäer die Guillotinierung des Königs Ludwig XVI. als schmerzlichen Einschnitt. Mit dem Feldzug in Italien betritt Bonaparte 1796 auch die literarische Bühne, es beginnt die napoleonische Panegyrik. Das erste Gedicht lässt sich bereits nach der Schlacht am 10. Mai 1796 bei Lodi nachweisen.9 Es verwundert nicht, dass in dieser Phase Dichter bevorzugt auf die Eklogen, d. h. vor allem auf die erste und vierte Ekloge Vergils, zurückgriffen, ja sogar Eklogen schrieben. Und man entdeckt noch eine Parallele: Rund 35 Jahre lang hieß Augustus zuvor Octavian, ebenfalls 35 Jahre hieß Napoleon zuvor Bonaparte.

Bonapartes Bedeutung für die Bildung der Jugend (Frühling 1800) Gottfried Jakob Schaller (1762 – 1831) aus Obermodern im Elsass, Pastor in Pfaffenhofen und Dichter, verlieh seiner Begeisterung für Bonaparte im Frühling 1800 in einer Elegia ad Heroa Bonaparte Ausdruck. Darin vergleicht er den Anbruch einer besseren Zeit mit dem Sprießen der Natur im Frühling. Er ist nicht gegen die Revolution, sondern sieht die positiven Folgen, die gleichen Chancen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit finden sich in zwei Versen: Libertas, aequalia iura, fratres fratribus. Wichtig für ihn als Pfarrer ist, dass virtus und mores ernst genommen werden und die Tyrannei vorbei ist. Er wendet sich der Jugend mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten besonders zu. Erst in den letzten 26 Versen der 48 Distichen taucht Bonaparte auf. Dabei stehen weniger seine Kriegserfolge im Mittelpunkt als vielmehr seine Bedeutung für die Bildung der Jugend.10 Stemmate av˜m, titulis aut nobilitate superbus Temnere nec cives ruricolasve potest. Libertas eademque, eademque aequalia jura 40 Conjungunt fratres fratribus in Patria. O nimium felix, quam non sperare salutem Libera jam posset Gallia magna jugo! Attoniti populi Orbis eam mirantur ubique 9 Paul-Henri Marron verfasste in Paris ein Epigramm auf Bonapartes Sieg bei Lodi. Adressaten waren Bonaparte und Frankreich, im Mittelpunkt stand der Kampf für die Freiheit. Das Epigramm ging nicht sofort in Druck, wurde aber zwei Jahre später im Algemene Konst- en Letter-Bode (am 6. April 1798), Nr. 223, S.106, veröffentlicht. Paul-Henri Marron hatte das Epigramm selbst am 10. März 1798 an die Redaktion geschickt. 10 Ausgaben der Elegia ad heroa Bonaparte befinden sich in der BibliothÀque Nationale (FRBNF 31310376) und in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Fr.D.oct.K.331). Die Elegie mit Übersetzung und Kommentar jetzt in: Krüssel 2011 (wie Anm. 1), Bd. I, S. 198 – 206.

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Omnis et invictam rex timet armipotens. 45 Sed mirentur eam populi regesque potentes Vel victi timeant … istane nostra salus? Fac terras subigat nostris Bellona triumphis, Qualescumque suis alluit Ister aquis; Vexillis rubeat tricoloribus alta Propontis, 50 Nos sciat et dominos Tellus eoa suos; Nostraque Sauromatas debellent arma feroces, Eripiantque Anglis sceptra trisulca vafris. Ignivomus Lybiae irradiet sol nostra tropaea, Liberet omnem Asiam nostra tremenda cohors … En Te palma manet, Bonaparte! perennior aevo, Si juvenes lymphas ducis ad aonias. 95 Hausuri latices sitienti Castalis ore Fulcimen Patriae et, Te duce, splendor erunt!

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Wer auf den Stammbaum der Ahnen, auf Titel, auf Adel so stolz ist, kann nicht die Bauern vom Land oder die Bürger verschmähn. Ein und dieselbe Freiheit und gleiche Rechte für alle einen im Heimatland Brüder und Schwestern im Bund. O allzu glückliches großes Frankreich, das solch einen Segen nicht hätt’ erhoffen gedurft, von seinem Joche befreit! Überall staunen fassungslos Völker der Welt über Frankreich, jeder mächtige Fürst fürchtet es, nicht ward’s besiegt. Sollen doch Völker und mächtige Könige Frankreich bestaunen oder besiegt stehn in Furcht … Ist es denn nicht unser Heil? Lass Bellona die Länder mit unseren Siegen bezwingen und wen die Donau auch sonst mit ihrem Wasser bespült. Von der Trikolore erstrahle das Marmarameer gar, und das Land in Fernost kenne als ihren Herrn uns. Unsre Armeen sollen die wilden Russen bekämpfen, schlauen Engländern solln nehmen den Dreizack sie weg. Feurig mag Libyens Sonne strahlen auf unsre Trophäen, furchterregend bring’s Heer Freiheit für Asien mit. … Sieh, Bonaparte, dich erwartet der Palmzweig, der Zeit überdauert, wenn du zu Helikons Quell unsere Jugend hinführst. Wenn sie trinken mit dürstendem Mund aus der Quelle der Musen, sind sie, von dir geführt, Vaterlands Stütze und Glanz!

Begeisterung für Bonaparte als Auftragsarbeit (Mai 1803) Alexandre Edmonde M¦chin, der Präfekt des Roer-D¦partements, hatte angekündigt, dass Bonaparte zwischen dem 24. Juli und dem 13. August 1803 in das Rheinland nach Aachen kommen würde. Am 14. Mai 1803 reichte Johann Gerhard Joseph von Asten Drucke einer in Auftrag gegebenen Ode mit dem Titel Napoleoni Bonaparte Primo Reipublicae Galliarum Consuli beim Präfekten und beim Maire von Aachen ein. Es galt, in Aachen den Mann zu preisen, der zwei

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Jahre zuvor das Konkordat mit Pius VII. geschlossen hatte und dessen Code Napol¦on im folgenden Jahr eingeführt werden sollte. In diesem Jahr, 1803, dachte Bonaparte über einen Karlskult nach: Sein Innenminister sollte über einen Standort für die Errichtung einer Säule mit der Statue Karls des Großen nachdenken. Aachen, die Stadt Karls des Großen mit dem Karlsthron, bot sich für einen Besuch an. Auf der anderen Seite hatte diese Stadt, seit 1531 nicht mehr Krönungsstadt der deutschen Kaiser, ihre neue Bedeutung Napoleon Bonaparte zu verdanken: So war Aachen Verwaltungssitz der Präfektur des Roer-D¦partements und seit 1802 Sitz eines neu gegründeten Bistums. Johann Gerhard Joseph von Asten (1765 – 1831) war ein gebürtiger Aachener. Hier war er geboren und zur Schule gegangen. Er beherrschte Französisch und Latein und war Angestellter der französischen Präfektur in Aachen – ein idealer Dichter von Huldigungen für einen kommenden Herrscher. Voller Überzeugung war von Asten Katholik, er liebte den Aachener Dom und wusste die neue Bedeutung Aachens zu schätzen, die Aachen seiner Meinung nach nur einer Person verdankte.11 So wählte er die erste sapphische Strophe, in der Horaz das Carmen saeculare verfasst hatte, um Augustus, der die Parther und Cantabrer besiegt und das Imperium auch innenpolitisch durch eine Gesetzgebung reformiert hatte, zu feiern. Einerseits gab somit Horaz Vergleiche vor, andererseits konnte sich von Asten am ersten Hirtenbrief des Aachener Bischofs Berdolet vom 9. Januar 1803 orientieren, der Gott »dem Wiederhersteller des gegenwärtigen Jahrhunderts« sagen ließ: »Mein Sohn, ich habe dich dazu auserwählet, mein Volk wieder glücklich zu machen.« Und dann wurde Berdolet sehr deutlich: »Eben so groß, aber glücklicher als Karl der Große sichert dieser Held die Dauer desselben, das er durch das Schwerdt angefangen hatte, dadurch zu, indem er es auf Gelehrtheit, auf Künste, auf Wissenschaften und auf Religion gründete.«12 Von Asten nimmt die Vorgaben des Hirtenbriefes wieder auf: Die Welt ist befriedet (v.15 orbe pacato), wird mit gerechten Gesetzen regiert (v. 26 iustas stabilire leges), überhaupt ist die Ordnung wiederhergestellt (v. 25 rerum placidum creare ordinem) und ein Stern geht von Osten auf (v. 34 velut surgens oriente Sydus). Eine bessere Ära bricht an (v. 35 f. meliorque nobis / incipit aetas). Einen Eindruck mag sich der Leser durch die Lektüre der zweiten Hälfte dieser Ode selbst verschaffen. Von dieser Ode lässt sich sicher sagen, dass sie eine Auftragsarbeit war. Ihr Verfasser überreichte einige Exemplare (»quelques exemplaires«) mit einem Schreiben vom 24. Floreal XI / 14. Mai 1803 dem Maire Kolb, bestimmt für den

11 Zu Johann Gerhard Joseph von Asten vgl. Krüssel 2004 (wie Anm. 2). 12 Hirtenbrief für die Fastenzeit vom 19. Nivose XI (= 9. Januar 1803). Ein gedrucktes Exemplar befindet sich in der Stadtbibliothek Aachen (Scho Sbd 8).

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Ersten Konsul (»destin¦e au premier Consul«), nicht ohne die Bitte, ein Exemplar zur Erinnerung in der Verwaltung aufzubewahren: Jean Gerard Jos. Von Asten habitant d’Aix la Chapelle — Sa Mairie de cette Ville. Citoyens Maire et Adjoints, Je crois Vous faire plaisir en Vous pr¦sentant quelques exemplaires de mon ode destin¦e au premier Consul lors de son entr¦e dans cette Ville. Je viens de d¦poser entre les mains du Pr¦fet un autre orn¦ d’une peinture all¦gorique, et qui doit Þtre offert — Bonaparte. Pour le cas que le Pr¦fet jugerait plus convenable que la pr¦sentation s’en fit par la Mairie comme int¦ress¦e de plus prÀs au bien-Þtre de la Ville, res que je Vous remets, f˜t reÅu parmi vos papiers d’administration pour en conserver la m¦moire. Salut et Respect. J.G.J. Von Asten.13

Der Ode vorangestellt ist ein Chronogramm, das den Jubel des Volkes beim Eintritt des Konsuls voraussetzt (Auf Napoleon Bonaparte, den Ersten Konsul der Republik der Franzosen, der unter anhaltendem Beifall des frohlockenden Volkes Aachen betritt). Doch Napoleon Bonaparte entschied sich, den Sommer anders zu verbringen. Napoleoni Bonaparte Primo Reipublicae Galliarum Consuli Inter ContInVos eXVLtantIs popVLI pLaVsVs aqVIsgranVM IngreDIentI 45 Haec suos ortus celebremque famam Galliae debet; modo restituta Galliae, multos patriae favores Debet avitae. Gallicos recte populos gubernans, 50 Sis Aquisgrano bonus et benignus; Sis ei tutor, reparator, auctor Carolus alter! Hic potens armis fideique vindex Carolus regni solium locavit; 55 Hic Deo templum posuit Regentum Nobile donis. Mille post annos ades, assecutus Caroli laudes in utraque parte,

Ihren Aufstieg und den berühmten Namen hat sie Frankreich nur zu verdanken, auch den Wiederaufbau jüngst und auch manche Gunst der uralten Heimat. Frankreichs Departements, die regierst du richtig, sei zu Aachen gut, sei ihr bitte gnädig, einer, der sie schützt und erneuert, fördert als zweiter Karl nun! Waffenmächtig und auch als Glaubensschützer stellte Karl grad hier seines Reiches Thron auf, baute hier für Gott einen Dom, berühmt durch Herrschergeschenke. Tausend Jahr’ danach bist du da, erlangtest Karls Hochachtung auch in den beiden Punkten.

13 Stadtarchiv Aachen, RA II Allg. Akten 548, fol. 25. Der erwähnte, mit einer Allegorie geschmückte Druck ist noch vorhanden und ist in der 2014 neu errichteten stadtgeschichtlichen Sammlung im Centre Charlemagne in Aachen zu sehen.

Napoleon Bonaparte und das Rheinland in lateinischen Dichtungen

Dum faves urbi, Bonaparte, nostrae, 60 Ultima laus est. Prosper eventus probet illud omen. Urbs novae pignus capiat salutis, In dies crescat sacra carolini Gloria templi. 65 Quae loco nostro benefacta confers, Clarius lucent; videt illa civis Et videt, quisquis venit ad salubres Advena thermas. Haec Aquisgrano liceat vovere; 70 Non minus pro te superos precatur, Ut diu sospes stabili fruaris Ejus amore.

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Und solang’ der Stadt, Bonaparte, du Gunst schenkst, lobt man dich riesig. Das erwünschte Glück pflichte bei dem Omen, nehm’ die Stadt das Pfand ihres neuen Glückes, und von Tag zu Tag nehm’ vom Dome Karls der heilige Ruhm zu! Was an diesem Ort du an Wohltat anhäufst, leuchtet heller noch, weil es Bürger sehen und wer immer kommt als ein Gast zu unsren heilsamen Thermen. Aachen sei’s erlaubt, sich all dies zu wünschen, und zum Himmel fleht sie für dich nicht minder, dass du unversehrt ihrer festen Liebe lang dich erfreuest!

Napoleons Reise durch das Rheinland, Station Aachen (September 1804) Am 18. Mai 1804 war Napoleon per Senatsbeschluss zum Kaiser erhoben worden. Die Krönung sollte am 9. November stattfinden. Zuvor brach der designierte Kaiser, der im Sommer 1803 hatte kommen wollen, nun tatsächlich zu einer Reise durch das Rheinland auf. Am 2. September 1804 erreichte Napoleon Aachen, wo er sich am 7. September von Bischof Berdolet Karls Thron und Reliquien zeigen ließ. Nun stand der napoleonische Karlskult in voller Blüte. Jakob Lambert Cuvelier verfasste dieses Mal eine Ode von 40 alkäischen Strophen, wieder unter dem Titel Primo Reipublicae Francicae Consuli. Darin forderte er die Stadt Aachen auf, dem neuen Karl (novus Carolus) einen gebührenden Empfang zu geben, nicht ohne sich über Napoleons Geschenke zu freuen. Die Stadt, in der bis 1531 Könige und spätere Kaiser gekrönt worden waren, stellte Napoleon als Kaiser den an Ruhm höchsten Kaisern gleich (v. 42 honore summis Caesaribus parem).14 Urbs clara tanto Caesare jam novum Novo apparatu suscipe Carolum, Late potentem Galliarum 40 Imperiis opibusque magnum,

O Stadt, berühmt durch Karl, den so Großen, schon empfang mit neuem Beifall den neuen Karl, der dank der Herrschaft über Frankreich weithin ganz mächtig ist, groß dank Truppen.

14 Cuveliers Gedicht Primo Reipublicae Francicae Consuli, 1804, befindet sich im Domarchiv Aachen, Best. Propsteiarchiv Nr. 427. Mit Übersetzung publiziert in: Krüssel 2004 (wie Anm. 2), S. 742 – 751.

148 Laeto triumpho suscipe Caesarem, Honore summis Caesaribus parem, Quem pace, quem bello valentem Attonitus veneratur orbis … 65 Urbs ergo gaudens nomine Caroli Novum triumphans suscipe Carolum, Qui te perinde ac ille Magnus Muneribus cumulare gaudet.

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Empfange ihn im frohen Triumph, der gleich an Ehre höchsten Kaisern als Kaiser ist, im Frieden und im Krieg voll Macht, so ehrt ihn beeindruckt der ganze Erdkreis … Die du dich freust, Stadt, über den Namen Karls, empfang den neuen Karl also im Triumph, der sich genauso wie der Große freut, dich mit Gaben zu überhäufen.

Die Gelehrten überboten sich geradezu in der Verehrung Napoleons. Johannes Peter Joseph Conrads aus Burtscheid (1747 – 1814) verfasste unter Einbeziehung antiker Zitate ein Gedicht von zehn Distichen, die nur aus Chronogrammen bestanden. Auf die chronogrammatische Überschrift folgt ein Anagramm mit einem Wortspiel, das den Löwen (Leo; Napoleon) in den Blick nimmt; der jeweilige Hexameter ergibt das Jahr 1804, der Pentameter das Jahr 12 der Französischen Republik.15 NapoLeon IMperator GentI GaLLICae spLenDorI Nonne Leo nobis apparet? Anagr. en – Is Napoleon Bonaparte!

Kaiser, Napoleon, zum Glanz für das französische Volk Erscheint uns nicht ein Löwe? Schaut – dieser Napoleon Bonaparte!

LILIgero aDneCtens aLMannI LIttora regno InCeDIt – serto teMpora CInCta gerIt … Ufer der Deutschen vereint er dem Reiche, das Lilien trägt. Er zieht nun ein, sein Haupt ist mit dem Lorbeer gekrönt …

Napoleon besucht Köln (September 1804) Von Aachen aus fuhr Napoleon über Krefeld (11.–12. September 1804) nach Köln (13.–17. September 1804). Hier huldigte ihm Ferdinand Franz Wallraf, der berühmte Kölner Kunstsammler, der als Professor der 1798 eingerichteten Centralschule in Köln wegen seiner glänzenden Latein- und Geschichtskenntnisse von seiner Heimatstadt beauftragt worden war, den Besuch Napoleons und seiner Frau Josephine in Köln am 14. September 1804 mit lateinischen In15 Zu Conrads vgl. Krüssel 2004 (wie Anm. 2), S. 790; dort ist auch das gesamte Gedicht erstmals ediert worden (S.788); das Gedicht erschien pünktlich zum Besuch Napoleons in Aachen im Rheinischen Merkur, Nr. 106, vom 3. September 1804.

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schriften zu feiern. Zum Lobpreis Napoleons gehörte auch ein Gedicht mit dem Titel Herculi Musagetae (›für Herkules, den Musenführer‹) in sapphischen Strophen, das Wallraf mit horazischen Anspielungen (carm. 1, 12, 1 – 3; 4, 5, 34) für den Empfang Napoleons in der Centralschule verfasste (kursiv geschrieben sind die Änderungen gegenüber Horaz):16 Quem Virum aut Heroa lyra vel acri Tibia sumes celebrare Clio! Quem Deum, cujus movet omne Pindi Limen imago. 5 Herculis ritu sociale musis Numen accedit Bonapars et artes Evocat priscas Laribusque miscet Phoebus amicum.

Welchen Mann und Halbgott wählst, Clio, du zu preisen ihn auf Lyra, auf lauter Flöte, welchen Gott, dass rührt dessen Bildnis jede Schwelle zum Pindus! So wie Herkules naht, vereint mit Musen, unsre Majestät Bonaparte, weckt alte Künste, und Apoll gesellt seinen Freund dann unter die Laren.

In seinem im Nachlass erhaltenen Manuskript stellt Wallraf für die ganze Ode 19 Similien aus den Carmina des Horaz zusammen. Was für den Lobpreis des Horaz auf Augustus galt, galt also auch für Napoleon: Die Muse, nicht Wallraf, ergreift die Initiative. Vir, heros, Deus – mit Horaz suchte Wallraf in einer Klimax nach Vergleichen für Napoleon: Herkules17 steht für gewaltige Leistungen, er hat 16 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 21 u. 69, in verkürzter Fassung gedruckt: F.F. Wallraf, Description des emblÞmes, inscriptions et monumens all¦goriques qui decoroient les places et les ¦difices publics de la ville de Cologne, a l’occasion du s¦jour de leurs majest¦s imp¦riales Napol¦on et Josephine. Du 24 au 29 Fructidor, an XII., pag. 19 f. (Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, RhG3715). 17 Napoleon ließ sich in der Öffentlichkeit als Herkules darstellen. Im Bild ist er als Herkules zusammen mit Pallas Athene auf dem Arc de Triomphe du Carrousel zu sehen (Privataufnahme).

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weite Gegenden Europas durchmessen und viele Gefahren überstanden. Napoleon hat einen Ägyptenfeldzug und eine Alpenüberquerung im Stile eines Hannibal hinter sich, er hat die Österreicher geschlagen, bringt ein neues Gesetzeswerk und gilt als Förderer der Künste. Etwas Besseres, so Wallraf, konnte das Schicksal, konnte Gott der Erde nicht schenken als Napoleon, selbst wenn das Goldene Zeitalter zurückkehrte! Ein Zitat aus dem Carmen saeculare macht die Stimmung und die Hoffnung vollends deutlich: Ut Fides et Pax et Honor Pudorque 30 Priscus et neglecta redire Virtus Audeat rerumque beata pleno Copia cornu.

Treue, Friede, Ehr, einst’ges Schamgefühl und Tugend, lang verschmäht, mögen eine Rückkehr wagen wie der Reichtum, der mit dem Füllhorn Segen verbreitet.

Zum vermeintlichen Besuch im Jahre 1803 war auf dem Neumarkt ein Obelisk mit ebenfalls von Wallraf entworfenen lateinischen Inschriften aufgestellt worden18 : Napoleoni Bonaeparti Consuli maxumo perpetuo ubique terrarum victori pacifico lustratis, quas Francorum Iuri et imperio restituit, Provinciis in hac antiqui limitis metropoli felicissima exspectato hospiti civitas Agrippinensium s. an. XI Numini genioque eius felici et invicto, quod e tantis ruinis molem suscitavit luciferam, quod fundavit triumphis, auxit praesidiis, cinxit foederatis, ornavit legibus, stabilivit aris neglectae humanitatis asylum artium olympum curam nationum rempubl. lib. indivisam aeternam.

18 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 48.

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Napoleon Bonaparte, dem lebenslangen, größten Konsul, errichtete, nachdem er überall als Sieger und Friedenstifter die Departements in Augenschein genommen hatte, die er für das Recht und die Herrschaft der Franzosen wieder errichtet hatte, in dieser glücklichen Hauptstadt an der alten Grenze als erwarteten Gastfreund die Stadt Köln im Jahre 11 [des Republ. Kalenders] diesen Obelisken. Seiner Macht und seinem glücklichen, unbesiegten Genius, weil er aus so großen Trümmern ein lichttragendes Reich aufgerichtet hat, weil er mit Siegen gesichert, mit Garnisonen vergrößert, mit Verbündeten umgeben, mit Gesetzen geschmückt und mit Altären gefestigt hat als Zufluchtsort der vernachlässigten Menschlichkeit, als Olymp der Künste, als Sorge der Völker die freie, unteilbare und ewige Republik.

Wallraf bekam sogar ein Jahr später von Napoleon bei dessen tatsächlichem Besuch ein freies Nutzungsrecht seiner vom Präfekten gewährten Dienstwohnung auf Lebenszeit. Somit war Wallraf auch aus persönlichen Gründen zunächst Napoleon sehr verbunden. In einem Autograph preist Wallraf Napoleon19 : Fulminat Europam bello victorque volentes per populos dat iura viamque adfectat Olympo. Er trifft mit Blitzen Europa im Krieg, gibt als Sieger Gesetze willigen Völkern, so strebt er hinauf die Bahn zum Olympus.

Wallraf greift hier auf ein Vergilzitat aus den Georgica (georg. 4, 561 f.) zurück. Darin preist Vergil Octavian als siegreichen Feldherrn und Gesetzesgeber, der sich einen unendlichen Ruhm verschafft. Wallraf ersetzt Euphraten durch Europam, lässt alles andere so stehen und stellt Napoleon Bonaparte in die Nachfolge Octavians.

19 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 48. Wallraf kannte ebenfalls die Variante Fulminat Italiam bello victorque volentes / per populos dat iura viamque affectat Olympo. Diese Inschrift schlug er für eine Platzierung unterhalb eines Bildnisses von Bonaparte vor (sous le Portrait de Buonaparte; fol. 10).

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Napoleons Aufenthalt in Frankenthal (Oktober 1804) Mit dem Schiff setzte Napoleon seine Reise fort und fuhr den Rhein über Koblenz (17. – 20. September 1804) nach Mainz (21. September – 3. Oktober 1804) hinauf, von dort fuhr er weiter in die Pfalz nach Frankenthal (3. – 4. Oktober 1804).20 Zu diesem Anlass schrieb Dechant Philipp Reuter ein Epigramm mit dem Titel In nomen Gentilitium et dignitatem Napoleonis Caesaris. Zuvor aber versetzte er den Leser mit dem Epigramm Napoleon Bonaparte Francorum Imperator cum Jure Haereditario Successionis in die Situation vom Mai des Jahres 1804. Am 18. Mai 1804 war Napoleon zum Kaiser proklamiert worden, am 28. Mai, so lässt sich aus dem Epigramma schließen, feierte Frankenthal diesen Anlass. Frankenthal war in der französischen Zeit eine Kantonshauptstadt des D¦partements du Mont Tonnerre (Donnersberg). Reuter, der Verfasser und Sänger (scripsit et accinuit), stellt sich als Cantons-Pfarrer und Dechant zu Frankenthal vor. Er stellt weniger Napoleon in den Mittelpunkt als vielmehr seine Nachfolge innerhalb seiner Familie. Dazu greift Reuter auf Gen 49,10 zurück, wo Juda eine unaufhörliche Herrschaft prophezeit wird.21 Vor diesem Hintergrund erfüllt sich für Reuter mit Napoleon gar eine messianische Verheißung – ein weiterer Höhepunkt der napoleonischen Verehrung! Napoleon Bonaparte Francorum Imperator Cum Jure Haereditario Successionis Epigramma Caesaris Augusti Mensuram Nominis imples Napoleon! Majus nil novus Orbis habet. Habet. Patrem Patriae te Francia norit; Trajanum Gestis et Bonitate refer. 5 Et satis est: Ultra non aequum scandere Civi. Sero pro meritis Apotheosis erit. Ast! Quod nulla dies Vestro de Sanguine Sceptrum Tollet nec Femori Dux male deficiet: Semper Honos Nomenque tuum Laudesque manebunt; 10 Caesar et in simili Posteritate vales. Haec tibi Germano, credas, de pectore Vota Promuntur. Rhenus Nictat et ipsus Ovans. Mox Tonitru Montis feriunt Juga maxima Plausus! 20 Tulard 1992, S. 217: 3 octobre 1804 arrive — Frankenthal vers 15 h. Vgl. auch den Moniteur vom 11. Oktober 1804, Nr. 19, S. 64. 21 Dieser Passus ist jedoch umstritten, weil er das Hapax legomenon Schilo enthält. Die Vulgata gibt den hebräischen Ausdruck mit dux wieder und übersetzt: non auferetur sceptrum de Iuda et dux de femoribus eius donec veniat qui mittendus est et ipse erit expectatio gentium. Es ist unter den Exegeten nicht einhellig geklärt, ob man unter diesem Helden David oder gar den Messias verstehen soll.

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Inde repercussos plausibus Echo refert 15 Francorum in Vallem … Francothalii in Departemento a Tonitru dicto, Districtus Spirensis. Anno 1804. 28. Maji. 8. Praeriale XII. Scripsit et accinuit Philippus Reuter, Pastor Catholicus Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, mit dem Erbrecht der Nachfolge. Epigramm Du, Napoleon, du erfüllst das Maß dieses Namens Caesar Augustus, und nichts Größeres hat diese Welt. Irre ich mich? O, nein! Als Vaterlands Vater kennt Frankreich dich; in Güte und Tat ahme du nach den Trajan! 5 Es ist genug: Noch höher steigen soll nicht ein Bürger. Eine Vergöttlichung gibt’s für die Verdienste erst spät. Aber weil kein Tag von eurem Geschlechte das Szepter wird nehmen und ein Herzog nie ausgehen wird deinem Bein, werden immer Ehre, dein Name, das Lob von Bestand sein, 10 wirst in der Nachkommenschaft – dir ähnlich – weiterbestehn. Diese Wünsche, glaube mir, werden dir aus dem deutschen Herzen entgegengebracht. Ja, es nickt froh selbst der Rhein. Bald wird zu höchsten Höhen in Donnersberg dringen der Beifall, den widerhallend zurück Echo nach Frankenthal trägt 15 unter Applaus … In Frankenthal, im D¦partement Donnersberg, im Arrondissemont Speyer (Spire), am 28. Mai 1804. Dies schrieb und dazu sang Philipp Reuter, Katholischer Pfarrer

Gleich zu Beginn wird der Anlass deutlich: Napoleon ist der Caesar Augustus. Er ist schon bekannt als Pater Patriae, nun wird er auch mit Trajan verglichen, unter dem das Imperium Romanum die größte Ausdehnung erfuhr. Reuter verweist (Vaticinium Jacobi Libr. Genes. 49. Cap.) auf die Prophezeiung des sterbenden Jakob im Buch Genesis (Gen 49,10): »Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt.« Der Sinn dieses Verses erschließt sich erst aus dem Kontext, auch wenn Reuter eine eigene Übersetzung anbietet: »Aber! daß der Zepter von Ihrem Hause nie soll genommen werden, und der Herzog keines Tages von Ihren Lenden«. Zum Sinn: Die Herrschaft des Hauses Napoleon wird auch über den Tod hinaus in dessen Nachkommenschaft fortbestehen. Das D¦partement Donnersberg (Tonitru Montis) mit der Kantonshauptstadt

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Frankenthal grenzte an den Rhein und gehörte zu den vier Departements, die im Vertrag von Lun¦ville Frankreich zugeschlagen worden waren. Man beachte am Ende die feine Antithese Tonitru Montis – Francorum in Vallem. Das ganze Departement ist erfüllt vom Jubel, im Mittelpunkt steht das Tal, Frankenthal. Vier Monate nach der Feier der Kaiserproklamation bot sich in Frankenthal wieder ein Anlass für eine Huldigung Napoleons. Napoleon kehrte am 3. Oktober auf seiner Rheinreise in Frankenthal (hac iter facienti) ein. Wieder war es Philipp Reuter, der ein Epigramm auf Napoleon schrieb. Den Auftrag dürften ihm die Bürger der Stadt gegeben haben, wie aus der Unterschrift hervorgeht (Demississime offerunt cives interprete pastore catholico). Das Epigramm erschien in Frankenthal im Druck, es besteht aus einem Blatt. Der Hinweis Pro Salutatione lässt darauf schließen, dass dieses Epigramm von Reuter zur Begrüßung des proklamierten Kaisers vorgetragen wurde. In nomen Gentilitium et Dignitatem Napoleonis Caesaris omine fausto pro Franciae salute. Napoleon! Te parte Bona, dicam esse beatum? Caesar es, haec tibi Pars Optima lecta fuit. Dicitur : Omne Bonum sese communicat. Ergo Francia sub Tanto Stat Bona, Sarta Viro 5 Tectaque. Jo Gaude! Melioribus Utere fatis! Nam mala sunt certo non metuenda Bonis. Caesari optimo, hac iter facienti, Hospiti augusto Pro Salutatione Francothalii in Departemento a Monte Tonitrui dicto, Districtus Spirensis 11. Vendem. XIII. Tertia Octobris Anno MDCCCIV, Demississime offerunt cives interprete Pastore Catholico.

Epigramm auf den Familiennamen und die Würde des Kaisers Napoleon unter glücklichen Vorzeichen für das Heil Frankreichs

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Soll ich des Guten Teils halber dich glücklich, Napoleon, nennen? Kaiser bist du, dieser Teil ward dir als bester gewählt. Heißt’s doch, dass alles Gute sich weiter verteilt. Also steht das gute Frankreich, bewahrt von einem so großen Mann 5 und beschützt. So freu dich! Genieße ein besseres Schicksal! Sicher ja brauchen nicht Angst Gute vorm Bösen zu spürn. Dem besten Kaiser auf seiner Reise an diesem Ort, dem erhabenen Gast als Gruß. In Frankenthal, im D¦partement Donnersberg, zum Arrondissemont Speyer gehörend, am 3. Oktober 1804. Ergebenst bieten dieses Gedicht dar die Bürger mit dem katholischen Pfarrer als Übersetzer.

Das nomen gentilitium beinhaltet den Geschlechts-, d. h. Familiennamen, in diesem Falle Bonaparte. Das Wortspiel Parte Bona lässt sich in der Übersetzung kaum nachbilden. Gleich zu Beginn nimmt Reuter die Bestandteile des Namens Bonaparte auseinander. Reuter gelingt es, drei von sechs Versen mit wichtigen Stichwörtern bzw. Namen aus dem Titel zu beginnen. Beim Namen Francia denkt der Leser wohl zunächst an Frankreich, doch dürfte hier für den Frankenthaler Bewohner auch die eigene Stadt mitgeklungen haben. In v. 5 beachte man Verg. Aen. 6, 546 melioribus utere fatis. Dort wird Aeneas mit dieser Prophezeiung eine große Geschichte in Aussicht gestellt.

Feierlichkeiten in Trier (Oktober 1804) Von Frankenthal aus ging es über Kaiserslautern (5. Oktober) und Simmern (6. Oktober) weiter nach Trier, wo Napoleon sich vom 6. bis 9. Oktober 1804 aufhielt. Am 26. August war der Maire von Trier von dem anstehenden Besuch Napoleons durch ein Schreiben des Präfekten Keppler unterrichtet worden, am 5. September verhandelte der Stadtrat, wie die Vorgaben Kepplers über den Empfang des Kaisers umzusetzen seien. Von den Aktivitäten in Trier berichteten das Journal des Saar-Departements sowie eine Beschreibung der Feierlichkeiten, welche bei der Ankunft und während dem Aufenthalte Ihrer Majestät des Kaisers Napoleon zu Trier statt gehabt haben. Autor war Johann Anton Schröll (1756 – 1827), der nicht nur als Buchdrucker, sondern auch als Schriftsteller in Trier tätig war.22 Vieles erinnert an den Napoleonbesuch in Aachen und Köln. Auch in 22 Weitere Informationen zu Johann Anton Schröll bietet Hans-Ulrich Seifert: »Beschreibung der Feierlichkeiten, welche bei der Ankunft und während dem Aufenthalte Ihrer Majestät des Kaisers Napoleon zu Trier statt gehabt haben. Gesammelt und herausgegeben von Johann

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Trier wurde ein Obelisk mit Inschriften aufgestellt, öffentliche Häuser und Privathäuser waren mit Inschriften, z. T. sogar mit Chronogrammen geschmückt, die bislang nicht übersetzt worden sind.23 Als Sprachen dienten neben dem Lateinischen auch Deutsch und Französisch.24 Trier war am Abend des 6. Oktober 1804 an allen öffentlichen Gebäuden illuminiert, so dass Inschriften und Transparente zur Wirkung kamen.25 Allein am ersten Abend sollen allein für die öffentlichen Gebäude 50.000 Lampen zum Einsatz gekommen sein. Vielfach fanden sich lateinische Chronogramme. Aus der Fülle der Inschriften seien kirchliche und private Beispiele exemplarisch vorgestellt. Über dem Kirchenportal der Pfarrkirche St. Gervasius, auf einem Säulenbogen mit einem Marienbild, war zu lesen: Deo, DeIparae, gaLLIae CaesarI DICata tE VIrgo! faVente tVtVs regnabIt napoLeon aVgVstVs gaLLIae IMperator reLIgIonIs DIVInae restaVrator.26

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Anton Schröll«, in: Elisabeth Dühr (Hg.): Unter der Trikolore. Trier 2004, S. 671 – 706. Hier findet man auch bequem die – allerdings nicht übersetzten – Inschriften. Schröll wurde in Würzburg als Sohn einer Buchbinder- und Buchhändlerfamilie geboren. In Trier sorgte der Anhänger Frankreichs für den Druck und Vertrieb des zweisprachigen Journals des SaarDepartements. So wurde noch im Jahre 2004, zweihundert Jahre nach den Ereignissen, auf eine Übersetzung verzichtet, und zwar mit folgender Begründung: »Inschriften, die einzelne Bewohner anlässlich des Besuches an ihren Häusern angebracht hatten, waren in etlichen Fällen als Chronogramme konzipiert, deren Auflösung jedoch nicht mit Sicherheit vorgenommen werden konnte, weshalb darauf generell verzichtet wurde« (Seifert 2004 [wie Anm. 22], S. 675). Die Ehrenwache hatte über ihren Zelten in Anlehnung an ihren Treueeid folgendes Chronogramm: respeCt sInCere et fIDéLIté à napoLéon preMIer (Seifert 2004 [wie Anm. 22], S. 690). Die Originalität der Inschriften überrascht: Am Herkules-Brunnen fanden sich in Hexametern Vergleiche Napoleons mit Herkules als dem unbesiegbaren Helden des Mythos: Nicht Nemeische Löwen, nicht Lernas Schlange zu würgen,Nicht den kretischen Stier, nicht den Erymantischen [sic!] EberÜberwinden und den dreyköpfigen Hund zu bezähmen,Sondern selbst die Wuth des blutigen Mars zu bestehn, undBrüderlich Menschen mit Menschen verbinden: Dies ist die Gott-ThatUnsres Regenten und Helden Napoleons, des zweien Alzides,Größer an Ruhm und an Macht, noch größer als dieser an Weisheit. Daneben gab es emblematische (der französische Adler entreißt dem englischen Leoparden den Dreizack: napoLéon arraChant à IaMaIs Le trIDent à L’angLaIs) Anspielungen und Rückgriffe auf das Neue Testament (Ich gehör unter die gerechten Jungfrauen, Ich thate mich zu spat um den Oehl umschauen. Darum verzeih es deinem treuen Knecht, Daß er der Lämbchen nicht mehr, und brennen so schlecht. Ich sag es aber o Kaiser ohne all Scherzen: Die beste Lampe brennt in meinem treuen Herzen.). St. Gervasius: Aus dem Chronogramm geht leider nicht hervor, worauf sich dicata bezieht. Denkbar ist ›aedes‹: Die Kirche stand seit 1803 im Umbau zur Pfarrkirche. Zu denken wäre dann an eine Förderung durch Napoleon, den religionis divinae restaurator.

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Gott, der Gottesmutter, dem Kaiser Frankreichs gewidmet Mit deiner Gunst, Jungfrau, wird sicher regieren Napoleon, der erhabene Kaiser Frankreichs, der Wiederhersteller der göttlichen Religion.

Am Haus des Advokaten Haan fand sich ebenfalls ein Doppelchronogramm: napoLeon DeI gratIa IMperator, Vera LVX gaLLIae; VtI Iosepha beneVoLa, Io! aVgVsta, treVIrIs. VIVant! DIV VIVant! nobIsCVM paCe. VVLgo frVantVr.27

Napoleon, von Gottes Gnaden Kaiser, wahres Licht Frankreichs; dass die erhabene Josephine wohlwollend, juchhe! zu den Triern sei! Leben sollen sie, lange leben! Mit uns sollen sie den Frieden öffentlich genießen!

Beeindruckend wegen der Kürze hieß es am Haus des Herrn Eichorn [sic!], Substitut des R.G. Prokurators beim Appellgerichtshof: napoLeo, IMperator, Defensor, Napoleon, Kaiser, Verteidiger, gLorIa gaLLICae gentIs. Ruhm des Französischen Volkes.

Am Hause des Mediziners Nikolaus Simon las man: In aeDe nICoLaI sIMon haeC Lege: sIste, Lege, MagnaLIa CaesarIs ConsIDera: Consurge, consurge gens Treverica, leva oculos tuos, quia Caesar tibi cito veniet, diu exoptatus: Isai. Quis est hic, – et laudabimus eum, fecit enim mirabilia in vita sua: Eccles. Scire cupis quis sit Caesar, sic percipe paucis: Magnus dux Belli, Victor, quoque pacis Amator Pro patria Cicero, nec non populo Titus alter. IVbILate et eXVLtate, Vos treVerI, en MagnVs tVVs Caesar aD te Intrare LVbet. Illustrem cane fama virum cui plurima virtus, Junctaque virtuti tribuit sapientia Sceptrum, Hic decus est patriae, patriis qui primus in oris, Praesidet illustris celeberrima gloria gentis, Nam vix optatas aspexit luminis auras, 27 Advokat Haan: Josephine hatte ein gutes Herz gegenüber Armenhäusern und hatte in Aachen die Armenpflege unterstützt. Das Chronogramm zeigt die Schwierigkeiten des Chronogrammatisten: Er verwendet uti statt ›ut‹ und benutzt das Io – Füllwort oder Wiedergabe der Jubelstimmung? Mit dem Prädikat ›sIt‹ hätte Haan auf die Nebenform VtI verzichten können. Ein zweites, gelungenes Chronogramm wünschte dem kommenden Kaiserpaar ein langes Leben und allen Frieden: VIVant! DIV VIVant nobIsCVM paCe! VVLgo frVantVr!Leben sollen sie und lange mit uns in Frieden! Sie mögen das Bad in der Menge genießen!

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Tunc primus Caesar Francorum Numine lectus. aCCeDIte MaIestatI nostrae psaLLIte: VoX popVLI VoX qVoqVe DeI, et sIC IMperator faCtVs est: Io VIVat grosser kaIser, so rVfet Ihr bVrger In trIer Vnser sIeghafter Vater Ist hIer: Et genus immortale manet multosque per annos Stat fortuna domus Tua, Avi numerantur Avorum. DeIn VIVat VaLeat Caesar per nestorIs annos VItaqVe eXhaVsta, paCe frVatVr aMen.28 Am Haus von Nikolaus Simon lies folgendes: Bleib stehen, lies, bedenk die großen Taten des Kaisers: Erheb dich, erheb dich, Volk von Trier, erheb deine Augen, weil zu dir schnell der Kaiser kommen wird, lange ersehnt (Jesaja). Wer ist dieser? – und wir werden ihn preisen, er hat nämlich in seinem Leben Wunder vollbracht (Sirach 31,9). Wissen willst du, wer der Kaiser ist, hör es in wenigen Worten: Großer Führer im Kriege, Sieger, er liebt auch den Frieden, zweiter Cicero für die Heimat, für’s Volk zweiter Titus. Freut euch und jubelt, ihr Trierer, seht: Dein großer Kaiser möchte bei dir eintreten. Sing vom berühmten Mann von sehr großer Tapferkeit, Muse, mit der Tatkraft vereint gab ihm die Weisheit das Szepter. Er ist der Heimat Zier, der erste im heimischen Lande, leitet den Staat als gefeierter Ruhm des glanzvollen Volkes, kaum nämlich hat das ersehnte Licht des Lebens erblickt er, war er, von Gott erwählt, schon der erste Kaiser von Frankreich. 28 Nikolaus Simon preist Napoleon in einer Mischung von Chronogrammen, Bibelzitaten und Vorstellungen des Kaisers in Hexametern. Die erste biblische Anspielung erinnert an Jes 40,9: Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott. Auf die Jahre des Exils folgt die Rückkehr. Es schließen sich an drei Distichen mit den bekannten Attributen Napoleons; neu ist die überraschende Gleichsetzung mit Cicero im Einsatz für das Vaterland. Auf das nächste Chronogramm folgen sechs Hexameter, die z. T. an Aeneas (Verg. Aen. 1,1) denken lassen: Illustrem cane fama virum cui plurima virtus, Junctaque virtuti tribuit sapienta [sic!] sceptrum, Hic decus est patriae, patriis qui primus ab oris, Praesidet illustris celeberrima gloria gentis, Nam vix optatas aspexit luminis auras, Tunc primus Caesar Francorum Numine lectus.. Wie Aeneas vom fatum getrieben wird, so ist Napoleons Weg zum Kaiser göttlich vorbestimmt (tunc primus Caesar Francorum Numine lectus). Es folgen zwei Chronogramme, die das Jahr 1804 ergeben, die drei deutschsprachigen Chronogramme beziehen sich auf das Jahr XIII nach der Rechnung des Republikanischen Kalenders. Das letzte Chronogramm ist als Chronodistichon konzipiert; es verbindet die humanistische (Nestor war der älteste, sehr weise Grieche vor Troja) mit der christlichen Sprechweise (amen; pace meint den himmlischen Frieden, vgl. ›requiescat in pace‹). Die zweite Hälfte des Pentameters ist einer Inschrift am Roten Haus in Trier entnommen.

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Tretet heran, singt unserer Majestät: Volkes Stimme ist auch die Stimme Gottes, und so ist er Kaiser geworden: Unsterblich bleibt das Geschlecht, und viele Jahre besteht dein Glück des Hauses weiter und zählt man die Ahnen der Ahnen. Dann soll leben und stark sein der Kaiser in Jahren des Nestor, ist sein Leben erschöpft, mag er des Friedens sich freun.

Napoleon verließ Trier am 9. Oktober in der Frühe. Wenige Kilometer von Trier entfernt wurde er an der Grenze des D¦partements des ForÞts zu Igel vom dortigen Präfekten Lacoste in Empfang genommen. Auf einer Ehrensäule empfing ihn ein Adler mit der Inschrift: sub umbra alarum tuarum (unter dem Schatten deiner Flügel).29

Rheinländische Begeisterung und Erwartung zur Krönung 1804 (November 1804) Aus Octavian war Augustus geworden – und aus Bonaparte wurde Napoleon, wie sich Napoleon als Kaiser bezeichnen ließ. Wieder war es Johann Gerhard Joseph von Asten, der eine Ode verfasste, die vielleicht vom Bürgermeister von Lommessem und Bischof Berdolet als Aachener Teilnehmer an den Krönungsfeierlichkeiten als Geschenk mitgenommen wurde. Die Ode wird mit einem Chronogramm eingeleitet, aus dem der 9. November (qVInto IDVs noVeMbrIs) als ursprünglicher Krönungstermin hervorgeht. napoleoni, augusto francorum imperatori, qVInto IDVs noVeMbrIs Coronato pIa atqVe obseqVIosa CIVItas aqVIsgranensIs gratVLatVr. Napoleon, dem erhabenen Kaiser der Franzosen, gratuliert nach der Krönung am 9. November pflichterfüllt und gehorsam die Stadt Aachen.

Die Krönung war also zunächst für den 9. November – in Erinnerung an die Ereignisse vom 9. November 1799 – vorgesehen, doch der Papst kam zu spät, so dass die Krönung erst am 2. Dezember stattfand, aus Aachener Sicht leider in Paris. Die Ode besteht aus 18 alkäischen Strophen. Sie wendet sich in den ersten 15 Strophen an Frankreich und stimmt in die allgemeine, große Begeisterung mit 29 Schrölls Beschreibung lag wenige Tage nach Napoleons Besuch am 6. November 1804 vor. Das Original ist nicht mehr vorhanden. Mehrfach wurde der Text neu ediert. Erstmals findet sich 1904, 100 Jahre später, eine unkommentierte neue Edition: »Napoleon vor hundert Jahren in Trier«.

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ein. Frankreich ist zum Mittelpunkt der Welt geworden, ein solches Volk kann nicht von einem Direktorium oder einem Konsul entsprechend regiert werden, vielmehr wird ein Kaiser gebraucht. Nun wird der Blick auf Napoleon gerichtet, der den Titel eines imperator verdient hat, eine Bezeichnung, die sich mit ›Feldherr‹ oder mit ›Kaiser‹ übersetzen lässt! Nun folgen die schon bekannten Verdienste Napoleons. Neu ist an dieser Ode der ausdrückliche Vergleich mit Augustus und Karl dem Großen in je einer Strophe – also die Legitimierung der Kaiserkrönung. Erst in den letzten drei Strophen wendet sich von Asten direkt an Napoleon, der sich nach der Krönung den jubelnden Völkern zuwenden möge. Nicht nur ganz Frankreich freut sich, sondern vor allem Aachen als der einstige Sitz Karls des Großen darf darauf vertrauen, durch einen napoleonischen Karlskult vom Kaiser Begünstigungen zu erfahren. Hier die vier entscheidenden Strophen:30 Qualis celebri victor ab Actio 50 Redux et albis ad Capitolium Transvectus Augustus quadrigis Imperii diadema sumpsit: Qualisque Magnus postea Carolus Obliteratum restituit decus 55 Et Caesar, acclamante Roma, Pontificis fuit ore dictus: Talis triumphat Napoleon, novus Late patentis conditor imperi Dignusque, quem Roma vocatus 60 Papa modo simili coronet. O qui beati tramite Caroli Progressus, ejus jam solium tenes, Auguste Caesar! flecte vultum Ad populos tibi gratulantes!

Wie der, der siegreich heimkam aus Aktium, – berühmt ist’s –; und mit weißer Quadriga ist zum Kapitol gefahrn: Augustus. Er übernahm dort des Reiches Krone. Und so wie später Karl dann, der Große, den vergessnen Glanz und Ruhm wiederherstellte und Kaiser unter Roms Zurufen ward dann genannt in des Papstes Munde, so triumphiert nun gleichfalls Napoleon, der neue Gründer eines ganz weiten Reichs und würdig, dass, aus Rom gerufen, ihn nun der Papst krönt auf gleiche Weise. Der in der Spur des seligen Karl nun du erschienen bist, nun sitzt du auf seinem Thron, erhabner Kaiser! Wend dein Antlitz Völkern nun zu, die dir gratulieren!

In Köln verfasste Ferdinand Franz Wallraf einen Inschriftentext in Form von Chronogrammen, die jeweils das Jahr 1804 ergeben, in denen er Napoleon als Friedensstifter und Verteidiger der Kirche rühmte und durch Kürze und klare Aussagen beeindruckte:31 napoLeon eCCLesIae et IMperII Defensor, aCCIpe DIgnItatIs CoronaM beLLatorI paCIfICo DebItaM! hanC tIbI DICat DeDICat sEMper LIbera et In fIDe CathoLICa soLI Deo et IMperatorI saCra CoLonIa. 30 Das Gedicht Napoleoni Augusto Francorum Imperatori, geschrieben von Johann Gerhard Joseph von Asten, ist als Autograph erhalten in der Stadtbibliothek Aachen (Signatur Br 275). Text mit Übersetzung und Kommentar in: Krüssel 2004 (wie Anm. 2), S. 396 – 413. 31 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 9.

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Napoleon, der Verteidiger der Kirche und des Reiches, nimm an die Krone der Würde, geschuldet dem friedenstiftenden Kriegsherrn! Diese widmet und weiht dir immer frei und im katholischen Glauben nur Gott und dem Kaiser geweiht Köln.

Napoleon zeigt sein wahres Gesicht: Die Geißel Gottes (Oktober 1806) Die Hoffnungen auf den pacificator erfüllten sich nicht. Nach der Schlacht von Austerlitz (2. Dezember 1805) und der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806) wandten sich Dichter aus dem Rheinland, die Napoleons Besuch und Kaiserkrönung gefeiert hatten, zunächst noch unbemerkt von der Öffentlichkeit innerlich ab. Ferdinand Franz Wallraf formulierte seine Enttäuschung in einem Chronogramm:32 Quaerebas, cur anno 1802 dixerint: DoMIna faCta est anCILLa? en responsum anni 1806 Caesar napoLeon fLageLLVM DeI.

Du fragtest, warum sie 1802 gesagt haben: Die Herrin ist eine Magd geworden? Sieh, die Antwort des Jahres 1806: Kaiser Napoleon, die Geißel Gottes.

Im ersten Chronogramm tritt die Enttäuschung darüber zutage, dass das Erzbistum Köln aufgelöst und 1802 zum neu errichteten Bistum Aachen gekommen war. 1803 und 1804 hatte Wallraf im Dienste seiner Vaterstadt sich noch nichts anmerken lassen. Das zweite Chronogramm nimmt 1806 die Metapher der Geißel Gottes auf. Ernst Moritz Arndt hatte Napoleon in diesem Jahr mit Attila und Dschingis Khan verglichen.33 Fortan griffen deutsche Dichter gern auf diese Metapher zurück, auch Wallraf hat das Bild wohl beeindruckt, und die Metapher des fLageLLVM DeI musste nur ganz leicht um Caesar napoLeon ergänzt werden: Ein exzellentes Chronogramm! Dass dieses Chronogramm jedoch in der Öffentlichkeit verwendet wurde, darf bezweifelt werden, da Wallraf in den nächsten Jahren bis zur Hochzeit Napoleons mit Marie Louise und dem Besuch des neuen Kaiserpaares 1811 in Köln noch pronapoleonische Lieder verfasste. Auch der Aachener Dichter Johann Gerhard Joseph von Asten wandte sich innerlich von Napoleon ab. In einem poetischen Brief, in Auftrag gegeben vom Aachener Stadtarchivar Franz Karl Meyer, schreibt er am 19. März 1807 an Joseph Fauken, den Burginspektor am Hofe in Wien (1795 – 1808): 32 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 107. 33 Ernst Moritz Arndt: »Geist der Zeit. Erster Teil«, in: August Leffson / Wilhelm Steffens (Hg.): Ernst Moritz Arndt. Werke. 1912, S. 194.

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Floreat hic seros Caesar Franciscus in annos, Sint illi comites pax, honor atque salus! Quam bene nunc alio vertit Mars gallicus arma Austriacis nuper perniciosa plagis. Bis in die hohen Jahre steh’ Kaiser Franz hier in Blüte, Ansehen, Frieden und Heil mögen ihm stehen zur Seit’! Anderswohin richtet nun – wie gut! der Kriegsgott aus Frankreich Waffen, voller Verderb’ neulich für Österreichs Land.

Von Asten umschreibt Napoleon metonymisch als Mars gallicus. Als Angestellten der Präfekturverwaltung war von Asten diese Bezeichnung nur in einem Privatbrief möglich.34

Bilderverehrung im Rheinland (Dezember 1807) Napoleon wurde weiterhin im Rheinland in panegyrischen Gedichten verherrlicht. Am 6. Dezember 1807, also um den Krönungstag, wurden ein Gemälde, das Napoleon darstellte, und ein Gemälde, das Josephine darstellte, feierlich im Krönungssaal des Aachener Rathauses aufgestellt. Die beiden am 20. November in Aachen eingetroffenen Portraits hatte der Maire Kolb beim Besuch Napoleons in Aachen 1804 erbeten. Der ehemalige Kölner Bürgermeister und jetzige Aachener Präfekturrat Johann Maria Nikolaus Dumont (1743 – 1816) veröffentlichte acht Verse bzw. vier Distichen zu diesem Anlass:35 In effigiem Napoleonis Caesaris Augusti Reddere pacem orbi, templis et reddere cultum, Imperio dignum est Napoleonis opus. Hinc mores, lauri, leges, asserta potestas, Aetati, patriae, civibus, imperio. 5 Hic vir hic est, simul acclamant cui Gallia: Caesar! Agmina: dux! leges: arbiter! aeva: decus! Victor adest, inopinata, ceu fulminis ictu, Strage inimica runt agmina;—terra silet. Frieden der Welt und den Kult den Kirchen wiederzugeben ist des Napoleons Werk, das seiner Herrschaft entspricht. Daher sind Sitten, Lorbeern, Gesetze und Macht zugesprochen unserer Heimat und Zeit, Bürgern und unserem Reich.

34 Krüssel 2004, S. 460. 35 Ein Druck ist vorhanden im Domarchiv Aachen, Bestand Stiftsarchiv XVIII. Nr. 36; das Gedicht ist mitsamt einer Übersetzung ediert in: Krüssel 2004 (wie Anm. 2), S. 754 f. Das Gemälde (Privataufnahme) ist heute im Aachener Rathaus zu sehen.

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5 Dies ist der Mann, dem zugleich die Franzosen »Kaiser!« zurufen, »Führer!« das Heer, das Gesetz »Schiedsrichter!«, Zukunft »o Zier!« Plötzliche Schlacht, wie nach Einschlag des Blitzes, da stürzen des Feindes Scharen: Der Sieger ist da; – und dann die Erde: Sie schweigt.

Eine vorgeschlagene Inschrift für die Pariser Triumphsäule aus Köln (Juni 1809) Dass sich in Wallrafs Nachlass ein Blatt befindet mit einer vorgeschlagenen Inschrift auf die Triumphsäule des Platzes Vendúme, auf welche die Statue des Kaisers kommt36, überrascht zunächst. Tatsächlich hatte sich Wallrafs Ruf als Meister der Inschriften sogar bis nach Paris herumgesprochen: Durch seine bewundernswerte Belesenheit in den römischen Classikern, seine genaue Kenntnis der alten Steinschriften und die tiefe Auffassung des Geistes der Römersprache hatte er sich im Entziffern wie Anfertigen von Inschriften eine allgemein anerkannte 36 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 162.

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Autorität verschafft. Von einzelnen Behörden und gelehrten Anstalten Deutschlands, Englands und Italiens wurde er mehrmals ersucht, die monumentalen Sprüche für besondere feierliche Gelegenheiten anzufertigen. Durch Fontanes, Großmeister der Pariser Universität, und Staatskanzler Talleyrand erhielt er wiederholt Aufträge zur Abfassung von Inschriften.37

Leonard Ennen erwähnt einen Brief Ladoucettes, des Präfekten des RoerD¦partements, in dem Wallraf die Abfassung von Inschriften für das gesamte Departement anvertraut wird: — diverses inscriptions ou epitaphes, destin¦es — perp¦tuer le souvenir de grands personnages. Unbeantwortet bleibt, warum sich Wallraf noch 1809 für Inschriften für Napoleon gewinnen ließ. Auch das Datum, der 10. Juni 1809, überrascht, wurde doch an diesem Tage Napoleon von Papst Pius VII. als Antwort auf die Annexion des Kirchenstaates exkommuniziert. Auf der Place Vendúme erhebt sich heute die 44 m hohe Triumphsäule (ad coelum properans), erbaut aus der Bronze der in der Austerlitzschlacht (2. Dezember 1805) erbeuteten österreichischen Kanonen (hostili ex aere). Schon 1803 wollte Napoleon als Verehrer der Antike im Zentrum der Place Vendúme nach dem Vorbild der Trajanssäule eine Triumphsäule errichten, die Darstellungen der 108 D¦partements zeigen und in einer Darstellung Karls des Großen münden sollte. Am 23. September 1806 wurde der Grundstein gelegt. Tatsächlich wurde die Säule als »Colonne de la Grande Arm¦e« errichtet, auf der in 76 Reliefs französische Siege, vor allem die Schlacht bei Austerlitz, dargestellt wurden. Offensichtlich stand das Aussehen der Statue noch nicht fest, denn Wallrafs Wortwahl Martis imago deckt sich nicht mit der tatsächlichen Statue, die Napoleon als Caesar mit Toga und Lorbeerkranz zeigte. Besonders die Aussage regna peribunt (v. 5) dürfte bei Wallrafs eigener Einstellung für Nachdenklichkeit gesorgt haben, existierten doch bereits weder das Heilige Römische Reich Deutscher Nation noch die Erzdiözese Köln mehr.38 Vorgeschlagene Inschrift auf die Triumphsäule des Platzes Vendúme, auf welche die Statue des Kaisers kommt. Paris den 10. Juni 1809 Quam super hostili votivam ex aere Columnam, Stat bene, Gallica gens, Martis imago tui. Hinc, licet ad coelum properans, non immemor orbis, Invigilat populis, quos ditione beat. 5 Tempus et invidiam calcat pede: Regna peribunt; Nomen at aeternum Napoleonis erit.

37 Leonard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt. Köln 1857, S. 221. 38 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 162.

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Vorgeschlagene Inschrift auf die Triumphsäule des Platzes Vendúme, auf welche die Statue des Kaisers kommt. Aus dem Erz des Feindes errichtet ist hier diese Säule, drauf steht das Bild deines Mars gut, o französisches Volk. Hier ist’s ihm möglich, stürmt er zum Himmel, die Welt nicht vergessend, auf die Völker zu schaun, die mit der Macht er beglückt. 5 Auf die Zeit und den Neid tritt mit Füßen er : Reiche vergehen, doch Napoleon wird ewig vom Namen her sein!

Ein Claudianischer Blumenstrauß aus Köln zur Hochzeit (April 1810) Die Sehnsucht nach dem Frieden schien am 1. April 1810 mit der Hochzeit von Napoleon und Marie Louise, der Tochter des Kaisers Franz von Österreich sowie mit der ersehnten Geburt des Sohnes, des Königs von Rom, am 20. März 1811 jeweils ein konkretes Gesicht zu bekommen. Beide Anlässe regten zu einer Fülle von Gedichten an. Franz Ferdinand Wallraf hinterließ in seinem Nachlass ein unveröffentlichtes Gedicht aus dem Jahre 1810 mit Bezug auf die Hochzeit Napoleons mit Marie Louise: Ad Nuptias Napoleonis Invicti Max[imi]. P. F. Mariae Lud[ovicae] Austriacae Claudiani Vatis Rom[ani] Flores in festum collegit Ferd [inand]. Wallrafius Agri[ppinensis]. Als Vorlage wählte Wallraf den römischen Panegyriker Claudian, den er im Titel als vates bezeichnet, als Dichter und Seher, dessen Verse mit der anstehenden Hochzeit in Erfüllung gehen. 34 Verse sind an Claudian angelehnt, elf sind voll übernommen, man wird also von einem Cento sprechen dürfen.39 Wallraf nimmt besonders auf Claudians erstes Gedicht, den Panegyricus dictus Olybrio et Probino consulibus (carm. 1) aus dem letzten Quartal des Jahres 394, Bezug, der sich anbot, weil er eine hoffnungsvolle Ära, den Amtsantritt der Brüder Olybrius und Probinus als Konsuln, beschreibt, die wie Marie Louise von Österreich aus adligen Kreisen stammten und im jugendlichen Alter ihre Herrschaft antraten.40 Claudians Gedichte waren zu Wallrafs Zeit gefragt. 1798 waren sämtliche Gedichte in lateinischer Fassung mit 39 Deutlicher als Wallraf griff Louis-Am¦d¦e Decampe auf Claudian zurück. Ihm gelang es, in 509 claudianischen Versen einen beeindruckenden Claudian-Cento auf den April des Jahres 1814 zusammenzustellen, der den Aufstieg und den Fall Napoleons beleuchtete: Claudien ressuscit¦ au mois d’avril M.DCCC.XIVou Centon tir¦ des ouvrages de ce poÀte sur l’¦l¦vation et la ruine de la tyrannie de Buonaparte, et accompagn¦ de la traduction. Par L.A. Decampe, A Toulouse. 40 Werner Taegert: Claudius Claudianus. 1988, S. 27, geht beim älteren Olybrius von einem Alter von 14 oder 15 Jahren aus. Marie Louise war zum Zeitpunkt der Hochzeit 18 Jahre alt.

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französischer Übersetzung41 herausgegeben worden, und 1808, also nur zwei Jahre vor Wallrafs Zusammenstellung, war in Göttingen ein Großteil der Gedichte mit einem Kommentar erschienen.42 Ad Nuptias Napoleonis Invicti Max. P. F. Mariae Lud. Austriacae Claudiani Vatis Rom. Flores in sertum collegit Ferd. Wallrafius Agri. MDCCCX. Iam nova pacatis fastigia suscitat annus Imperiis laetique petunt exordia fasti. Scis genus Austriadum nec te latuere potentes Napolidae, aequalem vult his fortuna favorem. 10 Et quamvis praesens tumor et civilia nuper Classica bellatrixque etiam nunc ira caleret, Aemulus adversis flagraverit ignibus orbis: Post acies odiis idem qui terminus armis, Mens eadem utrisque est animique recentia ponunt 15 Vulnera; non odit victus victorve superbit.43

1,6 1,7 1,8 1,11 5,117 5,118 1,24 8,115 5,115 5,116

Für die Hochzeit Napoleons, des unbesiegten größten Kaisers der Franzosen, und Marie Louise von Österreich sammelte zu einem Blumenkranz Franz Ferdinand Wallraf aus Köln Blüten des römischen Dichters Claudian 1810 Nach der Befriedung der Reiche bringt nun das Jahr einen neuen Höhepunkt, und den Beginn eines Zeitalters will der Kalender. Du kennst Öst’reichs Geschlecht, und nicht blieb Napoleons mächt’ges Haus dir verborgen, gleiche Gunst will das Schicksal für diese. 10 Sei noch so gegenwärtig die Unruh der Bürger, Trompeten, die die Bürger zum Krieg jüngst riefen, schwelt noch der Zorn des 41 Oeuvres complettes de Claudien traduites en franÅois pour la premier fois, avec des notes mythologiques, historiques et le texte latin, Paris [1798]. 42 Cl. Claudiani quae exstant, recensuit perpetuaque adnotatione illustravit Georgius Ludovicus Koenig scholae Eutinensis rector. Tomus primus. Gottingae, 1808. Die Ziffern hinter den Versen geben die Vorlage bei Claudian an, kursiv sind die Similien geschrieben. Angesprochen ist Sol, der Sonnengott. 43 Zwei autographische Fassungen befinden sich im Nachlass Wallrafs: HAdSK, Bestand 1105, fol. 79 und fol. 109. Auf fol. 109 wählte Wallraf als Überschrift Dignius an Vates aliis exercuit ullus Foemineae virtutis opus?.

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Kriegs, strahlt im Wetteifer auch der Erdkreis vom Licht gegenüber : Beide treibt nach den Kämpfen dieselbe Einstellung, auch den Hass zu beenden, die frische Verwundung des Herzens vergessen 15 sie, und nicht zeigt Hass ein Besiegter noch jubelt ein Sieger.

Aus der Sicht eines Leidtragenden (März 1811) Auf die Geburt und Taufe des Königs von Rom erschienen Dutzende lateinischer Gedichte.44 Exemplarisch sei auf ein Gedicht von Bernard Schorenstein45 hingewiesen. Er war Feldgeistlicher der preußischen Truppen gewesen, also ein »Leidtragender« der preußischen Auseinandersetzungen mit Napoleons Truppen. 1811 schrieb er nun aus Soest (Susatum), das zum Rheinbund gehörte, ein Gedicht mit chronogrammatischem Titel und Segenswünschen. Da Schorenstein Geistlicher war, überrascht es nicht, dass er Gott in das Geschehen mit einbezieht. Das erste Distichon umfasst drei Titel Napoleons: Kaiser der Franzosen (Gallos), bis zur Geburt seines Sohnes der König von Rom (Italos) und seit 1806 Protektor des Rheinbundes (Rhenani Tutor Foederis), wozu auch Westfalen mit der Stadt Soest gehörte. Die Freude über den Nachwuchs verbreitet sich in einer Klimax über die ganze Welt: Natus – natio tota – mundus. Die Paronomasie natus – natio bindet die Nation eng an Napoleons Sohn. Da am 25. März 1811, 44 Hingewiesen sei auf Hommages po¦tiques a leurs Majest¦s sur la naissance de S.M. le Roi de Rome; recueillis et publi¦s par J.J. Lucet et Eckard. Paris 1811. In diesem zweibändigen Werk sind auf 900 Seiten Gedichte in Französisch, Deutsch, Italienisch, Portugiesisch, Niederländisch, aber auch in lateinischer Sprache gesammelt. Dabei handelt es sich bei weitem nicht um eine vollständige Sammlung allein der lateinischen Gedichte anlässlich der Geburt des Königs von Rom. So fehlt z. B. auch das hier vorgestellte Gedicht von Bernard Schorenstein. 45 Bernard Schorenstein (1745 – 1821) aus Aachen trat nach dem Besuch des dortigen Gymnasiums 1763 in den Dominikanerorden ein und studierte Theologie in Aachen. Er wurde Prediger in Soest und Münster, wo man ihm die Aufgaben eines Feldkaplans bei den Königlichen preußischen Regimentern übertrug. 1775 wurde er nach Berlin als zweiter Prediger an der St. Hedwigkirche berufen. Zugleich war er Feldprediger bei allen im Kurfürstentum Brandenburg innerhalb und außerhalb Berlins stationierten Regimentern. König Friedrich II. entgingen seine Verdienste nicht, Schorenstein erhielt den Rang eines königlichen Feldprobstes. 1799 ging er nach dem Willen der Ordensleitung nach Soest zurück, wo er zum Prior des Klosters ernannt wurde. 1805 wurde er zum Provinzial des Dominikanerordens für sämtliche Klöster im Bergischen und in Westfalen gewählt. Nach der Aufhebung der Klöster in Berg, Westfalen und der Grafschaft Mark blieb er zunächst in Soest, lebte die letzten Jahre bei seiner Schwester und besuchte mit ihr 1818 noch einmal seine Vaterstadt Aachen. Drei Jahre später, an seinem 76. Geburtstag, starb er in Hildesheim. Er hinterließ eine große Büchersammlung sowie viele Manuskripte. Vier Jahre nach seinem Tod stellte Christian Quix (1773 – 1844), Lehrer und Bibliothekar in Aachen, in seinem Beitrag »Das gelehrte Aachen« einen Nachruf zusammen in: Rheinische Flora (Nr. 122) vom 4. August 1825, S. 489.

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fünf Tage nach der Geburt des Thronfolgers, keine Festakte stattfanden, dürfte dies der Tag sein, an dem Schorenstein von dem freudgen Ereignis erfuhr. Somit brauchte die Nachricht von Paris nach Soest fünf Tage. aVgVstIs napoLeonI et LVDoVICae pro XX MartII faVsto natI regIs nataLItIo sVsato parIsIos. beneDICtVs sIs ab aLtIssIMo nate Caesaree et regIe Infans napoLeon! fLoresCe Infans napoLeon Deo Cooperante nate reX roMane! Vivito Napoleon! Gallos – Italosque Gubernans! Rhenani Tutor Foederis Alte! Vige! Quem nullis victum validis hostilibus armis Devicit tener– grata Virago manu. 5 Tu Dom˜s Austriacae Sydus, Ludovica! Viresce! Dotibus eximiis suavis, amata, tuis: Splendesce et Gallis toto pro tempore Vitae, Augusta augusto tradita Sponsa Viro! Vestrum, ex Connubio, benedixit germine stemma 10 Omnipotens: Natus desideratus adest. Desuper exultat vobiscum Natio tota, Et benÀ sensatus gaudia Mundus habet: Haec, mensis de Marte Vigesima quinta, Vocati, Ad me percupidum participata tulit. 15 Felices – de tam pretios– Prole Parentes, Affectu gemino, quos modý, Nata, beat! Parvule Napoleon! Princeps benÀ veneris, Alme! Primus caesarei Fructus, amore, Tori. Den erhabenen Eltern Napoleon und Louise als glückbringendes Geburtsgeschenk für ihren königlichen Sohn vom 20. März von Soest nach Paris geschickt Sei gesegnet vom Allerhöchsten, Kaiserlicher Sohn und königliches Kind, Napoleon! Blühe auf, Kind Napoleon, mit Gottes Hilfe Sohn und König von Rom! Hoch leb’, Napoleon, der du regierst Italiener, Franzosen, hoher Protektor, du, Rheinbund-Protektor, sei stark! Den zu besiegen nicht starke feindliche Waffen vermochten, den hat die Heldin besiegt mit ihrer zärtlichen Hand. 5 Du, Louise, der Stern des Hauses von Österreich, blühe! Du bist so süß, so geliebt dank des besonderen Werts. Für die ganze Zeit deines Lebens erstrahl den Franzosen, als erhabene Braut solch einem Mann überreicht. Euren Stammbaum segnete mit einem Spross aus der Ehe 10 der allmächtige Gott: Da ist ersehnt nun das Kind.

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Darüber jubelt eine ganze Nation mit euch beiden, und mit Verstand begabt, freut sich darüber die Welt: Es ist der fünfundzwanzigste März, benannt nach dem Mars, der mir dies mitgeteilt hat, ganz gierig nahm ich es auf. 15 Glückliche Eltern! Eltern eines so kostbaren Kindes, sind, da geborn es nun ist, doppelt mit Freude beglückt. Kleiner Napoleon! Lieber Prinz, du magst gut angekommen sein, du die erste Frucht, die ward dem Kaiser zuteil.

Immer mehr richtete sich der Blick auf das Kind, Napoleon spielt in vielen Gedichten nur noch eine Nebenrolle. So ist ein anonymes Gedicht aus Mainz allein an den kleinen Sohn des Kaisers (Ad filiolum Caesaris) gerichtet. Was zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Napoleon Bonaparte erwartet worden war, wurde nun auf seinen Sohn übertragen. Die ersten der 430 Verse lauten: Ad Filiolum Caesaris Parvule! de gremio vix advena matris ocellos Tollis et insuetos patris in ora refers. Vix nedum solitae didicisti assuescere voci Et vagire modos, quos renovare velis. 5 Vix tua regna vides immenso parta labore, Cum redimita comas jam tibi musa canit. Tempora sollicitant, non vis, non ardor habendi, Sed communis amor res populique salus. An den kleinen Sohn des Kaisers Kleines Kind, grad geboren aus dem Schoße der Mutter, richtest du ungewohnt Augen auf Vaters Gesicht. Kaum hast du dich gewöhnt an die Stimme, die dir vertraut ist, daran, dass Laute du sprichst, welche du neu lernen willst, 5 kaum siehst du dein Reich, in gewaltigen Mühen erworben, da singt am Haar bekränzt, schon dir die Muse ihr Lied. Zeiten bewegen nicht Gewalt, nicht der Wunsch zu besitzen, nur gemeinsame Lieb’, Staat und das Wohl eines Volks.

Feierlichkeiten zur Taufe (Juni 1811) Auch auf die Taufe des Königs von Rom wurden in einer euphorischen Stimmung – vielerorts zum letzten Mal – lateinische Gedichte geschrieben. Die Stadt Aachen feierte auf Anordnung des Präfekten Ladoucette an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen (9., 16. und 23. Juni) die Taufe des Thronerben. Unter den Gästen, die an der Tauffeier in der Notre Dame in Paris am 2. Juni 1811 teilnahmen, gehörten auch der Aachener Maire de Guaita und die Stadträte Geul-

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jans und Joseph de Fürth. Aachen war schon frühzeitig durch »Gebete für die einer Geburt entgegensehenden Kaiserin«, die am 17. November 1810 angeordnet worden waren, auf dieses Fest eingestimmt worden. Wieder wurde die Stadt in eine Huldigung für Napoleon, in diesem Fall für seinen Sohn, eingespannt. Die Verfasser sind anonym geblieben, die Sprüche sind von Anton Thissen46 für die Nachwelt festgehalten worden. Manche Inschriften nahmen Bezug auf antike Vorlagen. So sei hingewiesen auf ein Zitat aus der Unterweltschau des sechsten Buches der Aeneis (6,791 f; Augustus wird vorgestellt mit den Worten: hic vir hic est, tibi quem promitti saepius audis, Augustus Caesar). Die große Verheißung, schon in der Aeneis durch Vergil ausgesprochen – jetzt ist sie erfüllt, und in Aachen zu sehen. In der Stadt sah man Sinnbilder und Inschriften, darunter wieder eine Reihe von Chronogrammen: cara deum soboles, magnum iovis incrementum, rex romae nostro Caesare dignus erit. napoLeonIs pVerI aCIes fIrMa stat Contra soLIs raDIos. a napoLeone patre et LVDoVICa Matre proCreabar nec imbellem feroces progenerant aquilae columbam eCCe hereDeM hVIVs Coronae proteCtor DeVs haeC MVnera feCIt. dis genite et geniture deos. rex inclyte romae, aspice, quas humilis tibi nectat rura coronas! siste gradum Ruramque amplectere, Rhene, referque gaudia gallorum pelago pelagique tyrannis. Teurer Spross von Göttern, Juppiters großart’ger Nachwuchs, unseres Kaisers wird sein würdig der König von Rom. Fest blickt das Aug’ von Napoleons Sohn in die Strahlen der Sonne. Vater ist mir Napoleon, mich hat Louise geboren. Nicht bringen mutige Adler hervor eine furchtsame Taube. Seht den Erben dieser Krone! Gott als Beschützer hat diese Gaben geschaffen. Göttersohn, Ahnherr von Göttern. Berühmter König von Rom du, schau, welche Kränze die Rur demütig flechtet für dich! Halt einmal an, lieber Rhein, umfasse die Rur und berichte der Franzosen Freuden der Nordsee und ihren Beherrschern.

Über die Inschriften hinaus wurde auch ein Gedicht, ein Carmen genethliacum47, geschrieben. Napoleon hatte Aachen für die Feier der Geburt besondere Aus46 Anton Thissen: Aus vergangenen Tagen. Die Festlichkeiten bei der Feier der Taufe des Königs von Rom im Juni 1811. Aachen 1911. 47 Das Gedicht ist als Autograph noch erhalten (Stadtbibliothek Aachen, Sign. Br 275, fol. 47 – 50), übersetzt und kommentiert in: Krüssel, 2004 (wie Anm. 2), S. 513 – 536.

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lagen am 12. Mai 1811 bewilligt, die sich auf insgesamt 25.000 Francs beliefen. Aachen, Sitz einer Präfektur und Bischofssitz, war also zu einem besonderen Dank geradezu verpflichtet. Auf dem Druck stehen zwar der Direktor (Joseph Erckens) und die Lehrer (Johann Joseph Preut, Christian Quix, Martin Orsbach und Joseph Schmitz), doch der tatsächliche Verfasser, der ›Ghostwriter‹, war wieder Johann Gerhard Joseph von Asten, der Angestellte in der Präfektur und der beste Dichter, den Aachen noch hatte. Hier einige Abschnitte von den insgesamt 68 lateinischen Versen: Carmen genethliacum Priogeniti Galliarum Principis, Regis Romae, a Directore et Professoribus Gymnasii Aquisgranensis 9na Junii 1811oblatum Quam bene caesareas circumstat Gallia cunas, Et centumgemino testans sua gaudia plausu, Obsequiosa novi celebrat jam Principis ortum! In patriae fastis meritum sibi mensis honorem 5 Martius asseruit, niveoque notata lapillo Ac semper memoranda dies vicesima mensis Illius occurret, quae tanti est conscia partus. Non hic Martis opus, non palmae sanguine sparsae, Nec cum luctifica sociati strage triumphi 10 Poscuntur : cedant teneris affectibus irae, Classica carminibus, Veneri Mars, laurea myrto! Fortunate puer, te spes et publica vota Respiciunt, te fama volans per regna, per urbes, Finitimis populis totique annuntiat orbi. Lied zum Geburtstag des erstgeborenen Prinzen der Franzosen, des Königs von Rom, vom Direktor und den Lehrern des Aachener Gymnasiums am 9. Juni 1811 dargebracht O, wie glücklich steht Frankreich an der Wiege des Kaisers, und seine Freuden bezeugt es durch hundertfältigen Beifall. Folgsam feiert es nun seines neuen Prinzen Geburtstag! In den Kalendern der Heimat hat für sich die verdiente 5 Ehre beansprucht der März; mit dem weißen Steinchen bezeichnet, immer erwähnenswert, wird sich zeigen der zwanzigste Tag von diesem Monat, der von so großer Geburt hat erfahren. Nicht braucht man Mars jetzt, die Siegespalme, vom Blute bespritzet, noch sind gefordert Triumphe, verbunden mit grausigem Blutbad. 10 Möge der Zorn nun weichen den zarten Gefühlen, es weiche Kriegslärm den Liedern, der Venus Mars und Lorbeer der Myrte! Glücklicher Knabe, auf dich richten Völker die Hoffnungen und auch ihre Gebete; dein Ruf breitet aus sich durch Reiche und Städte, kündigt dich an den Nachbarvölkern, dem gänzlichen Erdkreis.

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Man höre auf die Zwischentöne: v. 3 obsequiosa (folgsam) weist auf eine Auftragsarbeit hin, das Gedicht dürfte Präfekt Ladoucette angeordnet haben; v. 8 Martis opus zeigt, dass das Kind zwar im März geboren wurde, aber der entsprechende Gott Mars, wurde nun nicht mehr gebraucht (v. 8 palmae sanguine sparsae): Wie hatte man, auch von Asten, Napoleon doch als Friedensbringer gepriesen – und nun war der Siegespalmzweig mit Blut bespritzt. Im Mittelpunkt steht folglich nicht mehr Napoleon, sondern der kleine Junge (v. 12 fortunate puer). Es reicht: Venus statt Mars, Myrthe statt Lorbeer, Gedichte statt Kriegstrompeten! Geschickt versteht es der Aachener Dichter, in eine Auftragsarbeit doch seine Kritik an Napoleon und die große Sehnsucht einzubauen, die da heißt: Frieden! Sieht man auf die lateinischen Gedichte, dürfte die Euphorie in Europa unvorstellbar groß gewesen sein. In Paris schrieb Paul-Henri Marron, erster Pfarrer der Reformierten Gemeinde in Paris, die nur wenige Monate zuvor am 31. März 1811 den festlichen Eröffnungsgottesdienst in ihrer neuen Kirche, dem Oratoir du Louvre, hatte feiern dürfen, 50 Verse in Distichen auf die Feierlichkeiten am 23. Juni 1811 in St. Cloud, dem Wohnsitz Napoleons (Festum San-Clodoaldaeum XXXIII Jun. MDCCCXI). Das Gedicht belegt, dass auch am dritten Sonntag, der auf den Taufsonntag folgte, volksfestartig mit Illuminationen, Hochseilartisten, Wahrsagern und Wasserspielen gefeiert wurde. Die Tauffeier wurde von M. Noel, dem Leiter des CollÀge von St. Aamand, beschrieben (In Regis Romanorum baptisma). Andere beschrieben die Wiege, doch am klarsten hat wohl M. Frey aus Payerne in der Schweiz in einer sapphischen Ode mit Bezug auf das bekannte habsburgische Motto (Bella gerant alii, tu Felix Austria, nube!) den Grund für die Hoffnungen beschrieben, hier die vv. 41 – 44: Nube, felix Austria, bella mitte: Nube, sic olim cecinere Vates, Proeliis connubia fida praestant; Austria, nube!

»Lass die Kriege, heirate, glücklich’ Öst’reich: Heirat’!« haben Dichter gesungen einst schon, »Besser als der Krieg sind die treuen Ehen. Österreich, heirat!«

Der vermeintliche Thronerbe starb als junger Mann mit 21 Jahren in Wien. Mit dem Zusammenbruch des französischen Kaiserreiches 1815 war auch seine Bedeutung dahin.

Inschriften auf der zweiten Rheinreise (Oktober/November 1811) Nach der ersten Reise durch das Rheinland, die seine Stellung als Nachfolger Karls des Großen hatte festigen sollen, reiste Napoleon im Herbst 1811 ein zweites Mal durch die Rheinlande. Am 31. Oktober kam er in Wesel an, über Düsseldorf, Köln (5. November), Jülich und Lüttich (8. November) kehrte er

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nach Paris zurück. Auch auf dieser Reise wurde Napoleon mit Inschriften begrüßt, z. T. sogar an Orten, die er in seiner Eile gar nicht durchfuhr. Einige dieser Inschriften sind bekannt, weil das Journal de la Roer sie mitgeteilt hat. Im Arrondissement Kleve las man an der Route de Grave bzw. Route de NimÞgue: Augusto, invicto, dilectissimo Napoleoni Magno, Heroi invictissimo Napoleoni Magno. Dem erhabenen, unbesiegten, sehr geschätzten Napoleon den Großen, dem unbesiegten Helden Napoleon den Großen.

In Kleve wurden den Zuschauern Napoleons gute Seiten gezeigt. Man erinnerte auch an den Januar 1809, als bei Emmerich drei Deichbrüche zu einer Katastrophe am Niederrhein geführt hatten. Am 27. Januar hatte der Pegel den historischen Höchststand erreicht, die Häuser der Klever Vorstadt hatten bis zum Dach unter Wasser gestanden. Das Journal de la Roer, Nr. 273 vom 18. Nov. 1811 meldete: »Glücklicher Bezirk [d.i. Kleve]! Er konnte zuerst seine Freude beim Anblick des erlauchten Souverains ausdrücken, der durch seine Wohltaten die Unglücksfälle wieder gut machte, welche die Überschwemmung des Rheins im Jahr 1809 verursacht hatte!« Viro immortali Napoleoni victori Sapientia, fortitudine, Magnanimitate Principi Maximo. Gallicae et Austriacae Gloria Gentis Caesari Maximo ex inundatione Rheni afflictos relevanti. Gratia Clivia. Te Jubent Laurus oliva Juncta viret. Principes illustres, Decus mundi. Ite comitati amore Clivium Plausibusque laetis Numine favente!48

Dem unsterblichen Mann, dem siegreichen Napoleon, dem an Weisheit, Tapferkeit und Großherzigkeit größten Herrscher. Frankreichs und Österreichs Volkes Glanz. Dem größten Kaiser, der den durch die Hochwasserkatastrophe gebeutelten Menschen wieder Erleichterung verschaffte. Das dankbare Kleve. Wenn du befiehlst, grünt der Lorbeer, vereint mit der Olive. Ausgezeichnete Herrscher, Zierde der Welt. Geht, begleitet von der Liebe der Bewohner Kleves und vom frohen Applaus, in der Gunst Gottes!

Unterwegs fanden sich in Xanten mehrere Inschriften: Non sic virginibus flores, non frugibus imbres, Prospera non fessis optantur flamina nautis Ac tuus aspectus populo.49 48 Die Inschriften von Kleve sind ediert im Journal de la Roer, Nr. 283, 29. November 1811. 49 Zitat aus Claudian, 24, S. 56 – 58.

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Nicht wünschen so die Mädchen Blumen, nicht Früchte den Regen, nicht sind willkommen so günstige Winde erschöpften Matrosen, wie deine Ankunft dem Volk. Vivat, vigeat, floreat Napoleon Imperator, Pater Patriae, Afflictorum solatium, populi Sui Heros; sapientia et fortitudine a Deo donatus. Lebe und gedeihe, blühe, Napoleon, Kaiser, Vater des Vaterlands, Trost der Betrübten, der Held seines Volkes. Er ist von Gott geschenkt dank Tapferkeit und dank der Weisheit. A l’Imp¦ratrice Marie-Louise Ante leves ergo pascentur in aethere cervi, Quam nostro illius labatur pectore vultus.50 Für die Kaiserin Marie Louise Eher weiden also im Himmel die flüchtigen Hirsche als aus unserem Herzen je sein Antlitz wird schwinden. Tecta tuis alis, Napoleon, Ecclesia gaudet, Et gaudet populus laetus amore tui. Von deinen Flügeln beschützt, Napoleon, freut sich die Kirche, und es freut sich das Volk, glücklich, weil du es ja liebst.

Offensichtlich hatte Xanten nicht so erfahrene Epigrammatiker wie Köln mit Wallraf oder Aachen mit von Asten. Zwei der vier Inschriften sind Zitate, die übrigen sind z. T. der Kirchensprache entnommen wie der Lauretanischen Litanei (Du Trost der Betrübten) oder dem Alten Testament (Ex 19,4: Bild der Adlerfittiche für Gottes Schutz für Israel). Die letzte Inschrift ist offensichtlich der Versuch, ein Distichon zu verfassen. Allerdings gelingt der Versuch nicht, weil der Hexameter prosaische Schwierigkeiten bereitet. Vielleicht hieß es in der Vorlage Bonapart statt Napoleon?51 In Neuss verzierte man Triumphbögen mit Distichen. Am Uerdinger Tor stand ein Triumphbogen mit folgender Inschrift: En subit antiqui muros Portasque Novesi Napoleon, populi lausque decusque sui. Adsidet heroi comes augustissima conjux, Vivite, conclamat turba, Valete diu! Schaut, auf die Mauern des alten Neuss sowie auf die Tore geht Napoleon zu, Zierde und Ruhm seines Volks. An der Seite des Helden sitzt die erhabenste Gattin. »Lebt lange wohl, bleibt gesund!« ruft ihnen laut zu das Volk. 50 Das Adynaton ist ein Zitat aus Verg. ecl. 1,59 und 63. 51 Diese Inschriften wurden mitgeteilt in: Journal de la Roer, Nr. 283, vom 29. November 1811.

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Außerhalb des Jülicher Tores auf der Aachener Landstraße las man einen jahrhundertealten Traum. Hier stand ein weiterer Triumphbogen an der Stelle, wo ein Teil der Arbeiten am Nord-Canal fertig gestellt war : Hic Rheni Mosae Scaldis conjuncta ferentur Flumina, si coeptum perficiatur opus.52 Im Kanale vereint werden Rhein, Maas und Schelde hier fließen, ist das begonnene Werk erst mal zu Ende gebracht.

In Köln steuerte wieder Franz Ferdinand Wallraf Inschriften bei,53 in Aachen sind die Verfasser nur zum Teil bekannt geblieben.54 Aus der Fülle dieser Inschriften sei die erwähnt, die auf der Grenze des Kantons, d. h. auf der Landstraße von Köln, zu lesen war : Sic Pater Imperii dilectaque Caesaris uxor Incedunt muros, Carole Magne, tuos. Da gehen des Reiches Vater und auch die Gattinn des Kaisers In des großen Karls Stadt.55 aCCepta Cor sVbDItorVM Nimm an die Herzen der Unterthanen! Heros, accelera, regalem protege sedem, Aspice, submissus quem condit Wormius, arcum Komme zu uns o Held! und schütze der Kaiser Wohnstatt, Wo schlängelnd der Worm Aachens Gebiete umgibt.56

Auf ein interessantes Distichon am Stadthaus von Aachen sei noch hingewiesen: 52 Journal de la Roer, Nr. 281 vom 27. November 1811. Der Rhein-Maas-Schelde-Kanal, der seinen Ausgangspunkt bei Neuss fand, sollte Mitteleuropa mit dem Atlantik verbinden. Unter Napleon wurde mit der Realisierung dieses Traumes begonnen. Tatsächlich wurde das Projekt unter veränderten politischen Verhältnissen und dem Aufkommen der Eisenbahn nicht zu Ende gebracht. 53 Die Inschriften finden sich im Journal de la Roer, Nr. 291, vom 9. Dezember 1811. 54 Journal de la Roer, Nr. 279, vom 25. November 1811. Bezüglich der Autoren erfährt der Leser : »Die hier oben letzterer, vorhergehende Inschriften von innigster Ehrfurcht eingeflößt, sind vom Herrn Maire der Stadt Aachen, Ritter von Guaita und zum Theil vom Herrn StadtArchivisten Meyer« (»Les inscriptions ci-dessus, inspir¦es par le d¦vouement le plus respectueux, sont de M. le Maire de la ville d’Aix-la-Chapelle, & en partie de M. Meyer, archiviste de la ville«). 55 Die dem Journal de la Roer entnommene Übersetzung wird dem Versmaß des Distichons nicht gerecht und ist zudem nicht korrekt (Carole Magne ist Vokativ). Hier ein Vorschlag:Ja so treten des Reiches Vater und die geliebte Gattin des Kaisers, o Karl, ein in die Mauern von dir. 56 Die Übersetzung nähert sich dem Versmaß eines Distichons an. Hier ein Vorschlag:Komme zu uns, o Held, und schütze den Sitz eines Kaisers, schau den Bogen dir an! Ihn birgt bescheiden die Wurm.

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Vistula, Danubius Rhenusque, Visurgis et Albis Victi – Sic fulget Napoleonis honos. Weichsel, Donau und der Rhein und Weser und Elbe sind besiegt, so strahlt glänzend Napoleons Ruhm.57

Kein Ende der Napoleonverehrung? (Mai/August 1813) Inzwischen hatte der Russlandfeldzug zu einer Katastrophe geführt. Doch in Aachen wurde die Napoleonverehrung unverdrossen fortgesetzt. So erschien anlässlich des Sieges Napoleons bei Lützen im Journal de la Roer ein Gedicht von 17 Hexametern, verfasst von Johann Maria Nikolaus Dumont, dem Präfekturrat. Man darf von einer Auftragsarbeit ausgehen, da Napoleon selbst kaum erwähnt wird. Die ersten vier Verse lauteten: In victoriam prope Lutzen die 2da Maji 1813 Gallia, tolle animos, solennes instrue pompas! Thuribus incensis fragrans altaria circum Assurgat nubes, reboent in turribus aera Applausum et grates, resonet concentibus aether. Auf den Sieg bei Lutzen am 2. Mai 1813. Frankreich, erhebe die Herzen, bereite den festlichen Umzug! Rings um Altäre, vom entzündeten Weihrauche duftend, steig auf die Wolke; Glocken sollen in Türmen erschallen lassen Applaus und Dank, vom Konzert halle wider der Himmel!

Der nächste Auftrag ging an von Asten: Ein Gedicht auf die Grundsteinlegung eines neuen Präfekturgebäudes durch den Präfekten Ladoucette am 15. August, dem Geburtstag Napoleons, an der Stelle, wo sich heute die Stadtbibliothek befindet. Napoleon selbst hatte den Auftrag für ein Präfekturgebäude gegeben. Bürgermeister de Guaita veröffentlichte am 10. August ein Programm für den Tagesablauf: Beim Präfekten hatten sich die führenden Personen der Verwaltung, der Justiz und des Militärs einzufinden, um dann zum Ort der Grundsteinlegung, zum Rathaus und zum Dom zu ziehen. Und was machte von Asten aus dem Auftrag? Auch er erwähnt Napoleon nur am Rande und stellt den Grundstein in den Mittelpunkt. Ein Dichter zwischen Pflichterfüllung und Realitätsblick. Für ihn war es das letzte Gedicht, das er für einen Napoleonkult verfassen musste.58 57 Übersetzung: Krüssel. 58 Das Gedicht In primum lapidem ist autographisch erhalten (Stadtbibliothek Aachen, Sign. Nr. Br 275, fol. 51 f.). Eine Besprechung des Textes mit Übersetzung und Kommentar in: Krüssel 2004 (wie Anm. 2), S. 537 – 547.

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Die Stunde der Abrechnung (1814) Mit Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und dem Abzug der Franzosen aus dem Rheinland im Januar 1814 war die Stunde der Abrechnung gekommen. Nun konnten die Dichter endlich offen ihre wahre Einstellung mitteilen. Wallraf forderte aus der Sicht der französischen Nation die Machthaber zum Handeln auf, das Chronogramm ergibt das Jahr 1814:59 gaLLIaM raptor sVbegIt Der Räuber unterwarf Frankreich. VInDICate, Caesares! Nehmt Rache, Kaiser!

In weiteren autographisch erhaltenen Gedichten schrieb Wallraf Inschriften anlässlich der Abnahme der Napoleonstatue von der Siegessäule an der Place Vendúme am 18. April 1814 (Monumentum belli Germanici).60 Dabei richtete er sich an die drei großen Befreier (vindices), den Zar Alexander, Kaiser Franz und den König Friedrich Wilhelm III.: Monumentum belli Germanici Alexander Franciscus Fridericus et caett. gentium suarum vindices augg. dictatis hac in urbe induciis regno et rege Francis reddito sublata praevaricatoris effigie pacis auctori Deo sacrum esse voluerunt an. MDCCXIV Mahnmal für den Krieg in Deutschland Alexander, Franz und Friedrich und die übrigen erhabenen Befreier ihrer Völker wollten, nachdem sie in dieser Stadt den Waffenstillstand diktiert hatten und nachdem den Franzosen das Königreich und der König zurückgegeben worden war, nach der Beseitigung des Bildnisses des ungetreuen Sachverwalters, 59 Der Imperativ vindicate lässt sich in seiner Mehrdeutigkeit (befreien, sich rächen usw.) kaum wiedergeben. Aus Wallrafs Nachlass geht hervor, dass er an die Rache dachte: »Französische Nation an die rächenden Kaiser« (Historisches Archiv der Stadt Köln Bestand 1105, Nr. 80, fol. 133v und fol.137). 60 Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 1105, Nr. 80, fol. 146v. Es finden sich noch weitere Entwürfe, die inhaltlich allerdings kaum Änderungen bringen (fol. 139; aber fol. 150 perennturum heic fundatae pacis et salutis publ. monumentum esse voluerunt). Aus einer Anmerkung geht hervor, dass es sich tatsächlich um einen Vorschlag für die Triumphsäule handelt (fol. 139): Inscriptio brevis columnae Parisiensis innovandae.

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dass dieses Mahnmal Gott als Urheber des Friedens geweiht sei im Jahre 1814.

Wallraf muss seine Freude an dieser Inschrift gehabt haben. So schreibt er unter eine Fassung (fol. 150): Monumentum belli germanici trimestri spatio profligati ex aere capto Monumentum belli germanici ex aere capto

Damit bezieht er sich auf die tatsächliche Inschrift von 1805: Neapolio Imp. Aug. Monumentum belli Germanici anno MDCCCV trimestri spatio ductv suo profligati ex aere capto gloriae exercitus maximi dicavit.61

Der erhabene Kaiser Napoleon hat dieses Andenken an den germanischen Krieg im Jahre 1805 aus dem erbeuteten Erz des Gegners, der unter seiner Führung innerhalb von drei Monaten niedergeschlagen worden war, dem Ruhm der Grand Arm¦e geweiht. Wallraf genießt die Parallele: Der Krieg auf ›germanischem Boden‹ dauerte, ausgehend von den Kämpfen um Ulm im Oktober bis zur Austerlitzschlacht am 2. Dezember 1805, drei Monate (trimestri spatio). Acht Jahre später dauerte der Krieg auf ›germanischem‹ Boden, der in der Niederlage bei Leipzig enden sollte, ebenfalls, ausgehend vom Ultimatum Österreichs am 7. August, drei Monate. Neben Inschriften verfasste Wallraf auch Gedichte auf Napoleons Abgang wie ein Gedicht mit dem Titel Belli imago et Pacis. Darin wendet et sich nach dem Verlust namentlich genannter Freunde mit Vergils Worten konsequent gegen den Krieg und vertraut sich einzig Gott an: 5 Nulla salus bello: Deus! haec dum grammata pono Continuoque manum dirige quaeso meam! 5 Kein Heil im Krieg: Gott, während diese Sprüche ich schreibe, lenke, ich bitte dich drum, weiterhin du meine Hand!

1815 erscheint in Köln ein Gedicht mit dem Titel Napoleonis in solitudinem ingressus eiusque interitus,62 d. h. Napoleons Antritt in die Einsamkeit und sein

61 Abgedruckt und erklärt im Moniteur vom 10. Juli 1809, Nr. 191, S. 756. 62 Drucke befinden sich in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (RHSM 2088) und in der Stadtbibliothek Trier (RH 571). Die Druckfassung weicht allerdings von der autographischen

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Untergang, geschrieben anlässlich der Abfahrt Napoleons nach St. Helena, wahrscheinlich ebenfalls von Wallraf, da sich eine Fassung in seinem Nachlass findet. Es ist Zeit für eine Abrechnung. Auf 16 Seiten in 326 Versen zeigt der Dichter, wie Napoleon nach allen Erfolgen an seiner Hybris gescheitert ist. Das Gedicht ist ein Meisterwerk, in dem Wallraf sich in Napoleons Psyche versetzt und alle Register der Anteilnahme zieht. Hinter all dem Stolz, der Resignation und der Vereinsamung Napoleons verbirgt sich eine erleichterte Schadenfreude eines vielfach auf Ovids Exilsliteratur zurückgreifenden Autors – ein Meisterwerk aus den späten Jahren des großen Kölner Philologen Franz Ferdinand Wallraf! Heu nimium! cur non unus mihi sufficit orbis? Caesar eram; nil sum: sic voluere Dii, 165 Heu! cur neglexi medium tenuisse beati? Cum tamen haec cuivis norma tenenda foret. Vae male contento! delicti solvere poenas Debeo, quid statuet judicis ira mihi! Hicce tuus lusus fortuna! volubilis erras. 170 Quid sumus heu! miseri pulvis et umbra nihil. Quid prodest homini totum si possidet orbem Ast animae subeat damna tremenda suae. Ach, allzu glücklich! Warum reichte mir eine Welt nicht, warum nicht? Kaiser war ich, bin nun nichts: So haben’s Götter gewollt. 165 Ach, warum hab das Maß des Glücklichen ich nicht beachtet, obwohl doch diese Norm jeder wohl einhalten kann? Wehe dem nicht Zufriedenen, Strafe muss ich wohl büßen für mein Vergehn, was bestimmt mir wohl der Richter im Zorn? Hier ist dein Spiel, Fortuna, hier schweifst du wandelbar, wechselnd. 170 Was sind wir Armen? Ach, gar nichts als Schatten und Staub! Was nützt’s dem Menschen, wenn er die ganze Welt auch besitzet, schrecklichen Schaden jedoch an seiner Seele erlitt!

Ein versöhnlicher Abschied (Mai 1821) Und damit nähern wir uns Napoleons Tod am 5. Mai 1821 auf der Insel St. Helena. Auf diesen Tod befindet sich im Historischen Archiv der Stadt Köln, im Nachlass Wallrafs, ein Gedicht mit dem Titel In obitum Napoleonis Bonaparte.63 Wallraf stand inzwischen selbst im 72. Lebensjahr, als er vom Tod Napoleons Fassung Wallrafs, die sich im Historischen Archiv der Stadt Köln befindet, in einigen Teilen ab. 63 Das Gedicht befindet sich im Historischen Archiv der Stadt Köln, Bestand 105, Nr. 80, fol. 163 f.

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erfuhr. Und er widmete ihm noch einmal ein letztes Gedicht. Positiven Seiten stellte Wallraf die negativen gegenüber : Napoleon trat einerseits als Gesetzesgeber auf, sorgte mit dem Konkordat für die Wiederausübung der Religion. Andererseits entzog er sich selbst der Gerechtigkeit und ließ Papst Pius VII. (caput ecclesiae) festnehmen. Wallraf sieht die Schuld im maßlosen Ehrgeiz (ambitio), der Napoleon zum Verhängnis wurde. Im letzten Teil des Gedichtes lässt er gar Herkules auf dem Grabe sitzen und traurig feststellen, dass es einen zweiten nicht mehr geben werde, der Herkules’ Namen bewahre. Und dann kündigt Wallraf gar den Untergang von Herkules’ Ruhm an, während Napoleon bzw. sein Ruhm ewig leben werde. Wallraf rechtfertigt damit auch rückblickend seinen Einsatz in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts für Napoleon. Wie bei anderen Dichtern tritt mit Napoleons Tod eine Cäsur ein: Es gibt keinen Hass mehr. Bei allen Schwächen Napoleons steht auch für Wallraf fest, dass die Welt einen ganz großen Mann verloren hat, den sie aber nicht vergessen wird. Ein Vorbild kann Napoleon für Wallraf nicht sein. Er wäre, und hier spricht Wallraf im Irrealis, exemplar regum et Mentor gewesen, hätte er sich, was Staatslenkung und moralische Integrität angeht, wie George Washington aufgeführt: Si Washingtoni regimen moresque secutus civis mansisset: In Obitum Napoleonis Bonaparte Quem vix continuit mundus, tenet insula fortem Fortunae bellique virum, per saecla perennem. Tranquillus jacet hic, qui perturbaverat orbem, Tranquillus quoque mortem magnanimusque recepit. 5 Hanc natura virum tam miris tamque stupendis Dotibus ornarat Fortuna et Marte favente, Ut celebres clarosque viros superaverit omnes. … 20 Exemplar regum et Mentor Bonaparte fuisset, Si Washingtoni regimen moresque secutus Civis mansisset, cui laus resonassat in orbe, Actorumque memor vixisset criminis expers. Auf den Tod Napoleon Bonapartes Den die Welt kaum fasste, den fasst eine Insel, den starken Mann des Glücks und des Kriegs, der noch Jahrhunderte fortwirkt. Ruhig liegt da, der die ganze Welt durcheinandergebracht hat, ruhig, gelassen hat nun auch seinen Tod er erlitten. 5 Diesen Menschen hat mit so erstaunlichen Gaben die Natur beschenkt, ihm halfen der Krieg und das Schicksal, dass alle ruhmvollen, glänzenden Männer er hat übertroffen. … 20 Vorbild für Könige, Mentor wär Bonaparte gewesen, wäre er Washingtons Leitung gefolgt und seiner Gesittung, wäre er Bürger geblieben, dem Ruhm auf der Erde erschallt wär in Erinn’rung an Taten, hätt’ er gelebt ohne Frevel.

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Ruhe in Frieden! (Dezember 1840) Als am 15. Oktober 1840 Napoleons Leichnam exhumiert und nach Paris überführt wurde (wo er am 15. Dezember in einem Sarkophag im Invalidendom aufgebahrt werden sollte), ist auch dieses Geschehen in lateinischen Gedichten beschrieben worden, so auch von Johann Dominik Fuss (1782 – 1860) aus Düren, der damals Professor für Klassische Philologie an der Universität Lüttich war und der heute als der Begründer der Neulateinischen Philologie gilt.64 Fuss lässt in der Ode Funus Napoleonis Lutetiae Emeritorum Militum Templo Illatum die Überführung der Gebeine in einem lateinischen Gedicht wie einen Triumphzug erscheinen. Einerseits bilden Gloria und Triumphus die zentralen Begriffe dieser Ode, andererseits wünscht der Dichter Napoleon nun endlich die ersehnte Ruhe: Sic fama chartis, Napoleon, tua, 50 Nil dissipatis ossibus indigens, Durabit usque, humana donec Exitio dederit suprema Qui lege mundum fataque digerit Summis et imis. Gallia, nescium 55 Quietis heroem beata Hic jubeat requiesse pace.

Napoleon, dank Literatur wird stets dein Ruhm bestehen, und du bedarfst gar nicht verstreuter Knochen, bis den Menschen Untergang bringen wird jener, der ja den Lauf der Welt nach eignem Gesetze lenkt in Höhn und Tiefen. Ruhen lass Frankreich nun den Helden, dem die Ruhe fremd war, hier an der Stätte des Glücks und Friedens!

64 Vgl. das zweibändige Standardwerk von Jozef IJsewijn und Dirk Sacr¦: Companion to NeoLatin Studies. Part I/II. Leuven 1990/1998, zuletzt erschienen in Hermann Krüssel: »›Caesar eram, nil sum; sic voluere dii‹: Wallrafs Abrechnung mit Napoleon in einer poetischen fiktiven Autobiographie«, in: Uwe Baumann / Karl August Neuhausen (Hgg.): Autobiographie. Eine interdisziplinäre Gattung zwischen klassischer Tradition und (post-)moderner Variation. Göttingen 2013, S. 189 – 224; Hermann Krüssel: »Napoleon im Spiegel lateinischer Dichtung. Napoleons Verehrung für Friedrich II. von Preußen in lateinischen Gedichten französischer Dichter«, in: La po¦sie n¦o-latine du XIXe siÀcle a nýs jours, sous la direction de Romain Jalabert, in: Camenae 16 (http://www.paris-sorbonne.fr/Camenae-16; 38 Seiten); Hermann Krüssel: »Louis-FranÅois Cauchy und die Grablege der Könige in Saint-Denis. Rekonstruktion einer Inschrift in Saint-Denis«, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte (41) 2014, S. 403 – 420.

III. Kultur – Culture

Jean-FranÅois Bazin (Gevrey-Chambertin)

Napoléon et son vin : le choix du Chambertin

Si l’attachement port¦ par un personnage historique — un vin particulier appartient le plus souvent au l¦gendaire ou — l’anecdotique, sur des fondements incertains, celui de l’Empereur Napol¦on Ier pour le Chambertin est r¦el. Ce sujet ne constitue naturellement pas un thÀme majeur de l’¦pop¦e imp¦riale, encore que nombre de ses aspects permettent de la mieux conna„tre. Napol¦on consacre une attention modeste — la table, mais il s’y int¦resse sans doute davantage qu’on ne l’¦crit habituellement. DÀs l’–ge adulte, il accompagne d’un peu de vin tous ses repas et en g¦n¦ral il s’agit du mÞme cru, le Chambertin. En r¦alit¦, il se partage entre une vigne et un vin. L’enfant d¦couvre la vigne en Corse dans son environnement familial. Si Jacques Bainville se borne — indiquer que la famille du futur empereur possÀde »quelques terres et l’espoir d’une plantation de m˜riers«, sans autre pr¦cision1, Arthur Chuquet fournit dans sa »Jeunesse de Napol¦on« une description plus d¦taill¦e des maisons, terres et vignobles des Ramolino et des Bonaparte. Les parents de Napol¦on possÀdent des vignes d’origine Ramolino au Vitello et le Clos de la TorreVecchia au Campo dell’Oro. Les vignes d’origine Bonaparte : Candia, la Sposata et la Casetta (Bacchiochi), etc.2. La Sposata, ou l’Esposata, ou encore la Sposa (l’Epous¦e) est entre toutes la pr¦f¦r¦e. Situ¦e sur la route de Bastia — 4 km du centre d’Ajaccio, elle produit en 1785 100 hl de vin, quelque 12 000 bouteilles et elle s’¦tendra sur 3 ha en 19383. Elle a appartenu — la famille Bacchiochi, puis — Charles Bonaparte pÀre de Napol¦on, ensuite — l’archidiacre Lucien, l’oncle chanoine, et — Joseph frÀre a„n¦ de Napol¦on.

1 Bainville, Jacques : Napol¦on. Paris [Fayard] 1931, p. 12. 2 Chuquet, Arthur : La Jeunesse de Napol¦on, t. 1. Paris [Armand Colin] 1898, pp. 43 et 68. 3 Le Petit Bastiais, 24 septembre 1938.

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Un vin, dira Napol¦on, dont le bouquet rafra„chissait la bouche»4. Il en vante les vertus — son ma„tre d’hútel corse, Cipriani5. Au comte de Las Cases — SaintH¦lÀne, il pr¦sente la Sposata comme »la premiÀre vigne de l’„le, grande et consid¦rable«, c¦dant — une exag¦ration due aux yeux du souvenir. Il n’en devait parler, disait-il, qu’avec reconnaissance, poursuit Las Cases. C’¦tait gr–ce — elle qu’il avait fait dans sa jeunesse ses voyages — Paris; c’¦tait elle qui fournissait aux frais de ses semestres. Nous lui demandions ce qu’elle allait devenir. Il nous dit en avoir dispos¦ depuis longtemps en faveur de sa nourrice6. La famille Bonaparte considÀre la Sposata comme sacr¦e. Lucien, il s’agit cette fois du frÀre cadet de Napol¦on, relate dans ses M¦moires une scÀne o¾ Joseph s’¦meut du projet conÅu par Napol¦on, de vendre la Louisiane, en faisant allusion — la l¦gÀret¦ financiÀre de leur pÀre : »Si notre frÀre se met en tÞte, comme il le dit, de vendre cette colonie de la Louisiane avec aussi peu de c¦r¦monie que feu notre pÀre en aurait pu mettre — vendre notre belle vigne della Sposa […]«7. Napol¦on deviendra propri¦taire de cette vigne et la donnera non — sa nourrice, mais semble-t-il — Antoine-Marc Forcioli, l’ancien officier de Marine qui prend le risque de le conduire en f¦vrier 1815 de l’„le d’Elbe — Golfe-Juan8. Ce vignoble existe encore en 1948 (vin blanc, vendu sous le nom de la Maison Battaglini; bouteille et ¦tiquette rendant hommage — Madame MÀre, reproduites sur Google). Il semble Þtre absorb¦ de nos jours par l’extension d’Ajaccio, le long du chemin de la Sposata d¦sormais urbanis¦. Encore adolescent, Napol¦on ¦tudie au collÀge d’Autun et il boit certainement fort peu de vin — cet –ge. Un de ses condisciples, Jean-Baptiste Jame9 se lie d’amiti¦ avec Joseph. Les deux enfants Bonaparte sont reÅus — plusieurs reprises et durablement dans cette famille. Le pÀre est propri¦taire de vigne et marchand de vin, — Chagny et Chalon-sur-Saúne10. Jeune officier, Napol¦on s¦journe — Auxonne (1788 – 1791) et il noue amiti¦ avec Basilien Gassendi, ¦galement officier dans cette ville : il est reÅu par cette famille — Nuits, faisant la connaissance

4 Cit¦ par Chuquet, op. cit., p. 45. 5 Cit¦ par Aim¦ Dupuy dans : La vigne et le vin de Napol¦on, Miroir de l’Histoire, n8 169, janvier 1964, pp. 82 — 88. 6 Las Cases, Comte Emmanuel de : M¦morial de Sainte-H¦lÀne. Paris [Chez l’auteur, ] 1823, 8 vol, t. 5, pp. 211 et 212, — la date du 8 ao˜t 1816. 7 Bonaparte, Lucien : M¦moires. Paris [Charles Gosselin] 1836; Ed. Young, t. 2. Cit¦ par Aim¦ Dupuy, pp. 83 et 84. 8 Le Petit Bastiais, op. cit. 9 Jame ou James : ces deux orthographes coexistent. 10 Bazin, Jean-FranÅois : Bouteilles — la mer : le vin de Bourgogne durant l’exp¦dition d’Egypte ou le singulier destin de Jean-Baptiste Jame, Actes du colloque de l’Association bourguignonne des Soci¦t¦s savantes. Auxerre, 23 – 25 octobre 1998 : Les Bourguignons et le Levant, pp. 169 — 179.

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de la puissante lign¦e vitivinicole des Marey, les futurs Marey-Monge11. Il est probable qu’— cet –ge Napol¦on s’int¦resse davantage au vin, bien qu’ayant laiss¦ — Auxonne le souvenir d’un jeune homme se nourrissant de laitages, comme il le faisait en Corse. On peut situer pr¦cis¦ment le go˜t de Napol¦on pour le Chambertin — l’¦poque de l’exp¦dition d’Egypte (1798 – 1801), en lien avec Joseph et leur ami commun Jean-Baptiste Jame. Napol¦on confie le 19 avril 1798 — Gaspard Monge charg¦ de mission en Italie12 le soin d’aller chercher quatre mille bouteilles de vin de Bourgogne destin¦es — l’exp¦dition d’Egypte, ajout¦e aux huit cents bouteilles »que mon frÀre avait dans sa cave — Rome et que le citoyen Bonasco a ordre de tenir — votre disposition«. »Vous sentez, ajoute-t-il, combien nous aurons besoin de bon vin«13. Louis Fauvelet de Bourrienne ¦crit dans ses M¦moires : »Bonaparte fit pour lui avant de partir une provision consid¦rable de vin de Bourgogne. Ce fut un nomm¦ James de Dijon qui les lui fournit. Le march¦ fut ex¦cut¦ avec une grande loyaut¦. Je dois dire, — cette occasion, que nous avons pu nous assurer que les bons vins de Bourgogne bien soutir¦s et dans des futailles herm¦tiquement ferm¦es, ne perdent point de leurs qualit¦s en traversant la mer. Plusieurs caisses de ces vins ont pass¦ deux fois le d¦sert de l’isthme de Suez, — dos de chameau. Nous en avons rapport¦ quelques restes — Fr¦jus, et il ¦tait aussi bon qu’en partant. James nous a suivis en Egypte«14. Les Bourguignons sont ¦minents dans l’exp¦dition : outre Bourrienne, on y rencontre notamment Vivant Denon et Gaspard Monge, bons amateurs de vin. Quel go˜t pouvait avoir un vin soumis — des temp¦ratures si torrides ? Sans doute celui de la MÀre Patrie. On sait par ailleurs que deux mille bouteilles au moins d’un »vin de Bordeaux d¦licieux« figurent dans la cave personnelle de Bonaparte au Caire. A SainteH¦lÀne, Napol¦on raconte que la rumeur de sa mort s’¦tait r¦pandue alors qu’il se rendait en Syrie. Au Caire, l’intendant de sa cave aurait aussitút vendu — vil prix les r¦serves de vin qu’il ¦tait charg¦ de garder, notamment aux »habits brod¦s« de l’entourage consulaire. Cet intendant infidÀle ¦tait »un petit Chinois« dont Jos¦phine s’¦tait »engou¦e« et qui naguÀre la suivait partout. Quand elle comprend qu’il la vole, elle veut s’en d¦barrasser, le remettant entre les mains de 11 Bazin, Jean-FranÅois : La Naissance d’une dynastie du vin – Les Marey, Monge et MareyMonge, M¦moires de l’Acad¦mie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon, t.134, 1993 – 1994, pp. 163 — 187. De mÞme Las Cases, op. cit.t. 5, pp. 166 — 168, — la date du 3 ao˜t 1816. 12 Bazin, Jean-FranÅois : Les sciences, les arts et la guerre – La campagne d’Italie de Gaspard Monge (1796 – 1797). Annales de Bourgogne, t. 66, 1994 – 1995, pp. 81 — 97. 13 Cit¦ par Louis de Launay dans : Un grand FranÅais, Monge, fondateur de l’Ecole polytechnique. Paris [Ed. P. Roger] 1933, p. 192. 14 Bourrienne, Louis Fauvelet de, M¦moires de M. de Bourrienne, ministre d’Etat sur Napol¦on […], t. 2. Paris [Ladvocat] 1829. Edition plus r¦cente et abr¦g¦e, M¦moires du secr¦taire intime du Premier Consul. Paris [Marchandeau Editeur] 2004, p. 101 (sur Jame), pp. 206 et 207 (sur l’alimentation de l’Empereur).

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Bonaparte qui consent alors — lui confier cette fonction auprÀs de lui, malgr¦ le d¦go˜t qu’il lui procure. A Las Cases, il parle d’un »nain difforme«, d’un »petit monstre«. Au retour de la Syrie, d¦couvrant ses agissements, il l’envoie se faire pendre ailleurs15. Napol¦on boit peu. Durant sa vie, il est conduit — go˜ter de tout : du vin (tranquille) de Champagne, quelquefois du vin de Bordeaux appel¦ claret ou clairet, r¦guliÀrement du vin de Bourgogne et principalement du Chambertin. Il admet d’ailleurs ne pas s’y conna„tre en crus16. Comme toujours chez les hautes figures et jusqu’au XIXÀme siÀcle, il s’agit d’une prescription m¦dicale. »Les m¦decins ont la police de la table«, selon le mot de Napol¦on reproduit par FranÅois Antommarchi. Jusqu’— sa mort — Sainte-H¦lÀne, Napol¦on verra dans son vin quotidien des vertus th¦rapeutiques ou l’origine de ses malaises. De mÞme que Louis XIV quitta le vin (tranquille) de Champagne pour le vin vieux de Bourgogne selon l’ordonnance du Dr GuyCrescent Fagon son premier m¦decin, Napol¦on est conseill¦ par son »chimiste« Claude-Louis Berthollet et par son m¦decin ordinaire le Dr Jean-Nicolas Corvisart. Le texte de r¦f¦rence demeure celui du comte de Las Cases — la date du 12 septembre 1816 dans son M¦morial de Sainte-H¦lÀne, — propos d’un »mauvais d„ner« et d’»un vin ex¦crable« : »Dans le cours de cette conversation, l’Empereur a dit que, situ¦ comme il l’avait ¦t¦, il avait reÅu une foule d’indices et d’avertissements de la part des chimistes et des m¦decins. Que tous s’¦taient accord¦s — lui signaler le vin et le caf¦ comme les objets dont il devait le plus se garantir. Tous s’accordaient aussi — lui dire de les repousser — la moindre odeur d’ail; et pour le vin, surtout, de le rejeter — l’instant, si seulement il se sentait le moindrement ¦tonn¦ en le go˜tant. Comme il avait toujours eu, disait-il, son vin de Chambertin, il avait ¦t¦ rarement dans le cas d’avoir rien — repousser. Mais aujourd’hui, c’¦tait tout autre chose; s’il avait rejet¦ son vin — chaque ¦tonnement, il y a longtemps qu’il n’en boirait plus«17.

Napol¦on se confie volontiers — Longwood. Ainsi l’¦pisode de Nuits dit »le Voyage sentimental« (allusion — l’œuvre de Lawrence Sterne parue en France en 1801), quand jeune officier en visite chez les Marey il se trouve seul — d¦fendre les id¦es de la R¦volution dans cette soci¦t¦ rurale assez conservatrice18. 15 Las Cases, op. cit., t. 5, pp. 78 — 80, — la date du 21 juillet 1816. 16 CabanÀs, Dr Augustin : Les Indiscr¦tions de l’Histoire – Le r¦gime de Napol¦on — SainteH¦lÀne. Paris [Albin Michel] 4Àme s¦rie, 1956, pp.193 — 209. Il s’agit d’une synthÀse du r¦gime alimentaire de Napol¦on durant sa vie, — partir notamment du livre de comptes de Pierron, ma„tre d’hútel — Sainte-H¦lÀne. Proche de l’Empereur — Sainte-H¦lÀne, Jean-NoÚl Santini ¦voque le vin tel que Napol¦on le consomme in De Sainte-H¦lÀne aux Invalides. Paris [Ledoyen] 1854, pp. 369 et suivantes et pp. 378 et 379. 17 Las Cases, op. cit, t. 6, p. 1788, — la date du 12 septembre 1816. 18 Las Cases, op. cit., t. 5, pp. 166 — 168, — la date du 3 ao˜t 1816.

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A l’„le d’Elbe et par souci d’¦conomie, il a accept¦ de boire — sa table le vin local et d¦velopp¦ le vignoble de San Martino. »Pour vivre et se distraire, ¦crit Paul Gruyer, les soldats s’amusaient comme ils pouvaient, — boire et — se griser, — danser et — flirter avec les filles. A cela le mal n’¦tait pas grave, ni quand ils escaladaient les clútures de San Martino et vendangeaient les vignes de l’Empereur.« C’est — papa, disaient-ils. L’Empereur et papa, c’est la mÞme chose. Ce qui est — lui est — nous. »Si l’Empereur les rencontrait, il leur tirait l’oreille et riait«19. L’¦pisode est sans doute ¦dulcor¦ en »image d’Epinal« mais la vigne constitue alors pour Napol¦on une »occupation« en ce royaume minuscule. On observe n¦anmoins que le Roi de l’„le d’Elbe n’a guÀre le temps d’y vendanger. A Sainte-H¦lÀne, le gouverneur a fix¦ le vin — une bouteille par personne, l’Empereur compris (deux parfois mais pour neuf personnes alors que les consommateurs sont cinquante !). Il provient de MadÀre, de T¦n¦riffe, de Constance (cru fameux d’Afrique du Sud), ou »clairet«, »claret« – un vin ind¦termin¦ de type Bordeaux et m¦diocre. L’Empereur lui attribue constamment les maux qui l’affectent. FranÅois Antommarchi son m¦decin l’interroge : »Une demi-bouteille de claret que j’¦tends de beaucoup d’eau, me sert de boisson, r¦pond l’Empereur. J’en bois un peu de pur — la fin du repas. Quelquefois, lorsque je suis fatigu¦, je substitue le Champagne au clairet; c’est un moyen s˜r d’exciter l’estomac«20. Selon Louis-Joseph Marchand, »la princesse Pauline Borghese ayant appris que le vin donn¦ — l’Empereur ne valait rien et lui avait fait mal, s’empressa d’en envoyer bon nombre de caisses par l’interm¦diaire de lady Holland«21. Celle-ci est une admiratrice passionn¦e de Napol¦on. Son mari lord Holland, veut interpeller le gouvernement, le 18 mars 1817, — propos des conditions de d¦tention des prisonniers de Sainte-H¦lÀne, notamment leur alimentation. Les lords rejettent cette charitable intention. Un autre diff¦rend ¦clate — propos des bouteilles vides. Sir Hudson Lowe les r¦clame car, approvisionn¦ en f˜ts, il d¦clare ne pas pouvoir renouveler chaque jour le service du vin embouteill¦. Les FranÅais refusent et, par provocation, se plaisent — les briser en s’en servant pour cibles… selon les souvenirs du grand mar¦chal — Sainte-H¦lÀne, le g¦n¦ral-comte Henri Bertrand22. Le vin est t¦moin des derniers jours de Napol¦on. Le 26 avril, il vomit et demande de l’eau et du vin. On veut lui donner une soupe, il pr¦fÀre une soupe au 19 Gruyer, Paul : Napol¦on roi de l’„le d’Elbe. Paris [Hachette] 1906. 20 Antommarchi, Dr FranÅois : Les Derniers Moments de Napol¦on. Paris [A. Barrois l’A„n¦] 1825, pp. 101 et suivantes. Par ailleurs : Napol¦on — Sainte-H¦lÀne, par le Dr Paul GaniÀre. Paris [Librairie acad¦mique Perrin] 1962. 21 Marchand, Louis-Joseph : M¦moires. Paris [Plon] t.2, 1955.; Paris [Tallandier] 2003 (un volume). Cit¦ par Aim¦ Dupuy, op. cit., p. 88. 22 Bertrand, G¦n¦ral-comte Henri-Gatien : Cahiers de Sainte-H¦lÀne. Paris [Editions Sulliver] 1949, pp. 183 — 196 (texte restaur¦ par Paul Fleuriot de Langle).

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vin. Elle est faite avec du vin de MadÀre. Le 30 avril, un navire jette l’ancre. Napol¦on demande s’il apporte du vin, du raisin, des amandes, des citrons… Il prie qu’on lui donne du vin et non des v¦sicatoires. Le 1er mai il demande — Marchand quel sorte de vin il reste : du Cap, du Bordeaux ou du Champagne ? Le 3 mai, il s’inquiÀte des r¦serves de vin, mange un biscuit tremp¦ dans le vin, en boit un peu avec du sucre : »une espÀce de sirop«. Il dit plusieurs fois quand le vin passe ses lÀvres : »Good, bon, very well«23. Le comte de Las Cases (dont la culture vineuse est imparfaite) ¦crit : »Durant quinze ans, il a bu constamment un mÞme vin de Champagne, Chambertin, qu’il aimait et qu’on croyait lui Þtre salutaire«24. Napol¦on boit du Chambertin par choix personnel, mais le recours — ce vin pr¦cis est pour lui un gage de sant¦. Ce vin est bu — table, jamais en d’autres circonstances. Plusieurs t¦moignages concordent sur la rapidit¦ du repas : »dix-huit minutes«, selon Dubois-Cranc¦ — l’¦poque du Consulat, cit¦ par le Dr Louis V¦ron25. Le menu habituel de Napol¦on se compose d’un potage, de deux plats de viande, un de l¦gumes, une salade, quelquefois des p–tisseries. Il aime la fricass¦e de poulet (le poulet accommod¦ — l’huile et aux oignons, dit — la provenÅale et d¦j— baptis¦ Marengo), un ¦touff¦ — la g¦noise, un pilau — la milanaise (riz pilaf — la moelle de bœuf), des taillerains — la corse (tagliarini, ¦minc¦s de c¦leri rave ou sortes de vermicelles). Il a le palais m¦diterran¦en. »Je veux que la cuisine soit simple, dit-il — FranÅois Antommarchi. Je n’aime pas les cuisiniers qui font de l’esprit.« Il avale plus qu’il ne m–che. Contrairement — une l¦gende, on n’apprÞte pas les plats pour lui seul. Sitút le dessert servi, il se lÀve et quitte la table. Jamais de liqueurs ni d’alcools. Son proche collaborateur le baron Agathon Fain ¦carte de ses habitudes alimentaires l’origine de son embonpoint : »On ne peut, du moins, l’imputer — ta bonne chÀre, car, certes, celui-l— n’¦tait pas ami de la table. Il ¦tait sobre, il vivait frugalement et mangeait vite, trop vite pour tout son monde. Au surplus, la nature l’avait dou¦ d’un avantage assez singulier, celui de ne pouvoir commettre d’excÀs de table, quand mÞme il l’aurait voulu. Si je d¦passais le moins du monde mon tirant d’eau, disait-il, mon estomac rendrait aussitút le superflu«26. L’historien Fr¦d¦ric Masson traite de cette question : »L’Empereur ne buvait guÀre que du vin de Chambertin trÀs tremp¦ d’eau«. En r¦alit¦, certains t¦moins parlent de vin pur, d’autres de vin mouill¦. »Il n’y avait de cave ni aux Tuileries, ni dans aucun des Palais, poursuit Fr¦d¦ric Masson. La fourniture ¦tait soumissionn¦e par des n¦gociants nomm¦s Soup¦ et Pierrugues, demeurant 338 rue Saint-Honor¦, qui s’engageaient — fournir les quantit¦s demand¦es non seule23 Marchand, op. cit. Cit¦ par Aim¦ Dupuy, op. cit., p. 88. 24 Las Cases, op. cit., t. 6, p. 178, — la date du 12 septembre 1816. 25 V¦ron, Dr Louis : M¦moires d’un bourgeois de Paris. Paris [Librairie Nouvelle] t. 1, , 1856 – 1857, t. 1, p. 124. 26 Fain, Baron Agathon : M¦moires, Paris, 1908, p. 192; r¦¦dition par Arl¦a. Paris 2001.

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ment — Paris et dans les ch–teaux imp¦riaux, mais en campagne. Un d’eux, — cet effet, accompagnait toujours le quartier g¦n¦ral. Ils livraient les vins et les liqueurs dans des bouteilles uniformes, manufactur¦es — SÀvres et marqu¦e d’une N couronn¦e. On ne leur payait que les bouteilles consomm¦es. Le vin de Chambertin, de cinq — six ans, que buvait l’Empereur co˜tait, comme les vins de Roman¦e, de Montrachet de mÞme date et comme le Lafitte de dix — douze ans, six francs la bouteille«27. Le 338 rue Saint-Honor¦ n’existe plus de nos jours, remplac¦ par un garage. On conserve des bouteilles et des verres au chiffre »N«, couronn¦ ou non. Bouteilles notamment au Mus¦e national du ch–teau de CompiÀgne, au Mus¦e national de c¦ramique — SÀvres. Verres — Malmaison (fl˜tes — Champagne de l’Imp¦ratrice au chiffre »J«), au Museo Napoleonico de Rome (fl˜te — Champagne trompette au chiffre »N«), etc. Napol¦on boit-il r¦ellement du Chambertin ? Vers 1800, le Chambertin – vin rouge issu du pinot noir – est d¦j— un des crus de Bourgogne les plus estim¦s en Europe. Il figure dans les caves les plus illustres, celles de Louis XV et Louis XVI en font foi. Durant son passage en 1787, Thomas Jefferson range le Chambertin parmi les trÀs grands vins28. Cette vigne s’¦tend depuis le XIIIÀme siÀcle, — quelques ouvr¦es prÀs29, sur 12 ha 90 a 31 ca. Contigu, semblable et fond¦ au VIIÀme siÀcle, le Clos de BÀze est d¦limit¦ sur 15 ha 38 a 87 ca. Soit un peu moins de 30 ha tous deux r¦unis. Compte tenu des rendements de l’¦poque, quelque 50 000 bouteilles par an. Important propri¦taire — Gevrey30. Lamblin approvisionne la Maison Soup¦ et Pierrugues et l’on peut raisonnablement penser que, pour un march¦ aussi consid¦rable, les vins sont s¦lectionn¦s avec le plus grand soin. Les appellations d’origine contrúl¦e n’existent pas encore et la sinc¦rit¦ de l’¦tiquette (elle n’est pas encore en papier) d¦pend de l’honorabilit¦ du n¦gociant. Le Chambertin tirera grand profit commercial et d’image de ce choix imp¦rial, mais c’est — trois kilomÀtres, au village voisin de Fixin, que sera ¦lev¦ un monument — Napol¦on, le R¦veil de l’Empereur ou plus exactement Napol¦on s’¦veillant — l’immortalit¦. Il est l’oeuvre du sculpteur dijonnais FranÅois Rude, l’auteur du D¦part des Volontaires (ou la Marseillaise) sur l’Arc de triomphe de 27 Masson, Fr¦d¦ric : Napol¦on chez lui – La Journ¦e de l’Empereur aux Tuileries. Paris [Paul Ollendorff] 1911, p. 139. 28 Bazin, Jean-FranÅois : Le Voyage de Jefferson en Bourgogne, M¦moires de l’Acad¦mie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon, t.128, 1987 – 1988, p. 177 — 187. 29 Bazin, Jean-FranÅois : Chambertin. Paris [Jacques Legrand]1991. L’ouvr¦e est la vingtquatriÀme partie de l’hectare (4 a 28 ca). De nos jours encore dans le vignoble bourguignon on compte habituellement en ouvr¦es. 30 Gevrey sera autoris¦ — porter le nom de Gevrey-Chambertin en 1847. DÀs lors, le nom Chambertin sera associ¦ — une superficie vitivinicole beaucoup plus importante.

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l’Etoile — Paris. Ancien grognard habit¦ par le culte imp¦rial, Claude Noisot (1787 – 1861) d¦die — l’Empereur un parc, un mus¦e rappelant Longwood, les Cent Marches en souvenir des Cent Jours et ce monument (1847). Bien s˜r, il institue un Clos Napol¦on sur les climats Aux Cheusots et Le Village (1 ha 83 a 12 ca), reconnus par l’INAO en Fixin Premier Cru sous ce nom. Il est souvent difficile de d¦terminer la pr¦cision historique au sein des myriades d’anecdotes li¦es — Napol¦on et au Chambertin. Sur le champ de bataille, il lui arrive d’envoyer — un bless¦ un verre de son propre vin. Au soir de Waterloo, le capitaine anglais Elphrinstone aurait ainsi reÅu »un gobelet d’argent plein du vin de son office«. Peut-on imaginer ce geste dans la douleur de Waterloo ? Le g¦n¦ral Thiard, chambellan de l’Empereur31 et le g¦n¦ral de S¦gur, aide de camp32 racontent un ¦pisode situ¦ par le premier le 9 octobre 1805 – combat de Gunzbourg et par le second le 15 aprÀs Elchingen — Ober-Falheim o¾ Napol¦on reÅoit un accueil de fortune dans un presbytÀre. Tout ayant ¦t¦ pill¦, il se trouve sans Chambertin dont il remarque gaiement »qu’il n’avait jamais ¦t¦ priv¦, mÞme au milieu des sables de l’Egypte.« L’¦crivain allemand Friedrich Sieburg d¦crit le repas de Napol¦on — la ferme du Caillou quelques heures avant la bataille de Waterloo : »une ¦paule de mouton rútie, accompagn¦e de lentilles, que l’on arrose d’un vieux Chambertin«33. En v¦rit¦ et — ma connaissance, on ignore le menu de ce d¦jeuner et Friedrich Sieburg s’en tient aux probabilit¦s culinaires de l’Empereur. Une anecdote souvent r¦p¦t¦e mais d¦pourvue de fondement historique prÞte — Bonaparte de passage — Dijon en 1800 le d¦sir de se procurer des bouteilles de Clos de Vougeot conserv¦es par Dom Lambert Goblet, le dernier cell¦rier de l’abbaye de C„teaux sous la R¦volution. L’ancien moine aurait r¦pondu : »Si ce jeune g¦n¦ral veut venir lui-mÞme chez moi, je lui en servirai volontiers. Mais lui en vendre ? Jamais«. Connu minute par minute, l’emploi du temps de Bonaparte — Dijon exclut toute r¦alit¦ de ce vœu. Au reste, on imagine mal Bonaparte se pr¦occuper d’une telle emplette pour lui-mÞme. Les vins vagabonds de l’Empereur donneront naissance sous la Restauration — un important trafic : celui des vins »retour de Moscou«, vendus — Paris — des prix trÀs ¦lev¦s, vestiges hypoth¦tiques de la malheureuse campagne de Russie. Si Jean-Baptiste Jame (1767 – 1833) semble Þtre — l’origine de l’attrait exerc¦ par le Chambertin sur l’Empereur, ce personnage est trÀs singulier. AprÀs l’exp¦dition d’Egypte et ses livraisons de vin, il s’¦tablit — Paris o¾ il est intime des 31 Thiard, G¦n¦ral Auxonne-Marie : Souvenirs diplomatiques et militaires. Paris [Flammarion] 1900, pp. 154 et 155. 32 S¦gur, G¦n¦ral-comte Philippe de : Un aide de camp de Napol¦on. Paris [Firmin-Didot] 1894 – 1895, p. 191; Tallandier, Paris 2010. 33 Sieburg, Friedrich : Napol¦on – Les Cent Jours, traduit de l’allemand. Paris [Robert Laffont] 1957, p. 384.

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frÀres Bonaparte, surtout de Joseph son ami au collÀge d’Autun dont il devient le tr¦sorier de sa fortune priv¦e et le gestionnaire de ses biens en France (intendant g¦n¦ral — Paris de la Maison du roi d’Espagne). Banquier, il est nomm¦ receveur g¦n¦ral des droits r¦unis et r¦gent de la Banque de France. Riche mariage, distinctions, il reÅoit en majorat la terre de La Salle prÀs de Lyon o¾ il construit un ch–teau dans le go˜t ¦gyptien. Il se dit baron de J¦rusalem, lieu-dit proche de ce ch–teau. Cependant il dispara„t durant la nuit du 24 au 25 d¦cembre 1813. Son ¦pouse est –g¦e de 22 ans. Il est le pÀre de deux filles n¦es en 1812 et 1813. Durant cette nuit de NoÚl il ne rentre pas — son domicile parisien. On le retrouve en 1817 install¦ — Baton-Rouge, Louisiane, sous le nom de Jean (ou James) de BelliÀvre, au bras d’une jeune femme ¦pous¦e l—-bas. Il vivra jusqu’en 1833, rompant tout lien avec son pass¦. Un tel destin n’est pas exceptionnel — cette ¦poque, mais en d¦pit de recherches nombreuses, on ignore tout des raisons qui ont pu le pousser — changer litt¦ralement de vie un soir de NoÚl : sentimentales c’est improbable, financiÀres peut-Þtre, ou politiques ? Il ne semble pas rejoindre Joseph aux EtatsUnis. Ses vignes ¦minentes en Cúte de Nuits, non en Chambertin mais en Ech¦zeaux et Roman¦e, sont saisies, vendues. Il est vrai qu’il ne les avait pas pay¦es.34 Napol¦on s’int¦resse-t-il — ce sujet sur d’autres plans ? Il serait excessif d’¦voquer — propos de Napol¦on une »politique de la vigne et du vin«, mais le comte Jean-Antoine Chaptal publie en 1801 son Art de faire le vin. Le SystÀme continental conduit le gouvernement — encourager, — d¦faut de canne — sucre, la production du sucre de raisin et celle de la betterave sucriÀre. Le raisin du Midi fournit une m¦lasse sirupeuse, un sucre cristallis¦ terreux et insipide, mais dont on doit se contenter. Le d¦veloppement de la chaptalisation – l’enrichissement du vin par apport de sucre – date de cette ¦poque. Dans le domaine militaire, Napol¦on ordonne en 1805, 1809, 1812 de distribuer — la troupe les vins enlev¦s dans les pays conquis. Le baron diplomate Louis Bignon rapporte que l’Empereur lui dit en octobre 1807 : »C’est le vin qui dans l’hiver me donnera la victoire«35. Le vin manque souvent aux soldats, sinon lors de fr¦quents pillages comme celui des quatre millions de bouteilles de vin pr¦lev¦es lors de la chute de Dantzig36. La vigne appara„t quelquefois dans les propos de Napol¦on. Ainsi — Sainte34 Lire note 10. La seconde partie de cette biographie, — partir de 1814, est due aux recherches d’Eric Saugera, historien de l’¦migration franÅaise aux Etats-Unis (XIXÀme siÀcle). Sur ce point le Dictionnaire Napol¦on (Fayard, Paris, 1987) publi¦ sous la direction de Jean Tulard (notice Jame, p. 963) est incomplet, de mÞme que l’¦tude cit¦e de Jean-FranÅois Bazin. Cf. ¦galement la conf¦rence sur Jean-Baptiste Jame (non publi¦e) donn¦e le 12 janvier 2010 au Souvenir Napol¦onien (Dijon) par Jean-FranÅois Bazin. 35 Bignon, Baron Louis : Histoire de France sous Napol¦on. Paris [Firmin-Didot] 1822 – 1850, cit¦ par Jacques Garnier et Vincent Bourgeot (ci-dessous). 36 Pigeard, Alain : L’Arm¦e de Napol¦on – Organisation et vie quotidienne. Paris [Tallandier] 2000, pp. 228 — 241.

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H¦lÀne ¦voque-t-il les diff¦rents types de folie – tels qu’il les conÅoit. A propos de ce qu’il appelle »la folie innocente« (sans danger pour autrui), il dit, de faÅon d’ailleurs sibylline : »Un fou mange des raisins dans une vigne qui n’est pas la sienne, et r¦pond aux reproches du propri¦taire : Nous sommes deux ici, le soleil nous voit, donc j’ai le droit de manger des raisins«37. Il existe — l’¦vidence un imaginaire du vin. Les personnages historiques sollicit¦s par les ¦tiquettes du vin sont assez rares. En Bourgogne, Alphonse de Lamartine surtout, du moins en M–connais. Le Roi Henri IV — Givry. En revanche, Charlemagne est absent en Corton-Charlemagne. Aucune ¦tiquette, aucune cuv¦e en son honneur. L’Empereur Napol¦on Ier inspire de nombreuses ¦tiquettes. Elles sont souvent de fantaisie : ainsi, vers 1950, un imaginaire »Clos du Grand Empereur« sign¦ par P.M. Raffatin — Savigny-lÀs-Beaune; une hypoth¦tique »R¦serve Empereur Napol¦on« sign¦e par H. Aufiffred, n¦gociant — Beaune, l’une des marques de la Maison Bouchard A„n¦ & Fils, l’¦tiquette comportant mÞme et avec audace »Fournisseur brevet¦ de S.M. l’Empereur Napol¦on«; plusieurs vins portant plus r¦cemment Cuv¦e de l’Empereur (Charles Vi¦not) ou Cuv¦e Napol¦on (J. Battault & Cie, Dufouleur PÀre et Fils, etc.). Il s’agit l— d’¦tiquettes datant de la seconde moiti¦ du XXÀme siÀcle. Membre de la Sabretache et viticulteur — Gevrey-Chambertin, Vincent Bourgeot d¦die longtemps ses cuv¦es aux personnages et aux batailles victorieuses de l’¦pop¦e imp¦riale. Il a cess¦ son activit¦ en 2008. Enfin le monument de FranÅois Rude — Fixin illustre l’¦tiquette du Clos Napol¦on, Domaine Gelin38. La marque Champagne Napol¦on a ¦t¦ d¦pos¦e le 5 juin 1907 par la Maison Ch. et A. Prieur — Vertus. Elle demeure exploit¦e de nos jours. Une Cuv¦e Napol¦on existe en Touraine au Domaine Jacky Preys & Fils. Une autre a exist¦ (1973 – 1985) au sein de la coop¦rative des vignerons de Buzet. De la Sposata au Chambertin, Napol¦on reste fidÀle — la vigne de son enfance dont il n’a presque jamais bu le vin, mais dont il a connu les raisins et le mythe familial; puis il s’attache — un vin dont il ignore l’origine : le lieu, le producteur, l’histoire, sans chercher — les identifier. Sait-il que le Chambertin est un vin de Bourgogne ? Certainement. Il n’a durant sa vie jamais visit¦ ce village. Est-il pass¦ sur la grand’route devant le grand cru ? Sans doute, soit dans sa jeunesse — Autun puis — Auxonne, soit lors de ses deux passages — Dijon en 1800. On a beaucoup ¦pilogu¦ sur les causes de sa mort. L’empoisonnement n’est guÀre convaincant. S’il n’a souffert d’aucun excÀs de vin, il ne faut pas Þtre grand m¦decin pour comprendre — quel point son estomac fut malmen¦ par des repas trop rapides et d¦s¦quilibr¦s. Pour la plupart ses compagnons regagneront la 37 Las Cases, op. cit. t. 2, p. 352, — la date du 8 mars 1816. 38 Bazin, Jean-FranÅois : L’Etiquette du vin en Bourgogne et Beaujolais. M–con et Cluny [JPM Editeur] 2003, pp. 195 — 197.

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France en bonne sant¦ et on ne peut reprocher — une cuisine sans doute difficile sur l’„le la cause du d¦cÀs imp¦rial. Le vin fut pour lui un lien constant avec la vie, quotidien et reposant sauf — Sainte-H¦lÀne et – comme c’est souvent le cas pour nous tous – fond¦ sur la douceur des souvenirs d’enfance et de jeunesse.39

39 On consultera avec profit : Jacques Garnier et Vincent Bourgeot dans : Napol¦on et le vin de Bourgogne, Magazine Napol¦on Ier, n8 24, janvier-f¦vrier 2004, p. 52 — 55. De mÞme en serat-il du catalogue de l’exposition La Cave de Jos¦phine – Le Vin sous l’Empire — Malmaison, R¦union des Mus¦es nationaux, Paris 2009 – — l’occasion de l’exposition pr¦sent¦e successivement en 2009 – 2011 au Mus¦e national des ch–teaux de Malmaison et Bois-Pr¦au; au Mus¦e Napol¦on Thurgovie, ch–teau et parc d’Arenenberg, Salenstein (Suisse); au Museo Napoleonico — Rome. Cet ouvrage contient plusieurs ¦tudes sur les sujets ¦voqu¦s ici, une bibliographie exhaustive et une iconographie particuliÀrement riche.

David Chaillou (Arras)

Musiques et musiciens européens dans le Paris de Napoléon Ier

Introduction L’attrait musical de Paris ne date pas de Napol¦on. On se rappelle les deux voyages du jeune Mozart — la cour du roi de France et sa volont¦ de s’y imposer gr–ce — l’appui du futile baron Grimm. Ce fut un ¦chec et Mozart repartit en 1782, avec la seule proposition d’un poste d’organiste — Versailles, poste qu’il refusera. L’instabilit¦ des ann¦es r¦volutionnaires et la disparition du pouvoir monarchique ne firent pas pour autant de Paris un d¦sert musical. Les musicologues Boris Schwarz dans son French music between the revolutions (1789 – 1830)1et James H Johnson dans Listening in Paris2 ont bien montr¦ que l’activit¦ musicale ne diminua pas en intensit¦, mais se transforma. Cependant, gr–ce — la stabilit¦ retrouv¦e du d¦but du XIXÀme siÀcle et l’affirmation du pouvoir personnel du nouvel empereur Napol¦on, Paris redevint un centre musical trÀs attractif avec la pr¦sence d’une cour, comme sous l’Ancien R¦gime, et le retour d’emplois de musiciens officiels. Au fil des conquÞtes, Paris devint la capitale d’un territoire qui ne cessera de cro„tre pour, petit — petit, englober un espace presque continental. En 1810, le mariage de Napol¦on avec Marie-Louise d’Autriche va renforcer la dimension europ¦enne de l’Empire franÅais. Et, lorsque Marie-Louise donnera naissance — un fils, Napol¦on lui affectera un titre lourd de symboles. Il ne sera pas duc comme plus tard le duc de Berry, fils du frÀre cadet de Louis XVIII, mais bien roi de Rome, c’est-—-dire roi d’une cit¦ ¦ternelle, inclue dans un Empire — la taille de l’Europe. Comment notre nouveau Charlemagne va-t-il assurer le rayonnement artistique de la capitale de cet immense territoire ? Consul puis empereur, Napol¦on a l’ambition de se comporter en m¦cÀne protecteur des arts et des lettres, tout 1 Schwarz, Boris, French instrumental music between the revolutions (1789 – 1830), New York, Da Capo Press 1987, p. 6. 2 Johnson, James H., Listening in Paris : A cultural history, Berkeley, University of California Press 1996, 363 p.

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comme Louis XIV, son modÀle en la matiÀre. En 1807, une contemporaine, madame Dorcy, s’enthousiasme : »[…] Il y a maintenant plus d’artistes que jamais parce que la paix ne laisse que la gloire des arts — acqu¦rir […]«3 Le jugement est sans doute un peu trop idyllique. Faut-il croire que l’Empire de Napol¦on se transformerait en un pacifique Empire des muses pour reprendre le titre du livre de Jean-Claude Bonnet ? Le bruit du canon malheureusement assombrira cette image. Sang, souffrances et d¦faites seront le quotidien des FranÅais qui trouveront dans les plaisirs artistiques une diversion — la guerre. Et c’est en Empereur vaincu que Napol¦on abdiquera en 1814 et quittera la France pour l’„le d’Elbe. Parmi les arts go˜t¦s des FranÅais, la musique occupe une place — part. Elle suscite mÞme depuis la fin des ann¦es 1790 un v¦ritable engouement — Paris, illustr¦ par l’intense activit¦ de la musique de salon o¾ se mÞlent professionnels et amateurs. En 1796, dans sa correspondance, le c¦lÀbre violoniste Pierre Baillot invente mÞme plaisamment le terme de »musicoragicomanie« pour d¦crire la boulimie de musique qui s’empare de la soci¦t¦ parisienne : La maladie va toujours son train, ¦crit Baillot. […] Il n’est pas un cercle qui ne soit devenu un concert, toutes les tables sont des pianos, les femmes des musiciennes, les hommes de petits Garat. Dans l’espace d’un quart d’heure, on a chant¦ trois op¦ras de Gluck, on a parcouru quelques finals italiens […] On a jou¦ des pots-pourris, des romances et une grande sonate de Steibelt […] Quand les voix sont fatigu¦es on attaque le quatuor4.

Cette faim de musique traduit un nouvel ¦tat d’esprit, qui d¦passe le seul domaine musical et dont l’origine concide avec la p¦riode du Directoire .Ce temps est celui de la recherche de tous les plaisirs et trouve son prototype dans le citoyen Barrat connu pour sa vie libertine et dispendieuse. Le contemporain S¦bastien Mercier, auteur du Nouveau Paris, qualifie ce climat d’»esprit d’insouciance« : Jamais, ¦crit-il, il n’y eut autant de spectacles, de concerts, de danses, de repas, de traiteurs, de limonadiers, de jardins publics, de feux d’artifice, de journaux et de marchands de vin. C’est une sorte de ph¦nomÀne que cette vari¦t¦ d’amusements au milieu de la guerre la plus meurtriÀre, — la suite d’une r¦volution qui n’e˜t d˜ faire na„tre que les id¦es les plus m¦lancoliques ; que cet appareil d’opulence qu’¦taient les particuliers, au milieu de la d¦tresse du gouvernement ; que cet esprit d’insouciance, de dissipation et de prodigalit¦ qui s’est empar¦ de toutes les classes5. 3 Lettre XXXI, de Madame Dorcy — la Comtesse de Roseville cit¦ dans Paris en province et la Province — Paris , Ducrest, Georgette, Paris, Lavocat, 1831, volume 2, p.72. 4 Lettre du 6 octobre 1796, cit¦e par Sappey, Brigitte-FranÅois »Pierre-Marie-FranÅois Baillot (1771 – 1842) par lui-mÞme«, Recherche sur la musique franÅaise classique, 18 (1978), p. 202. 5 Mercier, Louis-Sebastien, Paris pendant la R¦volution ou le nouveau Paris, Paris, PouletMalassis ¦diteur, reed 1862, volume 2, chapitre CCLVII »affiches en 1796«, p. 429.

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Les ann¦es 1796 – 1797 marquent aussi l’affirmation d’une nouvelle classe dirigeante qui prendra encore de l’importance sous le Consulat et l’Empire. Sortie du rang par les armes ou les affaires elle n’a pas reÅu la culture en h¦ritage. Elle est donc moins savante que sous la monarchie, mais tout aussi curieuse. Sous le Consulat, les lois d’amnistie ainsi que la place retrouv¦e de la religion catholique incitent l’ancienne classe dirigeante d’avant 1789 — revenir en France et — se m¦langer — la nouvelle. C’est dans les rangs de l’Ancienne noblesse, que Napol¦on choisira certains personnages clefs de la nouvelle administration des beauxarts. C’est le cas du comte de R¦musat qui occupera le poste strat¦gique de surintendant des spectacles — partir de 1807. C’est lui qui coordonne la vie des spectacles parisiens et ne prend ses ordres que de l’Empereur lui-mÞme, sans passer par un ministÀre. Par ses origines, le comte de R¦musat r¦pond bien — la volont¦ de Napol¦on d’unir le pr¦sent et le pass¦. R¦musat est apparent¦ par sa femme, madame de R¦musat, au ministre des affaires ¦trangÀres de Louis XVI, Charles Gravier comte de VergÀnes. Toutes ces figures se retrouveront au spectacle — la fois pour entendre et voir mais aussi pour Þtre vues. Elles ne constituent pas cependant le seul public qui se rend au th¦–tre et ¦coute de la musique — Paris. Comme le souligne le trÀs moralisateur S¦bastien Mercier : […] Toutes les classes se confondent chez Nicolet [le th¦–tre de la Ga„t¦ qui repr¦sente des pantomimes] comme — l’Op¦ra. Le peuple qui n’allait autrefois que l— se pique aujourd’hui de venir ici. Qu’on ne croie point cependant qu’il ait gagn¦ du cút¦ de l’instruction et que des go˜ts qui paraissent plus d¦licats supposent d’autres mœurs : mais la chert¦ de la maind’œuvre, fruit du r¦gime r¦volutionnaire, a r¦pandu dans les derniÀres classes une aisance inconnue jusqu’alors, qui permet — l’artisan de satisfaire ses penchants pour la d¦bauche […]6.

Ainsi, Paris est-il sous le Consulat et l’Empire un carrefour important de la vie artistique. En est-il pour autant une place ouverte — des musiciens et — des musiques venues d’ailleurs ? Si oui, quelles sont les tÞtes d’affiches O¾ entend-on de la musique et laquelle a les faveurs du public ?

6 Mercier, Louis-S¦bastien, Paris pendant la R¦volution ou le nouveau Paris, Paris, PouletMalassis ¦diteur, r¦¦d. 1862, volume 2, chapitre CCLVII »affiches en 1796«, p. 430 – 31.

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I

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Les lieux de musique à Paris sous Napoléon

Les théâtres Au d¦but du XIXe siÀcle, les th¦–tres parisiens jouent un rúle consid¦rable dans la diffusion de la musique. Certes ils sont beaucoup moins nombreux que sous la R¦volution o¾ la loi sur la libert¦ des th¦–tres de 1791 avait suscit¦ une floraison de nouvelles salles. Ils n’en demeurent pas moins extrÞmement actifs. On peut en juger par rapport comptable de 1817 – 1818, qui d¦crit une situation assez proche de celle de l’Empire puisque un seul th¦–tre a ouvert ses portes depuis 1806 : la salle Favart, cr¦¦e en 1817. Ce rapport chiffre — 3 297 le nombre de repr¦sentations par an dans la capitale. La part des œuvres nouvelles y est trÀs importante. Ce mÞme rapport estime — 16 924 le nombre de places disponibles. Il ¦value — 6 816 individus la population payante qui se rend au spectacle chaque soir soit et »— peu prÀs 1/100 de la population de la Ville«. On doit faire observer, continue le rapport, qu’il y a, outre cette population payante, une population non payante qui reÅoit en vertu de diff¦rents droits sur concession, des entr¦es de faveur ou des billets gratuits […] On ¦value le nombre de ces entr¦es en billet — 3 000 au moins par jour ; ce qui porterait la population moyenne des th¦–tres — 10 000 personnes […]7.

C’est donc un trÀs large public de Parisiens qui se rend au th¦–tre chaque soir et ce malgr¦ la suppression sous l’Empire de beaucoup de scÀnes de spectacles. Depuis les d¦crets de 1806 – 1807, Paris ne compte que neuf ¦tablissements th¦–traux, dont quatre th¦–tres subventionn¦s, auxquels s’ajoutent ce que l’on nomme — l’¦poque les »spectacles de curiosit¦« tels que le Cirque Olympique des FrÀres Franconi, ¦cuyers virtuoses, et les Jeux Gymniques (anciennement appel¦s le Th¦–tre de la Porte Saint-Martin, grand concurrent de l’Op¦ra). G¦ographiquement, la plupart des th¦–tres se trouvent au cœur de Paris. Comme l’a montr¦ la chercheuse Nicole Wild, la rue de Richelieu est jusqu’ en 1848 l’axe le long duquel, entre le boulevard des Italiens et le Palais Royal, sont regroup¦s les principaux th¦–tres. L’Op¦ra se situe — l’angle de la rue Louvois et de la rue de Richelieu, la Com¦die FranÅaise rue Richelieu tandis que les th¦–tres plus populaires, de second rang se situent du cút¦ de la rue du Temple.8 Chaque th¦–tre possÀde une sorte de monopole sur un genre donn¦, ce qui 7 B.O., 12 813, Tableau pr¦sentant avec le produit du droit perÅu pour les pauvres la population moyenne payante dans les onze principaux th¦–tres de la ville de Paris, d¦duits de leur recette moyenne du nombre de leurs repr¦sentations, de la quantit¦ de places, qu’ils contiennent et des prix des diff¦rentes places pour les ann¦es 1817 et 1818. 8 Wild, Nicole. Dictionnaire des th¦–tres parisiens au XIXe siÀcle : les th¦–tres et la musique, Paris : Aux Amateurs de livres, 1989, p. 937.

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n’empÞche pas toutes ces scÀnes de disposer d’un orchestre. Par exemple la Com¦die FranÅaise, premier th¦–tre pour la trag¦die, fait aussi entendre de la musique en ouverture de ses spectacles et aux entractes. L’orchestre le plus important de la capitale est celui de l’Op¦ra, l’Acad¦mie Imp¦riale de Musique, qui tourne autour de soixante-dix musiciens. A titre de comparaison la Com¦die FranÅaise ne dispose quant — elle que d’un orchestre d’une vingtaine de musiciens, l’Op¦ra Buffa en compte quarante-six.

Quelles sont les attributions de chaque théâtre ? Le rÀglement pour les th¦–tres du 25 avril 1807 les pr¦cise. Le Th¦–tre FranÅais, l’actuelle Com¦die FranÅaise, est sp¦cialement d¦di¦ — la trag¦die et — la com¦die mais de faÅon non exclusive. Le Th¦–tre de l’Imp¦ratrice peut lui aussi monter des com¦dies. L’Acad¦mie Imp¦riale de Musique est consacr¦e au chant et — la danse en langue franÅaise. Le th¦–tre de l’Op¦ra Comique ne repr¦sente que des piÀces mÞlant dialogues et chant en langue franÅaise mais pas seulement puisque on lui annexe une troupe d’Op¦ra Buffa qui pr¦sente des piÀces en langue italienne. A cút¦ de ces th¦–tres institutionnels b¦n¦ficiant de subventions figurent des scÀnes secondaires. On en trouve cinq en avril 1807. Le Th¦–tre du Vaudeville, qui repr¦sente de petites piÀces mÞl¦es de couplets sur des airs connus, le Th¦–tre des Vari¦t¦s qui ne joue que des piÀces dans le genre villageois et grivois, le Th¦–tre de la Porte Saint-Martin, destin¦ aux m¦lodrames ; le Th¦–tre de la Ga„t¦ o¾ ne figurent que des pantomimes et des arlequinades et enfin le Th¦–tre des Vari¦t¦s ¦trangÀres destin¦, comme son nom l’indique, aux piÀces ¦trangÀres traduites. Ce th¦–tre eut une existence trÀs ¦ph¦mÀre puisqu’il ferma ses portes quelques mois aprÀs son ouverture, le 15 ao˜t 1807. On y donnera des piÀces traduites de l’allemand comme C’¦tait moi de Kotzebue, jou¦ le 25 mai 18079, ainsi que d’autres traduites de l’anglais comme les farces de David Garrick, ou les com¦dies narquoises de l’Irlandais Richard Brinslay Sheridan. La scÀne parisienne brille donc par son ¦clectisme. Elle dispose d’une salle pour l’op¦ra franÅais, d’une scÀne pour l’op¦ra italien et d’une autre pour les piÀces ¦trangÀres. On y entend des op¦ras comiques, des op¦ras-buffas, des op¦ras franÅais, des chansons.

9 Boursault-Malherbe, Jean-FranÅois, C’¦tait moi, com¦die en 1 acte imit¦e de l’allemand Kotzebue par Jean-FranÅois Boursault, Paris, Renouard 1807, 44 p.

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Les concerts publics Mais les th¦–tres parisiens n’accueillent pas uniquement la musique vocale. En dehors des repr¦sentations th¦–trales, il n’est pas rare d’assister, dans certaines maisons de spectacle, — des concerts publics qui associent musique instrumentale et musique lyrique. C’est le cas par exemple de l’Acad¦mie Imp¦riale de Musique, du Th¦–tre Olympique ou du Th¦–tre de l’Imp¦ratrice. On peut se faire une id¦e du contenu de ces concerts gr–ce aux annonces publi¦es dans la presse parisienne. Ainsi le Journal de l’Empire du 6 avril 1812 d¦taille le programme d’un concert au Th¦–tre de l’Imp¦ratrice. On y jouera une symphonie de Haydn, un duo de Cimarosa, un concerto ¦crit par la premiÀre clarinette de l’Acad¦mie Imp¦riale de Musique, J.-F. Dacosta, un duo de Paer, un concerto pour piano du jeune H¦rold. Le programme mÞle donc musique italienne, musique allemande et musique franÅaise et fait la part belle aux œuvres de compositeurs vivants (Dacosta, Paer, H¦rold)10. C’est l— une constante de la scÀne de l’¦poque, les œuvres les plus repr¦sent¦es sont celles ¦crites par les compositeurs contemporains. MÞme ¦clectisme dans les concerts publics du Conservatoire de Paris cr¦¦ en 1795. Selon le critique FranÅois Joseph F¦tis, ces concerts, dispens¦s par les ¦lÀves du Conservatoire, finissent par leur qualit¦ — »remplacer tous les autres concerts«11. En 1828, ils prendront le nom de la Soci¦t¦ des Concerts et ce sont eux qui populariseront au cours du XIXe siÀcle les symphonies de Beethoven — Paris. DÀs leur cr¦ation ces exercices du Conservatoire assoient leur r¦putation sur l’interpr¦tation des symphonies et de concertos. A partir de 1804, ces exercices deviennent plus fr¦quents. Alexandre Choron et FranÅois Fayolle dans leur Dictionnaire historique des musiciens affirment abusivement que ce sont »les seuls concerts que l’on entende r¦guliÀrement — Paris«12. S’ils ne sont pas les seuls, leur prestige ¦clipse en partie les autres. En 1811, Les concerts du Conservatoire ¦migrent dans une nouvelle salle construite par Jean Delannoy. Elle contenait — l’origine 1000 places. C’est dans cette salle qu’eut lieu la premiÀre de la Symphonie fantastique de Berlioz en 1830. Le Conservatoire pouvait compter sur soixante-dix-sept musiciens en 1814, un nombre comparable — celui de l’orchestre de l’Op¦ra.

10 Journal de l’Empire, 6 avril 1812. 11 Fetis, Jean-FranÅois, Curiosit¦s historiques de la musique compl¦ment n¦cessaire de la Musique — la port¦e de tout le monde , Paris, Janet et Cotellet, 1830, p. 355. 12 Choron, Alexandre / Fayolle, FranÅois-Joseph-Marie, Dictionnaire histoire des musiciens, artistes et amateurs morts ou vivants, Paris, Chimot, 1817, vol.1, p. 149.

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Les spectacles de la cour A cút¦ de ces lieux de spectacle ouverts — tout public, il en existe d’autres r¦serv¦s — un public choisi. Je pense en particulier aux spectacles de la cour de Napol¦on. Pendant tout son rÀgne, Napol¦on organisera pour ses familiers et lui-mÞme des repr¦sentations th¦–trales ou des concerts, — Fontainebleau, aux Tuileries, — la Malmaison ou — CompiÀgne. Il s’agit le plus souvent d’œuvres jou¦es sur les th¦–tres parisiens que l’Empereur souhaite entendre ou r¦entendre puisque Napol¦on se rend lui aussi au spectacle. Mais, comme dans un salon, la cour ¦coute parfois une s¦rie de morceaux choisis pour l’occasion. Ce fut le cas du programme du 9 f¦vrier 1807, reproduit plus tard par Berlioz dans ses Soir¦es de l’orchestre. Intitul¦ »Grand concert franÅais et italien«, il comporte un pot-pourri d’airs. Lors de cette soir¦e, Gr¦goire le responsable de ces spectacles, fut s¦vÀrement critiqu¦ par Napol¦on. Pourquoi ? Parce que Gr¦goire avait fait dessiner sur le programme des ¦toiles qui augmentaient en taille puis rapetissaient. Napol¦on cru d¦celer dans cette frise une allusion — sa fortune pass¦e, pr¦sente et future13. C’est pour dire la susceptibilit¦ de Napol¦on ou sa fragilit¦. A la cour de Napol¦on on entend aussi de la musique religieuse. En redonnant une place au culte catholique dans la soci¦t¦ qu’il veut b–tir Napol¦on ressuscite par la mÞme occasion la musique religieuse qui avait disparu sous la R¦volution franÅaise. S’inspirant de la chapelle royale supprim¦e en 1790, Bonaparte cr¦ait — Paris la chapelle consulaire en 1802. Son premier service d¦bute le 20 juillet 1802. Install¦e au Tuileries, elle a pour vocation d’assurer les services dominicaux, de se produire lors des c¦r¦monies officielles et de suivre la cour consulaire dans ses d¦placements. La chapelle plac¦e sous la direction d’un directeur musical va susciter un nombre important de musiques nouvelles.

La politique musicale de Napoléon A travers la g¦ographie de ces lieux consacr¦s — la musique, leur destination et la hi¦rarchie des salles, se dessine toute la politique de L’Empereur dans le domaine de la musique, une politique aussi combattive que dans les autres domaines. Napol¦on n’est pas lui-mÞme musicien. On dit mÞme qu’il n’a pas d’oreille. Il chanterait faux et ne pratique aucun instrument de musique. Mais cela 13 Berlioz, Hector, »Les concerts des Tuileries sous l’Empire – susceptibilit¦ singuliÀre de Napol¦on ; sa sagacit¦ musicale«. Revue et Gazette musicale de Paris, 20 ao˜t 1837.

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n’empÞche pas le souverain d’Þtre trÀs sensible — la musique et de d¦velopper une v¦ritable politique musicale. Quelle est-elle ? On peut la r¦sumer ainsi : Napol¦on d¦fendra la musique nationale, c’est-—dire le chant franÅais, tout en accueillant le meilleur des musiques ¦trangÀres, c’est-—-dire essentiellement les musiques italienne et allemande qui rÀgnent alors sur l’Europe. Le chant franÅais, nous l’avons vu, est la sp¦cialit¦ exclusive de l’Op¦ra de Paris, appel¦e. J’ai montr¦, dans mon ouvrage, Napol¦on et l’Op¦ra comment l’Empereur s’est attach¦ — redonner tout son lustre — cette premiÀre scÀne franÅaise. Non seulement pour servir le rayonnement de la France mais aussi pour glorifier, — travers les th¦matiques et les h¦ros de l’Op¦ra, sa propre personne. Je ne m’¦tendrai pas sur les d¦tails de cette propagande imp¦riale. Sachez simplement que Napol¦on subventionne massivement l’Acad¦mie Imp¦riale de Musique et cr¦e en 1811 une taxe — son profit sur tous les concerts de la capitale14.

II

Les musiciens italiens à Paris

Venons-en aux musiques ¦trangÀres et pour commencer — la musique italienne, chÀre au cœur de l’Empereur.

Les chanteurs Napol¦on cherche — attirer — Paris les talents qu’il juge les plus remarquables. Ainsi fait-il venir — grands frais des artistes italiens chanteurs et compositeurs. Ces musiciens peuvent s’exprimer au sein de la musique de l’Empereur, dans les spectacles de la cour ou bien sur d’autres scÀnes. Nous avons vu qu’il existe sous le Consulat et l’Empire une troupe permanente d’Op¦ra Buffa — Paris. Gr–ce — la volont¦ de Napol¦on, cette troupe sera maintenue et h¦berg¦e, dÀs le 19 juillet 1804, par le Th¦–tre de l’Imp¦ratrice. Au th¦–tre de l’Od¦on — partir de juin 1808, elle ne repr¦sentait que des œuvres en langue italienne. Ainsi dix — vingt op¦ras »buffa« ¦taient cr¦¦s chaque ann¦e En 1810, Napol¦on alla plus loin en permettant l’interpr¦tation d’op¦ras »seria« : Le premier — Þtre jou¦ — Paris fut Pirro, compos¦ en 1787 par Paisiello. C’est sur cette scÀne que les Parisiens entendirent dans leur version originale des œuvres de Mayr, Weigl, et surtout de Mozart. Ils d¦couvrirent ainsi les Nozze di Figaro (1807), Cosi fan tutte (1809) et en 1811 ils

14 Chaillou, David, Napol¦on et l’Op¦ra, Paris, Fayard, 2004, 542 p.

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purent entendre en italien Don Giovanni d¦j— donn¦ en franÅais en 1805 — l’Acad¦mie Imp¦riale de musique aprÀs l’arrangement de Kalkbrenner15. Pourquoi Napol¦on manifeste-t-il un tel int¦rÞt pour la musique italienne plutút que pour la musique allemande ? Comme Stendhal, l’Empereur go˜te cette musique au plus haut point. Sans doute partage-t-il l’opinion de ses contemporains qui estiment que les chanteurs franÅais hurlent l— ou les Italiens chantent. Ne parle-t-on pas — l’¦poque d’ »urlo francese«16 pour d¦signer cette faÅon peu harmonieuse qu’ont les chanteurs franÅais d’interpr¦ter des airs dans leur langue ? Ce d¦faut ¦tant attribu¦ — la faiblesse de leur technique vocale, on a l’id¦e de faire venir des chanteurs qui puissent leur servir de modÀles et les faire progresser. L’aristocrate russe, le comte de Pahren, amateur de musique, en salue l’heureux effet dans une lettre adress¦e au marquis de Bligny : »Pendant qu’on applaudissait — outrance chez vous les cris forcen¦s de Lain¦, d’Adrien, et de Mademoiselle Maillard, on couronnait — Florence Crescentini, David et Madame Grassini. Maintenant vos chanteurs le disputent — ceux qui leur servirent de modÀles et la France pour la musique, comme pour la peinture, n’a plus rien — envier — ses voisins«17.

La m¦thode employ¦e par Napol¦on pour attirer des artistes est exp¦ditive. C’est souvent aprÀs les avoir rencontr¦s lors de ses voyages qu’il demande, ou plutút ordonne, aux artistes de faÅon brutale de le suivre — Paris. De cette maniÀre plus militaire qu’imp¦riale, Napol¦on embauche le castrat Crescentini et la contralto madame Grassini — Vienne, — l’issue d’un concert. MÞme chose pour madame Paer et monsieur Brizzi. La scÀne se passa sans doute de la faÅon dont l’imagine l’historien du th¦–tre Louis Henri Leconte. Lors d’une soir¦e — la cour de l’¦lecteur de Saxe — Dresde en 1806 Napol¦on est subjugu¦ par ce qu’il vient d’entendre et s’adresse — madame Paer : »Vous chantez comme un ange quels sont vos ¦moluments ? -Sire, 15 mille francs r¦pond la cantatrice. 15 Voir Mongredien Jean, La musique en France : des LumiÀres au Romantisme, Paris, Flammarion, 1986, 370 p. 16 Citons, — propos du hurlement franÅais, ce passage du dictionnaire de Choron et Fayolle consacr¦ au compositeur Trajetta : »M. Ginguen¦, — l’article »crier« de l’Encyclop¦die m¦thodique, partie de la musique, rapporte l’anecdote suivante »Dans la Sofonisba de Trajetta, cette Reine se jette entre son ¦poux et son amant qui veulent combattre. »Cruels, leur dit-elle, que faites-vous ? Si vous voulez du sang, frappez, voil— mon sein« et comme ils s’obstinent — sortir, elle s’¦crie : »O¾ allez-vous ? Ah ! non.« Sur cet Ah ! l’air est interrompu. Le compositeur, voyant qu’il fallait ici sortir de la rÀgle g¦n¦rale, et ne sachant comment exprimer le degr¦ de voix que l’actrice devait donner, a mis au-dessus de la note sol, entre deux parenthÀses ( un urlo francese). C’¦tait en connaissance de cause, que Trajetta nommait hurlement franÅais le cri le plus aigu que p˜t former la voix humaine«. Choron, Alexandre / Fayolle, FranÅois Joseph-Marie, Dictionnaire histoire des musiciens, artistes et amateurs morts ou vivants, Paris, Chimot, article Trajetta, vol 2. p. 384. 17 Cit¦ par Ducrest, Georgette, Paris en province et la Province — Paris, Paris, Lavocat, 1831, par Volume 3, p. 141.

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-Vous en recevrez trente. Monsieur Brizzi, vous me suivrez aux mÞmes conditions. -Mais nous sommes engag¦s. -Avec moi. Vous le voyez, l’affaire est termin¦e ; le prince de B¦nevent se charge de la partie diplomatique«18 L’histoire ne raconte pas quelle fut la r¦action de l’¦lecteur de Saxe, somm¦ d’accepter les exigences de Napol¦on mais la conclusion pourrait nous Þtre donn¦e par cette phrase du comte de R¦musat s’adressant au directeur de l’Op¦ra : »Les d¦sirs de l’Empereur sont des ordres«19. Tous les musiciens que je viens de mentionner – Paer, Crescentini, Brizzi, madame Grassini – vont constituer la troupe personnelle de l’Empereur. Madame Grassini fut la premiÀre cantatrice de sa musique particuliÀre de 1807 — 1814. La petite histoire retint que, jeune g¦n¦ral, Bonaparte l’avait rencontr¦e lors de la campagne d’Italie et qu’ils ¦taient devenus alors intimes.

Crescentini Parmi ces chanteurs, attardons-nous sur la figure de Crescentini. Mademoiselle Avrillon, une familiÀre de la cour, fait part de l’admiration que lui portait Napol¦on : De la loge o¾ j’¦tais, je voyais parfaitement avec ma lorgnette la figure de Sa Majest¦ ; pendant que Crescentini chantait, elle ¦tait, sans exag¦ration, rayonnante de plaisir. L’Empereur s’agitait sur son fauteuil, parlait fr¦quemment aux grands officiers de l’Empire qui l’entouraient et semblait vouloir leur faire partager l’admiration qu’il ¦prouvait20.

L’Empereur d¦corera d’ailleurs Crescentini du titre de chevalier de l’ordre de la couronne de fer. Cette d¦coration donna lieu au mot c¦lÀbre de la chanteuse Grassini, perfidie qui fit sensation — l’¦poque : »Il le m¦rite sans doute, ne f˜t-ce qu’— cause de ses blessures«21. 18 Cit¦ par Lecomte, Louis-Henry, Napol¦on et le monde dramatique, Paris, Daragon, 1912, pp. 446 – 447. 19 Cit¦ par Chaillou, David, Napol¦on et l’Op¦ra, Paris, Fayard, 2004, 352 p. 20 M¦moires de Mlle Avrillion, [premiÀre femme de chambre de l’imp¦ratrice, sur la vie priv¦e de Jos¦phine, sa famille et sa cour, Paris, Mercure de France, 1969, p. 198. 21 L’anecdote fut reprise par Napol¦on lui-mÞme lors de ses conversations avec Las Cases — Sainte-H¦lÀne en avril 1817 : »Napol¦on, dans le cours de la conversation, parla d’eunuques, et observa que l’usage de mutiler ainsi des hommes ¦tait honteux et criminel. Je l’ai aboli, ditil, dans tous les pays sous ma domination; je l’ai mÞme d¦fendu — Rome, sous peine de mort. Je me rappelle, ajouta-t-il, un incident relatif — un homme ainsi mutil¦. C’¦tait Crescentini, excellent virtuose, qui chantait souvent en ma pr¦sence et me causait beaucoup de plaisir. D¦sirant encourager le m¦rite dans tous les genres, et comme c’¦tait pour son malheur, et non par sa faute, qu’il avait ¦t¦ mutil¦, je lui donnai la croix de la Couronne de Fer. Cet acte d¦plut — beaucoup de personnes, qui dirent qu’un Þtre qui n’¦tait pas homme ne devait pas porter un

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Les compositeurs Paisiello Napol¦on fait aussi venir des compositeurs. C’est le cas de Paisiello qu’il nomme, sous le Consulat, directeur musical de la chapelle des Tuileries. Les conditions sont fastueuses : — Paris, Paisiello a la jouissance d’un logement et d’un carrosse et dispose d’un salaire mensuel de 1000 francs. Le Th¦–tre de l’Op¦ra lui commande une piÀce, Prosp¦rine, cr¦¦e le 28 mars 1803. C’est encore le mÞme Paisiello qui ¦crit une partie des œuvres du sacre de l’Empereur en 1804. Malgr¦ ces moments prestigieux, la collaboration se r¦vÀle un peu d¦cevante. Prosp¦rine est un ¦chec public : l’œuvre ne fut repr¦sent¦e que treize fois. Paisiello demande — partir. Il est remplac¦ dans ses fonctions par Le Sueur, professeur de Berlioz. Selon le compositeur Reichardt, pr¦sent — Paris en 1802, l’id¦e de Bonaparte en attirant Paisiello ¦tait d’ »offrir ce charmant m¦lodiste comme un modÀle — imiter aux compositeurs franÅais, de mÞme qu’il a pr¦sent¦ Visconti aux arch¦ologues et Canova aux sculpteurs«22. C’est donc un presque ¦chec.

Spontini En revanche, un autre compositeur italien, ¦lÀve de Cimarosa, va conqu¦rir la capitale, c’est Gaspare Spontini. Contrairement — Paisiello, Napol¦on n’est pour rien dans sa venue — Paris. N¦ en 1774, Spontini se fixe dans la capitale en 1803, et vit, comme beaucoup, de leÅons de chant. L— encore c’est le soutien de l’imp¦ratrice Jos¦phine qui sera d¦terminant. C’est elle qui repÀre le talent du compositeur et d¦cide de se l’attacher en le nommant en 1805 compositeur de sa chambre. Il travaille aussitút — La Vestale, son chef-d’œuvre donn¦ — l’Op¦ra en 1807, dont la partition est »mise en musique et d¦di¦e — Sa Majest¦ l’Imp¦ratrice et Reine«. Cette trag¦die lyrique en trois actes est ¦crite sur un livret d’Etienne de Jouy. Elle recevra en 1810 le prix d¦cennal de la meilleure œuvre lyrique. L’histoire se situe — Rome et raconte un amour impossible entre un jeune g¦n¦ral, Licinius (jou¦ par le t¦nor Lainez), et une jeune prÞtresse Vesta (interpr¦t¦e par la mezzo-soprano Caroline Branchu) li¦e par ses vœux de chastet¦. Alors qu’elle gardait la flamme sacr¦e, Vesta s’abandonne dans les bras de Licinius. La flamme s’¦teint. La jeune fille est d¦masqu¦e et condamn¦e — Þtre ordre r¦serv¦ aux hommes.« »Tandis que d’autres me bl–maient, madame Grassini dit : Je pense que Napol¦on a bien fait de lui donner cet ordre, il le m¦rite. Questionn¦e sur le motif de son opinion, elle r¦pliqua : Il le m¦rite, sans doute, ne f˜t-ce qu’— cause de ses blessures.« LAS CASE, M¦morial de Sainte-H¦lÀne, Delloye ¦diteur, Paris, vol. 9, p. 223. 22 Reichardt, Johann Friedrich, Un hiver — Paris sous le Consulat (1802 – 1803), Paris, Taillandier, 2003, p. 311.

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enterr¦e vivante. Mais, tandis que le sacrifice se pr¦pare, un ¦clair rallume le feu sacr¦. C’est un signe du ciel qui pardonne aux amants et les autorise — s’unir dans le mariage. Dans cette œuvre, Spontini ¦labore un discours par scÀnes sans temps mort, encha„nant les airs et les r¦citatifs. Il a retenu la leÅon de Gluck et compose un parfait modÀle pour les op¦ras franÅais futurs. Herv¦ Lacombe a montr¦ dans son ouvrage sur l’Op¦ra franÅais au XIXe siÀcle que ce sch¦ma influencera Bizet dans la structure dramatique des PÞcheurs de Perles23. Le triomphe de la Vestale permet — Spontini d’obtenir la direction artistique du Th¦–tre Italien en 1810. En deux ans il fait repr¦senter trente-quatre op¦ras sign¦s par dix-neuf compositeurs. Deux ans plus tard, le compositeur Paer remplace Spontini. L’imp¦ratrice Jos¦phine, r¦pudi¦e au profit de Marie-Louise, Spontini perd son principal appui. Il tombe alors dans une relative disgr–ce. Cherubini Alors que Spontini s’illustre — Paris, dans une œuvre au style franÅais, un autre Italien sera rang¦ parmi les repr¦sentants de la musique allemande : Luigi Cherubini, un nom sans doute familier — vos oreilles, mÞme si ses œuvres sont aujourd’hui rarement programm¦es. Cependant Beethoven considÀre Cherubini comme un compositeur remarquable. Le 15 mars 1823 il ¦crit : »Vous resterez toujours celui de mes contemporains que j’estime le plus«24. Le compliment est de taille. Alors que Spontini vint — Paris sous le Consulat, Cherubini s’y ¦tablit d¦finitivement dÀs le printemps 1786. C’est sous la R¦volution qu’il connut un grand succÀs au th¦–tre Feydeau avec Lodoiska repr¦sent¦ — partir du 18 juillet 1791 prÀs de deux cents fois. Son autre trÀs grand succÀs fut Les deux journ¦es, en 1800. Cherubini s’illustre ainsi dans le genre de l’Op¦ra Comique. Tout en composant, Cherubini part — Vienne en 1805 – 1806 comme directeur de la musique imp¦riale. Il revient — Paris et compose les Abenc¦rages, op¦ra que l’Empereur honora de sa pr¦sence le 6 avril 1813. L’œuvre est un ¦chec malgr¦ la beaut¦ des d¦cors et de la musique. Si les succÀs lyriques consacrent — Paris un compositeur, les ¦checs sont impitoyables et n’ont guÀre ¦pargn¦ les figures les plus honor¦es de la musique italienne.

23 Lacombe, Herv¦, Les Voies de l’op¦ra franÅais au XIXÀme siÀcle, Paris, Fayard, 1997, 392 p. 24 Cit¦ par Massin, Jean / Massin, Brigitte, Ludwig van Beethoven, Paris, Fayard, 1967, p. 400.

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III

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La diffusion de la musique allemande

Haydn La musique dite allemande occupe une place trÀs importante dans le paysage musical du d¦but du XIXe siÀcle. Lorsqu’on parle — cette ¦poque de style ou d’esprit allemand, l’on pense avant tout complexit¦ harmonique et primaut¦ — l’orchestre, caract¦ristiques dont, pour les Parisiens, Joseph Haydn est le parfait symbole. Ainsi le critique Geoffroy ¦crit-il au lendemain de la premiÀre de la Cr¦ation — Paris le 26 d¦cembre 1800 : »Les Italiens et les Allemands se sont partag¦s les deux domaines de la musique qui n’¦taient pas cependant pour Þtre s¦par¦s, l’harmonie et la m¦lodie […] D’un cút¦ se trouvent les scÀnes, de l’autre les symphonies«25. Voici encore une fois exprim¦e la dichotomie, typiquement franÅaise en ce temps-l—, entre musique savante et musique chantante. Haydn jouit d’une grande r¦putation dans la capitale bien qu’il ne soit jamais venu — Paris. Son œuvre est diffus¦e sous l’Empire gr–ce — la pr¦sence — Paris de proches ou d’anciens ¦lÀves. On peut citer Steibelt, Neukomm ou bien Pleyel qui publiera deux ¦ditions monumentales des compositions de Haydn — partir de 1801 (Je vous rappelle que Haydn meurt en 1809). Ses symphonies, ses quatuors sont beaucoup jou¦s. En 1810, le dictionnaire de Choron et Fayolle souligne l’apport de Haydn dans ces deux domaines. La premiÀre de La Cr¦ation constitue un autre temps fort de la vie musicale parisienne. L’œuvre est donn¦e — l’Op¦ra en d¦cembre 1800, sous la direction de Rey avec au piano Steibelt. C’est lors de ce concert que Bonaparte ¦chappera de peu — un attentat rue Saint Nicaise. A cette occasion une m¦daille d’or est frapp¦e en l’honneur du compositeur.

Mozart Alors que Haydn illustre l’esprit allemand, il est plus difficile pour les contemporains de cataloguer Mozart. Le mÞme Geoffroy voit en Mozart : »un m¦tis form¦ du m¦lange de la race allemande et de la race italienne : son naturel germanique perce toujours — travers l’¦ducation qu’il a reÅue en Italie, et son extrÞme vogue prouve que l’¦cole allemande a pr¦valu.«26. Le succÀs de Mozart — 25 Chronique du 5 Nivúse an 9, (26 d¦cembre 1800), Geoffroy, Julien-Louis, Cours de litt¦rature dramatique, ou recueil par ordre de matiÀres, Paris, Blanchard, 1820, volume 5, p. 98. 26 Chronique du 6 f¦vrier 1809, Geoffroy, Julien-Louis, Cours de litt¦rature dramatique, ou recueil par ordre de matiÀres, Paris, Blanchard, 1820, volume 5, p. 297.

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Paris est consid¦rable gr–ce — l’¦dition et aux concerts. En f¦vrier 1809, Geoffroy note que Mozart fait »l’objet d’un enthousiasme extraordinaire«27. De 1764 — 1815, on ne d¦nombre pas moins de cent quatre-vingts publications pour clavier, les opus les plus importants ¦tant imprim¦s avant les ann¦es 180318028. Parmi ce flot de publications, l’¦dition monumentale en 13 volumes de Pleyel (Rism7453 – 7466) de 1800 – 1801 jouera un rúle particuliÀrement important dans la diffusion de l’œuvre mozartienne. Sous le Consulat et l’Empire, on donnera en public certaines piÀces de Mozart. Ainsi le Requiem sera-t-il jou¦ pour la premiÀre fois — Paris, 21 d¦cembre 1804, — Saint-Germain l’Auxerrois, lors des exercices publics du Conservatoire. Mais c’est surtout la musique de th¦–tre du compositeur qui va Þtre entendue sous Napol¦on. Cela ne signifie pas que l’ensemble de la production de Mozart sera repr¦sent¦e — Paris. Il faudra attendre plus d’un siÀcle entre la premiÀre repr¦sentation int¦grale d’un op¦ra de Mozart le Mariage de Figaro de 1793 et la premiÀre en 1902 d’Idom¦n¦e — la Schola Cantorum. De plus, cette premiÀre repr¦sentation du Mariage de Figaro aura d¦j— beaucoup des d¦fauts des suivantes. Elle est d’abord donn¦e en franÅais dans une version remani¦e. Le public ne s’y trompe pas29. L’ouvrage est retir¦ de l’affiche aprÀs cinq repr¦sentations. En 1801, c’est au tour de la Fl˜te enchant¦e d’Þtre repr¦sent¦e — l’Op¦ra de Paris. L— encore le livret et la musique subissent de nombreux outrages. Berlioz se plaindra du compositeur Lachnicht, F¦tis, dans sa Biographie universelle des musiciens, parlera de monstrueuse compilation. Dans son adaptation de l’œuvre — la scÀne du chant franÅais, Lachnicht en effet ajoute des r¦citatifs, place des extraits des Noces du figaro, de la Cl¦mence de Titus ou de Don Giovanni. La presse indique mÞme que l’on trouve des extraits d’une symphonie de Haydn, et d’une sonate de Pleyel, un morceau de l’op¦ra les Pr¦tendus de Lemoine. Les mystÀres n’en furent pas moins bien accueillis par le public parisien. Ce n’est qu’en 1829 que la troupe allemande de Roeckel repr¦sentera la Fl˜te enchant¦e dans sa version originale au th¦–tre de l’Op¦ra Comique. L’Op¦ra de Paris d¦naturera une autre œuvre de Mozart le Don Giovanni cr¦¦ le 17 septembre 1805 avec ballets sign¦s par Gardel. Cette fois encore l’op¦ra est traduit en franÅais et arrang¦ par Kalbrenner. Seul l’Op¦ra Buffa donnera dans une version originale trois op¦ras de Mozart : Les nozze di Figaro le 23 d¦cembre

27 Chronique du 6 f¦vrier 1809, Geoffroy, Julien-Louis, Cours de litt¦rature dramatique, ou recueil par ordre de matiÀres, Paris, Blanchard, 1820, volume 5, p. 297. 28 Gribesnky, Jean, »Les premiÀres ¦ditions franÅaises de La Fl˜te enchant¦e.« dans : D’un Op¦ra — l’autre : hommage — Jean Mongr¦dien, Paris, Presses de l’Universit¦ Paris-Sorbonne,1996, p. 263 – 272. 29 Sherwood, Dudley, »Les premiÀres versions du Mariage de Figaro de Mozart«, Revue de Musicologie, 69 (1983), p. 55 – 83.

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1807, Cosi fan tutte en janvier 1809 et Don Giovanni en 1811. Ainsi Haydn et Mozart sont-ils bien connus du public franÅais. Qu’en est-il de Beethoven ?

Beethoven Comme l’a bien montr¦ Jean Mongr¦dien, le premier entrefilet mentionnant le nom de Beethoven serait celui paru dans le Journal de Paris le 9 septembre 1800 : »sonate — quatre mains pour le clavecin ou forte-piano œuvres VI par Louis Vanbee-Thoven«. Les ¦ditions se succÀdent et en 1810 le catalogue parisien de Beethoven comprend une quarantaine d’œuvres, dont les six quatuors de l’opus 18, l’Appassionnata pour piano et le mat¦riel de la seconde symphonie. En revanche la musique de Beethoven est moins souvent programm¦e en concert que celle de Haydn et de Mozart. Sa premiÀre symphonie est jou¦e en 1807 dans le cadre des exercices publics du Conservatoire. C’est Habeneck qui dirige. Le 10 avril 1808 on entend la cinquiÀme symphonie et la symphonie h¦roque le 5 mai 1811. Les avis sont contrast¦s. Celui qui revient le plus souvent concerne la difficult¦ de cette musique30.

Conclusion Le Paris musical de Napol¦on est donc une scÀne ouverte aux diff¦rentes influences : italienne, allemande et franÅaise. Ces musiques sont diffus¦es et font l’objet de discussions, voire de batailles intenses entre partisans enflamm¦s. Au del— des querelles d’¦coles, la connaissance de ces esth¦tiques nationales jouera un rúle important dans la formation des compositeurs de la premiÀre partie du XIXe siÀcle, d’autant que des figures comme Cherubini, et Reicha (professeur de Berlioz) sont des enseignants influents du Conservatoire de Paris. Mais revenons au programme de 1812 cit¦ pr¦c¦demment. Y figure un concerto d’un jeune compositeur, Ferdinand H¦rold, sorti du conservatoire en 1806. Ce concerto pour pianoforte s’inspire du bel canto italien. La mÞme ann¦e, en 1812, H¦rold remporte le grand prix de composition musicale et se rend — Rome — la villa M¦dicis. L’Italie n’est pas le seul pays musical qu’il d¦couvrira puisque, en 1815, il ¦prouve la n¦cessit¦ d’aller en Allemagne et en Autriche. A Vienne, il rencontrera Hummel, ¦coutera Weber et Beethoven, fera la connaissance de l’Italien Salieri. Quelle n’est pas sa surprise de constater le nombre 30 Sur la r¦ception de Beethoven en France au XIXe siÀcle regarder le livre de Beate Angelika Kraus, Beethoven-Rezeption in Frankreich, Bonn, Verlag Beethoven Haus Bonn, 2001, 368 p.

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d’op¦ras comiques et d’op¦ras franÅais jou¦s dans la capitale autrichienne. »Si je reste ¦crit-il, j’entendrai en allemand, Joconde, la Vestale, le nouveau seigneur du village, Cendrillon, Joseph, Jean de Paris, Iphig¦nie en Tauride etc., toutes piÀces de chez nous.«31. Les ¦changes sont donc fr¦quents et la musique franchit ais¦ment les frontiÀres. Que ce soit — Paris ou — Vienne, l’Europe musicale est en marche.

31 Herold, Ferdinand, Lettres d’Italie : suivies du journal et autres ¦crits, 1804 – 1833, ¦dit¦s par Herv¦ Aud¦on, Weinsberg, Musik-Edition Galland, 2008, 363 p.

Barbara Dölemeyer (Frankfurt am Main)

»…was ewig bleiben wird, das ist mein Code civil…« Napoleon als Gesetzgeber

Napoleon war bekanntlich ein Meister der politischen Inszenierung und bediente sich in umfassender Weise aller Medien zur Demonstration von politischen Ansprüchen und zum Aufbau seines Mythos. Neben den militärischen Erfolgen wurden auch seine »zivilen Taten« (fastes civils) Gegenstand dieser politischen Ikonographie. Napoleon betrachtete sein Gesetzgebungswerk als »¦ternel«, als vorbildhaft und große zivilisatorische Leistung: »Ma gloire n’est pas d’avoir gagn¦ quarante batailles et d’avoir fait la loi aux rois […], mais ce que rien n’effacera et qui vivra ¦ternellement, c’est mon code civil«. Sein persönlicher Einfluss auf die Entstehung der großen Kodifikationen, der »cinq codes«, war in der Tat beträchtlich. Der Beitrag betrachtet »Napol¦on L¦gislateur« unter zwei Blickwinkeln: zum einen skizziert er den persönlichen Einfluss des Herrschers auf die Entstehung vor allem des Code civil, und zum anderen werden Beispiele für die bildliche Darstellung Napoleons als Gesetzgeber gezeigt.

Napoleons Anteil an der Entstehung der »cinq codes« »C’est l’Empereur lui-mÞme, qui a pos¦, de ses mains triomphantes, les bases de nos lois civiles« – so motivierte Chabot in seiner Rede vom 3. September 1807 den Vorschlag, dem Code civil hinfort den Namen Code Napol¦on zu geben. Napoleon habe fix¦ »tous les grands principes par les vastes conceptions d’un g¦nie cr¦ateur,…. ». Der deutsche Jurist Nikolaus Thaddäus Gönner zitiert dies 1809 zustimmend in seinem Aufsatz über »Napoleons persönlichen Einfluss« auf den Code. Gewiss ist unter den »cinq codes« (den fünf französischen Gesetzbüchern) das Zivilgesetzbuch das einflussreichste, das glänzendste Werk, und an seiner Redaktion war Napoleon in besonderer Weise selbst beteiligt. Die Verabschiedung des Code civil ist aber im Zusammenhang der gesamten napoleonischen Gesetzgebungstätigkeit zu sehen; diese wiederum im Kontext der

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Bemühungen um die Rechtseinheit Frankreichs und um die Zentralisation der Verwaltung. Napoleon bezeichnete in seinem »Vermächtnis von Sankt Helena«, d. h. in den von Montholon aufgezeichneten Memoiren seine gesamte legislatorische Tätigkeit als eine große kulturelle Leistung : »…was nichts auslöschen kann, was ewig bleiben wird, das ist mein Code civil, das sind die Protokolle meines Staatsrates […], kurz all das Gute, das ich als Administrator, als Erneuerer der großen Familie Frankreich geschaffen habe«.1 Nach den militärischen Erfolgen der neunziger Jahre bemühte sich Napoleon zunehmend, die »zivile« Seite seiner Aktivitäten herauszustellen. Er arbeitete bekanntlich konstant daran, seine Person und seinen Namen in die Geschichtsbücher einzuschreiben und dabei stellte er immer stärker auch die Position des Gesetzgebers ins Zentrum. Während des Konsulats (1799 – 1804),2 konsolidierte er zahlreiche der revolutionären Gesetze, die im »Droit interm¦diaire« fixiert worden waren, und führte Übertreibungen zurück. Napoleon wollte die innenpolitische Ordnung stabilisieren und dem neuen Staat neue rechtliche und administrative Grundlagen geben. Dabei bemühte er sich auch intensiv um Justizreform und darum, die Gerichte auch zur korrekten Anwendung der Gesetze anzuhalten. Die »cinq codes«, d. h. die fünf Gesetzbücher für Zivil-, Straf- und Handelsrecht und die beiden Prozessordnungen, die in den Jahren 1804 bis 1810 publiziert wurden, stellen einen Ausgleich zwischen überliefertem französischem Recht und den Ideen des vernunftgeprägten Naturrechts sowie der Revolution dar. Die Leitideen der Rechtsgleichheit, Rechtseinheit, Freiheit der Person, Vertragsfreiheit, die prominent in den »Droits de l’homme et du citoyen« kristallisiert waren, sollten in den Gesetzbüchern in Paragraphen gegossen werden. Dabei wurden aber die Wurzeln der getroffenen Regelungen im vorrevolutionären Recht nicht ganz und gar abgeschnitten. Insbesondere am Zustandekommen des Zivilgesetzbuchs nahm Napoleon großen persönlichen Anteil. Während er an 59 Sitzungen des Conseil d’Etat zum Code civil intensiv und gestaltend teilnahm3, leitete er nur 2 Sitzungen der Beratung zum Code de proc¦dure civile. 1 »Entretien du 26 septembre 1816«, in: Claude-FranÅois Tristan de Montholon: R¦cits de la captivit¦ de l’Empereur Napol¦on — Sainte-H¦lÀne…, I – II, hier I. Paris 1847, S. 401; Übersetzung Eckhard Maria Theewen: Napol¦ons Anteil am Code civil (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 2). Berlin 1991, S. 15. Zum »Vermächtnis von Sankt Helena« und zu Napoleons »vier Evangelisten« vgl. Johannes Willms: Napoleon. Eine Biographie. München 2005, S. 663 ff., bes. S. 681 ff. 2 Eingeführt infolge des Staatsstreichs vom 18 Brumaire VIII (9. November 1799), vgl. J.B. Duvergier : Collection complÀte des lois, d¦crets, ordonnances, r¦glemens et avis du Conseil d’Etat, 12, S. 1 ff. 3 Das Urteil der Zeitgenossen hat Theewen (wie Anm. 1) zusammengefasst, S. 54 – 62.

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Was das den Code de commerce, das Handelsgesetzbuch betrifft, war Napoleons Initiative wichtig für die Fortführung der bereits in der Revolutionszeit begonnenen Kodifikationsarbeiten. 1801 wurde eine Kommission unter der Leitung Gorneaus eingesetzt, auf deren Zusammensetzung und Arbeitsweise er selbst Einfluss nahm.4 Die Beratung des Handelsrechts im Staatsrat wurde zunächst hinter die des Zivilprozessrechts zurückgestellt, 1805 befahl Napoleon aber, dass sie schneller voranzutreiben sei, wobei dieses Drängen möglicherweise durch aufsehenerregende Konkurse ausgelöst war.5 Die Entscheidung über die Einbeziehung des Seehandels in den Code de commerce traf Napoleon in Tilsit und teilte sie den Verantwortlichen brieflich mit.6 Der Kaiser griff, auch was die Kodifikation des Handelsrecht angeht, in Einzelfragen selbst in die Staatsratsverhandlungen ein: das gilt etwa für den Arrest des Bankrotteurs, für die Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit und den Arrest in Wechselsachen.7 Während die Bewertung der Privatrechtsgesetzbücher – sowohl durch die Zeitgenossen wie auch durch spätere Autoren – im Großen und Ganzen sehr positiv ausfiel, war das Urteil über das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung weitaus stärker geteilt. Die »justice r¦pressive«, geregelt im Code d’instruction criminelle von 1808 und im Code p¦nal von 1810, sei »de plus oppressif pour les peuples«, d. h. zu streng und unterdrückend. Man kritisierte ihre regressive Tendenz; das Strafrecht sei zu sehr dem »ancien droit«, dem vorrevolutionären Recht verpflichtet, so tönt es nicht nur aus den Beurteilungen von Charles B¦ranger (1818) und Victor Hugo (1834).8 Es gab viele kritische Stimmen. Dagegen sind die Urteile vieler praktischer Juristen und späterer Rechtspolitiker weitaus positiver. Vor allem wurden europäische Ausstrahlung und Fortwirkung vor allem des Strafprozessrechts sehr positiv betrachtet. Die Strafrechtskodifikation war ebenfalls ein wesentlicher Teil der durch Napoleon politisch gewünschten Rechtseinheit. Die beiden Codes von 1808 und 1810 gehören gewiss auch zu den Grundlagen der »France contemporaine« (Carbasse), sie blieben in Kraft bis 1958 bzw. 1994.9 Napoleon nahm selbst auch 4 Antonio Padoa Schioppa: »Handelsrecht Frankreich«, in: Helmut Coing (Hg.): Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, 3 Bde., hier Bd. 3. München 1986, S. 3152 ff., hier S. 3155. 5 Padoa Schioppa (wie Anm. 4), S. 3160 f. 6 Ebd., S. 3162. 7 Antonio Padoa Schioppa: »Napoleone e il Code de commerce«, in: Diritto e potere nella storia europea. Firenze 1982, S. 1041 – 1067. 8 So die Beurteilungen von 1818 (B¦ranger) und 1834 (Victor Hugo), zit. bei Jean-Marie Carbasse: »Etat autoritaire et justice r¦pressive. L’¦volution de la l¦gislation p¦nale de 1789 au Code p¦nal de 1810«, in: All’Ombra dell’Aquila Imperiale. Trasformazioni e continuit— istituzionali nei territori sabaudi in et— napoleonica (1802 – 1814,), Bd. I. Rom 1994, S. 313 – 333, hier S. 313. 9 Carbasse (wie Anm. 8), S. 434.

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auf die Ausgestaltung dieser Kodifikationen durch Teilnahme an zahlreichen Staatsrats-Sitzungen Einfluss.10 Er befasste sich u. a. intensiv mit dem Prinzip der Jury, d. h. der Teilnahme von Laien an der Strafgerichtsbarkeit.11 In der Wahrnehmung des napoleonischen Gesetzgebungswerks kommt jedoch dem Zivilgesetzbuch die größte Bedeutung zu; es überstrahlt sozusagen die anderen Gesetzbücher. Als »Code civil des FranÅais« trat es 1804 in Kraft; durch Dekret vom 3. September 1807 erhielt es den Namen »Code Napol¦on«, welcher nach Napoleons Niederlage 1814 sogleich wieder durch »Code civil« ersetzt wurde. Den politischen Gegebenheiten folgend, wurde es unter dem Second Empire – von 1852 bis 1870 – erneut »Code Napol¦on« genannt, nach dem Ende des Zweiten Kaiserreichs gilt es bis heute wieder als »Code civil« – ohne dass eine förmliche Änderung der Bezeichnung stattgefunden hätte.12 Napoleon wollte das »Neue Recht« auch den anderen europäischen Völkern zugänglich machen und die Verwaltungs-, Verfassungs- und Rechtsordnungen der Länder, die unter französischen Einfluss gelangten, der Verfassung Frankreichs angleichen. Der Code – als wichtigster Ausdruck und Garant der Errungenschaften der Revolution von 1789 – sollte über ganz Europa ausgebreitet werden, teils durch Überzeugung, teils durch politische Pressionen, teils gewaltsam. In den Staaten, die als »Satellitenstaaten« unter Napoleons oder seiner Verwandten Einfluss standen, konnte der Kaiser durch einfache Befehle agieren. Seinem Bruder Jerúme, dem König von Westphalen, legte er zugleich mit einer neuen Verfassung auch den Code ans Herz. Er befahl außerdem, dass Louis Napol¦on, König von Holland, per Dekret den Code in seinem Lande in Kraft setze. Damit sollte auch die gesellschaftliche und politische Angleichung in dem neuen napoleonischen Staatensystem erreicht werden. Man kann hierin einen frühen Versuch europäischer Rechtsvereinheitlichung sehen – solche Ideen kursierten, als Napoleons Macht im Zenith stand.

10 Christian Brandt: Die Entstehung des Code p¦nal von 1810 und sein Einfluß auf die Strafgesetzgebung der deutschen Partikularstaaten des 19. Jahrhunderts am Beispiel Bayerns und Preußens. Diss. Jur. Marburg / Frankfurt am Main u. a. 2002, S. 98 ff. 11 Carbasse (wie Anm. 8), S. 436. 12 Vgl. Val¦rie Lasserre-Kiesow: »Les ¦ditions du Code civil«, in: Le Code civil. 1804 – 2004. Un pass¦ – un pr¦sent – un avenir. Paris 2004, S.135 – 154; Murad Ferid / Hans Jürgen Sonnenberger : Das französische Zivilrecht, I/1. Heidelberg 21994, S. 94.

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Napoléon Législateur in der Selbststilisierung und in der späteren französischen Schau Napoleon legte von Anfang an auf die mediale Präsenz seiner Person, sein Bild in der Öffentlichkeit, großen Wert und investierte viel darein.13 Er war ein Meister der politischen Inszenierung und bediente sich zur Demonstration von politischen Ansprüchen und zum Aufbau seines Mythos als Herrschaftsinstrument umfassend aller Medien, die der Zeit zur Verfügung standen.14 Der bildenden Kunst kam bei diesen Bestrebungen eine wichtige Rolle zu. Napoleon nutzte die Bildpropaganda zur Erreichung seiner Ziele, sei es im Bereich der Historienmalerei,15 sei es in der Plastik, sei es auch im Bereich der Medaillenkunst.16 Sein wichtigster Berater und Helfer in dieser Hinsicht war der Archäologe und Historiker Vivant Denon, seit 1802 Directeur-G¦n¦ral du Mus¦e Central des Arts, der auch das große Medaillenprogramm, die Histoire m¦tallique der Taten Napoleons konzipierte. Während bis etwa 1804/1805 die Bilder der siegreichen Schlachten dominierten, diente die Kunstproduktion danach stärker der »Entmilitarisierung« des Napoleonbildes, und der Akzent verlagerte sich auch auf die »friedlichen« Erfolge des Empereurs. Hier waren die beiden wichtigsten Elemente seine Inszenierung als Gesetzgeber und daneben seine Darstellung als Förderer von Kunst und Wissenschaft. Es ging dabei für Napoleon, den »Emporkömmling« auch darum, sich von der monarchischen Tradition zu lösen und zu einer eigenen Traditionsbildung zu gelangen. In den Darstellungen Napoleons als L¦gislateur fällt auf, dass nicht die parlamentarische Entscheidung visualisiert wird sondern die Entscheidung in der Folge persönlicher Macht. Abbildungen Napoleons im Staatsrat, wie diese Szene, die allerdings aus dem Jahr 1865 stammt, sind eher selten zu finden. Die Verabschiedung des Code civil war – wie erwähnt – ein zentrales Element der zivilen Aktivitäten Napoleons; daher soll seine Rolle in der Selbststilisierung 13 Dazu Hans-Ulrich Thamer : »Macht und Repräsentation napoleonischer Herrschaft. Die symbolische Konstruktion von Legitimität im napoleonischen Empire«, in: Andreas Hedwig / Klaus Malettke / Karl Murk (Hg.): Napoleon und das Königreich Westphalen. Herrschaftssystem und Modellstaatspolitik. Marburg 2008, S. 39 – 52. 14 Allgemein vgl. FranÅois Monnier : Art. »Propagande«, in: Jean Tulard (Hg.): Dictionnaire Napol¦on. Paris 21999, II, S. 586 – 592; Jean Tulard: »L¦gende Napol¦onienne«, ebd. II, S. 175 – 176; Werner Telesko: Napoleon Bonaparte. Der »moderne Held« und die bildende Kunst 1799 – 1815. hg. von der Österreichischen Galerie Belvedere. Wien 1998. 15 Etwa durch Instrumentalisierung williger Künstler, wie Antoine-Jean Gros; vgl. David O’Brien: After the Revolution. Antoine-Jean Gros: Painting and Propaganda under Napoleon. Pennsylvania 2006. 16 Die »Histoire m¦tallique« Napoleons, ein spezielles Feld seiner Ikonographie, wurde in dem Bildband »Napoleons Medaillen« vorgestellt: Lisa Zeitz/ Joachim Zeitz: Napoleons Medaillen (»Die einzigen Zeugnisse des Ruhms, die alle Jahrhunderte überdauern«). Petersberg 2003.

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Beratungen im Staatsrat, Stich nach Phillippoteaux, 1865

des Herrschers betrachtet werden. Hier also einige Beispiele, die der l¦gende napol¦onienne dienten,17 zunächst solche der Selbststilisierung, dann solche der rückblickenden verherrlichenden Sicht, vor allem aus der Zeit des Second Empire:

1.

Selbstinszenierung und Propaganda

Als Legislator, dem es gelang, einem Gesetzbuch seinen eigenen Namen zu geben, suchte Napoleon die Parallele zu antiken Gesetzgebern insbesondere Justinian. Ein Beispiel dafür ist die Medaille auf die Verabschiedung des Code civil von 1804.

Nicolas Guy Antoine Brenet (1773 – 1846), Medaille auf den Code civil, 180418

17 R¦my Cabrillac: »Le symbolisme des codes«, in: M¦langes F. Terr¦. Paris 1999, S. 211 – 220, hier S. 213 f.: »codicol–trie« napol¦onienne. 18 Abb. : Zeitz / Zeitz: Napoleons Medaillen (wie Anm. 16), S. 100 f.

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Vs.: Napoleons Statue mit Toga und Kranz, in der rechten Hand eine Schriftrolle (das Gesetzbuch); Umschrift: NAPOLEON EMPEREUR; Signaturen des Künstlers Brenet F[ecit] und des Direktors Denon D[irexit] Rs.: Pallas Athene mit Schriftrolle; Umschrift: EN L’AN XII. LE CODE CIVIL EST DECRETÊ; Sign. des Künstlers Brenet (F) und des Direktors Denon (D) Die Vorderseite zeigt die von Antoine-Denis Chaudet geschaffene antikisierende Marmorstatue Napoleons, in der rechten Hand eine Schriftrolle, die den Code symbolisiert. Auf der Rückseite als Pendant die Statue der Pallas Athene, ebenfalls mit einer Schriftrolle in der Hand. Diese antike Pallas-Statue aus Velletri nahe Rom war auf Napoleons Geheiß 1803 nach Paris gebracht und im Laokoonsaal des Mus¦e Napol¦on aufgestellt worden.19 Wenngleich diese Medaille als nur eine in der Reihe von 141 figuriert, die das umfassende Medaillenprogramm Denons bilden, gibt es eine Reihe von anderen Bildzeugnissen, in denen an prominenter Stelle oder unterschwellig auf das Gesetzbuch hingewiesen wird, welches Napoleon als eine herausragende Leistung gewertet und als »¦ternel«, als »fortdauernd« bezeichnet hat. Wie wichtig Napoleon die Rolle des Gesetzgebers war, zeigt u. a. die Tatsache, dass bei der Krönung (sacre) 1804 vor dem Thronsessel ein Exemplar des Code civil lag. Die Verbindung von Errungenschaften der Revolution und Zeichen der Stabilisierung und Kontinuität sollte sich mit und in der Person Napoleons symbolisieren.20 In mehreren bildlichen Darstellungen des Kaisers taucht sein Gesetzbuch auf – teils versteckt, teils vordergründig auf die Wichtigkeit hinweisend, die ihm sein »Schöpfer« beimaß. Das Gemälde von Jacques Louis David, den Napoleon am 18. Dezember 1804 zum kaiserlichen Hofmaler (Premier Peintre de l’Empereur) ernannt hatte, zeigt den Herrscher, der sich 1812 auf dem Höhepunkt seiner Macht befand, in seinem Arbeitskabinett. Die Darstellung des Kaisers in Uniform ähnelt ganzfigurigen Portraits des Ersten Konsuls aus den Jahren 1802 – 1804, die als Auftragsarbeiten von diversen Malern (Gros, Meynier, LefÀvre etc.) geschaffen worden waren, um einen verbindlichen Typus zu formieren. In dieser Portraitserie weist Napoleon oft auf wichtige Schriftstücke hin, die seine Taten repräsentieren, seien es etwa Friedensverträge (u. a. Campo Formio, Lun¦ville, Marengo, Amiens) wie auf dem Bild Jean-Antoine Gros’ »Napoleon als Erster Konsul«,21 sei es eben hier das 19 Seine Einrichtung 1804 war ebenfalls Gegenstand einer Medaillenprägung durch Bertrand Andrieu, vgl. Zeitz / Zeitz: Napoleons Medaillen (wie Anm. 16), S. 90 f. 20 Thamer (wie Anm. 13), S. 47. 21 Jean-Antoine Gros, Napoleon als Erster Konsul, 1802, Mus¦e National de la L¦gion d’honneur, Paris. Kurz nach dem Frieden von Amiens, 25. 3. 1802. Die Hand weist auf eine Liste von Verträgen (u. a. Lun¦ville), die unter ihm als General und erster Konsul abgeschlossen

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Zivilgesetzbuch. Napoleon ist im Begriff, sein Arbeitszimmer zu verlassen, dessen Wanduhr 4.13 Uhr morgens zeigt, was darauf hindeutet, dass er die ganze Nacht am Code civil gearbeitet habe (die Kerzen sind am Verlöschen), was auch zur Legende seiner außergewöhnlichen Arbeitskapazität beitragen sollte. Auf der Rolle, die neben dem Schwert auf dem Tisch liegt, sind die Anfangsbuchstaben COD zu erkennen, dabei ein Federkiel und eine Landkarte. So wird auch eine scheinbar private Atmosphäre durch die Symbolik des unermüdlichen Schaffens für Frankreich »aufgeladen«.

Jacques Louis David (1748 – 1825), Napol¦on dans son cabinet des Tuileries (Napoleon in seinem Arbeitskabinett in den Tuilerien) 181222

wurden. Vgl. O’Brien / Gros (wie Anm. 15), S. 85; Albert Boime: Art in an Age of Bonapartism 1800 – 1815. Chicago / London 1990, S. 49. 22 Abb.: Kopie nach einem Gemälde von Jacques Louis David, 1. Hälfte 19. Jahrhundert, Öl auf Kupfer, 40 x 22 cm; Privatbesitz; aus Katalog Napoleon und Nassau, hg. von Georg Schmidt-

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Der Hinweis auf das Gesetzbuch ist auch Teil kaiserlicher Repräsentation: Auf einem anonymen Stich, der Napoleon im Prunkgewand zeigt und der das bekannte Gemälde G¦rards zitiert,23 stützt sich dieser auf ein Buch, das ebenfalls als Code civil zu erkennen ist.

Anonymer Stich, Napoleon im Prunkgewand, in der rechten Hand den Code civil haltend (Anf. 19. Jh.)24

2.

Napoleonische Renaissance und Légende napoléonienne

Einige Jahre nach dem Sturz Napoleons begann eine Phase der »napoleonischen Renaissanace«, noch verstärkt durch die Epoche des Zweiten Kaiserreichs unter Napoleon III. seit 1852.

von Rhein. Ramstein 2006, Nr. 142, S. 294; vgl. Rainer Schoch: Das Herrscherbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts 23). München 1975, S. 49 – 88, hier S. 61 f. 23 FranÅois-Pascal-Simon G¦rard (1770 – 1837), Napoleon I. im Krönungsornat, 1805/1810, Öl auf Leinwand, Paris, Dresden Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie (Abb. u. a. in: Katalog I/1 Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons. Stuttgart 1987, S. 132). 24 Anonymer Stich, Anfang 19. Jh., 64 x 47,5 cm, Mus¦e d’Unterlinden.

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Das Gemälde des Historienmalers Jean-Baptiste Mauzaisse »Napoleon, den Code schreibend« entstand 1833, auf dem Höhepunkt dieser napoleonischen Renaissance. Die Apotheose Napoleons als Rechtsschöpfer, als Verfasser des Code civil/Code Napol¦on zeigt diesen zwar in der Uniform seiner Zeit, weist aber mythologische antike Elemente auf: Das Gesetzbuch ist als Gesetzestafel dargestellt, der Verfasser wird vom griechischen Gott Chronos mit einem Lorbeerkranz gekrönt.

Jean-Baptiste Mauzaisse (1784 – 1844), Napol¦on den Code schreibend, 183325

Die Promulgation des Code Napol¦on als einer der wichtigsten »zivilen« Erfolge Napol¦ons ist auf einem der 10 Marmorreliefs in der Reihe der »Fastes civils de la vie de Napol¦on« dargestellt, die sich an der Galeriewand des Pariser Invalidendoms in Paris zwischen den Viktorien für die 36 gewonnenen Schlachten finden. Napol¦on ist dargestellt als antike Herrscherfigur auf dem Thron, flankiert von je zwei allegorischen Gestalten, seine rechte Hand ruht auf einer niedergesunkenen Tafel mit der Aufschrift Droit romain – Institutes de 25 Öl auf Leinwand, 1833, Ch–teau de Malmaison; vgl. Altes Reich und neues Recht. Von den Anfängen der bürgerlichen Freiheit, hg. von Georg Schmidt-von Rhein und Albrecht Cordes, Ausstellungskatalog Reichskammergerichtsmuseum Wetzlar 15.9. bis 10. 12. 2006. Wetzlar 2006, S. 215, S. 300. Siehe auch Jean Carbonnier : »Le Code civil«, in: Pierre Nora (Hg.): Les Lieux de M¦moire II. Paris 1992, S. 293 – 315, Abb. 57.

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Justinien; die linke deutet auf eine emporgehaltene Tafel: Code Napol¦on – Justice ¦gale et intelligible pour tous.

Monument im Invalidendom: Marmorrelief: Promulgation du Code civil (Code Napol¦on), Foto Dölemeyer

3.

Flächendeckende »Medienpräsenz«

Neben den hier erwähnten Medien, der Malerei, der Plastik und der Medaillenkunst, die für die l¦gende napol¦onienne eine hervorragende Rolle spielten, seien nur zwei Beispiele aus der Musik und der Dichtung zur Verherrlichung Napoleons gebracht. Selbst die Opernbühne diente dazu, Napoleons Ruhm als l¦gislateur zu verbreiten: Die Oper »Numa Pompilius« von Ferdinando PaÚr,26 wurde 1808 in Paris – wie es heißt »auf Anordnung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Majestät« – uraufgeführt. Sie rühmt unter der Figur des sagenhaften römischen Königs und Gesetzgebers Numa den Gesetzgeber Napoleon. Numas Gesetzen wird als Parallele Napoleons Gesetzbuch, der Code civil an die Seite

26 F. PaÚr (1771 – 1831), Directeur en Chef des Spectacles am kaiserlichen Hofe Napol¦ons, später Direktor der Op¦ra Comique und 1812 Direktor des Th¦–tre des Italiens in Paris.

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gestellt.27 Die Schlussszene der Oper endet laut Libretto so: »Während der Chor Viva Numa ruft, schließt dieser den Tempel des Janus. Daraufhin beginnt ein sehr heiterer Tanz. Als dieser sich seinem Ende neigt, bildet das Volk eine Inschrift mit leuchtenden Buchstaben, wo man lesen kann: Es lebe der Gesetzgeber.« (VIVE LE LÊGISLATEUR).

Ferdinando PaÚr (1771 – 1831), Numa Pompilius28

Es gab auch eine Ausgabe des Gesetzbuchs in Reimen und so sei abschließend die Widmung zitiert, die B.-M. Decomberousse dieser Versifizierung des Code Napol¦on29 voransetzte und die an die Gemahlin Napoleons, Marie Luise gerichtet war :

27 Vgl. Herbert Schempf: »Mythos Numa«, in: Ulrike Aichhorn/ Alfred Rinnerthaler (Hg.): Scientia iuris et historia, FS für Peter Putzer zum 65. Geburtstag. Egling 2004, S. 927 – 944. 28 Libretto von Matteo Noris (gest. 1714), französisch und italienisch, Paris, Xhrouet, 1808. 29 B.-M. Decomberousse : Le Code Napol¦on mis en vers franÅais, 2 Bände. Paris 1811 (mit

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Au Code ton ¦poux le grand Napoléon, A la fin imprima son g¦nie et son nom. Il y dicta ces lois de sagesse profonde Qui doivent gouverner tous les peuples du monde, Surpassant les h¦ros — titre de vainqueur, Les surpassant encore comme l¦gislateur.

Holzstichen von Pierre NoÚl, Vorwort von Maurice GarÅon). Zitat nach Cabrillac, Symbolisme (Anm. 6), S. 214.

Autorinnen und Autoren des Bandes

Jean-FranÅois Bazin, n¦ en 1942 — Dijon, est un journaliste et homme politique franÅais. Docteur en droit et diplúm¦ de l’Institut d’¦tudes politiques de Paris, il a ¦t¦ pr¦sident du Conseil r¦gional de Bourgogne de 1993 — 1995. Fabienne Bercegol, ancienne ¦lÀve de l’ENS (Ulm), est professeur de litt¦rature franÅaise — l’Universit¦ Toulouse Le Mirail. Ses travaux portent sur la litt¦rature franÅaise de la premiÀre moiti¦ du XIXe siÀcle, plus particuliÀrement sur l’histoire et la th¦orie du roman et du genre des m¦moires, ainsi que sur l’inscription de la religion et de l’Histoire dans la litt¦rature. Philippe Berthier est professeur ¦merite — l’universit¦ Paris-Sorbonne Nouvelle, sp¦cialiste de Chateaubriand, Stendhal, Balzac et Barbey d’Aurevilly. Il est l’ancien directeur du Centre d’¦tudes Stendhaliennes. Barbara Beßlich ist Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Literatur- und Kulturgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Literatur der Klassischen Moderne (Thomas Mann, Wiener Moderne, Stefan George), Erzähltheorie und Intermedialität, Kulturkritik der Moderne. Sie ist Autorin des Bandes Der deutsche Napoleon-Mythos. Literatur und Erinnerung (1800 – 1945). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007. Jacques-Olivier Boudon est professeur d’histoire contemporaine — l’Universit¦ Paris-Sorbonne depuis 2003, directeur de l’Ecole doctorale d’Histoire moderne et contemporaine et directeur du Centre de Recherche en histoire du XIXe siÀcle. Il est pr¦sident de l’Institut Napol¦on depuis 1999, directeur de publication de la Revue de l’Institut Napol¦on et cofondateur et codirecteur de la Collection de l’Institut Napol¦on.

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Autorinnen und Autoren des Bandes

Guido Braun war nach dem Studium der Geschichte und Romanischen Philologie in Bonn und Paris als Editor französischer diplomatischer Korrespondenzen in einem Akademieprojekt tätig, anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Deutschen Historischen Instituten in Rom und Paris. Er wurde in Bonn mit einer Edition französischer Korrespondenzen 1646 – 1647 und an der Universität Paris-Sorbonne (Paris IV) mit einer Studie über das französische Bild des Alten Reiches 1643 – 1756 promoviert. Seit 2007 lehrt er Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Bonn, seine Habilitationsschrift Imagines imperii. Die Wahrnehmung des Reiches und der Deutschen an der römischen Kurie im Reformationsjahrhundert erscheint in Kürze. David Chaillou est ma„tre de conf¦rences — l’universit¦ d’Artois. Chercheur au CRLM (Paris-IV-Sorbonne) ainsi qu’au centre de recherche » Texte et Cultures « (universit¦ d’Artois), il mÀne des travaux d’histoire culturelle portant sur les rapports entre musique et politique en France, de la R¦volution franÅaise — 1914. En 2004, David Chaillou a reÅu le grand prix de la Fondation Napol¦on pour son livre Napol¦on et l’Op¦ra (¦ditions Fayard). Gabriele Clemens ist Professorin für Neuere Geschichte und Landesgeschichte an der Universität des Saarlandes. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Trier ; Wissenschaftliche Mitarbeiterin des DHI Rom (1994 – 1997), Habilitationsstipendiatin der DFG (1997 – 1999); Abschluss des Habilitationsverfahrens an der Universität Trier (2002). Schwerpunkt Lehre/ Forschung: Sozial- und Kulturgeschichte westeuropäischer Gesellschaften im langen 19. Jahrhundert, Wirtschafts-, Agrargeschichte und Geschichte der ländlichen Gesellschaft, Adel und Mäzenatentum, Geschichte der Geschichtswissenschaft. Barbara Dölemeyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Honorarprofessorin für Rechtsgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Leiterin des Teilprojekts »Juristische Wissenskommunikation im 19. Jahrhundert« im SFB »Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel« an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt (zus. mit Prof. Dr. Michael Stolleis). Willi Jung ist Akademischer Direktor am Institut für Klassische und Romanische Philologie der Universität Bonn. Studium der Romanischen Philologie, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Bonn und Paris-Sorbonne von 1970 – 1976, 1. und 2. Staatsexamen in Französisch und Geschichte, 1983 Promotion in Romanischer Philologie mit einer Dissertation über »Theorie und

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Praxis des Typischen bei Honor¦ de Balzac«. Zahlreiche Publikationen zur französischen und italienischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Hermann Krüssel ist seit 1991 Studienrat/Oberstudienrat am Pius-Gymnasium Aachen. Studium der Fächer Latein und Katholische Religionslehre von 1980 bis 1988 an der Universität Bonn, 2004 Promotion an der Universität Bonn. Vorsitzender von Pro Lingua Latina (Verein zur Förderung der lateinischen Sprache in Schule und Öffentlichkeit e.V.), Chefredakteur der Jahrgänge 6 – 15 (2005 – 2014). Publikationen: Seit 1998 viele Beiträge zur Erforschung des Gesamtgebiets der neulateinischen Sprache und Literatur (Poesie und Prosa). Napoleo Latinitate vestitus. Napoleon Bonaparte in lateinischen Dichtungen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Band I: Von der Französischen Revolution bis zum Konsulat Bonapartes (1790 – 1804), Hildesheim-Zürich-New York 2011 (= Noctes Neolatinae 15), 552 S. Weitere vier Bände (Band II: Von Napoleons Rheinreise bis zum Preußenfeldzug 1806 steht kurz vor der Fertigstellung) sind in Vorbereitung bzw. geplant. Catherine Robert, ancienne ¦lÀve de l’ENS Fontenay-St Cloud, DEA — l’Institut d’Etudes Politiques de Paris. Germaniste et historienne, elle est ma„tre de conf¦rences — l’UFR d’Etudes germaniques et nordiques de l’Universit¦ ParisSorbonne. De 2008 — 2012 elle a dirig¦ l’Institut FranÅais-Bonn et est depuis 2013 attach¦e de coop¦ration universitaire de l’Ambassade de France — Londres.