Nachbarrecht in Bayern [Reprint 2020 ed.] 9783112311851, 9783112300589

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Nachbarrecht in Bayern [Reprint 2020 ed.]
 9783112311851, 9783112300589

Table of contents :
Vorwort zur sechsten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur vierten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einschlägige Gesetzestexte (BGB, A G BGB für Bayern und Coburg)
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
§ I. Das Grundstück und seine Begrenzung
§ 2. Bestandteile des Grundstücks
§ 3. Stockwerkseigentum — Wohnungseigentum (Dauerwohnrecht)
§ 4. Das Recht an Kellern
§ 5. Die Grenze und ihre Vermarkung
§ 6. Grenzstreitigkeiten
§ 7. Grenzeinrichtungen
§ 8. Die Kommunmauer
§ 9. Erhöhung einer Grenzmauer
§ 10. Grenzbaum
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
A. Allgemeine Eigentumsbeschränkungen
§ 11. Schikanöse Rechtsausübung
§ 12. Notstandshandlung
§ 13. Verpflichtung zur Duldung von Telegrafenund Telefonanlagen
B. Die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen des Nachbarrechtes
§ 14. Immissionen
§ 15. Verbotene Anlagen
§ 16. Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken
§ 17. Verbotenes Vertiefen des Erdbodens
§ 18. Überhängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln
§ 19. Grenzabstand von Pflanzen
§ 20. Überfall von Baumfrüchten
§ 21. Überbau
§ 22. Fensterrecht
§ 23. Lichtrecht
§ 24. Traufrecht
§ 25. Notweg
§ 26. Anwenderecht
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
§ 27. Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§ 28. Inhalt und Ausübung der Grunddienstbarkeit
§ 29. Wegegerechtigkeiten
§ 30. Weiderechte
§ 31. Forstberechtigungen1
§ 32. Erwerb der Grunddienstbarkeiten
§ 33. Verlust der Grunddienstbarkeiten
IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grandeigentümer und Bergbauberechtigten
§ 34. Das Recht auf die bergbaufreien Mineralien
§ 35. Das Schürfrecht
§ 36. Das Bergwerkseigentum
§ 37. Entschädigungspflicht der Bergbauberechtigten
V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
§ 38. Die Eigentumfreiheitsklage
§ 39. Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage gegenüber Interessen des Gemeinwohls und gegenüber konzessionierten gewerblichen Anlagen
§ 40. Die Besitzstörungsklage
§ 41. Klagenschutz der Grunddienstbarkeiten
§ 42. Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten
§ 43. Anspruch auf Schadenersatz
§ 44. Nachbarrecht und öffentliches Baurecht
Sachregister

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Meisner-Ring

Nachbarrecht in Bayern

NACHBARRECHT IN B A Y E R N begründet von

Christian Meisner f Rechtsanwalt in Würzburg

in der 4. und 5. Auflage fortgeführt von

Dr. Joseph Ring Oberstlandesgerichtsrat a. D. in München

in 6. Auflage neubearbeitet von

Dr. Wolfgang Ring Notar in Landshut

1972

Ü

J. Schweitzer Verlag Berlin

ISBN 3805902786 © Copyright 1972 by J. Schweitzer Verlag Berlin Satz, Druck uad Biadearbeitea: Druckhaus Se]liei O H G FreUing vormals Dr. F. P. Datterer & Cie. Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur sechsten Auflage An der Neubearbeitung hat mein Vater, welcher das Werk in der 4. und 5. Auflage fortgeführt hat, nicht mehr mitgewirkt. Ich möchte ihm an dieser Stelle danken. Denn seine und des Begründers des Werks, Christian Meisner, hervorragende Arbeit haben den Charakter des Handbuchs so geprägt, daß mir nur die Aufgabe verblieb, das Werk dem neuesten Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung anzupassen. Dies ist geschehen. In der vorliegenden 6. Auflage sind Gesetzgebung, Schrifttum und Rechtsprechung bis Januar 1972 verwertet. Gerade anhand der Rechtsprechung der letzten zehn Jahre zeigt sich, daß die nachbarrechtlichen Probleme der modernen Industriegesellschaft nicht geringer werden. Die große Zahl von Eigentumswohnanlagen und Reihenhaussiedlungen wird in Zukunft dem Nachbarrecht zu noch größerer Bedeutung verhelfen. Es werden hier die Probleme des Immissionsrechts, der Kommunmauer (speziell bei Reihenhäusern) und der Grunddienstbarkeiten mehr als bisher die Gerichte beschäftigen. Ich habe daher bei der Neubearbeitung besonderes Gewicht auf diese Rechtsgebiete gelegt. Aufbau und Sprache sind so gestaltet, daß auch dem Laien die Benützung des Buches möglich ist. Möge es auf diese Weise auch ein Beitrag zum nachbarlichen Frieden sein. L a n d s h u t , den 15. 3. 1972

Dr. R i n g

V

Vorwort zur dritten Auflage Bei der gründlichen Umarbeitung und Ergänzung wurde vor allem wissenschaftliche Vertiefung erstrebt. Herrn Rechtsanwalt Dr. Heinrich Stern in Berlin sage ich auch an dieser Stelle verbindlichen Dank für die mit erteilte Erlaubnis, die Ergebnisse unserer gemeinsamen Arbeit an dem preußischen Nachbarrecht auch für das bayerische Nachbarrecht 2u verwerten. Das Wasserrecht wurde ausgeschieden, um den ohnedies stark vermehrten Umfang des Buches zu entlasten. Es soll später als selbständige Abhandlung erscheinen. W ü r z b u r g , im August 1923.

Der Verfasser

Vorwort zur vierten Auflage Im Juli 1944 ist der Schöpfer dieses Werkes, Herr Justizrat Meisner, im 76. Lebensjahr verschieden. Mit ihm hat der deutsche Anwaltsstand einen seiner markantesten Vertreter, einen Praktiker und Wissenschaftler von seltenem Format verloren. In seinem Nachbarrecht, das den gründlichen Kenner der Rechtsquellen und der Rechtsentwicklung vom 19. zum 20. Jahrhundert verrät, hat er einen Schatz von Wissen und Erfahrungen gesammelt, die seinen Kollegen und den Richtern beste Dienste geleistet hat. Die vorliegende Auflage hat J R . Meisner noch durch Sammlung und Sichtung des einschlägigen Schrifttums und der Rechtsprechung zu einem wesentlichen Teil vorbereitet. Leider war es ihm nicht vergönnt, die Neuauflage seines Werkes zu vollenden. Dieses auch weiterhin der Praxis nutzbar zu machen, ist der Zweck der Neubearbeitung. Berücksichtigt wurden Rechtslehre und Rechtsprechung, soweit Veröffentlichungen vorlagen, sowie die Änderungen der Gesetzgebung. M ü n c h e n , im März 1951.

VI

Der Verfasser

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort

V

Verzeichnis der Abkürzungen Einschlägige Gesetzestexte ( B G B , A G B G B für Bayern und Coburg) I. A b s c h n i t t . Die räumliche Begrenzung des Eigentums

XVII i 14

§ 1. D a s G r u n d s t ü c k u n d seine B e g r e n z u n g I. Der Begriff des Grundstücks Abgrenzung, Teilung, Vereinigung Zuschreibung II. Erdkörper und Luftraum 1. Recht am Raum über der Erdoberfläche und am Erdkörper unter ihr 2. Ausnahmen 3. Gesetzliche Beschränkungen 4. Praktische Anwendungsfälle 5. Öffentlich-rechtliche Einschränkungen 6. Einwirkungen in großer Höhe oder Tiefe 7. Schadensersatzpflicht III. Verschiebungen der Erdoberfläche 1. Veränderungen im Innern der Erde 2. Grundstück im Rechtssinn, geographische Unveränderlichkeit .

18 19 21 2} 24 30 31 32 32 35

§ 2. B e s t a n d t e i l e des G r u n d s t ü c k s I. Begriff des Bestandteils 1. Wesentliche Bestandteile 2. Ausnahmen II. Vereinigung und Trennung 1. Verschiebung durch Naturereignisse 2. Rechtsgeschäftliche Veränderungen III. Überleitungsrecht

40 40 40 43 50 50 55 56

§ 3 . S t o c k w e r k s e i g e n t u m — Wohnungseigentum(Dauerwohnrecht) . . . I. Inhalt und Wesen alter Stockwerksrechte und ihre Überleitung. . . II. Unechtes Stockwerkseigentum III. Wohnungseigentum u. Dauerwohnrecht

57 57 66 66

§ 4. D a s I. II. in. IV.

76 76 77 78 79

R e c h t an K e l l e r n Keller als selbständiges Bauwerk Rechtsnatur alter Kellerrechte Erbbaurechtskeller Schutz des Kellerrechts

14 14 15 16 18

VII

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 5. D i e G r e n z e u n d i h r e V e r m a r k u n g

81

I. Der Abmarkungsanspruch II. Das Abmarkungsgeschäft

82 90

III. Wirkung der Abmarkung

92

I V . Grenzfeststellungsvertrag § 6. G r e n z s t r e i t i g k e i t e n I. Grenzscheidungsklage II. Prozessuale Grundlagen

94 95 95 97

III. Materielle Voraussetzungen

100

I V . Durchführung der Grenzscheidung

113

§ 7. G r e n z e i n r i c h t u n g e n I. Begriff II. Wesen der Grenzeinrichtung

118 118 124

III. Eigentum an der Grenzeinrichtung

126

I V . Merkmale für und gegen ein Sondereigentum eines Nachbarn . . .

134

V . Inhalt des Benützungsrechts an der Grenzeinrichtung VI. Verwaltung der Grenzeinrichtung VII. Kosten der Unterhaltung VIII. Teilung und Verlegung § 8. K o m m u n m a u e r I. HalbscheidigeMauer II. Rechtsverhältnis vor dem Anbau III. Ablösungsanspruch 1. Änderung der Eigentumsverhältnisse durch den Anbau 2. Grund und Höhe der Entschädigung 3. Gläubiger und Schuldner des Ablösungssanpruchs I V . Vertragsmäßiger Ablösungsanspruch V . Herstellungs-u. Unterhaltungskosten

137 145 144 147 150 150 156 165 165 172 176 178 186

V I . Zerstörung des Hauses

187

V I I . Schadensersatzansprüche

188

§ 9. E r h ö h u n g d e r G r e n z m a u e r I. Recht der Erhöhung II. Beseitigung des Aufbaus III. Ubergangsvorschrift I V . Eigentum an der Erhöhung § 10. G r e n z b a u m

189 189 195 196 197 198

II. A b s c h n i t t . Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

202

A. A l l g e m e i n e E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n

202

VIII

Inhaltsverzeichnis Seite

§ Ii. Schikanöse Rechtsausübung

202

§ 12. N o t s t a n d s h a n d l u n g I. Angreifende Notstandshandlung II. Duldungspflicht des Eigentümers 1. Einwirkungen auf Sachen 2. Gegenwärtige Gefahr 3. Unverhältnismäßig großer Schaden 4. Notstandslage 5. Selbstverteidigung des Eigentümers gegen den Eingriff entfällt . 6. Schadensersatz 7. öffentlicher Notstand

210 210 211 212 212 215 214 21 j 215 218

§ 13. V e r p f l i c h t u n g z u r D u l d u n g v o n T e l e g r a p h e n u n d T e l e f o n anlagen

220

A. Benützung von Verkehrswegen

221

B. Rechte der Postverwaltung zur Benutzung von Privatgrundstücken .

229

B. D i e g e s e t z l i c h e n E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n des N a c h b a r r e c h t s .

230

§ 14. I m m i s s i o n e n I. Allgemeines II. Einwirkungen 1. Sinnlich wahrnehmbar 2. Feste und flüssige Körper 3. Wasser III. Voraussetzungen des § 906 IV. Eigene Leitung unzulässig V. Kein Verbietungsrecht des Eigentümers bei 1. unwesentlicher Beeinträchtigung 2. ortsüblicher Einwirkung 3. Verhinderung einer wesentlichen Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen 4. Duldungspflicht in anderen Fällen VI. Duldungspflicht u. Abwehrrecht VII. Eigentumsfreiheitsklage, Legitimation VIII. Beweislast I X . Änderung während Prozeß X . öffentliches Recht

230 230 233 233 241 243 244 247 248 248 253

§ 15. V e r b o t e n e A n l a g e n I. Allgemeines II. Voraussetzungen und Begriff HI. Anspruch auf Unterlassung einer geplanten und auf Beseitigung einer bestehenden Anlage IV. Eigentumsfreiheitsklage V. Ausnahme für Landesrecht

262 266 267 271 274 274 274 275 275 276 283 285 286

IX

Inhaltsverzeichnis

VI. Grenzabstand von Anlagen u. Gebäuden § 16. G e f a h r des E i n s t u r z e s v o n G e b ä u d e n und s o n s t i g e n werken

287 Bau-

I. Allgemeines II. Voraussetzungen III. Inhalt des Anspruchs IV. Haftung V. Trümmergesetz §17. Verbotenes Vertiefen I. Begriffe und Voraussetzungen verbotenen Vertiefens 1. Grund und Boden als Gegenstand des Vertiefens 2. Anspruch auf Unterlassung 3. Gefahr des Einsturzes 4. Voraussehbare Gefahr 5. Anderweitige Befestigung 6. Klagantrag und Legitimation II. Schadensersatzpflicht III. Wegreißen von Gebäuden IV. Erhöhung der Erdoberfläche V. Änderung der Höhenlage durch öffentliches Recht § 18. Ü b e r h ä n g e n v o n Z w e i g e n . Eindringen von Wurzeln I. Selbsthilferecht II. Klagerecht III. Zeitliche Statutenkollision. Landesrechtliche Sonderbestimmungen für Waldgrundstücke § 19. G r e n z a b s t a n d v o n P f l a n z e n I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs II. Größe des Abstands

X

288 288 289 293 297 300 303 303 303 307 310 311 312 314 317 321 322 323 324 324 327 330 334 335 339

III. Ausnahmen

346

IV. Ubergangsbestimmungen

347

§ 20. Ü b e r f a l l v o n B a u m f r ü c h t e n

348

§ 21. Ü b e r b a u I. Voraussetzungen der Duldungspflicht 1. Gebäude 2. Grenzüberschreitung beim Bauen 3. Ausfuhrung durch den Eigentümer oder dinglich Berechtigten . 4. Zeitpunkt des Überbauens 5. Ohne Vorsatz und ohne grobe Fahrlässigkeit 6. Objektiv rechtswidriges Überbauen 7. Widerspruch des Nachbarn

351 352 352 354 357 358 358 360 362

Inhaltsverzeichnis Seite

II. Inhalt der Duldungspflicht

565

III. Entschädigung des Grundeigentümers 1. Überbaurente 2. Gläubiger 3. Schuldner 4. Höhe der Rente 5. Verfallzeit 6. Erlöschen des Rentenanspruchs

369 369 370 371 371 372 372

IV. Kapitalabfindung gegen Abtretung der überbauten Grundfläche .

373

V. Zeitliche Statutenkollision VI. Konstruktion und grundbuchliche Behandlung VII. Analoge Anwendung der Überbauvorschriften 1. Eigengrenzüberbau 2. Überschreitung eines privatrechtlich festgelegten Bauabstands . 3. Verschiebung der Erdoberfläche 4. Mauerausbauchung 5. Nichtiger Grundstückskauf oder Flurnummernverwechsung. . 6. Überbauerweiterung 7. Anbau an Giebelmauer

374 375 380 381 383 384 385 386 386 387

§ 22. F e n s t e r r e c h t I. Voraussetzung der Beschränkung II. Inhalt der Beschränkung III. Zeitliche Statutenkollosion

387 388 392 396

§ 23. L i c h t r e c h t

404

§ 24. T r a u f r e c h t

412

§ 25. N o t w e g e I. Voraussetzungen des Notwegrechts 1. Nur für Grundstücke 2. Fehlen einer Verbindung mit einem öffentlichen Weg 3. Notwendigkeit zu einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenützung

418 419 419 420 423

II. Inhalt des Notweganspruchs. Allgemeines 1. Verlangen des Eigentümers des notleidenden Grundstücks . . . 2. Mehrere mit dem Notwegrecht belastete Grundstücke . . . . 3. Veräußerung eines Grundstücksteiles 4. Bestimmung der Richtung des Notweges durch Urteil 5. Interessenausgleich. Änderung der Benützungsart. Flurbereinigung. Verjährung 6. Erlöschen des Anspruchs

429 431 432 433 435

III. Entschädigung des Grundeigentümers IV. Keine Kapitalabfindung V. Leitungsnotweg § 26. A n w e n d r e c h t

436 437 438 441 441 442

XI

Inhaltsverzeichnis Seite

I. Begründung durch Herkommen II. Inhalt des Anwendrechts

443 445

III. Unzulässigkeit einer Entstehung des Anwendrechts seit 1. 1. 1900 .

447

I V . Erlöschen des Anwendrechts

449

III. A b s c h n i t t . Grunddienstbarkeiten § 27. B e g r i f f u n d W e s e n d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n I. Allgemeines n . Begriff III. Wesen der Grunddienstbarkeit 1. Vorteil für das herrschende Grundstück, Beschränkung eines Gewerbebetriebes 2. Vicinität 3. Causa perpetua 4. Berechtigt ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Zugunsten oder zu Lasten mehrerer Grundstücke an öffentlichen Wegen 5. Gegenseitige Grunddienstbarkeiten Eigentümer-Grunddienstbarkeit 6. Servitus in faciendo consistere nequit 7. Gegenleistungen § 28. I n h a l t u n d A u s ü b u n g d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t I. Rechtsgrundlage für altrechtliche Grunddienstbarkeiten II. Prinzip der Utilität

451 451 451 455 464 464 467 467 468 473 474 479 481 481 482

III. Mitbenützungsrecht des Eigentümers. Schonende Ausübung der Grunddienstbarkeit

490

I V . Veränderungen in der Ausübung

496

V . Halten einer Anlage V I . Verlegung der Dienstbarkeit

497 499

VII. Widerstreit zwischen Grunddienstbarkeit und sonstigen dinglichen Rechten an demselben Grundstück VIII. Teilung des berechtigten oder belasteten Grundstücks I X . Grunddienstbarkeit ist nicht übertragbar ohne das herrschende Grundstück § 29. W e g e g e r e c h t i g k e i t e n I. Allgemeines II. Wegerechte an öffentlichen Wegen

XII

502 503 508 508 508 509

III. Wegerechte an Waldgrundstücken

512

I V . Umfang des Wegerechts

513

V . Erweiterung des Inhalts

515

V I . Unterhaltung des Weges

518

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 30. W e i d e r e c h t e I. II. III. IV. V. VI. VIT. VIII. IX. X.

Abgrenzung von den öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten . . . Unzulässigkeit der Begründung von Weiderechten Rechtliche Natur der Weiderechte Einseitige und gegenseitige Weiderechte. Koppelhut Das Schäfereistabrecht Hordenschlag- und Pferchrecht. Weidegeld Mithut des Eigentümers Art und Zahl des Weideviehs Einschränkungen der Weiderechte Ablösung

§ 31. F o r s t b e r e c h t i g u n g e n I. II. III. IV. V. VI. VII.

Begriff. Abgrenzung von den öffentlichen Nutzungsrechten . . . . Unzulässigkeit der Begründung von Forstrechten Rechtliche Natur der Forstberechtigungen Gemessene und ungemessene Forstberechtigungen Einschränkung der Forstberechtigungen Arten Ablösung

§ 32. E r w e r b d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n

519 519 523 J25 527 529 530 531 534 539 545 548 548 JJO 551 552 554 557 558 560

A. Nach dem Rechte des B G B I. Rechtsgeschäftliche Entstehung 1. Obligatorisches Grundgeschäft 2. Abstraktes Leistungsgeschäft (Einigung) 3. Eintragung II. Stillschweigende Bestellung III. Gesetzliche Begründung IV. Entstehung durch gutgläubigen Erwerb

560 560 561 562 563 565 566 567

B. Nach altem Recht I. Rechtsgeschäftliche Begründung 1. Obligatorisches Verpflichtungsgeschäft 2. Notarielle Errichtung 3. Stillschweigende Bestellung II. Ersitzung III. Unvordenkliche Verjährung IV. Herkommen i. S. eines örtlichen Gewohnheitsrechts

567 568 568 569 570 572 583 585

§ 33. V e r l u s t d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A. Eingetragene Grunddienstbarkeiten 1. Rechtsgeschäftliche Aufhebung 2. Verjährung 3. Vereinigung des herrschenden und dienenden Grundstücks. . .

587 587 588 588 589

XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

4. Teilung des berechtigten oder belasteten Grundstücks 5. Dauernde Unmöglichkeit 6. Zwangsversteigerung 7. Zwangsenteignung 8. Eintritt einer Bedingung 9. Wichtige Gründe nach Treu und Glauben 10. Nutzungsänderung nach öffentlichem Recht B. Nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten I. Aufhebung nach altem Recht 1. Verzicht 2. Konfusion (Konsolidation) 3. Verjährung. Nichtgebrauch 4. Dauernde Unmöglichkeit der Ausübung II. Seit Anlegung des Grundbuchs 1 . A n nicht eingetragenen Grundstücken. Verzicht. Nichtausübung. 2. An eingetragenen Grundstücken Vertragsmäßige Aufhebung Nichtausübung Konsolidation Aufgebot IV. A b s c h n i t t . Rechtsverhältnisse zwischen Grandeigentümer und Bergbauberechtigten § 34. D a s R e c h t auf die b e r g b a u f r e i e n M i n e r a l i e n

590 590 591 591 592 592 592 593 593 593 595 595 599 599 600 601 601 601 601 601 602 602

§ 35. D a s S c h ü r f r e c h t

603

§ 36. D a s B e r g w e r k s e i g e n t u m

608

§ 37. E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des B e r g b a u b e r e c h t i g t e n

613

V. A b s c h n i t t . Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten § 38. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e I. Voraussetzungen des Anspruchs 1. Beeinträchtigung des Eigentums 2. Positive Tätigkeit oder Unterlassung 3. Negative Einwirkung 4. Künftige Beeinträchtigung 5. Drohung 6. Kein Verschulden 7. Begründung des Anspruchs II. Ziel der Eigentumsfreiheitsklage 1. Anspruch auf Beseitigung 2. Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung III. Einwendungen des Beklagten 1. Duldungspflicht des Eigentümers 2. Verjährung I V . Parteistellung für die Eigentumsfreiheitsklage XIV

623 623 623 624 624 627 627 629 630 631 631 631 635 642 642 645 646

Inhaltsverzeichnis Seite

V. VI. VII. VIII. IX.

1. Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation Beweislast Gerichtsstand Zulässigkeit des Rechtswegs Einstweilige Verfügungen Kein Schadensersatz aus § 1004

§ 39. D i e b e s o n d e r e G e s t a l t u n g der E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e g e g e n ü b e r I n t e r e s s e n des G e m e i n w o h l s u n d g e g e n ü b e r k o n zessionierten gewerblichen Anlagen

646 648 652 653 655 656 657

657

A. Interessen des Gemeinwohls

657

B. Gewerbliche Anlagen

659

I. An Stelle des Abwehranspruchs tritt der Aufopferungsanspruch . . II. Beschränkung des Eigentumsfreiheitsanspruchs durch § 26 GewO und Art. 80 A G B G B III. Anspruch auf Schadloshaltung § 40. B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e I. II. III. IV. V. VI.

Begriff und Wesen des Besitzes Voraussetzungen der Besitzstörungsklage Ziel der Besitzstörungsklage Begründung der Besitzstörungsklage Erlöschen des Anspruchs Schadensersatz

659 663 666 673 675 677 679 680 684 685

§ 41. K l a g e n s c h u t z der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n I. Beeinträchtigung durch positive Tätigkeit oder durch Unterlassung. II. Ziel der Abwehrklage 1. Beseitigung der Beeinträchtigung 2. Unterlassung weiterer Beeinträchtigung 3. Schadensersatz nur bei unerlaubter Handlung III. Parteistellung 1. Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation IV. Beweislast V. Zeitliche Statutenkollision V I . Gerichtsstand

686 686 686 687 687 687 688 688 688 689 689 689

§ 42. B e s i t z s c h u t z der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A. Begriff des Quasibesitzers an Grunddienstbarkeiten I. Sachbesitz II. Rechtsbesitz

689 689 689 690

B. Erwerb des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten

691

XV

Inhaltsverzeichnis Seite

C. Endigung des Quasibesitzes D. Schutz der Ausübung I. Voraussetzungen IL Inhalt § 43. A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z A . Eigentumsfreiheitsklage und Schadensersatz B. Ursächlicher Zusammenhang C. Inhalt und Umfang des Schadensersatzes I. Schaden als nachteilige Veränderung der Vermögenslage II. Art der Ersatzleistung ID. Konkurrierendes Verschulden IV. Vorteilsausgleichung V. Verjährung D. Gründe der Haftung auf Schadensersatz I. Verzug II. Verschulden 1. Verletzung des Eigentums nach § 823 Abs. 1 2. Verstoß gegen Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 III. Haftung ohne Verschulden- Gefährdungshaftung Aa. Haftung ohne Verschulden in der Rechtsprechung 1. Baubeschränkungen 2. Wohnungsbeschaffung 3. Umlegungsverfahren (städtebaulich) 4. Anliegerrecht (Einschränkung des Gemeingebrauchs) 5. Inhalt des Anspruchs 6. Anspruchsschuldner 7. Gerichtliche Zuständigkeit 8. Verjährung Bb. Haftung und Entschädigung ohne Verschulden in Sondergesetzen. 1. Reichshaftpflichtgesetz 2. Sachhaftpflichtgesetz 3. Straßenverkehrsgesetz 4. Luftverkehrsgesetz 5. Atomgesetz 6. Bundesbaugesetz 7. Städtebauförderungsgesetz 8. Wasserhaushaltsgesetz 9. Feldschadengesetz §44. N a c h b a r r e c h t u n d ö f f e n t l i c h e s B a u r e c h t Sachregister

XVI

693 694 694 696 697 699 701 701 701 704 704 704 705 705 705 706 706 713 717 717 721 723 723 733 724 724 724 724 724 724 725 725 725 726 727 730 731 732 733 735

Abkürzungen AAPr. AG ALR ArchBR ArchöffR ArchZPr. AVO a.E. a.F. n.F. BadRspr. BayBS BayLR BayVGH BayZ BB BlfGrBW BVerfG BVerwG BVB1. Bekm. BGB BechMat. Begr. BGBl. BrZ Biermann BlAdmPr. Böhm-Klein Bolze BBauG Cosack Crome DAnw. Denkschrift Dernburg DJZ DJ DNotZ DRZ

Protokolle des Justizgebungsausschusses der Kammer der Abgeordneten 1898/99 Beilagenband X X Abtl. II : Ausführungsgesetz z. BGB = Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 = Archiv für bürgerliches Recht = Archiv für öffentliches Recht = Archiv für zivilistische Praxis = Ausführungsverordnung = am Ende = alte Fassung neue Fassung Badische Rechtsprechung - Bereinigte Sammlung des bayer. Landesrechts Bayerisches Landrecht = Bay. Verwaltungsgerichtshof Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern = = Betriebsberater = Blätter für Grundstücks-, Bau- u. Wohnungsrecht Bundes-Verfassungsgericht = Bundesverwaltungsgericht = Bayer. Verwaltungsblätter Bekanntmachung - Bürgerliches Gesetzbuch Becher, Materialien zu den das Bürgerliche Gesetzbuch und seine — Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen und Verordnungen = Begründung = Bundesgesetzblatt = Britische Zone = Biermann, das Sachenrecht = Braters Blätter für administrative Praxis = : Böhm-Klein, das Ausführungsgesetz z. BGB = Bolze, Praxis des Reichsgerichts Bundesbaugesetz = Cosack, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts = Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts - - Dienstanweisung für die Grundbuchämter = Denkschrift z. Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs = Dernburg, das Sachenrecht des Deutschen Reichs und Preußens = Deutsche Juristenzeitung - Deutsche Justiz = Deutsche Notarzeitschrift = Deutsche Rechtszeitschrift =

XVII

Abkürzungen DRiZ DVO DWW Endemann Entsch. EntschFG Entw. Ergbd. Ermann Eymann EG FG FoStG FRG FischG Gaupp GBO GBV GewO GoldmannLilienthal Gruchot GG GVB1. Habicht HansGZ Hartster- Kasimir Henle- Schneider HEZ HRR Höniger JFG Ihering JMBek. JW JZ NJW KG KGJ KRG KommProt. KompKG KompVO Krais Kuhlenbeck LG LiegenschG LStVG XVIII

Deutsche Richterzeitung Durchfuhrungsverordnung = Deutsche Wohnungswirtschaft = Endemann, Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts = Sammlung der Entscheidungen usw. = Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts = Entwurf = Ergänzungsband Ermann-Goerke, Handkommentar zum BGB i Eymann, Wassergesetz für Bayern = Einführungsgesetz Bayer. Forstgesetz BayForststrafgesetz = Bayer. Forstrechtegesetz Bayer. Fischereigesetz Gaupp-Stein Kommentar z. ZPO = Grundbuchordnung = Grundbuchverfügung = Gewerbeordnung =

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Goldmann-Lilienthal, das Bürgerliche Gesetzbuch Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Habicht, die Einwirkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse Hanseatische Gerichtszeitung Hartster-Kasimir, Kommentar zum Bayer. Wassergesetz Henle-Schneider, die bayer. Ausführungsgesetze zum BGB Höchstrichterliche Entscheidungen in Zivilsachen Höchstrichterliche Rechtsprechung Höniger, die Grenzscheidungsklage Jahrbuch der Entscheidungen für freiwillige Gerichtsbarkeit Iherings Jahrbücher für Dogmatik Bekanntmachung des Justizministeriums Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Neue Juristische Wochenschrift Kammergericht Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts Kontrollratsgesetz Protokolle der Reichstagskommission für die 2. Lesung des Entwurfs des BGB Kompetenzkonfliktsgerichtshof Kompetenzverordnung Krais, Handbuch der inneren Verwaltung Kuhlenbeck, das Bürgerliche Gesetzbuch Landgericht Das Gesetz über das Liegenschaftsrecht in der Pfalz Bayer. Landesstraf- u. Verordnungsgesetz

Abkürzungen Mat. M MAB1. Maenner MDR Meikel Meikel-ImhofRiedel MSH MinB MinE MittlBayNot. Mugdan Neumann n. F. Nieberding-Frank Niedner NotG ObLG ObLGSt. Oertmann OGH OGHSt. OTr. OldenbZ OLG OLGSt. Palandt Planck Pözl PosJMSchr. PrR PuchZ RAPr. RdL RegBl. RGZ RGBl. RGR RGSt. RheinArch. ROHG

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Materialien Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs Amtsblatt des Staatsministeriums des Innern Maenner, Sachenrecht Monatsschrift des deutschen Rechts Meikel, die bayerischen Ausfuhrungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Meikel-Imhof-Riedel, Kommentar zur Grundbuchordnung Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht 5. Aufl. - Ministerialbekanntmachung = Ministerialentschließung = Mitteilungen des Bayer. Notarvereins Mugdan, die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neumann, Jahrbuch des deutschen Rechtes - neue Folge Nieberdings Wasserrecht und Wasserpolizei im Preußischen Staate von Frank = Niedner, Kommentar zum Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch = Notariatsgesetz von 1861 = Entscheidungen des Bayer. Obersten Landesgerichtes in Zivilsachen = Entscheidungen des Obersten Landesgerichts in München in Strafsachen = Oertmann, Bayerisches Landesprivatrecht = Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für Bayern in Zivilsachen : Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für Bayern in Strafsachen = Entscheidungen des preußischen Obertribunals (Amtl. Ausgabe) Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege im Großherzogtum Oldenburg Rechtsprechung der Oberlandesgerichte - Entscheidungen des Oberlandesgerichts München in Strafsachen = Palandt, Handkommentar zum BGB = Planck, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz = Pözl, die bayerischen Wassergesetze = Juristische Monatsschrift für Posen, West- u. Ostpreußen = Prozeßregister - Puchelts Zeitschrift für deutsches bürgerliches Recht und französisches Zivilrecht = Ausscbußprotokolle der Kammer der Reichsräte = Recht der Landwirtschaft = Regierungsblatt = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen = Reichsgesetzblatt = Reichsgerichtsrätekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen = Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der preußischen Rheinprovinz = Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts =

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XIX

Abkürzungen Roth, BayZR SächsArch. Schelhaß Scherer Schneider SeufiA

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Roth, Bayerisches Zivilrecht Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß Schelhaß, Nachbarrecht Scherer, das Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches Schneider, das Liegenschaftsrecht in der Pfalz Seufferts Archiv für Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe in deutschen Staaten = Seufferts Blätter für Rechtsanwendung = v. Staudinger, Kommentar z. B G B n . A u f l .

SeuffBl. Staudinger Staudinger, Vorträge = Staudinger, Vorträge aus dem Gebiete des Bürgerlichen Gesetzbuches für Verwaltungsbeamte Stobbe = Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts StriethorstArch. = Striethorst, Archiv für Rechtsfälle des preußischen Obertribunals Turnau-Förster = Turnau und Förster, das Liegenschaftsrecht, I.Band des Sachenrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches VGHE = Entscheidungen des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs VO = Verordnung Wdg. = Vollzugsverordnung WBG = Gesetz über die Benützung des Wassers vom 28. Mai 1852 Weber = Weber, Gesetz- und Verordnungssammlung WG = Bay. Wassergesetz 26. 7. 1962 VwGO = Bundes-Verwaltungsgerichtsordnung WarnE = Warneyer, Entscheidungssammlung WestermannSR = Westermann, Lehrbuch des Sachenrechts Wolff-RaiserSR = Enneccerus-Wolff-Raiser, Lehrbuch des Sachenrechts WEG = Wohnungseigentumsgesetz WHG = Wasserhaushaltsgesetz Württ J = Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege WürttZ = Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg ZZP = Zeitschrift für Zivilprozeß

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Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen:

A. Bürgerliches Gesetzbuch § 903. Befugnisse des Eigentümers Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. § 904. Notstand Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Eigentümer kann Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen. § 90;. Höhe und Tiefe Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. § 906. Einwirkungen vom Nachbargrundstück (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (2) Das gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern 1

Mehner-Ring, Nachbarrecht, 6, Aufl.

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Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen

dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. (3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig. § 907. Gefahrliche Anlagen (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihreBenutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt. (2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschriften. § 908. Drohender Einsturz Droht einem Grundstücke die Gefahr, daß es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstücke verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Welkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, daß er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft. § 909. Vertiefung Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. § 910. Überhang (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

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A . Bürgerliches Gesetzbuch

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. § 911. Überfall Früchte, die von einem Baume oder einem Strauche auf ein Nachbargrundstück hinüberfallen, gelten als Früchte dieses Grundstücks. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn das Nachbargrundstück dem öffentlichen Gebrauche dient. § 912. Überbau (1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne daß ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, daß er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. (2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend. § 9x3. Rente für den Überbau (1) Die Rente für den Überbau ist dem jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigentümer des anderen Grundstücks zu entrichten. (2) Die Rente ist jährlich im voraus zu entrichten. §9*4(1) Das Recht auf die Rente geht allen Rechten an dem belasteten Grundstück, auch den älteren, vor. Es erlischt mit der Beseitigung des Überbaues. (2) Das Recht wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Zum Verzicht auf das Recht sowie zur Feststellung der Höhe der Rente durch Vertrag ist die Eintragung erforderlich. (3) Im übrigen finden die Vorschriften Anwendung, die für eine zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks bestehende Reallast gelten. §9*5(1) Der Rentenberechtigte kann jederzeit verlangen, daß der Rentenpflichtige ihm gegen Übertragung des Eigentums an dem überbauten Teile des Grundstücks den Wert ersetzt, den dieser Teil zur Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat. Macht er von dieser Befugnis Gebrauch, so bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Teile nach den Vorschriften über den Kauf.

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Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen

(2) Für die Zeit bis zur Übertragung des Eigentums ist die Rente fortzuentrichten. § 916Wird durch den Überbau ein Erbbaurecht oder eine Dienstbarkeit an dem Nachbargrundstücke beeinträchtigt, so finden zugunsten des Berechtigten die Vorschriften der §§ 912 bis 914 entsprechende Anwendung. § 917. Notweg (1) Fehlt einem Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, daß sie bis 2ur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichen Falles durch Urteil bestimmt. (2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung. § 918. (1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. (2) Wird infolge der Veräußerung eines Teiles des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teiles, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teiles steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich. § 919. Grenzabmarkung (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangen, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt. (2) Die Art der Abmarkung und das Verfahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen; enthalten diese keine Vorschriften, so entscheidet die Ortsüblichkeit. (3) Die Kosten der Abmarkung sind von den Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen, sofern nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein anderes ergibt. 4

A. Bürgerliches Gesetzbuch

§ 920. Grenzverwirrung (1) Läßt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen. (2) Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnisse führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht. § 921. Grenzanlagen Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum Vorteile beider Grundstücke dient, voneinander geschieden, so wird vermutet, daß die Eigentümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört. § 922. Sind die Nachbarn zur Benutzung einer der im § 921 bezeichneten Einrichtungen gemeinschaftlich berechtigt, so kann jeder sie zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen, als nicht die Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird. Die Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen. Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestande der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im übrigen bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn nach den Vorschriften über die Gemeinschaft. § 923. Grenzbaum (1) Steht auf der Grenze ein Baum, so gebühren die Früchte und, wenn der Baum gefällt wird, auch der Baum den Nachbarn zu gleichen Teilen. (2) Jeder der Nachbarn kann die Beseitigung des Baumes verlangen. Die Kosten der Beseitigung fallen den Nachbarn zu gleichen Teilen zur Last. Der Nachbar, der die Beseitigung verlangt, hat jedoch die Kosten allein zu tragen, wenn der andere auf sein Recht an dem Baume verzichtet; er erwirbt in diesem Falle mit der Trennung des Alleineigentum. Der Anspruch auf die Beseitigung ist ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzeichen ersetzt werden kann. 5

Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen

(3) Diese Vorschriften gelten auch für einen auf der Grenze stehenden Strauch. § 924. Unverjährbarkeit nachbarrechtlicher Ansprüche Die Ansprüche, die sich aus den §§ 907 bis 909, 915, dem § 917 A b s . 1, dem § 918 Abs. 2, den §§ 919, 920 und dem § 923 Abs. 2 ergeben, unterliegen nicht der Verjährung. § 925. Auflassung (1) D i e zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile v o r einer zuständigen Stelle erklärt werden. Zur Entgegennahme der Auflassung sind, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, das Grundbuchamt, jedes Amtsgericht und jeder Notar zuständig. Eine Auflassung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich erklärt werden. (2) Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam. § 925 a. Voraussetzungen der Auflassung Die Erklärung einer Auflassung soll nur entgegengenommen werden, wenn die nach § 3 1 3 Satz 1 erforderliche Urkunde über den Vertrag vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird. § 926. Erwerb des Zubehörs (1) Sind der Veräußerer und der Erwerber darüber einig, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör des Grundstücks erstrecken soll, so erlangt der Erwerber mit dem Eigentum an dem Grundstück auch das Eigentum an den zur Zeit des Erwerbes vorhandenen Zubehörstücken, soweit sie den Veräußerer gehören. Im Zweifel ist anzunehmen, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör erstrecken soll. (2) Erlangt der Erwerber auf Grund der Veräußerung den Besitz v o n Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht gehören oder mit Rechten Dritter belastet sind, so finden die Vorschriften der §§ 932 bis 936 Anwendung; für den guten Glauben des Erwerbers ist die Zeit der Erlangung des Besitzes maßgebend. § 927. Aufgebot des Eigentümers (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann, wenn das Grundstück seit dreißig Jahren im Eigenbesitz eines anderen ist, im Wege des A u f 6

A. Bürgerliches Gesetzbuch

gebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden. Die Besitz2eit wird in gleicher Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer beweglichen Sache. Ist der Eigentümer im Grundbuch eingetragen, so ist das Aufgebotsverfahren nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und eine Eintragung in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigentümers bedurfte, seit dreißig Jahren nicht erfolgt ist. (2) Derjenige, welcher das Ausschlußurteil erwirkt hat, erlangt das Eigentum dadurch, daß er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. (3) Ist vor der Erlassung des Ausschlußurteils ein Dritter als Eigentümer oder wegen des Eigentums eines Dritten ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen worden, so wirkt das Urteil nicht gegen den Dritten. § 928. Verzicht auf das Eigentum (1) Das Eigentum an einem Grundstücke kann dadurch aufgegeben werden, daß der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamte gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird. (2) Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus des B u n d e s s t a a t s zu, in dessen Gebiete das Grundstück liegt. Der Fiskus erwirbt das Eigentum dadurch, daß er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. § 1018. Grunddienstbarkeit Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, daß dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder daß auf dem Grundstücke gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder daß die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit). § 1019. Begrenzung Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden. § 1020. Rücksicht auf den Eigentümer Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunüchts zu scho7

Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen

nen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigen Zustande zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert. § 1021. Unterhaltung von Anlagen (1) Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstücke, so kann bestimmt werden, daß der Eigentümer dieses Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigentümer das Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, so kann betimmt werden, daß der Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigentümers erforderlich ist. (2) Auf eine solche Unterhaltungspflicht finden die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung. § 1022. Besteht die Grunddienstbarkeit in dem Rechte, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten, so hat, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Eigentümer des belasteten Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Die Vorschrift des § 1021 Abs. 2 gilt auch für diese Unterhaltungspflicht. § 1023. Verlegung der Ausübung (1) Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigentümer die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist; die Kosten der Verlegung hat er zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt auch dann, wenn der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist. (2) Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. § 1024. Zusammentreffen Trifft eine Grunddienstbarkeit mit einer anderen Grunddienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrecht an dem Grundstücke dergestalt zusammen, daß die Rechte nebeneinander nicht oder nicht vollständig ausgeübt werden können, und haben die Rechte gleichen Rang, so kann jeder Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen entsprechende Regelung der Ausübung verlangen. 8

B. Ausführungsgesetz zum B G B

§ 1025. Teilung des herrschenden Grundstücks Wird das Grundstück des Berechtigten geteilt, so besteht die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort; die Ausübung ist jedoch im Zweifel nur in der Weise zulässig, daß sie für den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird. Gereicht die Dienstbarkeit nur einem der Teile zum Vorteile, so erlischt sie für die übrigen Teile. § 1026. Teilung des dienenden Grundstücks Wird das belastete Grundstück geteilt, so werden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, die Teile, welche außerhalb des Bereichs der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei. § 1027. Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die im § 1004 bestimmten Rechte zu. § 1028. Erlöschen der Dienstbarkeit (1) Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht. (2) Die Verschriften des § 892 finden keine Anwendung. § 1029. Anwendung der Besitzschutzvorschriften Wird der Besitzer eines Grundstücks in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört, so finden die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal, ausgeübt worden ist.

B. Ausführungsgesetz zum BGB Nachbarrecht A r t i k e l 62 Sind Fenster weniger als 0.60 m von der Grenze eines Nachbargrundstückes entfernt, das mit Gebäuden versehen ist oder als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, daß bis zur Höhe von 1,80 m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das

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Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen Durchblickea möglich ist. Die Entfernung wird von dem Fuße der Wand, iü der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen. Den Fenstern stehen Lichtöffhungen jeder Art gleich. A r t i k e l 63 B a l k o n e , Erker, Gallerien und ähnliche Anlagen, die weniger als 0,60 m von der Grenze eines Nachbargrundstücks abstehen, das mit Gebäuden versehen ist oder als Hofraum oder Hausgarten dient, müssen auf der dem Nachbar* grundstück zugekehrten Seite auf Verlangen des Nachbars mit einem der Vorschrift des Artikel 62 entsprechenden Abschlusses versehen werden. Der Abstand wird bei vorspringenden Anlagen von dem zunächst an der Grenze befindlichen Vorsprung ab, bei anderen Anlagen nach Artikel 62 Abs. 1 Satz 28 gemessen. A r t i k e l 64 Die Vorschriften der Artikel 62, 63 kommen auch gegenüber einem Grundstücke, das einer öffentlichen Eisenbahnanlage dient, zur Anwendung. Die Fenster und anderen Lichtöffnungen sowie der Abschluß der im Artikel 63 bezeichneten Anlagen dürfen jedoch so eingerichtet werden, daß sie das Durchblicken gestatten. A r t i k e l 65 Für Fenster, andere Lichtöffnungen und Anlagen der im Artikel 63 bezeichneten Art, die sich an der B a u l i n i e befinden, gelten die Vorschriften der Artikel 62 bis 64 nicht. A r t i k e l 66 Für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden Lichtöffhungen, Fenster, Balkone, Erker und ähnlichen Anlagen bleiben die bisherigen Vorschriften in Geltung, soweit sie eine geringere Beschränkung bestimmen als die Artikel 62 bis 6$. A r t i k e l 67 Hat der Eigentümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den Vorschriften des Preußischen Landrechts durch Zeitablauf das Recht erlangt, daß zum Schutze seiner Fenster vor Verdunkelung mit Anlagen auf einem Nachbargrundstück ein bestimmter Abstand eingehalten werden muß, so gilt dieses Recht als Grunddienstbarkeit. Das gleiche gilt, wenn der Eigentümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den Vorschriften des Pfälzischen Rechtes durch Zeitablauf das Recht erlangt hat, Fenster, andere Lichtoflhungen oder Anlagen der im Artikel 63 bezeichneten Art zu halten, die den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen^ A r t i k e l 68 Werden zwei Grundstücke durch eine M a u e r geschieden, zu deren Benutzung die Eigentümer der Grundstücke gemeinschaftlich berechtigt sind, so kann der Eigentümer des einen Grundstücks dem Eigentümer des anderen Grundstücks nicht verbieten, die Mauer ihrer ganzen Dicke nach zu e r h ö h e n , wenn ihm nachgewiesen wird, daß durch die Erhöhung die Mauer nicht gefährdet wird. Der Eigentümer des Grundstücks, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, kann dem Eigentümer des anderen Grundstücks die Benutzung des Aufbaues verbieten, bis ihm für die Hälfte oder, wenn nur ein Teil des Aufbaues benutzt werden soll, für den entsprechenden Teil der Baukosten Ersatz geleistet wird. Ist der Bauwert geringer als der Betrag der Baukosten, so bestimmt sich der zu ersetzende Betrag nach dem Bauwerte. Die Ersatzleistung kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung erfolgen. Solange da9 Verbietungsrecht besteht, hat der Berechtigte den Mehraufwand zu tragen, den die Unterhaltung der Mauer infolge der Erhöhung verursacht. Wird die Mauer zum Zwecke der Erhöhung verstärkt, so ist die Verstärkung auf dem Grundstück anzubringen, dessen Eigentümer die Erhöhung unternimmt. Der nach Abs. 2 von dem Eigentümer des anderen Grundstücks zu ersetzende Betrag erhöht sich um den entsprechenden Teil des Wertes der zu der Verstärkung verwendeten Grundfläche. Verlangt der Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Verstärkung angebracht worden ist, die Ersatzleistung, so ist er verpflichtet, dem Eigentümer des anderen Grundstücks das Eigentum an der zu der Mauer verwendeten Grundfläche seines Grundstücks soweit zu übertragen, daß die neue Grenzlinie durch die Mitte der verstärkten Mauer geht; die Vorschriften über den Kauf finden Anwendung. A r t i k e l 69 Ist eine Mauer der im Artikel 68 Abs. 1 bezeichneten Art vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Eigentümer des einen Grundstücks erhöht worden, so finden, soweit nach den bisherigen Vorschriften für die Benutzung des Aufbaus seitens des Eigentümers des anderen Grundstücks ein Teil der Kosten zu ersetzen oder eine sonstige Vergütung zu leisten ist, die Vorschriften des Artike 68 Abs. 2, 3 Anwendung es sei denn, daß die Vergütung schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fällig geworden ist. A r t i k e l 70 Hat zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Eigentümer eines Grundstücks auf Grund eines ihm nach den bisherigen Vorschriften gegenüber dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks zustehenden Zwangsrechts eine Mauer, durch welche die Grundstücke geschieden werden, zu gemeinschaftlicher Benutzung zu errichten begonnen, so bleiben diese Vorschriften für das Recht und die Pflicht zur Herstellung der Mauer maßgebend.

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B. Ausführungsgesetz zum BGB Ist eine Mauer, durch welche zwei Grundstücke geschieden werden, von dem Eigentümer des einen Grundstücks auf Grund eines ihm nach den bisherigen Vorschriften gegenüber dem Eigentümer des anderen Grundstücks zustehenden Zwangsrechts zu gemeinschaftlicher Benutzung hergestellt worden, so finden an Stelle der bisherigen Vorschriften nach welchen im Falle der Benutzung der Mauer seitens des Eigentümers des anderen Grundstücks ein Teil der Kosten zu ersetzen ist, die Vorschriften des Artikel 68 Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung, es sei denn, daß der Ersatzanspruch schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fallig geworden ist. A r t i k e l 71 Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf einem Nachbargrundstücke nicht B ä u m e , S t r ä u c h e r oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als o,jo m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden. Zugunsten eines Waldgrundstücks kann nur die Einhaltung eines Abstandes von 0,50 m verlangt werden. Das gleiche gilt, wenn Wein oder Hopfen auf einem Grundstück angebaut wird, in dessen Lage dieser Anbau nach den örtlichen Verhältnissen üblich ist. A r t i k e l 72 Gegenüber einem landwirtschaftlich benutzten Grundstücke, dessen wirtschaftliche Bestimmung durch Schmälerung des Sonnenlichts erheblich beeinträchtigt werden würde, ist mit Bäumen von mehr als 2 m Höhe ein Abstand von 4 m einzuhalten. A u f Stein- und Kernobstbäume findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die Einhaltung des im Abs. 1 bestimmten Abstandes kann nur verlangt werden, wenn das Grundstück die bezeichnete wirtschaftliche Bestimmung schon zu der Zeit gehabt hat, zu welcher die Bäume die Höhe von 2 m überschritten haben. A r t i k e l 73 Der nach den Artikeln 7 1 , 72 einzuhaltende Abstand wird von der Mitte des Stammes an der Stelle, w o dieser aus dem Boden hervortritt, bei Sträuchern und Hecken von der Mitte der zunächst an der Grenze befindlichen Triebe, bei Hopfenstöcken von der Hopfenstange oder dem Steigdraht ab gemessen. A r t i k e l 74 Die Vorschriften der Artikel 7 1 , 72 finden keine Anwendung auf Gewächse, die sich hinter einer Mauer oder einer sonstigen dichten Einfriedigung befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen. Sie gelten ferner nicht für Bäume, die längs einer öffentlichen Straße oder auf einem öffentlichen Platze gehalten werden, sowie für Pflanzungen, die zum Uferschutze, zum Schutze von Abhängen oder Böschungen oder zum Schutze einer Eisenbahn dienen. Die Vorschrift des Artikel 72 Abs. 1 gilt auch nicht für Bäume, die sich in einem Hofraum oder einem Hausgarten befinden. Im Falle einer Aufforstung kann die Einhaltung des im Artikel 72 Abs. 1 bestimmten Abstandes nicht verlangt werden, wenn die Aufforstung nach der Lage des aufzuforstenden Grundstücks der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit entspricht. A r t i k e l 75 Für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorhandenen Bäume, Sträucher und Hecken, Weinstöcke und Hopfenstöcke verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften, soweit sie das Halten der Gewächse in einer geringeren als der nach den Artikeln 71 bis 74 einzuhaltenden Entfernung von der Grenze des Nachbargrundstücks gestatten. Bei einem Grundstücke, das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Wald bestanden ist, gilt bis zur nächsten Verjüngung des Waldes das gleiche auch für neue Bäume und Sträucher. Im Falle der Verjüngung kann die Einhaltung eines mehr als 2 m betragenden Abstandes nicht verlangt werden. Die Verjüngung gilt im Falle des Plenterbetriebes am 1. Januar 1950 als eingetreten. A r t i k e l 76 Soweit in den Landesteilen rechts des Rheins nach örtlichem Herkommen bei der Bestellung landwirtschaftlicher Grundstücke die Überschreitung der Grenze eines Nachbargrundstücks gestattet ist ( A n w e n d e r e c h t ) , bleibt diese Befugnis mit dem bisherigen Inhalte bestehen. A r t i k e l 77 Die im Artikel 68 Abs. 2, im Artikel 69, im Artikel 70 Abs. 2 und im Artikel 76 bezeichneten nachbarrechtlichen Befugnisse erlöschen durch V e r z i c h t des Berechtigten. Der Verzicht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks. Die Erklärung muß im Falle des Artikel 76 in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Ist das Grundstück des Berechtigten mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des § 876 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Im Falle der Belastung mit einer Reallast, einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld ist der Verzicht auf das im Artikel 68 Abs. 2, im Artikel 69 und im Artikel 70 Abs. 2 bezeichnete Vertretungsrecht dem Dritten gegenüber wirksam, wenn er erfolgt, bevor das Grundstück zugunsten des Dritten in Beschlag genommen worden ist. A r t i k e l 78 Die sich aus den Vorschriften der Artikel 62 und des Artikel 68 Abs. 1 ergebenden Ansprüche unterliegen nicht der V e r j ä h r u n g . Der Anspruch auf Beseitigung eines die Vorschriften der Artikel 71 bis 75 verletzenden Zustandes

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Die für das Nachbarrecht wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen verjährt In fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe des Kalenderjahres, in welchem die Verletzung erkennbar wird. Werden Gewächse, in Ansehung deren der Anspruch verjährt ist, durch neue ersetzt, so ist die vollendete Verjährung ohne Einfluß auf das Recht des Eigentümers des Nachbargrundstücks, in Ansehung der neuen Gewächse die Einhaltung des in den Artikeln 71 bis 74 und im Artikel 75 Abs. 2 vorgeschriebenen Abstandes zu verlangen. A r t i k e l 79 Ein Anwenderecht erlischt mit dem Ablaufe von zehn Jahren nach der letzten Ausübung. Die für die Verjährung geltenden Vorschriften der § § 202 bis 207, 290 bis 212, 216, 217, 219, 220 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. A r t i k e l 80 Die Vorschrift des § 26 der Gewerbeordnung findet auf Eisenbahn-, Dampfschifiahrts- und ähnliche Unternehmungen, welche dem öffentlichen Verkehr dienen, entsprechende Anwendung. Bayer. Übergangsvorschriften zum B G B v. 9. 6. 1899 — BayBS IQ 101. A r t i k e l 9. Eigentumsbeschränkungen: Der Eigentumer eines Waldgrundstücks ist verpflichtet, die Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die von einem Nachbargrundstttck eingedrungen sind, das zur Zeit des Inkrafttretens des B G B mit Wald bestanden war, sowie die von einem solchen Grundstück herüberhängenden Zweige zu dulden, bis auf dem Nachbargrundstück die nächste Verfügung des Waldes stattfindet. Dem Eigentümer eines anderen Grundstücks obliegt die gleiche D u l d u n g s p f l i c h t gegenüber den herüberhängenden Zweigen, soweit diese mindestens 5 m vom Boden entfernt sind. Die Entfernung wird bis zu den unteren Spitzen der Zweige gemessen. Für die Beseitigung überhängender Zweige, die weniger als 5 m vom Boden entfernt sind, ist dem Eigentümer des mit Wald bestandenen Grundstücks eine dem Umfang der Arbeit für das ganze Grundstück entsprechende Frist von höchstens zwei Jahren zu gewähren. A u f der westlichen, nordwestlichen, südwestlichen und südlichen Seite des mit Wald bestandenen Grundstücks müssen auch solche herüberhängende Zweige geduldet werden, wenn im Falle der Beseitigung der Fortbestand eines zum Schutz des Waldes erforderlichen Baumes oder Strauches gefährdet oder die Ertragsfahigkeit des Waldbodens infolge Eindringens von Wind und Sonne beeinträchtigt werden würde. Im Falle des Plenterbetriebes gilt als Zeitpunkt für die nächste Verjüngung der Beginn des Jahres 1950.

C. Zusammenstellung der Vorschriften aus dem Ausführungsgesetz zum B G B für die ehemals Coburgschen Landesteile Bekanntmachung v. 30.1.1922 (GVB1 155) A r t i k e l 24. Nachbarrecht: § 1. Kann die Errichtung, Ausbesserung oder Wiederherstellung des Bauwerks nicht bewirkt werden ohne daß die Nachbargrundstücke betreten oder ein Baugerüst auf oder über dem Nachbargrundstück errichtet wird oder Materialien über dasselbe herbeigeschafft oder auf demselben niedergelegt werden, so hat der Nachbar die Benützung des Grundstücks in dem zur Erreichung des Zweckes notwendigen Umfang dem Eigentümer zu gestatten. Der Nachbar kann Ersatz des entstandenen Schadens verlangen. E r kann, wenn die Entstehung eines Schadens zu besorgen ist, die Gestattung verweigern, bis ihm Sicherheit geleistet ist. § 2. Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf dem Nachbargrundstück schadendrohende Anlagen nicht hergestellt oder gehalten werden, ohne daß der (polizeilich) vorgeschriebene Abstand von der Grenze eingehalten ist und die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen getroffen sind. Zu diesen Anlagen sind jedenfalls Aborte, Senkgruben, Dungstätten, Bienenstöcke und Viehställe zu rechnen. § 3. Der Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks kann verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken Bäume und Sträucher nur in dem gesetzlich bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden. Der Abstand beträgt: für Bäume und Sträucher, solange sie die Höhe von 2 m nicht überschreiten 0,50 m für Bäume und Sträucher, welche höher als 2 m sind, soweit nicht ein höherer Abstand vorgeschrieben ist 2 m für Kern- und Steinobstbäume 3,50 m für Waldbäume aller Art, für Linden, Pappeln, Nußbäume, Kastanien und andere Bäume von derartigen Größen 4 m. § 6. Die Vorschriften des § 3 gelten nicht für Bäume und Sträucher, die sich in einem Hofraum oder Hausgarten befinden oder die hinter einer Mauer oder einer sonstigen Einfriedung so gehalten werden, daß sie diese nicht oder nicht erheblich überragen.

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C. Zusammenstellung der Vorschriften Sie gelten feiner nicht für Einpflanzungen längst einer Öffentlichen Straße oder auf einem öffentlichen Platz sowie für Hinpflanzungen zum Schutz der Ufer, Abhänge, Böschungen und Eisenbahnen. $ 9. Die Vorschriften der bisherigen Gesetze, welche Beschränkungen des Eigentums zugunsten der Nachbarn enthalten, werden aufgehoben. A r t i k e l 25. § 26 Gewerbeordnung findet auf Eisenbahnen und ähnliche Unternehmungen, welche dem öffentlichen Verkehr dienen, entsprechende Anwendung. A r t i k e l 28. Inhalt und Maß nachstehender Dienstbarkeiten reichten sich, soweit nichts anderes vereinbart ist, nach folgenden Vorschriften: § 1. In der Dienstbarkeit, Balken oder andere Baustücke in die Wände oder Mauern des benachbarten Grundstücks einzulegen, ist das Recht enthalten, die schadhaft und unbrauchbar gewordenen Balken usw. wiederherzustellen oder durch neue zu ersetzen. § Die Lichtgerechtigkeit besteht datin, daß auf dem belasteten Grundstück nichts vorgenommen werden darf, wodurch der Öffnung oder der Räumlichkeit, auf die sich die Dienstbarkeit bezieht, das Licht entzogen oder geschmälert wird* § 4. Ist das Lichtrecht gestattet, so darf der Einfall des Lichts nicht weiter als bis zur Höhe eines halben Winkels von der Sohlbank des Fensters aufwärts entzogen werden. § j . Das Lichtrecht gibt die Befugnis, die Herstellung von Anlagen auf dem belasteten Grundstück zu verbieten, durch welche die bezeugte Aussicht entzogen oder geschmälert wird. § 6. Das Recht, ein Fenster in fremder oder gemeinschaftlicher Mauer zu haben, enthält auch das Lichtrecht, das Recht der Aussicht, aber nur dann, wenn es besonders erworben ist. $ 7. Das Recht des Fußstegs umfaßt die Befugnis, auf dem Steige zu gehen und, soweit die örtlichkeit gestattet, darauf Lasten zu tragen und sie durch Menschen tragen zu lassen. 5 15. Alle Vorschriften der vorerwähnten bisherigen Gesetze, welche über Inhalt und Maß der vorerwähnten Grunddienstbarkeiten Bestimmungen treffen, werden aufgehoben.

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I. A b s c h n i t t

Die räumliche Begrenzung des Eigentums § i. Das Grundstück und seine Begrenzung I. D e r B e g r i f f des G r u n d s t ü c k s Der Begriff des Grundstücks ist nicht von der Natur gegeben, sondern von der Rechtsordnung geschaffen, aber auch hier nicht einheitlich verwendet. Er ist weder im B G B noch in der G B O erläutert. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird jeder individuell bestimmte Teil von Grund und Boden als Grundstück bezeichnet. Im Bereich des bürgerlichen Rechts versteht man darunter einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch auf einem eigenen Blatt ( § 3 GBO) oder im Falle gemeinschaftlicher Buchung (§4 GBO) unter einer besonderen Nummer des Bestandsverzeichnisses (§6 GBVerf.) als selbständiges Grundstück gebucht ist. 1 ) Als amtliches Verzeichnis i. S. des § 2 Abs. 2 G B O gilt auch der Flurbereinigungsplan gem. § 81 Abs. 1 Flurber. Ges. v. 14. 7. 53 — BGBl. I 591 —, solange bis das Liegenschaftskataster berichtigt ist. Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt nur die Erdoberfläche, nicht die darunter liegende Erdmasse und läßt außer acht, daß es auch Grundstücke gibt, die nicht dem Buchungszwang unterliegen, wie öffentliche Wege und Wasserläufe sowie die Grundstücke öffentlicher Körperschaften (§3 Abs. 2a GBO). Richtig wird man daher als Grundstück im Rechtssinn einen räumlich abgegrenzten Teil der in natürlichem Zusammenhang stehenden Erdmasse zu verstehen haben, gleichviel ob dieser im Grundbuch als selbständiges Grundstück gebucht ist oder ob er zu den buchungsfreien Grundstücken i. S. des § 3 Abs. 2 G B O gehört (vgl. Art. 127 E G B G B Art. 83 BayAGBGB). 2 ) Vgl. R G Z 68, 25; 73, 123; 84, 270; K G J 49, 253; 53, 1 7 1 ; R J A 11, 233; O L G 21, 404; BayObLGZ 5, 428; BayZt. 31, 160; BayObLGZ 1954, 262; SeufBl. 177, 351. 2 ) Vgl. Die Motive (3, 48) sprechen von einem „mathematisch abgegrenzten Erdausschnitt".

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

I

Im katastertechnischen Sinn spricht man von Flurstück oder Katasterparzelle und meint damit einen räumlich begrenzten Teil der Erdmasse, der von einer in sich zurücklaufenden Linie umschlossen und in der Flurkarte unter einer besonderen Nummer aufgeführt ist (§58 Abs. 2 Dienstanw. f. Vermessungsämter v. 10. 5. 43 — BayGVBl. 84 — idF. v. 15. 4. 55 — GVB1. 117) 3 ). Ein Grundbuchgrundstück kann mit einem Flurstück identisch sein (Idealfall), kann aber auch mehrere Flurstücke umfassen. Mehrere Grundstücke desselben Eigentümers können auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt eingetragen werden, solange keine Verwirrung zu besorgen ist ( § 4 GBO) 4 ), bleiben aber selbständige Grundstücke, selbst wenn sie zu einer neuen Flurnummer zusammengemessen werden6). In einzelnen Gesetzen, z.B. ReichssiedlGes. v. 1 1 . 8. 1919 nebst § 4 AusfBest. hiezu (RGBl. I, 1429) wird der Grundstücksbegriff rein wirtschaftlich aufgefaßt und deshalb die in der Hand eines Eigentümers zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßte Grundfläche als Grundstück bezeichnet6). Auch Westermann (SR § 71, II) stellt dem Grundbuchgrundstück das Wirtschaftsgrundstück (§ 873 B G B ) gegenüber. Eine gewisse Bedeutung hat auch der von Schneider und von Meisner7) aufgestellte historische Grundstücksbegriff für die buchungsfreien Grundflächen, insbesondere in Fällen, in denen der Gegenbeweis gegen die Vermutung des § 891 B G B erbracht werden soll, daß die Katastergrenzen unrichtig seien8). Die Abgrenzung, Teilung und Vereinigung der Grundstücke erfolgt durch die Willenserklärung des Berechtigten (vgl. SeuffBl. 73, 102; BayZ 1908,405). Hiezu ist in rechtlicher Beziehung erforderlich eine Kundgebung des Eigentümers, daß er den auf der Erde gekennzeichneten Teil der Erde als Einheit aufgefaßt wissen will. Die V e r e i n i g u n g mehrerer Grundstücke (§890 Abs. 1 B G B ; § 5 GBO) erfordert eine Willenserklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt, daß ein bestimmter Erdausschnitt als einheitliches, selbständiges Grundstück im Grundbuch eingetragen werde (§§ 13, 29 GBO), sowie die Eintragung dieser Verbindung der mehreren Grundstücke zu einem Grundstück (vgl. R G in JW 1937, 896; BayObZ 14, 342; K G J 30, 178; 31, 326; vgl. auch BayObZ 1954, 258). § 890 Abs. 1 B G B i. Verb. m. § 5 G B O hat mehrere selbständige Grundstücke im Auge. 3

) Vgl. BayObZ 54, 262. ) Vgl. K G in DR 42, 1710; O L G 39, 221. ) Vgl. K G in HRR 41 Nr. 28, BayOb. in BayZ 13, 338; K G J 49, 233; BayObZ 33, 273; Schmitt in BayNotZ 13, 210. 5 ) Vgl. R G in J W 26, 2628; J F G 4, 307. ') Seuff. Bl. 76, 263; 77, 351. 8 ) Vgl. BayOb. in HRR 31, Nr. 160; J F G 8, 216; K G J 49, 233; 53, 172. 4

E

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§ 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

I

Ein Grundstücksteil (Flurstück oder Katasterparzelle) muß vorher als selbständiges Grundstück gebucht werden. Soll die Verselbständigung nur vorübergehenden Charakter haben, dann genügt es, wenn dieser Teil als „Zuflurstück" bezeichnet wird (BGH in DNotZ 1954, 197; BayObZ 1954, 258; Henke-Mönch-Horber § 5 Anm. 2). Die Verbindung mehrerer Grundstücke zu einem selbständigen Grundstück kann auch durch Z u s c h r e i b u n g eines Grundstücks (bzw. Zuflurstücks) oder grundstücksgleichen Rechts als Bestandteil eines selbständigen Grundstücks (§ 890 Abs. 2 B G B , § 6 B G O ) geschehen. Auch hierfür ist die Willenserklärung des Grundeigentümers gegenüber dem Grundbuchamt notwendig sowie die Eintragung der Bestandteilszuschreibung im Grundbuch ( K G J 31, 239; B G H in DNotZ. 1954, 197; BayObZ 1954, 258; K G H R R 1941 Nr. 28). Ein mit Teileigentum verbundener Miteigentumsanteil an einem Grundstück kann ebensowenig wie ein normaler Miteigentumsanteil einem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben oder mit einem Grundstück vereinigt werden9). Der Eigentümer hat die Wahl zwischen der Vereinigung nach § 890 Abs. 1 und der Zuschreibung nach § 890 Abs. 2 B G B ; beide Verfahren unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf (am Hauptgrundstück) bestehende Grundpfandrechte dadurch, daß sich diese nur mit der Zuschreibung kraft Gesetzes auf das zugeschriebene Grundstück erstrecken (§§ 1 1 3 1 , 1192 u. 1194 B G B ; R G Z 68, 82; BayOb. in O L G 20, 401). Auf dem zugeschriebenen Grundstück lastende Pfandrechte ergreifen das Hauptgrundstück nicht ohne weiteres; sie können hierauf durch besondere Willenserklärung ausgedehnt werden. Die T e i l u n g eines Grundstücks in reale Teile wird zwar im B G B nicht ausdrücklich behandelt, ist jedoch materiellrechtlich aus § 903 B G B abzuleiten und in § 2 Abs. 3 u. § 7 Abs. 1 G B O vorgesehen. Sie erfordert — ebenso wie die Verbindung und deren Wiederaufhebung — eine Willenserklärung des Eigentümers (§§ 13, 29, B G O ) gegenüber dem Grundbuchamt, daß und in welcher Weise das betreffende Grundbuchgrundstück in selbständige Teilgrundstücke zerlegt werden soll, sowie deren Eintragung im Grundbuch (vgl. K G in J W 1937, 896). Wird über einen messungstechnisch selbständigen Teil eines Grundstücks durch Veräußerung oder Belastung verfügt, so liegt in dieser Verfügung die Teilungserklärung. Eine gesonderte Teilungserklärung ist hier nicht erforderlich. Eine Belastung steht der Eintragung der Teilung ebensowenig im Wege wie es auch einer Zustimmung dinglich Berechtigter nicht bedarf. Art. 5 2 B a y A G FlurberGes. v. 1 1 . 8. 1954 (GVB1.165) verlangt, daß bei Teilung im Bereich

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) Staudenmaier, N J W 1964 S. 2145.

Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

I einer Flurbereinigung Wirtschaftswege für die Teilgrundstücke gesichert sein müssen10). Die einzelnen Grundstücke werden gem. § 2 Abs. 2 G B O nach einem amtlichen Verzeichnis benannt, in dem sie unter bestimmten Nummern aufgeführt sind. Die in Bayern übliche Benennung nach dem Grundsteuerkataster nebst Katasterplan (§6 GBVerf. in Verb. m. R J M vom 30. 3. 1939 D J 534) ist durch V O v. 23. 1. 1940 nebst A V O v. 28. 4. 1941 (DJ 548) mit Änderung v. 20. 1. 1940 (DJ 212) u. v. 26. 1. 1942 (DJ 85) sowie durch BayJMBekm. f. 31. 3. 1952 (JMB1. 101) dahin geändert, daß nunmehr das Liegenschaftskataster als Grundlage der Benennung gilt. Als Teilung ist auch die Wiederaufhebung einer Vereinigung oder Zuschreibung zu behandeln. Das Verfahren richtet sich nach §§ 5—7 u. 46 Abs. 2 in Verb, mit § 48 GBO. Sind im Grundbuch mehrere Parzellen unter einer Nummer vereinigt, so stellen sich diese Katastergrundstücke als unselbständige (aber nicht wesentliche) Bestandteile des einheitlichen Grundbuchgrundstücks dar (vgl. O L G 43, 6). Da mehrere im amtlichen Verzeichnis aufgeführte Grundstücke auf Antrag des Eigentümers als ein Grunstück im Grundbuch eingetragen werden können, so kann ein Teil eines Grundstücks (im Sinn von Art. 120 Abs. 1 E G B G B ) auch eine einzelne ganze Flst.-Nr. sein, wenn mehrere Flst.-Nr. nach § 890 B G B ein einheitliches Grundstück bilden (Ob L G 31, 3). Die Aufhebung dieser Vereinigung ist eine Teilung. Eine solche Teilung ist jedoch nicht genehmigungspflichtig nach § 19 BundesbauG. Die gegenteilige Meinung, die von den meisten Grundbuchämtern vertreten wird, ist abzulehnen. Sinn der Bestimmung des § 19 BundesbauG ist, der Behörde möglichst frühzeitig die Gelegenheit zu geben, ordnend bereits dann eingreifen zu können, wenn das Grundstück aufgeteilt wird 11 ). Das bedeutet aber eine messungstechnische Aufteilung. Man denke nur an den Fall, daß zwei Grundstücke die u.U. viele Kilometer voneinander entfernt in verschiedenen Gemarkungen liegen, als ein Grundstück im Grundbuch eingetragen sind. Die Aufhebung einer solchen Vereinigung dürfte wohl kaum irgend einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zuwiderlaufen können. Das Grundstück besteht demnach aus dem durch die Grenzen festgelegten Ausschnitt der Erdoberfläche mit dem darunter befindlichen Teil des Erdkörpers. Es ist ein Körper, keine Fläche. Die Begrenzung der zum Grundstück gehörigen Erdmasse wird durch mathematische Flächen be10 ) Beachte § 19 BundesBauG, wonach bei einer Teilung in bestimmten Fällen die Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde erforderlich ist. u ) Vgl. Heitzer-Östreicher Anm. 3 zu § 19 BBauG.

2 Meisner-Ring, Nachbarrccht, 6. Aufl.

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§1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

III

stimmt 12 ), die sich von den auf der Oberfläche gedachtenGrenzlinien in lotrechterRichtung nach unten erstrecken, bis sie in einem Punkt,dem Mittelpunkt der Erde, zusammenlaufen. Der durch diese Flächen umschlossene, sich nach unten bis zu einer Spitze verjüngende Erdkörperteil bildet das Grundstück. I I . E r d k ö r p e r und L u f t r a u m i. Die Vorstellung eines aus dem Erdkörper herausgeschnittenen Teiles, dessen Endpunkt mit einem Mittelpunkt der Erde zusammenfällt, würde theoretisch dem Eigentümer des Grundstückes die Berechtigung geben, mit dem unter der Oberfläche seines Grundstückes gelegenen Boden bis zum Mittelpunkt der Erde nach seinem Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903). Der Gesetzgeber wollte einerseits diese Folgerung nicht verwerfen; andrerseits scheute er sich, die für menschliches Vermögen recht überhebliche Folgerung auszusprechen. Diesem Widerstreit verdanken wir die Fassung des § 905, wonach sich das „Recht des Eigentümers" eines Grundstückes auf den Raum über der Erdoberfläche und den Erdkörper 13 ) unter der Erdoberfläche „erstreckt". Der L u f t r a u m als solcher und die f r e i e L u f t sind nicht Bestandteile des Grundstücks wie ein Bauwerk und können nicht als Gegenstand des Eigentums betrachtet werden, unterstehen jedoch der Machtbefugnis des Eigentümers des Grundstücks (vgl. Prot. II 3 S. 122, wo von Befugnissendes Eigentümers gesprochen wird, um nicht ein Eigentum am Raum anzuerkennen). Dagegen ist ein Eigentum an der festen Masse des Erdkörpers bis zu einer gewissen Tiefe für die Rechtsordnung unentbehrlich. Das „Recht des Eigentümers" ist der übergeordnete Begriff. Unter ihn fallen das Eigentum am Erdkörper 14 ) und die Machtbefugnis am Luftraum, insbesondere das 12

) Vgl. Monich, JherJ. 38, 178. Uber Wassergrundstücke s. R G . 53, 98. ) Der Ausdruck „Erdkörper" ist ungenau; auch unterirdische Höhlen und Gewässer gehören dazu; vgl. Gierke DPrR. II § 123 Anm. 3; R G in Z Z 1925, 715. — Auf das Bergwerkseigentum findet § 905 keine Anwendung. Art. 44 bayer. BergG erklärt lediglich die Vorschriften des B G B über den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum für anwendbar; vgl. die auf Grund des (mit Art. 44 bayer. BergG übereinstimmenden) § 50 Abs. 3 preuß. BergG ergangenen RGEntsch. 73, 304; 87, 400). 14 ) Theoretisch steht der ganze Erdausschnitt bis zum Mittelpunkt der Erde im Eigentum des Grundstückseigentümers. Praktisch wird diese Theorie nur insoweit, als man tatsächlich in der Lage ist, auf die Bestandteile des Erdkörpers einzuwirken. Unabhängig davon und daneben besteht das Gewinnungsrecht an den dem Bergbau vorbehaltenen Bodenbestandteilen. Diese stehen auch schon vor der Verleihung des Bergwerkseigentums nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers und diesem steht als solchem auch kein Gewinnungsrecht hierauf zu. E s handelt sich also um zwei Rechte verschiedenen Charakters am Erdkörper (vgl. R G vom 24. 10. 1888 in Brassert Z . f. Bergrecht 30, 105): Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, das die ganze Erdrinde durchzieht, insoweit ihre Teile nicht dem Bergbau vorbehalten sind, und das Gewinnungsrecht auf die dem Bergbau vorbehaltenen Teile. Dieses steht demjenigen zu, dem das Bergwerkseigentum verliehen ist und vor der Verleihung niemand. la

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

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Recht (innerhalb der Schranken des § 903 BGB), in die T i e f e zu bauen, unterirdische Anlagen (Keller) zu errichten und Bodenbestandteile sowie Wasser zu entnehmen, ferner in die H ö h e zu bauen und die im Luftraum wirkenden Kräfte (z.B. Sonne, Wind elektr. Energie usw.) auszunützen (vgl. R G in H R R 1926 Nr. 1938 und J W 1928, 502; Gebhard in BayZ 1923, 201). Dieses R e c h t am L u f t r a u m erschöpft sich in der Befugnis zur Ausnützung des Luftraums, soweit sie vom Grundstück aus und in Verbindung mit diesem ausgeübt werden kann, sowie in dem Recht solche Einwirkungen zu verbieten, die die Benutzung des Luftraums und des Grundstücks beeinträchtigen (Niemeyer, 31. DJ-Tag Bd. 2,39). Im übrigen ist dem Recht des Grundstückseigentümers, soweit das „nach Belieben Verfahren" (§ 903) in Betracht kommt, grundsätzlich keine Schranke hinsichdich der Höhe oder Tiefe gezogen. Die andere Seite des Rechts des Grundstückseigentümers, Einwirkungen zu verbieten, wird jedoch eingeschränkt durch die Bestimmung in § 905 S. 2 B G B , wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er k e i n I n t e r e s s e daran hat, sie auszuschließen. 2. Dem Recht des Grundstückseigentümers untersteht grundsätzlich alles, was über oder unter der Erdoberfläche mit dem Grund und Boden fest verbunden ist. Eine A u s n a h m e gilt für Gebäude oder Anlagen, die n i c h t B e s t a n d t e i l e des Grund und Bodens geworden sind, weil sie nur zu einem v o r ü b e r g e h e n d e n Zwecke errichtet oder in Ausübung eines dinglichen Rechts (z. B. Dienstbarkeit, Nießbrauch, Erbbaurecht, Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht) vom Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§ 95 BGB) 1 5 ). In solchen Fällen wird dem Eigentümer des Gebäudes oder der Anlage auch das Recht auf den Luftraum über den Gebäuden einzuräumen sein, soweit sich nicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Berechtigten (Gebäudeeigentümer) etwas anderes ergibt. In aller Regel wird der Grundstückseigentümer kein Interesse (§ 226 B G B ) haben, dem Gebäudeeigentümer den Luftraum streitig zu machen. Inwieweit der Erdkörper unter dem Gebäude oder der Anlage für den Grundstückseigentümer noch verwertbar ist, hängt von den konkreten Verhältnissen ab. Inhalt des dinglichen Rechts wird idR nur das Errichten und Halten des betreffenden Bauwerks sein. Das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers am Erdkörper unter dem Gebäude bleibt bestehen, soweit es nicht ausdrücklich bei der Bestellung des dinglichen Rechts aufgegeben worden ist. Das gilt auch hinsichtlich eines auf Grund eines E r b b a u r e c h t s errichteten Bauwerks. " ) Vgl. O G H Z 1, 170; MDR 51, 736; Z G Trier in N J W 53, 703.

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§1 112

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Bei den auf Grund des W E G errichteten Gebäuden sind die Wohnungsoder Teileigentümer selbst Miteigentümer am gesamten Grund und Boden und haben daher alle Rechte über den Erdkörper, unter dem Gebäude und den Luftraum darüber in Miteigentümergemeinschaft gem. §§ ioff. W E G . Der Eigentümer eines F l u ß b e t t e s hat das Recht, Einwirkungen auf das Bett, auf das darin fließende Wasser sowie auf den Luftraum darüber zu verbieten. An dem fließenden Wasser ist 2war ein zivilrechtliches Eigentum praktisch nicht denkbar. Die Machtbefugnis des Grund- ( = Flußbett-) Eigentümers erstreckt sich jedoch auch hierauf ähnlich wie auf den Luftraum über einem Grundstück. Allerdings sind dabei die besonderen wasserrechtlichen Bestimmungen über den Gemeingebrauch (Art. 21 WG) 1 6 ) und über die eventuellen Nutzungsrechte Dritter (Wasserbenutzungsrechte, Fischereirechte usw.) gem. den Sondervorschriften des W G zu beachten. Eine den Gemeingebrauch überschreitende Einwirkung auf das Wasser kann der Flußbett-Eigentümer ebenso abwehren, wie solche auf das Grundstück selbst (§§ 903ff. BGB) 1 7 ). Die imBayWG getroffene Unterscheidung in Gewässer 1. Ordnung, 2. Ordnung und 3. Ordnung (Art. 2 WG) 18 ) hat für die Anwendung der §§ 903 fr. B G B keine besondere Bedeutung, da der Staat als Privateigentümer von Grundstücken grundsätzlich die zivilrechtliche Stellung eines Grundeigentümers einnimmt. Das Recht des Grundeigentümers am Luftraum erschöpft sich in dem ausschließlichen Recht auf Benützung des Luftraums, soweit es vom Grundstück aus und in Verbindung mit diesem ausgeübt werden kann. Es umfaßt das Verbietungsrecht gegen solche Einwirkungen, welche die Benützung des Luftraumes und die Benutzung des Grundstückes beeinträchtigen. Hiernach braucht sich der Grundstückseigentümer nicht das Überragen des Daches des Nachbarhauses oder eines Erkers in seinen Luftraum gefallen zu lassen, ebensowenig ein Übergreifen eines Kellers auf sein Grundstück. Die Rechte und Pflichten aus § 905 B G B gelten auch für den B e s i t z e r (Pächter) des Grundstücks 19 ). Auch der Besitzer kann gleich dem Eigentümer Einwirkungen auf das Grundstück verbieten. Nur solche Einwirkungen können verboten werden, die sich p o s i t i v gegen den Luftraum oder den Erdkörper richten. Daran fehlt es z. B., wenn 18

) Vgl. Anm. 18 u. § 25 W H G . ) Vgl. R G Z . 92, 48; 94, 35; J W 28, 503. ) Das Wasserhaushaltsgesetz v. 27. 7. 1957 (BGBl. 1 , 1 1 1 0 ) unterscheidet nur „oberirdische" Gewässer und Grundwasser, das B a y W G kennt Gewässer erster (Bundeswasserstraßen) und die in Anlage I aufgeführten Gewässer), zweiter (Gewässer von größerer Bedeutung nach Art. 3) sowie dritter Ordnung. Wegen des Eigentums an Gewässern s. Art. 4 u. 6. 17

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l *) Vgl. R G R Kom. Bern. 1, Staudinger-Seufert Randb. 3 a; Planck-Strecker Bern. 7 je zu § 905; Mörsich in JheringJ. 80, 315.

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durch einen Neubau auf dem Nachbargrundstück Licht und Luft, Sonne oder Wind entzogen werden20). Beispiele : Der Grundstückseigentümer kann verbieten die Anlage eines Tunnels unter seinem Wohnhaus vom Nachbargrundstück aus ( R G J W 1912, 869), ebenso den Uberbau eines Daches, Erkers in seinen Luftraum oder eines Kellers in den Erdkörper (vgl. R G Seuff A 65 Nr. 241 ; und Nr. 454: Anbringen von Schaukästen, die in den Luftraum des Grundstückseigentümers hineinragen) vgl. auch Gruch 54, 918; O L G 18, 1 2 1 ; R G Warn 1926 Nr. 158: Die Anbringung elektr. Leitungen zur Versorgung Dritter mit Energie 21 ).

3. Im Interesse eines geordneten nachbarlichen Zusammenlebens hat der Gesetzgeber eine Reihe von Beschränkungen des Grundeigentums, nämlich Duldungs- oder Unterlassungspflichten, als Ausnahme vom Grundsatz des § 905 Abs. 1 BGB festgelegt, so z.B. die Bestimmungen in § 905 Satz 2 (Duldung mäßiger Immissionen), ferner die Sondervorschriften über den Notweg (§917), den Überbau (§912) sowie den natürlichen Wasserlauf (Art. 65 E G BGB in Verb, mit Art. 7-14 BayWassG) den Grenzabstand von Pflanzen, Bäumen und Anlagen (Art. 122, 124 E G B G B in Verb. m. Art. 62 u. 72 BayA G B G B u. Art. 43 BayÜG), sowie die öffentlichen Vorschriften (siehe 5). a) Die Beschränkung des Machtbereichs des Grundstückseigentümers durch § 905 S. 2 BGB beruht auf demselben Gedanken wie das Schikaneverbot des § 226 BGB, geht jedoch weiter als dieses. Für die Anwendung des § 905 S. 2 genügt schon die Feststellung, daß der Eigentümer tatsächlich kein Interesse hat, Einwirkungen zu verbieten. Es kommt auch nicht darauf an, ob er etwa ein Interesse daran haben könnte. Ebenso ist es belanglos, ob der Zweck verfolgt wird, dem anderen Schaden zuzufügen. § 905 S. 2 BGB will eine allgemeine Duldungspflicht begründen (Prot. 3, 122 u. 126). Das Interesse braucht nicht etwa ein vermögensrechtliches zu sein; auch ein ästhetisches oder wissenschaftliches Interesse kann ein Verbot begründen22). Es muß sich um ein Interesse handeln, das schutzwürdig und irgendwie begründet ist, weil in Satz 2 ganz allgemein eine Duldungspflicht auferlegt ist. Es genügt daher z.B. das Interesse, das der Eigentümer am freien durch Leitungsdrähte nicht behinderten Anblick des Himmels hat (Prot. 2, 122). Nicht begründet wäre jedoch ein allzu persönliches Interesse, wie die zwar nachweisbare und nicht zu beseitigende, aber unbegründete 2°) Vgl. R G Z 51, 254; Seuff-A 6 4 N r . 225; J W 1909, 1 6 1 ; 1908 142. 21 ) Hier besteht jedoch die Möglichkeit einer Zwangsbelastung im Wege eines Enteignungsverfahrens gegen Entschädigung. 22 ) Vgl. Meisner in J W 27, 2533; O L G 5, 383; R G in Gruch 58, 201.

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Angst eines Hauseigentümers, Drähte über seinem Dach erhöhten die Blitzgefahr (Prot. 3, 122 u. 126); denn das ist kein wirkliches, sondern ein nur vermeintliches Interesse. Dagegen würde das Interesse des Hauseigentümers als ausreichend anerkannt werden, wenn ein Mieter aus übertriebener Angst vor einer infolge der Drähte befürchteten Blitzgefahr ausziehen wollte. Ebenso stören Drahtleitungen in aller Regel den Rundfunkund Fernsehempfang, wenn nicht gerade ein Sendeturm in unmittelbarer Nähe sich befindet. b) Schutzwürdig ist ein Interesse, das ein Grundstückseigentümer nach allgemeiner Verkehrsanschauung und nach Lage der örtlichen Verhältnisse an der Nutzung seines Grundstücks hat. Deshalb gilt schon das Interesse an einer erst in Z u k u n f t möglichen Art der Benutzung als schutzwürdig, wenn diese Benutzungsart bereits in Aussicht genommen ist, jedoch nicht jede nur denkbare Benutzung23). Die Prüfung der Schutzwürdigkeit des Interesses i. S. von § 905 Satz 2 erfordert somit, auf die künftige Entwicklung der maßgebenden Verhältnisse Rücksicht zu nehmen und auch die Möglichkeit einer k ü n f t i g e n Ä n d e r u n g der Benutzungsart zu erwägen24). Das I n t e r e s s e muß sich auf das G r u n d s t ü c k und den dazu gehörigen Rechtskreis beziehen und auf die Ausschließung der Einwirkung auf das Grundstück gerichtet sein. Deshalb gehören nicht hieher das Interesse einer Stadtgemeinde als Grundstückseigentümerin (einer öffentlichen Straße) an der Entrichtung einer Abgabe für die Benutzung des Luftraums zu Reklamezwecken, auch nicht der Hinweis der Stadt auf ihre Pflichten als Trägerin der Polizeigewalt, ebensowenig das Interesse an der Ausschaltung einer Konkurrenz. Daher kann eine Stadtgemeinde die Beseitigung der Drahtleitungen nicht verlangen, weil sie selbst elektrische Energie erzeugt und durch die Drähte, deren Beseitigung sie verlangt, anderen Grundstücken Strom zugeführt, ihr also Konkurrenz gemacht werde26). Dagegen kann das Recht, Einwirkungen zu verbieten, damit begründet werden, daß die fremden Drähte auf eine elektrische Leitung des Grundstückseigentümers störend wirken26). Aus der Fassung des Gesetzes „Einwirkungen..., die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat", darf nicht gefolgert werden, daß das Interesse nur nach ab25 ) Vgl. R G Z 123, 181; 132, 398; 150, 226; J W 28, 502; B G H in N J W 57, 1396 = LM Nr. 2 zu § 905 BGB. M ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 905 BGB. 26 ) Vgl. K G in J W 32,46; Gruch 58, 201; 69, 109; R G Z 123, 181; BGH in L M Nr. 2 zu § 905 = N J W 57, 1369; Seuff A 71 Nr. 89; D R Z 34, 534; R G in J W 28, 703. 2 ") Vgl. R G Warn. 31, Nr. 7; L Z 31, 320.

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strakten Grundsätzen zu erforschen sei (so Turnau-Förster § 905 Anm. 2); denn das würde dazu führen, daß § 905 S. 2 fast nie angewendet werden könnte, weil dann jede Möglichkeit einer Beeinträchtigung durch die Einwirkung ausgeschlossen sein müßte. Die Frage, ob der Grundstückseigentümer ein Interesse hat, ist vielmehr nach den k o n k r e t e n V e r h ä l t n i s s e n zu beurteilen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Wegfall des Interesses d u r c h die H ö h e o d e r die T i e f e , in der die Einwirkung vorgenommen wird, v e r u r s a c h t sein muß. Der Mangel des Interesses muß in der Höhe oder der Tiefe der Einwirkung seinen Grund haben27). Es kommt somit auf die E n t f e r n u n g an, in der die Einwirkung auf den Luftraum über bzw. auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche vorgenommen wird. Bei Einwirkungen, die innerhalb des zum Grundstück gehörenden Luftraums oder des dazu gehörenden Erdkörpers vorgenommen werden, hat der Grundeigentümer ein Interesse am Ausschluß aller Eingriffe, welche die Benutzung seines Grundstückes irgendwie beeinträchtigen, mögen sie aus noch so großer Höhe oder Tiefe stammen; denn nach § 905 Abs. 1 B G B umfaßt das Eigentumsrecht nicht nur die Erdoberfläche, sondern den ganzen Erdausschnitt darunter und die Luftsäule darüber. Innerhalb dieses Bereichs braucht der Eigentümer keine Einwirkungen Dritter zu dulden. Ausnahmen von dieser Machtbefugnis sind außer in § 905 S. 2 B G B in Sondergesetzen enthalten (siehe hierzu 5.). 4. Anwendungsfälle des § 905 Satz 2 sind z.B. Tunnelbauten28), elektrische Leitungen29), Viadukte, Legung unterirdischer Kabel, Kanäle, Untergrundbahnen, Drahtseilbahnen. Auch Schaukästen, Balkons, Erker über öffentlichen Straßen können in Betracht kommen. In jedem einzelnen dieser Fälle ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 905 Satz 2 gegeben sind. Ein Recht, Gestänge auf Gebäuden (Telephonständer) aufzustellen, ist durch § 905 nicht begründet (s. unten § 13 B). Es müssen jedoch Haltevorrichtung für Oberleitungen von Straßenbahnen an Grundstücken oder 27 ) Vgl. O L G 3 4 , 1 7 1 ; Überragen einer Grenzmauer; Recht 1910 Nr. 4089: Überragen von Gesimsen. 28 ) J W 1912, 869; R G Z 4, 344. 29 ) Vgl. SchlHolstAnz. 1910, 83; SeuffA 7 1 , 154. Über Telegraphen- und Telephondrähte s. unten § 13. Benützung des Luftraums über öffentl. Wegen oder Plätzen unter dem Gesichtspunkt des Gemeingebrauchs B G H in N J W 57, 1396; R G Z 88, 40; 123, 1 8 3 ; 132, 399; 150, 2 2 1 ; Hamburg in M D R 57, 37; L G Bochum in N J W 54, 437; L G Berlin in N J W 54, 436; über Parken von Kfz. in öff. Straßen vgl. B a y O b L G Z 30, 465; Stuttgart in D A R 52, 62; L G Detmold N J W 52, 1057; wegen Aufstellung von Automaten vgl. Automatenges, v. 6. 7. 1934 — RGBl. I 585; ferner H. Schmidt: Das Recht der Warenautomaten (Verlag C. Heymann Berlin 1952) u. Kretschmar: Außenwerbung u. Warenautomaten, Heft 1 1 Schriften des BB 1956.

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Gebäuden gebildet werden. (§ 5 b A b s . 6 StraßenverkehrsG, der auch die Entschädigung regelt). Soweit die Einwirkung unter der E r d e zulässig ist, wird dadurch niemals ein Recht zur Aufgrabung der Erdoberfläche zwecks Herstellung der an sich zulässigen Anlage begründet, auch dann nicht, wenn sich der Unternehmer unter Sicherheitsleistung zur Wiederherstellung verpflichtet. Wenn sich unter meinem Grundstücke eine von diesem aus nicht zugängliche Höhle befindet, so kann ich meinem Nachbar, von dessen Grundstück die Höhle zugänglich ist, nicht verbieten, diese gegen ein Eintrittsgeld zu zeigen30). Sobald ich mir aber selbst einen Zugang zu der Höhle verschafft habe, muß dies aufhören. Die Eigentümer hochgelegener Almen haben ein Interesse an der Ausschließung eines Tunnelbaues, wenn die Gefahr besteht, daß durch die Anlegung des Tunnels eine Almenquelle versiegt 31 ). Dagegen läßt sich der Fall, daß die Fensterflügel des Nachbarhauses beim öffnen durch den Luftraum des Grundeigentümers geführt werden, zumeist nicht unter § 905 Abs. 2 B G B bringen. Denn diese Bestimmung hat eine solche Höhe im Auge, welche für die regelmäßige Benützung von Grundstücken überhaupt nicht in Betracht kommt. Anwendbar ist hier unter Umständen § 226 B G B . 5. ö f f e n t l . r e c h t l . S o n d e r g e s e t z . Neben § 905 S. 2 B G B sind in zahlreichen öffentl. rechtl. Sondergesetzen Ausnahmen von der Machtbefugnis des Eigentümers enthalten, so insbesondere a) Das Recht des Grundstückseigentümers, Einwirkungen zu verbieten, ist ausgeschlossen durch den sog. „ G e m e i n g e b r a u c h " , d.i. die auf öffentlichen Recht beruhende jedermann (mindestens unbestimmt vielen Personen) zustehende Befugnis, eine öffentliche Sache, wie öffentliche Straßen, W e g e oder Plätze, sowie öffentliche Gewässer, Badestrand, Eisbahnen oder Anlagen, in verkehrsüblicher Weise zu benützen. Das Bundesfernstraßengesetz v. 6. 8. 1 9 5 3 ( B G B l . I 963) bezeichnet als Gemeingebrauch das Recht jedermanns, eine B-Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr zu gebrauchen 32 ). Das B a y S t r W G (Art. 14) gibt keinen Rechtsanspruch auf Aufrechterhal30 ) Cosack 2, 152. Vgl. R G 28, 154: Hier ist ausgesprochen, daß die Barbarossahöhle und deren Verwertung durch Einführung von Fremden dem Grundeigentümer, nicht dem Bergberechtigten gehört. — Das ist richtig. Das vom R G nach gemeinem Recht anerkannte Verbietungsrecht wäre nach § 905 nur dann begründet, wenn der Grundeigentümer einen von den Bergbaueinrichtungen unabhängigen Zugang zu der Höhle hat. Denn sonst hat er an der Ausschließung der Besichtigung kein Interesse. Vgl. nach Wolff SR § 52 Anm. 4; Staudinger-Seufert Randb. 5 a zu § 905 BGB. sl ) Schuhmacher, Z. f. Vermessungswesen 1903, 105. Das ist beim Simplontunnel der Fall gewesen. — Das Verbietungsrecht gegenüber der Eisenbahn ist jedoch entzogen und in einen Anspruch auf Schadloshaltung umgewandelt (s. hierüber unter § 39). Infolge der Anlage des Bahntunnels Cochem-Eller ist das Wasser eines Baches unterirdisch verschwunden. Der Bahnfiskus wurde zur Entschädigung verurteilt (RG 4, 344) 32 ) Vgl. Marschall BFStrG Bern, zu § 3.

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tung des Gemeingebrauchs. Dieser ist lediglich die unentgeltliche Gestattung, die Straßen im Rahmen ihrer Widmung vorwiegend zu Verkehrszwecken zu benützen. Das Eigentum des Staates oder einer öffentlichen Körperschaft an öffentlichen Wegen oder Plätzen unterscheidet sich seinem Wesen nach nicht vom sonstigen Grundstückseigentum und richtet sich grundsätzlich nach bürgerlichem Recht, insbesondere nach §§ 903 ff. B G B . Es erfährt auch die Einschränkungen durch den Gemeingebrauch33). Im Wesen des Gemeingebrauchs liegt es, daß er u n e n t g e l t l i c h geduldet werden muß. Sein Inhalt und Umfang sind durch die fortlaufende Änderung der maßgebenden Verhältnisse, insbesondere durch die technische Entwicklung wesentlichen Schwankungen unterworfen34), insbesondere durch die öffentl. Verkehrszwecke, zugunsten derer die Widmung erfolgte. Die seitens der betreffenden Gebietskörperschaft durch die Widmung übernommene Verpflichtung, von ihrem Recht an der Wegfläche nur unter Berücksichtigung des Gemeingebrauchs Gebrauch zu machen, hat zur Folge, daß sie auf privatrechtlicher Grundlage Dritten eine Rechtsstellung an der Wegfläche nur dann einräumen kann, wenn hierdurch eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht stattfindet. Jede Rechtsstellung an der Fläche eines öffentlichen Weges, die eine Einschränkung des Gemeingebrauchs mit sich bringt, kann nur nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zur Entstehung gebracht werden35). b) Eine besondere Art des Gemeingebrauchs bildet die sog. „ A n l i e g e r n u t z u n g " , d.i. die Befugnis eines an einen öffentlichen Weg oderPlatz angrenzenden Grundstückseigentümers, die dem öffentlichen Verkehr dienende Grundfläche mit Rücksicht auf das räumlich nachbarliche Verhältnis in weiterem Umfang als sonstige Wegebenützer (die kein Grundeigentum am Weg haben) zu gebrauchen, z.B. zur Ein- und Ausfahrt, zur Anbringung von Reklametafeln oder Warenautomaten, zur Errichtung von Gerüsten oder Bauzäunen zwecks Instandsetzung eines Gebäudes, all dies jedoch nur insoweit als der öffentliche Verkehr keine erhebliche Beeinträchtigung erleidet36). In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß der L u f t r a u m ü b e r einer öffentlichen Straße (oder einem öffentlichen Platz) im Rahmen des Gemeingebrauchs genutzt werden kann. In Städten 33

) Vgl. R G Z 125,108; 131, 264; BGH in N J W 56,104. ) Vgl. B G H Z 23, 157 = N J W 57, 630; vgl. auch Gaschezian-Fink in N J W 57, 285 zur Frage des Gemeingebrauchs an Straßen. 35 ) Vgl. B G H Z 22, 395 = N J W 57, 457; B G H Z 19, 91; B G H Z 23, 157 = N J W 57, 630 = MDR 57, 670; B G H Z 2i, 319 = N W J 56, 1476 = MDR 57, 149; R G in J W 28, 502; O L G Köln in J W 30, 1980; Hamburg in MDR 57, 37; L G Dessau in J W 32, 3020; L G Braunschweig N J W 71, 1660 (Bauzaun) mit krit. Anm. v. Lopan N J W 71, 2270. " ) Vgl. BGH in MDR 57, 351; R G Z 132, 395; JW 30, 1961 und 1980. 25

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hat sich durchweg die Auffassung herausgebildet, daß insbesondere Reklameankündigungen, wie Lichtzeichen, Schilder oder Aufschriften, die in den Luftraum über einer Straße hineinwirken, als Ausfluß des Gemeingebrauchs zu dulden sind37). Dabei trifft der B G H allerdings die Unterscheidung, ob eine Reklame für eigene oder für fremde Zwecke ausgeführt wird, und verlangt für letzteren Fall den Nachweis besonderer örtlicher Übung (a.A. Bettermann in den Bemerkungen dazu, der die bloße Beschriftung eines Bauzauns auch für Fremdreklame als Gemeingebrauch erachtet, weil es sich hierbei nach natürlicher Betrachtung und nach der Verkehrsanschauung um eine Benützung des Bauzauns, nicht des Luftraums handle). Hinsichtlich der A n l i e g e r n u t z u n g ist zu beachten, daß sie einen wesentlichen B e s t a n d t e i l des E i g e n t u m s am Anliegergrundstück darstellt und daß ihre Beeinträchtigung einen Verstoß gegen Art. 14 G G bilden kann, soweit nicht die Grundsätze über die Sozialgebundenheit des Grundeigentums einen Eingriff rechtfertigen38). So erachtet der B G H in B G H Z 8, 273 ( = N J W 1953, 383 = M D R 1953, 288) die Anbringung eines Straßengitters zur Sicherung des Verkehrs vor einem Haus als eine zulässige, durch die Sozialbindung zu rechtfertigende Einschränkung des Anliegernutzungsrechts und versagt für diesen Fall eine Entschädigung. In B G H Z 2 3 , 1 5 7 ( = N J W 1957, 630 = M D R 57, 670) dagegen wird ein gegen Art 14 G G verstoßender ( = enteignungsgleicher) Eingriff in das Anliegernutzungsrecht eines Gaststätteneigentümers darin gesehen, daß das vor der Gaststätte gelegene, dem Gemeingebrauch gewidmete Grundstück von dessen Eigentümer einem Dritten überlassen worden ist, um dort Verkaufsbaracken zu errichten (vgl. dazu Thoma und Walter in M D R 1958, 203, die im Falle B G H Z 2 3 , 1 5 7 eine Zweckentfremdung des dem Gemeingebrauch dienenden Grundstücks sehen, während im Fall B G H Z 8, 273 die Anbringung des Straßengitters der Sicherung des Gemeingebrauchs, also der Zweckentfaltung diene). Das BVerwG (MDR 55, 694 hat das Recht, bauliche Anlagen, auch Reklamevorrichtungen anzubringen als zum Inhalt des Grundeigentums gehörig erachtet und deshalb eine Vorschrift, durch die Werbevorrichtungen aller Art außerhalb von Grundstucken schlechthin verbietet, als ungültig erklärt, weil nicht durch Art 14 I 2 G G gedeckt. (Vgl. auch B a y V G H G V B 1 1953. }!)• Eine Gemeinde braucht Lichtreklameanlagen im Luftraum über der Straße nicht zu dulden; für Lichtreklamen geringen Umfangs, die den Verkehr nicht behindern, kann sich die Duldungspflicht aus der Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr ergeben ( R G 123, 1 8 1 ; J W 1930, 961; R G K 9. Aufl. Anm. 4 S. 195 zu § 905). Keine Duldungspflicht besteht für eine Stadtgemeinde hinsichtlich eines Vordaches vor einem Hauseingang, wenn dieses in den Luftraum über der Straße hineinragt ( R G 132, 398); B G H in L M Nr. 2 zu § 905 B G B = N J W 57, 1396). 37

) Über Privatrechte an der Wegfläche vgl. Ring (Diss. München 1957). ) Neben der Frage nach der öffentlichrechtlichen Zulässigkeit, z. B. der Anbringung eines Warenautomaten an der Außenwand von Geschäftsräumen, bleibt die Frage nach der bürgerlichrechtlichen Zulässigkeit im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter; im allgemeinen wird der Vermieter als verpflichtet erachtet, die Anbringung solcher Automaten zu dulden: O L G Hamm N J W 58, 1239; vgl. ferner Weimar M D R 60, 195; ferner A G Frankfurt N J W 57, 1600. 3a

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Die Frage nach der Zulässigkeit von L a t e r n e n g a r a g e n läßt sich nicht generell beantworten. In erster Linie ist die StVO einschlägig; Allgemein läßt sich folgendes sagen : Parken liegt grundsätzlich nicht vor, wenn ein nicht zugelassenes Fahrzeug oder ein zugelassenes lediglich zu Werbezwecken (abw. hiervon O V G Hamburg MDR 67 S. 74) auf der Straße abgestellt wird Im übrigen kommt es darauf an, was die öffentliche Straße an ruhenden Verkehr vertragen kann, ohne den fließenden Verkehr, dem regelmäßig der Vorrang gebührt, zu sehr zu beeinträchtigen; bei dieser Beurteilung muß berücksichtigt werden, daß der derzeit bestehende Mangel an Einsteilplätzen und Garagen dazu zwingt, in erheblichem Maße öffentliche Verkehrsflächen für Zwecke zu nutzen, denen Einsteilplätze und Garagen zu diesen bestimmt sind (BVerwG VRS 30 S. 468 u. N J W 70, 962). Unter gegebenen Umständen kann z. B. im Zentrum einer Großstadt das Dauerparken nicht mehr unter den Gemeingebrauch zu rechnen sein (BVerwG N J W 57 S. 962); O V G Hamburg MDR 55 S. 57; vgl. auch V G H Bremen B B 59 S. 1010 und B G H N J W 56,1475), wonach die Vermietung eines Teils der öffentlichen Straße als Parkplatz gegen Entgelt für zulässig erklärt ist. Nach B G H B B 65, S. 64 ist ein Omnibusunternehmer, der den Omnibusbahnhof einer Stadt benutzt, den diese an einem ihr gehörenden Platz eingerichtet hat, nicht damit gehört werden, daß er den Gemeingebrauch habe ausüben, nicht aber eine Sondernutzung habe in Anspruch nehmen wollen; er muß die Benutzungsgebühr zahlen. c) Duldungspflicht des Anliegers. Der Eigentümer muß Maßnahmen benachbarter Anlieger, also auch des Straßeneigentümers, dulden, die sich im Rahmen des diesen zustehenden Gemeingebrauchs halten. E r hat hierbei auch Behinderungen, z . B . in in seiner Werbemöglichkeit, hinzunehmen. E r s a t z l o s hat er solche Maßnahmen allerdings nur dann hinzunehmen, wenn es sich um Ausbesserungs- und Verbesserungsarbeiten am Straßenkörper oder den darin verlegten Leitungen oder damit verbundenen A n lagen handelt, oder wenn durch die Arbeiten die Straße den weitergehenden Bedürfnissen des Verkehrs angepaßt wird, u n d wenn diese Maßnahmen nach A r t und Dauer nicht über den Rahmen dessen hinausgehen, was zu einer ordnungsmäßigen Durchführung der Arbeiten mit möglichen und zumutbaren Mitteln persönlicher und sachlicher A r t notwendig ist ( B G H N J W i960 S. 1 9 9 5 , 1962 S. 1 6 1 6 , M D R 1964 S. 656). Das an und für sich freie Ermessen der Behörde in der Wahl verschiedener technischer Möglichkeiten wird begrenzt durch die erforderliche Rücksichtnahme auf die Interessen derjenigen, die auf die Benützer der Straße angewiesen sind ( B G H N J W 64 S. 198), z . B . Sperrung der Straße vor einer Tankstelle. Anspruch auf E n t s c h ä d i g u n g wegen enteignungsgleichen Eingriffs besteht dann, wenn diese Grenzen erheblich überschritten werden. A u c h dann ist eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen zu leisten, wenn zwar die Grenzen eingehalten werden, aber der Eingriff zur vollständigen Entziehung oder Vernichtung einer Sache oder eines sonstigen ge-

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schützten Rechtsgutes führt oder der Eingriff wirtschaftlich betrachtet einer Entziehung oder Vernichtung gleichzusetzen ist39). Bei der V e r l e g u n g des V e r k e h r s von dem Betriebsgrundstück weg durch Anlegung einer neuen Straße besteht kein Ersatzanspruch. Der Anlieger hat keinen Rechtsanspruch auf Fortbestehen der Vorteile, die sich aus dem Gemeingebrauch und aus Verkehrslage ergeben40). Wird dagegen eine Durchgangsstraße aus privatem Interesse eines Dritten in eine Sackstraße verwandelt, so kann ein enteignungsgleicher Eingriff vorliegen 41 ). Anspruch auf Entschädigung ist gegeben, wenn durch eine Höherlegung der Straße entgegen den wasserrechtlichen Bestimmungen der Abfluß des Oberflächenwassers vom Grundstück verhindert wird 42 ), oder wenn Kanalisationsarbeiten zu Senkungsschäden an einem Haus führen43). d) Das Bundesbau Gesetz vom 23. 6. i960 (BGBl. I S. 737) (siehe hierzu unten § 43 D III). e) Auf Grund des Art. 65 E G B G B das BayWG, dessen Vorschriften bezüglich der Machtbefugnisse an Gewässern im Vorrang vor den Bestimmungen des B G B anzuwenden sind, und im Bundeswasserhaushaltsgesetz v. 27. 7. 1957 — BGBl. I, 1 1 1 0 — in Verb, mit BayÜG dazu v. 22. 2. 6044), f) Auf Grund des Art. 67 E G B G B das BayBergGes. v. 13. 8. 1910 (vgl. unten §§ 34fr.), g) Das Luftfahrtges. in der Fassung v. 4. 1 1 . 1968 (BGBl. I S. 1113) 4 5 ) hat das Recht des Grundeigentümers auf den Luftraum über seinem Grundstück weitgehend eingeschränkt und die Benutzung des Luftraums für Luftfahrzeuge grundsätzlich freigegeben. § 33 des Ges. gibt dafür einen weitgehenden Schadensersatzanspruch; danach ist der Luftfahrzeughalter verpflichtet, allen Schaden zu ersetzen, den jemand (auch ein Unbeteiligter) beim Betrieb eines Luftfahrzeugs durch Unfall erleidet (Gefährdungshaftung). Der Schaden muß „beim Betrieb" entstanden, also eine adäquate Folge des Betriebs sein. Darunter fällt auch ein Schaden, den Dritte durch 39 ) BGH MdR 64, 656, N J W 65, 1907. Zum U-Bahn Bau vgl. BGH N J W 65, 1907. Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Frage, wenn den Anlieger eine Entschädigungsanspruch zusteht enthält BGH BB 64, 660. Über die Höhe der Entschädigung s. B G H D R Z 67, 308. 40 ) B G H N J W 67, 1752. 41 ) BayObLG MdR 64, 597. 42 ) O L G Neustadt MdR 64, 505. 43 ) BGH MdR 65, 120. " ) Vgl. R G Z 155, 389. 45 ) Vgl. R G Z 158, 36. S. unten § 43 D III B 4.

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Herauswerfen von Gegenständen aus dem Luftfahrzeug erleiden. Dagegen besteht keine Haftung für Schäden, die bei ordnungsgemäßem Betrieb lediglich durch außergewöhnliche Empfindlichkeit des beschädigten Gegenstandes herbeigeführt wird, z.B. wenn jemand durch das einfache Motorengeräusch infolge überempfindlicher Nerven erschrickt und dadurch zu Schaden kommt (RG 133, 127 u. 350; Müller D J Z 1924, 841). Neben § 33 L u f t V G scheiden die Vorschriften der §§ 905 und 1004 B G B als Grundlage für einen Anspruch des Grundeigentümers aus. Der durch eine Landung verursachte Flurschaden fällt unter § 33 LuftVG. Der Ersatzanspruch ist gegeben für Tötung, Beschädigung der Gesundheit und des Eigentums. § 42 stellt klar, daß über die Gefährdungshaftung des § 3 3 hinaus im Falle schuldhaften Verhaltens des Luftfahrzeughalters oder Führers der Schadensersatzanspruch nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen (§§ 823 fr. B G B ) gegeben ist. Ein solches Verschulden kann insbesondere darin liegen, daß der Luftfahrer den Sicherheitsvorschriften über Luftverkehr nicht genügt hat. Luftfahrzeuge dürfen außerhalb von Flughäfen des allgemeinen Verkehrs nur starten und landen, wenn der Grundstückseigentümer oder sonst Berechtigte zugestimmt und die Luftfahrtbehörde eine Erlaubnis erteilt hat; dies gilt nicht für die Landung von Freiballons ( § 2 5 Abs. 2 Nr. 1 LVG). Der Zustimmung und Erlaubnis bedarf es nicht, wenn die Ladung aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist. In solchen Fällen kann der Eigentümer eines Grundstücks die Landung eines Luftfahrzeugs nicht verhindern; er kann aber Ersatz des ihm durch die Landung entstehenden Schadens nach §§ 33 fr. L V G und im Falle des Verschuldens auch nach § 42 L V G in Verbindung mit §§ 823 fr. B G B verlangen (RG 158, 34). Die Besatzung des gelandeten Luftfahrzeugs ist dem Berechtigten gegenüber verpflichtet, über Name und Wohnsitz des Halters und des Führers Auskunft zu geben. Nach Feststellung von Halter und Führer darf der Berechtigte den Abflug oder die Abbeförderung des Luftfahrzeugs nicht verhindern; er hat also wegen seiner Ersatzansprüche kein Zurückbehaltungsrecht oder gesetzliches Pfandrecht. Würde der Eigentümer eine hiernach zulässige Landung zu hindern versuchen, so wäre die Besatzung in einem Notstand und zur Selbsthilfe berechtigt. Notlandungen sind überall gestattet (§ 904 BGB). h) Art. 141 Abs. 3 der Bayer. Verfassung, wonach die Erholung in der Natur, das Betreten von Wäldern und Bergweiden, sowie das Befahren von Gewässern in ortsüblichem Umfang gestattet ist. i) Das Telegrafenwegegesetz vom 18. 12. 1899 (siehe hierzu unten §13). 29

§ 1 116

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

6. Bei Beeinträchtigungen die nach § 905 abgewehrt werden können, scheiden die Beschränkungen in § 906 B G B aus, wonach unwesentliche oder ortsübliche Immisionen zu dulden sind, weil § 906 nur von solchen Einwirkungen handelt, die von a n d e r e n Grundstücken ausgehen. § 905 dagegen betrifft Einwirkungen, die im Erdausschnitt (einschließlich des Luftraums darüber) vorgenommen werden, der zum Grundstück s e l b s t gehört. Gleichwohl ist auch hier der G r a d der Einwirkung sowie die V e r k e h r s a u f f a s s u n g über das Maß der Duldungspflicht von Bedeutung (vgl. R G Z 97, 27; SeuffA 71, 89; Staudinger-Seufert Randbem. 4 zu § 905). Es muß eben jede Benützungsart, die unter den gegebenen Verhältnissen ordnungsgemäß und üblich ist, sowie auch jede bereits in Aussicht genommene, wenn auch nicht ortsübliche Art der Grundstücksnutzung in Betracht gezogen werden (vgl. R G Z 59, 1 1 9 ; Recht 1908 Nr. 3615; O L G 18, 1 2 1 : hier wird eine über ein Grundstück führende Drahtseilbahn als unzulässig erachtet, weil sie der bereits geplanten Errichtung eines Gebäudes hinderlich wäre). Bei Einwirkungen in der Tiefe ist ein s t r e n g e r Maßstab an den N a c h w e i s , daß am Verbot der Einwirkung k e i n I n t e r e s s e besteht, zu legen; denn erfahrungsgemäß läßt sich schwer übersehen, welche Veränderungen infolge solcher Einwirkungen in der davon betroffenen Erdschicht, insbesondere im Grundwasserstrom eintreten können. Es kann z. B. durch die Entnahme von Grundwasser dieWasserversorgung einer Gemeinde gefährdet oder ein oberirdischer Wasserlauf zum Versickern gebracht oder durch Bauten in die Tiefe eine unerwünschte Senkung des Grundwasserspiegels herbeigeführt werden46). Hier muß daher rechtzeitig durch entsprechende Gutachten klargestellt sein, ob irgendwelche Gefahren bei derartigen Einwirkungen in der Tiefe zu erwarten sind. Nur dann, wenn dies mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erscheint, kann das Interesse des Grundeigentümers an der Einwirkung verneint werden47). Die B e w e i s l a s t dafür, daß die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Einwirkung gegeben sind, hat derjenige, welcher die Zu46 ) Vgl. Prötzel, 50 Jahre Bayer. Landesstelle für Gewässerkunde, Vortrag vom 1. 10. 1948, wo erwähnt wird, daß das Grundwasser durch wasserundurchlässige Schichten in mehrere Stockwerke unterteilt sein kann. So wurde z. B. bei Ausbaggern von Kies unweit von Dachau in den Jahren 1939fr. für Zwecke der Reichsbahn eine Tonschicht durchstoßen u. dadurch eine Überflutung der landwirtschaftlichen Grundstücke verursacht. 47 ) Vgl. B a y O b L G Z 21, 403; BayZt. 31, 267. Nach §§ 2ff. Wasserhaushaltsges. v. 27. 7. 1957 und 29. 2. 1959 — B G B l . I 37 — in Verb. m. Art. 15fr. des B a y W G hiezu bedürfen alle Einwirkungen und zwar auch solche des Grundeigentümers selbst auf ober- oder unterirdische Gewässer einer besonderen Erlaubnis oder Bewilligung.

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Das Grundstück und seine Begrenzung

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II 7

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lässigkeit der Einwirkung behauptet ), und nicht der Eigentümer, welcher das Vertretungsrecht geltend macht; denn § 905 Satz 2 ist ein dem Recht des Eigentümers entgegenstehendes Gesetz i. S. des § 903 B G B . Dieser Beweislast hat jener zunächst Genüge geleistet, wenn er die äußeren Umstände darlegt, welche den Mangel eines Interesses für den Eigentümer erkennen lassen. Dem Eigentümer bleibt es dann immer noch anheimgestellt, ein bestimmtes Interesse zu b e h a u p t e n ; der andere hat dann auch das Nichtbestehen dieses behaupteten Interesses nachzuweisen49). Der Eigentümer eines Gebäudes, dessen Gesimse über die Grenze ragen, ist (vorbehaltlich des § 912 BGB) zur Beseitigung verpflichtet. Auf § 905 kann er sich regelmäßig60) nicht berufen, da der Nachbar jederzeit in die Lage kommen kann, den Raum für ein von ihm zu errichtendes Gebäude in Anspruch zu nehmen51). Jeder einzelne Fall wird unter dem Gesichtspunkt des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, d. i. unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den besonderen Fall des nachbarlichen Zusammenlebens, zu beurteilen sein (vgl. R G Z 167, 14; B G H Z 16, 366; M D R 51, 726 = L M Nr. 1 ( auch Nr. 2) zu § 903; Köln in B B 55, 367; Staudinger-Seufert Randbem. i c zu §906; PalandtAnm. 1 zu §906). Der Eigentümer, welcher auf Grund des § 905 Satz 2 zur Duldung einer Einwirkung verurteilt wurde, kann, wenn später infolge einer Veränderung der Umstände ein zur Zeit der Urteilsfällung nicht vorhandenes Interesse eingetreten ist, die Vollstreckungsgegenklage des § 707 Z P O anstrengen. 7. S c h a d e n e r s a t z p f l i c h t . Die Einwirkungen, die der Eigentümer gemäß §905 Satz 2 nicht verbieten kann, sind nicht rechtswidrig 62 ); denn durch § 905 Satz 2 wird der gesetzliche Inhalt des Eigentumsrechts eingeschränkt63). Deshalb kann derjenige, welcher in einer nach § 905 Satz 2 zulässigen Weise auf dieses Recht eingewirkt hat, auf Schadenersatz nur aus einem besonderen Rechtsgrunde in Anspruch genommen werden. In dieser Hinsicht kommen in Betracht: a) Verschulden des Einwirkenden (§ 823 fr. BGB). b) Fälle einer Notstandshandlung nach § 904 Satz 1 B G B ; hier kann der Eigentümer Schadenersatz gem. § 904 S. 2 verlangen auch für mittel48 ) Staudinger-Seufert Randbem. 9 zu § 905; Planck Bern. 4 zu § 905; R G in J W 1928 503; R G 59, 120; O L G 5, 383. 4 ") Vgl. Monich in Jherings Jahrb. 38, 1 5 7 ; Rosenberg, Beweislast 1954 § 30 II 9a. 60 ) Ausnahme, wenn nach den gegebenen sachlichen Umständen mit der Möglichkeit einer Bebauung nicht zu rechnen ist. sl ) Mit einer Bescheinigung des Eigentümers, für diesen Fall die Gesimse zu beseitigen, braucht er sich nicht zu begnügen (Recht 10 Nr. 4089). 62 ) Kipp, J W 1908, 644. 53 ) Vgl. Niemeyer, Verh. d. 31. DJurTag. 2, 41.

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§1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

III 1

bare Schadensfolgen (vgl. R G Z 156, 187). Der Eigentümer verliert den Ersatzanspruch nicht etwa durch ausdrückliche oder stillschweigende Duldung des Eingriffs (vgl. B G H = L M Nr. 2 zu § 904), wohl aber, wenn er den Notstand selbst verschuldet hat (vgl. B G H Z 6, 110). c) Sondergesetze, durch die dem Grundstückseigentümer die ihm an sich zustehende Abwehrklage gegen Eingriffe in sein Eigentum ausdrücklich versagt ist, z.B.: § 26 GewO oder Art. 206 u. 210 BayerBergges., wonach dem Grundstückseigentümer für allen Schaden durch Bergwerksbetrieb oder durch Schürfarbeiten ein Ersatzanspruch zugebilligt wird (vgl. unten § 37), auch wenn den Einwirkenden kein Verschulden trifft. Es finden hier die Grundsätze über Gefährdungshaftung Anwendung (siehe unter § 43 D III). d) Es gehören hieher auch die Fälle, in denen dem beeinträchtigten Grundstückseigentümer eine Duldungspflicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses bei Vorliegen besonderer Umstände über § 906 B G B hinaus auferlegt wird. Hier ist der ganze Schaden zu ersetzen, weil die Unterlassungsklage aus § 1004 B G B versagt ist (vgl. B G H Z 15, 146; 28, 1 1 0 = N J W 58, 1586 = M D R 1959, 21).

III. V e r s c h i e b u n g e n der E r d o b e r f l ä c h e 1. Die Abgrenzung muß sich naturgemäß an die Gestaltung der Erdoberfläche anschließen. Durch die auf der Oberfläche gedachten Linien (die Grenzen) wird das Grundstück in seiner räumlichen Beziehung zu den übrigen Teilen des Erdkörpers (also nach seiner geographischen Lage) dauernd und unverrückbar festgelegt und individualisiert. Diese Auffassung des Juristen beruht auf der Unterstellung, daß die Erdoberfläche im ganzen betrachtet in einem dauernd unveränderlichen Zusammenhang der sie bildenden Teile bleibt, also unbeweglich und unverrückbar ist. Tatsächlich ist aber die Erdoberfläche keineswegs unverrückbar. Im Inneren des Erdkörpers gehen fortgesetzt Veränderungen vor sich, die naturgemäß auch die Oberfläche in Mitleidenschaft ziehen. Dabei handelt es sich nicht nur um plötzlich einsetzende elementare oder durch menschliche Tätigkeit veranlaßte Ereignisse, wie Erdbeben oder Einsturz von Erdmassen (Erdrutsch), sondern auch um stetig fortschreitende Veränderungen im Erdinnern, deren Auswirkung auf die Oberfläche sich so allmählich und deshalb unmerklich vollzieht, daß sie den Beteiligten gar nicht zum Bewußtsein kommt und erst durch genaue wissenschaftliche Beobachtung festgestellt werden kann. 82

Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 1 Der geologische Aufbau des Erdkörpers ist nicht abgeschlossen. Infolge des ungleichen Drucks der Massen, welche den Erdkörper bilden, treten allmähliche Verlagerungen ein. Man spricht hier von tektonischen Veränderungen. Unter Tektonik versteht man die gesetzmäßige Umbildung des Aufbaues der Gesteinsmassen 64 ), namentlich der Gebirge. Eine solche Umbildung im Aufbau der Gebirge muß zu Verschiebungen der Oberfläche, zu tektonischen Verschiebungen führen. Solche tektonische Verschiebungen wurden namentlich im bayerischen Alpenvorland festgestellt. Sie sind eine Folge des durch das Alpenmassiv ausgeübten Druckes. Man sollte meinen, daß dieser Druck eine Verschiebung des Alpenvorlandes von Süden nach Norden bewirkt. Allein im Norden wird der von Süden kommenden Druckwirkung des Alpenmassivs durch die vorgelagerten in der Tiefe fest verankerten Mittelgebirge (namentlich die böhmische Urgebirgsmasse) Widerstand entgegengesetzt, mit der Folge, daß die von der Druckwirkung ausgelöste Bewegung nach der Richtung des geringeren Widerstandes, nämlich nach Westen abgelenkt wird. Im Westen stößt der Druck auf jüngere Miozän- und Quartärschichten der Oberfläche, deren Zusammenhang zudem noch durch zahlreiche tief eingeschnittene und durch lose Geröllmassen ausgefüllte Flußtäler unterbrochen ist. Diese weicheren Gesteinsmassen vermögen dem von den Alpen ausgehenden und von den nördlich vorgelagerten Mittelgebirgen zurückgegebenen Gegendruck nicht standzuhalten, so daß sie infolge der Zusammenpressung nach und nach allmählich nach Westen ausweichen. Es wurde festgestellt, daß seit der Ausführung der bayerischen Landestriangulierung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine Verschiebung der ganzen Erdkruste des Alpenvorlandes besonders nach der Westrichtung, also eine tektonische Westwanderung eingetreten ist, die Professor Schmidt bis zu Maßen von 2}¡2 m errechnet55). Im Gegensatz zu diesen ganz allmählich und unmerklich fortschreitenden, nur in ihrer Gesamtwirkung erheblichen tektonischen Verschiebungen springt der Einfluß plötzlich auftretender, gewaltsamer Einwirkungen auf den Erdkörper in die Augen. Als Folge von Erdbeben kann die ganze Oberfläche eines Grundstücks verschwinden, oder es kann die Oberfläche eines Grundstücks samt den darauf stehenden Bauwerken und Bäumen über ein anderes Grundstück geschoben werden66). Bedeutsame Veränderungen im Innern der Erde mit Rückwirkung auf die Erdoberfläche können von den Grundwasserverhältnissen ausgehen. In durchlässigen Schichten (z. B. in Sanden, Sandsteinen und Kiesen) oder in Gesteinsklüften sammelt sich das von oben her in die Schichten eingedrungene Meteorwasser an. Man nennt diese wasserführenden Schichten Grundwasserträger. In ihnen bewegt sich das Grundwasser nach dem Gesetz der Schwere. Demgemäß würde es nach unten verschwinden, wenn es nicht durch undurchlässige Schichten, die aus Tonen, Tonschiefern und anderen dichten Gesteinen gebildet werden (die sog. Grundwasserstauer) aufgehalten würde. M ) Der Geologe bezeichnet die Massen, aus denen die feste Erdrinde (Lithosphäre) besteht, als Gestein, gleichgültig, ob sie eine feste Beschaffenheit besitzen, wie die Granite Kalk- und Sandsteine, oder ob sie in lockerer Form als Sande oder Tone auftreten I6 ) Vortrag von Maximilan Schmidt, Professor der technischen Hochschule in München, in der Sitzung der bayer. Akademie der Wissenschaften vom 5. Juni 1920 (Sitzungsbericht aus Jahrgang 1920 S 297fr.). 6a ) Schuhmacher, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1903 S 99, berichtet, daß im Jahre 1783 in Calabrien infolge eines Erdbebens ein Bauernhof zum Teil auf einen anderen geschoben wurde. Der hieraus entstehende Prozeß wurde dahin entschieden, daß dem Eigentümer des unten liegenden Landgutes das Eigentum im ganzen bisherigen Umfang dieses Gutes verblieb, daß aber dem Eigentümer des oben liegenden Gutes das Recht zugesprochen wurde, von seiner auf das andere Gut geschobenen Erdmasse soviel wegzunehmen, als er wolle.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht. 6. Aufl.

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§1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

III 1 So bewegt sich das Grundwasser der Neigung der Schichten entsprechend nach tiefer gelegenen Gebieten67). Wird der Ablauf des Grundwassers durch irgendwelche Vorgänge (Bruch des Wasserstauers, Tunnellierung, Bergwerkbetrieb) geändert, so daß Schichten, deren poröse Teile bisher vom Grundwasser ausgefüllt waren, wasserfrei werden, so kann es vorkommen, daß die poröse Gesteinsmasse durch den auf ihr lastenden Druck zusammengepreßt wird, mit der Folge, daß sich die Gesteinsmassen senken und von oben her Gesteinsmassen seitlich nach sich ziehen, so daß die Oberfläche verschoben wird. Durch das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe bei Benützung des Bodens (Anlage von Kellern, Abbau von Bodenbestandteilen, Ausschachtung der Fundamente, Planierung, Einschnitte für den Eisenbahnkörper), die am Fuße eines Berges vorgenommen werden und von denen jeder Eingriff für sich allein für die Standsicherheit bedeutungslos ist, kann im Laufe der Zeit die Bergmasse in eine labile Gleichgewichtslage gebracht werden, zu deren Störung und völliger Aufhebung es dann nur noch eines ganz geringen natürlichen Eingriffs bedarf, eines kleinen, aber folgerichtigen unabwendbaren Eingriffs von scheinbar unendlich geringer Bedeutung und doch alles menschliche Eingreifen in seiner Wirkung weit übertreffend. Die in dieser Weise tätigen Naturkräfte heißen: Verwitterung und Erschütterung des festen Felsgerüstes der Erde. Zermürbt die Verwitterung durch eindringendes Regenwasser den letzten Gesteinspfeiler, zersprengt die unwiderstehliche Kraft des in die Spalten eingedrungenen und zu Eis erstarrten Wassers diesen letzten Pfeiler, dann ist der Moment der Aufhebung des Gleichgewichts gekommen. Der Fels rutscht und stürzt. Das gleiche tritt ein durch Zermürbung und Bewegung der Felsmassen als Folge der fast täglichen kleinen zitternden Erderschütterungen, welche z. B. im Rheingebiet von den Erdbebenmessern angezeigt werden und die zurückzuführen sind auf ein inneres Schieben und Drängen riesiger, infolge der Schwerkraft sich dauernd vollziehender Bewegungen ganzer Gebirge (tektonische Bewegungen). Vielfache Verschiebungen der Erdoberfläche sind als Folge des Bergwerksbetriebes festgestellt worden. Durch das Niedergehen der Gebirgsschichten in die durch Auskohlung geschaffenen Hohlräume 58 ), durch die Änderung der Grundwasserverhältnisse, durch Gasentweichung entstehen Senkungen und in Verbindung mit diesen auch seitliche Verschiebungen. Bei einer Untersuchung über Verschiebungen trigonometrischer Punkte im Ruhrkohlengebiet hat Rothkegel auf Entfernungen unter 100 m Verschiebungen bis zu 66 cm festgestellt58). Die Horizontalverschiebungen sollen nach Hillegart*0) im Verhältnis zur Senkung am stärksten an den Grenzen eines Abbaugebietes auftreten und sich weit über das Abbaugebiet hinaus in Gebiete erstrecken, die vom Abbau gar nicht berührt wurden. Wenn in der Nähe der Grenze mit zu geringen Bemessungen des Sicherheitspfeilers in steilen Wänden Ton abgebaut wird, können Rutschungen von dem Erdkörper des Nachbargrundstückes nach der Tongrube stattfinden und dadurch die vermarkten Grenzzeichen verschoben werden. Bei dem Abbau von Tonen, namentlich wenn diese durch Niederschläge aufgeweicht sind, sind Quellungen und Rutschungen dann unaus-

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) Wahnschaffe im Recht 1913, 481. ) Schuhmacher, Z. f. Vermessungswesen 1903, 101 gibt im Jahr 1903 an, daß allein die durch die Kohlengewinnung innerhalb des Bezirkes des Westfälischen Steinkohlenbergbaues alljährlich in der Erdrinde geschaffene Hohlräume insgesamt einen Rauminhalt von 30 Millionen cbm haben. E9 ) Rothkegel, S. f. Vermessungswesen 1903, 217. ®°) Hillegart, Z . f. Vermessungswesen 1910, 559 u. 957. 58

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 2 bleiblich, wenn durch Fortnahme des Widerlagers der einheitlich lastende Druck ausgelöst wird, so daß er sich in eine Horizontalbewegung umsetzen muß 61 ). Unterwaschungen durch Wasser können ohne jede menschliche Tätigkeit Erdschichten, namentlich Tongeschiebe in Bewegung setzen und dadurch eine Verschiebung der Grenzzeichen herbeiführen.

2. Es fragt sich nun, welchen Einfluß solche Verschiebungen der Oberfläche auf den rechtlichen Bestand des Grundstücks ausüben. Das Grundstück im Rechtssinn ist der keilförmige Ausschnitt aus dem Erdkörper, der durch Lotebenen umschlossen wird, die durch die Grenzlinien der Erdoberfläche gelegt sind und die über die Erdoberfläche hinaus nach oben fortgesetzt gedacht werden. Diese Lotebenen werden sich, den Erdkörper als Kugel angenommen, im Erdmittelpunkte schneiden. Sie bilden, wenn man den Umfang des Grundstücks in gerade Linien zerlegt, eine Pyramide, deren Spitze der Erdmittelpunkt ist (vgl. Abbildung!). Ihre räumliche Begrenzung zu den übrigen Teilen der Erde ist in ihrer geographischen Lage dauernd und unverrückbar festgelegt. Der rechtliche Bestand des Grundstückes wird durch die Flächen der Lotebenen bestimmt. Was als Keil-Ausschnitt der Erde und des Luftraumes von dem durch diese Flächen gebildeten Mantel umschlossen wird, bildet den rechtlichen Bestand des Grundstückes. Praktisch besehen bestimmt die O b e r f l ä c h e den körperlichen Gehalt des Grundstückes und an der Oberfläche scheidet sich das Recht des einen Grundstückes von dem andern. Das ist auch theoretisch richtig f ü r den Z e i t p u n k t d e r V e r f ü g u n g , durch welche ein Teil des Erdkörpers zum Grundstück wird. Ändert sich aber später die Oberfläche, so erkennen wir, daß nach dem Zeitpunkt dieser Verfügung nicht mehr die Oberfläche den rechtlichen Bestand des Grundstückes bestimmt, sondern der Schnitt der ursprünglich festgelegten Lotebenen mit der geänderten Erdoberfläche. Man muß sich die Entwicklung des rechtlichen Vorgangs folgendermaßen vorstellen: Durch menschliche Verfügung wird ein Teil des Erdkörpers zum selbständigen Grundstück. D i e s e V e r f ü g u n g schließt sich an die zur Zeit der Verfügung vorhandene Gestaltung der Erdoberfläche an. Auf dieser Erdoberfläche werden Linien gedacht, durch welche das Grundstück von den übrigen Teilen der Erdoberfläche abgegrenzt wird. Die rechtliche Wirkung dieser Abgrenzung der Oberfläche besteht darin, daß zu dem Grundstück der unter der abgegrenzten Oberfläche befindliche Erdkörper und der darüber befindliche Luftraum gehört. Die Begrenzung dieser Erdmasse wird durch geometrische Flächen bestimmt, die sich von den auf der Oberfläche gedachten Grenzlinien lotrecht nach unten und oben erstrecken. Der Inbegriff dessen, was innerhalb dieses Raumes (also innerhalb des Keilmantels) von der Erdmasse und den damit festverbun61

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) Wahnschaffe, Recht 1913 S. 492.

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§ 1 III 2

I. A b s c h n i t t . R ä u m l i c h e B e g r e n z u n g d e s E i g e n t u m s

Verzerrte Darstellung zur Veranschaulichung der Pyramidenbildung.

Die Pyramidenkanten ma, mb, mc, md u. me (Lote) sind an der Erdoberfläche für praktische Begriffe parallel.

ie

m

a b c d e = Grundstück an der Erdoberfläche m = Erdmittelpunkt

denen Körpern ausgefüllt ist, ist das Grundstück. Legt man durch die Figur dieses Erdkeilausschnittes eine waagrechte Ebene, so erhält man den Querschnitt, der die unverrückbare Grundlage des rechtlichen Bestandes des Grundstücks bildet. Der U m r i ß d i e s e s Q u e r s c h n i t t e s und d a m i t a u c h sein F l ä c h e n m a ß b l e i b t u n v e r w a n d e l b a r und u n b e r ü h r t v o n den V e r ä n d e r u n g e n , die mit der O b e r f l ä c h e v o r sich gehen. M. a. W. Nur in dem Moment, in welchem ein Stück der Erde zum selbständigen Grundstück w i r d , sind die auf der Oberfläche gedachten Grenzen bestimmend für den rechtlichen Bestand des Grundstücks. In demselben Moment, in welchem das Stück der Erde zum selbständigen Grundstück g e w o r d e n i s t , löst sich der rechtliche Bestand des Grundstückes von der Begrenzung auf der Oberfläche los; er ist von da ab unwandelbar verknüpft mit dem waagerechten Keilquerschnitt. Die Linien dieses Querschnittes sind auf die Oberfläche dieses Grundstückes zu übertragen (projizieren). Diese auf die Oberfläche übertragenen Linien sind die Grenzen. Die auf der Oberfläche vorhandenen Grenzzeichen sind nicht die 36

Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 2

Grenzen, sondern nur ihre Bezeichnung, die äußere Beurkundung der nur gedachten Grenzlinien. Sind die Grenzzeichen verschoben, so zeigen sie nicht mehr die wahre Grenze auf; sie stehen an einem unrichtigen geographischen Ort. Damit sind wir bei der Beantwortung der gestellten Frage angelangt. Das Grundstück, d. i. der vom Recht als selbständige Einheitssache anerkannte Ausschnitt aus dem Erdkörper geht nicht mit, wenn Bestandteile des Grundstücks ihren Standort verändern und über die Grenzflächen des Keilausschnittes hinüberwandern. Ob sich die Bestandteile nur im Innern verschieben oder ob die Verschiebung auch auf die Oberfläche übergreift; ob nur geringe Massen der Bodenbestandteile über die Grenzen verschoben werden, oder ob die Massen noch so gewaltig sind; ob sie auseinandergerissen werden oder ob sie im natürlichen Zusammenhang bleiben, all dies ist belanglos, soweit der rechtliche Bestand des Grundstücks in Betracht kommt. Und auch das ist für die Grenzfrage völlig belanglos, ob die Ursache der Verschiebung auf natürlichen Vorgängen (höherer Gewalt) oder menschlichem (auch schuldhaftem) Verhalten beruht. Der rechtliche Bestand des Grundstücks (der durch die waagrechte Ebene herausgeschnittene Querschnitt des Erdkörperteiles) wird durch die Verschiebung der Oberfläche nicht verändert, er wird weder größer noch kleiner. Wenn die Oberfläche eines Grundstücks mit ihrer Umgebung abgerutscht ist, so kann es bei entsprechender Mächtigkeit der abgerutschten Erdmassen vorkommen, daß die abgerutschte Oberfläche eines Grundstücks an ihrem neuen Standort noch unzweideutig zu erkennen ist, wenn sie auch durch das Gewicht der von oben nachgerutschten Massen und den Aufprall der Erdmassen am Ruhepunkt zusammengedrückt, gefaltet und in der Rutschwirkung verkürzt sein wird. Die Annahme, daß diese unzweideutig erkennbare frühere Oberfläche des Grundstücks auch nach dem Abrutsch den rechtlichen Bestand dieses Grundstücks bestimme und mit dem darunter liegenden Boden dieses Grundstück bilde, wäre durchaus verfehlt. An dem Eigentumsrecht dieses Grundstücks, auf welchem die abgerutschte Oberfläche des anderen Grundstücks zur Ruhe gelangt ist, hat sich nichts geändert und das G r u n d s t ü c k , dessen Oberfläche ausgewandert ist, hat diese Wanderung nicht mitgemacht, sondern ist geblieben, wo es vorher war. Wenn eine auf einem Grundstück hart an der Grenze stehende Felswand infolge des Zusammenbruchs einer darunter befindlichen Höhle sich mit der Folge neigt, daß ein Teil des Felsens über die Grenze hinüberragt, so ist der überragende Teil der Felswand Teil des Nachbargrundstücks geworden. Ein auf dem überragenden Teil des Felsens stehendes Gebäude teilt dessen rechtliches Schicksal62). Ragt jedoch nur ein Teil des Gebäudes in den fremden Luftraum hinein, so sind auf den überragenden Teil des Ge® 2 ) Das Eigentum des Grundstücks, in dessen Keilausschnitt das ganze Gebäude eingetreten ist, erstreckt sich daher auch auf das Gebäude, da es mit dem dazu gehörigen (im Keilausschnitt befindlichen) Boden fest verbunden ist. Der bisherige Eigentümer hat aber den Bereicherungsanspruch auf Herausgabe nach § 812 B G B . Dieser wird durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit zum Halten des Gebäudes gegen Zahlung einer jährlichen Uberbaurente zu erfüllen sein.

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§1

III 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

bäudes die Grundsätze des Überbaus abzuwenden63). Wird durch den überragenden Teil des Gebäudes keinerlei Interesse des Grundeigentümers beeinträchtigt, so ergibt sich aus § 905 BGB, daß ein Überbaurecht nicht gefordert werden kann. A u s dem klargelegten Begriff des Grundstücks und der Unveränderlichkeit seines rechtlichen Bestands ergibt sich die Folge, daß ein U n t e r g a n g des Grundstücks (des geographisch festgelegten Teiles des E r d körpers) rechtlich nicht denkbar ist. Wenn infolge von Vorgängen im Erdinnern ein Durchbrach der Oberfläche stattfindet, so kann es sich begeben, daß die ganze Oberfläche eines Grundstücks in der Tiefe des Erdinnern versinkt und sich die in der Natur vorhandenen Oberflächen der benachbarten Grundstücke über der versunkenen Oberfläche zusammenschließen. Das Grundstück, dessen Oberfläche versunken ist, hat infolge dieses Vorgangs keineswegs aufgehört, rechtlich zu bestehen. Sein rechtlicher Bestand ist unverändert in der geographischen Lage geblieben, welche dem Grundstück durch den gedachten Keilausschnitt des Erdkörpers angewiesen ist. Das ist selbst dann der Fall, wenn infolge dieses Ereignisses bis auf noch so große Tiefe die früheren Bestandteile des Grundstücks über die Grenzen gewandert sind. Eine andere Frage ist die, ob die in der Natur vorhandene neue Oberfläche wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist, auf welchem sie sich jetzt befindet. Senkt sich die Oberfläche eines Grundstücks in der Weise, daß sie dauernd von dem Wasser eines daran angrenzenden Sees bedeckt wird, so geht das Eigentum an dem versunkenen Grundstück auf den Gewässereigentümer über (Art. 7 WG)64). D e r Grundsatz der geographischen Unveränderlichkeit der Grundstücke erleidet eine einzige Ausnahme. A u f die tektonischen Verlagerungen der Gesteinsmassen und die dadurch bewirkte stetige Verschiebung der Erdoberfläche kann er dann nicht angewendet werden, wenn es sich um Vorgänge handelt, die das Gelände im weiten Umgriff erfassen und sich so allmählich und unmerklich vollziehen, daß sie erst nach einer längeren (Jahrzehnte umfassenden) Zeitspanne durch genaue, äußerst schwierige und nicht absolut zuverlässige wissenschaftliche Beobachtung in ihrer G e samtwirkung festgestellt werden können. In diesem Falle steht nichts entgegen, bei der Anwendung des Rechts die Unterstellung des Gesetzgebers von der Unbeweglichkeit der Erdoberfläche hinzunehmen und sich damit abzufinden, obwohl wir wissen, daß diese Unterstellung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaft nicht im Einklang steht. Die Rechtsanwendung kann nur praktisch bedeutsame Veränderungen berücksichtigen; Ergebnisse der Wissenschaft, mögen sie auch noch so interessant sein, sind von der Rechtsanwendung nicht zu 63

) S. unten § 21 Ziff. }. ) — Wird ein Teil eines Grundstücks zum Bett eines Flusses, so ist nach Wasserrecht zu entscheiden, ob hierdurch der Eigentümer des Grundstücks das Eigentum an diesem zum Flußbett gewordenen Teil verliert; vgl. JW 1908, 443. Nach Art. 72 WG wird der Staat ipso jure Eigentümer des neuen Bettes eines öffentlichen Flusses. — 64

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 2

berücksichtigen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Vorgänge auf das praktische Leben ohne jeden Einfluß sind. Die Einflußlosigkeit der stetig fortwirkenden und nur ganz allmählich fortschreitenden tektonischen Verschiebungen besteht. Denn die ganze Umgebung eines jeden hiervon berührten Grundstücks wird davon in gleicher Weise betroffen, so daß die räumliche Beziehung der beteiligten Grundstücke untereinander in keiner Weise geändert wird. Die während eines übersehbaren Zeitraumes vor sich gehende Verschiebung ist so unbedeutsam, daß sie von keinem Beteiligten bemerkt werden kann. Es besteht daher für die Rechtsanwendung nicht das mindeste Bedürfnis, aus solchen stetig und allmählich wirkenden tektonischen Verschiebungen praktische Folgerungen zu ziehen, die im höchsten Maße unpraktisch wären. Man muß sogar noch weitergehen und als Willen des Gesetzgebers erachten, daß diese Folgerungen nicht gezogen werden dürfen. Wenn der Gesetzgeber die Unbeweglichkeit des Grundstücks unterstellt, so hat er dabei den Zustand im Auge, der nach der menschlichen Erfahrung als Unbeweglichkeit erachtet wird. Der Begriff ist also nach dem Maßstab der Erfahrung zu bestimmen und diese merkt und weiß nichts davon, daß infolge des tektonischen Aufbaues der Gesteinsmassen in diesen eine Art von Bewegung ist. Die dadurch herbeigeführten, im einzelnen unmerklichen Verschiebungen fallen für den Begriff nicht ins Gewicht, sie sind, wie sie es tatsächlich sind, so auch rechtlich unbeachtlich. Bewirkt aber die stetig wirkende tektonische Arbeit eine aus dem Rahmen der allmählich fortschreitenden Entwicklung herausfallende sinnfällige (lokale) Verschiebung, so wird eine solche von der Erfahrung als Bewegung erkannt und in gleichem vom Recht gewertet, so daß der Grundsatz der geographischen Ünveränderüchkeit auf einen solchen Fall, wie auf jeden anderen (nicht auf tektonischer Ursache beruhenden) Fall einer Verschiebung der Oberfläche anzuwenden ist. Zusammenfassend ist über die rechtliche Beurteilung von Verschiebungen der Erdoberfläche zu sagen. Die durch tektonische Arbeit von Gesteinsmassen bewirkte Verschiebung der Erdoberfläche wird vom Rechte dann nicht beachtet, wenn sie nicht sinnfällig ist. Die unmerklich und allmählich eintretende tektonische Verschiebung der Erdoberfläche nimmt den rechtlichen Bestand des Grundstücks mit. In allen übrigen Fällen, in welchen — gleichviel aus welcher Ursache — eine Verschiebung der Erdoberfläche eintritt, wird hiervon der rechtliche Bestand des Grundstücks nicht berührt. Das Grundstück als solches d. i. sein rechtlicher Bestand geht nicht mit der Oberfläche, wenn sie über die Grenze hinüberwandert. Die verschobenen Grenzzeichen bezeichnen nicht mehr die richtige Grenze; sie sind an ihren richtigen geographischen Standort zurückzuversetzen. 39

§2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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§ 2. Bestandteile des Grundstücks I.

i. Das Grundstück ist ein abgegrenzter Ausschnitt der Bodenmasse. Es ist ein Körper, keine Fläche. Dieser Körper ist aus Bestandteilen zusammengesetzt. Der Begriff des Bestandteils ist im Gesetze nicht bestimmt, sondern als gegeben vorausgesetzt. Bestandteile sind diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur eine Einheit bilden oder durch Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit dergestalt verloren haben, daß sie, solange die Verbindung dauert, als ein Ganzes, als eine Einheitssache erscheinen1). Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Bedeutung jedes einzelnen Teils und die Erhaltung ihres wirtschaftlichen Wertes. Eine einheitliche Sache soll grundsätzlich mit allen ihren Teilen rechtlich gleich behandelt werden. § 93 (in Verb. m. § 947) B G B will die Zerstörung wirtschaftlicher Werte verhindern. Bei dem heutigen Stand der Technik ist jedoch das volkswirtschaftliche Interesse an der Erhaltung einer Einheit dann nicht erheblich, wenn die Trennung und Wiederzusammensetzung von Bestandteilen ohne jede Beschädigung und ohne besonderen Arbeitsaufwand durchgeführt werden kann2). Bestandteil kann daher nur sein, was Teil einer einheitlichen Sache, ein unselbständiges Stück eines Körpers ist, nicht was selbst eine Sache unter mehreren selbständigen Sachen ist, die zusammen ein einheitliches Ganzes bilden. Das Gesetz hebt unter den Bestandteilen die wesentlichen Bestandteile hervor. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind: a) solche Teile, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß im Wesen der voneinander getrennten Teile eine Veränderung einträte, die als Zerstörung wirtschaftlicher Werte anzusehen und auch der Sicherheit des Rechtsverkehrs abträglich wäre3) (§93 BGB), b) die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, (§94 Abs. 1 BGB), c) Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 BGB) 4 ), § 2. R G 6 3 , 4 i 6 ; 130, 266; 6 9 , 1 2 0 ; 158, 368; 164, 199; B G H in L M Nr. 2 zu § 93. 2 ) Vgl. B G H in N J W 55, 1793; N J W 56, 945; Karlsruhe in M D R 1955, 4 1 3 ; Schleswig in SchlHAnz. 55, 1 2 7 ; Braunschweig in NdsRpfl. 55, 193; V S H Kassel in DVB1. 55, 196. 3 ) Vgl. B G H Z 18, 229; 20, 158; N J W 58, 457. 4 ) Ein vom Eigentum am Grundstück verschiedenes Eigentum an stehenden Bäumen (anders bei Baumschulen des Pächters) ist ausgeschlossen ( J W 1905, 280; Recht 1905, 14). Der Mieter darf einen von ihm gepflanzten Baum nicht wegnehmen. § 547 Abs. 2 ist

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d) die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen ( § 9 4 A b s . 2 BGB). Die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil kann verloren gehen, wenn der wirtschaftliche Wert eines Bestandteils erheblich geschmälert wird 5 ). Die wesentlichen Bestandteile können nach der zwingenden Vorschrift des § 93 B G B nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein, daher auch nicht gepfändet werden (außer im Falle des § 8 1 0 Z P O ) . Dadurch soll eine mit der Trennung verbundene Vernichtung wirtschaftlicher Werte verhindert werden. Deshalb ist eine Vereinbarung, wonach sich der Verkäufer eines Grundstücks bei dessen Veräußerung ein darauf stehendes Gebäude als Eigentum zurückbehält, dinglich wirkungslos. Der Veräußerer hat lediglich einen obligatorischen Anspruch darauf, daß ihm der Käufer nach Abschreibung des Gebäudes mit der darunter liegenden Grundfläche das Eigentum an dem Gebäude verschafft. § } W E G gibt die rechtliche Möglichkeit, dingliche Sonderrechte in der Rechtsform des Raumeigentums ( = Wohnungs- oder Teileigentums) an Gebäudeteilen zu begründen. Das W E G läßt ein selbständiges Eigentum und dingliche Rechte an in sich abgeschlossenen Räumen zu (Sondereigentum), das im echten Eigentum des Wohnungseigentütümers steht und zu dem wesentliche Bestandteile gehören können6). Die Auflassung erstreckt sich auf alle wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks7), jedoch nicht auf die nur tatsächlichen Angaben, zu denen auch Angaben über auf einem Grundstück errichtete Gebäude gehören; daher kann eine Vereinbarung, wonach ein Haus samt Giebelmauer verkauft wird, für den Eigentumserwerb keine rechtliche Bedeutung haben8). Der Sonderbesitz an dem Gebäude (§ 865) mit dem daraus folgenden Besitzschutzrechte (§§ 858fr.) ist rechtlich zulässig. Ein leichter Schuppen, der ohne feste Verbindung einfach auf den Boden gestellt ist, ist selbst dann nicht wesentlicher Bestandteil, wenn er zu einem dauernden Zwecke errichtet wurde. Eine Giebelmauer, die zwei Gebäuden als Abschlußwand dient, ist wesentlicher Bestandteil beider Gebäude und damit zugleich auch wesentlicher Bestandteil beider Grundstücke mit der Folge, daß sie im Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer steht; vgl. dazu Hodes N J W 62, 1251 und unten § 8 III 1. Ist gegen den Willen des Eigentümers auf dessen Grundstück ein Bauwerk errichtet worden, das als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen ist, so kann der Eigentümer den auf § 951 B G B gestützten Bereicherungsanspruch des Erstellers dadurch abwehren, daß er das Bauwerk zum Abbruch dem Ersteller zur Verfügung stellt (BGH N J W 57, 460 = B G H Z 23, 61). Der Grundsatz, daß der Anspruch auf Vergütung für einen sachenrechtlichen Verlust im Zeitpunkt des Eintritts dieses Rechtsverlusts (z. B. mit der Vollendung des Bauwerks oder mit der Einstellung des Weiterbaues unter gleichzeitiger Überlassung an den nicht einschlägig, da der Baum keine „Einrichtung" ist. Auch der Pächter darf die von ihm gepflanzten Bäume nicht wegnehmen, soweit sie nicht nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag des Pachtgrundstückes anzusehen sind (vgl. Soergel Rspr. 1912 Nr. 1 zu § 581). Unter Umständen kann Ersatz für „Verwendungen" (Kosten des Einpflanzens) verlangt werden (vgl. §§ 994fr. insbes. § 997 Abs. 2). 6 ) Vgl. R G 69, 121. 6 ) Vgl. BayObLG 69, 29. ) Vgl. R G 97, 103; 150, 24; J W 21, 604. 8 ) Vgl. R G in BayZt. 24, 196; Staudinger-Seufert Randb. }, 4 u. 7 zu § 891.

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Grundeigentümer) entsteht (BGH N J W 53, 1466), hindert die Partner eines Miet- oder Pachtvertrags nicht zu vereinbaren, daß ein entsprechender Anspruch erst in einem späteren Zeitpunkt (z. B. bei Beendigung des Vertragsverhältnisses) entstehen soll ( B G H N J W 57, 827). Eine Gleisanlage auf einem Fabrikgrundstück zum Anschluß an die Eisenbahngeleise ist nicht fest verbunden ( O L G 28, 18). Nicht festverbunden sind regelmäßig Leitungsmaste für elektr. Stromleitungen (vgl. Warneyer 1914 Nr. 143; vgl. auch hierzu S. 27 Anm. 34). Dagegen sind Rohrleitungen, die in den Boden eingelassen sind, fest verbunden. Ob eine durch fremde Grundstücke geführte private Abwässerleitung nur zu einem vorübergehenden Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 B G B mit dem Grund und Boden verbunden ist, richtet sich im wesentlichen nach den Umständen des einzelnen Falles; die Grundsätze über die hinsichtlich der Fernleitungen öffentlicher Versorgungsunternehmen bestehende allgemeine Verkehrsanschauung können für die Beantwortung dieser Frage nicht ohne weiteres herangezogen werden (BGH N J W 68, 2331). Hopfenstangen und Weinbergspfähle sind nicht fest verbunden. Steine einer gepflasterten Straße sind fest verbunden ( R G K Bern. 2 zu § 93). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil (§ 94) ohne Rücksicht darauf, ob die Pflanze Wurzel geschlagen hat. Das Eigentum am Baum steht demjenigen zu, auf dessen Grundstück der Stamm aus dem Boden heraustritt. Die Wurzeln und Zweige des Baumes folgen notwendigerweise dem Eigentum am Stamm. Über die Rechte des Eigentümers, in dessen Machtbereich sie eingedrungen sind, trifft § 910 Bestimmung (s. darüber unten § 18). Ein auf der Grenze stehender Baum steht im Miteigentum der Nachbarn (gegendieherrschendeMeinungs.unten § 10). Sonderrechte nach früherem Recht an Gegenständen, die nach §§ 93, 94 wesentliche Bestandteile sind, sind gemäß Art. 181 E G B G B am 1. 1. 1900 erloschen (RG 56, 243; J W 1903, Beil. 90,1904, 89; 1912,120). Hinsichtlich des Stockwerkseigentums s. unten §3. Ein Grundstück kann immer nur einem anderen, nicht mehreren Grundstücken als Bestandteil zugeschrieben werden (HRR 1941, 602). Wird beantragt, ein Grundstück einem anderen „zuzuschreiben", so ist darunter regelmäßig die Zuschreibung als Bestandteil zu verstehen. § 6 G B O behandelt die Zuschreibung im Sinn des § 890 Abs. 2 B G B , wodurch das zugeschriebene Grundstuck nichtwesentlicher Bestandteil des nunmehr einheitlichen Grundstücks wird. § 5 G B O dagegen behandelt die Vereinigung mehrerer Grundstücke. § 4 G B O betrifft lediglich die Führung eines gemeinschaftlichen Blattes für mehrere Grundstücke, also ein ausschließlich grundbuchtechnisches Verfahren ohne sachlichrechtliche Folgen (HRR 1941, 28). Während § 93 die für a l l e Sachen gültige Begriffsbestimmungen der wesentlichen Bestandteile gibt, bezieht sich § 94 nur auf die Bestandteile v o n G r u n d s t ü c k e n , für welche eine Erweiterung des in § 93 gegebenen Begriffes bestimmt wird. Die Bedeutung des § 94 besteht also darin, daß den dort aufgeführten Sachen die Eigenschaft wesentlicher Bestandteile eines Grundstücks selbst dann zukommt, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht gegeben, ja sogar, wenn sie nach natürlicher Auffassung nicht als Bestandteile aufzufassen sind. Die einzelnen Flächenteile eines Grundstücks sind keine wesentlichen Bestandteile, weil das Grundstück durch Ziehen von Grenzlinien jederzeit in verschiedene Teile zerlegt werden kann 9 ). Deshalb können die einzelnen 8 ) JW 1910, 813. Aus dem gleichen Grund ist ein zu einem Weg gehöriger Abzugsgraben als unwesentlicher Bestandteil des Wegs zu erachten (vgl. Warneyer 1919 Nr. 187).

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Bestandteile des Grundstücks

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Parzellen eines Grundstücks auch mit besonderen dinglichen Rechten belastet werden. So kann z.B. dann, wenn im Grundbuch mehrere Katasterparzellen unter einer Nummer vereinigt sind, eine dieser Katasterparzellen mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden. Die Ordnungsvorschrift des § 7 B G O läßt eine solche Belastung allerdings nur zu, wenn Verwirrung nicht zu besorgen ist 10 ). Unzulässig dagegen ist es, zugunsten einer von mehreren Katasterparzellen, die im Grundbuch unter einer Nummer vereinigt sind, eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Das kann leicht zu Unklarheiten und zur Verwirrung führen, da die Dienstbarkeit idR auf dem Blatt des herrschenden Grundstücksteils nicht vermerkt wird und infolgedessen bei Zuschreibung oder Vereinigung mit anderen Parzellen zu einem selbständigen Grundstück oder im Falle weiterer Teilung der Parzelle der ursprünglich herrschende reale Teil des Grundstücks nicht mehr existiert. Für einen solchen Fall enthält daher auch die G B O keine dem § 7 entsprechende Bestimmung 11 ). Eine für sich allein auf einem Grundbuchblatt stehende Liegenschaft ist eine selbständige Sache; sie kann niemals als Bestandteil eines anderen Grundstücks in Betracht kommen12). 2. Von den Gegenständen, die nach § 93 oder § 94 wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sein würden, werden durch § 95 A u s n a h m e n gesetzt13). Darnach gehören zu den Bestandteilen des Grundstücks solche Sachen n i c h t , die nur zu einem v o r ü b e r g e h e n d e n Z w e c k 1 4 ) mit dem Grund und Boden verbunden sind. 10 ) R G K Bern. 6 zu § 93. Planck Vorbem. 2 vor § 1018; Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 2aa) zu § 1018. u ) O L G 43, 6; K G J 53, 1 7 4 ; Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem 2 b b zu § 1018. 11 ) Vgl. J W 10,60. Ein Grundstück verliert seine Selbständigkeit, wenn es dem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben ( § 6 G B O ; vgl. H R R 1941 Nr. 602) oder mit dem anderen zu einem neuen selbständigen Grundstück vereinigt wird ( § 5 G B O , § 890 Abs. 1 B G B ; hinsichtlich der sog. Zuflurstücke vgl. B G H in D N o t Z 54, 197; BayOb. L G Z 54, 252; Richter Deutsches Grundbuchrecht S. 76fr.; § 62 Bay. VermÄ D A - G V B 1 1943, 83 u. Änd. dazu vom 1 5 . 4 . 1955 — G V B 1 . 1 7 7 ; über Begriff u. Entstehung des Zuflurstücks vgl. Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 78 ff. zu § 5 G B O Anh.). 13 ) Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausnahme trifft denjenigen, der den Ausnahmefall behauptet. 14 ) Z . B. für die Dauer der Mietzeit ( R G 55, 284; 59, 20; 63, 4 2 1 ; 87, 5 1 ; Recht 1914 Nr. 1 6 3 2 ; sonach gehören die vom Mieter eingepflanzten Rosenstöcke diesem). — Bis zur Fertigstellung eines Gebäudes (Bauhütte, Gerüste R G Warneyer 10, 154). — Für die Zeit einer vorübergehenden Schaustellung (Ausstellungsgebäude J W 1901, 184). Der Zweck bleibt vorübergehend, wenn bei der Verbindung der Wegfall dieses Zweckes früher oder später mit Sicherheit zu unterstellen ist, mag auch eine noch solange Dauer vorherzusehen sein (vgl. R G 97, 102. Errichtung von Hüttenwerken aus allodialen Mitteln auf Fideikommißgrundstücken).

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Maßgebend ist, ob der Wegfall der Verbindung von vornherein beabsichtigt (RG 47, 197) oder nach der Natur des Zwecks der Verbindung sicher war R G 63, 416) oder ob eine bei normalem Verlauf der Dinge als dauernd gedachte nicht von vornherein zur Wiederaufhebung bestimmte Verbindung in Frage stand (RG 62, 410; SeufFA 78 Nr. 58). Der Zweck der Verbindung ist nicht nur dann vorübergehend, wenn er sich in kurzer Zeit erreichen läßt; er kann es auch dann sein, wenn ihm seiner Natur nach eine zeitliche Begrenzung innewohnt, wenn auch das Ende erst nach Jahren oder Jahrzehnten eintritt. Im Gegensatz dazu ist als dauernd derjenige Zweck anzusehen, für dessen Fortwirken ein Endpunkt begrifflich nicht feststeht, wenn nicht durch das Dazwischentreten unberechenbarer zufälliger Ereignisse Änderungen herbeigeführt werden (RG 61, 188; 66, 88; SeufFA 78 Nr. 58). Auch was n a c h H e r s t e l l u n g eines Gebäudes in dieses eingebaut wird, kann wesentlicher Bestandteil werden (RG 160, 183). Im Gegensatz zum Zubehör 1B) dient der Bestandteil der Vollendung der Hauptsache und geht in ihr auf. Wesentliche und unwesentliche Bestandteile unterscheiden sich voneinander nur insofern, als die unwesentlichen Gegenstand besonderer Rechte sein können. Läßt sich im Einzelfall eine Verkehrsauffassung oder eine allgemeine natürliche Anschauung über die Bestandteilseigenschaft nicht feststellen, so hat der Richter zu entscheiden, wie jeder verständige und unbefangene Beurteiler die Dinge sehen würde. A u f Festigkeit der Verbindung kann geschlossen werden, wenn die Lösung so erhebliche Schwierigkeiten bereitet, daß die Kosten der Trennung im Vergleich zum Wert des Bestandteils unverhältnismäßig hoch sind. Die Zerlegung eines Gasbehälters z. B. erfordert im Verhältnis zum Wert der einzelnen Teile hohe Kosten; durch die Zerlegung würde er in seinem Wesen verändert (vgl. R G 158, 362; Warneyer 1934 Nr 114).

Über die Frage, ob eine Sache für dauernd oder nur zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden ist, entscheidet die Willensrichtung desjenigen, der die Verbindung herstellt. Dabei kommt es darauf an, welche Vorstellung der Verbindende von den Verhältnissen und ihrer Entwicklung tatsächlich gehabt hat, nicht darauf, wie ein Sachkenner Trockenschuppen, die bald auf diesem, bald auf jenem Grundstück eines Fabrikanwesens aufgestellt werden, sind nicht Bestandteile der Grundstücke, auch wenn sie zum Zwecke der Verlegung auseinandergenommen werden müssen ( O b L G io, 160). Für die Prüfung nach § 95 B G B ist allein der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Gegenstand mit Grund und Boden verbunden wird. Die so geschaffene dingliche Rechtslage kann durch spätere Änderung des Zwecks nicht ohne weiteres verändert werden (vgl. B G H Z 8, 1 = N J W 1953, 137 und 1466; N J W 1956, 1273; L M N r . 1 zu § 95 B G B ; L G K ö l n in N J W 55, 1797 B G H in M D R 1952, 87; O L G Neustadt in M D R 1954, 677). 16 ) V g l . R G 69, 117 über Abgrenzung von Bestandteil und Zubehör.

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die Verhältnisse richtig beurteilt hätte. Die Willensrichtung desjenigen, der die Verbindung herstellt, ist maßgebend ohne Rücksicht darauf, ob die Verbindung lose oder fest ist. Die Willensrichtung ist aber nur insoweit von Bedeutung, als sie mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt im Einklang steht16). Bei einem Pacht- oder Mietverhältnis sprechen die Umstände idR dafür, daß die vom Pächter oder Mieter vorgenommene Verbindung nur für die Dauer des Vertragsverhältnisses Bestand haben soll, es sei denn, daß mit dem Grundstückseigentümer eine Sondervereinbarung über das Eigentum an der verbundenen Sache getroffen wurde. Das trifft z.B. zu, wenn dem Grundstückseigentümer als Verpächter das Recht eingeräumt wird, das vom Pächter errichtete Gebäude nach Ablauf der Pachtzeit zu übernehmen, oder wenn auch nur das Wahlrecht zugesprochen wird, ob der Grundstückseigentümer das Gebäude übernehmen will oder nicht 17 ). Aus einer Vereinbarung, wonach an dem mit dem Grundstück verbundenen Gegenstand das Eigentumsrecht für einen anderen als den Grundstückseigentümer vorbehalten wurde, kann nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, daß die Verbindung nur für einen vorübergehenden Zweck erfolgt sei. Entscheidend ist vielmehr auch hier die Willenrichtung desjenigen, der die Verbindung hergestellt hat, ob er die Verbindung nach dem normalen Verlauf der Verhältnisse als dauernd gedacht ist18). Die Bestimmungen in §§93 und 94 B G B können dadurch nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden, daß die Parteien etwa vereinbaren, eine Sache solle nicht wesentlicher Bestandteil werden19). Soll der Zweck eines mit dem Grundstück verbundenen Gebäude nachträglich eine Änderung erfahren, so bedarf es dazu einer besonderen Einigung über einen etwa gewollten Eigentumsübergang20). Wenn ein Kleingärtnerverein ohne besondere eigene Mittel auf einem Pachtgrundstück ein massives Vereinsheim mit erheblichem Kostenaufwand unter Aufnahme fremder Gelder errichtet, so würde es aller wirtschaftlichen Vernunft widersprechen, wenn dies mit dem Willen geschähe, die Lebensdauer des so errichteten Baues auf die Pachtzeit zu beschränken und den Bau nach deren Ablauf wieder abzubrechen. Die tatsächliche Vermutung spricht dafür, daß der Bau als Daueranlage errichtet ist. Die Anwendung des § 95 Abs. 1 S 1 B G B hierauf ist nich haltbar (HRR 1941, 257; R G 153, 236).

" ) Vgl. R G Z 153, 2 3 1 ; 158, 376; H R R 1937 Nr. 1 2 1 6 ; 1942 N r 257; WarnR 1918 Nr. 1 5 5 ; B G H Z 8, 1 ; B G H in L M Nr. 48 zu § 13 G V G . « ) Vgl. B G H Z 8, 1 ; 10, 1 7 1 ; M D R 58, 4 1 8 ; L M Nr. 48 zu § 13 G V G ; B G H i n N J W 56, 1274; B G H Z 1, 168; J W 37, 1265. vgl. auch Vennemann in M D R 52, 7 5 ; L G Münster in M D R 51, 354; Hamburg in M D R 51, 736; R G in J W 37, 2265. 18 ) Vgl. B G H Z 23, 57; R G R K o m m Bern. 25 zu § 195. " ) Vgl. R G in J W 36, 674; M D R 49, 30. 20 ) Vgl. B G H Z 23, 60; M D R 57, 213.

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Bei einem auf fremdem Grund errichteten Behelfsheim spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt ist, also das Heim bewegliche Sache ist. Diese Vermutung wird aber dann entkräftet, wenn vereinbart ist, daß das Heim im Falle einer Verkaufsabsicht des Bauherrn an den Grundstückseigentümer fallen soll. Entscheidend ist der Wille der Verfügenden, sofern er mit dem äußeren Tatbestand vereinbart ist (OGHZ i , 168; MDR 1948, 457; R G 153, 236; 62, 410; 158, 304; JW 1937, 2265). E i n Gebäude oder anderes Werk 2 1 ), das in Ausübung eines dinglichen 22 ) Rechts (z.B. Dienstbarkeit, Nießbrauch, Überbau nach § 9 1 2 ) an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, werden kraft ausdrücklicher Vorschrift in § 95 A b s . 1 S. 2 B G B ebenfalls nicht wesentliche Bestandteile des Grundstücks. E n d lich gehören Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Z w e c k e in ein Gebäude eingefügt sind, nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes ( § 9 5 Abs. 2) 2 3 ). Das ist dann der Fall, wenn eine Trennung der eingefügten Sachen von A n f a n g an beabsichtigt oder mit Sicherheit zu erwarten war. E s gelten hier dieselben Grundsätze über die Willensrichtung desjenigen, der eine Sache einfügt, wie oben bei der Verbindung (vgl. bei Fußnote 15). 21 ) Unter einem Werk versteht man eine einem bestimmten Zwecke dienende, nach gewissen Kunst- oder Erfahrungsregeln erstellte und mit dem Erdkörper verbundene Sache (RG 60,139; 76, 261); z. B. Wasserleitung (vgl. R G 39, 205; 48, 267; 6i, 192), Eisenbahndamm (JW 1908, 196), Zaun (OLG 20, 37), Erdaufschüttung zur Anlage einer Erdböschung (SeuffA 36 Nr. 261), Baugerüst (JW 1910, 288), Senkgrube, Mauer, Keller. Ein Komposthaufen ist kein Bestandteil (SeuffA 3 5 Nr. 96). Uber die Rechtsverhältnisse an Kellern s. unten § 4. Sind Röhren- oder Drahtleitungen eines Gas-, Wasser- oder Elektr.-Werkes mit dem Grund und Boden, auf dem sich das Werk befindet, fest verbunden (§ 94) (das ist nicht der Fall, wenn die Masten, an denen sich die Drähte befinden, leicht heraus genommen werden können, ohne daß der Erdboden abgegraben werden muß oder die Masten beschädigt werden vgl. Wameyer 1914 Nr. 143), so sind sie wesentliche Bestandteile dieses Grundstücks, soweit dieses reicht. Andernfalls sind sie Zubehör (§ 97 Abs. 1, § 98 Ziff. 2, vgl. R G 83, 69; 87, 50). Sind die Leitungen in Ausübung eines dinglichen Rechts oder nur vorübergehend durch oder über fremde Grundstücke gelegt, so sind sie nicht Bestandteile dieser fremden Grundstücke, auch nicht, wenn sie fest mit ihnen verbunden sind, sondern Zubehör des Grundstücks, auf dem das Werk steht; sie gelten als bewegliche Sachen (RG 83, 69; 87, 50; Warneyer 1918 Nr. 155). Siehe im übrigen hierzu oben id). 22 ) O L G 10, 160. RGKomm Bern. 5 zu § 95. Dem dinglichen Recht an fremder Sache steht ein Recht am eigenen Grundstück mit dinglicher Wirkung auf das Nachbargrundstück gleich (vgl. § 922 Satz 3 (Grenzeinrichtungen); s. hierüber unten § 7). Vgl. HRR 1938 Nr. 574 (Grunddienstbarkeit); B G H in Z M Nr. 2 zu § 95 (Nießbrauch); vgl. auch Celle in MDR 52, 469 (hier wird der Pächter des Nießbrauchers als Berechtigter erachtet). Mieter u. Pächter gelten nach h. M. nicht als Berechtigte i. S. des § 95 Abs. 1 , S. 2; vgl. dazu O L G München in HRR 1938 Nr. 364. 23 ) Die Scheinbestandteile des § 95 sind als bewegliche Sachen zu erachten (RG 55, 284; 59, 20; Wendt, ArchZPr. 103, 453), sofern sie nicht als wesentliche Bestandteile eines auf einem anderen Grundstück stehenden Gebäudes Immobiliareigenschaft haben. Vgl. Staudinger-Coing Randb. 19 zu § 95.

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Durch zusammenfassende Anwendung der in den §§ 93, 94 und 95 enthaltenen Begriffsbestimmungen ist zu entscheiden, ob ein zu einem Grundstück in Beziehung stehender Gegenstand wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücks ist. Ist ein Gegenstand wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks, dann sind notwendigerweise die wesentlichen Bestandteile dieses Gegenstandes mit ihm und durch ihn auch wesentliche Bestandteile des Grundstücks. Da ein Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist und die Mauer wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, so ist die Mauer auch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Das grundlegende Gesetz, das für die wesentlichen Bestandteile des § 93, wie jene des § 94 in gleicher Weise gilt, gibt § 93 durch die z w i n gende 2 4 ) Vorschrift, daß wesentliche Bestandteile nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können. Sie stehen also notwendigerweise im Eigentum des Eigentümers der Einheitssache25). (Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in der Rechtsform des Wohnungs-(Teil-)Eigentums nach dem W E G möglich). Wenn nun ein Gebäude von der Grenze zweier selbständiger Grundstücke dergestalt durchschnitten ist, daß es zu einem Teile auf der Flst. Nr. 1 und zum anderen Teil auf der Flst. Nr. 2 steht, dann sind zunächst alle Teile des Hauses, die mit ihm fest verbunden sind, wesentliche Bestandteile dieses Hauses. Die Vorschrift des § 93 verbietet, daß diese wesentlichen Bestandteile Gegenstand besonderer Rechte sind. Sie müssen also alle demselben Eigentumsrechte unterworfen sein. Nun bestimmt aber der § 94 Abs. 1, daß das mit der Flst. Nr. 1 verbundene Gebäude wesentlicher Bestandteil der Flst Nr. 1 und das mit der Flst. Nr. 2 verbundene Gebäude wesentlicher Bestandteil der Flst. Nr. 2 ist. Daraus würde sich ergeben, daß die wesentlichen Bestandteile des Hauses zum Teil im Eigentum des A , zum Teil im Eigentum des B stehen. Dieses Ergebnis ist durch § 93 in zwingender Weise ausgeschlossen und es ist in zwingender Weise durch § 94 Abs. 1 angeordnet. So treten die Bestimmungen der §§93 und 94 Abs. 1 miteinander in einen Widerstreit. Die Lösung dieses Widerstreites ist nur dadurch möglich, daß eine dieser beiden Vorschriften durch die andere überwunden wird. Deshalb ist zu prüfen, welche Vorschrift die stärkere ist. Aus der natürlichen Zusammengehörigkeit der Sachteile hat der Gesetzgeber in w i r t s c h a f t l i c h e r Denkweise den Rechtsgrundsatz der Zusammengehörigkeit abgeleitet. Der Gefahr wirtschaftlich nutzloser Zerstörung vorzubeugen und die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu gewährleisten, ist Absicht und Zweck des Gesetzes 26 ). Der Satz des § 93, der 24)

RG 62, 410; 74, 203. Auf Straßen und Wege soll nach JW 1910, 815 (RG) § 93 überhaupt nicht anwendbar sein, weil sie (wie jedes Grundstück) durch Ziehen von Grenzlinien jederzeit in verschiedene Teile zerlegt werden können, ohne daß ihr Wesen verändert wird. 26) R G 58, 341; B G H Z 18, 229; 20, 158; NJW 1953, 457. 25)

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in zwingender Weise und ohne Anerkennung einer Ausnahme die rechtliche Zusammengehörigkeit der Bestandteile verfügt, erhebt ein Naturgesetz oder wenigstens einen wirtschaftlichen, dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Grundsatz zum Rechtssatz. Im Gegensatz hierzu beruht die Vorschrift des § 94 Abs. 1 (superficies solo cedit) auf juristischer Begriffsbildung, die, dem römischen Rechte entnommen, im B G B keine ausnahmslose27) Durchführung erfahren hat. Das Wesen einer Sache beruht in ihrer körperlichen Einheitlichkeit. Das Grundstück im Sinne einer selbständigen Sache ist durch die Rechtsordnung erst künstlich geschaffen. Ein willkürlich ausgewählter Ausschnitt der Erdmasse wird durch einen Willensakt zum Grundstück und dadurch zur Einheitssache (siehe oben § i , I ) . Es ist keineswegs verwunderlich, wenn durch die Einführung einer solchen, durch die Rechtsordnung geschaffenen Sacheinheit in den Kreis der Einheitssachen, deren Anerkennung durch das Recht auf natürlicher Grundlage ruht, Unstimmigkeiten herbeigeführt werden. Der Rechtssatz „superficies solo cedit" ist ein Konsequenz der durch den Gesetzgeber vollbrachten Schöpfung des Grundstücks. Er ist formal-juristisch und logisch auf der vom Recht angeordneten Fiktion aufgebaut, daß ein nur gedachter Ausschnitt der einheitlichen Erdmasse eine selbständige Sache ist. Der Gesetzgeber hat wohl die Macht, dies anzuordnen, aber es fehlt ihm die Macht, seine Anordnung durchzusetzen. Darin liegt der tiefste Grund des Widerstreites zwischen dem Grundsatz des § 93 und jenem des § 94 Abs. 1. D e r s t ä r k e r e G r u n d s a t z i s t d e r des § 9 3 . Er ist der Natur, dem natürlichen Recht und dem wirtschaftlichen Denken entnommen. Der Grundsatz des § 94 Abs. 1 ist auf einer gesetzlichen Anordnung aufgebaut, die den wahren Tatsachen Gewalt antut und deshalb nicht wurzelecht ist. Deshalb muß dem natürlichen Zusammenhang der Teile derselben Einheitssache (§93) der Vorzug gegeben werden vor dem erst vom Recht geschaffenen Zusammenhang des § 94 Abs. 1, der das rechtliche Schicksal eines Sachteils ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu dieser Sache mit der Grundfläche zusammenfassen will28). Gelangt man schon auf Grund dieser ausschließlichen Betrachtungen der §§93 und 94 Abs. 1 zu diesem Ergebnis, so findet es die volle gesetzliche Rechtfertigung, wenn man die Gesamtheit der die Bestandteilseigenschaft regelnden Vorschriften einer zusammenfassenden, einheitlichen Würdigung unterstellt. Der abstrakte Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit" steht nicht für sich allein im Gesetz. Die Vorschriften der §§93 und 95 und insbesondere des § 94 Abs. 2 sind zusammen mit § 94 Abs. 1 und unter Heranziehung der §§ 946 fr. als einheitliches Recht 2? ) 2S )

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Vgl. R G 72, 272; 160, 78. Vgl. Becher, BayZ 1915, 67.

Bestandteile des Grundstücks

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zu würdigen. In ihrer Gesamtheit ist in diesen Vorschriften das gesetzgeberische Ziel ausgeprägt, einem Gegenstand, der kraft seiner Zweckbestimmung und der allgemein gültigen Verkehrsauffassung als w i r t s c h a f t l i c h e Einheit erscheint, auch die entsprechende r e c h t l i c h e Einheit zu geben29). Zweckbestimmung und Verkehrsauffassung geben den Ausschlag für die Entscheidung der Frage, ob eine Sache wesentlicher Bestandteil einer anderen ist30). Dabei handelt es sich um eine Zweckbestimmung, die nicht nur ein innerer Vorgang bei den Schaffenden ist, sondern durch die Verwirklichung seines Willens so vergegenständlicht wird, daß der Zweck in das Wesen des Werkes übergeht. Nur dann, wenn dieser Zweck infolge des Zusammenhanges des Werkes mit dem Boden nicht verwirklicht werden konnte, kann sich der abstrakte Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 behaupten, während im übrigen die verwirklichte Zwecksetzung (§93) den Ausschlag gibt. Bei Änderung der Zweckbestimmung, z.B. wenn unwesentlicher Bestandteil wie ein nur für vorübergehend errichtetes Behelfsheim nachträglich für dauernd mit dem Grundstück verbunden bleiben soll, so wird der bisher unwesentliche Teil nicht von selbst, sondern erst dann zum wesentlichen Bestandteil, wenn die bisher verschiedenen Eigentümer ausdrücklich und sinnvoll sich darüber einig geworden sind, daß das Eigentum am Behelfsheim auf den Grundstückseigentümer übergehen soll31). Die Zusammengehörigkeit der einzelnen Gebäudeteile untereinander ist enger und wirtschaftlich notwendiger als die Zusammengehörigkeit der Gebäudebestandteile mit dem Grundstück; die Folge davon ist, daß das Gebäude als rechtliche Einheit betrachtet wird und im Eigentum e i n e s Eigentümers stehen kann. Eigentümer des als Einheit aufzufassenden Gebäudes ist immer der bauende Grundeigentümer32). Diese lange Zeit umstrittene Auffassung ist letzten Endes von der Rechtsprechung jedenfalls für die Fälle des Grenzüberbaues überwiegend 29 ) Vgl. R G 58, 3 4 1 ; 61, 1 9 2 ; 6z, 408; 63, 4 1 9 ; 69, 1 2 1 und 1 5 3 ; 90, 2 0 1 ; StaudingerCoing Bern. 1 zu § 93 B G B . 30 ) R h e i n A n o , 145 (Düsseldorf); R G Z I 5 O , 2 6 ; J W 1936, 1 1 2 3 ; B G H i n N J W 1953, 1 1 2 3 (Gasheizung u. Warmwasseranlage als wesentliche Bestandteile) O L G Frankfurt in D N o t Z 68, 656 (Zentralheizung als wesentl. Bestandteil) L M Nr. 2 zu § 93 (Kegelbahn nicht wesend. Bestandteil); O L G Celle in N J W 58, 632 (Ölheizung nicht wesentlich); O L G Braunschweig in DRspr. I (110); L G Freiburg in M D R 52, 4 1 9 (Entlüftungsanlage). Eine Zusammenstellung der sehr umfangreichen Rechtsprechung hierzu siehe bei Palandt Anm. 7 zu § 93. 31 ) Vgl. B G H Z 23, 57 = M D R 57, 213 = N J W 57, 4 5 7 ; ferner N J W 53, 137 u. 1466; N J W 5 6 , 1 2 7 3 v g l . R G Z 9 6 , 1 0 2 ; Warn R 1 9 3 4 N 1 M 9 ; a.M. R F H inJW 23, 790; StaudingerCoing Randb. 9 zu § 95 B G B . 32 ) Vgl. Staudinger-Coing Randb. 20 zu § 94; Staudinger-Seufert Randb. 1 2 zu § 921.

4 Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

49

§ «

1 2 , II 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

anerkannt worden 33 ). Sie muß allgemein gelten, wenn der wirtschaftliche Zweck und die Auffassung des Verkehrs es fordern. Eine Sonderstellung genießen jene Gegenstände, die „zur Herstellung eines Gebäudes e i n g e f ü g t " werden (§ 94 Abs. 2). Sie gelten mit der Einfügung kraft Gesetzes als wesentliche Bestandteile des Gebäudes und zwar ohne Rücksicht darauf, ob auch die Voraussetzungen der §§93 oder 94 Abs. 1 B G B gegeben sind. Für das Vorliegen der Einfügung kommt es lediglich darauf an, daß der betreffende Gegenstand zwischen die Teile des Gebäudes gebracht und mit diesem so vereinigt wird, daß dem Gebäude seine Sonderart verliehen, daß es also zu dem gemacht wird, was es werden soll. Belanglos ist daher die Art und die Festigkeit der Verbindung. Bei Entscheidung der Frage, ob eine Sache als zur Herstellung eingefügt zu gelten hat, muß vom Gebäude als Ganzen so, wie es sich in seiner Sonderart darstellt, ausgegangen werden34). Unrichtig ist es, wenn behauptet wird, das Gesetz selbst habe die Zugehörigkeit zum Grundstück als das hautpsächliche und entscheidende erklärt. Es werden sich38) Stellen der Gesetzesmateriallien, nicht aber eine einzige des Gesetzes dafür anziehen lassen. Die hier vertretene Ansicht ist zunächst für die Lehre vom Überbau aufgestellt worden36). Die Rechtssprechung der O L G Dresden und Düsseldorf baut auf ihr die Lehre von der Kommunmauer auf 37 ). Sie ist aber nicht auf diese Gebiete zu beschränken, wie es zumeist geschieht, sondern ist auch der Schlüssel zur Konstruktion des Eigentums an Grenzeinrichtungen. Vgl. hierüber unten § 7 III. II. V e r e i n i g u n g u n d T r e n n u n g der B e s t a n d t e i l e 1. V e r s c h i e b u n g v o n G r u n d s t ü c k f l ä c h e n d u r c h N a t u r ereignisse Dem Eigentümer eines Grundstückes gehören — abgesehen von den dem Bergberechtigten vorbehaltenen Mineralien (Bergges. Art. 1 vgl. unS3 ) Vgl. R G Z 142, 2 3 1 ; 150, 22; 160, 166; 167, 178; J W 36, 1 1 2 3 ; B G H N J W 55, 252; N J W 58, 1 1 8 2 = M D R 58, 591 = B G H Z 27, 197; Glaser in M D R 56, 458; Hodes in N J W 54, 1348 und 1369; Moeller N J W 55, 183; Meisner-Stern-Hodes § 2 II; Staudinger-Seufert Randb. 12 u. 25 zu § 9 2 1 ; RGRKom. Bern. 5 zu § 94. 31 ) Vgl. B G H in M D R 58, 307; B G H Z 20, 154 = M D R 56, 473 = N J W 56, 945; L M Nr. 2 zu § 93; R G Z 150, 22. R G in HRR 1919 Nr. 1298 (Warmwasseranlage in einem Hotel); Stuttgart in N J W 58, 1685. B G H in N J W 53, 1180 (Entlüftungsanlage in Gasthaus). 36 ) Mit Busch in BayZfR 14, 157. 38 ) Zuerst von Boethke, bei Gruchot 45, 722. Dann ausführlich niedergelegt von Staudinger-Ritzler Bern. 7 zu § 94. S. ferner Delbrück, ArchBürgR 39, 436; Schmitt, BayZfR 15, 5 8; s. hierüber unten §. 8 37 ) Vgl. SächsAnn. 33, 1 7 8 ; RheinA n o , 1 5 1 ; s. hierüber unten § 8.

50

Bestandteile des Grundstücks

§2 m

ten § 36) — grundsätzlich alle Bestandteile, aus denen sich die Erdmasse des Grundstücks zusammensetzt. Lösen sich einzelne Bestandteile des zum Grundstück gehörigen Erdkörpers los 38 ) — gleichviel ob sich diese Loslösung im Inneren des Erdkörpers oder an der Oberfläche vollzieht —, so bleibt der Eigentümer des Grundstückes zunächst Eigentümer der losgelösten, also beweglich gewordenen Bestandteile. Das gilt dem Grundsatz nach auch dann, wenn die losgelösten und in Bewegung geratenen Bestandteile auf ein anderes Grundstück gelangen und hier zum Stillstand gekommen sind. Wenn z. B. ein Bergrutsch stattgefunden hat mit der Folge, daß die Erdmasse des höher gelegenen Grundstückes mitsamt der Erdoberfläche und den darauf stehenden Grenzsteinen über die Grenzlinie hinüber auf das tiefer gelegene Grundstück geschoben ist, so wird hierdurch eine Änderung des rechtlichen Bestandes des Grundstückes nicht bewirkt. Das Grundstück als solches, das ist der keilförmige Ausschnitt aus der Erdmasse, der durch gedachte Linien auf der Oberfläche (die Grenzen) in seiner räumlichen Beziehung zu den übrigen Teilen der Erdkugel (in seiner geographischen Lage) dauernd und unverrückbar festgelegt und durch diese gedachten Linien individualisiert ist, geht nicht mit, wenn sich einzelne Bestandteile des Grundstückes, sei es von der Oberfläche, sei es von dem Erdinnern, loslösen und auf ein anderes Grundstück gelangen. Die durch die verschobenen Grenzzeichen gegebene Linie ist nicht die Grenzlinie und die verschobenen Grenzzeichen müssen deshalb wieder an ihren richtigen geographischen Standort gesetzt werden. Grundverschieden davon ist die Frage, welches rechtliche Schicksal die früheren Bestandteile des Grundstücks haben, die nach ihrer Loslösung auf einem anderen Grundstück angelangt sind. Auszuscheiden sind hier zunächst die Veränderungen, deren rechtliche Beurteilung gemäß Art. 65 E G nach den landesgesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Das ist der Erwerb nach Ufer- und Wasserrecht, insbesondere die Fragen, die sich hinsichtlich des Eigentums am verlassenen Flußbett, der Verlandungen, der Landversetzungen und Uferabrisse, neu entstandener Inseln ergeben (Art. 7—13 WG). Bei den nach B G B zu beurteilenden Verschiebungen kann es sich um Steine, Erde usw., um Gebäude und um Pflanzen (Bäume) handeln. Auszugehen ist davon, daß durch die Loslösung an dem Eigentumsverhältnis der Bestandteile nichts geändert wird. Wenn aber die fortgewanderten Bestandteile des Grundstückes auf oder in ein anderes Grundstück gelangt S8 ) Dafür sind die verschiedensten Ursachen denkbar: Erdbeben, Einfluß des Bergbaus, Vertiefung der Nachbargrundstücke; Unterwaschung durch Wasser, Verwitterung am Gestein; Zusammenbruch von Hohlräumen im Erdinnern, Veränderung der Grundwasserverhältnisse (s. oben S 11 ff.). Über eine durch den Druck aufgeschichteter Steinmassen (Halde) verursachte Verschiebung der Bodenbestandteile vgl. J W 1921, 253 (RG).

4'

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§2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

in

sind, dann verliert der bisherige Eigentümer sein Eigentum an den losgelösten Bestandteilen, sobald diese wesentliche Bestandteile des anderen Grundstücks geworden sind; denn § 946 bestimmt: „Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden, daß sie wesentlicher Bestandteil des Grundstückes wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf diese Sache." Um die Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück handelt es sich; denn durch die Loslösung haben die Bestandteile die Eigenschaft (unselbständiger) unbeweglicher Sachen verloren; sie sind (selbständige) bewegliche Sachen geworden. Das bleiben sie solange, bis sie wieder „unbewegliche Sachen" im Rechtssinne werden. Dieser Begriff ist noch nicht ohne weiteres erfüllt, wenn sich die losgelösten Sachen nicht mehr bewegen. Dazu ist die feste Verbindung mit einer unbeweglichen Sache, dem Grundstück, erforderlich (§ 946). Für die Anwendung des § 946 ist es ohne Bedeutung, ob die Ursache der Loslösung und der Verbindung auf menschlicher Tätigkeit 39 ) oder auf Zufall (höherer Gewalt) beruht. In allen Fällen ist zunächst nach den von §§93, 94, 95 aufgestellten Gesichtspunkten zu entscheiden, ob die von einem Grundstück losgelösten Bestandteile zu einem wesentlichen Bestandteil des anderen Grundstückes geworden sind. Eine Sondervorschrift, wie sie der von der zweiten Kommission gestrichene § 786 E I hatte, gilt nicht. Es kommt vor allem darauf an, ob die ausgewanderten Bestandteile in feste Verbindung mit dem Grund und Boden des anderen Grundstückes gekommen sind. Diese Frage kann nicht für alle Fälle in gleicher Weise entschieden werden40). Die Entscheidung muß noch heute nach denselben Grundsätzen getroffen werden, die schon die Römer aufgestellt haben, i g § 2 D 39, 2 überliefert uns die Entscheidung des Juristen Alfenus, die folgendermaßen lautet: „Wenn von Deinem Acker ein Stück auf meinen Acker gefallen ist, kannst D u die herabgefallene Erde nur unter der Voraussetzung zurückfordern, daß sie sich mit meinem Erdreich nicht schon verbunden und vereinigt hat. . . . Auch ein Baum, welcher auf meinen Acker geschoben wurde und mit meinem Erdreich zusammengewachsen ist, kann von Dir nicht eigentümlich zurückgefordert werden. Aber auch ich werde gegen Dich keine Klage anstellen können, daß Dir kein Recht zustehe, das (frühere) Stück Deines Ackers auf meinem Acker zu haben, sobald es mit dem meinigen sich verbunden hat, weil es mein Eigentum geworden ist." Weiter bestimmt § 21 J 2, 1 und damit fast gleichlautend 1. 7 § 2 D 41, 1 : „Wenn der Strom von Deinem Grundstück ein Stück abreißt und es an ein benachbartes ansetzt, so ist es klar, daß es Dein bleibt. Wenn es freilich längere Zeit hindurch mit meinem Boden zusammengehangen und die Bäume, welche es mit fortgetragen, in meinem Boden Wurzel getrieben haben, so sind sie von da ab für mein Grundstück erworben." m) 40)

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Ausnahmen können sich aus § 95 ergeben. Vgl. R G 50, 243; JW 1904, 110.

Bestandteile des Grundstücks

§2 in

i. 20 J 2, i ; i , 7 § i D 41, i bestimmen: „Was ein Fluß durch Ausspülung an Deinen Acker anschwemmt ist Dein. Durch Anschwemmung wird das angesetzt, was so allmählich hinzukommt, daß man nicht gewahr werden kann, wieviel in jedem Augenblick dazu kommt."

Wesentlich in diesen Quellenstellen sind zwei Gesichtspunkte. Die A n s c h w e m m u n g wird ohne weiteres deshalb Bestandteil des Grundstückes, weil die Aussonderung nicht tunlich ist. Weil und soweit bei dem a b g e r i s s e n e n Stück Land die Aussonderung möglich ist, wird es nicht sofort Bestandteil. Es erwirbt die Bestandteilseigenschaft erst, wenn es sich mit dem Grundstück fest verbunden hat41). b) Eine im I n n e r n des Erdkörpers vor sich gehende Verschiebung, welche Bestandteile über die lotrechte Grenzfläche hinüber in den Bodenkörper eines anderen Grundstückes geführt hat, bewirkt ohne weiteres einen Wechsel im Eigentum, weil, abgesehen davon, daß die Aussonderung nicht möglich ist, die in die kompakte Masse des Erdkörpers eingedrungenen Gegenstände infolge des Druckes, den die zusammenhängende Masse von allen Seiten auf sie ausübt, mit dem Boden an der Stelle, an welcher sie zur Ruhe gekommen sind, in fester Verbindung stehen. c) Nicht so einfach ist die Rechtslage, wenn d i e O b e r f l ä c h e d e s Grundstückes von der Verschiebung der Bestandteile betroffen ist. Solange und soweit die von dem Grundstück losgelösten, auf ein anderes Grundstück verschobenen Bestandteile unterscheidbar und der Aussonderung fähig sind, bleibt das bisherige Eigentum regelmäßig zunächst erhalten. Deshalb kann der Eigentümer des Weinberges die auf die Wiese eines Unterliegers gelangte Humuserde zurückholen (§ 9Ö7)42). Läßt er die Humuserde längere Zeit liegen, dann ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen, ob er hierdurch nicht seinen Willen der Aufgabe seines Eigentums kundgegeben hat43) (§ 959) und daraufhin der Nachbar die dadurch herrenlos gewordene Sache sich angeeignet hat (§958). Ohne Rücksicht auf diesen Willen der Eigentumsaufgabe durch den einen und des Erwerbs durch den anderen Nachbarn geht das Eigentum an der Humuserde von dem einen Nachbarn auf den anderen selbsttätig mit dem Zeitpunkte über, in welchem die Humuserde mit dem Wiesengrundstück zusammengewachsen ist. Das ist z. B. der Fall, wenn die Gräser der 41 ) Über Eigentum an Verlandungen eines Flußbettes vgl. B G H in M D R 58, 595 — code civile; R G Z 87, 1 1 8 1 ; Gruch 57, 1 1 8 1 . Vgl. auch Art 7-9 BayWG. 42 ) Der Besitzer des Grundstücks muß ihm die Wegschaffung gestatten. Weigert er sich, so kann er hierauf verklagt werden und wird bei Verzug schadenersatzpflichtig (§286). Eine gegen den Willen des Grundstücksbesitzers ausgeführte Zurückschaffung wäre verbotene Eigenmacht (§ 858). Hat der Grundstückbesitzer die ausgewanderten Bestandteile in seinen Besitz genommen, so ist gegen ihn der Anspruch auf Herausgabe nach § 861 und nach § 985 begründet. § 959 ist auch dann anzuwenden, wenn die Kundgebung des Willens, das Eigentum aufzugeben, dem unfreiwilligen Besitzverlust zeitlich nachfolgt. Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 959; R G R Kom. Bern. 3. Bendix in ArchBBürgA 32, i4o;SüßinArch.civPr. 1 5 1 , 1 (Durchgangsherrenlosigkeit).

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§2 in

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

unter der Humusschicht liegenden Grasnarbe aus der Humusschicht herausgewachsen sind. Oder bei einer dickeren Humusschicht, wenn die darunter liegende Grasnarbe zerstört ist und sich auf der Humusschicht eine geschlossene Vegetation gebildet hat. Sind von der Felswand eines Grundstückes abgelöste Steine auf den Acker des Nachbarn gefallen, so ist hinsichtlich der Dereliktion und Aneignung nicht anders zu entscheiden. Eine feste Verbindung dieser Steine mit dem Grundstück wird dagegen, wenn überhaupt, so erst nach recht langer Zeit eintreten. Ist eine dem Grundstückseigentümer gehörige (isolierte) Scheidemauer mitsamt der Erdoberfläche über die Grenze auf das Nachbargrundstück hinüber gewandert, so erwirbt der Nachbar ohne weiteres das Eigentum der Mauer. Denn in einem solchen Fall muß die verschobene Erdmasse so mächtig sein, daß sie infolge des von ihr ausgeübten Druckes auf den darunter liegenden Erdkörper ohne weiteres mit diesem Erdkörper in eine feste Verbindung gelangt ist und da die Mauer ihrerseits mit der verschobenen Erdmasse fest verbunden ist, so ist die Mauer wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstückes. In gleicher Weise ist zu entscheiden, wenn mit der Erdmasse ein darin eingewurzelter Baum auf ein fremdes Grundstück geschoben ist. Handelt es sich um eine mächtige Erdschicht, die durch ihre eigene Schwere eine feste Verbindung mit dem Grundstück herstellt, dann ist diese und durch sie auch der Baum Bestandteil des Grundstücks geworden. In einem solchen Fall ist es zur Erlangung der Bestandteilseigenschaft des Baumes nicht erforderlich, daß der Baum in dem ursprünglichen Bestand der Erdmasse des Grundstückes Wurzel geschlagen hat. Wenn die verschobene Erdschicht dagegen dünn ist, so werden die darauf stehenden mitverschobenen Pflanzen Bestandteil, sobald sie in den ursprünglichen Bestand der Erdmasse Wurzel geschlagen haben. Dadurch wird dann auch die verschobene Erdschicht mit dem Grundstück fest verbunden. Eine andere Beurteilung hat Platz zu greifen, wenn es sich nicht um eine isolierte Mauer, sondern um eine Hauswand handelt, die durch seitliche Verschiebung der Erdmasse (und des daraufstehenden Hauses) über die Grenze auf das Nachbargrundstück hinüber gerückt ist. A u c h hier ist zwar die hinübergewanderte Erdmasse wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstückes geworden. Allein die daraufstehende Hauswand verbleibt als wesentlicher Bestandteil des Hauses im Eigentum des Gebäudeeigentümers, weil der Grundsatz des § 93 mächtiger ist als der des § 94 Abs. 1 (vgl. unten § 21 V I I 3).

Eine andere Frage ist wiederum die, ob der Eigentümer des Grundstückes, dessen Bestandteile auf ein anderes Grundstück gelangt sind, diese Bestandteile zurückholen m u ß . Sind die ausgewanderten Bestandteile zu wesentlichen Bestandteilen des fremden Grundstückes geworden, dann ist ohne weiteres klar, daß eine solche Verpflichtung nicht besteht. Aber auch solange das ursprüngliche Eigentum an diesen Bestandteilen noch besteht, kann deshalb allein, weil diese Gegenstände in fremden Eigentum stehen, der Eigentümer des Grundstückes, auf welchem sie sich befinden, einen Anspruch auf Beseitigung nicht erheben44). Dazu wäre ein besonderer Rechtsgrund erforderlich. Ist die Verschiebung der Grundstücksbestandteile durch ein unzulässiges Verhalten eines Anderen herbeigeführt worden, dann kann der Eigentümer des Grundstückes, auf welches hierdurch die Bestandteile verschoben wurden, die Beseitigung mit der Eigenu ) Wohl aber kann er selbst beseitigen. Dagegen kann er die Gegenstände nicht auf das Grundstück zurückschaffen, von dem sie gekommen sind, falls dessen Eigentümer nicht damit einverstanden ist.

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§2

Bestandteile des Grundstücks

II 1, 2 tumsfreiheitsklage verlangen (§ 1004 BGB). Verschulden ist nicht Voraussetzung dieses Anspruches. Liegt ein solches Verschulden vor, dann kann Ersatz des durch die Verschiebung verursachten Schadens (es ist z.B. eine Mauer eingedrückt worden) in Gemäßheit des § 249 B G B beansprucht werden. In Betracht kommt u.a. eine unzulässige Änderung des Wasserlaufes48) oder eine andere gewillkürte Veränderung des natürlichen Zustandes des Grundstückes (Erdaufschüttung, Auflagerung von Steinhalden46) oder ein Vertiefen des Erdbodens 47 ). Zum Schluß ist noch zu prüfen, welche Rechte dem Eigentümer zustehen, der sein Eigentum an Bestandteilen dadurch verloren hat, daß sie wesentliche Bestandteile des fremden Grundstückes geworden sind. Er kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsveränderung eingetreten ist, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung des früheren Zustandes kann nicht verlangt werden (§ 951). Der Verpflichtete kann jedoch diesen Bereicherungsanspruch dadurch erfüllen, daß er dem Berechtigten die früheren Bestandteile seines Grundstückes herausgibt, die sich dann dieser holen mag. Er ist zur Herausgabe nicht verpflichtet (§951 Abs. 1 Satz 2), aber natürlich berechtigt. Durch die Herausgabe entfällt seine Bereicherung. Geldentschädigung kann also der Berechtigte trotz § 951 Abs. 1 nur dann verlangen, wenn der Verpflichtete zur Herausgabe nicht bereit ist. Wenn eine unter dem Acker des A befindliche Tonschicht in den Erdkörper des dem B gehörigen Grundstückes eingedrungen ist und sich mit diesem Erdkörper fest verbunden hat, ist B der Eigentümer geworden. Erhebt A gegen B Klage auf Zahlung des Werts der ausgewanderten Tonmassen, so muß die Klage abgewiesen werden, wenn B sich zur Herausgabe 48 ) bereit erklärt. Verbraucht aber B die Tonmasse, so muß er ihren Wert ersetzen.

2. R e c h t s g e s c h ä f t l i c h e

Veränderungen

an

Grundstücken

a) Vereinigung (§ 890 Abs. 1 B G B in Verb, mit § 5 GBO). Erforderlich ist eine Erklärung des Grundstückseigentümers in der Form des § 29 G B O 46 ) Der Besitzer eines Zwischengrundstücks haftet nicht für Zuführung von Erdmassen, wenn diese durch Veranstaltungen auf einem anderen Grundstück verursacht ist. V g l . Recht 1915 Nr. 537 R G . 46 ) Vgl. JW 1921, 253. 47 ) Siehe unten § 17. 48 ) Ist infolge der Vermischung eine Ausscheidung nicht tunlich, so muß sich A damit begnügen, daß ihm B von der gemischten Masse so viel herausgibt, als A Ton verloren hat. Hat sich der T o n des A mit Mergel des B vermischt, so wird wohl B durch den Zuwachs überhaupt nicht bereichert sein (vgl. § 818 Abs. 3), äußerstenfalls müßte A sich mit der Zurückgabe seines Tones mitsamt dem Mergel begnügen.

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§2

m

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

sowie die Eintragung der Vereinigung im Grundbuch. Die auf den vereinigten Teilflächen ruhenden Belastungen bleiben bestehen. b) Zuschreibung (§ 890 A b s . 2 B G B in Verb, mit § 6 G B O ) . Wesentliches Erfordernis ist auch hier die Erklärung des Eigentümers, daß ein Grundstück einem anderen als Bestandteil zugeschrieben wird, sowie ein in der F o r m des § 29 G B O beim Grundbuchamt zu stellender Antrag dieses Inhalts. Die auf dem Hauptgrundstück eingetragenen Grundpfandrechte erstrecken sich kraft Gesetzes (§ 1 1 3 1 B G B ) auf das zugeschriebene (anders bei der Vereinigung nach § 5 G B O ) 4 9 ) .

III. Ü b e r l e i t u n g s r e c h t Während nach dem B G B Sonderrechte an wesentlichen Bestandteilen insbes. Erzeugnissen (Bäumen) eines Grundstückes nicht begründet werden können, sind die vor dem 1. 1. 1900 begründeten Sonderrechte durch Art. 181 Abs. 2 E G hinsichtlich der Erzeugnisse (Bäume), durch Art. 182 hinsichtlich des Stockwerkseigentums aufrecht erhalten. Im übrigen ist das Eigentum an Grundstücken ganz nach B G B zu beurteilen, insbesondere auch die Frage eines Überbaues nach § 912 BGB 60 ). Das Stockwerkseigentum ist unten (§ 3) behandelt. Hinsichtlich der Erzeugnisse (Bäume) wird der Vorbehalt des Art 181 E G wohl kaum mehr praktisch werden. Es kommen Bestimmungen des preußischen Landrechts und des Code civil in Betracht. a ) §§ 1 87, 199, 200 A L R I, 22 anerkennen die Möglichkeit, daß bei wildwachsendem Holz der Grundeigentümer und der Eigentümer verschiedene Personen sein können. Das Sondereigentum an Bäumen konnte durch die gewöhnlichen Eigentumserwerbstitel z. B. durch Anschlag mit dem Forsthammer erworben werden51). Hat am 1. 1. 1900 Sondereigentum an Bäumen bestanden, so kann es nach §§ 929® B G B weitübertragen werden. §§ 932fr. B G B finden auf den gutgläubigen Erwerb Anwendung. Dagegen kann der Erwerb des Grundstücks, der gutgläubig den Veräußerer für den Eigentümer der Bäume gehalten hat, das Eigentum an den Bäumen nicht beanspruchen. § 829 B G B findet auf einen Irrtum über die Bestandteilseigenschaft von Erzeugnissen keine Anwendung62). b) Das französiche Recht53) kennt ein Sondereigentum an Bäumen, die unter der Geltung des Gesetzes vom 9. Ventôse 13 auf routes nationales et départementales angepflanzt wurden; diese Bäume gehören den Anliegern. Das Gesetz vom 9. Vent 13 ist durch Gesetz vom 16. 12. 1 8 1 1 aufgehoben. 49

) Vgl. B G H in DNotZ 1954, 197; BayObLGZ 56, 475 ; = DNotZ 58, 388. °) Vgl. R G in JW 1900, 777; R G Z 56, 243; 169, 177. ) Vgl. Förster-Eccius 3, 4off.; Demberg 3, 335. Dieses Sondereigentum ist nicht mit der superficies nach §§ 243 fr., A L R . I 22 zu verwechseln, bei welcher das Verfügungsrecht über die Bäume dem beschränkten dinglichen Recht am Grund und Boden entspringt. 62 ) R G 61, 194. HRR 1926 Nr. 249; BayOb. in Seuff. Bl. 73, 239; vgl. StaudingerSeufert zu § 892 Randbem. 7. 63 ) Vgl. Kisch-Dernburg, Els.-Lothr. Privatr. S. 486; Fuzier-Hermann, Répertoire générale V, 26 ff. 6

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Stockwerkseigentum — Wohnungseigentum

§3 i

§ 3. Stockwerkseigentum1) — Wohnungseigentum (Dauerwohnrecht) I. E c h t e s

Stockwerkseigentum

Eine Teilung des Grundstücks und seiner wesentlichen Bestandteile in waagrechter Richtung ist nach dem System des Bürgerlichen Gesetzbuches unmöglich; die wesentlichen Bestandteile eines Gebäudes folgen mit Notwendigkeit seinem rechtlichen Schicksale (s. oben § 2, II). Nach dem vor dem Inkrafttreten des B G B geltenden Recht gab es jedoch das Stockwerkseigentum in der Form des echten Alleineigentums an einzelnen Stockwerken verbunden mit dem Miteigentum des Sondereigentümers an der Grundfläche und an den gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes (Umfassungsmauern, Treppenhaus, Dach). Diese, dem heutigen Wohnungseigentum ähnliche, aber nicht gleiche Rechtsform, konnte nach dem B G B nicht mehr neu begründet werden2). Ein am 1. 1. 1900 bestehendes Stockwerkseigentum kann nicht mehr auf ein zu dem horizontal geteilten Gebäude neuerdings hinzugezogenes Grundstück erweitert werden3). Das am 1. 1. 1900 bestehende4) Stockwerkseigentum bleibt bestehen (Art. 182, 189 Abs. 1 EG). § 3. Über Eintragung des Stockwerkeigentums im Grundbuch s. D. A. §§ 173 Abs. 1 , 220 Abs. 2, 296 Abs. 2, 397. 2 ) Vgl. M. 3, 44f. (Mugdau 3, 24f.); Ausschußverh. der Kammer d. A. 1898, 31 (Becher, Mat. I, 188). Es ist auch nicht zulässig, aus einem bestehenden Stockwerkseigentum durch Teilung weiteres Stockwerkseigentum zu schaffen, auch dann nicht, wenn nach bisherigem Rechte eine solche Teilung zulässig war. Recht 1905, 576 (Stuttgart). O b L G 1 1 , 716. Darüber, auf welche Weise es möglich ist, unter der Geltung des neuen Rechts ein dem Stockwerkseigentum wirtschaftlich verwandtes Rechtsgebilde hervorzubringen, s. am Schluß dieses § 3 (§ 1010 BGB). 3 ) SeuffBl. 58, 187 (ObLG). 4 ) Dem g e m e i n e n Recht war das Stockwerkseigentum (auch Etageneigentum oder Herbergsrecht genannt) fremd. R G . 31, 1 7 1 ; ebenso dem p r e u ß i s c h e n L a n d r e c h t nach der neueren Praxis, vgl. EntschOTr. 53, 4; 75, 85; 79, 128; Recht 1913, 210 (RG). Nach c o d e c i v i l Art. 664 konnten die verschiedenen Stockwerke eines Gebäudes verschiedenen Eigentümern gehören ( R G 24, 340; 56, 259); das b a d i s c h e L a n d r e c h t hat diesen Artikel unverändert übernommen; vgl. Neumann Jahrb. 1908, 595. Auf Grund eines Gewohnheitsrechtes wurde das Stockwerkseigentum zugelassen für das Gebiet des b a y e r i s c h e n L a n d r e c h t s ; vgl. SeuffBl. 32, 297; OGH. 6,553; 1 3 , 1 0 5 ; ebenso für das Gebiet des A n s b a c h e r R e c h t s , vgl. SeuffBl. 4, 1 9 1 ; O G H 8, 2 2 1 ; SeuffA 36,Nr. 106; SeuffBl. 45, 133. Durch ausdrückliche statuarische Vorschrift („ein Keller oder eine Kammer unter dem Gebäude eines anderen") wurde das Herbergsrecht begründet, für N ü r n b e r g (Reformation X X V I , i), K e m p t e n (VI, 21), S a l z b u r g (Einstandsordnung § 16). Für die Stadt M ü n c h e n wird die gewohnheitsrechtliche Bildung des Stockwerkseigentums bezeugt von Roth, Bayer. Zivilrecht § 1 2 0 Anm. 3 5. Für einige Rechtsgebiete ergibt sich das f r ü h e r e Vorhandensein dieses Gewohnheitsrechts aus Statutarvorschrif-

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§3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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Das Wesen des Rechtsverhältnisses wurde verschieden aufgefaßt. Nach der einen Ansicht galten die dem Sonderrecht der einzelnen Teilhaber unterworfenen Teile des Gebäudes als selbständige unbewegliche Sachen, wobei das Miteigentum an der Grundfläche und den gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes als ein den Teilhabern mit dem Eigentum an den ersteren zustehendes Recht behandelt wurde6). Nach der anderen Ansicht bestand lediglich ein Miteigentumsverhältnis mit Ausschluß der Teilung und dauernder Zuweisung der Benutzung einzelner Teile des Gebäudes an die einzelnen Teilhaber8). Beiden Auffassungen ist gemeinsam einmal das ausschließliche Benützungsrecht an den ausgeschiedenen Gebäudeteilen und dann das Miteigentumsrecht an anderen Teilen des Grundstückes insbesondere der Bodenfläche, den Hauptmauern, dem Dache, dem Hausflur7). Es gibt auch Rechtsbildungen, bei denen jemand nur das Sonderrecht an dem Stockwerk zusteht, während er an den übrigen Grundstücksteilen keinerlei Miteigentumsrecht besitzt. In einem solchen Fall wird man den Art. 42 Ü G nicht anwenden können. Hier kann ein superfiziarisches Rechtsverhältnis, Erbbaurecht oder auch eine Servitut in Frage kommen8). Eine superficies und ein Erbbaurecht ist aber regelmäßig nur dann gegeben, wenn der in Sonderbenutzung stehende Gebäudeteil eine wirtschaftlich selbständige Bedeutung hat, also nicht lediglich ein annexum eines anderen Grundstückes ist, wie dies namentlich bei einem für sich allein nicht benutzbaren Teile eines Gebäudes der Fall ist9). Die superficies und ein Erbten, durch welche die Teilung eines Hauses nach Stockwerken untersagt wird, so für W ü r z b u r g (Stadtbauordnung Nr. 8 Landmandats-Sanimlung Bd. i, 678 u. Bd. 3, 784fr.); R e g e n s b u r g (Wachtgerichtsordnung § 9). 6 ) S. Roth, Bayer. Zivilrecht 2 § 120; vgl. RheinArch. 90 Abt. I, 237; 91 Abt. I, 7 1 ; J W 1894, 95 Nr. 52; Becher, Mat. VII, 46. •) Vgl. Stobbe 2, 285; Henle-Schneider 468; Oertmann 316. 7 ) Z u den Hauptmauern gehören nicht nur die Umfassungsmauern, sondern auch die anderen Mauern, soweit sie Gebälke und Decken tragen, nicht aber die nur die Zimmer einteilenden Zwischenwände. Wenn eine Zwischenwand zwei Stockwerksrechte trennt, so gehört sie den Inhabern dieser Stockwerksrechte gemeinschaftlich. 8 ) Vgl. R G 56, 260; K G in J W 1933, 1334. 9 ) So wird man es beispielsweise bei einem Felsenkeller, der eine vollständig selbständige Existenz (insbes. auch einen eigenen Zugang) hat, zumeist mit einer superficies oder einem Erbbaurecht zu tun haben. Gehört zu einem Hause ein Zimmer, welches in ein fremdes Haus hineingebaut ist, ohne von diesem letzteren aus zugänglich zu sein, so wird man regelmäßig ein servitutarisches Verhältnis anzunehmen haben. Vgl. hierzu auch Becher, Mat. III, 30: „Beschränkt sich das Recht auf einen Teil eines fremden Bauwerkes, so kommt es darauf an, ob dieser Teil für den Berechtigten ein selbständiges Vermögensstück bildet oder ob er Bestandteil einer eigenen Anlage des Berechtigten ist. Im ersten Fall, z.B. wenn jemand Eigentümer eines Zimmers oder eines sonstigen Raumes in einem

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baurecht hat nach § 95 Abs. 1 mit Art. 184 EG 1 0 ), eine Servitut nach Art. 184 E G fortdauernde Geltung, superfiziarische Rechte sind durch Art. 181 E G B G B nicht gedeckt und können daher nur als Dienstbarkeiten oder als Erbbaurecht aufrecht erhalten werden (vgl. Riedner Bern. 4a zu Art. 184 E G B G B ; R G Z 56, 260). Der Inhalt der am 1. 1. 1900 bestehenden superfiziarischen und servitù tarischen Rechtsverhältnisse bestimmt sich auch unter der Geltung des neuen Rechts ausschließlich nach früherem Recht; für die Pfalz sind die superfiziarischen Verhältnisse durch Art. 19 LiegenschG in Erbbaurechte umgewandelt. Übertragung, Belastung und Verlust des Stockwerkseigentums richtet sich seit Anlegung des Grundbuchs nach § 873 fr., 925 B G B und § 20 G B O in Verb. m. § 72 GBVerfg 1 1 ). Art. 42 BayÜG (ebenso Art. 20 Liegenschaftsges. f. d. Pfalz) will das am 1. 1. 1900 bestehende Stockwerks eigentum gem. Art. 218 u. 131 E G B G B dem Geiste des B G B dadurch anpassen, daß das Sondereigentum an einzelnen realen Gebäudeteilen in ein „uneigentliches Stockwerkseigentum", das das Miteigentum zur Grundlage hat, übergeleitet wird. Das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende Stockwerkseigentum (Herbergsrecht) gilt nämlich von diesem Zeitpunkt an (nicht erst von dem Zeitpunkt an, in welchem das Grundbuch für angelegt anzusehen ist) als Miteigentum an dem g a n z e n Grundstücke, d.i. an der Bodenfläche und dem darauf stehenden Gebäude 11 ). Das S o n d e r e i g e n t u m der einzelnen Berechtigten ist also vom 1. 1. 1900 an erloschen, und an dessen Stelle tritt ein dem R e c h t e nach ungeteiltes Miteigentum mit Sonderbenützungsrechten; die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Miteigentum (§§ 1008—1011) bzw. die zu deren Ergänzung dienenden Bestimmungen über die Gemeinschaft (§§ 741 bis 758) sind insoweit heranzuziehen, als sich nicht aus Art. 42 Ü G ein anderes ergibt. fremden Hause ist, besteht ein dem Erbbaurecht ähnliches vererbliches und veräußerliches Recht; im zweiten Falle, z.B. wenn jemand in seinem Hause einen Keller hat, der sich in das Nachbargrundstück hineinerstreckt, liegt im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Grunddienstbarkeit vor. Der Inhalt aller dieser Rechte wird durch Art. 184 E G gewahrt." 10 ) Vgl. Meikel-Imhof-Riedel G B O § 3 Bern. 1 1 , § 20 Bern. 5, § 1 1 7 Bern. 229. Durch § 63 W E G wird dieses Stockwerkseigentum nicht berührt, jedoch gebührenrechtlich begünstigt, um die Uberleitung in die Rechtsformen des W E G zu erleichtern. Wegen der grundbuchrechtlichen Behandlung ist auf §§ 220, 296 u. 397 der D A n w . für GrundbÄ. in Bayern zu verweisen. u ) Vgl. § 17 der V O vom 23. Juli 1898 betr. Anlegung des Grundbuchs r. d. Rh., sowie §§ 397, 220 Abs. 2, 296 Abs. 2 der DAnw., wonach die Anteile der Miteigentümer (die bisherigen Stockwerksrechte) regelmäßig auf gesonderten Blättern einzutragen sind. Vgl. ferner Henle-Dandl, Grundbuchanlegung 39, 63, 77, 80, 89; BayOb. in SeuffBl. 76, 244; B a y O b Z G Z 3, 1023.

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Hiernach ist im Zweifel anzunehmen, daß den Teilhabern gleiche Anteile zustehen12). War aber das Recht der einzelnen Berechtigten vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches räumlich kein gleiches, so steht ihnen nach diesem Zeitpunkt das Miteigentum nach dem Verhältnis der früheren räumlichen Beteiligung zu 13 ). Hatte der eine Berechtigte an einem Gebäude mit zwei Obergeschossen ein Stockwerk, der andere zwei Stockwerke zu Alleineigentum, so ist nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches das Miteigentum an dem Gebäude samt Grund und Boden in der Weise geteilt, daß ersterer zu einem Drittel, letzterer zu zwei Drittel anteilsberechtigt ist. Der einzelne Teilhaber kann über diesen seinen Anteil samt dem hiervon untrennbaren14) Benützungsrechte durch Veräußerung, Bestellung einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld, sowie eines dinglichen Vorkaufsrechtes verfügen (§ 747 Satz 1 BGB) 16 ). Der Anteil eines Teilhabers kann von seinen Gläubigern zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung gemacht werden. Dagegen kann über das ganze Gebäude nur von allen Teilhabern gemeinschaftlich verfügt werden (§ 747 Satz 2 BGB). Ein einzelner Miteigentümer kann das Grundstück im ganzen weder veräußern noch belasten. Eine solche Verfügung ist in vollem Umfang unwirksam. Die räumliche Ausdehnung der bestehenden Stockwerksrechte kann ebensowenig wie deren Teilung vereinbart werden; denn das käme einer unzulässigen Neubegründung von Stockwerkseigentum gleich16). Jeder Teilhaber ist zum Gebrauche des ganzen Grundstückes und des ganzen Gebäudes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird (§ 743 BGB). Dieses Recht des gemeinsamen Gebrauchs erstreckt sich jedoch gemäß Art. 42 Ü G nicht auf diejenigen Gebäudeteile, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches dem einen Teilhaber allein gehörten; er ist zur ausschließlichen und dauernden Benützung dieser Teile nach wie vor befugt. Der Ausdruck „gehörten" trägt den verschiedenen Konstruktionen Rechnung, die nach bisherigem Rechte möglich waren, so daß es gleichgültig ist, ob das bisherige rechtliche Herrschaftsverhältnis auf einem Sondereigentum oder dinglichem Benützungsrecht beruhte. Das durch Art. 42 Ü G in eine neue Form gebrachte Recht ist ein dingliches, dauerndes und ausschließliches Benützungsrecht. Das Miteigentum aller ist mit diesem Benützungsrecht zugunsten eines jeden Miteigentümers belastet17). 12

) § 742 B G B . 14 ) Zustimmend Oertmann 319. ) Schneider 2 1 1 . 16 ) Zustimmend Oertmann 318. le ) Vgl. Recht 1905, 576; R G 89, 177. Die Pfändung richtet sich nach §§ 828, 857, 864 fr. ZPO. 17 ) Schneider 2 1 1 . 13

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Das Rechtsverhältnis ist also folgendermaßen gestaltet: Es besteht Miteigentum an der gan2en Fläche, auf welcher das Gebäude steht, und an dem ganzen Gebäude. Es steht ferner ein Sonderbenützungsrecht für jeden der Miteigentümer an denjenigen Teilen des Hauses, welche ihm am x. i. 1900 gehörten. An den übrigen Teilen des Gebäudes und der Grundfläche besteht ein gemeinschaftliches Benützungsrecht, welches Ausfluß des Miteigentums ist und nach den §§ 1008 ff., 741 ff. zu beurteilen ist. Da das Sonderbenützungsrecht nicht auf einem Sondereigentum beruht, können auf das Rechtsverhältnis der Sonderbenützungsrechte untereinander die gesetzlichen, insbesondere die nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen nicht angewendet werden. Das Sonderbenutzungsrecht wurzelt im Miteigentum an dem ganzen Haus, ist also Ausfluß der hieran bestehenden Gemeinschaft. Zwar ist das Sonderbenützungsrecht an dem betreffenden Teil ein ausschließliches, aber durch die gesonderte Benützung des Teiles wird zugleich das ganze Haus (als Einheitssache) benützt und somit wird das Gemeinschaftsverhältnis durch die Sonderbenützung ausgeübt. Es ist deshalb § 743 B G B anzuwenden, wonach jeder Teilhaber zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt ist, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Jeder Teilhaber hat also die ausschließliche Benützung seines Stockwerkes so auszuüben, daß das Sonderbenützungsrecht des anderen Teilhabers an seinem Stockwerk und dessen Mitbenützungsrecht an den gemeinschaftlichen Teilen nicht beeinträchtigt wird. Die Richtschnur wird durch das billige Ermessen gezogen (§ 242). Hierfür können die Gedanken herangezogen werden, welche der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechtes zugrunde liegen (vgl. z. B. § 906 über Zuführung von Lärm, Gerüchen usw.). Dabei ist natürlich der Verschiedenheit des Zusammenwohnens unter einem Dache gemäß den nachbarlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Es wird z. B. auch in einem Fabrikviertel nicht angängig sein, daß in einem W o h n h a u s e mit Stockwerkseigentum der eine Teilhaber in seinem Stockwerk einen Fabrikbetrieb einrichtet; ebensowenig zulässig wäre es, wenn er in sein Stockwerkseigentum einen Stall verlegen wurde. Hat aber das Erdgeschoß von alters her als Stall eines Teilhabers gedient, so kann der andere diese Benützung nicht mit Rücksicht auf den Geruch und die Fliegenplage verbieten18). Andererseits muß bei einem Widerstreit der Interessen immer daran gedacht werden, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des Art. 42 Ü G ls ) A u c h in diesem Fall braucht ein Übermaß solcher Einwirkungen nicht geduldet zu werden. O b ein solches Ubermaß vorliegt, ist durch entsprechende Verwertung der dem § 906 zugrunde liegenden Gedanken zu ermitteln. V g l . Wiethaup in M D R 60. 6 5 2 ; Weimer M D R 6o, 639.

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zwar das Rechtsverhältnis auf eine neue konstruktive Grundlage stellte, dabei aber von der Absicht geleitet war, die Rechtseinwirkungen aufrecht zu erhalten, die sich nach bisherigem Recht aus dem Sonder e i g e n t u m ergaben. Im Zweifel wird man sich also dafür entscheiden müssen, daß eine beanstandete Art der Benützung des in Sonderbenützung stehenden Teils zulässig ist. Nimmt ein Teilhaber eine Familie in Untermiete auf, so kann das von dem anderen Teilhaber nicht verboten werden. Wenn die Sonderbenützung und Mitbenützung der anderen in unerträglicherWeise beeinträchtigt wird, und die Beeinträchtigung von einer Benützungsart ausgeht, für die nach objektiver Sachlage das Stockwerkseigentum nicht bestimmt erscheint, kann durch das billige Ermessen ein Verbietungsrecht begründet werden. Da der Berechtigte den Mitgebrauch der übrigen Teilhaber nicht beeinträchtigen darf, so darf der Erdgeschoßberechtigte ein auf den gemeinsamen Hof gehendes Fenster nicht in eine Türe umwandeln. Der Eigentümer des obersten Geschosses ist nicht befugt, ein weiteres Stockwerk aufzusetzen, weil jedes neue Stockwerk die unteren Stockwerke und die gemeinschaftlichen Hauptmauern belastet und auch zu einer Steigerung des Mitgebrauchs der gemeinschaftlichen Teile führt 19 ). Die V e r w a l t u n g des Grundstücks steht den Stockwerksberechtigten gemeinschaftlich zu. Jeder Teilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung des Gebäudes notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen; er kann verlangen, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erklären (§ 744 BGB) 19 "). Ist das Miteigentum nach ungleichen Quoten geteilt, so kann eine der Beschaffenheit des Stockwerkshauses entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benützung des ganzen Grundstücks und jener Teile, welche dem gemeinsamen Gebrauche offenstehen, durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen (§ 745)20). Haben die Stockwerkseigentümer die Verwaltung und Benützung geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung gegen den Sondernachfolger eines Berechtigten, wenn sie als Belastung des Anteils im Grundbuch eingetragen ist (§ 1010 BGB). Jeder Stockwerksberechtigte kann die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung des ganzen Grundstücks geltend machen. Nur in der Verfolgung des Anspruchs auf Herausgabe des Grundstücks ist " ) V g l . J W 1894, 95. 19a ) Dieses im Interesse der Erhaltung wirtschaftlicher Werte jedem Teilhaber eingeräumte Recht kann auch durch Vertrag oder Mehrheitsbeschluß nicht ausgeschlossen werden. V g l . Palandt Bern. 1 zu § 744 B G B . 20 ) Wenn der eine zu der andere zu berechtigt ist, so kann ersterer anordnen, daß der gemeinschaftliche Hausflur in jeder dritten Woche v o n dem anderen Teilhaber, sonst von ihm zu reinigen ist.

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er beschränkt, indem er nur die Herausgabe an alle Stockwerksberechtigten beanspruchen kann (§ IOII mit § 4 3 2 B G B ) . Jeder Stockwerksberechtigte ist dem anderen Berechtigten gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gebäudes sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und der gemeinschaftlichen Benutzung nach Verhältnis seines Anteils zu tragen (§ 748 B G B ) 2 1 ) ; jedoch fällt der A u f w a n d für die Unterhaltung jener Gebäudeteile, an welchen dem betreffenden Stockwerksberechtigten das ausschließliche Benützungsrecht zusteht, auch ihm allein zur Last 2 2 ) (Art. 42 Ü G ) . A n den Umfassungsmauern steht die Sonderbenützung nicht zu, weil sie ja nicht nur dem einen Stockwerk, sondern dem ganzen Haus dienen; das gilt auch für die U m fassungsmauern, welche das oberste Stockwerk umschließen, da auf ihnen das Dach ruht. Das gleiche muß für die Innenmauern gelten, wenn sie Gebälk, Decken usw. tragen, nicht aber für die Zwischenwände, durch welche lediglich ein Stockwerkseigentum in einzelne Gelasse eingeteilt wird (vgl. Art. 664 Code civil). Die Unterhaltung der innerhalb des Stockwerkseigentums befindlichen Fenster obliegt dem Berechtigten. Bezüglich der seiner Sonderbenützung unterstehenden Teile entscheidet der Berechtigte nach eigenem Ermessen, ob und welche Aufwendungen zu machen sind. Soweit aber der A u f w a n d für die Erhaltung des ganzen Gebäudes notwendig ist, muß der Sonderberechtigte bezüglich der ihm allein zu21

) Darunter fallen auch die öffentlichen Lasten (Grundsteuern, Straßenpflasterkosten). ) Art. 664 Cod. civ. legt dem Stockwerkseigentümer die Pflicht auf, für den Fußboden zu sorgen, auf dem er geht. Art. 664 ist außer Geltung. Art. 42 ÜG. führt aber zu dem gleichen Ergebnis. Die Sorge für den Fußboden umfaßt die Sorge für die ihn tragenden Balken und die auf diesen liegenden Schwellen. Eine Treppe, die ausschließlich von dem einen Stockwerkseigentümer benützbar ist, ist von diesem zu unterhalten. Der Berechtigte des unteren Stockwerkes hat für die Zimmerdecken zu sorgen. Wenn der Berechtigte eines unteren Stockwerkes eines Wohnhauses in seinem Stockwerk eine Wäscherei betreibt mit der Folge, daß die aufsteigenden Dämpfe das Zimmerbodengebälk des darüber liegenden Stockwerkes mit Feuchtigkeit durchsetzen, so ist eine hierdurch herbeigeführte Beschädigung des Fußbodengebälks des darüber liegenden Stockwerkes von dem Berechtigten des unteren Stockwerkes zu vertreten. Das gleiche muß gelten, wenn die Beschädigung durch die Dünste eines Stalles herbeigeführt ist. Art. 42 beruht auf dem Gedanken, daß die Lasten der gemeinschaftlichen Benützung gemeinschaftlich, die Lasten der Sonderbenützung gesondert zu tragen sind. Diese seine Absicht glaubte Art. 42 dadurch zu erreichen, daß er den Aufwand für die Unterhaltung der Sonderteile dem Sonderberechtigten auferlegt. Wenn aber der Aufwand für einen solchen Sonderteil durch die Sonderbenützung des anderen an seinem Sonderteil herbeigeführt ist, so muß nach der ratio des Gesetzes (Art. 42 ÜG) angenommen werden, daß der Gesetzgeber an den hier besprochenen Fall nicht gedacht hat und, wenn er daran gedacht hätte, ihn zweifellos in dem hier entschiedenen Sinne geregelt hätte; dies würde allein noch nicht hinreichen, um eine Entscheidung gegen den Wortlaut des Gesetzes (Art. 42 ÜG) zu rechtfertigen. Hier greifen aber die Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft ein, die zur Auslegung der in Art. 42 getroffenen Regelung heranzuziehen sind. 22

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stehenden Teile den erforderlichen Aufwand machen und zwar aus seiner eigenen Tasche23). Soweit die Rechte der übrigen Berechtigten hierdurch keine Beeinträchtigung erleiden, ist jeder Berechtigte befugt, an den seinem Sonderrechte unterstehenden Gebäudeteilen ohne Zustimmung der anderen Teilhaber Veränderungen vorzunehmen24). Dies gilt trotz § 744 gemäß § 226. Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft ist ausgeschlossen (Art. 42 ÜG). Das Gemeinschaftsverhältnis bleibt bestehen, solange es nicht durch Ubereinkommen aufgehoben ist. Die Aufhebung kann weder aus wichtigen Gründen (§ 749 Abs. 2 BGB), noch im Falle des Konkurses über das Vermögen eines Miteigentümers von dem Konkursverwalter verlangt werden28). Mit dem U n t e r g a n g des Gebäudes bleibt nur noch das ungeteilte Miteigentum an der Grundfläche übrig. Wird das Gebäude wieder hergestellt, so lebt das Gemeinschaftsverhältnis an dem Gebäude n i c h t wieder auf. Das Rechtsverhältnis läßt sich vermöge seiner Eigenart auf einen Neubau nicht übertragen; es ist an das spezielle Gebäude gebunden und kann nach dessen Untergang nicht wieder aufleben. Mit dem Untergang der Sache, hier der Gebäudeteile, erlischt notwendig auch jedes Rechtsverhältnis daran. Die Rechtslage ist ähnlich derjenigen beim Untergang eines Gebäudeteiles, an dem ein dingliches Wohnungsrecht bestand26). Den gegenteiligen Ansichten von Henle-Schneider (Anm. 9 zu Art. 42 BayÜG), Planck-Strecker (Bern, zu Art. 182 E G BGB), Habicht (Einwirkung S. 416) u. Örtmann (BayLPrivR S. 319) kann nicht beigetreten werden. Zu einem anderen Ergebnis könnte es führen, wenn mit der Begründung des Stockwerkseigentums eine dinglich (durch Reallast) gesicherte Verpflichtung verbunden gewesen wäre, den Gebäudeteil wiederherzustellen; denn die Reallast würde auch durch eine Zerstörung des Gebäudes nicht untergehen, da sie auf dem Grund und Boden ruht. Wenn nur ein Teil des Gebäudes abgebrannt ist, so wird zu untersuchen sein; ob der abgebrannte Teil die Hauptsache darstellt oder die Überreste. Ersteren23

) Schneider 212. ) Doch ist der Eigentümer des obersten Geschosses nicht berechtigt, ein weiteres Stockwerk darauf zu setzen, weil jedes weitere Stockwerk eine Belastung der gemeinsamen Teile (insbesondere der Umfassungsmauern) bewirkt ( J W 1894, 95 RG). — Setzt er ein weiteres Stockwerk mit Genehmigung der übrigen Berechtigten und mit der Vereinbarung auf, daß das neue Stockwerk sein Sondereigentum oder doch seinem Sonderbenutzungsrecht unterworfen sein soll, so werden die mehreren Berechtigten gleichwohl Miteigentümer. Der Vereinbarung kann dingliche Wirkung verschafft werden nach Maßgabe des § 1010 B G B (s. hierüber unten II.). 25 ) Henle-Schneider Anm. 9 zu Art. 42 ÜG). 26 ) Vgl. B G H Z 7,268 = N J W 52, 1 3 7 5 ; B G H Z 8, 58 = N J W 53, 140 D N o t Z 54, 583; Z M Nr. 1—3 zu § 1093; Staudinger 1 1 . Aufl. Randb. 13 zu § 1093; Meisner-SternHodes § 3 I F N 14. 24

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Stockwerkseigentum — Wohnungseigentum

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falls ist das Stockwerkseigentum ebenfalls erloschen. O b der Untergang des Gebäudes auf Zufall (Brand) 27 ) oder auf gewolltes Zusammenwirken aller Beteiligten (Abbruch) zurückzuführen ist, hat keine Bedeutung 28 ). Haben die Teilhaber ein bisher im Stockwerkseigentum stehendes Gebäude abgebrochen und ein Ersatzgebäude errichtet mit dem Willen und der Verabredung, daß dasselbe und seine einzelnen Teile dem gleichen Stockwerkseigentum wie das frühere Haus unterworfen sein soll, so wird hierdurch kein Stockwerkseigentum begründet 283 ). Das neue Gebäude steht wie das Grundstück selbst im einfachen Miteigentum. Man wird annehmen können, daß durch eine solche Vereinbarung das Recht, die A u f h e b u n g der Gemeinschaft zu verlangen, für immer ausgeschlossen sein soll; es kommt daher § i o i o B G B zur Anwendung 2 9 ). Das Stockwerkseigentum erlischt nicht durch Vereinigung der mehreren Stockwerksanteile in einer Hand. Alsdann ist eben das Miteigentumsrecht zugunsten des anderen beschränkt, so daß in Ansehung des einen Miteigentumsanteils dem Miteigentümer zugleich ein Sonderrecht zugunsten des anderen Anteils zusteht. Diese Doppelstellung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken und ist in den §§ 889, 1009 B G B ausdrücklich zugelassen. Weil aber die in einer Hand vereinigten Stockwerksrechte noch als gesonderte Rechte nebeneinander bestehen, so steht der Veräußerung des einen Stockwerksrechts kein rechtliches Hindernis entgegen 30 ).

27 ) Wenn nach den Vorschriften des Brandversicherungsgesetztes ein Zwang zum Wiederaufbau besteht, so haben alle Teilhaber im Verhältnis ihrer Anteile zum Wiederaufbau beizusteuern, wie ihnen auch die Brandversicherungssumme nach diesem Verhältnis zufällt (Schneider z u ) . 2S ) Selbst wenn ein Berechtigter rechtswidrig das Gebäude beseitigt hat, kann die ihm obliegende Schadensersatzpflicht nicht zur Wiederherstellung des eigentlichen Stockwerkseigentums führen, weil diese Wiederherstellung gesetzlich nicht möglich ist (§ 251 BGB). Dagegen kann Wiederherstellung des Hauses verlangt werden. Das Haus mit allen seinen Teilen wird Miteigentum. Der Ersatzpflichtige hat dann zu einem dinglichen Vertrag (§ 1010) mitzuwirken, durch welchen die Benützung der einzelnen Teile genau so geregelt wird, wie sie nach dem Stockwerkseigentum zustand. Die Herstellung dieses zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führenden Rechtszustandes (vgl. R G 76, 146) kann auf Grund des § 249 verlangt werden. 28a ) Das Ziel kann durch Begründung von Wohnungseigentum oder Dauernutzungsrecht nach §§ i , 3 oder 31 W E G erreicht werden. 2S ) Aber auch § 749 kommt zur Anwendung, wonach trotz einer solchen Vereinbarung die Aufhebung der Gemeinschaft jederzeit verlangt werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Vgl. B G H u. N J W 54, 106. 30 ) BayZ 1 1 , 92 (ObLG). Anders natürlich, wo nach altem Recht vor 1900 das Stockwerkseigentum durch Vereinigung in einer Hand erloschen war (Bad. Rspr. 09, 178).

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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§

«

I. A b s c h n i t t . Räumliche B e g r e n z u n g des E i g e n t u m s

II, III II. U n e c h t e s

Stockwerkseigentum

Ein dem Stockwerkseigentum wirtschaftlich ähnliches Ergebnis läßt sich erreichen, wenn an dem Gebäude das Miteigentum begründet wird und die einzelnen Miteigentümer vertragsmäßig die Verwaltung und Benutzung in der Weise regeln, daß jedem einzelnen ein Sonderrecht an einem Stockwerk eingeräumt wird, und endlich auch das Recht auf A u f h e b u n g der Gemeinschaft für immer ausschließen und diese Vereinbarung im Grundbuch eintragen lassen (§ ioio B G B ) . Diese Eintragung hat die rechtliche Bedeutung einer besonderen gegenseitigen Belastung jedes einzelnen Miteigentumsanteils zugunsten der übrigen Miteigentümer. Zur Eintrag u n g ist die Bewilligung der Beteiligten gemäß §§ 873 fr. B G B in Verb. m. § 19 G B O und § 10 Abs. i a G B V f g . erforderlich 31 ). Durch die Eintragung der Vereinbarung werden die Miteigentümer nicht gehindert, ihren Miteigentumsanteil zu belasten oder zu veräußern. Die Eintragung hat nur für die Sonderrechtsnachfolger im Eigentum, jedoch nicht für Gläubiger eines Miteigentümers Bedeutung. Dieser kann nach § 751 S. 2 B G B jederzeit die Teilung verlangen 32 ). D i e Regelung des „unechten Stockwerkseigentums", die sich häufig bei Zweifamilienhäusern, die im Miteigentum v o n nahen Verwandten stehen, findet, ist im Hinblick auf die durch einen Gläubiger möglicherweise betriebene Zwangsversteigerung des ganzen Hauses nicht so sicher als ein echtes Wohnungseigentum nach dem W E G . Bei diesem kann der Gläubiger eines Wohnungseigentümers nicht das ganze Grundstück zwangsversteigern lassen, sondern nur das Wohnungseigentum seines Schuldners.

III. W o h n u n g s e i g e n t u m

und

Dauerwohnrecht33)

Sondereigentum an Teilen eines Gebäudes ist dem B G B fremd; Art. 182 E G B G B hat zwar das zur Zeit der Einführung des B G B bestehende Stockwerkseigentum weiter geduldet; in Bayern ist jedoch das 3 1 ) V g l . B a y O b L G Z 12, 850; K G J 52, 1 1 3 ; Staudinger-Seufert Randb. 3; PlanckStrecker Bern, i c u. zb. 32 ) Z u r Frage, w i e w e i t der G l ä u b i g e r an V e r e i n b a r u n g e n der E i g e n t ü m e r g e b u n d e n ist, die die G e w i n n a u f t e i l u n g betreffen v g l . O L G Frankfurt N J W 1958, S. 65. 3 3 ) V g l . D r . Hedemann in JR 1951, 457: „ D a s E i g e n t u m an der W o h n u n g " . — Wirts, u. D o h m : W o h n u n g s e i g e n t u m in „ D i e freie W o h n u n g s w i r t s c h a f t " . — B ä r m a n n : „ D i e E i g e n w o h n u n g " in D N o t Z 1950, 283. — Rheinische N o t a r k a m m e r : „ D a s W o h n u n g s e i g e n t u m " in D N o t Z 1950, S. 333. — D r . Weitnauer „ D a s W o h n u n g s e i g e n t u m s g e s e t z " in B B 1951, 201. Paulick in A c P 152, 420 ( Z u r D o g m a t i k des W E ) . Helmers, Diss. G ö t t i n g e n 1956 (Das W E im Lichte des Sach- und Eigentumsbegriffs). Riedel in M D R 52, 403 (Belastungsfragen z u m W E G ) ; derselbe in J Z 51, 625. Diester in R p f l e g e r 54, 217/281. K o m m e n t a r e : Bärmann 4. A u f l . 1967; Staudinger-Ring 1 1 . A u f l . 1963.

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Wohnungseigentum und Dauerwohnrecht

§3

in

bestehende Stockwerkseigentum durch Art. 42 Ü G B G B in Miteigentum am Grundstück mit der Maßgabe umgewandelt worden, daß jedem Miteigentümer die ausschließliche und dauernde Benutzung jener Gebäudeteile zugewiesen wurde, die ihm bei Inkraftrteten des B G B gehörten, und daß der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde (vgl. oben § 3). Das W E G hat hier Änderungen von erheblicher rechtlicher und wirtschaftlicher Tragweite gebracht. Im Namen des Gesetzes kommt das nicht voll zum Ausdruck. Es betrifft nämlich nicht nur Wohnungen, sondern Räume jeder Art, die in sich abgeschlossen sein sollen ( § 3 Abs. 2 WEG). Der in den §§ 93, 94 und 946 B G B niedergelegte Grundsatz, daß Bestandteile eines Grundstücks nicht Gegenstand von Sonderrechten sein können, wird durch das W E G durchbrochen. Einzelne Gebäudeteile, wie Wohn-, Geschäfts-, Büro-, Lagerräume, Werkstätten, Keller oder Stallungen können vom Eigentümer zum „vertraglichen Handelsobjekt mit bestimmtem Verkehrswert" (s .Begründung zum Entwurf) gemacht werden. Dies ist am weitesten beim Dauerwohn- (Dauernutzungs-) Recht durchgeführt (§ 31 ff. WEG); es ist frei vererblich und veräußerlich ohne Zustimmung des Grundeigentümers, außer wenn etwas anderes ausdrücklich vereinbart wird. Bei dem Sondereigentum an Räumen ist eine derart weitgehende Abweichung von den Grundsätzen des B G B nicht erfolgt; hier ist das Sondereigentum an einem Raum nur möglich in Verbindung mit dem Miteigentum an Grund und Boden und an den gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes. Das W E G stellt folgende Rechtsnormen zur Verfügung: 1. Sondereigentum an Räumen ( = R a u m e i g e n t u m ) und zwar als „Wohnungseigentum" ( = W E ) und als „Teileigentum" ( = T E , d. i. an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen). Zwischen W E und T E bestehen keine rechtlichen Unterschiede. Die Verschiedenheit beschränkt sich allein auf den Gegenstand des Rechts. Diese Unterscheidung, die das Gesetz macht, kommt bei der Eintragung dadurch zum Ausdruck, daß im Eintragungsvermerk die besondere Art des Rechts entweder als W E oder als T E gekennzeichnet wird. Das gilt auch für Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht.34). 2. Sondererbbaurecht an Räumen ( = Raumerbbaurecht) als „ W o h n u n g s e r b b a u r e c h t " und als „Teilerbbaurecht", d. i. Sondereigentum an einer Wohnung oder einem sonstigen Raum in einem auf Grund Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude; 34 ) Vgl. Bärmann Komm. Anm. II b zu § 1 ; Weitnauer-Wirths Bern 1 ; Diester B e r n t e zu § 3 1 ; Pritsch Bern. I 2 vor § 3 1 ; BayOb. in M D R 60, 927.

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3. Sondernutzungsrecht an Räumen als „ D a u e r w o h n r e c h t " und als „ D a u e r n u t z u n g s r e c h t " , dieses an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen. A . Das Raumeigentum setzt Miteigentum der Berechtigten voraus. E s ist nicht selbständig, sondern untrennbar mit der Grundfläche und jenen Teilen des Gebäudes verbunden, die allen Miteigentümern zu gemeinschaftlicher Benutzung zur V e r f ü g u n g stehen, wie Dach, Treppenhaus, Wasser-, Gas-, Elektrizität-, Zentralheizungsanlagen und ähnliche der Versorgung aller Beteiligten dienenden Einrichtungen. N u r wer Miteigentümer ist, kann Teileigentum an einem Raum erwerben und innehaben. Das ist zwingendes Recht 36 ). 1. Das Rechtsverhältnis 36 ) der Miteigentümer zu einander ist dem in A r t . 1 3 1 E G B G B zugelassenen „unechten Stockwerkseigentum" nachgebildet und daher nach den Vorschriften über die G e m e i n s c h a f t (§ § 7 4 1 ff. B G B ) zu beurteilen. Sie steht systematisch zwischen der Gemeinschaft des B G B und der juristischen Person. Diese Gemeinschaft hat jedoch die Eigenart, daß jedes Mitglied Alleineigentümer eines bestimmten Raumes in dem Gebäude ist. Dieses N e b e n e i n a n d e r von M i t e i g e n t u m u n d S o n d e r e i g e n t u m 3 7 ) führt in der praktischen Handhabung des Gesetzes zu manchen Zweifelsfragen; Schwierigkeiten werden insbesondere auftreten, wenn dingliche Belastungen des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Jedes W E kann selbständig belastet werden (Wegen Zustimmung Berechtigter vgl. unten A n m . 44). 36 ) Vgl. Bärmann Kom. 2 zu § 5. Rechtlich möglich ist, daß einzelne Räume (Wohnungen oder Geschäftsräume) in gemeinschaftlichem Miteigentum verbleiben. M ) WE und T E ( = Raumeigentum) sind wirkliches Eigentum mit der Maßgabe, daß mit dem Miteigentumsanteil — abweichend von § 3 B G B — ein Sondereigentum an bestimmten Räumen eines Gebäudes untrennbar verbunden ist. Jeder Miteigentumsanteil wird teils eingeschränkt durch das im Alleineigentum jedes anderen Miteigentümers stehende Sondereigentum, teils erweitert durch das mit dem Miteigentumsanteil verbundene Sondereigentum. Rechtsänderungen erfassen beide Eigentums-Sphären (vgl. BayObZ 57, 107; BayObZ v. 26. 9. 1958 BReg. Nr. 104/58 = N J W 58, 2116). Den Begriff „Wohnung" erläutern die Richtlinien v. 3. 8. 1951 — DIN Nr. 283 — als „die Summe aller für die Haushaltführung notwendigen Räume" zum Unterschied von „nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes", nämlich den zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken verwendeten Räumen. Eine Vermischung in der Weise, daß teils W E teils T E in der Hand eines Miteigentümers verbunden werden, ist zulässig, muß jedoch in der Bauzeichnung ausgewiesen und im Grundbuch vermerkt werden. s ') In Sondereigentum können nicht stehen alle dem gemeinschaftl. Gebrauch dienenden Einrichtungen sowie die für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes notwendigen Teile (vgl. Bärmann Komm. Bern. II d zu § 1 ) . Der Begriff „Sondereigentum" wird schon durch die Anwartschaft auf den zu errichtenden Gebäudeteil (Sondereigentumsräume) erfüllt (vgl. BayOb N J W 57, 755; Bärmann Komm. 4 zu § 3).

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Besteht z. Z . der Begründung eines W E oder eines T E eine Hypothek auf dem Grundstück, so wird diese zur Gesamthypothek (§ 1 1 3 2 BGB). Der Wohnungs- oder Teileigentümer wird auch mit seinem Sondereigentum der Gesamthypothek unterworfen. Eine Verteilung der Gesamthypothek auf die einzelnen Miteigentumsanteile (einschließlich des W E und T E § 6 W E G ) dürfte zur Klärung der rechtlichen Schwierigkeiten beitragen. Für die Fälle der Zwangs- und Arresthypothek ist durch § 867 Abs. 2 und 932 Abs. 2 Z P O die Verteilung des Betrags auf die einzelnen einer Gesamthypothek verhafteten Grundstücke vorgeschrieben; diese Bestimmung dürfte sinngemäß auf das W E und T E anzuwenden sein.

2. Die Gemeinschaft der Wohnungs- und Teileigentümer ist u n a u f l ö s l i c h ( § 1 1 WEG). Eine Aufhebung kann auch nicht aus wichtigem Grund verlangt werden; ausgeschlossen sind insbesondere die Rechte des Pfandgläubigers (§ 751 B G B ) und des Konkursverwalters (§ 16 Abs. 2 KO) auf Aufhebung der Gemeinschaft. Über die Rechtsform des Art. 1 3 1 E G B G B geht das W E G insofern hinaus, als nicht nur ein ausschließliches Benutzungsrecht, sondern Alleineigentum an einem bestimmten Raum zum Inhalt des W E und T E gehört. Praktisch kann sich dies jedoch nicht auswirken, weil § 6 W E G eine Verfügung über das Sondereigentum nicht zuläßt. Eine Verfügung ist nur über das W E im ganzen zulässig. Dabei wird weitgehende Freiheit von den Bindungen des Miteigentums gewährt, indem § 12 jede Vereinbarung der Veräußerungsbeschränkung unabdingbar von der Zustimmung anderer W-Eigentümer oder eines Dritten abhängig macht und selbst das nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Dingliche Wirkung erlangt eine solche Vereinbarung erst durch Eintragung im Grundbuch selbst, nicht durch Bezugnahme nach § 874 B G B . Das gilt auch für den Konkursverwalter und den Pfändungsgläubiger 38 ). Im übrigen gewährt das Raumeigentum alle Rechte aus §§ 903 und 1004 B G B in Verb, mit den Sondervorschriften des W E G in § 14 (Pflichten gegen die Gemeinschaft), § 1 5 (Gebrauchsregelung), § 1 6 (Beteiligung an Kosten und Lasten) sowie §§ 20 ff. (Achtung auf die Anordnungen der Verwaltung). A u s n a h m e n vom Grundsatz der Unauflöslichkeit39) sind vorgesehen für zwei Fälle: a) wenn die Miteigentümer v e r e i n b a r e n , daß bei völliger oder teilweiser Zerstörung des Gebäudes k e i n e Verpflichtung zum W i e d e r a u f b a u bestehen soll (§ 1 1 S. 3 WEG),

a8

) Vgl. Celle N J W 55, 953; Marburg MittlBayNotV 6/60 Nr. 2; Bärmann Komm.

) Werden sämtliche WE-Rechte in einer Person vereinigt, so kann dieAufhebung des W E nach § 9 herbeigeführt werden (Bärmann Komm. II c u. III zu § 9 W E G ; vgl. auch Bärmann A c P 153, 16. Wegen Zustimmung dinglich Berechtigter s. unten Anm. 44).

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b) wenn ein Mitglied sich eines s c h w e r e n V e r s t o ß e s gegen die Gemeinschaftspflichten (§§ 14, 16 und 18 W E G ) schuldig macht und die Mehrheit der Mitglieder vom Störenfried die V e r ä u ß e r u n g seines W E oder T E verlangt 40 ); wegen dieses Anspruchs können die verletzten Mitglieder im Streitfall ein Urteil erwirken, das die für die freiwillige Versteigerung des W E oder T E und für seine Übertragung auf den Erstehet erforderlichen Erklärungen ersetzt (§ 19 WEG). Für eine Klage auf E n t z i e h u n g des W E oder T E ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ausschließlich zuständig ( § 5 1 WEG); für das Versteigerungsverfahren sind in §§ 5 3 ff. W E G besondere Bestimmungen getroffen. Für sonstige Streitigkeiten aus dem Gemeinschaftsverhältnis ist ein besonderes Beschlußverfahren nach Art der f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t bei dem Amtsgericht vorgesehen, in dessen Bezirk das Grundstück liegt ( § § 4 und 43 ff. WEG). Wird Wohnungseigentum an einem von den Wohnungseigentümern selbst zu errichtenden Gebäude begründet, so erscheinen Ansprüche auf Leistung der Baukosten als Rechte und Pflichten, die sich aus der Gemeinschaft ergeben, über die auf Antrag ausschließlich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist 41 ). 3. B e g r ü n d u n g und A u f h e b u n g des W E und T E unterliegen den Vorschriften der § § 3 1 3 und 873ff. B G B (Einigung und Eintragung im Grundbuch) und der §§ 13, 19 und 29 G B O ( § 4 WEG). Das gilt entsprechend für eine Bestandsänderung des Raumeigentums, auch für eine Quotenänderung der Miteigentumsanteile42). Außer dieser v e r t r a g l i c h e n Begründung bietet § 8 W E G die Möglichkeit der Aufteilung eines Grundstücks durch e i n s e i t i g e Erklärung des Eigentümers in Miteigentumsanteile in der Weise, daß mit jedem Anteil das Sondereigentum an einem bestimmten Raum in einem bestehenden oder erst zu errichtenden Ge-

40 ) Der Beschluß der W-eigentümer, von einem störenden Mitglied die Veräußerung seines W E zu verlangen, kann auch als Inhalt des W E mit dinglicher Wirkung vereinbart werden (§ 5 Abs. 4 W E G — Celle N J W 55, 953). 41 ) Vgl. BayOb in N J W 57, 753 = Bay O b Z 57, 95: Eine Beitragspflicht zu einer Aufbauvereinigung ist nur dann anzunehmen, wenn die Raumeigentümer diese Pflicht beschlußmäßig anerkannt haben, mag auch die Quote streitig sein, die jeder Einzelne im Innenverhältnis zu tragen hat. 42 ) Für W E und T E sind besondere Grundbuchblätter, das WE-Grundbuch bzw. das TE-Grundbuch, anzulegen; hierauf werden Miteigentumsanteil und Sonder eigentum eingetragen und gleichzeitig als Belastung des Miteigentums die Sonderrechte der übrigen Miteigentümer vermerkt. Vgl. BayOb v. 26. 9. 1958, BReg. 2 Z . 104/58 (Quotenänderung ohne Änderung des Sondereigentums); Henke N J W 58, 897.

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§

III

bäude 43 ) verbunden sein soll. Damit ist der Mobilisierung von Gebäudeteilen jede mögliche Erleichterung gegeben. Bestehen bei Begründung von W E Rechte Dritter am Grundstück oder Gesamtrechte an Miteigentumsanteilen, so ist deren Z u s t i m m u n g nicht erforderlich 44 ). 4. Die R e c h t e und P f l i c h t e n der Wohnungs- oder Teileigentümer sind bei der überwiegenden Bedeutung des Miteigentumsanteils in erster Linie diejenigen eines Miteigentümers nach den §§ 1009 bis 1011 B G B . Darüber hinaus kann ein Wohnungs- oder Teileigentümer mit seinem Sondereigentum zwar „nach Belieben verfahren", soweit nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 13 W E G ) , jedoch n i c h t darüber gesondert v e r f ü g e n ; der im Sondereigentum stehende R a u m kann nicht zum Gegenstand eines dinglichen Rechtes (einer Hypothek oder Dienstbarkeit) gemacht werden, es sei denn in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil. Ein Wohnungseigentümer kann also seine Wohnung wohl vermieten und ein Teileigentümer sein Geschäft verpachten, daran jedoch kein Wohnungsrecht nach § 1093 B G B und keinen Nießbrauch nach §§ 1031fr. B G B bestellen. Wohnungs- und Teileigentümer unterliegen den Beschränkungen der §§ 903 ff. B G B , wie ihnen andererseits die Rechte des Miteigentümers aus diesen Bestimmungen und die Klage wegen Beeinträchtigung ihres Eigentums aus § 1004 B G B zustehen. 4S) Die Aufteilung in Wohneinheiten ist auch schon vor der Bebauung möglich. Schon zu diesem Zeitpunkt kann der Eigentümer Bestimmungen über den Inhalt des Sondereigentums treffen (§ 8. Abs. 2 und § 5 W E G ; Palandt Anm. 1 zu § 8 WEG). Somit kann auch an einem erst noch zu errichtenden Gebäude Wohnungs- oder Teileigentum begründet werden, und der Grundstückseigentümer, die der Aufteilung nach § 8 W E G vorgenommen hat und zunächst Alleininhaber sämtlicher Anteile ist, kann diese allein veräußern und belasten, und sich so die Mittel für den Bau beschaffen. Bis zu dessen Fertigstellung haben die Miteigentümer eine Anwartschaft auf den Gegenstand des Sondereigentums (BayOBLG NJW 57, 753). B G H NJW 68 S. 499 = JZ 68, 565 (mit Anmerkung von Bärmann).—An der Hälfte eines Doppelhauses, mit dem ein in Miteigentum stehendes Grundstück bebaut ist kann Sondereigentum nicht in der Form begründet werden, daß das Sondereigentum auch Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, umfaßt (BayObLG BB 66 S. 1039). 44) Vgl. BayOb NJW 58, 2017; Stuttgart 54, 682 = DNotZ 54, 252 (gebilligt in BayObZ 57, 115 hinsichtlich der Vorratsteilung nach §8); Haegele Rpfleger 55, 175; Weitnauer-Wirths § 3 Anm. 16; a.A. Werhahn in D N o t Z 54, 255; Riedel NJW 52, 403; dazu ausführlich Bärmann Komm. § 1 V 3. Mit Recht fordert BayOb a.a.O bei einer Begründung, Inhaltsänderung oder Aufhebung von Raumeigentum keine Zustimmung derjenigen Gläubiger, deren Grundpfandrechte das ganze Grundstück belasten, solange also das Haftungsobjekt keine Substanzminderung erfährt. Erforderlich ist dagegen die Zustimmung der am einzelnen Wohnungseigentum dinglich Berechtigten bei einer Rückumwandlung desselben in normales Alleineigentum.

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5. Besondere Pflichten sind in § 14 W E G 2usammengestellt; sie dienen alle dem einen Ziel, eine Störung der Gemeinschaft nach Möglichkeit hintanzuhalten. Jedes Mitglied hat sein Eigentum in der Weise zu gebrauchen und instandzuhalten, daß kein Miteigentümer über das Maß hinaus benachteiligt wird, das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich ist. Zur Sicherstellung dieser Pflicht muß eine hierfür verantwortliche Person aufgestellt werden. Im selben Rahmen hat jeder Miteigentümer Einwirkungen zu dulden, die durch ordnungsgemäßen Gebrauch oder durch Instandsetzungsmaßnahmen eines W E oder T E hervorgerufen werden. Im übrigen kann der Gebrauch des W E oder T E und des Gemeinschaftseigentums durch V e r e i n b a r u n g (Gemeinschaftsordnung) geregelt werden (§ 15 WEG). Das W E G stellt den Wohnungseigentümern frei, wie sie ihr Verhältnis zu einander gestalten sollen (§ 10 Abs. 2 WEG). Eine Vereinbarung kann nur im Einvernehmen aller W-Eigentümer getroffen werden. Sie dürfen nur nicht von den unabdingbaren Bestimmungen in § 1 1 Abs. 1, § 12 Abs. 2, § 18 Abs. 1, 4, sowie § 20 Abs. 2 und § 27 Abs 1 abweichen. Solche Vereinbarungen bilden eine Art Statut (ähnlich der Satzung eines Vereins). Beschlüsse dagegen, die in Angelegenheiten des § 23 auch ohne Eintragung dinglich wirken, können mit Stimmenmehrheit gefaßt werden46). Wird von den Miteigentümern eines Grundstücks Sondereigentum an Räumen in einem erst zu errichtenden Gebäude eingeräumt ( § 3 Abs. 1) und errichten die Anwärter für das W E das Gebäude selbst, so ist der gemeinsame Aufbau ohne gegenseitige Bindung nicht denkbar. Der gemeinsamen Errichtung liegt ohne weiteres (auch ohne ausdrückliche Abmachung) eine Auf bau Vereinbarung zugrunde. Für den Umfang der Verpflichtungen aus diesem Rechtsverhältnis gegenüber Dritten sind die §§ 420, 427 B G B maßgebend. Im Zweifel haftet daher jeder Schuldner zu einem gleichen Anteil. Sofern sich die Beteiligten nicht ausdrücklich zu einem gleichen Anteil verpflichtet haben, liegt die Annahme nahe, daß jeder entsprechend dem Anteil haftet, zu dem er als Miteigentümer am Grundstück beteiligt ist. Eine gesamtschuldnerische Haftung würde nur vorliegen, wenn sich die W-Eigentümer durch Vertrag gemeinschaftlich verpflichtet haben. Auch Gesellschafter haften nicht deshalb als Gesamtschuldner, weil

45 ) Vgl. BayObZ 59, 457 = M D R 60, 3 1 3 : Für Zuwiderhandlungen gegen Gemeinschaftsbeschlüsse können Geldstrafen verhängt werden. Solche Strafbeschlüsse können vom Gericht der freiw. Ger. für ungültig erklärt werden, wenn die Strafe offenbar unbillig ist. Geldstrafen, die einzelne Mitglieder außerhalb ihrer Mitgliedspflichten durch Vertrag übernehmen, können durch Vertragsstrafen erzwungen werden.

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sie in einem Gesellschaftsverhältnis stehen, sondern weil sie einen Vertrag mit Dritten gemeinschaftlich abgeschlossen haben46). Nutzungen, Lasten und Kosten werden anteilsmäßig verteilt (§ 16 WEG). Die Größe der Miteigentumsanteile muß nicht notwendig dem Verhältnis der Wohneinheiten entsprechen, bildet aber einen Schlüssel zur Aufteilung von Kosten und Lasten47). Außer den wenigen zwingenden Vorschriften besteht für die Festlegung der Rechte und Pflichten der Mitglieder weitgehend Vertragsfreiheit. Für die Sonderrechtsnachfolger haben solche Abmachungen jedoch nur dann Geltung, wenn sie im G r u n d b u c h eingetragen werden (§ 10 WEG). Ein Vorkaufsrecht der anderen Raumeigentümer kann nicht als Inhalt des WE, sondern nur als Belastung derselben vereinbart werden48). 6. Besondere Vorsorge widmet das W E G der Sicherung eines geordneten Zusammenlebens und Zusammenwirtschaftens der Wohnungsund Teileigentümer. Die Organisation der Gemeinschaft ist daher nach dem Vorbild der Genossenschaft geregelt (§§ 20ff. WEG). Zur Verwaltung ist in erster Linie die Gemeinschaft der Miteigentümer selbst berufen. Organe der Gemeinschaft sind: a) der Verwalter, dessen Bestellung zwingend ist,49) b) die Wohnungs- (Teil-) eigentümerversammlung,60) c) der Verwaltungsbeirat (fakultativ). Dem V e r w a l t e r werden sehr weitgehende Aufgaben und Befugnisse übertragen; insbesondere hat er die Beschlüsse der Gemeinschaft durchzuführen, die Hausordnung zu überwachen, alle Maßnahmen zur Instandsetzung und Erhaltung des Gemeinschaftseigentums zu treffen und die " ) Vgl. B G H in M D R 59, 1007, Frankfurt in M D R 56, 229; ( R G Z 85, 157). Für Verwaltungsschulden dagegen, die auf einem Mehrheitsbeschluß der Raumeigentümer beruhen, wird gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen sein. Vgl. dazu Bärmann Komm. § 10 V I I u. § 20, 4. 47 ) Vgl. BayOb v. 29. 10. 1957, BReg. 2 Z. 1 1 5 , 57. Vgl. ferner BayOb. v. 26. 9. 1958, 2 Z . 104/58 = N J W 58, 2116. (Die Größe der WE-Anteile wird bei Begründung nach § 3 oder bei Vorratsteilung nach § 8 mit bindender Wirkung für spätere Erwerber festgelegt. Eine Abänderung der Anteile kann als Inhaltsänderung nur durch Einigung und Auflassung seitens aller Beteiligten und Eintragung durchgeführt werden.) Vgl. auch Henke N J W 58, 897; Bärmann § 13 V , 3 u. § 3 Anm. 4 u. § 8, II; K G N J W 56, 1679; Bärmann A c P 155, 43; Diester Komm. § 8 Anm. 16. 48 ) Vgl. Celle in N J W 55, 953. 49 ) Vgl. K G in N J W 56, 1079 (Verwalter kann auch eine jur. Person sein). BayOb v. 29. 8. 1958, BReg. 2 Z . 81/58 (Abberufung des Verwalters) = N J W 58, 1824. Celle N J W 58, 307 (Befugnisse eines Verwalters, der Raumeigentümer ist; er ist stimmberechtigt). M ) Vgl. BayOb v. 29. 10. 1957, BReg. Nr. 1 1 5 / 5 7 : Im Mehrheitsbeschluß der W-eigentümerversammlung liegt die Vollmacht für jeden einzelnen Raumeigentümer.

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Geldwirtschaft der Gemeinschaft zu führen. Der Verwalter ist Exekutivorgan und Generalbevollmächtigter der Gemeinschaft (§ 27 WEG). Von seiner Tüchtigkeit, Gewissenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit hängen Wohl und Wehe der Gemeinschaft ab. Der Begriff der „Verwaltung" und sein Inhalt wird im Gesetz nicht näher dargelegt. § 21 Abs. 5 W E G führt nur beispielsweise auf, was insbesondere zur einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der W-Eigentümer entsprechenden Verwaltung gehört. Auch § 22 stellt nur ergänzend klar, daß gewisse bauliche Aufwendungen und Instandsetzungen, die über eine ordnungsgemäße Instandhaltung hinausgehen, nicht gemäß § 21 Abs. 3 beschlossen werden können. Dieses Unterlassen einer sonstigen Grenzziehung für die Verwaltung, rechtfertigt es, den Begriff der Verwaltung weit auszulegen. Jedenfalls kann die Ersterrichtung des gemeinschaftlichen Gebäudes nicht als Verwaltungsmaßnahme angesehen werden 51 ). Das W E G läßt ebenso Raum dafür, die Miteigentümergemeinschaft in die Form einer Genossenschaft, einer GmbH oder A G oder sonst einer Gesellschaft des Handelsrechts zu kleiden. B. Ein S o n d e r b a u r e c h t an Räumen kann ähnlich wie beim Eigentum an Grundstücken dann begründet werden, wenn ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zusteht. In entsprechender Anwendung der Vorschriften über W E und T E kann Wohnungserbbaurecht an Wohnungen oder Teilerbbaurecht an sonstigen Räumen gebildet werden ( § 3 0 WEG). Die praktische Bedeutung dieser auf dem Erbbaurecht aufgebauten Rechtsformen wird nicht sonderlich groß sein, da W E und T E ausreichende Möglichkeiten bieten52). C. Ein R a u m n u t z u n g s r e c h t ist das nach Art einer Grunddienstbarkeit (§ 1093 BGB) ausgestaltete dingliche Recht auf Benützung von Räumen und zwar von: a) Wohnungen als „ D a u e r w o h n r e c h t " , b) sonstigen Räumen als „ D a u e r n u t z u n g s r e c h t " (für Geschäfts-, Büro-, Werkstatt-, Keller oder Lagerräume). Dieses Raumnutzungsrecht an Gebäudteilen, die abgeschlossen sein sollen, kann auch auf außerhalb des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks erstreckt werden, vorausgesetzt, daß die Raumnutzung die Hauptsache bleibt (§ 31 Abs. 1 WEG); es kommen hier Hofraum, Lagerplatz oder Garten zur Mitbenützung in Frage. Ein Dauerwohnrecht und ein Dauernutzungsrecht können auch als Einheit begründet werden, müssen aber dann im Eintragungsvermerk als 51

) Vgl. BayOb in M D R 60, 5 1 3 ; Bärmann Komm. § 27 II. ) Vgl. Rpfleger 56, 488 (Umwandlung in neues Erbbaurecht); 56, 255 merkung für künftigen Erbbauzins). 52

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(Vor-

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„Dauerwohnrecht" und „Dauernutzungsrecht" ausdrücklich gekennzeichnet werden. Unzulässig wäre die Bezeichnung als „Raumnutzungsrecht" unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung. Es muß vielmehr die Rechtsnatur als Dauerwohnrecht und als Dauernutzungsrecht gemäß der gesetzlichen Bezeichnung im Eintragungsvermerk selbst hervorgehoben werden83). Von der Dienstbarkeit und dem Nießbrauch des B G B unterscheidet sich das Dauernutzungsrecht dadurch, daß es frei veräußerlich und vererblich ist (§ 33 WEG). Der Inhaber eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts hat somit eine eigentümerähnliche Stellung64). Beide Rechte können auf gewisse Z e i t zur Sicherung eines Baukostenvorschusses (bis zu seiner Tilgung durch Abmietung) oder o h n e zeitliche Begrenzung bestellt werden66). Als Beschränkung des Dauerwohn- oder Nutzungsrechts kann ein „Heimfallanspruch", d. i. die Verpflichtung festgelegt werden, daß der Berechtigte bei Eintritt gewisser Ereignisse das Dauernutzungsrecht an den Eigentümer (oder einen von diesem Benannten) gegen eine angemessene Entschädigung überträgt. Bei langfristigen Dauerwohnrechten kann eine Entschädigung nicht von vorneherein dem Grunde nach ausgeschlossen werden ( § 4 1 Abs. 3)68). Gegen eine Beeinträchtigung des Nutzungsrechts hat der Berechtigte die Ansprüche wie ein Eigentümer, also insbesondere die Klage aus § 1004 B G B , sowie wegen Veränderungen oder Verschlechterungen die Ansprüche aus §§ io5off B G B . Veräußert der Nutzungsberechtigte das Nutzungsrecht, so tritt der Erwerber an seine Stelle. 53 ) Vgl. BayOb. in M D R 60, 927 = BayObZ 60, 231. Vgl. auch BayObZ 57, 102: Zur Begründung von Raumeigentum ist die Z u s t i m m u n g eines bereits bestehenden Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechtsinhabers n i c h t notwendig, wenn sich sein Recht auf Räume beschränkt, die zu einem einzelnen Dauerwohnrecht gehören. Dieses Recht erlischt aber an den übrigen Räumen in sinngemäßer Anwendung von § 1026 B G B . 64 ) Vgl. B G H in N J W 58, 1289 = M D R 58, 593: Auf Wohn- und Nutzungsrechte, die vor Inkrafttreten des W E G vereinbart worden sind — auch wenn solche nur obligatorischen Charakter haben — können die Vorschriften über das Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht in entsprechender Anwendung von § 63 W E G Anwendung finden. 55 ) O L G Neustadt ( N J W 61, 1975): Zwar ist die Bestellung eines Dauerwohnrechts unter Befristung auf die Lebensdauer des Berechtigten nicht zulässig; die Beteiligten können aber schuldrechtlich vereinbaren, daß der Berechtigte verpflichtet sein soll, mit seinem Tod sein Recht aufzugeben, sodaß seine Erben die Löschung bewilligen müssen. 66 ) B G H N J W 58, 1289.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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Wird das G r u n d s t ü c k veräußert, so tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers (§38 WEG). Ein Miet- oder Pachtverhältnis an den Räumen, die dem Nutzungsrecht unterstehen, erlischt, wenn das Dauerwohn- oder -nutzungsrecht erlischt ( § 3 7 WEG). Das für das Dauerwohn- oder -nutzungsrecht festgesetzte Entgelt haftet wie eine Mietzinsforderung den Hypothekengläubigern, es sei den, daß ihre Rechte im Range nachgehen oder daß etwas anderes vereinbart ist (§ 40 WEG). Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet auch auf das Dauerwohn- und -nutzungsrecht Anwendung.

§ 4. Das Recht an Kellern I. Das Eigentum an einem Grundstück erstreckt sich nach § 905 B G B auch auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche. Der Eigentümer eines Grundstücks ist daher auch Eigentümer des darunter befindlichen Kellers. Die Begründung eines Sondereigentums an dem Keller ist nach dem B G B nicht mehr möglich 1 ). Dagegen kann an einem Grundstück, auf dem ein Keller als selbständiges Bauwerk errichtet ist oder errichtet werden soll, ein Erbbaurecht des Inhalts bestellt werden, daß auf diesem Grundstück ein Keller gehalten werden darf (§ ioizff. B G B , §§ iff. ErbbVO) 2 ). Stellt aber der Keller für sich keinen selbständigen Bau dar, sondern nur einen Teil eines anderen Gebäudes, so kann ein Erbbaurecht hieran seit 1. 1. 1900 nicht mehr begründet werden (§ 1014 B G B , § 1 Abs. 3 ErbbVO). Wohl aber ist nunmehr nach den Bestimmungen des W E G die Begründung von Teileigentum oder eines Teilerbbaurechts sowie die Bestellung einer Dienstbarkeit oder Dauernutzungsrechts an einem Gebäudeteil rechtlich möglich. § 4. Übrigens ist ein nach früherem Recht etwa vorhandenes Sondereigentum (vgl. R G 24, 540), abgesehen vom Stockwerkseigentum, nicht aufrecht erhalten (Vgl. J W 1905, Beilage S. 90 BayOb. 22, 217). W o nach bisherigem Recht ein solches Sondereigentum bestanden hat, gilt es jetzt als das Recht, den Keller auf einem fremden Grundstück zu haben (RG 56, 260). Man muß annehmen, daß dieses Sondereigentum von selbst in ein Erbbaurecht übergegangen ist. Vgl. RheinArch. 102 Abt. I, 144. Das Kellergewölbe wird sodann als Bestandteil des Erbbaurechts anzusehen sein und kann daher nach § 95 B G B im Sondereigentum des Erbbauberechtigten stehen. Bei Zerfall des Gewölbes bleibt der Superfiziar Eigentümer des mobilisierten Materials. M. 3, 473 (Mugdan 3, 264); Dernburg § 163 Anm. 8. Vgl. R G 22, 195. 2

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) Vgl. J W 1903, Beilage S. 90; BayOb. 22, 217.

Das Recht an Kellern

§4

II 1 , 2

II. R e c h t s n a t u r der v o r i. i. 1 9 0 0 b e s t e l l t e n K e l l e r r e c h t e u n d i h r e Ü b e r l e i t u n g in das S y s t e m des B G B Die am 1. 1. 1900 bestehenden Sonderberechtigungen an Kellern sind mit Inkrafttreten des B G B entweder als Stockwerkseigentum (Art. 182 E G B G B in Verb, mit Art. 42 Ü G B G B ) oder als Erbbaurecht (Art. 184 E G ) oder als Dienstbarkeit (Art. 184 E G B G B , §§ ioi8ff. B G B ) aufrechterhalten. Welche Rechtsform jeweils anzunehmen ist, beurteilt sich im einzelnen Fall je nach den zugrundeliegenden Verhältnissen: 1. Stockwerkseigentum kann nur dann angenommen werden, wenn der Kellereigentümer gleichzeitig Miteigentümer wenigstens eines Teils der unterkellerten Grundfläche ist und wenn die Sonderberechtigung nicht etwa mit einem herrschenden Grundstück verbunden, sondern frei veräußerlich und vererblich ist (vgl. BayObZ 18 B 315; 14, 254). 2. Als Erbbaurecht wird ein am 1. 1. 1900 bestehendes Kellerrecht nur in solchen Fällen beurteilt werden, in denen der fragliche Keller nach der Verkehrsauffassung als selbständiges Gebäude, nicht nur als Gebäudeteil betrachtet werden kann (vgl. BayObZ 16, 282, Seuff. Bl. 32, 297 Silberschmid in Seuff. Bl. 69, 409 ff.; vgl. auch Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 27 zu § 1 ErbbVO). Als selbständiges Bauwerk wird ein Keller idR dann anzusehen sein, wenn er vom Gebäude aus, unter dem er sich befindet wirtschaftlich nicht benützt werden kann, etwa weil er von dort her überhaupt nicht zugänglich ist. Bildet jedoch der Keller einen konstruktiven Teil des Gebäudes und ist er vom Hause aus benützbar, so erscheint er als unselbständiger Teil des betreffenden Gebäudes; daher werden Sonderberechtigungen Dritter an einem solchen Kellerraum als Dienstbarkeit zu behandeln sein. Wird über einem bereits angelegten Kellerbau von einem Dritten ein Haus errichtet oder wird von einem Dritten unter einem ohne Keller erbauten Hause ein Keller angelegt, so hat man es mit einem selbständigen Bauwerk zu tun. Dieser Kellerbau wird idR mit einer Dienstbarkeit (servitus oneris ferendi) zugunsten des über ihm errichteten Hauses belastet sein (vgl. Seuff. Arch. 6 Nr. 152; § 1022 BGB). Das Erbbaurecht kann Subjekt oder Objekt einer Grunddienstbarkeit sein (vgl. Silberschmid in Seuff. Bl. 69, 410). Aber selbst wenn der Keller nach seiner baulichen Beschaffenheit und seiner Verbindung mit dem Hause als Teil dieses Hauses im konstruktiven Sinne zu betrachten ist, dürfte ein solcher Keller dann gleichwohl als eigenes Ganzes zu beurteilen sein, wenn er sich innerhalb der Umfassungsmauern befindet und keine Türöffnung gegen die Seite dieses Hauses hat, so daß er von den übrigen Räumen aus gar nicht benützbar ist. Da an einem solchen Keller ein selbständiger Besitz möglich ist (vgl. O G H 16, 282; Seuff. Arch. 6 Nr. 152; 52 Nr. 147; Seuff. Bl. 32, 297), dürfte an 77

8 4

1 1 3 , III 1 , 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

ihm, weil er nicht zu den Bestandteilen des Hauses gehört, ein Erbbaurecht zulässig sein (vgl. Silberschmid Seuff. Bl. 69, 411). Zu beachten ist aber, daß ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Erbbaurecht und Dienstbarkeit die freie Veräußerungsmöglichkeit und die Vererblichkeit des Ersteren darstellt. Fehlt ein Hinweis auf diese Beweglichkeit des Rechts, so spricht die Vermutung dafür, daß es sich nur um eine Dienstbarkeit handelt. 3. Eine Grunddienstbarkeit ist immer dann anzunehmen, wenn das Kellerrecht mit einem Grundstück derart in Verbindung steht, daß es dem jeweiligen Eigentümer dieses Grundstücks von Nutzen ist (vgl. R G Z 4, 135; 7, 146, Seuff. Arch. 29 Nr. 1 1 ; BayObZ 18 B 315)®). III. E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e

an

Erbbaurechts-Kellern

1. Das Eigentum an der Grundfläche, auf der der Kellerbau steht, bleibt beim Grundstückseigentümer auch wenn der Keller schon vor Begründung des Erbbaurechts bestanden hat. 2. Hinsichtlich des Eigentums am Kellerbau selbst ist zu unterscheiden: a) Bei Erbbaurechten nach §§ 1012 ff. B G B (auch bei solchen, die mit Inkrafttreten des B G B aus Sonderberechtigungen vor 1. 1. 1900 gem. Art. 42 BayÜG in Erbbaurechte übergeleitet worden sind), ist mit der jetzt herrschenden Rechtsansicht anzunehmen, daß ein schon vor Begründung des Erbbaurechts vorhandener Kellerbau mit der Begründung des Erbbaurechts an ihm wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts wird und zwar unter Herauslösung aus seiner bisherigen Zugehörigkeit zu den wesentlichen Bestandteilen des Grund und Bodens (vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 2 u. 3 zu § 1 0 1 7 ; Planck-Strecker Bern. 3 b zu § 1 0 1 2 ; R G R K o m . Bern. 1 zu § 1 0 1 2 ; K G J 39 B 87). Damit wird der Kellerbau auch der vollen Verfügungsbefugnis des Erbbauberechtigten unterstellt und in dessen Eigentum übergeleitet; das folgt zwingend aus § 93 B G B , wonach an einem wesentlichen Bestandteil keine Sonderrechte Dritter bestehen können. Das Gleiche gilt bei einem Kellerbau nach Begründung des Erbbaurechts. b) Kellerbauten, die erst nach dem 22. 1. 1919 (Inkrafttreten der ErbbVO) von einem Erbbaurecht erfaßt werden, unterstehen als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts dem Eigentumsrecht des Erbbauberechtigten ( § 1 2 Abs. 1 S. 1 ErbbVO). Das gilt auch dann, wenn der Keller 3 ) Uber Kellerrechte als Nutzungsrechte vgl. Schmitt in BayNotZ. 1915, 146; BayO b Z 22, 270; Seuff. Arch. 70 Nr. 99).

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Das Recht an Kellern

§4 IV

schon vor Eintragung des Erbbaurechts als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem er erbaut ist, bestanden hat; denn aus § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbVO ist als klarer Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß ein Bauwerk (Kellerbau) mit seiner Einreihung in die wesentlichen Bestandteile des Erbbaurechts kraft Gesetzes aus der bisherigen rechtlichen Verbindung mit der Grundfläche auf der er steht, ausscheidet, weil das Erbbaurecht nach § 11 ErbbVO ausdrücklich als (juristisches) Grundstück zu behandeln ist (vgl. Staudinger 11. Aufl. Randbem. 2 zu § 11 ErbbVO; auf das die Bestimmungen in §§ 94 und 95 BGB entsprechend anzuwenden sind (§12 Abs. 2 ErbbVO; vgl. Staudinger 11. Aufl. Randbem. 17 u. 18 in Verb. m. Randbem. 2, 11, 12 u. 16 zu § 12 ErbbVO). Der in RGRKomm. Bern. 2 zu § 12 ErbbVO vertretenen Ansicht, das schon vor Begründung des Erbbaurechts vorhandene Bauwerk bleibe Eigentum des Grundeigentümers, steht die zwingende Vorschrift des § 93 BGB entgegen, die jedes Sonderrecht am wesentlichen Bestandteil verbietet, soweit nicht etwa eine abweichende Regelung nach § 3 WEG getroffen wird. Mit dem Ausscheiden des Kellerbaus aus der Verbindung mit Grund und Boden erlöschen auch etwaige dingliche Rechte, für die das Bauwerk als Grundstücksbestandteil bis dahin verhaftet war (vgl. Staudinger 11. Aufl. Randbem. 15 zu § 12 ErbbVO). Für den Fall, daß das Erbbaurecht am Kellerbau durch Beendigung des Erbbaurechts infolge Zeitablaufs oder rechtsgeschäftlicher Aufhebung (vgl. Staudinger Randbem. 23 zu § 12 ErbbVO) erlischt, wird der Keller wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§12 Abs. 3 ErbbVO) und damit zugleich Eigentum des Grundeigentümers; etwaige Entschädigungsansprüche des bisherigen Erbbauberechtigten richten sich nach § 27 ErbbVO. Gleichzeitig erlischt auch die Haftung des Kellerbaus für die am Erbbaurecht begründeten dinglichen Rechte. Eine Sonderregelung gilt beim Heimfall des Erbbaurechts gem. § 33 ErbbVO, wonach Grundpfandrechte bestehen bleiben (vgl. Staudinger 11. Aufl. Bern, zu §33 ErbbVO). I V . S c h u t z des I n h a b e r s e i n e s K e l l e r r e c h t s Dem Inhaber eines Kellerrechts stehen selbstverständlich alle aus dem Besitz herzuleitenden Befugnisse der §§ 858fr. BGB zu (vgl. dazu unten (§4o). Wird sein Recht in anderer Weise als durch Entziehung oder Störung des Besitzes beeinträchtigt, so gilt je nach der Rechtsgrundlage des Kellerrechts folgendes: a) Ist der Berechtigte Eigentümer des Kellers, so hat er alle Ansprüche aus §§ 985 u. 1004 BGB (vgl. dazu unten § 38). 79

§4

IV

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

b) Bildet das Kellerrecht den Inhalt eines Erbbaurechts nach § ioi2ff. B G B (ev. übergeleitet aus einer alten Sonderberechtigung gem. Art 42 BayÜG), so sind zum Schutz des Kellers gem. § 1017 B G B die Bestimmungen in den §§ 985 u. 1004 B G B entsprechend anzuwenden. Nach 1. 1. 1900 begründete Kellerrechte auf erbbaurechtlicher Grundlage §§ iff. ErbbVO) können gem. § 1 1 Abs. 1 ErbbVO ebenfalls durch entsprechende Anwendung der § 985 u. 1004 B G B Schutz gegen ihre Beeinträchtigung finden. c) Beruht das Kellerrecht auf einer Grunddienstbarkeit, so genießt der Berechtigte nicht nur den Besitzschutz nach § 1029 in Verb, mit §§ 858fr. B G B , sondern auch die Schutzrechte aus §§ 985 u 1004 B G B (vgl. unten §§ 41 u. 42). Als Beeinträchtigung des Rechts am Keller können auch Abgrabungen auf dem Nachbargrundstück in Betracht kommen. Der Nachbar ist hierzu, soferne er innerhalb seiner Grenzen bleibt, befugt; nur darf das Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist (§ 909 B G B , s. darüber unten § 17)Zumeist liegt der Hauptwert des Kellers in der kühlen Temperatur, infolge deren der Keller zur Lagerung von Vorräten geeignet ist. Wenn nun das den Keller umgebende Erdreich auf dem Nachbargrundstück weggenommen wird (z. B. durch Anlegung eines Steinbruches oder einer Lehmgrube), wird dem Zutritt der Wärme Vorschub geleistet und so der Keller verdorben. Das kann z. B. bei dem Lagerkeller einer Brauerei zu einer äußerst erheblichen Entwertung des Kellers führen. Der Eigentümer des Kellers kann dessen ungeachtet keinerlei Ansprüche gegen den Nachbar erheben, da er nur von der in seinem Eigentum gelegenen Befugnis Gebrauch macht, wenn er das Erdreich seines Grundstückes beseitigt. Anders kann das Rechtsverhältnis zu beurteilen sein, wenn das Recht am Keller auf einer Grunddienstbarkeit oder einem Erbbaurecht beruht. Der Eigentümer des mit diesem Kellerrecht dinglich belasteten Grundstücks darf auf diesem4) keine Handlung vornehmen, durch welche die bestimmungsgemäße Benützung des Kellers beeinträchtigt wird. *) Wohl aber auf einem anderen Grundstück vgl. Kohler, ArchZivPrax. 87, 226. Ist die Grunddienstbarkeit vertragsmäßig bestellt, so kann die Auslegung des Vertragswillens dazu führen, daß der Besteller und sein Universalrechtsnachfolger auch auf einem anderen als dem belasteten Grundstück keinerlei Handlungen vornehmen dürfen, durch welche der mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgte Zweck vereitelt wird. Dabei handelt es sich natürlich nur um eine obligatorische Verpflichtung.

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Die Grenze und ihre Vermarkung

§5

Die mit dem „Kellerrecht" zusammenhängenden Probleme haben neuerdings in zunehmendem Umfang durch den Bau von Tiefgaragen, sowie von Sammelgaragen bei größeren Wohnungseigentumshäusern an Bedeutung gewonnen. In der Regel bietet sich hier die Form des Teileigentums bzw. Teilerbbaurechts nach dem W E G an. Die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück mit der Absicht, dem Erbbauberechtigten das Eigentum an einer räumlich selbständigen Tiefgarage zu verschaffen, ist nur möglich, wenn es sich um ein Teilerbbaurecht nach dem W E G handelt. Bei einem normalen Erbbaurecht würde mit der Bestellung der Erbbauberechtigte auch Eigentümer der auf dem Grundstück bereits befindlichen oder erst zu erstellenden Gebäude ( § 1 2 ErbRVO), also nicht nur des Tiefenkellers. Dieses Ergebnis kann auch nicht etwa dadurch vermieden werden, daß der Tiefenkeller keinerlei Verbindung zum übrigen Gebäude hat. Eine horizontale Eigentumsaufteilung ist eben nur im Rahmen des W E G möglich. Bei einer Kellergarage in der Form des Teileigentums nach dem W E G ergibt sich die Schwierigkeit, daß es sich um viele (nicht abgeschlossene) Stellplätze handelt, und dennoch jeweils ein bestimmter Stellplatz dem alleinigen Verfügungsrecht einer bestimmten Personen oder dem jeweiligen Eigentümer einer bestimmten Eigentumswohnung unterstehen soll. Hier bietet sich die Möglichkeit, die Tiefgarage als ein eigenes Teileigentum zu bilden, welches im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer steht und im Rahmen der Gemeinschaftsordnung jedem dieser Miteigentümer einen bestimmten Stellplatz zur ausschließlichen Benützung zuzuweisen ( L G München I RPfl. 1971, 7 1 ; Stumpp MittBayNot 71, 10).

§ 5. Die Grenze und ihre Vermarkung Der äußeren die sog. zeichen

Zug der Grenzen1) wird durch gedachte Linien bestimmt2). Zur Kennbarmachung dieser Grenzlinien dienen sichtbare Zeichen, Grenzmarken. In früherer Zeit setzten die Nachbarn ihre Grenzselbst, indem sie Pflöcke einschlugen oder Steine und ähnliche

§ 5Es handelt sich hier nur um die privatrechtliche Abgrenzung der Grundstücke. Über Gemeindemarkungsgrenzen siehe Becher, Bayer. Landeszivilrecht i, 240, Seydel, Bayer. Staatsrecht 2, 44. 2 ) S. oben § 1, III. Für die Grenzen von Flüssen und Bächen kommen die Bestimmungen des BayerWassergesetzes in Art. 6 und 12 in Betracht; hiernach sind Privatflüsse und Bäche idR Bestandteil der Ufergrundstücke. Gehören die Ufer verschiedenen Eigentümern, so bestimmt sich die Eigentumsgrenze nach einer Linie, die durch die Mitte des Gewässers bei Mittelwasserstand zu ziehen ist. 6

MeisneMUng, Nachbartecht, 6. Aufl.

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§5 i

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

sichtbare Gegenstände aufstellten. Mit der zunehmenden Ausnutzung des Bodens und der dadurch bewirkten Zersplitterung des Grundbesitzes wurde die sichere Festhaltung der Grenzen zu einem öffentlichen Interesse. In vielen Gegenden bildete sich schon frühzeitig das Institut der Feldschieder oder Märker aus, die für den Flurbezirk der Markgenossenschaft oder Gemeinde als Hüter der Grenzen aufgestellt waren und die Grenzzeichen meist unter Anwendung geheimer Merkmale zu setzen hatten. An dieses durch das Herkommen bewährte Institut schloß sich die bayerische Gesetzgebung mit dem Vermarkungsgesetz vom 16. 4. 1868 an. Das jetzt geltende Recht ist in dem bayerischen Gesetz vom 30. 6. 1900, die Abmarkung der Grundstücke betreffend3), enthalten (BayBS III 601). Daneben kommt aber auch § 919 B G B in Betracht. Die Abmarkungspflicht liegt im Interesse der beteiligten Nachbarn und im allgemeinen Interesse. Dementsprechend ist eine privatrechtliche Verpflichtung zur Abmarkung und eine öffentlich-rechtliche gegeben. Bei einer öffentlichrechtlich angeordneten Abmarkung einschließlich der vorausgehenden Vermessung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den die Anfechtungsklage gegeben ist. Die Entscheidung über die Gültigkeit einer Abmarkung gehört stets zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (vgl. B a y V G H in BayVerwBl. 1960, 22).

In den Rahmen dieser Abhandlung fällt nur der p r i v a t r e c h t l i c h e Anspruch. Hierüber gilt folgendes:

I. D e r A b m a r k u n g s a n s p r u c h Die privatrechtliche Verpflichtung zur Abmarkung ist durch § 919 Abs. 1 B G B normiert, wonach der Eigentümer4) eines Grundstücks von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks verlangen kann, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt. Der Anspruch auf Grenzabmarkung ist ein rein dinglicher Anspruch aus dem Eigentum5). 3 ) Durch Art. 32 dieses Gesetzes ist das Vermarkungsgesetz vom 16. April 1868 mit Art. 156 A G aufgehoben worden. 4 ) Eine Mitwirkung der Realberechtigten ist nicht erforderlich, da die Anwendung des § 919 keine Veränderung im Bestände des Grundstückes herbeiführt. Staudinger Bern. I zu § 919. 6 ) Höninger, Grenzstreitigkeiten 48; Plank-Strecker Bern. 2 zu § 919; ErmannBem. 2 zu § 919; Palandt Bern. 2 zu § 919 BGB.

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Die Grenze und ihre Yermarkung

§5 i

a) Der Anspruch setzt u n m i t t e l b a r aneinander anstoßende Grundstücke voraus; sind zwei Grundstücke durch ein drittes Grundstück, einen Weg, einen Fluß getrennt, so ist der Anspruch nicht gegeben6). b) Die Grenze zwischen den beiden Nachbargrundstücken darf nicht streitig sein. Im Falle eines Streits über den Grenzverlauf ( = Grenzverwirrung) ist nach § 920 B G B zu verfahren, dh., die Grenze ist durch eine Entscheidung des Zivilgerichts festzustellen (vgl. Wolff SR § 57 II; Staudinger-Seufert Randbem. 5 zu § 920). c) Aktiv und passiv legitimiert zum Grenzabmarkungsanspruch sind die Eigentümer 7 ) der angrenzenden Grundstücke, und nur diese, also nicht die an dem Grundstück dinglich Berechtigten (Nießbraucher, Pfandgläubiger, Dienstbarkeitsberechtigte — beachte jedoch die folgenden Ausnahmen! —), wohl aber nach überwiegender Meinung der Erbbauberechtigte, weil diesem nach § 1 1 Abs. 1 ErbbVO (für alte Rechte aus § 1017 Abs. 2 B G B ) alle Rechte des Grundstückseigentümers zustehen, somit auch die Rechte aus § 919 BGB 8 ). Allerdings wird man ein rechtliches Interesse an der Abmarkung des ganzen Grundstücks nicht in jedem Falle annehmen können; es wird vielmehr auf den Inhalt und Umfang des Erbbaurechts ankommen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat (in BayVerBl. i960, 22) den Käufer eines Grundstücks, der noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war, die Aktivlegitimation zur Anfechtungsklage nach Art. 19 Abs. 1 AbmGes. unter der Voraussetzung zugebilligt, daß ihm Nutzen und Lasten des Grundstücks übertragen und daß für ihn eine Auflassungsvormerkung eingetragen seien, da er in einem solchen Falle wirtschaftlich als Eigentümer zu erachten sei. Diesem Gedanken steht zwar der Wortiaut des § 919 B G B entgegen. Man wird jedoch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, klare Grenzverhältnisse zu schaffen und unnötige Grenzstreitigkeiten zu vermeiden, unter „Eigentümer" i. S. des § 919 B G B nicht lediglich den eingetragenen Eigentümer zu verstehen haben, sondern jeden dinglich Berechtigten der die Machtbefugnisse des Eigentümers am fraglichen Grundstück hat. Das entspricht auch den praktischen Bedürfnissen; denn man wird den noch nicht eingetragenen Käufer des Grundstücks nicht immer darauf verweisen können, seine Eintragung herbeizuführen, weil diese erfahrungsgemäß gar manchmal von langwierigen Vermessungen und •) Höninger, Grenzstreitigkeiten 52; Staudinger Bern. I i a Zu § 919. 7 ) Der Vorerbe ist Eigentümer, solange der Fall der Nacherbschaft noch nicht eingetreten ist. (§§ 2100, 2139 BGB). 8 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 3 ; R G R Kom. Bern. 2 ; Planck-Strecker Bern. 3 ; Palandt Bern. 2; Ermann Bern. 2 je zu § 919 B G B a. M. Meisner-Stern-Hodes § 5 I. 6»

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i

deren Bearbeitung abhängen. Ebensowenig wird man ihm die Einschaltung seines Rechtsvorgängers in jedem Falle zumuten können. Insbesondere ist der Käufer schon vor seiner Eintragung im Grundbuch legitimiert, wenn die Auflassung erklärt wurde und er damit ein dingliches Anwartschaftsrecht erlangt hat. Eine dem Eigentümer ähnliche Rechtsstellung (wirtschaftliches Eigentum) kann unter Umständen auch einem Grunddienstbarkeits-Berechtigten zukommen, der gerade der Grenze des dienenden Grundstücks entlang nutzungsberechtigt ist, wie z. B. ein Weg-, oder Weideoder Wassernutzungsberechtigter, wenn Weg, Weidegrund oder Wasser unmittelbar an der Grenze verlaufen. In Fällen dieser Art kann die dingliche Rechtsstellung des Berechtigten so stark an die Machtbefugnisse des Grundeigentümers heranreichen, daß man ihm auch die Rechte des Eigentümers aus § 919 B G B gem. § 1027 B G B wird zubilligen müssen. Das gleiche gilt bei einem Wohnungs- oder Dauernutzungsberechtigten gem. § 31 W E G . Nach § 1011 ist jeder Miteigentümer für sich allein aktiv legitimiert, dagegen muß die Klage gegen alle Miteigentümer gestellt werden9). Der Pächter ist natürlich nicht legitimiert10). § 919 bezieht sich auf alle Arten von Grundstücken, also auch auf städtische Grundstücke, selbst auf Gebäude mit festen Grenzwänden, weil nur die Marksteine als Grenzzeichen im Sinne des Gesetzes gelten11). Auch die Grundstücke des Staates12) und der Gemeinde unterliegen selbstverständlich dieser Abmarkungspflicht. Nach Art. 3 AbmarkG müssen die von den zuständigen Behörden und Personen gesetzten Grenzzeichen von den beteiligten Grundeigentümern stets im Stand erhalten werden. Unter Grenzzeichen im Sinne des § 919 B G B sind für Bayern solche im Sinne des Vermarkungsgesetzes vom 16. Mai 1868 und des Abmarkungsgesetzes vom 30. 6. 1900 zu verstehen, nicht aber private Grenzzeichen. Art. 30 AbmarkG bestimmt, daß bezüglich der Art der Abmarkung für die durch § 919 B G B begründete Abmarkungspflicht die einschlägigen Vorschriften des Abmarkungsgesetzes maßgebend sind. Der Abmarkungsanspruch ist sowohl dann gegeben, wenn bisher Grenzzeichen überhaupt noch nicht bestanden haben oder dieselben wieder ganz verloren gegangen sind, als auch, wenn die bestehenden Marksteine nicht die richtige Grenze angeben, sei es, daß sie von Anfang an falsch ge9

) Höninger 56; Staudinger Seufert Randb. 3 zu § 919. ) M. 3, 270 (Mugdan 3, 149). u ) Aus diesem Grunde ist R G 44, 1 7 1 nicht mehr anwendbar. Vgl. auch Entsch. d. Bay. V G H 17, 253. 12 ) Uber Vermarkung der Staatsstraßen vgl. Weber Ges.-Samml. 17, 592. Vgl. nun Bayr. Straßen- u. Wegeges. v. 1 1 . 7. 58 (GVB1. 147) Art. 12. 10

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Die Grenze und ihre Vermarkung

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setzt wurden13), oder daß sie durch irgendwelche Ursachen von der Stelle gerückt wurden (z.B. durch Erdrutsch, Bodensenkungen)14) oder unkenntlich geworden sind (z. B. durch Verwitterung oder mechanische Beschädigung). Der Anspruch steht selbst demjenigen zu, der in strafbarer Weise die Grenzzeichen eigenmächtig verrückt hat; denn der Grund, aus welchem die Sicherung der Grenze durch Grenzzeichen fehlt, ist für die Entstehung der Abmarkungspflicht gleichgültig16). Die Verpflichtung zur Mitwirkung geht nur so weit, als das Bedürfnis nach Sicherung der Grenze. Die Grenze ist gesichert, wenn die Marksteine alle Grenzzüge der Grundstücke vollkommen sicher (also von einem Grenzzeichen zum anderen in gerader Linie) erkennen lassen. Der Anspruch ist gemäß § 924 B G B unverjährbar. Auf den Anspruch kann mit dinglicher Wirkung nicht verzichtet werden16), in einem Verzichte könnte deshalb nur das Versprechen gefunden werden, den Anspruch nicht geltend zu machen17); der Sonderrechtsnachfolger wird daher durch einen Verzicht nicht gebunden18). Die obligatorische Wirkung eines solchen Versprechens kann jedoch weder nach § 138 B G B noch nach § 309 B G B in Zweifel gezogen werden19); denn die Geltendmachung des durch § 919 B G B gegebenen Anspruchs ist in das freie Belieben des Eigentümers gestellt; es liegt daher keine zwingende Vorschrift vor. Voraussetzung des Anspruchs aus § 919 B G B ist, ferner daß die Grenze zwischen den Nachbarn unbestritten ist20). 1S ) Besteht Streit darüber, ob eine Abmarkung formell gültig ist, so haben die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. S. darüber unten F N . 29. 14 ) Vgl. Schuhmacher, Lage und Feststellung der Eigentumsgrenzen bei seitlicher Verschiebung der Grenzzeichen infolge der durch den Bergwerksbetrieb veranlaßten Bodensenkungen in der Zeitschr. f. Bergrecht 1903, 203 fr. Wenn sich infolge einer Senkung der Erdmasse auch die Oberfläche des Grundstückes verschiebt, so werden sich damit regelmäßig auch die Grenzlinien und Grenzzeichen verschieben; sie sind wieder an den geographischen Ort zu setzen, an welchem sie sich vor der Verschiebung befunden haben. Schuhmacher 212 f. " ) V G H 17, 253. ie ) Das könnte formell nur durch Begründung einer Dienstbarkeit geschehen (Gierke S. 640). Inhaltlich eignet sich aber die Befreiung von der Abmarkungspflicht nicht zu einer Grunddienstbarkeit, weil es an der hiefür notwendigen Voraussetzung des Nutzens für das herrschende Grundstück fehlt (Güthe 2, 1692). 17 ) Vgl. M. 3, 270 (Mugdan 3, 149). 18 ) KommProt. 3535 (Mugdan 3, 582). 19 ) Staudinger Randbem. 6, Planck Bern. 7, R G R Komm. 5, Palandt 2 a, Ermannje zu § 919, Meisner-Stern-Hodes § 5 I. 20 ) M. 3, 268 Höniger 52; s. dagegen Rönnberg, Die Grenzscheidungsklage nach römischem und gemeinem Rechte sowie nach den Entwürfen eines Bürgerlichen Gesetzbuches (Berlin 1896) 84. — Für Bayern hat die ganze Streitfrage keine Bedeutung; denn nach Art. 30 mit Art. 19 des bayerischen AbmarkG entscheiden über die Abmarkungspflicht die Verwaltungsgerichte. Nach Art. 19 Abs. 3 AbmarkG sind Streitigkeiten über

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S I

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Weigert sich der Nachbar, den Anspruch zu erfüllen, so ist K l a g e zum Verwaltungsgericht, nicht zum Zivilgericht, zu erheben, da zur Entscheidung der Streitigkeiten über die Abmarkungspflicht gemäß Art. 30 mit Art. 19 A b m a r k G die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Die Zuständigkeitsbestimmung hat ihre Wurzel in § 13 G V G , welcher der Landesgesetzgebung allgemein gestattet, einzelne bürgerliche Rechtsstreitigkeiten den Verwaltungsbehörden zuzuweisen, und seit 1. 4. 60 in §§ 40 ff V w G O v . 2 1 . 1. 60 — B G B l . I 1 7 — . Zuständig zur Entscheidung über die Grenzabmarkungsklage ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die zu vermarkende Grenze liegt. V g l . nun § 52 N r . 1 V w G O . Verläuft diese Grenze in verschiedenen Verwaltungsbezirken, so ist von dem Verwaltungsgerichtshof, der hier zunächst übergeordneten Instanz, das zuständige Verwaltungsgericht zu bestimmen (vgl. § 5 3 A b s . 1 Nr. 3 V w G O ) . Wird nach Erhebung der K l a g e v o r dem Verwaltungsgericht das Grundstück des Beklagten an einen Dritten veräußert, so ist der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechts-

Feststellung der Grenze ausdrücklich der Entscheidung der Gerichte vorbehalten. Der Anspruch auf Vermarkung kann daher schon aus prozessualen Gründen nur dann geltend gemacht werden, wenn die Grenzen unbestritten sind. V G H 23, 232; ObLGSt. 5, 164. Wenn die Grenze auf dem Vermessungsplan als richtig von beiden Nachbarn anerkannt wurde, dann aber ein Nachbar v o r der Vermarkung Widerspruch erhebt (etwa wegen Irrtums, weil er bei der Unterzeichnung nur geglaubt habe, daß er die Richtigkeit der V e r m e s s u n g , nicht aber die Richtigkeit der Grenze anerkenne), kann die Vermarkung nicht vorgenommen werden. Auch dann nicht, wenn ein über den L a u f der G r e n z e abgeschlossenes Ubereinkommen von einer Seite wegen Irrtums, Betrugs oder Zwangs angefochten ist und selbst dann nicht, wenn die Gültigkeit des Übereinkommens in offensichtlich unbegründeter Weise z.B. wegen eines angeblichen Formmangels bestritten wird, vgl. unten § 6 IV. Nach Art. 19 AbmarG sind die Verwaltungsgerichte auch zur Entscheidung über die Gültigkeit einer Abmarkung zuständig (vgl. BayVGH in BayVBl. i960, 22). Wenn aber Streit darüber besteht, ob die formell gültig gesetzten Marksteine auf der richtigen Grenze stehen, so sind die Zivilgerichte zuständig. Niemals kann die Klage v o r dem Z i v i l g e r i c h t e dahin erhoben werden, daß Beklagter in die Entfernung oder Versetzung der Marksteine einwillige; Kläger muß erst vom Zivilgericht die Grenze feststellen lassen und dann Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Wenn freilich der Beklagte selbst und ohne Mitwirkung der staatlichen Organe Grenzzeichen gesetzt hat, ist die Klage auf Entfernung solcher Grenzzeichen, die im Sinne des Gesetzes keine wahren Grenzzeichen sind, an das Zivilgericht zu richten. Hat aber das zuständige Staatsorgan (Geometer, Feldgeschworene) die Vermarkung wenn auch in ganz ungesetzlicher Weise vorgenommen, so kann auf Entfernung dieser Grenzzeichen nicht vor Gericht geklagt werden. Die Vermessung ist ein Verwaltungsakt, über dessen Rechtmäßigkeit im Wege der Anfechtungsklage vom Verwaltungsgericht entschieden wird (Art. 19 Abs. 1 AbmGes.; vgl. BayVGH in BayVBl. i960, 22). Vgl. auch die Entsch. des Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte vom 8. Jan. 1907, Beil. II zum GVB1. vom Jahre 1907 S. 9.

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streit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen (§ 266 ZPO). Bei der Entscheidung über den Abmarkungsanspruch kann das Verwaltungsgericht nach ausdrücklicher Vorschrift des Art. 30 mit Art. 19 Abs. 3 AbmarkG Streitigkeiten über Feststellung der Grenze nicht entscheiden, da diese der Entscheidung der Gerichte vorbehalten sind. Das Verwaltungsgericht wird deshalb, wenn sich vor ihm erst nach Erhebung eines Anspruchs aus § 919 BGB. Streit über den Lauf der Grenze entspinnt, das Verfahren bis zur Entscheidung über den Lauf der Grenze aussetzen, dagegen die Klage abweisen, wenn schon vor ihrer Anbringung Streit über die Grenze bestand21). Eine Streitigkeit über die Grenze liegt jedoch dann nicht vor, wenn sie lediglich von dem beteiligten Nachbar simuliert wird, während die Grenze durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil außer Zweifel gestellt ist. Beim Vorliegen des Nachweises hat das Verwaltungsgericht die Abmarkungsverpflichtung festzustellen. Die Prüfung der Aktivund Passivlegitimation ist stets Sache des Verwaltungsgerichts, das daher im Streitfalle incidenter auch darüber entscheiden muß, ob der Antragsteller bzw. der von diesem auf Errichtung der Grenzzeichen der belangte Eigentümer des in Betracht kommenden Grundstückes ist22). Wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angerufen, so hat der Antragsteller die Flst.-Nrn. der Grundstücke, um deren Abmarkung es sich handelt, den Namen des Grundeigentümers, welcher der Abmarkung widerspricht oder eine Erklärung noch nicht abgegeben hat, die Gründe, auf welche der Antrag gestützt wird, sowie die gewünschte Art der Abmarkung anzugeben und erforderlichenfalls den Katasterplan, auf welchem die zu setzenden Grenzzeichen vorgetragen sein müssen, vorzulegen (Art. 20 AbmarkG). Der Antrag der Klage wird dahin formuliert werden können, den Beklagten zu verurteilen, a) zur Errichtung von Marksteinen auf der im beiliegenden Plane verzeichneten Grenze der Flst.-Nr. x und y mitzuwirken, demgemäß in Gemeinschaft mit dem Kläger die Feldgeschworenen der Gemeinde N oder das Vermessungsamt zu ersuchen, diese Grenze zu vermarken, b) die Kosten der Abmarkung hälftig mit dem Kläger, die Kosten des Verwaltungsrechtsverfahrens aber allein zu tragen. Eine genaue Bezeichnung der Grenze im Antrag und im verfügenden Teil des Urteils wird 21 ) Henle-Schneider, A G 264; Brettreich, Abmarkungsgesetz 7 5 ; Windstoßer, Vermarkungsgesetz 18 meint dagegen, daß der Antrag abzuweisen sei. Das ist nicht immer angezeigt; denn die Verpflichtung zur Abmarkung besteht auch dann, wenn die Grenze noch nicht feststeht (§ 919 BGB). Dagegen kann das Verwaltungsgericht dem Antragsteller auch eine Frist zur Erhebung der Klage an das Zivilgericht vorstrecken und nach deren fruchtlosem Ablauf den Antrag abweisen. 22 ) Henle-Schneider, A G 264; vgl. V G H 15, 16.

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sich empfehlen, weil sonst die Zwangsvollstreckung 23 ) Schwierigkeiten bereitet) würde. Daneben muß dargetan werden, daß Grenzzeichen fehlen oder unkenntlich geworden sind oder nicht mehr auf der anerkannten Grenzlinie liegen. Das Verwaltungsgericht vernimmt zunächst die widersprechenden und noch nicht gehörten Grundeigentümer mit ihren Erinnerungen, erholt die erforderlichen Gutachten der Sachverständigen und entscheidet hiernach über den gestellten Antrag. Findet für die Einvernahme der Beteiligten eine besondere Yerhandlungstagfahrt statt, so sind sie hierzu gegen Nachweis mit dem Beifügen zu laden, daß diejenigen Grundeigentümer, welche ohne Entschuldigung weder in Person erscheinen, noch durch einen Bevollmächtigten sich vertreten lassen, als der Abmarkung zustimmend gelten (Art. 21 AbmarkG). Bleibt der geladene Gegner des Antragstellers trotz richtiger Ladung in dem Termine aus, so hat dies keineswegs zur Folge, daß nunmehr ein dem Antrage entsprechender Beschluß zu erlassen ist. Denn im Verwaltungsrechtsverfahren erfolgt die Feststellung des Sachverhalts von Amts wegen, der Richter hat im Gegensatz zum Zivilprozeßverfahren den Sachverhalt unabhängig von den Anträgen und Behauptungen der Parteien zu ermitteln (§86 VwGO). Der Verwaltungsrichter muß trotz Ausbleibens des geladenen Beklagten von Amts wegen insbesondere feststellen, ob zwischen den Beteiligten die Grenze unbestritten feststeht; denn dies ist die erste Voraussetzung des Anspruchs auf Mitwirkung bei der Abmarkung. Wenn die Beteiligten im Laufe des verwaltungsrechtlichen Verfahrens eine Linie als richtige Grenzlinie anerkannt haben, und alsdann ein rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Beschluß erlassen wurde, so ist, wenn sich hinterher herausstellt, daß die anerkannte Grenzlinie mit dem recht23 ) Der verwaltungsgerichtliche Beschluß ersetzt die Zustimmungserklärung des Beklagten zur Grenze und zur Vornahme der Abmarkung durch die Feldgeschworenen (§ 894 Z P O , vgl. RGSt. 41, 97). 60. Nach RGKomm. Bern. 7 zu § 919 soll die Verurteilung zur Mitwirkung eine unvertretbare Handlung betreffen, die nach § 888 Z P O zu erzwingen ist (vgl. jedoch J W 1915, 7 1 7 RG). Für Bayern ist bestimmt, daß die A b markung nur durch die Feldgeschworenen oder die Vermessungsbehörde vorgenommen werden kann. Es kann daher der Anspruch erhoben werden, das Vermessungsamt oder die Feldgeschworenen um die Vermarkung zu ersuchen. Dieses Ersuchen ist eine vertretbare Handlung nach § 894 ZPO. — Wenn eine Grenze durch gerichtliches Urteil festgestellt ist, hat das Gericht I. Instanz die Vermessungsbehörde hievon zu verständigen, die Messungsbehörde hat dann binnen drei Monaten die allenfalls noch erforderliche Messung auszuführen und die Abmarkung entweder selbst zu bewirken oder durch die Feldgeschworenen vollziehen zu lassen ( § 4 der VollzVorschr. vom 21. 12. 1900 zum A b markungsgesetz. In einem solchen Fall wäre ein Antrag an das Verwaltungsgericht unbegründet ( V G H 38, 23); die Vermessung ist jedoch als Verwaltungsakt durch Klage vor dem Verwaltungsgericht anfechtbar (vgl. V G H in BayVBl. i960, 22).

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liehen Bestände nicht übereinstimmt, durch den Beschluß eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen nicht herbeigeführt worden, und die Beteiligten können nachträglich die Richtigkeit der Grenzlinie bestreiten24). Das muß aber im Wege eines Zivilprozesses geschehen; denn einen Streit über die richtige Grenze haben die Zivilgerichte zu entscheiden (vgl. § 920 BGB). Ist die richtige Grenze festgestellt, so kann im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Verwaltungsgericht gem. § 153 V w G O unter den in §§579, 580 Ziff. 2—7, 581 Abs. 1 und 583 ZPO gegebenen Voraussetzungen die Abmarkung der neu festgelegten Grenze durchgeführt werden. Im Zivilprozeß muß derjenige, welcher die ordnungsgemäß vermarkte Grenze nicht gelten lassen will, die Unrichtigkeit nachweisen26). Das Verwaltungsgericht entscheidet durch Urteil (§§ 107fr. VwGO). Dagegen steht den Beteiligten die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof zu; diese ist binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht einzureichen. Sie muß einen bestimmten Antrag enthalten (§ 124 VwGO). Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Abmarkung erzeugt Rechtskraft gegen Dritte, die zur Zeit der Rechtshängigkeit an dem Grundstücke dinglich berechtigt oder Besitzmittler waren28). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat keine konstitutive Wirkung; die vermarkte Grenze gilt jedoch bis zum Beweis des Gegenteils als richtig vgl. darüber unter III). Die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen über die Verpflichtung Abmarkung erfolgt nach § 167 V w G O in Verbindung mit Art. 22 AbmarkG. Der Antrag des Klägers ist an die Kreisverwaltungsbehörde zu stellen, welches dem Verpflichteten zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung, zur Errichtung oder Wiederherstellung der Grenzzeichen mitzuwirken, eine angemessene Frist setzt, nach deren Ablauf die Gemeindebehörde mit dem weiteren Vollzug beauftragt wird. Bezüglich der Kosten der Abmarkung erfolgt die Vollstreckung durch die Gemeindebehörde nach den Bestimmungen über die Abhebung und zwangsweise Beitreibung der Gemeindeumlagen (Art. 25 Abs. 6 AbmarkG.) Die durch Art. 3 AbmarkG begründete Verpflichtung der beteiligten Grundeigentümer, die von den zuständigen Behörden und Personen gesetzten Grenzzeichen stets i n s t a n d zu h a l t e n , gewährt dem Angrenzer gegen den Nachbar, welcher sich weigert, bei der Erfüllung dieser Verpflichtung mitzuwirken, einen Anspruch auf Erfüllung, der in gleicher 24 26

) Brettreich, Abmarkungsgesetz 75. ) Staudinger-Seufert Randbem. 11 zu § 919 B G B . ) Höniger 76.

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Weise geltend zu machen ist, wie der Anspruch auf Mitwirkung bei der Abmarkung. II. D a s

Abmarkungsgeschäft27)

Die Art der Abmarkung und das Verfahren ist durch § 919 Abs. 2 B G B den Landesgesetzen überlassen; für Bayern ist das Abmarkungsgesetz vom 30. 6. 1900 (BayBS III 601 = GVB1. 1906, 553) maßgebend. Hiernach sind zur Vornahme der Vermarkung eigene Organe aufgestellt, derart, daß die Vermarkung nur durch diese Organe in legaler Weise vorgenommen werden kann. Für jeden Gemeindebezirk und jeden ausmärkischen Bezirk sind auf Lebensdauer 4—7 eidlich verpflichtete (Art. 16 AbmarkG) Feldgeschworene aufgestellt, welche sich durch eigene Zuwahl ergänzen (Art. 5—8 AbmarkG). Dieselben sind (neben den staatlichen Messungsbehörden) im Umfange ihres Bezirkes ausschließlich befugt, Abmarkungsgeschäfte vorzunehmen, d.i. Grenzzeichen zu setzen, sie zum Zwecke der Untersuchung zu heben, sie wieder in die richtige Lage zu bringen und im Falle der Entbehrlichkeit herauszunehmen. Zur gültigen Vornahme eines Abmarkungsgeschäftes ist die Anwesenheit von zwei Feldgeschworenen nötig (Art. 9 AbmarkG). Die Feldgeschworenen können sich zum Zwecke der Kontrolle der Echtheit und Unverrücktheit der Grenzzeichen bei dem Setzen derselben bestimmter geheimer Zeichen, sog. Unterlagen, bedienen (Siebenergeheimnis, Art. 10 AbmarkG). Zur Abmarkung sind in der Regel dauerhafte Steine von entsprechender Größe oder Form zu verwenden. Die Steine müssen soweit zugerichtet sein, daß ihre Bedeutung als Grenzzeichen zweifellos erkennbar ist. Ausnahmsweise sind auch andere Grenzzeichen, insbesondere solche von dauerhaftem Holze zulässig, wenn die Beschaffenheit des Bodens (z.B. Sumpfland) das Setzen von Steinen nicht angezeigt erscheinen läßt, oder wenn die Beschaffung der Steine mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre (Art. 2 AbmarkG). 28 ) Zur Vornahme des Abmarkungsgeschäftes sind die beteiligten Grundeigentümer oder deren Vertreter gegen Nachweis zu laden. Erscheinen die Beteiligten nicht, so kann das Abmarkungsgeschäft gleichwohl gültig vorgenommen werden (Art. 17 AbmarkG). Hierbei muß jedoch die Einschränkung gemacht werden, daß die Abmarkung in Abwesenheit der Beteiligten 27 ) Über das Recht der Messungsbeamten, die Grundstücke zum Zweck ihrer amtlichen Handlungen zu betreten, s. Zeiler, BlAdmPr. 61, 13 ff. 28 ) Vgl. hierzu M B über den Vollzug des Abmarkungsgesetzes vom 21. 12. 1900 (MAB1. 771) geändert durch M B vom 9. 7. 1 9 1 7 (GVB1. 417); Feldgeschworenenordung vom 21. 12. 1900 (MAB1. 819; M B vom 20. 2. 1901 über den technischen Vollzug des Abmarkungsges. (FMB1. 217), geändert durch M B vom 6. 1 1 . 1918 (FMB1. 225) und vom 12. 12. 1922 (FMB1. 185) sowie vom 27. 1 1 . 1933 (GVB1. 446).

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nur dann gültig vorgenommen werden kann, wenn die V o r a u s s e t z u n g e n der Abmarkung gegeben sind. Dazu gehört vor allem, daß die Grenze und die Verpflichtung zur Abmarkung feststeht, sei es, daß hierfür eine Einigung der Beteiligten nachgewiesen 2 9 ) ist oder ein rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Bescheid vorliegt. War dies nicht der Fall, so kann die Gültigkeit einer in Abwesenheit eines Beteiligten erfolgten Abmarkung bei dem Verwaltungsgericht angefochten werden (vgl. Art. 19 AbmarkG). Weil mit Rücksicht hierauf die Anwesenheit der Beteiligten vielfach nicht umgangen werden kann, bestimmt Art. 17 AbmarkG, daß die Kosten eines durch unentschuldigtes Ausbleiben vereitelten Termines der Nichterschienene zu tragen hat. Beim Legen oder Untersuchen der geheimen Zeichen haben sich die beteiligten Grundeigentümer und ihre Vertreter zu entfernen (Art. 17 AbmarkG). Über die Vornahme der Abmarkungsgeschäfte sind Protokolle zu führen, in welche die Zeit, der Name und die Eigenschaft der Anwesenden anzugeben, und die stattgehabte Handlung zu beschreiben ist. Das Protokoll ist von den beteiligten Grundeigentümern oder deren Vertretern und den Feldgeschworenen zu unterzeichnen (Art. 18 AbmarkG). Die Unterlassung der Eintragung eines Vermarkungsgeschäftes bildet keinen Grund für die Ungültigkeit der vorgenommenen Vermarkung, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. V G H 17, 253). Stimmt die nach dem Willen der Beteiligten abzumarkende Grenzlinie nicht mit den wirklichen Eigentumsverhältnissen überein und soll demnach eine neue Eigentumsgrenze geschaffen werden, so kann zwar die Abmarkung einstweilen vorgenommen werden; diese erlangt aber ihre endgültige Wirksamkeit erst, wenn den Erfordernissen für den dinglichen Eigentumsübergang Genüge geleistet ist (notarielle Verlautbarung und Eintrag im Grundbuch)30). Streitigkeiten über die Art der Abmarkung, über die Gültigkeit einer solchen und über die Erhaltung von Grenzzeichen sind in gleicher Weise wie die Streitigkeiten über die Abmarkungspflicht von dem Verwaltungsgericht in erster und von dem Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz zu entscheiden (Art. 19 AbmarkG, § 40 VwGO). Mit einem Streit über die formale G ü l t i g k e i t der Abmarkung ist ein Streit über die materielle Wirkung der Vermarkung nicht zu verwechseln, zu dessen Entscheidung der Zivilrichter berufen ist (s. hierüber unten III). 29 ) Vgl. Beil. z.d. Verhandl. d. K . d. A . 1899 Bd. 1 S. 352, Brettreich, Abmarkungsgesetz 33. Die Anerkennung der festgestellten Grenze muß ausdrücklich entweder an Ort und Stelle oder auf Grund eines entsprechenden Planes erfolgen; s. hierüber unten I V . 30 ) Vgl. Begründung zum Abmarkungsgesetz 350. Brettreich 26 f. Ein Vertrag über Festsetzung unsicherer Grenzen, bei dem die Vertragsteile keine Veränderung in den Eigentumsverhältnissen, sondern nur die Feststellung des vorhandenen Eigentums beabsichtigen, bedarf zu seiner Gültigkeit keiner Form. BayZ 1906, 227 (RG); vgl. unten I V .

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Die Kosten der Abmarkung 3 1 ) sind v o n den Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen, soferne nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein anderes ergibt ( § 9 1 9 B G B ) 3 2 ) . Letzteres ist z . B . dann der Fall, wenn die Abmarkung dadurch notwendig geworden ist, daß ein Beteiligter die vorhandenen Grenzsteine schuldhaft zerstört hat und daher nach §§ 823 fr. B G B für den Schaden haftbar ist. A u c h über diese Frage hat im Streitfalle das Verwaltungsgericht zu entscheiden. N a c h Art. 1 7 Abs. 3 A b m a r k G fallen die Kosten eines durch unentschuldigtes Ausbleiben eines Beteiligten vereitelten T e r m i n e s zur Vornahme des Abmarkungsgeschäftes dem Nichterschienenen zur Last. F ü r einen Streit, der sich auf die Kosten der Abmarkung beschränkt, ist in gleicher Weise, wie bei einem Streit über die Abmarkungspflicht (Art. 19 A b m a r k G ) die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben (vgl. V S H 1 7 , 1 5 6 ; 38, 2 1 ) .

III. W i r k u n g

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Abmarkung

D i e gesetzlich vollzogene Abmarkung 3 3 ) bewirkt, abgesehen v o n dem durch Art. 28 A b m a r k G und § 274 N r . 2 R S t G B gegebenen strafrechtlichen S1 ) Von den Kosten der Abmarkung sind wohl zu unterscheiden die Kosten des Verwaltungsrechtsstreites über die Abmarkungspflicht, welche dem Unterliegenden ausschließlich zur Last fallen. 32 ) Ausnahmen für die Abmarkung öffendicher Verkehrswege s. Art. 25 Abs. 3 AbmarkG; vgl. V G H 31, 91. Art. 12 BayStrWG. 33 ) Es kommen hierfür Grenzzeichen im Sinne des VermarkG vom 16. 5.1868 und des AbmarkG vom 30. 6. 1900 in Betracht, nicht aber private Grenzzeichen (vgl. Begründung 350). Grenzzeichen, welche vor Inkrafttreten des VermarkG vom 16. 5. 1868 durch Siebener, Feldgeschworene auf Grund alter Siebenerordnungen gesetzt wurden, sind gleichfalls als gültig zu erachten. Brettreich 27. Vgl. VermarkG von 1868 Art. 25. Nach Roth, Bayer. Zivilrecht Bd. 2 § 118 Anm. 24 finden sich Bestimmungen über Siebener (Steinsetzer, Feldschieder usw.): Hohenlohe, L R III, 20, Arnold II, 485; Weißenburg, St. IV, Arnold II, 720; Würzburg, V 5. 7. 1753 MS 2, 640; Schweinfurt Feldordnung Samml. 60—82; Solms, LO II, 30; Mainz, L R V u. UGO I X ; Erbach, Steinsetzordnung 7. 1 1 . 1695, Weber V, 305; Amberg, Amt- und Portungschauordnung 26. 2. 1552 Art. 26. Bei einem Eigentumsstreit kann das Zivilgericht in die Lage kommen, über die Gültigkeit der Abmarkung incidenter zu entscheiden, während an sich ein Streit über die Gültigkeit der Abmarkung zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gehört. Kläger beruft sich beispielsweise zum Beweise seines Eigentums auf vorhandene Marksteine, Beklagter wendet ein, daß die Vermarkung ungültig ist. Ist die Abmarkung von dem hierzu zus t ä n d i g e n ö f f e n t l i c h e n O r g a n e vorgenommen worden, so darf das Zivilgericht die Ungültigkeit nicht annehmen; dem Beklagten ist eine Frist zur Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu setzen und der Prozeß bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts auszusetzen. Wenn Beklagter das verwaltungsgerichtliche Verfahren innerhalb der gesetzten Frist nicht eingeleitet hat, muß das Gericht die Abmarkung als f o r m e l l gültig behandeln.

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Die Grenze und ihre Vermarkung

§5 in

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Schutz der vermarkten Grenze ), eine behördliche Beurkundung darüber, daß die beteiligten Nachbarn die Richtigkeit der Grenze so, wie sie vermarkt wurde, anerkannt haben. Durch die Vermarkung wird keine Änderung in den Eigentumsverhältnissen herbeigeführt; aber sie schafft ein ausschlaggebendes Beweismittel dafür, wie weit das Eigentum zur Zeit der Vermarkung gereicht hat. Die Beweiskraft der Vermarkung (Setzung der Grenzzeichen) kann zwar nicht aus § 415 ZPO abgeleitet werden, weil als Urkunde im Sinne der ZPO nur s c h r i f t l i c h e Verkörperungen eines Gedankens gelten (vgl. Baumbach 19. Aufl. Übl. 1 vor § 415). Grenzzeichen können jedoch im Wege des Augenscheins als Beweismittel dienen (§§ 144, 371 ZPO). Unter Anwendung des § 286 ZPO wird das Gericht dann dazu kommen, auf Grund der Abmarkung die beiderseitige Anerkennung der Grenze als voll erwiesen zu erachten35); denn das staatlich geordnete Abmarkungsverfahren gibt hinreichende Gewähr dafür, daß diese erste Voraussetzung des Abmarkungsgeschäftes vorgelegen hat. — Ist aber die beiderseitige Anerkennung der Grenze bewiesen, so muß sie bis zum Beweise des Gegenteiles als r i c h t i g angenommen werden. Denn die Anerkennung ist unter Umständen erfolgt, welche den Beteiligten die Tragweite ihrer Erklärungen zum vollen Bewußtsein bringen mußten, und es ist daher auch anzunehmen, daß sich die Beteiligten, welche als Eigentümer hierzu wohl in der Lage waren, über die einschlägigen Verhältnisse informiert haben. Diese Erwägungen müssen vernünftigerweise den Richter zur Überzeugung bringen, daß die vermarkte Grenze die richtige ist, sofern nicht das Gegenteil bew i e s e n wird36). Nach § 891 wird vermutet, daß ein Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, dem eingetragenen Berechtigten zusteht. Diese Vermutung erstreckt sich auf die katastermäßige Grenze37). Durch eine entgegenstehende Vermarkung wird diese Vermutung überwunden. Dagegen überwindet der Buchglaube des rechtsgeschäftlichen Erwerbers (§ 892) eine 34 ) Vgl. SeuffBl. 70, 5 io. In der dort mitgeteilten Entscheidung hat das Oberste Landesgericht als Voraussetzung für den strafrechtlichen Schutz der Grenzzeichen bezeichnet, daß die Grenze unbestritten feststeht, da andernfalls die Feldgeschworenen zur Setzung nicht zuständig seien. Auch das Reichsgericht ( J W 1908, 383 Nr. 24; RGSt. 41 95) hat ausgesprochen, daß Grenzzeichen den Schutz des § 274 Z 2 R S t G B nur dann genießen, wenn sie mit Zustimmung beider Grenznachbarn gesetzt sind oder die fehlende Zustimmung des einen nach § 919 B G B ersetzt ist. 36 ) Vgl. Kretzschmar im SächsArch, 12, 405; Staudinger-Seufert Randbem. 1 1 zu § 919 B G B . 36 ) Vgl. Maenner 175 Anm. 1 1 2 ; Staudinger Randbem. 11 zu § 919. 37 ) S. darüber unten I V ; O L G Celle in N J W 1956, 32; Staudinger-Seufert Randbem. 1 1 Zu § 919 u. Randbem. 7 zu § 891; Meisner-Stern-Hodes § 5 III; vgl. auch L G Hildesheim in NdsRpfl. 1957, 149.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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entgegenstehende Vermarkung. Denn der buchgläubige Erwerber kann die Grenzen auch dann beanspruchen, wenn sie erwiesenermaßen unrichtig sind, weil das dem Katasterplan entsprechende Flurstück mit den darin festgelegten Grenzen als richtig gilt, es sei denn daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder daß die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt war (vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 28 zu § 892; O L G 31, 315; Reiß in JW 1915, 1413). IV. G r e n z f e s t s t e l l u n g s v e r t r a g Vielfach wird der Anerkennung der Grenze, die vor der Abmarkung erfolgt, eine v e r t r a g s m ä ß i g e Feststellung der Grenze zugrunde liegen, oder damit zusammenfallen. Nicht immer ist in den Erklärungen, welche die Beteiligten im Anschluß an eine geometrische Vermessung oder bei einer Abmarkung abgeben, insbesondere in einer Anerkennung der durch die Vermessung gefundenen Grenzlinie ein Grenzfeststellungsvertrag enthalten. Dazu ist ein Austausch (Antrag und Annahme) der beiderseitigen Willenserklärungen erforderlich, die Grenze rechtsgeschäftlich festzusetzen38). Es kann sehr wohl sein, daß die Unterzeichnung des Ergebnisses der geometrischen Vermessung sich nach dem Willen des Unterzeichners in der Anerkennung der Tatsache erschöpft, daß dieses Ergebnis die Einträge im Katasterplan richtig wiedergibt, also die Vermessung technisch richtig ausgeführt ist39). Aber regelmäßig (also bis zum Beweis des Gegenteils) wird man wohl unterstellen dürfen, daß der Beteiligte, der ein Messungsergebnis unterschreibt, damit nicht nur dem Messungsbeamten, sondern auch dem Nachbar gegenüber zum Ausdruck bringen will, daß er die vermessene Grenze als die richtige gelten lasse. Das genügt vollauf als Erklärung eines rechtsgeschäftlichen Willens und da der Beteiligte weiß, daß der Vermessungsbeamte über die Vermessung und die Grenzfeststellung auch mit dem Nachbar verhandelt, so ist er sich auch bewußt, und damit einverstanden, daß der Austausch der beiderseitigen Erklärungen durch den Messungsbeamten erfolgt. Die Beteiligten wissen sehr wohl, daß der Unterzeichnung eine rechtliche Wirkung zukommt und wenn sie wirklich in der irrigen Annahme unterzeichnen, daß das Messungsergebnis schlechthin bindend sei, so sind sie doch darüber klar, daß sie mit ihrer Unterschrift ihre eigene Zustimmung erklären. Diese Erklärung ist rechtswirksam, da der Irrtum nur den Beweggrund dieser Erklärung betrifft und daher unbeachtlich ist. 38 ) Meisner, SeufTBl. 77, 256; zustimmend Zeiler, BayZ 1913, 348 u. 372 (unrichtig Feßler, BayZ 1911, 236). 39 ) Zeiler, BayZ 1913, 372.

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Grenzstreitigkeiten

§6

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Wenn nun die Nachbarn bei einem solchen Grenzfeststellungsvertrage davon ausgehen, daß durch diesen die richtige Grenze festgelegt werden und vielleicht unter Lösung einer vorhandenen Ungewißheit jeder von ihnen erhalten oder behalten soll, was ihm gehört, dann ist ein solcher Vertrag formfrei gültig. Wenn aber die Beteiligten die Auffassung haben, daß eine von der wahren Grenze abweichende neue Grenze geschaffen werden, also ein Stück Land den Eigentümer wechseln soll, dann ist zur Gültigkeit eines solchen Vertrags die Einhaltung der Form des § 3 1 3 erforderlich40). Es kommt also darauf an, ob nach dem W i l l e n der Nachbarn die Grenzfestsetzung deklaratorische oder konstitutive Bedeutung haben soll; in letzterem Fall ist die Einhaltung der Form des § 3 1 3 erforderlich, während in ersterem Fall der Vertrag formfrei gültig ist. Die W i r k u n g des formfrei gültigen Vertrags ist dann allerdings konstitutiv, d. h. die unrichtig festgestellte Grenze ist durch den Vertrag die richtige geworden 41 ).

§ 6. Grenzstreitigkeiten I.

Grundstücke sind festumrissene Teile des Erdkörpers. Der Umriß ist durch gedachte Linien auf der Erdoberfläche (die Grenzen) bestimmt. Wer die Eigentumsklage erhebt, muß sein Eigentum beweisen. Wenn nicht das Eigentum am ganzen Grundstück streitig ist, sondern nur darüber gestritten wird, wie weit sich das Eigentumsrecht am Grundstück räumlich erstreckt, mit anderen Worten, wie seine Grenzen verlaufen, so ist es Sache des Eigentumsklägers, den von ihm behaupteten Zug der Grenze zu beweisen. Ist dies dem Kläger nicht möglich, so ist seine Klage nicht schlüssig und er muß mit der Eigentums klage selbst dann unterliegen, wenn der be40 ) BayZ 1906, 227 (RG); Staudinger-Seufert Randbem. 19 zu § 920 B G B ; R G in J W 1906, 302; Meisner, SeuffBl. 77, 2 5 1 ; Feßler, BayZ 1 9 1 1 , 235 RGKomm. Bern. 1 zu § 3 1 3 . Also nicht darauf kommt es an, ob durch den Vertrag die Grenze anders festgesetzt wird, als sie in Wahrheit (objektiv) besteht, sondern darauf, ob nach der Meinung und dem Willen der Beteiligten ein Stück Land den Eigentümer wechseln soll. So mit Nachdruck Zeiler BayZ 1913, 349. — Übrigens bedarf der Grenzfeststellungsvertrag auch dann der Form des § 3 1 3 , wenn nur der eine der beiden Beteiligten, nämlich derjenige, der durch den Vertrag ein Stück verliert, seinen Willen auf den Wechsel des Eigentums an diesem Stück gerichtet hat. Vgl. Richter, D. Grundbuchrecht 138; derselbe in Mittlbl. f. Verm. i960, 63. 41 ) So mit Recht Zeiler BayZ. 1913, 350. O L G Nürnberg D N o t Z 66 S. 33 erkennt der auf übereinstimmenden Antrag zweier Grundstücksnachbarn vorgenommenen vermessungsamtlichen Abmarkung der Nachbarschaftsgrenze die Bedeutung eines Grenzfeststellungsvertrags zu, wenn beide Nachbarn das Abmarkungsprotokoll unterschreiben.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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klagte Nachbar nicht den Gegenbeweis liefern kann, daß der von dem Kläger in Anspruch genommene Landstreifen sein — des Beklagten — Eigentum ist. Die Konsequenz würde dahin führen, daß die Grenze für immer im Zweifel bleiben müßte1). Dem wird durch die Bestimmung des § 920 BGB abgeholfen. Ihre Anwendung setzt eine G r e n z v e r w i r r u n g voraus. Eine solche liegt vor, wenn keiner der beiden Grenznachbarn den genauen Zug der Grenze beweisen kann2). Dies ist die Voraussetzung für die beiden Funktionen richterlicher Tätigkeit, die beide die Ermittlung der richtigen Grenze zum Ziel haben, nämlich: a) Zunächst soll der Richter an Hand der Parteiangaben und auf Grund eigener Erforschung den Vetlauf der richtigen Grenze feststellen. b) Wenn eine solche Feststellung nicht möglich ist, erfolgt die Abgrenzung durch den Richter, auf Grund der drei gesetzlichen Bestimmungen: Abgrenzung nach dem Besitzstand, Zuteilung gleich großer Teilflächen, Grenzziehung nach Billigkeit an Hand des für die Grenzbestimmung ermittelten Tatbestandes. Eine Grenzverwirrung kann nur bei Grundstücken vorkommen, die aneinander angrenzen. Liegt z. B. zwischen den beiden Grundstücken des A und B ein öffentlicher Weg, so kann zwar A gegen B negatorisch klagen, weil B auf den Weg herauspflügt und dadurch den Weg über die Grenze des A herüberdrängt3); denn hierdurch hat B einen Zustand der Beeinträchtigung für das Eigentum des A geschaffen, für welchen B als Störer verantwortlich ist (§ 1004), aber das den B zur Beseitigung der Beeinträchtigung verurteilende Erkenntnis erzeugt keine dingliche Wirkung. Die Vorschrift des § 920 BGB bezieht sich auf alle Fälle einer Grenzverwirrung, in denen die richtige Grenze nicht ermittelt werden kann und ist daher auch für überbaute Grundstücke anzuwenden4). Ist die Grenze § 6. 1 ) R G Z 68, 24; Planck-Strecker Bern. 4a zu § 920 BGB. 2) Vgl. WarnR 1921 Nr. 10. 3 ) BayObZ 12, 260; O G H 12, 260; Staudinger-Seufert Randbem. 3 zu § 920 BGB; Meisner-Stern-Hodes § 6,1. 4) Die Grenzscheidungsklage ist da nicht ausgeschlossen, wo die Nachbargrundstücke mit Gebäuden besetzt sind, die feste Grundmaueren aufweisen. — Die freie richterliche Beweiswürdigung wird in vielen Fällen annehmen können, daß durch den Bestand fester Grenzmauern das Eigentum bewiesen wird; eventuell wird die Grenze auf Grund des Besitzstandes nach dem Zug der Mauer in Gemäßheit des § 920 festgelegt. Andererseits wird bei der Behauptung eines Grenzüberbaues (vgl. §§ 912fr. BGB) vielfach die Grenze gesucht werden müssen. — Wird von einem Grundstückseigentümer behauptet, daß der Nachbar über die Grenze gebaut hat, so wird, trotz des Vorhandenseins fester Grundmauern, über den Zug der Grenze gestritten.

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Grenzstreitigkeiten

§6 ii

ordnungsgemäß vermarkt, dann wird regelmäßig eine Grenzverwirrung nicht vorliegen; denn durch die Vermarkung wird Beweis dafür erbracht, daß die Grenze zur Zeit der Vermarkung so verlaufen ist, wie sie von den Marksteinen aufgezeigt wird. Zwar ist gegen die Richtigkeit dieser angezeigten Grenzlinie Gegenbeweis zulässig, der aber nur dadurch geführt werden kann, daß der Gegenbeweisführer das Eigentum an einer bestimmten Fläche des Bodens nachweist. Es ist nicht etwa angängig, daß er lediglich die Unrichtigkeit der vermarkten Grenze nachweist und dadurch die Bedeutung der Markzeichen überhaupt aufhebt; er muß vielmehr sein Eigentum für jeden Quadratzentimeter Land, den er jenseits der vermarkten Grenzlinie für sich in Anspruch nimmt, nachweisen, und nur insoweit als ihm dies gelingt, ist die vermarkte Grenzlinie zurückzusetzen. Wenn aber infolge einer Bodensenkung oder eines Erdrutsches mit den Erdmassen die Grenzzeichen eine Verschiebung erfahren haben, so kann trotz vorliegender Abmarkung eine Grenzverwirrung gegeben sein, auf welche § 920 anzuwenden ist6). Andererseits ist dort, wo die Grenze nicht vermarkt ist, eine Grenzverwirrung leichter möglich; denn es fehlte in Bayern vor Einführung des Grundbuchs an einem Flurplan, der mit gesetzlicher Beweiskraft ausgestattet war. II. P r o z e s s u a l e G r u n d l a g e n der G r e n z s c h e i d u n g s k l a g e Während die Eigentumsklage dem Kläger die Verpflichtung auferlegt, eine bestimmte Grenze zu behaupten und zu beweisen, wird im Falle der Grenzscheidungsklage durch § 920 B G B ein besonderer Anspruch gewährt, der gerade voraussetzt, daß die wahre Grenze weder vom Kläger noch vom Beklagten bewiesen werden kann. Anders als bei der Eigentumsklage ist bei der Klage aus § 920 B G B als Klagegrund nicht etwa eine bestimmte Grenze zu behaupten, sondern lediglich anzugeben, daß sich die richtige Grenze nicht ermitteln läßt5). Die Grenze läßt sich ermitteln, wenn Bei Grenzmauern im Sinne des § 921 wird wohl in den seltensten Fällen die Grenzlinie haarscharf festgestellt werden können. Gerade hier ist daher eine Grenzverwirrung sehr wohl möglich. (Vgl. hierüber unten § 6 II, 5). 5 ) Prot. 3, 129; Gierke 442; Höniger 86, 88, 90; Staudinger-Seufert Randbem. 6; R G R K o m m . Bern. 1 ; Palandt-Hoche Bern. 2c je zu § 920; a.M. Zeiler BayZ 1913, 347 u. Planck-Strecker Bern. 1 zu § 920 B G B sowie Mot. 3, 270, wo die Klage aus § 920 B G B als Eigentumsklage erachtet wird. Diese Auffassung läßt sich mit Rücksicht auf den grundsätzlichen Gegensatz des Klagegrundes der Grenzscheidungsklage zu dem der Eigentumsklage nicht aufrecht erhalten. Dazu kommt die Fassung des § 920 „so i s t . . . . z u z u t e i l e n " , während es im Entwurf I hieß: „Wird im Fall einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht erwiesen, so ist als richtige Grenze diejenige Linie a n z u s e h e n , durch welche . . . zugeteilt wird". Vgl. auch die Besonderheit des § 924. 7

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nach den für den Beweis des Eigentums geltenden Regeln die Grenze nachgewiesen werden kann. Die Grenzscheidungsklage ist deshalb nur dann gegeben, wenn keiner der beiden Nachbarn die richtige Grenze beweisen kann6). Erachtet der Kläger Grenzverwirrung für gegeben, indem er die vom Beklagten behauptete Grenze bestreitet, so muß er mit seiner Grenzscheidungsklage aus § 920 abgewiesen werden, wenn der Beklagte die von ihm behauptete Grenze nachweisen kann. Andernfalls würde Beklagter in der Sache recht bekommen und gleichwohl die Kosten tragen. Kann jedoch der Beklagte die von ihm behauptete Grenze nicht nachweisen, so dringt die Grenzscheidungsklage selbst dann durch, wenn sich die festgestellte Grenze nicht mit der vom Kläger außerhalb des Rechtsstreites beanspruchten oder im Rechtsstreit vorgeschlagenen Grenze deckt. Wenn der Beklagte vor dem Prozeß die Grenzverwirrung nicht bestritten, und im Prozeß sofort das Verlangen auf Abgrenzung als berechtigt anerkennt, dann fallen dem Beklagten gleichwohl die Kosten zur Last, weil der Anspruch nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Beklagten, sondern auf eine richterliche Handlung gerichtet ist. Dem Beklagten steht aber so gut wie dem Kläger das Recht zu, die Feststellung der Grenze durch den Richter zu verlangen7). Er ist hierbei vom Kläger völlig unabhängig und kann hierauf Widerklage stellen. Die rechtliche Natur des iudicium duplex kommt hierin zum Ausdruck. Der Klageantrag ist kein Anspruch auf ein Tun oder Unterlassen des Beklagten, sondern das durch Klage gestellte Verlangen an das Gericht, die Grenze zu bestimmen. Dieses Verlangen kann der Beklagte so gut stellen, wie der Kläger und auch dann noch, wenn es der Kläger bereits gestellt hat. Der Sinn der Widerklage ist der: Was der Kläger verlangt, verlange ich auch, und die Folge ist, daß die beiden Parteien die Kosten gemeinschaftlich tragen, ein Ergebnis welches das allein vernünftige ist. Zur Durchführung der Grenzscheidungsklage sind die Eigentümer der benachbarten Grundstücke a k t i v u n d p a s s i v legitimiert. Gemäß §1011 mit § 432 BGB kann die Klage auch von nur einem Miteigentümer erhoben werden. Dagegen muß sie gegen alle Miteigentümer gerichtet werden, da eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 der

Der Ubergang von der Eigentumsklage zur Grenzscheidungsklage ist eine Klageänderung. Einer hilfsweisen Verbindung der Grenzscheidungsklage mit der in erster Linie erhobenen Eigentumsklage steht nichts im Wege. ®) R G K Bern. 1 ; Staudinger Bern. 1 zu § 920; Höniger 93. ' ) Der Antrag auf Festsetzung eines bestimmten Grenzverlaufs schadet nicht. Der Richter kann eine andere Grenzlinie festlegen, jedoch darf dem Kläger nicht mehr zugesprochen werden, als er mit dem bestimmten Antrag verlangt hat. B G H N J W 1965, 37-

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ZPO besteht ). Einem nur dinglich Berechtigten (Dienstbarkeitsberechtigten oder Nießbraucher), der den räumlichen Umfang seines Rechts, weil dieses bestritten wird, klarstellen will, steht nicht die Grenzscheidungsklage, sondern lediglich die Feststellungsklage gem. § 1004 in Verb, mit § 1017, 1027, 1090 oder 1065 BGB zu. Wenn es sich bei Geltendmachung dieses Anspruchs um die räumliche Ausdehnung des Rechts handelt, muß diese räumliche Ausdehnung bewiesen werden. § 920 kann dabei nicht zur Anwendung kommen9). Das Urteil wirkt konstitutiv10). Das Urteil erzeugt daher auch Rechtskraft gegen die dinglich Berechtigten; anders nur für den Fall einer nachweisbaren Kollusion 11 ). Das Urteil muß die Grenze genau bestimmen. Vielfach wird dies nur unter Bezugnahme auf einen Plan möglich sein. Ist im Rechtsstreit zwischen den Eigentümern das Eigentum an der strittigen Fläche rechtskräftig festgestellt, dann kann die Klage nicht mehr gestellt werden ; ihr steht der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Die sehr umstrittene Frage, ob das Urteil auch die dinglich Berechtigten an beiden benachbarten Grundstücken berührt, wird von StaudingerSeufert (Randb. 17 zu § 920 BGB) mit zutreffenden Gründen bejaht. Nur so wird der gesetzgeberische Zweck, befriedete und klare Grenzverhältnisse zu schaffen, erreicht. Es ist — wie Staudinger-Seufert hervorheben — davon auszugehen, daß die beschränkt dinglichen Rechte vor der Neugestaltung der Grenzverhältnisse (durch den Richterspruch) durch die bis dahin bestehende Grenzunsicherheit ihrem Inhalt nach belastet waren12). Der sich aus § 920 ergebende Anspruch ist durch § 924 BGB der Verjährung entzogen, d. h. wenn die Grenzverwirrung auch noch so lange gedauert hat, kann der Anspruch auf Bestimmung gleichwohl erhoben werden. 8

) Vgl. Gruchot 26, 993. ") Vgl. O L G 35, 326; Staudinger-Seufert Randbem. 7 ; Palandt Bern. 2 b zu § 920; a.M. RGRKomm. Bern. 1 ; Planck-Strecker Bern. 3 je zu § 920. 10 ) Staudinger-Seufert Randbem. 16; Palandt-Hoche Bern. 2e; Ermann-Seibert Bern. 2 je zu § 920; Wolff-Raiser § 57, II; Westermann SR § 66, III 4; Meisner-SternH o d e s § 6 V ; a . M . RGRKomm. Bern. 1 ; Planck-Strecker Bern. 4d je zu §920. Ein nach §920 ergangenes Urteil begründet nicht nur einen persönlichen Anspruch des einzelnen Nachbarn gegen den anderen auf Übertragung einer bestimmten Fläche, sondern setzt die Grenzen derart fest, daß das Eigentum an dem diesseits oder jenseits der Grenze liegenden Stücke der streitigen Fläche dem betreffenden Nachbar zu Eigentum zugeteilt wird. O L G 20, 405). Nach Maßgabe des Urteils kann die Abmarkung verlangt werden (vgl. § 5 oben). u ) Biermann, S. 1 1 8 ; Turnau-Förster Anm. zu § 920; Kretzschmar im SächsArch. Bd. 12 S. 407. Liegt aber der Fall der Kollusion nicht vor, so bleibt es bei dem Urteil, selbst wenn sich nachträglich herausstellt, daß die angenommene Grenzlinie unrichtig ist. Die Restitutionsklage bleibt selbstverständlich vorbehalten. l2 ) Vgl. auch Palandt Bern. 2 f ; Ermann-Seibert Bern. 4 je zu § 920; a. M. R G R Komm. Bern. 1 ; Planck Bern. 4 b je zu § 920; Westermann § 66 III 4. 7*

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§6 in

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III. M a t e r i e l l e V o r a u s s e t z u n g e n der G r e n z s c h e i d u n g s k l a g e Voraussetzung für die Grenzscheidungsklage ist eine Grenzverwirrung. Eine solche ist zwar auch möglich bei einer vermarkten Grenze (siehe oben I). Andererseits ist dort, wo die Grenze nicht vermarkt ist, eine Grenzverwirrung leichter möglich; denn es fehlte in Bayern vor Einführung des Grundbuchs an einem Flurplan, der mit gesetzlicher Beweiskraft ausgestattet war. Der Steuerkatasterplan als solcher hatte diese Beweiskraft nicht. Nach dem Grundsteuergesetz, auf Grund dessen der Steuerkatasterplan geschaffen und fortgeführt wurde, erschöpfte sich sein Zweck darin, für die Steuererhebung die erforderlichen Grundlagen zu geben; er war nicht bestimmt für zivilrechtliche Verhältnisse Maß zu geben. Was nun aber die Verwertung des Katasterplanes als tatsächlicher Beweisbehelf anlangt, so ist zwar die Herstellung des Katasters auf Grund einer Anerkennung der Richtigkeit aller maßgebenden Feststellungen durch die Besitzer, erfolgt. Man mag daher zugeben, daß dem solchermaßen zustandegekommenen Kataster eine gewisse Autorität zukommt. Allein es wurden durch die Erfahrung in zahlreichen Fällen Irrungen festgestellt. Es lag in der Natur der Sache, daß gerade bei der Feststellung der Grenzen zuweilen eine gewisse Willkür obwalten mußte. Denn es ist klar, daß die Grenzen zu der Zeit, als sie zwecks Anlegung des Steuerkatasters ermittelt wurden, vielfach unter den Beteiligten gar nicht unbestritten feststanden. Gleichwohl mußte im Katasterplan eine bestimmte Grenze gezogen werden. Da die Vermessung in Bayern in der Zeit von 1808 bis 1853 durchgeführt wurde, liegen die ursprünglichen Eintragungen im Kataster zeitlich soweit zurück, daß inzwischen manche Verschiebungen in den Eigentums grenzen eingetreten sein können 13 ). Es kann auch ein formloser Grenzfeststellungsvertrag unter gewissen Voraussetzungen nach altem wie neuem Recht gültig sein (s. hierüber oben IV). Es gibt also reichliche Fehlerquellen für den Katasterplan (vgl. hierzu unten II, 1). Auf Grund dieser Erwägungen wurde dem Grundsteuerkataster von der früheren Rechtsprechung bei Ermittlung der Grenzen eine sehr geringe 13 ) V g l . V G H Bd. 13 S. 4 2 3 ; Brettreich, Abmarkungsgesetz S. 2 : „ D a s bayerische Katasterwesen hat ohne Zweifel seine großen Vorzüge, allein die Katasterpläne, namentlich die älteren, durch Neumessungen nicht ersetzten, entbehren der ausreichenden Genauigkeiten und oft der Übereinstimmung mit den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen." In jenen Gegenden Bayern, in welchen vor Inkrafttreten des Notariatsgesetzes v o m Jahre 1 8 6 1 für die Verträge über Grundstücke eine besondere Form nicht vorgeschrieben war (vgl. Roth, Bayer. Zivilrecht § 136), kommen außer der Ersitzung auch Änderungen durch Rechtsgeschäfte in Betracht.

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in 1

Bedeutung beigemessen. Durch die geometrische Vermessung, deren Richtigkeit nicht durch gewichtige andere Gründe gestützt wurde, war für den Beweis der Grenzen nach bisheriger Auffassung nichts gewonnen 14 ). Das hat sich seit der Anlegung des Grundbuchs geändert. Dem Steuerkatasterplan und, soweit das Bundesliegenschaftskataster eingeführt ist, der Flurkarte (vgl. unten Ziff. 4) wird nunmehr bei den meisten Grenzstreitigkeiten eine erhebliche, unter Umständen sogar ausschlaggebende und nicht zu widerlegende Bedeutung beizumessen sein. 1. Unerläßliche Voraussetzung für die zivilrechtliche Bedeutung der Katastergrenze ist in allen Fällen, daß die im Katasterplan für das betreffende Grundstück eingezeichneten Grenzen derart sind, daß sie auf die Natur übertragen werden können15). Das ist nicht der Fall, wenn die Linie, die der Katasterplan darstellen will, sich an Ort und Stelle nicht mehr ermitteln läßt, weil es an Grenzmalen fehlt oder an Messungszahlen, mit deren Hilfe die richtigen Maße von den feststehenden Grenzmalen aus im Felde abgetragen werden könnten, oder weil die festen Punkte, von denen aus die vorliegenden Messungszahlen zu rechnen sind (z.B. Gebäude, Raine, Hügel) verschwunden sind18). Eine Katasterkarte, welche die in der Natur vorhandenen festen Punkte (z.B. Hügel, Gebäude, Mauern, Raine) falsch verzeichnet, ist überhaupt keine geeignete Unterlage für die Auffindung von Grenzen in der örtlichkeit 1 '). Nach gemeinem Recht kann eine Grenze auf Grund von Ersitzung nur dann beansprucht werden, wenn die betreffende Grenze durch außerordentliche 30jährige Verjährung ersessen ist. Die 10jährige ordentliche (tilulierte) Verjährung reicht in Grenzstreitigkeiten nicht aus (SeuffA. 75 Nr. 9 1 ; s. unten § 32, III). 14 ) Wenn z.B. nachgewiesen wird, daß vom Jahre 1885 an bis 1899 der Besitzstand dem Flurplan entsprochen hat und für die Zeit vor dem Jahre 1885 keiner der Beteiligten den Besitz nachgewiesen hat, dann kann der Richter, obwohl der Zeitraum von 1885 bis 1899 die dreißigjährige Ersitzungszeit des gemeinen Rechtes nicht ausfüllt, das Eigentum desjenigen als bewiesen erachten, der im Jahre 1899 aus dem Besitze verdrängt wurde vgl. auch O b L G 2, 1 1 6 . 15 ) Vgl. R G 73, 125: „ O b der Inhalt des Grundbuchs der Voraussetzung, eine bestimmte Grundfläche als Gegenstand der eingetragenen Rechte nachzuweisen, genügt, das ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen." 16 ) Reiß 23, 59. Unter Umständen wird es trotzdem möglich sein, auf graphischem Wege durch sog. Abgreifen die gesuchte Stelle zu ermitteln, indem von weiter entfernt liegenden Punkten Abmessungen nach der Richtung vorgenommen werden, in welcher der gesuchte Punkt liegen muß. Versagt auch dieses Verfahren, so ist eine genügende Unterlage für die Übertragung der Katastergrenzen auf die Natur nicht vorhanden (Reiß 71). " ) Reiß S. 24, der beispielsweise anführt: Eine Linie, welche auf der Karte in ihrem Verlauf durch Hügel bestimmt wird, die an ihrem Anfangs- und Endpunkt liegen, läßt sich nicht mit Sicherheit in der Natur wiederfinden, wenn sich herausstellt, daß die Hügel,

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8 ® 1112,3

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Wenn die Katasterkarte alt ist, kann es vorkommen, daß sie infolge des Eintrocknens des Papiers durch Kartenschwund gelitten hat. Hat sich dieser Kartenschwund dem Papier in allen seinen Teilen gleichmäßig mitgeteilt. so ist dadurch nur der Maßstab etwas verändert und zwar in gleichmäßiger Weise. Bei ungleichmäßigem Schwund dagegen entsteht ein verzerrtes Bild, das zur Übertragung auf die Natur ungeeignet ist18). Doppelbuchungen, d. s. Eintragungen von zwei oder mehreren Grundstücken auf einem Grundbuchblatt, sind nach jetzt überwiegender Auffassung z u s a m m e n als das für das fragliche Grundstück geführte Blatt zu beurteilen und zwar mit der Maßgabe, daß einander w i d e r s p r e c h e n d e Eintragungen weder die Vermutung der Richtigkeit nach § 891 B G B noch den Schutz des öffentlichen Glaubens i. S. von § 892 B G B für sich beanspruchen können. Zur Behebung dieses grundbuchtechnischen Fehlers hat das Grundbuchamt nach § 38 GBVerf. zu verfahren 19 ). 2. Nach § 891 B G B wird vermutet, daß ein Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, dem eingetragenen Berechtigten zusteht. Nach § 892 B G B gilt zugunsten des rechtsgeschäftlichen Erwerbers eines Grundstückes der Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen oder daß dem Erwerber die Unrichtigkeit bekannt ist. Hervorragendstes Recht im Sinne dieser Vorschriften ist das Eigentum; die Vermutung des § 891 B G B und die Fiktion des § 892 B G B beziehen sich darauf in erster Reihe. § 892 wirkt nur zugunsten des rechtsgeschäftlichen Erwerb, also weder bei Erwerb kraft Gesetzes (Gesamtrechtsnachfolge noch in Fällen des § 90 Z w V G oder der Zuteilung im Siedlungs- oder Flurbereinigungsverfahrens oder einer Enteignung 20 ). 3. Für den Erwerb durch Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g ist der Zuschlag maßgebend. Darnach wird das Grundstück in dem Umfang zugeschlagen, der sich aus dem Inhalt des Grundbuchs ergibt, das ist, der katastermäßige welche die Karte darstellen wollte, nicht auf den ihnen in der Karte angewiesenen Plätzen, sondern von diesen mehrere Meter weit entfernt liegen (vgl. Reiß 72). 18 ) Reiß 72. " ) J W 1900, 573; R G 56, 58 K G Z 39 A 154: Gruch Beitr. 33, 1069; J W 33, 1339; J W 38, 3046; Wollf SR § 37 I 3, R G R Kom. Bern. 6 e zu § 892; Staudinger-Seufert Randbem. 30 zu § 891 u. 6 zu § 892; Planck-Strecker Bern. 6 a zu § 891; Meickel- Imhof-Riedel Bern. 39 zu § 3 G B O ; Eine Doppelbuchung, die nur einen Teil einer Parzelle betrifft, kann vorkommen, wenn von zwei aneinander grenzenden Grundstücken nur das eine vermessen wird und das Ergebnis dieser Vermessung in das Grundbuch übernommen wird (Reiß) 87. 20 ) R G 54, 105; Gruchot 57, 1087 (RG); J W 1902, 272; O L G 25, 1 5 5 ; B G H Z 12, 368; Staudinger-Seufert Randbem. 25, 26, u. 2 7ZU § 892 B G B ; GruchBeitr. 47, 554.

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Umfang 21 ). Der Ansteigerer erwirbt deshalb das Eigentum mit den im Katasterplan angegebenen Grenzen selbst dann, wenn sich in Wahrheit das Eigentum des Schuldners nicht so weit erstreckte. Es ist belanglos, ob der Ansteigerer die wahren Grenzen kannte. Selbst wenn er das Grundstück nur in dem geringeren Umfang erwerben will, der sich aus den ihm bekannten richtigen Grenzen ergibt, erwirbt er durch den Zuschlag das Eigentum mit den katastermäßigen Grenzen, weil es beim Zuschlag auf den Erwerbswillen des Ansteigerers überhaupt nicht ankommt22). Steht einem Dritten das Eigentum an der Grenzfläche zu, so verliert er es durch den Zuschlag an den Ansteigerer. Seine entgegenstehenden Rechte sind durch das Aufgebot ausgeschlossen (§ 37 Nr. 5 ZwVG 2 3 ). Diese Ausschließung tritt aber nur dann ein, wenn der Dritte aus der veröffentlichten Terminsbestimmung ersehen konnte, daß sein Recht der Zwangsversteigerung entgegensteht, er also Veranlassung nehmen mußte, sein Recht zu wahren24). Ist die gehörige Bekanntmachung des Termines unterblieben oder sind bei der Bekanntmachung des Termines nicht die einzelnen Plannummern, sondern nur das Grundbuchblatt angeführt, so hatte der Nachbar keine Veranlassung, im Versteigerungsverfahren geltend zu machen, daß die wahren Grenzen des zu versteigernden Grundstücks nicht so weit reichen, wie die katastermäßigen; er verliert daher sein Eigentum an der Grenzfläche durch den Zuschlag nicht 2 5 ). 4. Soll das Grundbuch Aufschluß über das Eigentum geben, so muß man aus ihm vor allem ersehen können, an welchem Gegenstand das Eigentum besteht, mit anderen Worten, welcher Abschnitt des Erdkörpers von diesem Eigentum erfaßt wird. a) F r ü h e r e R e c h t s l a g e . Die Grundstücke wurden bis zur Überleitung in das Reichs-, jetzt Bundesliegenschaftskataster im Grundbuch nach Plannummern bezeichnet. 21 ) Gruchot 54, 398 (RG); 55, 1 1 1 4 (RG); Meisner SeuffBl. 77, 280; StaudingerSeufert Randbem. 28 zu § 892; O L G 1 1 , 324; Güthe Bern. 57 zu § 2; Consbruch, J W 1921, 219. Z u demselben Ergebnis gelangte man nach bayer. Subhastationsrecht, wenn eine mit gutgläubig erworbener Hypothek belastete Liegenschaft zugeschlagen wurde (Meisner, SeuffBl. 77, 280). 22 ) Meisner, SeuffBl. 77, 280. Wenn der Ersteher das mit den wahren Eigentumsverhältnissen widersprechende Ergebnis arglistig herbeigeführt hat, ist er ersatzpflichtig ( J W 1903, 406). " ) Vgl. J W 1903,406 (RG); O L G 8 , 4 ; 1 4 , 1 0 7 ; Jaeckel-Güthe Bern. 3 zu § 90 Z w V G . u ) R G 57, 200; Jaeckel-Güthe Bern. 4 zu § 90 Z w V G . 26 ) Vgl. Reiß 57f.; Jaeckel-Güthe Bern. 4 zu § 90 Z w V G ; Wilhelmi-Vogel Bern. 2 zu § 90 Z w V G ; R G 57, 200; O L G 17, 356; 22, 410). Ist aber die Fl.-Nr. in der Bekanntmachung angegeben, dann hat der Dritte die Möglichkeit und Veranlassung, sich zu erkundigen, ob diese Fl.-Nr. an sein Grundstück grenzt und ob nicht sein Eigentum durch die katastermäßige Grenze verkürzt wird (Reiß 57).

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Grundlage hiefür bildete das Grundsteuerkataster (§§ 159fr DAnw.) mit dem Katasterplan, aus dem Lage, Umgrenzung und Plannummer des einzelnen Grundstücks zu ersehen war (§§ 163, 168 DAnw.). Auf Grund des Steuerkatasters nebst Katasterplan wurde für jede Steuergemeinde ein S a c h r e g i s t e r hergestellt und nebst dazu anfallenden Unterlagen vom Grundbuchamt auf dem Laufenden gehalten. Dieses Sachregister (vgl. § 2 V O vom 25. 2. 1905 J M B . l 61) stellte das „ a m t l i c h e V e r z e i c h n i s " i. S. des § 2 Abs. 2 G B O dar. Auf diese Weise war Vorsorge getroffen, daß die im Grundsteuerkataster enthaltene Bezeichnung der Grundstücke mit Plannummern in das Grundbuch überging (vgl. §§ 219, 294 DAnw.) 26 ). 26 ) Über die Einrichtung des Grundsteuerkatasters und des Katasterplanes verbreitet sich die Dienstanweisung für die Grundbuchämter in den Landesteilen rechts des Rheins (§§ 159ff-)- Es wird für jede Steuergemeinde ein eigener Grundsteuerkataster geführt (§ 161). Der Katasterplan läßt insbesondere die Lage, F i g u r , B e g r e n z u n g , Kulturart und Plannummer jedes einzelnen Grundstückes mit der Hausnummer oder Besitznummer des Eigentümers entnehmen. Die Plannummern sind in der Regel mit schwarzen, die Hausnummern oder Besitznummern mit roten Ziffern eingeschrieben (§ 163). Die Wege und Gewässer und andere nicht steuerbare Flächen werden in der Regel am Schlüsse des Katasters vorgetragen (§ 164). Privatflüsse sind vielfach im Kataster ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse mit e i n e r Plannummer bezeichnet; in ähnlicher Weise sind häufig Wege und Gräben behandelt, die nicht eigene Grundstücke im Eigentum einer bestimmten Person oder im Miteigentum mehrerer Personen sind, sondern die Bestandteile der Grundstücke bilden, über die der Weg oder der Graben führt, bei denen also die als Weg oder Graben benützten Teile nur mit einer Grunddienstbarkeit belastet sind. In diesen Fällen darf also für die Frage, ob ein Privatfluß, Weg oder Graben als eigenes Grundstück zu erachten ist, die Tatsache nicht als ausschlaggebend erachtet werden, daß eine gesonderte Plannummer gebildet ist ( § 1 7 0 der DAnw.). Die Beifügung kleiner lateinischer Buchstaben bei der Plannummer deutet an, daß das an sich einheitliche, im Eigentum einer Person stehende Grundstück in seinen einzelnen Teilen von verschiedener Bodengüte oder von verschiedener Bebauung ist. Ist z.B. auf dem Grundstücke Pl.-Nr. 100 ein Wohnhaus mit Hofraum, ein Hausgarten und ein Baumgarten angelegt, so kann das Wohnhaus mit Umgriff als Pl.-Nr. 100a, der Hausgarten mit Pl.-Nr. 100b, der Baumgarten mit Pl.-Nr. 100c bezeichnet sein. Diese einzelnen durch Buchstaben kenntlich gemachten Teile bilden keine eigenen Grundstücke, sondern alle Teile zusammen bilden das Grundstück Pl.Nr. 100. Es ist früher nicht selten vorgekommen, daß bei Veräußerung der mit Buchstabenplannummern bezeichneten Teile eines Grundstückes an verschiedene Personen, die Buchstabenplannummern beibehalten wurden (§ 1 7 1 der DAnw.).

Die Beifügung eines Sternes zur Plannummer zeigt an, daß die Plannummer mehrmals vorgetragen ist. Dies geschieht im Falle gesonderter Katasterierung der Anteile an einem in ungeteilter Gemeinschaft stehenden Grundstücke und im Falle der Überbauung eines fremden Grundstückes; letzterem wird der Fall der Errichtung eines Bauwerks unter der Oberfläche eines fremden Grundstückes gleich geachtet ( § 1 7 2 der D A n w ; vgl. O L G Müchen in J F G 14, 399 und F M E v. 14. 5. 1938 — BayFinMBl. 71 wonach Sternplannummern zu beseitigen sind. Die Beifügung von „ N " (z.B. Pl.-Nr. 32 N) soll darauf hinweisen, daß die Abmarkung der Grenzen erst noch vorgenommen werden muß (vgl. B a y D A f M Ä §§ 20 u. 60). 104

Grenzstreitigkeiten

b) J e t z i g e

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Rechtslage.

Dieses System wurde und wird nach und nach auf Grund der V O vom 23. i. 40 (RGBl. I, 240) nebst A V RJM vom 20. 1. 40 (DJ 212) und vom 28. 4. 41 (DJ 548) in Verb, mit BayJMBekm. vom 31. 3. 52 (JMB1. 101), v o m 25.4.52 (JMB1. 138), v o m 1 5 . 9 . 5 2 (JMB1. 52, 233) sowie v o m 8.4. 52 (JMB1. 105) übergeführt in das B u n d e s l i e g e n s c h a f t s k a t a s t e r . Darin werden die Grundstücke nach Flurstücken bezeichnet. Wesentlicher Bestandteil des Liegenschaftskatasters ist die F l u r k a r t e ( = Katasterkarte, früher Katasterplan). Diese Karte gibt Lage, Gestalt, Begrenzung und Nummer der einzelnen Flurstücke an. Ein Grundstück besteht aus einem oder mehreren Flurstücken, niemals nur aus einem Teil eines Flurstücks (vgl. BayOb. in D N o t Z 1955, 205). Amtliches Verzeichnis i.S. des § 2 Abs. 2 G B O ist das Liegenschaftskataster; die Flurkarte ist als „Karte" i. S. von § 2 Abs. 3 G B O bestimmt (vgl. darüber Meikel-Imhof-Riedel Bern, i o i f f , zu § 2 G B O und Einl. 48fr. zur GBO). Für eine ordnungsgemäße Eintragung eines Grundstücks im Grundbuch kommt es hiernach darauf an, daß die Bezeichnung des betreffenden Grundstücks im Grundbuch mit derjenigen übereinstimmt, die im Sachregister und im Grundsteuerkataster nebst dazu gehörigen Plan bzw. (soweit das Bundesliegenschaftskataster bereits eingeführt ist) im Liegenschaftskataster und der Flurkarte vermerkt ist. Ein Grundstück kann somit nicht im Grundbuch eingetragen werden, solange es nicht entweder im Sachregister und Katasterplan oder im Liegenschaftskataster und in der Flurkarte richtig bezeichnet ist. Ausnahmen hiervon gibt es im Siedlungsverfahren (vgl. § 2 SiedlGes. v. 4. 1. 35 — RGBl. I, 1), wonach eine vorläufige Karte der Siedlungsbehörde für die Eintragung im Grundbuch ausreicht. Auch im Flurbereinigungsverfahren kann gem. § 79 FlurberGes. ein Grundstück auf Grund des Flurbereinigungsplans auf Ersuchen der Flurber.-Behörde in das Grundbuch eingetragen werden. Wegen der Übereinstimmung zwischen Grundbuch, Sachregister und Grundsteuerkataster war schon in §§ 327fr. BayDAnw. durch die Weisung zur Verbindungsaufnahme mit der Messungsbehörde Vorsorge getroffen. Für das neue System des Liegenschaftskatasters enthält die A V RJM v o m 20. 1. 40 (DJ 214) in Verb, mit der BayJMBekm. vom 25. 4. 52 eine entsprechende Regelung; hiernach hat das Grundbuchamt das Vermessungsamt durch besondere „Veränderungslisten" und umgekehrt die Messungsbehörde das Grundbuchamt durch „Veränderungsnachweise" über Änderungen oder notwendige Berichtigungen auf dem Laufenden zu halten (vgl. A G Lichtenfels in BayJMBl. 54, 140). Für die Neuvermessung der 105

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III 4

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Kataster gilt in Bayern die Dienstanweisung für KatasterneuVermessung vom 15. 3. 51 (vgl. BayFMBekm in FMB1. 1951, 177 u. GVB1. 51, 42). Hiernach werden bei Neuvermessungen Flurstückslisten angefertigt und die Ergebnisse der Abmarkung in eine „Abmarkungskarte" eingetragen. Dabei werden die einzelnen Flurstücke bezeichnet und ihre Fläche berechnet. Die Auszüge aus den Veränderungsnachweisen gelten als „Urkunden, auf die eine Eintragung sich gründet", i. S. von § 10 Abs. 1 G B O (vgl. hiezu Meikel-Imhof-Riedel Bern, i o i f f . zu § 2 G B O ; Richter, Deutsches Grundbuchrecht X . 3 5 ff.). Über die Zuverlässigkeit der Kataster-Eintragungen vgl. Richter Zt. f. Verm. 1956, 145; 1942, 245 u. 3 1 3 ; 1939, 438; Mittig. Bl. f. Verm. i960, 53. Auf Grund dieser im Grundbuch enthaltenen Bezeichnung nach Planoder Flurstücknummern ist Gegenstand der Eintragung derjenige Ausschnitt des Erdkörpers, welcher im Steuerkatasterplan bzw. in der Flurkarte unter einer bestimmten Nummer mit der dort ersichtlichen Abgrenzung der Erdoberfläche eingetragen ist. Auf den hierdurch ausgewiesenen Ausschnitt des Erdkörpers beziehen sich alle Eintragungen im Grundbuch, vor allem der wichtigste Eintrag: das Eigentum. Daraus folgt: Es wird auf Grund des § 891 vermutet, daß das im Grundbuch eingetragene Eigentum am Grundstück in der räumlichen Ausdehnung zusteht, welche die im Katasterplan bzw. in der Flurkarte eingezeichneten Grenzen ausweisen. § 891 B G B gilt nicht für die rein t a t s ä c h l i c h e n Angaben im Grundbuch über Eigenschaften, Lage, Wirtschaftsart oder Bebauung der betreffenden Bodenfläche oder über den Erwerbsgrund oder etwa vorhandene Gebäude. Jene beschreibenden Angaben jedoch, aus denen zu entnehmen ist, welche Teile des Grundstücks unter das Eigentumsrecht fallen, sind keine bloß tatsächlichen, sondern materiellrechtlich bedeutsame Angaben. Sie gehören zu den sog. B e s t a n d s a n g a b e n , die den Umfang des Eigentumsrechts, nämlich einen bestimmten, räumlich abgegrenzten Teil des Erdkörpers als Gegenstand des eingetragenen Grundstücks ausweisen27). Sie fallen unter die Vermutung des § 891 B G B . Diese Vermutung kann durch Gegenbeweis entkräftet werden. Den

" ) Vgl. R G Z 73, 1 2 5 ; J W 1910, 813; D J Z 1910, 1354; L Z 1925, 25; J W 1927, 44; Die zunächst für das Preußische Recht aufgestellten Grundsätze des Reichsgerichts gelten auch für das nach bayer. Recht eingerichtete Grundbuch (vgl. München in O L G 3 1 , 3 1 5 ; BayZ 1915, 246; 1923, 23). Die Rechtsauffassung des Reichsgerichts, die zunächst sehr umstritten war (vgl. Dernburg, Das Sachrecht . . 157) Neumann in Gruch 48, 20 Turnau-Förster Bern, zu § 891; Endemann 300; Höniger, Die Grenzstreitigkeiten S. 94; Predari G B O 204; Planck-Strecker Bern, zu § 921; Fröhlich DNotZ 1912, 329;

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Grenzstreitigkeiten

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Gegenbeweis kann jeder führen, der ein rechtliches Interesse an der Unrichtigkeit des Grundbuchs darlegt; andererseits kann sich jeder auf eine Eintragung im Grundbuch berufen, an deren rechtlichem Bestand er interessiert ist28). Weichen Grundbuch und Kataster voneinander ab, so ist zunächst zu prüfen, ob diese Abweichung nur rein tatsächliche oder materiell-rechtlich bedeutsame Angaben betrifft. Unrichtigkeiten rein tatsächlicher Natur können jederzeit von Amts wegen vom Grundbuchamt, allenfalls im Benehmen mit dem Vermessungsamt berichtigt werden. Unstimmigkeiten in den Bestandsangaben dagegen sind nur dann einer einfachen Berichtigung zugänglich, wenn kein gutgläubiger Rechtserwerb Dritter in Mitte liegt; Beispiele einer Unrichtigkeit von Bestandsangaben sind Grenzunrichtigkeiten oder Parzellenverwechslungen. Der nach § 891 B G B zulässige Gegenbeweis für eine Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der dort im Zusammenhalt mit Katasterplan oder Flurkarte ausgewiesenen Grenzen versagt zugunsten desjenigen, der das Eigentum oder ein sonstiges dingliches Recht durch Rechtsgeschäft erwirbt; denn zu seinen Gunsten gelten die durch das Grundbuch in Verbindung mit Katasterplan (oder Flurkarte) ausgewiesenen Grenzen als richtig, es sei denn daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist (§ 892 BGB). Die in das Grundbuch übergegangene Bestandsnachweisung des Katasterplans bezw. der Flurkarte fällt somit unter den öffentlichen Glauben des Grundbuchs, jedoch nur soweit als dadurch der Gegenstand des im Grundbuch eingetragenen Eigentums begrenzt wird. Auch der bei den Grundakten befindliche beglaubigte Auszug aus dem amtlichen Verzeichnis, in dem ein aus mehreren Plan- oder Flurstücksnummern bestehendes Grundstück näher beschrieben wird, fällt unter § 892 B G B (vgl. MeikelImhof-Riedel Bern. 180 zu § 3 GBO); andererseits geht die Wirkung des öffentlichen Glaubens nicht über das Grundbuch nebst Anlagen hinaus29). Die übrigen in das Grundbuch übernommenen Angaben des Katasters, durch welche das Grundstück näher bezeichnet wird, vor allem die Angaben über die Größe des Grundstücks (Flächenmaß), werden durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht gedeckt. Solche Angaben über das Flächenmaß jedoch, die mit der Grundstücksgröße übereinstimmen, die sich aus dem Plan (Flurkarte) entnehmen läßt, stellen den Umfang des Consbruch in J W 1921, 219) hat sich allgemein durchgesetzt (vgl. RGRKomm. Bern. 3; Staudinger-Seufert Randb. 7 je zu § 891 B G B ; B G H Z 7, 64; O L G Celle in N J W 1956, 632; L G Frankenthal in N J W 1956, 873) vgl. auch Meikel-Imhof-Riedel Bern. 6 zu § 2; Henke-Mönch-Horber Bern. 6 je zu § 2 G B O ; M ) v g l . R G Z in J W 1936, 2399. a ») BayOb. in D N o t Z 57, 313.

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Eigentumsrechts klar und fallen daher unter den Schutz des § 892 BGB. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dem Erwerber die Sicherheit 2u geben, daß der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung der dinglichen Rechtsverhältnisse mit der wirklichen Rechtslage im Einklag steht. 5. Die Anwendbarkeit des § 892 setzt ein positives Vertrauen auf die im Grundbuch enthaltenen Bestandsangaben nicht voraus. Der Erwerber kann sich daher auf § 892 selbst dann berufen, wenn in der Katasterkarte günstigere Grenzen eingezeichnet sind, als er sie sich beim Erwerbe vorstellte30). Nur darf diese Vorstellung nicht auf Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs beruhen. Entscheidend für die Kenntnis ist der Zeitpunkt, zu welchem der Antrag auf Eintragung der Eigentumsveränderung beim Grundbuchamt einläuft (§ 892 Abs. 2). Hat sich der Käufer in der Zeit zwischen Abschluß des Kaufvertrags und dem erwähnten Zeitpunkt die Grenzen vom Verkäufer einweisen lassen, so hat er sie gekannt. „ K e n n e n " ist gleichbedeutend mit „für wahr halten". Ist das, was der Erwerber für wahr hielt, tatsächlich wahr gewesen, dann ist ihm die Unrichtigkeit einer damit in Widerspruch stehenden Angabe des Grundbuchs bekannt gewesen, und somit der Schutz des § 892 ausgeschlossen. Kannte der Erwerber den Umstand, daß die Grenze nicht da verläuft, wo sie in der Katasterkarte eingezeichnet ist, dann ist es ohne Bedeutung, ob der Erwerber statt dessen nun den richtigen oder einen anderen gleichfalls falschen Grenzzug für den zutreffenden gehalten hat 31 ). Woher der Erwerber die Kenntnis genommen hat, ist gleichgültig. Erkenntnisquellen werden besonders Mitteilungen des Veräußerers und eigene Beobachtungen sein. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß auch durch Mitteilungen dritter Personen, welche der Erwerber für glaubwürdig hielt, die Kenntnis gewonnen wird 32 ). Hat der Erwerber das Grundstück vor dem Kauf besichtigt und hierdurch den Verlauf der in Natur ersichtlichen Grenzen kennen gelernt, so kann er die im Katasterplan eingezeichnete günstigere Grenze nicht auf Grund des § 892 in Anspruch nehmen. Gegenstand des Kaufs war z. B. ein zu Zeit der Besichtigung mit Klee bestellter Acker. Die tatsächlich mit Klee bestellte Grundfläche reicht nicht ganz bis zur katastermäßigen Grenze, während der daranstoßende Kartoffelacker des Nachbarn über die katastermäßige Grenze in der Natur hinüberreichte. Die auf eigener Wahrnehmung beruhende Vorstellung des Käufers, der bei der Besichtigung sah, wie weit mit Klee und wie weit mit Kartoffeln 30 ) (gegen 31 ) 32 )

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RGI< Bern, zu § 892; Staudinger-Seufert Randbem. 28 Zu § 892. R G 86, 356 R G 61, 195); O L G 31, 315. Prot. 3, 79 u. 85. Reiß 5 1 ; vgl. auch BayObLGZ 21, 16.

Grenzstreitigkeiten

§6

III 6 bestellt war, ging dahin, daß der Kaufacker so weit reicht, als die Bestellung mit Klee 3 3 ). Verläuft die Katastergrenze anders, so hat er deren Unrichtigkeit gekannt. E r kann sich also auf § 892 B G B nicht berufen, wenn schon er nach der Erfahrung damit rechnen konnte, daß vielleicht der Nachbar über die Grenze herübergeackert haben könne. A u f die widerlegbare V e r mutung des § 891 B G B kann er sich jedoch berufen 34 ). W a r Gegenstand des K a u f s ein Landgut mit zerstreutem Parzellenbesitz und hat der Käufer v o r dem E r w e r b die Flur begangen, so wird er durch diese Besichtigung wohl kaum die in der Natur ersichtlichen Grenzen eines jeden Grundstücks kennen gelernt haben. E s ist zu berücksichtigen, daß dem Erwerber die Kenntnis v o n der Unrichtigkeit der Katastergrenze bewiesen werden muß 36 ). Der öffentliche Glaube wird weder durch grob fahrlässige U n kenntnis noch durch den Nachweis ausgeschlossen, daß der Erwerber mit der Möglichkeit der Unrichtigkeit gerechnet hat oder daß er die gegebene zweifelhafte Rechtslage gekannt hat 36 ). 37 ). 6. Der Grundsatz des Buchglaubens kann dazu führen, daß dem rechtmäßigen Eigentümer wertvolle Bestandteile seines Grundstückes, ja das ganze Grundstück genommen wird ( K a t a s t e r r a u b ) 3 8 ) . E r kann nicht einmal Entschädigung dafür verlangen, denn der Bereicherungsanspruch des § 8 1 2 ist ihm gegen den Erwerber 3 9 ) versagt, da dieser nicht 33

) JW 1910, 813. ) Eine andere Beurteilung greift natürlich z.B. dann Platz, wenn der Verkäufer dem Käufer erklärt hat, der Nachbar habe über die Grenze herübergeackert. 35 ) Auch das ist nicht ausnahmslos. Kann nachgewiesen werden, daß beim Erwerb die beiden Vertragsteile darüber einig waren, daß Gegenstand des Vertrags das Grundstück mit den ihnen beiden bekannten in der Natur vorhandenen Grenzen sein sollte und deckt sich damit die katastermäßige Grenze nicht, so haben die beiden Vertragsteile durch die Erklärung, daß die Pl.-Nr. 312 verkauft werde, ihren übereinstimmenden Willen unrichtig erklärt. Es liegt eine falsa demonstratio vor. Der wahre Wille gilt (s. darüber unten S. 81). 36 ) R G 90, 395. Die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit des Grundbuchinhalts ergibt, genügt. Dem Erwerber muß aber der Gegenbeweis offen gelassen werden, daß er trotz Kenntnis dieser Tatsachen infolge Rechtsirrtums den Inhalt des Grundbuchs für richtig gehalten hat (vgl. R G Z 91, 218; HRR 1934 Nr. 806; Wolff SR § 45 I 5a Recht 1914 Nr. 3 0 1 1 ; JW 1906, 226; O L G 31, 347; Gruchot 50, 985). 37 ) Der Gegenbeweis nach § 892 ist darauf zu richten, daß das Grundbuch unrichtig ist und der Erwerber beim Erwerb die Unrichtigkeit gekannt hat (ObLG 21 B 13 (Nürnberg); vgl. R G Z 1 1 7 , 188; 128, 56; 156, 128; Staudinger-Seufert Randbem. 40 zu § 892. 38 ) Über Katasterraub vgl. Recht 1905, 271; 1908, 874; 1909, 417; vgl. auch DNotZ 53, 386 u. 389. 39 ) Nur beim Erwerb auf Grund unentgeltlicher Verfügung kann der Erwerber nach § 816 Abs. 1 Satz 2 in Anspruch genommen werden. Bei entgeltlichem Erwerb ist der geschädigte Eigentümer auf den Bereicherungsanspruch des § 816 Abs. 1 Satz 1 gegen den V e r ä u ß e r e r angewiesen. Er kann nur das verlangen, was der Veräußerer infolge der unberechtigten Verfügung mehr erlangt hat, als er erlangt hätte, wenn er nur über das 34

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ohne rechtlichen Grund erworben hat. Soll der Grundsatz des Buchglaubens nicht in einer dem gesunden Rechtsempfinden unerträglichen Weise überspannt werden, so dürfen die Anforderungen an den Nachweis daß der Erwerber die wahren Grenzen gekannt hat, nicht zu streng gestellt werden40). Dem regelmäßigen Verlaufe der Dinge entspricht es, daß der Eigentümer sein Eigentum bis zur Grenze ausnützt. Hat also der Erwerber zur Zeit der Eintragung des Eigentumerwerbes in das Grundbuch gewußt, daß sein Besitzvorgänger die Bodenfläche nur bis zu einer gewissen Linie ausgenützt und jenseits dieser Linie ein anderer den Boden benützt hat, so hat der Erwerber annehmen können und müssen, daß das von ihm erworbene Eigentum nur bis zu dieser Linie reicht, mit anderen Worten, daß diese Linie die Grenze ist. Reicht die katastermäßige Grenze darüber hinaus, so muß der Angrenzer die Unrichtigkeit der Katastergrenze beweisen (§ 891). Gelingt ihm dieser Beweis, dann behält er sein Eigentum trotz § 892 B G B , weil der Erwerber die wahre Grenze gekannt hat. In einem s o l c h e n F a l l hat man es übrigens mit einer f a l s a d e m o n s t r a t i o zu tun. Beide Teile haben denselben Willen erklärt, indem sie als Gegenstand des Vertrages die Flst.-Nr. 312 bezeichneten. Das ist eben der Teil des Erdkörpers, der im Katasterplan die Nr. 312 mit den dort ausgewiesenen Grenzen führt. Aber sie haben beide etwas anderes gewollt und zwar beide das gleiche. Gegenstand des Vertrages sollte das Grundstück sein, welches im Kataster die Flst.-Nr. 312 führt, aber mit den ihnen bekannten in der N a t u r vorhandenen Grenzen. Sie haben ihren übereinstimmenden W i l l e n u n z u t r e f f e n d zum A u s d r u c k gebracht. Die Auflassung ist nur hinsichtlich der von dem übereinstimmenden Willen umfaßten Grundfläche rechtsgültig, hinsichtlich der anderen Grundfläche nichtig 41 ). ihm Zustehende verfügt haben würde ( R G Recht 1915 Nr. 476; 1915 Nr. 489). Damit wird derjenige, der den Grenzstreifen verloren hat, nur in den seltensten Fällen zu einem Ersatz kommen (Reiß 91). i0 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 42 zu § 892: „Das Vorschützen grobfahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs kann unter Umständen derart frivol sein, daß das Gericht auf Grund freier Beweiswürdigung zu dem Schluß gelangen kann, der Erwerber habe in Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs gehandelt." (Zustimmend Consbruch, J W 1921, 219); vgl. auch Karlsruhe D N o t Z 1927, 408. a ) R G 60, 340; 66, 2 1 ; 77, 33; J W 1907, 540; 1 9 1 1 , 940; O L G 26, 38. Mit Recht weist deshalb Consbruch, JW 1921, 219 daraufhin, daß den auf Herausgabe eines Grundstücks erhobenen Klagen die Beklagten in der Regel mit dem Einwand des Mangels der Aktivlegitimation begegnen können, da sich meistens der Wille der Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks auf die Grundstücksfläche erstreckt habe, die der Veräußerer besessen hat. Uber die rechtliche Bedeutung von Vertragsbestimmungen „wie an Ort und Stelle besichtigt und besprochen" oder „wie es liegt und steht" u. ä. vgl. D N o t Z 53, 386 u. 389; Staudinger-Coing Randbem. 57 zu § 1 1 9 B G B ; Josef in SeufTBl. 70, 493; Gruch 52, 224; Bang in ArchZivPr. 1 1 8 , 399; R G Z 109, 334; L Z t 1932, 1304; R G Z 133, 279; R G R Kom. Bern. 4 zu § 925; Staudinger-Seufert Randbem. 23 zu § 925.

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Grenzstreitigkeiten

§6 III 6

Dabei ist zu berücksichtigen: daß der Inhalt der E r k l ä r u n g nicht bloß aus ihrem Wortlaut, sondern auch aus den begleitenden Umständen abzuleiten ist. Die vertragliche Erklärung unterliegt deshalb der Auslegung. Hierfür kommt es aber nicht ausschlaggebend darauf an, wie jeder Teil für sich den Inhalt seiner Erklärung aufgefaßt hat, sondern darauf, wie die vorliegende Erklärung objektiv verstanden werden muß. Nur wenn nach diesem Standpunkt die Erklärung verschieden aufgefaßt werden kann, und sie in der Tat von den beiden Vertragsteilen verschieden aufgefaßt worden ist42), liegt in Wahrheit eine Willenseinigung über den Gegenstand des Vertrages n i c h t vor. In einem solchen Falle hat man es mit einem v e r s t e c k t e n D i s s e n s im Sinne des § 15 5 B G B zu tun mit der Folge, daß ein Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen ist. Der Fall eines versteckten Dissenses, wo beide Parteien, jede im Irrtum über die Erklärung der anderen, verschiedenes erklärt haben, ist häufig schwer zu unterscheiden von dem Fall des Irrtums e i n e s Vertragsteiles über den Inhalt s e i n e r Erklärung. Die Anfechtung wegen Irrtums setzt voraus, daß die b e i d e r s e i t i g e n Erk l ä r u n g e n o b j e k t i v d e n g l e i c h e n Inhalt haben, gleichviel ob sich dieser aus dem Wortlaut ohne weiteres ergibt oder unter Berücksichtigung aller dafür auf beiden Seiten in Betracht kommenden Umstände durch Auslegung festgestellt wird. Dann liegt eben nicht der Fall eines Mißverständnisses, einer bloßen fälschlichen Annahme des Einverständnisses vor (§155 BGB), sondern ein wirklich e r k l ä r t e s Einverständnis und wenn sich dabei die eine Partei über die Bedeutung ihrer Erklärung getäuscht hat, so betrifft dieser Irrtum nicht den Inhalt der gegnerischen, sondern den ihrer eigenen Erklärung. Dieser rechtliche Unterschied führt zu praktisch wichtigen Ergebnissen. Denn im Falle des § 155 kann j e d e r D r i t t e sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen. Im Falle der Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 B G B ) kann n u r d e r i r r e n d e V e r t r a g s t e i l durch Anfechtung die Nichtigkeit herbeiführen 43 ). Ist die Flst.-Nr. 312 als verkauft bezeichnet, so liegt darin, von besonderen Umständen abgesehen, regelmäßig die Erklärung, daß Gegenstand des Vertrages jener abgegrenzte Teil des Erdkörpers sein soll, welcher im Katasterplan als die Flst.-Nr. 312 mit den dort eingezeichneten Grenzen ausgewiesen ist. Der Käufer, der die in der Natur anders verlaufenden Grenzen nicht kennt, wird wohl regelmäßig seiner Erklärung den Willen zugrunde gelegt haben, das Grundstück mit den katastermäßigen Grenzen zu erwerben. Sein Wille deckt sich mit der Erklärung. Der gleichlautenden Erklärung (Flst.-Nr. 312) des Verkäufers lag dagegen der 42 ) V g l . R G 66, 122, 68, 9; 78, 376; Staudinger-Coing Randbem. 56 zu § 119 u. Randbem. 2a — 2e zu § 155 B G B ; R G in JW 1930, 3055; JW 1938, 590. V g l . R G 58, 233; J W 1906, 190; WarnE 1910 Nr. 270; B G H N J W 51, 308.

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Wille zugrunde, nur das Grundstück mit den in der Natur vorhandenen Grenzen zu verkaufen. Sein Wille deckt sich nicht mit der Erklärung. E r kann deshalb seine Erklärung wegen Irrtums anfechten ( § 1 1 9 BGB). Dies muß er ohne schuldhaftes Zögern tun, sobald ihm die rechtliche Tragweite seiner Erklärung klar geworden ist (§ 121 BGB), was unter Umständen lange dauern kann44). Da aber die Anfechtung nur dem irrenden Vertragsteil zusteht, wird die Irrtumsanfechtung nur in den Fällen von praktischer Bedeutung sein, in welchem der Anfechtungsberechtigte Eigentümer des an die Parzelle angrenzenden Grundstückes geblieben oder geworden ist, das von dem Katasterraub betroffen wird. Da aber für den Inhalt der Erklärung nicht bloß der Wortlaut maßgebend ist, sondern der objektive Inhalt der Erklärung durch Auslegung festzustellen ist, muß im Einzelfalle i m m e r geprüft werden, ob die Erklärung o b j e k t i v auch wirklich so und nicht anders zu verstehen ist, als daß Gegenstand des Vertrages die im Katasterplan als Flst.-Nr. 312 bezeichnete Grundfläche mit den dort eingezeichneten Grenzen sein soll. Das ist nicht der Fall, wenn in dem Verttag nicht nur die Flurstücknummer aufgefühtt sind, sondern daneben gesagt wird, daß der Verkäufer seinen Grundbesitz in dem Umfange verkauft, w i e er ihn b i s h e r b e s e s s e n hat; es ist ferner regelmäßig nicht der Fall, wenn im Vertrag als verkauft bezeichnet ist die „Flst.-Nr. 312 Ö d u n g " und wenn der strittige Teil der zur Plannummer 312 gehörigen katastermäßigen Fläche mit Bäumen bepflanzt ist, während der übrige Teil der katastermäßigen Flst.-Nr. 312 noch Ödung ist. Evenso liegt der Fall, wenn als verkauft bezeichnet ist die „Flst.-Nr. 311 W i e s e " und wenn auf einem Teil dieser katastermäßigen Fläche ein Gebäude steht45). In allen diesen Fällen ist die Erklärung objektiv so zu verstehen, daß Gegenstand des Vertrages und der Auflassung sein sollen die Grundstücke mit den in der N a t u r vorhandenen Grenzen. Ein Dissens liegt nicht vor. Denn objektiv ist die beiderseitige Erklärung in gleicher Weise aufzufassen; nur wenn die Bezeichnung Flst.-Nr. 312 f ü r sich a l l e i n ins Auge gefaßt wird, ist diese Bezeichnung für den übereinstimmenden wahren Willen unzutreffend. Insoweit liegt also eine falsa demonstratio vor, mit der Folge, daß eine rechtswirksame Auflassung desjenigen Gegenstandes eingetreten ist, auf den sich der beiderseitige Wille und der durch Auslegung gewonnene objektive Inhalt der beiderseitigen Erklärung erstreckte, also nur derjenigen Fälche, welche durch die in der Natur vorhandenen Grenzen der Flst.-Nr. 312 umschrieben wird, während hinsichtlich des über diese **) Vgl. R G in H R R 1931 Nr. 584; R G Z 124, 1 1 5 ; vgl. auch R G Z 134, 25. 45 ) Vgl. Sawitz, Der Inhalt des Grundbuchs nach § 892 S. 79; Guethe, Bern. 57 zu § 2 G B O ; Fröhlich, DNotZ 1912, 335.

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Grenzstreitigkeiten

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natürlichen Grenzen herausfallenden Teiles der katastermäßigen Plannummer 312 die Auflassungserklärung nichtig ist46). Festzuhalten ist die Voraussetzung einer falsa demonstratio. Jeder Teil meint mit seiner Erklärung dasselbe; er bedient sich jedoch einer unzutreffenden Bezeichnung des Vertragsgegenstandes47). Eine falsche Bezeichnung, mit der die beiden Vertragsgegner denselben Gegenstand gemeint haben, ist unschädlich, gleichviel, ob beide Vertragsteile oder einer von ihnen ihrem Willen eine unrichtige Annahme über das Flächenmaß zugrunde gelegt haben48). Ein solcher Fall der „falsa demonstratio" kommt häufig dann vor, wenn bei der Vertragsbeurkundung von den Beteiligten eine falsche Flst.-Nr. angegeben wird, die zwar ebenfalls dem Verkäufer gehört, aber nicht verkauft werden sollte. Wird der Käufer als Eigentümer der falschen Flst.-Nr. eingetragen, so wird das Grundbuch unrichtig. Gleichwohl ist die Auflassung wirksam, wenn die Vertragsteile bei Erklärung der Auflassung beide dasselbe Grundstück meinten und nur mit einer falschen Bezeichnung versahen. Das Grundbuch muß also berichtigt werden. Eine neue Auflassung ist nicht erforderlich. IV. D u r c h f ü h r u n g der G r e n z s c h e i d u n g 1. Bei einer Grenzstreitigkeit ist für die im Grundbuch eingetragenen Grundsücke zunächst zu prüfen, ob nach Anlegung des Grundbuchs der derzeitige Eigentümer oder sein Sondervorgänger49) das Grundstück im Buchglauben an die Richtigkeit der im Grundbuch (Katasterplan oder Flurkarte) eingetragenen Grenzen erworben hat. Ist das der Fall, so kann er die durch das Grundbuch ausgewiesenen Grenzen selbst dann in Anspruch nehmen, wenn feststeht, daß diese Grenzen unrichtig sind. Kann sich der Eigentümer auf den Schutz des öffentlichen Glauben des Grundbuchs hinsichtlich der dort ausgewiesenen Grenzen n i c h t berufen so gelten diese gleichwohl auf Grund des § 891 B G B bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. 46 ) Vgl. R G 60, 340; 66, 2 1 ; 77, 33; J W 1907, 540; 1 9 1 1 , 944; Gruchot 58, 196; O L G 26, 38; s. oben Fußnote 41. 47 ) Staudinger-Coing Randbem. 2a — e zu § 155; O b L G 17, 42; R G Z 109, 334; 133, 279; J W 1930, 3085; J W 1938, 590. 48 ) O L G 40, 260 (ObLG). Dort ist auch ausgeführt, daß es in einem Falle, in welchem beide Teile über den Gegenstand des Vertrages durchaus einig sind, überhaupt „nichts anzufechten" gibt. Vgl. aber R G Z 133, 279; Staudinger-Seufert Randbem. 23 zu § 925 B G B . 49 ) Dem Nachmann eines gutgläubigen Erwerbers schadet die Kenntnis von der früheren Unrichtigkeit des Grundbuchs nichts. Ein gutgläubig erworbenes Recht bleibt bestehen, auch wenn es später auf einen schlechtgläubigen Erwerber übergeht (OLG 2, 266, 25, 378; SeuffA 67, Nr. 12); Staudinger-Seufert Randbem. 66 zu § 892 B G B .

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

IV 1

Daraus folgt, daß eine Grenzverwirrung bei aneinander grenzenden Grundstücken, die im Grundbuch eingetragen sind60), nicht zu häufig vorkommen wird. Ausgenommen von dem Buchungszwang sind in Bayern nur die Grundstücke des Bundes, der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, der Kirchen, Klöster und Schulen, ferner die Wasserläufe, die öffentlichen Wege sowie die Grundstücke, die einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnunternehmen gewidmet sind ( § 3 Abs. 2a GBO). Familienfideikommisse, Lehen u. ä. sind seit 1. 1. 1939 kraft Gesetzes erloschen (§ 30 Ges. v. 6. 7. 38 — RGBl. I, 825; Ges. v. 28. 12. 50 — B G B l . I, 820). Land- u. forstwirtschaftliche Fideikommißgüter sind nach den allgemeinen Vorschriften zu behandeln und unterliegen daher dem Buchungszwang. Die buchungsfreien Grundstücke erhalten nur auf Antrag ein Grundbuchblatt. Solche nicht eingetragene Grundstücke werden regelmäßig an ein eingetragenes Grundstück anstoßen. Dessen Eigentümer kann sich auf § 891, unter Umständen auch auf § 892 berufen. Behauptet er, daß sein Grundstück weiter reicht, als die im Katasterplan eingezeichnete Grenze ausweist, so ist bezüglich der jenseits der Katastergrenze liegenden Fläche eine Grenzverwirrung möglich. Dabei wird allerdings mit dem Reichsgericht 51 ) von der Voraussetzung ausgegangen, daß §§ 891, 892 B G B auf die in das Grundbuch übergegangene Bestandsangabe des Katasterplanes bzw. der Flurkarte anzuwenden ist. Eine Grenzverwirrung liegt vor, wenn keiner der beiden Angrenzet die Grenze nach den für den Beweis des Eigentums geltenden Grundsätzen nachweisen kann. In einem solchen Fall soll nach § 920 B G B in erster Linie der B e s i t z stand maßgebend sein. Welcher Zeitpunkt hierfür entscheidend sein soll, ist im Gesetze nicht gesagt. Man muß daher annehmen, daß der gegenwärtige, nicht der bisherige Besitzstand gemeint ist62). Der Richter hat also die Zeit der U r t e i l s f ä l l u n g , nicht etwa die der Klageerhebung zugrunde zu legen. Eine besondere Rechtslage ist gegeben, wenn sich der derzeitige Besitzer die Herrschaftsgewalt durch verbotene Eigenmacht verschafft hat. Ein solcher Besitz ist fehlerhaft (§858 BGB). Der dadurch Verdrängte hat Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes nach § 861 B G B und genießt deshalb die Rechtsstellung des gegenwärtigen Besitzers, ohne daß er erst im Wege der Besitzklage gegen den fehlerhaft Besitzenden vorgehen müßte. 50 ) Die §§ 891, 892 gelten auch für ein eingetragenes buchungsfreies Grundstück (Lehmann, BayNotZ 1916, 375); R G Z 156, 126; 164, 389. 61 ) Vgl. R G Z 73, 125; Recht 1918 Nr. 523; BayOb. in O L G 31, 3 1 5 ; vgl. auch R G Z 156, 126; 164; 389; BayOb. in DNotZ 57, 313. 52 ) Vgl. M. 3, 2 7 1 ; Staudinger-Seufert Randbem. 8a; Planck-Strecker Bern. 2a; Palandt Bern. 4 je zu § 920.

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Grenzstreitigkeiten

§6

IV i

Es genügt vielmehr, daß der Verdrängte den Nachweis erbringt, er sei aus seiner Stellung als Besitzer durch verbotene Eigenmacht verdrängt worden. Allerdings scheidet dieser Weg aus, wenn bereits ein Jahr seit Verübung der verbotenen Eigenmacht verflossen und die Besitzklage deshalb gem. § 864 B G B nicht mehr zulässig ist. Im übrigen bildet ein ruhiger Besitzstand keine Voraussetzung für die Klage aus § 920 BGB 5 3 ). Besitzer eines Grundstücks ist derjenige, der die tatsächliche Gewalt darüber ausübt (§854 BGB). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Umständen jedes einzelnen Falles, insbesondere nach der Anschauung des Lebens und der Verkehrsauffassung. Stets ist eine gewisse Festigkeit und Dauer der Beziehungen zwischen der Person und dem Grundstück erforderlich64). Der Wille, den Besitz zu begründen, muß nach nunmehr herrschender Meinung mit der Maßgabe verlangt werden, daß der rein natürliche Wille zur Ausübung der Herrschaftsmacht (also nicht rechtsgeschäftliche Willensfähigkeit) erforderlich ist.55) Wird die streitige Fläche nur auf Grund eines ausdrücklichen vorläufigen Abkommens benützt, so ist selbstverständlich kein Raum für eine Entscheidung nach dem derzeitigen Besitzstand56). In dem Einpflocken eines Grundstückes mit Grenzzeichen, Einzäunen eines Grundstückes, Einstecken von Dörnern zum Schutze gegen Betreten durch Menschen, Errichtung einer Warnungstafel, in dem Pflügen eines Ackers, Abgrasen eines Raines sind regelmäßig Besitzhandlungen zu finden. Auch durch den Tropfenfall kann an dem unter der Traufe gelegenen Raum Besitz ausgeübt werden. Alle Handlungen, durch welche auf das Grundstück eingewirkt wird, können als Besitzhandlungen in Betracht kommen. Vorausgesetzt daß nach der Anschauung des Lebens und Verkehrs infolge solcher Einwirkungen ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis vorliegt. Unter Umständen ist auch eine Einwirkung genügend, die weder alle Teile der Sache trifft, noch an sich die inhaltlich vollendete Herrschaft in sich begreift, aus der sich aber doch die Fähigkeit für den Handelnden ergibt, über den Gegenstand zu verfügen. An einem Teich kann z. B. durch Ausübung der Jagd, Fischerei, Schilf- und Materialentnahme voller Besitz ausgeübt sein57).

53 ) Vgl. B G H Z 27, 562; R G in J W 25, 784; Staudinger-Coing Randbem. 3 zu § 854; Wolff-Raiser § 10 III 2. 54 ) Vgl. R G Z 75, 227; 92, 266; 1 5 1 , 187; JW 19, 379; 34, 1484; Staudinger-Coing Randbem. 3 u. 4; RGRKomm. Bern. 3a; Palandt Bern. 1 je zu § 854; Wolff-Raiser

§ 5 "I-

65 ) Vgl. R G Z 106, 135; JW 25, 784; O G H Z 1, 149; Staudinger-Coing Randbem. 4 u. 5; Palandt Bern. 2 je zu § 854. 5B ) S. unten § 24, 1. " ) Vgl. EntschOTr. 55, 208; K G in JW 26, 2647. 8.

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§ w IV 2 — 4

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

2. Kann der Bestitzstand nicht festgestellt werden (z. B. bei unkultivierten Grundstücken), so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche, d. i. jener Fläche, an welcher der Besitz nicht nachweisbar ist, zuzuteilen. Eine Feststellung des Besitzstandes ist namentlich dann unmöglich, wenn beide Teile den Besitz nebeneinander ausgeübt haben. Jedem Grundstücke ist ein gleich großes Stück zuzuteilen. Auf Wert und Bonität wird also keine Rücksicht genommen58). Auch das Größenverhältnis der beteiligten Nachbargrundstücke dergestalt, daß etwa ein diesem Größenverhältnis entsprechender Teilungsmaßstab angelegt würde69), kommt nicht in Betracht. Bei der Teilung braucht eine bestimmte Teilungslinie nicht eingehalten zu werden. Es sind in jedem Fall verschiedene Linien möglich, durch welche die vorgeschriebene Teilung bewirkt werden kann60). 3. Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht (§ 920 Abs. 2 BGB) 6 1 ). Bei der Hervorhebung des Falles, in welchem die Größe der Grundstücke feststeht, ist der Gesetzgeber von folgender Erwägung ausgegangen: Wenn im Falle der Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht erwiesen werde, so könne doch genau feststehen, ein wie großer Teil des streitigen Flächenabschnittes dem einen oder dem anderen Nachbar gehöre, z. B. wenn feststehe, daß von zwei benachbarten Grundstücken das eine 100, das andere 200 qm groß sei; in solchem Falle dürfe die Grenze weder nach dem Besitzstand, noch durch Halbierung des streitigen Stücks bestimmt werden. Die Bestimmung müsse vielmehr so erfolgen, daß jeder Nachbar ein Grundstück von dem ihm unzweifelhaft zustehenden Flächeninhalt erhalte62). 4. Im übrigen ist der Inhalt der im § 920 Abs. 2 B G B enthaltenen Bestimmung recht dunkel. Was man unter einem Ergebnis, das mit den ermittelten Umständen nicht übereinstimmt, verstehen soll, ist kaum zu 58

) Vgl. M. 3, 272 (Mugdan 3, 150). ) Vgl. nunmehr auch Staudinger 1 1 . (gegen 10.) Aufl. Randbem. 10. 60 ) Vgl. KommProt. 3536 (Mugdan 3, 583). 61 ) Vgl. Recht 1901 Nr. 1329; Recht 1908 Nr.75. Der Richter ist aber nicht befugt, absichtlich eine Umlegung unzweckmäßiger Grenzen vorzunehmen. Endemann 457; Biermann, Anm. 2 zu § 920. 62 ) Vgl. KommProt. 3536 (Mugdan 3, 853). Auch hier ist übrigens wiederum darauf hinzuweisen, daß die katastermäßige Größenbestimmung noch keine Feststellung der Größe darstellt, da für deren Richtigkeit von Anfang an zuverlässige Garantien nicht gegeben waren und seit der Katastrierung auch eine Verschiebung der Größenverhältnisse eingetreten sein kann. 59

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Grenzstreitigkeiten

§6

IV 5

ergründen. Man wird nur solche Umstände heranziehen dürfen, aus denen sich ergibt, daß die nach Abs. i gefundene Grenze nicht richtig sein kann, Eine bloße Unzweckmäßigkeit dieser gefundenen Grenze erfüllt wohl diese Voraussetzung nicht. Es genügt daher z. B. nicht ohne weiteres, daß ein Bach vorhanden ist, der eine zweckmäßigere Grenzlinie bilden würde, als die gefundene Linie. 5. Auch aus der UnVerhältnismäßigkeit der Größe der beiden Grundstücke kann ein solcher Umstand nicht abgeleitet werden. Wenn also von den angrenzenden Grundstücken die unbestrittenermaßen dem A gehörige Fläche 1 ha und die unbestritten dem B gehörige Fläche nur 0,10 ha umfaßt, so mag wohl die Hälfteteilung der streitigen Fläche, welche eine Größe von 0,5 ha hat, unbillig sein; allein das Gesetz hat im Abs. 1 des § 920 B G B ausdrücklich bestimmt, daß bei Ermangelung einer Feststellung über den Besitzstand jedem Grundstück ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen ist und in den Gesetzgebungsarbeiten63) ist besonders hervorgehoben, daß nicht etwa das Größenverhältnis der Nachbargrundstücke in Frage komme, dergestalt, daß ein diesem Größenverhältnis entsprechender Teilungsmodus angelegt werde. Dagegen kann ein Umstand, mit welchem das Ergebnis, zu dem die nach Abs. 1 erfolgte Bestimmung der Grenze geführt hat, nicht übereinstimmt, bei G r e n z e i n r i c h t u n g e n , die zum Vorteile beider Grundstücke dienen (s. § 921 B G B . , Mauer, W i n k e l , R a i n , H e c k e usw.) häufig gegeben sein. § 921 B G B stellt die Vermutung auf, daß die Nachbarn zur Benützung solcher Grenzeinrichtungen gemeinschaftlich berechtigt sind, soferne nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört. — Der Besitzstand ist für diese Frage gleichgültig. Strengt ein Nachbar die Grenzscheidungsklage an, so würde, wenn sich die richtige Grenze nicht ermitteln läßt, gemäß § 920 B G B für die Abgrenzung zunächst der Besitzstand maßgebend sein. Allein eine diesem Besitzstand entsprechende Bestimmung der Grenze kann, wenn der eine Nachbar den Besitz der ganzen Grenzeinrichtung hat, unter Umständen zu einem Ergebnis führen, das mit dem vom Gesetze vermuteten Recht der gemeinschaftlichen Benützung im Widerspruch steht (§ 920 Abs. 2 BGB). Es ist daher die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieses Umstandes der Billigkeit entspricht. Dies wird dazu führen, die gedachte Grenzlinie durch die Mitte der Grenzeinrichtung zu legen64). Wenn aber äußere Umstände darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört, dann entfällt die im § 921 aufgestellte Vermutung des gemeinschaftlichen Benützungsrechts. In diesem Falle hat eben der eine Nachbar einen Umstand dargetan, der dafür spricht, daß die Grenzeinrichtung auf seinem Eigentum steht und die Grenzlinie mit dieser Einrichtung abschneidet. Auf den Besitzstand kommt es auch hier nicht an.

63 64

) KommProt. 3536 (Mugdan 3, 583). ) Unrichtig Höniger, Grenzscheidungsklage 102.

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§7

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

11

§ 7. Grenzeinrichtungen I. B e g r i f f der G r e n z e i n r i c h t u n g 1. Unter Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B versteht die herrschende Meinung (im Anschluß an R G Z 70, 210) „solche mit dem Grund und Boden verbundene, auf der Grenze befindliche Anlagen, die zufolge ihrer Gestaltung und Lage die beiden Grundstücke von einander scheiden und gerade dadurch, also durch ihre Lage auf der Grenze und durch ihre die Grundstücke scheidende Wirkung, beiden Grundstücken zum Vorteile dienen" 1 ). Die Vorschriften der §§ 921, 922 finden auch auf eine vor dem 1. 1. 1900 schon vorhandene Einrichtung Anwendung. Es ist aber nicht erforderlich, daß die Einrichtung schon von alters her bestanden hat, auch deren Neuerrichtung kann vielmehr die Voraussetzungen für die Anwendung des § 921 B G B erfüllen. Es ist auch keineswegs erforderlich, daß die Nachbarn einen auf gemeinsame Benutzung abzielenden förmlichen Grunddienstbarkeitvertrag geschlossen haben; im Gegenteil: die Vorschriften der §§ 921, 922 sind gerade für die Fälle getroffen, in welchen ein Grunddienstbarkeitsverhältnis nicht oder doch nicht erwiesenermaßen vorhanden ist2). Es kann aber selbstredend nicht in der Willkür eines Grundeigentümers gelegen sein, einseitig und gegen den Willen seines Nachbars eine Grenzeinrichtung zu schaffen, für welche der Grund und Boden des Nachbars mit in Anspruch genommen wird. Es steht vielmehr an sich dem Nachbar der Anspruch auf Beseitigung einer solchen einseitig errichteten Einrichtung zu, insoweit sie seinen Grund und Boden umfaßt (§903 BGB). Allein hier können wieder die Vorschriften der §§ 912 fr. § j . 1 ) V g l . R G R K o m m . Bern. 1 ; Planck-Strecker Bern. 3 a; Palandt Bern. 2 (der noch enger darauf abstellt, daß die Einrichtung die Scheidung der Grenze geradezu bezwecken müsse); Ermann-Seibert Bern. 1 je zu § 920; Westermann § 66 I V . vgl. auch B G H in M D R 59, 565. Gegen die h . M . lassen sich auch keine durchgreifenden Bedenken aus dem in Motiven 3, 275 angeführten Willen des Gesetzgebers herleiten, „derartigen nachbarlichen Verhältnissen die Anerkennung als Rechtsverhältnis nicht versagen" zu wollen, um „nicht in das nachbarliche den beiderseitigen Wirtschaftsinteressen angepaßte Zusammenleben in einer volkswirtschaftlich schädlichen Weise einzugreifen". Dieser gegenteiligen Auffassung (vertreten von Staudinger-Seufert Randbem. 2 zu § 9 2 1 ) kann nicht beigetreten werden. Freilich werden dann idR Brunnen oder Dungstätten sowie Anlagen, die nicht die ganze Grenze einnehmen, nicht unter § 920 B G B fallen. V g l . dazu unten Ziffer 3. O b die Grenzeinrichtung vor oder nach Inkrafttreten des B G B errichtet wurde, ist rechtlich insofern von Bedeutung (vgl. Staudinger Vorträge 349), als die Bestimmungen der §§ 9 2 1 , 922 B G B auch auf alte Grenzeinrichtungen anzuwenden sind (vgl. Art. 1 7 3 u. 181 E G B G B ; R G 53, 307; R G R K o m m . Bern. 8 zu § 921). 2 ) Pfirstinger in SeuffBl. 67, 6 7 ; Glaser in M D R 1856, 4 4 9 ; Herold, Bl. f. G r B W 54, 133-

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Grenzeinrichtungen

§7 12

B G B über den Überbau eingreifen. Wird von zwei Nachbarn gemeinschaftlich oder v o n einem unter ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des anderen eine von der Grenze durchschnittene Einrichtung getroffen, welche nach ihrer o b j e k t i v e n Beschaffenheit und durch ihre die Grundstücke scheidende Wirkung zum V o r t e i l e b e i d e r Grundstücke dient und d a u e r n d zu dienen bestimmt erscheint, so hat man es mit einer Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 zu tun 3 ). Die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Nachbars zur Schaffung der Grenzeinrichtung, die neben der objektiven Beschaffenheit der Einrichtung Voraussetzung für Entstehung einer Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 ist, liegt unter Umständen schon in der Unterlassung eines Widerspruchs, wenn dem Nachbarn die unter Beanspruchung seines Eigentums erfolgte Schaffung der Einrichtung bekannt ist (stillschweigend erklärte Zustimmung). Bei einer s c h o n l ä n g e r bestehenden Einrichtung, die sich objektiv als Grenzeinrichtung darstellt, wird man demjenigen, der die Einrichtung nicht als Grenzeinrichtung gelten lassen will, den Beweis dafür auferlegen, daß er oder sein Rechtsvorgänger Widerspruch gegen die Schaffung der E i n richtung erhoben und diesen Widerspruch auch nicht (stillschweigend) fallen gelassen hat. Ein besonders häufiger Fall der Grenzeinrichtung ist die Kommunmauer8). Hierzu siehe § 8. 2. E i n Z w a n g z u r Mitwirkung an der Schaffung einer Grenzeinrichtung kann nicht ausgeübt werden. E i n Kommunmauerzwang besteht nicht (s. darüber unten § 8). Für Weinberge läßt sich nach altem Recht in s ) Das stillschweigende Einverständnis kann auch daraus entnommen werden, daß der Nachbar durch Duldung der ihm vorteilhaften Anlage nachträglich seine Zustimmung zu erkennen gibt. Vgl. Hodes in N J W 55, 1782. Pfirstinger in SeuffBl. 67, 68. Dieser Grundsatz läßt sich sogar auf den Fall anwenden, daß der Eigentümer eines Grundstückes dadurch eine enge Reihe, welche von der Grenze durchschnitten wird, bildet, daß er, gleichwie es der Angrenzer seinerzeit bei Errichtung seines Gebäudes getan hat mit seinem Neubau ebenfalls etwas von der Grenze zurückbleibt. Die Schaffung der engen Reihe war dann mit der Errichtung des älteren Baues vorbereitet, und mit der Aufführung des Neubaus vollendet. Vgl. dagegen Wolff im Recht 1900, 448, nach dessen Ansicht sich in solchem Falle der äußerlich als Grenzanlage erkennbare Zustand erst dann zu einem gesetzlichen gestalten soll, wenn beide Nachbarn die Absicht der Abschließung aufgegeben haben. Dies soll insbes. dann anzunehmen sein, wenn die dem Zweck der Anlage entsprechende Benützung längere Zeit hindurch beiderseits geduldet ist. Die Ansicht von Wolff ist geeignet, in der Praxis zu unklaren Verhältnissen zu führen. Wird mit Wissen und Wollen der beiden Nachbarn eine Einrichtung geschaffen, die sich äußerlich als Grenzeinrichtung darstellt, dann ist sie auch rechtlich als solche zu behandeln, wenn nicht der Nachbar den gegenteiligen Willen äußerlich wahrnehmbar kundgegeben hat, z. B. durch Anbringen besonderer Zeichen an der Grenze. s ) Vgl. B G H in MDR 59, 565; Hodes in NJW 54, 1348 u. 1369; derselbe in N J W 55, 1782; O L G Hamm u. NJW 54, 273.

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§7 I 3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

manchen Gegenden ein Herkommen nachweisen, wonach der Eigentümer eines jeden Weinbergs eine gewisse Breite liegen lassen mußte. Unter der Geltung des B G B kommt einem solchen Herkommen keine gesetzliche Bedeutung mehr zu (vgl. unter § 32 B IV). Immerhin wird eine solche Übung auch unter der Geltung des B G B als tatsächlicher Behelf für die Annahme einer Grenzeinrichtung Verwertung finden können. Das Mitbenützungsrecht nach § 921 ist für jeden der beiden Nachbarn zugleich ein Recht i. S. des § 95 Abs. 1 B G B , die betreffende Einrichtung auf dem fremden Grundstück zu haben. Dieses Recht stellt eine dienstbarkeitsähnliche gesetzliche Eigentumsbeschränkung zugunsten des jeweiligen Nachbarn des anderen Grundstücks dar (vgl. Prot 3, 130; R G in WarnR 1916, Nr. 169). Das Fehlen eines Zwanges zur Schaffung einer Grenzeinrichtung hat besondere Bedeutung hinsichtlich der Fragen bei der Errichtung von Zäunen. Nach den privatrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen besteht nämlich keine Verpflichtung eines Eigentümers, sein Grundstück einzuzäunen, wenn dies nicht notwendig ist, um Einwirkungen von seinem Grundstück aus auf das Nachbargrundstück zu unterbinden (z. B. das Hinüberlaufen von Tieren). Wenn ein Eigentümer einen Zaun errichtet, so hat er keinen Anspruch, daß sich sein Nachbar an Kosten hierfür beteiligt, es sei denn, es liegt eine Grenzeinrichtung nach § 921 B G B vor. Eine Verpflichtung zur Schaffung von Grenzeinrichtungen kann sich aber aus dem öffentlichen Recht ergeben. So ist z. B. häufig in Bebauungsplänen vorgeschrieben, daß die Bauplätze mit bestimmten Zäunen abzugrenzen sind. 3. Nach der oben gegebenen Begriffsbestimmung ist also erforderlich, daß die Grenzeinrichtung von der Grenze durchschnitten wird, mithin teils zu dem einen, teils zu dem anderen Grundstücke gehört9), wobei aber die Grenze nicht gerade durch die M i t t e der Einrichtung zu fallen braucht10). Gehört die Bodenfläche, auf welcher sich die Einrichtung befindet, erweislich 11 ) nur dem einen Nachbar, so ist eben eine Grenzeinrichtung im Sinne 9 ) Mit den Grenzeinrichtungen sind nicht zu verwechseln die sogenannten „Scheidungen", die zwar zwei Grundstücke von einander abgrenzen, aber vollständig auf dem einen Grundstück stehen. Vgl. L G Göttingen in NdsRpfl. 55, 92; R G Z 70, 203; WarnR 19x5 Nr. 270. B G H D N o t Z 1965 s. 291. 10 ) Vgl. Wolff im Recht 1900, 449. Staudinger-Seufert Randbem. 4 zu § 921, Hodes N J W 64, 2382. u ) Das Alleineigentum kann auch durch den Nachweis der Ersitzung bewiesen werden. Doch ist hierfür der Nachweis des a u s s c h l i e ß l i c h e n Besitzes erforderlich. Hat der Gegner desjenigen, der sich auf Ersitzung beruft, bezüglich einer engen Häuserreihe zwar keine anderen Besitzhandlungen und Einrichtungen, als das Haben von an sich unzulässigen Fenstern und eines Dachvorsprunges, so genügt dies doch, um darzutun, daß jener

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Grenzeinrichtungen

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des § 921 B G B nicht gegeben ). Gleichwohl kann unter Umständen dem angrenzenden Nachbar das Recht der Mitbenützung an einer solchen jenseits seiner Grenze liegenden Einrichtung (z. B. einer Mauer) zustehen; er muß aber den b e s o n d e r e n E r w e r b dieses Rechtes (z. B. vertragsmäßig Bestellung oder Ersitzung) nachweisen. Das Recht auf Mitbenützung stellt sich in solchem Falle als Grunddienstbarkeit dar13). Kann der Nachweis, daß eine „Mauer, Hecke oder Planke", die abgebrochen oder entfernt wurde, tatsächlich von der Grenze durchschnitten worden ist, nicht mehr erbracht werden, so greift die Vermutung des § 921 Platz. Andererseits wird durch den Nachweis, daß eine Anlage — selbst wenn sie auf der Grenze steht — im Alleineigentum eines der beiden Nachbarn steht, die Vermutung des § 921 entkräftet14). Eine Ausnahme gilt hierbei nur für die halbscheidige Giebelmauer vor dem Anbau. Diese steht zwar im Alleineigentum des Hauseigentümers, ist also noch keine Grenzeinrichtung. Dennoch finden auf sie die Bestimmungen der §§ 921, 922 B G B entsprechende Anwendung (vgl. hierzu unten § 8 II 1). Außer dieser Lage der Grenzeinrichtung ist aber eine Beschaffenheit erforderlich, welche äußerlich ihren Zweck kundgibt, der Benützung der Nachbarn zum V o r t e i l e der b e i d e r s e i t i g e n G r u n d s t ü c k e zu dienen. Die Zweckbestimmung ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen und zwar idR nach der Beschaffenheit der Einrichtung. Es kommt daher nicht auf den Willen der Nachbarn an, sie zu benützen. Bei den in § 921 aufgeführten Einrichtungen bedarf es keiner besonderen Prüfung, ob sie den benachbarten Grundstücken zum Vorteil dienen; denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie für beide Grundstücke von Vorteil sind16). Weiteres Erfordernis für eine Einrichtung i. S. des § 921 ist die grenzscheidende Wirkung der betreffenden Anlage. Diese Voraussetzung fehlt bei Einrichtungen von geringer Ausdehnung, wie bei Brunnen, Dungstätten oder Futterhütten für Wild sowie auch bei Gebäuden, die auf der Grenze stehen und nur einem der Nachbarn gehören (s. unten Ziffer 4)16). Nur dann, wenn gemeinschaftliche Brunnen, Dungstätten oder Dachrinnen die Grenze nicht im alleinigen und ausschließlichen Besitze war, mithin das Alleineigentum nicht ersessen hat; vgl. O G H 16, 58. 12 ) Dies gilt auch dann, wenn die Einrichtung zugleich dem Vorteil des anderen Grundstücks dient. J W 1909, 162. — Cosack, Bd. 2 S. 159 hält es zur Widerlegung der Vermutung des §921 nicht genügend, wenn einer der Nachbarn sein Alleineigentum dartut, wohl aber, wenn das Alleineigentum durch ä u ß e r e M e r k m a l e erkennbar ist. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 17 zu § 921. 13 ) Mot. 3, 277; RGRKomm. Bern. 6 zu § 921; Habicht Einwirkung S. 381. 14 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 b u. c; Staudinger-Seufert Randb. 10; R G R Komm. Bern. 4 je zu § 921; R G in WarnR 1915 Nr. 270. 16 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 5 zu § 921. le ) Vgl. B G H in M D R 59, 565; Planck-Strecker 3 c; R G R K o m . Bern. 3; Palandt-

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§7 I 3

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in ihrem wesentlichen Verlauf einnehmen und dadurch grenzscheidende Wirkung haben, fallen sie unter § 921 BGB. Eine bauliche Anlage oder überhaupt eine durch menschliche Tätigkeit geschaffene Einrichtung ist nicht notwendig; es genügt vielmehr schon eine Grundfläche, die für eine gemeinsame Benützung beider Grundstücke verwendet werden kann. Darauf weisen die Ausdrücke „Zwischenraum, Rain, Winkel" in § 921 hin17). E n g e R e i h e n oder Winkel sind in alten Stadtkernen und auf dem Lande noch häufig anzutreffen. Nach den Bestimmungen der BayBO werden sie in Zukunft jedoch nicht mehr entstehen können (Art. 6 BayBO). Darüber hinaus erscheint die Beseitigung der noch vorhandenen engen Reihen oder Winkel erwünscht. Bei der Frage, ob und was zur Beseitigung geschehen kann, müssen folgende Tatbestände unterschieden werden: a) Die Grenze zwischen den beiden Grundstücken geht durch die enge Reihe oder den Winkel hindurch. Dann stellt diese eine Grenzeinrichtung dar. § 922 schreibt vor, daß Grenzeinrichtungen nur mit Zustimmung des Nachbarn geändert oder beseitigt werden dürfen. Durch Landesgesetz kann daher die Beseitigung einer engen Reihe oder eines Winkels nicht angeordnet werden. b) Die enge Reihe befindet sich auf einem katastermäßig selbständigem Grundstück. In diesem Fall ist eine Grenzeinrichtung im Sinne der §§ 921 und 922 B G B ausgeschlossen. Trotzdem ist die Beseitigung der engen Reihe nur möglich über ein entsprechendes Enteignungsgesetz, das derzeit noch nicht vorhanden ist. Und zwar sind hier zwei Fälle denkbar: 1. Das Grundstück der engen Reihe gehört beiden angrenzenden Eigentümern zu gleichen Bruchteilen. Hier kann zwar die Aufhebung der Gemeinschaft durch Realteilung verlangt werden, wodurch es dem einen Nachbarn ermöglicht wird, bis an die Grenze zu bauen. Die Beseitigung der zweiten Hälfte der engen Reihe kann jedoch nach den derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen nicht verlangt werden. Ein Übernahmerecht durch den baubeteiligten Nachbarn kann nur durch eine erst zu erlassende Enteignungsbestimmung geschaffen werden. 2. Das Grundstück der engen Reihe steht im Alleineigentum eines der beiden angrenzenden Eigentümer. Hier könnte zwar der Eigentümer sein Grundstück voll überbauen, wenn dem nicht ein Benützungsrecht des Nachbarn an der engen Reihe oder ein Lichtrecht entgegensteht. Die Bebauung würde die vorherigen Ablösung eines solchen Rechts erfordern. Auch hierzu Hoche Bern. 1 je zu § 9 2 1 ; Westermann § 66, I V ; a. M. Staudinger-Seufert Randb. 2 zu § 9 2 1 ; Meisner-Stem-Hodes § 7 I 3. l7 ) Vgl. Mot. 3, 275; BayZt. 1915, 351 (RG).

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Grenzeinrichtungen

§7 14

wäre eine Enteignungsbestimmung erforderlich (vgl. Meisner-Stern-Hodes F N 20 zu § 7). Die mehr oder minder große Ausdehnung eines Zwischenraums zwischen den beiden Grundstücken ist nicht entscheidend, sondern die Tatsache, daß der Zwischenraum (Rain, Winkel, Weg, Einfahrt, Lichthof usw.) je zu einem Teil im Eigentum der beiden Nachbarn steht18). 4. Wohl zu unterscheiden von einer Grenzeinrichtung ist der Fall, in welchem ein zwischen zwei Grundstücken gelegenes s e l b s t ä n d i g e s Grundstück im Miteigentum der beiden Angrenzer 19 ) steht und den wirtschaftlichen Zwecken dieser beiden angrenzenden Grundstücke dauernd zu dienen bestimmt ist, wie dies namentlich bei gemeinschaftlichen Einfahrten, Hofräumen, aber auch Wegen20) vorkommt. Entscheidend ist, ob das betreifende gemeinschaftliche Grundstück ein s e l b s t ä n d i g e s Grundstück ist, also im Grundsteuerkataster oder in der Flurkarte bzw. im Grundbuch unter einer eigenen Flurnummer eingetragen ist. Nach gemeinem Recht, wie auch nach allgemeinem preußischen Landrecht und code civil (indivision forcée) ist in Anlehnung solcher Gemeinschaftsverhältnisse die Teilung ausgeschlossen, wenn die Fortdauer der Gemeinschaftlichkeit für den Gebrauch oder die Bewirtschaftung der Nachbargrundstücke dauernd notwendig ist21). Ist nach den früheren Vorschriften die Teilung eines solchen Grundstückes, das im Miteigentum der Eigentümer anderer Grundstücke steht, und diesen dauernd zu bestimmten wirtschaftlichen Zwecken dient, wegen dieser Zweckbestimmung ausgeschlossen, so gilt das Grundstück von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an als zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines jeden der anderen Grundstücke mit einer Grunddienstbarkeit des Inhalts belastet, daß er es zu den bestimmten Zwecken benützen darf (Art. 43 Ü G ähnlich Art. 21 18 ) Staudinger-Seufert Randb. 4 ; Planck-Strecker Bern. 3 b je zu § 9 2 1 . A , M . MeisnerStern-Hodes § 7 I 3. O L G Düsseldorf M D R 68 S. 3 2 2 hält eine gemeinsame Zufahrt zur Doppelgarage nur dann für eine Grenzeinrichtung, wenn sie w e g e n zu geringer Breite eine getrennte Nutzung durch die Anlieger nicht zuläßt und eine Umgestaltung in zwei getrennte Wege nur mit großen Aufwendungen möglich wäre, die in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen stünden, die beide Grundstücke durch die gemeinsame Benutzung erführen ; dies wäre z . B . der Fall, wenn die Aufteilung der Einfahrt in zwei getrennte W e g e nur durch die Beseitigung eines der beiden Gebäude möglich wäre. 19 ) Vgl. § 346 D A Henle-Schmitt Bern. 1 zu § 3. 20 ) V g l . für Kulturweg (Exploitionsweg), der lediglich dem Z w e c k e der Bewirtschaftung der anstoßenden Grundstücke dient und eine eigene Plannummer hat. R G 1 5 , 330. Über Adjazentenwege vgl. B a y Z . 1 9 1 1 , 54ff. 21 ) Für gemeines Recht vgl. Windscheid 7 7 2 ; Demburg, Pand. § 197 A n m . 1 0 ; Gruchot 6, 2 7 9 ; Kohler, Gesamm. A b h . 1 7 0 f f . ; SeuffBl. 5, 1 0 8 ; 4 1 , 3 2 8 ; E n t s c h O H G 6, 68; 7, 4 0 1 ; SeuffA 7 Nr. 1 7 6 ; 15 N r . 126. Für preuß. Landrecht: D e m b u r g , PrR. 563ff.; Gruchot 12, 375. F ü r rhein. Recht: Habicht, Einwirkung 398; RheinA. 108, 298 (Köln).

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§ ' I 5, II

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

LiegenschG für die Pfalz)22). Daß das gemeinschaftliche Grundstück gerade zwischen den Grundstücken der Eigentümer liegt, in deren Miteigentum es steht, ist kein begriffsmäßiges Erfordernis. Es fällt deshalb auch das im Miteigentum der Brauereieigentümer stehende Quellgrundstück unter Art. 43 ÜG. — Im übrigen laufen die Bestimmungen des Art. 43 Ü G über die Gebrauchsrechte an dieser sogen, notwendigen Gemeinschaft des bisherigen Rechts (indivision forcée) im wesentlichen auf dieselben Regeln hinaus, wie sie für die Grenzeinrichtungen durch § 921 normiert sind23). 5. Als Beispiele von Grenzeinrichtungen sind in § 921 B G B besonders genannt Zwischenräume (Häuserreihen, Feuergassen, Lichtschacht)24), Raine, Winkel, Gräben (Flutgräben), Mauern (Kommunmauern), Hecken26), Planken (Zäune). Die gesetzlichen Beispiele lassen sich noch vermehren: gemeinsame Dachrinnen zwischen zwei Häusern26), durch Waldungen geschlagene Grenzgestelle, Wege, namentlich Gangsteige, Baumreihen, gemeinsame Garagen- oder Hofeinfahrten 27 ), es ist auch denkbar, daß ein Weg samt der dazu gehörigen Allee Grenzeinrichtung ist; Stein wälle28). II. Wesen der G r e n z e i n r i c h t u n g Nach dem oben dargelegten Begriff der Grenzeinrichtung ist es wesentliches Erfordernis, daß die Grenze durch die Einrichtung geht. Da in zahl22 ) Das Miteigentum am Grundstück ist aufrecht erhalten (Art. 181 E G ) ; somit gelten die Vorschriften über die Gemeinschaft (§ 741 B G B ) im Zusammenhalt mit § 1 0 1 1 B G B und Art. 43 ÜG. 23 ) Die Teilhaber müssen einen angemessenen modus vivendi bei der gemeinschaftlichen Benützung finden (vgl. SeuffA 62 Nr. 207). Es können die übrigen Teilhaber keinen Widerspruch dagegen erheben, wenn sich das Maß der Benützung einer Einfahrt durch einen Teilhaber z . B . wegen Hebung seines Geschäftes steigert ; selbstverständlich brauchen sich aber die anderen Teilhaber nicht ganz an die Wand drücken zu lassen (vgl. SeuffA 24 Nr. 300); andererseits darf die Benützungsart der Einfahrt von einer bloßen Durchfahrt nicht geändert werden zu einem Parkplatz für P K W (vgl. SeuffA 22 Nr. 216). Vgl. ferner SeuffA 4} Nr. 1 7 5 ; 57 Nr. 34. Es sind die Grundsätze entsprechend anzuwenden, die für Grunddienstbarkeiten bei einer Änderung des Bedürfnisses des herrschenden Grundstücks gelten (s. darüber unten § 28 II). 24 ) WarnE 1916, 264. 25 ) Bei einer Hecke, die als Grenzeinrichtung dient, ist zu beachten, daß sie gern § 923 Abs. 2 S. 4 B G B nur dann beseitigt werden kann, wenn sie durch ein zweckmäßigeres Grenzzeichen ersetzt werden kann oder wenn der Nachbar einverstanden ist (vgl. Prot. 3. 133)26 ) Recht 1904 Nr. 2490 (Dresden). 27 ) L G Mannheim N J W 64, 408. 28 ) Bei steinigem Boden hat oft eine zuweilen auf Generationen zurückgehende Arbeit die Steine gesammelt und längs der Grenze aufgeschichtet, wodurch sich allmählich ein förmlicher Rain von Steinen gebildet hat. Hier hat man es mit einer Grenzeinrichtung zu tun. Jeder Nachbar ist berechtigt, die weiter herausgeholten Steine darauf zu legen, auch wenn dadurch mit der Zeit die Einrichtung breiter wird.

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Grenzeinrichtungen

§7 ii

losen Fällen gerade das Vorhandensein von Einrichtungen das Auffinden der genauen Grenze erschwert, so würde an sich die Frage, wer Eigentümer der Grenzeinrichtung ist, ja, ob überhaupt die Grenze durch die Einrichtung geht, häufig zu einem schwierigen Grenzermittlungsverfahren führen. Das soll vermieden werden, um so mehr als regelmäßig die Nachbarn viel weniger Interesse an der Frage haben, wem von ihnen das Eigentum zusteht als daran, ob und inwieweit sie ein Benützungsrecht haben oder sie eine Unterhaltspflicht trifft. In verständiger Würdigung dieser Sachlage hat das Gesetz die Eigentumsfrage offen gelassen. Hiergegen führt § 921, wenn die unter I dargelegten Voraussetzungen vorliegen, wenn also insbesondere die Einrichtung sich äußerlich als dem Vorteil beider Grundstücke gewidmet zeigt, eine Vermutung dafür auf, daß beide Nachbarn zu ihrer Benützung gemeinsam berechtigt sind29). Diese Vermutung wird aber durch den Nachweis 30 ) widerlegt, daß die sich äußerlich als Grenzeinrichtung darstellende Einrichtung in Wirklichkeit keine ist, daß z. B. eine Einrichtung nicht auf der Grenze, sondern ganz auf dem einen der beiden Grundstücke steht, oder daß sie nach den für den Überbau geltenden Grundsätzen des § 912 B G B dem Überbauenden allein gehört, oder daß die auf der Grenze befindliche Anlage nicht beiden Grundstücken zum Vorteil dient oder keine grenzscheidende Wirkung hat. Der die Vermutung des § 921 widerlegende Nachweis muß streng geführt und einwandfrei erbracht sein. E r kann durch die Feststellung des Grenzverlaufs gem. § 920 B G B , unter Umständen auch durch Berufung auf § 891 B G B geliefert werden 31 ). Nach ausdrücklicher Vorschrift des § 921 wird die Vermutung eines gemeinschaftlichen Benützungsrechtes aber schon durch äußerliche Merkmale widerlegt, die darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem Nachbar allein gehört (s. unter III). Natürlich bleibt es beiden Nachbarn überlassen, das gesetzliche Mitbenutzungsrecht an der Grenzeinrichtung durch Vereinbarungen zu ändern oder auszuschließen. Im Wege der Dienstbarkeitsbestellung können sie d i n g l i c h e n Charakter erhalten und, soweit sie sich lediglich auf die Art und Weise der Benützung beziehen, auch formlos für die Sondernachfolger verbindlich (§ 745) werden. 29 ) Die in der zweiten Auflage des bayer. Nachbarrechts 44 und Seuff. Bl. 77, 281 vertretene Auffassung, daß die Vermutung auch dafür sprechen soll, daß der Grenzzug durch die Anlage gehe, kann nicht aufrechterhalten werden. Diese Auffassung ist auf eine Wendung des Prot. III, 131 zurückzuführen, die sich mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht verträgt. 30 ) Vgl. R G in WarnR 1 9 1 1 Nr. 243; 1915 Nr. 270; BayOb. in BayZt. 1915, 3 5 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 7 ; R G R Komm. Bern. 4 je zu § 921. 31 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 17 zu § 921; a. M. O L G Bamberg in BayZt. 29, 181.

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§ •

III 1—3

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III. D a s E i g e n t u m an der G r e n z e i n r i c h t u n g 1. Die Frage nach dem Eigentum an den Grenzeinrichtungen bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Aus § 921 selbst ist für die Eigentumsfrage nichts zu entnehmen; die gesetzliche Vermutung bezieht sich nur auf das Benutzungsrecht. Im Gegenteil, durch den Nachweis des Alleineigentums wird die für gemeinschaftliches Benutzungsrecht bestehende Vermutung des § 921 beseitigt, sofern nicht das Mitbenutzungsrecht durch eine Grunddienstbarkeit gesichert ist. Bei echten Grenzeinrichtungen, die also von der Grenze durchschnitten werden, ist die Entscheidung, wer Eigentümer ist, nach der Einrichtung verschieden. 2. Handelt es sich um bloße Grenzflächen (Raine, Winkel, Zufahrten), so ist reale Teilung durch die Grenzlinie gegeben, da Grundstücks t e i l flächen nie wesentliche Bestandteile sind und somit § 93 B G B nicht entgegensteht. 3. Bei Einrichtungen, die sich von der Grundfläche abheben, kann die Entscheidung verschieden ausfallen, je nach dem, ob es sich um eine mit Grund und Boden festverbundene oder eine nur lose, jederzeit leicht zu entfernende und anderweit wieder verwendbare Anlage handelt. Ein aus unverbundenen Steinen bestehender Steinwall, zu dem beide Nachbarn durch Anhäufung von Steinen beigetragen haben, steht gemäß §§ 948, 947 B G B im Miteigentum beider Nachbarn32). Wenn es sich aber um Einrichtungen handelt, die mit dem Grund und Boden fest verbunden sind (z. B. massive Zäune, Hecken oder Mauern), so sollen nach herrschender Meinung in erster Linie die Grundsätze des § 93 B G B gelten, wonach — wie bei Flächen — reale Teilung gemäß dem Verlauf der Grenzlinie eintrete33). 32 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 1 1 zu § 921; a. M. R G R Komm. Bern. 1 1 ; PalandtBem. 4: Planck-Strecker Bern. 2a je zu § 921; Westermann § 66 I V 2; O L G Köln B B 51, 600; vgl. auch B G H Z 27 204 = M D R 58, 592 = N J W 58, 1182 (für einen Fall des nicht entschuldigten Überbaues). 33 ) Vgl. R G Z 53, 3 1 1 ; 65, 363; 70, 201; R G Z 162, 2 1 2 ; Gruch 45, 1018; WarnR 1924 Nr. 98; O L G Nürnberg in BayZt. 1916, 156; München in O L G 29, 340; Düsseldorf in RheinÄrch. n o , 145; Pfirstinger in SeuffBl. 67, 65ff.; Planck-Strecker Bern. 2a zu § 921 und Bern. 4 zu § 94; Ermann Bern. 1 ; R G R K o m . Bern, xa; Palandt Bern. 4 je zu § 921; Westermann § 66 I V 2; vgl. auch O L G Köln in B B 51, 600. Diese Rechtsauffassung geht im Grund zurück auf die Ausführungen in den Motiven (vgl. Mot. III

„Der Entwurf geht von dem Prinzip aus, daß ein jedes Grundstück gegen das Nachbargrundstück eine geometrische Grenze haben muß und daß diese Grenze objektiv stets gewiß und in den Fällen subjektiver Ungewißheit stets auffindbar ist. Mit der strengen Durchführung dieses Prinzips ist derjenige Weg, welchen die modernen Gesetzgebungen zu dem Zwecke der Erhaltung der Grenzanlagen einschlagen, unvereinbar.

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Die Meinung, v o n der der Entwurf (Mot. III, 274) ausgeht, es fehle bei der Grenzeinrichtung an einem Gegenstand für das Miteigentum, geht fehl. Gegenstand des Miteigentums ist nicht das Grundstück, sondern die Grenzeinrichtung selbst. Diese ist als Einheitssache aufzufassen. Der Grundsatz in § 94 Abs. 1 B G B (superficies solo cedit) verliert hier seine Kraft zugunsten der Rechtsnorm in § 93 B G B , nach der wesentliche Bestandteile u n t r e n n b a r sind 34 ). Die Annahme, die Grenzeinrichtung werden durch die Grenzlinie geometrisch in reale Teile geteilt, würde dazu führen, daß das Eigentum an der Grenzeinrichtung je nach dem Verlauf der Grenzlinie unter die beiden Nachbarn aufgeteilt würde. Eine Hecke oder ein Steinwall bzw. eine Mauer (,die nicht unter die Voraussetzungen der § § 9 x 2 oder 94 Abs. 1 B G B fallen') würden hiernach jedem Nachbar zu dem Brachteil als Alleineigentum zufallen, mit welchem die fragliche Einrichtung nach dem gedachten geometrischen Verlauf der Grenzlinie auf dem Grund und Boden eines Nachbarn steht. Eine solche Aufteilung widerstrebt dem natürlichen Empfinden und führt zu rein konstruktiver Rechtsbildung. Die Entscheidung in R G Z 7 0 , 2 0 1 bezieht sich auf einen Fall, in dem die Grenzlinie durch ein einheitlich errichtetes Gebäude, nicht durch eine Grenzeinrichtung, geht. Der Unterschied zwischen einem auf der Grenze errichteten Gebäude und einer Grenzeinrichtung besteht jedoch gerade darin, daß bei der Grenzeinrichtung eine Gemeinschaft der beiden Nachbarn an dieser Einrichtung besteht, beim einheitlichen Gebäude jedoch nicht. Diese Gemeinschaft beurteilt sich aus dem gleichen Grunde als Miteigentum der beiden Nachbarn an der Grenz-

Dieselben suchen nämlich mit der Annahme eines Miteigentums und mit einer aus diesem Gesichtspunkt sich ergebenden Regelung des gegenseitigen Verhältnisses zu helfen. Für ein solches Miteigentum fehlt es aber an einem Gegenstande; denn ein drittes Grundstück außer den beiden Nachbargrundstücken gibt es nicht, und an einer Superfizies finden von dem Rechte am Grundstücke abgesonderte Rechte nicht statt. Wollte man in der Grenzanlage ein selbständiges, von den beiderseitigen Grenzen der Nachbargrundstücke eingeschlossenes Grundstück erblicken, so müßte dieses Grundstück und das Recht an demselben gebucht oder es müßte von der Regel der Buchung eine Ausnahme gemacht werden. Außerdem müßten die angenommenen Miteigentumsrechte entsprechend dem Zwecke ihrer Annahme als anomale Miteigentumsrechte gedacht werden, welche als subjektiv dingliche Rechte mit dem Eigentume der Nachbargrundstücke verbunden sind. Alle diese Konsequenzen sind für den Entwurf nicht annehmbar. Hiernach kann derselbe die zu bestimmenden Rechte nicht als Miteigentumsrechte, sondern nur als Rechte der Nachbarn denken, welche die aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 848, 849 sich ergebenden Rechte gegenseitig beschränken. Die beschränkenden Rechte finden ihren Gegenstand in der durch die Grenzeinrichtung okkupierten Grundstücksparzelle. Damit eine gegenseitige Beschränkung — nur eine solche soll bestimmt werden — denkbar sei, ist erforderlich, daß jene Grundstücksparzelle von der Grenze durchschnitten, teils zu dem einen, teils zu dem andern Nachbargrundstücke gehöre, wenn auch die Beiträge von der einen und von der anderen Seite von verschiedener Größe sind." M ) Vgl. oben § 2 II. 127

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einrichtung, aus dem das Reichsgericht (in R G 70, 201) Miteigentum an den Teilen der Einrichtung annimmt, die infolge Niederreißens unmittelbar auf die Grenze zu liegen kommen. Das Reichsgericht führt nämlich dort aus: „Die Stücke aber, die sich unmittelbar auf der Grenze der beiden Grundstücke dergestalt befinden, daß sie durch die Grenzlinie durchschnitten würden, müßten, da sie nach der Trennung von dem Boden und dessen anderen Bestandteilen den für bewegliche Sachen geltenden Rechtsgrandsätzen unterlägen, und da eine Sonderinhabung eines jeden der beiden Grundstückeigentümer an ihnen tatsächlich nicht möglich wäre, mit Rechtsnotwendigkeit Miteigentum der beiden Parteien werden und zwar zu Bruchteilen, die der früheren räumlichen Erstreckung des zur beweglichen Sache gewordenen Bodenbestandteiles auf das eine und das andere Grundstück entsprechen müssen." 35 ) Nach dieser Ansicht des Reichsgerichts sollen die unmittelbar auf der Grenze stehenden (!) Stücke durch die Trennung Miteigentum beider Parteien nach Quoten werden, da sie nach der Trennung den Normen für Mobilien unterlägen und eine getrennte Innehabung nicht vertrügen; damit aber wird die Tatsache der Trennung von Einfluß auf das Eigentum. E s ist nicht zu verstehen, w o die Grenze für diejenigen Teile verlaufen soll, die sich im Sondereigentum erhalten, gegenüber den Teilen, die aus dem 35 ) Ebel (Arch. f. ziv. Pr. 141, 183 (192)) stellt die Entscheidung der Eigentumsfrage auf den konkreten Fall ab. Aus der jeweiligen tatsächlichen Lage des Gebäudes soll geschlossen werden, ob der in § § 93 u. 94 Abs. 2 B G B niedergelegte Grundsatz so stark sei, daß er die Bestandteilszugehörigkeit eines der Gebäudeteile zu dem Grundstück, auf dem dieser Teil steht, zurückdränge und das Gesamtgebäude als Ganzes von einem der beiden Grundstücke (eben dem wirtschaftlich stärkeren) umfaßt werde (nach § 94 Abs. 1). Das sei dann der Fall, wenn der eine Teil des Gebäudes so erheblich sei, daß er als Hauptsache gegenüber dem kleineren Teil angesprochen werden könne. Dann soll der kleinere Teil als wesentlicher Bestandteil der Hautpsache gelten, die als „Gebäude" gem. § 946 B G B im Eigentum des Grundstückseigentümers stehe. Hiernach würde also der hauptsächlichste Teil des Gebäudes das rechtliche Schicksal des Ganzen und damit auch des Überbaus bestimmen. Wenn jedoch ein erhebliches offensichtliches Übergewicht des einen Gebäudeteils nicht bestehe, könne keines der Grundstücke das ganze Haus als Bestandteil erfassen und es müsse deshalb die Sacheinheit des Gebäudes der Zugehörigkeit der Teile zu den Grundstücken weichen; in solchen Fällen trete Teileigentum nach Kopfteilen ein. Diese Ansicht leidet daran, daß sie die Frage, wem das Eigentum am übergebauten Gebäudeteil zustehen soll, von dem unsichern, oft schwer feststellbaren und auch der Veränderung unterworfenen Umstand abhängig macht, ob ein erhebliches Übergewicht des einen Gebäudeteils über den anderen gegeben sei. Es ist durchaus denkbar, daß mit den Fortschritten in Wirtschaft und Technik das Übergewicht von dem einen Gebäudeteil auf den anderen sich verlagert; soll etwa in solchen Fällen eine erneute Verschiebung in den Eigentumsverhältnissen eintreten ? Das würde zu unhaltbaren Folgerungen führen, die mit der Rechtssicherheit unvereinbar sind. Wenn man schon in Fällen, in denen kein Gebäudeteil ein erhebliches, offensichtliches Übergewicht über den anderen hat, Miteigentum der Grundstückseigentümer nach Kopfteilen annimmt, so ist kein Grund einzusehen, warum ein solches Miteigentum nicht allgemein ohne Rücksicht auf ein etwaiges Übergewicht des einen Teils über den anderen in Betracht gezogen wird.

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Sondereigentum ins Miteigentum treten. Wo sollen z . B bei einer festen Scheidemauer von i m Dicke die von der Grenze geschnittenen „Stücke" aufhören? Es kann doch wohl kaum das Eigentum an Teilen bis zu 5, 10, 15 cm Entfernung von der Grenzlinie durch die Trennung berührt werden., die weiter entfernten Teile nicht. Eine solche Mauer kann durch die Verhärtung des Mörtels so zusammengewachsen sein, daß sie ohne Zerstörung der einzelnen Steine, durch welche sie zusammengesetzt ist, gar nicht auseinandergenommen werden kann. Man könnte darauf antworten, daß eben dann alle Bestandteile dieser Mauer nach der Trennung vom Boden ins Miteigentum fallen. Soll das dann anders sein, wenn der Mörtel die Mauersteine weniger fest zusammenhält ? Eine Entscheidung, die zu solchen Widersprüchen und Künsteleien führt, kann unmöglich von richtiger Grundanschauung ausgehen. Die logische und juristische Unmöglichkeit der Zerlegung von Teilen der Einheitssache steht ihr entgegen. Läßt man diese Unmöglichkeit in den Hintergrund treten gegenüber der doch nur rechtspolitischen Vorschriften des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit", dann führt das bei Grenzeinrichtungen zu Ergebnissen, die mit den Anschauungen des Verkehrs unverträglich sind. Man muß sich nur freimachen von der Anschauung, die Grenzeinrichtung in erster Linie nach ihrem Zusammenhang mit dem Grund und Boden zu beurteilen. In Wahrheit ist ja doch der Zusammenhang der Teile untereinander von vorneherein inniger als der Zusammenhang mit dem Boden. Die Steine der Mauer sind zunächst Bestandteile der Mauer, erst mit dieser und durch sie werden sie zum Bestandteil des Grundstücks. Davon muß man auch bei der rechtlichen Würdigung ausgehen und den Zusammenhang des Steines mit der Mauer auch in seiner Wirkung dem Zusammenhang des Steines mit dem Grundstück voranstellen. Der Zusammenhang des Steines mit der Mauer ist auch stärker. Bei einer durch Verhärtung des Mörtels zusammengewachsener Mauer läßt sich denken, daß man die Mauer vom Boden trennt und die Steine bleiben dennoch beisammen. Der Natur der Sache entsprechend muß demnach auch der rechtliche Zusammenhang der Teile untereinander für stärker erachtet werden, als der rechtliche Zusammenhang der Teile mit dem Grundstück. Dann bleibt aber für die rechtliche Beurteilung des Eigentumsverhältnisses keine andere Wahl als die mit dem Rechtsbewußtsein, der Verkehrsanschauung und der Rechtsüberlieferung im Einklang stehende Annahme eines Miteigentums an der Grenzanlage 36 ). Die Anlage selbst bleibt ungeteilt (§921 BGB), nur das Herrschaftsrecht an der Anlage wird in Teile zerlegt. Genau die36 ) Miteigentum nehmen an: Crome 428 f., und 299 Nr. 3; Landsberg 2, 645; Cosack 2, 160; Breit in FischersZ 38, 185£.; Waller, JW 1909, 945 und in RheinArch. 107, 87fr.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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selbe Erwägung, die das Reichsgericht dazu bringt, nach der Trennung vom Grundstück Miteigentum an den vorher von der Grenze geschnittenen zusammenhängenden Bestandteilen der Sache anzunehmen, führt zur Annahme des Miteigentums an der noch stehenden Anlage. Denn „da eine Sonderinhabung an ihnen tatsächlich nicht möglich" ist, sind sie „mit Rechtsnotwendigkeit Miteigentum der beiden" Nachbarn. Sie sind es nach der Trennung und, weil die Tatsache der Trennung auf das bestehende Eigentum keinen Einfluß ausüben könnte, auch schon vor der Trennung. Das Miteigentumsrecht an der Grenzanlage ist als subjektiv dingliches Recht untrennbar mit dem Eigentum der Nachbargrundstücke verbunden. Insoweit kommt die Abhängigkeit der Anlage von dem Grund und Boden, auf welchem sie steht, und somit der Grundsatz des § 94 Abs. 1 zur Geltung. Die Voranstellung des Grundsatzes von der Untrennbarkeit der Bestandteile führt aber zu einem weiteren Rechtskonflikt, wenn die Einheitssache (Mauer), um deren Teile es sich handelt, selbst wieder ein Bestandteil einer anderen Anlage (Haus) ist; wenn z.B, eine auf der Grenze stehende Mauer die Scheidewand von zwei Häusern bildet, dergestalt, daß sie ebenso gut zu dem einen Haus gehört wie zu dem anderen. Die beiden Häuser stehen in Alleineigentum. § 93 bestimmt, daß sich das Eigentum auf die wesentlichen Bestandteile erstreckt. Die Mauer, und zwar die ganze Mauer, ist wesentlicher Bestandteil des Hauses Nr. 1 nicht mehr und nicht weniger als des Hauses Nr. 2. Es trifft also bei konsequenter Durchführung des § 93 an der ganzen Mauer das Alleineigentumsrecht des einen mit dem Allgemeineigentumsrecht des anderen zusammen. Es würde keine Lösung des Konfliktes, sondern nur ein Ausweichen bedeuten, wenn man d e s h a l b den § 93 völlig preisgeben und sich auf den Standpunkt des § 94 Abs. 1 (superficies solo cedit) zurückziehen wollte. Denn wenn die Vorschrift des § 94 Abs. 1 nicht bestünde, müßte der Konflikt, der sich ausschließlich im Rahmen des § 93 selbst bewegt, doch auch gelöst werden. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß dieser Konflikt gerade eine Folge der Unbeweglichkeit der beiden Häuser, also eine Folge ihrer festen Verbindung mit dem Grund und Boden ist. Allein die Preisgabe des § 93 und der Rückzug auf den Rechtsboden des § 94 Abs. 1 führt zu demselben Konflikt. Denn der Grundsatz des § 94 Abs. 1 gilt nicht ausnahmslos. Nach § 95 gehört nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstückes ein Werk, das in Ausübung eines (dinglichen) Rechts von dem Berechtigten mit dem Grund(allerdings mit bedenklichen Folgerungen); Rhein Arch. 1 1 0 , 1 5 1 ; Brugger in BadRspr. 1 9 1 1 , 60 und in BadNotZ 1912, 7; Delbrück Arch. BürgR 39, 456; Schmitt Bay Zt. 1915, 58; Kisch KrVjSchr. 61, 362; Bergenroder in JW 1937, 970; Staudinger-Seufert Randb. 12 zu § 921; Meisner-Stern-Hodes § 7 III 3. A . M. R G 70, 201; 162, 212; R G R Kom. Bern, i a ; Palandt Bern. 4; Erman Bern. 1 je zu § 921; Westermann § 66, I V 2:

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stück verbunden worden ist. Ist das eine Haus mit der halbscheidigen Mauer mit Zustimmung des Nachbars errichtet, so hat man es schon vor dem Anbau mit einer Grenzeinrichtung des § 921 zu tun, folglich darf die Mauer nicht ohne Zustimmung des Eigentümers des zuerst gebauten Hauses beseitigt werden (§ 922). Dieses dingliche Recht auf das Halten der Mauer, soweit sie auf fremden Boden steht, fällt unter § 95 (s. unten § 8). Daraus folgt, daß auf den übergebauten Mauerteil nicht § 94 Abs. 1, sondern § 94 Abs. 2 und § 93 anzuwenden ist, mithin auch dieser Mauerteil im Alleineigentum des Gebäudeeigentümers steht. Hat dann der Nachbar an das Gebäude angebaut, so hat er das gleiche dingliche Recht, an dem auf den Boden des ersterrichteten Gebäudes stehenden Mauerteil. Er kann sich deshalb mit demselben Rechte, wie sein Nachbar, darauf berufen, daß der (von seinem Grundstück aus betrachtet) hinübergebaute Teil der Mauer nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Nachbargrundstückes gehört, sondern als wesentlicher Bestandteil seines Hauses in seinem Alleineigentum steht. Also auch im Rahmen der §§94 Abs. 1, 95 stößt das Alleineigentum des einen Nachbarn auf das Alleineigentum des andern mit der rechtlich unabweisbaren Folge, daß sie beide Mi teigentümer der ganzen Mauer sind. Das deckt sich mit der Tatsache, daß die ganze Mauer gemeinschaftlich ist. Es ist nicht wahr, daß jedem an der einen Hälfte die ausschließliche Einwirkungs- und Ausschlußbefugnis zusteht. Die Macht der Tatsachen erzwingt die Behandlung der Scheidewand als einer gemeinschaftlichen. Wenn § 93 zwei verschiedenen Personen das volle und ausschließliche Herrschaftsrecht an derselben Sache zuspricht, so kann es logischerweise gar nichts anderes sein als Miteigentum. In dem Zusammentreffen von zwei Alleineigentumsrechten in derselben Sache ist begrifflich Miteigentumsrecht gegeben37). Es ist kein Ausfluß des Eigentums am Grund und Boden, sondern untrennbar mit dem Eigentum am Gebäude verbunden. Solange nur ein Haus besteht, gehört die ganze Grenzmauer, die von der Grenze durchschnitten wird, zu diesem Haus. Wird das Nachbarhaus angeS7 ) § 947 bestimmt: Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, daß sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zurzeit der Verbindung haben. Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. Gewiß gilt diese Vorschrift nur für bewegliche Sachen; die Erlassung einer Vorschrift für den Fall der Verbindung mehrerer unbeweglicher Sachen hat der Gesetzgeber — wie zugegeben werden muß — bewußt unterlassen, weil er sich vorgestellt hat, daß eine solche Verbindung mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 94,946 rechtlich nicht möglich sei. Diese Möglichkeit wird aber durch die Macht der Tatsachen erzwungen und die sich hieraus ergebende Gesetzeslücke muß dann eben durch analoge Anwendung des in § 947 anerkannten Prinzips ausgefüllt werden.

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baut und die Scheidewand auch diesem Nachbarhaus als wesentlicher Bestandteil einverleibt, so verwandelt sich das bisherige Alleineigentum des einen Nachbarn in Miteigentum der beiden Nachbarn. Reißt der Nachbar, der zuerst gebaut hatte, sein Haus ab, so muß er die ganze Mauer stehen lassen und der andere wird von selbst Alleineigentümer der ganzen Mauer38). Allenthalben sehen wir, wie der wirtschaftliche Zusammenhang der Sachbestandteile (§93) dem Zusammenhang mit dem Boden vorangeht und der Grundsatz superficies solo cedit zurücktritt. Die hier vertretene Ansicht wird (von einer Ausnahme abgesehen) nunmehr auch vom B G H geteilt39). An der vertikalen Aufteilung des Eigentums an der Grenzmauer lotrecht über der Grenze hält der B G H noch im Falle des unentschuldigten Überbaues fest, also dann, wenn der Überbau vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt, oder wenn dem Überbau vorher oder sofort anschließend vom Nachbarn widersprochen wird40). Der B G H begründet diese Ansicht damit, daß ein anderes Ergebnis (Miteigentum beider Nachbarn oder Alleineigentum des Überbauenden) zu einem nach dem Rechtsempfinfen unbefriedigenden Ergebnis führe und daß der unberechtigt Überbauende nicht den Schutz der Rechtsordnung verdiene. Diese Begründung erscheint wenig stichhaltig, da unsere Rechtsordnung in anderen Fällen durchaus unbefriedigende Ergebnisse positiv herbeiführt, so z. B. die Bestimmungen der §§ 946fr. B G B . Der Dieb erwirbt Eigentum an gestohlenen Ziegelsteinen, wenn er sie beim Bau seines Hauses verwendet. Für die Frage des Eigentums an der Grenzeinrichtung kann es eben nicht auf die Vorstellungen und den Willen der beteiligten Eigentümer ankommen, sondern allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Sachbestandteile entscheidet über die Eigentumsfrage 41 ). Im übrigen hat der B G H seine Ansicht in der Entscheidung vom 2. 2. 1965 (NJW 65, 811) insoweit eingeschränkt, als das vertikal aufgeteilte Eigentum beim unentschuldigten Überbau sich in Miteigentum verwandelt, wenn der überbaute Nachbar seinerseits anbaut. In Anbetracht dieser 38 ) E r -wird daraus nicht verpflichtet, dem Eigentümer des zuerst gebauten Hauses den Wert der halben Mauer zu ersetzen. Zwar hat dieser einen Rechtsverlust erlitten, den der andere als Vorteil erlangt hat; er hat ihn auch ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 812 erlangt. Aber die ganze Mauer, die auch jetzt noch der Wirkung nach die Grenze scheidet, ist Bestandteil der noch vorhandenen Grenzeinrichtung geblieben, und derjenige, der sein Haus abgerissen hat, ist berechtigt, jederzeit die Mauer wieder zum Anbau zu benützen. Es wird also nur die Hälfte der so b e l a s t e t e n Mauer erworben. Der Erwerber hat somit nicht mehr Befugnis durch den Erwerb erlangt, als er schon vorher hatte und infolgedessen ist der Geldwert des erworbenen Eigentumsrechts gleich Null. 39 ) B G H N J W 1955, 257; 1959, 1364; 1962, 149; 1963, 1868; 1965, 811. « ) B G H N J W 58 1182. 41 ) Vgl. Hodes N J W 1965 S. 2088, Meisner-Stern-Hodes § 7 i n 3.

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Entscheidung ist es daher um so weniger verständlich, wenn der B G H nach wie vor beim unentschuldigten Überbau v o r dem Anbau an dem vertikal aufgeteilten Eigentum fest hält. 4. Die vorstehenden Darlegungen führen auch für das Übergangsrecht (Art. 181 E G B G B ) zu einer von der herrschenden Meinung abweichenden Ansicht. Die herrschende Meinung, die lehrt, daß nach B G B ein vom Grundeigentum getrenntes Gebäude nicht existieren kann, daß also nur Sondereigentum an vertikal geteilten Bauwerkteilen denkbar sei, muß gemäß Art. 181 Abs. 1 E G das bestehende Miteigentum in real geteiltes Eigentum überleiten42). Das bedeutet einen völligen Bruch mit der früheren Rechtsentwicklung, da nach gemeinem, rheinischem und preußischem Recht Grenzeinrichtungen als im Miteigentum der Nachbarn stehend erachtet werden43). Die herrschende Meinung beseitigt diesen Rechtszustand, so daß das frühere Miteigentum in real geteiltes Eigentum übergeführt werden muß. Nach der hier vertretenen Ansicht bleibt das Miteigentum bestehen, allerdings nach Art. 181 Abs. 1 E G . gemäß den Normen des B G B . über Miteigentum und Gemeinschaft44). Auch etwa begründetes Gesamthandseigentum bleibt aufrechterhalten46). Im Gegensatz zur herrschenden Meinung müßte sogar Sondereigentum an Teilen der Grenzeinrichtung, wie es nach der für ALR 4 6 ) herrschenden Ansicht zur Entstehung gelangt sein kann, in Wegfall kommen und in Miteigentum nach Bruchteilen überge42 ) Vgl. R G in Gruchots 45, 1018; R G K Bern. 8 zu § 921; Endemann 458 Anm. 24; Kretzschmar Bern. 4 zu § 921; SächsAnn. 33, 18 (Dresden). 43 ) Gem. Recht: Demburg, Pand. 642 Anm. 1 7 — 1 9 ; Kohler, ges. Abh. 170f.; SeuffA. 22 Nr. 216; 34 Nr. 99; 35 Nr. 99; SächsAnn. 33, 186; Stölzel, ArchPraktRw. N F 4, j f f . A L R : Rehbein 1, 287^; StriethorstArch. 54, 170; 74, 257; 100, 74; OTr. 48, 25. Abweichend zum Teil die Rechtslehre Demburg, 533 Nr. 1 7 ; Förster-Eccius 74 Nr. 25. F r a n z . R e c h t : Zachariae-Crome 1,529ff.; Kohlera. a. O. i75;Dernburg-Kisch486; Aron, Els.-Lothr. AusfGes. § 91 Nr. 2; Aubry-Rau 2, § 222 S. 417; Bandry-Lacantinerie 636 Nr. 9 3 1 ; Habicht 4 1 1 , 4 1 3 ; Maenner, Recht 1900, 410; R G 60, 3 1 1 ; BadRspr. 1903, 565; Scherer, E G 163 Nr. 219, der sogar Gesamthandeigentum annimmt. 44 ) Ebenso Biermann Bern. 2 zu § 921; Crome 300 Anm. 26; Goldmann-Lilienthal 63 Anm. 26, 45 ) Vgl. Planck Bern. 6; Niedner Bern. 5a; Staudinger Bern. 4b zu Art. 1 8 1 ; Habicht 410; RheinArch. 108, 299 (Köln), die die Ansicht vertreten, daß das in Art. 181 Abs. 2 aufrecht erhaltene Gesamthandeigentum sich lediglich beziehe auf besondere Fälle (z. B. adelige Ganerbschaften), nicht auf Gesamthandeigentum, das sich aus allgemeinen Lehrsätzen der Gesetze ergibt. Diese Unterscheidung ist zwar in den Protokollen V I , 517a enthalten; sie hat aber im Gesetz selbst keine Aufnahme gefunden. Es muß daher der unzweifelhafte und unzweideutige Gesetzestext den Vorrang behalten. Ebenso Giercke 389 Nr. 61 und Strübbe, BadRspr. 1903, 96 fr. 48 ) Gemeinrechtlich war die Frage bestritten, vgl. Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 86.

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§ « III 5, IV

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leitet werden; denn für den Inhalt des Eigentums gilt gemäß Art. 181 E G neues Recht. 5. Das Rechtverhältnis an Gren2einrichtungen ist danach gemäß §§921, 922 wie folgt aufzufassen. Bei Grenzanlagen, die im Miteigentum stehen, trifft, wenn die Vermutung des § 921 eingreift und unwiderlegt bleibt, Gemeinschaft an Eigentum und Benutzung zusammen, diese ist ein Ausfluß jener, wie bei jedem Miteigentum, nur mit etwas abweichender Regelung der Gemeinschaftsrechte und -pflichten. Fällt die Vermutung des § 921, so gelten die gewöhnlichen Regeln für Miteigentum. Kommt bei Grenzflächen, an denen ja real geteiltes Eigentum vorliegt, die Vermutung des § 921 in Anwendung, so ist einerseits jeder der Nachbarn in seinem Eigentum beschränkt durch das gemeinschaftliche Benutzungsrecht47), welches die Einwirkungs- wie die Ausschließungsbefugnis des § 903 bezüglich der eigenen Fläche entsprechend einengt. Zugleich ist aber auch dem Eigentum jedes Nachbarn eine den gesetzlichen Eigentumsinhalt übersteigende Einwirkungsmacht auf die fremde Fläche zugelegt. Jeder Nachbar benutzt daher die Grenzanlage aus demselben Rechtsgrund, nämlich auf Grund seines Eigentums an dem Flächenteil48). Das Benutzungsrecht ist zugleich wesentlicher Bestandteil des Eigentums am Grundstück eines jeden Nachbarn gem. § 96 BGB und kann deshalb nicht gesondert auf Dritte übertragen werden. Gegen jede Beeinträchtigung ist daher der Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 BGB gegeben. IV. Äußere Merkmale f ü r und gegen das Sondereigentum eines Nachbars Die Vermutung des § 921 kann, außer durch den Nachweis der Grenze, welche die Einrichtung ganz dem einen Grundstück zuweist (s. darüber oben § 7 III) dadurch widerlegt werden, daß äußere Merkmale auf das Sondereigentum eines Nachbarn hinweisen. Es kommt nicht darauf an, ob die Merkmale auf Sonderbenutzung hinweisen, sondern auf Sondereigentum wird abgestellt49) Trotz solcher Merkmale kann ein gemeinschaftliches Benützungsrecht bestehen; es wird nur nicht vermutet50). 47 ) Es gibt nur ein gemeinschaftliches Benutzungsrecht, nicht zwei parallel laufende Befugnisse: Prot. 3, 130; Turnau-Förster Bern. 2 zu §§ 921, 922; Wolff-Raiser SR § 58; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 922 B G B ; Crome 300; Goldmann-Lilienthal 64/5. Unrichtig ist daher die Auffassung, als entfließe das Nutzungsrecht auf die eigene Fläche dem Grundeigentum, daß auf den fremden Teil einer eigenen „gesetzlichen Grunddienstbarkeit"; so Wolff im Recht 1900, 176; R G in WarnR 1 9 1 1 Nr. 243 u. 1916 Nr. 169; Staudinger-Seufert Randb. 9 zu § 922. 4 °) Breit in Fischers Z 38, 174ff. Staudinger-Seufert Randb. 18 zu § 921. ""j Vgl. Breit a. a. O. — Über Ersitzung einer Reihe nach bayer. L R , s. ObLG. 16, 58.

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Gren2einrichtungen

§ 7 IV

Welcher A r t die Merkmale sein müssen, die auf Sondereigentum hinweisen, bestimmt das B G B nicht, während die früheren Vorschriften hierüber vielfach genaue Bestimmungen trafen. Für die am i . i . 1900 bestehenden Grenzeinrichtungen bleibt in dieser Beziehung das frühere Recht maßgebend 61 ). D i e zeitliche Geltung v o n gesetzlichen Vermutungen bestimmt sich nach dem materiellen Rechtsgebiet, für das Beweisregelung getroffen wird 52 ). Dieses ist hier der Eigentumserwerb, der nach altem Recht zu beurteilen ist53). Übrigens geben die in den früheren Rechtsquellen aufgestellten diesbezüglichen Normen nur Erfahrungssätze wieder, die — wenn auch nicht mit bindender Kraft — auch für die nach dem 1. 1. 1900 entstandenen Grenzeinrichtungen anzuwenden sind. Im Bezirke des gemeinsamen Rechts waren gesetzliche Merkmale überhaupt nicht bestimmt und hatte man sich daher nach den durch die Erfahrung gewonnenen Regeln zu richten 54 ). Hierfür dürfen auch die Normen anderer Rechtsquellen herangezogen werden. D a ß die äußeren Merkmale sich gerade an der Grenzeinrichtung selbst befinden, ist nicht erforderlich. W i n k e l . Wenn in einen Winkel (Häuserreihe) bisher nur einer der Nachbarn die Traufe hat fallen oder allein dorthin Gossen hat ausmünden lassen oder allein Fenster in seiner daran angrenzenden Wand hat, so wird vermutet, daß der Zwischenraum ihm allein gehöre 65 ). Wenn ein Winkel von nicht zu geringer Längsausdehnung nur dem einen Nachbar zugänglich ist, so spricht dies dafür, daß er diesem allein gehört. G r a b e n . Befindet sich der Auswurf eines Grabens oder Kanals nur auf dem Grund und Boden des einen Nachbars, so ist zu vermuten, daß diesem die Gr enzeinrichtung allein gehört 5 '). Bei M a u e r n sind die äußeren Merkmale, welche daraufhinweisen, daß sie einem der Nachbarn allein gehören, verschieden, je nachdem es sich um Mauern handelt, welche den Nachbarhäusern als Wände dienen, oder um solche Mauern, welche die Hofräume, Hausgärten usw. der Nachbarn voneinander trennen. Bei Hausmauern, die als Wände der b e i d e n Nachbarhäuser dienen, gibt es nur wenige Merkmale, welche dartun, daß die Mauer nur einem der Nachbarn gehört. Wenn 6 l ) Habicht 398; Niedner Bern. 2b zu Art. 181; O L G 4, 294 (Zweibrücken); wohl auch Planck Bern. 4b zu Art. 181. Vgl. auch R G Z 53, 370; Wolff in Recht 1900, 478. A . M. dagegen Schröder, PucheltsZ. 36, 227; Dernburg, Sachenrecht 242. 52 ) Hedemann, Die Vermutung 346fr.; Affolter, Intemporales Privatrecht 95. 63) Planck Bern. 3a; Staudinger Bern. F 3b zu Art. 181. M ) Vgl. Schelhaß 99. 65) A L R . I, 8 § 121; Ulmer Bauordnung X I 1 ; Memminger Bauordnung. Derselbe Grundsatz hat auch nach fränkischem Landrecht gegolten, vgl. Würzburger Stadtbaurecht, dritter Abschnitt § 3. (Hiernach wird vermutet, daß eine Giebelwand kein Winkelrecht hat. Wird ein Winkel von der Traufwand des einen Nachbars und von der Giebelwand des anderen Nachbars begrenzt, so muß daher vermutet werden, daß er dem ersteren allein gehört). S. d. n. unten § 24. 66) Diese Vermutung ist im A L R I, 8 § 188 und Code civil Art. 668 ausgesprochen, ist aber als allgemein gültige Regel zu erachten, vgl. Roth, Bayer. Zivilrecht 2, 66.

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nur das Gebälke des einen Hauses auf der Mauer und nicht nur aut" der halben Dicke der Mauer, sondern auf ihrer ganzen Dicke aufliegt, dann ist anzunehmen, daß sie zu diesem Hause gehört 67 ), wogegen umgekehrt Miteigentum vermutet wird, wenn die Balken der beiden Häuser gleich tief in der Mauer liegen58). Wenn eine Miuer, die überhaupt kein Gebälk trägt, über das Gebäude des einen Nachbars hinausragt, so daß sie sich nur unter dem Dache des anderen Nachbars befindet, gehört sie dem letzteren59). Doch kann die Beweiskraft dieser Merkmale wiederum dadurch ausgeschlossen werden, daß andere Merkmale die Gemeinschaftlichkeit dartun, so z. B. wenn durch die Mauer eine Abtrittsröhre 60 ) oder ein Kamin 61 ) geht, der von beiden Nachbarn gemeinschaftlich benützt wird, oder wenn auf der Stirnseite der Mauer in deren Mitte ein Abzugsrohr (Nüst) senkrecht zum Boden führt, welches das von den Dachtraufrinnen beider Nachbaranwesen kommende Wasser aufnimmt 62 ). Die Gemeinschaftlichkeit an einer Scheidemauer ist unter besonderen Umständen selbst dann möglich, wenn sie einen konstruktiv notwendigen Bestandteil des zuerst errichteten Hauses und die Abschlußwand des von demselben Besitzer später daran angebauten Hauses bildet. Wird später ein Haus wegverkauft und hierbei ausdrücklich bestimmt, daß die Scheidewand gemeinschaftliches Eigentum sein solle, so hat man es mit einer Grenzeinrichtung zu tun63). Bei Mauern, durch welche die Hofräume und Hausgärten der Nachbarn voneinander geschieden werden, sind die Merkmale, welche darauf hinweisen, daß die Mauer nur dem einen Nachbar gehört, zahlreicher. Solche sind darin zu finden, wenn nur an der einen Mauerseite Pfeiler, Bogen, Tragsteine, Vertiefungen (Blenden), Blindfenster, eiserne Ringe, eingehauene Wappen und Schriften sich vorfinden. Die Mauer gehört demjenigen, auf dessen Seite sich die Pfeiler, Bogen usw. befinden64). Besonders wichtig ist der Umstand, daß die Oberfläche der Mauer nur nach einer Seite geneigt ist (Traufe). Dies weist daraufhin, daß die Mauer dem Nachbar gehört, auf dessen Seitesich die Traufe befindet 65 ). Ein weiteres Merkmal liegt vor, wenn eine Mauer, die unten dicker ist als oben, auf der einen Seite lotrecht ist, so daß nur die andere Seite die nach oben laufende Verjüngung 67 ) Vgl. Amberger Bauordnung I X ; Würzburger Bauordnung I V § 6; Mainzer Bauordnung V I I § 23; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 92. 68 ) Mainzer Bauordnung VII, § 23. 59 ) Vgl. Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I 1—5; Mainzer Bauordnung V I I 23; Ulmer Bauordnung V I 4 — 1 1 ; Memminger Bauordnung X 4—13; Schelhaß, Nachbarrecht 98. 60 ) Vgl. Würzburger Stadtbaurecht V I § 6. 61 ) Vgl. Mainzer Bauordnung V I I § 23. 6 ') Vgl. Ulmer Bauordnung V I § 4 — 1 1 ; Memminger Bauordnung X § 4 — 1 3 ; Augsburger Bauordnung I § 32—36. 63 ) R G 53, 309. Wäre eine solche Vereinbarung nicht nachweisbar, so wäre für das zuletzt erbaute Haus nur die Bestellung einer Grunddienstbarkeit durch Widmung anzunehmen. Der Grunddienstbarkeitsberechtigte darf die Mauer n u r in dem bisherigen Umfange benützen. 64 ) Vgl. A L R Tl. I Tit. 8 § 160; Würzburger Bauordnung I V § 6; Regensburger Wachtgerichtsordnung V I § 1 — 5 ; Mainzer Bauordnung V I I § 23; Ulmer Bauordnung V I § 4 — n ; Memminger Bauordnung X § 4—13; Augsburger Bauordnung I § 32—36; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 92; Schelhaß, Nachbarrecht 97 f. 66 ) Vgl. Code civil Art. 654; A L R I, 8 § 159; Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I ; Würzburger Stadtbaurecht I V § 8. — Vgl. SeuffBl. 43, 93: Wenn sich der Horsch oder die Platten nach beiden Seiten neigen, so kommt nichts darauf an, wenn die Neigung des Horsches gegen die eine Seite stärker ist, als gegen die andere; die Mauer gilt als gemeinschaftlich.

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Grenzeinrichtungen

§7

IV, V

der Mauer zeigt. Die Mauer gehört demjenigen, auf dessen Seite sich die Verdickung der Mauer befindet. Ist die eine Seite der Mauer rauh, die andere aber glatt, so spricht dieser Umstand für das ausschließliche Recht desjenigen Nachbars, dem die rauhe Seite zugekehrt ist88). Ist ein Grundstück ringsum von einer Mauer umgeben, das daran angrenzende Nachbargrundstück aber nicht, so ist die Mauer als zu ersteren gehörig zu betrachten. Eine H e c k e muß dann als dem einen Nachbar gehörig erachtet werden, wenn dieser sein Grundstück auch an der anderen Seite eingezäunt hat, während dies bei dem Nachbargrundstück nicht der Fall ist67). Der H o l z z a u n gehört dann dem einen Nachbarn ausschließlich, wenn auf der diesem zugekehrten Seite allein die Pfostenständer oder Stiele stehen68). Aus dem Umstand auf welcher Seite auschließlich die Häupter der Nägel stehen, läßt sich ein verlässiger Schluß nicht ziehen69). Eine D u n g s t ä t t e auf der Grenze wird dann als ausschließlich dem einen Nachbarn gehörig erachtet, wenn nur von dessen Haus ein Rohr in dieselbe mündet und auch sonst keine Rinne von dem anderen Anwesen in die Dungstätte führt70). Der sogen, hohe R a i n , d. h. der zwischen einem höher und einem tiefer liegenden Grundstücke befindliche Abhang, gehört nach seiner natürlichen Beschaffenheit zum oberliegenden Grundstück 71 ). Dies gilt aber nur bei ganz auffälliger Niveauverschiedenheit der beiden Grundstücke. V. Inhalt

des

gemeinschaftlichen

Benützungsrechtes

Ist im gegebenen Fall in Gemäßheit des § 921 B G B die gemeinschaftliche Berechtigung beider Nachbarn zur Benützung der Grenzeinrichtung gegeben, so fragt sich, welchen Inhalt dieses Benützungsrecht hat. Hierüber stellt § 922 B G B die N o r m auf. Jeder Nachbar kann die Grenzeinrichtung zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benützen als nicht die Mitbenützung des anderen beeinträchtigt wird 7 2 ). D i e Nachbarn können Inhalt und Umfang des Mitbenutzungsrechts durch besonderen Vertrag (Bestellung einer gegenseitigen Grunddienstbarkeit) regeln. Wird eine Grenzanlage v o n einem der Nachbarn ohne Z u s ü m m u n g abgebrochen, so kann der andere die Neuerrichtung verlangen 7 3 ). Welcher Z w e c k sich aus der Beschaffenheit der Grenzeinrichtung ergibt, ist aus ihren objektiven Merkmalen nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu entscheiden. Vielfach geht der Z w e c k nicht weiter, als eine Scheidung der 69 ) Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 92; Schelhaß, Nachbarrecht 100. " ) Vgl. Code civil Art. 670. 6S ) Vgl. Augsburger Bauordnung I 5 1 ; A L R I Tit. 8 § 154; Roth, Bayer. Zivilrecht 2, 67. 69 ) Nach Amberger Bauordnung I X soll die Planke demjenigen gehören, auf dessen Seite die Häupter der Nägel stehen; Memminger Bauordnung X 14 entscheidet genau umgekehrt. 70 ) Vgl. Augsburger Bauordnung I 53; Roth, Bayer. Zivilrecht 2, 68. 71 ) Dernburg, Sachenrecht 242; Dernburg, PrPrR J52f. 72 ) Vgl. Gruch 52, 1061. 73 ) Vgl. L G Göttingen NdsRpfl. 58, 92.

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§7 v

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beiden Grundstücke herbeizuführen. Bei anderen Grenzeinrichtungen liegt der Zweck in der Abwendung der Feuersgefahr, der Ableitung des Dachtraufwassers, der Ermöglichung des Durchgehens, der Zuführung von Licht und Luft usw. Nur eine dieser Zweckbestimmung entsprechende Benützung ist dem Nachbar gestattet. Will ein Nachbar ein weitergehendes Benützungsrecht behaupten, so muß er einen besonderen Erwerbsgrund, z.B. vertragsmäßige Bestellung oder Ersitzung einer Grunddienstbarkeit beweisen. Im einzelnen sind hiernach folgende allgemeine Gesichtpunkte gegeben: In die W i n k e l oder Häuserreihen dürfen Abwässer der Hauswirtschaft nicht geleitet werden, noch weniger Unrat und Fäkalien. Wenn freilich seit alters für die Abwässer oder Fäkalien Abzugsrohre oder sonstige Zuleitungen bestehen, welche in den Winkel einmünden, dann sprechen eben äußere Merkmale für die Befugnis zu solcher Benützung. Dem Nachbar ist es nicht verwehrt von seinem Anwesen eine Türe in den Winkel zu brechen, um ihn zum Zwecke der Reinigung zu betreten und auch sonst durchzugehen74). Ist ein solcher Gang der objektiven Beschaffenheit nach bestimmt, als Durchgang zu dienen, so muß es auch gestattet sein, mit einem Schubkarren d u r c h z u f a h r e n , dies selbst dann, wenn es mit Rücksicht auf die Enge des Ganges nicht möglich ist75). Andererseits ist es nicht gestattet, die Reihe zur Aufbewahrung irgendwelcher Gegenstände (z. B. Lagerung von Holz oder Steinen, Aufbewahrung von Handwagen, Dung 76 ) zu benützen; es müßte denn sein, daß eine vorhandene besondere Einrichtung das Gegenteil dartut, z.B. ein Schutzdach, oder eine Dunggrube usw. Wohl aber dürfen Gerüste in der Reihe zur Ausbesserung der Häuser aufgestellt werden77). Dem Teilhaber kann nicht verwehrt werden, durch Erhöhung seines Hauses der zur Lichtzuführung bestimmten Reihe Licht zu entziehen78). G r e n z r a i n e zwischen Feldern dürfen von den Teilhabern zum Zweck der Pflugwende benutzt, nicht aber durch Geröll oder Steine verschüttet werden79), es müßte denn sein, daß diese Zweckbestimmung des Raines äußerlich (durch vorhandene Steinauflagerung) ersichtlich ist. 74 ) V g l . i. 41 § 1 D 8, 2. Wolff im Recht 1900, 176. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn hierdurch das Mitbenützungsrecht des Nachbars beeinträchtigt werden würde; dies könnte der Fall sein, wenn die beiderseitigen dem Winkel zugekehrten Hauswände überhaupt keine Öffnungen haben und somit infolge dieser Beschaffenheit die ganze Einrichtung dem Schutz gegen Feuersgefahr zu dienen bestimmt erscheint. 76 ) Vgl. SeuffA 62 Nr. 207. 7 «) Vgl. Gruchot 27, 914 (RG). 77 ) Staudinger-Seufert Randb. 5 b zu § 922. 75 ) S. darüber unten § 7 V I F N 98; vgl. unten § 23. " ) Planck Bern, i a ; RGKomm. Bern. 2; Staudinger-Seufert Randb. 5 b zu § 922.

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F l u t g r ä b e n sind vor allem für die Zuleitung und die Entnahme von Wasser bestimmt; sie dürfen daher nicht plötzlich von einem Anlieger überflutet werden, z.B. dadurch, daß er auf seinem Grundstücke zahlreiche neue Torfgräben angelegt80). Bei G r e n z m a u e r n kann sich ebenfalls je nach der Beschaffenheit der Mauer ein verschiedener Zweck und somit auch eine Verschiedenheit der zulässigen Benützungsart ergeben. Eine Mauer, deren Zweck lediglich in der Scheidung der beiden Grundstücke besteht, darf nicht als Stütze für Balken benützt werden. Dagegen ist es dem Nachbarn unverwehrt, an derselben auf seiner Seite Gemälde oder Spalierlatten zum Ziehen von Pflanzen oder Haken für Leitern anzubringen81). Eine wesentliche Veränderung der Mauer ist nur mit Zustimmung beider Nachbarn zulässig. Sofern man die Vorschrift des Art 68 A G für ungültig erachtet (s. darüber unten S. 113), hat ein Beteiligter nicht das Recht, die Mauer gegen den Willen des anderen zu erhöhen (vgl. aber unten § 9). Eine halbscheidig gebaute Giebelmauer, an die der Nachbar noch nicht angebaut hat, darf von diesem zur Anbringung von Reklameschildern nicht benützt werden2)8; denn der Zweck dieser Grenzeinrichtung erschöpft sich in dem Anbau und der grenzscheidenden Wirkung. Eine Mauer, welche zwei Gebäude voneinander trennt, wird regelmäßig nach ihrer Beschaffenheit dazu bestimmt sein, die Last des beiderseitigen Gebälkes bzw. der Decken beider Häuser zu tragen und einen schall- und feuersicheren Abschluß der Häuser zu bilden83). Der Nachbar kann daher Balken in dieselbe einlassen. Eine Mauer kann von jedem der Nachbarn nicht nur bis zur Hälfte ihrer Dicke, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung benützt werden, sofern sich diese Art der Benützung aus der Zweckbestimmung der Mauer ergibt, was für den Einzelfall besonders zu entscheiden ist. So kann z. B. das Gebälk auf der ganzen Dicke der Mauer aufgelegt werden, während eine Aushöhlung der Mauer regelmäßig nur bis zur Hälfte der Mauer gehen darf84). Wenn die Mitbenützung des anderen Teiles dadurch nicht beeinträchtigt wird, dürfen Treppenstufen in die Wand auch über die Mittellinie hinaus eingefügt werden85). Ein Wandschrank darf nicht eingelassen werden, wenn dadurch der Zweck der Mauer, 80)

Gruchot 47, 1066 (RG). Vgl. Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 87. 82) O L G Köln RheinArch. 09 I, 200. A . M. B G H NJW 65, S. 811 für den Fall, daß eines der beiden mit der Grenzmauer verbundenen Gebäude durch Kriegseinwirkung zerstört worden ist; allerdings entgegen der vorangegangenen Rechtsprechung des B G H , zuletzt in NJW 65 S. 389. Vgl. hierzu Hodes NJW 65, S. 2088. 8S) SeuffA 66 Nr. 189 (RG). 84) Vgl. Maenner 178; JW 1885, 188 Nr. 40; Wolff im Recht 1900, 476. 8t ) JW 1911, 367; SeuffA 66 Nr. 189. 81 )

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einen schallsicheren Abschluß der Nachbarhäuser zu bilden, vereitelt würde86). Man darf sich aber bei Entscheidung dieser Frage nicht gerade den Fall denken, daß beide Nachbarn an derselben Stelle zur Einlassung eine Wandschrankes die Mauer bis zur Hälfte aushöhlen würden, denn die beiden Berechtigten haben gegenseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen87). Gas- und Wasserleitungsröhren, Abwasserrohre und sonstige Versorgungsleitungen darf jeder Nachbar einfügen. Nach heutiger Anschauung dienen die Mauern bestimmungsgemäß zur Aufnahme solcher Leitungsröhren. Auch darf der Nachbar regelmäßig seinen Kamin in die Mauer hineinstellen, sofern hierdurch nicht die Feuersicherheit gefährdet wird88). Selbstverständlich darf die Mauerwand getüncht oder tapeziert werden; es können Nägel und Kloben eingeschlagen werden. Eine Treppe kann an der Mauer mit ihren Stützpunkten angebracht werden. An der Stirnseite der gemeinschaftlichen Hausmauer kann die Dachrinne senkrecht zum Boden geführt werden, doch darf hierbei der eine Nachbar für sich nur soviel Raum beanspruchen, daß von der Dicke der Mauer derselbe Raum für den anderen Nachbar zum gleichen Zweck übrig bleibt. Über die Zuführung von Feuchtigkeit und ähnlichen Immissionen sind die für das Alleineigentum geltenden Grundsätze des Nachbarrechts (§§ 906 fr. B G B ) analog anzuwenden. In Art. 68 B a y A G B G B wird die Frage behandelt, ob der Nachbar berechtigt ist, die gemeinschaftliche Grenzmauer zu erhöhen 8 9 ). Nach dieser Vorschrift kann der eine Nachbar dem anderen nicht verbieten, eine zwischen ihren Grundstücken liegende und von beiden gemeinschaftlich benützte Mauer ihrer ganzen Dicke nach zu erhöhen, wenn ihm nachgewiesen wird, daß durch die Erhöhung die Mauer nicht gefährdet wird. Eine etwa erforderliche Verstärkung der Mauer muß auf dem Grund8

«) Vgl. SeuffA 66 Nr. 189. ) Vgl. O L G 4, 294; Cosack 2, 159; Dernburg, Sachenrecht 242. Ist die Mauer eine B r a n d m a u e r im Sinne des Art. 31 der Bauordnung, so ist sie gegen Einbrüche, die ihren Zweck gefährden, durch die Vorschriften der Bauordnung geschützt, wonach Öffnungen in Brandmauern im allgemeinen unzulässig sind und nur unter besonderen Voraussetzungen von der Behörde gestattet werden können. 8S ) Dernburg, Sachenrecht 242; Planck Bern, j a zu § 922. E s kommt also auf die tatsächliche Lage des Einzelfalles an. A L R I, 8 § 132, wonach ein Anlehnen von Öfen und Feuerherden schlechtweg verboten war, ist nicht mehr gültig. e9 ) Das bayerische Ausführungsgesetz hat die Bestimmungen, welche das preußische Ausführungsgesetz Art. 23 und 24 für den bisherigen Geltungsbereich des Rheinischen Rechtes getroffen hat, übernommen. Dieselben finden sich femer in den Ausführungsgesetzen von Anhalt Art. 34; Baden Art. 1 3 ; Bremen § 24; Hessen Art. 82. Für die Rechtsgültigkeit der Art. 23 und 24 pr. A G : Stranz-Gerhard Bern. 1 1 ; Chusen-Müller Bern. 1 ; Hodler Bern. 1 zu Art. 23 pr. A G : Endemann 459 Anm. 27 R G K Bern. 2 zu § 922; Turnau-Förster Bern. 8 zu § 921. Gegen die Gültigkeit: Biermann Bern. 1 zu § 922; Goldmann-Lilienthal 66 Anm. 1 ; Dernburg-Wölfl, Hess. Landesprivatrecht 262. 87

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stück durchgeführt werden, dessen Eigentümer die Erhöhung vornimmt. Die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift, die derjenigen in Art, 23 § 1 Pr. A G B G B wörtlich entspricht, ist umstritten. Die herrschende Meinung, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat90), sieht in Art. 124 E G B G B eine genügende Rechtsgrundlage für eine landesrechtliche Vorschrift, durch die einem Grundstücksnachbar das Recht zur Erhöhung einer gemeinschaftlich benützten Grenzmauer eingeräumt und näher geregelt wird; denn bei diesem Recht auf Mauererhöhung handle es sich um eine „andere Beschränkung" als die in § 922 B G B ausgesprochene, wonach jeder Nachbar eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ihrem Zweck entsprechend benutzen dürfe. Daß bei der Erhöhung die bestehende Mauer als Unterlage für den Aufbau benützt werde, spreche ebensowenig gegen die Gültigkeit der landesrechtlichen Vorschrift über das Recht zur Mauererhöhung wie die Annahme, daß die fragliche Grenzmauer im Miteigentum der beiden Nachbarn stehe. Als Miteigentümer seien die beiden Nachbarn auch Mitbesitzer der Mauer. Da durch den Höherbau keinem der Nachbarn der Besitz völlig entzogen werde, bestehe auch kein Besitzschutz für den Nachbarn, gegen dessen Willen eine Erhöhung ausgeführt werde. Gegen diese Ansicht wird im wesentlichen geltend gemacht, die Regelung des nachbarlichen Mitbenutzungsrechts in §§ 921 und 922 B G B sei erschöpfend und lasse keinen Raum für eine landesrechtliche Vorschrift. Art. 124 E G B G B biete keine Rechtsgrundlage dafür; denn das Erhöhen der Grenzmauer stelle ein Benutzen sowie ein Ändern der Mauer i. S. des § 922 B G B dar. Die Würdigung dieses Einwands führt zu folgendem Ergebnis : Art. 124 E G B G B gibt dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit, das Grundstückseigentum „noch anderen als den im B G B bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen". Zunächst ist daher zu prüfen, ob die Erhöhung einer Grenzmauer, wie dies in Art. 68 B a y A G B G B vorgesehen ist, überhaupt als eine Beschränkung des Eigentums an einem Grundstück aufgefaßt werden kann. Die Grenzmauer ist als einheitliche Grenzeinrichtung für sich betrachtet kein Grundstück, wohl aber wesentlicher Bestandteil der beiden benachbarten Grundstücke, auf denen sie steht, und wird insofern umfaßt von dem Miteigentumsrecht der beiden Nachbarn. Eine Beeinträchtigung des Miteigentums an der Grenzmauer wirkt sich

Vgl. R G Z 162, 2 1 3 ; O L G Düsseldorf in N J W 5 5 , 1 7 9 9 zu Art. 23 Preuß A G B G B , der dem Art. 68 Bay. A G B G B wörtlich entspricht; B G H in M D R 59, 565; B G H D N o t Z 1965, 2 9 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 44 zu § 922; Palandt Art. 124 E G B G B Bern. 1 ; Meisner-Stern-Hodes § 7 V und § 10, I.

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daher letzten Endes auch als solche des Eigentums an den Grundstücken der beiden Nachbarn aus. Die Erhöhung einer gemeinschaftlichen Grenzmauer stellt einen Eingriff in die Verfügungsmacht der Miteigentümer an der Grenzeinrichtung dar; denn es wird diesen zugemutet, zu dulden, daß eine in ihrem Miteigentum stehende Anlage als Unterlage für ein Bauwerk, nämlich für die Mauererhöhung Verwendung finden darf. Art. 68 BayAG B G B befaßt sich somit mit einer Eigentumsbeschränkung an einem Grundstück i. S. des Art. 124 E G BGB. Die weitere Frage ist nun die, ob diese Eigentumsbeschränkung „eine andere" ist, als diese im BGB ohnehin bereits bestimmt ist. Für eine Prüfung nach dieser Richtung kommt es darauf an, wie die Bestimmungen in § 922 in Verb, mit § 921 BGB auszulegen sind, insbesondere darauf, was unter „benutzen" in § 922 Satz 1 und unter „ändern" in Satz 2 zu verstehen ist, mit anderen Worten, ob das Erhöhen einer Grenzmauer als Benutzen oder als Ändern einer solchen i. S. der §§ 921, 922 BGB aufzufassen ist. Bei Auslegung des Begriffes „benutzen" ist nicht vom reinen Wortsinn im allgemeinen auszugehen, sondern von seiner Bedeutung im Rahmen des § 922. Hiernach ist dafür der Zweck, der sich aus der objektiven Beschaffenheit der Grenzeinrichtung als solcher ergibt, maßgebend. Dieser Zweck besteht im wesentlichen in dem Vorteil, den die Grenzanlage vermöge ihrer grenzscheidenden Wirkung für die beiden benachbarten Grundstücke hat. Darum ist z.B. das Anbringen eines Fensters in der Grenzmauer kein Benutzen i. S. des § 922. Ebensowenig fällt das Erhöhen der Mauer unter diesen Begriff, weil die Erhöhung mit der Grenzscheidung an sich nichts zu tun hat. Die Erhöhung der Grenzmauer ist auch keine Änderung i. S. von § 922 Satz 3; denn die Mauer erfährt durch die Erhöhung keine Änderung in ihrem Wesen, bleibt vielmehr genau im selben Zustand, in dem sie vor der Erhöhung war, da ihre Standfestigkeit vorher nachgewiesen werden muß. Die Mauererhöhung stellt zugleich eine weitere Anlage, ein neues Bauwerk dar, das der Nachbar auf seinem Grundstück zu dulden hat. Insoweit liegt demnach eine „andere Beschränkung" vor, als im BGB vorgesehen. Art. 68 A G BGB muß daher als rechtsgültig erachtet werden). Nach § 922 darf die Grenzeinrichtung nur zu dem Zwecke benützt werden, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt. Das Recht auf Vergrößerung der Grenzeinrichtung ist zwar nicht ausdrücklich eingeräumt, aber auch nicht ausgeschlossen. Es wird in jedem Fall gesondert zu prüfen sein, ob die Interessen des Nachbarn beeinträchtigt werden. Im übrigen siehe unten § 9. Die nach der Zweckbestimmung der Grenzeinrichtung entsprechende Benützung darf nur soweit ausgedehnt werden, daß dem anderen Nachbar die Möglichkeit der gleichen Benützung für sein Grundstück bleibt. Unter 142

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Benützung hat man den tatsächlichen Gebrauch und die Nutzung zu verstehen. Ob F r ü c h t e und N u t z u n g e n von der Grenzeinrichtung zu ziehen sind, bestimmt sich nach dem Zwecke, der sich aus der Beschaffenheit der Anlage ergibt. Bei einer Häuserreihe ist dies nicht der Fall. In einer solchen darf man nicht etwa Gras oder Bäume anpflanzen. Sind aber Früchte vorhanden91), so gebührt nach § 743 in Verb, mit § 922 B G B jedem Nachbar ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte. Nach § 742 B G B hat jeder Nachbar Anspruch auf die Hälfte der Früchte. VI. D i e V e r w a l t u n g der

Grenzeinrichtung

Die Verwaltung der Grenzeinrichtung steht den beiden Nachbarn gemeinschaftlich zu (§ 922 mit § 744 Abs. 1 BGB). Jeder Nachbar ist berechtigt, die zur Erhaltung der Grenzeinrichtung notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung des anderen zu treffen. Er kann verlangen, daß dieser seine Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erteilt (§ 744 Abs. 2 B G B . Es können notwendige Instandsetzungsarbeiten an der Grenzeinrichtung auch ohne vorherige Zustimmung des anderen Nachbarn auf beiderseitige Kosten vorgenommen werden; wird allerdings ein unbrauchbar gewordener Gartenzaun durch einen wesentlich teureren anderen Zaun ersetzt, so können nur die halben Kosten eines dem früheren Zaun entsprechenden verlangt werden. Hat einer der beiden Nachbarn die Grenzeinrichtung schuldhaft beschädigt, so hat er nach § 823 B G B die Kosten der Wiederherstellung allein zu tragen; für Beschädigungen durch Hilfspersonen haftet der Grundstückseigentümer nur im Rahmen des § 831 B G B , nicht nach § 278 BGB 9 2 ). Die Nachbarn können über die Verwaltung und Benutzung Vereinbarungen treffen. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und ist in den §§ 745 Abs. 2, 746 bestätigt. Nun bestimmt § 746: „Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benützung des gemeinschaftlichen Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger." Damit sind nur solche Vereinbarungen gemeint, welche Art und Weise des bestehenden und in seinem rechtlichen Bestand unberührt gelassenen Benutzungsrechts regeln, also sich darüber verhalten, w i e zu benutzen, nicht aber, ob überhaupt benutzt werden darf. Deshalb geht eine Vereinbarung, M

) Z. B. der Grasertrag eines Raines. RGKomm. Bern. 7 zu § 922. ) BGH N J W 60, 3J5; N J W 65, 389; L G Köln N J W 63,1831; A. M. O L G Düsseldorf N J W 59 580. m

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

VII

wonach die Benutzung nur gegen eine Geldzahlung erfolgen darf, nicht auf die Sondernachfolger über93). Aber auch eine über Maß und Art der auszuübenden Benutzung getroffene Vereinbarung geht nur dann auf die Sondernachfolger über, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß bei der Vereinbarung wirklich eine d a u e r n d e Regelung der Benutzung beabsichtigt war, also dann nicht, wenn es sich nur um eine Vereinbarung vorübergehender und rein persönlicher Natur handelt94). Vereinbarungen der beiden Nachbarn über die Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Grenzeinrichtung wirken gem. § 746 B G B für und gegen die Sondernachfolger; eine Eintragung im Grundbuch nach § 1 0 1 0 B G B kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Gemeinschaft an einem Grundstück, sondern an einer einheitlichen Grenzanlage handelt, an der (nach der hier vertretenen Ansicht) Miteigentum besteht. Dieses Miteigentum ist Bestandteil des Eigentumsrechts jedes einzelnen Nachbarn an seinem Grundstück und wird daher ohnehin von dessen Eintragung umfaßt 95 ).

VII. D i e K o s t e n d e r U n t e r h a l t u n g der

Grenzeinrichtung

Die U n t e r h a l t u n g s k o s t e n , zu denen auch die Lasten und Kosten der Verwaltung gem. § 748 B G B gehören, sind unter allen Umständen von beiden Nachbarn je zur Hälfte zu tragen, auch wenn die Grenze nachweisbar nicht durch die Mitte der Einrichtung geht (§ 922 Abs. 2 BGB). Unter Unterhaltungskosten sind nur jene Aufwendungen zu verstehen, welche erforderlich sind, um die Grenzeinrichtung in einer ihrem Zweck entsprechenden Beschaffenheit zu erhalten. Stellt sich ein Weg mitsamt der dazu gehörigen Allee als Grenzeinrichtung dar, so gehört auch die Nachpflanzung einzelner eingegangener Bäume zu den Unterhaltungskosten. Es muß daher zu den Kosten ,welche durch die Nachpflanzung des auf dem Boden eines Nachbarn stehenden, zu der Grenzeinrichtung (Allee) gehörigen Baumes erwachsen, auch der andere Nachbar beitragen. a3)

S. hierüber unten § 8 IV 2. F N 75. Lieberich, BayZ 1914, 242 Anm. 18. ®5) Vom Standpunkt der Meinung, welche real geteiltes Eigentum annimmmt, ist § 10x0 nicht anzuwenden, so daß hiernach anzunehmen wäre, daß die Sondernachfolger auch ohne Eintragung der Vereinbarung in das Grundbuch gebunden sind; s. hierüber R G K Bern. 6 zu § 922; Lieberich, BayZ 1914, 242 Anm. 18; Maenner 178 Anm. 125; Wolff, Recht 1900, 476; Vgl. O L G Frankfurt NJW 58, 65; München NJW 55, 637; Staudinger-Ostler-Randbem. 5; Palandt Bern. 1; Achilles-Greif Bern. 1; Ermann Bern. 1 je zu § 746. Vgl. auch Staudinger-Seufert Randbem. 6 zu § 922. 94)

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Grenzeinrichtungen

§7

VII 1

Auch solche Unterhaltungskosten, die nur durch die Benützung des einen Nachbars entstanden sind, müssen von beiden Nachbarn gemeinschaftlich getragen werden96). Das Gesetz legt schlechtweg die Unterhaltungspflicht beiden Nachbarn auf. Es hat daher nur darauf anzukommen, ob die Aufwendung notwendig ist. Aus welchem Grunde die Notwendigkeit eingetreten ist, ist gleichgültig. War die Benützungsart, durch welche der eine Nachbar die Voraussetzung für die Aufwendung der Unterhaltskosten gesetzt hat, zulässig, so spricht nicht einmal die Billigkeit dafür, den anderen Nachbar, der aus freien Stücken von dem ihm in gleicher Weise zustehenden Benützungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, von der Unterhaltungspflicht freizuhalten. War dagegen die Art der einseitigen Benützung unzulässig, so ist zwar an und für sich der andere Nachbar verpflichtet, die Unterhaltungskosten mit zu tragen, er hat aber unter Umständen gegen den Nachbar einen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 fr. B G B , mit dem er aufrechnen kann. Ist das Eigentum von dem Nachbar, welcher durch unzulässige Benützung die Unterhaltungskosten verursacht hat, später auf einen anderen übergegangen, so können sie diesem letzteren gegenüber nicht aufgerechnet werden. Diese Folge kann nicht befremden. Der Grund hierfür liegt in dem Unterschied zwischen dem dinglichen Anspruch aus § 922 und dem obligatorischen Anspruch aus §§ 823 fr. Bei Z ä u n e n und M a u e r n (nicht Giebelmauern97) bestehen oft Zweifel wer für die Herstellungs- und Unterhaltungskosten aufzukommen hat, und zwar vor allem dann, wenn eine Abgrenzung der Grundstücke weder vorgeschrieben noch zweckmäßig war, oder wenn die Mauer bzw. der Zaun auch auf billigere Weise ausgeführt hätte werden können. Im einzelnen gilt hier folgendes: 1. Kommt vor Errichtung der Anlage eine Vereinbarung der beiden Nachbarn über die Kostenbeteiligung und über die Art der Ausführung zustande, so ergibt sich auf Grund dieses Vertrages die Verpflichtung zur Zahlung der anteiligen Kosten. Die Verpflichtung zur gemeinsamen weiteren U n t e r h a l t u n g ergibt sich dann aus § 922 B G B , wenn der Zaun oder die Mauer auf der Grenzlinie steht, da eine solche Anlage, die im Einverständnis beider Nachbarn errichtet wurde, auch von beiden unterhalten werden muß. Steht die Anlage nicht auf der Grenzlinie, sondern allein auf dem Grunstück eines Nachbarn, so kann eine Unterhaltungsverpflichtung auch des anderen Nachbarn nur aus einer vertraglichen Vereinbarung her88 ) Der Ansicht im KommProt. 3549, daß gegen die unbillige Verteilung solcher Kosten die Praxis sich durch eine strenge Auslegung des Begriffs der Unterhaltungskosten helfen könne, ist nicht beizupflichten. " ) Wegen der gemeinsamen Giebelmauer siehe § 8.

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Meisner-Ring, Nachbarrccht, 6. Aufl.

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§ • VIT 2, 3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

geleitet werden. Eine solche ist aber in der bloßen Zusage, sich an den Herstellungskosten zu beteiligen, allein noch nicht enthalten. 2. Hat der Erbauer eines auf der Grenzlinie stehenden Zaunes bzw. Mauer vor der Errichtung die Einwilligung des Nachbarn nicht eingeholt, so gilt folgendes: a) Erhebt der Nachbar, nachdem er Kenntnis von der Errichtung der Anlage teilweise auf seinem Grundstück erlangt hat, binnen angemessener Frist keinen Widerspruch und verlangt er insbesondere nicht alsbald die Beseitigung der Anlagen (§ 1004 BGB), so gibt er damit zu erkennen, daß er mit der auch für ihn vorteilhaften Anlage nachträglich einverstanden ist. E r hat in diesem Fall seine Zustimmung zur Errichtung der Grenzeinrichtung stillschweigend erklärt (vgl. oben Anm. 3). Es liegt von diesem Zeitpunkt an eine Grenzeinrichtung i. S. der §§ 921, 922 B G B vor mit der Folge der gemeinsamen Unterhaltspflicht. Aber auch an den Herstellungskosten hat sich in diesem Fall der stillschweigend zustimmende Nachbar zu beteiligen und zwar aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Er hat nämlich Miteigentum an der Anlage erworben (vgl. hierzu die Ausführungen unter § 8 III). b) Wurde die Anlage auf der Grenzlinie gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Nachbarn erstellt, so liegt eine Grenzeinrichtung i.S. der §§ 921, 922 B G B nicht vor, da sie nicht gemeinschaftlich oder einverständlich errichtet wurde. Die Unterhaltungsverpflichtung des Nachbarn entfällt daher. Die Frage, ob der Nachbar zur anteiligen Zahlung der Herstellungskosten herangezogen werden kann (ungerechtfertigte Bereicherung), dürfte in der Praxis kaum auftreten, da einer solchen Klage mit der Einrede der Eigentumsfreiheitsklage (§ 1004 B G B ) begegnet werden kann. In diesem Fall muß die Anlage beseitigt werden, so daß die Bereicherung entfällt. Dem Nachbarn kann also gegen seinen Willen eine Grenzeinrichtung nicht aufgezwungen werden98). 3. Waren sich die Nachbarn über die Errichtung der Anlage einig, hat sich aber der eine Eigentümer insoweit nicht an die Verabredung gehalten, als er die Anlage kostspieliger ausführte als vereinbart, so besteht eine Verpflichtung zur Beteiligung an den Herstellungs- und Unterhaltungskosten für den andern Nachbarn nur insoweit, als dies bei Ausführung in der vereinbarten Form hätte geschehen müssen. Um den anteiligen Mehrwert ist er nicht bereichert, da die Anlage in der einfacheren Form für ihn die gleichen Vorteile geboten hätte. Wurde die Anlage aus anderem Material als vereinbart hergestellt, so hat der Nachbar den dadurch verursachten höheren Erhaltungsaufwand ebenfalls nicht zu tragen. " ) Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 9 I.

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Grenzeinrichtungen

§7 VIII

VIII. T e i l u n g u n d V e r l e g u n g d e r G r e n z e i n r i c h t u n g Eine K l a g e a u f T e i l u n g ist ausgeschlossen"). Dies ergibt sich aus § 922 Abs. 3 B G B , wonach die Einrichtung, insolange einer der Nachbarn an den Fortbestand der Einrichtung ein Interesse100) hat, ohne seine Zustimmung nicht beseitigt oder geändert werden darf. Damit ist nicht gesagt, daß gegen den Widerspruch des Nachbars überhaupt keine Änderung vorgenommen werden darf. Die Änderung ist nur insoweit unzulässig, als die Mitbenützung des Nachbars beeinträchtigt wird 101 ) oder der Nachbar an dem unveränderten Fortbestand sonst ein Interesse hat102). Dies folgt aus § 226 B G B . Daraus ergibt sich, daß eine zeitgemäße Umgestaltung der Einrichtung unter Umständen auch gegen den Willen des Nachbars zulässig ist. Dann nämlich, wenn hierdurch dieser weder in seinem Benützungsrecht beeinträchtigt wird, noch eine Erhöhung der Unterhaltungskosten für die Zukunft herbeigeführt wird. Wenn das Ziergartengrundstück des A von alters her durch einen Lattenzaun, der sich als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B darstellt, von dem Acker des B geschieden wird, so kann A auch gegen den Widerspruch des B den Lattenzaun auf seine Kosten durch einen eisernen Zaun ersetzen. Daß ein Nachbar auch gegen den Widerspruch des anderen den morschen Holzzaun, der durch eine Reparatur nicht in ordnungsgemäßen Zustand zurückgebracht werden kann, durch einen neuen Holzzaun ersetzen kann, ergibt sich schon aus seiner in § 744 Abs. 2 B G B begründeten Berechtigung, die zur Erhaltung der Grenzeinrichtung notwendigen Maßregeln einseitig zu treffen. Der andere Nachbar muß die Hälfte der Herstellungskosten ersetzen. Hat ein Nachbar einseitig an Stelle des unbrauchbaren Holzzaunes einen eleganten eisernen Zaun errichtet, so kann er den anderen Nachbar nur auf den hälftigen Ersatz desjenigen Betrages in Anspruch nehmen, den die Einrichtung eines neuen Holzzaunes erfordert hätte. Selbstverständlich bedeutet eine V e r l e g u n g der Grenzeinrichtung eine sehr wesentliche Änderung; sie kann besonders bei Rainen, Wegen, Gangsteigen vorkommen. Die Fälle sind zahlreich, in welchen die Bauern bestrebt sind, die Ausdehnung ihres Grundstücks zu vergrößern, indem sie immer mehr von dem auf der Grenze befindlichen Rain oder Weg weg89) Planck Bern, ze; Turnau-Förster Bern. 6 zu § 922; Staudinger-Seufert Randbem. 8 zu § 922. 10 °) Das Interesse braucht kein vermögensrechtliches zu sein. 1 0 ] ) J W 1908, 12 ( R G ) (auch abgedruckt B a y Z f R 1908, 42). 102 ) Darnach k a n n im Falle der vorgenannten Entscheidung (JW 1908, 12) die E r höhung der Grenzmauer auf der einen Mauerhälfte selbst dann unzulässig sein, wenn der A u f b a u keinem bau technischen Bedenken unterliegt; es kann dadurch ein ästhetisches Interesse verletzt werden.

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§7

VIII

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

ackern. Während der Rain auf diese Weise immer schmäler wird und schließlich ganz verschwindet, wird der Weg mehr und mehr auf das Nachbargrundstück hinübergedrängt, so daß er schließlich ganz jenseits der Grenze liegt. In einem solchen Falle kann man natürlich aus der Untätigkeit des Nachbars, der sich eine solche Verschiebung gefallen läßt, nicht ableiten, daß er hiermit einverstanden ist. Ihm steht vielmehr der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes zu (§ 1004 BGB). Bei Flutgräben auf der Grenze bewirkt oft die selbsttätige Wirkung des Wassers die Verschiebung. Hier kann natürlich der Eigentümer, auf dessen Grundstück der Flutgraben durch das Wasser ohne Mitwirkung des anderen Angrenzers hinübergeschoben wurde, gegen diesen nicht den Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes erheben, wohl aber darauf, daß er dies gemeinschaftlich mit ihm bewirkt; es ist dies eine Folge der gemeinschaftlichen Unterhaltungspflicht. Nimmt der eine Nachbar ohne Zustimmung des anderen eine unzulässige Beseitigung oder Änderung der Grenzeinrichtung vor oder schafft er sonst eine Beeinträchtigung des Mitbenützungsrechts des anderen, so hat dieser den Anspruch aus § 1004 BGB 103 ). Dieser Anspruch ist immer dann gegeben, wenn der andere Nachbar seine Zustimmung nicht erteilt hat. Es ist einerseits nicht erforderlich, daß er Widerspruch erhoben hat, andererseits kann unter Umständen in einem Stillschweigen die Zustimmung gefunden werden104). Eine Beseitigung oder Änderung der Grenzeinrichtung, die der eine Teil ohne Zustimmung des anderen vornimmt, oder eine Benützung der Einrichtung zu einem Zwecke, der sich nicht aus ihrer Beschaffenheit ergibt oder durch welche die Mitbenützung des anderen Teiles beeinträchtigt wird, kann (nach dem Standpunkt real abgeteilten Eigentums) von dem anderen mit der Eigentumsfreiheitsklage des § 1004 abgewehrt werden106). Voraussetzung ist jedoch hiebei, daß die Beeinträchtigung durch eine Einwirkung auf die Grenzeinrichtung selbst herbeigeführt wird. Deshalb hat der Teilhaber einer engen Reihe kein Widerspruchsrecht aus §§ 922, 1004 dagegen, daß der andere Teilhaber durch einen Aufbau auf die Mauer seines Hauses der Reihe Licht und Luft entzieht106). 103 ) Unter Umständen kann der Eingriff als Sachbeschädigung oder nach Art. 1 1 2 Z 2 PStGB strafbar sein (BayZ 1 9 1 1 , 488). Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 9; Palandt Bern. 4 je zu § 922. 104 ) Die Zustimmung zur Aufhebung und Änderung der Grenzeinrichtung bedarf keiner Form. Wolff im Recht 1900,477. Solange der Aufhebungswille nicht äußerlich vollzogen ist, besteht die Grenzeinrichtung als solche weiter. 106 ) BayZ 1916, 321 (RG). Bei Annahme von Miteigentum (§ 1 0 1 1 ) gelangt man zu demselben Ergebnis aus §§ 7 4 4 f r . 10 ®) Das sich aus dem Alleineigentum des Hausbesitzers ergebende Recht, mit s e i n e r Sache nach Belieben zu verfahren, könnte nur durch einen besonderen Rechtstitel etwa

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Die Kommunmauer

§7

vin

Wie eine Grenzeinrichtung formlos begründet werden kann, so kann das hierdurch begründete Rechtsverhältnis der Grenzeinrichtung auch formlos wieder aufgehoben werden. Eine bloße Vereinbarung genügt hierzu noch nicht, sondern es muß die Vereinbarung auch ausgeführt werden. Ist einmal ein tatsächlicher Zustand mit Zustimmung der beiden Nachbarn vorhanden, vermöge dessen die Einrichtung objektiv dem Vorteil beider Grundstücke dient, so bleibt die vom Gesetz daran geknüpfte dingliche Wirkung solange erhalten, bis dieser Zustand mit Zustimmung beider Nachbarn beseitigt ist 107 ). Eine besondere Rechtslage entsteht, wenn eine Grenzmauer zerstört oder abgebrochen wird. Für den Fall einer von keinem Nachbarn verschuldeten Zerstörung (Kriegszerstörung) der Giebelmauer kommt es darauf an, ob die Mauer völlig beseitigt ist, so daß auch ihre Funktion als Grenzeinrichtung zu dienen, entfallen ist und die Grenze erst neu festgestellt werden muß, oder ob wenigstens noch ein Mauerrest verblieben ist, aus dem der Grenzverlauf erkannt werden kann, in letzterem Falle ist die Mauer nach wie vor Grenzeinrichtung i.S. der §§ 921 und 922. Jeder der beiden Nachbarn kann sie aufbauen und gegebenenfalls anbauen108). Solange daher die Mauer noch ganz oder teilweise steht, hört sie nicht auf, Grenzeinrichtung zu sein. Durch die Zerstörung der Häuser endet das Gemeinschaftsverhältnis der Nachbarn im Miteigentum der Mauer nicht. Die stehengebliebenen Teile der Mauer können zum Wiederaufbau des Hauses, das mit Zustimmung des Nachbars oder unter den Voraussetzungen des § 912 B G B auf der Grenze errichtet war und dann zerstört wurde, ausnahmsweise auch in der Form einer nicht mehr anbaufähigen Fassade verwendet werden, wenn dem Nachbarn der Anbau wegen einer in Aussicht genommenen Baulinie nicht mehr möglich ist und sonst beträchtliche Bauwerte zerstört würden109). In diesen Fällen des einseitigen Anbaues hört die Mauer aber auf, Grenzeinrichtung zu sein, da sie in das Alleineigentum des Gebäudeeigentümers übergeht. Da ein Anbau nicht mehr möglich ist, kann dann auch eine entsprechende Anwendung der §§ 921, 922 B G B nicht in Frage kommen (vgl. § 8 II 1).

durch eine bestellte oder ersessene Dienstbarkeit beschränkt sein. Das gilt auch dann, wenn die Reihe zur Licht- und Luftzuführung bestimmt ist (BayZ 1916, 521 RG). Eine solche Grunddienstbarkeit wäre ersessen, wenn früher der Hauseigentümer hätte aufbauen wollen, dies aber auf den Widerspruch des anderen an der Reihe Beteiligten unter der Geltung des bisherigen Rechts während der Ersitzungszeit unterlassen hat. 107 ) S. hierüber unten § 8 I V 5. 108 ) Vgl. Hodes N J W 1954, 1369; Meisner-Stern-Hodes § 8 V I ; B G H MdR 59, 565 B G H N J W 1970, 97. 109 ) B G H N J W 61, 780.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums 11

§ 8. Die Kommunmauer1) I. i . I n v i e l e n G e g e n d e n D e u t s c h l a n d s ist es ü b l i c h , z u r E r s p a r u n g v o n B a u g r u n d u n d B a u m a t e r i a l z w e i aneinander s t o ß e n d e n H ä u s e r n eine g e m e i n s a m e G i e b e l m a u e r verstärkten U m f a n g s z u g e b e n . A b g e s e h e n v o n R e i h e n h a u s s i e d l u n g e n e r f o l g t der B a u solcher H ä u s e r meist n i c h t g l e i c h zeitig. E s baut zunächst n u r der eine N a c h b a r sein H a u s u n d setzt dabei eine G i e b e l w a n d z u m T e i l , meist z u r H ä l f t e (halbscheidig) 2 ) ü b e r die G r e n z e a u f d e n G r u n d u n d B o d e n seines N a c h b a r s . B a u t d a n n f r ü h e r o d e r später dieser, so v e r w e n d e t er die z u m T e i l a u f seinem B o d e n stehende M a u e r als U m f a s s u n g s m a u e r seines N e u b a u e s . Diese Bauweise bürgerte sich namentlich in den Rheinlanden (Rheinpfalz) ein, wo sie durch Art. 66o, 66i Code civil und die daran anknüpfende Rechtsprechung des O L G Köln und des Reichsgerichts gestützt wurde3). Aus der dem Angrenzer durch Art. 66i Code civil eingeräumten Befugnis, eine ganz auf dem Nachbargrundstücke stehende Mauer gegen Ersatz des halben Mauerwertes gemeinschaftlich zu machen, leitete die Rechtsprechung seine Pflicht ab, dem Mauereigentümer Ersatz zu leisten. Bis zur Ersatzleistung konnte der Ersatzberechtigte die Mitbenützung der Mauer verbieten. In ähnlicher Weise vollzog sich die Rechtsentwicklung nach M ü n c h e n e r S t a d t recht 4 ) auf der Grundlage des Münchener Stadtrechtsbuchs (Art. 349—351) und der Art. 3 ff., 60 der Münchener Bau- und Kundschaftsordnung von 1489, sowie nach N ü r n § 8. l ) Vgl. Abele, L Z 1916, 831; Breit in Fischers Z 33, 155; 35, 113 u. 385; Breit, SächsRpfl. Arch. 1911, 385; Geiershöfer im Recht 1905, 401; Kukuk, Die Rechtsverhältnisse an der gemeinschaftlichen Mauer (Leipz. Dissertation 1909); Pfirstinger, Die Kommunmauer (1909); Waller, RheinArch. 107, 78; Wein, BayZ 1913, 454 u. 472; Ziel, Die gemeinschaftlichen Giebelmauern (Leipz. Dissert. 1911); Nützel, BayZ 1914, 179; Buhmann, BayZ 1914, 197- Lieberich, BayZ 1914, 237; Frommherz, BadRspr. 1914, 241; Becher BayZ 1915 65; Metzger Gruchot 62 76; Droste, Gruchot 60, 251, Hausmann, Diss. München 1969 „Das Recht der halbscheidigen Giebelmauer". Vgl. auch Herold in BIGrBW 54, 133 (Das Rechtsverhältnis an der halbscheidigen Kommunmauer; Bull in ArchZivPr. 138, 60 (Überbau und Anbau); Hodes in NJW 54, 1348 und 1369; derselbe in NJW 55, 1782; Glaser inMDR 56, 451; Schmalzl in MDR 5 7,341; Gollnik in ArchZiv. Pr. 157, 460. 2) Der Einfachheit halber wird in folgendem immer nur von einer „halbscheidigen" Giebelwand gesprochen. Es ist aber für das rechtliche Schicksal der Mauer und die Befugnis zum Anbau belanglos, ob die Grenze gerade durch die Mitte geht oder ob die 40 cm dicke Mauer nur in einer Dicke von 10 cm auf dem einen Grundstück steht. Wegen des Anspruchs auf Ausgleich bei entschuldigtem Überbau vgl. unten II j a , bei nicht entschuldigtem Uberbau vgl. unten II 3 b. 3 ) O L G Köln im RheinArch. 82 I 213; 92 I 201; RG 2, 346; RheinArch. 74 III 41; vgl. RheinArch. I O O I 4 6 ; I I O , 211 (Köln); 100, 46 (Düsseldorf). 4) Vgl. SeuifBl. 54, 243 (München); Samml. x, 162; 7, 821; 12, 121 und 321; 14, 499, BayZ 1915, 249 (RG). Die Geltung des Münchener Stadtrechts beschränkte sich auf das Gebiet innerhalb des Burgfriedens (SeuffBl. 54, 243). 150

Die Kommunmauei

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b e r g e r S t a d t r e c h t ) auf der Grundlage des Tit. 2 6 Gesetz 8 der Nürnberger Reformation von 1 5 6 4 . In diesen Gebieten ist die halbscheidige Errichtung von Giebelmauern, die auch anderweitig vorkommt 6 ), besonders häufig. 5

Bundesrechtliche Sonderbestimmungen7) über Anbau an eine halbscheidige Mauer bestehen nicht. Das A G hat sich darauf beschränkt, in Art. 68 Bestimmungen über die E r h ö h u n g 8 ) einer Kommunmauer zu treffen. Die Rechtsgültigkeit des Art. 68 ist umstritten9). Steht die Giebelmauer a u s s c h l i e ß l i c h auf dem Grundstück eines N a c h b a r n , so gilt folgendes: a) Wird die Mauer beim Neubau eines Gebäudes errichtet und kommt dabei die Giebelmauer ganz auf das Nachbargrundstück zu stehen, so gelten die Bestimmungen über den Überbau (siehe § 21). b) Verwendet ein Eigentümer bei Errichtung eines Gebäudes die ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehende Mauer als Mauer seines Bauwerks, so wird er Alleineigentümer der Mauer, wenn diese allein steht (z.B. bei einem zerstörten Haus). Der Nachbar muß die Einbeziehung seiner Mauer in das fremde Gebäude mit der Folge des Verlusts des Eigentums dulden, wenn die Voraussetzungen des § 912 B G B im Zeitpunkt des Anbaues vorlagen. Baut der Nachbar dann seinerseits an seine frühere Mauer an, so entsteht an dieser Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer10). Erfolgt der Anbau an die ausschließlich auf dem Nachbargrundstück befindliche Mauer eines bereits stehenden Gebäudes, und liegen die Voraussetzungen des § 912 B G B vor, so erwirbt der Bauende Miteigentum an der Mauer. Dies ergibt sich aus den in § 7 III niedergelegten Grundsätzen. Für die Frage der Entschädigungsforderungen für den jeweiligen Eigentumsverlust siehe unten III u. VI. 5 ) Die aus der Reformation für die Kommunmauer abgeleiteten Rechtsgrundsätze wurden auch in den neuen Stadtteilen Nürnbergs angewendet (BayZ 1 9 1 6 , 1 5 7 Nürnberg). ' ) Vgl. Amberger BauO 11; Ulmer B O VII, 3; Memminger B O X I , 4 ; Mainzer B O VII, 2 1 u. Entw. III 2 0 5 , 2 0 7 (Roth, BayZivilr. 2 , 6 5 ) ; Würzburger Stadtbaurecht vom 2 5 . 2 . 1 7 7 4 , IV §§ 3 , 6 (Würzb. Landes-Verordn. 3 , 7 8 7 ; Weber, Statuarr. 3 8 5 f . ) . ' ) Art. 181 E G wirkt auf das Eigentums Verhältnis an Kommunmauern ein. Die §§ 95> 94> 95 BGB, welche ein Sonderrecht an Bestandteilen einer Sache ausschließen, haben mit Inkrafttreten des B G B ein damit im Widerspruch stehendes Sonderrecht beseitigt (vgl. R G 6 5 , 2 4 3 ; J W 1 9 0 4 , 8 9 ; 1 9 1 2 , 1 2 9 ) , vgl. hierzu oben S. 1 0 1 . 8 ) Art. 68 setzt eine fertige Kommunmauer voraus. Eine bei Inkrafttreten des B G B begonnene, aber noch nicht fertiggestellte halbscheidige Mauer fällt nur dann unter Art. 68 AG, wenn sie auf Grund eines Z w a n g s r e c h t e s des bisherigen Rechts zu bauen begonnen wurde (Art. 7 0 Abs. 1 u. 2 ) . Ungenau daher Lieberich, BayZ 1 9 1 4 , 2 3 8 . 9 ) S. darüber oben § 7 V. 1 0 ) a. A. B G H N J W 6 4 , 1 2 2 1 , vgl. hierzu kritische Bemerkung von Hodes N J W 64, 2382fr.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums 11, Die h a l b s c h e i d i g e Giebelmauer ist grundsätzlich eine Grenzeinrichtung i. S. des § 921 B G B . Die unter § 7 enthaltenen Erläuterungen gelten daher auch für sie. Eine besondere Rechtslage ergibt sich aber f ü r die halbscheidige Giebelmauer insofern, als sie nicht n u r Grenzeinrichtung i. S. v o n § 921 B G B sein kann, sondern zugleich jedem der auf den benachbarten Grundstücken errichteten oder zu errichtenden Gebäuden als Scheidewand, Abschlußwand oder Brandmauer dient. Ist eine solche Giebelmauer von einem der beiden Nachbarn mit ausdrücklicher Zustimmung oder (wenn auch erst) nachträglichem Einverständnis des anderen Nachbarn errichtet worden und gleichzeitig deren Mitbenützung durch diesen für einen späteren Anbau in Aussicht genommen, so ist bereits vor dem Anbau eine Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B geschaffen 11 ). Eine solche Mauer ist v o r dem Anbau wesentlicher Bestandteil des Hauses, zu dessen Abschluß sie errichtet wurde. Sie steht jedenfalls zunächst im Alleineigentum des E r bauers (§ 93 B G B ) . Da sie außerdem auf der Grenze steht, ist das Rechtsverhältnis auch aus dem Gesichtspunkt des Überbaues nach § 912 B G B zu beurteilen. Bei einer Giebelmauer ist somit zu prüfen: a) Steht sie auf der Grenze, also wenigstens zu einem geringen Bruchteil auf dem Nachbargrundstück? Nur dann kann sie als Grenzeinrichtung nach § 921 in Betracht kommen. Eine nur auf dem Grund und Boden des Erbauers errichtete Giebelmauer stellt keine Grenzeinrichtung dar. b) Hat der Nachbar seine Zustimmung oder sein stillschweigendes Einverständnis zum Überbau oder allenfalls nachträglich durch widerspruchslose Duldung eines an sich rechtswidrigen Überbaues zu erkennen gegeben, daß er nichts gegen den Überbau einwenden wolle ? In allen diesen Fällen dient die Giebelmauer schon vor dem Anbau dem V o r t e i l der b e i d e n Nachbargrundstücke. Dieser Vorteil liegt sowohl in der grenzscheidenden Wirkung als auch darin, daß die Giebelmauer vorhanden ist und deshalb jederzeit vom Nachbar zum Anbau mitbenützt werden kann. Eine Grenzeinrichtung besteht nicht nur aus der auf dem Grund und Boden aufgeführten Anlage (Mauer), sondern schon aus dem zur Anlage verwendeten Grund und Boden selbst 12 ). Die äußere Beschaffenheit der Mauer (größere Stärke, rauhe Außenseite) weist daraufhin, daß eine solche Mauer nicht einem der Nachbarn allein, sondern auch dem bisher noch nicht Anbauenden zum Vorteil dienen soll (§ 921). Was die Eigentumsverhältnisse anlangt, die für die Frage, wem eine Anlage zum Vorteil dient, von Bedeutung sein kann, so ist bei der Giebelmauer zu beachten: Die in § 921 B G B aufgestellte Vermutung gilt nur für das gemeinschaftliche Benützungsrecht, nicht für das Eigentum. Solange an der Giebelmauer nicht angebaut ist, steht sie als wesentlicher Bestandteil des Hauses, f ü r dessen Abschluß sie errichtet wurde, im Alleineigentum des Erbauers. Die Rechte des Nachbarn für den Fall vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Überbaues richten sich nach §§ 912 fr. B G B . Mit dem Anbau, genauer mit dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar den Rohbau des anzubauenden Hauses Vollender hat 1 3 ), tritt eine Änderung der Rechtslage ein. Nach nun wohl überwiegender Rechtsauffassung tritt b e i e n t s c h u l d i g t e m Überbau M i t e i g e n t u m der beiden Nachbarn an der als Einheit aufzufassenden Giebelmauer gem. §§ 94, 946 B G B ein. Bei nicht entschuldigtem (vorsätzlichem oder grob fahrlässigen) Überbau (§ 912) u ) Vgl. R G i n B a y Z i 9 i 5 , 3 5 o ; D r e s d e n i n O L G i 8 , 1 3 0 ; Buhmann in B a y Z 1 9 1 4 , 1 9 9 ; Lieberich ebenda S. 237fr.; Herold in B l f G r B u W 54, 1 3 3 ; Glaser in M D R 56, 449; Hodes in N J W 55, 1782; vgl. auch B G H in M D R 58, 591 u. 592; R G Z 70, 2 0 1 ; 130, 266; 162, 2T2.

12 13

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) Vgl. R G i n B a y Z 1 9 1 5 , 350; WarnR 1915 Nr. 270; R G R K o m . Bern, i b zu § 921. ) Vgl. O L G Köln in N J W 5 7 , 1 3 2 3 .

Die Kommunmauer

§ 8 I 2

wird jeder der Nachbarn Alleineigentümer des auf seinem Grundstück stehenden realen Teils der Giebelmauer14). Eine durch Kriegseinwirkung teilweise zerstörte frühere Brandmauer zwischen zwei Gebäuden scheidet mit dem stehen gebliebenen Teil die beiden Grundstücke wie ein Zaun und dient ihrem Vorteil, ist also Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B auch wenn sie den Zweck als Brandmauer nicht mehr erfüllt; denn der Mauerrest steht auf der Grenze und bietet jedem Nachbarn die Möglichkeit, die noch vorhandenen Mauerteile zum Anbau oder Aufbau zu verwenden 15 ).

2. Z w a n g zur E r r i c h t u n g einer K o m m u n m a u e r Verschiedene bisherige Rechtsvorschriften v e r p f l i c h t e t e n den Eigentümer, auf Anfordern seines Nachbars eine Mauer als Kommunmauer zu bauen oder dem Nachbar den erforderlichen Grund und Boden abzutreten. Für Bayern kommen nur Code civil, Art. 663, Nürnberger Reformation von 1564, Tit. 26 Ges.- 8 und Münchener Bau- und Kundschaftsordnung vom Jahre 1489, Art. 4 in Betracht16). Für die Fälle, in welchen zur Zeit des Inkrafttretens des BGB der Eigentümer eines Grundstückes auf G r u n d eines solchen Z w a n g s r e c h t e s eine derartige Mauer zur gemeinschaftlichen Benützung zu errichten begonnen hatte17), bestimmt Art. 70 Abs. 1 AG, daß die bisherigen Vorschriften für das Recht und die Pflicht zur Herstellung der Mauer maßgebend bleiben. Für die Benützung der gemeinschaftlichen Mauer gelten im übrigen die Bestimmungen des § 922. Ist eine gemeinschaftliche Mauer auf Grund eines solchen Zwangsrechtes hergestellt worden, gleichviel ob die Mauer vor oder nach dem 1. Ii. 1900 vollendet wurde, so finden die bisherigen Vorschriften, nach welchen im Falle der Benützung der Mauer seitens des Eigentümers des Nachbargrundstückes ein Teil der Kosten zu ersetzen ist, keine Anwendung mehr. Es sind vielmehr die Bestimmungen des Art. 68 Abs. 2 und 3 A G , welche sich mit dem Ersatz der Baukosten für eine Mauererhöhung befassen, entsprechend zur Anwendung zu bringen18). Nur dann, wenn der durch das bisherige Recht eingeräumte Ersatzanspruch schon vor dem 1. 1. 1900 fällig geworden war, bleiben die bisherigen Vorschriften maßgebend19). u ) Vgl. B G H Z 27, 197 = N J W 58, 1180; für nicht entschuldigten Überbau vgl. B G H Z 27, 204 = M D R 58, 592 M D R 58, 591fr.; O L G Celle in N J W 58, 224. ls ) B G H M D R 59, 565; Hodes N J W 54, 1348 u. 1369; N J W 55, 1782. " ) Roth, Bayer. Zivilrecht, 2, 64f. 17 ) Der tatsächliche Beginn der Errichtung entscheidet; dem Zeitpunkt der Vollendung ist keine Bedeutung beizumessen (SeuffBl. 70, 209). Mit der Errichtung ist begonnen, sobald der erste Spatenstich für das Fundament gemacht ist. 18 ) Siehe darüber unten, § 9. w ) Art. 70 Abs. 2 A G .

153

I 3, 4

i. Abschnitt. Räumlicher Begrenzung des Eigentums

3. Abgesehen v o n diesem Fall sind für das Kommun-Mauerrecht die bisherigen Rechtsquellen weder durch das B G B , noch durch das A G aufrechterhalten, so daß deren Geltung erloschen ist. Die für Preußen recht zweifelhafte Frage, ob bei Erbauung des ersten Hauses vor 1900, des zweiten nach 1900 Anbaurecht und Entschädigungspflicht nach dem alten oder neuen Recht zu entscheiden ist, ist daher für Bayern (abgesehen v o n dem Sonderfall des Art. 70 A b s . 2 A G ) zweifelsfrei zugunsten des neuen Rechts zu beurteilen, weil ja das bayerische A G auf dem Gebiete des Nachbarrechts grundsätzlich einheitliches Recht schaffen wollte und daher das bisherige Recht auf diesem Gebiete als aufgehoben gilt, soferne es nicht ausdrücklich aufrecht erhalten ist. D a das B G B und das A G unterlassen haben, für die Kommunmauern Sonderbestimmungen zu treffen, so ist es A u f g a b e der Rechtslehre und Rechtspflege, die überaus schwierigen Rechtsverhältnisse der K o m m u n mauer auf Grund der allgemeinen Vorschriften des B G B 2 0 ) zu meistern. Seit Inkrafttreten des B G B gehen die Rechtsansichten darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Kommunmauer geduldet und an sie angebaut werden darf, ferner wie sich die Eigentumsverhältnisse vor und nach dem Anbau gestalten und wie die Kosten für Errichtung und Unterhaltung einer solchen Mauer auf die Nachbarn verteilt werden sollen, stark auseinander. 4. N a c h allen möglichen Richtungen sind rechtliche Konstruktionen unternommen worden. Zunächst wurde vom O L G Köln der Versuch gemacht, das bisherige Recht durch analoge Anwendung des Art. 23 PrAG (der denselben Wortlaut wie Art. 68 BayAG hat) aufrecht zu erhalten21). Dieser Versuch wurde vom Oberlandesgericht Köln selbst stillschweigend aufgegeben22). Mit Recht; Art. 653 ff. code civil sind durch Art. 69 P r A G ausdrücklich aufgehoben. Das BayAG enthält eine solche ausdrückliche Aufhebung nicht. Dies war auch nach dem Standpunkt der bayerischen Ausführungsgesetzgebung nicht notwendig, nach welchem nur die ausdrücklich aufrechterhaltenen Bestimmungen des bisherigen Nachbarrechts weiter gelten. Ein anderer Versuch, das alte Recht aufrechtzuerhalten, unterstellte, daß in den Gebieten, in welchen die kommune Bauweise gemeinüblich war, sich dieser Brauch zu einem förmlichen Gewohnheitsrecht verstärkt habe derart, daß hierdurch ein wirkliches Recht gewährt werde. Der Versuch war schon deswegen verfehlt, weil eine Rechtsübung, welche die g e s e t z l i c h e n Vorschriften anwendet, zur Begründung eines Gewohnheitsrechtes nicht tauglich ist und sich ein solches Gewohnheitsrecht nur für das ganze Gebiet des Gesetzesrechtes, also entweder für das ganze Reich oder (auf Grund der Art. 2, 124 E G ) für das ganze Land hätte bilden können23). 20 ) Nur die Ablösung derjenigen Kommunmauern, welche auf G r u n d eines ges e t z l i c h e n K o m m u n m a u e r z w a n g s des bisherigen Rechts errichtet wurden, ist unter entsprechender Anwendung des Art. 68 Abs. 2, 3 A G zu beurteilen (Art. 70 Abs. 2 A G ) . M ) RheinArch. 1001 48; 1 0 1 1 227; 1 0 4 1 34; 1 0 5 1 4 8 . 22 ) RheinArch. 110 I 426 (Köln); 106, 80 und 164 (Düsseldorf), Haase im RheinArch. 105, 328. 23 ) RheinArch. 110, 145 (Düsseldorf); vgl. R G Z 75, 4 1 ; 76, 1 1 5 ; 170, 32; Palandt-

154

Die Kommunmauer

I 4

Das OLG Düsseldorf wollte aus der bloßen Zwecksatzung, welche der halbscheidigen Mauer durch den Erstbauenden gegeben wurde, ein Anbaurecht des Nachbars folgern24). Mit diesem kühnen Versuch war aber ebensowenig weiterzukommen, wie durch den Vergleich mit der Rechtsprechung über Straßenanliegerecht26). Man bemühte sich auch, die Lehre von der gemeinschaftlichen Giebelmauer auf einem Gewebe stillschweigender Verträge aufzubauen26). Von diesem Weg hat sich die Rechtsprechung bald wieder abgewendet, weil im Regelfall die auf den Vertragsschluß hinzielende Willenseinrichtung, der rechtsgeschäftliche Wille fehlt27). Es wird weiter unten28) dargetan werden, daß mit der Konstruktion stillschweigender Verträge auf diesem Gebiet sehr wenig anzufangen ist. Auch mit der Einrede der Arglist wurde das Anbaurecht des Nachbars an die halbscheidige Mauer begründet. So hat das OLG Düsseldorf in wiederholten Entscheidungen ausgeführt29), daß in den Gegenden, wo die halbscheidige Bauweise gemeinüblich ist, jeder Grundeigentümer, der ein Gebäude mit halbscheidiger Mauer inne hat, weiß, zu wes Ende die Mauer teilweise über die Grenze gesetzt ist, daß sie eben dem Anbau des Nachbars dienen soll. Wer seinerseits den Vorteil daraus ziehe, daß ein Teil der Mauer auf dem Grund des Nachbars steht, handle arglistig, wenn er sein Eigentum in einer der offensichtlichen Zweckbestimmung der Mauer zuwiderlaufenden Weise geltend mache. Diese Erwägungen mögen zutreffen auf den Fall, daß der Erbauer der Mauer noch ihr Eigentümer ist, seinem Sondernachfolger wird man die Pflicht der Duldung zum Anbau, wenn sie nach dem Gesetz nicht bestehen sollte, nicht dadurch aufbürden können, daß man in der Geltendmachung seines gesetzlichen Abwehranspruchs ein arglistiges Verhalten erblickt. Als ein offensichtlicher Verlegenheitsbehelf stellte sich der Versuch dar, die Verpflichtung des Anbauenden zur Zahlung einer Ablösungsentschädigung aus der Vorschrift des § 922 oder § 748 abzuleiten, wonach die Unterhaltskosten einer gemeinschaftlichen Einrichtung von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen sind30). Es liegt ja auf der Hand, daß es sich bei der Neuherstellung einer Mauer nicht um Unterhaltskosten handeln kann31). Ein lebhafter Streit entspann sich über die Frage, ob eine halbscheidig errichtete Mauer vor dem Anbau als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 zu erachten sei. Das R G und der Bundesgerichtshof haben die Frage bejaht und die gleiche Ansicht wird hier vertreten (s. hierüber unten II, 1). Mehr und mehr ist in die Rechtsprechung und Rechtslehre der Gedanke eingedrungen, den A b l ö s u n g s a n s p r u c h mit der Bereicherung zu begründen, wobei wieder die AnHoche Bern. 1 zu Art. 2 E G B G B ; Gierke DPrR I 184; Staudinger-Brändl E vor § 1 Randb. 42; Enneccerus-Nipperdey § 40 II. M ) RheinArch. 110, 309. 25 ) S. darüber unten § 15 II, 1. 28 ) Koppers, D J Z 1904,806; Broicher in PucheltsZ 38,175; OLG 18,130; RheinArch. 109, 285 (Düsseldorf). 2 ') Neumann, Jahrb. 1912 Ziff. 2 und 3 (Dresden); RheinArch. 108, 368 (Karlsruhe); RheinArch. 110, 145 (Düsseldorf). Das BayObLG hat in seiner Entscheidung Bd. 22, 334 angenommen, zwischen demjenigen der eine halbscheidige Giebelmauer erbaut, und seinem Nachbar komme schon durch die Unterzeichnung des Bauplans eine stillschweigende Vereinbarung zustande, wonach der Nachbar gegen Ersatz der halben Kosten der Errichtung der Mauer an diese anbauen dürfe. 28 ) S. unten § 8 III 2. 2B ) RheinArch. 110, 308. 30 ) So Pfirstinger 24; SächsRpflArch. 1 1 , 4 (Dresden). 31 ) Lieberich, BayZ 1914, 262 Anm. 2 1 ; FrkfRdsch. 1906, 71 (Frankfurt). Zu Unrecht wird aber dort der Ersatzanspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag abgeleitet. 155

§ ö I 4, II

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

sichten darüber auseinander gingen, ob dieser Bereicherunganspruch aus § 951 oder aus § 812 abzuleiten sei. Der Bereicherungsanspruch bietet wohl den einzigen brauchbaren Ausweg32). Zu seiner Begründung ist es erforderlich, die sachenrechtliche Grundlage darzustellen, auf welcher das Rechtsverhältnis der Kommunmauer beruht. I I . D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s an d e r K o m m u n m a u e r v o r Anbau

dem

Wer beim Bau seines Hauses eine Giebelmauer halb auf das Nachbargrundstück stellt, vollendet den objektiven Tatbestand, der in § 912 als Grenzüberbau behandelt ist 33 ). Sind sämtliche Voraussetzungen des § 9 1 2 gegeben, dann steht der übergebaute Teil der Mauer im Alleineigentum des überbauenden Hauseigentümers 34 ). Man muß sogar noch weiter gehen und das Alleineigentum des überbauenden Hauseigentümers an der ganzen Mauer in jedem Falle, also z. B. 3 5 ) auch dann annehmen, wenn der Hauseigentümer bewußt rechtswidrig einen Teil der Mauer über die Grenze hinübergesetzt hat. Dieser Eigentumserwerb erfolgt also auch dann, wenn die in § 9 1 2 B G B enthaltenen Voraussetzungen eines entschuldigten Grenzüberbaues nicht vorliegen und auch wenn ohne Zustimmung des Nachbarn überbaut wird 36 ). Der gute Glaube ist von Bedeutung für die Frage, за

) Siehe hierüber unten HI 2. *•) Vgl. RheinArch. 108, 373 (RG); 1091198 (Köln); 1061 80 und 1091283 (Düsseldorf); 108 I 365 (Karlsruhe); Geiershöfer im Recht 1905,403; Breit in FischersZ. 38, 160; Ball in ArchZivPr. 138, 60; Hodes in NJW 54,1348 und 55,1782; Gollnik in ArchZivPr. 157, 460; Glaser in MDR 56, 451; Staudinger-Seufert Randb. 20 zu § 921. 34 ) Jetzt herrsch. Meinung. RheinArch. 108, 363 (Kalrsruhe); 109, 198 (Köln); 109, 277 (auch in JW 1912, 491) u. 110, 145 (Düsseldorf); Sachs. Ann. 33, 175 (Dresden); Giershöfer a.a.O. 402; BayZ 1907, 334 (Nürnberg). An diesem AUeineigentum kann durch entgegenstehende Vereinbarung nichts geändert werden, da die Vorschrift des § 93 zwingend ist. Vgl. auch BGH in MDR 58, 591; RGRKomm. Bern. 1 ; Staudinger Seufert Randb. 12 u. 26; Soergel-Baur Bern. 3 b; Achilles-Greif Bern. 5; Ermann-SeibertBem. 2; Palandt-Hoche Bern. 5 je zu § 921; Glaser MDR 56, 451; Hodes NJW 54, 1348; ebenso i n N J W 5 5 , i 7 8 2 ; Meisner-Stern-Hodes § 8 II 3 a. Gollnik in ArchZivPr. 157, 460; Köln in BB 51,600. зб ) Auch dann, wenn der Erbauer bei Errichtung der halbscheidigefl Mauer Eigentümer der beiden Grundstücke war und dann das eine Grundstück veräußert hat oder die beiden Grundstücke im Wege der Zwangsversteigerung an verschiedene Erwerber zugeschlagen sind. Weil in einem solchen Fall § 912 nicht anwendbar sein soll (s. dagegen unten § 21 VH 1), nimmt R G 65, 361 u. BayZ 1914, 180 (München) Realteilung an der Mauer an. 36 ) Ebenso: Meisner-Stern-Hodes § 8 II 3c; Eneccerus-Lehmann, § 125, N 42; Palandt N 5 zu § 94 B G B gegen N 5 a. bb zu § 921 BGB. O L G Löln in B B 51, 600; Staudinger RN 20 zu § 94 B G B und 25 zu § 921 B G B ; a. M. B G H NJW 58, 1182 = MDR 58, 592; BGH NJW 64 S. 1125 — hiergegen Hodes NJW 64 S. 2382fr. u. Klauser NJW 65 S. 513 —; BGH NJW 65 S. 811 — hiergegen Hodes NJW 65 S. 2088 156

§8

Die Kommunmauer

in

ob der Eigentümer des überbauten Grundstückes die Beseitigung des Überbaues verlangen kann, nicht aber für das Eigentumsverhältnis an der Mauer. Sie gehört in jedem Fall dem Hauseigentümer; es ist „seine" Mauer. Das ist eine Auswirkung der oben vertretenen Auffassung, daß der Grundsatz der rechtlichen Untrennbarkeit der Bestandteile (§ 93) stärker ist, wie der Grundsatz des § 94 A b s . 1 (Superficies solo cedit) und deshalb beim Zusammentreffen der beiden Grundsätze auf denselben Tatbestand der § 94 dem § 93 weichen muß. Das Reichsgericht geht von einem anderen Standpunkt aus: Darnach soll ein Gebäude grundsätzlich nur soweit wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes sein, als es mit diesem fest verbunden ist, also darauf steht (§ 94). Reicht ein Teil des Gebäudes über die Grenze des Grundstückes hinaus, so ist dieser Teil Bestandteil des angrenzenden Grundstückes. Nur dann ist der hinübergebaute Teil eines Gebäudes a u s n a h m s w e i s e rechtlicher Bestandteil des Gebäudes, wenn der Teil in Ausübung eines Rechtes an dem Nachbargrundstücke mit diesem verbunden wurde (§ 95 Abs. 1) oder wenn die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen der Nachbar den Überbau nach § 912 zu dulden hat. Diese Rechtsauffassung hat sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen3'). In der für Kommunmauerrecht grundsätzlichen Entscheidung vom 8. 2. 1 9 1 1 führt das RG 3 8 ) aus: „Wenn es sich um eine halbscheidig errichtete Mauer handelt, die w e d e r in Ausübung eines Rechts am Nachbargrundstücke (§95 Abs. 1 Satz 2) n o c h unter den eine Duldungspflicht des Nachbarn begründeten Voraussetzungen des § 912 hinübergebaut wurde, so steht die Mauer je zur Hälfte in real a b g e t e i l t e m Eigentum der beiden Nachbarn (§ 94). Der Angrenzet kann die Beseitigung des übergebauten Mauerteiles verlangen. Bei dem abgeteilten Eigentum bleibt es auch nach dem Anbau. Handelt es sich aber um eine halbscheidige Mauer, bei der die Voraussetzungen des § 95 oder der Duldungspflicht des § 912 gegeben sind, so steht die ganze Mauer im Alleineigentum des Hauseigentümers und dabei bleibt es auch nach dem Anbau 39 )". Eine Erörterung der beiden v o m R G zugelassenen Ausnahmefälle ergibt: 1. E r r i c h t u n g m i t Z u s t i m m u n g

des

Nachbarn

E r f o l g t der Überbau der Mauer m i t Z u s t i m m u n g des Nachbarn, so steht nach Ansicht des R G 4 0 ) die Mauer im Alleineigentum des Bauenden, weil die Duldungspflicht des Nachbarn ein dienstbarkeitsähn—. Palandt Anm. 5a, bb zu § 921 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 127c; Westermann § 66 IV 2; vgl. auch Hodes in der Anm. zu L G Duisburg N J W 62, 1251 und oben § 7 III. 3 ' ) RGKomm.Bem. 3 zu §94; vgl. R G 162,212; 169, i 7 5 ; B G H i n M D R 58,591 u. 592. 3a ) RheinArch. 108, 373 fr. (in recht unvollständigem Auszug, der leicht zu Mißverständnissen führen kann, auch abgedruckt. JW 1 9 1 1 , 365). 39 ) Aus dieser unrichtigen (s. darüber unten § 8 III 2) Annahme wird dann dieFolgerung gezogen, daß der anbauende Nachbar für den Anbau in keinem Falle eine Entschädigung bezahlen müsse, weil der andere Nachbar in keinem Fall d u r c h den A n b a u einen Rechtsverlust erleide. 40 ) R G Warn. 1915 Nr. 270; BayZ 1915, 350 (RG); R G 83, 142; 7. 157

ii 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

liches Verhältnis darstelle und damit § 95 A b s . 1 Satz 2 B G B anzuwenden sei. Diese Ansicht ist im Ergebnis, jedoch nicht in der Begründung richtig. Das Alleineigentum desjenigen, der die Mauer erbaut hat, ergibt sich aus der Anwendung der §§ 93, 94 A b s . 2 B G B , welche Vorrang vor § 94 A b s . x B G B haben 41 ). § 9 1 2 B G B ist auf diesen Fall nicht anzuwenden; denn bei einem mit Zustimmung des Nachbarn erfolgten Überbau fehlt es an einem objektiv rechtswidrigen Verhalten, was in § 9 1 2 B G B vorausgesetzt wird. Damit ist auch die Streitfrage 42 ), ob für den hinüber gebauten Teil der Mauer Überbaurente und Grundabnahme verlangt werden kann, ohne weiteres zu verneinen. Bei einem vereinbarten Überbau ist eben das Rechtsverhältnis v o n den Parteien selbst geregelt. E s ist Sache der Auslegung der Parteivereinbarungen, zu entscheiden, welche Rechte und Pflichten jeden V e r tragsteil treffen. Unabhängig v o n der Eigentumsfrage ist die Frage nach der D u l d u n g s p f l i c h t des Nachbarn gegenüber der Kommunmauer sowie nach dessen Recht, an die Mauer selbst anzubauen, zu beurteilen. Hier beantwortet sich die Frage aus § 922 B G B , da bei der Kommunmauer, die im Einverständnis mit dem Nachbarn halbscheidig auf der Grenze errichtet wurde, schon v o r dem Anbau die Bestimmungen der §§ 9 2 1 , 922 B G B anzuwenden sind 43 ). BayZ 1915, 550 (RG). Im Einklang hiermit lehrt RGKomm. Bern. 5 zu § 95 (nachdem vorher das Erfordernis eines d i n g l i c h e n Rechts für die Befugnis des § 95 aufgestellt ist): Wenn eine Giebelmauer mit der ausdrücklich oder stillschweigend von den Nachbarn vereinbarten Bestimmung des späteren Anbaus des Nachbarn halbscheidig errichtet wird, so ist der hinübergebaute Teil „als in Ausübung eines bedingten Rechtes mit dem Nachbargrundstück verbunden anzusehen". Vgl. auch Staudinger-Seufert Anm. 23—29 zu § 921; Meisner-Stern-Hodes § 8 II 1. 41 ) Siehe oben § 2 I 2, § 7 III 3; vgl. Hausmann „Das Recht der halbscheidigen Giebelmauer" Diss. München 1969. 42 ) Vgl. R G 52, 15; 83, 142; RheinArch. 108, 373; BayZt. 15, 350; WeinBayZt. 15, 455; Hoeniger ArchZivPr. 35, 282; Lieberich BayZt. 14, 239; RGRKomm. Bern. 7; Staudinger-Seufert Randb. 23c und 28 je zu § 921; Hodes in N J W 54, 1348 u. 1369; 55, 1782; Glaser M D R 56, 451. A . M . Planck-Strecker Bern. 5; Schmitt in BayNotZ 1907, 47; München BayZt. 14, 181. 43 ) Ebenso R G BayZ 1915, 350 = WarnR 1915 Nr. 270; B G H L M § 912 Nr. 8; O L G Düsseldorf N J W 63, 1 6 1 ; Nürnberg BayZ 1916, 156; Dresden O L G 18, 130; Westermann § 66 IV 2; Buhmann BayZ 1914, 199; Soergel RdNr. 12 zu § 921; Hallbauer SächsAnn. 27, 176; 35, 120; Bungard a.a.O. 1 3 f . ; Brbischer Puchelts 1938, 178; Koppers D J Z 1904, 806; wohl auch RGRKomm. 3; a.A. Planck-Strecker 3b; Biermann 1 ; Becher BayZ 1915, 87; Mannherz JW 1912, 491; Pfirstinger a.a.O. 26; Crome III 300 Anm. 13 u. 19; Breit FischersZ 35, 147; Geiershöfer Recht 1905, 402; Düsseldorf RheinArch. 108, 366; 109, 280; 110, 147. Staudinger-Seufert R N 30 zu § 921; Meisner-SternHodes § 8 II 1. 158

Die Kommunmauer

§8 ii 1

Die Gegenmeinung begründet die Ablehnung der Grenzeinrichtungseigenschaft vor dem Anbau damit, daß die Mauer solange im Alleineigentum des Bauenden stünde und daher keine Grenzeinrichtung sein könne; denn Alleineigentum an der Anlage schließe grundsätzlich eine Grenzeinrichtung aus. Dem kann nicht beigetreten werden. Unter allen Grenzeinrichtungen nimmt die Kommunmauer insoweit eine Sonderstellung ein, als es sich bei ihr nicht um ein selbständiges Bauwerk handelt, sondern um den Bestandteil eines Gebäudes.Aus diesem Grund kann Miteigentum an der Mauer vor dem Anbau auch gar nicht entstehen wegen der stärkeren Wirkung der §§ 93, 94 Abs. 2 B G B . Trotzdem erfüllt die Kommunmauer auch schon vor dem Anbau wirtschaftlich alle Voraussetzungen, die zu einer Grenzeinrichtung gehören. Sie wird von der Grenze durchschnitten, wurde im Einverständnis beider Nachbarn errichtet und dient dem Vorteil beider Grundstücke als Grenzscheidung und indem sie die Möglichkeit des Anbaues bietet. Die Errichtung der Mauer beruht auf einem Willensakt b e i d e r Nachbarn (der Überbau ohne Zustimmung des Nachbarn ist ein Fall des § 912 BGB). Das Alleineigentum an einer Grenzanlage schließt zwar die direkte Anwendung der Bestimmungen der §§ 921, 922 B G B aus. In dem hier behandelten Fall muß jedoch eine entsprechende Anwendung stattfinden. Die Kommunmauer kann — wie oben dargelegt — von dem Anbau nur im Alleineigentum stehen; dennoch ist sie nach dem Willen der beiden Nachbarn mit allen tatsächlichen Merkmalen einer Grenzeinrichtung ausgestattet. Insbesondere muß man davon ausgehen, daß ein Beseitigungsrecht des Erbauers von den Beteiligten nicht gewollt ist. Es dürfte kaum jemand seine Zustimmung zur Errichtung der Mauer teilweise auf seinem Grundstück geben, wenn er nicht die Sicherheit hat, daß die Mauer auch dann noch steht, wenn er selbst daran anbauen will. Auch das Anbaurecht soll nach dem Parteiwillen mit dinglicher Wirkung gegenüber den Sonderrechtsnachfolgern des Erbauers der Mauer ausgestaltet werden. Ohne diese Wirkung kann ebenfalls eine Zustimmung zur Errichtung der Mauer nicht angenommen werden — jedenfalls keine stillschweigende Zustimmung. — Diese dingliche Wirkung der Kommunmauerabrede wird im übrigen auch von der Gegenmeinung mit der Anwendbarkeit des § 922 B G B begründet44), was von ihrem Standpunkt aus zumindest inkonsequent ist. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 921, 922 B G B wird also nur durch das vorliegende Alleineigentum des Bauherrn an der Mauer ausgeschlossen. Im übrigen ist vom Sinn und Zweck dieser Bestimmungen her alles gegeben, was eine Grenzeinrichtung ausmacht. Einer entsprechenden Anwendung dürfte daher nichts im Wege stehen, zumal vom wirtschaft44

) Staudinger-Seufert R N 31 zu § 921.

159

§ ö

II 1, 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

liehen Ergebnis her betrachtet nur dieser Weg den Bedürfnissen der Beteiligten und vor allem ihrem mutmaßlichem Willen entspricht. Für die im Einverständnis mit dem Nachbarn errichtete halbscheidige Kommunmauer gelten daher schon vor dem Anbau die Bestimmungen des § 922 BGB 4 6 ). Danach hat der Nachbar die Mauer zu dulden und ist berechtigt, selbst anzubauen. E r ist aber auch verpflichtet, sich am Unterhalt der Mauer zu beteiligen. Dies ist der wirtschaftliche Hintergrund für den Streit darüber, ob eine (im Einverständnis mit dem Nachbarn halbscheidig errichtete) Kommunmauer schon vor dem Anbau eine Grenzeinrichtung i. S. des § 921fr. B G B sein kann. Aber gerade, wenn man diesen Streit von der wirtschaftlichen Seite betrachtet, erscheint die Annahme einer Grenzeinrichtung mehr der Gerechtigkeit zu entsprechen, als deren Ablehnung. Der Nachbar kann ja zu seinem Einverständnis nicht gezwungen werden. Wenn er der Errichtung einer teilweise auf seinem Grund stehenden Mauer zustimmt in der Erwartung, selbst daran anbauen zu können, dann erscheint es unbillig, dem Erbauer das Recht auf Beseitigung der Mauer einzuräumen. Muß dieser aber die Mauer stehen lassen, so wäre es wiederum unbillig, ihm allein die Unterhaltungskosten aufzubürden. Es zeigt sich eben, daß die Frage, ob eine Grenzeinrichtung mit den Folgen des § 922 B G B vorliegt, nicht allein aus den abstrakten Eigentumsverhältnissen beantwortet werden kann. 2. E r r i c h t u n g o h n e Z u s t i m m u n g des N a c h b a r n 2. § 912 ist auf den Fall einer halbscheidig gebauten Giebelmauer vor dem Anbau des Nachbars anzuwenden: 45 ) Deshalb darf der Eigentümer der halbscheidigen Mauer diese ohne Zustimmung des Nachbarn nicht beseitigen. Nach § 922 muß der Nachbar die Hälfte der U n t e r h a l t u n g s k o s t e n fiir die mit seiner Zustimmung erbaute halbscheidige Mauer auch schon vor dem Anbau tragen. Das ist durchaus nicht unbillig. Derjenige, der das erste Haus gebaut hat, mußte mit den gesamten Herstellungskosten in Vorschuß gehen. Da der Nachbar der Schaffung der Grenzeinrichtung zugestimmt hat und die halbscheidige Mauer schon vor dem Anbau den Wert seines Grundstücks erhöht und es ihm ja jederzeit frei steht, den in Aussicht genommenen Anbau auszuführen, so ist nicht erfindlich, weshalb er sich der Zahlung der hälftigen Unterhaltungskosten entschlagen können sollte. A . M. Buhmann, BayZ 1914, 223; Lieberich, BayZ 1914, 263. Nur unter ganz besonderen Umständen kann eine gegenteilige stillschweigende Vereinbarung unterstellt werden. Vgl. B G H in M D R 59, 565; R G in BayZt. 15, 35; Nürnberg in BayZt. 16, 156; R G R K o m . Bern. 3 zu § 921 und Bern. 5 zu § 95, wo eine Grenzmauer als in Ausübung eines dinglichen Rechts mit dem Nachbargrundstück verbunden angesehen wird, wenn sie mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung beider Nachbarn errichtet wurde, daß später angebaut werden dürfe. Vgl. auch Westermann SR § 66 I V 2; Hodes in N J W 54, 1348 und 1369; Herold in BlfGrBW 54, 133.

160

Die Kommunmauer

§8

II 2

a) wenn der Nachbar dem Grenzüberbau weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt hat; b) wenn der Nachbar weder bei der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat, noch auch einen rechtzeitig erhobenen Widerspruch später fallen ließ4«); c) wenn dem überbauenden Hauseigentümer bei Überschreitung der Grenze weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Vorsatz bei der Grenzüberschreitung liegt vor, wenn der Hauseigentümer bei der Errichtung der Mauer gewußt hat, daß er unberechtigt über die Grenze baut. Hat er sich über den Verlauf der Grenze getäuscht oder irrtümlich angenommen, daß er auch Eigentümer des Nachbargrundstückes sei oder daß der Nachbar mit dem Überbau einverstanden sei47), dann hat er die Grenze nicht mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, also nicht vorsätzlich rechtswidrig überschritten. Es kommt dann darauf an, ob sein Irrtum auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Hauseigentümer muß beweisen, daß ihm Vorsatz und Fahrlässigkeit bei der Grenzüberschreitung nicht zur Last fällt. Andernfalls besteht die Duldungspflicht des § 912 nicht. In Gegenden, in denen die halbscheidige Bauweise Brauch ist, also vor allem in Nürnberg und München werden Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit regelmäßig durch den Nachweis dieses Brauches48) ausgeschlossen sein49). 46

) SeuffA 62 Nr. 109. ) Hat der Nachbar ein Verhalten an den Tag gelegt, welches objektiv betrachtet, nicht anders aufgefaßt werden kann als die Zustimmung, dann hat er diese Zustimmung auch dann erklärt, wenn dies seinem inneren Willen nicht entsprach. Denn auch die stillschweigende Zustimmung ist eine Willenserklärung (vgl. R G K Vorbem. 2 vor § 116). Wird sie nicht rechtzeitig (§ 121) wegen Irrtums angefochten (§ 119), dann liegt der Fall a des Textes vor. 48 ) Zu weit geht RheinArchRZ 29, 172, wenn dort der Brauch als Gewohnheitsrecht aufgefaßt wird, durch welches ein wirkliches Recht zum Bauen verliehen werde. Dagegen mit Recht RheinArch. 1 1 0 , 149 (Düsseldorf). 49 ) Vgl. RheinArch. 109 I 199. Ist in einer Stadt, wo die halbscheidige Bauweise üblich ist, ein Bauplan, der die halbscheidige Errichtung der Giebelwand aufzeigt, vom Nachbar unterschrieben worden, so liegt darin zwar nicht die ausdrückliche Erklärung seiner Zustimmung. Denn bei der Unterzeichnung des Bauplanes handelt es sich nur um eine Erklärung gegenüber der Behörde, nicht gegenüber dem Bauherrn. Aber in der Unterzeichnung des Bauplanes im Z u s a m m e n h a l t mit dem Geschehenlassen des halbscheidigen Mauerbaues wird dem Bauherrn gegenüber ein Verhalten an den Tag gelegt, das nach Lage der Sache keine andere Auslegung zuläßt, als die Zustimmung. Es liegt also die stillschweigende Erklärung der Zustimmung vor. (Im Ergebnis richtig) BayZ 1915, 350 (München)). War der Nachbar im Irrtum darüber, daß halbscheidig angebaut werde, so ist er auf die Anfechtung wegen Irrtums angewiesen (s. oben Anm. 42). 47

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. A u S .

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§8

II 3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

3. F o l g e r u n g e n

f ü r das E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s munmauer

an der

Kom-

a) (Fall des vereinbarten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Nachbars, somit auf Grund einer V e r e i n b a r u n g (zu unterscheiden von dem Fall einer widerspruchlosen Hinnahme des Überbaues i. S. des § 912) errichtet, so muß er den Überbau dulden. Er kann Überbaurente und Grundabnahme nicht verlangen, hat aber das Recht, die Giebelwand zum Anbau seines Hauses zu benützen. Eine Anbaupflicht besteht nicht. Bis zum Anbau steht die Giebelwand im A l l e i n e i g e n t u m des überbauenden Hauseigentümers (§§ 95, 93, 94 Abs. 2). Die Giebelmauer ist schon vor dem Anbau Grenzeinrichtung i. S. der §§ 921, 922 (vgl. unten § 21 I 6). Wurde die Giebelmauer entgegen der getroffenen Vereinbarung zwar auf der Grenzlinie, jedoch zum kleineren Teil auf dem Grundstück des Erbauers und zum größeren Teil auf dem Nachbargrundstück errichtet, so ist das Eigentumsrecht des Nachbarn insoweit beeinträchtigt, als beispielsweise die 36 cm starke Mauer nicht nur mit 18 cm sondern mit weiteren 10 cm auf seinem Grundstück steht. Hinsichtlich dieser 10 cm handelt es sich um einen Überbau nach § 912 B G B , wenn Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beim Überbauen ausgeschlossen war und Widerspruch nicht erhoben worden ist. Die Mauer muß also geduldet werden. Der Nachbar könnte Grundabnahme oder Überbaurente verlangen. Nun steht aber auf Grund der getroffenen Vereinbarung dem Nachbarn lediglich das Anbaurecht hinsichtlich der 18 cm der Mauer zu. Dieses Anbaurecht kann er aber wegen der weiteren 10 cm Mauer, die er dulden muß, nicht verwirklichen, ohne damit gleichzeitig sein Recht aus dem Überbau zu verlieren. Im Falle des Anbaus an die Mauer stünden ihm daher Ansprüche aus dem Überbau nicht mehr zu. Andererseits aber hat er Besitz und Nutzung an dem um 10 cm mehr überbauten Streifen endgültig verloren. Dieser Rechtsverlust muß ausgeglichen werden, und zwar nach § 812 B G B oder nach § 823 B G B (bei leichter Fahrlässigkeit). Der Ausgleich hat dadurch zu erfolgen, daß der Erbauer dem Nachbarn den 10 cm breiten Streifen Land abkauft (Kosten einschließlich der Vermessung und des grundbuchamtlichen Vollzugs hat der Erbauer zu tragen) oder daß der Erbauer eine Rente zahlt (entsprechende Anwendung von § 912 BGB). Hat der Erbauer vorsätzlich oder grob fahrlässig die Mauer um mehr als 18 cm auf das Nachbargrundstück gesetzt, oder hat der Nachbar rechtzeitig widersprochen, so kann der betroffene Nachbar gem. § 1004 B G B die Beseitigung des Teils der Mauer verlangen, um den abredewidrig zu weit überbaut wurde50). 50

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) B G H N J W 71, 426; a.A. Meisner-Stern-Hodes § 8 II 3a.

Die Kommunmauer

§8

II 3

Wird die Beseitigung verlangt, so wird dadurch allerdings das Recht des Nachbarn auf Anbau gefährdet oder sogar unmöglich gemacht. Wird eine Giebelmauer in geringerer Dicke erhöht und wird dabei die E r h ö h u n g nicht „mittig" vorgenommen, so entstehen ebenfalls Ausgleichsansprüche, weil im Falle des Anbaus dem Nachbarn ein Raumverlust entsteht603). b) (Fall des entschuldigten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand o h n e ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Nachbars errichtet, so muß der Nachbar 61 ) die Giebelwand dulden, wenn die Voraussetzungen des § 912 gegeben sind. Die ganze Mauer steht im A l l e i n e i g e n t u m des Hauseigentümers. Der Nachbar kann Überbaurente und Grundabnahme verlangen. Dagegen darf er die Giebelwand n i c h t zum A n b a u seines Neubaues verwenden. Tut er dies trotzdem, so muß er auf Verlangen des Eigentümers des ersten Hauses die Beeinträchtigung der Giebelwand selbst dann beseitigen, wenn dieser rechtzeitig Widerspruch (§912 Abs. 1) nicht erhoben hat (§§903,1004). Wenn dieser aber durch sein Verhalten ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebracht hat, daß er mit der Benützung seiner Mauer beim Anbau des Nachbars einverstanden ist, dann entfällt von da ab die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 912 fr. Denn dann ist mit Zustimmung beider Nachbarn eine Einrichtung vorhanden, die objektiv dem Vorteil beider Nachbarn dient und dauernd zu dienen bestimmt ist. Das ist eine Grenzeinrichtung (§§ 921, 922), so daß von da ab der Fall a gegeben ist. c) (Fall des rechtswidrigen oder nicht entschuldigten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand ohne ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung des Nachbars errichtet oder f e h l t eine der Voraussetzungen der Duldungspflicht des § 9 1 2 Abs. 1, dann steht die ganze Mauer gleichwohl im A l l e i n e i g e n t u m des erstbauenden Hauseigentümers, der jede Einwirkung auf seine Mauer verbieten kann (§ 903, 1004). Davon weicht die Ansicht'des Reichsgerichtes62) und des Bundesgerichtshofs63) ab, die in diesem Falle real abgeteiltes Eigentum an der Mauer annehmen. Jedenfalls kann der Nachbar Überbaurente und Grundabnahme nicht 50

") B G H N J W 70, 97. ) Natürlich auch sein Sondernachfolger, da die Beschränkung des § 912 dinglich wirkt. 52 ) RheinArch. 108, 3 7 7 ; J W 1 9 1 1 , 366; O L G 34, 190 (München). B G H in M D R 58 592; Gollnick ArchZivPr. 157, 460. Dagegen wie obenStaudinger-Seufert Randb. 25 zu § 9 2 1 ; Köln BB 51, 600; Meisner-Stem-Hodes § 8 II 1. 53 ) B G H N J W 64, 1125 u. N J W 65, 8 1 1 ; dagegen Hodes N J W 64, 2382; N J W 65, 2088. — Z u dem Fall, daß eine völlig auf dem anderen Grundstück stehende Mauer in das Gebäude des Überbauers einbezogen worden ist, vgl. L G Duisburg N J W 62 S. 1251 — hiergegen Hodes ebenda — und B G H N J W 63, S. 1221 — hiergegen Hodes N J W 64 S. 2382fr. (2385). Vgl. auch B G H N J W 69, 1481 sowie oben § 7 III 3. 51

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§8 114

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verlangen. Erhebt er gleichwohl den Anspruch auf Überbaurente oder Grundabnahme, dann wird darin zwar nicht ohne weiteres die nachträgliche Zustimmung der Grenzüberschreitung, aber im Zweifel der Antrag an den Eigentümer des zuerst gebauten Hauses zu erblicken sein, den Überbau nach den Bestimmungen der §§ 912 ff. zu behandeln. Dieser Antrag schließt den Verzicht auf den Beseitigungsanspruch ein. Nimmt der Nachbar diesen Antrag an, so sind von da ab die Bestimmungen der §§ 912 fr. anzuwenden. Benützt der Nachbar die Mauer zum Anbau seines Neubaues, so ist das Rechtsverhältnis genau so zu beurteilen, wie bei der darin liegenden Zustimmung zur rechtlichen Begründung einer Grenzeinrichtung im Fall b. 4. G l e i c h z e i t i g e r B a u b e i d e r H ä u s e r d u r c h d e n s e l b e n E i g e n tümer Durch den (aus Baugeländeersparnis) in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden Bau von Reihenhaus Siedlungen oder Doppelhäusern wird sich in absehbarer Zeit ein neues Problem in großem Ausmaß ergeben. In der Regel werden diese Häuser gleichzeitig von einem Bauherrn (meist einer Baugesellschaft) auf einem noch nicht in einzelne Parzellen geteilten Grundstück mit jeweils nur einer gemeinsamen Giebelmauer erbaut. Nach Fertigstellung werden die einzelnen Hausgrundstücke parzelliert und zwar in der Weise, daß die Grenzlinie mehr oder minder genau in der Mitte der gemeinsamen Giebelmauer verläuft. Sodann werden die Häuser verkauft. Soweit bis heute feststellbar, wird in all diesen Fällen weder von den beteiligten Baufirmen noch von den späteren benachbarten Eigentümern eine brauchbare Regelung der Kommunmauerfrage getroffen. Dies ist vor allem deshalb zu bedauern, weil gerade im Kommunmauerrecht noch erheblich unterschiedliche Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum bestehen (siehe oben § 8 II 1. § 7 III 3.). Es empfiehlt sich daher, in Fällen der genannten Art bei den Kaufverträgen, mit welchen die Baugesellschaft die einzelnen Reihenhäuser verkauft, genaue Vereinbarungen zu treffen über die Eigentumsverhältnisse an der Kommunmauer, über die gemeinsame Benützung und Unterhaltung, sowie über die Rechtslage beim Abbruch eines Hauses. Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht stellt sich die Rechtslage im Falle der Errichtung von Reihenhäusern durch einen Eigentümer auf einem Grundstück und der nachträglichen Aufteilung und Veräußerung an mehrere Eigentümer wie folgt dar: a) Eigentum an der Kommunmauer. Die Mauer steht im Miteigentum der beiden Nachbarn, und zwar sowohl im Falle der halbscheidigen Kommunmauer als auch dann, wenn die Mauer ausschließlich auf einem 164

Die Kommunmauer

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Grundstück steht (vgl. oben § 7 III 3). § 912 B G B ist nicht anzuwenden, da im Zeitpunkt des Baues noch gar keine Grenze bestand und darüber hinaus (sollte die Grenze schon vorhanden gewesen sein) der Überbau nicht objektiv rechtswidrig war, weil der betroffene Eigentümer — nämlich der Bauherr der Mauer selbst — einverstanden war (vgl. oben II 1). Überbaurente und Grundabnahme kann nicht verlangt werden. Wird ein Haus abgerissen oder zerstört, so gelangt die nunmehr freistehende Mauer in das Alleineigentum des Eigentümers des noch stehenden Hauses. b) Die Mauer ist Grenzeinrichtung nach §§ 921, 922 B G B . Beide Nachbarn sind zur gemeinsamen Benützung berechtigt und zum gemeinsamen Unterhalt verpflichtet. Die Mauer verliert die Grenzeinrichtungseigenschaft auch dann nicht, wenn ein Haus abgerissen oder zerstört wird. Der Nachbar kann in diesem Fall die Mauer z. B. durch Reklame benützen. E r ist zum Wiederanbau berechtigt und hat sich an den Unterhaltskosten zu beteiligen. III. Das Rechtsverhältnis der Kommunmauer nach dem Anbau — der g e s e t z l i c h e A b l ö s u n g s a n s p r u c h Baut der Nachbar an die vom Hauseigentümer halbscheidig errichtete Mauer an, so benützt er einen Gebäudeteil, zu dessen Errichtung er zwar durch Grund und Boden, aber weder durch Arbeit noch durch Baustoff etwas beigetragen hat. Die Rechtsprechung zog daraus unter der Herrschaft des rheinischen Rechts, wie des Münchener und des Nürnberger Stadrechts die Folgerung, daß er den Eigentümer des zuerst gebauten Grundstückes dafür entschädigen muß. Diese Entschädigungspflicht, die der Billigkeit und der Überlieferung entspricht,wurde für das neue Recht von einem Teil der Rechtslehre und der Gerichte, an der Spitze vom Reichsgericht geleugnet64). Für die Untersuchung der Frage, ob für den Anbau nach neuem Recht Entschädigung gezahlt werden muß, empfiehlt es sich, zunächst von Abreden der Beteiligten abzusehen und bei der Untersuchung zu unterstellen, daß weder eine dingliche noch eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Ersatzleistung zwischen den Nachbarn und ihren Besitzvorgängern getroffen wurde. 1. Ä n d e r u n g des E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e s d u r c h den A n b a u Die Untersuchung hat auszugehen von dem Eigentumsverhältnis, das an der halbscheidigen Mauer v o r dem Anbau besteht. Wie oben geM ) RheinArch. 108, 373 (RG); im ungenügenden Auszug auch in J W 1 9 1 1 , 366; BayZ 1914, 181 (München); O L G 34, 1 9 1 ; Bungard 28, Wein 4 5 5 ; Geiershöfer 403; Staudinger 10 Aufl. Bern. I V a b zu § 921.

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zeigt wurde, steht in jedem Fall66) das Alleineigentum an der halbscheidig gebauten Mauer vor dem Anbau dem Gebäudeeigentümer zu. Dieses Alleineigentum an der ganzen Mauer wird aber durch den Anbau geändert. Denn durch die Einverleibung der Mauer in das zweite Haus wird sie auch zu dessen wesentlichen Bestandteil66) (s. oben § 2 I 2) Der Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit" ist an sich ein abstrakter Rechtsgrundsatz. Er steht aber nicht für sich allein im Gesetz. Die Vorschriften der §§93 und 95 und insbesondere des § 94 Abs. 2 sind zusammen mit § 94 Abs. 1 und unter Heranziehung der § § 946 ff. einer einheitlichen Betrachtung zu unterstellen. In ihrer Gesamtheit ist in diesen Vorschriften das gesetzgeberische Ziel ausgeprägt, einem Gegenstand, der kraft seiner Zweckbestimmung und der allgemein gültigen Verkehrsauffassung als w i r t s c h a f t l i c h e Einheit erscheint, auch die entsprechende r e c h t l i c h e Einheit zu geben67). Die Zweckbestimmung d. i. die Willensrichtung dessen, der die Verbindung herstellt, und Verkehrsauffassung gibt den Ausschlag für die Entscheidung der Frage, ob eine Sache wesentlicher Bestandteil einer andern ist oder durch die Verbindung wird68). Dabei handelt es sich um eine Zweckbestimmung, die nicht nur ein innerer Vorgang bei dem Schaffenden ist, sondern durch die Verwirklichung seiner Willensrichtung so vergegenständlicht wird, daß der Zweck in das Wesen des Werkes übergeht. Der Erbauer einer halbscheidigen Mauer gibt dieser Mauer zunächst einmal die Zweckbestimmung, die Abschlußmauer seines Hauses zu bilden; sie fällt daher gemäß §§ 93, 94 Abs. 2 als Bestandteil seines Hauses in sein Alleineigentum. Daneben aber gibt der Erbauer, indem er die Abschlußmauer seines Hauses halb über die Grenze setzt, der Mauer die weitere Zweckbestimmung, später, nämlich im Fall des Anbaues, auch dem Nachbarhaus als Abschlußmauer zu dienen. Diese Zweckbe56 ) Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof machen hiervon eine (einzige) Ausnahme, nämlich für eine halbscheidige Mauer, bei der weder die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 noch die Duldungspflicht des § 912 Abs. 1 gegeben ist. Vgl. oben § 2 II u. § 7 III. 68 ) J W 1912, 1038 (Dresden); RheinArch. 109, 277 (Düsseldorf); auch in J W 1912 4 9 1 ; Metzgers, Gruchot 6 2 , 7 7 ; s. dagegen B a y Z 1 9 1 4 , 1 8 1 (München); Droste, Gruchot 6o, 256. Ganz seltsam O L G 29, 241 (München): E s wird Uberbau angenommen und daraus richtig gefolgert, daß an sich der hinübergebaute Teil Bestandteil des Hauses sei. Durch Annahme stillschweigender Abrede wird das Gegenteil (Realteilung) konstruiert, wobei übersehen wird, daß die Vorschriften der § § 93 ff- zwingendes Recht sind. Vgl. femer B G H Z 27, 197 = M D R 58, 591 = N J W 58, 1182. 57 ) Vgl. R G 58, 3 4 1 ; 61, 192; 62, 408; 63, 4 1 9 ; 67, 4 1 9 ; 69, 1 2 1 u. 1 5 3 ; Staudinger-Coing Randb. 2 zu § 93; B G H Z 8, 1. 6S ) RheinArch. n o , 145 (Düsseldorf); vgl. auch R G 153, 2 3 1 ; 158, 376; B G H in L M Nr. 48 zu § 13 G V G = N J W 36, 1 2 7 3 ; B G H Z 27, 197.

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Stimmung ist im Wesen der Mauer vergegenständlicht . Baut dann der Nachbar an, so wird dadurch lediglich die Zweckbestimmung verwirklicht, welche die Mauer von allem Anfang in sich getragen und für die Verkehrsauffassung ersichtlich bewahrt hat. Wenn die in die Einheitssache hineingelegte, ihrem Wesen aufgeprägte Zweckbestimmung von allem Anfang an und immer darin besteht, dem einen Haus so gut wie dem andern die unentbehrliche Abschlußmauer, also wesentlicher Bestandteil zu werden, so muß in dem Augenblick, in welchem diese Zweckbestimmung auch für das zweite Haus verwirklicht wird, die wirtschaftliche wie die rechtliche Zusammengehörigkeit der Mauer zu dem zweiten Haus genau dieselbe werden, wie zu dem ersten Haus. Für jedes der beiden Häuser ist die ganze Mauer, nicht nur die eine real abgeschnittene Hälfte unentbehrlich; die ganze Mauer ist mit dem einen wie mit dem andern Haus fest verbunden, sie ist wesentlicher Bestandteil beider Häuser ( § 9 4 Abs. 2). Indem das Alleineigentum des einen Nachbars an der ganzen Mauer mit dem Alleineigentum des andern an derselben ganzen Mauer zusammentrifft und keines die Kraft hat, das andere zu überwinden, müssen sich die beiden Eigentumsrechte vereinigen und auflösen in ein u n g e t e i l t e s M i t e i g e n t u m . Durch den Anbau wird also die Mauer nach wirtschaftlicher und rechtlicher Auffassung auch dem neuen Haus als Bestandteil einverleibt60). Die erforderliche feste Verbindung liegt schon dann vor, wenn die halbscheidige Mauer als Abschluß des Neubaues (als dessen Verwandung) benützt wird, auch wenn eine besonders feste Verbindung durch Einbauen oder Auflegen von Balken nicht hergestellt ist 61 ). Wird das neue Haus mit einer s e l b s t ä n d i g e n Mauer nicht neben die alte Scheidewand gestellt, 59 ) Daher muß die Kommunmauer (Nachbarwand), die gemeinsame Grenzeinrichtung ist, auch beiden Nachbarn in gleicher Weise zugute kommen. Daraus folgt, daß im Falle der Erhöhung der Wand in geringerer Dicke als bisher die Erhöhung „mittig" vorgenommen werden muß, um beiden Nachbarn gleichen Raum für den Anbau zu geben. Bei Verstoß gegen diese Verpflichtung besteht eine Entschädigungspflicht nach Bereicherungsgrundsätzen, evtl. aus unerlaubter rfandlung. Vgl. O L G Düsseldorf N J W 63, 161, das die Entschädigungspflicht allerdings zu Unrecht auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleitet. Vgl. ferner B G H N J W 70, 97 fr., der die §§ 912 fr. B G B anwendet. 60 ) Becher, BayZ 1915, 84; RheinArch 1 1 0 I 145 (Düsseldorf); J W 1912, 1058 (Dresden) wenden den § 946 (Verbindung einer beweglichen Sache mit einer unbeweglichen Sache) entsprechend an. Das wird nicht angängig sein; abgesehen davon, daß die Mauerhälfte keine bewegliche Sache ist und es doch etwas zu gekünstelt ist, sich die Mauerhälfte einen Augenblick als bewegliche Sache zu denken (vgl. RheinArch. 1 1 0 , 1 4 5 ) , kann man überhaupt mit der Mauerhälfte auch in Gedanken nicht so umspringen, als ob die andere Mauerhälfte nicht fest mit ihr verbunden wäre und mit ihr nicht eine Einheitssache bilden würde. Vgl. B G H Z 27, 201; Celle in N J W 58, 2 2 5 ; Staudinger-Seufert Randb. 34 zu § 921. 61 ) BayZ 1916, 157 (Nürnberg).

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dann wird diese dem Neubau nicht einverleibt. Es muß sich aber auch wirklich um eine selbständige Mauer des Neubaues handeln, die für sich allein (also ohne Anlehnung an die Halbscheidemauer) standsicher wäre. Das ist bei einer aus (auf der schmalen Seite) aufgestellten Backsteinen bestehenden Wand eines einigermaßen hohen Gebäudes nicht der Fall. Voraussetzung für eine Änderung der Eigentumsverhältnisse ist also ein „ A n b a u " . Wann liegt nun ein solcher Anbau vor? Diese Frage ist weder gesetzlich geregelt, noch hat sie in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Oberlandesgerichte Schwierigkeiten bereitet. Dies lag an der früheren Bauweise (Ziegel- oder Steinmauern), bei welchen ohne Zweifel jeweils festzustellen war, ob eine Mauer eine Einheit bildete, oder ob bei zwei parallelen Einzelmauern jede in statischer Hinsicht selbständig war. Inzwischen haben sich aber die Bauweisen grundlegend geändert 62 ). Die Frage nach der statischen Selbständigkeit einer Mauer kann bei den vielgestaltigen heutigen Bauformen durchaus schwierig zu beantworten sein. Auf die statische Selbständigkeit kommt es aber nicht allein an. Mangels einer vertraglichen Vereinbarung kann ein Vergütungsanspruch wegen eines „Anbaues" nur darauf gestützt werden, daß der anbauende Nachbar durch den Anbau ungerechtfertigt bereichert sei. Eine solche Bereicherung ist aber nur dann gegeben, wenn der Anbauer durch den Anbau auf Kosten des Eigentümers der Giebelmauer etwas erlangt hat. Eine Vermögensverschiebung, welche Voraussetzung einer Bereicherung ist, liegt aber dann noch nicht vor, wenn die neue Mauer statisch selbständig ist und der Erbauer dieser Mauer sich mit Rücksicht auf das Vorhandensein des anderen Gebäudes lediglich darauf beschränkt, seine Mauer dünner als gewöhnlich zu errichten. Das bloße Ausnützen eines durch die Umstände 62 ) Siehe Meisner-Stern-Hodes § 8 III: Zu Anfang der 30er Jahre kam erstmals bei großen Industriebauten vereinzelt das Bauen im Stahlskelettbau zur Anwendung. Es brachte u. a. die Neuerung, daß die Abschlußwände in den Skelettbau eingefügt oder darin sogar aufgehängt werden und dabei nun keine tragende Funktion mehr haben, sondern statt dessen nur noch die Aufgabe haben, das Gebäude nach außen abzuschließen. Im Laufe der Jahre wurde dieses Verfahren in das Stahlbetonverfahren und schließlich in das Spannbetonverfahren verbessert. Diese modernen Bautechniken — aber auch die größer gewordene Bereitwilligkeit der Bauaufsichtsbehörden zur Erteilung der hierzu erforderlichen Befreiungen, um mit geringsten Aufwendungen an Material und Zeit weitgesteckte Bauziele zu erreichen — schufen die Möglichkeit, daß Gebäude unmittelbar neben einem bereits vorhandenen Bauwerk erstellt werden und sich dabei an der angrenzenden Seite mit einer dünnen daher für sich allein keinen ausreichenden Wärmeund Lärmschutz gewährenden Wand begnügen, weil sie sich den Wärme- und Lärmschutz zunutze machen, den ihnen das benachbarte Bauwerk mit Giebelwand durch sein tatsächliches Vorhandensein gewährt; zugleich ziehen sie für sich daraus einen Vorteil, daß die Giebelmauer die Eigenschaften einer Brandmauer aufweist.

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gegebenen Vorteils hat noch keine Vermögensverschiebung zur Folge 63 ). Wenn daher ein ausreichender Wärmeschutz und eine genügende Lärmisolierung nur dadurch gewährleistet ist, daß ein Nachbarhaus vorhanden ist, so kann daraus ein Ersatzanspruch allein noch nicht hergeleitet werden64). Für einen Ersatzanspruch kommt es nur darauf an, ob der Eigentümer der Giebelmauer durch den Anbau seines Nachbarn eine Einbuße in seinem bisherigen Alleineigentum erfahren hat. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die bereits bestehende Giebelmauer durch den Anbau wesentlicher Bestandteil des angebauten Gebäudes wird. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn die Giebelmauer als Abschluß des Neubaues, nämlich als seine Außenwand benutzt wird, und zwar hier auch dann, wenn keine besondere feste Verbindung durch Einbauen oder Einlegen von Balken, Einziehen von Decken u. dgl. hergestellt ist68). 63

) Vgl. Staudinger-Seufert Bern. 23 c zu § 921. ) Ebenso B G H N J W 1962, 149; 1963, 1868; O L G Karlsruhe N J W 1967, 1232 (Giebelmauer wird als Abschlußwand benutzt). 65 ) Vgl. B G H N J W 64 S. 1 2 2 1 ; hierzu Hodes N J W 64 S. 2382 (2385); L G Duisburg N J W 62 S. 1251 und Hodes daselbst. B G H N J W 62 S. 149; O L G Nürnberg in BayZ 16, 157 und BayJMBl. 53, 293; O L G Hamm in HGBR-Rspr. 53/54 Nr. 85; vgl. auch O L G Karlsruhe, M D R 60,761 u. N J W 67 S. 1231 sowie Hodes N J W 62, 773 und 64 S. 2382. Vgl. Meisner-Stem-Hodes F N 58e zu § 8. In seiner Entscheidung N J W 63, 1868 = M D R 63, 832 läßt der B G H ausdrücklich dahingestellt, ob bei einem Anbau an einen nur kurzen Abschnitt einer längeren Grenzmauer das Miteigentum sich auf die ganze Länge der Mauer erstrecke oder ob es sich dann auf ihren zum Anbau verwendeten Teil beschränke. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Denn die Giebelmauer als tatsächliche, wirtschaftliche und auch rechtliche Einheit kann von diesem Charakter nichts verlieren, wenn voll oder nur zu einem Teil an sie angebaut wird; der angebaute und der nichtangebaute Teil der Giebelwand lassen sich eigentumsrechtlich nicht voneinander scheiden, da das Ganze zu einer festen Einheit zusammengefügt ist. Der Miteigentumsanteil des anbauenden Nachbars ist nur um so kleiner, je weniger der Anbau von der Giebelmauer in Anspruch nimmt. — Dem steht allerdings nicht entgegen, daß man mit Staudinger R N 39 zu §921 B G B eine Grenzeinrichtung nur insoweit bejaht, als der Anbau in der Horizontale reicht, was zur Folge hat, daß der Erbauer der Giebelwand sofern ein weiterer Anbau nicht mehr möglich ist, grundsätzlich nicht gehindert werden kann, den nicht angebauten Teil der Mauer, obwohl diese im Miteigentum steht, wie ein Alleineigentümer ganz oder teilweise zu beseitigen; geschieht dies, so verändern sich die Größenverhältnisse der Miteigentumsanteile, bis sie schließlich bei völliger Beseitigung des nicht angebauten Teils der Wand gleichgroß werden; der Miteigentumsanteil wird also in seiner wirtschaftlichen Substanz nicht berührt, es ändert sich nur seine rechnerische Bezeichnung. Kein Anbau, der einen Vergütungsanspruch auslöst, liegt vor, wenn der Neubau eine eigene Abschlußwand hat, die zwar dicht neben der bestehenden Giebelmauer aufgeführt, deren Elemente (Bimsplatten bei Stahlskelettbau) jedoch nicht an die bestehende Giebelmauer angemauert wurden. B G H N J W 62, 149. Ist dagegen eine Verbindung der Wandelemente mit der Giebelmauer durch Mörtel oder Beton hergestellt, so liegt ein Anbau" vor. 64

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Die Ä n d e r u n g des E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e s vollzieht sich in dem Augenblick, in welchem sich der Neubau nach wirtschaftlicher Auffassung als ein wirtschaftlich zusammengehöriges und benützbares Ganzes, als eine Einheitssache, nämlich als ein Gebäude darstellt. Das ist der Zeitpunkt, in welchem der Neubau in Rohbau vollendet ist68). In diesem Augenblick zieht der Neubau die halbscheidige Mauer als Bestandteil zu sich herüber. Wie oben dargelegt ist, besteht die Änderung des Eigentumsverhältnisses, die durch den Anbau herbeigeführt wird, darin, daß die bisher im Alleineigentum des Eigentümers des ersten Hauses stehende halbscheidige Mauer in das ungeteilte Miteigentum der beiden Nachbarn überführt wird. Nach der Ansicht des Reichsgerichts, deren Widerlegung oben versucht wurde67), wird durch den Anbau eine Änderung des Eigentumsrecht nicht bewirkt. Nach der nunmehr gewandelten Rechtsprechung des B G H und der Obergerichte68) wird durch den Anbau eine Änderung des Eigentumsverhältnisses in der Weise bewirkt, daß sich das Alleineigentum des einen Nachbarn an der ganzen Mauer verwandelt in Miteigentum der beiden Nachbarn. Während also nach der Ansicht des Reichsgerichts ein Rechtsverlust des bisherigen Alleineigentümers des Hauses durch den Anbau nicht herbeigeführt wird, tritt(nach jetzt herrschender Ansicht) infolgedes Anbaues ein Rechtsverlust an der ideellen Hälfte ein. Die Rechtsprechung des B G H macht hier allerdings noch eine Einschränkung. Wird eine Giebelmauer ohne Zustimmung des Nachbarn und ohne Vorliegen der Voraussetzungen der Duldungspflicht nach § 912 B G B halbscheidig errichtet, so vertritt der B G H weiterhin die Ansicht des R G , daß vertikal geteiltes Sondereigentum vorliege69) (siehe oben § 7 III 3 am Ende). Erst wenn der Nachbar seinerseits an die Giebelmauer anbaut, wandelt sich nach der Rechtsprechung des B G H das vertikale Sondereigentum in ein Miteigentumsverhältnis um. 86 ) RheinArch. 1 1 0 1 1 5 2 (Düsseldorf); 1 1 0 1 2 1 6 (Köln); SächsAnn. 3 3 , 1 8 0 (Dresden); Breit in SächsArchR 1 9 1 1 , 400; Ziel 36. — Abweichend RheinArch. 1 1 0 I 306 und 3 1 1 (Düsseldorf); Bungard 27; Becher 8 5; welche die Eigentumsänderung entsprechend dem Fortschreiten das Baues eintreten lassen. Allein nur das fertige Gebäude hat die Kraft, die Mauer zu seinem Bestandteil an sich zu ziehen. — Metzgers in Gruchot 62, 76 hält den B e g i n n des Baues für den entscheidenden Zeitpunkt. 67 ) Vgl. RheinArch. 108, 374; Westermann § 66 IV. 68 ) BayZ 1915, 350 (München); 1916 157 (Nürnberg); RheinArch 108, 368 (Karlsruhe); 109, 277; 1 1 0 1 1 4 5 (Düsseldorf); 1 1 0 1 219 (Köln); J W 1912, 1038 (Dresden); 1912 491 (Düsseldorf). Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 239. Dieser Ansicht der Obergerichte hat sich angeschlossen R G K Bern. 5 zu § 95. Vgl. auch R G 1 9 6 , 1 7 2 ; Gollnick in ArchZiv. Pr. 157, 460; O L G Köln B B 51, 600. B G H N J W 1958, 1 1 8 1 ; 1963, 1868. 69 ) B G H N J W 1958, 1 1 8 1 .

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Die Kommunmauer

in l

Es kommt nun häufig vor, daß die halbscheidige Mauer nur t e i l w e i s e zum Anbau benützt wird, sei es, daß der Neubau nicht so tief ist wie das anstoßende Haus oder daß der Neubau nicht so hoch ist, so daß der obere Teil der halbscheidigen Mauer frei vom Anbau in die Luft ragt. Die hier aufgezeichneten Querschnitte von Giebelwänden enthalten einen schraffierten Ausschnitt, welcher den Querschnitt des Neubaues

Falli

Fall II

darstellt. Der schraffierte Teil der halbscheidigen Mauer ist durch den Anbau auch Bestandteil des neuen Hauses geworden; er ist zugleich Bestandteil des ersten Hauses, steht also im ungeteilten Miteigentum der beiden Nachbarn. Der nicht schraffierte Teil der Giebelwand ist nicht zum Bestandteile des Neubaues geworden, würde also im Alleineigentum des Eigentümers des zuerst gebauten Hauses verbleiben. Es ist nun aber rechtlich unmöglich (§ 93), daß dieselbe Einheitssache (halbscheidige Mauer) einem verschiedenen Herrschaftsrecht unterworfen ist. Weil nun feststeht, daß der schraffierte Teil der Mauer Bestandteil des Neubaues ist, aber auch Bestandteil des alten Hauses und infolgedessen dieser Teil nur im Miteigentum der beiden Nachbarn stehen kann, so muß auch der nichtschraffierte Teil dem gleichen Herrschaftsrechte unterworfen sein, weil ja sonst zweierlei Herrschaftsrechte an derselben Sache bestehen würden. Aber das Miteigentum ist in diesem Falle nicht nach gleichen (hälftigen) Bruchteilen geteilt, sondern nach dem Verhältnis, in welchem das Flächenmaß des zum Anbau benützten Teiles der halbscheidigen Mauer zu dem Flächenmaße der ganzen halbscheidigen Mauer steht. Das Flächenmaß des schraffierten Teiles beträgt im Falle I 90 qm, im Falle II 80 qm. Das Flächenmaß der ganzen halbscheidigen Mauer beträgt im Falle 1120 qm, im Falle II 240 qm. Es steht die g a n z e halbscheidig errichtete Mauer im Miteigentum nach Bruchteilen, wobei der Eigentümer des zuerst 171

III 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

gebauten Hauses im Falle I zu s / 8 , im Falle II zu 6 / e , der Eigentümer des Neubaues im Falle I zu 3 / 8 , im Falle II zu 1 / 6 beteiligt ist. Der Rechtsverlust, den der Eigentümer des alten Hauses erleidet, beträgt somit im Falle I 3 / 8 , im Falle II 1 / 6 seines Eigentumsrechts70). 2. G r u n d u n d H ö h e der E n t s c h ä d i g u n g . Für den Rechtsverlust, den der Eigentümer des ersten Hauses an seinem Mauereigentum durch den Anbau erleidet, muß Entschädigung geleistet werden. Der eine hat einen Teil seines Eigentums verloren, der andere hat ihn erlangt. Um den Wert dieses von dem einen verlorenen Eigentumsteiles ist der andere bereichert. Diese Bereicherung beruht auf einer kraft Gesetzes (§ 93) eintretenden Rechtsänderung. Es muß nach Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung beurteilt werden, ob (nach dem Willen des Gesetzgebers) der Verlust der Wiederherstellung des gekränkten Rechts oder nur der logischen Durchführung einer Rechtskonstruktion dienen soll. Der von § 93 erzwungene Rechtsverlust tritt nur deshalb ein, weil ein zweifaches Herrschaftsrecht an derselben Einheitssache sich mit der Logik nicht verträgt. Deshalb muß das Herrschaftsrecht des einen vernichtet werden, auch wenn dieses Eigentum der materiellen Gerechtigkeit durchaus entspricht. Mit § 93 wird also das materielle Recht durch das formale überwunden. Ein dadurch herbeigeführter Rechtsverlust beruht nicht auf einem von Recht und Billigkeit getragenen Rechtsgrund, also hat der andere das, was der eine verloren hat, auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund verlangt. Damit ist der Herausgabeanspruch des § 812 gegeben 71 ). Der Einwand, daß ja der Nachbar das Recht zum Anbau habe (§ 922), und deshalb das Eigentumsrecht an der Mauer mit rechtlichem Grund erlangt, ist nicht stichhaltig. Allerdings hat der Nachbar das Recht, die halbschichtige 70 ) Vgl. Breit in FischersZ 38, 196; Glaser in M D R 56, 450; B G H Z 27, 197; Düsseldorfin BB1. 56, 540; Celle in N J W 58, 224 mit Bern, von Runge; B G H Z 27,197; M D R 58, 592 = N J W 58, 1183. Vgl. auch R G R Komm i, Soergel-Baur 3b, Ermann 2 je zu § 921. Staudinger-Seufert Randb. 25 u. 34 je zu § 921; Meisner-Stern-Hodes § 8, III; Hodes in N J W 55, 1782. 71 ) Breit, FischersZ 38, 195; RheinArch. 109, 227 (Düsseldorf), auch J W 1912, 491; s. dagegen Lieberich, BayZ 1914, 251. Auf dem Umweg der §§ 946, 951 nehmen den Bereicherungsanspruch an J W 1912, 1038 (Dresden); RheinArch. 1 1 0 I 219 (Köln); 108, 368 (Kalrsruhe); RGKomm. Bern. 5 zu § 95; das O L G Dresden verkennt nicht, daß § 946 sich nur auf die Verbindung einer b e w e g l i c h e n Sache mit einem Grundstück bezieht; meint aber, daß das, was gelte, wenn die beiden Nachbarn die Mauer zusammen errichtet hätten, auch nach dem Anbau an eine von einem Nachbar allein errichtete halbscheidige Mauer gelten müsse. Das gilt auch, aber nicht auf Grund des § 951 (lex specialis für Verbindung b e w e g l i c h e r Sachen mit einem Grundstück), sondern auf Grund der allgemeinen Vorschrift des § 812. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 34, Palandt Bern. 5 b je zu § 921.

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Die Kommunmauer

§8

III 2

Mauer durch den Anbau mit seinem Haus zu verbinden. Aber der Erwerb des Eigentumsrechts gehört nicht zum Inhalt dieser Befugnis, sondern ist nur die rechtliche F o l g e der Ausübung der Befugnis. Der Bereicherte muß das, was er erlangt hat, herausgeben. Da er aber hierzu aus demselben zwingenden Rechtsgrund des § 93, der ihm das Eigentum zugebracht hat, außerstande ist, muß er den Geldwert ersetzen ( § 8 1 8 Abs. 2). Zu ersetzen ist der Wert des Eigentumsrechts, das er erlangt hat. Der Wert des Eigentums ist kein anderer, als eben der Wert der Sache. Das Eigentum an der ideellen Hälfte der Mauer deckt sich mit der Hälfte ihres Wertes. Maßgebend für den Wert ist der Zeitpunkt, in welchem der Vorteil erlangt ist. Das ist der Z e i t p u n k t der V o l l e n d u n g des A n b a u e s im R o h b a u . In diesem Zeitpunkt wird der Ablösungsanspruch fällig 72 ). Der von dem an eine Giebelmauer anbauenden Nachbarn zu erstattende Betrag bemißt sich nach dem Wert der Mauer im Zeitpunkt der Fertigstellung des Rohbaues des Anbauenden; dabei ist nur das Mauerwerk für diejenigen Flächen zugrunde zu legen, die der Anbauende bei seinem Anbau in Anspruch genommen hat. Aufwendungen, die der Anbauende macht, um die Giebelmauer für sein Gebäude nutzbar zu machen, sind von dem Anbauenden selbst zu tragen; dies gilt auch für den Fall, daß die Giebelmauer stärkeres Mauerwerk aufweist, als nach baupolizeilicher Vorschrift im Zeitpunkt des Anbaus erforderlich gewesen wäre. Der Anbauende hat auch keinen Anspruch auf Ersatz von Mietraumverlust, der ihm dadurch entstanden ist, daß im Zeitpunkte der Erstellung der Giebelmauer stärkeres Mauerwerk baupolizeilich vorgeschrieben war als im Zeitpunkt des Anbaus 73 ). Die Hälfte des Wertes, den die Mauer in diesem Zeitpunkt hat, ist zu ersetzen. Ob die Kosten, die seinerzeit für die Herstellung der Mauer auf72 ) Vgl. für Fälligkeit bei Beginn des Anbaus Lieberich S. 262 und dortige Nachweise ( O L G München). Der Anbau und seine Fortführung kann nicht etwa von der Zahlung der Ablösungsentschädigung abhängig gemacht und bis dahin verboten werden. Denn der Ablösungsanspruch ist vor Vollendung des Rohbaues noch nicht fällig (§273). Abweichend RheinArch. 109, 325; 1 1 0 I 306 u. 3 1 1 (Düsseldorf), das ratenweise Fälligkeit nach Fortschreiten des Baues annimmt. Ähnlich, aber nicht mit folgerichtiger Durchführung, Becher, BayZ 1 9 1 5 , 85. Vgl. B G H Z 10, 1 7 1 = N J W 53, 1466; B G H Z 17, 2 4 1 ; N J W 54, 265; R G Z 130, 310. Staudinger-Seufert Randb. 36. 73 ) O L G Düsseldorf N J W 1962, 155. Hat der Bauunternehmer die Giebelmauer fehlerhaft hergestellt, so haftet er nur seinem Bauherrn, nicht aber dem anbauberechtigten Nachbarn; denn entgegen O L G Düsseldorf N J W 65 S. 539 liegt hier kein Vertrag mit Schutzwirkung gegenüber Dritten vor: Vgl. hierzu Hodes N J W 65 S. 539. B G H N J W 65, 389.

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gewendet wurden, höher oder niedriger waren, als ihr Wert im Zeitpunkt der Vollendung des Rohbaues, ist belanglos74). Somit ist zu ersetzen die Hälfte des Betrages, den die Herstellung der Mauer kosten würde, wenn sie erst zur Zeit der Vollendung des Rohbaues durch Werkvertrag fest vergeben worden wäre. Hiervon ist der Betrag abzuziehen, um den der Wert der halbschichtigen Mauer in diesem Zeitpunkt infolge von Abnützung geringer war, als eine neue Mauer. Die Hälfte dieses so errechneten Betrages muß ersetzt werden. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob die Grenze genau durch die Mitte der Mauer geht, oder ob beispielsweise die Mauer in einer Dicke von 3 5 cm auf dem einen, in einer Dicke von 15 cm auf dem andern Grundstück steht; denn der Eigentümer des zuerst gebauten Hauses ist vor dem Anbau in allen Fällen der Alleineigentümer der ganzen Mauer und er verliert durch den Anbau die ideelle Hälfte des Eigentums an den Nachbar. Der anteilig zu ersetzende Wert ist also nicht etwa deshalb geringer, weil der Nachbar infolge nicht axialer Anlage und infolge einseitiger Verjüngung der Mauer einen dauernden Raumverlust erleidet75). Allerdings ist die Dicke, mit der die Mauer auf dem Nachbargrundstück steht, dann von Bedeutung, wenn die Mauer mehr als vereinbart auf das Nachbargrundstück hinüberragt. Dem Nachbarn stehen dann zusätzlich Ausgleichsansprüche zu (siehe oben § 8 II 3 a). Die Anhänger der Lehre von der realen Abteilung der Mauer durch die Grenzlinie müssen für den Bereicherungsanspruch zu einem anderen Ergebnis gelangen. Nach dieser Lehre stellt sich die Rechtslage folgendermaßen dar: Ist die Mauer vor dem Anbau Alleineigentum des Gebäudeeigentümers (Fall des § 95 oder des § 912), dann verliert dieser durch den Anbau den jenseits der Grenze stehenden Mauerteil an das Alleineigentum des Nachbarn und dieser ist um den Wert dieses Mauerteils bereichert. Das würde zu dem Ergebnis führen, daß der Anbauende um so mehr bezahlen 74 ) Vgl. RGKomm. Bern. 3 zu § 818 u. Bern. 3 zu § 951 und die damit in Widerspruch stehende Bern. 5 zu § 95. —Hier wird ein Anspruch auf Entschädigung „-wegen der Kosten der Herstellung" zugesprochen. Den Unterschied zwischen „Herstellungskosten" und Mauerwert scharf erfassend, führt Lieberich, BayZ 1914, 262 aus, daß nach Münchener Übung der Wert des vom Nachbar zum Anbau beanspruchten, auf seinem Grund und Boden stehenden Mauerteils zu vergüten und die Ablösung nach dem Bauwert zur Zeit der Ablösung unter Zugrundelegung des allgemeinen Arbeits- und Materialpreises dieses Zeitpunktes zu berechnen sei. — Wohl ohne an den Unterscheid zwischen Herstellungskosten und Mauerwert zu denken, spricht das O L G München (BayZ 1915, 350) und das O L G Nürnberg (BayZ 1916, 157) von den „Herstellungskosten". Vgl. L G Duisburg in BB1. 56, 540 = M D R 56, 486, wonach derjenige, der eine zerstörte Giebelmauer wieder aufbaut, im Zeitpunkt der Erneuerung der Mauer — nicht erst mit dem Anbau — einen Bereicherungsanspruch gegen den Nachbarn erwirbt. Vgl. ferner Hodes in N J W 5 5, 1782; O L G Hamm in Hdb. für BRspr. 53/54 Nr. 85. O L G Düsseldorf N J W 65, 2109. 75 ) O L G Köln N J W 1965, 2109.

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Die Kommunmauer

§8 III 2

muß, je mehr von seinem eigenen Grund und Boden durch die Mauer weggenommen ist und daß er um so weniger bezahlt, je weniger von seinem eigenen Boden durch die Mauer bedeckt wird. Hat man es aber vor dem Anbau mit einer halbscheidigen Giebelmauer zu tun, die weder unter § 95, noch unter § 912 fällt und infolgedessen nach der Ansicht des Reichsgerichts schon vor dem Anbau real durch die Grenzlinie geteilt ist, dann hätte der Nachbar, der diese Mauer seinem Neubau einverleibt, dafür überhaupt nichts zu bezahlen, weil ja durch den Anbau an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert wird. Das sind unhaltbare Ergebnisse und lehrreiche Beispiele, dafür, daß diese Lehre eben nur eine Rechtskonstruktion ist, die der wahren Sachlage Gewalt antut. In Wahrheit kann eine einheitliche Hauswand dem Herrschaftsrecht nach nicht real geteilt sein und wenn zwei Personen das Herrschaftsrecht an derselben Hauswand zusteht, so kann es nur Miteigentum sein. So war es nach alter deutschrechtlicher Auffassung. So und nicht anders wird das Rechtsverhältnis vom gesunden Menschenverstand beurteilt und so muß es auch vom Juristen aufgefaßt werden, wenn ihm der Vorwurf der Weltfremdheit erspart bleiben soll. Das ist, wie oben gezeigt, mit dem Standpunkt des Gesetzes vereinbar76. Weil der Grund des Bereicherungsanspruchs die eingetretene Eigentumsveränderung ist, kann der Ablösungsanspruch nur dann erhoben werden, wenn durch den Anbau eine Änderung des Eigentums bewirkt wurde. Das ist nur der Fall, wenn die halbscheidige Mauer dem Neubau einverleibt ist. Hat der Nachbar seinen Neubau mit einer s e l b s t ä n d i g e n Mauer neben die halbschichtige Mauer gestellt, dann braucht eine Ablösung nicht bezahlt zu werden. Es kann auch nicht etwa Schadensersatz wegen Unterlassung der Einverleibung verlangt werden. Denn es besteht keine gesetzliche Pflicht zum Anbau 77 ). Ist die halbscheidige Mauer nur teilweise zum Anbau benützt worden, dann besteht, wie oben § 7 III 3 gezeigt, die Änderung des Eigentumsverhältnisses darin, daß das Miteigentum an der Mauer nicht nach hälftigen 76

) V g l . Meisner-Stern-Hodes § 8 F N 70b. ) A u s § 922 ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Dort ist bestimmt: „Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden." Durch den Anbau einer selbständigen Mauer an die halbscheidige Mauer wird diese noch nicht einmal ihrer Eigenschaft als Grenzeinrichtung entkleidet, da sie ihre grenzscheidende Wirkung behält. A b e r selbst wenn man annehmen würde, daß die Mauer durch einen solchen Anbau aufhören würde, eine Grenzeinrichtung zu sein, so wird jedenfalls die E i n r i c h t u n g selbst durch den Anbau weder beseitigt noch geändert und das Interesse des Eigentümers des ersten Hauses an s e i n e r Benützung nicht berührt. Berührt wird wohl sein Interesse an der Ablösungssumme, aber darauf hat er keinen Anspruch, wenn der andere von dem ihm freistehenden Recht der Benützung zum Anbau keinen Gebrauch macht. 77

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§8

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Bruchteilen erworben wird, sondern nach dem Verhältnis, in welchem das Flächenmaß des zum Anbau benützten Teils der halbscheidigen Mauer zum Flächenmaß der ganzen halbscheidigen Mauer steht. Zu genau demselben Bruchteile, zu welchem der Anbauende am Miteigentum der halbscheidigen Mauer beteiligt wird, muß auch Ersatz für den Wert der Mauer geleistet werden. Vom Standpunkt der Annahme, daß reale Teilung eintritt, müßten auch Mauerteile bezahlt werden, die zum Anbau nicht benützt werden. 3. G l ä u b i g e r und S c h u l d n e r des A b l ö s u n g s a n s p r u c h s Weil sich der Wechsel in der Bestandteileigenschaft der Mauer erst im Zeitpunkt der Vollendung des Neubaues im Rohbau vollzieht, so trifft der Rechtsverlust nur denjenigen, dem in diesem Zeitpunkt das Eigentum an dem zuerst gebauten Hause zusteht; dieser ist also der Gläubiger des Ablösungsanspruchs78). Aus dem gleichen Grunde erlangt den Vorteil nur derjenige, der in diesem Zeitpunkt der Eigentümer des Neubaues ist79). Dieser ist also der Schuldner des Ablösungsanspruchs80). Daraus folgt: Nur derjenige, der zur Zeit der Vollendung des Anbaues im Rohbau der Eigentümer des zuerst errichteten Hauses ist, ist zur

78 ) BayZ 1915, 350 (RG); O L G 34, 1 9 1 ; SächsAnn. 36, 281 (Dresden); vgl. Lieberich 264 u. dagegen Bungard 22. Unrichtig: BayZ 1914, 180 ( L G München); Nützel, BayZ 1914, 183. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 35; Palandt Bern. 5b je zu § 921. ,9 ) Hat dieser das Baugrundstück unmittelbar vor Vollendung des Rohbaues an einen Dritten übereignet, so ist dieser Erwerber zur Zahlung verpflichtet. Der Versuch des O L G Düsseldorf, diesem Ergebnis aus Billigkeitsgründen durch die Annahme zu entgehen, daß die Eigentumsänderung im Verhältnis zum Fortschreiten des Anbaues vor sich geht, ist verfehlt (s. oben Anm. 59). Doch kann dem Käufer, der durch arglistiges Verhalten des Verkäufers (z. B. geflissentliches Hinauszögern der Vollendung des Rohbaues während der Kaufverhandlungen und spekulatives Verschweigen der bevorstehenden Zahlungspflicht) geschädigt ist, mit § 826 geholfen werden, aber nur gegenüber seinem Verkäufer. 80 ) O L G 34, 190 (München); das gleiche gilt bei Pfändung O L G 34, 191 (Dresden); vgl. auch Westermann SR § 6 6 I V 2; a.M. Lieberich, BayZ 1914, 262 u. 264, der die Fälligkeit des Ablösungsanspruchs auf den B e g i n n des Anbaues verlegt. Schuldner ist der Eigentümer des Anbaugrundstückes zu diesem Zeitpunkt. Gleichwohl soll sein Besitznachfolger vor Zahlung der Ablösungssumme nicht weiterbauen dürfen oder gar den Anbau beseitigen müssen. Unrichtig die Ansicht ( O L G Nürnberg in JMB1. 53, 293), die Grundsätze über den Anspruch aus einer Kommunmauerablösung seien entsprechend anwendbar, wenn ein Nachbar an eine Mauer anbaut, die nicht Kommunmauer ist, weil sie ganz auf dem Boden des anderen Nachbarn steht; dazu Staudinger-Seufert Randb. 43 zu § 921. Es entsteht auch kein Ablösungsanspruch, wenn ein Nachbar die Kommunmauer nicht benützt, sondern eine eigene Mauer daneben aufführt.

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Die Kommunmauer

III 3

81

Abtretung ) des Ablösungsanspruchs berechtigt. Eine von ihm vorgenommene Abtretung ist aber auch dann wirksam, wenn sie schon vor diesem Zeitpunkte erfolgte, soferne nur der Abtretende noch zur Zeit der Vollendung des Anbaues im Rohbau der Eigentümer ist. Durch die Veräußerung des Grundstücks wird der in der Person des bisherigen Eigentümers entstandene Anspruch auf Ablösung nicht berührt. Abgetreten kann immer nur werden die Forderung gegen den Vollender des Rohbaues82). Ein vor Entstehung des Ablösungsanspruchs von dem Eigentümer der Kommunmauer erklärter Verzicht auf den Ablösungsanspruch bindet seinen Sondernachfolger nicht83). Eine Beschlagnahme des alten Hauses zum Zwecke der Zwangsversteigerung erstreckt sich nicht auf den Ablösungsanspruch84), der deshalb dem Zessionar verbleibt, gleichviel ob die Beschlagnahme vor oder nach der Abtretung erfolgt, immer wieder vorausgesetzt, daß der Rohbau des Nachbars zu der Zeit vollendet ist, in welcher der Zedent noch Eigentümer ist, also vor dem Zuschlag86). Aus dem Veräußerungsverbot des § 2 3 Z w V G kann das Gegenteil nicht abgeleitet werden, da von dieser Bestimmung nur rechtliche Verfügungen des Eigentümers getroffen werden, im Falle des Anbaues aber der Verlust kraft Gesetzes eintritt. Der naheliegende Gedanke, daß an die Stelle des von der Beschlagnahme erfaßten Gegenstandes (hier der ganzen Mauer) der wirtschaftliche Ersatz (hier die Ersatzforderung) treten muß, ist vom Gesetz (§20 Abs. 2 Z w V G mit § 1 1 2 7 BGB) nur für die besonderen Fälle des Anspruchs auf die Versicherungssumme ( § 2 0 Abs. 2 des Z w V G mit § 1 1 2 7 BGB), für den Anspruch auf Grund einer Zwangsenteignung (Art. 52 und 109 E G B G B ) und für die Ansprüche wegen Entschädigung durch den Bergbau (Art. 67 E G B G B ) angenommen. Auch im Falle der Zwangsverwaltung wird die Kommunmauerentschädigung von der Beschlagnahme nicht ergriffen, da es sich hier um

81 ) Über die Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen vgl. R G K Bern, 2 Abs. 2; Palandt Bern 3 je zu § 398; Lieberich, BayZ 1914, 2 9 1 ; Buhmann, BayZ 1 9 1 4 , 2 2 ; ; O L G 34, 190 (München). Zweifelhaft ist, ob auch die Pfändung schon vor dem Anbau zulässig ist. Die Frage wird zu bejahen sein; vgl. R G 82, 227; Lieberich, BayZ 1914, 2 9 1 ; Buhmann 14, 223; O L G 34, 191 (Dresden). Das durch die Pfändung begründete Pfandrecht entsteht jedoch nicht vor der Entstehung der Forderung ( R G 82, 231). Vgl. auch B G H in N J W 55, 544. 82 ) O L G 34, 190 (München); 34, 191 (Dresden); BayZ 1910, 4 1 2 (Nürnberg; 1 9 1 7 , 250; SeuffBl. 72, 262. 83 ) Vgl. BayZ 1917, 250 (Dresden); a.M. Lieberich, BayZ 1914, 290. 81 ) Vgl. Jäckel-Güthe Bern. 10 a.E. zu § 21 Z w V G , Steiner-Riedel Z w V G Einl. I V , 6b; Lieberich in BayZ 1914, 237 (260 u. 290). 85 ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 292; Pfirstinger 36; Wolff im Recht 1900, 417.

12

Meisner-Ring, Nachbarrccht, 6. Aufl.

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§ 8 IV 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

eine einmalige Entschädigung handelt, die nicht zu den „Rechten auf wiederkehrende Leistungen" (§§20 Abs. 2,148 Z w V G ) gerechnet werden kann86). Ist das Grundstück, auf welchem der Neubau errichtet ist, zur Zeit der Vollendung des Rohbaues beschlagnahmt, so kann der ersatzberechtigte Eigentümer des erst gebauten Hauses den Anspruch nicht als Masseforderung geltend machen. Gegen den Ersteher des Neubaues hat er keinen Bereicherungsanspruch, da dieser das Miteigentumsrecht an der Mauer (nach der herrschenden Ansicht das Eigentum an der realen Hälfte der Mauer) auf Grund des Zuschlags, also nicht ohne Rechtsgrund (§ 8x2) erlangt hat. E r hat ein Haus mit vier Wänden eingesteigert und dementsprechend hat er sein Gebot gelegt. Bereichert ist und bleibt allein derjenige, der zur Zeit der Vollendung des Rohbaues Eigentümer des Neubaues war (also der Beschlagnahmeschuldner). Zu seinen Gunsten ist die Rechtsveränderung eingetreten; denn er hat trotz vorliegender Beschlagnahme das Eigentumsrecht erworben. Die Gläubiger, die Befriedigung aus dem Versteigerungserlös erlangt haben, sind nicht bereichert. Auch wenn der schier unmögliche Beweis erbracht werden könnte, daß infolge der eingetretenen Rechtsveränderung an der Mauer bei der Versteigerung ein ziffermäßig feststellbarer Mehrerlös erzielt wurde und einem Gläubiger zugefallen ist, der sonst ausgefallen wäre, ist dieser Gläubiger nicht bereichert. Nicht an ihn hat der Eigentümer der Mauer das Miteigentum verloren, sondern an den Eigentümer des Baugrundstückes. Dem genannten Gläubiger ist dieser Eigentumswechsel nur indirekt zugute gekommen und nicht etwa auf Grund einer Zuwendung des Beschlagnahme-Schuldners, sondern auf Grund des Gesetzes (§20 Z w V G , § 1 1 2 0 BGB). IV. D e r v e r t r a g s m ä ß i g e

Ablösungsanspruch

Bei den bisherigen Ausführungen wurde unterstellt, daß, abgesehen von einer etwaigen Zustimmung zur Überschreitung der Grenze irgendwelche Abreden über die halbscheidige Mauer, insbesondere den Anbau und die hierfür zu zahlende Ablösungsentschädigung von den Beteiligten nicht getroffen wurden. Nunmehr ist zu untersuchen, welche rechtlichen Folgen eintreten, wenn solche Abreden vorliegen. 1. D i n g l i c h e r V e r t r a g In dinglicher Weise kann das Rechtsverhältnis der halbscheidigen Mauer durch formgültige Bestellung einer Grunddienstbarkeit geregelt werden. In diesem Falle ist das Rechtsverhältnis nach dem Inhalt der M

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) O L G 9, 139 (Dresden); Lieberich, BayZ 1914, 292.

Die Kommunmauer

IV 2

Bestellung und den Gesetzesvorschriften über die Grunddienstbarkeiten zu beurteilen. Das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit (Benützung der Mauer zum Anbau) kann bei der Bestellung von einer Gegenleistung (Zahlung einer bestimmten Summe, der halben Baukosten oder des halben Bauwertes) abhängig gemacht werden 87 ). Die Bestellung der Grunddienstbarkeit könnte etwa in folgender Form rechtswirksam erfolgen: Die beiden Nachbarn räumen sich für ihre beiden Grundstücke gegenseitig in dinglicher Weise das An- und Aufbaurecht auf der Grenze als Grunddienstbarkeit ein. Derjenige, welcher auf seinem Grundstück zuerst einen Neubau errichtet, muß die ganze Mauer seines Neubaues je zur hälftigen Breite auf das beiderseitige Besitztum stellen. Der andere ist bei Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grundstück zur Benützung der Grenzmauer berechtigt und verpflichtet und muß dem Eigentümer des Hauses, das zuerst gebaut wurde, die Hälfte des Bauwertes zahlen, den die halbscheidige Mauer zur Zeit des Beginns seines Neubaues hat. Der Ablösungsbetrag ist fällig, sobald der Anbau im Rohbau vollendet ist88). Das Rechtsverhältnis an der halbscheidigen Mauer kann auch in der Weise dinglich geregelt werden, daß aus dem Grund und Boden, auf welchem die halbscheidige Giebelwand steht, ein von den beiden Nachbargrundstücken abgetrenntes selbständiges Kommunmauergrundstück gebildet und im Grundbuch als Miteigentum der beiden Angrenzer eingetragen wird. Dabei wäre nach § xoio das Recht auf dauernde Benützung dieses Grundstückes zum Zwecke der Errichtung und zum Halten einer Kommunmauer zu vereinbaren und das Recht der beiden Miteigentümer, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer auszuschließen. Diese Bestimmung wäre als Belastung des Anteils im Grundbuch einzutragen (§ ioio) 89 ). 2. S c h u l d r e c h t l i c h e r

Vertrag

Ist zwischen dem Erbauer der halbscheidigen Mauer und dem Angrenzer oder zwischen ihren Besitznachfolgern eine Vereinbarung darüber getroffen, unter welchen Bedingungen oder Voraussetzungen der Nachbar zum Anbau berechtigt sein soll, insbesondere ob und in welcher Höhe eine Ablösung zu bezahlen ist, dann ist ein solches, wenn auch formlos getroffenes Abkommen zunächst einmal obligatorisch verbindlich. 87 ) Vgl. Mot. 3, 2 7 7 ; R G K Bern. 6 zu § 9 2 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 41 zu § 9 2 1 ; Nürnberg BayZt. 1907, 534; Geiershöfer i. Recht 1905, 402; auch Recht 1914 Nr. 912. es ) BayZ 1907, 334; Recht 1914 Nr. 912 (Nürnberg); B G H Z 10, 1 7 1 ; 17 2 4 1 ; R G Z 130, 310; Duisburg M D R 56, 486. 89 ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 239; O b L G 12, 859; Buhmann BayZt. 1914, 223.

21*

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§8 IV 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Ist seit Abschluß der Vereinbarung bis zur Vollendung des Anbaues im Rohbau auf keiner Seite eine Sondernachfolge eingetreten, so ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten. Ist bedungen, daß der Nachbar für den Anbau die Hälfte der Herstellungskosten der halbscheidigen Mauer zu entrichten hat, so kann natürlich der Berechnung der Ablösung der Wert der Mauer zur Zeit des Anbaues nicht zugrunde gelegt werden, gleichviel ob er höher oder niedriger ist, wie die seinerzeitigen Herstellungskosten, während andererseits von den Herstellungskosten ein Betrag für Abnützung nicht abzuschreiben ist. Wenn über die Fälligkeit der Ablösung keine weitere Bestimmung getroffen wurde, dann wird man im Zweifel die Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rohbaues verlegen müssen; denn die volle Entschädigung wird ja für die Benützung der Mauer zum Anbau versprochen und so lange sie noch nicht benützt ist, wird sie nicht geschuldet. Regelmäßig wird einer solchen Vereinbarung auf beiden Seiten der Wille zugrunde liegen, daß der Nachbar, wenn er anbaut, die ganze Mauer zum Anbau benützen soll. Er muß daher die vereinbarte Entschädigung im vollen Betrage auch dann bezahlen, wenn nur ein Teil der Mauer zum Anbau benützt wird. Das gilt wenigstens bei einer Vereinbarung, die v o r der Errichtung der halbscheidigen Mauer getroffen ist; denn in einem solchen Fall wird die halbscheidige Mauer im Vertrauen auf das Versprechen des Nachbarn errichtet, im Falle des Anbaues die halben Kosten zu ersetzen.

Wenn jedoch vor Vollendung des Anbaues eine Sondernachfolge im Eigentum eines der beiden Grundstücke eingetreten ist, so erhebt sich die schwierige Frage, ob die zwischen dem Vorbesitzer und dem Nachbarn getroffene Abrede auch für den Sondernachfolger verbindlich ist. Selbstverständlich ist das der Fall, wenn das Rechtsverhältnis in dinglicher Weise vereinbart ist. Erfahrungsgemäß fehlt es aber in den Rechtsgebieten, in denen die halbscheidige Bauweise üblich ist, sehr häufig sogar an formlosen Abreden, während die Bestellung einer Grunddienstbarkeit auf diesem Rechtsgebiete zu den größten Seltenheiten gehört. Es wird nun von einem Teil der Rechtslehre90) die Ansicht aufgestellt, daß eine über die Kommunmauerablösung formlos abgeschlossene Vereinbarung kraft Gesetzes auch für die Sondernachfolger verbindlich sei. Mit besonderem Nachdruck wird diese Lehre von Lieberich vertreten. Lieberich geht zutreffend davon aus, daß die halbscheidige Mauer auch schon vor dem Anbau des Nachbars eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 darstellt. Nun bestimme zwar § 922, daß jeder Teilhaber berechtigt sei, die Grenzeinrichtung zu dem Zwecke zu benützen, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergebe. Da aber nach § 922 auf die Grenzeinrichtung im übrigen die Bestimmungen über die Gemeinschaft anzuwenden seien und hiernach (§ 745) die Verwaltung und Benützung der Grenzeinrichtung durch Vereinbarung, die gemäß § 746 auch für die SondernachM

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) Lieberich, BayZ 1914, 241; Buhmann, BayZ. 1914, 223.

Die Kommunmauer

§ © IV 2

folger wirksam sei, geregelt werden könne, so könne die nach § 922 regelmäßige Form der gemeinschaftlichen Benützung vereinbarungsgemäß eingeschränkt oder von Bedingungen (Zahlung einer Ablösungssumme) abhängig gemacht werden und eine solche formlos gültige Vereinbarung sei in ihrer Wirksamkeit von einem Besitzwechsel unabhängig. Das ist freilich eine sehr einfache und deshalb bestechende Lösung. Sie kann aber der Nachprüfung nicht standhalten. Der Angelpunkt der Begründung liegt in der Annahme, daß das durch § 922 bestimmte gemeinschaftliche Benützungsrecht durch eine die Sondernachfolge bindende Vereinbarung über das Gemeinschaftsverhältnis (§ 746) von einer Bedingung abhängig und auch völlig aufgehoben werden könne. Aber der Grundsatz des gemeinschaftlichen Benützungsrechts wird von § 922 vorangestellt und nur „im übrigen" sollen die Bestimmungen über die Gemeinschaft gelten. Daraus folgt: Nur eine Vereinbarung über die Art und Weise des Benützungsrechts, also eine Vereinbarung, durch welche der Benützungsanspruch als solcher unberührt bleibt, ist für den Sondernachfolger verbindlich (§ 746). Das gilt für die Gemeinschaft an einer Grenzeinrichtung. Aber ganz abgesehen davon gilt bei einer dinglichen Gemeinschaft an Grundstücken überhaupt das gleiche schon auf Grund der Bestimmungen über die Gemeinschaft 91 ). Mit rein obligatorischer Wirksamkeit können die Beteiligten frei über das Benützungsrecht, also auch über dessen rechtlichen Bestand Vereinbarungen treffen, mithin die Befugnis eines Teilhabers auch völlig ausschließen. Zwischen ihnen und ihren allgemeinen Rechtsnachfolgern gilt die Vereinbarung allemal. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und wird durch § § 745 Abs. II, 746 lediglich bestätigt, nicht bestimmt. Zu einer Vereinbarung ist die Zustimmung aller Teilhaber erforderlich. Daneben kann nach § 745 Abs. 1 durch Stimmenmehrheit der Teilhaber, deren Stimmrecht sich nach der Größe ihrer Anteile bestimmt, eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benützung beschlossen werden. § 746 bestimmt: „Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benützung des gemeinschaftlichen Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger." Durch diese Bestimmung wird der fundamentale Grundsatz des Grundbuchrechts durchbrochen, wonach ohne Eintrag in das Grundbuch sl ) § 1010 kann allerdings zur Stütze dieser Ansicht nicht herangezogen werden, da er sich nur auf Miteigentum an einem Grundstücke bezieht (Buhmann, BayZ 1914, 223; während § 922 das gemeinschaftliche Benützungsrecht ganz abgesehen von der Eigentumsfrage regelt. Vgl. Staudinger-Berg Randb. 6 zu § 1010; R G Z 89, 179.

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§8 IV 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Vereinbarungen der Vorbesitzer über Grundstücksverhältnisse für die Sondernachfolger nicht verbindlich sind. Es handelt sich also in § 746 um eine Ausnahmebestimmung, die als solche nicht ausdehnend ausgelegt werden darf. Schon der Gebrauch des Wortes „regeln" weist nach dem Sprachgebrauch auf eine Wiederholung gleichartiger Fälle eines länger dauernden Verhältnisses hin und dieser sprachliche Hinweis wird verstärkt durch die Gleichstellung der Begriffe „Verwaltung und Benützung" in § 745 Abs. 1 und 3, § 746. Die Ausbedingung einer einmaligen Abfindung als Bedingung für die Benützung wird daher als Regelung der Verwaltung und Benützung um so weniger aufgefaßt werden können, als ja dadurch vereinbart wird, daß ohne Zahlung überhaupt nicht benützt werden darf, mit anderen Worten das Recht der Benutzung als solches gekauft werden muß. Unter Regelung der Benutzung kann vielmehr nur eine Vereinbarung verstanden werden, welche Art und Maß des bestehenden und in seinem rechtlichen Bestand unberührt gelassenen Benutzungsrechts bestimmt, also sich darüber verhält, w i e zu benutzen ist, nicht aber ob überhaupt92) benutzt werden darf. Gewiß kann eine Grenzeinrichtung formlos vereinbart werden, das dadurch begründete Rechtsverhältnis muß also auch formlos wieder aufgehoben werden können. Allein durch bloße Vereinbarung wird eine Grenzeinrichtung nicht geschaffen; erforderlich ist vielmehr die mit Zustimmung beider Nachbarn erfolgte Schaffung eines t a t s ä c h l i c h e n Z u s t a n d e s , vermöge dessen die Einrichtung objektiv dem Vorteil beider Grundstücke dient. Ist einmal ein solcher tatsächlicher, von dem Gesetz mit nachbarrechtlicher (also dinglicher) Wirkung ausgestatteter Zustand93) der beteiligten Grundstücke mit Zustimmung ( = Einwilligung nach § 183 oder Genehmigung nach § 184) beider Nachbarn vorhanden, dann bleibt die vom Gesetz darangeknüpfte dingliche Wirkung solange erhalten, bis dieser tatsächliche Zustand mit Zustimmung beider Nachbarn beseitigt ist. Das ist dann der Fall, wenn der tatsächliche Zustand eine an äußeren Merkmalen erkennbare Änderung erfahren hat (§ 921), aus der hervorgeht, daß die betreffende Einrichtung überhaupt keinem oder nur mehr einem der beiden Grundstücke als Vorteil dient. Die bloße, nicht tatsächlich ausgeführte Vereinbarung, das Grenzeinrichtungsverhältnis aufzuheben, erzeugt daher nur obligatorische, keine dingliche Wirkung94).

° 2 ) Eine solche Vereinbarung hat nur obligatorische Wirksamkeit unter den Vertragschließenden. 83 ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 241 u. 290. 94 ) S. dagegen Lieberich, BayZ 1940, 291.

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Die Kommunmauer IV 3

3. S t i l l s c h w e i g e n d e r

Vertrag

An und für sich kann jede Art von Verträgen, für die keine Form vorgeschrieben ist, durch stillschweigende Erklärung der Beteiligten geschlossen werden. Eine stillschweigende Willenserklärung darf nur in einem solchen (sog. schlüssigen) Verhalten gefunden werden, das nach den obwaltenden Umständen, insbesondere nach der Verkehrssitte, d. i. nach der in den beteiligten Kreisen herrschenden tatsächlichen Übung, dem Erklärungsgegner den Schluß ermöglicht, daß ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Wille vorhanden sei, wobei andererseits dem Handelnden selbst bewußt ist, daß sein Verhalten als Erklärung gewertet werden könnte. Entscheidend ist nicht etwa der wirkliche rechtsgeschäftliche Wille, sondern das Gesamtverhalten und dessen Würdigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nach §§ 157, 242 B G B . Es kommt stets darauf an, wie der Vertragspartner das Verhalten auffassen mußte95). Es genügte, wenn die schlüssigen Handlungen zwar unmittelbar auf andere Zwecke gerichtet sind, gleichwohl aber mit Gewißheit und jede andere Deutung ausschließend den Willen erkennbar zum Ausdruck bringen, daß auch ein anderer Zweck mit umfaßt sein sollte98). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß für das Zustandekommen eines Vertrages Erklärungen der beiden Vertragsteile erforderlich sind, die sich in allen Punkten decken. Das gilt natürlich auch für die stillschweigenden Erklärungen. Bei einem so schwierigen Rechtsverhältnis, wie es die Kommunmauer und insbesondere die Frage der Ablösungsentschädigung ist, muß eine solche Feststellung praktisch als ausgeschlossen erscheinen. Es gibt eine Theorie, welche der juristischen Not bei der Konstruktion des Ablösungsanspruchs geradezu oder fast grundsätzlich durch Unterstellung eines stillschweigenden Vertrags abhelfen will. Die stillschweigenden und sich deckenden Erklärungen der Beteiligten werden in dem Sinne konstruiert, daß sie nach der Natur der Sache durch ihr ganzes Verhalten stillschweigend erklärt haben sollen, es solle hinsichtlich der Kommunmauer, insbesondere hinsichtlich der Entschädigung für den Ausbau alles nach dem Brauche gehalten werden, der sich hierüber herausgebildet hat97). »6) Vgl. R G Z 95, 1 2 2 ; 134, 195; R G in J W 1958; 807; B G H in N J W 53, 58; B G H in L M Nr. 1 zu § 1 5 7 : Die Verkehrssitte dient der Auslegung zur Ermittlung des Sinnes einer Erklärung oder eines bestimmten Verhaltens, gleichgültig ob die Parteien die Verkehrssitte gekannt und sich ihr unterworfen haben oder nicht. Vgl. auch R G in J W 1 9 1 5 , 19; Staudinger-Coing Randb. 3 ff. und 5 vor § 1 1 6 ; B G H Z 1 1 , 1 ; B a y O B L G Z 32, 339. M ) R G Warn. 1919 Nr. 132. " ) Vgl. B a y O b L G Z 22, 334. Hier wird das Zustandekommen eines Vertrags durch schlüssiges Verhalten darin gefunden, daß der eine Nachbar den Bauplan des anderen, der die halbscheidige Giebelmauer erbaut, unterzeichnet. Darin soll die Übernahme der

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IV 3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Aber worin besteht denn dieser Brauch ? Wenn schon auf dem Gebiete des bisherigen Rechts erhebliche Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren. Bald soll die Hälfte der Herstellungskosten, bald die Hälfte des Wertes der Mauer ersetzt werden. Bald soll die Entschädigung beim Beginn des Anbaues, bald bei Vollendung des Rohbaues bezahlt werden. Die einen sprechen den Anspruch dem Erbauer zu, die andern demjenigen, der zur Zeit des Anbaues der Eigentümer ist. Wie soll hier aus der Natur der Sache der Wille der Beteiligten und noch mehr der sich in allen Punkten deckende Wille als zwingend gefolgert werden ? In Wahrheit machen sich die Beteiligten über all diese Dinge viel weniger Gedanken als die Juristen und es braucht deshalb gar nicht darauf hingewiesen zu werden, daß im Einzelfall die Beteiligten sehr häufig gar nicht darüber im klaren sein werden, daß überhaupt eine halbscheidige Scheidewand vorhanden ist. Es muß deshalb die Theorie der stillschweigenden Verträge für die Begründung der Rechtsverhältnisse der Kommunmauer98) als ein Mißbrauch erachtet werden, der dem Willen der Beteiligten in willkürlicher Weise Zwang anlegt und mit dem in der Praxis nichts anzufangen ist"). Wenn nun aber und nur dann, wenn zwischen dem Erbauer der halbscheidigen Mauer und dem Nachbar eine klare V e r e i n b a r u n g über das Recht zum Anbau und die dafür zu zahlende Entschädigung getroffen ist, dann kann allerdings nach den Umständen, die für jeden Einzelfall sorgfältig zu würdigen sind, ein Übergang des Schuldverhältnisses auf den Sondernachfolger durch stillschweigende Willenserklärungen herbeigeführt sein. Man kann in einem solchen Fall auch daran denken, daß schon in dem Abschluß des Vertrages 2wischen A und B, wonach B dem A für den Fall des Anbaues an die von A errichtete halbscheidige Mauer eine Ablösungsentschädigung verspricht, ein Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt, nämlich des Sondernachfolgers des A für den Fall, daß A sein Grundstück an ihn (C) weiterverkauft, bevor B angebaut hat. Ob in dem Verpflichtung liegen, die Hälfte der Kosten für Errichtung der Giebelmauer zu tragen, falls diese zum Anbau benützt werde. Gegen diese Konstruktion spricht der rein öffentlich rechtliche Charakter der Unterzeichnung des Bauplans, sofern nicht privatrechtliche Sondervereinbarungen in Mitte liegen, s. oben F N 44. 88 ) Vgl. Koppers, D J Z 1904, 806; Broicher in PuchZ 38, 1 7 5 ; BadRspr. 1905, 61 (Kalrsruhe) und die ältere, später preisgebene Rechtsprechung des O L G Dresden seit dem Urteil in SächsAnn. 26, 132 (s. darüber Breit in FischersZ 35, 116). M ) Mit Recht ist darauf hingewiesen (RheinArch. 1 1 0 , 147 (Düsseldorf)); 108, 372 (Karlsruhe) und insbes. von Breit in FischersZ 35, 120), daß gerade in Gebieten, wo die halbscheidige Bauweise althergebracht ist, die Beteiligten bauen im Vertrauen auf diesen Brauch, nicht auf ein Einverständnis des Nachbars, das sie meist gar nicht für nötig halten.

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Die Kommunmauer

IV 3

Vertragsabschluß zwischen A und B wirklich dieser Wille stillschweigend zum Ausdruck gebracht wurde, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des E i n z e l f a l l s festzustellen. In einem solchen Fall wäre dann bei Veräußerung des Grundstückes des A an C eine ausdrückliche oder stillschweigende Abtretung des Ablösungsanspruchs gar nicht erforderlich. A u f Grund des Vertrages zugunsten des Sondernachfolgers würde C unmittelbar den Anspruch erwerben, soferne er nicht das aus dem Vertrage erworbene Recht dem Versprechenden B gegenüber zurückweist (§ 333). Dazu kann er alle Veranlassung haben, wenn er nach der Abrede seines Vorbesitzers A mit B nur die halben Herstellungskosten beanspruchen könnte, der halbe Wert der Mauer, auf den er gesetzlich Anspruch hat, aber inzwischen viel höher geworden ist. Ein zwischen den Nachbarn mit obligatorischer Wirkung unter ihnen begründetes Schuldverhältnis kann natürlich sowohl auf der Gläubigerwie auf der Schuldnerseite auf dritte Personen übergehen. Die Zulässigkeit einer A b t r e t u n g des bedingten Ablösungsanspruchs ist bereits oben dargetan. Es fragt sich nur, ob diese Abtretung auch s t i l l s c h w e i g e n d erfolgen kann. Das ist grundsätzlich möglich. Wenn A und B die Vereinbarung getroffen haben, daß B im Falle des Anbaues an die von A errichtete halbscheidige Mauer an A eine Ablösungsentschädigung zu bezahlen habe, dann werden die beiden Nachbarn unter Umständen als selbstverständlich erachten, daß dann, wenn zur Zeit des Anbaues A nicht mehr Eigentümer sein sollte, dessen bedingter Anspruch auf seinen Sondernachfolger übergehen soll. Wenn nun auch C von der Tatsache, daß eine halbscheidige Kommunmauer vorhanden ist, zur Zeit des Kaufabschlusses Kenntnis hatte, dann wird man als Willen des Verkäufers A und des Käufers C beim Kaufabschluß unterstellen dürfen, daß der dem A gegen B zustehende Anspruch auf C übergehen soll. In einem solchen Fall kann unter Umständen stillschweigende Abtretung angenommen werden. Wird der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen, dann wird die stillschweigende auf Abtretung gerichtete Willenserklärung gültig (§ 313 Abs. 2). Baut dann B an, so muß er gleichwohl nicht ohne weiteres an C bezahlen; denn er ist zur Leistung an C nur gegen eine von dem bisherigen Gläubiger A über die Abtretung ausgestellte Urkunde verpflichtet (§ 410). Die Ausstellung dieser Urkunde kann aber C von A verlangen (§ 403). Andererseits kann die Schuld (Ablösungsentschädigung) von einem Dritten (Sondernachfolger) durch V e r t r a g mit dem Schuldner in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§ 415). Wenn also das Grundstück, auf dem der Anbau in Aussicht genommen war, an D , als dem Sondernachfolger des B, über185

9 ö V 1,2

Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

gegangen ist, dann kann die bedingte Ablösungsschuld durch Vertrag zwischen dem Verkäufer B und dem Käufer D von letzterem übernommen werden. Wie jeder Vertrag, so kann auch die S c h u l d ü b e r n a h m e durch stillschweigende Erklärungen vereinbart werden. Die Wirksamkeit der Schuldübernahme hängt nach § 415 von der Genehmigung des Gläubigers (das ist der Eigentümer des zuerst erbauten Hauses) ab. Auch diese Genehmigung kann stillschweigend erklärt werden100). Wenn der Gläubiger an die mit dem Vorbesitzer des Anbaugrundstückes getroffene V e r e i n b a r u n g obligatorisch gebunden ist (sei es, daß er die Vereinbarung selbst getroffen oder in den von seinem Vorbesitzer geschlossenen Vertrag vertragsmäßig eingetreten ist), dann ist zu untersuchen, ob nicht der Gläubiger nach dem Inhalt dieses ursprünglichen Vertrages im vornherein seine Einwilligung zu der Übernahme der Schuld durch jeden Sondernachfolger des Schuldners erklärt hat. Eine solche im voraus erklärte Einwilligung ist wirksam 101 ). V. H e r s t e l l u n g s -

und

Unterhaltungskosten mauer

der

Kommun-

Aus den unter I und II dargelegten Erörterungen ergibt sich für die Frage nach den Herstellungs- und Unterhaltungskosten folgendes: 1. Hat der Nachbar der Errichtung der halbscheidigen Giebelmauer zugestimmt und ist der Anbau durch den Nachbarn noch nicht erfolgt, so hat die Herstellungskosten der Bauherr allein zu tragen. Die Unterhaltungskosten müssen von beiden Nachbarn anteilig getragen werden, da auf die Mauer bereits vor dem Anbau die §§ 921, 922 B G B anzuwenden sind. Durch den Anbau erwirbt der Nachbar Miteigentum an der Mauer. Dem Eigentümer, der die Mauer errichtet hat steht ein Ablösungsanspruch zu. Über die Höhe desselben siehe oben III 2. 2. Hat der Nachbar der Errichtung der halbscheidigen Giebelmauer nicht zugestimmt, hat er aber auch dem Überbau nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung widersprochen und trifft den Erbauer bezüglich der Grenzüberschreitung nur leichte Fahrlässigkeit, so liegt ein Überbau nach § 912 B G B vor. Die Mauer steht im Alleineigentum des Erbauers. Dieser hat die Herstellungs- und Unterhaltungskosten allein zu tragen. Der Nachbar kann Überbaurente oder Grundabnahme verlangen. Erteilt der Nachbar nachträglich seine Zustimmung oder baut er mit Zustimmung des Erbauers der Mauer selbst an die Mauer an, so gestaltet sich das Rechtsverhältnis wie im Fall 1. 10

°) Vgl. BayZ 1921, 44; R G Z 107, 216; H R R 1928 Nr. 8. ) Vgl. RGKomm. Bern. 2 zu § 4 1 5 ; R G Z 60, 4 1 5 ; H R R 1935, Nr. 1415.

101

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Die Kommunmauer

§

ö

V 3, VI 1, 2

3. Ist die Mauer ohne Zustimmung des Nachbarn halbscheidig errichtet worden und liegen auch die Voraussetzungen des § 912 B G B nicht vor, so gehölt die Mauer trotzdem allein dem Erbauer. Dieser hat die Herstellungs- und Unterhaltungskosten allein zu tragen. Der Nachbar kann aber Beseitigung gem. § 1004 B G B verlangen102). VI. Z e r s t ö r u n g eines o d e r b e i d e r H ä u s e r Bei der Zerstörung oder dem Abbruch eines oder beider an der Kommunmauer angebauten Häuser sind die Rechtsverhältnisse an der Mauer unterschiedlich, je nachdem ob die Mauer selbst noch steht, oder auch zerstört wurde. 1. Steht die Mauer noch und sind beide Gebäude zerstört worden, so ist die Mauer nach wie vor Grenzeinrichtung, indem sie jedem der beiden Nachbarn die Möglichkeit zum erneuten Anbau gibt. Die Mauer steht im Miteigentum der Nachbarn. Beide Nachbarn sind weiterhin unterhaltsverpflichtet, soweit eine Unterhaltung überhaupt erforderlich ist (z. B. Sicherung gegen Gefahren für die öffentl. Sicherheit)103). Die Eigenschaft der Grenzeinrichtung geht aber verloren, wenn auf Grund öffentlich rechtlicher Vorschriften oder aus anderen Rechtsgründen ein erneuter Anbau beider Nachbarn nicht mehr zulässig ist, sondern an die Mauer nur noch von einer Seite aus angebaut werden darf. In diesem Fall wird mit dem Anbau des allein anbauberechtigten Nachbarn die Mauer dessen Alleineigentum. Er hat die Unterhaltskosten allein zu tragen104). 2. Ist nur ein Geäude zerstört oder abgerissen worden, oder hat inzwischen ein Eigentümer der beiden zerstörten Häuser wieder angebaut, so ist die Mauer wesentlicher Bestandteil des stehengebliebenen bzw. wiedererrichteten Gebäudes geworden und steht im Alleineigentum des Eigen102 ) Nach der vom Bundesgerichtshof zuletzt vertretenen Rechtsansicht ( B G H N J W 65, S. 811 ff.) entstehen zwar beim unentschuldigten Grenzüberbau lotrecht durch die Grenzlinie aufgeteilte vertikale Alleineigentumsrechte der beiden Grundstückseigentümer an der Giebelmauer mit der Folge, daß der rechtswidrig überbaute Nachbar „seinen" Mauerteil selbst unterhalten muß. Nach der zitierten Entscheidung sollen sich die beiden vertikalen Alleineigentumsrechte aber in ein Miteigentumsverhältnis nach Bruchteilen umwandeln, sobald der rechtswidrig überbaute Nachbar mit einem zweiten Gebäude anbaut. Unter diesen Umständen braucht er auf Grund des Anbaus zu den Herstellungskosten nichts zu leisten, da ihm bereits vor dem Anbau ein gleichwertiger realer Mauerteil angefallen war und er daher nur an sein Eigentum angebaut hat (vgl. auch oben § 8 N . 70 b). Infolge des nun entstandenen Miteigentumsverhältnisses ist er aber sicher verpflichtet, sich an den Kosten der Unterhaltung der Giebelwand anteilig zu beteiligen. 10S ) Vgl. B G H N J W 55, 257; O L G Köln MdR 64, 674. 104 ) B G H N J W 61, 780.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums VII 1

tümers dieses Gebäudes. Das bisherige Miteigentum hat sich in Alleineigentum verwandelt. Diese Umwandlung begründet einen Bereicherungsanspruch, der jedoch erst dann zugesprochen werden kann, wenn es sich nicht nur um ein vorübergehendes Zwischenstadium handelt, sondern wenn endgültig feststeht, daß ein weiterer Anbau des anderen Nachbarn nicht mehr möglich ist 105 ). Solange dies noch nicht endgültig feststeht (z. B. Bauverbot durch Bebauungsplan, oder Dienstbarkeit) sind auf die Mauer die §§ 921, 922 B G B anzuwenden, da sie ja nach wie vor dem Nachbarn den Anbau ermöglicht. Die Unterhaltungskosten sind daher von beiden Nachbarn gemeinsam zu tragen106). VII. S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e bei A n b a u an m a u e r und b e i E r r i c h t u n g d e r s e l b e n

Kommun-

1. Bei Anbau eines Nachbarn an eine halbscheidige Giebelmauer kann leicht durch unsachgemäße Arbeitsführung die Kommunmauer beschädigt werden. Es fragt sich, inwieweit und gegen wen der betroffene Nachbar Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Selbstverständlich kann der Nachbar, sofern die Voraussetzungen des § 823 B G B vorliegen, gegen den Schädiger (i.d.R. den Bauunternehmer oder den Architekten) vorgehen, da ja sein Eigentum beschädigt wird. Dagegen kann der Nachbar nicht gegen den benachbarten Eigentümer, der den Anbau an die Kommunmauer durchführen läßt, selbst vorgehen, es sei denn, daß diesen selbst ein Verschulden treffen würde. Der Bauherr haftet nämlich nicht gem. § 278 B G B für das Verschulden des Bauunternehmers oder Architekten. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ist nicht einem gesetzlichen Schuldverhältnis gleichzubehandeln und auch nicht das Rechtsverhältnis der Benützer eine Grenzeinrichtung unterein105 ) In einem Falle, in dem die stehengebliebenen Teile einer mit Zustimmung des Nachbars auf der Grenze errichteten Kommunmauer wegen inzwischen ergangener baubeschränkender Vorschriften nur noch als sogenannte Fassadenmauer verwendet d.h. nur einseitig noch angebaut werden durfte, hat der B G H (MDR 61, 401 = N J W 6 1 , 780 [L]) dem „überbauten", aber nicht mehr anbauberechtigten Nachbarn eine Geldrente nach § 912 Abs. 2 B G B zugebilligt. Wenn damit auch zutreffend eine Entschädigung gewährt worden ist, so bestehen doch gegen die Anwendung des § 912 B G B Bedenken, da die Giebelmauer ursprünglich mit Zustimmung des Nachbarn errichtet war und der B G H selbst ausführt, daß hier der einseitige Wiederaufbau unter Beibehaltung der Grenzüberschreitung zulässig geblieben sei; § 912 B G B betrifft aber nur den Fall des objektiv rechtswidrigen Überbaus. Das schließt allerdings nicht aus, den Bereicherungsbetrag der Überbaurente gleich hoch anzunehmen. S. Meisner-Stern-Hodes § 9 II 4b. 106 ) B G H N J W 65, 8 1 1 , a.M. Meisner-Stern-Hodes § 9 II 4b.

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Erhöhung einer Grenzmauer

§9 i

ander. Das gemeinschaftliche Benützungsrecht stellt sich lediglich als eine Eigentumsbeschränkung dar107). Anders läge der Fall, wenn die Mauer, an die angebaut wird, im Zeitpunkt der Entstehung der Schadensersatzpflicht im Miteigentum der Nachbarn steht; denn dann liegt ein gesetzliches Schuldverhältnis (§§ 741 ff. B G B ) vor, innerhalb dessen eine Haftung nach § 278 B G B möglich ist. Miteigentum entsteht bei der Kommunmauer aber erst in dem Zeitpunkt, in welchem der Neubau im Rohbau vollendet ist (s. oben III 1). Sofern also der Schadensersatzanspruch bereits vorher entstanden ist, scheidet § 278 B G B aus. Es ist somit jeder Einzelfall genau auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruches hin zu untersuchen. Soweit § 278 B G B ausscheidet, kann eine Haftung des Bauherrn für Verschulden anderer nur aus § 831 B G B hergeleitet werden, was zumindest bei Bauunternehmer und Architekt i.d.R. nicht in Frage kommen dürfte. 2. Von dem Fall, daß beim Anbau die Giebelmauer oder das bereits stehende Haus beschädigt wird, zu unterscheiden ist der Fall, daß die Mauer selbst beim Bau des ersten Hauses unsachgemäß erstellt wird, und dadurch beim späteren Anbau durch den Nachbarn diesem ein Schaden entsteht. Soweit hierbei den Bauunternehmer oder den Architekten ein Verschulden trifft, haftet er nur seinem Bauherrn gegenüber, nicht aber gegenüber dem anbauberechtigten Nachbarn. Es liegt hier kein Vertrag mit einer Schutzwirkung Dritten gegenüber vor 108 ).

§ 9. Erhöhung einer Grenzmauer I. R e c h t der E r h ö h u n g 1 ) Es ist oben2) die Ansicht begründet worden, daß die Bestimmungen des Ausführungsgesetzes über das Recht eines Teilhabers, eine Grenzmauer ihrer ganzen Dicke nach zu erhöhen, gültig sind. Pili« htet man dieser Ansicht bei, so ergibt sich folgendes: An und für sich läßt Art. 68 Abs. 1 A G dem Nachbar für den auf seiner »o") B G H N J W 1965, 589. 108 ) Vgl. Hodes N J W 1965, 539, a.M. O L G Düsseldorf N J W 1965, 539. § 9. Auf ein Unterfangen (Tieferlegen) der Mauer (z. B. zum Zwecke der Anlage eines Kellers, wo bis dahin keiner vorhanden ist) hat ein Teilhaber gegen den Willen des anderen keinen Anspruch. Obermeyer in SeuffBl. 68, 496. 2 ) S. oben § 7, V .

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§9

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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Seite liegenden Teil der Mauer3) das aus seinem Sondereigentum4) entspringende Recht, der Erhöhung der Mauer (nach ihrer ganzen Dicke) zu widersprechen. Wenn ihm aber der andere Nachbar den Nachweis erbringt, daß durch eine solche Erhöhung die Mauer keine Gefährdung erleidet6), so wird hierdurch das Verbietungsrecht aufgehoben. Zu beachten ist jedoch, daß die Bestimmungen des Art. 68 A G B G B nur eine Mauer betreffen, die von der Grenze durchschnitten wird6) Das Verbietungsrecht des Nachbarn entfällt selbstverständlich auch dann, wenn er den Aufbau gestattet hat. Eine solche Vereinbarung wirkt aber nur obligatorisch. Das Gesetz bestimmt nicht, wie der außergerichtliche Nachweis, daß durch die Erhöhung die Mauer keine Gefährdung erleidet, zu führen ist. In der Regel wird er durch Beibringung sachverständiger Gutachten geliefert werden. Es muß aber jedenfalls ein solcher Nachweis erbracht werden, daß ein vernünftiger Mensch sich dabei beruhigen kann. Es ist möglich, daß der Eigentümer gegen das vom Nachbar beigebrachte Gutachten von Sachverständigen begründete persönliche oder sachliche Bedenken haben kann. Insolange er begründeten Anlaß zu solchen Bedenken hat, verliert er sein Verbietungsrecht nicht. Der Nachweis muß eben so beschaffen sein, daß er vernünftige Zweifel ausschließt7). Ist dem Nachbar zwar ein Beweis durch Sachverständige oder auf andere Weise erbracht, welchen er nicht für genügend erklärt und es kommt dann zum Prozeß8), in welchem dargetan wird, daß einerseits der beigebrachte Nachweis ein vollständiger nicht war und andererseits ein Schaden durch die Erhöhung tatsächlich nicht verursacht wird, so werden die Prozeßkosten nach § 93 ZPO dem Kläger zur Last gelegt werden müssen, wenn der Beklagte s o f o r t nach Erbringung des genügenden Nachweises seine Zustimmung zur Erhöhung erteilt. Denn dann hat er zur Erhebung der Klage durch sein Verhalten keinen Anlaß 3 ) Ein bloßer aus zusammengemauerten Steinen verbundener Sockel, der nur zur Anbringung und Stütze eines Grenzgitters dient, ist überhaupt nicht als Mauer zu erachten. Vgl. RheinArch. 1 0 4 1 38 (Köln). 4 ) Vom Standpunkt der Lehre der Motive, der auch der des bayerischen wie des preußischen A G ist (RheinArch. 97, 141 R G ) ; Crusen-Müller Bern. 1 zu Art. 32 pr. A G Für die hier vertretene Auffassung vom Miteigentum gelangt man in gleicher Weise zum Widerspruchsrecht aus § 744 Abs. 2 B G B . 6 ) Aus anderen Gründen (z. B. Entziehung von Luft und Licht durch den Maueraufbau) kann ein Verbietungsrecht nicht abgeleitet werden. Oertmann, Landesprivatrecht 335. 6 ) B G H D N o t Z 1965, 291. ' ) A A P r . 1 7 1 u. 1 7 2 ; Becher, Mat. I, 444f. 8 ) Derjenige, welcher die Mauer ihrer ganzen Dicke nach erhöhen will und hieran durch den anderen Angrenzer gehindert wird, hat die actio negatoria (§ 1004) zu erheben; Oertmann, Landesprivatrecht 356; für die Feststellungsklage ist hier das rechtliche Interesse stets gegeben; vgl. Staudinger-Berg Randb. 4 zu § 1004; gegen tatsächliche Hinderung ist der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben. S. unten § 38.

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Erhöhung einer Grenzmauer

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gegeben ). Wenn der Beklagte aber noch nach der im Prozeß erfolgten Beibringung des genügenden Nachweises widersprochen hätte, dann müßte er sämtliche Kosten tragen10). Wollen beide Nachbarn erhöhen, so ist nicht die Priorität der Erklärung entscheidend, sondern es ist unter Zugrundelegung der Gemeinschaftsnormen eine verständige Regelung zu treffen 11 ). Sobald der genügende Nachweis erbracht ist, ist der Nachbar verpflichtet, die Erhöhung auf der ganzen Dicke der Mauer, also auch auf seiner Seite zu dulden12). Zu einem aktiven Mitwirken bei der Errichtung des Maueraufbaues ist der Nachbar nicht verpflichtet. Ist die Mauer zu schwach, um den beabsichtigten Aufbau zu tragen, so kann der Nachbar, welcher den Aufbau aufführen will, die Mauer verstärken lassen. Die Verstärkung hat er jedoch auf seiner Seite anzubringen ( Art.68 Abs. 3 AG). Dagegen ist es nicht etwa zulässig, daß er die stehende Mauer einreißt und mit stärkerer Konstruktion herstellt13). Sind in den oberen Stockwerken baurechtlich geringere Giebelmauerstärken zugelassen, so muß der zuerst Bauende den erhöhten Teil der Mauer auf der Mitte des unteren Teils — nach beiden Seiten in gleichen Umfang abgesetzt — aufbauen. Andernfalls hat er dem Nachbarn den entstandenen Raumverlust nach Bereicherungsgrundsätzen zu ersetzen14). Art. 68 A G räumt dem Nachbar nur ein Recht zur Erhöhung der M a u e r ein; steht die Mauer unter den Dächern der beiden Nachbarhäuser derart, daß die Dachtraufdächer der beiden Nachbaranwesen auf der Oberkante der Mauer zusammenstoßen, so darf der Nachbar zum Zwecke der Erhöhung der Mauer keine Einwirkung auf das Dach des Nachbars ausüben. Denn dort, wo das Dach des Nachbars anfängt, hört die Grenzeinrichtung auf. Vielfach ist die Beschaffenheit der Scheidemauer derart, daß die beiden Häuser, welche äußerlich ein unausgeschiedenes Ganzes bilden, im Innern von der Scheidemauer getrennt werden. Solche Nachbarhäuser haben meistens zusammen einen einheitlichen Dachstuhl. Der Dachstuhl ist nun unter keinen Umständen eine Grenzeinrichtung. Schwierigkeit wird es nur bereiten, die genaue Grenz-

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) A A P r . 1 7 2 ; Becher, Mat. I, 445. ) Nicht bloß die „weiteren", wie es in A A P r . 1 7 2 ; Becher, Mat. I, 445 heißt; denn dann fehlt es an der zweiten Voraussetzung des § 9 3 Z P O , daß der Beklagte den Anspruch s o f o r t anerkennt. u ) Vgl. Stranz-Gebhard Bern. 9; Crusen-Müller Bern. 1 b zu Art. 83 pr. A G . 12 ) Und zwar im Gegensatz zu Art. 658 C. c. ohne Vergütung (Stranz-Gebhard Bern. 8 zu Art. 23 pr. A G ) . 13 ) Vgl. Henle-Schneider Anm. 5 zu Art. 68 A G RheinArch. 97 II 142 (RG). Anders war es nach Art. 659 C. c. 14 ) O L G Düsseldorf, N J W 1963, 161. 10

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§9 i

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

linie beim Mangel äußerer Merkmale festzustellen. Aber die Grenze läßt sich nötigenfalls im Wege des Grenzscheidungsverfahrens feststellen. Würde durch die beabsichtigte Erhöhung der Mauer auf das so gefundene Alleineigentum des Nachbars an dem Dachstuhl eingewirkt, dann ist die Erhöhung der Mauer unzulässig. Regelmäßig wird diese Voraussetzung zutreffen. Der Nachbar, welcher bauen will, kann sich nur dadurch helfen, daß er die Mauer auf seiner Seite verstärkt und dann den Aufbau in einer Weise aufführt, daß er hierdurch auf das Eigentum des Nachbars an dem realiter abgeteilten Dachstuhl keine Einwirkung ausübt. Verjüngt sich die Mauer nach oben, so darf die Erhöhung nur in der Stärke des oberen Teiles vorgenommen, nicht etwa die ganze Mauer vom Beginn der Verjüngung an gleichmäßig breit verstärkt und dann erhöht werden15). Ist die Erhöhung der Mauer zulässig, so müssen ihre Kosten von demjenigen Nachbar bestritten werden, der sie ausführt. Dieser hat auch den Mehraufwand zu tragen, den die Unterhaltung der Mauer infolge der Erhöhung verursacht (Art. 68 Abs. 4 letzter Satz)16). Andrerseits ist auch nur dieser Nachbar berechtigt, die Vorteile der Mauererhöhung zu genießen. Der andere Nachbar hat also keinen Anspruch auf die Mitbenützung jenes Teiles der Mauererhöhung, der auf seinem Alleineigentum steht17). Durch Art. 68 Abs. 2 A G wird dies in negativer Weise zum Ausdruck gebracht. Der Eigentümer des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, kann dem Eigentümer des anderen Grundstückes die Benützung des Aufbaues verbieten. Bei dieser Fassung des Gesetzes ist die Benützung des Maueraufbaues durch den anderen Nachbar insolange nicht rechtswidrig, als kein Verbot der Benützung erfolgt ist. Das Verbietungsrecht des Eigentümers des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, fällt aber dann weg, wenn ihm von dem anderen Nachbar für die Hälfte oder, wenn nur ein Teil des Aufbaues benützt werden soll, für den entsprechenden Teil der Baukosten Ersatz geleistet wird. Ist der Bauwert geringer als der Betrag der Baukosten, so bestimmt sich der zu ersetzende Betrag nach dem Bauwerte. Der Ersatz ist stets dem derzeitigen Eigentümer "des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung vorgenommen wurde, zu leisten, auch wenn dessen Besitzvorgänger den Aufbau ausgeführt hatte. Das Verbietungsrecht ist ein dem 16

) RheinArch. 97 I 58 (Köln); 97 II 135 (RG). ) Böhm-Klein Anm. 2 zu Art. 68. ) RheinArch. 102 I 268 (Köln) nimmt an, daß das aufgesetzte Mauerstück nach § 95 im Alleineigentum desjenigen steht, der es aufgesetzt hat. Danach besteht die Mauer unten aus zwei Mauerteilen im getrennten Eigentum der beiden Nachbarn, oben aus je einem Stück, das ganz im Alleineigentum steht. Ein Musterbeispiel konstruktiver Künstelei, die abzulehnen ist. 16 17

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Erhöhung einer Grenzmauer

§9

I

Eigentümer zustehendes dingliches Recht; er verliert es, wenn man an ihn bezahlt18). Hat der Eigentümer des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung vorgenommen wurde, die Mauer zum Zwecke der Erhöhung verstärken müssen19), so erhöht sich der von dem anderen Nachbar zu ersetzende Betrag um die Hälfte der Baukosten der Verstärkung und des entsprechenden Teiles des Wertes der zu der Verstärkung verwendeten Grundfläche. Verlangt20) der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die Verstärkung angebracht ist, diese Ersatzleistung, so ist er verpflichtet, dem Eigentümer des anderen Grundstückes das Eigentum an der zu der Mauer verwendeten Grundfläche soweit zu übertragen, daß die neue Grenzlinie durch die Mitte der verstärkten Mauer geht21). Die Vorschriften über den Kauf finden entsprechende Anwendung22). Die Ersatzleistung kann auch 18 ) Vgl. übrigens SeuffBl. 53, iff. Das Verbietungsrecht auf Benützung des Anbaus ist der Verjährung nicht entzogen (Art. 78 AG). Die Verjährung beginnt mit der Benützung. Meikel in SeuffBl. 66, 512. 19 ) Das ist nur dann der Fall, wenn die Verstärkung zum Zwecke der Erhöhung notwendig, nicht nur nützlich war, vgl. Begründung z. A G 42; Becher, Mat. I, 90; BöhmKlein Bern. 3 zu Art. 68. 20 ) E r kann sich natürlich auch mit der einfachen Kostenerstattung des Art. 68 Abs. 2 begnügen. 21 ) Diese Bestimmung ist äußerst doktrinär und unpraktisch. Der Gesetzgeber ist zu derselben durch eine schiefe Auffassung des Wesens der Grenzeinrichtung gekommen. E r geht nämlich von der Voraussetzung aus, daß vermöge der Verstärkung eine Grenzverschiebung stattfinden wird, infolge deren die genaue Grenze durch die Mitte der verstärkten Mauer geht. Das ist nicht richtig. Eine von einem Angrenzer auf seinem Grund und Boden vorgenommene bauliche Änderung übt auf das Eigentum des unter der Mauer befindlichen Bodens gar keinen Einfluß. Es ist eine unrichtige Voraussetzung, daß die Grenze gerade durch die Mitte der Grenzeinrichtung gehen muß. (Vgl. dagegen M 3, 275; Mugdan 3, 152). Es ist sehr wohl möglich, daß eine Grenzmauer zu x /i ihres Querschnitts auf dem Boden des A und zu s / 4 auf dem Bodes des B steht. Bei einer solchen Rechtslage würde sich aus der obenerwähnten Bestimmung des Art. 68 A G eine geradezu absurde Konsequenz ergeben, wie die nachstehende Skizze dartut. a b c d stellt den Querschnitt der g f 1 Grenzmauer dar; e f ist die Grenzlinie. g h a b ist der Querschnitt der Verstärkung, welche A angebracht hat. Nach Art. 68 A G muß nun die Mittellinie von g h c d festgelegt werden; dieselbe wird durch i k dargestellt. A hat dann samt der Verstärkung noch lange nicht die Hälfte der verstärktenMauer; durch eine von ihm betätigte Abtretung kann daher die Grenze unmöglich in die Mitte verlegt werden. 22 ) Das Verlangen zur Eigentumsübertragung ist formlos wirksam, veräußert muß jedoch dann in der Form des § 313 werden.

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Meisner-Ring, Nachbafrccht, 6. Aufl.

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§9

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durch Hinterlegung 23 ) oder durch Aufrechnung erfolgen. E s ist keineswegs in das Belieben des Nachbars, der den A u f b a u ausgeführt hat, gestellt, sich durch Verweigerung der Annahme der Ersatzleistung sein Verbietungsrecht zu erhalten. Andrerseits kann der Nachbar, welcher den Maueraufbau errichtet hat, den anderen Nachbar, sobald dieser den Maueraufbau ohne vorherige Ersatzleistung tatsächlich in Benützung genommen hat, nach seiner Wahl auf Ersatz der Baukosten oder nach vorausgegangenem Verbot auf Unterlassung der Benützung belangen 24 ). B e w e i s l a s t gilt: es muß derjenige, der das Verbietungsrecht geltend macht, lediglich beweisen, daß von ihm oder seinem Besitzvorgänger der A u f b a u ausgeführt wurde 26 ). Sache des Gegners ist es dann, zu beweisen, daß er die Baukosten dem Eigentümer oder dessen Besitzvorgänger ersetzt hat. Sowohl das Verbietungsrecht, als der Anspruch auf Ersatzleistung 26 ) erlöschen gemäß Art. 7 7 A G durch Verzicht des Berechtigten, welcher als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstückes zu erklären ist. Für diesen Verzicht ist keine F o r m vorgeschrieben; er ist unwiderruflich. Ist das Grundstück des Berechtigten mit dem dinglichen Rechte eines Dritten belastet, so ist die Zustimmung des Dritten zum Verzichte erforderlich, wenn 23 ) Durch bloßes, wenn auch tatsächliches Anbieten der Ersatzleistung wird das Verbietungsrecht noch nicht entzogen. Nimmt der Ersatzberechtigte nicht an, so muß vielmehr hinterlegt werden. 24 ) Aus dem Wortlaut des Art. 68 A G (gleichlautend mit Art. 23 § 2 pr. A G ) „kann verbieten, bis ihm . . . Ersatz geleistet wird", wird von Stranz-Gerhard Bern. 1 1 ; CrusenMüller Bern. II 1 b; Hodler Bern. 3 zu Art. 23 pr. A G und RheinArch. 102 I 268; 104 I 34 (Köln) gefolgert, daß das Kostenbegehren nur einredeweise gegen den Benutzungsanspruch, nicht aber aktiv geltend gemacht werden dürfe. Die Redaktion des Art. 68 Bay.A G (Art. 33 pr. A G ) ist aber schwach. In Art. 68 Abs. 3 Bayr AG(Art. 23 § 3) steht deutlich: „Verlangt der Eigentümer — die Ersatzleistung". Der Wortlaut des Gesetzes gibt also jeder der zwei Deutungen Raum. Die Absicht des preuß. Gesetzgebers, dessen Konzept der bayerische abgeschrieben hat, ging dahin, das bisherige Recht dem Sinne nach aufrechtzuerhalten. Art. 660 C. c. gewährte aber dem Erhöhenden ein Forderungsrecht.Das besteht auch unter der Geltung des neuen Rechts (RheinArch. 105 I 48(Köln); SeuffBl. 70, 210 (München)). Auch Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht 336f. gewährt einen klagbaren Anspruch auf Kostenerstattung von dem Moment an, wo der Nachbar durch tatsächliche Gebrauchsanmaßung o d e r w ö r t l i c h e E r k l ä r u n g d e n Willen bekundet hat, sich die Vorteile der Mauererhöhung anzueigenen. 25 ) Ob die Erhöhung für die Mauer schädlich war oder nicht, ist für das Verbieten der Benützung gleichgültig. Auch wenn die Erhöhung auf Grund einer von dem anderen Nachbar erteilten Erlaubnis ausgeführt wurde, kann ihm der Erbauer die Benützung des Aufbaus bis zur Ersetzung der halben Baukosten verbieten. 28 ) Und zwar auf Ersatz sowohl der Baukosten der Erhöhung als der Verstärkung: Art. 68 Abs. 3 A G , welcher die Kosten der Verstärkung behandelt, ist zwar in Art. 77 A G nicht besonders genannt, allein es handelt sich hierbei nur um eine Erweiterung der in Art. 68 Abs. 2 A G behandelten Ersatzpflicht (vgl. Böhm-Klein Anm. 5 zu Art. 68 AG).

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Erhöhung einer Grenzmauer

§9 ii

dessen Recht durch den Verzicht berührt würde. Die Zustimmung des Dritten ist entweder dem Grundbuchamte oder dem Eigentümer des Nachbargrundstückes gegenüber zu erklären und ist unwiderruflich (Art. 77 Abs. 2 A G mit § 876 BGB). Im Falle der Belastung mit einer Reallast, einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld ist der Verzicht auf das in Art. 68 Abs. 2 A G bezeichnete Verbietungsrecht dem Dritten gegenüber wirksam, wenn er erfolgt, bevor das Grundstück zugunsten des Dritten in Beschlag genommen worden ist (Art. 77 Abs. 2 AG). Der Eigentümer kann also ungeachtet einer bestehenden Hypothek oder eines dieser gleichgestellten Rechte auf sein Verbietungsrecht ohne Zustimmung des Gläubigers verzichten, solange nicht das Grundstück zu dessen Gunsten in Beschlag genommen ist. II. B e s e i t i g u n g eines A u f b a u e s auf der

Kommunmauer

Hat ein Teilhaber die Kommunmauer erhöht, so darf er diese Erhöhung eigenmächtig jedenfalls dann nicht beseitigen, wenn er für die Erhöhung auch einen Teil der Kommunmauer benützt hat, der auf dem Grund und Boden des Nachbarn steht. Denn in diesem Fall ist auch der Maueraufbau als Grenzeinrichtung zu betrachten (vgl. oben § 8 II 1). Die zur Schaffung einer Grenzeinrichtung erforderliche Zustimmung des Nachbars, die auch als nachträgliche Genehmigung erfolgen kann, liegt hinsichtlich des Maueraufbaues letzten Endes in der Unterlassung eines Widerspruches gegen den Aufbau. Ist aber die Erhöhung nur auf dem Teil der Mauer vorgenommen worden, der auf dem Grund und Boden des Erhöhenden steht, so ist der Aufbau nicht als eine Grenzeinrichtung zu erachten. Dann darf der andere die Erhöhung trotz des Widerspruches des Teilhabers nicht beseitigen, und zwar selbst dann nicht, wenn auch dieser auf seiner Seite der Kommunmauer einen Aufbau ausgeführt hat. Dabei ist es für die Entscheidung dieser Frage ohne Bedeutung, ob man Miteigentum oder abgeteiltes Alleineigentum an der Kommunmauer unterstellt. Denn da die Unterstellung des Miteigentums auf der Annahme beruht, daß § 93 B G B den § 94 B G B überwindet, so steht das Miteigentum an der Kommunmauer der Annahme des Alleineigentums an den Maueraufbau nicht entgegen. Da der aufgebaute Teil nur dem Haus dessen, der die Erhöhung vorgenommen hat, als Umfassungsmauer dient, steht diese als wesentlicher Teil des Hauses im Alleineigentum des Hauseigentümers (§93 BGB). Das Recht zur Beseitigung des Aufbaues ergibt sich aus § 903 B G B . Auf einer Kommunmauer, die mit ihrem breiteren Teil auf dem Grundstück des Beklagten steht, hat zunächst dieser, dann der Kläger eine Mauer je als Seitenwand eines Hausaufbaues errichtet. Die beiden Mauern hielten sich diesseits der Grundstücks-

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III

grenzen. Beklagter hat sein Gebäude und damit auch seinen Maueraufbau, nicht aber die Kommunmauer abgerissen. Der Maueraufbau des Klägers war für sich allein zu schwach und mußte deshalb verstärkt werden. Kl. beanspruchte vom Bekl. Ersatz der Kosten der Verstärkung. DieKlage wurde mitRecht abgewiesen (HessRspr. 1917,189). Ob der Bekl. beim Abbruch der Mauer die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte (s. unten § 17, III), stand nicht in Frage.

III. Ü b e r g a n g s v o r s c h r i f t Art. 68 A G ist maßgebend für alle Grenzmauern, gleichviel ob sie vor oder nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches errichtet worden sind27). Ist eine Grenzmauer, zu deren Benützung die Eigentümer der Nachbargrundstücke gemeinschaftlich berechtigt sind, vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches von dem Eigentümer des einen Grundstückes e r h ö h t worden, so findet, soweit nach den bisherigen Vorschriften 28 ) für die Benützung des Aufbaues seitens des Eigentümers des anderen Grundstückes ein Teil der Kosten zu ersetzen oder eine sonstige Vergütung zu leisten ist, die Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 und 3 über das Recht des einen Nachbars, die Benützung des Aufbaues zu verbieten, Anwendung, es sei denn, daß die Vergütung schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches fällig geworden ist, in welchem Falle es bei der Gestaltung, die das Rechtsverhältnis durch die bisherigen Vorschriften erhalten hat, sein Bewenden hat (Art. 69 A G ) . Im anderen Falle richtet sich die Heranziehung zu den Baukosten auch nach den neuen Vorschriften, wenn die Erhöhung der gemeinschaftlichen Mauer schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erfolgt ist, die Benützung des Aufbaues aber erst nach diesen Zeitpunkte eintritt29). Dagegen ist die Frage, ob die vor diesem Zeitpunkte erfolgte Erhöhung der Mauer zulässig war, nach bisherigem Rechte zu entscheiden30). Hat aber das bisherige Recht für den Fall, daß die Erhöhung in unzulässiger Weise von dem einen Teil27 ) Pfirstinger, Die Kommunmauer 12; vgl. RheinArch. IOI, 227; 104 I 34; 105 I 48 (Köln). 28) Code civil Art. 658f., sowie die Statutarrechte von München (Bauordnung Art. 4); Amberg (Bauordnung XI); Ulm (Bauordnung VII, 3); Memmingen (Bauordnung XI, 4); Mainz (Bauordnung VII, 21) geben dem Nachbar die Befugnis, eine gemeinschaftliche Mauer ohne Zustimmung des anderen Nachbars zu erhöhen und versagen dem anderen Nachbar das Recht der Mitbenützung, bis er die Hälfte der Baukosten ersetzt hat. 29) Henle-Schneider Anm. 3 zu Art. 69 AG. 30) Zulässig ist die Erhöhung einer Kommunmauer ihrer ganzen Dicke nach nach den Statutarrechten von München, Amberg, Ulm, Memmingen und Mainz. Die Statutarrechte von Nürnberg Ref. X X V I , 4 und Augsburg (Bauordnung II, 5) gestatten dem Miteigentümer das Höherbauen auf der H ä l f t e der Mauer. Das gemeine Recht dagegen verbietet die einseitige Erhöhung der Kommunmauer 1. 27 § I D 8, 2: Si in area communi aedificare velis, socius prohibendi ius habet, quia invito socio in iure communi non habeas ius aedificandi.

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Erhöhung einer Grenzmauer

§

IV 1

habet vorgenommen wurde, dem anderen Teile einen Anspruch auf Niederreißung einer verbotswidrig vorgenommenen Erhöhung eingeräumt, so wird dieser Anspruch durch das Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung31) beseitigt. Die gegenteilige Ansicht entbehrt der Begründung obwohl sie sich auf Gesetzgebungsverhandlungen berufen kann32). Es kann in einem geordneten Rechtsleben nicht angängig sein, daß der eine Teilhaber von dem anderen die Niederreißung der Mauer verlangen kann, obwohl der andere Nachbar berechtigt ist, die niedergerissene Mauer am anderen Tag in gleicher Weise wieder aufzubauen. Einem solchen Verlangen kann aus § 226 B G B wirksam begegnet werden. IV. E i g e n t u m an der M a u e r e r h ö h u n g o d e r der Mauer Verstärkung Die Erhöhung oder Verstärkung der Mauer bildet mit dieser ein einheitliches Ganzes. Das Eigentumsrecht an der Erhöhung oder der Verstärkung richtet sich daher nach dem Eigentum an der Mauer. Da ein Recht auf Erhöhung oder Verstärkung auch ohne Zustimmung des Nachbarn besteht, handelt es sich hier um den gleichen Fall wie den der Erstellung einer halbscheidigen Giebelmauer im Einverständnis beider Nachbarn (vgl. oben § 8 II 1). Nach der hier vertretenen Ansicht gilt demnach im Einzelnen folgendes: 1. Mauererhöhung: a) Erfolgt die Erhöhung der Wand in einem Zeitpunkt, zu welchem an die Giebelmauer noch nicht angebaut ist, so steht die ganze Mauer einschließlich der Erhöhung im Alleineigentum ihres Erbauers. Dies gilt auch dann, wenn die Erhöhung der Mauer von dem Eigentümer aufgeführt wurde, der bisher noch nicht angebaut hat, der aber beabsichtigt, demnächst an die erhöhte Mauer anzubauen. b) Wird die Mauer erhöht, nachdem an sie bereits angebaut ist, so erstreckt sich das an der Mauer bestehende Miteigentum auch auf die Erhöhung und führt lediglich zu einer Veränderung der Miteigentumsbruchteile. Diese Veränderung der Bruchteile erfolgt deshalb, weil der erhöhte Mauerteil seinem Erbauer zuzurechnen ist. Stand die noch nicht erhöhte, aber voll angebaute Mauer im Miteigentum zu je % der beiden Nachbarn, und wird die Mauer um die Hälfte ihrer bisherigen Maße erhöht, so ver31

) Die Gültigkeit des Art. 68 A G vorausgesetzt s. oben § 7 III. ) Äußerung von Jacubezkys A A P r . 175 (Becher, Mat. I, 446f.) und im Gefolge hiervon Böhm-Klein Anm. 2 zu Art. 69 und Henle-Schneider Anm. 2 zu Art. 69 A G . 32

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§10

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ändert sich der Miteigentumsbruchteil %: y2 in 2 / 3 : 1 / 2 . Es liegt hier also der gleiche Fall vor, wie wenn eine Giebelmauer von einem Nachbarn nur zu 2 / s zum Anbau benützt wird. c) Baut der andere Grundstückseigentümer seinerseits an die erhöhte Mauer an, so betragen die Miteigentumsbruchteile an der Giebelmauer einschließlich der Erhöhung je y2. (Dies setzt allerdings voraus, daß die ganze Mauer von beiden Nachbarn in vollem Umfang angebaut wurde. Andernfalls richtet sich der Miteigentumsbruchteil nach dem Umfang des Anbaus und der Mitbenutzung der gesamten Wand). d) Bei einer späteren Aufstockung durch den Nachbarn, ohne daß dieser dabei an den erhöhten Mauerteil selbst anbaut, entsteht keine Ausgleichspflicht. 2. MauerverStärkung: a) Solange an die Giebelmauer noch nicht angebaut ist, steht die gesamte Mauer einschließlich der Verstärkung im Alleineigentum des ursprünglichen Erbauers. Dies gilt auch dann wenn die Verstärkung derMauer nicht von diesem, sondern vom anderen Nachbarn vorgenommen wurde im Hinblick auf demnächt durchzuführende eigene Anbaupläne. Da i.d.R. der Nachbar eine Verstärkung nur vornehmen wird, wenn er selbst anbauen will, findet ein Wertausgleich zwischen den beiden Eigentümern nicht statt. Hat der Nachbar, der bisher noch nicht angebaut hat, die Verstärkung selbst vorgenommen, und kommt es dennoch nicht zu einem Anbau, so ist er berechtigt, die Verstärkung wieder zu beseitigen, soweit hierdurch die Giebelmauer nicht beschädigt wird. b) Wird an die Giebelmauer nach ihrer Verstärkung durch den einen Nachbarn angebaut, so tritt eine Wertverschiebung in den Miteigentumsbruchteil ein, und zwar entsprechend der Mauerstärke. Wurde also z.B. die Giebelmauer von einem Nachbarn um die Hälfte ihrer Dicke verstärkt und baut der Nachbar allsdann voll an, so stehen die Miteigentumsbruchteile im Verhältnis 1 : 2 . § 10. Grenzbaum*) Indem die Grenze die zusammenhängenden Bestandteile der Grundstücke (Erdboden, Gestein, Gebäude) durchschneidet, teilt sie auf beiden Seiten der Grenze liegenden Stücke dem einen oder dem anderen Grund§ 10 *) Vgl. Ortloffin ArchBürgR 17, 234; Trendel in SeuffBl. 7 1 , 508; Luks in Gruch 6o, 975; Weber, Grundeigentum 1937, 874; Glaser in B l f G B W 52, 53.

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Grenzbaum

§10

stücke zu. Durchschneidet die Grenzlinie den Stamm eines Baumes da, wo er aus der Erde heraustritt, so würde bei strenger Durchführung des § 94 der Baum, solange er steht, körperlich geteilt zu erachten sein; das eine Stück würde dem einen, das andere dem anderen Grundeigentümer zum Alleineigentum gehören. Allein nach der hier vertretenen Ansicht (s. oben S. 103) geht § 93 dem § 94 vor; ein körperlich geteiltes Eigentum an einer einheitlichen Sache ist wirtschaftlich und rechtlich unmöglich. Der Baum und andere Gewächse, die auf der Grenze stehen, sind im M i t e i g e n t u m der beiden Nachbarn1), auf welches die Vorschriften der §§ 741 ff. B G B über die Gemeinschaft anzuwenden sind. Im Einklang mit § 749 B G B bestimmt § 923 B G B , daß jeder der Nachbarn die Beseitigung des Baumes verlangen kann. Auf die Wurzelung kommt es nicht an. Der Baum, dessen Stamm von der Grenze nur gestreift, nicht geschnitten wird, steht mit samt seinen in das Eigentum des Nachbars hinüberragenden Wurzeln und Zweigen im A l l e i n e i g e n t u m e desjenigen, auf dessen Grund und Boden der Stamm heraustritt2). Wird der Stamm erst weiter oben wegen schiefen Wachstums von der Grenze geschnitten, so ist § 910 anzuwenden3). Auf keinen Fall hat aber der Nachbar das Recht, den Baum ohne Einwilligung des anderen zu fällen4). Der Anspruch auf Beseitigung des Grenzbaumes oder Grenzstrauches unterliegt nach § 924 B G B nicht der Verjährung. Der Anspruch auf Beseitigung ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann5). Letztere Ausnahmen wurde für notwendig gehalten wegen der in manchen Gegenden, insbesondere den Überschwemmungsgebieten größerer Flüsse, bestehenden Notwendigkeit, die Grenze durch Bäume (sog. Kopfbäume, gekappte Weiden) zu sichern, weil andere Grenzzeichen weggespült würden6). Dient eine Baumreihe oder eine Sträucherreihe (Hecke) als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921, so besteht der Anspruch auf Beseitigung nicht, gemäß x ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 925 § 923; Luks in Gruch 60, 480; gegenteilige herrsch. M. M3, 278 (Mugdan 3, 155); Planck-Strecker Bern. 1 ; R G R Komm. Bern. 1 Palandt Bern, je zu § 923. 2 ) O G H (alt 8, 453; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923. 3 ) Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923. 4 ) RGRKomm. Bern. 4; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923. 6 ) Die Beweislast dafür, daß der Baum als Grenzzeichen dient, trägt derjenige, der den Baum erhalten -will; sie wird erfüllt sein, wenn die Grenze nicht vermarkt ist und der Grenzbaum an einer Stelle steht, an welche bei vorzunehmender Vermarkung ein Grenzstein kommen müßte. Die Beweislast dafür, daß der Baum nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann, trifft denjenigen, der die Beseitigung verlangt. Staudinger-Seufert Randb. 2; Planck-Strecker Bern. 5 je zu § 923. 6 ) KommProt. 3550 (Mugdan 3, 585).

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§10

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

§ 922 BGB 7 ). Im übrigen sind für die Verwaltung des Baumes (Strauches) die Vorschriften der § § 744ff- B G B maßgebend. Für andere Sachen, z. B. Steine, Balken, gelten die Vorschriften des § 923 selbstverständlich nicht. Der Nachbar ist befugt, den Stein bis zu seiner Grenze herauszubrechen, denn so weit gehört er ihm. Nimmt er den ganzen von der Grenze durchschnittenen Steinblock heraus, so handelt er rechtswidrig. An dem herausgenommenen Steinblock besteht Miteigentum nach Bruchteilen, welche von dem bisherigen Grenzschnitt nach Verhältnis des Realeigentums bestimmt werden8). An und für sich müßte man annehmen, daß von dem Miteigentum an dem Baum jedem der Teilhaber ein Bruchteil zuzuweisen sei, dessen Größe dem Verhältnis der räumlichen Erstreckung des Baumes in das eine oder andere Gebiet entspricht. Da aber § 923 B G B den g e f ä l l t e n Baum und die Früchte9) des stehenden Baumes den Teilhabern zu gleichen Teilen zuspricht10) und ebenso die Kosten der Beseitigung verteilt, so müssen (vgl. § 743 B G B ) auch an dem stehenden Baum gleiche Anteilsrechte angenommen werden. Die Ermittlung eines anderen Quotenverhältnisses wäre mit ungebührlichen Schwierigkeiten verbunden. Da die Beseitigung möglicherweise mehr Kosten verursacht als Gewinn verschafft, so erfordert die Billigkeit, daß der eine Nachbar dem anderen Nachbar, welcher die Beseitigung fordert, die Ausführung der Trennung auf eigene Kosten und zu eigenem Gewinn überlassen kann (§923 BGB). In diesem Falle erwirbt derjenige, der den Baum beseitigt, mit der Trennung des Baumes das Alleineigentum. Besteht ein Nießbrauch am Grundstücke, so ist, da der Baum eine Frucht ist, nur der Nießbraucher zu der Trennung und zu der Verfügung über die getrennten Stücke des Baumes, welche sein Eigentum werden, berechtigt11). Der Pächter hat nur einen obligatorischen Anspruch darauf, daß ihm der Verpächter während der Pachtzeit die Aneignung der Früchte gestattet. Befindet sich der Pächter im Besitze des verpachteten Grundstückes, so erwirbt er zwar das Eigentum an den Früchten mit deren 7

) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 2 zu § 925. ) Vgl. Staudinger 9. Aufl. Bern. 3 zu § 923 und dortige Nachweise; R G 70, 200. 9 ) Dazu gehört auch dürres Holz (Dernburg 290), Baumblätter, die als Streu dienen ( O L G München in Strafs. 3, 380). 10 ) Die Bestimmung des § 923 .wonach die Früchte den Nachbarn zu gleichen Teilen zustehen, ist mit der Annahme eines körperlich abgeteilten Eigentums unvereinbar. Denn bei körperlich abgeteilten Bäumen würde das Eigentum an den hängenden Früchten demjenigen zustehen, über dessen Grundstück sie hängen. — Die abgefallenen Früchte gelten aber auch bei einem auf der Grenze stehenden Baum als Früchte des Grundstücks, auf welches sie gefallen sind (§ 911 BGB). n ) M. 3, 279 (Mugdan 3, 154). 8

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Grenzbaum

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Trennung (§956 BGB), aber gemäß §581 nur an den Früchten, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind. Ob der gefällte Grenzbaum zu diesen Früchten gehört, ist je nach der Gestaltung des einzelnen Falles verschieden zu beurteilen; deshalb ist der Pächter dem Nießbraucher nicht schlechtweg gleichzustellen12). Soferne auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses (z. B. Pacht) die Früchte einem anderen als dem Eigentümer gehören, gilt der andere als Nachbar im Sinne des § 92313). Die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Rechte der Grundeigentümer in Ansehnung der auf der Grenze stehenden O b s t b ä u m e abweichend von den Vorschriften des § 923 Abs. 2 B G B bestimmen, bleiben nach Art. 122 E G unberührt. Ebenso bleiben zugunsten eines Grundstückes, das am 1. 1. 1900 mit Wald bestanden ist, die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Rechte des Eigentümers eines Nachbargrundstückes in Ansehnung der auf der Grenze stehenden Bäume und Sträucher abweichend von den Vorschriften des § 923 Abs. 2 und 3 bestimmen, bis zur nächsten Verjüngung des Waldes in Kraft (Art. 183 EG). Die bayerische Ausführungsgesetzgebung hat von diesem Vorbehalt weder nach der einen noch nach der anderen Richtung Gebrauch gemacht14). 12

) Vgl. Goldmann-Lilienthal 67 Anm. 53 und dagegen Maenner 179. ) Staudinger-Seufert Bern. 1 c zu § 92; und Nachweise. " ) V g l . A G B G B für Coburg Art. 23 §§ 10 u. 1 1 (s. Anhang). 13

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II. A b s c h n i t t

Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums A. Allgemeine Eigentumsbeschränkungen § i i . Schikanöse Rechtsausübung1) A u s dem Wesen des Rechtes folgt an sich, daß es im Belieben des Berechtigten steht, das Recht innerhalb der ge2ogenen Schranken auszuüben. Die Ausübung eines Rechtes ist nicht schon deswegen unerlaubt, weil dadurch ein anderer Schaden leidet 2 ). Im Prinzip gilt auch für das bürgerliche Recht der Grundsatz: qui iure suo utitur, nemini facit inuiriam. Deshalb darf z. B . der Grundstückseigentümer dem Nachbar durch E r richtung eines Gebäudes das Licht verbauen. E s besteht an sich keine Verpflichtung des Grundeigentümers, positive Veranstaltungen auf seinem Eigentum zu treffen, um seinen Nachbar vor Nachteilen zu schützen 3 ). Eine solche Verpflichtung kann sich aber aus §§ 906 ff. B G B ergeben (vgl. darüber unten § 1 4 II, § 15 und § 16). Beispiele: Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem Berberitzensträucher frei wachsen, die als Träger des Getreiderostpilzes für umliegende Getreidefelder eine Gefahr bilden, kann unter Umständen verpflichtet sein, den Nachbarn die Ausrottung der gefährlichen Sträucher zu dulden. Die Verweigerung dieser Maßnahme wurde idR gegen §§ 226 und 82} ev. 826 verstoßen. Aus denselben Rechtsgründen kann ein Grundeigentümer, dessen Gebäude mit Schwamm behaftet ist, verpflichtet sein, Vorkehrungen zu treffen, durch die ein Ubergreifen auf die Gebäude seiner Nachbarn verhindert wird. Ähnliches gilt für einen Gartenbesitzer hinsichtlich der Beseitigung von Wespennestern, falls diese eine erhebliche Gefahr für die Nachbarn bilden. Der Eigentümer eines § 1 1 . 1 ) Schrifttum: Jakubetzky in Gruch 40, 592; Ramdohr in Gruch 46, 577; Fuld in SeuffBl. 63, 501 (Der Schikaneparagraph des BGB); Siebert in JW 1937, 2495; derselbe in DR 1941, 1930; Schneider in Recht 1906 Nr. 603; ebenda 1906, 847; Werner, Diss. Göttingen 1936 (Der Rechtsmißbrauch in den Entscheidungen des Reichsgerichts); Kipp, Festgabe für Otto Gierke 1910; Rüdy, Diss. München 1934 (Rechtsmißbrauch); Gadow in JheringsJ 84, 174; Manik in D J Z 36, 355; Soergel-Siebert Vorb. vor § 226; Enneccerus-Nipperdey § 239 III S. 1027fr; Haueisen in N J W 57, 729. 2 ) Vgl. BayObLGZ 7, 237; R G Z 68, 424; 125, 1 1 0 ; 146, 396; HRR 36 Nr. 1484; K G in JW 36, 1936, 637. 3 ) Vgl. unten § 23. 202

Schikanöse Rechtsausübung

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Grundstücks, von dem sich ein Felsblock abzulösen droht, kann je nach Lage der Verhältnisse verpflichtet sein, diese Gefahr für seine Nachbarn zu beseitigen. Vom Eigentümer eines von Natur aus bestehenden Teiches, dessen Gerüche eine erhebliche Belästigung für die Nachbarn bilden, können entsprechende Maßnahmen zur Abstellung der Beeinträchtigungen verlangt werden. Die Ausübung des Eigentumsrechts ohne Rücksicht auf die Interessen der Nachbarn ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn diese in erheblichem Maße beeinträchtigt werden. Soweit von Menschenhand errichtete Anlagen (künstlicher Teich) oder Bauwerke gefahrdrohende Einwirkungen auf die Nachbarn ausüben, greifen die Bestimmungen in §§ 907 u. 908 ein. Vielfach werden auch öffentlich rechtliche Vorschriften bestehen, deren schuldhafte Verletzung nach § 823 Abs. 2 B G B zum Schadenersatz verpflichtet. Eine grundsätzliche Einschränkung der Machtbefugnis des E i g e n tümers bewirkt § 226 B G B . Wenn eine rechtliche Befugnis ohne eigenes Interesse des Berechtigten lediglich zur Schädigung eines Dritten ausgeübt wird, dann verstößt dies gegen den Z w e c k des Gesetzes, das eine Berechtigung nur 2ur Förderung menschlicher Interessen, niemals aber zu deren Schädigung verleiht. Eine derartige Schädigung bedeutet in Wahrheit nicht die Ausübung eines Rechts, sondern dessen Mißbrauch. In den Entwürfen zum B G B hatte man von einer Bestimmung, die den Mißbrauch eines Rechts verbietet, Abstand genommen. In den Kommissionsberatungen hatte man zunächst die exceptio doli generalis zulassen wollen, sie aber dann fallen gelassen, um nicht die Grenze zwischen Recht und Moral zu verwischen. Man wollte keinen Anlaß geben zu einem Streit über die Beschaffenheit des Interesses, das der Berechtigte an der Ausübung seines Rechtes hat. Auch hielt man den Nachweis dafür daß die Rechtsausübung nur aus Schikane erfolge, für schwer zu erbringen, während auf der anderen Seite ein solches Verbot vielfach mißbraucht werden und so im Ergebnis zu einer Schikane von der anderen Seite führen könne4). Erst derBundesrat hat nach dem Vorbild des preußischen Landrechtes ( A L R I 8 § 28) dem damaligen § 887 den Zusatz gegeben: „Eine Ausübung des E i g e n t u m e s , die nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, ist unzulässig." Der Reichstag hat diesen auf das Eigentum beschränkten Grundsatz zu einem allgemeingültigen erhoben. Hiernach ist die A u s ü b u n g eines R e c h t e s unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen (§ 226 BGB). Die Rechtsbefugnis selbst ist nicht entzogen, sondern nur die A u s übung unter den besonderen Voraussetzungen, die § 226 B G B aufstellt. Wird die Ausübung eines Rechts in einem Falle durch Gerichtsurteil für unzulässig erklärt, so steht die Rechtskraft des Urteils einer Ausübung desselben Rechts in einem anderen Falle, in dem der damit verfolgte Z w e c k erlaubt ist, nicht im Wege 6 ). Die Fassung des § 226 ist eine recht enge, so daß sich der Richter nicht allzu häufig in der L a g e finden wird, v o n dieser Gesetzesbestimmung Gebrauch zu machen; denn § 226 ist an die Voraussetzung gebunden, daß, o b j e k t i v betrachtet, die Rechtsausübung gar keinen anderen Z w e c k haben kann, als den der Schädigung, wobei begrifflich nicht erforderlich ist, 4 5

) Vgl. Mot. 1, 275 (Mugdan 1, 505). ) Vgl. Staudinger-Coing Randb. 4a; R G R Komm. Bern. 2 je zu § 226.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

daß der Zweck bereits erreicht wurde. Jeder andere Zweck muß ausgeschlossen sein. Nicht auf die Absicht und die Beweggründe des Handelnden wird abgestellt, sondern auf den Zweck seines Tuns, wie sich dieses bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände des konkreten Falles darstellt. Dabei können die inneren Beweggründe des Handelnden von Bedeutung sein. Dient die Rechtsausübung verschiedenen Zwecken und verfolgt auch nur einer davon ein berechtigtes Interesse, dann entfällt der Tatbestand des § 226. Kommt neben dem Zweck, einem anderen Schaden zuzufügen, ein anderer Zweck nur ganz nebenbei (oder ersichtlich nur vorgeschützt) in Betracht, dann wird die Anwendung des § 226 angebracht sein6). In diesem Erfordernis eines objektiven Tatbestandes ruht das Schwergewicht der Bestimmung. Hierdurch wird der Vorstoß, der mit § 226 gegen den Begriff der Rechtsbefugnis, insbesondere in seiner Anwendung auf das Eigentum, geführt werden sollte, außerordentlich abgeschwächt. Zuweilen wird die Rechtsausübung, die auf Grund des § 226 nicht verboten werden kann, nach §826 unzulässig sein7). Die wichtigsten Fälle, in denen schikanöse Rechtsausübung in Frage kommen könnte, sind durch Einzelbestimmungen in der Weise geregelt, daß die Rechtsbefugnis selbst entzogen wird, wenn zur Ausübung derselben das Interesse fehlt. So § 905 B G B , wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat; § 906 B G B , wonach der Eigentümer eines Grundstückes die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkun•) Ramdohr bei Gruchot 46, 819, der mit bes. Schärfe auf den Unterschied der Begriffe Z w e c k und Absicht hinweist. Z w e c k ist die Bestimmung, welche ein „ E t w a s " hat; er haftet dem Dinge oder V o r g a n g objektiv an. Die Ermittlung der Zweckbestimmung erfolgt von einem außerhalb der Person des Bestimmenden befindlichen, objektiven Standpunkt aus. V g l . R G 68, 4 2 4 ; 1 2 5 , 1 1 0 ; H R R 1 9 5 6 N r . 1 4 8 4 ; K G in J W 1 9 3 6 , 673. In R G 98, 1 7 wird die Anwendung des § 226 abgelehnt, weil die v o r die Fenster des Nachbarhauses gestellte Bretterwand möglicherweise auch den Z w e c k haben könne, sich und dieFamilienmitglieder vorBelästigungen und Beleidigungen desNachbars zu schützen. ' ) V g l . darüber Maenner : 5 8 A n m . 8; SeuffA 62 N r . I J I . (Verbauen der Aussicht). V g l . R G 98, 1 7 (oben A n m . 5). Im dortigen Falle wurde die Anwendbarkeit des § 886 verneint, weil die von den Beklagten in ihrem berechtigten Interesse vorgenommene und an sich rechtlich erlaubte Errichtung der Bretterwand auch dann noch nicht sittenwidrig werde, wenn die Beklagten nebenbei die Absicht gehabt haben sollten, den Kläger zu schädigen (Vgl. R G 7 1 , 173). Über die Abgrenzung des Tatbestands des § 226 von demjenigen in § 826 vgl. R G Z 4 8 , 1 1 4 ; 55, 368; 58, 2 1 6 ; 6o, 103 ; 66, 2 3 8 ; 8 6 , 1 9 5 ; 1 5 5 , 1 1 7 . Eine Beurteilung nach § 826 wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine Rechtsausübung der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden widerspricht und als sittenwidriger Mißbrauch einer Rechtsstellung zu erachten ist. V g l . auch Planck Bern. 5 ; Staudinger-Coing Randb. 4 a je zu § 226 B G B ; Palandt-Gramm Bern. 1 u. 2 e Zu § 826 BGB.

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gen insoweit nicht verbieten kann, als die Einwirkung die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt; ferner § 910 Abs. 2 B G B , wonach der Grundstückseigentümer Wurzeln und Zweige, die in seine Eigentumsphäre herübergedrungen sind, nicht beseitigen darf, wenn sie die Benützung des Grundstückes nicht beeinträchtigen. Auf alle diese Vorschriften bezieht sich das allgemeine Schikaneverbot des § 226 nicht; denn diese Bestimmung setzt voraus, daß an sich ein R e c h t b e s t e h t , was in den Fällen dieser Einzelvorschriften nicht zutrifft. Das Erfordernis eines objektiven Tatbestandes führt bei der Anwendung des § 226 zu wichtigen Folgen. Es genügt nicht, daß die Rechtsausübung der Absicht einer Schädigung entspringt, ja nicht einmal, daß n a c h w e i s b a r der einzige Zweck des Handelnden die Schadenszufügung gewesen ist8). Der Gesetzgeber will nicht haben, daß bei dem Offenbleiben verschiedener Möglichkeiten die Absicht des Rechtsausübenden nachgeprüft werden soll; erforderlich ist vielmehr, daß nach Lage der Verhältnisse, objektiv betrachtet, gar kein anderer Zweck des Handelns gedacht werden kann, als der einer Schadenzufügung. Maßgebend ist der Zweck des Handelnden, wie er sich bei Betrachtung der gesamten objektiven Sachlage darstellt; auch die i n n e r e n Beweggründe sind dabei wesentlich, wenn sie sich in dem objekziven Tatbestand widerspiegeln9). Die Schädigungsabsicht rückt den Schädigungszweck erheblich näher10). Hieraus ergibt sich die wichtige Folge, daß die B e w e i s l a s t für diese Voraussetzung des § 226, welche demjenigen obliegt, der seine Anwendung verlangt, nicht durch eine Parteivernehmung über die Absicht der Schadenszufügung getragen werden kann ; denn diese Absicht beweist für sich allein noch nichts. Dagegen kann in Anwendung des § 452 Z P O eine Parteivernehmung darüber in Betracht kommen, ob die Rechtsausübung auch einen 8 ) V g l . dagegen O L G 1 , 439 (Kammergericht). Hier wurde der § 226 angewendet, weil nach L a g e des Falles der w a h r e Z w e c k , den der Kläger verfolge, nicht der einer Sicherung seiner Mietforderung sein könne, sondern nur der, den Beklagten in seinem Interesse zu schädigen. Allein nicht darauf kommt es an, was der wahre Z w e c k ist, sondern darauf, daß keine anderer Z w e c k vorliegen kann. Gegen diese Entscheidung wendet sich Ramdohr bei Gruchot 46, 590 u. 829. N u r wenn jeder andere Z w e c k als der einer Benachteiligung des anderen ausgeschlossen ist, kann die Anwendung des § 226 in Frage kommen. J W 1905, 388. Läßt sich noch ein anderer Z w e c k des Handelns, namentlich also der des eigenen Vorteils, denken, mag selbst dieser Z w e c k augenscheinlich mit der Schädigung des anderen verknüpft und wegen der Wahl des benützten Mittels oder aus sonstigen Gründen von einem rechtlich Denkenden nicht zu billigen sein, also gegen die guten Sitten verstoßen, so ist für die Anwendung des § 226 kein Raum; es kann aber in solchem Fall § 826 in Frage kommen. S e u S A 62 N r . 1 5 1 (München), (Verbauen der Aussicht); O b L G n. F . 3, 758 (Entziehung des Grundwassers). 8 ) V g l . R G 68, 4 2 4 ; Recht 1 9 1 1 N r . 1269 ( O b L G ) . Dort wird den inneren Beweggründen eine etwas größere Bedeutung beigelegt. 10 ) O b L G 12, 110.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums anderen Z w e c k als den der bloßen Schadenszufügung haben kann. Sind die Tatsachen, in denen der Tatbestand des Schikaneverbots enthalten ist, zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Richter gemacht worden, so hat dieser v o n A m t s wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 226 B G B gegeben sind 11 ), und zwar auch dann, wenn sich die betreffende Partei nicht auf § 226 berufen hat. Das Schikaneverbot des § 226 B G B gilt für alle Rechtsgebiete, auch für das öffentliche Recht 12 ). E r findet Anwendung bei Schädigungen jeder A r t sowohl vermögensrechtlicher wie auch rein ideeller Interessen 13 ). Bei d i n g l i c h e n Rechtsverhältnissen muß zur Feststellung der schikanösen Rechtsausübung aus den örtlichen Verhältnissen der Nachweis erbracht werden, daß für die Rechtsausübung weder ein wirtschaftlicher noch ein persönlicher Z w e c k vorliegen kann; hieraus ist sodann die Schlußfolgerung zu ziehen, daß der Z w e c k eben nur auf eine Schädigung gerichtet sein kann. D e r Richter wird sich seine Überzeugung wohl in erster Linie auf Grund eines Augenscheines an Ort und Stelle bilden. Wer sein Grundstück mit einer Mauer umgibt und dadurch dem Nachbar das Licht entzieht, kann aus § 226 zur Beseitigung nicht schon deshalb angehalten werden weil er nachweisbar (z. B. weil er es selbst vor Gericht ausdrücklich Zugestanden hat) die Mauer nur zu dem Zweck errichtet hat, um seinem Nachbar Licht und Aussicht zu benehmen; denn die Umfriedungen von Grundstücken können objektiv betrachtet auch dem wirtschaftlichen Zweck dienen, die Grundstücke zu sichern. Wenn nach den örtlichen Verhältnissen bei der konkreten Sachlage ein wirtschaftlicher Zweck erkannt werden kann, ist die Anwendung des § 226 von vorneherein ausgeschlossen. Wenn freilich die Mauer zu einer derartigen Höhe geführt wurde, daß die Unwirtschaftlichkeit und objektive Unzweckmäßigkeit der Bauführung in die Augen springt, dann ist der Schluß gerechtfertigt, daß die Errichtung der Mauer, i n s o w e i t dies der F a l l ist, nur den Zweck einer Schädigung haben kann. In diesem Fall kann der Nachbar zur Einlegung bis zu der Höhe angehalten werden, die einen wirtschaftlichen Zweck erkennen läßt. D e r E i n w a n d unzulässiger Rechtsausübung kann auch dem Recht aus einer Grunddienstbarkeit entgegengesetzt werden 1 4 ). In aller Regel werden die konkreten Verhältnisse auch unter dem G e sichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit den Grundsätzen v o n Treu und Glauben nach § 242 B G B zu beurn ) Vgl. Ramdohr Gruch 46, 822; R G Z 1 3 7 , 1 4 2 ; 152,403; 156, 292; 1 5 7 , 1 5 ; 160, 357; 163. 88; Staudinger-Coing Randb. 4bu. 9; Ermann Bem.6 je zu §226; RGRKomm. Bem.2; Palandt-Danckelmann je zu § 242. Vgl. auch B G H Z 3, 94. 12 ) Vgl. O L G München in HRR 1938 Nr. 1 1 6 2 ; J F G 14, 26; Celle in N J W 51, 3 1 7 ; B G H in L M Nr. 1 u. 2 zu § 903 ; Haueisen in N J W 57, 729; R G in Gruch 51, 820; Enneccerus § 220, 1 ; Planck Bern. 2; Staudinger-Coing Randb. 7; RGRKomm. Bern. 1 je zu § 226. 13 ) Vgl. R G Z 72, 251; 215, 108 (Verbot des Straßenhandels durch die Eigentümerin der Straße im Hinblick auf das Allgemeininteresse). Vgl. auch B G H in BB 53, 375. " ) B G H N J W i960, 673.

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teilen sein, wie in der Rechtsprechung gerade bei der Regelung nachbarlicher Beziehungen anerkannt ist 15 ). Beruft sich ein Vertragspartner auf seine vertraglichen Rechte oder auf die Nichtigkeit eines Vertrags wegen Formmangels, so liegt darin grundsätzlich keine mißbräuchliche Rechtsausübung. Ausnahmen hievon sind jedoch dann angebracht, wenn die Ausübung eines Rechts für den einen Teil zu einem völlig untragbaren Ergebnis, nicht bloß zu einer unbilligen Härte führen müßte. So wurde z. B. die Berufung des Verkäufers zweier benachbarter Grundstücke auf Formnichtigkeit des Vertrags ( § 3 1 3 B G B ) als unzulässige Rechtsausübung erachtet, weil die beiden Grundstücke, deren eines infolge Parzellenverwechslung nicht Gegenstand der Einigung war, v o m Erwerber inzwischen durch Errichtung eines einheitlichen Fabrikgebäudes eine vollständige wirtschaftliche Umgestaltung erfahren hatten 16 ). Der Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Bebauungsverbot (Grunddienstbarkeit) zugunsten des Nachbargrundstücks belastet ist, auf dem aber gleichwohl ein Gebäude errichtet worden ist, kann sich gegen den Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung des Gebäudes nicht mit dem Einwand verteidigen, dem herrschenden Grundstück werde weder Licht noch Luft entzogen. Anders wäre die Rechtslage dann zu beurteilen, wenn etwa nach jahrelanger Duldung des der Grunddienstbarkeit widersprechenden Zustandes die Voraussetzungen der Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben angenommen werden könnten, wobei das Verhalten des Berechtigten und des Verpflichteten entsprechend zu würdigen wären 17 ) Umgibt ein Grundeigentümer sein Grundstück auf drei Seiten mit einem durchsichtigen Lattenzaun und auf der vierten Seite, die den Fenstern des unmittelbar anstoßenden Nachbarhauses zugekehrt ist, mit einer dichten Bretterwand, so dürfte idR der Fall einer Schikane nach § 226 vorliegen. Dasselbe wird auch im Falle einer Grunddienstbarkeit (Wegerecht) zutreffen, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte die Wegfläche durch Sandstreuen gangbar machen will, der Eigentümer des dienenden Grundstücks aber dies nicht zuläßt. Die Anwendung des § 226 wird nicht nur durch die Möglichkeit ausgeschlossen, das ein wirtschaftliches Interesse vorliegt, es genügt vielmehr jegliches, auch nur rein persönliches Interesse 18 ). A u c h ein zukünftiges Interesse kann genügend sein 19 ). Dient ein Gartengrundstück als Restaurationsgarten, so kann es seinem Eigentümer nicht verwehrt werden, eine Bretterwand an der Grenze vor den Fenstern des Nachbarhauses bis zu dessen 3. Stockwerk emporzuführen; denn der Zweck dieser Bauführung kann auch darin bestehen, die Gäste vor neugierigen Blicken zu schützen; dieser Zweck ist 16 ) Vgl. R G Z 154, 1 6 1 ; 155, 154/159; 167,14" ) Vgl. R G Z 1 ; j , 293; B G H Z 12,286; 1 6 , 3 3 4 : 2 3 , 249;DNotZ 58,21 = L M N r . 13 zu § 3 1 3 . " ) Vgl. B G H in L M Nr. 1 zu § 903 zur Frage, ob ein Bauwerk errichtet werden darf, durch das dem Nachbargebäude Licht entzogen wird. Zur Frage der Verwirkung vgl. B G H Z 25, 47 = N J W 57, 1358. 1S ) Vgl. R G 72, 2 5 1 ; O L G 34, 172; ObLG 6, 148. " ) R G 54, 434.

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auf den Schutz des eigenen Interesses gerichtet, wenn seine Erfüllung auch die Interessen des Nachbars schädigt.20) Hieraus ergibt sich, daß der wahre Wortlaut des Gesetzes gegen den sog. Neidbau, d. i. Ausführung eines Bauwerkes, das offensichtlich keinen anderen Z w e c k als den der Schädigung des Nachbarn hat, nur in seltenen Fällen einen Schutz gewährt. D e r Nachbar, der boshaft genug ist, es sich etwas kosten zu lassen, um seinem Nachbar Schaden zuzufügen, braucht nur irgendeinen Bau (Scheune, Halle) auszuführen, welcher nach den örtlichen Verhältnissen eine wirtschaftliche Zweckbestimmung erkennen läßt. Mit § 226 kann dann dem geschädigten Nachbarn nicht geholfen werden; dagegen kann unter besonderen Umständen durch § 826 B G B dem gekränkten Rechtsgefühl Genugtuung verschafft werden. Der Eigentümer eines Hauses hat das Recht, ein Stromerzeugungsaggregat aufzustellen; die hiermit verbundenen Belästigungen durch Ruß, Rauch, Geräusch und Erschütterung muß sich der Nachbar nach § 906 gefallen lassen, wenn diese Einwirkungen die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen oder durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt werden, aber durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden können. Wenn nur jenes Haus gar nicht bewohnt wird und gleichwohl die Maschine zur Erzeugung des überhaupt nicht verwendeten Lichts in Betrieb gesetzt wird, so ist regelmäßig § 226 anwendbar21). Ausnahmen sind denkbar, so z. B. wenn die Maschine zeitweilig in Gang gesetzt werden muß, um im richtigen Stand gehalten zu werden, oder wenn nach den gegebenen Umständen mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß der Besitzer des Hauses durch Beleuchtung Mietslustige aufmerksam machen will. Abwehr widerrechtlicher, wenn auch unschädlicher Einwirkung auf das Eigentum stellt keine Schikane dar22). A n der Einhaltung der Grenze hat der Grundeigentümer jederzeit ein Interesse, auch wenn die Grenzüberschreitung irgendwelchen nachteiligen Einfluß auf die Benützung des Grundstückes nicht ausübt 83 ). D e m Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer Anlage, mit welcher die Grenze überschritten ist, wird daher, soferne dieser Anspruch nach § 9 1 2 fr. des B G B überhaupt gerechtfertigt ist, regelmäßig § 226 nicht entgegen gehalten werden können. A u c h wenn nachgewiesen wird, daß er die Beseitigung in der Absicht verlangt, den anderen zu schädigen und er v o n der Grenzüberschreitung keinerlei fühlbare Beeinträchtigungen erleidet, so kann, objektiv 20

) Vgl. SeuffA 59, 225. ) SeuffBl. 63, 503. ) O L G 26, 72 (RG); Recht 1911 Nr. 1268 (ObLG); Recht 1910 Nr. 3308 (RG): ObLG 12, 86; vgl. Recht 1908 Nr. 287, wo das R G darin, daß der Eigentümer das Legen w e i t e r e r Wasserleitungsröhren verbietet, Schikane nicht erblickte, obwohl dadurch eine weitere Belastung nicht entstehen würde. 23 ) ObLG 12, 110. Auch ein kleiner Grenzstreifen ist für ein städtisches Grundstück, wenn auch nur als Zubehör, von nicht zu unterschätzender Bedeutung; daher kann die Geltendmachung des Eigentumsrechts daran gegenüber dem, der es überbaut, nicht als Schikane erachtet werden (ObLG 14, 704). 21

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Notstandshandlung

§ H

betrachtet, der A n s p r u c h auf Beseitigung doch auch den Z w e c k haben, die Integrität der Grenze zu erhalten. N u r bei ganz geringfügigen Grenzüberschreitungen mag es vorkommen, daß der Eigentümer zeitweilig an deren Beseitigung gar kein Interesse haben kann. Z . B. bei einer Ausbauchung der Mauer des Nachbarhauses, die in seinen Luftraum hineinragt. An sich könnte der Eigentümer nach § 1004 die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, aber zumeist wird man vom objektiven Standpunkte aus sagen können, daß für die Ausübung dieses Anspruches auch nicht die Möglichkeit eines anderen Zweckes besteht als die Schadenszufügung 24 ). Wenn freilich der Grundstückseigentümer, in dessen Luftraum die Mauerausbauchung hineinragt, seinerseits senkrecht an der Grenze eine Mauer für seinen Neubau aufführen will, dann ist ein wirtschaftliches Interesse an der Beseitigung der Mauerausbauchung sofort erkennbar26). Der Eigentümer kann den Luftraum nicht bis zur Grenzlinie ausnützen, bzw. er müßte wenn er dies doch will, seiner Wand eine fehlerhafte Struktur geben (vgl. unten § 21, VH, 4). Ähnlich verhält es sich, wenn die Fensterflügel des Nachbarhauses beim öffnen durch den Luftraum des Grundeigentümers geführt werden. § 905 Abs. 2 ist hier nicht anzuwenden ,denn diese Bestimmung hat eine solche Höhe im Auge, welche für die regelmäßige Benützung von Grundstücken überhaupt nicht in Betracht kommt. Dagegen kann der Anspruch des Grundeigentümers auf Unterlassung dieser Einwirkung auf den Luftraum durch die Vorschrift des § 226 lahm gelegt werden. Die Gefahr einer Grenzverwischung besteht bei einer derartigen Beeinträchtigung nicht, ebensowenig besteht die Gefahr, daß der Hauseigentümer durch Zeitablauf ein Recht auf die Benützung des nachbarlichen Luftraumes zum Aufschlagen der Fenster erwirkt; denn das Bürgerliche Gesetzbuch kennt im Prinzip keinen Erwerb von Grunddienstbarkeiten durch Ersitzung oder Verjährung 2 *). Es läßt sich deshalb vielfach für den Anspruch auf Unterlassung einet solchen Benützung des Luftraums gar keine Möglichkeit eines anderen Zweckes als der einer Schikane erkennen. Wenn freilich der Grundeigentümer das Recht hat, das öffnen der Fenster überhaupt (auch wenn sein Luftraum nicht benützt wird) zu verbieten 27 ), so kann er in der Ausübung des Rechtes durch die Vorschrift des § 226 nie gehindert werden. Das Verlangen, einen rechtswidrigen Überbau zu beseitigen, ist nicht schon deswegen schikanös, weil der Überbau nur wenig über der Grenze steht 28 ). Sind die Voraussetzungen des § 226 B G B gegeben, so ist die Rechtsausübung unzulässig und daher w i d e r r e c h t l i c h . D e r v o n einer schikanösen Rechtsausübung Betroffene kann sich je nach Sachlage in N o t w e h r 24 ) Vgl. SeuffA 25 Nr. 210, 42 Nr. 192; R G 45, 287; BayZ 1906, 227; Endemann 463 Anm. I i . 25 ) Vgl. R G 45, 287. Dort ist auch ausgeführt, daß das bloße Hineinragen eines schiefen Giebels in den fremden Luftraum für sich allein keinen zur Ersitzung geeigneten Rechtsbesitz darstellt. Vgl. aber andererseits wegen der Ersitzung O L G 5, 423. M ) Für die Übergangszeit ist die Rechtslage eine andere. Denn gemäß Art. 189 E G u. Art. 177 A G erfolgt die Begründung eines Rechts an einem Grundstück auch nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches nach den bisherigen Gesetzen bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Vgl. unten § 3 2. Über das Bestehen von Fensterläden als servitus proiciendi. O G H 4, 410. 27 ) S. unten § 22. 28 ) Vgl. Recht 1916 Nr. 625.

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Meisncr-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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§ I

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befinden. Eine aus Schikane, d. i. nur zum Zweck der Schädigung eines anderen getroffene Verfügung ist nichtig. Derjenige, dessen Eigentum durch die Rechtsausübung beeinträchtigt wird, kann die Beseitung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen29) (§ 1004 BGB). Daneben hat der Eigentümer auf Grund des § 823 Abs. 2 B G B , sowie auf Grund des § 826 einen Anspruch auf Schadenersatz30). Der Anwendung des § 226 für sich allein sind zwar enge Grenzen gesetzt ; seine praktische Bedeutung kommt aber in Verbindung mit den § § 242 oder 826 B G B zur Geltung.

§ 12. Notstandshandlung*) I. Der eigenmächtige Eingriff in die Eigentumssphäre eines anderen ist rechtswidrig ; auf das Motiv des Eingriffs kommt es im allgemeinen nicht an. Das Gemeinwohl, in dessen Dienst auch das Privateigentum steht, verlangt eine Ausnahme von diesem Grundsatz für den Fall, daß der Eingriff durch einen Notstand, das ist zum Zwecke der erforderlichen Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr veranlaßt wurde. Diesem Gedanken trägt das geltende Recht in weitgehendem Maße Rechnung, indem es in § 904 B G B bestimmt, daß der Eigentümer einer Sache nicht berechtigt ist, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen 29

) R G 72, 251. ) Der Ansicht, daß sich § 826 mit dem § 226 deckt, (vgl. Planck Bern. 5 zu § 226) ist nicht beizupflichten. § 826 verbietet schon das sittenwidrige nicht bloß das vom Recht verbotene Handeln; jede nach § 226 unzulässige Rechtsausübung fällt auch unter § 826. Der Rechtsmißbrauch des § 226 hat jedoch viel weitergehende Folgen als das sittenwidrige Handeln nach § 826. E r löst das Recht der Notwehr aus und berechtigt zur Störungs- und Unterlassungsklage (Oertmann, D J Z 1903, 325 ff., dessen Auslegung die jetzt herrschende Meinung folgt, vgl. Staudinger Bern. 6 zu § 826; R G 58, 214; 6o, 103; 62, 1 3 7 ; 66, 238; 86, 195; 155. 58; 1 6 6 , 1 1 7 ; SeuffArch. 93 Nr. 1 ; H R R 1 9 3 6 ^ . 5 3 6 ; B G H Z 13, 7 1 ; B G H in Betr. 57, 185. Vgl. auch Mühl in N J W 56, 1657fr. *) Schrifttum ¡ A l b e r t i , Gefährdung durch überlegene Gewalt (Notstand) i 9 0 3 ; A u e r , der strafrechtliche Notstand und das B G B 1903; O e t k e r , Notwehr und Notstand nach §§ 227, 228, 904 B G B , (1903) in Bernhöfts Beitr. zur Ausi, des B G B S. 237fr.; ders. in D J Z 1908, 616; A h s b a h s , Notwehr u. Notstand in GoldtdArch. 53, 427; N e u b e c k e r , Zwang u. Notstand 1910; derselbe in Festschrift für Gierke 1 9 1 0 ; G o l d s c h m i d t , der Notstand ein Schuldproblem 1 9 1 3 ; H u e c k , Notstand in JheringsJ 68, 205; S i e g e r t , Notstand u. Putativnotwehr i 9 3 2 ; B o c k e l m a n n , Hegels Notstandslehre 1935; v . W e b e r , das Notstandsproblem 1925; W e i l i n g h a u s , der Notstand nach §§ 228 u. 904; ders. in Recht 1914, 66: § 904 u. ges. Veräußerungsverbote; S e l i g s o h n , § 904 S. 2 in J W 1 9 1 3 , 72; W e i m a r , Angriffsnotstand in R d K 53, 4 1 ; E b n e r , Die Bedeutung des § 228 B G B in ZStW 33, 59; F i s c h e r , Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 ; K ü h l e w e i n in L Z 33, 6 2 1 ; P e t e r s , Die Duldungspflicht des Eigentümers nach § 904 B G B , 1 9 1 1 . 30

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Notstandshandlung

§ 1 2 ii

Gefahr objektiv notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Diese Vorschrift ist eine Ergänzung der in § 228 BGB enthaltenen Bestimmung. § 228 erlaubt der verteidigende Notstandshandlung, bei welcher die Gefahr durch die fremde Sache selbst droht („Sachwehr"), z. B., ich schieße den tollwütigen, auf mich losgehenden fremden Hund nieder. Die Wendung „eine durch sie drohende Gefahr" in § 228 ist eng auszulegen1). Im Falle des § 904 BGB dagegen handelt es sich um eine angreifende Notstandshandlung: Der Eingriff erfolgt in eine Sache, welche an dem Notstand gänzlich unbeteiligt ist; die Gefahr kommt von einer anderen Seite. Sie kann auch von einem Menschen verursacht sein. Die fremde Sache wird als Mittel zur Abwendung der drohenden Gefahr benützt2). Wenn bei einet Feuersbrunst ein Haus eingerissen wird, um die Weiterverbreitung des Feuers zu hindern, so ist zu unterscheiden, ob das Haus bereits brennt oder nicht; ersterenfalls ist § 228 B G B , letzterenfalls § 904 B G B anzuwenden.

Nach dem Wortlaut des § 904 wäre an sich nur der Eigentümer duldungspflichtig; da aber das Eigentum an dieser Sache selbst eingeschränkt wird, wirkt die Beschränkung notwendig auch gegen den Besitzer, den Besitzdiener oder den Nießbraucher und gegen jeden, der an der Sache ein Recht hat3). II. § 904 enthält eine gesetzliche Einschränkung des Eigentumsinhalts; er ist als Ausnahme von § 903 gedacht, so daß er dem Eigentümer die dort eingeräumte Ausschließungsbefugnis nimmt und ihm eine Duldungspflicht auferlegt. Der Eigentümer darf sich der Einwirkung auf seine Sache nicht widersetzen. Gewaltsame Abwehr der Einwirkung würde als rechtswidriger Angriff (§ 227) gegen den Einwirkungsberechtigten zu werten sein4). § 904 gibt dem Einwirkungsberechtigten keinen klagbaren Anspruch gegen den Eigentümer5). § 12 Vgl. R G Z 7 1 , 240 (Durchstoßen eines Dammes,der den Abfluß vonHochwasser hindert); 88, 2 i i ; J W 1909, 3 8 7 ; B G H Z 2, 37; R G R Komm. 3 zu § 228; Staudinger-Seufert Randb. 10 zu § 904. A . M . O G H Z 4, 99; Ballerstedt J Z 51, 228; Soergel-Baur Bern. 1 zu § 9°42 ) R G Z 7 1 , 2 4 1 ; 88, 2 1 1 ; J W 1908, 6 1 1 . Zum Unterschied von § 228, der einen Schaden voraussetzt, welcher nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht, stellt § 904 auf einen unverhältnismäßig großen Schaden ab. Außerdem trifft den Einwirkenden im Fall des § 228 nur bei Verschulden, nach § 904 aber auch ohne Verschulden die Pflicht zum Schadensersatz. 3 ) Prot. II, 6, 2 1 6 ; Mugdan 1, 804; R G Z 156, 190; J W 25, 1 5 3 5 ; Planck-Strecker Bern. 4; R G R K o m . Bern. 3; Staudinger-Seufert 3; Palandt-Hoche 3 a je zu § 904. 4 ) Vgl. RGRKomm. 3; Planck-Strecker 3 a; Staudinger-Seufert 20 je zu § 904. 5 ) O L G 21, 1 2 1 ; Dernburg 3, 268; Planck-Strecker 3a, Staudinger-Seufert 21. A . M . Locher in ArchZivPr. 123, 5.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums I I 1, 2

1. Die Vorschrift des § 904 B G B gilt für alle Arten von E i n w i r k u n g e n auf die Sache (Gebrauch, Beschädigung, Wegnahme und selbst Zerstörung), auch für mittelbare Einwirkungen. Ohne Belang ist es, ob die Gefahr verschuldet ist. Hat aber der Einwirkende die Gefahr selbst verschuldet, so muß er § 254 B G B (Mitverschulden) gegen sich gelten lassen6). Nur eine Einwirkung auf Sachen, nicht auch auf andere Rechtsgüter, steht in Frage. Deshalb ist ein Eingriff in die Person oder reine Persönlichkeitsrechte, z. B. in den Hausfrieden nicht erlaubt7). Eingriffe in dieser Richtung können nach § 227 gerechtfertigt sein. Die umstrittene Frage, ob § 904 auf subjektive Privatrechte entsprechend anwendbar ist, wird nur zu bejahen sein, wenn absolute Vermögensrechte in Betracht kommen8). 2. Die Regel gilt für alle Arten von G e f a h r e n . Es ist gleichgültig, ob die Gefahr Leben oder Gesundheit, Ehre oder Freiheit, oder das Vermögen betrifft. Jedes rechtlich anerkannte Interesse kann in Betracht kommen. Bedeutungslos ist es, ob durch die Gefahr die Interessen desjenigen, der die Einwirkung vornimmt, oder die Interessen eines Dritten bedroht werden (Nothilfe)9). Immer aber muß eine Gefahr 10 ), d. i. die objektiv gegebene (nicht etwa eine subjektiv befürchtete) Gefährdung eines Rechtsgutes vorliegen. Es wird also ein gefahrdrohendes Ereignis vorausgesetzt, durch das die bestehenden Verhältnisse, mit denen man rechnen muß, derart verändert werden, daß eine sofortige Abhilfe notwendig wird. Die Gefahr muß gegenwärtig sein. „ G e g e n w ä r t i g " ist im Grunde gleichbedeutend mit einer „drohenden Gefahr" i. S. des § 228, d. i. einer Gefahr, die mit großer Wahrscheinlichkeit — wenn auch nicht unmittelbar — bevorsteht, so daß ein verständiger und sachkundiger Mann Anlaß nimmt, Gegenmaßnahmen zu treffen 11 ). Eine gegenwärtige Gefahr ist auch anzunehmen, wenn eine ") Vgl. Planck-Strecker Bern. 2a; Staudinger-Seufert Randb. 4; Venzner (i960): Mitverursachung u. Mitverschulden; Weilinghaus Rech.1 1 9 1 1 , 66; Dernburg 268. A . M. Fischer, Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 , S. 256. ' ) Vgl. Kühleweinin L Z 33. 622; Prot II, 6,216; RGRKomm. Bern. 2; Ermann-Seibert Bern. 2 je zu § 904; vgl. auch R G 57, 187 (Bergwerkseigentum) sowie unten § 36,10. 8 ) Vgl. O L G 13, 369; 29, 333; Planck. Strecker Bern 2 b ; Staudinger-Seufert Randbem. 4; Palandt Bern i b je zu § 904; vgl. auch Kipp in J W 1908, 643; Gruch 56, 182 (Unterbringung eines plötzlich Erkrankten in einem Gasthaus). A . M. Heck § 49 Nr. 10; Westermann SR § 28 HI, 1 ; Ballerstedt in J Z 51, 228; Fischer, Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 S. 239. 8 ) R G in Gruch 66,479; J W 2 5 , 1 5 3 5 . Planck-Strecker Bern. 2a (entgangener Gewinn ist keine Gefahr); Staudinger-Seufert Randb. 1 1 je zu § 904; vgl. auch B G H Z 6, 105; N J W 52, 1 2 1 1 . 10 ) Über den Begriff „ G e f a h r " vgl. unten § 16 II 1 b. Gefahr ist auch drohende Haftung nach § 836 B G B vgl. B G H in L M Nr. 3 zu § 904. u ) Vgl. B G H in B B 53, 995; Staudinger-Seufert Randb. 9 zu § 904.

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Notstandshandlung

§ 1 2 II 2, 3

schon länger bestehende Gefahr sich so erhöht, daß sofortige Abhilfe geboten ist 12 ). Über die Frage des Putativnotstandes s. unten Ziffer 4 a. E . Dem Hauseigentümer steht kein Recht zu, zwecks Vornahme einer Reparatur an seiner Hausmauer auf dem Nachbargrundstücke ein Gerüst aufzuschlagen. Ein sogen. Hammerschlags- oder Leiterrecht ist dem Hauseigentümer auch sonst nirgends eingeräumt 13 ). Wenn dagegen ein Balkon herabzustürzen droht, kann die Anwendung des § 904 B G B gegeben sein. Nicht minder muß sich der Nachbar gefallen lassen, daß sein Haus zum Versprießen des Nachbargebäudes, an welchem eine Hauptreparatur vorgenommen wird, benützt wird, soferne dies zur Verhütung des Einsturzes notwendig ist. Der Eigentümer eines Grundstücks ist regelmäßig nicht verpflichtet, das Betreten seines Grundstücks dem Nachbar, der sein Grundstück vertieft, zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten zu gestatten. Auch auf § 226 kann er sich nicht berufen14), jedoch auf § 242 B G B , sofern das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis es erfordert. Notstandsfälle im Luftverkehr sind in § 12 Luftverkehrsgesetz von 1935 gesondert geregelt. Der durch eine Notlandung oder durch Balastabwurf (aus Not) geschädigte Grundeigentümer kann Schadenersatz nach § 904 S. 2 B G B verlangen. 3. Erfordernis ist aber, daß der drohende S c h a d e n gegenüber dem durch die Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Soll ein Yermögensschaden durch Z u f ü g u n g eines Vermögensschadens abgewendet werden, so entscheidet das V e r h ä l t n i s der in Betracht kommenden V e r m ö g e n s V e r l u s t e . Handeltes sich um den Schutz immaterieller Interessen, so wird nach billigem Ermessen abzuwägen sein. D e r Schutz der körperlichen Integrität wird zumeist einen mit der Einwirkung verbundenen Vermögensschaden des Eigentümers überwiegen. D e r Wert des bedrohten und der des durch den Eingriff zu schädigenden Rechtsgutes sind gegen einander abzuschätzen. Dabei ist zu beachten, daß § 904 als Ausnahme zu § 903 eng auszulegen und mit V o r 12

) Vgl. B G H in L M Nr. 3 zu § 904; Palandt-Hoche Bern. 2 b zu § 904. ) O L G 12, 122. Die Fundamente der Giebelwand des dem Kläger gehörigen Hauses sind unmittelbar an das lehmige, erheblich höhere Grundstück des Beklagten gesetzt. Dadurch bestand die Gefahr, daß in die Giebelwand Feuchtigkeit und Pilze eindringen und sich infolgedessen Schwamm und Pilze im Haus des Klägers entwickeln. Der Anspruch des Klägers, die Giebelwand seines Hauses am Grundstück des Beklagten zu verputzen, um sein Haus vor Zerstörung zu bewahren, findet in § 904 B G B keine Rechtfertigung; es handelt sich nicht um eine außergewöhnliche unerwartete, plötzlich hervortretende Gefahr, nicht um eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 904. Auch mit § 226 ist nicht zu helfen. Der Anspruch des Klägers wurde abgewiesen (OLG 12, 122). Es hätte aber geprüft werden sollen, ob nicht mit § 242 unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu helfen ist. Diese Frage ist bei dem gegebenen, besonderen Tatbestand zu bejahen. Es widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, daß das Haus bloß deshalb zugrunde gehen soll, weil der Nachbar auf seinem Scheinrecht besteht und die Ausführung der für den Bestand des Nachbarhauses unerläßlichen, anders gar nicht vorzunehmenden Arbeiten verbietet, obwohl ihm hierdurch keine erheblichen Ungelegenheiten bereitet werden. Für den Ersatz etwa möglicher Schäden müßte der Kläger Sicherheit leisten. Vgl. L G Berlin J R 1963, 343. l4 ) Recht 1904 Nr. 1164 (Köln). ls

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§ I i II 4

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

sieht anzuwenden ist. E i n Eingriff, durch die eine Gemeingefahr für die Allgemeinheit ausgelöst wird, läßt sich durch § 904 nicht rechtfertigen 16 ). Eine Notstandshandlung setzt immer voraus, daß die das fremde Eigentum verletzende Handlung mit Wissen und Willen geschieht. Diese V o r aussetzung fehlt, wenn die Handlung gerade dazu bestimmt ist, die Schädigung zu vermeiden. Eine v o m Willen des Einwirkenden nicht umfaßte Beschädigung oder Zerstörung fällt nicht unter § 904 B G B 1 8 a ) . 4. Die Einwirkung muß zur A b w e n d u n g d e r G e f a h r notwendig sein, d.h. das Recht zum Eingriff ist ausgeschlossen, wenn zur A b w e n d u n g der Gefahr andere genügende Hilfsmittel zu Gebote standen, oder der Eingriff ein zur Abwendung der Gefahr objektiv untaugliches Mittel 16 ) war. Die N o t w e n d i g k e i t ist zwar im o b j e k t i v e n Sinne zu verstehen, doch darf nicht eine absolute Notwendigkeit erfordert werden. E s ist vielmehr unter Berücksichtigung der Situation zu entscheiden, ob ein verständiger Mensch unter den gegebenen Umständen ein anderes Mittel zur Beseitigung der Gefahr finden konnte. Wenn das nicht der Fall war, ist der Begriff, dem immer ein relatives Gepräge anhaftet, erschöpft. Wenn ein Teil meines Hauses abzustürzen droht, so bin ich nicht berechtigt, ein Gerüst auf dem Gartengrundstück meines Nachbars zur Befestigung dieses Gebäudeteils aufzurichten, wenn sich diese Arbeit auch von dem Dache meines Hauses bewerkstelligen läßt. Wenn dagegen meiner Mauer der Einsturz droht, kann ich auf dem Grundstück meines Nachbars Stützbalken anbringen, auch wenn hierdurch dessen Gartenanlagen beschädigt werden. Darauf, ob die Gefahr durch die Einwirkung tatsächlich abgewendet wird, kommt es nicht an, es genügt, wenn die Einwirkung nach den Umständen als geeignet betrachtet werden konnte, der Gefahr wirksam zu begegnen17). Es ist keine Voraussetzung des Notrechts, daß der Schaden mit Sicherheit eingetreten wäre, wenn die Nothandlung nicht erfolgt wäre18). Hat der Handelnde den Eingriff infolge irriger Annahme einer Notstandslage ( = Putativnotstand) ausgeführt, so ist der Eingriff bei verschuldetem Irrtum nach § 823 fr. B G B zu beurteilen. Der Eingriff ist rechtswidrig. Der Eigentümer darf sich daher zur Wehr setzen. Der Anspruch auf Schadensersatz verjährt nach § 8 5 2. Ist der Irrtum unverschuldet, so wird § 904 entsprechend anzuwenden sein, wenn alle sonstigen Voraussetzungen vor16 ) Maenner 160; R G Z 71, 241; Planck-Strecker Bern. 2c; RGRKomm. Bern. 7; Staudinger-Seufert Randb. 17 je zu § 904; JW 1908, 6 1 1 . Vgl. auch R G Z 1 1 3 , 302; Bay. Ab. in JMB1. 56, 121 (Befahren einer Straße, die polizeilich gesperrt ist); J W 1933, 407 u. 700 (RG). " a ) Vgl. O L G Köln in B B 58, 355; R G Z 75, 83; RGRKomm. Bern. 8; StaudingerSeufert, Randb. 14 je zu § 904. le ) Endemann 1 § 88, Planck-Strecker Bern. 2b; RGRKomm. Bern. 6; Staudinger Seufert Randb. 16 je zu § 904; Meisner-Stern-Hodes § 14 II 4; B G H Z 2, 37: § 904 ist nicht anwendbar, wenn ein Eingriff nicht notwendig ist, weil die Gefahr erst nach längerer Zeit und nach Behebung anderer Hindernisse beseitigt werden kann. 17 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 2b; Staudinger-Seufert Randb. 16 je zu § 904. 18 ) Vgl. Fischer, Die Rechtswidrigkeit S. 235 fr.

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§ 1 2 II 5, 6

liegen. Beispiel: Die Feuerwehr hatte eine Ladentüre aufgebrochen, weil sie irrigerweise einen Unglücksfall des Ladeninhabers vermutet hatte19).

5. Die E n t 2 i e h u n g des V e r b i e t u n g s r e c h t s , welche zunächst für den Eigentümer ausgesprochen wird, aber auch für alle anderen Rechte an Sachen und für den Besitz Geltung hat20), bewirkt, daß dem Eigentümer das Recht der Selbstverteidigung gegen den Eingriff genommen ist. Wehrt er sich, so hat der Urheber der Einwirkung das Recht der Selbsthilfe21). Die Anwendung des § 904 hängt nicht davon ab, daß dem Eigentümer die Voraussetzungen des Rechts zum Eingriffe nachgewiesen werden, weil eben sofortiges Handeln geboten ist. Im Rechtsstreit über die Schadensersatzpflicht, der idR auf §§ 903 in Verb. m. 823 gestützt wird, muß derjenige, der den Eingriff ausgeführt hat, die Rechtmäßigkeit seines Tuns, somit alle Voraussetzungen des § 904, insbesondere das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr und eines unverhältnismäßig großen drohenden Schadens, nachweisen22). § 904 ist Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 23). Ein der Einwirkung von dem Eigentümer entgegengesetzter Widerstand ist eine unerlaubte Handlung, die zum Schadenersatz verpflichtet, sofern dem Eigentümer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, er also das Recht des andern zur Einwirkung kannte oder erkennen mußte. 6. Dagegen kann der Beschädigte E r s a t z des ihm durch die Einwirkung 24 ) entstehenden S c h a d e n s verlangen. Die Ersatzpflicht rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß die durch einen (nach § 904 erlaubten) Eingriff zerstörte oder beschädigte Sache zugunsten eines höherwertigen Rechtsgutes geopfert werden mußte, ohne daß der duldungspflichtige Eigentümer selbst einen Anlaß zum Eingriff gegeben hätte. Es ist ein allgemeiner Rechtsgedanke, daß derjenige, der ohne eigene Veranlassung Eingriffe in 19 ) Staudinger-Seufert Randb. 34 zu § 904; Hueck JherJ 68, 230; Ermann-Nipperdey § 241 III 96; vgl. auch L G Hamburg in M D R 59, 460. 20 ) Prot. II 6 2 1 6 ; Mugdan 804; R G Z 1 5 6 , 1 9 0 ; J W 2 5 , 1 5 3 5 ; Planck-Strecker Bern. 4; Staudinger-Seufert Randb. 3; RGRKomm. Bern. 3 je zu § 904. 21 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 a; Staudinger-Seufert Randb. 20; RGRKomm. Bern. 3 je zu § 904; a. M. Cosack 1, 273 und 2 , 1 4 9 , nach dem das Notrecht zur Einwirkung auf die Sache nicht mittels Eigenmacht ausgeübt werden dürfe, der Eigentümer handle zwar rechtswidrig, wenn er den Eingriff verbiete, der Gefährdete dürfe aber das Verbot nicht einfach unbeachtet lassen und eigenmächtig vorgehen. 22 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 2 d ; Staudinger-Seufert Randb. 18 u. 33 je zu § 904; vgl. auch R G Z 1 5 6 , 1 8 7 ; B G H in L M Nr. 2 zu § 904. Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 a; Staudinger-Seufert Randb. 20 je zu § 904. Wenn der Schaden nicht durch die Notstandshandlung, sondern nur anläßlich einer solchen durch eine rein zufällige Einwirkung auf eine Sache verursacht wird, besteht keine Ersatzpflicht (SeufTBl. 75, 83; O L G 20, 404, K G in J R 50, 345). In einem solchen Falle greift allenfalls § 823 Abs. 1 ein.

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sein Eigentum dulden muß, Ersatz für den ihm erwachsenen Schaden verlangen kann25). Als ersatzpflichtig kann nur derjenige in Anspruch genommen werden, der den Eingriff vorgenommen hat26). Zwar beruht die Ersatzpflicht nicht auf einer deliktartigen Handlung; denn sie tritt ein ohne Rücksicht darauf, ob der Notstand und die dadurch bewirkte Einwirkung auf einem Verschulden beruht oder nicht. Allein an und für sich hätte der Eigentümer das Recht, die Einwirkung auf seine Sache zu verbieten. Dieses Verbietungsrecht könnte selbstverständlich nur gegen den ausgeübt werden, der die Einwirkung vornehmen will. § 904 B G B entzieht dem Eigentümer das Verbietungsrecht und gibt ihm als Ersatz den Schadenersatzanspruch. Es ist in der Natur der Sache begründet, daß dieser Ersatzanspruch seine Richtung gegen eben denjenigen nehmen muß, gegen welchen die entzogene Rechtsbefugnis begründet wäre. Diese Auffassung führt in Fällen, in denen nicht der Gefährdete selbst, sondern ein D r i t t e r die Notstandshandlung vornimmt, d. i. bei der Nothilfe, zur Schadenersatzpflicht des Nothelfers 27 ). Eine solche Haftung des Helfers in Notfällen mag nicht geeignet sein, zur Hilfeleistung in Stunden der Gefahr anzuspornen. Andererseits besteht aber keine rechtliche Handhabe, den Dritten (Begünstigten) lediglich deshalb haftbar zu machen, weil die Einwirkung in seinem Interesse herbeigeführt worden ist. Nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen trifft die Schadensersatzpflicht den Täter (vgl. § § 8 2 3 ff. BGB). Eine allgemeine Haftung desj enigen, in dessen Interesse die schadensstiftende Handlung vollführt wurde, ist dem Schuldrecht des B G B fremd; eine Ausnahme gilt nur für die Fälle kraft besonderer Vertretungsmacht z. B. nach §§ 30, 31, 831 B G B . Es besteht auch keine Rechtsgrundlage dafür, das bedrohte und vor Schaden bewahrte Rechtsgut ipso jure mit der Schadensersatzpflicht zu belasten28). Die Rechtsstellung, die der geschädigte Eigentümer durch die Notstandshandlung gegen den Handelnden erlangt hat, kann ihm nicht einfach geschmälert werden; es wäre unbillig und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar, ihm das Risiko zu überbürden, den Begünstigten erst zu ermitteln. Sache desjenigen muß es vielmehr bleiben, der den Schaden tatsächlich verursacht hat, sich an den zu halten, dem der Vorteil der Notstandshandlung zugute 26) Vgl. B G H 16, 366; Hubmann in JZ 58, 491; Schmitz in M D R 59, 973; Art. 74, 75 Pr. Allg. LR. 2«) Cosack 2, 151; JW 38, 1205; B G H in NJW 52, 1211. R G K . Bern. 8 zu § 904. A. M. Endemann § 88 Anm. 14; Biermann Anm. 3 zu § 904; Meumann, Prolegomena § 27. Nach deren Ansicht würde den Schaden stets derjenige zu ersetzen haben, zu dessen Rettung die Sache beschädigt wurde. a7 ) Vgl. B G H Z 6, 105; NJW 52, 1211; vgl. auch Prot. II. 6, 213, 219; StaudingerSeufert Randb. 24. 28) A . M . Endemann § 88 Anm. 14.

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§12 II 6

gekommen ist. Dafür gibt ihm das Gesetz die Ansprüche aus §§ 677 fr. (Geschäftsführung ohne Auftrag), eventuell auch aus §§ B1 z ff.29). Eine unmittelbare Haftung des Dritten an Stelle des Handelnden ist dann gegeben, wenn der Einwirkende zu der betreffenden Handlung von einem Dritten oder einer Behörde a u s d r ü c k l i c h beauftragt war und zu diesem in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis stand30). In solchen Fällen haftet der Dritte (Vertretene, Auftraggeber) oder die Behörde bzw. der Staat (Bund, Land oder öffentl.-rechtliche Körperschaft). Ist die Einwirkung von mehreren ausgeführt worden, so kommt es auf die Willensrichtung jedes einzelnen an, d. h. darauf, ob jeder die Einwirkung in ihrer Gesamtheit oder lediglich einen Teil des Eingriffs gewollt hat. Der Einzelne haftet nur für den Teil des Gesamtschadens, der durch den von ihm gewollten Eingriff entstanden ist31). Die Rechtsfolgen eines Notstandes sind bei Einwirkungen auf Sachen in §§ 228 und 904 BGB erschöpfend geregelt. Insoweit ist kein Raum für die Anwendung der im Strafrecht geltenden Grundsätze eines ü b e r g e s e t z l i c h e n Notstandes32). Von dem Grundsatz, daß der Geschädigte seinen Anspruch aus § 904 S. 2 gegen den Schädiger unmittelbar geltend machen kann, gilt auch für den Fall keine Ausnahme, daß die Nothilfe unter der Strafdrohung des § 330c StGB geleistet wird, wenn also die Verweigerung der Hilfeleistung strafbar wäre33). E r s a t z b e r e c h t i g t ist der Geschädigte, mag es der Eigentümer oder ein Berechtigter sein. Der Anspruch aus § 904 S. 2 BGB beruht nicht auf einer unerlaubten Handlung, da der Eingriff nicht rechtswidrig ist. Infolgedessen kommt auch nicht etwa die kurze Verjährungsfrist des § 8 5 2 BGB zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beträgt vielmehr 30 Jahre34). 29 ) V g l . Prot. II, 6, 213: Planck-Strecker Bern. 5 b ; Staudinger-Seufert Randb. 24 A b s . 2 je zu § 904; Düsseldorf in J W 27, 922; Rümmelin, Die Gründe der Schadenszurechnung 44 u. 96; Meisner-Stern-Hodes § 14, II 6, vgl. auch B a y V G H ; VerwRspr. I, 273. 30 ) V g l . R G Z 113, 301; JW 38, 1205; B G H Z 6, 102; B G H in L M 2 u. 4 zu § 904; V G H n. F. 1 , 2 7 3 (Haftung des Staates für einen Polizeibeamten); Planck-Strecker Bern. 3 b ; R G R K o m m . Bern. 8; Staudinger-Seufert Randb. 26 je zu § 904; Westermann § 28 III, der im Falle einer Nothilfe-Pflicht die Haftung des Nothelfers ablehnt. 31)

V g l . B G H in L M Nr. 2 zu § 904; Staudinger-Seufert Randb. 26 zu § 904. V g l . Staudinger-Riezler 10. A u f l . Bern. 25; Staudinger-Seufert Randb. 24 a. E . Ermann Seibert Bern. 5 je zu § 904; Ballerstedt in J Z 51, 228; Kühlewein in L Z 33, 612. A . M . O L G Freiburg in J Z 51, 223; v g l . auch Soergel-Baur Bern, i a ; Palandt-Hoche Bern. 3 b je zu § 904. M ) V g l . Staudinger-Seufert Randb. 24 a. E . zu § 904; a. M . Westermann § 28 III, 1 ; Fritzle in S J Z 46, 220. 34 ) V g l . B G H Z 9, 209; R G Z 167, 27: Planck-Strecker Bdm. 3 b ; R G R K o m m . Bern. 8; Staudinger-Seufert Randb. 25 je zu § 904; a. M . früh. A u f l a g e n ; Meisner-Stern-Hodes § 14; Palandt Bern. 3 b zu § 904; Wolff Raiser § 49 II, 1. sa)

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ö 1Z II 6,7

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Wenn die zerstörte Sache auch ohne die Einwirkung mit Sicherheit verloren gewesen wäre, so entfällt die Ersatzpflicht36). Wenn die durch eine Notstandshandlung beschädigte Sache bei Unterbleiben der Notstandshandlung den gleichen oder einen noch größeren Schaden erlitten hätte, so ist die Notstandshandlung nicht ursächlich für den Schaden (RG 156, 187; JW 1938, 323 — Überschwemmung einer Gärtnerei durch Ziehen einer Kanalschleuse; das Offnen der Schleuse war rechtmäßig, weil Dammbruch drohte; bei Nichtöffnen wäre die Gärtnerei infolge Dammbruchs überschwemmt worden). Es widerspricht dem Sinn des § 904 BGB, dem Eigentümer einer Sache, die durch ein späteres Ereignis ohnehin zu Verlust geraten wäre, deshalb einen Schadensersatz zuzubilligen, weil ein anderer es vorher durch eine Notstandshandlung beschädigte (NJW 1949, 5 8 51 : Ein bereits brennendes Haus wird zerstört, um das Umsichgreifen des Brandes einzudämmen).

Der Geschädigte, der den Notstand durch ein Verhalten mitverursacht hat, das ihn an sich zum Schadensersatz verpflichten würde, muß sich die Schmälerung seines Ersatzanspruchs gem. § 254 BGB gefallen lassen38). 7. Durch Art. 159 E G ist bestimmt, daß die landesgesetzlichen Vorschriften über die im ö f f e n t l i c h e n Interesse erfolgte Entziehung, Beschädigung oder Benützung einer Sache unberührt bleiben. In dieser Hinsicht kommt insbesondere Art I B des Bayerischen Zwangsenteignungsgesetzes vom 17. 11. 1837 i. d. F. vom 13. 8. 1910 (GVB1. 621), 1. 8. 1933 (GVB1. 219), 14. 3. 1938 (GVB1. 117), 11. 11. 1940 (GVB1. 215), 4. 12. 1943 (GVB1. 1944, 1) u. vom 27. 3. 1952 (GVB1.153) —wegen der Rechtsgültigkeit vgl. V f G H in GBl. 1957, 6 — in Betracht, wonach Eigentümer angehalten werden können, unbewegliches Eigentum für öffentliche, notwendige oder gemeinnützige Zwecke abzutreten oder mit einer Dienstbarkeit beschweren zu lassen. Insbesondere muß sich der Eigentümer Eingriffe in sein Eigentum in Fällen des öffentlichen Notstandes gefallen lassen, nämlich bei Feuers- und Wassergefahr, Erdbeben und Erdfällen sowie in Kriegs- und anderer dringender Not und zwar ohne vorgängiges förmliches Verfahren und ohne Aufhalt, jedoch gegen nachträgliche volle Entschädigung. Die Befugnis zu solchen Eingriffen bei Unglücksfällen steht nur der Staatsgewalt und zwar regelmäßig der Kreisverwaltungsbehörde, d. i. dem Landratsamt bzw. in kreisunmittelbaren Städten dem Stadtrat, in äußersten Notfällen auch der Ortspolizeibehörde zu37). Da der 35 ) Vgl. R G Z 156, 187; JW 38, 323; RGRKomm. Bern. 9; Staudinger-Seufert Randb. 29; Soergel-Baur Bern. 3 Ermann-Seibert Bern. 6 je zu § 904; Hueck in JherJ 68, 228. M ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 30 zu § 904; Planck-Strecker Bern. 3 b zu § 904; vgl. auch BGH in NJW 57, 869; Ein Kraftfahrer, der mit Rücksicht auf ein ihm in die Fahrbahn laufendes Kind einen Schaden verursacht oder selbst erleidet (Selbstaufopferung) kann keine Ersatzansprüche erheben, solange er nicht den Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG erbracht hat. Dagegen: Staudinger-Werner Randb. 33ff. zu § 254; Böhmer i n MDR 60, 366. 37 ) Vgl. Seufert, Bayer. Enteignungsrecht Randb. 50 zu Art. I B ; Art. 78 LStVG.

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Notstandshandlung

§12 II 7

Feuerschutz in Art. i des Gesetzes Nr. 41 über das Feuerlöschwesen vom 17. 5. 1946 (GVB1. 297 = BayBS I 353) den Gemeinden als Aufgabe ausdrücklich übertragen ist und da die auf Grund dieses Gesetzes zu bildenden Feuerwehren (Art. 2 u. 3 freiwillige, Art. 6 Pflicht-, Art. 8 Berufs-, und Art. 9 Werk-Feuerwehren) gesetzlich verpflichtet sind, bei Feuersgefahr und auf Aufforderung des zuständigen Bürgermeisters oder der Verwaltungsbehörde auch in anderen Notständen Hilfe zu leisten (Art. 2 Abs. 2 u. 10 des Ges. Nr. 41), steht außer Zweifel, daß Eingriffe in das Eigentum aus Anlaß von Brandfällen oder Notständen durch Angehörige der Feuerwehr mit staatlicher Autorität vorgenommen werden. In den Fällen, in denen Gebäude beschädigt oder niedergerissen werden, um einen in einem Nachbargebäude ausgebrochenen Brand zu hemmen38), kommt die Bestimmung in Art. I B des Zwangsenteignungsgesetzes zur Anwendung jedoch mit folgender Maßgabe: a) Wird das Gebäude auf Anordnung der Behörde beschädigt oder niedergerissen, so ist § 904 B G B nicht anwendbar, sondern grundsätzlich Art I B und VII des Zwangsenteignungsgesetzes. Hienach findet ein Verfahren darüber, ob der Eingriff notwendig war, nicht statt; der Eigentümer hat vielmehr Anspruch auf Entschädigung und zwar entweder gegen den Staat, falls dessen Organe, z. B. die Kreisverwaltungsbehörde, die Beschädigung oder das Niederreißen veranlaßt haben. Ging die Anordnung vom Bürgermeister als Ortspolizeibehörde aus, so trifft die Pflicht zur Entschädigung die Gemeinde. b) Die Bestimmungen des Zwangsenteignungsgesetzes treten jedoch zurück, soweit die Bayer. Brandversicherungsanstalt für den Schaden aufzukommen hat. Nach Art. 1 in Verb, mit Art. 19 und 20 des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen ( = VersG) vom 7. 12. 1933 (GVB1. 467 = BayBS I 242) haftet die Landesbrandversicherungsanstalt für die bei ihr versicherten Gebäude nebst Zugehörungen nach Maßgabe der Satzung dieser Anstalt vom 15. 12. 1956 (GVB1. 473 = BayBS I 249) in Verb, mit den allgemeinen Versicherungsbedingungen vom 15. 12. 1956 (GVB1. 473 = BayBS I 258). Hiernach erstreckt sich die Haftung der Anstalt auch auf Schäden, die durch Zerstörung, Beschädigung, Löschen, oder Niederreißen an versicherten Gegenständen verursacht werden. Darunter fallen auch solche Gebäude, die beschädigt oder niedergerissen werden, um einen in einem Nachbargebäude entstandenen Brand zu hemmen39). Die Entschädi3S ) Wird das brennende Haus selbst eingerissen, so ist § 228 B G B anzuwenden. Vgl. oben Ziffer I. 3> ) Vgl. § 83 Vers. Vertr. Ges. i. d. F. vom 28. 12. 1942 (RGBl. 740), wonach der Versicherer auch den Schaden ersetzen muß, der durch Löschen oder Niederreißen verursacht wird und zwar auch an dem Nachbargrundstück.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums gungspflicht entfällt jedoch hinsichtlich solcher Gebäude und Gegenstände, die bei der Brandversicherungsanstalt nicht versichert sind, oder deren Beschädigung bzw. deren Niederreißen o h n e Anordnung der Polizeibehörde oder o h n e Befehl des Leiters der Feuerwehr ausgeführt worden ist. Hat demnach ein Unberufener den Eingriff in ein nicht v o m Brand ergriffenes Gebäude oder dessen Zubehör verursacht, so ist dieser selbst entschädigungspflichtig und zwar auf Grund der allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen ( § 8 2 3 B G B ) . In derartigen Fällen hat überdies der Eigentümer des Gebäudes, das beschädigt werden soll, die Befugnis, sich gegen den Eingriff eines Unberufenen zur Wehr zu setzen, da die Voraussetzungen des § 904 B G B nicht vorliegen.

§ 13. Verpflichtung zur Duldung von Telegrafenund Telefonanlagen Bis zum 1. 1. 1900 konnten Fernschreib- und Fernsprechlinien auf fremden Grundstücken und öffentlichen Straßen nur im Wege der Zwangsenteignung nach Art. I Ziffer 1 2 Zwangsabtretungsges. ( = Z A G ) v o m 1 7 . 1 1 . 1 8 3 7 1 ) errichtet werden. Das Verbietungsrecht des Eigentümers aus § 903 B G B konnte nur in den seltenen Fällen beseitigt werden, in denen es gelang, nachzuweisen, daß ihm an der Ausschließung seines Eigentumsrechts jedes Interesse fehle 2 ). Erst das Telegrafenwegegesetz v o m 18. 12. 1899 § 1 3 . N a c h Art. I Z. 12 des Zwangsenteignungsgesetzes, können Eigentümer angehalten werden, ihre Grundstücke gegen vorgängige Entschädigung zur Aufstellung von T e l e g r a p h e n zum Dienste des Staates abzutreten oder mit einer Dienstbarkeit beschweren zu lassen. a ) In R G 42, 205 wird ein i n d i r e k t e s Interesse an der Ausschließung angenommen für eine Stadtgemeinde, welche auf ihren Straßen die elektrische Straßenbahn betreiben will. Durch § 23 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen v. 14. 2. 1928 (RGBl. I, 8) ist dem Unternehmer einer Starkstromleitung die Verpflichtung auferlegt, beim Vorhandensein älterer Schwachstromleitungen der Gefahr einer Störung im Betriebe der letzteren dadurch vorzubeugen, daß er an seiner späteren elektrischen Anlage auf seine Kosten Vorkehrungen trifft oder dulden muß. Dasselbe gilt, wenn durch eine später eintretende Änderung der bereits f r ü h e r bestehenden elektrischen Anlage die Gefahr einer Störung der anderen Leitung veranlaßt wird. Auf diese Weise ist durch den Bestand der Fernsprech- und Telegrafenleitungen eine Beeinträchtigung der Freiheit des Privateigentums dargetan, an deren Ausschließung der Eigentümer ein Interesse hat. Vgl. R G 50, 83 über die Frage, inwieweit der Unternehmer der späteren elektrischen Anlage verpflichtet ist, die Kosten verbesserter Sicherungsmaßregeln dem Unternehmer der älteren elektrischen Anlage zu ersetzen. § 23 FermG hat Anwendung zu finden wenn da, wo eine störende Beeinflussung der einen Leitung durch die andere eingetreten oder zu befürchten ist, keine der beiden Leitungen oder nur eine derselben auf einem öffentlichen Verkehrs220

Verpflichtung zur Duldung von Telegrafen- und Telefonanlagen

A 3

(RGBl. 705 — in Kraft seit 1. 1. 1900 ) ergänzt durch Gesetz vom 24. 9.1935 (RGBl. I, 1177) nebst D V O vom 10. 10. 1935 (RGBl. I 1236) hat die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, fremde Grundstücke, auch öffentliche Straßen und Wege, zur Anlage von Telegrafen- und Fernsprechlinien zu benützen, allerdings auch das nur unter ganz bestimmten im Gesetz festgelegten Voraussetzungen. Soweit diese nicht gegeben sind, können Anlagen für Telegrafen- und Fernsprechlinien nur im Wege der Enteignung auf fremden Grundstücken eingerichtet werden. In dieser Hinsicht ist das Bayer Z A G , nunmehr ersetzt durch § 32 des Postverwaltungsgesetzes vom 24. 7. 1953 (BGBl. I, 676), wodurch der Postverwaltung ganz allgemein das Enteignungsrecht zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingeräumt worden ist. Das Zwangsenteignungsverfahren richtet sich nach wie vor nach dem ZAG. Hinsichtlich der Rundfunk- und Fernsehanlagen ist noch streitig, in wieweit das Bayer. Rundfunkgesetz vom 10. 8. 1948 (GVB1. 135) idF vom 17. 3. 1950 (GVB1. 57) mit dem G G vereinbar ist und ob das in § 32 PostverwGes. der Bundespost eingeräumte Enteignungsrecht auch im Bereich des Rundfunk- und Fernsehwesens gilt4).

A. Recht der Benützung von Verkehrswegen Vor allem ist der Postverwaltung ein Recht der Benützung eingeräumt an V e r k e h r s w e g e n , als welche mit Einschluß des Luftraumes und des Erdkörpers die öffentlichen Wege, Plätze, Brücken und die öffentlichen Gewässer nebst deren dem Gemeingebrauche dienenden Ufer gelten (§§ 1 — 1 1 TelWegGes.). Soweit ein Verkehrsweg eingewege sich befindet, ferner in allen Fällen, in welchen die staatliche Leitung nicht zu öffentlichen Zwecken dient. In den übrigen Fällen gelten die Bestimmungen der § § 5 und 6 des Telegrafen-Wege-Gesetzes. 3 ) Die bereits vordem 1. 1 . 1 9 0 0 für oder gegen die Telegrafenverwaltung (sei es auf Grund besonderer Verträge, sei es auf Grund des § 12 des Telegrafengesetzes vom 6. 4. 1892) e r w a c h s e n e n A n s p r ü c h e sind nach bisherigem Recht zu beurteilen. (Vgl. amtlich erläuterte Ausgabe des TelWegGes. Anm. I zu § 19.) Im übrigen findet auf die vorhandenen zu öffentlichen Zwecken dienenden Linien der Telegrafenverwaltung das TelWegGes. Anwendung, soweit nicht e n t g e g e n s t e h e n d e besondere Vereinbarungen (z. B. Vereinbarung einer Vergütung für die Benützung des Verkehrsweges, Ermäßigung der Fernsprechgebühren) getroffen sind. Vgl. hierüber Amtl. erl. Ausg. TelWegGes. Anm. III zu § 19. 4 ) Vgl. Seufert Bayer. Enteignungsrecht D 4 S. 298 F N 2. Der Ansicht, daß das Enteignungsrecht jedenfalls hinsichtlich der technischen Seite, also insbesondere für die Sendeanlagen des Rundfunks und Fernsehens, der Bundespostverwaltung auf Grund des § 32 PostverwGes. zusteht, dürfte beizupflichten sein.

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§ 1 6 A l l

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

zogen wird, worüber die nach dem Landesrecht zuständigen Behörden zu entscheiden haben5), erlischt die Befugnis der Postverwaltung zu seiner Benützung (§ j Abs. 3 TelWegGes.). I. I n h a l t des B e n ü t z u n g s r e c h t e s an V e r k e h r s w e g e n Die Postverwaltung darf für ihre zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafen- und Fernsprechlinien die Verkehrswege benützen (§ 1 TelWegGes.). Der Begriff der zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafenlinien ist derselbe wie in den §§317 und 318 StGB 8 ). Damit sind nicht bloß die der Benützung des Publikums offen stehenden Telegrafenanlagen gemeint, sondern alle jene, welche dem Interesse der Allgemeinheit dienen, also auch diejenigen, welche zur Benützung in öffentlichen Angelegenheiten dienen, ohne dem Publikum geöffnet zu sein7), z. B. Feuerwehrtelegraphen. Auch die Haupt- und Nebenanschlüsse an die Fernsprechnetze oder Umschaltstellen gehören dazu8). Der Begriff der öffentlichen Wege (Art. 2 Bayer StrWG) und öffentlichen Flüsse (Art. 2 BayerWG 2) bestimmt sich nach dem Landesrecht. 1. Die Benützung der Verkehrswege für die Telegrafenanlagen ist jedoch unzulässig, insoweit dadurch der G e m e i n g e b r a u c h der Verkehrswege, d. i. der jedermann ohne besondere Genehmigung9) zustehende Gebrauch einer öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften, d a u e r n d beschränkt würde (§ 1 TelWegGes.). Ergibt sich nach der Errichtung einer Telegrafenlinie, daß sie den Gemeingebrauch eines Verkehrsweges 10 ) und zwar nicht nur vorübergehend, beschränkt pder die Vornahme der zu seiner Unterhaltung er5 ) Vgl. Art. 8 u. 41 BayStrWGes. vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147). Hiernach kann ein öffentlicher Weg ( = Verkehrsweg) vom Träger der Straßenbahnlast eingezogen werden, wenn kein öffentliches Verkehrsbedürfnis mehr besteht. ") Komm.-Ber. z. TelWegGes. 5. ' ) Vgl. Olshausen, StGB Anm. 3 zu § 3 1 7 ; Leip. Komm. Anm. 2 zu § 317 StGB. 8 ) RGSt. 29, 244; 34, 250. ®) Die Benützung des Weges zu besonderen Anlagen (Straßenbahnen, Beleuchtungsanlagen usw.) fällt nicht unter den Gemeingebrauch (Amtl. erl. Ausg. des Tel.WegGes. Bern. II zu § 1). Über Rechtsverhältnisse des Gemeingebrauches vgl. Zimniok, Bayer StrWG; Prandl-Wiebel, BayerStrWGAnm. je zu Art. 14 BayStrWG. Der Umfang des Gemeingebrauchs steht nicht ein für allemal fest, er ist wandelbar mit den stetigen Veränderungen der Umweltsverhältnisse (vgl. B G H Z 22, 395 = N J W 57, 457; N J W 57, 1397; M D R 58, 588). 10 ) Das Verhältnis zu den auf dem Verkehrsweg eingerichteten „besonderen Anlagen" ist in § 5 und § 6 TelWegGes. geregelt ( R G 8o, 288).

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Verpflichtung zur Duldung von Telegrafen- und Telefonanlagen

AI 1

forderlichen Arbeiten verhindert oder der Ausführung einer von dem Unterhaltspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges entgegensteht, so ist die Telegrafenlinie, soweit erforderlich, ab2uändern oder gän2lich zu beseitigen ( § 3 Abs. 1 TelWegGes.) u ). Die gebotene Änderung oder Beseitigung hat die Postverwaltung auf ihre Kosten zu bewirken (§ 3 Abs. 2 TelWegGes.). Wegen einer nur v o r ü b e r g e h e n d e n E r s c h w e r u n g der U n t e r h a l t u n g eines Verkehrsweges ist Ersatz zu leisten (§ 2 TelWegGes.). Der E r s a t z a n s p r u c h verjährt in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist (§ 13 TelWegGes.). E r ist bei der Verwaltungsbehörde geltend zu machen, die für die betreffende öffentliche Straße in Betracht kommt, d. i. der zuständige Träger der Straßenbaulast; denn ihm unterstehen die Aufsicht und Verwaltung der öffentlichen Straßen12). Eine vorübergehende Erschwerung der Unterhaltung oder Beschränkung des Gemeingebrauchs i. S. von § 2 TelWG betrifft die Sondernutzung des betreffenden Verkehrsweges. Eine Einschränkung oder Entziehung einer solchen Sondernutzung für Fernmeldeanlagen richtet sich nach § 8 FStrG bei Bundesfernstraßen und nach Art. 18, 22, 41 und 42 BayStrWG bei sonstigen öffentlichen Straßen. Die für die Unterhaltung des Verkehrsweges etwa erwachsenen Kosten und Schäden können nach § 2 TelWG von der „Telegrafenverwaltung", d. i. der Postverwaltung Ersatz verlangt werden. Hiefür ist in § 13 Abs. 3 TelWG der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten vorgesehen. Wird durch eine Fernmeldeanlage der Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße nicht nur vorübergehend behindert, z. B. dadurch, daß wegen erheblicher Zunahme des Verkehrs eine Änderung oder Verlegung der Fernmeldeanlage notwendig wird, so ist folgendes zu beachten. Die Benützung des Verkehrsweges für eine Fernmeldeanlage stellt eine Sondernutzung dar, die der Erlaubnis des Straßenbaulastträgers bedarf und zwar bei Anlagen an einer Bundesfernstraße nach § 8 FStrG und bei solchen an sonstigen öffentlichen Straßen nach Art. 18 und 22 BayStrWG. Die Sondernutzungserlaubnis hat öffentlichrechtlichen Charakter und wird durch Verwaltungsakt auf Zeit oder auf Widerruf erteilt (§8 Abs. 2 FStrG bzw. Art. 18 Abs. 2 BayStrWG). Eine Einschränkung, d. i. ein teilweiser oder auch ein völliger Widerruf eine solchen Erlaubnis ist bei überwiegendem öffentlichen Interesse jederzeit zulässig. Bei unwiderruflichen Nutzungsrechten, etwa solchen aus der Zeit vor Inkrafttreten des FStrG (12. 9. 195 3 u

) Vgl. hierzu R G 102, 185. ) Träger der Straßenbaulast sind bei Bundesfernstraßen nach § 5 FStrG vom 6. 8.19 5} (BGBl. I, 903) der Bund, bei Staatsstraßen nach Art. 41 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) das Land Bayern und bei Kreisstraßen die Landkreise bzw. die kreisfreien Städte (Art. 41 und 42 BayStrWG). la

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§ 16

IL Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

A I2 — § 27 FStrG) bzw. des BayStrWG (1. 8. 1958), gibt § 8 Abs. 9 FStrG und Art. 69 BayStrWG das Enteignungsrecht13). 2. Die B a u m p f l a n z u n g e n auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeiten zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist tunlichst Rücksicht zu nehmen. Ausästungen können nur insoweit verlangt werden, als sie zur Herstellung der Telegrafenlinien oder zur Verhütung von Betriebsstörungen erforderlich sind; sie sind auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken (§ 4 Abs. 1 TelWegGes.). Nach den Ausführungsbestimmungen vom 26. 1. 190014) sind die Ausästungen in dem Maße zu bewirken, daß die Baumpflanzungen mindestens 60 cm nach allen Richtungen von den Leitungen entfernt sind. Ausästungen über die Entfernung von 1 m im Umkreis der Leitungen können nicht verlangt werden. Die Postverwaltung hat dem Besitzer der Baumpflanzungen eine mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeiten angemessene15) Frist zu setzen, innerhalb welcher er die Ausästung selbst vornehmen kann. Sind die Ausästungen innerhalb der Frist nicht oder nicht genügend vorgenommen, so bewirkt die Postverwaltung die Ausästungen. Dazu ist sie auch berechtigt, wenn es sich um dringliche Verhütung oder Beseitigung einer Störung handelt (§ 4 Abs. 2 TelWegGesetz). Einer speziellen Aufforderung zu Ausästung bedarf es nur, wenn es sich um neue Telegrafenanlagen handelt. Bezüglich der regelmäßigen Ausästungen sind die Baumbesitzer nur zu befragen, bb sie diese selbst bewirken oder deren Vornahme der Postverwaltung überlassen wollen 16 ). Die Postverwaltung ersetzt den an den Baumpflanzungen verursachten Schaden und die Kosten der auf ihr Verlangen vorgenommenen Ausästungen (§ 4 Abs. 3 TelWegGes.). Diese K o s t e n sind nicht nur bei Neuanlagen, sondern auch bei den regelmäßigen Ausästungen an vorhandenen Linien von der Postverwaltung zu tragen. Der E r s a t z a n s p r u c h 13 ) Im Streitfalle stehen sich die Bundespost auf der einen Seite (vgl. Postverwaltungs gesetz vom 24. 7. 1953 — BGBl. I, 676, in Verb. m. VO vom 1. 8. 1953 — BGBl. I, 715) und die Träger der Straßenbaulast (d. sind Bund, Land oder Landkreise bzw. kreisfreie Städte) als Parteien gegenüber (vgl. § 3 FStrG, Art. 41 und 42 BayStrWG). In aller Regel dürfte unter diesen Parteien eine Einigung zu erzielen sein. Sollte eine Einigung nicht Zustandekommen, so steht der Rechtsweg nach § 1 3 Abs. 3 TelWG vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung; hierbei handelt es sich um die Entscheidung der Frage, ob die Postverwaltung verpflichtet ist, eine den Gemeingebrauch der betreffenden Verkehrsstraße dauernd behindernden Fernmeldeanlage so zu ändern oder zu verlegen, daß keine Gefährdung des Gemeingebrauchs mehr zu befürchten ist. Der in § 13 TelWG vorgesehene ordentliche Rechtsweg ist in § 40 Abs. 1 VwGO vom 21. 1. i960 (BGBl. I, 17) aufrechterhalten. " ) RGBl. 1900, 7. 16 ) Vgl. hierzu unten § 18 I; vgl. auch § 910 BGB, Staudinger-Seufert Randb. 3. " ) Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II zu § 4.

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v e r j ä h r t in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist ( § 1 3 TelWegGes.). Er ist bei der Verwaltungsbehörde d.i. bei dem zuständigen Straßenbaulastträger17) geltend zu machen und von diesem festzusetzen. Gegen seine Entscheidung steht binnen eines Monats nach der Zustellung der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen 18 ). 3. Die Rechtsverhältnisse hinsichtlich der b e s o n d e r e n A n l a g e n auf Verkehrswegen, d. i. aller jener Anlagen, welche auf den Verkehrswegen nur mit besonderer Bewilligung errichtet werden dürfen (der Wegeunterhaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasser-, Gasleitungen, Schienenbahnen, elektrische Anlagen, Leitungen und dergleichen) sind in den §§ 5 und 6 TelWegGes. behandelt. Die Vorschriften der §§ 5 und 6 TelWegGes. beziehen sich nur auf solche Fälle, in denen eine zu ö f f e n t l i c h e n Zwecken dienende staatliche Fernmeldeanlage und eine der in § 5 Abs. 1 bezeichneten besonderen Anlagen auf einem V e r k e h r s w e g e zusammentreffen. In allen sonstigen Fällen des Zusammentreffens staatlicher öffentlicher Fernmeldelinien mit besonderen Anlagen — sei es, daß da, wo eine staatliche Telegrafen(Telefon-)Anlage mit einer besonderen Anlage zusammentrifft, jede der beiden Anlagen oder auch nur eine derselben sich auf einem a n d e r e n Grundstücke als einem Verkehrswege befindet, oder daß das Zusammentreffen zwar auf einem Verkehrswege stattfindet, die staatliche Telegrafenanlage aber n i c h t ö f f e n t l i c h e n Zwecken, sondern nur den Zwecken einer einzelnen oder einiger weniger Personen dient — sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Postverwaltung und des Unternehmers der besonderen Anlage nach § 23 des Gesetzes über das Telegrafenwesen vom 6. 4. 1892 (RGBl. 467) idF vom 7. 3. 1908 (RGBl. I, 79), sowie vom 1 1 . 7. 1921 (RGBl. 913) und vom 3. 12. 1927 (RGBl. I, 331) neugefaßt als Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. 2. 1928 (RGBl. I, 8) zu beurteilen. a) Die Fernmeldelinien sind so auszuführen, daß sie v o r h a n d e n e besondere Anlagen nicht störend beeinflussen. Die aus der Herstellung erforderlicher Schutzvorkehrungen erwachsenden Kosten hat die Postverwaltung zu tragen (§5 Abs. 1 TelWegGes.). Die Verlegung oder Veränderung vorhandener besonderer Anlagen kann nur gegen Entschädigung und nur dann verlangt werden, wenn die Benützung des Verkehrsweges für die Fernmeldelinie sonst unterbleiben müßte und die besondere Anlage anderweit ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann (§ 5 Abs. 2 TelWegGes.). Dieser Anspruch verjährt in 2 Jahren. Er ist bei zuständigen Straßenbaulastträger geltend " ) S. oben F N 12. 18 ) S. oben unter I 1, F N 1 2 u. 13. IJ

Meisner-Ring, Nachbaxrecht, 6. Aufl.

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§ J-ö A I 3

IX. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

zu machen und von diesem festzusetzen. Gegen diese Festsetzung steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen19). Auch beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen hat die Benützung der Verkehrswege für die Telegrafenlinie zu u n t e r b l e i b e n , wenn der aus der Verlegung oder Veränderung der besonderen Anlage entstehender Schaden gegenüber den K o s t e n , welche der Postverwaltung aus der Benützung eines anderen ihr zur Verfügung stehenden Verkehrsweges erwachsen, u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g g r o ß ist (§ 5 Abs. 3 TelWegGes.). b) Diese Vorschriften finden auf solche in der V o r b e r e i t u n g b e f i n d l i c h e besondere Anlagen, deren Herstellung im öffentlichen Interesse liegt, entsprechende Anwendung. Eine Entschädigung auf Grund des § 5 Abs. 2 TelWegGes. wird nur bis zu dem Betrage der Aufwendungen gewährt, die durch die Vorbereitung entstanden sind. In der Vorbereitung begriffen sind Anlagen, sobald sie auf Grund eines im einzelnen ausgearbeiteten Planes die Genehmigung des Auftraggebers und, soweit erforderlich, die Genehmigung der zuständigen Behörden und des Eigentümers oder des sonstigen Nutzungsberechtigten des in Anspruch genommenen Weges erhalten haben (§ 5 Abs. 4 TelWegGes.). c) Spätere 2 0 ) besondere Anlagen 21 ) sowie Veränderungen22) solcher Anlagen sind nach Möglichkeit23) so auszuführen, daß sie die vorhandenen Fernmeldelinien nicht störend beeinflussen (§ 6 Abs. 1 TelWegGes.). Soweit zu diesem Zwecke Maßnahmen zum Schutze von Fernmeldeanlagen an der s p ä t e r e n Anlage24) oder an den T e l e g r a f e n a n l a g e n 2 6 ) zu treffen sind, hat der Unternehmer der besonderen Anlage die hierdurch erwachsenden Kosten zu tragen. Es muß also die spätere besondere Anlage mit allen Schutzvorkehrungen, die an ihr getroffen werden können, ohne ihren wirtschaftlichen Zweck zu gefährden28), versehen werden. Hierher 19

) S. oben unter I, 1 F N 1 2 u. 13. ) Vgl. R G 80, 289. ) Vgl. R G 90, 1 2 1 (Starkstromanlage einer Überlandzentrale); R G 78, 223 (Elektrische Uberlandleitung zur Versorgung von Landgemeinden); R G 63, 88 (Elektrische Anlage einer Stadtgemeinde zur Beleuchtung von Straßen und zur Lieferung von Strom für gewerbliche Zwecke). a2 ) § 6 Abs. 6 TelWegGes. 23 ) Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die spätere Anlage ausgeführt werden darf, wenn auch die Störung einer vorhandenen Telegrafenlinie nicht zu vermeiden ist, während im Falle des § j Abs. 1 die neue Telegrafenlinie nicht angebracht werden d a r f , wenn die Störung der vorhandenen Anlage nicht zu vermeiden ist. Aron in den AnnDR 1904,312. a4 ) § 6 Abs. 1 TelWegGes. 25 ) § 6 Abs. 5 TelWegGes.; vgl. oben § 13 am Anfang. M ) „Nach Möglichkeit" (§ 6 Abs. 1 TelWegGes). Der Verband Deutscher Elektrotechniker hat „Allgemeine Vorschriften für die Ausfuhrung und den Betrieb neuer elektrischer Starkstromanlagen (ausschließlich der elektrischen Bahnen) bei Kreuzungen und 20 21

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Verpflichtung zur Duldung von Telegrafen- und Telefonanlagen

§ 1 6

AI 3

gehört z. B. die Anbringung von Schutznetzen und Schutzdrähten, die Aufsattelung von Holzleisten auf die Arbeitsleitung elektrischer Bahnen, die Anwendung isolierter Leitungsdrähte, die Herstellung kurzer Kabelleitungen, welche die Kosten nicht unverhältnismäßig steigern. Soweit hiermit nicht ausreichend geholfen werden kann, sind die dann nötigen Schutzmaßregeln an der vorhandenen Telegrafenanlage anzubringen, z. B. durch Einschaltung von Schmelzsicherungen, Herstellung metallischer Rückleitungen, Umwandlung oberirdischer Linien in unterirdische, wo dies ohne Gefährdung des Betriebes möglich ist27). Läßt sich auch durch Schutzvorrichtungen eine Sicherstellung des Betriebes der vorhandenen Telegrafenanlage nicht erreichen, so hat die beabsichtigte spätere besondere Anlage zu unterbleiben28). d) Für jene s p ä t e r e n Anlagen, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrücksichtigen, von den W e g u n t e r h a l t u n g s p f l i c h t i g e n oder unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer derselben zur Ausführung gebracht werden29), hat das Gesetz ( § 6 Abs. i und 3) besondere Vorteile zugestanden30): a) Würden die durch die Anpassung der späteren besonderen Anlage an die vorhandenen Telegrafenanlagen erforderlichen Maßregeln, durch welche ein störender Einfluß der neuen besonderen Anlage auf die vorhandenen Telegrafenlinien nach Tunlichkeit hintangehalten werden soll 31 ) (§ 6 Abs. i TelWegGes.), zu einer w e s e n t l i c h e n Erschwerung der Herstellung der Anlage führen oder deren Herstellung unmöglich machen, so muß die Fernmeldanlage der besonderen Anlage Platz machen und beim Verlangen des Wegunterhaltspflichtigen auf Kosten der Postverwaltung verlegt oder entsprechend verändert werden32) ( § 6 Abs. z TelWegGes.). Näherungen von Telegrafen- und Fernsprechleitungen" aufgestellt (Vgl. V D E 0210 von 1958, herausgeg. v. V D E Berlin-Charlottenburg 2 Bismarckstr. 33). 27 ) Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II zu § 6 (S. 15). 28 ) Amd. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. IIb zu § 6 (S. 16). 29 ) S. hierüber R G 63, 88; 65, 3 1 1 ; 78, 2 2 5 ; 80, 289; 9®» **9» 97» 7 1 ! 280. 30 ) Berührt die von einem Wege-Unterhaltspflichtigen errichtete besondere Anlage zum Teil öffentliche Verkehrswege, zum Teil anderes Gelände, so sind die Vergünstigungen des § 6 Abs. 2 u. 3 des TelWegGes. einem derartigen Unternehmen nur insoweit zuzugestehen, als es die öffentlichen Verkehrswege benützt. W o es diese verläßt, fällt der gesetzgeberische Grund seiner Bevorzugung gegen über den Telegrafenlinien weg. Von diesem Punkt an unterliegt die Anlage dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 7. 3.1908 idF vom 14. i. 1928 (RGBl. I, 8), insbesonder dessen §§ 23 u. 24 (vgl. dazu R G Z 101, 280 zu § 12 des Ges. v. 7. 3. 1908). 31 ) Und deren Kosten auch in diesem Falle dem Unternehmer der besonderen Anlage zur Last fallen; vgl. Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II Abs. 1 zu § 6. 32 ) Vgl. Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. IIa zu § 6. •5*

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§ J-«> All

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Die Verlegung einer nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienenden Fernmeldelinie kann nur dann verlangt werden, wenn die Fernmeldelinie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten 33 ) anderweitig ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann (§ 6 Abs. 2 letzter Satz TelWegGes.). ß) Wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist, mithin die Fernmeldeanlage bestehen bleiben darf, so hat die Postverwaltung die zum Schutze der Fernmeldelinie erforderlichen Vorrichtungen34) auf ihre Kosten zu treffen ( § 6 Abs. 3 TelWegGes.). Ein Ersatzanspruch verjährt in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist. Er ist beim Träger der Straßenbaulast geltend zu machen und von diesem festzusetzen. Dagegen steht binnen eines Monats nach Zustellung der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen36). II. V e r f a h r e n v o r B e n ü t z u n g der V e r k e h r s w e g e Vor der Benützung eines Verkehrsweges zur Ausführung neuer Fernmeldelinien oder wesentlicher Änderungen vorhandener Fernmeldelinien hat die Postverwaltung einen Plan38) über die in Aussicht genommene Anlage aufzustellen. Dieser Plan soll den besonders Beteiligten und außerdem bei den Post- und Telegrafenämtern, soweit die Fernmeldelinien deren Bezirk berührt, auf die Dauer von vier Wochen öffentlich ausgelegt werden ( § 7 TelWegGes.). Die Postverwaltung ist zur Ausführung des Planes befugt, wenn nicht gegen diesen binnen vier Wochen von der Zustellung bzw. der öffentlichen Auslegung des Planes bei der Behörde, welche den Plan ausgelegt hat, Einspruch schriftlich oder zu Protokoll 37 ) erhoben wird. Über den Einspruch entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde38), gegen deren Entscheidung binnen einer Frist von zwei Wochen 33 ) Für den Begriff der „unverhältnismäßig hohen" Kosten kommt nicht das Verhältnis der Kosten der neuen Anlage zu den Kosten der Verlegung der Telegrafenlinien in Betracht, sondern das Interesse der Telegrafenverwaltung wird für die Feststellung der Verhältnisziffern wesentlich maßgebend sein müssen. Aron in den AnnDR 1904, 315. 34 ) Dies umfaßt die Schutzvorkehrungen sowohl an der Telegrafenanlage selbst, wie auch an der späteren Anlage. R G 57, 364. 35 ) S. oben 1 1 , F N 12 u. 13. 36 ) Hierüber trifft die Ausführungsbestimmung des Reichskanzlers vom 26. 1. 1900 nähere Bestimmungen. RGBl. 1900, 7. Nach d. Ges. v. 24. 9. 1935 (RGBl. I, 1 1 7 7 ) mit D V O v. 10. 10. 1935 (RGBl. I, 1236) kann die Postverwaltung anordnen, daß von dem Planverfahren abgesehen wird; sie bestimmt, wer als Beteiligter gehört wird; die A n hörung kann mündlich erfolgen. 37 ) Ausführungsbestimmungen vom 26. 1. 1900 Ziff. 5. 3S ) Als höhere Verwaltungsbehörde i. S. des § 8 TelWegGes. gilt die Regierung (MinBek. v. 1 1 . 4. 1900, GVB1. 398).

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Verpflichtung Zut Duldung v o n Telegrafen- und Telefonanlagen

§



B nach der Zustellung die Beschwerde an die Landeszentralbehörde 39 ) stattfindet ( § 8 TelWegGes.). G e g e n diese Entscheidung besteht gem. §§ 40, 42 u. 45 V w G O v o m zi. 1.1960 ( B G B l . I, 17) der Verwaltungsrechtsweg. Die hiernach zulässige Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Z u stellung des anzufechtenden Bescheids beim Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Plan durchgeführt werden soll, zu erheben ( § § 45, 52 Ziff. 1 u. 74 V w G O ) .

B. Rechte der Postverwaltung zur Benützung von Privatgrundstücken Die Postverwaltung ist befugt, Fernmeldelinien durch den Luftraum 4 0 ) über Grundstücken, die nicht Verkehrswege im Sinne des T e l W G e s . sind, zu führen, soweit nicht dadurch die Benützung des Grundstücks nach den zur Zeit der Herstellung der Anlage 4 1 ) bestehenden Verhältnissen wesentlich beeinträchtigt wird. Wird erst durch eine später in diesen eintretende Änderung eine Beeinträchtigung der Benützung verursacht, z.B. weil der Eigentümer sein v o n den Telegrafenleitungen überspanntes Gebäude erhöhen will, so muß die Postverwaltung die Leitung auf ihre K o s t e n beseitigen oder so verlegen, daß eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums v ö l l i g vermieden wird 42 ) ( § 1 2 A b s . 1 TelWegGes.). Dies gilt insbesondere auch, wenn der Eigentümer auf seinem Grundstück besondere Anlagen (z. B. elektrische Beleuchtungsanlagen) errichtet, welche den Betrieb der durch den Luftraum geführten Telegrafenlinien beeinträchtigen. In diesem Falle finden die §§ 5 und 6 T e l W e g G e s . keine A n w e n d u n g . Streitigkeiten über die Befugnis der Postverwaltung zur Benützung fremder Grundstücke (z. B. der Anspruch auf Beseitigung einer Telefonleitung, § 1004 B G B ) sind im Zivilrechtsweg auszutragen. Beeinträchtigungen in der Benützung eines Grundstückes, welche ihrer Natur nach lediglich vorübergehend sind, stehen der Führung der Fernmeldelinien durch den Luftraum nicht entgegen, doch ist der entstehende Schaden zu ersetzen. Ebenso ist für Beschädigungen des Grundstücks und 39 ) Die Befugnisse der Landeszentralbehörde werden von dem Staatsministerium d. I. im Benehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft u. Verkehr ausgeübt. Für bestimmte Linien kann v o n einem Plan-Feststellungsverfahren abgesehen werden (Ges. v. 24. 9. 1935 — R G B l . I, 1177). 40 ) Ein Recht, Gestänge auf Gebäuden oder Grundstücken aufzustellen, ist dadurch nicht gegeben (Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. I V zu § 12). Ein solches Recht ist auch aus keiner allgemeinen Bestimmung des B G B , insbes. nicht aus § 905 B G B abzuleiten. V g l . Staudinger, Vorträge 323. 4 1 ) Darin liegt der wesentliche Unterschied von Satz 2 des § 905 B G B . 42 ) Amtl. erl. Ausgabe des TelWegGes. Anm. I zu § 12.

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§ A4 I

JI. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

seines Zubehörs, die infolge der Führung der Fernmeldelinie durch den Luftraum eintreten, Ersatz zu leisten ( § 1 2 A b s . 2 TelWegGes.). Die Post haftet für Beschädigung körperlicher Sachen des Eigentümers eines Grundstücks, durch dessen Luftraum sie eine Fernsprechleitung legt (RG 126, 28). Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt war folgender: Bei Legung einer Fernsprechleitung, die über eine Starkstromleitung hinwegführt, warf ein Telegraphenarbeiter einen mit einer Zange beschwerten Draht über die Drähte der Starkstromleitung. Hierbei entstand Kurzschluß. Die Starkstromleitung brannte durch. Die Pferde eines gerade vorbeifahrenden Fuhrwerks kamen mit der Drahtrolle in Berührung und wurden durch elektrischen Schlag getötet. Das R G sah in der schädigenden Handlung des Postarbeiters einen so engen und unmittelbaren Zusammenhang mit der auf einem Hoheitsakt beruhenden Legung der Leitung, daß eine in Ausübung der öffentlichen Gewalt begangene unerlaubte Handlung nach § 839 B G B anzunehmen war (Vgl. R G 156, 365; B G H in N J W 57, 1396). Die Beamten und Beauftragten der Postverwaltung, welche sich als solche ausweisen, sind befugt, zur Vornahme notwendiger Arbeiten an Fernmeldelinien, insbesondere zur Verhütung und Beseitigung v o n Störungen, die Grundstücke nebst den darauf befindlichen Baulichkeiten und deren Dächer mit Ausnahme der abgeschlossenen Wohnräume während der Tagesstunden nach vorheriger schriftlicher Ankündigung zu betreten ( § 1 2 A b s . 3 TelWegGes.). D e r Ersatzanspruch des § 1 2 A b s . 2 und 3 T e l W e g G e s . verjährt in zwei Jahren v o n dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist ( § 1 3 TelWegGes.). D e r Anspruch kann im ordentlichen Rechtsweg gem. § 13 A b s . 4 T e l W G verfolgt werden.

B. Die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen des Nachbarrechtes § 14. Immissionen*) I. A l l g e m e i n e s Die rechtliche Abgrenzung der Grundstücke würde mit den Bedürfnissen des Lebens in einen unversöhnlichen Widerspruch treten, wenn die zugunsten des Eigentümers bestehende Befugnis, die Einwirkung Dritter *) Schrifttum: O r t l o f f , ArchBürgR 26, 327 ¡ H ö r i g , Rauch u. ähnliche Einwirkungen nach § 906, Leipzig 1906; R i e h l in Gruch 51, 142; M o s i c h , Das Grundeigentum in JheringJ 80, 255; S c h i f f e r in ZAkDR 36, 1076; 37, 276; 39, 3 1 1 ; K l a u s i n g in J W 37, 68; 38, i68iff.; E p p i n g DRpfleger 39, 571; H u b e r n a g e l in D J Z 36, 804; v. d. G o l t z , B B 51, 267 (nachbarrechtliche Einwirkungen in höchstr. Rspr.); S c h u l t e , N J W 54, 495; H a b s c h e i d , MDR 54, 260; W e s t e r m a n n : Welche Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind erforderlich? 1958; N o r d a l m , RdL 58, 1 1 4 ; H e r s c h e l , J Z 59, 76 (Neugestaltung des Immissionsrechts) Vgl. BaySVerwVorschr. Staatsmin. d. I. II, 396: Rechtsgrundlagen zur Lärmbekämpfung; Lassally, D. Lärmbekämpfungsrecht, Schriftenreihe des D A L Bd. 2; Runge N J W 58, 1997; Kürzel B B 58, 580; Wagner N J W 71, 595; Ruhwedel N J W 71, 641 (Fluglärm).

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Immissionen

§14 i

auszuschließen, derart streng durchgeführt würde, daß jede nicht autorisierte mechanische oder physikalische Einwirkung als objektive Rechtswidrigkeit behandelt würde 1 ). Vor allem läßt sich eine gewisse Art der Hinüberwirkung nicht in bestimmte Grenzen bannen. Die Schall- und Lichtwellen, die auf dem einen Grundstücke erzeugt werden, pflanzen sich mit physikalischer Notwendigkeit auf andere Grundstücke fort und ebensowenig lassen sich die Gase (Gerüche) an der Scholle festhalten. Auch der Erschütterung, welche auf den Boden übertragen wird, läßt sich an den Grenzpfählen nicht Halt gebieten; kurz, es läßt sich eine ganze Reihe derartiger Immissionen auf fremdes Gebiet nach zwingenden Naturgesetzen und unvermeidlichen Folgen des menschlichen Beisammenlebens nicht aufhalten2). Andererseits würde der Inhalt des Eigentums in vielen Fällen zu stark eingeschränkt, wenn man jede derartige Immission, z. B. die Einwirkung eines noch so unerträglichen Geräusches, das Eindringen selbst gesundheitsschädlicher Gase usw. ohne Einschränkung zulassen würde. Das positive Herrschaftsrecht des einen Nachbarn und das negative Ausschließungsrecht des anderen geraten auf diese Weise in Widerstreit, den die Rechtsordnung auszugleichen hat3). Dabei war die erste Kommission davon ausgegangen, daß jeder Grundeigentümer innerhalb seines Machtbereiches schalten und walten könne ohne Rücksicht darauf, daß seine Handlungen notwendig in den Machtbereich anderer Grundeigentümer hinüberwirken, so daß es sich für den Gesetzgeber nur darum handele, die natürliche Immissionsfreiheit jedes Grundeigentümers positiv auf ein für die anderen erträgliches Maß einzuschränken4). Die zweite Kommission ist von dem gegenteiligen Standpunkt ausgegangen, wonach jede Immission an sich verboten ist und die Zulässigkeit einer Immission durch eine besondere Ausnahmebestimmung begründet wird. Dieser grundsätzliche Standpunkt ist für die Auslegung des § 906 von wesentlicher Bedeutung. § 906 stellt die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Recht dar, die Einwirkungen auf das Grundstück auszuschließen. Nur insoweit, als die Ausschließungsbefugnis des § 903 durch § 906 eingeschränkt ist, handelt der Einwirkende in Ausübung einer Befugnis, also rechtmäßig5). In Anlehnung an die frühere Rechtsprechung6)stellt § 14. l ) M 3, 264 (Mugdan 146). 2 ) KommProt. 3532 (Mugdan 3, 580). 3 ) M 3, 266 (Mugdan 3, 147). 4 ) Vgl. KommProt. 3532 (Mugdan 3, 580). 6 ) Monich in JhJahrb. 38, 1 8 5 ; R G K 9. Aufl. Bern. 13 zu § 906. ' ) Das grundsätzliche Immissionsverbot beherrscht das gemeine Recht (RG 6, 217), das A L R (Plenar-Entsch. Ob.-Tr. 23, 2 5 2 ; R G 7, 265), das Recht des code civil ( R G 1 1 , 343). Die bisherige Rechtsprechung hat daher durch Inkrafttreten des B G B ihre Bedeutung nicht verloren (vgl. J W 1900, 890; Gruchot 45, 1014).

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I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

§ 906 B G B den Grundsatz auf, daß der Eigentümer Einwirkungen, die das gewöhnliche Maß des Erträglichen nicht übersteigen, im Interesse des Zusammenlebens der Menschen zu dulden habe, daß ihm mithin nur gegen ü b e r m ä ß i g e Immissionen das durch § 903 B G B begründete Verbietungsrecht verbleibt. Schrifttum und Rechtsprechung haben bei der Anwendung des § 906 auf den einzelnen Fall die Grundsätze des § 242 B G B herangezogen und ausgesprochen, daß der Grundstückseigentümer bei der Ausübung seiner Eigentumrechte die Interessen eines geordneten nachbarlichen Zusammenlebens beachten muß63). Da aber die Bedürfnisse der auf gut nachbarliches Verhältnis angewiesenen Menschen nicht immer gleich sind, sondern nach Zeit und Ort wechseln und überdies von den Fortschritten in der Technik und von der Entwicklung des Verkehrs abhängig sind, so kann § 906 nicht als starre Rechtsnorm erachtet werden. Bei seiner Anwendung ist vielmehr auf ein geordnetes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis abzustellen und ein der Billigkeit und Zweckmäßigkeit entsprechender Ausgleich der widerstreitenden Interessen herbeizuführen (Prinzip des Ausgleichs nachbarlicher Kollisionen). Die Herrschaftsmacht des Grundeigentümers ist demnach abzugrenzen auf der einen Seite (positiv) dahin, inwieweit er in die Rechtssphäre des Nachbarn einwirken darf (pflichtgebundene Eigentümerstellung), und nach der anderen (negativen) Seite, inwieweit er sich Einwirkungen von Seite der Nachbarn gefallen lassen muß (Unterlassungspflicht). Unter diese Duldungspflicht nach § 906 fällt die u n w e s e n t l i c h e sowie jede o r t s ü b l i c h e wesentliche Immission. Sowohl bei Ausübung der Eigentumsrechte wie bei Erfüllung der Duldungspflichten muß der Grundeigentümer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242) im Hinblick auf ein geordnetes nachbarliches Zusammenleben handeln. Durch Gesetz vom 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) wurde § 906 B G B insofern geändert als die Duldungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen erweitert wird. Der Eigentümer kann nun Immissionen, die auf einer ortsüblichen Benutzung des anderen Grundstücks beruhen und eine erhebliche Beeinträchtigung zur Folge haben, auch dann verbieten, wenn die Beeinträchtigung durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Ferner ist neu, daß der beeinträchtigende Nachbar verpflichtet ist, eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten, 6a ) Vgl. RGZ x 39,29; 154, 161; 159, 129; 162, 216 u. 357; 163, 549; 167,14; BGH in LMNr. 1 u. 2 zu §903; MDR 5i,726;RdL 58, 206; RG in Seuff. Arch. 93 Nr. 92; OGHZ 2, 161; Klausing in JW 37,68; 38, 1681; Schulte, NJW 54, 495; Habscheid,MDR 54, 260; Staudinger-Seufert Randb. ic zu § 906. Vgl. auch Westermann in NJW 58, 2106; Zeitlmann in BBB1. 58, 527.

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Immissionen

§ 1 4

Ii 1

soweit die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung des duldungspflichtigen Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, wenn die auf ortsüblicher Benutzung seines Grundstücks beruhende erhebliche Beeinträchtigung nicht durch Maßnahmen der vorerwähnten Art abwendbar ist. Dadurch wird die Duldungspflicht gegenüber einer ortsüblichen wesentlichen Immission nur für solche Fälle festgeigt, in denen es technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, einer Immission den Charakter einer wesentlichen Beeinträchtigung durch besondere Vorkehrungen zu nehmen. Dabei richtet sich die Frage, ob eine solche Schutzmaßnahme wirtschaftlich zumutbar ist, nicht nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes, sondern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines gleichartigen Betriebs. Es soll auf diese Weise Vorsorge getroffen werden, daß der Nachbar eines wirtschaftlich schwachen Betriebs nicht etwa durch eine Immission härter in Mitleidenschaft gezogen wird als der Nachbar eines Großbetriebes. Läßt sich trotz geeigneter Schutzmaßnahmen eine Beeinträchtigung des Nachbarn nicht vermeiden, so steht dem Nachbarn ein Entschädigungsanspruch in Geld gegen den Betriebsinhaber zu (vgl. unten V 3). II. 1. § 906 befaßt sich nur mit Einwirkungen, die durch s i n n l i c h e W a h r n e h m u n g vermittelt werden; eine Einwirkung auf das Gefühlsleben fällt nicht darunter, wie überhaupt der Begriff der „ideellen" oder „immateriellen" Immission dem Bürgerlichen Gesetzbuch fremd ist7). Der Umstand, daß durch eine nicht über die Grenzen hinauswirkende Benützung des Grundstückes der Wert des Nachbargrundstückes beein7 ) R G 50, 226; 57, 239; O L G 5, 386; Recht 1915 Nr. 1084 (RG). Vgl. hierzu auch Endemann 4 7 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 2 ; Planck-Strecker Bern. 3; R G R K o m . 1 je zu § 900. A . M. Heck SR S. 219, der für eine entsprechende Anwendung des § 906 eintritt; vgl. auch Müller-Michels, Mainzer Diss. 1956 (negative Einwirkungen); Palandt Bern. 2a zu § 906 u. Bern. 3 b zu § 1004; Weimar in M D R 58, 20; sieht in der Verletzung seelischer Empfindungen, z.B. Aufstellen von Särgen in beleuchtetemAusstellungsraum usw., einen Angriff auf die Menschenwürde i. S. des Art. 1 G G . Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Bei der Frage nach der sinnlichen Wahrnehmbarkeit kommt es nicht darauf an, ob die Einwirkungen für die menschlichen Sinnesorgane ohne weiteres unmittelbar wahrnehmbar sind oder ob sie erst durch Hilfsapparate (z. B. durch Detektoren oder Empfangsröhren) akustisch oder optisch wahrnehmbar werden. Deshalb fallen die Einwirkungen durch elektrische Schwingungen auf die Empfangsanlagen des Rundfunks unter § 906 B G B (vgl. Meisner J W 27, 82; List, Die Rundfunkstörung im DPrivatR 32, 849; Westermann § 36 1 1 a; Reiche, Funkrecht 37; Staudinger R N 6c zu § 906 B G B ; Schak in J W 32, 849; vgl. auch unten N . 40).

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums II 1

trächtigt wird, ist belanglos8). Deshalb kann eine Fabrik explodierender Stoffe, wie Pulvermaga2in nicht deshalb verboten werden, weil durch die hiermit verbundene Explosionsgefahr Furcht erregt wird9). Der Anspruch auf die Unterlassung von Schießübungen kann mit der unbegründeten Besorgnis einer Verletzung durch abirrende Kugeln nicht begründet werden10), ebensowenig kann die Errichtung eines Leichenhauses, weil hierdurch Schauder und Grausen erregt wird 11 ), oder ein Bordell verboten werden, weil hierdurch das Schamgefühl verletzt wird 12 ), oder ein städtisches Freibad wegen des Anblicks nackter Badegäste13). Dagegen kann es bei einem Leichenhause nach § 906 ins Gewicht fallen, wenn üble Gerüche herüberdringen oder durch die herüberfliegenden Insekten eine Gefahr der Infektion durch Insektenstiche herbeigeführt wird14). Auch bei dem Betriebe eines Bordells kann § 906 nur insoweit Anwendung finden, als derselbe von Umständen begleitet wird, die eine durch sinnliche Warnehmung vermittelte Einwirkung auf das Nachbargrundstück herbeiführen (z. B. das Benehmen der Dirnen, insbesondere Belästigung der Passanten durch dieselben, fortwährendes Anfahren von Droschken in der Nacht,

8 ) Es müßte denn der Tatbestand der §§ 226, 823, 826 gegeben sein. J W 1902 Beil. 2 1 1 . Wenn infolge eines gefährlichen Betriebes die Nachbarn durch polizeiliche Anordnung in der Bebauung ihrer Grundstücke beschränkt -werden, kann aus diesem besonderen Rechtsgrund eine Entschädigungspflicht in Frage kommen. SeufTA 57 Nr. 191. 9 ) R G 50, 225 (Petroleumraffinierie); 63, 374 (Gasfabrik); O L G 4, 55. Solche gefährliche Betriebe (wie Schießpulverfabriken, Anlagen zu Feuerwerkereien, zur Bereitung von Zündstoffen aller Art, Gasbereitungsanstalten) bedürfen nach § 16 der GewO einer gewerbepolizeilichen Genehmigung. Die Verwaltungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Anlage nur unter Bedingungen gestattet -wird, welche für die Sicherheit Dritter hinreichende Gewähr leisten. Vgl. die Neufassung des § 16 GewO durch Ges. v. 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781): behördliche Genehmigung für alle Anlagen, welche erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen, auch für Anlagen des Bergwesens und für Anlagen nicht gewerblicher Art, sofern sie im Rahmen wirtschafdicher Unternehmungen Verwendung finden. 10 ) Aber eine solche Angst kann das Schießgeräusch indirekt insofern lästiger machen, als man bei dem Knall unwillkürliche, also nicht infolge einer bewußtenVorstellung einer Gefahr, zusammenschreckt (Recht 1915 Nr. 1084 RG). " ) O L G 4, 6 1 ; a. M. Weimar in M D R 58, 20. 12 ) R G 57, 239; J W 1904, 291; BadRechtspr. 1905, 198; Recht 1904, Nr. 1642. Dagegen kann auf Grund des § 826 Schadenersatz verlangt werden, wenn durch einen, sei es auch polizeilich genehmigten, Bordellbetrieb der Wert der Nachbargrundstücke herabgedrückt wird ( R G 38, 380; 50, 227; 57, 239); R G 76, 130; J W 1 1 , 587; StaudingerSeufert 12 zu § 906. 13 ) J W 1 9 1 1 , 5 8 7 ; R G 7 6 , 1 3 0 ; vgl. Wolff-Raiser SR § 53 I ; Ermann-Seibert Bern. 3 zu § 906. 14 ) O L G 4, 6 1 ; PucheltsZ 33, 94; vgl. auch R G 160, 382.

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Immissionen

§

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Singen und Klavierspiel usw.) 15 ). Im übrigen kann der Bordellbetrieb, soweit § 906 nicht einschlägt, unter Umständen aus § 826 verboten werden 16 ). A u c h die sog. „negativen Einwirkungen" 1 7 ) (Entziehung der A u s sicht, Abhalten v o n Licht und Luft) 18 ) gehören nicht zu den in § 906 geregelten Rechtsverhältnissen 19 ). Im einzelnen fällt unter § 906 die Zuführung von Gasen 20 ), Dämpfen 2 1 ), Gerüchen 22 ), Rauch 23 ), Ruß 24 ), Wärme 26 ), Geräusch 26 ), Erschütterun16 )

R G 57, 259; JW 1904, 291; O L G 5, 386; SeuffA 60, 18. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so ist der Anspruch auf Unterlassung selbst dann gegeben, wenn die Prostitution von der Polizei auf die fragliche Straße konsigniert wurde; gerade dann sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen. Vgl. Recht 1908, 234 Nr. 1386. 16 ) SeuffA 56 Nr. 199; O L G 2, 457; JW 1904, 291; BayZ 1908, 183. " ) R G K Bern. 1 zu § 906; vgl. auch Celle in NJW 53, 388; R G 96, 16; a. M. MüllerMichels Dissert. Mainz 1956 (Negative Einwirkungen im Nachbarrecht). 18 ) R G 51, 252; JW 1908, 142 (Aussicht); JW 1909, 161 (Wind); B G H in M D R 51, 726; Celle in M D R 54, 241. l s ) Vgl. hierüber oben I. 20) G a s e . Vgl. SeuffA 3 Nr. 7; 15 Nr. 2 (Gasfabrik)8 JW 1908, : i Nr. 12 (Brikettfabrik); 1912, 752 (chemische Fabrik); R G 63, 374 (Gas aus dem gebrochenen Rohr einer Gasanstalt vgl. hierzu unten § 43 D III); R G 159, 69; O G H in N J W 49, 713. Nach heutiger Verkehrsauffassung sind ö l g e r ü c h e , die von benachbarten Heizungsanlagen auf das eigene Grundstück herüberdringen, im allgemeinen widerspruchslos hinzunehmen. Dies gilt nur bei besonderen Verhältnissen (z.B. ungünstige Höhenlage von zwei Grundstücken zueinander) nicht ( B G H 4. 12. 70 — V Z R 79/68). 21 ) D ä m p f e . Vgl. SeuffA 3 Nr. 7 (Gasfabrik); 8 Nr. 346 (Ziegelei); 11 Nr. 14 (Seifenfabrik); 3 2 Nr. 18 (Mittelbare Immission übelriechender Dämpfe durch Einleitung heißer Fabrikwässer in einen öffentlichen Fluß); Bolze 5 Nr. 106 (Dämpfe aus warmem Abwasser, infolge deren Holzwerk anfaulte und Pflanzen eingingen); JW 1904, 203 (Hotelküche); B G H in Betrieb 58, 1039 (Teerdämpfe); B G H M D R 64, 220 (Industrieeinwirkungen); B G H R d L 68, 324 (Bitumenaufbereitungsanlage); O L G Stuttgart VersR 59, 746 (Fluorschäden durch Abgase). 22 ) G e r ü c h e (Miasmen, Ausdünstungen, vgl. unten § 14 II 2). Vgl. Bolze 14 Nr. 175 (Schlachthaus); WarnE 1915 Nr. 83 (Gänsemästerei); O L G 18, 122 (Straßenkanäle); SeuffA 46 Nr. 248 (Fabrik); 51 Nr. 11 (Käserei); R G 37, 173; Bolze 22 Nr. 56 (Fäkalien Recht 1904, 282 Nr. 1279); JW 1904, 203 Nr. 15 (Dünste aus Hotelküche); 1900 , 639; SeuffA 71, 281; Warn. 15 Nr. 285; Recht 1915 Nr. 1081 (Düngerfabrik, Bedürfnisanstalt); R G 37, 172; SeuffA 53 Nr. 8; JW 1904, 487 Nr. 12; WarnE 14 Nr. 189 (Knochenkocherei); Recht 1904, 386 Nr. 1709 (Schmiede). Uber Autorennen vgl. unten § 27 I b ; R G 155, 318 (Abdeckerei); L G Siegen in RdL 56, 191 (Dünger); M D R 58, 604 (Hundezucht); B G H N J W 63, 2020 (US Clubbetrieb); ölgeruch s. oben Anm. 20). 23 ) R a u c h . Vgl. Bolze 18 Nr. 45 (Brennerei); SeuffA 31 Nr. 312; 42 Nr. 100 (Dampfdreschmaschine); 46 Nr. 248 (Fabrik); 38 Nr. 8 (Ziegelfeldbrände); SeuffBl. 36, 392; Recht 1908, 91 Nr. 528; WarnE 15 Nr. 284 (Eisenbahnbetrieb); R. d. R L G 2, 506; SeuffBl. 73, 697 R G (schädliche Raucheinwirkung auf Waldungen); Recht 1904, 386 Nr. 1709 (Schmiede), vgl. R G 154, 161 (Fabrik-Rauch); Braunschweig in RdL 55, 268; B G H in M D R 55, 28 = N J W 55, 19; O L G Köln in M D R 58, 359; vgl. auch Westermann N J W 58, 210 (Luftreinhaltung); derselbe im Westdeutschen Verlag-Köln-Opladen: Gesetzl. Maßnahmen zur Reinerhaltung der Luft 1958. Vgl. B G H in VersR 59, 1030:

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§ 1 4 ii 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Dampf- u. Qualmwolken von Lokomotiven an Bahnunterführung für Benutzer der Autobahn); L G Hamburg MDR 65, 45 (Schädigung einer Gemüsekultur durch Abgase); B G H M D R 64, 222 (Fassadenverschmutzung); B G H V Z R 79/68 (Abgase einer Ölheizung dürfen unter bestimmten Umständen nicht auf Nachbargrundstück gelangen — bei Hanggrundstück und ungünstigen Windverhältnissen). 24 ) R u ß . SeuffA 11 Nr. 114 (Dampfmühle); 21 Nr. 208 (Bäckerei); Bolze 3 Nr. 90 (Schwärzung der Häuser durch Lokomotivruß); J W 1912, 51 (Asche). 26 ) W ä r m e . Vgl. J W 1899,757Nr. 38 (Backofen); 1905,495 Nr. 21 (Dampfkesselraum neben Eiskeller). Über die Frage, ob der Besitzer eines Kellers Ansprüche erheben kann, wenn seinem Keller durch Abgraben von Erdreich Wärme zugeführt wird, s. oben S. 51. 26 ) G e r ä u s c h . In Anbetracht der heute allgemeinen Lärmbelästigungen, die nach medizinischen Untersuchen i.d.R. mit erheblichen Gesundheitsschäden verbunden sind, hat der Grundsatz zu gelten, daß sich jeder technische Fortschritt in der Schalldämpfung und nicht in der Lärmentwicklung zu erweisen hat (BGH N J W 62, 1343); vgl. Entschl. des Bay.Inn.Min. u. Wirtsch. Min. v. 20. 9. 1963 — InMABl. 63, 491). Vgl. im Einzelnen: BB 1963, 1157 (Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Baustellen-u. Fabriklärm); B G H N J W 62, 1342; O L G Hamm BB 64, 1271; B G H MDR 64, 666 (gesteigerter Straßenverkehr); B G H M D R 68, 312 (Fontäne im Stadtpark); L G Frankfurt N J W 65, 829; B G H BB 64, 662 (Starten von L K W ) ; L G Würzburg N J W 1966, 1031 (Hundegebell); Ruhwedel, N J W 71, 641 (Fluglärm); Vgl SeuffA 52 Nr. 146 (Schriftgießerei); R G 6, 217; SeuffBl. 4. Erg.-Bd., 148 (Dampfdruckerei); Recht 1905, 194 Nr. 846 (RG); 1903, 551 N r . 2789 (Jena); Warn. 15 Nr. 83; 17 Nr. 244 (Schnattern der Gänse); Bolze 16 Nr. 65 (Brüllen der Kühe in einer Molkerei); Warn. 3 Nr. 336; J W 1910, 654 (Froschquaken in künstlichen Teichen); J W 1893, 315 Nr. 32 (Geschäftsbetrieb im ganzen bei einer Molkerei); Schweizer Bundesgericht 5. 2. 1914: Unzulässig ist der von Pfauen, Truthühnern, Perlhühnern ausgehende nächtliche Lärm eines Tierparkes in einem Luftkurort. Schweizer Bundesgericht 30. 9. 1919: Unzulässig ist das Glockengeläute einer Viehherde bei der Nachtweide. SeuffA 49 Nr. 236 und SeuffBl. 12. Erg.-Bd., 389 (Eisenbahnbetrieb); J W 1904, 384; D J Z 9, 407 (Kinderspielplatz); R G 57, 234 (Straßenbahnbetrieb, Wagenhalle einer Trambahn); Warn. 3 Nr. 118 (Rangierbahnhof einer Eisenbahn); SeuffA 59 Nr. 217 (Kirchenglocken, jedoch Rechtsweg unzulässig); J W 1904, 175; 1905, 231 (Kegelbahn); SeuffA 57 Nr. 9; WarnE 16 Nr. 138 (Wirtshauslärm); D J Z 8, 552 (nächtliches Klavierspielen in einem Restaurant); bezüglich des Lärms infolge eines Bordells s. Recht 1904, 386! Nr. 1709 (Hamburg); BadRspr. 1907,129 (Hundegebell), 1906,168 (Bäckerei); JW 1894, 267 (Übungsschießen); 1908, 682 und dagegen Recht 1911 Nr. 2733 (Schießstand eines Schützenvereins); Recht 1915 Nr. 1084 (Knall bei Schießübungen); O G H 14, 175 (Wasserwerksbetrieb); SeuffBl. 4. Erg.-Bd., 148 (Dampfdruckerei); RG 26, 352 (Holzsägerei); Recht 1916 Nr. 1507 (Sägewerk); SeuffA 45 Nr. 240 (Böttcherei); Bolze 8 Nr. 62 (Dampfpfeife einer Fabrik); JW 1911, 387 (städt. Freibad); Recht 1908 Nr. 3133 (Exhaustor); O L G 26, 125 (Benzinmotor); L Z 1916, 1098 (Musikkaffee); Gruchot 58, 1024 (Kindergeschrei aus einem Säuglingsheim). Bezüglich der Errichtung und Verlegung von Anlagen, von denen ein übermäßiger Lärm ausgeht, in der Nähe von Kirchen, Schulen, öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern vgl. § 27 GewO. Für Kegeln vgl. Gruch 48, 605; J W 05, 231. Über Lärm eines Automibolrennens vgl. unten § 38. R G 133, 346 (elektr. Anlagen); J W 32, 407 (überlaute Musik); HRR 40 Nr. 295 (Milchkannen); B G H in L M Nr. 1 zu § 906 (Bohrgeräusch); L M Nr. 4 zu § 903 (Maschinengeräusch); Oldenburg in M D R 56, 738 (Kino); LVG Lüneburg in DVB1. 56, 727 (Aufhebung einer Bauerlaubnis wegen lärmender Anlage); Bremen in W M 56, 133 (Maschinengeräusch); vgl. auch Drews in W M 57» 49 — 66 — 82 — 99 (Lärmeinwirkungen) B G H in MDR 59, 921 (Geräusch-Immissionen durch Lärm aus Tanzcafes); O L G Düsseldorf MDR 68, 496 (Einlaufen des Bade-

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wassers und Druckspülung der Toilette); B G H N J W 63, 2020 (Lärm aus Soldatenclub); B G H M D R 69, 744 (Lärmeinwirkung von Freilichtbühne; keine Verpflichtung des Nachbarn, auf Schlafen bei offenem Fenster zu verzichten). In dem vom B V e r w G (I C 59/67) entschiedenen Fall wurde der Verladebetrieb einer Fischgroßhandlung im Laufe der Zeit von Wohnhäusern umbaut. Dem Gewerbebetrieb wurde von der Behörde Zwischen 22 und 7 Uhr eine Einschränkung in der Weise auferlegt, daß zu dieser Zeit bestimmte Lautstärkewerte nicht überschritten werden durften. Auf die Klage des Betriebs entschied das BVerwG, daß sich der Kläger gegenüber der behördlichen Verfügung nicht auf den Grundsatz der Gewerbefreiheit berufen könne. Die Behörden seien berechtigt, die Art und Weise der Gewerbeausübung entsprechend den Bestimmungen über Immissionsschutz und Lärmbekämpfung zu regeln, um von der Allgemeinheit Gefahren für die Gesundheit oder erhebliche Belästigungen und Nachteile abzuwenden. Das gelte selbst dann, wenn der Gewerbetreibende unter diesen Umständen seinen Betrieb nicht mehr auf dem bisherigen Grundstück weiterführen kann. Niemand dürfe ein Gewerbe so betreiben, daß daraus Gefahren für die Öffentlichkeit entstehen können. Die Ausübung eines Gewerbes sei deshalb nicht an jeder beliebigen Stelle zulässig. Dadurch, daß der Gewerbetreibende die Nachtruhe anderer Menschen störe, übe er sein Gewerbe „ordnungswidrig" aus E r überschreite insoweit auch die verfassungsmäßigen Grenzen seines Eigentums und verletze fremde Rechte. Von besonderer Bedeutung ist die Lärmeinwirkung von B a u a r b e i t e n . Hierbei gilt, daß alle lärmverursachenden Anlagen und Maschinen dem neuesten Stand der Technik entsprechen und so gestaltet sein müssen, daß die Lärmentwicklung so gering als möglich gehalten wird. Darüberhinaus ist zu beachten, daß die Dauer der bei Abbrucharbeiten ausgehenden Lärmbelästigung durch den Einsatz entsprechender Maschinen möglichst verkürzt wird. Für jeden Bauunternehmer besteht die Pflicht, schalldämpfende Maßnahmen und Einrichtungen zu treffen ( B G H N J W 1962, 1342; B B 1964, 1335; O L G Düsseldorf N J W 61, 1925); vgl. ferner: O L G Hamburg M D R 1964, 73 (Lärm bei Anlieferung von Baustoffen zur Nachtzeit); B G H M D R 1967, 913 (Lärm bei Staustufenausbau); L G Essen M D R 69, 924 (Ausbau einer Bundesbahnstrecke); B G H N J W 66, 1858 (Zusammentreffen von Verkehrs- und Fabriklärm); B G H N J W 68, 1 1 3 3 (Richtlinien über die Phonstärke). Zu erwähnen ist hier noch das Bundesgesetz gegen den Baulärm (BGBl. 1965 I S. 1214). Zum Baulärm vgl. ferner Wiethaupt in B B 1963, 1157, Kerst in N J W 1964, 1 8 1 , Schneider in M D R 1965, 439. Öffentlich erlaubte Geräusche (Polizeisirenen, Lärm von Kasernen, Läuten von Kirchenglocken) fallen insoweit nicht unter § 906 B G B , als sie mit den öffentlichen Aufgaben zu vereinbaren sind. Zur Frage des Rechtsweges hiergegen vgl. B G H M D R 1954, 583. Zur Frage nach dem Entschädigungsanspruch vgl. B G H N J W 1963, 2020 und N J W 1968, 549. Vgl. die Zusammenstellung der bisherigen Lärmbekämpfungsmaßnahmen bei Lasally N J W 59, 758. Siehe ferner Künzel in B B 58, 579 (ruhestörender Lärm im Hause), Wiethaup R d L 59, 57 u. 6i, 284 (Lärmbekämpfung in der Landwirtschaft), DVB1. 59, 240 (Lärmbekämpfung in rechtlicher Sicht), M D R 60, 632 (Bekämpfung des Wohnungslärms), J R 61, 5 (Bekämpfung des Flugzeuglärms), N J W 61, 492 (rechtliche Möglichkeiten zur Lärmbekämpfung), Z M R 60, 36 (Fluglärm), Betr. 61, 1055 (Fabriklärm), Ärztl. Mitteilg. 62, 367 (Rechtsschutz gegen übermäß. Lärm); ferner Meyer Z L R 57, 1 u. Westermann Z L R 57, 259 (Lärm von Düsenflugzeugen). Vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) liegt eine Richtlinie über die Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft (VDI 205 8) vor. Danach soll der von Gewerbe und Industrie verursachte Lärm in einer vorwiegend Wohnzwecken dienenden Nachbarschaft den Richtwert von 55 d B am Tage und 40 d B in der Nacht nicht überschreiten ( B G H

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§ 1 4

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

II 1 B B 66, 88o) Vergleich: Blätterrauschen bei schwachem Wind verursacht ein Geräusch von ca. 20 d B und bei einer halblauten Unterhaltung werden in einem Meter Entfernung etwa 50 d B gemessen. In reinen Wohngebieten sollten die Zeiger von Lärmmeßgeräten nach VDI-Vorschlag am Tage ebenfalls bis 50 dB, nachts jedoch nur bis 35 d B ausschlagen dürfen. Für Kurgebiete sowie für Gebiete mit Krankenhäusern und Pflegeheimen sollten am Tage nur 45 dB und nachts ebenfalls 55 d B zulässig sein. Eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm ist von der Bundesregierung beschlossen und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet worden. Sie setzt Emissionsrichtwerte für Betonmischeinrichtungen und Transportbetonmischer fest. A b 1. 1. 1972 sollen Geräuschrichtwerte gelten, deren Überschreiten nach dem heutigen Stand der Technik vermeidbar ist. Ab. 1. 1. 1975 werden diese Werte — entsprechend den Konstruktionsfortschritten beim Bau von Betonmischern — herabgesetzt. Das Bundeskabinett hat am 20. 8. 1971 den Entwurf eines Bundes-Immissionsschutzgesetzes verabschiedet. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor Umweltgefahren zu schützen, die durch Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen sowie durch Licht-, Wärme- und sonstige Strahlungen entstehen. Das Gesetz will vor allem die Störquellen erfassen, die erfahrungsgemäß die meisten Umweltgefahren hervorrufen. Dies sind: industrielle und sonstige gewerbliche Betriebe, Maschinen, Geräte und Fahrzeuge. Es bezieht sich aber auch auf Anlagen der Landwirtschaft (Massentierhaltungen) und auf private Anlagen (häusliche Feuerungsanlagen). Um die genannten Aufgaben erfüllen zu können, muß dem Bund durch eine Grundgesetzänderung die volle Zuständigkeit für die Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung eingeräumt werden. Der Entwurf geht davon aus, daß schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken sind. Die Kosten, die hierdurch entstehen, hat der zu tragen, der die Umwelt verschmutzt. Die Grundpflicht des Umweltschutzes soll auch für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge gelten. Für Industriebetriebe (sog. Großverschmutzer) soll ein strenges Genehmigungsverfahren eingeführt werden. Bevor eine solche Anlage errichtet wird, muß das Vorhaben öffentlich bekanntgemacht werden. Jeder Nachbar kann dann Einwendungen erheben. Sind diese berechtigt, so werden dem Unternehmer die notwendigen Schutzauflagen erteilt. Reichen solche Maßnahmen nicht aus, um die Nachbarschaft zu schützen, so muß die Genehmigung versagt werden. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz stellt den Grundsatz auf, daß Industriebetriebe von Anfang an so geplant werden müssen, daß schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohnbaugebiete (auch auf evtl. später entstehende) soweit wie möglich vermieden werden. E s soll künftig vorgeschrieben werden können, daß Maschinen, Geräte, Fahrzeuge, Brennstoffe und Treibstoffe nur dann auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn sie nach bestimmten umweltschonenden Grundsätzen hergestellt worden sind (Verlagerung des Umweltschutzes auf die Produktionsstufe). Ein Beispiel für diese Art vorsorgender Regelung ist das am 8. 8. 1971 in Kraft getretene Benzinbleigesetz, durch das der Bleigehalt des Benzins bis 1976 stufenweise auf 0,15 g/1 herabgesetzt wird. Eine ähnliche Maßnahme wird die Begrenzung des Schwefelgehalts im Heizöl sein. In Belastungsgebieten ( = Verdichtungsräume mit besonders gefährlicher Luftverschmutzung) soll eine intensive Luftkontrolle vorgeschrieben werden. Schwerwiegende Verstöße gegen die Umweltschutzvorschriften sollen u. a. mit Geldbußen bis zu 100000 D M , mit Freihheitsstrafen bis zu 5 und in besonders schweren Fällen bis zu 10 Jahren bedroht werden. Noch während des Gesetzgebungsverfahrens sollen die ersten Durchführungsvorschriften vorbereitet werden. Diese sollen sich beziehen auf: Luftreinhalte-

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§

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gen 27 ) und ähnlichen von einem anderen Grundstücke ausgehenden Einwirkungen, deren Feststellung der Praxis überlassen wurde. Als weitere Anwendungsfälle ergeben sich aus der Praxis: das Eindringen von Staub28), Sand29), Steinsplittern30), Asche31), Funken32), Feuchtigkeit33), Wasserstaub34),Zuführung starker Lichtreflexe35), von starker Kälte38), von Pilzvorschriften für Haushaltsfeuerungen, chemische Reinigungsanlagen und Lacktrockenöfen, Begrenzung des Schwefelgehaltes im Heizöl, Lärmschutzvorschriften für Baumaschinen und Rasenmäher. 27 ) E r s c h ü t t e r u n g e n . Bolze 22 Nr. 71 (Kreis- und Hobelmaschine); O G H 9, 185 (Stanzmaschine); 14, 175 (Wasserwerksbetrieb); J W 1890, 182 Nr. 18; Bolze 3 Nr. 89 (Dampfhammer); R G 7, 265; 17, 103 (Eisenbahnbetrieb); O L G 2, 252 (elektrische Kraftanlage); 5, 1 5 1 ; R G 133, 153 (Erschütterungen durch K f z ) ; B G H VersR 64, 1070 (Erschütterungsschäden durch Bauarbeiten); B G H B B 66, 427 (Wäscheschleuder); B G H M D R 66, 134 (Einrammen einer Spundwand). 28 ) S t a u b . SeuffA 18 Nr. 1 1 ; 42 Nr. 100; 48 N r . 247 (Dampfdrescherei); J W 1908, 1 1 Nr. 12 (Kohlenstaub); Recht 1916 Nr. 1507 (Holzstaubeines Sägewerks); J W 1 9 1 0 , 6 5 4 (Zementfabrik); B G H in R d L 58, 207; B B 57, 1 1 2 3 ; R G 154, 1 6 1 ; O L G Hamm B B 64, 1271 (Staubschäden an Gemüsekultur durch Bauarbeiten an Autobahn); B G H M D R 64, 220 (Industrieeinwirkung); B G H R d L 67, 291 und M D R 68, 483 (Staubablagerung auf Äckern bei Straßenbau); B G H R d L 68, 324 (Bitumenaufbereitungsanlage bei Pflanzenversuchsanlage). a9 ) S a n d . R G 6o, 140; SeuffA 61 Nr. 55 R G (vor einem aufgeschütteten Sandhaufen, Sandkippe); Recht 1 9 1 1 Nr. 2732; wegen kleinster Steinsplitter vgl. R G 1 6 1 , 65. 30 ) 1. 8 § 5 D 8, 5 (Steinbruch); vgl. R G 6, 219; 76, 132; WarnE 18 Nr. 55; J W 1 9 1 1 , 588; R G 1 6 1 , 65; B G H in N J W 59, 97 in J Z 59, 58 (Steinflug ist keine Einwirkung i.S. des § 906); B G H N J W 60, 2335. 31 ) A s c h e . R G 40, 182; J W 1908 , 1 1 Nr. 12, 1910, 20; 1912, 3 1 ; WarnE 19 Nr. 172. 32 ) Lokomotivfunken. R G 17, 103; SeuffA 13 Nr. 235; 14 Nr. 208; Gruchot 45, 1016; 46, 1009; J W 1904, 360; 1910, 20. Nach J W 1910, 619 (RG) soll der Funkenauswurf wegen seiner Gefährlichkeit überhaupt nicht unter § 906 fallen. Diese Annahme ist unhaltbar. Diese Entscheidungen gewähren bei Schadenszufügung durch Funkenwurf Ersatzanspruch ohne Verschulden; s. darüber unten § 43; J W 27, 45 (Feuerwerkskörper). 33 ) F e u c h t i g k e i t . Vgl. Bolze 5 Nr. 86 (durch eine Brauerei); a. M. R G in SeuffA 76 Nr. 90 (Feuchtigkeit gehört nicht hierher); bestritten, ob Feuchtigkeit aus Ruinengrundstücken unter § 906 fällt, überwiegende Meinung verneint; Hamburg M D R 56, 352; Köln N J W 56, 1564; vgl. auch Düsseldorf N J W 53, 1394; Kassel in M D R 59, 844; B G H in N J W 56, 382; Hodes in N J W 54, 1345; a. M. Bartsch N J W 56, 1266. 34 ) Z. B. von einem Springbrunnen. 36 ) J W 1 9 1 1 , 587. Z. B. Scheinwerfer (Endemann 470 Anm. 37) oder Anstrich einer Mauer mit blendend weißer Lackfarbe. Die Beschattung (Entziehung von Licht) ist keine unzulässige Einwirkung, BayZ 1908, 125 (RG). Dagegen steht den Eigentümern eines Hauses kein Unterlassungsanspruch gegen die Anbringung von Reklametafeln auf dem Nachbargrundstück zu, auch wenn dadurch das Landschaftsbild verunstaltet wird. In einzelnen Kantonen der Schweiz bestehen derartige Schutzvorschriften (Waldis, Schweizer Nachbarrecht S. 64). 36 ) Urteil des R G V 344/97 mitgeteilt von Turnau-Förster Anm. 2 zu § 906 (künstlich erzeugte Kälte); R G V I 77/01 in R G K Bern. 4 zu § 906; R G R K o m . Bern. 4 zu § 906; vgl. auch R G 76, 132.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

keimen und Unkrautsamen37), Schnee38), Geschossen39), Einwirkung von elektrischen Strömen40), Herüberfliegen von Bienen, Fliegen41), und Tauben42). Ferner gehört hierher das Eindringen von Ratten und Mäusen43). 37

) Striethorst, Arch. 59, i (Pilze, welche sich auf Berberizensträuchern entwickeln und welche notorisch Rost in den Roggenfeldern herbeiführen). Vgl. hierzu oben § 11 S. 155 Anm. 5 und Endemann 461 Anm. 4. Cour d'appel Limoges mitgeteilt von Scherer 3. Jahrg., 306 (Tuberkelbazillen infolge eines Asyls für im letzten Stadium befindliche Lungenkranke). Vgl. Koch in J R 57, 456: Schäden durch Unkrautsamen. Ein Anspruch gegen den Nachbarn, der sein Grundstück verunkrauten läßt, besteht nicht. Das bloße Untätigbleiben gegenüber den Naturkräften begründet keine Haftung als Störer nach § 1004 B G B (LG Stuttgart MDR 65, 990). Auch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gibt keine Haftungsgrundlage; vgl. Meisner-Stern-Hodes § 16 II 5. Vom Einflug von Unkrautsamen zu unterscheiden ist das Eindringen oder Hinüberwachsen von Wurzeln, Polsterpflanzen u. dgl. siehe hierzu § 18. 38 ) Schnee. Vgl. Bolze 21 Nr. 52 (beim Schneeschippen eines Weges). A. M. Staudinger-Seufert 6b zu § 906. 39 ) Geschosse. Vgl. Bolze Nr. 54; Gruchot 45, 1016 (Haftung des Militärfiskus ohne Verschulden für das zufällige Herüberfliegen von Kugeln aus einem Militärschießstand); WarnE 11 Nr. 330 lehnt die Anwendbarkeit des § 906 auf Kugeln ab; vgl. über Zulässigkeit des Rechtswegs unten § 44. 40 ) E l e k t r i s c h e u. andere E n e r g i e n : vgl. R G 81, 216 (Vagabondierende elektrische Ströme, die von einer elektrisch betriebenen Straßenbahn mit Schienenrückleitung in den Erdkörper ausstrahlen). Die Einwirkung von Starkstromleitungen auf bereits früher bestandene Schwachstromleitungen ist durch § 12 des Reichsgesetzes über das Telegraphenwesen vom 6. 4. 1892 (RGBl. 1892,469) i.d.F. vom 14. 2.1928 (RGBl. 1,8) geregelt; s. hierüber oben S. 175 Ziffer 3. Vgl. auch Kloeß in ArchZivPr. 103, 77. Einwirkung von hochfrequenten Strömen auf Radio- oder Fernsehanlagen fallen unter § 906, Störungen werden aber durch techn. Schutzvorrichtungen ausgeschaltet. Nach § 14 Abs. 3 der VO über Bau u. Betrieb von Straßenbahnen vom 13. 1 1 . 1937 (RGBl. I, 1247) i.d.F. vom 14. 8. 1953 (BGBl. I, 974) in Verbindung mit dem Ges. vom 4. 12. 1934 (RGBl. I, 1237) gelten für die Anbringung von Haltevorrichtungen für die Oberleitung der Straßenbahnen die Bestimmungen in § 5 Abs. 6 des StrVGes. Hiernach sind die Besitzer von Grundstücken und Baulichkeiten verpflichtet, das Anbringen der erforderlichen Vorrichtungen zu dulden. Zum Funkrecht vgl. oben Nr. 7. Nachdem die elektrischen Geräte „entstört" sein müssen, kommt eine Störung des Rundfunkempfangs duch Rückkoppelung usw. praktisch nicht mehr in Betracht Bei den Störungen des Fernsehempfangs durch Reflektoren handelt es sich um negative Einwirkungen, die nicht abgewehrt werden können. Vgl. dazu Hulvershorn NJW 61, 1448; Vieweg B B 61, 166; siehe unten § 38 I 2. 41 ) Bienen. Vgl. unten S. 143; vgl. RG 141, 406; 159, 68 (unter Afgabe der früheren Ansicht in R G 76, 130 u. JW 1 1 , 588); BGHZ 16, 366 = NJW 55,747; München HRR 1932 Nr 447; OLG 26, 23; Pritzl, SeuffBl. 66,459; Endemann 469; Friedrichs, D J Z 1904, 685; Kuhlenbeck im Recht 1904, 309 gegen Strauß, D J Z 1903, 367. Für den durch Bienen herbeigeführten Schaden (Bienenstich) haftet der Bienenzüchter nach § 833; Pritzl in SeuffBl. 66, 465; Oppermann, SächsRpfl. 16, 449. Durch das Gesetz vom 30. 5.1908betr. Änderung des § 833 ist die Haftung des Halters von Haustieren gemildert worden. Die Biene ist kein Haustier. (Anders Oppermann a.a.O.). Ein Antrag, dem § 833 als Abs. 3 hinzuzufügen: „Die Bienen gelten als Haustiere" wurde abgelehnt. (Nr. 538 der Drucks, d. RT 1907/08, KommBer. S. 4, Reichstagsberatung S. 5142). Über das Recht des Selbstschutzes gegen Bienen und die Schranken dieses Rechtes s. unten § 14 V. Der Eigentums240

§ 1 4 II 2

Immissionen 2. F e s t e u n d f l ü s s i g e

Körper

Nicht bei allen diesen Fällen ist es zweifelsfrei, daß sie unter § 906 fallen. Die herrschende Meinung klammert sich an die Ausdrucksweise der Motive, die v o n „Imponderabilien" sprechen und lehnt die Anwendbarkeit des § 906 auf feste und flüssige Körper ab 44 ). Das bedeutet einen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung, zu welchem der Wortlaut des Gesetzes nicht zwingt. Der § 906 verdankt seine Entstehung der Tatsache, daß es eine Reihe v o n Einwirkungen gibt, die sich nicht in bestimmten Grenzen bannen lassen und deren strenge Ausschließung die Wirtschaft der einzelnen und der Gesamtheit erheblich schädigen würde. Das Gesetz führt eine Reihe v o n Beispielen auf und stellt ihnen „ähnliche Einwirkungen" gleich. Eine A b grenzung v o n festen und nicht festen Stoffen würde dazu führen, daß auch Staub, Sand, Steinsplitter nicht unter § 906 fallen können. Das einzelne Sandkorn ist ein fester Körper 4 6 ). Läßt man die Anwendbarkeit des § 906 auf diese Fälle nicht zu, so braucht die Einwirkung fester Körper v o m Eigentümer nicht geduldet zu werden. Das ergibt sich aus den v o m Gesetz anerkannten Ausschließungsprinzip (s. oben S. 188). Dadurch würde die Volkswirtschaft geschädigt. E i n solcher Wille kann dem Gesetzgeber ohne

freiheitsklage wegen Eindringens von Bienen ist die Grundlage entzogen, wenn der Bienenschwarm infolge Ausziehens herrenlos geworden ist (§ 971). Endemann 469 Anm. 35. Die Bienen werden vom römischen Recht zu den wilden Tieren, vom alten Sachsenrecht (Sächw. Weichbild Art. 124) zu den Gewärmern und von verschiedenen Provinzialrechten zu dem gezähmten Vieh (Geflügel) gerechnet (Hagemann Landwirtschaftsrecht S. 541; Figge in R d L 54, 260 (Grundzüge des Bienenrechts). Das Eindringen von Fliegen aus einer benachbarten Tierhaltung fällt ebenfalls unter § 906 (RG 160, 381). " ) T a u b e n . Vgl. JW 1 9 1 1 , 588; EntschOGH 6, 400; SeuffA-53 Nr. 5; SeuffBl. 42, 94. Vgl. dagegen Endemann 469 Anm. 35; Mosich JheringsJ 80, 290; StaudingerSeufert Randb. 7 zu § 906; a.M. R G 76, 132 (Tauben); Planck-Strecker 3a; RGRKomm. Bern. 5; Ermann-Seibert Bern. 3 a je zu § 906. *3) Mit manchen Gewerbebetrieben (z. B. Getreidelagern, Aufbereitung von Tierfellen) ist eine Ratten- und Mäuseplage verbunden, welche für die Nachbarn sehr lästig werden kann. Schadensersatzpflicht hier nur bei Verschulden, da § 833 nicht einschlägt. Die hM erklärt § 906 auf Tiere, wie Mäuse u. Ratten nicht für anwendbar, vgl. HRR 30 Nr. 1105; RGRKomm. Bern. 5; Planck-Strecker Bern. 3 a zu § 906; dafür (wie hier) (Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906. 44 ) R G K Bern. 5 zu § 906; Endemann 476; Planck Bern. 3 zu § 906; R G 76, 132 spricht von der Anwendbarkeit des § 906 auf „feste Körper, wie Bienen, Tauben, Steine aus Steinbrüchen". Dagegen verneint R G in L Z 1918, 845 die Anwendung des § 906 bei festen Körpern — abgesehen von Kohlenstaub und Asche — ; ebenso Recht 1 9 1 1 Nr. 2732 (RG), wo es sich um abgeirrte Kugeln eines Schießstandes handelt. Die hM wendet § 906 nicht auf feste Körper u. Flüssigkeiten an: R G 161, 65; WarnR 1911 Nr. 330; Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906. Vgl. B G H N J W 59, 97 (Steinbrocken); B G H N J W 55, 747 (Bienen). " ) Vgl. Recht 1911 Nr. 2732 (RG). 16

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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g 14 II 2

XI. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

2wingende Not nicht unterstellt werden. Es liegt also kein hinreichender Grund vor, von den bewährten Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Beim Eindringen von Bienen und Tauben, sowie von Ratten und Mäusen könnte man freilich bezweifeln, ob es sich auch hier um eine „ähnliche Einwirkung" handelt, wie in den vom Gesetz aufgestellten Fällen. Doch dürfte dies zu bejahen sein, denn auch hier hat man es mit Körpern zu tun, welche von verhältnismäßig geringem Volumen sind und deren Abhaltung von den Nachbargrundstücken in Ansehung der Ratten und Mäuse geradezu unmöglich ist, in Ansehung der Bienen und Tauben zwar nicht gerade unmöglich, aber doch nach der Beschaffenheit der Tiere, denen eine rationelle Wirtschaft den Ausflug lassen muß, untunlich ist46). Dies trifft dagegen nicht zu bei Hühnern, Gänsen, Kaninchen, noch weniger bei Katzen, Hunden, Schafen, Rindern usw. Hier kann es sich nicht um eine ähnliche Einwirkung handeln. Der Eigentümer eines Grundstückes kann daher das Eindringen solcher Tiere schlechtweg verbieten47). Was speziell das Eindringen von B i e n e n (vgl. oben S. 141 Anm. 41) anlangt, so ergibt sich bei Anwendung der Grundsätze des § 906 folgendes: a) Das Verbietungsrecht besteht vor allem dann nicht, wenn durch das Hinüberfliegen der Bienen die Benützung des Nachbargrundstückes nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Ob eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, wird einerseits nach der Menge der Bienen und der Zahl der Fälle, in welchen sie eindringen, andererseits nach der Art der Benützung des betr. Grundstückes zu entscheiden sein. Die Belästigung ist weit fühlbarer in einem Restaurationsgarten als auf einer Wiese. Aber auch für einen Restaurationsgarten wird das Eindringen von Bienen nur dann als w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung angesprochen werden können, wenn die Bienen in größerer Menge auftreten. Aber selbst wenn durch die fremden Bienen die Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird, kann dessen Eigentümer das Eindringen der Bienen dann nicht verbieten, wenn die Bienenzucht nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken der Lage wie die, von welchen die Bienen kommen, gewöhnlich ist. Auf dem Lande wird diese 46

) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906 und Nachweise; vgl. O L G 18, 123. ) Dem Eigentümer ist der Anspruch aus § 1004 B G B gegeben; der Anspruch auf Beseitigung der Störung wird wohl kaum praktisch werden; wohl aber der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen, wenn solche zu besorgen sind. Wenn ein Hund auf fremdem Gebiet einmal reviert, so ist diese Besorgnis nicht begründet; anders, wenn der Hund des Nachbars wiederholt in den Hofraum des Eigentümers läuft. Desgleichen ist der Anspruch auf Unterlassung begründet, wenn ein Ortseinwohner es wiederholt geschehen läßt, daß seine Gänse oder Hühner in fremde Gärten, Hofräume oder auf fremde Felder laufen. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Tiere hält, zu richten; dieser muß dafür sorgen, daß die Gänse und Hühner nicht auf fremde Grundstücke laufen. Für den durch die Tiere angerichteten Schaden haftet er in Gemäßheit des § 833 Abs. 2 B G B . Daneben kommt noch das Feldschadengesetz vom 6. 3. 1902, GVB1. 1902, 99 in Betracht. Vgl. hierzu unten § 43. 47

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Immissionen

§ 1 4 II 3

Voraussetzung eher zutreffen als in der Stadt48). Doch ist keineswegs ausgeschlossen, daß auch in der Stadt, namentlich in den mit Gartenanlagen reichlich versehenen Teilen, Bienenzucht getrieben wird. Wo dies in einer Vielzahl von Fällen, so daß man von Ortsüblichkeit sprechen kann, vorkommt, kann der Inhaber eines Gartencafes das Eindringen von Bienen nicht verbieten, auch wenn ihm hierdurch die Gäste vertrieben werden49). 3. Das E i n d r i n g e n v o n W a s s e r , welches nicht in der L u f t suspendiert ist 60 ), wird durch § 906 B G B nicht getroffen. Soweit Wasser, welches auf dem Boden oder v o n der Dachtraufe läuft, in Betracht kommt, sind die landesgesetzlichen Vorschriften anzuwenden; denn gemäß Art. 65 E G bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören, durch das bürgerliche Gesetz unberührt. N a c h Art. 63 A b s . 1 Satz 2 W G ist der Eigentümer des niedriger liegenden Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf des Wassers, welches sich auf den höher liegenden Grundstück auf natürliche Weise ansammelt, zu dessen Nachteil zu hindern, während nach Art. 63 A b s . 1 S. 1 W G der Eigentümer nicht befugt ist, dem Wasser, welches auf seinem Grundstücke entspringt oder sich darauf natürlich sammelt, zum Abflüsse auf fremdes Eigentum eine dieses belästigende andere Leitung, als wohin nach der Beschaffenheit des Bodens der natürliche L a u f geht, oder eine belästigende größere als die natürliche Stärke zu geben. Wird durch Anschüttungen, die auf einem Grundstück zum allgemeinen Nutzen vorgenommen werden, das Steigen des Grundwasserspiegels auf einem Nachbargrundstück verursacht, so liegt keine unzulässige Einwirkung im Sinne der §§ 905 bis 907 B G B vor (HRR 1936 Nr 1957 = R G 155, 154). Zu beachten ist, daß nach dem Wasserhaushaltsgesetz v. 25. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) in sog. Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verboten und den Grundeigentümern die Duldung bestimmter Maßnahmen auferlegt werden können, wodurch nachteilige Einwirkungen auf Gewässer und schädliches Abfließen des Niederschlagwassers verhütet sowie die Anreicherung des Grundwassers herbeigeführt werden sollen (§19 WHG). Verboten ist außerdem das Einbringen fester Stoffe lediglich zu dem Zweck, um sich ihrer zu entledigen (§ 26 WHG). Um eine Verunreinigung oder nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Wassers und des Wasserabflusses hintanzuhalten, wird die Lagerung von Stoffen an Gewässern unter Kontrolle gestellt (§ 26 Abs. 2 WHG in Verb. m. Art. 35 BayWG). Das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser ist erlaubnispflichtig (§34 WHG). Eine schädliche Verunreinigung und nachteilige Veränderung des Grundwassers soll auch durch entsprechendes Lagern und Befördern von Stoffen sowie von Flüssigkeiten von Gasen (in Rohrleitungen) vermieden werden (§§ 34, 38fr. WHG). In § 22 WHG ist eine weitgehende Haftung festgelegt für 48

) Vgl. Pritzl, SeuffBl. 66, 459. ) Recht des Selbstschutzes gegen eindringende Bienen (Vergiftung?) s. unten § 14 V. ) Das Eindringen von Wasserstaub infolge eines Springbrunnens fällt unter § 906, nicht aber das Eindringen des ganzen Wasserstrahles des Springbrunnens, auch nicht, wenn derselbe nur zeitweilig z. B. durch stärkeren Wind auf das Nachbargrundstück hinübergetrieben wird. Überschwemmungsschäden sind nach Wasserrecht, nicht nach §§ 906ff. B G B zu beurteilen (Vgl. R G 122, 134; JW 12, 391). 49

50

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III 1

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

jede irgendwie verursachte Veränderung in der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers50"). A u c h die Frage, ob der Nachbar das durch den menschlichen G e brauch hindurchgegangene, durch Fabrikabwässer verunreinigte Wasser v o n Privatflüssen aufnehmen muß, gehört dem Wasserrecht an. Der Begriff „Benutzungen" i. S. des WHG ist in dessen § 3 ganz weit gefaßt. Es fallen darunter: das Entnehmen und Ableiten, das Aufstauen und Absenken von Wasser aus oberirdischen Gewässern und aus dem Grundwasser, ferner das Entnehmen fester Stoffe, das Einbringen und Einleiten von Stoffen — mögen sie fest oder flüssig oder gasförmig sein — in oberirdische Gewässer und in das Grundwasser. Damit gehören alle irgendwie mit dieser Art von Benutzungen zusammenhängende Fragen zum Wasserrecht und sind nach dem WHG und dem Bayer. W G zu beurteilen, nicht nach § 906 ff. B G B . Nur insoweit, als kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung gem. § 1 Abs. 2 WHG von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen werden Art. 1 Abs. 2 BayWG, wäre eventuell Raum für die Anwendung der §§ 906 ff. B G B . A u c h das Versetzen des Grundwassers mit schädlichen chemischen Stoffen fällt nach dem W H G unter das Wasserrecht; denn auch die chemische Verunreinigung v o n Grundwasser ist in § 3 A b s . 1 Ziff. 5 u. A b s . 2 Ziff. 2 in Verb. m. §§ 26, 34 und 38 W H G verboten. Jeder Gefahr für eine schädliche Einwirkung auf das Grundwasser soll durch Reinhalte-Maßnahmen vorgebeugt werden. III. 1. Voraussetzung des § 906 ist, daß d i e E i n w i r k u n g v o n e i n e m a n d e r e n G r u n d s t ü c k a u s g e h t 6 1 ) ; ob dieses Grundstück unmittelbar angrenzt oder weiter entfernt liegt, so daß die Einwirkung erst durch V e r mittlung der dazwischen liegenden Grundstücker herübergelangt, ist gleichgültig 52 ). E s ist unerheblich, ob der Dritte, dessen Grundstück die 60a ) Vgl. L G Bayreuth in Landw. Wochenbl. 59, 16 (Durch Gaswerk vergiftetes Grundwasser). 51 ) Wenn die Immission von einer auf dem betroffenen Grundstück befindlichen Anlage ausgeht, ist § 906 nicht einschlägig (RG 81, 225). Nach R G 57, 240 soll dieses Erfordernis nicht vorliegen, wenn auf dem Grundstück des Beklagten ein Gewerbe betrieben wird, das zu Ansammlungen und zum Lärmen des Publikums auf der Straße Anlaß gibt. In dieser Allgemeinheit ist das nicht richtig. Die Einwirkung geht von einem anderen Grundstück aus, nämlich unter Benützung des Grundsstücks oder der Straße in Ausnützung des Gemeingebrauchs (vgl. Staudinger-Seufert Randb. 4e zu § 906; a. M. PlanckStrecker 3b; R G R Kom. 6 je zu §906). Es fragt sich nur, ob der Inhaber des Gewerbes der Einwirkende ist. Das ist nach § 1004 zu beurteilen und beispielsweise bei einem Schaubudenbesitzer der Fall, nicht beim Hotelier; vgl. B G H N J W 63, 2020 (Verantwortlichkeit der Streitkräfte für den Lärm aus einem Soldatenclub). 62 ) M 3, 265 (Mugdan 3, 146). Vgl. JW 1882, 158. — Deshalb fällt auch die Immission der Fabrikabwässer in einen öffentlichen Fluß dann, aber auch nur dann unter § 906 B G B , wenn infolge dieser Einleitung aus dem Flusse übelriechende Gase oder Dämpfe usw. aufsteigen. Die Angrenzer des Flusses haben dann unter Umständen in Gemäßheit des § 906 einen Anspruch gegen den Fabrikanten. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß § 906 nicht

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Immissionen

§ 1 4 iii 1

Immission vermittelt, dieselbe aufnehmen muß 63 ). E s ist nicht notwendig, daß die Quelle der Einwirkungen sich in maschinellen oder sonstigen E i n richtungen verkörpert. E s ist nicht einmal erforderlich, daß die Einwirkung mit der wirtschaftlichen Benützung des Grundstücks zusammenhängt 54 ), sondern es handelt sich lediglich um räumliche Bezeichnung des Ursprungs der Einwirkung. A u c h braucht derjenige, der die Einwirkung veranlaßt, zu dem Grundstücke, von welchem sie ausgeht, in keinem rechtlichen V e r hältnis als Eigentümer, Mieter usw. zu stehen66). Es ist daher nach § 906 zu beurteilen, wenn jemand auf der Straße einen Böllerschuß abfeuert66) oder ein Feuerwerk abbrennt. Für den Fall, daß auf ein und demselben Grundstück verschiedene Anlagen gegenseitig auf einander einwirken — 2. B. die Beschädigung von Gasrohren durch elektrische Ströme, die von einer auf demselben Grundstück verlaufenden Starkstromanlage (der Straßenbahn) ausgehen — hat das R G ( R G Z 81,216) die Anwendung des § 906 verneint. Zutreffend tritt Staudinger-Seufert (Randbem. 4c zu § 906) in solchen Fällen für eine entsprechende Anwendung des § 906 ein. Vgl. dazu B G H in BB 54,426 (Geräuschimission, die eine Mietwohnung beeinträchtigt durch den von einer Wohnung im gleichen Hause ausgehenden Lärm). In diesem Zusammenhang spielt der Radiolärm eine besondere Rolle. Zwar gibt das B G B gegen Belästigungen nach der rein persönlichen Seite keinen Schutz57). Dieser Schutz ist der strafrechtlichen Regelung oder privaten Vereinbarung überlassen (z.B. bei Mietverträgen in der Hausordnung,'bei Eigentumswohnungen in der Gemeinschaftsordnung). Radio- oder Musiklärm, der nicht übermäßig ist, kann daher nicht unterbunden werden, wenn der betroffene Nachbar überempfindlich ist. Es ist hier auf die Empfindung des Durchschnittsmenschen abzustellen. Wenn z.B. ein Nervenkranker Musik nicht vertragen kann, oder ein Musiker an den Musikdarbietungen eines Amateurs einschlägig ist insoweit, als durch die Fabrikabwässer der Gebrauch des Flußwassers beeinträchtigt wird. Diese Frage gehört dem Wasserrecht an, weil hier eine Benutzung i. S. von § 3 WHG vorliegt. 63 ) JW 1887, 125 Nr. 42. 64 ) A. M. Goldmann-Lilienthal II § 10 Anm. 29 u. 50, gebilligt von Staudinger Bern. 1 4 zu § 906, die dem Inhaber einer Konditorei einen unbeschränkten Anspruch gegen die Rauchbelästigung eines Kastanienrösters gewähren. Diese Anschauung deckt sich weder, mit den Bedürfnissen des Verkehrs noch mit dem Wortlaute des Gesetzes. A. M. Staudinger-Seufert Randb. 4a zu § 906. " ) Vgl. J W 1894, 30 Nr. 93. 68 ) Das wird idR als Salut-Schießen bei besonderen Anläßen zulässig sein, da es in Ausübung des Gemeingebrauchs geschieht (worauf Staudinger-Seufert Randb. 4a F N * zu § 906 zutreffend hinweist). Eine andere Frage ist die, ob der Eigentümer des Grundstücks hierwegen eine Klage erheben kann. Die Beeinträchtigung ist mit dem Aufhören der Schallwirkung von selbst beseitigt. Die Gefahr der Wiederholung wird zur Zeit der Klageerhebung regelmäßig nicht mehr bestehen. Es ist deshalb auch kein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder Unterlassung weiterer Beeinträchtigung (§ 1004 BGB) gegeben. Ist infolge des Schreckens (vgl. hierzu R O H G 21, 412), der durch den plötzlichen Knall verursacht wurde, die Gesundheit eines Hausbewohners beschädigt worden, so hat dieser einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB, weil das unerwartete Abfeuern einer Kanone in der Nähe bewohnter Häuser eine schuldhafte Handlung darstellt. Vgl. § 367 Nr. 8 StGB, worunter auch das blinde Schießen fällt (Stenglein 7, 217). 67 ) Staudinger § 906 Anm. 23.

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§ A4 III 2

n. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Anstoß nimmt, so kann hier ein Verbietungsrecht nicht begründet werden. Es kann aber verlangt werden, daß Radioapparate auf Zimmerlautstärke gestellt werden, oder andernfalls die Fenster geschlossen werden. Eine Gewohnheit, wonach Radioapparate bei offenem Fenster in voller Lautstärke laufen, hat sich nicht entwickelt; im Gegenteil entwickelt sich mehr und mehr durch die Gemeinschaftsordnungen der Eigentumswohnungsblöcke die Übung, daß Radiogeräte auf Zimmerlautstärke einzustellen sind. Gegen eine übermäßige, auch vom Durchschnittsmenschen empfundene Belästigung durch fortgesetztes Klavierspielen oder Dröhnen-lassen des Radios, vielleicht sogar bei geöffnetem Fenster, besteht somit ein Verbietungsrecht des betroffenen benachbarten Eigentümers58). 2. Die Zuführung 5 9 ) setzt k e i n p o s i t i v e s T u n voraus, ein Nichthindern genügt. W e r zur Entstehung oder Verbreitung der Imponderabilien die Ursache liefert, muß es verantworten, daß diese ihren eigenen W e g nehmen. Ist somit eine unmittelbare Tätigkeit nicht Voraussetzung des Begiiffes „ Z u f ü h r e n " , so erfordert er doch ein e i g e n e s V e r h a l t e n des Nachbarn. E i n solches eigenes Verhalten liegt z. B. nicht vor, wenn sich Ruß auf einem Grundstücke v o n selbst angesammelt hat und später wieder aufgewirbelt wird 60 ). Anders, wenn der Ruß aus den auf dem Grundstück selbst befindlichen Schloten stammt. E i n eigenes Verhalten in dem erwähnten Sinne liegt nicht vor, wenn der Wind den in natura vorhandenen Kalkstaub auf das Nachbargrundstück trägt, anders dagegen, wenn der Staub durch die exerzierenden Truppen aufgewühlt wird 6 1 ).Eine Z u f ü h rung i.S. des § 906 liegt dann vor, wenn die die Beeinträchtigung hervorrufende Einwirkung durch eine Willenbetätigung des Eigentümers oder Benutzers eines Grundstücks unmittelbar adäquat verursacht wird, oder — soweit die Beeinträchtigung durch Dritte verursacht wird — der Eigentümer die rechtliche Möglichkeit hat, die Einwirkung zu verhindern, z. B . : der Unternehmer einer Omnibuslinie muß verhindern, daß von den Fahrgäs-

5S

) Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 16 FN. 48. ) Hörig 9f. weist darauf hin, daß unter den Begriff „Zuführung" zwei ganz verschiedene physikalische Vorgänge fallen: Gase, Gerüche, Rauch, Ruß, Dämpfe usw. dringen tatsächlich als Körper ein; Geräusche, Wärme und Erschütterung sind nichts anderes als eine von außen her durch Schwingung von Luftwellen bewirkte Bewegung der kleinsten Stoffteile in leidenden Grundstück selbst oder dem darüber befindlichen Luftraum. Der Ausdruck „Zuführung" ist daher ungenau. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 5 a zu § 906. 90 ) Endemann 461 Anm. 4 und 470 Anm. 39 setzt als Voraussetzung der Unzulässigkeit einer Immission, daß ihre Ursache in einer Veranstaltung liegt, welche auf dem Nachbargrundstücke durch menschliche Arbeit eingerichtet ist, im Gegensatz zu den von Natur vorhandenen schädlichen Zuständen, zu deren Beseitigung keine Pflicht bestehe. Das ist im Prinzip richtig, soweit die Eigentumsfreiheitsklage in Betracht kommt. In besonderen Fällen kann aber ausnahmweise eine Ersatzpflicht begründet sein, s. über diese Frage oben S. 155; s. dort auch den Fall, daß von einem Sumpfe Miasmen aufsteigen. 61 ) R G Z 60,140; SeuffA 61 Nr. 5 5. 69

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§ 1 4 vi

ten an der Haltestelle vor einem Bürohaus Abfälle weggeworfen werden 6 2 ) ; der Hauseigentümer muß unerträglichen Lärm seiner Mieter unterbinden 63 ) ; der Verpächter eines Tanzlokals ist in gleicher Weise wie der Pächter für den Lärm der Gäste verantwortlich 64 ) ; wer einen Teich anlegt ist für das Froschgequake verantwortlich. Wer ein Häutelager hält, ist für die davon ausgehende Rattenplage verantwortlich. Die Unzulässigkeit einer Z u führung hat ein Verschulden des Immittenten n i c h t zur Voraussetzung. D i e schädliche Einwirkung muß nicht durch unmittelbare menschliche Tätigkeit hervorgerufen sein; sie kann auch auf der Wirkung v o n Naturkräften beruhen. Höhere Gewalt allein reicht nicht aus für eine Anwendung des § 906 65 ). IV. Die Zuführung solcher Imponderabilien durch eine eigene L e i t u n g 6 6 ) ist unter allen Umständen, selbst bei unwesentlicher Beeinträchtigung (Ausnahme § 226), unzulässig. Eine besondere Leitung im Sinne des § 906 liegt dann vor, wenn die auch nicht beabsichtigte Wirkung der Einrichtung gerade darin besteht, daß hierdurch die Imponderabilien (Rauch, D a m p f , Gas) v o n dem Grundstück, auf dem sie entstehen, w e g auf ein anderes Grundstück gebracht werden 67 ). E s ist nicht notwendig, daß die Leitung bis an die Grenze geführt ist. Andererseits ist aber erforderlich, daß die Leitung geeignet ist, den oben erwähnten Z w e c k zu erfüllen. Ist das Rohr, durch welches der Dampf ausströmt, zwar gegen das Nachbargrundstück gerich62 ) B G H N J W 60, 2335. (Dient der Omnibusbetrieb öffentlichen Zwecken, so können keine Maßnahmen verlangt werden, die zur Stillegung oder erheblichen Beeinträchtigung des Betriebs führen). M ) R G 159, 129; B G H B B 54, 426. 64 ) B G H N J W 59, 2013. **) Vgl. B G H Z 19, 129. Für die Eigentumsfreiheitsklage nach § 1004 wird es in solchen Fällen immer darauf ankommen, ob der Grundeigentümer irgend eine Vorbedingung gesetzt hat, die das Wirksamwerden der Naturkräfte ermöglicht hat. Vgl. dazu R G Z 127, 54; 134, 233; 149, 210 (Steinschlag aus einem verwitterten Felsen). Vgl. auch B G H in L M Nr. 14 zu § 1004. Die überwiegende Meinung verneint eine Verpflichtung des Grundeigentümers, ganz allgemein Gefahren vorzubeugen, die von Seite der Naturkräfte drohen. Vgl. dazu B G H Z 19, 129; Krach N J W 1953, 789; a.M. Wesskott in N J W 53,1109 zu L G Hagen in N J W 53, 266; Bartsch in N J W 56, 1266; Pleyer in ArchZivPr. 156, 290; Wolff-Raiser SR § 87 I 2, § 52 I 3. Im einzelnen Fall kann die Nachbarschaftslage nach den hier anzuwendenden Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 die Anwendung des § 906 in Verb. m. § 1004 rechtfertigen. S. dazu näher unten bei § 38. m ) Selbstverständlich unbefugte; der Fall, daß eine Dienstbarkeit oder eine sonstige Berechtigung vorliegt, gehört nicht hierher. Staudinger, Vorträge 335. " ) Es ist deshalb gleichgültig, ob die Anlage durch menschliches Tun oder durch Naturgewalt oder von Tieren (Gänge) bewirkt worden ist. Vgl. Hörle, Verwaltungsarchiv 10, 368. Vgl. Braunschw. Zt. 26, 43 : Rohre in einer Grenzmauer, wodurch Schallwellen auf das Nachbargrundstück dringen.

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tet, aber die Mündung desselben soweit v o n der Grenze entfernt, daß der D a m p f die ihm durch das R o h r gegebene Richtung nicht bis 2ur Grenze beibehalten kann, so ist dies nicht der Fall. A u f die absolute Unzulässigkeit der Zuführung durch eine besondere Leitung kann sich nur der Eigentümer jenes Grundstückes berufen, auf welches durch die Leitung ein d i r e k t e r Einfluß ausgeübt wird. Läßt z. B. der Fabrikherr unter Zustimmung seines unmittelbaren Angrenzers das Rohr, durch welches er den Dampf abführt, hart an dessen Grenze ausmünden, so kann der weiter entfernte Grundnachbar aus dem Umstände allein, daß eine besondere Leitung vorliegt, sein Verbietungsrecht nur dann begründen, wenn diese Leitung noch direkt auf sein Grundstück wirkt. Derjenige, der die Unzulässigkeit der Leitung behauptet, hat die Beweislast, daß eine besondere Leitung im obigen Sinne vorliegt. Ist dies der Fall, so kann er die Beseitigung dieser Leitung verlangen, auch wenn s i e d i e B e n ü t z u n g seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Wird das Interesse des Eigentümers aber durch die Leitung ü b e r h a u p t nicht berührt, so kann dem Verlangen auf Beseitigung unter Umständen § 226 B G B im Wege stehen. V. Liegt keine besondere Leitung vor, sondern wirken die Imponderabilien lediglich durch ihre natürliche Verbreitung und unabhängig v o n menschlichem Zutun über die Grenze hinüber 48 ), so gelten folgende Grundsätze: 1. D e r E i g e n t ü m e r k a n n d i e Z u f ü h r u n g d e r a r t i g e r I m m i s s i o n e n n i c h t v e r b i e t e n , insoweit die Einwirkung die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Diese Frage bildet eine Rechtsfrage 69 ). N u r eine Einwirkung auf das Grundstück und den darüber befindlichen Luftraum gibt dem Eigentümer das V e r bietungsrecht, nicht also eine Einwirkung auf die öffentliche Straße, sofern sie nicht v o n da auf das Grundstück weiterwirkt 70 ). Einflüsse des gewöhnlichen Haushaltes oder des kleinen Gewerbebetriebs werden regelmäßig • 8 ) M 3, 265 (Mugdan 3, 146). 69 ) Recht 1904, 603 Nr. 2608 (ObLG). Natürlich wird diese Rechtslage auf der Grundlage tatsächlicher Erwägungen entschieden. Es kann sich hierbei oft um Fragen handeln, die ganz besonders schwierig sind, bei deren Beantwortung der Richter immerhin nicht allzu ängstlich zu Werke gehen darf. E r wird sich mit demjenigen hohen Grade der Wahrscheinlichkeit begnügen dürfen und müssen, der dem Umfange der menschlichen Erkenntnis und den Erfahrungen entspricht und Wahrheit ist für ihn das, was er nach dem Stande der Wissenschaft und auf Grund der bisherigen Erfahrungen für Wahrheit halten darf. Unter Berufung auf R G 15, 338 angewendet auf den Beweis für die Schädlichkeit der Raucheinwirkung auf das Wachstum des Waldes von O L G 2, 506 (Dresden) vgl. B G H N J W 59, 1632. 70 ) Der Umstand, daß infolge des Knallens beim Schießen wiederholt Pferde auf den Zugangsweg zum Nachbargrundstück scheu geworden sind und sich hiedurch ein im Wagen sitzender Mietlustiger abschrecken ließ, das Grundstück zu mieten, kann einen Anspruch aus § 1004 nicht begründen (Recht 1915 Nr. 1085 RG).

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zu dulden sein ). O b die Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird, ist nach einem rein objektiven Maßstabe zu beurteilen. Hierbei ist davon auszugehen, daß der Eigentümer das Recht hat, sein Grundstück beliebig zu benützen. A u c h eine für derartige Grundstücke außergewöhnliche A r t der Benützung darf daher der Nachbar nicht wesentlich beeinträchtigen. E s entscheidet weder die gewöhnliche, regelmäßige noch die bisher geübte Benützungsweise. Dabei ist die Zweckbestimmung des fraglichen Grundstücks zu berücksichtigen 72 ). Beispielsweise wird dem Eigentümer einer Wiese, der sie als Bleiche benützen will und deshalb durch den Rauch und Ruß der benachbarten Fabrik erheblich beeinträchtigt wird, der negatorische Anspruch nicht deshalb zu versagen sein, weil die Benützung der Wiese als Bleiche in jener Gegend ganz außergewöhnlich ist73). Eine wesentliche Beeinträchtigung kann darin erblickt werden, daß auf dem Nachbargrundstück gehaltene Bienenvölker durch Knallen (von einem Schießstand) wesentlich beunruhigt werden. O b die Beeinträchtigung längere Zeit hindurch andauert oder ihrem Wesen nach vorübergehender Natur ist, ist nicht ausschlaggebend, kann aber sowohl für die Frage nach der Wesentlichkeit als für die Frage nach der Gemeinüblichkeit v o n Bedeutung werden 74 ). Für die Frage, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist, kommt es nur auf das Ausmaß der Schädigung des betroffenen Grundstücksteils, nicht des ganzen Betriebs, an 76 ). Die Stärke der Reize ist für den Grad ihrer Lästigkeit nicht allein entscheidend; es kommt vielmehr auch auf die Dauer und den Wechsel der 71

) Staudinger-Seufert Randb. 25 zu § 906; Planck Bern. 5 zu § 906. ) Vgl. B G H in N J W 58, 1293. ,3 ) KommProt. 3534 (Mugdan 3, 581). Vgl. Recht 1908, 57 Nr. 317 (Herstellung von Teigwaren). 7i ) Vgl. B G H N J W 1962, 2341 (Geräuscheinwirkung von Privatschulbetrieb; Wesentlichkeit hängt hier nicht von Art und Stärke allein, sondern auch von der zeitlichen Ausdehnung ab; zusätzliche Belästigung am Nachmittag kann wesentlich sein); B G H VersR 64, 1070: (auch unvermeidliche Erschütterung bei Bauarbeiten, die den Regeln der Baukunst entsprechen, sind rechtswidrig, soweit sie über das zulässige Maß hinausgehen); O L G Karlsruhe MDR 67,126 (Volksfeste in ruhiger Wohngegendsind wesentliche Beeinträchtigung); B G H B B 64, 662 (allgemeiner, ständiger Straßenlärm macht zusätzliche Lärmeinwirkung bei Wohngrundstück nicht unwesentlich). Die Aufführung eines Neubaus wird zumeist für den Nachbar eine recht wesentliche Beeinträchtigung darstellen; gleichwohl muß er die damit verbundenen Belästigungen dulden, weil das Bauen gemeinüblich ist; dies gilt selbst für jene Lagen, in welchen weit und breit noch kein Haus steht. In solchem Fall muß eben der Kreis der in Betracht kommenden Grundstücke weit hinaus gelegt werden. Vgl. Hörle, Verwaltungsarchiv 10, 368. Eine besondere Häufigkeit und Dauer der Einwirkung ist an sich nicht erforderlich, unter Umständen aber für die Frage von Bedeutung, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist (RG 57, 227). Vgl. auch R G 99, 180; Celle in JW 37, 2116. 75 ) B G H R d L 67, 291. 72

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Schall-, Licht- oder Geruchsreize an76). Die von einer Maschine ausgehenden verschiedenartigen Geräusche sind nicht lediglich jedes für sich allein, sondern auch in ihrer Gesamtwirkung zu prüfen"). Eine Einwirkung ist allerdings dann nicht mehr wesentlich, wenn das betroffene Grundstück durch andere Immissionen, die es dulden, muß so stark beeinträchtigt ist, daß weitere Einwirkung an dem Gesamtzustand nichts mehr ändern können. Wird auf dem bisher als Ackerland benützten Grundstück ein Wohnhaus errichtet, so steigert sich dadurch das Verbietungsrecht des Eigentümers gegen Immissionen. Der Eigentümer eines noch nicht bebauten, aber zur Bebauung geeigneten und bestimmten Grundstücks (Bauplatz), kann durch die Zuführung von Immissionen in der Verwendbarkeit als Bauplatz wesentlich beeinträchtigt werden78) (Erschwerung des Verkaufs). Dabei darf es sich freilich nicht um eine entfernte Möglichkeit handeln, sondern um eine schon jetzt vorhandene Bauplatzeigenschaft79). Der Fabrikherr kann sich nicht darauf berufen, daß seine Fabrik eher gestanden hat, als das Wohnhaus. Der Umstand, daß die Beeinträchtigung nur dadurch zu einer wesentlichen wird, daß das Nachbarhaus schlecht gebaut ist und deshalb die Erschütterung, welche einem gut gebauten Hause nicht schaden würde, nicht aushalten kann, genügt nicht zur Begründung der Zulässigkeit dieser Einwirkung 80 ). Die Beschränkung hat ihren Grund im Mangel eines wesentlichen Interesses. Weshalb aber ein solches vorliegt, ist ohne Bedeutung, ebenso der Umstand, daß es in der Hand des Eigentümers liegt, ein solches Interesse in Wegfall zu bringen. Wenn aber der Eigentümer des Grundstücks, auf welches eingewirkt wird, durch verbotswidriges Handeln oder Unterlassen einen Zustand herbeiführt, infolgedessen eine an sich unwesentliche Beeinträchtigung wesentlich ist, kann er sie nicht verbieten81). Bei Prüfung der Frage, ob eine Einwirkung übermäßig ist, ist das Gericht aber keineswegs an etwa hierüber erlassene polizeiliche An76 ) J W 1 9 1 1 , 236; vgl. B G H M D R 64, 220 (Bei Zuführung von Rauch und Ruß kann sich der Immittent nicht darauf berufen, daß eine geringere (zulässige) Einwirkung im Laufe der Zeit dieselbe Wirkung gehabt hätte). 77 ) Recht 1908 Nr. 3 1 5 2 (RG); O L G Bremen in Glasers Miet- u. WohnR II 138 (Dauerndes Brummen von Maschinen). 78 ) J W 1909, 219. 79 ) O L G 18, 1 2 5 ; B G H Z 15, 148: die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse sind zu berücksichtigen. 80 ) Vgl. O G H 17, 19 ; Bolze 10 Nr. 67. 81 ) Z. B. wenn er beim Bau seines Hauses die Trennungswand gegen die Schreinerei des Nachbars entgegen baupolizeilicher Vorschrift zu dünn aufgeführt hat. (Dernburg274 Anm. 16; J W 1912, 589; Gruchot 34, 476).

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Ordnungen gebunden ). Gewerbepolizeiliche Genehmigung ( § 2 6 GewO) eines Betriebes kann den Anspruch auf Unterlassung unter Umständen in einen solchen auf bloße Schadloshaltung umwandeln83), jedoch nur im Rahmen der Gewerbegenehmigung, nicht bei Überschreitung der behördlichen Auflagen oder Bedingungen. Wenn seitens verschiedener Nachbarn oder mehrerer Betriebe unabhängig voneinander Immissionen zugeführt werden, und erst durch das Zusammenwirken aller Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benützung des Grundstückes herbeigeführt wird, ist gleichwohl diese Beeinträchtigung als durch jede einzelne Immission herbeigeführt zu erachten. Dies ergibt sich aus dem oben erwähnten Zweck der Vorschrift; es ist jede einzelne Einwirkung kausal für den durch alle herbeigeführten Erfolg 84 ). Auch kann von keinem der mehreren Immittenten eingewendet werden, daß die anderen neben oder vor ihn belangt werden müssen85). Die Frage, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist, wird nach dem Gesamtschaden beurteilt. Der einzelne Betrieb kann sich nicht damit entlasten, daß seine Störung unerheblich sei. Erst bei der Verteilung des Ersatzes des Gesamtschadens kommt das Maß der Beteiligung des einzelnen Betriebes in Betracht. Bei verschiedenen Lärmquellen (ZB Straßenbahnkehre und allg. Verkehrslärm) ist die gemessene Lautstärke (Phon) und das Verhältnis der Geräuscheinwirkungen untereinander nicht allein entscheidend; es kann die besondere Lästigkeit des Lärms gerade durch die Zusammensetzung mehrere bestimmter Geräusche und Frequenzen erst begründet werden86). 82 ) Recht 1905, 194 N r . 846 ( R G ) ; R G 1 3 3 , 1 5 5 ; Staudinger-Seuf. Randb. 15 zu § 9 0 6 ; B G H N J W 59, 2 0 1 3 . ra ) S. darüber unten § 3 9 ; sonstige polizeiliche Genehmigung übt keinen rechtlichen Einfluß; vgl. J W 1904, 487 N r . 1 2 ; R G 1 5 9 , 1 2 9 ; Seuff A 96 N r . 68; R G 1 5 6 , 320 (Vermeidbare Immissionen aus einer Brauerei); vgl. auch O G H Z 2, 1 8 1 = M D R 49, 6 1 2 . 84 ) V g l . R G 2 1 , 300; R G 99, 1 8 0 ; W a r a R 40, 4 1 ; R G 1 6 7 , 14. Riehl, GruchotsBeitr. 5 1 , 1 5 9 kommt praktisch zu demselben Ergebnis. Dem Immittenten liege der Nachweis ob, daß s e i n e Immissionen nicht über das Maß des Erlaubten hinausgehen. D a diesen N a c h weis in solchen Fällen niemand zu erbringen vermöge, so falle die das Maß des Gemeinüblichen und Erlaubten überschreitende Gesamtwirkung allen zur Last. Mir erscheint diese Begründung bedenklich. Beizupflichten wird aber Riehls weiterer Ausführung sein, daß es bezüglich der Schadensersatzklage ex delicto und § 26 der Gewerbeordnung darauf ankomme, ob der Anteil des einzelnen an dem angerichteten Schaden feststellbar sei oder nicht; ersterenfalls habe ein jeder nur die auf ihn fallende Quote des Schadens zu ersetzen; letzterenfalls haften alle als Gesamtschuldner, das ergebe sich bei der Deliktslage aus § 830, bei der Klage aus § 26 der Gewerbeordnung aus § 4 3 1 B G B . V g l . J W 1 9 0 8 , 1 1 9 . ( E s besteht kein Gesamtschuldverhältnis bei Schädigung durch Bergbau einer Gewerkschaft und durch Immission Dritter.) 8e

V g l . Bolze 6 N r . 1 3 4 ; R G 1 5 5 , 1 5 4 ; 1 6 7 , 1 4 ; H R R 1 9 3 9 Nr. 889. ) B G H N J W 1 9 6 6 , 1 8 5 8 , vgl. auch B G H N J W 1968, 1 1 3 3 , B G H M D R 64, 66.

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Immer aber muß o b j e k t i v die Benützung beeinträchtigt sein. E s muß daher regelmäßig das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen unter Berücksichtigung der Natur und Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks zugrunde gelegt werden; auf persönliche N e r v o sität oder individuelle Eigentümlichkeit ist keine Rücksicht zu nehmen 87 ). Der von der benachbarten Fabrik kommende Lärm beeinträchtigt die Benützung wesentlich, weil das davon betroffene Grundstück eine Nervenheilanstalt ist, nicht aber, weil der derzeitige Eigentümer nervenkrank ist88). Ob eine Beinträchtigung wesentlich ist, hängt auch von der Natur und der Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks (z.B. Wohn- oder Fabrikgrundstück) 89 ab ). Auch der Standort der störenden Anlage spielt eine Rolle, ob nämlich die Anlage nicht ebensogut an einer Stelle hätte errichtet werden können, von wo aus die Beeinträchtigung vermieden worden wäre90). Z u r Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung genügt es, wenn das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und dadurch der Wert des Grundstücks herabgemindert wird 9 1 ). A b e r auch hier ist das Empfinden eines normalen Menschen zum Maßstab zu nehmen. Ist hiernach eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzunehmen, so verschlägt es nichts, wenn eine Erschwerung der Vermietbarkeit infolge der Geräusche erwiesen wird 92 ), weil gerade ein Mietlustiger an den Geräuschen Anstoß genommen hat. A n einem Badeort können für einzelne Wohnungsgebiete, welchen der Charakter einer besonders ruhigen Kurlage aufgedrückt ist, strengere 87 ) Endemann 472 Anm. 45; Recht 1903, 551 Nr. 2789 (Jena), ebenda 557 Nr. 2887 (Colmar); SeuffA 59 Nr. 125 (RG); JW 1904, 384 (Kinderspielplatz, Schlafen bei offenem Fenster). Recht 1909 Nr. 1500 (öffnen der Fenster unter Tags). In einem Badeplatz sind bezüglich Lärms, Rauches usw. strengere Anforderungen zu stellen als in einer anderen Stadt, auch wenn dies keine Fabrikstadt ist. Vgl. JW 1904, 203 Nr. 15 (Küchengerüche in einem Badeort). Ähnlich für ein Villenviertel Recht 1909 Nr. 1 1 3 3 . Es kann nicht als eine bloße Laune bezeichnet werden, wenn Kurgäste an einem Luftkurort Anspruch darauf erheben, während der Nacht die Fenster offen halten zu können. Vgl. ferner JW 32, 399; B G H in N J W 58, 1393; Schulte in N J W 54, 497. Ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Beachtung der Gewohnheit eines Hausbewohners, nachts bei offenen Fenster zu schlafen, kann nicht anerkannt werden. Diese Gewohnheit kann aber unter Umständen ortsüblich sein und verdient dann Beachtung nach § 906 (JW 1932, 400); B G H in MDR 58, 674 (differenziert-objektiver Maßstab nach dem Zweck und der Natur des Grundstücks); München HRR 41 Nr. 29; L M Nr. 5 zu § 906; RGRKomm. Bern 10; Erman-Westerman Bern. 4a je zu § 906; Wolff-Raiser SR § 53, II 1. 88 ) Endemann 472 Anm. 45; Staudinger-Seufert Randb. 22 zu § 906; R G 70, 3 1 1 ; J W 1904, 143 u. 384. 89 ) B G H N J W 58, 1393. 90 ) B G H N J W 59, 1632; N J W 1964, 396. 81 ) Recht 1908, 201 Nr. 1198 (Frankfurt). Ein Hotelbesitzer braucht die Beeinträchtigung durch übermäßigen Lärm, der von einer Autoreparaturwerkstätte des Nachbargrundstücks ausgeht, nicht zu dulden (Wameyer 1936, 172). 92 ) Recht 1909 Nr. 2114 (RG).

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Anforderungen gestellt werden, durch welche das besondere Ruhebedürfnis der erholungsbedürftigen Kurgäste berücksichtigt wird. Für eine solche Lage ist eben das Empfinden der Kurgäste das normale93). An der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ändert der Umstand nichts, daß diese nur infolge einer solchen Benützung des von der Immission betroffenen Grundstückes herbeigeführt wird, welche ungewöhnlicht ist. Auch kann sich der Immittent nicht darauf berufen, daß jener seine Schädigung selbst abwenden könne94). Er braucht also nicht zur Abdämpfung des Lärms seine Fenster zu schließen oder seine Hauswand zu verstärken. Andererseits muß er die Einrichtungen und Maßnahmen treffen, die allgemein gebräuchlich sind und die jeder billig denkende Nachbar unter gleichen Verhältnissen auf sich nehmen würde. Unterläßt er dies, so hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn sein Eigentum wesentlich beeinträchtigt wird; denn in diesem Fall wird die wesentliche Beeinträchtigung nicht durch die Einwirkung herbeigeführt, sondern durch das eigene Verhalten des Betroffenen96). Über den Rahmen des § 906 B G B kann die Duldung von Einwirkungen unter Berufung auf Treu und Glauben und auf die Grundsätze des § 242 B G B nicht gefordert werden (vgl. unten 3). 2. O r t s ü b l i c h k e i t : Auch, wenn durch die Zuführung von Immissionen die Benützung des benachbarten Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird, kann dessen Eigentümer die Zuführung dann nicht verbieten, wenn dieselbe durch eine Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt wird, die nach den ö r t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n bei Grundstücken dieser Lage üblich und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen abwendbar ist (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB). Damit will das Gesetz sagen: wenn in einer bestimmten Gegend („Lage") die Grundstücke gewöhnlich so benützt werden, daß die Benützung der anderen Grundstücke dieser Gegend dadurch beeinträchtigt wird, so sollen alle Grundstücke gleich behandelt werden. Jeder Eingesessene dieser Gegend darf diese Art Benützung beginnen oder weiterführen, wie andererseits jeder dortige Grundeigentümer verpflichtet ist, sich diese Störungen gefallen zu lassen. Das Interesse der Allgemeinheit drängt eben das Interesse des einzelnen zurück. Ausschlaggebend ist in dieser Beziehung lediglich die Benützung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht die Benützungsart des betroffenen 93

) Vgl. Anm. 87. ) WarnR 1902 Nr. 359; 1909 Nr. 359; 1 9 1 1 Nr. 1 8 7 ; 1913 Nr. 227; J W 1912, 589. R G 70, 3 1 1 . 95 ) Vgl. J W 1912, 589; Warneyer 12 Nr. 227; Gruchot 34, 476. (Scheidewand unter der polizeilich vorgeschriebenen Stärke; Einrichtung eines empfindlichen Betriebs unmittelbar an der Nachbarwand ohne die üblichen Vorkehrungen). 94

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Grundstücks 97 ). Die Tatsache allein, daß in einem Gebiet mit verschiedenen Gewerbebetrieben auch Landwirtschaft betrieben wird, kann für sich allein noch nicht die Annahme rechtfertigen, die industrielle Grundstücksnutzung sei nicht ortsüblich98). Ortsüblich ist eine Einwirkung nur dann, wenn sie andauert, sich wiederholt und in dem betreffenden Gebiet öfter vorkommt 99 ). Ohne daß gleichzeitig eine gleichartige Benützung mehrerer Grundstücke vorliegt, kann die Ortsüblichkeit nicht damit begründet werden, daß sich die Nachbarn an die Einwirkung im Laufe der Zeit gewöhnt haben100). Maßgeblich für die Ortsüblichkeit ist die tatsächliche allgemeine Übung und die allgemeine Anschauung der Bevölkerung in dem betreffenden Gebiet101). Die Zweckbestimmung eines Gebiets in Bebauungsplänen u. dgl. öffentlich rechtlicher Art ist unerheblich und kann allenfalls in Zweifelsfällen einen Anhaltspunkt geben102). Bei Prüfung der Frage, ob die Benützung gewöhnlich ist, ist die nächste Umgebung des in dieser Art benützten Grundstückes maßgebend, weiter entfernte Ortschaften oder die Verhältnisse in a n d e r e n Städten sind regelmäßig nicht zu berücksichtigen103). Immerhin ist es zulässig, Ortsüblichkeit anzunehmen, wenn ein ähnlicher Betrieb nicht in demselben Ort, wohl aber allgemein in anderen umliegenden Orten auf ähnlicher Grundlage üblich ist104). Dies gilt namentlich auch dann, wenn es sich um einen sehr großen, 97 ) Vgl. Gruch. 5 7 , 1 0 0 4 ; R G 139, 3 1 ; Köln in M D R 55, 359; Staudinger-Seufert Randb. 31 zu § 906. 98 ) Ausnahmen bei zwar ortsüblichen, jedoch für die Landwirtschaft oder Gärtnerei u. a. unerträglichen Einwirkungen. Vgl. R G 154, 165; 159, 140; B G H in M D R 1 9 5 1 , 726; L M Nr. 2 zu § 903; Staudinger-Seufert Randb. 49 zu § 906. •») B G H M D R 67, 9 1 3 ; B G H N J W 59, 1867. 10 °) B G H B B 64, 1235. 101 ) B G H N J W 59, 1 6 3 2 ; B B 64, 662. 102 ) B G H N J W 62, 2341. 103 ) SeuffA 65 Nr. 242 (RG); Recht 1903, 18 Nr. 32 (RG); 1908, 57 Nr. 318 (RG). Vgl. auch Recht 1903, 430 Nr. 2263 ( O b L G Verlegung einer Brückenwage in eine andere Stadtgegend). Es ist für die Beobachtung, unter angemessener Berücksichtigung aller Umstände, ein Bezirk abzugrenzen. J W 1908, 12 Nr. 1 2 ; R G 133, 1 5 4 ; Köln in M D R 55, 359. 104 ) Z . B. eine Schmiede; D J Z 1906, 486 (RG). Ahnlich Recht 1911 Nr. 2733 (RG) für Schützenhäuser im Kreise Teltow und Niederbarnim. Vgl. Recht 1910 Nr. 705 (verschiedene Städte derselben Gegend). Dagegen besteht keine Berechtigung, auch weit entfernt liegende einzelne Ortschaften, Großstädte usw. mit zu berücksichtigen (SeuffA 65 Nr. 242; RG). Verschiedene Stadtteile einer Großstadt können trotz räumlicher Trennung als zusammengehörig betrachtet werden, wenn sie durch die bes. Art ihrer Bebauung (Villenstil, herrschaftliche Miethäuser) ein einheitliches charakteristisches Gepräge haben, durch das sie sich in erkennbarer Weise von den anderen Stadtteilen unterscheiden (SeuffA

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weit ausgedehnten Betrieb handelt. Eine Landschaft kann den Charakter als Fabrikgegend durch das Bestehen eines einzigen Industriebetriebs von überwiegender Bedeutung und Ausdehnung annehmen. Für die Frage aber, ob die von dem einzigen Unternehmen ausgehenden Immissionen als gewöhnlich zu erachten sind, müssen Vergleichsobjekte herangezogen werden, die in der engeren oder weiteren Umgebung liegen, und es muß das Maß der Einwirkungen berücksichtigt werden, die von anderen in der Umgegend liegenden und in gleicher Weise benützten Fabrikgrundstücken ausgehen105). Handelt es sich um einen Großbetrieb in einer Stadt, so sind zunächst die Verhältnisse der ganzen Stadt ins Auge zu fassen. Nur dann darf die Beobachtung auf einen Teil der Stadt beschränkt werden, wenn dieser durch die Art seiner Bebauung oder der dort betriebenen Gewerbe ein charakteristisches Gepräge trägt. Ein einzelner Stadtbezirk, in dem gerade keine industrielle Anlage sich befindet, kann nicht ohne weiteres als eine Gegend bezeichnet werden, in der Geräusch- oder Ruß-Immissionen üblich sind. Zu einer solchen Feststellung bedarf es vielmehr der Untersuchung, ob das fragliche Stadtviertel etwa reines Villenviertel ist, das sich durch seine ganze Anlage, insbesondere durch die Art seiner auf den Einfluß von Licht und Luft gerichteten Bebauungsart von den übrigen Stadtteilen unterscheidet106). Bei der Ausscheidung eines einzelnen Stadtbezirkes aus dem gesamten Ortsbereich handelt es sich aber um einen Ausnahmefall, der stets genauer Feststellung und Abgrenzung bedarf107). Ist der betreffende Stadtteil ganz überwiegend als Wohnviertel anzusprechen, dann ändert an diesem Charakter der Umstand nichts, das vereinzelte Gewerbe mit kleineren maschinellen Anlagen darin vorkommen108). Das Vergleichsgebiet ist so zu umgrenzen, wie es sich infolge des dem betreffenden Umkreis eigentümlichen Gepräges als zusammengehörig 7 1 , 2 8 1 : Bedürfnisanstalten in Villenvierteln). Zur Annahme der Ortsüblichkeit genügt die Feststellung, daß der betreffende Stadtteil der unruhigste der ganzen Stadt ist (Recht 1907, 5 1 1 Nr. 1036). Vgl. O L G 5, 1 5 1 (Breslau). Der mit dem Straßenbahnbetrieb verbundene Lärm gilt als ortsüblich (RG 57, 224). Desgleichen die gewöhnlichen mit dem Eisenbahnbetrieb ausgehenden Einwirkungen. Anders liegt dagegen die Sache, wenn eine ungewöhnliche Konzentration des Betriebes an einer Stelle stattfindet (vgl. R G 70, 154; BayZ 1909,148, R G SeuffA 65 Nr. 242, R G ) ; vgl. Recht 1919 Nr. 2124 (RG). 105 ) Vgl. H R R 1940, 295 (Gemeinschaftsrampe für mehrere Dörfer zur Abstellung von Milchkannen); J W 10, 942; R G 105, 2 1 3 ¡ 1 3 3 , 1 5 2 ; B G H in N J W 55, 19 106 ) Vgl. SeuffA 71 Nr. 2 8 1 ; Recht 1904, Nr. 1 1 6 3 ; J W 1 9 0 4 , 1 7 5 ; 1 9 1 0 , 1 4 9 ; 1919, 3 1 2 ; R G 70, 3 1 1 (Villenkolonie bei Berlin). In reinen Wohngebieten ist nur der Lärm ortsüblich, der bei Tag nicht mehr als 50 Din Phon und bei Nacht nicht mehr als 3 5 D I N Phon beträgt ( B G H B B 66, 880). 107 ) Vgl. J W 19, 312. 108 ) Vgl. München O L G 26, 125.

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dem Beobachter darstellt, auch wenn diese Teile des Vergleichsgebiets verschiedenen Ortsgemeinden oder Provinzen angehören109). Um die Ortsüblichkeit annehmen zu können, ist eine gleichartige Übung bei einer Mehrheit110) von Grundstücken derselben Lage erforderlich111). Deshalb genügt das zeitliche Nachfolgen eines einzigen neuen störenden Betriebes auf einen gänzlich beendeten störenden Betrieb nicht112). Es ist aber nicht erforderlich, daß die Betriebe, von welchen die Einwirkung ausgeht, ganz gleichartig sind, es genügt, wenn die Einwirkungen im wesentlichen gleichartig sind113). Es stellt kein Erfordernis für den Begriff der Gemeinüblichkeit dar, daß die betreffende Benützungsart w ä h r e n d einer bestimmten l ä n g e r e n Zeit geübt worden ist 114).Es kann deshalb 10») Vgl. L Z 1916, 1098 R G (Ortsüblichkeit eines Musikcafés in einer Wohnstraße, wenn daselbst noch zwei gleiche Cafés festgestellt sind) ; R G 13 3, 15 2. uo ) L Z 1916, 740; Recht 1916 Nr. 1302 (RG). Vgl. B G H M D R 67, 913: Der Ausbau einer Staustufe an einem Fluß ist eine einmalige und damit nicht ortsübliche Maßnahme, die nicht öfters vorkommt, auch wenn an anderer Stelle desselben Flusses ebenfalls Staustufen errichtet werden. lu ) J W 1 9 0 8 , 1 2 Nr. 1 2 (RG). Vgl. aber auch O L G 5, i j i . Eine Mehrheit von Grundstücken kann unter Umständen selbst dann angenommen werden, wenn die mehreren Parzellen im Grundbuch zu einer rechtlichenEinheit oder wenn sie zu einer wirtschaftlichen Einheit (Vereinigung zu einem Gewerbebetrieb) zusammengefaßt sind ( R G 70, 153). Bei einem solchen Großbetrieb können höhere Anforderungen hinsichtlich der Vermeidung ungünstiger Einwirkungen gestellt werden (Recht 1915 Nr. 889 RG). 112 ) Recht 1904, 282 Nr. 1280 (RG). 113 ) Das ist aber nicht schon deshalb der Fall, weil die verschiedenen Betriebe Rauch zufuhren. Es macht einen wesentlichen Unterschied in der Art der Zuführung aus, ob die den Rauch entwickelnden Eisenbahnlokomotiven in der Höhe des oberen Stockes und in der Entfernung von nur 1 m vorüberfahren und den Rauch unmittelbar auf das Haus werfen, oder ob der aus hohen Fabrikschlöten kommende Rauch erst nach der im Luftraum erfolgten Verteilung auf die Grundstücke herabkommt. Recht 1908, 91 Nr. 528 (RG). Ein Eisenwerk kann sich nicht darauf berufen, daß gleiche und noch stärkere Einwirkungen durch den benachbarten Straßenverkehr und Eisenbahnbetrieb verursacht werden, weil hinsichtlich der Art, des Maßes und der Zeit der Einwirkungen wesentliche Verschiedenheiten bestehen. Recht 1908, 201 Nr. 1199 (RG). Miteinander vergleichbar sind nur gleichartige Verhältnisse ( R G 57, 277). Wenn also als Grund des Anspruchs Lärm geltend gemacht wird, kann der Anspruch nicht damit abgewehrt werden, daß andere Betriebe jener Gegend üble Gerüche entwickeln (JW 1 9 1 0 , 9 4 1 ; Recht 1917 Nr. 2736 (RG). Ebensowenig kann von Gleichartigkeit bei Fabriklärm und Gewehrknall die Rede sein (Recht 1 9 1 1 Nr. 2736 RG). Dort ist jedoch mit Recht bemerkt, daß der anders geartete Lärm des Fabrikbetriebs für die Frage von Bedeutung sein kann, ob das Hinzukommen der Schießgeräusche überhaupt noch einen fühlbaren Eindruck macht (eine w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung darstellt). — Andererseits ist nicht für jede einzelne Geräuschart (Pfeifen,Summen) selbständig zu untersuchen, ob sie ihrGegenstück in einem gleichartigen Geräusch anderer Betriebe findet. Vielmehr ist, wenn mehrfache Geräusche herüberdringen, ihre Gesamtwirkung und das Maß der durch d i e s e hervorgerufene Belästigung ausschlaggebend für die Frage der Ublichkeit (JW 1919, 50 RG). U4

256

) Vgl. R G 21, 299.

Immissionen

§ 1 4 V 2

diese Gemeinüblichkeit auch dadurch begründet werden, daß gleichzeitig eine größere Anzahl v o n Betrieben mit der gleichen Benützungsart in eine bis dahin hiervon freie L a g e verlegt wird 1 1 6 ). Die Tatsache, daß eine Anlage zur Benützung eines Grundstücks schon vor einer anderen eingerichtet war, daß also eine bestimmte Benützungsart älter ist, hat idR keine Bedeutung für die Frage der Ortsüblichkeit. Maßgebend ist allein der gegenwärtige Stand der Verhältnisse. D e r Gedanke der P r ä v e n t i o n wird v o n der herrschenden Meinung abgelehnt; Ausnahmen können jedoch gerechtfertigt sein, wenn höhere Interessen des Gemeinwohls vorliegen 1 1 6 ). Ortsüblichkeit entfällt nicht notwendig schon dann, wenn die allgemein geübte Benutzung eines Grundstücks zu bestimmten Z w e c k e n aus wirtschaftlichen Gründen in einer anderen A r t und Weise und damit für Nachbarn störender erfolgt. E t w a s anderes kann sich jedoch aus den gesamten Umständen, insbesondere der Größe und Eigenart der Betriebsanlage sowie ihrer örtlichen Anordnung auf dem Grundstück ergeben 1 1 7 ). Wenn der Wind die unaustehlichen Gerüche eines Fabrikbetriebes in das eine halbe Stunde entfernte Villenquartier trägt, müssen das die Villenbewohner ertragen, wenn in der Lage, in welcher die Gerüche aufsteigen, eine Benützung, mit welcher die Erzeugung derartiger Gerüche verbunden ist, gewöhnlich ist. Der mit dem Dreschen verbundene Staub ist für denjenigen, der in einem Dorfe seine Sommervilla hat, so unangenehm, wie für den Bewohner eines städtischen Hauses. Aber den örtlichen Verhältnissen auf dem Lande entspricht es, daß der Landmann sein Getreide mittelst Dampfbetriebes ausdreschen läßt. Deshalb kann der Eigentümer der Sommervilla die damit verbundene Belästigung nicht von sich abweisen 118 ). Dem Eigentümer des städtischen Anwesens steht dagegen das Verbietungsrecht zu; denn in der Stadt ist der Dreschmaschinenbetrieb etwas Außergewöhnliches. Liegt das städtische Anwesen in einem Fabrikviertel, so wird sich jeder Eigentümer den mit dem F a b r i kbetrieb verbundenen Rauch, Ruß und Lärm gefallen lassen müssen. Den Staub der Dampfdreschmaschine, der im Vergleich mit jenen Einwirkungen eine viel geringere Belästigung darstellen mag, braucht er dagegen nicht zu dulden; denn der landwirtschaftliche Betrieb wird für ein Fabrikviertel regelmäßig nicht als gewöhnliche Benützungsart gelten können. Andererseits kann unter Umständen auch auf dem Lande die Dampfdrescherei zu einer außergewöhnlichen Art der Benützung werden. Dann nämlich, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, eigenes Getreide auszudreschen, sondern als ein selbständiger Gewerbebetrieb ausgeübt wird. Der Eigentümer der Sommervilla in einem Dorf kann daher die Zuführung des mit dem Dampfmaschinenbetrieb verbundenen Staubes, Lärmes und Rauches verbieten, wenn der Dampfdreschmaschinenbesitzer, von dem die Ortsangehörigen ihr sämtliches Getreide gegen Entgelt ausdreschen lassen, die Dreschmaschine auf der Ortsstraße oder in einem benachbarten Hofe als S t a n d q u a r t i e r aufstellt; denn ein derartiger Großbetrieb ist nach den örtlichen Verhältnissen außergewöhnlich119). Anders, wenn der Dampfdreschmaschinenbesitzer mit seiner Maschine von Hof zu Hof zieht. 115

) ) ) lls ) 119 ) 116

117

17

O L G Hamm B B 1964, 1271. Vgl. R G 6 4 , 363; 154, 1 6 1 ; 162, 349/357; B G H in N J W 55,19. B G H N J W 67, 1907 (Schweinemästerei). Vgl. SeuffA 42 Nr. 100. Vgl. SeuffA 48 Nr. 247. Meisncr-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

257

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums V 2 Liegt ein Dampfhammer in einem Industrieviertel, so müssen solche Erschütterungen, welche das Schreiben und Zeichnen behindern, ertragen -werden, da es dort infolge der verschiedenen Werke, der Eisenbahn usw. allenthalben zittert. Der Lärm und Ruß, den eine Holzzerkleinerungsmaschine durch die Aufarbeitung des Holzes für den Hausgebrauch verursacht, muß gedultet werden. F ü r die F r a g e , w e l c h e B e n ü t z u n g in einer G e g e n d g e w ö h n l i c h ist, k o m m t es nicht n u r auf die A r t , s o n d e r n a u c h a u f das M a ß der B e n ü t z u n g der anderen G r u n d s t ü c k e an. S o k a n n eine besonders s c h ä d i g e n d e B e n u t z u n g s w e i s e eines G r u n d s t ü c k s u n g e w ö h n l i c h sein (z. B . E i n s t r ö m e n b e s o n d e r s schädlicher G a s e ) , a u c h w e n n i n dieser G e g e n d andere Fabrik e n g e d u l d e t w e r d e n m ü s s e n , die w e n i g e r schädigende A u s s t r ö m u n g e n v e r ursachen 1 2 0 ). D i e O r t s u n ü b l i c h k e i t einer E i n w i r k u n g k a n n sich also s c h o n allein aus ihrer A r t , ihrer Stärke o d e r i h r e m M a ß e r g e b e n 1 2 1 ) . Ist ein bestimmter B e t r i e b , mit d e m ein g e w i s s e r G r a d v o n G e r ä u s c h v e r b u n d e n ist, i n der G e g e n d g e w ö h n l i c h u n d k a n n deshalb die Z u f ü h r u n g dieses G e r ä u sches nicht v e r b o t e n w e r d e n , so ist es deshalb n o c h nicht gestattet, den B e t r i e b rücksichtslos z u steigern, so daß n u n die S t ö r u n g , die bisher vielleicht die G r e n z e , w o sie w e s e n t l i c h w i r d , n u r w e n i g überschritten hat, w e i t ü b e r diese G r e n z e hinausgeht 1 2 2 ). Werden in einem Viertel die Grundstücke gewöhnlich in der Weise benutzt, daß auf ihnen die Elektrizität in eigenen Kraftanlagen erzeugt wird, so kommt es noch weiter darauf an, welches Maß von Geräusch und von Erschütterungen hierbei gewöhnlich erzeugt wird 123 ). Denn für die Frage der Ortsüblichkeit ist nicht oder doch nicht stets allein entscheidend, ob die Anlage in gleicher oder in wesentlich ähnlicher Weise hergestellt und eingerichtet ist, wie Anlagen auf anderen Grundstücken dieser Lage. Vielmehr kommt es vornehmlich oder doch auch darauf an, ob im Hinblick auf die s c h ä d l i c h e W i r k u n g die Art und das Maß dieser Benutzung gleich oder im wesentlichen gleich zu erachten ist der Art und dem Maß der Benutzung auf den anderen Grundstücken. Es kann daher eine besondere schädigende Benützungsweise, z.B. durch giftige Gase oder durch massierte Einwirkung von Rauch und Qualm, ungewöhnlich sein124). 12°)

B G H NJW 62, 2341; NJW 55, 19; R G 139, 29; 154, 161. B G H NJW 59, 1867; MDR 68, 483 und 912; NJW 68, 549; vgl. auch B G H NJW 62, 1342: Der durch Abbrucharbeiten in einer Großstadt infolge Einsatzes von Preßlufthämmern und Räumbaggern verursachte Lärm ist innerhalb beschränkter Zeiträume, nämlich während der notwendigen Dauer der Arbeiten, „ortsüblich" im Sinne von § 906 BGB. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Abbrucharbeiten unter Beachtung wirtschaftlich zumutbarer, den Interessen der Nachbarn dienenden Einschränkungen und Lärmbekämpfungsmaßnahmen ausgeführt werden. 122) j w 1903, Beil. 103. Vgl. JW 1900, 890; 1903 Beil. 86; 1902 Beil. 202 (Übergang zur Nachtarbeit); O L G 18, 125; Recht 1903, 18 Nr. 32 (Erweiterung des Fabrikbetriebs); O L G 5, 151 Breslau (Einführung eines neuen Verfahrens). WarnR 1903 Nr. 386. Vgl. B G H Z 15, 149; R G 139, 32. 123 ) O L G 2, 252. 124 ) Vgl. SeuffA 71 Nr. 281 (Bedürfnisanstalt in Villenviertel); Gruch. 47, 955; RG139, 29, 154, 161; 156, 315 (Flugkoks) 159, 140; B G H Z 15, 146/149; L M Nr. 2 zu § 906; NJW 59, 1867. 121 )

258

Immissionen

§14 V 2

Der Begriff Ortsüblichkeit ist im wesentlichen tatsächlicher Natur125). Maßgebend dafür ist die Benützung des immittierenden Grundstücks. Dieser Grundsatz findet jedoch seine Grenze in den lebenswichtigen Interessen des von der Immission betroffenen Grundeigentümers126), d. i. dann, wenn die Benützung des betroffenen Grundstücks durch existenz-gefährdende Immissionen überhaupt unterbunden oder wenn der betroffene Eigentümer in seinem wirtschaftlichen Fortkommen schwer beeinträchtigt würde127). So kann z.B. die Ableitung übelriechender Gase (Schwefelwasserstoff) den Bewohnern eines bestimmten Gebiets das Leben auf ihren Grundstücken völlig verleiden und läßt sich deshalb nicht als ortsüblich rechtfertigen. Ob eine Immission ortsüblich ist, beurteilt sich nach den Anschauungen der von ihr betroffenen Bevölkerungskreise. Dabei kommt es auf die Benützungsweise an, die derjenigen aller gerecht und billig Denkenden entspricht und die einem geordneten nachbarlichen Zusammenleben, aber auch der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt128). Die Ansicht der zuständigen Verwaltungsbehörde kann allenfalls im Sinne eines Spiegels der in der Bevölkerung herrschenden Anschauung gewertet werden129). Ebenso können auch die Vorschriften der Gewerbeordnung oder ein örtlicher Bebauungsplan lediglich als Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob eine Einwirkung ortsüblich ist, herangezogen werden, bilden aber keine ausschlaggebende Grundlage130). Stets ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Durch Proteste einzelner Angrenzer kann einem jahrelang bestehenden tatsächlichen Zustand der Charakter eines Stadtteils als Fabrikviertel nicht genommen werden131). An sich kommt es nicht darauf an, ob neben dem geschädigten Grundstück auch andere Grundstücke in gleichem Maße leiden; entscheidend ist allein, ob die beeinträchtigende Art der Benützung nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken der hier fraglichen Lage gewöhnlich ist. Wird diese Frage bejaht, so ist es ohne Belang, ob das betreffende Grundstück stärker benachteiligt wird als Nachbargrundstücke132). Die Ortsüblichkeit ist daher nicht schon dann erwiesen, wenn andere Betriebe durch Immissio125 ) Vgl. R G J W 1905, 495; B G H in N J W 59, 1632 und in N J W 1964, 396 (Garagen als lästige Anlagen); Staudinger, Seufert Randb. 31 zu § 906. 126 ) Vgl. R G Z 154, 161; OGH BrZ in N J W 49, 7 1 3 ; R G 159, 140. 127 ) Vgl. BGH in N J W 1959, 1867; HRR1940 Nr. 294 (Gefährdung einer Gärtnerei). 128 ) Vgl. Schack in J W 1932, 851; BGH in N J W 59, 1632. 129 ) Vgl. SeuffA 64 Nr. 213; 71 Nr. 281; BGH in MDR 58, 497 = N J W 58, 1776. 130 ) Vgl. BGH in N J W 59, 1632 = MDR 59, 741 (Garagen); auch N J W 58, 1776; HRR 23 Nr. 1648; 36 Nr. 1357; L M Nr. 5 zu § 906; B G H BB 64, 662 u. 1235. 131 ) Vgl. BGH in N J W 58, 1776 = MDR 58, 497. 132 ) Vgl. Recht 1909 Nr. 989.

17'

259

§ 14

V 2

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

nen gleicher Art andere Nachbargrundstücke im gleichen Bezirk beeinträchtigen. U. U. muß auch zwischen der Beeinträchtigung bebauter und unbebauter Grundstücke unterschieden werden 133 ). Für die Ortsüblichkeit von Einwirkungen eines industrieeilen Großbetriebs genügt es nicht, daß in dem Yergleichsbezirk andere Betriebe durch Immissionen gleicher Art benachbarte Grundstücke beeinträchtigen. Es ist allenfalls zu unterscheiden zwischen Immissionen, die unbebaute Grundflächen, und solchen, die menschliche Siedlungen beeinträchtigen. Dabei können je nach der Stärke der Einwirkungen auch Zonen gebildet werden. Der Schutz der Menschen an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort muß als wichtiger Umstand in Erwägung gezogen werden 134 ). Die für die Ortsüblichkeit maßgebenden Verhältnisse sind nach dem gegenwärtigen Zustand zu würdigen, wie er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sich darstellte. Mit einer Änderung der örtlichen Verhältnisse kann auch der Maßstab des allgemein üblichen eine Änderung erfahren. Allerdings darf auf Erscheinungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, keine Rücksicht genommen werden 135 ). Die Ortsüblichkeit i.S. des § 906 ist keine starre Norm, sondern als beweglicher Regulator zu beurteilen, der sich mit den sich ändernden Verhältnissen selbst ändert. Mit den Änderungen und Fortschritten der Technik, der Ausdehnung der Industrie und des Verkehrs sowie mit der Wandlung in den Anschauungen der beteiligten Kreise wird auch der Begriff des Ortsüblichen einer Wandlung unterworfen 136 ). Ist ein gewerblicher Betrieb, von dem Geräusch- oder Rauch-Immissionen auf die Nachbargrundstücke ausgehen, früher auf einem abgelegenen Gelände errichtet worden, durch Ausdehnung der Stadt jedoch in den Bereich bewohnter Stadtteile gelangt, so ist nunmehr nach städtischen Verhältnissen zu entscheiden, ob die Benützung des gewerblichen Grundstücks zu einem Unternehmen mit lästigen Einwirkungen auf Nachbargrundstücke noch als ortsüblich, i.S. des § 906 gelten kann. Sind umgekehrt durch Anwachsen einer Stadt, in der bisher eine Reihe gewerblicher Unternehmungen mit ihren lästigen Einwirkungen auf die Umgebung als gewöhnlich hingenommen werden mußten, Fabriken nach und nach weiter aus dem städtischen Bereich hinausverlegt worden und sind so aus ehemaligen 133

) Vgl. BGH NJW 59, 1867; 58, 1395. ) Vgl. BGH in NJW 59, 1867. ) Vgl. R G Recht 1909 Nr. 687 Gruch 46,370; OLG 6, m ; 18,124; R G Z 64, 363; 156, 314; JW 1907, 17; Recht 1911 Nr. 2735. 13e ) Vgl. R G Z 133, 152; 154, 161; 159, 139; 162, 349; Warn. 1936 Nr. 172; Köln in MDR 55, 359; vgl. auch Pagenkopf in L Z 1932, 742; Staudinger-Seufert Randb. 31 zu § 906; Habscheid MDR 54, 260. 184

135

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Immissionen

§14 V 2

Fabrikvierteln nun Wohnviertel geworden, so darf ein einzelner Fabrikunternehmer, der allein im Stadtgebiet geblieben ist und sein Unternehmen wie bisher weiterbetreibt, lästige Einwirkungen durch Rauch, Ruß oder Geräusch nicht mehr wie früher auf die benachbarten nunmehrigen reinen Wohnsiedlungen zulassen; denn nun können diese Einwirkungen nicht mehr als „gewöhnlich" erachtet werden, weil der Charakter des betreffenden Stadtteils sich grundlegend geändert hat. Der Unternehmer kann sich nicht etwa darauf berufen, daß sein Gewerbebetrieb schon längst bestanden habe, bevor das Wohnviertel entstanden sei; denn es kommt bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit nach § 906 B G B nicht darauf an, welche Benützungsart in einer Gegend die ältere ist137). Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer des benachteiligten Grundstücks die lästigen Einwirkungen von Seite des Nachbargrundstücks voraussehen mußte, als er mit der veränderten Benützung seines Grundstücks, nämlich für den Wohnhausbau, begann. Eine Verjährung des Anspruchs, lästige Einwirkungen zuzuführen, scheidet aus. Selbst wenn eine Immission 30 Jahre und länger unbeanstandet zugeführt worden ist, so ist dadurch kein Recht begründet worden, weil die Einwirkung durch lästige Zuführungen keine Rechtsausübung darstellt138). Dagegen unterliegt der Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung einer unzulässigen Immission der Verjährung nach §§ 194,195 B G B (30 Jahre), es sei denn daß der Anspruch dinglich etwa durch Grunddienstbarkeit gesichert ist139). Wegen der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus Immissionen vgl. unten § 39 a.E. Wenn ein Gärtner in einem Villenviertel seit 50 Jahren seinen Garten unbehelligt aus seiner Senkgrube gedüngt bat, so darf der Nachbar die damit verbundene Einwirkung durch üble Gerüche gleichwohl verbieten; denn weder die Rücksichtslosigkeit des einen noch die Nachsicht des anderen hat einen Rechtszustand geschaffen.

Ein V e r z i c h t auf die Ansprüche aus § 903 B G B wegen unzulässiger Immissionen ist wirksam, bindet aber den Rechtsnachfolger nur, wenn der Verzicht durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit dinglich gesichert ist. Ein Verzicht kann auch stillschweigend oder durch konkludente Handlung zum Ausdruck gebracht werden, so kann z.B. in dem Verkauf einer Teilfläche eines Grundstücks zum Zwecke der Errichtung eines gewerblichen Betriebs (einer Tankstelle mit Reparaturwerkstätte) die Billigung der notwendig mit dem Gewerbebetrieb verbundenen lästigen Einwirkungen auf 137 ) Vgl. B G H N J W 55, 19 = M D R 55, 28; R G Z 154, 164; 162, 1 5 7 ; O L G Köln in M D R 55, 359; Staudinger-Seufert Randb. 13 zu § 906. 138 ) Vgl. R G Z 12, 1 7 3 ; 57, 229; Recht 1907 Nr. 1467; Staudinger-Seufert Randb. 14 u. 51 zu § 906. 13») Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 5 1 ; R G R K o m . Bern. 1 3 ; Ermann Bern. 8 je zu § 906; Palandt Bern. 8a zu § 1004.

261

§ i.4 V 3

n . Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

das Restgrundstück enthalten sein (vgl. unten § 32). Aus dem Umstand allein, daß der Nachbar Immissionen lange Zeit hindurch geduldet hat, darf idR kein Verzicht auf seine Abwehransprüche hergeleitet werden140). 3. W i r t s c h a f t l i c h z u m u t b a r e

Abwehrmaßnahmen

3. Die Zulässigkeit von Immissionen aus dem Gesichtspunkt der O r t s ü b l i c h k e i t ist vor i960 durch die Rechtsprechung in zunehmendem Maße unter Heranziehung der durch das nachbarliche Zusammenleben gebotenen Rücksichtnahme (§ 242) eingeschränkt worden, insbesondere zur Vermeidung der Existenzgefährdung oder zur Verhinderung schwer wiegender Benachteiligung 141 ). Durch Gesetz vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781) ist dann § 906 B G B insoweit geändert worden, als dann, wenn „eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benützern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind", der Abwehranspruch aus § 903 B G B versagt wird. Dadurch soll der von lästigen Einwirkungen eines Nachbargrundstücks betroffene Grundeigentümer zur Duldung ortsüblicher Immissionen nur unter der Voraussetzung verpflichtet sein, daß die Einwirkungen nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen eingedämmt werden können. Diese auf den Grundsätzen von Treu und Glauben beruhende Regelung der gegenseitigen nachbarlichen Verhältnisse schließt nunmehr eine weitergehende Berufung auf § 242 B G B (nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis) aus. Über den Rahmen des § 906 B G B hinaus kann die Duldung zusätzlicher Einwirkungen unter Berufung auf Treu und Glauben nicht gefordert werden 142 ). Entscheidend ist nunmehr, ob eine wesentliche und ortsübliche Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Abwehrmaßnahmen verhindert werden kann. a) A b w e h r m a ß n a h m e n sind nicht nur technische Einrichtungen, sondern auch sonstige Vorgänge und Verhaltensweisen, soweit sie nur die Beeinträchtigung beseitigen oder so vermindern, daß sie nur noch unwesentlich ist (Z.B. Abstellen eines Motors bei Nacht, Verlegung eines Parkplatzes, Verlegen der Spielzeit bei einem Freilichttheater, usw.). Die 140 ) Vgl. R G Z 66, 126; SeuffA 56 Nr. 104; J W 1904, 487; 1935, 1775; StaudingerSeufert Randb. 14; RGRKomm. Bern. 1 je zu § 906; Wolff-Raiser § 53 III. 141 ) B G H Z 15, 146; N J W 59, 1867; H R R 1940 Nr. 294 (Einwirkungen eines Steinbruchs auf Fremdenbeherbergung); Habscheid M D R 54, 260 (Nachbarrecht und Verkehrsfortschritt) . 142 ) Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 16 V 2.

262

Immissionen

§14 V 3

Stillegung eines Betriebes kommt als Abwehrmaßnahme nicht in Betracht143). Nur soweit, als es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handelt, besteht eine Verpflichtung zu Abwehrmaßnahmen, also nur bezüglich des Teils der Einwirkungen, der die im § 906 Abs. 1 B G B gezogenen Grenzen überschreitet144). b) Die Abwehrmaßnahme muß „Benützern dieser A r t " z u m u t b a r sein. Die Beantwortung dieser Frage hängt nicht von der Leistungsfähigkeit des einwirkenden Grundeigentümers, also nicht von der Kapitalkraft des einzelnen gewerblichen Unternehmens ab, sondern davon, ob die Maßnahme objektiv Benützern dieser Art zumutbar ist. Damit soll ein gesunder Durchschnittsbetrieb des jeweiligen Gewerbezweiges als Maßstab für die wirtschaftliche Zumutbarkeit herangezogen werden145). Auf diese Weise soll verhindert werden, daß Einwirkungen von leistungschwachen Betrieben in einem größeren Umfang geduldet werden müssen, als Einwirkungen von Seite großer kapitalstarker Werke. Es kommt also allein auf die im konkreten Fall vorliegende technische Zweckmäßigkeit an. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist auch zu berücksichtigen, ob der Betrieb der Allgemeinheit dient, oder ob die Existenz zahlreicher wirtschaftlich Abhängiger (Arbeiter und Angestellte) mit im Spiele ist. Auch die Interessen dieser Personengruppen sind bei der Frage nach der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu berücksichtigen146). Der beeinträchtigte Nachbar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, selbst positiv bei der Abwendung der Beeinträchtigung mitzuwirken. Soweit er aber an Stelle des eigentlich verpflichteten Nachbarn die Beeinträchtiggung abwendet, hat er einen Kostenerstattungsanspruch, der sich auf § 812 B G B stützt147). c) A u s g l e i c h s a n s p r u c h . Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 B G B muß der Nachbar zwar eine wesentliche Beeinträchtigung dann dulden, wenn sie ortsüblich und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht abwendbar ist. E r kann jedoch dann von dem einwirkenden Eigentümer einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, sofern die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß 143

) Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 16 V 2b) aa). ) B G H N J W 1962, 2341. ) Vgl. Herold in Bl. f. G r B u W 60, 57; Schmidt-Tophoff in B B 59, 569; Westermann: Welche gesetzl. Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Verbesserung des Nachbarrechts sind erforderlich? (1958 in wissenschaftl. Abhandl. der Arbeitsgem. f. Forschung des Landes NRhW). 146 ) B G H N J W 59, 99. 14? ) B G H N J W 56, 1276; 57, 457; 58, 1580; B B 62, 198. 144 U5

263

§ A4

V3

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

hinaus beeinträchtigt wird. Dieser Gedanke eines Ausgleichs durch Geld als Ersatz für die in Folge gesetzlicher Regelung zu duldenden Immissionschäden ist von der Rechtsprechung bereits vor 1960 für die Fälle des Zusammenlebens von Großindustrie und Landwirtschaft entwickelt worden, und zwar aus den durch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gebotenen Rücksichten148). Voraussetzung für diesen Ausgleichsanspruch ist die ortsübliche Benützung des Grundstücks durch den Geschädigten. Eine Gefahr einer Existenzvernichtung wird jedoch nicht gefordert. Es genügt, daß die ortsübliche Benützung des Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (z.B. wenn in Folge der Einwirkungen die Fassade eines Hauses jährlich neu gestrichen werden muß, oder wenn in einer Wohnung die Vorhänge öfters als normaler-weise gewaschen werden müssen), oder daß der Ertrag des betroffenen Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird (Ertrag bedeutet hier Nettoertrag. Ertragsmindernd wirken sich also vermehrte Aufwendungen aus). Bei dem Ausgleichsanspruch handelt es sich nicht etwa um einen Schadensersatzanspruch. Ein Verschulden ist nicht Voraussetzung. Auch wird kein voller Ersatz für die aufgetretene Beeinträchtigung gewährt, sondern nur ein angemessener Ausgleich. Der Ausgleichsanspruch fällt also nicht unter die §§ 249 fr. BGB 1 4 9 ). Vergleichbar ist der Ausgleichsanspruch mit dem Anspruch auf Enteignungsentschädigung150). Die Höhe des Ausgleichsanspruchs entspricht der Differenz zwischen den beiden Benutzungswerten, nämlich dem angesichts der Einwirkungen tatsächlich vorhandenem Grundstückswert und dem Wert, den das Grundstück hätte, wenn die Einwirkung die Grenze nicht überschreiten würde, bis zu der der Nachbar sie zu dulden hat. Der Umfang der so erlittenen Einbuße ist nach § 287 Z P O zu ermitteln 151 ). Es müssen hierbei alle im Einzelfall vorhandenen Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. 148) Vgl. R G Z 1 5 4 , 1 6 2 ; 1 5 9 , 1 3 9 ; 162, 216; 167, 23; 169, 183 (in diesen Entscheidungen hat das Reichsgericht den Gedanken des nachbarl. Gemeinschaftsverh. als Anwendungsfall des § 242 B G B erklart und damit die Auslegung des § 906 unter diesem Gesichtspunkt erweitert). Die folgende Rechtsprechung insbesondere des B G H hat diese Gedanken übernommen: B G H Z 15, 146; L M Nr. 2 zu § 906; N J W 59, 1867; Köln M D R 55, 359. Vgl. auch Schiffer in Z A k D R 1936,1076; 37, 276; 39, 3 1 1 ; Klausing JW 37, 68; Zach DR. 36,1076; Pleyer in J Z 59, 305; Henschel in J Z 59, 76 (Neugestaltung des Immissionsrechts). Vgl. auch Schultz in M D R 1955, 260 (Haftung f. fremdes Verschulden im Nachbarrecht). 149) Vgl. L G Stuttgart VersR 64, 156, a.A. Soergel Anm. 74 zu § 906. 150) Vgl. Palandt Anm. 6 zu § 906. Über die Grundsätze zur Enteignungsentschädigung vgl. B G H M D R 67, 910. läl ) B G H N J W 59, 2156 u. 58, 749; Mühl N J W 60, 2324;' Kleindienst N J W 68,

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Immissionen

§14 V 3

Der Anspruch richtet sich gegen den Benutzer des anderen Grundstücks, also nicht z. B. gegen den Bauunternehmer152). Wer im Wege der Schadloshaltung für den Minderwert, den sein Grundstück durch wesentliche und nicht ortsübliche Immissionen erlitten hat, Geldersatz verlangen kann, ist nicht verpflichtet, dem Störer eine Grunddienstbarkeit des Inhalts zu bestellen, daß die über den Umfang des § 906 B G B hinausgehenden Einwirkungen zu dulden sind ( B G H N J W 70, 856). Kommen die Einwirkungen von mehreren Störern und überschreiten sie das zulässige Maß erst dadurch, daß sie zusammen treffen, so entspricht die Haftung des einzelnen Störers dem Anteil seiner Immission. Eine gesamtschuldnerische Haftung von mehreren Störern ist im Gesetz nicht vorgesehen. Bei Beteiligung mehrerer Industriebetriebe an der Luftverschmutzung kann also das einzelne Werk nur nach seinem Anteil an der Immission zum Ausgleich herangezogen werden. Dieser Anteil ist nach § 287 Z P O zu ermitteln153). Anspruchsberechtigt ist der Eigentümer. Ihm steht auch der bloße Besitzer gleich. Beruht die Beeinträchtigung auf einer Einwirkung, die unmittelbar durch einen hoheitlichen Eingriff herbeigeführt wird, so handelt es sich um eine Enteignung oder um einen enteignungsgleichen Eingriff, der keinen privatrechtlichen Anspruch auslöst, sondern lediglich den öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch154), (vgl. unten § 43 D 3). Voraussetzung für diesen öffentlich-rechtlichen Anspruch ist jedoch, daß es sich 1953 ff.; L G Hamburg M D R 65, 45. Vgl. auch O L G Köln VersR 65, 722 (Entschädigung für die Verschmutzung eines Hemdenlagers durch den Rauchabzug einer Bauhütte). 152 ) Der Unternehmer, der auf fremdem Grundstück ein Bauwerk errichtet, ist nicht „Benutzer" des beeinträchtigenden Grundstücks im Sinne des § 906 Abs. 2 S. 2 B G B ; wohl kann er als Störer nach § 1004 B G B zur Unterlassung verpflichtet sein und bei Verschulden auf Schadensersatz haften, er braucht aber keinen Ausgleich in Geld gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 B G B zu leisten ( B G H N J W 66, 42). Ebenso B G H M D R 66, 134 (Bauunternehmer hat durch das Einrammen einer Spundwand Erschütterungen hervorgerufen). Anders ist es, wenn der Bauunternehmer, der an der Autobahnreparatur arbeitet, auf einem von ihm angemieteten Grundstück neben der Autobahn eine Bitumenmischmaschine betätigt, deren Dämpfe nachhaltig auf eine benachbarte vegetative Versuchsanlage einwirkt; hier haftet er selbst auf den Ausgleich, nicht aber der von der Arbeit begünstigten Unternehmer ( B G H M D R 68, 912 = B B 68, 1014). 153 ) L G Hamburg M D R 1965, 45. Vgl. Wiethaupt B B 1969,1199. Die Haftung des einzelnen Störers entspricht dem Anteil seiner Immission. Im Verhältnis zu allen Störern muß aber der Geschädigte den durch die Immission bis zum kritischen Punkt entstandenen Schaden selbst tragen. 1M ) Vgl. Kleindienst N J W 1964, 45, und N J W 1968, 1954; B G H N J W 1968, 549-

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§ 14 V 4

n . Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

um einen unmittelbaren hoheitlichen Eingriff handelt 156 ). Fehlt es an dieser Unmittelbarkeit, so kann ein Ausgleichsanspruch lediglich aus privatrechtlichen Vorschriften hergeleitet werden. Untersagt werden kann eine solche Einwirkung nicht. 4. D u l d u n g s p f l i c h t i n a n d e r e n

Fällen

Unabhängig v o n der in § 906 B G B festgelegten Duldungspflicht kann der Eigentümer eines Grundstücks Einwirkungen auf dieses in folgenden Fällen ebenfalls nicht verbieten: a) Die Einwirkungen müssen geduldet werden, wenn eine vertragliche Vereinbarung hierüber besteht oder eine entsprechende Grunddienstbarkeit die Duldungspflicht begründet. b) G e h t die Einwirkung v o n einem Betrieb im Sinne des § 26 Gewerbeordnung aus, so besteht nur ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch (vgl. hierzu unten § 43). c) Der Abwehranspruch ist eingeschränkt, soweit die Störung v o n genehmigten, dem öffentlichen Interesse unmittelbar dienenden lebenswichtigen (gemeinwichtigen) Betrieben ausgeht, 2. B. Eisenbahn, Bundesbahnbaustelle, Elektrizitätswerk, Ausbau eines Stromkraftwerkes. Hier kann nicht auf Betriebseinstellung sondern nur auf Unterlassung einzelner Betriebsmaßnahmen geklagt werden oder auf die Anbringung v o n Schutzvorkehrungen, die den Betrieb nicht wesentlich ändern oder beeinträch155 ) Diese Unmittelbarkeit hat der B G H in seiner Entscheidung N J W 68 S. 549fr. in einem Falle verneint, in welchem der Anlieger einer stark befahrenen Durchgangs(Bundes)-straße wegen des damit verbundenen erheblichen Lärms einen Ausgleich gefordert hatte. Diese Entscheidung hält Kleindienst N J W 68, 1954 als im Widerspruch stehend zu der Entscheidung des B G H N J W 67, 1857 = diese von Schack N J W 68, 1914 gebilligt —, wo ausgeführt ist, daß privatrechtliche Ansprüche beeinträchtigter Nachbarn nur aus einer steigenden „privatwirtschaftlichen" Grundstücksbenutzung erwachsen können, während alle Einwirkungen der — auch schlichten — Hoheitsverwaltung in den benachbarten Raum allein durch öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche auszugleichen sind. Bei Einwirkungen (Immissionen) von öffentlichen Schulen, von öffendichen Krankenanstalten, von Kanalisationsarbeiten kommen nach BayObLGZ 62 S. 437ff.; Schack N J W 68,1914fr. nur privatrechtliche Entschädigungsansprüche in Betracht. Zum gleichen Ergebnis ist der B G H N J W 68, 549 indem vorerwähnten Fall gekommen, in dem der erheblich gesteigerte Verkehr auf einer Durchgangsstraße zu übermäßigen Lärmeinwirkungen geführt hatte. Kleindienst N J W 68,1954 vermißt eine Untersuchung zu der Frage, ob mit Rücksicht auf die besondere Gestaltung des entschiedenen Falles — das Haus hatte, weil es hinten gegen eine Bergnase gebaut war, keine Fenster nach hinten und bot deshalb keine Ausweichmöglichkeit in straßenabgelegene Räume — noch von einer ortsüblichen Benutzung des Grundstücks gesprochen werden konnte.

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Immissionen

§ 1 4 vi

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tigen ). Bei Störungen, die unmittelbar bei Ausübung hoheitlicher Gewalt entstehen, ist ein Abwehranspruch ausgeschlossen. Dem betroffenen Eigentümer steht jedoch ein öffentlich rechtlicher Ausgleichsanspruch zu (vgl. unten § 43). Aber auch hier gewährt die herrschende Lehre dem Betroffenen einen beschränkten Abwehranspruch, der zwar nicht auf Einstellung oder erhebliche Einschränkung des Betriebes gehen kann, der sich aber auf die Erstellung von Einrichtungen, welche die Beeinträchtigung mindern, richtet. Es ist hier jedoch ein strenger Maßstab anzulegen157). Bei den Betrieben, die sich in der Hand juristischer Personen des öffentlichen Rechts befinden und unter die Gesetze zur Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung oder für die Volksgesundheit von besonderer Bedeutung sind, fallen (Gesetz vom 13. 12. 1933 Reichsgesetzblatt I Seite 1058 und vom 18. 10. 1935 Reichsgesetzblatt I Seite 1247). ist der Abwehranspruch in gleicher Weise eingeschränkt wie bei den gemeinwichtigen Betrieben. Gegen den Wortlaut dieser Gesetze kann auch hier die Herstellung schützender Einrichtungen, die die Beeinträchtigung ausschließen oder mindern, verlangt werden158). VI. D u l d u n g s p f l i c h t und A b w e h r r e c h t Der Grundeigentümer kann an sich auf Grund des § 903 B G B jede Einwirkung Dritter ausschließen und kann zu diesem Zwecke Klage gegen den Störer aus § 1004 B G B erheben (vgl. unten § 14 VI). Durch § 906 Abs. 1 B G B wird dem beeinträchtigten Eigentümer eine Duldungspflicht auferlegt, die sich als Eigentumsbeschränkung gegenüber unwesentlichen sowie gegenüber wesentlichen, aber ortsüblichen Immissionen darstellt. Durch § 906 wird der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks natürlich nicht gehindert, eine Immission durch tatsächliche Vorkehrungen selbst abzuwehren; er kann z.B. zum Schutz gegen lästige Schallwellen eines benachbarten Gewerbebetriebs eine schalldämpfende hohe Mauer errichten, auch wenn dadurch die Schallwellen für den Nachbarn, von dem die Geräuscheinwirkung ausgeht, verstärkt und kaum erträglich werden159). Handelt es sich jedoch um eine Geräuscheinwirkung, die gerade deshalb besonders stark wirkt, weil die Wände des beeinträchtigten Hauses außergewöhnlich schalldurchlässig sind, so kann der beeinträch156 ) Vgl. L G Essen M D R 69, 924 (Bundesbahnbaustelle); B G H N J W 60, 2335 (Autobusbetrieb); B a y O b L G 62,438 (Stromausbau).Keine gemeinwichtigen Betriebe sind z. B . : Zeitungsdruckerei ( B G H L M § 903 Nr. 4); Freilichtbühne ( B G H M D R 69, 744). 157 ) Vgl. B G H L M § 13 G V G Nr. 95; Palandt Anm. 5 zu § 906. 158 ) L G Düsseldorf M D R 59, 926; L G Osnabrück R d L 56, 322; B G H L M § 906 Nr. 25 (Fontäne im Stadtpark). 1M ) Vgl. Turnau-Förster Anm. 9 zu § 906.

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tigte Eigentümer gem. § 906 Abs. 2 verlangen, daß Maßnahmen 2ur Verhinderung der Geräuscheinwirkung, etwa durch schalldämpfende Verstärkung der Wände getroffen werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß dies für einen Betrieb von der Art des einwirkenden wirtschaftlich zumutbar ist. Im Hinblick auf die durch das nachbarliche Zusammenleben gebotene Rücksichtnahme wird der beeinträchtigte Eigentümer gestatten müssen, daß seine Hauswände innerhalb seines Gebäudes schallsicher verstärkt werden, wenn dies technisch und wirtschaftlich als die beste Lösung nahliegt. Im Zusammenleben von Industrie und Landwirtschaft hat jene die bestmöglichen technischen Einrichtungen zur Schonung des Nachbarn zu treffen und deren einwandfreies Arbeiten sorgfältig zu überwachen. Aber auch dem Landwirt liegt die Pflicht ob, seinen Betrieb den ortsüblichen Verhältnissen entsprechend einzurichten und eine Art der Bewirtschaftung zu wählen, die gegenüber den schädlichen Zuführungen möglichst wenig empfindlich ist; eine Vernachlässigung dieser Pflicht mag die Anwendung des § 254 B G B rechtfertigen160). Die zur Abwehr berechtigende Vorschrift des § 903 B G B wird ergänzt durch § 228 (Selbsthilfe). Das Schutzrecht des § 228 gilt auch zum Schutze der im Garten sich aufhaltenden Singvögel. Der Gartenbesitzer hat daher an sich das Recht, nötigenfalls die in seinem Garten den Singvögeln nachstellenden Katzen einzufangen und zu verwahren. Das Weitere veranlaßt die Polizei, der die Sache anzuzeigen ist 161 ). Auch das Eindringen von Bienen (s. hierüber oben § 14 I 2) kann der Nachbar durch entsprechende Vorkehrungen abwehren162). Einem Imker dagegen, dessen Bienen auf fremden Grundstücken durch die bei der Schädlingsbekämpfung verwendeten Giftstoffe Schaden erlitten, steht idR. kein vom Nachweis eines Verschuldens unabhängiger Entschädigungs- oder Aufopferungsanspruch zu183). Wie weit geht aber dieses Recht zur Abwehr? Darf der Nachbar die B i e n e n , welche in sein Grundstück eingedrungen sind, töten? Sie stehen im Eigentum des Imkers und sind für den Nachbar fremde Sachen. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Vernichtung der Bienen verpflichtet daher zum Schadenersatz, soferne die Vernichtung widerrechtlich ist (§ 825). Die Widerrechtlichkeit wird vor allem durch § 228 ausgeschlossen: Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder 160 ) Vgl. R G Z 154, 164; H R R 1936 Nr. 1007; Venzner (i960): Mitverursachung u. Mitverschulden. 161 ) Vgl. § 18 NaturschutzVO vom 18. 3. 1936 (RGBl .1, 181). 162 ) Vgl. Schüssler, Bienenrecht 1934; Figge in R d Z 1954, 1 7 2 ; Pritzl-SeuffBl. 66,458. 1,s ) Vgl. B G H Z 16, 366 = N J W 55, 7 4 7 ; vgl. auch Schultz in M D R 55, 260.

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Immissionen

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die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet. Eine Überspannung des Rechtes auf Selbstschutz wird in der Praxis dadurch vorgebeugt werden, daß im Einzelfalle unter Berücksichtigung aller Umstände kritisch geprüft wird, ob denn wirklich die Vernichtung zur Abwendung der Gefahr erforderlich war und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr stand. Die Bienen müssen schon außergewöhnlich massenhaft in den Restaurationsgarten eingedrungen sein, wenn die Annahme gerechtfertigt sein soll, daß die Aufstellung von flüssigem Zucker, welchen die Bienen überreichlich mit der Folge des Verendens aufzunehmen pflegen, oder gar von Gift erforderlich war. Nur wenn dies der Fall war, entfällt die Rechtswidrigkeit. Bienen, die in b e w o h n t e R ä u m e eingedrungen sind, wird man regelmäßig mit allen Mitteln vernichten dürfen, gleichviel ob sie nur vereinzelt oder zahlreich auftreten; in solchem Falle wird man sich regelmäßig nicht anders helfen können 164 ). Natürlich darf das wiederum nicht dazu mißbraucht werden, um die Bienen anzulocken und die eigens angelockten Bienen zu töten. Es geht nicht an, die Rechtswidrigkeit, prinzipiell deshalb auszuschließen, weil das Aufstellen von flüssigem Zucker auf e i g e n e m Grundstück nicht widerrechtlich sei (§ 903). An und für sich kann der Eigentümer freilich auf seinem Grundstücke tun was er will, aber so wenig er ohne weiteres befugt ist, in seinem Garten einen giftigen Köder aufzustellen, um die fremden Katzen zu töten 186 ), so wenig ist es ihm prinzipiell und unter allen Umständen erlaubt, einen zur Vernichtung der fremden Bienen b e s t i m m t e n Stoff auszulegen. Ebenso ist es sicher, daß mir das Anlegen von Pflanzen auf meinem Grundstück nicht schon deshalb verboten werden kann, weil sie den Bienen schädlich sind; wenn aber die Anlegung dieser Bienenschädlinge gerade zu dem Zwecke geschieht, um die Bienen zu vernichten, kann dieses Mittel rücksichtlich der Zulässigkeit seiner Anwendung nicht anders beurteilt werden, als das vorsätzliche Erschießen einer Katze 196 ). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die V O über bienenschädliche Pflanzenschutzmittel vom 25. 5.1950 (Bundesanzeiger 1950 Nr. 131). Hier wird der Eigentümer des durch Bienenflug beeinträchtigten Grundstücks in seinen Abwehrmöglichkeiten weiter eingeschränkt. E r hat nämlich bei der Schädlingsbekämpfung auf seinem Grundstück besondere Rücksicht auf die Bienen zu nehmen. Es ist ihm verboten, blühende Bäume oder Sträucher sowie andere von Bienen beflogene blühende Kulturpflanzen mit bienenschädlichen Pflanzenschutzmitteln zu behandeln. Ausnahmen sind nur in besonderen Fällen und unter Beachtung bestimmter Sicherungsmaßnahmen zulässig. Auch vor und nach der Blüte darf in unmittelbarer Nähe (30 m) von Bienenständen die Schädlingsbekämpfung 164 ) Dem Schokoladenfabrikanten ist es unbenommen, sich gegen das Eindringen von Bienen in die Fabrikräume dadurch zu schützen, daß er an den Luft- und Lichtöffnungen flüssigen Zucker vermischt mit Salzsäure aufstellt. 165 ) Vgl. hierzu auch RGSt. 34, 296. So kann auch das Legen von Selbstgeschossen (Fußangeln) auf eigenem Grund und Boden rechtswidrig sein. Die Selbstgeschosse müssen so eingerichtet sein, daß sie erst gegenüber einem beginnenden Angriff in Tätigkeit treten; andernfalls kann der Veranstalter bei eintretenden Verletzungen Unschuldiger verantwortlich werden. Vgl. Olshausen StGB 7. Aufl. Bern. 1 2 c zu § 53; vgl. ferner § 367 Nr. 8 StGB). Vgl. Art. 40 BayLandestraf- u. VOGes. vom 17. 1 1 . 1956 (GVB1. 261 = BayBS I 327) über Legen von Selbstgeschossen usw. IM) Vgl. dagegen Friedrichs D J Z . 1904, 688; Kuhlenbeck im Recht 1904, 310; Kuhlenbeck will lediglich auf Grund des § 826 eine Haftung eintreten lassen. Strauß, D J Z . 1903, 367 versagt dem Grundeigentümer schlechtweg das Recht, auf seinem Grundstück Giftpflanzen zu halten oder Gift aufzustellen, um die vorüberfliegenden Bienen zu töten. BayZ 1916, 91 R G läßt diese Frage dahingestellt.

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mit giftigen Pflanzenschutzmitteln nur außerhalb der täglichen Flugzeit der Bienen und nach vorheriger Benachrichtigung des Imkers vorgenommen werden. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB 1 6 7 ). Honigraub, Raubbienen. Eine besondere Untersuchung bedarf nun der Fall, daß in den Bienenstock eines Züchters f r e m d e Bienen eindringen und daraus den Honig rauben 168 ). Darf der Bienenzüchter zum Schutz gegen diese Beraubung seines Stockes die fremden Bienen durch Aufstellung von Giften töten ? Es steht fest, daß es eine besondere Raubbienenart nicht gibt, daß niemand imstande ist, seine Bienen auf Raub auszusenden, der Besitzer der beraubten Stöcke in 100 Fällen 99 mal selbst die Schuld an der Räuberei trägt 169 ), der der raubenden Bienen aber stets und unter allen Umständen schuldlos ist 169 ); insbesondere rauben die Bienen nicht aus Hunger oder Honigmangel, sondern aus dem natürlichen Triebe, Honig zu suchen, w o er eben zu finden ist 163 ). Es kann auch dem Züchter der raubenden Bienen nicht zugemutet werden, daß er seinerseits seine raubenden Bienen in den Keller stellt, weil er dabei den Verlust des Honigs und selbst des Bienenvolkes riskiert. Endlich gibt es viele anderweitige Mittel zur Abwehr der sog. Raubbienen, während von den Imkern in Theorie und Praxis einmütig als das verwerflichste Mittel der Selbsthilfe die Vergiftung der sog. Raubbienen angesehen wird 169 ). Daraus ergibt sich, daß der Imker nicht berechtigt ist, die fremden Raubbienen zu vergiften, da dies zur Abwendung der Gefahr nicht erforderlich ist; denn es stehen dem Imker genügend Mittel zu Gebote, um sich der Räubereien auf andere Weise als durch Tötung der Bienen zu erwehren. Das Vergiften der Raubbienen zum Schutz gegen die Räuberei verpflichtet deshalb zum Schadenersatz (§ 823) 1 ' 0 ). Aber selbst wenn die Widerrechtlichkeit durch § 228 ausgeschlossen wäre, würde in solchem Falle die Schadensersatzpflicht nach § 228 Abs. 2 bestehen, wenn der gefährdete Imker die Gefahr durch sein unsachgemäßes Handeln selbst verschuldet hat 171 ). Da fast ausnahmslos der Eigentümer der beraubten Stöcke schuld an der Räuberei ist, wird man dies im gegebenen Falle insolange unterstellen dürfen, als nicht der Bienenzüchter den Entschuldungsbeweis erbringt. Abgesehen von § 228 Abs. 2 kann hier übrigens unbedenklich § 826 angewendet werden, denn das Vergiften der Raubbienen gilt nach der Meinung aller anständigen Bienenzüchter als unanständig und unmoralisch. Werden Bienen durch die giftigen Gase eines gewerblichen Betriebes, der nach § 1 6 R G e w O konzessioniert, in dem Luftraum über dem Grundstück des Gewerbebetriebes getötet, so haftet der Betriebsunternehmer nur dann auf Schadenersatz, wenn den bei der Konzession gemachten Auflagen, die als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 zu erachten sind, zuwidergehandelt ist 172 ). 167 ) Vgl. B G H R d L 1953, 210 und 1955, 2 1 3 ; N J W 55, 747; L G Zweibrücken R d L 1969, 132. 168 ) Nicht zu verwechseln mit dem Einfall eines Bienenschwarmes in eine fremde, besetzte Bienenwohnung (Not-, Hunger- oder Bettelschwarm). Die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse sind in § 964 B G B geregelt. 169 ) Durch Verstöße gegen die Imkerkunst, insbes. durch Füttern bei Tage und bei offenen Fluglöchern. Berlepsch, Die Biene und die Bienenzucht (1860), 164; Huber, Die neue nützliche Bienenzucht (1905), 39; Schüssler, Deutsches Bienenrecht 1934; Figge in R d L 54, 260. 17 °) Urteil des Landgerichts Würzburg vom 13. 2. 1907 R.-Nr. 745/A H 1905. 171 ) BayZ 1916, 91 (RG); R G Z 159, 69; J W 1916, 38; vgl. auch R G in D R 1942,1703. 172 ) Vgl. R G 159,69; BayZt. 1916, 9 1 ; J W 1916, 38; dagegen R G in D R 42, 1703.

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Immissionen

§ 1 4 VII

Imker machten ein Hüttenwerk dafür verantwortlich, daß ihre Bienen durch arsenhaltige Gase aus den hohen Schornsteinen des Hüttenwerks getötet worden seien, die Gase würden ungereinigt hinausgelassen, obschon technische Einrichtungen zu besseren Reinigung möglich seien. Hier handelt es sich nicht um eine Zuführung von Giftstoffen auf die Bienenstöcke, sondern die Bienen haben bei der Nahrungssuche das auf vielen von vorneherein unbestimmten Grundstücken verstreut liegende Gift zu sich genommen. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Imker eine Sachberechtigung aus eigenem Recht zur Verteidigung fremder Grundstücke gegen Eingriffe (Bestreuen mit Gift) zuzubilligen, wenn er mit seinen Völkern eine große Anzahl fremder Grundstücke flüchtig und vorübergehend benützt. Der Bienenflug ist in den Grenzen des § 906 zulässig; der Imker hat jedoch kein Recht am fremden Grundstück; er hat kein Legalservitut an allen für die Nahrungsaufnahme der Bienen in Betracht kommenden Grundstücke. Für den Anspruch des Imkers kommt lediglich die vom Nachweis eines Verschuldens abhängige Schadenersatzklage nach § 823 B G B in Betracht (RG JW 1916, 38). Hier kommt es darauf an, ob und inwieweit die Arsenzuführung das nach § 906 zulässige Maß überschreitet. Was sich innerhalb dieses Rahmens hält, muß allgemein hingenommen werden (RG 139, 34); das ist nicht rechtswidrig. Zuführungen, die das nach § 906 zulässige Maß überschreiten, können — wenn Abhilfemaßnahmen nicht möglich — nicht verboten werden (§ 26 GewO), wohl aber ist die Klage auf Ersatz des durch sie herbeigeführten Schadens gegeben, sofern ein s c h u l d h a f t e s Verhalten nachgewiesen wird (RG 159, 129). VII.

Eigentumsfreiheitsklage

Insoweit die Einwirkung durch Immissionen nach den Bestimmungen des § 906 nicht erlaubt ist, ist der Nachbar gemäß § 903 B G B zur A u s schließung der Einwirkung berechtigt 173 ). Die Klage, mit welcher diese unzulässige Einwirkung abgewehrt wird, ist die Eigentumfreiheitsklage des § 1004 B G B . Sie geht auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung und auf U n t e r l a s s u n g weiterer Beeinträchtigung. D e r Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung setzt das objektive Bestehen eines durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen körperlichen Zustandes voraus; hier kommen solche Anlagen in Betracht, welche durch ihre Benützung eine unzulässige Immission auf das Nachbargrundstück bewirken (§ 907), s. hierüber unten § 38 II, 1. D e r Anspruch auf U n t e r l a s s u n g weiterer Beeinträchtigung setzt lediglich voraus, daß nach den Umständen weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind 174 ) (s. darüber unten § 38 II, 2). D e r K l a g s an S p r u c h geht in solchem Falle dahin: der Beklagte hat die Zuführung von Rauch und Ruß auf das Grundstück des Klägers insoweit zu unterlassen, als dieselbe

173 ) Der Immittent kann sich nicht darauf berufen, daß durch zu hohe Anforderungen hinsichtlich der Vermeidung schädlicher Einflüsse eine bestimmte Industrie vernichtet würde; Recht 1908, 57 Nr. 318 (RG); s. jedoch § 26 GewO (unten § 39). l?t ) Sind Kugeln von dem Schießstand bisher noch nicht herübergeflogen, so kann von der Besorgnis einer weiteren Beeinträchtigung nicht die Rede sein (Recht 1 9 1 1 Nr. 2732 RG).

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VII

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

die Benützung dieses Grundstücks wesentlich beeinträchtigt und durch eine Benützung des Grundstücks des Beklagten herbeigeführt wird, welche nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage nicht üblich ist 176 ). D e r Kläger braucht nicht die Vorkehrung bestimmter Maßregeln, durch welche die unzulässige Beeinträchtigung hintangehalten werden soll, zu verlangen; er darf dies nicht einmal tun, ebensowenig als das Urteil hierüber Bestimmung zu treffen hat. Sache des Beklagten ist es, entweder die Einwirkung überhaupt einzustellen oder Vorkehrungen zu treffen, durch die eine wesentliche Beeinträchtigung so herabgemindert wird, daß sie sich im Rahmen des Ortsüblichen hält. (Näheres hierüber s. unten § 38, II, 2). A k t i v l e g i t i m i e r t zur Eigentumfreiheitsklage ist der Eigentümer auch der Wohnungs- oder Teileigentümer oder der sonst dinglich Berechtigte, nicht aber der Mieter 176 ) (s. darüber § 38, I V , 1). Mieter oder Pächter können die Klage aus § 1004 erheben, wenn ihr Eigentum beeinträchtigt wird. Der Pächter ist denselben Beschränkungen aus § 906 wie der Eigentümer unterworfen; denn er kann keine größeren Rechte haben als der 176 ) Der Anspruch kann nicht auf Unterlassung schlechtweg gerichtet werden. Dem Kläger steht nach dem Gesetz der Unterlassungsanspruch nur mit Einschränkung zu; der Richter kann daher nicht ohne Einschränkung verurteilen. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 43ff. zu § 906; R G 162, 349; J W 1930, 2934; vgl. B G H in N J W 1958, 1776 = MDR 58, 497 (Es genügt, wenn im Urteilssatz die Störungsart im allgemeinen bezeichnet wird, etwa: „Dem Bekl. wird geboten, Störungen durch Geräusch- (oder Rauch — usw.) einwirkungen zu unterlassen). Vgl. ferner Hodes in N J W 1954, 644 (gegen Köln in N J W 1955, 592). 176 ) R G 59, 327. Der Mieter kann aber wegen Immissionen die Besitzstörungsklage erheben. Vgl. Endemann 474 Anm. 52 und 244 Anm. 9. — Auch kann der Mieter den Vermieter aus § 536 dazu anhalten, daß er seinerseits gegen den Nachbar vorgeht. Vgl. OLG. 17, 26 (Dresden). Eventuell kann der Mieter nach § 544 oder, wenn der Vermieter trotz Aufforderung nicht die erforderlichen Maßnahmen gegen den Nachbar ergreift, aus § 538 ohne Kündigungsfrist aufkündigen. Hat aber der Mieter beim Abschluß des Mietvertrags gewußt, daß nebenan ein Sägewerk betrieben werde, so stehen ihm g e g e n ü b e r dem V e r m i e t e r diese Rechte nicht zu (§ 539), während sein Anspruch auf Besitzschutz gegen den Nachbar von einer solchen Kenntnis nicht berührt wird. Vgl. auch B G H in BB 54, 426 (Die Mieter verschiedener Gebäudeteile können in entsprechender Anwendung des § 907 Ansprüche wegen lästiger Einwirkungen untereinander geltend machen). Wird ein Grundstück für ein bestimmtes Gewerbe vermietet (z. B. Rundfunk- und Fernsehhandel), so ist der Vermieter verpflichtet, alle Gefahren und Störungen abzuwenden, die von Nachbarmietern ausgehen, denen andere Teile desselben Grundstücks vermietet wurden (BGH B B 66, 427). Überläßt der Eigentümer eines Miethauses die ihm gehörende anliegende Wiese einem anderen zum Gebrauch, der dort eine lärmende Veranstaltung (z. B. Volksfest) tätigt, so geht der Anspruch der Hausmieter gegen den Eigentümer dahin, daß dieser bei der Vermietung der Wiese vertraglich sicherstellt, daß alle wesentlich beeinträchtigenden Lärmeinwirkungen unterbleiben. Ein völliges Verbot der Vermietung kann nicht gefordert werden (OLG Karlsruhe M D R 1967, 126).

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Immissionen

§ 1 4

VII

Eigentümer. Andererseits stehen dem Pächter auch dieselben Rechtsbehelfe zu wie dem Eigentümer. 177 ) Dagegen ist keine gesetzliche Grundlage dafür vorhanden, dem I m k e r , der mit seinen Bienenvölkern vorübergehend fremde Grundstücke benützt, eine Berechtigung aus eigenem Recht zur Verteidigung fremder Grundstücke gegen schädigende Einwirkungen (giftiger Ruß und Staub aufpflanzen) zuzubilligen ( R G 159, 68).

P a s s i v l e g i t i m i e r t zur Eigentumfreiheitsklage ist der Störer178) (vgl. hierüber unten § 38, IV, 2), ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, von welchem die Störung ausgeht. Aber der letztere kann unter Umständen schon deswegen als Störer angesprochen werden, weil er den Zustand der Beeinträchtigung oder Gefährdung, der von seinem Grundstück aus für den Nachbarn herbeigeführt worden ist, nicht abstellt (z. B. als Vermieter bezüglich der von seinem Mieter begangenen Störung 179 ); s. darüber unten § 38, IV, 2. Eine besondere Gestaltung erleidet die Eigentumfreiheitsklage gegenüber gewerblichen Anlagen durch § 26 der Gewerbeordnung und gegenüber Verkehrsunternehmungen durch Art. 80 A G (s. darüber unten §39)-

Die Eigentumfreiheitsklage selbst geht nicht auf Schadenersatz; hierfür ist Verschulden des Immittenten Voraussetzung (§ 823). Derselbe mußte voraussehen oder bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt voraussehen können, daß von seinem Grundstücke aus eine unzulässige Einwirkung im Sinne des § 906 auf das Nachbargrundstück erfolgen werde (s. darüber unten § 43). Nur in jenen Fällen, in welchen dem beeinträchtigten Eigentümer der Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der Immission durch Sondervorschrift entzogen ist, hat er nach der herrschenden Ansicht auch ohne Nachweis eines Verschuldens ein Schadenersatzanspruch (s. darüber unten §§ 39 und 43). 177 ) Vgl. B G H in N J W 1955, 19 gibt dem Pächter denAnspruch auf Schadloshaltung nach § 26 GewO unter Hinweis auf R G Z 105, 213, auf R G Z 159, 68 und J W 1932, 2984. 178 ) Werden die Ackerländereien eines Landwirts durch Staubeinwirkungen bei der Vornahme von Straßenbauarbeiten im Autobahngelände erheblich beeinträchtigt, so kann er einen Entschädigungsanspruch gegen die Bundesrepublik als die Auftraggeberin und gegen das Land als die Führung der Aufsicht richten ( B G H R d L 67, 291). Vgl. ferner B G H M D R 67, 913 u. 68, 483. 178) Vgl. unten § 38 I V 2. So ist z.B. der Nießbraucher, der das seinem Nießbrauch unterfallende Grundstück einer Schaustellertruppe vermietet hat, bei unzulässigen Lärmeinwirkungen seitens des dort abgehaltenen Volksfestes Anspruchsgegner ( O L G Karlsruhe M D R 67, 126). Zur rechtlichen Stellung des Bauunternehmers vgl. B G H N J W 66 S. 42.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

278

Sj-" VIII, IX, X

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

VIII. B e w e i s l a s t Der Eigentümer, welcher die Immission verbietet und den negatorischen Anspruch wegen der Immission erhebt, hat nur zu beweisen, daß eine Einwirkung vorliegt. Damit hat er zunächst seine Befugnis zur Abwehr aus § 903 dargetan; denn diese liegt an sich im Begriffe des Eigentums. Sache des Immittenten ist es, darzutun, daß diese Einwirkung erlaubt ist, daß also entweder durch die Einwirkung die Benützung des Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird, oder aber die Einwirkung durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt wird und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden kann180). I X . Ä n d e r u n g e n w ä h r e n d des P r o z e s s e s Wenn der Beklagte nach der K l a g e e r h e b u n g A b h i l f e schafft, so wird hierdurch seine Verurteilung nur dann abgewendet, wenn er beweist, daß eine Wiederkehr der unzulässigen Einwirkung nach Lage der Sache als ausgeschlossen zu betrachten ist (s. hierüber unten § 38). Eine Steigerung der Einwirkung, die nach der Klageerhebung eintritt, ist natürlich bei der Entscheidung zu berücksichtigen181). X . E i n f l u ß des ö f f e n t l i c h e n R e c h t s Selbstverständlich läßt § 906 alle im öffentlichen Rechte begründeten Vorschriften unberührt, andererseits wird eine nach § 906 unzulässige Immission durch Genehmigung von Seite der Verwaltungsbehörde nicht zulässig182). So kann der Eigentümer eines Grundstückes die nach § 906 nicht zulässige Zuführung des mit dem Betrieb brandgefährlicher Anlagen z. B. mit dem Fässerpichen verbundenen Rauches und Geruches auch dann verbieten, wenn der Betrieb dieser Anlagen behördlich erlaubt ist. 18 °) R G Z 64, 365; 105, 2 1 7 ; B G H 16. 10. 70 V Z R 10/68; 4. 12. 70 V Z R 79/68; R G R K o m . Bern. 8; Staudinger-Seufert Randb. 42; Planck-Strecker Bem. 5 b je zu § 906; Biermann Anm. zu § 906; Maenner 163; J W 1901, 640 (RG); 1902 Beil. 202 (RG); Recht 1904, 282 Nr. 1280 (RG)M 1909 Nr. 3 1 3 3 ; J W 1 9 1 1 , 326; R G 57, 224. A . M. Ortloff, Nachbarrecht 246f.; Leonhard, Beweislast 41, weil das Gesetz für den Regelfall das Verbietungsrecht ausschließe und den Anspruch nur ausnahmsweise gewähre. 181 ) R G K Bem. 13 zu § 906; J W 191c, 654; Recht 1 9 1 1 Nr. 507; J W . 1 9 1 1 , 326 (RG); RGWarn. 1930 Nr. 194; J W 1932, 400; Staudinger-Seufert Randb. 42 zu § 906. Vgl. auch B G H in N J W 1955, 19, wonach auch für Ansprüche aus der Zeit vor Erhebung der Klage Ansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht werden können und zwar ohne den Nächweis eines Verschuldens. 182 ) Anders bei gewerblichen Anlagen, die nach § 26 GewO behördlich genehmigt sind. Vgl. dazu unten § 39 und Meisner in BayZ 23, 5.

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§ 1 5

Verbotene Anlagen

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§ 15*). Verbotene Anlagen ) I. A l l g e m e i n e s E s gibt eine Menge von Anlagen, bei deren Errichtung sich der Eigentümer zwar streng innerhalb der Grenzen seines Eigentums hält, welche indessen im Laufe der Zeit entweder selbsttätig wirkend oder infolge ihrer zweckentsprechenden oder zweckwidrigen Benützung zu unzulässigen E i n wirkungen führen 2 ). Durch § 907 wird der Anspruch gewährt, solche A n lagen auf einem Nachbargrundstück zu verbieten, die auf das andere Grundstück schädigend einwirken. D e r die betreffende Anlage errichtende Grundeigentümer wird durch § 907 in seinem Eigentumsrecht beschränkt. Sondervorschriften, welche v o n der besonderen Natur der einzelnen A n lagen ausgehend, die Einhaltung v o n Abständen gebieten und Vorsichtsmaßregeln auferlegen, hat man im Bürgerlichen Gesetzbuche 8 ) mit Rücksicht auf die lokale Verschiedenheit der Anschauungen nicht für angezeigt erachtet. Dies wurde durch den Vorbehalt des Art. 1 2 4 des E G der Landesgesetzgebung überlassen. Bayern hat übrigens v o n diesem Vorbehalt hinsichtlich der in § 907 B G B in Betracht kommenden Anlagen keinen G e brauch gemacht. P r i v a t r e c h t l i c h e Vorschriften über den A b s t a n d § 15*). Schrifttum: Wemeberg, Grundeigentum 1928; Meisner-Stern-Hodes § 17; Ostloff, ArchBürgR 26, 3 27 ff. *) Das allgemeine Prinzip yon der Abgrenzung der im Eigentum liegenden Machtverhältnisse der Grundstückseigentümer beruht auf dem Grundsatze, daß jeder auf seinem Grund und Boden unbeschränkt ist, daß er jedoch bei Ausübung seiner Befugnisse nicht hinübergreifen darf in die Eigentumssphäre des Nachbarn. Solange daher eine von dem Eigentümer auf seinem Grundstück getroffene Einrichtung noch keine Einwirkung auf das Nachbargrundstück gezeitigt hat, hat der Eigentümer des letzteren kein Recht, gegen den anderen einen Anspruch zu erheben, auch wenn mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit in Zukunft unzulässige Einwirkungen von Seiten der Nachbareinrichtungen hervortreten werden. Dieses allgemeine Prinzip wird aus wohlerwogenen Zweckmäßigkeitsgründen vom B G B durchbrochen. Es wäre unbillig, dem Nachbar unter allen Umständen die Geltendmachung eines Anspruches zu versagen, bis tatsächlich die unzulässige Einwirkung erfolgt und somit der Schaden eintritt. Die Vorschriften, welche dem Schutze des Eigentums bei bloßer Gefährdung desselben, also vor der tatsächlich erfolgten Einwirkung, dienen, sind in den §§ 907—909 B G B normiert (§§ 15—17 dieser Abhandlung). 2 ) M 3, 293 (Mugdan 3, 162). s ) Bei einer örtlichen Statutenkollision entscheidet über das Erfordernis des Grenzabstandes von Anlagen an sich das Recht desjenigen Gebietes, auf welchem sich die betreffende Anlage befindet. Müßte jedoch nach diesem Rechte ein Abstand eingehalten werden, nach dem Rechte des daran angrenzenden Grundstückes aber nicht oder nur in geringerem Maße, so ist nur diese Vorschrift zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: bei Grundstücken, welche durch die Grenze verschiedener Rechtsgebiete geschieden sind, braucht für beide Grundstücke nur diejenige Rechtsvorschrift eingehalten zu werden, welche das Halten der Anlagen weniger erschwert. Vgl. Endemann 476 Anm. 60. 275

8 li» I, II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

solcher Anlagen sind, abgesehen von den Bestimmungen über den Abstand von Fenstern (Art. 60—66 AG), in Bayern nicht in Geltung. D i e f r ü h e r e n partikularrechtlichen Normen haben auch für die Anlagen, die vor dem 1. 1. 1900 errichtet wurden, keine G e l t u n g m e h r ; so z.B. die Vorschriften des Preußischen-, Münchener-, Nürnberger-, Mainzer-, Augsburger-, Regensburger-, Ulmer- und Memminger-Rechtes über den Abstand für Abtritte; des Preußischen-, Münchener-, Memminger-, Augsburgerund Regensburger-Rechtes für Mistgruben; des Preußischen Landrechtes und Augsburger-Rechtes für Brunnen4). Dagegen sind die Vorschriften ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e r Natur, welche sich auf den Abstand von Anlagen von der Grenze beziehen, durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht berührt worden und haben daher fortlaufende Geltung®). II. V o r a u s s e t z u n g e n u n d B e g r i f f 1. Bei Anlagen, welche ihre Wirkung allmählich und unter kaum merklichen Fortschritten auf das Nachbargebiet erstrecken, wird die Lage beider Teile verschlimmert, wenn erst das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Beeinträchtigung abgewartet werden muß, da die Erlangung des früheren Zustandes für den Beeinträchtigten erschwert und die Wiederherstellung für den anderen Teil mit großer Mühe und Kosten verbunden ist6). Aus diesem Grunde rechtfertigt sich ein grundsätzliches und allgemeines Präventivverbot, welches die von der Anlage ausgehenden Wirkungen, bevor sie die Grenzen überschreiten und fremdes Recht verletzen, zu verhüten sucht. Demgemäß wird auch durch § 907 B G B dem Eigentümer eines Grundstückes die Befugnis verliehen, zu verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benützung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Dieser Anspruch ist durch § 924 B G B der Verjährung entzogen. Das Wesentliche bei § 907 ist somit, daß zur Begründung des Beseitigungsanspruches noch keine unzulässigen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück stattgefunden zu haben brauchen7). §907 setzt nicht voraus8), 4

) Vgl. Roth, Bayer. Zivilrecht 2 § 125 Anm. 1 7 f r . ) Prot. 3, 159 ; Vgl. unten VI. •) M. 3, 294 (Mugdan 3, 163). ') RG 50, 299. Vgl. auch OLG München in NJW 54, 513 (Erweiterung einer Tankstelle durch Errichtung einer Hebebühne und eines Waschplatzes); Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 907; Meisner-Stern-Hodes § 17, FN 5. (Der vorbeugende Abwehranspruch kann geltend gemacht werden, wenn der Wille zur Errichtung der Anlage ernsthaft, etwa durch Einreichung eines Planes, kundgegeben worden ist.) 8 ) OLG 18, 126. 5

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Verbotene Anlagen

§ 15

111,2

daß die beiden in Betracht kommenden Grundstücke unmittelbar aneinander angrenzen9). Unter Nachbargrundstück ist jedes im Einwirkungsbereich der betreffenden Anlage befindliche Grundstück zu verstehen. Führt ein Gemeindeweg zwischen zwei gleich hochgelegenen Grundstücken hindurch und wird unter Aufschüttung des Gemeindewegs eine Zufahrt zu dem höher gelegenen Grundstück hergestellt, so daß die Benützer des Gemeindewegs die Aufschüttung umfahren und dabei Gefahr laufen, nach der Seite des tieferliegenden Grundstücks abzugleiten, so ist mit Sicherheit zu erwarten, daß das tiefer liegende Grundstück im Laufe der Zeit beschädigt wird. Der Hersteller der Auffahrt und die sie duldende Gemeinde können aus § 907 in Anspruch genommen werden. 2. B e g r i f f . Unter Anlage 10 ) ist ein Werk von gewisser Selbständigkeit und Beständigkeit 11 ), ein Bau oder ein Bauteil u. dgl. zu verstehen. Nicht erforderlich ist, daß das betreffende Werk Bestandteil des Grundstücks ist, wenn nur eine auf die Dauer berechnete Verbindung der Sache mit Grund und Boden vorhanden ist. Bewegliche Sachen werden regelmäßig 12 ) nicht als Anlagen im Sinne des § 907 zu betrachten sein. Wenn aber nach den Umständen anzunehmen ist, daß der Gegenstand f ü r die D a u e r aufgestellt ist und wenn ihm eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit beizumessen ist, kann der Begriff der Anlage gegeben sein. Man denke z.B. an Bienenkörbe, die nicht in einem festen Bienenhaus, sondern einzeln standfest (etwa auf Pflöcken) für die Dauer aufgestellt sind. Fahrbare Bienenstöcke oder sonst nur vorübergehend in einer Gegend mit gerade guter Honigausbeute aufgestellte Bienenkörbe bilden keine Anlage i. S. des § 907. 13 ) Eine bloße räumliche Veränderung, wie Erhöhung oder Tieferlegung eines Grundstückes, z.B. die bloße erhöhende Aufschüttung einer Straße oder deren Tieferlegung, mag auch dadurch der Zugang zu dem Nachbargrundstück erschwert oder demselben die Aussicht oder das Licht beein') Ebenso Dernburg 290 Anm. 2 ; Plattner, PrVerwBl. 22, 545; Gruchot 54, I O I I ; 66,478; vgl. R G 50,322; 167,20; BayZt. 1922,203; JW1923, 288; RGRKomm. Bern. 3 a; Staudinger-Seufert Randb. 5 je zu § 907. 10 ) Hörle, VerwArch. 10, 393 führt beispielsweise als Anlage im Sinne des § 907 auf: Dunggruben, Schlammgruben, Schmutzkanäle, Aborte, Brunnen, Gräben, Teiche, Häuteoder Knochenlager, Schweineställe, Fisch- und Geflügelschlächtereien, Schmieden, Backöfen, Rauchfänge, Heizungs- und Feuerungsanlagen, Brauereien, Wollwäschereien, Anstalten zur Bereitung künsdicher Mineralwässer, Salzmagazine, Gruben mit ätzenden Flüssigkeiten, sowie der Genehmigungspflicht nicht unterworfene Rauchwarenzubereitungsanstalten, Färbereien, Feldziegelöfen, Feldbrände, elektrische Leitungen. Als Anlage kommen auch solche Werke in Betracht, die auf Grund ihrer Beschaffenheit von sich aus ohne menschliche Mitwirkung eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes herbeiführen (vgl. R G WarnR 1910 Nr. 336). U ) JW 1912, 752 (RG); R G 51, 253; Gauch 46, 652. 12 ) Vgl. JW 1912, 752; R G 51, 253; Gruchot 46, 652. ls ) Kuhlenbeck im Recht 1904, 309. Vgl. auch Staudinger-Seufert Randb. 8 zu § 907.

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§ Au 112

II, Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

trächtigt werden 1 4 ), ist keine Anlage im Sinne des § 907. Dagegen ist der Ausbau einer Straße dann als Anlage im Sinne des § 907 zu erachten, wenn dabei Wassergräben und Kanäle angelegt sind, welche dem Nachbargrund14 ) Über die Rechtsverhältnisse des S t r a ß e n a n l i e g e r s und seine evtl. Ersatzansprüche bei Nachteilen, die ihm infolge Veränderungen, z.B. höher oder niedriger Lagen des Straßenkörpers erwachsen, waren die Ansichten verschieden je nach dem Rechtsgebiet, dem die betreffende öffentliche Straße angehörte. Das Reichsgericht hat für den Bereich des PrALR (vgl. R G Z 44, 284; 56, 110) sowie für das Rhein.-französ. Recht (vgl. R G Z 10, 271; J W 1900, 35) den servitutarischen Charakter des Rechtsverhältnisses und damit den Sonderrechtsanspruch des Straßenanliegers anerkannt. Diese Rechtsauffassung hat das Reichsgericht schließlich auch (unter Aufgabe seiner ursprünglichen Ansicht in R G 145, m ) auf das Gemeine Recht ausgedehnt. Zur Begründung dieser Auffassung führt das R G (im Anschluß an Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht S. 131fr. und an Gierke SR 28 Anm. 36) insbesondere aus, daß jedem, der im allgemeinen Interesse ein Vermögensopfer bringen müsse, nach den allgemein geltenden Grundsätzen des Aufopferungsrechts — §§ 74 u. 75 Einl. z. PrALR — ein Anspruch auf billige Entschädigung gegen die Gemeinschaft zustehe. Durch diese für das ganze Reichsgebiet anerkannte Rechtsprechung wurde auch die bis dahin geltende Ansicht des BayObLG (vgl. JMB1.1880, 7), die jeden Ersatzanspruch des Straßenanliegers wegen Veränderungen an der Straße abgelehnt hatte, überholt. Daraufhin hat sich allgemein die Rechtsauffassung durchgesetzt, daß dem Anlieger an einer öffentlichen Straße ein Rechtsanspruch auf Erhaltung des Zugangs und der Zufahrt von und zur Straße sowie auf Erhaltung des Zutritts von Licht und Luft zu seinen Gebäuden zustehe und daß jede erhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte durch nachträgliche Veränderungen an der Straße einen Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung nach dem allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 74, 75 EinlPrALR auslöse (vgl. R G Z 156, 309; Gruch 66, 597; JW 25, 2446). Ein solcher Entschädigungsanspruch wurde jedoch verneint, wenn lediglich „tatsächliche Vorteile" entzogen wurden, auf deren Fortbestand der Straßenanlieger kein Anrecht habe (vgl. hierüber R G Z 161, 364). Insbesondere wurde dem Anlieger ein Anspruch auf den Fortbestand von Vorteilen versagt, die sich etwa aus einer bestimmten Wohn- oder Verkehrslage auf Grund von Bebauungsplänen ergeben können (vgl. B G H vom 4. 2.1957—IIIZRi8i/55).Von dem Aufopferungs-Entschädigungsanspruch zu unterscheiden ist der Anspruch auf Schadloshaltung für Nachteile von Seite gewerberechtlich genehmigter Unternehmungen (§ 26 GewO). Diese durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind im wesentlichen durch Art. 17 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) aufrecht erhalten und gesetzlich ausdrücklich geregelt worden, jedoch insofern eingeengt, als dem Anlieger an einer öffentlichen Straße ein Rechtsanspruch darauf ausdrücklich versagt wird, daß die betreffende Straße nicht (durch Höher- oder Tieferlegung oder sonstwie) verändert oder überhaupt eingezogen werde. S. darüber unten § 29, II. Zu beachten ist jedoch das Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das z.B. bei der Behinderung des Fußgängerverkehrs vor einem Ladenlokal verletzt werden kann (BGH Vers.R 61, 831). Zu diesem Recht gehört bei einem Ladengeschäft die ungestörte Schaufensterwerbung und die Ausnützung der Möglichkeit, Passanten auf die angebotene Ware aufmerksam zu machen (OLG Düsseldorf N J W 61, 1925). Eine vorübergehende Durchfahrtssperre gibt einem Tankstellenbesitzer nur dann einen Entschädigungsanspruch, wenn damit eine weitergehende Beeinträchtigung des Betriebs verbunden ist, als bei ordnungsgemäßer Durchführung der Arbeiten unvermeidlich war (BGH J R 63, 301). Gegen eine bloße Verkehrssteigerung kann sich der Anlieger nicht wehren.

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Verbotene Anlagen

§ -»-«> II 2

stück unzulässige Einwirkungen zuführen 15 ), oder wenn dabei die Straße nicht höher gelegt wird, sondern vor dem angrenzenden Hause ein lichter Raum hergestellt, eine Futtermauer errichtet und der Wasserlauf verändert wird 16 ), oder wenn infolge der Erhöhung die anliegenden Häuser durch Ansammlung von Sickerwasser Schaden (Ersatzpflicht nach § 367 Ziff. 14 StGB, § 823 Abs. 2 G B G ) erleiden17). Desgleichen Schlamm und -Sandmassen, die beim Bau eines Kanals aufgeschüttet worden sind18). Ein Bienenkorb 19 ) unmittelbar an der Grenze kann als Anlage im Sinne des § 907 angesprochen werden, desgleichen ein Taubenschlag. Auch eine in einem öffentlichen Flusse errichtete Stauanlage, durch welche das Grundstück eines Anliegers beeinträchtigt wird, gehört hierher20). Nur Anlagen, welche eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück ausüben, können unter § 907 fallen, nicht dagegen solche Anlagen, die sich streng auf der Grundfläche ihres Eigentümers halten und nicht in das Gebiet des anderen Grundstückes hinübergreifen, wenn sie dieses auch vielleicht durch Entziehung von Licht, Luft, Aussicht oder Bequemlichkeiten beeinträchtigen 21 ); deshalb gehört eine Bretterwand nicht zu den Anlagen im Sinne des § 90722), noch weniger Fenster, für welche überhaupt die landesrechtlichen Vorschriften gelten23), dagegen sind Türen, welche bestimmungsgemäß nur den Zweck haben können, den Übertritt von einem Anwesen auf ein Nachbargrundstück zu ermöglichen, Anlagen im Sinne des § 90724), desgleichen der Straßenanschluß, durch welchen jemand eine aus seinem Grundstück angelegte Straße in den Weg eines anderen einmünden läßt2«).

15

) Recht 1906, 1 1 9 7 Nr. 2848 (Frankfurt). ) O L G 18, 126; Recht 1915 Nr. 559. 17 ) Warneyer 1915 Nr. 51. le ) R G 60, 1 3 8 ; J W 1905, 201 Nr. 5. 19 ) S. oben Anm. 15. 20 ) Recht 1908, 268 Nr. 1563 (RG); J W 1908, 301 (RG). Anders für einen Teich, der nach landesgesetzlichem Wasserrecht zu beurteilen ist. J W 1 9 1 2 , 392; J W 1936, 804 (Ein wasserrechtlich genehmigtes Triebwerk unterliegt nur den Bestimmungen des W G in Verb. m. W H G (BGBl. I, 37). Auch Veränderungen der Grundwasserverhältnisse (vgl. R G 155, 154) sind nach dem W G in Verb. m . W H G §§ 33fr. zu beurteilen). Ein künstl i c h e r Teich dagegen kann als Anlage gelten (Froschgequacke WarnE 3 Nr. 336). 21 ) R G 5 1 , 2 5 3 : 9 8 , 1 7 ; Recht 1908 Nr. 5 3 1 ; J W 1908,142 (RG); vgl. oben Einleitung. 22 ) Recht 1906 Nr. 2847 (Frankfurt); R G 98, 17. 23 ) Neumann, Jahrb. 5, 399 ( L G Mainz). M ) Vgl. O G H 8, 284. Der Nachbar, auf dessen Eigentum der durch die Türe vermittelte Ausgang führt, braucht sich nicht damit zu begnügen, daß die Türe verschlossen gehalten wird, er kann Beseitigung, zum mindesten aber eine solche Einrichtung der Türe verlangen, daß sie nicht mehr geöffnet werden kann. 26 ) O L G 2, 345 (Marienwerder). 16

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§15

II 3

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Ein unmittelbar vor dem Fenster des Nachbars aufgestellter Kandelaber ist keine unzulässige Anlage, wenn auch hierdurch die Gefahr des Einsteigens in das Nachbarhaus begründet wird. Denn der Eigentümer ist nach § 903 befugt, den Kandelaber aufzustellen, er übt damit keine Einwirkung auf das Nachbargrundstück. 3. Man kann bei den Anlagen im Sinne des § 907 solche unterscheiden28), welche selbsttätig ohne Hinzutreten einer weiteren menschlichen Tätigkeit wirken (wie Gräben und Kanäle, welche übelriechendes Wasser enthalten27), oder Aufenthalt für schädliche Tiere bieten28), Dung- und Versitzgruben)29) und solche Anlagen, welche nur, wenn sie in Funktion gesetzt werden, einwirken (z.B. Backöfen, Rauchfänge, Viehställe30), Aufschüttungen von Erd- und Sandmassen31), Stauvorrichtung32) und gewerbliche Anlagen)33). In beiden Fällen kommen nur Anlagen mit solchen E i n w i r k u n gen in Betracht, die durch s i n n l i c h e Wahrnehmungen vermittelt werden, nicht dagegen mit bloßen Einwirkungen auf das Gefühlsleben; es fallen also Anlagen, von denen lediglich sog. i d e e l l e oder immaterielle Immissionen (Erregung von Furcht, Grausen, Scham) ausgehen, nicht unter § 9°7 ( v gl- bezüglich der Anlagen mit Explosionsgefahr [Pulvermagazin], bezüglich der Leichenhäuser und Bordelle s. unten § 38 I), wie überhaupt Anlagen, welche das Nachbargrundstück in anderer Weise als durch stoffl i c h e s Hinüberwirken, wie z.B. durch Werfen von Schatten oder Behinderung des Luftzutrittes beeinträchtigen, nicht unter § 907 fallen34). Die Höher- oder Tieferlegung einer Straße fällt nur dann unter § 907, wenn sie direkt auf das Eigentum einwirkt. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn durch die Änderung der Straße Licht und Aussicht oder der Zugang zu der Straße genommen wird36), wohl aber z.B. dann, wenn der Wasserlauf in schädlicher Weise geändert wird 36 ), was übrigens besonderer Erlaubnis oder Bewilligung nach §§ 2, 3 Abs. 2 W H G bedarf und daher idR. nach öffentlichem Recht unzulässig ist (vgl. Art. 62 BayWG). Nicht zu den Anlagen im Sinne des § 907 B G B gehören B ä u m e und S t r ä u c h e r , die durch Abs. 2 des § 907 B G B ausdrücklich ausgenommen 26

) M. 3, 294 (Mugdan 3, 163). " ) RG 51, 254. » ) JW 1910, 654. 29 ) OLG 4, 59. »») R G j i , 254. 31 ) RG 6o, 140. 32 ) JW 1908, 301. M ) Turnau-Förster Anm. 1 zu § 907. Vgl. OLG 2, 345; JW 1901, 52. M ) BayZ 1908, 123 (RG); R G 155, 157; JW 1914, 196. RG 51, 253; OLG 18, 126; vgl. aber Art. 17 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958, wonach das Recht des Straßenanliegers eingeengt wird, s. darüber unten § 29 II a. E. 3 «) OLG 18, 126.

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sind. Für diese ist § 9 1 0 B G B sowie Art. 7 1 f f A G maßgebend 37 ). Dagegen fällt es unter § 907 B G B , wenn jemand ein Haus mit so schlechter Fundamentierung baut, daß sich die dem Nachbar zugekehrten Wände notwendig über dessen Grundstücke neigen müssen 38 ). 4. Voraussetzung für die Anwendung des § 907 B G B ist der Nachweis, daß die Anlage v o n selbst oder bei ihrer Benützung unzulässige Einwirkungen zur n o t w e n d i g e n , wenn auch nur allmählich hervortretenden Folge hat. Die auf die bloße M ö g l i c h k e i t , ja selbst Wahrscheinlichkeit, sich gründende Besorgnis derartiger Einwirkungen genügt nicht 39 ). So kann man beispielsweise nicht mit Sicherheit voraussehen, daß in einer Sprengstofläbrik früher oder später Explosionen eintreten werden 40 ). A n dererseits ist eine mathematische Sicherheit nicht erforderlich; es genügt, wenn nach den Lebenserfahrungen ein ernsthafter Zweifel darüber, daß das Ereignis früher oder später einmal eintreten muß, nicht bestehen kann 41 ). Wer den Anspruch aus § 907 geltend macht, z.B. eine Pensionsinhaberin wegen der Errichtung einer Freibadeanstalt unmittelbar in der Nähe ihrer Pension, hat Zu beweisen, daß von der beanstandeten Anlage mit Sicherheit unzulässige Einwirkungen ausgehen. Dieser Beweispflicht wird nicht schon dadurch genügt, daß dargetan wird, es seien mit Sicherheit Einwirkungen überhaupt zu erwarten. Es ist nicht Sache des Erbauers der Anlage zu beweisen, daß die Einwirkungen nach Maßgabe der Ausnahmevorschriften, insbesondere nach § 906, vom Eigentümer geduldet werden müßten, also nicht unzulässig seien42). Wenn nach den besonderen Umständen die Gefahr so sehr gesteigert ist, daß man mit einer der Gewißheit gleichkommenden Wahrscheinlichkeit den Eintritt v o n unzulässigen Einwirkungen voraussehen konnte, dann sind diese Einwirkungen im Sinne des § 907 mit Sicherheit vorauszusehen. E s ist also zur Anwendung des § 907 nicht erforderlich, daß der Eintritt 37 ) S. unten §§ 18 und 19. " ) Cosack 2, 153. Vgl. hierzu unten § 16. 89 ) M 3, 295 (Mugdan 3, 163); J W 1902 Beil. 203 (RG); Recht 1904, 282 Nr. 1281 (RG); Recht 1907 Nr. 1 1 5 7 ; JW 1910, 20; SeufifA 65 Nr. 212 (RG). Es genügt also nicht der Beweis, daß, w e n n auf dem Nachbargrundstück Feuer entstehen sollte, mit Sicherheit die Flammen in das Grundstück des Klägers hinüberwirken würden, sondern es muß auch nachgewiesen werden, daß das Feuer mit Sicherheit vorauszusehen sei (RG 50, 226). Aus dem gleichen Grunde sind bei einem ordnungsgemäß angelegten Rohrnetz einer Gas- oder Wasserleitung die Voraussetzungen des § 907 nicht gegeben. Der Unternehmer haftet für den durch Rohrbruch entstandenen Schaden nur im Falle seines Verschuldens (RG 63, 374). 40 ) S. darüber unten § 43 III 2. 41 ) Vgl. Gruchot 59, 476; JW 1923, 289; SeufEA 78 Nr. 83; Gruch 66, 476; R G Z 134, 255 ; vgl. auch RGRKomm. Bern. 5 ; Staudinger-Seufert Randb. 12a zu § 907; Oldenburg 1958, 1096. 42 ) Vgl. B G H u. B B 5 5 , 301; Z M Nr. 8 zu § 559 ZPO; Staudinger-Seufert Randb. 32; RGRKomm. Bern. 4 zu § 907.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums II 4

der schädigenden Einwirkung mit unbedingter Gewißheit, wie ein auf Grund von Naturgesetzen notwendig eintretendes Ereignis vorausgesetzt werden kann. Vielmehr muß mit Rücksicht auf die Beschränktheit der menschlichen Erkenntnis und des Voraussetzungsvermögens, wie in anderen Fällen (z.B. bei Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs) so auch hier derjenige höchste Grad von Wahrscheinlichkeit genügen, auf Grund dessen nach der Lebenserfahrung im gewöhnlichen Laufe der Dinge von einer, wenn auch nur relativen Sicherheit des früheren oder späteren Eintritts der Einwirkung besprochen werden kann. Von einer Anlage ist eine unzulässige Einwirkung nur dann mit Sicherheit zu erwarten, wenn sie die Folge einer o r d n u n g s m ä ß i g e n B e n ü t z u n g der Anlage ist43). Denn andernfalls kann ja die Benützung so gestaltet werden, daß unzulässige Störungen vermieden werden44). Wenn aber der Bestand der Anlage selbst ein ordnungswidriger ist, läßt sich derselbe Grundsatz nicht aufstellen. Ist eine dicht an der Grenze befindliche Dunggrube nicht zementiert, dann kann auf Beseitigung geklagt werden. Dagegen kann nicht auf Beseitigung geklagt werden, wenn die Dunggrube zementiert ist und nur der Zementverputz schadhaft ist; denn in diesem Falle liegt nur eine mangelhafte Unterhaltung desjenigen Zustandes vor, der an sich geeignet wäre, die Einwirkung auszuschließen46). Die zu gewärtigende Einwirkung muß eine unzulässige, d. h. eine solche sein, durch welche das Recht des Eigentümers im Sinne der §§ 903, 905, 906 B G B verletzt würde46). Kann eine Anlage in störender wie auch in nicht störender Weise benützt werden, so ist nicht die Anlage als solche störend, sondern nur die für die störende Benützungsart typische Einrichtung (z.B. Aufstellen lärmender Maschinen in einer Werkhalle. Hier ist nicht die Halle störend, sondern die Maschinen47). Können die Maschinen ihrerseits störend oder nicht störend verwendet werden, so ist eine störende Einwirkung nicht mit Sicherheit voraussehbar. Es ist dann nicht § 907 sondern § 1004 B G B anwendbar.

**) O L G 4, 60; Maenner 164 Anm. 38. ) J W 1902 Beil. 187 (RG). Hier kann der Anspruch auf Unterlassung (§ 1004) in Frage kommen. " ) Vgl. O L G 4, 60; Maenner 164 Anm. 38; R G Z 63, 379; J W 1912, 752. *•) KommProt. 3603 (Mugdan 3, 602). " ) Vgl. Staudinger-Seufert R N 2 b zu § 907. Vgl. O L G München in N J W 54, 5 1 3 : Hat die Baubehörde die Errichtung einer Hebebühne und eines Waschplatzes bei einer Tankstelle genehmigt, so muß der Nachbar diesen Zustand solange dulden, bis eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück tatsächlich eintritt.

282

Verbotene Anlagen

§ 1 5

in

III. A n s p r u c h auf U n t e r l a s s u n g einer g e p l a n t e n und auf Beseitigung einer bestehenden A n l a g e Während nun nach § 1004 B G B der Eigentümer gegenüber einer solchen Anlage erst vorgehen könnte, wenn bereits eine der nach §§ 903, 905, 906 B G B unzulässigen Einwirkungen aufsein Grundstück eingetreten wäre, und auch unter dieser Voraussetzung das Recht hätte, Beseitigung der Einwirkung zu verlangen und gegebenenfalls auf Unterlassung weiterer Einwirkungen zu klagen, gibt § 907 B G B dem Eigentümer das Recht, zu verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken Anlagen der bezeichneten Art überhaupt gar nicht hergestellt oder gehalten werden. Vermöge dieses Anspruchs kann der Eigentümer sowohl die Herstellung solcher Anlagen verhindern, als auch ihre Beseitigung herbeiführen48). Durch § 907 wird der Inhalt des Eigentums für den einen erweitert und demgemäß für den andern beschränkt. Durch die Schaffung eines Zustandes, der dem durch § 907 erweiterten Inhalt des Eigentums zuwiderläuft, wird das Eigentum beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung wird mit dem Anspruch aus § 1004 abgewehrt49). Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g setzt nicht voraus, daß der Nachbar der Anlage widersprochen hat. Handelt es sich um gewerbliche Anlagen, welche nach § 16 der Gewerbeordnung einer gewerberechtlichen Genehmigung bedürfen, so können die Einwendungen aus §§ 906, 907 B G B in dem der Genehmigung vorausgehenden Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden ( § 1 7 Gewerbeordnung). Dagegen besteht kein Klagerecht, durch welches die Errichtung einer solchen gewerblichen Anlage verhindert oder die Beseitigung der g e n e h m i g t e n Anlage verlangt werden könnte60). Ist die Anlage ohne Genehmigung errichtet, so kann unter den Voraussetzungen des § 907 auf Beseitigung geklagt werden. Der Anspruch geht auf U n t e r l a s s u n g der Herstellung oder auf B e s e i t i g u n g der Anlage. Ist der Zustand beseitigt, durch welchen die Unzulässigkeit der Anlage begründet wurde, so ist der Beseitigungsanspruch

16. Wolff, Grenzüberbau 191.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

VI

abweichende Verteilung des Eigentumsinhalts stattgefunden, das Kennzeichen echter Eigentumsbeschränkung 131 ). Andererseits hat das Gesetz dem Duldungspflichtigen als Ersatz für den Verlust der actio negatoria das Rentenbezugsrecht gewährt; dieses ist Inhalt des Eigentums, wie es die Ausschließungsbefugnis sein würde, es bildet den gesetzlichen Ersatz für die Duldungspflicht. Dementsprechend ist das — zunächst um das Einwirkungsrecht auf den nachbarlichen Baugrund erweiterte — Eigentum des Überbauenden dahin eingeengt, daß ihm zugleich mit diesem Einwirkungsrecht eine Rentenpflicht zufällt. Kurz gesagt, das Eigentum des Überbauers ist inhaltlich erweitert um das Recht zum Halten des Baues und zugleich eingeschränkt durch die Rentenpflicht, das Eigentum des Überbaubelasteten ist inhaltlich beschränkt durch die Duldungspflicht und zugleich erweitert um das Rentenbezugsrecht. Daß es sich um echte Eigentumsbeschränkungen handelt, zeigt außer der Einfügung des § 912 in die Vorschriften über den Eigentumsinhalt vor allem die sonst unerklärliche Tatsache, daß die Überbaurente der Grundbucheintragung entzogen ist. Hätte man sich die Duldungspflicht als Grunddienstbarkeit, die Rentenpflicht als Reallast gedacht, so hätte man entsprechende Rechte mit gesetzlichem Tatbestand geschaffen und schaffen müssen. Weil die Überbaurentenpflicht nicht als „gesetzliche Reallast" gedacht wurde, war es nötig, in § 914 Abs. 3 die Anwendung der Vorschriften über Reallasten anzuordnen. Das hatte nur Sinn, wenn die Rentenpflicht eine Reallast an sich nicht ist. Die Heranziehung dieser Vorschriften hat nun aber zur Anwendung von Gedanken aus dem Bereich der — dem B G B fremden — Legalservitut verleitet. Bei der Überbaubelastung sprechen die Motive von einer gesetzlichen Duldungspflicht 132 ), der als Kehrseite „ein grunddienstbarkeitartiges Recht" des Nachbarn entspreche133). Zweifellos würde sich der Inhalt der Duldungspflicht an sich auch als Inhalt einer Grunddienstbarkeit eignen; das ist aber bei allen nachbarlichen Eigentumsbeschränkungen auf Duldung oder Unterlassung der Fall und verdiente keine besondere Hervorhebung. Indes ist diese immerhin nebensächliche Bemerkung der Motive Angelpunkt einer für die Ausgestaltung des Überbaurechtes schiefen Auffassung der Rechtslehre und Rechtsprechung geworden 134 ). Das „Grunddienstbarkeitsartige" der Duldungsm

) Gierke 418; vgl. B G H Z 15, 216 = N J W 1955, 177. ) Mot. 3, 283. ) Mot. 3, 285. lsl ) Eigenartig hat sich die Rechtsprechung des R G entwickelt. Zunächst ist das Wesen der Duldungspflicht als Inhalt des Eigentums richtig betont in R G Z 96, 143; 47> 1 1 5 ; 52, 16. Dann folgt die unten zu VII noch näher zu erörternde Entscheidung 65 361 ff., in der die Duldungspflicht als „grunddienstbarkeitsartiges Rechtsverhältnis" erklärt wird und durch welche der § 912 als „Ausnahme von der Regel des § 873 A b s . i , 132 m

876

Uberbau

§ 2 1 IV

pflicht wurde so stark betont, daß geradezu Normen aus dem Bereich der Belastungen auf sie angewandt wurden. A u f diese Weise wurde sie in eine echte Legalservitut und die Rentenpflicht in eine gesetzliche Reallast umgewandelt. Im Gegensatz hierzu ist das folgerichtige Festhalten an den hier festgelegten konstruktiven Grundlagen wichtig, einmal für die analoge Anwendung der Überbaunormen 136 ) und dann für ihre grundbuchliche Behandlung. Daß die Rentenpflicht nicht eintragungsfähig ist, sagt das Gesetz mit klaren Worten (§ 914 Abs. 2 S. 1) und darüber herrscht auch kein Streit136). Auch daß die Duldungspflicht als gesetzliche Eigentumsbeschränkung keine Eintragung verträgt, darf als herrschende Ansicht bezeichnet werden 137 ). Eintragungsfähig und eintragungspflichtig zur dinglichen Wirkung gegenüber Dritten sind dagegen alle Vereinbarungen über Rentenhöhe und Rentenpflicht und deren Veränderungen, soweit sie von der gesetzlichen Regelung abweichen, ferner auch der Verzicht auf die Rentenpflicht. Hierbei ist folgendes zu erwägen: Die Rentenpflicht in gesetzlicher Höhe ist Inhalt des Eigentums am Grundstück des Überbauenden. Ändern nun die Parteien die gesetzliche Höhe ab, so bedeutet die Herabsetzung der Rente, daß auf dem rentenberechtigten Grundstück die Ausübung des gesetzlichen Rentenrechts ausgeschlossen ist: es wird also auf dem rentenberechtigten Grundstück zugunsten des rentenpflichtigen eine G r u n d d i e n s t b a r k e i t bestellt (§ 1018 Fall 3). Die Erhöhung der Rente schließt zwar auch die Ausübung des gesetzlichen Rentenrechts aus; das bedeutet aber für das rentenpflichtige Grundstück keine Grunddienstbarkeit — servitus fundo utilis esse debet .(§ 1019 BGB) — da es nur höher beschwert wird. Vielmehr stellt sich die vertragliche Erhöhung der Rente als Bestellung einer R e a l l a s t (Grunddienstbarkeit ist ausgeschlossen: servitus in betr. die Belastung (1) von Grundstücken" hingestellt wird. Dieser Entscheidung schließt sich noch R G 72, 272 an ebenso R G Z 160, 179; 131, 336; vgl. auch B G H Z 15, 216 — NJW 55, 177; RGRKomm. Bern. 8; Planck-Strecker Vorbem. 3; Palandt Vorbem. 1 je zu § 912; Meikel-Imhof-Riedel G B O 5. Aufl. Einl 84; Brand-Schnitzler zu § 3 G B O ; Henke-Mönch-Hoerber Vorbem. zu § 13 G B O . Auch B G H Z 15, 216 = NJW 55, 177 sagt, die Errichtung des Überbaues nach § 912 habe eine Belastung des Stammgrundstücks zur Folge. A.M. (wie hier) Staudinger-Seufert Randbem. 21 zu § 912; Gierke 435; Wolf-Raiser § 55 I; Celle in O L G io, 109; Meisner-Stern-Hodes § 24 VI. 135 ) Hierüber unten zu Nr. VII. 136 ) DAnw. § 123 Ziff. 1, vgl. z.B. Güthe 1777, Fuchs 204 IIa; Henle-Schmitt Anm. 2 I 1 b zu § 18 G B O ; Meikel-Imhof-Riedel G B O Ein] 84. 137 ) Staudinger-Seufert Randbem. 21; Palandt 3 b; Turnau-Förster Bern. 1 ; RGKomm. Bern. 10; Kretzschmar Bern. II zu § 912; Planck Bern. 2 zu § 914; Crome 289 Anm. 19; Fuchs 204, i b ; Güthe Bd. I 1776, Bd. II 200 Bern. 21; Predari 72 A ; abw. nur Dernburg 283g; Oberneck 643 Anm. 19; Goldmann-Lilienthal 5z Anm. 20, die die Eintragung für zulässig halten, vgl. auch Wolff, Sachenrecht 164.

377

§ VI

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

faciendo consistere nequit) zugunsten des rentenberechtigten Grundstücks dar. Der V e r z i c h t auf das Rentenrecht endlich hat die Bedeutung, daß der jeweilige Eigentümer des vom Überbau betroffenen Grundstücks seine Ansprüche aus §§ 912 fr. B G B aufgibt. Der Eintragungsvermerk über eine vereinbarte Rentenpflicht ist zu löschen (§ 875 BGB) 138 ). Hieraus folgt für die Eintragung im Grundbuch: Die Herabsetzung der gesetzlichen Rente erfolgt durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit, die in Abt. II des rentenberechtigten Grundstücks eingetragen wird (GBVfg. § 10 Abs. ia, früher § 365 BayDienstAnw.); ebenso ist die Erhöhung der Rente (als Reallast) in Abt. II des rentenpflichtigen Grundstücks einzutragen. Die Zustimmung der Realberechtigten des rentenberechtigten Grundstückes ist gemäß § 876 B G B erforderlich, da der Gegenstand der Haftung verringert wird 139 ). Der Zustimmung der Realberechtigten des belasteten Grundstücks bedarf es nur, wenn dem die gesetzliche Rentenhöhe übersteigenden Betrag der dieser zustehende Vorrang vor allen Rechten eingeräumt werden soll (§ 880). Die Gegenmeinung, welche in allen Fällen nur eine Eintragung beim rentenpflichtigen Grundstück für richtig hält139), begründet dies damit, daß die Rentenänderung eine Abweichung von der Normallage des Eigentums und daher für das belastete Grundstück von Bedeutung sei. Diese Begründung ist weder dogmatisch noch praktisch richtig. Der Rentenanspruch ist ein Teil der Eigentumsrechte am rentenberechtigten Grundstück. Jede Minderung dieses Anspruchs — im übrigen auch der gänzliche Verzicht hierauf — beinhaltet eine Minderung der Eigentumsrechte. Minderungen von Rechten werden aber, wenn überhaupt eine Eintragungsmöglichkeit im Grundbuch gegeben ist, an dem Grundstück eingetragen, dessen Eigentümer eine Minderung seiner Rechte erfährt. Eine andere Handhabung hätte auch wenig Sinn. Die Vorschrift, wonach die Herabsetzung oder der Verzicht auf die Überbaurente der Eintragung im Grundbuch bedarf (§ 914 Abs. 2 B G B ) kann nur den Zweck verfolgen, den Verzicht 138 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 4; Planck-Strecker 5; Palandt-Hoche Bern, j je zu § 914. Daß umgekehrt die nachbarliche Duldungspflicht durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit am Grundstück des Überbauenden ausgeschlossen werden kann, ist selbstverständlich: Wolff, Sachenrecht a.a.O. 139 ) Fuchs 204; Güthe 1 7 7 7 ; Goldmann-Lilienthal 54d; RGKomm. Bern. 5; Staudinger-Seufert Randbem. 5; Palandt Bern. 2; Planck-Strecker Bern. 3 b zu je § 914; MeisnerStern-Hodes § 24 V I 1 ; Haegele Rpfl. 69 S. 269; Die Zustimmung der Realberechtigten beider Grundstücke erfordern Turnau Förster Bern. 3; Kretzschmar Bern. 4 b zu § 9 1 4 ; Planck Bern. 2 a zu § 914 verlangt in j e d e m Fall vertraglicher Änderung die Zustimmung der am rentenpflichtigen Grundstück Berechtigten. Vgl. J F G 4, 587. A u f dem Blatt des Rentenberechtigten Grundstücks ist Vermerk gem. § 9 G B O . V g l . Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 6 zu § 9 G B O .

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Überbau

§ 2 1 vi

oder die Herabsetzung im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs auch einem gutgläubigen Erwerber des überbauten Grundstücks gegenüber rechtswirksam zu erhalten. Der Erwerber kann sich aber auf das Fehlen einer Eintragung am überbauten Grundstück verlassen. Oder soll der Erwerber gehalten sein, die Grundbuchstellen aller angrenzenden Grundstücke, von denen aus möglicherweise ein Überbau erfolgt ist, einzusehen? Fehlt sonach beim Verzicht oder bei der Herabsetzung der Überbaurente ein Eintragungsvermerk auf dem Grundbuchblatt des rentenberechtigten Grundstücks, so ist ein gutgläubiger Erwerber dieses Grundstücks an den Verzicht oder die Herabsetzungsvereinbarung nicht gebunden Allein aus diesem Grund erfolgt zwingend die Notwendigkeit der Eintragung beim rentenberechtigten Grundstück. Praktisch wird die Handhabung dieser Regeln im Einzelfall für den Rechtspfleger schier unmöglich sein; denn ihm wird die sachliche Prüfung der Frage zugemutet, ob die vertragliche Rentenfestsetzung eine Erhöhung oder Verringerung der gesetzlichen Rente enthält; je nach Ausfall dieser Prüfung wird die Eintragsbewilligung bald vom Eigentümer des rentenberechtigten, bald von dem des rentenpflichtigen Grundstücks einzuholen sein, wird ferner die Zustimmung der Realgläubiger des berechtigten Grundstücks erforderlich werden und, wenn der Vorrang für die Rente in ganzer Höhe verlangt wird, auch die der Realberechtigten des rentenpflichtigen Grundstücks.

Der Rechtspfleger kann und wird daher in jedem Fall die vereinbarte Rentenhöhe auf beiden Grundstücken eintragen. Im Eintrag schreibt er weder „Erhöhung" noch „Ermäßigung", sondern „Festsetzung". Der V e r z i c h t auf die Rente ist aus denselben Gründen am rentenpflichtigen Grundstück in Abt. II einzutragen140), die Zustimmung des Realberechtigten dieses Grundstückes ist erforderlich141). Zusammenfassung: a) Da der Rechtspfleger in der Regel nicht feststellen kann, ob die vereinbarte Rentenfestsetzung eine Erhöhung oder Herabsetzung der gesetzlichen Rente enthält, ist die von den Nachbarn vereinbarte Rente — sofern der Vereinbarung dingliche Wirkung zukommen soll — auf den GrundBem. 3; Kretzschmar Bern. 4 b zu § 914; Planck Bern. 2a zu § 914 verlangt in j e d e m Fall vertraglicher Änderung die Zustimmung der am rentenpflichtigen Grundstück Berechtigten. Vgl. J F G 4, 387. Auf dem Blatt des Rentenberechtigten Grundstücks ist Vermerk gem. § 9 G B O . Vgl. Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 6 zu § 9 G B O . 140

) V g l . Bessel D N o t Z 1968, 6 1 7 ; a.A.; Staudinger-Seufert Randbem. 4 zu § 914. ) Abweichende Meinung: RGKomm. Bern. 4; Staudinger-Seufert Randbem. 4; Palandt Bern. 3; Planck Bern. 2 b ; Turnau-Förster Bern. 5; Kretzschmar Bern. 4 a zu § 914. V g l . auch K G in J F G 4, 387. V g l . G B V f g . § 10 Nr. 1. 141

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§ VII

II. Abschnitt. Gesetsliche Beschränkungen des Eigentums

buchblättern des rentenberechtigten und des rentenpflichtigen Grundstücks einzutragen. b) Der völlige Verzicht auf die Überbaurente ist nur am rentenberechtigten Grundstück einzutragen. c) Der Zustimmung der Realberechtigten am rentenberechtigten Grundstück bedarf es beim Verzicht auf die Rente und bei jeder Herabsetzung derselben. Bei der erstmaligen Neufestsetzung der Rente durch vertragliche Vereinbarung ist zweckmäßigerweise stets die Zustimmung der Realberechtigten am rentenberechtigten Grundstück einzuholen, da nicht festgestellt werden kann, ob es sich nicht möglicherweise um die Herabsetzung der gesetzlichen Rentenpflicht handelt. Eine Erhöhung der Rente bedarf nicht der Zustimmung der Realberechtigten am rentenberechtigten Grundstück. d) Der Zustimmung der Realberechtigten am r e n t e n p f l i c h t i g e n Grundstück bedarf es nur, wenn dem die gesetzliche Rentenhöhe übersteigenden Betrag der Vorrang vor den bestehenden Belastungen eingeräumt werden soll. Diese Vorrangeinräumung muß ausdrücklich beantragt werden. VII. A n a l o g e A n w e n d u n g der Ü b e r b a u v o r s c h r i f t e n Die §§ 912 ff. beschränken zum Zweck der Erhaltung wirtschaftlicher Werte das Eigentum des vom Überbau betroffenen Grundstücks: diesem Eigentum wird die an sich zustehende Ausschließungsbefugnis entzogen und in einen Anspruch auf Ersatz umgewandelt. Dem Gedanken, daß die volle Auswirkung des Eigentumsrechts nicht zur Zerstörung wirtschaftlicher Werte führen darf und deshalb gegen Schadloshaltung zu beschränken ist, hat der Gesetzgeber wiederholt Rechnung getragen. § 904 B G B und der weitgreifende § 26 GewO sind bekannte Ausflüsse dieses wohltätigen Rechtsgedankens. Es ist daher von vorneherein unzutreffend, wenn in Rechtslehre und Rechtsprechung behauptet wird, die §§ 912 fr. stellten singulare Vorschriften dar, deren ratio keine analoge Ausdehnung vertrage. Es ist dies eine gefährliche petitio principii, die allein keineswegs genügt, um die Ausdehnung des Rechtsgedankens auf gleich geartete Fälle auszuscheiden142). l42

) Vgl. Oberneck 641; Crome 287 Nr. 1 ; R G 47, 560; SeuffA. 63,154 (Hamburg). Für generelle Zulassung der Analogie: Krückmann ArchZivPr. 1 0 1 , 41 Nr. 34; v. Thür i. IheringsJ 46, 45 f., 54, vor allem Wolff, Sachenrecht 162 Nr. 4.

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Überbau

§ 2 1 Vili

i. E i g e n g r e n z ü b e r b a u : Nach der früher herrschenden Meinung 143 ) sind die §§ 912fr. nicht anwendbar, wenn das Grundstück, auf welchem der Bau errichtet ist und das daran anstoßende übergebaute Grundstück zur Zeit der Ausführung des Baues in der Hand eines E i g e n t ü m e r s vereinigt waren und dann in getrenntes Eigentum gelangt sind. Dem ist nicht beizupflichten. Es empfiehlt sich, zunächst die rein schuldrechtlichen Wirkungen eines Eigentumswechsels auf den Überbau zu erörtern. Wird eines der beiden anstoßenden Grundstücke durch Rechtsgeschäft veräußert, so ist vor allem zu prüfen, ob nicht in dem Veräußerungsgeschäft der stillschweigend erklärte Vertragswille der Vertragsteile eingeschlossen ist, daß der Überbau ohne Entschädigung geduldet werden muß. Das ist zweifellos, wenn von dem Eigentümer der beiden Grundstücke dasjenige Grundstück veräußert wird, auf welchem der wirtschaftlich ausschlaggebende Teil des Gebäudes steht. Aber auch wenn das Grundstück wegveräußert wird, auf welchem der wirtschaftlich nebensächliche Teil des Gebäudes steht, wird man regelmäßig annehmen dürfen, daß der Erwerber, dem das Vorhandensein des Gebäudes beim Kauf bekannt war, die Duldung des Überbaues ohne Entschädigung stillschweigend auf sich genommen hat. Denn auch in diesem Falle werden die beiden Vertragsteile einig darüber gewesen sein, daß dem Gebäudeeigentümer die volle Herrschaft über das ganze Gebäude mit allen seinen Teilen verbleiben soll und das gilt als ihr Vertragswille selbst dann, wenn sich die Vertragsteile nicht darüber klar waren, daß ein Teil des Gebäudes auf dem wegveräußerten Grundstück steht. In beiden Fällen ist jedoch im Auge zu behalten, daß es sich hier nur um schuldrechtliche Verpflichtung zur Duldung des Überbaues handelt144), die auf einen Sonder143 ) R G 65, 361; 72, 272; O L G 26, 25 (KammerG); Planck Bern. 1 b; TurnauFörster Bern. II, 2; Fischer-Henle Bern. 2 zu § 912. — Dagegen treten f ü r analoge Anwendung der §§ 9 1 2 f r . auf diesen Fall ein: R G Z 160, 166; 167, 178; 169, 175; B G H Z 15, 216 = N J W 55, 1 7 7 ; Staudinger-Seufert Randbem. 13 u. 28 zu § 912. Wolff: Grenzüberbau 102ff. und Sachenrecht 1623; Kretzschmar Bern, i d zu § 912; Oberneck 641 Anm. 8; Waller in J W 1909, 945; O L G 10, 108; Tücking im Recht 1912 411 (mit Einschränkung); vgl. auch Breit in FischersZ 33, 319; Schmidt-Rimpler, Eigentümerdienstbar keit 178!!. weisen daraufhin, daß die Duldungspflicht des § 914 auch beim Uberbau auf eigenem Boden voraussetzt, daß die Grenzüberschreitung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Allein der Eigentümer ist berechtigt, so zu bauen, er handelt also nicht rechtswidrig, so daß ein Verschulden nicht in Frage kommen kann. Vgl. oben § 7 II 3. 144 ) Davon gibt es eine Ausnahme für die Grenzeinrichtung (§921). Bei einer halbscheidig auf die Grenze gesetzten Giebelwand bewirkt die formlose (auch die nur stillschweigende) Zustimmung des Nachbars zu diesem Überbau die Schaffung einer Grenzeinrichtung und damit die dinglich wirkende Befugnis des § 922 den übergebauten Teil auf dem fremden Grund zu halten. Der Überbau ist nicht rechtswidrig (auch dem

881

VIII

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

nachfolget nur dann übergeht, wenn er in das Schuldverhältnis eingetreten ist, was auch stillschweigend geschehen kann. Ohne einen solchen Eintritt in das Schuldverhältnis ist dem Sondernachfolger gegenüber der Überbau objektiv rechtswidrig. Beim Zuschlag in der Zwangsversteigerung ist von vorneherein für die stillschweigende Übernahme der Pflicht den Überbau zu dulden, kein Raum, weil über die mit dem Zuschlag erworbenen Rechte und übernommenen Pflichten ausschließlich der Zuschlag selbst entscheidet. Da hier mit stillschweigender Willenserklärung nicht geholfen werden kann, muß die Frage sachenrechtlich ausgetragen werden. Im Falle R G 65, 361 hatten die beiden Parteien durch Zuschlag je eines von zwei aneinandergrenzenden, bis dahin in einer Hand vereinigte Grundstücke erworben, die mit e i n e m Haus überbaut waren. Die auf Duldung des Überbaues gerichtete Klage des Nachbars, auf dessen Grundstück der hauptsächliche Teil des Hauses stand, hat das R G abgewiesen, indem es die analoge Anwendung des § 912 mit der Begründung ablehnte, daß beim Überbau ein „Grunddienstbarkeitsartiges", „ein servitutarisches Rechtsverhältnis" vorliege: Ein solches Rechtsverhältnis sei bei Grundstücken desselben Eigentümers begrifflich unmöglich gemäß dem Rechtsgrundsatz: „nemini res sua servit", es könne nur durch rechtsgeschäftliche Bestellung aus § 873 B G B n a c h der Trennung der Eigentumsgemeinschaft bestellt werden; eine analoge Anwendung der §§ 91z ff. sei „um so weniger gerechtfertigt, als es sich in der Tat um Ausnahmevorschriften handle, um Ausnahmevorschriften insofern, als sie eine Ausnahme von der Regel des § 873 Abs. 1 betr. die Belastung von Grundstücken begründen". Die Begründung geht von dem unrichtigen 145 ) Gedanken aus, daß § 912 Grundstücksbelastungen normiere. Es liegen vielmehr Eigentumsbeschränkungen vor, die kraft Gesetzes (ohne § 873) entstehen. § 912 ist keine Ausnahme vom Eintragungsgrundsatz des § 873, weil § 912 keine besonders abgegrenzten Legalservituten begründet, sondern das Eigentum inhaltlich aus denselben volkswirtschaftlichen Gründen einschränkt, die das R G in seiner Entscheidung ausdrücklich hinter seine formaljuristischen Erwägungen zurücktreten läßt. Da diese rechtlichen Erwägungen nicht stichhaltig sind, besteht kein Hindernis, die Auswirkung des Grundsatzes der Erhaltung wirtschaftlicher Werte zuzulassen, wie dies in der Rechtsprechung seit der Entscheidung in R G Z 160, 166 ständig anerkannt ist. Wie der Eigentümer den während seiner Herrschaft entstehenden fremden Überbau dulden muß, so muß er auch den übernommenen Überbau bestehen lassen, der z. Z. der EigenSondernachfolger gegenüber nicht), so daß die Anwendung der §§ 9 1 2 f r . auf diesen Fall ausgeschlossen ist. U5 ) S. oben V I ; s. nun R G 142, 2 3 1 .

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Überbau

§ 2 1

VII 2

146

tumsgemeinschaft entstanden ist ). Auf den Eigengrenzüberbau finden somit die Bestimmungen der §§ 912 fr. B G B entsprechende Anwendung147). Bis zum Übergang der Grundstücke in verschiedene Hände ruhen Duldungspflicht und Rentenrecht. Bereits im Zeitpunkt der Erbauung entstehen zwar Duldungspflicht und Rentenrecht als subjektiv dingliche Rechte, gehen daher als wesentliche Bestandteile des Grundstücks, zu dem sie gehören, mit dem Eigentum auf den Erwerber über und entziehen so den Bestand des Überbaus der Willkür des Nachbarn148). 2. Weitere Fälle analoger Anwendung der §§ 912fr. sind die Fälle der Überschreitung eines privatrechtlich festgesetzten Bauabstands: a) A hat auf dem Grundstück des B eine G r u n d d i e n s t b a r k e i t oder mit diesem eine schuldrechtliche Vereinbarung, wonach der Eigentümer B Gebäude überhaupt nicht oder nicht über einen festumgrenzten Teil des Grundstücks hinaus (nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze) errichten darf. Verletzt B die Grunddienstbarkeit des A ohne Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit149), so muß A den Bau bzw. den Überbau gemäß § 912 dulden. Denn die Verschiedenheit des Tatbestandes gegenüber § 912 wird von dem gemeinsamen Rechtsprinzip des Gebäudeschutzes überwunden, das oben besprochen ist; versagt das Gesetz dem durch Überbau verletzten E i g e n t u m den negatorischen Schutz, so kann ihn die bloße Dienstbarkeitsverletzung erst recht nicht beanspruchen, wo doch das dingliche Recht am Grundstück dem Eigentum gegenüber ein Minus ist150). Dasselbe gilt für schuldrechtliche Vereinbarungen. b) Dieselben Erwägungen treffen für den Fall zu, daß jemand auf seinem Grundstück über den landesgesetzlich vorgesehenen Bauabstand hinausbaut. Auch hier steht die Erhaltung des Gebäudes höher als die Wahrung 116 ) Übet die Grenze eines Grundstücks ist auch dann gebaut, wenn die beiden überbauten Grundstücke in einer Hand sind. Nach § 912 hat der „Nachbar" den Überbau zu dulden. Das Nachbarverhältnis ist aber eingetreten, sobald die beiden Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangt sind. 147 ) B G H B B 1 1 , 653 u. N J W 63, 808. 148 ) R G 160, 166 ff. 149 ) Das wird allerdings im ersten der im Text erwähnten Fälle (servitus non aedificandi) schlechthin selten der Fall sein. So mit Recht Krückmann in ArchZivPrax. 101, 41 Nr. 34. 15 °) Das ist jetzt h.M. Vgl. B G H N J W 63, 807; B G H D B 1971, 7 1 9 = MittlBayNot. 7 1 , 162. Staudinger-Seufert Randbem. 6 zu § 9 1 2 ; Westermann SR § 64 II; Rosenberg J W 1932, 1047; Heck SR § 19 u. § 51 Nr. 5; v. Tuhr in IheringsJ 46, 4 3 ; Dernburg § 83 II 1 ; vgl. auch O L G Hamm in J M B 1 . N R h W 1950, 149; Meisner-Stern-Hodes § 24 V H 2; Wolff, Sachenrecht 162 Nr. 4; Krückmann a.a.O.; vgl. auch Cosack 2, 1 5 7 Anm. 5 und O L G Hamburg i. SeuffA 57, 13 fr. A . M . dagegen Turnau-Förster Bern. II 2 zu § 912 und Bern. 2 zu § 916; R G K o m m . 5 ; Oberneck 642; Gierke 435 Nr. 73; R G 47, 36öS. (Fall 2 des Textes); 48, 265 (Fall 1 des Textes).

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums VII3

des Nachbarrechts, und der in die Abstandszone eingerückte Bauteil muß gemäß § 912 geduldet werden 151 ). Auf öffentlich-rechtliche (baurechtlich) Vorschriften über einen Bauabstand findet § 912 B G B keine Anwendung. Privatrechtliche Bestimmungen über einen Bauabstand gibt es in Bayern nicht. Die Bestimmungen in Art. 62 und 63 A G B G B beziehen sich auf Fenster und Balkone usw., nicht auf ein Gebäude i. S. von § 912. 3. Verschiebung eines Gebäudes durch Erdbewegung. Der Gesetzgeber behandelt den Erdkörper als unbeweglich. So ist z.B. im Jahre 1903 im Stadtgebiete Essen festgestellt worden 162 ), daß in den 30 vorhergegangenen Jahren infolge der durch den Bergbau herbeigeführten Seitwärtsbewegung von Erdmassen nach und nach Häuser zum Teil über die Grenze geschoben wurden. Solche Verschiebungen von Häusern wurden in der Altstadt bis zu 30 cm, in den neuen Stadtteilen bis zu 72 cm beobachtet. A m Schlacht- und Viehhof war schon damals ein ganzer Hausblock von 320 m Länge und 70 m Tiefe derart verschoben, daß einzelne Anliegen 72 cm von der ursprünglichen Bautiefe ihres Grundstücks eingebüßt hatten.

Nach der ratio legis ist die entsprechende Anwendung des § 912 auf diesen Tatbestand zulässig und geboten. Wenn der Gesetzgeber in § 912 anordnet, daß ein Gebäude trotz der durch menschliche Tätigkeit bei seiner Errichtung bewirkten rechtswidrigen Grenzüberschreitung erhalten werden soll, so würde man den Willen des Gesetzgebers gröblich mißverstehen, wenn man darin nicht zugleich auch die Anordnung finden wollte, daß dies erst recht für den Fall gelten muß, daß ein unter ordnungsgemäßer Einhaltung der Grenzen errichtetes Gebäude ohne Zutun seines Eigentümers über die Grenze geschoben worden ist. Der durch den Überbau geschädigte Nachbar ist durch Überbaurente zu entschädigen. Auf diese Weise kommt auch dieser Grundeigentümer zu seinem Recht. Ohne entsprechende Anwendung des § 912 bestünde, falls man das Beseitigungsrecht aus irgendeinem anderen Grund als undurchführbar erklären würde, keine Möglichkeit, ihn schadlos zu halten; insbesondere wäre ihm nicht mit dem Versicherungsanspruch zu helfen, da ja der unter dem Überbau befindliche Grund und Boden sein Eigentum bleibt, mithin kein Rechtsverlust eintritt. Die entsprechende Anwendung des § 912 bildet den einzig möglichen, mit dem Grundsatz der Erhaltung wirtschaftlicher Werte und dem Erfordernis eines billigen Interessenausgleiches im Einklang stehenden Ausweg. 1H ) So schon Prot. III, 378; Gierke 435 N . 7 3 ; Dernburg 282 i d ; Wolff,Überbau 99 und SR § 55 I ; Heck SR § 51, 5; Staudinger-Seufert Randbem. 7 ; Planck-Strecker Vorbem. 5 je zu § 9 1 2 ; Meisner-Stern-Hodes § 24 V I I 3. A . M . dagegen: Turnau-Förster Bern. V ; Biermann Bern. 4; RGKomm. Bern. 5 zu § 9 1 2 ; Goldmann-Lilienthal 51 Nr. 7 ; Endemann 482 N . 1 1 ; vgl. R G 87, 373. 162 ) Vgl. den Vortrag des Stadtgeometers Köndgen in der Z . f. Vermessungswesen 1903, 233 ff; vgl. oben S. 17.

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Überbau

§21 VII 4

Für die Bemessung der Rente ist der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung maßgebend. Da sich diese infolge der allmählichen Verschiebung in einer langen Reihe von Jahren vollzieht, muß der Richter unter ständiger Berücksichtigung aller Umstände einen einheitlichen Zeitpunkt wählen, der dem zeitlichen Ende der bisher eingetretenen Verschiebungen weit näher liegen wird, als dem Anfang. Auf einen Widerspruch des Nachbars gegen die Grenzüberschreitung kommt es nach keiner Richtung an, da ein solcher Widerspruch naturgemäß unbeachtlich wäre. 4. M a u e r a u s b a u c h u n g . Die gemeinrechtliche Vorschrift (1. 17 pr. D. 8, 5), wonach eine Mauerausbauchung bis zur Breite von einem halben Fuß geduldet werden muß183), gilt nicht mehr. Weil § 912 voraussetzt, daß die Grenze „bei Errichtung eines Gebäudes" überschritten ist, nimmt die herrschende Meinung an, daß eine Mauerausbauchung nur dann unter § 912 falle, wenn sie schon beim Bauen entstanden ist154). Wenn also durch ungenaues Aufrichten des Mauerwerks oder ein zu schwaches Fundament Mauerteile noch während des Baues aus dem Lot gekommen und infolgedessen seitlich ausgewichen sind, so ist auch vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus diese Grenzüberschreitung als Überbau im Sinne des § 912 zu behandeln166). Eine nachträgliche, das ist nach Vollendung des Baues entstandene Mauerausbauchung würde dagegen nach diesem Standpunkt nicht unter § 912 fallen, weil hier nicht über die Grenze gebaut ist. Allein wenn das Mauerwerk ungenau aufgerichtet oder zu stark belastet oder ungenügend fundamentiert ist, so ist die Ursache für die Mauerausbauchung schon bei Errichtung des Baues gesetzt, auch wenn die Teile der Mauer erst nach Vollendung des Baues über die Grenzlinie hinübergedrückt werden. In einem solchen Falle läßt sich daher aufstellen, daß über die Grenze gebaut ist. Sind dagegen beim Bauen alle Voraussetzungen für die lotrechte Standsicherheit der Mauer erfüllt worden, so kann eine Mauerausbauchung nachträglich entstehen durch eine Änderung der Grundwasserverhältnisse oder überhaupt durch unterirdische Vorgänge im Erdkörper (s. oben Ziff. 3), durch Ausschachtung von Kellern oder Gruben in der Umgebung des Gebäudes, durch Verwitterung des Gesteins, aus dem die Mauer zusammengesetzt ist, oder durch Verwitterung des Erdkörpers, auf dem sie steht, durch Erschütterungen infolge eines benachbarten Betriebes oder des Eisenbahnverkehrs. 163

) Vgl. Windscheid-Kipp § 169 Nr. 2; R G 45, 288; Gierke 435 Anm. 72. ) Recht 1 9 1 1 Nr. 575; Naumburg; R G Gruchot 50, 939 (dahingestellt gelassen); R G Z 88, 39; WarnR 1916 Nr. 5 1 ; O L G 26, 26; RGRKomm. Bern. 3; Planck-Strecker Bern. 1 a ß ; Palandt Bern. 1 je zu § 912. A . M . Staudinger-Seufert Randbem. 8; ErmanSeibert Bern. 1 je zu § 9 1 2 ; Westermann SR § 64 II 2; Heck SR § 51 Nr. 5. 155 ) R G 88, 39; J W 1906, 302. 1M

25

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

885

§

VII 5, 6

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Die Gründe, welche oben unter Ziffer 3 für die Erhaltung eines zum Teil über die Grenze geschobenen Gebäudes angeführt sind, lassen sich teils unmittelbar, teils entsprechend auf diese nachträglich eingetretene Mauerausbauchung anwenden. Sie ist also nach § 912 zu beurteilen. Die Frage des Vorsatzes wird hier ausscheiden, während die Frage grober Fahrlässigkeit wohl in Betracht kommen kann166). Eine Mauerausbauchung deren Beseitigung an sich verlangt werden könnte, wird mit Rücksicht auf § 226 B G B dann zu dulden sein, wenn hierdurch die Benützung des Nachbargrundstückes nicht beeinträchtigt wird 167 ). 5. Eine entsprechende Anwendung der §§ 912 fr. B G B kann ferner in Frage kommen bei mangelhaften Grundstücksveräußerungen : a) wenn ein Grundstückskauf für nichtig erklärt wird, weil eine Fläche aus Versehen nicht in die Einigung mit einbezogen worden ist, inzwischen aber ein Gebäude auf dem Kaufgrundstück errichtet wird, das die nicht unter die Einigung fallende Fläche überbaut168). b) Bei Grundstücksveräußerungen, bei denen der Erwerber entweder infolge Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der Bezeichnung der Gesamtfläche oder infolge Flurnummern-Verwechslung gutgläubig Eigentum an einer Fläche erwirbt, auf der ein Teil eines Gebäudes des Veräußerers übergebaut ist169). 6. E r w e i t e r u n g eines b e s t e h e n d e n Ü b e r b a u e s . Die §§ 912fr. B G B sind entsprechend anzuwenden, wenn ein bereits vorhandener Überbau in der Weise auf das überbaute Grundstück erweitert wird, daß der Erweiterungsbau mit dem alten Überbau ein einheitliches Ganzes bildet (vgl. oben I 2. a. E.). 156

) Vgl. Gruchot 50, 940 (RG). ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 8 zu § 9 1 2 ; Meisner-Stern-Hodes § 24 V I I 5; Westermann § 64 II 2 ; Monich, Iherings J 38,179 will dieMauerausbauchung nach Analogie des § 910 behandeln. Wolff 92 Anm. 24 pflichtet dem hinsichtlich des Abs. 2 des § 910 bei, nicht aber bezüglich des Abs. 1. Eine analoge Anwendung des § 910 verbietet sich aber überhaupt, da es sich dort um eine Vorschrift handelt, welche nur mit Rücksicht auf das natürliche Wachstum der Bäume gegeben ist. Turnau-Förster Bern. 2 zu § 912 unterstellt die Mauerausbauchung dem § 905 oder § 908. § 905 kann nur dann in Frage kommen, wenn sich die Ausbauchung in besonders großer Höhe befindet. § 908 ist natürlich einschlägig, wenn infolge des Zustandes der Mauer ihr Einsturz oder die Loslösung von Teilen zu besorgen ist. Besteht die Mauerausbauchung lediglich darin, daß sich der Verputz losgelöst hat mit der Folge eines Hohlraumes zwischen den Mauersteinen, dann kann natürlich von der Anwendung der Überbauvorschriften nicht die Rede sein, weil ja dieser Zustand auf eine mangelhafte Unterhaltung (grobe Fahrlässigkeit) zurückzuführen ist. " « ) Vgl. R G Z 133, 293. 159 ) Vgl. die Ausführungen über „Katasterraub" u. Parzellenverwechslung oben §611. 167

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Fensterrecht

§ 2 2

7. A n b a u an eine G i e b e l m a u e r . Wird auf Grund einer behördlichen Auflage beim Bau eines Hauses eine auf dem Nachbargrundstück befindliche, alleinstehende Giebelmauer als Abschlußwand benützt, so ist ebenfalls § 912 B G B entsprechend anzuwenden. Durch die Herstellung der festen Verbindung zwischen Gebäude und Mauer wird diese wesentlicher Bestandteil des Gebäudes. Damit wird die Grenze zum Nachbargrundstück tatsächlich und rechtlich überschritten. Auf Grund der behördlichen Auflage handelt der Bauherr wohl auch gutgläubig160).

§ 22. Fensterrecht1) Aus dem Begriff des Eigentums (§ 903) folgt die Befugnis des Eigentümers, sein Eigentum bis zur Grenze auszunützen. Er darf deshalb unmittelbar an der Grenze seinen Neubau aufführen und der Nachbar muß sich die dadurch herbeigeführte Entziehung von Licht und Luft gefallen lassen. Unannehmlichkeiten, welche ein dicht an der Grenze stehendes Haus für den Nachbar mit sich bringt, werden namentlich auch durch die Fenster vermittelt. Sie gewähren den Einblick in das nachbarliche Tun und Treiben; sie bieten die Gelegenheit, Immissionen, dem Nachbargrundstück zuzuführen, in das Nachbargrundstück einzusteigen. Deshalb wurde in den bisherigen Rechtsquellen das Recht zur Anlage von Fenstern an der Grenze verschiedenartigen Beschränkungen unterworfen. An diese Rechtsentwicklung hat sich die bayerische Äusführungsgesetzgebung angeschlossen, indem sie in den Art. 62fr. A G das dem Eigentümer nach § 903 B G B zustehende Recht zur beliebigen Innehabung von Fenstern beschränkt.

160

) L G Duisburg N J W 62, 1251.

§ 22. *) Bei Grundstücken, welche durch die Grenze zweier Rechtsgebiete geschieden sind, braucht für beide Grundstücke nur diejenige Rechtsvorschrift eingehalten zu werden, welche das Halten der Fenster weniger erschwert. Vgl. oben § 15 I Anm. 3. Vgl. auch V G H in BayVerwBl. 1958, 376: Art. 62 A G B G B verstößt nicht gegen die Verfassung. Vgl. ferner Recht 1913 Nr. 140: Fenster sind Öffnungen im Mauerwerk, die geeignet und bestimmt sind, Licht und Luft eindringen zu lassen. Vgl. für Coburg Art. 28 § 6 A G B G B f. Coburg-Gotha vom 20. 1 1 . 1899 (Ges.Sammlung Nr. 1302): Das Recht, ein Fenster in fremder oder gemeinschaftlicher Mauer zu haben, enthält auch das Lichtrecht. Das Lichtrecht besteht nach Art 28 § 3 darin, daß auf dem belasteten Grundstück nichts vorgenommen werden darf, wodurch der Öffnung oder der Räumlichkeit, auf die sich die Dienstbarkeit bezieht, das Licht entzogen oder geschmälert wird. Dabei darf der Einfall des Lichtes nicht weiter als bis zur Höhe eines halben rechten Winkels von der Sohlbank des Fensters aufwärts entzogen werden (§4). 25

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§ «« I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

I. V o r a u s s e t z u n g der B e s c h r ä n k u n g Diese Beschränkung besteht jedoch n u r z u g u n s t e n j e n e r N a c h b a r g r u n d s t ü c k e , die mit G e b ä u d e n v e r s e h e n sind o d e r als H o f r a u m o d e r H a u s g a r t e n dienen (Art 62 A G ) und ferner zugunsten jener Grundstücke, die einer ö f f e n t l i c h e n E i s e n b a h n a n l a g e d i e n e n , zB Eisenbahnkörper (Art 64 A G ) ; sie gilt nicht für die Mauern, zwischen denen sich ein nach § 921 B G B zu beurteilender Zwischenraum befindet; hierfür sind die §§ 921, 922 ausschließlich maßgebend (vgl. oben § 7). Unter einem G e b ä u d e versteht man ein Bauwerk, welches nach der Art seiner Anlage geeignet ist, Personen, Tieren oder Sachen durch seine räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse zu gewähren. Erforderlich ist aber, daß das Bauwerk seinem Umfange nach den Zutritt von Menschen gestattet. Zum Unterschied von Hütten wird daneben eine gewisse Dauerhaftigkeit und Festigkeit des verwendeten Baumaterials erfordert und außerdem eine feste Verbindung mit dem Erdboden 2 ). Nicht erforderlich zur Erfüllung des Begriffes eines Gebäudes ist sonach, daß das Bauwerk zum Wohnen bestimmt ist3). Ein Merkmal des Gebäudes ist in Umfassungsmauern und Bedachung zu erkennen4); doch ist die Bedachung nicht unerläßlich; ein Sportstadion ist zweifellos ein Gebäude5). Wenn ein bisher nicht mit einem Gebäude versehenes Grundstück bebaut wird, so tritt der Fall des Art. 62 A G ein. Es muß also nunmehr der Eigentümer des Nachbargrundstückes seine Fenster entsprechend den Vorschriften des Art. 62 A G einrichten, wenn die übrigen Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung gegeben sind. Er hat kein Recht darauf, daß der ihm günstige bisherige Zustand fortdauert6).

2 ) Über den Begriff des Gebäudes siehe des Näheren oben § 18 I, 1. Hütten werden mit Rücksicht auf den Begriff des Gebäudes nicht in Betracht kommen. Oertmann, Landesprivatrecht 531 Anm. 4. Dagegen können Anlagen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, Gebäude sein. So oben § 1 8 , 1 und dagegen Oertmann a.a.O. 3 ) Vgl. dagegen AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 452: „Der besondere Schutz wird auf diejenigen Grundstücke beschränkt, welche Wohnzwecken dienen, im Gegensatze zu den Grundstücken, die bloß der Landwirtschaft dienen, weil nur bei diesen Grundstücken ein ernstes Schutzbedürfnis besteht." Diese Erwägung ist vollständig zutreffend, deckt sich aber nicht mit dem Inhalte des Gesetzes, in welchem die Gebäude schlechtweg genannt sind. Im Sinne des Gesetzes ist daher auch eine Scheune, Lagerhalle und Fabrik geschützt. 4 ) Kahn, Fensterrecht 7. 6 ) Kahn, Fensterrecht 8. 8 ) AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 433). Waren jedoch die Fenster schon vor dem 1. 1. 1900 vorhanden, so kommt unter Umständen Art. 66 A G zur Anwendung; s. darüber unten.

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Fensterrecht

§22 i

Daß das geschützte Gebäude sich unmittelbar bis zur Grenze des Nachbargrundstücks ausdehnt, ist nicht erforderlich. Wenn es aber so weit von der Grenze des Nachbargrundstückes entfernt ist, daß der Gebäudeinhaber nicht das mindeste Interesse daran hat, daß der Nachbar bei seinen Fenstern die Beschränkungen des Art. 62 A G einhält, kann die Ausübung des Verbietungsrechtes nach § 226 B G B unzulässig sein7). Immer aber wird als Voraussetzung des Verbietungsrechtes erfordert, daß sich auf dem Grundstücke, für welches der Schutz des Art. 64 A G in Anspruch genommen wird, ein Gebäude befindet. Ist das nicht der Fall und dient das Grundstück auch nicht als Hofraum oder Hausgarten, so ist die Entrichtung von Fenstern ohne Beschränkung auch dann gestattet, wenn das unmittelbar anstoßende, nicht mit einem Gebäude versehene Grundstück an ein demselben Eigentümer gehörendes, mit einem Gebäude versehenes Grundstück angrenzt. Als H o f r a u m ist eine zu einem Gebäude gehörige Grundfläche zu betrachten, die bestimmt ist, dem wirtschaftlichen Zwecke des Gebäudes zu dienen 8 ). Eine Umfriedung des Raumes ist nicht erforderlich, doch muß die Fläche in räumlicher Beziehung zu dem Gebäude stehen, zu welchem sie gehört. Unter H a u s g a r t e n hat man ein Grundstück zu verstehen, welches in der Nähe eines Wohngebäudes gelegen ist und die Bestimmung hat, den Bewohnern des Hauses als kultiviertes Grundstück zu dienen9). Eine Umfriedung ist auch hier nicht erforderlich, ebensowenig ein unmittelbares Angrenzen an das Wohngebäude. Unter Umständen kann sonach auch eine neben dem Hause befindliche, mit Obstbäumen versehene Wiese unter den Begriff des Hausgartens fallen 10 ). Desgleichen eine jenseits der Straße gelegene Fläche, deren Erträgnisse in erster Linie für den Hausgebrauch der Bewohner des Hauses bestimmt sind, zu dem sie gehört. Die Kleingartenanlagen, welche außer Verbindung mit Häusern an der Peripherie der Städte angelegt sind, fallen nach dem Wortlaut nicht unter den Begriff „ H a u s g a r t e n " . Gleichwohl sind die Vorschriften des Art. 62 A G auf solche Kleingärten anzuwenden; denn sie werden wie die Hausgärten benützt, gleich ihnen dienen sie als Erholungsaufenthalt und ihre Erträgnisse sind hauptsächlich für den Hausgebrauch bestimmt. Sie ersetzen die Hausgärten und deshalb trifft Zweck und Sinn des Art. 62 auf sie zu.

' ) Oertmann, Landesprivatrecht 331. ) V G H . 14, 258. •) AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 434). Ein Lawn-Tennisspielplatz gehört deshalb nicht hierher. Über den Begriff des Hausgartens vgl. oben § 19 II 3 ß. 10 ) AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 434). 8

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§ ¿¿t I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

A u f Fälle, in welchen das Nachbargrundstück beiden Nachbarn gemeinschaftlich gehört, können an sich die Vorschriften des Art. 6 z A G A n w e n dung finden; handelt es sich um einen gemeinschaftlichen Zwischenraum, der Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B ist, dann ist ausschließlich nach §§ 921 f. zu entscheiden, ob die in der Fensteranbringung gelegene Benützung des Zwischenraumes zulässig ist 1 1 ). N a c h Maßgabe des § 922 kann die Anbringung eines Fensters, welches den Beschränkungen des Art. 62 A G entsprechend eingerichtet ist, gleichwohl unzulässig sein (z.B. bei einer Feuergasse); umgekehrt ist die Anbringung v o n Fenstern, die dem Art. 62 A G nicht entsprechen, gestattet, wenn der Zwischenraum seiner äußeren Beschaffenheit zufolge zur Zuführung von Licht bestimmt erscheint. Zugunsten der in Art. 63 A G bezeichneten Grundstücke besteht für den Nachbar hinsichtlich der Haltung v o n Fenster- und LichtöfFnungen aller A r t , v o n Baikonen, Galerien und ähnlichen Anlagen 1 2 ), eine Eigentumsbeschränkung, v o n der jedoch wieder jene Fenster- und Lichtöffnungen sowie sonstige Anlagen ausgenommen sind, die sich an der B a u l i n i e 1 3 ) befinden (Art. 65 A G ) . Erlangt ein Grundstück erst nach der Anbringung der Fenster auf dem Nachbargebäude die Eigenart, von deren Vorhandensein die Beschränn

) Vgl. Turnau-Förster 356. ) Z.B. Terassen, Belvederes; auch Gärten, die auf dem Dache eines Bauwerks angelegt und für den Zutritt von Menschen eingerichtet sind, gehören hierher; nicht aber natürliche Bodenerhöhungen (vgl. JW 1905, 192). Türen mit voller Füllung fallen nicht unter den Begriif der Lichtöffnungen; auf die Möglichkeit vorübergehender Aussicht beim Türöffnen kommt es nicht an. Auch wenn die Türe zeitweise länger offen steht, wird sie dadurch nicht zur Lichtöffnung. Es lassen sich aber doch Verhältnisse denken, bei denen die Türe wie eine Lichtöffnung benutzt wird. Wenn der Inhaber eine Türe offensichtlich als Lichtöffnung behandelt, dann muß sie auch von der Rechtsanwendung als Lichtöffnung gewertet werden. Eine Glastüre ist — soweit sie verglast ist — als Fenster zu erachten. ls ) Art. 65 setzt voraus, daß eine Baulinie vorhanden ist. Unter Baulinie versteht man eine von der zuständigen Behörde gezogene Linie, durch welche die Grenzen der nach dem Bebauungsplan anzulegenden öffentlichen Straßen festgelegt werden. Hier ist erforderlich, daß diese Baulinie längs des Gebäudes hinzieht, dessen Fenster in Frage stehen. Vgl. Oertmann, Landesprivatrecht 332. Solange die Baulinie nicht gezogen ist, gilt für die Fenster usw. die nachbarrechtliche Beschränkung; sie fällt aber dann weg, wenn hinterher die Baulinie so gezogen wird, daß sie nunmehr die Fenster usw. an der Baulinie befinden. Die Entscheidung über die Festsetzung der Baulinie wird nunmehr im Bebauungsplan nach §§ 9ff. BBauGes. vom 23. 6. i960 (BGBl. I, 737) von der Gemeinde mit Genehmigung der Regierung durch Satzung getroffen. Ist der Bebauungsplan durch Satzung mit deren Bekanntmachung rechtsverbindlich geworden (§ 12 BBauGes.), so kann er als Ortsrecht allenfalls der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterstellt, jedoch nicht im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Wird die Baulinie erst nach Rechtshängigkeit des sich aus Art. 62 A G ergebenden Anspruchs (rechtskräftig) festgesetzt, so ist der Anspruch in der Hauptsache zurückzunehmen; die Prozeßkosten fallen dann dem Bekl. zur Last. 12

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Fensterrecht

§22 i

kungen bezüglich der Fenstereinrichtung abhängen (z.B. durch Erbauung eines Gebäudes), so ist von da ab das Verlangen auf eine den Art. 6 2 f. entsprechende Einrichtung der Fenster berechtigt. Der Bau an der Grenze eines noch unbebauten Nachbargrundstückes verleiht kein Recht auf Fortdauer des günstigen bisherigen Zustandes 14 ). Unter Lichtöffnung ist eine für den Eintritt von Licht bestimmte Öffnung zu verstehen 15 ). Dazu gehören auch Bodenluken 16 ). Für andere Öffnungen gelten diese Beschränkungen nicht; insbesondere also nicht für Türen. Wenn die Türe eines Gebäudes unmittelbar auf das Nachbargrundstück führt und dem Gebäudeeigentümer eine Grunddienstbarkeit zur Begehung des Nachbargrundstückes nicht zusteht, so kann die Beseitigung der Türe auf Grund des § 907 B G B verlangt werden 17 ). Die Eigentumsbeschränkung für den Inhaber der Fenster usw. hat zur Voraussetzung, daß die Fenster und sonstigen LichtöfFnungen sowie die Balkone, Erker, Galerien und ähnliche Anlagen w e n i g e r als 60 cm v o n der G r e n z e des N a c h b a r g r u n d s t ü c k e s e n t f e r n t sind. Das Maß von 60 cm ist nicht willkürlich gewählt, sondern entspricht im wesentlichen dem alten Traufabstand von zwei Werkschuh. Auch war dasselbe Maß in mehreren deutschen Nachbarrechtsgesetzen bestimmt18). Die Möglichkeit des Einblickes in fremde Grundstücke ist mit dem Zusammenwohnen in geschlossenen Ortschaften unvermeidbar verbunden. Der Ausblick auf ein fremdes Grundstück ist keine Einwirkung auf dieses. Es ist deshalb nicht als angängig erachtet worden, ein allgemeines Verbot solcher Fenster zu erlassen, welche den Einblick in die Nachbarbehausungen gestatten. Anders verhält es sich bei Fenstern, die der Grenze so nahe sind, daß sie Luft und Licht nur von dem fremden Grundstück her erhalten. Deswegen hat es der Gesetzgeber für genügend erachtet, nur für jene Fenster nachbarrechtliche Beschränkungen einzuführen, welche weniger als 60 cm von der Grenze entfernt sind 18 ). Daß diese Voraussetzung des geringeren Abstandes als 60 cm gegeben ist, hat derjenige zu beweisen, welcher die Beschränkung rücksichtlich der Fenster verlangt. Hierzu gehört auch der Nachweis der Grenzlinie, wenn sie bestritten ist. Für die Eigentumsbeschränkung kommen demnach nur die dem begünstigten Nachbargrundstück zugekehrten Fenster in Betracht20), aber auch 14

) ) ) 17 ) 18 ) 19 ) 20 )

16

16

Oertmann, Landesprivatrecht 3 3 2 ; Becher, Mat. I V und V , 1, 433. ReichsrAusschProt. Nr. 715 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 827). Vgl. Gruchot 41, 6 4 1 ; J W 1897, 258 Nr. 96. Begründung z. A G 40 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 86). AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 433). Begründung z. A G 40 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 85). Böhm-Klein, Bern. 4 zu Art. 62—65.

391

II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

diejenigen, welche in schräger Richtung dem Nachbargrundstück zugekehrt sind 21 ). Die Entfernung wird von dem Fuße der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 AG). Das Maß wird von außen genommen; nicht etwa von der Höhe des Fußbodens innen, sondern von der äußeren Umfassungsmauer des Gebäudes 22 ). Es ist also auszugehen von derjenigen Außenkante der Fensteröffnung, welche der Grenze zunächst liegt. Von dem Punkte der Kante, welcher der Grenze am nächsten gelegen ist, ist die kürzeste Verbindungslinie mit dem Fuße der Wand, d.h. mit jener Linie, welche durch das Gebäude und den Erdboden gebildet wird, herzustellen. Von dem Punkte, an welchem sich die beiden Linien schneiden, ist dann zu messen, ob der nächste Punkt der Grenzlinie weniger als 60 cm entfernt ist. Ist dies der Fall, dann ist die Lichtöffnung usw. der gesetzlichen Beschränkung unterworfen23). In gleicher Weise wird auch bei den übrigen Anlagen (Balkone, Erker, Galerien und ähnliche Anlagen), welche der Beschränkung unterworfen sind, der Abstand gemessen (Art. 63 Satz 2 AG). II. I n h a l t der B e s c h r ä n k u n g Sind obige Voraussetzungen erfüllt, so geht der Inhalt der für solche Fenster und Lichtöffnungen sowie Balkone, Erker, Galerien und ähnliche Anlagen eingeführten Beschränkungen nicht dahin, daß sie überhaupt nicht eingerichtet bzw. beibehalten werden dürfen. Es muß ihnen nur eine Einrichtung gegeben werden, daß sowohl das Auswerfen von Sachen als das 21 ) O b L G 13, 86. Art. 54 des Regierungsentwurfes hatte folgende Fassung: „Sind Fenster, die in gerader oder schräger Richtung auf ein mit Gebäuden versehenes oder als Hofraum oder Hausgarten dienendes Nachbargrundstück gehen, weniger als o,6o m von der Grenze des Nachbargrundstückes entfernt, so müssen sie usw." Durch die Fassung des Gesetzes wollte man keine sachliche Änderung herbeiführen, sondern nur etwas Selbstverständliches weglassen. Man denke an eine Straße, die nach dem geschlossenen Bausystem gebaut ist. Die Häuser sind aneinander gebaut, hinter den Häusern sind die Hausgärtan, welche durch eiserne Zäune voneinander getrennt sind. Von den gegen den Hausgarten gekehrten Fenstern muß das dem Zaune zunächst liegende mindestens 60 cm von der Grenze entfernt sein, andernfalls ist es der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung unterworfen. Vgl. AbgAusschProt. 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 432fr.) 22 ) AbgAusschProt. 164 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 432). 23 ) Wenn die Mauer, in welcher sich das Fenster befindet, nicht lotrecht steht oder einen Sockel hat, kann es vorkommen, daß der Fuß der Mauer nur 59 cm von der Grenze entfernt ist, während der Abstand des Fensters selbst eigentlich 61 cm beträgt. E s muß das Fenster dann gleichwohl so behandelt werden, als ob es weniger als 60 cm von der Grenze entfernt wäre.

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Fenstertecht

§ 2 2 ii

Ausgießen v o n Flüssigkeiten auf das Nachbargrundstück verhindert und der Nachbar gegen die durch den Einblick aus allzu großer Nähe verursachte Belästigung gesichert wird 2 4 ). Z u diesem Z w e c k e bestimmt das Gesetz (Art. 62 A G ) , daß die Fenster (Lichtöffnungen) auf Verlangen des Eigentümers des Nachbargrundstückes so eingerichtet werden müssen, daß bis zur Höhe v o n 1,80 m über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das öffnen noch das Durchblicken möglich ist 25 ). Die Höhe v o n 1,80 m wird also v o n dem im Innern des Gebäudes befindlichen Fußboden gemessen. Das Gesetz bezweckt, einem aufrecht stehenden Menschen das Durchblicken unmöglich zu machen. Ist das Grundstück, zu dessen Gunsten die Beschränkung geltend gemacht wird, ein solches, das einer öffentlichen Eisenbahnanlage dient, so müssen die Fenster und andere Lichtöffnungen so eingerichtet werden, daß das Öffnen nicht möglich ist, während sie das Durchblicken gestatten dürfen (Art. 64 A G 2 6 ) . Nur auf

V e r l a n g e n des Eigentümers 2 7 ),

für welches weder eine

24

) Vgl. Begründung z. A G 39., (Becher, Mat. Abt. IV und V, 1, 84). ) Dies kann geschehen durch Ausmauern der Lichtöffnungen bis zu dieser Höhe oder zweckmäßiger durch Verwendung von solchem Material zur nicht bewegbaren Ausfüllung, das zwar die Lichtstrahlen, nicht aber den Blick des Menschen durchläßt (Milchglas, gewelltes Glas, Glasbausteine usw.). Wenn im Innern eines Raumes längs der Wand eine Galerie geführt ist, dann ist bezüglich der über dieser befindlichen Fenster der Boden der Galerie maßgebend. Wenn sich das Fenster oberhalb der Treppe befindet, dann ist die Höhe von 1,80 m über den senkrecht unter dem Fenster befindlichen Treppenstufen zu rechnen. Das öffnen ist dann nicht möglich, wenn der mit undurchsichtigem Glas ausgefüllte Fensterrahmen derart festgestellt ist, daß ohne Zerstörung der Verbindung des Rahmens mit der Wand der Fensterrahmen nicht ausgehoben werden kann. Zu einer solchen festen Einfügung des Rahmens kann ein Eingipsen des Fensters genügen; ebenso ein Festhalten mit in die Wand eingelassenem Bandeisen, nicht aber eine bloße Verschraubung. Will der Inhaber das undurchsichtige Fensterglas reinigen, so steht ihm kein Recht zu, zu diesem Zweck das Nachbargrundstück zu betreten. Wenn er nur die Verbindung des Rahmens mit der Wand löst, den Rahmen mitsamt dem Fenster herausholt, dann das Fenster reinigt und den Rahmen mit Fenster wieder einsetzt und die Verbindung mit der Wand (durch Vergipsung oder mit Bandeisen oder sonstwie) wieder herstellt, so kann der Nachbar dagegen nichts unternehmen. Es kann aber, sofern die Gefahr der Wiederholung besteht, der Anspruch auf Unterlassung erhoben werden. Dieser würde lauten: Der Beklagte ist schuldig, die Herausnahme des Fensterrahmens zu unterlassen. 26 ) Wenn aber dieses Grundstück mit einem Gebäude versehen ist oder als Hofraum dient, darf auch das Durchblicken nicht möglich sein. Es kommt dann die allgemeine Bestimmung des Art. 62 A G zur Anwendung. 27 ) Nur der Eigentümer ist berechtigt, das Verlangen zu stellen, nicht etwa ein dinglich oder gar nur persönlich Berechtigter (Nießbraucher, Pächter). Oertmann, Landesprivatrecht 352. Ein Miteigentümer kann für sich allein das Verlangen wirksam stellen. Ebenso ein Wohnungs- oder Teileigentümer (§ 3 W E G , § 1109 BGB) sowie ein Erbbauberechtigter (§ 1017 B G B , § 1 1 ErbbVO). 26

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§ 2 2 II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

F o r m n o c h eine Frist v o r g e s c h r i e b e n ist 2 8 ), müssen die Fenster u n d sonstig e n A n l a g e n die v o r g e s c h r i e b e n e E i n r i c h t u n g erhalten. A u c h in der K l a g e e r h e b u n g l i e g t ein solches V e r l a n g e n . U n t e r w i r f t sich der B e k l a g t e s o f o r t d i e s e m V e r l a n g e n , das erstmals mit der K l a g e s t e l l u n g e r f o l g t , so müssen d e m K l ä g e r die K o s t e n ü b e r b ü r d e t w e r d e n . W e n n der E i g e n t ü m e r des N a c h b a r g r u n d s t ü c k e s das V e r l a n g e n gestellt hat u n d der N a c h b a r i h m i n n e r h a l b einer a n g e m e s s e n e n Frist 2 9 ) n i c h t n a c h k o m m t , steht n u r d e m E i g e n t ü m e r 3 0 ) , n i c h t e t w a a u c h dessen M i e t e r der A n s p r u c h a u f g e s e t z m ä ß i g e H e r s t e l l u n g z u . Z u r B e g r ü n d u n g der K l a g e , w e l c h e sich als die E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e des § 1004 darstellt 3 1 ), g e n ü g t der N a c h w e i s , daß die L i c h t ö f f n u n g e n d e m G e s e t z e nicht entsprechen. B e h a u p t e t der B e k l a g t e B e f r e i u n g v o n der g e s e t z l i c h e n B e s c h r ä n k u n g aus e i n e m b e s o n d e r e n R e c h t s g r u n d , so trifft

2S) Der Nachbar kann dieses Verlangen auch dann jederzeit stellen, wenn er gegen die ohne Beschränkung ausgeführte Einrichtung der Fenster keinen Widerspruch erhoben hat. In dem bewußten Unterlassen eines durch die Sachlage nahegelegten Verlangens und in der Hinausschiebung dieses Widerspruchs bis nach Vollendung der Fenster wird man selbst oder richtiger gerade dann keinen Verzicht auf den Beseitigungsanspruch finden können (wie Oertmann, Landesprivatrecht 332 annimmt), wenn der Widerspruch nachweisbar nur zu dem Zweck hinausgeschoben wurde, um dem Nachbar Kosten und Unannehmlichkeiten zu bereiten. § 226 B G B kann in solchem Falle nicht angewendet werden, wohl aber ist eine Schadenersatzpflicht nach § 826 begründet. Der zum Ersatz verpflichtende Umstand im Sinne des § 249 ist die Verzögerung des Widerspruchs. Es ist also der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Widerspruch sofort erfolgt wäre (also Ersatz der Mehrkosten). Hat der Nachbar die Anbringung von Fenstern ohne die vorgeschriebenen Beschränkungen ausdrücklich genehmigt, so bedarf die Unterstellung eines definitiven Verzichts auf die dem Gesetz entsprechende Einrichtung dieser Fenster besonderer Umstände. In der Unterzeichnung eines Bauplanes allein kann niemals ein Verzicht in dem Sinne erblickt werden, daß der Nachbar sich für alle Zeiten des Rechts begeben will, das Verlangen auf gesetzliche Einrichtung der Fenster zu stellen. Gerade weil erst d u r c h das V e r l a n g e n die Beschränkung begründet wird, wird für einen Verzicht zumeist die Grundlage fehlen. Rechtlich denkbar ist ein solcher Verzicht allerdings, zwar nicht auf das Recht in seiner Totalität (vgl. Art. 77 AG), aber mit Bezug auf den konkreten Einzelfall (Oertmann, Landesprivatrecht 334). Übrigens würde ein solcher Verzicht, falls er der dinglichen Form entbehrt, den Singularrechtsnachfolger nicht binden. 29 ) Die Frist ist vom Nachbar nicht zu setzen, aber zu gewähren. Angemessen muß die Frist sein. Da erst infolge des Verlangens des Nachbars die Pflicht zur entsprechenden Einrichtung begründet wird, muß dem Eigentümer auch die Zeit und Gelegenheit gelassen werden, die Einrichtung auszuführen. Die Angemessenheit der Frist wird sich nicht lediglich nach der zur Ausführung der Einrichtung erforderlichen Zeit bemessen; handelt es sich z. B. um die Fenster eines bewohnten Zimmers, so braucht die Umänderung der Fenster im Winter nicht vorgenommen zu werden. 30) Aber auch dinglich Berechtigten. 31 ) Oertmann, Landesprivatrecht 333. Der Klageantrag lautet: der Beklagte ist schuldig, das Fenster so einzurichten, daß (es kann nicht etwa auf Beseitigung des Fensters geklagt werden).

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§22 ii

ihn die Beweislast32). Eine Befreiung von der gesetzlichen Beschränkung kann insbesondere durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit erfolgen 33 ). Waren die beiden Grundstücke in einer Hand vereinigt und hat der Eigentümer in dem auf dem einen Grundstück stehenden Gebäude vor Anlegung des Grundbuchs Lichtöffnungen anbringen lassen, welche den Vorschriften der Art. 62 ff. A G nicht entsprechen, so kann der spätere Erwerber des anderen Grundstückes aus Art. 62 A G Ansprüche regelmäßig nicht herleiten, weil angenommen werden muß, daß diese Ansprüche durch stillschweigende Bestellung einer Grunddienstbarkeit aufgegeben worden sind 31 ).

Die Befugnisse, die sich aus dem gesetzlichen Inhalt des Eigentums ergeben, gehen kraft Gesetzes auf den Sondernachfolger über. Nach bürgerlichem Recht erlischt eine zum Inhalt des Eigentums gehörige Befugnis nur durch Bestellung einer Dienstbarkeit. Art. 77 A G hat für die dort speziell aufgeführten nachbarrechtlichen Befugnisse einen weiteren Erlöschungsgrund eingeführt, nämlich den Verzicht des Berechtigten, der in öffentlich beglaubigter Form abzugeben ist. Die Befugnis, die sich aus den Vorschriften des Art. 62 (Fensterrecht) ergibt, ist in Art. 77 nicht erwähnt, so daß also für das Erlöschen des Fensterrechts § 873 B G B gilt. Es erlischt also nicht durch einen wenn auch in öffentlich beglaubigter Form erklärten Verzicht. Der Gesetzgeber hat in diesem Fall davon abgesehen, den Verzicht als Erlöschungsgrund einzuführen, mit Rücksicht auf die Bedeutung der Einhaltung der Beschränkungen der Art. 62 ff. für den jeweiligen Eigentümer; dieser sollte durch einen solchen Verzicht seines Sondervorgängers nicht gebunden werden (vgl. Heene-Schneider Anm. 1 zu Art. 77). In den vom Art. 77 speziell aufgeführten Fällen dagegen bringt ein in öffentlicher Form erklärter Verzicht die Befugnis in dinglicher Weise zum Erlöschen, so daß auch der Sondernachfolger daran gebunden ist. Ein derartiger Verzicht hat also, ohne daß er in das Grundbuch einzutragen ist, dieselbe Rechtswirkung wie die Bestellung (Eintragung einer Grunddienstbarkeit), wonach eine Befugnis, die nach dem Gesetz zum Inhalt des Eigentums am (belasteten) Grundstück dem anderen (berechtigten) Grundstück gegenüber gehört, ausgeschlossen ist (§ 1018 B G B 3. Fall). Mit Nachdruck ist hervorzuheben: Art. 77 befaßt sich nur mit dem dinglich wirksamen Erlöschen der dort speziell angeführten nachbarrechtlichen Befugnisse, nicht auch mit dem obligatorischen Rechtsverhältnis der beiden Nachbarn. In dieser Hinsicht bleibt das Reichsrecht unberührt. Hiernach kann der Eigentümer durch formlosen Vertrag, unter Umständen auch durch einseitigen formlosen Verzicht auf eine ihm nach dem Gesetz zustehende Eigentumsbefugnis verzichten, oder m. a. W.: sich verpflichten, eine Beeinträchtigung seines Eigentums zu dulden. Wer Fenster hält, die nach Art. 62 32 33 34

) Striethorst Arch. 66, 213. ) Vgl. Recht 1908 Nr. 3134 (RG). ) Vgl. EntschOTr. 47, 89 (Striethorst'Arch. 44, 237). Vgl. unten § 32.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

III A G unzulässig sind, beeinträchtigt hierdurch das Eigentum des Nachbarn. Trotzdem muß dieser für seine Person (also nicht auch seinen Sondernachfolgern) die Beeinträchtigung dulden, wenn er hierzu obligatorisch verpflichtet ist. Die Ansprüche aus den durch Art. 62—65 A G statuierten Eigentumsbeschränkungen unterliegen gemäß Art. 78 A G nicht der Verjährung und erlöschen nicht durch einen Verzicht des Berechtigten (Art. 77 AG) 3 5 ). Die baurechtlichen Vorschriften über die Beschaffenheit und den Grenzabstand von Fenster- und Lichtöffnungen werden durch die Art. 62 ff. A G nicht berührt36). Die bayerische Bauordnung enthält übrigens solche Vorschriften nur im Zusammenhang mit den allgemeinen Abstandsflächen (Art. 6 BayBO). III. Z e i t l i c h e

Statutenkollision

Da der Inhalt des Eigentums sich nach den jeweils geltenden Gesetzen bestimmt, so sind die Vorschriften des A G über das Fensterrecht sofort mit Inkrafttreten des B G B in Wirksamkeit getreten 37 ). Die Konsequenz dieses Grundsatzes würde dahin führen, daß auch diejenigen Fenster, welche am 1. Januar 1900 bereits bestanden haben, den Vorschriften des A G entsprechen und daher eventuell umgeändert werden müßten. Diese Konsequenz wollte aber der Gesetzgeber nicht eintreten lassen und hat deshalb den Eigentümern bestehender Fenster gestattet, bei dem bisherigen Rechte zu bleiben, wenn dieses für sie günstiger ist. Der Nachbar wird dadurch nicht beschwert, weil er keinen Anspruch auf Änderung des Gesetzes zu seinen Gunsten hat38). Art. 66 A G bestimmt demzufolge, daß für die am 1. Januar 1900 bestehenden Lichtöffnungen (Fenster, Balkone, Erker und ähnliche Anlagen) die bisherigen Vorschriften in Geltung bleiben, soweit sie eine geringere Beschränkung des Fensterinhabers bestimmen, als die Art. 62—65 A G . Wird das Gebäude unter der Herrschaft des neuen Rechts abgebrochen und wieder aufgebaut, so besteht kein Recht, die Fenster in dem Neubau nach den Vorschriften des alten Rechts einzurichten 39 ), ebensowenig ist eine Verlegung eines nur nach bisherigem Recht zulässigen Fensters angängig. Dem Nachbar kann bei einer solchen Verlegung nicht entgegengehalten werden, daß hierdurch sein Interesse nicht berührt werde 35 ) Art. 77 steht übrigens der Begründung einer Dienstbarkeit, welche den Nachbar zur Duldung einer den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechenden Lichtöffnung verpflichtet, nicht entgegen. M ) Begründung z. A G S. 40 (Becher, Mat. Abt. IV und V , i , 86). 37 ) Oertmann, Landesprivatrecht S. 333. M ) Begründung z. A G S. 40 (Becher, Mat. Abt. IV und V, 1, 86). 39) Oertmann, Landesprivatrecht S. 334.

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§ 2 2 III!

und seinen Anspruch auf Einrichtung des verlegten Fensters nach dem A G der § 226 entgegenstehe. Daran, daß das Fenster die Einrichtung erhält, hat ja der Nachbar ein Interesse. Selbstverständlich dürfen die nach bisherigem Rechte zulässigen Fenster bei einem bloßen Umbau des Gebäudes in ihrer bisherigen Gestalt beibehalten werden; wenn aber infolge des Umbaues zeitweilig das Fenster v o l l s t ä n d i g beseitigt war, dann muß das Ersatzfenster auf Verlangen den Vorschriften des neuen Rechtes angepaßt werden. Eine geringere Beschränkung als das A G bestimmen vor allem jene Vorschriften des bisherigen Rechtes, welche die Einrichtung von Fenstern schlechtweg, d.h. ohne jede Beschränkung zulassen, wie z. B. das gemeine Recht und das bayerische Landrecht. Sind nach bisherigem Rechte für die Einrichtung von Fenstern beschränkende Bestimmungen gegeben, so ist zu prüfen, ob sie eine geringere Beschränkung darstellen als die Vorschriften des neuen Rechts. Nur in diesem Falle können sie für die bestehenden Fenster noch weiter angewendet werden, wobei es dem Eigentümer natürlich nicht verwehrt ist, den Fenstern und den übrigen Anlagen die durch das A G vorgeschriebene Einrichtung zu geben. Ist aber nach bisherigem Recht die Beschränkung eine stärkere als nach dem neuen Gesetze, so ist nur das letztere maßgebend. Dies trifft vor allem bei jenen Rechtsvorschriften zu, welche die Anlage von Fenstern überhaupt verbieten, so z. B. das Mainzer-, Amberger-, Nürnberger-40), Dinkelsbühler- und Münchener-Recht für jene Mauern, die kein Traufrecht haben41). 1. Für die einzelnen Gebiete des bisherigen Rechts gilt folgendes: a) In jenen Rechtsgebieten, in welchen bisher das g e m e i n e Recht42) oder das b a y e r i s c h e L a n d r e c h t gegolten hat und nicht auf Grund von Statutarrechten abweichende Normen bestanden haben, darf der Eigentümer die bestehenden Fenster ohne jede Veränderung beibehalten. b) Im Gebiete des W ü r z b u r g e r Stadtbaurechtes, das gewohnheitsrechtlich im ganzen Gebiete der fränkischen Landesgerichtsordnung gilt, muß unterschieden werden zwischen Giebelmauern und solchen Mauern, die keine Giebelmauern sind. In den Giebelmauern durften nur sog. hohe Lichter angebracht werden, die so eingerichtet sein mußten, daß niemand leichtlich dadurch aus- und in des Nachbars Haus und Hof einsehen kann43). Diese hohen Lichter können beibehalten werden. Sollte aber ein Eigentümer in einer Giebelwand vor dem 1. 1. 1900 gewöhnliche Fenster angebracht haben, so müssen sie nunmehr nach den Vorschriften des A G oder nach der Bestimmung des Stadtbaurechtes (hohe Lichter) eingerichtet werden, soferne nicht der Fensterinhaber die Freiheit von der Eigentumsbeschränkung durch besonderen Rechtstitel erworben hat44). 40

) Für Nürnberger Recht vgl. SeuffBl. 56, 172. ) Über Traufrecht s. unten § 24. 42 ) Das gemeine Recht kannte Beschränkungen weder für die Anlage von Fenstern noch für die Entziehung des Lichtes für die Fenster (Hesse 610; Gierke, Sachenrecht 426; Kahn, Fensterrecht 36; Gruchot 6, 293 [RG]; SeuffA 35 Nr. 273; 59 Nr. 124; R G 31, 343; 44, 317). Die 1. 12 C 8, 10, welche für die Fensteranlagen einen Abstand von 12 Fuß zwischen den Häusern vorschreibt, ist nicht glossiert und vom gemeinen Recht nicht übernommen (Windscheid § 2 1 1 a Anm. 8; Kahn, Fensterrecht 49). 43 ) Würzburger Bauordg. III. (von Mauern und zwar von Giebelmauern) § 2. Über den Begriff Giebelmauern s. unten § 24, 1. 44 ) S. darüber unten § 22 III, 1, i. 41

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Rücksichtlich jener Mauern, welche keine Giebelmauern sind, muß wiederum unterschieden werden zwischen solchen, denen das Trauf recht zusteht und solchen, welche kein Traufrecht haben46). In jenen Mauern, welchen das Dachtraufrecht zusteht, durfte der Eigentümer nach Belieben Fenster und Lichtöffnungen anbringen46). Die in solchen Mauern am i. i. 1900 bereits vorhandenen Fenster dürfen daher ohne jede Beschränkung in dem alten Zustande beibehalten werden. In jenen Mauern, die kein Traufrecht haben, durften ebenfalls Fenster angebracht werden; sie mußten aber nach Stadtbaurecht vergittert werden, d. h. die Gitter mußten vier Zoll hoch und vier Zoll weit sein4'). Die am 1. 1. 1900 in solchen Mauern befindlichen Fenster müssen entweder nach Stadtbaurecht vergittert oder den Vorschriften des A G entsprechend eingerichtet sein. Sind daher in solchen Mauern am 1. 1. 1900 unvergitterte Fenster vorhanden, so kann der Nachbar verlangen, daß sie nach Wahl des Eigentümers entweder nach Stadtbaurecht vergittert oder nach den Vorschriften des A G eingerichtet werden48). c) Nach Ulmer- 4 9 ) und Memminger-Stadtrecht 5 0 ) ist ebenfalls der Unterschied zu machen zwischen Mauern, denen das Traufrecht zusteht und solchen, welche kein Traufrecht haben. In den Mauern mit Traufrecht konnten Lichtöffnungen angebracht werden; der Eigentümer aber war verpflichtet, sie auf Verlangen des Nachbars nach Stadtbaurecht mit eisernen Gittern, deren Sprossen einen halben Schuh weit kreuzweis 46

) S. darüber unten § 24. ) Würzburger Bauordg. IV. (von Mauern so keine Giebelmauern sind) § 1. ) Würzburger Bauordg. I V . (von Mauern so keine Giebelmauern sind) § 2. 4 Zoll sind rund 10 cm. 48 ) In einer Mauer, welcher das Traufrecht zusteht, befinden sich am 1. 1. 1900 drei unvergitterte Fenster, die vollen Einblick in alle Teile des Nachbargartens ermöglichen. Nach dem 1. 1. 1900 macht der Fensterinhaber diese Fenster bei gleichbleibender Breite höher. Das muß sich der Nachbar gefallen lassen; seinem Verlangen, die Vergrößerung der Fenster zu beseitigen, steht § 226 entgegen. Das gleiche muß gelten, wenn die vorhandenen Fenster auch verbreitert werden; denn vorher konnte man ebensogut hinaussehen. Unter Umständen muß sich der Garteninhaber gefallen lassen, daß zu den alten Fenstern noch ein vollständig neues kommt, wenn z.B. zu einem Fenster, das ein Wohnzimmer belichtet, noch ein zweites in den gleichen Raum kommt; hier wird regelmäßig das Interesse des Nachbars nicht berührt. Wenn freilich in dem Haus zwei alte Jungfern wohnen, von denen jede an einem der beiden Fenster sitzt, dann kann es anders sein. Wenn der Nachbar in seinem Hausgarten eine Scheune errichtet, wodurch dem einen am 1. 1. 1900 vorhandenem Fenster der Einblick in den Garten entzogen wird, während er von dem neu eingerichteten Fenster aus möglich bleibt, dann hat der Nachbar ein Interesse an der Beseitigung dieses neuen Fensters. In einer Giebelwand dürfen nur sog. „hohe Lichter" angebracht werden. Nach fränkischem Landrecht war es unzulässig, in Giebelwänden Fenster mit vollem Einblick anzubringen. Wenn trotzdem vielfach Fenster in Giebelwänden gefunden werden, so beruht das darauf, daß dies stillschweigend geduldet wurde; durch Zeitablauf entstand eine Grunddienstbarkeit zur Beibehaltung dieser Fenster. In diesen Fällen gilt für Vergrößerung der Fenster dasselbe, wie vorhin aufgeführt. Wenn und insolange dem Verlangen des Nachbars, diese Fenster nach den Bestimmungen des A G einzurichten, infolge Vorhandenseins der anderen Fenster mit vollem Einblick eine Dienstbarkeit besteht, dann gilt § 226. Voraussetzung hierfür ist, daß an den Fenstern die am 1. 1. 1900 zu Recht bestehen, der Einblick in alle Teile des Nachbargrundstücks möglich ist. 49 ) Ulmer Bauordg. X . §§ 3 u. 4. 50 ) Memminger Bauordg. X I V . §§ 3 u. 4. 48

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voneinander standen, zu vergittern. In den Mauern ohne Traufrecht durften keine Lichtöffnungen angebracht werden. Sind in einer Mauer, welcher kein Traufrecht zustand, am i. i. 1900 Fenster vorhanden, so ist der Inhaber auf Verlangen des Nachbars verpflichtet, sie nach den Bestimmungen des A G einzurichten, falls er nicht durch besondere Rechtstitel ein Recht auf Beibehaltung der Fenster erworben hat 51 ). Der Nachbar ist nicht berechtigt, dieses Verlangen des Nachbars abzulehnen und eine Vergitterung der Fenster nach Stadtrecht vorzunehmen, weil den Mauern ohne Traufrecht bisher gar kein Fensterrecht zustand. Sind in einer Mauer, welcher nach bisherigem Rechte das Traufrecht zustand, am 1. 1 . 1900 Fenster vorhanden, so genügt es von da ab, wenn diese Fenster entweder den Vorschriften des Stadtbaurechtes oder den Bestimmungen des A G entsprechen. d) Nach A u g s b u r g e r Baurecht durften in den Mauern ohne Traufrecht keine Lichtöffnungen angebracht werden. Ist dies doch geschehen, so sind sie ohne Beibringung eines anderen Beweises nur als Vergunstlichter anzusehen62). In den Mauern mit Traufrecht durften Fenster eingerichtet werden, jedoch nicht gerade denen des Nachbars gegenüber. Auch mußten die Fenster vergittert sein. Hiernach ergibt sich folgendes: Befinden sich am 1. 1. 1900 in einer Mauer mit Traufrecht Fenster, welche denen des Nachbarhauses nicht gerade gegenüber liegen, so genügt es, wenn sie entweder nach Stadtbaurecht vergittert oder nach den Vorschriften des A G eingerichtet sind. Liegen die Fenster aber denen eines Nachbarhauses gerade gegenüber, so kommt es darauf an, welche Fenster zuerst bestanden haben. Der Inhaber jener Fenster, die zuerst bestanden haben, könnte nach Stadtbaurecht von dem Nachbar die Beseitigung der gerade gegenüberliegenden Fenster verlangen. Jetzt kann er nur Einrichtung nach den Vorschriften des A G verlangen. Mit einer bloßen Vergitterung, wie sie dem Stadtbaurecht entspricht, braucht er sich nicht zu begnügen. Die Beweislast dafür, daß die Fenster früher bestanden haben, trifft denjenigen, welcher auf Grund dieser Tatsache Rechte ableitet. Sind am 1 . 1. 1900 in einer Mauer, welcher bis dahin kein Traufrecht zustand, Fenster vorhanden, so müssen sie auf Verlangen den Vorschriften des A G entsprechend eingerichtet werden. e) Nach der R e g e n s b u r g e r Wachtgerichtsordnung53) ist die Anbringung von Fenstern gestattet, sie müssen jedoch mit engen und weitern Gittern genugsam verwahrt sein, damit man in des Nächsten Haus, Hof oder Garten dadurch nicht steigen möge. Nur dann ist die Anbringung von Fenstern schlechtweg untersagt, wenn die in einer Mauer früher bestandenen Fenster sämtlich64) vermauert worden sind. Aus einem solchen Zustande wurde darauf geschlossen, daß der Eigentümer der Mauer seinem Nachbar eine Servitut, kraft deren er die Haltung von Fenstern verbieten dürfe, eingeräumt hat66). A n dem Inhalte dieser Servitut, durch welche die nach dem Gesetze im Eigentum liegende Befugnis zur Haltung von Fenstern entzogen ist, wird durch das B G B und das A G gar nichts geändert. Denn die Vorschriften des A G über das Fensterrecht beziehen sich lediglich darauf, ob und inwieweit das E i g e n t u m die Befugnis zur Haltung von Fenstern mit sich bringt. Ist durch Vertrag oder Ersitzung ein besonderes dingliches Recht an einer fremden Sache erworben worden, so hat es hierbei sein Bewenden. 61

) S. darüber unten § 22, III, 1 , i. ) Augsburger Bauordg. Tl. II Kap. 8 §§ 35 u. 36, Tl. I Kap. 3 § 45. Über Traufrecht s. unten § 24. 63 ) Regensburger Wachtgerichtsordg. VI. §§ 1—17. 64 ) SeuffBl. 34, 128. 66 ) Vgl. Weber, Statutarrecht 5, 72; Roth, Bayer. ZivR. Bd. 2 § 168 Note 36. 62

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Soweit der Nachbar keine solche Servitut auf Untersagung von Fenstern hat, kann er verlangen, daß die Fenster nach Wahl des Fensterinhabers entweder nach der Wachtgerichts- und Bauordnung vergittert oder nach den Vorschriften des A G eingerichtet werden. f ) Nach N ü r n b e r g e r - 6 6 ) , M a i n z e r - 6 7 ) , A m b e r g e r - 6 8 ) , DinkelsbühlerStadtrecht69) ist die Anlage von Fenstern nach der Seite des Nachbars verboten, insoweit nicht eine besondere Befugnis hierzu, deren Entstehung nachgewiesen werden muß60), vorliegt. Die in den bisherigen Gebieten dieser Rechtsquellen am i. i. 1900 bestehenden Fenster müssen daher den Vorschriften des A G entsprechend eingerichtet werden, soferne nicht eine besondere Berechtigung besteht. g) Nach M ü n c h e n e r Stadtbauordnung61) war dem Eigentümer eines Gebäudes ohne Traufrecht untersagt, an der dem Nachbar zugewendeten Seite seiner Mauer Lichtöffnungen unterhalb einer Höhe von 1 2 Fuß von dem Erdboden aus gerechnet anzubringen62). Jetzt können in solchen Mauern Lichtöffnungen mit den Beschränkungen des A G gehalten werden. h) Nach dem p r e u ß i s c h e n L a n d r e c h t 8 3 ) ist die Rechtslage folgendermaßen: Jeder Grundeigentümer kann, wenn sein Gebäude nicht unmittelbar an der Grenze steht, also nur ein wenig von ihr entfernt ist, ohne jede Einschränkung in der nach dem Nachbargrundstücke zu belegenen Wand Fenster und sonstige Lichtöffnungen anbringen (§ 137 I 8 ALR) 6 4 ). Auch dann, wenn das Gebäude unmittelbar an der Grenze steht,kann er solches in dem Falle ohne alle Einschränkung tun, wenn auf dem Nachbargrundstücke ein Gebäude sich unmittelbar an das seinige anschließt, die von ihm eröffneten Fenster also auf das Dach des Nachbargebäudes hinausgehen66). Sind Fenster, die nach diesen Bestimmungen zulässig sind, am 1. 1. 1900 vorhanden, so können sie nach Art. 66 A G unverändert beibehalten werden. Dagegen ist nach preußischem Rechte (§ 1 3 8 , 1 , 8 A L R ) der Eigentümer dann, wenn sein Gebäude unmittelbar66) auf der Grenze steht und der daran anstoßende Teil des Nachbargrundstückes ein Hof oder Garten ist, d. h. nicht mit Gebäuden besetzt ist 67 ), 66

) Nürnberger Reform. X X V I . Tit. 3 § 1. ) Amberger Bauordg. VII. 6S ) Mainzer Bauamtsordg. § 34 (Land.-Ordg. VII). 69 ) Dinkelsbühler Statutarrecht X I X . § 8. 6 °) S. unten § 22, III, 2. 61 ) Art. 53. 62 ) EntschOGH 3, 373. 65 ) A L R . Tl. I Tit. 8 §§ 137fr. Vgl. Westermann 1954, Bauliches Nachbarrecht S . 5 1 . 64 ) Striethorst'Arch. 96, 168; R G 44, 317. 6B ) Striethorst'Arch 92, 167; Gruchot 25, 430; R G 44, 317. 66 ) Entscheidend ist, daß der untere Teil der Fensterwand (der Sockel) unmittelbar an der Grenze steht, wenn auch der die Fenster enthaltende Teil der Mauer zurücktritt (ObTr. 68,357; Striethorst'Arch. 58, 335; Gruchot 32,939; Kahn, Fensterrecht 82). A . M . dagegen EntschOGH 15, 608. — Wenn der Sockel von der Grenze zurücksteht, aber der obere die Fenster enthaltende Teil der Mauer überladen ist, so daß die Grenze mit diesem Teil abschneidet, ist § 138 anzuwenden. — Jeder auch noch so geringfügige Abstand der Mauer von der Grenze bringt die Beschränkung des § 13 8 I 8 in Wegfall (Plenarentscheid d. ObTrPräjG S. 26 Nr. 975 b; ObTr. 68, 357; Striethorst/ Arch. 61, 29). 67 ) EntschOTr. 92, 164; Gruchot 25, 429. 67

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während aber ein anderer Teil desselben Grundstückes bebaut ist88), in der E i n r i c h t u n g von Öffnungen' 9 ), insbesondere von Fenstern, aber auch nur in dieser, nicht etwa in der A n b r i n g u n g von solchen überhaupt, insoferne beschränkt, als er sie unbedingt mit einem Drahtgitter oder eisernen zwei Zoll voneinander abstehenden Stäben verwahren muß 70 ) und als er außerdem, sofern es die Umstände gestatten 71 ), die Fenster nur in einer Höhe von sechs Fuß über dem Boden des Zimmers oder Behältnisses72) anbringen darf. Die Lichtöffnungen, welche in einer solchen unmittelbar an der Grenze stehenden Wand am i. i. 1900 vorhanden waren, müssen von da an eine Beschaffenheit haben, die entweder den Vorschriften des preußischen Rechts oder den Vorschriften des A G entspricht. Selbstverständlich muß dies nur dann und insolange der Fall sein, als die rechtlichen Voraussetzungen des Art. 62 ff. A G gegeben sind. Auf Fälle, in welchen das Nachbargrundstück beiden Nachbarn gemeinschaftlich gehört, findet § 138, I, 8 A L R keine Anwendung. Handelt es sich um einen Zwischenraum, der Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B ist, dann finden nur die einschägigen Bestimmungen des B G B Anwendung 73 ).

,8 ) EntschOTr. 94, 206. Unter dem Ausdruck „Hof oder Garten" ist also auch jeder zu dem Hause gehörige offene Raum zu verstehen. Striethorst/ Arch. 23, 162. Ein Raum, welcher der Einfriedigung ermangelt und tatsächlich im freien Verkehr steht, ist nicht als Hof zu erachten. EntschOTr 94, 206. Der Hof oder Garten muß den Teil eines praedium urbanum im Gegensatz zu einem Ackergrundstück in der freien Feldflur ausmachen und mit dem Hausgrundstück als ein ihm dienender Platz in räumlicher Verbindung stehen. Striethorst'Arch. 69, 313, EntschOTr. 94, 206. So ist eine Einfahrt als Hof behandelt und ebenso ein zur Ableitung des Trauf- und Regenwassers dienender Raum. Striethorst' Arch. 12, 3 1 2 ; 65, 309. *9) Die Beschränkung des §138 gilt für Öffnungen jederArt, gleichviel welchem Zwecke sie dienen (ObTr. 19, 104; Striethorst'Arch. 24, 33; 41, 300; 58, 335; 78, 1 5 3 ; Dernburg, Pr. PrR 554 Anm. 1 2 ; Abw. Kahn 83, der den § 138 auf Luftöffnungen nicht anwenden will. 70 ) Striethorst'Arch. 64, 108; Gruchot 26, 939. Die Gitter und Stäbe müssen in der Wand derart befestigt sein, daß sie nicht beliebig herausgenommen werden können. Das ergibt sich aus dem Begriff „verwahren". Auch das Drahtgitter darf nur höchstens zwei Quadratzoll breite Öffnungen haben. Müller, Deutsches Bau- und Nachbarrecht 66. Wenn dem Fenstereigentümer ein besonderes (dingliches oder schuldrechtliches) Recht auf „freie Aussicht" zusteht, so obliegt ihm die Vergitterungspflicht nicht, weil er sonst an der freien Aussicht nach der Seite (Herausbeugen aus dem Fenster) behindert wäre (Dernburg, Pr. PrR. 555 Anm. 1 2 ; Sachenrecht 296 Anm. 2 1 ; A . M . dagegen Turnau-Förster 355, Koch Bern. 20 zu § 138 I 8). 71 ) Vgl. darüber R G 5, 229. — Ist das Zimmer nur sechs Fuß hoch, so muß das Fenster so hoch als möglich, doch so, daß es noch seinen Zweck erfüllen kann, angelegt werden. Striethorst'Arch. 23, 142. Die neue Fensteranlage ist den vorher bestandenen faktischen Verhältnissen anzupassen. Werden aber die Bedürfnisse und Verhältnisse willkürlich geändert, z. B. ein Haus in einen Gasthof umgewandelt, so kann sich der Bauende nicht darauf berufen, daß die jetzigen Umstände es nicht gestatten. Striethorst'Arch. 65,309. 72 ) Unter einem B e h ä l t n i s ist ein nicht zum Bewohnen bestimmter Raum zu verstehen. Gruchot 30, 939; 41, 641; J W 1897, 258 Nr. 96. Für die Messung der 6 Fuß vom Boden kommt nur die Lichtöffnung mit Rahmen in Betracht, nicht aber das Fensterfutter, d.h. die Verkleidung, in welcher der Rahmen sitzt. Striethorst'Arch. 10, 309. 73 ) Turnau-Förster 356, vgl. Striethorst'Arch. 18, 159.

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Meisner-Riilg, Nachbarrecht, 6.Aufl.

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§ ZZ IUI

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

i) Nach c o d e c i v i l Art. 675—68074) galt folgendes: Der Eigentümer einer Mauer durfte, auch wenn sie unmittelbar an das Nachbargrundstück angrenzte, in ihr Öffnungen und Fenster anbringen, die mit einem Drahtgitter 75 ) versehen waren und nicht geöffnet 78 ) werden konnten. Sie mußten im Erdgeschosse acht Fuß (260 cm), in den oberen Geschossen sechs Fuß (190 cm) vom Erdboden77) entfernt sein, wobei der Fensterrahmen nicht mitgerechnet wurde78). Man nannte solche Fenster „jours" (Lichtfenster), im Gegensatz zu „vues" (Aussichtsfenstern), die nur in einer bestimmten Entfernung von der Grenze zulässig waren. Gegen die weitere Beibehaltung von Lichtöffnungen, welche diesen Vorschriften entsprechen, ist auch unter der Geltung des B G B nichts zu erinnern. Sind solche Lichtöffnungen mindestens 60 cm von der Grenze entfernt, so können sie nach Belieben des Inhabers umgeändert werden; sind sie aber weniger als 60 cm von der Grenze entfernt, so hat der Fensterinhaber die Wahl, ob er die Fenster mit einer der Vorschrift des code civil entsprechenden Einrichtung oder mit einer solchen, welche dem A G entspricht, halten will. Aussichtsfenster („vues"), das sind solche, welche in der Einrichtung keiner Beschränkung unterworfen waren, durften nur in einer bestimmten Entfernung von der Grenze gehalten werden. Diese Entfernung betrug bei Fenstern, welche die Aussicht g e r a d e a u s auf das Nachbargrundstück gewährten, sechs Fuß (190 cm)79) und für Fenster welche die Aussicht v o n der S e i t e oder in s c h r ä g e r R i c h t u n g auf das Nachbargrundstück hatten, zwei Fuß (60 cm)80). Diese Entfernungen wurden berechnet von der Außenseite der Mauer, in welcher die Öffnung angebracht ist und wenn es sich um einen Balkon oder anderen ähnlichen Vorsprung handelt, von dessen äußerster Linie 81 ). Diese Bestimmung ist außer Geltung getreten, weil sie für die Fenster eine größere Beschränkung auferlegt, als die Vorschriften des A G . Von Kellerfenstern ist in den Art. 675 fr. nicht die Rede, sie unterliegen daher keinen Beschränkungen82). 74 ) Es sind hier nur die Vorschriften bezüglich der nicht gemeinschaftlichen Mauern erörtert, weil die Frage, ob in einer gemeinschaftlichen Mauer Fenster angebracht werden, sich nunmehr ausschließlich nach § 920 B G B richtet. Hiernach ist die Anbringung von Fenstern in einer gemeinschaftlichen Mauer im allgemeinen unzulässig (vgl. oben S. 107) und daher gilt unter dem neuen Rechte dasselbe, was Art. 675 code civil bestimmte. Über Geltung des Art. 675 code civil vgl. R G 162, 2 1 3 ; Westermann (1954), Bauliches Nachbarrecht 53. 76 ) „ à fer maillé", die Maschen oder Stäbe dürfen höchstens 10 cm weit sein. 76 ) „châssis à verre dormant". Zu Unrecht wird dies von Kretzschmar, RheinZivilrecht Art. 676 mit blinden (undurchsichtigen) Fenstern übersetzt. Dagegen mit der französischen Rechtslehre RheinArch. 9} II, 45 (RG); 101 I 141 (Köln). Die unbeweglichen Rahmen brauchen nicht mit Kalk oder Gips vermauert Zu sein (Bandry-Lacantinerie Nr. 1029, 1). 77 )Die Bemessung hat von der Seite des Fensterinhabers aus zu erfolgen. Haben die beiden Nachbargrundstücke verschiedenes Niveau, so kommt nur der Boden desjenigen Grundstücks in Betracht, auf dem der Bau mit dem Fenster steht (Carpentier Nr. 30; Fuzier-Hermann Bern. 2 zu Art. 677; Bandry-Lacantinerie Nr. 1029, 734). 75 ) Code civil Art. 676, 677. '•) Code civil Art. 678; vgl. R G 15, 328. 80 ) Code civil Art. 679. 81 ) Code civil Art. 680. 82 ) Demolombe 1912 Nr. 534; Carpentier Nr. 54; Bandry-Lacantinerie Nr. 1029; Fuzier-Hermann Bern. 7 zu Art. 676.

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k) Nach Art. 24 § 2 A G B G B für Coburg vom 20. 1 1 . 1899 (Ges.-Sammlung Nr. 1502 — Bay.Bekm. vom 30. 1. 1922 — GVB1. 155) kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken schadendrohende Anlagen nicht hergestellt werden, ohne daß der nach den polizeilichen Vorschriften vorgeschriebene regelmäßige Abstand von der Grenze eingehalten ist und die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen getroffen sind. Z u diesen Anlagen gehören Aborte, Senkgruben, Dungstätten, Bienenstöcke und Viehställe. Nach Art. 24 § 7 A G B G B f. Coburg kann durch Ortsstatut zugunsten des Nachbarn bestimmt werden, daß bei Bauten, Einfriedungen, Vertiefungen und Erhöhungen bestimmte Abstände von der Grenze eingehalten werden. Bereits bestehende Orts-Statute bleiben in Kraft, soweit eine Regelung durch Ortsstatut vorbehalten ist.

2. B e s o n d e r e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e . Die in den oben aufgeführten bisherigen Rechtsvorschriften enthaltenen Beschränkungen des Eigentums, durch welche die an sich im Eigentum gelegene Befugnis zur Haltung von Fenstern eingeschränkt ist, konnten durch Begründung eines besonderen Rechtsverhältnisses beseitigt werden. Der wichtigste Fall einer solchen Beseitigung der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung ist nach bisherigem Recht die E r s i t z u n g einer Servitut83). Trotz Art. 189 E G und Art. 177 A G läuft eine am 1. Januar 1900 in Lauf befindliche Ersitzung einer Fenstergerechtigkeit nicht weiter bis zum Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs. Denn Art. 78 entzieht den durch Art. 6z verliehenen Anspruch der Verjährung. Daran wird auch durch Art. 66 nichts geändert; denn dort wird den am 1. Januar 1900 vorhandenen Fenstern nur die Vergünstigung eingeräumt, daß es genügt, wenn sie entweder den alten oder den neuen g e s e t z l i c h e n Anforderungen entsprechen (vgl. Art. 67). Ist eine Grunddienstbarkeit, deren Inhalt in der Freiheit von der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung bezüglich des Haltens von Fenstern besteht, nach den bisherigen Rechtsvorschriften am 1. Januar 1900 bereits erworben, so können auf dieses b e s o n d e r e Rechtsverhältnis die Bestimmungen des A G nicht angewendet werden; denn diese beziehen sich lediglich darauf, ob und inwieweit das E i g e n t u m die Befugnis zur Haltung von Fenstern mit sich bringt. Für die Ersitzung einer Servitut (Grunddienstbarkeit) ist erste Voraussetzung der B e s i t z eines Fensters, dessen Anlage den Vorschriften des Gesetzes, welchem es unterworfen ist, nicht entspricht. Dieser Besitz muß während der Ersitzungszeit ausgeübt worden sein; diese beträgt 30 Jahre nach Nürnberger84), Amberger 85 ), Rothenburger86) 83

) ) 85 ) 8 ') 84

Vgl. Recht 1908 Nr. 3 1 3 4 (RG). Nürnberger Reformation X X V I ; SeuffBl. 36, 295. Amberger Bauordnung § 7. Ratsbescheid vom 9. 10. 1730 und 2. 5. 1 7 3 1 (Arnold, Beiträge 2, 596).

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und rheinischem 87 ), 10 Jahre nach gemeinem Rechte; n a c h B a y L R 10 Jahre, soferne ein Titel oder Kenntnis des Gegners vorhanden ist, andernfalls 40 Jahre; nach A L R mit Titel 10, ohne Titel 30 Jahre. D i e übrigen unter 1 erwähnten Statutarrechte haben über die Verjährungszeit keine besonderen Vorschriften, es sind also die Grundsätze des subsidiär anzuwendenden (gemeinen, bayerischen oder preußischen) Rechts maßgebend. Durch die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit des Inhalts, daß der Berechtigte Fenster, deren Anlage oder Einrichtung im Widerspruch mit den Gesetzesvorschriften steht, halten darf, wird noch kein Recht erworben des Inhalts, daß diesen Fenstern die Aussicht nicht verbaut werden darf. Hierzu ist der E r w e r b einer Lichtgerechtigkeit erforderlich 88 ). Z u r B e s t e l l u n g einer Servitut ist bis zu dem Zeitpunkte, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, n o t a r i e l l e r Vertrag erforderlich, v o n da ab Eintragung im Grundbuch 8 9 ). Die Unterzeichnung des Bauplanes kann den notariellen Vertrag nicht ersetzen 90 ).

§ 23. Lichtrecht*) V o n dem Fensterrecht, d. i. der Befugnis des Eigentümers in seinem Gebäude Fenster zu haben, ist wohl zu unterscheiden das Lichtrecht als Befugnis des Fensterinhabers dem Nachbar die Verbauung des Lichtes für 87 ) Code civil Art. 690. Wenn der Gebäudeeigentümer die durch das Gesetz verbotenen Fenster während eines Zeitraums von 30 Jahren innehatte, so hat er hierdurch ein Recht auf Beibehaltung der Fenster erworben. Art. 67 Abs. 2 A G bestimmt ausdrücklich: Wenn der Eigentümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des B G B nach den Vorschriften des Pfälzischen Rechts durch Zeitablauf das Recht erlangt hat, Fenster, andere Lichtöffnungen oder Balkone, Erker usw. zu halten, die den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen, so gilt dieses Recht als Grunddienstbarkeit. Das Reichsgericht hat den Erwerb der Freiheit von dieser gesetzlichen Eigentumsbeschränkung ohnedies als Grunddienstbarkeit aufgefaßt (RG 13, 305; 15, 329; 31, 344. Vgl. übrigens OGH 5» 91; 8, 572). Gleichwohl kann auch im ehemaligen Gebiet des rheinischen Rechts eine Fenstergerechtigkeit als Grunddienstbarkeit durch Ersitzung in der Zeit zwischen dem 1. 1. 1900 und dem Zeitpunkte, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, nicht mehr erworben werden (Art. 78, 67 Abs. 2 A G ) ; Begründung zum A G 41 (Becher, Mat. Abt. I V u. V i , 87). Über die bestrittene Frage, ob durch eine solche Fenstergerechtigkeit zugleich auch ein Recht erworben wurde, dem Nachbar die Verbauung dieser Fenster zu verbieten (Lichtrecht), s. unten § 23 e. 88 ) S. unten § 23. 8S ) S. unten § 23 a. Über Eintragung im Grundbuch s. Oertmann, Landesprivatrecht 333. •®) O G H 3, 3 7 1 ; vgl. oben § 22 II. § 23. *) Vgl. Art. 28 §§ 3 u. 4 A G B G B f. Coburg vom 22. 1 1 . 1899 (Ges.Slg. Nr. 1302): Auf dem belasteten Grundstück darf nichts vorgenommen werden, wodurch Licht entzogen oder geschmälert wird. Der Einfall von Licht darf nicht weiter als bis zur Höhe eines halben rechten Winkels von der Sohlbank des Fensters aufwärts entzogen werden.

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diese Fenster zu verbieten. Das Recht des Eigentümers, Fenster in seinem Gebäude zu haben, ist der natürliche Ausfluß des Eigentums. Andererseits verhält es sich ebenso mit der Befugnis des Nachbars, auf seinem Grundstück nach Belieben zu bauen. Der Inhaber von Fenstern, der befugt ist, die Fenster zu haben, muß es sich daher gefallen lassen, daß der Nachbar diesen Fenstern durch Bauten das Licht entzieht, ja sogar (wenn die Mauer, in der sich die Fenster befinden, unmittelbar auf der Grenze steht1), daß der Nachbar die Fenster zubaut2). Will der Inhaber der Fenster dem Nachbar die Entziehung des Lichtes verbieten, so muß er ein b e s o n d e r e s Recht zur Begründung der Verbotes geltend machen; eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung ist in dieser Richtung weder im bürgerlichen Gesetze noch in den bayerischen Nebengesetzen enthalten3). Hatte der Fensterinhaber auf Grund n a c h b a r r e c h t l i c h e r V o r s c h r i f t e n der b i s h e r i g e n Rechtsquellen ein solches Verbietungsrecht, so ist es ihm durch die neue Gesetzgebung e n t z o g e n , während ein Verbietungsrecht, das in einem b e s o n d e r e n Rechtsverhältnisse seine Wurzel hat, auch unter der Geltung des BGB weiter besteht. Der wichtigste Fall eines besonderen Rechtsverhältnisses ist die Dienstbarkeit. Die Begründung eines servitutarischen Lichtrechts richtet sich bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, nach bisherigem Recht. a) Nach g e m e i n e m Recht wurde eine solche Servitut (servitus ne luminibus officiatur) nicht schon dadurch erworben, daß während der Verjährungszeit oder seit unvordenklicher Zeit aussichtsfreie Fenster bestanden haben; denn die Einrichtung und Innehabung von Fenstern im eigenen Haus erscheint zunächst nur als eine tatsächliche Ausübung des 1

) S. darüber unter Traufrecht, unten § 24. ) Dies gilt selbst dann, wenn das Recht auf das Fenster unter der Geltung eines Rechts ersessen wurde, nach welchem das Fenster an sich (ohne speziellen Erwerb) unzulässig war; denn das Fensterrecht schließt kein Lichtrecht in sich. Wenn eine Baupolizeibehörde für eine Brandmauer die Einfügung von Lichtflächen, die mit Glasbausteinen ausgemauert sind, zuläßt, so ändert das nichts an dem bestehenden Rechtszustand, daß der Nachbar von der Befugnis Gebrauch zu machen hat, unmittelbar an der Grenze, also an die Brandmauer anzubauen (wenn nicht die örtliche Bauordnung entgegensteht); Der Bauende macht sich durch Herstellung der Brandmauer unter Mitverwendung der Glasbausteine nur einen einmal bestehenden Vorteil zunutze, das erzeugt jedoch ohne Verständigung des Nachbarn noch kein Recht gegen diesen und keinePflicht der Baupolizeibehörde (D.Verw.BVbl. 1938, 30 — Sächs. O V G ) . 3 ) Wenn zwei Häuser durch eine enge Reihe geschieden werden, welche sich als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B darstellt, dann können die in den Häusern befindlichen Fenster nicht verbaut werden; hier handelt es sich natürlich nicht um ein Lichtrecht, sondern man hat es nur mit der gesetzlichen Folge des § 922 B G B zu tun, wonach an der Grenzeinrichtung (d. i. der freie Luftraum zwischen den beiden Häusern) einseitig nichts geändert werden darf. S. oben § 7. 2

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Eigentumsrechts. D e r Besitz von Fenstern, auch wenn er unangefochten seitens des Nachbars besteht, schließt deshalb noch nicht den Besitz eines den letzteren beschränkenden Lichtsrechts in sich. Dies gilt selbst dann, wenn das Fenster in seiner Einrichtung den gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft. Wenn z. B. unter der Geltung der Würzburger Bauordnung in einer Giebelwand während der Dauer von 10 Jahren mit gutgläubiger Rechtsausübung ein unvergittertes Fenster gehalten wurde, so ist hierdurch lediglich das Recht auf Beibehaltung dieses Fensters ersessen, nicht auch das Recht, die Verdunkelung dieses Fenster zu verbieten. D a ein Fensterrecht nach dem i. Januar 1900 nicht mehr ersessen werden kann (Art. 78 A G ) , wohl aber bis zum Inkrafttreten der Grundbuchverfassung ein Lichtrecht, so kann für ein nach bisherigem wie jetzigem Recht unzulässig eingerichtetes Fenster ein nach dem 1. Januar 1900 ersessenes Lichtrecht bestehen. Am 1. 5. 1894 hat A ein Haus vollendet, dessen dem Nachbargrundstück zugekehrte Giebelwand unmittelbar an der Grenze steht. In dieser Giebelwand befindet sich ein unvergittertes Fenster, das nach Würzburger Baurecht unzulässig war. Durch mündliche Vereinbarung hatte der Nachbar B diesem Fenster gegen Zahlung von 50 Mk. ein Lichtrecht eingeräumt. Im Jahre 1896 verkaufte B sein Grundstück an C, der im gleichen Jahr einen Bau errichten wollte, durch welchen dem Fenster des A das Licht entzogen worden wäre. A widersprach diesem Neubau, inderm er gutgläubig den (irrigen) Standpunkt vertrat, daß er durch die Vereinbarung mit B und die an diesen geleistete Zahlung von 5oMk. eine Servitut erworben habe. Infolge dieses Widerspruchs stand C von dem Neubau ab. Die Grundbuchverfassung ist in Würzburg am 1. 10. 1910 in Kraft getreten. Da C seit dem Jahre 1896 zehn Jahre lang sich dem Verbot des Nachbarn A gefugt hat, hat A durch Ersitzung ein Lichtrecht, das ist eine Grunddienstbarkeit, erworben, vermöge deren er das Verbauen seines Fensters verbieten kann. Ein Fensterrecht dagegen, das ist eine Grunddienstbarkeit, vermöge deren er berechtigt ist, das Fenster mit der dem Gesetz nicht entsprechenden Einrichtung zu halten, hat er nicht erworben, weil die hierfür im Jahre 1894 (nicht erst 1896) in Lauf gesetzte zehnjährige Ersitzungszeit mit dem 1. 1. 1900 abgeschnitten wurde. E r muß also das Fenster so einrichten, daß es den Vorschriften entweder der Würzburger Bauordnung oder des Art. 62 A G entspricht. Ein für die Ersitzung einer Lichtgerechtigkeit genügender Besitzstand erfordert also außer dem Halten des Fensters besondere Umstände 4 ). E i n 4 ) SeuiTA 36 Nr. 1 1 0 ; J W 1891, 23 Nr. 55. In letzterer Entscheidung ist ausgesprochen worden, daß der Eigentümer, welcher das Recht hat, die Fensterflügel durch den Luftraum des Grundstückes aufzuschlagen, dadurch allein noch nicht die Befugnis erhält, eine Verbauung des Lichtes zu verbieten, auch wenn durch diese Lichtentziehung sein Recht zur Aufschlagung der Fenster wertlos wird. Ein solches Ladenrecht müßte an sich durch Ausschachten der Mauer gewahrt bleiben. Allein da der Inhaber des Ladenrechts, wenn sein Fenster vollständig zugebaut wird, absolut kein Interesse mehr an dem Aufschlagen der Fensterflügel hat, kann der Nachbar die Ausschachtung unterlassen, da das Verlangen der Ausschachtung eine schikanöse Rechtsausübung darstellen würde. § 226 BGB.

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solcher besonderer Umstand liegt darin, daß der Eigentümer dem Nachbar die Verbauung der Fenster verboten und v o n diesem Verbot ab die Fenster während der Ersitaungszeit unbeeinträchtigt beibehalten hat oder, wenn der Eigentümer durch mündlichen (dinglich unwirksamen Art. 1 4 N o t G ) Vertrag v o m Nachbar das Lichtrecht gekauft und die Ersitzungszeit hindurch die aussichtsfreien Fenster besessen hat. Neben der Ersitzung eines Lichtrechts kommt die rechtsgeschäftliche Bestellung in Betracht. In einem Fall, in welchem das Eigentum zweier auseinandergrenzender Anwesen in einer Hand vereinigt war und dann eines der Häuser „samt allen Lichtern und Triipfen" verkauft wurde, ist angenommen worden, daß hierdurch dem Käufer ein dingliches Verbietungsrecht zum Schutze seiner Fenster habe eingeräumt und nicht nur eine Verpflichtung zur bloßen Duldung der Fenster ohne Verzicht auf beliebigen Anbau auf Seite des Verkäufers habe ausgedrückt werden wollen5). Bei einer Veräußerung des einen von zwei in der Hand eines Eigentümers befindlichen Anwesens hat sich die bisherige Praxis geneigt gezeigt, aus den Umständen auf eine s t i l l s c h w e i g e n d e Bestellung einer Lichtgerechtigkeit zu schließen. Zwischen den beiden Häusern befindet sich ein Zwischenraum, der ihnen, so lange sie noch in einer Hand waren, als Lichthof diente; beide Häuser hatten nach außen schlagende Fenster nach diesem Lichthof. Das Dach des an den Kläger verkauften Hauses ragt in den Luftraum des Hofes. Der Wert beider Häuser würde wesentlich beeinträchtigt, wenn der Hof dieser seiner Bestimmung als Lichthof entzogen würde. Daraus ist die Absicht der Parteien bei dem Verkauf abgeleitet worden, daß der Hof weiter zu diesem Zwecke benützt werden soll und daß dem Kläger, der das eine Haus gekauft hat, an dem Zwischenraum eine stillschweigend bestellte Servitut auf Gewährung von Licht und Luft zusteht6). Die stillschweigende Bestellung einer Grunddienstbarkeit, die seit Anlegung des Grundbuchs nicht mehr möglich ist, setze den erkennbaren Willen des Veräußerers und Erwerbers, daß das tatsächliche Benützungsverhältnis auch nach der Trennung der Grundstücke fortbestehen soll, voraus. Es ist jedoch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob auch ein wesentliches Bedürfnis zu solcher Benützung für das fortan herrschende Grundstück nachgewiesen ist; denn das wesentliche Bedürfnis ersetzt nicht den mangelnden Willen, sondern es begründet bloß eine Rechtsvermutung für dessen Vorhandensein und hat somit die Eigenschaft einer rechdich anerkannten Tatsache, durch welche ein sonst nicht nachweisbarer Wille e r k e n n b a r gemacht wird7). N a c h gemeinem Recht ist zu unterscheiden zwischen der servitus altius non tollendi und der servitus ne luminibus officiatur 8 ). Die servitus altius 5

) SeuffBl. 36, 94. •) SeuffA 53 Nr. 10. 7 ) O G H 17, 215. Vgl. ferner über stillschweigende Bestellung von Servituten: vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. 39 zu § 1018 u. Vorb. 4d vor § 1 0 1 8 ; R G 65, 363; JW 1907, 300. EntschOGH 8,409; 9, 679; JW 1891, 213 Nr. 49; R G 4 2 , 158. In der letzten Entscheidung wird stillschweigende Servitutenbestellung für den Fall der Subhastation abgelehnt. Über stillschweigende Servitutenbestellung s. unten § 32 A II und B I 3. 8 ) Vgl. SeuffBl. 60, 195. Über servitus prospectus vgl. SeuffA 32 Nr. 305. Vgl. dazu Meisner-Stern-Hodes § 25 B. 407

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non tollendi steht nur dem Höherbauen entgegen, nicht aber Anpflanzungen oder Aufstapelungen v o n Materialien, welche Licht und Aussicht benehmen 9 ). Daher liegt in der Übernahme der Verpflichtung, eine Grenzmauer nicht zu erhöhen und auf einem Grundstück nicht zu bauen, für den Andern noch nicht das Recht, dem Nachbar zu verbieten, Bäume auf seinem Grundstücke zu halten, welche den Fenstern das Licht nehmen 10 ). b) Keine v o n dem gemeinen Recht abweichenden Bestimmungen enthalten die Vorschriften des B a y L R u ) . Das Gemeine Recht gilt auch für U l m , N ü r n b e r g , A m b e r g , M a i n z , D i n k e l s b ü h l , M ü n c h e n und W ü r z b u r g . Mittelbar wurde aber durch das nach den Statuten von Ulm, Nürnberg, München und Würzburg anerkannte Traufrecht ein gewisser Schutz gegen Verdunkelung der Fenster bewirkt (s. hierüber unten § 24). Das nach den Statutarrechten von N ü r n b e r g und A m b e r g durch bloßen Zeitablauf erworbene Fensterrecht schloß nicht die Befugnis in sich, ein Verbauen des Lichtes zu verbieten. Dieses Verbietungsrecht ist nur dann durch Ersitzung erworben, wenn der Nachbar verbauen wollte, dies aber auf Widerspruch unterließ und von diesem Zeitpunkte an 10 Jahre (nicht 30 Jahre) abgelaufen sind. c) Dagegen mußte nach R e g e n s b u r g e r Recht12) bei Unentbehrlichkeit der bestehenden Fenster mit einem Neubau drei Schuh gewichen werden. Nach A u g s b u r g e r Statutarrecht12) war eine Reihe von vier Schuh zu bilden. Diese Bestimmungen, bei welchen der Schutz der angelegten Fenster nicht von einem Zeitablauf abhängt, sind nachbarrechtliche Vorschriften über den Inhalt des Eigentums und daher durch das B G B bzw. A G aufgehoben, da ein Vorbehalt nicht gemacht ist13). Hieraus ergibt sich eine eigentümliche Konsequenz. Da in dem Gebiete des Regensburger und Augsburger Stadtrechts der Schutz der unentbehrlichen Fenster gegen Verdunkelung jedem stehenden Gebäude auf Grund des Nachbarrechts zustand, konnte eine Servitut durch Ersitzung nicht erworben werden; denn es fehlte an einem mit dem Gesetz im Widerspruch stehenden Besitzstand, welcher die erste Voraussetzung des Servitutenerwerbes ist. In den bisherigen Gebieten des Regensburger und Augsburger Statutarrechts kann daher eine Lichtgerechtigkeit für unentbehrliche Fenster nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie durch Bestellung entstanden ist 14 ). d) F ü r das bisherige Gebiet des p r e u ß . R e c h t s war A L R Tl. I Tit. 8 § 1 3 9 maßgebend. E s ist oben ausgeführt worden, daß nach preuß. Recht der Eigentümer im allgemeinen berechtigt war, nach Belieben Fenster in seinem Gebäude anzubringen, auch wenn die Wand unmittelbar auf der

8

) Vgl. Dernburg, Pand. 1, § 244 Z 3. ) O G H 15, 518. " ) BayLR TL II Kap. 8 § 7. 12 ) Über Traufrecht nach Regensburger und Augsburger Statutarrecht s. unten § 24. 13 ) Vgl. AAPr. 168 (Becher, Mat. Abt. IV. u. V. 1, 439). Über Licht-, Trauf- und Tropfrecht nach Augsburger Recht vgl. SeuffBl. 43, 37; 44, 104; R G 44, 312; 46, 271. 14 ) Zustimmend Kahn, Fensterrecht 181. 10

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Grenze stand. N u r dann, wenn die unmittelbar auf der Grenze stehende Wand an einen H o f oder Garten 16 ) angrenzte, war die Einrichtung neuer Fenster gewissen Beschränkungen unterworfen. Waren die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Beschränkung in der Einrichtung der Fenster gegeben und hat im Widerspruch hierzu ein Fenster während der Ersitzungszeit bestanden, so hat hierdurch der Fensterinhaber ein Fensterrecht als Grunddienstbarkeit erworben 16 ). A u c h hier gewährt aber das Fensterrecht nicht zugleich ein Lichtrecht. Regel ist vielmehr, daß der Grundeigentümer durch das Vorhandensein v o n Fenstern, welche der Nachbar in zulässiger Weise hält, nicht gehindert ist, diesen Fenstern das Licht zu entziehen; er kann vielmehr unmittelbar auf der Grenze bauen 17 ), auch wenn er dadurch dem Nachbar L u f t und Licht verbaut. Wenn aber die Fenster 18 ) eines an der Grenze stehenden 19 ) Gebäudes in zulässiger Weise schon seit wenigstens 10 Jahren bestehen 20 ) und der innere Raum der Zimmer oder sonstigen Behältnisse 21 ) nur durch diese Fenster, also nicht von einer anderen Seite 22 )

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) Vgl. darüber oben § 22. Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 25 C I I . ) Siehe oben § 22 a. E. 17 ) A L R Tl. Tit. 8 § 139, wonach für neue Gebäude allgemein ein Abstand von drei Werkschuh vorgeschrieben war, enthält keine Besonderheit für Fenster- und Lichtrecht und kommt als nachbarrechtliche Bestimmung unter der Geltung des B G B nicht mehr in Betracht. 1S ) §§ J 4 2 und 143 I 8 sprechen im Gegensatz zu § 138 Ia nur von Fenstern. Alle Öffnungen sind geeignet Licht einzulassen, Fenster sind dazu bestimmt (Recht 1915, 378); Öffnungen, die mit Glasziegeln ausgefüllt sind, sind daher als Fenster anzusprechen (OLG 26, 14); Luken, Luftlöcher kommen als Träger eines Lichtrechts nicht in Betracht (Koch Bern. 38 zu § 142 I 8; Gruchot 40, 611 RG). 19 ) Es ist gleich, ob die dem Neubau zugekehrte Seite die Front- oder die Giebelseite des Hauses ist (JW 1897, 258 Nr. 96). 20 ) Ein innerhalb der 10 Jahre seitens des Nachbars erfolgter Widerspruch, ja sogar Klagestellung halten die Frist nicht auf. R G 44, 313. Es kann also der Nachbar die Entstehung des Lichtrechts nur dadurch hindern, daß er vor Ablauf der 10 Jahre tatsächlich baut. 21 ) Unter Behältnissen sind schlechthin alle Räumlichkeiten zu verstehen (StriethorstArch. 57, 148), insbesondere auch Bodenräume (Gruchot 41, 644; JW 1897, 258 Nr. 96), Treppenhäuser, Hausflure (Gruchot 30, 939). Vgl. B G H in N J W 54, 1363; R G in J W 86, 7722 ) Hierzu genügt nicht schon das Vorhandensein irgendeiner noch so unbedeutenden Lichtquelle, vielmehr wird erfordert, daß aus dieser Nebenlichtquelle dem Behältnisse g e n ü g e n d e s Licht zufließt(RG44,335);dies kann auch bei einem Oberlicht der Fall sein (Bolze 21 Nr. 5 3; R G 36, 220). Das Licht kommt von einer anderen Seite auch dann, wenn es nur mittelbar (z.B. durch die Glastüre eines Nebenzimmers) zugeführt wird (RG 2, 196; JW 1897, 585 Nr. 67). Unter den Begriff „einer anderen Seite" fällt die dem Bau zugekehrte Seite nicht; wenn daher von mehreren Fenstern, welche sich auf derselben Seite befinden, nur eines verbaut wird, ist § 142 A L R I 8 anzuwenden (RG 2, 199; 32, 193; 36, 2 1 7 ; J W 1900, 303 Nr. 25. A. M. Gruch 30, 939. 18

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Licht empfängt 23 ), muß der Nachbar 24) mit einem Neubau 25 ) so weit von der Grenze zurückbleiben 26 ), daß man in normaler Stellung 27 ) aus den ungeöffneten Fenstern28) des zu ebener Erde gelegenen29) Geschosses und wenn der innere Raum noch von einer anderen Seite Licht empfängt 23) Die bloße Möglichkeit, auch auf einer anderen Seite Fenster anzubringen, steht dem Vorhandensein einer anderen Lichtquelle nicht gleich, auch dann nicht, wenn sich der Bauende erbietet, eine andere Lichtquelle auf seine Kosten zu schaffen (RG 35, 181; JW 1895, 231 Nr. 27; 1897, 585 Nr. 67). 24) Diese Bestimmungen über den Schutz der Fenster vor Verdunkelung kommen nur dann zur Anwendung, wenn der Neubau auf einem Grundstück errichtet wird, welches unmittelbar an das Gebäudegrundstück anstößt. Deshalb kommen diese Vorschriften für ein an einer öffentlichen Straße stehendes Gebäude gegenüber einem an der Jenseite derselben Straße zu errichtenden Neubau nicht in Betracht, selbst dann nicht, wenn das Straßenterain demselben Eigentümer wie der Neubau gehört. (RG 45, 295; JW 1900, 303.) 25) Unter Neubau ist nicht nur ein Bau auf bisher unbebauter Stelle, sondern auch das Höherführen eines bestehenden Gebäudes zu verstehen. Vgl. B G H in NJW 54, 1363; StriethorstArch., 92, 166; 95, 331; R G 2, 196; Recht 1913, 278 (RG); Rahn, Fensterrecht 94. Wird ein abgebranntes oder abgebrochenes Gebäude wieder hergestellt, dann können, insoweit die Dimensionen dieselben sind wie beim alten Gebäude, von dem Fensterinhaber Rechte aus § § 142,143 A L R 1 8 nicht hergeleitet werden (TurnauFörster 357). Nur gegen Neubauten, nicht auch gegen die Auflagerung von Holz ist der Fensterinhaber durch §§ 142, 143 geschützt, weil diese Vorschriften singulärer Natur sind und daher nicht ausdehnend ausgelegt werden können (StriethorstArch. 88, 74; 95. 336)26) Der Gegenbau braucht nur insoweit zurückzutreten, als er dem lichtberechtigten Fenster gegenüberliegt (Koch Bern. 45 zu § 143 I 8; Müller, Baurecht 72). Der Bauende kann daher seiner Verpflichtung auch durch Herstellung eines trichterförmigen Lichtschachtes genügen (JW 1897, 258 Nr. 96). 27 ) Gruchot 31, 928; 36, 964; es ist die aufrechte Haltung eines Mannes von mittlerer Größe maßgebend (RG 32, 194; JW 1897, 585 Nr. 67; O L G . Neue Folge 2, 818; Recht 1918, 121 [RG]; vgl. R G 64, 299). Über analoge Anwendung des Lichtschutzes in einem Fall, wo das Fenster unterhalb der Augenhöhe eines mittelgroßen Menschen liegt, vgl. JW 1906, 29 Nr. 31, vgl. auch R G 32, 200. 28) Darunter sind nur Lichtöffnungen zu verstehen, nicht auch Einrichtungen, welche lediglich den Zutritt der Luft zu vermitteln bestimmt sind. Gruchot 30, 938; 41, 641. R G 32, 194; BayAbZ 2, 818; Recht 1918 Nr. 121. Vgl. auch R G 64, 299. Im übrigen erstreckt sich der Schutz der §§ 142, 143 ALR auch auf Flur-, Treppen- und Bodenfenster, ohne Rücksicht auf deren Größe, Gruchot a. a. O. Es ist ohne Bedeutung, daß ein Fenster einem polizeilichen Gebote zuwider angelegt ist; ist z.B. die Anlage von Fenstern in Brandmauern verboten, so hat das gleichwohl vorhandene Fenster dem Nachbar gegenüber Anspruch auf den privatrechtlichen Schutz der §§ 142,143 A L R ; R G 35,181; 36,218. ä>) StriethorstArch. 55, 358. Ein Raum, dessen Fußboden erheblich unter der Erdoberfläche liegt, kann nicht als unteres Stockwerk angesehen werden (RG 47, 264). Bei der Frage, ob das Hochparterre oder Souterrain als unteres Stockwerk anzusehen ist, entscheidet der Umstand, welches der beiden Gelasse mit seinem Fußboden der ebenen Erde näher gelegen ist. Vgl. Turnau-Förster 357. Wenn das Erdgeschoß überhaupt kein Fenster hat, sich dagegen im Obergeschoß Fenster befinden, so genügt es, wenn der Ausblick auf den Himmel aus dem hierauf zunächst folgenden Geschosse möglich ist. StriethorstArch. 79, 113; Turnau Förster 358; R G 64, 301. Vgl. auch B G H in NJW 54, 1363. Als

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Lichtrecht

§ 2 3

(s. hierüber A n m . 22 u. 23), aus den ungeöffneten Fenstern des eine Treppe hoch gelegenen Geschosses 29 ) in vertikaler Richtung 30 ) den Himmel sehen kann 31 ). D e r Anspruch auf Erfüllung der sich aus § 143 A L R I 8 ergebenden Verpflichtung ist mit der actio negatoria (§ 1004) zu verfolgen 3 2 ). D e r Lichtrechtschutz der § § 1 4 2 , 1 4 3 A L R 1 8 gebührt auch solchen Fenstern, die unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen diesen Bestimmungen gegen baupolizeilichen Bestimmungen oder die Einrichtungsvorschriften des § 1 3 8 I 8 A L R verstoßen 33 ), wie andererseits das Lichtschutzrecht als solches den Nachbar nicht hindern kann, die Befolgung jener Einrichtungsvorschriften zu verlangen 34 ). Das Verbietungsrecht, welches dem Inhaber des Fensters gegen dessen Verbauung zusteht, erlosch nach preußischem Recht durch stillschweigende Einwilligung mit Wirkung auch für den Singularrechtsnachfolger, wenn er es ohne Widerspruch wissentlich geschehen ließ, daß ihm der Nachbar die Fenster verbaute 36 ). Bezüglich des Schutzes, der hiernach im Gebiete des A L R den seit 10 Jahren bestehenden Fenstern gewährt wurde, sind die Ansichten darunteres Stockwerk ist das erste von der Erde aus aufsteigende Stockwerk anzusehen (das Erdgeschoß); als „zweites Stockwerk" im Sinne des § 143 I 8 das darüber gelegene Geschoß, sog. Bel-Etage (Recht 1918, 121 RG.) 80 ) Hat ein Haus nur ein Stockwerk, so ist nach den Umständen, insbesondere der Bauart, zu ermitteln, ob, wenn das Haus ein oberes Stockwerk hätte, dasselbe nur nach der Bauseite Fenster haben und aus diesen der Blick auf den Himmel möglich sein würde (RG 32, 194; JW 1901, 214 Nr. 21). Es genügt nicht, daß der Himmel seitwärts erblickt werden kann (StriethorstArch. 65, 256; 79» 113). . 31 ) Wird dies nur durch außergewöhnliche Beschaffenheit (z. B. Erker, Balkone) der Wand, in welcher sich die Fenster befinden, unmöglich gemacht, so kann dieser Umstand dem Bauenden nicht zur Last gelegt werden (JW 1895, 304 Nr. 42; Gruchot 39, 935). Es genügt, daß der Nachbar durch irgendeine Scheibe den Himmel sehen kann und ist also nicht erforderlich, daß dies durch alle Scheiben möglich ist. Müller, Bau- und Nachbarrecht 72. 32 ) J W 1898, 620. Zur Erhaltung des Anspruchs ist nach jetzigem im Gegensatz zum früheren Recht nicht erforderlich, daß der Fenstereigentümer gegen den Neubau Widerspruch erhebt (Turnau-Förster 358). Die Aktiv- und Passivlegitimation richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 1004. Die preußisch-rechtliche Auffassung, daß nur der Eigentümer passiv legitimiert sei (JW 1898, 620; O L G 26,15) ist für das neue Recht nicht mehr zutreffend. 33 ) R G 35, 1 8 1 ; 36, 218; J W 1895, 232; Recht 1913, 70 u. 378; vgl. Recht 1 9 1 1 , 418. M ) Recht 1913, 70 (RG). M ) Müller a.a.O. 73. Veranlassung zum Widerspruch ist erst gegeben, wenn der Fensterinhaber sich darüber im klaren ist, daß seine Fenster nicht nur verdunkelt werden, sondern ihnen der gewährleistete Ausblick genommen wird. Müller a. a. O. 74. Es genügt nicht, daß er den Bau sehen konnte oder mußte, sondern es ist erforderlich, daß er den Bau tatsächlich gesehen hat. JW 1896, 717 Nr. 76. Vgl. R G 32, 189. 411

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

über geteilt, ob es sich um Ersitzung einer Grunddienstbarkeit36) oder um die Entstehung einer nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkung handelt37). Dieser letzteren, vom Reichsgericht eingehend begründeten Ansicht ist entschieden der Vorzug zu geben. Die Streitfrage hat auch für das geltende Recht fortdauernde Bedeutung insoweit, als die Entstehung eines solchen Rechtes nach dem i . i . 1 9 0 0 in Frage steht. Würde man der ersteren Ansicht beipflichten, so müßte man folgerichtig, da Art. 67 A G sich nur mit dem Lichtrecht befaßt, welches der Fensterinhaber v o r dem I n k r a f t t r e t e n des B G B erlangt hat, annehmen, daß nach dem Inkrafttreten des B G B bis zu dem Zeitpunkte, in welchem das Grundbuch als angelegt zu erachten ist, ein Lichtrecht nach Maßgabe der §§ 142, 143 Tit. 8 I A L R erworben werden könnte (Art. 189 E G , Art. 177 AG). Wenn es sich aber bei diesen Vorschriften um gesetzliche Eigentumsbeschränkungen handelt, so sind diese durch Art. 1 A G von der Geltung des B G B an außer Wirksamkeit gesetzt und kann ein solches Lichtrecht durch einen bloßen zehnjährigen Zeitablauf nicht mehr erworben werden38). Anlangend die Fälle, in welchen zur Zeit des Inkrafttretens des B G B die Voraussetzungen der §§ 142, 143 A L R schon erfüllt waren, hat die bayerische Ausführungsgesetzgebung die Streitfrage zugunsten der Auffassung gelöst, welche annimmt, daß ein e r w o r b e n e s Recht in Frage stehe. Art. 67 A G bestimmt: „Hat der Eigentümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des B G B nach den Vorschriften des A L R durch zehnjährigen Zeitablauf das Recht erlangt, daß zum Schutze seiner Fenster mit Anlagen auf einem Nachbargrundstück ein bestimmter Abstand eingehalten werden muß, so gilt dieses Recht als Grunddienstbarkeit." Das Lichtrecht kann also in das Grundbuch eingetragen werden. § 24. Traufrecht*) 1. Das sog. Traufrecht (Trüpfe) ist der Hauptsache nach kein Recht an einer fremden Sache; es ist also nicht zu verwechseln mit der römischrechtlichen servitus stillicidii, welche eine reine Grunddienstbarkeit darM ) StriethorstArch. 28, 1 1 2 ; 42, 234; 7 1 , 130; 93, 356; 98, 19; 99, 233; Dernburg 294 Anm. 1 7 ; Rehbein und Reincke zu Tl. 1 Tit. 8 § 143. S7 ) Paris in Gruchot 24, 67; Eccius in Förster-Eccius, PrPrivR. 3 § 170 Anm. 37; R G 44, 3 1 2 ; 46, 269; J W 1899, 7 3 3 ; 1900, 5 7 1 ; O L G 24, 3 1 7 ; 26, 15. 38 ) Im Ergebnis ebenso Oertmann, Landesprivatrecht 333. § 24.*) Nach Art. 28 § 2 A G B G B f. Coburg hat der Berechtigte bei der Dienstbarkeit der Dachtraufe die Wahl, das Regenwasser in Tropfen auf das belastete Grundstück fallen zu lassen oder in Röhren oder Rinnen zu leiten. E r kann auch den Tropfenfall ändern und die Bauart des Daches umgestalten, sofern dies für den belasteten Eigentümer nicht beschwerlicher wird.

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Traufrecht

§ 2 4

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stellt, deren Inhalt darin besteht, daß der Eigentümer des Hauses das von der Dachtraufe fließende Wasser auf das Grundstück des N a c h b a r s fallen lassen darf 1 ). Das Traufrecht im deutschrechtlichen Sinne beruht vielmehr auf der den Gegenbeweis nicht ausschließenden Vermutung, daß bei Erbauung eines Hauses in der Breite des Trüpfraumes von der Gren2e des eigenen Grundes zurückgeblieben worden sei, mithin die Traufe noch auf diesen falle2). Nur insoweit schließt das Traufrecht ein Recht an fremder Sache in sich, als der Boden des Nachbars in Betracht kommt, der an den unter der Traufe liegenden Boden angrenzt. Das Traufrecht berechtigt nämlich den Gebäudeeigentümer, das Wasser von der Traufe ablaufen zu lassen, ohne hierbei auf das Nachbargrundstück weiter Rücksicht zu nehmen. Wenn das Wasser von der Traufe auf das Grundstück des Nachbars abläuft, so muß es dieser aufnehmen. Das war wenigstens der Grundsatz der alten Statutarrechte. Diese Seite des Traufrechts, welche ein Recht zur Benützung einer fremden Sache darstellt, war in Bayern schon durch Art. 34 des W G vom 28. 5. 1852 aufgehoben worden. Auch nach Art. 17 des BayerWG v. 23. 3. 1907 hat jeder bei der Einrichtung seiner Traufe dafür zu sorgen, daß die Traufe nicht den Nachbargrund trifft 3 ) und das aus der Traufe auf dem Boden sich sammelnde Wasser nicht auf das Nachbargrundstück abfließt, soferne nicht nach der Beschaffenheit des Bodens der n a t ü r l i c h e Lauf des Wassers sich dorthin richtet. Die andere Seite des Traufrechts, nämlich die gesetzliche Vermutung des Eigentums an dem unter der Dachtraufe liegenden Grund und Boden galt nach den Statuten von Würzburg4), Augsburg 8 ), München6), RegensVgl. SeuffBl. 43, 38; 45, 282; O G H 8, 397. ) Vgl. Weiske, Skeptisch-praktische Behandlung einiger zivilrechtlicher Gegenstände (1829) 95 Anm. 2; Elvers, Servitutenlehre 434; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2,400; SeuffBl. 43, 37; 4 4 , 1 0 4 ;Weiske a.a.O. kennt ein Traufrecht nur bei der Vorderseite der Gebäude, nach Gassen und Plätzen hin. Dort ist das sächsische Recht zugrunde gelegt; s. dagegen Hesse, Nachbarrecht 503, der mit Recht nicht einsehen kann, warum die Vermutung des Eigentums nur gegen die Straße hin gelten soll und nicht gegen des Nachbars Hof. Man möchte im Gegenteil veranlaßt sein, sie gerade im letzten Fall gelten zu lassen, weil hier (SächsLR II, 49) die Vorschrift gelte, daß kein Hausbesitzer dem anderen die Dachtraufe zuweisen könne. Im Sinne der für Bayern in Betracht kommenden Statutarrechte bezieht sich das Traufrecht auf die dem N a c h b a r zugekehrte Seite des Gebäudes. 3 ) Begründung zum A G 39 (Becher, Mat. Abt. I V u. V , 1, 84). *) Würzburger Stadtbaurecht I § 2, V § 1. B ) Augsburger Stadtbauordnung Tl. IIc. 1 § 35. Uber Licht-, Trauf- und Tropfrecht nach Augsburger Recht vgl. SeuffBl. 43, 37; 44, 104. 8 ) Münchener Bauordnung Art. 28. 2

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§ ¿4! 1

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

bürg 7 ), Ulm8), Memmingen 9 ) und Nürnberg 10 ). (Vgl. auch Art. 68 x code civ.) Seine Wurzel hat das Traufrecht in dem gemeinrechtlichen Verbot. Flüssigkeiten auf das Grundstück des Nachbars abzuleiten11), sofern kein besonderes Recht hierzu (Grunddienstbarkeit) bestand. Dadurch wurde der Grundeigentümer genötigt, bei Errichtung eines Gebäudes mit der Umfassungsmauer so weit von der Grenze zurückbleiben, daß das darübergelegte Dach das Regenwasser noch auf seinen eigenen Grund und Boden gelangen ließ. Da eine förmliche servitus stillicidii nicht zu vermuten ist, hat man aus dem bloßen Vorhandensein der Dachtraufe einen Rückschluß darauf gezogen, daß der Erbauer des Gebäudes seinerzeit von der Grenze um den Raum zurückgeblieben sei, der von dem Dachtraufenfall betroffen wird. So führt das Vorhandensein der Dachtraufe zu einer Vermutung für das Eigentum an dem darunter liegenden Boden. Diese Vermutung ist zunächst nur eine tatsächliche und dabei hatte es im Gebiete des gemeinen Rechts, wie im Gebiete des preußischen und bayerischen Landrechts sein Bewenden12). Einzelne Statuten aber haben diese tatsächliche Vermutung zu einer gesetzlichen ausgewertet13). Die Vermutung konnte durch Gegenbeweis entkräftet werden. Das Traufrecht setzt ein Gebäude14) voraus; deshalb besteht für eine freistehende Mauer, auch wenn deren Abdecksteine dem Nachbar zugekehrt sind, so daß der Tropfenfall nach dessen Seite gelenkt wird, die Eigentumsvermutung nicht16). Während in den Gebieten des gemeinen Rechts und BayLR die rein tatsächliche Vermutung nur auf den Raum sich erstreckt, welcher durch den Tropfenfall direkt betroffen wird, haben einzelne Statutarrechte bestimmte Abstandsmaße gegeben, deren Einhaltung vermutet wird. Meist beträgt dieser Abstand i % Schuh 1 ®), aber auch 2 1 7 ) ' ) Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I I I § i. ) Ulmer Bauordnung X § 6. ) Memminger Bauordnung X I V § 6. 10 ) Nürnberger Reformation X X V I §§ 3 und 6. n ) § 1 J . 2, 3 ; 1. 17 § 3, 1. 20 §§ 2 und 3, D. 8, 2. Vgl. Windscheid, Pand. § 2 1 1 Anm. 1. 12 ) So für das gemeine Recht auch Hesse, Nachbarrecht 508: „ D a es Rechtssatz ist, daß der Hausbesitzer seine Dachtraufe nicht dem Nachbar zuweisen darf, so spricht eine f a k t i s c h e Vermutung dafür, daß der Streifen Landes, soweit meine Dachtraufe reicht, mein Eigentum s e i . . . Diese Vermutung kann als Beweisbeihilfe benützt werden." 13 ) S. oben Anm. 4—7. 14 ) Uber den Begriff des Gebäudes s. oben § 21. 16 ) SeuffBl. 43, 38. 1B ) Würzburger Stadtbaurecht I § 5, V § 1 ; A L R Tl. I Tit. 8 § 140; Münchener Bauordnung Art. 28. 17 ) Augsburger Stadtbauordnung IIc. 1 § 3 5 ; Ulmer Bauordnung X § 6; Memminger Bauordnung X I V § 6. 8

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Traufrecht

§ 2 4 1

und 3 18 ) Werkschuh1®). — Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Traufdach tatsächlich in voller Breite des gesetzlich bestimmten Abstandes vorspringt. Wenn z.B. das Dach nur so weit überladen ist, daß die abfallenden Tropfen in einer Entfernung von 20 cm vom Sockel der Wand niederfallen, so gilt das Traufrecht (gesetzliche Vermutung des Eigentums) gleichwohl für die vollen 1 % (bzw. 2 oder 3) Werkschuh. Übrigens konnte es ausnahmsweise vorkommen, daß der Eigentümer des Gebäudes die vorgeschriebenen Werkschuh nicht eingehalten hatte20). Solchen Mauern steht kein Traufrecht zu, auch wenn es keine Giebelmauern sind. Während aber bei Giebelmauern keine Vermutung besteht, daß sie von der Grenze zurückgeblieben sind, besteht bei Mauern, die keine Giebelmauern sind, eine solche Vermutung und muß daher das Gegenteil nachgewiesen werden. Dieser Nachweis kann insbesondere aus dem Umstand abgeleitet werden, daß die von alters her vorhandenen Fenster die Einhaltung der Beschränkungen aufweisen, welche von den einzelnen Statutaurrechten gerade für jene Mauern vorgeschreiben sind, bei deren Errichtung die 2 bzw. 1 % Werkschuh verbaut wurden21). Dieser Umstand kann aber wieder dadurch entkräftet werden, daß die Fenster der übrigen Wände, welche durch das Gesetz der betreffenden Beschränkung nicht unterworfen sind, gleichwohl ebenfalls den Beschränkungen entsprechend eingerichtet sind. In der Praxis entsteht häufig Streit darüber, wie weit die Grenze bebauter Anwesen geht, namentlich für den Raum der Erdoberfläche, welcher vor der Grenzmauer eines Gebäudes unter der Dachtraufe liegt. Kann v o n keinem Teile das Eigentum an diesem unter der T r ü p f e gelegenen Raum bewiesen werden, so wird zunächst der Besitzstand entscheiden. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß durch den Tropfenfall ein Besitzstand ausgeübt wird. Besitzhandlungen sind auch darin zu erblicken, wenn sich nach außen schlagende Fenster oder Läden in dem G e bäude befinden; ja selbst in der Innehabung von Fenstern in dem G e bäude, welche nach den jeweils geltenden Vorschriften in dieser Gestalt nicht bestehen dürften, wenn der Nachbar Eigentümer des unter der T r ü p f e belegenen Raumes wäre, kann eine Besitzhandlung gefunden werden, die in Verbindung mit dem Tropfenfall einen hinreichenden Besitzstand darstellt. Andererseits wird dadurch, daß der Nachbar hie und da unter den an seinem Hofraum angrenzenden Trüpfraum Handwerksgeräte usw. an das Nachbarhaus angelehnt hat, ein Besitzstand nicht ausgeübt. E s fehlt derartigen Handlungen, an deren Unterlassung der Gebäudeeigentümer nicht das mindeste Interesse hat, der Charakter der Rechtsausübung.

18 ) Nürnberger Reformation X X V I §§3 und 6; Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I I § 1 ; A L R Tl. I Tit. 8 § 139. 19 ) Ein Werkschuh oder ein Duodezimal-Fuß ist gleich 0,31385. m 20 ) Vgl. Würzburger Stadtbaurecht I §§ 4 und 5, IV § 2; Münchener Bauordnung; Auer, Einleitung C; Ulmer Bauordnung X § 5; Memminger Bauordnung X I V § 5: Augsburger Bauordnung IIc. 3 §§ 35 und 36. 21 ) Vgl. hierüber oben S. 3 24 f.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

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Wenn freilich die Dachtraufe in einen von dem Gebäude und dem Nachbargebäude gebildeten Winkel einfällt, so wird dieser Besitzstand regelmäßig nicht maßgebend sein (s. darüber oben § 6 III 5). Zuweilen ist an dem Sockel der Traufwand ein schräger Stein angebracht; derselbe dient bestimmungsgemäß dem Nachweis, daß der Dachtraufraum nicht verbaut wurde; durch das Vorhandensein eines solchen Steines wahrt sich der Gebäudeeigentümer zwar nicht den Besitzstand an dem Trüpfraum, aber er schließt den guten Glauben des Angrenzers aus; überdies bildet der schräge Stein ein Beweismittel für sein Eigentum an dem Trüpfraum. E s fragt sich, ob das Traufrecht im Sinne einer Eigentumsvermutung auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Dachtraufe mit einer Rinne versehen ist. Läßt sich nachweisen, daß die Dachtraufe früher nicht mit einer Rinne versehen war, so ist der Fall für den Beweis des Eigentums nicht anders zu entscheiden, als wenn auch jetzt noch keine Rinne vorhanden wäre. Läßt sich aber dieser Nachweis von dem hierfür beweispflichtigen Gebäudeeigentümer nicht erbringen, so kommt es darauf an, ob das Rohr, mit welchem das in die Rinne eingelaufene Wasser zum Erdboden geführt wird, in den 1 1 / 2 (bzw. 2 oder 3) Schuh breiten Raum einmündet. Ist dies der Fall, dann muß man das Eigentum des Gebäudeeigentümers an den 1 % (bzw. 2 oder 3)Werkschuh selbst dann annehmen, wenn das aus dem Rohr kommende Wasser den jenseits dieser Schuh liegenden Raum nicht überschreitet, vielmehr diesseits abfließt. Wenn aber die Mündung des Rohres von dem unter der Traufe liegenden Raum weg nach der anderen Seite des Hauses gerichtet ist, dann spricht die Vermutung für das Gegenteil. Immerhin aber muß man annehmen, daß das Eigentum bis zu jener Linie reicht, welche durch das Ende des Dachvorsprunges gebildet wird.

Die G i e b e l m a u e r n haben keine Traufe und daher auch kein Traufrecht. Giebelmauern sind jene Mauern, bei welchen die Wand bis zum First des Daches geführt ist. Die obere Fläche der Wand bildet regelmäßig ein Dreieck, dessen obere Spitze durch den Dachfirst gebildet wird. Es kann aber auch vorkommen, daß die obere Fläche der Wand kein Dreieck bildet; dann nämlich, wenn das Haus nur ein einziges Pultdach hat, dessen obere Grenzlinie direkt auf der Hausmauer aufliegt. Die Wand, welche in ihrer oberen Grenzlinie den Dachfirst bildet, ist eine Giebelwand. Ein solches Haus hat dann regelmäßig drei Giebelwände. Es kann aber sein, daß die an vorbeschriebene Giebelmauer anstoßenden beiden Wände mit den daranstoßenden Kanten nicht bis an den Giebel reichen, sondern unter dem Dache stehen; dann hat das Haus nur eine Giebelwand. 2. Es ist nun zu prüfen, ob das Traufrecht auch noch unter der Herrschaft des B G B gilt: a) Bezüglich derjenigen Dachtraufen, welche bereits vor dem 1. 1. 1900 bestanden haben: Das B G B und die bayerischen Ausführungsgesetze enthalten überhaupt keine Vorschrift über das Traufrecht22). Damit ent22

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) Vgl. Begr. zum A G 39 (Becher, Mat. I V u. V Abt., 1, 84).

Traufrecht

§24 2

fällt auch die g e s e t z l i c h e Geltung dieser Vermutung. Gleichwohl wird man sie in den Gebieten des bisherigen Rechts, in welchen sie bis zum i. i. 1900 als gesetzliche Vermutung gegolten hat, für die Gebäude, welche am 1. 1. 1900 bereits mit der Traufe bestanden haben, als einen in den Tatsachen begründeten Satz der Erfahrung in Anwendung zu bringen haben. Denn, wenn nach den zur Zeit der Erbauung geltenden Rechtsvorschriften der Erbauer eines Gebäudes, welcher auf der dem Nachbar zugekehrten Seite ein Abfalldach für das Regenwasser einrichtete, gehalten war, mit seiner Mauer einen gewissen Abstand von der Grenze einzuhalten, so kann man auch annehmen, daß dies geschehen ist. Derselbe Gedankengang, welcher die Gesetzgeber der Statuten zur Aufstellving einer gesetzlichen Vermutung veranlaßt hat, führt nun dazu, diese Vermutung als einen t a t s ä c h l i c h e beizubehalten; dies um so mehr, als erfahrungsgemäß die Vorschrift der Statuten über das Eigentum an dem unter der Traufe befindlichen Boden allgemein bekannt war und daher anzunehmen ist, daß der Nachbar einem etwaigen Übergriff widersprochen haben würde. Deshalb wird man die Vermutung für jene Breite (1 y2 Schuh) anwenden dürfen, auf welche sich nach der bisherigen Rechtsvorschrift das Traufrecht bezog23). b) Bezüglich jener Gebäude, die nach dem Inkrafttreten des B G B entstanden sind, kann von einem Traufrecht im technischen Sinne nicht gesprochen werden; denn weder das B G B noch die Ausführungsgesetze enthalten eine einschlägige Vorschrift, und wo es vorher in Bayern gegolten hat, ist es von da ab aufgehoben24). Aus der allgemeinen Vorschrift des § 903 B G B ergibt sich, daß der Eigentümer sein Dach nicht in der Weise überladen darf, daß es in den Luftraum des Nachbars reicht; er muß seinen Bau so einrichten, daß er mit keinem Teile desselben (Vordach, Dachrinne) die Grenze überschreitet. Bringt er an seinem Dache keine Rinne an, sondern läßt er das Wasser von der Dachtraufe abfallen, so dürfen die Tropfen nicht unmittelbar auf den Boden des Nachbars auffallen. Ob der Nachbar das von der Traufe auf das Grundstück des Traufeninhabers abgefallene und von da abfließende Wasser aufnehmen muß, richtet sich danach, ob dieses Wasser seinen natürlichen Abfluß auf das Nachbargrundstück hat25). Ist dies nicht der 2S ) Vgl. Oertmann, Landesprivatrecht 335: „Die Vermutung gilt zwar an sich nur für die Zeit vor dem 1. Januar 1900, da aber das einmal erworbene Eigentum, weil ein ,ewiges Recht', als bis zum Eintritt eines besonderen Verlustgrundes fortbestehend zu erachten ist, kann sie auch später noch verwertet werden." M ) Vgl. Begr. z. A G (39 Becher, Mat. IV. u. V . Abt., 1, 84). is ) Art. 17 W G .

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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§25

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Fall, so kann sich der Nachbar nicht nur gegen das Dachtraufwasser schützen, sondern auch dessen Zuführung verbieten (§ 903 BGB). Er kann sogar die Beseitigung der Dachtraufe verlangen, wenn sie so eingerichtet ist, daß sie den Tropfenfall dem Nachbargrundstücke zuweist (§ 907 BGB)2«). Aus dieser Rechtsvorschrift wird man auch für die erst nach dem 1. 1. 1900 erbauten Häuser die rein tatsächliche Vermutung ableiten dürfen, daß die von der Dachtraufe betroffene Fläche noch zum Gebäude gehört27). Diese Vermutung kann durch andere Umstände beseitigt werden und erstreckt sich keinesfalls weiter als der tatsächlich überladene Raum, also nicht etwa ohne weiteres auf eine Breite von 1 y2 (bzw. 2 oder 3) Schuh. § 25. Notweg*) Für den Eigentümer eines Grundstücks besteht ein Notstand, wenn die erforderliche Verbindung zwischen dem öffentlichen Wegnetze und seinem Grundstücke fehlt. Die gemeinrechtliche Praxis1) hat in ausdehnender Auslegung der einen ganz singulären Fall behandelnden I. 12 D. 1 1 , 7 dem Richter die Befugnis zuerkannt, im Notfalle den Nachbar zur Bestellung einer Wegegerechtigkeit gegen Entschädigung zu verurteilen. Viel weiter geht das preußische Recht: A L R Tl. I Tit. 22 §§ 3—10 legt jedem Eigentümer eines Grundstücks diejenigen Einschränkungen seines Eigentums auf, ohne welche ein anderes Grundstück ganz oder zum Teil völlig unbrauchbar sein würde und es wird dortselbst andererseits auch zum Zwecke einer Verbesserung das Recht einer Notservitut eingeräumt. Code civil Art. 682—685 gewährt unter der Voraussetzung des Notstandes ein Notwegerecht gegen die Eigentümer benachbarter Grundstücke2). 2 9°5 S. 2, 912), durch Rechtsgeschäft oder durch ein anderweitiges besonderes Rechtsverhältnis87) auferlegt sein. Sie kann nicht nur in private 82

) Hörle im VerwA 10, j68f. ) Hiernach kann gegen die Postverwaltung nicht auf Einstellung des Rohrpostbetriebs geklagt werden. Der Rohrpostbetrieb ist ein Unternehmen, welches dem öffentlichen Verkehr (Beförderung von Briefen) dient (Art. 80 AG); vgl. R G 73, 271 für preußisches Recht. 81 ) Recht 1908, 331 Nr. 1974 (RG); JW 1894, 267 Nr. 25 erkennt einen solchen allgemeinen Rechtsgrundsatz nicht an. Vgl. unten § 39. w ) Dabei ist jedoch zu beachten, daß hierher nicht jene gesetzlichen Vorschriften gehören, welche dem Inhalt des Eigentums eine konkrete Einschränkung geben. Denn in diesen Fällen (z.B. §§ 905, 906, 910 Abs. 2 BGB) fehlt es an einer Beeinträchtigung des Eigentums, da durch die bezügliche Vorschrift die Rechtsbefugnis zur Ausschließung entzogen ist. Dagegen ist z.B. einschlägig § 226 BGB. Vgl. auch R G Z 131, 336; 163, zio; MDR 1949, 100. 86 ) R G Z 144, 271 betrachtet die Berufung auf § 1004 Abs. 2 als Einrede. e7 ) Eine Stadtgemeinde hat als Eigentümerin des Friedhofs gegen einen Gärtner, der mit der Bepflanzung und Ausschmückung der Grabstätten beauftragt war, Klage auf Unterlassung dieser gärtnerischen Arbeiten erhoben (§ 1004). Die Klage wurde abgewiesen, weil das zwischen Gemeinde und Angehörigen der Begrabenen vorliegende M

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8

in 1

Rechtsbeziehungen, sondern auch auf polizeilicher oder auf einer sonstigen, aus Gründen des Gemeinwohls oder öffentlichen Interesses getroffenen obrigkeitlichen Anordnung beruhen88). Sie kann auch auf einem persönlichen Rechte des Beklagten beruhen89). Hier kommt insbesondere ein Leihoder Mietvertrag in Betracht. Wenn z. B. der Eigentümer eines Grundstücks dem Besitzer eines Elektrokraftwerks gestattet, auf seinem Grundstücke Masten aufzustellen oder an seinem Hause Gestänge für die Leistungen anzubringen, so liegt ein Leihvertrag vor, wenn hierfür kein Entgelt vereinbart wird (§ 598 BGB), dagegen ein Mietvertrag, wenn eine wiederkehrende Leistung bedungen ist (§535 BGB); ist eine einmalige Entschädigung bedungen, so wird man es regelmäßig mit der zunächst nur obligatorischen Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu tun haben (s. hierüber oben § 32 B I).

Wer einen Teil seines Grundstückes zu einem bestimmten Unternehmen veräußert, kann sich über dessen schädliche Einwirkungen, die vorherzusehen waren, auf die übrigen Teile nicht beschweren; es ist stills c h w e i g e n d e r V e r z i c h t zu unterstellen90). Dagegen kann dem beeinVertragsverhältnis dahin ausgelegt wurde, daß die Angehörigen die Gräber so pflegen und schmücken dürfen, wie es ihrem Geschmack entspricht. Dieses Ausschmückungsrecht findet allerdings darin eine Schranke, daß nicht Veranstaltungen getroffen werden dürfen, die die Ordnung und Würde des Ortes oder die berechtigten Empfindungen anderer Grabstelleninhaber verletzen (Recht 1924 Nr. 1234). Vgl. auch B G H Z 14, 294; O L G KölninNJW 55,1072. Vgl. auch Staudinger-SprengRandbem. 45 ff.; RGRKomm. Bern. 6; Ermann Bern. 5 je zu § 1004; R G Z 131, 936; 133, 296; Celle in MDR 1954, 294 (Anspruch auf Beseitigung von Pfeilern, die wesentliche Bestandteile geworden sind, wird weder durch § 951 Abs. 1 noch durch §§ 994fr. B G B berührt); B G H BB 68, 485 (Abschwemmen von Bodenbestandteilen auf das Nachbargrundstück durch künstliche Veränderungen am anderen Grundstück; es besteht hier ein Beseitigungs- und u.U. auch ein Schadensersatzanspruch). Die Duldungspflicht aus § 1004 Abs. 2 kann auch auf gerichtlicher Anordnung beruhen; so B G H in L M Nr. 3 zu § 1004. 88) JW 1908, 334 (RG), SeuffA 63 Nr. 159; vgl. die Entsch. bei Warneyer Jahrb. 1, 115 Nr. i — 3 ; 2, 84 Nr. 2; RG 37, 331; Endemann 485ff. Durch baupolizeiliche Genehmigung wird der Anspruch aus § 1004 nicht berührt. Recht 1914 Nr. 628 (RG). Ist die Abwehrklage aus § 1004 wegen Gemeinnützigkeit des schädigenden Unternehmens versagt, dann ist ein vom Nachweis schuldhaften Verhaltens unabhängiger Entschädigungsanspruch gegeben (RG in DR 41, 1788). Beruht der Eingriff auf einer behördlichen Anordnung, so ist der Rechtsweg vor dem Zivilgericht unzulässig. Das Gericht kann also nicht entscheiden, daß die Negatoria auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Störungsrechts und der daraus abgeleiteten Einwendung des Beklagten unbegründet sei (RGK Bern. 6 zu § 1004 BGB gegen JW 1908, 334 = SeuffBl. 63, 159). Vgl. auch B G H in NJW 54, 1483. (In Bayern ist der Friedhofeigentümer nach herrschendem Brauchtum durch den Widmungszweck in seinen Eigentumsrechten nicht beschränkt); vgl. auch München in DVB1. 1952, 529. 8") Biermann Bern. 4 zu § 1004; Maenner 243. Vgl. O L G Köln in NJW 1955, 1072: Ist ein Hauseigentümer gegenüber einem Mieter (Drogerie-Inhaber) zur Duldung von Reklametafeln an den Außenwänden des Hauses verpflichtet, so kann sich auch die Lieferfirma des Drogerie-Inhabers auf § 1004 Abs. 2 und § 986 Abs. 1 BGB berufen, wenn die Reklame mit Zustimmung des Mieters angebracht wird. M ) R G 29, 268; SeuffA 58 Nr. 142 (RG). Dieser Verzicht wirkt nach § 328 auch 41*

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§ 38

v , Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

III 1

trächtigten Eigentümer nicht entgegengehalten werden, daß er sein Grundstück in Kenntnis der üblen Einwirkungen von einem Dritten erworben hat91). An eine (zwar mögliche) s t i l l s c h w e i g e n d e Begründung der Verpflichtung zur Duldung von Einwirkungen sind strenge Anforderungen zu stellen. Nur in einem solchen Verhalten kann eine stillschweigende Willenserklärung gefunden werden, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles keine andere Deutung zuläßt, als die, daß dadurch ein bestimmter Wille bekundet werden soll92). Ein rechtsgeschäftlicher Akt kann nicht völlig unbemerkt vollzogen werden. Irgendwie muß der Wille immerhin zum Ausdruck gebracht sein. Ein rein untätiges Verhalten genügt daher nicht, die Verpflichtung zur Duldung der Beeinträchtigung anzunehmen; ebenso nicht die bloße Tatsache, daß der Abwehranspruch gegen die Beeinträchtigung nicht ausgeübt wurde. Ein o b l i g a t o r i s c h e s Recht ist nur dann zur Begründung der Einwendung geeignet, wenn es dem Eigentümer gegenüber besteht93). Deshalb fällt der Unterlassungsanspruch nicht schon deswegen fort, weil der frühere Eigentümer den Eingriff gestattet hat94). Der A n s p r u c h auf B e s e i t i g u n g ist jedoch auch dem S o n d e r n a c h f o l g e r versagt, wenn sein Rechtsvorgänger die Bewilligung zu dem noch vorhandenen tatsächlichen Dauerzustand der Beeinträchtigung erteilt hat. Denn dann ist dieser Zustand mit Willen des verfügungsberechtigten Rechtsvorgängers geschaffen worden, und das ist geradeso zu beurteilen, als ob er selbst den Zustand geschaffen hätte95). Sein R e c h t s n a c h f o l g e r darf deshalb den Zustand der Beeinträchtigung auf seine eigenen Kosten bezugunsten eines Sondernachfolgers des Käufers ( R G 66, 126). Dagegen wird dem Sondernachfolger, an welchen der Verkäufer den beim ersten Kauf zurückbehaltenen Teil veräußert hat, durch den formlosen Verzicht seines Vorbesitzers nicht gebunden (RG 66,126). 91 ) J W 1904, 487 (RG). 92 ) B G H N J W 59, 2059; 63, 1247. 83 ) Kuhlenbeck, Von den Pandekten Zum B G B 2, 566. Dem Eigentümer steht derjenige gleich, der seine Befugnis vom Eigentümer ableitet. Vgl. R G 81, 216. Dort wurde der Schadenersatzanspruch einer Gasanstalt gegen eine Straßenbahngesellschaft abgewiesen; die Gasanstalt verlangte Ersatz für Beschädigung der Gasrohre, die durch sog. vagabundierende elektrische Ströme der Straßenbahn herbeigeführt war. Die Stadt als Eigentümerin der Straße hatte zunächst einen Vertrag mit der Straßenbahn abgeschlossen, wonach die Straßenbahn das Recht (Miete) erwarb, die Straße zum elektrischen Bahnbetrieb mit Schienenrückleitung zu benützen. Nach Errichtung der Straßenbahn räumte die Stadt der Gasanstalt vertragsgemäß das Recht ein, die Gasleitungsröhren in den Straßenkörper zu verlegen. Der Gasanstalt können nicht mehr Rechte gegenüber der Straßenbahn Zustehen, wie der Stadt als Eigentümerin. 94 ) Staudinger Randbem. 47; Palandt-Hoche Bern. 7a je zu § 1004. Vgl. auch J W 1890, 182 Nr. 18. 95 ) SeuffA 36 Nr. 261. A . M . RGKomm. Bern. 6 zu § 1004.

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Die Eigentumfreiheitsklage

§38 I I I 1, 2

seitigen; denn eine Duldungspflicht obliegt ihm als Sondernachfolger nicht96). Beruft sich der Störer auf eine G r u n d d i e n s t b a r k e i t , so müssen die erforderlichen Formvorschriften beobachtet sein. Andererseits ist erforderlich, daß das einredeweise geltend gemachte Recht gerade dem Beklagten oder dessen Gewährsmann zusteht. Wird daher die Einwendung auf eine Grunddienstbarkeit begründet, so muß der Beklagte berechtigt sein, sie auszuüben, sei es als Eigentümer oder Nutzungsberechtigter des herrschenden Grundstücks. Die Duldungspflicht aus § 1004 Abs. 2 kann auch aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens oder der Mitverursachung gerechtfertigt sein, z.B. bei Immissionen infolge zu dünner Grenzmauer97). Beruht der Eingriff in das Eigentum auf der Anordnung einer öffentlichen Behörde, so ist die Eigentumfreiheitsklage versagt. Wegen der hier gegebenen Schadloshaltung s. unten § 39 u. § 43 D III. Die Rechtmäßigkeit der Beeinträchtigung kann möglicherweise aus einem Rechte abgeleitet sein, welches nicht demjenigen zusteht, von dem die Beeinträchtigung unmittelbar ausgeht, sondern demjenigen, in dessen Vertretung gehandelt worden ist98). Behauptet im Prozeß99) der Beklagte, daß er die Beeinträchtigung in Ausübung des R e c h t e s eines D r i t t e n vorgenommen habe, so kann er, wenn er dem Dritten vor der Verhandlung zur Hauptsache den Streit verkündet und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärung ladet, bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schlüsse des Termines, in welchem sich der Benannte zu erklären hat, die Verhandlung zur Hauptsache verweigern. Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu genügen. Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozeß zu übernehmen. Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar (§§ 76, 77 ZPO). 2. Dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 kann die Einrede der V e r j ä h r u n g nach §§ 194, 195, 198 B G B entgegengesetzt werden. Zu beachten ist, daß mit jeder Störung des Eigentums der Abwehranspruch neu entsteht; infolgedessen berechnet sich die 30 jährige Frist vom Zeitpunkt der letzten Einwirkung ab100). 96

) Vgl. SeuffA 36 Nr. 261 (RG); 64 Nr. m (Stuttgart); ObLG 12, 108. ) Vgl. Staudinger-Spreng Randbem. 49 zu § 1004; J W 1912, 589; R G Z 158, 328; 154, 167; JW 1933, 1208 u. 690; Westermann SR § 36 III 1. 98 ) Maenner 243. Vgl. hierüber unten F.N. 125. 9S ) Vgl. hierüber unten F.N. 129. 10 °) Vgl. J W 1912, 3 1 ; 1935, 1775; WarnR 1914 Nr. 189. w

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§ 3 8 IV 1

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Der Einwand der V e r w i r k u n g kann gegen den Abwehranspruch nur dann erhoben werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Anspruch mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar erscheinen lassen; darauf allein, daß der Rechtsvorgänger Einwirkungen geduldet hat, kann sich der Störer nicht berufen (vgl. JW 1935, 1775; vgl. auch Hamm in NJW 1956, 1780). Zur Frage der Beweislast vgl. B G H in MDR 58, 584 = JZ 58, 441: Gläubiger muß darlegen, wann und unter welchen Umständen er seine Forderung geltend gemacht hat. Schuldner kann dann dartun, daß die Darstellung des Gläubigers unrichtig.

IV. P a r t e i s t e l l u n g f ü r die E i g e n t u m f r e i h e i t s k l a g e 1 0 1 ) 1. Klageberechtigt ist vor allem der Eigentümer102). Es ist nicht erforderlich, daß er im Besitze des Grundstückes ist. Auch ein einzelner Miteigentümer ist klageberechtigt (§ 1011)103), desgleichen ein einzelner Miterbe hinsichtlich eines in Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks (§ 2039)104), ebenso der Wohnungs- oder Teileigentümer (§ 34 Abs. 2 WEG). Der Anspruch steht ferner zu: dem Erbbauberechtigten ( § 1 1 ErbVO), demDienstbarkeitsberechtigten(§§ 1027,1090 Abs. 2), demNießbraucher105) dem Inhaber eines Dauerwohnrechts und dem Pfandgläubiger (§ 1227 BGB), dem Bergwerkseigentümer (§ 44 BayBergG). An Stelle des Eigentümers ist aktiv legitimiert: der Konkursverwalter (§§ 6, iof. KO), der Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB), aber auch der Zwangsver101 ) Tritt während des Prozesses ein Wechsel im Eigentum ein, so ist jedenfalls bezüglich des Anspruchs auf Beseitigung einer fortdauernden Beeinträchtigung der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit aufzunehmen- (§ 266 ZPO); vgl. R G 40, 333; Recht 1904, 79 Nr. 356 (Karlsruhe). Hat sich der Verkäufer im Kaufvertrage seinem Käufer verpflichtet, die auf dem Gut eingetragene Grunddienstbarkeit zur Löschung zu bringen und kann diese Löschung nur dadurch herbeigeführt werden, daß der Verkäufer gegen den Inhaber der Dienstbarkeit Klage erhebt, so liegt in der Verabredung der Verpflichtung auch die Ermächtigung des Käufers an den Verkäufer die Klage anzustellen. Bolze 12 Nr. 70. 102 ) Der Käufer eines Hauses, dem dasselbe noch nicht übereignet ist, kann die Klage nicht erheben. Eitzbacher, Unterlassungsklage 150. 103 ) Gegen einen anderen Miteigentümer kann er aber die Eigentumsfreiheitsklage nicht stellen; in solchem Falle können nur die Ansprüche aus der Gemeinschaft geltend gemacht werden. Eitzbacher, Unterlassungsklage 151 und dagegen Recht 1901, 175. 104) § 2039 bezieht sich nicht nur auf persönliche, sondern auch auf dingliche Ansprüche (Planck Bern, zu § 2039). Sowohl der Anspruch auf Beseitigung, wie der auf Unterlassung ist auf eine Leistung (§ 241) gerichtet. Wird der Anspruch auf Beseitigung oder auf Unterlassung erfüllt, so kommt die Leistung bei einem in Erbengemeinschaft stehenden Grundstück von selbst allen Miterben zugute. Der Miterbe, der Beseitigung oder Unterlassung verlangt, fordert daher Leistung an alle Erben (§ 2039), ohne daß es nötig oder auch nur möglich wäre, dies im Klageantrage zum Ausdruck zu bringen. Das ist eine Folge der Unteilbarkeit dieses Anspruchs (vgl. Staudinger 1. Teil 2, 519). 106) § 1065 BGB. Der Nießbraucher ist selbst dann zur Anstellung der actio negatoria berechtigt, wenn das Nießbrauchgrundstück und das Grundstück, von welchem die Beeinträchtigung ausgeht, demselben Eigentümer gehören.

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ «ö IV 1

walter, weil die Eigentumfreiheitsklage im wesentlichen eine der ruhigen Bewirtschaftung des Grundstücks dienende Schutzklage ist 108 ). Dagegen fehlt die Aktivlegitimation dem Mieter und Pächter 107 ). E s ist keine Voraussetzung der Aktivlegitimation, daß der Kläger schon zur Zeit der Beeinträchtigung Eigentümer war. E s genügt deshalb zur Klage auf Unterlassung, wenn die Störung mit der Besorgnis der Wiederholung gegen den Rechtsvorgänger des Klägers erfolgt ist 108 ) und die Besorgnis der Wiederholung während der Besitzzeit des Sondernachfolgers fortbesteht. Der Sondernachfolger kann also Beseitigung des beeinträchtigenden Z u standes auch dann verlangen, wenn dieser Zustand schon vor seinem Eigentumserwerb geschaffen wurde 109 ). Z u r Begründung des Anspruchs aus § 1004 B G B genügt allein der Nachweis, daß der Kläger der Eigentümer des — jetzt — beeinträchtigten Grundstücks ist. Eine vorsorglich vom Rechtsvorgänger ihm gegenüber vorgenommene Abtretung der Ansprüche aus § 1004 B G B ist gegenstandslos 110 ). Hat der klagende Eigentümer das beeinträchtigte Grundstück während der Anhängigkeit des Rechtsstreites veräußert, so ist sein Rechtsnachfolger berechtigt, und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen ( § 2 6 6 Z P O ) . Als Rechtsnachfolger gilt auch derjenige, der das Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren erstanden hat 1 1 1 ). 1M

) Jäckel Anm. 3 g zu § 152 ZwVG. ) R G 59, 327; 159, 69 (Kein Abwehranspruch des Imkers gegen giftige Gase, es sei denn, daß der Tatbestand des § 823 BGB gegeben ist); BGH in NJW 1955, 747; BGHZ 16, 366; Doch steht dem Besitzer der Besitzstörungsklage nach § 862 B G B zu, die zu demselben Resultat führt. Volkmann in D J Z 1901, 382; vgl. unten § 42. Wird durch die Beeinträchtigung der Mietsache der vertragsmäßige Gebrauch derselben für den Mieter beeinträchtigt, so kann der Mieter auf Grund des § 536 B G B den Vermieter auf Beseitigung der Beeinträchtigung belangen und so den Vermieter veranlassen, gegen den Nachbar mit der Eigentumsfreiheitsklage vorzugehen. Ist durch die Beeinträchtigung dem Mieter oder Pächter ein Schaden verursacht worden, dann steht demselben, falls die Beeinträchtigung auf einem Verschulden des Einwirkenden beruht, die Schadensersatzklage des § 823 B G B gegen den Störer zu, s. unten § 43 D. los ) Eitzbacher, Unterlassungsklage 178. 109 ) Unrichtig ObLG 12, 109 mit der unzulänglichen Begründung, daß er ja das Grundstück in diesem Zustand übernommen habe, demnach in seinem Besitzstand „weder beeinträchtigt noch geschädigt sei". Dagegen Staudinger-Spreng Randb. 23 und ErmannPeters Bern. 4 je zu § 1004. — Eine andere Frage ist, ob der Beseitigungsanspruch dann erfüllt, wenn der Rechtsvorgänger der Schaffung des Zustandes zugestimmt hat. Siehe darüber oben Anm. 88. "») Vgl. BGH NJW 55, 1793; O L G Köln NJW 64, 2019 mit krit. Anm. von Hoche in NJW 64, 2420. U1 ) R G 40, 333; JW 1897, 448 Nr. 7 u. 8; 1899, 143 Nr. 14; Gruchot 43, 512; Turnau-Förster Anm. 7 zu § 906. 107

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§ OO IV 2

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

2. P a s s i v l e g i t i m i e r t für die Eigentumfreiheitsklage ist jeder Störer ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, v o n welchem die Störung ausgeht 1 1 2 ). S t ö r e r ist nicht nur der unmittelbare Täter, der die Beeinträchtigung vornimmt, sondern auch derjenige, der die Störung durch seine Anordnungen veranlaßt oder in ungehöriger Weise duldet 1 1 3 ). Juristische Personen haften für Störungshandlungen ihrer gesetzlichen Vertreter (§§ 3 1 , 89). E i n Unterlassen genügt, wenn eine Rechtspflicht besteht, eine Beeinträchtigung abzuwenden. Das gilt insbesondere für den Eigentümer eines kriegszerstörten Ruinengrundstücks. Die umstrittene Frage, ob der Ruineneigentümer wegen der von seinem Grundstück ausgehenden Einwirkungen, insbesondere durch Feuchtigkeit als Störer anzusehen ist, wird überwiegend verneint 114 ). Weil nur eine zuständlicheEigentumsbeeinträchtigung den negatorischen Anspruch erzeugt, so ist Beklagter nicht notwendig derjenige, welcher die Handlung, durch welche der Zustand der Beeinträchtigung herbeigeführt wurde, vorgenommen hat, sondern derjenige, durch dessen Willen dieser 112 ) Dernburg 438. Vgl. Gruchot 25, 958; 38, 925; JW 1894, 30 Nr. 93; J W 1936, 3454; 1931, 1 1 9 1 (wirtschaftliche Verfügungsmacht genügt). U3 ) R G 97, 26; BayZ 1918, 50 (Die Stadt hat ihre Kanalanlagen für die Einleitung der Abwässer zur Verfügung gestellt und gilt daher als Immittent); R G Z 103, 174; 108, 3 3 1 ; 155, 319; 159, 129; B G H Z 3, 270; 14, 163; L M Nr. 14 zu § 1004 (wer das Einwirken von Naturkräften ermöglicht, ist Störer); B G H N J W 68, 1281 (Bundesrepublik kann als Grundstückseigentümerin Störerin wegen Beeinträchtigungen sein, die von einem den Stationierungsstreitigkeiten nach Art. 37 Truppenvertrag zur Benutzung überlassenen TrÜbungsPl. ausgehen, soweit sie zur Beseitigung der Beeinträchtigung in der Lage ist); B G H M D R 68, 483 (Für Staubeinwirkungen bei Autobahnarbeiten ist BRep. auch dann verantwortlich, wenn sie private Firmen beauftragt hat, da sie notfalls durch Einstellen der Arbeiten die Einwirkungen verhindern könnte); B G H N J W 67, 246 (Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks, der sein Grundstück an einen Dritten vermietet und ihm dabei einen Benutzungsumfang hinsichtlich der Grunddienstbarkeit gestattet hat, der über den zulässigen Rahmen hinausgeht, haftet als Störer jedenfalls dann, wenn er zur Beseitigung der Störung in der Lage ist), ebenso O L G Stuttgart Z M R 65 S. 217; B G H B B 66, 427 (Vermieter ist verpflichtet, alle Gefahren und Störungen anzuwenden, die von Nachbarmietern ausgehen, denen er eine andere Teilfläche des Grundstücks vermietet hat); B G H N J W 60, 2335 und 62, 1342 (der Bauherr ist für Lärm bei Abbrucharbeiten verantwortlich, den seine Baufirma veranlaßt); B G H VersR 59, 824 (Der Bauherr muß sich gegenüber seinem Bauunternehmer notfalls durchsetzen); B G H N J W 59, 2013 (Verpächter eines Tanzcafes ist regelmäßig neben dem Pächter Störer); N J W 63, 2020; L G Berlin M D R 66,146 (Nicht nur der Taubenhalter, sondern auch jeder andere, der das beeinträchtigende Verhalten der Tauben ermöglicht, indem er z.B. die verwilderten Haustauben regelmäßig füttert und sie damit seßhaft macht, ist Störer im Sinne des § 1004. 114 ) Vgl. Düsseldorf N J W 53, 1394; Hamm N J W 54,273; L G Köln in B B 55, 179; N J W 56, 1564. Hodes in N J W 54, 1345. Vgl. auch B G H in N J W 1958, 1581 (Bei einer durch Kriegseinwirkung ausgebauchten Kommunmauer kann der Nachbar zwar nicht als Störer i. S. von § 1004, wohl aber aus § 812 und § 242 B G B in Anspruch genommen werden für die beim Aufbau der Mauer entstehenden Mehrkosten).

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8 IV 2

Zustand aufrecht erhalten wird 1 1 8 ). Deswegen kann gegen denjenigen, welcher einen Zaun über die Grenze gebaut hat, die Eigentumfreiheitsklage dann nicht mehr erhoben werden, wenn er v o r der Klagezustellung das Grundstück oder auch nur den Teil des Grundstücks, v o n welchem der Zustand der Beeinträchtigung ausgeht 1 1 6 ), an einen anderen veräußert hat 1 1 7 ). Regelmäßig ist der Eigentümer als Vertreter des Grundstücks der richtige Beklagte 1 1 8 ); so ist der neue Erwerber der K l a g e unterworfen, wenn er nicht für sofortige Beseitigung des Beeinträchtigungszustandes sorgt 1 1 9 ). A u s dem gleichen Grunde kann wegen eines v o m Mieter oder Pächter eines Grundstücks herbeigeführten körperlichen Zustandes der Beeinträchtigung regelmäßig neben dem Mieter und Pächter auch der Vermieter und V e r -

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) M. 3, 425 (Mugdan 3, 327); Biermann Bern. 2 zu § 1004. R G 92, 176; 103, 176. ) R G 103, 176 läßt dies dahingestellt. ) Biermann Bern. 2 zu § 1004. R G 103, 176. Eine andere Frage ist, ob nicht die Beseitigung als Anspruch auf Schadenersatz wegen Verschuldens (Wiederherstellung des früheren Zustandes) verlangt werden kann (§§ 823, 249 BGB), vgl. O L G 4, 65; 18, 129; SeuffA 56 Nr. 20. Hat der Beklagte Eigentümer nach der Einreichung und vor der Zustellung der Klage das Grundstück veräußert, so kann er auf Ersatz der hierdurch dem Kläger erwachsenen Kosten nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er den Zustand der Beeinträchtigung s c h u l d h a f t herbeigeführt oder aufrecht erhalten hat; in diesem Falle ist er schadenersatzpflichtig nach § 823 B G B und zu dem von ihm herbeigeführten Schaden gehören auch die Kosten des Prozesses, der infolge des Eigentumswechsels nicht mehr durchgeführt werden kann. War die Klage schon zugestellt, so ist § 266 ZPO anzuwenden; vgl. R G 40, 333. Gruchot 43, 510; 49, 663. R G Komm. Bern. 2 zu § 1004. Immer dann kommt § 266 ZPO zur Anwendung, wo gewissermaßen das Grundstück selbst als das berechtigte oder verpflichtete Subjekt und der jeweilige Eigentümer nur als dessen Vertreter erscheint. Das ist bei der Eigentumfreiheitsklage auf der aktiven Seite immer, auf der passiven dann der Fall, wenn der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks verklagt wird, von dem die Einwirkung ausgeht. Das gilt nicht nur für den Beseitigungs-, sondern auch für den Unterlassungsanspruch. Die gegenteiligen Entscheidungen JW 1912, 471 (RG) und O L G 31, 42 (Rostock) schaffen, indem sie Wert darauf legen, ob der Beklagte ein R e c h t zu der Einwirkung behauptet, unklare Verhältnisse. Mit einer Verurteilung des bisherigen Eigentümers, der über das Grundstück zu verfügen nicht mehr berechtigt ist, ist nicht gedient. Es muß trotzdem gegen den Erwerber geklagt werden. Vgl. Warneyer E. 1911 Nr. 331. (Der Verkäufer, der gewußt hat, daß die Beeinträchtigung durch den Erwerber herbeigeführt werden würde, ist nicht als Störer anzusehen.) U6

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) Recht 1904, 167 Nr. 764 (RG). R G 103, 176. ) R G 103, 177 (JW 1922, 486), wo mit Recht der Ansicht RGKomm. Bern. 3 zu § 1004 entgegengetreten wird, daß der Erwerber, der dem Nachbar sofort sein Einverständnis mit der Beseitigung erkläre, nicht auf seine Kosten zu beseitigen, sondern nur die Beseitigung auf Kosten des Nachbars zu dulden brauche. — Vgl. SeuffA 48 Nr. 247; R G 15, 344; Dernburg 439. Bolze 6 Nr. 85 verurteilt den Eigentümer eines Grundstückes, dessen Vorbesitzer Abfälle und Rückstände von der Vaselinfabrikation auf dem Grundstücke hat eingraben lassen, welche noch nach dem Besitzwechsel auf das Nachbargrundstück nachteilig einwirken, sogar auf Schadenersatz. 119

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IV 2

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

pächter mit der Eigentumfreiheitsklage belangt werden120). Besteht die Beeinträchtigung nicht in einem körperlichen Zustand, sondern in einem Zustand der Gefährdung durch Wiederholung der Einwirkung121), so haftet der Vermieter nur dann für diesen vom Mieter herbeigeführten Beeinträchtigungszustand, wenn er das Grundstück dem Mieter zu einer derartige Eigentumsübergriffe in sich schließenden Benützung überlassen hat oder doch wenigstens von den ihm gebotenen Mitteln, den Mieter von einer Wiederholung der ihm bekannt gewordenen Eingriffe abzuhalten, keinen vollen Gebrauch gemacht hat122). Dabei muß man den Vermieter in letzter Linie sogar dafür verpflichtet erachten, zu diesem Zwecke gegen seinen Mieter mit Klage auf Unterlassung vorzugehen123). Aus demselben Grunde ist die Stadtgemeinde dafür verantwortlich, daß die Ortseinwohner in den von der Stadtgemeinde eingerichteten und den Ortseinwohnern zur Ableitung der Abwässer überlassenen Kanal Fäkalien einleiten und es kann daher die Eigentumfreiheitsklage wegen hierdurch entstehender übler Gerüche in diesem Falle selbst dann gegen die Stadtgemeinde gerichtet werden, wenn sie die Einleitung von Fäkalien verboten hat124). Gehen unzulässige Einwirkungen von mehreren Immissionsquellen aus (es werden z. B. von verschiedenen Betrieben übelriechende Abwässer in einen Fluß geleitet), so ist es zulässig, den Abwehranspruch nur gegen einen Betriebsinhaber zu erheben128). 120 ) R G 47, 162; 97, 26; L Z 1919, 323 (NG). Gruchot 57, 1003. JW 1900, 840. Der Vermieter kann dem Anspruch nur durch den Nachweis entgehen, daß der Mieter das gemietete Grundstück ohne sein Wollen und Wissen mißbraucht hat (RG 47, 162; RGKomm. Bern. 3 zu § 1004). BGH NJW 67, 246. m ) Siehe oben Anm. 52. m ) Vgl. JW 1901, 51; 1904, 142; Recht 1904, 165 Nr. 737; R G 47, 162; SeuffA 48 Nr. 247; 57 Nr. 9; JW 1900, 323 Nr. 33; Mugdan, OLG 3, 1 1 ; Bad. Rspr. 1916, 17; vgl. OGH 5, 641 (Klage gegen den Eigentümer, der die Veränderung seines Eigentums durch einen anderen gestattet). m ) Vgl. JW 1901, 51; Recht 1 9 1 7 ^ . 2003; 1918 Nr. 1372; 1919 Nr. 429 und dagegen OLG 3, 1 1 . Hat sich der Vermieter durch entsprechende Bestimmungen des Mietvertrages die Klagestellung gegen den Mieter wegen Mißbrauchs unmöglich gemacht, so hat er im voraus unzulässigerweise seine Einwilligung zu Störungen des Nachbars erteilt. Gruchot 46, 654 (RG). 1M ) Vgl. JW 1901, 52; BayZ 1918, 50 (RG); ObLG 1, 313; OLG 18,123 (Eindringen von Gerüchen und Ratten aus Straßenkanälen). Bedenklich Recht 1903, 551 Nr. 2792 (Celle). Beklagter hatte seinem Nachbar gestattet, Abwässer in den über das Grundstück des Beklagten führenden Graben zu leiten; von diesem Graben wurden die Abwässer dem Grundstück des Klägers zugeführt. Das OLG hat die Passivlegitimation des Beklagten verneint. Zu Unrecht: denn dadurch, daß der Beklagte seinen Graben zur Aufnahme der Abwässer hergegeben hat, ist die unzulässige Einwirkung ermöglicht worden. Neben ihm kann natürlich auch derjenige belangt werden, der die Abwässer in den Graben eingeleitet hat. 126 ) BayZ 1918, 50; R G 21, 300.

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Eigentumsfreiheitsklage

§ 3 8 IV 2

Ist das Eigentum v o n mehreren gestört worden, und hat auf Verlangen des Eigentümers der eine Störer die Beeinträchtigung beseitigt, so kann dieser v o n dem anderen Störer Ersatz des Teils der Kosten, die er aufgewandt hat, nur dann verlangen, wenn er Eigentümer auch v o n dem anderen Störer die Beseitigung verlangt hatte; denn nur in diesem Falle kann auftragliche Geschäftsführung oder Bereicherung in Frage kommen (Recht 1924, Nr. 823). Keine notwendige Voraussetzung der Eigentumfreiheitsklage ist es, daß sich der Störer ein Recht zu dem Eingriff anmaßt, auch nicht, daß ihm die Störung als Verschulden anzurechnen ist 128 ). Hat jemand die Störung in fremdem A u f t r a g verübt, so hat sich die Klage in erster Linie gegen den Auftraggeber zu richten 127 ), doch kann auch der Beauftragte verklagt werden, wenn er den Zustand der Beeinträchtigung aufrecht erhält, sei es, daß er zur Beseitigung der Beeinträchtigung nach den Umständen in der L a g e ist oder daß gerade auch v o n ihm noch weitere Störungen drohen 128 ). Dies trifft nicht zu bei dem Baumeister, welcher im Auftrag des Eigentümers einen Bau ausführt und wohl auch nicht bei dem Landarbeiter, der wiederholt auf Geheiß seines Dienstherrn über den fremden A c k e r fährt 129 ). Dagegen ist der Pächter eines landwirt126

) Siehe oben 1 4 . ) O G H 7, 6 1 ; J W 1898, 620 Nr. 67. Vgl. SeufiA 60 Nr. 10 (Der Bauherr ist verantwortlich für Benützung des fremden Grundstückes zu Baufuhren). Der Beauftragte kann der Klage die Einwendungen entgegensetzen, die dem Auftraggeber zustehen (Recht 1924 Nr. 1234). B G H MDR 68, 483 (BRep. ist als Störer verantwortlich, wenn sie staubverursachende Arbeiten durch private Firmen an der Autobahn vornehmen läßt); B G H N J W 67, 246 (Der Grundstückseigentümer als Inhaber einer Grunddienstbarkeit, der das Grundstück vermietet und dabei dem Mieter eine den Umfang der Dienstbarkeit überschreitende Art der Benutzung des dienenden Grundstücks ausdrücklich gestattet hat, ist Störer); B G H N J W 60, 2335 und 62, 1342 (Bauherr ist verantwortlich für Lärmeinwirkungen durch die von ihm beauftragte Abbruchfirma); B G H VersR 59, 824 (Bauherr muß sich gegenüber seiner Baufirma durchsetzen und notfalls eine andere Arbeitseinteilung erreichen). BayOGH 7, 6 1 ; J W 98, 620 Nr. 67. Vgl. SeuffA 60 Nr. 10 (der Bauherr ist verantwortlich für Benutzung des fremden Grundstückes zu Baufuhren). B G H N J W 63, 2020 (Streitkräfte sind verantwortlich für Lärmeinwirkungen, die von Gästen des von ihnen betriebenen Clubs auf der Straße verursacht werden). Vgl. auch oben N. 1 1 3 . 128 ) RGKomm. Bern. 3 zu § 1004. Eitzbacher, Unterlassungsklage 173. StaudingerSpreng Randbem. 26; RGRKomm. Bern. 3 c je zu § 1004; R G Z 97, 26; HRR 1940 Nr. 214. Vgl. auch B G H in N J W 1955, 1474 (Handeln auf Befehl der Besatzungsmacht). Dadurch, daß der Störer als Mitglied einer Gemeinde gehandelt hat, wird seine Passivlegitimation nicht ausgeschlossen (OGH 14, 240; SeuffA 48 Nr. 169), wohl aber wenn er ohne persönliches Interesse und erkennbar nur als (befugter) Vertreter der Gemeinde gehandelt hat. 129 ) Wenn der Landarbeiter ohne Geheiß seines Dienstherrn über den fremden Acker fährt, so ist der Dienstherr nicht ohne weiteres passiv legitimiert; wenn er aber davon Kenntnis erlangt, daß sein Landarbeiter über das fremde Grundstück gefahren ist, liegt 127

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§ 3 8 V 1

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

schaftlichen Guts, der den ihm v o m Verpächter angewiesenen W e g über ein fremdes Grundstück nimmt, passiv legitimiert, ebenso wie der Verpächter. D e r Einwand, daß noch andere als Störer hätten mitverklagt werden müssen, ist unzulässig 130 ). Behauptet der Beklagte, daß er die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenommen habe, so finden die §§ 76, 77 Z P O A n w e n d u n g 1 3 1 ) (nominatio autoris). N a c h Veräußerung des Grundstücks des Beklagten während des Rechtsstreits ist der Erwerber nach § 266 Z P O verpflichtet, den Rechtsstreit zu übernehmen 132 ). Gibt der Störer sein Eigentum auf (Dereliktion), so wird er hierdurch allein v o n seinen Verpflichtungen noch nicht frei 1 3 3 ). V. Beweislast 1. D e r K l ä g e r hat zu beweisen, daß er Eigentümer ist 134 ). Ist er als solcher im Grundbuch eingetragen, so kommt ihm die Vermutung des § 891 B G B zustatten. ihm die Verpflichtung ob, seinen Landarbeiter von einer Wiederholung, die nach den Umständen als möglich anzunehmen ist, abzuhalten. Der Dienstherr befreit sich nicht unter allen Umständen durch ein wenn auch ernstgemeintes und energisches Verbot von seiner Verantwortung. E r muß den Vollzug seines Verbotes sichern; dazu gehört, daß er seinem Landarbeiter ab und zu nachgeht. Freilich kann man ihm nicht zumuten, daß er immer auf der Lauer steht; aber er muß so viel tun, als man von einem verständigen und gerecht denkenden Mann verlangen kann. Folgt der Landarbeiter seinem Herrn nicht, so wird strengere Überwachung und äußerstenfalls sofortige Entlassung wegen beharrlicher Gehorsamsverweigerung eintreten müssen, wenn sich nicht der Dienstherr der Passivlegitimation für die Eigentumsfreiheitsklage aussetzen will; vgl. O G H 3, 153; 7, 61. Zu verweisen ist hier noch auf die Bestimmungen des Feldschadensgesetzes (s. unten § 43 D III Bb 9). Hiernach muß der Dienstherr als Tierhalter Ersatzgeld nach Maßgabe des Art. 1 u. 2 Feldschadengesetzes bezahlen, wenn sein Knecht mit Spannvieh über fremde Äcker unbefugt fährt; denn das Fahren gilt als Übertritt des Spannviehs (Art. 1 Abs. 4 Feldschadengesetzes). 130 ) BayZ 1917, 50 (RG). Über die Beeinträchtigung durch mehrere Immissionsquellen s. oben S. 554 Anm. 123. 131 ) Staudinger Randbem. 27 zu § 1004. Wenn der Mieter dem Vermieter gegenüber zu den schädigenden Handlungen berechtigt wäre, kann er eine gegen ihn angestellte Klage auf Grund des § 76 ZPO auf den Vermieter abwälzen. Recht 1904, 165 Nr. 737; HRR 1940 Nr. 214. 132 ) Das gilt auch dann, wenn die Klage darauf gerichtet ist, daß der Beklagte die durch einen Bau bewirkte Beeinträchtigung der vom Kläger als Eigentum beanspruchten Grundfläche auf seine Kosten beseitige, während der Beklagte nicht nur das Eigentum des Klägers bestreitet, sondern auch dem Beseitigungsanspruch gegenüber sich auf § 912 beruft (ObLG 14, 704). 133 ) O G H Z N J W 49, 623. 134 ) Eitzbacher, Unterlassungsklage 151. War zu der Zeit, zu welcher der Nachbar den Besitz an einem Grenzstreifen dem Eigentümer vollständig entzogen hat (z. B. dadurch,

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Eigentumsfreiheitsklage

§38 V 2, VI

Dem Kläger liegt ferner der Nachweis der Klage veranlassung ob; er muß also beweisen, daß ein Z u s t a n d der Beeinträchtigung vorliegt. Für den Anspruch auf Beseitigung muß das körperliche Verhältnis und für den Anspruch auf Unterlassung die Gefährdung durch die Besorgnis der Wiederholung 135 ) nachgewiesen werden. Die Möglichkeit des „prima facie" Beweises ist gegeben 133 ). Für den Nachweis der Beeinträchtigung ist im Falle des § 906 B G B genügend, wenn eine E i n w i r k u n g bewiesen wird; dies ergibt sich aus der Fassung des § 906 B G B , durch welche dem Immittenten die Beweislast für die Zulässigkeit der Immission überbürdet wird. Der Beklagte hat daher zu beweisen, daß entweder durch die Einwirkung die Benützung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder aber die Einwirkung durch eine Benützung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist13«). 2. Dagegen ist es Sache des Einredebeweises für den B e k l a g t e n , darzutun, daß die Beeinträchtigung erlaubt ist oder m.a.W., daß der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Gelingt dem Beklagten der Nachweis, daß die Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benützung seines Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind, so muß der Kläger hilfsweise den Antrag stellen, den Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld zu verurteilen. Der Kläger hat die Freiheit des Eigentums von einem Beeinträchtigungsrechte des Störers zwar zu behaupten, nicht aber zu beweisen, da für die Freiheit des Eigentums die Vermutung spricht. Darauf, ob sich der Beklagte im Besitze des angemaßten Beschränkungsrechtes befindet, kommt also es nicht mehr an 137 ). VI. G e r i c h t s s t a n d Für die Eigentumfreiheitsklage ist, soferne es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht a u s s c h l i e ß l i c h zuständig, in dessen Bezirk daß er die Grenzmauer über die Grenze gerückt hat), der Kläger noch nicht Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, so ist er gleichwohl zur Klage legitimiert. Der Beklagte kann nicht einwenden, daß dem Kläger von seinem Besitzvorgänger an der überbauten Fläche nicht eingeräumt werden konnte und der Kläger daher nicht der Eigentümer des Grenzstreifens geworden sei. Das Klagerecht ist mit dem beeinträchtigten Grundstück verbunden und geht daher von selbst auf den Nachfolger im Eigentum über es kann auch eine stillschweigende Zession des Klagerechts angenommen werden. 136 ) Siehe oben Anm. 52. 138 ) Siehe oben § 14 I V , 2. 137 ) Staudinger Randbem. 31 zu § 1004 hebt dies unter Bezugnahme auf bayer. Landrecht II Kap. 7 § 1 1 und Art. 142 des A G zur Z P O hervor.

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V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

VI

die Sache belegen ist ( § 2 4 Abs. 1 Z P O ) . Dabei kommt es auf die Lage desjenigen Grundstückes an, für welches die Freiheit in Anspruch genommen wird (§ 24 Abs. 2 ZPO) 1 3 8 ). Wird Klage erhoben, daß der Nachbar die Fenster entsprechend den Vorschriften des A G einrichten soll139), so macht Kläger keine Belastung des Nachbargrundstückes geltend, sondern die Freiheit seines Grundstückes von der in den unzulässigen Fenstern liegenden Beeinträchtigung. Dasselbe gilt, wenn der Eigentümer des höher liegenden Grundstückes gegen den Nachbar klagt, daß er eine auf dessen tiefer liegendem Grundstück befindliche Anlage, durch welche der natürliche Wasserlauf zurückgestaut wird, beseitigen soll. In beiden Fällen ist deshalb für die Zuständigkeit die Lage des dem Kläger gehörigen Grundstücks entscheidend, weil die für das Nachbargrundstück statuierte gesetzliche Eigentumsbeschränkung für ihn eine Verstärkung seines Eigentumsrechtes bedeutet und daher durch Zuwiderhandeln gegen die Eigentumsbeschränkung sein Eigentum beeinträchtigt wird. Der Gerichtsstand ist ein ausschließlicher, er kann also weder durch ausdrückliche, noch durch stillschweigende Vereinbarung beseitigt werden (§ 40 Abs. 2 Z P O ) . Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Streitwert, der nach der Höhe des Interesses an der Beseitigung oder Unterlassung zu bemessen ist 140 ). Das Interesse an der Beseitigung umfaßt die Aufwendungen, welche die Beseitigung erfordern würde, und den Minderwert, den das Anwesen hätte, wenn die Beeinträchtigung dauernd geduldet werden müßte. Bei der Unterlassungsklage gegen Immissionen ist die Behauptung des Klägers über das Maß der Einwirkung maßgebend und die darnach anzunehmende Minderung der Erträgnisse (Miete) zu kapitalisieren141). Mit der Klage nach § 24 Z P O können nach § 260 Z P O andere Klagen, so insbesondere die Klage aus der unerlaubten Handlung, verbunden werden, wenn für diese derselbe Gerichtsstand gegeben ist. Wenn infolge einer durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführten Eigentumsbeeinträchtigung ein Schaden entstanden ist, so ist dies regelmäßig 142 ) der Fall, 138

) Vgl. R G 32, 414; 36, 237. ) Siehe oben § 22. ) R G 3, 394; JW 1904, 482; R G Warneyer 1916 Nr. 57. Der Streitwert der Störungsklage, die auf das Eigentum bei Nichtvorhandensein eines Mietverhältnisses gestützt wird, bestimmt sich nach § 6 ZPO durch den Bruchteil des Verkehrswertes des Grundstücks, der dem Verhältnis der benützten Räume zu den gesamten Räumen des Grundstücks entspricht (JW 1923, 773). 141 ) Recht 1907 Nr. 2099 (RG); 1909 Nr. 2969 (RG). 142 ) Nicht immer. Wenn z. B. ein Schaden dadurch herbeigeführt wird, daß der Eigentümer des tiefer liegenden Grundstücks entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung eine Anlage errichtet, durch welche der natürliche Wasserablauf auf das höher liegende Grundstück zurückgestaut wird und die beiden Grundstücke in verschiedenen Gerichtsbezirken liegen, so fällt die Zuständigkeit aus § 32 ZPO mit der des § 24 ZPO nicht zusammen. 139 wo

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Eigentumsfreiheitsklage

§

OÖ VII

da nach § 3 2 Z P O für die hieraus abgeleitete Schadenersatzklage das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen ist. Neben dem negatorischen Anspruch kann der auf Verschulden143) gestützte Schadenersatzanspruch als Nebenanspruch auch ohne Angabe des Schadenbetrages erhoben werden144). VII. Z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s . Der Anspruch aus § 1004 ist nur gegeben, wenn es sich um eine auf privatrechtlicher Grundlage beruhende Störung handelt. Die Frage, ob gegen eine Eigentumsstörung der Rechtsweg vor dem ordentlichen ( = Zivilgericht) oder vor dem Verwaltungsgericht gegeben ist, läßt sich allein nach dem tatsächlichen Klagevorbringen und nicht nach der Rechtsauffassung des Klägers oder des Beklagten entscheiden. Vor das Verwaltungsgericht gehören alle auf öffentlichrechtlicher Grundlage beruhenden Streitigkeiten (§40 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ausgenommen hiervon werden solche Angelegenheiten, die durch Bundesoder Landesgesetz ausdrücklich einem anderen Gerichte zugewiesen werden ( V w G O § 40 Abs. 1 S. 2), ferner die in § 40 Abs. 2 V w G O ausdrücklich den ordentlichen Gerichten zugewiesenen Angelegenheiten wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung für das gemeine Wohl und des Schadensersatzes wegen Verletzung öffentlichrechtlicher Pflichten. Für die Frage, ob eine bürgerliche oder eine öffentlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit vorliegt, ist die Natur des Rechtsverhältnisses maßgebend, aus dem der Klaganspruch abgeleitet wird. Der Anspruch aus § 1004 B G B besteht daher nur, wenn es sich bei der Störung um einen Verstoß privatrechtlicher Natur handelt. Erfolgt die Störung auf Grund der Nutzung des Grundstücks, die nach öffentlichem Recht bestimmt ist, und würde die Vollstreckung des dem Klageantrag stattgebenden Urteils zur Aufhebung oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme führen, so liegt eine öffentlich rechtliche Streitigkeit vor. Die Tatsache, daß der Störer eine öffentlichrechtliche Körperschaft ist, genügt allein nicht zur Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit145). Der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten ist dann unzulässig, wenn mit der Klage die Unterlassung von Maßnahmen verlangt wird, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt geschehen. 1 4 3 ) Verschulden (§ 823 Abs. 1) liegt vor, wenn der Störer die nachteiligen Folgen seines Handelns für den Eigentümer bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt voraussehen konnte (Gruchot 44, 870 RG). 1 4 4 ) PucheltsZ 32, 80 (RG). 145 ) B G H N J W 63, 2020; 64, 1472; 68, 549. A u c h dann, wenn der Zahlungsanspruch dem öffentlichen Recht angehört, ist der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten dann gegeben, wenn nur nicht die A u f h e b u n g oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme verlangt wird.

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§ dö VIII

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Z u b e a c h t e n ist die in § 41 V w G O f e s t g e l e g t e g e g e n s e i t i g e B i n d u n g der o r d e n t l i c h e n G e r i c h t e , der V e r w a l t u n g s g e r i c h t e , der F i n a n z - , A r b e i t s - o d e r Sozialgerichte an r e c h t s k r ä f t i g e E n t s c h e i d u n g e n eines s o l c h e n G e r i c h t s ü b e r die Z u l ä s s i g k e i t o d e r U n z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s v o r e i n e m dieser G e r i c h t e s o w i e die M ö g l i c h k e i t der V e r w e i s u n g eines Rechtsstreits an ein derartiges G e r i c h t m i t b i n d e n d e r W i r k u n g 1 4 6 ) . VIII. E i n s t w e i l i g e V e r f ü g u n g e n k ö n n e n sich anläßlich eines Eigentumfreiheitsstreites v i e l f a c h als n o t w e n d i g erweisen. E i n s c h l ä g i g w i r d z u m e i s t § 940 Z P O sein, so n a m e n t l i c h bei Immissionsprozessen. D u r c h e i n s t w e i l i g e V e r f ü g u n g k a n n z. B . die N a c h t a r b e i t in einer F a b r i k v e r b o t e n w e r d e n , ja s o g a r ein V e r b o t der E r r i c h t u n g einer A n l a g e k a n n d u r c h einstw e i l i g e V e r f ü g u n g auf G r u n d des § 940 Z P O erlassen w e r d e n . B e i G r e n z ü b e r s c h r e i t u n g e n w i r d v i e l f a c h die E i n s t e l l u n g des B a u e s d u r c h einstw e i l i g e V e r f ü g u n g v e r a n l a ß t sein. D u r c h e i n s t w e i l i g e V e r f ü g u n g e n k a n n d e m Störer g r u n d s ä t z l i c h k e i n e i n d e u t i g b e s t i m m t e s H a n d e l n a u f e r l e g t w e r d e n ; die richterliche V e r f ü g u n g k a n n v i e l m e h r in aller R e g e l n u r d a h i n g e h e n , d a ß der S c h u l d n e r überm ä ß i g e E i n w i r k u n g e n fernhalte. N u r w e n n i m E i n z e l f a l l eine g a n z beBei einer Einwirkung i.S. des § 906 B G B kann sowohl ein nachbarrechtlicher Ausgleichungsanspruch bestehen wie auch ein öffentlich rechtlicher Ausgleichungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs. Welcher Anspruch im einzelnen in Betracht kommt, hängt davon ab, ob die Beeinträchtigung durch hoheitlichen Eingriff oder im Rahmen einer privaten Grundstücksbenützung herbeigeführt worden ist. Diese Entscheidung kann dann Schwierigkeiten bereiten, wenn ein Hoheitsträger sich zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben privatrechtlicher Mittel bedient, wie z. B. bei Bauarbeiten an einer Straße. Wird dabei eine Privatfirma mit den Bauarbeiten beauftragt, so kommt es darauf an, ob sie selbständig tätig geworden ist oder nur als Werkzeug der öffentlichen Hand (BGH NJW 67, 1857). In folgenden Fällen wurde der Rechtsweg vor den Zivilgerichten zugelassen: B G H NJW 59, 936 und 67, 1857 (Staubwirkung bei Straßenbau); B G H NJW 64, 1472 (Lärm eines genehmigten Jahrmarkts); B G H MDR 67, 913 (Lärm beim Bau einer Moselstaustufe); B G H MDR 68, 312 (Geräusch eines Springbrunnens im öffentlichen Park); B G H NJW 68, 549 (Straßenlärm); O L G Karlsruhe DJ 40, 875 (nächtliche musikalische Veranstaltung einer städt. Badeverwaltung). Für die Klage auf Herstellung von Schutzeinrichtungen gegen Störungen, die von der Abwassereinleitung aus der Kanalisationsanlage einer Gemeinde verursacht werden, steht der ordentliche Rechtsweg nur insoweit offen, als mit der Klage keine wesentliche Änderung der Anlage im einzelnen oder im Rahmen der Gesamtplanung begehrt wird (BGH MDR 65 S. 196). Eine Operettenaufführung auf einer Freilichtbühne ist kein unmittelbar dem öffentlichen Interesse dienende lebenswichtiger Betrieb (BGH MDR 69 S. 744). 148 ) Vgl. B G H in MDR 60, 652 (Verpflichtung eines Bauherrn aus der RGaragenO. hat öffentl. Charakter); B G H 5, 60 = NJW 52, 622; BGH 14, 294 = NJW 54, 1483 (gewerbl. Bestattungsunternehmen); R G 103, 18; JW 1920, 366 u. 1921, 743; BayOb.22, 656

Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

§39 A

stimmte Verhaltensweise in Betracht kommt oder wenn der Schuldner sich mit einer bestimmten Maßnahme selbst einverstanden erklärt oder eine solche stillschweigend hinnimmt, ist diese zulässig147). Der Richter ist hier vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Zwar ist die Partei, welche die einstweilige Verfügung erwirkt hat, nach § 945 ZPO auch ohne Verschulden, dem Gegner, zum Schadenersatz verpflichtet wenn sich hinterher die einstweilige Verfügung als unberechtigt erweist. Zum Vollzug dieser Vorschrift gehört aber ein zahlungsfähiger Gegner und gerade ein solcher wird sich die Beantragung einer solch einschneidenden einstweiligen Verfügung gerade mit Rücksicht auf seine Ersatzpflicht doppelt überlegen. Namentlich in größeren Städten sind die durch eine Baueinstellung entstehenden Verluste sehr bedeutend. Bei Würdigung der in das reine Ermessen des. Richters gestellten Frage wird der Richter neben anderen Erwägungen zu prüfen haben, ob nicht die durch die Baueinstellung für den Bauherrn entstehenden Schäden außer allem Verhältnis zu den Nachteilen stehen würden, welche eine Fortsetzung des Baues für den Nachbar bis zur Beendigung des Prozesses bringen würde. Trotz der allgemeinen Fassung des § 938 ZPO kann im Unterlassungsstreit durch einstweilige Verfügung so wenig eine bestimmte Maßnahme angeordnet werden, als im Hauptprozeß, da § 938 ZPO seine Schranke im Inhalt des zu sichernden Hauptanspruchs findet148). Zur Verhütung von Grenzverdunkelungen kann eine vorübergehende Sequestration auf Grund des § 935 ZPO in Frage kommen. Diese Bestimmung wäre für ein einstweiliges Verbot des Abbruchs einer strittigen Mauer anzuwenden. I X . Schadenersatz kann aus § 1004 B G B nicht gefordert werden (s. jedoch unten § 43 A ; besonderer Verpflichtungsgrund!). Möglicherweise kann eine Ausgleichszahlung nach § 906 Abs. 2 S. 2 B G B verlangt werden. § 39. Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage gegenüber Interessen des Gemeinwohls und gegenüber konzessionierten gewerblichen Anlagen A . I n t e r e s s e n des G e m e i n w o h l s Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 B G B kann im Hinblick auf die Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 G G ) nicht durchgesetzt werden, wenn I n t e r e s s e n der A l l g e m e i n h e i t entgegenstehen. In einer 147 ) Vgl. Hodes N J W 1954, 644; Meisner-Stern-Hodes § 38 II, za; O L G Köln in N J W 1953, 1592; O L G Neustadt in MDR 60, 408. " " ) Kreß JW 1909, 5.

42

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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§

A

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Reihe von Gesetzen wird demnach dem Grundeigentümer die Befugnis entzogen, die Beseitigung oder Unterlassung von Beeinträchtigungen seines Eigentums zu verlangen. Das gilt insbesondere gegenüber gewerblichen (industriellen Betrieben, die nach § 26 GewO behördlich genehmigt worden sind, ferner gegen Bergwerksbetriebe gem. Art. 1 ff., 24 u. 44 BayBergG, da dem Bergwerkseigentümer ein Vorrecht gegenüber dem Grundeigentümer eingeräumt ist. Auch im Gesetz über die Beschränkung der Nachbarrechte vom 31. 12. 1933 (RGBl. I, 1058) und im Gesetz vom 18. 10. 1935 (RGBl. I, 1247) ist ausdrücklich bestimmt, daß der Eigentümer eines Grundstücks gegenüber den durch diese Gesetze bevorzugten Betrieben, z. B. Krankenhäuser, Badeanstalten, weder die Einstellung des Betriebs noch die Herstellung besonderer Einrichtungen zum Schutze gegen schädliche Einwirkungen auf sein Grundstück verlangen kann. Für solche Fälle, in denen dem Eigentümer der Abwehranspruch auf gesetzlichem Wege entzogen ist, hat die Rechtsprechung zunächst in Anwendung des in §§ 74, 75 EinlPrALR niedergelegten allgemeinen Rechtsgedankens, wonach „der Staat denjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten ist", einen sog. Aufopferungsanspruch als Ersatz für die dem Eigentümer auferlegte Einbuße seiner Rechte zugebilligt. Der Bundesgerichtshof (seit B G H Z 6, 260) hat im Hinblick auf Art. 3 G G (Gleichheitsgrundsatz) jede Beeinträchtigung der Eigentümerrechte als Enteignung oder als enteignungsgleichen Eingriff anerkannt. Das gilt insbesondere für alle Fälle, in denen einem Grundeigentümer der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1, § 985 ff. B G B versagt und ihm ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeininteressen auferlegt wird, weil insoweit der Gleichheitsgrundsatz beachtet werden müsse. Zum Ausgleich für dieses Sonderopfer soll dem Eigentümer eine volle oder mindestens angemessene Entschädigung in Geld und zwar ohneNachweis eines Verschuldens gewährt werden. Die Entschädigungspflicht trifft in solchen Fällen denjenigen, der durch den Enteignungseingriff unmittelbar begünstigt wird. Der Anspruch richtet sich auf Ersatz des vollen Schadens und nicht nur auf einen billigen Ausgleich. Er hängt nicht vom Nachweis eines Verschuldens ab und ist auch dann gegeben, wenn eine konkrete Vermögenseinbuße nicht vorliegt, weil der Eigentümer sein Grundstück trotz der Störungen wie vorher weiter benützt1). B G H N J W 63, 2020; B G H Z 6, 270; 9, 83; 1 1 , 1 4 8 ; 13, 88; L M z u § 7 j E i l P r A L R ; über den Unterschied zwischen Aufopferungsanspruch und Enteignung vgl. B G H in N J W 1954, 993; Kühne in N J W 1957, 609 (611); zum Schutz gegen Immissionen vgl.

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Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

§ 3 9 B I 1

B. G e w e r b l i c h e A n l a g e n I. Durch die Bestimmungen des §26 der G e w O und durch Art. 80 A G zum B G B , welche als lex specialis den Vorschriften des B G B vorgehen, wird für die dort vorgesehenen Fälle eine Beschränkung bzw. Änderung des Eigentumfreiheitsanspruchs herbeigeführt. E s kann nämlich einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber ( § 2 6 der G e w O ) und Eisenbahn-, Schifffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber, welche dem öffentlichen Verkehr dienen (Art. 80 A G ) , niemals auf Einstellung des Betriebes, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen oder, w o solche Einrichtungen nicht tunlich (mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar) sind, auf Schadloshaltung geklagt werden. Den Schutz des § 26 G e w O genießt nur die fertige Anlage; die Abwehr von Störungen, die bei der Herstellung der Anlage erfolgen, wird daher durch § 26 nicht beschränkt 2 ). § 26 G e w O gibt einen Schadenersatzanspruch gegen Einwirkungen, die von einem nach § 16 G e w O genehmigten Betrieb ausgehen und über das in § 906 B G B vorgesehene Maß der Beeinträchtigung hinausgehen. Ersatz zu leisten ist nur für die Folgen des Teils der Einwirkungen, der die Grenzen des nach § 906 B G B Erlaubten überschreitet 23 ). § 26 der G e w O 3 ) setzt voraus: 1. einen Anspruch a u f G r u n d d e s g e s e t z l i c h e n N a c h b a r r e c h t s . Eine auf besonderem privatrechtlichem Titel (Grunddienstbarkeit oder B G H Z = 16, 366 = N J W 1955, 747 (kein Entschädigungsanspruch des Imkers bei Schädlingsbekämpfung; N J W 1955, 19 (Zuführung schädlicher Gase — § 26 GewO). 2 ) O L G 39, 213 (Arbeiteraborte während der Bauausführung). 2a) Vgl. R G Z 139, 29. § 16 GewO ist durch Ges. v. 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) in Verb, mit V O v. 4. 8. i960 (BGBl. I, 690) geändert worden. Diese V O enthält den erschöpfenden Katalog aller genehmigungspflichtigen gewerblichen Anlagen. Z u beachten ist aber, daß nun in § 16 Abs. 2 GewO auch Anlagen des Bergwesens sowie Anlagen, die nichtgewerblichen Zwecken dienen, sofern sie im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gemäß § 16 Abs. 1 GewO genehmigungspflichtig sind. Außerdem ist durch die Neufassung des § 2 5 G e w O die ges. Handhabe geschaffen, genehmigungspflichtige Betriebe laufend dahin zu überprüfen, ob für die Nachbarn oder das Publikum erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen drohen. Für den Fall eines unzureichenden Schutzes der Allgemeinheit können dann nachträglich technische Einrichtungen angeordnet werden, die nach dem Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich vertretbar sind. 3 ) Die Art. 80 A G ; Art. 16 B a y W G stellen die gleichen Voraussetzungen auf, wie § 26 GewO.

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obligatorischer Zusage) beruhende Klage kann auf Unterlassung auch dann gerichtet werden, wenn der Unterlassungsanspruch nur durch Einstellung des Betriebs erfüllt werden kann4). 2. Eine gewerbliche Anlage, für welche die Gewerbeordnung besondere behördliche Genehmigung erfordert. Die Gewerbeordnung enthält ein Verzeichnis dieser Anlagen in § 16 Abs. i i.d.F. vom 22.12.1959 (BGBl. 1,781). Hierzu kommen dann noch die in § 24 der GewO angeführten Dampfkessel. Unter § 16 GewO fallen beispielsweise Gasanstalten, Kalk-, Ziegelei- und Gipsöfen, chemische Fabriken, Feuerwerkerei (Luftfeuerwerk, Herstellung von Gewehr- und Geschützmunition, Leim- und Seifensiedereien, Schlächtereien, Gerbereien, unter Umständen6) auch Müllverbrennungsanlagen. „Gewerbliche Anlagen" im Sinne des § 16 GewO sind Vorrichtungen zur gewerblichen Erzeugung. Niederlagen (z.B. von Lumpen) fallen nicht darunter, wenn sie nicht Bestandteil einer solchen Anlage sind6). Die Kläranlagen einer Stadt fallen nicht unter § 16 7 ). Zu den gewerblichen Anlagen gehören außer den Betriebsstätten die Z u b e h ö r u n g e n , d.h. alles, was zur zweckentsprechenden Herstellung der genehmigungspflichtigen Anlage nötig ist, also auch die zur Fortschaffung von Abfällen und Abwässern erforderlichen Einrichtungen8), nicht dagegen auch weitere Anlagen des Betriebs, die nicht der genehmigungspflichtigen Anlage und ihrerBenützung dienstbar sind9). Deshalb findet § 26 GewO keine Anwendung auf die außerhalb der Gasbereitungs- und -bewahrungsanstalt befindliche, in dem Rohrnetz verkörperte Anlage, die dazu dient, das bereitete Gas den Straßen und Häusern zuzuführen10);

4 ) Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der GewO 371; R G 93, 103; OGH 1 1 , 520. — In solchen Fällen kann die Verwaltungsbehörde die Bewilligung vorbehaltlich zivilrechtlicher Austragung erteilen oder bis zur Beseitigung des Einspruchs versagen (VGH 2, 94). In R G 93, 105 ist darauf hingewiesen, daß bei einem vertragsmäßigen Anspruch die Einrede der nachträglichen Unmöglichkeit (Millionenschaden) in Frage kommen könne (§§ 275, 242 BGB). Vgl. auch Landmann-Rohmer-Eyermann Anm. 1 zu § 26 GewO. 5 ) Auf Herstellung von Lohkuchen durch einen Gerber, getrennt von der GerbereiBetriebsstätte (SeuffBl. ErgBd. 5, 113. 6 ) SeuffBl. 69, 21 (ObLG). 7 ) BayZ 1918, 50 (RG). 8 ) V G H 13, 342; Voraussetzung der Anwendung des § 26 GewO auf eine für den Fabrikbetrieb notwendige Anlage zur FortschafTung der Abwässer ist jedoch, daß diese Anlage in dem der Behörde eingerichteten Plane vorgesehen war (RG 86, 234). ») Vgl. R G 104, 82. l0 ) R G 63, 274.

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3. Die b e h ö r d l i c h e G e n e h m i g u n g muß von der zuständigen Behörde e r t e i l t worden sein 11 ). Es ist eine Genehmigung im Sinne der Gewerbeordnung erforderlich. Die gewöhnliche p o l i z e i l i c h e Genehmigung ist nicht einschlägig 12 ). Der Schutz des § 26 wird nur für den genehmigten Dampfkessel (§24 GewO), nicht aber für die mit diesem ein Ganzes bildenden nicht genehmigten Anlagen, z.B. eine mit dem Dampfkessel verbundene Dynamomaschine gewährt 13 ). Denn im Gegensatz zu den Fällen des § 16 der GewO, in denen die g e s a m t e gewerbliche Anlage mit allem, was dazu g e h ö r t , der gewerbepolizeilichen Genehmigung bedarf, ist dies in § 24 der GewO ausdrücklich auf einen bestimmten Teil der Anlage (den Dampfkessel) beschränkt. Die Gewerbebetriebe selbst werden, falls sie an sich nicht genehmigungspflichtig sind, dies auch nicht dadurch, daß sie Dampfkessel benützen, welche der Genehmigung bedürfen. Der Schutz des § 26 GewO ist daher im Falle des § 24 der GewO nur für die Dampfkesselanlage selbst, nicht aber auch für die Feuerungsanlage gegeben 14 ), obwohl ohne diese eine Benützung des angelegten und genehmigten Dampfkessels gar nicht möglich ist. Stauanlagen16) mit Wassertriebwerken sind in der V O vom 4. 8. i960 zu § 16 GewO i.d.F. vom 22. 12. 1959 nicht mehr aufgeführt, fallen somit nicht mehr unter § 26 GewO. Für sie gelten nun die Bestimmungen des W H G vom 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) in Verb, mit dem Art. 16 Abs. 3 BayWG. Hiernach ist bei nachteiligen Einwirkungen infolge einer Wasserbenutzung zu unterscheiden: a) Für nachteilige Wirkungen, die durch Änderungen in der Beschaffenheit des Wassers herbeigeführt werden, ist die Verursachungshaftung in § 22 W H G und Art. 37 Abs. 5 BayWG von 1907 16 ) vorgesehen. Der Einwirkende ist hier grundsätzlich für allen Schaden verantwortlich, der einem Dritten durch Einbringen oder Einleiten von Stoffen usw. (§20 Abs. 1 u. 2 WHG) entsteht. Eine Ausnahme gilt nur bei höherer Gewalt. n ) Diese Voraussetzung ist auch gegeben, wenn die Konzession vor Inkrafttreten der GewO nach Landesrecht erteilt ist, sofern die Errichtung einer solchen Anlage nach § 16 R G e w O jetzt der Genehmigung bedarf (Riehl bei Gruchot J I , 1 5 2 ; J W 1886, 120 R G ; Bolze 2 Nr. 1 5 1 ; Warneyer E . 14 Nr. 189; a.M. R G 1 1 , 185; Bolze 2 Nr. 150). 12 ) Landmann, G e w O Anm. 3 zu § 26. Recht 1903, 557 Nr. 2887 für eine nur der polizeilichen Erlaubnis bedürfende Eismaschine einer Brauerei. 13 ) R G 40, 182. SeuffA 38 Nr. 159 (RG). 14 ) SeuffA 53 Nr. 180. — Vgl. V G H 2, 291. « ) V g l . V G H 26, 338; Riederer-Sieder Art 50 W G Randb. 15 ) Vgl. Art. 16 BayWG.

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b) Beeinträchtigungen von Rechten Dritter infolge einer Wassernutzung, die auf Grund einer Erlaubnis ( § 7 WHG) oder einer Bewilligung (§8 WHG) 1 7 ) gestattet ist, werden im wasserrechtlichen Verfahren auf entsprechende Einwendungen des Betroffenen hin nach Möglichkeit im Wege von Auflagen zu vermeiden gesucht. Eine Bewilligung darf grundsätzlich nur erteilt werden, wenn nachteilige Wirkungen gegenüber Rechten Dritter durch Auflagen oder Bedingungen verhütet oder ausgeglichen werden können. Ist das nicht möglich, so darf eine Bewilligung aus Gründen des Gemeinwohls erteilt werden. In diesem Falle ist jedoch der Betroffene zu entschädigen. Konnte der Betroffene während des wasserrechtlichen Verfahrens nachteilige Wirkungen nicht voraussehen, so hat er Anspruch auf nachträgliche Festsetzung von Auflagen. Falls sich jedoch die Nachteile durch nachträgliche Auflagen nicht mehr vermeiden lassen, so hat der Betroffene Anspruch auf Entschädigung (§ 10 Abs. 2 W H G ; Art. 16 Abs. 3 BayWG). Ist eine Bewilligung rechtskräftig erteilt, so kann ein in seinen Rechten Betroffener keine Ansprüche mehr geltend machen, die auf Beseitigung der Störung, auf Unterlassung der Wassernutzung, auf Herstellung von Schutzvorrichtungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 WHG). Nur für den Fall, daß die schädlichen Wirkungen in einer Veränderung der Wasserbeschaffenheit (durch Einbringen von Stoffen usw. § 20 Abs. 1 u. 2 WHG) bestehen, und daß hierbei auf Grund des § 1 1 Abs. 1 W H G der Anspruch auf Schadensersatz ausgeschlossen ist, kann der Betroffene eine Entschädigung dann beanspruchen, wenn die nachteiligen Wirkungen auch durch nachträgliche Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden können ( § 1 0 Abs. 2 WHG). 4. Die gewerbliche Anlage muß unter E i n h a l t u n g der in der b e h ö r d l i c h e n G e n e h m i g u n g g e m a c h t e n A u f l a g e n , durch welche eine Verminderung der betreffenden Einwirkungen bezweckt wird, errichtet worden sein18). Dabei ist zu beachten, daß für eine Veränderung der Betriebsstätte19) und soweit die Anlagen des § 16 GewO in Betracht kommen, auch für eine wesentliche Änderung 20 ) im Betrieb Genehmigung erforderlich ist (§ 25 GewO). " ) Vgl. unten § 39 u. § 43 D III Bb 7. 18 ) Vgl. SeuffA 38 Nr. 159. 19 ) Betriebsstätte ist der gesamte zur Ausübung benützte Raum mit allen integrierenden Bestandteilen (SeuffBl. 70, 398). 20 ) Die Änderung ist wesentlich, wenn dadurch stärkere Belästigungen für die Nachbarn herbeigeführt werden (vgl. P r O V G 10,260; 2 4 , 3 1 6 ; 29,286 u. 309; SeuffBl. 70, 398Ì). Die Herstellung einer neuen Abwasseranlage ist eine wesentliche Änderung (vgl. PrMinBl.

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Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

B II

Ist dem Unternehmer bei der Konzession die E i n h a l t u n g v o n B e d i n g u n g e n auferlegt worden, so kann im Falle des § 907 B G B Klage erhoben werden, daß der Betriebsunternehmer die fernere Überschreitung der ihm seinerzeit auferlegten Konzessionsbedingungen unterläßt 21 ). Handelt der Unternehmer den ihm auferlegten Konzessionsbedingungen zuwider, so kann er insoweit nach den Grundsätzen der gewöhnlichen Eigentumfreiheitsklage in Anspruch genommen werden 22 ). Dem Unternehmer liegt der Beweis ob, daß die Einwirkung durch eine konzessionierte Betriebshandlung herbeigeführt wird 23 ). Würde an sich nicht der Beseitigungsanspruch (§ 907), sondern nur der allgemeine Unterlassungsanspruch (§ 1004) bestehen, so wäre die Klage darauf zu richten, daß der Beklagte die unzulässigen Einwirkungen insoweit unterläßt, als sie bei Einhaltung der Konzessionsbedingungen ausgeschlossen wären. II. Es ist nun zu untersuchen, inwieweit § 26 der G e w O auf die einschlägigen Vorschriften des B G B einwirkt. V o r allem ist zu beachten, daß § 26 der G e w O zur Förderung des Gewerbebetriebes eingeführt wurde. Es wollte also n i c h t etwa g e g e n den Gewerbebetrieb ein Anspruch begründet werden, der nach den allgemeinen Vorschriften nicht bestehen würde. Der Anspruch, welcher zum Schutze des durch den Gewerbebetrieb belästigten Grundeigentümers durch die allgemeinen Vorschriften gegeben ist, sollte in seinen Voraussetzungen nicht erleichtert werden. Ein Anspruch auf Einstellung des Betriebes besteht auf Grund des § 906 B G B überhaupt nicht 24 ). Soweit aber nach § 907 B G B ein Anspruch auf Beseitigung der ganzen Anlage besteht, ist er für die gewerblich konzessionierten Betriebe im Sinne des § 26 der G e w O und für Verkehrsunternehmungen im Sinne des Art. 80 A G durch diese Bestimmungen ausgeschlossen. Es ist klar, daß, wenn § 26 der G e w O und der auf diesen ver-

für Handel u. Gewerbe 1915, 390). Reger 27, 348 (neuer Kamin für Dampfkessel); 32, 201 (nur geringfügige Änderungen sind nicht -wesentlich); 35, 246 (entscheidend ist der Inhalt des Genehmigungsbescheids); BayObST 14, 85 (neue Betriebsart an Stelle oder neben der bisherigen. 21 ) Reger io, 385. — Landmann, GewO Anm. 5 zu § 26. 22) Bei einem Verstoß gegen die in der Genehmigungsurkunde getroffenen Anordnungen wird aus § 823 Abs. 2 BGB auf Schadenersatz gehaftet (BayZ 16, 91 RG). § 16 GewO verbietet den Gewerbebetrieb, der nicht genehmigt ist. Wird die Genehmigung unter Bedingungen und Auflagen erteilt, so ist durch § 16 GewO der Betrieb, bei dem die Bedingungen und Auflagen nicht eingehalten sind, verboten. Nicht die Anordnung der Verwaltungsbehörde stellt das Schutzgesetz dar, wie das R G a.a.O. sagt, sondern § 16 GewO. 23) Riehl bei Gruchot 51, 152. 24) Vgl. Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der GewO 370.

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B II 1 weisende Art. 80 A G nicht einmal einen Anspruch auf Betriebseinstellung zuläßt, dadurch auch der weitergehende Anspruch auf Beseitigung der Betriebsanlage entzogen ist 26 ). Hiernach stellt sich die Rechtslage für die behördlich genehmigten gewerblichen Anlagen im Sinne des § 26 derGewO, und für die Verkehrsunternehmungen im Sinne des Art. 80 A G , wie folgt dar: 1. Der etwa an sich bestehende Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Anlage (§ 907 BGB) f ä l l t w e g ; an dessen Seite tritt der Anspruch auf Herstellung der t u n l i c h e n E i n r i c h t u n g e n , welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen. Aber nur solche Einrichtungen können verlangt werden, welche tunlich und mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes vereinbar sind. Mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes ist alles unvereinbar, was v o m Standpunkt des Unternehmens aus das in wirtschaftlicher Beziehung Unzweckmäßige in sich schließt26). Deshalb können unverhältnismäßig kostspielige Einrichtungen nicht verlangt werden, auch nicht Einrichtungen, die mit ganz erheblichen Betriebsstörungen verbunden wären. Besteht die Möglichkeit, daß nach Herstellung der tunlichen Einrichtungen doch noch unzählige Einwirkungen übrig bleiben, für welche der Unternehmer zur Schadloshaltung verpflichtet ist, dann kommt es darauf an, ob die Kosten der Vorkehrungen zu der hierdurch bewirkten Herabminderung des Ersatzanspruchs in einem entsprechenden Verhältnis stehen27). Der Nachbar braucht sich regelmäßig 28 ) nicht damit zu begnügen, daß die Beeinträchtigung v o m Unternehmer durch Betriebseinstellung vermieden wird. Er könnte jeden Augenblick doch wieder begonnen werden und gerade gegen solche Gefährdung wäre an sich der Anspruch auf Beseitigung gegeben, an dessen Stelle aber der mindere auf Herstellung von Einrichtungen tritt. Ist Ausschließung nicht möglich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks verlangen, daß Einrichtungen getroffen werden, welche die benachteiligenden Einwirkungen auf ein erträgliches Maß herabsetzen29). Der Anspruch auf Herstellung und Unterhaltung solcher Einrichtungen ist ein dauernder; er besteht solange, wie die beeinträchtigende Anlage. Daher ist die Klage nicht abzuweisen, wenn der Beklagte erst im Laufe des Rechtsstreits Vorrichtungen getroffen hat, welche die beeinträch-

25 ) V g l . Tumau-Förster A n m . 1 zu § 907. Für einen gleichwohl erhobenen Anspruch auf Beseitigung ist der Rechtsweg zulässig (JW 1908, 302). V g l . auch R G 139, 29. 29 ) Gruchot 42, 138; vgl. R G 93, 103. 2 ') R G 86, 234. R G 147, 353 (Schutzvorrichtungen an Starkstromleitung über einer Straße); 156, 320 (Vorrichtung gegen Flugkoks aus Brauerei); JW 1931, 3444; 1938, 2969. 28) 29 )

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V g l . oben § 38 II. JW 1896, 210; 1900, 895; 1902, Beil. 202; O L G 36, 157.

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tigenden Einwirkungen in Wegfall bringen ). Der Klageantrag und die Verurteilung dürfen n i c h t auf Herstellung konkret b e s t i m m t e r Einrichtungen gerichtet werden, weil der Unternehmer in der Auswahl der ihm zu Gebote stehenden Schutzmaßregeln nicht beschränkt werden darf 3 1 ). Dies bleibt der Zwangsvollstreckungsinstanz vorbehalten (§§ 887, 888 ZPO) 32 ). Behauptet der Beklagte, daß die Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen oder mindern, überhaupt nicht tunlich ist, so trägt er hierfür im Prozesse die Beweislast. 2. Der allgemeine A n s p r u c h 3 3 ) auf U n t e r l a s s u n g der Beeinträchtigung (§§ 1004, 862 B G B ) fällt dann weg, wenn Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, u n t u n l i c h sind. Denn wenn dies der Fall ist, dann könnte der Unternehmer nur durch Einstellung des Betriebes dem Anspruch auf Unterlassung gerecht werden. Gerade das soll aber von ihm nach § 26 der GewO bzw. Art. 80 A G nicht verlangt werden können34). Der Anspruch auf Unterlassung einer Einwirkung von Seite eines Unternehmens fällt auch dann weg, wenn Maßnahmen, durch die eine Beeinträchtigung verhindert werden könnte, einem Unternehmen von der Art des Störenden wirtschaftlich nicht zugemutet werden können (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Aber auch die Herstellung solcher Einrichtungen, die mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes n i c h t v e r e i n b a r sind, soll nicht verlangt werden können und es ist daher der Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch dann versagt, wenn nur durch Herstellung solcher Einrichtungen die unzulässige Beeinträchtigung vermieden werden könnte. Sind aber Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen, tunlich, so hat der Eigentümer des leidenden Grundstückes den Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung; er kann nicht verlangen, daß tatsächlich solche Einrichtungen getroffen wer-

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) R G 36, 1 7 8 ; J W 1896, 210 Nr. 3 7 ; 1898, 610 Nr. 41. ) R G 36, 1 7 8 ; Gruchot 51, 1 4 2 ; Recht 1906 Nr. 1288; Reger 23, 196; Recht 1919 Nr. 1786; Hodes in N J W 54, 644. 32 ) Riehl bei Gruchot 51, 1 5 3 ; R G 60, 120; SeuffA 59 Nr. 21 (RG). 33 ) Nach § 51 GewO kann die höhere Verwaltungsbehörde eine gewerbliche Anlage wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl jederzeit untersagen. Vgl. auch R G 105, 214. 34 ) Unrichtig WürttRV 1913, 247, Stuttgart, wonach nur eine auf Einstellung des Betriebs gehende Klage ausgeschlossen sein soll, nicht dagegen eine Klage auf Unterlassung einzelner Störungen, möge auch bei deren Durchfuhrung der weitere Betrieb unmöglich sein. Vgl. R G Z 170, 44. 31

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den 35 ). E s bleibt dem Unternehmer überlassen, dem Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch durch Betriebseinstellung zu genügen. Sind Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung a u s s c h l i e ß e n , nicht tunlich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks doch auf die Unterlassung des Ubermaßes der benachteiligenden Einwirkungen klagen, um welches diese durch Herstellung der tunlichen Einrichtungen g e m i n d e r t würden 3 6 ). Wegen störender Einwirkungen aus Nebenbetrieben (Kohlenwäscherei und Entstaubungsanlagen) eines Bergwerks kann nicht auf Einstellung des Betriebs (Art. 206 BayBergG) geklagt werden; vielmehr kann nur in entsprechender Anwendung des § 26 GewO die Herstellung von Einrichtungen verlangt werden, durch die benachteiligende Einwirkungen auf das zulässige Maß herabgesetzt werden. Die Frage, welche Lärmstörungen zu dulden sind, ist nach dem subjektiven Empfinden des Einzelnen, sondern nach dem normalen Empfinden des Durchschnittsmenschen zu entscheiden (HRR 1941, 29; HRR 1932, 1578). Unter § 26 GewO fallen nur solche Nebenanlagen, die notwendige Bestandteile der Hauptanlage sind (RG 127, 29; B G H in M D R 59, 31). III. A n s p r u c h a u f

Schadloshaltung

E s fragt sich nun, wie in jenen Fällen, in welchen auf Grund des § 26 G e w O (und des Art. 80 A G ) der negatorische Anspruch aus § 1004 entzogen ist, der an dessen Stelle durch § 26 G e w O (Art. 80 A G ) verliehene Anspruch auf Schadloshaltung beschaffen ist. Für die Untersuchung dieser Frage ist eine Klarstellung des Begriffs „Schadloshaltung" erforderlich. Der Begriff „Schadloshaltung" wird nur dann richtig erfaßt, wenn man von der dem Anspruch zugewiesenen A u f g a b e ausgeht, einen A u s gleich für die Entziehung des negatorischen Abwehranspruches zu schaffen. Weil nun die Eigentumsfreiheitsklage Verschulden des Beklagten nicht voraussetzt, so ist dies auch für den Anspruch auf Schadloshaltung des Beklagten nicht erforderlich 37 ). Der Eigentümer soll dafür schadlos gehalten werden, daß er die Einwirkungen nicht abwehren kann, die er an sich nicht zu dulden hätte. N u r hierfür soll er entschädigt werden. Eine in der Zukunft weiter wirkende Beeinträchtigung des Eigentums, gegen 36 ) Siehe jedoch oben unter a; es handelt sich hier nur um den nach Maßgabe des § 906 B G B bestehenden Anspruch, während unter a der weitergehende Anspruch, der aus § 907 B G B hervorgeht, erörtert ist. 36 ) SeuffA 47, Nr. 285 (RG). J W 1896, 210; 1900, 895 Beil. 202; O L G 35, 157. Der infolge des Vorhandenseins der geminderten Beeinträchtigung erwachsende Minderwert des Hauses muß ersetzt werden. Vgl. EntschOGH 6, 403. Vgl. unten c. 37 ) R G 47, 98; JW 1901, 1 1 ; Gruchot 50, 412 (RG); vgl. Maenner 165 Anm. 44; Bolze 17 Nr. 62. Zutreffend Endemann 2, 475 Anm. 57: „§ 26 GewO greift keineswegs der ziviirechtlichen Frage vor, ob stets eine Haftung auf S c h a d e n e r s a t z besteht". Das ist richtig; man muß eben die Begriffe „Schadenersatz" und „Schadloshaltung" auseinander halten.

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§ B III

die keine A b w e h r m ö g l i c h ist, m u ß den W e r t des G e g e n s t a n d e s des E i g e n tums h e r u n t e r d r ü c k e n ; der d a d u r c h h e r b e i g e f ü h r t e M i n d e r w e r t ist z u ersetzen 3 8 ). D e r beeinträchtigte E i g e n t ü m e r darf aber d a d u r c h nicht besser gestellt w e r d e n als er stehen w ü r d e , w e n n i h m der gesetzliche A b w e h r a n s p r u c h v e r b l i e b e n w ä r e . D e s h a l b w i r d i h m n u r der M i n d e r w e r t ersetzt, d e n sein G r u n d s t ü c k d a d u r c h erleidet, daß er die E i n w i r k u n g e n nicht abw e h r e n k a n n , die ü b e r das n a c h d e n a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t e n (insbes. § 906), zulässige M a ß hinausgehen 3 9 ). D i e H ö h e der S c h a d l o s h a l t u n g ist n a c h d e m M a ß e der derzeit 4 0 ) u n z u l ä s s i g e n E i n w i r k u n g e n festzusetzen. Steigert sich später das M a ß der E i n w i r k u n g e n , so k a n n w e i t e r e S c h a d l o s h a l t u n g f ü r die d a d u r c h h e r b e i g e f ü h r t e E r h ö h u n g des M i n d e r w e r t e s v e r l a n g t w e r d e n . Ist der W e r t des H a u s e s nicht n u r d u r c h die a n sich u n z u lässigen E i n w i r k u n g e n des b e k l a g t e n Betriebs, s o n d e r n a u c h d u r c h E i n w i r k u n g e n anderer N a c h b a r n g e m i n d e r t , so hat der b e k l a g t e B e t r i e b n u r f ü r den v o n i h m v e r u r s a c h t e n T e i l des M i n d e r w e r t e s schadlos z u halten 4 1 ). D a d u r c h die S c h a d l o s h a l t u n g der N a c h t e i l a u s g e g l i c h e n w e r d e n soll, d a ß die E i n w i r k u n g e n f ü r alle Z u k u n f t nicht a b g e w e h r t w e r d e n k ö n n e n , m u ß in entsprechender 4 2 ) A n w e n d u n g des § 249 der Z u s t a n d hergestellt w e r d e n , der bestehen w ü r d e , w e n n der z u r S c h a d l o s h a l t u n g v e r p f l i c h t e t e U m s t a n d ä8) SeuffA 49 Nr. 236 RG. 39) Vgl. R G 70, 150; (Einwirkungen, die über das zulässige Maß hinausgehen) 101, 105 (rechtswidrige Einwirkungen). Dagegen kann darüber hinaus (vgl. R G Warneyer 11 Nr. 404 (Recht 11 Nr. 3185)) Ersatz auch des „Schadens", der durch die nach §906 zulässigen Einwirkungen verursacht wird, nicht anerkannt werden. Diese merkwürdige Folgerung aus dem im Interesse der Industrie erlassenen § 26 GewO ist abzulehnen. Sie wird daraus gefolgert, daß dem Eigentümer, der einen ihm zustehenden Anspruch auf Beseitigung (§ 907) der Anlage durchsetzen könnte, von dieser Anlage überhaupt keine Immissionen mehr zugeführt würden, also auch keine an sich zulässigen. Nur weil nach § 26 der Abwehranspruch entzogen sei, habe es überhaupt noch zu irgendeiner Immission durch diese Anlage kommen können. Deshalb müsse auch für einen Schaden, der durch eine an sich zulässige Immission verursacht wurde, Ersatz geleistet werden. Diese Beweisführung beruht auf einem Trugschluß. Es wird nämlich übersehen, daß dem Eigentümer der gewerblichen Anlage nach deren Beseitigung eine anderweitige Benützung seines Grundstückes und die dadurch herbeigeführte Zuführung zulässiger Immissionen freistehen würde. Durch die Schadloshaltung soll der beeinträchtigte Eigentümer in seiner Vermögenslage so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn ihm sein Abwehranspruch durch § 26 GewO nicht entzogen wäre. Vgl. auch R G Z 139, 29; 155, 316; BGHZ 15, 146 (Ersatz auch des vor Erhebung der Klage bereits entstandenen Schadens); MDR 59, 31 (Steinschlag aus Steinbruch). 40)

RG Warneyer 13 Nr. 144. Eine entsprechende Anwendung des § 840 kommt nicht in Frage; RGKomm. Bern. 13 zu § 906. 42) § 249 kann nicht unmittelbar, sondern nur analog angewendet werden, da er nur den „Schadenersatz" regelt, während es sich hier um den damit nicht zusammenfallenden Begriff der „Schadloshaltung" handelt. 41 )

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5 BIII

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

(Wegfall des Abwehranspruches für die Zukunft) nicht eingetreten wäre. Würde der Abwehranspruch bestehen bleiben, so hätte das Haus einen höheren Wert. D e r Minderwert ist 2u ersetzen. D e r Ersatz wird regelmäßig durch eine Kapitalabfindung zu leisten sein 43 ). E s kann aber unter U m ständen auch Verurteilung zu einer jährlichen Rente für die Dauer des Beeinträchtigungszustandes angezeigt sein, wenn mit dem Fortfall einer an sich unzulässigen Beeinträchtigung zu rechnen ist 43 ). Weil die Schadloshaltung den Ausgleich dafür schafft, daß für die Zukunft die an sich unzulässigen Einwirkungen nicht abgewehrt werden können, so kann nach geleisteter Schadloshaltung der Betriebsunternehmer v o n einem S o n d e r n a c h f o l g e r des beeinträchtigten Grundstückes insoweit nicht nochmals auf Schadloshaltung in Anspruch genommen werden als für die Entziehung des Abwehranspruches dem Vorbesitzer der dadurch herbeigeführte Minderwert ersetzt ist 44 ). Eine andere Beurteilung hat einzutreten, wenn sich nach der Schadloshaltung das Maß der an sich unzulässigen Einwirkungen g e s t e i g e r t hat. Durch die Zahlung des Minderwertes erhält aber der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes noch keinen völligen Ausgleich für die ihm 43 ) RGKomm. Bern. 13 zu § 906 wendet den § 249 Satz 2 an, da es sich um B e s c h ä d i g u n g einer Sache handle, und somit der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn die Einwendungen nicht stattfinden würden. Deshalb ist grundsätzlich eine Kapitalabfindung und nur unter ganz besonderen Umständen eine zeitweise oder fortdauernd zu zahlende Rente zu gewähren (RG 45, 203; Gruchot 61, 804; J W 1918, 86; BayZ 1918, 81; Warneyer 15 Nr. 1 4 1 ; Warn. 1915 Nr. 193; 19 Nr. 172). Der Begriff „Schadloshaltung" hat eine Vermögensbeschädigung (ähnlich wie bei § 263 RStGB) im Auge, die schon vorliegen kann, bevor die Sache beschädigt ist. Vgl. SeuffA 49 Nr. 236 (RG billigt eine Verurteilung zu 5% des Hauswertes), vgl. O G H 6, 403; SeuffA 52, Nr. 212. 44 ) RGKomm. Bern. 13 zu § 906 meint, der Ersatzpflichtige könne sich im Falle der Kapitalabfindung dagegen, daß er von einem Besitznachfolger des Ersatzberechtigten etwa „noch einmal auf Schadenersatz" in Anspruch genommen werde, dadurch schützen, daß er die Eintragung einer Grunddienstbarkeit betr. Duldung der Einwirkungen verlange (RG Warneyer 15 Nr. 141). Hier wird also unterstellt, daß der Sondernachfolger, wenn eine solche Grunddienstbarkeit nicht eingetragen sei, nochmals Schadloshaltung beanspruchen könne. Das ist nicht der Fall. Wenn durch die Schadloshaltung der Minderwert ausgeglichen wird, der durch die Pflicht zur dauernden Duldung der Einwirkungen herbeigeführt ist, dann wird der Käufer des Grundstückes entsprechend diesem Minderwert auch einen geringeren Kaufpreis zu zahlen haben (vgl. hierzu unten Anm. 48). Hat der Verkäufer durch arglistiges Verschweigen der ihm geleisteten Schadloshaltung im Käufer den Glauben erweckt, daß er die unzulässigen Einwirkungen abwehren oder doch Schadloshaltung verlangen könne, dann kann er vom Käufer auf Schadenersatz aus dieser unerlaubten Handlung belangt werden. Gegen den Betriebsunternehmer hat der Sondernachfolger nach einer seinem Rechtsvorgänger geleisteten Schadloshaltung den Anspruch nicht mehr.

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Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

B III durch die Entziehung des Abwehranspruches zugehenden Nachteile. Könnte er den Anspruch auf Beseitigung (§ 907) oder Unterlassung (§ 1004) erheben, so würde von da ab der Unternehmer durch die Geltendmachung des Anspruchs 48 ) in Verzug gesetzt mit der Folge der Schadenersatzpflicht ohne Verschulden (§ 286). Durch die Entziehung des Abwehranspruchs wird sein Nachbar außerstande gesetzt, den Unternehmer in Verzug zu setzen und dadurch ohne weiteres schadenersatzpflichtig zu machen. Für diesen Verlust muß er schadlos gehalten werden und die Schadloshaltung besteht eben gerade darin, daß der Unternehmer, der auf Erfüllung nicht gemahnt werden kann, ohne Mahnung schadenersatzpflichtig ist. Voraussetzung ist weiter nichts, als daß an sich — ohne § 26 G e w O — die Erfüllung des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs hätte verlangt werden können, nicht aber, daß diese Erfüllung tatsächlich verlangt worden ist48). Nur dann, wenn nach den Umständen des Falls mit völliger Sicherheit anzunehmen ist, daß der Abwehranspruch, auch wenn seiner Geltendmachung das rechtliche Hindernis aus § 26 G e w O nicht entgegengestanden hätte, nicht geltend gemacht worden wäre, kann dieser Schadenersatzanspruch nicht geltend gemacht werden, da ja die Schadloshaltung nur den Schaden ausgleichen soll, der infolge der Entziehung des Abwehranspruchs erlitten wird. Der Anspruch auf Schadloshaltung umfaßt also den Minderwert des beeinträchtigten Grundstückes und daneben den Ersatz des Schadens, der durch diesen Minderwert nicht ausgeglichen ist, gleichviel, ob der Schaden bereits entstanden ist oder erst in Zukunft entstehen wird.

46 )

A u c h der Anspruch auf Unterlassung ist auf eine „Leistung" gerichtet. Anders das R G in Gruchot 50, 412; J W 1905, 503; 1912, 869 und mit besonderer Schärfe in J W 1915, 601. D o r t wird zunächst richtig ausgeführt, daß § 26 G e w O den Anspruch auf Schadloshaltung nur gebe, wenn Einrichtungen, die die nachteiligen Einwirkungen auf das Gemeinübliche zurückführen, untunlich sind. D a n n heißt es aber weiter: § 26 R G e w O setzt voraus, daß der Benachteiligte sich meldet und Abhilfe verlangt. Unterläßt er dies und tritt er dann hinterher mit Schadenersatzansprüchen für d i e V e r g a n g e n h e i t , in der Regel also für die Zeit v o r d e r Klageerhebung hervor, so kann er sich nicht auf § 26 R G e w O berufen, sondern muß dem anderen Teil nach allgemeinen Grundsätzen das Verschulden nachweisen. — Damit ist gesagt: § 26 bewilligt eine Schadloshaltung ohne weiteres nur gegen k ü n f t i g zu befürchtende benachteiligende E i n willigung und nicht auch für b e r e i t s e i n g e t r e t e n e Schäden (so das O L G K ö l n ohne Widerspruch des R G im Falle R G 101, 103). V g l . dagegen R G Z 104, 85; Gierke, DPr. 11 § 126 A n m . 1 5 ; Riehl bei Gruchot 51, 155. Mit R G Z 139, 29 hat das Reichsgericht unter der früheren Rechtsprechung, sich der Ansicht angeschlossen daß der Schadloshaltungsanspruch aus § 26 G e w O sich auch auf die vor Klageerhebung entstandenen Schäden erstrecke; v g l . auch R G Z 155, 316; B G H Z 15, 146; N J W 55, 19; Staudinger-Seufert Randbem. 48 zu § 906. 4e)

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

B III 1 , 2

Der Minderwert stellt den Vermögensnachteil dar, der schon jetzt dadurch entstanden ist, daß der Eigentümer die an sich unzulässigen Einwirkungen f ü r die Z u k u n f t nicht verbieten kann, sondern dulden muß. Hat der Eigentümer dadurch, daß er nicht verbieten konnte, einen bereits eingetretenen Schaden erlitten, so gehört dessen Ersatz zur Schadloshaltung. Es kann aber in Zukunft durch die Einwirkungen ein weiterer Schaden verursacht werden, dessen Eintritt möglich oder sogar wahrscheinlich ist, aber nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. Während der schon jetzt entstandene Sachschaden und Vermögensschaden (Minderwert) den derzeitigen Eigentümer trifft, und daher diesem zu ersetzen ist, trifft ein weiterer späterer Schaden denjenigen, der zur Zeit des Eintritts dieses Schadens der Eigentümer ist. Solange dieser Schaden noch nicht eingetreten ist, kann er nicht zugesprochen werden und die Feststellung kann nicht zugunsten des derzeitigen Eigentümers erfolgen, sondern zugunsten desjenigen, der beim Eintritt des Schadens der Eigentümer sein wird. Die Klage auf Schadloshaltung wird also etwa folgenden A n t r a g zu erhalten haben: „ i . Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger 20000 D M (Minderwert) zu ersetzen; 2. es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Eigentümer des Hausgrundstücks Fl.-Nr. 2 1 1 jeden durch die Zahlung von 20000 D M für Minderwert nicht ausgeglichenen Schaden zu ersetzen, der in Zukunft dadurch erwachsen wird, daß der Beklagte dem Grundstück Fl.-Nr. 2 1 1 Erschütterungen zuführt, welche die Benützung dieses Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und welche durch eine Benützung des beklagten Grundstücks herbeigeführt werden, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage ungewöhnlich ist, hinsichtlich derer aber Einrichtungen, die die benachteiligende Einwirkung ausschließen würden, unzweckmäßig oder mit einem ordnungsmäßigem Betrieb des Gewerbes unvereinbar sind 47 )." Die Zahlung für Wertsminderung begreift alle Nachteile in sich, die infolge der Fortdauer der unzulässigen Einwirkung nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge in Zukunft eintreten werden. Ist das Maß der von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Erschütterungen so stark, daß mit dem Grad von Sicherheit, mit dem sich die menschliche Erkenntnis für die Beurteilung 47 ) Der Schadloshaltungsanspruch wird nämlich nicht ausgelöst durch Immissionen, die auf einer ortsüblichen Benützung des Grundstücks beruhen. E s kann hier aber der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2. S. 2 B G B gegeben sein. Sind jedoch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigungen und tunliche mit dem Gewerbebetrieb zu vereinbarende Einrichtungen möglich, so kann auf deren Herstellung geklagt werden.

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Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw. B III 2

der Zukunft begnügen muß, die Verursachung von Rissen des Nachbarhauses vorherzusehen ist48), dann ist dem Ersatz der Minderung ein entsprechender Betrag für Schutzvorkehrungen und Instandsetzungsarbeiten einzurechnen49). Ist die Entstehung solcher Risse nicht vorherzusehen, so ist in der Gegenwart auch ein V e r m ö g e n s schaden nicht entstanden. Entsteht später ein S a c h schaden, so ist es für den nachträglich erhobenen Schadenersatzanspruch des Eigentümers, gleichviel ob es der durch Zahlung der Wertminderung abgefundene Eigentümer ist oder sein Sondernachfolger. Tatsache, ob bei der seinerzeitigen Bemessung der Schadloshaltung auch die Gefährdung der Beschädigung des Nachbarhauses durch Risse einbezogen wurde. War dies der Fall, so ist noch weiter zu prüfen, ob nicht nach der Schadloshaltung eine Steigerung des Maßes der Einwirkungen eingetreten ist. Dies kann nach beiden Richtungen zu der Annahme führen, daß durch die Schadloshaltung für Wertminderung nur ein Teil des später entstandenen Sachschadens im voraus ausgeglichen wurde. Der U n t e r s c h i e d zwischen den Begriffen Schadloshaltung und Schadenersatz kommt auch insoferne zur Geltung, als derjenige, welcher den Anspruch auf S c h a d l o s h a l t u n g im Sinne des § 26 GewO erhebt, b e w e i s e n muß, daß der negatorische Anspruch infolge der Bestimmung des § 26 GewO bzw. des Art. 80 A G in Wegfall gebracht ist, insbesondere auch, daß solche E i n r i c h t u n g e n , welche die Beeinträchtigungen auf das zulässige Maß herabsetzen, nicht t u n l i c h sind50). Der Kläger wird daher gut daran tun, seinen Klageantrag a l t e r n a t i v zu stellen, so daß dem Beklagten die Wahl gelassen wird, ob er die erforderlichen Einrichtungen treffen oder schadlos halten will (§ 264 B G B ) , zum mindesten aber sollte Dabei wird der Richter einen strengen Maßstab an die Erfordernisse einer solchen Sicherheit anzulegen haben, damit, wenn später die Beschädigung durch Risse eintritt, der Ersatz hierfür an den gelangt, der zur Zeit der Beschädigung Eigentümer ist. la ) Ein Haus, bei dem die Entstehung von Rissen mit S i c h e r h e i t vorauszusehen ist, ist schon jetzt entsprechend weniger wert. Der Vermögensschaden ist also schon jetzt entstanden, auch wenn der Sachschaden erst später eintritt. Der derzeitige Eigentümer ist daher geschädigt und ihm wird der Ersatz durch Zahlung der Wertminderung bezahlt. Tritt dann nach einem Wechsel des Eigentums der Sachschaden ein, so wird zwar der Erwerber von diesem Sachschaden betroffen; in seiner gesamten Vermögenslage wird jedoch der Erwerber nicht geschädigt; denn er hat seinerzeit ein Haus erworben, bei dem die spätere Entstehung von Rissen mit Sicherheit vorauszusehen und das Haus infolgedessen entsprechend weniger wert war. Hat er einen Kaufpreis bezahlt, bei dem die Wertminderung infolge der Gefährdung des Hauses nicht berücksichtigt war, dann ist sein Vermögen dadurch geschädigt, daß er zu teuer gekauft hat. 50 ) Vgl. Landmann GewO Anm. 5 zu § 6. Vgl. Gruchot 50, 415 (RG). Hat z.B. der Eigentümer Klage auf Zahlung von 20 000 D M als Schadloshaltung für den Minderwert seines Hauses erhoben und der Betriebsinhaber stellt Einrichtungen her, welche die Beeinträchtigungen auf das zulässige Maß herabsetzen, so muß die Klage auf Zahlung abgewiesen werden.

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§ ™ B III 2

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

der Kläger den einen Anspruch behelfsweise neben dem anderen erheben. Denn selbst, wenn er nachweisen kann, daß die Folgen der unzulässigen Einwirkungen auf einem Verschulden des Beklagten beruhen, so kann er nur Ersatz des bereits entstandenen Schadens, nicht Ersatz des Schadens beanspruchen, der durch künftige Einwirkungen entstehen wird. Die Schadloshaltung schafft einen Ausgleich für gewisse künftige Nachteile. Der Anspruch auf Schadloshaltung ist nur gerechtfertigt, wenn diese tatsächlichen Voraussetzungen des § 26 GewO gegeben sind. Diese Voraussetzungen gehören also zur Klagebegründung und sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen61). Der Kläger, der Schadloshaltung verlangt, muß also beweisen, daß Einrichtungen zur Beseitigung der schädlichen Anlagen nicht tunlich sind (vgl. LeipZ 1921, 379). Freilich wird man an diese Beweislast keine zu großen Anforderungen stellen dürfen. Wenn der Beklagte auf Befragen nicht darzulegen vermag, welche Einrichtungen für die Ausschließung der schädlichen Einwirkungen in Betracht kommen, wird ein weiterer Beweis dem Kläger nicht angesonnen werden können. Umstritten ist die Frage, ob der Anspruch auf Entschädigung wegen Entzugs des Abwehranspruchs aus § 1004 Abs. 1 B G B , d.i. Schadloshaltungsanspruch nach § 26 GewO oder Ausgleichsanspruch für Enteignung, in entsprechender Anwendung des § 8 5 2 B G B bereits nach 3 Jahren verjährt oder der allgemeinen Verjährungsfrist des § 195 B G B unterliegt. Für den Schadloshaltungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung nach § 75 EinlPrALR hat die herrschende Ansicht die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren angenommen52). Der Aufopferungsanspruch sei seinem Wesen und Inhalt nach von einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung so verschieden, daß er nicht ohne weiteres der kurzen Verjährung des § 852 B G B unterstellt werden könne. Dabei sei es ohne Belang, ob der Anspruch auf einem rechtmäßigen oder rechtswidrigen Ein61 ) Zwar kann dann der Kläger Schadenersatz nach § 823 beanspruchen, aber dieser Schadenersatzanspruch umfaßt nicht den Ausgleich der Wertminderung für die k ü n f t i g e n unzulässigen Einwirkungen. Soweit § 26 R G e w O nicht in Frage steht, kann der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes für die Zukunft weiter nichts verlangen, als die Unterlassung. Im Sinne des § 823 ist der Schaden erst entstanden, wenn der Sachschaden eingetreten ist. Es kann daher neben dem Anspruch auf Unterlassung wohl auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht für den Fall der Zuwiderhandlung geklagt werden, keineswegs aber auf Abfindung durch einen Geldbetrag. Es liegt also nicht im Belieben des beeinträchtigten Nachbars, zu erklären daß er die unzulässige Immission dulden wolle, dafür aber Schadloshaltung, d. i. Ersatz des durch die Duldung bewirkten Minderwertes seines Hauses verlange (vgl. Bolze Nr. 2 Nr. 154). S2 ) Vgl. B G H in N J W 1953, 1060; R G Z 167, 14; Ermann Bern. 1 a zu § 852; Palandt Bern. 5 b zu § 906; a.M. Staudinger-Seufert Randbem. 51 zu § 906; Meisner-Stern-Hodes § 39 IIIa.E.; Landmann-Rohmer-Eyermann GewO Anm. 5 zu § 26.

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Die Besitzstörungsklage

§40 11

griff beruhe; auch mache es keinen Unterschied, ob der Anspruch öffentlichrechtlichen oder bürgerlichrechtlichen Charakter habe. Dem ist beizupflichten; es ist kein Grund ersichtlich, warum der Ersatzanspruch weit früher verjähren soll, als der Hauptanspruch auf Beseitigung oder Unterlassung einer Beeinträchtigung, zumal der Frage des Verschuldens — ganz im Gegensatz zur unerlaubten Handlung — keine Bedeutung zukommt. Was aber für den Aufopferungsanspruch gilt, muß erst recht gelten, wenn man in dem Entschädigungsanspruch einen Ausgleichsanspruch für eine Enteignung erblickt. Für Bayern ist jedoch zu beachten, daß nach Art. 125 Abs. 1 S. 1 A G B G B „die aus Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts entstandenen Ansprüche gegen den Staat eine Gemeinde oder einen anderen Kommunalverband auf eine Geldzahlung mit dem Ablauf von drei Jahren erlöschen, soweit nicht ein anderes vorgeschrieben ist". Die hierbei strittige Frage, ob Anspruch auf Entschädigung für eine Enteignung als „aus einem Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts entstanden" zu beurteilen ist, wurde vom Bundesgerichtshof bejaht; gleichzeitig wurde auch die Verfassungsmäßigkeit des Art. 125 A G B G B anerkannt63).

§ 40. Die Besitzstörungsklage I. B e g r i f f u n d W e s e n des B e s i t z e s 1. Nach § 854 B G B versteht man unter Besitz die rechtlich anerkannte tatsächliche Gewalt über eine Sache. Der Besitz ist als ein Recht zu erachten1). Der Mieter (Pächter) kann auf Grund des § 862 die Abwehrklage gegen unzulässige Einwirkungen auf das Mietgrundstück erheben2). Im Gegensatz zu der r e c h t l i c h e n Herrschaft über eine Sache, die im Eigentum zum vollendeten Ausdruck kommt, stellt der Besitz die tatsächliche Herrschaft dar. Durch § 865 B G B hat der T e i l b e s i t z Anerkennung gefunden, indem der Besitz an einzelnen Teilen einer Sache insoweit möglich ist, als eine gesonderte räumliche Herrschaft einer anderen Person über den anderen Teil der Sache geübt werden kann. So ist z.B. an dem Keller 3 ) oder an anderen Räumen (Mietwohnung)4) eines Hauses, ja sogar an einem Teile " ) Vgl. BGH in MDR 1958, 910; München in MDR 1955, 686; 1956, 131. § 40 Vgl. R G 59, 328; Staudinger Vorbera. 10 vor § 854; R G 129, 3 1 1 ; 1706; B G H Z 2, 164; Darmstädter ArchzPr. 151, 311. 2 ) Vgl. RG 105, 212; WarnR 1918 Nr. 55. 3 ) Vgl. ObLG 16, 282; SeuffA 52 Nr. 147; SeuffBl. 32, 297. 4 ) R G 59, 328. 43

Meisaer-Riog, Nachbarrecht, 6. Aufl.

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. I 1

der Oberfläche einer Hauswand6) ein selbständiger Besitz möglich, der auch dem Eigentümer des Ganzen gegenüber vollwirksam ist. Wann die für den Besitz erforderliche tatsächliche Herrschaft vorliegt, ist nach der im gewöhnlichen Leben und Verkehr herrschenden Auffassung für jeden Fall besonders zu entscheiden6). Das maßgebende Merkmal liegt darin, ob ein solches Verhältnis der Person zu der Sache vorliegt, welches die Möglichkeit gewährt, jederzeit auf die Sache einzuwirken7). Einen hierauf gerichteten Willen verlangt das Gesetz nicht als begriffliches Erfordernis 8 ), der Mangel eines solchen Willens wird aber regelmäßig bei der tatsächlichen Würdigung der Frage, ob ein Besitzverhältnis vorliegt, gegen die Bejahung erheblich ins Gewicht fallen 9 ). Der Besitz muß erkennbar sein 10 ). Der gute Glaube spielt für den Besitzerwerb keine Rolle. Dadurch, daß jemand annimmt, sein Vormann sei Besitzer, kann er nicht Besitzer werden, wenn er nicht wirklich die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt. Bei dem mittelbaren Besitzer muß zur tatsächlichen Gewalt des Besitzmittlers noch das Rechtsverhältnis hinzukommen, vermöge dessen dieser für den mittelbaren Besitzer besitzt. Der etwaige gute Glaube an das Bestehen des Besitzverhältnisses ist für den Besitzerwerb auch hier ohne Bedeutung (RG 105, 413). Als Besitzhandlungen können alle Handlungen in Betracht kommen, durch welche eine Einwirkung auf das Grundstück ausgeübt wird. Gerade bei Liegenschaften kann sich der Besitz an dem g a n z e n Grundstück durch eine Einwirkung kundgeben, die weder alle Teile der Sache trifft, noch an 5 ) R. d. O L G 3, 26: Besitz an dem Teil der Oberfläche, auf welchem sich das Firmenschild des Mieters befindet. 6 ) Vgl. Prot. S. 3 j 3 4 f . ; Mugdan 3, 502. Kein Besitzschutz des Jagdpächters, aber Unterlassungsklage eingeräumt J W 1922, 2 3 3 ; 1908, 653 (vgl. O L G 6, 254). — 7 ) Recht 1924 Nr. 1232. 8 ) Vgl. Bendix, Besitzlehre S. 1 ; Turnau-Förster Bern. 4 zu § 854. Bekker IherJ 34, 2 7 ; (A.M. Recht 1914 Nr. 209, Stuttgart). Zum Erwerbe des Besitzes ist also nicht unbedingt erforderlich, daß der Erwerber von seinem Besitze Kenntnis hat. Vgl. Strohal, Jahrb. f. Dogm. 38, 7 1 ; Turnau-Förster a.a.O. 9 ) Vgl. Staudinger Bern. I, 2 zu § 854; BIfRechtspfl. im Bezirke des Kammergerichts 1903 S. 21 (Kammergericht). 10 ) R G 77, 208. SeuffA 78 Nr. 1 1 2 . Aus dem Fällen von Bäumen auf einem Grundstück, das dem Kläger nicht gehörte und an dem er keinen Besitz hatte, konnte er, ohne daß weitere Herrschaftshandlungen hinzukamen, keine tatsächliche Gewalt über die gefällten Stämme erwerben. In keiner Art hat er die Stämme in seinen tatsächlichen Machtbereich gebracht. Die Sachlage blieb, wie vor dem Fällen, nur daß die Möglichkeit für den Kläger, die Stämme in seine tatsächliche Gewalt zu bringen, günstiger geworden war. Eine Erkennbarkeit des Besitzes war also überhaupt nicht vorhanden (SeuffA 78 Nr. 112).

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Die Besitzstörungsklage

§40 Ii

sich die vollendete Herrschaft in sich begreift, aus der sich aber doch die Möglichkeit für den Handelnden ergibt, auf das ganzeObjekt einzuwirken11). Auch hier muß die besondere Gestaltung des Einzelfalls entscheiden. Maßgebend wird zumeist sein, welche Willensrichtung aus einem äußeren Vorgang gemeinhin abgeleitet wird. Ist an der Hauswand das Firmenschild des Ladenmieters angebracht, so wird niemand daran denken, daß hier ein Besitz an dem ganzen Hause 12 ) manifestiert sei, während andererseits ein einziger auf das Grundstück gesteckter Strohwisch eine Besitzhandlung darstellen kann, die nach allgemeiner Auffassung das ganze Grundstück ergreift. Die den Besitz kennzeichnende Herrschaftsausübung wird vornehmlich durch Anlagen und Handlungen kundbar gemacht, die dem Zweck der wirtschaftlichen Verwendung des Grundstückes entsprechen13). In altrömischer Zeit war für den Übergang des Besitzes auf einen anderen die tatsächliche Übertragung entscheidend. Doch schon in Rom, mehr noch im Mittelalter, fiel das Gewicht vorzugsweise auf die Willenseinigung. Biermann, traditio victa (1891), hat nachgewiesen, daß nach gemeinem Recht die Besitzübertragung einfach als eine durch den Vertrag begründete Sukzession zu behandeln ist. Das B G B ist nicht soweit gegangen, weil diese Lehre zu bedenklichen Ergebnissen führen kann, wenn sich der tatsächlichen Ausübung des Besitzes von vorneherein unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen. Deshalb bestimmt § 854 Abs. 2 B G B : „Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerb, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben". Der Besitz einer Sache setzt in der Regel den Willen voraus, sie tatsächlich zu beherrschen. Wie aus § 867 B G B ersichtlich wird, bedeutet die unbewußte Innehabung einer Sache regelmäßig noch keinen Besitz im Sinne des § 8 5 4. Allerdings ist denkbar, daß jemand an Sachen, die in den Bereich seiner tatsächlichen Innehabung gelangen, Besitz erwirbt, bevor er von der Innehabung der Sachen Kenntnis erlangt hat. Es müssen dann aber Veranstaltungen getroffen sein, die einen allgemein auf Empfang der betreffenden Sachen gerichteten Willen des Inhabers erkennen lassen. Dahin gehört der Empfang von Briefen in einem an der Außenseite der Wohnung angebrachten Briefkasten, von Wild, das in für den Wildfang bestimmte Vorrichtungen gerät und ähnliche Fälle (JW 1925, 785). Gehört zu einem verkauften Anwesen ein in fremden Grund übergreifender Keller, so ist nach der Übergabe des Anwesens der Erwerber n

) Bendix, Besitzlehre S. 9. ) Es liegt nur Besitz an dem Teil der Wandoberfläche vor, welche von dem Firmenschild bedeckt ist. O L G 3, 26 (Kammergericht). Vgl. R G 80, 281 (ein am fremden Hause angebrachter Lichtreklame-Kasten). 13 ) Endemann 2, 196. la

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§ 4 0

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

in der Lage, die Gewalt über den Keller auszuüben, und zwar selbst dann, wenn der Zugang zu diesem Keller durch eine Türe abgeschlossen ist und der Schlüssel verloren gegangen ist. Der Erwerber kann jederzeit durch einen Schlosser öffnen lassen. Dasselbe gilt in einem Fall, in dem der Zugang zum Keller vom Vorbesitzer vermauert worden war; es liegt in der Macht des Erwerbers, die Abschlußmauer wegzureißen. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert (§ 856). Das gilt für bewegliche wie für unbewegliche Sachen. Vermauert der Dienstbarkeitsberechtigte den Zugang zu dem unter dem fremden Grundstück gelegenen Keller, so liegt darin in der Regel eine Aufgabe des Besitzes. Stürzt der Keller ein, weil nach der Vermauerung das vorher einwandfreie Kellergewölbe nicht mehr unterhalten wird, so kann der Berechtigte nicht auf Grund des § 836 auf Schadenersatz belangt werden. Dagegen würde der Einsturz dann als Folge einer unerlaubten Handlung anzusehen sein, wenn der Kellerberechtigte davon, daß er den Besitz aufgegeben hat, dem Grundeigentümer keine Mitteilung gemacht und dieser auch nicht auf andere Weise von der Vermauerung des Kellers Kenntnis erhalten hätte (über das Ende der Unterhaltspflicht s. oben S. 428). In dem Einpflocken eines Grundstückes mit Grenzzeichen, in dem Abpfählen einer Verlandung 14 ), Einzäunen eines Grundstückes, Einstecken von Dörnern zum Schutze gegen Betreten durch Menschen, Aufstellung eines Strohwisches oder einer Warnungstafel, im Pflügen eines Ackers, Abgrasen eines Raines sind regelmäßig Besitzhandlungen zu erblicken. Auch die Dachüberladung mit dem dadurch bedingten Tropfenfall kann als Besitzausübung an dem unter der Traufe gelegenen Raum in Betracht kommen16). An einem Teich kann je nach den Umständen der Besitz durch Ausübung der Jagd, Fischerei, Schilf- und Materialentnahme ausgeübt werden 16 ). Andererseits ist z.B. aus der Entnahme von Lehm kein Besitz an dem Grundstück abzuleiten, wenn sie auf Grund einer vom Eigentümer erteilten Erlaubnis erfolgt 17 ). Zur B e s i t z ü b e r t r a g u n g bedarf es keiner äußeren Form, es genügt, die bloße Einigung über den Besitzübergang (§854 Abs. 2 BGB), die nicht ausdrücklich zu erfolgen braucht18), sondern sich auch aus den Umständen ergeben kann; so wird regelmäßig in der Auflassung auch die Einigung über den Besitzübergang liegen 19 ). 14

) ) 16 ) 17 ) 18 ) 19 ) 16

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PreußVerwBl. 23, 520. Siehe oben § 24. Vgl. EntschOTr. 55, 208. Recht 1902, 125. Staudinger-Seufert Randb. 10 zu § 854. Staudinger-Seufert Randb. 16 zu § 854.

Die Besitzstörungsklage

§40 II 1 , 2

2. Ausnahmsweise sind Personen, welche eine tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausüben, nicht als Besitzer zu erachten, indem § 8 5 5 B G B bestimmt: Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft, oder in einem ähnlichen Verhältnisse aus, vermöge dessen er den auf sich die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat ( B e s i t z d i e n e r ) , so ist nur der andere Besitzer. Andererseits wird ein Besitz ohne tatsächliche Gewalt ausnahmsweise anerkannt, indem § 868 B G B bestimmt: Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer ( m i t t e l b a r e B e s i t z e r ) . Der Besitzer hat die Rechte der Selbsthilfe nach § 859 Abs. 1, 3 u. 4 B G B . II. V o r a u s s e t z u n g e n der B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e 1. Im Begriffe des Besitzes als der rechtlich anerkannten tatsächlichen Gewalt über eine Sache (§854 B G B ) liegt es, daß der Besitzer andere von jeder Einwirkung auf seinen Besitz ausschließen kann, soferne nicht die Einwirkung durch das Gesetz gestattet wird. Die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten (verbotene Eigenmacht) enthält daher eine Störung des Besitzrechtes, zu deren Abwehr dem Besitzer neben dem Rechte der Selbsthilfe (§ 859 BGB) die Besitzklagen gegeben sind (§ 858 BGB) 2 0 ). 2. Bei totaler Verletzung des Besitzes, nämlich bei E n t z i e h u n g des B e s i t z e s , geht der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB). Wird der Besitz nur teilweise, d.i. eben in anderer Weise als durch E n t z i e h u n g des Besitzes, beeinträchtigt, so steht dem Besitzer die B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e zu (§ 862 BGB). Bei Grundstücken können die Klagen wegen Besitzentziehung und Besitzstörung leicht ineinander übergehen21). Wenn vom Nachbargrundstück eine Furche weggeackert wird, so wird man es nicht mit einer bloßen Besitzstörung, sondern mit einer Besitzentziehung an der weggeackerten Furche zu tun haben; daneben liegt Besitzstörung rücksichtlich des ganzen Grundstückes vor. Der Übergang von der einen zu der anderen Besitzklage ist nicht als Klageänderung anzusprechen22). so

) Im Fall unerl. Handl. Klage aus §§ 823ff. R G 59, 327; a.M. Gruchot 53, 8. ) M. 3, 126; Mudgan 3, 70. O L G 20, 395 (Braunschweig). M ) Maenner 146; Staudinger-Seufert Randb. 6 zu § § 8 6 1 , 862; vgl. O L G 20, 395 („Bei Grundstücken sind die Grenzen zwischen Störung und Entziehung des Besitzes schwer zu unterscheiden; der Unterschied ist tatsächlich quantitativer Art"). 21

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§ 4U II 3,4

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

3. Das Gesetz erkennt die t a t s ä c h l i c h e Herrschaft als schutzwürdig an; dem Besitzer ist das Recht auf Erhaltung seiner tatsächlichen Herrschaft verliehen; sein Besitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. W e r diese tatsächliche Herrschaft ohne den Willen des Besitzers stört, handelt widerrechtlich, sofern ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet; die Störung ist verbotene Eigenmacht ( § 8 5 8 B G B ) und also selbst dann unzulässig, wenn der Störer seinerseits ein Recht zum Besitze hat und der Besitz des Gestörten ein materiell rechtswidriger ist (s. hierüber unter III). D e r Besitzschutz bleibt auch gegenüber Zwangsenteignung bestehen. D e r Enteigner muß wie jeder Eigentümer, dem das Recht zum Besitz aus seinem Eigentum erwächst, auf dem Rechtsweg sich den Besitz verschaffen. D e m Besitzer steht die Besitzschutzklage zu; der zeitlich nach der Besitzstörung liegende Enteignungsbescheid steht einem rechtskräftigen Urteil im Sinne des § 864 A b s 2 B G B nicht gleich ( O L G 4 3 , 208). 4. G e s t ö r t ist der Besitz immer dann, wenn der ihn darstellende Zustand der tatsächlichen Herrschaft des Besitzers über eine Sache beeinträchtigt wird 2 3 ). Die Handlungen, welche hierzu geeignet sind, decken sich mit jenen, welche eine Beeinträchtigung des Eigentums darstellen, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann 24 ). Hier wie dort kann die Beeinträchtigung durch positive Tätigkeit oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt werden (vgl. oben § 38); ein bloßes Bestreiten des Besitzes genügt nur ausnahmsweise 26 ), kann aber 23 ) Vgl. O L G 2, 40 (Besitzstörung durch den Verpächter); Striethorst, Arch. 65, 230 (Aufstellung einer Warnungstafel); R G 59, 3 28; O L G 9, 296; B G H in BB 54,426. (Störung des Mietbesitzes durch unzulässige Immissionen); Störung des Pachtbesitzes durch unzulässige Einwirkungen durch Rauch und Gase auf die Pflanzen der gepachteten Handelsgärtnerei (RG 105, 215), die Besitzstörungsklage des Pächters unterliegt der gleichen Beschränkung wie sie in § 906 B G B dem Eigentümer auferlegt ist, da dem Pächter keine größeren Rechte eingeräumt werden können. J W 1896, 14; R G 55, 56 (Irrläufer bei militärischen Schießübungen; vgl. hierzu §45 S. jöofF.; O L G 4, 148; 10, 105; JW1893, 350 (Pfändung); SeuffA 21 Nr. 124 (Strafanzeige). In einer Klagestellung ist keine Besitzstörung zu erblicken, Staudinger Bern. II, 2, a zu § 858. Recht 1904 Nr. 1821 (Störung in der Ausübung des Notwegs); O L G 6, 254 (Ausübung der Jagd mit Zustimmung des Pächters, aber gegen Verbot des Grundstücksbesitzers). R G 105, 215; JW 1931, 2904; B G H Z 20, 169 (Klageerhebung keine Besitzstörung). 24 ) Vgl. R G 55, 57; O L G 4, 290; oben § 38 I. 25 ) Aufstellung einer Warnungstafel kann bei Wegerechten eine Besitzstörung darstellen (Scherer 3, 24). Die Behauptung, Eigentümer zu sein, schließt ein Bestreiten des Besitzes noch nicht in sich (OGH 2, 427). Dadurch, daß der Beklagte als Mitglied einer Gemeinde gehandelt haben will, wird seine Passivlegitimation nicht ausgeschlossen. Die Besitzstörungsklage greift durch, wenn der Bekl. nicht beweisen kann, daß über das Grundstück ein öffentlicher Gemeindeweg führt und die Gemeinde durch ihre Mitglieder die Besitzhandlungen ausführen ließ (OGH 14, 246; SeuffA 48 Nr. 169). Bei seelischer

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III 1, 2

eine Feststellungsklage rechtfertigen; die Besitzstörungsklage setzt kein Verschulden26) des Störers voraus. Ebensowenig ist Voraussetzung, daß der Beklagte ein Recht behauptet27). III. D a s Z i e l der Besitzstörungsklage ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß sie da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung des Besitzes nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man auch von der Besitzstörungsklage sagen, daß sie einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis stehen, durch welches die Störung dargestellt wird oder in einem Zustande der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: 1. Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Störung geht (§ 86z BGB) auf Wiederaufhebung einer fortbestehenden Störung des Besitzes. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Störung setzen ein körperliches Verhältnis voraus. Die Wiederversetzung eines entzogenen Ackerstreifens in den früheren ackerbaufähigen Zustand läßt sich mit dem Anspruch aus § 861 nicht begründen; doch kann der Anspruch aus § 823 hergeleitet werden, wenn dessen Voraussetzungen (Verschulden) gegeben sind28). 2. Der Anspruch auf U n t e r l a s s u n g weiterer Störung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen das Verbot der Eigenmacht die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen sind, so ist dem Besitzer der Anspruch auf Unterlassung weiterer Störung gegeben (§ 862 BGB.). Eine bloß abstrakte Möglichkeit der Wiederholung genügt nicht; es ist eine auf die gegebenen Umstände sich gründende Wahrscheinlichkeit erforderlich (RG 63, 379; J W 1913, 543). Auch hier ist der Besitzer weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Störung

Einwirkung durch Bestreiten des Besitzes mit förmlichem Verbot fernerer Besitzhandlungen liegt Besitzstörung vor (JW 1908, 274; SeuSA 63 Nr. 205). Vgl. Wolff SR § 17 I ; Westermann § 22 I ; Staudinger-Seufert Randb. 13 u. 14 zu § 858. 26 ) S. oben § 38 I 4 . « ) O G H 3 > 153. M ) O L G 15, 329. (Gegen diesen Anspruch ist Widerklage auf Feststellung des Eigentums zulässig.)

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§40 IV 1

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hintangehalten werden soll29). Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung erfolgt aus § 890 Z P O (vgl. oben § 38, II, b). Anwendungsfälle der Besitzstörungsklage sind beispielsweise: unzulässige (§ 906) Immission in die vermietete Wohnung 30 ); Verhinderung an der Benützung des Notwegs 31 ); Anbringen von Firmenschildern32); Lichtreklame. Auch die Besitzstörungsklage kann eine mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlagen und Eisenbahn-, Schiffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber niemals die Einstellung des Betriebes, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störungen ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Besitzstörung lediglich Schadloshaltung verlangt werden (vgl. hierüber oben § 39). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz in die Besitzstörungsklage ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann (z.B. Besitzstörung durch Militärschießplatz, Artilleriewerkstätte, Polizeiwachtstube, Läuten der Kirchenglocken), vgl. hierüber unten § 43 D III. IV. 1. Nur der tatsächliche Besitzstand ist entscheidend und nicht das bessere materielle Recht auf den Besitz. Niemals kann die Besitzklage auf das materielle Recht gestützt werden. Wer mit der Besitzstörungsklage durchdringen will, muß seinen Besitz 33 ) und die Störung durch verbotene Eigenmacht n a c h w e i s e n . Kann er seine den Besitz darstellende tatsächliche Gewalt über die Sache nicht nachweisen, so muß er mit seiner Besitzklage selbst dann abgewiesen werden, wenn sein materielles Recht auf den Besitz feststeht. Zur Begründung der Besitzstörungsklage ist aber weiter erforderlich, daß der Besitz durch verbotene Eigenmacht (§858 B G B ) gestört wurde. Die Besitzklage findet also nicht gegen j e d e n fehlerhaften und namentlich nicht gegen den 29

) OLG 12, 7 1 ; vgl. übrigens R G 63, 379. "0) R G 59, 328; O L G 9, 295; 12, 71. al ) Recht 1904 Nr. 1821 (Colmar). 32 ) KGB1. 1908, 107 (KG); R G 80, 282. 8S ) Im allgemeinen steht auch dem mittelbaren Besitzer (§ 868 BGB) die Besitzstörungsklage zu, wenn der Besitzer (Mieter, Pächter) in seinem Besitze gestört wird (§ 869 BGB); jedoch kann der mittelbare Besitzer die Besitzstörungsklage nicht gegen den unmittelbaren Besitzer selbst erheben (vgl. SächsArch. 1, 435, Dresden), während umgekehrt dem unmittelbaren Besitzer (Mieter) die Besitzstörungsklage gegen den mittelbaren Besitzer (Vermieter) zusteht und ihm sogar den wirksamsten Schutz gegen Übergriffe des Vermieters in die zum Gebrauch überlassene Sache gewährt (vgl. OLG 2, 41, Stettin).

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precario erlangten Besitz statt ). Ob der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat35), ist nur dann von Bedeutung, wenn der Besitzer dem S t ö r e r o d e r d e s s e n R e c h t s v o r g ä n g e r g e g e n ü b e r den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist. Nur wenn diese doppelte Voraussetzung gegeben ist, ist die Besitzstörungsklage ausgeschlossen (§ 862 Abs. 2 mit § 858 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise konzentriert sich die Entscheidung im Besitzprozesse auf die Frage, ob verbotene Eigenmacht von einer der Parteien verübt wurde. Der Besitzschutz bezweckt die Aufrechterhaltung der äußeren Rechtsordnung. So wenig der nichtbesitzende Kläger den Mangel seiner Aktivlegitimation durch den Nachweis ersetzen kann, daß ihm nach materiellem Rechte der Besitz gehört, so wenig ist es dem Beklagten nachgelassen, die von ihm verübte verbotene Eigenmacht durch den Nachweis zu rechtfertigen, daß der Kläger nach materiellem Rechte zur Duldung der Besitzbeeinträchtigung verpflichtet ist. Der gute Glaube des Eigenmächtigen ist ohne jede Bedeutung36). Ein solches materielles Recht zum Besitze oder zur Vornahme der störenden Handlung kann nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung oder die Störung nicht verbotene Eigenmacht sei (§ 863 BGB). Das will besagen: der Einwand, daß der Störer zur Störung berechtigt gewesen sei, ist insoweit unzulässig, als damit dargetan werden soll, daß der durch formelles Unrecht geschaffene Zustand dem materiellen Rechte entspreche37); zulässig ist jedoch dieser Einwand insoweit, als damit dargetan werden soll, daß durch die Störung gar kein formelles Unrecht geschaffen worden sei, mit anderen Worten, daß eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 85 8 nicht vorliegt. Dies trifft nur dann zu, wenn entweder der Besitzer38) oder das Gesetz39) die den Besitz beeinträchtigende Handlung gestattet hat40). Die Erlaubnis des Eigentümers schließt den Begriff der 34 ) Recht 1907, 310 Nr. 588 (RG). Der prekaristisch erlangte Besitz ist nicht ohne den Willen des früheren Besitzers entzogen. 35 ) Vgl. R G 34, 4*53e ) J W 1904, 3 6 1 ; R G 67, 389; SeuffA 60 Nr. 9; Recht 1912 Nr. 3369 (RG). 3 ' ) Turnau-Förster Bern. 1 zu § 863. 38 ) Und zwar der unmittelbare Besitzer, nicht der mittelbare ( J W 1908, 681); vgl. übrigens § 869 und R G 68, 389. Der unmittelbare Besitzer hat den Besitzschutz auch gegen den mittelbaren Besitzer (Schlesw.-Holst.Anz. 1 9 0 4 , 1 4 5 ; Kiel, WürttJ 1918, 54, Stuttgart). 39 ) Vgl. §§ 227—229; 561; 860; 861; 904; 910; 962; 1 3 7 3 ; 1443; 1 5 1 9 ; 1546; 2205 B G B ; § 127 StPO. (Wegnahme einer Sache zwecks Verwendung als Uberführungsgegenstand. Vgl. R G 64, 385.) — Nicht dagegen gewährt § 867 das Recht auf Aufsuchung und Wegschaffung einer auf einem fremden Grundstück befindlichen Sache gegen den Willen des Eigentümers dieses Grundstücks. 10 ) Die Erlaubnis kann auch stillschweigend erteilt werden ( R G 72, 198); vgl. J W 1904, 361 (über das Fortwirken einer f r ü h e r erteilten Erlaubnis); Recht 1914 Nr. 773.

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Eigenmacht nicht aus, wenn der Eigentümer nicht Besitzer ist 41 ). Hat jemand nach materiellem Rechte den Anspruch auf die Besitzeinwirkung, so wird, namentlich wenn dieses Recht auf vertraglicher Grundlage beruht, die Zustimmung des Besitzers zu der vertragsgemäß zulässigen Einwirkung regelmäßig insolange unterstellt werden dürfen, als nicht der Besitzer seinen der Vertragspflicht entgegenstehenden Willen dem Vertragsgegner kundgegeben hat42). Zieht der Pächter zu dem vereinbarten Termine auf dem Pachtgute auf, so kann ihn der Eigentümer nicht mit der Besitzklage vertreiben. Hat aber der Verpächter dem Pächter vorher erklärt, daß er ihn nicht aufziehen lasse, so kann der Pächter, der dessen ungeachtet aufgezogen ist, die Besitzklage des Verpächters nicht damit bekämpfen, daß ja der Verpächter gemäß § 5 81 B G B verpflichtet sei, ihm den Besitz zu dem vertragsgemäßen Termine einzuräumen und somit das Verbot des Verpächters rechtswidrig gewesen sei43). Andererseits kann der Vermieter gegen den Mieter, der nicht rechtzeitig räumt, die Besitzklage nicht erheben, weil ja der Mieter den Besitz mit dem Willen des Vermieters e r l a n g t hat. Stört der Vermieter den Mieter in diesem materiell unrechtmäßigen Besitz, so steht dem Mieter die Besitzklage zu, gegen welche der Beklagte nicht einwenden kann, daß die Mietzeit abgelaufen, und deshalb der Mieter zum Auszuge verpflichtet sei. Die Erlaubnis des Gesetzes schließt den Begriff der v e r b o t e n e n Eigenmacht aus. Hier kommen in erster Linie die allgemeinen Bestimmungen des § 229 B G B über die erlaubte Selbsthilfe44) und des § 904 B G B über die Notstandshandlungen (s. oben § 12) in Betracht, daneben aber auch Spezialbestimmungen wie z.B. § 561 B G B , sowie das Feldschadengesetz (s. unten § 43 D III Bb 8). § 561 B G B berechtigt den Vermieter, die seinem Pfandrecht unterliegenden Gegenstände des ausziehenden Mieters auch gegen dessen Willen in Besitz zu nehmen. Die Besitzentziehungsklage des Mieters wird mit diesem Einwände aus dem Feld geschlagen. Räumt der Mieter die Mietwohnung nicht zu dem vereinbarten Endtermine, so kann der Vermieter keine Besitzklage gegen ihn stellen. Die Vorschrift des § 863 hat eine wichtige prozessuale Konsequenz: Gegenüber einer Besitzklage ist eine petitorische Widerklage nur insoweit 41 ) BayZ 1905, 322 (RG). — (Der Enteignungsberechtigte begeht verbotene Eigenmacht, wenn er das Grundstück zwar mit Zustimmung des Eigentümers, aber ohne die des besitzenden Pächters in Besitz nimmt.) 42 ) Staudinger-Seufert Randb. 5 zu § 863. 43 ) Endemann 231 Anm. 23. Das Recht zum Besitz macht die Eigenmacht nicht zu einer rechtmäßigen Handlung, Endemann 231 Anm. 22. Ausnahme s. unten Ziff. 2. 44 ) Von dem Einwand des Rechtes zum Besitze ist der Einwand des Rechtes zur Selbsthilfe streng zu unterscheiden. Endemann 232 Anm. 24.

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zulässig, als nach § 863 gegen die Besitzklage eine petitorische Einrede zulässig ist, d.h. also eine petitorische Widerklage kann eben nur im Rahmen des §863 B G B erhoben werden46), weil sonst der nach § 33 Z P O erforderliche rechtliche Zusammenhang fehlt46). Ebenso wie gegenüber der Besitzschutzklage der Einwand unzulässig ist, daß der Beklagte nach materiellem Recht zu der Störung befugt war, so kann dem materiellen Recht auch die Begründung einer Widerklage gegen die Besitzklage entnommen werden. Wenn aber der Beklagte gegenüber dem Besitzanspruch einwendet, daß die störende Handlung auf Grund einer Erlaubnis des Besitzers oder auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung zur Eigenmacht (§§ 227—229) zulässig war, so ist diese Verteidigung geeignet, dem Besitzschutzanspruch die Grundlage zu entziehen. Auf Grund einer solchen Einwendung kann zugleich eine Widerklage erhoben werden. Wendet der Beklagte ein, daß der Kläger dem Beklagten oder dessen Rechtsvorgänger den Besitz im letzten Jahre vor der Störung durch verbotene Eigenmacht entzogen habe (§ 861 Abs. 2; § 862 Abs. 2), so ist eine Widerklage auf Besitzeinräumung zulässig47). Eine Behauptung dagegen, die nicht geeignet ist, den Besitzschutzanspruch zu überwinden, ist ungeeignet, den für die Zulässigkeit einer Widerklage erforderlichen rechtlichen Zusammenhang ( § 3 3 ZPO) zu vermitteln48). 2. Von dem Grundsatz, daß das materielle Recht für den Besitzschutz gleichgültig ist, gibt es keine Ausnahme. Der Besitzanspruch erlischt nach § 864 Abs. 2 B G B , wenn nach 49 ) der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil60) festgestellt wird, daß dem Täter ein dingliches

45 ) RGRKomm. 1 ; Palandt 2; Planck Bern. 4 je zu § 863; Bendix, Besitzklage 7 1 ; Turnau-Förster Bern. I, 4 zu § 861 ; Recht 1902, 528; Biermann Bern. 2 zu § 865; Dernburg 95 Anm. 4. A . M . O L G 4, 289; Staudinger-Seufert Randb. 4 zu § 863; Westermann SR § 24 II 4. 46 ) Vgl. R G 23, 396; J W 1897, 228 Nr. 3 und dagegen ScuSA 48 Nr. 63. " ) Vgl. Turnau-Förster Beni. I, 4 zu § 861. 4S ) R G 23, 693; RGKomm. Bern, zu f 863; O L G 1 5 , 328. 49 ) Liegt schon vor Verübung der Eigenmacht ein solches rechtskräftiges Urteil vor, so findet § 864 Abs. 2 keine Anwendung, wie Staudinger-Seufert Randb. 2 zutreffend ausführt. Dagegen die h.M. unter Berufung auf R G 107, 258; Palandt 2 c zu § 864; R G Komm. Bern. 3 zu § 864; vgl. Recht 1910 Nr. 1586. 50 ) Eine einstweilige (wenn auch rechtskräftige) Verfügung steht einem Urteil in dieser Hinsicht nicht gleich. So mit Recht Staudinger Bern. 2 e zu § 864 gegen Recht 1901, 284 (Dresden). Allein es wird im Einzelfalle zu untersuchen sein, ob nicht die einstweilige Verfügung die Berechtigung zum eigenmächtigen Besitzeingriff verleihen wollte; dann ist der Besitzklage das Fundament entzogen, weil dann eben die Eigenmacht infolge der einstweiligen Verfügung (und zwar schon vor deren Rechtskraft) erlaubt, mithin nicht verboten ist.

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oder obligatorisches 61 ) Recht an der Sache zusteht, vermöge, dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann 62 ). W a r beim Eintritt der Rechtskraft des petitorischen Urteils ein Besitzanspruch anhängig, so muß der Kläger seinen Anspruch zur Hauptsache zurücknehmen, er kann aber den Prozeß wegen der Kosten weiterführen 63 ), denn wenn sein Anspruch erst durch das rechtskräftige Urteil beseitigt wurde, hat er ihn bis dahin mit Recht erhoben. Z u r Begründung der Besitzstörungsklage gehört, daß sich der Kläger z. Z . der Störung im Besitz befunden hat, daß der Besitz gestört wurde und daß der dadurch geschaffene Zustand der Beeinträchtigung des Besitzes zur Zeit der Klageerhebung noch fortdauert. Ruhiger Besitzstand oder fehlerfreier Besitz sind nicht Voraussetzung des Klaganspruchs. Infolge solcher Besitzfehler kann aber unter Umständen in Frage gestellt sein, ob überhaupt Besitz im Sinne der tatsächlichen Gewalt über die Sache gegeben ist. N u r dann ist das Klagerecht ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz im letzten Jahr vor der Störung erlangt ist (§ 862 A b s . 2). Fehlerhaft ist der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz (§ 858). Ist der Besitz auf Ruf und Widerruf (precario modo) eingeräumt, so ist er kein fehlerhafter. V . D e r Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes, wie auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung e r l i s c h t mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn

61 ) Turnau-Förster Bern. 2 zu § 864; Endemann 253 Anm. 28, R G K Bern. 3 zu § 864; Strohal JherJ. 38, 120; Wolff JherJ. 44, 181 Anm. 105 und die überwiegende Meinung. Staudinger-Seufert Randb. 2 c zu § 864; a. M. Planck Bern. 2 zu § 864. Es ist ja richtig, daß das B G B unter einem Recht an einer Sache sonst nur ein dingliches Recht versteht. Das Motiv des Gesetzgebers, nach d e f i n i t i v e r Uberwindung des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses durch das materielle Recht nicht einen öden Formalismus aufkommen zu lassen und da zur Einräumung des Besitzes zu verurteilen, wo doch schon rechtskräftig feststeht, daß der eingeräumte Besitz sofort wieder zurückgegeben werden muß, trifft für obligatorische Rechtsverhältnisse genau so zu wie für dingliche. Da liegt es doch viel näher, an eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers im sprachlichen Ausdruck zu denken, als durch Beiholung des § 226 B G B die unerträgliche Lücke auszufüllen. 52 ) Die Besitzklage wie die Klage aus dem materiellen Rechte können unabhängig voneinander erhoben, ja sogar miteinander verbunden werden. Freilich wird sich eine solche Verbindung wohl niemals empfehlen; deshalb wird der Richter wohl auch von der Verbindungsbefugnis des § 147 ZPO keinen Gebrauch machen; keinesfalls ist es angängig, daß die Verhandlung über den Besitzanspruch ausgesetzt wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung des über das materielle Recht abhängigen Rechtsstreites. Denn gerade weil der Besitzanspruch abgesehen von der Ausnahme des § 864 Abs. 2 völlig unabhängig von dem materiellen Rechte ist, liegt Präjudizialität im Sinne des § 148 ZPO nicht vor. 63 ) Staudinger-Seufert Bern. 2 b zu § 864 und Nachweise.

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nicht vorher der A n s p r u c h 6 4 ) im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 BGB). Weil diese Frist keine Verjährungsfrist, sondern eine gesetzliche Ausschlußfrist ist, muß sie der Richter von Amts wegen berücksichtigen66). Sie läuft von der VerÜbung der verbotenen Eigenmacht an ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Klägers 64 ). Sind wiederholte Störungen vorgekommen, so wird zwar das Jahr von der letzten Störung an zu berechnen 67 ) sein, die früheren Störungen können aber für die Anwendung des § 862 Abs. 2 B G B von Bedeutung sein. VI. S c h a d e n e r s a t z . Die Besitzschutzklage (§§ 861, 862) ist nur darauf zu richten, daß ein Zustand herzustellen ist, bei dem die Beeinträchtigung des Besitzes nicht mehr vorhanden ist. Der Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung überhaupt nicht eingetreten wäre (Schadenersatzanspruch), bedarf einer besonderen Begründung 58 ) (vgl. unten § 43 A). Dieser Anspruch setzt voraus, daß die verbotene Eigenmacht schuldhaft begangen wurde. Da der Besitz ein Vermögensrecht und § 858 ein Schutzgesetz darstellt, ist § 823 Abs. 2 anwendbar69). Dem Besitzer, dem durch § 26 GewO die Besitzstörungsklage entzogen ist (s. oben § 39 III), steht der Anspruch auf Schadloshaltung zu, der dem Eigentümer oder Besitzer des benachbarten Grundstücks zusteht. Natürlich unterliegt die Besitzstörungsklage aus § 862 der gleichen Beschränkung, die in § 906 B G B dem Eigentümer eines Grundstücks auferlegt ist (RG 105, 214). Der Anspruch auf Schadenersatz wegen Besitzstörung ist petitorischer Natur, so daß für ihn auch das materielle Recht von Bedeutung sein kann (Recht 1924, Nr. 269). Wird die Besitzstörungsklage mit dem Schadenersatzanspruch verbunden, so ist gegenüber dem Schadenersatzanspruch eine Widerklage aus dem materiellen Recht zulässig. Ein Besitzer, dem die Ansprüche aus §§ 861, 862 B G B durch Gesetz oder hoheitliche Gewalt entzogen werden, insbesondere im Falle des § 26 GewO, hat einen Ausgleichsanspruch in Geld 60 ). 64 ) Eine Feststellungsklage hält daher den Ablauf der Frist nicht auf. StaudingerSeufert Bern. 1 zu § 864. " ) J W 1903 Beil. 105. 56 ) Das muß auch für wörtliche Handlungen gelten, wenn hierin überhaupt eine Besitzstörung zu erblicken ist. 67 ) Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 864. 58 ) Vgl. Recht 1 9 1 7 Nr. 825 R G ; O L G 15, 329. — Der Anspruch aus §§ 861, 862 ist seiner Natur nach kein Schadenersatzanspruch (Recht 1909 Nr. 1683, Braunschweig). 69 ) R G 59, 326; RGKomm. Bern. 4 zu § 861. J W 1906, 7 3 7 ; Gruchot 51, 985. Uber die Beschränkung, welche für die Verbindung des Schadenersatzanspruchs mit der Besitzschutzklage zu setzen ist, vgl. SeufTA 66 Nr. 54 (RG). Vgl. R G Z 105, 214.

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§ 41. Klagenschutz der Grunddienstbarkeiten I. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 B G B bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Die B e i n t r ä c h t i g u n g kann durch eine positive Tätigkeit 1 ) oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt werden. Freilich ist hier zu berücksichtigen, daß der Eigentümer des dienenden Grundstücks regelmäßig nicht zu einem positiven Tun verpflichtet ist (servitus in faciendo consistere nequit (sieh oben § 27 III, 6). Ausnahmen siehe oben § 27, III, 62). §4i-

Auch bloße Drohungen können unter Umständen eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit darstellen3), während ein bloßes Verstreiten regelmäßig den Anspruch aus § 1027 nicht erzeugt4) (vgl. oben § 38, 3). In letzterem Falle kann ein F e s t s t e l l u n g s a n s p r u c h auf Anerkennung des rechtlichen Bestandes oder Umfanges der Grunddienstbarkeit erhoben werden, wenn die Voraussetzungen des § 256 Z P O gegeben sind. Die Verbindung eines solchen Feststellungsanspruchs mit dem Anspruch aus § 1027 ist zulässig und wird sich häufig empfehlen, um Rechtskraft zugunsten des ganzen Rechtsverhältnisses herbeizuführen und die Grundlage für die Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch zu schaffen6). Der Anspruch setzt kein Verschulden desjenigen voraus, welcher für die Beeinträchtigung verantwortlich ist (vgl. oben § 38 I 4). II. D a s Z i e l des A n s p r u c h s ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß die Abwehrklage da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung der Grunddienstbarkeit nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man sagen, daß der Anspruch aus § 1027 einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis bestehen, durch welches die Störung dargestellt wird, oder in einem Zustande der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: *) Vgl. R G Z 47, 359 (Errichtung eines Gebäudes) oder Behinderung eines Wegerechts durch Verengung der Fahrbahn. 2 ) Vgl. oben § 3 1 , HI: Verpflichtung des Eigentümers eines Waldgrundstücks, das mit einem Forstrecht belastet ist, zur Anweisung und zum Fällen des Rechtholzes. Vgl. ferner die Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks eine Anlage gemäß § 1022 B G B zu unterhalten (siehe oben § 27, III, 6). 3 ) Vgl. J W 1908, 274. 4 ) Vgl. BayZfR 1906, 446 (Bamberg); O b L G 3, 500; RGKomm. Bern. 2 zu § 1027. 6 ) Staudinger Randb. i b zu § 1027. Eine Feststellungskkge ist nicht zulässig, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit dauernd unmöglich ist (BayObZ 31, 102).

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Klagenschutz der Grunddienstbarkeiten

§ 4 1

II 1 , 2 , 3

1. Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung geht auf die Wiederaufhebung einer fortbestehenden Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Beeinträchtigung setzen ein körperliches Verhältnis voraus (s. hierüber oben § 38 II 1). Wenn die Unterhaltung einer zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienenden Anlage dem Eigentümer des dienenden Grundstückes obliegt stellt die Unterlassung dieser Unterhaltung eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit dar. Die Beseitigung dieser Beeinträchtigung wird durch Ausführung der Unterhaltung bewirkt und hieraus ist also in diesem Fall der Beseitigungsanspruch zu richten6). 2. Der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen die aus dem Inhalte der Grunddienstbarkeit für die anderen Personen sich ergebenden Pflichten die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen7) sind, so ist dem Berechtigten der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben (vgl. hierüber oben § 38, II 2). Auch hier ist der Berechtigte weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Beeinträchtigung hintangehalten werden soll. Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung erfolgt aus § 890 ZPO (vgl. oben § 38, II 2b). Der Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten kann einer mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlage und Eisenbahn-, Schiffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber niemals die Einstellung des Betriebes, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störung ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit lediglich Schadloshaltung verlangt werden (vgl. hierüber oben § 38, IX). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz auch in den Anspruch auf § 1027 ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann (s. oben § 39 I u. unten § 43 D III). 3. Schadensersatz kann nur im Falle des Verschuldens nach Maßgabe der Haftung für die unerlaubte Handlung verlangt werden8), nämlich nach § 823 Abs. 1 (Dienstbarkeit als sonstiges Recht) odernach § 823 Abs. 2 8

) Staudinger Randb. 3c zu § 1027; Dernburg 585. ') Bloße Möglichkeit genügt nicht (RG 63, 574). 8 ) Vgl. R G in Warn. 1911 Nr. 331; BayObZ 3, 492; SeuflfBl. 68, 166. 687

§ 41 v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. III 1 , 2

(Verletzung der Schutzgesetze in §§ 1027 u. 1004). Dieser Schadenersatzanspruch kann mit dem Anspruch aus § 1027 B G B verbunden werden. III. P a r t e i s t e l l u n g f ü r die K l a g e x. K l a g e b e r e c h t i g t ist der Inhaber der Dienstbarkeit, also der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks9). Es ist nicht erforderlich, daß er im Besitze des Grundstückes ist. Auch der einzelne Miteigentümer ist klageberechtigt (§ 1 0 1 1 BGB). Wird das herrschende Grundstück geteilt, und die Grunddienstbarkeit bleibt für die einzelnen Teile fortbestehen (§ 1025 B G B , s. oben § 34 VIII), so ist jeder Eigentümer eines solchen Teiles klageberechtigt10). Ingleichen der Erbbauberechtigte (§ 1017 Abs. 2 B G B § 1 1 Erbb. VO) und der Nießbraucher 11 ) (§ 1065 B G B ) , soweit mit dem Erbbaurecht und dem Nießbrauch die Grunddienstbarkeit verbunden ist und deren Ausübung behindert wird. An Stelle des Eigentümers ist der Konkursverwalter (§§ 6, 10f. KO), der Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB), aber auch der Zwangsverwalter aktiv legitimiert. Dagegen fehlt die Aktivlegitimation dem Mieter und Pächter 12 ) (über die Aktivlegitimation überhaupt vgl. oben § 38, IV). 2. P a s s i v l e g i t i m i e r t ist jeder Störer, also nicht nur der Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern jeder Dritte, der unbefugt der Ausübung der Grunddienstbarkeit in den Weg tritt 13 ). Mehrere Störer haben aus einer gemeinschaftlich begangenen Störung als Gesamtschuldner für die Beseitigung der Beeinträchtigung 14 ). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks, der störende Veranstaltungen auf seinem Grundstück durch andere wissentlich duldet, ist als Störer verantwortlich 16 ). Wird auf Feststellung einer Grundgerechtigkeit geklagt, die auf einem Grundstücke ruht, welches im Miteigentum mehrerer Personen steht, so muß die Klage gegen die sämtlichen Miteigentümer erhoben 9 ) Bei Gemeindeservituten ist das einzelne Mitglied der Gemeinde nicht aktiv legitimiert (s. oben § 27, III 3). 10 ) Vgl. OTribArch. 25, 280. n ) RGKomm. Bern. 3; Staudinger Randb. 2 je zu § 1027. 12 ) Dagegen steht dem Mieter und Pächter der Besitzschutz, (§ 1029) hinsichtlich der Grunddienstbarkeit zu. Vgl. Staudinger Randb. 2; R G R K o m . Bern. 3 je zu § 1027; J W 1923, 305. Den rein obligatorisch Berechtigten kann, soweit ein rechtliches Interesse (§256 ZPO) gegeben ist, die Feststellungsklage zustecken. 13 ) B a y Z f R 1906, 446 (Bamberg); O b L G 3, 352 (Bamberg); RGKomm. Bern. 4 zu § 1027. Vgl. BayObZ io, 4 7 1 ; O L G 15, 361. 14 ) Vgl. SeuffA 61 Nr. 224; R G 162, 358. 16 ) Vgl. R G 47, 162; J W 1900, 840; 1902 Beil. 187; vgl. oben § 38 I 2.

688

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 AI

werden, wenn auch nur einer von ihnen die Grunddienstbarkeit bestritten hat 16 ). IV. B e w e i s l a s t . Der Kläger ist für den von ihm behaupteten Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit beweispflichtig, wobei hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeiten die Bezugnahme auf den Inhalt des Grundbuches genügt (§§ 891, 874 BGB). Der Kläger liegt ferner der Nachweis der Klageveranlassung ob; er muß also beweisen, daß ein Zustand der Beeinträchtigung (in dem oben I und II erörterten Sinne) vorliegt. Im Falle der Feststellungsklage ist das Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen zu prüfen. V. Z e i t l i c h e S t a t u t e n k o l l i s i o n . Der § 1027 B G B gilt auch für die bei dem Inkrafttreten des B G B bereits bestehenden Grunddienstbarkeiten (Art. 184 EG). VI. G e r i c h t s s t a n d . Für die Klage aus § 1027 B G B ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das dienende Grundstück belegen ist (§ 24 ZPO). Wird mit der Klage aus § 1027 B G B die Klage auf Schadensersatz aus § 823 ff B G B verbunden, so kommt derselbe Gerichtsstand in Betracht (§§ 25, 26 ZPO). § 42. Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten A. Begriff des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten

I. Ein Sachbesitz im Sinne des § 854 B G B ist bei Grunddienstbarkeiten jedenfalls dann denkbar, wenn sich die Dienstbarkeit in Anlagen verkörpert, die auf das dienende Grundstück direkt einwirken, z. B. in überragenden Balken, Dunggruben, Wasserleitungen usw. Dasselbe gilt bei allen affirmativen Grunddienstbarkeiten, deren Inhalt darin besteht, daß das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen benützt werden darf (vgl oben § 17 I). Auf alle diese Fälle finden die Vorschriften der §§ 854ff B G B über den Schutz des Sachbesitzes unmittelbare Anwendung. Geht man übrigens — wie es wohl richtig ist •— davon aus, daß der Dienstbarkeitsberechtigte — ebenso wie der Miteigentümer oder Erbbauberechtigte — schon mit der Einigung und Eintragung im Grundbuch die tatsächliche Herrschaftsgewalt innerhalb seines Rechtsbereichs und damit Sachmitbesitz erlangt (vgl Heck SR § 16, 3 ff), so wird man die Vorschriften der 16 ) O L G 1 8 , 149 (Köln) Stein-Jonas-Schönke § 62 III 1. V g l . aber Josef A r c h Z i v Prax. 107, 1 6 8 ; die Kosten, die gegen den nicht bestreitenden Miteigentümer erwachsen sind, können diesem auch dann überbürdet werden, wenn er den Anspruch sofort anerkennt, weil sein Anerkenntnis insolange wirkungslos ist, als es nicht a l l e Miteigentümer erklären.

44

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 6. A u f l .

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§ A II

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

§§ 854ff B G B auf alle eingetragenen Grunddienstbarkeiten und zwar auch auf die sog. negativen anwenden. A u f diese Fälle finden die Vorschriften des B G B über den Schutz des Sachbesitzes (§§ 854ff B G B unmittelbar Anwendung 1 ). II. Im B G B wird das Institut des Rechtsbesitzes im allgemeinen nicht anerkannt. Deshalb hielt man aus praktischen Gründen für unumgänglich, dem Besitzer einer Grunddienstbarkeit den possessorischen Rechtsschutz zu gewähren. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen dieses Schutzes geht das B G B davon aus, daß eine Analogie zwischen dem Sachbesitz und dem Zustande der Ausübung der Grunddienstbarkeit anzunehmen ist. Das Analogon des Sachbesitzes ist bei den Grunddienstbarkeiten der Zustand der Ausübung bzw. der Zustand der tatsächlichen Geltung der Dienstbarkeit, welcher in deren Betätigung seitens des Berechtigten zutage tritt2). Den Vorschriften des B G B liegt der Gedanke zugrunde, daß man denjenigen, welcher sich in der Ausübung der Dienstbarkeit befindet, gewissermaßen als Mitbesitzer (quasi possessor) neben dem Sachbesitzer ansehen kann 3 ). Dadurch aber ist in der Tat bei Grunddienstbarkeiten vom B G B der Rechtsbesitz anerkannt worden. Zwar spricht das B G B nur von einer entsprechenden Anwendung der für den Besitzschutz geltenden Vorschriften auf den Schutz der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (Art. 191 E G ; § 1029 BGB). Aber die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Schutz des Sachbesitzes ist eben nur dann möglich, wenn Rechtsbesitz (quasi possessio) des Servitutberechtigten zugrunde gelegt wird 4 ).

Planck Bern. 1 zu § 1029; Staudinger Bern, i a zu § 1029; Westermann SR § 42 § 27 III; Wolff-Raiser SR § 24 III 2; Kriickmann ArchZPr. 108, 331. 2 ) M 3, 490, Mugdan 3, 273. 3 ) Planck Bern. 1 zu § 1029. *) So ist nach § 862 Abs. 2 B G B der Besitzanspruch ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt ist. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Schutz der Ausübung von Grunddienstbarkeiten setzt unerläßlich voraus, daß auch hier ein tatsächliches Machtverhältnis als e r l a n g t unterstellt wird. Mit anderen Worten: wie der Sachbesitz durch eine einmalige Handlung erworben wird, so muß auch das unterstellte Herrschaftsverhältnis bezüglich einer Grunddienstbarkeit, welches den Besitzschutz genießt, durch eine einmalige Handlung dergestalt erworben werden können, daß ein dem Sachbesitz analoges, aber nicht in der tatsächlichen Gewalt, sondern nur in der rechtlichen Fiktion bestehendes Herrschaftsverhältnis angenommen wird. Das dürfte bereits in der Tatsache der Eintragung im Grundbuch gegeben sein, da der Dienstbarkeitsberechtigte mit der Einigung und Eintragung Teilrechte des Eigentümers des dienenden Grundstücks erlangt. Für die auf ein Unterlassen gerichteten (negativen) ist dies auch in der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt, insofern das Verbot, die untersagte Handlung zu unterlassen in der Eintragung erblickt wird (vgl. B a y O b Z 33, 284; Heck SR § 16, 4; Westermann SR § 27 II, 2).

690

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 B I

B. Erwerb des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten

I. Wie der Sachbesitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache erworben wird (§ 854 BGB), so wird die quasi possessio durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit erworben und zwar schon durch eine einmalige, auf Fortsetzung gerichtete Ausübung. Gleichwie der Sachbesitz als tatsächliche Gewalt besteht ohne Rücksicht darauf, ob er rechtlichen Schutz genießt, so besteht die dem Sachbesitz entsprechende quasi possessio unabhängig davon, ob und inwieweit ihr vom Gesetzgeber ein Schutz zugebilligt worden. Dieser Gedanke ist als grundlegend festzuhalten. Es wäre verfehlt, eine quasi possessio nur insoweit als gegeben zu erachten, als ein Schutz der quasi possessio vom Gesetzgeber zugebilligt ist. Die quasi possessio wird erlangt durch eine Handlung, welche sich objektiv als Ausübung einer Grunddienstbarkeit darstellt. Die Handlung muß den Charakter der Rechtsausübung tragen5). Gleichgültig für den Begriff der quasi possessio ist es, ob sie durch eine fehlerhafte Besitzhandlung erworben wird. Gleichwie der Räuber an der von ihm abgenommenen Uhr Besitz erwirbt, so wird die quasi possessio einer Grunddienstbarkeit auch dann erworben, wenn der Ausübende einen entgegengesetzten Willen des Eigentümers mit Gewalt überwindet. Er besitzt fehlerhaft, aber er besitzt, wenn es ihm gelungen ist, den entgegenstehenden Willen des Grundeigentümers zu überwinden. Er hat die quasi possessio e r l a n g t und behält sie so lange, als er nicht das von ihm begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert. Durch den Akt der Betätigung der Dienstbarkeitsausübung wird ein dem Sachbesitz analoges Herrschaftsverhältnis begründet, welches mit zuständlicher Wirkung und im Rahmen der Ausübung fortdauert. Die Annahme eines solchen analogen Herrschaftsverhältnisses entfällt, wenn man in der Eintragung der Grunddienstbarkeit die Einräumung des Sachmitbesitzes erblickt; denn schon durch die Eintragung wird dem Dienstbarkeitsberechtigten ein Stück tatsächlicher Herrschaftsgewalt übertragen. § 1029 B G hat somit seine besondere Bedeutung für die nicht eingetragenen altrechtlichen Grunddienstbarkeiten. Deshalb wird z.B. eine auf Unterlassung gerichtete altrechtliche Grunddienstbarkeit solange als in Ausübung begriffen angesehen werden müssen, als nicht einem ausdrücklichen Verbot zuwidergehandelt wird. Die in Art .13 BayÜG B G B vorgesehene 10 jährige Nichtausübung läuft somit bei einem Konkurrenzverbot erst dann, wenn der untersagte Gewerbebetrieb verbotswidrig eröffnet wird. 6a ) Bei der altrechtlichen nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit muß die 5 6a

) Vgl. O G H 8, 461; O L G 6, 255. ) Vgl. BayOBZ 53, 284.

44'

691

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

B II

Unterlassung auf ein ausdrückliches Verbot des Berechtigten zurückgeführt werden können 8 ). II. Ob ein Besitzstand vorliegt, muß nach Lage des Einzelfalles entschieden werden. Es ist nicht erforderlich, daß die Willensrichtung des Berechtigten gerade auf die Ausübung einer Grunddienstbarkeit als eines Rechtes an einer f r e m d e n Sache ist; auch eine Rechtsausübung, welche in dem Glauben, Eigentümer zu sein, vorgenommen wurde, genügt. Aber es muß sich um eine solche Betätigung handeln, die rein objektiv betrachtet als die eines Grunddienstbarkeitsberechtigten aufgefaßt werden kann; es muß also eine Ausübung vorliegen, die für die Benützung eines Grundstückes Vorteil bietet; dem Grundsatz servitus fundo utilis esse debet muß bei der in Frage stehenden Betätigung Genüge geleistet sein, weil es sich sonst gar nicht um die Ausübung einer Grunddienstbarkeit handeln kann. Wenn z. B. der Postbote bei seinem täglichen Bestellgang über eine fremde Wiese geht, wird er niemals die quasi possessio einer Gehgerechtigkeit an dieser Wiese erwerben. Wenn aber der Eigentümer eines Ackers zum Zwecke der Bestellung desselben über einen daran grenzenden Rain gefahren ist, dann kann er hierdurch die quasi possessio einer Fahrtgerechtigkeit selbst dann erworben haben, wenn er sich irrtümlicherweise für den Eigentümer des Rains gehalten hat. Die Immission von Rauch, Ruß usw. kann nicht ohne weiteres als eine Handlung aufgefaßt werden, in welcher die Absicht einer Rechtsausübung an dem fremden Grundstück zum Ausdruck kommt63), ebensowenig das Ausschwärmenlassen von Bienen7). Desgleichen stellt eine bloße Mauerausbauchung oder das bloße Hineinragen eines schief gewordenen Giebels für sich allein noch keine Rechtsausübung einer Servitut dar8). Die Rechtsausübung einer Dienstbarkeit an Sachen, welche dem öffentlichen Gebrauche gewidmet sind, ist denkbar, aber sie liegt noch nicht ohne weiteres in der Ausübung von allgemeinen Gebrauchsbefugnissen, welche aus der Öffentlichkeit des Weges folgen 9 ). Wenn die Benützung nur v e r g ü n s t i g u n g s w e i s e oder mit dem Willen der V e r h e i m l i c h u n g erfolgt, ist die quasi possessio nicht gegeben 10 ). Dagegen kann eine g e w a l t s a m erzwungene Ausübung sehr wohl den Charakter der Rechtsausübung tragen 11 ). 6

) Vgl. Bolze 2 Nr. 191, 5 Nr. 97, 1 1 Nr. 51, R G 12, 175; SeuffA 46 Nr. 1 7 1 . ) Vgl. SeuffA 36 Nr. 110. ) Vgl. JW 1884, 281 Nr. 39. 8 ) Vgl. R G 45, 287 und dagegen: O L G 5, 423. e ) O L G 6, 255, vgl. Kahr, GemO 359; O G H 9, 8 1 ; 10, 200; SeuffA 42 Nr. 194 (RG). 10 ) O L G 6, 255. n ) Vgl. R G 22, 189; O G H 8, 2 0 1 ; a. M. Demburg 587. Zu Unrecht beruft sich Dernburg auf Planck Bern. 3 b. 6a 7

692

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42

c

Gerade weil jemand sich sein Recht nicht nehmen lassen will, übt er es trotz des Verbotes erst recht aus. Zweifelhaft ist, was zu der Ausübung der Dienstbarkeit gehört, wenn diese darin besteht, daß auf dem dienenden Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen. Die bisherige Rechtsprechung, hat in solchen Fällen eine quasi possessio nur dann angenommen, wenn die Nichtvornahme der betreffenden Handlungen infolge eines Verbotes des anderen Teiles erfolgte 12 ). Daran wird festzuhalten sein. Wenn aber die Dienstbarkeit im Grundbuche eingetragen ist, so wird man in dieser Eintragung schon das erforderliche Verbot erblicken können 13 ). Durch Dritte kann, wenn sie in einem Repräsentationsverhältnis zu der Person des Berechtigten stehen, die quasi possessio erworben werden 1 4 ); steht der Dritte zu dem Berechtigten in keinem Repräsentationsverhältnis, so kann die quasi possessio zwar durch ihn erhalten, aber nicht erworben werden 15 ). Wenn die Handlung so, wie sie äußerlich in die Erscheinung tritt, geeignet ist, eine Rechtsausübung darzustellen, so wird es Sache des Gegenbeweises sein, den Charakter der Rechtsausübung zu widerlegen 16 ). C. Beendigung des Quasibesitzes Wie lange der durch den erwerbenden Akt vollzogene Zustand der quasi possessio erhalten bleibt, ist ebenso wie beim Sachbesitz eine Tatfrage. Auch hier tritt wieder in Erscheinung, daß der Begriff der quasi possessio den rechtlichen Schutz n i c h t zur Voraussetzung hat. Das ergibt sich aus Art. 191 E G . Danach wird für eine Grunddienstbarkeit, welche weder eingetragen, noch in einer Anlage verkörpert ist, der Besitzschutz nur gewährt, wenn die Dienstbarkeit in j e d e m d e r d r e i l e t z t e n J a h r e v o r der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist. Damit ist nicht gesagt, daß der Besitzschutz stets dann gewährt werden muß, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre mindestens einmal ausgeübt worden ist. Es wird vielmehr vorausgesetzt, daß zur Zeit der Störung die quasi possessio noch besteht. Die quasi possessio kann aber erloschen sein, obwohl im letzten Jahre vor der Störung die Grunddienstbarkeit noch ausgeübt wurde 17 ). Es erlischt nämlich die quasi possessio, wenn der Be12

) Holzschuher, Theor. und Kas. 2, 405; SeuffA 36 Nr. 1 1 0 ; J W 1891, 23 Nr. 53. ) Planck Bern. 3 b zu § 1029; RGKomm. Bern. 5 Staudinger Randb. 1 je zu § 1029. " ) Vgl. Planck Bern. 3 b zu § 1029; SeuffA 47 Nr. 188, O G H 5, 795 (Dienstboten), § 241 (Pächter). 16 ) Vgl. SeuffA 47 Nr. 188. 16 ) Planck Bern. 3 b zu § 1029. 17 ) Planck Bern. 3 zu § 1029. ls

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§ D i l

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

rechtigte das durch Ausübung begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert, gleich wie der Sachbesitz nach § 856 B G B dadurch beendigt wird, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. Wenn z.B. der Kläger am 29. Mai bei einer Fahrt über die fremde Wiese gestört wird, und deswegen die Besitzschutzklage erhebt, so wird er mit dieser Klage auch dann abgewiesen werden können, wenn er in jedem der drei vorhergehenden Jahre wiederholt und sogar durchaus ungehindert und im guten Glauben über die fremde Wiese gefahren ist. Wenn ihm z.B. am 20. Mai der Wiesenbesitzer eine von ihm aufgefundene Urkunde vorzeigt, aus der sich ergibt, daß die bis dahin von beiden Teilen unterstellte Fahrtgerechtigkeit in Wirklichkeit nicht besteht und daraufhin der Kläger, der im Begriffe stand, über die Wiese zu fahren, dies unterläßt, so hat er hierdurch die quasi possessio verloren, er hat das durch die Ausübungshandlung begründete Herrschaftsverhältnis aufgegeben.

Das Herrschafts Verhältnis des Berechtigten an der fremden Sache, die quasi possessio, wird namentlich dadurch aufgegeben, daß der Berechtigte die nach den Umständen veranlaßte Fortsetzung der Ausübung mit dem Willen unterläßt, die Grunddienstbarkeit nicht mehr weiter auszuüben. Die Aufgebung des Besitzwillens ist unter diesen Umständen auch aus einer bloßen länger andauernden Nichtausübung des Rechtsbesitzes zu folgern. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage vorwiegend tatsächlicher Natur 18 ). Der Verlust des Quasibesitzes tritt auch dann ein, wenn der Besitzer des herrschenden Grundstücks die Ausübung der Dienstbarkeit nicht freiwillig aufgibt, sondern ihm die Ausübung der Dienstbarkeit von dem Besitzer des belasteten Grundstücks, wenn auch nur zeitweilig 19 ), u n m ö g l i c h gemacht wird 20 ). Allein gegen diese Behinderung kann gerade der Besitzschutz wirksam angerufen werden. D. Schutz der Ausübung der Grunddienstbarkeiten

I. V o r a u s s e t z u n g e n des B e s i t z s c h u t z e s Die Voraussetzungen sind verschieden, je nachdem die Grunddienstbarkeit im Grundbuche eingetragen ist oder nicht. 1. E i n g e t r a g e n e Grunddienstbarkeiten. Wird der Besitzer eines Grundstückes in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört, so finden die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften der § 854ff B G B unmittelbar Anwendung, da durch die Eintragungsbewilligung in Verbindung mit der Eintragung der Sachmitbesitz in dem Umfang übertragen 18

) ) neuem 20 ) 19

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Vgl. O G H IJ, 279; Krückmann ArchZPr. 108, 351. Nach dem Wegfall der Verhinderung kann die quasi possessio natürlich von erworben werden. Planck Bern. 3 zu § 1029. Staudinger Randb. 3 bzw. § 1029 u. 45 zu § 1018.

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 DI2

wird, der dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entspricht. Der Besitzschutz kann niemals über den Inhalt der Grunddienstbarkeit, wie er im Grundbuche eingetragen ist, hinausgehen21). Eine Ausübung, die über den eingetragenen Inhalt der Grunddienstbarkeit hinausgeht, kann aber den Besitzschutz unter den Voraussetzungen genießen, unter welchen er einer nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit zukommt (s. unten 2). Hier greift § 1029 B G B ein, der eine entsprechende Anwendung der Vorschriften in §§ 8 5 4 f f vorsieht, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist. Die Erfordernisse der Ausübung sind oben unter B erörtert. Ist die Dienstbarkeit innerhalb des der Störung vorausgehenden Jahres nicht mindestens einmal ausgeübt worden, so bleibt der Besitzschutz überhaupt versagt. E r wird dagegen gewährt, wenn dies auch nur einmal in dem der Störung vorausgegangenen Jahre geschehen ist. W a r diese vorhergehende Ausübung eine gewaltsame, so kommt es darauf an, ob der Quasipossessor die quasi possessio schon vor dem Beginn des der Störung vorhergehenden Jahres erlangt hat, (s. hierüber oben B I). W a r dies der Fall, dann kann ihm dieser fehlerhafte E r w e r b seiner quasi possessio nach §§ 861 A b s . 2, 862 A b s . 2 nicht mehr entgegengehalten werden. Hat aber der Besitzer des herrschenden Grundstückes die quasi possessio erst in dem der Störung vorhergehenden Jahre erlangt, dann sind die Voraussetzungen gegeben, vermöge deren der störende Besitzer des dienenden Grundstückes die Besitzklage nach §§ 861 Abs. 2, 862 A b s . 2 aus dem Felde schlagen kann.

2. N i c h t e i n g e t r a g e n e Grunddienstbarkeiten. Nach Art. 191 Abs. 1 E G sind die bisherigen Gesetze über den Schutz im Besitze einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aufrecht erhalten, bis das Grundbuch für das belastete Grundstück als angelegt anzusehen ist. Erst vom Inkrafttreten der Grundbuchverfassung an würde also der Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten in Gemäßheit des Art. 191 Abs. 2 E G nach Bundesrecht zu beurteilen sein. Art. 45 Ü G hat jedoch die Anwendbarkeit des bisherigen Rechts auch für die Übergangszeit beseitigt und die Vorschriften des Art. 191 Abs. 2 E G schon vom Inkrafttreten des B G B an in Geltung gesetzt, so daß von da ab der Besitzschutz der nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten in Bayern einheitlich durch Art. 191 Abs. 2 E G geregelt ist. Die Beschränkung, wonach Art. 191 Abs. 2 E G nur insolange Anwendung finden soll, als Dienstbarkeiten nach Art. 128 oder Art. 187 E G zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs der Eintragung bedürfen, ist für Bayern zunächst bedeutungslos, da die für die Unterwerfung von Grunddienstbarkeiten unter den Eintragungszwang erforderliche Verordnung (Art. 10 Abs. 2 ÜG) bislang noch nicht erlassen wurde und vorerst auch nicht zu erwarten ist. Demgemäß finden in Bayern auch zum Schutze der Ausübung einer nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften des B G B vom 1. Januar 1900 an entsprechende Anwendung. Es sind jedoch zu unterscheiden: 21

) V g l . Gruchot. 49, 1 2 7 ; Siebert J W 1956, 2 4 5 3 .

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§

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

DU a) die nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten, mit welchen das Halten einer dauernden A n l a g e verbunden ist sowie für die affirmativen Grunddienstbarkeiten, deren Inhalt im Benützen des dienenden Grundstücks besteht, weil insoweit zum Teil die Sachherrschaft eingeräumt ist. Diese genießen den Besitzschutz unmittelbar (Art. 191 Abs. 2 S. 1 E G ) ; b) die sämtlichen nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten a n d e r e r Art, denen der Besitzschutz nur dann gewährt wird, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre vor der Störung wenigstens einmal ausgeübt worden ist (Art. 191 Abs. 2 Satz 2 EG). Daß die quasi possessio während der drei Jahre ununterbrochen fortgedauert hat, ist nicht notwendig. Es genügt, wenn sie in jedem Jahre mindestens einmal, wenn auch nur zeitweilig vorhanden war, soferne sie nur unmittelbar vor Beginn des letzten der Störung vorausgegangenen Jahres bestanden hat. Ist aber die quasi possessio erst in dem der fraglichen Störung unmittelbar vorausgehenden Jahre wieder erlangt worden, so schlägt der störende Besitzer des belasteten Grundstücks die Besitzklage mit dem Einwände aus §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 B G B . II. I n h a l t des B e s i t z s c h u t z e s Solange das durch die Ausübungsbetätigung begründete zuständliche Herrschaftsverhältnis fortdauert, ist jede Behinderung oder Störung in der Ausübung der Dienstbarkeit ohne den Willen des Besitzers eine Verletzung des Besitzrechtes. Die rechtswidrige Verhinderung in der Ausübung oder deren rechtswidrige Beeinträchtigung ist verbotene Eigenmacht, zu deren Abwehr dem Besitzer neben dem Rechte der Selbsthilfe22) (§859 BGB) die Besitzklagen gegeben sind. Bei totaler Verletzung, nämlich bei Entziehung des Besitzes geht der Anspruch auf Wiedereinräumung desselben (§861 BGB). Wird der Besitz nur partiell, d. i. eben in anderer Weise als durch Entziehung, beeinträchtigt, so steht dem Besitzer die Besitzstörungsklage zu (§ 862 BGB). Der Besitz ist entzogen, wenn der Dritte die Ausübung der Dienstbarkeit ganz vereitelt; er ist gestört, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit erschwert wird; die Grenzen der beiden Besitzklagen sind bei ihrer Anwendung auf den Schutz der Grunddienstbarkeitsausübung besonders flüssig. Das Gesetz erkennt mit gewissen Einschränkungen, die unter I erörtert wurden, bei nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten den Rechtsbesitz (§ 1029), die quasi possessio, als schutzwürdig an; dem Quasipossessor ist 22

696

) Vgl. hierüber Planck Bern. 43 zu § 1029; Staudinger Randb. 3 zu § 1029.

Anspruch auf Schadenersatz

§43 A

das Recht auf Erhaltung des durch die Ausübung erlangten Herrschaftsverhältnisses in dem Sinn verliehen, daß er an der Fortsetzung der Ausübung nicht behindert werden darf. Sein Quasibesitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. Wer diesen Herrschaftszustand stört, handelt widerrechtlich, soferne ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet. Die Störung ist verbotene Eigenmacht (§858 B G B ) und also selbst dann unzulässig, wenn die angemaßte Grunddienstbarkeit in Wirklichkeit gar nicht besteht. Ob der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat, ist nur dann von Bedeutung, wenn der Quasibesitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist (§ 861 Abs. 2, § 862 Abs. 2 B G B ) . Das Nähere hierüber s. oben § 40 III. (Anwendungsfälle s. oben D I, 1 und D I, 2 b). Der Anspruch geht auf Wiedereinräumung des Besitzes bzw. auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit. E r erlischt mit dem Ablaufe eines Jahres nach der VerÜbung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 B G B ) , s. hierüber oben § 40 V. Eine Einwendung oder Widerklage aus dem materiellen Rechte ist nicht zulässig (s. hierüber und über die Ausnahmen von diesem Grundsatz oben § 40 I V 2).

§ 43. Anspruch auf Schadenersatz A. Eigentumfreiheitsklage und Schadenersatz Schaden ist gleichbedeutend mit Minderung des Vermögens. Grundsätzlich muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen. Nur dann kann er ihn auf einen anderen abwälzen, wenn dieser aus einem besonderen Rechtsgrund zum Ersatz verpflichtet ist. Deshalb allein, weil ein anderer den Schaden verursacht hat, ist er noch nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Aus § 1004 ist ein zum Schadenersatz verpflichtender Rechtsgrund nicht abzuleiten 1 ). Der Eigentumfreiheitsanspruch erschöpft sich in der Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums. Die Beeinträchtigung besteht darin, daß das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren, und andere von jeder Einwirkung auszuschließen § 43 !) Das gleiche gilt für den Anspruch des § 862 wegen Beeinträchtigung des Besitzers (OLG 20, 395).

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung v o n Eigentum usw.

A (§ 9°3)> durch das Verhalten eines anderen in zuständlicher Weise verletzt wird. Folgerichtig geht der Beseitigungsanspruch auf Herstellung eines Zustandes, bei dem v o n n u n a b der Eigentümer sein Recht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, ungehemmt ausüben kann. Mit der Herstellung dieses Zustandes ist der Beseitigungsanspruch auch dann erfüllt, wenn während der Dauer der Beeinträchtigung der Zustand der Sache selbst durch die Beeinträchtigung in nachteiliger Weise verändert worden und nach der Beseitigung der Beeinträchtigung verändert geblieben ist (Sachschaden) oder der Eigentümer infolge der Beeinträchtigung eine anderweitige Minderung seines Vermögens (Vermögensschaden) erlitten hat. D e r Eigentumfreiheitsanspruch gewährt also keinen Ersatz dafür, daß infolge der Beeinträchtigung des Eigentums der Eigentümer an seinem Vermögen geschädigt ist 2 ). Mit dem Anspruch aus § 1004 kann W i e d e r h e r s t e l l u n g des früheren Zustandes im Sinne des § 249 n i c h t gefordert werden, weder hinsichtlich der Sache noch hinsichtlich der allgemeinen Vermögenslage. Mit anderen W o r t e n : Mit der Eigentumfreiheitsklage kann nur gefordert werden die Herstellung eines Zustandes, bei dem die Beeinträchtigung n i c h t m e h r vorhanden ist; nicht dagegen die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung ü b e r h a u p t n i c h t stattgefunden hätte. W e r diesen letzteren Anspruch geltend macht, verlangt S c h a d e n e r s a t z (§ 249) und damit kann er nur durchdringen, wenn die Haftung auf Ersatz des infolge der Beeinträchtigung eingetretenen Schadens durch einen b e s o n d e r e n R e c h t s g r u n d bestimmt ist. D e r aus einem solchen besonderen Grund beanspruchte Schadensersatz wegen Beeinträchtigung des Eigentums kann neben dem negatorischen Anspruch in derselben Klage sogar ohne ziffermäßige Angabe des Betrags geltend gemacht werden 3 ). 2 ) R G 45, 300; 63, 574; SeuffA 60 Nr. 218 (RG); Recht 1906 Nr 940 ( O b L G ) ; Werner Im Recht 1904, 530 gegen O L G 7, 29 (Köln); Staudinger Randb. 32, 52 zu § 1004 und Randb. 43 ff zu § 906 B G B . Der Unternehmer einer städtischen Gasanstalt oder einer städtischen Wasserleitung haftet deshalb für den durch Rohrbruch verursachten Schaden nur im Falle des Verschuldens (RG 63, 374). Vgl. ferner B G B in L M Nr. 14 zu § 104 (Beseitigung eines rechtswidrig errichteten Bauwerks ist nicht Schadenersatz); R G Z 1 2 7 , 35 (Beseitigung der Undichtigkeit eines Dammes). Vgl. auch Westermann SR § 36, III, 1 (Beseitigung einer Besitzstörung durch Instandsetzung eines schadhaften Zaunes). D e r vom Wasserwerk nicht verschuldete Wasserrohrbruchschaden begründet keinen Entschädigungsanspruch ( O L G Oldenburg N J W 58, 747; B G H N J W 71, 607). 3 ) PucheltsZ 32, 80 (RG); vgl. Recht 1906 Nr. 2852 (Frankfurt); Staudinger-Berg Randb. 53 zu § 1004. Aktiv legitimiert für den Anspruch auf Schadensersatz ist der Geschädigte, d. i. i.d.R. der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks; ist dieses verpachtet, so steht auch dem Pächter oder dem sonst dinglich oder obligatorisch am geschädigten Grundstück Berechtigten die Schadensersatzklage zu.

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Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3 B

B. Ursächlicher Zusammenhang

Wer Schadenseratz fordert, muß in jedem Fall den Nachweis erbringen, daß der Schaden auf dasjenige Ereignis zurückzuführen ist, für das der Beklagte haftet (Kausalzusammenhang). Im logischen Sinn ist ein ursächlicher Zusammenhang schon dann gegeben, wenn durch ein Ereignis eine der mehreren Bedingungen für die Entstehung des Schadens gesetzt ist. Allein der logische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs ist für das Recht unbrauchbar. Der juristische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs beruht auf einer Beurteilung des Geschehens. Jedes Ereignis hat eine erfahrungsmäßige Tendenz, gewisse Erfolge hervorzubringen. Der Sachkundige, mit dem gesamten Wissen der Erfahrung Ausgestattete, ist i.d.R. schon beim Eintritt des Ereignisses in der Lage, zu übersehen, welche Folgen voraussichtlich daraus hervorgehen werden. Ein solcher Sachkundiger wird bei seiner Vorstellung über den Ablauf der Folgen eines Ereignisses mit mannigfachen Möglichkeiten rechnen. Aber er würde sich ins Uferlose verlieren, wenn er bei seiner Vorstellung auch eine Verquickung ganz besonders eigenartiger Umstände einbeziehen würde. E r wird den kausalen Ablauf des Ereignisses in 99 von 100 Fällen richtig beurteilen, wenn er ganz außergewöhnliche Komplikationen außer Betracht läßt und nur mit den Folgen rechnet, mit denen man nach dem gesamten Erfahrungswissen rechnen muß. Tritt dann infolge einer ganz außergewöhnlichen Komplikation doch eine andere Folge ein, als sie ein solcher Sachkundiger in seine Vorstellung einbezogen hat, dann war diese Folge für die menschliche Erkenntnis nicht vorhersehbar. Die in diesem Sinne objektiv aufgefaßte Vorhersehbarkeit durch den Sachkundigen, der das gesamte Erfahrungswissen beherrscht, ist unerläßliche Voraussetzung des ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn (adäquater Zusammenhang)4). Für die Frage des adäquaten Zusammenhangs ist aber keineswegs erforderlich, daß der V e r a n t w o r t l i c h e die Folgen voraussehen konnte5). Dieser Umstand ist für die Frage des Verschuldens von Bedeutung, nicht aber für die Frage (die objektiv; d. i. losgelöst vom Standpunkt des Verantwortlichen, zu beurteilen ist), ob ein Ereignis im adäquaten ursächlichen Zusammenhang zu einem andern steht. Dieser adäquate Zusammenhang ist gegeben, wenn eine für die Entstehung des Schadens ge4 ) Vgl. Staudinger-Werner Randb. 18, 26—37 Vorbem. vor § 249; B G H Z 3, 261; 7, 204; N J W 1952, 1010. Vgl. ferner B G H Z 25, 86; Larenz in NJW 1958, 627; BGH in N J W 1958, 1041; Lange in ArchZPr. 156, 1 1 4 ; R G Z 168, 88; 169, 91 (Die Möglichkeit, daß eine Tatsache oder Handlung für einen Schaden ursächlich gewesen ist, darf nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen). RGKomm. 1, 327f. und 994. (Vorbem. 3 vor § 249 und Vorbem. 5 vor § 823). Vgl. auch Traeger, Den Kausalbegriff im Straf- u. Zivilrecht (1929); Larenz N J W 1955, 1 0 1 1 ; MDR 56, 724. 6 ) R G 66, 253; 69, 344; 81, 361.

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§ 4«i

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

B setzte Bedingung nach der gesamten Erfahrung und Wissenschaft auch ohne Einbeziehung fern abliegender Komplikationen als geeignet erscheinen mußte, den später eingetretenen Erfolg herbeizuführen oder zu fördern. Neuerdings haben Rechtslehre und Rechtsprechung die Adäquanztheorie durch die Rücksichtnahme auf Billigkeitserwägungen (§ 242 BGB) eingeschränkt. Es wird nunmehr geprüft, ob ein Erfolg (ein Schaden) einem bestimmten Täter billigerweise zugerechnet werden kann. Die Zurechenbarkeit wird dann verneint, wenn ein Schaden durch das Dazwischentreten eines Dritten herbeigeführt wird. Als nicht adäquat werden solche Bedingungen erachtet, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung für den Eintritt eines schädigenden Erfolgs ohne Bedeutung sind und vernünftiger Weise im Hinblick auf Treu und Glauben im Verkehr nicht in Betracht gezogen werden können. In allen Fällen, in welchen Ersatz für einen Schaden begehrt wird, obliegt dem Kläger der Nachweis dieses ursächlichen Zusammenhangs. In vielen Fällen handelt es sich hier um Fragen, die ganz besonders schwierig sind, bei deren Beantwortung der Richter aber immerhin nicht zu ängstlich zu Werke gehen darf. Der Umstand allein, daß ein Verhalten feststeht, das den Schaden herbeigeführt haben kann, begründet noch keine Vermutung, daß es den Schaden wirklich herbeigeführt hat6). Andererseits darf sich der Richter mit dem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen, der dem Umfang der menschlichen Erkenntnis und Erfahrung entspricht, und Wahrheit ist für ihn das, was er nach dem Stande der Wissenschaft und auf Grund der bisherigen Erfahrungen für Wahrheit halten darf 7 ). So ist in der Rechtsprechung des R G mehrfach anerkannt, daß es, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu einem schadenbringenden Erfolg und einer gefährlichen Handlung gegeben ist, einer Aufklärung des ursächlichen Zusammenhangs in allen seinen Gliedern bis auf das erste durch die gefährliche Handlung gesetzte Glied nicht bedarf, sondern daß der Richter zur Annahme des Kausalzusammenhangs einerseits durch die Beurteilung der Gefährlichkeit und andererseits durch die negative Feststellung gelangen kann, daß nach menschlicher Erfahrung mit Rücksicht auf die Sachlage eine Verursachung durch einen anderen Vorgang als ausgeschlossen erscheint8) (Prima facies-Beweis). In einem solchen 8 ) HansGZ 1905, Beiblatt 4 (Hamburg); JW 1902, Beilage 212 ( R G ) ; B G H Z 8, 259. ') O L G 2, 506 (Schädliche Raucheinwirkungen auf Waldungen). 8 ) R G 8, 167; io, 141;( Explosion einer Pulverfabrik als Folge der Nichtbeachtung polizeilicher Vorschriften); z, 190; 15, 339; 29, 140 (Waldbrand); 95, 68 und 249. — JW 1903, 384; 1908, 197; O b L G 2, 171; JW 1915, 243; 1908, 196; SeuifA 63 Nr. 249; JW 1921, 748. Vgl. auch Weyreuther in D R i Z t . 1957, 55 (Grundsatz des „ersten A n scheins"). B G H Z 6, 169; N J W 58, 1629; Staudinger-Wemer Vorb. 67—72 vor § 249.

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Anspruch auf Schadenetsatz

§43 G III

Falle muß es dem zur Verantwortung Gezogenen überlassen bleiben, zu beweisen, daß ausnahmsweise dieser der Erfahrung entsprechende Zusammenhang nicht besteht9). C. Inhalt und Umfang des Schadenersatzes

I. Unter Schaden ist eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verstehen. Der Schaden besteht in dem Unterschied der Vermögenslage nach dem schädigenden Ereignis gegenüber der Vermögenslage, die ohne das schädigende Ereignis vorhanden wäre. Soll beurteilt werden, ob eine Einwirkung auf ein Grundstück einen Schaden herbeigeführt hat, so muß man sich zwei verschiedene Zustände vorstellen und diese miteinander vergleichen. Durch diesen Vergleich wird festgestellt,ob die Vermögenslage desjenigen, der durch die Einwirkung betroffen ist, nachteilig verändert wurde. Dabei handelt es sich also um zwei Kausalreihen: a) Durch die Einwirkung wird das Grundstück (oder seine Bestandteile) irgendwie körperlich verändert; b) durch diese Änderung wird eine Vermögensbeschädigung verursacht. Die erste Ursachenreihe besteht aus rein tatsächlichen und zwar physischen Elementen; sie arbeitet mit dem naturwissenschaftlichen Ursachenbegriff ; die zweite Ursachenreihe besteht auch aus gedanklichen Elementen, bei denen rechtliche Begriffe eine Rolle spielen; sie arbeitet mit dem Begriff der adäquaten Verursachung, der auf einer Beurteilung des Geschehens beruht 10 ). II. Für die Art der Ersatzleistung bestimmt § 249 B G B : „Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen." Der durch § 249 Satz 2 begründete Anspruch auf den zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlichen Geldbetrag stellt sich als die bei Beschädigung einer Sache dem Verletzten zustehende besondere Art des Wiederherstellungsanspruchs dar 11 ). Darnach hat der Geschädigte im Falle der Beschädigung einer Sache entgegen der Regel des Satzes 1 des § 249 das Recht, die Herstellung selbst vorzunehmen. Er kann die vom Ersatzpflichtigen angebotene Herstellung durch diesen ablehnen, selbst herstellen und Ersatz seines Aufwandes beanspruchen12). Diese Wiederherstellung 9

) Recht 1909 Nr. 3769; 1914 Nr. 466 (RG); L Z 1915, 624 (RG); R G Z 159, 241. ) Jsay, pieuß. BergG 2, 63; s. oben B. " ) R G 71, 214. JW 192z, 234 (RG).

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§ 4(5 C II

Y , Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

kann nur durch Aufwendung derjenigen Kosten erfolgen, welche zu der Zeit, wo die Wiederherstellungsarbeiten vorgenommen werden müssen, dazu erforderlich sind. Wählt der Verletzte die ihm durch § 249 Satz 2 eingeräumte Art der Ersatzleistung, so geht eine seit Eintritt des Schadens eingetretene Preissteigerung zu Lasten des Ersatzpflichtigen, es müßte denn sein, daß sich der Verletzte in sachwidriger Weise untätig verhalten hat, m. a. W. den Schaden schuldhaft vergrößert hat (§ 254). Wenn Unklarheit darüber besteht, welche technischen Maßnahmen zur Wiederherstellung erforderlich sind, kann den Verletzten dieser Vorwurf nicht treffen13). Das Wesen des § 249 besteht darin, daß der Verletzte die Wiederherstellungsarbeiten selbst vornimmt und von dem Ersatzpflichtigen den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Der Verletzte kann diesen Geldbetrag schon vor der Ausführung der Arbeiten verlangen. Zahlt der Ersatzpflichtige auf Verlangen sofort und stellt sich nach ungesäumter Ausführung der Arbeiten heraus, daß der bezahlte Betrag nicht ausreicht, so muß der Ersatzpflichtige den Mehrbetrag nachzahlen. Hat der Verletzte den Geldbetrag verlangt, der Ersatzpflichtige aber Zahlung nicht geleistet, so haftet der Ersatzpflichtige für die durch Preissteigerung herbeigeführte Vergrößerung des Schadens a u c h auf Grund seines Zahlungsverzugs, wenn der Ersatzberechtigte die erforderlichen Mittel zur Ausführung der Arbeiten nicht hatte oder ihm billigerweise deren Vorlage nicht zugemutet werden konnte. § 249 erfordert nicht die Herstellung eines Zustandes, der mit dem früheren in jeder Hinsicht übereinstimmt; es genügt vielmehr die Herstellung eines im wesentlichen gleichen, d.h. eines wirtschaftlich gleichwertigen Zustandes 14 ). Die Vorschrift des § 249 stellt nicht schlechtweg auf die frühere Sachlage ab, sondern auf die Entwicklung der Dinge, die ohne das schädigende Ereignis nach Erfahrungsgrundsätzen aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden hätte.142) 13 ) R G 98, 56. — Anders ist zu entscheiden für den Anspruch auf Schadloshaltung im Sinne des § 26 R G e w O ; Art. 80 A G . — In diesem Falle ist zu ersetzen der Minderwert für die Duldung künftiger Einwirkungen, die an sich unzulässig sind, aber auf Grund der sonderrechtlichen Vorschrift nicht abgewehrt werden können. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in welchem der Abwehranspruch entzogen und damit die Duldungspflicht begründet wurde. Da später eingetreten, liegt die durch den Krieg und seine Nachwirkungen herbeigeführte Preissteigerung nicht im Rahmen der adäquaten Verursachung (vgl. R G 98, 53). Über den Einfluß der Preissteigerung auf den Ersatz des Bergschadens vgl. Recht 1920 Nr. 2998 und 2999 (RG). V g l . auch Staudinger-Werner Vorb. 73 u. 77if., sowie 84 vor § 249 B G B . 1 4 ) R G 96, 123; vgl. O L G 36, 157 und oben § 38 II 1. 14*) Vgl. B G H in N J W 1959, 1078; R G 106, 86; 126, 404; 143, 267; JW 24, 811; 26, 1541; 37, 1715; B a y O b Z 31,193; Bremen in N J W 54, 1937; Staudiger-Werner 6 u. 9; Palandt-Danckelmann 1 je zu § 249.

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Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3

G II

Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige nach § 251 Abs. 1 B G B den Gläubiger in Geld 1 5 ) zu entschädigen. Nach § 251 Abs. 2 B G B kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Für die Bemessung des Schadenersatzes für Beschädigung einer Sache ist der Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung maßgebend 16 ). Es kommt nur der Schaden in Betracht, welcher durch eine bereits vollzogene Eigentumsverletzung erwachsen ist oder noch erwachsen wird 17 ). Eine Klage auf Ersatz des Schadens, der durch k ü n f t i g e E i n g r i f f e in das Eigentum erwachsen wird, ist höchstens als Feststellungsklage und ohne ziffernmäßigen Schadensbetrag, nicht aber als Leistungsklage zulässig. Wenn z.B. infolge des unerträglichen Lärmes eines Fabrikbetriebes die Mieter des Nachbarhauses ausgezogen sind, so ist auch der durch den künftigen Mietausfall erwachsende Schaden durch die bereits eingetretenen Verletzungen des Eigentums verursacht 18 ). Insoweit aber der Mietwert der Wohnungen mit Rücksicht darauf herabgedrückt ist, daß die Immissionen fortdauern und auch für die Zukunft zu erwarten sind, kann dem Eigentümer nicht etwa eine dauernde Rente oder gar ein Kapitalsbetrag als Ausgleich für diesen künftigen Minderertrag zugebilligt werden 19 ). Denn mit Sicherheit steht weder fest, daß die Eigentumsverletzungen in Zukunft fortdauern, noch auch, daß der durch die Verletzungen zugefügte Schaden in Zukunft der gleiche bleiben wird 20 ). Es kann die Fabrik, welche den Lärm hervorruft, verlegt werden oder der Lärm durch technische Neuerungen auf ein erträgliches Maß herabgesetzt werden; es kann aber auch auf dem bisher beeinträchtigten Nachbargrundstücke eine Fabrik erbaut werden, deren Benützung durch den vom Nachbargrundstück kommenden Lärm gar nicht beeinträchtigt wird, oder es kann das ganze Viertel zu einem Industrieviertel werden, in welchem die bisher unzulässige Immission infolge dieser Änderung schlechtweg zulässig ist. Nur in jenen Fällen, in welchen 1 5 ) Durch Kapitalsabfindung, nicht durch Zusprechung einer Rente ( L Z 1918, 459; R G ) . Staudiger-Werner Vorb. 79 vor § 249 u. Randb. 3—9 zu § 251. 1 6 ) Ein bis Zu diesem Zeitpunkt eingetretene Preissteigerung geht also regelmäßig zu Lasten des Ersatzpflichtigen. Der Einwand des Ersatzpflichtigen, daß der Verletzte durch sofortige Ersatzbeschaffung den Schaden vermindert hätte, ist unbehelflich (JW 1922, 220; RG). Vgl. Staudinger-Werner Randb. 13 u. 28 zu § 249. 17 ) Riehl bei Gruchot 51, 148. 18 ) Vgl. Riehl bei Gruchot 51, 150. R G . 80, 164; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 228. 19 ) Riehl bei Gruchot 51, 147. Eine Kapitalabfindung würde im Fall der Veräußerung gar nicht demjenigen zukommen, der den Schaden hat. Vgl. SeuffA 54 Nr. 212 (Braunschweig). 20 ) Vgl. Riehl bei Gruchot 51, 147.

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung v o n Eigentum usw. C III IV

der negatorische Anspruch schlechtweg entzogen und durch den Anspruch auf „Schadloshaltung" ersetzt ist (gegenüber gewerblich konzessionierten Anlagen und Verkehrunternehmungen), ist ein Ersatz des Minderwertes zu leisten, den das Nachbargrundstück dadurch erleidet, daß es die an sich unzulässigen k ü n f t i g e n Einwirkungen dulden muß (s. darüber oben § 39 H I .

III. Das mitwirkende Verschulden des Beschädigten ist noch § 254 B G B zu berücksichtigen. Dem durch die unzulässigen Einwirkungen beeinträchtigten Nachbar kann aber nicht angesonnen werden, daß er seinerseits auf seinem Grundstücke Einrichtungen treffen muß, welche die Schädlichkeit der Einwirkungen von vornherein abwenden oder mildern. So kann ihm nicht entgegengehalten werden, daß er durch einen sog. Schutzstreifen seinen Wald vor Inbrandsetzung durch Lokomotivfunken hätte sichern sollen 21 ) oder daß die an sich unzulässigen aber nach § 26 G e w O zu duldenden Erschütterungen des benachbarten Stanzmaschinenbetriebs nur deshalb den Einsturz seines Hauses herbeiführten, weil dasselbe zu leicht gebaut war 22 ). Wenn freilich zur Zeit der Errichtung des Hauses dessen Eigentümer erkennen mußte, daß es den Einwirkungen des schon vorhandenen benachbarten Stanzbetriebes nicht standhalten könne, wird gemäß § 254 B G B anzuwenden sein. Der Eigentümer hätte in solchem Fall dem Haus eine festere Konstruktion geben müssen; den Mehraufwand hätte ihm der Immittent ersetzen müssen. Wer ungeachtet des übermäßigen Rußes der benachbarten Fabrik seine Wachse zum Trocknen aufhängt, wird sich die Anwendung des § 254 B G B gefallen lassen müssen; er hätte die Wäsche in einer Trockenmaschine trocknen und den hiermit verbundenen A u f w a n d beanspruchen sollen 23 ).

IV. Die an und für sich auch hier zulässige Vorteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) kann nicht dazu führen, daß gegenüber dem Schaden, der durch die unzulässige Einwirkung (z. B. Immissionen) entstanden ist, der Gewinn aufgerechnet wird, der dem Eigentümer durch die Anlage der einwirkenden Fabrik und die dadurch hervorgerufene Hebung der Industrie in der fraglichen Gegend erwachsen ist. Denn der Gewinn beruht in diesem Falle nicht auf demselben Ereignisse, das den Schaden 2 1 ) Recht 1902, 589 (Stettin). Vgl. dagegen Keyßner, Recht 1904, 619. Dagegen wird man konkurrierendes Verschulden annehmen müssen, wenn ein Hausbesitzer sein Haus mit einem Strohdach gedeckt läßt, obwohl das Eisenbahngleis dicht an seinem Haus liegt. 22 ) Vgl. O G H 17, 19; Bolze 10 Nr. 67. 23 ) Der negatorische Anspruch bleibt natürlich unberührt, vgl. oben § 14, I V 1. Vgl. auch B G H Z 4, 174 (Für die Frage des § 254 ist auch von Bedeutung, ob die Minderung des Schadens durch entsprechende Maßnahmen nach § 242 zumutbar war). StaudingerWemer Randb. 27 (Handeln auf eigene Gefahr), 44 (sozialadäquates Verhalten), 70 (überwiegende Verursachung) zu § 254. Über Sozialadäquanz im Zivilrecht vgl. Nipperdey N J W 1957, 1777; Baumann M D R 1957, 646; G B H Z 24, 21 = N J W 57, 785 = M D R 57, 666; Baumann AcPr. 155, 495.

704

Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3

C VD I

verursacht hat24). Zu beachten ist, daß die Vorteilsausgleichung nur gegenüber Schadensersatzansprüchen möglich ist. V. V e r j ä h r u n g . Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an (§ 852), auch wenn der Schaden erst nachträglich erkennbar geworden ist. Es genügt für den Beginn der dreijährigen Verjährung, daß der Schaden im allgemeinen erkennbar war. Auf die Kenntnis der Einzelheiten des schädigenden Ereignisses oder Zustandes kommt es nicht an. Es muß der gesamte, aus einer schädigenden Handlung entstehende Schaden als ein einheitlicher nicht als eine Summe von einzelnen selbständigen Schäden angesehen werden. So ist z.B. die Lockerung des Fundamentes der eigentliche Schaden; die einzelnen nach und nach auftretenden Risse im Gebäude sind nur für den Umfang des Schadens von Bedeutung 25 ). Fortgesetzte schädigende Einwirkungen jedoch, durch jeweils eine erneute Bedingung für einen Schaden gesetzt wird, gelten je als neuer Schadensfall. Für jeden neuen Eingriff beginnt die Frist zur Verjährung gesondert zu laufen26"). D. Die Gründe der Haftung auf Schadenersatz

Ist durch die Beeinträchtigung des Eigentums ein Schaden entstanden, so kann Ersatz dieses Schadens nicht ohne weiteres gefordert werden, sondern nur dann, wenn diese Haftung durch einen besonderen Rechtsgrund bestimmt ist (s. oben § 43 A). In dieser Hinsicht kommen in Betracht: die Schadensersatzpflicht wegen Verzug, wegen Verschulden und auf Grund der Gefährdungshaftung. I. V e r z u g . Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug (§ 284). Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 286). Wird das Eigentum 24 ) Riehl bei Gruchot 51, 146. Anders ist zu entscheiden, wenn „Schadloshaltung" für den Minderwert des Hauses verlangt wird, der durch die an sich unzulässigen aber (nach § 26 RGewO, Art. 80 A G ) zu duldenden künftigen Einwirkungen herbeigeführt wird. Vgl. R G Z 146, 278; B G H Z 1 0 , 1 0 7 ; Werner in N J W 1953, 769. Esser M D R 5 7 , 5 2 2 (zur Lehre von der Vorteilsausgleichung); Staudinger-Werner Vorb. 102 vor § 249; Palandt Vorb. 7 vor § 249 u. Bern. 2 b zu § 254. 26 ) Gruchot 54, 392 (RG); R G Z 142, 280 (Rechtsirrtum, der die Kenntniserlangung hindert, hemmt den Beginn der Verjährung). Vgl. auch B G H in N J W 1955, 706 (Kenntnis ist anzunehmen, wenn die Person des Schädigers ohne Aufwand von besonderer Mühe und Kosten feststellbar war). 25 *) Vgl. R G Z 134, 335; B G H in N J W 1954, 1033.

45

Mcisner-Ring, Nachbarrecht, 6. Aufl.

705

§ 4 3 Dil 1

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004). Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung ist auf eine Leistung gerichtet, ingleichen der Anspruch auf Unterlassung (§ 241). Wenn also der zur Beseitigung oder Unterlassung Verpflichtete auf Verlangen des Eigentümers nicht beseitigt oder unterläßt, so kommt er in Verzug und haftet vom Eintritt des Verzuges an auf Ersatz des Schadens, der durch die Fortdauer der Beeinträchtigung herbeigeführt wird 26 ). Da der Mahnung die Erhebung der Klage gleichsteht (§ 284 Satz 2), so haftet der Beklagte für jeden Schaden, der nach Rechtshängigkeit des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruches infolge der fortdauernden Beeinträchtigung des Eigentums eintritt. II. H a f t u n g aus V e r s c h u l d e n 1. S c h u l d h a f t e V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s . Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum oder den Besitz27) eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Verletzung kann nicht nur durch positives Handeln, sondern auch durch Unterlassung28) begangen werden, was insbesondere für die Fälle der fahrlässigen Rechtsverletzungen von Bedeutung ist29). Die Vornahme von Handlungen, die nur der Eigentümer vornehmen darf, oder von Handlungen und rechtswidrigen Unterlassungen, durch die der Eigentümer in der Ausübung seines Eigentums gestört wird, ist Verletzung des Eigentums 30 ). Eine bloße G e f ä h r d u n g (z.B. durch feuergefährliche Anlagen auf dem Nachbargrundstück) ist noch keine Verletzung des Eigentums 31 ). Die Entziehung von Vorteilen, auf deren Belassung der Eigentümer keinen Rechtsanspruch hat (z.B Luft und Licht) ist keine Eigentumsverletzung. 26

) Riehl bei Gruchot 51, 145. " ) R G 59, 528; Recht 1905, 646 Nr. 2669 (Breslau). Nach R G 59, 328 ist auch § 823 Abs. 2 einschlägig. Dagegen sucht Eccius bei Gruchot 5 3 , 8 nachzuweisen, daß die schuldhafte Verletzung des Besitzes nicht unter § 823 Abs. 2 falle, Palandt 6b zu § 823. 2S ) Vgl. oben § 3 8 , 1 , a. Staudinger-Werner Vorb. 42 u. 47 vor § 249. 28 ) M. 2, 727 (Mugdan 2, 406). 30 ) Vgl. J W 1910, 330 (Rammen und Auspumpen des Bauunternehmers mit der Folge der Unbewohnbarkeit des Nachbarhauses); R G 60, 140 (Immission von Sand, der vom Wind, auf das Nachbargrundstück geweht wird); Recht 1912 Nr. 2939 (Lagerung feuer- und explosionsgefährlicher Gegenstände, durch die Waren anderer Einlagerer in Brand gesetzt werden, kann schuldhafte Eigentumsverletzung sein. Vgl. über die Gefährdungshaftung für Explosion unter § 43 III. 31 ) Siehe oben S. 188.

706

Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3 DU 1

a) Die erste Voraussetzung des § 823 A b s . 1 B G B ist, daß die Verletzung w i d e r r e c h t l i c h erfolgt ist 32 ). Demgemäß ist der Ersatzanspruch aus § 823 A b s . 1 B G B wegen Verletzung des Eigentums insbesondere überall da versagt, w o dem Eigentümer durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften das Recht, die fragliche Einwirkung zu verbieten, entzogen ist. In einem Fabrikviertel ist gemäß § 906 B G B eine starke Zuführung von Ruß zulässig. Wird durch den Ruß die Wäsche des Nachbars beschädigt, so fehlt es an der Widerrechtlichkeit dieser Einwirkung, auch wenn der Unternehmer die starke Zufuhrung von Ruß und selbst die Beschädigung der Wäsche vorausgesehen hat. Die Besitzer der Wohnhäuser dürfen in denselben Feuerherde unterhalten; dabei kann es vorkommen, daß Funken auf das Dach des Nachbarhauses fallen und in Brand setzen. Eine Eigentumsverletzung liegt vor, aber sie ist herbeigeführt durch eine Benützung des anderen Grundstücks, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. Eine solche Einwirkung muß sich der Nachbar nach § 906 B G B gefallen lassen. Der Besitzer des Hauses haftet aus § 823 Abs. i B G B auch dann nicht33), wenn bei Anwendung eines Funkenfängers der Funkenauswurf verhütet worden wäre, soferne nicht bei Grundstücken jener Lage die Anwendung von Funkenfängern gewöhnlich ist34). Der Eigentümer muß den Überbau unter gewissen Voraussetzungen dulden. Kraft dieser besonderen Bestimmung des § 912 B G B wird der Überbauende von einer neben der Entschädigungsrente hergehenden Vertretung einer weniger als groben Fahrlässigkeit entbunden, aber nur insoweit, als fahrlässig die G r e n z e ü b e r s c h r i t t e n worden ist. Im übrigen bleibt er den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen, hat daher entbunden, aber nur insoweit, als fahrlässig die G r e n z e ü b e r s c h r i t t e n worden ist. nach diesen für schuldhafte Eingriffe in sonstige Rechte des Nachbars aufzukommen. Es kann daher ungeachtet des § 912 B G B beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 825 die Entfernung des Überbaues verlangt werden, wenn er auf den Fundamenten des Nachbarhauses aufgesetzt wird und dieses hierdurch Risse erhält oder gar einzustürzen droht36). Die Widerrechtlichkeit entfällt auch hinsichtlich der Handlungen, die sich innerhalb der sozialethischen Ordnung des Gemeinschaftslebens bewegen und v o n dieser offensichtlich gestattet werden („sozialadäquat"). D i e damit verbundenen Rechtsverletzungen liegen im Rahmen der sozialen Ordnung. E s fehlt ihnen daher die Widerrechtlichkeit 36 ). Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist zur Begründung der Schadenersatzpflicht nicht erforderlich. Über die Rechtswidrigkeit der Einwirkung, insbesondere darüber daß, die Rechtswidrigkeit auch durch ein obligatorisches Recht ausgeschlossen werden kann (vgl oben § 38 III). 32

) R G 50, 60; vgl. R G K Bern. 10 zu § 825, Bern. 1 vor § 823. ) Dagegen kann unter Umständen die Haftung aus § 825 Abs. 2 B G B bestehen, wenn durch Polizeivorschrift die Anwendung von Funkenfängern geboten ist. Darüber daß zu den den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzen auch die Gesetze gehören, welche die G e s a m t h e i t schützen sollen, herrscht Ubereinstimmung; a. M. nur Linckelmann, Schadenersatzpflicht 27. 34 ) Vgl. unten S. 715. 36 ) R G 65, 74. S6 ) So Nipperdey N J W 57, 1777; B G H Z 24, 2 1 ; vgl. Baumann M D R 57, 646. 33

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Niemand kann sich zu seinem Vorteil darauf berufen, daß er durch die Rechtsausübung eines anderen Schaden erleidet, wenn er sich durch seine eigene willkürliche Handlung in die L a g e versetzt hat, die zu seinem Schaden ausschlägt 37 ). b) Die Verletzung des Eigentums muß durch ein V e r s c h u l d e n des Einwirkenden 3 8 ) herbeigeführt sein 39 ). W e r den Ersatz eines Schadens fordert, muß grundsätzlich den Nachweis eines für diesen ursächlichen V e r schuldens des Beklagten führen, es sei denn, daß aus dem feststehenden oder nicht bestrittenen Sachverhalt dieses Verschulden zweifelsfrei hervorgeht 40 ). Der Beweispflicht ist Genüge geleistet, wenn ein Sachverhalt dargetan wird, der nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge (dem typischen Geschehensablauf) die Folgerung rechtfertigt, daß der Beklagte den Schaden schuldhaft versucht hat (Prima Facie-Beweis vgl. hierzu oben C II). Demgegenüber ist es Sache des Beklagten, die etwaigen besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich seine Schuldlosigkeit ergibt 4 1 ). Verschulden nach § 823 A b s . 1 liegt, vor wenn die Eigentumsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist. 3

') Vgl. ObLG 7, 237. ) Ersatzpflichtig ist derjenige, welche den Schaden herbeigeführt hat. Das ist der Störer in dem oben § 38, IV, 2 dargelegten Sinn. Der Beauftragte eines Dritten haftet neben dem Auftraggeber. Unter Umständen kann angenommen werden, daß den Beauftragten, der den Weisungen eines Dritten Folge geleistet hat, kein Verschulden trifft. Das ist Tatfrage. Der Pächter kann sich von der Schadensersatzpflicht für den dem Nachbargrundstück zugefügten Schaden nicht durch den bloßen Hinweis darauf befreien, daß er den Anordnungen des Verpächters Folge geleistet habe. Recht 1903, 18 Nr. 33 (RG). Eine nominatio auctoris findet nicht statt, da sich die § § 76, 77 ZPO nur auf den negatorischen Anspruch beziehen. R G 73, 333 (Wegnahme von Teilen eines Gebäudes); SeuffA 85, 299; B G H in N J W 55, 747 (Vergiftung von Bienen). Vgl. Esser in J Z 53,129 (Grundsatz des Verschuldens vielfach durchbrochen). 3i ) Über Haftung ohne Verschulden vgl. unten III. § 22 W G H v. 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) u. Art. 37 BayWG bestimmen eine Haftung ohne Verschulden bei Verunreinigung von Gewässern. 10 ) Recht 1921 Nr. 2559 (RG). Gruchot46, 921; J W 2 6 , 2533; Enneccerus-Lehmann. Schuldrecht 1958, § 15 III 2. 41 ) JW 1 9 1 2 . 548; 1908, 543; 1920, 554; 1921, 748; WarnE 1920, 14. SeuffA 75, 169. R G 53, 276; R G 89, 136 (Haftung für ordtl. Straßenzustand (Verschulden ist prima facie aus einem länger dauernden verkehrswidrigen Zustand zu entnehmen); 97/116 (gegenüber einem prima facie-Beweis müssen Umstände dargetan werden, die es rechtfertigen, den Hergang anders als nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge zu erklären). B G H Z 2, 1 ; 6, 169; 7, 198; N J W 54, 718; 52, 217 (im Anschluß an R G 159, 239 braucht der Anscheinsbeweis nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen. Der Gegenbeweis ist nur in Richtung auf den ersten Anschein zu erbringen. Es genügt der Nachweis von Tatsachen, aus denen auf einen anderen Ursachenverlauf geschlossen werden kann, der mindestens den gleichen Grad von Wahrscheinlichkeit aufweist, ein Verschulden aber nicht ergibt). M D R 54, 349 (jede Möglichkeit, daß der Schaden vom Beklagten zu vertreten ist, muß ausgeschlossen werden). Vgl. auch N J W 1958, 1629 u. 1579. 38

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§ 43 DU 1

Unter V o r s a t z versteht man die Voraussicht der Eigentums- oder Besitzverletzung, unter Fahrlässigkeit ihre Voraussehbarkeit42). Nur auf die Eigentumsverletzung, nicht auf den durch diese herbeigeführten Schaden muß sich demnach die Schuld beziehen43). Demnach genügt zum Vorsatz die V o r s t e l l u n g des Erfolges (Eigentums- oder Besitzverletzung); nicht erforderlich ist, daß die Schädigung beabsichtigt wird; es genügt, wenn als notwendige oder doch mögliche 44 ). Folge der Handlung die Verletzung des Eigentums oder Besitzes erkannt und gleichwohl die Handlung vorgenommen wird (Vorstellungstheorie). Vorsatz entfällt, wenn mit einem schädigenden Erfolg im Hinblick auf eine weit entfernte Möglichkeit seines Eintritts nicht ernsthaft gerechnet wird. F a h r l ä s s i g k e i t im Sinne der Vorhersehbarkeit des Erfolges ist gegeben, wenn der Handelnde (Unterlassende) bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Eigentumsverleztung voraussehen konnte 46 ). Dabei sind entfernte Möglichkeiten nicht in Betracht zu ziehen46). Ob im gegebenen Falle die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewendet wurde, ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen. Die Frage aber, ob der schädigende Erfolg, der die Eigentumsverletzung darstellt, vom Handelnden wirklich vorausgesehen werden konnte, ist nach einem subjektiven Maßstab, nämlich unter Berücksichtigung der Individualität des Handelnden zu entscheiden. Das hat insbesondere Bedeutung, wenn es sich darum handelt, ob dem Handelnden zugemutet werden konnte, die zur Abwendung einer Schädigung erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, z.B. bei besonders drohender Gefahr, die rasches Handeln gebot. In solchen Fällen entfällt die Annahme fahrlässigen Verhaltens. Ebenso gehört hierher der Entschuldigungsgrund eines tatsächlichen oder rechtlichen I r r t u m s . Ein Irrtum als Entschuldigungsgrund darf in aller Regel nur unter Anlegung 42 ) Liszt, Deliktsobligationen 54. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 66. Werner N J W 1 9 5 7 , 1 8 57; B G H L M Nr. 5 zu § 286: Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften. 43 ) Liszt, Deliktsobligationen 28; vgl. RGKomm. Bern. 2 und 3 zu § 823. 44 ) Hiermit ist auch für das Zivilrecht der Begriff des dolus eventualis (Billigung des als möglich vorausgesehenen Erfolges) anerkannt. Liszt, Deliktsobligationen 55. R G Z 57, 239; 142, 1 2 2 ; 75, 55. J W 1903 Beil. 3 1 3 ; J W 1910, 846; vgl. auch R G 1 4 3 , 5 1 (bedingter Vorsatz, d. i. die Vorstellung von der Möglichkeit einer Schädigung und deren Billigung für den Fall, daß sie eintritt). J W 1929, 3149. 45 ) Durch eine baupolizeiliche Genehmigung einer Anlage wird nicht schlechtweg der Pflicht der eigenen Prüfung überhoben. Die polizeiliche Duldung einer gefährlichen A n lage entschuldigt so wenig wie der Umstand, daß solche Anlagen in der Stadt üblich sind (Recht 1915 Nr. 1788, J W 1909, 432). R G Z 126, 331 (Es kommt nicht auf das, was üblich ist, an, sondern was notwendig ist; etwaige Verkehrsübung ist zu beachten, soweit diese nicht als Unsitte zu beanstanden ist). 4S ) J W 1904, 357; 1905, 16; 1907, 550; 1 9 1 1 , 95; 1914, 470; B G H in L M Nr. 1 zu §276.

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eines strengen Maßstabes angenommen werden 4 7 ). Hervorzuheben ist, daß sich das Verschulden nur auf die Verletzung des Eigentums oder Besitzes, nicht auf den durch diese herbeigeführten Schaden beziehen muß 48 ). Die t a t s ä c h l i c h e n Voraussetzungen der Eigentumsverletzung müssen sämtlich voraussehbar gewesen sein, während das Bewußtsein, daß diese V o r aussetzungen eine r e c h t l i c h e Verletzung des Eigentums erfüllen, nicht erforderlich ist. So kann sich z. B. ein Hauseigentümer i.d.R. nicht auf Unkenntnis von Vorschriften berufen, die seine Pflichten als Hauseigentümer betreffen (Vgl B G H in B B 1957, 240), oder etwa Unkenntnis einer Gemeindesatzung über die Streupflicht (vgl. JW 1910, 1012; 1931, 1689). Auch die Tatsache, daß ein Gewerbebetrieb unter bestimmten Auflagen behördlich genehmigt wurde, kann bei dem Unternehmer die subjektiv bedeutsame Vorstellung hervorrufen, es treffe ihn bei Erfüllung der Auflagen kein Verschulden (JW 1931, 1183). Z u r Begründung eines Schadenersatzanspruchs wegen unzulässiger Immissionen (§ 906 B G B ) 4 9 ) ist daher, insoweit er lediglich aus § 823 A b s . 1 B G B abgeleitet werden will, erforderlich, daß der Immittent bei A n w e n dung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, einmal, daß überhaupt eine Immission, d.h. eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück eintreten könne, ferner, daß diese Einwirkung, sei es für sich allein oder durch ihre zu gewärtigende Wiederholung oder ihr Zusammenwirken mit anderen Immissionsquellen die Benützung des Nachbargrundstückes wesentlich beeinträchtigen können 5 0 ) und durch eine Benützung seines Grundstückes herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser L a g e außergewöhnlich ist 6 1 ). Bei Immissionen, die sich im Rahmen des § 906 B G B halten, und deshalb nicht rechtswidrig sind, entfällt das Verschulden. Durch das Gesetz v o m 22. 12. 1959 47

) Liszt, Deliktsobligationen 55. Vgl. R G 130, 28. ) Liszt, Deliktsobligationen 28. R G 66, 253; Recht 1919 Nr 1431 (RG). *9) Vgl. z.B. Schadenersatzanspruch wegen Schädigung eines Gartenwirtschaftsbetriebs durch vorübergehende üble Gerüche R G 47, 250. Uber den Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 B G B s. unten Ziff. 2. 60 ) In diesem besonderen Falle muß die Beeinträchtigung der Benützung als Folge der Eigentumseinwirkung erkennbar sein; denn ohne diese Beeinträchtigung liegt keine Eigentumsverletzung vor und die tatsächliche Verletzung des Eigentums muß voraussehbar gewesen sein. Wenn an die Fabrik ein Grundstück anstößt, auf welchem sich ein Wohngebäude mit einem Hausgarten befindet und von der Fabrik Dämpfe auf das Nachbargrundstück ausgeströmt werden, so ist es zur Begründung der Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 B G B für die durch die Dämpfe herbeigeführte Beschädigung der Bäume erforderlich, daß der Fabrikunternehmer diese nachteilige Einwirkung der Dämpfe auf Pflanzen hätte erkennen können. Man wird aber dem Fabrikherrn, der weiß, daß die Dämpfe in den Garten eindringen, zur Pflicht machen müssen, sich sorgfältigst (bei Sachverständigen) zu erkundigen, ob die ihm bekannte Einwirkung den fremden Bäumen schädlich ist. " ) Vgl. Gruchot 50, 413 (RG); R G 16, 178:38, 268. 48

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§43 Dill

(BGBl. I S. 78i) 61a ), wurde gleichzeitig in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung über den A u f o p f e r u n g s a n s p r u c h (Einl. zu §§ 74, 75 PrALR) die Frage der Schadloshaltung des Grundeigentümers, der Einwirkungen auf sein Grundstück gem. § 906 B G B dulden muß, ganz allgemein nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung gelöst. Der von Immissionen betroffene Eigentümer kann nunmehr von dem einwirkenden Unternehmer einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, allerdings nur dann, wenn die Einwirkungen die sonst übliche Grundstücksbenützung oder deren Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Damit soll dem Grundgedanken Rechnung getragen werden, daß der technisch-wirtschaftliche Fortschritt im Interesse des Allgemeinwohls nicht mehr als unbedingt notwendig gehemmt, die mit der Technisierung aber verbundenen Nachteile nach Möglichkeit ausgeglichen und verteilt werden sollen, soweit sie nicht ohnehin durch technisch und wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen eingedämmt oder verhindert werden können. c) Eine weitere Voraussetzung des Schuldmomentes ist, daß der Einwirkende in der L a g e g e w e s e n sein m u ß , den E i n g r i f f zu unterlassen. Ob dies der Fall ist, muß nach allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen beurteilt werden. Bei einer Kollision der Interessen ist nach richterlichem Ermessen abzuwägen, ob das Interesse an der Handlung so groß ist, um sie trotz der Gefahr einer möglichen Verletzung der rechtlich geschützten Interessen Dritter zu rechtfertigen. Hierbei ist auch auf die Größe der bedrohten Interessen Dritter Gewicht zu legen. Die Rechtsprechung hat schon frühzeitig erkannt62), daß Unternehmern gewerblicher oder industrieller Betriebe, die ihrer Natur nach Gefahren für Dritte mit sich bringen, aber volkswirtschaftlich notwendig und daher im Allgemeininteresse förderungswürdig sind, kein Verschulden i.S. der §§ 823ff B G B zur Last gelegt werden kann. Das Reichsgericht hat diesem Gedanken erstmals an dem Beispiel der Eisenbahn dahin Ausdruck gegeben, daß die bei einem solchen Betrieb möglicherweise eintretenden Schädigungen Dritter in Kauf genommen werden müßten, und dazu u.a. ausgeführt: es lasse sich keineswegs anerkennen, daß der Betrieb einer Eisenbahn schon an sich notwendig eine schuldhafte Handlung darstelle, weil der Unternehmer erkenne oder doch erkennen könne, daß die der Lokomotive entströmenden Funken einen Brand herbeizuführen vermögen; denn alle Verschuldung beruhe ihrem letzten Grund nach auf einem Willensfehler in der Richtung, daß der Täter f r e i w i l l i g eine schädigende Handlung vorgenommen habe, obwohl er bei Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt und Vorsicht den eingetretenen Erfolg als eine mögliche Folge seiner Handlung hätte vorhersehen können; der Täter müsse daher in der Lage gewesen sein, die schädigende Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Es bedürfe aber keiner Ausführung, daß nach den Gründen, welche den Staat zur sla ) Siehe darüber § 3 9 . Vgl. auch Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 922; Schack in BB 56, 409. 52 ) R G 17, 103.

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Genehmigung einer Eisenbahn bzw. zum eigenen Betriebe einer Eisenbahn veranlassen, der Betrieb als ein willkürlicher in dem hervorgehobenen Sinne nicht aufgefaßt werden könne. Von Annahme einer Verschuldung im technischen Sinne müsse daher abgesehen werden, wenn durch die dem Betriebe eigenen besonderen Gefahren ein Schaden entstehe, welchen der Unternehmer als eine mögliche Folge des Betriebes und jener Gefahren vorhersehen konnte62). Mit anderen Worten, es wäre ein Verschulden vorhanden, wenn nicht der Betrieb notwendig wäre 53 ). Dies gilt in gleicher Weise für alle gefährlichen Betriebe, die wirtschaftlich notwendig sind64). Dabei ist aber immer zu prüfen, ob und inwieweit der Eingriff trotz Notwendigkeit des Betriebs durch wirtschaftlich und technisch zumutbare Maßnahmen (§ 906 Abs. 2 S. 1) zu verhüten gewesen wäre; denn insoweit ist eben der Betrieb in d i e s e r A r t nicht notwendig. D e r Unternehmer muß also alle jene Einrichtungen und Vorkehrungen treffen, die nach dem derzeitigen Stande der Erfahrung und Technik zur Hintanhaltung einer Schadenzufügung gegeben und mit gehörigen Betriebe vereinbar sind, soweit diese bei Unternehmen dieser wirtschaftlich zumutbar sind 55 ). E s ist Sache des Unternehmers darzutun, daß der Betrieb in der gegebenen A r t unvermeidbar gewesen ist; deshalb ist das Verschulden beim V o r h a n d e n s e i n d e r ü b r i g e n V o r a u s s e t z u n g e n nur dann als ausgeschlossen zu erachten, wenn der Unternehmer beweist, daß er zur V e r hütung der unzulässigen Einwirkung alle Vorkehrungen getroffen hat, die einem Durchschnittsbetrieb der fraglichen A r t wirtschaftlich zugemutet werden können (vgl. § 14, V 3). Gelingt dem Unternehmer dieser Beweis, so kann ihm ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden, so daß er nicht aus § 823 auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann. Gleichwohl kann er schadenersatzpflichtig sein, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung gegeben sind (hierüber s. unten III). 63 ) Vgl. Rümelin, Kulpahaftung und Kausalzusammenhang im ArchZivPrax. 88, 295 und 305. 64 ) Auch hier ist an sich Verschulden Voraussetzung der Schadenersatzpflicht. Ist es bewiesen, so tritt für den Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Verschulden und Schaden eine Erleichterung ein. Vgl. R G 10, 143 und oben B Abs. 2. Aber auch ohne Verschulden besteht die Ersatzpflicht, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung, insbesondere nach § 906 B G B i.d.F. des Ges. v. 22. 12. 1959 gegeben sind. S. hierüber unten III. 55 ) Vgl. hierzu B G H N J W 62, 1342: Bauarbeiten dürfen im Geschäftszentrum einer Großstadt mit modernen Maschinen auch dann durchgeführt werden, wenn sie Geräuschbelästigungen mit sich bringen. Die Lärmeinwirkung muß aber auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. Auch wenn daher die Einwirkung an sich als gewöhnlich zu erachten wäre, kann gleichwohl eine besonders schädigende Benutzungsweise ungewöhnlich und damit rechtswidrig sein. — Wegen der gegenüber Immissionen zu treffenden, wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vgl. oben § 14 V.

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§43 Dil 2

2. V e r s t o ß g e g e n ein S c h u t z g e s e t z . Während § 823 Abs. 1 die g e g e n das E i g e n t u m als s o l c h e s gerichtete unerlaubte Handlung behandelt, beruht die durch § 823 Abs. 2 begründete Ersatzpflicht auf wesentlich anderer Grundlage. Darnach ist derjenige, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Auch im Falle des § 823 Abs. 2 ist der Grund der Haftung ein Verschulden. Während aber Abs. 1 des § 823 zur Voraussetzung hat, daß der Ersatzpflichtige die Eigentumsverletzung vorausgesehen hat (Vorsatz) oder doch voraussehen konnte (Fahrlässigkeit), ist die Voraussehbarkeit dieses Erfolges bei Abs. 2 nicht erforderlich66). Hier genügt es, wenn ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz s c h u l d h a f t ü b e r t r e t e n ist. Zu den den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes gehören auch jene, welche die Gesamtheit schützen sollen, wenn sie nur daneben auch den Schutz des einzelnen bezwecken. Es gehört hieher jede Rechtsnorm, aber auch Verordnungen oder auf einer gesetzlichen Grundlage beruhende Anordnungen, die nach ihrem Inhalt und Zweck nicht nur der Allgemeinheit dienen, sondern gerade die Rechte einzelner oder eines Kreises von Personen schützen sollen. Entscheidend ist, daß der Gesetzgeber den Rechtsschutz, wie er wegen einer bestimmten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen gewollt oder mitgewollt hat67). Unter den Begriff des Schutzgesetzes fallen mannigfache Vorschriften des Polizeirechts, welche die Sicherheit der Personen und Sachgüter schützen sollen. Auch die auf Grund einer gesetzlichen Delegation erlassenen ortspolizeilichen Vorschriften können den Begriff erfüllen. Auch privatrechtliche Vorschriften können Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 sein, jedoch nicht Vereinssatzungen. Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 sind beispielsweise § 22668), § 859«), § 906«°), § 907««»), § 909«), § 1004 und § 1027 BGB 6 2 ), §§ 16 se

) J W 1904, 408; R G 66, 2 5 1 ; 91, 7 2 ; 145, 1 1 5 . ) R G 6j, 324; 59, 237; Gruchot 52,1008; J W 1904, 554. R G 1 3 8 , 1 6 5 und 219; J W 1916, 38; B G H Z 19, 126; B G H in M D R 1959, 26 (Dienstanweisung eines Bürgermeisters zum Schutze der Verkehrsteilnehmer); BayObZ 1956, 251/256. Näheres über diese Frage s. bei Staudinger Bern. III A 2; Palandt-Gramm Bern. 9 je zu § 823. 68 ) R G 58, 214. M ) R G 59, 326; Gruchot 51, 985. 80 ) Recht 1908 Nr. 745. 60 ») R G 145, 101. el ) R G 51, 7 7 ; 167, 25; B G H in N J W 1954, 593 (§ 909 ist nur Schutzgesetz für den Nachbarn, nicht für entferntere Grundstückseigentümer und nicht für Mieter). • 2 ) Rosenthal L Z 1910, 107; SeuffA 76, 662 (RG); Warneyer 1911 Nr. 3 3 1 ; R G 1 2 1 , 1 8 5 ; Recht 1919 Nr. 1430. 57

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und 1 4 7 G e w O 6 3 ) , § 3 6 7 N r .8 S t G B ( L e g u n g v o n Selbstgeschossen, Schießen, Abbrennen v o n Feuerwerkskörpern 6 4 ), § 367 N r . 1 2 S t G B (unverwahrte Öffnungen) 8 6 ), § 3 6 7 N r . 1 4 S t G B (Bauten oder Ausbesserung v o n Gebäuden ohne die erforderlichen Sicherungsmaßregeln) 8 8 ), § 367 Ziff. 1 3 S t G B (Gebäude, welche dem Einsturz drohen) 8 7 ), § 3 6 7 Ziff. 15 des S t G B (Bauen ohne Genehmigung) 8 8 ), § 368 Ziff. 4 S t G B (brandsicherer Zustand der Feuerstätten und Schornsteine 8 9 ), § 368 Ziff. 6 S t G B (Feueranzünden in der N ä h e v o n Wäldern oder Gebäuden), § 3 7 0 Ziff. 1 S t G B (Abgraben oder A b p f l ü g e n v o n W e g e n oder Grenzrainen: § 3 1 5 (Transportgefährdung) 7 0 ); A r t . 13 L S t V G (Aborte, D u n g g r u b e n , Brunnen); A r t . 39 und 40 L S t V G (Explodierende Stoffe, Schießen); A r t . 7ff. und 15 L S t V G (Schutz v o n Feld und Flur) 7 1 ); §§ 2, 3 I N r . 6, § 4 1 I N r . 1 WasserhaushaltsG 7 2 ); § 45 A b s . 3 R G a r O 7 3 ) . § 3 3 0 S t G B (Verstoß gegen Regeln der Baukunst). • 3 ) J W 1909, 495; 1916, 38; SeuflA 71, 86; BayZt. 1916, 91 (Anordnungen bei Genehmigung nach § 16 GewO). «4) J W 1902 Beil. 220 (RG). 66 ) J W 1905, 17; 1906, 89; 1911, 7 1 3 ; 1912, 30 (RG); SeuffA 59, 204 (Bamberg). 6 «) R G 51, 177; J W 1904, 62; 1910, 12; R G 70, 207; B G H in N J W 58, 627. " ) Vgl. hierzu § 836 BGB s. oben § 16. 68 ) Vgl. B G H in N J W 53, 1428; 63, 1827; L G Dortmund M D R 65, 43. H a t ein Grundstückseigentümer unter Verstoß gegen ein Bauverbot und die Versagung der Baugenehmigung wegen Nichteinhaltung des Grenzabstandes ein Bauwerk errichtet, so kann dessen Beseitigung auch dann verlangt werden, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist ( B G H MittBayNot. 70, 145). Vgl. auch B G H BB 65, 184 (§ 367 Abs. 1 Nr. 15 StGB ist nicht dazu bestimmt, den Bauherrn vor solchen Vermögensschäden zu bewahren, die aus vertragswidrig mangelhafter Leistung des Bauunternehmers herrühren; der Bauherr kann sich insoweit nur auf die Vorschriften über den Werkvertrag berufen).

) R G 100,74. Im Falle des Echterdinger Zeppelin-Unfalles wurde eine Ersatzpflicht ohne Verschulden verneint (RG 78, 71). — Seit 1936 regelt das Reichsgesetz vom 21. 8. 1936 (Luftverkehrsgesetz) die Haftpflicht, falls beim Betrieb eines Luftfahrzeuges durch Unfall jemand getötet, verletzt oder eine Sache beschädigt wird (vgl. oben § 1, II 5).

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§ 4d v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. D III Aa Sicherheit vorauszusehen, so war Voraussetzung des dann in Frage kommenden Unterlassungsanspruches (§ 1004), daß vor Eintritt des Schadens schon eine unzulässige Einwirkung stattgefunden hatte80) und eine w e i t e r e unzulässige Einwirkung zu besorgen war (§ 1004). Diese Besorgnis erfordert mehr als eine abstrakte Möglichkeit, während es andererseits genügt, wenn nach Lage der Verhältnisse mit der Möglichkeit einer Wiederholung zu rechnen ist. Wenn also durch eine unzulässige Einwirkung ein Schaden verursacht wird und es war vorher eine unzulässige Einwirkung weder mit Sicherheit vorauszusehen noch auch vorher tatsächlich schon erfolgt, dann bestand schon nach allgemeinem Recht kein Abwehranspruch, mithin konnte auch eine Ersatzleistung für die Entziehung des Abwehranspruchs nicht in Frage kommen. In der Tat hat das Reichsgericht diesen Standpunkt in einzelnen Entscheidungen mit Entschiedenheit vertreten, so namentlich im Falle der Explosion 91 ) und bei der Ablehnung des Ersatzes für einen Schaden zugrunde, der „in der Vergangenheit liegt, also mit der Klage auf Einstellung des Betriebs nicht hätte verhindert werden können" 92 ). In anderen Entscheidungen ist dieser Standpunkt zwar nicht grundsätzlich, aber doch tatsächlich verlassen. In der Folgezeit, namentlich bei Schadensfällen infolge Funkenflugs, beschränkte sich das Reichsgericht auf die allgemein gehaltene Unterstellung, daß dem durch Funkenflug geschädigten Grundstückseigentümer der ihm an sich zustehende Abwehranspruch entzogen und ihm dafür als Ersatz der Entschädigungsanspruch zuzubilligen sei. Schließlich wurden die vom Reichsgericht aufgestellten Grundsätze in langjähriger gleichförmiger Übung von allen deutschen Gerichten (Gerichtsgebrauch) anerkannt93). Hierbei sind zwei Gruppen zu unterscheiden. In die erste Gruppe sind die Fälle einzureihen, in welchen der geschädigte Grundeigentümer in c o n c r e t o in der Lage gewesen wäre, die Einwirkung, durch welche der Schaden verursacht wurde, durch Klage abzuwehren, wenn ihm nicht der Abwehranspruch durch eine Sondervorschrift versagt wäre. Hierher gehört der Ersatz der Schäden, die durch die fortdauernde Beeinträchtigung durch Ruß und Rauch des Eisenbahnbetriebes94) oder durch den Lärm des Rohrpostbetriebes95) oder durch abirrende Kugeln eines Militärschießstandes06) oder durch die Anlage eines Eisenbahntunnels unter einem Hause97) verursacht sind. Der zweiten Gruppe dagegen sind jene Fälle einzureihen, in welchen dem Grundeigentümer zur Zeit der schädigenden Einwirkung auch nach ordentlichen Recht eine Klage auf Abwehr dieser Einwirkung nicht zustand. Hierher gehören Funkenflug aus Lokomotiven, Explosion. In allen diesen Fällen hat das R G die Ersatzpflicht anerkannt, auch wenn der Eigentümer schon nach ordentlichem Recht der Einwirkung gegenüber völlig machtlos war. 90

) R G Warneyer 1 1 Nr. 330; R G IOI, 339; RGKomm. Bern. 1 und 5 zu § 1004. ) R G 50, 226 = J W (hier allerdings nur bezüglich der von einer PetroleumRaffinerie d r o h e n d e n Explosionsgefahr und der dadurch herbeigeführten Entwertung des Nachbargrundstückes) und namentlich R G 63, 374 (Schadenersatzpflicht für den durch Rohrbruch einer Gasanstalt entstandenen Schaden abgelehnt). Vgl. Recht 1 9 1 1 Nr 2732. (Sind Kugeln von dem Schießstand bisher nicht herübergeflogen, so kann von der Besorgnis weiterer Beeinträchtigung nicht die Rede sein.) 92 ) Gruchot. 54, 412 (RG); J W 1912, 869 (RG); vgl. auch die v o m R G unbeanstandet gelassene Ausführung des O L G im Fall R G 101, 102; vgl auch R G 104, 52. 93 ) Vgl. Staudinger 10. Aufl. Bern. I, 12 u. 6, II sowie RGRKomm. 1, 9 u. 10 je zu § 823 B G B ; J W 1902, 94. 94 ) J W 1910, 580. 96 ) J W 1906, 620. 96 ) Gruchot 45, 1008. " ) J W 1912, 869. 91

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Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3 D III Aa

Wenn man nun die einzelnen Anwendungsfälle ins Auge faßt, so fällt als das allen Gemeinsame ein Doppeltes auf: Einerseits handelt es sich — beim Ausschluß eines Verschuldens — um unabwendbare Ereignisse, also um Unglücksfälle, und andererseits um Ereignisse, die doch nicht als reine Zufälle, sondern als Auswirkung der mit dem betreffenden Betrieb verbundenen, diesem B e t r i e b e i g e n t ü m l i c h e n G e f a h r e n zu erachten sind. Damit sind aber die Merkmale der Gefährdungshaftung in dem Begriff, wie er in der Rechtslehre herausgearbeitet wurde, bloßgelegt. In der Tat sind diese Kriterien vom RG in jedem der in Betracht kommenden Fälle (Funke, Explosion) herausgestellt worden. So hat das Reichsgericht im Falle des Brandschadens durch Funkenflug aus einer Lokomotive infolge Sturmwindes ausgesprochen, daß Unfälle, die in dem regelmäßigen Eisenbahnbetrieb und den damit verbundenen eigentümlichen Gefahren ihren Grund haben und mit denen man, weil sie nicht ganz ungewöhnlich sind, rechnen muß, nicht als höhere Gewalt oder unabwendbarer Zufall zu erachten sind*8). Und ebenso hat das RG im Falle des Absturzes eines Flugzeuges den Anspruch auf Erstattung „des durch die Betriebsgefahren angestifteten Schadens" mit dem Beifügen zugesprochen, daß sich der Unternehmer auf höhere Gewalt zum mindesten dann nicht berufen könne, wenn das schädigende Ereignis auf Ursachen zurückzuführen ist, die im Bereich der mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren liegen"). Hiermit ist der Begriff der „spezifischen Betriebsgefahren" im Sinne der Gefährdungshaftung zutreffend umschrieben100). Das Gegenstück finden wir in der Ablehnung der Haftung für den durch Rohrbruch eines Gaswerks oder einer Wasserleitung herbeigeführten Schaden. Hier stellt das Reichsgericht den Eisenbahnbetrieb, der nicht anders als unter Auswurf von Rauch und Funken erfolgen kann, der Versorgung einer Stadt mit Gas durch Leitungsröhren gegenüber101). Den wahren, der Gefährdungshaftung entnommenen Grund der Ablehnung des Ersatzanspruches deckt das R G auf, indem es sagt, es fehle daran, daß die Kläger „unabwendbaren Folgen eines gefährlichen Betriebes" schutzlos preisgegeben wären; die Versorgung einer Stadt mit Gas könne bei ordnungsgemäßem Betriebe, also in Ermangelung eines Verschuldens, nur beim Eintritt von Zufällen, denen alle menschlichen Einrichtungen unterliegen, einen Schaden anrichten102). Kurz gesagt: Es handelt sich nicht um eine »8) JW 1910, 619. »•) R G 100, 74. 10°) Daß das R G in der Tat die Grundsätze der Gefährdungshaftung anwendet, ergibt sich auch daraus, daß es den Ersatzanspruch der kurzen Verjährung des § 852 unterstellt. Wird Anspruch aus der Gefährdungshaftung quasideliktischer Natur beigelegt, so ist die kurze Verjährungsfrist des deliktischen Ersatzanspruches das Gegebene. Stellt sich aber der Schadenersatzanspruch als ein Ersatz-Rechtsbehelf für den entzogenen Anspruch aus § 1004 dar, dann müßte eben hierauf die für den entzogenen Anspruch geltende dreißigjährige Verjährungsfrist angewendet werden. Das hatte dort das O L G mit Recht angenommen. Vgl. jedoch § 59 III a.E. 101 ) R G 65, 374. Ähnlich Recht 1920 Nr 2405 (RG): Ohne Nachweis eines Verschuldens kann Schadenersatz verlangt werden in all den Fällen, in denen ein Eigentümer wenn ihm nicht vom Staat Beschränkungen auferlegt wären, die Beseitigung von Beeinträchtigungen ohne Nachweis eines Verschuldens verlangen könnte. Dieser Grundsatz darf aber nicht auf den Betrieb einer Wasserleitung übertragen werden, da der Betrieb einer Wasserleitung als einer gemeinnützigen und segensreichen Einrichtung „nicht zu den mit einer besonderen Gefährdung Dritter verbundenen und darum das Prinzip der Gefährdehaftung ohne Verschulden rechtfertigenden Betrieben gehört". Vgl. aber nun § 22 WHG, darüber unten B 7. 102 ) Diese Ausführungen beziehen sich nur auf die Gasleitungsröhren, nicht auch auf

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§ 4 3 V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. D III Aa spezifische Gefahr. — Die Gegenprobe bietet die Entscheidung des R G in BayZ 1916, 91. Dort wird die Ersatzpflicht ohne Verschulden für einen Schaden erörtert, der durch den Bruch eines in bergunsicherem Gelände verlegten Gasrohres verursacht wurde. Es sei zu untersuchen, ob hier nicht ein anderer Sachverhalt vorliege als bei R G 63,374, ob hier insbesondere ein der Regel nach ungefährliches Gasrohrnetz zu beurteilen sei oder nicht, vielmehr eine wegen der Unsicherheit des Erdbodens dringend gefahrdrohende Gasrohrleitung. Hier wird also direkt auf die Gemeingefährlichkeit abgestellt. In anderen Entscheidungen sind es hauptsächlich rechtspolitische Gründe, durch welche die Gefährdungshaftung gegenüber der Verschuldungshaftung gerechtfertigt wird. Im Falle R G 101, 102 (Explosion einer Sprengstoffabrik) sagt das R G : Auch die Billigkeitserwägungen, die das Berufungsgericht aus den großen Gewinnen der Beklagten herleitet, werden nicht durch den Hinweis ausgeschaltet, daß andere Betriebe noch größeren Gewinn gemacht hätten, ohne mit der Tragung der aus dem Betriebe für andere entspringenden Gefahren belastet zu werden. Andererseits sprechen die wirtschaftlichen Gründe, die namentlich im Urteil des OLG Frankfurt 103 ) hervorgehoben sind, in hohem Maße für die Unentbehrlichkeit einer Entschädigungspflicht der Sprengstoffabriken gegenüber den Grundstückseigentümer in solchen Fällen, in denen die ganze wirtschaftliche Existenz des gesamten, im weiten Umkreis einer derartigen Fabrik gelegenen Grundbesitzes gefährdet war, ohne daß dieser während des Krieges sich durch die sonst gegebenen Rechtsbehelfe schützen konnte. In diesen Erwägungen liegt die Rechtfertigung des Gefährdungsprinzips. A u c h in der oben erwähnten zweiten Gruppe v o n Entscheidungen des Reichsgerichts werden alle Grundsätze zur Anwendung gebracht, welche den Inhalt der Gefährdungshaftung bilden. Durch diese Rechtsprechung, der alle übrigen Gerichte folgten, wurde ein Gewohnheitsrecht etwa folgenden Inhalts anerkannt: D e r Unternehmer 104 ) eines gefährlichen Betriebs haftet auch ohne V e r schulden für Schädigungen des Eigentums, die durch Auswirkungen der mit seinem Betrieb verbundenen und diesem eigentümlichen Gefahren verursacht sind, weil dadurch dem Betroffenen ein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit auferlegt wird. Dabei mußte es sich nach der Rechtsprechung um Gefahren handeln, die durch keine Einrichtungen völlig ausgeschlossen werden konnten. Diese Gefährdungshaftung erstreckte sich nicht auf einen bloßen Zufall. E i n Zufall wurde aber dann nicht angenommen, wenn die Gefahr dem Betrieb eigentümlich war, so daß mit der jederzeitigen Verwirklichung der Gefahr gerechnet werden mußte. A u f die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit dieser Betriebsgefahr kam es nicht an, wohl aber auf den größeren oder geringeren G r a d der die Gasbehälter. Nunmehr ist § i a RHaftpflichtges. i.d.F. v. 15. 8. 1943 (RGBl. I 489) anzuwenden, der auch Gasbehälter einschließt. 103 ) L Z 1919, 1284. 104 ) Passiv legitimiert ( = ersatzpflichtig ist derjenige, dem der Vorteil des schädigenden Eingriffs zugute kommt (Vgl. JW 1905, 1 3 1 ; 1910, 619), d.i.i.d.R. derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geht (vgl. R G 38, 92; 98, 347; vgl. auch B G H Z 15, 148; Weimar in MDR 60, 640 über Aktivlegitimation des Pächters). 720

Anspruch auf Schadenersatz

§

DIU A I

drohenden Schäden. Nur wenn ernste Schäden von dem Betrieb zu befürchten waren, konnte die Gefährdungshaftung in Frage kommen. Waren nach der Art des Betriebs erhebliche Schäden zu gewärtigen, so war im Einzelfall die Haftung gegeben, auch wenn der verursachte Schaden gering war. Diese durch Gerichtsgebrauch zum Gewohnheitsrecht erhobene Haftung ohne Verschulden aus dem Gesichtspunkt der Entschädigung für ein im Interesse der Allgemeinheit auferlegtes Sonderopfer wurde auch vom B G H übernommen, jedoch in Verbindung gebracht mit der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitsgrundsatz in Art 14 und 3 G G . In der grundlegenden Entscheidung B G H Z 6, 270106) hat der B G H den Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung zurückgestellt und an dessen Stelle den Tatbestand der Enteignungsentschädigung wegen eines Eingriffs in die Rechtsstellung des Eigentümers und der Auferlegung eines Sonderopfers zu Lasten des betroffenen Eigentümers. Dabei hat der B G H dargelegt, daß ein E n t e i g n u n g s a n s p r u c h immer dann gegeben sei, wenn ein hoheitlicher Eingriff in das Eigentum oder eine Vermögenswerte Rechtsstellung vorliege. Durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 G G in Verbindung mit dem G l e i c h h e i t s g r u n d s a t z sei nicht nur das Grundeigentum, sondern jede Vermögenswerte Rechtsposition geschützt. Infolgedessen komme der Anspruch auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung nur mehr für solche Eingriffe in Betracht, die sich gegen andere als Vermögenswerte Güter richten104). Aufopferung und Enteignung haben gemeinsam, daß beide ein Sonderopfer auferlegen und dem Betroffenen einen Anspruch auf Entschädigung ohne den Nachweis eines Verschuldens gewähren. Dabei ist unterschieden zwischen dem rechtmäßigen Eingriff durch zulässige Enteignungsmaßnahmen einerseits und dem unrechtmäßigen (rechtswidrig-schuldlos oder rechtswidrig-schuldhaft) hoheitlichen Eingriff in die Rechtssphäre des Einzelnen. Letztere enteignungsgleiche Eingriffe sind wie eine Enteignung zu behandeln, wenn sie sich für den Fall ihrer gesetzlichen Zulässigkeit als Enteignung darstellen würden. Diese Rechtsprechung hat für das Nachbarrecht im Einzelnen folgende Auswirkung: 1) B a u b e s c h r ä n k u n g e n im Interesse des Naturschutzes sind als entschädigungspflichtiger Eingriff mit Enteigungscharakter dann zu erachten, wenn die bisherige wirtschaftliche Ausnutzung des Grundstücks wesentlich eingeschränkt oder überhaupt untersagt wird 107 ). Die Versagung 105 ) Vgl. J W 52, 972 = M D R 5 2 , 6 1 0 ; B G H Z 9 , 8 3 = M D R 53,609; B G H Z 2 0 , 8 1 ; 25,238. 106 ) Vgl. B G H in N J W 53, 857 = M D R 53, 609; O L G Neustadt in M D R 1958, 427. 107 ) V g l B G H in M D R 59, 558; B G H Z 23, 30; L M Nr. 60, 70 u. 71 zu Art. 14 G G . B G H N J W 56, 263.

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Meisner-Ring, Nachbirrccht, 6. Aufl.

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der Bauerlaubnis mit Rücksicht auf die Erhaltung des Landschaftsbildes (Naturschutzinteressen) ist an sich nur die Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums, wird aber zum entschädigungspflichtigen Eingriff, sobald die bisherige Benützung des Grundstücks erheblich beeinträchtigt wird 108 ). Auch ein Bebauungsplan kann Enteigungscharakter haben und einen Anspruch auf Entschädigung wegen Auferlegung eines Sonderopfers auslösen, wenn das eine oder andere Grundstück ganz als Straße oder Grünfläche und damit als unbebaubar erklärt wird 109 ), sofern es vorher als Baugelände ausgewiesen war. Eine Bausperre, die zum Zwecke der Ausarbeitung oder Festsetzung eines Bebauungsplans für gewisse Zeit über ein Grundstück verhängt wird, liegt an sich im Rahmen der S o z i a l b i n d u n g des Grundeigentums. Wird sie aber übermäßig lang ausgedehnt (über drei Jahre), so stellt sie einen enteignungsgleichen Eingriff dar und verpflichtet zur Entschädigung 110 ). Das Bundesbaugesetz hat die meisten der genannten Fragen positiv geregelt, so daß alle diejenigen früheren Entscheidungen ihre Bedeutung verloren haben, die sich befassen mit Entschädigungen für Veränderungssperren (§ 18), Versagung der Baugenehmigung (§21 Abs. 2 S. 2, Abs. 3), Festsetzungen im Bebauungsplan, die Vermögensnachteile hervorrufen, wie z. B. Inanspruchnahme von Grundstücken für Grünflächen, Verkehrsflächen, Flächen für gemeinschaftliche Stellplätze und Gemeinschaftsgaragen, Flächen für Gemeinschaftsanlagen (§ 40), Festsetzungen von unbebaubaren Grundstücken und von Schutzflächen (§41), Begründung von Geh-, Fahr- und Leitungsrechten (§ 42), Bindungen für Bepflanzungen (§ 43), Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung (§ 44). Das gleiche gilt für die Vorschriften über den Wertausgleich in Geld im Umlegungsverfahren (§ 5 7 S. 4, § 5 8 Abs. 2 u. 3), über Abfindung und Ausgleich für bauliche Anlagen, Anpflanzungen und sonstige Einrichtungen (§ 60), über Abfindungen für die Aufhebung, Änderung und Begründung von Rechten im Umlegungsverfahren (§ 61), über den Ausgleich in Geld in Fällen der Grenzregelung — Austausch oder Zuteilung von Grundstücksteilen durch die Gemeinde — (§81). Schließlich sind die §§ 8 5ff.zu erwähnen hinsichtlich der Enteignung durch Entziehung oder Belastung des Eigentums oder anderer Rechte oder durch die Begründung neuer Rechtsverhältnisse aus Gründen des Allgemeinwohls oder aus zwingenden städtebaulichen Gründen des Allgemeinwohls oder aus zwingenden städtebau108

) Vgl. B G H i n M D R 58, 220; M D R i960, 744 u. 7 4 5 ; N J W 59, 1276. ) Vgl. O V G Hamburg in M D R 59, 8741 BVerwG in DVB1. 56, 831 (Kann dem Allgemeinwohl auch auf andere dem Grundeigentümer weniger nachteilige Weise gedient werden, so kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sein, was dann einer Enteignung gleichkommt). 110 ) B G H Z 15, 265 = M D R 55, 88; N J W 59, 1775 u. 2156. 1M

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liehen Gründen gegen Ersatzland (§§ 90, 91) oder gegen Entschädigung (§§ 93ff-; §§ 99 b i s I O J )2) Wohnungsbeschaffung: Die Erfassung bisher gewerblich genutzter Räume als Wohnräume ist grundsätzlich als enteignungsgleicher Eingriff in eine Vermögenswerte Rechtsstellung zu erachten und deshalb entschädigungspflicht 111 ). 3) U m l e g u n g s v e r f a h r e n . Wird anstelle einer Landzuteilung nur eine Geldentschädigung gewährt, so entsteht ein weiterer Entschädigungsanspruch hier wegen 112 ). An sich ist zwar die städtebauliche Umlegung keine Enteignung, wenn sie nur dem Allgemeinwohl dient und nicht einem dem Betroffenen gegenüber fremden Interesse 113 ). Dagegen kann die Umklassifizierung eines Gebiets (Stadtviertels) in ein reines Wohnviertel eine entschädigungspflichtige Enteignung darstellen, wenn dadurch die kriegszerstörten gewerblichen Betriebe nicht wiederhergestellt werden dürfen 114 ). In Sanierungs- u. Entwicklungsgebieten nach dem StädtebauförderungsG vom 27. 7. 71 (BGBl. I S. 1125) richtet sich die Entschädigungspflicht ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes (§ 23) in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesbaugesetzes (vgl. oben 1). 4) A n l i e g e r r e c h t : In der Einschränkung des Gemeingebrauchs an , einer öffentlichen Straße liegt dann kein enteignungsgleicher Eingriff, wenn das Anliegerrecht nur unwesentlich oder nur vorübergehend beeinträchtigt wird. Wird aber durch Erhöhung des Straßenkörpers die Zufahrt zur Straße einem Anlieger unmöglich gemacht oder ganz erheblich erschwert, so hat er Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich für das ihm auferlegte Sonderopfer 116 ). Bei der Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs eines Anliegers durch Beschränkung seines Gemeingebrauchs ist zu prüfen, ob die Einschränkung einen Eingriff in einen bereits vorhandenen konkreten wirtschaftlichen Wert bedeutet116). In dem Bau einer Umgehungsstraße liegt kein enteignungsgleicher Eingriff, so daß eine Entschädigung nicht zusteht. Der Anlieger einer öffentlichen Straße hat keinen Anspruch darauf, daß eine bestimmte Verbindung der Straße mit dem öffentlichen Wegenetz unverändert erhalten bleibt. m

) ) ) 114 ) 1241. 115 ) 116 ) U2

113

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Vgl. B G H in N J W 53, 260 u. 101; 54, 753. B G H Z 27, 15 = IvTDR 58, 412; abw. BVerwG N J W 59, 1241. Vgl. BVerwG MDR 58, 660; N J W 58, 747. Vgl. BGH in MDR 58, 221; MDR 6o, 35 = B G H Z 31, 49; N J W 59, 2034 u. Vgl. BGH in MDR 59, 918; BB 57, 271; 59, 831; Wiethaup in MDR 59, 975. Vgl. B G H Z 14, 363; 23, 157.

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V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

D III Bb 1

Der Wegfall einer Straße, die die einzige Verbindung zum Grundstück ist, kann jedoch einen Entschädigungsanspruch des Eigentümers auslösen. 5. I n h a l t des A n s p r u c h s . Der Entschädigungsanspruch ist wie die Enteignungsentschädigungsforderung selbst kein Schadensersatzanspruch, sondern nur der Wertausgleich für das Sonderopfer, das der Betroffene bringt. In der Regel wird daher nur der Substanzwert entschädigt 117 ). 6. A n s p r u c h s v e r p f l i c h t e t e r ist derjenige, dem das Sonderopfer unmittelbar zu Gute kommt 118 ). 7. Z u s t ä n d i g k e i t . Zur Entscheidung über den Entschädigungsanspruch sind die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 40 Abs. 2 S. 1 VerwGO). 8. Der Anspruch v e r j ä h r t nach 30 Jahren 119 ). Bb. Haftung und Entschädigung ohne Verschulden in Sondergesetzen 1. R e i c h s h a f t p f l i c h t g e s e t z v. 7 . 6 . 1 8 7 1 i . d . F v . 15.8.1943 ( R G B 1 . I 489)*): In § 1 wird dem Unternehmer einer Eisenbahn die Verpflichtung zum Ersatz von Schäden auferlegt, die Personen beim Betrieb der Bahn an Körper oder Gesundheit erleiden, auch wenn kein Verschulden nachgewiesen wird. In § i a — eingefügt durch die Novelle v. 15. 8. 1943 — werden die Inhaber von Anlagen, die der Leitung und Abgabe elektrischer Energie oder von Gas, auch aus Gasbehältern, dienen, für die bei diesen Anlagen entstehenden Schäden verantwortlich gemacht ohne den Nachweis eines Verschuldens. Ausgenommen sind solche Unfälle, die sich bei den Energieerzeugungsanlagen selbst oder durch Energieverbrauchsgeräte, wie Heizkissen, Bügeleisen usw. oder bei elektrischen Maschinen ereignen, die auf fremden Grundstücken sich befinden. Ferner entfällt die Gefährdungshaftung bei Schäden, die sich innerhalb eines Gebäudes oder eines befriedeten Grundstücks ereignen, das sich im Besitz des Inhabers der betreffenden Anlage befindet. Insoweit besteht kein Bedürfnis für einen besonderen Schutz der Allgemeinheit, da diese dort keinen Zutritt hat. In diesen Fällen kommt daher nur die allgemeine Haftung nach §§ 823 fr. B G B in Betracht. Im übrigen aber wird die Haftung ohne Verschulden im Interesse des Publikums, das sich auf öffentlichen Wegen und Plätzen im Gefahrenbereich der fraglichen Anlagen befindet, weit ausgedehnt und auch auf Unfälle " ' ) BGH NJW 63, 1492. BGH N J W 53, 859; j4, 1 3 6 1 ; 54, 755) BGH NJW 53, 1060.

119

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§43 D III B b 2, 3, 4

erstreckt, die infolge höherer Gewalt, z. B. durch Unwetter oder Vogelflug (vgl. Amtliche Begründung in D J 1943, 430) eintreten können. 2. S a c h h a f t p f l i c h t g e s e t z v. 29. 4. 1940 (RGBl. I, 691*): Damit werden die Unternehmer von Eisenbahnen und Straßenbahnen der Gefährdungshaftung unterworfen für jeden S a c h s c h a d e n , der beim Betrieb der Bahnen vorkommt. Ausgenommen von der Gefährdungshaftung werden jedoch Schäden, die auf Einwirkungen i.S. des § 906 B G B zurück2uführen sind, da für diese Schäden ein ausreichender Schutz in den Bestimmungen des § 906 i.d.F. des Ges. v. 22. 12. 1959 gewährleistet ist (vgl. oben § 14 IV 5). 3. S t r a ß e n v e r k e h r s g e s e t z v. 19. 12. 1952 (RGBl. I 837): In § 7 dieses Gesetzes wird jedem Halter eines Kraftfahrzeugs die Ersatzpflicht für jeden Schaden auferlegt, der beim Betrieb des Kfz. einem anderen zugefügt wird, auch wenn dem Halter oder dem Fahrer kein Verschulden nachgewiesen werden kann. Unter diese Gefährdungshaft fallen insbeondere auch Sachschäden, wie Beschädigungen von Gebäuden oder Grundstücken etwa durch Anfahren an eine Hauswand oder durch unzulässiges Parken auf fremdem Grund. Nicht hieher gehören Schäden, die durch allmähliche Abnützung einer Straße oder durch länger dauernde nachteilige Einwirkungen (Erschütterungen) entstehen und durch die Vorschrift in § 906 B G B genügend gedeckt sind. Gegen die Inanspruchnahme aus § 7 StrVG steht dem Halter der Entlastungsbeweis offen, wenn er dartun kann, daß der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Einrichtungen beruht, sondern etwa auf dem Verhalten eines Dritten, der nicht beim Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt war, oder eines Tieres, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß Halter und Fahrer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt zum Zwecke der Abwendung oder Minderung des von fremder Seite drohenden Nachteils beachtet haben120). 4. § 19 des L u f t v e r k e h r s g e s e t z e s v. 1. 8. 1922 i.d.F. v. 4. 1 1 . 1968, (BGBl. 1 1 1 3 ) verpflichtet den Halter eines Luftfahrzeugs ganz allgemein jeden Schaden zu ersetzen, den irgendein Dritter beim Betrieb des Fahrzeugs durch Unfall erleidet und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein Verschulden des Halters oder des Führers in Mitte liegt. Diese reine Gefährdungshaft entfällt nur dann, wenn der Halter nachweist, daß der Schaden *) Schrifttum: Geigel, Haftpflichtprozeß 14. Aufl. 1969. 120 ) Darüber, daß Haftung und Entschädigungspflicht entfallen bei sozialadäquatem Verhalten vgl. B G H Z 24, 21 = N J W 57, 785 = M D R 57, 666; Nipperdey N J W 5 7 , 1 7 7 7 ; Baumann M D R 57, 646 u. AcPr. 155, 495.

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§ lo

y . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

D III Bb 5

allein durch den Verlet2ten selbst etwa durch übertriebene Empfindlichkeit herbeigeführt worden ist. In § 27 des Gesetzes wird die Ausgleichspflicht auf alle für den Schaden sonst Verantwortlichen erstreckt. Landungsschäden fallen unter § 19 LuftverkehrsGes., sofern die Landung außerhalb eines Flugplatzes deshalb stattfinden mußte, weil die Sicherheit des Flugs es erforderte. Die Verschuldenshaftung greift dagegen immer dann ein, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Halters oder des Führers etwa wegen Nichtbeachtung der Sicherheitsvorschriften (§ 63 der Luftverkehrs-VO v. 21. 8. 1936 (RGBl. I, 659) nachweisbar ist. Das F l u g l ä r m G v. 31. 3. 71 ( B G B 1 I 282) regelt die Ansprüche gegen den von Flugplätzen ausgehenden Lärm 1 » 3 ). 5. Durch das A t o m g e s e t z v. 23. 12. 1959 (BGBl. I 800; ferner B G B l . 1963, 201; 1969, 1429) 121 ) ist im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit und die Möglichkeit unabsehbar ausgedehnter Schädigungen eine besondere Rechtsgrundlage geschaffen worden. Ziel des Atomgesetzes ist es, den V e r k e h r mit Kernenergiestoffen (Plutonium und bestimmte Formen des Urans) sowie die A n l a g e n zur Erzeugung und Spaltung und zur Aufarbeitung solcher Kernbrennstoffe einschließlich des Gebrauchs sonstiger radioaktiver Stoffe unter K o n t r o l l e zu nehmen. In erster Linie wird jeder Transport, auch Ein- und Ausfuhr, sowie die Lagerung von Kernenergiestoffen einer besonderen Genehmigungspflicht unterstellt. Grundsätzlich ist die Lagerung solcher Stoffe dem Staat vorbehalten und dafür die physikalisch-technische Bundesanstalt vorgesehen. Einer Genehmigung bedarf ferner die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung, Spaltung und Aufarbeitung von Kernenergie. Für alle Schäden, die „im Rahmen einer solchen Anlage entstehen", ist eine absolute G e f ä h r d u n g s h a f t u n g vorgesehen. Der Begriff „im Rahmen einer solchen Anlage" ist weit zu fassen. Es fallen darunter alle Schäden die von Einrichtungen herrühren, die sich innerhalb der betreffenden Anlagen befinden, oder die bei Beseitigung der Abfälle entstehen. Der E x k u l p a t i o n s b e w e i s ist a u s g e s c h l o s s e n . Nur für jene Schäden, die nicht „im Rahmen solcher Anlagen" auftreten ist der Entlastungsbeweis zulässig, jedoch auch dies dann nicht, wenn der Schaden infolge des Versagens von Schutzeinrichtungen oder durch Verschulden eines Verrichtungsgehilfen entstanden ist. Der haftende Anlagenbesitzer kann sich daher in einem derartigen Falle nicht auf §831 B G B berufen. Die Gefährdungshaftung greift dann nicht Platz, wenn der Geschädigte die Gefahr einer solchen Anlage gekannt und in Kauf genommen hat; hier gelten die gewöhnlichen bürgerlichrechtlichenVorschriften nach § 8 23ff.BGB. m

) Vgl. Ehlers in MDR 60, 714; (BB 60, 610). ) siehe hierzu Martin in NJW 72, 558.

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Anspruch auf Schadenetsatz

§43 D III Bb 6

Eine sehr einschneidende Vorschrift betrifft die Grundstücksnachbarn einer Kernenergieerzeugungs-Anlage. Diese müssen nämlich innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntmachung des Antrags auf Genehmigung einer solchen Anlage schriftlich Einwendungen erheben, widrigenfalls etwaige Ansprüche erlöschen. 6. B u n d e s b a u g e s e t z v. 23. 6. i960 (BGBl. I 3 4 i m ) . a) Das BBauG gilt für Stadt und Land ( § 1 ) und regelt die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke durch Bauleitpläne, den „vorbereitenden Flächennutzungsplan" und den verbindlichen „ B e b a u u n g s p l a n " . Ziel dieser Pläne ist es, die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und die Eigentumsbildung im Wohnwesen in der Weise zu fördern, daß Art der Nutzung und die endgültige bauliche Ordnung rechtsverbindlich festgelegt werden. Die Aufstellung der Bauleitpläne, mindestens eines Bebauungsplans, obliegt jeweils der Gemeinde. Im Bebauungsplan werden das Bauland, Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und Mindestgröße der Grundstücke, die von einer Bebauung freizustellen sind (z.B. die für den Gemeinbedarf, für den Verkehr, für die Versorgung, für Grünanlagen usw. notwendigen Flächen, auch die für Geh-, Fahr- und Leitungsrechte) bis ins einzelne genau geregelt (§ 9). Der Bebauungsplan bedarf der Genehmigung der Regierung. Es ist auf die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen und wird mit der öffentlichen Bekanntmachung rechtsverbindlich. Stimmen die Eigentümer der betroffenen und benachbarten Grundstücke sowie die Behörden oder die Träger der öffentlichen Belange nicht zu, so ist der Bebauungsplan mit den Einwendungen erneut der Regierung zur evtl. Genehmigung vorzulegen. Der Bebauungsplan wird von der Gemeinde als S a t z u n g beschlossen. Damit wird er zum Ortsrecht, das nicht der Anfechtung im Verwaltungsverfahren unterliegt, sondern allenfalls nur auf seine Verfassungsmäßigkeit nachgeprüft werden kann. b) V e r ä n d e r u n g s s p e r r e : Zur Sicherung der Planung kann die Gemeinde eine „Veränderungssperre" als Satzung beschließen, wodurch erheblich wertsteigernde Veränderungen, die Errichtung wertsteigender baulicher Anlagen oder wertsteigernde Veränderungen solcher Anlagen ohne Rücksicht darauf, ob sie genehmigungsbedürftig sind oder nicht, auf die Dauer bis zu 4 Jahren verboten werden. Diese Satzung bedarf der Genehmigung der Regierung und wird mit der öffentlichen Bekanntmachung rechtsverbindlich. Die Veränderungssperre hat den Charakter einer Sozial12a

) Vgl. Diester in MDR 60, 797; Zinkahn in NJW 60, 1321.

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§ V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. D III B b 6

bindung des Eigentums. Dauert sie aber länger als 4 Jahre, so stellt sie einen e n t e i g n u n g s g l e i c h e n Eingriff dar mit der Folge, daß dem Betroffenen für etwa erwachsene Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten ist. Außerdem wird der Plan in der Weise gesichert, daß für bestimmte Rechtsvorgänge eine G e n e h m i g u n g vorgeschrieben wird, und zwar für jede T e i l u n g eines Grundstücks innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und außerhalb desselben für jede Auflassung oder Teilung oder Erbbaurechtsbestellung, die auf eine Bebauung oder kleingärtnerische D a u e r n u t z u n g abzielt (§ 19). Diese Genehmigung wird von der für die Baugenehmigung zuständigen Stelle erteilt. Ihre Versagung ist enteignungsgleicher Eingriff und zu entschädigen. Handelt es sich um Rechtsvorgänge außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans, so ist dazu die Zustimmung der Regierung erforderlich. c) V o r k a u f s r e c h t : Als weiteres Sicherungsmittel wird der Gemeinde ein gesetzliches Vorkaufsrecht (§ 24) an Grundstücken eingeräumt, die im Bebauungsplan für den G e m e i n d e b e d a r f , für Verkehrs-, Versorgungsoder Grünflächen vorgesehen sind oder in ein Verfahren zur Bodenordnung (Umlegung und Grenzregelung) einbezogen sind. Dieses Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das W o h l d e r A l l g e m e i n h e i t e s rechtfertigt. Außerdem kann sich die Gemeinde durch S a t z u n g ein V o r k a u f s r e c h t an u n b e b a u t e n Grundstücken (§25) sichern. Die Ausübung dieses Vorkaufsrechts ist davon abhängig, daß angenomemn werden muß, der Käufer werde das Grundstück nicht innerhalb einer Frist von drei Jahren in einer Weise nutzen, die der baurechtlichen Festsetzung entspricht. Ist das Grundstück nach Ablauf der dreijährigen Frist nicht gemäß dem Bebauungsplan genutzt, so kann die Gemeinde die Ü b e r e i g n u n g Zug um Zug gegen Zahlung eines Entgelts verlangen, das dem Kaufpreis einschließlich etwaiger werterhöhender Aufwendungen entspricht. d) V o r h a b e n : Die dem Bebauungsplan entsprechende Nutzung der Grundstücke wird in §§ 29fr. als „ V o r h a b e n " , d. i. die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen, geregelt. Einem „Vorhaben" werden auch Aufschüttungen, Abgrabungen und Ausschachtungen gleichgestellt. Selbst im Außenbereich eines Bebauungsplanes ist ein „Vorhaben" nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. e) E n t s c h ä d i g u n g : Soweit im Bebauungsplan einzelne Grundstücke für den Gemeinbedarf, für Verkehrs-, Versorgungs- oder Grünflächen sowie privatwirtschaftliche Zwecke oder Gemeinschaftsanlagen u.a. festgesetzt sind, ist die Entschädigung wie folgt geregelt; 728

Anspruch auf Schadenetsatz

§43 D III Bb 6

d) der Eigentümer kann die Übernahme der betreffenden Flächen insbesondere dann verlangen, wenn ihm wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann, die Grundstücke zu behalten, oder b) er kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit sein Vorhaben nicht ausgeführt werden darf und dadurch die bisherige Nutzung wirtschaftlich erschwert wird. f ) U m l e g u n g : Bebaute und unbebaute Grundstücke können innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans durch „Umlegungsbeschluß" nach Lage, Form und Größe zweckmäßig neugestaltet werden (§§ 45 ff.)- Diesem Zwecke dienen das von der Umlegungsstelle zu fertigende Verzeichnis der einbezogenen Grundstücke (Bestandsverzeichnis) und die Umlegungskarte (Bestandskarte). Es handelt sich hierbei um eine Art Flurbereinigung, wobei die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke zu einer „Umlegungsmasse" vereinigt und nach Ausscheidung der Verkehrsund Grünflächen an die beteiligten Eigentümer nach Möglichkeit in gleichwertiger Lage entsprechend ihren Anteilen zugeteilt werden. Soweit keine bebauungsfähigen Grundstücke zugeteilt werden können, haben die Eigentümer Anspruch auf eine Abfindung in Geld oder auf Zuteilung von Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebiets. Mit ihrem Einverständnis können sie als Abfindung die Begründung von Miteigentum, Wohnungseigentum, Teileigentum, Dauerwohnrecht, Dauernutzungsrecht, Erbbaurecht, Wohnungserbbaurecht oder Teilerbbaurecht erhalten. Durch den Umlegungsplan können grundstücksgleiche R e c h t e , z.B. Wohnungseigentum oder Erbbaurecht, sowie andere dingliche Rechte (Dienstbarkeiten oder Grundpfandrechte) und Rechte an solchen Rechten sowie auch persönliche Rechte (wie Pacht oder Vorkaufsrecht) a u f g e h o b e n , g e ä n d e r t oder neu b e g r ü n d e t werden. Der neue Rechtszustand tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Umlegungsplan durch öffentliche Bekanntmachung als unanfechtbar erklärt wird (§ 71). In einem besonderen G r e n z r e g e l u n g s - V e r f a h r e n (§§ 8off.) kann die Gemeinde durch Beschluß anordnen, daß benachbarte Grundstücke gegeneinander ausgetauscht oder einseitig zugeteilt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten und der Wert der Grundstücke nur u n e r h e b l i c h geändert wird. Dabei können auch D i e n s t b a r k e i t e n neu geordnet werden. g) E n t e i g n u n g : Das BBauG enthält bereits in den angeführten Bestimmungen über Bauleitpläne, Veränderungssperren, Vorkaufsrechte sowie über die Umlegung und Grenzregelung vielfache Eingriffe in das Grundeigentum und in Vermögenswerte Rechte der betroffenen Eigentümer. Art und Maß der Entschädigung sind in einer Reihe von Vorschriften geregelt, 729

§ l o v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. D III B b 7

so z.B. in § 18 (Veränderungssperre) § 21 (Versagung der Genehmigung zur Teilung oder Auflassung nach § 19), § 28 (Vorkaufsrecht), insbesondere aber in § § 40—44 des Gesetzes. Inwieweit Eingriffe in die Rechte der Eigentümer nicht als enteignungsgleich, sondern als Auswirkung der Sozialbildung des Grundeigentums anzusehen sind, wird in jedem einzelnen Fall gesondert geprüft werden müssen. Der Gesetzgeber hat sich an die bisherige Rechtsprechung gehalten und deren Grundsätze übernommen. Diesen Grundsätzen entsprechen insbesondere die Bestimmungen in § § 8 5 ff. über Zweck, Gegenstand und Voraussetzungen der Enteignung, durch die in erster Linie Bauwilligen sowohl für Wohnungs- wie auch für sonstige Zwecke das erforderliche Bauland beschafft werden soll. Als oberster Grundsatz ist herausgestellt, daß eine Enteignung nur stattfinden darf, wenn Gründe des G e m e i n w o h l s sie erfordern und der E n t e i g n u n g s z w e c k auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann und auch nur in dem Umfang, in dem dies zur Verwirklichung des Enteignungszwecks notwendig ist (§§ 87 und 92). Die E n t s c h ä d i g u n g für die Enteignung richtet sich nach dem R e c h t s v e r l u s t einschließlich der sonstigen durch den Eingriff verursachten Vermögensnachteile. Dabei ist der V e r k e h r s w e r t des Gegenstands der Enteignung im Zeitpunkt der Entscheidung durch die zuständige Behörde maßgebend (§§ 93 ff.). 7. Das Städtebauförderungsgesetz vom 27. 7. 1971 (BGBl. I S. 1125) regelt die Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land. Es baut auf auf den Regelungen des Bundesbaugesetzes (s. oben 6.). Insbesondere gelten für die Entschädigungsleistungen die Vorschriften des Bundesbaugesetzes (§23 StädtebauförderungsG) jedoch mit der erheblichen Einschränkung, daß die Werterhöhungen, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung bzw. Entwicklung, ihre Vorbereitung oder Durchführung eingetreten sind, nur insoweit entschädigt werden, als der Betroffene die Werterhöhung durch eigene Aufwendungen zulässigerweise bewirkt hat. Der sog. Sanierungs- bzw. Entwicklungsgewinn wird also nicht entschädigt. Das Gesetz gilt nicht nur für die Grundstückseigentümer, sondern auch für die am Grundstück dinglich Berechtigten, sowie für Mieter und Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte. Durch dieses Gesetz wird den Gemeinden ein ausreichendes Instrumentarium zur Hand gegeben, um die bauliche Entwicklung der Neubaugebiete nach ihren Vorstellungen zu erreichen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Gemeinden von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen und nicht wie bereits bisher beim Baulandbeschaffungsgesetz und beim Bundesbau780

Anspruch auf Schadenersatz

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gesetz einen großen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausnützen. 8. Das Wasserhaushaltsgesetz vom 27. 7. 1957 (BGBl. I S. 1 1 1 0 ) —ein Rahmengesetz nach Art. 75, Abs. 4 G G — gibt rechtliche Grundlagen für die Regelung des Wasserhaushalts hinsichtlich der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers 123 ). Es ist ausgefüllt worden durch das Bayer. Wassergesetz vom 26. 7. 1962 (GVB1. S. 143). Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) stellt den Grundsatz der Gefährdungshaftung auf. § 22 Abs. 1 verpflichtet denjenigen, der in ein Gewässer (oberirdisches und Grundwasser) feste Stoffe einbringt oder flüssige Stoffe einleitet oder derart einwirkt, daß die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, zum Ersatz des daraus einem Dritten erwachsenen Schadens. Im Rahmen des § 22 Abs. 1 W H G bedarf es keines Nachweises eines Verschuldens. Es kommt hier allein auf die V e r u r s a c h u n g eines Schadens an. Im Einzelfall ist daher genau zu untersuchen, ob zwischen dem Einbringen, Einleiten oder Einwirken i. S. des § 22 Abs. 1 (§ 8 Abs. 3) W H G und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Zusammenhang besteht (vgl. dazu oben § 43 B). Diese Gefährdungshaftung greift hier auch Platz bei .höhrerer Gewalt 124 ). § 22 Abs. 2 W H G sieht gleichfalls die Gefährdungshaftung vor zu Lasten des Inhabers einer Anlage, die der Herstellung, Beförderung, Verarbeitung, Lagerung oder Wegleitung von Stoffen dient, wenn Stoffe aus der Anlage in das Wasser gelangen und Schaden verursachen. Hier entfällt jedoch die Haftung bei höherer Gewalt, wenn die Stoffe ohne oder gegen den Willen des Inhabers der Anlage in das Wasser gelangten ( § 2 2 Abs. 2 S. 2). Jede Haftungsverpflichtung aus § 22 Abs. 1 u. 2 scheidet jedoch aus, wenn eine rechtskräftige Bewilligung zum Einbringen, Einleiten oder Einwirken i. S. von § 8 Abs. 3 vorliegt ( § 1 1 Abs. 1 S. 1), allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sich die genannten Handlungen im Rahmen der Bewilligung und deren Auflagen halten ( § 1 1 Abs. 1 S. 2). Bei Verletzung der durch die Bewilligung gezogenen Grenzen tritt die Verpflichtung zur Haftung nach den allgemeinen Grundsätzen des § 8 2 3ff.B G B ein gegebenenfalls in Verbindung mit § 22 Abs. 1 WHG. ^ Vgl. Wernicke N J W 58, 7 7 2 ; Wüsthoff in „Wasser, Luft und Betrieb" 1957, 1 7 f r . ; Erdsieck N J W 63, 1590 (Gefährdung durch Ölleitungen bzw. Öltanks); Theisel B B 65, 637; Wernicke N J W 65, 1262 (Verjährung). 1U ) Vgl. Wernicke in N J W 58, 772 (Gefährdungshaftung nach § 22 W H G ) ; Wüsthoff in Wasser, Luft und Betrieb 1957, I7ff.

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

D III Bb 9

Insoweit als ein Geschädigter auf Grund des § 1 1 Abs. i WHG keinen Ersatzanspruch geltend machen kann, ist zu prüfen, ob er nicht im Wege einer nachträglichen Anordnung nach § 10 Abs. i WHG, falls im Bewilügungsbescheid Auflagen oder Entschädigungen vorbehalten worden sind, oder nach § 10 Abs. 2, falls im wasserrechtlichen Verfahren nachteilige Wirkungen nicht voraussehbar waren, eine Entschädigung erlangen kann. Die Bestimmungen in § 22 Abs. 1 W H G finden keine Anwendung auf die Inhaber von alten W a s s e r n u t z u n g s r e c h t e n 1 2 6 ) i. S. von §§ 15 u. 17 W H G in Verb, mit Art. 42 fr. und 207 BayWG von 1907. 9. Im Bayer. F e l d s c h a d e n g e s e t z v. 6. 3. 1902 (GVB1. 99 BayBS IV 432) i. d.F. vom 9. 2. 1924 (GVB1. 27) mit Änderung durch das Landesstrafgesetz v. 17. 1 1 . 1956 (GVB1. 261) ist eine besondere Haftung (Ausnahme von § 833 B G B ) festgelegt für solche Fälle, in denen bestimmte Haustiere (Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel, Rindvieh, Schweine, Ziegen, Schafe und Federvieh) auf bestellte fremde Äcker vor Beendigung der Ernte oder auf fremde Wiesen während ihrer Hegezeit oder in fremde Gärten, Weinberge oder Baumschulen übertreten. Für jeden Fall eines solchen Übertritts eines der genannten Tiere innerhalb der angegebenen Schonzeiten ist ein E r s a t z g e l d verwirkt ohne Rücksicht darauf, ob ein Verschulden des Tierhalters oder sonst einer Person vorliegt und zwar auch dann wenn ein Schaden nicht nachweisbar ist. Bei Übertritten außerhalb der Schonzeiten ist Ersatzgeld nur zu zahlen, wenn ein Schaden nachweisbar ist. Zahlungspflichtig ist derjenige, der die Tiere hält. Dem Übertreten ist das Fahren und Reiten gleichgestellt. Fremde Grundstücke sind solche, die der Tierhalter für seine Haustiere zu benützen nicht befugt ist. Der Pächter kann somit gegen den Verpächter Ersatzanspruch erheben, wenn dessen Tiere auf das Pachtgrundstück übertreten. Für den Fall des Übertretens von Haustieren auf W a l d g r u n d s t ü c k e verbleibt es bei den Vorschriften in Art. 88, 56, 65 u. 71 des Forstgesetzes. Der Begriff des Tierhalters i.S. des Feldschadensgesetzes ist derselbe wie in § 833 B G B . Es haftet demnach bei Verstößen, die der Dienstknecht verschuldet, der Dienstherr. Die Ersatzpflicht entfällt nur dann, wenn der Inanspruchgenommene nachweist, daß die Möglichkeit einer Beschädigung des Grundstücks oder der getrennten, aber noch nicht geernteten Erzeugnisse ausgeschlossen war (Art. 1 Abs. 3). Zum Ausschluß der Ersatzpflicht genügt es nicht, daß ein Schaden tatsächlich nicht entstanden ist. Erforderlich ist vielmehr, daß der Schaden nach Lage der Sache nicht eintreten konnte, etwa wegen der 126

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) Vgl. dazu für das PreußWG Wernicke in N J W 58, 773.

Anspruch auf Schadenersatz

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Beschaffenheit des Grundstücks oder wegen der Art, in der die Tiere übergetreten waren. Der Ersatzberechtigte hat die Wahl, ob er den Anspruch aus dem Feldschadengesetz oder nach den allgemeinen Vorschriften des B G B (§ 833, 23 fr.) geltend machen will. Verlangt er Ersatzgeld nach dem FeldschGes., so ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens ausgeschlossen (Art. 4). Das Ersatzgeld beträgt bei Tieren (außer Federvieh), die über ein Jahr als sind, 0,25 DM, bei Jungvieh 0,15 D M für jedes Stück, bei über drei Wochen altem Federvieh 0,05 DM. Bei einer Mehrzahl übergetretener Tiere darf der Gesamtbetrag des zu entrichtenden Ersatzgeldes 10.— D M bei Federvieh, und 20.— D M bei anderen Haustieren nicht übersteigen. Sind Tiere auf Grundstücke verschiedener Eigentümer übergetreten, so muß an jeden Eigentümer das volle Ersatzgeld gezahlt werden. Sind Tiere, die von verschiedenen Personen gehalten werden, zu einer Herde vereinigt, so haften im Falle des Übertritts der Herde alle Halter als Gesamtschuldner. Sind m e h r e r e Grundstücke (Flurnummern) in der Hand eines Eigentümers, bilden sie also eine wirtschaftliche Einheit, so ist das Ersatzgeld nur einmal zu leisten. Es kommt darauf an, daß sie nach der Art ihrer Bestellung eine wirtschaftliche Einheit, z.B. einen Getreideacker oder eine Wiese darstellen. Im Falle der Verpachtung eines Flurstücks an verschiedene Pächter, hat jeder Pächter Anspruch auf Ersatzgeld, weil jeder Pachtteil als wirtschaftliche Einheit einer gesonderten Bewirtschaftung unterliegt. Nach Art. 6 ff. steht dem Berechtigten zur Sicherung seines Ersatzgeldanspruchs ein besonderes P f ä n d u n g s r e c h t zu. Die Pfändung darf jedoch nur auf dem fraglichen Grundstück oder bei sofortiger Verfolgung der Tiere vorgenommen werden. § 44. Nachbarrecht und öffentliches Baurecht Im öffentlichen Baurecht müssen die konkreten Gesetzesbestimmungen durch eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen elastisch gestaltet werden, um eine sachgemäße Bauplanung zu ermöglichen und eine Anpassung an die Erfordernisse des Einzelfalles nicht auszuschließen. Insbesondere werden durch eine Generalklausel häufig die Baugenehmigungsbehörden ermächtigt, auch von der Einhaltung der an sich zwingenden Vorschriften zu befreien. So z.B. § 31 Abs. 2 BBauG: „Im übrigen kann die Baugenehmigungsbehörde ... Befreiung erteilen, wenn die Durchführung des Bebauungsplanes im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interes783

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

sen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist oder wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern." Eine solche Rechtslage bringt es mit sich, daß zwischen Bauherrn, Nachbarn und Baugenehmigungsbehörde ein ständiges Spannungsverhältnis besteht. Es geht dabei immer um die Frage, inwieweit der Nachbar gegen ein ihm unbequemes Bauvorhaben vorgehen kann, d.h. inwieweit er unmittelbar gegen eine Baugenehmigung angehen kann, die unter Dispens von gesetzlichen Vorschriften oder als Ausnahmegenehmigung erteilt worden ist. Die Beantwortung dieser Frage ist infolge einer uneinheitlichen Rechtsprechung sehr schwer. Grundsatz ist zwar, daß der Nachbar gegen eine Ausnahmegenehmigung oder eine erteilte Dispens nur dann vorgehen kann (im Verwaltungsrechtsweg), wenn die baurechtlichen Vorschriften, von denen dispensiert oder eine Ausnahme gemacht worden ist, „nachbarschützenden" Charakter haben. Es kann aber nicht eindeutig beantwortet werden, wann eine Norm diesen Charakter hat und es sich nicht nur um eine bloße Reflexwirkung für den Nachbarn handelt. Gesetzliche Bestimmungen über die Beantwortung dieser Frage fehlen. Die sehr umfangreiche Rechtsprechung 1 ) ist uneinheitlich. Der Versuch, eine umfassende Beantwortung der Frage zu finden, würde den Rahmen dieses Buches sprengen, zumal es sich dabei fast ausschließlich um öffentlich-rechtliche Probleme handelt. Es darf hier auf die einschlägigen Kommentare zur Bayer. Bauordnung und zum BundesbauG verwiesen werden, insbesondere aber auf die speziellen Abhandlungen dieses Themas: Kemnade, Der Rechtsschutz des Nachbarn im Baurecht, 1965, Verlag Otto Schwartz & Co. Göttingen; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, Verlag Duncker & Humblot, Berlin; Müller N J W 71, 81. Den nachbarschützenden Charakter verneint: B G H N J W 64, 396 (§ 11 Abs. 2 RGarO); BVerwG N J W 67 S. 1770 (§ 11 Abs. 1 S. 1 RGarO), hierzu vgl. die Anm. Taegen DVB1. 68 S. 30; BVerwG N J W 68, 68 (§ 13 Abs. IGa RGarO); BVerwG in RdL 69, 304 (§ 34 BBauGes.); BVerwG in RdL 69, 306 (Baugenehmigung nach § 34 BBauGes. führt zur Beschränkung einer „schönen Aussicht" vom Nachbargrundstück aus). Den nachbarschützenden Charakter bejaht: V G München N J W 54, 1216 (Grenzabstand); O L G München N J W 59, 341 und 1184 (Grenzabstand nach § 50 BayBauO); O V G Münster DVB1. 59, 10 (Grenzabstand); O V G Münster DVB1. 57, 28; 58, 68 u. N J W 58, 3 54 (Einteilung in Bauzonen); O V G Münster DWW 64, 294 (Planungsrechtliche Bestimmungen über die Geschoßzahl und die Bebauungstiefe); BGH N J W 64, 396 (§ 45 RGarO); BGH MittBayNot. 70, 145 (Bauverbot).

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Sachregister (Die Zahlen bedeuten die Seiten) Accessio Possessionis 576 Actio negatoria 329 Abänderungen 43 (Zweck) 151 (Anbau) — i ó j f f . (Kommunmauer) — 182 (Grenzeinrichtung) — 220 (elektr. Leitung) — 223 (öff. Weg, Fernmeldelinie) — 483 (Bedürfnisse bei Dienstbarkeit) — 486 (Gewerbeart, Kulturart) — 259 (der Verhältnisse), 260 (Technik) — 280 (Straße, Wasserlauf) — 306 (Grundwasserverhältnisse) — 437 (Richtung des Notwegs) — 439 (Notwegrente) Abbau — Gebiet 18 — Bodenbestandteilen 305, 3 1 1 Abbrennen des herrschenden Gebäudes (Fabrik) 590 Abbrechen Grenzmauer 148 — Haus bei Feuersbrunst 64, 2 1 1 , 219 — Bauwerk 294, 296, 321, 266 — bei Überbau 354 — bei Notweg (Brücke) 428 A b f ä l l e von Fabr. 649 Abdeckerei 235 Abfalldach für Regenwasser 417 A b g a b e für Benützung des Luftraums 23 Abgraben 80 (neben Keller), 303, 310 A b g r e n z u n g 15, 32 A b h i l f e (bei Klageerhebung) 274 Abholzung 458 Ableitung von Wasser 243, 244, 324, 457 Ablösen von Teilen eines Bauwerks 289, 290, 291, 299 — eines Felsblocks 290 Ablösung — Forstrechte 558 — Weiderecht 545 Ablösung d. Entschädigung bei Kommunmaueranbau 165 fr., 178 fr.

Abmarkung 81 ff. — Wiederaufnahme des Streits 89 — Wirkung 89 — Messungsergebnis 94 — Widerspruch 94 Abort — Anlage 276 — Belästigung des Nachbars 235 Abraumhalde 630 Abreißen = Abbrechen Abrutschen v. Teilen 323 Abschneiden von Zweigen 337 Abstand von — Anlagen oder Gebäuden 303, 287 — Fenstern 276, 286, 287, 303 — Bäumen oder Sträuchern § 19 — Vertiefungen § 17 — der Grenze 417 — Straßen 442 Abstellbahnhof 286 Absturz eines Felsblocks 290 Abschlußmauer 166, 1 1 9 (Wand) Abtretung — des Kommunmauer-Ablösungsanspruchs 177, 185 — der Überbaurente 370 — der Notwegrente 438 Abwässer 138, 243, 441, 457, 648, 650 Abwehr (-Anspruch), -Klage § 38 — bei Immissionen 271 Abwesenheit bei der Abmarkung 90 Abweichung zwischen Grundbuch u. Kataster 106 Abzugsrohr 138 Änderungen — Abänderungen Aesthetische Interessen 626 Allee (Grenzeinrichtung) 124 Alleineigentum 174 (Kommunmauer) Almende 519, 525 Almenweide 547 Amtliches Verzeichnis 104 785

Sachregister Anbau (-recht) § 8; 156fr., 158, 165, 178, 193 Anbauverbot 278 (Straßen) Anerkennung 92 (Abmarkung), 89 (Grenze), 100, (Katasterplan) Anfechtung — m f f . (Irrtum über Grenzverlauf) — 229 (Plan über Fernmeldelinien) Angaben — 106 tatsächliche •— rechtliche im Grundbuch) Angreifende Notstandshandlung 2 1 1 Angst (Blitzgefahr) 22 — 234 (wegen Schießens, psychisches Interesse) Anlagen — 18 (unterirdische) — 19 (vorübergehender Zweck) — 287 (Grenzabstand) — 287 (bauliche) — 221 (Verkehr, Telefon, Telegrafen, Rundfunk, Fernsehen) — § 15 (verbotene) — (Unterhaltung) 477, 497, 652 Anlegung des Grundbuchs 560 Anliegergrundstück 24 ff. — nutzung 26 — gebrauch 354 — 27 Duldungspflichten Anpflanzungen — 124 (Grenzeinrichtungen) — 276, 345 (an Straßen) Anteilsrecht an Grenzbaum § 10 Anschwemmung 52 Anspruch auf — Abwehr 276, 288 — Aufopferung 717fr. — Beseitigung 271, 283, 315 (Wiederherstellung), 328 (Grenzbaum), 633 (Eigentumsfreiheit) Anspruch auf — Unterlassung 271, 351 (Überbau) 631 (Beeinträchtigung) — Schadensersatz § 43 — Schadloshaltung 703 ff. Anzeige bei Uberbau 360 Anwendrecht — 442, 445 (Bestellung) — 445 (Beweislast) — 445 (Ersitzung) — 449 (Erlöschen) 786

Anwendrecht — 448 (Flurbereinigung) — 445 (Verjährung) — 449 (Verzicht) Arsenhaltige Gase 271 Asche (Immission) 241 Aufbau — 189 (auf Giebelmauer) — 189 (auf Kommunmauer) — 473, 476 (gegenseitiges Aufbaurecht) Aufforsten 343 Aufgabe des Eigentums 5 3 Aufgebot (bei Dienstbarkeiten) 601 Aufgrabung 24 Aufhebung der Gemeinschaft 64 (Stockwerkseigentum) 148 (Grenzeinrichtung) Auflagerung von Steinhalden 5 5 Auflassung — n o (teilweise nichtig), 1 1 3 — 82 (Vormerkung, Abmarkungsanspruch Auflesen von Früchten 351 Aufopferungsanspruch 268, 278, (Straßenanlieger) § 43 Aufschüttung 279 (Anlage), 277, 304, 322, 630 Aufsetzen eines Stockwerks 64 Auftraggeber 651 (Eigentumsfreiheitsklage) Aufwendungen — 226 (Anlagen) — 63 (Stockwerkseigentum) — 144 (Grenzeinrichtung) — 192 (Kommunmauererhöhung) Ausasten (Obstbäume) 324, 325 Ausbauchung einer Mauer 209, 356, 385, 576, 648 Ausblick 391 Ausdehnung — 59, 60 (Stockwerksrechte) — 260, 564 (Gewerbebetrieb) Ausgleichspflicht 263 Ausgleichsanspruch 263, 332 Ausfahrt 25 Auslegung — 2 1 1 (Anspruch aus § 904) — 564 (Grunddienstbarkeit) Ausschachtung 23, 3 1 1 , 317 (Straßenbau) Ausschließung von Einwirkungen 23 Ausschnitt der Erdoberfläche 18, 48, 97

Sachregister Außenwerbung 26 Aussicht 235, 464, 277 (verbaut), 279, 280 Aussichtsfenster 402 — gerechtigkeit 486 Ausübung öffentl. Gewalt 230 Ausübungshandlungen 574 (Dienstbarkeit) Auszug aus amtlichem Verzeichnis 101 Autobahn 345 Automaten 26 Auto-Reparaturwerkstätte 252 — -Rennen 631, 629 B Bäckerei 242 (Immissionsquelle) Backofen 123 (Grenzeinrichtung), (Anlage) 277, 279, 253 (Uberbau) Bach 81 (Eigentum) Badestrand 9 Badeanstalt -Freibad 234 Badeort 252 Balast-Abwurf 213 (Luftfahrt) Balken (Tramrecht) 458, 292 Balkon 23, 292, 354, 355, 358 (Überbau), 390 (Abstand) 392, 396 Bahntunnel 23 Bahnunternehmen 114 Bauabstand 275 (Anlagen), 381 (Uberbau), 413 (Traufrecht), 467 (Grunddienstbarkeit) 287 Bauarbeiten 237 (Lärm) Baudenkmal -Änderung 46; Bauen 464, 287 (an der Grenze) Baufällig 288, 293 Baugelände -Erhöhung 304 Baugenehmigung 463 (Verzicht auf Einwand) Baugerüst 45, 289, 296, 298 Baugrund 259, 292, 313 Bauherr 651 Bauholzbezugsrecht 472, 554 Baulandbeschaffung 566 Baulinie 351, 390, 461 Baum — 8, 335, 462 (Grenzabstand) — 42 (Eigentum an Wurzeln u. Zweigen), — 290 (morsch, Einsturzgefahr) 290 — 327 (übet die Grenze gewachsen) 47

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

Baum — 348 (Früchte-Überfall) — 324 (Uberhang) — 104 (Baumgarten) — 124 (Baumreihe), 338, 347, 199 — 40 (Baumschule) — 199, 200 (Beseitigung) — 224, 347 (an öffentl. Straßen) Baumeister 300, 318, 364 (Überbau) Bauplan — 161 (Grenzmauer) — 360 (Unterzeichnung bei Überbau) — 394 (Untetzeichnung-Fensterrecht) — 565 (Unterzeichnung-Grunddienstbarkeit) — 628, 629 (Einreichen-Beeinträchtigung des Eigentums) Bauplatz 250 Baukosten 173 (Kommunmauer) Baurechtlicher Grenzabstand 346, 467 Baurecht öffentliches 733 Bauverbot 466 Bauwerk — 19 (Errichten und Halten) — 142 (Kommunmauer) — 351 (Überbau) — 288 (Einsturz) — (Abbruch) 297 — 457 (Halten auf fremden Grund) Bauwich 346, 467 Bauzaun 24 ff. (Gemeingebrauch) Bauzustand 299 Bazillen 240 (Immission) Beauftragter — 217 (bei Instandsetzung) — 651 (Eigentumsfreiheitsklage) Bebauungsplan 390,404 (Lichtrecht), 727 Bedingung 474, 480, 592 Bedürfnisanstalt 23;, 255, 260, 277, 286, 632 Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks 474, 482, 483, 517, 564 (Erweiterung) Bedürfnis vorübergehend 429 (Notweg) Beeinträchtigung — 96, 147, (Grenzeinrichtung) — 210 (Rechtsmißbrauch) — 192 fr. (Eigentumsfreiheit) — 673 (Besitz) — 272, 626, 635, 636, 637, 640, 647 (Besorgnis weiterer —) 737

Sachregister Beeinträchtigung — 314 (Vertiefung) — 229 (Fernmeldelinien) — 277 (Aussicht) — 293, 295 (durch Einsturz) — 271 ff. (Uberhängen von Zweigen) Befestigung 312, 313, 314 (genügende bei Vertiefung) Befristung 474, 512 Befreiung vom Tropfenfall 464 Befugnisse der Postverwaltung 229 (Fernmeldelinien) Begräbnisstätte 457 Begrenzung des Grundstücks 14, 3;, 81 ff. Behaupten eines Rechts 624 (Beeinträchtigung) Behelfsheim 46 Belastung von Miteigentumsanteilen 66 470 Benützen — 19, 23 (Luftraum) — 141 (Kommunmauer) — 220 (Verkehrswege f. Fernmeldeanlagen) — 244, 731 (Wasserhaushaltgesetz) Benützungsart — 124 (Grenzeinrichtung) — 19 ff. (künftige Änderung) — 30 (übliche) — 423 (ordnungsgemäße) — 424 landwirtschaftliche -Notweg) Benützungs-Dienstbarkeit 456, 458 Benützungsrecht — 58 (Stockwerkseigentum) — 144 (Grenzeinrichtung) — 179,181,137fr. (Kommunmauer) — 134 (Gemeinschaft) Berberitzenstrauch 202 Berechtigtes Interesse 210 Bereicherungsanspruch — 109 (Katasterraub) — 156, 172 fr. (Kommunmauer) — 178 (Zwangsversteigerung) — 214 (Notstandshandlung) — 37. 55 (Rechtsverlust -Bestandteil) Bergbau 21, 50, § 34 Bergbaufreiheit 603 Berggesetz 50, § 34 — 610 (Ablagerung) — 618 (Angrenzet) 788

Berggesetz 50, § 34 — 603 (Alaun, Antimon, Arsenik, Asphalt) — 611 (Aufbereitungs-Anlagen) — 603 (Bergbaufreiheit, Bergregal) — 617 (Bausicher) — 603 (Bergwachs, Bitumen, Blei, Braunkohle) — 463, 614 (Bergschaden) — 615 (Besitzwechsel) — 617 (Bodensenkung) — 611 (Eigentumsbeschränkung) — 610, 611 (Einwirkungen) — 603 (Eisen, Erdöl, Erdgas, Erze) — 611, 614 (Enteignung) — 610, 613, 615 (Entschädigung) — 612 (Eigentumserwerb) — 618 (Eigentumsfreiheitsklage) — 616 (Entgangener Gewinn) — 615 (Ersatzberechtigter) — 607 (Fundpunkt) — 619 (Fernsprech-, Fernseh-Anlagen, Immissionen) — 610 (Gewinnungsrecht) — 603 (Gold, Graphit) — 619 (Gefahrdungshaftung) — 617 (Grubenwasser) — 618 (Grundwasser-Entziehung) — 610 (Haftung des Schürfers) — 617 (Halden-Schaden) — 616 (Kapitalabfindung, Kausalzusammenhang) — 603 (Kali, Kobalt, Kupfer) — 613 (Kaution) — 603 (Mineralien -herrenlos, Mangan, Molybdän, Magnesia) — 615 (Miete, Pacht) — 618 (Mehrere Bergwerke als Schadensursache) — 619, (Mitverursachung) — 617 (Quellwasser-Entziehung) — 603 (Quecksilber) — 605, 612 (öffentliche Interessen) — 619 (öffentlicher Verkehr — Vorrecht, Fernseh- und Fernmeldeanlagen) — 609, 604 (Okkupationsrecht) — 606 (Oberbergamt) — 603 (Nickel) — 607 (Mutung) — 603 (Silber, Steinkohle, Steinsalz, Solquellen, Schwefel)

Sachregister Berggesetz i8ff., § 34 — 612 (Soleleitung) — 609, 611, 616, 619 (Schadensersatz) — 604 (Staatsvorbehalt, Schürfrecht) — 605 (Schürffreiheit) — 606 (Sicherheitsleistung) — 603 (Titan, Torf) — 603 (Uran, Vitriol, Wismut, Wolfram) — 608, 609, 613 (Verleihung) — 620 (Verjährung) — 608, 619 (Vorrecht) — 617 (Zechenbahn) — 616 (Zubehörungen, Wiederherstellung des früheren Zustandes) Bergfluß 312 Bergrutsch 47; Beseitigung eines unzulässigen Bauwerks 714 Beurkundung 92 (Abmarkung) Berichtigung der Bestandsangaben 107 Beschädigung v. Femmeldelinien 230 Beschlagnahme 177 (Kommunmauergrundstück) Beschränkung — 21 (f. (Eigentum) — 222, 223 (Gemeingebrauch) — 286 (Nachbarrecht) — 465 (Gewerbebetrieb) — 480 (Grunddienstbarkeit) Beseitigung — 148 (Grenzmauer) — 156 (Überbau) — 182 (Grenzeinrichtung) — 195 (Kommunmauer-Erhöhung) — 199 (Grenzbaum) — 223 (Fernmeldelinien) — 324 (Zweige) — 330, 367 (Uberbau) — 458 (Bauwerk) — 63 3 ff. (Beeinträchtigungen) — 679 (Besitzstörung) Besitzer 115 Besitzdiener 677 Besitzhandlungen 115, 576, 673ff. Besitzschutz — 140 (Grenzmauer) — 79 (Kellerrecht) — 673 fr. (Besitzstörungsklage) Besitznachfolger 338 (Notweg)

Besitzstand 576, 115 Besorgnis weiterer Beeinträchtigung 210 — 210 (Schikane) — 271 (Immissionen) — 624, 647 (Eigentum) 63 5 ff. Bestandteil — 18, 19 ,36fr., § 4 (Erbbaurecht) — 104 (Wege) — 126 fr., 124 (Grenzeinrichtung) — 156 (Grenzüberbau) — i66ff., 142,165 f., 166 (Kommunmauer) — 198 (Grenzbaum) Bestandteils-Zuschreibung 16 Bestands-Verzeichnis 510 (öffentl. Straßen) Bestandsangaben 106 ff., 114 Bestandsnachweis 107 Bestimmbar 457 (objektiv) Bestimmte Maßnahmen 637, 656 Bewässerungsanlage 341 Beweisbehelf 100 (Kataster) Beweiskraft — 91 (Abmarkung) — 100 (Flurplan) — 136 (Grenzeinrichtung) Beweislast — 30 (Einwirkungen) — 194 (Kommunmauer) — 199 (Grenzeinrichtung) — 205 (Schikaneverbot) — 274 (Immissionen) — 317, 204 (Vertiefen) — 341 (Grenzabstand von Bäumen) — 364, 359 (Überbau) — 326 (Selbsthilferecht) — 652, 672 (Eigentumsfreiheitsklage) — 680 (Besitzstörungsklage) — 689 (Grunddienstbarkeit) — 708, 700 (Schadensersatz) Beweismittel 93 (Eigentumsgrenze) Bewilligung 60; (bergamtliche) Bienen — 268, 270 fr. (Eindringen, Haftung, Raubbienen) — 277 Bienenkorb (Anlage) — 277 Bienenstock (fahrbar) Bierlieferungsrecht 641 Blindfenster 136 Blendender Anstrich 239, 240 Bleichen 249 Blitzgefahr 22 789

Sachregister Boden 317 (-Beschaffenheit) — 18, 37 (-Bestandteile) — 322, 323 (-Erhöhung) — 5 1 » 55» 3 ° 3 f f ' (Vertiefen) — 305, 85 (Senkung) Böschung 289, 305 (-Winkel), 310, 347 Bordell 234, 280 Brandgefährl. Anlagen 274 Brandmauer 140, 299 Brandversicherungsanstalt 220 Brauerei 277 Brennerei 235 Brennholzbezugsrecht 557 Bretterwand 279 (Anlage) Brücke 428 (Abbruch-Notweg) Brückenwaage 254 (Immissionsquelle) Brunnen 118, 1 2 1 , 122 (Werk, Gebäude) — 276, 277 (Anlage) — 289 (Gebäude) — 47} (Recht daran) Bucheigentümer 357 Buchglaube m f f . Buchungsfreie Grundstücke 15, m , 1 1 5 , 560, 600 Buchungszwang 15, 1 1 4 , 600 Buchstaben Plannummer 104 Bundesfernstraßen 24, 509

Causa perpetua 467, 49; Cautio damni infecti 320 Chemische Fabrik (Immissionsquelle) 235 Civiliter uti 491, 495 D Dach 18 ff. (in den Luftraum hinein-ragend Dach 492 (Dachziegel -Ablösung von Teilen) — 298 (Riß im Zinkdach) — 3 5 5 ff. (Überbau) Dachgiebel 356 (Überbau) Dachrinne 124, 136, 140 (Grenzeinrichtung), 416 (Traufrecht) Dachvorsprung 129, 307, (457 Überbau) Dachtraufe 243 (Immission) — 413, 416 (Traufrecht) — 464 (Grunddienstbarkeit) Damm 289 (Gebäude -Einsturz) 2 1 1 (Notstand -Durchstoßen)

740

Dämpfe 235, 244 (Immissionen) Dampfhammer 258 (Immission) Dampfmaschine 257 Dampfschiffahrt 285 Dauernder Zweck 43, 44, 467 (Dienstbarkeit) Dauernde Verbindung 50 Dauernutzungsrecht 68, 77 (Keller), 84 (Abmarkung) Dauernutzungsberechtigter 365, 370 (Überbau): 68 — 646 (Eigentumsfreiheitsklage) Dauerwohnrecht 294 (bei Einsturzgefahr), 66 ff; Dereliktion 593 Dichte Einfriedung 446 Dienstbarkeit 46, 76 (Kellerrecht); § 27. — 126 (Grenzeinrichtung) — 157. 357» 37° (Überbau) — 396 (Fensterrecht) — 315 (Vertiefen) — 438 (Notweg) Differenziert-objektiver Maßstab bei Immissionen 251 Dingliches Recht — 19, 20 (Halten einer Anlage) — 83 (Abmarkungsanspruch) — § 7 (Grenzeinrichtung) — 451 (Grunddienstbarkeit) Dinglicher Vertrag — 178 (Kommunmauer) — 182 (Grenzeinrichtung) — 193 (Vertiefen oder Erhöhen der Kommunmauer) Dingliche Wirkung 120, 159 (Grenzeinrichtung) Dispens (baurechtliche) 467 Dissens m f f . Drahtgeflecht 346 Drahtgitter 401 Drahtleitung 22, 30, 300 (herabhängend) 23 (Straßenbahn) § 13. Drahtseilbahn — 22, 30, 23 (über Grundstück) — 430 (Notweg) — 457 (Grunddienstbarkeit) Drahtzaun 289 Dreifelderwirtschaft 447, 516, 585 Doppelbuchung 102 Drohende Gefahr 212, 213 Drohungen 629

Sachregister Duldungspflicht — 2 i , 24fr., 232, 235, 266 (Immissionen) — § 7, 157 (Grenzeinrichtung) — 2 1 1 (Notstand) — 220 (Telefonanlage) — 330 (eindringende Wurzeln) — 332, 358 (Überbau) — 366, 432 (Notweg) — 456 (Eigentumsbeschränkung) Druck durch Aufschüttung oder Höherbauen 322 Durchgang 138 Durchgangsrecht 480 Durchschnittsbetrieb 263 Durchschnittsmensch (normal) 252 Dungstätte, Dunggrube 261, 457, 458

Eibenzweige 329 Eigenbesitzer 299 (Haftung) Eigenmacht verbotene 1 1 ; Eigentum — § 3 (Stockwerkseigentum) — 126 (Grenzeinrichtung), 232, 302 — 349, 324, 326 (Früchte, Zweige, Wurzeln, Bäume) — 320 (Bestandteile), 414,416 (Traufrecht) — 365 (Überbau), 498 (Anlage) — 20 (am Wasser) — -Beschränkungen 60 (Stockwerkseigentum) — 126 (Grenzeinrichtung) — 142 (Kommunmauer) — 202, 2 1 1 (Notstand), 267 (Immissionen) — 366 (Überbau), 430 (Notweg), 61 (Bergrecht) — 623 (nachbarrechtliche Beschränkun. gen) Eigentum-Freiheitsklage 148, 271, 273, 285, 4 1 1 ff. — Gefährdung 275 — -Grenze § 5 : Kenntnis von Veränderungen 108 — Verhältnisse (Kommunmauer-Anbau) 156, 170fr., 178 — 199 (Grenzbaum) — Verlust 103 Zuschlag, 162 (Kommunmauer) Eigengrenzüberbau 166

Eigentümer-Grunddienstbarkeit 474

Eigentümerweg 420, 510 Einbringen von Stoffen in Wasser 243, 7Ji Eindringen von Wurzeln 324, 329, 33°

Einfahrt 26, 124 (Grenzeinrichtung) Einhalten der Baulinie 437 Einheit wirtschaftliche 37, 166, 167 (Kommunmauer) Einigkeit 1 1 1 ff. (falsa demonstratio) Einigung 562 (Grunddienstbarkeit) Einreißen 191 (Kommunmauer) Einpflocken (Grenzzeichen) 1 1 5 Einschränkung 223 (Sondernutzung an Straße-Fernmeldelinie) — 231 (Immissionsfreiheit) Einstweilige Verfügung 284 (Einstellung des Baues), — 656 (Eigentumsfreiheitsstreit) Einstellung 284 (eines Baues), 465 (Gewerbebetrieb) Einsturzgefahr § 16, 293 (Fabrikschornstein), 294 (Klagantrag) — 297 (Kellergewölbe), 298 (Verursachung) — 301 (Trümmergrundstück), 317 (bei Vertiefen) Eintragung 15, 16, 144 Eintragungsgegenstand (Flurkarte, Grundbuch) 105 Eintragungsbewilligung (Grunddienstbarkeit) 562 fr. Einwendungen 642 (gegen Eigentumsfreiheitsklage), 727 (Kernenergieanlage) — 731 (Wasserrecht) Einwirkungen 18 ff. (auf fremdes Eigentum oder Luftraum) — 30 (in die Tiefe) — 61 (Stockwerkseigentum) — 23off. (Immissionen) Einwirkungen 233 (sinnlich wahrnehmbar, ideelle) — 235 (negative) — 247 (durch besondere Leitung) — 254 (ortsüblich, auf Landwirtschaft) — 280 (auf Gefühlsleben), 293 (mechanische) Einzäunen (Grenzzeichen) 1 1 ;

741

Sachregister Eisenbahn — 255, 285, 307 (Erschütterungen) — 34, 311 (Einschnitt — Vertiefung) — 42 (Anschlußgeleise keine feste Verbindung) — 394 (Anlage), 432 (Notweg), 671, 718fr. (Betrieb -Schadloshaltung) Elektrische Leitungen — 21, 23, 29 (durch Luftraum) — 228 (Schutznetz), 220 (Störung untereinander) — 245 (Starkstromanlage), 293 (herabhängend-Ablösung von Teilen) — 277 (Anlage) 430 (Notweg) Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen 252 Empfindlicher Betrieb 252 Enge Reihe 405, 122 Enteignung 301 (von Trümmern), 102 (kein Gutglaubenschutz) — 221 (durch Postverwaltung) — 611, 614 (Bergrecht) — 729 (nach Bundesbaugesetz) Entfernung von Zweigen 333 Entlastungsbeweis 297 ff. Entlüftungsanlage 49 Entschädigung 26, 278 (Straßenanlieger) — 109 (Katasterraub) — 172, 166 (Kommunmauer) — 233 (Immissionen) — 301 (für Trümmerenteignung) — 346 (Grenzabstand) — 610, § 37 (Bergbauschäden) — 666 ff. (Schadloshaltung) — 685 (Besitzschutz) — 697 fr. (Schadensersatz) — 79 (Erlöschen dinglicher Rechte) — 225 (Verlegung von Anlagen) — 369 (Überbau) — 463 (Verzicht auf künftige) Entwicklung 22, 232 (technische) — 259 (wirtschaftliche) Entziehung 79 (Kellerrecht), 278 (Licht und Luft), § 404 (Lichtrecht) — 215 (Vertretungsrecht), 223 (Sondernutzung an Straßen) Erbbaurecht 19,57; § 84, 294, 296, 315, 357. 364 (Überbau), 370, 381, 456, 468 438 (Anspruchsberechtigt), 67, 74, Erdaufschüttung 54, 305, 322 Erdhaufen 289 742

Erdbeben 51, 218, 291, 298 Erdkeilausschnitt 36 Erdkörper 18 ff., 32 Erdoberfläche 17 ff., 32 Erdölbohrungen 45 2 Erdrutsch 30, 85, 100 Erkenntnisquellen 108 (guter Glaube) Erker 18, 20, 23 (in fremden Luftraum), — 293 (Ablösung von Teilen) — 354 (Überbau), 391fr. (Fensterrecht) Erlaubnis 20,28,731 (Gewässerbenützung) Erleichterung bei Notweg 437 Erlöschen: — 194 (Kommunmauerrecht) — 222 (Sondernutzung für Fernmeldeanlagen) — 367 (Duldungspflicht bei Überbau) — 437 (Notweganspruch) — 474 (Grunddienstbarkeit) — 546 (Weiderecht) — 559 (Forstrechte) Errichtung § 5 I (Grenzzeichen) — 358 (Gebäude) Ertragsfähigkeit des Waldes (277) Ersatz — 193 (Kommunmauer-Kosten) — 216 (Notstand -Aufwendungen -Schäden) — 223 (Unterhaltung von Anlagen) Ersatzgebäude (Stockwerkseigentum) 56 Erschütterungen 32, 34 (Standfestigkeit des Bodens) — 258, 231 (Immissionen) — 298, 292 (Eisenbahnverkehr) — 307 (Fabrikbetrieb) Erschwerung 438 (Notwegrecht) Ersitzung — 101 (Grenze), 120, 138 (Grenzeinrichtung) — 403, 419 (Notweg) — 473 (Anwenderecht) — 481, 493» 49®. 567, § 3* II, 572fr. (Grunddienstbarkeiten) — 397ff. (Weggerechtigkeiten) Ersitzung 550 (Forstrechte) — 520 (Weiderechte) Ersteher bei Zwangsversteigerung 177 (Kommunmauer-Grundstück) Ersuchen um Eintragung 10; (Flurbereinigungsbehörde)

Sachregister Erweiterung — 258 (Fabrikbetrieb) — 366 (Überbau) — 276 (Tankstelle) — 566, 477, 484, 490 (Grunddienstbarkeiten) — 515 (Weggerechtigkeiten) Erwerbswille 103 (des Einsteigerers) Existenzgefährdung 262 Explosionsgefahr 234, 281, 291, 628, 630 Fabrik-Abwässer = Abwässer Fabrikgrundstück 253 (Fabrikgegend), — 258 (Erweiterung) Fabriklärm 252 Färberei 277 Fahnenstange 292 (Einsturz) Fahrlässigkeit 108 ff. (öffentl. Glaube), 261 (Grenzüberschreitung) — 215 (bei Notstandshandlung), 630 (Eigentumsfreiheitsklage) Fahrstuhl 289, 292 (Einsturz) Fahrtrecht (-Wegerecht 508ff.); Anwendrecht 450 (Unterschied) Fahrweg 427 (Notweg) Fallholz 557 Falsa demonstratio m f f . Familien-Grunddienstbarkeit 466 Farben 239 (Belästigung) Federvieh 732 Fehlerhaft 575 (Besitz), 297 (Gebäudeerrichtung), 101 (Katasterfehler) Feldgeschworene 90 Feldbahngeleise 4; 7 Feldschaden 732, 652, 242 Felsblock 277 (Anlage), 200, 382 (Grenzzeichen, 415 (Besitzhandlung) — 203, 290, (Absturz) 625 Felsenkeller 58 (Stockwerkseigentum), 467 (Dienstbarkeit) Feldwege 512 Fenster 279 (Anlage), 462 (-Öffnungen), 142 (Grenzmauer) Fensterrecht § 22; 462 (Duldungspflicht) — 4J7 (Grunddienstbarkeit) — 396 (bei Neubau und Umbau) — 395 (Erlöschen) — Verzicht 483, 409 (Ersitzung) — 404 (Verbauen)

Fernmeldeanlagen § 13,225 (Zusammentreffen mit anderen), 226 (Kreuzungen) — 227 (unterirdische), 229 (Anfechtung der Planfestsetzung) Feste Körper 244 Festgefügt 355 (Gebäudeteil) Feststellungsklage 628, 629 Feuchtigkeit 239, 303, 140, 213 (Schwammbildung) Feuergasse 124, 390 (Anbringung von Fenstern) Feuerlöschwesen 219 Feuerbrunst 211, 219, 293 Feuersgefahr 138, 211 (Notstandshandlung) Feuerschutz 219 Feuerwehr 219É, 222 Feuerungsanlage 277 Feuerwerkskörper 631 Fideikommiß 114 Firmenschild 269 Fischereirecht 452, 456, 457, 482, 491, 560, 574, 634 Fischhandlung 237 Fischteich 305 Fleischbankgerechtigkeit 451 Flössige Körper 441 Fluglärm 726 Flugplatz 433 (Notweg), 29 Flurbereinigung 105,437 (Notweg), 561, 566, 593 (Grunddienstbarkeiten) Flurkarte ioiff. Flurnummer m Flurplan ioiff. Flurordnung 447 Flurstück 100 (Katasterplan), 106 (Flurstückslisten) Flurschaden 28 (Luftfahrzeug), 732 (durch Vieh) Flutgraben 124, 139, 148 Fluß 20 (Eigentum), 420 Flüssigkeiten 243 (Immission) Flußbett (Eigentum daran) 20 Formnichtigkeit 207 (Rechtsmißbrauch) Forstrechte — 556 Abänderung — 558 Ablösung — 557 Abraum — 553 Anerkennung alter Rechte — 552 Anweisung — 549 Altenteilsrechte 743

Sachregister Forstrechte

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

553 Bauholz 554 Baurechtsholz 550 Begründung (Entstehung) 557 Brennholzrecht 554 Einschränkung der Forstrechte 550 Ersitzung, Erweiterung 554 Fixierte Forstrechte 558 Forstrechtsstelle 552 Forsttaxe 552 Gegenseitige Forstrechte, Holzfronen, gemessene 5 5 2> 557 Gemessene Forstrechte 548 Heimweide 557 Holztage 553 Höhere Gewalt 556 jus ligandi 549 Körperschafts Waldungen 556 Leseholzrecht, Lagerholzrecht 549 Miteigentum, 552 Mitwirkung bei der Ausübung 552 Naturalfronen 549 Nebenrechte, Nießbrauchrecht, Notfütterung 556 Stockholzrecht, Raffholzrecht 551 Reallast 552 Rechtholz 555 Rodung, Stockholzrecht 551 Schadenersatz bei Forstrechten 554 Schonende Ausübung, Schonzeit 553 Streurecht 549 Tränkrecht, Triebrecht 556 Umwandlung der Forstrechte 552 Ungemessene Rechte 553 Verjährung (Unvordenkliche) 552 Waldfronen, 550 Verlegung 549 Wasserleitungsrecht, 473 Wegerecht an öffentl. Weg 555 Windbruchsrecht 550 Übertragung (Verlegung) 558 Transferierung, Zustimmung der Pfandgläubiger zur Ablösung

Fortschritte der Technik 232, 260, 495 Freie Beweis Würdigung 583, 700, 708

(prima facie-Beweis) Freiheit persönliche 461, 466, gewerbliche 399 (Beschränkung — Grunddienstbarkeit)

744

Froschquaken 236, 279, 626

Früchte 325, (Eigentum) 350

Fundament 292, 305, 308, 319, 329

Futterhütte 121 (Grenzeinrichtung)

Funkenfänger 707 Funkrecht 233, 240, 245 Fußangel 269

Gallerie 393 ( = Erker) Gangsteig 124

Garage 259 (lästige Anlage) Garten 242, 342 (Begriff), 401, 254, 259 Gartenanlagen 342, 348 (Grenzabstand)

Gartenbau 342 Gartenmauer 461 Gartenbesitzer 268 Gas 225, 235, 245, 247, 258, 271 (Immission) 441 Gasbehälter 44 (Bestandteil) Gasheizung 49 Gasleitung 441 (Notweg) Gasrohr 245 Gasrohrleitung 245, 289, 430

Gaswerk 44 (Bestandteil) Gastwirtschaft 461, 462 (Gewerbebetrieb geschützt durch Grunddienstbarkeit) Gebäude § 16, 293, 321 (unterhalten -wegreißen) — 211, 487 (Abbruch) — 46, §52 (Bestandteil), 352,388 (Begriff) — §16, 310 (Einsturzgefahr), 47, 351 (Uberbau) Geheimzeichen 90

Gefahr 291, 293, 296, 300 (drohend)

— § 16, (Einsturzgefahr) Gefährdungshaftung 717?-, 28 Gefahrenbeseitigung 212, 281 Gegenleistung 178 (Kommunmauer), 438

(Notweg), 479 (Grunddienstbarkeiten), 527 (Weiderechte)

Gemeingebrauch 24fr, 222,243, 244, 245,

554, 47 2 . 5 "

Gemeingefahr 214

Gemeinde 580 (Ersitzung gegenüber —) Gemeindemarkung 82 (Grenzen), 471 (Einheit) Gemeinderecht 525

Sachregister Gemeindeservituten 471, 526, 551, 575 — 482, 575 (irreguläre Personalservituten) Gemeinschaft 124, 179, 180 (Kommunmauer) § 10 (Grenzbaum) — Dungstätten 137 Gemeinschaftsverhältnis nachbarliches 32, 232, 216, 262, 294, 302, 308, 312, 33 6 . 715Gemeinüblich 256 Geologischer Aufbau 33 Geographische Unveränderlichkeit 38 Geometer 86, 101 (Vermessung) Geräusche 23;, 231fr., 245, 249, 250 (Gesamtwirkung) 255, 258, 260 Gerüche 235, 231, 256, 257, 274, 650 Gesamtschaden 217 (Notstand) Gesamtwirkung 250, 251 (GeräuschImmission) Geschäftsführung ohne Auftrag 216 (Notstand) Geschlossene Zeit 447, 532 Geschosse 240 Gewalt höhere 247, 316, 634, 731 Gewaltsam 578 Gewerbebetriebe 260, 270, 461, 465 (einstellen) Gewerbliche Anlagen 283, 662 Gewerberechtliche Genehmigung 285 Gerüst 25 (Anliegernutzung), 138 (Grenzeinrichtung), Gesamthandseigentum 133 Gewässer 20, 731 Gewohnheitsrecht 443, 344, 585 Giebel 135, 209, 356, (schief) 414. Giebelmauer 149, 414, 416, 419 (Eigentumsvermutung), ( = Kommunmauer) Gift 269 Giftpflanzen 269 Glasbaustein 405 Glatteis 430 (Notweg) Gleis 34, 457 Glocken 236 Graben 104, 124, 135 (Grenzeinrichtung), 280, Grenzabstand § 19, (Pflanzen) 275, 287 (Bauwerke) 346 (Straßen) 391, 461 Grenzbaum § 10 48

Mcisncr-Ring, Nachbarrecht, 6. Auflage

Grenze 36 (unverrückbar), 82 (Fluß), 84 (Abmarkung), 94 (Anerkennung), § 6 (Feststellung) Grenzeinrichtung § 7; 127 (Miteigentum), 148 (Beeinträchtigung), 144 (Unterhaltung) 143 (Verwaltung, Früchte) Grenzmauer 139, § 8, 415 (Traufrecht), (siehe Kommunmauer) Grenzlinie 54 ,8i (Abmarkung), 97 (Gegenbeweis) Grenzfeststellungsklage 86, § 6, 94 (-Vertrag), Grenzstreitigkeit § 6; 114 Grenzstein 81 Grenzüberbau § 21 Grenzverlauf 91, 95 Grenzverwirrung § 6 Grenzzeichen 39 (verschoben) § 5 I; "5 Grobfahrlässig 161 (Grenzüberschreitung), 358 (Uberbau), vgl. 706fr. Großbetrieb 254, 255 Grundabnahme 162 (Uberbau), 163 Grundbuch 560 (Anlegung) Grundbuchblatt 102 (guter Glaube) Grunddienstbarkeit § 27 — 485 (Änderung der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks) (altrechtliche) — 497 (Anlage) — 564 (Auslegung des Inhalts) — 490 (Ausübung, schonende) — 470 (Ausübung an Teilfläche) — 453 (Bezeichnung d. Teilfläche) — 574 (Ausübungshandlung) — 492 (Aussichtsgerechtigkeit) — 480 (Bedingung, Befristung, Beschränkung des Umfangs) — 482 (Begriff), 456 (Benützung) — 491 (Beweislast für Inhalt und Umfang) — 490 (civiliter uti) — 462 (Duldung der Eigentumsbeschtänkung) — 474 (Eigentümer-) — 587 (eingetragene), 483 (Eintragungsvermerk -Bezugnahme) — 496 (Einschränkung der Ausübung) — 479 (Einwirkungen Dritter) — 466 (f. Familien-Mitglied) — 479 (Gegenleistung, gegenseitige) 745

Sachregister Grunddienstbarkeit 492 — § 33 (Erlöschen) — 5 67 ff. (Ersitzung) — 483 (Erweiterung) — § 32 (Erwerb) — 469, 504 (Gesamtrecht) — 470 (an ideellem Grundstücksteil) — § 28 (Inhalt) — 461, 465 (Konkurrenzverbot, Kontrahierungszwang) — 485 (Mehrung der Belastung) — 453 (Mietvertrag, Leihe) — 490 (Mitbenützung durch den Grundeigentümer) — 479 (Mitwirkung bei der Ausübung) — 475, (NebenVerpflichtungen) —-502 (Nutzungsrechte sonstige) — 455, 466 (öffentl. rechtl. Pflichten) — 493, 497 (ordnungsgemäße Bewirtschaftung) — 570 (Per alienationem ipso facto) — 470 (an u. zugunsten realer Teile) — 494 (Rücksichtnahme auf Grundeigentümer u. Pächter) — 490 (schonende Ausübung) — 570 (stillschweigende Bestellung) — 503 (Teilung des belasteten Grundstücks, der Nutzung) — 503 (Teilung des herrschenden Gr.) — 489 (Umgestaltung des herrschenden Grundstücks) — 590, 592 (Unmöglichkeit ihrer Ausübung) — 497 (Unterhaltung von Anlagen) — 460 (Unterlassungsdienstbarkeit), 451, 490, 507 (Überlassung der Ausübung) (unübertragbar) — 496 (Veränderung der Ausübung), 493 (Verengung des Rechts) —• 499 (Verlegung der Ausübung) — 593, 601 (Verzicht) — 467 (Vizinität) — 491 (Vorrecht des GrundeigentümersAusnahme) — 487 (an zugeschriebenen Flächen) 570, 454 (Zwangsversteigerung, Zuschlag) Grundstück 14 (Begriff) 15 (im Rechtssinn), 32 (Untergang), 3 5 ff., 419 (Notweg) Grundsteuerkataster 17, 82 ff., 100, 105 746

Grundwasserverhältnis (-ström) 30, 20, 243, 278, 292 (Veränderung), 304, 310 (entziehen) Grundwasserstauer 30 Grundwasserträger 33 Guter Glaube 102, 567 H Haftung — 79 (Erlöschen dinglicher Rechte), 217, 219 (Notstand) — 230 (Schäden durch Fernmeldeanlagen) — 243 (Wasserverunreinigung) — 288 (Einsturz) 297 — 299, 302 (Ruineneigentümer) — 318 (Vertiefung) — 439 (Notweg) — 705 ff. (bei Schadenersatz aus Verschulden) — 717 (ohne Verschulden — Gefährdungshaftung) Häuserreihe 119, 124, 135, 138, 143 Häutelager 277, 247 Halbscheidige Giebelmauer ( = Kommunmauer) 150, § 8 Halbstrauch 239 Hammerschlagsrecht 21;, 419, 458, 585 Handelsgärtnerei 485 Hausgarten 104, 342, 343, 388, 389 Hausverwalter 296 Haselnußstrauch 3 50 Hecken 124, 126, 137 (Grenzeinrichtung) — 335» 339> 347, 348 (Grenzabstand) Heilquellen 244, 465, 714 Heimfallanspruch 75 Heizungsanlagen 277 Herbergsrecht 57 H e r k o m m e n 81 (Grenze), 120 (Grenzeinrichtung) — 442 (Anwendrecht), 519 (Weiderechte) — 567, 585 (Grunddienstbarkeiten) Herstellungskosten 144 (Grenzeinrichtung) 173, 180, 184 (Kommunmauer) Hochwasser 211 (Dammdurchstoßen), 291 (Einsturzgefahr) Höhenlage 323 (Änderung) Höherbauen 322, 464 Höherlegen einer Straße 277, 280 Höhere Gewalt 37,52, 247, 295, 316, 634, 73i

Sachregister Höherwertiges Recht 215 H ö h l e n 18, 24 (Zugang von fremdem Grundstück), 37 (Zusammenbruch) Hofeinfahrt 124 Hofraum 242, 342, 388 Hofreithe 468 Hoheitlicher Akt 230 (Postverwaltung), 569 (Hoheitsrecht) Hohe Lichter 398 Hohlräume 34 (unterirdische) Holzrechte 472 Holzzerkleinerungsmaschine 257 Honigraub 270 Hopfenstöcke 4 1 , 335, 339, 347, 248 (Grenzabstand) Hordenschlagsrecht 530 Hotelküche 235 (Gerüche) Hühner 242, 732 Humusschicht 53 Hütte 289, 388 (Begriff-Unterschied von Gebäude bei Fensterrecht) Hüttenwerk 271 Hütungsgerechtigkeit 4 ; 1 Hungerschwarm 270 Hunde 242 (Gebell, -Zucht, Immission) Hypothekenbuch 588 (Grunddienstbarkeiten) Hypothekengläubiger 364, 370 (beim Uberbau)

J Jagd 676 (Besitzhandlung) Jagdberechtigung 460, 462 (Dienstbarkeit) Jalousie 355 (Überbau) J a u c h e 261, (Immission), 457 (Grunddienstbarkeit) Idiosynkrasie 466 (bei Immissionen) Ideelle Einwirkungen 233, 280 Ideeller Grundstücksanteil 470 (Dienstbarkeit daran) Immaterielle = ideelle Einwirkungen Immissionen 18, 30, 140 (Feuchtigkeit), 231 (mechanisch, chemisch, physikalisch), 280, 462 (Duldung als Dienstbarkeit), § 14 — 632, 638 (Eigentumsfreiheitsklage) 650 (mehrere Immissionsquellen) Imker 268 (Schädlingsbekämpfung durch Gift) 48*

Individuelle Eigentümlichkeit 252 Indivision force 124 (notwendige Gemeinschaft) Industrie-Entwicklung 260, 26; Viertel 256, 424 (Vergleichsgebiet) Gewerbe 657 Inhalt des Grundbuchs 102, 1 1 2 Innenmauer (bei Stockwerkseigentum) 63 Insel 51 Instandhaltung 84 (Grenzsteine) 89 (Grenzzeichen) Insektenplage 234 Integrität (körperliche) 213 (als Rechtsgut bei Notstandshandlung) Intensivere Betriebsgestaltung 486 Interesse — 2 1 , 22 (schutzwürdig: vermögensrechtlich, wissenschaftlich, volkswirtschaftlich) — 23 ff. (an Wegfall von Immissionen) — 82 (an Abmarkung) 107, (rechtliches), — 204 (Rechtsmißbrauch) — 205, 207 (zukünftiges), 226, 227 (öffentliches an Anlagen) — 257 (Gemeinwohl), 259 (lebenswichtig) — 384 (Ausgleich bei Überbau), 465 (ästhetisches als Vorteil bei Grunddienstbarkeiten) Interdictum de arboribus caedendis 329 Interessenwiderstreit 61 (bei Stockwerkseigentum) Irreguläre Personalservituten 471, 482, 575

Irrtum 56 (Bestandsteilseigenschaft) Irrtum 95, 337 (Grenze) — 109, i n (Dissens), 1 1 2 , 1 6 0 , 1 6 1 (Überbau), 214, 215 (bei Notstand) Juristisches Grundstück 79 Jus lignandi 557 (Leseholzgerechtigkeit)

Kabel 26, 277, 430 (Verlegung) Kahlschlag 332, Kälte (Immission), Kalkstaub 246 Kamin 140 (in der Grenzmauer) Kanal 26, 23, 279 (Anlage) 280 Kandelaber 280 (Anlage)

747

Sachregister Kaninchen 242 Kanone (Böller) 245 Kapitalabfindung 375 (Überbaurente), 441 (Notwegrente) Karte 105 (der Siedlungsbehörde) Kartenschwund 102 Kastanien 245 (-Rösterei), 294 (Uberfall von Früchten) Kataster Grenze 101, 109, 110, 1 1 4 — Eintragung 106 — Grundstück 17 — Karte 102, 103, 108 — Parzelle 16ff., 42 — Plan 87, 9 4 , 1 0 3 , 1 0 4 , 1 0 6 , 1 0 7 , 1 0 8 , 1 1 0 , i n , 114 — raub 109, 1 1 2 — Unrichtigkeit 110 Katzen 242 Kegelbahn 467 Keilquerschnitt 36 (Erdausschnitt) Keller 18, 21, 23, 34, 37, 76, 77 (Stockwerks-, Erbbaurecht), 189 (Kommunmauer), — Recht 296, 461, 498 (Brauerei), 507 — Einsturz 300 — Mauer 301 — Anlage 3 1 1 , 353, 499 Kernobstbäume 342 Kinderspielplatz 235, 252 Kirchenglocken 252 Kirch weg 420, 510 Klagantrag 294 (nach § 908 BGB), 86 (bei Abmarkung), 98 (Grenzfeststellung), 314 (§ 909 B G B ) 336 (Art 7 i f f . A G BGB) — 503 (bei Verlegung einer Grunddienstbarkeit) — 435 (Notweg) — 271, 283 (Unterlassungsklage) Klavierspielen 235 Kleingarten 389 (Fensterrecht) Kleingärtnerverein 45 (Vereinsheim als Bestandteil) Knochenlager 277 (Immissionsquelle) Körper (feste, flüssige) 241 Körperliche Integrität 213 Körperschaftswaldung 519, 549 Kohlenstaub 241 (Immission) Komposthaufen 46, Kommunmauer 119, (Zwang), 124, 153 153 (Erhöhung, Mitbenützung) 748

Kommunmauer 119 — 167 (Miteigentum), 176 ff. (Ablösung), 189, 194, 196, 187 (Erhöhung), 213 (-Grundstück), 321, 360 (Überbau), 473 (Anbau), 172 (Baukosten) 186 (Unterhaltung) Konfusion 474,589, 595 Konsolidation 474, 595, 601 Konkurrierendes Verschulden 317 (vgl. auch Mitverschulden) Konkurrenz 22 (Ausschaltung), -Verbot 462, 599 Kontrahierungszwang 462 Kosten 63 (Stockwerkseigentum), 89, 92 (Abmarkung), 144 (Grenzeinrichtung), 153, 192, 193, 194 (Kommunmauer), 200 (Grenzbaum), 223, 224 (Wegunterhaltung) 226, 228 (Fernmeldeanlagen) Kostschafe 535 (Weiderecht) Krankes Vieh 536 (Weiderecht) Kreisstraßen 510 Kreuzung von Fernmeldeanlagen 226 Kulturveränderung bei Dienstbarkeiten 483, 484 Künftige Beeinträchtigung 627 Kunstgärtnerische Anlagen als Einheit (Baumreihe) 338

Laden (Aufschlagen in fremden Luftraum) 467. 355 Ladenrecht 406, 457 Lärm252 (Werkstätte), 253 (Straßenbahn), 235 (Belästigung) 236fr. Lästiger Betrieb 461 Lagerkeller 80 (Entwertung durch Wärme) Landwirtschaftsrecht 15 Landwirtschaftliche Grundstücke 254, 340 (Grenzabstand) Land Verbindung 421 (Notweg) Lastwagenverkehr 307 (Erschütterungen) Laternengarage 27 Lattenzaun 346 Laub 349, 350 (Überfall) Lebenswichtige Interessen 259 (bei Immissionen) Lehm-Entnahme als Grunddienstbarkeit 456, 482 Leichenhaus 234, 280, 626

Sachregister Leicht entzündliches Material 296 Leinpfad 420 (notweg) Leiterrecht 213, 419, 457, 585 Leitungsdrähte § 13, 18, 23, 26, 29 (Leitungsmast 220), (Starkstrom) 227 (Fernmeldelinien), 256 (eigene besondere bei Immissionen), 289 (festverbunden mit Gebäude) Leitungsmast 42 (Bestandteil) Leitungsnotrecht 441 Leseholzrecht 557 Licht und Luft 234, 278, 279 (Straßenanlieger) 409 Licht-Beeinträchtigung 277, 280, — entziehung 206, 207 — hof 123 (Grenzeinrichtung) — Öffnungen 286, 390, 393, 396, 398, 457

— recht 404, 406, 4 1 1 , 412, 457 (Verbauen), 412 (Verjährung) — reize 249, (Reflexe) 239 — reklame 26 — Schacht 124 (als Grenzeinrichtung) — zeichen 26 (Anliegernutzung) — wellen 231, 246 (Immission) — Zuführung 138 Liegenschafts-Kataster 17, ioiff. Lokomotivqualm 235, 256, 700 (Funkenflug) Luftfahrzeughalter 28, 29, 725 Luftraum 18 ff., 25 (über Straßen) 28 (Benützung) Luftreinhaltung 235, 263 Luftlöcher, Lucken 409 Luftverkehr 28, 725 (Haftung) M Machtbefugnis ( = Machtbereich) 18 (des Eigentümers), 83 (bei Abmarkung) Malven 335 (Stauden) Mäuseplage 241, 242, 628 Marksteine ( = Markzeichen) 84, 92, 97 (Beweiskraft) Masseforderung 178 (Kommunmauergrundstück) Mast 289 (als Werk), 453, 643 (Aufstellung als Leihe oder Miete) Mauer 40 (Bestandteil), 124 (Grenzeinrichtung), 135, 150 (halbscheidig) — ausbauchung 209, 356, 38;, 576, 648

Mauer — erhöhung 153 —• rest 187 (Kommunmauerzerstörung) — überbau 385 — Senkung 319 Mechanische Verbindung 291 — Einwirkung 293 Mehrere Betriebe 251 (bei Immission) Mehrere Immissionsquellen 650 Mehrere Uberbauende 364 Mehrere Widerspruchsberechtitge 362, 363 (beim Überbau) Mehrheitsbeschluß 62 (Stockwerkseigentum), 71 ff. ( = Gemeinschaftsbeschlüsse der Wohnungseigentümer) Mengekontrakt 535 (Weiderecht) Menge- und Setzvieh 535 Messungsbehörde 90, 10; Messungsergebnis 94, Miasmen 235, 246 (Immission) Mieter 45 (Bestandsteilseigenschaft) — 296, 315, 431 (Notweg), 503 (Grunddienstbarkeit) — 650 (Eigentumsfreiheitsklage), 677 (Besitzstörung) Mietvertrag 453 (Unterschied von Dienstbarkeit) Miozänschicht 33 Milchkann-Rampe 255 (Immissionsquelle) Mißverständnis m (Dissens) Mineralwasserbereitung 277 Mitbenützung 152, 139 fr. (Grenzeinrichtung) — 162 ff. (Kommunmauer), 430 (Notweg) — 490 fr. (bei Grunddienstbarkeit) Mitbesitz 140 (Grenzmauer) Miteigentum 117 (Grenzstreit), 152 (Überbau) 123, 126ff. (Grenzeinrichtung), 167 fr. (Kommunmauer) — 200 (an Steinblock auf der Grenze) — 42 (Bestandteil), § 3 (Stockwerkseigentum) — § 4 (Kellerrecht) — 272 (bei Immissionen), 294 (bei Einsturzgefahr) — 302 (an Trümmern), 364 (Überbau), 371, 372 (Notweg) — 601 (bei altrechtlichen Dienstbarkeiten) — 646 (bei Eigentumsfreiheitsklage), — 67 (Wohnungseigentum)

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Sachregister Mitverschulden 212 (Notstand) — 267 (bei Immissionen) — 312 (bei Vertiefen) — 358 (bei Uberbau), 619 (bei Bergschäden) — 644 (Einwendung gegen Eigentumsfreiheitsklage) Mitverursachung 218 (Notstand), 645 (vgl. auch 699 über adäquaten Zusammenhang) Molkerei 235 Mutung 608 N Nachbargrundstück 276, 306 Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis 2i, 32, 206, 213 (Notstand), 232, 216, 262 (Immissionen), 294, 302 (bei Ruinen), 308, 312 (Vertiefen), 336 (Grenzabstand von Pflanzen), 715 (bei Schadensersatz) Naturereignis 50 (Verschiebung des Bodens), 298 (Einsturz), 467, 475 (bei Grunddienstbarkeiten), 626 (Eigentumsfreiheitsklage) Naturkräfte (Naturgewalt) 34, 246, 247, 290, 626 Nachsturzgefahr 319 Nachtarbeit 258 Nachträgliches Einverständnis 1 1 9 — Bestreiten der Grenze 89 Nebenverpflichtungen 47; Negative Einwirkungen 235 Neidbau 208 Nemini res sua servit 473 Neubau einer Grenzeinrichtung 118 Nichtausübung 601 Nichtgebrauch 595 Nichtigkeit 1 1 1 (Dissens), 207 (Rechtsmißbrauch), 361 (Überbauvertrag), 386 (Grundstückskauf) Niederschläge 307 Niederreißen 197 (Kommunmauererhöhung) — 219 (Feuerschutz) Nießbrauch 200 (Grenzbaum), 296 (Einsturz) — 315 (Vertiefen) 357 — 431 (Notweg), 456 (bei Grunddienstbarkeiten) 750

Non usus 595 Nothilfe 212, 214, 216 Notlandung 29, 213, 725 Notservituten 419 Notstand 210, 214, 216, 312, 418fr. Notwendige Gemeinschaft 124 Notwendige Stütze 312 (vertiefen) Notweg 418 ff., 422, 427 (Beweispflicht), Zugangsnot) — 428 (objektiv notwendig) — 431 (Aktivlegiti mation) — 436 (Richtung) — 441 (Versorgungsleitungen) Notwegrentenpflicht 430, 436, 437 (Erleichterung, Erschwerung, Flurbereinigung, Verjährung), 438 (Entschädigung, Abtretung, Verzicht) O Oberfläche eines Grundstücks 17, 41 f. Obstbaum 325, 342, 201 (Grenzbaum), 330 (Obstbaumanlagen) Obligatorische Verpflichtung 561,

KJ*1 Odung 341 öffentliche Gewalt 230 (Postverwaltung) öffentlicher Glaube 107ff., 1 1 4 Öffentliches Interesse 225 (an besonderen Anlagen), 643 (behördliche Anordnungen) Öffentlicher Notstand 218 Öffentliches Recht 274, 276 Öffentliche Straßen (Wege) 14, 24fr., 84 (Abmarkung), 92, 96, 1 1 4 , 509fr. — 221, 226 (Benützung für Fernmeldeanlagen) — 324 (Bäume an öff. Straßen) — 419, 420, 427 (Notweg) — 473, 509 (Grunddienstbarkeiten) — 508 f. (Weggerechtigkeiten) — 630 (Eigentumsfreiheitsklage) Ölheizung 49, 235 (Immission) Offene Zeit 447 Ordnungsgemäße Benützung 423 (Notweg) Ortsdurchfahrt 345 Ortsüblich 253, 256, 259 Opinio juris 576

Sachregister

Pächter 19, 45 (Bestandteil), 84 (Abmarkung), 200 (Grenzbaum) — 296 (Einsturz), 315 (Vertiefen) — 357 (Überbau), 431 (Notweg) Parkanlagen 330, 343 Parken 27, 518 (Gemeingebrauch) Parzellenbesitz 109 Parzellenverwechslung 107 Parzellierung 505 (Grunddienstbarkeit) Passivlegitimation 83 ff. (Abmarkung), 98 (Grenzscheidung) — 273 (Immissionen) — 316 (Vertiefen) — 295 (Einsturz) — 336 (Grenzabstand), 635 (Eigentumsfreiheitsklage) Per alienationem ipso facto 570 (Grunddienstbarkeit) Personalservituten irreguläre 471 f. Persönlichdienstbarkeit 452, 466 Persönliche Freiheit (Beschränkung) 461, 466 Persönlichkeitsrechte bei Notstand 212 Pfahlrost 309 P f ä n d u n g 370 (Überbaurente) Pfeifen 256 (Lokomotive) Pfeiler 136 Pflichtgebundenheit des Eigentums 232, ( = Sozialbindung) Pflanzen 34, 42, § 19 Grenzabstand Planierung 3 1 1 Plannummer 104 (Stern) Plenterwald 332, 348 Positive Vertragsverletzung 499, Positives Tun 246, 624 Prävention 257 Prima facie-Beweis 700, 708 Pulvermagazin 280 Putativ-Notstand 213, 214

Quartärschicht 32 Quasipossessio 691 Quellengrundstück 124

Radiolärm 245 Raffholz 557

R a i n 122, 123, 124, 126, 138, 30; Rangierbahnhof 235 Ratten 241, 242, 247, 301 R ä u m u n g eines Triimmergrundstücks 300 Raubbienen 27of. Rauch 235, 246, 248, 256fr., 260, 274 (Immissionen) Rauchfang 277, 280 (Anlage) Raumeigentum § 3 Realberechtigte 83 (bei Abmarkung) Reale T e i l e 15, 43, 126f. Reallast 64 (Stockwerkseigentum, Wiederaufbau) — 370 (Überbau), 377, 452, 475 (Dienstbarkeit-Unterschied), 477, 503 Real geteiltes E i g e n t u m 133, 157, 163 (Kommunmauer) Reblausplage 628 Rechtliche Einheit 166 (Kommunmauer) Rechtlich öffentliche Wege 510 Rechtliches Interesse 83 (Abmarkung), 107 (Unrichtigkeit des Grundbuchs) Rechtsausübung 204f. Rechtsempfinden 1 1 0 Rechtsgeschäftliche Beendigung eines Kellerrechts 79 Rechtsgeschäftlicher E r w e r b 102 (Gutglaubensschutz) Rechtsgeschäftliche Willensfähigkeit 115 (Gegensatz natürlicher Wille beim Besitz) Rechtsirrtum 109 (Grundstücksgrenzen) Rechtskraft 89 (Abmarkung) Rechtsmißbrauch 202, 204, 207 Rechtsnachfolger 80 (Kellerrecht), 85 (Abmarkung) 623 fr. (Eigentumswechsel) Rechtsschutzbedürfnis 329 Rechtsüberzeugung 443 (Anwartschaft) Rechtsverhältnis 134, i7of. (Kommunmauer) Rechtsverlust durch Kommunmauer-Anbau 170 f. Rechtsvermutung 583 Rechtsweg 655 (bei Eigentumsfreiheitsklage) Rechts wirksame A u f l a s s u n g 1 1 2 (falsa demonstratio) Regengüsse 313 Reihe 1 1 9 Reihenhaus 164 (Kommunmauer)

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Sachregister Rei vindicatio 623 Reklame 21, 25 (Anliegernutzung), 139 (Kommunmauer) Rentenanspruch (Überbau) 369 Reparaturwerkstätte 261 Rittersporn (Staudengewächs) 335 Rohbau 152 (Grenzmauer), 170 Rohrleitung 42, 46 Rohrbruch 633 Rohrpostanlage 642 Ruinengrundstück 299 f. Rundfunkanlage 221 Ruß 235, 247, 255, 257 S Sachwehr 211 Sachschaden 622, 701 Sammelgarage 70 Schaden 701 (Begriff), 213, 226 (unverhältnismäßig groß) — § 37 (Bergschäden) Schadensersatz § 43 — 297 (Einsturz) — 697 (Vergleich mit Eigentumsfreiheitsanspruch) — 710, 703 (bei Eingriffen in das Eigentum, auch drohenden) — 705 (bei Verzug) — 706 (Verschulden) — 713 (Verstoß gegen Schutzgesetze) — 717 (Schadloshaltung ohne Verschulden -Gefährdungshaftung) Schadloshaltung 273, 285 Schädlingsbekämpfung 268 Schäfereigerechtigkeit § 30 Schalldämpfend, schalldurchlässig, schallsicher 267 Schallwellen 252, 236 Schallwirkung 246, 236, 244 Schamverletzend 280 Schaubudenbesitzer 244 Schaufelschlagrecht 58; Schaukasten 18, 19, 23 fr. (in fremden Luftraum) Scheibenschießen 638 Scheidemauer 136, Scheidewand i3of. Scheinbestandteil 4; Schienenbahn 225 Schießstand 249, 271

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Schikane 19, 202, 205, 206 (schikanöse Rechtsausübung), 327 Schilder 25 (Anliegernutzung) Schlachthaus 235 Schlächterei 275 Schlammgraben 275 Schmiede 277 Schmutzkanäle 277 Schneefänger 291 Schokoladenfabrik 269 Schonpflicht 500 Schornstein-Einsturz 293 Schrecken 24; Schreinerei 250 Schuldübernahme 186 (Kommunmauerablösung) Schulweg 510 Schwammherd 202, 213, 302 Schwefelwasserstoff 259 Schürfarbeiten 30 Schürfrecht § 35 Schutzgesetze 215, 227, 270, 290, 298, 317, 628, 713 Schutz gegen Feuersgefahr 138 Schutzwald 332, 34; Salutschießen 245 See 20 (als Grundstück) Senkgrube 46, 289, 305 Senkung des Grundwasserspiegels 30 •—• des Bodens 298, 305, 309, 322 Selbsthilfe 215, 268, 297, 324, 325, 329, 533 Selbstaufopferung 218 Servitus altius non tollendi 407 — aquae haustus 457 — apparentes, non apparentes 580 — cloacae 457 — continua diskontinua 580 — fluminis utilis immitendi 457 — in faciendo consistere nequit 459, 474, 479. 518 — latrinae 457 — ne luminibus officiatur 405, 407 — prospectui officiatur 407 — oneris ferendi 321, 458, 478, 497 — pecoris ad aquam appulsus 457, 507 — protigendi 457 — rustica vel urbana 4 j 5 — stillicidii 457 — tigni immittendi 458 — fundus utilis esse debet 464, 505

Sachregister Sickerwasser 226 Sicherheitsmaßnahmen 512, 296, 220 (Starkstromleitungen) Siebener Geheimnis 90, 92 (Abmarkung) Signalmast 289 Singvögel 268 Sittenwidrige Rechtsausübung 204 Sonderbenützungsrecht 59, 61, 77 (Keller) Sondereigentum § 3 III, 76 (Keller), 134 (Grenzeinrichtung) — 190 (Kommunmauer) — § 3 I (Stockwerkseigentum) — § 3 III (Wohnungseigentum) Sondernutzung 223, 512 (an Straßen), 354 (Vordach, Erker) Sondernachfolger 60 (Stockwerkseigentum), 125, 143 (Grenzeinrichtung) — 163 (Uberbau), 180 (Kommunmauer) Sozialbindung 21, 26, 232 Sprengung 636, 714 (Schutzgesetze) Sprengstoffabrik 281, 628 Springbrunnen 243 Stabrecht 529 (Weiderecht) Staatshaftung 217 (Notstand) Staatsgewässer 20 Staatsstraßen 84(Abmarkungspflicht) 509fr — 92, 114, 221, 226 (Benützung für Fernmeldeanlagen) — 343. 3 2 4 (Bäume an-), — 420, 427 (Notweg), 472, 509 (Grunddienstbarkeiten) Städtebauförderung 730, 723 Stamm 324 (über die Grenze gewachsen) Standsicherheit 34, 292, 310, 634 Standort 37, 39 Stauanlage 279fr., 465 Starkstromleitung 226 (Fernmeldelinien) Staub 241, 257 Staudengewächse 335, 339 Steinbruch 262, 305 (Notweg) 425 Steinhalden 306 Steinschlag 247 Steinobstbäume 342 Sternplannummer 104 Stillschweigen i6of. (bei Überbau), 148, 183 (bei Grenzeinrichtung), 565, 570 (Bestellung von Grunddienstbarkeiten) Störung 230 (Fernmeldeanlagen), 593 Störer 273, 479 (Grunddienstbarkeit)

Sträucher 280, 335, 324, 348f. (Früchte), 462 Straßen (siehe öffentliche —) 509 fr. — Anpflanzungen 343 fr. — Aufschütten 280 Strauß'sches Gründungsverfahren 312 Stütze 308, 309, 312 (Vertiefung) Subkutane Bodenbewegung 311

Tabularersitzung 560 Tankstelle 261, 276 (Erweiterung) 287 Tannenzapfen 350 (Aneignungsrecht) Tantum praescriptum quantum possessum 500, 503, 515, 536, 577 Tatsächliche Gewalt 115 Tatsächlich öffentlicher Weg 510 Tauben 242, 279 (Taubenschlag) Technische Entwicklung 232 (Fortschritt), 496, 424 (Notweg) Teileigentum § 3 III Teilerbbaurecht 74 Teilfläche (Notweg) 433 Teilgrundstück 16 Teilhaber § 3 I (Stockwerkseigentum), 124 (Grenzeinrichtung), 143 Teilung (Grundstück) 17, 43, 116, 123 (Grenzeinrichtung), 127, 147, 370 (Überbau), 460 (Verbot), 439, 503, 609, 494 (bei Grunddienstbarkeiten) Teilungslinie 116 — maßstab 116 (bei Grenzstreit) Teilungserklärung 16 Teich 115 (Anlage) 279 Teerdämpfe 235 Tektonischer Aufbau 32 fr. Telefon, Telegraphen -Anlagen 26, 23 (Ständer), 22 (Drähte), § 13 Tieferlegen 189 (Kommunmauer), 277 (Straße) Tiefgarage 81 Tiere 242 Tor (verschließbar) 495 Torfstich 452 (Grunddienstbarkeit oder Pacht), 495 Tragfähigkeit 292, 309 Tragseil 292 Tramrecht 599, 458 Trieb (= Trift-)recht 513 Traufe 115, 136 758

Sachregister Traufrecht 3 9 8 f r . , 4 1 6 f r . , 405, 4 8 9 (Tropfrecht), 415 (Eigentumsvermutung) Tropfenfall 4 6 4 Tropfrecht ( = Trüpfrecht) = Traufrecht Trüpfraum 515 Trümmergrundstück 301 Truppenübungsplatz 432 (kein Notweg) Tunnel 19, 2 1 , 23 Turngerüst 289 U Überbau § 2 1 ; 18, 19, 26 (Dach), 37, 46, 50, 1 1 9 , 130, 163 (entschuldigt), 162 (vereinbart), 163, 296, § 2 1 , 357, 362 (Beseitigung) 458, 476 — 354 (öffentl. Straße) Überbaurente 3 6 9 f r . — 373 (Abtretung) — 370 (Erbbauberechtigter) — 372 (Erlöschen) — 377 (Erhöhung) — 370 (Pfändung, Teilung des Grundstücks) — 372 (Verfallzeit, Verjährung, Zwangsversteigerung) — 374, 386 (Nichtigkeit des Grundstückskaufs) — 375 (nicht eintragungsfähig) — 3 7 7 f f . (Höhe, Erhöhung, Verzicht) Übereinstimmung von Grundbuch und Sachregister 104 Überfall von Früchten 348 Überhängen 324, 332 (Zweige) Übernahme des Rechtsstreits bei Abmarkung 87 Übernahme der Schuld 186 (Kommunm auer-Ablösung) Überragen 355 (Laden) Überschreiten 2 j o f . (behördlicher Auflagen) — 326 (des Selbsthilferechts) Überschwemmung 38, 218, 299 Übertragung der Katastergrenze 101 TJferabriß 51 Uferschutz 347 Umfang 103 (katastermäßig), 108 (Eigentumsrecht) Umfassungsmauer 63 (Stockwerkseigentum) — 150 (Kommunmauer)

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Umfriedung 342 (Hofraum, Hausgarten) Unerlaubte Handlung 317, 707 f r . Ungewisse Grenze § 6 Ungültig 89 (Abmarkung) Unkraut 240 (vom Nachbargrundstück) Unmöglichkeit der Ausübung von Dienstbarkeiten 465, 609, 634^ Unrichtigkeit 93 (Katasterplan), 102, (Grundbuch), 109 (Grenze), 1 1 0 (Auflassung) Unteilbarkeit 596 (Grunddienstbarkeit) Untergang ( = Erlöschen) •— 609 (eines Gebäudes = Zerstörung), 599 (bei altrechtlichen Grunddienstbarkeiten) Untergrundsenkung 322 Unterhaltung 282 (Anlage), 292, 294 (Gebäude bei Einsturzgefahr) — 309, 313 (bei Vertiefen, Standsicherheit) — 477, 478, 497 (bei Grunddienstbarkeiten), 518 (Straßen) Unterzeichnung (Unterschrift) 91, (Abmarkungs-Protokoll) — 94 (Messungsergebnis), 155 (Bauplan bei Kommunmauer) — 161 (bei Kommunmauer-Ablösung) — 360 (bei Uberbau) Unterlassungs-Anspruch 194 (Benützung), 210 (Beeinträchtigung) — 314 (Vertiefung), 6 2 4 f r . (Eigentumsfreiheit) — 623 (weitere Beeinträchtigung) — 638 (von Immissionen) — Dienstbarkeit 460 Unvordenkliche Verjährung J19, 583 Unveränderlich 38 (Erdoberfläche) Unverhältnismäßig großer Schaden 2 1 1 (Notstand), 2 1 3 , 226, 321 (Aufwendungen), 634 (Kosten) Unverschuldeter Irrtum 2 1 4 Unwesentlicher Bestandteil 44 Ursächlicher Zusammenhang 218 (Notstand), 615 (Bergschäden), 699 (Schadensersatz) Urteil i i 4 f . (Zeitpunkt bei Grenz Verwirrung), — 284 (verbotene Anlagen) — 624 (Beeinträchtigung des Eigentums) — 272, 638 (unzulässige Immissionen) Utilitäts-Prinzip 482 Usucapió libertatis 597

Sachregister

Veränderungen 55 (rechtsgeschäftliche), 64 (Stockwerkseigentum) — 225, 227 (besondere Anlagen, Fernmeldelinien), 278 (an Straßen), 280, 243, 244, 303, 322 (Wasserlauf), 366, 370 (Überbau), 425 (Kulturart bei Notweg), 307 (Vertiefen) — 439 (Notwegrente), 486 (Dienstbarkeit), 75 (Raumnutzungsrecht) Veränderungslisten 105 Veränderungsnachweise 105 f. Veräußerung 60 (Stockwerksrecht), 647 (während des Rechtsstreits), 433 (Teilfläche bei Notweg), 565 (unter Einräumung einer Grunddienstbarkeit), 609 (Bergwerkseigentum), 615 (des berggeschädigten Grundstücks), 71 f. (Wohnungseigentum, Dauerwohnoder -nutzungsrecht) Verbauen des Lichts 464 Verbietungsrecht 19, 24 (gegen Einwirkungen), 62 (Stockwerkseigentümer), § 9 (Kommunmauer) 215 ff. (Notstand), 232 (Immission) Verbindung 15, 16 (von Grundstücken), 44 (zu Bestandteilen), 50, 52, 427 (Notweg) Verbot 457 (Schanklokale, Tanzmusik), 460 (bestimmte Handlungen) Verbotene Anlagen § 1 5 Verbotenes Auflesen von Früchten 351 Verbotene Eigenmacht 1 1 5 , 336 Verdinglichung eines Schadensersatzanspruchs 463 Vereinigung 17 (Bestandteile) 55 (rechtsgeschäftlich), 65 (Stockwerksteile), 589 (der Grundstücke bei Grunddienstbarkeiten) Vereinbarung 125,162 (Grenzeinrichtung) 437 (Notweg), 365 (Überbau), 463 (Grundstücksnutzung), 143 ff., 179 fr. (Kommunmauer), 45 (Bestandteilseigenschaft), 64 (Sondernutzung) Vererblichkeit 77 (Kellerrecht), 67 (Wohnungseigentum) Verfallzeit der Notwegrente 377 Verfügungsbefugnis 60 (Stockwerkseigentum), 510 (Wegerecht) Vergiftetes Wasser 244

Vergiftung 27of. Vergitterung der Fenster 401 Vergleichsgebiet (-objekt) 260, 255 (Ortsüblichkeit bei Immissionen) Vergrößerung der Grenzeinrichtung 142 Verjährung 217 (Notstand), 225 (Entschädigung bei Fernmeldeanlagen), 337 (Grenzabstand) — 261 (bei Immissionen), 261 (Unterlassung von Immissionen) — 320 (Unterlassung einer Vertiefung) 396 (Fensterrecht) — 437 (Notweg), 440 (Rentenanspruch), 492 (Grunddienstbarkeit) — 508 (Wegerechte), 519 (öffentlich rechtliche Ansprüche) — 5^3, 595 (altrechtlicher Dienstbarkeiten) — 588 (eingetragene Dienstbarkeiten) — 621 (Bergschäden), 645 Eigentumsfreiheitsanspruch) — 685 (Besitzstörungsanspruch- gesetzl. Ausschlußfrist) — 705 (Schadensersatzanspruch) Verjüngung des Waldes 331, 340 Verkehrsauffassung 1 1 5 (Besitz), 166 (Bestandteil), 183 (Kommunmauer) Verkehrsentwicklung 232, 260 Verkehrswege 221 ff. (Benützung für Fernmeldeanlagen) Verkehrslage 278 (Anlagen) Verkehrs wert 730 (bei Enteignung) Verbindungen 51 Verleihung des Bergrechts 607, 609, 613 Verlegung 225, 227 (Fernmeldeanlagen). 147 (Grenzeinrichtung), 499fr. (Grunddienstbarkeit) Verlust 172 (Kommunmauer), 587 (Grunddienstbarkeit) Vermessung § 5 Vermischung 44 (Bestandteile) Vermutung 15 (Katastergrenze), 94, 102, 106, 107 (Abmarkung), 134fr. (Grenzeinrichtung), 414 (Eigentum) Vernichtung wirtschaftlicher Werte 723 (Eingriff in das Anliegerrecht) Verschiebung 3 2 ff. (der Erdoberfläche), 51, 85 (Grenzzeichen), 3 1 1 (Gesteinsmassen) 755

Sachregister Verschulden 28 (Luftverkehr), 216, 295 (Einsturz) 297 (Baumeister, 726 (Luftverkehr), 726 (Atomgesetz, Verrichtungshilfe) Versitzgruben 277, 280, 309fr. Versorgungsleitungen 441, 511 Verstärkung 140, 191 (Kommunmauer) Versteckter Dissens 1 1 1 Verstoß gegen Gemeinschaftspflichten 69 (WEG) Versunkenes Grundstück 38 Vertiefung 136 (in der Grenzmauer), § 17 Vertragsstrafen 72 (WEG) Vertreter bei Uberbau 358 Verursachung 298, 300 (Einsturz), 303 (bei Feuchtigkeit aus Ruinen) — 281, 699fr. (ursächlicher Zusammenhang), 731 (WHG), 616 (Bergschäden) Verunreinigung 243 (Wasser), 496, 518 (Wege), 731 (WHG) Verwalter 73 (WEG) Verwaltungsregelung 66 (§ 1010 B G B ) , 143 f. (Grenzeinrichtung), 199 (Grenzbaum) Verwechslung 386 (Flurnummern) Verwirrung 83, 96, 1 1 4 , 100, 1 1 6 (der Grenze), 15 (Grundbuch) Verwirkung 207 (Rechtsmißbrauch), 646 (Eigentumsfreiheitsklage) Verzeichnis amtliches 14, 16, 104, 107 Verzicht 85 (Abmarkung) 177, 194 (Kommunmauerablösung), 261 (Immissionen) — 321 (Rechte aus § 909 B G B ) , 335 (Grenzabstand), 338, 379 (Uberbau) — 396 (Fensterrecht), 434 (Notweg) — 463 f. (Bergbauschäden), 593, 600 (Grunddienstbarkeit) Verzug 705 (Schadensersatz) Viadukt 23 Vicinität 467 (Grunddienstbarkeit) Viehstall 280 (Anlage) Viehtränke 457 Viehweide 343 (Pflanzenabstand) Villenstil 460 Villenviertel 257, 460 Volksfest 249 Volksgesundheit 286 Vollstreckungsgegenklage 342 Voraussehbar 3 1 1 , 319 (Gefahr)

756

Vorbehalt 474 (bei Eigentümergrunddienstbarkeit) — 603 (des Staates für bestimmte Mineralien) Vordach 354, 417 Vorhaben 728 (BBauGes.) Vorkaufsrecht 60 (Stockwerksrecht), 364 (Überbau), 728 (BBauGes) Vormerkung 84 (Abmarkung), 474 (für Dienstbarkeit) Vorläufige Karte der Siedlungsbehörde 105 Vorrecht 500 (des Grundeigentümers bei Dienstbarkeiten), 608, 619 (Bergrecht) Vorteil 464 (künftiger), 466, 590 (Grunddienstbarkeit) Vorteilsausgleichung 704 (Schadensersatz) Vues = Aussichtsfenster 402 Vorübergehender Z w e c k 46, 44, 19, 30 (Bestandteil), 296 (gefahrdrohendes Werk), 309 (Vertiefung), 467 (bei Grunddienstbarkeit) W Wald 248, 325, 330, 332, 348, 344 (Auslichtung), 544 (-weide) — Grundstück 348 — Streifen 475 — Parzelle 334 — Wege 512 über Rechte an Waldgrundstücken vgl. Forstrechte Wanderweg 510 Wandschrank 140 Warenautomaten 25 (Anliegernutzung) Warmwasserheizung 49, 50 Wärmezutritt für Keller 80 Warnungstafel 1 1 5 , 394 Wäscherei 457 Waschplatz 287 Wasser — 20 (Eigentum am) — Wassergeräusch 236 (WC, Bad) — 698 Wasserrohrbruch Wasserlauf 14, 17, 21, 20 (versickern), 1 1 4 , 304 Wasserleitung 46, 430 (Notweg), 243, 289, 475 (-recht)

Sachregister Wassernutzungsrecht 569, 457 Wasserschutzgebiet 243 Wassersport 654 Wasserstaub 243 Wasserstrahl 243 Wasserversorgung 30 Weg öffentlich 1 1 4 , 124, 104, 123 (Bestandteil) 509 fr. Wegerecht 485, 496, 507, § 29, 566 Wegreißen eines Gebäudes 321 f. Weiderecht 84, 505, § 30, 451 — Allmende 519, 525 — Ablösung § 30 X , 546 — Einfriedung 443 — Ersitzung 539 — Gegenleistungen 531 — Herkommen 529 — Koppelhut 525 — Kostschafe 535 — Verjährung 521, 523, 539 — Durchwinterungsfuß 522 — Verzicht 538 Weinberge 1 1 9 (Grenzeinrichtung) Weinstöcke 335, 338, 340, 347 Weinkeller 356 Wettbewerbsverbot 461, 465, 466 Wichtiger Grund 64 (Aufhebung der Gemeinschaft) Widmung 354, 420, 510 (Wegerecht) Widerlegbare Vermutung 109, 1 2 ; (Grenzeinrichtung) Widerklage 436 (Notweg) Widerspruch 94 (Katasterplan), 102, 107 (Grundbuch), 1 1 9 (Grenzeinrichtung) — 362 (Überbau), 190, 195 (Kommunmauer-Erhöhung) — 3 6 0 f r . (Uberbau), 619 (öffentl. Verkehrsanstalten) Widerstand 215 (Notstand) Wiederaufbau 358 (Überbau), 65 (Stockwerkseigentum) Wiedereinräumung des Besitzes 1 1 4 Willkürliche Handlung 428 (Notweg) Wind (Einwirkung) 461 Windschutz 461 (für Wald) Winkel 124, 138, 192fr., 416 (Traufrecht) 122 Wirbelwind 291 (Einsturz) Wirtschaftliches Eigentum 83 (Abmarkung)

Wirtschaftliche Entwicklung 259 — Bedürfnisse 474 — zumutbare Maßnahmen 232, 260 — Einheit 733 (Feldschadenges.) Wirtschaftlicher Wert 41 (Bestandteil), 723 (Anliegerrecht) — Zweck 40, 476 Wirtschaftsgrundstück 15 Wirtschaftsweg 17 Wohl der Allgemeinheit 728 (BBauGes.) Wohnungseigentum § 3 III, 84 (Abmarkung), 315, 357 Wohnviertel 261 (Immissionen) Wohnungsrecht 296 (Einsturz) Wurzeln 324, 330, 334, 347

Zaun 25, 26, 126 (an öffentl. Straßen), 289, 143 (Instandsetzung), 144 (Unterhaltung), 476, 649 (über die Grenze), 120 (kein Zwang zur Zaunerrichtung) Zeichenordnung 447 (Weiderecht) Zentralheizung 49 (Bestandteil) Zerstörung 218 (bei Notstand) 187 (Kommunmauer) Ziegelei 482, 485, 506 Zubehör 44 Zufahrt 123 (gemeinsame) Zuflurstück 16, 43 Zugang 278 (Straßenanlieger), 422 (Notweg) Zuführung 246, 247 Zumutbare Maßnahmen 232, 262, 421 (Anstrengungen bei Notweg) Zusammenhang 48 (natürlicher, Bestandteil) — 282 (Gefahr von Anlagen) — 309 (gelockert) Zusammenleben nachbarliches 21 (Eigentumsbeschränkungen), 232 (Immissionen) — 262 (Immissionen) Zuschlag 103, 178 (Kommunmauer) Zuschreibung 16, 17, 42, 56,589 Zustand 308 (bausicher), 316 (gesetzmäßig) Zustimmung 16 (Teilung), 62 (Stockwerkseigentum), 93 (Grenznachbam), 94 (Messungsergebnis), 1 1 9 (Nach-

757

Zustimmung 16 barn), 14} (Verwaltung der Grenzeinrichtung), 147 (Teilung), 147 (Änderung der Grenzeinrichtung), 157 (Überbau), 161 (Beseitigung der Kommunmauer), 181 (Vereinbarung über Benützung), 190 (Kommunmauer-Erhöhung), 577 (Uberbaurente), 510 (Widmung öffentlicher Straßen), 612 (Ministerium zum Bergbau)

758

Zwang 1 1 9 (Grenzeinrichtung), 153 (Kommunmauer) Zwangsenteignung 219 (Notstand), 591 (Grunddienstbarkeit), 511 (Nutzungsrechte an öffentlichen Straßen), 729 (BBauGes.) Zwangsversteigerung 102 (Grenzstreit), 177 (Kommunmauer-Ablösung), 368, 382 (Überbau), 454, 565, 591 Zwangsvollstreckung 89 (Abmarkung), 177 (Kommunmauer), 637, 641 (Eigentumsfreiheitsklage)

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Kommentare und Monographien für die Praxis

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Wohnungseigentumsgesetz Groß-Oktav. Etwa 400 Seiten. 1973. Ganzleinen etwa D M 1 0 0 , — D I T T M A N N - R E I M A N N - B E N G Ei-

Testament und Erbvertrag Handkommentar zum Recht der Verfügungen von Todes wegen nebst Systematischem Teil, Formularen und Gesetzes-Anhang. Von Ottmar Dittmann, Senatspräsident i. R. in München, Dr. Wolfgang Reimann, Notarassessor in Regensburg, Dr. Manfred Bengel, Notarassessor in Fürth. GroßOktav. XII, 640 Seiten. 1972. Ganzleinen D M 178, — I S B N 3 8 0 5 9 0 2 5 5 7 . Subskriptionspreis bis 1. 10. 1972 D M 1 5 8 , — HODES

Hessisches Nachbarrecht erläutert von Oberlandesgerichtsrat Dr. Fritz Hodes, Frankfurt/M. 2., erweiterte Auflage. Okt. XVI, 182 Seiten. 1967. Kartoniert D M 2 8 , — I S B N 3 8059 0079 1 MEISNER-HEINRICH

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Grundbuchrecht Kommentar zur Grundbuchordnung. 6., neubearbeitete Auflage von Staatsbankdirektor a.D. Dr. Wilhelm Imhof, München, und Landgerichtsrat a.D. Dr. Hermann Riedel, München. Lexikon-Oktav. 4 Bände. (Wird nur komplett abgegeben) Band 1: Gesetzestexte, Einleitung, Kommentierung §§ 1 - 1 2 G B O . X X I V , 1018 Seiten. 1965. Ganzleinen D M 208 - I S B N 3 8059 0038 4 Band II: §§ 1 3 — 3 7 G B O . IV, Seiten 1 0 1 9 — 2 0 3 7 . 1968. Ganzleinen D M 220 — I S B N 3 8059 0025 2 Band III: §§ 3 8 — 1 2 4 G B O , Anhang. VI, Seiten 2 0 3 9 — 3 5 6 9 . 1970. Ganzleinen D M 3 7 0 , — I S B N 3 8059 0235 2 Band IV: Ergänzungen und Berichtigungen, Anhang, Nachtrag, Gesetzesregister, Sachregister. IV, Seiten 3 5 7 1 — 4 0 8 5 . 1 9 7 1 . Ganzleinen D M 1 6 8 , — I S B N 3 8059 0230 1

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