Nachfragen: Formen und Funktionen äußerungsbezogener Interrogationen 9783110912630, 9783110191158

The study examines the function of queries in oral communication. It develops a typology of query forms that can be diff

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Nachfragen: Formen und Funktionen äußerungsbezogener Interrogationen
 9783110912630, 9783110191158

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Martina Rost-Roth Nachfragen

W G DE

Linguistik — Impulse & Tendenzen Herausgegeben von

Susanne Günthner Klaus-Peter Konerding Wolf-Andreas Liebert Thorsten Roelcke

22

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Martina Rost-Roth

Nachfragen Formen und Funktionen äußerungsbezogener Interrogationen

Walter de Gruyter · Berlin · New York

©

G e d r u c k t auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über H a l t b a r k e i t erfüllt.

ISBN-13: 9 7 8 - 3 - 1 1 - 0 1 9 1 1 5 - 8 ISBN-10: 3 - 1 1 - 0 1 9 1 1 5 - 6 ISSN 1 6 1 2 - 8 7 0 2 Bibliografische

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der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche N a t i o n a l b i b l i o t h c k verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische D a t e n sind im Internet über h t t p : / / d n b . d - n b . d e abrufbar.

© Copyright 2 0 0 6 by Walter de Gruytcr G m b H & C o . K G , D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in G e r m a n y Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Vorwort Die Befassung mit Nachfragen steht in Zusammenhang mit Untersuchungsinteressen und Forschungsschwerpunkten, die für viele meiner Projekte tragend waren. Sie erschien nicht nur zentral für die Schnittstelle Grammatik und Pragmatik, sondern auch für Analysen von Reparaturen in verschiedenen Gesprächskontexten. Die vorliegende Arbeit versteht sich deshalb auch als Grundlage für weiterführende Untersuchungen im Bereich Angewandte Gesprächsanalyse, Zweitspracherwerbsforschung und Interkulturelle Kommunikation. In Anbetracht des Umstands, dass Form- und Funktionsbeschreibungen in verschiedenen Forschungsbereichen widersprüchlich ausfallen, war ein Anliegen, eine solide Beschreibungsgrundlage für ein frequentes Phänomen mündlicher Kommunikationen und seine unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten zu schaffen. Dieses Anliegen fand seinen Niederschlag in meiner Habilitationsschrift, die im Jahre 2000 am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin eingereicht wurde und hier nun in einer überarbeiteten Fassung vorliegt. Im Laufe der Jahre erwiesen sich verschiedene Arbeits- und Diskussionszusammenhänge als anregend: Der Arbeitskreis Angewandte Diskursforschung, der sich durch besonders inspirierende Diskussionen auszeichnet, mein Aufenthalt als Visiting Scholar an der UCLA und die Diskussion von Daten mit Emanuel Schegloff, die Colloquien von Norbert Dittmar an der Freien Universität Berlin, sowie zweitspracherwerbsbezogene Tagungen und Workshops des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen unter Leitung von Wolfgang Klein. Auch einzelnen Personen sei hier Dank für Anmerkungen zu inhaltlichen Aspekten ausgesprochen: Zu nennen sind Bernt Ahrenholz, Irene Forsthoffer, Almut Zwengel und Norbert Dittmar sowie die Herausgeber der Reihe 'Impulse und Tendenzen'. Für Unterstützung bei der Endfassung des Manuskriptes geht mein Dank an Magdalene Schumacher. Finanziell unterstützt wurde die Arbeit durch ein Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Inhaltsverzeichnis 1

EINLEITUNG

1.1 1.2

Zur Einführung Fragestellungen und Überblick

2

LITERATURDISKUSSION

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.7 2.1.8 2.1.9 2.2

Formen und Funktionen von Interrogationen Frage-Definitionen Frageformen: strukturelle und syntaktische Aspekte Fragemodus Fragefunktion, Illokution und Erotetizität Fragen in der Relevanztheorie Fragen in der Konversationsanalyse Frage-Antwort-Relationen und Antworterwartungen 'Gesprochene Sprache' und Interrogationen Fazit: Formen und Funktionen von Interrogationen Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien Fragetaxonomien Fragekategorien in Grammatiken Fragekategorien in anderen grammatischen Beschreibungen Fazit Literatur zu Echofragen Satzmodus und Tiefenstrukturen Syntaktische Beschreibungen von Echofragen Die Echo-Komponente Funktionsbestimmungen Echofragen in der Relevanz-Theorie Fazit Nachfragen in Studien zu konversationeilen Fragen und Verständigungsproblemen 'Clarification requests' und 'Contingent Queries' Nachfragen als' Problemmanifestationen' 'Refokussierungen' und 'Bezugstypen' Fazit Nachfragen als Reparaturinitiierung Reparaturen Sequenzielle Aspekte Funktionen von Reparaturinitiierungen Fazit: Nachfragen als Fremdinitiierungen Kritische Diskussion der Darstellungen Terminologie: Nachfragen, Echofragen, etc Kategorienbildungen: Fragearten und Fragetypen Nachfragen und Echofragen als Fragetypen NachfragenundFragearten Funktionsbestimmungen

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5

1 8

10 10 15 20 23 27 29 35 38 43 44 44 49 66 73 74 74 76 80 83 86 87 89 89 91 101 102 104 104 106 108 112 114 114 115 117 119 122

VIII 2.6.6 2.6.7 2.6.7.1 2.6.7.2 2.6.7.3 2.6.8

Inhaltsverzeichnis Bezugnahmen auf vorausgehende Äußerungen: Wiederholungen, Reformulierungen, Fragewörter Syntaktische Strukturen von Nachfragen und Echofragen Entscheidungs-Nachfragen Ergänzungs-Nachfragen Verb-Letzt-Fragen Zusammenfassung der Literaturdiskussion und Beschreibungsdesiderate

3

ANALYSERAHMEN UND METHODIK

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Analyserahmen Fragearten und Fragetypen Strukturtypen Bezugstypen und Verweismittel Funktionsbereiche Methodik Zum Stellenwert der empirischen Analysen Datenbasis Auswertung von Fragevorkommen Qualitative und quantitative Analyse Transkriptionskonventionen

4

EMPIRISCHE ANALYSEN

4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.4.1 4.2.4.2 4.2.4.3 4.2.4.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.5

Übersicht Strukturtypen bei Nachfragen und anderen Fragen Strukturtypen bei Entscheidungsfragen Strukturtypen bei Ergänzungsfragen Strukturtypen bei Alternativfragen Verteilung der Strukturtypen bei Nachfragen und anderen Fragen Anteile der Fragearten Ergänzungsfragen Entscheidungsfragen Echofragen und andere Nachfragen im Vergleich Strukturtypen und Satzmoduskonstellationen Nachfragen in Anschluss an Fragen Nachfragen in Anschluss an Aufforderungen Bezugstypen und Verweismittel Wiederholungen/Echokomponenten Reformulierungen Fragewörter: Fragepronomen und andere Fragepartikeln Metakommunikativ explizite Bezugnahmen Quantitative Verteilung Fazit Echofragen: Echokomponenten, Fragewörter und strukturelle Aspekte Echo-Ergänzungsfragen Echo-Entscheidungsfragen: strukturelle Aspekte

4.5.1 4.5.2

127 130 130 131 133 134

138 139 141 143 145 149 149 150 153 156 157

160 161 161 168 176 177 177 180 182 184 188 188 190 192 192 199 206 211 217 222 224 224 227

Inhaltsverzeichnis

IX

4.5.3 4.5.4 4.6 4.6.1 4.6.1.1 4.6.1.2 4.6.1.3 4.6.1.4 4.6.1.5 4.6.1.6 4.6.2 4.6.3 4.6.3.1 4.6.4 4.6.4.1 4.6.4.2 4.6.4.3 4.6.4.4 4.6.5 4.6.5.1 4.6.5.2 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.3.1 4.7.3.2 4.7.3.3 4.7.4 4.7.5

Abweichungen von idealtypischen Vorstellungen 229 Fazit 230 Nachfragefunktionen 233 Funktionsbereich 'Verständnissicherung 1 233 Problemtypen und Fragearten 233 Auditive Verstehensprobleme 234 Bedeutungsverstehensprobleme 235 Referenzprobleme 236 Interpretationsprobleme 238 Optionen in Bezug auf Ergänzungs- und Entscheidungs-Nachfragen ...242 Funktionsbereich: Erwartungsprobleme 243 Vergewisserung 245 Signalisierung von Antworterwartungen 248 Beobachtungen zu weiteren Nachfragefunktionen 251 Zeitgewinn 252 Belustigung 253 Korrekturen 254 Fazit: 'weitere Funktionen' 255 Schlussfolgerungen: Nachfrage-Funktionen 257 Beziehungen zwischen verschiedenen Funktionsbereichen 257 Ambiguitäten und Vagheiten 259 Nachfragen als Reparaturinitiierung 262 Frageformate vs. Aussageformate 262 Multiple Reparaturen - mehrschrittige Nachfrage-Sequenzen 264 Fremdinitiierungen und Fragearten 268 Reparaturinitiierung durch Ergänzungs-Nachfragen 268 Reparaturinitiierung durch Entscheidungs-Nachfragen 269 Ergänzungs- vs. Entscheidungsfragen: sequenzielle Konsequenzen 270 Funktionen des Frageformats in Reparaturen 273 Fazit 274

5

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

5.1 5.2

Bezüge zwischen Formen und Funktionen Nachfragen und Fragearten: Entscheidungs-, Ergänzungs und Alternativ-Nachfragen Zum Status der Kategorien 'Nachfrage' und 'Echofrage' Strukturelle Unterschiede: zwischen Nachfragen und anderen Fragen Positionen des Fragewortes Verbstellung in Entscheidungsfragen Nachfragen nach Fragen und Aufforderungen Nachfragen als elliptische Äußerungen Bezugstypen und Verweisfunktionen Wiederholungen und Echokomponenten in Nachfragen Nachfragen mit Reformulierungen Fragepronomen und andere Fragepartikeln in Nachfragen

5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3

276 278 280 282 282 285 287 288 292 292 294 295

X

5.6 5.6.1

Inhaltsverzeichnis

5.6.5 5.6.6 5.6.7 5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.8

Nachfragefunktionen Vergewisserung als grundlegendere Funktion von Entscheidungsfragen Nachfragen als Signalisierung von Verstehensproblemen Nachfragen als Signalisierungen von Erwartungsproblemen Weitere Nachfragefunktionen: Zeitgewinn, Korrektur, Belustigung etc Ambiguitäten und Vagheiten Verbindungen zwischen verschiedenen Funktionsbereichen Nachfragen als Reparaturinitiierungen Zentrale Funktionsparameter Funktionsparameter 'Fokussierung' Funktionsparameter: 'Frageformat' Fazit: Funktionsparameter und sequenzielle Bezüge Ausblick

303 305 306 310 316 316 318 319 321

6.

LITERATURVERZEICHNIS

324

5.6.2 5.6.3 5.6.4

298 298 300 301

1

Einleitung

1.1

Zur Einführung

Zentraler Gegenstand der Untersuchung sind Nachfragen in mündlichen Kommunikationen. Nachfragen sind Interrogationen, mit denen sich die Gesprächsteilnehmer auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner beziehen und das 'Erfragte' im Bereich dieser Äußerungen liegt. Hierzu ein Beispiel:1 A: B: A: B: A: B: A: B: A: B: A:

(h) ?fahrt ihr denn mit-m auto* + oder? ja::* ui + ui:: ? + is auch ne ganz schöne strecke ?ne*? na ja + vierzehn stunden puh::: (h) + na ja = =?{'vierzehn !? ja::* boh:: = =?wenig oder viel-? 'viel (ID1343, 1344, 3092, 3093)

Während die Fragen '?fahrt ihr denn mit-m autoΛ 'und '?is auch ne ganz schöne strecke ?neA?' das Gespräch thematisch fortfuhren bzw. sich auf Wissensbestände beziehen, die nicht direkt zuvor verbalisiert wurden, beziehen sich die folgenden Fragen '? 'vierzehn ?' und 7wenig oder viel?' auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartners (nämlich 'vierzehn stunden' und 'boh::'). Fragen dieser Art werden im Folgenden als Nachfragen bezeichnet. Als ein Spezialfall von Nachfragen sind Echofragen zu betrachten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Bezugnahme auf die vorausgehenden Äußerungen durch Wiederholungen erfolgt (vgl. 'vierzehn_' im obigen Beispiel). Nachfragen und Echofragen werden in der Literatur u. a. folgendermaßen exemplifiziert:

1

Bei diesem Beispiel aus der D a t e n s a m m l u n g handelt es sich u m einen Ausschnitt aus einem Telefongespräch. Bei der Verschriftlichung der A u f n a h m e n w e r d e n die unter Teil 3.2.5 dargestellten Transkriptionskonventionen benutzt. Fragen werden durchgängig durch Unterstreichung gekennzeichnet.

2

1 Einleitung

(1) Peter hat ein Seepferd gekocht. (2) a. Peter hat ein Seepferd sekocht? b. Peter hat was sekocht? c. Peter hat ein was sekocht? d. Was hat Peter sekocht? e. Ein Seepferd hat Peter sekocht? f. (Ist das wirklich wahr:) Hat Peter ein Seepferd gekocht? (Wunderlich 1986:44) A: B: (i) (ii) (iii) (iv)

Den Wasen haben wir schon 1971 gekauft Den Wagen habt ihr schon 1971 sekauft\\ Schon 197in Wann habt ihr den Wagen gekauftff Ihr habt den Wagen wann gekauft] f (Zifonun et al. 1997:644)2

Die Beschreibung von Nachfragen wirft sowohl in Hinblick auf formale Aspekte als auch in Hinblick auf funktionale Aspekte Probleme auf. Konstruktionen mit Fragewörtern in satzinterner Position und VerbZweit-Stellung unterscheiden sich formal von den häufig als Standard vorausgesetzten Fragestrukturen, da im allgemeinen als syntaktische 'Normalform' bei Ergänzungsfragen das Fragewort in Satzanfangsposition und bei Entscheidungsfragen das Verb in Erst-Stellung vorausgesetzt wird. In Hinblick auf funktionale Aspekte ergeben sich Beschreibungsprobleme, da Nachfragen sehr unterschiedliche Funktionen haben können: Sie können der Signalisierung von Verständnisproblemen dienen, der Vergewisserung, der Signalisierung von Erstaunen und Verwunderung u. ä. zum Ausdruck zu bringen oder auch eingesetzt werden, um Zeit zu gewinnen, wobei die Kriterien für entsprechende Interpretationsmöglichkeiten nicht ohne weiteres anzugeben sind. Literatur, die sich eingehender mit Nachfragen befasst, bzw. in Hinblick auf die Analyse von Nachfragen aufschlussreich ist, liegt nur in

2

Bei zitierten Beispielen folgt die V e r w e n d u n g von Sonderzeichen, sofern nichts anderes angemerkt ist, der V e r w e n d u n g in der jeweils zitierten Literatur. Bei Z i f o n u n et al. (1997) verdeutlichen ein nach unten gerichteter Pfeil "fallendes Grenztonmuster", ein nach oben gerichteter Pfeil symbolisiert "steigendes Grenztonmuster", ein doppelter Pfeil "steigend-steigendes Grenztonmuster". Unterstreichungen (hier in doppelten Unterstreichungen resultierend) "Gewichtungsakzente", (ebd. XI und 196 ff.). Diese Beispiele werden unter Abschnitt 2.2 und 2.3 noch ausführlicher kommentiert.

1.1 Zur Einfuhrung

3

relativ geringer Zahl vor und entstammt sehr unterschiedlichen Bereichen: - Nachfragen und Echofragen werden in Grammatiken (vgl. insbes. Duden 1998, Engel 1996, Zifonun 1997 et al.) und grammatisch orientierten Fragetaxonomien (Bierwisch 1966, Burkhardt 1986) oft als eigene Kategorien angesetzt. Dabei handelt es sich zumeist um relativ knappe Darstellungen, bei denen Verbindungen zwischen formalen und funktionalen Aspekten angesprochen werden. - Eine stark auf formale und theoretische Aspekte der Syntax ausgerichtete Befassung findet sich in Literatur zu Echofragen (vgl. insbes. Wunderlich 1986, Meibauer 1987b, Oppenrieder 1991, Reis 1991a). - Eine intensivere Auseinandersetzung mit interaktiven und funktionalen Aspekten leisten empirisch ausgerichtete Studien. Aus der Konversationsanalyse liegen zahlreiche Untersuchungen zu Reparaturen vor, aus deren Beispielen hervorgeht, dass Reparaturinitiierungen häufig durch Nachfragen erfolgen (vgl. ζ. B.: Schegloff/Sacks/ Jefferson 1977, Schegloff 1990, 2000). Gleichwohl wurden Funktionen von Fragen als Reparaturinitiierungen noch nicht genauer untersucht. Aus der interaktionalen Linguistik liegen Studien zu konversationellen Fragen vor, die sich vor allem mit der Signalisierung von Verständigungsproblemen befassen (Selting 1987, 1995 und Peretti 1993). Da in diesen Untersuchungsbereichen und Darstellungen völlig unterschiedliche Beschreibungsinteressen und Fragestellungen verfolgt werden, und noch aus keinem Bereich eine übergreifendere Beschreibung von Nachfragen vorliegt, scheint es vielversprechend, die Beschreibungen aus verschiedenen Bereichen in einen Zusammenhang zu stellen, zumal auch formale und funktionale Aspekte unterschiedlich gewichtet werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Darstellungen von 'Nachfragen', 'Rückfragen', 'Vergewisserungsfragen' und 'Echofragen' (auch abgesehen von terminologischen Unterschieden) in Beschreibungen von Frageformen und Fragefunktionen sowie der jeweils unterstellten Form-Funktions-Bezüge - auch innerhalb der einzelnen Bereiche - in wesentlichen Punkten widersprechen. Weiter zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Arten von Nachfragen, die in den einzelnen Bereichen im Zentrum des Interesses stehen. Während die Eingangs angeführten Beispiele mit Echokomponenten und/oder Fragewörtern typisch für die Auseinandersetzung mit Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Literatur zu Echo-

4

1 Einleitung

fragen sind, werden in empirischen Studien neben Nachfragen mit Fragewörtern und Nachfragen mit Wiederholungen auch Rückfragepartikeln und Formeln wie 'hä?', 'bitte?' oder explizite Klärungsaufforderungen berücksichtigt: X: XI: X

so-en rlchtign kurzhaar schnitt' .bitte" so-n rlchtign kurzhaar-schnitt • (Peretti 1993:149/

K: S: K:

zweihunnertsechzig Mark \h£ zweihunnertsechzig, (Selling 1987:78)

Ε: L: E:

im das ERste mal in einer SALzadisko was is DAS denn dassis irgnwie ne ne beSTIMMte art von TANZ (Selting 1995:287, Bsp. 40)J

Einen untergeordneten Stellenwert nimmt aber auch in dieser Literatur die Befassung mit Nachfragen ein, die auf Reformulierungen der Bezugsäußerungen beruhen: Ν: I: N: I:

im WIE finanziers du dein: STUdium ja ich geh ebm abms ARbeitn ... JEDNABMD N:EE das: aber DAS wär ja unMÖGlich (Selting 1995:279. Bsp. 37)

Eigene Daten und die Analysen der vorliegenden Untersuchung weisen darauf hin, dass Reformulierungen, und insbesondere Reformulierungen, bei denen Implikationen expliziert werden, besonders häufig vorkommen: B: A:

3

4

&da& hat se dann auch noch ne &ja::&

Peretti (1993) verwendet als Transkriptionszeichen M a j u s k e l n f ü r deutlich betonte Silben, zur K e n n z e i c h n u n g der "relativen Grundtonlage" ein K o m m a ," und zur Kennzeichnung hoher Tonlagen" ein Apostroph, das zur K e n n z e i c h n u n g "sehr hoher Tonlagen" (im obigen Beispiel: "bitte") mit Doppelung eingesetzt wird. Die Beispiele aus Selting sind mit vereinfachter Transkription wiedergegeben, wobei u. a. die Partiturschreibweise nicht übernommen wurde. Der Pfeil signalisiert höhere Tonlage (Selting 1987:X), Großbuchstaben mit Fettdruck stehen für "primär akzentuierte Silben einer Einheit", Großbuchstaben ohne Fettdruck f u r "sekundär akzentuierte Silben einer Einheit" und Unterstreichungen (die hier gegebenenfalls w i e d e r u m zu doppelten Unterstreichungen führen) für "auffällig starken A k z e n t " . Vgl. Selting (1995:X).

5

1.1 Zur E i n f ü h r u n g

Β: A: B:

mündliche prüfung_ + wann se 'die hat weiß &ich/& &?'nur& ne mündliche? ja (ID 1429, INF-TEL)5

Dabei kann es sich um kürzere, wie im vorausgehenden Beispiel, oder ausführlichere Formulierungen handeln: A:

B:

A:

B: A:

'nee + sie fährt jetz eben mit-m autoΛ + kommt auch mit-m auto zurück das kann aber sein dass wir dann:: + 'nächstes Wochenende wohl 'hin fährt und dann müßte-(we) mit-m 'zuch zurück:_ (h) + was natürlich immer weil ich hab kein bahnkarte(n) ne Stange 'geld kostet_ &?ne^?& &?ach& so die fa/ äh die fährt 'nich zurück dann oder fährt η tach 'später we/ was für 'dich ungünstig wär &oder (w/)?& &(h) nee & sie fährt dann auch mit-m 'zuch zurück und läßt das auto 'da: : = =ach &so& &bei& ihrem freund (ID 1386, INF-TEL)

Es erweist sich, dass die Vielfalt der Erscheinungsformen von Nachfragen auch in vorliegenden empirischen Studien noch nicht ausreichend untersucht ist. Dies ist insbesondere auf die jeweiligen Untersuchungsschwerpunkte zurückzuführen. Von daher wird in der vorliegenden Untersuchung angestrebt, auf der Basis von empirischen Daten einen Beitrag zur Analyse von Nachfragen zu leisten, bei dem ein möglichst breites Spektrum an Nachfrageformulierungen abgedeckt wird. Um möglichst unterschiedliche Ausprägungen von Nachfragen und anderen Fragen zu erfassen, werden Daten aus unterschiedlichen Kontexten herangezogen. Es handelt sich im Einzelnen um informelle Telefongespräche, Beratungsgespräche aus dem universitären Kontext und eine Datenerhebung, die verschiedene Diskurstypen wie u. a. Argumentationen, Erzählungen und Instruktionen beinhaltet.

5

Mit I D - K e n n z i f f e r n wird im Folgenden auf die Belegstellen der eigenen Datens a m m l u n g e n verwiesen; die Kürzel "INF-TEL" verweist auf die D a t e n s a m m l u n g mit informellen Telefongesprächen. Vgl. hierzu die methodischen Erläuterungen unter Abschnitt 3.2.

6

1 Einleitung

Eine empirische Herangehensweise bietet den Vorteil, dass die Beispielsammlung nicht a priori von bestimmten Vorstellungen über Fragestrukturen, Mittel der Bezugnahme o. ä. geprägt wird, sondern sprachliche Wirklichkeit auch unabhängiger von Vorstellungen der Analysierenden zum Untersuchungsgegenstand werden kann. Letzteres gilt besonders auch für Bezugnahmen auf vorausgehende Äußerungen. Der Einsatz unterschiedlicher Mittel (Fragewörter, Rückfragepartikeln, Paraphrasierungen und Wiederholungen bzw. Echokomponenten) als Verweis auf vorausgehende Äußerungen im Kontext ist noch nicht ausreichend reflektiert worden. Auch die Besonderheiten von Echofragen gegenüber anderen Nachfragen scheinen noch wenig untersucht. Deshalb wird angestrebt, den sprachlichen Mitteln, auf denen die Fokussierung vorausgehender Äußerungen bzw. Äußerungsteile beruht verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit ist weiterhin, die Beschreibung von Formen und Funktionen von Nachfragen und Echofragen in einem allgemeineren Rahmen der Analyse von Interrogationen vorzunehmen, um Aussagen zu Besonderheiten von Nachfragen über einen Vergleich mit anderen Fragen abzuleiten. Durch die vergleichende Analyse von Nachfragen und anderen Fragen sind die empirischen Analysen auch in Bezug auf eine allgemeinere Befassung mit Fragen in mündlichen Kommunikationen von Interesse. Zum Untersuchungsbereich 'gesprochene Sprache' liegen nur vergleichsweise wenige und nur auf relativ begrenzten Daten basierende Studien vor (Hang 1976 und Selting 1995); umfassendere empirische Untersuchungen zu Strukturen von Fragen basieren nur auf schriftlichen Daten (Luukko-Vinchenzo 1988, Meibauer 1986, Fernandez Bravo 1993). Auch diesbezüglich sind weitere Untersuchungen ein Desiderat, da davon auszugehen ist, dass sich die besonderen Bedingungen gesprochener Sprache und mündlicher Kommunikation auch auf die Produktion von Interrogationen (ζ. B. Möglichkeiten des Einsatzes von syntaktischen und intonatorischen Markierungen) auswirken. In Zusammenhang mit der Analyse von Nachfragefunktionen leistet die Studie einen Beitrag zur Analyse interaktiver Verständnissicherung, indem im komplexen Problemfeld der Herstellung wechselseitigen Verstehens ein klar eingrenzbarer und empirisch nachvollziehbarer Teilbereich interaktiver Verständnissicherung analysiert wird. Darüber hinaus wird aber auch gezeigt, dass Nachfragen nicht nur zur Signalisierung von Verstehensproblemen, sondern auch zur Vergewisserung oder Signalisierung von Erwartungsproblemen sowie zu anderen

1.1 Zur E i n f ü h r u n g

7

Zwecken eingesetzt werden können. In Hinblick auf diese unterschiedlichen Nachfragefunktionen und Funktionsbereiche, die auch in den Darstellungen in der Literatur noch weitgehend unvermittelt nebeneinander stehen, wird versucht, den gemeinsamen 'Nenner' unterschiedlicher Nachfrageverwendungen aufzuspüren.

8

1.2

1 Einleitung

Fragestellungen und Überblick

Leitend für die Literaturdiskussion sind die folgenden Fragestellungen: - Welcher Status ist den Kategorien 'Nachfrage' und 'Echofrage' im Rahmen von Fragetaxonomien zuzusprechen? - Welche Beschreibungen von Frageformen und Fragestrukturen liegen in der Literatur zu Echofragen und anderen Nachfragen vor? - Welche Differenzierungen von Nachfragefunktionen finden sich in vorliegenden Beschreibungen? - Welche Bestimmungen von Form-Funktions-Bezügen werden in der Literatur vorgenommen? Für die Analysen im empirischen Teil der Untersuchung ergeben sich die folgenden Fragestellungen: - Welche Erscheinungsformen sind in Bezug auf Fragearten und strukturelle Ausprägungen von Echofragen und anderen Nachfragen aus den Daten abzuleiten? - Unterscheiden sich die Strukturen von Nachfragen und Echofragen von anderen (thematisch weiterführenden) Fragen? - Gibt es besondere Erscheinungsformen von Nachfragen in Abhängigkeit von bestimmten Satzmodus-Konstellationen wie Nachfragen nach Fragen und Nachfragen nach Aufforderungen? - Mit welchen Mitteln kann in Nachfragen eine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner hergestellt werden? - Inwiefern sind unterschiedliche Nachfragefunktionen empirisch nachvollziehbar? - Wie können unterschiedliche Nachfragefunktionen in einem systematischen Zusammenhang beschrieben werden? Schließlich wird auch eine Erklärung dafür gesucht, dass die vorliegenden Beschreibungen von Nachfrageformen und -funktionen in zentralen Punkten von eklatanten Widersprüchen geprägt sind. Teil 1 ("Einleitung") dient der Erläuterung des Untersuchungsgegenstands und des Aufbaus der Untersuchung. In Teil 2 ("Literaturdiskussion") werden als ,Forschungshintergrund' allgemeinere Aspekte angesprochen, die für eine sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Interrogationen relevant sind und Bereiche der Literatur diskutiert, in denen sich Beschreibungen von Formen und Funktionen von Nachfragen und Echofragen finden.

1.2 Fragestellungen und Überblick

9

In Teil 3 ("Analyserahmen") werden aus einer kritischen Diskussion der Literatur Beschreibungsdesiderate und Analysekategorien für eine empirische Analyse von Formen und Funktionen von Nachfragen abgeleitet. In Teil 4 ("Empirische Analysen") werden methodische Prämissen der Datenerhebung und Auswertung dargelegt und empirische Vorkommen von Nachfragen in Hinblick auf strukturelle Aspekte, Mittel der Bezugnahme und Nachfragefunktionen analysiert. In Teil 5 ("Diskussion") werden die Ergebnisse in Hinblick auf den Ertrag empirischer Analysen und Befunde zu Formen und Funktionen von Echofragen und anderen Nachfragen resümiert.

2

Literaturdiskussion

2.1

Formen und Funktionen von Interrogationen

Zunächst sind grundlegendere Probleme und Ansätze zur Beschreibung von Frageformen und Fragefunktionen von Interesse. Im Einzelnen wird auf Frage-Definitionen, Fragestrukturen, Satzmodus und Illokutionen sowie Frage-Antwort-Relationen sowie den Untersuchungsbereich 'gesprochene Sprache' eingegangen. Vor diesem Hintergrund findet anschließend eine ausführlichere Auseinandersetzung mit Literatur zu Nachfragen und Echofragen und dort gegebenen Form- und Funktionsbestimmungen statt. 2.1.1

Frage-Definitionen

Sucht man in der Literatur nach Antworten auf die Frage 'Was ist eine Frage', fällt zunächst auf, dass immer wieder hervorgehoben wird, dass Frage-Definitionen nur unter Bezugnahme auf unterschiedliche Dimensionen möglich sind. Dies gilt sowohl für Definitionsversuche in Grammatiken als auch sprachwissenschaftliche Literatur, die sich speziell mit Fragen befasst. Frage-Definitionen in gängigen Grammatiken sind aus zweierlei Gründen von Interesse. Zum einen präsentieren sich Darstellungen in Grammatiken oft als komprimiertes Wissen über Sprache und dienen oft als erste Informationsquelle. Zum anderen werden hier nicht nur Fragen, sondern (wie im Folgenden ausführlicher dargestellt) auch Nachfragen definiert. Im Allgemeinen werden Fragen in Grammatiken unter den Kapiteln "Satz" oder "Syntax" und in Zusammenhang mit der Darstellung der "Satzmodi" behandelt. Allerdings behandeln auch sehr umfangreiche Grammatiken das Phänomen der Interrogation und Fragen bis auf wenige Ausnahmen sehr knapp. Hier wird augenfällig, dass sich die Sprachwissenschaft vorwiegend auf die grammatische Beschreibung von Assertionen beschränkt hat1. Auffallend ist auch, dass die Ausführungen zur Einführung oder Definition des Phänomens 'Frage' in Grammatiken teilweise recht beliebig und nicht sehr systematisch erscheinen. Hierzu einige Beispiele aus Grammatiken, die im Folgen-

1

Entsprechende Einschätzungen finden sich auch bei Hundsnurscher (1975:1), Eisenberg (1989:411) und B ä u e r l e / Z i m m e r m a n n (1990:333).

2.1 F o r m e n und Funktionen von Interrogationen

11

den auch in Hinblick auf die Befassung mit Nachfragen von Interesse sind:2 Die Einführung in der Duden-Grammatik (6. Auflage 1998), die den Fragesatz (Kap. 1.2.2) unter 'Satzarten' behandelt, lautet: "Fragesätze oder Interrogativsätze treten in unterschiedlicher Gestalt ayf. Gemeinsam ist ihnen dabei ein 'Ich will wissen"1. (Duden 1998:611)

Ebenso wie die Duden-Grammatik beziehen sich auch Helbig/Buscha (1981) {Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht) auf die Dimension der Wissenserweiterung. Sie fuhren den Fragesatz (Kap. 3.4.2) unter 'Satzarten' folgendermaßen ein: "Wenn der Wirklichkeitsbezug eines Sachverhaltes unsicher oder unbekannt ist, dann fuhrt die Intention, diese Unsicherheit oder Unbekanntheit zu beseitigen, zur Formulierung eines Fragesatzes". (Helbig/Buscha 1981:542)

In der Neuauflage (15. Aufl. 1993) und weiter in der Neubearbeitung (2001) wird dagegen eher der Aufforderungscharakter von Fragen hervorgehoben: "Fragesätze werden vom Sprecher formuliert, wenn er über einen Sachverhalt nicht ausreichend informiert ist und der Gesprächspartner diese Information liefern soll. Fragesätze sind also Aufforderungen bestimmter Art, die im Unterschied zu den eigentlichen Aufforderungssätzen (...) aber nicht auf aktionale Reaktion, sondern auf verbale Reaktion (in Form einer Antwort) gerichtet sind." (Helbig/Buscha 2001:615)

Hentschel/Weydt (1. Auflage 1990) (Handbuch der deutschen Grammatik) behandeln Fragen unter 'Satzmodi' (Kap. 10.1) und bestimmen den Fragesatz folgendermaßen : "Der Fragesatz (Interrogativsatz, von lat. interrogare, 'fragen') ist eine Satzform, die eine genau bezeichnete Informationslücke der Sprecherin enthält, und zugleich eine Aufforderung an den Gesprächspartner darstellt, diese Lücke zu ffillen." (1990:370)

In der 3. Auflage 2003 wird stärker differenziert: "Der Interrogativsatz (von lat. interrogare, 'fragen') oder Fragesatz ist eine Satzform, mit der entweder Unsicherheit in bezug auf das Zutreffen einer Proposition (Entscheidungsfrage) oder eine spezifische Informationslücke (Bestimmungsfrage) bezeichnet wird. Im Normalfall stellt die Äußerung eines Interrogativsatzes zugleich eine Aufforderung an den Gesprächspartner dar, die fehlende Information zur V e r a g u n g zu stellen." (ebd. 415)

2

Die f o l g e n d e D a r s t e l l u n g von Frage-Definitionen konzentriert sich auf G r a m m a t i k e n , in denen auch eine Auseinandersetzung mit N a c h f r a g e n erfolgt.

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2 Literaturdiskussion

Hier wird nicht mehr davon ausgegangen, dass Fragen eine Aufforderung implizieren, sondern diese wird nur noch als 'Normalfall' angesehen. Auch andere Definitionen betonen einen 'Partner'-Bezug. So Engel (1996) (Deutsche Grammatik), der Fragen in Zusammenhang mit 'Sprechakten und ihren Ausdrucksformen' behandelt: "Der Sprecher m ö c h t e den Partner zu einer Mitteilung veranlassen mit dem Ziel, d a d u r c h sein eigenes Wissen zu erweitern." (Engel 1996:52)

In Zifonun et al. (1997:103ff.) ('Grammatik der deutschen Sprache1) werden Fragen als 'Quaestive' eingeführt, wobei auch auf den "Zweckbereich von Wissen" eingegangen wird: "Mit einer Frage bringt ein Sprecher nicht nur z u m A u s d r u c k , (a) dass er etwas nicht (sicher) weiß, (b) dies v o m Adressaten wissen will und (c) d a v o n ausgeht, dass der Adressat über das erforderliche W i s s e n verfügt. V o r allem m u ß der Sprecher ( a l ) ein bestimmtes repräsentatives Wissen schon haben, zu d e m er (a2) das N i c h t - G e w u ß t e b e s t i m m e n kann." ( Z i f o n u n et al. 1997:104)

Nicht nur in Grammatiken 3 , sondern auch in anderer Literatur, die sich mit Interrogationen befasst, bleiben die Definitionen des Phänomens 'Frage' oft relativ vage. Auch hier wird auf ganz unterschiedliche Aspekte des Phänomens Bezug genommen: So spricht Frier (1981) (Zur linguistischen Beschreibung von Frage-Antwort-Zusammenhängen) vor allem Aspekte der Informationserweiterung und einen Antwortbezug an: "Fragen sind durch Problemstellungen motiviert (eventuell auch durch vorang e h e n d e sprachliche Ä u ß e r u n g e n ) und werden mit d e m Ziel, spezielle Information zu erhalten, gestellt. Das Ziel der A n t w o r t ist (im N o r m a l f a l l ) die E r f ü l l u n g der I n f o r m a t i o n s e r w a r t u n g des Fragestellers." (Frier 1981:43)

3

Da hier nur Beispiele aus Grammatiken angeführt werden, die auch für die Behandlung von Nachfragen und/oder Echofragen von Interesse sind, sei angemerkt, dass sich auch bei der Betrachtung anderer Grammatiken ein ähnliches Bild ergibt. Vgl. hierzu beispielsweise die Definitionen und Einführungen zur Behandlung von Fragen bei Eisenberg (1989), Erben (1972) und Admoni (1982). Erben (1972:243) spricht von "einer Art syntaktischem 'Paradigma'" für "die kommunikativen Elementarleistungen". Admoni (1982) behandelt Fragesätze in Zusammenhang mit der "Einteilung der Sätze nach ihrer kommunikativen Aufgabe". Eisenberg (1989) behandelt Fragen vor allem in Zusammenhang mit der "Satzgliedstellung" und "Satztypen und topologischen Feldern" (ebd. 408ff.). Auch Eisenberg (1999/2001) {Der Satz) widmet Fragesätzen kein eigenes Kapitel. Jedoch findet hier eine ausführlichere Auseinandersetzung mit Fragepronomina (183ff.) und Frageadverbien (217ff.) sowie indirekten Fragesätzen (31 Off.) statt.

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

13

Interessant ist hier, dass auch Informationsgewinn in Bezug auf vorausgehende sprachliche Äußerungen Erwähnung findet und somit das Phänomen der Nachfrage von vornherein mitgedacht wird. Zaefferer (1984) (Frageausdrücke und Fragen im Deutschen. Zu ihrer Syntax, Semantik und Pragmatik) bezieht sich bei der Definition von Fragesätzen vor allem auf illokutive Aspekte: "In dieser Arbeit wird daher der Ausdruck ,Frage' ausschließlich für den Illokutionstyp der Frage oder erotetischen Illokutionstyp bzw. für die erotetische Lesart von Fragesätzen verwendet. Direkte Fragesätze sollen im folgenden Interrogativsätze, indirekte Fragesätze Interrogativsententiale heißen, der Oberbegriff für beide sei Interrogativa." (Zaefferer 1984:15)

Nach Rehbein 1999 (Zum Modus von Äußerungen) impliziert die "Frage als sprachliche Handlung" verschiedene Schritte: "Mit dem Frageelement werden allgemein folgende vier Schritte in Gang gesetzt: (i) im propositionalen Gehalt wird das von S Gewußte verbalisiert; (ii) komplementär zum Gewußten wird das von S Nicht-Gewußte als ein bestimmtes Nicht-Gewußtes (Wissensdefizit vs. Wissenslücke) sprachlich markiert; (iii) Adressierung von S an H; (iv) Η macht das als bestimmtes Nicht-Gewußtes sprachlich Markierte zum Ziel einer mentalen Wissenssuche (sowie zur Basis der anschließenden Verbalisierung in der Antwort)." (ebd. 106)

Dabei wird zwischen 'der Handlung der Frage und dem Interrogativ als einem Mittel zu deren Realisierung' unterschieden, wobei sprachliche Markierungen als Modusrealisierungen behandelt werden. 4 Burkhardt (1986) (Zur Phänomenologie, Typologie, Semasiologie und Onomasiologie der Frage) verweist wiederum auf den Aufforderungscharakter, einen Antwortbezug und den Aspekt der Informationserweiterung: "Die Frage läßt sich danach phänomenologisch, d. h. in ihren wesentlichen und grundlegenden Zügen, bestimmen als eine an einen Adressaten gerichtete Aufforderung, eine sprachliche Reaktion, genannt 'Antwort' so zu formulieren, dass eine im oder am propositionalen Gehalt der Sprecheräußerung gekennzeichnete Leerstelle durch eine passende Information ergänzt wird." (Burkhardt 1986:28)

Des Weiteren gibt Burkhard eine Bestimmung von Fragen, die allein auf formale Kriterien rekurriert: "Wenn also im folgenden von 'Frage' gesprochen wird, so soll dies bedeuten, dass eines der vier genannten formalen Kriterien: Intonation, Inversion (bei

4

Vgl. hierzu ausführlicher Teil 2.1.3.

14

2 Literaturdiskussion

der Ergänzungsfrage verbunden mit einem einleitenden Fragewort), beides oder 'explizit performative Formel' auf die betreffende Äußerung zutrifft." (Burkhardt 1986:34).

Damit beschreitet Burkhardt einen ähnlichen Weg bei der Bestimmung von Fragen, wie er von Bierwisch (1966) (Regeln für die Intonation deutscher Sätze) vorgezeichnet wurde. Bierwisch bestimmt Fragesätze im linguistischen Sinn' über ihre Struktur: "Eigenschaften, die die Struktur deutscher Fragesätze kennzeichnen, sind das Auftreten von Fragewörtern, die Spitzenstellung des Verbs und die Frageintonation. Diese drei Charakteristika sind in zunächst schwer durchschaubarer Weise miteinander kombiniert." (Bierwisch 1966:165)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei Definitionen von Fragen auf sehr unterschiedliche Dimensionen von Interrogationen Bezug genommen wird. Genannt werden: - Wissens- und Informationserweiterung, - Unsicherheiten und die 'Fraglichkeit' des Sachverhalts, - Partnerbezug, - Antwort-Bezug - Äußerungsstrukturen, - der Aufforderungscharakter von Fragen. Dabei erscheinen die verschiedenen Aspekte mit unterschiedlicher Gewichtung. Der Bereich der Wissens- bzw. Informationserweiterung sowie der Antwort- oder Partnerbezug und Aufforderungscharakter werden relativ häufig herangezogen, um Fragen zu definieren. Der Hinweis auf die 'Fraglichkeit' des Sachverhalts und insbesondere auch grammatische Bestimmungen bzw. Hinweise auf formale Aspekte der Bildung von Fragesätzen spielen in den Definitionen hingegen eine eher untergeordnete Rolle.5 Nur Bierwisch (1966) und Burkhardt (1986) gehen bei der Bestimmung von Fragen ausführlicher auf strukturelle Merkmale ein. Darauf, dass, - wie auch von diesen Autoren dargelegt - eine eindeutige Bestimmung von Fragen über einzelne formale Merkmale nicht möglich ist und selbst bei Berücksichtigung verschiedener Merkmale eindeutige Bestimmungen schwierig bleiben, mag zurückzuführen sein, dass formale Aspekte in den meisten Bestimmungen ausgeklammert werden oder zuweilen sehr vereinfacht erscheinen.

5

E r w ä h n e n s w e r t ist in diesem Z u s a m m e n h a n g auch, dass in m a n c h e n G r a m m a t i k e n gar keine Definition oder einführende Erläuterung des P h ä n o m e n s Frage gegeben wird. Dies ist ζ. B. in den 'Grundzügen' der Fall, die Fragen vor allem in Z u s a m m e n h a n g mit ' A b w a n d l u n g e n syntaktischer Grundstrukturen' behandeln (Heidolph et al. 1984:765).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

15

Im folgenden Abschnitt werden Beschreibungen von Fragestrukturen deshalb genauer betrachtet.6 2.1.2

Frageformen: strukturelle und syntaktische Aspekte

Bei der Befassung mit Strukturen von Fragen interessieren insbesondere syntaktische Aspekte im Sinne der Abfolge von Äußerungskonstituenten, wobei im Deutschen bei Entscheidungsfragen Verb-ErstStellung und bei Ergänzungsfragen Erst-Stellung des Fragewortes als Normalfall angesehen werden. Als zentrales Merkmal wird bei Entscheidungsfragen die Spitzenstellung des Verbs (Verb-Erst-Stellung) gesehen.7 Daneben wird bezogen auf Entscheidungsfragen auch die Intonation als Mittel der Kennzeichnung von Fragen angeführt, wobei jedoch über den Stellenwert von Intonation und Syntax unterschiedliche Auffassungen bestehen. 8 Dies äußert sich auch darin, dass sich bei der Beschreibung von Entscheidungsfragen nicht unerhebliche Diskrepanzen in Hinblick darauf zeigen, ob von Verb-Erst-Stellung als Standardfall ausgegangen wird, oder ob Verb-Zweit-Stellung und Verb-Erst-Stellung als alternative Möglichkeiten der Fragemarkierung angesehen werden. Im Prinzip überwiegt die Tendenz, formale Beschreibungen von Entscheidungsfragen zunächst ausschließlich unter Rekurs auf Verb-Erst-Stellung vorzunehmen (vgl. beispielsweise Zifonun et al. 1997:110, Duden 1998:592f, Hentschel/Weydt 2003:415, Oppenrieder 1991:224, Luukko-Vinchenzo 1988:123) und Verb-Zweit-Stellung als Besonderheit zu sehen und mit bestimmten Fragefunktionen in Verbindung zu bringen (vgl. beispielsweise Conrad 1978:126)." Seltener werden Ent-

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Für eine allgemeinere Übersicht zu unterschiedlichen Traditionen der Befassung mit Fragen auch in Logik und Sprachphilosophie vgl. insbesondere Egli (1976) (A bibliography on the theory of questions and answers). Zu einer weiteren Auseinandersetzung mit Frage-Definitionen vgl. auch Ginzburg (1996) (Interrogatives: Questions, Facts and Dialogue), Kerbrat-Orecchioni (1991:12ff.) (La Question), und Higginbotham (1996:363) (The Semantics of Questions). Hier ist auch ein typologischer Sprachvergleich interessant. So gibt es ζ. B. Sprachen, in denen Entscheidungsfragen durch Fragepartikel markiert werden (vgl. mi im Türkischen, hal im Arabischen oder ma im Chinesisichen). Zu sprachtypologischen Aspekten der Fragemarkierung vgl. auch Siemund (2001) (Interrogative Constructions) sowie Hentschel (1998) (Negation und Interrogation). Zur Frageintonation vgl. insbes. Bierwisch (1966) und Selting (1995). Auf diese Ansätze wird noch genauer eingegangen. Zur Intonation von Fragen vgl. vor allem auch Klein (1982) (Einige Bemerkungen zur Frageintonation), der sich insbesondere mit der Intonation von Entscheidungsfragen und kontextuellen Voraussetzungen befasst. Vgl. hierzu auch die unter Abschnitt 2.2 besprochenen Fragetypologien.

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2 Literaturdiskussion

scheidungsfragen mit Verb-Zweit-Stellung und 'rein' intonatorischer Markierung als gleichwertige Alternativen gesehen (so bei Admoni 1982:262, Fernandez-Bravo 1993:26,28 und Kerbrat-Orecchioni 1991:7).10 Unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Rolle von Verb-Erst-Stellung und Verb-Zweit-Stellung sind für die vorliegende Arbeit insofern von Belang, als diese Sichtweisen auch bei der Erstellung von Fragetypologien und -taxonomien und der Verortung von Nachfragen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Im Vergleich zu Entscheidungsfragen nimmt sich die Beschreibung von Ergänzungsfragen relativ einheitlich aus. Die Beschreibungen gehen im allgemeinen von der Positionierung des Fragewortes im Vorfeld und Zweitstellung des finiten Verbs als Regelfall aus (vgl. Fernandez-Bravo 1993:26ff., Frier 1981:48f, Conrad 1978:83, Oppenrieder 1991:244, Luukko-Vinchenzo 1988:16ff.). Ergänzungsfragen, bei denen das Fragewort nicht in Satzanfangsstellung, sondern satzintern positioniert ist, werden ausnahmslos als Sonderfall angesehen und vor allem in Zusammenhang mit Echofragen und Nachfragen sowie bei Examens- und Quizfragen und - allerdings seltener - bei anderen Fragen erwähnt (wie ζ. B. von Zifonun et al. 1997:646). Nichtsdestotrotz wird diesem als Besonderheit angesehenen Stellungsphänomenen viel Aufmerksamkeit gewidmet. Zunächst erhielt es in Diskussionen zu Echofragen unter Bezug auf generative Grammatiken und Annahmen über Tiefenstrukturen entsprechende Bedeutung." Des Weiteren werden Stellungsphänomene auch genereller in Hinblick auf die Informationsstruktur von Fragen diskutiert. So sieht Welke (1992) (Funktionale Satzperspektive. Ansätze und Probleme der funktionalen Grammatik) die Voranstellung von Fragepronomen oder

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A u c h in Hinblick darauf, wodurch ,rein intonatorische' M a r k i e r u n g gekennzeichnet ist, gestaltet sich die Beschreibung kompliziert, vgl. hierzu insbesondere L u u k o - V i n c h e n z o (1988:161) und N a j a r (1995:44), die dieser Frage mit entsprechenden Versuchsanordnungen zur E r f a s s u n g von Intonationsverläufen nachgehen. B e s o n d e r e A u f m e r k s a m k e i t wurde dem sog. 'wh-movement', d. h. der B e w e g u n g des Fragewortes in Vorfeldposition, geschenkt (vgl. C h o m s k y 1977). Entsprechende Überlegungen haben besonders auch die Literatur zu E c h o f r a g e n bestimmt. Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3 zu Echofragen). In der Transformationsgrammatik wurde zunächst kritisiert, dass sich die Beschreibung von Fragestrukturen in der traditionellen Grammatik zu sehr an Oberflächenstrukturen orientiert. In A b g r e n z u n g hierzu wurden Fragesätze zunächst als Transformationen betrachtet ( C h o m s k y 1957). Dann wurde die A n n a h m e eines Kategorialsymbols auf der Ebene der Tiefenstruktur eingeführt, so dass Fragesätze in diesem Sinne als 'markiert', Aussagesätze hingegen als 'unmarkiert' angesehen wurden. In diesem Z u s a m m e n h a n g wurden auch explizite Tiefenstrukturen für Fragesätze formuliert (für einen Überblick vgl. Hundsnurscher 1975:3 und Reis/Rosengren 1991a).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

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Frageadverbien in Hinblick auf Thema-Rhema-Gliederungen als Kennzeichnung der Informationseinheit, die das Thema repräsentiert (Welke 1992:40). Dik (1997) (The Theory of Functional Grammar) schreibt Fragewörtern bzw. Konstituenten mit Fragewörtern intrinsische FokusFunktionen zu (Dik 1997:264f) und konstatiert, dass in vielen Sprachen w-Ausdrücke wie Fokus-Konstituenten behandelt werden. Er unterscheidet drei Formen von w-Fragen: "a. Q-pattern John went to the dance with whom? b. Q-focus With whom did John go to the dance? c. Q-cleft Who was it that John went to the dance with? With whom was it that John went to the dance?" (Dik 1997:265)

Diese Konstruktionen werden in Bezug auf Vor- und Nachteile für die Informationsstruktur und Verarbeitungsprozesse diskutiert, wobei im Prinzip bei "Q-Focus"-Konstruktionen die meisten Vorteile gesehen werden (Dik 1997, Part 2:283). Dik geht hier allerdings nicht weiter auf die speziellen Bedingungen und Funktionen von Nachfragen und Echofragen ein. Ansonsten steht bei der Befassung mit Ergänzungsfragen die Auseinandersetzung mit Fragewörtern im Vordergrund. Die Befassung mit 'Fragepronomina' wird von Conrad als 'Angelpunkt der Beschreibung der Ergänzungsfragen' angesehen (vgl. Conrad 1978:84ff. auch für eine eingehendere Befassung mit Fragewörtern). Eine Befassung mit unterschiedlichen Arten von Fragewörtern findet auch bei Wunderlich (1976:242ff), Zimmermann (1988:284ff.) und Dik (1997:269ff.) ebenso wie bei Rehbock (1992:19ff.) und Rehbein (1999:11 lf.) statt. Des Weiteren leistet Eisenberg (1999) eine ausführliche Auseinandersetzung mit Fragewörtern, zum einen unter 'Frageadverbien' (217ff.) zum anderen unter Fragepronomina (183ff.). Im Vordergrund stehen dabei jeweils syntaktische Merkmale. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, auf welche Referenzbereiche und Satzkonstituenten mit Fragewörtern verwiesen werden kann. Hier sind Verweise auf Personen und Subjekte ('wer?'), Zeitpunkte und temporale Angaben ('wann?'), lokale Bestimmungen ('wo?'), Richtungen ('wohin?', 'woher?') u . a . m . möglich. Obgleich das Spektrum an Fragewörtern in bestimmten Teilbereichen wie ζ. B. Lokalität und Temporalität im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen sehr ausdifferenziert erscheint, gibt es interessanterweise keine Möglichkeit, mit Fragewörtern direkt nach Verbkonstituenten und Prädikaten zu fragen (vgl. hierzu insbesondere Conrad 1978:99f, der auch auf Umschreibungsmöglichkeiten mit 'tun' und 'machen' eingeht, so-

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2 Literaturdiskussion

wie Halliday 1985:83f und Dik et al. 1981:54). Dies trifft auch auf andere Sprachen zu. Dik führt aus: "For some reason, however, most languages have no straightforward possibility of questioning the identity of predicates."(Dik et al., 1981:54).

Die Problematik, auf welche Referenzbereiche respektive Äußerungskonstituenten eine bzw. keine direkte Bezugnahme durch spezifische Fragewörter möglich ist, ist insbesondere auch in Bezug auf Nachfragen und Echofragen von Belang.12 In Hinblick auf strukturelle Aspekte von Interrogationen werden auch indirekte und eingebettete Fragen thematisiert. Wunderlich (1976:185ff.) (Studien zur Sprechakttheorie) befasst sich ausführlich mit indirekten Fragesätzen und widmet vor allem 'ob'-Sätzen und Matrixsätzen Aufmerksamkeit. 13 Mit 'Fragesatzeinleitungen' und 'eingeleiteten Fragesätzen' befasst sich ebenso Frier (1981:69ff.). Bei Eisenberg (1999:3lOff.) werden 'Konjunktionalsatz und indirekter Fragesatz' sowie 'indirekter Fragesatz und Relativsatz' in Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede diskutiert. Zaefferer (1984:29ff.) behandelt unter 'Interrogativsententialen' verschiedene Formen von eingebetteten Fragen. Mit eingebetteten Interrogativsätzen ebenso wie mit selbständigen Interrogativsätzen befasst sich auch Rehbock (1992:34ff.). Eingebettete Fragen werden in Bezug auf 'illokutive Operatoren' auch von Dik (1997:283) diskutiert. Rehbein (2003) befasst sich mit Matrixsätzen unter der Fragestellung, welche Illokution diesen zugeschrieben werden kann. Als eine umfassendere Studie zu Fragestrukturen im Deutschen ist die Untersuchung von Luukko-Vinchenzo (1988) {Formen von Fragen und Funktionen von Fragesätzen. Eine deutsch-finnische kontrastive Studie unter besonderer Berücksichtigung der Intonation) zu nennen. Luukko-Vinchenzo untersucht syntaktische und intonatorische Aspekte im deutsch-finnischen Vergleich, wobei auch entsprechende Verwendungen der Äußerungsstrukturen in anderen Satzarten betrachtet werden. Datenbasis sind allerdings nicht spontane mündliche Kommuni-

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Dieser Aspekt wird in der Literatur zu N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n allerdings nicht weiter thematisiert, vgl. hierzu die Literaturdiskussion unter Abschnitt 2.2 und 2.3. Hier werden auch Verben in den einleitenden Sätzen klassifiziert (Wunderlich 1976:220ff.). Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Klassifikation findet sich bei Eisenberg (1989:337), der sich insbesondere mit der Einleitung von Nebensätze durch 'dass...' und 'ob...' befasst. Zu mit 'ob' eingeleiteten Nebensätzen vgl. auch Z i f o n u n et al. (1997:648).

2.1 F o r m e n und Funktionen von Interrogationen

19

kationen, sondern experimentell erhobene mündliche Produktionen auf der Basis vorgegebener Satzmuster.14 Mit der Intonation von Fragesätzen befasst sich auch eine kürzere Studie von Najar (1995), die gängige Vorstellungen über die Realisierung von Fragemarkierungen überprüft, jedoch ebenso nicht mit Spontandaten arbeitet. Auch eine andere Studie, die sich ausführlicher mit Interrogationen im Deutschen befasst, Fernandez-Bravo (1993) (Le.s enonces interrogatifs en allemand contemporain), stützt sich bei der Analyse von Interrogationen auf schriftliche Texte (ebd. lf). Die Analysen zielen primär auf strukturelle Bereiche, die die Signalisierung von Antworterwartungen betreffen. Hier finden sich auch ausfuhrlichere Analysen zu Modalpartikeln in Fragesätzen.15 Insbesondere mit Aspekten negierter Fragen - auch in einem sehr umfassenden Sprachvergleich - befasst sich Hentschel (1999) (Negation und Interrogation. Studien zur Universalität ihrer Funktionen). Der Sprachvergleich wird auf der Basis einer schriftlichen Befragung zu Übersetzungen bzw. Entsprechungen in anderen Sprachen vorgenommen; auch hier werden also keine Spontandaten aus mündlichen Kommunikationen zugrundegelegt. Eine Reihe von Studien zu einzelnen grammatischen Aspekten von Fragen im Deutschen enthalten des Weiteren die Sammelbände von Reis/Rosengren (1991) (Fragesätze und Fragen) und Schecker (1995) (Fragen und Fragesätze im Deutschen). Auch hier basieren die syntaktischen Beschreibungen von Fragen im allgemeinen auf schriftlichen Daten. Da davon auszugehen ist, dass - wie im Folgenden dargelegt mündliche Kommunikationen besonderen Bedingungen unterliegen, die auch die Produktion von Äußerungsstrukturen bestimmen, fehlen in Bezug auf das Untersuchungsinteresse der vorliegenden Arbeit noch empirische Analysen von Äußerungsstrukturen, auf die ein Vergleich von Nachfragen und anderen Fragen aufgebaut werden könnte.' 6 Die

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Bei der E r h e b u n g von Intonationsverläufen w u r d e so verfahren, dass 142 in Kontexte eingebettete schriftlich vorgegebene Beispielsätze von sechs Sprechern "möglichst natürlich" realisiert werden sollten (Luukko-Vinchenzo 1988:42f). Es ist j e d o c h davon auszugehen, dass sich dabei nicht unerhebliche Unterschiede zu spontanen Realisierungen zeigen.

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Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt 2.1.7 zur Analyse von Antworterwartungen. A n d e r e Studien zu Fragen im Deutschen, wie H a n g (1976) und Selting (1995) beruhen z w a r auf Daten aus spontanen mündlichen K o m m u n i k a t i o n e n , der Schwerpunkt der Beschreibungen liegt j e d o c h nicht auf syntaktischen, sondern auf anderen Aspekten (vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt 2.1.8 und 2.4.2).

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2 Literaturdiskussion

hiermit notwendige und in der vorliegenden Untersuchung angestrebte Analyse von Interrogationen ist folglich nicht nur in Hinblick auf die Beschreibung von Nachfragen, sondern auch genereller in Hinblick auf eine Analyse von interrogativen Strukturen von Interesse. Entsprechende Befunde sind nicht nur Voraussetzung, um Klärung in Hinblick auf die immer wieder postulierten 'Besonderheiten' von Nachfragen und Echofragen zu schaffen; auch darüber hinaus sind empirisch fundierte Beschreibungen von Interrogationen in mündlichen Kommunikationen noch als ein Desiderat anzusehen. 2.1.3

Fragemodus

Bei der Auseinandersetzung mit Satzarten und Satzmodi wird eine direkte Verbindung zwischen Äußerungsstrukturen und Äußerungsfunktionen angenommen.17 Satzmodi - und hiermit auch der Interrogativ-Modus - werden auch als grammatikalisierte Ausdrucksformen von Illokutionen angesehen. Die Verbindung zwischen Illokutionen und sprachlichen Ausdrucksformen steht im Zentrum des Interesses von neueren Ansätzen der funktionalen Grammatik. Satztypen werden bei Dik (1997) (The Theory of Functional Grammar) als Grammatikalisierung von Illokutionen interpretiert. Er bemängelt, dass sich die Sprechakttheorie bislang wenig um die Kodierung von unterschiedlichen Arten von Illokutionen gekümmert hat (ebd. 236). Aus linguistischer Sicht sieht er eine solche Vernachlässigung als bedauerlich an, denn nach seiner Auffassung können auch verschiedene Satztypen einen fruchtbaren Ausgangspunkt für eine illokutionären Theorie bilden. Im Rahmen eines solchen Ansatzes kann nach Dik auch Klärung in Hinblick auf die Interpretation indirekter Sprechakte geschaffen werden, indem differenziert wird zwischen der Intention des Sprechers, dem kodiertem semantischem Inhalt und der möglichen Interpretation.18 Dabei liegt nach Dik aus der Sicht der Grammatik das Hauptinteresse auf der kodierten Illokution. Dik (1997) betrachtet Fragen als Basis-Illokution. Die Begründung wird darin gesehen, dass nur bestimmte Illokutionen in Form von

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Für einen auf die Frageproblematik bezogenen Überblick vgl. die z u s a m m e n f a s s e n d e n Diskussionen verschiedener Ansätze in Meibauer (1986), G r e w e n d o r f / Z a e f f e r e r (1991) und Hentschel (1999). Im Prinzip werden in Hinblick auf die Illokution also drei Ebenen unterschieden. Hierüber wird auch erklärt, dass die Interpretation einer Illokution nicht mit der intendierten Illokution übereinstimmen kann (Dik 1997:231).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

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Satzmodi grammatikalisiert sind und der Interrogativ-Modus in allen Sprachen anzutreffen ist. "The most basic speech act types are those which have been so codified in all languages" (ebd. 237). "All languages have the three basic sentence-types Declarative, Interrogative, and Imperative." (ebd. 238)

Auch Sperber/Wilson (1995) (Relevance. Communication and Cognition) schreiben Interrogationen als Illokutionen eine besondere Rolle zu, nehmen aber in Hinblick auf die Grammatikalisierung als Satzmodus einen skeptischeren Standpunkt ein, indem sie anmerken, dass sprachliche Mittel zur Kennzeichnung oder Identifizierung von Satzmodi bislang nicht befriedigend beschrieben werden konnten: "Even the claim that there is a well-defined range of mutually exclusive syntactic sentence types is open to question." (...) "What undeniably exits is not a well-defined range of syntactic sentence types but a variety of overt linguistic devices - e. g. indicative, imperative or subjunctive mood, rising or falling intonation, inverted or uninverted word order, the presence or absence of Wh-words, or of markers such as 'let's' or 'please' which can guide the interpretation process in various ways. While it may be possible to build a theory of syntactic sentence types around these devices, as far as we know this work has not yet been done. In what follows, the use of such terms as 'declarative sentence', 'interrogative sentence' and so on should be regarded as nothing more than a convenient shorthand." (Sperber/Wilson 1995:247)

Sie problematisieren auch, dass eindeutige Abgrenzungen der Satzmodi nur schwer möglich seien, da Markierungen ganz unterschiedlicher Art zum Einsatz kommen. 19 Altmann wiederum sieht in seinen grundlegenden Ausführungen zu Satzmodi den Fragemodus als komplexes sprachliches Zeichen, und befasst sich intensiv mit verschiedenen Möglichkeiten der sprachlichen Markierung, wobei ihn insbesondere Uneindeutigkeiten einzelner Merkmale interessieren. Der Ansatz von Altmann (1984) {Linguistische Aspekte der Intonation am Beispiel Satzmodus) sowie Altmann (1987) (Zur Problematik der Konstitution von Satzmodi als Formtypen) wurde vielfach anderen Analysen zu Interrogationen zugrundegelegt. 20 Alt19

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So schließt bemerkenswerter Weise auch die Abhandlung zu 'Relevance. C o m m u n i cation and cognition' mit einer A n m e r k u n g , die die Interpretation von Satzmodi betrifft: "Thus, illocutionary force indicators such as declarative or imperative mood or interrogative word order merely have to make manifest a rather abstract property of the speaker's informative intention: the direction in which the relevance of the utterance is to be sought." (Sperber/Wilson 1995:254) So beziehen sich beispielsweise Oppenrieder (1991) und L u u k k o - V i n c h e n z o (1988) auf Altmann.

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2 Literaturdiskussion

mann strebt - ausgehend von der Beobachtung, dass in der Literatur oft eine Vermischung von Form- und Funktionsaspekten vorgenommen wird - eine konsequente Trennung von 'Formtypen' und 'Funktionstypen' an. Der Satzmodus wird bestimmt als "komplexes sprachliches Zeichen mit einem Form- und Funktionsaspekt" (ebd. 22). Unter 'Satzmodus' versteht Altmann: " S a t z m o d u s als d e r g r u n d l e g e n d e B e g r i f f soll im f o l g e n d e n d i e r e g e l m ä ß i g e Z u o r d n u n g eines Satztyps (oder einer Gruppe von Satztypen) mit angebbaren formalen Eigenschaften zu einer bestimmten Art von Funktion (oder zu einer G r u p p e v o n F u n k t i o n e n ) im s p r a c h l i c h e n H a n d e l n , d i e ich F u n k t i o n s t y p n e n n e n will, bezeichnen". (Altmann 1987:22)

In Bezug auf Interrogationen werden Ύ-1-Fragesatz' und 'w-V-2Fragesatz' als Grundtypen unterschieden.21 Daneben werden 'Mischtypen' angesetzt, die die formalen Merkmale von verschiedenen Grundtypen aufweisen. Diese Mischtypen sind hier von besonderem Interesse, insofern Altmann u. a. ,RÜCKFRAGEN' als Beispiel für einen Mischtyp anfuhrt. 22 Bei Altmann wird diesen Nachfragen und ähnlichen Fragen damit ein besonderer Status in Hinblick auf den Satzmodus zugeschrieben. Auch Zifonun et al. (1997:643ff.) sehen gewissermaßen Übergangsformen, sie sprechen u. a. von ,aufbauenden Formtypen' und ,Überprägungen' bei Nachfragen und Rückfragen. Problematisierungen des Satzmodus-Aspektes für bestimmte Frageformen stehen auch im Zentrum der Analysen von Hentschel (1998) (Aspekte von Interrogation und Negation), die den Status von negierten Fragen unter Einbezug eines Vergleichs mit zahlreichen anderen Sprachen erörtert. Negierte Fragen sind ein Phänomen, das vor allem auch in Hinblick auf die Signalisierung von Antworterwartungen als bedeutsam angesehen werden kann. Der Schwerpunkt bei Hentschel liegt jedoch auf der Auseinandersetzung mit Satzmodustheorien - und hier insbesondere mit Brandt etal. (1992) und Grewendorf/Zaefferer (1991) - , wobei sie zeigt, dass eindeutige Satzmodus-Definitionen und

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22

Als weitere Grundtypen werden gesehen: 'AUSSAGESATZ', 'V-L/V-2-LMPERATLVSATZ', Ύ-1-WUNSCHSATZ', 'V-1-/V-2-EXKLAMATIVSATZ' und 'W-V-2-/W-V-L-EXKLAMATIVSATZ' (vgl. Altmann 1987:47ff.). Die 'RÜCKFRAGE' wird bestimmt als "segmental identischer Satztyp, allerdings ohne Modalpartikel, mit stark steigendem Tonverlauf in der Nukleussilbe und sehr hohem Offset"; vgl. Altmann (1987:49). Als weitere Mischtypen werden die 'ASSERTIVE FRAGE' (Mischung aus 'Aussagesatz' + 'V-1-Fragesatz') ( z . B . Die Bayern spielen schlecht?') und die 'W-VERSICHERUNGSFRAGE' (Mischung aus 'Aussagesatz' + 'wFragesatz') (ζ. B. Die Schlacht bei Issos war wann?') angeführt (vgl. Altmann 1987:49).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

23

insbesondere eindeutige Kriterien zur Identifizierung von Satzmodi, vor allem auch unter Berücksichtigung sprachtypologischer Unterschiede, nicht ohne weiteres zu finden sind. Eine Beschreibung unterschiedlicher Markierungsmöglichkeiten findet sich bei Rehbein (1999) (Zum Modus von Äußerungen), der im Einzelnen auf 'Konstituentenstruktur und Wortstellung', 'Intonation', und 'Adressierung' als sprachliche Markierungsmöglichkeiten sowie 'Abfolgebeziehungen' eingeht (Rehbein 1999:98ff.). Da es dieser Beschreibung zufolge möglich ist, auch allein über Abfolgebeziehungen als Fragehandlungen erscheinenden Äußerungen den Fragemodus zuzuschreiben, wird eine Unterscheidung zwischen der "Handlung der Frage und dem Interrogativ als einem Mittel zu deren Realisierung" wie sie bei Rehbein (1999:105) an anderer Stelle getroffen wird, unscharf. Allerdings wird damit ein wichtiger Aspekt, der für den Vollzug und die Interpretation von Fragehandlungen bedeutsam ist, erfasst. 2.1.4

Fragefunktion, Illokution und Erotetizität

In sprechhandlungstheoretisch und pragmatisch orientierten Ansätzen steht die Betrachtung von Fragehandlungen im Vordergrund. Thematisiert wird u. a., dass mit Fragesätzen auch andere Handlungen als Fragehandlungen, und umgekehrt, Fragehandlungen auch mit anderen Arten von Sätzen bzw. Äußerungsformen ausgeführt werden können. Zur Unterscheidung von 'Fragehandlung' und 'Fragesatz' führt Wunderlich (1976) aus:23 "Ein besonderes verbales Schema für die Ausführungen von Fragehandlungen sind die Fragesätze (Hervorhebung im Original, M. R.); formal sind sie durch den Interrogativmodus gekennzeichnet. Es gibt aber auch andere verbale Möglichkeiten, um eine Fragehandlung auszuführen, wenn vielleicht auch wenig sicherere. Andererseits stellt nicht jede Äußerung eines Fragesatzes eine Fragehandlung dar." (ebd. 182)

In diesem Zusammenhang wird auch angesprochen, dass Fragen in besonderem Maße geeignet sind, andere Sprechhandlungen, wie ζ. B. Aufforderungen zu realisieren, wobei hier von 'indirekten Sprechakten' (vgl. z.B. Zimmermann 1988:10Iff.) bzw. 'indirekten Sprechhandlungen' gesprochen wird (vgl. insbesondere Searle (1979) (Expression and Meaning. Studies in the Theory of Speech Acts) sowie Sökeland (1980) (Indirektheit von Sprechhandlungen).

23

Zur Unterscheidung von 'Fragesätzen' und 'anderen Formulierungen von Fragen' vgl. ebenso Zaefferer (1981) und Burkhard (1978:45).

24

2 Literaturdiskussion

Grundlegend für die Betrachtung von Fragen als Fragehandlungen und andere Sprechakte sind die Ausführungen von Austin und Searle, in denen sprechhandlungstheoretische Prämissen zur Beschreibung von Fragehandlungen entwickelt werden.24 Bei Austin (1962) (How to do things with words) werden Fragen bei der Einteilung der illokutionären Rollen zu den 'expositiven Äußerungen' ('expositives') gerechnet (vgl. Austin 1962:160ff.). Bei der Einfuhrung dieser Kategorie, die bezeichnenderweise als 'schwer defmierbar' charakterisiert wird, heißt es, dass diese insbesondere der Verdeutlichung des Stellenwerts von Äußerungen dienen: "(...) expositives, are difficult to define. They make plain how our utterances fit into the course of an argument or conversation, how we are using words, or, in general, are expository." (Austin 1962:151)

Ferner wird zu 'expositives' ausgeführt, dass ein hoher Anteil mit konversationellem Austausch in Zusammenhang steht: "An enormous number (i. e. of expositives, M. R.), such as 'question', 'ask', 'deny', &c., seem naturally to refer to conversational exchange: but this is no longer necessarily so, and all, of course, have reference to the communicational situation." (Austin 1962:161)

Austins Klassifikation von Sprechakten basiert primär auf einer Einteilung von Verben, wobei 'ask' auch 'inform' und 'answer' gegenübergestellt wird.25 Weitere Ausführungen zu Fragen finden sich in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Searle (1969) (Speech acts) geht bei der Beschreibung von 'types of illocutionary acts' ausführlicher auf Fragen ein, wobei die Frageklassifikation auch auf allgemeineren Überlegungen zum Verhältnis von 'Wort' und 'Welt' beruht.26 In diesem Zusammenhang werden Regeln formuliert, die die Produktion dieser Sprechakte bzw. sogenannte 'Gültigkeitsbedingungen' oder 'Gelingensbedingungen' ('felicity conditions') betreffen. Diesbezüglich wird zu Fragen (questions) ausgeführt: "Prepositional Content:" "Any proposition or prepositional function." "Preparatory:" "1. S does not know 'the answer', i. e. does not know if the pro-

24

25 26

Zur Auseinandersetzung mit Fragen in sprechhandlungstheoretischer Tradition vgl. auch H u n d s n u r s c h e r (1975:9f), Fernandez-Bravo (1993:5ff.) und Z i m m e r m a n n (1988:77ff. u. 113ff.). ' A n s w e r ' wird unter Punkt 3 (in Entsprechung zu 'teil' und 'inform' angeführt, 'ask' erscheint davon abgegrenzt unter Punkt 3a (vgl. Austin 1962:161). N e b e n Fragen werden hier als weitere Sprechakte dargestellt: 'Request', 'Assert', 'State (that)' 'Affirm 1 , "Thank (for)', 'Advise', 'Warn, Greet, Congratulate' (vgl. Searle 1969:66).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

25

position is true, or, in the case of the propositional function, does not know the information needed to complete the proposition truly (...)· 2. It is not obvious to both S and Η that Η will provide the information at that time without being asked." "Sincerity:" S wants this information." "Essential:" "Counts as an attempt to elicit this information from H." (Searle 1969:66)

Relativ häufig problematisiert wird die unter den 'preparatory rules' genannte Bedingung, dass der Sprecher über die erfragte Information noch nicht verfügt - meist unter Verweis auf Examensfragen. Einschränkende Anmerkungen finden sich jedoch auch schon bei Searle, der diese Bedingungen auch schon selbst in Hinblick auf die Verwendung von 'exam questions' thematisiert (Searle 1969:66). Sprechhandlungstheoretisch wird insbesondere auch der Fragen immanente Aufforderungscharakter diskutiert. So sind nach Searle (1979) (Expression and Meaning) Fragen zu den Direktiva zu zählen und damit als Aufforderungshandlungen zu betrachten (Searle 1979:13ff.). Wunderlich (1976) (Studien zur Sprechakttheorie) geht hingegen in kritischer Auseinandersetzung mit Searle davon aus, dass Fragen eher als eigenständiger Typ von Sprechakten zu betrachten sind.27 Damit schließt er allerdings nicht aus, dass Fragen auch als eine spezielle Art von Aufforderungen verstanden werden können:28 "Fragen bilden einen eigenen Typ von Sprechakten. In vielen Fällen können Fragen zwar als spezielle Aufforderungen verstanden werden (nämlich als Aufforderungen, eine Antwort zu geben), jedoch trägt diese Auffassung nichts dazu bei, die Natur der Frage zu klären, weil das Konzept des Antwortgebens nach wie vor auf das Konzept der Frage verweist." (Wunderlich 1976:191).

Wunderlich argumentiert auch, dass die Natur der Frage nicht allein unter Rekurs auf ,Antworten' zu klären sei (1976:191). Er unterscheidet als illokutive Typen neben dem repräsentativen Typ (Behauptungen, Feststellungen u. ä.), den direktiven Typ (Aufforderungen) und den erotetischen Typ (Fragen) (vgl. Wunderlich 1976:119). Die Ausführungen zum erotetischen Illokutionstyp zielen bei Wunderlich vor allem darauf ab, diesen vom direktiven Illokutionstyp und

27 28

Eine ähnliche Position n i m m t ζ. B. auch Sökeland (1980) ein. Z u m A u f f o r d e r u n g s c h a r a k t e r von Fragen vgl. auch Z i m m e r m a n n (1988:82ff.) und Conrad (1978:19ff.). Conrad unterscheidet hier einen aussagelogischen Standpunkt, einen imperativlogischen Standpunkt und eine spezielle Interrogativlogik. Unterschiede sieht er darin, wie die A u f f o r d e r u n g s k o m p o n e n t e gewichtet und welcher Sonderstatus Fragen zugeschrieben wird.

26

2 Literaturdiskussion

Aufförderungen abzugrenzen (Wunderlich 1976:167ff.)29 Dabei sieht Wunderlich (1976:167ff.) den "Ursprung der Frage" in einem "kognitiven Defizit", worüber auch der 'erotetische Typ' vom 'direktiven Typ' abgegrenzt werden kann. So spricht auch Burkhardt (1986:45) von der 'erotetischen Basisillokution', Zaefferer (1984:15) vom 'erotetischen Illokutionstyp' bzw. der 'erotetischen Lesart von Fragesätzen' und Luukko-Vinchenzo (1988:13) von der 'erotetischen Einstellung'. Die Betrachtung von Fragen als Ausdruck von Erotetizität ist für die folgenden Analysen insofern von Belang, als im Ausdruck von Nicht-Wissen und der Signalisierung eines Wissensdefizits die grundlegende Bedeutung von Interrogationen gesehen werden kann. Speziell in Hinblick auf Nachfragen und Echofragen folgt daraus, dass auch diese ihrem Wesen nach als Ausdruck von Erotetizität - und zwar speziell als Ausdruck eines Nicht-Wissens bzw. Informationsdefizits in Bezug auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner angesehen werden können. Sprechhandlungstheoretisch orientierte Ausführungen analysieren auch spezifische Ausprägungen von Fragen in unterschiedlichen situativen und institutionellen Kontexten. So befasst sich Wunderlich (1976) u. a. mit der Verwendung von Fragen in richterlichen Befragungen, mit Fragen im schulischen Unterricht und Fragen in universitären Sprechstunden. Analysen zu Fragen im Unterricht liegen im deutschsprachigen Raum vor allem aus dem Bereich der Funktionalen Pragmatik vor (vgl. insbes. Ehlich 1981). Fragen werden hier als Handlungsmuster begriffen.30 Das Muster der Frage wird in Abgrenzung zum Muster des Assertierens beschrieben und in Hinblick auf Defizienz von Wissensbeständen und deren Ausgleich analysiert (ebd. 266ff). Pragmatisch orientierte Studien zu Frageverwendungen in unterschiedlichen Situationen und Kontexten finden sich auch in Kerbrat-Orecchioni (1991) ('La question'). Analysen zu Fragen in verschiedenen Situationen enthält ebenso Zimmermann (1988) (Fragehandlungen und Frage-

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Dabei wird in Bezug auf Illokutionen im allgemeinen davon ausgegangen, dass diese eine pragmatische und eine semantische Komponente haben (vgl. Meibauer 1987a:9). "Der illokutive Typ der Frage ist Teil der Bedeutung eines Fragesatzes; zur semantischen Charakterisierung eines illokutiven Typs gehört, was generell der Zweck dieses Sprechakts ist und welche generellen Bedingungen für den Erfolg des Sprechaktes gelten." (Wunderlich 1976:220) Zur Funktionalen Pragmatik allgemein vgl. insbes. Ehlich (1991) (Funktional pragmatische Konversationsanalyse), zu sprachlichen Handlungsmustern vgl. Ehlich/Rehbein 1979) (Sprachliche Handlungsmuster).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

27

verben. Ein Beitrag zur Vermittlung von Pragmatik, Grammatiktheorie und Lexikographie). Der Schwerpunkt der Analysen von Zimmermann liegt auf einer Auseinandersetzung mit Frageverben, wobei lexikologische Aspekte in Verbindung zu grammatischen und pragmatischen Theorien gesetzt werden. Eine sprechakttheoretisch orientierte Auseinandersetzung mit Fragen leistet des Weiteren Meibauer (1986) (Rhetorische Fragen), der rhetorische Fragen in Hinblick auf die Spezifik von Satztypen und Sprechakttypen sowie sprachliche Anzeichen für die Rhetorizität' untersucht. Diese Untersuchung ist in Bezug auf den hier vorliegenden Untersuchungsgegenstand 'Nachfragen' von besonderem Interesse, insofern rhetorische Fragen in Hinblick auf den Status der Fragekategorie eine ähnliche Problematik aufweisen. 31 In pragmatischer Orientierung finden sich darüber hinaus eine Fülle von Beschreibungen von Fragen in unterschiedlichen Kontexten. Dabei steht die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten und -funktionen im Zentrum des Interesses. 2.1.5

Fragen in der Relevanztheorie

Eine pragmatisch orientierte Auseinandersetzung mit Fragen findet auch bei Sperber/Wilson (1988) (Relevance: communication and cognition) statt. Im Rahmen der Relevanz-Theorie befassen sich diese insbesondere mit Prüfungsfragen, rhetorischen Fragen und anderen Fragen, die ansonsten für sprechhandlungstheoretische Beschreibungen Probleme aufwerfen, da sie der Grundannahme, dass Fragen darauf abzielen, Informationsdefizite zu decken, entgegenstehen: "Speech-act theorists tend to analyse interrogative utterances as a special subtype of directive speech act: specifically, as requests for information (see Searle 1969 (...)). However, exam quetions (...), rhethorical questions (...) expository questions (...), self-adressed questions (...) and indirect questions (...) all present problems for this approach." (Sperber/Wilson 1995:251)

In Auseinandersetzung mit entsprechenden Frageverwendungen wird argumentiert, dass Fragen nicht als Bitten um Information, sondern primär unter Rekurs auf Antwortbezüge zu analysieren sind (vgl. insbes. Wilson/Sperber 1988 Mood and the analysis of non-declarativ sentences). Dabei wird von der Überlegung ausgegangen, dass die 'Relevanz' einer Antwort beispielsweise bei Examensfragen nicht darin liegt, bestimmte Informationen zu liefern, sondern dass eine Antwort auch aus anderen Gründen relevant sein kann (vgl. hierzu Wilson/

31

Vgl. hierzu die Auseinandersetzung mit Frageklassifizierungen und Fragekategorien.

28

2 Literaturdiskussion

Sperber 1988 sowie Blakemore 1992:114ff.). Aber nicht nur Antworten, sondern auch Fragen selbst werden in Hinblick auf RelevanzGesichtspunkte erörtert, wobei die Relevanz einer Frage wiederum daraus abgeleitet wird, dass sie signalisiert, dass eine Antwort relevant ist: "This suggests that a question achieves relevance by representing its answer. That is, it is relevant in virtue of being an interpretation of a relevant thought namly, its answer." (ebd. 115) 32

Das Verhältnis zwischen Frage und Antwort wird bei Ergänzungsfragen darüber charakterisiert, dass das Fragewort als Variable betrachtet werden kann, die bestimmt werden muss, um eine vollständige Proposition zu erhalten. Einen Wert für die Variable anzugeben, bedeutet eine Antwort auf die Frage zu geben. Die Vervollständigung der unvollständigen Proposition ist also eine relevante Antwort (vgl. auch Blakemore 1992:117). In Hinblick auf die Analyse von Entscheidungsfragen, die sich in Bezug auf die Beschreibung von Propositionen weniger problematisch gestalten, wird ein weiterer Unterschied zu anderen pragmatisch und sprechhandlungstheoretischen Ansätzen deutlich. Beschreibungen von Propositionen, die vornehmlich mit Wahrheitsbedingungen argumentieren, werden problematisiert; demgegenüber wird hervorgehoben, dass die in Propositionen zum Ausdruck kommenden Annahmen sich vor allem auch in Bezug auf die Stärke der Annahme (strength of assumption) unterscheiden können. Da sich Sperber/Wilson auch gegen das sog. 'code model' wenden und ein 'inferential model' propagieren, indem sie davon ausgehen, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen den semantischen Repräsentationen von Sätzen und den Gedanken, die kommuniziert werden sollen, besteht, wird Verstehen nicht nur als Dekodieren begriffen, sondern vielmehr als Erkennen von Intentionen. 'Strength of assumption' ist dabei ein Aspekt, der insbesondere in Bezug auf 'inferentional comprehension' (vgl. hierzu Sperber/Wilson 1987:701) von Bedeutung ist. "For instance, assumptions based on a clear conceptual experience tend to be very strong; (...) the strength of assumptions arrived at by deduction depends on the strength of the premises from which they were derived. Thereafter, it might be that the strength of an assumption is increased every time it helps in processing some new information and is diminished every time it makes the processing of new information more difficult." (Sperber/Wilson 1987:701)

32

Fragen werden in der Relevanz-Theorie, wie andere Ä u ß e r u n g e n auch, als Interpretationen von G e d a n k e n ("interpretations of thought") betrachtet: "on a m o r e f u n d a m e n t a l level, every utterance is used to represent a thought of the speaker's".(Sperber/Wilson 1995:230).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

29

Diese Überlegungen sind auch in Bezug auf Satzmodus-Beschreibungen sowie Echofragen und andere Nachfragen von Belang, da sich anknüpfend hieran auch unterschiedliche Sicherheitsgrade in Bezug auf Inferenzen und Antworterwartungen und in Nachfrageformulierungen beschreiben lassen. Auf relevanztheoretische Analysen zu Echofragen wird deshalb bei der Auseinandersetzung mit Literatur zu Nachfragen noch genauer eingegangen. 33 2.1.6

Fragen in der Konversationsanalyse

In der Konversationsanalyse spielen Fragen insbesondere bei dem Versuch, Prinzipien der Sequenzialität zu analysieren eine wichtige Rolle. Die Beziehungen zwischen Fragen und Antworten werden immer wieder als prototypisches Beispiel herangezogen, um zu verdeutlichen, dass Äußerungen enge Verbindungen aufweisen können. An Fragen und Antworten als paarigen Sequenzen, sog. Adjacency Pairs, wird gezeigt, welche Rolle die Sequenzialität für die Äußerungsproduktion und -interpretation spielt. Insbesondere die Beschreibung von Fragen als erste Teile von Adjacency Pairs und sequenziellen Aspekten in der Konversationsanalyse sind für die Analyse des Verhältnisses von Frageform und Fragehandlung von Bedeutung. In Schegloff/Sacks (1973) ('Opening up Closings') und Schegloff (1984) (On Some Questions and Ambiguities in Conversation) werden als wesentliche Charakteristika für Adjacency Pairs angeführt, dass diese zwei Äußerungen umfassen, dass diese aufeinander folgen und dass diese von verschiedenen Sprechern produziert werden: "Adjacency pairs consist of sequences which properly have the following features: (1) Two utterance length; (2) adjacent positioning of component utterances; (3) different speakers producing each utterance." (Schegloff/Sacks 1973:295)

Des Weiteren wird als wesentlich angesehen, dass es bestimmte Reihenfolgen gibt und mit der Produktion von bestimmten ersten Teilen bestimmte zweite Teile relevant werden: "Adjacency pair sequences, then, exhibit the further features (4) relative ordering of parts (i. e., first pair parts precede second pair parts), and (5) discriminative relations (i. e., the pair type of which a first pair part is a member is relevant to the selection among second pair parts)." (ebd. 296)

33

Vgl. hierzu auch die A u s f ü h r u n g e n zu relevanztheoretischen Analysen von 'echo questions' unter Abschnitt 2.3.5.

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2 Literaturdiskussion

In Einklang mit dieser Beschreibung können bestimmte Äußerungen - wie ζ. B. Fragen - als 'erste Teile', andere - wie ζ. B. Antworten - als 'zweite Teile' charakterisiert werden:34 " T h e t y p o l o g y o p e r a t e s in t w o w a y s : it partitions u t t e r a n c e t y p e s into ' f i r s t pair p a r t s ' (i. e., first p a r t s of pairs) a n d s e c o n d pair parts; a n d it a f f i l i a t e s a first p a i r part a n d a s e c o n d pair part to f o r m a 'pair type'. ' Q u e s t i o n - A n s w e r ' , ' g r e e t i n g - g r e e t i n g ' , ' o f f e r - a c c e p t a n c e / r e f u s a l ' are i n s t a n c e s of pair t y p e s . " (Schegloff 1984:33)

Goffman (1981:6ff.) knüpft in 'Replies and Responses' an diese Beschreibung von 'adjacency pairs' aus den Lectures von Sacks und beschreibt die Verbindung folgendermaßen: " N o t w i t h s t a n d i n g t h e c o n t e n t of their q u e s t i o n s , q u e s t i o n e r s are o r i e n t e d t o w h a t lies j u s t a h e a d , a n d d e p e n d on w h a t is to c o m e ; a n s w e r e r s are o r i e n t e d to w h a t h a s j u s t b e e n said, and look b a c k w a r d , not f o r w a r d . " (ebd.: 5)

Sequenzialität ('sequential ordering') als grundlegendes Prinzip konversationeller Organisation impliziert, dass bestimmte Aktivitäten reguläre Plätze haben, an denen sie vorkommen (können) bzw. erwartbar sind.35 "By c o n d i t i o n a l r e l e v a n c e of o n e item on a n o t h e r w e m e a n : g i v e n t h e first, t h e s e c o n d is e x p e c t a b l e ; " (ebd. S c h e g l o f f 1986:364) 3 6

Sacks (1972/1986:341) spricht hier auch von 'slots'. Dass das Ausbleiben von Aktivitäten spürbar ist, wird als Prinzip der 'konditioneilen Relevanz' beschrieben. Als Beleg dafür, dass sich die Gesprächspartner an diesem Prinzip orientieren, wird gesehen, dass dann, wenn zweite Teile ausbleiben, Reaktionen zu beobachten sind, die sich auf das Aus-

34

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Einige Anmerkungen zu Frage-Antwort-Sequenzen finden sich bereits in Sacks (1972:344) {On the Analyzability of Stories by Children, im Folgenden zitiert nach dem Wiederabdruck Sacks 1986) sowie in Sacks/Schegloff/ Jefferson (1974) (A simplest systematics for the organization of Turn-Taking for Conversation). Sequenzialität wird bereits in früheren Arbeiten der ethnomethodologisch orientierten Konversationsanalyse als grundlegendes Prinzip der Gesprächsorganisation analysiert. Vgl. hierzu Sacks (1989:35) (Lectures 1964-1965: Lecture One 'Rules of Conversational Sequence*) und Sacks (1986). Mit Sequenzen befasst sich auch Schegloff (1972 b) (Notes on a conversational Practice: formulating place) sowie Schegloff (1980:117ff. und 128ff.) (Preliminaries to preliminaries: Can I askyou a question). Für eine kritische und kontroverse Auseinandersetzung mit Sequentialität und ihrer Rolle für Gesprächsanalyse und Theoriebildung vgl. auch die Kontroverse zwischen Searle (1992) und Schegloff (1992a). Als kritische Auseinandersetzung mit Annahmen der Konversationsanalyse allgemein vgl. die Kontroverse zwischen Billig (1999 a u. b) und Schegloff 1999 a u . b). Zuerst erschienen in Gumperz/Dell Hymes (1972).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

31

bleiben beziehen. So werden Fragen beim Ausbleiben von Antworten oft wiederholt. 37 Die Befassung mit Prinzipien der Sequenzialität ist nicht auf zweigliedrige Sequenzen beschränkt, sondern schließt auch umfassendere Aspekte der Gesprächsorganisation ein. Zunächst wird in Bezug auf Zwei-Parteien-Konversationen allgemein festgehalten, dass diese, basierend auf der Regel 'one party at a time' offensichtlich als wechselnde Abfolge von Äußerungen nach dem Schema "abab" erscheinen (Schegloff 1972/1986:350). Speziell in Bezug auf Frage-AntwortSequenzen beobachtet Sacks, dass diese häufig aufeinander folgen, was er auf eine sog. 'Chaining rule' zurückfuhrt: 38 "A person w h o has asked a question can talk again, has, as w e m a y put it, 'a reserved right to talk again' (...). And, in using the reserved right he can ask a question. I call this rule the 'chaining rule', and in combination with the first rule it provides for the occurrence of an indefinitely long conversation of the f o r m Q - A - Q - A - Q - A - . . . . " (Sacks 1986:343)

Nicht unproblematisch erscheint hier jedoch die vorausgesetzte Regel, mit der ausgeschlossen erscheint, dass auf Antworten keine weiteren Aktivitäten der Gesprächspartner folgen.39 Hier ist eher anzunehmen,

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Das Prinzip der konditionellen Relevanz ist nicht auf Frage-Antwort-Sequenzen beschränkt, sondern gilt auch für andere adjacency pairs wie beispielsweise Gruß und Gegengruß oder allgemeiner für 'summons'. Als Beispiele fur 'summons' - auch als 'attention getting device' - bezeichnet, werden u. a. Namensnennungen oder Höflichkeitsformeln wie 'Entschuldigung' angeführt (Schegloff 1986:357). Auch die Beschreibung von 'summons' sind fur die Befassung mit Fragen von Interesse, da angegeben wird, dass diese typischerweise mit einer Intonationskontur realisiert werden, die Frageintonation entspricht (ζ. B.: Johnny?) (Schegloff 1986:358). Auch dieses Prinzip wird wiederum nicht auf Frage-Antwort-Sequenzen beschränkt gesehen. Schegloff (1986:359) beschreibt in Abgrenzung zu 'QA'-Abfolgen auch Abfolgen von Summons und Answers 'SA'. Hier als Bezeichnung für zweite Teile 'Answer' beizubehalten, erscheint jedoch etwas irreführend. Deutlicher wird das Prinzip, wenn - wie bei Goffmann - allgemeiner von Response bzw. Erwiderung gesprochen wird. "One basic rule of two-party conversation concerns a pair of objects, questions and answers. It runs: If one party asks a question, when the question is complete, the other party properly speaks, and properly offers an answer to the question and says no more than that (sic! MR). The rule will need considerable explication, but for now, it will do as it stands" (Sacks 1986: 343)._ In Sacks 1972/1989 wird (Lecture seven: On Questions) auch von einer Abfolge "question, talk, question, talk, etcetera, etcetera." gesprochen, Lecture twelve auf S. 177 wiederum "von Q-A, Q-A, Q-A, etcetera.". Hier wäre genauer zu untersuchen, unter welchen Bedingungen sich die Aktivitäten auf Antworten beschränken und wann dies nicht der Fall ist. Interessant ist diesbezüglich auch eine Untersuchung von Matsumoto (1999) zu 'andprefaced questions' in institutionellen Diskursen, in der eine Verbindung zwischen Fragereihen und Frageeinleitungen mit 'and' gesehen wird.

32

2 Literaturdiskussion

dass entsprechende Abfolgen weniger lokal als vielmehr durch übergeordnete Prinzipien der Gesprächsorganisation bestimmt sind. Sequentielle Aspekte stehen auch im Mittelpunkt in Jefferson (1972), die sich mit 'Side Sequences' befasst. Hier werden u. a. eingebettete Fragesequenzen beschrieben.40 Sequenzielle Aspekte stehen ebenso in Schegloff s Befassung mit Ankündigungen von Fragen und anderen Aktivitäten im Vordergrund (vgl. Schegloff 1980) (Preliminaries to Preliminaries: Can I ask you a question). Fragen, mit denen Fragen angekündigt werden, werden als 'Pre's' und Ankündigungen in Hinblick auf Regelungen von weiteren Rederechten und bzw. das Ansprechen von heiklen Themen (pre-delicates) analysiert. Das Prinzip der Sequenzialität wird auch an Gesprächsausschnitten verdeutlicht, in denen 'zusammengehörige Teile' wie Frage und Antwort bzw. Bitte und Zustimmung sehr weit auseinanderliegen. Hier wird gezeigt, dass 'Adjacency' nicht durch Nähe als unmittelbare Abfolge oder zeitliche Aspekte bestimmt ist, sondern - unter Umständen auch eine Vielzahl anderer Aktivitäten 'dazwischen', i. e. vor der Produktion des zweiten Teils erfolgen können (vgl. hierzu insbes. Schegloff 1990) (The Organization of Sequences as a Source of 'Coherence' in Talk-in-Interaction).4' In diesem Zusammenhang wird ebenso argumentiert, dass nicht nur - wie oft angenommen - Topic und thematischer Zusammenhang Kohärenz schaffen, sondern Kohärenz vielmehr über sequentielle Organisation hergestellt wird. Über Prinzipien sequentieller Organisation wird desgleichen erklärt, dass auch Äußerungen, die zunächst keinen thematischen Zusammenhang aufweisen, als zusammenhängend interpretiert werden können. Des Weiteren können aufgrund von Abfolgerelationen Äußerungen auch dann als Fragen interpretiert werden, wenn keine Fragemarkierungen vorhanden sind. Von Bedeutung sind hier die interaktive Vorgeschichte und die Platzierung der Aktivität für die Interpretation: "Participants are oriented to finding coherence- 'if they can'; that ist the import of the 'why that now' question." (Schegloff 1990:73)

Das Prinzip der Sequenzierung und die Frage 'why that now?' wird als zentral für die Produktion und Interpretation von Gesprächsaktivitäten und sprachlichen Äußerungen angesehen. Auf dieser Grundlage können auch Äußerungen als Fragen betrachtet werden, die keine entsprechen40 41

Vgl. hierzu auch Kap. 2.5 zu N a c h f r a g e n als Initiierungen von Reparatursequenzen. Hier wird eine Belegstelle aus einem Telefongespräch präsentiert, bei der der erste und zweite Teil 81 Transkriptzeilen auseinander liegen.

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

33

den syntaktischen, lexikalischen oder prosodischen Markierungen aufweisen. Umgekehrt wird auch argumentiert, dass nicht alle Äußerungen mit Fragemarkierungen als Fragen zu betrachten sind. Als Beispiel hierfür führt Schegloff (1984:32f) u. a. Fragen an, die zur Abschwächung von Aufforderungen oder Beschwerden eingesetzt werden.42 Allerdings merkt Schegloff an, dass im Prinzip immer noch eine Frage impliziert ist: "(...) t h o u g h , interestingly e n o u g h , a question w o u l d still b e a v a i l a b l e to a literal a n a l y s i s (...)" ( S c h e g l o f f 1984:32)

Entsprechende Formulierungsalternativen werden jedoch nicht weiter erörtert, es bleibt offen, warum in diesen Fällen die Frageform eingesetzt wird. Die Annahme liegt nahe, dass - wenn auch nicht die erfragte Information - so doch das Frageformat interaktiv relevant ist. Mit dem Verhältnis von Frageformen und Fragehandlungen befassen sich auch Heritage/Roth (1995) (Grammar and Institution: Questions and Questioning in the Broadcast News Interview). Grammatik wird als Ressource gesehen, Fragen zu kodieren (ebd.: 5), es wird aber ebenso davon ausgegangen, dass Fragen auch anders realisiert werden können. Sie unterscheiden zwischen 'Interrogatives' als grammatisch markierten Fragen und Fragen, die diese Markierungen nicht aufweisen. Am Beispiel von Fragen in Rundfunk-Interviews wird argumentiert, dass auch Äußerungen ohne Fragemarkierung die selbe Funktion erfüllen können: " A l t h o u g h they are o b v i o u s l y not syntactically f o r m e d q u e s t i o n s , they n o n e theless are d e s i g n e d and u n d e r s t o o d as 'calling for an a n s w e r ' . " ( H e r i t a g e / R o t h 1995:33)

Kritisch ist allerdings anzumerken, dass in Hinblick auf einzelne Beispiel-Interpretationen genauer zu prüfen wäre, ob diese Äußerungen wirklich die selbe Funktion erfüllen. Hier könnte eingewandt werden, dass es auch hier einen Unterschied macht, ob das Frageformat eingesetzt wird oder nicht. Ein Unterschied kann in der Art der Kontrolle gesehen werden, die jeweils auf die Folgeäußerungen ausgeübt wird, da als folgende Aktivität entweder eine Gegenreaktion auf eine Meinungsbekundung oder aber eine Reaktion auf ein Frageformat relevant wird.

42

Schegloff verweist hier auch auf Sacks (1989) {Lectures), der gezeigt hat, dass auch explizit performative Äußerungen nicht immer als solche, i. e als die jeweils bezeichneten Sprechakte, fungieren. Nach Sacks können auch Äußerungen mit den Sprechaktbezeichnenen Verben "I promise" oder "I bet" oft etwas anderes bedeuten. Auch hier wird für die Interpretation als bedeutsam angesehen, wie die Äußerungen platziert sind (Schegloff 1984:30).

34

2 Literaturdiskussion

Des Weiteren zeigen Heritage/Roth am Beispiel ihrer InterviewAnalysen wie Fragen beispielsweise auch als Vorwürfe eingesetzt werden können. (Heritage/Roth 1995:47f). Jedoch wird auch hier nicht weiter ausgeführt, welche Funktion das Frageformat jeweils erfüllt. Dass durchaus Unterschiede zu sehen sind, zeigen die umfassenden Analysen von Günthner (2000) (Vorwurfsaktivitäten in der Alltagskommunikation), die den Einsatz unterschiedlicher Vorwurfsformate analysiert und Vorwürfe im Frageformat in Relation zu anderen Vorwurfsformaten erörtert (ebd.:95ff. und 11 Iff.). Auch in anderen Analysen wird immer wieder angesprochen, dass Fragen zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden können. So fuhrt ζ. B. Sacks (1986) an, dass Fragen von Personen mit reduziertem Rederecht als Einstieg in ein laufendes Gespräch ('ticket') genutzt werden können. Zahlreiche Beobachtungen zu unterschiedlichen Fragefunktionen liegen des Weiteren auch in Hinblick auf die Analyse von Reparaturen und Reparaturinitiierungen vor und werden im Folgenden noch ausführlicher dargestellt (vgl. Abschnitt 2.5). Zunächst ist jedoch in Hinblick auf die Analyse von Fragen allgemein festzuhalten, dass in der Konversationsanalyse das Verhältnis von Frageform und Fragefunktion anders als in anderen Ansätzen gesehen wird. Schegloff kehrt die aus der Sicht der Sprechakttheorie gestellte Frage nach dem Verhältnis von Äußerungsform und Handlung um: "Even where an utterance is in the linguistic form of a question, and seems to be doing questioning, the latter will not be adequately accounted for by the former. For if the question form can be used for actions other than questioning, and questioning can be accomplished by linguistic forms other than questions, then a relevant problem can be posed not only about how a question does something other than questioning, but about how it does questioning; not only about how questioning is done by nonquestions forms, but about how it gests accomplished by question forms". (Schegloff 1984:34f)

Hier wird nicht nur das Problem gesehen, dass Fragen andere Funktionen übernehmen können, sondern es wird auch danach gefragt, wie es vor diesem Hintergrund möglich ist, Fragen als Fragehandlungen zu interpretieren. Dabei wird wiederum argumentiert, dass insbesondere Aspekte der Positionierung und Sequenzierung als wesentlich für Äußerungsproduktion und -interpretation anzusehen sind. Insgesamt macht die Analyse von Fragen in der Konversationsanalyse deutlich, dass nicht nur sprachliche Markierungen die Interpretation von Äußerungen als Frageaktivitäten bestimmen, sondern auch sequentielle Aspekte wie die Platzierung von Äußerungen wirksam sind. Zudem wird deutlich, wie stark über Fragen anschließende

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

35

Gesprächsaktivitäten der Gesprächspartner gesteuert werden können, indem diese im Sinne einer 'konditioneilen Relevanz' nicht nur als erwartbar sondern auch verpflichtend behandelt werden. Unbefriedigend bleibt, dass in manchen Analysen 'anderer Aktivitäten' die Unterschiede zwischen dem Einsatz des Frageformats und anderen möglichen Äußerungsformaten vernachlässigt werden. 2.1.7

Frage-Antwort-Relationen und Antworterwartungen

Frage-Antwort-Relationen spielen auch in grammatischer und fragesemantischer Tradition eine Rolle: So wird schon bei der Definition des Phänomens 'Frage' oft auf Frage-Antwort-Relationen Bezug genommen oder es werden unterschiedliche Antwortmöglichkeiten als Kriterium für die Unterscheidung von Ergänzungs- und Entscheidungsfragen oder Alternativfragen als Fragearten herangezogen.43 Verschiedene Aspekte der Beziehungen zwischen Fragen und Antworten werden zusammenfassend von Frier (1991) (Zur linguistischen Beschreibung von Frage-Antwort-Zusammenhängen) und insbesondere von Conrad (1978) (Studien zur Syntax und Semantik von Frage und Antwort) erörtert.44 Frier (1981) nähert sich der Beschreibung von Frage-Antwort-Zusammenhängen eher unter 'pragmatheoretischer Sicht'; Anliegen von Conrad (1978) ist die Aufdeckung grundlegender Zusammenhänge und Möglichkeiten der Beschreibung von FrageAntwort-Beziehungen, wobei er auch auf Erkenntnisse der Interrogativlogik Bezug nimmt.45 Speziell in Bezug auf Entscheidungsfragen ist auch von Bedeutung, dass Antworterwartungen unterschiedlicher Art zum Ausdruck gebracht 43

44

45

D a n e b e n wird in der Literatur diskutiert, welchen Kriterien verbale Reaktionen zu genügen haben, die als angemessene Antworten zu werten sind. Vgl. hierzu die Uberblicke in Conrad (1978:66ff.) und Z i m m e r m a n n (1988:133) sowie insbes. G r e w e n d o r f (1983). Als weitere Überblicke zur Frage-Antwort-Relation vgl. B ä u e r l e / Z i m m e r m a n n (1990:339ff.), Peretti (1993:39ff.) und Hang ( 1 9 7 6 : 1 6 3 f f ) . Zur Beschreibung von Antworten allgemein Conrad (1978:51 ff.), Grewendorf (1981 und 1983) sowie Z i m m e r m a n n (1988:122ff.). Conrad (1978) unterscheidet hier drei Ansätze: Einen 'aussagenlogischen Standpunkt' (vertreten durch Harrah, 1963, und Stahl, 1967), einen 'imperativlogischen Standpunkt' (vertreten durch Aquist und Frey) und eine spezielle 'Interrogativlogik' bzw. 'erotetische Logik' (vertreten durch Belnap). Er sieht eine engere Auseinandersetzung mit diesen Fragen j e d o c h nicht als A u f g a b e der Linguistik an (Conrad 1978:17ff.). V o n Belang in Bezug auf interrogativlogische Überlegungen sind insbesondere auch Krallmann/ Stickel (1981), Hölker (1981) und Loeser (1968). Mit 'Frage, A n t w o r t und Fokus' befasst sich Reich (2003), der insbesondere die Wohlgeformtheitsbedingungen für Antworten auf Ergänzungs-, Entscheidungs- und Alternativfragen genauer untersucht.

36

2 Literaturdiskussion

werden können. Entscheidungsfragen, in denen bestimmte Antworterwartungen zum Ausdruck kommen, werden als 'TENDENZIELLE FRAGEN' (vgl. Zimmermann 1988:93ff.) bzw. 'DUBITATIVE' oder 'PRÄSUMPTIVE FRAGEN' (vgl. Conrad 19878:45f) oder als 'TENDENZIÖSE FRAGEN' (vgl. Franck 1979) bezeichnet.46 Unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung von Antworterwartungen behandelt Conrad (1976 und 1978), der zwischen Antwort'erwartung' und Antwort'determination' unterscheidet. Von "struktureller Antwortdetermination" spricht Conrad, um die Beziehung zwischen der Bedeutungsstruktur des Fragesatzes und der Bedeutungsstruktur des Antwortsatzes zu kennzeichnen (Conrad 1978:32f). Antworterwartungen werden demgegenüber definiert als Vermutungen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Antworten, d. h. zustimmende oder verneinende Reaktionen, erwartet werden: "Wir w o l l e n unter struktureller Antwortdetermination diejenige B e z i e h u n g zwischen Frage und A n t w o r t verstehen, durch die die M e n g e der linguistisch m ö g l i c h e n oder zulässigen Antworten definiert ist. D e m g e g e n ü b e r stellt die A n t w o r t e r w a r t u n g eine A n n a h m e oder V e r m u t u n g des Fragestellers über diej e n i g e ^ ) A u s s a g e ( n ) dar, die er mit einem b e s t i m m t e n Wahrscheinlichkeitsgrad a u f seine F r a g e hin als A n t w o r t erwartet." (Conrad 1978:43)

Die Beschreibung von sprachlichen Mitteln, mit denen Antworterwartungen zum Ausdruck gebracht werden können, bleibt bei Conrad (1978) allerdings recht vage.47 Als Mittel der Markierung von Antworterwartungen werden Intonation, Syntax, Partikeln und 'Nachsätze' genannt: "Dazu zählen insbesondere die Intonation, die W o r t s t e l l u n g und v e r s c h i e d e n e Partikeln, w i e 'wohl', 'denn', 'etwa' u. ä. sowie N a c h s ä t z e des T y p s 'ja', 'nicht', 'nicht wahr'." (Conrad 1978:129-130)

46

47

Zuweilen wird auch in Bezug auf Ergänzungsfragen von 'Antworterwartungen' gesprochen (vgl. beispielsweise Rehbock (1986) (Arten der Antworterwartung in Ergänzungsfragen). Es handelt sich bei dieser Auseinandersetzung jedoch um eine andere Art von Antworterwartung und wesentlich eingeschränktere Kontexte. Die Analyse von Antworterwartungen bei Entscheidungsfragen stellt hingegen einen eigenständigen Untersuchungsbereich dar. Er geht zudem davon aus, dass Antworterwartungen nicht in jedem Fall Entsprechungen in strukturellen Merkmalen aufweisen müssen, sondern allein aus dem Kontext hervorgehen können: "Zunächst scheint es so, dass jede neutrale Frageform bereits durch einen entsprechenden Kontext bzw. eine entsprechende Situation, in der sie geäußert wird, präsumptiven oder dubitativen Charakter erhalten kann, ohne dass dies in der Form des Fragesatzes reflektiert wird." (Conrad 1978:129)

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

37

Detailliertere Ausführungen zu diesen Mitteln bzw. zur Markierung von Antworterwartungen werden nicht gemacht.48 Auch bei Zimmermann (1988:93f), bleiben die Ausführungen zu sprachlichen Mitteln, mit denen Erwartungshaltungen zum Ausdruck gebracht werden können, eher kursorisch: "Oft haben tendenzielle Fragen die Form von Satzfragen; nicht selten findet sich, wenn eine intensive Erwartungshaltung des Sprechers vorliegt, als indirekt realisierte Fragehandlung die Aussageform mit interrogativer Intonation (...). Modalpartikeln wie 'doch', 'etwa', 'wohl' und Negationspartikeln (...) sind von besonderer Relevanz; gelegentlich erscheinen auch 'Frageanhängsel 1 ." (Zimmermann 1988:94)

Ausführlichere Analysen zu Antworterwartungen finden sich in Fernandez-Bravo (1993). Hier werden verschiedene Mittel, die zur Signalisierungen unterschiedlicher Antworterwartungen eingesetzt werden können, eingehender dargestellt. Im einzelnen wird auf Verb-ZweitStellung und ,tags' eingegangen. Besondere Aufmerksamkeit wird auch der Rolle verschiedener Modalpartikeln (insbes. 'auch', 'doch', 'schon', 'wohl' und 'mal') sowie dem Einsatz von Negationen gewidmet. Kallmeyer (2005) (Struktur von Fragen und Antworten) erläutert in Bezug auf. 'Bestätigungsfragen', wiederum vor allem intonatorische Mittel: "Die Wortstellung entspricht einer Aussage. Der Fragecharakter wird prosodisch, insbesondere durch steigende Intonation markiert (du kommst morgen?). In Abhängigkeit vom ausgedrückten Grad der Gewissheit ist auch fallende Intonation möglich, wenn kontextuell klar ist, dass es sich um eine Aufforderung zur Bestätigung handelt (du kommst morgen?)" (Kallmeyer 2005:1)

Fragen dieser Art werden hier auch als 'Tendenzfragen' bezeichnet. Für die vorliegende Studie interessiert die Frage, mit welchen sprachlichen Mitteln Antworterwartungen zum Ausdruck gebracht werden können, vor allem in Hinblick darauf, wie diese speziell bei Nachfragen und Echofragen eingesetzt werden (können). Von besonderem Interesse ist hier die Verbstellung, da Nachfragestrukturen meist als Verb-Zweit-Stellung beschrieben werden, und hiermit ein Strukturmerkmal genannt wird, das ansonsten als typisch für die Markierung von (positiven) Antworterwartungen erachtet wird. Von daher ist speziell in Bezug auf Nachfragen und Echofragen zu klären, wie sich Mög-

48

Diesbezüglich findet sich nur noch die A n m e r k u n g , dass Präsumptivität wohl im allgemeinen durch Partikeln und Dubitativität durch Negationen z u m A u s d r u c k gebracht würde.

38

2 Literaturdiskussion

lichkeiten und Prinzipien der Markierung von Antworterwartungen unter diesen Voraussetzungen gestalten. Aspekte der Antworterwartung interessieren in der vorliegenden Arbeit zudem, weil bei der Beschreibung von Nachfragen und Echofragen immer wieder Bestätigungs- und Vergewisserungsfunktionen angesprochen werden.49 Die Analyse von Möglichkeiten der Signalisierung unterschiedlicher Antworterwartungen wird im Folgenden gerade auch in Hinblick auf Nachfragefunktionen und speziell Funktionen der Verständnissicherung für aufschlussreich erachtet. 2.1.8

'Gesprochene Sprache' und Interrogationen

Da Nachfragen typischerweise ein Phänomen mündlicher Kommunikationen sind, ist auch der Untersuchungsbereich 'gesprochene Sprache' von Belang. Dieser hat bereits eine längere Tradition, deren Beginn bei Behagel (1927) (Von deutscher Sprache) (bzw. einer seiner Vorträge 1899)50 angesetzt werden kann. Die Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache wurde dann zunächst durch die Arbeit der Freiburger Forschungsstelle "Gesprochene Sprache" geprägt (vgl. insbesondere Steger (1964) (Gruppensprache) und (1987) (Bilden gesprochene Sprache' und geschriebene Sprache' eigene Sprachvarietäten?)).51 Grundsätzlichere Aspekte der Unterscheidung gesprochener und geschriebener Sprache reflektiert Klein (1986) (Gesprochene Sprache geschriebene Sprache). Er geht von einer Priorität der gesprochenen Sprache aus - sowohl in Bezug auf menschheitsgeschichtliche als auch individuelle biographische Entwicklungen. Unterschiede zwischen gesprochener Sprache und geschriebener Sprache werden in Hinblick auf das Medium, die Situationsgebundenheit, die Verarbeitungszeit und Normierungen erörtert. Schrift wird als 'sekundäre Repräsentationsform' gesehen. In Bezug auf die Frage, ob es in Bezug auf das heutige

49 50 51

Teils werden hier getrennte Kategorien angesetzt, teils werden beide Erscheinungen zu einer Kategorie zusammengefasst (vgl. hierzu Abschnitt 2.2). Vgl. hierzu den Vortrag aus dem Jahr 1899 mit dem Titel "Geschriebenes und gesprochenes Deutsch" in Behagel (1927). Als Beispiel für eine frühe Studie aus diesem Bereich und Überblick zu früheren Untersuchungen vgl. insbes. Schank/Schönthal (1976) (Gesprochene Sprache) sowie Betten (1976) (Ellipsen, Anakoluthe und Parenthesen). Für die Befassung mit Gesprochener Sprache in anderen Sprachen vgl. insbesondere Söll (1985) (Gesprochenes und geschriebenes Französisch).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

39

Deutsch gerechtfertigt erscheint, von zwei unterschiedlichen Systemen zu sprechen, gelangt Klein zu dem Schluss:52 " K e i n e F r a g e ist j e d o c h , d a s s e s z w i s c h e n m a n c h e n F ä l l e n g e s p r o c h e n e r u n d m a n c h e n Fällen geschriebener Sprache strukturelle U n t e r s c h i e d e gib, die nicht nur auf die , P e r f o r m a n z e b e n e ' liegen, sondern das z u g r u n d e l i e g e n d e

System

- oder zugrundeliegenden Systeme - betreffen." (Klein 1985:28)

Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache sieht Klein vor allem in den Frequenzen einzelner Phänomene. Speziell in Bezug auf Interrogationen ergeben sich jedoch weiterreichende Unterschiede, da die Satzmodalität im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen in mündlichen Kommunikationen (allein) durch Intonation markiert werden kann.53 Schwitalla (1997) (Gesprochenes Deutsch. Eine Einführung) fasst Befunde aus verschiedenen Untersuchungen mit der Absicht zusammen, den aktuellen Forschungsstand auf dem Gebiet 'gesprochene Sprache' zu resümieren. Als Bezugsgrößen der Analyse gesprochener Sprache werden nicht Sätze, sondern Äußerungseinheiten betrachtet (ebd. 50ff.). Als sprachstrukturelle Merkmale werden u. a. Laute und Silben, Lexik und Semantik sowie Syntax angesprochen. Grundsätzliche Unterschiede zur geschriebenen Sprache werden in besonderen Bedingungen mündlicher Kommunikation gesehen: Genannt werden u. a.: 'Flüchtigkeit der Rede', 'Spuren der Gedankenbildung', und 'Aspekte der Anwesenheit von Sprecher und Hörer'. Hier findet sich auch ein kurzer Abschnitt zu 'Echofragen', wobei diese allerdings sehr verkürzt und auf die Funktion 'Überraschung, Ungläubigkeit' reduziert, dargestellt werden (ebd. 122). Speziell mit methodischen Aspekten der Untersuchung gesprochener Sprache befassen sich die Beiträge in Richter (1993) (Methodische Grundfragen der Erforschung gesprochener Sprache). Studien speziell zu syntaktischen Aspekten vereint der Sammelband von Schlobinski

52

53

Hier wird angemerkt, dass sich die Schriftsprache im Deutschen nicht so weit von der gesprochenen Sprache entfernt hat, wie dies bei m a n c h e n anderen Sprachen der Fall ist. Als Beispiel für eine Sprache, bei der die Unterschiede größer sind, nennt Klein das Französische und als Beispiele für besonders starke A b w e i c h u n g e n das Arabische und Chinesische (Klein 1985:28). Klein geht davon aus, dass deshalb bei geschriebener Sprache andere Mittel eingesetzt werden müssen und dass nicht auszuschließen ist, dass dies auch zu V e r ä n d e r u n g e n in B e z u g auf die Sprachstruktur und das zugrundeliegende System fuhren kann (Klein 1985:17). In diesem Z u s a m m e n h a n g ist auch die Kennzeichnung von Fragen durch Fragezeichen und die historische Entwicklung entsprechender Interpunktionszeichen von Belang. Vgl. hierzu Simmler (1994).

40

2 Literaturdiskussion

(1997) {Syntax des gesprochenen Deutsch). Aufschlussreich für die Untersuchung von Interrogationen ist hier insbesondere die Studie von Auer (1997) (Formen und Funktionen der Vor-Vorfeldbesetzung im gesprochenen Deutsch) insofern sich entsprechende Phänomene auch bei Formulierungen von Interrogationen in den eigenen Daten häufig beobachten lassen. Von Interesse in Hinblick auf die Untersuchung von Nachfragen ist desweiteren besonders die Auseinandersetzung mit Ellipsen (vgl. Busler/Schlobinski (1997) (Über 'Ellipsen', syntaktische Formate und Wissensstrukturen) und Selting (1997) (Sogenannte 'Ellipsen' als interaktiv relevante Konstruktionen?). Auch hier werden zwar im allgemeinen keine Interrogationen angesprochen, jedoch erweisen sich Betrachtungen zu Ellipsen als typischem Phänomen gesprochener Sprache insofern als interessant, als eigene Befunde im empirischen Teil der Arbeit zeigen, dass auch Nachfragen häufig als Ellipsen realisiert werden. Von daher sind hier auch die Analysen von Klein (1985b und 1993) sowie Hoffmann (1999) von Interesse. Aufschlussreich sind hier auch neuere Ansätze, der interaktionalen Soziolinguistik/Linguistik, die versuchen die Analyse grammatischer Strukturen von vornherein unter stärkerer Berücksichtung des Prozesscharakters der Sprachproduktion vorzunehmen. Auer (2005) {Syntax als Prozess) sieht unter anderem folgende Anforderungen: Eine entsprechende Syntaxbeschreibung muss ,inkrementeH' sein, indem sie linearer Sprachproduktion und -rezeption Rechnung trägt, sie muss dialogisch orientiert sein und sie muss dem Zeitdruck von Sprachproduktion und -reproduktion Rechnung tragen (ebd.:2).54 Dies findet auch Anwendung in Hinblick auf die Interpretationen elliptischer Äußerungen, die hier von vornherein unter stärkerer Berücksichtigung der vorausgehenden Äußerungen analysiert werden. Vor dem Hintergrund einer 'inkrementellen Syntax' werden Ellipsen nicht mehr als Auslassungen bzw. 'Wegstreichen von Strukturelementen' analysiert, sondern u. a. als Äußerungen, deren Produktion auf der Ausnutzung vorangegangener Strukturen beruht (ebd.:9). Von Interesse sind hier auch Analysen von sogenannten 'dichten Konstruktionen' von Günthner (2006) {Dichte Konstruktionen). Konstruktionen sind definiert als rekurrente sequenzielle Muster, die spezifische Funktionen übernehmen. So werden auch elliptische Strukturen nicht als 'unvollständige' und 'reduzierte' Sätze gesehen, sondern als 'syntaktisch produktive Muster', die zur 'Ausführung spezifischer

54

Vgl. hierzu auch Auer (2005) (Projection

in interaction

and projection

in

grammar).

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

41

kommunikativer Aufgaben eingesetzt werden' (ebd.:2). Günthner kommt in Bezug auf'dichte Konstruktionen' zu dem Schluss: "Die vorliegenden Konstruktionen, die allesamt den Regeln der deutschen Standardgrammatik widersprechen, da sie 'obligatorische' syntaktische Positionen unbesetzt lassen, sind trotz ihrer Markiertheit keineswegs als 'defizitär' einzustufen. Es handelt sich um konventionalisierte Konstruktionen, die für spezifische kommunikative Aufgaben erfolgreich eingesetzt werden. Durch die markierte Nichtbesetzung 'obligatorischer' Felderpositionen (bzw. notwendiger syntaktischer Positionen) werden nicht nur ko(n)textuell gegebene Informationen eingespart, sondern zugleich die wenigen explizierten Elemente fokussiert." Günthner 2005:25)

Interrogationen fanden im Untersuchungsbereich 'gesprochene Sprache' bislang noch relativ wenig Berücksichtigung. Wie bereits für Analysen im Bereich der Grammatik festgestellt, steht auch hier die Betrachtung von deklarativen Strukturen im Vordergrund. Allerdings gibt es eine Monographie, die sich speziell mit Fragen in Interviews befasst, Hang (1976) (Die Fragesignale der gesprochenen deutschen Standardsprache. Dargestellt an Interviews zweier Rundfunkmagazinsendungen). Datenbasis dieser Studie ist das Korpus der Freiburger Forschungsstelle. Auch auf das dort entstandene Konzept von Redekonstellationstypen wird bei der Analyse der Rundfunkinterviews Bezug genommen. 55 So geht es Hang vor allem darum, mündliche Sprachproduktion unter Einbezug der Gesprächssituation zu beschreiben. Die Analyse von Fragen zielt auf eine Beschreibung von 'Fragesignalen'. Als solche untersucht Hang 'Frageton', 'Frageanhängsel', 'explizite performative Formeln', 'Modalwörter', 'Deixis auf den Sprecher', 'Zusammenfassungen' sowie 'personaldeiktische Thesen' (Hang 1976:13 Iff.). Schon aus dieser Auflistung wird deutlich, dass es sich um äußerst heterogene Phänomene handelt und nicht nur formal fassbare Aspekte als Fragesignale interpretiert werden. Zudem scheinen manche Phänomene (wie ζ. B. Zusammenfassungen) nur in bestimmten Kontexten, wie hier der Interviewsituation, als 'Fragesignale' interpretierbar zu sein.56

55

56

Als Faktoren der Redekonstellation werden u. a. 'Spontaneität', 'Sprecherzahl', 'Sprecherwechse!', 'Themafixierung', 'Öffentlichkeitsgrad', 'Rangordnung' und ' K o m m u nikationskanal' in ihrer speziellen A u s p r ä g u n g in der Interviewsituation betrachtet (vgl. H a n g 1976:72ff.). Entsprechende E f f e k t e wurden im R a h m e n des Quaestio-Ansatzes bereits für andere sprachliche Bereiche (Modalisierungen von Instruktionen, Personen- und Objektreferenzen) nachgewiesen (vgl. beispielsweise von Stutterheim 1997 und Ahrenholz 1998).

42

2 Literaturdiskussion

So ist überhaupt für die Auseinandersetzung mit Interrogationen in mündlichen Kommunikationen kennzeichnend, dass kaum eine Auseinandersetzung mit strukturellen Aspekten geleistet wurde, sondern vielmehr diskurstypenbezogene Aspekte im Vordergrund standen. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass strukturalistische Ansätze aufbauend auf der Unterscheidung von 'langue' und 'parole' als Untersuchungsbereich der Sprache das zugrundeliegende System und nicht die Performanz sahen. Erst mit der pragmatischen Wende wurde die Beobachtung des Sprachgebrauchs auch wieder für sich interessant, dann aber vor allem unter handlungstheoretischen und gesprächsanalytischen Aspekten. Erst mit der Zeit fand gesprochene Sprache auch in grammatischen Analysen der funktionalen Grammatik und der interaktionalen Linguistik mehr Aufmerksamkeit. Überlegungen zu charakteristischen Merkmalen von gesprochener Sprache und besonderen Bedingungen mündlicher Kommunikationen scheinen in Hinblick auf eine systematische Befassung mit Interrogationen im allgemeinen und Nachfragen im besonderen in mehrfacher Hinsicht ein Desiderat: - Bestimmte Formen der Markierung von Interrogationen, wie insbesondere die Intonation, können nur unter der Voraussetzung mündlicher Kommunikation und akustisch wahrnehmbarer Sprache eingesetzt werden. - Bestimmte Interrogations-Phänomene wie 'tags', d. h. Frageanhängsel wie 'ne?\ 'nicht wahr' oder auch Nachfragen setzen gewissermaßen Präsenz des Interaktionspartners bzw. einen interaktiven Austausch voraus.57 - In Hinblick auf Nachfragen als Bezugnahmen auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner ist in Anbetracht des Umstands, dass sich die meisten Untersuchungen zu Interrogationen nur auf Beispielkonstruktionen oder schriftliche Fragedaten stützen, zu untersuchen, ob sich bei der Berücksichtigung spontaner mündlicher Kommunikationen Abweichungen oder Auffälligkeiten zeigen. Dabei ist in Bezug auf strukturelle und syntaktische Aspekte von Interrogationen auch zu fragen, inwiefern Entsprechungen zu anderweitig beobachteten Phänomenen im Bereich der gesprochenen Sprache zu erkennen sind.

57

D i e s ist a u c h b e s t i m m e n d f ü r d i e Ü b e r t r a g u n g als Stilmittel in s c h r i f t l i c h e K o m m u n i kation.

2.1 Formen und Funktionen von Interrogationen

2.1.9

43

Fazit: Formen und Funktionen von Interrogationen

Betrachtet man Fragen/Interrogationen als Ausdruck von Erotetizität und Satzmodi in Anschluss an Altmann als 'komplexe sprachliche Zeichen', die sowohl einen Form- als auch einen Funktionsaspekt aufweisen, kann die Untersuchung von Frageformen und Fragefunktionen dahingehend operationalisiert werden, dass Frageformen vor allem über die Analyse der Ausdrucksseite, d. h. sprachliche Realisierungen und Ausdrucksmöglichkeiten erfasst werden, und Fragefunktionen über Illokutionen im Sinne eines Informationsbegehrens einer damit einhergehenden Aufforderung zu einer Antwortreaktion. In Anschluss an relevanztheoretische sowie konversationsanalytische Überlegungen ist dabei jedoch unerheblich, ob tatsächlich ein entsprechendes Informationsdefizit vorliegt. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Antwortreaktion aus verschiedenen Gründen als relevant angesehen werden kann. Entsprechende Überlegungen zum Wesen von Formen und Funktionen von Fragen sind auch für die Analyse von Nachfragen relevant. Dabei wird davon ausgegangen, dass in Anwendung auf mündliche Kommunikationen und 'gesprochene Sprache' nicht nur Fragesätze, sondern auch nicht-satzartige Ausdrucksformen entsprechende Markierungen und Qualitäten aufweisen können.58 Auf dieser Grundlage ist in Hinblick auf Nachfragen und Echofragen zu untersuchen, inwiefern sich bezogen auf formale und funktionale Aspekte gegebenenfalls Besonderheiten zeigen. Diesbezüglich wird in der folgenden Literaturdiskussion zunächst genauer betrachtet, welche Beschreibungen von Formen und Funktionen von Nachfragen bereits vorliegen.

58

Zaefferer (1984) und Luukko-Vinchenzo (1988:7) sprechen diesbezüglich von 'Frageausdrücken 1 .

44

2 Literaturdiskussion

2.2

Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

2.2.1

Fragetaxonomien

Auffallend bei der Befassung mit Interrogationen in der Literatur ist, dass Versuche zur Klassifizierung von Fragetypen und zur Erstellung von Fragetaxonomien sehr verbreitet sind. Dies gilt nicht nur für pragmatisch orientierte Abhandlungen, wo dies aufgrund sprechhandlungstheoretischer Traditionen ohnehin zu erwarten ist, sondern auch für Grammatiken und andere grammatisch orientierte Beschreibungen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Klassifizierungen scheint nicht nur deshalb angebracht, weil Nachfragen und Echofragen häufig als eigene Kategorie angesetzt werden, sondern auch, weil in diesem Zusammenhang sehr unterschiedliche Vorstellungen über Nachfrageformen und Nachfragefunktionen in Erscheinung treten. Der Erörterung einzelner Darstellungen ist eine tabellarische Übersicht zu verschiedenen Differenzierungen von Fragekategorien vorangestellt. Fragekategorien, die in ihrer Benennung oder definitorischen Bestimmung als Nachfragen oder Echofragen anzusehen sind (wie etwa 'RÜCKFRAGEN' oder 'VERSTÄNDNISFRAGEN' U. ä.) sind durch Unterstreichung gekennzeichnet. Im folgenden Text werden die in der Literatur verwendeten Termini jeweils in Kapitälchen gesetzt.1

1

Untergliederungen u. ä. wurden - soweit vorhanden - aus den jeweiligen Darstellungen übernommen. Hier wurden nur G r a m m a t i k e n verzeichnet, die bei A u s f ü h r u n g e n zu Fragen von einer Fragetaxonomie ausgehen und etwas ausführlichere Darstellungen von verschiedenen Fragearten oder Fragesätzen aufweisen. Dementsprechend wurden beispielsweise A d m o n i (1982) und Eisenberg (1989 und 1998) nicht a u f g e n o m m e n .

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

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2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

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2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

49

Im Folgenden werden Frageklassifizierungen, in denen Nachfragen oder Echofragen im o. g. Sinne als eigene Kategorien angesetzt werden, mit Schwerpunktsetzung auf der Bestimmung dieser Kategorien besprochen. Obgleich sich auch schon in diesem Zusammenhang ein recht widersprüchliches Bild abzeichnet, wird zunächst weitgehend darauf verzichtet, auf Widersprüche zwischen den einzelnen Darstellungen einzugehen. Diese werden erst in Anschluss an die Diskussion der Literatur zu Echofragen und konversationellen Fragen ausführlicher thematisiert und unter Berücksichtigung von Darstellungen von FormFunktions-Bezügen in diesen Untersuchungsbereichen diskutiert (vgl. Abschnitt 2.6). 2.2.2

Fragekategorien in Grammatiken

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Grammatiken, in denen Nachfragen als eigene Kategorien Erwähnung finden. Wie aus der tabellarischen Übersicht hervorgeht, ist dies bei Helbig/Buscha (1972), Hentschel/Weydt (1990 bzw. 2003), in der Duden Grammatik (1998) sowie in den Grammatiken von Engel (1996) und Zifonun et al. (1997) der Fall. Erläuterungen von Fragekategorien und Fragetypen sind in den meisten Grammatiken auffallend knapp. Häufig werden auch die Ableitungen der Kategorien und die Kriterien der Kategorienbildung nicht weiter expliziert. Aber auch wenn der Befassung mit Nachfragen in den einzelnen Darstellungen nur ein geringer Stellenwert zukommt, erscheint es nicht uninteressant, diese etwas genauer in Hinblick auf formale und funktionale Bestimmungen zu betrachten. In der Duden-Grammatik (6. Aufl. von 1998:61 Iff.) (Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache) geht die Darstellung zunächst von einer Zweiteilung der Frageformen aus: "Bei den Fragesätzen lassen sich grob zwei Gruppen unterscheiden: 1. Ergänzungsfragesätze oder Wortfragesätze; 2. Entscheidungsfragesätze oder Satzfragesätze" 2

Dann werden die folgenden Fragetypen als Spezialfälle dieser Grundformen erläutert: -

2

Nachfrage (Echofrage) Prüfungsfrage Nachfrage (Nicht-Verstehen) deliberativer Fragesatz

Vgl. D u d e n - G r a m m a t i k (1998, Abschnitt 1068 bis 1075, S. 611 ff.).

2 Literaturdiskussion

50

- Vergewisserungssatz - Bestätigungsfragesatz - Nachfragesatz (Überraschung, Verwunderung, Erstaunen) (ebd.:612ff.)

Nachfragen finden hier sowohl in Zusammenhang mit Ergänzungsfragen (vgl. Duden-Grammatik Abschnitt 1969, 612.) als auch in Zusammenhang mit Entscheidungsfragen (vgl. Duden-Grammatik Abschnitt 1071-1073, 612ff.) Erwähnung. 3 Zunächst werden NACHFRAGEN in der Duden-Grammatik als Spezialfall von Ergänzungsfragen eingeführt und mit ECHOFRAGEN gleichgesetzt. Sie werden über die Endstellung des finiten Verbs bestimmt und mit Funktionen der Verständnissicherung in Zusammenhang gebracht: "Ergänzungsfragesätze mit Endstellung des finiten Verbs dienen oft der Nachfrage - man spricht auch von Echofragen. Sie treten dort auf, wo eine Frage nicht (ganz) verstanden worden ist und nachgefragt wird: ' W a n n wird der Hundertmeterlauf beginnen? - Bitte? - Wann der Hundertm e t e r l a u f b e g i n n e n wird." (Duden 1998:612)

Zu dieser Darstellung ist anzumerken, dass es sich bei dem hier als Nachfrage bezeichneten Beispiel mit Endstellung des finiten Verbs um eine sprecherseitige Wiederholung bzw. um die Reformulierung einer Frage handelt. Im Prinzip handelt es sich hier also nicht um eine Frage, sondern um eine Reaktion auf die Nachfrage 'Bitte?', wobei diese Antwortreaktion paraphrasierbar wäre mit: 'ich habe gefragt, wann der Hundertmeterlauf beginnen wird. "4 Eigentlich wäre die Nachfrage 'Bitte?', als Entsprechung zu den ansonsten in der Duden-Grammatik dargestellten (hörerseitigen) Nachfragen zu betrachten. 5 Bei Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen findet in der Duden-Grammatik besonders die Stellungsfreiheit des Fragewortes Beachtung: "Folgt eine Nachfrage auf einen Aussagesatz, steht das Fragewort oft im Satzinnern oder auch am Satzende. Es trägt dann den Akzent: 'Ich bin gestern schnell mal in Rom gewesen.' - 'Du bist wo gewesen?' / 'Du warst wo?' / 'Wo bist du gewesen?'" (Duden 1998:612)

3

4 5

B e m e r k e n s w e r t ist, dass in der vierten Auflage der D u d e n - G r a m m a t i k (1984) N a c h f r a gen noch nicht erwähnt werden. Unter dem Abschnitt 'Fragesatz' wird dort nur kurz auf die U n t e r s c h e i d u n g zwischen 'Entscheidungsfragen' und 'Ergänzungsfragen' als Satzarten eingegangen. Zu Frageparaphrasierungen vgl. auch Bergmann (1981). Vgl. hierzu auch das folgende Beispiel.

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

51

Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen (vgl. Duden-Grammatik 1998, Abschnitt 1069) werden als ' E N T S C H E I D U N G S F R A G E S Ä T Z E M I T V E R B Z W E I T S T E L L U N G ' beschrieben. Ihnen wird eine andere Funktion als Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen zugeschrieben (vgl. Duden-Grammatik 1998, Abschnitt 1073): " E n t s c h e i d u n g s f r a g e s ä t z e mit V e r b z w e i t s t e l l u n g k ö n n e n a u c h d e r N a c h f r a g e d i e n e n (vgl. 1069): 'Die T i z i a n - A u s s t e l l u n g ist u m einen M o n a t v e r l ä n g e r t w o r d e n . ' - ' D i e T i z i a n A u s s t e l l u n g ist u m e i n e n M o n a t v e r l ä n g e r t w o r d e n ? ? ? ' 6 A n d e r s als in 1069 d r ü c k t hier die N a c h f r a g e Ü b e r r a s c h u n g , V e r w u n d e r u n g , E r s t a u n e n aus." ( e b d . : 6 1 3 )

Mit dieser Darstellung wird der Eindruck vermittelt, dass sämtliche Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen ausschließlich 'Überraschung, Verwunderung, Erstaunen' signalisieren, und Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen ausschließlich Verständnisprobleme zum Ausdruck bringen. Unterschiedliche Funktionen von Nachfragen werden hier also mit Fragearten in Verbindung gebracht. Die folgende Betrachtung anderer Darstellungen von Nachfragen wird diesbezüglich zeigen, dass dort zwar auch entsprechende Nachfragefunktionen unterschieden, aber nicht mit Fragearten, sondern mit anderen sprachlichen Mitteln in Zusammenhang gebracht werden.7 Helbig/Buscha (1981:542ff.) (Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht) unterscheiden in ihrer Darstellung zunächst 'Entscheidungsfragen' und 'Ergänzungsfragen'

und dann als weitere 'besondere Frageformen' die die die die

6

7

'Vergewisserungsfrage', ' r h e t o r i s c h e Frage', 'Nachfrage' und 'Alternativfrage'. (Helbig/Buscha 1981:542ff.)

Bei diesem Beispielsatz ist auffällig, dass am Ende der Nachfrage drei Fragezeichen notiert werden. Vermutlich soll die Häufung einer Vorstellung von besonderer Emphase Ausdruck verleihen. Damit lässt sich eine Parallele zu Analysen von Selting (1995) ziehen, die zu dem Ergebnis kommt, dass Nachfragen, die Erwartungsprobleme signalisieren, prosodisch markiert realisiert werden (vgl. hierzu Abschnitt 2.4.2 und 2.6.5). In der Duden-Grammatik werden prosodische Aspekte in Hinblick auf eine Funktionsdifferenzierung bei Nachfragen allerdings nicht thematisiert. Eine ausführliche Diskussion unterschiedlicher Darstellungen des Zusammenhangs von Fragearten und Fragefunktionen findet unter Abschnitt 2.6.2 und 2.6.4 statt.

52

2 Literaturdiskussion

Die Beschreibung der 'NACHFRAGE' fällt relativ knapp aus und besteht im Prinzip nur aus der Angabe von 'zwei Varianten' mit je einem Beispiel: "Zwei Varianten der Nachfrage sind zu unterscheiden: (1) Der Fragende stellt erneut eine Frage, wobei sich Akzent und Intonation ändern: Was machen wir heute abend? (terminale Intonation) -> Was machen wir heute abend? (interrogative Intonation) (2) Der Angesprochene erwidert mit einer Frage. Hier ändern sich Intonation und Wortstellung: Wie spät ist es? (terminale Intonation) —» Wie spät es ist? (interrogative Intonation)." (Helbig/Buscha 1981:545)

Die Grundlage für die Unterscheidung der beiden Varianten, nämlich der Unterschied zwischen 'erneut eine Frage stellen' und 'mit einer Frage erwidern', ist hier nicht ohne weiteres ersichtlich und wird auch nicht weiter erklärt.8 Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass es sich in beiden Fällen um Nachfragen im Anschluss an Fragen handelt, und damit das Phänomen 'NACHFRAGE' mit diesen beiden 'Varianten' bei Helbig/Buscha auf den Fall 'Frage nach Frage' eingeschränkt wird. Zudem erfolgt mit den Beispielangaben zugleich eine Einschränkung auf Ergänzungsfragen. Ein Vergleich mit den im Folgenden dargestellten Bestimmungen von Nachfragen zeigt, dass eine Einschränkung auf 'Fragen nach Fragen' zwar auch in anderen Frageklassifizierungen anzutreffen ist, jedoch im allgemeinen ein weiteres Verständnis von Nachfragen, nämlich als Fragen, die sich auch auf Bezugsäußerungen im Deklarativ- oder Aufforderungsmodus beziehen können, verbreitet ist.9 In der Neuauflage der Grammatik (Helbig/Buscha 1993:61 Iff.) und Neubearbeitung (2001) entfallen diese Ausführungen zu Nachfragen. 10 Hier wird zwar wie zuvor von der grundlegenden Unterscheidung von 'ENTSCHEIDUNGSFRAGEN'

und

'ERGÄNZUNGSFRAGEN'

ausgegangen,

aber als 'besondere Fragetypen' finden nur noch unter 'ENTSCHEISCHEIDUNGSFRAGEN', 'VERGEWISSERUNGSFRAGEN' u n d 'ALTERNATIV-

FRAGEN' Erwähnung (Helbig/Buscha 2001:616).

8 9

10

Mit diesem Zitat ist im übrigen der vollständige Text aus dem Abschnitt zu 'Nachfragen' wiedergegeben. Zu Aspekten unterschiedlicher Satzmoduskonstellationen wie 'Fragen nach Fragen' und 'Fragen nach Aufforderungen' vgl. ausfuhrlicher auch Abschnitt 2.6 (Kritische Diskussion) und Abschnitt 4.3 im empirischen Teil der Untersuchung. Hier wird also genau der umgekehrte Weg wie in der Duden-Grammatik gegangen, in der Darstellungen von Nachfragen erst in neueren Auflagen erscheinen.

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

53

Ähnlich wie die Duden-Grammatik und Helbig/Buscha gehen Hentschel/Weydt (1990 sowie 2003) (Handbuch der deutschen Grammatik) von einer Unterscheidung von 'Bestimmungsfragen' und 'Entscheidungsfragen' (ebd.:370)

aus. Als weitere Frageformen werden dann erwähnt: 'Nachfrage', 'Echofrage', 'Mehrfachfrage', 'Refrainfrage (tag question)', 'Alternativfrage', 'rhetorische Frage'. (2003:415ff.)

'NACHFRAGEN' und 'ECHOFRAGEN' werden eingeführt als Beispiele für 'Fragen mit spezieller Funktion' und - allerdings nur unter BESTIMMUNGSFRAGEN - in Bezug auf syntaktische Besonderheiten erörtert: "Nur bei Bestimmungsfragen mit spezieller Funktion, ζ. B. bei Nachfragen zu einer vorhergegangenen Äußerung werden auch andere Positionen des Frageworts verwendet: Rom wurde wann gegründet? Werden Fragen wiederholt (Echofragen), ζ. B. weil das Gegenüber sie nicht verstanden hat, erfolgt die Wiederholung häufig mit (.) Nebensatzstellung: Wann kommst du denn? - Wie bitte? - Wann du kommst?" (ebd:417)

Der Terminus Echofragen wird hier für sprecherseitige Reformulierungen von Fragen benutzt, die zwar der Form nach Verb-Letzt-Fragen entsprechen, aber - wie schon an anderer Stelle ausgeführt - im Kontext nicht als Fragen, sondern als Antwortreaktionen zu betrachten sind." Mit dieser Darstellung von Echofragen ergibt sich wiederum ein Kontrast zu anderen Darstellungen, in denen Echofragen oder Nachfragen als Fragen mit Echokomponente in Anschluss an Äußerungen mit beliebigem Satzmodus verstanden werden.12 Eine ganz andere Einschränkung erfährt die Darstellung von 'ECHOFRAGEN' bei Götze/Hess-Lüttich (1989) (Knaurs Grammatik der deutschen Sprache), die 'ECHOFRAGEN' mit 'VERGEWISSERUNGSFRA-GEN' gleichsetzen und folgende "Typen von Fragesätzen" unterscheiden: Entscheidungsfragesätze, Vergewisserungsfragesätze (Echofragen),

11 12

Vgl. hierzu auch die obigen Ausführungen zur Darstellung in der Duden-Grammatik. Dies ist auch das grundlegende Verständnis in der Literatur zu Echofragen, in der gerade auch Besonderheiten von Nachfragen als Reaktionen auf unterschiedliche Satzmodi diskutiert werden (vgl. Abschnitt 2.3.1).

2 Literaturdiskussion

54

Ergänzungsfragesätze, Rhetorische Fragen

Zu 'Vergewisserungsfragen' wird ausgeführt: 13 "Vergewisserungsfragen (auch: Echofragen) stellen einen Sonderfall der Entscheidungsfragen dar. Wie diese erfragen sie den gesamten Sachverhalt eines Satzes, tun dies jedoch nur in der Absicht, sicherzustellen, dass die bereits gegebene Antwort richtig verstanden wurde. Im Unterschied zur Entscheidungsfrage haben wir es hier aber mit der Aussagesatzform zu tun, Alternativfragen sind nicht möglich. Der Tonhöhenverlauf ist fallend-steigend: Du warst in Australien? Das Kleid stammt aus der Boutique? Die Zeitung ist gekommen?" (ebd.:323) 1 4

Bemerkenswert ist hier nicht nur, dass eine Gleichsetzung von Echofragen und Vergewisserungsfragen als Sonderfall der Entscheidungsfragen erfolgt, sondern darüber hinaus, dass diese hier auch auf eine bestimmte sequentielle Position, nämlich die Reaktion auf 'Antworten', eingeschränkt wird. Knapp fällt auch die Darstellung von 'Rückfragen' bei Griesbach (1986) (Neue deutsche Grammatik) aus. Griesbach unterscheidet Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen

und als 'besondere Fragetypen' Alternativfragen, Fragen, die eine Bestätigung erwarten, Rückfragen und Rhetorische Fragen

Zu 'Rückfragen' finden sich die folgenden Ausführungen: "Eine Rückfrage stellt man, wenn man einen Teil der Mitteilung nicht verstanden hat oder wenn eine Information nicht ausreicht. Sie wird mit dem Satztyp A (i. e. gekennzeichnet durch 'Vorfeld', 'Satzfeld' und gegebenenfalls 'Nachfeld', M. R.) gebildet; das Fragewort erhält den Schwerton (.). Wir gehen jetzt ins Kino. - Wohin geht ihr jetzt? Ich komme nach Büroschluß vorbei. - Wann ist Büroschluß? In mündlicher Rede werden oft Rückfragen gestellt, um eine 'Denkpause' auszufüllen. Die Rückfrage wird mit dem Satztyp C (i. e. 'Satzfeld' und gegebenenfalls 'Nachfeld', M.R.) gebildet (,).15

13 14 15

A u c h hier sind w i e d e r u m mit dem folgenden Zitat die gesamten A u s f ü h r u n g e n zur Beschreibung dieses Fragetypus wiedergegeben. Sonderzeichen zur Beschreibung des Tonhöhenverlaufs (nach dem Fragezeichen ein Pfeil, der erst nach unten, dann nach oben verläuft) wurden hier nicht ü b e r n o m m e n . Zu 'Satztyp A' und C' vgl. Griesbach (1986:47).

2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

55

Wieviel hat dieser Mantel gekostet? - Wieviel dieser Mantel gekostet hat? Das kann ich Ihnen jetzt nicht mehr genau sagen. Ungefähr 500 Mark." (Griesbach 1986:24)

Bei den Hinweisen auf Satztypen ist auffällig, dass die sonst häufig angeführte Möglichkeit einer satzinternen Positionierung des Fragewortes keine Erwähnung findet. Im übrigen bleibt die Beschreibung von 'RÜCKFRAGEN' auf Ergänzungsfragen beschränkt, wobei formale Aspekte eng mit bestimmten Nachfragefunktionen verbunden erscheinen. Während die Beschreibungen in den bislang angeführten Grammatiken relativ knapp ausfallen, sind die Ausführungen zu Fragen und Nachfragen in der Grammatik von Engel (1996, 3. korrigierte Auflage :52ff.) (.Deutsche Grammatik) ausfuhrlicher angelegt. Anders als ζ. B. Hentschel/Weydt (2003) oder die Duden-Grammatik (1998) geht Engel nicht von einer Fragetypologie aus, die Grundformen und besondere Formen unterscheidet, sondern er nennt 'sechs Fragearten', die zu Beginn der Ausführungen aufgelistet und auf gleicher Ebene angesiedelt werden:16 "Man hat sechs Fragearten zu unterscheiden: Entscheidungsfrage, Sachfrage, Alternativfrage, Gegenfrage, Rückfrage, Kontaktsignal (Sprecher)." (Engel 1996:52f)

Von besonderem Interesse sind hier die Kategorien 'GEGENFRAGE' und 'RÜCKFRAGE', die z u s a m m e n f a s s e n d als 'ECHOFRAGEN' b e z e i c h n e t w e r -

den: "Gegenfrage und Rückfrage kann man auch als 'Echo-Fragen' zusammenfassen." (Engel 1996:57)"

Allerdings erscheint es nicht schlüssig, sämtliche 'GEGEN- UND RÜCKFRAGEN' unter den übergeordneten Terminus 'ECHOFRAGE' ZU fassen, da von Engel selbst auch Beispiele angeführt werden, die keine echoartigen Wiederholungen aufweisen: "wie bitte?" (ebd.:55)

oder "(Bitte warten Sie hier.) - Verlangen Sie, dass ich hier warte?" (ebd.:56)

16 17

Eine weitere B e g r ü n d u n g fur diese Auflistung wird nicht gegeben. Ansonsten gibt es keine weiteren A u s f ü h r u n g e n zu Echofragen.

56

2 Literaturdiskussion

oder "(Ich ernenne Sie hiermit zum Alterspräsidenten) - Sie sagen, dass Sie mich zum Alterspräsidenten ernennen?" (ebd.:57)

Echofragen stehen jedoch auch nicht im Mittelpunkt des Interesses von Engel, der Terminus wird eher beiläufig erwähnt. Zentral für die Beschreibung von Nachfragen ist bei Engel hingegen die Unterscheidung v o n 'GEGENFRAGEN' u n d 'RÜCKFRAGEN' s o w i e v o n 'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN' u n d 'ILLOKUTIVEN RÜCKFRAGEN'.

Mit der Kategorie 'GEGENFRAGE' werden 'Fragen nach Fragen' als eigenständiger Fragetypus angesetzt. Zu diesen wird ausgeführt: "Der Sprecher wiederholt eine vorausgegangene Partnerfrage. Die Antwort des Partners soll ihm bestätigen, dass er richtig verstanden hat." (Engel 1996:55)

Die Kategorie der 'GEGENFRAGE' wird also eingeschränkt auf die Satzmodus-Konstellation 'Frage nach Frage': "Gegenfragen sind also nur als Reaktion auf gestellte Fragen möglich. Einzige Form der Gegenfrage ist die wiedergegebene Frage (.). Im übrigen gleicht sie in den meisten Einzelheiten der vorangegangenen Frage: (Hast du Anna gesehen?) - Ob ich Anna gesehen habe? (Wer hat das Öl bestellt?) - Wer das Öl bestellt hat? (ebd.:55)

'RÜCKFRAGEN' werden zwar in Abgrenzung zu GEGENFRAGEN eingeführt; ihnen wird jedoch im Prinzip die gleiche Funktion zugeschrieben: "Der Sprecher will überprüfen, ob er eine vorausgegangene Partneräußerung (jedoch keine Frage) richtig verstanden hat." (ebd.:55)

Einziges Kriterium der Unterscheidung dieser Fragekategorien bleibt folglich die Satzmodus-Konstellation, indem 'RÜCKFRAGEN' als Fragen mit Bezug auf Partneräußerungen in anderen Satzmodi definiert werden.18 Andere Satzmodus-Konstellationen wie Z.B.Fragen nach Auf-

18

W e n n g l e i c h d i e U n t e r s c h e i d u n g v o n 'GEGENFRAGEN' u n d 'RÜCKFRAGEN' im R a h m e n der g e g e b e n e n D a r s t e l l u n g in B e z u g a u f f u n k t i o n a l e A s p e k t e , die h i e r als g l e i c h a n g e s e h e n w e r d e n , n i c h t u n b e d i n g t n o t w e n d i g erscheint, so ist sie d o c h h i n s i c h t l i c h der z u w e i l e n in E r s c h e i n u n g t r e t e n d e n strukturellen A s p e k t e (die im F o l g e n d e n n o c h n ä h e r a u s g e f ü h r t w e r d e n , vgl. A b s c h n i t t 4.3.1 im e m p i r i s c h e n Teil d e r A r b e i t ) v o n g e w i s s e r B e r e c h t i g u n g . A l l e r d i n g s g e h t E n g e l selbst in seiner D a r s t e l l u n g a u f d i e s e U n t e r s c h i e d e nicht w e i t e r ein. A n z u m e r k e n ist a u c h , d a s s die D a r s t e l l u n g v o n E n g e l z u 'GEGENFRAGEN' ( E n g e l 1 9 9 6 : 5 5 ) "Im ü b r i g e n gleicht sie in d e n m e i s t e n E i n z e l h e i t e n der v o r a n g e g a n g e n e n F r a g e " so nicht i m m e r a u f r e c h t z u e r h a l t e n ist (vgl. a u c h h i e r z u Abschnitt 4.3.1).

2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

57

forderungen, zu denen sich bei Engel zahlreiche Anmerkungen finden, werden jedoch nicht als eigene Fragekategorien angesetzt." Alle weiteren Ausführungen zu Nachfragen beziehen sich bei Engel auf 'RÜCKFRAGEN'. Dabei werden zunächst 'PROPOSITIONALE' und 'ILLOKUTIVE RÜCKFRAGEN' u n t e r s c h i e d e n . 2 0 "Die Rückfrage kann sich auf den Inhalt der Voräußerung (die Proposition) oder auf deren Sprechakttyp (die Illokution) beziehen. Man unterscheidet demgemäß propositionale und illokutive Rückfragen." (Engel 1996:55) Ausgenommen

von

der

Unterscheidung

ILLOKUTIVE v s .

PROPOSI-

TIONALE RÜCKFRAGEN sind bei Engel nur Rückfragen, die mit 'wie bitte?', 'bitte?' oder 'was?' realisiert werden. Engel betrachtet diese Partikeln deshalb als 'allgemeinste Form' der Rückfragen (ebd.:55). Zu 'ILLOKUTIVEN RÜCKFRGEN' wird ausgeführt, dass auf unterschiedliche Sprechakttypen Bezug genommen werden kann. Dabei steht zunächst die Bezugnahme auf Mitteilungen und das Faktum des 'Sagens' im Vordergrund. Zu formalen Ausprägungen von ILLOKUTIVEN RÜCKFRAGEN w i r d a n g e m e r k t : "Wird nach dem Sprechakttyp der Voräußerung gefragt, so kann die Proposition der Voräußerung mitgenannt werden - als dass-Satz oder als Konstativsatz - . (...) Hast du gesägt, Hillmann habe sein Geld verspielt? Häufiger wird auf die Proposition jedoch lediglich durch eine Anapher verwiesen". (Engel 1996:57) 21

Aus dem Hinweis, dass die 'Proposition der Voräußerung mitgenannt' oder auf diese 'lediglich durch eine Anapher verwiesen werden' kann, wird deutlich, dass unterschiedliche Bezugnahmen auf die Proposition der Bezugsäußerung möglich sind. Des Weiteren wird bei 'ILLOKUTIVEN RÜCKFRAGEN' ausgeführt, dass Bezugnahmen auf Aufforderungen häufig mit Modalverben erfolgen: "Speziell in Rückfragen zu Aufforderungen spielen bestimmte Modalverben eine wichtige Rolle: Sie wollen, dass ich hier warte? Ich soll hier warten?

19 20 21

A u s f ü h r u n g e n zu dieser Satzmoduskonstellation finden sich in Erläuterungen zu 'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN' und 'ILLOKUTIVEN RÜCKFRAGEN' (Engel 1996:55ff.). Eine entsprechende Unterscheidung müsste im Prinzip auch für Engels Kategorie der 'GEGENFRAGEN' möglich sein. Diese wird aber nicht getroffen. Für Voräußerungen, die keine Mitteilungen sind, werden dann andere Ausdrucksf o r m e n angeführt (vgl. Engel 1996:57).

58

2 Literaturdiskussion

Soll ich hier warten? usw." (Engel 1996:57)

Unbestimmt bleibt hier, was unter einer 'wichtigen Rolle' zu verstehen ist. B e i 'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN' w i r d d a n a c h u n t e r s c h i e d e n ,

ob sich die Rückfrage auf die gesamte vorausgehende Äußerung oder nur auf einzelne Elemente derselben bezieht. Dabei geht Engel (1988:55) davon aus, dass diese unterschiedlichen Möglichkeiten mit dem Einsatz unterschiedlicher Fragearten einhergehen. Hier werden Ergänzungsfragen, bei Engel 'SACHFRAGEN', als Möglichkeit dargestellt, nur auf einzelne Elemente der 'Voräußerung' Bezug zu nehmen: "Wenn sie (i. e. die Rückfrage, MR) sich nur auf einzelne Elemente der Voräußerung bezieht, erhält sie die Form der Sachfrage: (Hillmann hat sein Geld verspielt) - Wer hat sein Geld verspielt? - Was hat Hillmann verspielt? - Was hat Hillmann getan?" (ebd.:55) D i e S y n t a x v o n 'RÜCKFRAGEN' in F o r m v o n 'SACHFRAGEN' w i r d f o l -

gendermaßen charakterisiert22: "Generell gilt, dass in der Rückfrage das Fragewort nicht am Anfang stehen muß. Möglich ist daher auch: Er hat was verspielt? Er hat was verspielt, sagst du?" (Engel 1996:56 ) Z u PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN, die sich a u f die g e s a m t e V o r -

gängeräußerung beziehen, wird ausgeführt: "Bezieht sich die propositionale Rückfrage auf die gesamte Voräußerung (d. h. die gesamte Proposition der Voräußerung), so hat die Rückfrage immer die Form eines Konstativsatzes oder eines dass-Satzes. Auch in diesem Fall sind sprechaktbeschreibende Obersätze möglich" (ebd.:56)

Als Beispiele für propositionale Rückfragen, die sich auf die gesamte Voräußerung beziehen, werden angeführt: - Hillmann hat sein Geld verspielt (,sagst du)? - Du sagst, dass Hillmann sein Geld verspielt hat? - Du sagst, Hillmann hat sein Geld verspielt?). (Engel 1996:56)23

22

23

Dabei weist Engel darauf hin, dass Nachfragen auch mit "sprechaktbeschreibendem Obersatz" geäußert werden können, wobei auch 'Satzverschränkungen' möglich sind, bei denen das Fragewort auch im einleitenden Hauptsatz erscheinen kann. Hiermit sind nur einige der von Engel angeführten Beispiele genannt. Weitere Beispiele dienen der Exemplifizierung weiterer struktureller Muster und anderer Satzmodi in den Bezugsäußerungen.

2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

59

Ferner wird angemerkt, dass Konstativsätze dabei auch im Konjunktiv I stehen können: Du sagst, Hillmann habe sein Geld verspielt? Hillmann habe sein Geld verspielt, sagst du? (Engel 1996:56)

Die von Engel suggerierte Funktions-Differenzierung für Fragearten ist nur ein Teil der Bezugsäußerung problematisch, werden Ergänzungsfragen formuliert, ist die gesamte Proposition problematisch, werden Entscheidungsfragen formuliert - lässt die Möglichkeit unberücksichtigt, dass auch in Entscheidungsfragen einzelne Elemente der Bezugsäußerung fokussiert werden können.24 Unter Bezugnahme auf intonatorische Unterschiede nimmt Engel eine weitere Differenzierung von 'RÜCKFRAGEN' vor, indem er diese mit unterschiedlichen Nachfragefunktionen in Verbindung bringt:25 "Alle diese Rückfragen haben dann interrogative (am Ende steigende) Tonflihrung, wenn die Antwort offengehalten werden soll, die Voräußerung in Zweifel gezogen wird. Am Ende fallende Tonfiihrung der Rückfrage signalisiert, dass der Sprecher die Voräußerung im Grunde akzeptiert und nur eine zusätzliche Bestätigung erwartet." (Engel 1996:56)26

Diese Beschreibung von Funktionsunterschieden bleibt relativ vage. Interessant erscheint insbesondere die eher beiläufige Anmerkung, dass Antworten "offen gehalten werden sollen" bzw. "nur eine zusätzliche Bestätigung erwartet wird," da hier auf die Signalisierung von Antworterwartungen angespielt wird. Zu überprüfen bleibt, ob der hierpostulierte Zusammenhang zwischen Antworterwartungen und Akzeptieren des Inhalts der Bezugsäußerung nachvollziehbar ist.27 Auch in der Grammatik von Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997) 0Grammatik der deutschen Sprache) findet eine ausfuhrlichere Auseinandersetzung mit dem Phänomen Nachfragen statt. Fragen, und spe-

24 25

26 27

Vgl. hierzu auch die im Folgenden resümierte Beschreibung von Z i f o n u n et al. (1997:116) sowie die z u s a m m e n f a s s e n d e Diskussion unter Abschnitt 2.6. D a m i t ergibt sich eine Parallele zu den Analysen von Selting, aus denen ebenso die Intonation als unterscheidendes Kriterium für die Signalisierung unterschiedlicher Problemtypen hervorgeht. Jedoch zeigen sich in Hinblick auf die Art der j e w e i l s unterstellten intonatorischen Varianten ganz erhebliche Widersprüche (vgl. hierzu die Ausf ü h r u n g e n zu Selting und Funktionen von N a c h f r a g e n unter Abschnitt 2.4.2). Hierzu werden keine Beispiele angeführt. Nicht unproblematisch erscheint in diesem Z u s a m m e n h a n g auch die Gleichsetzung von 'offener Antworterwartung' und 'in Zweifel ziehen'. Eine o f f e n e A n t w o r t e r w a r t u n g m u s s nicht unbedingt bedeuten, dass die vorausgehende Ä u ß e r u n g des Gesprächspartners in Zweifel gezogen wird. Sie kann auch die in der N a c h f r a g e explizierten Äußerungsinhalte betreffen. Vgl. hierzu die Argumentation in Abschnitt 2.1.7 (Literaturdiskussion) und die Analysen in Abschnitt 4.6.3.1 (Empirische Analysen zu Antworterwartungen).

60

2 Literaturdiskussion

ziell auch 'NACHFRAGEN' und 'RÜCKFRAGEN', werden hier in zwei Kapiteln, nämlich im Kapitel zu 'Sprache und Illokution' (Cl, 2.1.1, S. 103-117) und im Kapitel zu 'Frage-Modi' (D2, 4.2, S. 640-652) behandelt.28 Die Darstellung von 'QUAESTIVEN' im Kapitel zu 'Sprache und Illokution' geht von folgender Gliederung aus: 2.1.1.1 Ergänzungsfrage 2.1.1.2 Propositionale Frage 2.1.1.2.1 Entscheidungsfrage 2.1.1.2.2 Alternativfrage 2.1.1.2.3 Bestätigungsfrage 2.1.1.2. Deliberative Frage 2.1.1.3 Nachfrage und Rückfrage 2.1.1.4 Examensfrage und Regiefrage (Zifonun etal. 1997:105ff.)

Im Kapitel zu 'Frage-Modi' wird demgegenüber von einer Unterscheidung von zwei Fragesatztypen ausgegangen, nämlich 'Entscheidungsfragesatztyp' und 'Ergänzungsfragesatztyp' (ebd.:640).

Dort werden unter Bezug auf diese Fragearten 'Bestätigungsfragesätze', 'Nachfragesätze (Echofragesätze)' 'Rückfragesätze' (S. 643 ff.)

als 'aufbauende Formtypen' behandelt, eine Systematik, die im Rahmen der Beschreibung schlüssiger erscheint. 29 Des Weiteren werden erwähnt: deliberative Frage Alternativfragesätze rhetorische Frage (ebd.:643ff.)

'NACHFRAGEN' und 'RÜCKFRAGEN' werden folgendermaßen eingeführt: "Nachfragen und Rückfragen sind sequentiell eingebunden in andere Muster und eröffnen eine Binnenstruktur, nach deren Abarbeitung ein Rücksprung auf

28 29

Für diese Kapitel zeichnen unterschiedliche Autoren verantwortlich (Kap. C l , S. 103 ff. H o f f m a n n , Kap. D2 S. 640ff. Zifonun). 'Propositionale Frage' unter Kapitel C l als übergeordnete Fragekategorie anzusehen und von 'Nachfragen' und 'Rückfragen' ebenso wie von 'Examensfragen' und 'Regiefragen' abzugrenzen, ist hingegen nicht ohne weiteres nachvollziehbar. A u c h die Erläuterung zu diesem Fragetypus (weitere A u s f ü h r u n g e n gibt es hierzu nicht) ist nicht sehr aufschlussreich: "Propositionale Fragen sind dadurch gekennzeichnet, dass mit ihnen Sachverhaltsentwürfe insgesamt hinsichtlich ihrer Geltung zur Disposition gestellt werden." (Zifonun et al.: 1997:109). Hier erhebt sich die Frage, w a r u m nicht auch bestimmte N a c h f r a g e n oder Rückfragen unter diese Kategorie gefasst werden könnten.

61

2.2 N a c h f r a g e n in g r a m m a t i s c h e n Beschreibungen und Fragetypologien

das einbettende Muster erfolgt. Das einbettende Muster - mit eventuellen Verpflichtungen - ist also nur temporär suspendiert. Zweck der NACHFRAGE ist die

Verständnissicherung,

Zweck

der

RÜCKFRAGE

die

Problematisierung

(Wissensdivergenz, Zweifel an Angemessenheit oder Legitimation) der Vorgängerhandlung. Das vorhergehende Diktum wird aufgegriffen und ganz oder partiell als Interrogatum (bzw. zu Klärendes) markiert." (ebd.: 115).

'NACHFRAGEN' und 'RÜCKFRAGEN' werden hier also über unterschiedliche Funktionen voneinander abgegrenzt. Nicht deutlich wird im Abschnitt zu 'Sprache und Illokution', ob mit den unterstellten Unterschieden in Nachfrage-Funktionen, i. e. Verständnissicherung bei NACHFRAGEN und Problematisierung bei RÜCKFRAGEN, auch unterschiedliche sprachliche Realisierungen einhergehen. Auch im Kapitel 'Aufbauende Formtypen im Bereich des Fragemodus', in dem ebenso von dieser Unterscheidung ausgegangen wird, wird diesbezüglich keine befriedigende Lösung angeboten und lediglich die Schwierigkeit der Abgrenzung von 'NACHFRAGEN' und 'RÜCKFRAGEN' angesprochen:

30

"Nachfragen ohne lexikalische Markierung zeigen Übergänge zu den Rückfragen (...), vor allem, wenn es weniger um den Ausdruck von Verständnisunsicherheit als um den von Zweifel, Erstaunen usw. geht. Nicht mehr unterscheidbar sind die beiden Muster, wenn bezugnehmend auf eine Aussage maximaler Fokus vorliegt, d. h. wenn die Gesamtproposition 'nachgefragt' wird." (Zifonun et al. 1997:644)

Als Beispiel wird angeführt: Die Bayern spielen schlecht Nachfrage: [Entschuldigung was hast du gesagt?] Die Bayern spielen schlecht f f l Rückfrage: [Wie kannst du so etwas behaupten?] Die Bayern spielen schlecht f 31 (ebd.:645)

Abgrenzungsprobleme zeigen sich auch in Bezug auf die Darstellung von Echofragen. Der Terminus 'ECHOFRAGEN' wird im Kapitel zu SatzModi in Klammern gesetzt und quasi als Erläuterung zum Terminus

30

31

Leider erfolgt in beiden Kapiteln kein Hinweis darauf, dass auf diese U n t e r s c h e i d u n g auch im j e w e i l s anderen Kapitel eingegangen wird (Zifonun et al. 1997:115ff. sowie 644ff.). Interessant ist hier als Detail, dass zwar im k o m m e n t i e r e n d e n Text a u s g e f ü h r t wird, dass die beiden nicht unterscheidbar seien, j e d o c h in der Beispielkonstruktion o f f e n b a r unterschiedliche Intonation vorausgesetzt wird: bei 'NACHFRAGEN' wird ein Pfeil, bei 'RÜCKFRAGEN' w e r d e n zwei Pfeile gesetzt. Geht m a n d a v o n aus, dass unterschiedliche prosodische Realisierungen gemeint sind, ergibt sich eine E n t s p r e c h u n g zu prosodisch markierten Funktionsunterschieden bei Selting (1987 u. 1995) - wobei allerdings ' E r w a r t u n g s p r o b l e m e ' als die prosodisch 'markierteren' in E r s c h e i n u n g treten (vgl. Abschnitt 2.4.2). V o n daher wären im obigen Beispiel eher bei 'RÜCKFRAGEN' zwei Pfeile zu erwarten.

62

2 Literaturdiskussion

'NACHFRAGE' eingeführt ("Nachfragesätze [Echofragesätze]") (Zifonun et al. 1997:644). Obgleich Echofragen hier eher beiläufig erwähnt werden, ist bemerkenswert, dass an anderer Stelle einige Beispiele explizit 'nicht als Echofragen' betrachtet werden, obgleich es sich bei diesen um Reaktionen mit wörtlichen Wiederaufnahmen handelt: "Die Reaktionen jeweils in den Beispielen (9) A: Helft den Entrechteten J, B: (i) Helft den Entrechteten ff (ii) H e l f t w e m | T

(10) A: Hilft man den Entrechteten f B: (i) Hilft man den Entrechteten f f (ii) Hilft man wem f t (11) A: Wem hilft die UNO jetzt f B: (i) Wem hilft die UNO jetzt tT (ii) Wem hilft wer jetzt f t betrachten wir nicht als Echofragen." (Zifonun et al. 1997: S. 646)

Als Begründung dafür, dass diese Beispiele nicht als 'ECHOFRAGEN' zu betrachten seien, wird angeführt, dass diese vielmehr den 'RÜCKFRAGEN' (definiert als kritische Problematisierung der Vorgängeräußerung) zuzurechnen seien. Mit dieser Begründung wird allerdings ausgeschlossen, dass Echofragen auch Funktionen der Problematisierung übernehmen können; sie erscheinen auf verständnissichernde Funktionen beschränkt. Eine solche Einschränkung ist aber insofern problematisch, als Fragen dieser Art durchaus Echokomponenten enthalten und sich auch syntaktisch wie andere Echofragen zu verhalten scheinen.32 Ausführlicher setzten sich Zifonun et al. mit der Satzmodusproblematik auseinander. Für ' N A C H F R A G E N ' werden Beispiele angeführt, die zeigen, dass sich diese auf Bezugsäußerungen mit unterschiedlichen Satzmodi, i. e. auf Deklarative, Exklamative sowie auf Fragen, beziehen können: 33 "A: B1: B2: B3:

Ich hab den Mann im Mond gesehen. (Sag,) wen hast du gesehen f t Du hast wen gesehen f f Wen?? t t " (Zifonun et al. 1997:115)

A: Ist d i e aber schön B: Was_sagst du f f (ebd.:l 15)

32 33

Vgl. hierzu die Diskussion von Nachfrage-Funktionen unter Abschnitt 2.6.5 und den Empirieteil zu Problemtypen unter Abschnitt 4.6. Leider gibt es auch hier keine Querverweise auf das Kapitel zur Modus-Problematik, in dem diese unterschiedlichen Bezugsmöglichkeiten ausführlicher dargelegt werden.

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

63

A: Hast du das Peter gesagt Τ B: Ob ich das wem gesagt habe TT (ebd.: 115)

'NACHFRAGESÄTZE' und 'RÜCKFRAGESÄTZE' werden ebenso wie 'BESTÄTIGUNGSFRAGESÄTZE' als 'aufbauende Formtypen im Bereich des Frage-Modus' beschrieben. 'Aufbauende Formtypen 1 werden folgendermaßen erklärt: "Im Wechselspiel von Äußerungen beim Sprecherwechsel, bei dem FrageAntwort-Sequenzen eine besondere Rolle spielen, haben sich eine Reihe von Formtypen herausgebildet, bei denen ein zugrundeliegender Satztyp durch Formmerkmale des Frage-Modus, vor allem die Intonation, überprägt wird." (Zifonun et al. 1997:643)

In diesem Zusammenhang wird unter Hinweis auf diese 'Überprägung' auch die Fragecharakteristik von Nachfragen problematisiert, da bei diesen bestimmte syntaktische Besonderheiten gesehen werden.34 Zu strukturellen Aspekten von Ergänzungsfragen wird angemerkt: "Zu unterscheiden sind zwei Formen der Nachfrage: Die erste Form entspricht im Einsatz eines W-Worts und in Verbzweitstellung der Form der Ergänzungsfrage; sie ist ausdifferenziert durch ein steigendes (T), meist besonders stark ansteigendes Tonmuster (TT), durch die Stel lungsvarianz des W-Ausdrucks und durch einen Gewichtungsakzent auf dem W-Wort, wenn nicht auf eine vorausgehende W-Frage zurückgegriffen wird." (ebd.:l 15)

Zu Strukturen von Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen wird erläutert: "Die Nachfrageform mit Subjunktor ob und Verbletztstellung hat steigendes oder fallendes Tonmuster und einen Gewichtungsakzent auf dem Finitum, wenn der Sprecher die Frage wiederholt: A: Kommt ihr heute Τ Β: Ob wir heute kommen Τ " (ebd.: 116)

Mit diesen eher punktuellen Hinweisen auf besondere Erscheinungsformen bleibt die Beschreibung von Entscheidungs-Nachfragen eher bruchstückhaft. Interessant ist jedoch die Erwähnung, dass auch bei Entscheidungs-Nachfragen nur eine Konstituente der Bezugsäußerung herausgegriffen werden kann: 34

In Anlehnung sowie in Abgrenzung zu Reis wird ausgeführt: "Aufgrund des speziellen Verhaltens der W-Phrase ist deshalb anzunehmen, dass Echofragesätze mit W-Phrasen nicht (Hervorhebung im Originaltext) den Satztyp des Ergänzungsfragesatzes aufweisen (vgl. Reis 1992). Vielmehr kann die Echocharakteristik (also das spezielle Akzent- und Intonationsmuster sowie fakultativ die stellungsfreie WPhrase) beliebige Satz- und Formtypen überprägen." (Zifonun et al 1997:646) Allerdings wird hierzu wiederum einschränkend angemerkt: "Im Gegensatz zu Reis 1992 nehmen wir nicht an, dass Aufforderungssätze und Fragesätze der beiden FrageModi direkt (Hervorhebung im Original) überprägt werden" (ebd.:646).

64

2 Literaturdiskussion

"Schließlich kann auch eine Konstituente isoliert aufgegriffen und - auf der Sach- oder Sprachebene - hinterfragt werden: "aber kurz nach der Wohltat war es, - bald nachdem mir die Wohltat zuteil geworden." "Die Wohltat?" fragte Klaus Heinrich (Th. Mann, Königliche Hoheit, 222)." (Zifonun et al. 1997:116)

Dieser Hinweis ist insofern von Belang, als in anderen Darstellungen (wie ζ. B. bei Engel 1996) auch davon ausgegangen wird, dass Verweise auf einzelne Äußerungskonstituenten der Vorgängeräußerung nur mit Ergänzungsfragen möglich seien. Syntaktische Besonderheiten bei Nachfragen werden mit spezifischen Fragefunktionen und der Fokussierung fehlender Information in Zusammenhang gebracht: "Für Nachfragen gelten eine Reihe syntaktischer Besonderheiten, die teilweise als Reflex ihrer speziellen handlungsbezogenen Funktion zu werten sind. (...) Dabei fokussiert er (i. e. der Sprecher, M. R.) das ihm fehlende Informationsstück mit a) intonatorischen und eventuell zusätzlich b) lexikalischen Mitteln." (ebd.:644)

Mit dem Verweis auf a) intonatorische und b) lexikalische Mittel wird eine Verbindung zu Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen gezogen. Diese werden wiederum mit unterschiedlichen Arten von Verstehens- bzw. Verständnisproblemen in Verbindung gebracht: "W-Phrasen deuten auf Nicht-Verstehen, nur intonatorische Markierung auf Verständnisunsicherheit hin" (ebd.:644).

In Hinblick auf eine Funktionsbeschreibung von Nachfragen ist von Bedeutung, dass Entscheidungs- und Ergänzungsfragen hiermit als Ausdruck unterschiedlicher Arten von Verständnisproblemen betrachtet werden.35 Die Darstellung in Zifonun et al. (1997) impliziert schließlich auch den Versuch einer umfassenderen Regelformulierung: "Es gelten folgende Zusammenhänge zwischen Vorgängeräußerung und Nachfrage: [1] Auf Äußerungen beliebiger adressatenorientierter Modi kann mit Nachfragen reagiert werden. [2] Nachfragen auf Frageäußerungen hin sind stets in 'indirekter Redeweise' formuliert, das heißt, - Nachfragen auf Ergänzungsfragen sind Verbletztsätze mit einleitendem W-Wort;

35

Indem den beiden G r u n d f o r m e n unterschiedliche Funktionen der Verständnissicherung zugeschrieben werden, ergibt sich wiederum ein Unterschied zur Darstellung der D u d e n - G r a m m a t i k , denn dort werden nur N a c h f r a g e n in Form von E r g ä n z u n g s f r a g e n mit verständnissichernden Funktionen in Verbindung gebracht (vgl. ausfuhrlicher hierzu w i e d e r u m Abschnitt 2.6.2.)

2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

65

- Nachfragen auf Entscheidungsfragen sind Verbletztsätze mit einleitendem ob. (...) [3] Nachfragen auf Aufforderungssätze sind mit sollen formuliert. [4] Bei lexikalisch mit einer W-Phrase markierten Nachfragen gibt es zwei mögliche Muster: [i] Die W-Phrase verbleibt an der Position, die das entsprechende Element in der Vorgängeräußerung einnimmt (...). [ii] Die W-Phrase wird ins Vorfeld gerückt (...). Muster [i] ist ein nur bei Nachfragen realisierbares Muster, es ist bei allen anderen Fragetypen ausgeschlossen." (Zifonun et al. 1997:645)

Zu diesen Regelformulierungen sind einige kritische Anmerkungen zu machen: Die Aussage unter Punkt [4], dass satzinterne Stellung des Fragewortes spezifisch für Nachfragen und bei anderen Fragetypen ausgeschlossen sei, ist selbst innerhalb der Grammatik von Zifonun et al. nicht konsistent, da dort auch für den Fragetypus 'EXAMENSFRAGE', 'REGIEFRAGE' und 'FORTSETZUNGSFRAGE' satzinterne Positionen des Fragewortes beschrieben werden (vgl. ebd.:l 16f. und 646). In Hinblick auf die unter Punkt [2] formulierte Regel, dass Fragen in Anschluss an Fragen 'stets' in indirekter Redeweise formuliert werden müssen, und die unter Punkt [3] formulierte Regel, dass bei Fragen nach Aufforderungen immer 'sollen' erscheinen muss, sind ebenfalls in Zifonun et al. selbst Gegenbeispiele zu finden.36 Abschließend ist zu Zifonun et al. noch anzumerken, dass es sich bei allen Beispielen um Nachfragen handelt, die auf Wiederaufnahmen von Elementen der vorausgehenden Äußerungen und/oder Fragewörtern beruhen, und Nachfragen, die auf Paraphrasierungen und Reformulierungen anderer Art basieren, nicht berücksichtigt sind.37 Insgesamt ist anzumerken, dass mit Ausnahme von Engel (1996) und Zifonun et al. (1997) die Behandlung von Interrogationstypen und Nachfragen in Grammatiken eine eher untergeordnete Rolle spielt. Engel (1996) und Zifonun et al. (1997) befassen sich zwar ausführlicher mit Nachfragen; es zeigen sich jedoch auch hier Inkonsistenzen in

36 37

Vgl. hierzu Z i f o n u n et al. (1997:646, die Beispiele 9, 10 und 11) sowie die A n a l y s e n zu Strukturtypen und Satzmoduskonstellationen Abschnitt 4.3. Des Weiteren wird in Z i f o n u n (1997:647) et al. der Status von Bestätigungsfragen, N a c h f r a g e n und R ü c k f r a g e n als 'kommunikative Minimaleinheiten' diskutiert. In Bezug a u f ' N a c h f r a g e n ' wird der Schluss gezogen: "Ist die B i n d u n g wie bei N a c h f r a g e n und Rückfragen sehr eng, so kann man eigentlich k a u m von Ä u ß e r u n g e n kommunikativer Minimaleinheiten sprechen, es handelt sich vielmehr u m nur im Kontext selbständige und vollständige Ä u ß e r u n g e n . " (Zifonun et al. 647) Damit wird die Frage, ob es sich hier um eine k o m m u n i k a t i v e Minimaleinheit handelt, im Prinzip nicht ganz beantwortet.

66

2 Literaturdiskussion

den Darstellungen. Die Ausführungen im folgenden Abschnitt erweisen, dass entsprechende Widersprüche auch in Literatur, die sich speziell mit Interrogationen befasst, angelegt sind. 2.2.3

Fragekategorien in anderen grammatischen Beschreibungen

Fragetypologien, in denen Nachfragen und Echofragen als eigene Kategorien erscheinen, finden sich auch in eingehenderen Befassungen mit Interrogationen. Allein an formalen Kriterien orientiert bestimmt Bierwisch (1966:165) (Regeln für die Intonation deutscher Sätze) Fragesätze über drei Merkmale, i. e.: "Eigenschaften, die die Struktur deutscher Fragesätze kennzeichnen, sind das Auftreten von Fragewörtern, die Spitzenstellung des Verbs und die Frageintonation." (Bierwisch 1966:165)

Unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten dieser Merkmale werden einer Klassifikation von Satz- und Fragetypen zugrundegelegt, in der auch Echofragen als eigene Kategorien erscheinen: Entscheidungsfragen

Frageintonation

V-Spitzenstellung

Alternative

Typ

+

-

-

(a)

-

-

-

(b)

+

-

(c)

-

-

(d)

+

(e)

-

(f)

+

+

+ -

-

(g) (vgl. Bierwisch 1966:166)

67

2.2 N a c h f r a g e n in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

Diese Satztypen werden folgendermaßen exemplifiziert: 3 (a) (b)

(c)

(d)

1 4 Wen hast du getroffen [Anst] 2 1 Wen hast du getroffen [Fall] 2 1 Hast du Klaus getroffen [Anst] 1 4 Du hast Klaus getroffen [Anst]

ECHO-W-FRAGE

W-FRAGE

ENTSCHEIDUNGSFRAGE

ECHO-ENTSCHEIDUNGSFRAGE

(e)

1 1 3 Hast du Klaus oder Sabine getroffen [Fall]

ALTERNATIVFRAGE

(f)

2 1 Hast du Klaus getroffen [Fall]

ENTSCHEIDUNGSFRAGE

2 1 Du hast Klaus getroffen [Fall]

AUSSAGE

(g)

(Bierwisch 1966:166)

Von besonderem Interesse in Hinblick auf Nachfragen ist, dass 'ECHOW-FRAGEN' und 'ECHO-ENTSCHEIDUNGSFRAGEN' als eigene Kategorien in Erscheinung treten und nach formalen Kriterien von anderen Fragekategorien abgegrenzt werden.39 Eher pragmatisch orientiert ist die Differenzierung von Fragekategorien bei Wunderlich (1976) (Studien zur Sprechakttheorie). Wunderlich nimmt im Kapitel zu "Fragesätzen und Fragen" eine Einteilung von Fragen vor, die mit semantischen Unterscheidungen sowie mit Unterscheidungen in Bezug auf die möglichen Antworthandlungen und vorangehende Kontexte operiert: "Aufgrund formaler Kriterien will ich 5 Arten einfacher Fragesätze im Deutschen unterscheiden; es zeigt sich, dass dem zum Teil semantische Unterschiede korrespondieren, zum Teil Unterschiede in der möglichen Form von Antworthandlungen oder in dem vorangehenden Kontext der Fragehandlung." (Wunderlich 1976:183 f)

38

39

[Fall] bezeichnet den abwärtsgerichteten Haupttonschritt, [Anst] bezeichnet den ansteigenden Haupttonschritt von Phrasierungseinheiten. Die Ziffern 1, 2 etc. repräsentieren T o n h ö h e n , wobei 1 den niedrigsten auftretenden Wert darstellt. Sind diese Zahlen über d e m Beispieltext angeordnet, werden Akzente angegeben (Bierwisch 1966:139). A u f diese Kategorienbildung und ihre theoretischen Implikationen wird unter Abschnitt 2.3 bei der B e f a s s u n g mit E c h o f r a g e n noch eingegangen.

68

2 Literaturdiskussion

Dann werden die folgenden Fragekategorien aufgelistet:40 " 1. Sätze für Ε-Fragen (Entscheidungsfragen, Satzfragen, Ja/Nein-Fragen); 2. Sätze für W-Fragen (Bestimmungsfragen, Ergänzungsfragen, Wortfragen); 3. Sätze für D-Fragen (Disjunktive Fragen, Alternativfragen); 4. Sätze fur R-Fragen (Rückfragen, Bestätigungsfragen); 5. Sätze für B-Fragen (Begründungsfragen, Warum-Fragen)" (Wunderlich 1976:184)

Diese Fragekategorien werden mit den folgenden Beispielen exemplifiziert: "(1) Schläft Paul? (2) Wer kommt? (3) Ist heute Montag oder Dienstag? (4) Du fährst nach Berlin? (5) Warum fragst du?" (ebd.: 184)

Zu den Kriterien, auf denen die Unterscheidung dieser Fragekategorien beruht, wird ausgeführt: "Formales Kriterium für 1 und 3 ist die Anfangsstellung des finiten Verbs und die ansteigende Intonation am Satzende; hinzu kommt für 3 das Vorkommen des Worts 'oder' zwischen gleichartigen Satzgliedern. Formales Kriterium für 4 ist die ansteigende Intonation am Satzende. Formales Kriterium für 2 und 5 ist das Vorkommen eines W-Worts (Fragepronomens) am Satzanfang; evtl. zusammen mit einer Präposition. 5 ist von 2 nur dadurch unterschieden, dass 5 nur W-Wörter einer bestimmten Teilklasse zuläßt (...)" (Wunderlich 1976:184)

Obgleich zunächst von fünf Kategorien für direkte Fragesätze ausgegangen wird, merkt Wunderlich an, dass die Kategorien 3, 4 und 5 unter bestimmten Umständen auch zu den Kategorien 1 und 2, i. e. ΈFRAGEN' und 'W-FRAGEN', gerechnet werden können.41 Bemerkenswert ist weiterhin, dass 'RÜCKFRAGEN' und 'BESTÄTIGUNGSFRAGEN' in einer Kategorie zusammengefasst werden, da für diese ansonsten häufig getrennte Kategorien angesetzt werden. Grund hierfür ist vermutlich, dass bei beiden Fragefunktionen häufig VerbZweitstellung und eine 'rein' intonatorische Markierung der Interrogation zu beobachten ist. Zudem werden beide häufig mit der Funktion einer 'Vergewisserung' in Zusammenhang gebracht. Allerdings

40

41

D i e s e K l a s s i f i k a t i o n w i r d j e d o c h als u n v o l l s t ä n d i g . a n g e s e h e n : " D i e s e K l a s s i f i k a t i o n ist nicht v o l l s t ä n d i g - d a s ist a u c h nicht die A b s i c h t i n s b e s o n d e r e f e h l e n die v e r s c h i e d e n e n A r t e n k o m p l e x e r F r a g e s ä t z e . " ( W u n d e r l i c h 1976:184). A u c h in d e n a n s c h l i e ß e n d e n A u s f ü h r u n g e n e r f o l g t schließlich e i n e K o n z e n t r a t i o n a u f E n t s c h e i d u n g s - u n d E r g ä n z u n g s f r a g e n . 'RÜCKFRAGEN' w e r d e n j e d o c h als M i t t e l d e r V e r s t ä n d n i s s i c h e r u n g e r w ä h n t , (vgl. W u n d e r l i c h 1976:357).

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

69

wird damit nicht mehr dem Umstand Rechnung getragen, dass in dem einem Fall ein Rückbezug auf eine vorausgehende Äußerung vorliegt, in dem anderen Fall nicht. Auf dergleichen Unterschiede Bezug nehmend setzt Vandeweghe (1977) (Fragen und ihre Funktionen) Nachfragen mit verständnissichernder Funktion als eigene Kategorie an, indem er bei ' D E U T U N G S U C H E N D E N F R A G E N ' zwei Typen unterscheidet: "Die Deutung, die der Sprechende mit einer Informationsfrage sucht, betrifft normalerweise (a) den sprachlichen Interaktionsprozess als solchen (Verständigungsfragen) (b) die Wirklichkeit (die Gegenstände und Sachverhalte) im Allgemeinen." (Vandeweghe 1977:281)

In Zusammenhang mit der Erläuterung der Kategorie G U N G S F R A G E N ' werden auch ' E C H O F R A G E N ' erwähnt:

'VERSTÄNDI-

"Auch die Echo-Frage, also die Frage, die wie ein Echo wiederholt, was im Vorigen gesagt wurde, kann hier als Beispiel angeführt werden" (Vandeweghe 1977:281). Als Beispiele für 'VERSTÄNDIGUNGSFRAGEN' werden angeführt:

"Waarom? ('Warum [fragst du mich das]?)', Hoe bedoel Je? ('Wie meinst du?) ', Heb ik je wel goed verstaan? ('Hab ich dich wohl richtig verstanden?)" (ebd.:281).

Wie aus diesen Beispielen und Erläuterungen hervorgeht, sind 'VERSTÄNDIGUNGSFRAGEN' bei Vandeweghe eine primär inhaltlich bestimmte Kategorie, die neben Echofragen und Nachfragen auch andere metakommunkative Fragen einschließt. Bezüge zu bestimmten formalen Erscheinungsformen werden hier nicht hergestellt. Diese inhaltliche Bestimmung von ' V E R S T Ä N D I G U N G S F R A G E N ' wird von Frier (1981) (Zur linguistischen Beschreibung von FrageAntwort-Zusammenhängen) aufgegriffen. Frier sieht zunächst im Rahmen eines 'informationspragmatischen Ansatzes' eine Unterscheidung von drei Arten von Fragen als grundlegend an: "Der informationspragmatische Ansatz wird durch das Vorkommen verschiedener Arten von Fragen sozusagen von selbst präzisiert. Man unterscheidet im allgemeinen a) Entscheidungsfragen b) Ergänzungsfragen c) rhetorische Fragen" (ebd.:47)

Des Weiteren präsentiert Frier eine nach pragmatischen Kriterien differenzierte Typologie, die als "Fragen und ihre Funktionen" unter Bezugnahme auf Vandeweghe (1977) präsentiert wird: "Bei dem folgenden Typologie-Versuch gehe ich von pragmatischen Großklassen aus, wie sie Vandeweghe (1977:280) vorgeschlagen hat. (...) Dieser Vorschlag wird im folgenden (...) weiter ausgearbeitet." (Frier 1981:63)

70

2 Literaturdiskussion

Nachfrage-Phänomene erscheinen dann in einer insgesamt 11 Kategorien umfassenden Typologie unter der Kategorie der 'SUBSTANTIELL METAKOMMUNIKATIVEN FRAGEN'. Diese werden mit folgender Begründung als eigene Kategorie angesetzt: "Es scheint mir nicht angemessen, substantielle metakommunikative Fragen ('Warum fragst du mich das?', 'Wie meinst du das?', 'Hab ich das richtig verstanden?') einfach zu den deutungssuchenden (Informations-)fragen zu rechnen. Man kann sie besser als eigenen Typ aufführen. Metakommunikative Fragen können sich auf die verschiedensten sprachlichen und interaktioneilen Aspekte der Situation beziehen." (ebd.:64)

Damit ist diese Kategorie bei Frier - wie bei Vandeweghe - allein inhaltlich bestimmt. Zudem werden nur Nachfragen mit metakommunikativer Orientierung erfasst. Ziel von Burkhardt (1986) {Zur Phänomenologie, Typologie, Semasiologie und Onomasiologie der Frage) ist, das 'Wesen' der Frage, und damit u. a. das "Verhältnis von Form und Funktion" sowie "unterschiedliche Fragetypen" herauszuarbeiten (ebd.:24f). Als Grundformen werden hier drei Kategorien angesetzt, wobei die Unterscheidung mit 'der Beschaffenheit der Proposition' begründet wird:42 "Nach dem Kriterium der Beschaffenheit der Proposition gibt es im Deutschen drei Typen von Fragen: die 'Entscheidungsfrage' (Satzfrage), die 'Ergänzungsfrage' (Wortfrage) und die 'Alternativfrage'." (Burkhardt 1986:27)

Parallel zu dieser Unterscheidung von "3 Typen von Fragen" wird dann eine weitere Differenzierung von "semantischen Varianten" der Frage vorgenommen. 43 Hierzu gehören die Kategorien: 'Informationsfrage' 'Wimperativische Frage1 'Rhetorische Frage' 'Anredefrage' 'strukturelle Frage' 'verständnissichernde Frage' 'bestätigungsheischende Frage' 'Verständnisnachfragen (Echofrage)'

42 43

Burkhardt bezieht sich dabei auf die Duden-Grammatik (in der Ausgabe von 1984) und auf Wunderlich (1976). Zu diesen 'Varianten' wird angemerkt: "Die im Folgenden unterschiedenen semantischen Varianten der Frage weisen als Vorkommen zumindest eines der vier formalen Fragekriterien auf und vollziehen daher auf der Ebene der 'semantic force' (...) Fragehandlungen. Weil sie jedoch konstitutive Merkmale der Standardfrage bzw. semantische Merkmale des Fragebegriffs nicht erfüllen, müssen sie auf j e spezifische Weise reinterpretiert werden, sei es im Sinne einer anderen Illokution, sei es im Sinne einer über den jeweiligen Ko- und Kontext auf spezifische Weise reduzierten Frageillokution." (Burkhardt 1986:34)

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

71

'inhaltliche F r a g e ' 'turn-taking-Frage' ' P r o b l e m a t i s i e r u n g s f r a g e ( g n o s e o l o g i s c h e Frage)' 'perfide Frage' 'Prüfungsfrage' 'Aktivierungsfrage' 'Begründungsfrage' 'Vorwurffrage' ' T e n d e n z i ö s e o d e r s u g g e s t i v e Frage' 'Bekenntnis- oder Gelöbnisfrage' (Burkhardt 1986:34ff.)

Diese Fragetypen werden von Burkhardt in einem hierarchischen Verhältnis gesehen.44 In Hinblick auf eine Befassung mit Nachfragen sind insbesondere die Ausführungen zu 'strukturellen Fragen' von Belang:45 " S t r u k t u r e l l e F r a g e n gibt es i n s g e s a m t drei, v o n d e n e n die erste n o r m a l e r w e i s e e i n e A n t w o r t e r f o r d e r t u n d VERSTÄNDNISSICHERND, die z w e i t e d a g e g e n , die e b e n f a l l s e i n e s p r a c h l i c h e R e a k t i o n erfordert, B E S T Ä T I G U N G S H E I S C H E N D ist." ( H e r v o r h e b u n g e n im T e x t , M . R.) (ebd.:39)

Als Beispiele für 'VERSTÄNDNISSICHERNDE FRAGEN' werden sprecherseitige Nachfragen wie 'ja?' und 'verstanden?' angeführt. Auch 'BESTÄTIGUNGSHEISCHENDE FRAGEN' werden als sprecherseitige Nachfragen bestimmt.46 Als dritter Sub-Typus der strukturellen Fragen werden 'ECHOFRAGEN' g e n a n n t :

44

Vgl. hierzu auch die Darstellung in Form eines Strukturbaums bei Burkhardt (1986:46). Diese Darstellung geht zunächst von einer Unterscheidung der 'WIMPERATIVISCHEN AUFFORDERUNGSFRAGE' u n d d e r 'RHETORISCHE BEHAUPTUNGSFRAGE' v o n 'INFORMA-

TIONSFRAGEN' aus. Als unterscheidendes Kriterium wird genannt, dass bei diesen im Gegensatz zu anderen Fragen keine Antworten erwartet werden (ebd.:34ff.). Fragen, bei denen eine Antwort erwartet wird, werden dann danach differenziert, worauf sie sich beziehen. Hier werden 'INHALTLICHE' und 'STRUKTURELLE FRAGEN' unterschieden (ebd.:39). 45

46

'STRUKTURELLE FRAGEN' werden folgendermaßen definiert: "Strukturelle Fragen regeln rein die Beziehungsebene im Gespräch, sichern Kontakt, Aufmerksamkeit und Konsens" (Burkhardt 1986:39). Zu diesen wird ausgeführt, dass sie auch eine inhaltliche Zustimmung suchen: "Während der Hörer im vorigen Falle nur zur Bekundung seines Verstandenhabens provoziert wurde, soll er im Falle der bestätigungsheischenden Fragen auch noch zustimmen. Beispiele sind: Du bist doch mein Freund, gell/woll/ne/ja? oder Du warst gerade im Urlaub, stimmts?" (ebd.:9). Diese Unterscheidung ist jedoch nicht unproblematisch, da nur in manchen Fällen (wie beispielsweise bei Einsatz der Nachfrage-Partikel 'stimmts') eine eindeutige Zuordnung getroffen werden kann, bei anderen Nachfragepartikeln wie 'ne?' eine Zuordnung jedoch nicht ohne weiteres möglich ist. Sprecherseitige Nachfragen sind allerdings in der vorliegenden Arbeit nicht weiter Gegenstand der Untersuchung.

72

2 Literaturdiskussion

"Eine weitere strukturelle Frage ist die Echofrage, 'die wie ein Echo wiederholt, was im Vorigen gesagt wurde' (Vandeweghe (1977) S. 281) und 'nur in der Sequenz vorkommt, also nicht selbständig ist ' (Sökeland (1980) S. 133). Das Beispiel A: Wie spät ist es? - Β (bevor er eigentlich inhaltlich antwortet): Wie spät es ist? verdeutlicht, dass Fragen dieses Typs keinesfalls auf inhaltliche Momente zielen, sondern sich der Partnerfrage selbst noch einmal versichern bzw. nach Zeitgewinn trachten. Eine ähnliche Funktion hat auch ein rückfragendes Ja? des Hörers. Dienen diese verständnissichernden Fragen der Sicherung des eigenen Gesprächsbeitrags, so dienen die Echofragen der der Äußerung des Partners. Sie sollen daher als VERSTÄNDNISNACHFRAGEN (Hervorhebung im Original) bezeichnet werden." (Burkhardt 1986: 3f)

Echofragen werden hier im Beispiel wiederum auf den Sonderfall 'Frage nach Frage' eingegrenzt.47 Insgesamt ist festzuhalten, dass hörerseitige Nachfragen in der Beschreibung von Burkhardt damit auf ein relativ enges Spektrum an Phänomenen reduziert werden, denn einerseits erfolgt eine Einschränkung auf 'Fragen nach Fragen', womit andere Satzmoduskonstellationen unberücksichtigt bleiben und andererseits eine Einschränkung auf Nachfragen mit Echokomponenten. Rehbein (1999) (Zum Modus von Äußerungen) beschreibt Nachfragen

als

'MEDIALE INTERROGATIVE',

die v o n

'INITIALEN

INTERRO-

GATIVEN' abgesetzt werden und mit Sprecher- und Hörer-Rolle in Verbindung gesetzt werden: "Hinsichtlich der Abfolgebeziehung, also je nach Vorgeschichte, ist allgemein zwischen initialen (aus der S-Rolle heraus) und medialen Interrogativen (aus der Η-Rolle heraus) zu unterscheiden; letztere werden - unterminologisch gesprochen - für Nachfragen verwendet und betreffen propositionale wie Wortfragen gleichermaßen." (ebd.: 109)

In Hinblick auf Nachfragefunktionen wird ausgeführt: "Je nach Zweck werden mit Nachfragen für das Verstehen wichtige Informationen der Vorgängeräußerung nachgefordert (auch: Echofrage) oder Verwunderung, Zweifel usw. ausgedrückt (auch: erstaunte Frage)." (ebd.: 109)

Interessant ist hier der wieder eher beiläufige Gebrauch des Terminus 'ECHOFRAGE', sowie die Nennung von zwei Funktionsbereichen ('Verstehen' vs. 'Verwunderung', Zweifel', 'Erstaunen'). Zu letzterem wird ausgeführt: "In erstaunten Fragen wird oft kein vorangegangener Ausdruck zitiert: So markiert im folgenden Beispiel (BIO) 'Echt?' mittels Interrogativintonation den propositionalen Gehalt (....) als Nicht-Gewußtes." (ebd.: 110)

47

Hier wird auch eine Verbindung zu den 'DIALOGUE CONTROL CHECKS' von Bunt (1981:134ff.) gezogen.

2.2 Nachfragen in grammatischen Beschreibungen und Fragetypologien

73

Auch in Bezug auf prosodische Realisierungen werden Unterschiede gesehen: "Im Unterschied zu Nachfragen (Echo-Fragen) wird bei erstaunten Fragen gleichzeitig eine Exklamativ-Intonation (...) auf den Ausdruck des NichtGewußten (...) gesetzt." (ebd.:l 10)

Als mögliche Erscheinungsform für Nachfragen generell wird ein relativ breites Spektrum an Möglichkeiten aufgeführt: "Kennzeichnend für Nachfragen, insbesondere Echofragen, ist das Herausgreifen bestimmter Ausdrücke und ein Arbeiten auf der Syntax der Vorgängeräußerung, ein Komplettieren/Fortführen der Vorgängeräußerung, ein Explizit-Machen einer ihrer Implikationen usw., intonatorisch zumeist ein steiler Tonanstieg auf dem Nichtgewußten (oft dem w-Element (.)) (...)" (ebd.: 109)

Interessant erscheint hier der Verweis, dass auch Implikationen aufgegriffen werden können. 2.2.4

Fazit

In Bezug auf Fragetypologien ist festzuhalten, dass sich nicht nur in Grammatiken, sondern auch in Literatur, die sich speziell mit Interrogationen befasst, erhebliche Unterschiede in Bezug auf Frageklassifizierungen und die Beschreibung von Nachfragen und Echofragen zeigen. 48 Bemerkenswert ist dabei aber, dass - unabhängig davon, ob die Frageklassifizierungen und Taxonomien eher auf formalen oder funktionalen Kriterien beruhen - Nachfragen und/oder Echofragen immer wieder als eigene Kategorien angesetzt werden. Festzuhalten ist des Weiteren, dass sich erhebliche Widersprüche in den Darstellungen von Form-Funktionsbezügen bei der Beschreibung dieser Fragekategorien zeigen, indem Nachfragefunktionen mit ganz unterschiedlichen Äußerungsformen in Verbindung gebracht werden. Ehe diese Widersprüche sowie Grundlagen der Kategorienbildungen unter 2.6' diskutiert werden, folgt zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit Literatur, die sich speziell mit Echofragen befasst, da sich auch hier entsprechende Unterschiede in Darstellungen von FormFunktions-Bezügen zeigen.

48

Abschließend ist auch anzumerken, dass die Darstellung von Fragetypologien hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Als weiteres Beispiel könnte noch auf Lötscher (1995) hingewiesen werden. Er unterscheidet z . B . 1. Echofragen, 2. Vergewisserungsfragen, 3. Verwunderungsfragen, 4. Quittierungsfragen.

2 Literaturdiskussion

74

2.3

Literatur zu Echofragen

2.3.1

Satzmodus und Tiefenstrukturen

In Literatur, die sich speziell mit Echofragen befasst, steht die Auseinandersetzung mit syntaktischen Aspekten von Ergänzungsfragen in diesem Zusammenhang häufig als 'Echo-W-Fragen' bezeichnet - im Vordergrund. Dabei wird immer wieder problematisiert, dass bei 'normalen' Fragen das Fragewort in der Regel in der Spitzenstellung erscheint bzw. von einer 'Bewegung des w-Ausdrucks in Satzanfangsstellung' ('wh-movement') auszugehen ist, während in Echofragen das Fragewort (auch) satzintern an der Stelle des Fokuselementes positioniert sein kann.' Wunderlich (1986) (Echofragen) geht wie Bierwisch (1966) davon aus, dass Echofragen basisgeneriert sind.2 Dabei nimmt Wunderlich für die Generierung von Echofragen ein eigenes 'syntaktisches E-Merkmal' an.3 Er führt aus: "(...) n e h m e ich hier ein s y n t a k t i s c h e s Ε - M e r k m a l an, das s o w o h l f u r die g e e i g n e t e s e m a n t i s c h e Interpretation u n d k o n t e x t u e l l e A n g e m e s s e n h e i t w i e a u c h f ü r die i n t o n a t o r i s c h e R e a l i s i e r u n g der Ä u ß e r u n g v e r a n t w o r t l i c h ist." (Wunderlich 1986:54)

In Bezug auf Tiefenstrukturen von Echofragen werden jedoch auch andere Auffassungen vertreten. So bezieht Reis (1991) (Echo-w-Sätze und Echo-w-Fragen) den Standpunkt, dass für Echofragen keine eigenen Tiefenstrukturen anzunehmen seien. Sie begründet dies folgendermaßen: "In d i e s e m B e i t r a g w i r d d a f ü r a r g u m e n t i e r t , a) d a ß die g r a m m a t i s c h e n C h a r a k teristika v o n E c h o - w - F r a g e n diese w e d e r zu w - I n t e r r o g a t i v s ä t z e n , n o c h z u ein e m e i g e n e n S a t z t y p o d e r e i n e m strukturellen ' M i s c h t y p ' m a c h e n , s o n d e r n sich

1

2

3

In diesem Zusammenhang ist auch die Untersuchung von Echofragen in verschiedenen Sprachen von Interesse. Vgl. hierzu beispielsweise Comorovski (1996) (Interrogative Phrases and the Syntax-Semantics Interface) und Janda (1985): (Echo-Questions are Evidence for what?). In diesem Zusammenhang werden auch multiple w-Fragen thematisiert. In Verbindung mit der Darstellung von Fragetypologien wurde bereits dargelegt, dass Bierwisch (1966) (Regeln für die Intonation deutscher Sätze) in Zusammenhang mit dem übergeordneten Anliegen, Regeln der Intonation mit systematischem Bezug zu Strukturen deutscher Sätze zu beschreiben und zu erklären, Satztypen über intonatorische und syntaktische Merkmale differenziert, wobei 'ECHO-W-FRAGEN' und 'ECHOENTSCHEIDUNGSFRAGEN' eine eigene Kategorie bilden (Bierwisch 1966:166). Für diese Frageformen - d. h. auch für die beiden verschiedenen Formen von Echofragen werden jeweils spezifische 'Tiefenstrukturen' angenommen (ebd.:169ff.). Für Fragesätze allgemein wird hier die Tiefenstruktur "Q + Nukleus" angenommen (Wunderlich 1986:47ff.).

2.3 Literatur zu Echofragen

75

mit beliebigen Satzstrukturen zu 'Echo-w-Sätzen' (EwS) verbinden; b) daß sich ihre grammatischen und die damit korrelierenden pragmatischen Besonderheiten völlig regulär ableiten lassen, wobei sich ergibt, daß EwS nur in pragmatischer Hinsicht 'Frage-Sätze' sind." (Reis 1992:213) 4

Der Auffassung, dass Echofragen 'nur in pragmatischer Hinsicht' als Fragesätze zu betrachten seien widersprechen wiederum Oppenrieder (1991) (Zur intonatorischen Form deutscher Fragesätze) und Consten (1996) (Macht der Ton die Frage? Zur Analyse von Echo-w-Sätzen). Eine Auseinandersetzung mit kontroversen Auffassungen zu Tiefenstrukturen findet sich bereits bei Meibauer (1987b) (Zur Form und Funktion von Echofragen). Er nennt neben den zuvor angeführten Positionen als weiteren Ansatz die Vorstellung, dass aus einer Tiefenstruktur sowohl Echofragen als auch normale W-Fragen erzeugt werden können und kommt zu dem Schluss, dass nicht entschieden werden kann, welchem Ansatz das höchste Erklärungspotential zukomme (Meibauer 1987b:342). Auch in Hinblick darauf, welcher Satzmodus den Echofragen zuzusprechen ist, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Diesbezüglich setzt Meibauer (1987b) Beispielsätze aus Wunderlich (1986) und Bierwisch (1966) mit der Satztypenklassifikation von Altmann 1984 (Linguistische Aspekte der Intonation am Beispiel Satzmodus) in Verbindung. Dem Ansatz von Altmann entsprechend werden Echofragen als 'Mischtypen' eingestuft (ebd.: 138).5 Im Gegensatz hierzu argumentiert Reis (1991) wiederum, dass es sich bei Echo-w-Sätzen weder um einen 'Mischtyp', noch um einen Interrogativsatz, noch einen eigenen Satztyp handelt, und setzt diese direkt mit den Satzmodi der geechoten Sätze in Verbindung: "EwS sind je nachdem Deklarativsätze, Interrogativsätze, Imperativsätze etc., die eine +w-Phrase mit EwS-spezifischen Eigenschaften enthalten. Als solche haben sie stets das Satztypenmerkmal des 'geechoten' Satzes (...)." (Reis 1991:55).

Oppenrieder (1991) argumentiert wiederum, dass bei Rückfragen und anderen 'Mischtypen' (im Sinne von Altmann 1987) der 'aktuelle' Satzmodus der der Frage sei, und der zitierte Satzmodus 'deaktiviert' wür4

5

Kontrovers wird daher auch der Status von Fragewörtern in Echofragen in satzinterner Position diskutiert. Reis (1992:226) sieht bei 'w-Ausdrücken' in 'Echo-w-Fragen bzw. EwS' viele Gemeinsamkeiten mit nicht-interrogativen w-Ausdrücken. Oppenrieder (1991:249) schreibt im Unterschied zu Reis dem w-Fragewort auch in Echofragen '+wCharakteristik' zu, wobei er auch eine Verbindung zieht zur Kontroverse, ob Echofragen als quotationelle Strukturen zu betrachten sind oder nicht. Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Abschnitt 2.1.3 zu Altmann (1981) und (1984).

76

2 Literaturdiskussion

de. Damit könnten u. a. auch Veränderungen bestimmter Merkmale in der zitierten Struktur (u. a. beispielsweise die Nichtaufnahme von Modalpartikeln) erklärt werden: "Der aktuelle Satzmodus ist der der Frage. Als fragetypische formale Indikatoren stehen nur spezifisch betonte, stellungsgebundene w-Ausdrücke und der steigende Tonhöhenverlauf zur Verfugung, da andere Merkmale für die Kennzeichnung des deaktivierten Funktionstyps eingesetzt werden." (Oppenrieder 1991:253)

Consten (1996) schließt sich der Argumentation von Oppenrieder an und kommt auch unter Bezugnahme auf die Rolle der Intonation zu dem Schluss: "Der größte Unterschied zu Reis (1990) ist also die Annahme, daß der Satzmodus der geechoten Struktur 'deaktiviert' wird und der aktuelle Satzmodus sich aus frage-indizierenden Merkmalen ergibt. Damit werden EwS auch formal zu Fragen". (Consten 1996:220)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Hauptargumente dafür, Echo fragen in Hinblick auf Tiefenstrukturen oder den Satzmodus einen anderen Status als anderen Fragen zuzuschreiben, im wesentlichen daraus gezogen werden, dass bei Ergänzungsfragen die Möglichkeit der satzinternen Stellung des Fragewortes und bei Entscheidungsfragen Verb-Zweit-Stellung als Besonderheiten gesehen werden. Entscheidend ist daher für die unterschiedlichen Positionen u. a., welche Rolle der Syntax in den verschiedenen Auffassungen von Satzmodus in der Argumentation zugeschrieben wird. Zum einen wird Satzmodus allein über syntaktische Merkmale und Aspekte der Wortstellung bestimmt (wie bei Reis), zum anderen als Merkmalskomplex, der neben Wortstellung, morphologischen Markierungen und bestimmten lexikalischen Elementen auch intonatorische Merkmale umfassen kann (vgl. Altmann 1987 und Consten 1996:216). Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnenswert, strukturelle Beschreibungen von Echofragen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. 2.3.2

Syntaktische Beschreibungen von Echofragen

Bei der Befassung mit syntaktischen Besonderheiten von Echofragen stehen Positionen des Fragewortes in Echo-Ergänzungsfragen bzw. Echo-w-Fragen im Zentrum des Interesses.6 Mit Bezug auf die Stellung des Fragewortes unterscheidet Wunderlich drei Arten von Echofragen: 6

Bei Echo-Entscheidungsfragen wird das Faktum, dass diese im allgemeinen VerbZweit-Stellung und damit die Wortstellung von Konstativsätzen a u f w e i s e n , vor allem

2.3 Literatur zu E c h o f r a g e n

77

"Typ 1: Fragen, die ein Element der originalen Äußerung an der originalen Position fokussieren; Typ 2: Fragen, die dieses Element durch ein W-Wort ersetzen; Typ 3: Fragen, die die W-Phrase in die Spitzenstellung bewegen." (Wunderlich 1986:47)

Entsprechungen zu diesen drei Satztypen finden sich auch bei Meibauer (1987b), der bei der Unterscheidung dieser Möglichkeiten die Beispiele aus Bierwisch (1966) aufgreift: "Du hast K L A U S getroffen?" "WEN hast du getroffen?" "Du hast W E N getroffen?" (Meibauer 1987b:335)

Die Stellungsfreiheit des w-Ausdrucks begründet Oppenrieder (1991) damit, dass die Satzspitzenposition aufgrund ihrer 'Zitatverwendung' nicht privilegierte Position fur eine Satzmodusmarkierung sein könne, und der 'w-Ausdruck' daher ('seiner Kategorie gemäß') das Mittelfeld besetzt. (Oppenrieder 1991:251) Die Stellungsfreiheit wird bei Oppenrieder zudem mit der Markierung des zitierten Satzmodus begründet: "Dessen Stellungsfreiheit ergibt sich daraus, daß auch der zitierte Satzmodus gekennzeichnet werden muß." (Oppenrieder 1991:249)

Des Weiteren finden bei der Beschreibung von Echofragen auch VerbLetzt-Konstruktionen Aufmerksamkeit. So werden in Hinblick auf die Strukturen von Echo fragen bei Reis (1992) "drei Falltypen" unterschieden, für die die "folgenden Oberflächenmerkmale" als "konstitutiv" gelten: "Für (1) steigendes Tonmuster, für (2) Anwesenheit eines stellungsfreien, stets auf dem w-Teil hauptakzentuierten w-Lexems, für (3) Auftreten eines fragetypischen Elements {ob, w-Ausdruck) in Spitzenstellung, verbunden mit Verbletzt-Struktur." (Reis 1992:214)

Ansonsten werden Verb-Letzt-Strukturen bei Echofragen insbesondere in Zusammenhang mit der Qualität der Echokomponente und Aspekten der Redeerwähnung behandelt. 7 In Hinblick auf die satzinterne Position des Frageworts wird in der Literatur auch erörtert, dass diese nicht nur in Echofragen, sondern auch in anderen Fragen vorkommen können. Als Beispiel werden hier meist multiple Fragen (d. h. Fragen mit mehreren Fragewörtern) und

7

als A u s g a n g s p u n k t fur Überlegungen zur Rolle der Intonation bei der M a r k i e r u n g von Fragen g e n o m m e n . Zur Intonation von Echofragen vgl. Bierwisch (1966), Klein (1982), M e i b a u e r (1987b:337) und Wunderlich (1986:5 Iff.). Vgl. hierzu die A u s f ü h r u n g e n im folgenden Abschnitt.

78

2 Literaturdiskussion

sog. 'Quiz-' oder 'PRÜFUNGSFRAGEN' angeführt. So konstatiert Wunderlich (1986): "Sätze mit nicht-bewegten W-Wörtern kommen nur in zwei Fällen vor: 1. Bei der multiplen W-Frage (...). 2. Bei der Echofrage, wo die W-Bewegung optional ist (...)." (Wunderlich 1986:48)

Auch Reis (1992) verweist darauf, "daß Sätze in EwS-Form nicht nur auf Vorgängeräußerungen bezogene reaktive Echo-Frage-Verwendungen haben (...), sondern auch initiative Verwendungen (als Quizfragen, Abfragen, Vergewisserungsfragen u. a. m.)." (Reis 1992:215)

Insgesamt überwiegt bei der Beschreibung entsprechender Fragen die Tendenz, Unterschiede zu 'echten' Fragen und gewisse Analogien zu Nachfragen zu sehen: "Mit jeder Äußerung eines EwS vollzieht der Sprecher eine 'Echo-w-Handlung i. w. S. das heißt: (i) eine w-Fragehandlung, für die er zu verstehen gibt, (ii) daß die als offen thematisierte Stelle in der Proposition für die Gesprächsbeteiligten als vorher/eigentlich geschlossen gilt." (Reis 1992:216)

Auch Meibauer spricht in Bezug auf'QUIZFRAGEN' von "selbständigen, initiativen nicht-initialen W-Fragesätzen" (Meibauer 1987b:348) und unterstellt letztendlich bei Frageverwendungen in Prüfungen und Interviews eine Vermutung des Fragenden. Bei Meibauer wird die satzinterne Positionierung des Fragewortes in 'initiativen Fragesätzen' auch mit einem 'resümierenden Charakter' der Äußerung in Zusammenhang gebracht: "Fragen wie Ihr kommt nun endgültig WANN? (im Original kursiv, M. R.), die eher resümierenden Charakter haben". (Meibauer 1987b:348)

Nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist hier, worin der resümierende Charakter liegt und welcher Zusammenhang mit der Position des Fragewortes besteht. Als 'pragmatische Bedingung' wird für diese Fragen lediglich angeführt, dass der Fragende unterstellt, dass der Befragte die 'richtige Antwort' weiß. (ebd.:348) Oppenrieder (1991) sieht hingegen bei 'EXAMENS- oder QUIZFRAGEN' einen Zusammenhang mit dem 'Zitat-Charakter' von Echofragen: "Hier nimmt der Fragende aufgrund der spezifischen Prüfungssituation an, daß die assertierten geschlossenen Propositionen bereits als verfügbar gelten, so daß er sich auf sie während der Prüfungssituation 'aktuell' oder 'relevant'jederzeit mit einem 'Zitat' beziehen kann." (Oppenrieder 1991:253)

2.3 Literatur zu Echofragen

79

Diese Annahme wird dann auch auf andere Situationen bzw. andere Arten von Fragen bezogen: "Der B e z u g auf situationeil v e r f ü g b a r e assertierte Propositionen ist natürlich nicht nur in P r ü f u n g s s i t u a t i o n e n möglich." (ebd.:254)

Auch Consten (1996) sieht bei Quiz- und Prüfungsfragen Parallelen zu Echofragen: "Sie echot eine Ä u ß e r u n g , die der Sprecher bereits als interne Repräsentation aktiviert hat, da er sie als A n t w o r t erwartet." (Consten 1996:223)

Es wird dann aber auch noch eine andere Begründung für die Struktur angeführt: "Im Fall der Quiz- oder P r ü f u n g s f r a g e m a g es noch einen anderen Grund für die W a h l einer E w S - S t r u k t u r geben: A u f g r u n d der K o n t e x t a r m u t solcher Frag e n besteht das B e d ü r f n i s , das T h e m a der Frage (...) als n e u e n D i s k u r s r e f e renten zu etablieren (denn im klassischen Quiz, w o Fragen k a u m thematisch z u s a m m e n h ä n g e n , ist dieser Referent wahrscheinlich nicht vorerwähnt), gleichzeitig aber die o f f e n e Stelle in der Proposition, die der G e f r a g t e füllen soll, zu fokussieren. Die EwS-Struktur gibt nun die Möglichkeit, beides zu tun (...) Der Vorteil g e g e n ü b e r einem w-Interrogativsatz ergibt sich also aus der Stellungsfreiheit des w - A u s d r u c k s im E w S , die es ermöglicht, das V o r f e l d mit einer anderen Phrase zu besetzen und dennoch das w - W o r t zu akzentuieren." (Consten 1996:224)

Trotzdem schließt auch Consten mit dem Resümee, dass auch bei diesen Fragen etwas 'zitiert' wird (Consten 1996:224): "die sehr spezifische Satzverwendung, die in der Praxis wohl Q u i z m a s t e r n u n d Lehrern vorbehalten ist, sollte nicht mehr als A r g u m e n t gegen die quotationelle A n a l y s e gelten, denn auch hier wird im abstrakten Sinn etwas 'zitiert'." (Consten 1996:224)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass satzinterne Positionen von w-Fragewörtern in thematisch weiterführenden Fragen ebenso wie in Quizfragen und Prüfungsfragen unter Annahme von Analogien zu Echofragen beschrieben werden. In Bezug auf die syntaktische Beschreibung von Echofragen ist auffallend, dass satzinterne Positionen von Fragewörtern zwar als Besonderheiten angesehen werden, aber im allgemeinen nicht als obligatorisch, sondern lediglich als Möglichkeit dargestellt werden. Von daher erscheint es lohnenswert, bei Analysen im empirischen Teil die Bedingungen genauer zu untersuchen, die die Produktion entsprechender syntaktischer Strukturen und speziell die Position des Frageworts bestimmen. Lohnenswert erscheint es auch, der Echokomponente selbst mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

80

2 Literaturdiskussion

2.3.3

Die Echo-Komponente

Der Terminus 'Echofrage' verweist bereits darauf, dass ein Gleichklang mit vorausgehendem Wortlaut und Wiederholung als wesentlicher Aspekt des bezeichneten Frage-Phänomens wahrgenommen wird. So führt Wunderlich aus: "Der N a m e ' E c h o f r a g e ' verdankt sich aber wohl dem U m s t a n d , daß wesentliche Teile der V o r g ä n g e r ä u ß e r u n g wie ein E c h o wiederholt werden." ( W u n d e r l i c h 1986:45)

Und Meibauer (1987b) schreibt: "Der B e z u g zur V o r g ä n g e r ä u ß e r u n g , den E c h o f r a g e n n o r m a l e r w e i s e weisen, wird meist als wesentlich begriffen". ( M e i b a u e r 1987b:337)

auf-

Burkhardt (1986) führt aus: "Sie sind insofern 'parasitär', als sie mögliche propositionale Gehalte von anderen Sprechakten b o r g e n müssen, also V e r w e i s f o r m e n sind." (ebd.:39)

Ein Problem, das sich in der Literatur zu Echofragen abzeichnet, ist jedoch, dass bei den einzelnen Autoren sehr unterschiedliche Phänomene unter diese Kategorie subsumiert werden. Strittig ist, wie weit sich Echofragen von der Formulierung bzw. Oberflächenstruktur der Bezugsäußerung entfernen können: Nach Meibauer (1987b) müssen Echofragen nicht immer aus wörtlichen Wiederholungen bestehen. Er weist auf die Möglichkeit hin, dass Deixis wechseln und dass auch in anderen Aspekten die Möglichkeit besteht, enger an der Bezugsäußerung zu bleiben oder sich weiter von dieser zu entfernen (Meibauer 1987b:346). Wunderlich bezeichnet Fragen mit wörtlichen Wiederholungen der Vorgängeräußerung als 'Echofragen im engeren Sinne'. Nach seiner Auffassung kann aber auch 'was?' zu Echo fragen gerechnet werden, wobei er dies als Echofrage 'im weiteren Sinne' betrachtet (Wunderlich 1986:46).8 Auch in Hinblick auf die Qualität der Echo-Komponente werden in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten: "Die Erklärung, daß E c h o f r a g e n nur ein automatisches E c h o a u f eine vorherg e h e n d e Ä u ß e r u n g darstellen, ist (....) problematisch. Der H ö r e r verarbeitet vielmehr die Ä u ß e r u n g und konstruiert relativ dazu einen Fokus." ( W u n d e r l i c h 1986:46)

Dieser Fokus wird wiederum in engem Zusammenhang mit einer Problemsignalisierung gesehen:

8

Entsprechend kann nach Pope (1975) auch 'what did you say?' zu den Echofragen gerechnet werden, obwohl nichts geechot wird.

2.3 Literatur zu Echofragen

81

"je enger der Fokus, umso deutlicher wird für den Erstsprecher, was die problematische Information war" (Wunderlich 1986:46)

Ferner weist Wunderlich daraufhin, dass "die Vorgängeräußerung nicht vollständig ge-echo-t zu werden (braucht)." (ebd.:45)

Hinweise auf entsprechende Fokussierungsleistungen von Echofragen sind in der Literatur ansonsten kaum zu finden. Die Qualität der Echokomponenten wird zumeist unter Bezug auf Formen der Redewiedergabe diskutiert. So auch bei Wunderlich, der in diesem Zusammenhang direkte Redewiedergabe und indirekte Redewiedergabe unterscheidet: "Wenn Echofragen eine Form der indirekten Rede sind, so kann pragmatisch immer eine Einleitung der Art 'du sagst...' mitverstanden werden. Hinter einer solchen Einleitung kann generell ein 'daß' fehlen, während ein 'ob' oder WWort nicht fehlen können." (Wunderlich 1986:46) "Es gibt auch Echofragen, die man analog zur direkten Rede auffassen kann." (Wunderlich 1986:46)

Die Alternative, Echofragen als direkte oder indirekte Redewiedergabe zu formulieren, wird insbesondere auch in Bezug auf verschiedene S atzmodus-Konstellationen erörtert: "Zunächst ist festzustellen, daß alle diese Echofragen eine Form der indirekten Rede sind: Satzfragen-Echos werden mit ob eingeleitet; W-Fragen-Echos haben wie die auf Satzfragen Endstellung des fmiten Verbs; in Imperativ-Echos findet sich die Umschreibung mit 'sollen'." (Wunderlich 1986:46)

Auch nach Meibauer (1987b) können 'Rückfragen' als 'Redeerwähnungen' betrachtet werden. Meibauer bezieht sich dabei auf die Definition und Analyse von 'Redeerwähnung' bei Lang (1983) als "Äußerungen, die sich in ihrer sprachlichen Struktur und ihrem propositionalen Gehalt u. a. auf andere Äußerungen (Originaläußerungen) beziehen (Lang 1983, 317)" (Meibauer 1987b:350f)

Meibauer führt hierzu aus: "Es scheint so, als ob diese Erwähnungen keine selbständige Illokution und eigenen propositionalen Gehalt haben, sondern diese nur von der Bezugsäußerung 'borgen'." (Meibauer 1987b:352)

In Anschluss an Lang (1983:318) unterscheidet Meibauer (1987b:351) verschiedene Formen der Redewiedergabe, wobei wiederum direkte und indirekte Wiedergaben unterschieden werden." Bei Oppenrieder (1991) wird die Echokomponente unter dem Stichwort 'quotationelle Theorie' thematisiert und in engem Zusammenhang 9

Zu Aspekten der Redewiedergabe vgl. Lang (1983:318), Zimmermann (1988:244ff.), Brünner (1991), Gülich (1978) und Steyer (1997).

82

2 Literaturdiskussion

mit der Satzmodus-Problematik behandelt. Kontrovers wird von Reis (1991a) wiederum die Auffassung vertreten, dass es sich bei Echo-wPhrasen nicht um eine 'quotationelle Struktur' handelt, sondern um grammatisch reguläre Strukturen, die mit denen der Bezugsäußerung identisch sind. "Offenbar respektiert also die Einsetzung der Echo-w-Lexeme durchgängig sowohl deren kategoriale Bedingungen, als auch die Regularitäten der den E w S zugrundeliegenden grammatischen Strukturen. Dieses regelkonforme Verhalten spricht fur die o. a. reguläre und gegen die quotationelle Auffassung der EwS-Struktur, denn diese ließe anderes erwarten." (Reis 1991a:58) 1(1

Oppenrieder (1991) hält dagegen in der kritischen Auseinandersetzung mit Reis (1991a) eine quotationelle Analyse für gerechtfertigt und begründet dies folgendermaßen: "Der aktuelle Fragemodus wird durch den betonten +w-Träger gekennzeichnet. Im prototypischen Fall wird er auch noch durch einen steigenden Tonhöhenverlauf markiert." (Oppenrieder:S. 252)

Dieser Auffassung schließt sich auch Consten (1996) an. Der ZitatCharakter wird nach Oppenrieder besonders durch Nachfragen in Anschluss an Fragen und in Anschluss an Imperativsätze deutlich:" "Am deutlichsten zeigt sich der Zitatcharakter, was den Vorgänger-Satzmodus betrifft, bei Rückfragen auf Fragesätze und Imperativsätze (...). Eine Rückfrage kann die Vorgängeräußerung in vielerlei Form wieder aufnehmen. Es kann sich im propositionalen Bereich wie auch im Bereich der Satzmodusindikatoren das reine 'Echo' finden. Dieser nachäffende Typ tritt allerdings relativ selten auf, zumal die Intonation des Vorgängersatzes nicht zitiert werden kann. (...) Üblicher ist es, die Vorgängeräußerung in charakteristischer Weise abzuändern, so daß die Deaktivierung des Satzmodus dieser Äußerung klarer gekennzeichnet wird. Bei Rückfragen auf Fragesätze hat dies die Umwandlung der Vorgängerfragen in Verb-Letzt-Sätze zur Folge, d. h. in die typische Form der Redeerwähnung." (Oppenrieder 1991:246f.)

Zu Fragen nach Aufforderungen wird ausgeführt: 12 "Rückfragen auf Imperativsätze verwenden typischerweise ebenfalls eine Zitatform, nur ist es in diesem Fall kein Verb-Letzt-Satz sondern ein Verb-

10

11 12

Jedoch geht auch Reis davon aus, dass sich Echofrage und B e z u g s ä u ß e r u n g in Bezug auf die 'Existenzimplikaturen' unterscheiden: "Es scheint aber auch ein Unterschied bzgl. der Existenzimplikatur zu bestehen" (1992:245) d. h. bei normalen Fragen legt man sich im Prinzip auf die Existenz des Erfragten fest, bei N a c h f r a g e n nicht (vgl. hierzu auch Reis 1992:247). Vgl. hierzu auch Z i m m e r m a n n (1988). Als weiteres A r g u m e n t für den Zitat-Charakter wird von Oppenrieder angeführt, dass in Sprachen, in denen es 'quotative Partikeln' gibt, Äquivalente zu diesen Partikeln auch in R ü c k f r a g e n eingesetzt werden (Oppenrieder 1991:253). Hier bezieht er sich insbesondere auf die in Wunderlich (1986) enthaltene Studie zum Japanischen.

2.3 Literatur zu E c h o f r a g e n

83

Z w e i t - S a t z , in d e m d e r A u f f o r d e r u n g s a s p e k t d u r c h e i n M o d a l v e r b - t y p i s c h e r weise 'sollen' (im Original kursiv) - gekennzeichnet wird." (Oppenrieder 1991:248)

Im Hinblick auf die Annahme, dass Nachfragen in Anschluss an Fragen bestimmte 'Umwandlungen' aufweisen, wird zu überprüfen sein, ob entsprechende Formen der Redewiedergabe tatsächlich 'typischer' oder 'üblicher' sind als andere oder ob bestimmte Bedingungen für die eine oder andere Form der Redewiedergabe auszumachen sind.13 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Ausführungen zur Qualität der Echokomponente erkennen lassen, dass in Bezug auf die Relation zwischen Echofrage und Bezugsäußerung im Prinzip zwei Dimensionen bedeutsam sind: Eine Dimension ist die Art der Veränderung in oberflächenstrukturellen Erscheinungen, die meist als Konsequenzen von Redewiedergabe erklärt werden, die andere - allerdings nur selten angesprochene - Dimension ist die Eingrenzung und Fokussierung 'fraglicher' Teile der Bezugsäußerung. Bezeichnend für die gesamte Befassung mit der Qualität der Echokomponente ist, dass die Frage, welche anderen Mittel als Verweis auf vorausgehende Äußerungen eingesetzt werden können, und welche Besonderheiten sich daraus für die wiederholende Komponente der Echofragen ergeben, hier nicht thematisiert wird. Von daher kann auch bei Funktionsbestimmungen nicht deutlich werden, ob bzw. inwiefern Echofragen als wiederholende Nachfragen im Vergleich zu anderen Nachfragen andere Funktionen übernehmen (können). 2.3.4

Funktionsbestimmungen

In der Literatur zu Echofragen werden zwar immer wieder engere Verbindungen zwischen Frageformen und Fragefunktionen unterstellt, im allgemeinen bleiben jedoch die Hinweise auf funktionale Aspekte vergleichsweise untergeordnet. Werden Funktionen angesprochen, finden sich in erster Linie Verweise auf Funktionen der Verständnissicherung.' 4 Daneben werden aber auch 'andere' Funktionen genannt. Ebenso wie zuvor für Beschreibungen von Nachfragen allgemein in Fragetypologien dargestellt, ergibt sich für die Beschreibungen der 'anderen' Probleme ein eher diffuses Bild.

13 14

Vgl. hierzu insbesondere Abschnitt 4.3 im empirischen Teil der Untersuchung. Vgl. hierzu auch Janda (1985): "they are merely a metalinguistic, conversational repair device for requesting information about an un- or misperceived (or j u s t plain disbelieved) stretch of surface-structure in spoken speech." (Janda 1985:8).

84

2 Literaturdiskussion

Wunderlich (1986) gibt eine Funktionsbestimmung, bei der neben verständnissichernden Funktionen auch Zusammenhänge mit Erwartungen genannt werden: "Die Echofrage unterbricht die Dialogentwicklung, sie dient zur Verständnissicherung. In der Vorgängeräußerung wird ein Element ausgemacht (das Fokuselement), das entweder nicht richtig wahrgenommen wurde oder in die vorhandene Information/Erwartung nicht richtig eingebaut werden kann." (Wunderlich 1986:44)

In den weiteren Ausführungen nennt Wunderlich 'Überraschung' und 'auditives Missverstehen' als bei Echofragen zu unterscheidende Funktionen. Die Erläuterung dieser Funktionen geschieht unter Rückgriff auf Beispiele mit der Bezugsäußerung 'Peter hat ein Seepferd gekocht': "(1) Peter hat ein Seepferd gekocht. (2) a. Peter hat ein Seepferd gekocht? b. Peter hat was gekocht? c. Peter hat ein was gekocht? d. Was hat Peter gekocht? e. Ein Seepferd hat Peter gekocht? f. (Ist das wirklich wahr:) Hat Peter ein Seepferd gekocht?" (Wunderlich 1986:53)

Variante 2b) wird mit Überraschung, Variante 2d) mit auditivem Missverstehen in Zusammenhang gebracht. Μ. E. können jedoch beide Beispiele - unter der Voraussetzung unterschiedlicher prosodischer Realisierungen - in beiden Funktionen eingesetzt werden.15 Zudem leuchtet nicht ganz ein, dass nur für eine Variante (i. e. 'f) eine Bedeutungsparaphrase geliefert wird. Unterschiedliche Funktionen von Echofragen werden auch von Reis (1992) angesprochen. Als mögliche Funktionen werden hier u. a. genannt: "Verständnissicherung" "Ausdruck von Ungläubigkeit oder Erstaunen oder Mißbilligung bzgl. der relevanten w-Stelle, und damit Α zur weiteren Begründung, inhaltlichen oder ausdrucksmäßigen Rücknahme bzw. Korrektur seiner Äußerung bewegen wollen, etc." (Reis 1992:221)

Auf einer ganz anderen Ebene, nämlich ansetzend an den Fragearten, spricht Meibauer (1987b) die Funktionen von Echofragen an, indem er von unterschiedlichen Funktionen bei Ergänzungsfragen und Entscheidungsfragen ausgeht:

15

Intonatorische Varianten gehen auch nach den Analysen von Selting (1995) mit unterschiedlichen Funktionen einher (vgl. hierzu Abschnitt 2.4).

2.3 Literatur zu E c h o f r a g e n

85

"Bei der Echo-Entscheidungsfrage hat Β eine Hypothese darüber, was dieses ihm fehlende Element gewesen sein mag, bei der Echo-Ergänzungsfrage nicht". (Meibauer 1987b:347)

Des Weiteren spricht Meibauer auch 'indirekte Verwendungen' von Echofragesätzen an. Dabei verweist er darauf, dass Echos auch antizipatorisch oder als 'incredulity questions' eingesetzt werden können. Auch die Möglichkeit, Echofragen als Ausdruck von Ironie einzusetzen, wird unter Bezug auf Wilson und Sperber angesprochen. 16 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Funktionsbestimmungen oft eher beiläufig erscheinen. Dies hat vor allem auch damit zu tun, dass bei der Befassung mit Echofragen der Schwerpunkt des Interesses auf der Syntax liegt, und im allgemeinen mit Beispielkonstruktionen gearbeitet wird, bei denen nicht selten auf die Konstruktion von Bezugsäußerungen verzichtet wird. Somit kann auch in Hinsicht auf die Funktion der Echokomponente im Prinzip nur spekuliert werden. In Hinblick auf Funktionsbestimmungen kann des Weiteren festgestellt werden, dass der Echocharakteristik selbst in diesem Zusammenhang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Damit wird ein grundlegendes Merkmal von Echofragen, nämlich einen Verweis auf vorausgehende Äußerungen im Kontext herzustellen, meist nur definitorisch vorausgesetzt und nicht weiter reflektiert, welche Bedeutung es in Anbetracht anderer Formen von Nachfragen hat, dass der kontextuelle Rückbezug in diesen Fällen mit einer 'Echo'-Komponente hergestellt wird. Es ist aber anzunehmen, dass gerade mit der spezifischen Art des Verweises durch eine Wiederholung in Abgrenzung zu anderen möglichen Formen des Verweises auch spezifische Funktionen verbunden sind. Es ist daher unter anderem das Anliegen der vorliegenden Arbeit, Echofragen anhand von empirischen Vorkommen in konkreten Kontexten unter verstärkter Berücksichtigung der Bezugsäußerungen zu untersuchen. Hierüber soll auch die spezifische Leistung von Echofragen im Vergleich zu anderen Nachfragen erfasst und der Echokomponente selbst mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

16

Vgl. hierzu Sperber/Wilson (1985) und (1987) sowie Wilson/Sperber (1988a) und (1988b), die 'echoic utterances' in Hinblick auf ironischen G e b r a u c h erörtern.

86

2 Literaturdiskussion

2.3.5

Echofragen in der Relevanz-Theorie

Während in der deutschsprachigen Auseinandersetzung mit Echofragen die Echokomponente hauptsächlich in Hinblick auf Aspekte der Redewiedergabe diskutiert wird und syntaktische Strukturen problematisiert werden, liegt aus der angelsächsischen Literatur vertreten durch Blakemore (1994) (Echo questions: A Pragmatic Account) und Noh (1998) (Echo Questions: Metarepresentation and Pragmatic Enrichment) ein Ansatz vor, Echofragen im Rahmen der Relevanz-Theorie zu analysieren und auch in Hinblick auf andere Aspekte zu betrachten. Dabei wendet sich auch Blakemore (1994) gegen Auffassungen, nach denen Echofragen mehr mit dem geechoten Satztyp zu tun haben als mit anderen Fragen. Sie geht davon aus, dass Echofragen 'echte Fragen' sind. Der Hauptunterschied zwischen Echofragen und anderen Fragen wird darin gesehen, dass Echofragen 'Repräsentationen' (Blakemore 1994) von anderen Äußerungen sind. "the suggestion here is that by echoing A's utterance, an echo questioner is commucating the proposition that his utterance is being used as a representation of A's utterance." (Blakemore 1994:205)

In Bezug auf 'Repräsentationen' wird in der Relevanz-Theorie davon ausgegangen, dass diese auf Ähnlichkeit beruhen ('representation by resemblance'). Grundlagen für Ähnlichkeitsbeziehungen sind gemeinsame Merkmale: "an utterance can be used to represent another as long as it resembles it". (ebd.:205)

Dabei können Ähnlichkeitsrelationen wiederum unterschiedlicher Art sein. Über unterschiedliche Ähnlichkeitsrelationen können Echofragen auf Inhalt oder Form der vorausgehenden Äußerungen Bezug nehmen. "The point is, of course, that utterances enter into a variety of resemblance relations, and that a question about the resemblance between two utterances could be a question about their phonetic and phonological form, their syntactic and lexical form, or their propositional content. This means that a hearer who is asked wether an utterance is an adequate representation of another is expected to identify the kind of resemblance which the speaker believes to be relevant." (Blakemore 1994:207)

In die Überlegungen zu 'echo-questions' werden neben Wiederholungen auch Reformulierungen und Konklusionen einbezogen (vgl. hierzu insbesondere Blakemore 1994: 207ff). Als gemeinsame Grundlage wird gesehen, dass diese jeweils auf Inferenzleistungen beruhen. Noh (1998) spricht auch pragmatische Reformulierungen an:

2.3 Literatur zu Echofragen

87

"by spelling out explicitly an aspect of the intended interpretation that w o u l d otherwise h a v e to b e inferred. In relevance theory, these aspects are dealt with u n d e r the h e a d i n g o f ' h i g h e r - l e v e l explicatures'." (Noh 1998:609)

Entsprechend können Echofragen nach Noh (1998) paraphrasiert werden mit -."saying, telling, asking" oder auch: "Am I correct in inferring that...?". Nicht unproblematisch erscheint hier allerdings, dass der EchoBegriff so weit gefasst wird, dass hierunter auch Reformulierungen und Konklusionen subsummiert werden, denn damit sind die Besonderheiten von Echofragen als Wiederholungen vorausgehender Äußerungen nicht mehr klar fassbar. Von daher werden in der vorliegenden Arbeit Echofragen terminologisch von anderen Nachfragen unterschieden. Dessen ungeachtet wird aber auch in der vorliegenden Arbeit die Auffassung vertreten, dass verschiedene Arten von Bezugnahmen in Nachfragen in einem engeren Zusammenhang zu analysieren sind, da nur so Gemeinsamkeiten ebenso wie Spezifika erfasst werden können. 2.3.6

Fazit

Für die Auseinandersetzung mit Echofragen in der Literatur ist kennzeichnend, dass ein Interesse an syntaktischen Strukturen im Vordergrund steht, wobei insbesondere die 'Stellungsfreiheit' des Fragewortes problematisiert wird. Dabei wird immer wieder darauf abgehoben, dass ein Zusammenhang mit der Echo-Charakteristik besteht. Diese bei Echo fragen naheliegende Begründung bedarf jedoch in Hinblick auf entsprechende Wortstellungen bei anderen Fragen wie Quiz- oder Prüfungsfragen oder insbesondere auch thematisch weiterführenden Fragen einiges argumentatorischen Aufwands, wenn auch hier ein Echo-ähnlicher Kontext unterstellt wird. In Hinblick auf satzinterne Stellungen des Fragewortes erhebt sich zudem die Frage, ob es sich in Echofragen um optionale oder obligatorische Positionen handelt. Diesbezüglich soll im empirischen Teil genauer untersucht werden, wodurch die Wortstellung jeweils motiviert ist und welcher Zusammenhang jeweils mit Strukturen der Bezugsäußerungen besteht. Nicht zuletzt sind strukturelle Analysen von Echofragen auf der Basis empirischer Befunde ein Desiderat, da in der Literatur allein mit Beispielkonstruktionen argumentiert wird und in Hinblick auf strukturelle Besonderheiten von Echofragen im allgemeinen unterstellt wird, dass diese in Zusammenhang mit den als 'Echo' implizierten Wiederaufnahmen stehen. Oft werden aber bei Beispielen für Echofragen die unterstellten, 'geechoten' Bezugsäußerungen nicht ein-

88

2 Literaturdiskussion

mal angegeben. Auch eine intensivere Befassung mit der EchoProblematik selbst scheint also angeraten. Anhand des vorliegenden empirischen Materials können dabei auch die Echokomponenten als Mittel der Fokussierung einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Die Berücksichtigung der Bezugsäußerungen von Echofragen ist nicht nur von Bedeutung, um den Zusammenhang von syntaktischen Strukturen der Nachfrage und der Bezugsäußerung genauer zu untersuchen, sondern dient auch der Reflexion des Umstands, dass Echofragen eine spezielle Form der Nachfrage darstellen, die sich durch die Wiederholung bzw. Redewiedergabe als spezifisches Mittel auszeichnet, mit dem ein Rückbezug auf vorausgehende Äußerungen im Kontext erfolgen kann. Betrachtungen dieser Art eröffnen die Möglichkeit, die spezielle Leistung von Echofragen im Gegensatz zu anderen Nachfragen, bei denen der Rückbezug auf andere Weise hergestellt wird, als paradigmatische Alternativen in die Reflexion über Nachfragefunktionen einzubeziehen.

89

2.4 N a c h f r a g e n in Studien zu konversationeilen Fragen

2.4

Nachfragen in Studien zu konversationeilen Fragen und Verständigungsproblemen

Mit einer empirischen und diskursanalytischen Orientierung von Studien zu konversationeilen Fragen ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu grammatisch orientierter Literatur, denn hier findet der Kontext der Nachfragen stärker Beachtung, indem die Analysen sowohl die Bezugsäußerungen als auch die Folgeäußerungen einschließen. Ein wesentlicher Unterschied liegt weiterhin darin, dass funktionale Aspekte im Vordergrund stehen, wobei ein Schwerpunkt auf der Untersuchung von Verständigungsproblemen liegt. Neben verständnissichernden Funktionen werden jedoch auch andere Nachfragefunktio-nen in die Analysen einbezogen. 2.4.1

'Clarification requests' und 'Contingent Queries'

In Hinblick auf eine Befassung mit Nachfragen, sind vor allem zwei frühere Untersuchungen aus dem angelsächsischen Bereich von Interesse, die grundlegendere Beobachtungen zu Nachfragen und sequentiellen Aspekten enthalten. Corsaro (1977) {"The Clarification Request as a Feature of Adult Interactive Styles with Young Children) untersucht 'CLARIFICATION REQUESTS' in E r w a c h s e n e n - K i n d - I n t e r a k t i o n e n .

'CLARIFICATION RE-

QUEST' wird definiert als "interrogative which calls for the clarification, confirmation, or repetition of the proceding utterance of a co-interactant." (Corsaro 1977:185)

Nach Corsaro können 'CLARIFICATION REQUESTS' in drei unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten. Als erste Möglichkeit werden 'clarification marker' wie 'what', 'huh'u .ä. aufgeführt. Als zweite Möglichkeit werden Wiederholungen, insbesondere Teilwiederholungen, und als dritte Möglichkeit Wiederholungen mit substantielleren Modifikationen genannt. Des Weiteren werden verschiedene Arten von Problemen angesprochen, die die Nachfragen motivieren. Hier unterscheidet Corsaro zwischen 'childs utterance not heard', 'misunderstanding', 'marker of acknowledgement' und 'surprise' (Corsaro 1977:191), wobei unter Verweis auf eine detailliertere Auseinandersetzung mit Nachfragefunktionen kritisch anzumerken ist, dass diese Kategorien - wie auch von Corsaro selbst angesprochen - zum Teil wenig Trennschärfe aufweisen. Bei der Interpretation der Nachfrage-Funktionen wird ein enger

90

2 Literaturdiskussion

Zusammenhang zwischen Frage-Funktionen und den untersuchten Erwachsenen-Kind-Konstellationen unterstellt.1 Auch Garvey (1979) ("Contingent Queries and their Relation in Discourse) untersucht ' C O N T I N G E N T Q U E R I E S ' in Kommunikationen mit Kindern, zielt jedoch abstrahierend von diesem Interaktionskontext auch auf generalisierende Beobachtungen zu sequentiellen Aspekten und Kohärenzen mit vorausgehenden und folgenden Äußerungen. Als wesentlichen Aspekt der Verbindung mit vorausgehenden Äußerungen nennt Garvey 'selectivity functions'. Als solche werden 'Non-specific', 'Specific' oder 'Potential' (ebd.:365), genannt, die sich darin unterscheiden, in welcher Weise auf vorausgehende Äußerungen Bezug genommen wird.2 Garvey zeigt, dass durch unterschiedliche Arten von Nachfragen unterschiedliche Reaktionen in den Folgeäußerungen erwartbar werden

1

2

Corsaro geht unter Bezugnahme auf Cicourel (1970) davon aus, dass interpretative Prozeduren in diesen Interaktionen (zumindest teilweise) suspendiert sind, da aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen nicht in dem Maße wie in Interaktionen unter Erwachsenen von einer Reziprozität der Perspektiven ausgegangen werden kann und auch die sog. 'etc. Annahmen' außer Kraft gesetzt sind. Hierauf ist nach Corsaro zurückzuführen, dass in diesen Interaktionssituationen 'CLARIFICATION REQUESTS' verstärkt eingesetzt werden. Zur Rolle von entsprechenden Nachfragen für den erstsprachlichen Erwerb vgl. auch Cherry (1979) (The role of adults request for clarification in the language development of children) sowie Käsermann (1980) (Spracherwerb und Interaktion). In Hinblick auf zweitsprachliche Erwerbsprozesse sind die Untersuchungen von Bremer et al. (1993) und Bremer (1997) zu nennen, die Verständigungsprobleme in Interaktionen zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern analysieren. Diese sind insbesondere in Hinblick auf Nachfragen bei Verständigungsproblemen aufschlussreich. Im Einzelnen unterscheidet Garvey die folgenden Fälle: - nonspecific request for repetition, - specific request for repetition, - specific request for confirmation, - specific request for specification, - potential request for confirmation, - potential request for elaboration. 'Specific' vs. 'non-specific' beziehen sich auf die Eingrenzung der problematischen Äußerungsteile; 'potential' bezieht sich darauf, dass in der 'contingent query' Inhalte angesprochen werden, die in der Bezugsäußerung nicht explizit enthalten sind (Garvey 1979:366 ff.). Problematisch erscheint dabei, dass sich der Aspekt 'potential' im Prinzip auf eine andere Ebene bezieht, als 'specific' vs. 'nonspecific', da hiermit die Art des Bezugs angesprochen wird. Die Analysen der vorliegenden Arbeit verweisen darauf, dass es sich bei dieser Art der Bezugnahme (Explikationen von Implikationen) nicht um eine Alternative zu 'spezifischen' bzw. 'unspezifischeren' Problemsignalisierungen handelt, sondern dass sich diese Unterscheidung auch auf Bezugnahmen anwenden lässt, die bei Garvey unter 'potential' gefasst werden.

2.4 N a c h f r a g e n in Studien zu konversationeilen Fragen

91

(i. e. 'repetition', 'confirmation', 'specification' oder 'elaboration'). Thematisiert wird hier die später in Selting (1987) weiterverfolgte Verbindung von Problemmanifestationen und Reaktionen in den Problembearbeitungen. Dabei werden auch schon bei Garvey (1979) einzelne sprachliche Mittel (wie ζ. B. 'what') und Bedeutungsdifferenzierungen durch unterschiedliche Intonation (fallend vs. steigend) angesprochen. Zusammenfassend kann für die genannten Untersuchungen festgehalten werden, dass Nachfragen vorrangig mit der Behandlung von Verstehensproblemen in Verbindung gebracht und Analysen von Nachfragen oft in enger Verbindung mit den spezifischen Kontextbedingungen untersucht werden. Dominierend ist eine funktionale Orientierung, indem formale Aspekte in Hinblick auf verständnissichernde Funktionen und ihre Verbindungen zu verschiedenen Problemtypen und Störungsursachen betrachtet werden. 2.4.2

Nachfragen als 'Problemmanifestationen'

Für den deutschsprachigen Bereich stellt die Untersuchung von Selting (1987) ("Verständigungsprobleme. Eine empirische Analyse am Beispiel der Bürger- Verwaltungskommunikation ") eine erste ausführlichere Analyse von Nachfragen und Verständigungsproblemen in mündlicher Kommunikation vor. Sie untersucht Verständigungsprobleme in institutionellen Kommunikationen auf dem Sozialamt. Bei der Analyse wird zwischen 'globalen' und 'lokalen Verstehensproblemen' unterschieden.3 Für die vorliegende Untersuchung sind insbesondere die Analysen zu 'lokalen Verstehensproblemen' von Bedeutung, da die hierunter aufgeführten 'Problemmanifestationen' den hier interessierenden Nachfragen entsprechen. Als Problemmanifestationen werden Fragewörter wie 'wer', 'was', 'wieso', 'warum' etc. aber auch Formen wie 'bitte?', 'hä?' u. ä. sowie Wiederholungen von Äußerungen oder Äußerungsteilen untersucht. Die Analysen von Selting zielen darauf ab zu zeigen, dass mit unterschiedlichen Arten von Problemmanifestationen, wozu auch unterschiedliche prosodische Realisierungen von Fragewörtern oder Wiederholungen zählen, eine 'Kategorisierung' von Verstehensproblemen stattfindet, der interaktive Relevanz zugeschrieben werden kann, insofern unterschiedliche Reaktionen der Gesprächspartner erfolgen. Dabei werden 'AKUSTISCHE VERSTÄNDIGUNGSPRO-

3

'Globale Verständigungsprobleme 1 sind Probleme, die umfassendere Erwartungshaltungen betreffen, 'lokale Verständigungsprobleme' solche, die akustische Verstehensp r o b l e m e oder Bedeutungsverstehensprobleme betreffen.

92

2 Literaturdiskussion

BLEME',

'SEMANTISCHE

ZUORDNUNGSPROBLEME'

und

'LOKALE

ER-

WARTUNGSPROBLEME' als Problemtypen unterschieden. Diese Differenzierung von Problemtypen wird in Selting (1995) ("Prosodie im Gespräch. Aspekte einer interaktionalen Phonologie der Interaktion) fortgeführt, einer Studie, die sich methodisch und programmatisch in der 'interaktionalen Linguistik' verankert. 4 Hieraus ergibt sich auch eine neue Sicht für die Befassung mit Grammatik. So wird auch speziell in Hinblick auf Fragen formuliert: "Mit w e l c h e n s p r a c h l i c h e n Mitteln w e r d e n konversationeile Aktivitäten (Herv o r h e b u n g im O r i g i n a l , M . R.) s y s t e m a t i s c h e r k e n n b a r u n d i n t e r p r e t i e r b a r gemacht?" (Selting 2001:265)

Hinausgehend über Selting (1987) wird eine umfassendere Typologie entworfen, in der nicht nur Nachfragen im Sinne von Problemmanifestationen, sondern auch andere 'konversationelle Fragen' erscheinen. Als distinktives Merkmal für die Unterscheidung von 'Problemmanifestationen' und anderen 'konversationeilen Fragen' wird 'Refokussierung' in Unterscheidung zu 'Fokusweiterführung' und 'Fokusneueinfuhrung' gesehen. Übergeordnetes Ziel bei der Analyse von Fragen ist hier eine grundlegendere Auseinandersetzung mit der Rolle der Prosodie und ihrer Relation zu Satztypen und Satzmodi. Die Analysen von Selting (1987) und (1995) implizieren eine Differenzierung von Fragekategorien und 'Problemtypen'. In Hinblick auf die Beschreibung von Formen und Funktionen von Nachfragen sind insb e s o n d e r e d i e K a t e g o r i e n d e r 'PROBLEMMANIFESTIERENDEN

FRAGEN'

und - mit Einschränkung - die Kategorie der VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDEN FRAGEN von Interesse (vgl. Selting 1995). Selting unterscheidet: 1 2 2.1 2.1.1 2.1.2

4

Nicht-einschränkende "offene" Fragen Einschränkend weiterfuhrende Fragen Verständigungsbearbeitende Fragen E i n s c h r ä n k e n d w e i t e r f ü h r e n d e 'engere' verständigungsbearbeitende Fragen Inferenziiberprüfungen

Die Interaktionale Linguistik wurde aus der interaktionalen Soziolingustik bzw. der Konversationsanalyse ethnomethodologischer Prägung heraus entwickelt. Sie hat ebenso Gesprächsaufzeichnungen aus natürlichen Gesprächen zum Gegenstand (zu den methodologischen Prinzipien vgl. Selting 2001:276ff.). Sie hebt sich jedoch von diesen ab, indem sie sprachlichen Phänomenen stärker Aufmerksamkeit widmet. "Die Beschreibung sprachlicher Strukturen erfolgt auf der Grundlage interaktionistischer und ethnomethologischer Theorie. Hierbei wird die Sichtweise verfolgt, sprachliches Handeln des einzelnen Sprechers als von vorneherein auf Interaktion zugeschnittenes Handeln aufzufassen." (ebd.:61).

2.4 N a c h f r a g e n in S t u d i e n z u k o n v e r s a t i o n e l l e n F r a g e n

2.2 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2

2.2.1.3 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2

93

Problemmanifestierende Fragen Manifestation von einseitigen Verstehensproblemen Manifestation von Bedeutungsverstehensproblemen Manifestation von Referenzverstehensproblemen Manifestation von akustischen Verstehensproblemen Manifestation von Erwartungsproblemen Wieso-Nachfragen Erstaunte Nachfragen (Selting 1995:238ff.)

Als Kriterien zur Unterscheidung dieser Funktionstypen werden angefuhrt: (1) die syntaktische Struktur der Frageäußerung, (2) die semantische Beziehung zum Vorgängerturn, i. e. 'Neufokussierung', 'Fokusweiterführung', 'Refokussierung', (3) die Prosodie der Frageäußerung und (4) die jeweils spezifisch implizierte Aufforderung. (ebd.:239)

In Hinblick auf die Befassung mit Nachfragen ist insbesondere die Berücksichtigung der 'semantischen Beziehung zum Vorgängerturn' aufschlussreich, da hiermit ein Kriterium zur Klassifizierung herangezogen wird, das als allgemeinstes Merkmal von Nachfragen angesehen werden kann. Als Fragen, die Refokussierungen vornehmen, sind, 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' u n d 'PROBLEMMANIFESTIERENDE FRAGEN' d e f i n i e r t .

Letztere werden wiederum unterschieden in 'MANIFESTATIONEN VON ERWARTUNGSPROBLEMEN' u n d 'MANIFESTATIONEN VON EINSEITIGEN

VERSTEHENSPROBLEMEN', welche wiederum nach verschiedenen Problemtypen differenziert werden. Damit werden die meisten Kategorien (im Prinzip alle Kategorien unter Punkt 2) unter Bezugnahme auf Aspekte der Verständnissicherung bestimmt. Tragend für die Klassifizierung sind jedoch nicht nur Unterscheidungen nach funktionalen Kriterien, sondern auch die formalen Ausprägungen, mit denen die verschiedenen Funktionen im Bereich der Verständnissicherung jeweils zum Ausdruck gebracht werden, wobei insbesondere Teilwiederholungen, Fragewörter und unterschiedliche prosodische Realisierungen berücksichtigt werden. Dabei wird eine enge Verbindung zwischen der Signalisierung unterschiedlicher Problemtypen und strukturellen Aspekten angenommen: "Die Form der Problemmanifestation und der Problembearbeitung implizieren und signalisieren eine 'Problemkategorisiserung' d. h. die Zuordnung des manifestierten Problems zu einem 'Problemtyp', der eine spezifische Problembearbeitung konditioneil relevant macht." (Selting 1995:285)

94

2 Literaturdiskussion

Die Analyse der verschiedenen Arten von Problemmanifestationen enthält eine Fülle von Beobachtungen zur Verwendung von Fragewörtern und Teilwiederholungen und unterschiedlichen prosodischen Realisierungen. 5 B e i d e r A n a l y s e v o n 'PROBLEMMANIFESTIERENDEN FRAGEN' w e r -

den von Selting (1995) verschiedene Problemtypen unterschieden. Für

'MANIFESTATIONEN VON

BEDEUTUNGSVERSTEHENSPROBLE-

MEN' werden vor allem Konstruktionen mit 'was ist x/das' 'Zitierungen' der problematischen Elemente angeführt:

oder

"Bei der Manifestation von Bedeutungsverstehensproblemen wird das problematische Bezugselement des Vorgängerturns in akzentuierter Form zitiert oder anaphorisch wiederaufgenommen, meistens in W-Fragen der Struktur was is/heißt x/das mit fallender letzter Tonhöhenbewegung ('Nachfragen'), und/oder mit einer (zusätzlichen) Zitierung des problematischen Elements χ mit steigender letzter Tonhöhenbewegung ('Echofragen'), wobei x/das für eine Zitierung oder anaphorische Wiederaufnahme des problematischen Bezugselements steht." (Selting 1995:287)

Als Beispiele werden u. a. angeführt: 6 "E: L: C: E:

un das ERste mal in einer SALzadisko was is DAS denn mhm dassis irgendwie ne ne beSTIMMte art von TANZ" (Selting 1995:287)

"L:

dann KOMMS du aus der femiNIstischen theoloGIE oder was... jetz von MUNster ne weil da SITzen doch die (?????) rotfraun ne ob WOHL JA JA mhm was is denn femiNIistische. theoloGIE" (Selting 1995:287ß

C: E:

B e i 'MANIFESTATIONEN VON REFERENZVERSTEHENSPROBLEME' w e r -

den vor allem "einzelne W-Fragewörter oder W-Phrasen mit fallender

5 6

Methodisch abgesichert wird die interaktive Relevanz in der Analyse auch über die Betrachtung der Reaktionen der Beteiligten (Selting 1995:287). Großbuchstaben mit Fettdruck stehen für "primär akzentuierte Silben einer Einheit" und G r o ß b u c h s t a b e n ohne Fettdruck für "sekundär akzentuierte Silben einer Einheit". Unterstreichungen stehen bei "auffällig starkem Akzent", (was hier durch doppelte Unterstreichung wiedergegeben wird) vgl. Selting (1995:X). Die Beispiele aus Selting sind ansonsten mit vereinfachter Transkription wiedergegeben, die Partiturschreibweise und weitere Zeichen zur intonatorischen und prosodischen M a r k i e r u n g w u r d e n nicht ü b e r n o m m e n , (vgl. Selting S. X). Für einen Vergleich mit den Originalbeispielen vgl. Selting (1995:287fr.).

2.4 N a c h f r a g e n in Studien zu konversationellen Fragen

95

Tonhöhenbewegung" genannt (ebd.:290f). Als Beispiele werden angeführt: "N:

I: "Ν: R: N:

oah ich glaub präsDENT hat auch kein intRESse daran .. so muSl.K oder welche FAcherpäGOgik war das noch R USsisch .. nee slaVIstik ÜBERhaupt glaubich ne so A UFrechtzuerHALten (...) WAS sla VIstik un RUSsisch " (Selling 1995:291) has DU denn schon mal solche Sachen geMACHT WÄSfürSAchen so . FRA UNsachen oder so " (Selling 1995:291)

Z u 'MANIFESTATIONEN VON AKUSTISCHEN VERSTEHENSPROBLEMEN'

wird vergleichend ausgeführt: "Ebenfalls durch eine prosodisch unmarkierte Ersetzung des problematischen Bezugselements durch ein W-Wort, diesmal jedoch mit steigender Tonhöhenbewegung, werden akustische Verstehensprobleme angezeigt." (ebd.:292)

Beispiele hierfür sind: "was" "we(nn) ich WAS" (Selting 1995:292f) D e s W e i t e r e n w e r d e n v o n Selting 'MANIFESTATIONEN VON ERWARTUNGSPROBLEMEN' als 'PROBLEMMANIFESTIERENDE FRAGEN' g e s e h e n . Als Subtypen werden 'WIESO-NACHFRAGEN' und 'ERSTAUNTE

NACHFRAGEN' unterschieden (ebd.:293). 'WIESO-NACHFRAGEN' können nach der Beschreibung von Selting auch mit den Fragewörtern 'weshalb', und 'warum' gebildet werden. Kennzeichnend ist fallende Intonation (im Unterschied zu offenen wFragen). Als Beispiele finden sich u. a.: "WIEso GIBTSda ne offizielle "WIEso" (Selting 1995:295f)

URlaubsreeeluns"

Für 'ERSTAUNTE Nachfragen' wird ausgeführt, dass diese in prosodisch markierter Form realisiert werden: "Vermutlich kann im Prinzip jede Frage, jede Problemmanifestation und jede Verständigungssicherung auch in prosodisch markierter Form manifestiert werden." (ebd.:303)

Als Mittel für prosodische Markierungen werden angegeben: 'Erstaunte Nachfragen' werden kontextualisiert durch hohe globale Tonhöhe plus größere globale Lautstärke und/oder lokal markierte Akzente: lautere, stärkere Akzente bzw. Akzente mit größeren Tonhöhenbewegungen als in den umliegenden Äußerungen." (ebd.:303)

96

2 Literaturdiskussion

Als Beispiele werden angeführt: "WAS has du gemacht" (ebd.:299) "mit na SCHERbe ((gluckst))" (ebd.:302)

In Hinblick auf die Befassung mit Nachfragen ist auch die Beschreib u n g v o n 'VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDEN FRAGEN' v o n Interesse. H i e r w e r d e n w i e d e r u m 'EINSCHRÄNKEND WEITERFÜHRENDE 'ENGERE' VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDE FRAGEN' und 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' u n t e r s c h i e d e n . F ü r 'EINSCHRÄNKEND WEITERFÜHRENDE 'ENGERE' DIGUNGSBEARBEITENDE FRAGEN' w e r d e n W - F r a g e n u n d

VERSTÄNVerb-Erst-

Fragen angeführt. Für beide wird fallende letzte Tonhöhenbewegung als charakteristisch (d. h. als typunterscheidendes Merkmal zu offenen w-Fragen) angesehen. Als Beispiele werden gegeben: 'in WELchem semester BIS du denn' (ebd.:259) 'WEIßt du auch nich was da RAUSeekommn is' (ebd.:265)

INFERENZÜBERPRÜFUNGEN werden bestimmt als 'finite Verb-ZweitSätze' (ebd.:271ff.) oder 'nicht-finite Phrasen'. Ferner wird angegeben, dass diese mit steigender Intonation, mit fallender Intonation oder prosodisch markiert realisiert werden können. In Erscheinung treten hier vor allem Nachfragen mit Schlussfolgerungen und Explikationen von Informationen, die implizit in der Bezugsäußerung enthalten sind.7 Ein Beispiel hierfür ist: N:

R: N:

ich wiirdAU nichfahrn wenn ich so: LEUte hier hätte mit deman was am Wochenende MAchn könnte oder so (...) also DU MEINST ietz. leute von der UNI ne dJAA die ich so: KENnen:. KENnlerne hier (Setting 1995:273, Bsp. 28)

'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' w e r d e n f o r m a l b e s t i m m t d u r c h "die Form von Verb-Zweit-Sätzen (gelegentlich auch Verb-End-Sätzen) oder nicht-finite Phrasen mit steigenden und fallenden letzten Tonhöhenbewegungen" (Selting 1995:270)

Weiter wird ausgeführt: "Diese Inferenzüberprüfungen enthalten oft Fremdreformulierungen, Inferenzen oder Explikationen einer zuvor impliziteren Referenzherstellung des Fragers über einen Sachverhalt". (ebd.:276)

7

Des Weiteren führt Selting unter Inferenzüberprüfungen auch Beispiele an, die hier nicht unter Nachfragen gefasst würden, da keine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen erfolgt, die diese als 'fraglich' markieren, sondern diese eher kommentieren; vgl. insbesondere Bsp. 29 'a das kanns du HEUte sagn ne" (Selting 1995:273).

2.4 Nachfragen in Studien zu konversationellen Fragen

97

Auf Probleme, die insbesondere die Bestimmung der Kategorie 'INFERENZÜBERPRÜFUNG' betreffen, wird im Folgenden noch eingegangen. Zunächst einmal soll jedoch resümiert werden, dass die Beschreibung der formalen Strukturen bei Selting hauptsächlich auf prosodische Realisierungen von Fragewörtern und (Teil-) Wiederholungen zielt.8 Die Befassung mit entsprechenden Merkmalen ist auch tragend fur die Differenzierung von Fragekategorien. In diesem Zusammenhang wird u. a. auch die Unterscheidung zwischen 'OFFENEN FRAGEN' und 'VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDEN FRAGEN' über die Analyse von fallender und steigender Tonhöhenbewegung herausgearbeitet. Bezogen auf PROBLEMMANIFESTIERENDE FRAGEN geht es Selting vor allem darum, in Bezug auf Fragewörter sowie Zitierungen zu zeigen, wie diese durch prosodische Mittel kontextualisiert werden und unterschiedliche Problembearbeitungen indizieren. So können verschiedene Arten von Verständnisproblemen unterschieden werden, und auf der Ebene der Äußerungsformulierung unterschiedliche sprachliche Mittel aufgezeigt werden.' Auf der Grundlage dieser Analysen können auch Verstehensprobleme und Erwartungsprobleme unterschieden werden. Den Analysen von Selting zufolge werden Erwartungsprobleme in markierter Form, d. h. lauter oder auf einer anderen Tonhöhe ansetzend, Verständnisprobleme hingegen mit unmarkierten prosodischen Realisierungen signalisiert. Kritisch ist anzumerken, dass die Ausführungen zu den sog. 'VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDEN FRAGEN', ZU denen auch INFERENZ-

8

9

Obgleich sich Selting (1995) nicht weiter mit dem Problembereich bzw. der Literatur zu Echofragen auseinandersetzt, sind ihre Analysen zur Prosodie von Problemmanifestationen auch auf Echofragen zu beziehen. Hierzu fuhrt Selting selbst jedoch nur in einer Fußnote aus: "Insofern als problemmanifestierende Fragetypen durch das Merkmal der Wiederaufnahme eines Bezugselements aus dem Vorgängerturn konstituiert und definiert werden, decken sie sich weitgehend mit den Satztypen, die üblicherweise in der Literatur als 'Echofragen' beschrieben werden." (Selting 1995:286) Nicht klar ist hier, wieso die Verbindung (nur) so vage formuliert wird. Die Bedeutung entsprechender Unterscheidungen werden insbesondere in Anwendung auf einzelne Fragewörter deutlich: Bezogen auf die Fragepartikel 'was' zeigen sich nach Selting die folgenden Unterschiede in prosodischen Realisierungen: "was' signalisiert ein akustisches Verstehensproblem; was, signalisiert ein Referenzproblem; fwäs' signalisiert ein lokales Erwartungsproblem" (Selting 1987:161) (' = fallend-steigende Intonation, , = steigend-fallende Intonation, _ = auffällig starker Akzent, vgl. hierzu Selting 1987:33) Vgl. hierzu auch die zusammenfassende Darstellung in Form von Merkmalsbündeln (Selting 1995:304ff.)

98

2 Literaturdiskussion

ÜBERPRÜFUNGEN zählen, im Vergleich zu den sehr

detaillierten

A u s f ü h r u n g e n zu den 'PROBLEMMANIFESTIERENDEN FRAGEN' weniger

eindeutig erscheinen.10 Hier ergeben sich Abgrenzungsprobleme zu 'NICHT-EIN-SCHRÄNKENDEN

'OFFENEN'

FRAGEN'

einerseits

und

'PROBLEMMANIFESTIERENDEN FRAGEN' andererseits. Selting spricht Abgrenzungsprobleme auch selbst an: "Sie nehmen eine Zwischenstellung ein zwischen den nicht-einschränkenden Fragen und den Problemmanifestationen. Die Grenze zwischen nur einschränkend weiterfuhrenden 'engeren' und explizit verständigungssichernden Fragen ist äußerst fließend und wird hier nicht weiter berücksichtigt". (Selting 1995:258).

Überschneidungen zwischen 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' und 'PROBLEMMANIFESTIERENDEN FRAGEN' ergeben sich, indem beiden problemlösende Funktionen zugeschrieben werden." Problematisch erscheint weiterhin, dass für die Kategorie der 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN', anders als für die anderen Fragekategorien, kein einheitliches sequentielles Format beschrieben werden kann.12 Zudem stellt sich die Frage, ob InferenzÜberprÜfungen strukturell auf "Verb-Zweit-Sätze" oder "nicht-finite Phrasen" beschränkt sein - wie sich dies bei Selting darstellt (1995:271ff.) - oder ob nicht auch Verb-Erst-Fragen möglich sind, womit letztendlich auch ein Merkmal, das als Unterschied zwis c h e n 'EINSCHRÄNKEND WEITERFÜHRENDEN 'ENGEREN' VERSTÄNDIGUNGSBEARBEITENDEN FRAGEN' u n d 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' g e -

nannt wird, entfällt.

10

So bleiben beispielsweise auch die B e s t i m m u n g e n von 'InferenzÜberprÜfungen' vage (vgl. hierzu die im Folgenden kursiv markierten Formulierungen). So heißt es ζ. B. dass das "Verständnis einer zuvor hergestellten Referenz oder eine Inferenz überprüft" wird (ebd.:275). O d e r als K o m m e n t a r zu InferenzÜberprÜfungen mit steigender letzter Tonh ö h e n b e w e g u n g ist zu lesen: "Die InferenzÜberprÜfungen enthalten oft F r e m d r e f o r m u lierungen, Inferenzen oder Explikationen" (ebd.:276). Und zu Inferenzen mit fallenden letzten T o n h ö h e n b e w e g u n g e n findet sich der K o m m e n t a r : "Diese InferenzÜberprÜfungen k ö n n e n ζ. Β. das T h e m a und die bisherige Fokussierung einschränkend weiterführen, sie können sich selbst zugeschriebene Verstehensprobleme bearbeiten usw." (ebd.:278).

11

Diesbezüglich wird zu 'InferenzÜberprÜfungen' ausgeführt: "Die o f f e n b a r klärungsbedürftige Referenz o. ä. wird nicht als Problem explizit manifest, sondern gleich mit einer möglichen Problemlösung behandelt, die allerdings der Ratifizierung bedarf." (ebd.:279) Es ist hier j e d o c h nicht ganz unproblematisch, die Problemlösung schon im N a c h f r a g e Schritt anzusiedeln. Im Prinzip ist das Problem erst mit der Ratifizierung gelöst. Zutreffend ist allerdings, dass hier verschiedene Aspekte, die sonst auf mehrere Schritte verteilt erscheinen, in einem Schritt zusammenfallen. So wird zur sequentiellen Struktur angemerkt: "in wenigen Fällen wird die S e q u e n z als N e b e n s e q u e n z eingebettet" (ebd.:276).

12

2.4 Nachfragen in Studien zu konversationeilen Fragen

99

Umgekehrt stellt sich auch in Bezug auf 'PROBLEMMANIFESTIERENDE FRAGEN' die Frage, ob eine aus diesen Beschreibungen hervorgehende Einschränkung der Kategorie auf Ergänzungsfragen haltbar erscheint. Hier ist im empirischen Teil zu untersuchen, ob Nachfragen bei auditiven Verstehensprobleme, Referenzverstehensproblemen und Bedeutungsverstehensproblemen sowie Inferenzen auch mit anderen Fragearten realisiert werden können. Die Beschreibung verschiedener Fragetypen resultiert bei Selting zudem in einer Funktionstrennung für Entscheidungsfragen mit VerbErst-Stellung und Verb-Zweit-Stellung: Nach dieser Beschreibung werden thematisch weiterführende und neufokussierende Fragen nur mit w-Fragen und VI-Fragen gebildet.13 V2-Fragen werden hingegen n u r b e i 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' u n d 'ERSTAUNTEN NACHFRAGEN'

als einer bestimmten Art von Erwartungsproblemen genannt. Auch die Möglichkeit, dass V2-Fragen als thematisch weiterführende Fragen in Erscheinung treten, wird nicht einbezogen. Hier stellt sich die Frage, ob sich in Bezug auf Entscheidungsfragen die aus Selting hervorgehende Verbindung zwischen Verbstellung und Neufokussierung vs. Refokussierung nachvollziehen lässt. Die in Bezug auf die Klassifizierung von Problemtypen und Fragearten geäußerten kritischen Anmerkungen sind im Prinzip auch auf Peretti (1993) zu beziehen. Peretti (1993) {Die Rückfrage. Formen und Funktionen eines Sprechhandlungstyps im Deutschen und Spanischen anhand eines Corpus der gesprochenen Gegenwartssprache) orientiert ihre Analyse an der Herangehensweise von Selting (1987) und untersucht 'funktionalpragmatischen Rückfragevarianten' im deutsch-spanischen Sprachvergleich. Der Vergleich erfolgt über Kategorien zur Erfassung von Problemtypen, die (mit bestimmten Modifikationen) von Selting (1987) übernommen werden.14 Des Weiteren werden von Peretti auch 'Bezugstypen' unterschieden. Beim Sprachvergleich zeigen sich nach Peretti

13

14

So führt Selting aus: "Nicht-einschränkende 'offene' Fragen werden mit W-Fragen und Verb-Erst-Fragen mit steigender letzter Tonhöhenbewegung formuliert" (Selting 1995:243). Auch wenn im Folgenden (ebd.:252) "nicht-einschränkende 'offene'" und "in gewisser Hinsicht 'echte' Fragen" gleichgesetzt und so kommentiert werden, dass der "Frager eine ('echte' und nicht etwa von ihm selbst nahegelegte) Antwort erwartet, die das Gespräch thematisch weiter entwickelt" bleibt diese Einschränkung problematisch: Der angedeutete Bezug zur Dimension der Signalisierung von Antworterwartungen wird nicht systematisch einbezogen. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Kategorien vgl. die folgenden Abschnitte.

100

2 Literaturdiskussion

Unterschiede vor allem im Bereich der Satzstruktur (insbes. Verbstellung), der Morphologie und der lexikalisch-kategorialen Füllung.15 Peretti übernimmt die Kategorien von Selting (1987) zu Erfassung von Verstehensproblemen, wobei jedoch gewisse Modifikationen vorgenommen werden und die Kategorie 'Bedeutungsverstehensprobleme' aufgegeben wird. Diese Modifikationen werden nicht weiter begründet. Peretti unterscheidet in Anschluss an Selting 'AUDITIVE VERSTEHENSPROBLEME'

und

'REFERENTIELLE

VERSTEHENSPROBLEME'.

Auch bei Peretti werden diese Kategorien auf Ergänzungsfragen beschränkt behandelt. Über Selting hinausgehend werden des Weiteren 'PROPOSITIONALE'

und

'ILLOKUTIVE VERSTEHENSPROBLEME'

unter-

schieden (Peretti 1993:75). Zu 'Illokutiven Verstehensproblemen' wird ausgeführt: "In dieser Kategorie sind die Sprechaktbedingungen der Bezugsäußerungen betroffen, d. h. die Bedingungen, die Sprecher- und adressatenseitig erfüllt sein müssen, damit ein Sprechakt eines bestimmten Typs gelingen kann." (Peretti 1993:63)

als Beispiel wird angeführt: A: Hörmal, und Fleisch? B: Willst du Fleisch? A: Aber natürlich! (Peretti 1993:63)

Diese Kategorie kann als Entsprechung zu den von Engel (1996) geschilderten 'ILLOKUTIVEN RÜCKFRAGEN' betrachtet werden. Des Weiteren finden sich Entsprechungen zu Engel, indem 'PROPOSITIONALE VERSTEHENSPROBLEME' als weitere Kategorie angesetzt werden.

'PROPOSITIONALE VERSTEHENSPROBLEME'

werden

folgender-

maßen eingeführt: "Unter diesem Stichwort ist die Rede von Rückfragesequenzen, in denen es um Vergewisserung oder Bestätigung von Satzbedeutungen geht. Solche Rückfragen sind demnach in erster Linie Entscheidungsfragen. Nicht mehr einzelne Wörter bzw. Referenzmittel bilden hier den Bezugsbereich der Rückfrage, sondern ein propositionaler Gehalt, d. h. ein Sachverhalt oder Tatbestand." (Peretti 1993:62)

Als Beispiel wird angeführt:

15 In Hinblick auf Sprachvergleiche ist des Weiteren ein Aufsatz von Schmidt-Radefeldt (1996) zu erwähnen, der wiederum die Analysen von Peretti als Ausgangspunkt nimmt, um einen Vergleich mit Rückfragen im Portugiesischen anzustellen. Hier handelt es sich im Unterschied zu den zuvor genannten Analysen jedoch um eine weit weniger umfangreiche Untersuchung.

2.4 N a c h f r a g e n in Studien zu konversationeilen Fragen

A: B: A: (Peretti

101

"Korrumpierende" Aufnahmen gibts nicht. Korrumpierend seht nich in dem Zusammenhang? Nein 1993:62)

Propositionale Entscheidungsfragen werden in den Analysen von Peretti auch mit bestimmten 'BEZUGSTYPEN' (S. hierzu den folgenden Abschnitt), i. e Bezugnahmen durch Wiederholungen und explizite Hinweise, in Verbindung gebracht. Auch in diesem Zusammenhang erfolgt eine Einschränkung der Analysen auf Entscheidungsfragen. Auch hier ist wiederum zu fragen, ob in Bezug auf den unter 'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN' angesprochenem Problembereich nicht auch Bearbeitungen durch Ergänzungsfragen oder andere Bezugsformungen wie Reformulierungen denkbar sind. 2.4.3

'Refokussierungen' und 'Bezugstypen'

Selting (1995) unterscheidet konversationeile Fragen u. a. danach, ob es sich um 'Neufokussierung', 'Fokusweiterführung1 oder 'Refokussierung' handelt. 'Refokussierung' wird bestimmt als 'semantische Beziehung zum Vorgängerturn' (1995:239). Die 'semantische Beziehung zum Vorgängerturn' wird folgendermaßen charakterisiert: "Semantische Beziehung zum Vorgängerturn: v. a. ob und welche Art der Wiederaufnahme eines (problematischen) Bezugselements: [± Neufokussierung] [± Fokusweiterfuhrung] [± Refokussierung] [± Wiederaufnahme eines problematischen Bezugselements/-sachverhalts durch anaphorische Wiederaufnahme/Zitierung oder W-Wort-Ersetzung des Bezugselements]". (Selting 1995:239)

Kritisch ist zu dieser Auflistung anzumerken, dass im Prinzip zwei unterschiedliche Ebenen impliziert sind, insofern unter dem letzten Punkt die sprachlichen Mittel genannt werden, mit denen die Fokussierungen - in dieser Darstellung von Selting das vorausgehende Klassfikationsmerkmal - realisiert werden. Mit dem Aspekt der Refokussierung ist jedoch ein einheitliches Kriterium gegeben, mit dem Nachfragen in Opposition zu thematisch weiterführenden Fragen gesetzt werden können. In Hinblick auf die sprachliche Realisierung sind hier besonders die genannten Möglichkeiten, 'anaphorische Wiederaufnahme/Zitierung oder W-Wort-Ersetzung' von Interesse, da diese als unterschiedliche Mittel betrachtet

102

2 Literaturdiskussion

werden können, mit denen eine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen erfolgen kann. Peretti (1993) richtet das Augenmerk bei der Unterscheidung unterschiedlicher Bezugsmöglichkeiten eher auf die Verbindung zu strukturellen Aspekten. Sie unterscheidet 3 Arten von Bezugstypen17: Bezugstyp I B e z u g s t y p II

= =

interrogative Proformen intonatorische Mittel a)

= Fokussierung (neutral oder emphatisch)

b)

= präfokussierte Leerstelle = metasprachliche Elemente

plus spezifischem Tonhöhenverlauf B e z u g s t y p III (Peretti 1993:129f)

Nicht ganz schlüssig erscheint hier, dass bei der Bestimmung von Bezugstyp II 'intonatorische Mittel' angeführt werden. In Unterscheidung zu Bezugstyp I, der über 'interrogative Proformen' bestimmt wird, erschiene es adäquater, für die Bestimmung der Bezugnahme nicht intonatorische Mittel, sondern Wiederholungen oder Reformulierungen anzuführen, da diese als das Mittel anzusehen sind, mit dem - alternativ zu den in Bezugstyp I erwähnten 'interrogativen Proformen' - die Bezugnahme hergestellt wird. Diese Wiederholungen o. ä. sind es dann, die mit unterschiedlichen Intonationen realisiert werden können. 2.4.4

Fazit

Mit den Studien von Selting (1987 und 1995) und auch Peretti (1993) liegen detaillierte Analysen zum Verhältnis von Nachfrageformen und funktionen vor, die über eine Befassung mit Verständigungsproblemen hinaus relevant für die Beschreibung von Nachfragen sowie für eine generellere Beschreibung von Interrogationen sind. Es zeigt sich dabei, dass ein systematischer Einbezug des Kontextes bei der Analyse von Nachfragen unerlässlich ist, um eine differenziertere Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten des Verweises auf die Bezugsäußerungen zu treffen. Obgleich dieser Aspekt gewisse Berücksichtigung findet, wird aber eine systematischere Auseinandersetzung mit den einzelnen Verweismitteln noch nicht geleistet. Dementsprechend heben die

17

Die empirische Analyse von R ü c k f r a g e n erfolgt bei Peretti primär unter B e z u g n a h m e auf die o. g. N a c h f r a g e f u n k t i o n e n und Verstehensprobleme. Unterschiede in den Bezugstypen werden bei der Analyse zwar berücksichtigt, j e d o c h bleibt die B e f a s s u n g mit B e z u g n a h m e n der Beschreibung der einzelnen Problemtypen untergeordnet und wird auch am E n d e der Studie nicht resümiert.

103

2.4 Nachfragen in Studien zu konversationeilen Fragen

Analysen auch nicht auf die Beschreibung von Unterschieden zwischen Echofragen und anderen Nachfragen ab. Kritisch ist anzumerken, dass der Schwerpunkt der Analysen hier auf Erscheinungsformen von Nachfragen liegt, die als Ergänzungsfragen zu betrachten sind, und Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen demgegenüber weniger Beachtung finden bzw. weniger schlüssig beschrieben sind. Damit bleibt auch die Analyse von Nachfragen bei 'auditiven Problemen', 'Bedeutungsverstehensproblemen' und 'Referenzproblemen' auf Ergänzungsfragen eingeschränkt. Hier ist zu überlegen, ob in Bezug auf diese Problemtypen nicht auch Entscheidungsfragen eine Rolle spielen können. Dies wird im empirischen Teil untersucht. Umgekehrt ist auch zu untersuchen, ob es zu 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN'

und

'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN',

die

wie-

derum ausschließlich als Problembehandlungen in Form von Entscheidungsfragen in Erscheinung treten, auch Entsprechungen in Form von Ergänzungsfragen gibt. Schließlich stellt sich auch grundsätzlicher die Frage nach dem Verhältnis von Fragearten und Funktionen von Nachfragen.

104

2 Literaturdiskussion

2.5

Nachfragen als Reparaturinitiierung

Obgleich sich die Konversationsanalyse in Hinblick auf die Analyse sequenzieller Organisation sehr differenziert mit Fragen befasst hat (vgl. ausführlich Abschnitt 2.1.6), wurde Nachfragen nicht direkt Aufmerksamkeit geschenkt. Es gibt jedoch in Zusammenhang mit der Analyse von Reparaturen eine Vielzahl von Beobachtungen, die in Hinblick auf eine weitere Befassung mit Formen und Funktionen von Nachfragen von Interesse sind. Dies gilt insbesondere für Fremdinitiierungen von Reparaturen. 2.5.1

Reparaturen

Reparatur wird als Praktik der Störungsbehandlung definiert (vgl. u. a. Schegloff 2000) (When 'Others'Initiate Repair): "By 'repair', we refer to practices for dealing with problems or troubles in speaking, hearing, and understanding the talk in conversation (and in other forms of talk-in -interaction (...))." (Schegloff 2000:207)

Reparaturen werden in Schegloff/Jefferson/Sacks (1977) (The Preference for Self-Correction in the Organization of Repair in Conversation) zunächst aus einer Erweiterung des Korrekturbegriffs abgeleitet. Korrekturen, gemeinhin als Ersetzen durch Korrektes bei Irrtum oder Fehler verstanden, bleiben als Phänomene impliziert, es werden aber auch andere Probleme wie ζ. B. Wortsuchen oder das Signalisieren von Verständnisproblemen eingeschlossen (Schegloff/Jefferson/ Sacks 1977:363). Für Reparaturen wird wie für andere Gesprächsbereiche und Praktiken angenommen, dass diese eine systematische Organisation aufweisen (vgl. hierzu auch Schegloff 2000:207). Dabei wird zwischen Selbst- und Fremdinitiierung sowie Selbst- und Fremdreparatur unterschieden. D. h. es wird danach differenziert, welcher Gesprächspartner die Reparatur initiiert und welcher Gesprächspartner den Reparaturschritt durchführt. Der Initiierung wird eine besondere Rolle zugeschrieben: "Much of the working of the organization of repair ist shaped by features of repair initiation (Hervorhebung im Original, MR). First, there ist the matter of who initiates repair. (...) Second, there is the matter of where repair ist initiated." (Schegloff 2000:207)

Von Bedeutung ist, wer die Reparatur initiiert, d. h. ob Selbst- oder Fremdinitiierung vorliegt, und wo, bzw. wann die Initiierung erfolgt. Von besonderem Interesse für die Befassung mit Nachfragen sind da-

2.5 Nachfragen als Reparaturinitiierung

105

bei die Beschreibungen von Fremdinitiierungstechniken, die anhand von Belegen aus natürlichen Konversationen analysiert werden: 1 "Other-initiations use a group of turn-constructional devices to initiate repair. One type is huh, what?" "A: Have you ever tried a clinic? B: What? A: Have you ever tried a clinic" "Another type consists of the question word who, where, when:" "Frieda: This is nice, did you make this? Kathy: TS —> No, Samu made that. Frieda: RI -» Who? Kathy: Samu" "Another is partial repeat of the trouble-source turn, plus a question word:" "Bea: Was last night the first time you met Missiz Kelly? Marge: Met whom? Bea: Missiz Kelly, Marge: Yes." "Another ist partial repeat of the trouble-source turn:" "A: (...) an' Fridays I'm home by one ten. B: —> One ten? A: Two o'clock. My class ends one ten." "A final type is Y'mean plus a possible understanding of prior turn:" "Caller: TS Why did I turn out this way. Called: RI —> You mean homosexual? Caller: Yes" (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:367fi

Am Ende der Auflistung wird angemerkt, dass es auch weitere Typen der Fremdinitiierung gibt (ebd.:369), jedoch nicht ausgeführt, welcher Art diese sein können. Bei den als Beleg angeführten Reparaturinitiierungen handelt es sich jeweils um Äußerungen im Frageformat. 2 Da es 1

2

Für jede Initiierungstechnik wird jeweils nur ein Beispiel aus der Literatur wiedergegeben. Die hier interessierenden Initiierungstechniken und Nachfragen werden wiederum durch Unterstreichung gekennzeichnet. Kritisch ist zu dieser Darstellung anzumerken, dass - wie auch von den Autoren selbst an anderer Stelle dargelegt - durchaus auch Fremdinitiierungen im Aussagemodus möglich sind (ebd.: 367ff.). Vgl. hierzu auch Schegloff (1992b) (Repair after next turn), der Fälle untersucht, in denen die Initiierung der Reparatur erst in 3. oder 4. Position erfolgt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Reaktionen der Gesprächspartner zeigen, dass etwas missverstanden wurde, bzw. das zum Ausdruck kommende Verständnis problematisch ist. Initiierungstechniken wie 'Oh, you mean X , werden hier als typisch angesehen (Schegloff 2000:211).

106

2 Literaturdiskussion

sich hier um Interrogationen handelt, die sich auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner beziehen, können diese als Nachfragen betrachtet werden. Als Fremdinitiierung treten Fragewörter bzw. Fragepartikeln und Wiederholungen in Erscheinung. Zwischen den einzelnen Techniken bzw. ihrer Anwendung wird eine systematische Beziehung gesehen: "The construction types for other-initiation of repair are not presented in the text in a random order. They have a natural ordering, based on their relativ 'strength' or 'power' on such parameters as their capacity to 'locate' a repairable." (ebd.:369)

Unterschiede werden hier vor allem mit der Lokalisierung der Störungsursache in Zusammenhang gebracht. In Zusammenhang mit der Positionierung von Fremdinitiierungen und Reparaturversuchen (vgl. auch Schegloff 1992b) wurden auch sogenannte multiple Reparaturen, d. h. Reparaturen, in denen Fremdinitiierungen in mehreren Schritten vorliegen, angesprochen (vgl. Schegloff 2000:212f). VIR: MOM: VIR: ???: PR: VIR:

A:LL THE REST OF MY: PEOPLE MY AGE AR G WAFFS. Ipromise.they are sifck [They're what? (•) GWAFFS. () What's a swaff. (3.1) Gwaff is jus' somb'dy who's really (I. I) Ijust- ehh! 'hh s- immature. >

Mehrere Schritte werden dann produziert, wenn der auf die erste Initiierung erfolgende Reparaturversuch nicht erfolgreich ist.3 2.5.2

Sequenzielle Aspekte

Eine besondere Rolle bei der Befassung mit Reparaturen spielt die Auseinandersetzung mit der Platzierung der Reparaturinitiierung. Dies zeigt sich auch darin, dass Fremdinitiierungen zunächst unter Verweis auf ihre sequenzielle Position pauschal als 'Next-turn-repair-initiatiors' abgekürzt 'NTRI' - bezeichnet wurden (vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:200 und Schegloff 2000:205). Dabei wird beobachtet, dass Fremdinitiierungen oft mit einer gewissen Verzögerung erfolgen:

3

Zu 'failure' von Reparaturen vgl. auch Schegloff/ Jefferson/Sacks (1977:363).

2.5 N a c h f r a g e n als Reparaturinitiierung

107

"Indeed, other-initiations regularly are withheld a bit P A S T the possible completion of trouble-soruce turn; (...) it can get 'next turn' itself delayed a bit." (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:374)

Entsprechende Verzögerungen werden auf Präferenz-Prinzipien, genauer die Präferenz für Selbst-Reparatur vor Fremd-Reparatur bzw. auch Selbstinitiierung der Reparatur zurückgeführt. Die Auseinandersetzung mit der Platzierung von Fremdinitiierungen wird in Schegloff (1992b) und Schegloff (2000) fortgesetzt. Dabei wird in Schegloff (2000) die Bezeichnung 'Next-turn-repair-Initiation', die zunächst für alle Fremdinitiierungen benutzt wurde, aufgegeben. Initiierung im nächsten turn wird zwar weiterhin als Regelfall gesehen und auch quantitativ bestätigt (90% der Initiierungen); Fremdinitiierungen werden nun aber allgemeiner als Other-Initiation - abgekürzt ΌΙ' - bezeichnet. Dabei werden Fälle, die eine andere Platzierung aufweisen, genauer betrachtet. In Auseinandersetzung mit Wong (2000) ('Delayed next turn repair initiation in native/non-native speaker English conversation'), die einen späteren Einsatz von Fremdinitiierungen als typisch ftir Nichtmuttersprachler ansieht, argumentiert Schegloff, dass dieser auch bei Muttersprachlern zu beobachten sei und Fremdinitiierungen, die 'delayed' erfolgen, bestimmte Bedingungen aufweisen. Sie erfolgen ζ. B. dann, wenn zunächst größere Handlungseinheiten fortgesetzt werden (wie ζ. B. bei Auflistungen) oder wenn auf eine Frage zuerst mit einer Antwort reagiert wird, bevor eine Nachfrage erfolgt (vgl. Schegloff 2000:213ff). Ergebnis dieser Analysen ist schließlich, dass auch hier eine Systematik zu erkennen ist und das Prinzip 'next turn' nur unter bestimmten Voraussetzungen suspendiert wird. Weiterhin ist von Bedeutung, dass Reparaturinitiierungen Nebensequenzen einleiten können, die die laufende Abfolge von Aktivitäten unterbrechen. So führt Jefferson (1972) (Side Sequences) als erstes Beispiel fiür ihre Analyse von Nebensequenzen folgenden Beleg an: Steven: One, two, three, ((pause)) four, five, six, ((pause)) eleven, eight, nine, ten Susan: "Eleven"?-eisht, nine, ten? Steven: Eleven, eight, nine, ten. Nancy: "Eleven "? Steven: Seven, eight, nine, ten. Susan: That's better (Jefferson 1972:295)

Die Nebensequenz wird bezeichnenderweise durch eine Fremdinitiierung ("Eleven"?-eight, nine, ten?) eingeleitet. Nebensequenzen unterbrechen den laufenden Gesprächs- und Aktivitätenstrom (vgl. Jefferson 1972:295ff). Jefferson verdeutlicht dies mit folgendem Schema:

108

2 Literaturdiskussion

On-going sequence side-sequence return to on-going sequence (0)-(S)-(R) (Jefferson 1972:317)

Hieraus resultiert, dass auch eine Beendigung der Reparatursequenz und Wiederaufnahme vorausgehender Aktivitäten relevant werden ('return' as 'task', ebd.:320). Entsprechend sind beim Abschluss von Nebensequenzen ζ. B. Äußerungen wie 'oh yeah : .h.Yeah' (ebd.:318) oder Gliederungssignale wie 'oh okay' zu beobachten. Bei der Wiederaufnahme der vorausgehenden Aktivitäten kann jedoch sprachlich auch Kontinuität signalisiert werden (u. a. durch 'and'). Die Rückkehr kann also unterschiedlicher Qualität sein und als 'resumption' oder als 'continuation' bewerkstelligt erfolgen (ebd.:318-319). 2.5.3

Funktionen von Reparaturinitiierungen

Die Beschreibung von Reparaturen impliziert auch Analysen von interaktiven Störungsbehandlungen und Störungsquellen (trouble sources), die in Hinblick auf eine Befassung mit Funktionen von Nachfragen aufschlussreich sind. Allerdings ist vorauszuschicken, dass eine Befassung mit unterschiedlichen Funktionen und Störungsursachen in der Konversationsanalyse selbst eher untergeordneten Stellenwert hat. So bleiben auch Beschreibungen von Störungsquellen in den o. g. grundlegenden Bestimmungen eher vage Aufzählungen: "There can be 'trouble' grounded in other than mistakes - the unavailability of a word, such as a name, when needed (or of a name recognition on the recipient's side); hearing problems engendered by interference by ambient noise; an uncertain hearing or understanding in search of confirmation, and the like. And on the intervention side there can be practice directed to other than offering a candidate hearing or understanding for confirmation or replacement." (Schegloff 2000:209)

Dennoch erscheint es fur die Befassung mit Nachfragen erhellend, Funktionen, die aus den Reparatur-Analysen hervorgehen, genauer zu betrachten. Auffällig häufig werden Verständnisprobleme angesprochen werden. Sowohl in Schegloff/Jefferson/Sacks (1977) als auch in Schegloff (2000) ist bei der Definition von Reparaturen von 'troubles in speaking, hearing, and understanding' die Rede und es wird zu 'repairable' und 'trouble source' ausgeführt, dass Reparaturen neben Fehlerkorrekturen auch andere Phänomene umfassen, wobei auch hier vor allem Verstehens- und Verständigungsprobleme erwähnt werden. Verschiedentlich finden sich auch Verweise auf Verständniskontrollen:

2.5 N a c h f r a g e n als Reparaturinitiierung

109

"(...) it may be used, (...) to check understanding" (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:378) "(...)hearing problems engendered by interference by ambient noise; an uncertain hearing or understanding in search of confirmation, and the like." (Schegloff 2000:209)

In Hinblick auf Analysen von Reparaturen wird schließlich verallgemeinert, dass als 'repairable' im Prinzip nichts ausgeschlossen werden könne: "We will refer to that which the repair addresses as the 'repairable' or the 'trouble source'. (...) it appears that nothing is, in principle, excludable from the class 'repairable'." (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:363)

Eine differenziertere Befassung mit Störungsursachen ist in der Logik der übergeordneten Fragestellungen der Reparaturanalysen zunächst auch nicht von Belang, da Reparaturen als allgemeiner Mechanismus beschrieben werden sollen, der als eine Praktik zur interaktiven Behandlung für unterschiedliche Arten von Störungen zu beobachten ist. Auch in Hinblick auf die Unterscheidung von Selbst- und Fremdinitiierungen wird hier zunächst vor allem darauf abgehoben, dass diese auf die gleichen Störungsquellen bezogen sein können: "Self- and other-initiated repairs, then, deal with same sorts of repairables". (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:372)

Einschränkend wird allerdings in einer Fußnote angeführt: "Some types, however, are overwhelmingly initiated by one or the other." (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:370)

Der Umstand, dass Selbst- und Fremdinitiierung auch mit unterschiedlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten oder Kompetenzen von Sprechern und Hörern korrelieren können, wird jedoch zunächst nicht weiter berücksichtigt (vgl. hierzu auch kritisch Rost-Roth 1989). Bei der Auseinandersetzung mit Funktionen von Fremdinitiierungen stehen andere Aspekte, wie Platzierungen und Präferenz-Prinzipien im Vordergrund. Aufschlussreich ist jedoch wiederum, dass in Zusammenhang mit der Beschreibung von Initiierungstechniken wiederholt die Funktion einer 'Lokalisierung' angesprochen wird. Bereits Schegloff/Jefferson/Sacks (1977) generalisieren: "The technicques for other-initiation are techniques for locating the trouble source, (ebd.:377)

Die Beobachtung, dass die Fremdinitiierung oft nur die Funktion erfüllt, eine Störungsquelle zu lokalisieren, wird auch mit der Präferenz für Selbstreparatur in Verbindung gebracht:

110

2 Literaturdiskussion

(...) such turns are massively occupied with nothing else. They are used, then, to provide speaker of the trouble source another opportunity, in the turn that follows them, to repair the trouble source. They are used this way even when 'other' clearly 'knows' the repair or 'correction' and could use the turn to do it." (ebd.:377)

Des Weiteren wird eine Verbindung zwischen Lokalisierungsfunktionen und dem Einsatz bestimmter sprachlicher Mittel gesehen. So wird angemerkt, dass dann, wenn Reparaturinitiierungen nicht unmittelbar in Anschluss an die Äußerung mit der Störungsquelle produziert werden, häufig Zitierungen, i. e. Wiederaufnahmen, zu beobachten seien. Es gehen jedoch auch spezifischere Funktionen von Reparaturinitiierungen aus Beobachtungen zu Fremdinitiierungstechniken hervor. So beobachten Schegloff/Jefferson/Sacks, dass Fremdkorrekturen regelmäßig 'moduliert', d. h. mit Unsicherheitsmarkierungen versehen werden, wobei als Unsicherheitskennzeichnung auch die Frageform Erwähnung findet. Im Einzelnen wird ausgeführt: "When other-corrections are done, they are frequently modulated in form." "The other-correction may be downgraded on a 'confidence/uncertainty' scale, e. g. by the affiliation to the correction of uncertainty markers, or by use of various types of question format. (...) (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:378)

Als Abschwächung und Unsicherheitsmarkierung können Interrogationsformen wie ζ. B. 'you mean χ?' erscheinen (ebd.:379). Auch der Einsatz entsprechender Modulationen und Unsicherheitsmarkierungen zeigt einen engen Zusammenhang mit der Präferenz für Selbstreparaturen. Die Frageform als Abschwächung kann hier auch in Zusammenhang mit Höflichkeitsprinzipien gebracht werden. 4 Zusammenhänge mit übergeordneten Präferenz-Prinzipien zeigen sich auch, wenn Fremdiniitierungen eingesetzt werden, um dispräferierte Äußerungen zu vermeiden. Schegloff (1990) analysiert Fremdinitiierungen von Reparaturen nach Bitten (Requests) als Anzeichen dafür, dass eine 'dispreferred response' folgt. Er verdeutlicht dies u. a. an folgendem Beispiel: "B: hhh'n I was wondering if you'd let me borrow your gun. J: My sun? (1.2) B: Yeah. (1.0) J: What sun.

4

Vgl. zu Höflichkeitsstrategien und speziell 'negative politeness' und 'negativ face' Brown/Levinson (1987) (Politenes. Some Universals in Language Use). Frageformate können hier dazu beitragen, sog. 'facethreating acts', i. e. gesichtsbedrohende Handlungen wie ζ. B. Aufforderungen oder Korrekturen, abzuschwächen.

2.5 N a c h f r a g e n als Reparaturinitiierung

111

(0,7) B: Donchuh have a beebee zun? Yeah, (0.8) (1990: 66) (Schegloff1990:66)

So sind nach Bitten und Aufforderungen Zustimmungen präferiert, Ablehnungen hingegegen dispräferiert, was sich u. a. darin zeigt, dass zustimmende Reaktionen schneller und klarer folgen, ablehnende Reaktionen hingegen verzögerter und aufwendiger, ζ. T. auch verbunden mit Begründungen. Vor diesem Hintergrund können in Anschluss an eine Bitte ('let me borrow your gun') Reparaturinitiierungen (wie im obigen Beispiel 'my gun?,' 'what gun)' auch schon selbst als Ablehnung bzw. Vorbereitung derselben verstanden werden. Hier wird deutlich, dass es sich auch um grundlegendere Prinzipien sozialer Organisation handelt. Der Reparaturmechanismus kann auch über Probleme der Gesprächsorganisation hinaus in Zusammenhang mit anderen Prinzipien sozialer Organisation als Ressource gesehen werden. "Not only language integration, but also social organization, require an organization of repair." (ebd.:381)

Aber auch speziell in Hinblick auf konversationeile Phänomene gibt es zahlreiche Beobachtungen zu Reparaturinitiierungen, aus denen weitere mögliche Funktionen von Nachfragen hervorgehen. Beispielsweise finden sich in verschiedenen Zusammenhängen Beobachtungen zu 'what'. In Schegloff (1986) wird 'what?' in der Äußerungsfolge 'Bill?''what?' als Reaktion auf 'Summons' (d. h. das Ansprechen von Personen) analysiert. In Schegloff (1995b) wird 'what' als Reaktion auf die gesprächseinleitende Frage 'guess what' analysiert. Letztere wird als pre-announcement, i. e. als Ankündigung folgender Gesprächsaktivitäten, wie Erzählungen oder Berichte, interpretiert, die Reaktion mit 'what' als Ratifizierung dieser Ankündigung und 'go-ahead response', d. h. als Ermunterung fortzufahren (Schegloff 1995b: 194ff.). An anderer Stelle wird am Beispiel von 'what?' Erstaunen als Funktion von Reparaturinitiierungen angeführt (Schegloff 1990:70). Ambiguitäten in Reparaturinitiierungen stehen im Zentrum des Interesses von Schegloff (1984) (On some questions and ambiguities in conversation). Aus Beispielanalysen wird abgeleitet, dass Ambiguität nicht nur ein analytisches oder theoretisches Problem, sondern empirisch nachvollziehbare Gegebenheit und Ressource in Interaktionen (vgl. inbes. Schegloff 1984:34ff. u. 46ff.).

112

2.5.4

2 Literaturdiskussion

Fazit: Nachfragen als Fremdinitiierungen

Analysen zu Reparaturen und speziell Fremdinitiierungen von Reparaturen in der Konversationsanalyse sind sowohl in Hinblick auf Formen als auch Funktionen von Nachfragen aufschlussreich, obgleich die Befassung mit Fragen dort nicht im Zentrum des Interesses steht und auch nicht weiter thematisiert wird. Zunächst werden, wenn auch ζ. T. eher indirekt, über die Beschreibung verschiedener Initiierungstechniken, unterschiedliche sprachliche Realisierungsmöglichkeiten deutlich, denn bei der Beschreibung von unterschiedlichen Techniken der Fremdinitiierung, wie Zitierungen und Wiederholungen mit Frageintonation oder Fragewörtern treten zunächst ausschließlich Nachfragen in Erscheinung. Unterschiedliche Techniken der Reparaturinitiierung werden wiederum unter Bezugnahme auf Prinzipien der Sequenzialität beschrieben, wobei der Lokalisierung der Störungsursache und des Reparandums eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Über eine Vielzahl von Beispielanalysen wird deutlich, dass Reparaturen sowohl in Hinblick auf die Bearbeitung von Verständnis- und Verständigungsproblemen als auch in Hinblick auf andere Zwecke wie das Signalisieren von Verfügbarkeit, Ratifizierung von Ankündigungen, oder auch zur Vermeidung dispräferierter Handlungen wie Ablehnungen eingesetzt werden können. Zugleich wird auch dem Umstand, dass Funktionen von Reparaturinitiierungen und hiermit auch Nachfragen ambigue sein können, systematisch Rechnung getragen. Deutlich wird des Weiteren, dass Nachfragen als Reparaturinitiierungen fungieren und Nebensequenzen einleiten können. Nicht erörtert wird jedoch bei der Analyse von Reparaturen, warum ein Großteil der belegten Reparaturinitiierungen in Frageform erfolgt. Über die Funktion von Interrogationen in Opposition zu anderen Alternativen, wie Fremdinitiierungen im Aussagemodus, finden sich keine weitergehenden Ausführungen. Ebenso wenig findet sich eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass Fremdinitiierungen in Form von Entscheidungsfragen oder in Form von Ergänzungsfragen erfolgen können, und sich auch hierüber unterschiedliche Konsequenzen für die Reparaturverläufe und den Verlauf von Nebensequenzen ergeben. Entsprechende Unterschiede sind bislang nicht untersucht. Ihnen soll daher bei den empirischen Analysen in der vorliegenden Arbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

2.5 N a c h f r a g e n als Reparaturinitiierung

113

Erstaunlich ist schließlich auch, dass zwei Bereiche konversationsanalytischer Forschung, die prägend für so viele Analysen waren und sind, nämlich die Auseinandersetzung mit Frage-Antwort-Sequenzen einerseits und die Befassung mit Reparaturen bzw. Reparaturinitiierung andererseits, noch nicht stärker aufeinander bezogen wurden. Hierin wird im Folgenden empirischen Teil der Arbeit ein Ansatz gesehen, der auch für die Analyse von Formen und Funktionen von Nachfragen allgemeiner fruchtbar gemacht werden kann.

114

2.6

2 Literaturdiskussion

Kritische Diskussion der Darstellungen

Nachdem die Literaturdiskussion sich zunächst darauf konzentrierte, Beschreibungen in einzelnen Bereichen der Literatur - i. e. grammatischen Beschreibungen, Literatur zu Echofragen und Studien zu konversationeilen Fragen - darzustellen, werden nun zentrale Aspekte für die Beschreibung von Nachfragen und Echofragen übergreifend diskutiert. Als problematisch erwiesen sich vor allem die folgenden Punkte: Kriterien der Frageklassifizierungen, Beschreibungen von Äußerungsstrukturen, Funktionsbestimmungen und Abgrenzungen von Problembereichen sowie die Erfassung der Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen. 2.6.1

Terminologie: Nachfragen, Echofragen, etc.

Auffallend in Hinblick auf die in der Literatur vorzufindenden Fragetypologien und Frageklassifizierungen ist zunächst, dass sich in Bezug auf die Bezeichnungen der Kategorien und Kriterien, die jeweils zur Differenzierung von Fragekategorien herangezogenen werden, ganz erhebliche Unterschiede zeigen. Unterschiede in Bezeichnungen der Kategorien sind vor allem darauf zurückzuführen, dass auf unterschiedliche Aspekte des Phänomens Bezug genommen wird. In Bezeichnungen wie 'NACHFRAGE' oder 'RÜCKFRAGE' bildet die Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen, in B e z e i c h n u n g e n w i e 'VERSTÄNDNISNACHFRAGE', 'VERSTÄNDIGUNGS-

FRAGE' u. ä. hingegen die Bezugnahme auf verständnissichernde Funktionen den Anknüpfungspunkt für die Benennung der Kategorie. Zum Teil findet auch über Funktionsbestimmungen eine Gleichsetzung mit 'VERGEWISSERUNGS-' o d e r 'BESTÄTIGUNGSFRAGEN' Statt.

In Grammatiken ist eine gewisse Beliebigkeit im Gebrauch des Terminus 'ECHOFRAGE' auffällig. Dieser wird einerseits mit 'NACHFRAGEN' gleichgesetzt, andererseits zur Bezeichnung bestimmter Arten von Nachfragen verwendet, wobei auch häufig eine Einschränkung auf das Phänomen 'Frage nach Frage' stattfindet. Diese Beliebigkeit im Gebrauch des Terminus 'ECHOFRAGEN' steht in eklatantem Widerspruch dazu, dass es in der Sprachwissenschaft eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit Echofragen gibt. Hier werden Echofragen übereinstimmend als hörerseitige Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen oder Entscheidungsfragen beschrieben, die sich auf Vorgängeräußerungen mit beliebigem Satzmodus beziehen können.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

2.6.2

115

Kategorienbildungen: Fragearten und Fragetypen

Bei den Bestimmungen von Nachfragen und Echofragen zeigt sich ebenso wie bei Beschreibungen von anderen Fragekategorien, dass es sich vielfach um Mischkategorien handelt, insofern bei der Bestimmung sowohl formale als auch funktionale Aspekte geltend gemacht werden. Nur selten erfolgt die Differenzierung unter Bezugnahme auf einheitliche Kriterien (wie ζ. B. bei Bierwisch 1966 unter ausschließlichem Bezug auf strukturelle Merkmale). Häufig erfolgen Differenzierungen von Fragekategorien unter Anspielung auf verschiedenen Ebenen (wie ζ. B. bei Wunderlich 1976:183f, der 'semantische Unterschiede', 'mögliche Antworthandlungen' und den 'vorangehenden Kontext' anfuhrt). Hieraus erklärt sich ebenso, dass sich immer wieder Abgrenzungsprobleme zu anderen Fragekategorien ergeben. Auf unterschiedliche Kriterien der Kategorienbildung ist auch zurückzuführen, dass sich die verschiedenen Fragetypologien stark in Hinblick auf die Zahl der jeweils differenzierten Kategorien unterscheiden. 1 Abgrenzungsprobleme zwischen Nachfragen und Bestätigungsfragen/Vergewisserungsfragen ergeben sich in Hinblick auf formale Aspekte wie Verb-Zweit-Stellung und in Bezug auf funktionale Aspekte, insofern jeweils die Funktion einer 'Vergewisserung' gesehen wird. Bei anderen Fragekategorien werden hingegen als Typ-unterscheidende Merkmale vor allem Frage-Antwort-Relationen oder unterschiedliche Wissensvoraussetzungen angeführt (dies ist insbesondere bei rhetorischen Fragen oder Quiz- und Examensfragen der Fall). Schließlich werden auch Aspekte genannt, die dem Bereich des situativen Kontextes zuzuordnen sind (wie ζ. B. behördliche Kommunikation). 2 Zum Teil werden die Kriterien für die Unterscheidung verschiedener Fragetypen (besonders in Grammatiken) auch gar nicht expliziert.3 Und auch wenn Kriterien angesprochen werden, bleiben deren Bestim-

1

2

3

Vgl. hierzu auch Kerbrat-Orecchioni, die schreibt: "On peut etablir autant de typologies qu'il y a de criteres pour les opposer, c'est ä dire beaucoup" (Kerbrat-Orecchioni 1991:18). Zu grundlegenderen Problemen von Klassifikationen am Beispiel von Sprechakten vgl. auch Ballmer (1979). Die Vielfalt der Kriterien wird auch von Wunderlich (1976) konstatiert, der j e d o c h "die Vielfalt der Einteilungen und Kriterien hier nicht sichten (will)" (Wunderlich 1976:183). Eine Auseinandersetzung mit anderen Typologien findet nur bei wenigen Autoren statt. Vgl. hierzu Conrad (1978:43), der eine unzulängliche B e h a n d l u n g von A n t w o r t b e z ü g e n kritisiert, und Burkhardt (1986:32f.), der sich insbesondere mit der Typologie von Hindelang (1981) kritisch auseinandersetzt. So liest m a n beispielsweise "Man hat sechs Fragearten zu unterscheiden" (Engel 1996:52) "Es gibt vier Typen von Fragesätzen" (Götze/Hess-Lüttich 1989:322).

116

2 Literaturdiskussion

mungen oft vage. So erörtert beispielsweise Burkhardt (1986) das 'Verhältnis von Form und Funktion', die 'Beschaffenheit der Proposition' und 'semantische Varianten'. Ebenso wenig wird problematisiert, dass sich die Typologien auch darin unterscheiden, dass in manchen Taxonomien alle Fragekategorien auf der selben Ebene erscheinen und in anderen in hierarchischer Gliederung Grundformen angenommen werden, von denen 'weitere Formen' oder 'besondere Formen' abgesetzt werden. Hier handelt es sich um Prämissen, die letztendlich auch den Status, den Kategorien wie Nachfragen oder Echofragen in den Typologien jeweils erhalten, betreffen. In manchen Typologien erscheinen Nachfragen und/oder Echofragen als Fragekategorien auf gleicher Ebene wie andere Kategorien (vgl. hierzu die 'RÜCKFRAGE' bei Engel 1996 oder die Frageklassifikation von Bierwisch), in anderen Typologien werden Nachfragen und Echofragen als 'besondere' oder 'weitere' Fragen von Fragen abgesetzt, die als grundlegender angesehen werden (wie beispielsweise in der Duden-Grammatik 1998 oder bei Burkhardt 1986). Als kleinster gemeinsamer Nenner zeichnet sich ab, dass in allen Typologien jeweils Entscheidungs- und Ergänzungsfragen erscheinen und - sofern Grundformen angenommen werden - zu diesen gerechnet werden. Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen als Basiskategorien anzusetzen, erscheint unter Bezugnahme auf die jeweils als offen gekennzeichnete Proposition, den 'logischen Typ' der Frage und unterschiedliche Antwortdeterminationen begründet. 4 In Hinblick auf die jeweils als 'Grundformen' angeführten Fragetypen zeigen sich jedoch wiederum Unterschiede darin, ob nur diese zwei oder auch drei Grundformen angenommen werden. Oft werden unter Hinzunahme von Alternativfragen drei Arten von Fragen als grundlegend angesehen (so ζ. B. von Conrad 1978 und Burkhardt (1986). Alternativfragen als dritte Kategorie anzusetzen, hat auch einige Plausibilität, 5 und lässt sich damit begründen, dass sie in Bezug auf die

4

5

Bereits Aristoteles unterscheidet zwei Grundformen von Fragen, nämlich die dialektischen Fragen (Entscheidungsfragen, Ja/Nein-Fragen) und die nicht-dialektischen Bestimmungs- bzw. Ergänzungsfragen (Aristoteles De Int. 20b:27-31). Entsprechend unterscheidet z . B . auch Rohrer (1971:109) ("Zur Theorie der Fragesätze") "zwei Hauptarten der Frage, die Satzfrage und die Wortfrage". Nicht plausibel erscheint es hingegen - wie dies Frier (1981:47ff.) macht - RHETORISCHE FRAGEN als dritte Grundform anzusetzen. Da rhetorische Fragen sowohl in Form von Entscheidungsfragen als auch in Form von Ergänzungsfragen in Erscheinung treten können, erscheint es nicht schlüssig, diese auf gleicher Ebene anzusetzen.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von Nachfragen und Echofragen

117

Art der jeweils als offen gekennzeichneten Proposition und der strukturellen Antwortdetermination einen Zwischenstatus einnehmen.6 Allerdings gibt es auch andere Auffassungen, nach denen Alternativfragen nur als ein Spezialfall der Entscheidungsfragen anzusehen sind. In manchen Beschreibungen wird der Status dieser Kategorie auch offengelassen. 7 Drei Fragearten als 'Basiskategorien' anzusetzen, kann, abgesehen von grundsätzlicheren Unterscheidungen, nicht zuletzt damit begründet werden, dass andere in den Typologien angeführte Fragekategorien jeweils in Verbindung zu diesen Grundformen gesetzt werden können. Dies gilt insbesondere auch für Nachfragen und Echofragen. Geht man von der Auffassung aus, dass es bestimmte Basiskategorien gibt, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien weitere Fragekategorien gebildet werden können. 2.6.3

Nachfragen und Echofragen als Fragetypen

Bezeichnungen

w i e 'NACHFRAGEN', 'RÜCKFRAGEN' o d e r

'VERSTÄND-

NISFRAGEN' verweisen darauf, dass bestimmte Vorstellungen über Funktionen dieser Fragen in die Bildung dieser Fragekategorien eingehen. Zugleich werden Nachfragen und Echofragen jedoch auch über formale Aspekte bestimmt, indem im Fall von Entscheidungsfragen Verb-Zweit-Stellung und im Fall von Ergänzungsfragen satzinterne Positionen des Fragewortes als zentrale Merkmale angeführt werden. Nachfragen und Echofragen erscheinen damit als Fragekategorien, die im Prinzip stark durch Annahmen über Verbindungen zwischen bestimmten Fragefunktionen und Fragestrukturen geprägt sind.8 Dies wird in sehr kurzen Darstellungen besonders deutlich, da dort FormFunktions-Beziehungen in komprimierter Form zum Ausdruck gebracht werden: " E i n e R ü c k f r a g e stellt m a n , w e n n m a n einen Teil der M i t t e i l u n g n i c h t v e r s t a n d e n hat o d e r w e n n e i n e I n f o r m a t i o n nicht ausreicht. Sie w i r d m i t d e m S a t z t y p A (i. e. g e k e n n z e i c h n e t d u r c h 'Vorfeld 1 , 'Satzfeld' u n d g e g e b e n e n f a l l s N a c h -

6 7

8

Vgl. hierzu auch Bäuerle (1979) und Fernandez-Bravo (1993:17,143), die einen Unterschied im 'logischen Typ' der Frage sehen, sowie von Dik (1997:261). So ζ. B. bei Wunderlich (1976:184 u. 233ff.), der Unterschiede und Gemeinsamkeiten diskutiert. Zur Beziehung zwischen Entscheidungsfragen und Alternativfragen vgl. auch Helbig/Buscha (1972:545 bzw. 2001:616) und Hundsnurscher (1975:4 ff.). Auch für andere Fragekategorien wie ζ. B. Examens- oder Quizfragen und Bestätigungs- oder Vergewisserungsfragen sowie rhetorische Fragen scheint die Annahme von Form-Funktions-Bezügen tragend zu sein.

118

2 Literaturdiskussion

feld1, Μ. R.) gebildet; das Fragewort erhält den Schwerton (.)." (Griesbach 1986:24f.) "Entscheidungsfragesätze mit Verbzweitstellung können auch der Nachfrage dienen (vgl. 1033). (...) Anders als in 1033 drückt hier die Nachfrage Überraschung, Verwunderung, Erstaunen aus." (Duden 1998:613)

Hier kann gezeigt werden, dass nicht nur die jeweils unterstellten Verbindungen zwischen einzelnen Frageformen und einzelnen Fragefunktionen sehr unterschiedlich ausfallen, sondern dass auch schon die Vorstellungen über strukturelle Aspekte (wie insbes. Verb-ZweitStellung und Stellung des Frageworts, sowie bestimmte Nebensatzkonstruktionen) ebenso wie Funktionsdifferenzierungen sehr unterschiedlich sind. In Anbetracht äußerst unterschiedlicher Bestimmungen von Nachfragen und Echofragen ist es weder auf formaler noch auf funktionaler Ebene ohne weiteres möglich, eindeutige Merkmale zur Definition derselben aus der Literatur abzuleiten. Im Prinzip ist in Hinblick auf den Fragetypus Nachfragen zunächst nur eine Minimalbestimmung vertretbar, indem sich als kleinster gemeinsamer Nenner ergibt, dass für Nachfragen und Echofragen eine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen zentrales Merkmal ist. (Dieser Aspekt wird beispielsweise in den Bestimmungen von Selting (1995) oder Zifonun et al. (1997) deutlich herausgestellt) 9 . Bei Echofragen ist als weiteres Merkmal zu sehen, dass diese Bezugnahme mittels einer Echokomponente, i. e. einer Wiederholung von Komponenten der Bezugsäußerung erfolgt.10 Damit sind Echofragen als ein Spezialfall von Nachfragen zu betrachten. Resultat einer solchen Bestimmungen von Fragetypen sind also nicht (nur) exklusive Kategorien, sondern auch Inklusionsverhältnisse, indem Fragekategorien auch Subtypen aufweisen können. In Hinblick auf die Annahme von Subtypen erscheint es zunächst jedoch nicht sinnvoll, wie dies in manchen Taxonomien der Fall ist, das Phänomen 'Frage nach Frage' als eigene Kategorie anzusetzen (vgl. hierzu beispielsweise die Kategorie ' G E G E N F R A G E ' bei Engel (1996:55)." Auch in Anbetracht dessen, dass häufig Formen wie Verb-

9 10 11

So wird nach Z i f o n u n et al. (1997:115) das "vorhergehende D i k t u m (.) a u f g e g r i f f e n " nach Selting (1995:258) findet "eine Refokussierung" statt. Wie dies insbesondere in der B e s t i m m u n g von Meibauer (1987b:337) oder bei W u n d e r lich (1986:45) deutlich wird. Eine besondere B e h a n d l u n g von Fragen nach Fragen zeigt sich auch in Darstellungen, in denen die Beschreibung von N a c h f r a g e n oder E c h o f r a g e n auf die Satzmoduskonstellation 'Frage nach Frage' eingeschränkt wird. Dies ist ζ. B. bei Helbig/Buscha

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

119

Letzt-Sätze oder indirekte Fragesätze als Besonderheit angenommen werden, erscheint dies nicht schlüssig, weil dann konsequenterweise auch Fragen in Anschluss an andere Satzmodi, wie ζ. B. Fragen in Anschluss an Aufforderungen, für die ebenso Besonderheiten (wie insbes. Modalverben) angeführt werden, gleichermaßen gesondert Berücksichtigung finden müssten.12 In Hinblick auf unterschiedliche Satzmoduskonstellationen erscheint zunächst eine weitere Befassung mit dem Verhältnis bestimmter Frageformen und Äußerungskontexte notwendig, um zu klären, welche formalen Ausprägungen sich in diesen Zusammenhängen zeigen. Von daher sollen Formen von Nachfragen im empirischen Teil auch in Hinblick auf Satzmoduskonstellationen untersucht werden. Dass Aussagen über Form-Funktions-Bezüge bei Nachfragen oft relativ spekulativen Charakter haben, hat auch damit zu tun, dass es sich um ein komplexes und der Beobachtung schwer zugängliches Phänomen handelt, das selbst bei intensiverer Befassung Probleme aufwirft. Dies hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass über Fragefunktionen besonders unter weitgehender Abstraktion von Äußerungskontexten meist nur spekuliert werden kann. Formale Ausführungen zu Nachfragen und Echofragen müssen mehr oder weniger spekulativ bleiben, solange sie nur auf Beispielkonstruktionen beruhen. Aufschluss geben kann hier letztendlich - wie auch bei anderen Phänomenen mündlicher Kommunikation - nur die Betrachtung authentischer Realisierungen und ihrer Kontexte. Die Untersuchung von entsprechenden Zusammenhängen ist folglich auch leitend für die Analysen von empirisch dokumentierten Nachfragen im empirischen Teil. 2.6.4

Nachfragen und Fragearten

Es gibt Darstellungen, in denen Nachfragen nur mit einer bestimmten Frageart in Verbindung gebracht werden. So finden bei Helbig/Buscha (1981:545) in den Ausführungen zu 'NACHFRAGEN' und bei Burkhardt (1986:39) in den Ausführungen zu 'ECHOFRAGEN' nur Ergänzungsfragen Erwähnung. Umgekehrt führt Wunderlich (1976:184) als Beispiel für RÜCKFRAGEN und BESTÄTIGUNGSFRAGEN nur eine Entscheidungsfrage (mit Verb-Zweit-Stellung) an. Ungeklärt bleibt hier, ob die-

12

(1981) der Fall. Eine entsprechende Einschränkung erfährt die Darstellung von hörerseitigen N a c h f r a g e n unter der Bezeichnung 'ECHOFRAGE1 auch bei Burkhardt (1986:39f.). Vgl. hierzu insbesondere Engel (1996), der diesem P h ä n o m e n besondere A u f m e r k samkeit w i d m e t , aber für Fragen nach A u f f o r d e r u n g e n keine eigene Kategorie ansetzt.

120

2 Literaturdiskussion

se Einschränkungen nur der Kürze der Darstellungen geschuldet sind, da sie nicht explizit gemacht werden, oder ob sie nur durch die jeweils angeführten Beispiele suggeriert werden. Sie vermitteln jedoch ein unvollständiges Bild. Im übrigen werden meist beide Fragearten als Erscheinungsformen genannt. Widersprüche zeigen sich in den verschiedenen Darstellungen aber wiederum darin, dass Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen und Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden. Anzumerken ist auch, dass Alternativfragen in diesem Zusammenhang keine Erwähnung finden. So werden in der Duden-Grammatik (1998:613) Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen verständnissichernde Funktionen und in Opposition hierzu Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen pauschal andere Funktionen wie 'Überraschung, Verwunderung, Erstaunen' zugeschrieben. Auch Engel (1996:55f.) sieht Funktionsunterschiede zwischen Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen, siedelt diese jedoch auf einer ganz anderen Ebene an. Er bringt Entscheidungs- und Ergänzungsfragen mit dem Umfang der als problematisch gekennzeichneten Proposition in Zusammenhang. Hier wird davon ausgegangen, dass 'PROPOSITIONALE RÜCKFRAGEN' (die nach Engel sowohl in verständnissichernder als auch in anderer Funktion eingesetzt werden können) als Ergänzungsfragen formuliert werden. Umgekehrt geht Engel davon aus, dass wenn die gesamte Proposition der Vorgängeräußerung problematisch ist, 'PROPOSITIONALE RÜCKFRAGEN' als Entscheidungsfragen formuliert werden. Auch bei Selting (1995) werden Nachfragen in Form von Ergänzungs- und Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen in Verbindung mit unterschiedlichen Nachfragefunktionen gebracht, indem sie bei 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' ausschließlich Entscheidungsfragen und bei 'PROBLEMMANIFESTIERENDEN FRAGEN' ausschließlich Ergänzungsfra-

gen behandelt. In Zifonun et al. (1997:115ff.), die von einer funktionalen Unterscheidung von 'NACHFRAGEN' (die der Verständnissicherung dienen) und 'RÜCKFRAGEN' ('die der Problematisierung der Vorgängerhandlung' dienen) ausgehen, werden für beide Funktionszusammenhänge sowohl Ergänzungsfragen als auch Entscheidungsfragen berücksichtigt. Ein Unterschied wird hier jedoch darin gesehen, dass Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen mit 'Nicht-Verstehen' und Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen mit 'Verständnisunsicherheit' in Verbindung gebracht werden. Dies entspricht Funktionsunterschieden, die auch Meibauer (1987b:347) in Hinblick auf Echofragen formuliert. Meibauer

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

121

geht davon aus, dass bei Echo-Entscheidungsfragen eine Hypothese über fehlende Elemente gebildet werden kann, im Falle von Ergänzungsfragen hingegen nicht. Insgesamt ergibt sich in Bezug auf Funktionsbestimmungen in Zusammenhang mit den Fragearten ein äußerst widersprüchliches Bild: Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen

Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen

Meibauer (1987b:347)

Hypothese über fehlendes Element

keine Hypothese über fehlendes Element

Engel (1996:55)

gesamte Proposition der Voräußerung nicht verstanden

Teil der Proposition der Voräußerung nicht verstanden

Duden (1998:613)

Überraschung, Verwunderung, Erstaunen

Verstehensproblem

Zifonun et al. (1997:115ff.)

'Nicht-Verstehen'

'Verständnisunsicherheit'

Selting (1995:270ff.)

'Inferenzüberprüfungen'

'Problemmanifestierende Fragen'

Übersicht: Funktionsbeschreibungen für N a c h f r a g e n in Form von Entscheidungs- und Ergänzungsfragen

Auf der Basis der zuvor dargelegten Ansätze zur Beschreibung von Interrogation als Ausdruck von Erotetizität und Überlegungen zu Fragearten als Ausdruck unterschiedlicher Arten von Wissens- oder Informationsdefiziten wird im Folgenden in Übereinstimmung mit Meibauer (1987b) und Zifonun et al. (1997) davon ausgegangen, dass der grundlegende Unterschied zwischen Ergänzungs- und Entscheidungsfragen auch bei Nachfragen und Echofragen darin zu sehen ist, dass sie unterschiedliche Arten von Nichtwissen bzw. Informationsdefiziten zum Ausdruck bringen. Die Annahme, dass eine Verbindung zwischen den Fragearten und der Signalisierung von anderen Arten von Problemen (i. e. Verständnisprobleme vs. andere Nachfragefunktionen, vgl. Duden-Grammatik 1998) oder mit dem Umfang der problematischen Äußerungsteile besteht (vgl. Engel 1996), erscheint hingegen auch im Rahmen der einzelnen Beschreibungen nicht plausibel, da gerade auch die Signalisierung unterschiedlicher Arten von Nichtwissen durch Fragearten zu diesen Funktionen in Verbindung gesetzt werden kann.

122

2 Literaturdiskussion

2.6.5

Funktionsbestimmungen

Obgleich unterschiedliche Funktionen von Fragen und Nachfragen bei der Erstellung von Fragetypologien in grammatischen Beschreibungen und Grammatiken häufig als Kriterien zur Differenzierung von Fragekategorien herangezogen werden, bleibt die Befassung mit funktionalen Aspekten in Grammatiken und anderen grammatischen Beschreibungen eher marginal. Auch in der Literatur zu Echofragen erscheinen Funktionsbestimmungen eher beiläufig. Umgekehrt steht in empirischen Untersuchungen die Auseinandersetzung mit funktionalen Aspekten im Vordergrund, wobei die Befassung mit Fragefunktionen schwerpunktmäßig auf Verständigungsproblemen liegt. Generellere Funktionen im Rahmen interaktiver Störungsbehandlung lassen sich zwar aus Studien der Konversationsanalyse zu Reparaturinitiierungen ableiten, jedoch wird dort wiederum die Qualität der Interrogation im Sinne von Fragearten und Fragestrukturen nicht systematisch berücksichtigt. Als problematisch erweisen sich somit in Bezug auf Funktionsbestimmungen von Nachfragen die Spezifizierungen einzelner Funktionsbereiche, die Abgrenzung verschiedener Funktionsbereiche, sowie die jeweils unterstellten Verbindungen zu bestimmten Ausdrucksformen. Verständnissichernden Funktionen wird besondere Bedeutung zugesprochen. Dies zeigt sich einerseits darin, dass dieser Aspekt häufig in die Benennung von Fragekategorien eingeht und andererseits bei Ausführungen zu Nachfragefunktionen Aspekte der Verständnissicherung im Vordergrund stehen. Dies gilt für allgemeine grammatische Beschreibungen ebenso wie für Literatur zu Echofragen sowie für Studien zu konversationeilen Fragen und die Beschreibung von Reparaturen in der Konversationsanalyse. Auch Vergewisserungs- oder Bestätigungsfunktionen finden immer wieder Erwähnung. So werden Vergewisserungs- und Bestätigungsfragen zum Teil auch mit Nachfragen in einer Kategorie zusammengefasst (vgl. insbesondere Wunderlich 1976 und Götze/Hess-Lüttich 1989:323). Bestätigungs- und Vergewisserungsfragen neben Entscheidungsfragen als eigene Kategorie anzusetzen,13 erscheint jedoch ebenso

13

Entsprechende Kategorien finden sich bei Helbig/Buscha (2001:616.): 'VERGEWISSERUNGSFRAGE', Erben (1972:243): 'BESTÄTIGUNGSSUCHENDE AUSSAGE', Grundzüge (1981:768ff.):

'FRAGEN,

DIE EINE BESTÄTIGUNG

ERWARTEN',

Götze/Hess-Lüttich

(1989:322ff.): VERGEWISSERUNGSFRAGESÄTZE', Zifonun et al. (1997:643) 'BESTÄTIGUNGSFRAGE'.

2.6 K r i t i s c h e D i s k u s s i o n der D a r s t e l l u n g e n v o n N a c h f r a g e n u n d E c h o f r a g e n

123

diskussionswürdig. Sie werden im allgemeinen als Entscheidungsfragen mit Verb-Zweitstellung dargestellt, so dass diese Fragen auch einfach als ein Spezialfall von Entscheidungsfragen angesehen werden können.14 Bestätigungs- und Vergewisserungsfragen werden jedoch nicht nur formal unter Bezug auf Besonderheiten der Wortstellung, sondern auch funktional bestimmt. Dies kommt insbesondere in den Benennungen der Kategorien, die auf Bestätigungssuche und Vergewisserungsfunktionen anspielen, zum Ausdruck. Hier wird im folgenden argumentiert, dass sich in Entscheidungsfragen eine Verbindung zwischen Verb-Zweit-Stellung und der Signalisierung von Antworterwartungen und der jeweils zum Ausdruck gebrachten 'strenght of assumption' besteht.15 Des Weiteren wird als Nachfragefunktion auch das Signalisieren von 'Erstaunen' oder 'Verwunderung' u. ä. genannt, wobei diese oft wörtlich als 'andere' Funktionen eingeführt werden. Während verständnissichernde Funktionen als relativ klar umrissener Bereich erscheinen, ergibt sich hier ein eher disparates Bild. Im Einzelnen werden 'Überraschung' (Wunderlich 1986:53, Duden 1998:613), 'Verwunderung', 'Erstaunen' (Duden 1998:613), 'in Zweifel ziehen der Voräußerung' (Engel 1996:56), "Problematisierung (Wissensdivergenz, Zweifel an Angemessenheit oder Legitimation) der Vorgängerhandlung" (Zifonun et al. 1997:115) oder 'Ungläubigkeit', 'Missbilligung', 'Korrektur' (Reis 1992:221) oder auch 'Ironie' (Meibauer 1987b:350) genannt. Die von Selting (1995:293ff.) eingeführte Kategorie der ' E R W A R T U N G S P R O B L E 14

A u f g r u n d des Merkmals Verb-Zweit-Stellung werden Bestätigungsfragen auch vielfach in H i n b l i c k a u f d e n S a t z m o d u s diskutiert. Vgl. 'ASSERTIVE FRAGEN' bei A l t m a n n , die dieser w i e 'RÜCKFRAGEN' zu d e n ' M i s c h t y p e n ' g e r e c h n e t ( A l t m a n n 1 9 8 7 : 4 8 f . und 1981:2f.), u n d Z i f o n u n et al. ( 1 9 9 7 : 6 4 3 ) die bei 'BESTÄTIGUNGSFRAGEN' e b e n s o w i e bei 'NACHFRAGEN' u n d 'RÜCKFRAGEN' VON ' Ü b e r p r ä g u n g ' s p r e c h e n . E n t s p r e c h e n d z e i g e n sich w i e d e r u m U n t e r s c h i e d e darin, o b B e s t ä t i g u n g s f r a g e n als e i g e n e K a t e g o r i e n a u f der selben E b e n e w i e 'normale' E n t s c h e i d u n g s f r a g e n o d e r als ' b e s o n d e r e ' K a t e g o r i e n a u f einer a n d e r e n E b e n e a n g e s i e d e l t w e r d e n . So w e r d e n bei E r b e n ( 1 9 7 2 : 2 4 3 ) 'BESTÄTIGUNGSSUCHENDE AUSSAGE', bei B i e r w i s c h ( 1 9 6 6 : 1 6 6 ) 'ENTSCHEIDUNGSFRAGE' und 'ECHO-ENTSCHEIDUNGSFRAGE' u n d bei G ö t z e / H e s s - L ü t tich ( 1 9 8 9 : 3 2 2 f f . ) 'VERGEWISSERUNGSFRAGESÄTZE' a u f g l e i c h e r E b e n e a n g e s e t z t . D e m g e g e n ü b e r setzen d i e G r u n d z ü g e ( 1 9 8 1 : 2 4 f f . ) 'FRAGEN, DIE EINE BESTÄTIGUNG ERWARTEN' als ' b e s o n d e r e ' K a t e g o r i e n an, die v o n a n d e r e n , als g r u n d l e g e n d e r a n g e s e h e n e n K a t e g o r i e n ( u n d hierbei a u c h E n t s c h e i d u n g s f r a g e n m i t V e r b - E r s t - S t e l l u n g ) , a b g e g r e n z t sind. H e l b i g / B u s c h a ( 1 9 8 1 : 5 4 4 ) setzen 'VERGEWISSERUNGSFRAGE' als ' b e s o n d e r e F r a g e f o r m e n an, H e l b i g / B u s c h a ( 2 0 0 1 : 6 1 6 ) b e h a n d e l n sie als Spezialfall der Entscheidungsfragen.

15

V g l . hierzu die A u s f ü h r u n g e n zu A n t w o r t e r w a r t u n g e n s o w i e die A n a l y s e n im e m p i r i s c h e n Teil.

124

2 Literaturdiskussion

ME', scheint diesbezüglich den allgemeinsten Nenner darzustellen. Dennoch können nicht alle 'anderen' Nachfragefunktionen unter 'Erwartungsprobleme' subsummiert werden. Zum Beispiel sind 'Zeitgewinn' oder 'Denkpausen' (vgl. Griesbach 1986:24 und Burkhardt 1986:39f.) nicht ohne weiteres einem der beiden Bereiche, i. e. Verständnisschwierigkeiten oder Erwartungsproblem, zuzuschlagen. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Rolle beispielsweise 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' ( v g l . S e l t i n g

1 9 9 5 ) o d e r 'PROPOSITIONALEN RÜCKFRAGEN'

(Engel 1996 und Peretti 1993) zugeschrieben werden soll und wie sich diese zu anderen Problemtypen und Nachfragefunktionen verhalten, wobei insbesondere der Zusammenhang mit Vergewisserungsfunktionen zu reflektieren ist. Somit kann festgehalten werden, dass zwar häufig von zwei unterschiedlichen Funktionsbereichen, i. e. Verständnissicherung und 'anderen Funktionen', ausgegangen wird, jedoch auch Nachfragefunktionen angesprochen werden, die sich nicht ohne weiteres dieser Dichotomie zuordnen lassen. Unabhängig davon, wie viele Problembereiche man annimmt, stellt sich die Frage ihrer Abgrenzung. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn für beide Funktionsbereiche separate Nachfragekategorien angesetzt werden, wie dies insbesondere bei Zifonun et al. (1997:115 und 644ff.) der Fall ist.16 Auch in Bezug auf Vorstellungen, mit welchen sprachlichen Mitteln unterschiedliche Nachfragefunktionen zum Ausdruck gebracht werden können, ergibt sich damit ein sehr widersprüchliches Bild, das in der folgenden Übersicht zusammengefasst ist.

16

A u c h von den Autoren selbst wird im Übrigen angemerkt, dass eine Unterscheidung nicht immer eindeutig möglich ist.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

Verständnissichernde Funktionen von Nachfragen

'Andere' Funktionen von Nachfragen ('Erwartungsprobleme 1 )

125

Engel

(1996:56)

"am Ende fallende Tonführung"

"am Ende steigende Tonführung"

Duden

(1998:61 Iff)

Ergänzungs frage

Entscheidungsfrage

Selting

(1995:303)

prosodisch unmarkiert

prosodisch markiert

Zifonun et al. (1997:115)

(Funktionsunterschiede werden a priori vorausgesetzt)

(Funktionsunterschiede werden a priori vorausgesetzt)

Rehbein

nicht exklamative Intonation

Exklamativ-Intonation + Ausdrücke wie 'echt' u.ä.

(1999:110)

Übersicht: Funktionsunterschiede und korrespondierende M e r k m a l e in Darstellungen von N a c h f r a g e n

So geht die Beschreibung von Funktionsunterschieden im Duden (1998) davon aus, dass ein Zusammenhang mit den Fragearten besteht und Entscheidungsfragesätze mit Verb-Zweit-Stellung "Überraschung, Verwunderung, Erstaunen" ausdrücken, anders als Nachfragen in Form von Ergänzungsfragesätzen mit Endstellung des finiten Verbs, von denen gesagt wird, sie "treten dort auf, wo eine Frage nicht (ganz) verstanden worden ist" (Duden 1998:612). In der Darstellung von Engel (1996:56) wird die Signalisierung dieser Funktionen hingegen mit unterschiedlichen Intonationsverläufen in Verbindung gebracht. Auch Selting sieht einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Nachfragefunktionen und Intonationsunterschieden. Allerdings werden hier andere Aspekte als bedeutsam angesehen als bei Engel. Selting charakterisiert diesen Unterschied auf der Ebene der Prosodie als 'markiert' vs. 'nicht markiert'. Im Prinzip liefern die Analysen von Selting die fundiertesten Anhaltspunkte zur Unterscheidung verschiedener Funktionsbereiche, da die Verbindung zwischen Nachfragefunktionen und prosodischen Ausdrucksmitteln als interaktiv relevant abgeleitet werden können. Den Analysen von Selting zufolge ist über die prosodische Realisierung ersichtlich (bzw. 'erhörlich'), welche Art von Problemen 'gemeint' ist: Erwartungsprobleme werden in markierter Form, d. h. lauter oder auf einer anderen Tonhöhe ansetzend, signalisiert, Verständnisprobleme hingegen mit unmarkierten prosodischen Realisierungen (Selting 1995:303). Dem entspricht auch die Darstellung in Rehbein (1999:110).

126

2 Literaturdiskussion

Da es sich um relativ subtile und nur im Kontext fassbare prosodische Unterschiede handelt, wird nachvollziehbar, warum Ausführungen über Unterschiede in Literatur, die sich allein auf Introspektion und Konstruktion schriftlich repräsentierter Beispiele stützt, oft auf der Ebene von Spekulationen bleiben.17 Da Beispielkonstruktionen und graphische Repräsentationen von Äußerungen oft mit ganz unterschiedlichen intonatorischen und prosodischen Realisierungen vorstellbar sind und zudem oft Kotexte und Bezugsäußerungen nicht angegeben werden, können auch entsprechend unterschiedliche Funktionen unterstellt werden. Dies erklärt auch, warum diese Bedeutungsunterschiede selbst im Rahmen sprachwissenschaftlicher Beschreibungen schwer zu 'greifen' sind. Begrenzungen von Funktionsbeschreibungen bei Nachfragen zeigen sich weiterhin in einer einseitigen Konzentration auf einzelne Fragearten bzw. Nachfragen in Form von Ergänzungsnachfragen. So liegen die Schwerpunkte der Analysen von Nachfrage-Funktionen und Funktionen der Verständnissicherung bei Selting (1987 und 1995) und Peretti (1993) auf der Beschreibung von Ergänzungs-Nachfragen. Hier wurde in Zusammenhang mit der Erörterung von Seltings Taxonomie von 'Problemtypen' die Überlegung angestellt, ob neben den von Selting analysierten 'Problemmanifestationen', die sämtlich als Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen beschrieben werden, auch Nachfragen in Form von Entscheidungs-Nachfragen erfolgen können. Des Weiteren ist zu überlegen, ob bestimmte Entscheidungsfragen, die bei Selting insbesondere bei der Beschreibung von 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' und bei Engel (1996) und Peretti (1993) als 'PROPOSITIONALE NACHFRAGEN' Aufmerksamkeit finden, mit einer weitergehenderen Systematisierung von Nachfrage-Funktionen im Bereich der Verständnissicherung in Verbindung gebracht werden können. Auch bei einschlägigen Untersuchungen der Konversationsanalyse, die sich mit Frage-Antwortsequenzen oder Reparaturinitiierungen befassen, sind Auswirkungen unterschiedlicher Fragearten auf Folgereaktionen nicht weiter untersucht.18 Vor diesem Hintergrund ist empi-

17

18

Bezeichnenderweise finden sich in den schriftlichen Darstellungen zuweilen doppelte Fragezeichen oder Ausrufezeichen, mit denen anscheinend besondere E m p h a s e angedeutet werden soll. Aber auch bei diesen Darstellungen zeigen sich Unterschiede zu den B e f u n d e n der empirischen Studien. Vgl. hierzu auch die kritischen A n m e r k u n g e n zur D u d e n - G r a m m a t i k unter Abschnitt 2.2.2. Hier wird in Hinblick auf Funktionen von Reparatur-Initiierungen vor allem die Lokalisierung von Störungsquellen analysiert.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

127

risch zu überprüfen, wie sich die genannten Nachfragefunktionen und verschiedene Fragearten zueinander verhalten. Auffallend in Hinblick auf Funktionsbestimmungen von Nachfragen ist weiterhin, dass auch unterschiedlichen Arten der Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, obgleich auch hier Verbindungen zu Nachfrage-Funktionen angenommen werden können. 2.6.6

Bezugnahmen auf vorausgehende Äußerungen: Wiederholungen, Reformulierungen, Fragewörter

Obgleich die Implikation eines Rückbezugs auf den sprachlichen Kotext als konstitutives Merkmal des Fragetypus 'NACHFRAGE' anzusehen ist, findet dieser Aspekt bei der Beschreibung von Nachfragen in Grammatiken und Fragetypologien meist nur beiläufig Erwähnung. So schreibt Burkhardt (1986:39), dass diese "parasitär" seien, insofern sie "Verweisformen" sind und "mögliche propositionale Gehalte von anderen Sprechakten borgen müssen." Engel (1996:55) erwähnt, dass diese auf die 'vorausgegangene Partneräußerung 1 Bezug nehmen, und Zifonun et al. (1997:115) sprechen davon, dass das 'vorhergehende Diktum aufgegriffen' und als 'Interrogatum markiert' wird. Auch in der Literatur zu Echofragen wird in Bezug auf das für Echofragen konstitutive Merkmal, nämlich die Echocharakteristik, nicht reflektiert, welche Besonderheiten sich aus dieser in Abgrenzung zu anderen Verweismöglichkeiten ergeben. In allen Untersuchungsbereichen wird die grundlegende Funktion von Nachfragen, einen Verweis auf vorausgehende Äußerungen im Kotext herzustellen, meist nur vorausgesetzt und nicht weiter analysiert, welche Bedeutung es in Anbetracht unterschiedlicher Arten von Nachfragen hat, dass der kotextuelle Rückbezug in manchen Fällen mit einer 'Echo'-Komponente und in anderen Fällen mit Fragewörtern oder Paraphrasierungen oder anderen Formen der Reformulierung hergestellt wird. Auch Selting (1987 und 1995) und Peretti (1993), deren Analysen eine detaillierte Beschreibung unterschiedlicher Verweismöglichkeiten (wie ζ. B. prosodischer Realisierungen von Fragewörtern und Wiederholungen) implizieren, schenken der Frage nach der unterschiedlichen Funktionen und Implikationen von Fragewörtern, Wiederholungen oder

128

2 Literaturdiskussion

anderen Möglichkeiten der Bezugnahme vergleichsweise wenig Beachtung schenken.19 In der Konversationsanalyse wird zwar immer wieder die Lokalisierung der Störungsquelle als wesentliche Funktion von Reparaturinitiierungen und Fremdinitiierungstechniken hervorgehoben, jedoch werden auch hier unterschiedliche Mittel nicht diesbezüglich analysiert. Unterschiedliche Arten des Verweises reflektieren insbesondere Blakemore (1994) und Noh (1998) im Rahmen relevanztheoretischer Analysen zu Echofragen. Hier wird davon ausgegangen, dass echoartige Verweise, Reformulierungen und Inferenzen unterschiedlicher Art in einem Zusammenhang zu sehen sind. Sie werden jeweils als 'Repräsentationen' der Bezugsäußerungen betrachtet, ein Unterschied zwischen ihnen wird darin gesehen, dass sie als Repräsentationen in unterschiedlichen Ähnlichkeitsrelationen zu den Bezugsäußerungen stehen. Nicht nachvollziehbar erscheint hier wiederum, dass der Begriff 'echo-question' nicht aufgegeben wird, obgleich neben Echos auch andersartige Repräsentationsformen in die Betrachtung eingeschlossen werden. Unabhängig von diesem Einwand ist aber die in der Relevanztheorie hervorgehobene Beobachtung von Interesse, dass die unterschiedlichen Arten von Repräsentationen auch auf unterschiedliche Ebenen der Bezugsäußerungen verweisen können. Auch diesbezüglich steht jedoch eine intensivere und insbesondere auch empirisch basierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Mitteln der Bezugnahme noch aus. Eher beiläufig angesprochen wird auch der Umstand, dass sowohl auf Äußerungen in ihrer Gesamtheit als auch nur auf Teile derselben Bezug genommen werden kann (vgl. Zifonun et al. 1997). Bei Engel (1996) bleibt - wie bereits angemerkt - die Möglichkeit, auch bei Entscheidungsfragen nur auf Abschnitte der Bezugsäußerung zu verweisen, ausgeschlossen. Auf diese Möglichkeit wird insbesondere von Wunderlich (1986:45f.) verwiesen, der einen direkten Zusammenhang 19

Selting (1995:239) nennt in Z u s a m m e n h a n g mit Möglichkeiten der Refokussierung "anaphorische Wiederaufnahme/Zitierung oder W - W o r t - E r s e t z u n g des Bezugselements" (1995:239). Bei der Beschreibung der B e z u g n a h m e steht bei Selting (1987 und 1995) schließlich die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen prosodischen Realisierungen dieser Mittel im Zentrum des Interesses. Peretti (1993) unterscheidet 'interrogative Proformen', 'intonatorische Mittel' und 'metasprachliche Elemente' als unterschiedliche 'Bezugstypen' (ebd. 129f.). Allerdings weist diese Beschreibung von Bezugstypen einige Inkonsistenzen auf (s. o.). Z u d e m werden diese B e z u g s t y p e n vor allem in Z u s a m m e n h a n g mit unterschiedlichen Äußerungsstrukturen analysiert, wobei unterschiedliche Funktionen dieser Bezugstypen auch hier nicht im Z e n t r u m des Interesses stehen.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von Nachfragen und Echofragen

129

zwischen Fokussierung und Eingrenzung der problematischen Äußerungsteile herstellt. In der Konversationsanalyse wird zwar eine Hauptfunktion von Fremdinitiierungen in der Lokalisierung von problematischen Äußerungen bzw. Äußerungsteilen gesehen, diese Funktion wird dann aber vor allem in Hinblick auf den Einsatz unterschiedlicher Initiierungstechniken und der Entfernung der Reparaturinitiierung zur Bezugsäußerung analysiert. Andere Aspekte der Bezugnahmen werden wiederum bei Engel deutlich, der darauf verweist, dass auch Bezugnahmen auf verschiedene Ebenen der Bezugsäußerungen möglich sind, wobei 'Proposition' und 'Illokution' als alternative Möglichkeiten genannt werden. Zu ergänzen ist hier, dass sich die Nachfrage auch auf andere Aspekte, wie insbesondere auch auf die Ausdrucksseite der Bezugsäußerung beziehen kann. Hierauf weisen auch Blakemore (1994) und Noh (1998) hin. Im übrigen befasst sich die Literatur zu Echofragen bei Beschreibungen der Echokomponente weniger mit Aspekten der Fokussierung als vielmehr mit Aspekten der Redewiedergabe, wobei vor allem auf die Unterscheidung von direkter und indirekter Redewiedergabe abgehoben wird. Formen der Redewiedergabe sind für die Beschreibung von Nachfragen insofern von Interesse, als über sie verschiedene Formulierungsalternativen, wie ζ. B. eingeleitete und uneingeleitete Fragesatzkonstruktionen sowie selbständige Nebensatzkonstruktionen mit Verb-Letzt-Stellung in Nachfrageformulierungen erklärt werden können. Zudem sind auf dieser Ebene auch unterschiedliche Möglichkeiten der Distanzierung in der Nachfrageformulierung zum Gesagten in der Bezugsäußerung fassbar. Allerdings kann sich die Beschreibung von Bezugsmitteln nicht in einer Betrachtung von Aspekten der Redewiedergabe erschöpfen, da die Mittel, einen kotextuellen Rückbezug herzustellen, weitaus vielfältiger sind und ζ. B. auch isolierten Gebrauch von Fragewörtern und andere Fragepartikel einschließen. Diesbezüglich werden bei Engel (1996) sowie Selting (1987 und 1995) und Peretti (1993) neben den klassischen Fragepronomen ('wer', 'was', 'wo', 'wann' etc.) auch Fragepartikeln wie 'wie bitte?' und - in Entsprechung - 'was?' erwähnt. Der besondere Status von Fragepartikeln wie 'bitte?' oder und Rückfragepartikeln wie 'he?' wird bis auf die Ausnahmen von Selting (1987 und 1995) und Engel (1996:55) nicht weiter erörtert. Auch ein Aspekt, der in anderer Literatur zumindest kurz angesprochen wird, findet in Zusammenhang mit der Beschreibung von Nachfragen noch keine Beachtung. Der Umstand, dass mit Fragewörtern

130

2 Literaturdiskussion

zwar auf ganz verschiedene Referenzbereiche und Äußerungskonstituenten verwiesen werden kann, jedoch, wie sich am Beispiel von Prädikationen zeigt, durchaus nicht auf alle Arten von Konstituenten (vgl. Halliday 1985 und Dik 1997),20 wird weder in der besprochenen Literatur zu Echofragen, noch in empirischen Studien oder den anderen grammatischen Beschreibungen von Nachfragen problematisiert. Schließlich stellt sich in Hinblick auf Nachfragefunktionen auch die Frage, von welchen Bedingungen der Einsatz der verschiedenen Mittel jeweils abhängt, bzw. welche Voraussetzungen für den Einsatz verschiedener Verweismittel jeweils gegeben sein müssen. Diesbezüglich steht eine eingehendere Befassung mit Echokomponenten, Fragewörtern und Reformulierungen verschiedener Art als unterschiedlichen Formen des Verweises noch aus. 2.6.7

Syntaktische Strukturen von Nachfragen und Echofragen

Als generelle Tendenz bei der Beschreibung von strukturellen Aspekten ist festzuhalten, dass bei Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen im allgemeinen auf Verb-Zweit-Stellung und bei Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen auf unterschiedliche Stellungsmöglichkeiten des Frageworts verwiesen wird. Es ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede in Bezug auf Annahmen über die Obligatorik dieser Phänomene und weitere Details der syntaktischen Beschreibungen. 2.6.7.1

Entscheidungs-Nachfragen

Verb-Zweit-Stellung bei Entscheidungsfragen wird im allgemeinen mit 'besonderen' Funktionen in Verbindung gebracht, wobei meist Echooder Nachfragen erwähnt werden (vgl. beispielsweise Duden 1998:612fr, Bierwisch 1966:166, Selting 1995:270ff.). Verb-ZweitStellung wird jedoch auch bei Vergewisserungs- und Bestätigungsfragen, d. h. auch bei thematisch weiterfuhrenden Fragen als zentrales Merkmal angeführt (vgl. Erben 1972:243, Helbig/Buscha 2001:616, Duden 1998:613, Zifonun et al. 1997:643f). 2 ' Hier ist zu überlegen, worauf Verb-Zweit-Stellung jeweils zurückzuführen ist bzw. welche Funktionen Verb-Zweit-Stellung übernehmen kann. Es ist vor allem zu untersuchen, inwiefern Verb-Zweit-Stellung durch die Übernahme der Strukturen der Bezugsäußerungen oder an-

20 21

Vgl. ausfuhrlicher hierzu Abschnitt 2.1.2. Vgl. hierzu die A u s f ü h r u n g e n zu Fragestrukturen unter Abschnitt 2.1.2 und zu Kategorienbildungen unter Abschnitt 2.2.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von Nachfragen und Echofragen

131

dere Aspekte bestimmt wird. Dabei ist auch zu klären, inwiefern der immer wieder bei der Bildung von Fragekategorien angeführte Zusammenhang mit Vergewisserungs- und Bestätigungsfunktionen, der sich über Verb-Zweit-Stellung ergibt, auch einen Zusammenhang mit generelleren Tendenzen der Antworterwartungen aufweist. Eine Auseinandersetzung mit sprachlichen Mitteln der Markierung von Antworterwartungen ist zudem von Interesse, weil dieser Aspekt zwar in der Literatur zuweilen angesprochen, jedoch noch nicht systematisch berücksichtigt wird. Umgekehrt ist allerdings auch zu fragen, inwiefern Nachfragen auch mit Verb-Erst-Stellung formuliert werden können, denn entsprechende Überlegungen werden in der Literatur nicht angestellt. 2.6.7.2

Ergänzungs-Nachfragen

Bei der syntaktischen Beschreibung von Ergänzungs-Nachfragen steht die Thematisierung von satzinternen Positionen des Fragewortes im Vordergrund. Dies gilt sowohl für Darstellungen von Nachfragen in Grammatiken und Fragetypologien (vgl. beispielsweise Duden 1995:593, Zifonun et al. 1997:645, Engel 1996:56) als auch Literatur zu Echofragen (Wunderlich 1986, Meibauer 1987b). Offen in Bezug auf eine syntaktische Beschreibung von ErgänzungsNachfragen ist, inwiefern satzinterne Positionierungen von Fragewörtern als optional anzusehen sind. Die Beschreibungen in der Literatur ergeben hier wiederum ein eher diffuses Bild. Oppenrieder (1991:253), der von "stellungsgebundenen w-Ausdrücken" spricht, stellt eine Ausnahme dar, denn die meisten Darstellungen gehen davon aus, dass es sich um eine Option handelt, wobei nicht geklärt ist, wovon die Wahl der Alternative jeweils abhängt. 22 Wie bereits ausgeführt, werden in der Literatur auch Quizfragen und Prüfungsfragen als Frageformulierungen angesprochen, bei denen satzinterne Positionen des Fragewortes zu beobachten sind,23 wobei interessanterweise auch Analogien zu Nachfragen unterstellt werden.

22 23

Vgl. Hentschel/Weydt (2003:417), Duden (1998:612), Engel (1996:56), Wunderlich (1986:48), Zifonun et al. (1997: 115 u. 645). Zu entsprechenden Darstellungen vgl. Duden (1998:612) 'PRÜFUNGSFRAGE', Zifonun et al. (1997:116) 'EXAMENSFRAGE', Burkhardt (1986:41) 'PRÜFUNGSFRAGE', Conrad (1978:26) 'PRÜFUNGSFRAGE', Meibauer (1987b:348) 'QUIZFRAGE', Oppenrieder (1991:253) 'EXAMENS- ODER QUIZFRAGE', Consten (1996:223) 'Quiz- ODER PRÜFUNGSFRAGE', Zimmermann (1988:91ff.) 'PRÜFUNGSFRAGE' und 'QUIZFRAGE', sowie als ausfuhrlichere Darstellungen James (1987) und Conrad (1985).

132

2 Literaturdiskussion

Als eine Besonderheit von E X A M E N S - Q U I Z - oder P R Ü F U N G S F R A GEN wird vor allem gesehen, dass Fragevoraussetzungen, die im allgemeinen als grundlegend fur den Sprechakt des Fragens erachtet werden, nicht erfüllt sind, insofern der Fragende die Antwort schon kennt und kein 'echtes Informationsbegehren' gesehen wird.24 Auf Unterschiede zwischen 'echten Fragen'/'Informationsfragen' und 'Examensfragen' geht bereits Searle (1969:66) ein, der meist nur in Bezug auf die o. g. Voraussetzungen zitiert wird, jedoch schon selbst bei der Beschreibung dieser Voraussetzungen 'exam questions' als Sonderfall thematisiert. Im Prinzip kann aber auch die Quiz- oder Examensfrage nicht nur als Frage betrachtet werden, bei der nach etwas gefragt wird, was der Fragende schon weiß, sondern der Sinn dieser Frage ließe sich auch paraphrasieren mit 'ich will wissen, ob du weißt ...'. Zu entsprechenden Interpretationen der Examens- und Quizfragen vgl. insbesondere auch Sperber/Wilson (1995) und Wilson/ Sperber (1988a) und (1988b), die im Sinne der Relevanztheorie argumentieren, dass auch in diesen Fällen Antworten 'relevant' sind. Die verstärkte Aufmerksamkeit, die Quiz- und Examensfragen erfahren, ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass, anders als bei den als 'Normalfall' angenommenen Ergänzungsfragen mit Fragewort in Satzanfangsposition, auch satzinterne Fragewort-Positionen beobachtet bzw. angenommen werden. In diesem Merkmal ergeben sich Gemeinsamkeiten mit der formalen Beschreibung von Nachfragen und Echofragen, für die ebenso die Möglichkeit von satzinternen Positionen des Fragewortes als Besonderheit gesehen wird. Auffallend ist, dass sich bei mehreren Autoren die Beispiele gleichen: Duden (1998:612): "Die Schlacht bei Cannae war wänn?"; Meibauer (1987:339/· "Die Schlacht bei Issos war WANN?", Altmann (1984:138): "Die Schlacht bei Issos war wann?". Interessant ist auch, dass es sich strenggenommen nicht um satzinterne sondern Satz- bzw. Äußerungs-fmale Positionierung des Fragewortes handelt, ein Aspekt, der in Hinblick auf die folgenden empirischen Befunde nicht uninteressant scheint. Schließlich ist auch anzumerken, dass in diesen Darstellungen meist gleichzeitig eine Einschränkung dieser Kategorie auf Ergänzungsfragen stattfindet. Seltener wird angesprochen, dass satzinterne Fragewort-Positionen auch in anderen Kontexten, d. h. bei thematischen weiterführenden Fragen, zu beobachten sind. Hierzu findet sich ein Beispiel bei Zifonun 24

In diesem Aspekt ergibt sich auch eine Parallele zu rhetorischen Fragen. Allerdings wird im Unterschied zu rhetorischen Fragen eine Antwort von den Gesprächspartnern erwartet.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von Nachfragen und Echofragen

133

et al. (1997), die von sog. 'Fortsetzungsfragen' sprechen. (Zifonun et al. 1997:646). Auf die Funktion der satzinternen Position des Fragewortes wird jedoch nicht weiter eingegangen. Entsprechende Überlegungen zu satzinternen Positionierungen von Fragewörtern in freien thematischen Fragen finden sich in der besprochenen Literatur nur bei Consten (1996:223f), der anmerkt, dass dadurch, dass das Vorfeld nicht durch das Fragewort besetzt ist, andere Möglichkeiten zur Fokussierung und Anknüpfung gegeben sind. Letztendlich sieht aber auch er wieder Analogien zu Echofragen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob neben der Echo-Komponente nicht auch andere Aspekte auf die Wortstellung einwirken. So ist ζ. B. vorstellbar, dass auch satzinterne Positionierungen von Fragewörtern in anderen (thematisch freien) Frageformulierungen nicht nur über Analogien zu Echofragen erklärt, sondern auch auf andere Prinzipien der Wortstellung zurückgeführt werden können. Schließlich ist in Hinblick auf strukturelle Beschreibungen von Nachfragen festzuhalten, dass die Literatur im großen und ganzen von satzartigen Nachfrageformulierungen ausgeht. Nur bei wenigen Autoren finden sich Hinweise auf elliptische Frageformulierungen. So werden bei Engel (1996:53) oder Selting (1995) elliptische Formulierungen sowohl

bei

'PROBLEMMANIFESTIERENDEN

FRAGEN',

'ERWARTUNGS-

PROBLEMEN' als auch bei 'INFERENZÜBERPRÜFUNGEN' aufgeführt.

2.6.7.3

Verb-Letzt-Fragen

Als weitere strukturelle Besonderheit für Nachfragen und Echofragen werden Verb-Letzt-Fragen angeführt. Diese werden meist mit Fragen nach Fragen in Verbindung gebracht. Dabei können sowohl Entscheidungsfragen - eingeleitet mit 'ob', als auch Ergänzungsfragen - eingeleitet mit Fragewörtern realisiert werden (vgl. hierzu Engel 1996:55 sowie Zifonun et al. 1997:645). In den Beispielen findet sich allerdings nicht selten eine Beschränkung der Beispiele auf V-Letzt-Fragen mit Fragewörtern (vgl. beispielsweise Helbig/Buscha 1972:545 und Burkhardt 1986:39f.) und damit Ergänzungs-Nachfragen. Dabei zeigte sich auch, dass in manchen Beschreibungen Besonderheiten, die auf der Reproduktion einer Bezugsäußerung im Fragemodus beruhen, auf andere Nachfragen übertragen und verallgemeinert werden (vgl. hierzu ebenso Heibig/ Buscha 1981:545 und Burkhardt 1986:39f). Zudem sind auch Zweifel in bezug darauf angebracht, dass Nachfragen in Anschluss an Fragen immer als Verb-Letzt-Konstruktionen realisiert werden, wie dies ζ. B. Zifonun et al. (1997:645) als Regel

134

2 Literaturdiskussion

formulieren, da sich einerseits schon bei diesen selbst Gegenbeispiele finden, 25 andererseits Beispiele aus anderer Literatur, in denen Nachfrage-Reaktionen ζ. B. mit 'bitte? erfolgen (vgl. Bsp. Duden 1998:613 oder Peretti 1993:149) anfuhren lassen. Ausfuhrlicher geht Engel (1996:55) auf Verb-Letzt-Konstruktionen ein, der anspricht, dass als Frageeinleitung ein "sprechaktbeschreibender Obersatz" erscheinen kann. Offen bleibt hier wiederum die Frage, wann Verb-Letzt-Konstruktionen als selbständige Nebensätze erscheinen und wann als eingeleitete bzw. eingebettete Fragesätze. 26 In Zusammenhang mit komplexeren Nachfragekonstruktionen führt Engel auch die Möglichkeit an, dass in indirekten Fragesätzen Konjunktiv I erscheinen kann. Dass sich entsprechende Nachfrage-Konstruktionen teilweise aus Aspekten der Redewiedergabe ableiten lassen, wird am ausführlichsten erörtert in Literatur, die sich mit Echofragen befasst (vgl. insbesondere Wunderlich 1986:46 und Meibauer 1987b:352). Nicht problematisiert wird aber wiederum die Frage, wann Nachfragen als direkte und wann als indirekte Redewiedergabe formuliert werden. 2.6.8

Zusammenfassung der Literaturdiskussion und Beschreibungsdesiderate

Die Befassung mit dem Phänomen 'Nachfragen' ist in den besprochenen Bereichen der Literatur durch unterschiedliche Perspektiven und Untersuchungsinteressen geprägt. Kennzeichnend ist weiterhin, dass es zwischen den verschiedenen Untersuchungsbereichen - w e n n überhaupt - nur eine begrenzte Rezeption zu geben scheint. In Bezug auf Fragetypologien und grammatische Beschreibungen ist festzuhalten, dass diese bei der Verwendung des Terminus 'Echofrage' oft erheblich von der Konzeption des Phänomens in Literatur, die 25 26

Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschnitt 2.2.2 (Nachfragen und Echofragen in Grammatiken). Hier zeigen sich auch Probleme bei der Zuordnung der Frageart. Diese kann in den eingebetteten Fragen und den einleitenden Matrixsätzen unterschiedlich sein: Mit Fragewort eingeleitete Verb-Letzt-Sätze, bei denen es sich um eingebettete Ergänzungsfragen handelt, können von Entscheidungsfragen eingeleitet werden (ζ. B. 'haben Sie gefragt, wer morgen kommt?1). Entscheidend für die auf die Nachfrage erwartete Antwortreaktion ist hier die Antwortdetermination des einleitenden Matrixsatzes (d. h. ja oder nein bei Entscheidungsfragen). Das selbe gilt im Prinzip auch für selbständige Verb-Letzt-Fragen, bei denen entsprechende Matrixsätze 'hinzugedacht', bzw. als elliptische Auslassung interpretiert werden können. D. h. auch bei selbständig erscheinenden, mit Fragewort eingeleiteten Verb-Letzt-Fragen kann es sich, gemäß der mitzudenkenden Frageeinleitung, um Entscheidungsfragen handeln.

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von N a c h f r a g e n und E c h o f r a g e n

135

sich speziell mit Echofragen befasst, abweicht. Zum Anderen ist auffällig, dass Vergewisserungsfunktionen und Verb-Zweit-Stellung in Nachfrageformulierungen häufig als Besonderheit angesprochen werden, generellere Überlegungen zur Funktion der Verbstellung in Hinblick auf Markierungen von Antworterwartungen jedoch nicht angestellt werden. Bei der Literatur zu Echofragen fällt auf, dass sich strukturelle Beschreibungen vornehmlich auf Echofragen in Form von Ergänzungsfragen und satzinterne Positionen des Fragewortes konzentrieren. Der Echokomponente selbst wird hingegen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Diese wird vor allem in Hinblick auf Aspekte der Redeerwähnung diskutiert; nicht thematisiert wird dabei jedoch die besondere Leistung von Bezugnahmen durch Wiederholungen, (wie sie die Echokomponente repräsentiert) in paradigmatischer Opposition zu anderen Möglichkeiten der Bezugnahme (wie Fragewörtern, Paraphrasierungen oder anderen Reformulierungen). Unterschiedliche Mittel der Bezugnahme werden zwar in der Konversationsanalyse und Studien zu konversationeilen Fragen und Verständigungsproblemen einbezogen, jedoch wird auch hier nicht weiter thematisiert, worin sich Echofragen von anderen Nachfragen unterscheiden. Die Frage, welche Verbindungen zwischen syntaktischen Strukturen der Nachfragen und Strukturen von Bezugsäußerung bestehen, liegt hier nicht im engeren Interesse. Der Schwerpunkt der Beschreibung liegt vielmehr auf der Analyse von Reparaturinitiierungen und prosodischen Aspekten und der Unterscheidung von Nachfragefunktionen im Bereich der Verständnissicherung. Eminente Unterschiede in wesentlichen Aspekten von formalen und funktionalen Bestimmungen von Echofragen und anderen Nachfragen in der besprochenen Literatur können nicht nur mit unterschiedlichen Untersuchungsschwerpunkten und -interessen begründet werden. Hinzu kommen Widersprüche, die sowohl die Beschreibung von Nachfragen als auch von Interrogationen allgemein betreffen. Dabei zeigen sich Widersprüche in Bezug auf - die Beschreibung von Fragearten (i. e. Ergänzungs- und/oder Entscheidungsfragen) ; - die Syntax und Obligatorik bestimmter Strukturen (Verb-ZweitStellung bei Entscheidungsfragen und satzinterne Positionen von Fragewörtern in Ergänzungsfragen); - die Strukturen von Nachfragen bei bestimmten Satzmoduskonstellationen (Verb-Letzt bei Nachfragen nach Fragen, Einsatz von Modalverben bei Nachfragen nach Aufforderungen);

136

-

2 Literaturdiskussion

die Auflistung und Abgrenzung verschiedener Nachfragefunktionen (Vergewisserung, Verständigungsprobleme, Erwartungsprobleme, Zeitgewinn etc.); - die Verbindung zwischen bestimmten Nachfragefunktionen und sprachlichen Ausdrucksformen (Unterschiede in Bezug auf Fragearten und prosodische Aspekte); - die Qualifizierung von Echokomponenten und anderen Mitteln der Bezugnahme (Aspekte der Redewiedergabe, Qualität der Fragewörter etc.). Aufgrund dieser Widersprüchlichkeiten können keine eindeutigen formalen oder funktionalen Bestimmungen für Nachfragen und Echofragen aus der Literatur abgeleitet werden. Im Prinzip können als Zwischenbilanz und vorläufige 'Minimalbestimmung' von Nachfragen und Echofragen nur die folgenden Punkte festgehalten werden: - Als Spezifikum des Fragetypus Nachfragen ist anzusehen, dass eine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen im Kotext stattfindet. - Diese Bezugnahme kann durch unterschiedliche sprachliche Mittel, wie ζ. B. Frageworte, Echokomponenten oder Reformulierungen erfolgen. Echofragen sind damit als Spezialfall von Nachfragen zu betrachten. - Mit der Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen kann eine Problemsignalisierung verbunden sein, wobei Nachfragen mit unterschiedlichen Funktionen eingesetzt werden können. Damit ergeben sich aus der Diskussion der Literatur für die Analysen empirisch dokumentierter Nachfragen die folgenden Beschreibungsdesiderate: Es ist zu untersuchen - welche Erscheinungsformen sich in Bezug auf Fragearten und unterschiedliche strukturelle Ausprägungen von Echofragen und anderen Nachfragen aus den Daten ableiten lassen; - ob bzw. inwiefern sich diese Strukturen von anderen (thematisch weiterfuhrenden) Frageformulierungen unterscheiden; - ob es besondere Erscheinungsformen von Nachfragen in Abhängigkeit von bestimmten Satzmoduskonstellationen (wie 'Fragen nach Fragen' und 'Fragen nach Aufforderungen') gibt; - mit welchen Mitteln die Bezugnahmen auf vorausgehende Äußerungen erfolgen und welche Besonderheiten sich in diesem Zusammenhang für unterschiedliche Verweismöglichkeiten (Echokomponenten/Wiederholungen, Fragewörter, Paraphrasierungen) zeigen;

2.6 Kritische Diskussion der Darstellungen von Nachfragen und Echofragen

-

137

inwiefern (über Aspekte der Verständnissicherung hinaus) unterschiedliche Nachfragefunktionen und Funktionsbereiche empirisch nachvollziehbar sind; - was Nachfragen als Reparaturinitiierungen im Unterschied zu anderen Möglichkeiten der Fremdinitiierung von Reparaturen auszeichnet. Aufbauend auf diesen Analysen ist zu reflektieren, welche Verbindungen sich zwischen verschiedenen Formen und Funktionen sowie Verweismitteln zeigen. Um diese genauer zu untersuchen, sind im nächsten Abschnitt den empirischen Analysen entsprechende Überlegungen zur Untersuchung von Frageformen, Bezugnahmen und Fragefunktionen vorangestellt.

3

Analyserahmen und Methodik

3.1

Analyserahmen

Fragen werden im Folgenden als Ausdruck von Erotetizität angesehen.' Die Betrachtung von Fragen als Ausdruck von Erotetizität ist für die folgenden Analysen insofern von Belang, als im Ausdruck von NichtWissen und der Signalisierung eines Informationsdefizits die grundlegende Bedeutung von Interrogationen gesehen werden kann. Speziell in Hinblick auf Nachfragen und Echofragen folgt daraus, dass auch diese ihrem Wesen nach als Ausdruck von Erotetizität - und zwar speziell als Ausdruck eines Nicht-Wissens bzw. Informationsdefizits in Bezug auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner angesehen werden können. Dabei ist nicht entscheidend, ob 'tatsächlich' ein Wissensdefizit vorliegt, sondern entscheidend ist, dass das Frageformat in der Interaktion aktualisiert wird und entsprechend Folgereaktionen in Form von Antwortaktivitäten interaktiv relevant werden. Im Spannungsverhältnis von Frageformen und Fragefunktionen liegt der Schwerpunkt der Analysen auf der Befassung mit der Realisierung und dem Einsatz des Frageformats in unterschiedlichen Funktionen. 2 In Analogie zu konzeptorientierten Ansätzen, wie sie u. a. in der Zweitspracherwerbsforschung weiterführend waren (vgl. von Stutterheim/Klein 1989, Perdue 1993), und in Entsprechung zu Konzepten und Ausdrucksbereichen wie Negation, Temporalität oder Modalität, soll im Folgenden untersucht werden, mit welchen sprachlichen Formen Interrogationen jeweils realisiert werden. Der Terminus Interrogation wird dabei als übergeordneter Begriff für den Ausdruck von Erotetizität als ein semantisches Konzept verwendet, das mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln (im Deutschen insbesondere Syntax, Lexik, Intonation) zum Ausdruck gebracht werden kann. 3 Die Untersuchung schließt dabei nicht nur satzartige Fragenvorkommen ein, die 1

2 3

So sieht Wunderlich (1976:167ff.) den 'Ursprung der Frage' in einem 'kognitiven Defizit', w o r ü b e r auch der 'erotetische Typ' vom 'direktiven Typ' abgegrenzt werden kann. Burkhardt (1986:45) spricht von der 'erotetischen Basisillokution', Z a e f f e r e r (1984:15) vom 'erotetischen Illokutionstyp' bzw. der 'erotetischen Lesart von Fragesätzen' und L u u k k o - V i n c h e n z o (1988:13) von der 'erotetischen Einstellung'. Bezogen auf die Terminologie von Zifonun et al. (1997:104) bedeutet dies, dass Ansatzpunkt der Analyse das 'Diktum' bei Quaestiven ist. Vgl. hierzu auch den Gebrauch des Begriffs 'Interrogativa' bei Zaefferer. Eine Parallele kann hier auch zu der Bestrebung bei Zifonun et al. (1997) gesehen werden, die 'Quaestive' als übergeordneten Begriff einfuhren.

3.1 A n a l y s e r a h m e n

139

dem Satzmodus nach als Frageformen gelten, sondern auch eingeleitete und eingebettete Fragen, ebenso wie elliptische Äußerungsformen und Ausdrucksformen aus dem Bereich der Lexik und der Partikeln. In den folgenden Abschnitten werden weitere Überlegungen zur empirischen Analyse von Frageformen und Fragefunktionen dargelegt. Ziel ist die Entwicklung eines einheitlichen Analyserahmens für die Auswertung auch umfangreicherer Datensammlungen und eine kontextunabhängige Beschreibung der empirischen Vorkommen von Nachfragen, Echofragen und anderen Fragen.4 Dabei werden die folgenden Beschreibungsebenen für die Analyse von Nachfragen als zentral angesehen: - Fragearten und Fragetypen, - Strukturtypen, - Bezugstypen, - Funktionsbereiche. 3.1.1

Fragearten und Fragetypen

Der Terminus 'Fragetypus' wird in Abgrenzung zum Terminus 'Frageart' benutzt. Die Literaturdiskussion ergab, dass Ergänzungs- und Entscheidungsfragen und - mit gewissen Einschränkungen - auch Alternativfragen als grundlegende Fragekategorien anzusehen sind.5 Die Unterscheidung dieser 'Fragearten' kann einerseits unter Bezug auf kognitive Konzepte über semantische und fragelogische Aspekte (d. h. die Art der als offen gekennzeichneten Proposition) sowie hieraus resultierende Antwortdeterminationen und andererseits unter Bezug auf

4

Diesbezüglich war in der E i n f ü h r u n g und im Forschungsüberblick bereits angesprochen w u r d e n , dass vorliegende Analysen von Fragen oft in kontextabhängigen Beschreibungen m ü n d e n . A n m e r k u n g e n zu weiteren Forschungsperspektiven, für die eine übergreifende und auch vergleichende Beschreibung von Fragerealisierungen von Interesse sein könnten (wie a n g e w a n d t e Diskursanalysen für unterschiedliche institutionelle Kontexte, interkulturelle K o m m u n i k a t i o n oder erwerbsorientierte Untersuchungen, vgl. hierzu auch Rost-Roth 2004b) finden sich auch im Ausblick.

5

Vgl. Abschnitt 2.6.2. D a die B e z i e h u n g zwischen Alternativfragen und Entscheidungsfragen ein Problem mit weitreichenden theoretischen Implikationen ist, das im R a h m e n der vorliegenden Arbeit nicht entschieden w e r d e n kann, wird hier ein pragmatischer W e g beschritten. Insofern sich bei der Analyse der empirischen V o r k o m m e n zeigt, dass N a c h f r a g e n und Echofragen z w a r vorwiegend in Form von Entscheidungsfragen und E r g ä n z u n g s f r a g e n in E r s c h e i n u n g treten, daneben aber auch N a c h f r a g e n belegt sind, die als Alternativfragen zu betrachten sind, erscheint im gegebenen Falle eine gesonderte Betrachtung von Alternativfragen sinnvoll. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt j e d o c h , der Datenlage bei N a c h f r a g e n entsprechend, auf der Befassung mit Ergänzungs- und Entscheidungsfragen.

140

3 Analyserahmen und Methodik

unterschiedliche Formen der Fragemarkierung (Verbstellung und Intonation, und/oder Erscheinen von Fragewörtern sowie 'oder -Konstruktionen) begründet werden. Ergänzungsfragen, Entscheidungsfragen und Alternativfragen können somit als sprachlicher Ausdruck von unterschiedlichen fragelogischen Konzepten gesehen werden. Mit 'Fragetypen' werden hingegen Fragekategorien bezeichnet, die auf unterschiedliche Frageverwendungen und Fragekontexte verweisen und vor allem über Form-Funktionsbezüge bestimmt werden. Als solche treten in der Literatur neben Nachfragen und Echofragen insbesondere Bestätigungsfragen, Quiz- und Examensfragen sowie rhetorische Fragen in Erscheinung. Als Ergebnis der Literaturdiskussion wurde festgehalten, dass eine Definition von Nachfragen oder Echofragen als Fragetypen unter Bezugnahme auf einzelne formale oder funktionale Merkmale nicht möglich ist, und nur die Bezugnahme der Interrogation auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner als Ansatzpunkt für eine Definition genommen werden kann. Zentrales Merkmal von Nachfragen ist eine Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen, bei der diese Äußerungen oder Teile derselben als 'fraglich' markiert werden, bzw. das Erfragte im Bereich dieser Äußerung liegt. Da sich Echofragen von anderen Nachfragen nur darin unterscheiden, dass die Art der Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen mittels Wiederholung erfolgt, sind Echofragen als ein Spezialfall von Nachfragen, d. h. als 'Subtypus', zu betrachten. Es ergibt sich also folgendes Verhältnis: ( Fragen ( Nachfragen ( Echofragen ) ) ) Wenn also im Folgenden von Nachfragen gesprochen wird, sind Echofragen prinzipiell impliziert, und wenn von Echofragen gesprochen wird, wird auf eine besondere Art von Nachfragen abgehoben. In Anbetracht des Umstands, dass unter dem Etikett "Echofrage" sehr unterschiedliche Erscheinungsformen subsummiert werden, wird in Hinblick auf eine weitere Auseinandersetzung mit Echofragen die Auffassung vertreten, als solche sinnvollerweise nur Frageformulierungen zu bezeichnen, die auf Wiederholungen von lexikalischen Elementen der Bezugsäußerung beruhen. Nachfragen, die den Rückbezug auf Vorgängeräußerungen mit anderen Mitteln wie ζ. B. allein mit Fragewörtern, expliziten Hinweisen oder Reformulierungen herstellen, werden hingegen (ζ. T. auch in Abgrenzung zu anderer Literatur) nicht als Echofragen betrachtet. Sie werden allgemeiner zur übergeordneten Ka-

3.1 Analyserahmen

141

tegorie der Nachfragen gerechnet. Echofragen werden somit als ein Spezialfall von Nachfragen angesehen, der sich durch eine bestimmte Art des Verweises auf die Bezugsäußerung auszeichnet. In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus der Terminus Frageformat benutzt, um darauf zu verweisen, dass Frageformen in der Interaktion mit bestimmten sequenziellen Implikationen wie ζ. B. Einleitung eines Sprecherwechsels, oder konditionellen Relevanzen für Folgeaktivitäten aktualisiert werden. 3.1.2

Strukturtypen

Mit 'Strukturtypen' werden Fragerealisierungen in Hinblick auf strukturelle Merkmale unterschieden. Strukturtypen als unterschiedliche strukturelle Ausprägungen von Frageformulierungen können nur in Bezug auf einzelne Fragearten beschrieben werden, da diese mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln kodiert werden (im Falle von Entscheidungsfragen mittels Verbstellung und/oder Intonation, im Falle von Ergänzungsfragen vor allem mittels Fragewörtern und im Falle von Alternativfragen mittels Verbstellung und 'oder -Konstruktionen). Bei Entscheidungsfragen erscheint die Stellung des finiten Verbs bzw. intonatorischer Markierung als ein Merkmal, über das verschiedene Strukturtypen unterschieden werden können. 6 Bei Ergänzungsfragen kann die Position des Fragewortes als ein Merkmal genommen werden, um verschiedene Strukturtypen zu unterscheiden. Weiterhin lassen sich Fragerealisierungen in Hinblick auf ihren 'Ausbau' unterscheiden, d. h. danach, ob es sich um 'ausgebaute' satzartige oder elliptische Formulierungen o. ä. handelt. Aus den vorliegenden Beschreibungen in der Literatur lassen sich diesbezüglich bereits verschiedene Möglichkeiten ableiten, die in der folgenden schematischen Übersicht aufgelistet sind. Offen bleibt, ob damit alle Erscheinungsformen genannt sind, weshalb im empirischen Teil untersucht werden soll, ob auch weitere strukturelle Ausprägungen festzustellen sind.

6

Vgl. zu 'Verbstellungstypen' unter Einbezug des Fragemodus auch Meibauer (1986) sowie Altmann (1981).

142

3 Analyserahmen und Methodik

Fragearten

Strukturtypen

Ergänzungsfragen

- Fragewort in Satzanfangsposition - Fragewort in satzinterner Position - einfache (elliptische) Fragewort-Verwendungen 7 - etc.?

Entscheidungsfragen

- Verb-Erst-Stellung - Verb-Zweit-Stellung - Verb-Letzt-Stellung - verblose und andere elliptische Äußerungen - etc.?

Alternativfragen

- Verb-Erst-Stellung und orfer-Konstruktionen - etc.?

Schematische Übersicht: Fragearten und Strukturtypen

Bezogen auf diese Strukturtypen stellt sich die Frage, ob bestimmte Erscheinungsformen spezifisch oder typisch fur Nachfragen oder Echofragen sind. Da davon auszugehen ist, dass sich auch Verbindungen zwischen einzelnen Strukturtypen und unterschiedlichen Verweismitteln zeigen, insofern die Mittel der Bezugnahme (Wiederholungen, Fragewörter und freiere Nachfrageformulierungen) unterschiedliche Voraussetzungen für Nachfragestrukturen implizieren, ist auch eine Differenzierung verschiedener Bezugstypen notwendig.

7

In der Literatur konkurrieren unterschiedliche Termini, die in Anschluss an die empirischen Analysen noch einmal diskutiert werden. Unter 'elliptischen Fragewortverwendungen' werden im Folgenden einfache, isolierte Fragewortverwendungen gefasst. Vgl. hierzu auch Zimmermann (1988:94ff.), der ζ. B. 'wo?' und 'hä?' als elliptische Fragen bezeichnet, ebenso Altmann (1984:39ff.), der als Beispiel für eine "elliptische infinite Struktur" eine Frage aus 'Alice im Wunderland' anfuhrt: "(27) Alice: Warum sitzt du hier so ganz alleine? Humpty Dumpty: Warum? (Vgl. Du fragst, warum ich hier so ganz alleine sitze? (...) Es handelt sich dabei um eine kotextuelle Ellipse, die dem Typ der W-Frage-Übernahme zugeordnet werden kann." (ebd.: 140) Isolierte Fragewortverwendungen werden in erwerbsorientierter Literatur auch als 'holophrastisch' bezeichnet (vgl. hierzu Felix 1978).

3.1 A n a l y s e r a h m e n

3.1.3

143

Bezugstypen und Verweismittel

Da sich Nachfragen dadurch auszeichnen, dass sie als Verweise auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner fungieren, und diese Verweise mit verschiedenen Mitteln hergestellt werden können, sind auch unterschiedliche Arten der Bezugnahme zu unterscheiden. Unterschiedliche Arten der Bezugnahme werden auch in der Literatur - allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung - angesprochen. In der Literatur zu Echofragen werden insbesondere Wiederholungen, ζ. T. auch in Verbindung mit Fragewörtern, thematisiert. In empirischen Untersuchungen werden vor allem Teilwiederholungen und Fragewörter sowie andere Fragepartikeln wie 'bitte?', 'he?' u. ä. analysiert. Daneben gehen aus diesen Studien auch Paraphrasierungen und andere Reformulierungen sowie Inferenzüberprüfungen und metakommunikativ explizite Hinweise als Mittel der Bezugnahme hervor. Die verschiedenen Arten der Bezugnahme lassen sich im wesentlichen zu vier Bezugstypen gruppieren: Fragewörter

- Fragepronomen ('wer?', 'wo?',

'wann?'etc.)

- andere Fragepartikeln ('bitte?', 'wie 'hm?' etc.)

bitte?"he?,

- etc.? Wiederholungen/ Echokomponenten

- Wiederholungen der gesamten Äußerungen - Teilwiederholungen - etc.?

Reformulierungen

- Paraphrasierungen - andere Reformulierungen - Inferenzen - etc.?

metakommunikativexplizite Hinweise

- ζ. B. 'was hast du gesagt?', verstanden?', u. ä.

'ich habe nicht

Schematische Übersicht: Bezugstypen und Verweismittel

Der Terminus 'Fragewort' wird im Folgenden als Oberbegriff für verschiedene Fragelexeme und Partikeln verwendet, wobei im Folgenden

144

3 Analyserahmen und Methodik

'Fragepronomen' (wie 'wer?', 'wo?', 'wann?' etc.) und andere Fragepar8 tikeln (wie 'bitte?' 'wie bitte?"he?', 'hm?') unterschieden werden. Auch der Terminus 'Reformulierung' wird im Folgenden als Oberbegriff benutzt. 9 Unter Reformulierungen werden in der Auflistung auch Paraphrasen und Inferenzen geführt.10 In Bezug auf Inferenzen wird anknüpfend an Blakemore (1994) und Noh (1998) im Rahmen relevanztheoretischer Überlegungen davon ausgegangen, dass es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Paraphrasen, die semantisch durch inhaltliche Äquivalenzbeziehungen zur Bezugsäußerung gekennzeichnet sind, sowie Explikationen von Konklusionen gibt, insofern beide auf Explikationen von Implikationen bzw. Inferenzleistungen beruhen." Obgleich es sich hier um relativ unterschiedliche Arten von Bezugnahmen handelt, werden diese in einer Kategorie zusammengefasst, da sie - im Gegensatz zu Wiederholungen - weitergehendere Veränderungen auf der Ausdrucksseite beinhalten.

8

9

10

11

Diese Unterscheidung wird ausführlicher unter Abschnitt 4.4 (Empirie: Verweismittel) erörtert. Das Fragewort 'was' kann diesbezüglich in beiden Funktionen erscheinen. Auch hierauf wird noch ausfuhrlicher eingegangen. Es gibt diverse Versuche, verschiedene Arten von Reformulierungen zu unterscheiden. So unterscheidet Bührig (1996) als 'Reformulierungshandlungen': 'Umformulieren', 'Zusammenfassen' und 'Rephrasieren'. Diese können auch als hörerseitige Reformulierungen in Erscheinung treten. Fragerealisierungen sind jedoch bei den von Bührig aufgeführten Belegstellen selten der Fall. Mit verschiedenen Arten von Reformulierungen befasst sich auch Steyer (1997). Von allgemeinerem Interesse in Bezug auf Differenzierungen von Reformulierungen sind die Analysen von Gülich/Kotschi (1987). Sie unterscheiden 1. Expansion, 2. Variation und 3. Reduktion. Diese werden in Gülich/Kotschi (1996) in eine umfassendere Systematik von 'Bearbeitungsverfahren' integriert, die auf der Unterscheidung von 'reformulativen' und 'nicht-reformulativen Bearbeitungsverfahren' beruht. Paraphrasen werden bei Gülich/Kotschi wiederum als spezieller Fall von Reformulierungen betrachtet. Zu Paraphrasen im Sinne semantischer Äquivalenzen vgl. insbesondere Ungeheuer (1969) und Wunderlich (1991). Bei Paraphrasen ist bei unterschiedlichen Formen der Versprachlichung von einer semantischen Äquivalenzbeziehung auszugehen. Dabei können nach Wunderlich (1991) auf der Ausdrucksseite Veränderungen in unterschiedlichem Ausmaß in Erscheinung treten. Um diese Modifikationen in Nachfragen genauer zu beschreiben, unterscheidet Wunderlich u. a. lexikalische, syntaktisch-semantische und pragmatische Paraphrasen. Allerdings handelt es sich bei Wunderlich teilweise um sehr weitgehende Veränderungen, so dass auch unter Bezugnahme auf Wunderlich klare Unterscheidungen zwischen Paraphrasen im engeren Sinne, bei denen eine Äquivalenzbeziehung auf der Ebene der Proposition vorliegt und anderen Reformulierungen nicht immer deutlich zu ziehen ist. Auch von daher scheint es gerechtfertigt, im folgenden den Terminus 'Reformulierung' als übergeordnete Bezeichnung zu verwenden. Vgl. hierzu auch die Ausführungen im Forschungshintergrund unter Abschnitt 2.1.5 sowie zu Analysen von Echofragen im Rahmen relevanztheoretischer Ansätze unter Abschnitt 2.3.5.

3.1 Analyserahmen

145

Bei Wiederholungen lassen sich Wiederholungen der gesamten Äußerungen und Teilwiederholungen unterscheiden. Da sich auch zwischen Wiederholungen und Paraphrasen gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten zeigen, sind auch hier Anmerkungen zur Grenzziehung notwendig12. Nachfrageformulierungen mit Wechsel der Personalpronomen werden im Folgenden dem Bereich der Wiederholungen zugerechnet, um damit der in anderer Literatur praktizierten Verfahrensweise zu entsprechen. Vor allem in der Literatur zu Echofragen wird häufiger thematisiert, dass Wiederholungen von Äußerungen der Gesprächspartner mit einem Wechsel der Deixis verbunden sein können. Diese Äußerungen werden auch in der vorliegenden Untersuchung als Wiederholungen betrachtet und zu den Echofragen gezählt. Diese Vorgehensweise gewährleistet auch, dass als Reformulierungen nur Bezugnahmen erfasst werden, die in ihren Formulierungen weitgehend unabhängig von der Bezugsäußerung sind. Unterschiedliche Mittel und Möglichkeiten, Verweise auf vorausgehende Äußerungen der Gesprächspartner herzustellen, erfahren in der folgenden Analyse besondere Aufmerksamkeit, weil diese unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen implizieren und zudem - wie im Folgenden dargelegt wird auch in Hinblick auf Problemsignalisierungen und Nachfragefunktionen eine Rolle spielen. 3.1.4

Funktionsbereiche

Die Literaturdiskussion ließ deutlich werden, dass die Beschreibung von Nachfragen und Echofragen zwar im allgemeinen mit der Zuschreibung bestimmter Fragefunktionen einhergeht, dabei aber Funktionsbestimmungen und Abgrenzungen unterschiedlicher Funktionen oft eher diffus anmuten.13 Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass funktionale Aspekte unmittelbarer Beobachtung weniger zugänglich sind als strukturelle Erscheinungen. Von daher sind in Hinblick auf die Erfassung funktionaler Gesichtspunkte weitergehendere Überlegungen notwendig.

12 13

Vgl. hierzu auch Rath (1975:9), der Wiederholungen als Grenzfall der Paraphrasen ansieht. Vgl. hierzu Abschnitt insbes. 2.6.5. Dabei beschränken sich die zuvor dargestellten Fragetypologien nicht wie ζ. B. sprechakttheoretische motivierte Abhandlungen auf die Beschreibung von Fragefunktionen, sondern sie sind auch von dem Bestreben gekennzeichnet, die unterstellten Funktionen mit bestimmten formalen Ausprägungen in Verbindung zu bringen.

146

3 Analyserahmen und Methodik

Die Beschreibung von Nachfragenfunktionen impliziert in der Literatur häufig eine Dichotomie, indem einerseits auf Funktionen verwiesen wird, die dem Bereich der Verständnissicherung zuzurechnen sind, andererseits auf 'andere Funktionen'. Als 'andere Funktionen' werden meist 'Überraschung', 'Verwunderung und 'Erstaunen' genannt, wobei die Kategorie der 'Erwartungsprobleme' von Selting (1995) den allgemeinsten Nenner darstellt. Da zur Unterscheidung der beiden Bereiche prosodische Merkmale als Kriterien für unterschiedliche sprachlichen Realisierung angesehen werden können, wird eine Unterscheidung von Verständnisproblemen und Erwartungsproblemen auch bei den folgenden Analysen zugrundegelegt. Nicht selten wird auch Vergewisserung als Funktion von Nachfragen angeführt, wobei diese auch häufig in engem Zusammenhang mit verständnissichernden Funktionen genannt wird.14 Da aber Vergewisserungsfunktionen zum einen nur in manchen Nachfragen und zum anderen auch unabhängig von Nachfragen in anderen Fragen in Erscheinung treten können, erscheint es angemessen, Vergewisserungsfunktionen gesondert zu betrachten und genauer zu untersuchen, wie sich diese zu den anderen Funktionen verhalten. Als Ergebnis der Literaturdiskussion kann des Weiteren festgehalten werden, dass auch Nachfragefunktionen genannt werden, die nicht ohne weiteres den zuvor genannten Funktionsbereichen zuzurechnen sind. Dies trifft besonders dann zu, wenn angenommen wird, dass Nachfragen gestellt werden, um Zeit zu gewinnen oder Korrekturen anzubringen oder wenn Echofragen in Zusammenhang mit Ironie betrachtet werden. Diese Funktionen werden zunächst behelfsmäßig in einer 'Restkategorie' als 'weitere Nachfragefunktionen' zusammengefasst. Insgesamt werden also zunächst grob vier Bereiche für die Analyse von Nachfragefunktionen ausgemacht:

14

Vgl. hierzu auch die A u s f ü h r u n g e n in der kritischen Diskussion von Frageklassifizierungen, w o gezeigt wurde, dass sich auch in Bezug auf die Kategorienbildungen gewisse Überschneidungen zeigen.

147

3.1 A n a l y s e r a h m e n

Signalisierung von Verständnisproblemen

- auditive/akustische Probleme - Bedeutungsverstehensprobleme - Referenzprobleme - Interpretationsprobleme (propositionale Nachfragen, Inferenzüberprüfen, illokutive Rückfragen).

Signalisierung von Erwartungsproblemen Vergewisserungsfunktionen weitere Nachfragefunktionen

- Korrektur - Zeitgewinn - etc.

Schematische Übersicht: Funktionsbereiche von N a c h f r a g e n

Für den Bereich der Verständnisprobleme ist aufbauend auf Ergebnissen der Literaturdiskussion mit der Unterscheidung von verschiedenen Problemtypen - i. e. auditiven Problemen, Bedeutungsverstehensproblemen und Referenzproblemen wiederum in Anschluss an Selting (1995) - eine weitergehende Differenzierung möglich. Darüber hinaus werden 'Interpretationsprobleme' als weiterer Problemtyp angesetzt. Unter diese Kategorie werden Nachfragefunktionen subsummiert, die in anderer Literatur unter 'propositionalen Rückfragen', 'illokutiven Rückfragen' und 'Inferenzüberprüfungen' angesprochen werden.15 Gemeinsam ist diesen, dass sie Aspekte der Interpretation und Sinnrekonstruktion in Hinblick auf Propositionen und Sprecherintentionen betreffen und somit ebenso dem Bereich der Verständnissicherung zuzurechnen sind. In Bezug auf Erwartungsprobleme und Vergewisserungsfunktionen gibt es in der besprochenen Literatur noch keine weiteren Differenzierungsversuche, die unmittelbar für die Analyse von Nachfragen herangezogen werden könnten. In Bezug auf Erwartungsprobleme stellt sich die Frage, welche Verbindungen sich mit unterschiedlichen Fragearten zeigen, da als Ergebnis der Literaturdiskussion wiederum festzuhalten 15

Vgl. Abschnitt 2.2 der Literaturdiskussion. Die Berechtigung, diese in einer Kategorie zu fassen, leitet sich weiterhin daraus ab, dass nicht nur Inferenzen im Sinne von Schlussfolgerungen, sondern auch andere Reformulierungen mit B e z u g n a h m e n auf illokutive und propositionale Aspekte im allgemeinen auf der Explikation von B e d e u tungsimplikationen und damit auf Inferenzleistungen beruhen. Vgl. hierzu auch Blakem o r e (1994) und N o h ( 1 9 9 8 ) .

148

3 Analyserahmen und Methodik

ist, dass auch hier die Betrachtung von Ergänzungsfragen im Vordergrund steht. In Hinblick auf Vergewisserungsfunktionen wurde in Zusammenhang mit der Literaturdiskussion bereits mehrfach angesprochen, dass sich Verbindungen zur Signalisierung von Antworterwartungen abzeichnen. Dieser Zusammenhang wird in der Literatur noch nicht weiter verfolgt oder systematischer in die Analyse einbezogen. In Be-zug auf Vergewisserungsfunktionen wird deshalb im empirischen Teil untersucht, inwiefern sich ein generellerer Zusammenhang mit der Signalisierung von (unterschiedlichen) Antworterwartungen bei Entscheidungsfragen zeigt. Dieser Zusammenhang wird im empirischen Teil auch genauer in Hinblick auf Aspekte der Informationssicherung erörtert. Unter der Kategorie 'weitere' Nachfragefunktionen wurden in Anschluss an die Literaturdiskussion Zeitgewinn, Ironie und Korrektur aufgeführt. In Bezug auf diese 'Restkategorie1 stellt sich vor allem die Frage, ob die in der besprochenen Literatur erwähnten Funktionen als erschöpfend anzusehen sind oder ob weitere Nachfragefunktionen an den Daten nachvollzogen werden können. Die aus der Konversationsanalyse abzuleitende Funktion von Nachfragen, Reparaturen einzuleiten, ist ebenso zu analysieren und in ihrer Beziehung zu den anderen Funktionen zu diskutieren. In Hinblick auf die Analyse von Reparaturinitiierungen und Initiierungstechniken ist wiederum von Interesse, welche Rolle unterschiedliche Fragearten, Bezugstypen/Verweismittel und Strukturtypen übernehmen. Auf einer grundlegenderen Ebene stellt sich schließlich die Frage, inwiefern sich auch Verbindungen zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen erkennen lassen.

3.2 Methodik

3.2

149

Methodik

Für die Datenerhebung, die Auswertung und die Interpretation von empirischen Fragevorkommen im Allgemeinen und Nachfragen im Besonderen, sind die in den folgenden Abschnitten dargelegten Überlegungen tragend. 3.2.1

Zum Stellenwert der empirischen Analysen

Die Bedeutung empirischer Daten ist vor allem darin zu sehen, dass es sich bei Interrogationen in mündlichen Kommunikationen um einen der Intuition schwer zugänglichen Bereich handelt, der sinnvoll nur im Rahmen einer Korpuslinguistik bearbeitet werden kann. Gerade auch in Bezug auf Nachfragen, die sich per definitionem auf andere Äußerungen im Gesprächs-Kontext beziehen, sind empirische Belege eine conditio sine qua non, um Kontext-Bezüge und komplexere Relationen zwischen Nachfragerealisierungen und Bezugsäußerungen ange-messen in die Analyse einbeziehen zu können. Um Besonderheiten von Nachfragen und Echofragen herauszuarbeiten, sind systematische Vergleiche mit anderen Fragen von Interesse. Die Analysen der empirischen Vorkommen von Nachfragen und anderen Fragen erfolgt auf der Grundlage der vorausgehenden Auseinandersetzung mit Darstellungen von Nachfragen in der Literatur, insofern aus der Diskussion der Widersprüche, die sich in den Darstellungen abzeichnen, die zentralen Fragestellungen und ein Ana-lyserahmen zur Beschreibung von Frageformen und Fragefunktionen abgeleitet wurden. Auf der Basis der Analyse von empirischen Vorkommen in möglichst umfangreichen Korpora soll Klärung in Bezug auf Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten in der Beschreibung von Nachfragen und Echofragen in der Literatur geschaffen werden, wobei in solchen empirisch basierten Analysen die Möglichkeit gesehen wird, über Intentionen und 'a priori'-Annahmen, die in Beispielkonstruktionen zwangsläufig eingehen, hinauszukommen, und sich dem Untersuchungsgegenstand und Phänomenbereich in größtmöglicher Annäherung an die sprachliche Wirklichkeit zu nähern.

150

3 Analyserahmen und Methodik

3.2.2

Datenbasis

Um verschiedene Bereiche der gesprochenen Sprache und unterschiedliche Voraussetzungen von Kommunikationssituationen zu erfassen, wird auf Datensammlungen aus unterschiedlichen Kontexten zurückgegriffen: 1. Ein Korpus mit Gesprächen aus Sprechstunden und Studienberatungen aus dem Bereich 'Kommunikation in der Hochschule' (KIH). 2. Ein Korpus mit informellen Gesprächen, das sich aus Aufzeichnungen von Telefongesprächen und geselligen Anlässen im privaten Bereich zusammensetzt (INF-TEL und INF-ZUS). 3. Ein Korpus mit experimentellem Erhebungsdesign, das verschiedene Diskurstypen wie Narrationen, Instruktionen, freie Konversationen, und Argumentationen umfasst (P-MoLL). Diese Datensammlungen werden im folgenden etwas ausführlicher dargestellt. Da es sich teilweise um recht umfangreiche Datensammlungen handelt, werden auch Anmerkungen zur Zusammenstellung der in der vorliegenden Untersuchung ausgewerteten Teilkorpora gemacht. ad 1.) Die Datensammlung zu Kommunikationen im Hochschulbereich (KIH) umfasst insgesamt ca. 160 Aufzeichnungen von Gesprächssituationen aus Studienberatungen und Sprechstunden. 1 Ein Großteil der Gespräche ist auch mit Videoaufnahmen dokumentiert. Diese Datensammlung entstand im Rahmen eines Projektes zu Kommunikationsproblemen in Sprechstunden und Studienberatungen, das von der 'Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK)' der Freien Universität finanziell unterstützt wurde. 2 Die Aufnahmen wurden an verschiedenen Stellen der Freien Universität Berlin vorgenommen: in Sprechstunden von Hochschullehrern und anderen Dozenten, bei der allgemeinen Studienberatung sowie auf dem Akademischen Auslandsamt. Die Beteiligten wurden vor der Aufnahme um ihre Einwilligung gebeten. 3

1 2

3

D a die A u s w e r t u n g des insgesamt recht umfangreichen Materials noch nicht abgeschlossen ist, können hier nur 'circa'-Werte angegebenen werden. Besonderer Dank gilt all denen, die sich mit Aufzeichnungen ihrer Beratungsgespräche einverstanden erklärten und teilweise auch für Nachbesprechungen zur V e r f ü g u n g standen, obgleich dies in Anbetracht der Brisanz vieler Anliegen sicher oft nicht leicht fiel. In 30 Fällen wurden auch Nachbesprechungen mit den Beteiligten durchgeführt, bei denen diese die Gesprächsaufzeichnungen kommentieren. Diese N a c h b e s p r e c h u n g e n sind vor allem in Hinblick auf die Untersuchung von Aktivitäten der Verständnissiche-

3.2 Methodik

151

Der Auswertung von Interrogationen wurde hier eine Auswahl von 20 Gesprächen zwischen muttersprachlichen Studierenden und muttersprachlichen Dozenten bzw. Beratern zugrunde gelegt.4 Die Dauer dieser Gespräche liegt bei durchschnittlich- 7 bis 10 Minuten und schwankt im Einzelfall zwischen 2 und 30 Minuten. Die Gespräche wurden in ihrer Gesamtheit transkribiert und in Hinblick auf sämtliche Frage- und Nachfragevorkommen ausgewertet (insgesamt 394 Belege). ad 2.) Die Aufzeichnungen von Telefongesprächen aus dem Korpus zu informellen Gesprächen (INF-TEL) wurden im Rahmen von Werkverträgen unter Mitwirkung von Studierenden der Freien Universität Berlin erstellt. Aufgenommen wurden Gespräche mit Bekannten und Freunden aus dem privaten Bereich. Des weiteren umfasst das Korpus mit informellen Kommunikationen Aufnahmen von Gesprächen aus dem privaten Bereich, die bei geselligen Anlässen unter Familienangehörigen und Freunden geführt wurden (INF-ZUS). 5 Die Transkription der Gespräche aus dem INF-Korpus beschränkt sich vorwiegend auf Sequenzen, in denen Nachfragen erscheinen 6 (221 Belege). ad 3.) Die Datensammlung des Projektes "P-MoLL: Modalität in Lernervarietäten im Längsschnitt" entstand unter der Leitung von Norbert Dittmar an der Freien Universität Berlin und wurde ursprünglich angelegt, um Lernervarietäten zu untersuchen, wobei auch ein Kontrollkorpus mit muttersprachlichen Daten erhoben wurde.7 Die Daten der muttersprachlichen Informanten liegen in ihrer Gesamtheit transkribiert vor und wurden vollständig berücksichtigt. Diese Aufnahmen haben den Vorzug, dass das Erhebungsdesign unterschiedliche Aufgabenstellungen

4 5

6 7

rung und Verstehensprobleme aufschlussreich, da sie erkennen lassen, w a n n etwas nicht verstanden wurde, aber keine N a c h f r a g e n gestellt wurden oder andere Problemsignalisierungen erfolgen. Eine A u s w e r t u n g dieser Aspekte ist allerdings nicht G e g e n stand der vorliegenden Untersuchung, vgl. hierzu Rost-Roth (1998) und Rost-Roth (2004). Das G e s a m t k o r p u s umfasst auch A u f n a h m e n mit nichtmuttersprachlichen Studierenden. Diese werden in der vorliegenden Untersuchung j e d o c h nicht berücksichtigt. D a es sich hier teilweise um sehr private Gespräche handelt, sei allen Beteiligten besonders herzlich gedankt. Zu den unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen von Telefon-Interaktionen und Interaktionen im direkten Zusammensein vgl. Sifianou (1989). H e n n e / R e h b o c k (1982) sprechen diesbezüglich von 'Erhebungseinheiten'. Bei der D a t e n e r h e b u n g haben Magdalene Schumacher, R o m u a l d Skiba, Heiner Terborg und Astrid Reich mitgewirkt. Zu genaueren A n g a b e n zur D a t e n e r h e b u n g vgl. Dittmar et al. (1990).

152

3 A n a l y s e r a h m e n und Methodik

und Diskurstypen einschließt (so u. a. die Diskussion von Zeitungstexten, Instruktionen, Erzählungen, Spielerklärungen und freie Konversationen). Erhebungen wurden mit insgesamt fünf Muttersprachlern durchgeführt (insgesamt 156 Belege). Damit umfasst die Datenbasis insgesamt 771 Fragevorkommen, die sich folgendermaßen verteilen: KIH

INF

P-MoLL

Kommunikation in der Hochschule

Informelle Gespräche

Diverse Diskurstypen

Summe

Nachfragen

106

218

34

358

andere Fragen

288

3

122

413

Summe

394

221

156

771

Übersicht: Datenbasis

In Anbetracht dessen, dass Nachfragen von relativ geringer Frequenz sind und ihre Erhebung von daher recht umfangreiche Datenerfassungen voraussetzt, handelt es sich hier um eine Datenbasis, die für eine Auseinandersetzung mit den in der Literatur behandelten Fragestellungen zunächst als ausreichend und auch im Vergleich zu anderen empirischen Studien als vergleichsweise umfangreich anzusehen ist.8 Die Datenbasis der vorliegenden Untersuchung zeichnet sich zudem mit dem Einbezug informeller ebenso wie institutioneller Diskurse durch die Erfassung unterschiedlicher Diskurstypen und Formalitätsgrade aus. Dies ist insofern von Bedeutung als sich in anderen Studien zu Nachfragen, Verständigungsproblemen und Fragen zeigte, dass viele Beobachtungen zu Nachfrageformulierungen und Nachfragefunktionen auch eine engere Verbindung mit den jeweiligen Kontexten aufweisen und Analysen in kontextspezifischen Beschreibungen münden. 9 Außerdem ist in verschiedenen Kontexten von unterschiedlichen Gesprächsrollen und Gesprächszielen der Beteiligten auszugehen, wodurch auch

8

9

Hier z u m Vergleich die Datengrundlagen anderer Untersuchungen: Peretti (1993:142): 124 deutschsprachige V o r k o m m e n ; Corsaro (1979) 223 V o r k o m m e n von englischsprachigen N a c h f r a g e n aus E r w a c h s e n e n - K i n d - K o m m u n i k a t i o n e n ; Selting (1987 und 1995) arbeitet in ihren Studien ohne Quantifizierungen und argumentiert mit exemplarischen Belegen. Vgl. hierzu beispielsweise N a c h f r a g e n bei Selting (1987) in Bürger-VerwaltungsK o m m u n i k a t i o n e n , in denen sich Verbindungen zu institutionellem Wissen oder Fachsprachen zeigen oder die Untersuchung von H a n g (1976) zu Fragen in Interviews.

3.2 Methodik

153

die Möglichkeit, Fragen oder Nachfragen zu stellen, bestimmt werden kann. In Verbindung mit unterschiedlichen Formalitätsgraden von Gesprächen sind auch Auswirkungen auf stilistische Varianten zu erwarten. Ausgehend von diesen Überlegungen kann die zu Grunde gelegte Datensammlung zwar nicht den Anspruch erheben, sämtliche Bereiche gesprochener Sprache abzudecken, aber sie bietet zumindest die Gewähr dafür, dass unterschiedliche Formalitätsgrade durch institutionelle und nicht-institutionelle Kommunikationen repräsentiert sind und somit ein relativ breites Spektrum an möglicher Variation erfasst wird. Von Vorteil ist ebenso, dass auch in Hinblick auf die einbezogenen Diskurstypen eine entsprechende Vielfalt dokumentiert ist. Geht man davon aus, dass Konversationen, Erzählungen, Instruktionen, Argumentationen, Spielerklärungen, Verabredungen und Beratungsgespräche etc. entsprechend unterschiedliche Bedingungen implizieren, da unterschiedliche Diskurstypen mit unterschiedlichen Gesprächsrollen und mit unterschiedlichen Gesprächszielen der Teilnehmer korrelieren,10 ergeben sich auch hieraus unterschiedliche Konsequenzen für Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Fragen oder Nachfragen zu produzieren.11 Auch wenn die Auswertung dieser Zusammenhänge noch nicht in die vorliegenden Arbeit eingehen kann, trägt die Vielfalt der einbezogenen Kontexte dazu bei, dass eine entsprechende Variationsbreite von Nachfragerealisierungen in den Daten repräsentiert ist. 3.2.3

Auswertung von Fragevorkommen

Aus der Literaturdiskussion ging bereits hervor, dass das Verhältnis von Frageformen und Fragehandlungen in sich komplex ist. Von daher sind auch in Bezug auf empirische Analysen gewisse Klärungen Voraussetzung und Anmerkungen dazu notwendig, welche Äußerungen bei der Auswertung des Datenmaterials als Interrogationen gewertet werden. Insbesondere die Analyse von Interrogationen auf der Basis umfangreicherer Korpora gesprochener Sprache verlangt, dass Kriterien offengelegt werden, nach denen der Untersuchungsgegenstand identifiziert wird.

10

11

Vgl. hierzu beispielsweise die Annahmen der funktionalen Pragmatik (vgl. insbes. Ehlich 1991) und der Gattungsanalyse (vgl. Luckmann 1986 und Günthner/Knoblauch 1995 u. 1999). Die Auswertung entsprechender Zusammenhänge ist in Vorbereitung (vgl. hierzu auch die Ausführungen im Ausblick).

154

3 Analyserahmen und Methodik

Die Auswertung von Fragevorkommen orientiert sich in der vorliegenden Untersuchung an der Beschreibung von Fragestrukturen als sprachlichen Formen wie sie im Analyserahmen dargelegt wurden. Dabei werden auch rein intonatorisch markierte Fragen berücksichtigt. Einbezogen werden auch sog. Verb-Letzt-Fragen, die eingeleitet oder selbständig erscheinen können, wobei diese Art des Einbezugs indirekter Fragen in die Analyse auch in Einklang mit der Handhabung in anderer Literatur steht.12 Nicht weiter relevant für die Analyse ist dabei, ob mit diesen Frageformulierungen Fragehandlungen zur Deckung von Wissensdefiziten oder andere Sprechhandlungen, wie ζ. B. Aufforderungen, ausgeführt werden; vorrangig interessiert, dass Frageformate realisiert werden. Als Interrogationen werden bei der Auswertung des Datenmaterials also im einzelnen berücksichtigt: 13 - syntaktisch markierte Fragen, - intonatorisch markierte Fragen , - durch 'tags', i. e. Frageanhängsel, markierte Fragen, - eingeleitete/eingebettete und selbständige Verb-Letzt-Fragen. Trotz dieser formalen Orientierung ergeben sich aber bei der empirischen Analyse noch Probleme. In Hinblick auf intonatorische Markierungen von Fragen stellt sich das Problem, mit bestimmten Grenzfällen umzugehen, denn bei einigen Äußerungen mit Verb-Zweit-Stellung ist die Grenze zwischen sog. Frageintonation und Intonation von Assertionen, genauer: fallender letzter Tonhöhenbewegung', am Äußerungsende nicht immer genau zu ziehen. Diese Fälle werden in die Analyse einbezogen, sofern sie in Bezug auf sequentielle Positionen (nach Äußerungen der Gesprächspartner), semantische Aspekte (Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen) und anschließende Reaktionen (Rückmeldung der Gesprächspartner) einen engen Zusammenhang mit anderen (eindeutig als Fragen zu bestimmenden) Nachfragen zeigen.14 Ein

12

13

14

Zum Einbezug von Verb-Letzt-Fragen bzw. indirekter Fragen in die Analyse von Frageformen vgl. beispielsweise Wunderlich (1976:85ff.), Zaefferer (1984) und Zimmermann (1988:119ff.). Für die Identifikation von Interrogationen werden damit im wesentlichen die von Bierwisch (1966) und von Burckhardt (1988) genannten Merkmale von Fragen herangezogen. Als Grenzfalle können sich in diesem Zusammenhang auch Äußerungen darstellen, die mit 'tags' (d. h. 'Anhängseln' wie 'nich' 'gell' 'ne' u. ä.) formuliert werden. Auch hier ist in Bezug auf die Reaktionen die Grenze zwischen Hörerbestätigungssignalen und Antwortreaktionen fließend.

3.2 Methodik

155

Einbezug dieser Grenzfälle erscheint auch in Hinblick auf die Analyse der Signalisierung von Antworterwartungen aufschlussreich. 15 Ein weiteres methodisches Problem besteht darin, dass die Identifikation und Klassifikation von Fragen als Nachfragen ein Vorverständnis des Untersuchungsgegenstandes 'Nachfragen' voraussetzt. Operationalisiert wird die Untersuchung von Nachfragen im folgenden durch eine 'Minimal-Definition 1 , die die Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen im Kontext als zentrales Merkmal ansieht, wobei diese Bezugnahme sowohl die Ausdrucksseite als auch die Inhaltsseite der Bezugsäußerung betreffen kann.16 Ein weiteres Indiz, das zur Klassifikation einer Interrogation als Nachfrage gegebenenfalls herangezogen werden kann, ergibt sich bei der Analyse empirischer Vorkommen unter Einbezug kontextueller Aspekte darüber, dass Nachfragen im laufenden Gesprächsstrom meist Nebensequenzen einleiten, deren Beginn und Ende in verschiedener Weise markiert werden.17 Im übrigen sind methodische Probleme der Identifizierung von Nachfragen in Anbetracht dessen, dass die meisten Aussagen über Nachfragen in der Literatur allein auf Beispielkonstruktionen beruhen, als nicht allzu gravierend anzusehen, denn im Falle 'reiner' Introspektion gehen zudem auch Annahmen über deren Merkmale und Erscheinungsformen ein, und - sofern dieser Aspekt überhaupt Berücksichtigung findet - auch Annahmen über Merkmale und Erscheinungsformen der Bezugsäußerungen. Hier hat eine auf der o. g. 'Minimaldefinition' basierende empirische Herangehensweise den entscheidenden Vorteil, dass Aussagen über Erscheinungsformen von Nachfragen, Bezugsäußerungen und Antwortreaktionen aus der Analyse des Materials abgeleitet werden können. Bei der Untersuchung von gesprochener Sprache wird in Bezug auf syntaktische Beschreibungen des öfteren das Problem der Abgrenzung von Äußerungseinheiten genannt.18 Dieses Problem relativiert sich in der vorliegenden Untersuchung insofern, als Nachfrageformulierungen

15

16 17 18

Indem sich zeigt, dass Beschreibungen und Definitionen in der Literatur nicht ausreichend zur E r f a s s u n g bestimmter P h ä n o m e n e sind, kann die Betrachtung von Grenzfällen am empirischen Material auch Rückschlüsse auf Beschreibungsdesiderate in der Theorie e r ö f f n e n . Im übrigen sind Grenzfalle dieser Art relativ selten und k ö n n e n in der A n a l y s e als 'Besonderheiten' gehandhabt werden. Vgl. hierzu auch die Erläuterungen in Z u s a m m e n h a n g mit der D a r l e g u n g des Analyserahmens. Entsprechende Markierungen liegen beispielsweise in prosodischen V e r ä n d e r u n g e n und d e m Einsatz von Gliederungssignalen. Vgl. hierzu auch Jefferson/Schenkein (1978). Vgl. hierzu insbesondere Schwitalla (1997:50ff.) und Schlobinski (1997).

156

3 Analyserahmen und Methodik

im allgemeinen in enger Verbindung mit Sprecherwechseln erscheinen. So ist der Äußerungsbeginn meist dadurch markiert, dass die Nachfrage an Äußerungen der Gesprächspartner anschließt. Das Äußerungsende ist wiederum dadurch markiert, dass die Frageformulierung im allgemeinen einen Sprecherwechsel einleitet, indem vom Gesprächspartner eine Antwortreaktion erwartet wird. Hierüber sind Anfang und Ende der Äußerung vielfach durch Sprecherwechsel begrenzt. Dieser Umstand ist in Anbetracht dessen, dass in anderen Bereichen der Untersuchung von gesprochener Sprache die Identifikation von Satz- oder Äußerungsgrenzen größere Probleme stellt, als günstige Voraussetzung in Hinblick auf die Beschreibung von formalen Aspekten zu werten. In Hinblick auf quantitative Aspekte der Auswertung ist anzumerken, dass sprecherseitige Wiederholungen oder Reformulierungen von Nachfragen in der Auswertung jeweils als einzelne Frageformulierungen analysiert und gewertet werden.19 Leitend für die Auswertung und Analyse von Interrogationen sind dabei wiederum die o. g. Kriterien der sprachlichen Realisierung und Markierungen von Äußerungen als Fragen. 3.2.4

Qualitative und quantitative Analyse

Die Untersuchung von Frageformen und Fragefunktionen schließt qualitative und quantitative Analysen ein. Dabei wird in Anschluss an Dittmar (1988) (Quantitative - qualitative Methoden) und Ehlich (1982) ('Quantitativ' oder 'qualitativ'? Bemerkungen zur MethodologieDiskussion in der Diskursanalyse) davon ausgegangen, dass sich diese nicht ausschließen, sondern sich in Kombination wechselseitig ergänzen können.20 In der vorliegenden Untersuchung geht es zunächst darum, unterschiedliche Erscheinungsformen von Interrogationen auf der Grundlage empirischer Vorkommen zu dokumentieren und mit Darstellungen in der Literatur abzugleichen. Da sich bisherige Untersuchungen vor allem auf schriftliche Fragevorkommen oder Beispielkonstruktionen stützen, sind auf dieser Ebene auch rein deskriptive Befunde von Interesse.

19 20

Ein Beispiel hierfür sind Nachfrageformulierungen wie "?das war wieviel/das war fünfhundert?". Dittmar (1988) zeigt in seinem methodengeschichtlichen Forschungsüberblick, dass auch Ansätze, die sich rein qualitativ verstehen, mit Häufigkeiten von Erscheinungen argumentieren, und umgekehrt auch quantitative Untersuchungen qualitative Analysen voraussetzen. Vgl. hierzu auch Schlobinski (1996:5ff.) (Empirische Sprachwissenschaft).

3.2 Methodik

157

Dabei zielen die Beschreibungen vor allem darauf ab, bestimmte Erscheinungsformen von Nachfrageformen und Nachfragefunktionen unter Berücksichtigung der aktuellen Kotexte und Bezugsäußerungen zu analysieren. Insofern unterschiedliche Erscheinungsformen von Interrogationen - sowohl für Fragen allgemein als auch für Nachfragen - jeweils anhand von empirischen Belegen exemplifiziert und erörtert werden, ist die Vorgehensweise zunächst qualitativ orientiert. Darüber hinaus werden aber auch Quantifizierungen vorgenommen. Häufigkeiten verschiedener Erscheinungsformen sind in Bezug auf verschiedene Analyse-Aspekte von Bedeutung: - Im Untersuchungsbereich 'gesprochene Sprache' wird oft davon ausgegangen, dass sich Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache weniger in strukturellen Merkmalen als vielmehr in Häufigkeitsverteilungen manifestieren. 21 - Unter Vorgriff auf empirische Befunde kann angemerkt werden, dass bestimmte Merkmale, die nicht selten als Merkmale von Nachfragen betrachtet werden, nicht eigentlich als Eigenschaften derselben anzusehen sind, sondern aus (anderen) Bedingungen resultieren, die aufgrund ihres frequenten Auftretens dazu führen, dass hiermit in Verbindung stehende Erscheinungen (fälschlicherweise) als genuine Merkmale von Nachfragen generalisiert werden. Da die Relevanz mancher Phänomene auch über Frequenzen in Erscheinung treten kann, sind Quantifizierungen in der vorliegenden Untersuchung als ein Komplement der qualitativ orientierten Analysen von Nachfragen und anderen Fragen zu betrachten. 3.2.5

Transkriptionskonventionen

Die Analyse von Nachfragen und anderen Fragen im gesprochenen Deutsch stützt sich auf Tonband- und Videoaufnahmen, die verschriftlicht wurden.22 Für die Verschriftlichung der Tonbandaufnahmen wur-

21

22

Zu entsprechenden Befunden kam bereits Behagel (1927) (Von deutscher Sprache), der aufgrund quantitativer Verteilungen Satzmuster des Gesprochenen analysiert, die sich vom Geschriebenen unterscheiden. Engel (1967) (Satzbaupläne in der Alltagssprache) bringt quantitative Unterschiede auch mit qualitativen Unterschieden in Verbindung. Klein (1985) argumentiert, dass sich gesprochene Sprache von schriftlicher Sprache insbesondere durch unterschiedliche Häufigkeiten einzelner Phänomene unterscheidet. Grammatik (als Regelbeschreibung) und Korpuslinguistik (als Betrachtung von Häufigkeiten und Verteilungen) ergänzen sich hier wechselseitig. Zu allgemeinen Problemen der Transkription und unterschiedlichen Transkriptionsverfahren vgl. Richter (1973), Schlobinsky (1996), Selting et al. (1998) und Dittmar (2004).

3 Analyserahmen und Methodik

158

den mit geringfügigen Abwandlungen die im 'P-MoLL-Projekt' entwickelten Notationsweisen und Transkriptionszeichen übernommen: 23

+ +5s+ @xx@ (h) &XX&

Dehnung (je nach Länge) Pause (ζ. T. mit Sekunden) Lachen hörbares Atmen simultanes Sprechen

&XX&

(Text) (xxx) XX =

vermutete Lexeme bzw. unverständlicher Text nach geschätzten Silben) direkter Anschluss

= XX

*xx*

/ «XX XX»

%xx% ΧΧ Λ

xx_ 'xx !xx!

anderssprachige Äußerungen Abbruch lauter werden leiser werden leiser gesprochen steigende Intonation fallende Intonation auffällige Betonung Emphase

Ferner werden folgende Markierungen für die Transkriptbeispiele und Belegstellen verwendet: ?xxxx? Markierung von Äußerungen, die als Fragen analysiert werden, mittels Fragezeichen und durchgezogener Unterstreichung 'xxxx'

Markierung von Äußerungsteilen, die in anderer Hinsicht (ζ. B. als Wiederaufnahmen oder Matrixsätze) von Interesse sind, durch Unterstreichung mit unterbrochener Linie

Die Notationszeichen wurden bereits in den Datenerhebungen der genannten Projekte verwendet. Aspekte des Zögerns, Unterbrechungen und Überlappungen mit anderen Gesprächsbeiträgen, die nicht zuletzt auch die Interpretation struktureller Aspekte und der Syntax betreffen, können relativ genau in der Verschriftlichung wiedergegeben werden. Diese Notationsweise hat zudem den Vorteil, dass sie auch in Bezug auf Intonation und Prosodie auf ein Repertoire von Zeichen zurück-

23

Vgl. ausführlicher hierzu Dittmar et al. (1990).

3.2 Methodik

159

greift, das unabhängig von Formatierungen einzelner Textverarbeitungsprogramme ist und in andere Programme überführt werden kann. Hier wurden die Transkriptionen auch für phänomenorientierte Auswertungen (wie ζ. B. die Suche nach bestimmten Fragepartikeln) in das Programm 'WordCruncher' (vgl. Müller 1993) und andere Datenbanken übernommen. Für die Auswertung wurden alle Fragevorkommen aus den verschiedenen Teilkorpora in einer ACCESS-Datenbank zusammengeführt, in der jeder empirische Beleg mit einem Kürzel versehen wurde (ζ. B. ID 1632). Diese Kennzeichnung der Belegstellen wird auch in der vorliegenden Darstellung als Verweis benutzt. In den einzelnen Teilkorpora werden unterschiedliche Sprechersiglen verwendet, die teilweise auch mit den Gesprächsrollen korrelieren: In den Transkripten von Beratungsgesprächen und Sprechstunden aus dem universitären Bereich wird mit den Sprechersiglen 'D' auf Dozenten und andere Berater, mit 'S' auf Studierende verwiesen. In den Transkripten aus informellen Gesprächen werden Ά', oder 'B' etc. eingesetzt. In den Transkripten aus dem P-MoLL-Korpus verweist die Sprechersigle Έ-' auf Experimenter, die Sigle Ί-' auf die Informanten.

4 4.1

Empirische Analysen Übersicht

Zunächst wird untersucht, welche Fragestrukturen bei Nachfragen und anderen Fragen zu beobachten sind. Dabei stellt sich in Hinblick auf die vorausgehend diskutierten Beschreibungen in der Literatur u. a. die Frage, welche Rolle Verb-Zweit-Stellung bei Nachfragen in Form von Entscheidungsfragen und satzinterne Positionen des Frageworts bei Nachfragen in Form von Ergänzungsfragen spielen. Es wird auch danach gefragt, in welcher Relation diese Strukturen zu den Bezugsäußerungen stehen, wobei insbesondere Echofragen sowie verschiedene Satzmoduskonstellationen einer genaueren Analyse unterzogen werden. Daran anschließend wird untersucht, mit welchen Mitteln die Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen hergestellt wird. Neben Wiederholungen und unterschiedlichen Arten von Echokomponenten werden hier insbesondere auch Fragewörter und andere Fragepartikeln sowie Paraphrasierungen, Inferenzen und andere Reformulierungen analysiert. In Hinblick auf Nachfragefunktionen wird untersucht, wie sich verschiedene Funktionen im Bereich der Verständnissicherung und Fragearten zueinander verhalten. Daran anschließend werden Erwartungsprobleme analysiert. Des Weiteren wird untersucht, wie Vergewisserungsfunktionen zu erfassen sind. Schließlich werden anhand des Datenmaterials Überlegungen zu weiteren Nachfragefunktionen angestellt, wobei insbesondere auf Korrekturen, Zeitgewinn und Belustigung eingegangen wird. Hieran anschließend werden Funktionen von Nachfragen genereller in Hinblick auf Reparaturinitiierungen analysiert. Abschließend wird reflektiert, auf welchen sprachlichen Mitteln die mit Nachfragen zum Ausdruck gebrachten Problemsignalisierungen beruhen. Der empirisch orientierte Untersuchungsteil schließt allgemeinere Überlegungen zu den in Nachfragen enthaltenen Informationen über Nachfragefunktionen und Reflexionen zu Ambiguitäten und Vagheiten ein. Als zentrale Funktionsparameter werden schließlich die Bezugnahme auf vorausgehende Äußerungen und der Einsatz des Frageformats erörtert.

4.2 Strukturtypen bei N a c h f r a g e n und anderen Fragen

4.2

161

Strukturtypen bei Nachfragen und anderen Fragen

Da die Darstellungen von Fragestrukturen in der Literatur nicht unerhebliche Widersprüche aufweisen, 1 wird anhand der empirischen Vorkommen von Interrogationen zunächst untersucht, inwiefern sich eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Fragestrukturen und ihrer Verwendung als Nachfragen ('NF') oder anderen, thematisch weiterfuhrenden Fragen (im Folgenden mit Kürzel "aF" bezeichnet) 2 bei empirisch belegten Vorkommen nachvollziehen lässt. Die Analyse struktureller Ausprägungen von Ergänzungs- und Entscheidungsfragen knüpft an die mit der Entwicklung des Analyserahmens abgeleitete Differenzierung von Strukturtypen an. Hier wird davon ausgegangen, dass Fragearten mit unterschiedlichen strukturellen Erscheinungsformen realisiert werden können. Die Analyse von Strukturtypen erfolgt zunächst getrennt für Entscheidungsfragen, Ergänzungsfragen und Alternativfragen, wobei jeweils unterschiedliche Ausprägungen von Strukturtypen mit Belegen aus den Daten für Nachfragen und andere Fragen exemplifiziert werden. 4.2.1

Strukturtypen bei Entscheidungsfragen

Grammatische Beschreibungen von Fragestrukturen gehen meist davon aus, dass im Deutschen Entscheidungsfragen mit Verb-Erst-Stellung als Normalfall oder Standardfall anzusehen sind.3 Verb-Zweit-Stellung wird hingegen meist mit bestimmten Fragefunktionen in Zusammenhang gebracht, wie ζ. B. Nachfragen und Echofragen oder auch Vergewisserungsfragen. Das Selbe gilt auch für weitere Erscheinungsformen von Entscheidungsfragen, wie selbstständige Nebensätze mit Verb-Letzt-Stellung. Damit geht aus grammatischen Beschreibungen in der Literatur die Verbstellung als wesentliches Merkmal zur Beschreibung der Strukturen von Entscheidungsfragen hervor. 4 Diesen Be1 2

3 4

Vgl. hierzu die kritische Diskussion unter Abschnitt 2.6. Bei dieser V e r w e i s f o r m handelt es sich um einen Behelf, da ein übergeordneter Begriff nicht zur V e r f ü g u n g steht. Gemeint sind Fragen, die inhaltlich nicht auf vorausgehende Ä u ß e r u n g e n referieren, sondern thematisch weiterführend sind. Zur Definition von N a c h f r a g e n vgl. die kritische Diskussion der Kategorienbildungen unter Abschnitt 2.6.2 und die A u s f ü h r u n g e n im Analyserahmen. Vgl. hierzu die A u s f ü h r u n g e n im Forschungshintergrund und in der Literaturdiskussion. Zu 'Verbstellungstypen' vgl. auch Altmann (1981) und Schröder (1984).

162

4 Empirische Analysen

Schreibungen entsprechend werden Äußerungsformen im Folgenden vor allem nach der Verbstellung differenziert. Dabei werden für jeden Strukturtyp, sofern im Korpus repräsentiert, jeweils Belege für Nachfrageformulierungen und andere Frageformulierungen angeführt. Entscheidungsfragen mit Verb-Erst-Stellung (Entsch-Vl) Die folgende Formulierung einer Entscheidungsfrage weist ErstStellung des finiten Verbs auf: D: S:

?darf man eh sie 'aufnehmn? ich habe hier η tonbandgerät ja.. &sicher (ID 1083, KIH, aF)

Eine andere Belegstelle zeigt, dass dieser Strukturtyp nicht nur - wie im vorausgehenden Beispiel - bei thematisch weiterführenden Fragen, sondern auch bei Nachfragen zu beobachten ist: B: A: B: A: B: S: D: S: D: S:

=ah:: ich hab so-ne &sehnsucht nach & &ja wir hatten bischen streß& + !?wasA?! ich hab so-ne (s/) sehnsucht & ?&hast& duA? 'ja:: + 'tota::l (ID 1329, INF-TEL, NF) und jetzt hab ich unten grad eben in diesem katalog 'gelesen daß + ehm ich eine französischAprüfung machen muß + ?in kunstgeschichteA? mh hm ?steht das da drinA? +10s+ (hier) ?meinen sie diesen textA? + also das stand nich hier in diesem sondern da gibts doch unten diese kataloge (ID 891, NF)

Entscheidungsfragen mit Verb-Zweit-Stellung (Entsch-V2) Im folgenden Beispiel liegt Verb-Zweit-Stellung in einer thematisch weiterführenden Frage vor: D:

in der Sitzung vorher ?nich? daß sie das/ daß ich dann also dafür sorge ?das wär also die/ (is) ja sowieso dann die übernächste Sitzung nich? +

S3: D:

richtich ja dann (schreibm-wa) das gleich mal auf (ID 1110, KIH, aF)

4.2 Strukturtypen bei N a c h f r a g e n und anderen Fragen

163

Verb-Zweit-Stellung kann mit 'tag' realisiert werden, wie im vorausgehenden Beispiel, oder auch ohne, wie im folgenden Beispiel: S: D: S:

im siebten semester germanistik und spanisch(e literatur)%= mhm +1 + ?sie harn schon hauptseminare semacht? äh ich hab hauptseminare gemacht (ID 1133, KIH, aF)

Fragevorkommen mit Verb-Zweit-Stellung werden oft auch als 'Intonationsfragen', 'Bestätigungsfragen' oder 'Vergewisserungsfragen' bezeichnet.5 Entsprechend finden sich auch Nachfragen mit Verb-ZweitStellung: D: S: D:

aber + das ist eher doch die ausnahme ?das ist die ausnahmeA? meistens fehlen noch einige also/ (ID 870, KIH, NF)

Hier zeigt die Fragestruktur der Nachfragen Analogie zu Verbstellung und Syntax der Bezugsäußerung. Es gibt aber auch Nachfragen mit Verb-Zweit-Stellung, die nicht wie die vorausgehenden Beispiele auf Wiederaufnahmen der Bezugsäußerungen beruhen, sondern freier formuliert sind: S: D: 5: D: S:

und wollt jetzt eigentlich mich für kunstgeschichte im hauptfach bewerben + ?das soll hauptfach werden? = =ja ? kunstgeschichte? ja (ID 880, KIH, NF)A

Bei Verb-Zweit-Formulierungen, i. e. Fragen, die über Intonation markiert erscheinen, stellt sich die Frage nach welchen Kriterien Fragerealisierung von Aussagerealisierungen unterschieden sind. Dass hier gängige Vorstellungen über einfache 'steigende Frageintonation' nicht immer zutreffen, wurde bereits mehrfach gezeigt.6 Als Indikatoren für 5

6

A u f entsprechende Fragefunktionen und den Z u s a m m e n h a n g mit Verb-Zweit-Stellung wird im Folgenden noch genauer eingegangen, wobei argumentiert wird, dass sich entsprechende N a c h f r a g e f u n k t i o n e n über die Analyse der Signalisierung von Antworterwartungen erfassen lassen. Vgl. hierzu die Analysen von Luuko-Vinchenzo (1988: 162) sowie N a j a r (1995:41ff). Als Unterschiede wurden u. a. höherer Onset der Frageformulierungen, Unterschiede im Offset und auch in L ä n g e bzw. Dehnung der Fragerealisierungen festgestellt. Kontraste zwischen A u s s a g e - und Frageintonation wurden hier unter experimentellen Voraussetzungen unter Vorgabe von Minimalpaarbildungen gleichen Wortlauts untersucht. N a j a r und L u u k o - V i n c h e n z o weisen auch darauf hin, dass die Variation größer ist als oft a n g e n o m m e n und eine eindeutige Z u w e i s u n g von Frage- oder A u s s a g e m o d u s

164

4 Empirische Analysen

eine Fragerealisierung bzw. Nachfrage erscheinen im vorausgehenden Beispiel die auch sonst zu beobachtenden Pausen vor der NachfrageFormulierung (vgl. hierzu auch Rost-Roth 1994a u. b) ebenso wie eine nachfolgende Äußerung mit Vergewisserungsfunktion. Auch die Rezipientenreaktionen deuten darauf hin, dass diese Äußerung wie andere Entscheidungsfragen behandelt wird. Entscheidungsfragen mit Verb-Letzt-Stellung (Entsch-V-Letzt) Entscheidungsfragen mit Verb-Letzt-Stellung können als eingebettete Fragesätze erscheinen, die mit einem sogenannten Matrixsatz eingeleitet und mit 'ob' angeschlossen werden. In den Matrixsätzen sind vor allem Frageeinleitungen zu beobachten, in denen 'fragen' oder 'nicht wissen' expliziert wird: D: S:

D: S:

D: S: D:

?machen sie auch η schein dortA? + ?ja eben\das ist_eben_auch_meinefrage ob ich da überhaupt η schein machen kann wenn ich sar nicht einseschrieben bin? also das is: entscheidung der dozentinnen und dozenten (ID 1147, KI Η, aF) ä:::h +4+ also ich hab das jetzt nich so verstanden dass ich im vor/ im vorhinein jetzt ahm + dis zu den unterlagen hinzufügen muß + ich hab halt eine/ + so-n empfehlungsschreibm von dieser ausländischen institution selber= =ja bekomm ? ich weiß jetzt nich ob das dann damit&erfüllt is &? &(sehrgut)& + ja +2+ja das betrifft diesen vorigen spiegelstrich dass die bereitstellung des praktikumsplatzes nachgewiesen (ID 991, KIH, aF)

is=

Es handelt sich hier um sogenannte indirekte Fragen, bei denen die 'eigentliche' Frage in einer eingebetteten Fragesatz-Konstruktion erscheint und Verb-Letzt-Stellung aufweist. 7 Entsprechende Verb-LetztKonstruktionen sind auch bei Nachfragen denkbar und werden auch in der Literatur, insbesondere als selbständige Verb-Letzt-Sätze häufig

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nicht immer möglich ist. Interessant sind gerade in solchen Fällen die zu beobachtenden Rezipientenreaktionen, die zeigen, ob eine Ä u ß e r u n g als Frage behandelt wird. Sie werden als 'indirekt' bezeichnet, da der einleitende Hauptsatz assertiv ist, und nur der abhängige N e b e n s a t z die Form einer eingebetteten Frage aufweist. Eingebettete Fragesätze können j e d o c h auch mit Matrixsätzen eingeleitet werden, die selbst eine

(direkte) Frage(formulierung) darstellen (vgl. ID 1093: '?sie wissen nich zufällig wann der Sprechstunde hat?').

4.2 Strukturtypen bei Nachfragen und anderen Fragen

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angeführt. In den Daten finden sich Belege für entsprechende Nachfrageformulierungen jedoch nur mit Frageworteinleitung. Entscheidungsfragen in Form von Verb-Ellipsen (Entsch-oV) Es gibt elliptische Formulierungen von Entscheidungsfragen, die keine Verb-Vorkommen aufweisen. Diese Erscheinungsform ist wiederum sowohl bei thematisch weiterfuhrenden Fragen als auch bei Nachfragen zu beobachten: D: S: D: S: D: S: D: S: D: S: D: S:

so ?sagen se mir erstmal ihm namen? '