Nachrichtenwelten: Hinter den Kulissen der Auslandsberichterstattung. Eine Ethnographie [1. Aufl.] 9783839409619

Globalität, Geschwindigkeit, Geschichten - dieses Buch ist ein zeitgenössisches Portrait der Arbeitsmethoden und -beding

185 45 2MB

German Pages 268 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Nachrichtenwelten: Hinter den Kulissen der Auslandsberichterstattung. Eine Ethnographie [1. Aufl.]
 9783839409619

Table of contents :
INHALT
GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN
Vor Ort und Mittendrin
Archivsuche
Exkurs: Räume, Welten und Form-Sachen
Herangehensweise
DIE WEITE WELT
Im Fernen Osten
Rout(in)en I
Rout(in)en II
Kosmopolite Proletarier
KRAUT ATLANTIK
Auf der anderen Seite des großen Teichs...
»Unser Mann vor Ort«
80 Millionen Berti Vogts oder warum alle den Korrespondenten in Japan beneiden
Kraut Atlantik oder Gedanken zu progressiven Rückkopplungen
DER GETEILTE HIMMEL
Berichtswerte
Der geteilte Himmel
What is real – Im Konflikt der Narrationen
Mittendrin
GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN – ALLES EINE SACHE DER FORM
Glossar
Anmerkungen
Literatur
Index

Citation preview

Angela Dreßler Nachrichtenwelten

m e d i e n · w e l t e n | herausgegeben von Dorle Dracklé | Band 2

2008-07-08 10-56-56 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a6183409488616|(S.

1

) T00_01 schmutztitel - 961.p 183409488624

Angela Dreßler (Dr. phil.) lebt und arbeitet als freie Autorin in Berlin und London.

2008-07-08 10-56-56 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a6183409488616|(S.

2

) T00_02 seite 2 - 961.p 183409488664

Angela Dressler Nachrichtenwelten. Hinter den Kulissen der Auslandsberichterstattung. Eine Ethnographie

2008-07-08 10-56-56 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a6183409488616|(S.

3

) T00_03 titel - 961.p 183409488760

Gefördert wurde die Forschung durch Stipendien der Dr. Alexander und Rita Besser-Stiftung sowie der Fazit Stiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: re(h)produkt, Berlin Lektorat & Satz: Angela Dreßler Grafiken: Angela Dreßler Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-961-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2008-07-08 10-56-56 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02a6183409488616|(S.

4

) T00_04 impressum - 961.p 183409488808

INHALT GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN Vor Ort und Mittendrin 11

Archivsuche 18

Exkurs: Räume, Welten und Form-Sachen 22

Herangehensweise 31

DIE WEITE WELT Im Fernen Osten 45

Rout(in)en I 68

Rout(in)en II 90

Kosmopolite Proletarier 116

KRAUT ATLANTIK Auf der anderen Seite des großen Teichs... 119

»Unser Mann vor Ort« 139

80 Millionen Berti Vogts oder warum alle den Korrespondenten in Japan beneiden 152

Kraut Atlantik oder Gedanken zu progressiven Rückkopplungen 163

DER GETEILTE HIMMEL Berichtswerte 167

Der geteilte Himmel 186

What is real – Im Konflikt der Narrationen 198

Mittendrin 223

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN – ALLES EINE SACHE DER FORM 225

Glossar 231 Anmerkungen 235 Literatur 249 Index 265

F ÜR C ECÍLIA

Allen meinen Gesprächs- und Interviewpartnern für ihre Offenheit und Zeit, den Kontakten und die inhaltliche Unterstützung bei dem Projekt; der Dr. Alexander und Rita Besser-Stiftung sowie der Fazit-Stiftung für die Stipendien; Prof. Dr. Dorle Dracklé für die Betreuung der Arbeit; Gisela Meyer, Kiwi Menrath und Anja Schwanhäußer für kontinuierliche konstruktive Bemerkungen; sowie ganz besonders Antje Rehren und Iris Buchholz für die mühselige Korrekturarbeit. Meinen Eltern, Detlef, Susanne, Ulrike, Suse, Bernd, Paula, Ben, Bert, Tom und der Familie von Gagern für alles andere, besonders Wohnungen und Geduld: Danke.

Off the record Fast schon wesenhaft birgt die ethnologische Methode der teilnehmenden Beobachtung die Gefahr von Gegen- und Überreaktionen. Umso mehr im Kontakt zwischen Wissenschaft und Journalismus. Zwar ist der Forscher im Grunde genommen keine Konkurrenz, Insiderinformationen jedoch sind nicht nur in Börsengeschäften eine heiße Ware. Darüber hinaus stoßen in dieser Studie zwei Berufsgruppen aufeinander, deren Aufgabe die Information einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit ist. Egal ob man dieses Unterfangen als studying up (vgl. Nader 1972) oder studying sideways (vgl. Hannerz 2004) betrachtet, durch die Formen der Interaktion wird schnell klar, dass Wissen und Darstellungsmacht Formen von Kapital darstellen. Und in einem Minenfeld angesiedelt sein können. So wurden im Verlauf der Forschung Türen in einigen Fällen gleich geschlossen oder wichtige Gespräche explizit unter Ausschluss geführt. Auf der anderen Seite gab es Informationen, die mir unter der Prämisse „von mir hast du das nicht!“ zugeschoben wurden; heimliche Treffs mit Informanten, von denen keiner wissen durfte oder sollte; Materialien, die unter Verschluss waren (und es auch immer noch sind). Ich war teilweise durch einen Hospitantenvertrag verpflichtet, keine Interna nach Außen gelangen zu lassen, auch hielten mich einzelne Gesprächspartner an, dieses oder jenes nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen und generell sorgfältig abzuwägen. Angesichts dessen habe ich inoffiziell autorisiertes Material für die Hintergrundrecherche benutzt. Ebenso wie ich Anmerkungen, die off the record liefen, on the record in anderer Form und an anderer Stelle thematisiert habe. Ich denke, dass dieses Vorgehen dem Thema angemessenen ist. Ich habe diese Forschung nicht als investigative Recherche oder aufgeregte Suche nach einem Scoop unternommen. Ebenso wenig, um einzelne Personen zu portraitieren. Das wesentliche Thema ist der Kontext, in dem die Arbeit der Korrespondenten erfolgt. Meine Gesprächspartner habe ich in der vorliegenden Version anonymisiert – teilweise auf Wunsch selbiger, teilweise aus dem Gedanken heraus, dass es gerade bei den so genannten Meinungsmachern spannend sein könnte, Meinung von Machern zu trennen. Vergleichbar mit einer »Recherche« hat diese Arbeit das Ziel, schon Bekanntes im Rahmen des Neuen aufzuzeigen. Im Unterschied zum journalistischen Vorgehen handelt es sich dabei jedoch nicht um Aussagen, die ohne Recherchierverfahren nicht preisgegeben würden, sondern um eine komplexe Sammlung von Meinungsäußerungen, Beobachtungen und Assoziationen im Sinne einer Ethnographie.

G L O B A L E S , G E S CH W I N DI G K E I T

UND

G E S C H I CH T E N

V o r O r t u nd M it t end r i n Kuta Beach, Bali, 12. Oktober 2003. Die Sonne blendet, den Rest der Sicht nehmen die zahlreichen Anwesenden im Zentrum des Touristenressorts. Einige hundert drängen sich auf der dortigen Flaniermeile zwischen Souvenirständen und Bars. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass viele von ihnen vor einem Zaun verweilen, an den blumengeschmückte Photos und Briefe geheftet sind. Manche von ihnen weinen. Durch den Zaun hindurch sieht man auf eine der beiden Brachen, die ein Bombenanschlag in der Nacht des 12. Oktober 2002 in die Promenade gerissen hat. Die Bombe tötete 202 Urlauber und Einheimische. Mit diesem Anschlag wurde auch das Urlaubsziel Bali zu einem Begriff auf der Weltkarte des Terrors (vgl. Spiegel 2007). Heute, auf den Tag genau ein Jahr danach, ist eine offizielle Gedenkstunde angesetzt. Zahlreiche Angehörige der Opfer, auch Überlebende des Anschlags sind zu diesem Anlass nach Kuta Beach gekommen. In ihrem Gefolge zahlreiche Kamerateams und Reporter. ABC, BBC, ZDF sind nur einige der vielen Logos, die vor Ort zu sehen sind. In einer Drehpause kommentiert ein Fernsehkorrespondent ebenso knapp wie beiläufig das Metier, während er mit seiner Produktionsleiterin die weitere Planung koordiniert: It’s the story that counts. Die Geschichte zählt. Er verweist auf ein aktuelles Beispiel: Gerade hat man eine Story über eine Frau gedreht, deren Sohn bei dem Anschlag sein Leben verloren hatte. Mit einem Photo aus der Todesnacht, das den jungen Mann inmitten einer Gruppe lachender Menschen zeigt, hatte sich die Britin in Kuta Beach auf die Suche gemacht. Sie suchte nach Jemandem, der ihren Sohn noch gesehen, ein letztes Wort mit ihm gewechselt hatte. Das Kamerateam hatte sie dabei begleitet. Nach längerer Suche erkannte ein Passant auf dem Photo eine junge Balinesin wieder und konnte den Kontakt zu ihr vermitteln. Kurze Zeit später lagen sich die beiden Frauen vor den Augen der Kamera weinend in den Armen. Das war nicht nur emotional, das brachte die ganze Situation auf den Punkt: Eine Britin, eine Einheimische, beide verbunden durch den Schmerz, den der Terrorismus und die Toten auf Bali hinterlassen haben. Ein Jahr danach

11

NACHRICHTENWELTEN

kann man an dieser Situation Vergangenheit und Gegenwart darstellen. That’s it!, kommentierte auch die Producerin1 die Story. Waren zuvor nur zwei Minuten Sendezeit eingeplant, billigten ihnen die Sendeplaner in London nun vier Minuten zu, vielleicht sogar mehr. It’s the story that counts? Die Producerin hat den Korrespondenten bereits wieder im Schlepptau und zum nächsten Drehort gezogen. Ein Tross aus Kameramann, Tontechniker und Helfern folgt. Die nächste Story ist immer die aktuellste, mag man hier in Anlehnung an Sepp Herberger festhalten und trifft damit ins Schwarze: Das Weltgeschehen ist in Bewegung und so sein stetiger Begleiter, der Journalist. Schnelligkeit und Zeitökonomie sind verschiedentlich als Sinnbild und Crux der Berichterstattung festgehalten worden (vgl. Schlesinger 1978). Tatsächlich ist das Motiv der Zeit in der tagesaktuellen Berichterstattung unabdingbar. Ebenso wie es im Fall der Auslandsberichterstattung die Bewegungen von Nachrichten und Journalisten rund um den Globus und inmitten einer globalisierten Informationslandschaft sind (vgl. Hannerz 2004; Sreberny-Mohammadi et al. 1997). Doch verdecken der Blick auf die Geschwindigkeit und das Globale einen anderen, ebenfalls wesentlichen Aspekt der Auslandsberichterstattung: Nicht nur folgt rund um die Welt eine Geschichte auf die andere, auch sind es Geschichten aus der Welt und über diese. Wessen Welt ist auch und gerade unter dem Paradigma der Globalisierung die Frage, die man hier stellen sollte. Und mit den Mitteln der Ethnologie durchaus stellen kann. It’s the story that counts. Dieser Satz verbindet in einem Atemzug Geschichten mit Wert und führt auf diese Weise mitten hinein in das Thema der vorliegenden Forschung. In der einleitenden Geschichte ist die Protagonistin eine Britin, das Team ein britisches: Ein Zufall? Was zählt in diesen Stories? Wer berichtet für wen, wann, wie und mit welchen Mitteln? Und – mit Blick auf die Teilnehmer, die hier von den Teammitgliedern über den zufälligen Passanten bis hin zur Redaktion in London lose versammelt sind – wer hat, lapidar formuliert, in diesen Stories auf die eine oder andere Art ein Wörtchen mitzureden? Diese Fragen führen von der Oberfläche der Rundfunkberichte und Zeitungsartikel hinter die Kulissen der Berichterstattung.2 Und im Falle dieser Forschung zu einer ethnographischen Auseinandersetzung mit den Arbeitsmethoden und -bedingungen deutschsprachiger Auslandskorrespondenten aus Rundfunk und Print. Genauer gesagt, zu den Arbeitsmethoden und -bedingungen dieser Korrespondenten rund um den Globus, hier am Beispiel der Berichterstattungsgebiete Südostasien, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Nahen Osten. Im Mittelpunkt steht dabei die Berichterstattungspraxis der unterschiedlichen Medienorganisationen von A wie ARD bis Z wie ZEIT und ihre Auslegung durch die Beteiligten vor Ort; immer wieder eingerahmt durch Kommentare und Beobachtun12

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

gen von Kollegen und Mitarbeitern anderer Medien; aus anderer Perspektive und von anderen Journalisten kommentiert. Geschichten über das Geschichtenerzählen, wenn man so will. So ist auch die Situation in Bali nur ein erster Eindruck, der im späteren Verlauf dieser Arbeit wieder aufgegriffen wird. Dann nicht aus britischer Perspektive. Darüber hinaus rücken die globalen Bewegungen der Berichterstattung ebenso in den Blick wie deren technologische Beschleunigung und der gerade in der Nachrichtenberichterstattung allgegenwärtige Zeitdruck. Gleichzeitig öffnet sich auch ein weites Feld anderer Teilnehmer, die Anteil an dem Gespräch und damit wesentlichen Einfluss auf die Produktion und Formulierung dieser Geschichten haben. Jene Geschichten aus aller Welt, die täglich per Radio, Fernsehen und Zeitung verbreitet werden, so könnte man diese Ethnographie kurz zusammenfassen, sind tatsächlich weitaus enger auf ihr Publikum zugeschnitten, als es der häufig geographisch ferne Ursprung vermuten lässt. Auch wenn sich im Zeitalter der Globalisierung der Blick auf den geschrumpften Raum verschoben hat und im Zuge des Netzwerkdenkens, der Ströme, der Empires und Tsunamis die Vorsilbe »trans-« sehr zu Recht Anspruch auf stärkere Beachtung erhebt (vgl. Hepp/Löffelholz 2002): Auslandsberichterstattung ist im globalen Zeitalter weiterhin an ihrem jeweiligen nationalen Rahmen ausgerichtet. In diesem Fall dem der Bundesrepublik Deutschland. Was für die Inlandsberichterstattung nahezu tautologisch ist, findet sich trotz globaler Bewegungen auch in der Auslandsberichterstattung – die Stories fokussieren das geographisch oder kulturell Naheliegende. Technologisch mögen sich die Geschichten transnational und transkulturell durch den Äther bewegen, inhaltlich vermitteln Korrespondenten die weltweiten Ereignisse für Angehörige ihrer Gesellschaft. So ist es kein Zufall, dass the story that counts eine Britin thematisiert – immerhin war es das Team eines in London ansässigen Fernsehsenders. Dass es »Unser Mann vor Ort« ist, der über diese Geschichten aus der Welt berichtet, hat weitläufige Konsequenzen für dessen Arbeitsmethoden und -bedingungen. Doch das ist nicht alles – auch um Missverständnisse zu vermeiden – diese Rückbindung ist selbstverständlich keine, die den Korrespondenten selbst nicht bewusst wäre. Auch bildet sie nicht die Bilanz dieser Forschung. Im Gegenteil: Gerade diese Rückbindung verkörpert einen bewussten, zum Teil äußerst lebhaft geführten Diskurs um Deutungen und Bedeutung, Perspektiven und perspektivische Möglichkeiten. Ein Diskurs, der hier als eine Auseinandersetzung um Orientierung in einer globalisierten Welt verstanden wird und in den Mittelpunkt des Folgenden rückt.3 Geht es seit Beginn der Globalisierungsdebatte in der wissenschaftlichen Diskussion immer auch um die Auswirkungen medialer 13

NACHRICHTENWELTEN

Globalisierung, globaler Öffentlichkeiten und Beziehungen, so führt dieser Blick hinter die Kulissen der Auslandsberichterstattung in diesem Zusammenhang zu einer Entdeckung kultureller und anthropologischer Räume: jene Räume, von denen die Physik nichts weiß, die von Menschenhand gemacht oder mit Sloterdijk gesagt, »Formsachen« sind (vgl. 1998:83): Gesprächsräume, in denen weltweit Themen und Geschichten verhandelt werden und auch entstehen. Der Topos Auslandsberichterstattung ist traditionell nicht in der Ethnologie sondern im Feld der Kommunikations- und Medienwissenschaften und Journalistik angesiedelt. So stehen dort eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Arbeiten zur Verfügung, die sich mit internationalem Kommunikations- und Nachrichtenfluss, Medienverflechtungen etc. auseinandersetzen. Im Bereich der Ethnologie wird es generell als problematisch erachtet, sich zeitgenössischen Phänomenen ausschließlich theoretisch zu nähern und sie hinter Idealvorstellungen, Statistiken und Modellen zu verbergen, ohne sich zuvor einen lebendigen Eindruck über den Forschungsgegenstand zu verschaffen (vgl. Tuchman 1991).4 Tatsächlich jedoch ist die Zahl ethnographischer Studien zum Thema verschwindend gering, auch thematisiert keine der publizierten Arbeiten die deutschsprachige Auslandsberichterstattung. Dies mag zum einen daran liegen, dass der Bereich der »Medienethnologie« oder »media anthropology« eine relativ junge Subdisziplin der Ethnologie ist, die sich erst mit Beginn der 1990er Jahre ausgebildet hat (vgl. Dracklé 1999a/b; Spitulnik 1993).5 Zum anderen mag es daran liegen, dass Standesdünkel und Grabenkämpfe zwischen Wissenschaft und Journalisten oder auch Ethnologen und ihrer eigenen Gesellschaft nur zu gern aufrecht gehalten werden (vgl. Bargatzky 1999; Haller 1992; Kull 1999; Nader 1972). Generell umfasst die Medienethnologie Ansätze von der Medienrezeption über die -produktion, eine Beschäftigung mit kleinen Medien wie Mixkassetten und Flugblättern hin zu Massenmedien, erforscht Technologien, Genres, Ethnien, Subkulturen etc...6 Wie Spitulnik (2005) die Situation auf den Punkt bringt, ist das Beschäftigungsfeld der Medienanthropologie nicht nur ebenso breit wie in der Semantik der Begriffe »Medien« und »Anthropologie« verborgen, sondern gerade deswegen auch in einem Minenfeld fachlicher Grundsatzdiskussionen und den variierenden akademischen Schwerpunkten angesiedelt.7 In Anspielung auf das Wesen der Ethnologie wird diese Situation hier als Möglichkeit begriffen, jenseits bewährter Fachgrenzen neue Sinnzusammenhänge zu erkunden und so auch den eigenen Wissenschaftshorizont zu hinterfragen (vgl. Streck 1997:3). Dementsprechend werden im Folgenden die vorhandenen Archive diverser Disziplinen genutzt, deren Ansätze im Zusammenhang mit Journalismus und Auslandsberichterstattung stehen. So 14

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

werden Quellen der Kommunikationswissenschaft und Journalistik, ebenso wie der Philosophie, Literaturwissenschaft und natürlich der Ethnologie herangezogen. Die verwendete Literatur ergibt sich darüber hinaus, je nach Blickwinkel auf das Thema, aus Zeitungsartikeln, Fernsehberichten, Autobiographien, aber auch Gesetzestexten, Statistiken oder journalistischen Handbüchern. Im Gegensatz zu einer Erörterung verschiedener theoretischer Positionen, dient dies hier der Illustration, Kontextualisierung und Erweiterung der teilnehmenden Beobachtung vor Ort. Letztere steht denn auch im Mittelpunkt dieser Arbeit. Dass hier ganz im Sinne einer Ethnographie Beschreibung und Erörterung vor die Diskussion theoretischer Ansätze rücken, bedeutet nicht, dass eine theoretische Auseinandersetzung mit der Thematik ausbleibt. Jedoch entwickelt sich diese aus der Feldforschung heraus und führt zu einer Darstellungsform, die in Anlehnung an Geertz (1983) als »dichte Beschreibung« gefasst werden kann. Dieses Vorgehen fokussiert weniger eine bestimmte These, noch die Anwendung klassischer ethnologischer Termini und Kategorien, wie Ritual, Glauben oder Vergesellschaftung etc., stattdessen rückt mit diesem Vorgehen ein formalästhetischer Ansatz in den Vordergrund, dessen Zweck es ist, einen möglichst umfassenden und lebendigen, auch sinnlichen Einblick in die Arbeitsbedingungen und -methoden der Auslandskorrespondenten zu geben.8 Anstelle der Suche nach eindeutigen Aussagen steht die Bewegung durch den Raum der Vorstellungen, der Zeichen, der Kritik, des Begehrens, die in der Situation, im Gebrauch und im Erleben geschaffen ist; statt reiner Fakten, der Hinweis auf die vielen verschiedenen Versionen, in denen eine sinnvolle Bewegung möglich ist (vgl. Dracklé 2000:30). Damit hebt sich das Vorliegende bewusst von dem konventionell korrektiven Ansatz wissenschaftlicher Arbeiten ab und setzt ein widersprüchliches Aussagebündel an die Stelle von reduzierender Logik (vgl. Sloterdijk 2004:877). In dieser Hinsicht ist das »Oxymoron« denn auch gedankliches Leitmotiv dieser Ethnographie. Aus den entgegen gesetzten Qualitäten des Oxymorons – scharf-stumpf oder brennend-mild dem Wortlaut nach – entwickelt sich im weiteren Verlauf eine akademische Bewegung, die das Motiv des Gesprächs spiegelt (vgl. Dracklé 2000:12ff). Ein Gespräch, das sich hier im Wesentlichen um die Arbeitsroutine vor Ort dreht und den Berichterstattungsalltag in den drei Berichtsgebieten Südostasien, USA und Nahost vergleicht.9 Was folgt nun auf den anschließenden Seiten? Es sind in diesem Sinne viele Geschichten und Gespräche, die ich im Zusammenhang mit der Forschungsfrage nach den aktuellen Arbeitsmethoden und -bedingungen der Auslandskorrespondenten gesammelt habe und von denen ich hier berichte. Dies führt im Verlauf dieser Arbeit durch die Archive zu den 15

NACHRICHTENWELTEN

Hintergründen und Formen des Korrespondentenwesens, hin zur eigenen Herangehensweise an diese Forschung und damit zum Beginn der Feldforschung selbst. Diese bewegt sich geographisch von Singapur nach Washington D.C. und in den Nahen Osten, hält sich dort in den Büros der Korrespondenten auf, trifft diese auf der Strasse, beim Dreh, auf Reisen, privat beim Kaffee oder Bier. Dabei werden viele andere Orte auf dieser Welt durchquert, mal ist es Berlin, Mainz oder Hamburg, wie eingangs beschrieben Bali, aber auch Russland, China oder Afghanistan. Vergangene Ereignisse werden passiert, aktuelle umkreist. Zuweilen verharrt die Bewegung in vergangenen Epochen, immer jedoch verweilt sie in der Beschreibung des Alltags in diesen drei Regionen und den Worten der Korrespondenten selbst. Dabei erzählen diese von ihrem Arbeitsalltag im Ausland. Von den Ärgernissen mit den Redaktionen in Deutschland. Aber auch von den Vorteilen weit weg zu sein. Sie schildern den hohen Zeit- und Arbeitsaufwand, den es zuweilen braucht, sich in den Berichtsgebieten zu orientieren. Sie sprechen über die Ferne zur politischen Macht und den Strategien diese zu kompensieren. Sie berichten von ihren Einsichten in die manchmal komplizierten, zuweilen auch absurden Zusammenhänge vor Ort und erläutern, warum es besser ist, deutsche Korrespondenten zu entsenden als einheimische Journalisten berichten zu lassen. Gleichzeitig werden sie nicht müde, den Stellenwert dieser, wie auch anderer lokaler Experten und Kontaktpersonen zu unterstreichen. Manchmal ist es auch die Geschwindigkeit der Informationstechnologie, über die in den Gesprächen geredet wird – im Positiven wie im Negativen. So kommentieren und kritisieren die Korrespondenten die Medienmaschinerie und andere Probleme, die ihnen in ihrer täglichen Arbeit zu schaffen machen. Sie parlieren, philosophieren und zuweilen protestieren sie auch. Dennoch geht es hier nicht ausschließlich um die Sicht der Korrespondenten. Im Unterschied zu Autobiographien und Kompilationen, in denen Auslandskorrespondenten in eigener Sache und selbst zu Wort kommen, werden deren Worte hier durch andere Stimmen, Beobachtungen, Analysen sowie theoretische Erörterungen ergänzt: durch Kommentare ihrer Kollegen und Mitarbeiter, gelegentlich auch durch ihre eigenen Artikel oder Bücher, stets aber durch Beobachtungen aus dem Arbeitsalltag, theoretische Assoziationen und Einbettungen. So entwickelt sich aus den Eindrücken und Erzählungen vor Ort eine dichte Beschreibung, die aus unterschiedlichen Perspektiven durch die journalistische Routine im Ausland führt. Was dabei erkennbar wird ist, wer in den Stories auf die eine oder andere Art ein Wörtchen mitzureden hat. Ob dies nun abenteuerliche Bewegungen in der »Weiten Welt«, argumentative Auseinandersetzungen über den »Kraut Atlantik« oder die Perspektivwechsel unter einem »Geteilten Himmel« sind – die journalistische Routine vor Ort 16

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

birgt in jeder Region andere Charakteristika, die eine fast schon genrespezifische Formulierung von Raum und Zeit verkörpern. In diesem Sinne verbinden sich in dieser Betrachtung von Auslandsberichterstattung Globales, Geschwindigkeit und Geschichten. Im Verlauf der Arbeit werden Interview- und Gesprächspartner anonym gehalten. Um dies zu gewährleisten, sind die Korrespondenten als Vertreter von „Print“ (Tages- und Wochenzeitung) oder „Rundfunk“ (Radio und Fernsehen) gekennzeichnet, ihre lokalen Mitarbeiter als „Producer“. Die Unterscheidung in Print und Rundfunk dient dazu, die Aussagen aus quasi technologischer Perspektive zu kontextualisieren, unterscheidet sich z. B. die Fernseharbeit logistisch, technologisch und stilistisch von der Arbeit der Printjournalisten. In dieser Neutralisierung der Terminologie wurde bewusst auf die Zuteilung der Prädikate weiblich/männlich verzichtet, nach der eine Zuordnung der Aussagen möglich gewesen wäre. Im Fließtext wird diese Neutralisierung aufgehoben, wenn die Zuordnung zu einzelnen Personen nicht möglich ist. EIGENNAMEN, z. B. DER SPIEGEL werden in KAPITÄLCHEN gefasst; Italics verweisen auf Aussagen der Interview- und Gesprächspartner im Fließtext; »Guillemets« dienen der Kennzeichnung theoretischer Kernbegriffe und Begrifflichkeiten, die sich durch den Text ziehen und dem lexikalischen oder wissenschaftlichen Sprachduktus in ihrer Verwendung widersprechen (können). Die hier im Wortlaut verwendeten Gesprächsauszüge sind Zitate aus insgesamt 28 zu diesem Zweck in den Jahren 2003/2004 geführten Interviews.10 In 25 Fällen handelt es sich dabei um feste Korrespondenten oder Pauschalisten u. a. von ARD, ZDF, SAT1, NTV; FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, FRANKFURTER RUNDSCHAU, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, DIE WELT; DIE ZEIT, DER SPIEGEL, WIRTSCHAFTSWOCHE; NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, TAGESANZEIGER; DPA; BBC WORLD. Bei den Ausnahmen handelt es sich um zwei lokale Mitarbeiter, sowie einen freiberuflich tätigen Korrespondenten. Zehn Interviews wurden in Singapur geführt, acht in Israel und zehn in den Vereinigten Staaten. Zwanzig meiner Interviewpartner waren männlich, acht weiblich. ***

17

NACHRICHTENWELTEN

A r c h iv s uc h e Vor der Bewegung hinein in das leibhaftige Feld eine Bewegung in die Bibliotheken und Archive, die abseits ethnologischer Ansätze eine Beschäftigung mit diesem Thema prägen. Abseits des Aktuellen finden sich dort einige grundsätzliche Parameter des Korrespondentenwesens: normative, faktische und historische Konditionen, die grundlegend für die journalistische Arbeit im Ausland sind. So wird zum Beispiel schnell klar, dass Auslandskorrespondenten nur einen Teil der Auslandsberichterstattung leisten – deren Gros wird traditionell durch kostengünstige Agenturdienstleistungen gewährleistet (vgl. Meckel 1998).1 Es liegt nahe, den Schluss zu ziehen, dass der stolze Verweis auf Größe und Umfang von Korrespondentennetzen in vielen Selbstdarstellungen und wissenschaftlichen Publikationen an diesen Kostenfaktor gekoppelt ist (vgl. Stirnberg 1998; Wilke 1981; FAZ 2005; ZDF 2005b; ARD 2004): Ein eigenes Korrespondentenwesen steht für „Exklusivität, Aktualität und Kontinuität der Nachrichten, der Berichte, der Kommentare – von allen Hauptstädten und Schauplätzen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im In- und Ausland“ (FAZ 2005). Um diesen Worten eine räumliche Dimension zu geben: So ist zum Beispiel das Korrespondentennetz des ARD Fernsehens mit 26 Auslandsniederlassungen zwar kleiner als das des Global Players CNN mit 36 Auslandsstudios (vgl. Jahn 2006) und beide wiederum weitaus kleiner als das von BBC WORLD, das mit 58 internationalen Nachrichtenbüros das weltweit größte Korrespondentennetz darstellt (vgl. BBC 2005a/b) – im Unterschied zu CNN und BBC WORLD sendet die ARD jedoch nicht explizit weltweit, sondern für ein deutschsprachiges Publikum und damit für einen weitaus kleineren Rezipientenkreis.2 Der Blick auf die überregionalen deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen zeigt, dass diese ebenfalls eigene, zum Teil sehr weitläufige Korrespondentennetze unterhalten. Diese Netzte variieren in ihrer Größe je nach Institution.3 Im Falle von Rundfunk und Print ist es jedoch bei genauerem Hinsehen weniger die variierende Menge der Korrespondentenbüros, als deren Verteilung, die ins Auge fällt. Dazu ein Blick auf die Kartographie dieser Netze, wie hier am Beispiel der ARD dargestellt.

18

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Eigene Darstellung auf Grundlage des ARD-Korrespondentennetzes (Fernsehen)

Mit Blick auf diese Weltkarte – die einzelnen Büros und in Schraffuren angedeutet, deren Einzugsbereich – fällt auf, dass sich das Korrespondentennetz in Europa verdichtet. Ganz generell weist die Verteilung der Korrespondentenplätze rund um den Globus mit zunehmendem Abstand zur BRD eine abnehmende Dichte auf. Dies trifft nicht nur auf alle hier untersuchten Medienorganisationen zu, auch birgt dies zweifelsohne geopolitische Aussagen.4 Diese Nachrichtengeographie sowie die Bewegung internationaler Nachrichtenflüsse rückten bereits in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Blickpunkt unterschiedlicher Studien. Die Verfasser der beiden umfangreichsten Studien Foreign Image und Foreign News in 1979 und 1995, sprechen davon, dass ähnlich einer Pyramide, eine „große Zahl von Ländern nur selten erwähnt [wird] und eine kleine Anzahl von Ländern und Regionen sehr häufig in den Nachrichten [erscheint]“ (nach Schmid/Wilke 1998:178).5 Die Nachrichtenlandschaft zeigt eine kleine Welt, in der einige Staaten überproportional dominieren, andere weiße Flecken auf der Landkarte bleiben (ebd.). Auslandsberichterstattung, soviel scheint bereits hier klar zu werden, ist kein egalitäres Unterfangen, das Geographie oder Population und Berichterstattung 1:1 setzt, sondern verkörpert bereits in der Verteilung der Studios und Büros eine Form der Bewertung. Anders ausgedrückt handelt es sich dabei um ein Begreifen der Welt nach bestimmten Maßstäben. Maßstäbe wie sie in den Nachrichtenwerten formuliert sind. In diesen Nachrichtenwerten, wird über Faktoren wie kulturelle oder geographische Nähe das Interesse an einem Ereignis als Nachricht bemessen (vgl. Galtung/Ruge 1965): Ein Busunglück in Deutschland hat einen anderen Nachrichten-

19

NACHRICHTENWELTEN

wert, als das gleiche Unglück in Kenia. Es sei denn, es ist z. B. eine deutsche Reisegruppe unter den Unfallopfern.6 So wird in den deutschsprachigen Medien in rund jeder zehnten Meldung von Agentur, Zeitung und Fernsehen über die USA berichtet (vgl. Kamps 1998:287f) – zu Zeiten des Kalten Krieges variierte dieser Fokus auf der östlichen Seite der Mauer erkennbar in Richtung Moskau (vgl. Berens/Scherer 1998). Werden eingangs »Story« und »Formsachen« in einem Atemzug genannt, so beginnt sich hier abzuzeichnen, was damit gemeint ist. Dazu ein Gedankenspiel: Würde man alle 40 ARD-Korrespondenten ungeachtet der tatsächlichen Grenzen und Ballungsräume gleichmäßig über die Welt verteilen und damit den Globus durch ein gleichmäßiges Netz aus Korrespondentenbüros umspannen, kämen auf jeden Korrespondenten rund 5.9 Mio. qkm, eine Fläche ca. 16mal so groß wie die BRD und mit 161 Millionen Menschen eine Bevölkerung, die zweimal so groß ist wie die Anzahl der Bundesdeutschen. Dies ist natürlich nur eine theoretische Spielerei aufgrund statistischer Werte. Dennoch verweisen diese auf grundlegende Modalitäten der Auslandsberichterstattung. Zum einen steht sie quantitativ hinter der Inlandsberichterstattung zurück. Zum anderen fällt mit Blick auf die tatsächliche Verteilung auf, dass einzelne Regionen verhältnismäßig hinter anderen zurückstehen. Diese Überlegungen lassen sich in einer Gegenüberstellung der hier thematisierten Regionen graphisch ausdrücken. Dabei stehen zunächst die drei Berichtsgebiete Südostasien, USA und Nahost mit der jeweiligen Anzahl an Korrespondenten, in ihren realgeographischen Ausmaßen nebeneinander.7

Realgeographische Darstellung des ARD-Korrespondentennetzes (Fernsehen)

So deckt der ARD-Korrespondent aus seinem Studio in Singapur den südostasiatischen Raum ab8. Dies sind rund 5,4% der Landmasse und 9,3% der Weltbevölkerung. Wohingegen sich der Kollege in Nahost statistisch betrachtet nur über 0,02% der Landmasse und 0,17% der weltweiten Be20

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

völkerung berichtet. Wirft man dabei einen Blick auf die hier impliziten Proportionen, so verzerrt sich die Geographie erkennbar.

Anamorphotische Darstellung des ARD-Korrespondentennetzes (Fernsehen)

In dieser anamorphotischen Darstellung vergrößert sich das Berichtsgebiet Nahost um ein 163faches, die USA wachsen auf das Zweieinhalbfache an, während der südostasiatische Raum dagegen auf weniger als die Hälfte schrumpft. Optisch wirken die Berichtesgebiete in dieser Darstellung nahezu gleich groß, was tatsächlich die Menge der Sendeminuten spiegelt, die pro Korrespondent und Jahr produziert werden (vgl. ARD 2006a/b). Was hier am Beispiel der ARD dargestellt ist, trifft in ähnlicher Form auf sämtliche hier untersuchte Korrespondentennetze zu, auch wenn die meisten Netze kleiner als das der ARD sind.9 Sehr deutlich zeigt sich, dass die Welt hier nach bestimmten Bewertungen begriffen wird. Angesichts der geographischen Unterschiede lässt sich erahnen, dass die Stories, die Geschichten in den verschiedenen Regionen konsequenterweise unter unterschiedlichen Bedingungen entstehen müssten. Ein Umstand, der einmal mehr zur Betrachtung der Berichterstattungspraxis einlädt und nach dem Umgang mit diesen Maßstäben und Konditionen fragen lässt.

21

NACHRICHTENWELTEN

E x k ur s : Rä um e , W el t e n und F o r m -S a c he n Unsere Zeit ließe sich [...] als Zeitalter des Raums begreifen. Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und Fernen, des Nebeneinander und des Zerstreuten. – Michel Foucault

Als Foucault Mitte des letzten Jahrhunderts das Zeitalter des Raums ausrief, griff er damit der heutigen Allgegenwart von globalen Bewegungen und Verknüpfungen im Bereich der technologischen Möglichkeiten weit voraus. Inzwischen ist es Alltag oder wenigstens leichterdings möglich, ohne Verzögerung, in Bild und Ton, von Deutschland nach China, Ghana oder Australien miteinander zu kommunizieren; per Internet auf Nachrichten aus diesen und allen anderen Winkeln der Welt ortsungebunden Zugriff haben; live dabei zu sein, wenn Konzerte, Wahlen, Revolutionen und Kriege stattfinden. Mit Hilfe der Informationstechnologie werden geographische Distanzen zunehmend effizienter und umfassender überwunden, so dass die Welt zuweilen ihre Weitläufigkeit und Entfernungen an Bedeutung verlieren (vgl. Harvey 1993:240). Doch wer annimmt, dass dieses spürbare Schrumpfen des Raumes zu einem Verschwinden desselben führt, der irrt. Wie von Foucault prognostiziert, haben diese Entwicklungen das Terrain für eine Renaissance des Raums geebnet (vgl. Schlögel 2006:60). Tatsächlich beschreibt dieses Interesse an »Raum« eine Bewegung weg von der geographischen, physikalischen Bestimmtheit hin zu jenen Räumen, „von denen die Physik nichts weiß“ (Sloterdijk 1998:83): es sind gestaltete und erfahrbare Räume, anamorphotische und ästhetische oder ganz generell: Räume, die durch den Menschen entstehen und damit anthropologische Räume. Dabei verschiebt sich der Blick von »Welt« auf deren Konditionen: »Welt« existiert aus dieser Sichtweise niemals abgespalten von den Beziehungen der Menschen (vgl. Dracklé 2000:16). Dies ist auf das politische Denken anwendbar oder auf Formen der Öffentlichkeit, wenn diese den Faktor des Zusammenwirkens unterstreichen (vgl. Latour 2005); im Begriff der Globalisierung zu erkennen, wenn dabei auf Umgang referiert wird, der wiederum »scapes« ausbildet (vgl. Appadurai 1990). Grundlegender noch verbindet sich in diesem Denken allerdings »Da-Sein« mit »Raum« (vgl. Sloterdijk 1998). Diese Betonung des Anthropologischen1 birgt einen Kulturbegriff, der nicht als starres, festgelegtes Set, sondern in Hinblick auf Kontakt 22

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

und Übertragung, effektiv und prozessual verstanden wird und wesentlich im Dazwischen dieser so entstehenden Sphären liegt: „[E]in Raum der Vorstellungen, der Zeichen, der Kritik, des Begehrens. Kultur ist nichts festes, keine Natur, sondern sie bewegt sich, verändert sich und existiert in vielen verschiedenen Versionen, durch die wir uns bewegen. Kultur ist ein Prozess, geschaffen im Gebrauch, in der Situation, im Erleben“ (Dracklé 2000:30). Dieses Augenmerk auf Kontakt und Bewegung birgt die Suche nach Orientierung (vgl. Sloterdijk 1998:12ff). Eine Suche, die als „Formsache“ (ebd.) begreifbar ist. Zweifellos ist Auslandsberichterstattung – jene Tätigkeit, über die wir journalistisch aufbereitet von Ereignissen im Ausland erfahren – auch ohne Epistemologie und Ontologie erkennbar im »Raum« verortet. Nationale Grenzen ebenso wie die Umrisse der Berichtsgebiete, veranschaulichen dies auf sehr konkrete Weise. Mit Blick auf das Ausmaß und die Anordnung der Berichtsgebiete wird dabei allerdings plausibel, dass »Raum« nicht bloß als faktische Gegenständlichkeit, sondern auch als bedingt aufgefasst werden kann. Dies verlangt nach einem Blick auf die Bedingungen und Beziehungen, die das Thema prägen. In diesem Sinne geht es um die Frage, wie jene Berichterstattungsräume entstehen, aber auch wie sie zu handhaben sind, wie sie benannt werden. Dazu einige theoretische Grundrisse und -optionen, die für die spätere Einbettung der Ethnographie hilfreich sind. Ein erster Versuch also, Räumlichkeit in Sprache zu fassen.

Räumlichkeit in Sprache fassen Zunächst ein kurzer Rückblick: Der Versuch Räumlichkeit in Sprache zu fassen, rekurriert auf eine lange philosophische Tradition. Im Kontext der westlichen Philosophie lässt er sich bis zur griechischen Antike zurückverfolgen. Raum wurde zwar aus differierenden Perspektiven, jedoch stets als gegebenes Phänomen betrachtetet (vgl. Günzel 2006a:19ff). Dieser Ansatz wird Mitte des 20. Jahrhunderts an verschiedenen Stellen als Verkürzung räumlicher Erfahrung aufgefasst und durch einen „Erlebensraum“ (Günzel 2006b:105) neu gedacht. Dieser steht nun in Zusammenhang mit menschlicher Wahrnehmung und Tätigkeit. Thematisiert wird der soziale, der ästhetische, der poltisch-geographische, der körperliche, technische, mediale, der phänomenologische Raum – mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden (vgl. Dünne/Günzel 2006: 9ff). Diese Kategorisierungen verdeutlichen im Ansatz, wie vielfältig, widersprüchlich, ineinander greifend der Topos »Raum« und seine Diskussion ist. Diese Gedanken zu »anderen Räumen« reichen u. a. von Simmels (1903) Exkursionen in das moderne Stadtleben, zu Heideggers 23

NACHRICHTENWELTEN

(1927) Begriff des In-der-Welt-sein, den kulturellen Vorstellungsräumen Cassirers (1931), zu Hannah Arendts (1960) Gedanken über Konstruktion und Zweck von Öffentlichem und Privatem oder den Formulierungen von poetischen, epistemologischen und sozialen Räumen in der französischen Philosophie des 20. Jahrhundert (vgl. Bachelard 1957, de Certeau 1988, Derrida 1968, Lefebvre 1974, Bourdieu 1989, Deleuze/Guattari 1980 etc.). Die Reihe wäre auf anderen Ebenen weiterzuführen mit Lacan (1954), Virilio (1984), nicht zuletzt auch mit den zwei deutschsprachigen Sphärendenkern Habermas (1962) und Sloterdijk (1998).2 Geht es im Verlauf dieser Ethnographie um Nähe und Distanz, Entfernung, am Rande auch um Öffentlichkeiten und diverse politische Sphären, Archivräume oder ganz banal das Abseits, so finden sich implizit und explizit Anwendungen von Gedankengängen und Modellen vieler der modernen Raumexegeten nebeneinander, gegenübergestellt, aufeinander verweisend, ganz nach den Bedingungen des »Raums«.

Räume, von denen die Physik nichts weiß Raum anthropologisch zu begreifen, bedeutet keineswegs eine Abstraktion des Topos, lediglich einen Perspektivenwechsel auf das kulturelle Moment. Bestand Kant darauf, Raum als unbedingte Möglichkeit dem Zusammensein vorauszusetzen (vgl. Kant 1988:994ff), steht dem hier ein kulturphilosophischer Ansatz entgegen, der das Beisammensein als Bedingung für »Raum« sieht (vgl. auch Sloterdijk 2004:307). Dies beschreibt den Gedanken, dass durch das Zusammenwirken von Menschen über den physischen Ort hinweg »Räume« entstehen – in der Tat, im Gespräch, im Kontakt und stets als eine Möglichkeit von vielen. Räume, von denen die Physik nichts weiß, an denen Menschen jedoch ganz wesentlich teilhaben (vgl. Sloterdijk 1998:83). Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zur Auslandsberichterstattung und ganz allgemein zur journalistischen Arbeit. Nicht zufällig rückt dabei die Verbindung zu Öffentlichkeit und Nationalstaat in den Blick (vgl. Galtung/Ruge 1965; Anderson 1988; Appadurai 1990; Connell 1980; Meyer/Moore 2006). Gerade der Nationalstaat, diese Verbindung von sozialem und territorialem Raum, die sich heute selbstverständlich unter dem Dach der Vereinten Nationen versammelt, ist in seinem Gerüst aus Grenzen, Gesetzen und eigener Geschichte deutlich als von Menschenhand gemacht, als »Formsache« zu erkennen. Geht man durch die Geschichte in die Details, so wird deutlich, dass insbesondere das nationale Pressewesen dabei als traditioneller Vermittler und Produzent einer überpersonalen Zusammengehörigkeit verhandelt wird (vgl. Anderson 1988:40ff; Robins 1998). 24

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Tatsächlich ist das Pressewesen häufig bereits normativ als Adhäsionsmittel zur nationalstaatlich definierten Gesellschaft angelegt und verankert.3 So sind im Falle der BRD Aufgabe und Funktion der Presse seit Mai 1949 im Grundgesetz verankert. Zentral ist dabei die öffentliche Aufgabe zu informieren, bilden und zu unterhalten. Dem gängigen Verständnis der jeweiligen Landespressegesetze nach kommt der Presse die Aufgabe zu, umfassend, objektiv und verständlich zu berichten.4 Gegenstandsbezug, Informationsgehalt und Wahrheitswert, überhaupt Gültigkeitsbedingungen, sollen den Mitkommunizierenden erkennbar sein, wie es normativ formuliert wird (vgl. Habermas 1989:235). Gemeinhin gilt diese Forderung nach Transparenz als Grundlage für die Meinungsbildung der Bürger und ihrer Teilnahme an politischen Entscheidungen, insbesondere an politischen Wahlen. In diesem Zusammenhang ist es die gesetzlich geschützte Aufgabe der Presse, eine politisch informierte Öffentlichkeit und damit eine demokratische Handhabe für den Staatsbürger zu schaffen (vgl. BVerfGE 20:162).5 Speziell verkörpert dies das demokratische Prinzip, allen gesellschaftlichen Gruppen ein öffentliches Diskussionsforum zu bieten. Ein Diskussionsforum, das weniger auf das Globale als das Nationale referiert. Es mag nur eine Randbemerkung jenseits wissenschaftlicher Standpunkte und Theorien sein, folgt man jedoch der Semantik des Wortes ist Auslandsberichterstattung zwar per se mit inter- und transnationalen Zusammenhängen verknüpft – schließlich transportiert sie Informationen aus dem Aus- in das Inland – dennoch liegt in genau der Differenzierung zwischen In- und Ausland bereits semantisch ein wesentlicher Bezug auf den Nationalstaat verborgen. Nicht zufällig ist die Sprache der Zeitungen und Rundfunksendungen zumeist die herrschende Landesprache, im vorliegenden Fall die deutsche. Dieser Fokus verortet das Publikum, den Leser, Zuschauer oder Hörer in einem bestimmten Rahmen, der durch politische, ebenso wie sprachliche und vermutlich auch soziale und kulturelle Grenzen definiert werden kann. Umgekehrt formuliert reflektiert und repräsentiert die Presse immer auch die eigene Gesellschaft und deren Werte. Werte, die wiederum Einfluss auf die Ausformung des gesellschaftlichen Selbstverständnisses haben, da sie gewohnte gesellschaftliche Maßstäbe und Ausdrucksformen, wie Gesetze, Sprache und Hierarchien als Parameter nutzen (vgl. Connell 1980). Die Re-Präsentation einer gesellschaftlichen Identität, u. a. durch Nachrichten als öffentlichkeitswirksames Mittel, ist gerade im Hinblick auf die Spiegelung gesellschaftlich dominanter Strömungen thematisiert und kritisiert worden (vgl. Hall et al. 2001).6 Relativiert man diese Kritik zugunsten einer grundlegenden Perspektive, so dient die Arbeit der Presse eigentlich dazu, einem breiten Publikum Informationen zugänglich zu machen. Was entsteht ist ebenso abstrakt wie handfest »Öffent25

NACHRICHTENWELTEN

lichkeit«7 – am deutlichsten erkennbar an dem Bild der morgendlichen Zeitungsleser, die aus der Vogelperspektive betrachtet Öffentlichkeit sichtbar machen (vgl. Anderson 1988:34). Öffentlichkeit als Summe zu denken, birgt das durchaus demokratische Prinzip, Aufmerksamkeit quantitativ zu werten: normativ der politischen Partizipation dienend, kommerziell dem Profit. In beiderlei Hinsicht werden die Formulierung von Mitteilungen und deren Verbreitungsgrad miteinander in Beziehung gesetzt (vgl. Lindner 1990:47ff). So ist das Pressewesen – privatwirtschaftlich oder an einen öffentlichen Auftrag gebunden – grundlegend dazu angehalten, für einen möglichst effizienten Verbreitungsrahmen zu sorgen. Was allgemein die Forderung mit sich zieht, allgemeinverständlich zu formulieren (vgl. Schneider 1983; Burger 1990). Dieser Fokus beschreibt einen ästhetischen Grundzug der Massenpresse, z. B. im Unterschied zu Wissenschaft, Diplomatie. Darüber hinaus beschreibt dies ein Zusammenwirken von kommunikativen, räumlichen und im Falle der Nachrichten auch spürbar zeitlichen Parametern. Es geht um das Aktuelle und die Konsequenzen. Dies bereits in der Semantik des Begriffes »Nachrichten« zu verorten, mag spitzfindig sein, dennoch beschreibt all dies Öffentlichkeit als kommunikativen Akt: als ein Gespräch über Identität und Entwicklung, das in unterschiedlichen Formen möglich und im Gegensatz zu einer normativ teleologischen Betrachtungsweise effektiv in Bewegung ist.

Gesprächsräume Betrachtet man das Wesen der Auslandsberichterstattung, so besteht die Aufgabe der Korrespondenten darin, Informationen aus dem Aus- in das Inland zu transferieren. Nicht ohne Grund birgt die Vermittlung von Informationen bereits semantisch Kontaktmomente.8 Doch auch darüber hinaus liegt in der Vermittlungstätigkeit eine Form der Räumlichkeit verborgen. In seinem Hauptwerk »Sein und Zeit« schreibt Martin Heidegger Ent-fernen besage ein „Verschwindenmachen der Ferne“ (2006:141). Nichts anderes scheint es zu sein, wenn Korrespondenten Informationen vermitteln: wenn sie dem Publikum das Weltgeschehen näher bringen. Bevor die Geschichten aus der Welt ihren Weg in die heimischen Rundfunk- und Printmedien finden, ist es zunächst an dem Korrespondenten sie zu finden, recherchieren, präsentieren oder zu kommentieren. Die journalistische Praxis schöpft sich dabei aus dem Kontakt mit unterschiedlichen Orten, unterschiedlichen Ebenen; aus Vergangenheit und Gegenwart sowie einer Vielzahl unterschiedlicher Personen, Charakteren, aber auch Institutionen und Technologien etc. (vgl. Latour 2006). Besteht ein Ereignis darin, zunächst unfassbar und erst im Verlauf einer 26

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Auseinandersetzung erfassbar zu sein, so findet die Formulierung des Ereignisses in diesem Kontext aus Akteuren und Netzwerken statt. Zeit und Raum, und nicht zuletzt auch Weltanschauungen treffen dabei aufeinander. Dabei hat jeder dieser Punkte auf eine bestimmte Art und Weise Einfluss auf die Formulierung des Ereignisses. Was sich ausformt, ist ein vielfältiger, rhizomatischer Zwischenraum, der mit Möglichkeiten, Momenten aber auch Sachzwängen angefüllt ist: Ein offener Raum auf tausend Plateaus, in dem „jeder Punkt mit jedem anderen verbunden werden kann (und muss)“ (Deleuze/Guattari 1987:16). Punkte, die sich zwischen Akteuren in Netzwerken abspielen und stets darüber hinausgedacht werden müssen (vgl. Latour 2005): Eine diskursive Praxis, in der „die Unbestimmtheit des Dazwischen und des Denkens ohne Ende [...] ist“ (Dracklé 2000:283) und eine kommunikative Kartographie ausformt, die viele Lesarten zulässt und provoziert. Dieser »Gesprächsraum« verkörpert per se die grenzenlos vielfältige „multifokale, multiperspektivische, heterarische Artikulation von Leben“ (Sloterdijk 2004:24). Massenhaft Stimmen, mit unermesslichen Ansichten und Meinungen, die hier zusammenkommen – mit kleinen Einschränkungen, da es sich um das Pressewesen handelt. So ist diese Artikulation im Fall der Auslandsberichterstattung der Vermittlung gewidmet und aus diesen Gründen nicht ganz grenzenlos. Es ist die Frage, wie dies theoretisch zu begreifen ist. Hier stellen sich die Grundzüge einiger Ansätze und Begriffe als nützlich heraus, die insbesondere auf Peter Sloterdijk (1998-2004) und Michail. M. Bachtin (1989) zurückgehen. Die von Sloterdijk aufgestellte »Sphärologie« dient sehr allgemein als theoretische Grundlage. Hinsichtlich der Routine in den unterschiedlichen Berichtsgebieten, ist es das »Chronotop« (Bachtin 1989), das Globales, Geschwindigkeit und Geschichten reflektiert und zur Sprache bringt. Kontaktmomente. Über das Raumdenken bei Sloterdijk

Die Verbindung von Mensch und Raum steht im Mittelpunkt des Interesses von Peter Sloterdijk. Genauer gesagt ist es die Verbindung von Mensch und Mensch, die bei Sloterdijk Raum für das menschliche Dasein schafft und in der Sphären-Trilogie (Sloterdijk 1998, 1999, 2004) durch die Räume des Mensch-Seins führt. Sphaira, die Sphäre, verkörpert bei ihm dabei die alles umfassende Metapher des Idealen, jenes Ideal, nach dem der Mensch strebt (vgl. Sloterdijk 1998:12ff).9 Über die einzelnen Bewegungen in den Bänden hinaus ist im Folgenden das grundlegende Prinzip der »Sphärologie« relevant. Menschwerdung, so lassen sich die Ausführungen auf das Kürzeste zusammenfassen, vollzieht sich stets durch das „geteilte Runde“ (1998:28): Erst im Kontakt zu Anderen wird die Dimension geschaffen, in welcher der Mensch »Mensch« wird und sich erhalten kann – im 27

NACHRICHTENWELTEN

besten Fall arrondisiert sich das „Genie der Nachbarschaft“ (2004:14) dabei kontinuierlich. Sein, verstanden als Da-Sein, so die Referenz auf Heidegger, ist nicht nur als In-der-Welt-sein, sondern prinzipiell und effektiv aus dem Kontakt heraus zu denken: es schafft Welten in denen der Mensch als solches existieren kann (ebd.).10 Prinzipiell wird dabei das biologische Motiv der Immunologie auf das der Zivilisation übertragen: Vom Uterus bis zum Tod, von der Stube bis zum Kosmos versucht sich das Individuum nach dieser Logik in diesen Kontakträumen, »Sphären« zu erhalten, schafft und verändert diese (vgl. 2004: 870).11 Mit dieser Akzentverschiebung auf die Prozessualität des Seinsbegriffes, wie er sich im Moment des Werdens darstellt, rückt ein poietologischer Kulturbegriff in den Mittelpunkt (vgl. Dracklé 2000:31). Dies umgeht den traditionellen Subjektbegriff zugunsten eines Ansatzes, der menschlichen Kontakt und Übertragungen als Motor von Kultur und Zivilisation thematisiert. Bestand Kant also darauf, Raum als Möglichkeit des Zusammenseins vorauszusetzen, steht dem hier ein anthropozentrischer Ansatz entgegen, der Beisammen-Sein als Bedingung für Raum sieht (vgl. Sloterdijk 2004:307). Raum verkörpert dann nur eine Möglichkeit unter vielen (ebd.). Mit »Blasen« (1998), »Globen« (2002) und »Schäume« (2004) – den Deklinationen des Menschen in seinen individuellen und kollektiven Erscheinungsformen und Horizonten, vom Zwischenmenschlichen bis zum überpersonalen Zusammensein, werden unterschiedliche Formen und Ebenen der Verräumlichung betrachtet. Von der Mikro- über die Makro hin zur globalen Ebene bergen die Sphären eine fragile und temporäre Möglichkeit zur Orientierung sowie emotionalen und sozialen Halt (vgl. ten Bos/Kaulingfreks 2004:15). Bedingt abwehrfähig bewegt sich das Einzelwesen dabei durch die Ebenen und Formen des Daseins. Scheinen Terminologie und Ansatz an dieser Stelle noch etwas hölzern und fern vom eigentlichen Thema, so stellt sich dieses Denken bei genauerer Betrachtung als nützlich heraus, da es das Prinzip der Raumerzeugung und -organisation, die Frage nach atmosphärischen Grundbedingungen der journalistischen Arbeit, der Effektivität sowie der Kunst des Teilens verdeutlicht (vgl. 2004:884ff). Formuliert Sloterdijk eine Kulturgeschichte aus Kontakt und Übertragungen, so gleicht dies im Prinzip der journalistischen Praxis, insbesondere der Auslandsberichterstattung. Das Aufeinandertreffen von Personen und Meinungen, von Glaubensfragen und politischen Systemen im Arbeitsalltag der Korrespondenten, aber auch das alltägliche Miteinander von Personen, Ereignissen, Betrachtungsweisen, Orten, Hierarchien, Technologie, Zeitökonomie, Sprachen, Handwerk, Erfahrungen, Emotionen und vielen anderen Aspekten verkörpern Kontaktmomente und Übertragungen auf unterschiedlichen miteinander verquickten und sich gleichzeitig ausschließ28

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

enden Ebenen – und werfen die Frage nach der Handhabung damit auf. Entsprechend der Komplexität dessen, kann die Produktionspraxis als eine im Prinzip grenzenlos vielfältige „multifokale, multiperspektivische, heterarische Artikulation von Leben“ (Sloterdijk 2004:24) – als eine Ansammlung von einzelnen Mikrosphären verstanden werden. Sphären, deren Merkmal darin besteht, dass sie auf Kooperation ebenso wie Koexistenz ausgerichtet sind, eine Artikulation „auf ineinander verschachtelten simultanen Bühnen, produziert und verzehrt [...] in vernetzten Werkstätten“ (ebd.). Im Unterschied zu »Rhizom« (Deleuze/Guattari 1987) oder auch »ANT« (Latour 2006), unterstellt die Sphärologie bei aller Offenheit und Flexibilität ein Prinzip, das zumindest die Anwendung auf Auslandsberichterstattung sinnvoll erscheinen lässt: Sie verbindet das Moment des Kontakts mit dem der Orientierung.12 Dennoch wird hier weder eine umfassende systematische Auslegung Sloterdijks vorgenommen, noch werden die den hier thematisierten Publikationen vorausgegangenen Werke und Debatten weiterführend diskutiert.13 Die vorliegende Arbeit nutzt Sloterdijks Ideen als Inspiration. Hier werden seine Überlegungen verwendet, um die Konditionen der Auslandsberichterstattung aus kulturtheoretischer Perspektive zu erläutern. Deren Konsequenzen, die man als Formung von Öffentlichkeit oder Gesprächsräume verstehen kann, werden in einem zweiten Schritt über das Bachtin’sche »Chronotop« (1938/1989) reflektiert. Dieses Vorgehen mag im ersten Augenblick paradox erscheinen, zeichnet sich Bachtin dem Vernehmen nach als Neukantianer aus (vgl. Holquist 2003), während Sloterdijk deutlich von Kant abrückt (vgl. Sloterdijk 2004:307). Dennoch zeichnen sich beide Ansätze durch eine Gemeinsamkeit aus, die eine Anwendung in diesem Fall plausibel macht: Verkürzt gesagt wird in beiden Fällen Raum formuliert. Nur, dass Bachtin dazu explizit das Erzählen von Geschichten thematisiert. Zeit und Raum formulieren. Orientierungshilfen

Etwas zu formulieren bedeutet stets einen Akt der Poiesis: Eine Schöpfung, die durch den Akt der Vermittlung wirkt (vgl. Dracklé 2000:31). In seinen Arbeiten widmet sich Bachtin diesem welterschliessenden und formenden Aspekt von Literatur (vgl. Dentith 1995; Allan 2003; Scholz 1989). Zentral dabei ist die Referentialität und Reflexivität im Verhältnis von Autor, Text und Leser. Referenz und Reflex verkörpern durch ihren Bezug auf etwas stets ein Geschehen, das auch räumlich begreifbar ist. Anschaulich wird dies im Begriff des »Chronotop«14, einem ästhetischen Begriff, der Zeit und Raum verbindet und in literarischen Genres verortet (vgl. Bachtin 1989:7f).15 So wird das »Chronotop« in Bachtins Arbeiten als Schlüsselbegriff für die Unterscheidung von verschiedenen Romangattungen genutzt. In den unterschiedliche Gattungen wird Zeit unter29

NACHRICHTENWELTEN

schiedlich geformt, verharrt im Stillstand oder Zeitraffer. Im gleichen Maße stellen unterschiedliche Gattungen unterschiedliche Raumformen in den Mittelpunkt (vgl. Emerson/Holquist 1981). So bewegen sich z. B. die Helden der griechischen Sagen in einer „Abenteuerzeit“ (Bachtin 1989:12ff), einer leeren Zeit, die nirgends Spuren hinterlässt, gerade nicht bei den Helden der Sagen, die im Verlauf ihrer Abenteuer niemals altern. Stattdessen rückt der Raum in den Mittelpunkt, braucht doch das Abenteuer „um sich entfalten zu können, Raum, viel Raum“ (vgl. 1998: 24). Im mittelalterlichen Roman wiederum verkehrt sich dieses Verhältnis zu einem einheitlich, organischen Zeit-Raum-Begriff, in dem der zyklische Charakter der Natur auf Körperlichkeit und Sterblichkeit aller Menschen verweist. Zeit fließt als kollektives und schöpferisches Element in die Erzählungen ein. Im Gegensatz zur Antike ist sie eng an Wachstum und Verfall geknüpft. Um dieses Organische zu betonen, verkörpern grotesken Gestalten und deren unförmige Proportionen die Kategorie des Wachsens als natürlichste Verbindung von Zeit und Raum (vgl. 1989:102f). Zwar geht es mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung weniger um Odysseus oder Gargantua und Pantagruel, jenen Helden, die den hier nur kurz umrissenen Bachtins’schen Überlegungen zugrunde liegen, dennoch fallen in der Auslandsberichterstattung zumindest die Faktoren »Zeit« und »Raum« erkennbar zusammen. Von der StopwatchKultur der hektischen Nachrichtenwelt (vgl. Schlesinger 1978) über die „world news landscape“ (Hannerz 2004:84) und die mediale Globalisierung als Kontext dessen (vgl. u. a. Hafez 2007) zieht sich eine Parallelität von Geschwindigkeit und Globalem durch die einschlägige Literatur. Was hier unternommen wird, ist die Unternehmung, dies aus anthropologischer Perspektive weiter zu denken. Handelt es sich hier um Globales, Geschwindigkeit und Geschichten so findet sich durchaus chronotopes: Angesiedelt in drei unterschiedlichen Regionen stellt sich die Frage nach den Ausprägungen von Zeit und Raum in den Arbeitsmethoden der Korrespondenten. Wenn man die Frage nach den Konsequenzen und Möglichkeiten der bestehenden Konditionen mit Bachtin stellt, also die nach möglichen Genres, jenen Gesprächsräumen, die durch die unterschiedlichen Konditionen vor Ort entstehen und die Geschichten prägen. Steht die »Sphärologie« für das Kontaktmoment und eine grundsätzliche Orientierung, so ist das »Chronotop« darüber hinaus als ordnendes, wenngleich auch schöpferisches Konzept zu verstehen. In anderen Worten: als ein Kulturproduzent, der vermittels abstrakter Räume fassbare Artefakte, Geschichten und damit kontinuierlich Realitäten, Öffentlichkeiten, ausformt.

30

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

H er a n g e h e ns w ei s e Eine Erzählung ist nicht Ausdruck einer Praktik. Sie beschränkt sich nicht darauf, über eine Bewegung zu sprechen. Sie vollzieht die Bewegung. Man versteht die Bewegung, in dem man den Tanz mitmacht. – Michel de Certeau

In der Ethnologie geht man davon aus, dass Theorie, Methode und Daten Teil eines interaktiven Prozesses sind, der sich aus den Bedingungen des jeweiligen Feldes ergibt. Das Feld bestimmt die Methode und gibt das Lernen aus den Daten als Ziel vor (vgl. King et al. 1994:47; Beer 2004: 11f).1 Forschungsgegenstand und Konzeptbildung gehen demnach Hand in Hand, ebenso wie sich Methode und Theorie durchdringen. So hat sich auch die Methode der vorliegenden Ethnographie aus den Produktionsroutinen der Auslandsberichterstattung entwickelt. Ein Feld, das, wie sich zeigen wird, alles andere als eine isomorphe oder essentialistische Einheit darstellt und in der Tat die beteiligten Akteure an vielen Orten und auf Ebenen in Bewegung zeigt. Eine Bewegung, der ich mich als Ethnologin anschließe (vgl. Marcus 1997). Die Formulierung einer Ethnographie, als zweite Ebene der Methode, greift diese Bewegung narrativ auf. Dies weist stilistisch eine gewisse Nähe zur Reportage auf – ein Formalismus, der eher aus dem hier verfolgten narrativen Ansatz entspringt, als aus einer Adaption des Gegenstandes. Tatsächlich bergen Recherche, aber auch das Genre der Reportage Praktiken, die sich meiner Meinung nach durchaus positiv für ethnographische Arbeiten erweisen. In diesem Zusammenhang, und das wäre durchaus eine Absicht, ist die vorliegende Arbeit auch ein Versuch, aus einigen Bereichen des Journalismus, speziell dem erzählenden Journalismus, synergetisches Potential für die ethnologische Methode abzuleiten. Zunächst jedoch folgt hier eine Verortung der Forschung. Ein Grundriss, der für die Einordnung des Feldforschungsteiles eine erste Orientierung darstellt.

Kontaktzonen Wir sind jetzt also deine Eingeborenen? Meine erste Zeit im Feld begann ähnlich wie mein erstes Semester im Studium mit ethnologischen Klischees. Ich balancierte gerade auf dem Scheitelpunkt, die erste Hürde der 31

NACHRICHTENWELTEN

Präsentation meines Forschungsvorhabens auf Englisch gemeistert zu haben – immerhin waren zwei der Anwesenden englische »native speaker« –, als ein Studiomitarbeiter halb amüsiert, halb argwöhnend diese Frage stellte. Aus einer anderen Ecke des Studios folgte bald darauf der Ratschlag, ich solle aufpassen, dass mein Aufenthalt in den Tropen nicht zu trist gerate, da ich die meiste Zeit im Studio zu sitzen hätte, während die anderen zu Dreharbeiten um den halben Globus unterwegs sein würden. Einige Tage später Bedauern, dass man es sich in der Auslandsberichterstattung nicht leisten könne, über jede Ecke der Trobriandinseln zu berichten. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, folgten den Anspielungen auf Claude Levi-Strauss und Bronislaw Malinowski, im weiteren Verlauf der Hospitanz mit Nigel Barley, Friedrich Nietzsche und Anderen weitere Verweise auf den intellektuellen Überbau meines Fachbereichs. Gabe-Gegengabe-Gift war das einzige, was mir spontan aus meinem ethnologischen Grundwortschatz dazu einfiel: Dieses Interesse verwies darauf, dass diese Arbeit nur mit-ein-ander umgesetzt werden würde (vgl. Nancy 2004). In dieser ko-operativen Art und Weise reagierten die meisten Gesprächspartner. Man nahm sich Zeit, aber man fragte auch, wollte über meine Arbeit und deren Ziel informiert werden, kommentierte meine Aussagen ebenso wie meine Einstellungen und mein Vorgehen und reagierte darauf in der jeweils eigenen Art. Das Miteinander war stets Einladung zur Teilnahme und Herausforderung zugleich (vgl. Rao 2006). Tatsächlich stellte sich das »Mitsein« im Feld als zentrale Kategorie heraus. Gerade in der Rolle der Forscherin befand ich mich in mitten eines sozialen Daseins, in dem die Pole zwar als singuläre gegeben, jedoch nur über das »mit« und damit in Pluralität zu denken sind (vgl. Nancy 2004:60). Diese Bewegung zu einem Mit-ein-ander-sein (ebd.) flieht nur auf den ersten Blick vor einer Auseinandersetzung mit Machtfragen. Auf den zweiten Blick rücken die hier getrennt geschriebenen Morpheme und ihre Widersprüchlichkeit in den Vordergrund. »Mit-einander-sein« oder »singular-plural-sein« thematisiert die Differenz zwischen Subjekten angesichts ihrer nur plural zu denkenden Existenz. Dieser Ansatz hebt einen politischen Handlungsaspekt in den Vordergrund.2 Gerade in der Widersprüchlichkeit zwischen singulär- und plural-sein findet sich eine Kontakt- ebenso wie eine Konfliktzone, die in der Bewegung, mit- und gegeneinander, um- oder auch nebeneinander als eine politische Definition der Verräumlichung von ko-isolierten Assoziation (Sloterdijk 2004:302) oder klarer: als Forschungssphäre gefasst werden kann. Ich umgehe mit diesem Hinweis auf die Form bewusst den Inhalt und damit Ansprüche an die Ausgestaltung der Forschungssphäre da diese an unzählige atmosphärische Parameter gebunden ist, von denen ich nicht 32

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

behaupten möchte, dass ich profund über deren unterschiedliche Qualität urteilen könnte oder den Ablauf zu einem späteren Zeitpunkt exakt so wiederholen könnte. Gegenüber positivistischen Ansätzen mache ich mich in dieser Hinsicht durchaus und bewusst angreifbar, da diese »Versuchsanordnung« nicht auf Wiederholbarkeit sondern ihrem Wesen nach auf Erweiterung ausgelegt ist. Tatsächlich, und dies wird in Folge noch weitergehend erörtert, gehe ich davon aus, dass die positivistischen Parameter des Einfrierens eine empirische Auseinandersetzung mit diesem Thema ad absurdum führen, da sie u. a. isomorphe Umstände annehmen, die das hier zugrunde liegende kulturelle Paradigma per se ausschließt (vgl. Dracklé 2000:20f). Kooperation

Zwei der durchgeführten drei Feldforschungsaufenthalte fanden in Form einer vier-, respektive sechswöchigen Hospitanz in Rundfunkstudios statt, die währenddessen durch Treffen und Gespräche mit Journalisten anderer Medien erweitert wurden.3 Der Aufenthalt in Israel war auf zwei Wochen begrenzt und reduzierte sich auf mehrere Stippvisiten in einem Studio und kurzen Besuchen in anderen Studios und Büros weiterer Medienvertreter. Entsprechend des gefüllten Terminplanes und zum Teil erheblicher Reisetätigkeiten seitens der Journalisten fanden einige Termine sehr spontan und kurzfristig statt. Die anschließenden Gespräche dauerten manchmal eine Stunde, manchmal viele Stunden, zuweilen fanden sie regelmäßig statt. Einige führte ich in Cafés und Restaurants, andere in Büros und Wohnungen, in Schnitt- und Redaktionsräumen, in Autos und Hotels, neben Bushaltestellen, an Stammtischen, am Telefon; manche Gespräche ergaben sich im Vorbeigehen, zufällig, die meisten abgesprochen. Sie fanden mit Korrespondenten und ihren Mitarbeitern, zuweilen auch mit deren Angehörigen statt. Ich wurde zu offiziellen und privaten Zusammenkünften mitgenommen oder auch weitervermittelt: Mit diesem Kollegen oder dieser Kollegin müsse ich unbedingt auch sprechen! Ob ich die Nummer schon hätte? Ob ich auf diesem Treffen schon gewesen wäre? Gleichzeitig stieß ich an anderen Stellen auf Blockaden und wurde ignoriert. So fehlte schon mal der Bürostuhl, auf dem ich zu sitzen pflegte, zuweilen auch der Computer. Wurde dieser Mangel durch die Beihilfe eines anderen Kollegen kompensiert, prallte ich vielleicht im nächsten Moment an einer Sekretärin ab, welcher erst nach mehrmaligem Nachfragen einfiel, dass die gesuchten Archivunterlagen allgemein zugänglich in einem der Redaktionsräume lagerten. Dies unterstreicht die zuweilen auch angespannte Atmosphäre, in der sich der Arbeitsalltag aller Beteiligten durch meine Anwesenheit entfaltet hat. Sich vielleicht 33

NACHRICHTENWELTEN

auch ohne meine Anwesendheit entfaltet hätte. Die atmosphärischen Verhältnisse variierten kontinuierlich in Abhängigkeit von Personen und Geschehen. Ein gutes ebenso wie ein schlechtes soziales Klima veränderte die atmosphärischen Bedingungen jeweils auf seine Weise. So ergab sich eine Verbindung aus Nähe und Distanz, die fortwährend in Bewegung war und meinen Beobachtungen und Fragen mit der Zeit eine bestimmte Richtung gab. Ich möchte diese Bemerkungen hier insbesondere in einen Zusammenhang stellen, der für dieses Thema wesentlich ist: Eine Trennung von Untersuchten und Untersuchendem ist für die hier angelegte kulturtheoretische Perspektive, nicht haltbar. Hier zeigt sich stattdessen deutlich die Ausgestaltung einer Beziehung zueinander, eines Enthaltenseins im DaZwischen, das im Folgenden inhaltlich und methodisch in den Vordergrund rücken wird und die so genannten Substanzen und Individuen nur als Momente oder Pole in einer Geschichte des Schwebens behandelt (vgl. Sloterdijk/Heinrichs 2001:139). Dieses Schweben reflektiert auch methodisch die anthropologische Theorie des „geteilten Raums“ (ebd.). In mancherlei Hinsicht war dieser geteilte Raum auf einer Makroebene bereits gegeben – faktisch besaßen die meisten Korrespondenten, ebenso wie ihre lokalen Mitarbeiter einen akademischen Hintergrund.4 Auch kam es vor, dass Einzelne selbst im wissenschaftlichen Feld publiziert hatten.5 Nichtzuletzt handelte es sich bei dem linguistischen Idiom in den meisten Fällen um die gemeinsame Muttersprache.6 Eine weitere Gemeinsamkeit trifft die Grundzüge der Arbeit. Eine Tätigkeit, die professionell auf eine Vermittlertätigkeit ausgerichtet ist – und im Falle der Auslandsberichterstattung per se die Differenz im Namen führt. In diesem Sinne gleicht die Profession des Ethnologen der des Journalisten: Journalisten wie auch Ethnologen nehmen für sich in Anspruch, „Vermittler und Übersetzer des Fremden und des Exotischen“ (ARD 2003) zu sein, suchen die Ursachen von Ereignissen und ihre Folgen darzustellen und einzubetten (vgl. ZDF 2003).7 Wenngleich diese Verwandtschaft nicht mit Gleichheit zu verwechseln ist (vgl. Peterson 2002:x), so sehe ich diese Arbeit als eine Beschäftigung mit Kulturproduzenten, die in einem anderen Feld arbeiten. In diesem Sinne betrachte ich dieses Vorgehen nicht als „studying up“ (Nader 1972), sondern als „studying sideways“ (Hannerz: 2004:3). Es ist weniger das gemeinsame Spiel um Macht und Positionen, das im Mittelpunkt meines Interesses steht, als die Beschäftigung mit zwei Metiers, die in vielerlei Hinsicht eine große Ähnlichkeit besitzen (ebd.). In diesem Zusammenhang erleichterten die Rückgriffe auf vertraute kulturelle Archive und Wissensgenealogien anfänglich Kontaktaufnahme und Orientierung. Trotzdem war es in Folge nicht ohne Hindernisse, Orientierung zu schaffen und die

34

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Zone zwischen Forscher und Gegenstand der Forschung in eine beseelte Sphäre zu verwandeln (vgl. Sloterdijk 1998:18). Routinen

Als Hospitantin war ich in die tägliche Studioarbeit eingebunden.8 Ich verfügte über Schreibtisch, Computer, Telefon, im besten Fall einen Aschenbecher, hatte Zugang zu bestimmten Archiven. Damit standen mir die grundlegenden Mittel zur Verfügung, um mich in Recherche und Drehvorbereitungen, Telefonbereitschaft und Studiobesprechungen einzubringen. Ich bereitete Produktionen mit vor, informierte mich in Archiven und Gesprächen über vergangene, sortierte alte und neue Produktionsmaterialien, saß mit Cutter9 und Korrespondent bis weit nach offiziellem Büroschluss im Schnitt oder fand mich, je nach Produktionsrhythmus, früher im Studio ein. So konnte ich Zeitökonomie und Vorgehensweisen verfolgen, sie selbst nachvollziehen, lernte verschiedene Aspekte der Auslandsberichterstattung kennen. Unzweifelhaft, dass ich trotz der Nähe zum Geschehen nicht alles sah. Einige wichtige Details im Studioalltag fielen erst durch personale Veränderungen auf; andere Dinge registrierte ich erst, nachdem man mich im Gespräch darauf stieß. Anzunehmen auch, dass ich zu wesentlichen internen Vorgängen und Besprechungen nicht zugelassen war. Selbst wenn das Telefon von Redaktionsseite oder Korrespondent zuweilen laut gestellt wurde, waren mir ebenso häufig Türen verschlossen.10 Ich habe dementsprechend meine Quellenlage angepasst: Über die reine teilnehmende Beobachtung an den verschiedenen Orten und Arbeitsstätten der Fernsehberichterstattung habe ich meine Recherche auf Korrespondenten aus Print, Agentur und an wenigen Stellen auch Radio ausgeweitet, parallel in Rundfunk- und Zeitungsarchiven recherchiert, Nachrichtenredaktionen in Deutschland besucht, öffentliche und nichtöffentliche Aufzeichnungen genutzt, mit Redakteuren11 der Nachrichtenund Auslandsredaktionen gesprochen, ebenso auch mit ehemaligen Mitarbeitern. Darüber hinaus habe ich neben Stimmen aus der journalistischen und gesellschaftlichen Mitte auch Stimmen aus Aktivistenkreisen sowie ausländischer Medienvertreter in meinen Arbeitsprozess miteinbezogen, um die Einblicke und Gespräche einzuordnen und zu problematisieren. In diesem Sinne bezeichne ich diese Bewegung in den verschiedenen Sphären in und um die tägliche Produktionsroutine der Auslandsberichterstattung als „deep hanging out“ (vgl. Clifford 1997: 56f).12 Einen bedeutenden Einfluss auf die Forschungsarbeit vor Ort hatten die Unterhaltungen in und außerhalb der Büros. Tatsächlich rückten diese sehr schnell die unterschiedlichen Produktionsorte und -abläufe, die offensichtliche Beziehung zwischen den Akteuren, der Technologie 35

NACHRICHTENWELTEN

und ihrer Einordnung in strukturelle Hierarchien in bestimmte Kontexte. Unverbindlich als Gespräch oder mit dem Aufzeichnungsgerät als Interview verwoben sich im Laufe der Zeit Orte und Ebenen, Handlungen und Personen. Die so entstandene Spuren und Eindrücke wurden in Folge kontinuierlich wieder eingebracht und weitergeführt.13 Die Interviews selbst wurden im Verlauf der Feldforschung zu einem wesentlichen Teil des Ganzen.14 Ganz praktisch, weil sie im Gegensatz zur Beobachtung und Teilnahme im Produktionsalltag leichter aufgezeichnet werden konnten. Ungefragt sind Journalisten ihrem beruflichen Profil nach Kommunikationsspezialisten (vgl. Peterson 2002:xv).15 Angesichts dessen habe ich versucht, meinen Gesprächspartnern den Raum für die Formulierung von eigenen Schwerpunkten und Interessen zu geben und dies im Schneeballsystem weiterzuentwickeln. In den meisten Fällen stellte die Auseinandersetzung mit deren Arbeiten das Plateau für Weiteres dar. Auch setzte ich Aussagen von Kollegen ein, um sie durch den Anderen bewerten zu lassen, fragte zu Ereignissen und Routinen, die den Journalisten gemeinsam waren. Mit dem Versuch, Atmosphären zu veranschaulichen, rückt dabei ein anderes Ziel als das Ziel einer kritischen Faktenprüfung in den Vordergrund. So stehen sich die Darstellungen und Aussagen der Journalisten im weiteren Verlauf dieser Arbeit mit und zuweilen auch gegeneinander, treffen sich mit meinen Beobachtungen, den Kommentaren ihrer Mitarbeiter, wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, faktifizierbaren Rahmenbedingungen und -abläufen ihrer Arbeit ebenso wie mit den Produkten ihrer Arbeit selbst. Insgesamt beschreibt dies ein Oszillieren von Bedeutungen zwischen den unterschiedlichen Teilnehmern an diesem Gespräch, die sich so, gesammelt, zu einer »dichten Beschreibung« fassen lassen.16 Koordination

In der Hauptsache sind im Folgenden Journalisten versammelt, die für deutschsprachige Medienorganisationen arbeiten oder gearbeitet haben. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich dabei um Medienorganisationen einer breiten gesellschaftlichen Mitte, letztendlich die einzigen Medien, die über eigene Korrespondentennetze verfügen. Die Korrespondenten von A wie ARD bis Z wie DIE ZEIT stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Neben ihnen sind es aber auch freiberufliche Korrespondenten und Mitarbeiter von englischen, amerikanischen, israelischen etc. Medien, deren Kommentare und Sichtweisen die Entwicklung dieser Feldforschung beeinflusst haben. Ähnlich der Einbeziehung der Printkorrespondenten in die laufende Forschung, diente auch dies der Gegenüberstellung und letztendlich der Verdichtung von Gesehenem und Gehörtem. Oftmals waren es die Widersprüche zwischen den einzelnen Mediengattungen Print und Rundfunk ebenso wie zwischen den Journalisten 36

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

von ARD und BBC, von REUTERS oder DPA, die auf andere Sicht- und Denkweisen aufmerksam machten. Nicht alles davon taucht im Folgenden in gleicher Form auf. Im Vordergrund steht grundsätzlich die Fernsehberichterstattung, die aber, wie sich im Laufe der Zeit herausgestellt hat, mit Blick auf die Auslandsberichterstattung wesentliche Gemeinsamkeiten mit Print und Radio aufzuweisen hat. So glichen sich in vielen Punkten Aussagen und Praxis ganz grundlegend über die Grenzen der Berichterstattungsgebiete hinweg – immerhin handelte es sich um journalistisches Handwerk. Ebenso unterschieden sie sich jedoch auffällig in anderen Punkten. Natürlich macht es einen Unterschied, ob man für ein tagesaktuelles Medium arbeitet oder für eine Wochenpublikation, unzweifelhaft sticht Rundfunkjournalismus bereits technologisch von Printjournalismus ab. Letztendlich waren es jedoch die bestimmten Aspekte der allgemeinen journalistischen Arbeit, die sich je nach Standort stärker in den Vordergrund schoben als die Differenzen zwischen den einzelnen Medien und ihren Gattungen: Handelte es sich um einen Wirtschaftsjournalisten, so erzählte dieser im Speziellen über die Arbeit in seinem Ressort. Trotzdem, so kristallisierte sich mit der Zeit heraus, beschrieb er im Kern die gleiche Problematik wie die Rundfunkjournalistin am Tag zuvor und der Kollege von der Tageszeitung und auch der Stringer17, die ich im weiteren Verlauf des Aufenthaltes traf. So bildete sich über alle Gemeinsamkeiten hinweg ein Profil der jeweiligen Region und ihrer Arbeitsmethoden und -bedingungen heraus, wie es im Feldforschungsteil der Arbeit nachvollzogen wird. Ich konzentriere mich in dieser Darstellung auf die Seite der Medienproduktion und dort besonders auf die Frage nach deren Einbettung in einen globalisierten Alltag. Dass diese Abhandlung vornehmlich über das nähere Tätigkeitsfeld der Korrespondenten selbst geschieht, mag der üblichen Faszination für die Stars des Business geschuldet sein. Doch ist es de facto auch so, dass sich der Produktionsprozess um die Figur des Korrespondenten verdichtet. Im gleichen Augenblick war es – hier kommen die feinen Unterschiede innerhalb des Feldes der Medienproduktion zum Tragen – leichter andere Stimmen informell zu sammeln und sie mit den eigenen Beobachtungen in Folge wieder in Gespräche und Interviews einfließen zu lassen. So ist die Fokussierung auf die Figur des Korrespondenten nicht gleichzusetzen mit dem Ausschluss von anderen Stimmen, lediglich mit einer ausbleibenden offiziellen Zitierung dieser.18 Dies ist eine von vielen möglichen Positionierungen. Diese Parallele zu der in der Berichterstattung üblichen Praxis, Producer und Stringer nicht als CoAutoren zu nennen ist Zufall. Im vorliegenden Fall entwickelte sich der Fokus auf die Korrespondenten aus dem Umstand, dass sich die regionalen Unterschiede zwischen den einzelnen Berichtsgebieten nach kurzer 37

NACHRICHTENWELTEN

Zeit als prägend für die Berichterstattung herauskristallisierten und die Beziehung innerhalb des Teams hinter diesem Aspekt zurücksteht. Nichtsdestotrotz findet auch die Diskussion um Machtasymmetrien und Deutungshoheit durchgehend ihren Platz in den verschiedenen Kapiteln und wirft ein ganz eigenes Licht auf den Prozess der Nachrichtenproduktion und die Vorstellung von Autorschaft und Autorität.

Re-portare Die Berichterstattung selbst findet an vielen unterschiedlichen Orten statt, beinhaltet ebenso viele Themen wie Beteiligte und durchläuft von der Themenfindung bis zur Publikation unterschiedliche Produktionsphasen. Dabei ist sie in historische und strukturelle Kontexte ebenso eingebunden, wie sie von den unterschiedlichsten individuellen und institutionellen Akteuren beeinflusst wird. Für die Methode bedeutet dies, dass sie im Zuge dessen unweigerlich aus einem isomorphen Zusammenhang von Ort, Person und Kultur gerissen und ebenfalls in Bewegung gesetzt wird. Ein Vorgehen, das speziell in der Beschäftigung mit der Auslandsberichterstattung nach kurzer Zeit plausibel wird und zu der Frage führt, mit welchen Mitteln diese Bewegung wiedergegeben werden kann, wenn sich Weltgeschehen, Alltag, eigene und andere Geschichten miteinander zu einem ebenso komplexen wie widerspenstigen Etwas – einem »Rhizom« (Deleuze/Guattari 1987) oder einer »Hybridsphäre« (Sloterdijk 2004) – verbinden. Bewegung

Der nervöse Rhythmus der Meldungen, die scheinbar exzessiv über die Agenturen in die Redaktionen laufen und von dort weitervermittelt werden, ist ein Sinnbild für die journalistische Berichterstattung. Journalismus ist seit jeher mit dem Profil der Schnelligkeit behaftet: nur dass inzwischen auch die Auslandsberichterstattung davon erreicht wurde. Wo vor nicht allzu langer Zeit Korrespondenten mühselig und zeitaufwendig Filme per Flieger in die Sendezentralen transportieren lassen mussten, die Übermittlung eines Zeitungsartikels davon abhing, ob man Telegraphen- oder Telefonleitungen habhaft werden konnte, hat der technologische Fortschritt Einzug gehalten. Konnte man vor ein, zwei Jahrzehnten wochenlang in den Dschungel verschwinden, so klingelt das Handy inzwischen auch dort. Falls Email und Mobiltelefone ausfallen, ermöglichen Satellitentelefone weiterhin eine ununterbrochene Kommunikation über geographische Entfernungen hinweg.19 In der Berichterstattungsroutine der Rundfunkkorrespondenten sind Liveübertragungen oder -kommentare inzwischen Standard. Heute sind es häufig mehrere Beiträ38

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

ge pro Tag, die ein Korrespondent übermittelt. Nicht zu sprechen von der Geschwindigkeit und Menge der Informationen, die kontinuierlich über die Agenturleitungen in die Redaktionen und Büros einlaufen. Inzwischen überbrückt die Arbeit eher die Zeitverschiebung als die geographische Distanz. Die gute alte Zeit ist einer allgegenwärtigen Erreichbarkeit anheim gefallen. Der einzig wahre Luxus sei inzwischen, das Handy ausschalten zu können, wie es ein Korrespondent beschreibt. Tatsächlich, wenn um drei Uhr nachts das Handy klingelt und am anderen Ende der Welt jemand nach Material über ein Erdbeben auf den Philippinen fragt und man am nächsten Tag auf die zahllosen Medienerzeugnisse blickt, die dieses thematisieren, beginnt man zu verstehen: Die aktuelle Berichterstattung verkörpert Schlaflosigkeit und Unruhe. Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, dieser Ausspruch suggeriert die Flüchtigkeit von news, Neuigkeiten, und verweist gleichzeitig auf das Tempo der Berichterstattung. Im Zuge der Globalisierung ist die Welt nachtlos geworden, gibt es auch für die Auslandsberichterstattung keine Auszeiten mehr (vgl. Sloterdijk 2005:211f). Reiserouten

Doch nicht nur das Weltgeschehen ist in Bewegung. Auch die Korrespondenten und ihr Umfeld sind unterwegs – geographisch wie biographisch. Nicht nur, dass die gleichen Medienproduzenten im Laufe ihrer Karriere auf längere Zeit z. B. in Washington und Singapur waren, viele hatten bereits langfristige Engagements und Aufenthalte im Ausland hinter sich und waren ebenso regelmäßig zu kurzfristigen Reportereinsätzen unterwegs. Bereits die Zuständigkeit für einen Standort schließt Reisetätigkeiten ein, die über ein Dutzend politischer Grenzen und tausende von Kilometern gehen können. So sind die Korrespondenten in Südostasien für ein Gebiet zuständig, das z. T. von Afghanistan bis nach Neuseeland mehr als 10.000 km und 20 Länder durchmisst. Andere Gebiete haben durchaus geringere geographische Ausmaße, wie z. B. das Berichtsgebiet Nahost zeigt. Dennoch weisen auch dort die Korrespondenten und ihre Mitarbeiter durch Raum und Zeit, wenn sie von ihrer Arbeit im Nahen Osten sprechen, ebenso wenn sie von den einzelnen Stationen ihrer Tätigkeit oder den Archiven ihres Wissens schöpfen. Einige der Korrespondenten waren seit mehr als zehn Jahren auf ihrem Posten oder sind nach Aufenthalten in Deutschland wieder dorthin zurückgekehrt. Daneben stehen Gesprächspartner, die erst seit kurzem vor Ort oder in ihrem ersten Engagement als Auslandskorrespondent tätig sind.20 Persönliche Erfahrungen fielen im Gespräch mit unterschiedlichen Räumen ineinander und formten neue. So floss der Brüssler Arbeitsalltag in Singapur ebenso in die Gespräche ein wie Erfahrungen aus Ostafrika, 39

NACHRICHTENWELTEN

China und Südamerika. In Washington hörte ich Geschichten über Namibia, Afghanistan und Singapur, in Berlin Geschichten über viele dieser Orte. Ebenso wie Ereignisse oder eben Orte ortsungebunden Gesprächsthema sein können, trägt sich auch der Ruf einiger Journalisten über die Kollegen an verschiedene Orte oder besteht weiterhin an Orten, von denen sich der Journalist bereits gelöst hat. Gestern und Heute. Vergangenheit und Gegenwart laufen an vielen Punkten dieser Forschung zusammen. Im gleichen Moment ist auch die Forschung selbst an bestimmte Augenblicke der Gegenwart gebunden. Ob dies nun die Ermordung von Palästinenserführer Scheich Jassin und später seines Nachfolgers Rantissi ist, die Präsidentschaftswahl in den USA 2004, der Jahrestag des Bombenanschlags auf Bali, der Rücktritt von Malaysias Staatspräsident Mohammad Mahathirs: im Verlauf der Forschung verbinden sich die wechselnden Sets aus Personen, Orten und Tätigkeiten mit Fragmenten der Zeitgeschichte und prägen ihrerseits den Umgang mit dem Thema. In dieser Darstellung ist das Prinzip der Konnexion und der Heterogenität verkörpert (Deleuze/Guattari 1987:16f). Jeder dieser Punkte und Anmerkungen kann und muss unaufhörlich mit-ein-ander verbunden gedacht werden: Begriffsketten, Sinn, Organisation und Ereignisse. Im Gegensatz zu schematischen Netzwerken oder anderen Strukturzeichnungen ist keine Ordnung festgelegt, sondern kontinuierliche Bewegung. Eine „Simultaneität von Unendlichkeit [...] wie sie aus allen Ecken des Universums heraus gesehen werden kann“ (Soja 2005:96). Die schillernde Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten und Assoziationszusammenhänge bewegt sich über das Fass- und Darstellbare hinaus (ebd.). Jedoch lassen sich atmosphärische Grundbedingungen erkennen. Das journalistische Handwerk ist eines davon, die Rahmenbedingungen der Auslandsstationen, Sprache, Medienformate und -institutionen andere. In dieser Verbindung von Gesellschaft, Geschichte und Gegenwart findet sich eine Weise, das Oxymoron der Komplexität zu verdichten und weiterzuerzählen. Dieser Blick lässt Ort, Zeit und Handlung im Moment zusammenfließen. Momentaufnahmen

Wie ein Korrespondent es ausdrückte, sei alles was sie tun würden Momentaufnahmen, dessen müsste man sich bewusst sein. Innerhalb dessen sei es der Versuch, ein kleines Universum abzubilden – mit dem Wissen, dass dieses Universum im nächsten Moment schon wieder vergangen ist oder sich verändert haben kann. Das Manko sei, dass nicht alle Informationsquellen zur Verfügung stünden. Manko sei, dass man von den vielen Wahrheitsebenen, die man übereinander legte, ein Dutzend zur Verfügung haben könne, aber die drei entscheidenden nicht gesehen, nicht bekommen habe. 40

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Das Unsichere, das Dazwischen, das sich im Verweis auf diesen Konjunktiv der journalistischen Arbeit zeigt, lässt sich auch auf die ethnographische Arbeit übertragen (vgl. Dracklé 2000:4). In diesem Fall trifft sich die ethnographische Methode mit der journalistischen als ein wissenschaftlicher Meta-Kommentar. Die Repräsentation des Dazwischen, der ständige Fluss der Herstellung von Bedeutung, schafft eine diskursive Praxis, in der die Unbestimmtheit des Dazwischen und des Denkens ohne Ende bestimmend ist. Die Suche nach Bedeutung in wechselnden Konstellationen ist ihrem Wesen nach eine unruhige Suche (vgl. Dracklé 2000:283). Für den Forscher ist diese Bewegung in Raum und Zeit eine Bewegung hinein in die Komplexität der Sache (ebd.). Es ist ein oszillierendes Bündel, das je nach Standpunkt und Bewegung eine andere Form und Färbung annimmt. Nicht in der Informationsfülle zu ertrinken, sondern sie in einen Geschehenszusammenhang zu stellen (vgl. Haller 2000:64), beschreibt die Spurensuche nach Orientierung, die sich mit jedem Standpunkt zu verändern scheint. Tatsächlich hat sich dieses oszillierende Bündel mit der Zeit an einigen Punkten verdichtet, gibt es Bewegungen, die träger oder kontinuierlicher scheinen als andere. Um diese Orientierung nachzuvollziehen, verbinde ich Darstellungen meiner Gesprächspartner, ihre Artikel und Berichte, ebenso wie eigene Beobachtungen und Erlebnisse in einer beschreibenden, erzählenden, schildernden Sprache (vgl. Haller 1997:95). Dabei handelt es sich nicht um eine dünne Beschreibung dessen was sichtbar ist oder war, sondern um die Auswertungen einer umfassenden Spurensuche, die zurückübersetzt werden auf das sinnliche Niveau der (Alltags-) Erfahrung (vgl. Haller 1997:130). So verbinden sich Befragungen und Gespräche, auch das Abklären von Sachverhalten und die Problematisierung einiger, spezieller Themen mit Blicken in die Vergangenheit ebenso wie auf Ereignisse und Geschichten der Gegenwart. Ich habe mich bemüht, Aussagen und Erzählungen kritisch zu hinterfragen, die mögliche(n) Gegenseite(n) zu befragen und Verbindungen zwischen Aussage und Praxis herzustellen, um schlussendlich möglichst viel von der Atmosphäre einzufangen, in der sich die Arbeit der Auslandskorrespondenten entfaltet und begreifbar wird. Dass dabei der Alltag im Mittelpunkt steht ist wesentlich.21 Dabei ist weniger die investigative Tatsachenenthüllung als die Entdeckung des Lebens in seinen unterschiedlichen Ausformungen zentral. Deren Merkmale und Facetten wieder- und weiterzugeben wird hier vermittels einer „sprachgestalteten (Um)Welterfahrung“ (Haller 1997:96) versucht, die letztlich keinen anderen Zweck hat, als die Sphäre(n) begreifbar zu machen, aus denen sich die Arbeit der Auslandskorrespondenten generiert. Im Vordergrund steht eine sinnliche Nähe: in den eigenen Worten der Korrespondenten, in meinen Beobachtungen, den anderen Meinun41

NACHRICHTENWELTEN

gen und den Verweisen auf strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen. Unzweifelhaft dient dies einer „ästhetischen Funktion“ (vgl. Lindner 1990:47f). Dabei erscheint es mir ein zu hoher Anspruch, dadurch eine Nähe zu schaffen, die anderen ermöglicht „in das Leben der jeweils anderen eintreten [zu] können“ (ebd.). Dennoch sollte es möglich sein, einen Einblick in den Alltag zu erlangen, der dazu beiträgt, Aussagen und Beobachtungen selbstständig einordnen zu können. Ein solches Vorgehen legt den Formalismus nahe, dass es sich bei dem Folgenden um eine Reportage handelt.22 Dies träfe zu, gäbe es denn eine wissenschaftliche Reportage. Die journalistische Reportage selbst beschreibt traditionell das Gewöhnliche, den Alltag aus der wiederholten, häufig auch langen Beobachtung heraus (Haller 1997:97ff). Was in Deutschland nur als Genre verstanden wird, hat im US-amerikanischen Journalismus seit Tom Wolfe und anderen Vertretern unter der Bezeichnung New Journalism eine viel beachtete, eigenständige journalistische Form hervorgebracht, die über die herkömmliche feature story (Reportage) hinaus geht und eine große Ähnlichkeit mit der ethnographischen Methode aufweist vor (vgl. Sims 1995:13).23 Dem Wesen nach sind diese journalistischen Narrativen einer Synekdoche vergleichbar, in der ein Teil für ein Größeres steht (Sims 1995:4).24 Partizipation wird dabei, ähnlich der intransitiven Natur der Recherche, als eine Methode verstanden, die schlussendlich den Text formt. Generell wird eine Unterscheidung zwischen Fictionund Nonfiction-Literatur gezogen: Es besteht kein Zweifel, dass es sich um eine Form von Journalismus handelt, wenn auch im literarischen Kleide. Als Richtlinien gelten: „[N]o composite scenes, no misstated chronology, no falsification of the discernible drift or proportion of events, no invention of quotes, no attribution of thoughts to sources unless the sources have said they'd had those very thoughts, and no unacknowledged deals with subjects involving payment or editorial control. Writers do occasionally pledge away use of actual names and identifying details in return for ongoing frank access, and notify readers they've done so.“ (Kramer 1995:25).25 Das Ziel dieses „reporting“ oder „fieldwork“ läge nicht darin, als Insider sozialisiert zu werden, sondern zu wissen, was Insider über ihr Tun denken, die Erfahrungen der Einzelnen einzuordnen und deren Routine plausibel zu machen (ebd.). Vieles davon trifft auch auf die hier gewählte Art und Weise der Wiedergabe zu. Im Unterschied zur Reportage oder anderen Formen des Narrativen Journalismus werden jedoch Szenen verdichtet. Ebenso entspricht die niedergeschriebene Reihenfolge nicht streng der Chronologie der Ereignisse. Bei aller anzunehmenden Nähe handelt es sich dabei nicht um Verfälschungen oder die willentliche Beugung von Ereignissen und Aussagen, sondern um eine hinreichende Maßnahme angesichts der 42

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN

Bitte um Anonymisierung, die einigen Gesprächen und Kontakten vorausging. Im Vordergrund steht der Versuch, die aktuelle Produktionsroutine zu beschreiben und darzustellen was Insider über ihr Tun denken, ihre Erfahrungen und Aussagen einzuordnen, jedoch nicht einzelne Personen zu portraitieren. Auch ist diese Beschreibung durchzogen von faktifizierenden Stützen, Zahlen und Angaben über die Rahmenbedingungen der journalistischen Arbeit, die eine Orientierung im Gewohnten, eine Vergleichbarkeit leisten. Dies nur aus der Beschreibung zu leisten scheint mir handwerklich nicht möglich, vielleicht auch nicht nötig, da beide Verfahrensweisen ihren Teil zur Verdeutlichung der alltäglichen Produktionspraxis und ihres Kontextes beitragen. Dennoch tendiere ich dazu, diese Form als ein re-portare journalistischer Praxis im Ausland zu begreifen, welches die Beobachtungen, Stimmen und Geschichten mit theoretischen Gedankengängen verwoben wissenschaftlich elaboriert, kommentiert und einordnet. In diesem Sinne erfolgt die »Beschreibung« aus unterschiedlichen Positionen und setzt die Stimmen der Erforschten, ebenso wie das Material aus deren Archiven, mit eigenen Beobachtungen und dem Moment des Zeitgeschehens in Beziehung zueinander. Keine davon ist jemals wirklich vollständig und bleibt auch nach der Zusammenfügung immer nur eine Momentaufnahme. Der Autor wird zu einem Kolloquium, in das „verschiedene Stimmen ineinander eindringen und neue Resonanzeffekte erzeugen“ (Sloterdijk 2004:866). Die Geschichte eine Erzählung, die in Bewegung ist und in deren Verlauf sich Räume ausformen, in denen „Orte, Objekte und Geschichten miteinander verwoben sind“ (Dracklé 2000:254). Räume, deren »Interieur« auf alltägliche Art und Weise vertraut ist. Den Berichtsgebieten entsprechend ist das Folgende geographisch geordnet: auf das Berichtsgebiet Südostasien folgen USA und Naher Osten. Diese Kapitel formulieren den Alltag vor Ort aus Beobachtungen und Gesprächen. Aus den Eindrücken der jeweiligen Arbeitssituation vor Ort entwickelt sich eine Narration, die durch die journalistische Routine im Ausland führt. Zu Beginn werden dazu erste Eindrücke oder Begegnungen aufgenommen, die im Folgenden von den Kommentaren der Korrespondenten und ihrer Mitarbeiter, von den Geschichten der Archive oder aktuellen Ereignissen, erweitert, widersprochen und in andere Richtungen geführt werden. Aus vielen Perspektiven bewegt sich die Beschreibung neben allen Gemeinsamkeiten der Arbeitsroutine auf eine charakteristische Verdichtung im Profil des jeweiligen Berichtsgebiets zu. In Südostasien lenkt dies den Blick auf die Figur des Korrespondenten, im Fall der USA auf die internationalen Beziehungen und im Fall der Nahostdependancen auf das Berichtsgebiet selbst. Die Feldforschungsteile 43

NACHRICHTENWELTEN

bieten so gesehen einen Vergleich der Arbeitsmethoden und –bedingungen in den hier portraitierten Gebieten. Auch wenn diese Kapitel dabei im Einzelnen von der »Weiten Welt« über den »Kraut Atlantik« zum »Geteilten Himmel« auf Charakteristisches, letztendlich zusammen auf Allgemeines verweisen.

44

DIE WEITE WELT Das Schöne eines Korrespondentenlebens ist doch ohnehin mit dem Koffer unterwegs zu sein und offen zu sein für das, was einen erwartet. – Korrespondent Globalisierung heißt nichts weiter, als den Zugriff auf technische Mittel zu besitzen, die die Ferne beseitigen. – Peter Sloterdijk

I m F er ne n O s t en Zu Beginn der Feldforschung eine Bewegung zurück in der Zeit und zu einem Ort, der ganz klassisch als Konstrukt erkennbar ist. Genauer gesagt, hinein in die Handlung des Romans „Der Stille Amerikaner“ von Graham Greene (1959). Diese führt in das Jahr 1952. Die Kolonialherrschaft der Franzosen in Südostasien beginnt zu bröckeln, der Indochinakrieg ist auf seinem Höhepunkt. Die Vietminh kämpfen gegen die Besatzung durch Frankreich, Frankreich für den Erhalt seiner Kolonien in Südostasien und im Hintergrund mischen sich die Amerikaner lautlos in den Kriegsverlauf ein. Greenes Protagonisten, den Journalisten Thomas Fowler scheint dies nicht zu berühren. Kaum bewegt sich dieser aus Saigon heraus, kaum äußert er Interesse an den politischen Handlungen um ihn herum. Politik interessiere ihn nicht, beschreibt er im Verlauf der Handlung seine Überzeugung, er sei Berichterstatter, innerlich unbeteiligt (Greene 1959:85). Faktisch ist Fowler dabei auch äußerlich unbeteiligt: den Großteil der Berichterstattung regeln Kollegen, Agenturen und die Zensur. Die einzige Darstellung seines Berichtsgebiets findet sich auf der Landkarte an seiner Bürowand, wie es die Verfilmung aus dem Jahr 2002 zuspitzt (Noyce 2002). Ausdrücklich bemüht sich Fowler dagegen, den rituellen Tee in einem Caféhaus einzunehmen und dabei nach außen

45

NACHRICHTENWELTEN

hin die Lage, tatsächlich jedoch seine junge Geliebte zu sondieren; später am Abend dann das Nachtleben Saigons (ebd.)1. Allerdings fehlt auch hier jegliches Engagement. Fowler gibt dieses exklusive Verhältnis zur Außenwelt erst auf und wird »Mensch« als er durch die politischen Machenschaften seines Kontrahenten Pyle in Lebensgefahr gerät (vgl. Greene 1959:157). Soweit die Handlung des Romans. In den Schilderungen von Graham Greene pendelt der Alltag des Berichterstatters irgendwo zwischen Müßiggang und Lethargie. Es scheint, als habe sein Protagonist Fowler das journalistische Objektivitätsdiktum der „impartiality“ auf sein gesamtes Dasein übertragen, versucht er doch die emotionale Distanz nicht nur zu den Kriegs-, sondern auch zu den Alltagsvorgängen aufzubauen (vgl. Greene 1959:105f). Hinsichtlich seiner Redaktion sowohl als auch seiner persönlichen Vergangenheit ist ihm dies angesichts der geographischen Lage Saigons gelungen: Dank der Entfernung kann er sich dem Zugriff und der Kontrolle durch die Ehefrau in London ebenso wie seiner dortigen Redaktion entziehen und in seinem Leben vor Ort verharren. Der passive Lebensstil Fowlers verkörpert einen Rückzug vom Geschehen, der gerade für einen Journalisten nur jenseits gemeinsam geteilter (Redaktions-)Räume denkbar ist. Er sei ein Isolationist, bemerkt Fowler dann auch an anderer Stelle (vgl. 1959: 160). Indochina, so beginnt sich ein Gedanke auszuformen, liegt im geographischen und sozialen Abseits. Es ist ein exosphärischer Raum, in dem die gewohnten Resonanzen nicht wesentlich sind (vgl. Sloterdijk 2005:176ff). Rund 90 Längengrade liegen zwischen Berlin und Singapur, rechnet man bis nach Australien, Neuseeland oder den Fidschi-Inseln steckt sich das Längenmaß zunehmend gen 180°. Von Deutschland aus betrachtet liegt der Berichtsraum Südostasien sprichwörtlich auf der anderen Seite der Erdkugel, am anderen Ende der Welt. Die Augenscheinnahme ist mit einer Fernreise zu verbinden oder einfacher, mit Büchern und Filmen über die Region. Wie eben der »Der Stille Amerikaner«, der den Leser literarisch in die Region und ihre für westliche Wahrnehmung ungewohnte feucht-schwüle Atmosphäre und das dortige Korrespondentenleben führt. Zwar ist Singapur nicht Saigon und die Kolonialkriege sind inzwischen Geschichte, in Anbetracht der Tätigkeiten Greenes als Journalist und Schriftsteller, der jahrelang selbst in Südostasien gelebt hat, verströmen die literarischen Alltagsschilderungen eine gewisse Expertise. Hat man das Buch vor Abreise gelesen oder den dazu gehörigen Film von Phillip Noyce (2002) gesehen, trägt man zweifelsohne eine grobe Vorstellung mit sich herum, was einen erwarten könnte. Sucht man diese Bilder vor Ort, wird man zwangsläufig enttäuscht. 2003, in Singapur, wird die Patina der europäischen Kolonialzeit nur 46

DIE WEITE WELT

noch an wenigen Stellen und dort explizit touristisch aufbereitet. Das Stadtbild prägen indes Bürotürme und Shoppingcenter, hastende Menschenmengen auf den Straßen, überdimensionale Werbescreens, globale Handelsnamen und die Allgegenwart von Geldautomaten. Die U-Bahn ist voll von Gesichtern, die in ihrer Müdigkeit vertraut wirken, die Fahrt in die Außenbezirke führt durch gedrängte Wohnsiedlungen in eine ausgedehnte Fabriklandschaft. Nur die drückende Schwüle und das satte Grün, das an einigen Stellen die dichte Siedlungsfläche unterbricht, erinnern daran, dass man sich weit weg von Frankfurt oder London in exotischen, äquatorialen Gefilden befindet. Vor Ort wird plausibel, warum die Auslandskorrespondenten die Safari-Montur gegen den Nadelstreifenanzug eingetauscht haben, wie es Ulf Hannerz nach einem Besuch in der thailändischen Foreign Correspondents Association (FCA) bemerkt (vgl. Hannerz 2004:180). Hier im Großstadtdschungel sind der Umgang mit Kreditkarten und Klimaanlagen notweniges Gut. In einem wie üblich zu stark klimatisierten Taxi frierend fahre ich mit einem Gesprächspartner durch den strömenden Regen in das Institut für Weltsicherheit. Dort ist ein Interviewtermin mit einem Terrorismusexperten angesetzt. Der erste Jahrestag des Bombenattentats auf Bali steht an und die Beitragsvorbereitungen sind in vollem Gange.2 Das Thema steht auch bei den Kollegen auf der Agenda und so sind an dem Tag ebenfalls zwei weitere Medienvertreter zu Interviewterminen erschienen. Zwei Tage später soll es zu den Gedenkfeierlichkeiten nach Bali gehen. Dazu laufen parallel Recherche und Planungen für den im Anschluss geplanten Afghanistanaufenthalt, dazwischen liegt die Postproduktion anderer Beiträge. Für weitere langfristig anvisierte Projekte, wie den ausgedehnten Dreh entlang des Mekong im Folgejahr, laufen die Vorbereitungen nebenbei. Natürlich habe man parallel zu alldem ein Auge auf Agenturmeldungen und -material, denn sollte etwas Unerwartetes in der Region passieren, so fiele die Berichterstattung zunächst in das eigene Aufgabengebiet. Das könne ein Terroranschlag in Australien sein, eine Naturkatastrophe in Papua-Neuguinea oder der Sturz eines Staatsoberhaupts in Burma. Für manche Korrespondenten könnte dieses Gebiet, wie im Fall des ZDF, noch bis nach Afghanistan, oder wie im Fall des Wirtschaftskorrespondenten der FAZ bis nach China erweitert werden. Weniger Apathie als ein voller Terminkalender beherrscht die Produktionsplanung und die Stelle des Fowler’schen Caféhauses nimmt schon bald die Flughafenlobby ein. Unter umgekehrten Vorzeichen versteht sich. Singapur selbst liegt an der Südspitze Malaysias. Mit einer Größe von rund 680km2 hat der Stadtstaat eine Fläche, die der Hamburgs vergleichbar ist, die Einwohnerzahl hingegen ist mit 4,2 Millionen mehr als zweieinhalb Mal so groß, der Lebensstandard wird von Regierung und 47

NACHRICHTENWELTEN

Anwohnern gern mit dem westlichen verglichen.3 Von Singapurs Flughafen Changi sind die Mitgliedsländer der ASEAN Staaten, ebenso wie Hongkong und Australien in maximal drei bis vier Flugstunden zu erreichen. Mit seiner zentralen Verkehrslage ist Singapur Basisstation für viele Korrespondenten in Südostasien. So erzählte ein Korrespondent, dass er, als vor die Wahl gestellt wurde ein Büro in Bangkok, Hongkong oder Singapur zu beziehen, sich für den Lebensstandard und die internationale Anbindung in Singapur entschieden hat. Gleiches unterstreichen auch Kollegen und Mitarbeiter. So decken von Singapur aus ARD, ZDF, DPA, FAZ, WELT, NZZ, SÜDDEUTSCHE und TAGESANZEIGER den Berichtsraum Südostasien ab, haben BBC WORLD, REUTERS und andere ausländische Medien hier ihre Büros.4 Der Umfang der Berichtsgebiete variiert in den einzelnen Fällen nach Anzahl und Aufteilung der Korrespondentenplätze, die die jeweiligen Medien insgesamt zur Verfügung haben. Im Fall der meisten deutschen Korrespondenten handelt es sich dabei um den Kernbereich Südostasien: Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha, Nord- und Süd-Vietnam, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei, Australien, Neuseeland, PapuaNeuguinea.5 Wie hier am Beispiel der ARD, deckt deren Berichterstatter mit rund 5.9 Mio. km2 eine Fläche ab, die rund 5,4% der Landmasse und 9,3% der Bevölkerung weltweit fasst. In Zahlen ausgedrückt sind dies knapp 600 Millionen Menschen, mehr als das Siebeneinhalbfache der Bevölkerung Deutschlands, die in das Berichtsgebiet nur eines Korrespondenten fallen. Eine kaum vorstellbare Zahl, berichtet der Korrespondent in Israel doch nur über rund 10 Millionen Israelis und Palästinenser. Fast zehn Prozent der Population weltweit stehen in diesem Fall gegen 0,17% in Israel und Palästina. Selbst jeder einzelne Korrespondent in den ungleich größeren USA berichtet rein rechnerisch nur über knapp 74 Millionen Menschen oder 1,15% der Gesamtpopulation weltweit. Tatsächlich produzierte z. B. das ARD-Studio in Singapur im Jahr 2004 insgesamt 840 Sendeminuten oder 14 Stunden Sendematerial (ARD 2006a).6 Dies entspricht einer statistischen Tagesleistung von ca. 2’20’’ Minuten. An sich ist dies mit der Produktionsleistung der A RD-Korrespondenten in den zwei anderen hier dargestellten Regionen vergleichbar. Im Hinblick auf die Gebietsgröße und der damit verbundenen Reisetätigkeit sprechen diese Zahlen jedoch eine andere Sprache. So wurden im gleichen Jahr beispielsweise in Washington durchschnittlich 2’33’’ Sendeminuten pro Tag produziert, d.h. knapp 10% mehr, dies jedoch bei deutlich geringerer Reiseleistung, handelt es sich doch zum großen Teil um die Berichterstattung um das Weiße Haus (ebd.). Dies lenkt den Blick auf die intensive Produktionsleistung und ihr Zustandekommen. Angesichts der konsequenten Bewegung verblasst zunehmend der Ein-

48

DIE WEITE WELT

druck des imperialen Phlegmas mit dem Greene seinen Protagonisten ausgestattet hat. Kommt man aus dem vergleichsweise langsamen Wissenschaftsbetrieb, gerät man angesichts eines solchen Pensums unweigerlich ins Grübeln: Dieser Takt muss zu schnell für nachhaltige Information sein. Der Korrespondent im Taxi antwortet auf meine bestürzte Frage, wie er dies alles unter einen Hut bekomme: Für einen guten Journalisten kein Problem. Als Ethnologin sah ich im Gegensatz zu ihm eine Menge Probleme. Angefangen bei dem kontinuierlichen Wechsel von Kultur- und Klimazone bis hin zu der Aufmerksamkeit, die einzelne Themen, Gesprächspartner und Mitarbeiter erfordern. Die große Anzahl kultureller Umgangsformen, staatlicher Systeme, ebenso aber auch die unterschiedlichen Zeitzonen und sozialen Unterschiede erfordern logistische und persönliche Flexibilität. Wahrscheinlich ist es ein klassisches Problem von Ethnologen, in dem Zusammenhang eine mögliche Expertise anzuzweifeln und unweigerlich die standeseigene Gretchenfrage zu stellen: „How does one handle the responsibility of covering a continent, or some large chunk of it?“ (Hannerz 2004:1). Angesichts der doch sehr großzügigen Abdeckung von Weltgeschichte und -bevölkerung stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem »Wie« und der »Verantwortung« gerade im Falle des hier betrachteten Berichtsgebiets. Es scheint zweifelhaft, zu behaupten, ein Korrespondent könne dieses Gebiet in seiner politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Vielfalt adäquat abdecken. Oder gar als Experte für den Raum auftreten, alle Sprachen sprechen, alle kulturellen Gepflogenheiten kennen. Für einen guten Journalisten kein Problem? Man könne kaum davon ausgehen, dass ein Südasienkorrespondent alle Länder au fond kenne, erwidert auch ein anderer Korrespondent. Print: Elf Länder! Manche haben zwanzig! [Das ist überhaupt kein Vorwurf!] Ich rede ja auch über die limitations dieser ganzen Geschichte. Du kannst es nur so gut machen wie möglich. Du kannst es nicht überall sehr gut machen. Das geht nicht. A.D.: Wie macht man das, wenn man das Ganze aufschreibt, wie geht man mit diesen limitations um? Das heißt ja dann auch, dass du dir nur eine Geschichte suchen kannst, die innerhalb dieser limitations stattfindet, weil es das ist, worüber du schreiben kannst. Wohl wissend, dass es vielleicht nur ein Seitenblick ist. Print: Na klar. Was willst du sonst machen. Du kannst es eben nur so gut machen, wie möglich. [...] Jetzt frage ich dich mal nach deinem Anspruch! [Das würde ich gerne von dir wissen!] Nein, nein! Die 200 Zeilen eines Seite 49

NACHRICHTENWELTEN

Drei Stücks aus Laos – das kann doch nur ein Einblick sein. Ein kleiner Ausschnitt. Die Unvollständigkeit kann natürlich zu Missverständnissen führen, aber ich kann doch nicht mit dem Anspruch dahin gehen: Ich erklär euch Laos auf 200 Zeilen! Sondern natürlich nehme ich da ein Fenster. „Frau Müller in ihrem Dörfchen So-und-So, zwei Stunden von der Hauptstadt Vietchien. Vor drei Wochen haben sie ihren Mann umgebracht. Ein politisch motivierter Mord sagt sie...“ So eine Geschichte machst du dann aus dem Dorf, weil es vielleicht vor den Wahlen 60 politische Morde gab. Jetzt zu erwarten, dass alles aus diesen 200 Zeilen kommt, ist völlig unmöglich. Das ist auch nicht mein Anspruch. Ich gebe einen Einblick. Der kann unvollständig sein, der darf nur nicht falsch sein

So werden die Ausmaße des Berichtsgebiets von den Korrespondenten allgemein kaum als Nachteil geschildert. Im Gegenteil, sie schwärmen von der Herausforderung, dem traumhaften Profil des Gebietes. Oder wie die ARD offiziell verlauten lässt: „15 Länder, die meisten vollkommen verschieden von einander in Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaftsentwicklung und Kultur. Für den Korrespondenten heißt das: Lernen und Reisen und wieder Reisen und Lernen. [...] Der enormen Größe des Berichtsgebietes für das A RD-Studio Singapur entspricht eine riesige Bandbreite der Themen: ‚Das macht es ja so spannend’“ (ARD 2005). Im gleichen Maße wie der kulturelle, politische und geographische Umfang des Gebiets als Herausforderung angenommen wird, erfährt die Rolle des regionalen Experten notgedrungen Ablehnung. Bei einem Blick auf die Produktionslisten und Archive der letzten zwei Jahre widerstrebt auch das Themenspektrum diesem Expertenstatus: Die Bandbreite reicht von AIDS zu Mutter Theresa, von Demokratisierungsbewegungen zu Nobelpreisträgern und aussterbenden Tieren zu Bundeswehreinsätzen, über Islamismus, Terrorismus und Umweltschutz hin zu Staatsbesuchen und Naturkatastrophen. Der Korrespondent als „Allrounder“ (Mükke 2003): Ulf Hannerz zitiert in dem Zusammenhang einen seiner Gesprächspartner mit den Worten, dass es sich bei den Auslandskorrespondenten um die wahrscheinlich letzten großen Amateure handelt (vgl. 2004:139). Unweigerlich ein gängiges Motiv, so wurde auch ich mit einem Augenzwinkern darauf hingewiesen, dass das Wissen eines Journalisten breit wie ein Ozean, aber nur zwei fingerbreit tief sei. A.D.: Verstehst du alles was du siehst, wenn du irgendwo unterwegs bist? Rundfunk: Nein. Ich glaube es wäre ein bisschen unmenschlich, wenn man alles verstehen würde, oder? Das was man nicht versteht, versucht man zu verstehen. Es bleiben Dinge, die man nicht verstehen wird. Vielleicht manchmal Unverständnis gegenüber Dingen. Das kann man ja auch journalistisch aus50

DIE WEITE WELT

drücken. Das kann man ja auch transportieren im Zweifel. [...] Journalistische Technik ist ja immer eine Mischung aus vielem. Aus wissenschaftlicher Methodik bisweilen, wenn auch die im Zweifel eher im Kopf stattfindet und am Ende nicht mehr im Text lesbar sein sollte, weil dann versteht ihn vielleicht ein großer Teil des Publikums nicht mehr. Aber da ist Methodik dabei, da ist Gewichtung dabei, da ist Analyse, wenn es um politische Themen geht, und meistens ist das ja der Fall, dann ist es ein analytisches Handwerkszeug, mit dem man an Themen ran geht. Parameter, die in anderen Bereichen auch angewendet würden, nur dass Journalismus sich ein bisschen von allem bedient.

Immer wieder erfolgt in den Gesprächen der Verweis auf Ausschnitte, die man aufmerksam wahrnimmt und zu verstehen versucht, ebenso wie der Verweis auf die Kontinuität der Bewegung. Physisch nah und kulturell fern erscheint der Korrespondent als Reisender, der sich vor Ort durch die eigene Fremdheit ausweist. Im gleichen Maße wie dessen Mobilität und Pensum das Green’sche Motiv der Apathie – zugegeben, im Roman durch eine gewisse depressive Zivilisations- und Lebensmüdigkeit des Protagonisten bedingt – in ihr Gegenteil verkehren, erfährt die Frage nach der Verantwortung für solch ein großes Stück Welt nach kurzer Zeit eine Verschiebung: In all dem, was die Korrespondenten mit Eindrücken und Eigenheiten vor Ort konfrontiert, ist es die Challenge sich zurechtzufinden, wie ein Printjournalist schildert. Die Herausforderung wird häufig als Anreiz benannt. Diese Inversion der Perspektive verwebt das Reisen mit dem Zweck, Neues, und das mag angesichts des Globalisierungsparadigmas überraschen, zu entdecken. Das Andere, wie in der Ethnologie verwendet und mit entsprechender Diskussion problematisiert (vgl. REUTERS 2002), taucht hier nicht auf. Stattdessen betrachtet man das Neue – und das Berichtsgebiet als unermessliche Quelle dessen. Rundfunk: Das Schönste ist doch, da draußen zu sein und sich selbst gegenüber ganz ruhig sein und einfach beobachten, die Dinge wirken zulassen. Dann stellen sie etwas mit einem an, dann kommen die richtigen Gedanken dazu. Also, das Schöne eines Korrespondentenlebens ist doch ohnehin mit dem Koffer unterwegs zu sein und offen zu sein für das, was einen erwartet. A.D.: Da haben wir wieder den Abenteurer. Rundfunk: Korrespondententum ist immer Abenteuer.

51

NACHRICHTENWELTEN

A b e n t e ue r S i n g a p ur Es regnet in Singapur. Seit Wochen schon verschluckt der Monsun alle Farben. So sieht man durch die hohen Scheiben des Büros nur grau. Während draußen trotz des Regens feucht-schwüles Tropenwetter herrscht, kühlt drinnen die Klimaanlage zentral gesteuert auf 18°C herunter. Strickjacke und Pullover sind hier am Äquator Bürokleidung. Im Hintergrund durchmischen sich die Weltereignisse des BBC WORLDSERVICE mit der Stimme der Producerin am Telefon. Sie bereitet Themen und Logistik der nächsten zwei Drehreisen vor. Einige der zur Auswahl stehenden Themen sind bereits in die Sendeplanung der Zentrale aufgenommen. Vielleicht wird noch das ein oder andere Stück hinzukommen, je nachdem, ob man bis zum Dreh noch interessante Themen und eine Abnehmerredaktion gefunden haben wird. Von außen durchbricht nur gelegentlich ein Telefonklingeln den gedämpften Klangteppich. Mal sind es PR-Büros ansässiger Firmen, von Banken über Mobilfunkanbieter und Niederlassungen deutscher Konzerne, die zu PR-Events einladen, Kunden werben oder Produkte verkaufen wollen, mal ist es eine Redaktion aus Deutschland, die Kontaktadressen anfragt: Man plane einen Film über Menschenaffen in Indonesien und benötige noch Kontakte, ob Singapur weiterhelfen könne. Auch das auswärtige Amt meldet sich zuweilen aus Berlin und bittet um Rückruf des Korrespondenten: Eine Delegation aus dem deutschen Bundestag wird in zwei Wochen mit einer UN-Delegation im Berichtsgebiet unterwegs sein. Im Flieger sind noch Plätze frei. Auf dem Schreibtisch der Produzentin sind Themendossiers aus Zeitungsberichten, Buch und Agenturmaterial, Berichte von Hilfsorganisationen und Expertenkommissionen, verfeinert mit Namen und Adressen gestapelt. Weiter hinten im Korrespondentenbüro zeugen zwei Dutzend Leitzordner von alten und laufenden Recherchen. Im Videoarchiv finden sich die Geschichten in Bildern. Einblicke in das umfangreiche Rohmaterial aus den Dreharbeiten und die auf einige, wenige Minuten verdichteten Sendebeiträge. Dinge zu finden, die für etwas stehen. Wenn möglich auch in der Nachrichtenberichterstattung, das sei das Ziel. So wird einer der Korrespondenten deren Aufgabe im Laufe der nächsten Wochen als Synekdoche beschreiben. Gerade telefoniert die Producerin mit verschiedenen Vertretern einiger Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen in Deutschland und vor Ort in Afghanistan. Sie erfragt Kontaktleute vor Ort, kontaktiert diese, erkundigt sich nach Einschätzungen der Lage und den aktuellen Entwicklungen. Hintergrundrecherche: Was ist gerade vor Ort los? Wie schätzen sie die Lage ein? Wie sieht die Entwicklung tendenziell aus? Was ist markant für die Situation? Wen kann man ansprechen, wer kann 52

DIE WEITE WELT

vor die Kamera? Mehrere Leitfäden, die man verfolgt, auf die man stößt, erklärt sie, verdichten sich irgendwann zu einem Muster. Dazwischen immer wieder der Blick in das Internet und in die zahlreichen Zeitungen und Magazine aus Deutschland und Südasien. Einige der Hilfsorganisationen haben bereits per Email Informationsmaterial über ihre Projekte und Analysen zur Lage geschickt, Kontaktpartner durchgegeben. Im Gespräch kommen zusätzliche Anregungen über mögliche Themen zu Stande. Gerade in Kabul ist das Telefonnetz nicht immer zuverlässig, eigentlich ist es fast durchgehend überlastet. Stattdessen klingt dann ein schnelles Tuten aus der Leitung. Internet und Email funktionieren. Dennoch hat man keine Garantie, wann die Anfrage die Kontaktperson erreicht. Zeitökonomie wird unweigerlich zu einem wesentlichen Faktor, wenn es um kostenintensive Auslandsproduktionen geht. Ob dann vor Ort alles so verläuft wie geplant... das sei eher unwahrscheinlich. Allein die Logistik, nach Mazar-al-Sharif oder Kunduz zu gelangen... die Producerin lacht: Du musst vor allem flexibel sein. It’s the f-word that counts! Das F-Wort ist ihr Lieblingswort, wenn es darum geht, ihr Jobprofil als Koordinatorin zu beschreiben. Tatsächlich wird der Abflug einige Tage später überraschend vorgezogen. Eine Alternative hatte sich zum geplanten Ablauf ergeben. In Afghanistan ist ein dort lebender Kontaktmann die Hauptinformationsquelle, ohne sein local knowledge wäre vieles schwieriger oder gar unmöglich, erzählt sie. Während ihres ersten Einsatzes hatte sie Probleme, in dem von Männern dominierten öffentlichen Leben als Organisator aufzutreten. Der Stringer half ihr, den richtigen Ton zu finden und überbrückte auch die weiteren Probleme von der Logistik bis hin zu den nötigen Zugängen. Nicht jede der Kontaktpersonen in dem weit verzweigten Netzwerk sei so. Tatsächlich seien die einzelnen Mitarbeiter und Informanten sehr unterschiedlich. Manche würde man der Gunst, zuweilen auch Ungunst des Augenblicks verdanken. Mit ihm jedoch arbeitet das Team seit geraumer Zeit zusammen – angesichts der Lage in Afghanistan mit und gegen die Hindernisse der Technik. So dringt auch jetzt nur das schnelle Tuten durch die Leitung. Wenn das Team in zwei Wochen fährt, werden sie mit Satellitentelefonen ausgerüstet sein – Erreichbarkeit ist dann garantiert. Einige Zeit später gelingt es der Producerin den Stringer zu erreichen. Er gibt seine Einschätzungen aus der Hauptstadt weiter, in einigen Tagen wird er in Mazar-al-Sharif sein, die Lage sondieren. Da es aufgrund des hohen Medienaufgebots zu Problemen mit den Unterbringungskapazitäten der Hilfsorganisationen gekommen sein wird, wird er sich zudem noch um die Unterkunft für das Team kümmern. Die Reiseplanung hat einen längeren Vorlauf, Terminjournalismus. Auch ist es nicht das erste Mal, dass sich das Team in die Region begibt. 53

NACHRICHTENWELTEN

Keine wirkliche Routine, aber doch eine gewisse Vertrautheit mit den Abläufen hat sich eingestellt. Die Atmosphäre ist entsprechend entspannt in diesen Tagen der Vorbereitung. Die in den aktuellen Redaktionen übliche Betriebsamkeit, die einige Beobachter an einen Bienenstock erinnert, fehlt hier (vgl. Hannerz 2004:66). Was auch daran liegen kann, dass der Korrespondent unterwegs ist. Eines der wesentlichen Merkmale der Arbeit vor Ort. Print: Der Job hier ist zu 90% Lesen. ... Also, lesen und reisen. Der kleinste Teil ist schreiben. [Sie sollten das nicht so anpreisen. Das hört sich zu positiv an.] Natürlich ist es ein Traumjob. Ich meine, man kann nicht einfach sagen: „Jetzt gehe ich mal nach Indonesien und schaue mir die Terrorszene an!“ Man muss sich über das ganze Jahr hinweg ein riesiges Spinnennetz aufbauen und dann irgendwelche Knoten, Schwerpunkte setzen und zeigen: Das ist ein Thema! Also, ich hab da vielleicht 40 oder 50 potentielle Themen, die ich permanent aufschreibe, die ich aufdatiere. Ich nenne das: schwanger werden. Man wird auf ein Thema schwanger und irgendwann weiß man: OK, jetzt weiß ich genug. Oder: Jetzt kann ich es mir erlauben zu schreiben. Ich kann nicht nach Indonesien reisen – also, wenn ich in Deutschland sitze – kann ich nicht nach Indonesien reisen und der Redaktion sagen: Ich mach innerhalb einer Woche eine Reportage über die Terrorszene. Das geht nicht! Vom Wissenstand her absolut unmöglich. Die Informationsbeschaffung hier in Asien ist extrem schwierig. Dazu kommt ja – in Klammern –, dass hier niemand unsere Blätter kennt. Man hat ja nicht den Vorteil, dass man sagen kann, „Ich bin die BBC“ und alle wollen rein. Es ist zum Teil sehr, sehr mühsame Verkaufsarbeit. Da gibt’s zwei Strategien. Die eine ist, dass man versucht die Zeitung zu verkaufen, sagt: Das ist eine der wichtigsten im deutschsprachigen Raum und so weiter. Oder – man sagt einfach: Die verstehen das sowieso nicht. Und gibt sich dann einfach als kleiner einfacher Journalist aus oder Fotograf oder Tourist, der sich interessiert. Und macht dann eben seine Arbeit ohne den Glamour, ohne das Label. Dieses langsame Schwanger werden, das ist die Herausforderung hier. Weil man wird ja nicht geführt von der Redaktion, also muss man sich selbst führen. Das heißt, man muss selbst diese Dossiers und diese potentiellen interessanten Themen aufbauen. Auch wenn sie im Moment nicht aktuell sind und nicht interessant erscheinen.

Würde man auf einer Karte Singapurs die einzelnen Medienstandorte eintragen, so fiele auf, wie weitläufig verteilt die einzelnen Niederlassungen sind. Die Korrespondenten des Print arbeiten von ihren jewieligen Wohnungen in den unterschiedlichen Stadtvierteln aus. Auch die Auslandsbüros und -studios der Fernsehanstalten liegen in Singapur in unterschiedlichen Stadtteilen. Wenn auch das ZDF 2004 ein neues Büro 54

DIE WEITE WELT

bezogen hat und nun näher an BBC und EUROPEAN BROADCASTING ORGANISATION (EBU)7 sitzt, so sind die deutschen Medien in Singapur nicht um einen Ort herum fokussiert. Auch trifft man die Korrespondenten in Singapur kaum in der Nähe offizieller Regierungsstellen, eher in den ansässigen Botschaften, um sich die nötigen Reisevisa ausstellen zu lassen. Singapur selbst rückt nur gelegentlich in das Interesse der Berichterstattung, generell liegt der Fokus jenseits der Grenzen des Stadtstaats. Wie es ein Korrespondent beschreibt, ist Singapur ein eher ruhiges Pflaster. Die Arbeit vor Ort birgt die Möglichkeit auszuschwärmen und eigene Themen auszuarbeiten. Damit beschreibt der Korrespondent eine große Freiheit, die er im gleichen Atemzug auch wieder einschränkt – weder deutsches Fernsehen noch deutsche Printmedien gehören zum allgemeinen Medienangebot dieser Länder. Im Gegensatz zu BBC oder CNN ist man ein Nobody. Mit der Bezeichnung German Press oder German Television stellt man sich so in den allgemeinen nationalen Zusammenhang mit deutscher Wertarbeit, der Fußball-Nationalmannschaft, Boris Becker und anderen freiwilligen oder unfreiwilligen Botschaftern des Landes. Die Zugehörigkeit zu einem bekannten Medium kann, gerade an offiziellen Stellen, den Zugang zu bestimmten Informationen und Gesprächspartnern erleichtern. Dieses „labelling“ (Hall 1978) definiert den Journalisten über das Medium. Ist das Label unbekannt, muss er die noch unspezifische Identität in Eigenarbeit über seine individuelle Kompetenz definieren; muss er den Raum bewohn- und bearbeitbar machen, indem er sich über einen langen Zeitraum Hintergrundwissen aneignet, ein tragfähiges Netzwerk und sich selbst einen Namen schafft. Ein ebenso zeitintensiver wie subjektabhängiger Prozess. In Singapur zu arbeiten bedeutet nicht nur im Ausland zu arbeiten, sondern auch im Ausland des Auslands. Eine Arbeitssituation, die sehr stark die Eigenleistung in den Vordergrund rückt. Außerhalb des Gewohnten entsteht eine unkontrollierbare Fremdheit, die überwunden werden muss, um sich Orientierung zu verschaffen (vgl. de Certeau 1988:235). Gleichzeitig verbirgt sich darin die Freiheit einer recht eigenwillligen Verräumlichung.

Große Freiheit Südasien 8

Außer SARS , außer dem Bali-Attentat oder der Ablösung einer Regierung, hält sich der Aktualitätsdruck in Singapur in Schranken, gibt es keine Themen, die für alle ein Muss-Stoff, Pflicht sind. Eine Einschätzung, die ich in meinem ersten Gespräch und danach immer wieder von anderen zu hören bekomme. Und eine Annahme, die sich beim Blick in die Produktionslisten im Büro bestätigt. Kaum Ereignisse, über die ich 55

NACHRICHTENWELTEN

tagelang in den Medien erfahren habe. Die Entführung der Göttinger Familie Wallert 2000 auf den Philippinen und eben SARS waren die einzigen Bilder, zu denen mir spontan »unsere Männer vor Ort« und auf den Fernsehbildschirmen einfielen. Für die Zeitungslektüre galt Ähnliches, wobei häufig die Überschriften in Fettdruck den Blick auf die Kürzel oder Namen der Korrespondenten und damit auf ihre Identität verbargen. Dem Gefühl nach beschränkte sich die Berichterstattung aus Singapur auf einige bunte Beiträge in der Boulevardsendung BRISANT oder WELTSPIEGEL und AUSLANDSJOURNAL sowie Wirtschaftsmeldungen über die Tigerstaaten und, seit September 2001, Meldungen über Terrorismus. Die Auslandsberichterstattung ist im Allgemeinen wesentlich von Hardnews, Agentur- und Zeitdruck geprägt (vgl. Krüger 2002). Dem Diktat des Aktuellen zu entfliehen und off the beaten track eigene Themen machen zu können, beschreiben viele Korrespondenten angesichts dessen als Wunschvorstellung (vgl. Neudeck 1985). In Südostasien scheint sich diese von Seite der Journalisten erfüllt zu haben: Für die Region greifen die Korrespondenten auf die Frage nach der Themenfreiheit ad hoc zu Zahlen zwischen 80 und 100% und beschreiben damit eine verhältnismäßig große Unabhängigkeit gegenüber Agenturdruck und Nachrichtenmaschinerie. Print: Meistens kommt nicht sehr viel von dort [der Redaktion. Anmerk. A.D.], so dass die sagen „Wir müssen heute dieses machen!“ – sondern es ist zu 99% so, dass ich sag: „Wir müssten heute dies machen, habt ihr Platz? Wie können wir das machen?“ Das heißt, ich kann schon sagen, das ist eine Geschichte, die wir unbedingt machen müssen und ich kann 99,9%ig sicher sein, dass sie gedruckt wird. Nicht unbedingt am nächsten Tag, weil wir einfach keinen Platz haben. Aber bevor wir sie dann von 250 Zeilen auf 110 runter kürzen, würde sie halt drei Tage stehen und dann drucken wir sie dann. Damit müssen Sie natürlich leben lernen, dass irgendein anderes Thema aus Deutschland im Zweifelsfall Vortritt hat vor einer Geschichte aus Asien. Das ist vollkommen klar. Aber das ist eigentlich kein Problem. Die Freiheit nach der Sie fragten ist aber trotzdem eine fast 100%ige. Ich kann frei entscheiden, in welches Land ich wann fahre und wo ich glaube, dass es sich lohnt Geschichten mitzubringen. Da ist keiner, der sagt: Du musst jetzt aber dahin fahren, oder der sagen würde: Da darfst du jetzt aber nicht hinfahren.

Dass es ein Traumjob sei, hatte mehr als ein Korrespondent pauschal auf die Frage nach den Arbeitskonditionen geantwortet. Die große Freiheit der Themenwahl und eine ausgedehnte Reisetätigkeit in Länder, die man selbst nicht kennt, versprechen einen fast schon unvorstellbaren Bewegungsfreiraum. So ganz frei sei die Bewegung natürlich nicht, sie bewe56

DIE WEITE WELT

ge sich in einem gewissen Rahmen. Die größte Einschränkung sei dabei die Platzlage im Blatt, wie ein Journalist vervollständigt. Südostasien sei eben keine Region, an der in Deutschland allgemein ein großes Interesse herrsche. So gilt in den Zeitungen, aber auch in den Fernsehprogrammen generell: Bringt man ein Thema, bringt man es lang oder kurz und wo platziert man es, wie einer der Korrespondenten feststellt. Für die Büros in Südostasien gilt dies verschärft. Wenn ein Nachrichtenredakteur, so erzählt ein anderer Kollege, vor die Wahl gestellt wird, ob er den Irakkonflikt ein bisschen breiter auswälzt und die amerikanische Außenpolitik, die gerade im Fokus ist, würde ein Thema wie der Konflikt in Aceh, bei dem seit 1976 ca. 12 000 Menschen und allein im ersten Halbjahr 2004 mehr als 1000 umgekommen sind, hinten runterfallen. Das ist klar. Print: Malaysia krieg ich normalerweise nicht ins Blatt. Und ich krieg auch in den seltensten Fällen über die Philippinen was ins Blatt, es sei denn George Bush fliegt da grad mal hin. Und diese Grundregeln, die zum Teil eben auch durch die mangelnde Platzlage begründet sind, die kenne ich. Entsprechend formuliere ich meine Angebote. Afghanistan ist meistens gefragt, Nordkorea ist meistens gefragt, wenn da irgendwas passiert – und es passiert in der letzten Zeit ständig was. Pakistan, Indien kriege ich auch unter und dann eben, wenn was Aktuelles passiert. Wenn irgendwo eine Bombe hochgeht, wenn irgendwo ein trial ist oder wenn Wahlen anstehen oder so. Ich meine, diese Grundregeln kennt doch jeder.

Wie ein Korrespondent mit Hinweis auf das ethnologische Standardwerk Malinowskis süffisant bemerkte, könne man eben nicht jeder Geschichte nachgehen, die auf den Trobriandinseln geschehe. Es sei denn, diese Geschichte berge eine Relevanz für das eigene Publikum. Es beginnt sich abzuzeichnen, dass sich die Verkehrsbewegungen der Berichterstattung quer durch die Welt bewegen, aber stets auf bestimmten Wegen. So beobachtet Hannerz (2004), dass die Bewegung von Korrespondenten auf altbewährten Bahnen angesiedelt ist. Diese „storylines“ (Hannerz 2004: 102) reproduzieren in den traditionellen Massenmedien eine „world landscape of news“ (2004:84) und geben damit die Routen vor, auf denen sich die alltägliche Bewegung im globalen Nachrichtenverkehr entspinnt. Für den Fall Singapur zeichnet sich dabei ab, dass 100% Freiraum überspitzt gesagt, durch quasi 100% Desinteresse in den heimatlichen Gefilden bedingt ist. Dies spiegelt ein Wert(ungs)system das den Berichtswert von Ereignissen und Vorgängen differenziert (vgl. Galtung/Ruge 1965). Primär werden die der Auswahl zugrunde liegenden Nachrichtenfaktoren durch den Faktor »Nähe« bestimmt. Nähe bezeichnet hier das, was nah am 57

NACHRICHTENWELTEN

Menschen ist – also politisch, gesellschaftlich und persönlich relevant, d. h. für das Publikum von Interesse sein könnte. Die Konstruiertheit der Nachrichtenauswahl lässt sich als Reflektion bestimmter kultureller und sozio-politischer Unterschiede analysieren (vgl. Schmidt et al.1994). Oder wie einer der USA-Korrespondenten sehr plastisch formuliert: Jeder Bus, der in Deutschland gegen die Wand kracht, verdrängt alles andere, was aus Singapur kommt. Dieses geopolitisch formulierte Desinteresse an einer Region, die wenig bilaterale Verbindungen oder kulturelle Gemeinsamkeiten mit der BRD hat, zieht in der Konsequenz ein geringeres Allgemeinwissen über die Region mit sich. Für die Korrespondenten bedeutet dies, dass abseits von Naturkatastrophen und dem Thema Terrorismus kaum alternative Storylines vorhanden sind. Dennoch sei der niedrige Nachrichtenwert der Region keinesfalls nur oder gänzlich von Nachteil. Gerade abseits der allgemeinen Agenda gebe es eine relativ hohe Chance eigene Themen unterzubringen. So ist den Zahlen zufolge nur jede siebte bis achte in Singapur produzierte Minute in die Nachrichtenberichterstattung von TAGESSCHAU, TAGESTHEMEN oder NACHTMAGAZIN eingeflossen. Weit über 80% sind Produktionen, die nicht aktuellen Anlässen geschuldet sind oder diese in einem anderen journalistischen Format als der Nachricht behandeln (vgl. A RD 2005). Dies entspricht nicht nur einem regionalen Profil, das sich durch eine Berichterstattung abseits der Nachrichtenproduktion auszeichnet, auch deuten Nachrichtenwert und Routine zunehmend eine wechselseitige Prägung an. Niederschlag findet dies in den Themenangeboten, Wochen- und Monatsplanungen, die regelmäßig zwischen Korrespondentenbüro und Auslandsdesk hin- und hergeschickt werden. So verfasst jeder Korrespondent regelmäßig, täglich oder auch wöchentlich und monatlich Themenangebote, die an die verschiedenen Ressorts und Redaktionen des Mediums gehen. Diese wählen aus dem Angebot aus und bestellen einzelne Themen. Zudem gibt es natürlich auch Anfragen zu bestimmten Themen. Ob es möglich ist die Themen umzusetzen, hängt, abseits von aktuellen Großereignissen, gerade in der kostenintensiven Fernsehproduktion von den anfallenden Reisekosten und damit verbunden von der Anzahl der Bestellungen ab. Generell wird hier versucht, eine Reise mit unterschiedlichen Produktionen zu verbinden oder ein Thema mehrmals zu verkaufen oder, wie ebenfalls üblich, während einer Reise verschiedene Themen umzusetzen. Diese Mehrfachverwertung impliziert, dass unterschiedliche Ressorts/Sendungen Interesse an einem Thema oder verschiedenen Themen aus der gleichen Region bekunden und die Produktionskosten im Endeffekt gemeinsam tragen. Handelt es sich bei der geplanten Produktion nicht um die Berichterstattung über ein Ereignis mit hohem Nachrichtenwert, so ist diese Mehrfachverwertung häufig 58

DIE WEITE WELT

nötig, um überhaupt reisen zu können. Im Falle der Zeitungsberichterstattung lässt sich dies mit Blick auf das eigene Archiv zuweilen einfacher gestalten, liegen manche Themen bereits recherchiert auf Halde oder lassen sich per Telefon und ohne Ortswechsel bewerkstelligen. Dennoch ist die Bewertung an Relevanz und damit auch die Produktion, an Gründe gekoppelt, die im Zusammenspiel mit der Abnehmerredaktion bestimmt werden (vgl. Pedelty 1995:12ff). Auch in den Zeitungen findet sich diese Frage, ob man ein Thema bringt, lang oder kurz, und wo es platziert wird, mit den entsprechenden Konsequenzen. Das Ziel, möglichst häufig eine Geschichte auf »Seite Drei« unterzubringen – ein Format, das die meisten Zeilen birgt – wird von allen Printkorrespondenten angegeben. Im Allgemeinen könne man nahezu jedes Thema anbieten. Auch erfolgreich. Dabei sei es hilfreich das Angebot sehr genau auf das jeweilige Profil des Ressorts oder der Redaktionen zuzuspitzen: Print: Es gibt eben bestimmte Zeitungen, die haben bestimmte Ansprüche und bestimmte Zielgruppen. Je nach Zielgruppe musst du von bestimmten Sachen mehr liefern und von bestimmten Sachen weniger. Natürlich ist es das Beste, wenn du für eine Zeitung schreibst, die den Anspruch hat, was intellektuell zu hinterfragen und da ’ne Analyse liefern kannst. Aber es kann eben auch sein, dass du für ’ne andere Zeitung viel mehr Atmosphärisches rüberbringen musst. Zum Beispiel musst du, wenn du eine Geschichte für die Bild am Sonntag schreibst, was Reportagiges, Atmosphärisches schreiben und nicht so viel Hintergrund. Und möglichst wenig tiefgehende politische Analyse. Weil sich das eben zu langweilig liest. A.D.: Aber macht es das Produkt schlechter? Print.: Nö. Es ist halt ’ne andere Zielgruppe mit anderen Wünschen an ihre Morgenzeitung. Du kannst bloß nicht immer alles liefern. Manchmal kannst du es selber wählen, welchen Aspekt du beleuchtest und manchmal wird es dir halt vorgegeben durch die Leserschaft oder die Zielrichtung des Blattes.

Die Vertrautheit mit dem Profil des eigenen Blattes oder den Sendeplätzen des eigenen Programms sowie die Fähigkeit, sich mit dem Produkt zu identifizieren, werden als selbstverständliche Grundregel aufgefasst, um im Programm oder im Blatt vertreten zu sein. So wies ein Journalist darauf hin, dass er das Angebot, einen der mutmaßlichen Balibomben-Attentäter zu interviewen abgelehnt habe. Eigentlich ein Scoop, da dieser sich abseits der Öffentlichkeit hinter Gittern befand. Dennoch habe er abgelehnt, weil es nicht in das Profil seiner Zeitung gepasst hätte und er in diesem Zusammenhang kein Bedürfnis gehabt hätte, diesem Mann eine Plattform zu beschaffen. Auch reise man, so beschreibt es ein 59

NACHRICHTENWELTEN

Printjournalist, immer mit den Grundsätzen des Blattes im Kopf rum. Ein anderer erwähnt, er habe zuvor den Posten des Deskredakteurs innegehabt und könne ganz gut einschätzen was rausfliegt oder nicht. Deutlich treten hier bestimmte Rahmenbedingungen hervor, die auch außerhalb der Heimatredaktion Gültigkeit besitzen. In gewisser Weise werden für die Orientierung vor Ort die heimischen Koordinaten genutzt. Unter diesem mitgebrachten Baldachin werden selbst in der Exosphäre Singapurs heimische Verhältnisse revitalisiert (vgl. Sloterdijk 2005: 194f). Tatsächlich ist die Ausbildung einer Verbindung zwischen der Heimatredaktion und der Auslandsniederlassung wesentliches Merkmal der Routine vor Ort. Dennoch ist diese Verbindung keine statische. Im Gegenteil, diese Maßstäbe fordern bestimmte Kompetenzen im Umgang mit ihnen heraus.

Amerikanische Herausforderungen Angebot und Nachfrage zu koordinieren und den vorhandenen Freiraum effektiv einbringen zu können, wird mit dem Begriff »standing« umschrieben. An diesem Maßstab bemisst sich der Wert, der persönliche Stand, den man als Journalist in seinem Arbeitsumfeld hat. Im Gegensatz zur Expertise, die eine Qualität beschreibt, ist »standing« ein performativer Begriff, der kontinuierlich ausagiert und verhandelt wird. Nach Aussagen der Journalisten unterliegt der Wert »Unseres Mannes« oder »Unserer Frau vor Ort« tagtäglichen Tests. Die Qualifikation wird weniger durch die Zuschauer oder Leser, sondern in erster Linie durch die Kollegen und Vorgesetzten im Mutterhaus beurteilt. Der Wert des Angebots bestimmt sich neben den »must haves«, also den Themen mit außerordentlichem Nachrichtenwert, im Alltag an der Person und den Fähigkeiten des Korrespondenten. Dabei spielen häufig Ruf, Profil und Erfahrung des Journalisten eine große Rolle. Print: Ich meine, ich hab den Vorteil, dass ich vorher drei Jahre in der Redaktion war und erstens ein gutes standing hab. Die wissen, dass meine Themen Hand und Fuß haben und dass ich mich da auskenne. Besser als die alle. Ich hab früher Asien betreut. Zum anderen weiß ich aber auch, was ins Blatt findet und was nicht. Weil ich es früher selber rausgeschmissen habe. Also, wenn ich jetzt plötzlich ankomme mit einer politischen Analyse von [unverständlich] dann krieg ich das nicht ins Blatt. Und wenn richtig viel Platz ist, kriege ich auch mal abwegigere Themen unter. Das entscheiden die dann dort. Ich weiß zum Beispiel hier nicht, ob die mal wieder was zu Polen machen wollen. Oder ob sie ’ne Sonderseite von der Chefredaktion aufgedrückt bekommen haben zur EU, dann kriege ich nichts unter. [...] Manche Themen die etwas länger-

60

DIE WEITE WELT

fristiger sind, die biete ich dann am nächsten Tag noch mal an. Oder die sagen von sich aus: „Das wollen wir gerne länger lesen. Das machen wir vielleicht am Samstag.“ Und so gibt sich das dann gegenseitig. Es kommen sehr, sehr, sehr wenige Wünsche von denen, weil sie das komplett in meine Hände gelegt haben. Aber das liegt auch daran, dass ich das vorher schon von Deutschland aus betreut habe. Das ist natürlich jetzt eine sehr luxuriöse Situation.

Diese Positionierung und die Behauptung der Position sind in allen Bereichen des Journalismus anzutreffen (vgl. Hemmingway 2006). Im Ausland wird diese durch die Distanz zur Zentrale verschärft – der Umgang mit dem eigenen Haus wird von einem der Journalisten als amerikanische Herausforderung beschrieben. Wohlweislich, da der amerikanische Alltagspragmatismus richtig und falsch über den Faktor Erfolg definiert und die Themen einer nahezu neo-liberalen Logik unterwirft. Gespräche in den deutschen Redaktionen und Auslandsdesks bestätigen dies – welcher Autor was kann ist dort der Schlüssel gerade für Verhandlungen über Themen, die sich einen Platz im Blatt oder im Programm erobern müssen. Von dem nehmen wir jedes Thema, heißt es im optimalen Fall einstimmig über den betreffenden Kollegen. Dies wäre eine gute Idee, wenn mal wieder Platz ist oder darüber müsse man nochmals reden, sind die schlechteren Varianten. Dies beschreibt ein gegenseitiges Profiling von Redaktion und Korrespondent, das nicht ohne einen gewissen Spielraum ist. Print: Grundsätzlich wenn Sie als Korrespondent rausgehen ist es natürlich so, dass Sie sich eine Position erschreiben. Erschreiben müssen oder erschaffen müssen. Wie auch immer, ich bleib jetzt mal bei Tageszeitungen: Erschreiben müssen. Das heißt, Sie sind auf Wohl und Wehe abhängig von den Blattmachern. Und diese Position müssen Sie sich erarbeiten, das dauert. Wochen, Monate, wie auch immer. Das fängt damit an – ganz billige Sachen: Zeitverschiebung. Natürlich rufen die Leute mal um 10 oder 11 Uhr abends an. Wenn Sie aber nie erreichbar sind, werden Sie schnell ein standing haben: „Ach, der ist ja doch immer unterwegs, am Pool ...“ oder was da die üblichen Sätze sind. Also, da denke ich mir, ist es sehr wichtig eine große Nähe von Ihnen aus zur Redaktion aufzubauen. Sie können nicht erwarten, dass die Redaktion die Nähe zu Ihnen sucht. Sondern Sie müssen versuchen den Kontakt zur Redaktion irgendwie auf die Beine zu stellen. Dann müssen Sie inhaltlich letztendlich ein standing sich schaffen. Also Geschichten liefern, die interessant sind. Wo die Leute sagen: „Mann, Klasse, das haben wir vorher nicht gehabt! Das ist ja total witzig oder total schräg oder total spannend oder was auch immer.“ Vielleicht auch, dass es ihnen gelingt von hier aus Geschichten zu schreiben oder Nachrichten zu schreiben, die durch die Agenturen laufen in Deutschland. Dass man wirklich sagt: „Ist ja gut, dass da jemand sitzt und ein Auge drauf 61

NACHRICHTENWELTEN

hat.“ Also, dieses standing ist extrem wichtig, sonst können Sie da nicht arbeiten und es ist sehr aufwendig, glaube ich, das hinzukriegen. Für jeden von uns hier unten um im Geschäft zu bleiben. [...] Das sind die Herausforderungen intern – oder einige der Herausforderungen.

Diese ökonomischen Termini suggerieren in erster Linie die Übernahme des Profitgedankens in der Nachrichtenberichterstattung. Ohne an dieser Stelle auf die Implikationen neo-liberaler Werte auf den Journalismus einzugehen, impliziert dieser Begriff des standings eine individuelle Agency der Journalisten. Das führt zu den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit sowie zu der Frage, ob der Zusammenhang zwischen thematischem Freiraum und Desinteresse nicht als strukturelle Domestizierung gesehen werden kann. So prallt dieser Gedanke auf ein sich stetig verdichtendes Rollenbild des Einzelkämpfers. Im Außenraum Abenteurer, muss er sich im Kontakt zum bekannten Innen die eigene Position im Schweiße seines Angesichts zunächst erschaffen und dann verteidigen. Gerade beim Thema Schweiß assoziieren inländische Kollegen jedoch gerade für Südasien gerne andere Ursachen. Der »Stille Amerikaner« steht auch in deutschen Wohnzimmern und, man kennt seine Pappenheimer ja auch ganz gut, wie ein blasser Kollege aus Berlin bemerkte. So lautet eines der üblichen Klischees, dass die Kollegen in Asien eben den lieben langen Tag mit einem Drink am Pool liegen, sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und dann und wann mal eine nette Geschichte schreiben oder drehen. Lesen und Reisen eben. Die Metapher ist deutlich. Bei dem letzten Tsunami, lästerte ein Techniker, habe der Kollege vor Ort drei Tage gebraucht, um am Ort des Geschehens zu sein – und außerdem würden die eh nichts anderes machen, als Zeitung zu lesen. Das könne man dank Technik wohl auch in Deutschland. Trotzdem wurde der Kollege, der unlängst einen Zwei-Jahres-Vertrag für eine Stelle in Asien angenommen hatte, im gleichen Atemzug um die aufregende neue Arbeitsstelle beneidet. Der Klatsch und Tratsch mit dem Kollegen in Deutschland beschreibt ein weites Feld der Interpretationsmöglichkeiten. Für den Korrespondentenplatz Südostasien verweist dies zumindest auf die Wahrnehmung des Außergewöhnlichen, ein Charakteristikum, das andere Räume stets bergen. Im gleichen Moment verdeutlicht es auch den Umstand, dass sich der Korrespondent im Fernen Osten weit entfernt vom deutschen Alltag bewegt. Print: Als Korrespondent wandert man aus. Überhaupt. Also, auch wenn man in Brüssel ist, oder Singapur oder Washington ist, eigentlich aus der Sicht der Redaktion spielt es keine Rolle. Wenn man draußen ist, ist man draußen. Und

62

DIE WEITE WELT

wenn man das mag, ist es toll. Wenn man die wohlige Wärme der Redaktion braucht, dann ist man in der Isolation. Das ist ganz klar.

Ein-Mann-Show Als Journalist hat man das Privileg, sich für kurze Zeit in vielen unterschiedlichen Bereichen zu bewegen oder von Berufswegen für eine kurze Zeit auch intensiven Kontakt mit Menschen aufzunehmen, die man vielleicht nie wieder trifft. Je nach Einsatzort sind diese Bewegungsräume unterschiedlich profiliert. Ungleich den hauptsächlich festen Kontakten im Lokal-, Hauptstadt- oder generell Inlandsjournalismus, die ein sublimes Spiel zwischen Nähe und Distanz erfordern (vgl. Rao 2002) oder sich formal als die sprichwörtliche »Meute« (Koelbl 2001) darstellen, stehen hier Vereinzelung und Ablösung von der gewohnten sozialen Orientierung im Vordergrund. Generell kommt die Rede in den Alltagsschilderungen schnell auf den Begriff des Auswanderns. Womit durch den Besitz eines deutschen oder Schweizer Reisepasses weniger auf eine politische Problematik aufmerksam gemacht wird als auf die Bewegung über die Grenzen des beruflichen Ballungsraums Redaktion hinaus. Der Auslandskorrespondent steht per Definition grundsätzlich in einem Außen. Im Gegensatz zu den von Pedelty (1995) beschriebenen Kriegsreportern, die von den ebenso aktuellen wie lebensgefährlichen Umständen zusammengeschweißt werden, ist der Berufsalltag der Korrespondenten in Südostasien nicht von einem nervösen Zusammengehörigkeitsgefühl gekennzeichnet. Print: Hier verläuft es sich. Du triffst dich nicht so oft. Das ist halt hier die Wohnstätte und du triffst dich vielleicht bei der Wahl in Indonesien nächstes Jahr. Oder ich war dann mal mit [...] und [...] zu den Wahlen in Kambodscha. Da trafen wir uns dann alle. Da sitzt man denn auch oft zusammen. Dann gibt es natürlich auch Sympathien und nicht so enge Sympathien. Mit manchen komme ich aus, mit manchen nicht.

Diese unspektakuläre Darstellung findet sich auf einem Treffen der FOREIGN CORRESPONDENTS ASSOCIATION (FCA) in einer Bar am Boat Quay in Singapur wieder. Dort überwiegt der Anteil der in Singapur allgegenwärtigen PR-Mitarbeiter den Anteil der Journalisten. Die wenigen Journalisten an diesem Abend sind meist Mitarbeiter von Agenturen wie REUTERS und AFP. Im Gegensatz zu den deutschsprachigen Korrespondenten sind sie für weitaus kleinere Gebiete oder spezielle Themen im Detail zuständig. Eine Agenturmitarbeiterin ist Spezialistin für die Ölbranche und gerade von einem Treffen der OPEC in Wien zurückgekom63

NACHRICHTENWELTEN

men. Ein malaysischer Kollege ist gerade zu einer Stippvisite in Singapur, sein Büro hat er in Kuala Lumpur. Dennoch wird an diesem Abend kaum über Neuigkeiten oder das aktuelle Geschehen geredet, stattdessen werden Visitenkarten und Höflichkeiten ausgetauscht.9 A.D.: Gibt es denn keine gemeinsamen Quellen? Ich dachte immer, es wäre so eine Art Informationsaustausch oder ist das nicht ganz so offen? Print: Das wäre es schon, wenn es, sagen wir mal, einheitliche Themen gäbe. Aber es gibt außer SARS, außer Bali-Attentat – wobei da war der Aktualitätsdruck groß – außer Ablösung der Regierung in Singapore, also Machtwechsel, gibt’s hier keine Themen, die bei allen Muss-Stoff sind. Und bei einem Thema wie Wechsel der Regierung in Singapore, das zieht sich ja über Monate hin. Da ist es jedem freigestellt dann zu schreiben, wann er will. Weil erstens kann er jederzeit ein Thema aufarbeiten und zweites ist der Druck von der Redaktion nicht da, das Thema jetzt zu machen, weil es nicht 100% aktuell ist. Ob der Ministerpräsident hier sein Amt übergibt und diese Ankündigung macht, das muss nicht am nächsten Tag in der Zeitung sein, das kann auch in zwei Tagen noch sein. Das ist nicht so dringend. Kommt ohnehin auf Seite fünf oder sechs. Das heißt der Druck in der selben Zeit, oder zum Beispiel wie in Brüssel, in der selben Stunde... drei Stunden vor Redaktionsschluss was raus zu pauken und dann in der Mitte des Artikels fest zu stellen: Oh, mir fehlt das und das oder ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe, und dann telefoniert man im Kreis herum, sagt: Du warst doch auch da, wie hast du das verstanden? Und dann hat man innerhalb von 10 Minuten die Antwort und kann weiter schreiben. Das ist hier überhaupt nicht der Fall. A.D.: Ist das positiv oder negativ? Print: Das ist phantastisch. Es ist viel professioneller, weil man hier nicht abschreibt. Im Hauptstadtjournalismus ist eigentlich... das Bedenkliche daran ist, journalistisch gesehen, dass es [dort] zwar tausend Journalisten, aber fast nur eine Meinung gibt. [...] Also, das ist ein riesiger Unterschied – und hier macht jeder, hat jeder sein eigenes Thema. Es ist ganz selten, dass man an einem selben Thema arbeitet, am selben Tag. Das ist ganz selten.

Wie dargestellt, umspannt das Themenfeld der Auslandskorrespondenten generell Politik und Gesellschaft ebenso wie Wirtschaft, Umwelt, Kultur und den Boulevard. Dieses Prisma bietet häufig die Möglichkeit Themen exklusiv zu publizieren. Bei der Fülle der Möglichkeiten ist dies schon fast als natürliches Merkmal zu deuten. Zuweilen reise man mit Kollegen anderer Medien oder die ansässigen Medienvertreter werden von Konzernen und Interessengruppen zu Informationsveranstaltungen und 64

DIE WEITE WELT

touren eingeladen. Im Normalfall jedoch, so unterstreicht ein Journalist, reise man auf sich selbst gestellt. Im Unterschied zu den Fernsehjournalisten arbeiten Printjournalisten dabei ohne ein festes Team. Mit weniger Technik und einem geringeren Maß an nötiger Logistik bewegen sie sich mit Block und Kugelschreiber, Laptop und Handy, an der Seite von Übersetzern durch die Berichtsregion. Print: Sie sind sehr einsam hier bei der Arbeit. Und das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt, der ganz anders ist als in Deutschland. Das ist immer ein Wagnis, ob man das kann oder nicht. Es gibt Leute, die hier auch waren, als Kollegen, die da überhaupt nicht mit zurechtgekommen sind. So zu arbeiten. Und die auch sehr schnell wieder zurückgegangen sind, weil es ihnen völlig gegen den Strich gegangen ist.

Eine Bemerkung, die nicht darüber hinweg täuschen soll, dass auch in Singapur der Austausch unter Kollegen existiert. Jedoch findet er nicht im Bienenstock von Medienanstalten oder vor dem Parlament statt. Da die Situation in Singapur keine Zusammenarbeit erfordere, wie zum Beispiel in Peking unter der restriktiven Informationspolitik der chinesischen Regierung, so erläutert ein Journalist, reduzierten sich die Gründe für den beruflichen Austausch auf bloße Sympathie. Im kleinen Rahmen telefonieren einige Korrespondenten regelmäßig und gerade nach ihren Reisen miteinander oder pflegen sonstige private Kontakte. Darüber hinaus kursieren auch in Singapur hier und dort Gerüchte, gibt es Klatsch und Tratsch unter und über Kollegen. Dabei bewegt sich dieser inoffizielle Informationsfluss ebenso wie der offizielle Nachrichtenstrom auch transnational, als globaler Flurfunk über die Grenzen des Berichtsgebiets hinweg nach Berlin, Mainz, Washington etc. und wird raumunabhängig konserviert. Das Einzige, was er wirklich benötige, sei ein riesiges Loch in der Wand, angefüllt mit funktionierenden Kabeln die zu seinem Computer liefen, so ein Studiomitarbeiter in Asien. Ein vorsichtiges Abtasten und der noch vorsichtigere Umgang mit Informationen zeigen sich bei einem zufälligen Treffen zwischen einigen Korrespondenten in einem Café an der Shoppingmeile Orchard Road. Auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Jakarta hatte ein Korrespondent Zeit in Singapur eingeplant, um für einen Artikel zu recherchieren. Zum Informationsaustausch hatte er vorab einige Kollegen kontaktiert. Während ich mit ihm im Café sitze, kommt zufällig ein weiterer Korrespondent in das Café zwischen Deutscher Botschaft und ZDF-Büro. Der Umgang ist höflich, man erkundigt sich nach der Befindlichkeit des anderen, wie es dem Partner gehe, wohin die letzten Reisen gegangen seien. Als ich auf die Ankunft eines dritten Korrespondenten, der häufiger in dem Café anzutreffen ist, aufmerksam mache, stellt sich heraus, 65

NACHRICHTENWELTEN

dass keiner der beiden das Gesicht einordnen kann oder will. Wohl aber den Namen. Man kennt sich über die gegenseitigen Veröffentlichungen. Als sich die beiden einander unbekannten Kollegen daraufhin zu einem kurzen Gespräch zusammensetzen – wie sich herausstellt hatte sich der auf Durchreise befindliche Kollege zuvor per Email darum bemüht, auch mit ihm Kontakt aufzunehmen – geht es um die jüngsten Entwicklungen in der indonesischen Terrorszene. Während der Jüngere der beiden Journalisten Kontakte zu den Geheimdiensten thematisiert, hält sich der Ältere von beiden bei diesem Thema zurück. Hin und wieder bestätigt er Aussagen des anderen. Es ist unklar, ob ihm die Herangehensweise des Kollegen missfällt, er einfach nur weniger Informationen zum Thema hat oder ganz simpel meine Gegenwart stört. Der Umgang erweckt den Eindruck eines Um- und Gegeneinander, bei dem es auf Untertöne und kleine Gesten anzukommen scheint. Ich verstehe nichts, nur dass keiner von beiden offen redet. An anderer Stelle konnte man zwei Korrespondenten aus unterschiedlichen Medien mehrfach zusammen sitzen sehen. Mal hinter verschlossenen Türen intensiv und längere Zeit ins Gespräch vertieft, mal heiter im Restaurant bei Sushi und Anekdoten. Vor dem ersten dieser Gespräche hatte sich der Printkorrespondent bereits mit einer Mitarbeiterin des Rundfunkkollegen getroffen. Bereits bei seinem Eintreten hatte es seinerzeit ein großes, freundliches Hallo gegeben. Die Routine wurde bereitwillig unterbrochen, die Köpfe über Kaffee, Tee und Lachen zusammengesteckt. Die Stimmung ist beim gemeinsamen Essen ähnlich ungezwungen. Gerade angesichts der anwesenden Ethnologin erfahren bestimmte Heldengeschichten, die inzwischen ihre Niederschrift in Büchern gefunden haben, hier und dort eine leichte Korrektur. Dabei geht es gleichermaßen um englische, US-amerikanische und deutsche Kollegen. Viele von denen haben beide im Laufe ihrer Einsätze in Krisengebieten kennen gelernt.10 Fußnoten am Rande der Weltgeschichte. Kosmopolite Bewegungsformen, die sich scheinbar ungebunden über Grenzen hinweg bewegen, die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen als Berufung (vgl. Hannerz 1990:240f): Es scheint, als habe sich ein neues Heldenbild geformt, das die Fähigkeit zur Bewegung als solche glorifiziert (vgl. Stralin et al. 1997). Das mondäne Element des Kosmopoliten, zum Teil in Kleinigkeiten registrierbar, wenn sich ein Journalist, Ampelanlagen und Fußgängermarkierungen völlig außer Acht lassend, behände über mehrere Fahrspuren quer durch den Feierabendverkehr einer asiatischen Großstadt zu einem freien Taxi bewegt. Oder der kurze Verweis auf die Besonderheit der lokalen Imbisskultur, wenn er bei einem späteren Treffen von den Imbissen anderer Breitengrade erzählt oder sich von solchen im Krankenhaus erholt – es sind kleine Anzeichen eines bewegten Alltags im Ausland. Ebenso wie die zusätzlichen Pässe, 66

DIE WEITE WELT

die es braucht, um parallel Visumanträge für unterschiedliche Staaten zu stellen; dem Kunsthandwerk, das der eine, die Visitenkarten aus aller Welt, die der andere im Laufe der Arbeit gesammelt hat; den skurrilen Anekdoten, von denen sie alle erzählen können. Eigentlich auch ein Grund, warum er ins Ausland gegangen sei, erzählt ein Korrespondent, wären zu der Zeit, als die Entscheidung anstand, zwei Meldungen gewesen: die Diskussion um das Dosenpfand und ein Busfahrerstreik auf Mallorca. Nicht, dass er die Vorgänge in Deutschland, Reformen, Gesetze etc. für langweilig halten würde. Für ihn persönlich sei eben anderes spannend gewesen: Volksentscheid in Osttimor, eine Staatsgründung, die UN-Eingreiftruppe vor Ort... „From time to time,“ so liest sich ein Zettel, den mir ein Gesprächspartner weiterreicht, „God causes men to be born – and thou art one of them – who have a lust to go abroad at the risk of their lives and discover news – today it may be far-off things, tomorrow of some hidden mountain, and the next day of some near-by men who have done a foolishness against the state. These souls are very few; and of these few, not more than ten are of the best.“ Ohne dieses Zitat von Rudyard Kipling uneingeschränkt auszuweiten, in der Tat gab es auch für mich kaum spannendere Geschichten als die, die Reporter, Korrespondenten, Kameraleute, Producer und andere bereits nach wenigen Berufsjahren zu erzählen hatten. Dabei sind es weniger die großen Augenblicke der Geschichtsschreibung als die Bandbreite dessen, was sie bereits gesehen und miterlebt hatten. So erzählte ein Kameramann aus Singapur, dass er zuweilen das Gefühl hätte, viel, viel älter zu sein, als er es mit seinen 26 Jahren tatsächlich sei. Sein Leben in den letzten Jahren sei nicht nur von der Vorwärtsbewegung her auf der Überholspur gewesen. All die Eindrücke und Bilder, die er gesammelt hätte - manchmal würde er sich fragen, ob all das nicht zuviel für ihn sei. Zumal der Preis dafür häufig der Verzicht auf ein intaktes Privatleben sei. Als die Diskussion am Ende des Drehtags zwischen Anekdoten und Bier an der Hotelbar wieder aufkommt, bemerkte ein Techniker dazu, dass die Sache mit dem Privatleben wirklich schwer sei, das ständige Hin und Her, die stoßweise Arbeitszeit, die Untätigkeit zwischen den Einsätzen. Aber insgesamt? Er würde es nicht eintauschen wollen: It’s the absofuckinglutely best life to live. Die hier beschriebene Reibungshitze der Bewegung im Aktionsraum ist sicherlich von Persönlichkeit und Arbeitsprofil der jeweiligen Medienschaffenden abhängig. Im Bereich der Fernsehproduktion ist der Arbeitsplatz des Cutters häufig im Hotel, während sich Korrespondent und Kameramann draußen bewegen, sind die Teamkollegen prinzipiell nur in bestimmte, ist der Korrespondent in alle Abläufe der Produktion eingebunden. Grundsätzlich liegt die Koordination von der Idee bis zur Herstellung sendefertiger Beiträge beim Korrespondenten. Gleiches gilt in 67

NACHRICHTENWELTEN

verstärkter Form für den Printkollegen, da dieser meist allein oder nur mit Übersetzer reist. Lebenswandel und Beruf durchdringen sich zweifelsohne. Dies präge den Alltag, unterstreicht auch ein Printkorrespondent auf der anderen Seite des Ozeans. Er habe eine Lebensweise und eine Ansicht auf die Dinge, die viel mit dem Beruf an sich zu tun habe. Dass er in einen Flieger steigen würde, den er am Vorabend gebucht habe und man dann dahin oder dorthin jette, das sei normal. Diese sprunghafte Lebensweise – in den 20er Jahren fände man die super, in den 30er Jahren akzeptabel, in den 40er Jahren lästig, in den 50ern unerträglich. Man müsse sich damit auseinandersetzen, dass dies der Weg des Journalistenlebens sei. Wenn man dem nicht mehr folgen würde, müsse man entweder das Genre des Journalismus dramatisch verändern oder seine Haltung zur Flexibilität, zum Reisen.

Ro ut ( in ) en I Durch die Büros und Studios der Korrespondenten fließen kontinuierlich Informationen. Die Tickermeldungen der Agenturen, Radioprogramme und die Informationen aus den Magazinen, der Wochen- und Tagespresse. Zuweilen stapelt sich das Weltgeschehen sichtbar als Papierberg in den Büros. Wenigstens lagert es sortiert und abrufbar in den zahlreichen Archiven und Datenbanken. Und natürlich im Erfahrungsschatz der Journalisten selbst. Ergänzt oder bedingt durch Telefonate, Emailkontakte und Interviews, aber auch Flugbuchungen, Hotelübernachtungen, Aufenthalts- und Drehgenehmigungen, sowie Produktionsnummern und Sendezeiten oder in den Zeitungen, Zeilenzahl und Format, in der Auslandsberichterstattung verbinden sich Zeit, Ökonomie und Raum. Und fließen auf vielen Ebenen wieder in die Auslandsberichterstattung ein (vgl. Peterson 2003:162f). Routiniert am Puls der Zeit zu arbeiten, bedeutet in Singapur auch, mit der Zeitverschiebung zu arbeiten. Die Berichtsräume Asiens liegen von Deutschland aus betrachtet auf der anderen Seite der Weltkugel. Trotz technologischer Übertragungsmöglichkeiten schreibt sich der Tag-Nacht Unterschied ebenso wie die Bewegung durch fremde Sprachen und Gesellschaften alltäglich in die Produktionspraxis ein. Für den Tagesablauf eines Nachrichtenjournalisten liegt der Standort angesichts der Zeitverschiebung günstig: Das Zeitfenster für die Routinekommunikation öffnet sich ab 15 Uhr, wenn in Deutschland der Büroalltag und die Redaktionskonferenzen beginnen. Vor Ort ist der Tag dann bereits im vollen Gange und man hat die Vorgänge im Blick. Print: Klar. Hier vor Ort fange ich meistens so gegen neun Uhr an. Morgens. Und ich guck mal als erstes die deutschen Agenturen nach. www.spiegel.de etc.

68

DIE WEITE WELT

... um zu wissen, was in der Nacht, d.h. am deutschen Tag, in meiner Nacht, in Deutschland passiert ist. Also, ich gucke es mir an, um erstens zu erfahren, was das große Thema in Deutschland am nächsten Tag sein wird. Das heißt, was die Kollegen in Deutschland beschäftigt und unsere Leser auch. Ich guck es mir aber auch an, um zu wissen, was die wiederum aus Asien mitnehmen. Um einfach ein benchmarking zu machen: Was hat die SÜDDEUTSCHE oder wer auch immer... um zu wissen, wo wir stehen. Das mache ich so ungefähr bis zehn. Dann gibt es meistens irgendwelche Telefonate. Planung. Reiseplanung nimmt hier einen ganz, ganz starken Teil der Arbeitszeit ein, weil ich mehr als ein halbes Jahr unterwegs bin. Und das ist teilweise nicht einfach zu planen. Wenn Sie da Leute treffen wollen, hinter denen sie unendlich lange herlaufen. Die ganzen Visageschichten, die Zeit rauben. Sagen wir mal grob bis zwölf Uhr. Dann mache ich ’ne relativ ausgedehnte Mittagspause, weil ich eben sehr oft nachts arbeite. Das heißt, es kann schon mal vorkommen, dass ich um eins wieder anfange oder es kann auch vorkommen, dass ich um drei anfange. Je nachdem was so anliegt, was ich auch machen will. So. Und dann driften die Tage eigentlich auseinander: Entweder ich hab ’ne größere Geschichte zu schreiben, dann fange ich gegen Mittag an, die weiter zu schreiben. Wobei ich versuche, nie länger als zwei, drei Tage auch an den großen Geschichten zu sitzen, weil das dann einfach quer läuft mit dem Tagesgeschäft. Um vier oder seit der Zeitumstellung um fünf, wenn es in Deutschland zehn Uhr ist, so eine halbe Stunde vorher gucke ich mir die Agenturen hier aus Asien an, um zu wissen, was Sache ist. Ach so, eines hab ich vergessen: In der Mittagszeit, in diesem Mittagsbereich, lese ich die Zeitung. Was hier jeden Tag sieben sind. Also, lesen ist zuviel. Ich blättere’ sie zumindest durch und reiß mir die Seiten raus von denen ich glaube, dass sie interessant sein könnten und stapele’ sie auf einen großen Haufen. Ja, um halb vier gucke ich mal so, was die Agenturen haben. Vielleicht hab ich auch schon ’ne Geschichte durch die Lektüre der Zeitungen mittags gekriegt, wo ich weiß, da müssen wir irgendwas machen. Um vier Uhr oder fünf Uhr, je nachdem wie die Zeitverschiebung ist, Deutschland zehn Uhr, spreche ich mit der Redaktion und mache das Angebot für den Tag. Rede mit denen. Meistens kommt nicht sehr viel von dort, so dass die sagen: „Wir müssen heute dieses machen!“ Sondern es ist 99% so, dass ich sag: „Wir müssten heute dies machen, habt ihr Platz? Wie können wir das machen?“ Gut, dann liegt das erst mal dort. Und entweder ist klar, es wird ne große Geschichte oder ’ne Meldung, dann kann ich es auch schon im Prinzip schreiben oder die verhandeln noch, ob man einen Kommentar macht oder in welcher Größenordnung man es überhaupt macht. Dann bin ich natürlich davon abhängig, darauf zu warten, dass da auch die Entscheidung fällt. Das ist relativ nervig, [...] Das

69

NACHRICHTENWELTEN

heißt, erst am frühen Abend erfahre ich überhaupt, in welcher Liga wir an dem Tag spielen. Ja, dann ist es meistens Sechs oder so ungefähr und wenn ich bis dahin noch nicht fertig bin mit schreiben oder noch gar nicht angefangen habe, weil ich noch nicht weiß, was daraus wird, fange ich dann an und arbeite meistens, wenn kein Abendtermin ist, bis zehn oder bis elf. Ja. Und schicke es dann nach Deutschland rüber. Und was nicht regelmäßig ist, aber dazwischen kommt, ist das Archivmachen. Was sehr viel Arbeit ist. Sie leben grundsätzlich von dem Archiv, das sie haben. Weil das der absolute Platzvorteil gegenüber Deutschland ist. Sie haben hier die Zeitungen. Trotz Internet werden die in Deutschland nicht wahrgenommen und das ist natürlich eine ganz wichtige Quelle für Sie. Also, Archiv – damit steht und fällt hier alles. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und das Zweite ist, dass natürlich auch in Singapur Termine sein können, die Sie wahrnehmen müssen: Pressekonferenzen oder irgendwas. Das käme dann dazwischen. Das ist in etwa der normale Tag in Singapur und im Ausland ... das ist ganz einfach erzählt: Das hängt ganz einfach davon ab, was Sie für Termine ausmachen.

Für das tagesaktuelle Geschäft gibt dieser Umstand dem Journalisten eine gewisse Vorlaufzeit, verschiebt aber auch häufig die Produktionszeiten nach hinten in die Nacht. Über den Umgang mit der Zeitverschiebung hinaus fällt jedoch auf, dass diese den Tagesablauf in gewissem Sinne strukturiert. Insgesamt wird der Kontakt zur Redaktion in Deutschland hier als sehr kontinuierlich beschrieben. Was sich im übrigen auch im Redaktionsalltag bei den Rundfunkkollegen spiegelt. Die Abläufe und Themen in Deutschland werden in diesen Aussagen als Orientierungsmaßstab für das eigene Themenangebot beschrieben. Um ein effizientes benchmarking betreiben zu können, so erzählt dann auch einer der Korrespondenten, sei es dann auch schon mal gut die BRIGITTE oder die GALA zu lesen. SPIEGEL, FAZ oder ZEIT, seien sowieso Pflicht. Benchmarking, also Maßstäbe zu setzen oder in diesem Fall, herauszufinden, bezeichnet ein Vorgehen, das über den Vergleich von Leistungsmerkmalen mehrerer vergleichbarer Objekte, Prozesse oder Programme versucht, Verbesserungsmöglichkeiten für den jeweiligen Topos des Interesses zu finden. Über diesen Terminus wird die Verknüpfung von persönlichem Standing und möglicher Story deutlich. In dieser Beschreibung der täglichen Routine zeichnet sich der starke Zusammenhang des Freiraums vor Ort mit dem der Freiräume im Blatt oder Programm ab. Letzteres beschreibt angesichts des weltweiten Geschehens ein äußerst knappes Angebot. Prinzipiell sind die Redaktionen in Deutschland ebenfalls an das Informationsnetzwerk der Agenturen und Affiliates11 angeschlossen und haben per Internet Einsicht in den asiatischen Newsbeat.12 Bis auf 70

DIE WEITE WELT

die wenigen Ereignisse mit starkem Deutschlandbezug, wurde die redaktionelle Einmischung selten erwähnt. Auch Agenturdruck wurde nur für die wenigen Fälle bemerkt, in denen sich ein aktuelles Thema auf die Agenda schob. Stattdessen wird auf die Schlupflöcher aufmerksam gemacht, die dieses Agendasetting des Heimatdesks bietet. Wie z. B. 2000 die Vorgänge auf der philippinischen Insel Holo zeigten, wurde der Name der Insel durch die Entführung der Göttinger Familie Wallert zum Begriff in der deutschen Tagespresse. Ein AbuSayyaf – Kommando hatte im April des Jahres mehr als 20 Personen, darunter auch drei Mitglieder der Familie Wallert von der malaysischen Taucherinsel Sipadan auf die südphilippinische Insel verschleppt. Nach monatelangen Verhandlungen und Zahlung eines Millionen-Lösegeldes waren die Entführten nach und nach freigekommen. Jeder sei in dieser Zeit irgendwie vor Ort gewesen, allen voran die Agenturen und das Privatfernsehen. Das sei wahnsinnig gehypt gewesen, kommentiert ein Korrespondent die damalige Lage. Als Einzelner hätte man zu dieser Zeit kaum die Möglichkeit gefunden, abseits der Entführung andere Themen anzubieten. Generell sei weniger das Interesse an der Region, sondern vor allem das an dem Schicksal der Wallerts gestiegen, so konstatiert ein Korrespondent. Wenigstens habe die Entführung auf Holo den Raum eröffnet, Geschichten über den politischen Untergrund auf den Philippinen unterzubringen. Dies sei auch geschehen. So seien, fügt ein Kollege zum gleichen Thema an, in den fünf Monaten der Entführung wunderbare Geschichten zusammengetragen worden, die man sonst nicht hätte verkaufen können. Gegen den Konkurrenzdruck zu arbeiten, trifft für Singapur nur in den wenigen Momenten zu, an denen die Welt, oder wie im Falle der Wallerts zumindest die deutschen Medien, in die Region schauen. Im Regelfall, so wird immer wieder darauf hingewiesen, sind es eigene Themen, die man bearbeitet. Gerade angesichts des enormen Einzugsgebiets basieren diese Themen häufig auf Artikeln aus lokalen Zeitschriften und Magazinen, fließen staatliche und nicht-staatliche Berichte in die Arbeit ebenso ein wie auch Agenturmeldungen die Arbeitsroutine prägen. In der Filmadaption des Buches „Der stille Amerikaner“ hält der Hauptdarsteller Michael Caine alias Thomas Fowler ein Telegramm aus London in der Hand. Die Redaktion droht ihm mit Kündigung: „They probably think it’s cheaper to let the wire services cover Vietnam“ sinniert Fowler und an seinen lokalen Stringer gewandt. „How many stories have we given them?“ – „This year? Three.“ – „Oh, shit.“ (vgl. Noyce 2002)13 Blitzmeldungen, Eilmeldungen, Vorrangsmeldung, Meldungen – die Allgegenwart von Agenturen prägt den Alltag in der Nachrichtenproduktion in In- und Ausland. DPA, AFP, REUTERS, BLOOMBERG, AF, EPD 71

NACHRICHTENWELTEN MEDIEN,

um nur einige zu nennen, verstehen sich als Basisdienstleister im Geschäft um die Informationen (vgl. Schneider/Raue 1998:24). Und so strömen täglich kaum zählbare Neuigkeiten in die Büros und Redaktionen. Im Allgemeinen haben Redaktionen wie auch Korrespondenten Agenturdienstleistungen abonniert.14 Diese Dienstleistungen übersteigen allein durch eine höhere Mitarbeiterzahl und ein folglich dichteres Netz die Berichtsmöglichkeiten der Korrespondenten. Was nach einem durchaus ungünstigen Konkurrenzverhältnis klingt, wird von den Journalisten durchwegs entschärft. A.D.: Das heißt, die Agenturen bieten die Nachricht „Deutscher in Jakarta unter Terrorverdacht verhaftet.“ Print: Genau. Polizeisprecher sagt: „Verdacht auf...“, Botschaft bestätigt den Fall: „Ja, wir kümmern uns drum. Mehr können wir im Moment nicht sagen.“ Und ich fahr dann hin und such das raus. Spreche mit den Nachbarn, den Nachtwärtern, rede mit meinen Kontakten in der Polizei, Geheimdienst. Indonesische Seite, deutsche Seite. BKA und so weiter... recherchier zum Teil sehr lange. Interviewe den Mann dann selber. Das alles macht eine Nachrichtenagentur nicht. Vor allem, weil es eigentlich keine gibt, keine deutsche. In Jakarta gibt’s die DPA, aber das ist ein Amerikaner, der seinen Job eher so versteht, dass er für den englischen Dienst schreibt. In Singapur wird das von [X] übersetzt, oft aber auch nicht. Das ist auch wichtig. Die DPA hat ja auch viele Kunden in Asien. Aber der macht so was auch nicht. Oder ein anderes gutes Beispiel: deutscher Tourist in Aceh erschossen, das war auch die Nachricht, erschossen, Militär sagt: „Missverständnis“ – Botschaft sagt: „Ja, der Fall stimmt, aber wir können, wir sagen dazu nichts.“ Ja, dann bin ich derjenige, der sechs Stunden im Krankenhaus auf dem Flur wartet, um die überlebende Frau zu fragen: „Wie war es dann nun?“ Ich schreib dann aber auch eine Seite Drei über die Person, über den Mensch. Dann gibt es Lifestyle Geschichten: über diese Tänzerin, Inool, oder [Das ist diese Bauchtänzerin?] Die Wackelfrau, ja. – oder HIV-Bekämpfung: [...] All das macht eine Agentur nicht.

In diesem Fall ist das „Oh, Shit!“, das Fowler angesichts der Konkurrenz durch die Agenturen entfährt, scheinbar nicht der Kommentar, mit dem der Korrespondent diese Beziehung beschreibt. Hier wird für die tägliche Praxis geschildert, dass der Korrespondent von dem Arbeitsvolumen der Agenturen profitiert. Diese funktionieren quasi als Stichwortgeber und dienen der Weiterverwertung der Informationen. Abseits aktueller Ereignisse erscheint der asiatische Newsbeat aus deutscher Sicht als ruhiges Pflaster und die Zusammenarbeit mit den Agenturen im Falle der Themen- und Informationsrecherche konstruktiv zu sein. Lapidar gesagt gerät das, was Fowler im Film als Verkörperung des Korrespondentenall72

DIE WEITE WELT

tags darstellt, nach dieser Darstellung unglaubwürdig. Das Charakteristikum der eigenen Arbeit wird in dem Bereich gesehen, der über die Agenturleistungen hinausgeht. All das, was eine Nachrichtenagentur nicht macht, fällt in den Bereich des Korrespondenten – in diesem Fall die Ausweitung des Falles sowie das Verfolgen eines speziellen Deutschlandbezugs. Es geht um die Kontextualisierung und das persönliche VorOrt-Sein, das »being there« des Korrespondenten (vgl. Geertz 1990).

„Sprechen Sie Chinesisch?“ Vor Ort in Südostasien zu arbeiten bedeutet einerseits mit den geographischen Ausmaßen der Berichterstattungsgebiete konfrontiert zu sein. Darüber hinaus bedeutet dies, von einer bemerkenswert hohen Sprachenvielfalt umgeben zu sein. Thai, Malay, Bahasa Indonesia, Mandarin, Nepali, Vietnamesisch sind nur einige von mehreren Dutzend Amts- und Verkehrssprachen. Allein auf dem indischen Subkontinent, den viele der Korrespondenten in ihrem Berichtsgebiet haben, sind dies neben Hindi und Englisch, 14 weitere offizielle Sprachen.15 Eine Vielfalt von der man sagen kann, dass sie jeder Übersicht spottet (vgl. Sloterdijk 2005:211). A.D.: Wie läuft das mit der Kommunikation in all diesen Ländern? Ich darf jetzt mal annehmen, dass Sie nicht all der Sprachen ... [Nein, nein, nein!] mächtig sind? Print: So wie bei allen anderen auch. Da müssen Sie dann entweder so durchkommen oder sich einen Dolmetscher nehmen. Gibt ja nur die zwei Möglichkeiten. Ich meine, wenn Sie sich im deutschsprachigen oder englischsprachigen Umfeld bewegen – und auch in China sprechen viele Menschen englisch, so ist das ja nun nicht – ist es kein Problem. Und andersherum ist es dann auch nicht nur die übliche Chinafrage, die dann kommt. Nach dem Motto: Sprechen Sie Chinesisch? Sie können dann mit dem gleich Recht fragen: Sprechen Sie Bahasa Indonesia, weil Sie dann auch mit dem normalen Menschen auf der Straße reden können. Und das können Sie überhaupt nicht, kann auch keiner hier. Also, da muss ein Dolmetscher herhalten.

Ebenso wie zu Beginn für das Berichtsgebiet zitiert, das keiner der Korrespondenten au fond kennt, verhält es sich mit dem sprachlichen Zugang. Sprache als Mittel zum Austausch von Informationen ist jedoch eine wesentliche Bedingung der journalistischen Zielsetzung, Öffentlichkeit zu formulieren. So leitet sich auch das Wort Kommunikation aus dem lateinischen communis, gemeinsam, ab und beschreibt einen Vorgang, der Subjekte prinzipiell verbindet. Dass dies nicht für die Region 73

NACHRICHTENWELTEN

gilt, in der die Informationen gesammelt werden, wird angesichts der Sprachvielfalt in dem Gebiet deutlich. Für die journalistische Praxis bleibt der Zugang in die sphäropoetischen Prozesse der Region, also das Übersetzen, und damit die Abarbeitung des linguistischen Außens (vgl. Sloterdijk 2005:211) ein Problem. Dass dies nicht unproblematisch ist, darauf haben in theoretischer Hinsicht u. a. Asad (1987), Tyler (1991) und Said (2002) mit jeweils unterschiedlichen Stoßrichtungen verwiesen. Abseits der akademischen Auseinandersetzung lassen sich die Einwände dieser Theoretiker – Machtasymmetrien, Unübersetzbarkeiten und Deutungshoheiten – in den Worten der Korrespondenten auch praktisch nachvollziehen: Print: Erstens ist das nicht das Selbe, ob du selber mit jemanden sprichst oder dir jemand übersetzt. Zweitens habe ich das in Afghanistan ganz stark empfunden: Die Stringer, die ich da hatte – das war ein DPA-Stringer, den ich mitbenutzen konnte - dass der, und das wurde mir auch bestätigt, das war ein Tadschike und hat dementsprechend die Leute ausgesucht, die man zum Gespräch hatte und hat dementsprechend auch übersetzt. Und die Leute, die am besten über Afghanistan berichtet haben waren die Franzosen, weil die Leute geschickt haben, die Dari können. Die dann mit den Leuten direkt sprechen konnten. Die haben viel, die haben ganz anders berichtet. […] Inzwischen kennen sich die Leute, auch die Deutschen, relativ gut aus. Und zum Beispiel dieser Stringer, den die von [...] haben, der ist offenbar wirklich ein absolutes Phänomen. Aber am Anfang war das wirklich so, dass die Leute von ausgesuchten Stringern abhängig waren, die von den Nordallianzfuzzis da hingesetzt wurden. Sämtliche Übersetzer und Fahrer und sonstige waren ausgewählt und haben dann ein entsprechendes Bild verkauft. Und so was möchte ich eigentlich vermeiden. Also, ich hab, als ich da war und diesen Typ hatte, das dann möglichst immer noch gegengecheckt. Und mit Franzosen, die eben selber auch sprechen konnten, gesprochen. Und das finde ich das beste Beispiel dafür, dass die Sprache absolut essentiell ist.

Spätestens, wenn beim nachfolgenden Gegencheck der Übersetzungen zwei unterschiedliche Versionen vorliegen, wird die Problematik deutlich: Die Produktion dehnt sich von einer auf mehrere Personen aus, was eine Streuung der Autorität aber auch eine Begrenzung der eigenen Bewegungsfähigkeit mit sich zieht. Während der Arbeit in China, so beschreibt ein weiterer Korrespondent, habe er dank seiner Sprachkenntnisse stets über bessere Quellen verfügt als die Kollegen, die mit Übersetzern zusammenarbeiten mussten. Inzwischen habe sich die Situation verändert, nicht nur politisch, auch die Berichterstattung habe sich nach eigener Einschätzung mit den wachsenden Sprachkenntnissen der Kollegen vor Ort verändert. Sprachkenntnis wird hierbei hinsichtlich des sozi74

DIE WEITE WELT

alen wie hermeneutischen Zugangs als wesentlich für die journalistische Qualitätssicherung beschrieben. Doch, wie ein Korrespondent bemerkt, sei Sprache nicht alles. Jedenfalls keine automatische Erfolgsgarantie für guten Journalismus. Rundfunk: Sprache, ja... ich glaube Sprache ist eine Barriere. Sprache ist ein großes Problem, wenn man sie nicht beherrscht, weil sie einen daran hindert bestimmte Wahrnehmungsebenen überhaupt sensibel wahrnehmen zu können. Dann muss man das versuchen auszugleichen. Und ich glaube, da ist dann so etwas wie Kreativität... oder Kapazität. Kapazitäten, die man haben kann, die auch Journalisten haben können, die einen in die Lage versetzen trotzdem, auch wenn man Sprache nicht beherrscht, sehr nahe an diese Wahrnehmungsebenen heranzukommen. Trotzdem instinktiv fast zu begreifen, was da passiert und mit den Wahrnehmungen dann ein Gesamtbild zu bauen. Das ist ja ein großes Puzzlespiel. Niemand wird dieses Puzzle je richtig zusammensetzen aber wir arbeiten alle an einem großen Puzzle und bemühen uns so viele stimmige Bilder wie überhaupt möglich zusammenzubringen. [...] Und die Sprache ist natürlich wichtig. Klar. Je mehr ich in einer Sprache heimisch bin, desto mehr bin ich in der Lage zu erspüren, was hinter den Worten noch gesagt wird. Aber auch da, du sagtest ja eben, das klingt alles nach dem idealen Typus, es wird niemanden geben, der alle Sprachen beherrscht. Auch nicht alle Sprachen in seinem Berichtsraum. Und es ist auch keine automatische Erfolgsgarantie, dass jemand, der die drei Sprachen in seinem Berichtsbereich spricht, perfekt spricht, damit automatisch dem journalistischen Verständnis und der Möglichkeit das ordentlich aufzuarbeiten, zu übersetzen, einen Schritt näher gekommen ist. A.D.: Aber dieser Mensch kommt doch an ganz andere Quellen ran und hat vielleicht viel weniger Probleme, wenn er durch Behörden oder sonst was durchgehen muss. Er entwickelt doch ganz andere Zugänge als jemand, der die Sprache nicht spricht. Was ja dann auch wieder die Qualität, die potentielle Qualität des Beitrags, des Artikels verbessert. Rundfunk: Theoretisch ja. Praktisch oft. A.D.: Soll heißen, ‚muss aber nicht’ ? Rundfunk: Genau.

Eine direkte Nähe zu den Gesprächspartnern und deren Aussagen wird von den Journalisten durchgehend als notwendig beschrieben, Kontakte über den Dolmetscher dagegen als distanzierend empfunden. Der ideale Kontaktraum wird unmittelbar zwischen dem Journalisten und seinen In75

NACHRICHTENWELTEN

terviewpartnern und Informanten geteilt. Jeder weitere zwischengeschaltete Sprachfilter verändert die Informationen und erweitert damit den Bedeutungshorizont ebenso wie er potentiell die Übersicht verringert. Im Versuch, Übersicht herzustellen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, geht dem Bewertungsvorgang das linguistische Verständnis voraus. Ist der Journalist durch seine Sprachunkundigkeit von dem verbalen Informationsaustausch ausgeschlossen, so distanziert das unnötig, verschiebt die Aufmerksamkeit des Journalisten auf andere als sprachliche Parameter. Der Verweis auf Instinkt und Intuition mag auf den ersten Blick kaum eine fassbare Aussagekraft haben. Wesentlicher ist jedoch der Verweis auf die journalistische Kompetenz. Um sich als solcher einen Ruf zu erarbeiten, der das eigene standing zwischen Agenturmeldung, Heimatredaktion und lokalem Informanten entsprechend festigt, fasst ein Korrespondent die Anleitung für die Bewegung vor Ort kurz und knapp zusammen – müsse man eben wissen worauf man zu achten habe. A.D.: Und wie kommt man zu dem Punkt, dass man weiß worauf man achtet? Print: Indem man das Land kennt.

Mit dem Koffer unterwegs... Ein halbes Jahr auf Reisen zu sein, wenn es nach einigen Korrespondenten geht, am liebsten noch länger: Wenn es darum ging Termine auszumachen und diese von Korrespondentenseite aus nach der Rückkehr aus Indonesien oder vor dem Abflug nach Australien, angesetzt wurden, verdeutlichte sich deren ausgeprägte Reisetätigkeit. Was zumindest in einem Fall dazu führte, dass ich einen Gesprächspartner gar nicht mehr traf, weil nach unserem ersten Treffen kein weiteres mehr mit dessen Terminkalender vereinbar war. Das Profil des Südostasienberichterstatters ist ein Leben mit dem Koffer in der Hand. Während auch das Reisen Routine ist, sind es die Regionen oftmals weniger. Zu groß ist das Gebiet, um bereits alles gesehen zu haben. Die Lokalkenntnis ist dementsprechend unterschiedlich – einige Regionen betreten die Korrespondenten zum ersten Mal, mit anderen sind sie vertraut. A.D.: ... wir waren gerade bei dem Tagesablauf im Ausland. Print: Ja klar. Das kann ich so nicht sagen. Das hängt vollkommen davon ab, was man macht. Ich fahre nächste Woche nach Burma an die chinesische Grenze. Ich hab keine Ahnung, wie mein Tagesablauf da aussehen wird.

76

DIE WEITE WELT

Wahrscheinlich viel Jeep fahren und zwischendurch mit irgendwelchen Leuten dort reden. Wenn ich nach Delhi fahre und da ’ne Geschichte über die Automobilindustrie mache, treffe ich irgendwelche Manager, Analysten und rede mit denen. Gucke mir vielleicht ’ne Fabrik an. Da gibt’s keinen Standardablauf. Das hängt vollkommen davon ab, was Sie machen wollen. In welches Land Sie hier fahren. A.D.: Das heißt dann auch, dass man vorher überhaupt nichts plant? Print: Doch klar. Aber es hängt davon ab, was Sie planen können. Wenn ich nach Delhi fahre, die Autogeschichte mache, dann hole ich mir ganz normal Termine bei der Chefsekretärin und gehe dann dahin. Versuche möglichst viele Termine in möglichst kurzer Zeit... ja, unterzukriegen. Und wenn ich in Länder fahre, wo ich eine Reportage über irgendwas schreibe, das ich noch gar nicht richtig kenne, kann ich natürlich wenig planen. Das ist auch selbstverständlich. Das hängt ganz davon ab ... Die Bandbreite ist einfach so groß. Es ist ganz davon abhängig was für eine Geschichte Sie machen. Ich hab ne Geschichte gemacht über [...] vor Indonesien und da war ich froh, dass ich überhaupt letztlich ein Schiff gefunden habe, mit dem ich da raus fahren konnte. Was vollkommen unklar war. Hätte ich das nicht gefunden, wäre die ganze Geschichte zusammengebrochen. So konnte ich gar nichts planen.

SPIEGEL-Reporterin Carolin Emcke schreibt in ihrem Buch „Von den Kriegen“ auf diesen Reisen verlaufe nichts wie geplant, „Recherchen verlaufen im Nichts, Termine platzen, Gesprächspartner tauchen nicht auf, Orte lassen sich nicht finden, [...] man irrt sich, verwechselt was, rennt einem Phantom hinterher, es dauert immer länger als beabsichtigt. Niemals ist es wirklich das eigene Verdienst, wenn etwas Sinnvolles, Gutes, Konstruktives geschieht“ (Emcke 2004:36). Obwohl es sich bei den Korrespondenten nicht um designierte Kriegsreporter wie Emcke handelt, ähneln sich die Reisebeschreibungen. Stets handelt es sich bei diesen Bewegungen um solche, die in ein „Anti-Feld“ (Liebelt 2006) führen – wenig ist definiert und klar, kaum sind es Orte, die einem mittels Identität, Beziehungen oder einer eigenen Geschichte erlauben, auf kulturelle Einschreibungen zurückzugreifen (vgl. Augé 1995:52). Noch nicht mal die Klischees über Presse und weiße Europäer garantieren Verlässliches. Für den Journalisten selbst wird die Orientierung erst im Verlauf und durch die Bewegung geschaffen (vgl. de Certeau 1988: 161). Auch wenn das Thema vor Abreise festgelegt und mit der Redaktion abgesprochen ist, bleibt die Umsetzung an äußere Umstände gebunden. Im Verlauf des Aufenthalts lösten sich meist, so eine Produzentin, aus den vielen unterschiedlichen Eindrücken gewisse Muster heraus. Wichtig 77

NACHRICHTENWELTEN

dabei sei das Sammeln von Informationen, die Bewegung vor Ort, aber auch die Zusammenarbeit mit Ortsansässigen, ausgewiesenen Experten, wie auch den Menschen auf der Strasse. So erzählt ein Korrespondent, dass er die große Überraschung als Prinzip nicht kenne, wohl aber lasse er sich gerne überraschen. Er habe eine Idee davon, wie etwas aussehen könnte und in dem Moment wo es anders aussehe, werde dies sofort in diesen neuen Erfahrungsschatz einbezogen. So die pragmatische Haltung. Dennoch, so ergänzt ein Kollege, sei es nicht angenehm stundenlang, im Härtefall sogar tagelang, auf den Fluren asiatischer Behörden zu warten, weil ein wichtiges Dokument fehlt oder ein wichtiger Interviewtermin nur so zu erreichen ist. Zum Glück komme dies nicht allzu häufig vor, dennoch seien die Erinnerungen daran nicht die besten, wie auch eine Produzentin erzählt. Abwarten und Teetrinken sei ein Luxus, der angesichts der häufig knappen Zeitökonomie an den Nerven zehre. Zuweilen, so ein Journalist, ändere sich alles in der sprichwörtlich letzten Minute. Habe man während des Aufenthaltes vergeblich nach einem Anhaltspunkt gesucht, dass es z. B. in Indonesien nach dem 11. September zu einer erkennbaren Bewegung unter politisch engagierten Moslems gekommen sei, so habe er in einem Fall den lang gesuchten Tipp erst wenige Stunden vor Abflug eher zufällig bekommen. Die ganze Sache habe sich in dem Moment völlig gekehrt, da er bis dato über keine verwertbaren Informationen verfügt hätte. Womit er im Folgenden unterstreicht, dass man sehr oft auf Zufallsbegegnungen angewiesen sei. Ein anderer berichtet, er sei nach einem Empfang bei einer UNBehörde auf Timor, ebenfalls zufällig, einige Straßen weiter auf zwei westliche Geschäftsleute getroffen, die vor Ort ansässig waren. Im Gegensatz zu den positiven Auslegungen der UN-Mitarbeiter, hätten diese ihn auf andere Punkte aufmerksam gemacht, denen er im weiteren Verlauf seiner Recherche nachgegangen sei. Generell sei es Praxis möglichst konträre Meinungen einzuholen, um eine weite Bandbreite an möglichen Meinungen wenigstens pro forma abzustecken. Ob man dabei die relevanten Meinungen einhole, darüber entscheide neben der eigenen Erfahrung häufig auch der Zufall. Das Gesagte kann analog zu dem so genannten „Serendipity-Prinzip“ (Lindner 1990:222ff) verstanden werden, das einen ebenso bewussten wie pragmatischen Umgang mit der Zufälligkeit beschreibt. Nicht in erster Linie die Wiederholbarkeit des Vorgehens oder dessen Planbarkeit prägen diese Vorgehen, sondern die „Aufmerksamkeit für den Augenblick“ (Lindner 1990:223). Die eingangs gestellte Frage, wie man Themen an einem unbekannten Ort innerhalb kürzester Zeit umsetzt, wie man damit umginge, eben kein Experte für diese Regionen und Themen zu sein, wird als journalistisches Handwerk beschrieben. Ob schlussend78

DIE WEITE WELT

lich die vielleicht wichtigste Quelle fehle? – Wie ein Korrespondent es ausdrückte, sei alles was sie tun würden eine Momentaufnahme, dessen müsste man sich bewusst sein. Innerhalb der Momentaufnahme sei es der Versuch, ein kleines Universum abzubilden – mit dem Wissen, dass dieses Universum im nächsten Moment schon wieder vergangen ist oder sich verändert haben kann. Das Manko sei, dass nicht alle Informationsquellen zur Verfügung stehen. Manko sei, dass man von den vielen Wahrheitsebenen, die man übereinander lege, ein Dutzend zur Verfügung haben könne, aber die drei entscheidenden nicht gesehen, nicht bekommen habe. Dieser Versuch, ein kurzes Bindeglied, ein „momenthaftes Ereignis“ (Baumann 1997:215), eine Episode in ihrer Gegenwart von den Zwängen der Vergangenheit und der Last der Zukunft zu befreien, gleicht einem „Schnappschuss“ (ebd.). Diese Art „Reize abschöpfen ohne sich verpflichtet zu fühlen, irgendetwas dafür im Austausch zu geben“ (ebd.) und die daraus folgende moralische Irrelevanz, oder wie Baumann es formuliert „Adiaphorisierung“ (1997:217), birgt starke Ähnlichkeit mit der Bewegung der Journalisten durch ihr Berichtsgebiet. Die Verkörperung von Flüchtigkeit ist dem journalistischen Wesen ebenso immanent wie die Begeisterung für Bewegung und Beweglichkeit. Am Liebsten natürlich führe man abseits des Nachrichtendrucks irgendwo hin; habe nett ein paar Tage Zeit; die Leute, die man treffen wolle seien auch da; und dann schreibe man eine Reportage. Das sei das Schönste. Weil man sich daran ausleben könne. Seite Drei-Geschichten im Print, Magazingeschichten oder 45-minütige Formate im Fernsehen werden nicht nur in Abgrenzung zur Agenturmeldung beschrieben, sondern insbesondere als Höhepunkt der eigenen Arbeit. Die Reportage, das Format, um das sich diese Beschreibungen im Kern meistens drehen, ist nicht nur stilistisch davon geprägt, dass sie im besten Fall ohne Begründungen auskommt, weil diese sich durch die Beschreibung erklären, wie ein Journalist es beschreibt.16 Dieses Genre verweist ebenfalls am stärkten auf den Aspekt des Vor-Ort-Seins. So wird sie „überhaupt erst zur Reportage durch die Beobachtungen des Reporters, mithin durch seine Erlebnisse. Eine alte Regel heißt: Wer nichts erlebt hat, kann keine Reportage schreiben“ (Haller 1995:123). Dennoch geht es nach dieser Definition weniger darum, der Geschichte durch das vor Ort-Sein Farbe zu geben, sondern diese Sinneseindrücke zur Orientierung zu nutzen, „[u]m uns in der Welt zurechtzufinden, um uns beheimaten zu können“ (Haller 1995:124). In dieser Augenzeugenschaft liegt das Problem der Oberflächlichkeit, das Journalisten wie Ethnologen thematisieren: Um die Qualität zu wahren und das Besondere, das Typische kennen zu lernen, müsse man „nun eben zwei- oder dreimal an den selben Ort, muss mehrmals zuschauen und mit den gleichen Leuten reden“ 79

NACHRICHTENWELTEN

(ebd.).17 In diesem Sinn fügt auch ein Korrespondent hinzu, wenn du das Land nicht kennst, weißt du nicht worauf du achtest. Fehlt diese Orientierung, brauche es einige Zeit um sich einzugrooven, sich zu akklimatisieren – immerhin befinde man sich in gewohnt ungewohnter Umgebung. Es brauche seine Zeit, um ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Das ginge mal schneller, mal langsamer. Zuweilen stelle sich die Überbrückung von Klimazonen als schwierig heraus, weil sich Kopf und Körper auf das Klima einstellen müssten, ein anderes Mal seien es soziale und kulturelle Eigenheiten. Einige Korrespondenten erzählten, dass sie, wenn möglich, Luxusetablissements vermeiden würden, ebenso sei es nicht immer hilfreich ständig von A nach B zu fliegen. So beschrieben viele der Korrespondenten, dass diese Reisen über das vordergründig anstehende Thema hinaus jeweils nachhaltig in ihre Arbeit einfließen, man sauge generell auf wie ein Schwamm. Die Bewegung durch den Raum findet unablässig und auf vielen unterschiedlichen Ebenen statt – soziale wie auch politische Themen, Wirtschaft und Umwelt, Kunst und Kultur, Flora und Fauna. All diese Bereiche durchdringen sich gegenseitig, benötigt man Wissen und Erfahrung dies zu ordnen und Zusammenhänge herzustellen, Relevantes von Irrelevantem zu trennen. Die Routen werden von Redaktion und Weltlage, aber von Zufällen und dem eigenen Interesse vorgegeben. Mit dem Koffer unterwegs zu sein und sich selbst gegenüber ganz ruhig zu sein – wie der ideale Moment des Reisens geschildert wird. Einfach beobachten, die Dinge wirken zulassen. Dann stellen sie etwas mit einem an, dann kommen die richtigen Gedanken dazu. Diese Beschreibung lässt hier den Gedanken an den Benjamin’schen Flaneur aufblitzen. Figurative Ausformung der Moderne, bildet er sich aus der Bewegung durch die urbane Umwelt. In den Ausführungen von Benjamin entdeckt der Flaneur die Strasse als Raum und re-materialisiert sie von einem Verkehrsweg zu einem Resonanzboden, in dem sich Erinnerungen an das Einst mit dem Gegenwärtigen vermischen. Es entsteht ein „diffuser Raum“ (Opitz 2006:322), die Stadt als Umgebung wird zum mnemotechnischen Behelf: „Der Flaneur beschreitet einen Weg, der in die Vergangenheit führt, wobei die Gegenwart von Strasse und Häusern darüber entscheidet, welche vergessenen Räume sich ihm öffnen.“ (ebd.) Zwar ist Journalismus per se auf das Neue abonniert, dennoch entsteht dieses Neue kaum aus dem Nichts: Etwas auf sich wirken zu lassen, verbindet den Korrespondenten mit seiner Umwelt (vgl. Sloterdijk 1998: 18f). Diese Sphäre ist im Falle des Korrespondenten durch Storylines, persönlichen Hintergrund, Handwerk und Zufälle geformt und als eine Kreation von Raum zu sehen. Dies gleicht der kreativen Gabe des Flaneurs, während des Flanierens eine Stadt entstehen zu lassen, die er in die bestehende projizieren kann (Opitz 2006:322). Ebenso wie der Fla80

DIE WEITE WELT

neur, der seine Phantasmagorie nur über die Stadt und seine eigene Geschichte entwickeln kann, ist auch die Bewegung des Journalisten eine Resonanz auf sein »being there« und die Umstände. Dennoch ist der Flaneur durch Bedachtsamkeit und Versenkung gekennzeichnet, wenn er in sich versunken die Strassen durchwandert (Lindner 1990:36f). Ein „Priester des genius loci“ (ebd.), dessen Binnenexotisierung eine Anwendung an dieser Stelle doppelt irrelevant scheinen lässt, wird der Korrespondent doch bei seinen Bewegungen durch den Raum von Zeitökonomie und die Exotik des Außen beeinflusst. In einer Zeit, in der die Welt bereits kartographiert und in zahlreichen Bibliotheken in noch zahlreicherer Form archiviert ist, scheint es keine exosphärischen weißen Flecken mehr auf der Landkarte zu geben. Der Wettlauf um die Entdeckung der Welt ist scheinbar abgeschlossen. Und dennoch legen die Beschreibungen die Existenz eines unbekannten, unerschlossenen Raums nahe, den es zu entdecken gilt. Generell bewegen sich im Nachrichtenwesen Körper auf der Jagd nach Neuigkeiten, geht es darum der Erste, der Schnellste, der Beste zu sein. Je weiter man sich jedoch von dem Gewohnten entfernt, desto geringer ist die interne Konkurrenz und desto sinnentleerter der Wettbewerb. Scheinbar widerspricht dies dem kapitalorientierten „Progressismus“ (Sloterdijk 2005:120) von Ökonomie und Bildung. Dieser Kampf um den eigenen Vorsprungs löst sich mit der Entfernung von der Heimatredaktion. Stattdessen schafft das geringe Interesse den Freiraum, konkurrenzlos zu arbeiten. Es sei denn, der Anlass ist aktuell und von hohem Nachrichtenwert. In diesem Fall wirkt sich der technologische Fortschritt anders auf den Alltag aus. Unter anderem bringt er die Konkurrenz an den Ort des Geschehens.

50 Jahre nach Thomas Fowler Stand in den 60er, 70er, 80er Jahren eine Dienstreise an, fuhr der Korrespondent auf die Philippinen oder ins Binnenland Indonesiens und war erst einmal verschwunden. Weg, nicht erreichbar, wie sich ein Korrespondent erinnert. Das war für keinen der Beteiligten ad hoc zu ändern. Weilte der Journalist in kleinen Dörfern in Laos oder Burma, konnte er die Redaktion nur aus den großen Städten oder nach der Rückkehr per Telex oder Überlandleitung kontaktieren. Die Nachrichten bewegten sich weitaus langsamer als derzeit per Satellit möglich. Im Falle des Fernsehens wurden die Filme per Flugzeug nach Mainz oder Hamburg geschafft und kamen mit einem zeitlichen Versatz in die Redaktionen, der heute im Zweifelsfall bereits das nächste aktuelle Ereignis auf die Tages-

81

NACHRICHTENWELTEN

ordnung gesetzt hätte (vgl. Dierks 2000). Man sei fast schon in einer anderen Welt gewesen. Die gute alte Zeit der Auslandsberichterstattung. Rundfunk: Selbst auf einem winzigen Dorf in Kambodscha sind Sie übers Handy erreichbar, das klingelt. Damit können Sie auch in die Sendung. Das kleine Ding hier, damit war ich schon live auf dem Sender. Das geht alles. Das ist das eine. Dass Sie erreichbar sind, damit sind auch andere für Sie erreichbarer. [...] Die Anforderungen sind natürlich viel größer geworden. Es sind auch viel mehr Programme zu bedienen. Wir haben ja nicht nur eine Nachrichtensendung und das war es dann. Heute haben wir alle Stunde eine, die auch bei fortschreitenden Ereignissen auch fortgeschrittene Berichte haben wollen. Und alles, was nicht mehr vom Tage ist, ist für die Nachrichtensendungen nicht mehr so interessant. Früher hat man gedreht, getextet und den Filmbeutel dann einem Lufthansa Kapitän in die Hand gedrückt. Und der hat ihn dann in Frankfurt am Main abgegeben. Dann hat ihn einer geholt und der wurde dann in Deutschland geschnitten, vertont und gesendet. Im Zweifelsfall vier, fünf Tage nach den Ereignissen. So geht das nicht mehr. A.D.: Setzt Sie das stark unter Druck, diese Verschnellerung? Rundfunk: Sicherlich! Das Bild vom Tage soll es sein. Die Nachricht vom Tage. Der Zeitplan. .. für lange Zeit war die Auslandsberichterstattung doch mehr ... Ja, das transportierte ein paar exotische Bilder, gab optische, visuelle Eindrücke, lieferte Hintergrund. Das müssen Sie heute kombinieren. Sie müssen das Ereignis, das Faktum plus den Hintergrund am gleichen Tag transportieren. Weil, in der Regel ist ein Ereignis am nächsten Tag ein altes Ereignis. Das war früher anders. Aber das geht heute nicht mehr. Da die Kommunikationsmöglichkeiten da sind, im Sinne von Transport unserer Beiträge nach Deutschland, ist es ja inzwischen auch so, dass wir es auch können. Wir können es ja. [...]

Die Zeiten, in denen die Korrespondenten weiße Flecken auf der Landkarte kolonisierten, sind scheinbar ebenso vorbei wie die Ungestörtheit, mit der sie dies unternehmen konnten. Mittels Technologie ist es inzwischen möglich, den gesamten Erdball zu umfassen und von vielen Seiten aus auf die Orte des Interesses zu zugreifen. So kollidiert das Bild von Sonnenschein, Pool und Cocktail nicht nur traditionell mit den heftigen Monsungüssen, sondern inzwischen auch mit nächtlichen Telefonanrufen der Redaktionen, die beim Blick auf die neuesten Agenturmeldungen am frühen Abend den Erdrutsch in Indonesien, die Entführung auf den Philippinen etc... noch in der Sendung oder im Blatt haben wollen. In Singapur ist es dann bereits weit nach Mitternacht. Zwar landet der Anruf zu 82

DIE WEITE WELT

diesen Zeiten oft bei den Producern und nicht bei den Korrespondenten, im Falle eines ebenso aktuellen wie von der Redaktion als nachrichtenwürdig empfundenen Anlasses jedoch, gilt es zu reagieren. Möglichst schnell und flexibel. Der geographische Abstand mag 14 Flugstunden betragen, die Technologisierung der letzten Jahrzehnte, namentlich Email und verbesserte Telefonverbindungen, rücken die Kollegen Tag und Nacht in greifbare Nähe. Der Kontakt zum eigenen Haus, der Redaktion in Deutschland ist ebenso kontinuierlich wie präsent. In der Konsequenz bedeutet dies eine latente Dauerbereitschaft. Der Lauf der Dinge nimmt weder Rücksicht auf nationale Grenzen noch auf den Feierabend. Urlaubsplanungen werden kontinuierlich revidiert, Arbeitstage erweitern sich auf 12, 15, 20 Stunden. Dazwischen herrscht gerade für die Mitarbeiter der Korrespondenten schon mal Flaute. It’s that fucking f-word that counts, witzelte ein Mitarbeiter wiederholt. In Südostasien müsse man notwendigerweise flexibel sein, flexibel und stressresistent. Und am Besten ohne eigenes Privatleben. Einige Mitarbeiter besitzen bis zu drei Pässe, um bei aktuellen oder parallelen Ereignissen zu den laufenden Anträgen weitere Einreise- und Journalistenvisa beantragen zu können. Das Berichtsgebiet sei riesig und die Bewegungsfreiheit abseits der geographischen Entfernungen zuweilen durch mangelnde Infrastruktur oder auch schon mal durch eine überbordende Bürokratie eingeschränkt. Zwar versuche man stundenlanges Herumsitzen auf den Fluren offizieller Ämter zu vermeiden, aber... Oder im entgegen gesetzten Fall, wenn plötzlich alles schneller geht als geplant, jenseits der offiziellen Linien doch noch eine Flugmöglichkeit in das Krisengebiet gefunden wurde und man plötzlich zwei Tage früher als geplant fliegen kann. Die Logistik muss neu koordiniert werden. Reicht es noch, um genügend Geld zu wechseln, sind die Visa fertig? Unterkunft? Sind die Drehgenehmigungen gestellt und bewilligt? Ist die Technik geprüft und einsatzbereit? Daumendrücken, dass nicht gerade jetzt irgendwo in einer anderen Ecke des Berichtsgebiets eine Bombe hochgeht und umdisponiert werden muss. Gerade in Zeiten, in denen der Nachrichtentakt schneller schlage als einem lieb sei, zeigt sich die Größe des Gebiets und ob der Korrespondent den Takt halten kann – zumal aus der Zentrale ebenso schnell jemand geschickt werden könnte, wie ein Studiomitarbeiters kommentiert. Dies trifft auf Rundfunk- und Printjournalisten gleichermaßen zu. Die Position des Korrespondenten als „Platzhirsch“ (Rados 2005) ist angreifbar geworden: In einer technisch gesättigten Zivilisation gibt es keine Abenteuer mehr sondern nur noch die „Gefahr der Verspätung“ (Sloterdijk 2005:64) Diese Situation beschreibt ein Korrespondent am Beispiel der Dreharbeiten zum Jahrestag des Balibombenattentats. Der Jahrestag stand bei allen Medien auf der Agenda. Bestellungen der heimischen Redaktionen 83

NACHRICHTENWELTEN

lagen vor. Rundfunkteams und Printjournalisten planten ihre Reisen nach Bali und trafen sich am Vorabend des Jahrestags irgendwann unwiegerlich auf der Strasse zwischen dem balinesischen »Ground Zero« und den Übertragungswagen der EBU oder später in der Hotelbar. Agenturjournalisten, Fernsehteams, Printkorrespondenten und freiberufliche Reporter. Deutsche, australische, britische, amerikanische Medienvertreter. Das internationale Interesse war angesichts der 202 Toten und der Zusammenhänge mit den Anschlägen des 11. September groß. BBC und die australische ABC waren mit mehreren Teams vor Ort, der in einem Hotelzimmer eingerichtete Schnittraum nahezu rund um die Uhr besetzt. Einige Stockwerke höher tummelten sich Korrespondenten, Producer und Techniker umgeben von Satellitenschüsseln, Kameras, Monitoren und Kabeln auf der Dachterrasse. Mit pittoreskem Blick auf Meer, Kloster und Sonnenuntergang wurden von hier regelmäßig live Gespräche mit den Reportern ins Studio geschaltet, Kommentare produziert und abgesetzt. Die Kollegen aus dem Print dagegen, meist von australischen Medien, waren seltener und nur im Vorübergehen in den Hotelgängen anzutreffen. Häufig in Begleitung ihrer Informanten und Stringer auf dem Weg zu einer Story. Neben den Vorgängen am Ort des Geschehens, so klagte ein Korrespondent, seien es immer auch die Vorgänge in den Redaktionen. So hätte man in der Zentrale gerade eine weitere Meldung über einen anderen interessanten Fall, eines Bombenopfers, über die Leitung geschickt bekommen. Den Redakteur vor dem Ticker hätte dies gleich dazu bewegt, eine Geschichte über diese Person zu bestellen. Das Team vor Ort war jedoch bereits an einer anderen Story. Die Vorstellungen kollidierten zunächst. Besäßen beide Seiten Zugriff auf die Informationen, prallten die Wünsche der Redaktionen häufig mit den eigenen Recherchen und Plänen zusammen. Je nach Kollegen sei es nicht immer leicht sich durchzusetzen. Meistens aber, so der Fernsehjournalist, würden die Informationen aus den Zentralen das eigene Wissen ergänzen. Dennoch gebe die Sendeplanung in der Zentrale die Länge der Beiträge vor.

„It’s the story that counts.“ Der balinesische Ground Zero ist an diesen Tagen voll von Kamerateams, trauernden Angehörigen und Touristen. Stories werden unter den Journalisten ausgetauscht. Es soll dieses verbrannte Mädchen geben, das jeden Morgen bei Sonnenaufgang und jeden Abend bei Sonnenuntergang mit ihrem Surfbrett in die Brandung geht, um danach wieder in das Dunkel ihrer Unterkunft zu verschwinden; oder die Kunde von dem australischen Football-Team, das damals in einer der beiden Bars war und zum 84

DIE WEITE WELT

Einjährigen wieder vor Ort ist; deren Landsmann, der das Trauma des Anschlags und darauf folgende unzählige Operationen in einem Buch verarbeitet hat; die zahlreichen Balinesen, die, wenn sie nicht unter familiären Verlusten zu leiden haben, noch immer unter der touristischen Flaute in Folge des Anschlags leiden; die beiden deutschen Studenten in dem Restaurant, die erzählen, dass es sich hier gut studieren und gerade noch billiger leben lässt; Partytouristen, die sich in kleiner Zahl wieder trinkend und tanzend in den Bars eingefunden haben... Für die Berichterstattung in Fernost ist dieser Medienrummel eine Ausnahmesituation. Eine solche durchlitt angesichts der aufkommenden Erinnerungen an das traumatische Ereignis auch der Informant eines Fernsehteams – nach vorausgegangenen Dreharbeiten und Interviews mit (mindestens) zwei weiteren Teams. Sie endete in einem Nervenzusammenbruch und mit dem Arzt, den ihm von dem aktuellen Fernsehteam besorgt wurde. Dem Team selbst fehlten in Folge dessen in Personalunion Stringer, Übersetzer und Protagonist für den geplanten Beitrag. Es musste umdisponiert werden. Möglichst schnell. Was nun einsetzte, beschreibt die Synchronität der Arbeit in Redaktion und vor Ort. Während die Kollegen in Singapur ihre eigene Kontaktkladden auf mögliche Alternativen durchsuchten und nach kurzer Zeit per Telefon Ideen und Vorschläge durchgeben konnten, organisierte das Team vor Ort einen neuen Übersetzer und erhielt von den anwesenden Kollegen ebenfalls Informationen und Kontakte für alternative Stories. Diese Synchronität tritt am deutlichsten vor Aufsagern18 und Liveübertragungen auf. Dabei ist es inzwischen Usus, dass sich Journalist und Redaktion per Handy oder Satellitenleitung über die Situation vor Ort austauschen. Die Redaktion erhält den Lagebericht, der Journalist die neuesten Agenturmeldungen, das Gespräch und die Fragen werden durchgesprochen. Oftmals hat die Redaktion mehr Nachrichten vorliegen als der Korrespondent vor dem pittoresken Panorama für das stand-inn, den Auftritt des Korrespondenten vor der Kamera. Dank moderner Technik wird das Privileg des Wissens mittlerweile zwischen den Redaktionen in Deutschland und »unserem Mann vor Ort« verhandelt. Die Frage, was der Korrespondent erzählen kann, wird von der Redaktion durch die Frage, was diese vom Korrespondenten hören wollen eingeordnet. Sitzt man in einem der Feedräume19 in Deutschland, dem Platz an dem in den Rundfunksendern das Agenturmaterial in Bild und Ton zusammenfließt, so kann man immer wieder verfolgen, dass der gegenseitige Informationsaustausch vorab häufig länger ist als das nachfolgend gesendete Gespräch. Die Abgleichung mit der Redaktion verringert den Faktor Zufall, wie es ein altgedienter Fernsehkorrespondent beschreibt. Mit diesen Rückkopplungseffekten verringert sich der Vorsprung des Korrespondenten in zweierlei Hinsicht: In der aktuellen Berichterstattung ist er 85

NACHRICHTENWELTEN

häufig auf gleicher Höhe mit der Redaktion. Dies gilt insbesondere für die technologieintensive Rundfunkberichterstattung. Gleichzeitig ist er durch die Technologie zu verorten, ist er kontrollierbarer geworden. Die technologische Weiterentwicklung hat den Abenteurer durch die Nähe zur Redaktion quasi domestiziert. Deutlich wird dies beim Blick auf die anderen anwesenden Personen. Neben dem Korrespondenten, zwischen den Satellitenschüsseln auf dem Hoteldach oder in der Nähe der Übertragungswagen stehen aus Gründen, die das Hintergrundmotiv oder die Technikabhängigkeit der Liveübertragungen diktieren, meist weitere Menschen mit Mikros, die sich durch vieles gleichen, deren bunte Logos jedoch auf die unterschiedliche sprachliche und nationale Zugehörigkeit des Halters schließen lassen. So werden minimale endosphärische Verhältnisse vor Ort durch das bekannte Logo regeneriert, mit dem der Fernsehkorrespondent vor die Kamera tritt und die Vorgänge transportiert. Das Medium, ob Zeitung oder Fernsehsender, stellt mit seinem Profil und den Anforderungen ein praktisch unentbehrliches und in seiner kulturellen Natur fast schon metaphysisches Orientierungssystem dar (Sloterdijk 2005:197). Dies spiegelt sich in den Akzenten auf dem Hoteldach oder vor dem Übertragungswagen der EBU. Englisch mit einem britischen Akzent, mit einem australischen, andere australische Akzente, deutsche, französische Berichterstatter. In gewisser Weise ähnelt dies einer Differenzierung zwischen RTL und der ARD, SÜDDEUTSCHER ZEITUNG und FRANKFURTER RUNDSCHAU etc... nur eben auf internationaler Ebene. Sichtbare Hüllen und unsichtbare Gehäuse umgeben diese Form der Informationsübermittlung (vgl. Sloterdijk 2005:193), die aus dem Radio und dem Fernseher ebenso wichtig wie neutral scheinen und doch speziell für den Rezipienten gemacht sind. Es sind künstliche Himmel, Baldachine eines heimischen Raumexports, sie schützen „aktuell und potentiell die Akteure an den äußeren Linien vor der Gefahr, in das sinnlose Weiß einzusinken und in den Depressionen unterzugehen, die vom Anprall auf unassimilierte Neuheit, Andersheit, Fremdheit, Trostlosigkeit ausgelöst werden könnte.“ (Sloterdijk 2005:208). Wenn diesen Gebieten auch Vielerorts die versöhnlichen Eigenschaften des Bekannten fehlen mögen, die exosphärischen Bewegungen finden in Tuchfühlung mit den Büros und Wohnzimmern in Deutschland statt und damit auch irgendwo innerhalb des Gewohnten. Wo in Fowlers Fall London am anderen Ende der Welt lag, ist die heutige Generation in vielerlei Beziehung »näher dran«: Es hat den Eindruck, als entfernten sie sich örtlich, aber nicht räumlich von der Heimatredaktion. Jedoch wäre es ein Kurzschluss davon auszugehen, dass diese eng(er)e technologische Anbindung entscheidend für die Berichterstattung wäre. Im Gegenteil, wie das folgende Beispiel des 2003 erfolgten Machtwechsels in Malaysia 86

DIE WEITE WELT

zeigt, wirkt sich auch abseits von Nachrichtenwerten und redaktionellem Agendasetting gerade die geographische Nähe auf die journalistische Praxis aus.

„Zum Beispiel – was mache ich jetzt mit Mahathir?“ Der ehemalige malaysische Ministerpräsident Mahathir Mohamad trat 2003 von seinem Amt als Ministerpräsident zurück und übergab die Amtsgeschäfte seinem Nachfolger Abdullah Ahmad Badawi. Mahathir war im Westen wenn, dann als markiger Sprücheklopfer und rigoroser Kritiker der US-Außenpolitik bekannt. Die Ära Mahathirs war für Malaysia mit einem rapiden wirtschaftlichen Aufstieg ebenso wie mit politischer Unterdrückung verbunden. War unter Mahathirs Regierung das einstmals höchste Gebäude der Welt, die Petronas Tower, in den Himmel Kuala Lumpurs gewachsen, glichen die Autobahnen im Süden des Landes denen in Deutschland, so beförderte er seinen Stellvertreter Anwar Ibrahim, ebenso wie viele andere Widersacher kurzerhand ins Gefängnis.20 Gerade eine Woche vor seinem Abtritt hatte er auf einem Gipfeltreffen der ORGANISATION DER ISLAMISCHEN KONFERENZ (OIC) unter anderem von der Weltherrschaft der Juden gesprochen, was in Europa und den Vereinigten Staaten zu starker Kritik seitens der Staatsoberhäupter geführt hatte. Auch Mahathirs Reaktion auf die Kritik, die einige Tage später in der BANGKOK POST veröffentlich wurde, milderte diese Aussage in keiner Weise: Israel sei ein kleines Land. Es gäbe nicht viele Juden auf der Welt, aber diese seien so arrogant, dass sie sich über die ganze Welt hinwegsetzten (vgl. afp 2003a). Mahathir, dessen Angriffe und Abgrenzungen gegen die westliche Welt ebenso regelmäßig wie bekannt waren, hatte Malaysia 22 Jahre regiert. Den Korrespondenten war die Amtsübergabe Mahathirs bekannt. Agenturkollegen in Kuala Lumpur wurden angerufen, ob es Neuigkeiten gäbe oder ein offizieller und pompöser Staatsakt geplant sei. Nein, nur die unprätentiöse Übergabe des Amtes. Nachfolger wie bislang Badawi. Ein Journalist erzählte, dass er sich vorab um ein Interview mit dem designierten Nachfolger bemüht habe, jedoch ohne Erfolg. Mit oder ohne Interview stand der malaysische Regierungswechsel jedoch auf der Agenda aller Printjournalisten. Die Person sowie die Ära Mahathir wurden großräumig dargestellt. Print: Zum Beispiel – was mache ich jetzt mit Mahathir? Ich weiß es noch nicht! Hm... Mahathir ist interessant. Im Westen wurde er vor allem mal bekannt, weil er rhetorisch unglaublich anti-westliche Töne spucken kann, sich sehr weit – auch mit anderen Themen – raushängen kann. Der seinen Vize,

87

NACHRICHTENWELTEN

Anwar, vor ein paar Jahren abgesägt hat und der sitzt jetzt wegen Sodomie im Knast, so. Eine Seite Mahathir. Derselbe Mahathir, der irgendwo mit Malaysia ein Land aufgebaut hat, dass vielleicht das unislamischste aller islamischen Länder ist, wo sich in Kuala Lumpur wirklich kaum jemand um den Koran schert. Es ist sehr eine westliche Konsumgesellschaft. Derselbe Mahathir, der eine Tochter hat, die Fernsehproduzentin ist und mit verantwortlich gezeichnet hat, für ’ne Jugendsendung, wo eine Folge unlängst verboten wurde, weil es quasi implizit – also, die Tochter ist zum zweiten Mal verheiratet, mit 'nem Westler – weil sie implizit Homosexualität propagiert. Und offensichtlich geht das. Auch Mahathirs Ehefrau trägt nie ein Kopftuch, von wegen Islam, und das alles geht zusammen. Das ist zum Beispiel etwas, was im Westen, bei westlichen Leuten so einfach nicht zusammengeht, aber Mahathir ausmacht. Und ihn nur zu reduzieren auf seine quotes, das wäre zu einfach.

Natürlich wurde dieser Amtswechsel, wie bereits zuvor die Regierungsperiode Mahathirs, von den asiatischen Medien ausführlich begleitet. So hatte z. B. die FAR EASTERN ECONOMIC REVIEW eine Woche vor dem Regierungswechsel über Seiten des Magazins hinweg Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Bevölkerung zu Wort kommen lassen. Was eine Journalistin als perfekt bezeichnete, da die FAR EASTERN ECONOMIC REVIEW die verschiedenen Facetten des Premiers aus sehr unterschiedlicher Sicht darstelle und dem Leser die Möglichkeit überlasse, sich selbst ein Bild zu machen. Der Regierungswechsel in Malaysia wird hier genutzt, um die Nuancen der Berichterstattung in Südostasien zu verdeutlichen.21 Zum Ende ein Paukenschlag, der DPA-Beitrag aus Singapur unter Mitarbeit der Kollegen in Kuala Lumpur (29.10.2003), beschreibt den Staatsmann und sein Wirken entlang der wirtschaftlichen Veränderungen und unter Hinweis auf dessen Verbalattacken. Starke Worte, kühne Projekte wird das Wirken des Staatsmannes zusammengefasst. Zur Beurteilung seines Wirkens zitiert die DPA ausgiebig die FAR EASTERN ECONOMIC REVIEW sowie einen Kenner der politischen Szene in Kuala Lumpur. Der evangelische Pressedienst (29.10.2003) befasst sich aus Peking mit dem Amtswechsel. Streitbar, stur und pragmatisch sei der Premierminister gewesen. Der Artikel rückt den wirtschaftlichen Aufschwung in den Mittelpunkt, verweist auf die innenpolitische Härte und die vor allem verbale außenpolitische Abgrenzung. AGENCE FRANCE PRESSE (29.10. 2003) aus Kuala Lumpur verzichtet auf eine personalisierte Darstellung und konzentriert sich auf die Wahrnehmung des Regierungswechsels in Malaysia. Wenn der ewige Vater der Nation abtritt, komme dies einem politischen Erdbeben gleich. Dazu berichtet sie über die Trauerbekundungen der nationalen Presse, zitiert lokale Experten und problematisiert vor allem deren Einschätzungen der politischen Perspektive. 88

DIE WEITE WELT

Mahathirs letzter Trommelwirbel, der Beitrag der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (30.10.2003) stellt dem verbalen Provokateur Mahathir den großen Modernisierer Mahathir gegenüber und gibt entlang dieser Gliederung einen Rückblick auf die Wegmarken des Politikers. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (30.10.2003) dagegen setzt mittels wirtschaftlicher Daten auf die Darstellung der Entwicklung Malaysias zu einem industrialisierten und hoch technologisierten Staat, um dann vor allem auf Mahathirs Bumiputra-Politik, der Förderung der malaysisch-islamischen Mehrheit, einzugehen. Der unorthodoxe Weg in die Moderne, so die Überschrift, zeichnet sich nach Meinung des NZZ-Korrespondenten vor allem durch den Eigenwillen, den Mahathir dabei gegen westliche Vorbilder und Ratschläge beweist. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU (30.10. 2003) erscheint ebenfalls am gleichen Tag Mit Mahathirs Abschied wittern strenge Moslems Morgenluft. Der Korrespondent besucht die islamische Oppositionspartei und kontrastiert deren Forderungen nach einer rigideren Moral unter islamischer Prägung mit dem ebenso multikulturellen wie laizistischen Leben in Kuala Lumpur. Stolz und Sorge titelt die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND (30.10. 2003) und besucht ein Theaterstück in Kuala Lumpur, welches das Leben Mahathirs zwischen diesen beiden Polen persifliert. Der Artikel selbst überträgt die Bühneninszenierung auf die malaysische Realität, auf Wirtschaftsdaten, die Verfolgung politischer Gegner und die Zukunftsaussichten des Landes nach Mahathir und spiegelt so die Kommentare von Malaien über Mahathir und Malaysia. Einige der Möglichkeiten, den Machtwechsel zu begleiten. Das Grundprinzip ist dabei das gleiche. Print: Du schreibst dann: Er ist umstritten, weil ... Und dann sagst du was er getan hat für sein Land. Und dann sagst du was er getan hat, was die Leute alle gegen ihn aufbringt. Und dann können die Leute selber entscheiden was ihnen wichtiger ist. [...] Und man schreibt doch irgendwie die verschiedenen Schichten oder Facetten auf und je nach Platz ... also, wenn du da 130 Zeilen hast kannst du nicht noch 22 Leute zitieren, die was Gutes oder was Böses sagen. [...] Ich meine was schlecht wäre, wäre zu sagen: Er ist ein Antisemit und Arschloch und tritt jetzt ab und überhaupt keine Einzelheiten darüber. Soviel muss man dann schon noch liefern. Aber du machst dich ja nicht davon frei ein eigenes Bild zu haben. [...] Du wählst, wenn du über irgendwas schreibt, wählst du irgendeinen angle aus [...] Also, was immer du schreibst, ob du jetzt deine Arbeit schreibst oder ob du über die Schauspielerin Katja Riemann schreibst oder irgendwen, du suchst dir immer einen angle aus. Das hat nichts mit Ausland oder einer anderen Kultur zu tun, über die du schreibst. Du nimmst irgendeinen Aspekt, den du ... du kannst ja nie über alles schreiben. Ob das jetzt Katja Riemann ist oder Malaysia. Du suchst dir immer irgendein Thema aus, bei dem du ansetzt. Und das ist 89

NACHRICHTENWELTEN

auch bei der Innenpolitik so. Das ist nichts Spezielles für Auslandsberichterstattung. Ob jetzt meine Zeitung über die Grünen schreibt oder die TAZ, suchen die sich auch einen anderen angle aus.

In den vier Zeitungen findet man jeweils vier unterschiedliche Aufhänger zum Thema. Zwar werden die gleichen Kerninformationen genutzt, der Schwerpunkt ist jedoch jeweils ein anderer. Während die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG auf Wirtschaftsdaten und wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf einen generalisierten Überblick setzt, setzen die beiden anderen Beispiele auf einen ebenso zugespitzten wie aktuellen Zugang, der die Beobachtung vor Ort akzentuiert. So nutzen die Korrespondenten der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND und der FRANKFURTER RUNDSCHAU mit der Beschreibung des Theaterstücks respektive der oppositionellen Parteizentrale Material, das sie vor Ort gesammelt haben als Aufhänger ihrer Beiträge. Aus den unterschiedlichen Aufhängern, »angles«, der Artikel lässt sich der Umstand ablesen, dass die im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Malaysia entstandenen Arbeiten einen aktuelleren Bezug aufweisen. Dagegen weisen die in Singapur entstandenen Beiträge stärker einen umfassenden Überblickscharakter auf. Dies ist weder als Vor- noch als Nachteil journalistischer Arbeit zu werten. Es macht lediglich darauf aufmerksam, dass man vor Ort »näher dran am Menschen« ist. Wie ein Korrespondent erwähnte, sei der eigentliche Standortvorteil jedoch immer das eigene Archiv. Die lokalen Zeitungen, Magazine, Fernsehnachrichten und damit andere Meinungen und Themen, würden trotz Internet in Deutschland nicht umfassend wahrgenommen. Dazu komme, so ergänzt ein Kollege in einem anderen Gespräch, die über die Zeit gesammelte Erfahrung und vor allem die Zugänge, aus denen man seine Expertise ziehe. Sonst könne man ja jeden Tourist dorthin schicken, wie ein Journalist diesen Zusammenhang polemisierte. Es gäbe schon durchaus Qualitätsunterschiede zwischen einem Touristen und den Korrespondenten vor Ort.

Ro ut ( in ) en I I Erfahrung zu sammeln und anzuwenden nimmt sich in der Realität tatsächlich etwas langwieriger aus, als man dies angesichts der in den Büros allgegenwärtigen Informationsvielfalt annehmen könnte. Um als Kontrast mit dem unprofessionellen Beispiel eines Neulings anzufangen: die anfängliche Recherche vor Ort gleicht angesichts der geringen Kenntnisse dem Sturz in ein schwarzes Loch: Was sieht man, wenn man von Singapur aus in den Himalaya oder nach Bali schaut? Nicht viel mehr als bei einem Blick ins Internet von Berlin aus. Beim Versuch jemanden vor 90

DIE WEITE WELT

Ort zu sprechen, findet man sich in jenen Situation der eigenen Kindheit wieder, als man willkürlich Auslandsvorwahlen wählte und sich am exotischen Klang der fremden Sprache erfreute und dazu einen im Kopf phantasmagorischen Ort fabrizierte. Nur, dass dies nicht das Ziel sein sollte. Um Stimmungen abzubilden, greift man gerne zur vox populi, kurz vox pop, der Umfrage. Je nachdem, wo man diese durchführt, gelingt es mit wenig Aufwand dichte Stimmungsbilder zu zeichnen. Beim Gang durch die Friedrichstrasse in Berlin sieht man regelmäßig die Kameras der Fernsehsender, in der Lokalpresse ist es für allgemeine Themen häufig der Marktplatz, das Shoppingcenter oder Fußgängerzonen, wo solche Umfragen gerne durchgeführt werden. An diesen Orten erwartet man neben einem hohen Durchgangsverkehr eine möglichst heterogene Mischung (vgl. Lindner 1990:29). Wo aber findet sich dieser „beat“ (ebd.), wenn man eine Umfrage unter Moslems in Bali vorbereiten soll und noch nie vor Ort war? Bali ist überwiegend hinduistisch, die Chance auf der Strasse Moslems zu treffen, liegt entsprechend der religiösen Zugehörigkeit statistisch bei sechs aus hundert Balinesen. Eine höhere Dichte wäre in einem moslemischen Stadtviertel zu erwarten, wenn es eines geben sollte... oder aber in der Nähe einer Moschee. Deren Existenz ist bei einigen tausend Moslems anzunehmen. Also eine Moschee finden. Wie der Imam dieser Moschee einzuordnen ist, eine Frage, die sich anschließt. Zunächst jedoch die Frage, wie man generell Informationen bekommt ohne Bahasa zu sprechen. Weniger angesichts der Telefongebühren, als des eigenen Egos, besser auf wildes Trial & Error verzichten und strukturiert vorgehen. Also Archivunterlagen nach Kontakten durchforsten, Zeitungsartikel auf Anhaltspunkte durchkämmen, Reiseführer durchblättern, Experten suchen. Und doch lichtet sich wenig, wenn man weder im Generalkonsulat noch beim Tourismusamt jemanden erreicht, Zahlendreher in den Telefonnummern sind und der UniMitarbeiter nichts weiß, weil er selbst erst seit Kurzem vor Ort ist. Wo sind die richtigen Ansprechpartner? Gleiches beim Versuch, katholische Nonnen in Kathmandu zu lokalisieren und kontaktieren. Auch hier winkt einem nicht unbedingt die Stelle für Öffentlichkeitsarbeit aus dem Internet entgegen und bietet Hilfe an. Das Manko eines fehlenden oder wenigstens lesbaren Telefonbuchs macht dies nicht leichter. Ebenso wenig wie das Ignorieren des Telefonklingelns in der deutschen Schwesterngemeinde. Ein Korrespondent hat dies in einem späteren Gespräch als Stochern im Nebel bezeichnet. Was in diesem Fall eine Untertreibung ist, zuweilen fehlt es in mehr als einer Dimension an Orientierung. Je weniger Erfahrung man auf diesem Gebiet hat, desto schwärzer ist das Loch, das einen verschlingt: Die Frage, wo man sucht und wie man sucht, ist journalistisches Handwerk. 91

NACHRICHTENWELTEN

Jedoch ist es leichter dies im Inland auszuüben, wo einem die zuständigen Institutionen vertrauter sind, die Sprache die eigene ist. Den Sprecher eines Imam in einer balinesischen Moschee aufzutreiben und einigermaßen einschätzen zu können, ob es sich um eine radikale oder eine liberale Gemeinde handelt; Mutter Theresas Schwestern bei ihrer karitativen Arbeit zu stören, um sie zu einer Pressedarstellung zu bitten – Übung und Handwerk erleichtern hier vieles. Sie sind jedoch keine Garantie über soziale und geographische Entfernungen hinweg Planungssicherheit für die anstehende Produktion zu erwarten. Hier widersprechen sich die gern beschriebenen geschrumpften Räume globalisierter Landschaften und die unbekannten weißen Flecken. Das Unbekannte, die fehlende Vertrautheit, macht den Reiz aber auch die Schwierigkeit aus, in diesem Gebiet zu arbeiten. Es ist die Challenge sich zu orientieren und ein gewisses Maß an Expertise zu erreichen, die angesichts der billigeren Agenturleistungen, aber auch der Konkurrenz zuhause, das eigene Vor-Ort-Sein rechtfertigt. Vieles ist auch aus der Ferne erreichbarer geworden, die Archive sind umfassender und schneller zugänglich geworden, ebenso die Verbreitung der Informationen. Ironischerweise sind es gerade die Verschnellerung und Ausweitung des Informationshandels, die eine Effektivität bedingen und eine stärkere Verräumlichung der Arbeit mit sich führen: Tatsächlich lassen sich Informationen viel problemloser in Erfahrung bringen, ordnet sich das Chaos schneller, wenn man Namen und Telefonnummern von lokalen Kontaktpersonen gereicht bekommt oder auf Personen zurückgreifen kann, deren Expertise man bereits kennen und einschätzen gelernt hat und mit denen man sich gewohnt verständigen kann.

Das Netzwerk... Al Kaida. Sich in diesen zumeist unbekannten Gebieten zu orientieren und organisieren, erscheint sehr stark abhängig von Flexibilität und handwerklichem Können. Wobei gerade letzteres stark mit Erfahrung einhergeht. Besonders jener, zu wissen, wo man Informationen herbekommt. Um eben nicht ständig im Nebel zu stochern, aber auch um sich in der eigenen Arbeit überhaupt von den weitaus zahlreicheren Agenturdienstleistungen qualitativ abheben zu können, wird das »being there« durch ein singulär-plural-sein (Nancy 2004) ergänzt. Einfach ausgedrückt: weniger die reine Anwesenheit vor Ort, als die Arbeit in Netzwerken zeichnet für die Qualität der Arbeit. Dazu kann z. B. eine Mitgliedschaft in der FCA oder anderen journalistischen Vereinigungen zählen, stets sind es jedoch Kontakte zu Botschaften, Stiftungen, Entwicklungshilfeorganisationen und anderen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und 92

DIE WEITE WELT

politischen Vereinigungen, die das Netzwerk ausmachen. Im Wesentlichen beschreibt diese Erweiterung des Kommunikationsraums eine Recherche, die dazu dient, Aussagen zu reflektieren und kontextualisieren zu können (vgl. Haller 2000). Print: Sie brauchen ein Netzwerk in den Ländern, was auch ein internes Netzwerk ist. Also vielfach sind es dann Kollegen, also von dortigen Zeitungen, die Sie kennen und die Sie auch mal anrufen können. Und das ist ein Ding, das dauert. Wo man vielleicht gar nicht soviel falsch macht, aber, was einfach unheimlich viel Zeit und Aufwand fordert. Das ist aber, glaube ich, das Wichtigste. Und, es ist vielleicht das, was man am Anfang unterschätzt. Wenn man sagt: Na ja gut, das kriegen wir schon hin. Mit Hilfe der Agentur und zwei, drei Leuten, die man kennt. Je mehr Leute man kennt, umso besser wird die Geschichte. Das ist einfach immer so. Das ist hier draußen, im Ausland, sicherlich noch stärker, weil einfach die Umgebung fremder ist und Sie manches nicht einschätzen können, wenn Sie nicht jemanden haben, der Ihnen erklären kann wie es nun wirklich aussieht.

Hier wird die Recherche als Zusammenarbeit mit lokalen Mitarbeitern geschildert: Informanten, Stringern und Fixern. Diese Terminologie ist in der Praxis häufig unklar, so variieren die Bezeichnungen individuell und überlappen sich auch häufig. Wenn man hier eine Trennung unternehmen kann, so dienen Informanten als Quelle, Fixer als Organisatoren vor Ort und der Stringer selbst würde eine Mischung aus beiden darstellen. In der Darstellung durch Korrespondenten und Redaktionen fallen die Bezeichnungen und Tätigkeitsfelder häufig zusammen und beschreiben unterschiedliche Facetten der Kontaktperson vor Ort. Im Falle der Stringer und Fixer handelt es sich meist um freie Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern und Gebieten, die je nach Bedarf kontaktiert werden, neben Einschätzungen und Kommentaren häufig auch Kontakte herstellen, selbst übersetzen und in der Logistik behilflich sind. Diese Kontakte entstehen häufig über institutionelle Zugehörigkeiten, können aber auch, wie eine Korrespondentin beschreibt, aus privaten und familiären Verbindungen vor Ort entstehen oder sich aus Zufällen ergeben.22 Notwendig sind sie allemal für die Arbeit im Büro ebenso wie für die Reisetätigkeit. Im besten Fall, so ergänzt ein Kollege, handele es sich um feste Ansprechpartner. Das spare Zeit und Mühen. In diesem Zusammenhang, bemerkte ein Korrespondent, habe man im Falle der Verhandlung der 2002 wegen Drogenbesitzes angeklagten Julia B. nicht nur einen riesigen Medienauftrieb in Singapur beobachten können, auch habe zumindest einer der eingeflogenen Reporter wie ein in der Fremde verloren gegangenes Kind gewirkt. Ganz offensichtlich keinen Überblick hätte er gehabt, stattdessen eine wahrnehmbare Menge 93

NACHRICHTENWELTEN

Schweiß auf der Stirn. Glücklicherweise habe das Mutterhaus des Reporters einen phantastischen Stringer vor Ort gehabt, dessen lokale Expertise die fehlende des Kollegen nahezu wettgemacht hätte.23 Auch abseits dieser Kritik an dem so genannten Fallschirmjournalismus wird den Stringern im Alltag große Bedeutsamkeit zugemessen. In der Recherche und der logistischen Vorbereitung ihrer Arbeiten wird für den südostasiatischen Raum kontinuierlich die Relevanz lokaler Expertise betont. Als Übersetzer sei der Stringer immer auch ein Medium zur Wirklichkeit, erklärt ein Korrespondent. Stringer seien dazu da, Kontakte zu schaffen und einem die Möglichkeit zu geben, Dinge zu finden, Menschen zu finden, die man alleine sicher nie finden würde. Manche Beiträge würden ohne die Kontakte und das Wissen der Stringer gar nicht erst zustande kommen. A.D.: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Qualität des Stringers? Rundfunk: Die Qualität des Stringers macht 70% eines Beitrags aus. ... Ja, in diesen 70% ist dann meine Aufarbeitung der durch ihn gewonnen Erkenntnisse drin. Also, irgendwann kann man das nicht mehr trennen, aber der Stringer erlaubt einem erst, die Leistung zu liefern.

Das Profil des Stringers ist nicht notwendigerweise an eine bestimmte Berufssparte gebunden, dennoch handelt es sich nach Aussagen der Journalisten meist um Angehörige einer Bildungselite, die über gute Kenntnisse in mindestens einer gemeinsamen Sprache und ein weit gespanntes Netz an Kontakten verfügen sollten. Dies können lokale Journalisten, Wissenschaftler, die Lehrerehefrau, der Medizinstudent oder aber im Ausland lebende Deutsche sein, die vielleicht in Thailand eine eigene Produktionsfirma unterhalten etc. Für einige Korrespondenten ist es dabei wichtig, dass die Stringer Europa- oder Deutschlandkenntnisse haben, andere beschreiben es als ausreichend, wenn der Stringer über die nötigen Kontakte verfügt. Die Reibungslosigkeit der Zusammenarbeit wird auch durch das persönliche Miteinander bestimmt. Während einige Korrespondenten darauf hinweisen, dass die Arbeit auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis basieren muss, weisen andere darauf hin, dass dies immer auch eine Frage des Angebots an qualifizierten Stringern ist. Auf die Notwendigkeit mit Stringern zusammenzuarbeiten oder im größeren Rahmen ein Netzwerk an lokalen Mit- und Zuarbeitern zu haben, machen alle Journalisten aufmerksam. Absolut, absolut notwendig sei dies! In der Vorbereitung und Recherche, natürlich auch vor Ort. Man könne ja von niemandem erwarten, dass er Khmer, Vietnamesisch, Hindi etc. spräche. Schließlich sei man nicht in Mittelamerika, wo jeder Spanisch spräche. Zudem kämen die Stringer dichter an die Menschen vor 94

DIE WEITE WELT

Ort und damit an die besseren Informationen und Geschichten heran – und erweiterten den eigenen Horizont um einiges. Kontinuierlich. Print: Man diskutiert natürlich mit den Mitarbeitern oder mit den Stringern, wie auch immer man sie nennen will, und lernt wahnsinnig viel. In dem Sinne: Ja. Aber letztendlich die Themenauswahl, was für meinen Markt, den deutschen Nachrichtenmarkt interessant sein könnte, das weiß natürlich ich am Besten. Und so ergibt sich ’ne Melange. Also, er liefert die Informationen, ich stell die Fragen, er antwortet mir darauf oder erzählt einfach und ich such dann eben aus und füg dann eben ein Bild daraus, von dem ich denke, dass das für den deutschen Markt interessant sein könnte. Ich denk, so arbeitet jeder Journalist hier. ... ich meine, ich hab Minimum 14 Länder hier zu bearbeiten und da hab ich natürlich meine... als ich in Australien war – so ziemlich genau vor einem Jahr zum ersten Mal – da hatte ich auch so ziemlich genau meine Themen. Da habe ich dann unseren Mitarbeiter gefragt, hab gesagt: Pass mal auf, ich hab das, das und das vor, was kannst du mir denn da an die Hand geben? Und so lief das auch in Kambodscha. Ich hab gesagt: Ich möchte was machen über Sextourismus in Kambodscha. Wen weißt du da? Da kam er -wupp- mit so einer Liste an. Und da hab ich gesagt: Ja, wer ist denn da der Beste? Wo kriege ich denn am meisten raus? Dann sagte er: Nach meiner Erfahrung da und da. Und dann hab ich das schon mal eingegrenzt, hab da angerufen, habe Termine ausgemacht und hab mich mit denen unterhalten. Das ist klar, natürlich stochert man da im Nebel, aber dafür hat man eben, zum Glück, die Kollegen vor Ort. A.D.: Das heißt, man kann sagen, für den wirklichen Einblick ist das Netzwerk das, was eigentlich am Unerlässlichsten ist. Print: Natürlich, natürlich. A.D.: Noch vor dem Journalisten, der selbst vor Ort ist? Print: Der jetzt ich wäre? Hui, das Netzwerk ist die Basis, die Al Kaida [lacht]. Nein, nein! Aber das ist natürlich das Nervensystem, das Herz, das Alles. Sonst würde ich ja den ganzen Tag vorm Internet sitzen und BBC abschreiben. Die natürlich auch nur [Lachen]... ich weiß, es gibt Kollegen, die machen das. Ehm, die natürlich auch nur Agentursachen reinstellen, die natürlich auch nur auf Grund eines Netzwerkes entstanden sind.

Die Nutzung des Stringers ist vergleichbar mit der eines Mediums, das der eigenen Orientierung nutzt. Einen Wert, den der Journalist nicht oder nur in unzureichendem Maße mitbringt. In dieser Hinsicht ist das Verhältnis in Anlehnung an Bourdieu (1998) auch als Zusammenspiel zu 95

NACHRICHTENWELTEN

sehen, das den Einsatz von kulturellem durch materielles Kapital kompensiert und auf die Relationalität in der Beziehung verweist. Die Zusammenarbeit ist als Austauschverhältnis geprägt. Die können kein Deutsch lesen. Das ist denen auch egal, die wollen Geld, das ist alles was sie wollen. Du zitierst die ja auch nicht. Die machen ihren Job und du machst deinen.24 Der eigene Job ist die Ausrichtung auf den eigenen Markt, wie es der zitierte Korrespondent formulierte. Schlussendlich verschwinden die lokalen Informanten im journalistischen Endprodukt und werden nicht als Autoren genannt. Natürlich! obliegt die Signatur dem Korrespondenten, Ich halte auch meinen Kopf dafür hin. „...the author who is there administering the polyphony“ bemerkt Hannerz (2004:138) über den Umgang der Journalisten mit ihren Informanten und Mitarbeitern. Hannerz verweist damit auf die zentrale Rolle, die der Journalist letztendlich im Produktionsprozess mit der Niederschrift des Artikels oder eben durch Schnitt und Vertonung innehat. Vielleicht ist dies eher als ein Kolloquium (vgl. Sloterdijk 2004:681f) anzusehen, in dem sich Autorität nicht ohne weiteres in simple Strukturen fassen lässt. So verfügt der Stringer über jene Zugänge, die der Korrespondent für seine Arbeit notwendig benötigt – ohne Kontakt geht es nicht. Was nach Außen eine Ein-MannShow ist, stellt sich als Bewegung in der Menge heraus. Die Stringer bilden das Netzwerk und damit das Kapital des Journalisten. Die Qualität ergibt sich dabei zweifelsohne über die individuelle Zusammenarbeit. Dennoch, und hier endet die spielerische Anwendung von Bourdieu, ist es die Frage, ob sich Korrespondent und Stringer im gleichen Feld befinden. Welches Interesse hat ein hinduistischer Fremdenführer auf Bali, dessen Cousin ihn gebeten hatte als Stringer einzuspringen, um moslemische Stellungnahmen zu den Terroranschlägen auf Bali zu übersetzen? Bereits während des Interviews waren die Fragen in der Übersetzung deutlich länger, ebenso die Antworten. Sprachbedingt, war die Erklärung, außerdem müsse er die Fragen erklären. Den Eindruck hatte man angesichts der lebhaften Äußerungen der Interviewpartner nicht, aber wie verifiziert man dies? Wie die anschließende Gegenübersetzung ergab, hatte er Fragen und Antworten tatsächlich variiert. Aus welchen Gründen lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Dennoch lässt sich dies fortführen wenn es um eine grundsätzliche Auswahl der Gesprächspartner geht. Gerade bei kurzfristigen Kontakten ist der Mitarbeiter als aktiver und selbstbestimmter Akteur nicht zu unter-, lediglich einzuschätzen. Ein Journalist schilderte, wie einer seiner Stringer, Professor an einer lokalen Universität seines Berichtsgebiets und gleichzeitig hochrangiges Parteimitglied, bei einem Kontakt mit dem Führer einer militanten Bewegung eine Faszination für den Interviewten, inklusive dessen Auf96

DIE WEITE WELT

rechterhaltung der Holocaustlüge entwickelte. Zur Überraschung des Korrespondenten befand der Kontaktmann, er wolle die Beziehung zum Interviewpartner aufrechterhalten – man wisse nie wann dieser in eigener Sache politisch hilfreich sei. An solch einer Stelle stelle man fest, dass die Bandbreite der möglichen Kompromisse, im Sinne eines gemeinsamen Ziels, ganz anders ist und viel, viel weiter als man von außen denken würde. Im weiteren Gespräch sei dies nicht mehr als faktische Information, sondern vielmehr als Mittel gesehen worden, einen Verständniszugang zur lokalen Politik etablieren zu können. Ein anderer Korrespondent bemerkte lapidar, dass kein Mensch ohne Motiv rede. Das gelte für Interviewpartner wie für Informanten. Es sei immer wichtig, die Aussagen des anderen einschätzen zu können. So sei zuweilen die gesellschaftliche Herkunft oder Zugehörigkeit im Verhältnis zwischen Stringer und Interviewpartner ausschlaggebend und gebe den Aussagen eine bestimmte Färbung. Rundfunk: Man muss diese Brille einschätzen können, die der Stringer trägt und muss sozusagen auch da eine Art fotographischen Prozess betreiben und nachträglich in einem Chemikalienbad die Farben wieder rausfiltern. Also, Wissen, wie ich mit den Übersetzungen eines Stringers umzugehen habe. Wissen, wie Kontakte zustande kommen. Wissen, wie seine für mich als Referenz genutzte Analyse im Verhältnis steht zu seinem eigenen ethischen, politischen, sozialen, kulturellen Bindungen oder Vorstellungen. Jemand, der aus einer Brahmanenkaste in Indien stammt und obwohl er ein hoch gebildeter, gut ausgebildeter, mit analytischem Sachverstand an die Welt und seine eigene Umwelt herangehender Mensch ist, der vielleicht sogar seine Arbeit über die untouchables in Indien geschrieben hat und sich damit schon familiär weit aus der Brahmanenkaste herausgehoben hat, der ist vielleicht trotzdem nicht in der Lage, ganz über seinen Schatten zu springen. Keiner ist das.

Angesichts von eigenwilligen Übersetzern oder auch unpassenden Konstellationen innerhalb des Teams wird klar, dass im Unsichtbaren andere Autoritäten eine Rolle spielen, dass der „struggle“ (vgl. Peterson 2003) um eine Positionierung im Feld mehr Dimensionen hat als sie in einem monolinearen Austauschverhältnis zu erfassen sind.25 Die eingangs vermerkten 70% Anteil am Gelingen eines Beitrags sind sicherlich eine persönliche Maßgabe des zitierten Korrespondenten. Sie lassen aber auch den simplen Umstand vermuten, dass sich viel zwischen Korrespondent und Stringer abspielt. Im besten Fall, so wird immer wieder erwähnt, muss zwischen den beiden die Chemie stimmen, wenigstens jedoch die Fähigkeit, dem jeweils anderen das zu liefern, was er verlangt. Machtgefüge und wechselseitige Autorität können als mikrosphärologisches Abhängigkeitsverhältnis gesehen werden, das die Ko-operation in den 97

NACHRICHTENWELTEN

Mittelpunkt rückt und im besten Fall effizient regelt. Dabei verweisen die Korrespondenten häufig auf den Vorteil langfristiger Zusammenarbeit, die eine gewisse Nachhaltigkeit im Umgang bedingt. Diese verkörpert im Falle der Zusammenarbeit zwischen Korrespondenten und lokalen Mitarbeitern eine Praxis, die zumindest in der anfänglichen Produktionsphase nicht einseitig asymmetrisch gesehen werden sollte.26 Gerade die Bewegung in unbekannten Sphären lässt auf eine größere Abhängigkeit von lokalen Mitarbeitern schließen, ist es den Journalisten kaum möglich per Check und Re-Check Aussagen zu kontextualisieren. Je nach Erfahrungsstand werden sie darauf zurückgeworfen, im Nebel zu stochern. In dieser Beschreibung soll keineswegs eine Verharmlosung von etwaigen materiellen Abhängigkeiten oder autoritären Positionen und Positionierungen der Korrespondenten suggeriert werden. Stattdessen soll angedeutet werden, dass die Autorität des Korrespondenten nicht das sine qua non der journalistischen Arbeit ist. A.D.: …was mich noch interessiert – in der Zusammenarbeit mit den Stringern vor Ort, rammt man da manchmal gegeneinander und fasst Sachen unterschiedlich auf? Rundfunk: Rein pragmatisch gesprochen sucht man sich dann schnell einen neuen Stringer. Weil im besten Fall Stringer und Korrespondent wunderbar harmonieren. Was nicht heißt, dass sie immer dieselbe Auffassung über die Dinge haben müssen, aber sie sollten in der Lage sein, unterschiedliche Auffassungen bis zu einem Ende zu diskutieren. Im Zweifelsfall hat der Korrespondent immer Recht, das ist klar. Nein! Ein Stringer oder jemand mit dem ich da draußen zusammenarbeite, ist natürlich dazu da, meinen Blick zu schärfen und meinen Blickwinkel womöglich auch zu verändern und mir den richtigen Blick auf Dinge auch zu erlauben. Also sollte ich in der Lage sein, mich kritisch bei kritischer Betrachtung von dessen Erkenntnissen und Analysen beeinflussen zu lassen.

Auch wenn die Verfügungsgewalt im Produktionsprozess letztendlich beim Korrespondenten liegt, bleibt in dem Zusammenhang fraglich, inwiefern es möglich ist, sich einen neuen Stringer zu suchen, wie ein anderer Kollege vermerkt. Stattdessen ist es ratsam, ähnlich wie in der Diskussion um die Wechselwirkung von PR und Journalismus, hier unterschiedliche Positionen anzunehmen und die Arbeit von Korrespondenten und Stringern als eine Zusammenarbeit zu betrachten, die je nach Standpunkt auf andere Blickwinkel und Felder verweist. Anscheinend rührt gerade aus der Größe und Unübersichtlichkeit des Berichtsgebiets die Notwendigkeit, viele Stimmen und Interessen mit in die Produktion einzubeziehen. Im gleichen Augenblick zeichnet sich ab, dass es sich 98

DIE WEITE WELT

dabei um Stichproben handelt, die zum Zwecke einer Vorstellung über die Zusammensetzung einer Menge entnommen sind. In der Praxis ist die Pluralität der Stimmen und Untertöne im Wesentlichen eine prozessuale Vermischung, die als Sampling (vgl. Menrath 2004:51ff). im Raum steht, rekontextualisiert der Journalist doch die Stimmen seiner Informanten und Informationen in einem neuen Artikel, einem neuen Beitrag. Der Autor selbst erscheint in diesem Fall von der Person des Korrespondenten gelöst und äußerst lebendig als „Kolloquium, in den verschiedene Stimmen ineinander eindringen und neue Resonanzeffekte erzeugen“ (Sloterdijk 2004:866).

Standpunkte Wie ein Korrespondent anmerkt, herrscht natürlich in keinem der Berichtsgebiete eine einhellige Meinung. Ein Kollege unterstreicht, dass die öffentliche Meinung in den Regionen und Bevölkerungsschichten, ebenso wie in den Kreisen der politischen und gesellschaftlichen Elite oder den Angehörigen der internationalen Organisationen von Stimmungen und Tendenzen getragen ist. Normalität eben. Diese aufzunehmen und auszuwerten, um zu einem Gesamteindruck zu kommen, den man weitervermitteln könne, darin liege ja die eigentliche Aufgabe eines Korrespondenten. A.D.: Schon mal an den Punkt gekommen, wo einem etwas gesagt wurde, was man absolut nicht für plausibel hält? Halten kann? Was aber trotzdem von vielen Stellen wiederholt wurde? Print: Ja, sicher, ja klar. Gerade mit dieser Terrorgeschichte. Dieses Label Al Kaida überall drauf zu pappen, also, da habe ich ein Problem mit. [Das ist aber ein weltweites Phänomen, dass da jeder Al Kaida drauf pappt?] Das hat man gemacht, da ist man aber inzwischen wieder runter. Gerade nach der BaliBombe hieß es dann irgendwo: Klar, Al Kaida! Obwohl keiner so richtig weiß, was das wirklich ist. Und ich favorisiere, hab von Anfang an eher einen regionalen Ansatz favorisiert. Man guckt, was da ist und dann kam hier dieser Begriff Jemaiah Islamiah auf, wo auch keiner so ganz genau weiß, was oder wie es ist, aber wo es irgendwo ein bisschen greifbarer wird. Dieses Al Kaida, das war mir immer zu sehr ein catch-all-Begriff. Das klebt man drauf und dann weiß man was man hat. Ich meine, so macht das Gunarathna ja auch. Überall, wenn irgendwo ein Sack Reis umfällt oder irgendein Fahrradreifen explodiert, dann war das Al Kaida. Ich hab mit einem sehr guten Freund von mir, der für NEWSWEEK in Bangkok sitzt, mit dem hatte ich mal eine Diskussion darüber. Der war neulich auf einer Party und dann gab es in Jakarta ein leichtes Erdbe-

99

NACHRICHTENWELTEN

ben und dann schrien alle: Das war Al Kaida! Nur um es zu ironisieren. Das sind so Geschichten. Ich meine, ich hab Gunarathna gelesen und der wurde ja auch durchgereicht von hier nach da und so. Das ist ein Punkt, wo ich sage: Ne, muss ich nicht. Wir transportieren natürlich... wir sind auch insofern Gatekeeper, als wir nicht irgendwann, sondern ständig natürlich unsere Birne eingeschaltet haben und gucken, ob das völliger Bullshit ist, was der uns da erzählt.

Im Gegensatz zum Hauptstadtjournalismus, wo die journalistische Qualitätskontrolle eng mit einer lokalen sozialen Kontrolle verbunden ist, arbeite man in Südostasien thematisch und inhaltlich freier. In Brüssel oder Washington sei die Anzahl der Berichterstatter und damit prinzipiell der journalistischen Stimmen zwar größer, wie ein Korrespondent differenziert, das Bedenkliche daran sei jedoch, dass es bei den tausend Journalisten dort fast nur eine Meinung gäbe. In Singapur sei man generell unbeeinflusster vom Tun der Kollegen und damit freier in Darstellung und Analyse. Rundfunk: Ich weiß nicht, wie ich das theoretisch beschreiben soll... [Beschreiben Sie es praktisch.] Bleiben wir doch bei Bali. Jetzt zu dem Zeitpunkt, als es passiert ist: Da war es für mich wichtig, die Opferrolle ein bisschen aufzubrechen. Es entwickelte sich ganz schnell in die Richtung, dass alle Welt sagte, die Australier waren das Ziel dieses Anschlags. Da fiel natürlich ganz schnell aus dem Gesamtbild heraus, dass Bali selbst viel stärker betroffen war. Die Wirtschaft dort hat nicht gelitten an dem Tod der – ich weiß nicht mehr genau wie viel es waren, 160 Toten – aber Bali war natürlich ganz anders betroffen. Es war wirtschaftlich in der Existenz betroffen. Und dann heißt meine Strategie: Ich suche mir ein balinesisches Opfer und zeige mal, wie dieser Terror entstanden ist. Wie das auf das balinesische Opfer gewirkt hat und wie es sich auf dessen Zukunft auswirkt. Und ich glaube, es war dann ganz verdienstvoll... Also, verdienstvoll weiß ich nicht, aber ganz sinnvoll denen zu zeigen, dass nicht die Australier alleine getroffen waren, sondern ein ganz breites Spektrum von indonesischen Leuten. Das zeigt ja, dass der Terror eben kein indonesisches Phänomen ist, das sich gegen Ausländer richtet, sondern eben auch ein innerindonesisches Problem. So. Das ist nun natürlich ein Beispiel, dass man die einfache Sicht auf ein Geschehen aufgreift, hinterfragt. Und aus der Sichtweise der Region ein paar Fragen stellt. A.D.: Dazu fällt mir ein – als ich mit einem Kollegen über das Bali-Bombing gesprochen habe, meinte er, was ihm sehr wichtig gewesen wäre, wäre vor allem auch zu zeigen, dass mit dem Sari Club und Paddys Bar auch zwei Lokalitäten getroffen wurden, die einheimischen Männern den Eintritt verwehrt haben. Und ihm war es wichtig zu zeigen, dass es schon ein Fokus auf den 100

DIE WEITE WELT

Westen war und das als die Einbettung für die Folgen zu zeigen. Zu sagen: Hey, da gab es Ungerechtigkeiten, und die haben die Leute aufgeregt. Und es ist nachvollziehbar in der Bevölkerung, ohne, dass gleich alle Terroristen werden. Rundfunk: Ja gut, das kann man machen. Ich halte es für falsch. Ich glaube nicht, dass es auf Bali eine starke Protesthaltung oder eine besonders starke Frustration darüber gab. Der normale Balinese geht da überhaupt nicht hin. Das war für die Täter, glaube ich, ein Stück weit ein Motiv, dass diese Bars, diese Discos – geradeaus gesagt, ein Puff, pick up places für gewerbliche Damen gewesen sind.

Unterschiedliche Meinungen zu einem Thema oder unterschiedliche Meinungen zu unterschiedlichen Themen wie es angesichts des regionalen Umfangs und der thematischen Bandbreite anzunehmen ist. Persönliche Vorlieben oder Interessen? Schon, schon. Natürlich versuche er Themen unterzubringen, die seinen Interessen entsprächen. Wie? Ein typisches Beispiel erläutert daraufhin einer der Journalisten: So habe er seit längerem Material zum Thema Nationalstaat in Asien oder Südostasien angesammelt. Eigene Erfahrungen und Wissen aus Europa, Zeitungsberichte und u. a., einen hochinteressanten Vortrag von einem der lokalen UNO-Repräsentanten. Ohne besonderen Aufhänger hätte er gerade die Äußerungen des UNO-Mitarbeiters nicht nutzen können, obwohl darin aufschlussreiche Impressionen enthalten gewesen wären. Untergebracht habe er dies schlussendlich in einem Beitrag zum Wirtschaftsgipfel. In einem anderen Artikel, so schildert ein Korrespondent, sei es ihm gelungen, den Bogen von Südostasien nach China zu schlagen, mit einem Aufhänger, der die politische Agenda der Region thematisierte. Bigamisten, so erwähnte ein anderer, spannendes Thema. Er hätte es genutzt, um auf unterschiedliche Umgangsformen mit dem Islam aufmerksam zu machen. Seine Ziele? Die hätten wenig mit der Region zu tun, so ein anderer Kollege. Wichtige, weltweit relevante Themen, z. B. HIV-Bekämpfung stünden da im Vordergrund. Menschenrechtsverletzungen, Demokratisierung. Aber wenn er nun Mahathir jetzt bei seinem Rücktritt porträtiere... Dann geht es mir darum zu sagen, dass er Menschenrechte unterdrückt in diesem Land. Aber es ist auch fair zu sagen was er alles geleistet hat in diesem Land. Ziel ist bei mir eigentlich Relevanz. Was ich als relevant betrachte. Wie die Darstellung der Berichterstattung zum Rücktritt Mahathirs gezeigt hat, war die Beurteilung der Journalisten inhaltlich vergleichsweise einheitlich. Angesichts der Aufhänger und thematisierten Inhalte hat das 101

NACHRICHTENWELTEN

gleiche Beispiel gezeigt, dass es durchaus unterschiedliche Herangehensweisen an die Darstellung gibt. Auch in dem hier zitierten Kommentar zur Bali-Berichterstattung wird zumindest in Ansätzen klar, dass die Analyse nicht homogenen oder stereotyp sein muss. Die Sichtweisen sind durchaus unterschiedlich geprägt und in beiden Fällen konnten oder wurden jeweils unterschiedliche Aussageoptionen verfolgt und umgesetzt.27 Hier soll nicht der Umstand übersehen werden, dass die Berichterstattung aus Südostasien verhältnismäßig gering ausfällt und die Menge an zirkulierenden Informationen klein erscheint; der gewohnheitsmäßige Umgang mit Namen von Politikern, Städten, Stars oder Fernsehserien als Teil einer mediatisierten Öffentlichkeit hinter denen der US-Politiker und US-Soaps wie beispielsweise FRIENDS oder SEX AND THE CITY zurücksteht. Dem dortigen Außen fehlen nachweislich die versöhnlichen Eigenschaften des Bekannten (vgl. Sloterdijk 2005:198). Dies spiegelt sich in der wenig ausgeprägten Nachrichtengeographie der Region. Dennoch zeigt sich in diesen kurzen Beispielen, dass sich selbst bei der geringen Berichterstattungsdichte eine zwar dünne, prinzipiell jedoch mehrdimensionale Topographie der Region produzieren lässt.

Die Bodenhaftung nicht verlieren Das Einleben in die Exosphäre wandelt diese allmählich zur gewohnten Sphäre. Zwar verlange der Körper direkt nach der Rückkehr von Deutschland nach Singapur stets einen anderen Schlaftakt oder auch deutlich mehr Wasser. Es sei grausam, wie ein Korrespondent klagte, jedes Mal müsse man zur Eingewöhnung mindestens 5 Liter am Tag trinken, sonst zerspringt der Kopf. Die Adaption an das Klima zeigt sich nach einer Phase des Einlebens und -gewöhnens auch in der Wahrnehmung und Beurteilung von Differenzen. Das in Singapur allgegenwärtige Air-Conditioning wird von einem äußeren zu einem inneren Prozess. Man weiß sich im besten Fall anzupassen (vgl. Sloterdijk 1999:1007). Mit der Zeit hat sich eine grundlegende Orientierung im Berichtsgebiet eingestellt. Die Eindrücke der Anfangszeit werden von unterschiedlichen Einsichten und Erfahrungen vor Ort überlagert, es etabliert sich eine gewisse Routine. Dazu trägt auch bei, dass die Korrespondenten und ihre Mitarbeiter einen festen Wohnsitz in Singapur haben und sich in ihrem Alltag vor Ort bewegen, auch wenn zuweilen durch Vollkornbrot oder Apfelkuchen ergänzt. Dazu gehören auch Kinder und Lebenspartner, die nach Möglichkeit mit in die Ferne ziehen oder schon dort lebten. Zum beruflichen und privaten Alltag gehören ebenfalls die Reisetätigkeiten, die in andere geographische, soziale und politische To102

DIE WEITE WELT

pologien führen. Stets weisen die Korrespondenten darauf hin, dass eine effektive Orientierung – Aufbau der Netzwerke, Ansammeln von Wissen und eigenen Erfahrungen – viel Zeit erfordert. Print: Das ist ein Erkenntnisgewinn im Hintergrund, den Sie über die Jahre hier sammeln, wenn Sie mit den Menschen hier sprechen, wenn Sie hier sitzen und arbeiten und der macht die Geschichten einfach gehaltvoller.

Wie auch in den anderen Regionen handelt es sich bei den meisten Korrespondenten in Singapur um so genannte spiralists, die im Gegensatz zu den longtimern ihren Lebensmittelpunkt zeitlich begrenzt an die jewieligen Standorte verlagern und sich sukzessive weiterbewegen (vgl. Hannerz 2004:82f). De facto sind die Auslandsaufenthalte der meisten fest angestellten deutschen Korrespondenten von vornherein auf einige Jahre begrenzt. Der Turnus, der im Falle der FAZ bei fünf Jahren oder im Falle der ZEIT bei drei Jahren liegt, kann theoretisch und in beiderseitigem Einvernehmen verlängert werden. Angesichts der häufigen Verweise auf die nötige Expertise wurde die Verweildauer vor Ort fast schon zwangsläufig ein häufiges Gesprächsthema: Print: Hach, ja, das ist so die Standardsorge, die man da so hat. Oder auch in den Redaktionen spürt. Da ist sicherlich was Wahres dran. Oder sagen wir mal: Das Risiko gibt’s bestimmt. Sie müssen vielleicht ein Stück weit abwägen. Erstens ist es eine Typfrage: Also, wie sehr ist jemand der hier sitzt auch an dem interessiert, was zu Hause passiert. Wie sehr begreift er sich auch als Dienstleister an den Lesern, die er zuhause hat. Wie sehr informiert er sich auch über das, was zu Hause passiert. Liest er hier noch den SPIEGEL oder die FAZ oder den STERN oder auch mal die BRIGITTE, oder weiß er einfach so, was in Deutschland so für Themen rumgeistern oder interessiert ihn das eigentlich gar nicht ... Das ist die eine Frage. Die zweite Frage ist die, dass man, glaube ich, abwägen muss, [dass] die steigende Vertrautheit mit den Ländern und den Themen hier vielleicht mit einem Stück Verlustbindung nach Deutschland verbunden ist. Wenn man eine starke Heimatredaktion hat, kann die natürlich manches ausgleichen in dem sie dann doch manchmal sagt: „Ne, das Thema war uns jetzt doch ein bisschen zu abwegig.“ Das Dritte ist sicherlich dabei die Frage... na ja, auch fünf Jahre oder sieben Jahre. Da müssen natürlich sicherlich auch für den eigenen Berufsweg Perspektiven sein. Also, wir haben einen Kollegen hier von einem Magazin, der war fünf Jahre in Moskau und dann ist er jetzt glaube ich fünf Jahre in Peking, und der will jetzt halt langsam mal wieder nach Hause. Aus persönlichen Gründen, wie Kindern und allem ...und hat aber irgendwo keine Perspektive. Er will nicht als normaler Desk-Redakteur wieder in die Redaktion zurück, 103

NACHRICHTENWELTEN

einen anderen Job gibt es nicht. Das sind natürlich dann die schwierigen Fälle, auch aus der eigenen Sicht. Wenn man zehn Jahre hier war oder wo auch immer und dann keine Möglichkeit hat, etwas was man selbst als adäquat empfindet zu haben. Und das ist in der Medienkrise im Augenblick natürlich schwieriger denn je. Der vierte Aspekt, um das abzuschließen, ist vielleicht noch die Größe des Gebietes. Also, wenn Sie zwanzig Länder haben, finde ich, ist klar – und das ist auch einfach so – dass Sie mindestens fünf Jahre brauchen. Und wenn Sie zweimal fünf Jahre haben, sind Sie besser als vorher. Denn ich glaube es gibt keinen Afrikakorrespondenten, als Beispiel, der nach drei Jahren sagen kann: „Ich kenne Afrika.“ Das halte ich für großen Schwachsinn. Und das ist hier nicht anders. Insofern, je größer das Gebiet ist, umso länger brauchen Sie, das ist ganz einfach.

Die Frage der Einordnung und Orientierung ist nach Aussagen der Korrespondenten das langwierigste Unterfangen in der Region. Auch persönlich bräuchte man einige Zeit, wie ein Korrespondent bestätigt. Insbesondere aber bräuchte man die Zeit, um der Berichterstattung eine gewisse Tiefe zu verleihen. In den ersten zwei Jahren so erzählt ein Korrespondent aus dem Print, sei das Reisen enorm wichtig. Man könne von seinem Vorgänger nicht viel übernehmen, jeder habe seine eigenen Kontaktleute. Das Reisen selbst sei enorm wichtig, um das Kontaktnetz aufzubauen, Bilder im Kopf zu sammeln, so dass man Geschichten an diesen Bilden aufhängen könne, andocken könne an den Bildern, den eigenen Erlebnissen. Auch, dass es authentisch werde. Sonst bräuchte es die Korrespondenten nicht. Sonst könne man ja eine Agentur nehmen, wie er belustigt hinzufügte. Aus der Zeit, die man in einer Region verbringt, entspringt die Erfahrung, die später in die Beiträge einfließt, darin sind sich alle Journalisten einig. Die Eindrücke, die man aus Reisen sammelt, wie ein Schwamm aufsaugt, benütze man nicht immer sofort. Irgendwann, irgendwo würde man diese Dinge, die man damals beobachtet oder mitbekommen hat, in irgendeiner Geschichte mal einsetzen. Man sammle ein großes Archiv im Kopf an. Dieser Wachstumsprozess, der von einem Journalisten als langsames schwanger werden bezeichnet wurde, symbolisiert einen Ordnungs- und Orientierungsprozess. Im Gegensatz zu dem häufig beschriebenen Schrumpfen des Raumes, seiner Vergleichgültigung durch die „Verkehrs- und Bildergewitter des späten 20. Jahrhunderts“ (vgl. Sloterdijk 2005:193), wird hier nachdrücklich die Raumerfahrung thematisiert. Diese Räume werden von den Einzelnen mit Bildern, Stimmen und Eindrücken kartographiert. Diese Kartographie „schützt aktuell und potentiell die Akteure an den äusßeren Linien vor der Gefahr, in das sinnlose Weiß einzusinken und in 104

DIE WEITE WELT

den Depressionen unterzugehen, die vom Anprall auf unassimilierte Neuheit, Andersheit, Fremdheit, Trostlosigkeit ausgelöst werden könnte“ (Sloterdijk 2005:208). Die Selbstverständlichkeit sich zu bewegen wird zu einer Herausforderung: es ist ein „Gehen Üben“ (Jap Lim 2005), das auf einem anderem Terrain neu erfahren wird und erst im Laufe der Zeit dazu führt, die Topographie der Region durchmessen zu können. Print: [...] Beispiel: Die Spannungen zwischen Singapur und Malaysia. Die sind allgemein bekannt. Der Erste Schritt ist aufzuschreiben was bekannt ist: Die beiden streiten sich über Fragen des Landgewinns. Der zweite Schritt ist es, aufzuschreiben – und zumindest im Hinterkopf zu haben, vielleicht sogar in zwei Sätzen darauf einzugehen – dass es historische Ursachen hat, dass die beiden Länder sich mal getrennt haben und dass es einen großen Neidfaktor dazwischen gibt. Schon wegen des unterschiedlichen Wohlstandes etc... Der dritte Schritt ist, wenn Sie schon ein bisschen länger hier sind, das vielleicht dahingehend einzuordnen, dass die Länder sich irgendwo auch einen Heidenspaß daraus machen, sich zu piesacken. Und dass niemals ein Krieg übers Wasser hier entstehen wird. Auch wenn die schon sagen: „Dann müssten sie mal ihre Fallschirmspringer hier einsetzen und gucken wie man das denn lösen kann.“ Und all so was, dass dies eine völlig abstruse Vermutung ist. So, und das ist ein Erkenntnisgewinn im Hintergrund, den Sie über die Jahre hier sammeln, wenn Sie mit den Menschen hier sprechen, wenn Sie hier sitzen und arbeiten und der macht die Geschichten einfach gehaltvoller. Die Erste ist ja nicht falsch! Zu schreiben, es gibt einen Streit ums Wasser. Aber die Dritte, die schreibt: Man redet davon, dass da entlang ein Krieg ausbrechen könnte, aber es wird nie dazu kommen weil ... ist natürlich letztendlich die Beste. Das ist vielleicht die Ebene, wo der Auslandskorrespondent den Unterschied möglicherweise zu einer Agentur macht, die bei dem ersten Schritt stehen bleibt eigentlich. Und ich glaube, das ist das, was letztendlich angestrebt ist. Und das gilt eigentlich für alle Ebenen. Sie merken es auch, wenn Sie die alten Geschichten angucken... ja, Sie würden es heute wahrscheinlich anders schreiben. Nach fünf Jahren hier. Versuchen mit mehr Tiefgang oder auch vielleicht die Dinge anders einordnen. Und das ist glaube ich gar nicht zu vermeiden, weil dieser Erfahrungsgrad jede Minute eigentlich hier steigt. Oder jeden Tag.

In diesen Ausführungen unterscheidet der Korrespondent eine Betrachtung des Dinges von der des Wesens, oder aus ethnologischer Sicht formuliert, ist es die Entwicklung von der dünnen zur dichten Beschreibung (vgl. Geertz 1987), die für den hier zitierten Journalisten die Qualität der Auslandsberichterstattung ausmacht. Alles andere, so wetterte auch ein Kollege in einem anderen Gespräch sehr deutlich gegen kurzfristig entsandte Krisenreporter, sei Scheiße, nicht die Aufgabe. 105

NACHRICHTENWELTEN

Diese Variationen heben nicht nur die Aktivitäten hervor mittels derer man sich im Raum bewegt hat, sie verändern den Bericht auch je nach Sicht- und Handlungsweise (vgl. de Certeau 1988:225). Dem Zeitstrahl folgend dringen die Korrespondenten in den Raum ein. Die Selbstbeschreibung als Experte und Vermittler von Kontext trifft sich an dieser Stelle mit der von Hannerz als ideal beschriebenen nachhaltigen Form der Nachrichtenaufbereitung (vgl. Hannerz 2004:230): Um als „gateway to the future“ (2004:207) dienen zu können, sei es nötig, die Nachrichtenbruchstücke mit substantiellen und heterogeneren Informationen zu kombinieren, wie sie durch langfristige Aufenthalte erarbeitet, eher in wissenschaftlichen Publikationen und Büchern zu finden sind (ebd.). Hier wird über das in Archiven zugängliche Verfügungswissen gerade auf das Erfahrungswissen verwiesen: Im Gegensatz zu der Annahme von Hannerz beschreiben die Korrespondenten in Singapur den stetigen Pulsschlag der Nachrichtenberichterstattung als Bedingung ihrer Arbeit, dabei weisen sie aber dezidiert auf unterschiedliche Möglichkeiten hin, damit umzugehen. Wie im Beispiel geschildert, gehen die Korrespondenten davon aus, dass sie im Laufe der Jahre Informationen dichter kontextualisieren können – wenn es ihnen über die Zeit hinweg gelungen ist, ein gutes Netzwerk aufzubauen und sich im Raum zu orientieren. Grundsätzlich bewegt sich der Korrespondent auf einem Terrain, das von der Nachrichtengeographie vorgezeichnet ist. Diese Bewegung gewinnt, nach Aussage der Korrespondenten erst mit der Verweildauer an Form. Was damit in den Blick rückt ist weniger der Takt der Nachrichtenberichterstattung, sondern die Veränderung der Horizonte und Sphären, in denen sich die Korrespondenten für ihre Arbeit einrichten. Abenteurer, Fremder, Flaneur – all die erwähnten Figuren versinnbildlichen einen ausgedehnten Umgang mit dem vorgefundenen Raum in der Zeit. Eine Art und Weise des Umgangs, dessen Ziel es in der Praxis ist, sich Orientierung zu verschaffen. Orientierung, welche die Situation vor Ort betrifft, aber auch die eigenen Redaktion »Zuhause« nicht aus dem Blick verliert. In diesem Spannungsfeld aus Hier und Dort spielt sich die Arbeit der Korrespondenten ab. Es mag wenig überraschen, dass in diesem Zusammenhang die Dauer des Aufenthaltes nicht nur positiv bewertet wird. Das Vertraut-Werden mit der Umgebung und den Unterschieden in den einzelnen Ländern kann gleichzeitig ein Zuviel bedeuten. A.D.: Verändert das den Blick, wenn man hier ist? Print: Ja, glaub schon. Also, mal ganz abgesehen davon, was ich für einen Alltag um mich herum habe – mit Hawker Center usw., eine gewisse Dynamik um mich zuhaben, die anders ist – ist man hier auch schon mal mit dem Singapurer bürokratischen Apparat konfrontiert und, und, und... ich denke 106

DIE WEITE WELT

schon, dass es wichtig ist, dass man nicht nur als Zuschauer von außen kommt. Es ist anders. Ich denke schon. Auch ein anderes Verständnis für das Land. Ich denke mir, ich schreibe weniger spitz als ich auch schon geschrieben habe. [...] A.D.: Das heißt, man verliert Abstand zu dem Bereich über den man schreibt – einen inneren Abstand? [Ja. Ja, ja.] Das ist ja meistens ein Zeichen, wenn ich weniger ironisch werde. Dann fühle ich meistens etwas näher, verbundener. Print: Ja, richtig. Ich denke mir, es besteht auch die Gefahr, dass man zu insiderisch wird. Normalerweise wird man ja, wie im diplomatischen Dienst, nach fünf Jahren in meiner Zeitung versetzt. Und es gibt so berühmte Fälle, wie den früheren Japankorrespondenten der [...], der sogar mit dem kaiserlichen Orden ausgezeichnet worden ist in Japan, wo man aber schlichtweg die Artikel nicht mehr, kaum mehr verstanden hat. Die waren zu insiderisch, die er geschrieben hat. A.D.: Das heißt, er hatte schon wieder Übersetzungsprobleme für sein eigenes Publikum? Print: Ja. Es kann auch zu nah werden, aber ich denke schon, dass der Abstand schwindet.

Bei Graham Greene trifft der alternde Fowler nach seinem ebenso täglichen wie ausgedehnten Cafébesuch den jungen Amerikaner Alden Pyle. Begeistert spricht Pyle den Journalisten auf sein Renommee an: „You are one of the few correspondents who has the reputation of actually going out to the field to see what’s happening. – Not anymore. Besides, I have never thought of myself as a correspondent, I am just a reporter. I offer no point of view, I take no action, I don’t get involved. I just report what I see. – But you must have an opinion!“ entgegnet Pyle angesichts der kriegerischen Ereignisse in der Region. Lakonisch entgegnet Fowler daraufhin, „even an opinion is a form of action“ (Noyce 2002) Im Roman führt dieses Motiv des Aufeinanderprallens zwischen dem alten, abgeklärten Fowler und dem jungen dynamischen Pyle durch die Handlung. Dieser Kontakt ist erkennbar eine Synekdoche des Aufeinanderprallens der alten Kolonialmacht Großbritannien und ihres designierten Nachfolgers USA. Dennoch findet sich in der Figur des alternden Thomas Fowler mehr als nur abgelebtes imperiales Phlegma. Ungleich der Abenteuerzeit in der griechischen Antike, in der die Helden alterslos ihre Schlachten schlugen und Prüfungen absolvierten, vollziehen sich die Bewegungen von Greenes Held durch eine spürbar zyklische Zeit (vgl. Bachtin 1989:14f). Raum und Zeit verbinden sich hier zu einem organischen Ganzen und lassen ihre Helden altern. Tatsächlich betont gerade 107

NACHRICHTENWELTEN

die Gegenüberstellung mit Pyle das Motiv des Alterns und der Erschöpfung, die in der Ausgedehntheit des Raumes und dessen Durchquerungen verborgen liegen und in Fowlers Wesen Spuren hinterlassen haben (vgl. Greene 1959:90ff).28 Länger vor Ort sein oder zu lang? In dem Zusammenhang verweisen gerade die Altgedienten unter den Korrespondenten auf den Unterschied, den der Verlauf der Zeit mit sich bringt: Er sei heute weniger naiv. Damals sei der Faktor Abenteuerlust natürlich größer gewesen, auch die Faszination an der Exotik. Inzwischen könne er das Geschehen besser vergleichen, mit ähnlichen Vorgängen in anderen Regionen. Da ist das schon ein ganz angenehmer Faktor, wenn man so ein Pölsterchen hat. Dennoch wird in diesem Zusammenhang allgemein ein Abstumpfen beschrieben. Print: Ja, aber am Anfang schreibst du natürlich das was du siehst. Beschreibst. Das ist eigentlich auch sehr leserfreundlich dann, weil du dich auf das Niveau des Lesers begibst und eigentlich nicht in der Dozentenrolle bist. Und sehr oft, wenn du viel mehr weißt, kommst du dann in so eine leichte Dozentenrolle rein. Das äußert sich dann im Wörtchen »ja«. Mahathir hat ja schon früher gesagt... wie wir alle wissen... so diese Redewendungen. Da staunt man immer wieder, wenn aus der Redaktion eine völlig einfache Frage kommt, zum Beispiel: „Du, wie sieht es wirtschaftlich eigentlich in Malaysia aus? Wäre das nicht wieder mal einen Artikel wert? Mahathir tritt ja zurück, das Land hat sich ja modernisiert.“ Sag ich: „Ja, logisch hat es sich modernisiert. Von der Dritten Welt zum Teil in die Erste Welt.“ – „Ja, wäre das nicht ein interessanter Artikel?“ – „Ja, kann man machen.“ Aus europäischer Sicht notwendig, aus dessen Sicht, der mir das gesagt hat, und für mich war es schon irgendwie – muss man das noch schreiben? Wissen das nicht mittlerweile schon alle in Europa? Natürlich wissen sie es nicht!

Im Berichtsgebiet Südostasien macht der Raum die Zeit spürbar. Nicht nur in der Reisetätigkeit, auch in der changierenden Entfernung vom Zielpublikum. Mit der Zeit verschieben sich die mitgebrachten heimatlichen Horizonte und vormals wahrgenommene Differenzen verschwimmen. »Unser Mann vor Ort« wird zu einem bezugslosen »Mann vor Ort«. Der erwähnte Freund des Kaisers hat in den Augen seines Kollegen die Distanz und damit seine Fähigkeit zu korrespondieren verloren. Berichtet hatte er nichts Falsches, tat dies nach Ansicht des Kollegen nur am Zugangswissen des Rezipienten vorbei: Wissen das nicht mittlerweile schon alle in Europa? Natürlich wissen sie es nicht! Das in der Ethnologie als »going native« bekannte Phänomen (vgl. Kohl 1987) kann in dieser Hinsicht als Sphärenwechsel aufgefasst werden. Bildlich gesprochen verschiebt sich bei diesem Übergang das Ver108

DIE WEITE WELT

hältnis zu denen, mit denen man korrespondieren soll. Wobei der Verlust der Tuchfühlung mit dem Publikum wohl die größte Gefahr für jeden Erzähler bedeutet. Nicht die geographische, sondern die soziale Entfernung wird hier zu dem wesentlichen Punkt. Es ist die Frage, ab wann ein Aufenthalt lang genug ist, so dass man entsprechend des eigenen Anspruchs gut arbeiten kann und wann der Aufenthalt zu lang ist, so dass dies nicht mehr gewährleistet ist. Eine andauernde Bewegung zwischen Nähe und Distanz. Sie fände es eigentlich ganz gut, so kommentriert auch eine Korrespondentin einige Monate später in den Vereinigten Staaten, wenn Korrespondenten nach ihrem Turnus – egal wie lang der sei – nach Deutschland zurückkämen und da wieder Bodenhaftung bekommen könnten. Dann könne man ja wieder woanders hingehen. Aber dieses ewige im Ausland rumturnen, das ist eigentlich nicht richtig gut für die Berichterstattung. Darin stimmten die Kollegen überein. Und führten im Einzelfall auch die ethnologische Terminologie im Munde. Sei man fünf oder sechs oder zehn Jahre an einem Ort, führe dies zu dem, was immer so schön genannt wird: going native. Eben, dass man sich zu sehr akklimatisiert, vielleicht doch zu sehr mit der Gesellschaft identifiziert, dass einem auch die Neugier und der frische Blick verloren gehen, das sei sicherlich eine gefährliche Situation. Rundfunk: Das ist aber meistens so, dass nach drei bis zu acht Jahren, Ende der Fahnenstange ist. Dann kommen Leute... werden abgezogen von den Plätzen, wo sie sind. Was auch glaube ich, ganz OK ist. Man verliert ja auch irgendwo die Bodenhaftung in Deutschland. Was passiert in Deutschland? Was ist da die Fragestellung der Leute?

„Wenn zwei Ausdrucksarten nicht miteinander verschränkt sind, wenn wir also die Fähigkeit verloren haben, sie miteinander zu verbinden, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Identitätsaussagen zu machen, welche Ausdrücke dieser beiden Arten miteinander verbinden, dann haben wir die Orientierung verloren“ (Tylor 1986:41). Das Problem des Zulange-Dort-Seins, deswegen würde man ja ausgewechselt, konstatiert ein weiterer Kollege an einer anderen Stelle des Globus lapidar und fasst es bildlich als eine Wellenbewegung im Korrespondentenwesen: Print: Am Anfang kriegt man noch nicht so richtig viel von dem, weil er noch gar nichts weiß, dann nimmt das zu und irgendwann nimmt das wieder ab, weil eben die Neugier und die Fähigkeit, das Besondere... In dem Moment in dem die Akkulturation zunimmt, nimmt auch die Neugier ab und die Fähigkeit das zu sehen, was die Heimat da will. Das ist die Investitionsphase, dann kommt die

109

NACHRICHTENWELTEN

Ernte, dann nimmt’s wieder ab. Deswegen muss man irgendwann den Punkt finden, wo man die Leute austauscht. A.D.: Das heißt aber auch, je mehr man die Leute versteht und je mehr man im anderen System – Sie haben es gerade als Akkulturation beschrieben – je mehr man im anderen System drin ist, desto wertloser wird man auf der anderen, entgegen gesetzten Skala [Weil man die Übersetzung nicht mehr bringt.] zu Hause. [Ja.] Das ist ein komisches Verhältnis, nicht wahr? Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass der Auslandskorrespondent seine Kompetenz durch Expertenwissen irgendwo auch... Print: Ja sicher. Und das ist ein merkwürdiger Widerspruch, ja. Klar. A.D.: Böse gesagt, könnte man an dieser Stelle sagen: An dem wirklichen Wissen ist man dann doch nicht interessiert. Es ist dann nur die Frage, was leidet darunter – das Journalistische oder das Inhaltliche? Print: Na, das Inhaltliche!

Den Bodenkontakt nicht zu verlieren, diese Metapher der Autochthonie, verweist auf die Verbindung mit der heimatlichen Sphäre. Heimatdesk wie auch die Kollegen in der Ferne, reflektieren vorsichtig über den Nutzen eines Korrespondenten, der diesen verloren hat. Es wird deutlich, dass die Tuchfühlung mit der Redaktion, immer wieder im täglichen Kontakt hergestellt, die Anbindung des Korrespondenten ebenso diszipliniert wie die freiwilligen Brigitte-Abonnements. Dies beschreibt die Bildung eines gemeinsamen gesellschaftlichen Raumes durch Partizipation. Dieses Mit-ein-ander wird hier weniger normativ oder passiv, sondern aktiv in eine Wir-Perspektive eingebunden. Diese Wir-Perspektive ist gefährdet, wenn der »gemeinsame Raum« der Normen nicht mehr auf dieselbe Weise verstanden wird. »Ich« und »Wir« stehen dann nicht mehr in der richtigen Beziehung zueinander; die Ich-Perspektiven werden explizit zum Ausdruck gebracht; in einem solchen Fall kann es zur Auflösung des »Wir« kommen (vgl. Tylor 1986: 42). Bei Greene wird Mensch-Sein grundlegend in Abhängigkeit von einer Positionierung begriffen (vgl. 1959:157). Ebenso wird von den Korrespondenten eine zunehmende Dispositionierung von der Heimat, als Verlusterfahrung beschreiben. Ein Verlust, der dazu führt, die geographische Entfernung nicht mehr adäquat, professionell überbrücken zu können. Print: Also, ich stelle immer wieder fest – bei mir und auch bei anderen Leuten – wenn ein Wechsel auf dem Korrespondentenplatz ist, dass die Neuen zum Teil Geschichten aufgreifen, die thematisch schon vom Vorgänger bearbeitet 110

DIE WEITE WELT

worden sind. Von mir als Korrespondent kann ich gut nachvollziehen, dass ich keine Lust habe, dieses Thema noch mal aufzugreifen. Aber das ist ein völlig falsches Kriterium, weil der Leser sich vielleicht gar nicht mehr erinnert an diese Geschichte von vor fünf Jahren. Es geht ja um den Leser, nicht um mich. Insofern ist das eigentlich gar nicht so schlecht, dass Korrespondenten häufiger wechseln.

In diesem Sinne bewegt sich der Korrespondent zwischen den Sphären von Redaktion und Region. Wobei der ursprüngliche Horizont den wesentlichen Fixpunkt ausmacht. Dieses Dazwischen von Berichtsgebiet und dem auftraggebenden Medium formt den tatsächlichen Aktionsraum aus. Dabei im Mittelpunkt: das Bemühen, die Verständlichkeit und damit die Rückbindung der Berichterstatter an ihre ursprüngliche Sphäre zu gewährleisten.29 Angesichts dieser inhärenten Domestizierung der Routine bekommen die „grausamen Massen“ (vgl. Graffman 2004)30 – Zuschauer, Leser und Hörer daheim – eine neue Dimension. Print: ...was heißt objektiv? Ich finde eigentlich Ehrlichkeit besser als Objektivität. Man soll ehrlich sein. Man soll ehrlich schreiben, das was man sieht oder das was man gehört hat. Das ist eigentlich schon sehr viel. Ich weiß jetzt nicht was hier objektiv ist... politische Artikel sind wertende Artikel. Das ist ganz klar. Das hier ist ein völlig wertender Artikel [zeigt auf einen seiner Artikel]. Der Muslim würde das völlig anders sehen. Der sagt, das ist ein Lobbydienst. Typisch Westen. Typisch die Brille des westlichen Journalisten.

Fokus Heimat Wie ein Journalist erzählt, versuche er sich beim Schreiben der Artikel stets einen Leser vorzustellen, wie er morgens um sieben oder acht Uhr, noch ohne Kaffee, im Zug von A nach B auf dem Weg zur Arbeit ist und die Tagesausgabe seiner Zeitung durchblättert. Oder den Leser, der abends noch etwas abschalten will und zur Zeitung greift. Beiden sei gemeinsam, dass sie im Zweifelsfall über die genauen Umrisse der Region kaum eine Vorstellung hätten. Man müsse den Leser abholen auf seiner Reise. Viel mehr beschreiben und umschreiben, viel mehr erklären als sonst, fügt eine andere Kollegin an. Und gerade auch im Kleinen Vorsicht walten lassen, dass man den Wissenstand des Rezipienten nicht aus den Augen verliere. Zwischen dem Hier und Dort der Standorte entfaltet sich der Wirkungsraum des Korrespondenten. Geht es in der Informationsbeschaffung darum, den Außenraum zu erkunden und eine möglichst verlässliche Orientierung zu erlangen, ist die Orientierung beim Abfassen der Artikel und Beiträge auf den bekannten Innenraum ausge111

NACHRICHTENWELTEN

richtet. Ist der Korrespondent selbst in der Welt zuhause, geht es letztendlich um jene, die Zuhause sitzen. Print: ... zum Beispiel meine Mutter! Nicht? Ja! Die sitzt in Deutschland, ganz normale Leute, und fragt: „Ja, sag mal, warum ist denn das jetzt so?“ Und dann versuch ich zu erklären: „Da gab’s den Afghanistankrieg und jetzt gibt es eine große Armut und – einfach gesprochen – dann wissen die Leute nicht, was sie zu beißen haben und dann kommt irgendeiner an und gibt ihnen Geld, und das war alles ganz toll, dass sie die Russen in die Flucht geschlagen haben, da kommen sie jetzt zurück und sagen: Allah ist das Allergrößte und wenn ich totgeschossen werde, komme ich ins Paradies.“ Also, jetzt mal wirklich ganz albern gesprochen.

In beiden Ausführungen wird der Rezipient als überschaubare und handhabbare Einheit dargestellt. Deutlich wird hier die weniger romantische als pragmatische Homogenisierung eines relativ einheitlichen und leicht skizzierbaren Gegenübers. Der Rezipient als Kunstfigur entsteht als kleinster gemeinsamer Nenner eines imaginären Publikums. Ironischerweise verkehrt sich hier der in der Ethnologie häufig mit Blick auf die Repräsentierten geführte Repräsentationsprozess auf die Rezipienten. Plötzlich werden die Rezipienten statisch und „metonymisch eingefroren“ (Appadurai nach Clifford 1999:486) zu einer Synekdoche, an der man das kulturelle Ganze erfassen und seine Repräsentation ausrichten kann (vgl. Clifford 1999:481). Print: Nehmen wir mal ein Beispiel: Da schreibt einer mit dem Namen Mohammed Arif über die Entwicklung des islamischen Glaubens in Kambodscha. Über die Minoritäten von Muslimen in Kambodscha. Der hat einen muslimischen Namen. Da fragst du dich beim ersten Satz schon, ob der nicht voreingenommen ist. Ob der einigermaßen objektiv an das Thema, das absolute Randthema, rangegangen ist. Wieso schreibt der Mohammed Arif über das Thema? Und wieso druckt das die Zeitung ab? Das ist das Eine. Er wirkt vielleicht kompetent, aber du weißt bei der Person nicht, ob er nicht vielleicht eine eigene Agenda hat. A.D.: Hast du keine eigene Agenda, wenn du Sachen schreibst? Print: Ja, wahrscheinlich schon, aber ich erwecke nicht den Eindruck beim Leser. Weil ich der So-und-So von der So-und-So-Zeitung bin und die Leser an meine Schreibe gewohnt sind. Die wissen, ich bin da und ich schreibe über verschiedene Sachen. Das heißt die Glaubwürdigkeit kommt von zwei Seiten her. Du musst auf der einen Seite glaubwürdig sein für die Leser und du bist es eben, wenn du aus deren Kreis kommst. Die wollen ja sehen: Wie sieht das aus, 112

DIE WEITE WELT

wie erlebt das einer von uns? Und auf der anderen Seite musst du mehr als nur ein Ferienreisender sein, der was über Muslime in Kambodscha schreibt, nur weil er da drei Tage Aufenthalt gehabt hat. Der wirkt ja nicht glaubwürdig, sonst könnte ja jeder Tourist einen Bericht für die Zeitung schreiben. Also, es ist wirklich von zwei Komponenten hergeleitet: Es ist eben ideal, wenn du aus dem Kulturkreis kommst, aber gleichzeitig die Kompetenz hast, ne? A.D.: Ich finde das gerade sehr interessant. Ich muss zugeben, dass ich eher einen Artikel von Mohammed Arif lesen würde, weil ich denken würde, dass da andere Zugänge drin sind. Das da irgendwas drinsteht, von dem ich denke... [Ja, er hat vielleicht...], dass es bisher gefehlt hat. Print: ...mehr Wissen. Aber der weiß nichts über das Leben seiner Leser. Und ich glaube, es ist wichtig, dass du zwischendurch Sachen einfließen lässt, wo der Leser merkt: Wow! Der weiß auch was von uns! [Hm.] Sonst könntest du ja die ganze Zeitung mit Expertenwissen füllen, mit Namen, die schon darauf hinweisen, dass es ein Fachmann ist. Mit Dr. phil. und Dr. Dr. Prof. und lauter so Zeugs. Aber das ist es ja nicht. Will der Leser das? Ich glaube nicht, dass er deswegen viel glaubwürdiger ist. ... Ich sehe einfach, den meisten Feedback, den meisten Erfolg habe ich dort, wenn ich gewisse Ausdrücke und gewisse Denkschemen oder Vergleiche, zum Beispiel, mit 'nem betreffenden Land oder einer bestimmten Geschichte mache. [...] Zum Beispiel, Singapur ist 680km2 groß. Das kann man so schreiben, aber wenn du schreibst, dass Singapur so groß ist, flächenmäßig, wie Hamburg, hat das eine ganz andere Bedeutung. Und kein lokaler Journalist weiß, wie groß Hamburg ist. Wenn du das weißt, gibt das dem Artikel eine ganz spezielle Note.

Im gleichen Atemzug mit dieser Homogenisierung des Publikums, die zweifelsfrei als ein imaginiertes Konzept aufzufassen ist (vgl. Anderson 1985), wird der Arbeitsgrund und daraus resultierend, notwendige Kompetenzen definiert: Die Vermittlung von Informationen und Wissen ist im Journalismus u. a. an eine möglichst breite Verständlichkeit gekoppelt. Dies orientiert sich nicht nur am Grundwortschatz der genutzten Sprache, sondern ebenfalls am angenommenen Grundwissen des so stereotypisierten Rezipienten, der je nach Zeitungsprofil, im Rundfunk Sendegefäß, wiederum unterschiedlich vorgestellt, oder per Statistik bemessen wird. Man mag es als Tautologie auffassen, dass ARD, ZDF ebenso wie die auflagenstarken Blätter ZEIT, FAZ und andere in ihrer politischen Essenz um den eigenen Staat kreisen – Journalismus ist nicht nur per Staatsauftrag als freiheitlich-rechtliches Instrument in der Demokratie institutionalisiert und geschützt, auch verweisen gerade die durch diesen Schutz gestärkten Funktionen als Parameter auf national-staatliche Grenzen (vgl. Branahl 2002). So wäre bereits normativ abzuleiten, dass die 113

NACHRICHTENWELTEN

Informationen aus aller Welt bereits auf ein, ihr Publikum zugeschnitten sind und die Produktion nationaler Institutionen auf die Erzeugung homogener Bedeutungsketten ausgelegt ist, die rekursiv Gemeinsamkeit herstellen und breitflächige Identifikation ermöglichen (vgl. Hall 1999: 415).31 Print: Und nur damit kannst du die Kluft überwinden. ... ich will mal sagen, wenn du über Singapur lokale Korrespondenten nimmst, dann sind das einfach verschiedene Stimmen in unterschiedlichen Sprachen – vielleicht ist das sogar noch von Englisch auf Deutsch übersetzt worden – die sich zum Thema äußern. Aber es ist keine Brücke da. Der Leser sagt dann: OK, das ist deine Meinung. Wo liegt Singapur eigentlich? Weit weg. Und das ist seine Meinung. Natürlich, der muss ja so schreiben, weil er da wohnt. Aber wenn ein Gesandter kommt, ein Korrespondent, der eben schon ein bisschen Vertrauen mitbringt, dann hat das ’ne ganz andere Wirkung.

Was hier erfolgt, ist eine Inversion der Differenz als Referenz auf die eigene soziopolitische, sprachliche, kulturelle Identität. »Ich bin ich, weil du du bist«, diese einfachste binäre Opposition verweist nicht nur auf ein kategoriales Grundmuster der Trennung, sie verweist durch die Abgrenzung auch auf die Identität des Subjekts – eine Identität, die nur angesichts der Anderen möglich ist: »Wir sind wir, weil ihr ihr seid« Ein Subjekt, das in diesem Fall durch die Selbstreferenz eine Validierung tradierter Begrenzungen vollzieht. So stellt sich die Erzählung der Gemeinschaft als Arbeitsgrund aber auch als Ansatzpunkt für die Korrespondenten dar. A.D.: Eben, das ist ja meine Hauptfrage: Wie analysiert ihr dieses »Warum«? Wie erklärt ihr dieses »Warum« als Journalisten in der Fremde? Rundfunk: Mit meiner Brille. Deswegen werden Korrespondenten, oder deswegen ist es durchaus sinnvoll, Korrespondenten in fremde Länder zu schicken. Es ist ja nicht so, dass man das deswegen tut, weil man weiß, die haben ja sowieso nur die Chance zu 70, 80, 90% hinein zu grooven und zu graben in die sozialen oder wirtschaftlichen Besonderheiten eines Landes oder eines Landstrichs und werden nie in der Lage sein es ganz zu verstehen. Dann könnte man es ja lassen. Dann ist der Aufwand vielleicht übertrieben. Sondern dann könnte man lokale Leute nehmen. Man kann ja kommen und sagen: „Ist doch viel einfacher, du nimmst jemanden aus Singapur, weil der kennt das und das ist doch viel einfacher.“ Eigentlich ist das Unsinn, weil ein Teil der Tatsache, dass wir fremde Menschen in fremde Länder schicken sicher damit zu tun [hat], dass wir jemanden brauchen, der mit unseren Vorurteilen, mit unserem Verständnis behaftet [ist], mit unserer Weltsicht im weitesten Sinne, also dem kleinsten ge114

DIE WEITE WELT

meinsamen Nenner, auf den wir uns zusammenschweißen lassen, in die Welt geht, aber aufgrund seines Handwerkszeugs in der Lage ist, das zu abstrahieren.

„Wo das moderne, ortsräumliche Denken die Oberhand gewinnt,“ so ein Passus bei Peter Sloterdijk (2005:47), „dort können die Menschen nicht mehr in ihren tradierten Weltinnenräumen und deren phantasmagorischen Ausdehnungen und Arrondisierungen zu Hause bleiben. Nicht länger wohnen sie ausschließlich unter ihren heimatlich zentrierten Himmeln.“ Im Falle der Korrespondenten gestaltet sich dies etwas komplizierter. Modern oder nicht, sind sie ausserhalb ihrer heimatlich zentrierten Himmel. Im gleichen Moment bleiben sie als Korrespondenten diesen Himmeln ganz zwangsläufig verbunden, wo auch immer sie sich bewegen. Damit bleibt die „Poetik des natalen Raums“ (ebd.), um wieder auf die Sprache Sloterdijks zurück zu greifen, trotz der eigenen Bewegungen und Entfaltungen über Grenzen hinweg Fixpunkt für die Arbeit der Korrespondenten.Über die geschraubte Wortwahl hinweg machen gerade die Referenzen auf Himmel und vorangegangen, Bodenhaftung, auf jenen Raum auf merksam, der sehr offensichtlich nichts mit jenem »Boden« zu tun hat, auf dem die Korrespondenten physisch stehen, sondern mit Verortung. Mit Weltsicht und der Fähigkeit, abstrahieren zu könne. Was dabei letztendlich vermittelt wird, ist angesichts des Auftrages nicht überraschend. Überraschend ist dennoch, vielleicht, manchmal die Form. A.D.: Idealbild einer Auslandsberichterstattung. Wie funktioniert der tolle... Rundfunk: Zieht mich rein, hält mich fest, macht mich an, lässt mich nicht los, bringt mich zum Nachdenken, delektiert mich optisch, wenn’s Fernsehen ist. Ich kann dir sagen, dass ich gerade einen Beitrag gesehen hab, der diese Kriterien erfüllt, dann wirst du zusammenbrechen weil, es passt nicht in dein Bild. Es war etwas über die Riesenhornisse auf Honshu in Japan. [...] Es war ein Film, der gut gemacht war, der mir was erzählt hat über die Natur und ihre kriegerischen Mechanismen. Was ich in dieser Form bisher nicht gewusst habe und nicht geahnt hätte. Und das in einer Art und Weise aufgemacht, künstlerisch wertvoll dargebracht mit prachtvollen nie gesehenen Bildern, die ich beeindruckend fand. Hat mir was über die Natur erzählt und damit vielleicht auch was über die Welt erzählt. Und hat mir auch was über Japan erzählt. Der verrückte japanische Forscher, der den Hornissen hinterherläuft, da auch seinen Platz und ich weiß jetzt, dass die japanische Olympiagewinnerin in, irgendeiner Distanz, ihre Kraft und ihren Erfolg auf VHHM zurück führt. Was in Japan als Drink verkauft wird, all überall. Weißt du was das ist? [Das Gift der

115

NACHRICHTENWELTEN

Riesenhornisse?] Nein. Nicht das Gift, sondern das stark aminosäurehaltige und sonst wie -haltige Zeug, mit dem die Püppchen umwickelt sind. A.D.: Das heißt Bildung als oberstes Ziel? Information, Bildung und Vergrößerung des Weltverständnisses für den Zuschauer. Rundfunk: Genau.

K o s m o p o l it e P r o l e t a r ie r In Singapur rückt immer wieder die Auseinandersetzung mit der Größe des Raumes in den Mittelpunkt. Suggerieren die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ein allgegenwärtiges Schrumpften des Raums bis hin zu seiner Neutralisierung, steht dem hier die Wiederentdeckung des Ausgedehnten gegenüber (vgl. Sloterdijk 2005:391). Die eigene Körperlichkeit als Flaneur, Abenteurer oder ganz einfach als Fremder gewinnt spürbar an Gewicht und lässt Raum und Zeit (wieder) in einen natürlichen Zusammenhang treten. Gleichzeitig birgt dieses im globalisierten Alltag idyllisch anmutende Chronotop der Raumerfahrung das prägende Merkmal des Berichterstattungsalltags: die ausgedehnte Bewegungsfreiheit des Einzelnen verkörpert das geringe Interesse der Allgemeinheit an der Region. Die geringe Ausprägung der Nachrichtengeographie Südostasiens ist unzweifelhaft als geographischer Materialismus zu verstehen (vgl. Soja 2005). Jedoch fordert diese Topographie ihren speziellen Tribut: Nicht nur, dass der Umfang des Gebiets eine starke Ausrichtung auf das ebenso ferne Zielpublikum und damit eine Ausrichtung auf Übersetzung, Erklärung und Beurteilung der Dinge erfordert: Bereits während der Produktion steht das professionelle Sammeln von Informationen im Mittelpunkt und dabei letztlich auch eine Etablierung von möglichst stabilen, großen Netzwerken aus Agenturen, Archiven und natürlich im Wesentlichen Stringern, Producern und Übersetzern im Mittelpunkt der Arbeitspraxis. – Inklusive der prinzipiellen Abhängigkeit, die sich aus Kooperationen und dem Bemühen, die Vermischung von Stimmen und Meinungen zu harmonisieren, ergibt. »Unsere Leute vor Ort« situiert dies in einem diffusen Resonanzraum angefüllt mit eben dieser Vielfalt: den unterschiedlichen Zeitzonen und Kulturen, zahlreichen lang- und kurzfristigen Mitarbeitern und mannigfaltigen Quellen sowie den Ereignissen des Weltgeschehens. Mit Rückgriff auf das hier grundlegende Moment der Verräumlichung kann man das Korrespondenten-Dasein als Ausdehnungsvermögen bezeichnen. Ein Ausdehnungsvermögen, das wesentlich von Kreativität und Beziehungsfähigkeit geprägt ist (vgl. Sloterdijk 2004: 116

DIE WEITE WELT

250). Angesichts der immensen Ausmaße der Region bedingt dies Herausforderung, Bewegung, Abenteuer – oder, etwas zivilisierter ausgedrückt, Weltgewandtheit. Sich persönlich stets auf das Neue einlassen zu können, quasi selbstverständlich Grenzen zu überwinden und dabei im Falle des Auslandskorrespondenten spielerisch Lokales und Globales im Blick zu haben – in dieser Beschreibung findet sich die Figur des Kosmopoliten wieder (vgl. Hannerz 1990): Ein ungebundener Teilnehmer, dessen Offenheit und Neugier neuen Erfahrungen gegenüber seine eigentliche Berufung ist.32 Ein Mensch, der die Fähigkeit und Kompetenz besitzt, sich jenseits des eigenen Horizonts zu orientieren. Sich auf Anderes und Andere einzulassen, durch Zuhören, Beobachten und Reflektieren seinen Weg in eine andere Kultur zu finden und sich dort zurechtzufinden, ohne dabei verloren zu gehen: „The cosmopolitan may embrace the alien culture, but he does not become committed to it. All the time he knows where the exit is.“ (Hannerz 1990:238). Er ist zuhause in der Welt (ebd.). In dem Unterfangen sich in der Welt zu Hause zu fühlen, funktioniere der sich transnational bewegende Kosmopolit als Brückenkopf für den Zugang zu anderen Kulturen, dessen Erfahrung graduell in die eigene Persönlichkeit und Perspektive einfließe (vgl. 1990:245).33 In dieser Auslegung steht der Kosmopolit für den aufgeklärten Umgang mit den Verpflichtungen, aber auch Geborgenheiten nationalstaatlicher Herkunft. Die Nähe zu dem Profil der Korrespondenten ist augenfällig – nicht nur, weil Hannerz selbst das Bild auf diese Berufsgruppe anwendet. Zweifelsohne verpflichten sich auch Korrespondenten keiner anderen Kultur und wissen stets wo der Ausgang ist. Genauer formuliert, sollten sie dies zumindest – verlören sie diese Orientierung, ihre Bodenhaftung, würden sie damit auch ihre Arbeitsgrundlage verlieren, da sie in ihrer tagtäglichen Aufgabe an die heimatlichen Horizonte und ihr ursprüngliches Zuhause gebunden sind. Schlussendlich liegt der Fokus auf dem Publikum in Hamburg, München, Berlin, Mainz und Frankfurt und deren kleinstem gemeinsamen Nenner, oder verkürzt gesagt, bei der Mutter, der man den Terrorismus in Südostasien erklären muss. Dieser kohäsive Charakter der Berichterstattung ist gleichzeitig ihr Beweggrund. So ist der Korrespondent im Dienste des Rezipienten und vielleicht eines hehren Bildungsauftrags »domestiziert«. Damit stehen prallen in Fall der Korrespondenten »Welt« und »Heimat« aufeinander. Dies verkehrt das Bild des Kosmopoliten jedoch nur scheinbar. Vielmehr weist diese Ausrichtung auf den Rezipienten zuhause auf die normativ-strukturelle Bedingung seiner Tätigkeit hin: man sollte in-der-Welt-zu-Hause-sein, um dies jenen vermitteln zu können, die zuhause geblieben sind. Dabei reflektieren die Bewegungen durch die weite Welt hin zu dem Unbekannten und Neuem zwangsläufig den Wissenstand der Masse daheim in 117

NACHRICHTENWELTEN

Küche, Wohnzimmer oder im Zug auf dem Weg zur Arbeit. Tatsächlich verweist dies auf die Schwierigkeiten, denen sich der Korrespondent in seiner Funktion als Brückenkopf in der weiten Welt gegenübersieht: Im Wesentlichen geht es dabei um Entfernung. Im landläufigen Sinne eines geographischen, oder auch kulturellen, emotionalen Abstands, aber auch um die Heidegger’sche Auslegung von Entfernung, ein „Verschwindenmachen von Ferne“ (vgl. Heidegger 2004:141). In letzterem liegt denn auch, wenn, das Wesen der Fernostberichterstattung. So weit (weg) wie das Berichtsgebiet so zeit- und arbeitsaufwendig sind Bewegung und Vermittlung an den unterschiedlichsten Orten und mit den verschiedenen Personen, Kulturen, politischen Systemen, Nationalgeschichten, Klimabedingungen. Eine disparate Situation, die trotz verbesserter technologischer Kommunikationsmöglichkeiten bestehen bleibt und sich in ihrem ganzen Ausmaß zeigt. Das fehlende Label, eben dass dort niemand ARD, ZDF, FAZ etc. kennt, erschwert diese Bewegungen zusätzlich, wenige Türen öffnen sich, weil das Gegenüber einen bekannten Namen hat. Im Gegenteil, die Bewegung muss erarbeitet werden. Aus dieser Perspektive liegt das eigentliche kosmopolite Element in dem Miteinander und der damit verbundenen Anstrengung verborgen. Für die Berichterstattungsregion Südostasien liegt die Idee nahe, dass beides, Korrespondentendasein und Weltgewandtheit jeweils an einen hohen Arbeitsaufwand gekoppelt sind. Jenem, das durch die Nachrichtenwerte als enorm weitläufig formulierte Terrain zu durchmessen, sich in der Welt zu bewegen, diese zu entdecken; jenem Arbeitsaufwand, entsprechende Netzwerke und damit ein eigenes standing vor Ort aufzubauen; und jenem, die eigene Orientierung zu vermitteln. Angesichts dessen erscheint der Korrespondent in Fernost bei näherem Hinsehen in seinem Da-Sein als »kosmopoliter Proletarier«, dessen In-der-Welt-Sein in vielfacher Weise an Kapital, Gesellschaft und Arbeit gebunden ist. Wobei Kapital, Gesellschaft und Arbeit sich vermengen und transitiv sind: der Nachrichtenwert des Berichtsgebiet bedingt die Konditionen aus denen sich die arbeitsaufwendige Routine vor Ort gestaltet. Ein Verhältnis, das auf die einfache Formel gebracht werden kann, dass 100% Bewegungsfreiheit aus 100% Desinteresse in der Heimat entstehen. Im Positiven, wie im Negativen. Wie das Beispiel der Bali-Berichterstattung, aber auch die Bemerkungen zu der Berichterstattung über die Entführung auf Holo gezeigt haben, reformiert ein wachsendes Medieninteresse die journalistische Produktionsroutine. Die Bewegungsfreiheit verändert sich mit der Zunahme von Rückkopplungseffekten. Wird das erhöhte Interesse zum Alltag, so lässt sich vermuten, „beherrscht ein anders Schicksal die Bühne“ (Sloterdijk 2005:123). Wie in den Vereinigten Staaten von Amerika.

118

KRAUT ATLANTIK Es gibt natürlich gerade im Fall Amerika immer Leute, die meinen, sie kennen schon alles und Amerika im Besonderen. Das ist doch klar. Das ist bei Amerika noch anders als bei Asien. Amerika ist wie beim Fußball, da können sie alle mitreden. – Korrespondent Wo dichte Verhältnisse dominieren, verändern sich die Rahmenbedingungen des Waren- und Informationsverkehrs, die weitreichende moralische Umstellung fordert. Einseitige Diktate werden nun ebenso unplausibel wie anhaltende Nichtkommunikationen. Zugleich garantiert hohe Dichte den chronischen Widerstand des Milieus gegen unilaterale Ausdehnung. Einen Widerstand, den man in kognitiver Sicht als Reizklima für Lernprozesse werten kann. – Peter Sloterdijk

A u f d e r a nd er e n S ei t e d es g r o ß e n T e ic hs .. . Auf der morgendlichen Konferenz in Washington. Im Gegensatz zu Singapur tummeln sich im Rundfunkstudio mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Sind alle zusammen, lassen sich vier feste Korrespondenten zählen und ebenso viele Producer, verschiedene Mitarbeiter aus Technik, Verwaltung und Archiv, der ein oder andere zusätzliche Reisekorrespondent, vielleicht eine Urlaubsvertretung oder ein Praktikant. Die meisten Redaktionsmitglieder finden sich ausstaffiert mit englischsprachigen Zeitungen und Starbucks-Pappbechern allmorgendlich im Studio ein. Die Konferenz selbst wird überwiegend auf Englisch geführt. Es wird Bezug genommen auf die Zeitungslektüre, auf das Radioprogramm. Berichte werden kommentiert, Aussagen wiedergegeben. Analog zur Sprache ist es die US-amerikanische Politik, die hier verhandelt wird. Die Diskussionen auf den morgendlichen Redaktionskonferenzen drehen sich vorwie-

119

NACHRICHTENWELTEN

gend um die aktuelle Nachrichtenlage rund um Capitol und Weißes Haus. Ernennung von Porter Goss zum neuen CIA-Chef, Pressekonferenz mit Regierungssprecher Scott McClellan im Rosengarten... Der Umgang mit Namen, Ämtern und Themen erfolgt selbstverständlich. Was in Deutschland passiert, interessiert hier scheinbar niemanden. Dieser Eindruck von Abgewandtheit verliert sich jedoch im gleichen Moment, als die aktuelle Tagesplanung konkreter wird. In dem einen Studio heißt es Hamburg will einen Beitrag zu..., in dem anderen Mainz will... Die transatlantische Distanz, die sich im ersten Augenblick aufgebaut hat, ist nicht mehr spürbar. Im Gegenteil. Redet Virilio (1999) vom Zusammenhang der Beschleunigung und einer Veränderung des Raumes, so wird hier deutlich, was er damit gemeint haben muss: Vor der Konferenz, nach dem Dreh, im Schnitt, zwischendurch – nie weiß man, ob die Redakteure am Telefon gerade ein Stockwerk oder gleich den ganzen Atlantik überwinden. Mainz und Hamburg liegen in Washington nebenan. Für einige etwas zu nah, wie sich noch zeigen wird. An einem dieser Tage geht es in der Konferenz zunächst um die aktuelle Meldung, dass eine Bombendrohung eingegangen ist und die Regierung alert orange, die zweithöchste Alarmstufe, ausgelöst hat: Man vermutet den Sitz der Weltbank in Washington, ebenso wie die New Yorker Börse im Zentrum terroristischer Gefahr. Die Weltbank befindet sich rund einen Kilometer vom Washingtoner Studio entfernt. Wie eigentlich fast alles von Bedeutung in direkter Reichweite des Studios liegt. Die Rauchwolken aus dem Pentagon am 11. September habe man vom Studiodach sehr gut sehen können – per Luftlinie knappe vier Meilen. In der Redaktionskonferenz reagiert man derweil mit Anekdoten auf die Terrordrohung. Beim letzten Terroralarm... habe eine Bekannte einen Nervenzusammenbruch erlitten, ein anderer sei in Panik verfallen, der nächste habe den Alarm verschlafen. Die Heimatredaktion hat Interesse signalisiert und fragt einen Beitrag für die Abendnachrichten an. Die Angelegenheit wird auf die Tagesordnung gesetzt. Dies bedeutet Recherche und Materialsammlung für die zuständigen Journalisten, Einplanung von Schnitt- und Vertonungskapazitäten und, da zusätzlich ein Live angefordert ist, die Produktion eines charakteristischen Aufsagers vor dem Weißen Haus. Die zuständige Studioleitung übernimmt den Beitrag. Weitere Themen, die in der nächsten Zeit auf der Agenda stehen sowie die Planung für eine Liveübertragung am Folgetag werden anschließend abgesprochen. Dass Journalisten eigene Themenvorschläge wie Sauerbier anbieten müssten, um überhaupt einen Programmplatz zu ergattern, sei selten. Wie ein Journalist erläutert, liege dies daran, dass hier eben die Welt-

120

KRAUT ATLANTIK

hauptstadt ist. Und die Weltlage ist die Weltlage. Dementsprechend würden Themen aus den Redaktionen angefragt und abgenommen. Gemessen am Gesamtanteil der Auslandsberichterstattung dominiert in Deutschland die Berichterstattung aus den USA deutlich. So zeigen Studien, dass ca. jede zehnte Meldung in den Fernsehnachrichten USABezug aufweist (vgl. Meckel 1998). Auf den Rahmen dieser Arbeit bezogen zeigen aktuelle Zahlen von 2000 und 2004, dass z. B. das ARDStudio in Washington die rund fünf- bis sechsfache Menge der im Studio Singapur produzierten Sendeminuten aufweist.1 Mit Blick auf die Nachrichtenbeiträge liegt der Output Washingtons ungleich höher: auf jede Nachrichtenminute die in Südostasien produziert wird, kommen im Durchschnitt zehn aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Sommer 2004, im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen ist das deutsche Medieninteresse an den Vorgängen in den USA nochmals höher. Angeblich, so gibt ein Redakteur weiter, seien nach einer Umfrage 80% der Deutschen für den Herausforderer John F. Kerry. Aus Deutschland wolle man einen Beitrag zum Thema. Er habe versucht, dem anfragenden Redakteur zu erklären, dass die Situation hier etwas anders aussähe und die Position der Deutschen keinen wirklich interessieren würde. Es sei schade, dass die Deutschen in den USA nicht wählen dürften, wie einer der Korrespondent ironisch bemerkt. Die Situation vor Ort, so auch die Einschätzung seiner Kollegen an diesem Morgen, sieht nach einem Patt zwischen den beiden Konkurrenten aus, vielleicht noch eher nach einem Wahlsieg für den Amtsinhaber George W. Bush. Darüber hinaus solle man für die weiteren Planungen Barack Obama im Blick behalten. Er sei der kommende Shootingstar, so eine der Producerinnen 2004.

Nah dran in Washington Gelegen an der M-Street in Georgetown, diesem von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützten Washingtoner Stadtteils, liegen die Studios der deutschen Rundfunkanstalten ARD und ZDF. Etwas abseits der Hauptstraße findet man, ausgestattet mit dem Kartenmaterial der Touristeninformation, historisch verbrieft Wohnhäuser und Stammkirchen des Kennedy-Clans, wispern Touristen über die Anwohnerschaft von Madeleine Albright, John F. Kerry und John Edwards. Tagsüber fällt der Blick auf die viktorianischen Häuser, gepflegte Designergärten und Dachterrassen, in manchen Nächten auf schwere Panzerlimousinen, die regelmäßig vor einigen der Häuser dort zu sehen sind. Zur anderen Seite der M-Street ist der Weg zum Potomac-River kurz. Am Fluss angekommen, fällt der Blick auf den Wald gegenüber und das Kennedy-Center 121

NACHRICHTENWELTEN

linker Hand. Versperrte die Route 66 nicht in Form einer Brücke den Blick, könnte man vielleicht bis auf die Washington Mall sehen, die vorbei am Weißen Haus bis zum Hügel des Capitol führt. Neben dieser touristisch sehr reizvollen Lage ist die M-Street zusammen mit dem National Press Building in der 17. Strasse, Adresse vieler ausländischer Medien u. a. BBC, DER SPIEGEL und DPA. Wie nah in Washington alles beieinander liegt wird klar, wenn man diese Strecken mit dem Auto zurücklegt. In einer Viertelstunde passiert man BBC, Weltbank, Dutzende von Forschungsinstituten und Regierungsstellen und nicht zuletzt das Weiße Haus. Die institutionelle Macht ballt sich hier auf engstem Raum. Am Tag der Terrordrohung gegen die Weltbank ist das Team unterwegs zum Weißen Haus. Der Routenplaner berechnet für die Strecke vom Studio aus neun Minuten Fahrzeit. Je nach Tageszeit steht dem die Verkehrslage in Washingtons Innenstadt sehr entgegen, dennoch bleibt es ein Katzensprung. Auf der Fahrt zum Weißen Haus gibt es eine kurze Unsicherheit über das passende Hintergrundbild: Welches ist der bessere Standpunkt? Soll man weiter vor das Weiße Haus fahren oder den Aufsager vor der Weltbank machen? Im Vorbeifahren sind neben den Übertragungswagen einige Menschen mit Mikros und diverse Kameras vor dem Eingangsbereich der Weltbank zu sehen. Die Korrespondentin entscheidet sich nach kurzer Absprache mit dem Kameramann gegen diesen Standort. Beide gehen davon aus, dass man die Weltbank im Kamerabild nicht erkennen kann und dem Zuschauer so kaum zusätzliche Information vermittelt werden können. Die Entscheidung fällt auf den altbewährten Standort. Dieser befindet sich einige hundert Meter weiter auf dem Rasen des Lafayette Parks. Von hier aus fällt der Blick auf das Weiße Haus, wie ihn Millionen Deutsche aus dem abendlichen Blick ins Fernsehen kennen. Die Kamera wird auf dem Gehweg aufgebaut. Die Korrespondentin setzt zu ihrem Aufsager an, äußert sich zu den Drohungen und bewertet die Vorgänge als willkommenen Beitrag für den laufenden Wahlkampf des Amtsinhabers. Einige Touristen fotografieren das Geschehen. Am nächsten Tag wird das Thema des Beitrags wieder im Mittelpunkt der Redaktionskonferenz stehen. Die Bombendrohung hat sich als Ente, non testate, herausgestellt, die Einschätzung der Korrespondentin als richtig.2

122

KRAUT ATLANTIK

Die Meute vor den Pforten der Macht [...] Ein Morgen in Berlin. Hundert Reporter belagern eine schwere Holztür. Sie gehört zu einem klassizistischen Bau, der dem Reichstag gegenüberliegt und in dem sich die Abgeordneten einen Club eingerichtet haben, den sie „Parlamentarische Gesellschaft“ nennen. Darin sitzen Angela Merkel und Guido Westerwelle seit einer halben Stunde zum Sondierungsgespräch, obwohl es nichts zu sondieren gibt, weil es für eine gemeinsame Regierung nicht reicht. Es gibt also eigentlich auch nichts mitzuteilen. Trotzdem stehen vor der Tür Fotografen, Kameraleute und Journalisten und warten. Der Mann von Phoenix erklärt der Reporterin vom Focus, die Deutschen würden gerne nochmal wählen. „Die sagen, diesen Scheiß wollen wir nicht mehr.“ Ein Mann vom Radio befragt eine Studentin, die im Trikot der jamaikanischen Nationalmannschaft erschienen ist. Die Herstellerfirma bezahlt sie dafür, dass sie Politikern ein Hemd übergibt. Westerwelle hat eins genommen, sagt sie, streicht sich über die Brust und meint: „Allerdings ohne Inhalt.“ Ein Kameramann vertreibt eine Reporterin, die vor ihm steht, mit dem Satz: „Ich krieg’ ’nen Harten.“ Ein Pressesprecher der CDU versucht für den Mann von der FAZ eine Gasse in den Pulk zu schieben, scheitert aber an sechs schwäbischen Touristinnen, die für die überregionale Presse auf keinen Fall weichen wollen. „Wir stehen auch schon lange da“, sagen sie. Dann kommt Merkel. Ihre Stimme geht im Klicken der Kameras unter. Hinten brüllen Touristen: „Lauter!“ Vorn schreit die FAZ: „Ruhe!“ Der Mann vom Spiegel sagt: „Mit Zivilisten kann man nicht arbeiten!“ Die Frau vom Fernsehen fragt: „Würden Sie aus Verantwortung für das Land auch darauf verzichten, Kanzlerin zu werden, Frau Merkel?“ Wenn das jetzt schon politischer Journalismus war, lässt sich schwer sagen, ob er funktioniert. Es lässt sich ja noch nicht mal sagen, wie er funktioniert. Bisher hatte man immer gedacht, man begreift die Dinge am besten aus der Distanz. Das trifft auf den politischen Journalismus nicht zu. Aus der Distanz versteht man da nichts. Wahrscheinlich muss man näher ran. Mitten rein. [...]

Quelle: Süddeutsche Zeitung (2005a)

Einige tausend Kilometer von Berlin entfernt in Washington D.C. Dort sitzt die Aktuell-Producerin vor einer Wand aus Bildschirmen und Aufzeichnungsgeräten. Auch hier hat man, wenn auch mit etwas Abstand zum Geschehen, regelmäßig Blick auf eine Meute, die irgendwelche Portale irgendwo in den USA belauern.3 Wo sie sich versammeln wird eingeblendet oder steht in Informationen, die von den Agenturen für ihre Kunden bereitgestellt werden. Vor kurzem lauerte die Meute vor dem Gerichtsgebäude in Santa Katarina, Kalifornien, um einen Blick auf Michael Jacksons Nasenspitze zu erhaschen, als er zu seiner Anhörung im Missbrauchsfall minderjähriger Fans in das Gerichtsgebäude huschte. Bald wird sie vor dem Militärgericht in North Carolina lauern, um einen Blick auf die im Irak-Folterskandal angeklagte Soldatin Lynndie England zu konservieren. Auf einem anderen Monitor steht verwaist ein Sprecherpult mit dem Wappen der US-Regierung. Dort wird sich erst im Laufe 123

NACHRICHTENWELTEN

des Tages eine Meute versammeln. Präsidentschaftskandidat John F. Kerry dagegen befindet sich scheinbar gerade auf einer Wahlveranstaltung in der Provinz, jedenfalls steht er umgeben von Strohballen und Traktoren an einem Mikrofon und zählt die Fehlleistungen seines Kontrahenten auf. Neben Kerry tanzt Michael Jackson auf einem Busdach, eine der Agenturen schickt den Zusammenschnitt des bisherigen Prozessverlaufs über die Leitung, wie sie es an diesem Tag und den folgenden Tagen noch häufiger tun wird. Danach der Kommentar eines Prozessbeobachters zu den neusten Entwicklungen. Hinter den anderen Mattscheiben laufen Börsenmeldungen, werden Unfälle, Überschwemmungen und Proteste von Umweltschützern gezeigt. Abgang Kerry. Dann wieder Kerry. Sein aussagekräftigster Satz war den Agenturen entgangen. Sie hatten sich zu spät zugeschaltet. Kerry spricht die Kernaussage nochmals ins Mikro. Inzwischen tut sich auch etwas an dem verwaisten Rednerpult. McClellan, der Regierungssprecher, tritt ans Mikro.4 Flackernde Monitorwände; Schaltpulte mit Reihen von Knöpfen, die auf Druck neue Verbindungen zu anderen Orten herstellen; Aufzeichnungsgeräte, die das Material konservieren; die surrenden Klimaanlagen zur Kühlung der Geräte. Dieser Feedraum5 erinnert an die von Augé (1994a) beschriebenen „Nicht-Orte“. Mit all seinem Materialfluss birgt dieser Raum viele Möglichkeiten und Wege der Fortbewegung im Strom der Informationen. Der Natur nach ist er transitorisch: Einiges aus dem Strom wird ausgewählt und weiterverarbeitet, Anderes unbeachtet gelassen. Diese Nicht-Orte sind einsame Orte, an denen sich jede der vielfältigen Begegnungen jederzeit ins Nichts auflösen kann (ebd.). So ist der Feedraum dem Prinzip nach austauschbar, unterscheidet er sich nur geographisch von den unzähligen Dubletten in den Fernsehstationen und Studios weltweit. Hier in Washington wie auch in Hamburg, Tokio oder Moskau, stets sind diese Räume angefüllt mit einem Übermaß an Ereignissen. Sie werden zu Exzessen, die dort über die Monitorwände flimmern. Referenzpunkte multiplizieren sich in das Unendliche, Raum wird zu einer Erfahrung, die durch Flüchtigkeit und Geschwindigkeit gekennzeichnet ist. Mit der Masse an Information wachsen Zusammenhänge, Kausalitäten und Erklärungsmöglichkeiten. Der Versuch, all diese Dinge zu erfassen, wird ein immer komplexeres Unterfangen. Und die Geschichte als ordnender Kontext immer schwerer denkbar (vgl. Augé 1994a: 145). Ohne einen strengen Filter ist es kaum möglich, dem Informationsexzess Herr zu werden und sich ein kausales Bild von den Zusammenhängen der Ereignisse zu machen. Haben wir schon alles, kommentiert die Aktuell-Producerin und zeigt auf die Wand voller Videobänder im Nachbarraum. Das aktuelle Archiv. Im Studiokeller füllen diese Bänder etliche Regalreihen. Sie 124

KRAUT ATLANTIK

zeichnet kontinuierlich neues Material zu laufenden Themen auf, der Fall Michael Jackson ist einer davon. Im Falle aktueller Entwicklungen, wie zum Beispiel der Wahlkampagnen, wird ein neues Themenband angelegt. Den Finger am Aufnahmeknopf des Aufzeichnungsgerätes konzentriert sie sich auf den Kerry Auftritt. Eine kurze Notiz über die Timecodes6 der wichtigen Stellen, Ankunft, Großaufnahme und O-Ton. Dass Kerry noch mal ans Mikro tritt, überrascht sie keineswegs – der Kernsatz hat gefehlt. Rasch die Hintergrundinfos der Agentur ausgedruckt, wird das Band in den Schnitt gegeben, wo die Korrespondentin bereits auf das Material wartet. Als McClellan an das Mikro tritt, zeichnet sie routiniert auch dies auf. Man hört Journalisten Fragen stellen, die Antworten des Regierungssprechers. Sie notiert auch hier die Timecodes, markiert die markigsten Sätze und gibt das Band zur Korrespondentin in den Schnittraum. Zwei Mal am Tag zu festgeschriebenen Zeiten bündeln die anliegenden Agenturen das Tagesgeschehen in so genannten newsfeeds. Darüber hinaus ist der Zugriff auf Informationen mit Inter- und Intranet, Abonnements von Agenturen und Archiven, vielen Zeitungen und Affiliates sehr umfangreich und ermöglicht einen Überblick auf das Geschehen weltweit. Die ehemalige Tagesthemenmoderatorin Anne Will hat dieses Arbeitsfeld als „Informationsparadies“ (Mühlenbeck 2002) betitelt, angesichts des ubiquitär scheinenden Zugriffs auf Informationen erhellt sich dieser Kommentar. Die elektronische Wand selbst verdeutlicht das Wesen der aktuellen Räumlichkeit: Man ruft auf, man manipuliert, man kombiniert, man sichert, man löscht: „Ein Zusammentragen von Zeichen des Seins an einer Hier-Jetzt-Wir-Wahrheitssammelstelle.“ (Sloterdijk 2005:395). Allem Anschein nach ist der greifbare Raum zur ignorierbaren Größe geworden, wenn man „das Entfernte körperlich oder in effigie von beliebig weit her ins Hier und Jetzt zitieren [kann]“ (Sloterdijk 2005:394). Mit der Überwindung des Grundmerkmals von Körpern, ihrer Ausdehnung, lässt sich eine Überlagerung des Dreidimensionalen durch das Zweidimensionale, ipso facto der Verortung durch das Bild feststellen (vgl. Sloterdijk 2005:161). Hier tritt der Technikraum an die Stelle des Naturraums. Für den Betrachter ist die Arbeit in Washington durch die Distanz zum politischen Parkett gekennzeichnet. Dauert die Fahrt vor das Weiße Haus gerade mal zehn Minuten, so steht der Korrespondent während seines Aufsagers doch davor. Ebenso selten wie im Weißen Haus, sieht man die deutschen Rundfunkkorrespondenten vor dem Capitol auf Politiker warten oder exklusive O-Töne einholen. Stattdessen geht der Blick aus dem Studio hinaus durch Mattscheiben, die weltweit das Gleiche zeigen (können), ist das Wissen Produkt des haptischen Kontakts der Fingerspitzen mit einer Computertastatur oder etwas profaner, einer herkömm125

NACHRICHTENWELTEN

lichen Zeitung. Natürlich wird eine nur oberflächliche Betrachtung des Tuns kaum ausreichend sein, dennoch führt sie zu gewissen Fragen. Eine dieser Fragen ist angesichts der aus dem Fernsehen so vertrauten Einheit von Korrespondent und Weißem Hauses ganz banal: Warum ist der Journalismus in Washington so weit von der politischen Bühne entfernt? Und welche Konsequenzen hat dies nach Meinung der Journalisten für die Qualität der Arbeit? Im Schnittraum des Fernsehstudios sitzen Korrespondentin und Cutterin zusammen. Ein aktueller Schnitt für eine der täglichen Nachrichtensendungen. Über dem Schnittplatz hängt ein Fernseher, auf dem CNN läuft. Die Cutterin hat das vorhandene Material bereits in den Computer gespeist, die Korrespondentin wartet derweil auf Außenaufnahmen und Bilder, die die Protagonisten des Nachrichtenstücks zeigen. Ohne die Bilder kommt ihr Erzählbogen nicht zustande, fehlt dem Zuschauer die Orientierung. Noch laufen die Bilder über die Agenturen ein. Auch die Standards, establishing shot und close up der Protagonisten, werden dabei sein. Trotzdem sollte das Material hoffentlich noch bis zum Ende des Schnitts eintreffen. Sie schneiden zunächst Mittelteil und Schluss des Beitrags, der Rest der Informationen ist bereits über den Ticker gelaufen. Die Redaktion aus Deutschland ruft durch. Die wollen unbedingt noch Bilder von S.! Die Korrespondentin diskutiert am Telefon, ob es sinnvoll sei, S. in den Beitrag einzubringen, wenn dieser mit dem aktuellen Prozess nur am Rande zu tun hat. Inzwischen hat die Producerin neues Material gebracht. Außenaufnahme, Protagonisten, genau das, was man erwartet hatte. Der Redaktion am Telefon wird erklärt, dass S. nicht in diesen Beitrag passt, natürlich kontextualisiere man das Ganze. Der Text, während des Schnittes von der Struktur in Worte gebracht, wird kontinuierlich an das Bild angepasst, das Bild an den Text: ...kannst du am Anfang noch ein bisschen kürzen? Wenn das 32’’ wär' anstelle von 36’’, dann wär' das besser. Dann kann ich das andere Bild noch zum Schluss nehmen... ja, soll ich jetzt noch mal drüber lesen?... Zwischendrin kurzes Feedback mit der Cutterin – wisse man als Zuschauer eigentlich noch, wie die Beteiligten zusammenhingen? Wer welches Gesicht sei? Was müsse man da wiederholen, was könne man voraussetzen? Ach, ne, entschließt sich die Korrespondentin, das hat meine Mutter doch schon wieder vergessen, und baut die Information in den Text ein. Passt das noch in den vorgegebenen Rahmen von zwei Minuten? 2’15’’ bräuchte man schon. Was sagt die Redaktion in Deutschland: Können wir länger werden? Der O-Ton ist gut. Dann noch zehn Sekunden. 2’10’’. Kriegen wir das so hin? Während die Korrespondentin mit der Redaktion die Länge des Beitrags verhandelt, hat die Cutterin bereits gekürzt, die Reihenfolge geändert und das Bildmaterial an den Text angepasst. Anschließend geht 126

KRAUT ATLANTIK

es an die Vertonung des Beitrags. Auf CNN laufen dieselben Bilder wie auf den Monitoren des Schnittcomputers. Ich frage mich, ob es einen Unterschied macht, die Sachen im Studio oder vor Ort zu produzieren. Vor Ort hätte man einen anderen Eindruck, er wäre lebhafter, man hätte die Angeklagte gesehen, ihr vielleicht was zurufen können, resümiert eine Korrespondentin später, der eigene Eindruck ist immer etwas anderes. Nein, das sei keine Form, die ihr prinzipiell behage. Ich bin nicht Journalistin geworden, sagt sie, um die Bilder anderer zu kommentieren... Augenblicke der Wahrheit „[...] »Amerika lebt in einer Informationsflut«, sagte der Korrespondent von der Süddeutschen Zeitung. »Man ist als deutscher Journalist in Washington wie ein Kind in einem übervollen Süßwarenladen. Nur kaufen kann man nichts, weil die Theke zu hoch ist. Ab und zu kommt ein Erwachsener und lässt ein Bonbon fallen. Von dem zehrt man dann.« Als ein neuer Büroleiter aus Rom nach Washington kam, fragte er den gedienten Korrespondenten, mit wie vielen Senatoren er denn regelmäßig Kontakt habe. Mit keinem war die Antwort. Deutsche Leser sind für die amerikanischen Politiker nicht wichtig. Sie wählen nicht und spenden kein Geld. So ist es schwierig und zeitaufreibend für den Korrespondenten, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Problematischer als die zugeknöpften Politiker in Washington sind die vernagelten Köpfe zu Hause. Der Korrespondent der ZEIT spann einen Faden fort [..], daß nämlich in einer Zeit, als die amerikanischen Medien sich geschlossen hinter den Präsidenten stellten, die europäischen, zumal die deutschen Zeitungen den Vereinigten Staaten einen kritischen Spiegel vorgehalten hätten. Aber ist das in verantwortlicher Weise geschehen? Das Amerika-Bild in den deutschen Medien ist hässlich, die öffentliche Meinung negativ voreingenommen. [...]“ In der deutschen Presse hat sich das Bild der Vereinigten Staaten auf eine Karikatur verengt: Sie sind ein engstirniger, aggressiver Gigant, der von einem inkompetenten, religiösen Präsidenten geführt wird. Schadenfreude über die jüngsten Entwicklungen ist allenthalben zu spüren. Was als legitime Kritik an der Bush-Regierung begann, hat sich als aggressiver Antiamerikanismus festgeschrieben, dem die Korrespondenten in Washington nur schwer gegensteuern konnten: Die Themen werden von den Chefs in Deutschland ausgewählt. Fünf Themen kommen immer an: der dumme Präsident, die Menschenrechtsverletzungen der Amerikaner, die dysfunktionale Demokratie, der krasse Materialismus der Amerikaner und das Versagen der amerikanischen Medien, für die das Wort Gleichschaltung gebraucht wurde. So ist ein homogenes Amerika-Bild entstanden, das keine Schattierungen, keine Variationen zulässt und der Vielfalt des Landes nicht gerecht wird. [...] Es sei wichtig, führte er [der Kollege von der Süddeutschen Zeitung] aus, sich im Gastland in die Kultur zu integrieren, um ein gutes Gespür für dieses immens komplizierte Land zu entwickeln. Denn das ist die Aufgabe des Korrespondenten: die endlose Komplexität Amerikas klug und objektiv zu entfalten.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (2003b)

127

NACHRICHTENWELTEN

Those were these days... Wie eine Producerin erzählt, war die Zusammenarbeit mit Capitol und Weißem Haus nicht immer so unpersönlich. So sei zum Beispiel in den 70ern der Kontakt zu den Politikern viel enger gewesen, hätte man die Telefonnummern zu den Vorzimmern der Macht durchaus in der persönlichen Kladde gehabt. Von Jimmy Carter erzählt sie, von Wahlpartys, dem Vietnamkrieg. Die Akkreditierungen an der Wand ihres Büros untermalen diese Erzählung mit bekannten Ortsnamen und den durch die Jahrzehnte entstandenen Fotographien. Ebenso wie sie gibt es auch heute noch andere Fossile, wie sich eine andere Kollegin scherzhaft bezeichnet. Fossile, die an andere Zeiten und Formen der Berichterstattung erinnern. Früher sei man näher dran gewesen. An der Situation heute ist nach deren Meinung weniger, wie allgemein angeführt, die restriktive Politik des Weißen Hauses ausschlaggebend, als vielmehr der Zeitdruck.7 Dem stimmt auch ein Kollege zu – sich vor Ort zu begeben ist ganz einfach unökonomisch: Rundfunk: Das ist ein Riesenland und selbst hier in Washington – das kriegst du gar nicht gecovert. Ob jetzt Pentagon, Außenministerium, Weißes Haus, verschiedene Press Rooms, Capitol! Und da gibt’s denn auch Senat, Repräsentantenhaus etc. etc. Das heißt, selbst in Washington gibt’s ungefähr – ständig, ständig – sechs Schauplätze. Das heißt also, man kann nicht ständig, 24h wie ein Inlandsjournalist alles abdecken, das ist völlig unmöglich. Da muss man mit den amerikanischen Partnern zusammenarbeiten, genau wie die das mit uns auch tun, für ihre europäischen Stories. [...] Ich sag mal – Weißes Haus, Pressekonferenz. Eigene Drehgeschichten kann man sowieso nicht machen. Das heißt, man kommt unter Umständen rein mit dem Team, das Bildmaterial ist in der Regel Poolmaterial. Für Nachrichten ist die filing Zeit, also der Redaktionsschluss, ist so kurz, dass der Aufwand da hin zu fahren und da zu sein, wenn man ein Stück machen muss – 20 Minuten hin und 20 Minuten zurück, locker 20 Minuten hin! Das sind 40 Minuten. Pressekonferenz, man muss vorher da sein, man muss einen Platz haben etc., etc., etc.... man kriegt keinen Platz, weil man steht irgendwo hinten, man kommt sowieso nicht dran mit dem Fragen. Manchmal kam man dran, das haben wir auch ein paar Mal gemacht, insofern ist das eine Sache, die man abwägen muss. Unter Umständen haben wir es gemacht. Bei Themen, wie den deutschamerikanischen Verstimmungen, die in den amerikanischen Medien nicht unbedingt zur Sprache kamen. Im Vorfeld des Irak-kriegs waren wir bei sehr vielen Konferenzen, um die Fragen zu stellen, die dann andere nicht stellen konnten. Oft waren wir umsonst da. Aber das ist nicht so, dass man sich das immer leisten kann. Wenn man da ist, bedeutet das meistens, man kann kein Stück machen. Man schafft es einfach nicht.

128

KRAUT ATLANTIK

Hier wird der Zusammenhang zwischen dem beschleunigten Informationsfluss und den ökonomischen Zwänge als interdependent geschildert. Je schneller der Puls der Zeit, desto mehr wird die Nachricht zur Ware, die Berichterstattung ökonomisiert (vgl. Boyd-Barrett 1997). In diesem Fall bedingt dies eine intensive Nutzung der Agenturleistungen als alltägliche Notwendigkeit. Zumindest in der alltäglichen Praxis der Rundfunkberichterstattung werden Informationen aus mindestens zweiter Hand übernommen und weiterverarbeitet. Die Praxis, Meldungen selbstständig zu recherchieren oder Informationen zu verifizieren wird üblicherweise durch den Check und Gegencheck der Agenturmeldungen kompensiert.8 Ist eine Nachricht von mindestens zwei Agenturen bestätigt, so der Usus, kann man sie melden. Dieses Effizienzdenken ist dem marktwirtschaftlichen Druck geschuldet. Anders ausgedrückt findet die Freiheit der Berichterstattung ihre Limitationen im wirtschaftlichen Effizienzdenken. Auch wenn dies, wie in dem zitierten Auszug beschrieben, notwendige Alltagspraxis in den Redaktionen ist, ist diese Arbeitsweise unter den Journalisten vor Ort nicht unumstritten. Die Konsequenzen einer solchen ausgeprägten Agenturnutzung karikiert ein Korrespondent aus dem Print. Print: [...] das läuft dann so, etwas stilisiert: die New York Times kommt raus, DPA schlägt die auf. Schreibt das ab, was da drin steht. Übersetzt das. Setzt das in Deutschland auf den Ticker. Irgendein Ressortleiter sieht das auf dem Ticker, wenn er morgens ins Büro kommt. Fängt sofort an zu hyperventilieren. Faxt das an seinen Korrespondenten. Der steht um halb sechs auf. Hat noch vier Stunden Zeit. Keine Chance zu recherchieren. Der muss um 10h fertig sein, vor 9h erreicht er sowieso keinen. Was macht er? Schlägt die New York Times noch mal auf und schreibt den gleichen Artikel noch mal ab. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber solche Fälle gibt’s. A.D.: Wobei da ja davon auszugehen sein könnte, dass der Kollege, der für die Tageszeitung schreibt, die Sache selbst sehr gut einordnen kann, weil er eben selbst schon länger da ist. Print: Wenn er schon länger da ist, klar. Aber es ist einfach... das Problem, wenn du hier alleine bist und nicht zu zweit bist. Ein Großteil der hiesigen Berichterstattung, jetzt Nachrichten, nicht Reportagen, ist einfach abgeschrieben... wenn du um 10 Uhr Redaktionsschluss hast und du wirst morgens um 6 Uhr geweckt aus München, Berlin, Frankfurt, Hamburg. Dann hast du einfach keine Chance mehr. Das geht nicht. Und das ist ... na ja... natürlich ein fundamentales Problem.

129

NACHRICHTENWELTEN

Die Zeitökonomie der Berichterstattung und die damit verbundene Agenturnutzung sind für viele Kritiker Zeichen eines Wandels von der journalistischen Arbeit hin zu einem „Informationsmanagement“ (Dominikowski 1993:46), das journalistisches Handeln von einer Orientierungsfunktion hin zur Sortierung verschiebt (vgl. Kapuciski 2004:63).9 Generell handelt es sich bei den Dienstleistungen der verschiedenen Agenturen um aktuelle Meldungen und Überblicke, aber auch Hintergrundberichte und Reportagen, die von den Redaktionen abonniert werden können.10 Die Bandbreite der erhältlichen Nachrichten lässt sich bei näherer Betrachtung auf einige wenige Quellen zurückführen. Dabei handelt es sich um die wenigen Global Player auf dem Agenturmarkt (vgl. Boyd-Barrett 1997:142). Die Informationsflut kann sich unter diesen Vorzeichen als durchaus homogen entpuppen. Verbringt man einen Nachmittag vor dem Fernseher und schaltet z. B. zwischen den einzelnen Boulevard-Magazinen von ARD, ZDF, SAT1 und RTL hin und her, so geschieht es sehr häufig, dass dieselben Themen mit denselben Bildern und Interviewausschnitten auf vielen Kanälen laufen. In den Hauptnachrichtensendungen kommt dies weitaus seltener vor, da zumindest die Auslandsstudios von ARD und ZDF mit unterschiedlichen Affiliates zusammenarbeiten und daher unterschiedliche Bilder ausstrahlen. Dennoch ist die steigende Verwendung von Agenturmaterial ein diffiziles Thema, verbirgt dies doch schnell den Umstand, dass der Blick in die Welt aus identischen Agenturmeldungen zusammengestellt sein kann. In diesem Zusammenhang überrascht es nicht, dass eigenproduzierte Nachrichten im Zusammenhang des „Geschäfts mit vorgefertigten Nachrichten“ als „wertvoller Aktivposten“ gewertet werden (Stirnberg 1998:152).11 Die ökonomische Gewichtung beeinflusst damit auch die journalistische Praxis der Eigenrecherche und Produktion12: „News agencies contribute,“ so der häufigste Vorwurf, „to the homogenization of the global culture in form and in source, while greatly multiplying the texts available within these standardized discourses. They contribute to the development of local forms which they then incorporate as contributors and as clients.“ (Boyd-Barrett 1997:143). Welchen Einfluss ein restriktiver Zugang zu den Informationen generell habe, hätte sich bereits im Vietnamkrieg gezeigt, so referiert eine Journalistin kritisch im Hinblick auf die journalistische Qualität. Als die deutsche Berichterstattung begann, unabhängiger von den amerikanischen Agenturmeldungen zu arbeiten, hätte sich die Bandbreite der Information merklich verändert und die Bewertung sei insgesamt kritischer geworden.13 Im Zusammenhang mit der Agenturnutzung kann jedoch nicht zwangsläufig von einer Homogenisierung der eigenen Informationsleistung gesprochen werden, wie ein anderer Journalist einwendet.

130

KRAUT ATLANTIK

Print: Recycling von Nachrichten – wenn eine Gesellschaft einen ausgebildeten Medienapparat besitzt, der aufgrund einer freien Gesellschaft funktioniert, warum sollte man sich nicht den Ergebnissen der Medienlandschaft des Gastlandes bedienen? Das finde ich völlig legitim. Sogar notwendig. [...] Das heißt also, für die Urteilsbildung ist die Lektüre der Medien des Gastlandes an sich unverzichtbar und auch die Nachbetung derselben kein Verbrechen. Schwieriger wird’s dann an der zweiten Stelle, wo die kulturelle Übersetzungsleistung dann nicht mehr ... erstens braucht man selber ein Urteil. Man kann nicht nur Nachbeten, man braucht ein Urteil. Das heißt also, in dem Moment, in dem diese Balance zu sehr in die erstgenannte Nachbetabteilung hineingeht, dann gibt’s kein eigenes Urteil mehr. Das heißt: Man muss, glaube ich, in dem Moment, in dem man Aktuelles oder Politisches macht und im Gastland nicht unbedingt – und hier schon gar nicht! – an Originalquellen höherer Provenienz rankommen, muss man eine Verbindung aus eigener Urteilsfähigkeit, die man aus eigener Beobachtung, Interviews, dem „sich-Einklinken-in-den-Prozess“ – das Meiste erfährt man ja immer auf Stehempfängen – dieses mit einer Medienrezeption verbinden. Dazu kommt die kulturelle Übersetzungsleistung, die in jedem drin sein muss. Es geht gar nicht anders.

No Scoops! „Wir haben den Vogelblick, das ist so.“ Im Gegensatz zu den abenteuerlichen Geschichten der Kriegsreporter, in denen sich abenteuerliche, außeralltägliche Situationen aneinanderreihen (vgl. Dominikowski 1993), verweisen das Recycling von Nachrichten und die erwähnten Stehempfänge hingegen auf einen wenig spektakulären Alltag. Rundfunk: Hier im Ausland - das würden vielleicht manche Leute bestreiten ist es doch ohnehin nicht so - wenn man jetzt mal wirklich ehrlich ist - als wenn wir jetzt wahnsinnige, investigative Exklusivstories ausbuddeln könnten! Ich sag immer als Beispiel; Watergate ist nicht von 'nem englischen oder französischen oder deutschen Journalistenpaar ausgegraben worden, sondern von zwei Washington Post-Reportern. Von zwei Lokalreportern, die hier wirklich in der Stadt lebten und arbeiteten. Und die SPIEGEL-Affäre damals ist auch nicht ausgegraben worden, oder enthüllt worden von einem amerikanischen Journalisten, sondern, die ist ausgelöst worden davon, dass der SPIEGEL interne Dokumente vorliegen hatte, die er eben exklusiv hatte. Insofern muss ich sagen – oder Parteispendenaffäre etc. – insofern ist es doch so, man muss schon wirklich in dem Land selber... Nur von der inländischen Presse werden investigative Sachen ausgegraben. Und die ausländische Presse hat ein bisschen mehr den Vogelblick. Egal, ob jetzt Amerikaner in europäischen Ländern oder wir in Paris, Amerika, egal wo. In sofern glaube ich, die

131

NACHRICHTENWELTEN

Nähe... wenn man jetzt einmal ein Interview hat mit Bush... dass das korrumpieren soll ist lächerlich! Weil, man hat jetzt nicht kontinuierlich einen exklusiven Zugang, der abgeschnitten wird. Wo man jetzt Angst haben muss. Man kriegt sowieso keine Exklusivinformationen. Ab und zu gibt’s ein symbolisches Interview.14

Distanz ist erste Journalistenpflicht. Sich nicht gemein zu machen, auch nicht mit einer guten Sache – dieser kategorische Imperativ beschreibt den moralischen Kodex journalistischen Handelns. Angesichts des Vogelblicks scheint der Faktor Distanz den Arbeitsbedingungen in den Vereinigten Staaten immanent. Die Position des Auslandskorrespondenten wird im Gegensatz zum Inlandsjournalismus definiert. Anstelle des Insiderdaseins oder der Korrumpierbarkeit durch Macht rückt der Beobachter in den Vordergrund. What makes them tick?, wie eine Kollegin des Korrespondenten erläutert. In den USA wird dies meist als Versuch beschrieben, neben der Politik aus dem Weißen Haus ebenso den normalen Menschen auf der Strasse zu zeigen und darzustellen. Was denkt denn der Normalo?, so schildert eine Korrespondentin ihre Aufgabenstellung, der Bürger. Der Lehrer, der Schuhputzer, der Farmer. Vielleicht sogar der Mensch, der am Strand von [...] Beach Fahrräder vermietet. Also ganz normale Leute, wie kommen die mit diesem Land, mit dieser Politik zu recht? Und dann gibt es eben sehr unterschiedliche Meinungen. Das ist sehr gut, glaube ich, wenn die Deutschen, die Europäer erfahren, dass es eben kein monolithischer Block ist, der gemeinsam hinter dem Präsidenten steht, der nach vorne prescht. Vorgänge und Entscheidungen der US-amerikanischen Regierung darzustellen und z. B. durch die Stimmung in der Bevölkerung zu kontextualisieren, beschreibt einen vermittelnden, erklärenden Ansatz. Im Allgemeinen wird das eigene Rollenbild generell als das eines Übersetzers oder eines Vermittlers von Weltgeschehen geschildert. Die Aufgabe sei es, die Rezipienten in ihrem Lebenskontext abzuholen und zu den Ereignissen in der Welt zu begleiten. Im Mittelpunkt steht hierbei nicht der Umgang mit harten Fakten oder ein investigativer Journalismus, sondern der Überblick. Einen Block vom Weißen Haus entfernt, in einem der oberen Stockwerke eines Bürogebäudes im Stadtzentrum Washingtons. Fast hätte man einen direkten Blick auf den Sitz des Präsidenten. Aber eben nur fast, es versperrt dann doch ein anderes Gebäude die Sicht, vielleicht liegt das Bürofenster auch einfach nur auf der falschen Seite des Gebäudes. Beim Blick aus dem Fenster zeigen sich typische Bürofassaden, weiter unten auf der Strasse Passanten in den Grau- und Blautönen der Bürokleidung. Einen Block vom Weißen Haus entfernt könnte die umgebende Stadt aus dieser Perspektive ebenso Pittsburgh oder Frankfurt sein. Auch im Ge132

KRAUT ATLANTIK

spräch zeigt sich, dass Nähe durch Handlung bestimmt wird und die Geographie dabei häufig täuscht. Es ist eben nicht immer alles so nah wie es scheint. Print: Die Nähe, die man zu politischen Ereignissen hat, [ist] im Ausland, anders. In Berlin, da rufe ich den Kanzler an, oder habe ich den Kanzler früher angerufen, dann habe ich auch von ihm ’ne Auskunft gekriegt. Ich glaube nicht, dass der Präsident... ich glaube, der wäre sehr überrascht, wenn aus Versehen, ich durchgestellt würde. Also, ich glaube, das kommt nicht vor. Insofern ist man immer ein bisschen in der Fernbeobachtung, was die wichtigsten Protagonisten anbelangt und ist man in der beobachtenden Rolle. Und beantwortet Fragen, die man sich selber stellt, die man der verantwortlichen Figur, dem Präsidenten, dem Außenminister, nicht unbedingt stellen kann. Insofern ist es anders.

„Dem mächtigen Zugriff [...] entrissen“ liest man bei Michel de Certeau (1988:180) in seinen Überlegungen zu Nähe und Distanz aus dem Essay »Die Kunst des Handelns«, steht der Beobachter auf der Aussichtsplattform eines Wolkenkratzers und blickt aus der Vogelperspektive auf die Bewegungen tief unten: „Sie erlaubt es, diesen Text zu lesen, ein Sonnenauge oder Blick eines Gottes zu sein. Der Überschwang eines skopischen und gnostischen Triebes. Ausschließlich dieser Blickpunkt zu sein, das ist die Fiktion des Wissens.“ (ebd.) Das Panorama als theoretisches Trugbild, das nur durch eine Distanzierung von den praktischen Vorgängen zustande kommt. Die Handelnden, deren Handlungen man kontextualisieren soll, leben »unten«, dort wo aus der Vogelperspektive nur noch homogene Umrisse zu erkennen sind und die Sichtbarkeit aufhört (vgl. de Certeau 1999:266). Überträgt man dies, so stellt sich die Frage, wie heterogen das Bild sein kann, das man auf diese Art von den Dingen zeichnet. Wenn de Certeau von einer Fiktion des Wissens redet, die von der Distanz gekennzeichnet ist, so steht dem eine Teilnahme am Geschehen gegenüber (ebd.). Wie stark dabei auch für die Berichterstattung die nationalstaatliche Zugehörigkeit im Vordergrund steht, zeigt sich in der in Folge beschriebenen Relationalität von Nähe. A.D.: Ist Nähe ein positiver Faktor für den Journalismus? Print: Na ja, Nähe kann... weder Nähe ist gut, noch Ferne ist gut. Das heißt, es hat diese... der geographische Raum spielt hier eine weniger wichtige Rolle. Es ist natürlich so, wenn sich ein Kanzler Ihnen öffnet – mit ihm, der war mal hier, da hat er mich eingeladen, dann sitz ich mit ihm im „Villa“, wir trinken Rotwein, er raucht eine Zigarre und vielleicht rauche ich auch eine Zigarre mit 133

NACHRICHTENWELTEN

ihm, wie das so ist. Dann unterhalten wir uns. Wir kennen uns seit 20 Jahren. Nicht besonders gut, aber wir kennen uns. [...] Das ist ein Vorteil der Nähe, weil er sich mir öffnet, wie sich ein amerikanischer Politiker sich mir nie öffnen würde. Dadurch bekomme ich Einblick jenseits des Politikers, den ich für meine Beschreibung und Wertung nutzen kann. Es heißt aber nicht, dass meine Artikel dadurch besser werden, oder informativer werden. Prinzipiell informativer werden. Weil natürlich die Nähe auch binden kann. Ich will nicht sagen korrumpieren, aber sie kann binden. Weil dadurch, dass er sich öffnet, nimmt er Sie auch ein. Das ist der hermeneutische Vorgang. [...] Aber es heißt nichts. Sie können auch einen Reporter, der ohnehin mehr beobachtet, der kann mehr sehen als ich, der ich ihn schon länger beobachte. Und der kann dem auch Nuancen abgewinnen, die ich schon nicht mehr sehe, wenn ich jemanden so gut kenne. Nähe, Ferne, das heißt eigentlich gar nichts. Das ist einfach sozusagen, der Arbeitsgrund. Sonst nichts. Das hilft Ihnen oder das hilft Ihnen nicht.

Nähe und Distanz werden hier zu relationalen Momenten, die Arbeit und Blickwinkel der Auslandsberichterstattung umreißen. Der Nähe-Raum als „psychisches Verhältnis reziproker Beherbergung“ (Sloterdijk 1998: 45) fällt im Beispiel der USA-Berichterstattung deutlich weg. Man ist kein korporealer Teil der Meute sondern steht außen vor. Die hier beschriebene Rolle des Betrachters verweist auf einen Alltag abseits der gewohnten politischen Bühne. Das körperliche und handlungstheoretische Nah dran wird dabei durch das Ausweichen in andere Sphären kompensiert: Es ist nicht die Aufgabe des Korrespondenten, Teil der Meute zu sein. Print: Es ist ein Journalismus, der kann wunderbar sein, weil Sie nicht ständig Stellung beziehen müssen. Sie können den Horizont abschreiben: Einerseits und andererseits und umgekehrt. [...] Präsident Bush war gestern bei Larry King live. Dann schaue ich ihn mir an. Ich kann meiner Neugierde freien Lauf lassen – wie macht er das heute? Funktioniert etwas in Amerika? Welches Gesicht müssen Leute wie er aufsetzen, wenn sie im Fernsehen sind? Welche Haltung nehmen sie ein? Also, ich kann meiner Neugierde freien Raum geben. Und deswegen kann ich, habe ich das Privileg mit frischen Eindrücken dies zu beschreiben. Deswegen komm ich nicht immer zu anderen Urteilen über den Bush, aber ich kann ihm Nuancen abgewinnen, die ich dem Schröder, weil ich ihm viel näher bin und viel besser kenne, nicht abgewinnen könnte. Auch diese Distanz hat Vorteile und ich muss nicht dauernd sagen: der ist blöd oder der ist nicht blöde. Das ist ein großer Vorteil. Also, ich habe versucht, aus dem Mangel an Nähe, den Vorteil der Distanz zu machen. Und das ist mir glaube ich, für meine, wenn ich mein Seelenheil als Korrespondent betrachte, ist mir das zu meinem... hat mir gut getan. 134

KRAUT ATLANTIK

Mittendrin - 9/11 Die sich verändernden Nachbarschaftsverhältnisse der Welt und ihre Rückkopplungseffekte verdeutlichten sich am 11. September 2001 mit zwei Schlägen. Erst kollidierte ein Flugzeug in den Südturm, dann eines in den Nordturm des World Trade Centers. Die Kollision des zweiten Fliegers wurde bereits quer durch die Netze der Agenturen und Affiliates live in das Fernsehprogramm übertragen. Die medialisierte Romantik der Nähe eines globalen Dorfes involvierte die gesamte Nachbarschaft – zunächst als Zaungast: Bei genauerem Hinsehen konnte man auf einigen Aufnahmen Menschen sehen, die aus den Fenstern der Zwillingstürme in ihren Tod sprangen. Im Laufe des Nachmittags und Abends zeigten nahezu alle Kanäle Menschen, die sich von einer weißen Staubschicht überzogen durch einen geisterhaft entstellten Financial District in Manhattan bewegten. Hollywood wurde auf überwältigende Art real. Mit den Meldungen über das in das Pentagon gesteuerte dritte Flugzeug und ein viertes in der Luft von den US-Truppen zerstörtes Flugzeug war man zumindest für einen kurzen Moment mit dem Gefühl des Unfassbaren konfrontiert. „Etwas Schreckliches hat am 11. September stattgefunden, so ist’s, und im Grunde, weiß man nicht was...“ reüssiert Jacques Derrida das Geschehen (Derrida 2004:120). Was er für die Folge des Datums festhält, bestätigt eine Journalistin für den 11. September selbst. Sie könne sich noch sehr gut daran erinnern, an diesem Datum live und im Dauereinsatz gewesen zu sein. Ohne wesentlichen Vorsprung vor der Informationsflut sei der Rückgriff auf das eigene Kontextwissen gefordert gewesen. Klar sei erstmal gar nichts gewesen, bestätigt eine Kollegin. Deutlich nur die Rauchwolken aus dem Pentagon. Live reagierten zunächst rund um den Globus Moderatoren15 und Experten aus ihrem jeweiligen lokalen Rahmen heraus auf das Ereignis in New York und Washington. So war z. B. die aktuelle Berichterstattung von ARD, ZDF und RTL über Stunden hinweg nicht mehr an festgesetzten Zeiten, sondern an den hereinkommenden Meldungen und der Verfügbarkeit von Leitungen orientiert, wurde das Bildmaterial erst im Laufe des Nachmittags nach dem üblichen Standard konfektioniert und in Form gebracht, schien es, als habe der jeweilige Moderator dem Zuschauer gegenüber nur den schmalen Informationsvorsprung, den sich der Blick des Vorlesers gegenüber dem Ohr des Hörers aneignen kann. „Sie sehen hier gerade... Hier sehen Sie nur eine große Rauchwolke und es ist zu vermuten, dass auch hier auf der unteren Ebene noch eine Explosion stattgefunden hat. Genaues wissen wir nicht. Wir sehen nur, so wie Sie, die Bilder live aus New York,“ wie Ulrich Wickert den Einsturz des zweiten Turmes des World Trade Centers kommentierte (vgl. Hickethier 2003:106). Papiergeraschel und Sirenengeheul vermischen sich in die135

NACHRICHTENWELTEN

sem Moment für den ARD-Zuschauer, während Wickert die neueste Meldung durchgibt, dass in Amerika inzwischen ein allgemeines Flugverbot erlassen worden ist und danach selbst kurz verstummt und sich sichtbar sammelt (ebd.). Für einen Moment schien die Chrono-logie die Gatekeeper-These zugunsten des Ereignisses zu widerlegen. Auch wenn die Mutmaßungen über die Hintergründe und Drahtzieher des Anschlags bereits im Laufe des Nachmittags an Osama bin Laden und Al Kaida eine erste Orientierung und Einordnung fanden, behielten die Vorgänge spürbar eine Aura der Nichtaneigenbarkeit (vgl. Borradori 2004:130).16 Das was eintreten könnte, rückte mit all seiner nervösen Undarstellbarkeit in den Vordergrund. Das was eintreten könnte, blieb auch in Folge mit einem nervösen Unterton im Vordergrund. Was jenseits der Nachrichtenberichterstattung in die bis dato sichere Sphäre der USA eindrang, war die postmilitärische Praxis des Terrorismus (vgl. Sloterdijk 2004:89). Plötzlich wurde das gewohnte Dasein durch eine nur schwer fassbare Bedrohung von Außen erlebt (vgl. Zizek 2001) und hinterließ großflächige Ratlosigkeit: Why do they hate us? zitieren einige Korrespondenten die grundlegende Frage, die sich in ihrem amerikanischen Umfeld aufgetan hatte. Mit diesem Moment drang nicht nur eine Ahnung von den Vorgängen im barbarischen Außen in den zivilisierten Westen ein (ebd.), es verkehrte sich ebenfalls die Temporalität hin auf eine Zukunft, der ihre Orientierungsmuster abhanden gekommen sind und per offizieller Sprachregelung irgendwo zwischen einer »axis of evil« und der »indefinite justice« wieder aufgebaut werden mussten. Diese Bewegung erlebten die Korrespondenten in Verlauf und Folge des 11. September 2001 hautnah: sie fanden sich nicht nur im beruflichen Dauereinsatz, sondern auch ganz wesentlich mittendrin in dieser neuen Realität. Plötzlich war man nicht mehr nur Beobachter, wie eine betroffene Korrespondentin erzählt, man war unmittelbar beteiligt. Zum Glück sei niemand von den Kollegen im World Trade Center oder im Pentagon gewesen. Dies hätte aber sein können. Alle hatten dort bereits Interviewtermine gehabt. Das sei plötzlich ganz nah gewesen. Zu nah für einen distanzierten Beobachter. A.D.: Wie hat sich das Arbeitsverhältnis hier nach dem 11. September geändert? Print: Es hat sich psychologisch was geändert. Als ich hierher kam, dachte ich: Es ist wunderbar. Ich bin der Zuschauer. Wie beim Basketball. Der Zuschauer, der auf dem guten Platz sitzt und sich das Spiel auf dem Court anguckt und es beschreibt. Und das genießt und dann darüber schreibt, was er gesehen hat. Der 11. September hat Unsereinem klargemacht, dass es hier keine passiven Beobachter gibt. Sondern es sind alle in derselben Lage. Die Terroristen 136

KRAUT ATLANTIK

machen keinen Unterschied zwischen uns und den Amerikanern. Die Tatsache, dass ich Ausländer bin, schützt mich davor gar nicht. Das war die bleibende Erfahrung, nicht nur vom 11. September, sondern vor allem die Zeit hinterher. Das eigentlich einschneidende Alltagserlebnis war Anthrax. Es gab hier ein zentrales Umschlagspostamt, da kommt auch unsere Post her. Das heißt, auch wir hätten vergiftete Briefe bekommen können. Sei es durch Zufall oder wie auch immer, so wie es gegangen ist. Es war, meine Tochter würde sagen, scary. Und das hat einem klargemacht, das hat mir klar gemacht, ob mir das passt oder nicht, dass ich im Alltag in einer anderen Lage bin. Das hat an der journalistischen Arbeit nicht soviel geändert. Aber im Alltag war ich ganz einfach in der selbem Lage wie die Amerikaner. Der Präsident war auch mein Präsident. Die Entscheidungen, die er getroffen hat und die eventuellen Rückwirkungen auf unser Leben hier, waren eben auch mein Leben. Und ich kann mich erinnern an ein Gespräch, das wir mit Freunden hatten – Amerikanern, einem amerikanischen Ehepaar – und mit denen waren wir mal aus, so um die Weihnachtszeit, und da sagten sie: Welche Vormaßnahmen, Vorsichtsvorkehrungen habt ihr denn getroffen? Was, sagte ich, was? Na, wir alle haben es hier so gemacht, wir haben so was wie einen Fluchtplan. Wenn hier irgendwas los ist. Biologisches oder chemisches Attentat und die Telefone nicht mehr funktionieren, wie am 11.September auch, dann muss einer der Näher dran ist, den Sohn aufpicken und mit dem Auto raus fahren, nach Virginia in irgendein Hotel. Und sie hatten immer Geld und ein bisschen Utensilien im Auto, was man so braucht. Bisschen Kleidung und Kulturbeutel. Und wir waren ganz schuldbewusst, dass wir so was nicht gemacht hatten. Und wir fanden es auch viel schwieriger bei uns, weil meine Frau auf der [...] arbeitet und wir unser Kind auf [...] im Kindergarten hatten. Und haben uns das hin- und herüberlegt und sind nicht so furchtbar weit vorgedrungen. Es war nur klar, raus dann. Irgendwohin raus dann. Und so einen allgemeinen Fluchtweg... solche Gespräche haben stattgefunden. Und das war keine Hysterie. Das war pragmatisches Zweckdenken, wenn denn jetzt wieder was passiert, was machen wir dann? Dann bricht hier alles blitzschnell zusammen, dann müssen wir hier so schnell wie möglich raus. Das sind die Veränderungen nach dem 11. September. Ich war plötzlich richtig hier und nicht nur halb hier. Und der Präsident war plötzlich mein Präsident. Ob ich es wollte oder nicht. Das hat mich auch nicht fröhlich gestimmt. Es konnte man sich nicht aussuchen, das war einfach so.

Die quasi-diplomatische Hoheitssphäre, unter der auch Korrespondenten als Repräsentanten ausländischer Medien stehen, verliert für die Interviewpartner angesichts der Außeralltäglichkeit der Zustände abrupt an Relevanz. Journalisten, die selbst in Kriegsgebieten ähnlich wie das ROTE KREUZ oder der ROTE HALBMOND, im Zuge ihrer Tätigkeit Neutralitätsstatus genießen, befanden sich angesichts der Terrorgefahr ohne den 137

NACHRICHTENWELTEN

institutionellen Schutz ihrer Berufsrolle in der gleichen Situation wie es der Busfahrer, der Getränkeverkäufer und die Nachbarn waren, so eine Korrespondentin. Dichter dran als man eigentlich wollte und gleich noch einen neuen Präsidenten, dessen Politik plötzlich auch ganz persönlich relevant wird – damit steht der Korrespondent nicht mehr über den Zuständen, sondern stattdessen vor der Erkenntnis, Teil des Ganzen zu sein. In diesem Moment hatte man als Person im Alltag, zähneknirschend, die möglichen und der terroristischen Logik nach sehr unvorhersehbaren Rückkopplungen der US-amerikanischen Außenpolitik mit zu tragen. Gleichzeitig war die Identität nach außen, die eines offiziellen Vertreters eines ausländischen Mediums. Eine doppelte Wegnahme der Distanz. Rundfunk: Viele republikanische – wir wohnen in einer republikanischen Nachbarschaft – republikanische Amerikaner fanden das [die offizielle Haltung der Regierung Schröder zum Irakkrieg, Anmerk. A.D.] überhaupt nicht witzig. Das ging soweit, [...] war mal irgendwann bei Bill O’Reilly, Quatsch, das war gar nicht Bill O’Reilly, das war CNN. Da ging’s um die Beteiligung oder Nichtbeteiligung Deutschlands am Krieg. Da fragte tatsächlich in der Morning Show der Moderator: „Did you forget that we got your ass out of the Second World War? Is that the thank you note from Germany?“ – Also, das war schon ’ne harte Zeit für die Deutschen hier. Es war auch so, dass bestimmte Interviewtermine nicht mehr zustande kamen oder es verlangsamt wurde. Das hat sich alles so ergeben, weil die Wahrnehmung von diesem Krieg hier natürlich doch nicht so als 100%ig gerechtfertigt zugenommen hat. Von daher, im Moment gibt es da keinerlei Probleme. Und es gibt hier auch so viele Transatlantiker, so viele Amerikaner, die irgendwie transatlantisch arbeiten, mit Europa, mit Osteuropa verbunden sind, dass es eigentlich hier, dass die Wahrnehmung der Deutschen – wie gesagt, nach der Beteiligung, der Nichtbeteiligung der Deutschen am Krieg – hat sich alles wieder zurecht gerückt. Das war ein kurzzeitiges Problem.

Die Bewegung durch die verschiedenen Orte und Ebenen des Berichtsgebiets wird nicht alleine durch den Korrespondenten bestimmt, wie dieses Beispiel einer Krisensituation verdeutlicht. Auf der Tribüne zu sitzen und sich im Übrigen raus zu halten, funktioniert zumindest in einer gesellschaftspolitischen Krisensituation nicht, deren Bedrohung die politische Unterscheidung zwischen In- und Ausländer aufhebt. Im gleichen Moment ist es gerade ihr Pass, der die Korrespondenten als Repräsentanten für ihren Staat in die Verantwortung nimmt und sie an einer nationalen Identität und Positionierung misst. Dies birgt keinerlei Aussage über die journalistische Qualität ihrer Arbeit, sondern verweist auf die unterschiedlichen Qualitäten die Nähe und Distanz vor Ort ausmachen 138

KRAUT ATLANTIK

können. Angesichts des Ereignisses tritt für einen kurzen Moment eine Multidimensionalität des Vor-Ort-Seins offen zu Tage. Das oft zitierte Vor-Ort-Sein, »being there«, erweist sich für den Krisenfall als ein Mittendrin-Sein. In Folge dessen erscheint der Korrespondent, unterwegs an vielen Orten und auf vielen Ebenen involviert nicht als neutraler Beobachter, sondern als „circumstancial activist“ (Marcus 1995:113): beweglich und flexibel, aber nicht von den Umständen zu trennen.

»Unser Mann vor Ort« Der Wagen des Korrespondenten, der in seinem Auto die Wisconsin Avenue herunterfährt, trägt ein lokales Kennzeichen, im Garten seines Kollegen liegt das Spielzeug der Tochter verstreut. Geschichten über das Anstehen auf den Ämtern für die Sozialversicherungsnummer oder auch über die Turbulenzen, die es in Washington D.C. mit sich bringt, einen Hund aus dem Tierheim zu holen, verdeutlichen das Einwohnen in der Fremde (vgl. Sloterdijk 2005). Ein anderer Kollege verbindet eine Spritztour mit einer dichten Beschreibung der Nachbarschaft. Die zahlreichen Gemeindekirchen, an denen er sein Auto während des Gesprächs vorbei lenkt. Sonntagvormittag, unter dem Läuten der Glocken fände sich in der Umgebung die Nachbarschaft gesammelt vor den Eingängen der Kirche wieder. Nicht die gesamte, wer in welche Kirche ginge sei neben dem religiösen auch ein soziales Bekenntnis erläutert er. Nicht pars pro toto, jedoch ließe sich daraus viel über die Gesellschaft ablesen. Noch mehr allerdings sei es das tägliche Leben in seiner Nachbarschaft, an dem er durch seine Teilnahme am Alltag viel über das Land gelernt habe. Wie die Kinder in den Schulen erzogen würden, eigene Überlegungen, in welche Schule man sein Kind schicken solle: öffentlich, privat oder kirchlich? Einige Jahre vor Ort zu sein, bedeutet auch, sich in seinem privaten Alltag einzurichten. Der Kollege in Singapur hatte es mit dem Terminus Auswandern beschrieben. Das trifft auch auf die zwei, drei, fünf oder mehr -jährigen Aufenthalte in den USA zu. Hier dominiert in den Gesprächen darüber weniger das Auswandern, als die Annäherung (vgl. Heidegger 2006:141ff). Rundfunk: Nach einigen Jahren hat man so viele Freunde, so viele Bekannte, so viele Möglichkeiten mit Amerikanern zu reden, dass man natürlich schon eine ganz andere Schärfe bekommt, eine ganz andere Denkart bekommt. Ich merke schon, dass sich da bei mir was verschoben hat in der Wahrnehmung. Das ist einfach so. Deswegen sind Korrespondenten wichtig. Und nicht entsandte Reporter, die im Zweifel eine Taskforce bilden und einreisen, wenn es brennt. 139

NACHRICHTENWELTEN

A.D.: Können sie diese Verschiebung, die sich bei Ihnen ergeben hat, ein bisschen näher erläutern? Rundfunk: Ich verstehe inzwischen bestimmte Dinge wesentlich besser. Im Sinne von... manche Dinge, die man wusste, die man unterschätzt hat. Ich komm gleich mit Beispielen. Manche Dinge, die man nie für möglich gehalten hat, wie wichtig sie sind, weil man gar nicht auf die Idee gekommen ist. Und das finde ich gerade spannend, in einer Gesellschaft, die der unseren so ähnlich zu sein scheint. Und je länger man hier lebt, desto mehr erkennt man die ganzen Regularien, die es hier gibt, in diesem ‚ach, so unkonventionellen Land’ und stellt fest, dass wir doch sehr weit auseinander sind an einigen Stellen. Ich habe gewusst, dass Amerika religiös ist. Ich habe unterschätzt, wie wichtig die Religion ist und die Religiosität der Leute. Wie wichtig es ist, zu einer Kirche zu gehören. Wie wichtig es ist, am Sonntag zu einer richtigen Kirche mit den richtigen Leuten zusammenzufinden [...] Ich habe ihre Konventionalität zum Teil, zumindest hier an der Ostküste, unterschätzt. Es gibt hier unendlich viele ungeschriebene Gesetze, wie man sich zu verhalten, wo wie zu kleiden, zu reden hat. Das gibt es bei uns so nicht. Und ihre Tierliebe, speziell die Hundeliebe, hab ich auch unterschätzt, die ist schon, um noch mal was Witzigeres zu nehmen, die ist auch schon erstaunlich in diesem Land.

Generell weisen die Korrespondenten darauf hin, dass es neben den üblichen, beruflichen Kontakten zu Eliteangehörigen wie Botschaftsangehörigen, Führungskräften lokaler und internationaler Firmen und Gesellschaften im Ausland etc. auch die alltäglichen Kontakte zu Kindermädchen, Bäcker und Frisör, aber auch Ämtern und Vereinen etc. sind, die Orientierung ermöglichen und ihre Arbeit vor Ort charakterisieren. Jeden Tag 24 Stunden im Einsatz sein, wie es eine Korrespondentin ausdrückt. Die Zeitungen lesen, Radio hören, vor allem aber vor Ort leben. All dies verweist nicht zwangsläufig auf eine tiefe Kennerschaft des Landes; dennoch unterscheidet gerade diese alltägliche Bewegung unter den atmosphärischen Bedingungen vor Ort diese Journalisten von ihren Kollegen in den deutschen Redaktionen. Die grundsätzliche Frage »What makes them tick?« siedelt vermittels dieser unsichtbar-sichtbaren Konditionen in einem praktischen Begreifen von aktuellen Kontexten. Ähnlich wie in Singapur wird dies als eine Frage des Zugangs begriffen. Angesichts des Fokus auf die Nachrichtenberichterstattung liegen die Zugangsmodalitäten auch in der Arbeitsroutine in Washington anders. Producer Als die ehemals im irakischen Abu Ghraib stationierte US-Soldatin Lynndie England in Zusammenhang mit dem dortigen Folterskandal vor 140

KRAUT ATLANTIK

ein US-amerikanisches Militärgericht berufen wurde, stand dieses Thema auch für das Studio in Washington auf der Tagesordnung.17 In der morgendlichen Konferenz wurde die Redaktion von der zuständigen Producerin auf den neuesten Stand gebracht. Eine Korrespondentin des Studios war am Vortag mit einem Team an den Verhandlungsort gereist und für die Live-Berichterstattung direkt vor Ort. Eine andere Kollegin produzierte im Studio gemeinsam mit der Cutterin Beträge aus Agentur- und Archivmaterial, unterhielt Kontakt mit der Kollegin vor Ort. Währenddessen zeichnete eine andere Producerin, die Aktuell-Producerin im Feedraum die ersten Bilder auf und sortierte das Material vor. Trennte Wichtiges von Unwichtigem. Alles mit Blick auf die Uhr und die Deadlines der jeweiligen Sendungen. Weitere Producer recherchierten im Hintergrund an Geschichten oder bereiteten Dreharbeiten vor. »Zeit« ist angesichts des hohen Nachrichtenwerts der Vorgänge gerade in und um das Weiße Haus ein knappes Gut (vgl. Schlesinger 1978). Tatsächlich hat sich aus dieser Zeitökonomie die Praxis einer Streuung von Kompetenzen innerhalb des Teams entwickelt. So arbeiten die Fernsehkorrespondenten in Washington D.C. in ihren täglichen Abläufen eng mit Producern zusammen.18 Im Allgemeinen sind diese locals: englische Muttersprachler oder andere, deutsche, Journalisten, die fest vor Ort leben. Generell recherchieren sie Beitragsthemen und Interviewpartner, akquirieren Bild- und Tonmaterial aus staatlichen und privaten Archiven, führen kürzere Interviews, übernehmen Rohschnitte etc. Prinzipiell ähnelt diese Zusammenarbeit der Zusammenarbeit mit den Stringern in Singapur: das lokale Wissen, zum Teil die eigenen Netzwerke, aber durchaus auch die muttersprachliche Kompetenz ergänzen die ökonomischen Zwänge, die diese Arbeitsteilung erfordern. Dieses Producersystem ist im US-amerikanischen Fernsehsystem fest verankert: „The success of television news programs – regardless of whether they are at the network or the local level – depends on the news gatherers, reporters, and camerapersons. But the ability of the producers, the executive producer, and the line producer are equally important. The producers determine what goes into the nightly news, how much time is devoted to each story, and in what order the stories will appear. The producers determine how many packages and how many voiceovers and readers will be used. In other words, they shape the news broadcast.“ (White 2002:417) Wie eine der Producerinnen erklärt, gibt es im US-amerikanischen System eine Vielzahl von unterschiedlichen Producern. Generell kümmere sich der Producer um die Logistik der Schnittplatz- oder Satellitenbuchungen, die Dreharbeiten, sorge für die Absprachen mit der Sendeleitung aber auch für die Information:

141

NACHRICHTENWELTEN

Producer: Zum Beispiel hier in Washington, die ganzen Journalisten hier – was weiß ich, bei NBC ist man im Weißen Haus oder So-und-So sitzt im State Department. Die haben alle ihre Quellen. Ich meine, ich würde sagen, das sind fast nie »schöne Gesichter«, die haben ihre Quellen. Und das ist ihre Arbeit. Und der Producer sorgt dafür, wenn was von außerhalb kommt: Hey, weißt du was? Ich hab gehört, die und die Entwicklung. Hast du den und den mal gefragt? – Verstehst du, das ist so eine Zusammenarbeit. Zwei Köpfe sind besser als einer. A.D.: Was macht denn der Korrespondent an sich überhaupt noch? Producer: Der telefoniert mit seinen Quellen. Er macht die Reporterarbeit, um zu sehen: Was bedeutet das? Was sind die Reaktionen zu diesen Berichten. Was sind die Einzelheiten? Wer ist befragt worden? Was sind die Reaktionen im Pentagon? Also, er arbeitet journalistisch, trifft sich mit Leuten, bespricht sich am Telefon und der Producer hält inzwischen die Ohren gespitzt auf irgendwelche Entwicklungen, die dann noch die Geschichte betreffen könnten. Und natürlich – da ist immer eine Konkurrenz – weil sie irgendwie vielleicht noch was finden, was die andern nicht wissen. Beide sind dabei zu wühlen und journalistisch die Geschichte zusammen zutragen.

Im US-amerikanischen System liegt der wahrnehmbarste Unterschied darin, dass Producer nur hinter der Kamera arbeiten. Im deutschen Fernsehjournalismus gibt es keine direkt vergleichbare Unterscheidung in On- und Off-Kameraarbeit. Dort wird (grob) in Redakteur, Moderator, Sprecher, Redaktionsassistent und Produzent unterschieden. Wobei letzterer für die finanziellen und logistischen Aspekt der Produktionen zuständig ist.19 In Washington entspricht die Zusammenarbeit mit Producern weitgehend dem US-amerikanischen Modell. Rundfunk: Rein formal ist der Riesenunterschied, dass du in den deutschen Landesstudios alles mehr oder weniger alleine machst. Also, du recherchierst deine Geschichten, du gehst dann drehen und du bist quasi Producer und Journalist und Korrespondent in einem. Hier ist der Riesenunterschied, dass du das Netzwerk von Producern hast, die vieles vorkauen, die viele Vorarbeiten machen, viel Organisatorisches machen und du das einfach nur als Korrespondent zusammensetzen musst. Im Höchstfall. Natürlich machst du auch viel und alles dabei, aber das ist, glaube ich, einer der größten Unterschiede.

Ein Korrespondent macht den Unterschied zwischen der Arbeit in Deutschland und den USA nochmals detailliert klar:

142

KRAUT ATLANTIK

Rundfunk: Ich gebe mal ein Beispiel: eine Drehgenehmigung kriegen. In Deutschland mache ich natürlich alles selbst. Von der Drehgenehmigung, von der Idee, Vorrecherche, Genehmigungen, Disposition zusammenstellen. Drehplan, man fährt raus. Man macht das alles von einer Hand. Dauert dann natürlich wesentlich länger. Es dauert mindestens zwei Tage bis so ein Stück entsteht und das alles geklärt ist. Alleine Drehgenehmigungen einzuholen ist, je nachdem, ob man in China, Georgien, Paris oder Amerika ist oder irgendwo, eine andere Geschichte... Kulturelle Besonderheiten, bürokratische Besonderheiten etc. Sprachlich und so. Deshalb wird das – es gibt auch manche Auslandsstudios, die kleiner sind, da macht das denn eine Sekretärin mit, die teiljournalistische Funktionen erfüllt – aber das Prinzip ist dasselbe: Dass der journalistische Prozess geteilt ist und dass der Kernbereich, für den die Korrespondenten zuständig sind, ist zum Beispiel die redaktionelle Absprache, Auswahl. Die Korrespondenten sind im Prinzip für Bildauswahl, Text, inhaltliches und solche Sachen zuständig. Aber die Producer sind Volljournalisten. Das heißt ganze Bereiche sind im Prinzip arbeitsteilig geregelt.

Der Hinweis auf die Arbeitsteilung gewinnt angesichts der aktuellen Nachrichtenproduktion Bedeutung. Wenn der Zeitdruck innerhalb des Produktionsprozesses steigt, ist häufig auch eine zweite oder dritte Kraft gefragt, die den Korrespondenten quasi notwendigerweise gegen die Uhr im Arbeitsprozess unterstützt. Darüber hinaus funktionieren die Producer wie andernorts die Stringer und Fixer als Türöffner. Dieses lokale Wissen der Producer kommt vor allem den Korrespondenten entgegen, die z. B. als Urlaubsvertretung im Studio sind oder ihren Posten gerade erst antreten. Wie eine Producerin bemerkt, kommen die Korrespondenten in das Studio, haben keine Kontakte und können dann mit ihrer Hilfe aus dem Vollen schöpfen. Auch wenn die Bereiche im Arbeitsablauf nach obiger Schilderung arbeitsteilig getrennt sind, so weist der Korrespondent doch darauf hin, dass der Kernbereich – redaktionelle Absprachen, Auswahl und Text, also Inhalt und Aussage – für den Korrespondenten reserviert ist. Dies steht im Kontrast zum amerikanischen System und lässt auch die Frage offen, wie die Bezeichnung Volljournalist in Bezug auf die journalistische Kompetenz zu verstehen ist. Rundfunk: Das heißt, die verstehen sich schon als eigenständige Journalisten, die die Beiträge zwar nicht selber machen können und auch nicht sollen – könnten, vielleicht sogar - sondern, die aber auch selber drehen, Interviews machen etc.

Producer wirken unterstützend, dabei ist ihre Autorität in den deutschen Studios, gerade im Vergleich zum ursprünglichen Producersystem der 143

NACHRICHTENWELTEN

USA, jedoch stark eingeschränkt. Zwar produzieren die Producer bei US-amerikanischen Sendern keine eigenen Beiträge und erscheinen nicht vor der Kamera, jedoch wird ist ihre Identität als Volljournalist dort nicht angezweifelt. Producer: Das ist so ein Zwitter. Sie müssen sich auf dich verlassen. Wie auch bei den amerikanischen Journalisten, sie haben nicht die Zeit zu recherchieren. Und oft natürlich, kommen sie in das Landesstudio und haben die Kontakte nicht. Aber dann, ist das ... können sie dann aus dem Vollen schöpfen und machen dann aus... Sie sind die Instanz! Nicht? Es gibt keine – das gibt’s im amerikanischen natürlich auch – Streitereien zwischen Producer und ... immer so hin und her: Ne! Ne! Ne! – und das geht natürlich mit dem deutschen System nicht.

Die Korrespondenten sind die Instanz. Damit ist die Hierarchie klar umrissen. Oder wie ein anderer Journalist diese Praxis kritisch zusammenfasst: Ein kleiner Zeitungsausschnitt und einige Tage später ist die Liste mit Taxi, Hotel, Gesprächspartner und allem anderen fertig. Das Ganze hat Convenience-Charakter und birgt die strukturellen Züge des Althusser’schen »Apparatus« (vgl. Pedelty 1995). Tatsächlich sagt dies wenig über den Umgang mit diesen bestehenden Machtverhältnissen aus. Dennoch kann man aus diesen Aussagen herauslesen, dass sich die Zwischenräume im Gegensatz zum amerikanischen Modell verschieben. A.D.: ...wie auch immer: die Producer wählen ja aus. Wenn sie schon zwei Tage vorher drehen gehen oder wenn sie die Kontakte schaffen, sind es ja deren Kontakte. Inwiefern verändert das den Zugang zum Thema? Verlässt man sich dann völlig auf die Person oder... Rundfunk: Kommt darauf an. Das ist wieder mal ganz, ganz individuell, wer das macht. Es gibt Leute, auf die ich mich verlasse im Büro. Es gibt Leute, auf die ich mich sicherlich nicht verlasse. Man spricht natürlich so oder so, egal mit welchen Personen man arbeitet, die Gesprächspartner, die Interviewpartner genau durch: Was kann wer liefern. Was hat der für eine Stellung? Was kann er beitragen dazu? Wie kritisch ist sie? Wie willig ist sie mit uns zu reden? All das wird ja vorher besprochen. Und wenn’s gut läuft, und es gibt hier einige, wo man das auf Augenhöhe, das Ganze, macht, lasse ich es auch soweit laufen, dass ich zum Beispiel gar keine Fragen rausgebe. Und sage einfach, das und das ist das Thema. Das können die. Bei anderen ist es so, dass ich gezielt 10 Fragen aufschreibe und sage, wenn du da was drüber hinaus hast, wunderbar.

144

KRAUT ATLANTIK

„Because I talk to you folks...“ Als eine Redaktion aus Deutschland anfragt, ob es dem Studio möglich wäre, einen Polit-Experten zum Thema Terrorismus zu interviewen, geht dies an eine der lokalen Producerinnen. Die anfragende Redakteurin hat selbst einige Zeit im Studio verbracht und dementsprechend konkrete Wünsche, wer das Interview geben soll. Dieser Wunsch führt in einen der lokalen Think Tanks.20 Dieser ist professionell auf die Zusammenarbeit mit den Massenmedien eingestellt. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses findet sich ein komplett ausgestatteter Studiobereich. Die Sessel für Interviewer und Interviewten stehen an der richtigen Stelle, der Hintergrund ist mit einer Bücherwand ausstaffiert und auch das Studiolicht ist bereits eingeleuchtet. Das Team stellt nur noch die Kamera am vorgesehenen Ort auf und schließt den Ton an. Die einheimische Producerin hat mir vorab erklärt, dass es für sie bei diesem Interview weniger darauf ankommt, genau die Fragen zu stellen, die sie von der Redakteurin per Email bekommen hat, sondern genau die Antwort zu produzieren die in Deutschland erwartet werde: ...normalerweise geben sie mir Fragen, aber die ignoriere ich. Ich lass mir sagen, was sie hören wollen und bringe ihnen genau den soundbite den sie wollen. Das ist ein simples Spiel. Es geht darum, den soundbite zu bekommen, den man bestellt hat... Als der Experte den Raum betritt – er kommt gerade von einem Radiointerview nebenan – kommt es zu einem kurzen Händeschütteln zwischen allen Beteiligten, man kennt sich aus vorangegangenen Interviews. Es gibt eine kurze Vorabsprache, das Thema wird umrissen, der Verwendungszweck erläutert, dann beginnt das Interview. Der Wissenschaftler bringt die Problematik auf einen einfachen Nenner und spricht sehr bewusst aus dem Fenster heraus, wie er es später bezeichnen wird: Solang der Prozess in Hamburg öffentlich sei, gäbe es keine Chance, dass die US-Regierung ihre Informationen publiziere. Diese Frage kollidiere mit der eigenen Sicherheit. Nach US-Meinung dürfe man den Terroristen keinerlei Material in die Hand geben. Vor allem kein geheimes Material, das absehbar macht, wie viel man über den Feind weiß. Nach Ende des Interviews distanziert sich die Producerin deutlich von den Fragen, die sie gerade gestellt hat: ...They want to know... I wouldn’t have asked these kind of questions... Ihr Gesprächspartner weist ebenso darauf hin, dass er sich dessen bewusst ist und gerade deshalb bemüht war, in seinen Aussagen für ein deutsches Publikum verständlich zu sein. ...because I talk to you folks. Most Americans don’t even know this trial is going on… Diese Trennung in Ich und Sie ist ebenso bezeichnend wie der Hinweis, dass sich die Producerin nicht an die Fragen hält - und die Ergebnisse dennoch bekommt. »What makes them tick?« ist ganz offenbar eine 145

NACHRICHTENWELTEN

Fragestellung, mit der sich auch die lokalen Mitarbeiter auseinandergesetzt haben und entsprechend kompetent in die Praxis umsetzen. Letztendlich stoßen mit den Wünschen der Auftraggeber auch zwei Formen journalistischer Praxis aufeinander (vgl. Pedelty 1995:12ff). Ein anderer Producer gibt in diesem Zusammenhang ein grundsätzliches Unbehagen über das Interieur des deutschen Journalismus wieder. A.D.: Was sieht der Producer denn? Du hast gesagt, du kennst Leute, die den Kopf geschüttelt haben, wenn sie gesehen haben, was aus ihren Stücken geworden ist. Was sind das für Sachen? Worüber schüttelt man den Kopf? Producer: Sie schütteln den Kopf nicht, weil die Korrespondenten irgendwelche falschen Fakten gebracht haben oder irgendwas fabriziert haben, aber weil sie eben ihre deutsche Denk- und Sichtweise haben. Die Betrachtungsweise bleibt deutsch. Verstehst du? Für mich zum Beispiel, wenn du amerikanische und deutsche Berichterstattung vergleichst – Amerikaner haben viel mehr O-Töne in ihren Stücken. Weil sie nicht selbst bewerten können, dürfen. Du musst dich in der Auswahl deiner Worte immer auf andere berufen. Und wenn Kritik kommt, muss die von jemand anderem kommen, nicht vom Journalisten. Wen interessiert der Journalist? Das ist seine Meinung, das ist er. Die Hauptdarsteller, das sind die entscheidenden O-Töne. Und das ist in Deutschland im Fernsehen anders. Da gibt’s lange Texte und der Korrespondent erzählt, gibt eine Beurteilung der Lage. O-Töne sind selten im Vergleich. Das sind ganz verschiedene Machweisen zwischen, ich sag mal ganz im Groben, deutschem und amerikanischem Fernsehen. Und die amerikanischen Producer [...] Ich glaub das ist – wie soll ich es sagen? Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die deutschen Journalisten ihre Rolle so sehen, dass sie alles beurteilen müssen. Dass sie dem Zuschauer mitteilen sollen, wie er ... der braucht nicht die Fakten, der braucht eine Einschätzung. Und dann musst du eben auch sagen: Das hier ist gut oder nicht gut. Das hier ist Fortschritt oder eben nicht. – Eben beurteilen.

Radio Montenegro oder andere Zugänge Mit einem der Printkorrespondenten bin ich in der Innenstadt von Washington zum Lunch im Restaurant The Palette verabredet. Wie alles in der Innenstadt ist auch dieses Lokal nicht weit vom Weißen Haus entfernt. In vielerlei Beziehung, wie sich herausstellt. Hier, so erzählt der Journalist, habe man damals die noch minderjährigen Bush-Zwillinge Jenna und Laura erwischt, als sie versuchten an Alkohol zu kommen. Heute sind allem Anschein nach keine prominenten Mitglieder der Familie Bush anwesend. Einige Tische sind besetzt, meist Männer um die 40 146

KRAUT ATLANTIK

in Anzug und Krawatte, kein ungewöhnlicher Anblick zur Mittagszeit. Einige der Gäste unterhalten sich leise. Tatsächlich liegt dem Restaurant die Redaktion der altehrwürdigen WASHINGTON POST gegenüber. Wolle man die wirklich interessanten Geschichten hören, so müsse man den newsroom gegen die Bar nebenan eintauschen, heißt es (vgl. Kramer 1995). Eine Normalität, wie sie in Gesprächen auch für Berlin, wahrscheinlich auch Brüssel oder London beschrieben wird. Was an dieser Beschreibung dran ist, ist für eine Außenstehende wie mich zunächst nicht nachvollziehbar. Wenn hier interessante Neuigkeiten ausgetauscht werden, so geschieht dies offensichtlich unter vier Augen. Ungeachtet dieser Beobachtungen macht der Korrespondent im Gespräch jedoch auf etwas anderes aufmerksam. So sei es in den USA besonders, dass der politische Kommunikationsprozess auch abseits von Bars und offiziellen Regierungsgebäuden stattfinde und – generell offiziell zugänglich sei. Überhaupt verhalte es sich mit dem Zugang nicht schlechter, sondern eben nur anders als in Deutschland. Print: Vielleicht so rum: Ich war am Anfang sehr enttäuscht, dass man hier keinen Zugang hat. In Deutschland bin ich es gewöhnt, wenn man ein Thema hat, recherchiert man das Thema und befragt die Leute dazu. Wenn das Regierungsleute sind, dann geht man zu Regierungen und fragt die Regierung. Das geht hier nicht. Sie können da nicht irgendwo anrufen. Sie können nicht einfach im Pentagon anrufen und da einfach irgendjemandem was aus der Nase ziehen. Funktioniert nicht, im Weißen Haus auch nicht, usw. Erstmal habe ich festgestellt, dass das hier so der Radio Montenegro Effekt ist. Wenn du von einem deutschen Medium bist: „How do you spell that?“ Also, dann ist das auch aus Deutschland; das ist weit weg; dann gibt’s hier 150 verschiedene Länder, die hier Korrespondenten haben... BBC vielleicht gerade noch – das kann man noch nachvollziehen, weil die noch Englisch sprechen und schreiben... also, dass man da ganz am Ende der Schlange ist, das muss man erstmal verkraften. Dass man damit eine ganz andere Arbeitsweise braucht. Dann stellt man aber fest, so nach ein paar Monaten, dass es einen unserer Gesellschaft in Tiefe, Breite, Ausprägung überlegenen politischen Kommunikationsprozess gibt, in den man sich einklinken kann. In den man sich, zumindest wenn man in Washington sitzt, ausgezeichnet informiert fühlen kann, ohne diese exklusiven Zugänge zu haben. Dann in der dritten Phase stellt man fest, dass es eigentlich eine Frage der Zeitinvestition ist, dass man auch die Zugänge finden kann – wenn man nur lang genug da ist. Auch als Radio Montenegro-Angehöriger. [lacht] Und das sind sozusagen Phasen des Erkenntnisprozesses über das, wie es hier abläuft.

Neben den Rundfunkmedien haben die Vertreter des Print, die selten oder gar nicht mit Producern arbeiten, andere Probleme und Wege des 147

NACHRICHTENWELTEN

Umgangs gefunden. Radio Montenegro. Wen interessiert das schon? Eine andere Anekdote ist die Frage eines US-amerikanischen Politikers, wie viele Wählerstimmen man denn repräsentiere. Beide Umschreibungen fokussieren das gleiche Problem: Ist man es in der heimatlichen Politberichterstattung gewohnt, unter dem Label seines Mediums oder in Einzelfällen auch durch die persönliche Reputation etwas darzustellen, stößt man in den USA auf den Umstand, dass man als einer unter vielen relativ bedeutungslos ist. Wie Herlinde Koelbl (2001) gezeigt hat, ist das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus von einer gegenseitigen Abhängigkeit gekennzeichnet. Diese referiert auf einen autostressierenden Gedanken (Sloterdijk 2005:223), vermittels dessen kohäsiver Wirkung sich die ko-isolierten Einzelteile als Kollektiv verräumlichen (ebd.). Teil einer Bewegung zu sein, ist von bestimmten Kriterien abhängig. In diesem Fall, der Zugehörigkeit zur vierten Macht im Staat. Gehört man nicht zu diesem Kollektiv, bleibt man außen vor. Mag es sich bei dem sphärologischen Horizont auch um Imagination handeln (vgl. Anderson 1985), in der Alltagspraxis hat sich diese quasi naturalisiert. Für den deutschen Staat lässt sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes der Auftrag der Presse ablesen, als Instrument einer freiheitlichrechtlichen Demokratieauffassung zu informieren, bilden und zu unterhalten (vgl. Branahl 2002). Da die Herstellung von Öffentlichkeit als Grundlage für die Meinungsbildung innerhalb der Gesellschaft und die Teilnahme an politischen Entscheidungen betrachtet wird, kommt den Medien nach gebrauchsrechtlicher Auslegung die Aufgabe zu, umfassend, objektiv und verständlich zu berichten, damit sich die Bürger ein möglichst genaues Bild von den gesellschaftlichen Zuständen, besonders hinsichtlich der Politik machen können (ebd.). Aus dem Ausland heraus verhält es sich mit dieser „autoplastischen Kommunikationsfunktion“ (Sloterdijk 2005:261) etwas anders. Im Falle der Auslandsberichterstattung befindet sich der Korrespondent per Definition außerhalb des Staates, in dem das Informationsorgan sitzt. Anders ausgedrückt – die Öffentlichkeit eines Landes orientiert sich gewohnheitsmäßig nur am Rande an der Meinung der ausländischen Presse (vgl. WELTBÜHNE 1924). Dieser bereits von Korrespondentenkollege Kurt Tucholsky vor mehr als 80 Jahren bedauerte Umstand, legt nach Meinung dieses Journalisten jedoch nur den Maßstab, nicht den Umgang damit fest. Trotz des Abstands zur politischen Hauptbühne sei es möglich, Zugänge zu den Nebenbühnen und Foyers zu erschließen, je nachdem wie viel Zeit man investieren könne und wolle. So fährt er fort, nutze man speziell lokale Think Tanks mit ihren verschiedenen Forschungseinrichtungen zum Einholen von Expertenmeinungen und -statements. Man verfolge deren Publikationen, die der anderen Denkfabriken, kontaktiere dort zuständige Stellen usw. 148

KRAUT ATLANTIK

Print: Frühstücke, Luncheons in einer Frequenz, wie ich das noch nie gesehen habe. Es gibt auch eine viel größere Durchlässigkeit zwischen Akademikern und Regierung und eine viel bessere Beratungstätigkeit von Akademikern und Halb-Akademikern und politisierenden Think Tankern zur Regierung rein, diesen umgekehrten Weg. All das gibt es bei uns nicht. Bei uns ist Außenpolitik, da hast du das Außenministerium und noch die Stiftung Wissenschaft und Politik, dann ist Schluss. Ja, du findest ja gar keine Fachleute. Hier die ganze Stadt ist voll von Fachleuten. Und über die und deren Schattenregierung kommt man auch wieder an die Regierung ran. So klinkt man sich in einigen wenigen Bereichen, auf die muss man sich konzentrieren, klinkt man sich in diesen Fachleute-Prozess ein und ist ab irgendwann exzellent informiert. Erstmal ist man exzellent informiert, danach hat man auch irgendwann die Zugänge. Kurzum, es ist ein anderer Prozess, aber im Grunde ist er einer, der einen mindestens genauso gut informiert wie das in Berlin möglich wär'. Nur der Ablauf ist anders. Und außerdem ist die Informationsdichte und die Expertentiefe hier viel größer als bei uns, in sozusagen allen Feldern.

Der Korrespondent zeigt Alternativen zur Informationsbeschaffung und zum Aufbau von Hintergrund- und Expertenwissen auf, die ebenso wie die genannten Alltagskontakte zu Bäcker, Kindergärtnerin, zu in- und ausländischen Kollegen, nur geographisch vor Ort und im direkten Kontakt herzustellen sind. Andere Zugänge als sie per Internet und Agenturleitung möglich sind. Das Eindringen in den politischen Alltag, die Informationsbeschaffung jenseits der Agenturmeldungen selbst, vollzieht sich in anderen Kontakträumen – wenn man über gut vernetzte Producer verfügt oder die Zeit hat, diese zu betreten.

Media and Politics in the US and Germany Bei einem dieser Luncheons sitzen eine Handvoll deutscher Journalisten im AMERICAN INSTITUTE OF CONTEMPORARY GERMAN STUDIES (AICGS), einem der vielen Institute, die unter dem Dach der Brookings Institution, einem liberalem Think Tank, laufen. Die Medienvertreter wurden von den Mitarbeitern des AICGS kurzfristig angeschrieben und eingeladen, zum Teil wurde das Treffen nochmals per Anruf in Erinnerung gebracht. Der Zugang zu diesen Think Tanks erfolgt häufig seitens der Organisatoren per Pressemitteilung. Nicht nur sind die Medienvertreter an vielen Stellen offiziell geführt, auch werden je nach Institut deren Veröffentlichungen rezipiert und z. T. auch dort präsentiert.21 An diesem Tag sind u. a Vertreter der WASHINGTON TIMES, WIRTSCHAFTSWOCHE, von ZDF und N24 anwesend. Sie diskutieren mit Wissenschaftlern des Instituts die Frage, inwieweit die Berichterstattung die 149

NACHRICHTENWELTEN

brisante Kommunikationssituation während der Irakkrise beeinflusst hat. Diskussionsgrundlage ist die jüngste Veröffentlichung von Karin Johnston, Mitarbeiterin des Instituts: „Clashing Worlds and Images: Media and Politics in the United States and Germany“ (Johnston 2004). Darin beschäftigt sich Johnston mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis vor und während der Irakkrise und fragt, ob die Medienberichterstattung Teil des Problems ist. Sie hat für das Jahr 2004 in den deutschen Medien eine anhaltende Negativberichterstattung gegen die Politik und Person George W. Bushs festgestellt. Dies spiegelt ihrer Meinung nach vor allem grundlegende gesellschaftliche Unterschiede wider, die von den eigentlich unabhängigen Berichterstattern nicht kompensiert wurden. Nun stellt sie auf dem Luncheon die Frage, wo in der Berichterstattung die Grenze zwischen Balance und Bias liegt.22 Im Gegensatz zu großen Konferenzen und Symposien tauschen sich ein halbes Dutzend deutscher und amerikanischer Medienvertreter gut eine Stunde mit Wissenschaftlern des Instituts zwischen Häppchen und Getränken über die Frage von Karin Johnston aus. Waren die Medien in der Irakkrise ein Abbild der öffentlichen Meinung oder haben sie die öffentliche Meinung beeinflusst? War die Berichterstattung noch objektiv? Es geht um Wahrnehmungen, aber auch eigene Erfahrungen. Und es geht hitzig hin und her. Embedded Journalism? – Embedded Journalism! – Cheerleader! – After September 11th, I don’t see the same effect on the Germans in Germany. – You better give the Geneva Convention to the soldiers. Or even better to the Foreign Politics Department! Offenbar hat jeder eine andere Meinung zum Thema. Lediglich in der Frage, wessen Berichterstattung die größere Bias berge, ist man sich einig, dass es die Anderen sind. Es zeichnet sich ab, dass die Reflektionen über transnationale Themen stark von einer Reflexion der eigenen nationalen Zugehörigkeit beeinflusst werden – oder zumindest in jedem Journalist noch eine Privatperson mit eigener Meinung lebt. Dafür herrscht jedoch in einem anderen Punkt ein deutlicher Konsens. Die anwesenden Journalisten der deutschen Medien von Print, Privat und öffentlich-rechtlichem Rundfunk stimmen darin überein, dass die Irakkrieg-Berichterstattung grundsätzlichen durch einen Konflikt innerhalb des eigenen Produktionsprozesses gekennzeichnet war. Gerade in der Phase vor und während des Irakkriegs hätten sie erhebliche Schwierigkeiten in ihrer täglichen Arbeit. Ob Frankfurt, Düsseldorf, Mainz, Hamburg, Berlin – bei der Interpretation der Agenturmeldungen und Nachrichten seien die Redakteure in Deutschland prinzipiell anderer Meinung als sie selbst gewesen. Man hätte den Redakteuren in Deutschland ständig und immer wieder erklären müssen, dass sie die Lage falsch einschätzten, dass gewisse Dinge nicht so, sondern anders seien. Während an diesem Nachmittag transatlantische Wahrnehmungsschwie150

KRAUT ATLANTIK

rigkeiten und Übersetzungsproblematiken an das Tageslicht kommen, konnte kein Konsens über das eigentliche Thema, die Anzeige- oder Verstärkerfunktion der Massenmedien hergestellt werden. Die Veranstalter bewerten das Treffen trotzdem als Erfolg. Als Theoretiker konnten sie ihre Thesen mit Praktikern diskutieren und neue Impulse für die weitere Forschung gewinnen. Wird die Aufgabe des Korrespondenten generell als die des Mittler und damit nah am Imperativs beschrieben, sich mit keiner Sache gemein zu machen, so lassen die Kommentare der Korrespondenten auf dieser Veranstaltung vermuten, dass die eigentliche Konfrontation nicht im Kontakt mit dem Gastland zu suchen ist. Bei einem Lunch abseits des Think Tank greift einer dieser Journalisten die Diskussion über die Irakkriegberichterstattung nochmals auf: Print: Ich weiß nicht, ob du das schon gehört hast – das Problem hier und im Moment ist hauptsächlich, dass die Korrespondenten fast durch die Bank Amerika-freundlicher sind als ihre eigenen Ressortleiter und Chefredakteure. A.D.: Ich hab gehört, dass die Chefredakteure alle zu Amerika-feindlich sind. Print: Ja. Sie sind zumindest – und das hab ich von fast allen gehört, das sagen die auch die Leute von der [...] oder vom [...] oder was weiß ich was, aber das im Grunde Amerika-freundliche Berichterstattung nicht gewollt ist. Da gibt’s auch noch Unterschiede, glaube ich. In den Wirtschaftsressorts ist das ganz anders als in den Feuilletons. Das Problem ist, wenn du Tokio-Korrespondent bist oder so, dann ist es natürlich so, dass dein Ressortleiter, dein Chefredakteur, deine Einschätzung für irgendwas akzeptiert. A.D.: Aber Japan ist zumindest eine genauso starke Wirtschaftsnation? Print: Ja, aber... erstmal ist sie lange nicht so stark und dominant. Und Amerika ist ja nicht nur wirtschaftlich so stark, sondern auch in allen anderen Bereichen. Ob das Politik, Kultur, Sport ist. Das ist eine andere Liga, Japan. Und Japan ist natürlich auch noch fremder, irgendwie. Aber ich hab noch nie erlebt, dass ein Chefredakteur, Ressortleiter sagen würde: Ne, ich teile diese Einschätzung meines Tokio-Korrespondenten über das, was in Japan passiert, nicht. Das hast du hier in Amerika ständig. Weil die Nation natürlich voll ist von Amerikaexperten. Da gibt’s keinen einzigen, der nicht Amerikaexperte ist. [...] A.D.: Ist das was Produktives, wenn dir ständig einer reinredet? Print: Ne, natürlich nicht.

151

NACHRICHTENWELTEN

8 0 M il l io n e n B er t i V o g t s o d er wa r u m a l l e d e n K o r r es p o nd e n t e n i n J a p a n b e n ei d e n Ob die Journalisten vor den Monitoren sitzen, über die täglich hunderte von Agenturmeldungen laufen, den Zugriff auf eine Vielzahl von Zeitungen, Archiven und Informanten nutzen, sich in Denkfabriken und auf Stehempfänge begeben: das journalistische Leben in Washington siedelt in einer üppigen Informationsvielfalt. Trotz des Überflusses hat diese Situation generell einige Mängel aufzuweisen. Nach Aussagen der Journalisten in der Hauptsache den, dass man diese Vielfalt dank des technologischen Fortschritts teilen muss: in den Hamburger, Mainzer, Kölner, Berliner Redaktionen kann man sehr leicht zeitgleich dieselben Bilder über die Monitore flimmern und dieselben Informationen über den Ticker laufen lassen. Auch per Internet ist es unerheblich, von wo aus man auf die aktuellen Ausgaben der WASHINGTON POST, NEW YORK TIMES, die Salons und Nachrichtenforen etc. zugreift. Die technologische Entwicklung lässt den Raum schrumpfen und rückt die Redaktionen in die Nähe des Geschehens. Für einige Korrespondenten vor Ort ist dies zuviel der Nähe. Print: Das ist der Punkt, auf den ich kommen möchte. In einer Gesellschaft, die immer mehr elektronisch... also, wir haben mehrere elektronische Schritte in den letzten Jahren, wir haben eine gewaltige Medienverschiebung erlebt. Die begann mit dem CNN-Moment, dass man jeden Krieg live in Düsseldorf, Tel Aviv und in Saudi Arabien erlebt und sich über Videoclips, die live eingespielt werden, einbildet man sei dort und wenn man einen Satz von irgendwo gehört hat, glaubt man auch, man sei dort gewesen und wisse auch irgendwas, was da ist. Das ist die Vorspiegelung von Kenntnis, die im Grunde über diesen CNNProzess eingesetzt hat. – Und der zweite große Schritt war das Internet. Wo sich heute jeder aus irgend einem Positionspapier, das irgendjemand, über irgendeinen Think Tank in Washington zu jeder Zeit aus Hamburg, München informieren kann. Und die Verbindung zwischen Internet- und CNN-Zeitalter hat den Glauben von Redaktionen in der Ferne und das Selbstbewusstsein der dortigen desk-editors ins Unermessliche gesteigert: Sie wüssten was anderswo los ist.

Unausgesprochen trägt der Umstand, dass nicht nur die Korrespondenten, sondern auch ihre Kollegen in Deutschland der englischen Sprache mächtig sind, nicht wenig zu dieser Situation bei. Ironischerweise verbinden sich hier die Vorteile der Globalisierung – verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten und die Liberalisierung des Informationsflusses – mit dem hohen Nachrichtenwert Washingtons zur Crux für die Arbeit der 152

KRAUT ATLANTIK

Journalisten vor Ort. Denn genau dieses Vor-Ort-Sein und die damit verbundene Expertise werden nun herausgefordert. Rundfunk: [X] hat mir das erzählt, als hier damals alle dachten, im Herbst 2002: „Hey, das kann keinen Krieg geben! Und so, das ist alles... im Irak und so...“ – hier aber alle Zeichen dafür sprachen und er sich echt durchsetzen musste und es trotzdem berichtet hat. Obwohl es nicht gern gehört wurde zuhause. Und – oft kommt hinzu, dass die Redakteure über Internet und so, Zugang zur Recherche haben und sich auch so ein gewisses Bild gemacht haben von der Situation hier. Wenn man da nicht so den Erwartungen entspricht, gibt es da manchmal Diskussionen, wenn man dann sagt: Aber ich bin der Korrespondent, so seh’ ich das, ich bin vor Ort.

Gerade wenn es darum geht, den Unterschied zwischen der Arbeit diesseits und jenseits des Atlantiks zu beschreiben, wird von den Journalisten vor Ort immer wieder die Phase vor dem Irakkrieg zitiert. Die Aussicht auf den Krieg – wie auch der Krieg selbst – ließ die Fronten der nationalen Berichterstattung verhärten. Die Berichterstattung war, wie einige Untersuchungen unlängst feststellten, jeweils analog zur öffentlichen Meinung im Lande. Kaum eine Überraschung bei einer angenommenen Reflektion dieser durch die Medien. Insbesondere aber sei an immer gleichen Vorurteilen festgehalten worden: die Berichterstattung sei durch ein „standing by stereotypes“ (Lambert 2003:65) gekennzeichnet. Gängiges Wahrnehmungsmuster sei zum Beispiel von amerikanischer Seite, dass Antisemitismus in Europa endemisch sei und es ein starkes Sympathisantentum zu Diktatoren gebe; auf europäischer Seite aus dagegen finde sich durchgehend die Beschreibung einer auf Großmachtswahn abonnierten USA (ebd.).23 Nach Angaben der Korrespondenten schränkten diese divergente Wahrnehmungen von Richtig und Falsch den Spielraum für die Vermittlung des Kontexts maßgeblich ein. Die Annahme z. B., dass die USA auf keinen Fall einen bewaffneten Konflikt eröffnen dürfe, sei in Deutschland so stark entwickelt gewesen, schildert ein Korrespondent die Situation, dass es fast zum Faktum geworden sei. Fast alle Auslandskorrespondenten in Washington hätten sich in ihrer Einschätzung, dass es Krieg geben würde, isoliert gefühlt. Rundfunk: Wenn man hier war, war es völlig klar. Es gab keinen Zweifel. Es gab einen Restzweifel. Aber es gab im Prinzip keinen Zweifel. Der Truppenaufbau ging weiter. Es ging nur noch darum, wann. Wie viel Frist wird noch eingeräumt, kriegt man noch eine zweite Resolution oder nicht. Es war klipp und klar. Es war nur noch eine Frage des Zeitpunktes, des Vorwandes oder Begründung oder einigen diplomatischen Modalitäten – gibt man noch mal 153

NACHRICHTENWELTEN

eine Fristverlängerung und wenn ja, wie lange? Geht man mit einer leichten Truppe rein? Mit 80.000 Leuten, wie Rumsfeld das wollte oder mit über 400.000 Leuten, wie seine Generäle das wollten? Oder mindestens 200.000? – Das waren die einzigen Fragen, die offen waren. Aber dass die da einmarschieren war völlig klar! Also, es sei denn Saddam Hussein hätte sich ins Ausland begeben. Selbst dann, selbst dann wären sie einmarschiert. Wir haben das auch alle berichtet. Wirklich alle! Ob Zeitung, Hörfunk, Fernsehen, alle! Jedem der hier war konnte das nur klar sein. Kein Zweifel. Und trotzdem hat es in Deutschland erst ganz zum Schluss richtig geklickt. Da muss ich sogar sagen, dass die Auslandsberichterstattung, [...] da insgesamt sehr, sehr gut war. Im Sinne auch die Frage beantwortend: Warum muss man vor Ort sein? Um so was einzuschätzen. Und zwar es auch so einzuschätzen, dass Leute, auch wenn man zum Teil, wie soll ich das sagen? Sich isoliert fühlt in der Einschätzung, weil natürlich in den Redaktionen auch oft vorherrscht: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Aber dass die Stimmen, die aus den Auslandsbüros kamen, eigentlich so waren: Hey Leute, das ist eigentlich nicht eine Frage des »Ob«, sondern des »Wann«. Und dann war das in einem Umfeld, wo oft Konfliktforscher und andere Völkerrechtler sagten: Das darf nicht sein, das darf nicht sein! Und es stimmte auch – legal und moralisch durfte es nicht sein. Es war aber trotzdem! Das ist aber auch ein Beispiel dafür, wie hartnäckig die Perzeption ist, wenn sie etabliert ist, wenn man ’ne Wahrnehmungsweise nicht ändern will. Ja?

Die unterschiedliche Realitätswahrnehmung habe sich deutlich bis in den Alltag gezogen, so ein Kollege. Beispielsweise hätten die Redaktionen entsprechend ihrer Antikriegshaltung in einigen Fällen nicht entsprechend der Einschätzung ihrer Korrespondenten vor Ort reagiert. Rundfunk: Als die These, die Doktrin des Erstangriffs kam. Die Doktrin - wie heißt es auf Deutsch? – von Cheney und Bush, dass sie gesagt haben: „Preemptive strikes!“ – In vorauseilendem Gehorsam werden Länder angegriffen. Das war ja erstmal eine Theorie. Ja? Das war ja noch lange nicht etwas, was passiert. Als die das raus gebracht haben, in schriftlicher Form, also, als das in schriftlicher Form existierte, - das weiß ich ganz genau – da habe ich in der Redaktion angerufen und hab gefragt: „Habt ihr das gehört? Das ist unglaublich! Die ändern ihre gesamte Verteidigungstrategie in eine Angriffsstrategie!“ – Und da haben die nur: „Blabla, öh, och nö... noch nirgendwo gelesen... das weiß ich noch ganz genau.“ – Da haben wir gesagt: „Das ist total wichtig! Preemptive strikes, das wird wirklich eine ideologische Grundsatzveränderung, die wirklich eine unheimliche Auswirkung haben kann!“ – „Ach, nee, wie will man das denn bebildern?“ – Das sind so Situationen, wo du denkst: Oh, Gott!!! Ja? Warum verstehen sie es nicht? Und da war es dann so, dass in der Tat die 154

KRAUT ATLANTIK

es nicht haben wollten und es dann natürlich zu einem etwas späteren Zeitpunkt, als es dann thematisiert worden ist, auch von anderen Medien, ging ihnen ein Licht auf. Also, man hat Frustrationserlebnisse, wo man denkt, man weiß es eben besser. Kann aber auch anders herum passieren, dass man denkt, irgendwas ist ganz, ganz wichtig und die sagen: „Komm, das ist nun wirklich ein alter Hut, das haben wir schon 20mal gesehen und gemacht. Lass mal gut sein.“ Und manches Mal haben sie auch Recht. Aber wir haben öfter Recht! [lacht] Ich hoffe!

Vor Ort in Washington steht man mit den Redakteuren in Deutschland quasi im alltäglichen Vollkontakt. So überrascht es nicht, dass auf der anderen Seite des Atlantiks zuweilen eine andere Meinung herrscht. Das Auftreten einiger Kollegen sei überzogen gewesen. Fast schon Kriegstreiberei, wie ein anderer Kollege kommentiert, und kein guter Journalismus. Offensichtlich geht es in solchen Aussagen um Einschätzungen und Beurteilungen. In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft sind Meinungsvielfalt sowie der konfliktäre Austausch von Meinungen prinzipiell und normativ festgelegt. Konsequent setzt sich dies in der journalistischen Behandlung von Aussagen fort. Was sich an dieser Stelle über die Frage nach richtiger und falscher Bewertung von Sachverhalten herauskristallisiert, ist die Verteidigung des eigenen Reviers. Rundfunk: Unsere Aufgabe, dieses Land in Deutschland zu erklären, klingt ganz einfach: Ich versteh das, dann erklär ich das. So ist es natürlich nicht, weil Deutschland, das Land, ja selber glaubt zu verstehen, bevor es überhaupt erklärt wird. Und das merkt man, hat man auch gemerkt, in dem Irakkrieg. Manchmal, wenn ich nach Deutschland komme und längere Zeit nicht da war, werde ich auch mit dem geballten Antiamerikanismus konfrontiert, der da auch entstanden ist. In einigen Bereichen zumindest. Und wenn ich dann so ein bisschen erzähle und erkläre und sage: „Ihr müsst auch ein bisschen verstehen, woher das kommt, warum das so ist, warum die Leute so... warum das so wichtig ist, wer der Präsident ist, warum das so personalisiert wird und wie das so funktioniert...“, dann hör ich manchmal von Leuten, die oft in den USA sind: „Wow! Du redest ja plötzlich für das Land? Du bist doch eigentlich gar nicht für die Politik Bushs!“ – Darum geht es gar nicht. Es geht nicht darum, ob ich für oder gegen die Politik von irgendjemandem bin. Ich muss ja erstmal verstehen, wie das zusammenhängt und woher diese Verhaltensweisen und Entwicklungen kommen. Und manchmal, wenn man Leuten das richtig erklärt, dann verstehen sie das auch und dann mündet es nicht automatisch in Ablehnung, sondern einfach in vielleicht Kopfschütteln, kann ja sein, aber auf jeden Fall erstmal in den ersten Schritt, den man braucht zur Völkerverständigung [lacht]. Ja? Das ist nämlich: Sich zu verstehen. Und darin sehe ich sozusagen unsere Aufgabe und das kollidiert mit den Erwartungen der 155

NACHRICHTENWELTEN

Redaktion gelegentlich, die natürlich ihr eigenes Vorurteil auch gerne bestätigt haben möchten und sagen: „Jetzt sag uns doch mal, wie blöd der ist. Was der wieder gemacht hat!“ – und dann sagst du halt: „Moment, ganz so kann man das nicht sehen!“ Da gibt’s Konflikte. Aber das ist aus meiner Sicht unsere Aufgabe, sonst brauchen wir keine Auslandskorrespondenten, die Nachrichten kriegen wir auch über die Agenturen und auch über die Bildagenturen oder über CNN. Da können wir das denn auch abschreiben. Aber das ist dann nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass man hier Leute sitzen hat, die in diesem Land leben, die dieses Land kennen, die dieses Land versuchen zu verstehen und dieses Land versuchen zu erklären.

Das mangelnde Verständnis wird in Gesprächen wieder und wieder mit dem Nicht-vor-Ort-Sein in Verbindung gebracht. Gerade dem Hinweis auf den weltweit möglichen Zugriff auf Agenturmaterial, Internetausgaben von Zeitschriften sowie bestimmte Fernsehkanäle wie CNN folgt stets der Zusatz, dass diese Informationen per Ferndiagnose nicht adäquat kontextualisiert werden können. Die Gefahr dieser 1:1 Übersetzung – fehlende Kontextualisierung und Reformierung von Informationen, Verfestigung von Klischees. So die Meinung der Korrespondenten. Rundfunk: Vollkommen klar! Für mich sieht es so aus: Wir, wie wir hier sind, haben eine einzige Aufgabe – wir müssen dieses Land den Deutschen erklären. Wir sind nicht dafür da es zu beurteilen oder zu bewerten, außer wir werden danach gefragt, aber wir müssen es erstmal erklären. Um es erklären zu können, müssen wir es erstmal verstehen. Was eine große Aufgabe ist. Weil die meisten Leute denken: Man geht nach Amerika, und wir waren hier alle schon fünf Mal im Urlaub, also kennen wir auch das Land. Falsch! Falsch gedacht. Ist nicht so!

»What makes them tick?« stellt den Versuch dar, das Panoramafenster etwas weiter aufzumachen als das Hollywoodbild von Amerika erlaubt, wie es ein weiterer Kollege formuliert. Die Auseinandersetzung mit den Klischeevorstellungen über Amerika wird von den Journalisten als prägend dargestellt – es gäbe keinen Korrespondenten, der nicht irgendwann eine Indianer- oder Wildwestgeschichte geliefert habe, spitzt der Kollege dies zu. In dem Buch Cowboy-Kapitalismus weist Olaf Gersemann, Korrespondent der WIRTSCHAFTSWOCHE, auf einige dieser Missverständnisse hin, die aus einer fehlenden Einbettung von Informationen resultieren können. Zwangsläufig finden sich in seiner Sammlung der Mythen und Halbwahrheiten viele der gebräuchlichen Urteile über die USA, wie z. B. die Annahme, dass die Bürger in den USA zu weiten Teilen nicht krankenversichert seien (vgl. Gersemann 2004:115ff). In seinem Buch gibt er 156

KRAUT ATLANTIK

Einblicke in Kontexte, liefert seitenweise Zahlen und verweist auf alternative Zusammenhänge und Deutungsmuster. Im Fall der Krankenversicherung führt er an, dass nur einer „Minderheit aus Kostengründen der Zugang zum Versicherungsschutz verwehrt bleibt“ (Gersemann 2004: 191). Diese Beispiele sind nachvollziehbar, bleiben jedoch angesichts eines Sozialsystems, das einen erkennbaren Teil des Bundeshaushaltes ausmacht, für unsere Breitengrade ungewohnt.24 Ebenso ungewohnt wie der Anblick US-amerikanischer »Parteitage«, auf denen ein Meer aus hochgehaltenen Flaggen und Kandi-datenkonterfeis, Luftballons und Konfetti den Jubel der Menge auch optisch umsetzt. Parteitage, wie ein Korrespondent differenziert, die keine sind. Print: Ich sag Ihnen mal ein Beispiel: Vergangene Woche waren die Democratic Conventions in Boston. Da ist breitbandig berichtet und gesendet worden. Was sieht man davon in Deutschland? Da sieht man die glatte Fernsehoberfläche dieser Veranstaltung. Und am Ende kommen Luftballons runter und Konfetti. Es ist Konfetti und konfektionierte Reden. Die irgendwie alle das gleiche sagen. Und die auch irgendwelche Schalter beim Publikum umlegen sollen. Die uns irgendwie merkwürdig fremd, im Überwiegenden oberflächlich vorkommen. So das ist das Bild. Nun haben sie da eine Bundestagsdelegation [...]. Jetzt waren die alle in einem Hotel untergebracht und jeden Abend bevor die da runter gegangen sind, stand man da so an so einem Grill, hat sich ausgetauscht, erstmal ein Bierchen getrunken, bevor man zu den Helden in die Manege ging. Und wenn sie da zuhörten, was so ein deutscher Bundestagsabgeordneter, der so vier, fünf Tage in Boston ist, da so erzählte über das, was er erlebt, kann einem nur gruseln. Die haben konsequent parteiübergreifend! – das hat nichts mit parteigebunden, sondern mit ‚nur deutsch’ oder vielleicht sogar mit ‚nur fremd’ zu tun – parteiübergreifend versucht, ihre Vorurteile zu bestätigen. Also, die fanden das alle oberflächlich: „Wenn bei uns ein Parteitag so laufen würde!“, „Da könntest du doch nie einen Parteitag so steuern!“, „Und diese Oberflächlichkeit! Alle spulen sie nur.“ [...]. Das könntest du bei uns nicht machen. „Eine Schafherde, die blökt“, wurde da beschrieben aus deutscher Parlamentariersicht. Dann kommt immer als nächstes, „dass man das so ja nicht meint“, weil das hoch pejorativ ist, wenn man das so sagt. [...] Dann fängt man an Fragen zu stellen: „Sagen Sie mal, wie wird eigentlich so ein deutscher Kandidat gewählt? Auch so oberflächlich?“ – Und dann muss man darüber diskutieren, dass der Kandidat, der da gerade akklamiert wird, durch Hand heben und viel Jubel und viel konfektionierte Reden, dass der vorher 50 Urwahlen bei der Parteibasis hinter sich hat. Dass gesamte Programmfragen öffentlich über Monate in der gesamten Republik diskutiert wurden und dass er dann von 50 verschiedenen Wahlbevölkerungen hintereinander oder parallel gewählt wurde. Dann muss man so einen deutschen 157

NACHRICHTENWELTEN

Bundestagsabgeordneten mal fragen, wie er eigentlich ins Parlament kam. Nämlich meistens durch Vorabsprachen in Hinterzimmern. Von 0,004% der Bevölkerung, weil das eine der dunklen Stellen in der Demokratie ist, wie bei uns Kandidaten ausgewählt werden. In Amerika gibt’s andere Dunkelstellen, aber diese ist es nicht! Das ist ein hochdemokratischer Prozess, bei dem am Ende eine Marketingveranstaltung steht, deren Akklamationsprozess im Fernsehen übertragen wird. Ja? Der demokratischere Prozess ist eindeutig. Viel demokratischer als die Kandidatenauswahl in Deutschland. [...] Also, [lacht] sie kriegen eine Flugzeugladung voll Bundestagsabgeordneten und einen Container voller Vorurteile, die diese Leute versuchen in Boston abgebildet zu finden. [...] Die sind ja nur ein Abbild einer Gesellschaft, die im Fernsehen die Oberflächlichkeit Amerikas sehen. A.D.: Das heißt, es geht eigentlich darum eine Differenz, die vorhanden ist, zu verschieben. Von dem Vorurteil, wie sie es jetzt genannt haben, hin zu einem durch detailliertes Hintergrundwissen, durch neue Einsichten, wie auch immer gespickten Bild, das zeigt: Klar ist es hier anders, aber anders als ihr denkt. Print: Ne, es ist anderserer als ihr denkt. Es ist mehr anders als ihr wahrnehmt, und außerdem ist es auch noch anders als ihr denkt. [lacht]

Die Aufdeckung des Klischeedenkens, gerade von Politikern – im Übrigen gerade auch in Israel ein beliebter Hinweis – ist nicht zuletzt eine Strategie, die der eigenen Autorität gilt. Doch ist es genau diese, die hier kontinuierlich in den Vordergrund tritt und angesichts des ungebundenen Datenflusses nach einer Legitimation der eigenen Expertise sucht. Die Expertise – erworben durch das Vor-Ort-Sein, den genauen Blick auf Details und recherchierte Hintergründe wie in dem Beispiel deutlich gemacht wird. Analog zu journalistischen Anleitungen, wie Sinneseindrücke zu kontextualisieren sind (vgl. Haller 1995:124), nimmt der Journalist hier zunächst eine fachliche Abgrenzung vor. In den Beurteilungen, mit denen der Journalist die deutschen Politiker zitiert, verdeutlicht sich im gleichen Atemzug die Vorbelastung dieser transatlantischen Beziehung. Der Hinweis auf die gegenseitigen Vorurteile – Amerika gleich Kapitalismus, Amerika gleich Oberflächlichkeit – kommt von vielen der ortsansässigen Journalisten. Das Äquivalent sei das anti-europäische Vorurteil der Verderbtheit des alten Kontinents gegenüber dem frischen jungen. So würden die Amerikaner Europa sehen. Ein Europa, das immer durch Amerika gerettet wird. Europa ist immer verderbt. Amerika ist immer oberflächlich. Ein gegenseitiges Vorurteil, das nach Interpretation des Korrespondenten seit der Bewegung nach Westen im 18. Jahrhundert hält und das Neue gegen das Alte abgrenzen hilft. Damit geht deutlich der Verweis auf eine Differenzierung zwischen wenigstens zwei umfassen158

KRAUT ATLANTIK

den Sphären einher, die zuletzt 2003 von dem ehemaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unter dem Schlagwort »good old Europe« zusammengefasst wurde.25 Dieses Verhältnis birgt die komplizierte Topographie, in der sich Korrespondenten, Redaktionen und Publikum bewegen und den Informationen je nach Standpunkt und Blickwinkel andere Färbungen zumessen. „Zwischen Gesichtern“ wie es Sloterdijk (1998:141) beschreibt, wird hier zu einem ‚zwischen Wahrnehmungen’. Diese Konfrontationen, die sich aus diesem deiktischen »Diesseits« und »Jenseits des Atlantiks« ergeben, beschreiben im Kern die inhaltliche Routine der Arbeit. Dabei grenzen sich die Korrespondenten deutlich von dem Ordnungsrahmen ihrer Rezipienten ab. Ihre Expertise ist dem Umstand ihres Vor-OrtLebens und -Arbeitens zuzuschreiben. Sich intellektuell in einer Umgebung behaust zu fühlen, wird in diesen und auch anderen Beispielen als notwendig geschildert, um gesellschaftliche Prozesse authentisch verfolgen und einordnen zu können. Im gleichen Moment werden die Korrespondenten mit dem Meinungsbild in Deutschland konfrontiert. Der transatlantische Zwischenraum ist durchdrungen von Meinungen und Inhalten. In den Augen der Korrespondenten liegt für die Position der Redaktion eine klare Dissoziierung zwischen Verfügungs- und Orientierungswissen vor. Dies beschreibt das Ringen um eine autoritative Orientierungsfunktion. Profan gesagt um die Frage, wer das Sagen hat. Der Informationsstrom, die Agenturleitungen, die Liveberichterstattung und das Internet mit seinen schnellen Rückkopplungen haben die Position des Korrespondenten angreifbar gemacht. Nicht nur sind diese in ihrem Tun einer ununterbrochenen Beobachtung und Beurteilung ausgesetzt, auch kennzeichnen konsequente Widerstände und Gegenmaßnahmen ihre tägliche Realität (vgl. Sloterdijk 2005:24f). Das eigene Vor-Ort-Sein reicht nicht mehr aus, eine unangefochtene Expertise zu etablieren. Print: ... hier gibt’s einen Korrespondenten, der war vorher in Japan und der hat mal den schönen Satz gesagt: „Als ich in Japan war, habe ich Japan besessen.“ – Über Japan weiß in Deutschland niemand nix. Wenn der sagte: „Jetzt ist das wichtig!“, dann haben die genickt und gesagt: „Dann machen wir das mal.“ Wenn der sagte: „Jetzt fahre ich in den Süden auf die Insel Weiß-nichtwo und mach mal ’ne Reportage über XY“, dann haben die im Wesentlichen... Also, mit anderen Worten: Er hatte das Privileg des Unwissens über sein Gastland in der Heimat und hatte deshalb eine autoritative Position gegenüber dem. Je mehr sich das verändert, je mehr die Heimat Kenntnisse hat oder sich einbildet zu haben, verändert sich die Position des Journalisten und die kulturelle Übersetzungsleistung wird ’ne völlig andere. Im Falle Amerikas sind wir am ganz anderen Ende der Skala. Amerika ist journalistisch gesehen eine Art Buffet: jeder bedient sich wie er möchte. 159

NACHRICHTENWELTEN

Das macht das Amerikabild so bizarr in Deutschland, weil es dieses Buffet gibt. Im Grunde oder um ein anderes Bild zu benutzen, ist das wie beim Fußball, da gibt’s 80 Millionen Bundestrainer zuhause. Jeder ein kleiner Berti Vogts. Ja? Jeder kennt Amerika. Wenn ich irgendwas berichte, was anders ist als die Brigaden von Berti-Vogts-Menschen in Deutschland sagen, dann liegt das an mir, nicht an denen. Ein Problem.

An dieser Stelle ist die Kooperation von Korrespondenten und den Redaktionen in Deutschland als ein transatlantisches In- und Miteinander zu erkennen und gewisse Spannugnen birgt. Das Privileg des Unwissens, von dem der Korrespondent in Japan demnach profitiert, beschreibt die 100%ige Freiheit, nach eigenem Gutdünken und Ermessen Themen unwidersprochen umsetzen zu können. Anders ausgedrückt – der schöpferische Vorgang möchte ausschließend gedacht werden. Print: Die nachgeordnete Art und Weise ist, wenn einem einer aus dem Funkhaus in [...] sagt, was hier ist und was man hier jetzt unbedingt machen muss. Und du sagst, ne, das möchtest du diese Woche oder diesen Tag eigentlich nicht machen, sondern was anderes scheint mir wichtig, dann sagen die „Nö, das interessiert uns nicht. Das interessiert den Deutschen nicht.“ So. In dieser Konstellation werden Medien von einem aufklärerischen Instrument zu einem, das Vorurteile vertieft, weil man ferne Bilder, nicht nahe Bilder, über die Ferne reproduziert. Es geht dann irgendwann nur noch um die Reproduktion von Vorurteilen. A.D.: Böse gesagt könnte man jetzt auch sagen, der Korrespondent fühlt sich in seiner Kompetenz angegriffen. Und mag sich nicht damit auseinandersetzen, dass die Redaktion eigene Vorstellungen hat. Print: So ist es! So ist es! Weil ich mir einbilde es besser zu wissen. Ganz arrogant. Deswegen bin ich im Übrigen hier – damit ich es besser weiß.

Gegen das Besser-Wissen der Korrespondenten stehen die Interessen der Redaktion stellvertretend für die 80 Millionen, denen sich Berti Vogts mit seinen Entscheidungen einsam gegenüber sieht. Er sei Europäer, so analysiert der eingangs zitierte Korrespondent hinsichtlich des fremden Blicks und der Erkenntnis, dass er erst vor Ort realisiert habe, dass ihm Amerika fremder sei, als er dachte. Es ist mehr anders als ihr wahrnehmt und außerdem ist es auch anders als ihr denkt. Amerika ist eben wie beim Fußball, da können sie alle mitreden. Nach den Reaktionen der Korrespondenten zu urteilen, ist die autoritative Position in Washington alles andere als unwidersprochen. Die Glaubwürdigkeit, die Unser Mann, unsere Frau vor Ort selbstverständlich aus der Positionierung 160

KRAUT ATLANTIK

zieht, wird zu einem umkämpften Terrain. Diese Vermittlung von Informationen ist die Basis für die Ausstattung der Wissensräume. Sie kann als Anthropologisierung des Wissens oder Immunologisierung beschrieben werden. Wenn es darum geht, die eigene Position zu belegen, verweisen die USA-Korrespondenten auf die Querelen um die Berichterstattung im Vorfeld des Irakkriegs. Zu ähnlichen Spannungen kam es 2004 in den Konferenzen, als es um Prognosen für die im November des Jahres anstehende Präsidentschaftswahl ging. Auch hier bewiesen die Journalisten mit ihrer Einschätzung, dass es „knapp, aber wahrscheinlich leider wieder Bush werden“ würde, die zutreffende Wahlprognose. Vor Ort dichter dran zu sein, diese Einschätzung wird zur Voraussetzung, andere Stimmen in den transatlantischen Diskurs einzubringen. Darüber hinaus verweist diese Auseinandersetzung grundsätzlich auf ein ganz anderes Merkmal. Print: Das halte ich für einen Irrtum. Darüber rede ich mit [X] gerne. Er reibt sich daran wund. [...] Ich glaube, das stimmt nicht. Ich glaube, er verwechselt Ressentiment mit Unwissenheit. – Das kann man ja polemisch machen, ist aber nicht so. Ressentiment kann ja auch aus Wissen kommen, gar keine Frage. Ich glaube, es gibt kein Land in Europa, in dem die Menschen sich mehr für Amerika interessieren, mit Amerika gelebt haben. Meine Generation natürlich stärker als die Generation meiner Kinder. Amerika war immer da. Es gibt kein Land, jedenfalls bevor ich weggegangen bin, das mehr amerikanisiert war als Deutschland. Und ich hatte immer den Verdacht, da schwingt ein komisches, ambivalentes Verhältnis der Deutschen sich selber gegenüber mit. Also, das würde ich so psychologisch deuten. Aber gehen Sie doch mal hin, fragen Sie, halten Sie Umfragen: Die wissen doch genau, wie der Präsident heißt oder der Außenminister oder der Verteidigungsminister! Das weiß doch so ziemlich jeder, was schon eine Menge ist. Fragen Sie doch mal: Wie heißt der italienische Verteidigungsminister – das wissen Sie doch auch nicht! Und deswegen glaube ich, dass das Grundversorgungswissen ziemlich enorm ist. Die Deutschen schauen ja TAGESSCHAU und TAGESTHEMEN, in denen sie immer noch solide informiert werden, sie schauen natürlich auch ZDF, HEUTE und HEUTE-JOURNAL. Selbst bei RTL werden sie ja solide informiert. Es gibt ja kaum ein Land, in dem immer noch so eine Volkshochschultradition herrscht. [...]

Der Terminus Volkshochschultradition mag bewertend sein, aufschlussreich ist jedoch der Hinweis auf die weit verbreitete Kenntnis des Publikums, natürlich auch der Redaktion, über das Berichtsgebiet. Dass dies unweigerlich auch mit Ressentiments oder Klischeedenken zusammen geht, umreißt im Wesentlichen die Arbeitssituation. Im Gegensatz zu Singapur, können – man kann auch sagen: müssen – die Korrespondenten mit diesem vorhandenen »Wissen« und der entsprechenden phantas161

NACHRICHTENWELTEN

magorischen Topographie umgehen. Das unwissende Publikum zu belehren, wird hier von dem Versuch ersetzt, dieses zu bekehren. So wird der Versuch unternommen jenes »Wissen« zu transportieren, das zeigt, dass es eben anderser als anders ist. Auch wenn eine direkte Auseinandersetzung der Journalisten mit dem zu Beginn des Kapitels beschriebenen Feedraum kaum zu spüren ist und der technologische Aspekt des Raumes hinter dem praktischen Umgang mit den Informationen zurücktritt: Gerade der transistorische Charakter dieses „Nicht-Raums“ (Augé 1994a) zeigt sich als wesentlich. Als problematisch wird nicht die Flut der Informationen betrachtet, sondern deren Herauslösung aus dem lokalen Kontext – und die damit einhergehenden unterschiedlichen Kanalisierungen und Bewertungen. Was die Arbeitsbedingungen und -methoden der Korrespondenten vor Ort kennzeichnet, ist die Wechselwirkung aus dem großen Interesse für die US-amerikanische Außenpolitik, einschließlich ihrer Repräsentanten und der Verschnellerung und Verbesserung des Informationszugangs. Die Konsequenz aus dem, worauf weiter oben als CNN-Moment referiert wurde, ist ein nahezu äquivalentes Informationsangebot für alle. Vermittels dieses Zugangs werden unterschiedliche Standpunkte und Handhabungen virulent. Im Sloterdijk’schen Sinne spiegelt dies den „Rückkopplungseffekt“ (2005:24) des Informationsflusses. Für die Korrespondenten gilt nicht die Kondition des Fernen Osten, dass sie ungestört in einem unbekannten Außenraum arbeiten und ihre Beschreibungen unwidersprochen bleiben. Im Gegenteil, von der anderen Seite des großen Teichs berichtend, stoßen sie mit diesem Tun auf eine ganze Bibliothek von Beschreibungen, die der Informationsstrom im Laufe der Zeit angeschwemmt hat. „In der verdichteten Welt“, so Sloterdijk, „werden tatsächlich alle Akteure, die sich weit hervorgewagt haben, in einer ununterbrochenen Beurteilung durch ihre Beobachter und Gegenspieler ausgesetzt, die Erwartbarkeit von Widerständen und Gegenmaßnahmen gibt dem Begriff Realität seine aktuelle Farbe“ (Sloterdijk 2005:24f). Dies gilt vor allem für die Arbeitskonditionen innerhalb der außerordentlich dichten Kommunikationssituation über die Welthauptstadt. Die Möglichkeit einseitiger Diktate wird eingeschränkt und durch „chronischen Widerstand [...] gegen unilaterale Ausdehnung [ersetzt]. Einen Widerstand, den man in kognitiver Sicht als Reizklima für Lernprozesse werten kann.“ (Sloterdijk 2005:278)

162

KRAUT ATLANTIK

K r a u t A t la nt ik o d er G ed a nk e n z u p r o g r es s iv e n Rüc k k o p p l un g en „Today everyone is a reporter.“ (Holm 2001:125) – angesichts der beschriebenen Problematik sollte dieser Satz de facto auf das Verhältnis zwischen Redaktion und Korrespondent umgemünzt werden, dennoch beschreibt er im Wesentlichen den Kern: Die Überwindung des Raumes hat die Arbeitsmethoden und -bedingungen der Korrespondenten verändert. Es gibt kein Monopol mehr auf die dateline „reporting from...“ (ebd.). Gekoppelt an ein hohes öffentliches Interesse befördern technische Veränderungen und deren Auswirkung auf die redaktionellen Strukturen die Auslandsberichterstattung aus dem intellektuellen Elfenbeinturm des Elitejournalismus heraus und zwingen sie, sich den Anforderungen des modernen Medienmarkts zu stellen: Der Status des Heiligtums fällt (ebd.). Einige neomarxistische Theoretiker begreifen diese strukturelle Veränderung als eine Chance, hegemoniale Wirklichkeitsentwürfe durch public journalism aufzusplittern, was mit einer fortlaufenden Demokratisierung der Informationslandschaft zu verbildlichen ist (vgl. Iggers 1998:126). 26 Angesichts der gesellschaftspolitisch privilegierten Stellung der hier abgebildeten Korrespondenten wäre es übertrieben, deren Konfrontationen mit der eigenen Redaktion mit einer Form von public journalism gleichzusetzen. Jedoch birgt die Produktionsroutine deutliche Spuren der kontinuierlichen technologischen Entwicklung und ihrer Anwendung: der Raum wird in Echtzeit komprimiert und seiner eigentlichen Substanz entzogen – dieses Chronotop der Globalisierung verringert den Abstand zwischen den einzelnen Beteiligten und erhöht die Dichte (vgl. Sloterdijk 2005:24f). So wird »Unser Mann vor Ort« in das Gespräch mit hineingezogen und beginnt sich zu positionieren. Kein Einzelphänomen, fast schon fahnenflüchtig ergreifen »unsere Leute vor Ort« im Vermittlungsversuch die Beweggründe der anderen, erklären und argumentieren aus der Position der anderen Seite. In diesem Fall geht es nicht mehr wie im Falle Singapurs darum, das vorhandene »Interieur« mit eigenen Stücken zu variieren, stattdessen erfolgt die Ausgestaltung des Interieurs gemeinsam, mit- und gegen-ein-ander. Dies verweist deutlich auf die politischen Umstände der Entstehung dessen im Rahmen eines freiheitlich-demokratischen Prozesses westeuropäischer Prägung: In diesem Zusammenhang können die Rückkopplungen prinzipiell als progressiv verstanden werden. Bei einem näheren Blick auf die Arbeitsmethoden und -bedingungen der USA-Korrespondenten tritt als gebräuchliches Moment der kontinuierlichen Auseinandersetzung die Essentialisierung von Berichtsgebieten, Publikum und Redaktionen hervor. Ein Verhältnis, das man in den 163

NACHRICHTENWELTEN

Begrifflichkeiten »Hier« und »Dort« und damit als Konstrukt eines deiktischen gegen-ein-ander von soziokulturellen Hemisphären fassen kann. Erkennbar referiert dies weniger auf die politische Meinung in den USA, sondern auf die im bundesdeutschen Inland. Gleichzeitig zeigt sich in den Beschreibungen der Konfrontationen, dass die Korrespondenten bemüht sind, herrschende Erzählungen herauszufordern: Die transatlantische Sphäre, angefüllt mit all dem selbstverständlichen Allgemeinwissen über Politiker- und Städtenamen, den bunten Klischees und schwarzweißen Vorurteilen über Cowboys, Kapitalismus, New York und Hollywood, aber auch durch eine dezidierte öffentliche Meinung, wie am Beispiel des Irakkriegs gezeigt, formt letztendlich die Berichterstattung im Dazwischen. Erst dieser überwölbende Horizont lässt die Kritik an einer Figur wie George W. Bush in ihrer gewohnten Färbung schillern. Und macht sie im Zweifelsfall ebenso unverständlich, wie das US-amerikanische Gesundheitssystem. Die Informationen werden aus dieser transatlantischen Kontaktsphäre heraus formuliert. So sind auch die Verweise aus den Gesprächen zu verstehen, die in Variationen die These aufstellen, des Pudels Kern läge nicht in der Figur des US-amerikanischen Präsidenten, sondern vielmehr im Verhältnis zwischen »Alter und Neuer Welt«, wie es der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld formuliert hatte. Hier vermischen sich historische, kulturelle, linguistische, besonders politische Interaktionen und Kommunikation, die ihren Ursprung in der historischen Bewegung nach Westen, dieser zweifachen Abspaltung von der gewohnten Orientierung haben (vgl. Sloterdijk 2005: 186ff). Aus dieser Perspektive, durchbrochen von den aktuellen Ereignissen und einzelnen, heteroglossen Stimmen und Absichten, ist das transatlantische Verhältnis selbst als ein chronotopes zu begreifen, das sich durch Zeit und Raum kulturell konstituiert und historisch kontingent als Subjekt andauernder Transformation und Kritik zeigt. Angesichts des mehrdimensionalen, transkulturellen Raums, der sich auf vielfältige Weise über den Atlantik im Dazwischen ausformt, liegt es nahe, die Anspielung auf das Gilroy’sche Konzept des „Black Atlantic“ (1993) zu ergreifen und diese Sphäre als »Kraut Atlantik« zu begreifen. Gilroy nutzt die Idee des Chronotops, um auf die Varianz der Rahmenbedingungen und Einflüsse auf die afroamerikanische Diaspora hinzuweisen und beschreibt den Black Atlantic als Zeit-Raum-Verbindung, die sich aus Geschichte und Gegenwart nährt und eine schwarze Diaspora formt (vgl. Gilroy 1993:2ff). Basierend auf einer kollektiven historischen traumatischen Erfahrung etabliert Gilroy mit diesem Denkansatz eine schwarze Diaspora jenseits der Bindung an territoriale Grenzen eines Nationalstaats. Dieser Black Atlantic ersetzt den realen atlantischen Raum durch die Spuren der Sklavendeportation, der Bewegungen afroamerikanischer Musikstile und anderer Artefakte. Über den faktischen Atlantik 164

KRAUT ATLANTIK

hinweg, wird Kultur jenseits geographischer und rassistischer Isomorphismen als zeitlicher und räumlicher Erfahrungsraum etabliert, der in Form von Artefakten – Musik, Kunsthandwerk, Biografien etc. – wiederum greifbare Realitäten schafft (ebd.). Dieses Modell ästhetischer Produktion von Raum und Identität lässt sich hier übertragen. Wenn auch mit Abstrichen, da es hier nicht um das soziopolitische Verhältnis von Schwarz und Weiß, sondern das zwischen Alter und Neuer Welt und dem Wesen der Auslandsberichterstattung in alledem geht. Dies ist weniger in einem politischen Sinne als in einem ästhetischen zu begreifen. Zweifelsohne stehen im Falle der deutschsprachigen Berichterstattung nicht die traumatischen Grundzüge von Deportation und kultureller Entfremdung im Vordergrund, sondern bi-nationale und interkulturelle Beziehungen. Dennoch spiegelt sich in der transatlantischen Sphäre das Aufeinanderprallen und Zusammenwirken von unterschiedlichen historischen und religiösen Prägungen, normativen Bindungen und Konditionen, unterschiedlichen Machtpositionen und Interessen. Es sind Katzensprünge und weite Reisen, in denen das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz in kultureller und historischer Hinsicht elaboriert wird. Ähnlich wie der Black Atlantic seine Definition aus den Reflektionen über die Funktion des realen Gewässers erhält, formen die zeitlichen und räumlichen Bewegungen über den großen Teich auch die Auslandsberichterstattung und reflektieren das kulturelle Selbstbild.27 Ebenso wie in der Darstellung Gilroys erhält die Auslandsberichterstattung ihre »Identität« nicht aus dem geometrisch fassbaren Raum, sondern aus den transatlantischen Bewegungen. Diese Bewegungen verweisen auf konstitutionelle und charakteristische Elemente territorial definierter Nationalstaaten und erneuern dessen kulturelle Integrität kontinuierlich. Dieser Widerspruch zu der von Gilroy beschriebenen Loslösung von einer territorial definierten Identität besteht jedoch nur auf einer politischen Betrachtungsebene. Mit Fokus auf das ästhetische Grundparameter »Chronotop« steht zunächst der poietologische Prozess der Herstellung einer ästhetischen Sphäre im Vordergrund. Unübersehbar ist das hohe Interesse an den Vereinigten Staaten, den Vorgängen in der Welthauptstadt, der Schlüssel für diese Bewegungen über den Atlantik. Eine Bewegung, die letztendlich Negation und Interesse aufeinanderprallen und eine charakteristische Dynamik für dieses transatlantische Verhältnis ausbilden. Umso deutlicher wird dies im Hinblick auf die technologische Entwicklung, der Verschnellerung und Verdichtung von Informationsströmen. Globalisierung präsentiert sich hier als Raum-Zeit-Kompression (vgl. Harvey 2004). Im Alltag beengt die den Bewegungsfreiraum der Korrespondenten: Direkte Rückkopplungseffekte konfrontieren das eigene Wissen mit anderen Ansichten. Wesent165

NACHRICHTENWELTEN

lich ist jedoch, dass dieser globalisierte, geschrumpfte Raum den Blick freigibt auf jene ebenso abstrakte wie effektive Raumproduktion, in der sich die Auseinandersetzungen eigentlich abspielen. Dies reicht in die europäische Kulturgeschichte und operiert zudem stark mit einer typisiert deutschen Sichtweise. Im Dazwischen zeigen sich weder die USA oder noch Deutschland – zugegeben ein stark vereinfachter Essentialismus – sondern eine Verräumlichung soziokultureller Perspektiven, die sich in den üblichen Klischees spiegelt, sich in Beiträgen und Artikeln als Artefakt präsentiert und der Berichterstattung über die USA eine erkennbare Färbung gib. Ungleich der Situation in Singapur, ist es nicht die Auseinandersetzung um die Platzierung von Beiträgen, sondern jene um deren Inhalte. Aus der für den Fernen Osten gezeigten explorativen und stark veranschaulichenden Tätigkeit des Korrespondenten wird hier eine argumentative und »Konflikt« wird zum progressiven Moment. »What makes them tick?« beschreibt das Vorhaben, den »Deutschen« die »Amerikaner« nahe zu bringen. Während das Chronotop im Falle Gilroys die kulturelle Integrität der Diaspora thematisiert, so wird das Konstrukt einer kulturellen Integrität hier über ein nationalstaatliches Territorium definiert. Der Begriff »Kraut Atlantik« ist in diesem Sinne gleichzeitig eine Inversion des Black Atlantic. Generell jedoch, mit Blick auf das ästhetische Moment ist es analog zu sehen: ein prozesshaftes, konfliktäres und schillerndes Chronotop, das auf historischen Vorgängen gründend Artefakte formuliert, die wiederum in den Zeit-Raum einfließen. Wenn sie dieses Genre der transatlantischen Beziehungen auch für einige der Korrespondenten zu einseitig ausformen, beschreibt dies doch eine Auseinandersetzung um Identität im Dazwischen. Im Gegensatz zum Wasser, dass hier als Metapher die Kluft zwischen der Alten und der Neuen Welt füllt, sind es im Nahen Osten schwer wiegende Erinnerungen, eine blutige Gegenwart und der Kampf um ein durchaus sehr greifbares Territorium, die das Bild des Berichterstattungsgebiets prägen.

166

DER

G E T E I L TE

HIMMEL

[Das ist] hier eine irrsinnige Medienmaschinerie. Der Nahost-Konflikt wird so überdimensional gecovered. Eine riesige Anzahl an Korrespondenten, in der Regel sind es sehr gute Korrespondenten hier, also, ehrgeizige Leute, die halt viel schreiben wollen. Es ist halt immer die Frage nach dem Huhn oder dem Ei: wird so viel darüber geschrieben, weil so viele Leute hier sitzen oder ist das Interesse so groß und deshalb schickt man so viele Leute hier her? Wahrscheinlich ist es beides. – Korrespondent Wie jedes geteilte Leben ist Politik die Kunst des atmosphärisch Möglichen. – Peter Sloterdijk

B er ic h t s w er t e Tel Aviv. Im Frühjahr 2004. Im Studio sitzen Kamera- und Tonmann entspannt im Rauchereck. Für eine halbe Zigarettenlänge rauscht die Cutterin aus dem Schnittraum herein. Der Korrespondent telefoniere gerade mit der Zentrale und der Schnittcomputer sei am Rechnen. Das gebe ihr Mal Zeit für eine Zigarette. Ihre Pause wird direkt vom Producer unterbrochen, der im Türrahmen mit neuem Material winkt. Das Material zur Pressekonferenz ist gerade über die Agenturleitungen hereingekommen. Hinter ihm erscheint der Korrespondent auf der Suche nach Cutterin und Kamerateam. Ein Interview mit einem Journalisten der HA’ARETZ ist bestätigt. Einer der lokalen Producer hatte den Dreh vorbereitet und wird auch am folgenden Tag mit dem Kamerateam dieses Interview einholen sowie anschließend eine kurze Umfrage zum Thema auf der Strasse durchführen. Kurzer Check ob alle informiert sind. Ein anderer Producer kommt wenig später mit Material aus den besetzen Gebieten, das er dort gedreht hat. Kurze Unterredung mit dem Korrespondenten,

167

NACHRICHTENWELTEN

ergänzt von einem flüchtigen Aufenthalt im Raucherbereich, sein Handy klingelt, ein Informant, er verabschiedet sich. Innerhalb von zwei Tagen entstehen drei Beiträge. Würde noch etwas passieren, ein größeres Attentat von einer der beiden Seiten, ein Ereignis mit höchstem Nachrichtenwert also, solche Ereignisse wie die Ermordung des PLO-Vize Jassins im Januar 2004, so wären alle im Einsatz. Da aber gerade nichts Außergewöhnliches passiert, sitzen Kamera- und Tonmann noch immer im Rauchereck. Falls etwas passiert, einsatzbereit. Im Schnitt stellt der Korrespondent derweil aus Agenturbildern und anderem Material, das er über einen längeren Zeitraum zum Thema angesammelt hat, ein aktuelles Stück über die Reaktionen zu den Gesprächen zwischen der palästinensischen und israelischen Führung. Der Beitrag soll am Folgetag erweitert, fertig produziert und gesendet werden. Wie ein Producer bemerkt, sind solche Stücke meist die besten, weil sie den Blickwinkel vom Spotlight des Ereignisses auf einen wenigstens etwas größeren Zeitabschnitt und damit, hoffentlich!, auch auf einige Zusammenhänge lenken. Seiner Meinung nach. Da nach der Aufregung um die Ermordung des Palästinenserführers Scheich Jassin vor zwei Monaten zunächst eine relative Ruhe in den Nahen Osten eingekehrt ist, hatte das Team um den Korrespondenten Zeit, eigene Beiträge zu drehen. So sind neben dem aktuellen Stück zwei weitere, bunte Stücke für Mittags- und Morgenmagazin in Arbeit, die zur Abwechslung nicht den Konflikt, sondern Außergewöhnliches aus dem Alltag im Berichtsgebiet zeigen. Als Jassins Nachfolger Rantissi einige Tage später von israelischen Militärs gezielt getötet wird, bin ich bereits auf dem Weg nach Jerusalem. Trotz entgegen gesetzter Annahmen verströmen die Korrespondenten, mit denen ich mich treffe, angesichts des Vorfalls keinerlei Hektik. Ihr Umgang mit der Situation strahlt Routine aus. Dagegen zeigen mir besorgte Nachfragen aus Deutschland, dass man die Entwicklung der Vorgänge dort anders betrachtet. Ob ich denn auch wirklich sicher sei? Und bitte, wirklich nicht mit dem Bus fahren. Das sei ja gerade jetzt besonders gefährlich. Neben Washington D.C. ist Jerusalem der einzige Standort, der zur Zeit meiner Feldforschung auch von den Privatsendern RTL und SAT1 durch feste Korrespondenten abgedeckt wird. Generell teilen sich die Korrespondenten zwischen den beiden großen Städten Israels, Tel Aviv oder Jerusalem, auf. Das Berichtsgebiet umfasst die palästinensischen und israelischen Gebiete sowie den ebenfalls geteilten Landstrich Zypern. Zypern nicht mit eingerechnet, umfasst das Berichtsgebiet ein Areal, das kaum größer ist als das Bundesland Brandenburg oder anders gesprochen, mit 26,5 km2 noch nicht mal die Hälfte der Fläche Bayerns darstellt. In diesem Territorium, das zu einem großen Teil aus Wüste besteht, leben etwa 6,2 Millionen Israelis und 3,6 Millionen Palästinenser.1 168

DER GETEILTE HIMMEL

Zählt man den Vatikan nicht mit, ist der Nahe Osten gemessen an der Bevölkerungsanzahl und den geographischen Ausmaßen mit Abstand das kleinste internationale Berichtsgebiet der bundesdeutschen Medien. Angesichts annähernder Produktionsleistungen der Studios in den drei Berichtsräumen kann man sagen, dass der Umfang der Nahost-Berichterstattung vergleichsweise sehr hoch ist. Mit der Vielfalt der Berichterstattung wiederum verhält es sich, beispielsweise im Gegensatz zur Themenbreite in Singapur, different.2 2004 produzierte die ARD von insgesamt 772 Sendeminuten 347 Nachrichtenminuten. Über den Daumen gerechnet heißt das, bei mehr als jeder zweiten im Nahoststudio Tel Aviv produzierten Sendeminute handelt es sich um aktuelle Nachrichten, die in TAGESSCHAU, -THEMEN oder NACHTMAGAZIN laufen. Anders aufgeschlüsselt kann man auch sagen, dass statistisch betrachtet nahezu jeden Tag des Jahres eine Minute Nachrichtenmaterial zu sehen ist, das der Korrespondent im Studio Tel Aviv produziert hat – während es im Falle des ARD-Studios in Singapur im Jahr 2004 nur jeden dritten, im Jahr 2000 sogar nur jeden sechsten Tag eine Minute Nachrichtenberichterstattung zu sehen gab.3 Legt man diese Zahlen nun auf die im Vergleich zu den anderen hier thematisierten Standorten durchaus geringe Fläche des Berichtsgebiets4, kann man den Konflikt im Nahen Osten durchaus als einen Markstein in der Nachrichtenlandschaft bezeichnen. Dennoch – oder gerade in diesem Zusammenhang verweist Thorsten Schmitz, Korrespondent der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, auf die Widersprüchlichkeit dieses Status: „Es ist mir in meiner ganzen Zeit als Korrespondent nicht ein einziges Mal passiert, dass mir ein Deutscher auf Besuch in Israel oder ein Palästinenser oder ein Israeli gesagt hat: ‚Ich habe keine Meinung zum Nahost-Konflikt.’ Jeder glaubt, eine zu haben, selbst jene, die wenig Ahnung haben und das sind trotz der großen Berichterstattung in allen Medien weltweit die meisten.“ (Schmitz 2005)

„Und jetzt, Israel?“ Eine Woche zuvor. Irgendwo in den Wolken auf dem Weg nach Israel. Israel, gelobtes Land, das noch immer Emotionen beschwört, die weit über seine strittigen Grenzen hinausreichen. Im Kopf Gewaltbilder des Nahostkonflikts, Erinnerungsschnipsel deutsch-jüdischer, später deutschisraelischer Geschichte. Von Goldhagen, über Walser zu Möllemann, all die regelmäßig auftauchenden Debatten in den Feuilletons der Zeitungen und Magazinen. Aber auch die Kommentare meines palästinensischen Dönerverkäufers in Leipzig über die Lebensbedingungen seiner Familie im Westjordanland, die Nachklänge der Abneigung und der Wut auf die 169

NACHRICHTENWELTEN

israelisch-amerikanische Politik, der ich in Malaysia und Bali begegnet bin. Die historische und moralische Bindung ist in der öffentlichen Meinung stark präsent und bietet immer wieder Stoff für Diskussionen.5 Debatten, wie die um die Veröffentlichung des Soziologen Daniel Goldhagen, deren enorme mediale Resonanz den Vorwurf einer deutschen Kollektivschuld revitalisierte, aber auch scheinbar persönliche Auseinandersetzungen zwischen Polit- und Bühnenpromis wie Michel Friedmann und Jürgen Möllemann 2002 zeugen von einer ebenso engen wie aufgeladenen Verbindung auf vielen Ebenen. In einer Beurteilung der Situation der deutschen Nahostkorrespondenten spricht 1999 der damalige Außenminister Joschka Fischer von einer besonderen Herausforderung– so seien die Korrespondenten nicht nur dazu angehalten objektiv und ohne Parteinahme über den Nahost-Konflikt zu berichten, sondern auch noch dazu verpflichtet, ihrer Verantwortung vor der Geschichte Rechnung zu tragen. Dem Korrespondenten komme hier eine wichtige Mittlerfunktion zu, die ihrerseits in einem politisch-historischen Spannungsfeld stattfinde (vgl. Fischer 1999:9ff). Die Einschreibung von Geschichte in die Gegenwart findet sich auf allen Seiten. Nicht nur abstrakt im Terminus der Erinnerungskultur, die einen wesentlichen Mechanismus der jüdischen Philosophie und des Glaubens darstellt (Haumann 1991:190ff), sondern auch ausagiert und argumentiert im Alltag des Nahen Osten. Dort übertragen sich die Spuren der Geschichte in Wissen und Handlungen kontinuierlich in die Gegenwart. Ebenso lebhaft und kontinuierlich werden die Ebenen der Zeit in den arabischen Ländern verwebt. Memoriert wird von einer Seite die Erinnerung an »al-Naqba«6, die Katastrophe von 1948, die von der anderen Seite als Staatsgründung Israels gefeiert wird. Die einen verbinden mit den weiß-blauen Wimpeln und Fahnen, die einmal im Jahr den öffentlichen Raum in Israel schmücken, die Befreiung, die anderen den Beginn ihrer Unterdrückung (vgl. Avnery 2005a). Die Trümmer einer friedlichen Normalität, die Flammen der Mündungsfeuer und brennenden Busse werden weit über das Lokale hinaus kontinuierlich durch die nationale und internationale Berichterstattung repräsentiert, memoriert und festgeschrieben. So sind Israel und Palästina zumindest für mich durch eine schier endlose Wiederholung von Gewaltbildern geprägt, die mein Verständnis der Vorgänge zu einem kontinuierlichen Unverständnis gewandelt haben. Mit der Tageszeitung DIE WELT liegt im Flieger eine aparte Metapher für diese Reise aus. Darin findet sich zufällig ein Artikel über die journalistische Arbeit in Israel (DIE WELT 2004). Der Artikel ist eine Rezension der ZDF-Produktion „Iris Berben: Und jetzt, Israel?“ In der Reportage, die 2004 an den Osterfeiertagen ausgestrahlt wurde, reist die 170

DER GETEILTE HIMMEL

bekannte deutsche Schauspielerin Iris Berben als Reporterin durch das Land und portraitiert Menschen, Landschaften und Sehenswertes.7 Nach dem im Artikel zitierten Pressetext zeigt der Film Geschichten, „die uns die Korrespondenten vor lauter Terror und Krieg nicht erzählen können.“ (ebd.) Geschichten, die uns die Korrespondenten vor lauter Terror und Krieg nicht erzählen können? Das klingt im Zusammenhang mit meinem Thema interessant. Ist es auch, denn der Rezensent des Blattes nutzt diese Profilierung als Aufhänger und poltert sogleich los: Nur am Rande werde die Kollegin Berben dem Anspruch auf Neues und Anderes gerecht. „90 Minuten Prime Time und kein, k-e-i-n, Thema, das nicht schon vorgekaut war. Peres, Schimon, ‚mein Freund’, etwa? Vom Analyzer Tennenboim bis hin zur Genforschung oder Aviv Geffen, Buswracks, Fischen im Negev oder die hart vernarbenden Wunden der Gewalt: Nicht mal nah an Neu.“ (ebd.) Ganz offenbar hat der Kritiker ein anderes Bild von der Arbeit Berbens als die Presseabteilung des ZDF. Das mag unter anderem daran liegen, dass es sich bei dem Verfasser um den in Tel Aviv ansässigen Nahost-Korrespondent der Zeitung, Norbert Jessen, handelt. Nicht nur Journalist, sondern auch seit Jahren vor Ort lebend, bieten ihm Pressetext und Film in vielen Punkten eine Angriffsfläche. So ließen sich alle Themen in Google eingeben, bemängelt er die Recherche, auch auf google.de kämen Ergebnisse, bei manchen Themen sogar im Überfluss: „Eigenere Themen hätten sich finden lassen. Nicht das aber entscheidet. Medienalltag ist eben ein Kuhstall: Wiederkäuen und Melken. Im Hintergrund leise die Melodie ‚Alle Jahre wieder’. Doch auch Wiederaufbereitung hat verschiedene Qualitäten. [...]“ (ebd.) Den Hinweis auf die für einen solchen Film angebrachten journalistischen Qualitäten nimmt er als Schluss seines Artikels nochmals und hier weitaus deutlicher auf: „Sie will es uns zeigen, die Iris Berben,“ schließt er seine Kritik. „Viel zu häufig zeigt sie aber nicht, sie redet. Stellt Fragen, die Worte rauben. […] Vor der Kamera. Da ist sie Spitze. Aber der Platz der Reporterin ist neben der Kamera. SIE führt die Regie. Allein. In der Rolle des AllahExperten Peter Scholl-Latour ist Iris Berben nicht die Idealbesetzung. Ich hätte lieber mehr Iris Berben gesehen. Ist sie doch keine schlechte Reporterin, sondern eine gute Schauspielerin.“ (ebd.) Dennoch greift Jessen auch die Kritik des Artikels auf. Dass es aus Israel so einseitig-gewaltig herüber klänge, läge auch an den Korrespondenten und den Redaktionen, ebenso an den sich überstürzenden Ereignissen. Ebenso aber auch, so fährt er fort, an der beschränkten Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen: „Kleine Geschichten vom Rande ziehen die meisten Reaktionen nach sich. Ziehen aber den Blick, den ersten, nicht so stark an wie Bilder der Gewalt. [...] Sich dem Alltag nähern. 171

NACHRICHTENWELTEN

Das Spannendste an Israel überhaupt. Nicht die Buswracks wecken Neugier, sondern Jossi Cohen. Der Ingenieur, der die gesprengten Busse nach den Anschlägen untersuchen muss. Eine der vielen engen Perspektiven auf das Danach eines Anschlags. Er lässt ahnen, aus wie vielen engen Augenschlitzen der Terror in Israel beobachtet werden muss. Auch außerhalb der Krankenhäuser. [...]“ (ebd.) Hier klingt die Sehnsucht heraus, sich jenseits der aktuellen Spotlights dem Alltag zu nähern, das Land und die Vorgänge aus anderen Perspektiven als die der Nachrichtenberichterstattung zu erklären und damit eine gelebte Gegenwart jenseits der bildgewaltigen Ereignisse abzubilden. Nach meiner Ankunft in Tel Aviv gehe ich mit dem Artikel hausieren. Mich interessiert, was die anderen Korrespondenten und ihre Mitarbeiter von Artikel und Film halten. Tatsächlich haben viele meiner Gesprächspartner den Film gesehen oder auch Teile der Dreharbeiten mitverfolgt. So wird der Artikel in den folgenden Tagen aus vielen engen Augenschlitzen betrachtet. Die Sichtweise unterscheidet sich dabei kaum, sie ist einheitlich ablehnend. Wie auch Jessen sieht keiner wirklich Geschichten, die vor lauter Krieg und Terror nicht erzählt werden können – oder nicht schon erzählt worden sind. Man kennt die von Berben dargestellten Protagonisten Peres, Tennenboim und Geffen. Israel sei eben klein. Zu klein, um ihnen nicht bereits begegnet zu sein und sie auch erwähnt, interviewt oder portraitiert zu haben. Neben allgemeinem Klatsch und Tratsch über Ursprung und Herstellung des Filmes werden aber auch Aussagen des Filmes aufgegriffen, die mit den eigenen Erfahrungen und Recherchen kollidieren. So äußert ein Journalist den Verdacht, dass Iris Berben die Informationen nicht gegengecheckt habe. Tennenboim, in der Darstellung Berbens ehemaliger Mitarbeiter des israelischen Sicherheitsministerium, habe dort nie gearbeitet. Stattdessen sei er mal bei einer Privatfirma beschäftigt gewesen, die wiederum mal als Subunternehmer... dort hätte er aber gehen müssen, weil er vorbestraft gewesen sei. Mindestens dreimal, so der Journalist, hätte er Zweifel gehabt, ob die Informationen einer Nachprüfung standgehalten hätten. Wie auch bei Jessen, wird häufig die Stilisierung von Iris Berben als Reporterin thematisiert. Meist sehr kurz. Nun, was Frau Berben hier versucht hat... es folgt Kopfschütteln. Die allgemeine Kritik zu dem von Oliver Berben mit und um seine Mutter herum produzierten Zweiteiler thematisiert im Kern mangelnde journalistische Professionalität. Gerade angesichts des im Pressetext geäußerten Anspruchs, die Arbeit der Korrespondenten zu optimieren, kontern die Kritisierten mit dem Verweis auf das nötige handwerkliche Können. So beschäftige sich eine Reportage eher mit dem Gegenstand, als dass sie den Journalisten zum Gegenstand mache, auch gehöre neben

172

DER GETEILTE HIMMEL

schönen Worten und Gesichtern eine gewisse Kompetenz dazu, Geschichten erzählen zu können. Eben journalistisches Handwerk. Tatsächlich sieht Israel abseits der Medienberichterstattung anders aus, als ich es mir vorgestellt habe. Viel heterogener und auf eine sehr eigene Weise auch normaler. Junge Israelis stehen mit Alufolie in den Haaren vor Friseursalons und rauchen, nebenan probieren zwei Mädchen in einer Boutique knallbunte Sommerröcke. Es gibt Gedrängel in den Supermärkten, orthodoxe Juden in traditioneller Tracht, eine bunte und laute Partyjugend in Eliat, Rosen in den Vorgärten der Vorstädte, Eisbuden am Strand und morgendliche Staus auf den Zufahrtsstrassen nach Tel Aviv. In einer Strasse herrscht Krieg und in der nächsten Frieden, so hatte ein Korrespondent dieses Paradox zusammengefasst. In unserem Gespräch damals ging es um das von den Medien vermittelte Bild der Gefahr und die tatsächliche Gefahr für Leib und Leben in der Kriegsberichterstattung. Die Situation in Tel Aviv und Jerusalem erinnert mich an dieses Gespräch. Auch hier ist nicht immer alles sichtbar und liegt trotzdem dicht beieinander. Der Fahrer, mit dem ich morgens auf dem Weg nach Tel Aviv im Stau stecke, erzählt mir von seiner Arbeit in einer Firma, die Systeme für die Evakuierung von Gebäuden im Terrorfall entwickelt. Nach dem 11. September umso nötiger, so ist er überzeugt. Angesichts des elenden Staus habe ich bei Terror zunächst andere Assoziationen und bange um meinen heutigen Interviewtermin. Solche Gedanken werden schnell banal, hört man bei den Lebensgeschichten etwas genauer hin. Auch mein Fahrer hat ein beeindruckendes Repertoire an Geschichten über Krieg und Gewalt. Die Erinnerung an Kriegstote und -verletzte liegt im Nahen Osten keine Generation zurück. Vieles setzt unter Druck, weil es so ungewohnt ist. Der Versuch, sich zu positionieren endet in Verwirrung, weil zu viele Meinungen und Positionen gerechtfertigt erscheinen. Die Orientierung bleibt häufiger auf der Strecke als es angenehm ist. Die Kultur, mit der ich als in den 1970er Jahren Geborene dank Unterrichtsplan und öffentlicher Aufarbeitung aufgewachsenen bin, stellt sich vor Ort als eine andere heraus. Was als relativ bekannter Raum angenommen wurde, entpuppt sich als unbekannter Außenraum. Die Bewegung darin als gehemmt durch das mitgebrachte »Wissen«. Jeder glaubt, eine Meinung zu haben, selbst jene, die wenig Ahnung haben – und das sind trotz der großen Berichterstattung in allen Medien weltweit die meisten… Angesichts der verschiedenen Szenarien vor Ort wird mir in erster Linie klar, wie stark das Nachrichtenbild von der wahrgenommenen Realität vor Ort abweicht. Es scheint, als hätten die elektronischen Impulse der Nachrichtenberichterstattung nicht nur eine materielle Realität vor Ort mit geformt, sondern die anderen Realitäten glei173

NACHRICHTENWELTEN

chermaßen ersetzt. Nur, dass es sich hier nicht um die matrix’sche Erkenntnis einer „Wüste des Realen“ (Zizek 2001) handelt: das »Reale« hinter den Bildern erscheint als ebenso überladene, heterogene und widerspenstige und damit irgendwie irreale Sphäre. Vielleicht steht dahinter der Wunsch, durch die Berichterstattung weniger informiert als stärker orientiert zu werden. Mehr Erklärung, weniger Fakten. Also das, was Auslandsjournalismus nach Aussagen der Korrespondenten eigentlich ausmacht (vgl. u. a. Hetkämper 1995; Montalbano 1994).

„Ich habe soooo viel gegen Fernsehbilder!“ Nach einer Studie der Bundeszentrale für politische Bildung (2002) ist die Fernsehberichterstattung über den Nahen Osten seit Beginn der 2. Intifada im Herbst 2000 auf den Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern und auf Bilder der Gewalt konzentriert. Die Studie hat die Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, SAT1 und RTL über einen Zeitraum von drei Jahren ab 1999 verglichen und eine deutliche Zunahme der Beitragszahl und -dauer nach Beginn der 2. Intifada im Sommer 2000 festgestellt. Sie kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass der Terror die Fernsehberichterstattung quantitativ dominiert: „Mit der Zunahme von Gewaltereignissen steigt nicht nur der Umfang der Berichterstattung an, sondern es verlagert sich auch die gesamte Inhaltsstruktur. Die Gewaltereignisse absorbieren die meiste Sendezeit und verdrängen andere Themen aus der Berichterstattung.“ (ebd.) So weist die Studie darauf hin, dass die Medienberichterstattung einen festen Bestandteil des (Gewalt-)Prozesses bildet. So sei es „kein Zufall, wenn dem militanten Konflikt auf der Ebene der Ereignisrealität die Ebene der Medienrealität gegenübergestellt und darauf bezogen von einem Krieg der Bilder gesprochen wird, der vor den Augen der Weltöffentlichkeit vor allem im Fernsehen stattfindet. Für die Konfliktgegner ist das Fernsehen zur Bühne eines Dramas geworden, in dem die Rollenverteilung von Täten und Opfern, Guten und Bösen, Starken und Schwachen eine wichtige Bedeutung erhalten hat“ (bpb 2002). Die Studie stellt dabei eine asymmetrische Rollenverteilung fest. Die Darstellung der Israelis reduziere sich häufig auf Angehörige des Militärs oder auf Zivilisten, die Opfer von politisch motivierter Gewalt sind. Es gebe kaum Hinweise auf Sachschäden, jedoch häufig Hinweise auf Humanschäden. Gewaltausübung bei Israelis werde im Bild häufig in der Form von schießenden Soldaten dargestellt sowie ein breites Spektrum militärischer Aktivitäten. Im Gegensatz dazu erscheinen palästinensische Gewaltakteure als männliche Zivilisten, die organisierten radikalen Gruppierungen zugerechnet werden. Die Darstellung von Gewaltausübung ist auf das Individuum konzentriert und zeigt 174

DER GETEILTE HIMMEL

die Gewaltformen Schiessen und Steinewerfen, aber auch Selbstmordund Bombenanschlag (ebd.). Bilder, die in ihrer kontinuierlichen Ähnlichkeit nicht nur einen gleichförmigen Stillstand der Ereignisse suggerieren, im gleichen Maß verschwimmt hier die Nachrichtenrealität mit der des Alltags. Auf die Frage nach dem Alltag im Nahostkonflikt gibt mir einer der Zeitungskorrespondenten ein Beispiel: Gerade sei er mit den Vorbereitungen zu einer Familienfeier beschäftigt. Für die Feier habe er natürlich auch die Verwandtschaft aus Deutschland eingeladen. Nur hätten die ihm zum Teil abgesagt. Mit der Begründung, dass es zu gefährlich sei nach Israel zu reisen. Wegen der Bomben und des ganzen Terrors. Das hätten die Verwandten im Fernsehen gesehen. Dass er selbst mit Frau und Kindern vor Ort wohne, hätte die Verwandtschaft nicht überzeugen können in den Flieger zu steigen. Auch würden sie anscheinend seine Artikel nicht lesen. Ist es hier, fragt er und deutet auf die Terrasse des Cafes in dem wir in Jerusalem sitzen, ist es hier gefährlich? Tatsächlich wirken die frühstückenden Gäste eher beschaulich und auch ich habe das Gefühl, dass mein vorhergehender Streit mit dem Taxifahrer um die Nutzung des Taxameters gefährlicher war. Dennoch, wirklich sicher fühle auch ich mich nicht. Und ich bin mir nicht sicher, ob das nur an den Fernsehbildern liegt. Der Journalist dagegen bezeichnet die Darstellung der Situation als enorm verrutschte Realität und spricht von scharf machen, der Zuspitzung einer ohnehin zugespitzten Situation. Wie erwähnt, zeigt sich der Landstrich zwischen Mittelmeer und Roten Meer bereits nach wenigen Tagen tatsächlich als äußerst heterogen, um nicht zu sagen verwirrend. Ein Tag mit ebenso ekstatischen wie missionseifrigen Christen in Jerusalem, die abends beim Malen naiver Sonnen- und Blumenmotive erst in Gesänge, dann in Weinkrämpfe verfallen; eine Stunde mit einem Fotographen der UNHCR, dessen Worte die Misere in den Flüchtlingslagern greifbarer machen als die Bilder selbst; ein Strandspaziergang mit moderaten Zionisten irgendwo bei Herzlija, bei einem Eis ruhigen Alltag spürend; ausgelassen tanzend auf der Party eines Jugendmagazins mit HipHop- und anderen Stars; ein Terrorverdächtiger am Busbahnhof, der auf einen kleinen Fingerzeig eines Umstehenden von Uniformierten gegen die Wand gepresst und entkleidet wird. Ein kurzer Zusammenstoß im Supermarkt, dann die Erkenntnis, dass es keine Tasche, sondern die Pistole am Gürtel des Mannes war, gegen die ich gestoßen bin. Neben den Zivilisten, die zahlreichen uniformierten Soldaten im Stadtbild Tel Avivs. Inmitten dieser Gegensätze und Widersprüche ist es schwer, den Überblick zu behalten oder das zu verstehen, was die Region politisiert. Es lässt sich eben nur ahnen,

175

NACHRICHTENWELTEN

aus wie vielen engen Augenschlitzen der Terror in Israel beobachtet werden muss. Dennoch schieben sich diese Bilder nur langsam vor die der Panzer und Selbstmordattentäter. Ich weiß nicht wirklich, welchem Bild ich trauen sollte. Irgendwie kann ich die Verwandtschaft des Korrespondenten verstehen. Die Macht der Bilder sei stärker als die Informationen und Kontextualisierung in seinen Artikeln, bringt der Korrespondent auf der Hotelterrasse seine Kritik auf den Punkt. Ich hab soooo viel gegen Fernsehbilder, stellt er sich gegen die Arbeit seiner Kollegen. Es ist eine enorm verrutschte Realität. Die Dominanz der Bilder, die auf Gewaltdarstellungen reduziert werden – Soldaten, Panzer, zerstörte Häuser, weinende Menschen – wird von den meisten Gesprächspartnern kritisiert. Darin sind sich die Korrespondenten einig. Print: In erster Linie wird das sehr viel vom Fernsehen dominiert. Das ganze Geschehen. Früher war das alles... da waren Fernsehnachrichten noch anders aufgebaut. Da war ein Redakteur, der hatte eine Idee. Dann hat man ihn losgeschickt mit einem Kameramann und die haben zusammen eine Geschichte gemacht. Heute gibt’s irgendwie... läuft das alles ganz anders. Es gibt Pools von Bildern, die bei den Fernsehnachrichten zusammenkommen. Aus der ganzen Welt. Diese Pools werden vor allem von internationalen Nachrichtenagenturen gespeist, die mittlerweile auch Fernsehen machen. Also, AP, REUTERS, die haben auch Fernsehbilder mittlerweile. Jetzt muss man sich überlegen: Welche Bilder haben überhaupt eine Chance in den Pool aufgenommen zu werden? Ein Kameramann, der gerne möchte, dass seine Bilder dort aufgenommen werden, der muss auch irgendwas bringen, was dann Chancen hat weiterverbreitet zu werden. Und das sind in der Regel Gewaltbilder oder irgendwelche Bilder, die dann typisch zeigen, dass man sich in dem Land befindet. Und das heißt in Israel einfach mal Religiöse oder Palästinenser mit ihren Wasserpfeifen oder mit ihren nackten Füßen oder der Bazar, also im Grunde alle Klischees, die es zwar gibt, die aber im Grunde nichts aussagen über die heutigen Gesellschaften. Und das ist ein Problem. Und diese Bilder werden dann gezeigt. Heute ist es sogar sehr oft so, dass der Journalist eigentlich gebeten wird, den Kommentar zu den Bildern zu liefern. Also, dass das Bild schon alles dominiert und nicht mehr umgekehrt.

Man filmt nur das Außergewöhnliche, weiß auch ein anderer Kollege vom Fernsehen. Es sei eben spannender, einen Panzer und ein Steine werfendes Kind zu zeigen. Auch weil es eben ein Bild sei, das man in Deutschland nicht filmen kann. Und weil es ein Klischee sei, auch in der Aussage. Die Klage richtet sich gegen den höheren Verkaufswert leicht konsumierbarer Bilder, also die vereinfachende Darstellun in Stereotypen und deren Naturalisierung. Warum, so fragt der Korrespondent, warum 176

DER GETEILTE HIMMEL

sieht keiner die Palästinenser als Kindersoldaten? Und warum gelte eine Frau mit Schleier gleich als unterdrückt, ergänzt eine andere Kollegin fragend. Das anerkannt Gute daheim sei ein Problem in der Vermittlung von Informationen. Fernsehen und auch Photos seien eine rein visuelle Wirklichkeit, die mit Bedeutungen erst aufgeladen werden müsse.8 „Bilder machen Meinung“, greift der Nahostkorrespondent der WELT das Problem der Informationsdienstleistungen in einem Artikel auf. „[...] Das Bild etwa vom bulligen israelischen Grenzer mit Schlagknüppel hinter einem blutenden jungen Mann [...]“ (DIE WELT 2002a) Verschiebt man den Ausschnitt wie er es in Folge tut, verändert sich die gesamte Aussage: „Bilder machen Meinung. Und Vorurteile. Das Bild etwa vom bulligen israelischen Grenzer mit Schlagknüppel hinter einem blutenden jungen Mann: Symbol für Besatzungsübermacht und gedemütigte Ohnmacht der Besetzten. Was man nicht ohne weiteres sieht: Der ‚Verprügelte’ vor dem Grenzer ist ein Israeli, den der Polizist rettete“ (ebd.). Auf den ersten Blick erscheint der israelische Soldat als Aggressor, der Zivilist als Opfer. Indem Jessen dem sichtbaren Ausschnitt des Bildes den unsichtbaren Hintergrund hinzufügt, er die andere Seite der Bilder zeigt, verschiebt sich das Bild des Soldaten in der Wahrnehmung. Hier genügt dazu ein kurzer Blick in die jüngste Vergangenheit, eine Verschiebung von Ort und Zeitpunkt der Aufnahme. Die Beweiskraft der Bilder wechselt nicht nur mit der Perspektive, sondern auch mit dem (zugänglichen, sichtbaren) Ausschnitt der Information. Dies kollidiert hier mit dem Wissen um den Hintergrund, die Fähigkeit und Möglichkeit Bilder, ebenso wie Vorgänge zu kontextualisieren. Das hohe Interesse an Themen aus dem Nahen Osten, die Masse der Journalisten vor Ort, die berichtenswerten Ereignisse – die Berichterstattung wird durch Takt und Funktionsweise der Medienmaschinerie charakterisiert, wie ein Korrespondent darstellt: Print: Das ist hier eine irrsinnige Medienmaschinerie. Der Nahost-Konflikt wird so überdimensional gecovert. Eine riesige Anzahl an Korrespondenten, – in der Regel sind es sehr gute Korrespondenten hier, also, ehrgeizige Leute – die viel schreiben wollen. Es ist halt immer die Frage nach dem Huhn oder dem Ei: wird so viel darüber geschrieben, weil so viele Leute hier sitzen oder ist das Interesse so groß und deshalb schickt man so viele Leute hier her? Wahrscheinlich ist es beides.

„Korrigiert?“ Sorgfaltspflicht in der Medienmaschinerie Generell prägt der Fokus auf die Nachrichtenberichterstattung den Alltag der Korrespondenten, die in der aktuellen Berichterstattung arbeiten. 177

NACHRICHTENWELTEN

Dies trifft auf Print und Rundfunk gleichermaßen zu. Wie ein Korrespondent beschreibt, kommt es an Tagen, die man selbst als ruhig und für die Hintergrundrecherche geplant hatte, plötzlich zu Zwischenfällen und man endet mit drei Artikeln am Rande des Machbaren. So sei die Fixiertheit auf den Ereignischarakter der Nachrichten das Hauptproblem: Das Aktuelle kommt vor der Wirklichkeit. ... Es ist natürlich die Realität hier vor Ort. Aber die hat viele Seiten und zusammengeschnippelt kommt da oft wieder etwas ganz anderes raus. Die Maschinerie, die Informationen über Informationen liefere, verenge den Blick auf die Situation. Um wirklich etwas zu erklären, die Dinge zu hinterfragen, bliebe kaum Zeit und damit auch der ein oder andere Fehler unkorrigiert. Die hohe Eigendynamik der Konfliktberichterstattung wird von den Korrespondenten mitgetragen. Dennoch handelt es sich bei deren Bewegungen gleichzeitig um Versuche, Schritt zu halten, wie auch, sich von dem Zeit- und Themendruck zu lösen. Ein halber Tag im Leben eines Kriegsreporters 14:02 Uhr Anruf meiner Frau aus dem Stadtzentrum. „Bombe. Alle sind aufgeregt. Hat laut geknallt.“ Ich rufe n-tv an. Ohne was zu wissen: Terror. Sekunden später heulen die Sirenen der Polizeiwagen. Sie rasen in Richtung Stadtzentrum. Zigaretten-Einkauf am Kiosk, um nicht auf dem Trockenen zu sitzen. Wieder Anruf beim CvD (Chef vom Dienst). Inzwischen berichtet Radio: „sehr viele“ Tote, Verletzte. Hab kaum Infos. CvD ruft an: „Herr Sahm. Ich stell sie sofort zur Regie durch.“ Der Moderator stellt seine erste Frage. Ich steuere verzweifelt das Auto in Richtung Bushaltestelle. Mache Bericht per Handy, rede weiter, fahre in Richtung Heim, Bericht dauert an. Parke Auto zuhause, der Bericht dauert an. Frau kommt aus Stadtmitte. Sie will ihr Überleben schildern. Ich immer noch am Berichten. Frau öffnet polternd Autotür. Ich fuchtele, Frau soll Mund halten. Immer noch Bericht. Ich schließe Auto und renne mit HandyBericht ins Haus. Begrüßung der Hunde, zum Glück ohne großes Gebell. Bericht beendet. Hemd anziehen, ohne Schlips, um ein wenig den „Frontreporter“ zu markieren. [...]

Quelle: Sahm (2001)

Der nervöse Alltag wie ihn Korrespondent Ulrich Sahm auch im wieteren Verlauf seines Artikels beschreibt, lässt kaum den Eindruck zu, dass die Einordnungsfähigkeit der Journalisten angesichts sich überschlagender Ereignisse stets von Souveränität getragen ist. Immer wieder beschreibt Sahm in diesem Artikel die Hektik und die im besten Falle als Spontaneität auszulegende Reaktion des Journalisten auf die hereinprasselnden Anfragen der Redaktionen. Angesichts der Implikationen für die Qualität der journalistischen Arbeit vor Ort wird Sahm mit dieser hysterischen Schilderung (s)eines Arbeitstages kaum Freude bei seinen Kollegen auslösen. Zu deutlich untergräbt der Zeitdruck hier die Souveränität des Korrespondenten. Auch wenn die Situation bei anderen Kollegen 178

DER GETEILTE HIMMEL

nicht durch die Arbeit für unterschiedliche Medien und -formate geprägt ist, beklagen auch sie generell eine Beschleunigung der Informationen und den Wettbewerbsdruck (vgl. Schwanenbeck 2003). Die eingangs genannten Zahlen der Fernsehberichterstattung unterstreichen dies – grob gefasst wird im lokalen A RD-Studio täglich eine Nachrichtenminute produziert.9 Wie auch in Washington setzt der Zeitdruck der Nachrichtenmaschinerie ökonomische Zeichen in der alltäglichen Arbeitspraxis.

Agenturen Charakteristisch für den Umgang mit einem schnellen Nachrichtentakt ist die verstärkte Nutzung von Agenturdienstleistungen. Wie schon in den Vereinigten Staaten wird dies auch im Nahen Osten nicht ausschließlich als Vorteil angesehen – besser gesagt: wurde die Nutzung von Agenturmaterial in den USA als passabel erachtet, da dieses Recycling von Nachrichten den Rückgriff auf einen ausgebildeten Medienapparat bedeutete, der aufgrund einer freien Gesellschaft funktioniert, so differenziert man dies im Nahen Osten. Print: Ich muss auch sagen, das muss man den Agenturen oft zum Vorwurf machen, es erscheint was in der israelischen Zeitung, ne tolle Meldung. Ich hab gelernt, ich muss es noch mal gegenchecken, weil die israelischen Zeitungen manchmal hahnebüchernen Unsinn schreiben. Oft ist die Meldung nicht ganz falsch, aber mein eigenes Gegenchecken gibt der Nachricht plötzlich ne völlig andere Stellung. Manchmal auch, ist sie von vorneherein erstunken und erlogen. Aber das wird dann in dem kleinen Zusatz „Wie MA’ARIV berichtete...“ [erledigt], damit ist DPA von aller Schuld und Sühne befreit.

Man nutze natürlich die Nachrichtenagenturen, mit denen man Verträge habe. Versuche aber, wenn möglich, sich ein eigenes Bild zu verschaffen, eigene O-Töne zu machen und möglichst unabhängig von den Agenturen eigene Geschichten zu liefern. Geht nicht immer, geht nicht oft, wie ein Korrespondent einräumt. Die Arbeit mit Agenturmeldungen gehört zum täglichen Handwerk. Wie ein Korrespondent erläutert, fängt sein Tag mit dem Blick in die Agenturen an. So verschafft er sich den Überblick über die aktuellen Entwicklungen und Ereignisse an seinem Standort. Der Blick in deutsche Zeitungen und Agenturen als Check, was die in der Redaktion wissen, geschieht, um das allgemeine Interesse in Deutschland zu ermitteln und zu prüfen, welcher Raum für seine Themenvorschläge bleibt und welche Anfragen die Redaktion an ihn stellen könnte. Die Agenturmeldungen, die terminierte und unvorhergesehene Ereignisse wiedergeben, übernehmen in der täglichen Arbeit der 179

NACHRICHTENWELTEN

Korrespondenten eine orientierende Funktion. Sie informieren über das Geschehen. Man selbst ginge danach über zum Verifizieren der Agenturdaten mittels Check und Gegencheck. Man müsse einen Bezugsrahmen herstellen und dabei eine Distanzierung vornehmen, um die Informationen einzuordnen. Rundfunk: Wenn man sich die Agenturen anschaut, hat man gewisse Erfahrungswerte. Beispielsweise ist jetzt hier auf der israelischen Seite REUTERS zuverlässiger als AFP. Andersherum, bei den Palästinensern, ist es so, dass AFP da einen relativ guten Job macht. Weiß ich. Wenn also in dem Moment AFP aus Israel was meldet, was mir komisch vorkommt und ich sehe, dass REUTERS nicht nachzieht und ich höre, dass der israelische Rundfunk diese Geschichte auch nicht meldet, dann weiß ich, dass da offensichtlich was nicht stimmen kann. Für uns sind wichtige Quellen der israelische Rundfunk, [unverständlich], was bei uns eben gehört wird im Studio. Natürlich auch das israelische Fernsehen, wenn das irgendwas meldet, abends in den großen Nachrichtensendungen. Weitere wichtige Quelle ist der englischsprachige Internetauftritt von HA’ARETZ, der sich einfach bewährt hat als gut, korrekt, schnell, umfassend. Dann guckt man sich natürlich auch die Nachrichtenagenturen an, wobei die oft auch nur die gleichen Quellen haben wie wir, das ist klar. DPA oder was hängen eben auch nur am Radio und hören, was meldet der israelische Rundfunk. Und dann, weitere wichtige Quelle, die israelischen Tageszeitungen.

So wird aus Sicht der Praktiker häufig die Differenz zwischen Information und Interpretation bemängelt. Das Urmotto der Agenturdienstleistung „We don’t take sides, we just take pictures“ (vgl. Paterson 1997: 149) verweist aus dieser Sicht auf die Offenheit der Zeichen und damit die Manipulierbarkeit durch die Nutzer. Im zweiten Schritt damit auch auf die möglichen Probleme wenn die Transparenz über Hintergrund und Herkunft der Leistungen fehlt. Zwar gehört es zum Alltag, Agenturmaterial zu nutzen, dennoch wird das Material nur als hinreichendes Mittel, keinesfalls aber als ausreichendes der Berichterstattung gesehen. Im Gegenteil. Die Vorstellung ausschließlich mit Agenturmaterial zu arbeiten, stößt sich an Vorstellungen der Sorgfaltspflicht und damit an der Definition von Professionalität. Die Ethik des Journalismus liegt in der Ernsthaftigkeit seiner Wahrheitsbemühungen (vgl. Donsbach 1983). Diese Ernsthaftigkeit wiederum hängt von der Fähigkeit und Bereitschaft ab, Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen und sie neutral einzusetzen. Ein Journalist, der bestimmte Aspekte eines Konflikts nicht ausrecherchiert, einzelnen Beteiligten nicht die Chance gibt, ihre Sichtweisen darzustellen oder aus Statistiken solche Zahlen selektiert, die seinen Standpunkt stützen, verhält sich nicht nur unprofessionell, sondern auch unethisch (ebd.). 180

DER GETEILTE HIMMEL

A.D.: Aber hat man überhaupt Zeit, flexibel zu sein und andere Quellen zu suchen? Rundfunk: Wir probieren es. Es geht nicht immer, aber wir probieren das. Und ich will Ihnen ein Beispiel nennen – Abu Dis, Ostjerusalem. Die Mauer. Da gab’s an einem Wochenende, ist noch gar nicht so lange her, eine große Demonstration von arabisch-israelischen Protestlern gegen die Mauer, Friedenskräften, die erste seit Beginn der zweiten Intifada überhaupt – also von Israelis und Palästinensern gemeinsam. Da kann man natürlich – die Agenturen sind alle dort – das Agenturmaterial nehmen, was [...] an diesem Sonntag zum Beispiel gemacht hat. Aber wir sind selber hingegangen, haben ein eigenes Stück gemacht, eigene Leute getroffen. Einen Bauer getroffen, gefragt, warum denn eigentlich? Und die Israelis, Uri Avnery, und dann dort... wenn man es selber erlebt hat und die Motive unterschiedlicher Teilnehmer hinterfragt hat, dann auch einen Aufsager dort machen kann und sagen kann: Warum eigentlich diese Mauer?

Um effizient zu arbeiten, d.h. mit den Ereignissen Schritt zu halten, sei die Zusammenarbeit mit den Agenturen notwendig – gerade im Falle der Rundfunkjournalisten, die im Takt der Ereignisse an die Produktionsmittel im Studio gebunden sind (vgl. Schlesinger 1978). Prekär am Zeitdruck, so herrscht Einigkeit, sei dabei das Überprüfen der Informationen. Das Fischen in der Poolsuppe des Agenturmaterials, sei sicherlich das Schwierigste. Die deutlichen Vorbehalte gegen eine fehlende Kontextualisierung der Informationen zeigt sich auch in den drastischen Worten eines weiteren Korrespondenten: Die Scheißagenturen transportieren Klischees. Sie vermitteln Begriffshülsen, Worthülsen. Je weniger Zeit man zur Verfügung habe, desto schwieriger gestalte sich der Versuch, Nachrichten und ihre Hintergründe zu er- und vermitteln. So könne man 24 Stunden am Tag arbeiten, aber nicht noch die Nacht, wie ein Korrespondent scherzt. Print: Es passiert oft, dass eine Tageszeitung – hier – was bringt und das ist eine absolute Ente, am nächsten Tag schon widerrufen. Bis es die Tageszeitungen nach Deutschland bringen vergeht ein Tag. Dann rufen die mich oft an. Hier ist es längst schon kein Thema mehr oder man sagt sogar, das hat nicht gestimmt. Und dann muss man oft sagen: „Das ist für nächste Ausgabe kein Thema mehr, das stimmt auch nicht mehr.“ – „Ja, Aber es steht so in der Zeitung!“ Dann sag ich: „Ja...“ A.D.: Kann man Sachen denn noch korrigieren? Ich hab das jetzt schon öfter gehört, dass es hier im Raum sehr viele Fehlmeldungen gibt, weil natürlich von

181

NACHRICHTENWELTEN

israelischer und palästinensischer Seite viel mit Propagandamitteln gearbeitet wird. Print: Hm. Korrigiert wird in der Regel fast nicht. Das ist genau der Punkt. Korrigiert? Das ist auch ein Punkt, da beschweren sich auch gerade die Israelis, wenn da irgendwelche Enten im Raum sind. Der Palästinenser sagt: „Die Israelis haben angegriffen mit irgendwelchem radioaktiven Material!“ Und allein die Anschuldigung zu bringen, zu sagen, damit steht das halt im Raum und am nächsten Tag, wenn da wirklich jemand nachprüft, und sagt, kann ja sein, vielleicht war das wirklich ein seltsames Tränengas, das die da eingesetzt hatten und dann wird das gecheckt. Und dann wird halt oft nicht mehr über das Danach berichtet. Was dann heißt, das war wirklich Quatsch, da waren zwar Verletzte, aber das war nicht irgendwas anderes. Und da fehlt schon oft, dieses Nachhaken.

Problematisch bei Agenturen, aber auch Leserschaft und Publikum, sei das kurze Gedächtnis. Weil Agenturen marktorientiert gerade diesen Umstand nutzen, um Dinge neu zu verkaufen, wie einer der Journalisten mokiert. Kapuscinski (2004) erkennt in solchen Abläufen die Materialisierung von Nachrichten, die einen Paradigmenwechsel vom journalistischen zu einem neo-liberalen Ethos spiegeln.10 In Auswirkung dessen fördere die Nachrichtenmaschinerie eine Entfremdung des Journalisten vom Produkt und damit einen Verantwortungsverlust gegenüber den publizierten Informationen und Aussagen (ebd.). Im Klartext: das journalistische Ethos wird willkürlich und unterhöhlt die traditionelle Funktion der Profession. Dieser Gefahr sehen sich auch die Korrespondenten ausgesetzt. Angesichts des hohen Medieninteresses und der in Folge dichten Konkurrenz wird der Charterflug zu Revolution und Scoop zu einem Wettlauf im Alltag überhaupt mit dabei zu sein. Im Studio festzusitzen und die Außenwelt nur noch durch die Agenturen wahrzunehmen, bezeichnet in den Augen der Journalisten minderwertige journalistische Qualität. Minderwertig, weil sie die persönliche Leistung auf die Einordnung, weniger aber die primäre Informationsgewinnung und Recherche konzentriert ist. Der unter dem Schlagwort »Camino-Realität« (Kepplinger 1983:61) gefasste Verlust der Außenwahrnehmung trifft dabei empfindlich das Wesen eines Auslandskorrespondenten. Deutlich tritt bei all dem der Konflikt als Maßstab hervor – die freie Gesellschaft, wie in den USA, wird hier aufgrund des Konfliktes als eingeschränkt beurteilt. Im gleichen Atemzug scheint es, als würden sich die Korrespondenten auch nicht in der Vogelperspektive sondern nah dran befinden – oder hätten zumindest genau dies als Ziel.

182

DER GETEILTE HIMMEL

...und andere Abgrenzungen Dass sich die Geschwindigkeit der Berichterstattung zwangsläufig auf die Arbeitsmethoden auswirkt, betrifft besonders die Rundfunkmedien, speziell das Fernsehen mit den technisch aufwendigsten Produktionsabläufen. Darauf anspielend kritisiert ein Printkorrespondent, er habe noch niemals jemanden vom Fernsehen getroffen, der länger als eine halbe Stunde vor Ort gewesen sei. Aufbau, O-Ton, Abbau, weg. Die palästinensische Mutter, die nach einer halben Stunde weinend zusammengebrochen sei, einfach, weil sie angesichts des Schmerzes über den Tod ihres Sohnes die offizielle Haltung der PLO nicht länger als den offiziellen Teil des Pressehappenings vertreten konnte. Die Rundfunkleute wären bereits nach den ersten O-Tönen gegangen. Das folgende, sich gegen die PLO-Doktrin richtende Statement der Mutter hätten sie nicht mehr mitbekommen. Darin läge die Gefahr, dass sich Zusammenhänge verwischten oder Ereignisse ganz aus diesen gerissen würden, werden könnten. In gewisser Weise stimmen dem die anderen Kollegen zu. Auf ihre Art: Rundfunk: Als Korrespondent hat man die Aufgabe und die Pflicht und auch den Stolz, eigene Geschichten zu machen. Auch bei den Nachrichten. Und sich nicht nur bedienen zu lassen durch Agenturen. Es ist heute so, durch diese Informationsschnelligkeit und durch diese Informationsdichte, kommen manche Journalisten oder auch Korrespondenten aus ihren Redaktionsstuben nicht mehr raus. Die Agenturjournalisten z. B., viele Rundfunkjournalisten z. B., nehmen wir den Hörfunk, die müssen am Tag drei, vier, fünf Geschichten machen. Da kommen die nicht mehr raus. Oder nur noch selten. Print: Also, wenn sie mich fragen: Wenn ich seh’ wie die im Radio produzieren – ich halt das für ein Witz! Ich weiß gar nicht, warum die überhaupt hier sind. Die sitzen da in ihren Studios den ganzen Tag und bringen dann, was meine Mutter hört, stündlich irgendwelche Nachrichten und das ist im Grunde Material von den Agenturen. Das weiß ich auch, die DPA, die hören israelische Nachrichten, haben palästinensische Stringer... Es ist manchmal sehr seltsam.

Der Kollege vom Radio freilich sieht die Situation ganz anders und verneint die Vorwürfe. Im Gegenteil zeigt er sich etwas überrascht. Rundfunk: Also, wenn ich es vergleiche mit den Kollegen vom Fernsehen drüben, sind wir nicht weniger unterwegs, sondern mehr eigentlich. Weil es beim Fernsehen oft ja auch nur Show ist. Sie sehen das Mikro der Fernsehstation, dadurch wird der Eindruck erweckt, der Korrespondent sei da, in Wirklichkeit ist es nur das Kamerateam und der Korrespondent selbst sitzt genauso

183

NACHRICHTENWELTEN

im Studio, wie unsereins eben auch. Also, was ich sagen will ist, mein Eindruck ist, dass wir uns jetzt nicht weniger wegbewegen, als der Fernsehkorrespondent. Ganz allgemein, vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen sage, wie wir hier organisiert sind. Wir sind zwei Korrespondenten im Studio. [..] Wir haben es uns wochenweise aufgeteilt. Einer macht das Aktuelle, der andere hat in dieser Woche die Gelegenheit raus zu fahren, selbst Stories zu recherchieren und eben klassisch Reporter zu sein, also, reportare, zurücktragen. Der, der hier das Aktuelle macht, kommt im Grunde genommen in dieser Woche nicht raus. Er muss eben immer erreichbar sein, es muss immer sehr schnell gehen können und berichten können, muss für die unzähligen Lifegespräche zur Verfügung stehen – die ARD hat glaube ich 65 Radioprogramme, die aktuelle Zahl hab ich nicht im Kopf – davon sind wahrscheinlich 20 mehr oder minder an unserer Arbeit interessiert, an der Aktualität, und deshalb wollen die eben zusätzlich zu den fertigen Berichten, die wir abgeben, noch die Lifeschaltungen haben. Und, ehm, ja, wenn ich das Aktuelle mache, eine Woche lang, sieben Tage am Stück, dann sieht es eben in der Tat so aus, dass eben die Quellen vor allen Dingen eben, aus zweiter Hand kommt. Also, von Nachrichtenagenturen, aus dem israelischen Rundfunk, aus dem israelischen Fernsehen, aus den Tageszeitungen. Das ist eben anders dann in der Woche drauf, wenn ich eben raus fahren kann. Da habe ich die Stories, die ich eben recherchieren möchte; wo ich Interviewtermine gemacht habe mit Leuten; dann fahre ich raus, schaue mir Dinge an und besuche Menschen und so weiter...

Diese Stellungskriege waren stets Teil der vor Ort geführten Gespräche: Das Fernsehen kritisiert das Radio oder zumindest die Konkurrenz, das Radio das Fernsehen. Darüber hinaus kritisieren die Journalisten der Tageszeitungen ebenso die anderen Medien und ihre Kollegen aus dem Print. Als gemeinsamer Nenner der Vorwürfe, immer wieder der leidliche Umgang der Anderen mit dem Zeitdruck und der Verweis darauf, dass man zwar auch Probleme damit habe, es generell aber besser bewältige. Gerade hinsichtlich des Vorwurfs nur in einer „Pseudo-Umwelt“ (Kepplinger 1992:60) zu leben, die nicht repräsentativ für das Land sei, zeigt sich die Sorge um die Selbstdefinition. Die gegenseitige Instrumentalisierung des Vorwurfes verweist darauf, dass die Nachrichtenmaschinerie von den Praktikern tatsächlich als Problem gehandelt wird. Wenn es ganz hart auf hart komme, so attestiert dann auch ein Korrespondent, könne man halt nur beschränkt handeln: Dann macht man wahrscheinlich auch das Gleiche, was... was meine Mutter manchmal sagt: „Na ja, das hab ich jetzt auch überall schon gelesen.“ Er lacht: Klar, manchmal kann man sich halt nicht so viel aus den Fingern saugen. Diese Situation verändere sich nur in den Phasen, in denen das allgemeine Interesse in der Heimat auf andere Brennpunkte der Weltlage gerichtet sei. So seien die Anfragen nach den Anschlägen in Madrid am 184

DER GETEILTE HIMMEL

11. März 2002 zum Beispiel drastisch zurückgegangen. Da waren wir abgemeldet, wie ein anderer Korrespondent bemerkt. Und hatten Gelegenheit Sachen abzuarbeiten, die bei uns schon länger lagen. Die von Hannerz beobachteten globalen Einflüsse und Zusammenhänge der Nachrichtenberichterstattung zeigen sich in dem Gesagten sehr deutlich. In produktionstechnischer Hinsicht gerät Zeit, oder besser gesagt, die Zeitknappheit zum prägenden Impuls. Während Hannerz jedoch die Abhängigkeit vom Takt der Berichterstattung grundsätzlich als Makel einer nachhaltigen Informationsaufarbeitung und -vermittlung thematisiert (vgl. Hannerz 2004:208ff), differenzieren dies die Journalisten in Nahost und verweisen, wie schon in Singapur, auf den eigenen Erfahrungshorizont und die Netzwerke. Was nicht bedeutet, dass sie den Zeitdruck nicht als Problem betrachten würden. Dennoch steht dabei weniger die kulturelle Übersetzungsleistung im Vordergrund, sondern die Auswirkungen auf das journalistische Handwerk. Im Falle des Nahostkonflikts betrifft dies in erster Linie die Vermeidung einer unausgewogenen Berichterstattung. Eine ausgewogene Berichterstattung ist nach gebräuchlicher Definition das Ergebnis einer beispielhaften Recherche (vgl. Haller 2000) und wenigstens theoretisch ein wesentlicher Bestandteil der journalistischen Sorgfaltspflicht. Die durch eine Beschleunigung der Nachrichten entstehenden Fehler, ihre ausbleibende Korrektur, werden in den Gesprächen und Interviews immer wieder als Resultat der Medienmaschinerie und des dahinter stehenden Agenturdrucks erklärt. In diesem Zusammenhang lässt sich die positive Bewertung der eigenen Recherche sehen, die das journalistische Produkt im Gegensatz zur Agenturnachricht exklusiv aufwertet. Der in zunehmendem Maße durch die Agenturleistungen mediatisierte Zugang wird von allen Beteiligten bewusst wahrgenommen und ist Teil ihrer alltäglichen Praxis. Generell, so beschwichtigt man, arbeite man dabei im Nahen Osten nicht anders als an anderen Orten auch. Die Arbeitsweise summiert Agenturmeldungen, Telefonate, Zeitungsquellen, persönliche Treffen und eigenes Hintergrundwissen – und eben die Netzwerke, die dem Journalisten effektiv den für seine Arbeit nötigen Bewegungsfreiraum gewähren. Mit einem festen Team oder der bewährten Zusammenarbeit mit Informanten und Freelancern – so man über diese Kontakte verfüge – arbeite man mit den Agenturmeldungen und über sie hinaus. So könne man schnell und kompetent reagieren und aktuelle Situationen einigermaßen in den Griff bekommen: Print: Ich hör also: Zusammenstoß an irgendeiner Grenzzaunbaustelle. Also, da fährt auch die DPA nicht hin, die hat da ihren Stringer und die kriegt dann: So und so viel Verletzte, Tränengas wurde geschossen, ein Soldat wurde auch 185

NACHRICHTENWELTEN

verletzt und was weiß ich. Oder unter den Verletzten war sogar ein Israeli und so weiter und sofort... das sind... jetzt kenne ich mich ein bisschen in den Szenen aus, also, und wenn ich dann einen Namen höre, von dem ich weiß, er war da – etwa von einem linken Israeli – dann kann ich den sehr oft anrufen. Ich weiß wer das ist und bin dann auch dabei, ich höre sozusagen den Lärm der Demonstration am Telefon. Und der erzählt mir dann natürlich völlig andere Sachen – subjektiv natürlich – und das kann man dann mit einarbeiten. Dadurch kommt ein bisschen Spannung auch bzw. wenn man lang hier ist, hat man auch andere Assoziationsmöglichkeiten.

Der direkte Kontakt steht nach Ansicht dieses Korrespondenten immer der Newsbeschallung gegenüber. Es reiche nicht aus ein bisschen im Internet zu lesen. Entscheidend sei es, Radio zu hören und vor allem mit den Leuten zu sprechen, raus zu gehen und so einen möglichst hohen Anteil an Eigenproduktion mit einzubringen, sich nach Möglichkeit von der vorgefertigten Nachrichtenproduktion zu lösen und hin zu einer individuell gezeichneten zu gelangen. Dies beschreibt nicht nur den Wunsch nach einer Pluralität der Informationen, sondern auch die Verschiebung von einer industriellen Nachrichtenproduktion anonymer „media worker“ (Kapuscinski 2004:62) hin zu der ganz eigenen Geschichte, für die man persönlich, mit seinem Namen, verantwortlich zeichnen kann. Dennoch, so beschreibt ein Korrespondent, gehe es bei all dem darum, Information nicht mit Wissen zu verwechseln. Gerade angesichts der Konfliktsituation. Dabei rückt vielmehr die Frage in den Mittelpunkt, welcher Standpunkt dem Korrespondenten im Kriegs- und Krisenfall Sicherheit im Umgang mit den Informationen gewähren kann.

De r g et e ilt e H im m e l Als Gegenstand der Meinungsbildung sind Israel und Palästina stets präsent, wie eingangs zitiert (vgl. Schmitz 2005). Für die Korrespondenten im Nahen Osten liegt die Anforderung darin, soziale und politische Ereignisse zu erfassen, sie einzuordnen und hernach an das eigene Publikum zu vermitteln. Das Motiv der „Ent-fernung“ (Heidegger 2006: 141ff), im Sinne einer Überwindung von Entfernung, ist grundlegendes Merkmal der Arbeit. Diese Vermittlerfunktion wird von den Journalisten durch die Anwendung entsprechender journalistischer Mittel und journalistischen Könnens angestrebt. Dies ist die grundsätzliche Anforderung. Die Arbeit im Nahen Osten jedoch bedeutet über diese Grundlagen hinaus eine Positionierung zwischen Konfliktparteien und -themen, die im (journalistischen) Alltag stets präsent sind.

186

DER GETEILTE HIMMEL

Wieder in der Raucherecke, diesmal ist es ein ruhiger Tag für alle. Die Gespräche drehen sich, wie an anderen Arbeitsplätzen auch, um Alltägliches: Kollegen, Projekte etc. Als ich in Begleitung des rumänischen Technikers vom Essen kommend dazu stoße, dreht sich die Diskussion gerade um den Nah-Ost-Konflikt. Ein Tscheche, ein Palästinenser, ein israelischer Araber und ein Deutscher diskutieren, ob ein tschechisches Brauhaus, mitten auf der Grenze, die Situation entspannen würde. Der Tscheche ist davon überzeugt, immerhin wisse man in seiner Heimat mit einer ordentlichen Schweinshaxe und ebensolchem Bier Probleme stets sehr gut zu lösen. Ein Kollege wirft grinsend ein, dass angesichts von Schweinefleisch und Alkohol diese Gespräche eher zu Hunger und Durst als zu einer Lösung führen könnten. Außerdem sei es fraglich, auf welcher Seite der Mauer das Wirtshaus stehen sollte. Die Mauer? Der Zaun. Oder? Das Ding sei ja wohl weder das eine noch das andere. Von der Diskussion über Konfliktlösung steuert man auf den aktuellen Konfliktherd zu. Wie stets im Nahostkonflikt geht es auch hier um Verräumlichungen von Moral: Ob Zaun oder Mauer, mit jedem dieser Worte scheint man sich einer Seite anzuschließen und die andere auszuschließen. Das Wort »Zaun« verharmlose die Situation der Palästinenser. Das Wort »Mauer« dagegen erinnere an die Berliner Mauer und verwirre in diesem Zusammenhang erst recht – allerdings bestehen die Anwesenden mit Ostblockerfahrung gerade deswegen auf die Bezeichnung »Mauer«. Wenigstens im privaten Sprachgebrauch. Einigkeit herrscht darüber, dass die Israelis die bessere Infrastruktur haben. Diese Trennung sei, ungefragt, eine strukturelle Schikane für die Palästinenser. Kilometerlange Umwege würden so entstehen, die Freizügigkeit sei ehedem unterbunden, nun aber auch jede Möglichkeit zu Kleinhandel, einer Form von Selbstständigkeit. Das sei ja auch der Zweck der Anlage, wirft jemand ein. Sperrt doch zehn Israelis mal für einen Monat in den Gazastreifen oder hinter den Zaun, und lasst sie dann erzählen, kommentiert jemand schließlich: Das Schlimme sei doch, dass keiner nichts wirklich wisse. Der von israelischer Seite betriebene Ausbau der Sperranlage im Grenzbereich zu den palästinensischen Gebieten ist im Frühjahr 2004 auch in den deutschen Medien ein vieldiskutiertes Thema. Vor Ort ist die Situation nicht nur Gegenstand der Diskussion, sondern für viele auch Gegenstand der alltäglichen Routine (vgl. Shamir 2005). Ein politisch engagierter Israeli, der regelmäßig Protestaktionen gegen die Grenzbefestigung organisiert, erzählt mir, kaum ein Israeli wisse, dass die Sperranlage zu einem wesentlichen Teil auf palästinensischem Gebiet gebaut werde und – wie er vermutet – eher dem zusätzlichen territorialen, wahrscheinlich auch dem hydraulischen Gewinn diene und damit Ausdruck der machtpolitischen Überlegenheit Israels sei. Einer der Korrespondenten, mit dem ich mich einige Tage später über dieses Thema unterhalte, 187

NACHRICHTENWELTEN

erzählt mir, dass es Luftaufnahmen gebe, auf denen der Verlauf der Anlage gut zu erkennen ist. Der Abgleich mit gängigen Karten ergebe tatsächlich, dass Teile auf palästinensischem Gebiet gebaut würden. Die Aussagen des Aktivisten waren demnach keine Agitation, wie ich zunächst vermutet hatte. Die jüdische Familie, unter deren Dach ich einige Tage lebe, ist eine alteingesessene Zionistenfamilie, die bereits vor der Staatsgründung Israels die Gegend um Tel Aviv bewirtschaftete. Zu fast jedem der kleinen alten Häuser, an denen wir bei unseren Sightseeing-Touren in der näheren Umgebung vorbei kommen, weiß meine Gastgeberin den Namen des Erbauers, seinen Beruf und seinen Lebensweg in Israel. Sie erzählen viel aus dieser Ära des Zionismus, von der Mühsal und dem Zusammenhalt, mit dem die vorwiegend europäischen Siedler die Gegend fruchtbar gemacht, quasi aus dem Boden gestampft hatten. Ebenso häufig erwähnen sie die engen Geschäftsbeziehungen mit den ehemals dort lebenden Arabern – vor der Intifada. Für die Sperranlage interessieren sie sich nicht. Auf meine Fragen nach ihrer Meinung ernte ich Schulterzucken. Als ich anführe, mir sei zu Ohren gekommen, die Anlage würde zum Teil auf palästinensischem Boden gebaut, bezweifeln sie meine Aussagen. Als ich anführe, dass die Sperranlage in Deutschland generell ein sehr negatives Bild auf Israel werfe, findet die Diskussion ein anderes Niveau. Der Vater erklärt mir, dass ihm der Verlauf der Anlage nicht bekannt, aber auch egal sei. Stattdessen zeigt er mir seinen Kriegsversehrtenausweis, erzählt von der Pleite, die er nach der ersten Intifada mit seinem Geschäft erlitten hat. Kurze Zeit später hat er Tränen in den Augen, als er mir sagt, dass er angesichts der gewaltsamen Situation seinen Sohn lieber im Ausland wisse als hier vor Ort der Gefahr ausgesetzt, dass ihn bei einem Militäreinsatz eine Kugel treffe. In einem Straßencafé stoße ich auf zwei Austauschstudenten aus den USA und Frankreich. Auch sie debattieren über das Thema Sperranlage. Der junge Amerikaner war unlängst vor Ort und zeigt dem anderen Photos, die er dort aufgenommen hat. Er spottet hörbar über die Lügen der Araber, die diesen Zaun als Zeichen der Unterdrückung mit der Berliner Mauer oder Schlimmeren verglichen. Er sei vor Ort gewesen – und so schlimm sei das Ganze nicht. Eher harmlos. Es sei ein einfacher, kleiner Zaun, kein steinernes Bollwerk. Um seine Aussagen zu untermauern, zeigt er die Bilder seiner Digitalkamera. Tatsächlich ist deutlich ein einfacher Stacheldrahtzaun zu erkennen, in dessen Nähe hüfthohe Betonstellwände in loser Anordnung auf freiem Feld stehen. In der folgenden Diskussion werden die Bilder immer wieder als Beweis angeführt, dass die Araber übertreiben würden. Die Anlage sei eine leichte Schutzvorrichtung, kein schwer bewachtes Monument der Unterdrückung.11 Als der Franzose seine Argumentation auf ein abstraktes Niveau 188

DER GETEILTE HIMMEL

bringt und anführt, es ginge eher um das Prinzip dieser Anlage, das sei eben strukturelle Unterdrückung und Demütigung, fragt ihn der junge Amerikaner, ob denn nicht klar sei, dass dies der einzige Weg sei, die Selbstmordattentate und Übergriffe der Araber zu verhindern? Interessant ist die Koalition und die vertretenen Argumente – während der Franzose und die Deutsche den Bau prinzipiell kritisieren und als Argument auf die strukturelle Gewalt hinweisen, ist die Anlage für den amerikanischen Studenten ein klares Muss zur Verhinderung von weiteren Terroranschlägen. Die nationale Zusammenstellung mag hier ein Zufall sein. Aufschlussreich ist der Ausgang dieser Unterhaltung – nachdem es ein scheinbares Patt zwischen der eher humanistischen Argumentation für die Würde des Menschen auf der einen sowie der pragmatischen Sicht auf Sicherheit und Existenzsicherung der anderen Seite gegeben hat, springt der junge US-Amerikaner auf und verlässt uns mit dem Hinweis, dass er diese Positionierung Europas schon nach dem 11. September mitbekommen hätte: Frankreich und Deutschland hätten sich schon damals auf die Seite der Terroristen geschlagen. Wir sollten uns schämen, zu Lasten von Freiheit und Demokratie weiterhin solche Systeme zu unterstützen. An diesem zufälligen Vorfall zeigt sich sehr deutlich, wie weit der israelisch-palästinensische Konflikt über den territorialen Raum hinaus transnationale Verbindungen und Bindungen aufweist. Deutlicher noch bilden sich zwei Argumentationsstränge ab, die bei allen Unterschieden in einem Punkt übereinstimmen: Beide beanspruchen das Recht für sich.

Sphärenlogik Uri Avnery, ehemaliger israelischer Untergrundkämpfer und heutiger Buchautor, erklärt Stereotype und Fortlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Existenz zweier entgegengesetzter, sich ausschliessender Narrationen: „Was auf beiden Seiten erzählt wird, ist Welten von einander entfernt. Dies bezieht sich auf jedes einzelne Ereignis der letzten 100 Jahre. So heißt zum Beispiel der Krieg von 1948 bei uns Israelis »Befreiungskrieg« oder Unabhängigkeitskrieg, während die Palästinenser diesen Krieg einfach al-Nakba nennen: »die Katastrophe«. Viele Israelis glauben noch heute, dass die Palästinenser uns ins Meer werfen wollen. Und viele Palästinenser sind davon überzeugt, dass die Israelis sie in die Wüste vertreiben wollen. Solange diese Vorstellungen vorherrschen, wird es keinen Frieden geben.“ (Avnery 2005:19f) Diese Narrationen sind Erzählungen, deren Spuren sich in der Gegenwart manifestieren: in Schulbüchern, der Sprache ebenso wie auf Festen und anderen Erinnerungsorten. Avnery, der in Interviews gern 189

NACHRICHTENWELTEN

damit spielt, sich selbst als ehemaligen Terroristen zu bezeichnen, schreibt beiden Erzählungen inhaltliche Geschlossenheit und damit einen sphärologischen, einen Ideologiecharakter zu: eine quasi naturalisierte Feindschaft, die kontinuierlich reproduziert wird. Dies führe dazu, dass sich jede Partei im unbedingten Recht sehe und auch kaum ein Weg der Verständigung gegeben sei, da Vergangenheit und Gegenwart der jeweiligen Parteien in zwei nahezu unvereinbaren Welten stattfänden (ebd.). Radikal stoßen hier Sphären auf- und gegeneinander, deren Verräumlichung tatsächlich ebenso territorial ist wie sie letztendlich auf vielen Ebenen existentielle Fragen stellt. Gerade der Verweis auf die Vertreibung in die Wüste, respektive ins Meer, beschreibt den Grundgedanken der Verräumlichung als territoriale Existenz. Wüste und Meer stellen weniger ein zu entdeckendes, als vielmehr ein existenzfeindliches Außen dar. Man könnte mit Avnery sagen, dass die Krise durch die Unvereinbarkeit zweier Sinnsysteme auf gleichem Grund (und Boden) kreiert wird.12 Diese dem Kern vielleicht, der Realität jedoch in jedem Fall unangemessene Reduzierung findet sich auch in dem Klischee des barfüßigen Palästinensers gegen den bewaffneten Israeli (vgl. bpb 2002). Hier visualisieren sich die zwei grundlegenden Narrationen als funktionaler Index innerhalb des jeweiligen Erzählrepertoires. Dabei wird stets eine schlüssige Einheit zwischen Objekt und Aussage konstruiert. So trifft das Bild des palästinensischen Terroristen konkret auf das des palästinensischen Märtyrers. Gut und Böse wechseln die Fronten mit dem Frontwechsel des Betrachters. Die so entstehenden Verknüpfungen sind aus dem narrativen Kontext heraus erkennbar und sinnstiftend. Dass dabei jede Seite theoretisch das gleiche Bild nutzen kann, widerspricht sich dabei nicht. Gerade im Verweis auf die jeweils eigene Narration zeigt sich die Verfügbarkeit, Gleichzeitigkeit und Offenheit des Bildes (vgl. Bignell 2000:140). Logik des Krieges. Wie einleitend beschrieben, gehe ich von der aktiven Bedeutungszuweisung des Subjekts innerhalb eines bestimmten diskursiven Sets aus. Dies findet nicht im leeren Raum statt, sondern richtet sich an unterschiedlichen sinnstiftenden Einschränkungen aus, die das Subjekt zur Orientierung im sozialen Raum nutzt (vgl. Giddens 1999) – und schafft dabei effektiv Wirkungsräume. Im Fall des Nahost-Konflikts kann die jeweilige Geschichtsschreibung nicht nur als Königsweg zur Definition eines Landes, sondern auch zu einer gesellschaftlichen Identität aufgefasst werden (vgl. Said 2002). Nur dass in diesem Fall weniger die Zweifel unterrepräsentierter Gruppen zu hören sind, sondern mit etwas Abstand betrachtet zwei Gruppen versuchen, mit der Definitionshoheit über ihre Version von Geschichte auch ein Territorium zu besetzen.

190

DER GETEILTE HIMMEL

In diesem Prozess formen sich Sphären aus, die in ihrer Konsequenz auch Werte, richtig und falsch, ethisch und unethisch, also Moral, definieren (vgl. Peterson 2003:195). Im Falle des Nahostkonflikts wird deutlich, dass es sich dabei nicht nur um autostressierende Gebilde handelt, die ihre Identität über ein gemeinsames Außen definieren, im gleichen Maße erfolgt die Zuschreibung von außen, durch den Gegner. „Wenn der jüdische Gott und der prototypische Mensch sich einander die Kontaktseite ihres Wesens zukehren,“ schreibt Sloterdijk (1998:45), „so bilden sie miteinander eine gemeinsame innenraumhafte Sphäre aus.“ Diese Zweihälftigkeit beschreibt das Auserwählt-Sein als zwei-einigen, gemeinsamen Erlebnis- und Erfahrungsraum, der jedoch grundsätzlich von Instabilität gekennzeichnet ist und nur durch die nötige soziale Kohäsion am Leben gehalten werden kann. Fragilität und Widerstandskraft der Hülle werden im Falle des Judentums durch die Geschichte der Diaspora memoriert. Die Spuren dieser kollektiven spirituellen Verräumlichung führen sich bis in die Gegenwart fort. Hier angekommen, ist das ehemals portative Vaterland inzwischen ein autochthones geworden. Mit Beginn der zionistischen Bewegung findet diese „gehauchte Kommune“ (Sloterdijk 1998:8) auch territorial eine umfassende Verräumlichung. Dort, wo andere Autochthone es tragbarer fänden, wenn dieses Vaterland in Anspielung auf Heinrich Heine auch weiterhin portabel wäre, geht es nun um den realen Nährboden für Identität und Mägen. Im Aufeinandertreffen von spiritueller und territorialer Autochthonie zeigt sich, dass die Frage nach moralischer Wahrhaftigkeit keinesfalls eine universal zu lösende Frage sein kann. Dennoch existiert der Streit um den Lebensraum in-, durch- und mit der Gegnerschaft von Israelis und Palästinensern. Im Endeffekt formt die Auseinandersetzung um den symbolisch aufgeladenen Boden eine Sphäre, deren Himmel ein geteilter ist: Er umwölbt sphärologische Horizonte, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten, um das Firmament für dieselbe Landschaft zu sein. Ausbau und Verteidigung dieser Makrosphäre sind von moralischer Gewissheit getragen. Deren öffentlichkeitswirksame Kommunikationspraxis können als Versuche beschrieben werden, sie als die (moralisch) bessere der möglichen Welten zu bezeichnen. Dieser umweltschützende Sprachgebrauch kann nicht zuletzt im Kriegsfall als „Waffennutzung“ (Virilio nach Bignell 1999:141), als »Propaganda« gefasst werden. Dabei werden im Kampf um Macht und Bedeutung »Fakten« durch die Kriegsparteien und deren Interessen moderiert. Der Nahostkonflikt ist nach dieser Sicht auch und vor allem ein Kampf um die richtige Interpretation. Als Mittel der Verbreitung sind die Medien ein Bestandteil des Konflikts. Darüber hinaus erschweren das hohe Tempo der Ereignisse und der erhebliche Umfang der Berichterstattung in der Praxis die Darstellung des Konflikts. Gerade angesichts der Kriegs- und Krisenberichter191

NACHRICHTENWELTEN

stattung, die als wesentliches Merkmal die Kontrolle von Produktion und Verbreitung des Informationsmaterials hat, steht damit für die journalistische Praxis neben der Frage nach Objektivität auch die der Unabhängigkeit journalistischer Interpretationen im Vordergrund.

„Mapping Challenges of Journalistic Work during times of Crisis“ Ein Samstagmorgen im Mai 2004. In dem Konferenzraum eines Berliner Hotels findet eine hitzige Diskussion statt. Anwesend sind ungefähr 20 Leute, die gerade mehrheitlich durcheinander rufen und schreien. You consider yourself objective journalists? schallt es quer durch den Raum. Der Angesprochene kontert in gleicher Lautstärke: You see yourself as soldiers! Es wird unverständlich. Immer wieder mahnen sich alle Beteiligten gegenseitig zur Ruhe, doch die Thematik ist offenbar zu emotional. Eine deutsche Stiftung hat unter dem Motto „Mapping Challenges of Journalistic Work during times of Crisis“ israelische, palästinensische und deutsche Journalisten zu einem Workshop eingeladen. Hier, abseits des Krisengebiets, auf neutralem Terrain, soll palästinensischen und israelischen Journalisten die Möglichkeit gegeben werden, miteinander in den Dialog zu treten. Zuhause in Israel und Palästina sei dies schier unmöglich. Zu verhärtet die Fronten, so erklärt mir die Verantwortliche des Peres Center in Tel Aviv später während einer Kaffeepause. Doch noch tobt die Diskussionsrunde ohne wesentliche Anwendung dialogischer Elemente.13 Welche Seite achtet nun die Pressegrundsätze besser? Die andere wohl kaum. Thema der laufenden Session sind die alltäglichen Schwierigkeiten der Berichterstattung aus den besetzten Gebieten. Gerade ärgert sich ein palästinensischer Journalist über eine Unterstellung von Seiten der Israelis: Palestinians never attac Israeli journalists! Darauf ein Zwischenruf: But the settlers do! Lachen erfüllt den Raum, und die Diskussion verläuft für kurze Zeit etwas ruhiger. Rashid, den ich in Israel kennen gelernt habe, hatte mich bereits in Israel zu dieser Veranstaltung eingeladen. Er arbeitet für ein deutschsprachiges Medium als Stringer und damit Kontaktmann und Übersetzer für alles, was auf der palästinensischen Seite geschieht. Das Kriterium für seine Arbeit, so hatte er mir bei einem Treffen in Jerusalem erklärt, sei die Loyalität seinem Arbeitgeber gegenüber. Sein Ziel sei es dennoch, mit dem Klischee des barfüßigen, Steine werfenden Palästinensers zu brechen und nach Möglichkeit dazu beizutragen, das Verständnis für die palästinensische Seite zu erhöhen. Das Verständnis, nicht die Parteinahme, so hat er in unserem Gespräch mehrmals betont, stehe für ihn im Mittelpunkt: Auch in Berlin macht er immer wieder auf die kulturellen 192

DER GETEILTE HIMMEL

Unterschiede zwischen Palästinensern und Israelis aufmerksam. Gerade in der Sprache sieht Rashid dabei eine Crux: Es sei vor allem ein linguistisches Problem. Würden mehr Journalisten fließend arabisch sprechen, gerade die ausländischen Medienvertreter, so könnten sie diese blumige Sprache in ihren verschiedenen Bedeutungen erkennen. In der Runde diskutiert man gerade – wie im Verlauf der restlichen Tagung auch, auf Englisch – über die Assoziationen und Intentionen, die sich hinter den Bezeichnungen »Märtyrer« und »Terrorist« verbergen. Immer wieder wird eingeworfen, dass man in der Wortwahl Vorsicht walten lassen müsse, da sie bewertend sei. Der Einwurf eines deutschen Journalisten, dass man die Worte in Anführungszeichen setze, um darauf hinzuweisen, dass es eine Selbstwahrnehmung sei, wird höflich zur Kenntnis genommen aber in Folge ignoriert. Zu sehr geht es den Anwesenden zunächst um die eigene Positionierung: When Sharon or Arafat speaks, they are talking politics! wirft ein Teilnehmer ein und bezeichnet damit die ganze Runde. Die Sprache der Politik klinge auch aus der endgültigen Teilnehmerliste, so bedauert eine der Veranstalterinnen im Gespräch, von israelischer wie auch palästinensischer Seite hätten jeweils nur wenige Stunden vor Beginn der Tagung die wichtigsten Gesprächspartner abgesagt. Teilweise, so werde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, wohl aus Druck von ganz Oben. Zu den Gästen, die abgesagt haben gehörten u. a. Vertreter von CHANNEL 1, dem staatlichen Sender Israels, Mitarbeiter der größten palästinensischen Tageszeitung AL QUDS sowie des Fernsehsenders AL JAZEERA. Die Anwesenden sind Redakteure, Reporter, Fotografen, Producer und Stringer von HA’ARETZ, UNHCR, kleineren Produktionsfirmen etc. – palästinensische und israelische Journalisten eben. Nach der Diskussion essen wir zu Mittag. Auch hier vermischen sich zwar die Parteien, aber die Vermischung hält sich doch in Grenzen. Ich sitze mit zwei Mitarbeitern der HA’ARETZ, einer weiteren israelischen Journalistin sowie einem palästinensischen Journalisten am Tisch. Ich frage, inwieweit sich die Teilnehmer mit der ausländischen Berichterstattung beschäftigen und sie mit einbeziehen. Die ausländische Berichterstattung mit einbeziehen? Es gibt Verständigungsschwierigkeiten. Ein pensionierter israelischer Redakteur erklärt mir, dass sie generell keine ausländischen Medien rezipieren, geschweige denn in ihre Berichterstattung einbeziehen! Zu seiner aktiven Zeit sei er jedoch regelmäßig zu Interviews, Statements und Hintergrundinfo angerufen worden, da seine Zeitung eine viel gelesene englischsprachige Ausgabe habe. Auf meine Frage, ob er mit der Darstellung seiner Statements immer zufrieden gewesen sei, kommt ein schnelles, klares Nein. Die Ausgaben gerade der europäischen Medien seien häufig zu sehr politisiert, zu polarisiert, in nur eine Richtung gehend. 193

NACHRICHTENWELTEN

Einige der Journalisten sind zum ersten Mal in der Stadt. Überraschender Weise sind es häufig die älteren unter ihnen, die zum wiederholten Mal in Berlin sind. Jene sind kurze Zeit später auch nicht mehr dabei, als es zu einem Fußballspiel der Hertha BSC ins Olympiastadion geht und ich, ungefragt in der Rolle der Deutschlandexpertin, den Israelis erklären muss, dass es, ja, dieses das Stadion gewesen sei, in dem Hitler in den dreißiger Jahren gesessen habe. Währenddessen wollen die Palästinenser mit mir über die deutsche Bundesliga fachsimplen. Mühelos nennen sie mehr Spieler- und Trainernamen als ich überhaupt kenne. Nach dem Spiel sitzen einige der israelischen Journalisten in der Hotellobby. Ich frage, inwieweit die Teilnehmer eine Fernsehberichterstattung über den Konflikt sinnvoll finden. Wieder kommt die Aussage, dass es unmöglich sei einen dermaßen breiten Hintergrund in 1’30’’ zu packen. Darüber hinaus wird die Frage in den Raum gestellt, wo man bitte den Hintergrund ansiedeln solle – vor 40 Jahren? 300 Jahren? 2000 Jahren? Mit jeder Marke schwanke die Zuordnung von richtig und falsch, von gut und böse. Gerade in diesem Zusammenhang wird wieder auf die aktive Rolle des Zuschauers verwiesen – Kontinuität und eine Informationshaltung, die über die Rezeption nur eines Mediums hinausgeht, seien obligatorisch. Gerade das Internet als Quelle nicht zu unterschätzen. Mein Hinweis, dass es gerade im Netz schwierig sei, die Positionen und die Neutralität der Aussagen zu überprüfen, wird übergangen. Stattdessen wieder der Hinweis, dass gerade die israelischen Medien regierungskritisch arbeiteten, generell eher links seien und überhaupt genau in der Tradition einer freiheitlich demokratischen Berichterstattung arbeiten würden – richtiger Journalismus eben. Den palästinensischen Journalisten wird implizit das Gegenteil unterstellt – widerrechtliche Aneignung von Presseausweisen und der Aneignung von journalistischen Rechten ohne Grundlage. Nicht wenige seien nur Journalisten geworden, weil sie sonst keinen Job hätten und eben so viele nutzten ihre Privilegien in diesem Zusammenhang aus. Die Ausdrucksweise ändert sich stark, als sich ein palästinensischer Journalist zu uns setzt. Die Wortwahl wird spezifischer, überlegter und unverfänglicher. Die klare Positionierung weicht dem Smalltalk. Such is life. Ich verstehe, warum für den nächsten Tag keine Gäste mehr zugelassen sind – die Positionierung aus dem Fenster hinaus ist eine andere als die im Raum.

„Do stringer talk politics?“ Das erste Mal treffe ich Rashid als er gerade Interviewmaterial aus Ramallah in das Korrespondentenbüro bringt. Selbst als Journalist ausgebil194

DER GETEILTE HIMMEL

det versorgt er seinen Auftraggeber mit Informationen, beschafft Bildmaterial und O-Töne und übersetzt Interviews und Zeitungspassagen aus dem Arabischen. Sein Presseausweis sowie die Bescheinigung, für ein deutsches Medium zu arbeiten, gewähren ihm Freizügigkeit in den israelischen und palästinensischen Gebieten. Rashid versucht nach Möglichkeit, eigenes Material zu produzieren und Informationen aus erster Hand zu bekommen. Er erzählt mir, dass er wiederum mit einem Netz aus eigenen Informanten arbeite, die ihn über die Ereignisse auf dem Laufenden hielten. Auch als wir uns zum Gespräch im Patio des American Hotel in OstJerusalem treffen, knarzt und kracht sein Funkgerät ständig. Ebenso häufig nimmt er die Gelegenheit wahr, mit Medienvertretern von CNN und anderen Journalisten zu sprechen, die sich im Hotel aufhalten. In einem ruhigen Moment frage ich ihn nach den Straßeninterviews, die er vor wenigen Tagen aus Ramallah ins Studio gebracht hatte. Zum anstehenden Staatsbesuch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharons in den USA wurden israelische und palästinensische Meinungen eingefangen. Von diesem Besuch, so spekulierte man in diesen Tagen, hinge der israelische Truppenrückzug aus dem Gazastreifen ab. Mir war aufgefallen, dass die palästinensischen Gesprächspartner gut gekleidet waren und sehr differenzierte Antworten gaben. Natürlich gebe es dumme oder ungebildete Leute, antwortet er mir, aber du sollst die Leute verstehen. Und den Palästinenser eben nicht nur mit den gängigen Klischeebildern verbinden. Dazu träfe er eine Auswahl, die die gesamte Bandbreite der palästinensischen Bevölkerung spiegele. Wieso denkt ihr eigentlich immer, dass es bei uns keine Gebildeten, oder Intellektuelle gibt? Nur weil ihr deren Bücher nicht lest? Das sei doch grundsätzlich das Problem. Der Abstand zwischen den Kulturen. Grundsätzlich lebten die ausländischen Journalisten in Israel. Als ob die palästinensischen Gebiete mit Afghanistan zu vergleichen seien! Es gäbe auch hier ausreichend Infrastruktur für Medienarbeit. Alles in allem zeige dies ein Ungleichgewicht auf, das sich immer wieder negativ in der Berichterstattung niederschlage: Die Journalisten seien zu weit weg vom Alltag in den palästinensischen Gebieten. Sie gehen kurz für ihre Arbeit dorthin. Sehen. Verstehen aber nichts. Wir reagieren anders. Das versteht man nicht. Ihr seid zu nah dran an Israel, weil euch die Israelis kulturell näher stehen. Auch Ronan und Joel arbeiten als Producer und Stringer für deutsche Medien. Sie stimmen mit Rashid überein, dass die Berichterstattung häufiger die Gegenseite begünstige. Allerdings handelt es sich bei den beiden um Israelis. Beide haben lange Zeit in Deutschland gelebt. Joel ist dort aufgewachsen und erst nach dem Abitur nach Israel gegangen, sein Kollege Ronan hat einige Jahre mit seiner Lebensgefährtin dort gelebt. 195

NACHRICHTENWELTEN

Beide recherchieren Themen und Geschichten, übersetzen vom Hebräischen ins Deutsche, kontaktieren und interviewen Gesprächspartner aus Politik und Gesellschaft. Beide tauschen sich regelmäßig mit dem deutschen Korrespondenten aus, diskutieren und ordnen Vorgänge nach ihrer Auffassung ein. Dabei erzählt mir Joel, dass er sich eigentlich, auf jeden Fall, früher politisch immer links eingeordnet habe. Inzwischen würde er bei seiner Arbeit immer öfter die israelische Seite verteidigen. Müssen. Einfach, weil er das Gefühl habe, dass die Berichterstattung zu Lasten der Israelis ginge und er das irgendwo ausgleichen müsse. Sein Kollege stimmt dem zu. Als er noch in Deutschland gelebt habe, sei er politisch viel undefinierter gewesen. Hier in Israel, in der Zusammenarbeit mit Deutschen, fühle er sich inzwischen als Israeli.

„Journalism is activism!“ Ein Café in Tel Aviv am späten Abend. Ein Freund in Deutschland hat mir Kontakt zu Aktivisten der israelischen Linken verschafft. Die Anwesenden sind Ende zwanzig bis Ende Dreißig. Einer verdient seinen Lebensunterhalt als Grafiker, eine andere arbeitet in der Produktion einer israelischen Vorabendserie, der Dritte als Regisseur beim Rundfunk. Es sind keine Träumer, die an Kaffeehaustischen Revolutionen herbeireden, sondern junge Menschen, die fest im Leben und damit mitten im Establishment stehen. Neben dem Broterwerb sind sie in verschiedenen Organisationen und Projekten tätig, einer meiner Gesprächspartner wurde mir als investigativer Journalist vorgestellt, eine andere organisiert und koordiniert Protestaktionen und versorgt hauptberufliche Journalisten mit Informationen. Alle Anwesenden betrachten Journalismus ganz pragmatisch: Journalismus ist Aktionismus. Diese Gleichung legt eine grundsätzliche Parteinahme von Journalisten dar, auf der die Anwesenden auch beharren: What I tell you, you may not understand, I am Israeli, I am biased. No matter what facts I will tell you, I am biased. As you are biased as he is biased as your correspondents are biased! Damit geben die jungen Israelis einen Rahmen für ihre Sicht der Berichterstattung vor. Dieser verläuft konträr zu der in Deutschland populären Auffassung nach Hajo Friedrichs, dass sich ein guter Journalist niemals gemein macht, auch nicht mit einer guten Sache. Diese Maxime beschreibt die Rolle des Journalisten als objektiven Betrachter, der aber neutral und ohne zu manipulieren oder propagieren der Orientierungs- und Informationspflicht nachkommt. Was hier im Gegenteil dazu proklamiert wird, ist und leistet politische Pressearbeit. PR und Journalismus schließen sich je nach Standpunkt entweder aus oder sie bedingen sich gegenseitig. Ausgeschlossen wird jedoch stets 196

DER GETEILTE HIMMEL

eine Deckungsgleichheit dieser beiden Bereiche (vgl. Schantel 2002). 14 In diesem Sinne ist keiner aus der Gruppe Journalist. Dennoch haben Shaylee und Anad nach eigener Aussage Zeitschriften und Fernsehmagazine herausgegeben und auch einige Scoops gelandet, die in den großen nationalen Zeitungen MA’ARIV und HA’ARETZ veröffentlicht wurden. So oft es ihnen möglich ist, sind sie an den Brennpunkten des israelischpalästinensischen Konflikts, protestieren, observieren und leiten als Stringer Neuigkeiten und Informationen an andere Journalisten und Medien weiter. Die Zeitungen und Fernsehprojekte, die er mit ins Leben gerufen hat, waren – darauf legt er besonderen Wert – nicht profitorientiert angelegt. Der Gruppe um Shaylee war es wichtig neue Quellen in die Diskussion einzubringen. Häufig hätten sie als linke Aktivisten andere Zugänge und besseren Zugang zu Leuten, die näher dran am Geschehen sei. So gelang es ihnen, ein Interview mit der Familie und Freunden einer Friedensaktivistin zu machen, die bei einer Protestaktion tödlich verletzt wurde. Dieses Interview ließ die offizielle Verlautbarung, es handele sich bei diesem Vorfall um einen tragischen Unglücksfall, in einem anderen Licht erscheinen: Die von Shaylees Gruppe zusammengetragenen Stimmen sprachen einhellig von einer mutwilligen Tat. Der gleiche Widerspruch zwischen offizieller und aktivistischer Meinung tut sich auf, wenn es um den Aspekt der gewaltsamen Auseinandersetzungen auf Demonstrationen und an Sperranlagen geht. Grundsätzlich lassen offizielle Quellen verlauten, es habe sich um gewalttätige Übergriffe von Demonstranten gehandelt, die Seite der Aktivisten sieht diese Aktionen von einem anderen Standpunkt – die Übergriffe seien vom Militär inszeniert, um die Demonstranten durch ihre angebliche Gewaltbereitschaft zu diskreditieren. Die Geschichte selbst fand ihren Platz in einer großen israelischen Tageszeitung und wurde dort bis auf eine kleine Ausnahme unredigiert gedruckt. Vor Ausbruch der gewalttätigen Übergriffe hatte die Gruppe versucht, eine Nachrichtenagentur und damit Aufmerksamkeit zu mobilisieren und wurde mit dem Kommentar vertröstet: Meldet euch, wenn es Tote gibt. Gerade das Verhalten der Agentur beschreibt nach Shaylee ein wesentliches Problem ihrer Arbeit. Erst wenn ein gewisses Ausmaß erreicht sei, signalisierten die großen israelischen Medien Interesse. Die Berichterstattung sei zu ereigniskonzentriert, eine begleitende und hinter die Kulissen schauende Berichterstattung existiere in den israelischen Medien kaum. Die Leute an sich seien interessiert an den Vorgängen. Das wäre ihnen spätestens deutlich geworden, als sie der starken Nachfrage mit einer zweiten Auflage ihres Magazins nachkommen konnten. Mehrmals im Gespräch weisen die Beteiligten darauf hin, dass es ihnen gerade im Hinblick auf die Einseitigkeit der offiziellen Berichterstattung um die Bereitstellung von Informa197

NACHRICHTENWELTEN

tion gehe, die ohne ihren Aktivismus nicht in die Diskussion einfließen würden. – Gerade im Hinblick auf die Propaganda der Regierung, wie es ein Aktivist bezeichnet, liege es in der Verantwortung journalistischer Arbeit, die herrschende Meinung zu hinterfragen und andere Positionen in die Diskussion einzubringen, die der dominanten Haltung widerläufig seien. Nachdem ihnen dies, nach eigenen Angaben, durch einige derartiger Scoops gelungen war und sie auch Material an große nationale Blätter verkaufen konnten, löste sich die Gruppe auf und die verschiedenen Mitglieder wandten sich neuen Aufgaben zu. Wir haben das Projekt beendet, weil wir das Gefühl hatten, unser Ziel erreicht zu haben. Außerdem, so Shaylee, mit der Dauer, die ein solches Magazin existiere, wüchsen grundsätzlich die internen Probleme. Meist handele es sich dabei ganz profan um interne Debatten, um Finanzierungsprobleme, das Format... An diesem Punkt angekommen, versinke der lebendige Aktionismus in Strukturfragen und verkomme zu einer Diskussion um das Zusammenspiel von Profit und Inhalt. An seinem grundsätzlichen Engagement hat dies nichts geändert. So engagiert sich Shaylee nach wie vor für die Organisation NO BORDERS und INDYMEDIA. Nur durch kontinuierliche Aktion sei es möglich direkt etwas zu verändern, sagt er und referiert damit auf ein aktives Modell demokratischer Partizipation an Staat und Öffentlichkeit, wenn auch abseits dcs gesellschaftlichen Mainstream.

W ha t is r ea l – I m K o n fl ik t d er N a r r a t io n e n Diese grundsätzliche Politisierung der Informanten wird von vielen Korrespondenten bestätigt. Dass jeder Informant irgendwie voreingenommen sei, gehöre in Konfliktgebieten eben dazu. Sei eben so. Was einen schütze, so ein Korrespondent, sei einfach, dass es eine Konfliktsituation sei. Beanspruche man, den Konflikt von beiden Seiten zu beleuchten, so wird es einem die andere Seite schon immer wieder erklären und einen davon wegbringen, das alles so anzunehmen, wie es einem die eine Seite erklärt. Also, genau so eine Gefahr, dass man Israel für ganz Klasse hält, [...] dann reicht es, dass man in die Palästinensergebiete fährt und sich das anschaut vor Ort, dass man weiß, so genau stimmt das gar nicht. Aber auch umgekehrt. Dass man bei den Palästinensern, wenn man da viele Sachen hört und sich genauer auskennt, auch weiß, was da Propaganda ist. Um effektiv arbeiten zu können, lege man Wert auf eine längere Zusammenarbeit. Diese basiere immer auch auf einem Vertrauensverhältnis. Die Kooperation wäre sehr schnell beendet, wenn der Informant nicht glaubwürdig sei – und umgekehrt: 198

DER GETEILTE HIMMEL

Print: Wenn er [der Stringer, Anmerk. A.D.] wüsste, dass es über mich Klagen gegeben hätte, würde er auch nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Und er wär’ auch nutzlos als Stringer oder als Assistent, wenn er mich zu den falschen Leuten bringen würde. Irgendwann kennt man sich und ist da offen. Die Leute sagen dann einfach, was sie denken. Und ich glaub gar nicht, dass es große Unterschiede macht. [...] Aber so ganz im Groben habe ich nicht das Gefühl... ich weiß, wie er denkt, das ist natürlich wichtig. Ich weiß, er ist kein HamasMann... sein Job ist es ja Journalisten zu füttern mit verschiedenseitigen Ansichten und den macht er eigentlich ganz gut. Wir sprechen Sachen vorher ab, wo ich sage, ich möchte den oder den oder den sehen. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass er sich dem nicht... ja, dass er manipuliert. Aber diese ganzen Sachen muss man immer im Hinterkopf haben, dass es sein könnte, ja. Aber was ist perfekt? Hier versucht jeder einen zu manipulieren! Andauernd. Das ist die Wahrheit. Und das muss man eigentlich immer wissen.

Im Gegensatz zu Singapur erstrecken sich die professionellen Kontakte durch ein geographisch wesentlich kleineres Berichtsgebiet. Zuweilen hatten einige der Journalisten im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit vor Ort bereits für verschiedene Medien gearbeitet. Dabei kreuzen sich die Spuren der Teilnehmer regelmäßig, so kennen sich Stringer, Producer, Fotografen, Kameraleute, Korrespondenten vielfach untereinander. In meinen Gesprächen wurde häufig auf Kollegen verwiesen, auch wurde ich häufig gefragt, ob ich mit diesem oder jenem Kollegen schon gesprochen hätte. Angesichts der Empfehlungen oder auch Telefonnummern, die damit verbunden waren, war dies für mich ein Vorteil. Anders als in Singapur war der Zugang zu den verschiedenen Akteuren der Berichterstattung unkompliziert und schnell herzustellen. Man traf sich auf Lesungen, im Café oder an den wenigen Adressen, an denen sich die internationalen Rundfunkmedien und Agenturen sammelten. Diese Verdichtung setzt die Akteure einer verstärkten Beobachtung und Beurteilung durch ihre Kollegen und Konkurrenten aus (vgl. Sloterdijk 2005: 24). Dies birgt die Möglichkeit einer sozialen Kontrolle ebenso wie die der Orientierung.15 Gerade angesichts der öffentlichen Stimmen sei die Nähe zum alltäglichen Geschehen von Vorteil, wie einer der Korrespondenten bemerkt. So wisse er inzwischen zu unterscheiden: Wenn zum Beispiel eine gewisse Militärquelle etwas verlauten ließe, sei dies in Hamburg nur eine Militärquelle. Er hingegen könne darüber hinaus auch die Frage nach der Kohärenz der Aussagen stellen: Print: Ich kann dazu sagen: WAS! Der hat das gesagt? Weil, das kommt mir irgendwie komisch vor und ruf dann auch noch jemand an, wie das dazu kam, dass gerade der das sagen würde. Und dann gibt es manchmal... plötzlich taucht das Motiv auf oder es ist eine Falschmeldung, irgendetwas ist falsch 199

NACHRICHTENWELTEN

verstanden worden. Und so weiter und sofort. Das ist also schon wichtig – die Einordnung einer Information.

Wie im Falle der Sperranlage dargestellt, ist prinzipiell jedes Thema im Nahostkonflikt Gegenstand mindestens zweier unterschiedlicher Bewertungen und Argumentationslinien. In Anbetracht des hohen Tempos der Ereignisse und angesichts des hohen Nachrichtenwerts, auch dem der Berichterstattung, geraten die Korrespondenten nach eigener Aussage in die Räder der Medienmaschinerie. Die »Faktenlage«, auf die man im Journalismus üblicherweise referiert, zeigt sich im Nahen Osten als Konstrukt, je nach Standpunkt sind andere Deutungen erwünscht. Die erklärenden Argumente häufig verklärend, grundsätzlich vielfältig und verwirrend. Seine Meinung verändere sich minütlich, so hatte ein Journalistenkollege aus Singapur seine Haltung beschrieben. Der Haltbarkeitsfaktor von Meinung sei wie Milch in der Kühltheke des Supermarkts. An diese Aussage fühlte ich mich angesichts des Einblicks in die Medienmaschinerie des Nahostkonflikts, ebenso wie in die Vielfalt ihres Umfeldes erinnert. In dieser Hinsicht gehen die Nahostberichterstatter angesichts der Konfliktsituation noch einen Schritt weiter. Print: Wenn ich Eines gelernt hab, dann ganz sicher nicht die Ursachenforschung. Oder die Ursachendarstellung. Das ist etwas das, finde ich, sollte jeder Korrespondent vermeiden. Gerade in Konfliktgebieten, meine ich jetzt. [...] Aber man hat und im Grunde hat jeder Journalist, ob ich jetzt nun Lokaljournalist bin in München oder sonst was, man hat eine Meinung, aber ich meine jetzt mehr eine Technik, eine Methode. „Wer als Erster?“ und „Wer ist schuld?“ und so weiter und so fort ist etwas, was ziemlich unten ist auf der Rangskala für meine Begriffe. [...] Was ich meine, ist dieser ständige Versuch sozusagen einen Punkt in der Vergangenheit zu finden, wo alles angefangen hat. Den gibt es nicht. [...] Ich bringe Rückblicke subjektiv rein. Ich lasse einen Palästinenser was sagen, wie er den Rückblick sieht und ich lasse einen Israeli was sagen. Ich hab meinen eigenen Rückblick. Aber für den Leser in Deutschland ist es wichtig, dass er weiß, an was für einen Punkt die Palästinenser heute gelangt sind und an was für einen die Israelis. Nicht wie sie dorthin gelangt sind! Wie sie glauben, dass sie dorthin gelangt sind. Wobei es da natürlich auch wieder unter Israelis und Palästinensern völlig verschiedene Meinungen dazu gibt. Viele kommen hier her und haben bereits das Bild fest im Kopf, „Wer als Erster!“, und dann wird’s problematisch.

Es gebe keine Antworten auf Fragen, nur lang- und kurzfristige Überlegungen, ergänzt auch ein Kollege. Es sei nicht die Aufgabe der Korrespondenten eine Lösung zu finden. Die Frage wer Recht habe? Auch hier die Antwort: Alle haben immer Recht. Die Frage ist überflüssig. Diese 200

DER GETEILTE HIMMEL

Bilanz zieht man nicht in der Geschichte. ... Die Geschichte geht weiter zum nächsten Kapitel. Der Korrespondent ist weder Oberrichter noch Großinquisitor. In der Gegenwart zu bleiben und zu versuchen den Konflikt darzustellen, angesichts der Geschwindigkeit schwierig genug. Rundfunk: Ich versuche möglichst als ehrlicher Makler in Erscheinung zu treten und Argumente beider Seiten, die manchmal diametral entgegengesetzt sind, zu verwenden. Man muss hier gerade an dem Standort – das muss man eigentlich überall, aber gerade hier noch mehr als anderswo – diesen wirklich unabhängigen, objektiven Blick sich bewahren. Man darf sich hier nicht von einer Seite, von den Palästinensern oder von irgendeiner Strömung der Palästinenser, noch von den Israelis oder von der Regierungspolitik der Israelis oder der Opposition vereinnahmen lassen. Dann hat man von vornherein verloren. Man muss wirklich versuchen, diesen unabhängigen Blick sich zu bewahren. Ich denke, das ist auch bisher gelungen. Wenn wir also Stücke machen – ohne Nachrichten – dann lassen wir im Prinzip beide Seiten zu Wort kommen und nicht nur die eine, das ist so ein Grundprinzip.

Grundsätzlich habe man deswegen zur Opposition genauso gute Kontakte wie zu der Regierungspartei. Man müsse sammeln und sortieren – wie der Korrespondent das sortiere, das sei seinem Geschick oder auch seiner Einstellung anheim gestellt. Dennoch grundsätzlich gelte es, beide Seiten reden zu lassen, in einem Stück oder in zwei getrennten. Wenn ich an einem Tag auf der einen Seite bin, am anderen Tag auf der anderen, so ist das jeweils eine völlig subjektive Sache, erklärt ein weiterer Kollege. Später führe man das Gesagte zusammen, stelle die Sichtweisen gegenüber und analysiere. Normales journalistisches Handwerk eben. Das sieht ein weiterer Kollege ähnlich: Print: Wenn ich nach Gaza fahre, dann ist Israel hinter mir und ich bin dort und lass mich ganz auf diese Realität ein. Und wenn ich hier was mache, lasse ich mich hier auf die Realität ein und versuche eigentlich, mich nicht immer in diesem Spannungsfeld [zu bewegen]. Also nicht immer: „Wer hat Recht, wer hat Unrecht?“, dann ist es eine ständige... das sollen auch die Kommentatoren in der Heimatredaktion machen. Wenn ich ’ne Reportage mache, geht es mir schon darum zu sagen: Das ist die Realität, in der die leben, so denken die.

Es ginge darum, das Meinungswirrwarr darzustellen und die Spielregeln aufzuzeigen, bestätigt auch ein Kollege an anderer Stelle dieses Rollenbild des Vermittlers: Es geht nicht um einen objektiven Sinn, sondern um Verständnis für die Seiten – das ist Sinn.16

201

NACHRICHTENWELTEN

Print: Mein Wissen ist dafür da, was zurechtzurücken, wenn einfach jemand Quatsch erzählt. Um mich davon zu distanzieren. Da muss man überlegen, bringt man ein Zitat, bringt man’s nicht. Ich meine, das ist ja auch immer so eine Frage, was macht man, wenn Leute hier die schlimmsten Sachen rauslassen übereinander, schreibt man’s auf, schreibt man’s nicht auf? Wenn Arafat mit seinen Beschuldigungen irgendwelches radioaktives, Uranium angereichertes Zeug… schreibt man das überhaupt, ist des damit im Raum? Wenn man das aber schreibt, muss man einen Satz dazu schreiben, dass es dafür noch nie Beweise gab, dass es wirklich stattgefunden hat und das ist, das ist unser Job. Also, diese Sachen dann nicht einfach so rauszulassen, sondern sie zu relativieren, Fragezeichen dahinter zu stellen oder sie vielleicht nicht zu bringen – aber da hat man Verantwortung!

Gerade angesichts der Verortung im Konflikt der Narrationen zeigt sich, dass die Korrespondenten auf grundlegende journalistische Maßstäbe zurückgreifen: Beide Seiten anhören und den Versuch unternehmen, möglichst objektiv darzustellen. Dem Nachrichtenwesen ist es immanent, über Veränderungen zu berichten. Der Ausspruch »Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern« beschreibt in dieser Hinsicht nicht nur die Flüchtigkeit des Nachrichtenwesens, sondern auch dessen Fokus auf das Neue. Ob es Wahlen oder Attentate sind, im Nahostkonflikt wird das Neue durch Aktionen der Konfliktparteien geschöpft. An diesem Punkt treffen sich Propaganda und Journalismus und man sieht, wie stark der Aktionismus beider Seiten auf die Berichterstattung einwirkt. Anders formuliert zeigt sich, dass die als Medienmaschinerie beschriebene journalistische Arbeitssphäre von diesem wechselseitigen Verhältnis beeinflusst wird. Ähnlich wie im Inland angesichts von steigendem PR-Einfluss eine Diskussion geführt wird, wo journalistische Arbeit anfängt und wo sie aufhört, könnte man die Diskussion um eine determinierende oder eine intereffekative Wirkung von PR-Meldungen auf die »objektive Berichterstattung« im Falle des Nahostkonflikts angesichts der Propaganda aber auch der Zusammenarbeit mit den Stringern führen.17 Könnte, denn dieser Aspekt wird von den Korrespondenten mit dem Hinweis darauf, dass es sich eben um zwei entgegensetzte Narrationen handelt, zum Teil entkräftet: die Propaganda der beiden Seiten hebt sich zumindest theoretisch gegenseitig auf. Inmitten dieser gegeneinander gerichteten Narrationen, ist es deren prinzipiell binäres Wesen, das eine grundlegende Orientierung birgt: A sagt dies, B sagt dies. Damit formen gerade im Fall der Nahostberichterstattung diese so kategorisch getrennten Sphären wesenhaft das innenhafte, erschlossene und geteilte Runde aus, das der Korrespondent in seiner Arbeit bewohnt – sofern es ihm gelingt, als Korrespondent zu arbeiten (vgl. Sloterdijk 1998:28). 202

DER GETEILTE HIMMEL

Borderline Das Dasein des Auslandsberichterstatters ist ganz allgemein mit der Assoziation des Kriegsreporters verknüpft oder wird von ihr sogar verdeckt (Dreckmann 2001:50). Im gleichen Atemzug ist das Profil der Auslandsberichterstattung auch realiter von eben diesen Themen dominiert: Kriege, Konflikte, innere Unruhen, Wahlen und Wirtschaftsbeziehungen (vgl. Krüger 2002:81). Dies trifft auch und in hohem Maß auf die Nahostberichterstattung zu (vgl. bpb 2002). Kriege und Krisenherde bergen in vielerlei Hinsicht Gefahren. Angesichts der hier thematisierten Stichwörter »Medienmaschinerie« oder »Camino-Realität« betrifft dies vor allem die journalistische Qualität.18 Gegenüber struktureller oder physischer Gewalt konfrontieren Kriege und Krisenherde den Berichterstatter nicht nur mit »news« sondern auch mit den existentiellen Problematiken vor Ort. Als Berichterstatter vor Ort zu sein bedeutet den Eintritt in die Kriegssphäre als berufliche, im Laufe der Zeit aber auch als persönliche Auseinandersetzung mit der Situation. Die Bewegung in das Krisengebiet verrückt den Reporter nicht nur geographisch, sondern auch sozial und emotional in die Nähe der Krise (vgl. Emcke 2004). Für den Teilnehmenden selbst trägt die Hineinbewegung per se Züge des Verrückt-Seins: Vorübergehend wird das gewohnte Wohnverhältnis zur Welt und damit die althergebrachte Orientierung aufgelöst (vgl. Sloterdijk 2005:176). Die Momente der Verkehrung: die Kriege, ebenso wie Feste und andere Exzesse des Alltags, werden im Fall des Kriegsreporters jedoch oft zum Arbeitsalltag. Dies hebt ein ausserordentliches Anpassungs- und / oder Durchhaltevermögen der Kriegsreporter hervor und zeichnet in Folge einen „Standesmythos als Held“ (Dominikowski 1993:35), der sich auch im Unterton vieler Autobiographien wieder findet. Die Journalistin Georgie Anne Geyer hat diesen Mythos programmatisch als Titel ihrer Autobiographie gewählt: Buying the Night Flight (2001). Wenn die Auswärtigen Ämter der Welt Reisewarnungen für einen Ort aussprechen, kaufen sich Journalisten den Nachtflug dorthin. Man begibt sich genau an jene Orte, die andere Menschen vernünftigerweise meiden: „Whenever you find hundreds of thousands of sane people,“ so zitiert auch Ethnologe Ulf Hannerz einen seiner Gesprächspartner, „trying to get out of a place and a little bunch of madmen struggling to get in, you know the latter are newspapermen.“ (Hannerz 2004:39) Die Bewegung hinein in die Gefahrenzone wird von Praktikern und Theoretikern gerne im Zusammenhang mit der Suche nach dem Scoop (vgl. Simpson 2003) und damit nah an dem Selbstbild der Reporter gesehen (vgl. Pedelty 1995:3). Zu Anfang noch unerfahren, später in routinierter Erwartung dessen, lebt man dann nicht mehr von der Wärme des 203

NACHRICHTENWELTEN

eigenen Herds, sondern von der Reibungshitze des Vorwärtsstürzens im Aktionsraum (vgl. Sloterdijk 2005:176). Als Schutzmechanismus gegen die Reibungshitze des tatsächlichen Konflikts können sich Journalisten in Krisenfällen auf ihre Unparteilichkeit berufen, die ihnen ähnlich wie dem Roten Kreuz oder den UNO-Angehörigen theoretisch einen neutralen Status gewährt. Gerade in diesem Zusammenhang weist der Kriegs- und Reisereporter Kapuscinski darauf hin, dass er und seine Kollegen „aus unterschiedlichen Gründen in diese Gefahrenzonen gehen, aber immer ohne irgendeinen Zwang und immer voller Angst“ (Kapuscinski 2004: 70). Grundsätzlich trifft diese Aussage sicherlich auch für die Situation in Israel zu. Mit dem Unterschied, dass es sich bei dem Außeralltäglichen hier um den Alltag handelt. Während die Rotte der Kriegsreporter nach Beendigung des Krieges weiter zieht, leben die hier dargestellten Korrespondenten über Jahre vor Ort und damit mittendrin im Nahostkonflikt. Wenn auch freiwillig, so ist auch ihr »Dort-Sein« von dem Alltag in der Konfliktsphäre geprägt. Darunter subsumieren sich nicht nur äußerliche Eingriffe, wie die ständigen Taschen- und Körperkontrollen vor Supermarkt und Restaurant, dies zeigt sich gerade im Umgang mit den alltäglichen Gefahrenzonen. Ob ein Korrespondent darauf achtet, seine Kinder mit dem Auto – Natürlich nicht mit dem Bus! – in die Schule zu bringen oder eine weitere Medienschaffende unlängst während eines Deutschlandbesuchs bei dem Anblick einer vergessenen Plastiktüte in einem Kaufhaus erschrocken realisierte, wie sie die Panik vor einem möglichen Sprengstoffattentat erfasste. Der Umgang wird zur Routine, nach einiger Zeit lebt man mit den „Bomben in der Nachbarschaft“ (DIE WELT 2002b): „[…] Zurück am Computer: Letzte Ereignisse, letzte Aktualisierungen. Während der Fahrt von der Bus-Station zum Schreibtisch könnte die Gewalt ja schon wieder zugeschlagen haben. Hat sie nach Computer-Kenntnis nicht. Aber zum ersten Mal erfahre ich jetzt in einer kurzen Mitteilung den Namen des in Jenin getöteten palästinensischen Journalisten, ich erwähnte ihn eingangs. Imahd Abu Sachra. Ich brauche einige Sekunden, bevor ich begreife, was ich da lese. Ihn wollte ich in Jenin treffen. Imahd war es, der mich am Kontrollübergang abholen sollte. Darum also habe ich ihn nicht erreicht. Nicht wegen der Ausgangssperre, nicht wegen Telefonproblemen. Er ist tot. Mir fällt ein, dass Imahd noch nicht das Honorar für seine letzte Recherche erhalten hat.“

Mit Geschichten wie diesen setzen sich die „häufigen Frontwechsel“ (Ponger 1999:18) des Arbeitslebens im Privatleben fort. Auch hat man meist Freunde auf beiden Seiten der Demarkationslinie wie Peter Phillip von der DEUTSCHEN WELLE beschreibt (Phillip 1999:37). Nach längerer 204

DER GETEILTE HIMMEL

Zeit, so bestätigt auch die Korrespondentin des Wochenmagazins DIE ZEIT, werde man durch das Eingehen freundschaftlicher und familiärer Bindungen selbst Teil der Realität, über die man schreibt (Dachs 1999:14). Ihre Kollegin von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG beschreibt diesen Zustand als Identitätskonflikt (Ponger 1999:18) und auch FAZKollege Bremer (1999:141) weist auf die Sphärenvielfalt des Bewegungsraums hin: „Die Journalisten in Jerusalem sind Wanderer zwischen drei Welten: Sie arbeiten für deutsche Medien, leben meist in Israel und verbringen bald die Hälfte ihrer Recherchezeit in den palästinensischen Gebieten.“ Der Konflikt habe die Arbeit darüber hinaus schwieriger gemacht, bemerkt ein Korrespondent im Gespräch. Auch emotional. Es sei kompliziert nicht in die Mühlen der einen oder der anderen Seite zu geraten. Man muss aufpassen, dass man den Blick nicht verliert, ja. Indem der Journalist als Bewohner des Gebietes mit den alltäglichen Konsequenzen des Nahostkonfliktes konfrontiert ist, verkörpert die Ausübung des Berufs ein „Grenzgängertum“ (Dachs 1999:13). Die verwirrende Natur dieses Zustandes äußert sich im Falle der Journalisten in der Sorge um die eigene Objektivität (vgl. Ponger 1999). Print: Das Wichtigste ist – und das ist auch ein großes Problem – inwieweit ist der Korrespondent Berichterstatter und inwieweit ist er auch Teilnehmer. Und grundsätzlich ist man ja Berichterstatter, meint man so. Objektiv und so weiter, was natürlich auch alles Illusion ist. Dann heißt es wieder, man muss sich seiner Subjektivität bewusst sein, dann ist man objektiv. Da ist auch was dran. Aber das geht teilweise so in ... letztlich, ich sag es jetzt mal ganz simpel, fast provozierend trivial: Ich möchte irgendwie doch dazu beitragen, den Konflikt zu beenden. Das heißt nicht, dass ich jetzt gegen den Grenzzaun protestiere ... oder vielleicht ja auch, aber dann bin ich ja kein Journalist, ja. Aber da ist irgendwo etwas...

Wie schon die Ausführungen über die Propagandatechniken und die Positionierungen der lokalen Mitarbeiter gezeigt haben, stellt der Nahostkonflikt den Bewegungsraum des Journalisten dar. Dies äußert sich methodisch durch die Gegenüberstellung von Aussagen und Bewertungen der Konfliktparteien, dies äußert sich im Alltag durch persönliche Einbindung in ein Leben vor Ort. Zwar weisen die Journalisten darauf hin, dass sie sich neutral zu verhalten haben, gleichzeitig aber verweisen sie darauf, dass man sich mit seinem Leben vor Ort, freiwillig, auch auf die strukturellen und alltäglichen Umstände eines Lebens im Berichtsgebiet einlässt. Was hier deutlich wird ist, dass sich über die Beschreibung von Grenzen und Grenzgängen hinaus eine Bewegung innerhalb der Konfliktsphäre abzeichnet. Sich als reiner Beobachter außerhalb zu positio205

NACHRICHTENWELTEN

nieren, ist kaum möglich. Eine Illusion. So stieg einer der Journalisten nach unserem Gespräch in einen der lokalen Busse. Teilnehmende Beobachtung.

Viele Wahrheiten und jede eine Story... ...sechseinhalb Millionen Israelis [sind] sechseinhalb Millionen Geschichten. Und jede ist so spannend, dass man sie eigentlich alle erzählen könnte, wie einer der Korrespondenten im Gespräch bedauernd und bewundernd zugleich anmerkte. Nein, es fehle nicht an Geschichten. Der Rahmen sei problematisch.19 In allen Berichtsgebieten weisen die Journalisten darauf hin, dass die ebenso kurzen wie streng formatierten Nachrichten eine abbildende oder informative Funktion hätten und kaum den Kontext erhellen könnten. In 1’30’’ zu erzählen was passiert – schwierig, wie ein Korrespondent bemerkt. Der Nachrichtenrahmen der Fernsehberichterstattung, eine Minute dreissig Sekunden, zwei Minuten dreissig Sekunden, sei generell zu kurz, um irgendwas zu erklären, wie ein anderer Gesprächspartner kritisiert. Rundfunk: In den Nachrichten kann man ja im Prinzip nur mitteilen [...] was, wo, wann passiert ist, wer beteiligt war. Die Frage warum, dafür reicht die Zeit schon nicht. [...] Und was diesen Konflikt hier im Nahen Osten zwischen Israel und Palästina betrifft, da hat man in den Nachrichten im Prinzip immer nur Zeit, eben die Nachricht zu vermelden. Die fünf W. Da bleibt unterm Strich oft nur stehen – also Selbstmordanschläge in Israel, Terroristen auf der palästinensischen Seite – ich vergröbere das jetzt mal ein bisschen. [Bei den Magazinformaten] kann man ein bisschen dahinter leuchten. Also, was sind das für Leute, die Selbstmordattentate veranstalten, wie sieht’s... aus welchen Gründen vielleicht auch, kann man da hinterfragen! Wie kommt jemand dazu oder sind alle Palästinenser bereit, Israel zu bekämpfen, Israelis zu töten. Dass das nicht der Fall ist, das kann man in einer Kurznachricht nicht verbreiten [...]

Die strenge Einheit von Ort und Zeit im Nachrichtenrahmen sei ein Gefängnis, das nicht unbedingt hilfreich ist, bemängelt auch ein Kollege aus dem Print das kennzeichnende Format der Nahostberichterstattung. An sich sei die Form nicht falsch, nur sei der Rahmen zu eng. Was sei mit den ganzen Details, die nicht in den Rahmen passen? Der Möglichkeit ein während gegen ein dort zu stellen? Ausgeschlossen. Nachrichten ließen kein erratisches Vorgehen zu. Das sei von Nachteil. Diese Aussage gewinnt angesichts der häufig zitierten Nachrichtenmaschinerie ebenso wie der nach Ansicht der Journalisten manipulierten Informationspolitik an Gewicht. Viel mehr jedoch, so der Korrespondent weiter, spiegele 206

DER GETEILTE HIMMEL

diese Vereinfachung in Israelis und Palästinenser nicht die Situation vor Ort. Dort werde die Diskussion um einen erstrebenswerten Alltag aus zum Teil unvereinbaren Positionen heraus geführt und dementsprechend hitziger. Einen Einblick in das Stimmengewirr gibt Henryk M. Broder. Der SPIEGEL-Autor beschreibt in seinem Buch DIE IRREN VON ZION (1998) die vielgestaltigen Aufsplitterungen und Verwicklungen allein der israelischen Narration. Bei der Lektüre stößt man sehr bald auf religiöse, orthodoxe, säkulare, militante, radikale, linke, rechte, traditionelle, moderne, europäische, nordafrikanische, arabische Israelis und natürlich die vielfältigen möglichen Kombinationen. Dazu gehört Rabbi Moshe Hirsch, Außenminister der NATUREI KARTA, einer ultraorthodoxen jüdischen Gruppe, die Zionismus ablehnt, der 1994 als Minister für jüdische Angelegenheiten von Jassir Arafat in das Kabinett der PLO geholt wurde (vgl. Broder 1998:62ff); Eljakim Ha’etzni, als Georg Bombach in Kiel geboren, nach Broder intellektueller Kopf der Siedlerbewegung in Israel und Gegner des Autonomieplans, sein Nachbar David aus Westfalen, der 1955 als Hans geboren, ‚Jude werden wollte’ und nach Kirjat Arba, eine Siedlung bei Hebron im (palästinensischen) Westjordanland zog, um sich theologischen Studien zu widmen (vgl. 1998:98ff); ebenso wie Esther Lilienthal, in den 1930er Jahren in Stettin geboren, 24-fache Großmutter mit Handy und Führerschein, die ihre Position als stellvertretende Bürgermeisterin Tel Avivs 1987 ebenso aufgab, wie ein 300m2 Haus mit Klimaanlage und Swimmingpool, um in Gush Katif, dem israelischen Streifen Land in Gaza, ein einfaches Leben zu leben (vgl. 1998: 28ff). Was von außen scheinbar säuberlich in zwei Sphären getrennt ist, stellt sich als Wirrwarr von Spuren und „wahrnehmbarer RäumeStapeleffekt“ (Sloterdijk 2004:251) heraus: anstelle von Hier und Dort der Hinweis auf enge, verwobene „Binnenraum-Rhizome“ (Sloterdijk 2004:302). Nicht jede Figur, die sich in Israel und Palästina bewegt, ist so zugespitzt widersprüchlich wie die Beispiele Broders. Doch trifft man auch auf der Strasse, beim Cafébesuch, in der Disco, beim Frisör etc. auf Personen, die durch die Prägung einer alltäglich existentiellen Bedrohung schillern. Der Alltag beschreibt einen karnevalesken Ausnahmezustand, eine Krise, die sich naturalisiert hat. Der Eindruck, andere Räume zu betreten, erfasst den von außen Kommenden üblicherweise mehr als die Involvierten. Egal, ob man die Dimension als eine große Irrenanstalt unter freiem Himmel (vgl. Broder 1998) oder als Normalität fasst, die Ressourcen, um Blickwinkel und Standpunkte zu finden, sind enorm: der Rechtsanwalt, der seine Freizeit darauf verwendet, den Verlauf der Sperranlage zu verändern – auf die biblisch überlieferten Grenzen; exzentrische Christen, die beharrlich Visa und Passierscheine fälschen, um zwischen 207

NACHRICHTENWELTEN

Jerusalem und den besetzen Gebieten zu pendeln, um arabischen Waisen Jesus näher zu bringen; ein orthodoxer Gelehrter ohne Pass, der nach Jahren in der exegetischen Klausur seinen Körper verkauft, um sich falsche Dokumente leisten zu können und das Land zu verlassen; der Mann im Café links neben mir, der nach kurzer Vorstellung von seinen Alpträumen erzählt, die ihn seit dem Mord an seinem Bruder verfolgen; der Mann am Cafétisch rechts nebenan, der sich mit Verweis auf seine Schwägerin, unlängst auch bei einem Anschlag ums Leben gekommen, in das Gespräch einklinkt und uns zu einem Strandpicknick einlädt: das Wetter sei fantastisch. Shaylee, der zitierte Aktivist, ist als Teenager mit seinen Eltern aus Kanada nach Israel gekommen. Er bleibt, weil er hier ein Ziel hat, etwas bewegen kann und das Leben spürt, wie er sagt. In den politischen Aktionen gerät er nach eigenen Aussagen schon mal vor die Gewehre israelischen Soldaten, trotzdem findet er: There is no fucking better place to be! So verdeutlicht es sich immer wieder, dass es innerhalb der Makrosphäre Nahostkonflikt eine Vielzahl widersprüchlicher und paradoxer Positionen gibt. Rechnet man angesichts des großen medialen Interesses und der geringen Größe des Berichtsgebiets einige Jahre vor Ort ein, so erscheint es zwangsläufig, dass man Betrachtung und Erleben der zahlreichen Hybridsphären nur schwer umgehen kann. Stärker als in den anderen Regionen wird an dieser Stelle klar, dass die Korrespondenten näher dran an Mensch und Geschehen sind: Die eigentliche Arbeit findet im Dazwischen der Meinungen und Positionen statt. Vielleicht gilt in dem Sinne für die Arbeit der Korrespondenten, was Sloterdijk an anderer Stelle für die schöngeistige Beschäftigung mit Gesellschaft festgelegt hat: „Es gilt: das Beieinandersein, das Kommunizieren und das Kooperieren der vom Koexistenzstress zusammengespannten Eigenraum-Vielheiten, die leider noch immer Gesellschaften genannt werden, aus deren eigenen Bedingungen herzuleiten, ohne dabei die anti-holistischen Krücken zu benutzen, an denen sich Individualisten und Kontraktualisten übers Geländer schwingen.“ (Sloterdijk 2004: 293)

Konnte Egon Erwin Kisch Englisch? Joel sitzt im Feedraum des Studios und zeichnet Agenturmaterial auf. Eine vertraute Flut an Bildern, die täglich mehrmals aufgezeichnet wird. Wie seine Kollegin in Washington notiert er die wichtigsten Aussagen der Statements mit dem entsprechenden Timecode. Eigentlich notiert er nicht nur die wichtigsten Aussagen, bei näherem Hinsehen übersetzt er sie teilweise. Das Gleiche ist wenig später zu beobachten, als sein Kollege mit einem Interview aus den besetzten Gebieten zurückkehrt. Zum 208

DER GETEILTE HIMMEL

Teil dient dies auch hier der Arbeitsteilung. Ungleich der Situation in Washington jedoch kann es durchaus vorkommen, dass der Korrespondent die Landessprachen nicht fließend spricht. Muss man die Sprache der Menschen vor Ort sprechen können, um Aussagen über sie fällen zu können, berichten zu können? Für einen Ethnologen lautet die Antwort natürlich »Ja«. Nur schwerlich kann man sich vorstellen, irgendwo zu leben und über seine Umgebung zu arbeiten, ohne über Beobachtung und Teilnahme an Hahnenkampf, Kula-Ritual und anderen Vergesellschaftungsformen hinaus auch sprachlich mit seiner Umgebung in Kontakt zu treten. Dass dies nicht immer einfach ist, weiß jeder, der bereits mit mageren Fremdsprachenkenntnissen durch eine neue Umgebung gestolpert ist und seine reduzierte Ausdrucksfähigkeit durch allerlei Manöver zu kompensieren versucht hat. Ohne ausreichend Sprachkenntnisse sind Anknüpfungs- und Orientierungsmöglichkeiten eingeschränkt (vgl. Sloterdijk 2005:197f). Im Falle des Berichtsgebiets in Singapur wurde darauf hingewiesen, dass es angesichts der Sprachvielfalt nahezu unmöglich ist, alle Sprachen des Berichtsgebiets zu sprechen und man so häufig an die Kenntnisse von Übersetzern anknüpfen muss. Im Nahen Osten handelt es sich mit dem Arabischen und dem Hebräischen um zwei verwandte Sprachen, die in der journalistischen Medienpraxis durch das Englische ergänzt werden.20 Den ein oder anderen Korrespondenten erlebe ich in rege Gespräche verwickelt ganz selbstverständlich auf Hebräisch parlieren. De facto geben die meisten an, Hebräisch zu sprechen, wenn auch nach eigener Einschätzung unterschiedlich gut; mit dem Arabischen verhalte es sich anders. Die Sprachkompetenz ist nach eigenen Aussagen wenn, dann nur im Hör- oder Leseverständnis gegeben.21 Sprechen sei schwieriger, generell nutze man für das Arabische einen Übersetzer. In dem Umstand, dass die Korrespondenten wenn, dann eher Hebräisch sprechen, zeigt sich eine erkennbare Asymmetrie, die sich in den Wohn- und Arbeitsorten der Journalisten fortführt, sich aber insbesondere im alltäglichen Sprachgebrauch bemerkbar macht; z. B. die NichtNennung der Al Aqsa Moschee, wie ein palästinensischer Journalist kritisiert. Im Westen sei stattdessen konsequent die Rede vom Tempelberg – der Tempel stehe nicht mehr, wohl aber die Moschee... Was verrate uns dies? Dies berge die Gefahr, eindimensional oder parteilich zu berichten. Auf dieses Problem macht auch SPIEGEL-Korrespondentin Anette Großbongardt aufmerksam und weist ausdrücklich auf die politische Positionierung durch Benennungen hin: Westbank, Galiläa und Samaria, befreites Gebiet, autonome Gebiete, besetzte Gebiete oder Palästina? Alles das Gleiche und doch liegen Welten dazwischen. Die Diskussion um Freiheitskämpfer, Märtyrer oder Terrorist, zeigt den immanenten Diskurs umso deutlicher (Großbongardt 1999:126f). 209

NACHRICHTENWELTEN

Die Frage nach dem Namen, den man einer Sache gibt, rückt mehr als nur Worte in den Vordergrund (vgl. Asad 1980): Gerade in diesem Konflikt der Narrationen geht es ausdrücklich um die „Deutungshoheit“ (Said 2002). Was von einem weiteren Kollegen mit Schulterzucken quittiert wird – natürlich mache man sich selbst Gedanken darüber. In der Auswahl der Terminologie sei jedoch das anerkannt Gute, wie er es formuliert (vgl. Bourdieu 1993:367ff): Man richtet sich nach den Gewohnheiten der Zuschauer und Leser in Deutschland. Weniger ein Kampf der Kulturen rückt hier in den Vordergrund, sondern einer um das Festhalten am Gebräuchlichen. Traditionell sei Jerusalem eben Jerusalem und damit näher am Hebräischen Jeruschalayim als am Arabischen Al Quds, die Heilige. Das würde jedoch nicht bedeuten, dass man sich weniger scharf mit der israelischen Politik auseinandersetze oder die palästinensische gar nicht verstehe. Grundsätzlich allerdings unterstrichen auch Journalisten mit eingeschränkten Sprachkenntnissen die Vorteile von Sprachkenntnissen. Und, wenn man die Sprache erst einmal kann, geht es nicht mehr ohne. Für die meisten bleibt dieses Sprachdefizit jedoch. Und damit auch die Nähe zu einer der beiden Konfliktparteien? Print: Ich halt es schon für wichtig. Also, grundsätzlich, wenn ich im Zweifelsfall jetzt entscheiden müsste „Wen schick ich nach Washington?“, würd ich niemanden schicken, der nicht Englisch kann. Jetzt hab ich bewusst Englisch genommen, weil es Grundvoraussetzung ist. Man stelle sich mal vor, der Mann kann kein Englisch! A.D.: Na ja, wenn man den Korrespondent nach Singapur schickt kann man nicht erwarten, dass er die 81 Sprachen und mehr beherrscht, die in Indien gesprochen werden. Print: Ich hab jetzt bewusst Washington genommen, das macht das Problem völlig klar: Welcher Vollidiot würde nach Washington jemanden schicken, der kein Englisch kann? Trotzdem glaube ich, dass ein guter Journalist klar kommen würde. A.D.: Mit was für einem Unterschied? Print: Ich weiß gar nicht, konnte Egon Erwin Kisch Englisch? A.D.: Der konnte wahrscheinlich sächseln, keine Ahnung. Print: Ich nehme an, ja. Aber das ist völlig unwichtig. A.D.: Kisch hat sich seine Reportagen bekanntermaßen oft auch ausgedacht. 210

DER GETEILTE HIMMEL

Print: Genau, auch dabei ist es ist völlig unwichtig, ob er Englisch konnte oder auch nicht – er konnte Deutsch. [lacht] Das ist... also, die Sprache hilft. Und ich merk das auch sofort am Neid manchmal von anderen Korrespondenten. Diese Fassbinderaufführung zum Beispiel! Die Fassbinderaufführung 22 hat bei Allen großes Interesse ausgelöst. Alle Korrespondenten saßen da und wollten es sehen. Verstanden haben es nur zwei oder drei von 12 oder 15, die da saßen. [Das kann man beim Whiskey danach lösen.] Nun ja, man hat ja den Urtext, aber trotzdem, es gab Änderungen, ganz wichtige Änderungen. Der hat zum Teil Monologe, die bei Fassbinder bei „Dem Juden“ waren, raus genommen und dem Zwerg rein gegeben, wobei der Zwerg in Israel der Nazi war. Das hatte einen ganz tollen Effekt. Das israelische Publikum fragte sich plötzlich: Sind Nazis auch Menschen? Also, nicht „Sind Juden auch Menschen?“, sondern „Sind Nazis auch Menschen?“. Das war ein ganz toller Regieeinfall. Das müssen dann Leute, die die Sprache nicht können, gesagt bekommen. A.D.: Das heißt, einem entgeht einiges, [Ja, ja.] was aber nicht unbedingt eine Auswirkung auf die Qualität hat. Print: Es entgeht auch jemandem, der lange irgendwo sitzt einiges. Weil er eben daran gewöhnt ist. Gewohnheit ist auch eine Abstumpfung. Deshalb bin ich etwas... phüh... hab ich Vorbehalte gegen diese Einstufung von oben nach unten. Was ist besser, was ist...? Grundsätzlich ist alles anders. Oder es ist gut. Oder es ist schlecht. Und das Wort »besser«, also, dieser Komparativ stört mich.

Ähnliche Aussagen sind auch für den Berichtsraum Südostasien geäußert worden. Und tatsächlich sprachen in Washington alle Korrespondenten Englisch. Zwar war LEO.DICT.ORG auch dort eine häufig aufgerufene Seite und eine Korrespondentin sprach offen davon, sich in der ersten Zeit an das Englische gewöhnen zu müssen, dennoch fragte man die Producer dort nur im Zweifelsfall mal nach dem Sinn einer missverständlichen Aussage. Übersetzer nutze man gar nicht. Unzweifelhaft ist dies kein Zufall, ebenso wenig, wie in der DDR Russisch als erste Fremdsprache auf dem Stundenplan stand. Und deren Moskaukorrespondenten zweifelsohne fließend Russisch sprachen. Dennoch geht es hier vor Überlegungen zu strukturellen Aspekten der Machtasymmetrien von Sprache zunächst um die alltägliche Praxis und deren Wahrnehmungen durch die Journalisten. Wie im Fassbinderbeispiel erläutert, ist das journalistische Produkt nach Ansicht des Korrespondenten von vielen Faktoren abhängig. Trotz des grundlegenden Vorteils, der mit Sprachkenntnis verbunden wird, nährt sich die hier beschriebene Auffassung von journalistischer Qualität von mehr als nur Reden und Zuhören. Die Frage nach dem Zugang ist 211

NACHRICHTENWELTEN

nur auf den ersten Blick stark an Sprache gekoppelt, auf den zweiten ist sie ebenso stark an soziale Bedingungen und die eigene Bewegung im Raum gekoppelt: Zugänge und Netzwerke können ebenfalls über Stringer und Producer geschaffen werden und mangelnde Sprachkenntnisse des Journalisten im Produktionsprozess ebenso kompensieren, wie sie im Normalfall angesichts des Zeitdrucks die Effizienz der Berichterstattung steigern. Auch abseits der lokalen Mitarbeiter werden die Zugänge ebenso wie die Orientierung vor Ort durch Sprachkenntnisse erleichtert. In diesem Falle erkennt der Journalist dann auf einen Blick, was die Schlagzeile der im Bild festgehaltenen lokalen Tagesszeitung titelt, ebenso wie er den Namenszug dieser problemlos entziffern kann. Darüber hinaus fällt es, wie ein Korrespondent bemerkt, der persönlichen Kompetenz anheim, ob man in gutem Kontakt zu informativen Stellen aus Politik und Gesellschaft steht, Einladungen von Lobbyisten erhält, Gespräche mit Regierungsmitgliedern oder Menschen auf der Strasse führt, sich durch Bücher und aktuelle Publikationen auf dem Laufenden hält, sein Hintergrundwissen erweitert etc. Die Vorteile der Sprachkenntnis sind dabei unbestritten, wenn auch nicht notwendig. Dennoch habe man gerade hinsichtlich der Lebensumstände in den arabisch geprägten Regionen als Westler größere Anlaufschwierigkeiten und sehe dies auch immer wieder bei Neuankömmlingen oder Besuchern, wie einige Journalisten bemerkten. Print: Vor kurzem war ich auch mit einem Kollegen aus Deutschland im Gazastreifen und da haben wir auch Rantissi interviewt. Der [Kollege] hat einfach nichts verstanden. Der hat danach gesagt: „Erklär mir, was die gesagt haben.“ Die Hamas hat eine Art sich auszudrücken. Die sagen ja nicht direkt: „Wir lehnen Israel ab und wir sind gegen die Zwei-Staaten-Lösung.“ Wenn sich die Positionen ändern, dann heißt so was: „Na ja, wir könnten uns darauf einstellen vielleicht vorübergehend die Waffen da zu strecken und ...“ das sind dann so Indikationen, dass es vielleicht neue Positionen gibt. Aber das ist für einen Außenseiter völlig unverständlich. Und der wusste es auch wirklich nicht bei den anderen Interviews. Er wusste auch nicht genau, wie er das führen sollte, in welche Richtung. Also, ich hab ihn öfters mal gelassen und ausgetestet, aber der war einfach wirklich nicht in der Lage. Wenn es die Gesprächspartner merken, dann langweilt die das auch und denken: „OK, worüber reden wir jetzt eigentlich?“ Meistens sind die Leute wirklich gerade hier direkt an dem interessiert, was direkt hier passiert. Das ist gerade der Abzug aus dem Gazastreifen. Kommt er, kommt er nicht, gibt’s Chaos? Verhandelt die PA jetzt mit der Hamas? Gibt’s die PA überhaupt weiter? Es gibt diese ganz spezifischen Fragen. Die Kunst wird jetzt darin bestehen, nach Gaza zu fahren, diese ganz spezifischen Fragen da beantwortet zu bekommen, aber dann trotzdem nicht in den spezifischen Fragen zu sehr ins Detail zu gehen. Das interessiert den Leser 212

DER GETEILTE HIMMEL

dann nicht. Und da halt ein Paket draus machen. Wo man an großen Dingen noch mal erklärt, das ist jetzt die Skepsis, oder das ist die Angst, oder das sind die Probleme dort. Und ich glaub, das ist für einen Journalisten immer wieder eine ganz neue Geschichte.

Bedeutungsunterschiede herauszufinden und darzustellen sei die große Schwierigkeit, aber auch die Herausforderung in der Berichterstattung. Wachsende Kenntnis minimiere Ungenauigkeiten in der Berichterstattung und erleichtere einen differenzierten Überblick. Dies brauche jedoch Zeit. Drei Jahre, antwortet ein Korrespondent spontan auf die Frage nach der Orientierung und macht es in Folge an der Situation der Frauen in Palästina fest. Diese andere Vorstellung von ihrem Leben, von Familie, von Werten, dies zu begreifen sei schwer und erfordere sehr viel Erklärung von arabischer Seite. Einen Schleier nicht als Unterdrückung aufzufassen, das habe lange Gespräche mit arabischen Bekannten, Frauen wie Männern gebraucht. Die geringe Vertrautheit von Neulingen dagegen schaffe vielleicht Erstaunen über Aspekte, die man selbst schon gar nicht mehr sehe. Das sei ein Vorteil. Da das Kontextwissen fehle, sei dies genauso ein Nachteil, wie ein Korrespondent anmerkt. An dieser Stelle sei die Unterhaltung über Egon Erwin Kisch nochmals angebracht – die dort thematisierte Kritik an dem Komparativ »besser« findet sich durchgängig in den Äußerungen der Interviewpartner zum Thema Sprache. Stets wird darauf hingewiesen, dass journalistische Qualität auch von anderen Parametern als der Fremdsprachenkenntnis abhängig ist. Print: Ich glaube nicht unbedingt, dass es eine große Frage ist von: Wie lange ist jemand da. Im Zweifel würd’ ich wahrscheinlich sagen, lieber sich besser auskennen. Gerade bei ’nem Konflikt. Ich hab zum Beispiel im Gedächtnis seit [...], was da alles passiert ist. Und weiß sehr genau, dass manche Leute mir was erzählen, das ist einfach falsch. Ich weiß es, weil ich dabei war und nicht, weil ich es gelesen hab. Und das hilft schon. Oder ich kann zum Beispiel, was mir sehr hilft, über die Jahre hinweg dieselben Leute, die ich gut kenne. Und dann kann man oft... wie lässt es sich wirklich einschätzen, wenn ich morgen nach Gaza fahre, was ist da wirklich los? Für mich ist der beste Punkt, ein paar der Leute, die ich dort sehe, immer wieder zu sehen. Und dann sieht man Veränderungen an denselben Leuten. Und das ist ein ganz guter Gradmesser. Wenn jemand, der plötzlich pro Arafat war auf Distanz geht; wenn jemand, der kein Hamas-Mann war, sagt, ich bin für die Hamas; da hat sich jemand radikalisiert, da gibt’s Gründe dafür. Wenn Leute sich verändern, das ist ein Indikator, da hat sich was bewegt in der Gesellschaft. Und das sind so Strömungen, um die es eigentlich geht.

213

NACHRICHTENWELTEN

Die fremde oder umständliche Art zu reden, d.h. die Herstellung von Aussagen über den Wortsinn hinaus, verweist auf den Zusammenhang zwischen Äußerung und Kontext (vgl. Sloterdijk 1998:12f). Insgesamt wird das Verstehen des Korrespondenten auf eine performative Ebene gehoben: Basierend auf eigenem Erleben begreifen die Korrespondenten Aussagen eingeordnet in deren Herkunfts- und damit in einen Aktionsraum. Es geht nicht (nur) darum, dass man Dinge mit Worten tun kann, sondern wie man dies tut. Hier liegt eine Unterscheidung zwischen Struktur und dem Umgang, oder zwischen Fakten und ihrer Auslegung, Anwendung vor. Dies verweist darauf, dass über ein theoretisches Sprachwissen hinaus gewisse kontextuelle Kompetenzen nötig sind, um Bedeutung zu erfassen. „Man versteht die Bewegung, indem man den Tanz mitmacht“ (de Certeau 1988:161) – oder ihn schon mehrmals mitgemacht hat. Rundfunk: Man muss, denke ich, immer zehn Mal mehr wissen, als man in so einem Beitrag unterbringen kann. Nicht nur durch so ein Grundlagenwissen und durch längeres Erleben, dort leben, durch längeren Umgang mit den Leuten. Durch die Erfahrung, die man sammelt, kann man solche Dinge auch zuordnen, dass man dem Zuschauer eine gewisse Hilfe auch leistet, zusätzlich zu den Bildern. Das gehört sich. Nur einfach irgendwo hinzufahren um das Klischeebild zu liefern, dazu ist man nicht Korrespondent. Auch heute nicht in dieser modernen Mediengesellschaft. Also, ich jetzt. Ich verstehe mich nicht als dieser automatische Anrufbeantworter, der aus Deutschland angerufen wird und [...] irgendwelche Fragen beantwortet. Das muss man auch mal machen, aber das ist es nicht. Korrespondentenarbeit ist viel mehr. Im übertriebenen Sinne ist man im Prinzip der Stellvertreter des Zuschauers hier in der ganzen Region. Das muss man schon ernst nehmen. Deswegen muss man durch viele Kontakte, durch eigenes Erleben... durch Leben eben, unter den Leuten hier, kommt man auch zu Meinungen. [...]

Immer wieder wird von den Korrespondenten auf die Unmittelbarkeit der eigenen Eindrücke verwiesen. So unterstreicht ein Gesprächspartner, dass Radio, TV und Internet allen zur Verfügung stünden, die Agenturen könne man auch in Hamburg und Berlin lesen. Wichtig seien daher die hiesigen Eindrücke. Dass man eben wisse, wie ein Checkpoint aussieht und auch in den besetzten Gebieten außerhalb des Kamerablickwinkels. Zusätzlich habe der Korrespondent vor Ort ein anderes Wissensreservoir, z. B. Sharons Handlungen nach den Anschlägen 2002, die Anzahl der palästinensischen Toten, der israelischen Toten, Auseinandersetzungen in der Knesset etc. Ähnlich einem kulturellen Gedächtnis, das man sich mit der Zeit aneigne. Erst diese beiden Faktoren zusammen führten zu der nötigen Erfahrung, die Agenturmeldungen und damit Pressemeldun214

DER GETEILTE HIMMEL

gen sowie Aussagen von den jeweiligen Politikern einordnen zu können etc... Im Vordergrund steht hier das eigene Erleben im Sinne des direkten Kontakts. Um den Umgang beobachten zu können, ist es notwendig nah dran zu sein. Mit diesem Verweis auf die Unmittelbarkeit der Erfahrung rechtfertigen die Korrespondenten nicht nur ihr Vor-Ort-Sein, sondern sehen dies auch als Bedingung für die Einhaltung journalistischer Qualitätsmaßstäbe: Print: Am Ostersamstag war ich in der Altstadt. Da passieren viele Sachen gleichzeitig und dann ist es natürlich sehr wichtig, dass man weiß, wo noch was passiert. Und dann weiß ich auch, wo ich noch mal hingehen muss und noch mal nachchecken muss, ob das denn in diesem Jahr genauso war und dann gewisse Änderungen... Das heißt, ich hab einen etwas längeren Kontext. Ich hab zum Beispiel erstmals in dieser Karwoche eine bewusste, oder öffentliche fundamentalistische oder islamistische Äußerung gesehen, in der Altstadt. Also, Shops wo dran stand: We don’t accept dollars. The murderers of the Prophet and Crusaders are not welcome here. [...] A.D.: Das heißt, es ist einfach ein Spiel mit Blickwinkeln. [Genau.] Dass man mit der Zeit das Netzwerk hat. Dass man die Blickwinkel wechseln kann. [Genau.]

Nah dran am Menschen zeigt sich die Lebensrealität vor Ort. Das VorOrt-Sein beschreibt die „Autorität der Beobachtung“ (Clifford 1993: 122). Dieser „ethnographische Realismus“ (Bachmann-Medik 2004:302) geht in den Schilderungen der Korrespondenten mit der Zeit über Einzelbeobachtungen hinaus. Dies verweist auf Orientierungsmöglichkeiten, die über die Sprache hinausreichen und / oder diese ergänzen. Gerade die Dauer des Aufenthaltes, verbunden mit Neugier und einer guten Beobachtungsgabe, um einige wesentliche Punkte zusammenzufassen, fügen sich neben und mit den Sprachkenntnissen zum Handwerkszeug, sich den Hintergründen annähern zu können. In dieser Verbindung von Zeit und Raum entsteht mit zunehmender Dauer ein qualitativer Unterschied der Verräumlichung: Sie wird routinierter, die Umgebung birgt gewohnte Orientierung. Dabei sticht hervor, dass diese Entwicklung grundsätzlich mit einer verbesserten Orientierung und einem umfassenderen Kontextwissen, nicht aber parallel zu einer Verbesserung journalistischen Könnens gesehen wird. Im Gegenteil dazu wird journalistisches Können als Handwerk betrachtet, das unabhängig von der regionalen Expertise besteht. Ebenso wie es irrelevant ist, ob Egon Erwin Kisch Englisch konnte oder nicht – ein Journalist muss in erster Linie schreiben können. Geschichten erzählen können.

215

NACHRICHTENWELTEN

Geschichten erzählen können I Geschichten erzählen zu können ist, wie eingangs am Beispiel Berben thematisiert, nach Ansicht der Korrespondenten journalistisches Handwerkszeug. Nicht jeder, der einmal vor Ort war, kann irgendetwas darüber berichten, sonst könnte ja jeder Tourist einen Bericht für die Zeitung schreiben, wie bereits ein Kollege in Singapur die journalistische Expertise an bestimmte handwerklichen Fähigkeiten gebunden sah. Rundfunk: Ich versuche zunächst mal das alles zu kapieren, was hier passiert, so schwer ist das an sich nicht und dann versuch ich Geschichten zu erzählen, Leute zu finden, die eine Geschichte erzählen. Protagonisten hier für Entwicklungen zu finden und über die Meinungen zu transportieren. [...] Nicht immer einfach, gebe ich gerne zu.

In der Berichterstattung, so wird von den Journalisten regelmäßig konstatiert, sind über das Lehrbuchwissen hinaus gewisse Fähigkeiten nötig. Ein Journalist brauche Talent, ein Schreiber wie ein Rundfunkmann. Ohne Talent gehe es nicht. Geschichten müsse er erzählen können, schreiben, formulieren können, einfach können. Auch sei Interviewführung ein Terrain, das Übung erfordere. Und die Quereinsteiger – Juristen, Ärzte, manche hätten Geschichte oder Politikwissenschaften studiert – die haben von Tuten und Blasen, also von der Methodik des Journalismus, null Ahnung. Die wissen nicht, wie man einen Artikel schreibt, die wissen nicht, wie man ’ne Fernsehfilmnachricht macht. Die 1’30’’ ist am Schwierigsten zu machen. In 1’30’’ zu erzählen, was passiert ist, ist schwierig. Geschweige denn einen Film, eine Reportage! Die müssten sich mühsam rantasten, bei jedem Versuch dazulernen. Was dadurch leide, sei hin und wieder die Qualität. A.D.: Was unterscheidet dann den guten Journalisten, der kurze Zeit hier war – auf Urlaubsvertretung oder so -, von einem guten Journalisten, der seit 15 Jahren hier vor Ort sitzt, die Sprache kann, die Connections hat... in seiner Berichterstattung? Es muss ja einen Unterschied geben! Print: Genau. Da gibt es wirklich Unterschiede. Letztlich, der Leser liest beide gern und der Unterschied ist wahrscheinlich die Fähigkeit der Einordnung. Was nicht heißt, der eine ist besser oder schlechter sondern, man ist verschieden. Und ich kann eine Äußerung von einem Politiker, die für mich irgendwie sofort Blabla ist, die Worthülse, die ich eben sofort erkenne, wo ich dann vielleicht auch ne bestimmte Frage stellen würde, wenn es in einem Interview kommen würde, das würde ihm vielleicht nicht so auffallen. Also, da könnte jemand der nicht so lange hier ist oder den Politiker nicht so lange kennt, nicht

216

DER GETEILTE HIMMEL

weiß, dass er vor drei Monaten was völlig anderes gesagt hat, der wird das anders nehmen. Aber, eh, wie gesagt, das heißt nicht, dass er dem aufs Glatteis geht. [...] Ich würde sagen, ich mach es erstens schneller, zweitens weiß ich schneller, wo ich gegenchecken kann und wo ich gegenchecken muss. Das gibt es auch. Das sind zwei verschiedene Sachen. Er wird sich damit wahrscheinlich schwerer tun. Aber was wichtig ist, ist dass er weiß, dass er gegenchecken muss und zwar der eine wie der andere. [Na gut, das lernt man.] Iris Berben nicht. [Lachen]

Hier wird eine Differenzierung journalistischer Expertise in handwerkliche und regionale Kompetenz vollzogen. Diese wird äußerst häufig in Gesprächen vermerkt. Der Fall Berben ist nur ein Beispiel für diese grundsätzliche Abgrenzung zwischen Berufs- und Laienreportern. Es wird deutlich, dass der öffentliche Rahmen einer massenmedialen Berichterstattung gewisse Formatregeln birgt oder zumindest bergen sollte, die der Journalist wiederum kennt und auszufüllen vermag. Dies bezieht sich nicht darauf, das Richtige zu erzählen sondern darauf, zu wissen wie man richtig erzählt. So gibt es im Journalismus Regeln, die den Entstehungsprozess einer Geschichte ordnen und das Erzählen formatieren.23 Erst durch die Anwendung bestimmter Methoden wird aus einer Erzählung eine spezifisch journalistische Erzählung. Von der journalistischen Recherche, über die verschiedenen Genres und ihren Formaten zur journalistischen Schreibe selbst, Journalist-Sein wird über die Fähigkeit definiert, spezielle Kulturtechniken der Informationsvermittlung zu beherrschen. So bleibt Iris Berben trotz des gleichen Themas eben Schauspielerin: „Vor der Kamera. Da ist sie Spitze. Aber der Platz der Reporterin ist neben der Kamera. SIE führt die Regie. Allein. In der Rolle des AllahExperten Peter Scholl-Latour ist Iris Berben nicht die Idealbesetzung. Ich hätte lieber mehr Iris Berben gesehen. Ist sie doch keine schlechte Reporterin, sondern eine gute Schauspielerin.“ (DIE WELT 2004) Mit diesen Wertvorstellungen wird hier eine Identität umrissen, die ihre Auffassungen von sich selbst beeinflusst und organisiert (vgl. Hall 1999:416). In diesem Sinne kann man von einer journalistischen Kultur reden – eine imaginierte Gemeinschaft vielleicht, die jedoch in ihrer Abgrenzungsfähigkeit eine hohe Geschlossenheit aufweist.

Geschichten erzählen können II Wie in den beiden anderen Berichtsgebieten hat die heimische Redaktion auch im Nahen Osten eine starke Präsenz. So werden die Überschriften der Artikel von der Redaktion in Deutschland getextet, die Artikel prinzipiell gegengelesen und redigiert und gibt es Planungen für Schwerpunkt217

NACHRICHTENWELTEN

themen oder bereits terminierte aktuelle Anlässe, wie es die USA-Reise Sharons war oder generell die Nahostbesuche prominenter deutscher Politiker, Sportler etc. sind. Auch hier sind Berichterstatter realiter in die Redaktionsabläufe eingebunden und bewegen sich mit und gegen die Wünsche der Redaktionen. Themen und Ereignisse schöpfen auch in diesem Berichtsgebiet ihren Wert nicht aus sich selbst, sondern in Relation zu anderen. So stehen die Ereignisse im Nahen Osten trotz ihres grundsätzlich hohen Nachrichtenwerts zuweilen hinter anderen Ereignissen zurück. Wie der zitierte Korrespondent beschrieb, sei das Studio in Folge des Bombenanschlags in Madrid am 11. März 2002 quasi abgemeldet gewesen. Ganz generell sei der Redaktion Bagdad wichtiger. Wiederum gab es einen Fall, den der Journalist nach eigener Aussage nicht nachvollziehen konnte, als sich in Bagdad die Leichen stapelten und er fest davon ausgegangen sei, dass er Raum für eigene Geschichten haben würde – sogar Termine für andere Beiträge habe er gemacht. Plötzlich wollte die Redaktion an diesem Tag zwei Artikel haben! Und dann sei noch der verhinderte Anschlag in Budapest dazugekommen. Es seien drei Artikel an einem Tag geworden. An einem Tag, an dem er davon ausgegangen sei: Heute machst du nichts. Bei der ARD, so wird das Gesagte unterstrichen, gab’s immer die so genannte Sonntagstagesschau... [lacht] Irgendwo ist dann wieder ein Kopf, der plötzlich beschließt: Das frage ich nach. Rundfunk: Ich [habe] mich mit manchen Redaktionen wirklich oft ankeifen müssen – es gibt da dieses berühmte Gefühl, am grünen Tisch zu sitzen in Hamburg, Berlin, München oder Köln und da weiß man eben alles. Da hat man die SÜDDEUTSCHE schon gelesen und... [lacht] ein Beispiel! Es gab mal [...] eine Welle von orthodoxen Demonstrationen. Also, diese ultraorthodoxen Juden kriegen so einmal im Jahr, meistens im Herbst, so eine Welle, in der sie dann plötzlich auf die Straße gehen. Am Sabbat sogar Steine schmeißen auf Autos oder den Verkehr behindern und so fort. Das hängt damit zusammen, dass zu den Feiertagen im Herbst auch in den Vereinigten Staaten eine Spendenwelle losgeht und da muss man zeigen, dass man für die Frömmigkeit was tut. Und auf jeden Fall, damals hat man das zum Anlass genommen – das waren Poster, Plakate an Autobushaltestellen, wo ganz normale Boutiquen ihre Kleider anboten, das war ganz normale Sommerkleidung. Jetzt ist ja ganz normale Sommerkleidung in ultraorthodoxen Augen etwas sehr unkeusches – der Ellenbogen sollte immer bedeckt sein und so weiter. Es waren aber nicht mal Spaghettiträger. Es war ganz einfach ein kurzes T-Shirt, man konnte den Ellenbogen sehen. Daraus machten sie dann einen »case«. Dann wurden überall Autobushaltestellen verbrannt. Dann hatte ich die Idee – man weiß genau, wo diese Burschen herkommen, eben aus bestimmten Religionsschulen – wir haben uns dann im Auto hingestellt und gewartet. Dann kam tatsächlich schon nach 10 218

DER GETEILTE HIMMEL

Minuten ’ne Meute von sieben Typen raus, zwängten sich alle in ein Taxi und es war ziemlich klar, dass sie das vorhaben und wir sind ihnen nachgefahren. Wir haben gedreht, wie die anfangen eine Autobushaltestelle zu verbrennen! Da kam zufällig noch ein Streifenwagen der Polizei, mit Blaulicht – aber gar nicht wegen denen, ja! Und dann rannten die los! Mit fliegenden Schläfenlocken! Herrliche Bilder! Die sind durch die ganze Welt gegangen! [...] Der einzige Sender, der da nicht daran interessiert war, hieß [...]. A.D.: Aus irgendeinem bestimmten Grund? Rundfunk: Genau! Ich hab dann den Korrespondenten der [...] angerufen und ihr nahe gelegt, er möchte doch mal zu dem Skandal mit den Religiösen was schreiben. Hat er dann auch gemacht. Zwei Tage später war das auf Seite Drei. Am selben Tag kam ein Anruf: „Könnt ihr dazu nicht mal was machen?“ [lacht] A.D.: Wo ist jetzt da die Logik? Die [...] habens geschrieben, dann wollen wir es auch? Rundfunk: Dann weiß der Mann am grünen Tisch, das ist ein Weltereignis. Wenn der Korrespondent vor Ort hingeht und sagt, ich hab hier tolle Sachen und wir haben auch die besten Bilder davon, interessiert das keinen. Es ist nämlich ein großer Mythos, dass Redaktionen auf Scoops aus sind.

Stattdessen wird auch hier wieder eine Distanzierung zur heimischen Redaktion deutlich. Ein inzwischen vertrautes Phänomen der Auseinandersetzung zwischen dem Korrespondent hier und denen dort in Hamburg, Berlin, Mainz, München etc. Neben den impliziten Vorwürfen, die Medienmaschinerie anzuheizen, verdeutlicht sich anhand der Vergabe von Zeitfenstern und Platzierungen die strukturelle Macht der Redaktion. Dennoch wird gerade in diesem Beispiel der bewusste Umgang damit beschrieben: Fehlt das Interesse zuhause, so gibt man seine Informationen an Kollegen oder direkt an die Agentur, wie es in anderen Darstellungen, auch abseits des Nahen Ostens geschildert wurde. Und – wie schon in Washington auch hier keine Scoops. Watergate wurde ja auch nicht von deutschen [... sondern] von zwei Lokalreportern ausgegraben, die hier wirklich in der Stadt lebten und arbeiteten... Auch wenn die Distanz zum Geschehen in Israel geringer ist, das Leben vor Ort und Mittendrin mit allen Risiken behaftet ist, handelt es sich bei den Journalisten nicht um Lokalreporter – was weniger durch die Nähe zum Geschehen, als durch das Zielpublikum definiert wird. Und das ist weit weg vom Alltag und den Ereignissen in Nahost. Auslandsberichterstattung zeigt sich auch hier wieder als Genrearbeit, die sich durch Gegenstand, Ziel und Methode 219

NACHRICHTENWELTEN

ausformt. Wenn diese Arbeit auch im Takt der Medienmaschine stattfindet. In den ruhigeren Tagen, an denen der Pulsschlag der Medienmaschine nicht so stark zu spüren ist, recherchieren und produzieren die Korrespondenten und ihre Mitarbeiter die Geschichten, die sie als Alternative zur Nachricht sehen. Hintergründe, individuelle Schicksale, den Alltag im Krisengebiet in seinen unterschiedlichen Facetten. Stilistisches Mittel dazu sind die Genres Reportage oder auch Portrait, die ihrem Wesen nach stark deskriptiver Natur sind. Print: Ich hab neulich was über die neue Armut in Israel gemacht. Da kamen mindestens drei Mal Leserbriefe – sofort – die ganz konkret sagten: Wir wollen Geld spenden. Einmal war es eine Frau, die sich umbringen wollte, weil ihr Sohn bei einem Bombenanschlag umgekommen ist... Das sind die Stories. Die Personifizierung, dem Ganzen einen Namen zu geben, das zieht die Leute an. A.D.: Hat das auch den gleichen Informationsgehalt wie unsere Wer-Wie-WasFragen? Print: Nicht Informationsgehalt! Also, keine enzyklopädische Information im Sinne von Nachrichtenaktualität. Aber die Leute haben das Gefühl, dass sie etwas an Erfahrung machen. Die Amerikaner haben ein ganz schönes Wort dafür, das ist human touch. Also, im Deutschen müsste man fast sagen, im allgemeinen Sinne: Klatschgeschichten. Das ist ja das, was die Leute interessiert. [Nah dran am Menschen.] Genau! Klatsch ist... es gibt den primitiven Klatsch: Eine rosa Bluse zum gelben Rock. Es gibt aber eben auch die Geschichten, die an einem Menschen, mit Namen und, und, ja... ist es eine Celebrity hat man das Gefühl, man kannte ihn, oder man kennt ihn. Ist es keine Celebrity, hat man nach der Geschichte das Gefühl: Ich kenn jetzt jemanden. Ja, ich hab jemand Neues kennen gelernt.

Auch hier wird auf ein performatives Moment hingewiesen. Nun jedoch nicht als Zugang zur Produktion, sondern als dessen Ergebnis. Der Sache einen Namen geben; das Gefühl, Erfahrung zu vermitteln; jemanden kennen gelernt zu haben, diese Reihung journalistischer Intention umschreibt im Wesentlichen das Herstellen von Nähe. Das Handlungsmoment der Sprache dient der Überbrückung von Unkenntnis auf Seiten des Rezipienten. Dabei liegt die eigentliche Kompetenz des Korrespondenten nach deren Selbstdarstellung in der Beschreibung der Situation, nicht in der Bewertung. Rundfunk: Wenn ich über Israel berichte und dann sage: „Ja, wie auch jeden Morgen stand ich auch heute wieder im Stau!“ – Das ist für die Leute halt 220

DER GETEILTE HIMMEL

nachvollziehbar, man steht halt im Stau. Bei den Palästinensern ist es so, man steht halt wieder am Checkpoint. Ganz andere Situation. Ich versuche dann eben darzustellen, das sind genauso Mütter, Väter, Kinder, die zur Schule gehen und Leute, die zur Arbeit gehen wollen, die ihr Dorf verlassen wollen, um ins nächste Krankenhaus zu gelangen. [...] OK, die Realität für die Palästinenser ist die, eingesperrt in ihren Dörfern, kommen nicht raus, Checkpoints überall im Westjordanland, hat man alles schon x-Mal irgendwie gehört. Ich hab ’ne Frau ausfindig gemacht, die musste ihr Kind am Checkpoint zur Welt bringen, weil die Soldaten sie nicht durchlassen wollten, sie nicht ins Krankenhaus lassen wollten zur Entbindung und dann hat sie jetzt ihr Kind daraufhin Ha’dsches genannt, was Arabisch ist für Straßensperre. [...]. Und ich hab also mit der Mutter gesprochen, mit dem Vater gesprochen und hab mir den kleinen Jungen angesehen und versuche dadurch den Leuten eben zu vermitteln, was das eben bedeutet, wenn man dermaßen eingesperrt ist, rund um das eigene Dorf ständig israelische Armee ist usw. Um eben ein bisschen von diesem Bild, davon weg zu kommen, Palästinenser gleich Arafattuch-tragender Bombenwerfer.

Nach der gängigen Idealvorstellung geht es in den Genres jedoch nicht darum, das Offensichtliche abzubilden sondern gerade die „im Journalismus verbreitete Oberflächlichkeit“ (Haller 1997:124) zu vermeiden, indem man manchmal „eben zwei- oder dreimal an denselben Ort [geht...], mehrmals zuschauen und mit den gleichen Leuten reden [muss]“, um das Besondere und das Typische an der Situation kennen zu lernen. Wesensmerkmal gerade der Reportage ist es weniger, einer Geschichte durch das vor Ort-Sein Farbe zu geben, sondern die vor Ort gesammelten Sinneseindrücke zur Orientierung zu nutzen: „[U]m uns in der Welt zurechtzufinden, um uns beheimaten zu können. Der Reporter nutzt sie, damit sich die Leser am Ort des Geschehens zurechtfinden, sich im Thema zuhause fühlen können: nur dann können sie auch teilhaben.“ (ebd.) Für die Umsetzung wird dabei zur Vorsicht im Umgang mit Bewertungen gemahnt: Man dürfe den Leser nicht „oktroyieren“ (ebd.). Stattdessen solle ihm die Möglichkeit gegeben werden, sich die Situation selbst vorzustellen. Diese Auffassung über das Wesen der Reportage ist mit dem Geertz’schen Ansatz der »Dichten Beschreibung« (1983) zu vergleichen. Dieser führt an einer Stelle die unterschiedlichen Bedeutungsmöglichkeiten eines zuckenden Augenlids ins Feld. Eine dünne Beschreibung umfasse so die mechanische Bewegung des Lids, die dichte Beschreibung aber die spezielle Konnotation (vgl. Geertz 1983:10). Ob Flirt oder physische Reaktion, die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Zwinkerns sind ebenso aus dem Kontext heraus zu verstehen, wie die Aussagen der Interviewpartner oder die unterschiedlichen Bildausschnitte. Der Ansatz gleichzeitig nah dran am Dargestellten und am Rezipienten zu sein, be221

NACHRICHTENWELTEN

schreibt das Rollenbild als Vermittler. Mittels dichter Beschreibung Nähe herzustellen ist – zumindest in der Ethnographie – von vielen Stellen kritisiert worden.24 Kernpunkt der Debatte um angebrachte Formen der Repräsentation war, neben dem Vorwurf mangelnder Transparenz in der Erkenntnisgewinnung, im Wesentlichen das Problem einer vom Dialog weg führenden Autorität: „It is I who will describe them or create them!“ (vgl. Crapanzano 1986). Die Position unumschränkter Autorität wird, wie schon im Beispiel Fernost und den USA auch in der Nahostberichterstattung, mehrfach gebrochen. Hier setzt sich der Journalist nicht nur mit den Anforderungen seiner Redaktion auseinander sondern darüber hinaus im Wesentlichen mit der widersprüchlichen Situation vor Ort. Verbindet man diese komplexen Aussagen zur Art und Weise der Zusammenarbeit mit der Redaktion zu den vorangegangenen Aussagen und Darstellungen zur Problematik der Konfliktsituation, der Zusammenarbeit mit den Informanten und den grundlegenden Verständnisschwierigkeiten, so zeigt sich, dass dieses „historisch-moralisch-politische Dreieck“ (Schreiber 1999:48), welches die Berichterstattungssituation beschreibt, durch die Vielzahl von wieteren Bezugspunkte zu einem immer komplexeren Ganzen geformt wird. So sind die Texte der Korrespondenten der Rezeption des Publikums untergeordnet, mit und gegen die sie ihre Darstellungen produzieren. Irgendwo im Zwiespalt, Neues zu beschreiben und keine Worte dafür zu haben, weil sie auf Bestehendes zurückgreifen müssen, um sich verständlich zu machen, finden sich die Korrespondenten allem Anschein nach in einem Prozess der Manufaktur gesellschaftlicher Bias wieder. Oder anderes formuliert: „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken!“ In diesem berühmt gewordenen Leitspruch des FOCUS Herausgebers Helmut Markwort verdichtet sich diese Selbstreferenz. Was so schön leser- oder kundenfreundlich klingt, zieht die Frage nach dem Gehalt dessen mit sich. Im Falle Israels mag man sich fragen, welche Fakten und was zum Teufel weiß der Leser eigentlich? Letzteres zumindest eine bislang immer wieder zitierte Fragestellung der Korrespondenten: Wie geschildert verweigerte die Verwandtschaft eines Korrespondenten einen Besuch im Land, ein anderer fügte hinzu, dass er sich nicht so sicher sei, was bei dem Rezipienten ankomme und ob es wirklich verstanden würde. Trotz der Menge der Informationen und Berichte. Angesichts der Rückfragen und Kommentare habe er oft das Gefühl, meilenweit am Publikum und auch an den Redakteuren vorbei zu berichten. Andere wetterten gegen die simplifizierten Auffassungen, auf die sie gerade bei Politikern während offizieller Missionen und Besuchen träfen – obwohl deren Referenten in Kontakt mit den Korrespondenten stünden, die Berichterstattung verfolgt würde und darüber hinaus ganze Dossiers vorlägen. Die Arbeit vor Ort scheint in vieler Hinsicht auf eine deutsche 222

DER GETEILTE HIMMEL

Bias zugeschnitten, nur lässt sich erahnen, dass diese Bias nicht der allgemeinen Berichterstattung zu verdanken ist.

M i t t e nd r i n Der Nahe Osten ist der mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten »news beats«, wenn auch mit der vergleichsweise höchsten Schlagkraft. Die geringe Größe der Region, das hohe Nachrichteninteresse, die physische Nähe des Konflikts: Die Korrespondenten befinden sich vor Ort am Puls der Zeit und mitten in der Medienmaschinerie des Nahostkonflikts. Der Raum ist angefüllt mit Ereignissen, die Zeit zählt. Das Hier und Jetzt des Erlebniszeitraums tritt in den Vordergrund. Alles scheint sich hier zu verdichten, selbst der Kontakt zum Tod ist hier spürbarer als anderswo. Vieles ähnelt der Manufaktur von Nachrichten, eine ständige Produktion, deren Zeitökonomie nur wenig Raum für das Eigene lässt. Während es unter den Konfliktparteien selbst die Auseinandersetzung um den Besitz von Raum ist, ist es unter den Korrespondenten ironischerweise der Kampf um die Zeit etwas Eigenes zu machen, der ihre Routine kennzeichnet. Dieses Eigene, der eigene Beitrag, die eigene Geschichte liegt nahe, sind die Korrespondenten im Alltag doch häufig genug nah dran an Mensch und Geschehen. Dies spiegelt sich in den zahlreichen Bemerkungen und Kommentaren zu der Gespaltenheit, der Widersprüchlichkeit der öffentlichen Meinung vor Ort. Generell lässt sich an diesem Beispiel vielleicht deutlicher als in den anderen Regionen die multifokale, multiperspektivische und heterarische Konstitution der Hybridsphäre erkennen, aus der und über die Korrespondenten arbeiten (vgl. Sloterdijk 2004:24). Gleichzeitig birgt diese die potentielle Möglichkeit, eine Nahaufnahme der Region zu fertigen und unterscheidet diese von den anderen Berichterstattungsregionen: In Singapur ist der Umgang mit dem Blick von Außen prägend für die Routine des Korrespondenten. Dieser Blick entwirft die Ausgedehntheit des Raumes und setzt Bewegungsfreiheit in Relation zur Aufmerksamkeit. In den USA dagegen überwindet die hohe Aufmerksamkeit den Raum und die Bewegungsfreiheit – sehr zum Bedauern der Korrespondenten, die sich in direkter Konkurrenz mit den Kollegen in den Heimatredaktionen und regelmäßig in ihrer Meinung herausgefordert vorfinden. Im Nahen Osten dagegen rückt das Verhältnis zur eigenen Redaktion zunächst in den Hintergrund. Stattdessen bestimmt der Konflikt vor Ort die Routine und der Fokus schiebt sich auf die eigene Reaktion. Der Korrespondent ist nah dran an den Ereignissen, jenen, die noch zu formulieren sind. 223

NACHRICHTENWELTEN

Im Alltag führt dies auch und gerade dazu, die Beobachtung des Beobachters zu hinterfragen. So ist die Frage nach einer objektiven Berichterstattung der Tätigkeit als Vermittler vorgeschaltet. Vor dem Hintergrund regulärer Manipulation von Informationen dirigiert die Konfliktsphäre die Aufmerksamkeit zunächst auf eine sorgfältige Betrachtung des Geschehens vor Ort. Und erst in zweiter Linie auf die bi- oder tri-laterale Problemsphäre, die sich zwischen Deutschland und dem Konfliktgebiet eröffnet. Das Eigene, der eigene Beitrag, die eigene Geschichte wird zum Mittel, die Nachrichtenberichterstattung zu differenzieren. Ereignisse aus vielen Augenschlitzen zu betrachten, um die verengten Perspektiven der Propaganda- wie auch der Nachrichtenmaschinerie aufzubrechen. Stärker als in Singapur und Washington wird von den Korrespondenten in diesem Zusammenhang die Art und Weise des Darstellbaren problematisiert, wird das Nachrichtenformat kritisiert, der Kommentar gemieden und wenn möglich durch sinnliche Genres; Portrait oder Reportage, ersetzt. Letzteres erinnert dann doch an den Fernen Osten. Nur sind die Konditionen dort andere. Unter dem geteilten Himmel wird die Problematik des gemeinsamen Einwohnens deutlich. Diese Auseinandersetzung ist konfliktgeladen und wird als solche wahrgenommen, dreht sich doch in den Kommentaren und Beschreibungen viel um die Repräsentationsproblematik. Der Zoom auf diesen kleinen Landstrich, der in einer Tagesreise durchmessen werden kann, verlässt die Vogelperspektive und verändert den Fokus. Der Korrespondent ist mittendrin im Geschehen und in der Gegenwart. Im Endeffekt positioniert dies den Korrespondenten in seiner Funktion als Journalist genau dort, wo er in Berlin oder anderen Inlandsstationen wäre. Nur mit dem Unterschied, dass diese Nähe und all ihre Vertrautheit täuschen kann. Weil es eben Ausland bleibt. Vielleicht wird hier aber auch im Detail deutlich, dass die Differenz das bewegende Moment der Auslandsberichterstattung ist. Jedoch nicht als Unterscheidung, sondern als bewegte Bedeutung. Wenn es viele Augenschlitze braucht, um die Dinge zu betrachten, lässt dies den Gedanken zu, dass sich hier Raum für andere Geschichten eröffnet. Geschichten, an denen man mitwirken kann.

224

G L O B A L E S , G E S CH W I N DI G K E I T U N D G E S C H I CH T E N – ALLES EINE SACHE DER FORM Diese Arbeit hat durch viele Geschichten geführt. Geschichten, die in erster Linie dazu dienen, einen Einblick in den journalistischen Arbeitsalltag im Ausland zu geben und den Konditionen dieses Alltags nachzugehen. Geschichten, in denen sich Orte, Stimmen und Ereignisse auf unterschiedlichen Ebenen zu einer »dichten Beschreibung« fügen. – Anstelle einer positivistischen Faktensammlung ist in dieser Arbeit die komplexe Sammlung von Meinungsäußerungen, Beobachtungen und Assoziationen und damit vor allem ein ästhetischer Eindruck gerückt. Eine „sprachgestaltete (Um)Welterfahrung“ (Haller 1990:96), deren Zweck es ist, jene Atmosphären begreifbar zu machen, aus denen sich die Arbeit der Auslandskorrespondenten generiert. Diese Betonung der sinnlichen Eindrücke, das Hervorheben der Widersprüchlichkeit und die Weigerung, Komplexität zu reduzieren, hat im Verlauf der Lektüre viele Aspekte und Auslegungsmöglichkeiten nebeneinander gestellt. Dennoch verdichtet sich diese Ethnographie auch an einigen Stellen und stellt bestimmte Motive vor andere. Was also ist aus dieser »dichten Beschreibung« weiter abzuleiten als die Hoffnung, dass sie begreifbar ist? Dazu ein Blick auf den Beginn dieser Arbeit. Dort findet sich die Bemerkung, dass in der Auslandsberichterstattung nicht nur rund um die Welt Geschichten zusammengetragen werden sondern, dass diese Geschichten immer auch Geschichten aus der Welt und über diese sind. In Form gebrachte Ereignisse, die zu jenen Geschichten werden, über die man lesen kann, die zu hören oder zu sehen sind. It’s the story that counts bringt es einer der Korrespondenten eingangs auf den Punkt. Die dort in einem Atemzug genannte Verbindung von »Wert« und »Geschichte« stellt sich als wiederkehrendes Motiv für das Folgende heraus und gibt den Weg vor, Auslandsberichterstattung als kulturelle Praxis, oder wie es hier formuliert wird, als »Formsache« zu verstehen. Dass Auslandsberichterstattung eine Sache der Form ist, wird bereits an der Oberfläche des Themas deutlich. Ohne sich vor Ort in die Studios und Büros der Auslandsberichterstattung zu begeben, bergen die einzel-

225

NACHRICHTENWELTEN

nen Berichtsgebiete bestimmte Formen, verdichtet sich das Korrespondentennetz um die Grenzen des eigenen Staates, hat man in Washington bestimmt einen Korrespondenten, während es in Indonesien oder Malaysia schon schwerer wird, eine Auslandsniederlassung deutscher Medienorganisationen auszumachen. Wie bereits einleitend am Kartenmaterial dargestellt, handelt es sich bei der Auslandsberichterstattung um kein egalitäres Unterfangen, das Geographie oder Population und Berichterstattung 1:1 setzt, sondern Welt nach bestimmten Bewertungen begreift. Wie im weiteren Verlauf der Arbeit gezeigt, finden sich im Umgang mit diesen Gebieten, den jeweiligen Netzwerken, dem journalistischen Handwerk oder auch den spezielle Medientechnologien weiterhin unterschiedliche Formen. Hinzu kommen individuelles Geschick und Interesse, zeitgeschichtliche Verquickungen und historische Hintergründe, die aktuellen Ereignisse selbst. In und durch viele Momente verbinden sich in der Praxis soziale, ästhetische, politische, geographische, körperliche, phänomenologische »Formen« zu ebenso widersprüchlichen wie komplexen »Sachen«. Ob greifbar oder abstrakt, gemeinsam ist ihnen, dass sie letztendlich handgemacht sind. Wenn der britische Korrespondent auf Bali die Sache stellvertretend auf den Punkt bringt, it’s the story that counts, verweist er damit auf die eigentliche Tätigkeit der Korrespondenten: Es geht um die Geschichten. Trotz der Bewegung in einer globalisierten Welt, der gleichen technologischen Möglichkeiten und bei aller handwerklichen Gemeinsamkeit, die das journalistische Genre selbst mit sich bringt, zeigt sich, dass diese Geschichten in jeder Region unter anderen Konditionen entstehen und andere Methoden nach sich ziehen. Methoden, die man den Geschichten selbst, vereinzelt und ohne den Blick hinter die Kulissen, nicht ansieht. So ist der Weg zur Geschichte in Fernost schon fast das Ziel zu nennen. Die Routine ist geprägt von dem geringen Nachrichtenwert der Region, der im gleichen Atemzug die enorme Weitläufigkeit des Berichtsgebietes bedingt. Damit werden Distanzen und der Versuch, diese zu handhaben charakteristisch für das Gebiet. Dies zeigt sich in dem Bemühen der Korrespondenten um eigene Orientierung und den ausgeprägten Ansätzen zu entdecken, zu erklären; es zeigt sich genauso in den weiten Netzwerken und den Schwierigkeiten ihres Aufbaus; nicht zuletzt zeigt es sich dann auch wieder in den Strategien um die Platzierung der Geschichten, die Koordination mit der Redaktion. Knapp gesagt, um Geschichten erzählen zu können, gilt es in Fernost geographisch wie anthropologisch immense Entfernungen zu überbrücken. Im Kontrast dazu ist die Routine in den USA von der Bewegung im Studio gekennzeichnet. Die Enge des Ortes versinnbildlicht das Zusammenwirken technologischer Möglichkeiten und das hohe Interesse an den 226

ALLES EINE SACHE DER FORM

Vorgängen in der »Welthauptstadt«. Es ist eine Zeit-Raum-Kompression, die als charakteristisch für Globalisierung angesehen werden kann. Alles ist in kürzester Zeit greif- und abrufbar. Jeder hat die Möglichkeit mitzureden – und viele tun es auch. Letztendlich führt diese Verdichtung im Arbeitsalltag zu starken Rückkopplungseffekten. »Hier« und »Dort« bilden sich als stärkeres Motiv heraus, als es die Zeit-Raum-Kompression vermuten ließe. So prägt auch nicht das »Fremde« die Geschichten der Korrespondenten sondern vielmehr das »Bekannte«. Und weil alles schon bekannt ist, und es andere besser wissen, sind die Korrespondenten in ihrer Expertise ständig herausgefordert. Sie erklären weniger, als dass sie inhaltlich argumentieren. Im Gegensatz zu Singapur formt sich keine Sphäre aus, die durch das Außen charakterisiert ist sondern eine, die sich durch die Zeit hinweg über dem Atlantik wölbt und in allererster Linie durch die Auseinandersetzung um ihr Interieur geprägt ist. Ganz offensichtlich geht es hier nicht um die Überbrückung von Entfernung, sondern um deren Differenzierung. Was dabei in den Mittelpunkt rückt ist weniger die Geschichte als die Auseinandersetzung um diese, deren Kommentierung und Bewertung. Mit dem Ortswechsel in den Nahen Osten zeigt sich ein medialer Zoom auf die dortigen Ereignisse. Die Routine spielt sich, wie auch in Washington D.C., auf begrenztem Raum ab, wenn auch diesmal außerhalb von Büro und Studio. Nur wenige Kilometer liegen zwischen Tel Aviv und Jerusalem, ein Katzensprung ist es nach Ramallah – dazwischen liegen die Welten, in denen sich die Korrespondenten bewegen. Nah dran an den Ereignissen oder auch mittendrin im Geschehen, stets im Durcheinander der Meinungen und Positionen, von Propaganda und Rhetorik verläuft die Orientierung der Korrespondenten vermittels Skepsis: Was stimmt, was nicht? Dieser kritische Ansatz wirkt nicht zuletzt auch immer mit und gegen die Medienmaschinerie, die für die hohe Schlagzahl der Geschichten verantwortlich gemacht wird. Es ist der problematische Versuch, ganz »nah dran« im Makromodus des Nahostkonflikts eine »objektive Berichterstattung« zu leisten. Eine Berichterstattung, die immer wieder mit dem Verweis auf die Notwendigkeit, unterschiedliche Positionierungen aufzuzeigen, aufgegriffen wird. Andere Geschichten erzählen können, Pluralismus, als Ziel dieser Nahaufnahme. Dies ist nur ein knapper Rückblick auf das, was in den einzelnen Teilen ausführlicher thematisiert wird. Was im direkten Vergleich jedoch deutlich wird, ist die ungleiche Kategorisierung von »Story« oder »Geschichte«. Bemessen über die unterschiedlichen Nachrichtenwerte und die gewachsenen Unterschiede in der Profilierung der Regionen formt sich die Geschichte im Fernen Osten als Ziel der Anstrengung, in den USA als Mittel der Auseinandersetzung und in der Nahostberichterstattung als Gegenstand der Berichterstattung, den es zu erweitern gilt. 227

NACHRICHTENWELTEN

An dieser Stelle ein letzter Schlenker: Gegenstand, Mittel und Ziel dienen in der journalistischen Genrelehre der Bestimmung von Art und Weise der Berichterstattung (vgl. Blumenauer 1988). Je nach Festlegung dieser Faktoren ergibt sich das journalistische Genre und seine spezifische Form: Nachricht, Hintergrundbericht, Kommentar, Reportage etc. Jedes dieser Genres mit unterschiedlichen Standpunkten und Blickwinkeln, aber auch Funktionen und natürlich unterschiedlichen Formen. So ist z. B. die Nachricht kurz und knapp als sachliche Information gedacht, die Reportage ungleich länger als sinnlicher Erlebnisbericht, der Kommentar als Einordnung von bestehendem Wissen, stark subjektiv gezeichnet, belegend, pointiert, zuweilen überzeichnet etc. (vgl. Haller 1995). Aus der Vogelperspektive lassen sich hier Parallelen zu den einzelnen Berichtsgebieten erkennen. Tatsächlich laviert die Praxis zwischen der Entdeckung des Unbekannten, dem Diskutieren des Bekannten und der Reflektion des Umstrittenen, letzteres mit dem Bemühen um Unparteilichkeit. In anderen Worten, in der Praxis formt sich die Berichterstattung erkennbar »chronotopisch« aus; sie reflektiert Formen der Zeit und des Raums in der Berichterstattung, die genretypische Momente und Charakteristika mit sich führen, ganz allgemein Gesprächsformen repräsentieren (vgl. Bachtin 1989).12 Ob dies nun der »Kraut Atlantik« als Sinnbild des transatlantischen Gesprächs auf der Makroebene, die Verständigungsschwierigkeiten auf der Mikroebene im Fernen Osten oder die Auseinandersetzung mitten im Konfliktgebiet des Nahen Ostens sind – deutlich lässt sich das »Chronotop« als Kulturproduzent verstehen, der fassbare Artefakte, Geschichten und damit kontinuierlich Realitäten oder auch Öffentlichkeiten ausformt. Eben jene Gesprächsräume, die durch die unterschiedlichen Konditionen vor Ort entstehen. Diese zeigen sich abhängig von kultureller Nähe und Distanz, eben Bewertungen. So lässt interessanterweise der geringste Nachrichtenwert die größte Stimmenvielfalt zu, wenn auch nur hinter den Kulissen. Steigendes Interesse, ipso facto steigender Wert, führt dagegen zu wachsenden Auseinandersetzungen. Finden diese auf der Makroebene zwischen zwei Nationen, Kulturen, Ideologien statt, so verläuft die Konfliktlinie dabei sichtbar und einfach einzuordnen. Diese Orientierung zerschellt jedoch wieder, wenn man die Vogelperspektive verlässt und in die widersprüchliche Komplexität des zeitgleichen Neben- und Übereinander des tatsächlichen Lebens eintaucht. Der Blick auf die Figur des Korrespondenten, im Fall der USA auf die transatlantischen Beziehungen und im Fall der Nahostdependancen auf das Berichtsgebiet und die damit verbundenen Gesprächsräume sind Aspekte derselben Sache. Von der »Weiten Welt« über den »Kraut Atlantik« zum »Geteilten Himmel« bieten die einzelnen Feldforschungs228

ALLES EINE SACHE DER FORM

teile einen Überblick auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Arbeitsmethoden und -bedingungen in den portraitierten Berichterstattungsgebieten. Aspekte, die im Einzelnen auf Charakteristisches, zusammengenommen letztendlich auf Allgemeines verweisen. So reflektiert die Berichterstattung aus aller Welt sehr deutlich den Raum aus dem und für den sie produziert wird und ist unzweifelhaft als Produkt kultureller, gesellschaftspolitischer Diskurse zu erkennen. Auch wenn das Diktum des Globalen allgegenwärtig und Entfernung scheinbar überwunden ist, so zeigt sich, dass die Basis für bestimmte Wahrnehmungsräume und Blickwinkel im eigenen gesellschaftspolitischen Umfeld angelegt ist. Es ist eine gängige These, Berichterstattung in direkte Verbindung mit nationalen oder soziokulturellen Rahmen zu setzen (vgl. Galtung/Ruge 1965; Hall 2001; Mertens et al. 1994; Zhu et al. 1999; Pedelty 1995 etc.). Eine These, die sich hier auch für die deutschsprachige Auslandsberichterstattung bestätigt. Nur dass mit Hilfe eines kulturellen Paradigmas das kreative Element des Ganzen in den Vordergrund rückt – Auslandsberichterstattung, um abschließend noch einmal die sperrige Sprache Sloterdijks zu bemühen, „artikuliert sich auf ineinander verschachtelten simultanen Bühnen, [sie] produziert und verzehrt sich in vernetzten Werkstätten. Doch was für uns das Entscheidende ist: Sie bringt den Raum, in dem sie ist und der in ihr ist, jeweils erst hervor“ (Sloterdijk 2004:24). Was hier dargestellt wird ist das oszillierende Kolloquium derer, die auf die eine oder andere Weise ein Wörtchen mitzureden haben. Dabei formen sich im Dazwischen von Orten, Stimmen und Ereignissen Gesprächsräume aus. Diese werden zweifelsohne durch Technologie unterstützt, aus der hier vertretenen Perspektive relevant ist jedoch etwas anderes: Diese Gesprächsräume sind nichts Gegebenes, Vorhandenes, Natürliches, sondern wirksame Raumschöpfungen, die durch Kontakt und Übertragung ausgeprägt sind. Auslandsberichterstattung, wie sie hier abgebildet wird, stellt über die gesellschaftspolitische Rückbindung hinaus eine Formulierung dar, die praktisch durch die Mitwirkung all dieser Faktoren zustande kommt. Sie fasst Räumlichkeit in Sprache, während sie im selben Moment einen Raum aus diesem Sprechen produziert. Was ist nun daraus abzuleiten? Unter anderem, dass es bei all dem um Orientierung geht. Was auf den ersten Blick – über Ereignisse zu berichten – als neutrales Tun mit allgemeingültigen Regeln erscheint, ist in der Tat »Formsache« mit vielen Beteiligten, einigen nur schwer zu handhabenden, anderen oftmals gar nicht greifbaren Parteien. In vielerlei Hinsicht schiebt sich die Semantik des Begriffes InFormation in den Vordergrund und verweist auf dem Weg vom Ereignis zur Geschichte und auf den Anteil des Handgemachten in der Auslands229

NACHRICHTENWELTEN

berichterstattung. Wobei dieses In-Form-Bringen (oder manipulieren) als anthropologisches Handeln per se und nicht im Sinne einer unrichtigen Darstellung verstanden werden sollte. Vielmehr verweist dies über die Kategorien von »Richtig« und »Falsch« hinaus darauf, dass jede Information immer auch den Verweis auf ihre Konditionen birgt. Dies wirft die Frage nach der eigenen Verortung auf. Eine Frage, die an den Betrachter gerichtet ist und auf seinen eigenen Kontext verweist. Virulent werden diese Gedanken, wenn man sie auf aktuelle Storylines wie Terrorismus und Fanatismus anwendet und die Grundzüge der Story, von Wert und Bewertung in den Neuigkeiten wiederentdeckt, die Konditionen des Erzählens und nicht zuletzt den Bezug auf das Publikum. Gedankenspiele tauchen auf, wie wohl eine Berichterstattung aussähe, wenn der Islam ein ebensolcher Bestandteil gesellschaftlicher Bildung wäre, wie es das Christentum ist. Oder wie die Berichterstattung fokussiert wäre, gäbe es ein profundes Allgemeinwissen, auch und gerade hinsichtlich sprachlicher Zugänge über die arabische Welt, über China... In diesem Sinne lässt sich beispielsweise die nach dem 11. September belebte Grenzziehung zwischen dem moslemischen Glauben und einer freiheitlich demokratischen Auffassung christlicher Prägung als »Formsache« begreifen, oder Gedanken wie den »clash of civilizations« (Huntington 1997) als »Formulierungskonflikt«. Jeweils aber rückt dies den Blick auf Form und Formulierung: das prozessuale und effektive Wesen einer Sache, in der Kultur, Raum und Handeln verschmelzen. Die »Sache«, das Thema, die Storyline, die Beteiligten, die Nachricht ist »Form«. Eine »Formsache«, die darauf hinweist, dass die Darstellung eine andere sein kann. It’s the story that counts? Zweifelsohne war das so und wird das so sein, wenn Interesse im Spiel ist. Doch ist dies eng an Werte, und damit an Perspektiven gebunden. Dies führt im gleichen Atemzug zu der Frage wer hat, was, wann, wo, aus welchen Gründen, womit und wie bewertet und erzählt. Diese Frage ist kontinuierlich zu stellen. Aus unterschiedlichen Perspektiven. Dahinter steht die Aufforderung, Da-Sein im Zusammenhang mit Orientierung zu begreifen und die eigenen Werte nebst Weltauffassung, nicht als Richtig oder Falsch, sondern als »Formsache« zu verstehen und zu hinterfragen. Und, der Entdeckung Vorrang zu geben.

230

GLOSSAR Affiliate Kooperationspartner im Rundfunk, meist eigenständige Sender oder Senderfamilien. Die Zusammenarbeit bezieht sich auf die Weiterverwertung von vorproduzierten Teilen und fertigen Beiträgen (vgl. Freiling 2003). Agentur Presse- und Nachrichtenagenturen liefern Informationen über aktuelle Ereignisse, als vorgefertigte Meldungen zur Verwendung in Zeitungen und Nachrichtensendungen. Darüber hinaus gibt es sog. PR- Nachrichtenagenturen, über die Pressestellen von Unternehmen und Organisationen Informationen, Desinformationen und Presseerklärungen verbreiten. Die Presse- und Nachrichtenagenturen spielen im weltweiten Nachrichtenfluss eine zentrale Rolle. Bekannte Agenturen sind u.a. Reuters, Deutsche presseagentur (dpa), Agence France Press (afp). Agenturleitung (auch Ticker) Anschluss an die Agenturdienstleitung, meist per Computer oder Satellitenverbindung, nach der ursprünglichen Telegraphenverbindung Leitung genannt. Cutter Berufsbezeichnung. Bezeichnet die Tätigkeit audiovisuelles Material zu bearbeiten (von to cut (engl.) = schneiden). Wird nur im Deutschen verwendet. Der Cutter arbeitet im Schnitt (Schneideraum) in enger Absprache und räumlicher Nähe mit dem Autor, Redakteur, Produzent oder dem Regisseur zusammen. Er deutet die Bildsprache des Kameramannes und bespricht die inhaltlichen und gestalterischen Möglichkeiten hinsichtlich der Anforderung des Autors bzw. Filmemachers. Der Cutter kennt die technischen Richtlinien der Sender und orientiert sich nach den gestalterischen Vorgaben der einzelnen Sendeformate. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Cutter_%28Film%29 (Stand 04/2007)). European Broadcasting Union (EBU) Das 1950 gegründete Netzwerk westeuropäische Fernseh- und Rundfunkanstalten, die European Broadcasting Union (EBU) oder Union Européenne de Radio-Télévision (UER) ist zuständig für den Austausch von Nachrichten und 231

NACHRICHTENWELTEN

Programmen. Die EBU hat nach eigenen Angaben zurzeit 74 aktive Mitglieder aus 55 Staaten in Europa, Nordafrika, dem Nahen und Fernen Osten sowie 43 assoziierte Mitglieder in 25 weiteren Nationen. Diese Einrichtung dient dem Austausch von Rundfunkmaterial für nationale Nachrichtensendungen (Vgl.: http://www.ebu.ch/en/union/ebu_in_brief/index.php; Stand 3/2007). Feed

Nachrichten- und Agenturmaterial  Feedraum. Feedraum Bezeichnet im Bereich der Rundfunkmedien den Raum, in dem die Nachrichten- und Agenturmeldungen aufgezeichnet werden. Liveschalte  Stand inn, der in Echtzeit also live übertragen oder geschaltet wird. Ermöglicht während einer laufenden Sendung den direkten Austausch mit dem Moderator / Gesprächspartnern in der Sendezentrale oder anderen Studios. In der Regel unverändert und direkt gesendet. MAZ Magnetaufzeichnung. Bezeichnet eine elektronische analoge oder digitale Aufzeichnung von Inhalten visueller, akustischer oder abstrakter Natur auf magnetische Medien, meist Magnetbändern (Magnetbandaufzeichnung); In der Fernsehproduktion werden mit der Bezeichnung MAZ generell die Aufzeichnungsgeräte bezeichnet. Heute gebräuchliche MAZ-Formate sind: Betacam SP, Digital Betacam, IMX, DVCAM, DV, D9, DVCpro (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Magnetaufzeichnung (Stand 04/2007)). Moderator Führt durch eine Rundfunksendung oder vermittelt zwischen Gesprächsteilnehmern. Der Moderator kann, am Beispiel der Tagesschau, ein geschulter Sprecher sein, der die Nachrichten verliest, oder aber, wie im Falle des ZDF, ein Journalist, der ebenfalls als Sprecher geschult ist. Newsbeat Orte, die als Distributionsstätten von Neuigkeiten bezeichnet werden. In der [US-amerikanischen] Journalistensprache werden diese, in Anlehnung an die Polizeisprache, als »runs« oder »beats« bezeichnet (vgl. Lindner 1990:29). Mit »beat« ist zugleich die Exklusivstory, „ähnlich wie Scoop“ (ebd.) gemeint. Producer Recherchiert Beitragsthemen und Interviewpartner, akquiriert Bild- und Tonmaterial aus Archiven, führt kürzere Interviews, übernimmt Rohschnitte sowie 232

GLOSSAR

die Logistik der Schnittplatz- oder Satellitenbuchungen, die Dreharbeiten, z. T. Absprachen mit der Sendeleitung. Ähnelt prinzipiell der Zusammenarbeit mit Stringern. Im US-amerikanischen System liegt der wahrnehmbarste Unterschied darin, dass Producer nur hinter der Kamera arbeiten (vgl. White 2002: 417). Im deutschen Fernsehjournalismus gibt es keine direkt vergleichbare Unterscheidung in On- und Off Kameraarbeit. Dort wird (grob) in Redakteur, Moderator, Sprecher, Redaktionsassistent und Produzent unterschieden. Wobei letzterer für die finanziellen und logistischen Aspekt der Produktionen zuständig ist. Redakteur Journalist, der in der Redaktion und häufig ebenfalls einem Ressort zugeteilt für die Sende oder Blattplanung sowie –inhalte zuständig ist. Zumeist fest angestellt. Schnittplatz  siehe Cutter Stand inn Auftritt des Journalisten vor der Kamera, generell mit den Insignien des jeweiligen Senders, häufig vor bekannten Wahrzeichen oder mit Blick auf den Hintergrund (auch Aufsager genannt). Meist in Kommentarform gehalten. Stringer Lokaler Mitarbeiter, Kontaktperson vor Ort. Deutliche Nähe, häufig auch Überlappung der Funktion mit  Fixer und  Informant. Meist ein freier Mitarbeiter, der je nach Bedarf kontaktiert wird, neben Einschätzungen und Kommentaren auch Kontakte herstellt, übersetzt und in der Logistik behilflich ist. Die Kontakte zu den Stringern entstehen häufig über institutionelle Zugehörigkeiten, können aber auch aus privaten und familiären Verbindungen vor Ort entstehen oder sich aus Zufällen ergeben. Timecode Der Timecode ist eine sequentielle numerische Codierung, die in das Aufzeichnungsmaterial eingeschrieben wird. Mittels Timecode kann die tatsächliche Zeit der Aufzeichnung oder die Bandzeit wiedergeben werden. Darüber hinaus dient er zur Synchronisation von Bild und Ton, allgemein zur Orientierung und gezielten Archivierung von audiovisuellen Aufzeichnungen.

233

ANMERKUNGEN GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN Vor Ort und Mittendrin 1 2

Mitarbeiter/in der Rundfunkberichterstattung (vgl. Glossar). Unter dem Begriff Rundfunk werden durchgängig die Arbeitsfelder Radio und Fernsehen verstanden. 3 Diskurs verstehe ich als ausagierten Prozess der Bedeutungsgebung und Wissensproduktion (vgl. Hall 1997:6). 4 Vgl. Beer (2003), Dracklé (2000) und Hess (1996b). 5 Zu einer Übersicht siehe Peterson (2003), Ginsburg et al. (2002), Allen (1994), Askew/Wilk (2002) und Rothenbuhler/Coman (2005). 6 Zu einer umfassenden Bibliographie siehe medianthropology.net (2006). Die Referenzen hier beziehen sich u. a. auf Sreberny-Mohammadi/Mohammadi (1994), Ang (1986), Gillespie (2000), Shay (2002). 7 Vgl. auch Rothenbuhler/Coman (2005). 8 Dieser Ansatz findet sich in den frühen Arbeiten der »Chicago School« (vgl. Lindner 1990), wird hier aber aus dem Gegenstand entwickelt. 9 In den weiteren Buchteilen treten darüber hinaus zahlreiche andere Motive hervor, z. B. der Apparatus (vgl. Pedelty 1995), oder auch Macht(a)symmetrien (vgl. Asad 1995). Der Blick auf die Vielfalt der Aspekte ist eine bewusste Entscheidung. Umfassende Situationen bergen stets mehr als nur ein Merkmal. Sie aus dem Text zu streichen, weil sie der Argumentation entgegenstehen, wäre weder den Aussagen der Gesprächspartner, noch ihrer Arbeit, noch dem Wesen einer Ethnographie angemessen. 10 24 dieser Interviews existieren im Wortlauf transkribiert, in vier Fällen wurden die Gespräche in Stichpunkten notiert. Darüber hinaus spiegelt diese Arbeit über die Jahre 2003-2007 Besuche in verschiedenen Redaktionen und zahlreiche informelle Treffen mit Journalisten, die auf Erfahrung in der Inlands- und Auslandsberichterstattung zurückgreifen können.

Archivsuche 1

Presse- und Nachrichtenagenturen liefern Informationen über aktuelle Ereignisse zur weiteren Verwendung in Zeitungen und Nachrichtensendungen. Im weltweiten Nachrichtenfluss spielen sie eine zentrale Rolle. So nutzten ARD und ZDF Mitte der Neunziger Jahre bereits in ca. 50% ihrer

235

NACHRICHTENWELTEN

2 3

4

5 6

7

8

9

Berichte Fremdmaterial von den Agenturen, für RTL wird dieser Anteil mit vier Fünftel, für SAT1 mit zwei Drittel angegeben (vgl. Stirnberg 1998:148). So verweist Meckel (1998:269) z. B. für den Nachrichtenkanal N-TV daraufhin, dass dieser vermittels eine Kooperation mit CNN Bildstrecken des Global Players 1:1, d. h. den gesamten vorgefertigten Beitrag übernimmt, und diesen anschließend mit einem deutschen Sprechertext neu vertont. Bekannte Agenturen sind u. a. REUTERS, DEUTSCHE PRESSEAGENTUR (DPA), AGENCE FRANCE PRESS (AFP). Im Falle des ZDF sind es 19 Studios weltweit. Die hier vertretenen Blätter von der FAZ (34 Büros) bis zur Wochenzeitung DIE ZEIT (9 Büros) unterhalten verschieden große Netze. Zum Vergleich: NEW YORK TIMES und WASHINGTON POST unterhalten 24 respektive 19 Korrespondentenbüros. In der Realität müssen diese Angaben, gerade im Printbereich, durch freiberufliche Journalisten erweitert werden. Deren Profil wird hier nicht erörtert. Nach einer Studie sind 2005 in Deutschland ca. 48.000 hauptberufliche Journalisten für ca. 2890 Medienorganisationen tätig (vgl. Weischenberg et al. 2006). Die Gruppe derer, die im Fokus dieser Forschung stehen umfasst ca. 350-400 Print- und Rundfunkkorrespondenten, die für deutschsprachige Presseorgane fest oder pauschal, einige Jahre ihres Lebens vor Ort in den jeweiligen Auslandsstationen tätig sind (Zahlen nach Angaben der Medienorganisationen, Stand 10/2005). Dies reflektiert die bekanntermaßen geringe Abdeckung der Regionen Afrika und Südamerika (vgl. Lange 2002). So liegt, bis auf den Fall der ARD, die Anzahl der Nahost-Berichterstatter stets über der Anzahl der Kollegen, die für den afrikanischen Kontinent zuständig sind (vgl. auch Topf 2003). Vgl. Sreberny-Mohammadi et al. (1985/1997), Schenk (1987), Kepplinger (1998) und Schulz (1983). Das Konzept der Nachrichtenwert-Theorie geht auf den Kommunikationsforscher Walter Lippmann (1922) zurück. Vgl. auch Staab (2002), Wilke (1986/1998) und Ruhrmann/Göbbel (2007). Darstellung und Berechnung folgten den Angaben von CIA-Worldfactbook und der CIA-Worldmap (Stand 2004). Der in New York stationierte Korrespondent (zuständig für New York, UN und Kanada) ist nicht eingerechnet. Alaska, ebenso wie die Inseln des südostasiatischen Raums, sind in die Berechnungen eingeflossen, jedoch aus graphischen Gründen ausgeklammert. Terminologie und Geographie stimmen nicht immer überein. So umfasst das Berichtsgebiet Südostasien im Falle von ARD (Fernsehen) und ZDF ebenfalls Australien und Neuseeland, das Berichtsgebiet Nahost Israel, Palästina und Zypern (vgl. ARD 2004; ZDF 2004). So unterhalten auch die kommerziell wirtschaftenden Sender RTL und PRO7/ SAT1 zwar mit sechs, respektive drei Außenstellen weitaus kleinere

236

ANMERKUNGEN

Korrespondentennetze, Washington und Jerusalem sind jedoch auch dort als Standorte vertreten (vgl. auch Meckel 1998).

Räume, Welten und Formsachen 1

Anthropologie wird hier als grundlegendes Daseins-Prinzip verstanden und fokussiert das Kontaktmoment sowie dessen Konsequenzen: das Aufeinandertreffen, die Übertragungen, die Abgrenzungen und Entwicklungen, die sich aus dem zwischenmenschlichen Kontakt ergeben (vgl. Sloterdijk 1998). 2 Eine Übersicht klassischer Texte zum Raum findet sich u. a. in Barck et al. (1991), Dünne/Günzel (2006) und Schlögel (2004). 3 Wesentliche Rechtsgrundlagen finden sich u. a. in Art 5, Abs. 1 GG, den BVerfGE 7:198, 12:205 und 20:174. International gelten, eingeschränkt durch nationales Recht, insbesondere Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art. 19 der UNO Menschenrechtserklärung. 4 Vgl. dazu die jeweiligen Landespressegesetze (LPG) der Bundesländer, z. B. §1 und 3 BremPressG. 5 Das sog. SPIEGEL-Urteil stellt die Presse als Organ der Kontrolle und Kritik des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehens und als konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar. Das Urteil verpflichtet den Staat "aktiv dafür zu sorgen, dass mit Hilfe der Massenmedien ein demokratischer Willensbildungsprozess zustande kommen kann." (BVerfGE 20:174ff.) 6 Vgl. auch u. a. Eldrigde (1995), Iggers (1998) sowie Mertens et al. (1994). 7 Vgl. zur Begriffsgeschichte Schiewe (2004). 8 Ich verzichte an dieser Stelle auf eine Diskussion zur Räumlichkeit von Sprache (vgl. Derrida 1999), Sprachhandeln (vgl. Butler 1991), Handeln (de Certeau 1988) und jeglichen weiteren Formen kommunikativer Performanz. Ich begreife Sprechen grundsätzlich als Akt und damit in Verbindung mit Raum (vgl. Dracklé 2000:32). 9 Die »Sphärologie« ist nach Sloterdijk ein geschichtsphilosophischer Essay über die europäische Kulturgeschichte, bei dem philosophische Überlegungen in Form übertragen werden (vgl. Sloterdijk 2007). Dieser ästhetische Ansatz wird hier im Wesentlichen übernommen (vgl. das Kapitel HERANGEHENSWEISE in diesem Band). 10 Was in der englischen Heidegger-Übersetzung durch die Verwendung des Gerundiums »being« offensichtlich wird. Diese Verschiebung des indikativen In-der-Welt-sein zu einem prädikativen being-in-the-world findet sich im Sphärengedanken Sloterdijks wieder: Im Kontaktmoment, im Handeln liegt die Menschwerdung. Mit dieser Lesart stehen weniger die Termini als das Tun im Vordergrund dieser Auffassung von Anthropologie. 11 Vgl. Bachelard (1994), auf dessen Gedankengänge Sloterdijk hier ebenso verweist, wie auf die Heideggers (1927). Auf die weiteren philosophischen

237

NACHRICHTENWELTEN

12

13 14

15

Implikationen und Differenzierungen kann an dieser Stelle aus ethnologischer Perspektive nicht weiter eingegangen werden. Letzteres findet sich bei Sloterdijk unter dem Begriff des Interieurs. Von Walter Benjamin adaptiert beschreibt dieser Begriff den Versuch der Ausgestaltung von Räumen, zur Verortung des Selbst (vgl. Sloterdijk 2005:44). Einen Überblick dazu bietet u. a. Nennen (2003). Im Deutschen findet sich die Übersetzung »Chronotopos«, während das Englische von einem »chronotope« spricht (vgl. Emerson/Holquist 1981). Da die deutsche Übersetzung semantisch stärker auf die Zeit referiert, während im Englischen der Begriff aus zwei nebengeordneten Morphemen besteht, wird im Folgenden, so nicht anderweitig zitiert, der Ausdruck »Chronotop« vorgezogen. Vgl. Emerson/Holquist (1981); Barta et al. (2001) und Gardiner (2003).

Herangehensweise 1 2

Zu Anwendung und Erörterung dieses Ansatzes siehe Dracklé (2000). Wie Peter Sloterdijk verwirft auch Jean-Luc Nancy philosophische Herangehensweisen, die das Subjekt an sich betrachten und nimmt stattdessen das »singulär Plurale«, das »Mit-ein-ander-sein« als Seinsbedingung an (vgl. Nancy 2004:13). Im Unterschied zu Sloterdijk thematisiert Nancy das Subjekt (singulär) und verneint lediglich dessen Existenz (sein) ohne andere (Plural). Nancys Erörterungen sind als Überlegungen zum politischen Wesen von Gemeinschaft zu sehen und diskutieren den Heidegger’schen Gemeinschaftsbegriff (vgl. Nancy 2004:52ff). 3 Dies beinhaltet generell Mitarbeiter der Tages- und Wochenpresse, von Rundfunk und Agenturen deutsch- und englischsprachiger Medienorganisationen. 4 Zu statistischen Angaben über US-amerikanische Journalisten siehe Hess (1996a), zu deutschen Journalisten Weischenberg (2006), zu Auslandskorrespondenten in Südamerika Lange (2002). 5 Neben Erfahrungsberichten aus der Praxis waren dies u. a. wissenschaftliche Arbeiten, die vor oder während der beruflichen Laufbahn verfasst wurden und bestimmte Aspekte des Arbeitslebens thematisierten. 6 Das Englische diente in den Regionen generell als Verkehrssprache. Interviews wurden, bis auf zwei Ausnahmen, auf Deutsch geführt. 7 Diese Aussage findet sich auf der Webseite der ARD (Stand 4/2003) wie auch als zentrales Postulat der Ethnologie (vgl. Kull 1999:29). 8 Teilnahme und Beobachtung der Alltagspraxis beziehen sich mehrheitlich auf die Arbeit in den Fernsehstudios. 9 Berufsbezeichnung. Bezeichnet die Tätigkeit, audiovisuelles Material zu bearbeiten. Von to cut (engl.) = schneiden (vgl. Glossar). 10 Analog dazu sind in dieser Arbeit die Einblicke in die Reisetätigkeit außerhalb von Büro, Studio und Schreibtisch begrenzt. In erster Linie ist dies durch kosten- und versicherungstechnische Gründe bedingt. In zweiter

238

ANMERKUNGEN

11 12

13 14

15

16

17 18 19 20

Linie fand ich es nicht angemessen, ohne weitere Funktionen eine Zusatzbelastung für Logistik und Reaktionsfähigkeit darzustellen. So bezieht sich die Darstellung im Folgenden auf kurze Dreharbeiten im Umkreis des Studios, andere Dreharbeiten, die ich selbst im Ausland umgesetzt habe sowie Erzählungen von befreundeten Journalisten, die als Producer und Assistenten u. a. im Kosovokrieg, Polen und Südostasien etc. tätig waren. Bezeichnet den ausführenden Journalisten, verantwortlich für Sendeplanung und -inhalte. Feldforschung wird in diesem Sinne als kontinuierliche Bewegung zu kontextuellem Wissen aufgefasst, das sich einem kritischen Dialog ebenso wie einer respektvollen Polemik widmet (vgl. Clifford 1997:91). Im Gegensatz zu den Gesprächen wurden die Interviews im Wortlaut aufgezeichnet und transkribiert. Die Interviews folgten des Weiteren einer Vorrecherche über die Gesprächspartner und ihrer Arbeiten, die in der Hauptsache durch die verschiedenen Bild- und Textarchive der Sendeanstalten geleistet werden konnte. Ob die Mitarbeit der Journalisten generell aus dem Willen, einen Beitrag zur Geschichte zu leisten entsprang, wie Stephen Hess (1996) in seiner Arbeit über die Kongressreporter in Washington D.C. mutmaßt, Langeweile, wie Graham Greene zumindest für Singapur unterstellen würde, oder ob ihre Bereitschaft zur Mitarbeit der Neugier entsprang, vielleicht gepaart mit einem Stück gesellschaftlicher Verpflichtung, wie ich es annehmen würde, ist angesichts der Differenziertheit der Aussagen für den weiteren Verlauf relativ unerheblich, da die Aussagen nicht als Korrektiv, sondern als Kommentar gehandhabt werden. Vgl. Geertz (1983). In Reaktion auf die Kritik an Geertz (vgl. Clifford/Marcus 1986), wird »Phänomenologie« allerdings als sinnlich wahrnehmbar verstanden und geht in der Repräsentation über die Geertz’sche Sammlung von Beobachtung und Erfahrungen hinaus, d. h. die Beforschten kommen selbst zu Wort und sind nicht zuletzt in einer kritikfähigen Position (vgl. Scholz 1986). Lokaler Mitarbeiter (vgl. Glossar). Eine bewusste Ausnahme liegt in zwei Fällen vor, die direkt in ihrer Funktion als Producer/Stringer über ihre Arbeit sprechen. Vgl. Hall (2003), Löwer (2006) und MacMillan (2006). Ähnlich heterogen, wenn auch durchweg akademisch, war der Bildungshintergrund. So haben einige der Korrespondenten Sinologie, Afrikanistik, Amerikanistik oder auch Ethnologie studiert, andere Wirtschaft oder Politik. Einige hatten ein Volontariat bei der Deutschen Welle oder im Rahmen ihres Journalistikstudiums absolviert. Unter den Gesprächspartnern waren Journalisten, die selbst ausbilden, Journalisten, die seit mehr als 30 Jahren dabei sind und Berufsanfänger, vgl. auch Lange (2002) und Hess (1996).

239

NACHRICHTENWELTEN

21 Routine wird mit Giddens als konstitutiv für Akteure und soziale Institutionen betrachtet (vgl. Giddens 1999:112). 22 Historisch lässt sich eine auffällige Nähe von Reportage und Ethnographie feststellen (vgl. Lindner 1990). 23 Vgl. Sims (1995), Kramer (1995), Boynton (2005) und Weingarten (2006). New Journalism nutzt ganze Dialoge statt der kurzen Fragmente, die im tagesaktuellen Journalismus üblich sind; ähnlich einem Film szenisch aufgebaut, beinhaltet er u. a. verschiedene Standpunkte, erzählt die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven und legt Wert auf Auftreten und Verhalten der Charaktere (vgl. Boynton 2005:xvi). 24 Vgl. auch Boynton (2005:xv). 25 Tatsächlich grenzen sich viele Vertreter des US-amerikanischen Journalismus der bewussten Formulierung von Artefakten, wie sie Wolfe vertritt, durch eine »tatsachennahe« Beschreibung ab (vgl. Boynton 2005:xiii).

DIE WEITE WELT 1

2

3 4

5

Im Unterschied zur Buchvorlage in der sich Graham Greene vorwiegend dem Zwiespalt von Neutralität und Pflichtgefühl widmet, thematisiert die filmische Adaption von Philip Noyce (2002) verstärkt die Opposition zwischen »Jung« und »Alt«. In der Buchvorlage als alter und abgeklärter Veteran dargestellt (vgl. Greene 1959:110), wird Fowler im Film zum müden Veteran. In Folge wird auf die verdichteten Dialoge des Filmes zurückgegriffen. Verweise auf die entsprechenden Buchstellen finden sich in den Fußnoten. Bei dem Bombenanschlag am 12.10. 2002 kamen in zwei Nachtclubs in Kuta Beach 202 Menschen aus verschiedenen Nationen, darunter 6 Deutsche, ums Leben. Der Anschlag wurde der radikal-islamischen Organisation Jemaah Islamiah zugeschrieben (Angaben nach Australian Federal Police und dem Auswärtigen Amt, vgl. Bali 2002). Vgl. Singapore (2005) und CIA-Worldfactbook (2005). Das Korrespondentenbüro der FRANKFURTER RUNDSCHAU befindet sich in Jakarta, Indonesien. Im Fall der FAZ handelt es sich um den Wirtschaftskorrespondenten der Region Südostasien (alle Angaben, Selbstauskünfte der Medien, Stand 11/2006). Im Falle des ZDF umfasst das Einzugsgebiet ebenfalls Afghanistan, Pakistan, Indien, Nepal und Bangladesh und mit 1,9 Milliarden Menschen nahezu ein Drittel der Weltbevölkerung. Die hohe Bevölkerungszahl ergibt sich im Wesentlichen durch die Population Indiens. Seit März 2002 wird Afghanistan (auch) durch ein ZDF -Büro in Teheran abgedeckt (vgl. ZDF 2005b). Diesen Raum decken ebenfalls der FAZ-Wirtschaftskorrespondent sowie die Korrespondentin von WELT und SÜDDEUTSCHER ZEITUNG ab. Im Vergleich dazu unterhält die Nzz Korrespondentenbüros in Australien, Indien und Bangkok und dementsprechend das vergleichsweise übersichtlichste Gebiet (alle Angaben, Selbstauskünfte der Medien, Stand 11/2006).

240

ANMERKUNGEN

6

7

8 9

10

11

12

13

14 15 16 17 18 19

20

21

Dies summiert die Sendeminuten für die Nachrichtensendungen TAGESSCHAU, TAGESTHEMEN und NACHTMAGAZIN sowie Beiträge für WELTSPIEGEL, MORGENMAGAZIN und M ITTAGSMAGAZIN, BRISANT etc (ARD 2006a/b). Ursprünglich ein Netzwerk westeuropäischer Fernseh- und Rundfunkanstalten, zuständig für den Austausch von Nachrichten und Programmen, inzwischen weltweit tätig (vgl. Glossar). Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS), eine Atemwegserkrankung, die sich 2003 von China aus über Südostasien verbreitete. Dafür weist mich einer der Journalisten darauf hin, dass in der Gruppe mit ziemlicher Sicherheit ein Zuträger der lokalen Regierung sein Auge auf die Vorgänge hat. Wie es scheint ist das journalistische Zusammensein in Krisen- und Kriegsmomenten nicht nur intensiver, sondern auch internationaler als im Alltag (vgl. Pedelty 1995). Kooperationspartner im Rundfunk, meist eigenständige Sender oder Senderfamilien. Die Zusammenarbeit bezieht sich auf die Weiterverwertung von vorproduzierten Teilen und fertigen Beiträgen (vgl. Freiling 2003). Newsbeat; Orte, die als Distributionsstätten von Neuigkeiten bezeichnet werden. In der [US-amerikanischen] Journalistensprache werden diese, in Anlehnung an die Polizeisprache, als »runs« oder »beats« bezeichnet. (vgl. Lindner 1990:29). Mit »beat« ist zugleich die Exklusivstory, „ähnlich wie Scoop“ (ebd.) gemeint (vgl. auch Hannerz 2004:200). Vgl. dazu Greenes Schilderung (1959:110), in der die Demut vor der wahrheitsgemäßen Berichterstattung als Motiv für das Ausbleiben der regelmäßigen Berichte vor das des Alterns gerückt wird. Ein Motiv, dass allerdings im Verlauf der Romanhandlung von dem des Alterns unterstützt wird (vgl. 1959:8, 13, 90ff, 96ff, 131 etc.). Im Rundfunkbereich arbeitet man zudem mit bestimmten Kooperationspartnern, so genannten Affiliates, zusammen (vgl. Glossar). Alle Angaben nach CIA-Worldfactbook (Stand 3/2005). Zur Reportage vgl. auch Haller (1995). Vgl. auch Geertz (1983). Auch stand-inn, bezeichnet den Auftritt des Journalisten vor der Kamera, häufig kommentierend oder ergänzend. Von engl. to feed. Technische Bezeichnung insbesondere für Videomaterial, das per Satelliten oder andere Leitungen übertragen wird und meist einen gesonderten Raum, den sog. Feedraum durchläuft. Nach dem Internal Security Act der malaysischen Regierung dürfen Personen, die als gemeingefährlich erachtete werden bis zu zwei Jahre in Administrativhaft genommen werden (vgl. Financial Times Deutschland 2003). Dieser Überblick beruht auf einer vereinfachten Inhaltsanalyse, die jeweils das Oberthema sowie, im Falle Mahathirs, den thematischen Aufhänger betrachtet. Diese Darstellung ist exemplarisch.

241

NACHRICHTENWELTEN

22 Im Hinblick auf das Spindoctoring von u. a. Entwicklungshilfeorganisationen vgl. Mükke (2003). 23 Was auch von den Kollegen in Deutschland wahrgenommen wurde (persönliche Gespräche). 24 Bei den Informanten handelt es sich häufig ebenfalls um Journalisten. 25 Auch sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Fernsehproduktion das Team an sich aus mindestens Kameramann und Journalist, meistens noch einem Tontechniker/Cutter und Producer besteht. Die Reibungsfläche ist in diesem Bereich weitaus größer vorzustellen. 26 Zur Diskussionen um die Ungleichheit von Sprachen siehe Said (2002) und Asad (1987). Ohne die Aussagekraft und Stoßrichtung dieser beiden Theoretiker schmälern zu wollen, geht es an dieser Stelle um eine Betrachtung der Autorenfunktion, die, wie gezeigt werden soll, von mehr als nur einer Stimme abhängig ist und wenigstens nicht problemlos produziert werden kann. 27 Um dies auch inhaltlich zu belegen, wäre eine Analyse der Berichterstattung notwendig, die hier hinsichtlich der Konzentration auf die Selbstwahrnehmung und den generellen Blick auf das kulturelle Moment der Berichterstattung nicht angebracht ist. 28 Zum Burnout-Syndrom bei Journalisten vgl. Bodin (2000). 29 Dass es darüber hinaus auch u. a. um Aspekte wie Karriereplanung oder persönliche Veränderung geht, kann hier nicht weiter thematisiert werden. Singapur wird in dieser Hinsicht ebenso als Durchlaufstation und Wunschziel gleichermaßen dargestellt. 30 Im Original „cruel masses“ (ebd.). 31 Dass dies, wie übrigens durchgängig von Korrespondenten in allen Regionen, im Bild der Mutter festgemacht wird, ist in diesem Fall nicht ohne eine gewisse Ironie. 32 Kosmopolit von griech.: kósmos = Welt und polítes = Bürger. 33 Vgl. u. a. Shamir (2005) und Rapport/Stade (2007).

KRAUT ATLANTIK 1

2 3

Im Falle des Gesamtoutputs entspricht dieses Verhältnis der Anzahl an Korrespondenten. Danach unterscheidet sich das Profil des USA-Studios nicht wesentlich in der Produktionsmenge, sondern hauptsächlich durch die Mehrproduktion aktueller Nachrichten (vgl. ARD 2005). Wie sich herausstellte, basierten die Informationen auf drei Jahre altem Material (vgl. Spiegel 2004). Der Begriff Meute wird hier in Anlehnung an Herlinde Koelbl genutzt. Die Fotografin Herlinde Koelbl realisierte in Zusammenarbeit mit GrimmePreisträger Enno Hungerland für den WDR 2001 den Film "Die Meute: Macht und Ohnmacht der Medien" über das spannungsreiche Verhältnis zwischen »Jägern« und »Gejagten«.

242

ANMERKUNGEN

4

5 6 7 8

9

10 11

12

13

14

Tatsächlich sind diese Eindrücke nicht synchron, sondern im Laufe einer Woche gesammelt. Dennoch spiegelt selbst diese Auflistung bei Weitem nicht die tatsächliche Vielfalt des eingespielten Agenturmaterials. Bezeichnet im Bereich der Rundfunkmedien den Raum, in dem die Nachrichten- und Agenturmeldungen aufgezeichnet werden. Der Timecode ist eine sequentielle numerische Codierung, die in das Aufzeichnungsmaterial eingeschrieben wird (vgl. Glossar). Vgl. DPA-Meldung vom 17.02.2005. Vergleicht man diese Aussagen mit der Praxis der Fernsehnachrichtenberichterstattung im Inland, die im gleichen Ausmaß Agenturmeldungen verwertet (vgl. ZDF 2005,) fällt eine Parallele deutlich ins Auge. Diese Praxis ist unter Theoretikern und Praktikern umstritten (vgl. Burton 2006). „Journalisten beobachten Kollegen und Medienprodukte, weil der wachsende ökonomische Druck sie zu verstärkter Konkurrenzbeobachtung zwingt. Darüber hinaus setzen Redakteure die Orientierung an anderen Medien als Mittel zur Reduktion von Unsicherheit ein. Die Bezugsgruppe der Kollegen ersetzt den mangelnden Kontakt zum Publikum.“ (Netzwerk Recherche 2006) Zur Geschichte der Agenturen siehe Paterson (1997), zur Funktion von Agenturdienstleistungen Stirnberg (1998:154ff.) Nach Angaben von Meckel (1998), handelt es sich bei den Einsparungen durch die Nutzung von Reisekorrespondenten um eine Spanne von 20%. Bei dieser Rechnung liegt jedoch nur der Preis pro Sendeminute zugrunde. Da es sich bei den Korrespondentenbüros um feste Niederlassungen und Studios handelt, ist anzunehmen, dass verdeckte Kosten einzurechnen und die Spanne sehr wahrscheinlich nach oben zu erweitern ist (vgl. Wilke 1981:320). Als Problem des weltweiten Bildaustauschs wird die journalistische Qualitätskontrolle betrachtet, da die Herkunft des Bildmaterials nicht notwendig transparent ist (vgl. Stirnberger 1998:151). Zwar hat zum Beispiel Lilienthal eine „ganz passable“ Auslandsberichterstattung im deutschen Fernsehen ausgemacht, die als Qualitätskriterien ebenso Vielfalt, wie ein Bemühen habe, neben den »bad news« der Nachrichtensendungen auch »good news« und Kontexte zu zeigen (Lilienthal 2003), die Nachrichtenbeiträge selbst jedoch im Laufe der Zeit kürzer werden (vgl. auch Meckel 1998). Einige Monate nach diesen Gesprächen unterhalb der Präsidentenebene, geht eine Agenturmeldung über den Ticker: „Washington/Berlin - USPräsident George W. Bush wird vor seiner am Sonntag beginnenden Europareise der ARD ein Exklusivinterview geben. Das für Freitag geplante Gespräch mit dem ARD-Büroleiter in Washington, Tom Buhrow, werde das einzige sein, dass Bush einem deutschen Medium vor seiner Reise nach Brüssel, Mainz und Bratislava gewährt, so die ARD. Bush und das Weiße Haus sind in den vergangenen Jahren gegenüber deutschen Medien bei Interview-Wünschen äußert restriktiv gewesen. Das Interview wird nach

243

NACHRICHTENWELTEN

15

16

17

18

19

20

21 22

Angaben der ARD am Freitag in der Sendung «TAGESTHEMEN» (22.15 Uhr) ausgestrahlt.“ DPA - Meldung vom 17.02.2005 16:14 Uhr. Führt durch eine Rundfunksendung oder vermittelt im Gespräch zwischen mehreren anwesenden Gesprächsteilnehmern. Der Moderator kann, am Beispiel der TAGESSCHAU, ein geschulter Sprecher sein, der die Nachrichten verliest, oder aber, wie im Falle des ZDF, ein Journalist, der ebenfalls als Sprecher geschult ist. Der Name bin Laden sowie eine Verbindung zu Al Kaida wurde im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen u. a. von Steffen Seibert (ZDF) bereits im Laufe des Nachmittags am 11. September als Vermutung in den Raum gestellt (vgl. ZDF-Berichterstattung gleichen Datums). Im Falle der ARD gibt das Internetarchiv der Seite TAGESSCHAU.DE u. a. mit Video- und Audiomaterial einen guten Einblick in die Berichterstattung (Stand 12/ 2004). Wenngleich die Einnahme der Vogelperspektive für alle Korrespondenten gilt, so unterschieden sich im Arbeitsalltag die Profile von Rundfunk und Print, insbesondere aber auch die von Nachrichten und Hintergrundberichterstattung. Tatsächlich ist im ARD-Studio ein Korrespondent abseits der Nachrichtenberichterstattung für Hintergrundthemen eingeplant, und auch im Bereich der Zeitungsberichterstattung unterscheidet sich Routine und Zeitökonomie eines Journalisten, der für die tagesaktuelle Presse arbeitet von dem, der für ein wöchentliches Magazin arbeitet. Der Moderator kann, am Beispiel der TAGESSCHAU, ein geschulter Sprecher sein, der die Nachrichten verliest, oder aber, wie im Falle des ZDF, Redakteur, d. h. Journalist. Redaktionsassistenten hingegen sind, wie es die Bezeichnung impliziert, Assistenten der Redaktion und damit keine vollwertigen Journalisten. Think Tanks, diese in einem für deutsche Verhältnisse eher unbekannten Feld aus Wissenschaft und politischem Aktionismus arbeitenden Einrichtungen, werden häufig als Schattenregierungen bezeichnet, in die, je nach Amtsinhaber, Ehemalige und Zukünftige aus den hinteren Reihen der Regierungsbänke hineinrotieren. Entweder von Demokraten oder Republikanern getragen, sind die Forschungsinstitutionen privatwirtschaftlich und regierungsabhängig finanziert und tragen ihre Ergebnisse dementsprechend aktiv nach außen. Vgl. u. a. für die Rundfunkmedien die Homepage der US-Regierung (US 2006) Karin Johnston (2004) stellt für das Jahr 2004 in der deutschen Presse eine anhaltende Negativberichterstattung gegen US-Präsident Bush fest. Nach Johnston liegt dies in kulturellen Wahrnehmungsunterschieden, z. B. der skeptischen Wahrnehmung von Militär und militärischer Einsätze in Deutschland sowie der traditionell multilateralistischen deutschen Perspektive begründet (vgl. Johnston 2004:10).

244

ANMERKUNGEN

23 So beschrieb das Wall Street Journal den amtierenden Kanzler Gerhard Schröder als Saddam Husseins „chief defender“; und die National Review sah in diesem Zusammenhang eine Revitalisierung des 3. Reichs aufziehen: „Contemporary German socialism, pacifism and relativism shades [...] a weak and decadent Weimar – with the attendant extreme reaction to it looming on the horizon“ (Lambert 2003:66). Generell sei die amerikanische Berichterstattung schnell mit dem Antisemitismusvorurteil zur Hand. Gerade in diesem Zusammenhang, so einer der Schlüsse, sei es auch nicht verwunderlich, wenn Studien ergäben, dass auch 2002 in der Berichterstattung über Europa die am häufigsten genannten Politiker Churchill und Hitler seien. So wurde auch der Name Gerhard Schröders im Zusammenhang mit Deutschland seltener erwähnt als der Adolf Hitlers (ebd.). 24 Vgl. Angaben zu Transferleistungen in den Haushaltsplänen des Bundesfinanzministeriums. 25 Kommentar des ehemaligen US-Verteidigungsministers Rumsfeld im Januar 2003 (vgl. Purdy 2005). 26 Diese Überlegungen finden sich bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Walter Benjamin unter dem Stichwort »Vergesellschaftung von Wissen« (vgl. Benjamin GW:684). 27 Um die an Gilroy kritisierte Essentialisierung aufzugreifen (vgl. Dorsch 2000), ist der ambivalente Terminus Kraut bewusst zwischen einem Affront und dem aus der Popmusik rührenden Beiklang von Progressivität angesiedelt.

DER GETEILTE HIMMEL 1 2

3

4

Vgl. CIA-Worldfactbook (2004) Diese Angaben beziehen sich auf die Nachrichtensendungen der ARD in den Jahren 2002 und 2004. Der Gesamtanteil der Fernsehberichterstattung über Israel liegt insgesamt höher, da diese Zahlen nur den Output des ARDStudios Tel Aviv abbilden, nicht aber die Kurzmeldungen und in Hamburg mittels Agenturmaterial produzierten Beiträge und Einspieler. So handelt es sich im Studio Singapur insgesamt bei jeder siebten Minute um eine Nachrichtenminute, im Falle des Studios in Washington bei jeder vierten. Diese Zahlen beziehen sich auf die Nachrichtenberichterstattung, d. h. Produktionen für TAGESSCHAU, TAGESTHEMEN, und NACHTMAGAZIN. Das Verhältnis der Nachrichten- zu Sendeminute weist für das Jahr 2000 im Falle des Studios Tel Aviv ebenfalls jede zweite Sendeminute als Nachrichtenminute aus, für das Studio in Singapur verschiebt sich der Wert im Jahr 2000 geringfügig nach unten auf jede neunte Minute. In den USA handelt es sich konstant bei jeder vierten produzierten Sendeminute um eine Nachrichtenminute (ARD 2006b). Tatsächlich schließt das Berichtsgebiet im Fall der Rundfunkstationen die Insel Zypern ein (vgl. ARD 2004 und ZDF 2004).

245

NACHRICHTENWELTEN

5

6 7 8 9

10 11

12 13

14 15

16

So hat der Axel Springer Verlag in seinen publizistischen Grundsätzen die Aussöhnung zwischen Israel und Deutschland festgeschrieben. Dieser Umstand hat in der Vergangenheit wiederholt zu Vorwürfen gegen Springer, zu Rügen des Presserates und bis heute in der Medienkritik wiederholt zu Fragen nach Meinungspluralismus und Transparenz der Berichterstattung geführt (vgl. DEUTSCHLANDRADIO 2004). Von den Palästinensern wird mit diesem Begriff die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 bezeichnet (vgl. Avnery 2004). Der Zweiteiler wurde 2004, Ostersonntag und -montag um 20.15h im ZDF ausgestrahlt. Vgl. die Turbulenzen um den libanesischen Fotographen der Agentur REUTERS Adnan Hajj, z. B. SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (2006). 347 Minuten für das Jahr 2004; 360 Minuten für das Jahr 2000 (ARD 2006b). Zwar liegt der Nachrichtenoutput in den USA mit drei Minuten pro Tag insgesamt höher, bricht man diese Zahlen jedoch auf die einzelnen Korrespondenten herunter, so liegt das Nachrichtenberichterstattungspensum pro Korrespondent in Washington rund 30% unter dem in Tel Aviv (vgl. ARD 2006a/b). Vgl. auch Boyd-Barrett (1997) und Paterson (1997). Tatsächlich existierten neben den von dem US-amerikanischen Studenten gezeigten vereinzelten, kniehohen Betonelementen, zu dieser Zeit ebenfalls geschlossene Abschnitte der Sperranlage, die aus ca. fünf Meter hohen Betonblöcken bestehen. Vgl. hierzu auch die Untersuchungen über Kriegstraumata in Israel sowie die zugehörigen Fallbeispiele von Bar-On (1999). Eine der Veranstalterinnen berichtete später in einer Email, die Tagung sei in ihrem weiteren Verlauf ruhiger im Ton und dem Charakter nach dialogischer geworden. Und als Erfolg zu werten. Für diese Tage hatte man auf Gäste verzichtet. Vgl. auch Merten/Westerbarkey (1994) und Bivins (2004). Wie Norbert Jessen und andere Kollegen einige der von Iris Berben portraitierten Personen kannten, so tauchten einige der Namen, die der in Folge zitierte Henryk M. Broder (1998) versammelt, auch in der Durchsicht von Archiven und Gesprächen häufiger auf. Fernsehen und Radio haben hier im Vergleich zum Printjournalismus den Nachteil, dass sie stärker an Originaltöne (und Bilder) gebunden sind. Dennoch nutzt man auch dort die Möglichkeit, über das Gesagte hinaus zu verwiesen und zu kontextualisieren. So zum Beispiel wurde in einem Beitrag der Kommentar eines israelischen Offiziers, der die gewaltsame Demontage von palästinensischen Wohnhäusern im Gazastreifen mit Hinweis auf die gefährdete Sicherheit der israelischen Anrainer rechtfertigte, ergänzt. Im Kommentartext schließt folgende Referenz an: „Was dieser israelische Militär nicht sagt ist, dass rund 40.000 israelische Soldaten zurzeit 7.500 israelische Siedler beschützen, die auf besetztem Land im Gazastreifen siedeln.“ (ZDF 2004). Der damalige ZDF-Nahostkorrespondent Dietmar

246

ANMERKUNGEN

17 18

19

20

21

22

23 24

Schumann weist hier sehr deutlich auf das Gesagte und das Ungesagte hin und positioniert den O-Ton des Militärs damit neu. Wie oben angeführt, ist dies eine Möglichkeit, ungesehene Hintergründe aufzuzeigen und das Gesagte zu kontextualisieren. Der Zuschauer erfährt nicht, warum israelische Siedler in den palästinensischen Gebieten siedeln wird jedoch darauf hingewiesen, dass die offizielle Information nicht umfassend ist. Zum Verhältnis von Journalismus und PR siehe Schantel (2002). Vgl. zu den Zusammenhängen politischer und gesellschaftlicher Krisenmoment und ihren Auswirkungen auf die journalistische Qualität u. a. Löffelholz (1993) und Wilke (1986). Angesichts der verschnellerten Informationsvermittlung werden im Rahmen der internationalen Kommunikation die Stichworte CNN-Effekt, Echtzeit-Politik; Polit-Brokerage und Mediendiplomatie sowie deren politischen Implikationen thematisiert (vgl. Gilboa 2002). Diese Aussage trifft auf den Staat Israel zu, allerdings unterschlägt der Korrespondent die Einwohner der palästinensischen Gebiete, die nach Quellenangaben ca. 3,6 Millionen Einwohnern umfassen (vgl. CIA-Worldfactbook 2004). Wie am Beispiel des palästinensisch-israelischen Journalistentreffens in Berlin gezeigt, bietet das Englische einen relativ neutralen Sprachraum und damit einen Modus der Verständigung zwischen den beiden Parteien. Auf Pressekonferenzen spielt das Englische auch im Hinblick auf die internationale Verständlichkeit und die medialen Verbreitungsmöglichkeiten eine Rolle. Von beiden Aspekten können auch die Korrespondenten profitieren. Sei es, dass sie Interviews und Gespräche mit Eliteangehörigen auch auf Englisch führen (können), sei es, dass sie bei offiziellen Verlautbarungen nicht ausschließlich auf Hebräisch- oder Arabischkenntnisse angewiesen sind. Im Gespräch äußerten mehrere Journalisten, dass sie Interviews auf Englisch oder Deutsch nur führen würden, wenn der Gesprächspartner diese Sprache fließend beherrsche, da sich die Interviewpartner ansonsten zu sehr auf die Fremdsprache konzentrieren würden und der Inhalt unter der Suche nach den richtigen Worten leide. „Die Stadt, der Müll und der Tod“, Rainer Werner Fassbinder (1976). Die Uraufführung 1985 in Frankfurt von Demonstranten verhindert, fand in Folge in New York statt. Bis heute ist das Stück in Deutschland wegen antisemitischer Tendenzen nicht auf der Theaterbühne zu sehen, als Film „Schatten der Engel“, in der Regie von Daniel Schmidt (1976) und unter der Mitwirkung von Rainer Werner Fassbinder, jedoch erhältlich (vgl. WELT 1998). Vgl. dazu journalistische Handbücher, u. a. Blumenauer et al. (1988), La Roche (1999). Zur interpretativen Anthropologie und ihrer Kritik siehe u. a. Clifford/Marcus (1986), Berg/Fuchs (2001), Gottowik (1997) und Stellrecht (1993).

247

NACHRICHTENWELTEN

GLOBALES, GESCHWINDIGKEIT UND GESCHICHTEN 1

Die regionalen Unterschiede zeigen sich ebenfalls im unterschiedlichen Umgang mit Agenturmaterial, das von einem Recherchemittel, zum wesentlichen Arbeitsmittel, zum Objekt der Berichterstattung wird; ebenso in den unterschiedlichen Kooperationen der Korrespondenten mit ihren Stringern und Producern, die als Garant, Effizienzfaktor oder eben als Manipulatoren in der Berichterstattung angesehen werden.

248

LITERATUR Allan, Stuart (2003). When discourse is torn from reality: Bachtin and the principle of chronotopicity. In: Gardiner, Michael E. (Hg.), Mikhail Bakhtin. Vol. II. London: Sage. S. 121-144. Allen, Susan L. (1994). Introduction. In: Allan, Susan L. (Hg.), Media Anthropology. Informing global citizens. Westport: Bergin & Garvey. Anderson, Benedict (1985). Imagined communities: reflections on the origin and spread of nationalism. London: Verso. Appadurai, Arjun (1990). Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy. In: Mike Featherstone (Hg.), Global Culture. Sage: London 1990. S. 295-310. - (1998). Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization. Minnesota: University of Minnesota Press. Arendt, Hannah [1960]1 (2006). Der Raum des Öffentlichen und der Bereich des Privaten. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 420-433. Asad, Talal [1986]1(1995). Übersetzen zwischen Kulturen. Ein Konzept der britischen Sozialanthropologie. In: Berg, Eberhard und Martin Fuchs (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der Ethnographischen Repräsentation. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 300-333. Askew, Kelly and Richard R. Wilk (2002). Introduction. In: Askew, Kelly and Richard R. Wilk (Hg.), The Anthropology of Media. A Reader. Oxford: Blackwell Publishers. Assmann, Jan [1997]1 (2000). Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 3. Auflage, beck’sche reihe, München: C.H. Beck. Augé, Marc (1994). Von den Orten zu den Nicht-Orten. In: Augé, Marc. Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnographie der Einsamkeit. Frankfurt/Main: Fischer. S. 90-141. Avnery, Uri (2005) In den Feldern der Philister. Meine Erinnerungen aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg: Kreuzlingen: Diederichs. Bachelard, Gaston [1957]1 (2006). Poetik des Raumes. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 166179. Bachmann-Medik, Doris (2004). Beobachten als poetogene Struktur. In: Zymner, Rüdiger und Manfred Engel (Hg.), Anthropologie der Literatur. Poetogene Strukturen und ästhetisch-soziale Handlungsfelder. Mentis: Paderborn. S. 301-323. Bachtin, Michail M. [1938]1 (1989). Formen der Zeit im Roman. Frankfurt/ Main: Fischer.

249

NACHRICHTENWELTEN

Bargatzky, Thomas (1999). Der Hass auf die eigene Kultur: das peccatum essentiale der Ethnologie? In: Kokot, Waltraut (Hg.), Wozu Ethnologie? Festschrift für Hans Fischer. Berlin: Dietrich Reimer Verlag, S. 127-138. Bar-On, Dan (1999) Kriegstrauma als soziales Phänomen. Erfahrungen in Israel. In: Bronfen, Elisabeth, Birgit R. Erdle und Sigrid Weigel (Hg.), Trauma. Zwischen Psychoanalyse und kulturellen Deutungsmuster. Köln: Böhlau. S.77-94. Barthes, Roland [1977]1(1983). The death of the Author. In: ders. Image, Music, Text. Essays selected and translated by Stephen Heath. New York: Hill & Wang. Bauman, Zygmunt (1997). Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen. Hamburger Edtionen: Hamburg. Beck, Ulrich (1997). Was ist Globalisierung? Frankfurt/Main: Suhrkamp. Beer, Bettina (2003). Einleitung. In: Beer, Bettina (Hg.), Methoden und Techniken der Feldforschung. Berlin: Dietrich Reimer Verlag. Belliger, Andrea und David Krieger (2006). Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. In: Belliger, Andrea und David Krieger (Hg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript. S. 13-50. Berg, Eberhard und Martin Fuchs [1993]1 (1995). Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation. In: Berg, Eberhard und Martin Fuchs (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 11-108. Bignell, Jonathan (2000). Postmodern Media Culture. Edinburgh: Edinburgh University Press. Bivins, Thomas (2004). Mixed Media. Moral distinctions in Advertising, Public Relations and Journalism. Mahwah: Erlbaum Associated Publ. Blumenauer, Hartmut et al. [1985]1 (1988). Einführung in die journalistische Methode. Bibliographisches. Institut: Leipzig. Bodin, Michael (2000). Ausgebrannt... Über den Burnout im Journalismus. Opladen: Westdeutscher Verlag. Borradori, Giovanna (2004). Einleitung. Der Terrorismus und das Erbe der Aufklärung. Habermas und Derrida. In: Habermas, Jürgen und Jaques Derrida, Philosophie in Zeiten des Terrors. Berlin/Wien: Philo & Philo. S. 19-45. Bourdieu, Pierre [1989]1 (2006). Sozialer Raum, symbolischer Raum. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 354-368. Boyd-Barrett, Oliver (1997). Global news wholesalers as agents of globalization. In: Sreberny-Mohammadi, Annabelle and Dwayne Winseck, Jim McKenna, Oliver Boyd-Barrett (Hg.), Media in global Context. A Reader. London: Arnold. S. 131-144. - (1999). International Communication and Globalization: Contradictions & Directions. In: Mohammadi, Ali (Hg.), A critical reader in International Communication and Globalization in a postmodern world. Sage: London. S. 11-26. Boynton, Robert S. (2005). The New New journalism. Conversations with Americas Best Nonfiction Writers on their Craft. New York: Vintage Books.

250

LITERATUR

Branahl, Udo (2002). Medienrecht. Eine Einführung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Bremer, Jörg (1999). Von den Schwierigkeiten anzukommen. Deutsche Besucher in Israel und bei den Palästinensern. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. S. 134-145. Breunig, Christian (1998). Kommunikationspolitik als Beitrag zur internationalen Verständigung. Initiativen der UNESCO von 1946 bis 1997. In: UNESCO heute, Nr. 1, 45. Jg., S. 71-76. Broder, Henryk M. (1998). Die Irren von Zion. Hamburg: Hoffmann & Campe. Bundeszentrale für politische Bildung (2002). Nahost-Berichterstattung in den Hauptnachrichten des deutschen Fernsehens. Köln: Institut für empirische Medienforschung 29.11.2002. Burger, Harald (1990). Sprache der MassenMedien. Berlin: de Gruyter. Butler, Judith (1998). Hass spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin Verlag: Berlin. Cassirer, Ernst [1931]1 (2006). Mythischer, ästhetischer und theoretischer Raum. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 485-500. Castells, Manuel (1999). Space Flow - der Raum der Ströme. In: Bollmann, Stefan (Hg.), Kursbuch Stadt. Stadtleben und Stadtkultur an der Jahrtausendwende. Stuttgart: Dt. Verlag Anstalt. S. 39-81. Cippitelli, Claudia und Axel Schwaneberger (2003) Nur Krisen, Kriege, Katastrophen? Auslandsberichterstattung im deutschen Fernsehen; Dokumentation der 21. Tutzinger Medientage 2002. München: Fischer. Clifford, James (1999). Kulturen auf der Reise. In: Hörning, Karl H. und Rainer Winter (Hg.), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 476-513. - (1997). Routes. Travel and Translation in the late Twentieth Century. Cambridge, Mass.: Havard University Press. Clifford, James und George Marcus (Hg.) (1986) Writing Culture: the poetics and politics of ethnographic description. Berkley: Universitiy of California Press. Connell, Ian (1980). Television News and the social contract. In: Hall, Stuart and Dorothy Hobson et al. (Hg.), Culture, Media, Language. Working Papers in Cultural Studies 1972-79. Hutchinson: London et al. S. 139-156. Crapanzano, Vincent (1986). The Hermes Dilemma: The Masking of Subversion in Ethnographic Description. In: Clifford, James und George Marcus (Hg.), Writing Culture. The poetics and politics of Ethnography. Berkley u.a.: Univ. of California Press, S. 51-76. Dachs, Gisela (1999). Einleitung. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. De Certeau, Michel (1988). Die Kunst des Handelns. Berlin: Merve. - (1999). Die Kunst des Handelns: Gehen in der Stadt. In: Hörning, Karl H. und Rainer Winter (Hg.), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt/Main: Suhrkamp S. 264-291.

251

NACHRICHTENWELTEN

Delacampagne, Christian (1991). Der maskierte Philosoph. In: Barck, Karlheinz und Peter Gente et al. (Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais. Leipzig: Reclam. S. 5-13. Deleuze, Gilles und Félix Guattari (1992). Tausend Plateaus. Berlin: Merve. Dentith, Simon (1995). Bachtin on the novel. In: Dentith, Simon, Bachtinian Thought. An introductory reader. London: Routledge. S. 41-64. Derrida, Jacques [1968]1 (1972). La différance. In: Derrida, Jaques. Marges de la philosophie. Paris: Minuit. S. 3-29. - (1988). Randgänge der Philosophie. Wien: Passagen Verlag. - (2004). Autoimmunisierungen, wirkliche und symbolische Selbstmorde. Ein Gespräch mit Jaques Derrida. Von Giovanna Borradori. In: Habermas, Jürgen und Jaques Derrida, Philosophie in Zeiten des Terrors. Berlin/Wien: Philo & Philo. S. 19-45. Descartes, René [1644]1 (2006). Über die Prinzipien der materiellen Dinge. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: suhrkamp. S. 44-57. Dierks, Carsten (2000). Die Welt kommt in die Stube. Es begann 1952. Die Anfänge des Fernsehdokumentarfilms im NWDR/ARD. Eigenverlag. Dietrichsen, Dietrich (1995). Wie aus Bewegungen Kulturen und aus Kulturen Communities werden. In: Gotthard Fuchs, Bernhard Moltmann und Walter Prigge (Hg.), Mythos Metropole. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 126-142. Dominikowski, Thomas (1993). MassenMedien und Massenkrieg. Historische Annäherungen an eine unfriedliche Symbiose. In: Löffelholz, Martin (Hg.), Krieg als Medienereignis. Grundlagen und Perspektiven der Krisenkommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag. S. 33-45. Donsbach, Wolfgang (1994). Weltbilder - Bandbreite der Standpunkte. In: Das Parlament, Nr. 41, 14. Oktober 1994, S. 12. Dorsch, Hauke (2000). Afrikanische Diaspora und Black Atlantic. Münster: Lit. Verlag. Dovifat, Emil [1937]1 (1976). Zeitungslehre, Bd. II. Neuauflage. Editiert von Jürgen Wilke. Berlin: de Gruyter. Dracklé, Dorle (1999). Medienethnologie: Eine Option auf die Zukunft. In: Kokot, Waltraut (Hg.), Wozu Ethnologie? Festschrift für Hans Fischer. Berlin: Dietrich Reimer Verlag. - (2000). Die Rhetorik der Krise: Zur kulturellen Poetik von Politik, Bürokratie und virtueller Ökonomie in Südportugal. Habilitationschrift. Universität Bremen: Unveröffentlicht. Dreckmann, Hans-Josef 1985. Das „selektive Bild“ von Afrika. Von Nairobi aus zuständig für 30 souveräne Länder. In: Neudeck, Rupert (Hg.), Immer auf Achse. Auslandskorrespondenten berichten. Bastei Lübbe: Bergisch Gladbach. S. 217-230. Dünne, Jörg (2006). Soziale Räume. Einleitung. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 289-303. Dünne, Jörg und Stephan Günzel (2006) Vorwort. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 9-15. Eldridge, John (1999) Foreword. In: Nordenstreng, Kaarle and Michael Griffin (Hg.), Media Monitoring. Cresskill: Hampton Press. Eldridge, John et al. (1995). Glasgow Media Group Reader, News Content, Language and Visuals. London/New York: Routledge. 252

LITERATUR

Emcke, Carolin (2004). Von den Kriegen. Briefe an Freunde. Frankfurt/Main: Fischer. Emerson, Caryl und Michael Holquist (1981). Glossary. In: Holquist, Michael (Hg.), The Dialogic Imagination. Austin: Texas University Press. S.334ff. Foucault, Michel (1984). What is an Author? In: Foucault, Michel, The Foucault Reader. Edited by Paul Rabinow. S. 101-120. - [1984]1 (1991). Andere Räume. In: Barck, Karlheinz und Peter Gente et al. (Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais. Leipzig: Reclam. S. 34-46. Friedman, Jonathan (1990). Being in the World: Globalization and Localization. In: Featherstone, Mike (Hg.), Global Culture. Sage: London 1990. S. 311-328. Fröhder, Christoph Maria (2003). Ein Bild vom Krieg. Meine Tage in Bagdad. Hamburg: Hoffmann & Campe. Frosh, Paul und Gabi Wolfsfeld (2007). ImagiNation: news discourse, nationhood and civil society. In: Media, Culture & Society, Vol. 29:1, 2007. S. 105-129. Galtung, John und Marie Holmboe Ruge (1965). The Structure of Foreign News. In: Journal of Peace Research, Vol 2, S. 64-91. Geertz, Clifford [1983]1 (1987). Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/Main: suhrkamp. - (1993). Die künstlichen Wilden. Der Anthropologe als Schriftsteller. Frankfurt/Main: Fischer. Gerhards, Jürgen (2002). Öffentlichkeit. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte der Journalistik. Konstanz: UVK. S. 128-136. Gersemann, Olaf [2003]1 (2004). Amerikanische Verhältnisse. Die falsche Angst der Deutschen vor dem Cowboy-Kapitalismus. München: Finanzbuch Verlag. Geyer, Georgie Anne (2001). Buying the night flight. The autobiography of a woman foreign correspondent. Chicago [u.a.]: The Univ. of Chicago Press. Giddens, Anthony (1992). Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt/Main: Campus. Giddens, Anthony (1997). The globalizing of modernity. In: SrebernyMohammadi, Annabelle and Dwayne Winseck, Jim McKenna, Oliver Boyd-Barrett (Hg.), Media in global Context. A Reader. London: Arnold. S. 19-26. Gilboa, Eytan (2002). Global Communication and Foreign Policy. In: Journal of Communication, December 2002, Vol. 52, No. 4:731-748. Gillespie, Marie (2000). Transnational Communications and Diaspora Communities. In: Cottle, Simon (Hg.), Ethnic Minorities and the Media. Buckingham: Open University Press. S. 164-179. Gilroy, Paul (1993). The Black Atlantic. Modernity and double consciousness. Cambridge, Mass: Harvard Univ. Press. - (2004). Einleitung. In: Der Black Atlantic. Berlin: Haus der Kulturen der Welt. S. 3-18. Ginsburg, Faye et al. (2002). Introduction. In Faye Ginsburg et al. (Hg.), Media Worlds. Anthropology on new terrain. Berkley: University of California Press. S. 3-19. 253

NACHRICHTENWELTEN

Gottowik, Volker (1997). Die Konstruktion des Anderen. Clifford Geertz und die Krise der ethnographischen Repräsentation. Berlin: Reimer. Graffman, Katarina (2004). The Cruel Masses. How Producers at a swedish commercial television company construct their viewers. EASA Media Anthropology E-Seminar Series. Unter: http://www.media-anthropology.net/workingpapers.htm (Stand 03/2007). Greene, Graham [1955]1 (1959). Der Stille Amerikaner. Rowohlt: Hamburg. Großbongardt, Annette (1999). Political Correctness im Heiligen Land. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. S. 120-133. Günzel, Stephan (2006a) Physik und Metaphysik des Raums. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 19-43. Günzel, Stephan (2006b). Phänomenologie der Räumlichkeit. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 105-128. Gupta, Akhil and James Ferguson (1997). Anthropological Locations. Boundaries and Grounds of a Field Science. Berkeley, University of California. Habermas, Jürgen (1989) Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen. 2. Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp. - [1962]1 (1990). Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Hafez, Kai (2002). Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Band 2. Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse. Baden Baden: Nomos. Hall, Stuart (1993). Representation, Routledge: London. - (1999). Kulturelle Identität und Globalisierung. In: Hörning, Karl. H. und Rainer Winter (Hg.), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt/Main: Suhrkamp S. 393-441. Hall, Stuart, Chas Critcher et al. (2000). The Social Production of News. In: Marris, Paul and Sue Thornham (Hg.), Media Studies. A Reader. Second Ed. New York: University Press. S. 645-652. Haller, Michael (1992). Mit großer Pose die tumbe Welt erwecken? Wissenschaft und Journalismus. Vom Gegensatz zur Partnerschaft. In: Gerwin, Robert (Hg.), Die Medien zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Stuttgart: Hirzel, S. 39-46. - [1987]1 (1997). Die Reportage. Ein Handbuch für Journalisten. 4. Auflage. Konstanz: UVK Medien. - [1983]1 (2000). Recherchieren. Ein Handbuch für Journalisten. 5. Auflage. Konstanz: UVK Medien. Hannerz, Ulf (1990). Cosmopolitians and Locals in World Culture. In: Featherstone, Mike (Hg.), Global Culture. Sage: London. S. 237-251. - (1996). Transnational Connections. Routledge: London. - (2004). Foreign News. Exploring the World of Foreign Correspondents. Chicago: University Press. Harvey, David [1989] (2006), The Condition of Postmodernity, Cambridge: Blackwell Publishers.

254

LITERATUR

- (1995). Zeit und Raum im Projekt der Aufklärung, Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 6/1995/3: Macht-Wissen Geographie, S. 345-365. Heidegger, Martin [1927]1 (2006). Die Räumlichkeit des Daseins. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 141-152. Hess, Stephen (1996a). International news & foreign correspondents. Washington, D.C.: Brookings. - (1996b). News and Newsmaking. Washington D.C. : Brookings Institution. Hetkämper, Robert (1995). Der Fremde Blick. In: ARD-Jahrbuch 1995. Baden Baden: Nomos. S. 124-131. Hickethier, Knut (2002). Das Erzählen der Welt in den Fernsehnachrichten. Überlegungen zu einer Narrationstheorie der Nachricht. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte der Journalistik. Konstanz: UVK. S. 657-681. - (2003). Wie aus der Katastrophe eine Nachrichtengeschichte wurde. Ulrich Wickert und der „11. September“. In: Beuthner, Michael; Joachim Buttler, Sandra Fröhlich, Irene Neverla und Stephan A. Weichert (Hg.) Bilder des Terrors – Terror der Bilder? Krisenberichterstattung am und nach dem 11. September. Köln: Herbert von Halem. S. 103-112. Holm, Hans Henrik (2001). The Effect of Globalisation on Media Structures and Norms. In: Hjarvard, Stig (Hg.), News in a Globalized Society. Nordicom: Göteborg. S. 113-128. Holquist, Michael (2003). Bachtin’s Life. In: Gardiner, Michael E. (Hg.), Mikhail Bachtin. London: Sage. S. 25-34. Huntington, Samuel P. (1996). Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München: Europaverlag. Iggers, Jeremy (1998). Good News, Bad News. Journalism Ethics and the Public Interest. Oxford: Westview Press. Jahn, Thomas (2006). Die universelle Pipeline. In: Brand Eins, Jahrgang 8, Ausgabe 09/2006. S. 88-92. Jap Lim, Peter (2005). Gehen Üben. Projekt Jüst. Düsseldorf: Künsterstipendium Jüst. Jarren, Ottfried und Werner A. Meier (1999). Globalisierung der Medienlandschaft und ihre Medienpolitische Bewältigung: Ende der Medienpolitik oder neue Gestaltungsformen auf regionaler und nationaler Ebene? In: Donges, Patrick und Ottfried Jarren und Heribert Schatz (Hg.), Globalisierung der Medien? Wiesbaden: Opladen. S. 231-252. Johnston, Karin L. (2004) Clashing Worlds and Images: Media and Politics in the United States and Germany. In: AICGS Issue Brief. 08/2004. Kamps, Klaus (1998). Nachrichtengeographie. Thema, Strukturen, Darstellung: ein Vergleich. In: Kamps, Klaus und Miriam Meckel (Hg.), Fernsehnachrichten. Konstanz: UVK Medien. S. 275- 294. Kant, Immanuel [1770]1 (2006a). Von dem Raume. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 76-79. - [1786]1 (2006b). Was heißt: sich im Denken zu orientieren? Ebd.. S. 80-84. Kapuciski, Ryszard (2004). Beruf Reporter. Dabeisein, sehen, hören, teilhaben, reflektieren – Werkstattprotokolle. In: lettre international, 67, Winter 2004. S. 62-69. 255

NACHRICHTENWELTEN

Keesing, Roger M. (1985). Conventional Metaphors and Anthropological Metaphysics: The Problematic of Cultural Translation. In: Journal of Anthropological Research 41. S. 201-217. Kepplinger, Hans Mathias (1992). Ereignismanagement. Wirklichkeit und MassenMedien. Zürich: Edition Interfrom. Kepplinger, Hans Mathias (1998). Der Nachrichtenwert von Nachrichtenfaktoren. In: Holtz-Bacha, Christa et al. (Hg.), Wie die Medien die Welt erschaffen und wie die Menschen darin. Opladen: Westdt. Verlag. S. 19-38. King, Gary, Robert O. Keohane und Sidney Verba (1994). Designing social Inquiry. Scientific Inference in qualitative Research. Princeton University Press: Princeton. Koelbl, Herlinde (2001). Die Meute – Macht und Ohnmacht der Medien. München: Knesebeck. Kohl, Karl-Heinz (1987). Abwehr und Verlangen. Zur Geschichte der Ethnologie. Edition Qumran. Frankfurt/Main: Campus. Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (2006). Medienrelevante verwandte Märkte in der rundfunkrechtlichen Konzentrationskontrolle. Auswahl, Messung und Bewertung: Dokumentation des Symposiums der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KEK. Schriftenreihe der LandesMedienanstalten, Band 35. Berlin: Vistas. Kramer, Mark (1995) Breakable Rules. In: Sims, Norman und Mark Kramer (Hg.), Literary Journalism. A new Collection of the best American Nonfiction. New York: Ballantine Books. S. 11-20. Krüger, Udo Michael (2002). Politikvermittlung im Fernsehen. In: Media Perspektiven 2, 2002:81. Kull, Volker (1999). Fremde die eigentlich Verwandte sind. In: Presserat der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde (Hg.), Die Media–morphose in der Ethnologie. Waghäusel. Kumar, Raj (1999). Cultural Imperialism in Foreign Television. In: Prosser, Michael and K.S. Sitaram (Hg.), Civic Discourse: Intercultural, International an Global Media. Ablex: Stamford. Lacan, Jaques [1954]1 (2006) Die Topik des Imaginären. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 212227. Lange, Silvia (2002) Auf verlorenem Posten? Deutschsprachige Auslandskorrespondenten in Lateinamerika. Eine Qualitative Kommunikatorstudie zu Arbeitsrealität und Rollenselbstverständnis. Magisterarbeit. Einsehbar unter: http://o1x.de/schleuse/ (Stand 03/2007). Lambert, Richard (2003) Misunderstanding each other. In: Foreign Affairs, Vol. 82:62-74. Latour, Bruno (2005). Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder wie man Dinge öffentlich macht. Berlin: Merve. - (2006). Über den Rückruf der ANT. In: Belliger, Andréa und David Krieger (Hg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript. S. 561-572. La Roche, Walter von [1975]1 (1999). Einführung in den praktischen Journalismus. 15. Auflage. München: List.

256

LITERATUR

Leder, Dietrich (2002) Die Bilder vom 11. September im Fernsehen. In: Hall, Peter Christian (Hg.), 35. Mainzer Tage der Fernsehkritik. Die offene Gesellschaft und ihre Medien in Zeiten ihrer Bedrohung. S. 51-75. Lefebvre, Henri [1974]1 (2006). Die Produktion des Raums. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 330-342. Lindner, Rolf (1990). Die Entdeckung der Stadtkultur. Soziologie aus der Erfahrung der Reportage. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Lippmann, Walter (1922). Public opinion. New York: Macmillan. Löffelholz, Martin und Andreas Hepp (2002). Transkulturelle Kommunikation. In: Hepp, Andreas und Martin Löffelholz (Hg.), Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK. S. 11-36. Lüger, Heinz-Helmut (1995). Pressesprache. Tübingen: Niemeyer. Machill, Marcel (1997). Journalistische Kultur. Identifikationsmuster für nationale Besonderheiten im Journalismus. In: Machill, Marcel (Hg.), Journalistische Kultur: Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich. Opladen: Westdeutscher Verlag. S. 11-22. Madianou, Mirca (2005). Mediating the nation. News, audiences and the politics of identity. London: UCL. Marcus, George E. (1995). Ethnography in/of the World System: The Emergence of multisited Ethnography. In: Annual Review of Anthropology 1995, 24:95-117. Marcus, George und Dick Cushman (1986). Ethnographies as Texts. In: Annual Review of Anthropology, 11: 25-69. Meckel, Miriam (1998). Internationales als Restgröße? Auslandsberichterstattung im Fernsehen. In: Kamps, Klaus und Miriam Meckel (Hg.), Fernsehnachrichten. Konstanz: UVK Medien. S. 257-274. - (2002). Transkulturelles Medien- und Redaktionsmanagement. In: Hepp, Andreas und Martin Löffelholz (Hg.), Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation, Konstanz: UVK. S. 299-318. Menrath, Stephanie (2001). Represent what… Performativität von Identitäten im Hip Hop. Argument Sonderband 282, Hamburg: Argument Verlag. Merleau-Ponty, Maurice [1961]1 (2006). Das Auge und der Geist. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 180-191. Merten, Klaus und Joachim Westerbarkey (1994). Public Opinion und Public relations. In: Merten, Klaus und Siegfried J. Schmidt, Siegfried Wieschenberg (Hg.), Die Wirklichkeit der Medien. Opladen: Westdeutscher Verlag. S. 188-211. Meyer, Birgit und Annelies Moors (2006). Introduction. In: Meyer, Birgit und Annelies Moors (Hg.), Religion, Media and the Public Sphere. Indianapolis: Indiana University Press. S. 1-19. Meyn, Hermann (2004). MassenMedien in Deutschland. Konstanz: UVK. Miller, Daniel und Don Slater (2002). Relationships. In: Askew, Kelly und Richard R. Wilk (Hg.), The Anthropology of Media. A Reader. Oxford: Blackwell. S. 187-209. Mohammadi, Ali (1999). Introduction. In: Mohammadi, Ali (Hg.), A critical reader in International Communication and Globalization in a postmodern world. Sage: London. S. 1-10. 257

NACHRICHTENWELTEN

Montalbano, William D. (1994). Reinventing Foreign Correspondence. In: Niemann Reports, 1:22-24. Morley, David (1999). Wo das Globale das Lokale trifft. Zur Politik des Alltags. In: Hörning, Karl. H. und Rainer Winter (Hg.), Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt/Main: Suhrkamp S. 442-475. Mükke, Lutz (2003). Einzelkämpfende Allrounder. In: Message 2/2003. Und unter: http://www.messageonline.de/arch2_03/23_muekke.html (Stand 10 /2004). Mühlenbeck, Horst (2003). Höchstpersönlich! Anne Will. Hessischer Rundfunk. Sendedatum: 06.12.2002. Nader, Laura (1972). Up the Anthropologist – Perspectives Gained from Studying Up. In: Hymes, Dell (Hg.). Reinventing Anthropology. New York: Pantheon Books. S. 284-311. Nancy, Jean-Luc (2004). singulär plural sein. Berlin: diaphanes. Nennen, Heinz-Ulrich (2003). Philosophie in Echtzeit. Die Sloterdijk-Debatte: Chronik einer Inszenierung. Würzburg: Könighausen & Neumann. Neudeck, Rupert (1985). Immer auf Achse. Auslandskorrespondenten berichten. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe. Noyce, Philipp (2002). Der Stille Amerikaner. (Originaltitel: The quiet American). 101min. Miramax Films. Palmieri, Giovanni (1998). “The Author” according to Bachtin. In: Shepherd, David (Hg.). The Contexts of Bachtin. Philosophy, Authorship, Aesthetics. Amsterdam: Overseas Academic Publishers. S. 45-56. Paterson, Christopher (1997). Global television news services. In: SrebernyMohammadi, Annabelle and Dwayne Winseck, Jim McKenna, Oliver Boyd-Barrett (Hg.), Media in global Context. A Reader. London: Arnold. S. 145-161. Pechey, Graham (1998) Modernity and Chronotopicity. In: Shepherd, David (Hg.), The Contexts of Bachtin. Philosophy, Authorship, Aesthetics. Amsterdam: Overseas Academic Publishers. S. 173-182. Pedelty, Mark (1995). War stories. The Culture of Foreign Correspondents. London: Routledge. Peterson, Mark Allan (2003). Anthropology and Mass Communication. Media and Myth in the New millenium. New York: Berghan Books. Philipp, Peter (1999). Am Anfang stand das Mißtrauen. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. S. 36-47. Ponder, Anne (1999). Identitäten im Wandel. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. S. 16-35. Powdermaker, Hortense (2002). Hollywood and the USA. In: Askew, Kelly and Richard R. Wilk (Hg.), The Anthropology of Media. A Reader. Oxford: Blackwell. S. 161-171. Pürer, Heinz und Johannes Raabe (2002). Zur Berufsgeschichte des Journalismus. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte der Journalistik. Konstanz: UVK. S. 408-416. Radke, Rudolf (Hg.) (1988). Der Krieg begann am Feiertag. ZDF Korrespondenten berichten über unsere Welt im Wandel. Freiburg: Herder. 258

LITERATUR

Rao, Ursula (2002). Das Spiel von Nähe und Distanz. Werbung um Beziehungen und Meinungen im journalistischen Feld Nordindiens. In: Willems, Herbert (Hg.), Die Gesellschaft der Werbung. Kontexte und Texte. Produktionen und Rezeptionen. Entwicklungen und Perspektive. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 265-282. - (2006). News from the Field: The Experience of transgression and the Transformation of Knowledge during Research in an Expert-site. In: Hutnyk, John und Ursula Rao (Hg.), Celebrating Transgression. Method and Politics in Anthropological Studies of Culture. Oxford: Berghahn. S. 23-37. Rega, Bonney and Lulu Rodriguez (1999). Where is the truth. A cross-cultural Comparision of chinese and American newspaper Coverage an the fourth world Conference in women. In: Prosser, Michael H. and K.S. Sitaram (Hg.), Civic discourse: Intercultural, international and global Media. Stamford: Ablex Publ. S. 375-390. Reuter, Julia (2002). Ordnungen des Anderen. Zum Problem des Eigenen in der Soziologie des Fremden. Bielefeld: transcript. Ricker, Reinhart (2002). Medienrecht. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte zur Journalistik. Konstanz: UVK. S. 137-162. Robertson, Roland (1997). Mapping the global Condition. In: SrebernyMohammadi, Annabelle und Dwayne Winseck, Jim McKenna, Oliver Boyd-Barrett (Hg.), Media in global Context. A Reader. London: Arnold. S. 2-10. Robins, Kevin (1998). Spaces of Global Media, Working Paper. WPTC–98-06. Unter: www.transcomm.ox.ac.uk/working%20papers/WPTC-98-06%20Robins.pdf. (Stand 10/2005). Rothenbuhler, Eric W. und Mihai Coman (2005). Media Anthropology. London: Sage Publ. Ruhrmann, Georg und Roland Göbbel (2007). Veränderung der Nachrichtenfaktoren und Auswirkungen auf die journalistische Praxis in Deutschland. Abschlussbericht. netzwerk recherche e.V. Sahm, Ulrich (2001). Ein halber Tag im Leben eines Kriegsreporters. Unter: http://www.usahm.info/Artikel/halbertag/Reporter.htm (Stand 9/2004). Said, Edward (1983) The World, the text and the critic. Havard University Press: Oxford. - (2004). Clash of Definitions. In: Le Monde Diplomatique, Nr. 7458, 10.09. 2004. - (1981). Orientalismus. Frankfurt/Main: Ullstein. Schantel, Alexandra (2002). Determination oder Inter-Effikation? Eine MetaAnalyse der Hypothesen zur PR-Journalismus Beziehung. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte der Journalistik. Konstanz: UVK. S. 241-269. Schenk, Brigit (1987). Die Struktur des internationalen Nachrichtenflusses: Analyse empirischer Studien. In: Rundfunk und Fernsehen 35; S. 36-54. Schiewe, Jürgen (2004). Öffentlichkeit. Entstehung und Wandel in Deutschland. Paderborn: Ferdinand Schöningh. Schlesinger, Philip (1987). Putting ‚Reality’ together. BBC News. London: Methuen.

259

NACHRICHTENWELTEN

Schlögel, Karl (2006). Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. Frankfurt/Main: Fischer. Schmidt, Dagmar und Jürgen Wilke (1998). Die Darstellung des Auslands in den deutschen Medien. In: Quandt, Siegfried und Wolfgang Gast (Hg.), Deutschland im Dialog der Kulturen. Medien – Images – Verständigung. Konstanz: UVK Medien 1998. S. 167-181. Schmitz, Thorsten (2005). Einzelkämpfer. Als Korrespondent in Israel. Unter: http://www.fluter.de/look/article.tpl?IdLanguage=5&IdPublication=2&NrIssue=35&NrSection=11&NrArticle=3717 7.3.2005. (Stand 03/2005). Schneider, Wolf (1983). Deutsch für Profis. Handbuch der Journalistensprache – wie sie ist und wie sie sein könnte. Hamburg: Goldmann. Scholz, Bernhard F. (1998). Bachtins Concept of Chronotope: the Kantian Connection. In: Shepherd, David (Hg.), The Contexts of Bachtin. Philosophy, Authorship, Aesthetics. Amsterdam: Overseas Academic Publ. S. 141-172. Schreiber, Friedrich (1999) Als ARD-Korrespondent in einem historischpolitsch-moralischen Dreieck. In: Dachs, Gisela (Hg.), Deutsche, Israelis und Palästinenser. Ein schwieriges Verhältnis. Heidelberg: Palmyra Verlag. S. 48-72. Schulz, Winfried (1983). Nachrichtengeographie. Untersuchungen über die Struktur der internationalen Berichterstattung. In: Rühl, Manfred und Heinz Werner Stuiber (Hg.), Kommunikationspolitik in Forschung und Anwendung. Festschrift für Franz Ronneberger. Düsseldorf 1983, S. 281291. Seib, Philip (2002). The global Journalist. News and Conscience in a World of Conflict. Lanham: Rowman & Littlefield Publishers. Shamir, Ronen (2004) Without borders? Notes on gobalization as a mobility regime. In: Sociological Theory 23: 2. S. 197-217. Sharma, Sanjay, Johnh Hutnyk und Ashwani Sharma (1996). Dis-Orienting Rhythms. The Politics of the new Asian dance music. London: Zed Books. Shay, Anthony (2000). The 6/8 Beat goes on: Persian Popular Music from Bazm-e Qajariyyeh to Beverly Hills Garden Parties. In: Armbruster, Walter (Hg.), Mass Meditations. New Approaches to Popular Culture in the Middle east and beyond. Berkley: University of California Press, S. 6187. Simmel, Georg [1903]1 (2006). Über räumliche Projektionen sozialer Formen. In: Dünne, Jörg und Stephan Günzel (Hg.), Raumtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 304-316. Simpson, John (1998). Strange Places, Questionable People. London: Macmillan. Sims, Norman (1995). The Art of Literary Journalism. In: Sims, Norman und Mark Kramer (Hg.), Literary Journalism. A new Collection of the best American Nonfiction. New York: Ballantine Books. S. 21-34. Sloterdijk, Peter (1998). Sphären I. Frankfurt/Main: suhrkamp. - (2002). Sphären II. Frankfurt/Main: suhrkamp. - (2004). Sphären III. Frankfurt/Main: suhrkamp. - (2005). Im Weltinnernraum des Kapitals. Frankfurt/Main: suhrkamp. Soja, Edward W. [1990]1 (2005). Die Trialektik der Räumlichkeit. In: Stockhammer, Robert (Hg.), Topographien der Moderne. Medien zur Repräsen-

260

LITERATUR

tation und Konstruktion von Räumen. München: Wilhelm Fink Verlag. S. 93-123. Spitulnik, Debra (1993). Anthropology and MassMedia. In: Annual Review of Anthropology, Vol. 22, 1993:293-315. - (2005). „Claiming Media Anthropology: The Minefield of Disciplinary Essentialism and Scholarly Agenda-Setting.“ Comment on „Media Anthropology: An Overview“ by Mihai Coman. E-Seminar (May 15, 2005) 1724.05.2005. European Association of Social Anthropologists (EASA) Media Anthropology Network. Unter: http://www.philbu.net/media-anthropology/spitulnik_comment.pdf (Stand 03/2007). Sreberny-Mohammadi Annabelle, Kaarle Nordenstreng, Robert L. Stevenson (1984). The "World of the News" Study. In: Journal of Communication, Vol. 34: 120-142. Sreberny-Mohammadi, Annabelle et al. (1997). Media in global context – Introduction. In Annabelle Sreberny-Mohammadi, Dwayne Winseck, Jim McKenna, Oliver Boyd-Barrett (Hg.), Media in global Context. A Reader. London: Arnold. S. ix-xxxiix. Sreberny-Mohammadi, Annabelle und Ali Mohammadi (1994). Small media, big revolution: communication, culture, and the Iranian revolution. Minneapolis: University of Minneapolis Press. Staab, Joachim Friedrich (2002). Entwicklungen der Nachrichtenwerttheorie. Theoretische Konzepte und empirische Überprüfungen. In: Neverla, Irene und Elke Grittmann, Monika Pater (Hg.), Grundlagentexte der Journalistik. Konstanz: UVK. S. 608-618. Stellrecht, Irmtraud (1993). Interpretative Anthropologie. Eine Orientierung. In: Schweizer, Thomas (Hg.). Handbuch der Ethnologie. Festschrift für Ulla Johanson. Berlin: Reimer. S. 29-78. Stirnberg, Uwe (1998). Globale Giganten. Die Rolle der Agenturen am Beispiel Reiters TV und APTV. In: Kamps, Klaus und Miriam Meckel (Hg.), Fernsehnachrichten. Konstanz: UVK Medien. S. 147-166. Streck, Bernhard (1997). Fröhliche Wissenschaft Ethnologie. Edition Trickster, München: Peter Hammer Verlag. Ten Bos, Rene und Ruud Kaulingfreks (2002). Life between faces. In: ephemera 21: 6-27. Tomlinson, John (2002). Internationalismus, Globalisierung und kultureller Imperialismus. In: Hepp, Andreas und Martin Löffelholz (Hg.), Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz: UVK. S. 140-163. Topf, Dorothea (2003). Auslandsberichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Das Bild der »Dritten Welt«. Taunusstein: Driesen. Tuchman, Gaye (1978). Making news. New York: Free Press. - (1991). Qualitative methods in the study of news. In: Jensen, Klaus Bruhn und Nicholas W. Jankowski (Hg.), A Handbook of Qualitative Methodologies for Mass Communication Research. Routledge: London. S. 79-92. Tucholsky, Kurt (1924). Der Auslandskorrespondent. In: Die Weltbühne, Nr. 35, 28.08.1924. S. 320. Tyler, Stephen (1991). Das Unaussprechliche. Ethnographie, Diskurs und Rhetorik in der Postmodernen Welt. Edition Trickster, München: Peter Hammer Verlag.

261

NACHRICHTENWELTEN

- [1987]1 (1995). Zum Be-/Abschreiben als Sprechen für. In: Berg, Eberhard und Martin Fuchs (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der Ethnographischen Repräsentation. Frankfurt/Main: suhrkamp. S.288-296. US-Regierung (2006). Radio-Television Correspondents Gallery. Unter: http://radiotv.house.gov/membership/list-org.shtml (Stand 10/2005). Virilio, Paul (1984). L'espace critique. essai sur l'urbanisme et les nouvelles technologies. Paris: Christian Bourgois. - (1999). Fluchtgeschwindigkeit. Frankfurt: Fischer. Weber, Max [1918]1 (1988). Politik als Beruf. In: Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, 5. Aufl., Tübingen. S. 505-560. Weingarten, Marc (2006). The Gang that wouldn't write straight: Wolfe, Thompson, Didion, and the New Journalism revolution. New York: Crown Publ. Weischenberg, Siegfried, Maja Malik und Armin Scholl (2006). Journalismus in Deutschland 2005. Zentrale Befunde zur aktuellen Repräsentativbefragung deutscher Journalisten. In: Media perspektiven 7, 2006: 346-361. White, Ted (2002). Broadcast News Writing, Reporting and Producing. Third Edt. Focal Press: Boston et al. Wilke, Jürgen (1986). Auslandsberichterstattung und internationaler Nachrichtenfluss im Wandel. In: Publizistik 31, 1986: 53-90. - (1998). Konstanten und Veränderungen in der Auslandsberichterstattung. In: Holtz-Bacha, Christa et al. (Hg.), Wie die Medien die Welt erschaffen und wie die Menschen darin. Opladen: Westdt.Verlag. S. 39-57. Wilke, Renate (1981). Umfang und Informationswert der Auslandsberichterstattung. In: Aufermann, Jörg und Wilfried Scharf, Otto Schlie (Hg.), Fernsehen und Hörfunk für die Demokratie. Opladen. S. 316-333. Wolfe, Tom (1968). The Electric Kool-Aid Acid Test. New York: Picador Books. - (1973). The New Journalism. New York: Picador Books. Zhu, Jian Hua and David Weaver, Ven-hwei Lo, Chongshan Chen and Wei Wu (1999). Individual, organizational and societal Influences an Media Role perceptions: A comparative study of journalists in China, Taiwan and the United States. In: Prosser, Michael H. and K.S. Sitaram (Hg.), Civic discourse: Intercultural, international and global Media. Ablex Publ.: Stamford. S. 361-374. Zizek, Slavoj (2001). Welcome to the desert of Real. Unter: http://web.mit.edu/cms/reconstructions/interpretations/desertreal.html (Stand 12/2004).

Agenturmeldungen und Zeitungsberichte afp (2003a). Malaysias Regierungschef wiederholt antisemitische Äußerung Mahahir wirft Medien verkürzte Berichte über seine Rede vor. Agence France Presse, 27.10.2003, 08:13h. - (2003b). Der ewige Vater der Nation tritt ab - Mahahir regierte Malaysia 22 Jahre lang. Von Lawrence Bartlett. Agence France Presse, 29.10.2003, 03:34h. ARD (2004) http://web.ard.de/korrespondentenwelt/berichtsgebiete/tel-aviv/index.html 262

LITERATUR

- (2005). Berichtsregion Singapur. Unter: http://web.ard.de/korrespondentenwelt/berichtsgebiete/singapur/team.html (Stand 01/2005). - (2006a). Sendeminuten Studio Washington und Singapur der Jahre 2002 und 2004. Zentrale Herstellungsplanung NDR, 2006. - (2006b). Sendeminuten Studio Tel Aviv Jahre 2002 und 2004. Fernsehdirektion, Zentrale Aufgaben BR. - (2007). Korrespondentenwelt. Unter: http://lra.ard.de/korrespondentenwelt/index.php (Stand 03/2007). Bali (2002). Angaben zum Attentat auf Bali am 10.12.2001. Unter: http://afp.gov.au/international/operations/previous_operations/bali_bombings_2002 und http://www.baliassist.gov.au/ und http://www.diplo.de/diplo/de/Laenderinformationen/Indonesien/Sicherheitshinweise.html (Stand 10/2004). BBC (2005a). Worldwide. Unter: http://www.bbcworld.com/content/template_clickpage.asp?pageid=141 (Stand 10/2005). - (2005b). Correspondents. Unter: http://www.bbcworld.com/content/template_clickpage.asp?pageid=115 (Stand 10/2005). CIA World Factbook (2004). Übersicht Israel. Unter: http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/is.html (Stand 11/2004). - (2005). Index. Unter: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/index.html (Stand 3/2005). - (2006) Übersicht Singapur. Unter: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sn.html (Stand 7/2006). dpa (2003). Zum Ende ein Paukenschlag - Malysias Premier Mahathir tritt ab. Von Frank Brandmeier. dpa 29.10.2003, 01:30h. Financial Times Deutschland (2003). Stolz und Sorge. Mit harter Hand und hohen Staatsausgaben hat Mahathir Mohamad Malaysia zu Wohlstand gebracht. Von Sabine Muscat, In: Financial Times Deutschland, 30.10. 2003. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (2006). So Falsch, daß es wahr sein muß. Von Sascha Lehnartz. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 08.10.2006, Nr. 40. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2003). Augenblick der Wahrheit von Susanne Klingenstein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.10.2003, Nr. 244. - (2004). Nur Tod und Langeweile? Von Jörg Bremer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2004, Nr. 86. - (2005a). Korrespondentenzahlen. Impressum. (Stand 10/2005). - (2005b). Imagebroschüre. Eigenverlag. Frankfurter Rundschau (2003). Mit Mahathirs Abschied wittern strenge Moslems Morgenluft. Von Moritz Kleine-Brockhoff. In: Frankfurter Rundschau, 30.10.2003, S. 6. Netzwerk Recherche e.V. (2006a). Pressedossiers als Rechercheeinstieg. In: Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 34, 20.07.2006. Neue Zürcher Zeitung (2003). Malaysias unorthodoxer Weg in die Moderne. Von Manfred Rist. In: Neue Zürcher Zeitung (Internationale Ausgabe), 30.10.2003. - (2005). Korrespondentenplätze/Impressum. Unter: http://www.nzz.ch/impressum, Stand 10/2005. Spiegel (2004). Bush Regierung riskiert ihre Glaubwürdigkeit. Terroralarm im US-Wahlkampf. Von Matthias Gebauer. Spiegel Online 03.08.2004. Unter:

263

NACHRICHTENWELTEN

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,311440,00.html (Stand 08/2004). - (2005). Redaktionsvertretungen. Unter: http://www.spiegelgruppe.de/spiegelgruppe/home.nsf/ea2b2db951a12ae2c1256dd0005539e7/9ef1697407639d5dc1256f5f00350c65?OpenDocument#Redaktionsvertretungen (Stand 10/2005). Süddeutsche Zeitung (2003). Mahathirs letzter Trommelwirbel. Von Manuela Kessler. In: Die Süddeutsche Zeitung, 30.10.2003. - (2005a). SZ im Überblick... weltweit präsent. Unter: http://www.sueddeutsche.de/verlag/artikel/336/9327/ (Stand 10/2005). - (2005b). „Ein Journalist muss überall hin.“ Interview mit Antonia Rados von Christina Maria Berr. In: Die Süddeutsche Zeitung, 15.11.2005. - (2006).Viel Rauch, noch mehr Feuer. Von Uschi Treffer. In: Die Süddeutsche Zeitung, 09.08.2006, Die Welt (1998). „Es ist einfach schlecht“ Neuer Streit um Fassbinders „Der Müll, die Stadt und der Tod“. Von Rudolph Dilthey. In: Die Welt, 01.09. 1998. - (2002a). Können diese Bilder lügen? Von Norbert Jessen. In: Die Welt, 18. 03.2002 - (2002b). Bomben in der Nachbarschaft. Von Norbert Jessen. In: Die Welt, 19. 07.2002. - (2004). Israel aus der Google-Perspektive. Von Norbert Jessen. In: Die Welt, 08.04.2004, - (2005). Korrespondentennetz. Unter: http://www2.welt.de/extra/service/157856.html. Stand (10/2005). ZDF (2004b). Bericht über die Situation in den palästinensischen Gebieten. Von Dietmar Schumann. In: ZDF Wochenrückblick, 15.05.04. - (2005a). Berichtsgebiet Nahost. Unter: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,2000672,00.html (Stand 2005). - (2005b). Die ZDF-Auslandskorrespondenten. Unter: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,2000672,00.html (Stand 10/2005) Die Zeit (1997). Immer mehr Blitzlichter – kaum mehr Hintergrund. ARD und ZDF sorgen sich um die Standards der Auslandsberichterstattung. Von Peter Paul Kubitz. In: Die Zeit, 28.02.1997. S.55. - (2005). Lehrstunde für Wölfe. Von Jedediah Purdy. In: Die Zeit, 08.09.2005, 37/2005.

264

INDEX Dichte Beschreibung, 15f, 221 DIE WELT, 17, 170, 177, 204, 217 Dracklé, Dorle, 14f, 22f, 27ff, 33, 41f, 235 Dünne Beschreibung, 41, 221 EBU, 55, 84, 86 Emcke, Carolin 77 England, Lynndie, 123, 141 Entdeckung, 14, 41, 81, 228, 230 Feedraum, 124, 141, 162, 208, 232 Flaneur, 80f Galtung, Johan 19, 24, 57, 229 Geertz, Clifford 15, 73, 105, 221 Gesprächsräume, 14, 26, 29, 228f going native, 108f Greene, Graham 45f, 107 Gretchenfrage, 49 HA’ARETZ, 167, 180, 193, 197 Haller, Michael, 14, 41f, 79, 93, 158, 185, 221, 225, 228 Hannerz, Ulf, 12, 30, 34, 47, 49f, 54, 57, 66, 96, 102, 106, 117, 185, 203 Heidegger, Martin, 26, 28, 118, 139, 186 Hybridsphäre, 38, 223 Interieur, 43, 146, 163, 227 Jackson, Michael, 123, 125 Japan, 107, 115, 151f, 159f Kant, Immanuel 24f Kerry, John F., 121, 124 Kisch, Egon Erwin, 210f Kosmopolit, 66, 117 kosmopoliter Proletarier, 118ff Kraut Atlantik, 16, 44, 119, 163ff, 228f

11. September, 78, 84, 120, 135ff, 150, 173, 189, 230 Abu-Sayyaf, 71 Adiaphorisierung, 79 Afghanistan, 16, 39f, 47, 52f, 57, 74, 195 Agentur, 20, 35, 38, 45, 56, 61, 63, 68ff, 93, 104f, 116, 125f, 129f, 135, 141, 179ff, 197, 199, 214, 219, 231 AL JAZEERA, 193 Al Kaida, 92, 95, 99, 136 AL QUDS, 193, 210 alert orange, 120 Appadurai, Arjun, 112 Augé, Marc, 77, 124, 162 Australien, 22, 46f, 48, 76, 95 Avnery, Uri, 170, 181, 189, 190 Baldachin, 60, 86 Bali, 11, 13, 16, 40, 47, 55, 64, 84, 90f, 96, 99ff, 118, 170, 226 BBC WORLD, 11, 17, 18, 37, 48, 52, 55, 84, 122, 147 being there, 73, 81, 92, 139 Berben, Iris, 170ff, 216f Bush, George, W., 57, 121, 127, 132, 134, 146, 150, 154f, 161, 164 Camino-Realität, 182, 203 Chronotop, 25, 29ff, 116, 163, 165f, 228 CNN, 19, 55, 126, 138, 152, 156, 162, 195 de Certeau, Michel 24, 31, 55, 77, 106, 133, 214 Deutungshoheit, 38, 74, 210 Diaspora, 164ff, 191

265

NACHRICHTENWELTEN

REUTERS, 37, 48, 51, 63, 71, 176, 180, 231 Said, Edward, 74, 190, 210 SARS, 56, 64 SAT1, 17, 130, 168, 174 Scoop, 59, 131, 182, 203, 232 Serendipity-Prinzip, 78 Sloterdijk, Peter, 14f, 22ff, 38f, 43, 46, 60, 73f, 80ff, 96, 99, 102, 104f, 115ff, 118f, 125, 134f, 139, 148, 159, 162ff, 191, 199, 202f, 204, 207ff, 214, 223, 229 SPIEGEL, 11, 17, 68, 70, 77, 103, 122, 123, 127, 131, 207, 209 Standing, 60, 76 Stringer, 37, 53, 71, 74, 84f, 93ff, 143, 183, 185, 192ff, 212, 233 Synekdoche, 42, 52, 107, 112 Terror, 11, 50, 56, 58, 100, 117, 136, 145, 171, 172, 173, 175, 176, 178, 230 Terroralarm, 120 Terrorist, 101, 136, 145, 189f, 193, 206, 209 Tokio, 124, 151 Tourist, 54, 72, 90, 113, 216 Tsunami, 62 Verräumlichung, 28, 32, 55, 92, 116, 166, 187, 190f, 215 Vor-Ort-Sein, 73, 79, 92, 139, 153, 158f, 215 Weißes Haus, 120, 122, 125, 128, 132, 142, 146f Zeit-Raum-Kompression, 165, 227f

Kriegs- u. Krisenreporter, 77, 105, 131, 203f Lindner, Rolf, 26, 42, 78, 81, 91 Machtasymmetrie, 38, 74, 211 Mahathir bin Mohammad, 40, 87ff Makrosphäre, 191, 208 Malaysia, 87ff, 105 Malinowski, Bronislaw, 32 Meute, 63, 123, 134, 219 M-Street, 121 Mutter, 50, 92, 112, 117, 126, 173, 183f, 223 Nachrichtengeographie, 19, 102, 106, 116 Nachrichtenmaschinerie, 56, 179, 182, 184, 206, 224 Nachrichtenwert, 20, 59, 60, 81, 119, 153, 168, 226, 228 Nachrichtenwerte, 118, 227 Nader, Laura, 14, 34 Netzwerk, 53, 55, 92ff, 106, 142, 215, 231 Nicht-Orte, 124 NTV, 15 Obama, Barack, 121 Objektivität, 111, 192, 205 Öffentlichkeit, 22ff, 29f, 59, 73, 102, 148, 198, 228 Pedelty, Mark, 59, 63, 144, 146, 204, 229, 235 Propaganda, 191, 198, 202, 224, 227 Reportage, 31, 42f, 54, 77, 79, 159, 129, 170, 172, 201, 216, 220f, 224, 228

266

ZfK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften

Birgit Althans, Kathrin Audem, Beate Binder, Moritz Ege, Alexa Färber (Hg.)

Kreativität. Eine Rückrufaktion Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2008 März 2008, 138 Seiten, kart., 8,50 € ISSN 9783-9331

ZFK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften Der Befund zu aktuellen Konzepten kulturwissenschaftlicher Analyse und Synthese ist ambivalent: Neben innovativen und qualitativ hochwertigen Ansätzen besonders jüngerer Forscher und Forscherinnen steht eine Masse oberflächlicher Antragsprosa und zeitgeistiger Wissensproduktion – zugleich ist das Werk einer ganzen Generation interdisziplinärer Pioniere noch wenig erschlossen. In dieser Situation soll die Zeitschrift für Kulturwissenschaften eine Plattform für Diskussion und Kontroverse über Kultur und die Kulturwissenschaften bieten. Die Gegenwart braucht mehr denn je reflektierte Kultur, historisch situiertes und sozial verantwortetes Wissen. Aus den Einzelwissenschaften heraus kann so mit klugen interdisziplinären Forschungsansätzen fruchtbar über die Rolle von Geschichte und Gedächtnis, von Erneuerung und Verstetigung, von Selbststeuerung und ökonomischer Umwälzung im Bereich der Kulturproduktion und der naturwissenschaftlichen Produktion von Wissen diskutiert werden. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften lässt gerade auch jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen, die aktuelle fächerübergreifende Ansätze entwickeln.

Lust auf mehr? Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen die Ausgaben Fremde Dinge (1/2007), Filmwissenschaft als Kulturwissenschaft (2/2007) und Kreativität. Eine Rückrufaktion (1/2008) vor. Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften kann auch im Abonnement für den Preis von 8,50 € je Ausgabe bezogen werden. Bestellung per E-Mail unter: [email protected] www.transcript-verlag.de

MedienWelten Birgit Bräuchler Cyberidentities at War Der Molukkenkonflikt im Internet 2005, 402 Seiten, kart., 28,90 €, ISBN 978-3-89942-287-0 Konfliktakteure setzen weltweit das Internet in zunehmendem Maße strategisch ein. Lokal ausgetragene Konflikte erhalten so eine neue Dimension: Die veränderte Medialisierung führt zu ihrer Ausdehnung in den globalen Cyberspace. Auf der Grundlage ethnographischer Forschungen zu den Online-Aktivitäten christlicher wie muslimischer Akteure im Molukkenkonflikt (1999-2002) untersucht die Studie Prozesse der Identitätskonstruktion und Gemeinschaftsbildung im Internet. Die Autorin leistet damit einen innovativen Beitrag zur Konflikt- und Internetforschung und ebnet methodisch den Weg für eine neue Cyberethnologie.

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de