Mythologische Forschungen
 9783111339726, 9783110990638

Table of contents :
VORREDE
INHALT
KAPITEL I. LITYERSES
KAPITEL II. CHTHONIEN UND BUPHONIEN
KAPITEL III. DIE LUPERCALIEN
KAPITEL IV. DAS OCTOBERROSS
KAPITEL V. DEMETER
KAPITEL VI. KIND UNI KORN
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR

SPRACH- UND CULTURGESCHICHTE DER

GERMANISCHEN VÖLKER. HERAUSGEGEBEN

VON

BERNHARD TEN BRINK, ERNST MARTIN, WILHELM

SCHERER.

LI. MYTHOLOGISCHE FORSCHUNGEN VON W . MANNHABDT.

8TRA88BURG. K A R L J. T R Ü B Ν E R . LONDON. T R Ü B N E R Λ COMP. 1884.

MYTHOLOGISCHE FORSCHUNGEN AI'S DEM NACHLASSE VON

WILHELM MANNHARDT. HERAUSGEGEBEN

VON

HERMANN"

PATZIG

MIT VORREDEN VON

KARL MÖLLENHOFF UND WILHELM SCHERER.

STRASSBURG. K A R L

J.

TRÜBNER.

LONDON. • T R Ü B N E R 4 COMP.

1854. Buchdruckerei yon O. O t t o in Darmstadt.

VORREDE VON

KARL

MÜLLENHOFF.

W i l h e l m M a n n h a r d t und ich, er an der Eider, ich unweit der Elbmündung geboren, konnten uns ale η ach barkinder betrachten und musten schon in ein näheres und ein dauerndes Verhältnis zu einander kommen, wenn der jüngere in die bahn des älteren einlenkte und beide in derselben richtung bcharrten. nach meiner erinnerung und nach einem briefe von seiner hand besuchte er mich in seinen ersten eemestern als Berliner student zwei mal in Kiel, im herbst (oder winter) 1851 und um ostern 1852, und aus jenem briefe vom neunten august 1855, in dem er mich von seinem lebenslau fe, seitdem er mich 'zuletzt' besucht habe, unterrichtet und mir anliegt jetzt an der von ihm zur fortsetzung übernommenen Zeitschrift für deutsche mythologie und sittenkunde mitzuwirken, ersehe ich, fast zu meiner eignen Verwunderung und mit rührung, dass das Verhältnis wesentlich schon damals so bestand, wie es seitdem unter uns bis zu seinem tode bestanden hat. meine Übersiedelung nach Berlin und gleichzeitig seine bemühungen hier eine feste Stellung zu gewinnen führten dann vom herbst 1858 bis ostern 1862 einen häufigeren persönlichen verkehr herbei; aber auch nach seiner rückkehr ins elternbaue nach Danzig gaben seine arbeiten und weiteren bestrebungen immer von neuem gelegenheit nicht nur das alte Verhältnis wieder aufzunehmen, sondern es auch fester und fester zu knüpfen, ein volles menechenalter hat es ge-

VORBEDE.

VI

währt und umfasst Mannhardts ganzes wissenschaftliches leben, ich muss mir auch, wenn ich dies jetzt überblicke, einen anteil

daran zuschreiben,

der

mich

wie

keinen

andern

ver-

pflichtet das wort zu ergreifen, wenn die letzten blätter von seiner hand es noch erheischen. Mannhardt

erzählt selbst, in dem vorwort

zu den An-

tiken wald- und feldkulten, Berlin 1877, s. v u f., wie frühzeitig

durch

JGrimms

Deutsche

mythologie

die

richtung

seines lebens entschieden ward'; allzu frühzeitig und zu ausschliesslich, muss man sagen, für seine allgemeinere wissenschaftliche ausbildung.

als er nach Berlin k a m ,

mann eben gestorben, grossen

meistere

deutschen bald

und so entbehrte

der m e t h o d e ,

Studien,

aber

auch

aufsuchte und die ihm

namentlich die

war Lach-

er der leitung auch

für

guten ratschlage

des seine

die er

gerne erteilt wurden, die rod-

lichen vorsetze die er danach ohne zweifei fasste, die wiederholten

anlaufe die er auch

noch später nahm, um das ihm

fehlende sich anzueignen, — noch 1859 hörte er, selbst schon docent, bei mir deutsche grammatik, deren erste teile wenigstens, vollständig von ihm nachgeschrieben jetzt mir vorliegen! — vermochten seele

an

wenig

gegen

sich g e z o g e n

sachlichen studien

die

hatte,

gewannen

macht die schon

seine ganze

alle seine sprachlichen beziehung

auf die

und

mythologie

und führten ihn stäts zu diesem mittelpunkte zurück' ( v o r w . aao.

s.

VIII).

bei

dem

mangel

einer

breiteren

philolo-

gischen basis muste ihm schon der versuch an der Universität als docent fuss zu fassen mielingen.

das gelingen sowie j e d e

andere Stellung, in die er eingetreten wäre, hätte mehr oder weniger

von ihm

das opfer seiner

lebeneaufgabe

und selbst mehr von ihm verlangt, körperlichen

kräften

stand,

das

1862 aufnahm, erhielt ihn j e n e r ,

gefordert

als in seinen schwachen Vaterhaus allein

das

ihn

und ein gütiges geschick

Hess sie ihm auch zu einem schönen teile nicht unerfüllt. JGrimm jüngsten tigsten

hatte

die

Überlieferungen aufgabe für die

Sammlung des

Volkes

und

erforschung

zur ersten

deutsche mythologie

der

und wich-

gemacht :

bei

der spärlichen und unzusammenhängenden, älteren schien sie fast deren einzige hoffnung zu sein,

sie verwehrte

keinem

TOBBEDE.

VU

den zutritt und a u c h Mannhardt setzte bei ihr ein, um ihr dann für immer zu verfallen, zwar mit einer besonderen landschaftlichen Sammlung, wie so mancher a n d e r e , ist er nie hervorgetreten, selbst nicht mit der von ihm früh begonnenen 'Pomerellischer Volksüberlieferungen', die in wissenschaftlicher Verarbeitung', nebst seiner retractierten Tübinger dissertation über Anthropogonie der Germanen' er mir schon 1855 sogar mit nennung ihres Verlegers, in nächste aussieht stellte, dennoch sammelte er wie einer und suchte sich nach allen seiten in den besitz des vorhandenen materials zu setzen. aber ihn reizte vor allem 'die wissenschaftliche Verarbeitung', der gewinn der nach seiner meinung daraus zu ziehen war. er gehörte anfangs, wie er selbst gesteht (vorw. s. XIII), zu denen die, auch der mahnungen des alten meistere zur vorsieht ungeachtet überall in Deutschland die spuren der nordischen mythologie wiederzufìnden meinten, bald suchte er indes nach besserer begründung. Wilhelm Schwartzs lehre von 1850, dass unser heutiger Volksglaube im allgemeinen die n i e d r e , elementare mythologie enthalte, schien unsere Volksüberlieferung mit einem male auf eine andre stufe n e b e n die nordische zu stellen, und Kuhns vcdische entdeckungen Hessen daneben sogar den blick auf den gemeinsamen grund der mythologien nicht nur der Germanen, sondern selbst der ihnen verwandten Völker fallen, schon als student' sagt auch Mannhardt später einmal begann ich einzusehn dass es zu irrigen resultaten führen müsse, wenn man sich auf das Studium der Volksüberlieferungen eines einzelnen landes beschränke.' zur controle der deutschen wandte ersieh daher schon 1853 und später um mitteilungen ins ausland und um auch dort Sammlungen anzuregen, als er die fortsetzung von JWWolfs Zeitschrift übernahm war er seinem Vorgänger an gelehrsamkeit und wissenschaftlichem geiste entschieden überlegen, so erschienen im frühjahr 1858, ehe er als docent in Berlin a u f t r a t , Jacob und Wilhelm Grimm gewidmet, die 'Germanischen mythen', zwei ansehnliche abhandlungen in deren einer zunächst der Weisung Kuhns, der andern der Schwartzs folgend, er die deutsche

ΤΠΙ

VORREDE.

mythologie, wie JGrimm sie begründet hatte, weiter auszubauen trachtete. Aber wie viel schönes und nützliches von bleibendem werte sie auch ergeben mögen, wie gelangen wir auf ihrem und überhaupt dem von JGrimm eingescblagenen wege an das erste, geschichtlich zuerst gegebene, aber auch vor allen anderen bedeutendste problem unserer mythologie? die nachricbten des Tacitus waren den Römern erweislich schon seit mehr als einem jahrhundert bekannt, und sie setzen ein vollständig ausgebildetes reügionssystem voraus: wird es möglich sein und wie es gelingen dass wir uns noch cinc zusammenhängende und wohlbegründete Vorstellung von diesem system und von der ganzen religiöspoetischen (oder poetischreligiösen) weltansicht der Germanen machen, die sie bei ihrem eintritt in den grossen Zusammenhang der Weltgeschichte besassen und von da aus, in welcher Verfassung immer, in die folgenden zeiten vererbten, und so dass wir zugleich damit die einsieht in ihre geschichtliche ausbildung gewinnen? bei den rechtsaltertümern umgieng JGrimm das ähnliche historische problem um es auf einem umwege zu beantworten, in der mythologie meinten er und seine nachfolger ebenso verfahren zu können: aber wie sie dabei auf dasselbe résultat füglich rechnen konnten, ist nicht abzusehen, sie verkannten die volle bedeutung der von Tacitus erwähnten tatsachen, und damit auch die bedeutung des problems, und versäumten daher den einzigen, allerdings verborgenen und verschlungenen pfad zur lösung desselben aufzusuchen, um diesen zu finden, hätte JGrimm anhaltender bei seinem bruder und bei Lachmann in die schule gehen und auch unser freund sie bei ihnen gründlich durchmachen müssen, ehe er sich jenem unmittelbar anschloss. Die geschichte der deutschen heldendichtung erforschen; heiest die geschichte unserer alten und ältesten poesie erforschen, und dazu muss sich jeder getrieben fühlen der ein vollständiges und zusammenhängendes Verständnis von der inneren entwicklung der nation erwerben will, die allein in der geschichte ihrer poesie und litteratur sich offenbart, ich war von Lachmann auf das deutsche epos hingeführt, ehe

TOBBEDE.

IX

ich J G r i m m s mythologie in h ä n d e n h a t t e , j a die K i n d e r märchen und Deutschen sagen vollständig k a n n t e , so geschah es dass die schleswigholsteinische Sammlung d u r c h a u s nicht vorwiegend im sinne der mythologie, sondern viel m e h r in dem allgemeineren der geschichte der p o e s i e , und u m die l e b e n d i g e überliefeiung des volkes unmittelbar k e n n e n zu lernen, zu stände kam. ich h a b e auch seitdem nicht aufgeh ort die mythologie als einen wesentlichen teil d e r poesie zu betrachten und niedere und höhere in ihrem a u s d r u c k nicht anders zu u n t e r s c h e i d e n , als gemeine alltägliche r e d e von der h ö h e r e n , wohlbedachten und g e w ä h l t e n ; ich k a n n es daher auch nicht gut heissen wenn z. b. M a n n h a r d t (vorw. aao. s. XII. x v ) die dichter der E d d a l i e d e r und Y e d a hymnen als 'kunstdichter' in einen gegensatz zu den 'echten'' anechauungen des volkes bringt und gleichsam ausserhalb desselben stellt. 1 die heldensage f ü h r t ihrem u r s p r u n g e nach mit ihren historischen elementen in die zeiten d e r s o g e n a n n t e n Völkerwanderung; die mythischen bestandteile, die sich mit ihnen verbunden h a b e n , sind von noch älterem d a t u m und f ü h r e n tiefer in das heidentum z u r ü c k , in die unmittelbare nähe der taciteischen nachrichten. so zeitlich, so wie ethnisch und local durch j e n e gefestigt, aber e r g e b e n sie mit diesen und den übrigen von unzweifelhaft heidnischer herk u n f t zusammen, nicht n u r die gemeinsame g r u n d l a g e der süd- und der nordgermanischen mythologie, sondern von da aus auch weiter das Verhältnis beider Überlieferungen und damit wie ich meine, das erwünschte r é s u l t a t , die g e s u c h t e historische eineicht. Sie lässt sich freilich erst s e h r allmählich, n a c h mancherlei Umschweifen gewinnen und so ziehen sich meine Untersuchungen in dieser richtung d u r c h viele jähre, von d e m 1847 erschienenen aufsatz über Tuisto und seine n a c h k o m m e n bis zu der noch nicht veröffentlichten über die F r i j a u n d d e n halsbandmythue, die lange bedacht, aber erst in den n ä c h s t e n m o n a t e n nach M a n n h a r d t s tode ausgeführt, die hauptfrage für mich e r l e d i g t e ; denn nächst dem Balder- oder D i o s k u r m m y t h u s 1

vergi, die D/.. 1, VI angeführte stelle JGrimjne und Z». 18,472.

χ

VORREDE.

liese sie mir keinen zweifei an dem Zusammenhang der mythen mit der grössten revolution die der deutsche geist in der urzeit durchgemacht h a t , dem Übergang von der Zeus- zur Wodansreligion und brachte zugleich ein wichtiges stück des eigentümlich deutschen weltuntergangsmythus ans licht, die an- und aussichten die ich auf diese Untersuchung gründete, muss ich indes Mannhardt wohl schon v o r 1876 entwickelt haben, wenn er sich damals über den erfolg meiner Studien glaubte so aussprechen zu können, wie er es in dem Vorwort aoo. β. XXXVII tut. auch meine ansieht über den Sigfridsmythue hat er gewis viel eher gekannt, als bis er sie anfangs 1879 aus dem 2 3 sten bande unsrer Zeitschrift ungefähr entnehmen konnte, als das schicksal uns beide 1858 in Berlin zusammen führte, werde ich ihm am wenigsten das vorenthalten h a b e n , was ich schon in der zeit und bald danach meinen z u h ö r e m vortrug, und er nach und nach ungefähr alles erfahren h a b e n , was ich damals von deutscher mythologie zu wissen glaubte, es t r a t ihm damit eine von der seinigen sehr verschiedene, j a derselben entgegengesetzte und mit ihr k a u m v e r e i n b a r e , streng historische auffassung des gegenständes und der a u f g a b e der Wissenschaft entgegen, u n d zugleich e r g a b e n sich nach d e r Verschiedenheit d e r Stand-

p u n k t e wesentliche differenzen der methode und der erfahrungen. mit den 'Germanischen mythen' k o n n t e ich mich damals selbst vielleicht weniger zurecht finden als jetzt. Ich entsinne mich namentlich einer u n t e r r e d u n g , die eines abends, wohl im sommer 1859 oder 60, in einein von mir sonst fast niemals betretenen öffentlichen garten in der nächsten nähe meiner w o h n u n g unter uns statt fand, in meiner e i n w e n d u n g gegen M a n n h a r d t s auffassung eines mythus bediente ich mich der worte, j e d e sage sei an dem orte fest zu halten an dem man sie finde, u n d von ihm anfangs misverstanden gaben sie zu einer l ä n g e r e n , mir geläufigen erörterung anlass. ich m e i n t e , j e d e sage sei ein bestimmtes, historisches produkt, nicht nur von der seite ihres Ursprunges, sondern auch der ihres Inhaltes betrachtet, und die anschauung, die sie enthalte und wiedergebe, sei nicht von der stelle, a n die die Überlieferung sie setze, zu v e r r ü c k e n , ohne diese

VORREDE.

XI

von ihrem Standpunkte und damit auch die historische aufgebe und den zweck der forschung zu verrücken, meine bemerkung richtete sich zunächst wohl gegen einen füll wie d e n , wenn Mannhardt (Germ, inyth. s. 104) den bierkessel des meeresgottes Mg)r für das hinimelsgewölbe erklärte, was nur ausserhalb eines anderen Zusammenhanges möglich wäre, auch wenn nicht die mögliclikeit, würde nach meiner ansieht doch j e d e nötigung dazu fehlen, wie er (Zs. f. myth. 2, 2i)tì ff.), den W a t e der Kudrun zu einer hypostase des Thor zu m a c h e n ; und war auch der Tuistomythus ursprünglich eine kosmogonie und anthropogonie oder theogonie, so würde doch ein wesentliches stuck in der geschichte des mythus und in der Überlieferung selbst ausser acht gelassen, wenn man ihn nicht als eine ethnogonie anerkennte, so ist auch die von altersher gegebene beziehung des Sigfridsmythus zu W o d a n fest zu halten, auch wenn wir sie vielleicht nicht ganz verstehen; um seiner geschichte willen ist es jedesfalls besser sie ferner noch im auge zu behalten als ihn für einen Freyshelden zu erklären, den Beawa dagegen nach allein andern für einen solchen eher, als für einen Thorshelden, trotz dem gemeinsamen aber auf einer sehr verschiedenen stufe stehenden mythus. jede höhere gottheit namentlich erweitert das gebiet ihrer tätigkeit. es konnte daher derselbe mythus von verschiedenen göttern erzählt werden, wie umgekehrt aueh verschiedene prädikate auf dieselben gottheiten gehäuft werden, und namentlich sind nordische und deutsche nur nach bestimmten anzcichen und nicht ohne weiteres zu identificieren.

Die vorstehenden Seiten sind das letzte, was Müllenhoff geschrieben oder vielmehr seiner F r a u dictirt h a t . Im Sommer 1883 t r u g er mir die mythologischen Aufsätze aus M a n n h a r d t s Nachlass f ü r die Quellen und Forschungen an ; indem ich sio freudig aeeeptirte, sprach ich doch den "Wunsch aus, er möge eine Y o r r e d e oder Einleitung h i n z u f ü g e n , w o f ü r nein Yerhältniss zu M a n n h a r d t und ihr b e i d e r s e i t i g e s , zum Theil so verschiedenartiges Verhältniss zur deutschen Mythologie das n a t ü r l i c h e Thema biete. E r versprach e s , und nach dem Abschlüsse des f ü n f t e n Bandes der A l t e r t h u m e k u n d e , so weit er im D r u c k v o r l i e g t , hat ihn kein a n d e r e r wissenschaftlicher Gegenstand noch so e i n g e h e n d beschäftigt, wie diese Vorrede. E r war, wie man sieht, im b e s t e n Zuge, daraus eine Art Methodologie der germanischen Mythologie zu m a c h e n . Die mythologischen F o r s c h u n g e n der A l t e r t h u m s k u n d e kamen d e r Arbeit zu gute. E r lebte ganz in den Problemen u n s e r e r heidnischen Religionsgcschichte, und eben die V o r r e d e g a b noch den Anlass, dass e r mir in den G r u n d z ü g e n seine Meinung über die E n t w i c k e l u n g des H a l s b a n d und des D i o s k u r e n m y t h u s auseinandersetzte. Ich war von der W i c h t i g keit der Sache so d u r c h d r u n g e n , dass ioh mir sofort eine Aufzeichnung d a r ü b e r machte. Sonst h a b e ich in meinem langen p e r s ö n l i c h e n und schriftlichen Verkehr gerade über mythologische Dinge verhältnissmässig w e n i g mit ihm gesprochen oder c o r r e s p o n d i t . Die deutsche Mythologie h a t t e mich in den Anfängen meiner S t u d i e n , noch auf der Schule, mit b e sonderer Macht ergriffen. In der obersten Gymnasialclasse las ich mit Begeisterung die eben erschienenen 'Germanischen Mythen' von M a n n h a r d t ; a b e r auf der U n i v e r s i t ä t , die ich im H e r b s t 1858 b e z o g , l a g e n mir zunächst a n d e r e Pflichten o b , und nie wieder bis h e u t e t r a t mir die Mythologie in den V o r d e r g r u n d meiner wissenschaftlichen Interessen : nur daes ioh auch f ü r sie einen festen methodischen S t a n d p u n k t zu g e winnen suchte. Pfeiffers g e r i n g e Meinung von M a n n h a r d t s T h ä t i g k e i t — er reihte ihn kurzweg unter die 'Notizensammler' ein — k o n n t e mich in meiner Anhänglichkeit nicht w a n k e n d machen ; eher musste eine Recension der 'Germanischen Mythen' von Adalbert K u h n , welche n a c h w i e s , dass M a n n h a r d t s Benutzung des V e d a strengon F o r d e r u n g e n nicht g e n ü g e , g e d e n k e n erregen. Den Hauptstoss jedoch erhielt meine v e r f r ü h t e ,

VORREDE.

XIII

vornehmlich unter dem Einflüsse von J . W. Wolf erworbene Ansicht der Mythologie durch Mannhardt selbst. Als ich im April 1860 nach Berlin kam, besuchte ioh ihn gleich. Ein Empfehlungebrief von Alfred Ludwig fahrte mich bei ihm ein. Er nahm mich sehr freundlich auf, schenkte mir ein paar Hefte seiner Zeitschrift f ü r Mythologie und machte mich mit einem Kreise von Freunden bekannt, der soeben festere Formen annahm und sich bald regelmässig versammelte. So sahen wir uns öfters, und einmal auf dem Heimwege berührten wir die Frage nach den Quellen der deutschen Mythologie. Ich wusste nicht andera, als dass, wie J . W. Wolf im Qegensatze zu Jacob Qrimra gelehrt h a t t e , unsere Volksmärohen altgermanische Mythen enthielten. Auch Mannhardt hatte sie in den 'Germanischen Mythen' so gebraucht. Jetzt verwies mich derselbe Mannhardt auf Benfeys 'Pantschatantra' und zog daraus den Schluss, dass die Märchen zunächst als internationale Novellenstoffe zu betrachten und aus den Quellen unserer Mythologie zu streichen seien. Um dieselbe Zeit kam das mythologische Problem auf einem Spaziergange mit Müllenhoff zur Sprache: Müllenhoff betonte seinen Gegensatz gegen Kuhn und Schwartz, indem er eine strengere Kritik der Volksüberlieferung verlangte, die man als eine Quelle der Mythologie nur ansehen dürfe, wenn sich altmythologischer Gehalt beweisen lasse. Mannhardts mythologische Erklärung des krimgothischen Liedes (Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 5, 166), die mir grosse Freude gemacht hatte, verurtheilte er kurzweg aus demselben Grunde: er glaubte darin das Vorurtheil zu erkennen, dass jede populäre Tradition mythologischer Natur sein müsse. Die Art, wie Kuhns Sagen, Gebrauche und Märchen aus Westfalen Bd. 1 (Leipzig 1859) S. 6 in einem Wirt oder Hund Alke die nahanarralischen Dioskuren (nomen Alois Tac. Germ. c. 43) oder S. 225 in den Extersteinen den altindischen Ahi wiedorfanden, konnte ihm unmöglich gefallen. In der Negation eines so verschnellen Verfahrens war er mit Haupt ganz einig, von dem das derbe Wort umlief : 'Es wird bald kein rother Hahn und kein stinkender Bock mehr in der Welt sein, der nicht Gefahr l ä u f t , f ü r einen germanischen Gott erklärt zu werden.' Dass ich mit Haupt selbst j e über Mythologie eingehender gesprochen h ä t t e , wüsste ich mich nicht zu erinnern. Seine Interpretation der 'Germania' ging wenig daranf ein, und die Mythologie lag seinen Interessen überhaupt fern ; während Müllenhoff sie ihrem ganzen Umfang und ihrer ganzen Methode nach stets im Ange behielt. Die beliebte Deutung möglichst vieler Mythen aus dem Gewitter hatte an Müllenhoff keinen gläubigen Anhänger gef u n d e n : viele andere Deutungen, behauptete er, seien oft ebenso möglich ; Deutung sei überhaupt nicht so wichtig als Geschiohte des Mythus. Wie f r ü h er Zweifel an manchen speciellen Vergleichungen zwischen griechischen und indischen Mythen hegte, die Kuhn aufgestellt und durch zum Theil sehr unsichere, j a unmögliche Etymologien begründet hatte, weiss ich nicht zu sagen. In einem Collegienhefte, wornach er

XIV

VORREDE.

deutsche Mythologie 1851 und 1856 gelesen h a t , spricht er von ganz ungeahnten Entdeckungen aus dem V e d a , ffihrt zum Beispiele nicht blos Djaas mit seinen Verwandten (Grimm Myth. 175; Kuhn Zs. 2,231), sondern auch SaramA (Kuhn Zs. 6, 125) und S a r a ç y û (Zs. f. Tgl. Sprachf. 1, 439) mit ihren angeblichen Verwandten auf u n d geht überall in geinen Erörterungen von den Qesichtspuncten der vergleichenden Mythologie a u s , so weit sie damals gewonnen waren oder sich gewinnen Hessen. Eine unvollendete, noch in Kiel aufgezeichnete Untersuchung aber Houhzeitsgebräuohe beginnt mit den W o r t e n : 'Hat Jacob Grimm die vergleichende Mythologie zuerst von der Sprache aus wissenschaftlich begründet und zugleich der Forschung den aufmerksameren regern Sinn eingepflanzt, das ganze Leben und Dasein alter Völker als bis ins kleinste von Glauben und Dichtung d u r c h d r u n g e n aufzufassen, so war es doch erst einem treuen Schüler, Adalbert K u h n , aufbehalten, durch eine Reihe überraschender Entdeckungen auf dem Gebiet altindischer Mythologie die Ueberzeugung festzustellen, dass die Mythen der indogermanischen Völker nicht etwa blos ihren Grundzügen nach, sondern mit allem, mit Namen und Detail, zum guten Theil ein ebenso altes E r b e sind wie die Sprachen.' Später a b e r , weiss ich, hatte E . Wilkens Recension von W. Cox Mythology of the Aryan Kations (London 1870) in den GGA. vom 17. J a n u a r 1872, hinter der er Benfeys berathende Stimme vermuthete, seinen vollen Beifall: es war darin auf die Bedenklichkeit von Identificirungen wie Erinnys und Saraçyû, Hermeias und Sàrameyas, auf die verwegene Kühnheit einer Deutung der indischen Paçis aus dem gothischen fani 'Sumpf hingewiesen und eine Erklärung des Daphne-Mythus versucht worden, welche im Gegensatze zu der berühmten scharfsinnigen Auffassung Max Müllers denselben, nach der oben S. X erhobenen Forderung, an der Stelle liées wo sie ihn fand. Am 19. September 1875 Tollends schrieb Möllenhoff an Mannhardt mit Bezug auf Zimmers Untersuchung in der Zs. 19, 164 (vgl. Mannhardt ebenda 22, 4): 'In dem zweiten, zu Weihnachten erscheinenden H e f t e der Zs. steht ein Aufsatz, in dem nicht nur P a r j a n y « u n d Fiörgyn, sondern auch V&ta und Wodan identificirt werden. W a s Sie dazu sagen, möchte ich seiner Zeit hören. Ich glaube nicht daran u n d b i n ü b e r h au ρ t m i s s t r au i s oh, s e h r mi s s t r a u i s o h g e w o r d e n g e g e n a l l e di es e C o m b i n a ti o η en d e r n e u e n , s o g e n a n n t e n v e r g l e i c h e n d e n M y t h o l o g i e . Doch das ist ein langes Kapitel.' Möllenhoffs erste kritische Bemerkungen verstand ich nicht ganz. Aber seine Worte hafteten in m i r , und ihr Sinn ging mir nach u n d nach auf. "Wann ich seinen grundlegenden Aufsatz über Tuisto in Schmidts Zeitschrift gelesen h a b e , weiss ich nicht mehr g e n a u ; aber ich weiss, dass er mich sofort überzeugte u n d so zu sagen in meinen geistigen Besitz überging. Möllenhoffs Vorlesungen kamen bei Gelegenheit der Germania, der Litteraturgeschichte, des Nibelungenliedes und der Edda auf mythologische Dinge zu sprechen; aber seine Vorlesung über die E d d a g i n g , als ich sie h ö r t e , auf specielle mythologische

VORREDE.

XV

F r a g e n doch e n t f e r n t nicht 80 weit e i n , wie m a n j e t z t nach «einer I n t e r p r e t a t i o n (1er Völuspu im f ü n f t e n B a n d e d e r A l t e r t l i u i n s k u n d e v e r m u t h e n könnte. Sein C a r d i n a l s a t z ü b e r den m y t h i s c h e n G e h a l t d e r H e l d e n s a g e musste j e d e m a u f m e r k s a m e n Z u h ö r e r g e l ä u f i g w e r d e n ; s e i n e E r k l ä r u n g des N i b e l u n g e n - M y t h u s f a s s t e ich s p ä t e r in einem V o r t r a g e k u r z z u s a m m e n , wie ich sie im W i n t e r 1860 a u f 1861 g e h ö r t h a t t e ( V o r t r ä g e u n d A u f s ä t z e 8. 101—123); und was in m e i n e r S c h r i f t ' J a c o b G r i m m ' (Berlin 1864) ü b e r m y t h o l o g i s c h e P r o b l e m e g e s a g t i s t , d ü r f t e im g a n z e n und g r o s s e n als ein N i e d e r s c h l a g dessen a n g e s e h e n w e r d e n , w a s ich u n t e r dem Einflüsse von B e n f e y s M ä r c h e n f o r e o h u n g o n , von H a u p t s S k e p s i s , u n d vor allem von Möllenhoffs K r i t i k a n d p o s i t i v e r Lehre gelernt hatte. Die v o r s t e h e n d e n E r i n n e r u n g e n w a r d e n h i e r e i n g e s c h a l t e t , weil MQllenhoff dort wo seine Vorrode a b b r i c h t a n g e f a n g e n h a t t e , s e i n e n Einfluss auf .Mannhardt zu schildern u n d ich d i e s e S c h i l d e r u n g n i c h t a n d e r s f o r t s e t z e n k o n n t e , als indem ich e r z ä h l t e wie meine e i g e n e n d u r c h M a n n h a r d t m i t b e g r ü n d e t e n A n s c h a u u n g e n einen k r i t i s c h e n Stoss e r h i e l t e n . Um dieselbe Zeit muss es ihm ä h n l i c h e r g a n g e n sein. Die ' g e r m a n i s c h e n Mythen', bei d e r e n E r s c h e i n e n (1868) e r 27 J a h r e a l t w a r , bezeichnen d e n H ö h e p u n c t s e i n e r f r ü h e r e n M a n i e r ; a u c h in s e i n e r ' O ö t t e r w e l t d e r d e u t s c h e n und n o r d i s c h e n V ö l k e r ' ( B e r l i n 1860), mit d e r e r E l t e r n u n d G e s c h w i s t e r zu W e i h n a c h t e n 1859 b e g r ü s s t e , h a t t e e r sich d a v o n noch nicht b e f r e i t . D a n n a b e r muss d e r U m s c h l a g , d i e E r n ü c h t e r u n g e r f o l g t sein. Wie B e n f e y s P a n t s c h a t a n t r a auf ihn w i r k t e ^ e r h e l l t aus meiner o b i g e n Mittheilung (S. X I I I ) . D a s s d e r V e r k e h r mit H a u p t nicht o h n e W i r k u n g auf ihn b l i e b , schliesse ich a u s der Art, wie e r ihn in B r i e f e n an Möllenhoff e r w ä h n t . Müllenhoffs E i n f l u s s e n d l i c h mag man sich ähnlich d e n k e n , wie ich ihn e r f u h r ; n u r d a s s mit M a n n h a r d t wohl in b r e i t e r e r E r ö r t e r u n g v e r h a n d e l t w u r d e , was m i r g e g e n Q b e r o f t n u r d e n A u s g a n g s p u n k t einer b e i l ä u f i g e n B e m e r k u n g bildete. U n d so g e l a n g t e er n a c h a n d n a c h z a j e n e r K r i t i k J a c o b Q r i m m s und seiner gleichgesinnten S c h ü l e r , die er in d e r V o r r e d e zum z w e i t e n B a n d e der W a l d - u n d F e l d c u l t e z u s a m m e n f a s s t e . E r e r k a n n t e o d e r g l a n b t e zu e r k e n n e n , d a s s J a c o b Grimm v o r s c h n e l l alle h e u t i g e V o l k s ü b e r l i e f e r n n g a u s d e r h e i d n i s c h e n M y t h o l o g i e a b g e l e i t e t , d a s s er mit E n t l e h n u n g , mit c h r i s t l i c h e m Einfluss nicht g e n u g g e r e c h n e t h a t t e , dase e r P e r s o n i f i o a t i o n e n m i t t e l h o c h d e u t s c h e r D i c h t e r mit U n r e c h t auf M y t h o l o g i e z u r ü c k f ü h r t e , dass e r die U e b e r e i n s t i m m u n g zwischen n o r d i s o h e r a n d d e u t s c h e r M y t h o l o g i e zu hoch a n g e s c h l a g e n , n o r d i e o h e G ö t t e r zu r a s c h a u c h den S ü d g e r m a n e n beigelegt, P e r s o n i f i c a t i o n e n v o n F e s t t a g e n w i e O s t a r a u n d B e r c h t a , s p ä t e r e Gestalten d e s V o l k s g l a u b e n s wie H o l d a , V o r s t e l l u n g e n wie die vom b e r g e n t r ü c k t e n K a i s e r o h n e h i n r e i c h e n d e G r ü n d e ins germanische Heidenthum zurückgeschoben hatte. E r erkannte ferner, d a s s es u n k r i t i s c h w a r , mit Grimms e r s t e n S c h ü l e r n a u f d a s Z n s a m m e n t r e f f e n einzelner r e i n ä u s s e r l i c h e r M e r k m a l e hin a a s S a g e n , L e g e n d e n u n d M ä r c h e n gleich auf n o r d i s c h e G o t t h e i t e n zu schliessen. E r l e r n t e

XVI

VORREDE.

auch an vielen erat für sicher gehaltenen Etymologien und sonstigen Zusammenstellungen der vergleichenden Mythologen zweifeln, und einseitige, v e r f r ü h t e Theorien fiber den Ursprung der Mythologie konnten ihm nicht länger imponiren. Hand in Hand mit der Negation des bisherigen Standpunctes ging das Aafraffen zu neuer positiver Thätigkeit. E r begann so umfassend, systematisch und methodisch Stoff zu sammeln wie nie jemand vor ihm. 'Bleibenden Gewinn' sagt er in der citirten Vorrede S. X I V 'versprach nur eine solche F o r t f ü h r u n g des begonnenen Riesenwerkes' (der Grimmschen Mythologie) 'welche zunächst einmal in dem Baumaterial selber sich orientirte and ohne Rücksicht auf ein vorherbestimmtes Resultat die Volksuberlieferungen einerseits unter sich, anderseits mit den zunächstliegenden verwandten Erscheinungen verglich.' Hiermit bezeichnet er das neue Programm, nach dem er arbeitete. Sollte nicht auch hierfür Müllenhoff das Vorbild gegeben h a b e n ? 'Einen kleinen, aber schönen, von der späteren Forschung noch nicht ausgenutzten A n f a n g in letzterer Richtung' f ä h r t er a. a. O. fort 'machte K. Müllonhoff, indem er in der Vorrede zu seiner musterhaften Sammlung echleswig - holsteinischer Sagen 1845 auf vielfache Berührungen mit der Poesie und Sitte des Mittelalters hinwies.' Möllenhoffs Sagen enthielten aber zum Schloss eine Reihe von F r a g e n , welche die Sammler orientiren und die Sammelthätigkeit auf die entscheidenden Puñete richten sollten. In ähnlicher Weise h a t t e Mannhardt schon am 14. März 1835 ein Flugblatt ausgehen lassen, welches einen Einderliederschatz vorzubereiten bestimmt war. Und ebenso h a t er später mittelst Flugblättern f ü r seinen Quellensohatz der Ackergebräuche gesammelt, auf das Deutsehe und Germanische nicht mehr beschränkt, sondern alle Nachbarstämme umfassend nnd zugleich darauf b e d a c h t , aus der heutigen Volksüberlieferung die antiken Feldculte zu erläutern. Dass mir gegen die Art, wie er seine gesammelten Schätze verw e r t e t e , noch kritische Zweifel blieben, habe ich im Anzeiger f ü r deutsches Altertbum 3, 183 dargelegt. Von seiner Sammelthätigkeit selbst muss jeder unparteiische Beurtheiler mit uneingeschränkter Anerkennung, j a Bewunderung sprechen. E r hat dabei eine zielbewusste Sicherheit und Findigkeit, ein Organisations- und Agitationstalent bewiesen, wie es gewiss innerhalb der Geisteewissenschaften noch nicht oft aufgeboten wnrde. Die Resultate, die er erzielte, müssen uns ein Sporn sein, den W e g weiterzuschreiten, den er eingeschlagen hat. W a s er für die Erntegebräuche g e t h a n , muss fortgesetzt und auf alle Gebiete des ländlichen Lebens und der volksthümlichen Bitte fibertragen werden. W i e sich Mannhardts Verhältniss zu Müllenhoff entwickelte, nachdem der erstere Berlin verlassen, das kann ich aus den zwischen ihnen gewechselten Briefen ungefähr entnehmen. Aus f r ü h e r e r Zeit liegen nur drei Briefe vor. Zunächst einer vom 17. October 1851, mit welchem der 'stud.

VOKKEDE.

XVH

g e r m a n o l o g i a e ' M a n n h a r d t zwei id d e n L i e s b û t t l e r B e r g e n ( O u t H a n e r a u ) g e f u n d e n e U r n e n s t ü c k e n a c h Kiel f ü r die A l t e r t h u m s - S a m m l u n g ü b e r s e n d e t . E r d a n k t darin z u g l e i c h f ü r die ihm b e i s e i n e m B e s u c h im v o r i g e n M o n a t b e w i e s e n e F r e u n d l i c h k e i t . Uni O s t e r n 1852 w i e d e r h o l t e er d e n Besuch u n d s c h r i e b an s e i n e E l t e r n ( G e d i c h t e von W i l h e l m M a n n h a r d t , D a n z i g 1881, S. X V ) : ' D e r T a g ist f ü r mich s e h r w i c h t i g und lehrreich. W a s mir k e i n B e r l i n e r P r o f e s s o r g e b e n k a n n , h a t M ö l l e n h o f f mir e r ö f f n e t , den E i n b l i c k in die A r t d e r L a c h m a n n s c h e n S c h u l e u n d M e t h o d i k u n d d i e nötliige A n w e i s u n g , um m e i n e n S t u d i e n in d i e s e r H i n s i c h t d i e r e c h t e G r ü n d l i c h k e i t zu g e b e n , n e b s t e i n e r M o n g e bibliographischer Nachweisungen.' I n e i n e m w e i t e r e n B r i e f e vom 9. A u g u s t 1855, auf d e n sich Möllenhoff oben im E i n g a n g e b e z i e h t , f o r d e r t M a n n h a r d t zur M i t a r b e i t an der von ihm ü b e r n o m m e n e n Z e i t s c h r i f t f ü r d e u t s c h e M y t h o l o g i e a u f : vor zwei J a h r e n h a t t e M ü l l e n h o f f a u s R ü c k s i c h t auf H a u p t s Z e i t s c h r i f t abgelehnt. M a n n h a r d t w ü n s c h t , d a s s die b e r u f e n s t e n V e r t r e t e r d e r strengphilologisehen Fachwissenschaft durch Mustermitthoilungen, geeignete Winke, kritische Verarbeitungen des g e g e b e n e n Materials den D i l e t t a n t e n , d i e m a n nicht e n t b e h r e n k ö n n e , d e n W e g zu m e t h o d i s c h e m V e r f a h r e n z e i g e n m ö c h t e n . ' W o l f s A r b e i t e n ' f ä h r t e r mit e i n e m k l e i n e n R ü c k b l i c k «uf d i e f r ü h e r e n B ä n d e s e i n e r Z e i t s c h r i f t f o r t 'liessen in v i e l e n S t ü c k e n die n ö t l i i g e K r i t i k u n d p h i l o l o g i s c h e S a c h k e n n t n i s » v e r m i s s e n . U e b e r c i l u n g e n w i e die s c h o n von W . M ü l l e r g e r ü g t e E r k l ä r u n g d e r M y t h e vom D o c t o r vom E i c h e l b e r g e auf dio S a g e d e r T h r y m s q u i d h n , i r i s c h e r L e g e n d e n z ü g e auf W u o t u n d ü r f e n n i c h t f e r n e r g e d u l d e t w e r d e n , i n h a l t l o s e m G e s c h r e i b s e l wie 'Mnspilli' von M a s s m a n n w e r d e ich d i e A u f n a h m e b e s t i m m t v e r w e i g e r n . D a g e g e n g i l t es a n d i e S t e l l e u n k l a r e r I d e e n u n d v a g e r V o r s t e l l u n g e n b e s t i m m t e B e g r i f f e zu s e t z e n , z w i s c h e n d e n E n t s t e h u i i g s z e i t e n u n s e r e r M ä r c h e n g e n a u zu s c h e i d e n , i h r e Abs t a m m u n g u n d die A r t und W e i s e i h r e r V e r b r e i t u n g im e i n z e l n e n g e n a u zu e r f o r s c h e n , S a g e n u n d K i n d e r i i e d e r in i h r e m E n t w i c k l u n g s g a n g u n d - l a u f d u r c h u n s e r e u n d v e r w a n d t e , wie f r e m d e L i t t e r a t u r e n m ö g l i c h s t h o c h h i n a u f zu v e r f o l g e n ; s t a t t d e s M i s s b r a u c h s d e r h e u t i g e n O r t s und E i g e n n a m e n f ü r S a g e n k u n d e die M i t a r b e i t e r zu fleiasiger D u r c h f o r s c h u n g u r k u n d l i c h e n M a t e r i a l s in i h r e m B e z i r k a n z u h a l t e n ; S i t t e n u n d R e c h t s g e b r ä u c h e m ö g l i c h s t in d e n ä l t e r e n F o r m e n a u f z u s p ü r e n u n d d u r c h A l l e s u n d in Allem L e s e r wie M i t a r b e i t e r zu i m m e r a u e g e d e h n t e r e m V e r s t ä n d n i s s u n d Studiuni der M u t t e r s p r a c h e a u f z u m u n t e r n . Soll m i r , d e r ich n o c h N e u l i n g bin u n d H a u p t s s t r e n g e r S c h u l e , d e r ich n a c h l a n g e r S e h n s u c h t n u n e n t g e g e n e i l e , s o s e h r b e d a r f , dag g u t e W e r k g e l i n g e n , so b e d a r f ich die f r e i g e b i g e f r e u n d l i c h e U n t e r s t ü t z u n g d e r Meister. A u s s e r J . G r i m m , W i l h e l m G r i m m , A . K u h n , M u n c h h a b e ich Z a c h e r , A u f r e c h t u n d H o m e y e r g e b e t e n m i r g l e i c h f ü r d a s e r t t e H e f t i h r e n B e i s t a n d zu l e i h e n ' . . . A u c h Müllenhoff m u s s z u s t i m m e n d geantwortet h a b e n ; denn der dritte Band wird durch seinen Aufsatz 'Nordische, englisohe und deutsche Räthsel' eröffnet. Möllenhoff h a t t e QF. LI. II

xvm

VORREDE.

aleo den f r e i m ü t h i g e n Tadel nicht fibel genommen, mit w e l c h e « M a n n · h a r d t seine A u f f o r d e r u n g begleitete: 'In d e r famosen Nibelungena n g e l e g e n h e i t ' schrieb er 'bin i c h , a n f a n g s von Holtznianns H a n d echriftenansicht geblendet — (seine weiteren Aufstellungen widersprechen zu augenscheinlich allen wissenschaftlichen Tliatsaohen, um nicht yon vorn herein verworfen zu werden) — durch wiederholtes g e n a u e r e s Studium entschieden zu Lachmann bekehrt, obwohl ich nicht alle G e g e n g r ü n d e der Gegner widerlegen kann. E i n e entscheidende R o l l e spielt dabei das vielgeschmähte Gefühl ; vor allem das erste Lied h a t mir, mehr als irgend eines der späteren, die Richtigkeit des Lachm a n n s c h e n V e r f a h r e n s zur Ueberzeugung und Gewiesenssache g e m a c h t . I h r e S c h r i f t löste viele in mir waltende Zweifel u n d ich bin I h n e n 'dadurch zn herzlichem D a n k e verpflichtet, soll ich a b e r offen sein — und ich weiss Sie werden mir dies nicht als Unbescheidenheit auslegen — so verletzte mich der leidenschaftliche Ton I h r e r Polemik, der meiner Ansioht n a c h der W ü r d e der Wissenschaft E i n t r a g thut. Bei allen Unbesonnenheiten h a t Holtzmann doch das V e r d i e n s t , die F r a g e neu a n g e r e g t nnd eine a b e r m a l i g e allgemeinere D u r c h p r ü f u n g der Laclim a n n s c h e n K r i t i k h e r v o r g e r u f e n zu haben. So wenig ich berufen bin Ihnen, v e r e h r t e r H e r r Professor, dem ich noch ganz als Schüler g e g e n ü b e r s t e h e n muss, etwas d e r a r t anzudeuten, d r ä n g t mioh doch die Vere h r u n g , die ich für Sie h e g e , mich gegen Sie a u s z u s p r e c h e n , damit nicht etwas zwischen uns sei.' N a c h einem undatirten Berliner Billet folgt ein Brief M a n n h a r d t s ans D a n z i g vom 11. November worin er um Empfehlung eeincr 'pommerellischen Volksüberlieferungen' (vergi, oben 8. VII) bittet. Er g l a u b t e soeben erst nach schwerem Siechthum wioder an neue T h ä t i g keit d e n k e n zu dürfen. 'Den vorigen W i n t e r ' erzShlt er 'schleppte ich mich noch so durch ; mitten hineingestellt in den Kampf mit materiellen Sorgen, leiblichen Schmerzen j e d e r Art, Mangel an Arbeitskraft, fühlte ich mich g a n z trostlos, auf ewig von dem hohen Ziel wissenschaftlicher B e s c h ä f t i g u n g e n , dem ich in ä u s s e r s t e r Schwachheit und mit g e r i n g s t e m E r f o l g e bis dahin wenigstens n a c h g e s t r e b t h a t t e , verschlagen u n d aller der geliebten und verehrten Männer u n w e r t h , die icb als r e i n e Muster in voller K r a f t mir voranleuchten sah , unwerth einer amtlichen Stellnng, welche j a eine L ü g e und blosser Schein war, so l a n g e ich nicht die K r a f t b e s a s s , sie a u s z u f ü l l e n . ' . . . Das weitere th6ile ich nicht mit. Die vorstehenden W o r t e sind eines der vielen v o r h a n d e n e n Zeugnisse f ü r Mannhardts reine wissenschaftliche Qes i u n u n g . W e n n es j e einem Menschen Ernst w a r mit der S a c h e , die e r v e r t r a t , wenn j e ein Mensch demüthig sich b e u g t e im G e f ü h l der Kleinheit g e g e n ü b e r den grossen Zielen, die uns gesetzt sind, so war er ee. Die unverächtliche Thätigkcit, die er in der mythologischen, in K u h n s Zeitschrift entwickelt h a t t e , die 'germanischen Mythen', die 'GOtterwelt', u m f ä n g l i c h e und nnr unter dem höchsten Massstab u n z u längliche, a b e r an sich lobenswerthe Bücher, — e r pocht nicht d a r a u f ,

XIX

VORREDE.

e r d r ä n g t nicht um eine A n s t e l l u n g , e r m a c h t n i c h t s e i n e B e s c h ü t z e r v e r a n t w o r t l i c h — er t h u t n i c h t , wie viele t h u n w ü r d e n , die w e n i g e r w e r t h sind und g e r i n g e r e A n s p r ü c h e h a b e n : e r d e n k t n u r a n s e i n e U n v o l l k o m m e n l i e i t und seine m ö g l i c h e V e r v o l l k o m m n u n g . 'Sie w e r d e n ' s c h r e i b t er mit Bezug auf die e r b e t e n e E m p f e h l u n g , 'mein v e r e h r t e r H e r r P r o f e s s o r , d e r Sie meine K r ä f t e u n d F ä h i g k e i t e n so g e n a u , wie w e n i g e , k e n n e n , sich in d e r Möglichkeit s e h e n , e i n z u r ä u m e n , d a s s w e n i g s t e n s d i e s e A r b e i t eine solche i s t , w e l c h e ich so g u t wie j e d e r a n d e r e leisten k a n n , und dass ich sie mit w i s s e n s c h a f t l i c h e r B e s o n n e n h e i t und N ü c h t e r n h e i t , mit K r i t i k zu E n d e zu f ü h r e n b e s t r e b t sein werde.' U n d n a c h einer P a u s e von zwei J a h r e n am 17. D e c e m b e r 1864, indem er sein l a n g e s S c h w e i g e n e n t s c h u l d i g t (Müllenhoff h a t t e ihm die E m p f e h l u n g g e s c h i c k t , a u c h J a c o b Qrimra zu e i n e r solchen b e w o g e n ) : 'Ich will und k a n n mich n i c h t v o l l s t ä n d i g r e c h t f e r t i g e n , a b e r in W a h r h e i t darf ich Sie v e r s i c h e r n , d a s s ich Alles w a s Sie mir g e t h a n u n d g e w e s e n sind — und d a s ist s e h r viel — in t r e u e m H e r z e n t r a g e ; d a s s ich z u m a l I h n e n u n d H a u p t die A n r e g u n g zu s t r e n g w i s s e n s c h a f t l i c h e m A r b e i t e n , das S t r e b e n nach M e t h o d e , u n d bei a l l e m Bewusstsein meiner M ä n g e l doch auch w i e d e r M u t h und S e l b s t v e r t r a u e n d a n k e , dass a b e r a u c h als oin u n v e r g e s s e n e r S c h a t z alle die g e m ü t h r e i c h e n S t u n d e n in m e i n e r E r i n n e r u n g r u h e n , d i e ich in I h r e r F a m i l i e mit d u r c h l e b e n d u r f t e . ' I n eben diesem B r i e f , also E n d e 1864, k ü n d i g t e r a n , d a s s er n u n e r n s t l i c h zur A u s f ü h r u n g eines P l a n e s s c h r e i t e n w o l l e 'der mich, w i e Sie wissen, seit J a h r e n b e w e g t , zum B e g i n n eines Q u e l l e n s c h n t z e s d e r V o l k s ü b c r l i e f e r u n g . ' Auf die S a m m l u n g d e r g e r m a n i s c h e n E r n t e g e b r ä u c h e war es a b g e s e h e n ; die U n t e r s t ü t z u n g d e r B e r l i n e r A k a d e m i e w a r d e r b e t e n und g e w ä h r t . So s c h r i e b er a u c h m i r am 13. J u n i 1865, d a s s er n u n endlich in die L a g e versetzt sei, d a s L e b e n s w e r k in A n g r i f f zu n e h m e n , von dem er w ä h r e n d u n s e r e e B e r l i n e r Z u s a m m e n s e i n s w i e d e r h o l t mit mir g e s p r o c h e n habe. I c h e n t n e h m e d a r a a s , w a s ich s o n s t n i c h t m e h r w ü s s t e , dass er schon in d e r Zeit v o n O s t e r n 1860 bis O s t e r n 1861 o d e r H e r b s t 1861 bis O s t e r n 1862 s e i n e u m f a s s e n d e n S a m m l u n g s p l ä n e g e f a s s t h a b e n muss. Möllenhoffs A n t w o r t auf den Brief vom 17. D e c e m b e r 1864 e r f o l g t e am 9. F e b r u a r 1865 und b e r i c h t e t e , d a s s d i e e r b e t e n e E m p f e h l u n g d e r A k a d p m i e in einem von ihm s e l b s t , M ü l l e n h o f f , v e r f a s s t e n G u t a c h t e n e r f o l g t sei. ' W a r mir n a c h I h r e m B r i e f e a u c h I h r P l a n e t w a s n e b e l h a f t u n d p h a n t a s t i s c h , so k o n n t e ich, n a c h d e m ich n u n I h r e E i n g a b e n d u r c h g e s e h e n , meinen E n t s c h l u s s leicht f a s s e n u n d m e i n e M e i n u n g b a l d zu P a p i e r b r i n g e n . Bei d e n B e h ö r d e n h a b e n Sie v i e l l e i c h t d u r c h d i e W e i t l ä u f t i g k e i t des g a n z e n P r o j e c t s k e i n g u t e s V o r u r t h e i l e r w e c k t , a b e r ich m e i n e Ihnen durch mein G u t a c h t e n zu H ü l f e g e k o m m e n zu sein. Dies verhält sich n a c h d e r einen Seite hin sehr s k e p t i s c h , e r n ü c h t e r n d und e r m ä s s i g e n d , b e t o n t a b e r n a c h d e r a n d e r n die N ü t z l i c h k e i t u n d N o t w e n d i g k e i t der Arbeit desto n a c h d r ü c k l i c h e r . Ich habe II*

XX

VORREDE.

m i c h a n I h r e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n w a h r h a f t g e f r e u t , nur h ä t t e ich Bie k n a p p e r u n d m a n e h m a l e t w a s n ü c h t e r n e r g e w ü n s c h t . Aber mit e i n e r S a m m l u n g , wie Sie sie m a c h e n wollen, bin ich g a n z e i n v e r s t a n d e n . Die G r u n d s ä t z e , d i e Sie b e f o l g e n wollen, sind u n z w e i f e l h a f t die r i c h t i g e n , w e n n a u o h die l e t z t e l i t t e r a r i s c h e A u s f ü h r u n g und die A n o r d n u n g o d e r V e r a r b e i t u n g des Stoffa sieh vielleicht noch a n d e r s g e s t a l t e t . . . I c h will n u r w ü n s c h e n , dass I h r e Agitation den r e c h t e n E r f o l g h a t . N a c h den E r n t e g e b r ä u c h e n müssen, wie mir scheint, H o c h z e i t , G e b u r t u n d Tod z u e r s t d a r a n . ' D a r a u f M a n n h a r d t , f r e u d i g d a n k e n d , I I . F e b r u a r I 8 6 0 : ' D a s s in m e i n e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n , namentlich in e i n i g e n A b s c h n i t t e n des A u f s a t z e s ü b e r den K o g g e n w o l f m a n c h e s noch s c h ü l e r h a f t b r e i t g e r a t h e n i s t , empfinde ich s e l b s t . Auch das b e g r e i f e ich s e h r wohl, d a s s I h n e n vieles, was ich g e s a g t , s a n g u i n i s c h und idealistisch v o r k o m m e n m u s s , so wie, dass ich in A n w e n d u n g der Gesetze, die ich ale d i e r i c h t i g e n e r k a n n t , noch u n g e ü b t u n d nicht scharf g e n u g bin. I c h h a b e e b e n m e i n e r g a n z e n G e i s t e s a n l a g e n a c h eine n ü c h t e r n e Bet r a c h t u n g d e r D i n g e m ü h s a m zu e r k ä m p f e n , a b e r ich r i n g e s t ä t i g d a r n a c h . A u f d e r a n d e r n Seite b i l d e t g e r a d e diese S c h a t t e n s e i t e m e i n e s W e s e n s seine S t ä r k e u n d mein I d e a l i s m u s h i l f t mir im L e b e n S c h w e r e s mit L e i c h t i g k e i t t r a g e n u n d in m e i n e r A r b e i t a u s d a u e r n , er g i b t mir W ä r m e u n d U e b e r r e d u n g s k r a f t und so hoffe ich soll g e r a d e d a d u r c l i es m i r g e l i n g e n m e i n e A g i t a t i o n — wie 8 i e selber es n e n n e n •— zu einem g e d e i h l i c h e n Z i e l e h i n a u s z u f ü h r e n . ' Diese t r e f f e n d e S e l b s t c h a r a k t e r i s t i k d u r f t e h i e r nicht fehlen ! D e r s e l b e B r i e f tliut von den B r u c h s t ü c k e n Meldung, die in H a u p t s Ζs. 1 2 , 5 3 0 g e d r u c k t u n d b e s p r o c h e n s i n d ; und d a m i t b e s c h ä f t i g e n »ich auoh B r i e f e M ö l l e n h o f f s vom 18. F e b r u a r und 16. M ä r z , Briefe M a n n h a r d t s vom 28. F e b r u a r , β. März, 22. März 1865. E i n S c h r e i b e n M a n n h a r d t s vom 18. D e c e m b e r 18H5 meldet, welche M ä n n e r a u s s e r h a l b D e u t s c h l a n d s f ü r die S a m m l u n g der E r n t e g e b r ä u c h e ihm h ü l f r e i c h e H a n d leisten. Zum S c h l u s s : ' W e l c h einen h e r b e n V e r l a s t h a t d o c h die W i s s e n s c h a f t so plötzlich d u r c h den T o d B a r t h s e r litten. E s ist e r s c h ü t t e r n d , d a s s d i e in s e i n e m Geiste a u f g e h ä u f t e n F r ü c h t e so l a n g e r h e l d e n m ü t h i g e r A n s t r e n g u n g e n nun g r o s s e n t h e i l s f ü r i m m e r v e r l o r e n sein sollen.' H i e r a u f e i n e l a n g e P a u s e . Im Mai 1871 ein Besuch M a n n h a r d t s in B e r l i n , u n d a m 13. O c t o b e r ein a u s f ü h r l i c h e r Brief, den Möllenhoff a m 16. O c t o b e r s o g l e i c h e r w i d e r t . M a n n h a r d t spricht a u s , wie sehr ihn d a s Z u s a m m e n s e i n mit Möllenhoff und H a u p t , ihre l i e b r e i c h e T h e i l n a h m e , i h r e f r e u n d l i c h e A n e r k e n n u n g e r q u i c k t und e r m u t h i g t h a b e n : ' W i e w a r m , wie i n n i g ich I h r e G ü t e e m p f i n d e n m u s s , w e r d e n Sie e r messen, w e n n Sie sich meine g a n z isolirte L a g e v e r g e g e n w ä r t i g e n . V o n d e r F a c h p r e s s e t o d t g e s c h w i e g e n , von n i e m a n d e m öffentlich a n e r k a n n t , v o n k e i n e m h i e r v e r s t a n d e n , sieht m a n mich K r a f t , Zeit u n d E r s p a i nisse a n s c h e i n e n d e r f o l g l o s e i n e r v e r m e i n t l i c h g a n z u n n ü t z e n u n d u n f r u c h t b a r e n S a c h e w i d m e n — alles das w ü r d e mich nicht a n f e c h t e n ,

VORREDE.

XXI

abet· ich sehe ein Mutterherz täglich leiden bei dem O e d a n k e n , dass ihr doch nicht Ranz u n b e g a b t e r Sohn es zu g a r nichts in der W e l t g e b r a c h t hat, nicht einmal zu dem Einkommen eines H a n d w e r k s g e s e l l e n . Und ich kann ihr doch nicht h e l f e n , denn wenn ich auch jetzt noch mich dazu bequemen und f ü r E r w e r b arbeitend ein bescheidenes aber bequemes und sicheres Auskommen als Lehrer mir e r r i n g e n wollte, so d ü r f t e ich das n i c h t , da es eine E h r e n s a c h e w ä r e , die zwanzig J a h r e lang g e t r a g e n e Fahne nicht zu vorlassen. Aber b a n g e und f ü r Augenblicke mutlilos kann man unter solchen Umständon wohl oinnial werden, und da h a t Ihro liebevolle Begegnung mich auf* nono a u f g e r i c h t e t und zu treuem Ausharren ermuntert und meine H o f f n u n g nou b e l e b t , dass es meiner schwachen K r a f t doch noch gelingen w e r d e ein W e r k h i n a u s zuführen, welches einigen und zwar nicht blos augenblicklichen W e r t h haben und mit der Zeit billig denkenden Bcurtheilern moine Lebensa r b e i t als nicht ganz v e r g e b l i c h , nichtig und inhaltsleer erscheinen lassen werde. Seit I h r e , H a u p t s und einiger a n d e r e r u r t h e i l s f ä h i g e r M ä n n e r Zustimmung mir die innere G e w ä h r g i b t , dass ich nicht aus eitler Selbstüberhebung mir einbilde auf rechtem W e g e zu sein , g e reicht mir umeomehr Ihr Beispiel zur Aufrichtung, der Sie Ihre grosson im ersten Bando der Alterthumskundo niedergelegten F o r s c h u n g e n ein g a n z e s Menschenalter gepflegt haben und reifen Hessen, ohne sich ans dein Gerede der ungeduldigen Menge etwas zu machen.' Um diese Zeit h a t t e ei a n g e f a n g e n , die a n t i k e n Culto aus den nordeuropäischen Gebräuchen zu erläutern, und offenbar h i e r f ü r Möllenhoffs und H a u p t s Beifall gewonnen. E r m e l d e t , es seien nun schon 30—40 Fälle, in denen er grossentheils bis ins Einzelne hinein U e b e r stimmung zwischen den antiken Ackerbauculten und den nordischen Bräuchen 'mit gleicher Bestimmtheit wie bei den Chthonien und bei dem Octoberross' nachweisen könne. Dio A b h a n d l u n g Uber die Chthonien u n d das Octoberross waren also wohl am frühesten e n t s t a n d e n ; über das letztere T h e m a gibt er eingehende Mittheilungen. U n d am 31. D e c e m b e r 1871 schreibt e r : 'Meine bisherigen E r f a h r u n g e n bei d e r A u s a r b e i t u n g s t ä r k e n meine Zuversicht, dass die nämlichen K a p i t e l der Mythologie, welohe schon Creuzer, Voss, Lobeck, Preller vorzugsweise b e s c h ä f t i g t haben, der Ausgangspunct einer allmählich zur L ö s u n g d e r wichtigsten P r o b l e m e dieser W i s s e n s c h a f t f ü h r e n d e n E n t w i c k e l u n g sein w e r d e n . Ich bin f r e u d i g g e s p a n n t (wenn auch nicht g a n z ohne d a s B a n g e n , welches das Bewusstsein der Möglichkeit einer S e l b s t t ä u s c h u n g bei j e d e m , der das menschliche Leben einigermassen k e n n t , e r z e u g e n muss) auf Ihre und anderer Urtheilsfähiger Mitfreude, wenn Sie sehen, wie einfach und k l a r sich f a s t a u s n a h m s l o s die T h a t s a c h e n des Demeter- und Dionysoscultus und -Glaubens und was d a r u m u n d daran h ä n g t zu e r k l ä r e n scheinen und in ihren Analogien belegen lassen mit Hilfe weniger wirklichem Volksgebrauch abgewonnener Gesichtspuncte und blosser Zusammenstellung der echten U e b e r l i e f e r u n g a u s den Quellen ohne das Beiwerk von Buch zu Buch mitgeschleppter d a r a n -

XXII

VORREDE.

g e k n ü p f t e r Combinationcn. Ich fühle, dass ich etwas Grösseres in die W e l t schicken muss, was nicht blos einen ganz engen Kreis interessirt; die F o r s c h u n g erscheint reif g e n u g , um sich nn das Licht wagen zu d ü r f e n . So will ich noch d u r c h d r u n g e n r o n der W ä r m e , welche die O f f e n b a r u n g eines schönen und einheitlichen Zusammenhanges mir einflöeste (die dem schrittweise erlangten Verständniss der einzelnen Stücke des a g r a r i s c h e n G l a u b e n s gefolgt i s t ) zu Papier b r i n g e n , was nach einigen J a h r e n a b g e k l ä r t e r , aber nicht mehr so frisch dem Leser e n t g e g e n t r e t e n würde.' W i e schade, dass ihm dies nicht gelungen i s t ! I m Mai 1871 bei Mannhardts Anwesenheit in Berlin wurde zwischen ihm und Müllenhoff eine E i n g a b e an den Cultusminiater verabrodet, d u r c h welche dem Mythologen ein kleines tixes J a h r e s e i n k o m m e n gesichert w e r d e n sollte. Im August s a n d t e M a n n h a r d t diese Kingabo a b , wie aus dem Brief vom 13. October e r h e l l t . Darüber handeln Möllenhoffs Briefe vom 16. October und 25. December, welche günstigen E r f o l g in Aussicht s t e l l e n , Möllenhoffs Brief vom 15. März 1872 und M a n n h a r d t s Brief vom 16. März 187*2, die sich auf die e r f o l g t e Bewilligung beziehen. In einer N a c h s c h r i f t f r a g t Müllenhoff am 16. O c t o b e r : 'Kennen Sie T y l o r R e s e a r c h e s into the early hist, of m a n k i n d ? und sein neuestes W e r k Primitive c u l t u r e ? Das ist ein sehr gescheiter und sehr v e r s t ä n d i g e r M a n n , von dem Sie ohne Zweifel auch f ü r Ihren Zweck m a n c h e s l e r n e n u n d e r f a h r e n k ö n n t e n , wenn Sie mit ihm a n k n ü p f t e n . ' M a n n h a r d t e r w i d e r t (16. F e b r u a r 1873): 'Grossen D a n k sage ich Ihnen f ü r den Hinweis auf Tylors primitive culture, ein Buch das im Verein mit W a i t z A n t h r o p o l o g i e f ü r mich von hohem Nutzen geworden ist, u n s e r e F o r s c h u n g e n begegnen sich auf halbem W e g e und die E r g e b niese beider stimmen in e r f r e u l i c h e r Weise zneammen.' Vergi. W a l d und Feldoulto 2, X X I I . In domselben Briefe meldot e r , dass er die N e r t h u s in u n s e r e m Volksgebrauch wiedorgefunden zu haben glaubt-, und dies f ü h r t er am 22. F e b r u a r näher aus (vergi. W a l d - und Feldculte 1, 567 fT.). I m L a u f e des J a h r e s 1873, vielleicht im H e r b s t , ist M a n n h a r d t wieder in Berlin gewesen, und ein Brief vom 15. J a n u a r 1874 k n ü p f t d a r a n an. K r a n k h e i t hatte ihn dazwischen wieder einmal muthloe gemacht. Die E r g e b n i s s e seiner Arbeit erschienen ihm als unsicher. Die vermeintliche U n z u l ä n g l i c h k e i t seiner K r a f t , seines Wissens und Könnens fiel ihm mit C e n t n e r l a s t auf die Seele. Der Abgrund einer t r a u r i g e n und trostlosen Z u k u n f t t h a t sich vor ihm auf. Wesentlich trugen dazu die w i e d e r h o l t e n E r w ä g u n g e n der Schwierigkeiten bei, die neben einer R e i h e a n s c h e i n e n d unumstösslicher und in einander greifender E r k e n n t nisse d e r h o m e r i s c h e H y m n u s auf Demeter der tiefer d r i n g e n d e n F o r s c h u n g entgegenstellte. 'Doch' f ä h r t er fort 'was half das Zagen, die L o s u n g hiess Vorwärts und mehrere harte Knoten haben sich mir, g l a u b e ich, schon b e f r i e d i g e n d gelöst, a n d e r e werde ich stehen lassen m ü s s e n ; a b e r das bietet ein R ä t h s e l , von welchem S t a n d p u n o t man

VOBBEDE.

τττττ

auch die Geschichte der Eleusinien belrachte. Die Ueberlieferung ist zu l ü c k e n h a f t , die Quellen sind theilweise zu sehr g e t r ü b t , zu wenig sicher nach ihrer Herkunft scheidbar und classifìcirbar, um den Versuch wagen zu dürfen, alles in die Reihe stellen zu wollen.' Sehr erfreulich und förderlich ist ihm bei diesen Studien der Umgang mit Eugen P l e w , einem Schüler von L e h r s , der sehr glücklich in F r a g e n der griechischen Mythologie einbegriffen h a t , durch seine U n t e r suchungen über die Kentauren sich direct mit M a n n h a r d t s Forschtingen berührte, aber schon am 16. September 1878 starb (vergi. Altpreussischo Monatsschrift N. F. 18, 97). Kin Brief vom 27- J u n i 1874 ist vor der Reise nach Stockholm zum Archäologen - Congress geschrieben. Der erste Band der W a l d uml Feldculte war damals im Druck und ward am 30. December an Möllenhoff geschickt, dem er gewidmet w a r : 'Die Widmung möge Ihnen sogen' schrieb Mannhardt 'wie tief ich empfinde, was ich Ihnen Allee zu danken habe, und wenn mich in F u r c h t und Hoffnung ein V e r l a n g e n bewegt, so ist es dies, dass die dargebotene G a b e nioht ganz unwerth erscheinen möge des liebevollen und vertrauenden E i n t r e t e n s f ü r mich und meine Sache, dessen Sie mich gewürdigt haben, und Ihres Namens, mit dem sich meine Schrift an der S t i m e geschmückt h a t . Um mich Ihnen mit meiner ganzen kleinen Person vorzuführen, e r l a u b e ich mir, meinen Zeilen ein Lichtbild hinzuzufügen, welches ich — das erste Heit langen J a h r e n — nach meiner Rückkehr aus Stockholm für das von den Mitgliedern dos Congresses an Hans Hildebrand gestiftete Album anfertigen licss. Auch diese schwedische Reise d a n k e ich I h r e r Freundschaft. Es war duroh das liebenswürdige Entgegenkommen der schwedischen Gelehrten, j a des schwedischen Volkes eine sehr angenehme, durch herrliohe Feste in der lieblichsten N a t u r versohönte Zeit die ich im Augustmonat dort verlebte.' Möllenhoff antwortete am 3. J a n u a r 187Ö: 'Lieber, guter, theuror Freund ! "Wie soll ich Ihnen danken ! Gestern — erst gestern — wird mir Ihr Packet gebracht und während ich mit tausend Dingen, wie eie der Jahreswechsel in meinem Haushalt mit sioh bringt, beschäftigt bin, mir n i c h t auf den Tisch, sondern in irgend eine Ecke g e l e g t : ioh absolvire erst meine Gesohäfte, dann kommen andere, ß e s u o h e u. 8. w. Nachmittags muss ich in die Singakademie eilen, um Adlers V o r t r a g über Erwin von Steinbach mit a n z u h ö r e n , da er mich selbst als Urtheiler berufen l.atte, dann hatte ich in Haupte Nachlass bei Mayer und MQUer zu w ü h l e n , wa9 die ganzen Ferien Ober sich verschoben h a t t e , endlich kommen Abends S o h e r e r , Nitzsch und eine Reihe j u n g e r Freunde — es war j a Sonnabend — und ich vergesse vollständig das Packet, das ich im Gewühl kaum gesehen hatte. Erst soeben als ich in mein Zimmer trete und mir meine erste Morgenpfeife bereiten will, fällt es mir in die Hände, ich sehe 'Danzig' aufgeklebt, uun erst ahne ich was es enthält, aber doch nicht g a n z : die grösste Ueberraschung kam e r s t , als ich die H ü l l e a b g e r i s s e n , eine

XXIV

VORREDE.

tiefe h e r l l i c h e R ü h r u n g , ilie mir J u s Auge feucht machte und die Arme a u s s t r e c k e n liées, um Sie zu fassen und Ihnen mit einem Drui-k zu sagen, w a s das l'npier nicht vermag. Aber es treibt mich doch Ihnen gleich zu erzählen wie es mir mit Ihrem Geschenk e r g a n g e n ist. Haben Sie tausend D a n k ! Ich h a t t e in der letzten Zeit Uber allerlei Arbeiten Ihr Buch u n d d a s Erscheinen desselben fast ganz v e r g e s s e n , und auch o h n e W i d m u n g wäre es f ü r mich eine grosse U e b e r r a s c h u n g und Freud« gewesen. U e b e r d a s Buch und seinen I n h a l t kann ich I h n e n n a t ü r lich noch niohts s a g e n , ich will I h n e n nur meine F r e u d e d a r ü b e r und meinen D a n k aussprechen. Das weitere wird demnächst folgen, Bollii M als i r g e n d möglich worde ich es durchleson und I h n e n dann schreiben.' Dazu ist es a b e r doch eigentlich nicht gekommen. Mannhardt k l a g t am 21. März 1875, dass er über seinen ersten Band noch von k e i n e r 8eite e t w a s g e h ö r t h a b e , weder Zustimmung noch Ablehnung. Um so e r n s t e r nimmt er es mit dem zweiton Band« und antieipirt in b e s c h e i d e n e r Weise d a s Urtheil über den ersten. F a s t unvermittelt g e b t e r zu einer politischen B e t r a c h t u n g ü b e r : 'Mit innerster Theiln a h m e und S p a n n u n g , mit B a n g e n nicht f ü r den allerletzten Ausgang, wohl a b e r f ü r das Schicksal unseres Volkes und der Civilisation in der nächsten Z u k u n f t , folgt mein Herz den Phasen des gewaltigen K a m p f e s g e g e n die R ö m l i n g e , einem Knmpfe, dem in stiller bescheidener um die n ä c h s t e p r a k t i s c h e V e r w e r t h u n g noch u n b e k ü m m e r t e r Arbeit geistige Hilfsmittel zuzubereiten die innerste T r i e b f e d e r j a auch meiner g a n z e n T h ä t i g k e i t ist. W i e schlagend und k l a r war in diesen T a g e n Qneists R e d e ü b e r die Unmöglichkeit zweier souveräner Kirchen im S t a a t e u n d ü b e r die V e r d i e n s t e des monarchischen Staates um U n schädlichmachung der faulen Consequenzen des westfälischen Friedens, und wie h a t die Gehässigkeit d e r Ultramontanen s o f o r t seine Aussprüche v e r d r e h t u n d zur D r o h u n g dos Religionskrieges a u s g e b e u t e t ! ' Am 19. August 1875 übersendet er seine in der Zeitschrift f ü r E t h n o l o g i e erschienene A b h a n d l u n g über lettische Sonnenmythen und äussert n e u e Sehnsucht, zu e r f a h r e n , was denn Müllenhoff eigentlich zu seinem 'Baumcultus', dem ersten B a n d e der W a l d - und F e l d c u l t e s a g e . Möllenhoff a n t w o r t e t a m 19. September : 'Zu meinem grossen Leidwesen muss ich I h n e n das B e k e n n t n i s s , das b e s c h ä m e n d e , a b l e g e n , dass ich I h r e n Baumcultus noch nicht einmal ganz ausgelesen habe.' E r sei noch nicht übor 200 Seiten hinausgekommen, bis dahin abor gefalle ihm die A r b e i t sehr und er wünsche dem F r e u n d alles Glück dazu. Steinmeyer und ich hätten ihn g e b e t e n , das Buch im Anzeiger f ü r deutsches A l t e r t h u m zu recensiren. 'Aber' f ä h r t er f o r t ich werde mit d e n J a h r e n immer träger, langsamer und unproduetiver, und wenn ich I h r Buch besprechen soll, so müsste es von der principiellen, nicht d e r materiellen Seite s e i n , und die principielle Seite wird sich wohl erst mit dem nächsten Theile in ihrem vollen Lichte zeigen. I h r e lettischen S o n n e n m y t h e n h a b e ich noch weniger vornehmen k ö n n e n , aber ich verspreohe I h n e n beilig, ioh werde meine Mueseetunden auf I h r e n Baum-

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cult us und die S o n n e n m y t h e n v e r w e n d e n u n d d a n n e r n s t l i c h ü b e r l e g e n , ob ich e t w a s v e r n ü n f t i g e s d a r ü b e r z u s a g e n h a b e o d e r n u r zu d a n k e n h a b e . ' Zu W e i h n a c h t e n 1875 odor N e u j a h r 1876 w a r d a n n M a n n h a r d t w i e d e r in Berlin u n d ich t r a f mit ihm d o r t z u s a m m e n . M ö l l e n h o f f und ich m ü s s e n e i n m a l g e m e i n s c h a f t l i c h seine S o n n e n m y t h e n mit i h m d i s c u t i r ! h a b e n , in welchem S i n n , e r g i b t M a n n h a r d t s B r i e f a n M ö l l e n h o f f vom 7. Mai 1876: ' W i e re bei s o l c h e n S t r o i t f r a g e n l e i c h t zu g e h e n pflegt, lies» mich die N o t w e n d i g k e i t , mich g e g e n I h r e mir u n e r w a r t e t e n B e d e n k e n hinsichtlich d e s G a n z e n m e i n e r l e t t i s c h e n S o n n e n l i e d e r zu r e c h t f e r t i g e n , nicht zu dein Gestiiiidniss k o m m e n , d a s s m i r solbst b e i dor A u e d e h n u n g , welche die S o n n e n m y t h o l o g i e u n t e r nieinen V e r g l u i c h n n g e n g e w i n n e n w o l l t e , n i c h t b e h a g l i c h zu M u t h e s e i , d a s s ich dies a l s eino A r t s c h m e r z l i c h e r N i e d e r l a g e e m p f i n d e , insofern«! b e i E r ö f f n u n g e i n e s n e u e n G e s i c h t p u n c t c s s o f o r t von a l l e n Seiten z u s t r ö m e n d e r Htoff sich demselben unterzuordnen d r ä n g t , also die b e t r ü b e n d e G e f a h r u n v e r m e i d l i c h e r s c h e i n t , a u s Allem Alles zu m a c h e n . ü m s o m e h r h a b e ich, d a es mir j a doch n'ir um A u f f i n d u n g d e r W a h r h e i t zu t h u n ist u n d d a ich auf I h r U r t h e i l den h ö c h s t e n W e r t h l e g e , i m m e r u n d i m m e r w i e d e r I h r e n und S c h e r e r s a n g e d e u t e t e n W i d e r s p r u c h m i r im K o p f e h e r u m g e h e n lassen u n d d e n G r ü n d e n d e s s e l b e n n a c h g e s p ü r t . Indem ich m i r a b e r z u g l e i c h s a g t e , d a s s Sie beide in d i e s e r s p e c i e l l e n S a c h o n o c h n i c h t , wie i c h , zu H a u s e sein noch m e i n e A r b e i t ( w a s g e w i s s kein V o r w u r f soin s o l l ) d u r c h s t u d i r t h a b e n k o n n t e n wie sie es will, f a s s t e ich w i e d e r Muth, d a ich a u c h bei e r n s t e s t e r P r ü f u n g mich ü b e r z e u g e n zu d ü r f e n g l a u b t e , d a s s im g a n z e n und g r o s s e n m e i n e U n t e r suchung; nicht u n n ü t z , n o c h u n w i s s e n s c h a f t l i c h g e f ü h r t ist. l o h bin weit e n t f e r n t , a l l e M y t h e n mit K u h n , S c h w a r t z u n d M. M ü l l e r s a m m t i h r e r S c h u l e f ü r p s y c h i s c h e R e f l e x e von N a t u r e r s c h e i n u n g e n zu h a l t e n , n o c h w e n i g e r ausschliesslich f ü r h i m m l i s c h e ( s o l a r e o d e r m e t e o r i s c h e ) ; ich h a b e g e l e r n t die d i c h t e r i s c h e u n d l i t t e r a r i s c h e P r o d u c t i o n a l s w e s e n t liche F a c t o r e n in d e r A u s b i l d u n g d e r M y t h o l o g i e zu w ü r d i g e n u n d d i e a u s d i e s e m S a c h v e r h a l t f o l g e n d e n C o n s e q u e n z e n zu z i e h e n u n d in A n w e n d u n g zu b r i n g e n . A b e r a n d e r e r s e i t s h a l t e i c h f ü r g e w i s s , d a s s ein Theil d e r älteren Mythen aus Naturpoesie h e r v o r g i n g , die uns nicht m e h r u n m i t t e l b a r v e r s t ä n d l i c h ist, s o n d e r n d u r c h A n a l o g i e n e r s c h l o s s e n w e r d e n muss, w e l c h e noch k e i n e s w e g s h i s t o r i s c h e I d e n t i t ä t zu v e r r a t h e n b r a u c h e n , s o n d e r n η ir g l e i c h e A u f f a s s u n g s a r t u n d A n l a g e a u f ä h n l i c h e r E n t w i c k e l u n g s s t u f e b e k u n d e n . U n t e r diesen N a t u r m y t h e n b e z i e h e n s i c h e i n i g e a u f die Z u s t ü n d e u n d d a s L e b e n d e r S o n n e . D i e e r s t e n S c h r i t t e zu i h r e m V e r s t ä n d n i s s w e r d e n g e f ö r d e r t d u r c h e i n e n o c h n i c h t d u r c h kunstmässige Dichterreflexion getrübte Naturpoesie, wie die lottische, wo a u s g e s p r o c h e n e r m a s s e n zum s o l a r e n K r e i s o g o h ö r i g e m y t h i s c h e P e r s ö n l i c h k e i t e n zu e i n e r g r o s s e n A n z a h l p o e t i s c h e r V e r b i l d l i c h u n g e n in Beziehung gesetzt werden, f ü r welche folgerichtig zunächst auch aus demselben N a t u r g e b i e t eine D e u t u n g versucht w e r d e n muss. . . . Meine M e t h o d e ist h i e r d i e s e l b e wie in d e m B a u m c u l t u s ; ich g e b e ron

XXVI

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e i n e m g e g e b e n e n g a n z e n C o m p l e x τ o n T h a t e a c h e n , deren I d e e n k r e U im allgemeinen bekannt und deutlich ist, also festen Anhalt f ü r die Einzelerklärung bietet, aus und e r l ä u t e r e ihn zunächst nus sich selbst und durch sichere Analogien, von da fortschreitend suche ich D u n k l e r e s aufzuhellen. Ich suche die einfachsten Orundvorstellungen und Anschauungen, die Keimzellen auf, aus deren Zusammenwuchs sich in sehr verschiedener W e i s e mythische Krzählungen bilden. Dass ich es lernte, wo litterarische Tradition ins Spiel k o m m t , zuers£ und vor allem historische Kritik zu Qben, sollen Sie mir hoffentlich nach Erscheinen dee zweiten B a n d e s der Feld- und Waldculte bezeugen diirfun ; bei den andeutenden und leicht hingeworfenen Vergleichen der Diosk u r e n - und A r g o n a u t e n s a g e ist das n i c h t , so wie es sollte und wie es ohne eine tiefere und umständliche Untersuchung auch nicht geschehen kann, in dem erwünschten Masse geschehen, und ich glaube, das vermissen Sie mit R e c h t . . . . J e d e s f a l l s danke ich Ihnen die A n r e g u n g zu v e r s c h ä r f t e r W a c h s a m k e i t und Behutsamkeit in Bezug auf j e d e Combination, und ich d a n k e Ihnen dies von Herzen, habe daraus auch schon f ü r die Sehlussredaction des zweiten Bandes Nutzen gezogen, d e r hoffentlich besser im Stande sein wird, von vorneherein Ihren Beifall zu gewinnen.' Diesen zweiten Band ü b e r s a n d t e er am 6. December 1876 mit e r n e u e r t e r Bitte um Recension. Möllenhoff a b e r bittet seinerseits j e t z t 10. December 1876, ihn seines, wie er sagt, voreiligen Versprechens zu entbinden. 'Ich bin nicht mehr leistungsfähig', meint er, 'und wenn ich es w ä r e , so habe ich bei dem ersten Bande g e l e r n t , dass ich zu einer Beurtheilung Ihres W e r k e s mich wenig schicke ; ich komme von einer ganz a n d e r e n Seite an die Dinge und würde Sie n u r in Hineicht d e r Methode vornehmen k ö n n e n ; dabei a b e r würde mir doch g a r s e h r fehlen, dass ich in dem Bereich des Volksglaubens und der neueren Volksüberlieferungen seit J a h r e n nicht f o r t g e a r b e i t e t und fortgesammelt h a b e . Sie b r a u c h e n a b e r diesmal ganz gewiss nicht zu s o r g e n , dass Sie nicht besprochen w e r d e n , von Seilen der classischen Philologen gewiss! Sie können a b e r eine völlig sachkundige Beurtheilung ü b e r h a u p t kaum e r w a r t e n , da >^ie auf einem von keinem oder nur wenigen b e t r e t e n e n W e g e und zum Theil mit neuem Material arbeiten. Was Sie gefunden und bringen, nehmen wir d a n k b a r an und machen es uns nach und n a c h zu Nutzen. I h r Buch wird allmählich wirken, a b e r e r w a r t e n Sie keinen r a s c h e n Erfolg. Qott gebe nur, dass Urnen Muth und K r a f t zum W e i t e r a r b e i t e n nicht fehlen ! Dass Sie nicht vergeblich a r b e i t e n und wenn auch nicht schnell, doch desto nachhaltiger wirken werden, des können Sie gewiss sein!' Mannhardt d a n k t kurz in einer Neujahrskarte. Mittlerweile hatte ich die Recension f ü r den Anzeiger ü b e r nommen, auch in der Deutschen Rundschau auf Mannhardts W i r k e n hingewiesen ; und dies, so wie eine A n f r a g e über b r u n n e n t r i n k e n d e Drachen, die ich mit Bezug auf D e n k m . X X X V . 5 b an ihn r i c h t e t e , führte zu

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XXVII

einer etwas lebhafteren Correspondenz zwischen uns, aus der ich nur folgen le Sätze Mannhardts (vom 23. J u n i 1877) um ihres sachlichen Interesses willen anführe : "Ich sitze jetzt mitten in der Arbeit über den Demetcrcult und hoffe, dass dies die reifste meiner bisherigen Veröffentlichungen werden wird. Eine dabei gelegentlich gemachte Beobachtung möchte ich Ihnen zur P r ü f u n g mittheilen. Ist irgend ein Hinderniss vorhanden, das rätheelhafte Wort Phol im zweiten Mersch. Zauberspruch für cinc (des fremdklingeuden Namens wegen angenommene) Schreibung statt Yol zu erklären? Nimmt man das an, su entsteht 1) R e i n e Allitteration zu vuoron. 2) Treffender Paralleliemus zu Z. 4 Vol und Wodan Volla und Fría 3) Vol eine Personification dem Sinne nach wie griech. Plutos (Erntefülle, dann Wohlstand in Friedenszeit), der Form nach wie der heilige Tumbo im Strassburger Bluteegen gebildet, als Synonym zu Paitar (Baldr) 'potens begreiflich, scharfer Gegensatz zu dem den Wohlstand vernichtenden Kriege Hadu (HöEtr). Wie sehr trotz alle« Heldenthums den Altgermanen schon früh die Anerkennung der durch die Haus und Hof verwüstenden Fehden bedrohten Segnungen des Friedens geläufig war, zeigen Formeln und Eigennamen wie freoduvebbe, Frithugairns, Fritliureike, Sigufrit. Der in Frieden genossene und geschützte Wohlstand ist die Grundlage alles höheren und edleren Lebens ; daher wird Baldr 'der Gute'. Mögen Götter und Menschen sieb verschworen h a b e n , ihn aufrecht zu erhalten und nicht zu v e r s e h r e n , der geringfügigste Vorwand und Anlass genügt ihn zu m o r d e n , wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. Da haben Sie modern ausgedrückt den Keim der Baldermvthe. Meiner Auffassung k o m m t , was Weinhold Zu. 7, 57 auseinandergesetzt hat, fast ganz nahe. Lieberlegen Sie sich die Sache einmal und bei Gelegenheit lassen Sie mich Ihre Meinung hören.' Ich will nicht u n t e r d r ü c k e n , was ich sofort (am 27. Juni 1877) antwortete: 'Ihre Bemerkung über Phol brauche ich mir g a r nicht zu überlegen. Fol statt Phol fordert die Allitteration — ich habe das Müllenhoff einmal oder wiederholt gesagt ; er hats nicht aeeeptirt i warum, weiss ich nicht mehr. Auch der allgemeine Gedanke Aber Frieden stimmt vollkommen mit meiner Ansicht, wie sie sich mir seit ein puar J a h r e n bei Gelegenheit der Behandlung des Nibelungenmythus feststellte. HöClr ist nichts andres als der Krieg. Siegfried als Schlussglied des sich selbst aufreibenden Sieg- und Krieggeschlechtes scheint mir ein Ausfluss der Friedensschneucht eines im ununterbrochenen Krieg umhergeworfenen Volkes. Doch sind alle m e i n e Gedanken hierüber noch unreif. Ich wag es auch im Colleg nur sie a n z u d e u t e n . . . . Das Recht zu der ganzen Auffassung entnehme ich aus Müllenhoffs sicherer Behandlung der ags. Saxnot-Genealogie mit den Schlachtbegriffen. Sie wissen, bei Schmidt VIII, auch Zs. 11, 291 f. Ich wünschte also recht sehr, dass Sie den Gedanken ausführen.'

XX Vili

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Möllenhoffs C o r r e s p o n d e s mit Mannhardt r u h t e nun bis in den A n f a n g des J a h r e s 1879, wo Möllenhoff (am 18. J a n u a r ) ihn nach der m a t e r dcum der Aestier b e f r a g t e und die Antwort erhielt, die er in der Zs. 2 4 , 159—168 ihrem wesentlichen I n h a l t e nach abdrucken liess. M a n n h a r d t s Z u r ü c k f ü h r u n g der Taciteischen Nachricht auf die E b e r a m u l e t e der Aestier (a. a. O. 167) eignete sich Möllenhoff vollständig an und n a h m eie in den zweiten Band der Alterthumekunde a u f , wie er dem F r e u n d am 23. F e b r u a r meldet. Im Sommer 1879, während der F ç r i e n , kam M a n n h a r d t , sein· k r a n k , auf der Röckreise aus Holstein, wo er vergeblich Erholung gesucht, durch Berlin und bat Möllenhoff wie mich, ihn im Hotel aufzusuchen, weil er nur so uns sehen und sprechen könne — 'wer weiss, ob es nicht das letzte Mal im Leben wäre' ; so schrieb er fast gleichlautend an uns beide. W i r w a r e n beide verreist und haben ihn nicht mehr gesehen. Mannhardts letzter Brief ist vom 11. October 1880 und enthält e r s t den Dank f ü r den D r u c k des Aufsatzes über die m a t e r deum der Aestier nebst dem Bericht über einen langen und jammervollen K r a n k heitszustand, der ihm alles Arbeiten verbot. Jetzt aber glaubte er zur W i e d e r a u f n a h m e seiner T h ä t i g k e i t im Stande zu sein. Möllenhoffs A n t w o r t vom 18. October 1880 klingt f r o h t h e i l n e h m e n d , was Mannh a r d t , aber ebenfalls sehr trübe, was die eigenen Verhältnisse a n l a n g t : ' L i e b e r , t h e u r e r F r e u n d ! Lassen Sie mich gleich der F r e u d e meines H e r z e n s Ausdruck geben über I h r e n in diesem Augenblick eingetroffenen B r i e f ! Ich kann wohl s a g e n und Sie werden es mir glauben, dass ich seit dem vorigen F r ü h j a h r mit Ihnen gelitten habe. J e d e s m a l , wenn ich a n Sie erinnert wurde und I h r e r g e d a c h t e , sei es allein f ü r mich, sei es im Gespräch mit andern, befiel auch mich eine Beklemmung und eine schwere L a s t b e d r ü c k t e mir das Herz. Die ist n u n , Gott sei es g e d a n k t ! wenn auch nicht a b g e w ä l z t , doch gelüftet und mit I h n e n empfinde ich ganz die F r e u d e der neuen Hoffnung und des neuen Muthes, die I h n e n a u f g e g a n g e n ist. Gott erhalte sie I h n e n und lasse es wirklich nun bald g a n z besser w e r d e n , damit Sie I h r e Arbeiten wieder a u f n e h m e n k ö n n e n . . . . Mir selbst e r g e h t es nicht s o , wie die Leute glauben, die mich allezeit wegen meines Aussehens beglückwünschen. Die Arbeit geht mir, j e länger, j e mehr, immer langsamer und f r e u d loser von der H a n d , dazu kommen die Hindernisse, dass ich f ü r Dinge in Anspruoh genommen w e r d e , die nur von aussen a n mich h e r a n g e b r a c h t werden. So sind mir die g a n z e n Ferien diesmal verloren gegangen. Und mehr und mehr verdunkeln sich mir die A u g e n , so dass es schwer hält an der alten Mahnung f e s t z u h a l t e n : W i r k e t dieweil es T a g ist. Doch stille davon !' Mannhardts Hoffnungen waren trügerisch. Er s t a r b wenige Monate d a r n a c h , am 25. December 1880 im Alter von noch nicht ganz fünfzig Jahren. Müllenhcffs B e f ü r c h t u n g e n aber w a r m nur zu g e g r ü n d e t . D a s

VORREDE.

XXIX

A u g e n l i c h t h a t t e er zuletzt f a s t g a n z c i n g e b ü e s t . E s w a r im W e r k , ihm eine r e g e l m ä s s i g e U n t e r s t ü t z u n g bei d e r A l t e r t l i u m s k u n d e zu schaffen, die ihm j e d e A n s t r e n g u n g d e r A u g e n e r s p a r t und ein r a s c h e r e s F o r t s c h r e i t e n seines L e b e n s w e r k e s g e s i c h e r t h ä t t e , als p'ötzlich E r s c h e i n u n g e n d e r A p h a s i e a u f t r a t e n und e r n a c h und n a c h dem G r a b e n t g e g e n g e f ü h r t w u r d e . Kr s t a r b a m 19. F e b r u a r 1884. E r h a t t e noch für M i m n h a r d t s N a c h l a s s g e s o r g t , so weit es ihm zukam. D a s v o r l i e g e n d e l i e f t , f ü r dessen ä u s s e r e H e r s t e l l u n g er H e r r n Dr. P a t z i g g e w a n n , legt djivon Zeugnis* ab. Die h a n d s c h r i f t l i c h e n S a m m l u n g e n M a n n h a r d t s befinden sich auf d e r hiesigen U n i v e r s i t ä t s bibliothek. Die D e n k m ä l e r d e r l e t t o p r e u s s i s c h e n M y t h o l o g i e , die M a n n h a r d t fast g a n z a u s g e a r b e i t e t h i n t e r l i e s s , wird H e r r Bibliothekar Dr. Berkholz in R i g a , auf dessen M i t a r b e i t von v o r n h e r e i n dabei g e r e c h n e t war, noch im Laufe dieses J a h r e s h e r a u s g e b e n . In der C o r r e s p o n d e · » Müllenhoffs ü b e r M a n n h a r d t s N a c h l a s s finde ich die A e u s s e r u n g : 'Hoffen wir, dass die g a n z e A r b e i t , die uns bevors t e h t , zu einem alle b e f r i e d i g e n d e n , f r o h e n E n d e g e f ü h r t w e r d e unii dass es uns g e l i n g e , dem t h e u r e n V e r s t o r b e n e n n o c h Ein D e n k m a l zu e r r i c h t e n zu d e n e n , die er sich schon selbst g e s e t z t h a t und das zugleich a u c h eine M a h n u n g an die Z u k u n f t a u s s p r i c h t , was er ihr zu thun h i n t e r l a s s e n h a t . ' Möge vor a l l e m von dem v o r l i e g e n d e n B a n d eine solche W i r k u n g ausgehen! W e l c h e r h o h e R a n g Möllenhoff u n t e r d e n M y t h o l o g c n z u k o m m t , zeigt neben dem f ü n f t e n Hand der A l t e r t l i u m s k u n d e und m e h r e r e n ä l t e r e n Aufsätzen a u c h d e r A n f a n g dieser V o r r e d e . W e l c h e n hohen R a n g er seinerseits M a n n h a r d t e i n r ä u m t , e r h e l l t aus den brieflichen A e u s s e r u n g e n , die ich m i t t h e i l t e , und k ö n n t e ich a u c h ohne solche Aeusserungen bezeugen. M a n n h a r d t s A r t , die V o l k s ü b e r l i e f e r u u g zu s a m m e l n , und d e r G e b r a u c h , den e r d a v o n m a c h t e , um a n t i k e Culte zu e r l ä u t e r n , h a t t e , von M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n im einzelnen a b g e s e h e n , seinen e n t s c h i e d e n e n Beifall. E r fing e r s t a n , persönlich sich r e c h t für ihn zu e r w ä r m e n , als er ihn in d e r W i s s e n s c h a f t auf so g u t e m W e g e sah. W e n d e t sich e r s t einmal das I n t e r e s s e w e i t e r e r K r e i s e wieder den m y t h o l o g i s c h e n F r a g e n zu, f ä l l t yon d e m v e r b r e i t e t e n Antheil an den a b e r g l ä u b i s c h e n M e i n u n g e n d e r N a t u r v ö l k e r a u c h f ü r die v e r w a n d t e n und l e i c h t e r e r f o r s c h b a r e n h e i m a t l i c h e n V o l k s ü b e r l i e f e r u n g e n e t w a s ab : so wird m a n e r k e n n e n , dass nie j e m a n d mit g r ö s s e r e m E r n s t und g r ö s s e r e m E r f o l g seine K r a f t auf dieses G e b i e t c o n c e n t r i r t u n d durch sein Beispiel d e r Z u k u n f t g r ö s s e r e A u f g a b e n g e s t e l l t h a t , als Wilhelm M a n n h a r d t . H e r r Dr. H e r m a n n P a t z i g ä u s s e r t sich ü b e r seine T h S t i g k e i t , wie f o l g t : · 'Die v o r l i e g e n d e n A b h a n d l u n g e n M a n n h a r d t s , b e s t i m m t , den d r i t t e n Band seiner W a l d - und F e l d c u l t e zu bilden, von d e m e r a m 23. S e p t e m b e r

XXX

VORREDE.

1877 schrieb, dass er frühestens im Sommer 1878 in Druck gehen würde, waren mit Ausnahme des wichtigsten Kapitels V (und VI), welches noch der 'Ausarbeitung' h a r r t e , schon vor Herausgabe des zweiten Bandes im Qrossen und Oanzen abgeschlossen, wie sie auch in demselben schon angekündigt sind (AWF. V. vergi. S. 282. 315. 344. Ueber die Thesmophorien findet sich im Nachlass nichts). Kap. VI sollte mich der ersten Anlage Unterabtheilung eines den Koremythus behandelnden Abschnittes werden, wie aus folgender auf einem Blatte des Nachlasse» enthaltenen Skizze zu ersehen ist: 1) Horn. Hymnus. 2) Demeter: a. Name. b. Wesen, c. Kornmuttcr. d. Demeter Erinnys. 3) Kore: a. Persephone, b. Kore-Mädchen. c. Kornkind und Kornmaid (jungfer). e. Erichthonios. Pluto, f. Kind = Korn. g. Kornbraut und Kornbriiutigam. 4) Verbindung von Demeter und Kore u. s. w. Später wurde es an die Vorbemerkungen zu Kap. V angereiht, schliesslich aber nebst einem Stücke des Bindegliedes eliminirt. In welchem Zusammenhange es noch verwendet werden sollte, deutet jene Notiz an. In den Kap. I—IV wurden die Verweisungen auf A W F . , welche zum Theil schon vom Verfaeser selbst eingetragen waren, vervollständigt, andererseits Stellen, welche im zweiten Bande schon vorweggenommen waren, auegeschieden. Die Ueberschriften von Kap. V und VI stammen, wie Abtheilung und Benennung der Paragraphen des dritten und vierten Kapitels. Inhaltsverzeichniss und Register von dem Herausgeber. Sachliche Aendcrungen wurden nur im Nothfall und bei völliger Evidenz mit möglichst schonender Hand gewagt. Ausfüllung von Lücken und Zusätze sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht ; die sehr zahlreichen Richtigstellungen von Namensformen und Citaten, welche letztere bis auf wenige unerreichbare nachgeschlagen wurden, sowie selbstverständliche Aenderungen im Ausdruck zu bezeichnen, erschien zwecklos und störend. Von grossem Nutzen waren die Fragmente des ersten Concepts, die oft gegenüber der späteren zum Theil durch Dictât- und Copistenfehler entstellten Fassung das Richtige boten und, wo vorhanden, benutzt wurden. Etwa dennoch stehen gebliebene Fehler möge der gütige Leser entschuldigen. An einigen Stellen, die der Verfasser höchst wahrscheinlich noch geändert haben würde, war es Pflicht des Herausgebers, sich zu bescheiden.' Den Titel des Heftes habe ich nach meiner ursprünglichen Ver= einbarung mit Möllenhoff gewählt, der allerdings zuletzt 'Ländliche Bräuche diesseit und antike Culte jenseit der Alpen' wünschte, aber, wie ich nicht zweifle, sich zum Festhalten an der verabredeten einfacheren Ueberschrift hätte bewegen lassen. B e r l i n , 19. August 1884.

W I L H E L M SCHERER.

I N H A L T .

Erstes Kapitel. Lit y erses. § 1.

§ 2.

§

§ 4.

§ δ.

Das Liti/erseslied und die Lityersessmje. Unsere Quellen Die Lityerseseage Gegenstand dramatischer Behandlung. Deren Reste überliefert in der lexicogrnphisehen und onomastischen Litteratur. Letzte Quellen die Logographen und Kpiker des 5. J a h r h u n d e r t s v. Chr. Der Inhalt der Ueberlieferung Zwiefache Fassung der Sage. Sage vom W e t t m ä h e n bei Pollux, von der Halmeinhüllung und Tödtung eines Fremden bei Sositheus. Zurückführung sämmtlicher übrigen Berichte auf letzteren. Vergleich beider Fassungen. Zergliederung der Lityersessage Aetiologischer Charakter der Sagen von Busiris, Syleus und Lityerses. Die Bildungsgesetze des ätiologischen Mythus. Das Lityergeslied und seine ägyptische Parallele Mañeros. Der Königssohn Lityerses Projection eines gewöhnlichen Schnitters. Sein Drescherappetit. Wettstreit und Einbinden in eine Garbe beim nordeuropäischen Erntebrauch Wettkampf der Arbeiter, beim Schneiden und Binden nicht der Letzte zu sein und so den Alten zu bekommen, der Alte zu werden. Belege für das Einbinden des Schnitters, Bindere, Dreschers des Letzten in Kornhalme, sowie für das seltenere UmherroUen und Begiessen desselben mit Wasser. Austreibung des Vegetationedämone aus der letzten Qarbe. Der Korngeist ein Helfer bei der Erntearbeit. Tödtung des Korngeistes im Erntebrauch Der theriomorphiech als Hase, Hund, Katze, Qeies, Hahn, Widder u. s. w. gedachte GetreidedSmon durch den Sohnitter oder Drescher des L e t z t e n , der anthropomorphiech als Heukerl, Kôrl, Haberl, Wftzerl, Boer, Rugiuboba vergeben-

Soil ί». \

4

11

18

29

XXXII

§ G.

§ 7.

INHALT.

wärtigte Korngeigt beim Dreschen des letzten Gebundes getödtet. Abmähen der Kohlköpfe im Garten des Gutsherrn. Der Fremde in Eniteyebräuchen Einbinden desselben oder des Gutsherrn als Repräsentanten des Korngeistes in eine Garbe und symbolische Tödtung durch Sense oder Dreschflegel. Verschiedene Abschwächungen der Sitte. Der Fremde im niederländischen Krauch als Vertreter des seiner Habe beraubten Vegetntionsdänions auf dem Acker eiligegraben. Krläuterting dir IMyersessuge Der Wurf ins W a s s e r , ein Regeiizauber, auch im nordeuropäischen Brauche nachgewiesen. Die Sage von Lityerses hervorgegangen aus der ätiologischen Deutung in Phrygien g e ü b t e r , nordeuropäischcn Gebräuchen entsprechender Erntesitten. Analogien in den Mythen von Syleus, Hormos und Hyllos (Hylas).

Seite.

32

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Zweites Kapitel. Clithonien

und

Buphonien.

Der Getreidedämon des nordeuropäischen Brauches in Rindsg e s t a l t , als Stier im windbewegten Getreide, als Bulle, Halmetier in den letzten stehengebliebenen Halmen, als Büffelochse, Lümmelochee, polnischer Ochs, Kuli, Mockel in der letzten Garbe gegenwärtig gedacht. Tödtung eines Ochsen zugleich mit dem Schneiden der letzten Halme. W e t t l a u f nach dem ersten im Frühjahr geborenen Kalbe und Schlachten desselben am Ernteschluss. Der Drescher des Letzten als Mockel in Getreidestroh gewickelt, zum lirunnen g e f ü h r t , an einen Baum gebunden, in eine Kuhhaut gesteckt. Tödtung eines Ochsen zugleich mit dein letzten Drischelschlag. Neugeburt oder Wiederbelebung des Dämons der Vegetation im Frühjahr als Kalb, Märzenkalb, Aprilkalb, als Muhkälbchen im wogenden Kornfeld. Das Opfer für Demeter Chthonia zu Hermione. Bericht dee Paueanias. Tödtung von vier Kühen durch vier Greisinnen mit der Sichel. Uebertreibende Darstellung des Aristokles und Aelian. Möglichkeit des von Pausanias geschilderten Herganges. Die Kühe durch die Tödtung mit der Sichel als Repräsentanten des Korngeistes gekennzeichnet. Die Buphonien oder Diipolien. Handlungen des Festes. Der A c k e r s t i e r , mit einem Mahl seiner eigenen GAbe geehrt, sodann getödtet, von allen Cultgenossen verzehrt, durch Auestopfen der Haut gleichsam wiederbelebt ein Abbild des Getreidedämcns.

Γ>8

XXXIII

INHALT.

Drittes Kapitel. D i e L u p e r c a l i e η. Seile.

Der Das

Schauplatz

und die Handlungen

Lupereal.

Ziegen- und Hundsopfer.

Stirn mit Blut und Lachen. Fabius

schanren.

Pictor.

Kacso.

der

Lithobolie.

Feier

Streit

nach Acilius

zweier

Hirten-

Rückschlüsse aus Ovids

Aetiologische Deutung durch Butas. Die Collégien der Cultgenossen.

Brauche seit Caesar und Augustus. Februatio. sehen.

72

der

Die Stiftung des Brauches auf Faunus-Evander

und auf Romulus zurückgeführt. Bericht.

Benetzen

Umlauf und Riemenschlag.

Darstellung Ovids vom Ursprung und

. . . .

des Festes

Der Name

Aenderungen im

Zweck der Begehung.

Juno Lucina als Stifterin des Branches ange-

Förderung der Fruchtbarkeit nicht nur der "Weiber,

sondern auch der Saaten. Der

Name

Luptrei

ftfi

Ableitung von lupus durch Suffix,

Composition aus lupus

unii arceo, aus lupus und hircus. Der

Umlauf

der Böcke

91

Bezeichnung der luperci als creppi. Hermes χοιοφάοο; zu Tanagra. zu Ehren des Faunus. tigor Dämonen.

Analogie im Cuit des

Die Luperealien

ein

Fest

Die Luperci V e r t r e t e r bocksgestal-

Tödtung derselben durch Beetreichen der

Stime mit Blut, Wiederbelebung derselben durch Abwischen des Blutes mit Milch zur Darstellung gebracht.

DAS Lachen

ein Ausdruck der Rückkehr zum Leben. Der

Umlauf

der

100

Wölfe

Der Lupercalienbrauch aus dem Compromise zweier genossenschaften,

der

palatinischen

Quinctier

quirinaliechen Fabier, hervorgegangen. dämonen im Umlauf

der

einen

als

Die

scheinung gebracht.

der

Wachsthums-

Böcke,

anderen als W ö l f e von der A r t der hirpi

und

Cult-

in dem

Sorani

der

zur Er-

Das Hundsopfer, wie aus dem Korn-

hund des nordeuropäischen Brauches, dem römischen Robigalienhund nuf einen

und dem Kornfuchs zu ersehen, zwar ursprünglichen

Hunden, wohl aber dämons zu beziehen.

Umlauf

von

auf die Tödtung

nicht

wolfabwehrenden eines Vegetations-

Häufung von Ceremonien zur Dar-

stellung eines Qedankens. Her

Schlag

113

mit dem Februum

Als Wachsthum fördernde Begehung aus A n a l o g i e n nachgewiesen.

a. Fauna mit dem Myrthenzweige

geschlagen.

Der Faunamythus in den verschiedenen Ueberlieferungen. Das

Fest

der Bona Dea

Fruchtbarkeit (F u .

eine F e i e r zur

von Aeckern

Erhöhung

und Ehefrauen,

der

b. RuthenIH

XXXIV

INHALT.

gehläge an Demeterfesten. c. Die caprotinischen Nonen, ursprünglich ein Erntefest verbunden mit gegenseitigen Schlägen der vor die Thore geeilten F r a u e n und Mägde, d. P a n mit Meerzwiebeln gepeitscht zur Befreiung von "Wachsthum hindernden Mächten. e. Austreibung des P h a r m a k o s an den Thargelien. I.

Riste

LITYERSES Sei h e w w o t eik v e r g a n g e n , Drum weret Sei g e f a n g e n . S c h e n k e n Sei mi 'η Glas B ê r oder W i n , D a n n suit Sei weddcr e r l ö s e t ein.

W e n n Flachs oder Hanf im Freien gebrochen wird und ein Herr' an den Arbeiterinnen vorbeikommt, h ä l t i h m e i n e eine l l a n d v o l l Hanf schüttelnd und a u s b r e i t e n d entg e g e n , indem sie r u f t : Hier scliüttli mcini A e g l a ( A e g n e ) , Den H e r r n nem i gfanga. O f l i n g » inüesset Sie sei, Bis Sic l a n g e t in Sack nei.

(Wurtemberg). 3 g) Das Halmbüschel ist offenbar nur die Abschwächung einer g a n z e n G a r b e . Zu Linden bei Hannover hält m a n n i c h t dem Gutsherrn, wohl aber Fremden, die das Erntefeld besuchen, oder vorüber passirenden Reisenden e i n e g a n z e G a r b e v o r ; sie müssen sich lösen. 'Als ich vor mehreren J a h r e n zwischen Edagsen und Springen an einem Kornfelde vorbeikam, wurde mir von mehreren Binderinnen e i n e Garbe vorgehalten.' Beim Flachsbrechen binden die Frauen dem F r e m d e n eine Riste u m d e n A r m oder, was feiner ist, sie bringen ihm einen Teller, auf dem ein Flachsring mit Blumen verziert liegt; beim Schneiden s t r e i c h t m a n d i e S i c h e l u n d l e g t i Ii m e i n e G a r b e z u F ü s s e n . (Rechtenfleth im Stedingor L a n d e , und faet allgemein im Herzogthum Bremen und Verden). h) Das V o r h a l t e n der Garbe war aber sicher wiederum nur Abschwächung des E i n b i n d e n s in dieselbe, das noch mehrfach erhalten ist. W e r aufs Feld kommt, H e r r oder Fremder, wird in eine Garbe (Bond d. i. Bundt, Neg, Ivnippe af Ivornstraa) gebunden und muss sich mit Trinkgeld lösen (Solör, Norwegen). In der Gegend von Soest wird der Gutsherr, wenn er zum ersten Male zum Flachsbraken kommt, g a n z m i t F l a c h s b e w i c k e l t . Vorübergehende werden ebenfalls von den Brechlerinnen umringt, 3

Meier Sagen a. Schwaben 446 n. 164.

3*

36

KAPITEL

I.

i n F l a c h s e i n g e b u n d e n und müssen Schnaps zahlen (Witschenau,Unteriunthal). 1 F r e m d e w e r d e n m i t S t r o h b ä n d e r n e i n g e f a n g e n und an e i n e G a r b e g e b u n d e n , bis sie sich lösen (Nördlingen im Ries). Dies Anbinden an eine Garbe ist auch eine Art der Darstellung des Korndämons. Vergi. BK. G12. - W e n n j e m a n d , d er ni eli t z u m H o f e g e h ö r t , aber doch so bekannt ist, dass man einen Spass mit ihm wagen darf, a m E r n t e f e l d e v o r b e i K ö n n e n sie g e h t , machen die Schnitter Jagd auf ihn. i h n e r h ä s c h e n , so linden sie ihn in eine Garbe ein mul beissen ihm einer nach dem andern in die Stirn, indem sie ausrufen: 'Tu porteras la clef du champ.' 2 (Brie, Seine et Marne, Isle de France). Letzterer Ausruf wird genau dasselbe sagen, was sonst du hast die letzte Garbe geschnitten oder gebunden', 'du hast den Alten', du bist der Alte'. Der Fremde wird also hier geradezu als ' d e r A l t e ' charakterisirt. i) Ein zarterer Ausdruck für jenes Umschnüren der Fusse mit Kornhalmen oder das Vorlegen von Aehren vor 1

H ö r m a n n a . a. 0 . 40 n. 92. - W e r den letzten W a g e n Heu nach Hauen f ü h r t , inuse den W i e s e n s c h l ü e s e l mit nach H a u s e b r i n g e n . Derselbe wird von W e i d e n h o l z so gross wie möglich g e f e r t i g t und dann am H e u b a u m befestigt. (Oberwullstädt Kr. F r i e d b e r g , Oberhesson). BPÌ der aus Schweden u n d Estlien gemischten B e v ö l k e r u n g von Birkaas auf der Insel N u c k ö in E s t h l a n d wird beim Schneiden oder Mähen des l e t z t e n K e r n s t ü c k s ein grosser W o t t e i f e r rego, indem j e d e r strebt zuerst f e r t i g zu werden, indem er a u s r u f t : ' I c h w i l l n i o h t d e n S c h l ü s s e l h a b e n ' ( j a wil ent h ä w a ligguln) d. i. den Schluss machen. Auch die Binderinnen beeilen e i c h , nicht ' d e n S c h l ü s s e l z u h a b e n ' . I m R g b z . Oppeln, Oberschleaien, muss d e r j e n i g e , welcher beim Schluss dee Auedreschens a l l e r F r ü c h t e d e n l e t z t e n Driechelschlag m a c h t e , zu dem N a c h b a r , dor noch nicht f e r t i g wurde, einen mit U n r a t h g e f ü l l t e n Topf oder e i n e n a l t e n S c h l ü s s e l t r a g e n und mit den W o r t e n auf die Dresohdiele werfen : ' H i e r h a b t i l i r d e n S c h l ü s s e l ! Ein a n d e r m a l f ö r d e r t euch besser!' Wird er dabei erwischt, so bindet m a n ihm ein Büschel Stroh auf den R ü c k e n . — Beim Schluss des Ausd r e s c h e n s wird dem N a c h b a r , der noch nicht fertig ist, ein a u s S t r o h g e f e r t i g t e r S c h l ü s s e l auf die T e n n e g e w o r f e n . Bza. Sulzbach, Oberpfalz.

LITYER8E8.

37

dieselben ist die abgeleitete Weise, mit einem Halmbüschel oder Flachswisch die Füsse, Stiefel, Schuhe zu bestreichen oder abzuwischen. In der Umgegend von Soest werden dem Fremden m i t e i n e m K o r n s e i l e d i e F ü s s e z u s a m m e n g e b u n d e n oder d i e S t i e f e l g e p u t z t . Dasselbe geschieht allgemein in Westfalen, in der Rheinprovinz und in mehreren anderen deutschen Landschaften. An die Stelle der Kornhalme ist dann häufig ein Halstuch, eine Schürze oder die ehrerbietig vom Kopf gezogene Mütze getreten. Man spricht dabei : Dem H e r r n zu E h r e n , mir zu N u t z e n , W e r d ' ich d e m H e r r n die S t i e f e l p u t z e n .

'Indien het koorn op het land word gedorscht op een zeil, bestaat in Zeeland de gewoonte, v r e e m d e n , die daarbij komen, d e v o e t e n af t e v e g e n ten einde een drinkgeld te krijgen.' Ausser den Fremden, die vorbeigehen, werden auch dem Mädchen, das am ersten Erntetage das Frühstück aufs Feld bringt, also gleichfalls einer nicht zum Erntepersonal gehörigen Person, die Schuhe mit einem Strohwisch gekehrt, und sie muss Getränk zahlen (Kr. Moers) Beim Hanfbrechen nehmen die Mädchen den Vorübergehenden die Mütze vom Kopf oder putzen ihnen die Stiefel mit Alsen, Abfallen vom Hanf (Kr. Saarlouis). 1 k) Das Schuhabwischen ist zuweilen verbunden mit dem B e i s s e n i n d e n Z e h (vergi, o. S. 36 das Beissen in die Stirn). Wenn die Küchenmagd den R o g g e n m ä h e r n zum ersten Male das Frühstück bringt, b e i s s t ihr jeder Arbeiter in d i e Z e h e n (Grafsch. Limburg; Herscheid Kr. Altena ; Aplerbeck Kr. Dortmund). Wenn die Magd zum ersten Male mit dem Essen zu den Schnittern aufs Feld kommt, droht ihr der Baumeister (Oberknecht) m i t d e m S e n s e n s c h ä r f e r d i e Z e h e n z u h a a r e n . Sie kann sich davon durch Branntwein lösen (Kr. Hamm Rgbz. Arnsberg). Fremden, die das A e h r e n f e l d oder die Dreschtenne besuchen, w i s c h t m a n d i e 1

K o m m t bei d e r H o p f e n e r n t e in K e n t d e r Besucher dee Q u t e h e r r n zum ersten M a l e a u f e F e l d , wird ihm mit H o p f e n b l ä t t e r n aber die S t i e f e l gewiecht, w o f ü r ein T r i n k g e l d e r w a r t e t w i r d . [A d. H . ]

38

KAPITEL

I.

S c h u h e m i t e i n e m A e h r e n b ii s c h e 1 und b e i s s t s i e in d i e Z e h e n (Kr. Meschede). Wahrscheinlich weil um die Fastnachtzeit das Dreschen auf den Bauerhöfen zu Ende ging, finden sich die vorstehenden Gebräuche zuweilen auf Fastnacht und Ostern übertragen. Die Knechte w i s c h e n den Mägden, die Mägde den Knechten die S c h u li e ab, oder beide Geschlechter b e i s s e n s i c h g e g e n s e i t i g i n die Z e h e n (Assinghausen. Zs. f. D. Myth. I 396). Am Fastenmontag b ü r s t e n die Mägde den Knechten die F ü s s e , Tag's darauf schneiden die Knechte den Mägden die Socken von den Strümpfen und b e i s s e n i h n e n d a b e i w o h l a u c h in d i e Z e h e n (Alten-Hundem), während in der Grafschaft Mark am Fastnachtmontag die Mannsleute von den Weibsleuten, am Dienstag die letzteren von den ersteren in die Zehen gebissen werden (Kuhn Westf. Sag. I I 128 n. 388). In Yorkshire in England rauben die jungen Leute den Mädchen, am Ostermontag die Mädchen den Burschen die Schuhe oder Schuhschnallen, falls sie nicht mit einer Gabe sich lösen (Kuhn a. a. 0.). Die Uebertragung vom Schluss der Dreschzeit auf Fastnacht entspricht genau der Uebertragung des Hahnschlagens vom Schluss des Dreschens auf dieselbe Zeit (vergi. Korndäm. S. 16). 1) Vielfach sehen wir einen wohlbegründeten Unterschied gemacht, insofern dann die beschriebenen Gebräuche nur von den G a r b e n b i n d e r n (bezw. Binderinnen) ausgeübt werden, während die H a u e r und S c h n i t t e r sich mit ihren S e n s e n andern Besucher zu thun machen. Die Schnitter treten m i t i h r e n S e n s e n zu dem Herrn oder dem v o r ü b e r g e h e n d e n F r e m d e n und bitten sich ein Trinkgeld aus (Gr. Tessin, Mecklenburg). Wenn der Gutsherr zum ersten Male auf das zu schneidende Getreidefeld kommt, stecken die Arbeiter z w e i S e n s e n k r e u z w e i s e i n d i e E r d e und lassen ihn nicht herein, er muss sich loskaufen (Stockerau uut. d. Mannhartsberge, Oesterreich). Die polnischen Erntearbeiter in der Prov. Preussen gehen um den Besucher herum o d e r l e g e n i h m i h r W e r k z e u g v o r d i e F ü s s e . Wenn der Hausherr oder die Hausfrau zum ersten Male die Mäher auf dem Felde besuchen, tritt der vorderste Mäher vor, l e g t i h n e n

39

LITYER8ES.

d i e S e n s e v o r d i e F ü s s e und sagt mit entblösstem Haupte einen Spruch (FuhleD bei Rinteln Prov. Hessen). Dem zum ersten Male das Erntefeld besuchenden Herrn wird ein F r u c h t s e i l u m d e n A r m g e w u n d e n und e i n e S e n s e u m d i e B e i n e g e h a l t e n (Goldbeck bei Rinteln). Vollständiger noch ist der Gebrauch ζ. B. in Parchenburg Grfsch. Schaumburg Pr. Hessen. Wenn ein Fremder auf dem abzumähenden Erntefelde erscheint, wird demselben von

den Schnittern die Sense vorgelegt.

schreiten

Er muss die Sense iiber-

und ein Trinkgeld geben.

Man s a g t :

Moin H e r r , S i e h a b e n sich v e r g a n g e n ; Mit m e i n e r Senno sein Sie

gefangen.

Durch e i n e K a n n e B i e r o d e r

Wein

Sollen Sie erlöset sein.

Kommt

der Gutsherr

aufs F e l d ,

Irm mit einem Kornbande

so wird

ihm

an eine in die Erde

der

rechte

gesteckte

Sense gebunden (Kr. Stryi, Galizien). Sowohl der Gutsherr a l s d e r F r e m d e werden beim Besuch des Kornfeldes entweder mit einem Kornbande oder mit einem Geräth, das bei der geernteten Frucht gebraucht wird, gefesselt, beim Roggenschnitt also mit R o g g e n h a l m e n g e b u n d e n oder 'in d i e S e n s e g e n o m m e n ' , bei der Heumahd mit einem H e u b a n d e g e s c h n ü r t oder m i t d e r H a r k e f e s t g e h a l t e n (Grfsch. Schaumburg P r . Hessen). In Pommern und Mecklenburg zerfallt die Ceremonie noch reinlich in 2 Acte. Die Schnitter (Hauer) machen Anstalt, den Besucher wie das abzumähende Getreide zu behandeln, die Binderinnen vollziehen an ihm das W e r k des Garbenbindens. Am Morgen des Tages, an welchem angehauen ist, wird der Gutsherr, die Gutsfrau oder e i n F r e m d e r , sobald er aufs Feld kommt oder vorübergeht, von den Mähern empfangen, indem sie, das Gesicht dem Ankommenden zugewandt, die lautschallenden S e n s e n mit dem Streichbrett (Sträks) im Takte s t r e i c h e n (d. h. schärfen, wetzen), als ob sie sich zum Abmähen der Halme zurecht machen. Darauf tritt die V o r b i n d e r i n mit einem Bande hinzu und schlingt ihm dasselbe um den linken Arm. E r muss sich mit Geld lösen (Mecklenburg-Strelitz). Sjobald der Herr oder eine

40

KAPITEL

I.

andere Standesperson aufs Feld kommt oder vorübergeht, hält die ganze Arbeiterschaar in ihrem Geschäfte inno und rückt — die Männer mit ihren Sensen voran — auf den Besucher zu. Am Puñete des Zusammentreffens reihen sich Männer und Frauen hintereinander zur Front auf, indess die ersteren ihre Sensen mit den Bäumen (Schäften) in die Erde stecken (wie es beim Wetzen zu geschehen pflegt), ihre Kopfbedeckungen abnehmen und oben aufhängen. Der Vorhauer tritt vor und sagt einen Spruch. Nach Beendigung desselben s t r e i c h t or m i t s a m m t s e i n e r A b t h e i l u n g m i t t e l s d e s S t r ä k e s r o c h t k r ä f t i g im T a c t e d i e S e n s e , worauf ein jeder wieder sein Haupt bedeckt. Jetzt treten zwei Binderinnen vor. Die eine b i n d e t den Herrn (bezw. den F r e m d e n ) mit Aehren oder mit einem Seidenbande; die andere hält eine gereimte Anrede (Fürstenthum Ratzeburg). Statt des Bandes aus Halmen benutzen die Binderinnen mehrfach schöne, oft mit Blumen und Aehren geschmückte Seidenbänder. Hier einige der von den Schnittern und den Binderinnen gebrauchten Sprüche. In Gr. Silbe Kr. Saazig, Pommern, verlegt man jedem Vorübergehenden oder Vorüberfahrenden mit einem Kornseil den W e g ; die Schnitter schliessen um den Ankommenden einen Kreis und s t r e i c h e n d i e S e n s e n , der Vorhauer spricht: Die Die Das Der

Männer sind gewogen, Sensen sind g e b o t e n ; Korn ist gross und klein, H e r r muss bemähet soin.

Zum Schluss wird das Sensenstreichen wiederholt. In Ramin bei Grombow Kr. Randow Rgbz. Stettin heisst es in der Anrede an den im Kreise der Schnitterstehcnden Ankömmling: Wir wollen den Herrn b e s t r e i o h e n Mit u n s e r m b l a n k e n S c h w e r t , W o m i t man F e l d e r und W i e e o n Schee rt; Wir scheeren Grafen und Fürsten. Arbeiteleute thut'e oftmals dürsten; Schenkt der Herr Bier uud Branntewein, So kann dor Spass bald beendet sein. Ist dieser Wunsch nicht recht, l e t d o c h d e r S t r e i c h ein S c h w e r t o r r e c h t .

41

LITYERSES.

Die Binderin sagt ζ. Β.: Ich sali den H e r r n kommen, Ich habe mir'e vorgenommen, I c Ii w e r d e S i e b i n d e i l Mit lieblichen Dingen, Mit lieblichen Suchen, Viel Compclmente kann ich nicht machen. Ich werde Sie binden fein und f e s t ; Sie w e r d e n sich lösen a u f s a l l e r b e s t .

1

oder : Dem Herrn to Êr, Mî to'n Stopke lier.

Zuweilen besorgen die Schnitter zugleich das Streichen und das Binden des Fremden. So geht. z. B. zu Sckorczyn Kr. Karthaus Rgbz. Danzig der Vorhauer um die zu bindende Person im Kreise herum und spricht, i n d e m e r d i e S e n s e in d i e E r d e s t ü t z t : Dies ist der Tag, den Gott gemacht, λιι d e m ich b i n d e n u n d s c h n ü r e n Ich schnüre nicht zu hart und fest. Bester Herr, verzeihen Sie recht, W a r u m dass ich Sie bitten möcht'. Ich bitte um einen Reichsthaler fein. Wenn's nicht ein Tlialer k a n n sein, Bitt' ich um eine Flasche Branntewein.

Dass nun wirklich d a s Vorbereitung zum M ä h e n Variante der vorstehenden jemand aufs Erntefeld, so

mag.

S t r e i c h e n d e r S e n s e n die bedeutet, dürfte aus folgender Sitten hervorgehen. Kommt wird er gefragt, ob er einen

1 Zu Dammsdorf Kgb. Potsdam bindot sie den Fremden mit einem blauen B a n d e und spricht : Wir haben vernommen, Dass der Herr igt angekommen. W i r wollen ihn binden Mit lieblichen W i n d e n , Mit lieblichem Lachen. Viel Complimente kann ioh nicht machen. Hierauf folgt eine Flasche Wein, Eine g e b r a t e n e Oane und ein halbes Schwein, D a r ü b e r wird der H e r r nicht böse sein. [A. d. H.]

42

KAPITEL I.

Lustigen bestellen wolle. Bejaht er, so m ä h e n d i e A r beiter unter Jolen u n d S c h r e i e n einige Schwaden und fordern dann ein Trinkgeld (Echem Landdr. Lüneburg). Das Schnüren und Binden ist vom Erntebrauch auch auf andere Gelegenheiten, ζ. B. den Hausbau, übergegangen, dort aber nicht ursprünglich, wie ich anderswo eingehend beweisen werde. m) Ganz entsprechende Gebräuche wiederholen sich auf der Dreschdiele. Kommt ein F r e m d e r zur Tenne, so sagt man: 'Skael 'k de e Flaildans lire? Soll ich dich den Flegeltanz lehren? Antwortet er 'ja!', so l e g e n s i e i h m d i e A r m e d e s D r e s c h f l e g e l s u m d e n H a l s (als wäre er eine Korngarbe) und drücken zu, dass ihm fast die Luft vergeht (Wiedingharde, Amt Tondern, Schleswig). In den Kirchspielen Töcksmark und Oestervallskog in Wermland s c h l i n g t m a n H a l m b ä n d e r u m d e n F r e m d e n , der ein Erntefeld besucht. Kommt ein solcher auf die Tenne, während gedroschen wird, so heisst es, man wolle ihn das Tennenlied lehren (at lära honom Lovisan)'; m a n l e g t i h m d e n D r e s c h f l e g e l um d e n H a l s u n d ein H a l m b a n d u m d e n L e i b . Einer fremden Frau, welche auf die Tenne kommt, legt man den Dreschflegel um den Leib und einen Halmkranz um den Hals, man setzt ihr eine Krone von Kornhalmen auf den Kopf und ruft aus : 'Se Sädesfrun ! Se, sa ser Sädestösan ut! Sieh! sieh die Kornfrau! Sieh, so sieht die Kornjungfer aus !' Hier wird der besuchende Fremde wiederum auf die klarste und unzweideutiyste Weise als der Repräsentant des Korngeistes bezeichnet. n) Noch nicht verständlich sind mir folgende Bräuche. Im Osnabrückischen werden z u r E r n t e kommende F r e m d e m e h r m a l s a n K o p f u n d F ü s s e n in d i e H ö h e g e h o b e n . Man nennt das 'upbören (Kuhn Nordd. Sag. 400 n. 111). Derselbe Gebrauch lässt sich in Schottland nachweisen. 1 Kommt jemand auf ein Erntefeld, so suchen 1

T h e E d i n b u r g h C o u r a n t gives t h e following r e p o r t of a n e x t r a o r d i n a r y scene, which t o o k p l a c e on T u e s d a y w e e k a f t e r the t r i a l of r e a p i n g m a c h i n e s , a t C a r b c r r y M a i n s : ' A f t e r t h e c o m p e t i t i o n , a scene o c c u r r e d on the public r o a d l e a d i n g to t h e fields, which m a y b e

43

UTYERSES. ihn zu

vier

handfeste

ergreifen,

halten ihn

zwei

Jungfrauen

(oder

am

zwei

Kopfe,

in w a g e r e c h t e r S t e l l u n g ,

unter ihm durch und gibt Erlegung

eines L ö s e g e l d e s

Die Sitte

heisst

Frauen) an

und

Beinen.

Sie

eine fünfte kriecht

ihm einen Kuss,

wandeln'

unversehens

den

worauf

unter Gelächter (Kr. Simmern

er

entlassen Rgbz.

nach wird.

Coblenz).

A n d e r S a a r im H o c h w a l d u n d H u n d s r ü c k w e r d e n d i e K a u l e n zum Flachsbrechen gewohnheitsmässig

an ö f f e n t l i c h e n

oder Strassen angelegt.

Jeder Vorübergehende,

besondere Rücksichten

es v e r b i e t e n , w i r d v o n d e n

Wegen

wenn

nicht

'Brecher-

s c h e n ' a n g e h a l t e n u n d mit e i n e r H a n d v o l l g e b r e c h t e n F l a c h s e s über

die

Stiefel

lauben zu dürfen,

gewischt.

Glaubt m a n sich das er-

s o wird d e r V o r b e i g e h e n d e

von ein

paar

common enough in the district, but wliioh in the oyes of a s t r a n g e r muet have ccrtainly nppeared very ridiculous. About t h i r t y o r f o r t y o f t h e f e m a l e w o r k e r s employed as 'lifters' in the competition assembled together, and, in the most good-humoured, but determined manner, seized hold of several f a r m e r s as they l e f t the field, a n d hoisted them on their shoulders in the most ludicrous m a n n e r . Theso amazone went about the matter in the coolest way possible, and they did not confine their attention to the f a r m e r s , but one young landed proprietor they once and again surrounded and heaved ehoulderhigh. A p o r t l y looking farmer, not less than 20 stone, suspecting that he was to be made an object of attack, ran off as fast as he was able. He was followed by the females, who soon overtook him, not, however, b e f o r e he had stumbled a n d fallen to the g r o u n d . After h a v i n g raised him up, and satisfied themselves t h a t their victim was none the worse of his fall, the 'lifters' coolly removed his hat and placed it on t h e roadside, s e i z e d h i m b y t h e s h o u l d e r s a n d l e g s , and dandled him about like a plaything. T h e y then released him, placed his hat on his head, and having expressed a hope t h a t he h a d sustained no injur}' by his fall they let him go. Another f a r m e r was chased for a considerable d i s t a n c e , but being lighter of foot t h a n bis n e i g h b o u r , ho escaped Some of the victims purchased their ransom by t h r o w i n g money to their captors, while others submitted to t h e ordeal r a t h e r t h a n pay the black-mail. This continued till all who v e n t u r e d to r a n the gauntlet had left t h e place. T h e custom — which is, nó doubt, looked upon as f u n by the females — is followed, we understand, in some p a r t s of Fife and the N o r t h ; and if wo mistake not, t h e r e is a r e f e r e n c e in Chambers's 'Book of Days' to a similar practice in some districts of E n g l a n d . ' [vergi, das. Sept. 24].

44

KAPITEL I.

jungen Mädchen oder Frauen 'ge h o w a i i z e It', wobei das jüngste Mädchen (Frau) dem so Belästigten auf jede Backe einen K u s s gibt. Gibt er darauf kein Trinkgeld, so ergiessen sich über ihn reichliche Schimpfreden, und gezerrt, mit riss- und fetzenweisen Spuren auf dem Rücken geht er davon. o) Im Lüneburgischen ü b e r h ä u f e n die Schnitter v o r ü b e r g e h e n d e F r e m d e mit den schmutzigsten Schimpfwörtern, bis dieselben ein Trinkgeld geben. Beim Rappsaatdreschen wird der Vorübergehende ebenfalls gewaltig ausgeschimpft (Ostfriesland, Oldenburg ; vergi. Kuhn Nordd. Sag. 399 n. 111. Strackerjan Abergl. a. Oldenb. II 79 n. 365). In Ditmarschen rufen die Schnitter, in Schleswig (Eiderstedt, Husum, Tondern) die Rappsaatdrescher v o r ü b e r g e h e n d e n F r e m d e n das Wort Ή o r b u c k ! ' nach (vergi. A W F . 170). Aus Calabrien berichtet Craven: Ί returned to Gerace by one of those moonlights, which are known only in these latitudes, and which no pen or pencil can pourtray. My path l a y a l o n g some c o r n f i e l d , in w h i c h t h e n a t i v e s w e r e e m p l o y e d i n t h e l a s t l a b o u r s of t h e h a r v e s t , and 1 was not a little surprised t o f i n d m y s e l f s a l u t e d w i t h a v o l l e y of o p p r o b r i o u s e p i t h e t s a n d a b u s i v e l a n g u a g e , uttered in the most threatening voice and accompanied by the most insulting gestures. This extraordinary custom is of the most remote antiquity and o b served t o w a r d s all s t r a n g e r s d u r i n g the h a r v e s t a n d v i n t a g e s e a s o n s ; those, who are apprised of it, will keep their temper as well as their presence of mind, as the loss of either would not only serve as a signal for louder invectives, but prolong a contest, in which success would be as hopeless as undesirable'. 1 Halten wir noch einmal kurze Rückschau auf die vorgeführten Gebräuche, so zeigt sich, dass d e r v o r ü b e r g e h e n d e F r e m d e in denselben ganz die Rolle spielt, welche sonst demjenigen, welcher die letzten Halme schnitt, oder den 1

Naples.

A Tour through the southern Provinces of the Kingdom of By the Hon. Richard Keppel Craven. London 1821 p. 287.

MTYERSES.

45

letzten Drischelschlag machte, zugewiesen wird, d. h. er stfellt den entweichenden Dämon des Getreides dar. Als solcher wird er durch den Namen Sädesfru (o. S. 42), durch die Rede, er trage den Schlüssel des Feldes (o. 8. 3 6 ) , durch die Bezeichnung als Bruder d. h. als mythischer Doppelgänger des Herrn (o. S. 33) ausdrücklich bezeichnet. Er wird durch plötzlichen Ueberfall gehascht, in d i e G a r b e e i n g e b u n d e n , am H a l s e mit e i n e m D r e s c h f l e g e l g e k n i f f e n (will sagen, aus dem Korne herausgedroschen), in die Sense genommen (wie die Halme, in denen der Korngeist immanent ist). Er wird symbolisch mit dem Getreide zugleich geschnitten ( b e m ü h t , o. S. 40); sobald er sich zeigt, schärft man die Sensen zum Schnitt (o. S. 39), man bindet ihn an eine Sense an (o. S. 39), lässt ihn eine solche ü b e r s c h r e i t e n (sie sollte ja eigentlich durch ihn hindurchgehn), oder legt sie an d e n H a l s oder v o r d i e F ü s s e (weil das Getreide entweder oben unter den Aehren oder unten am Boden abgeschnitten wurde). An ihm wird mit der Sense 'S ch we i t e r r e c h t ' geübt (o. S. 40), vor ihm werden einige Schwaden w i r k l i c h g e m ä h t (o. S. 42). Alle diese Handlungen drücken den Gedanken aus, dass er gleich den Halmen gemäht, getödtet werden müsste und das Trinkgeld, mit dem er sich von der Vollziehung dieses Actes loskauft, ergibt sich als ein als Hauptlösung gezahltes Sühngeld. Ursprünglich muss der Brauch sich auf u n b e k a n n t e F r e m d e bezogen haben, welche unvermuthet am Erntefelde vorbeikamen, so dass in ihnen der unsichtbare Dämon des Ackerfeldes leibhaft aufzutauchen den Anschein hatte. Wie die Schnitter ihrerseits, behandeln die B i n d e r und D r e s c h e r ebenfalls den Fremden ganz nach Art der von ihnen bearbeiteten Garbe. Der Schmuck des Kopfes mit einem Aehrenkranze, das Vorhalten eines K o r n - oder F l a c h s b ü n d e l s ist deutlich Abschwächung der Einhüllung in ein solches (o. S. 35); das Streuen der Flachsspreu bezeichnet den Fremden als den aus den Hülsen entsprungenen Korngqist. Ob aber das Umbinden des Armes, des Leibes oder der Knie mit einem einfachen Strohband ursprünglich auch nur ein jüngerer Ersatz der vollständigen Um Wickelung

46

KAI'lTEL I.

mit Kornähren oder Stroh, oder ob es eine Nachbildung der Umschnürung der Garbe mit Strohseilen gewesen ist, wage ich noch nicht zu entscheiden. Die A b w i s c h u n g d e r S c h u h e mit einem Halmsträhn ist wieder nur Abschwächung der Fesselung beider Fiisse mit einem solchen. Dass vorzugsweise d i e F u s s e damit bedacht wurden, mag eine Uebertragung von der durch Vorhalten der Sense bewerkstelligten symbolischen Darstellung des den Fuss der Halme treffenden K o r n s c h n i t t s sein. Das Einbeissen in S t i r n und Z e h e n war vielleicht ebenfalls eine symbolische Darstellung des Einbeissens der Sense oder Sichel in den Körper des Korngeistes; 1 es hat dieselbe aber, da der letztere zugleich xar' ¿ξοχψ· als zeugerisch gedacht wird, eine Umdeutung in erotischem Sinne erfahren, und diese nämliche Beziehung macht sich in den Sitten des Upbörens, Wandeins, Ilowanzelns (o. S. 42 ff.) geltend. Als Dämon der Fruchtbarkeit wird der Korngeist bezw. der ihn darstellende F r e m d e denn auch beim Vorübergehen mit allerlei auf derbe Liebeslust bezüglichen Beiworten augerufen. Eingehende Nachforschungen werden ohne Zweifel herausstellen, dass auch der calabrische Brauch inmitten einer Reihe von Gebräuchen steht, welche ihm die angegebene Bedeutung zuweisen. Die geschilderte Repräsentation des Korngeistes durch den Fremden läuft häufig an denselben Orten neben der anderen Darstellung desselben durch die aus der letzten Garbe gefertigte Kornpuppe oder durch den Schnitter bezw. Binder der letzten Garbe her. Ein derartiger Pleonasmus gehört aber zu den auf dem Gebiet der Volkssitte, zumal des Erntebrauches, ganz gewöhnlich auftretenden Erscheinungen. Verschiedene Varianten oder Modificationen einer und derselben Sitte oder mehrere nächst verwandte Gebräuche, die sich auf irgend einen bestimmten Zeitpunct beziehen, treffen von 1

Schwerlich darf an eine alte Opfersitte g e d a c h t werden von der Art der f o l g e n d e n in Bonny. D a s e l b s t wird a l l e drei Jahre die schönste J u n g f r a u g e o p f e r t ; der Priester, welcher die K r i e g s g e f a n g e n e n zum Opfer schlachtet, b e i s s t a u s d e m N a c k e n d e r s e l b e n e i n S t ü c k a b . Die Glieder w e r d e n zerschnitten, in einem Kessel g e k o c h t und zum E s s e n vertheilt.

LIT Y ERSES.

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verschiedenen Seiten her zusammen und werden, miteinander vermischt oder einfach nebeneinander gestellt, zu einem neuen Ganzen vereinigt. Ueber diese Erscheinung s. unten. Sollte noch irgend ein Zweifel übrig geblieben sein, dass der F r e m d e in diesen Gebräuchen den P f l a n z e n g e i s t darstelle, so wird derselbe völlig schwinden, sobald wir die folgende von Dr. jur. Leonhard von Ysselsteyn aufgezeichnete niederländische Sitte in ihrem Zusammenhange haben verstehen lernen. In Zeeland besteht bei der Ernte der K r a p p w u r z e l n die folgende Gewohnheit. Wenn jemand an e i n e m F e l d e v o r b e i g e h t , w o r a u f K r a p p g r ä b e r (meekrapdelvers) beschäftigt sind und er hat die Verwegenheit ihnen zuzurufen'Krootspillers!' (turbationem, noxam portendentes), 2 so machen zwei der Flinksten, die im voraus dazu bestimmt sind, auf ihn Jagd, ohne dass ihm ein anderer zu Hilfe kommen darf. Bemeistern dieselben sich seiner, so bringen sie ihn auf das Krappfeld u n d g r a b e n i h n u n t e r S p o t t r u f e n z u m m i n d e s t e n bis an d e n U n t e r l e i b in e i n e G r u b e e i n , woraus er sich loskaufen muss. Auch besteht 1

N a c h d e m die K r a p p p f l a n z e ( r u b i a i i n c t o r u m ) zwei S o m m e r u n d einen W i n t e r in der E r d e g e s t e c k t h a t , wird im H e r b s t e ( S e p t e m b e r o d e r October) d a s gelblich g e w o r d e n e K r a u t a b g e s c h n i t t e n u n d d a r a u f die den r o t h e n Farbstoff e n t h a l t e n d e W u r z e l a u s g e g r a b e n . Hierbei ist d a r a u f zu sehen, die W u r z e l n a l l e g a n z u n d u n v e r l e t z t h e r a u s z u b e k o m m e n , weshalb die B e e t e g a n z u n d fleissig u m g e w ü h l t w e r d e n müssen. U e b e r diese B e s t e l l u n g und E r n t e d e s K r a p p f e l d e s s. L . E i n s t e die F a r b e p f l a n z e n . W e i m a r 1852. S. 2 ff., G. C. K a s t , P r a k t . Anw e i s u n g zum A n b a u d e r K r a p p - u n d R ü t h e w u r z e l n . Q u e d l i n b u r g u. Leipzig 1838. S. 3 ff. J D a s W o r t K r o o t s p i l l e r scheint auf den e r s t e n Anschein z u s a m m e n g e s e t z t aus k r o o t , k a r o o t , f r a n z . c a r o t t e ( r o t h e R ü b e , M o h r r ü b e ) und spiller, V e r g e u d e r , Z e r s t ö r e r . M a n m ü s s t e a n n e h m e n , dass der B r a u c h u r s p r ü n g l i c h beim A u s n e h m e n der r o t h e n R ü b e n o d e r R u n k e l r ü b e n g e ü b t und von d o r t mit d e m S c h i m p f w o r t a u f die den r o t h e n Farbstoff enthaltenden Wurzeln der Rubia tinetorum ü b e r t r a g e n s e i . So w ü r d e R o t h w u r ζ e l z e r β t ö r e r in o b i g e m Z u s a m m e n h a n g e i n e n sehr t r e f f e n d e n Sinn g e b e n . D a a b e r die K r a p p w u r z e l ( m e e k r a p ) und r o t h e R ü b e ( k r o o t ) so u n ä h n l i c h s i n d , dass s c h w e r a b z u s e h e n ist, wie j e m a l s die e r s t e r e mit dem N a m e n d e r letzteren bez e i c h n e t sein sollte, d a k r o o t in o b e n s t e h e n d e r U e b e r l i e f e r u n g n i c h t die

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KAPITEL I.

hiebei die höchst unsaubere Gewohnheit, dass die Wurzelgräber v o r dem E i n g e g r a b e n e n i h r e N o t l i d u r f t v e r r i c h t e n (hun gevoeg doen). Zur Erklärung diesee auf den ersten Anschein sehr sonderbaren Brauches ist es erforderlich, dass ich ausser den bisher besprochenen Auffassungen noch einer weiteren Erwähnung thue, wonach der Dämon der Kulturfrucht nicht sowohl als derselben immanent, sondern vielmehr als E i g e n t h ü m e r derselben angesehen wild, so dass die Aberntung des Feldes ihn seines Besitzes beraubt und z u m a r m e n Manne macht (vergi. Korndäm. S. 7 ff 31. 32. A W F . 170). Er wird deshalb mehrfach als 'der a r m e Mann' oder 'die a r m e F r a u charakterisirt. So bleibt in Merkers und Tiefenort bei Eisenach eitie kleine Garbe für d i e a r m e a l t e F r a u ' auf dem Acker stehen; in Marksuhl bei Eisenach aber heisst die in Menschengestalt geformte letzte Garbe selbst 'die a r m e Frau', zu Alt Lest Kr. Liegnitz der Binder der letzten Garbe B e t t e l m a n n . In Flensborgsgaard bei Roeskilde auf Seeland wird die letzte Garbe von alt-

R ü b e b e z e i c h n e n k a n n , u n d k e i n e a n d e r e P f l a n z e , a l s diese, k r o o t heisst oder j e geheissen h a t , so wird es w a h r s c h e i n l i c h , d a s s k r o o t hier kein P f l a n z e n n a m e , s o n d e r n e t w a s a n d e r e s ist. Ich pflichte d a h e r P r o f e s s o r M. de V r i e s bei, d a s s d a s f r a g l i c h e S c h e l t w o r t eine d i a l e k t i s c h e N e b e n f o r m von K r o o t s p o l l e r darstelle. D e r s e l b e h a t t e die G ü t e in einem Briefe die s p r a c h l i c h e R i c h t i g k e i t seiner D e u t u n g durch f o l g e n d e Mitt h e i l u n g e n zu b e g r ü n d e n . Nhd. Κ r o t , k r o d , B e l ä s t i g u n g , ß e d r ä n g u n g , Beschwerde, S c h ä d i g u n g ( t u r b a t i o , v e x a t i o , n o x a , d o l o r ) , v e r g i . G r i m m D W B . V 2412—2414, ist in den F o r m e n c r o e t , c r o o t , crot a u c h im Nl., n a m e n t l i c h im Mnl. ein in d e r s e l b e n B e d e u t u n g wie im N h d . g e w ö h n l i c h e s W o r t , ζ. B. i e m a n d c r o o t e n d e h i n d e r doen ( c r e a r e alicui molestias et n o x a m ) . I n Z e e l a n d , n a m e n t l i c h in d e r G e g e n d von A x e l , wo d e r v e r s t o r b e n e A u f z e i c h n e r o b i g e n G e b r a u c h e s , H e r r von Ysselstein, w o h n t e , wird d a s s c h a r f e è m u n d a r t l i c h in i g e ä n d e r t (De J a g e r , Archief voor N e d e r l . T a a l k . I I 64). Man sagt bringen, k i t t i n g , r i d d e r e n f ü r reinnl. brengen, ketting, redderen, mithin a u c h β p i l l e n f ü r Spellen ( s a g e n , a n k ü n d i g e n ) . Wie m a n s a g t k w a a d Spellen, U e b e l a n k ü n d i g e n , storm Spellen, S t u r m v e r k ü n d i g e n , k ö n n e n k r o o t s p i l l e r s im Axelschen D i a l e k t e r e c h t e i g e n t l i c h d i e S c h ä digung, Belästigung ansagenden (noxam portendenres) bedeuten.

MTYERSES.

49

modischen Bauern zuweilen durch ein Band, welches einen Kopf bildet, in eine rohe Menschengestalt verwandelt und R u g s t ö t t e r (Roggenbettler) benannt. Im südlichen Schonen lieisst d i e l e t z t e K o r n g a r b e , welche gebunden wird, S t à d a r e n , S t â t a r e n (Bettler):* man macht sie grösser als die andern und stellt sie mitten auf den Garbenhaufen. An einigen Stellen wird sie vom Binder des Letzten m i t Kleidungsstücken ausgerüstet. Derselbe sitzt am Julabend am Ende des Tisches und erhält grössere Portionen als die übrigen. Neben ihm sitzt wieder ein bekleideter S t r o h m a n n , der S t a d a r e . ' 1 Im Kreise Olmütz in Mähren heisst die letzte Garbe Z e b r a k ( B e t t l e r ) , ein altes W e i b erhält sie, das damit auf einem F u s s nach Hause hinken muss (.vergi, die lahme Geiss. A W F . 165). Auch im K r . Jlradisch in Mähren heisst Zebrak (Bettler) die letzte G a r b e ; sie wird kleiner gemacht als die übrigen. Bei solcher Auffassung ist es erklärlich, dass der vorübergehende Fremde, als Repräsentant des Fruchtgeistes sieh geberdend, den Erntearbeitern zuruft: S c h a d e n v e r k ü n d e r ! " Sie berauben ihn j a diebisch seines Eigenthurns, das Erscheinen auf dem Erntefelde verkündet ihm die grösstmögliche Verwirrung und Schädigung, seine mit N o t w e n d i g k e i t eintretende gänzliche Armuth. Ihnen liegt aber daran, ihn auf dem Acker, der Stätte seiner Wirksamkeit festzuhalten, damit er den Ernteertrag nicht wieder aus der Vorrathskammer entführe (Korndäm. S. 8). Deshalb graben sie ihn daselbst in d i e E r d e e i n . Geradeso wird der Repräsentant des dämonischen Getreidehahns auf dem Erntefelde b i s a n d e n H a l s in d i e E r d e g e g r a b e u (Korndäm. 15. IG). Damit aber der R a u b trotzdem unbelästigt geschehen könne, verrichten die Arbeiter jene unflätige Cérémonie, welche in vollkommenster Weise die Probe auf unsere Deutung macht. E s ist bekanntlich eine alte abergläubische Diebsregel, am Orte der That seine Nothdurft zu verrichten; so lange der Koth warm ist» bleiben die Räuber ungestört. Man findet die Beweise, dass ' Rietz Ordbok öfver Svenska Allmogesprakot. L u n d 18Í57 s. v. Stàtare, und sonstige liss. Mittheilungen von P r o p s t Rietz. QK. LI. 4

50

KAPITEL I.

dieses Verfahren geübt wurde, nicht selten vor. 1 Ich selbst erinnere mich ζ. B. eines Falles in Berlin aus (lein Jahre 1860 und eines anderen in Danzig aus dem Jahre 1876.

§ 7.

ERLÄUTERUNG DER LITYERSESSAGE.

Wir sind nunmehr ausgerüstet den unterbrochenen Faden unserer Untersuchungen über Lityerses wieder aufzunehmen. Die vorstehenden Blätter lehrten uns, dass der Schnitter der letzten Halme, der Binder der letzten Garbe, der Gutsherr oder ein F r e m d e r als Repräsentant der Kornseele e i n e r Cereinonie mit den E r n t e Werkzeugen u n t e r w o r f e n w i r d , w e l c h e s e i n e T ö d t u n g , E n t h a u p t u n g u. s. w. b i l d l i c h d a r s t e l l t , d a s s m a n i h n in e i n e G a r b e e i n b i n d e t , m i t u n t e r in d e r s e l b e n u m h e r w ä l z t (o. S. 24). Hiezu tritt, d a s s a n i h m z u w e i l e n ein R e g e n z a u b e r v e r ü b t w i r d , indem man ihn mit Wasser begiesst, damiï die Saat des nächsten Jahres nicht an Trockenheit zu Grunde gehe (o. S. 24). Diese Sitte nimmt auch die Form an, dass die in Halme gehüllte oder mit einem Kornbande bebundene Person zu e i n e m F l u s s e g e f ü h r t u n d i n d i e s e n h i n e i n g e w o r f e n w i r d (vergi. BK. 214. 215). So werden in Tirol demjenigen, welcher den letzten Drischelschlag machte, K o r n h ü l s e n h i n t e r d e n H a l s g e s t e c k t , und man w ü r g t ihn mit e i n e m S t r o h k r a n z e . Ist er von grosser Statur, so meint man, dass im nächsten Jahre das Stroh sehr hoch wachsen werde. Man bindet ihn auf einen Graten und w i r f t i h n s c h l i e s s l i c h i n d e n I n n s t r o m (Yoldere). In Kärnten werden auf der Tenne sowohl dem Drescher, welcher den letzten Schlag that, als derjenigen Person, welche die letzte Garbe auflöste, die H ä n d e u n d Füsse mit einem S t r o h b a n d e zus a m m e n g e b u n d e n und ein K r a n z von S t r o h auf d e n K o p f g e s e t z t . Dann bindet man beide, die Gesichter gegen einander gekehrt (vergi. BK. 481), auf einen Schlitten, ' Wuttke Dout-ielior Volksabergl. 2 Μ:Ι*ΙΙΓΡΙΙ * S .

57.

§ 400.

Toppen

Aberri,

η,

LIT Y ERSES.

51

fährt sie schreiend durcli das ganze Dorf b i s z u m B a c h e , u n d w i r f t s i e h i n e i n . Auch bei den Bulgaren wird die aus der letzten Garbe verfertigte P u p p e ( S h i t a r s k a j a moma. Getreidemutter), nachdem sie durchs Dorf getragen, i η d e η F l u s s g e w o r f e n , um reichlichen Regen oder Thau auf die künftige Aussaat herabzulocken. Die Vebereinstimmungen dieser Bräuche mit der Lityersossage sind so gross, dass es schwer sein müsste dem Schlüsse auszuweichen, ganz ähnliche Erntesitten seien in Phrygien zu Hause gewesen. Ein am Erntefeld vorübergehender Fremder wurde mit der Sichel angefallen, scheinbar zu tödten versucht, in eine Garbe eingebunden, in derselben umhergerollt und schliesslich in einen Bach oder Fluss geworfen. Dies geschah unzweifelhaft an einem vor den übrigen ausgezeichneten Tage der E r n t e , dem T a g e des Erntefestes, der durch Absingung eines feierlichen Ernteliedes und wohl auch durch eine reichlichere Mahlzeit ausgezeichnet war. an der man dem von dem Brauche betroffenen Wanderer eiuen Ehrenantheil gegönnt haben mag. Der Beweggrund zu diesem Brauche kann kein anderer gewesen sein als die Vorstellung, dass beim Kornschnitt das Numen des Getreides getödtet werde. Wollte man sich Rechenschaft geben, wie diese Bräuche entstanden seien, so ergab sich zunächst die Yermuthung, dass einst wirklich F r e m d e von den Schnittern und Bindern getödtet, in eine Garbe eingebunden, ins Wasser geworfen wurden. Da aber schwerlich um Unbekannte soviel Aufhebens gemacht war, dass ihr Gedächtniss in stets erneuter Darstellung fortlebte, musste einen Grossen diese Todesart betroffen haben. Zur pragmatischen Verbindung dieser Elemente bot sich bequem das Schema der Busirissage dar, die einen König auf dieselbe Art umkommen Hess, wie er zuvor alljährlich Fremde ums Leben gebracht, und welche ausserdem wohl in der eiuen oder anderen ihrer Fassungen (o. S. 11 ff.) auch noch durch das ' G a s t m a h l ' , zu dem jener seine Opfer gleissnerisch einlud, einen A n k l a n g an das der Absingung des Lityersesliedes folgende F e s t m a h l gewährte. E s versteht sich, dass diese Combination nur in einem Geiste entstehen konnte, welchem die Busiris4*

52

KAPITEL I.

sage (oder eine Variante derselben! beim Anblicke des Brauches sofort gegenwärtig war; d. h, ein Hellene oder hellenisch gebildeter Phryger ist der Urheber der Lityersessage gewesen. Dass Lityerses den Fremden zur Mitarbeit zwang, gehört wahrscheinlich der weiteren Motivirung des Vorfalles an. Sollte sich jedoch hinter diesem Zuge eine T h a t s a c h e verstecken, so dürfte vergleichsweise entweder an die o. S. 21 ff. angezogenen Vorstellungen, oder an eine dem folgenden Brauche entsprechende Forin der Erntesitte zu denken sein. Zu Hünxe im Clevescheu gibt man dem F r e m d e n das Arbeitsgeräth (die Sense u. s. w.) in die Hand, 'um damit einen Versuch zu machen, to versüken'. Hat er dies gethan, so wischt man ihm die Fusse ab (o. S. 37). Da das mythische Urbild der an den verschiedensten Orten des Landes alljährlich vollzogenen Erntehandlung in der Königsburg Kelainai localisirt wurde, zog dies folgerichtig auch die bestimmte Bezeichnung des Mäanders als des Flusses nach sich, in welchen die in Garben eingebundenen Fremdlinge geworfen wurden. Trotz der genauen Uebereinstimmung der Lityersessage mit mehreren Actionen des nordeuropäischen Erntebrauchs bleibt es — da der Lage der Sache nach ein jedem Zweifel entrückter Beweis nicht erbracht werden kann — zwar Hypothese, dass die letzteren auch in Phrygien geübt und die Veranlassung der Sage gewesen seien. Aber diese Hypothese nimmt den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch. Niemand wird unsere den Sachverhalt auf eine einfache Weise erklärende Lösung des Problems eine kühne oder gewagte nennen dürfen, nachdem wir bereits in den Maibäumen und Sonnwendfeuern dem heutigen iiordeuropa und dem kleinasiatischen Alterthum gemeinsame Typen sicher erwiesen haben, 1 und die Ueberzeugung von der Richtigkeit unserer Aufstellung muss noch wachsen, wenn es sich herausstellt, dass die Analyse einiger anderer Ackergebräuche Kleinasiens das Vorhandensein mehrerer der für Phrygien in An-

' Vergi. AW F. Κιιρ. 4 u. Γ,. Z«. f. I \ A. 22, 7.

LITYER8ES.

53

spruch genommenen Gebräuche auch für nah benachbarte Landschaften bestätigt. Die S y l e u s s a g e (o. S. 12) hat mit der Lityersessage dies gemeinsam, dass sie nach dem Muster der Busirisformel gebildet ist. Aber aucli bei ihr drängt sich dem Forscher sofort die Frage auf, welches die Veranlassung sein konnte die letztere in dieser individuellen Weise auszubilden. W i r antworten, dass augenscheinlich ein Volksbrauch zu Grunde lag, den die Arbeiter beim Umgraben des Weinbergs übten. Iu demselben spielte die üble Behandlung eines vorbeigehenden Fremden die Hauptrolle, und dieser Umstand wurde der Magnet, welcher die Sagformel herbeizog. Den Brauch selbst vermag ich freilich aus Asien nicht zu belegen, wohl aber aus Europa. Schon jene niederländische Sitte beim Wurzelausgraben (o. S. 47) bietet ein Beispiel, sodann vergleicht sich die mit den beleidigendsten Gesten verbundene Beschimpfung der während der Weinlese am Weinberg vorübergehenden Fremdlinge (o. S. 44). Noch mehr, wir wissen aus dem Zeugniss der Alten, dass die Winzer das Schneiteln der Weinstöcke vor Ankunft des Kuckucks, des Frühlingsboteu, der im Volksglauben und Volksbrauch als ein persönliches Wesen, als eine Art Frühlingsdänion aufgefasst wird, 1 besorgt haben sollten. Verspäteten sich nun ihrer welche und wurden nach dieser Zeit v o n e i n e m v o r ü b e r g e h e n d e n W a n d e r e r bei der genannten Arbeit betroffen, so g u c h z t e dieser spottend wie ein Kuckuck und wurde in Erwiderung dessen von ihnen mit den schmutzigsten Schimpfwörtern offenbar erotischer Art (vergi. Horbuck o. S. 44) überschüttet. 2 Ganz analog dem

1

Vergi, meinen Aufsatz über

den Kuckuck Zs. f. D. Myth. I I I

209 ff. 2 Plinius H. N. X V I H 26, 66: In hoc temporig intervallo (zwischen der Frühlings T a g - und Nachtgleiche und dem F r ü h a u f g a n g der Plejaden) XV diebue primis agricolae rapienda sunt, quibug peragendig ante aequinoctium non suffecerit, cum sciat inde tiatam exprobrationem foedam putantium vites per imitationem cantus alitis temporariae, quam cuculum vocant. Dedecus enim habetur opprobriumque meritum, f a i c e m a b i l l a v o l u c r o in v i t e d e p r e h e n d i , ut ob id petulantiae salee etiam cum primo vero ludantiir; auspicio tarnen d e t e s t a b i l e vidontur.

54

KAPITEL I.

Lityersesbrauch und der Krappgräbersitte geberdete der Fremde sich hier als den Frühlingsdämon, den Kuckuck, der die verspäteten Arbeiter überraschte, und musste sich dabei die Vorwürfe gefallen lassen, die seiner angenommenen Rolle entsprachen. 1 Der Kuckuck galt ja als Ehebrecher. Vermuthlich wurde der Spötter, wenn er sich fangen Hess, derb durchgeprügelt. Aehnlicher Brauch wird beim U m g r a b e n der Weinstöcke bestanden haben und der Ertappte mag zur Mitarbeit gezwungen sein. Doch ist letztere Annahme kaum nöthig.

Λ (leo minima quaeque in a g r o naturalibus t r a h u n t u r argumentis. f e r n e r H o r a t . Sat. I 7, 28 : Tum P r a e n e s t i n u s Expressa a r b u s t o Yindemiator Cessisset m u

saleo multoque regerit convicia, et i n v i c t u e , gna compell

Vergi,

fluenti d ur u s cui s a e ρ e v i a t o r ans voce cuculum.

Dazu P o r p h y r : Nam soient levin rustici eircii viam arbusti« vindemiantes a viatoribus cuculi appellari, cum illi provocati (antnm verborum amaritudinem in eos effundunt, ut viatori* illi« cédant, contenti tantum eoe cuculoe iterum atque itcruin appellare. auch Auson. Idyll. X (Moeella) 161: Summis quippe iugis tendentis in ultima clivi Conseritur viridi fluvialis margo Lyaeo Laeta operum plebee, festiniintesquo coloni Vertice nunc sunimo p r o p e r a n t , n u n c deiuge dorso Certantes stolidis clamoribus; i n d u v i a t o r R i p a r u m s u b i e c t a t o r o n s , hint; n a v i t n 1 α b ο η s P r o b r a c a n u i i t s e r i e r t i l t o r i b u s . A'lstrepit ¡Iiis Et rupes et silva t r e m e n s et concaviis umnia. Man gewahrt hier deutlich den uralten U r s p r u n g der gegenseitigen Keckreden und Schiinpfworte, welche noch heutzutage die an T ü b i n g e n auf dem N e c k a r v o r b e i f a h r e n d e n Holzflösser des Schwarzwaldes (Jockeles) und die am Ufer weilenden Studenten sich zuzurufen pflegen. 1 Man bemerke ü b r i g e n s auch die u n v e r k e n n b a r e Oleichartigkeit dieser Sitte, mit dem B r a u c h e , d e n j e n i g e n , welcher sich mit der E r n t e oder dem Dreschen v e r s p ä t e t , durch Hinwerfen einer den Getreided ä m o n (den Alten, Kornwolf, Kornbock u. s. w.) darstellenden S t r o h p u p p e und Ausstoesung der dieser Rolle entsprechenden tliierisehen oder menschlichen Laute zu v e r h ö h n e n .

55

LITYERSES.

In einem anderen Zuge, in d e r H i n a b s t ü r z u n g i n s W a s s e r begegnet sich die Lityersessage mit den Sagen von Β υ r πι o s und H y 11 o s. Die erstere war die ätiologische Erklärung eines mit der Absingung des Liedes Bormos verbundenen Erntegebrauchs der Mariandyner, einer den Griechen in Herakleia am Pontos dienstbaren Völkerschaft. Nymphis, der älteste Zeuge um 250 v. Chr., berichtete sie im ersten Buche seiner Schrift über Herakleia folgendermassen. 1 Die Mariandyner singen gewisse Lieder, in welchen sie einen Bormos anrufen, der in grauer Vorzeit lebte. Er war der Sohn eines reichen und angesehenen Mannes und übertraf an Schönheit und Jugendblüte alle anderen Jünglinge. A l s e r e i n s t , da er b e i m K o r n s c h n i t t d i e A r b e i t e r b e a u f s i c h t i g t e , z u m W a s s e r g i n g , um s e i n e n S c h n i t t e r n e i n e n T r u n k zu h o l e n , v e r s c h w a n d e r p l ö t z l i c h (ßovX0uti>()ι· ύί τοις ίϊεριζονσι

δοΰναι mtïv

y.ai βαδίζοντα

{'ψ' νύωρ

άφίΐνιπ&ήναι). Nun suchen ihn die Landeseinwohuer mit Klagegesang und Anrufungen unter Musikbegleitung. Das Bormoslied war eins mit dem Mañeros der Aegypter. Wie in Aegypten wurde auch wohl hier πληοίον τον όροίγματος gesungen (o. S. 17); der Name Bormos mag, wie Mañeros, Linos, Mamurius aus dem Refrain des Liedes entsprungen sein. D a s V e r s c h w i n d e n d e s J ü n g l i n g s im W a s s e r erklärt sich am einfachsten, wenn wir nach den Analogien o. S. 24. 50 (vergi, den Adonis A W F . 280. 283. 287 ff. und Attis A W F . 295) annehmen, dass dieser Zug die eigenthümliche Deutung eines Gebrauches w a r , wonach zugleich mit der Absingung des Bormosgesanges der G u t s h e r r oder der Aufseher der Arbeiter oder eine Puppe im Wasser verschwand, d. h. in e i n e n B a c h g e w o r f e n w u r d e . Bei Hesych ist das Verschwinden des Bormos oder Mariandynos im Wasser als ein Raub durch die Najaden aufgefasst (Βώρμον

' doijvov

ini

Βοίρμον

ννμφολήπτον

Muotuvôvvùv).

Jüngere Sagen erzählen, er sei auf der Jagd zur Zeit der Ernte umgekommen. 2 1

A t h e n n e u s X I V p. 6 1 9 f. Müller F r a g m . hist. G r a e o . I I I 13.

- V e r g i , die k r i t i s c h e Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r Z e u g n i s s e b e i K ü m m e l H e r a c l e o t i c a S. 12 —IG.

56

KAPITEL I.

Eine genaue Analogie hiezu gewährt der mysische Mythos von Hylas, den schon Kinaithon (Schol. Apoll. Rbod. I 1357) in Verbindung mit Herakles brachte. Als er, um Wasser zu holen, sich zur Quelle niederbeugte, umschlangen ihn die Nymphen und zogen ihn zu sich hinab. Den verschwundenen Liebling suchte Herakles, laut nach Hylas rufend. Am Aekanioseee bei Prusias, ehedem Kios, in Bithvnien bestand noch spät ein Fest, bei dem der Priester an der Quelle, wo Hylas versunken sein sollte, ein Opfer darbrachte, worauf die Festtheilnehmer durch Wald und Berg schweiften und um den Hylassee zogen, indem sie fortwährend den Namen des Entschwundenen hören Hessen. ' Dieses Fest späterer Tage ist vielleicht durch die Sage veranlasst oder beeinflusst, diese selbst aber unzweifelhaft aus einem der Bormossitte ähnlichen Gebrauche entstanden. Schlugen unsere Auseinandersetzungen nicht fehl, so kann es nicht zweifelhaft bleiben, dass die von Sositheus bewahrte Form der Lityersessage eine alte und echte Tradition enthält. Wie steht es um die von Pollux berichtete Version? (o. S. 4). Möglicherweise gibt sie den Inhalt einer die ältere Sage willkürlich abändernden griechischen Dichtung wieder? Bedenkt man jedoch, wie unwahrscheinlich es ist, dass ein jüngerer Dichter die Gestalt des Herakles, wenn er sie bei seinen Vorgängern vorfand, wieder habe fahren lassen, um zu einer weit einfacheren feldmässigen Gestalt der Erzählung zu gelangen, so wird man viel eher geneigt sein, der anderen Möglichkeit den Vorzug zu geben, dass die Erzählung bei Pollux eine der Sosithcanischen parallel laufende, gleich in der Anlage verschiedene Variante der Lityersesfabel war, welche, nach einem ähnlichen Schema wie die andere Fassung concipirt, jene etwas abweichende Form des Erntebrauchs zum Ausgange nahm, wonach nicht der vorübergehende Fremde, sondern der im Wettmähen beim Kornschnitt erlahmende Arbeiter, der sich vom anderen ins Schwad hauen lässt, den Korngeist darstellt (vergi. AWF. 166). Ich werde unten zu zeigen haben, dass in Oldenburg noch im 1

Kämme! n. a. O. S. 25. 2(5.

LITYERSES.

57

17. Jahrh. demjenigen, welcher sich ins Schwad hauen Hess, die Genitalien mit einem Strauche g e p e i t s c h t wurden. Nach gleicher Formel gebildete ätiologische Sagendeutungen v e r s c h i e d e n e r Umstände oder Eigenschaften der nämlichen Handlung oder des nämlichen Gegenstandes sind nicht beispiellos (vergi, u. a. die eng verwandten Sagen zur Erklärung der schwarzen Farbe und des vermeintlichen Durstes des Raben. Zs. f. D. A. 22, IG). Und kein Hinderniss steht, soviel ich sehe, der Annahme im Wege, dass zwei auf die angegebene Weise verschiedene, sonst aber verwandte Sagen über Lityerses durch die Logographen überliefert seien.

KAPITEL

II.

C H T H O N I E N UND B U P H O N I E N .

Vielen Erntegebräuchen Nordeuropas liegt eine weit verbreitete Vorstellung zu Grunde, welche im Schneiden des Getreides den Tod eines geisterhaften, die Vegetation hervorbringenden, thiergestaltigen Wesens erkennen wollte, dessen Leben an das Leben der Pflanzen geknüpft sei (o. S. 2 9 . 30). Aus der Analogie dieser Volksbräuche erklären sich, wie es mir scheint, die griechischen Culte der Chthonien und Buphonien als Nachbildungen d e r T ö d t u n g d e s G e t r e i d e t h i e r s in der Ernte. Die Gestalt des Rindes für den Dämon des Pflanzenwuchses ist auf das Deutlichste aus nordeuropäischem Volksbrauch nachweisbar. Geht der Wind durchs Getreide, so sagt man: ' d e r S t i e r l ä u f t i m K o r n , wói po zboiu chodzï (Conitz, Westpreussen) ; steht das Korn irgendwo sehr dicht und stark, so l i e g t d e r B u l l e i m K o r n ' ( K r . lleiligenbeil, Ostpreussen). Erlahmt ein Erntearbeiter vor Anstrengung, so dass ihm das Kreuz steif wird, so ' s t i e s s i h n d e r B u l l e ' (Kr. Graudenz); in franz. Lothringen (Verdun) heisst es: ' I l a l e t a u r e a u ' , d. h. er ist unversehens auf das im Kornfelde sich aufhaltende göttliche Wesen gestossen, dessen profane Berührung mit Lähmung straft. Bleiben beim Hauen des letzten Beetes unwillkürlich einige Halme stehen, so ergreift sie der Vorhauer und ruft : ' B u l l e ! B u l l e ! ' ( K r . Darkehmen, Ostpreussen). Im Amte Rosenheim in Oberbaiern dagegen wird

CHTHONIEN USD

BL'PHONIEN.

59

demjenigen Bauer, welcher in Yollendung seiner Ernte zurückbleibt, während die Nachbarn schon zu Ende sind, ein sogenannter H a l m s t i e r ' auf den Acker gesetzt. Halme heissen die Stengel des Getreides, welche nach dem Schneiden mit der Sichel noch auf dem Felde stehen bleiben. Diese werden zur Nachtzeit abgemäht, und aus ihnen wird mittels eines Gerüstes von hölzernen Pfählen ein s e h r g r o s s e r S t i e r geformt, den man mit Laubwerk und Blumen ziert und mit einem Zettel behängt, auf welchem der Eigenthümer des Ackers in Knüttelversen lächerlich gemacht wird. Im Kreise Bunzlau gibt man der letzten Garbe zuweilen Thiergestalt, indem mau aus alter Leinwand einen O c h s e n mit Hörnern formt, mit Hede ausstopft und mit Aehren bewickelt. Diese Figur heisst der Alte ( Stary). Im Leitmeritzer Kreise in Böhmen heisst die in Menschengestalt geformte letzte Garbe ' B ü f f e l o c h s e ' und an andern Orten desselben Kreises der letzte Schwaden 'L ü m m e 1 o c h s e' (vergi, das Zeitwort limmen, lom, gelummen, brummen Schindler B W . 2 1 1473), ' p o l n i s c h e r O c h s e ' (polsky will), während in der Schweiz (Thurgau) die letzte Garbe, falls sie gross ist, K u h genannt wird. Durch ganz Schwaben nennt man das letzte Gebund auf dem Ackcr oder einige Halme, die man mit einem Maien geschmückt stehen lässt, ' M o c k e Γ ( K u h ) , der Schnitter der letzten Halme ' h a t ' oder ' b e k o m m t d i e M o c k e l ' , oder wird selbst ' M o c k e l ' (Getreidemockel, Hafermockel, j e nach der Kornart) genannt und bei der Sichelhenke mit den besten Küchlein, einem Erntetrunke und einem Ehrenstraueee bedacht. Da die Kornkuh anthropopathisch gedacht wurde, wird die Mockel vielfach auch durch eine aue Haberähren, Halmen, Gerste und Kornblumen gemachte menschliche (weibliche) Figur dargestellt und derjenigen Person (Knecht oder M a g d ) , welche die letzte Handvoll schuitt, auf den Rücken gebunden. Sie muss die Mockel in den Bauerhof tragen. Auch wer den letzten Schnitt beim Mähen macht, heisst Heurnockel.1 In der Schweiz erhält der Schnitter des letzten 1

Panzer Beitr. z. D. Myth. I I '234 n. 4'2ö ff. Meier Schwab. Sajç.

4 4 0 n. 151 ff. M o c k ,

Mockel

heisst in Schwaben K u h ;

ebtls. 4 4 5

60

KAPITEL

Aehrenbüschels

den Titel

'Schnittermuchel',

II.

Erdmochel' 'Weizen'-

(Canton Korn-

(Canton Zürich, Schaffhauseu), oder gau) und ist Zielscheibe

Aehren

aber

Gallen),

llafermuchel'

' K o r n s t i e 1·'

aller schlechten Spässe.

A c k e r , der geschnitten wird, (Zürich).

St.

heisst

(Thur-

Der letzte

'Muchelacker

Ist man in Pouilly bei Dijon im Begriff die letzten zu

schneiden,

so führt

man

einen

mit

Bändern,

Blumen und Aehren um Hals und Rücken verzierten Ochsen herbei und geleitet ihn um alle vier Seiten des Ackers herum, indem die ganze Schnitterschaar hinter ihm her und um ihn tanzt.

Endlich schneidet jemand a l s T e u f e l verkleidet die

letzten Halme und tödtet sodann den Stier, dessen

Fleisch

t h e i l s zur E r n t e m a h l z e i t v e r z e h r t , theils in gepökeltem Zustande bis zu dem T a g e verwahrt wird, wann d i e lingsauesaat

des

nächsten

Jahres

Früh-

beginnt.

Bei

Pont à Mousson und anderswo wird am T a g e der Beendigung des Kornschnittes, bei Lunéville am Sonntag nachher, Abends ein mit Blumen und Aehren geschmücktes K a l b

und zwar

das erste, w e l c h e s in der W i r t h s c h a f t im F r ü h j a h r g e b o r e n w u r d e , um alle vier Seiten des Bauerhofes dreimal mit einem Köder herumgelockt, oder von Männern mit Ochsenstöcken getrieben, oder von der Bäuerin selbst an einem Strick geführt. A l l e Schnitter mit ihren Geräthschaften folgen. Dann lässt man es frei laufen, d i e hinterher

und

greifen

heisst roi de veau.

Schnitter

danach,

und wer

laufen es hascht,

Endlich wird es feierlich getödtet,

bei

Lunéville von dem im Dorfe wohnenden Handcisjuden. Beim A us d r e s c h e n hintereinander:

des

letzten

'Nous

Gebundes

tuons

le

ruft

man

taureau!'

ebenso heisst es in der Umgegend

zwölfmal

(Auxerre);

von Bordeaux,

wo ein

Fleischer unmittelbar nach dem Kornschnitt einen Ochsen auf dem Acker schlachtet, vom Drescher le taureau!'

des Letzten:

Bei Stallupönen (Provinz Preussen)

'Il a tué ermähnen

sich die Drescher, wenn eine auffallend starke L a g e Getreide il. 162,

Birlinger

Freiburg ist m u g =

Wörterbüclilein

zum Yolksthümlichen

aus S c h w a b e n ,

1862 S. 6 7 ; m a u c h I i in dor S c h w e i z Z u c h i s t i e r . skr. mug

sonare,

lat. m û g - i o

brülle,

lit.

Der

muzul

Stamm

Zuruf

an

K ü h e und K ä l b e r . N e s s e l m a n n W ö r t e r b u c h d e r L i t t a u i s c h e n S p r a c h e 413.

61

CHTHOKIEK UND BUl'HONIEN. kommt:

Ή an

f/ód

(klopp

beim Rappsaatdreschen harkt,

heisst

Dreschen

'de

wird

deeg),

de Farr

Wer

in e i n e E c k e d e s S e g e l s d i e

H ö r 11 b u l l '

als

unde.'1

liggt

M o elee Γ

(Oldenburg). ( Kuh)

Schoten

Auch

bezeichnet,

beim

wer

den

l e t z t e n F l e g e l s c h l a g f a l l e n liess, u n d z w a r j e n a c h d e r F r u c h t als'Gersteumockel, D e r s e l b e wird ganz

Ilafcr mockcl,

in G e t r e i d c s t r o h

über den Kopf einen Stock,

der z w e i Horner

wird von zwei Burschen an Stricken z u m d a m i t er s a u f e n s o l l e . muh!' heisst im

schreien derjenige,

U n t e r w e g s muss

(Wurmlingen).der

die

inuchei. schmause Er wird

Er die in

hat

in

übrigen Stroh

Im

letzte Schütte

Thurgau ' K o r n s t i e r ' ,

Gegend

Zeitlang

gewickelt

und

bekommt

darstellt,

Brunnen er b e s t ä n d i g Canton

nach

'muh!

'Muchel', 'Drescher-

dem

Schluss-

zu

halten.

einen

Baum

zechfrei an

und

geführt,

SchafFhausen

drischt,

im Canton Zürich

letzterer eine

Erbsenmockel'.

cingeflochten,

' H. Frischbier Preussisclie Sprichwörter Beri. 1865 11. 1508. Dns Volk erklärt die !^i!te durch folgenden ätiologischen Mythus. Ein P f a r r e r liess Getr.'iiie dreschen und wollte sich ü b e r zeugen, ob die Drescher auch tüchtig aufschlügen. Zu dem Zwecke legte er sicli unter das auf der T e n n e a u s g e b r e i t e t e Getreide. Die Drescher erhielten davon Kunde, kamen dem P f a r r e r schnell nahe, und der eine rief: Hau gôd u. s. w. — F a r r , F a i r e , d. i. u n v e r s c h n i t t e n e r Ochse, wird von L u t h e r gewöhnlich von dem j u n g e n in frischer K r a f t stehenden Opferthier g e b r a u c h t : 2. Mos. 24, 5. 29, 1. Ps. 69, 32; sonst vom Z u c h t s t i e r : ' W a n n das Kalb nit essen wil, das ist ein Zeichen, das der v a r r , der es gemacht hat, keine liebe zu der mutter h a t . Welche von iron küen frische butter winters vnd sommers wil haben, die soll sie leyten wann sie werben wollen dreymal u m b d e n v a r r e n , und lasse sie ihm beriechen ohn a n r ü r e n ' . Dos Spinnrocken Evangelien Köln 1568- In Preussen war im lö. J a h r h . die Form P f a r r , aus der sich die Entstehung des vorstehenden Märchens noch deutlicher ergibt, g e l ä u f i g : 'Das sie von der Zeit an des geichlachten Stiers oder P f a r r e n ungefehr in sechs oder sieben J a h r e n keine Fische fallen köndten.' Lucas David Preussische Chronik ed. H e n n i g I 120. Auch schon mild, stand neben var stm. plur. varre (Genesis in Graffe Diutisca I I I 84) das h ä r t e r e p f a r r c swm. (Konr. v. W i r z b . T r o j . Kr. 58 b. ρ h a r H o f m a n n S u m c r l a t e n 48). 2

Meier 444 η. 102. vergi. 445 η. 163. Birlinger V o l k s t ü m liches aus Schwaben I I 426 n. 381. 427 n. 383 (f. P a n z e r II 233 n. 427.

62

KAPITKL 11.

des B a u m g a r t e n s gebunden. In der Kreisdirection Dresden (Ressnitz bei Grossenhain) heisst derjenige, der den letzten Drischelschlag macht, H u m s c h ' (Hummel, Zuchtstier). E r muss einen Strohmann machen und dem Nachbarn vors Fenster stellen. Wird er dabei erwischt, so bindet man ihm denselben auf den Rücken. Bei Arad in Ungarn wird der Drescher, welcher den letzten Schlag that, i n S t r o h u n d e i n e K u h h a u t m i t l l ö r n o m eingehüllt, als 'Teufel' bezeichnet, und umhergetrieben. Bei Chambéry ist die letzte Garbe ' l a g e r b e d u j e u n e b o e u f ' , a l l e S e h n i t f e r halten danach einen Wettlauf. W e r sich während der Ernte mit einer Sichel schneidet, hat la blessure du boeuf'. Derjenige, w e l c h e r b e i m K o r n s c h n i t t den l e t z t e n S e n s e n h i e b m a c h t e , hat das Amt, sobald beim Dreschen, wie man sich in Bezug auf den letzten Drisehelschlag ausdrückt ' d e r Ochse getödtet ist', zum Dreschermahl einen wirklichen Ochsen zu schlachten. Es wird deshalb zu jener Ernteverrichtung jedesmal ein starker und zum Metzgen geschickter Mann auserwählt. Das Rind der Vegetation, welches im Hochsommer s t i r b t , wird durch einen gleichartigen Dämon des neuen Jahres abgelöst, der entweder als in der Erntezeit neugezeugt oder geboren, oder als überwintert, während der Wintersonnenwende auf Augenblicke zum Vorschein kommend und im Frühj a h r wieder ins Feld gehend gedacht wurde. Darum sagt man von der (die Kornkuh darstellenden) Binderin, wenn sie ihrem Vorhauer nicht zu folgen v e r m a g : S i e b u l l t ' , s i e muss bullen,' 'er hat ihr einen B u l l e n g e m a c h t ' . Die Knechte rufen ihr zu: ' M i l k d u t H e c k t o , d e B u l l kummt!' und ahmen das Gebrüll eines Bullen n a c h (Kr. P r . H o l l a n d , Heiligenbeil, Königsberg, Labiau, Morungen). Ebenso heisst es bei gleichen Gelegenheiten in Puy-de-Dôme : Il fait le veau'. Aus Berry setze ich die Mittheilung von Laisnel de la Salle hieher: Lorsqu'un lieur de gerbes ne peut pas enserrer avec lieu trop court les javelles, que l'on a disposées en tas pour les mettre en gerbes, il rejette le blé qu'il trouve de trop et se met à c o n t r e f a i r e le b e u g l e m e n t d ' u n e v a c h e . Cela veut dire,

CII rilOSIKN UND

63

BlIPHOSIEN.

que l a g e r b e a f a i t u n v e a u , et cet avertissement, qui ne manque jamais d'exciter l'hilarité des travailleurs, suffit pour qu'aussitôt l'un des javeleurs vienne recueillir l e v e a u , qu'il porte sur l'une des gerbes, qui n'ont pas encore été liées.' 1 Derjenigen, die bei der Arbeit zuerst ermattet, r u f t man zu : ' S e h e t ' η K a l f s m e t e n ' ( K r . Greifswald). Dieses K a l b sieht die Phantasie im Frühling auf Wiesen und Saatfeldern sein Wesen treiben. Iu Oesterreich warnt man die Kinder vor dem ' M ä r z e n k a l b ' da draussen, es ist riesig gross und hat zwei Köpfe;'-' in Saulgau (Schwaben) rufen die Kleineu als Aprilscherz: A p r i l k a l b mit deinen sieben S t a n g e n , d i e s J a h r will ich dich wieder fangen!' 4 Auch in Vorarlberg heisst der in den April Geschickte ' A p r e l l a kalb.'r> Ebenso macht mnn in Schlesien neckend zum Ά ρ r i 1 o c h s e η , Μ a i ο c h s e η'. In der sprossenden S a a t soll sich das M u h k ä 1 b c h e η' sehen lassen und die Kinder stossen; in dem vom W i n d e wallenden Kornfeld geht es herum' (Oesterreich, Neusiedl, Viertel unterm Manuhartsberge). Es ist klar, dass dieses Kalb des neuen Jahres dasselbe Wesen Avar, welches später in dem Kornschnitt getödtet gedacht wurde, weswegen mehrfach ein K a l b oder geradezu d a s e r s t e i m L e n z g e b o r e n e K a l b , wie im französischen Erntebrauch, dasselbe nachbildete (o. S. 60). I n den Bussbüchern finden wir schon bei den F r a n k e n eine Darstellung des Kornkalbes, eine ííeujahrsmaskerade vitulum facere' verboten, und noch heute laufen in Polen verkleidete Bursche als A u e r o c h s e n umher. Und mit hinreichender Sicherheit lässt es sich erweisen, dass die verschiedenen zu Fastnacht, Maitag, Pfingsten und St. Johannis von Bauern, Hirten und den Gilden der Milchmädchen und Metzger veranstalteten Umzüge in Deutschland, Frankreich, E n g l a n d , iu welchen 1

Finnen.

Luisnui ile 1A ?σιταρίς tîf tvSov γραίς αύται την βουν

xat

τ ας f πl·rri'nij; αρχάς x/ri naw'ty

dt ο'ι xui τα frri τω

υβριζουααν

άεσμωνΐ 'ίτίροι S'f αναπίπταμίνας

τοις

υά χ tv fro ν f μ ο'ι ti οχ f i ν

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πϊμτιονπιν

άίομοΤς Tf

προς τον vaòv

αυτη xalfìrm,

' " ύ roi λΐυχην ίη&ητα xtù frrì ταις

oí ταύτη χοπμοαάνάαΖον,

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&ftar χαι ottoi

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χεφαΐαϊς ϊχουιη στεφάνους ' πλέχονται o xaloutnv

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Χτος αγουαι ífV ρ ri ; t f ' ç o v ; ' άγονοι 3f οϋτως ' ryovì· τ \.Ί I

μΐΥ αυτοίς της π ομπης dì Tf tfçftz tfouau',

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π it νρω ν

μ* ν

δρα τ α ι

ναον

γνναιχων

CHTHONIEN UND BUPHONIEN.

dieser vier Kühe wurde, augenscheinlich in Erneuerung alter Sitte, von den nach dem ersten messenischen Kriege aus der argolischen Dryopis nach Messenien verpflanzten Asinäern geliefert. 1 Curtius Annahme hat daher Wahrscheinlichkeit, dass die drei übrigen ebenfalls Städte, Glieder einer ehemaligen dryopiechen Tetrapolis vertraten -, die freilich jenseits unserer historischen Kunde liegt. Dann reichte der hermionische Erntebrauch in die ferne Vorzeit der dorischen Wanderungen zurück, vielleicht noch weiter, wenn die Ansiedelung in vier Städten nur eine Copie einer noch älteren Tetrapolis in der dyropischen Urheimath am Oeta war; vor der politischen und sacralen Einigung der vier Bundesstädte aber muss eine noch ältere Gestalt des Brauches bestanden haben, wonach jeder Gau für sich in der Tödtung der Kuh mit der Sichel ein Heilthum suchte. Der an Ort und Stelle aus Hörensagen geschöpfte Bericht des Pausanias gibt den Eindruck wieder, den die draussen vor dem Tempel zurückbleibende Volksgemeinde von dem gottesdienstlichen Brauche empfing, dessen Einzelheiten im Naos sich ihren Blicken entzogen. Die Schilderung des Festzuges selbst und alles dessen, was vor den Thüren des Heiligthums geschah, dürfen wir als ziemlich genau und erschöpfend betrachten, der von keinem Manne geschaute Vorgang im Innern kam sicherlich nur unvollständig und durch die Phantasie der abergläubig ehrfürchtigen Menge mit einem Nimbus umgeben zu des Periegeten Kenntniss. Die von Aelian de nat. an. X I 4 angeführten Verse itçaaaufviov τη ¿ίημητρι •iïçovoi TÍ fioiv, εφ* ων βοων1 xa't αγαΐματα ουχ hri π ir ο ν η ralla, εγω ουτε *Ερμιονεων αυτών '

ttxóve; εστηχασιν ου noXXai χαι παρε19οντι (σω ai yoàf- αναμενουιίιν ειςεΐα^ναι χα9·Λ εχάοτην riov ayixv αρχαία, *A&r\va xat Λημητηρ. αυτο S't ο αεβουαιν l / f v oùx fi Joy, ου μην ovSt ανηρ "ilo;, οντε ζενος μόνοι St οποίον τί εστίν, al γραε; ϊατωσαν.

1

Bôckh C. J. G. I η. 1193. Die Aeinäer erbieten eich π υ μ π α μ π t ν e¡y xaï α γ f ι ν β ου ν, οπω; fpayfçti 17, Stori τάν re αυγγενειαν χαι φιΧίαν 9f'lti επϊ πίεΐον προάγΐιν. Die Gemeinde τ ο η Hermione beschlieeit, S ¡¿IL αποδέχεται α π ¿¿ti ψ ιλοφρόνως τα ν τ f & υ σία ν, αν μεΙΙει ayttv u πόΖις των Άσιναίων τα ¿ίάματρι τ ρ X&oviç, i xaï ) * χατααταοαι St χαι 9εαροSòxov, οοτις νποδε'ίεται π αραγινομί'νου; τους α υν 9υτας επί τάν &υσιαν των [π αρ' αμμιΊ) Χ & ονείων, * E. Curtius Peloponneso» II 45fi. 467. QF. LI. δ

KAPITEL II.

66

des Aristokles, welcher Paradoxa in poetischer Form, vielleicht auch eine Schrift über die Demeter Hermione (Demeter Chthonia) verfasste, 1 machen die offenbar in der Ferne sei es aus mündlicher Kunde sei es aus litterarischer Quelle (vielleicht einer Schrift moi ίορτών) entnommene auffällige Thatsache der Tödtung des Rindes durch ein schwaches greises Weib vollends zu einem von der Göttin gewirkten, die Macht derselben bezeugenden Wunder. Den Stier, den zehn Männer nicht von der Stelle bringen, führt eine einzige Greisin am Ohre zum Altar; er folgt ihr, wie das Kind der Mutter. Aus dem Segenspruche über Hermione darf nicht gefolgert werden, dass Aristokles ein Localinteresse hatte; er preist die Stätte, weil sie seine Göttin verherrlicht. Aelian vergrössert des Dichters Angabe sogar dahin, die grössten Stiere böten sich selbst zum Opfer an. Gewährt somit auf einen sachlichen Werth zurückgeführt der Hymnus des Aristokles ein unabhängiges Zeugniss für die Opferung der Rinder durch die Priesterinnen, so erheben sich gegen die Art und Weise, wie Pausanias dieselbe geschehen lässt, nicht unerhebliche Bedenken, deren Erwägung zu dem Schlüsse führt, dass er unvollständig unterrichtet war. War es möglich, dass alte schwache Frauen mit unfehlbarer Sicherheit die im Tempel frei umherschweifende Kuh erlegten, ein Amt, welches für einen Matador eine Aufgabe wäre ? Widerspricht doch die Bauart und Einrichtung des griechischen Tempels ganz und gar dem freien Herumlaufen der Thiere, so wie der Aufstellung eines Brandaltares für blutige Opfer im Naos oder der Cella. Auf diesen Punct hat bereits Bötticher Tektonik der Hellenen (1852) II 386. 407 aufmerksam gemacht. Was nun das zuerst ausgesprochene Bedenken betrifft, so versicherten mich jüdische Schächter, welche die Tödtung der Rinder noch heute vermittelst eines Schnitts durch die Kehle mit einem grossen Messer vollziehen, dass diese nicht grosse Kraft erfordernde Operation sehr wohl von einer alten Frau würde verrichtet werden können, vorausgesetzt, dass das Thier nicht frei herumschweife, sondern gehörig festgelegt 1

MOller Fragra, hist Grace. IV 331.

CHTHONIEN UND BUPHONIEN.

67

sei. Bei dem grossen Opferfeste zu Baroda in Indien trennt der Guikowar (König) alljährlich vor dem Altar einem mächtigen Büffel mit einem einzigen Schwertstreich den Kopf vom Rumpfe, aber man muss sich das Thier da~bei festgehalten denken. (Vergi. Globus X X 1871 n. 15 S. 228). Waren also in Ilermione ausser den Priesterinnen keine Opferdiener zugegen, welche die Kuh einfingen und etwa wie im Tempel zu Jerusalem mit am Boden befindlichen Haken festlegten, so muss es eine Vorrichtung gegeben haben, welche ohnedem denselben Zweck erfüllte. Was für eine Vorrichtung dies war, können wir nicht ausmachen. Steht indess eine Vermuthung frei, so möchte ich auf eine Einrichtung rathen von derselben Art, wie sie heute in grossen Schweineschlächtereien in Anwendung gebracht wird. Man denke sich für gewöhnlich entfernte, nur für die Ceremonie des Chthonienopfers hinter der Thüre des Naos errichtete sich nach innen zu immer mehr verengende hölzerne Schranken, zwischen denen das Thier beim weiteren Hineingehen plötzlich festgeklemmt stand und worin es etwa durch eine über seinen Rücken gelegte Klappe noch mehr festgelegt wurde. War nun der tödtliche Schnitt geschehen, so mochte die eine zum Auf- und Zumachen eingerichtete Seite der Barriere zurückgeschlagen werden, und so konnte es veranstaltet sein, dass, wie Pausanias erzählt, a l l e v i e r K ü h e n a c h e i n e r S e i t e h i n f i e l e n . Bötticher möchte annehmen, es sei (wie das von einigen andern Tempeln nachweisbar ist) ausnahmsweise in einem Seitenbau des Tempels eine besondere Opferküche (culina) angebracht gewesen, in der das Opfer stattgefunden habe; dem aber widersprechen die von Pausanias erwähnten Thatsachen, wonach wir uns die Tödtung nahe am Eingange des Naos und in diesem selbst vorgenommen vorstellen müssen. Ich schliesse daraus, dass das Hermionische Opfer zu der seltenen Art der ¿ίπνρα (Hermann Gottesd. Altertb. § 25, 6. § 67, 8) gehörte, mithin einen Brandaltar nicht erforderte und so von dem gewöhnlichen Opferritual einer jüngeren Zeit auffallend abwich. Ergab sich uns auf diese Weise die Schilderung des Pausanias als der Hauptsache nach glaubwürdig, wenngleich in einzelnen Stücken theils lückenhaft, theils durch den Wunder5*

68

KAPITEL II.

glauben des Volkes übertrieben, so ist kein Grund den durchaus charakteristischen Zug, dass die Tödtung der Kühe mit einer S i c h e l geschah, für unthatsächlich zu halten, da niemand das Interesse haben konnte diesen Umstand zu erfinden. Diese Erlegung der Kuh mit der S i c h e l (der Cultue pflegt überall, wenn auch die Id.een unverständlich wurden, wie in andern Formen, so in der Gestalt der Geräthe conservativ zu sein) macht es fast unzweifelhaft, dass der Hermionische Brauch kein gewöhnliches Opfer war, sondern wie das Köpfen des Hahns und des Widders mit diesem Erntewerkzeuge (o. S. 30) und wie die französische Sitte der Hinschlachtung des Stiers auf dem Erntefelde aufzufassen sein wird. 1 Unterstützt wird diese Annahme durch eine andere gottesdienetliche Handlung, die Diipolien oder Buphonien in Athen. Anfangs Juli d. h. in der Zeit, wann in Attika das Dreschen zu Ende geht, wurde der Altar des Zeus Polieus mit Weizen und Gerste und heiligem Brode, wohl aus dem frischen Getreide, bestreut. - Als Wirkung des Festes erwartete man das Ausbleiben von Dürre und Hungersnoth; dies spricht sich in dem Glauben aus, dass es zur Abwehr 1 So berührt sich unsere E r k l ä r u n g mit den im Orunde doch weit verschiedenen einiger früheren Forscher. Vergi. Creuzer Symbolik I V 287: 'Bs ist aueh die Sichel, unter der diu reife E r n t e fällt, und die Siohel, womit im Vaterlande des Perseus (zu Hermione) die Priesterinnen den müden Jnhreestier im Tempel der Ceres und Proserpina würgen. Es ist das Bild des Segens und des Todes, mag es Sichel, Krummschwert oder Dolch sein und heissen ; immer bleibt es das Bild des Schneidens und T r e n n e n s , der Aehre von der mütterlichen Erde, des Leibes von der Seele.' Rinck Relig. d. Hellen. I I 137: 'Wir können sohliessen, dass es (das Opfer an den Chthonien) ein symbolisches E r n t e n der Erde, ein D a n k o p f e r für die Getreideernte war.' Wie weit meine Auffassung bei gleichen Ausgangspuncten sich von derjenigen von W. 8 c h w a r t z e n t f e r n t , beweist kaum etwas schlagender als seine Deutung des Cultue d e r Demeter Chthonia ( U r s p r . d. Mytli. 8. 185): 'In diesem Gebrauch sind die vier alten Frauen nur Stellvertreterinnen der Demeter, der Gewitteralten (!), welche mit des Regenbogens Sichel die himmlischen Kühe ( W o l k e n ) schlachtet.' 2

Die Belegstellen bei Meursius Graecia f e r i a t e in Gronov. The9. Graec. antiqu. V I I 74'» ff.

CHTHONIEN UND BUPHOHIEN. d i e s e r M i s s s t ä n d e (αύχμων

δε χατεχόντιον

69

xai δεινής

αχαρπίας

γινομένης) zuerst eingeführt sei; ganz genau dasselbe,erhoffte man von den Ceremonien des Erntefestes der Thargelien. Die Aufstellung des ausgestopften Scheinbildes (das an jene deutschen Bilder des Halmthiers. Bacchus u. s. w. erinnert), aber wurde noch in späterer Zeit ganz bewusst aufgefasst als eine W i e d e l b e l e b u n g des Getödteten. Die Hungersnoth sollte aufhören, heiest es in der ätiologischen Stiftungsl e g o n d e τόν τε φονέα τιμιορησαμένων σάντων

¿ν fl-ηερ άπΐ&α,νε &νοια\

xut την τε&νεωτα

άναατη-

und von d e r A u s f ü h r u n g der

j ä h r l i c h e n F e s t h a n d l u n g : 'την μεν δοοάν τον βοος ράψαντες χόρτα)

ϋπογχιόσαντες

ζών έσχε

σχήμα,

s ξ a νέ στ η σα ν, έχοντα

xai προσέζενξαν

ταυ τον

όπιο

άροτρον ώς εργαζομέν».'

χαί xai Auf

einen ehernen Opfertisch wurden Kuchen und Gerstenbrot, vermuthlich von den ersten Früchten des Ausdrusches, herum vielleicht einstmals Garben oder Aehren ausgebreitet. Dann führten Mitglieder einer bestimmten Priesterfamilie, der Κεντριάάαι (Stachler), mehrere zur Ackerarbeit gebrauchte Rinder herbei und trieben sie rings um den Altar. Dasjenige, welches zuerst auf den Altar zuging und von dem Hingelegten frass, anderes m i t d e n F ü s s e n t r a t ( i m της

τραπέζης

εναργές

των βοόΐν τις είσιών

χαμένων, α'ττ' έργου

'ίνα τοις

ß-εοΐς

ra μεν χατ έφαγε,

ταύτα τα δε

&νοι, σννε-

πάτησεν), wurde auf folgende ceremonielle Weise von den Mitgliedern erblicher Priestergeschlechter getödtet. Jungfrauen , Hydrophoren genannt, brachten Wasser herbei, mit dem die Beilschärfer das heilige Beil zurichteten, ein anderer Priester reichte dem Butypos oder Buphonos, der aus der Familie der Butaden oder Sopatriden stammte, die blanke Waffe, und dieser tödtete das Thier, Der Daitros (Zertbeiler), wieder aus einer andern Familie, häutete es ab, zerlegte es und r i c h t e t e das F l e i s c h zu, von dem alle aseen. Dann stopfte man das Fell des Rindes mit Heu aus und j o c h t e d a s l e b e n s ä h n l i c h e S c h e i n b i l d an einen Pflug. Im Prytaneuni aber wurde gegen alle Theilnehmer des Opfers die Klage auf Mord angestellt; einer schob die Schuld auf den anderen, bis zuletzt das Beil, welches sich nicht verantworten konnte, verurtheilt und ine Meer geworfen

70

KAPITEL II.

wurde. 1 Schon Mommsen erkannte in den Buphonien ein Dreschfest. 2 Nicht aber die Tödtung des Ackerstiers als solchen hatte die Cultuehandlung zum Gegenstande ; denn selbst aus dem Yerbóte bei Todesstrafe irgend jemanden durch Tödtung seines zum Feldwerk dienenden Ochsen auf das empfindlichste in seinem Eigenthum zu schädigen, würde der Ursprung derselben nicht leicht begreiflich zu machen sein, während jede Schwierigkeit sich löst, wenn man an eine Nachbildung der beim Dreschen geschehenen Tödtung des Getreidethiers (der Ackerstier stellte nur symbolisch den Getreidestier dar, wie in Deutschland die vor den ersten Pflug gespannten Rinder als Regenzauber mit Wasser begossen werden, BK. 332), mithin aneine Parallele zu dem vorhin aus Chambéry (o. S. 62) beigebrachten Drescherbrauch denkt. Ganz wie wir das bei dem von Lityerses getödteten Fremden gesehen haben, wird der Kornstier mit einem Mahle aus seiner eigenen Gabe geehrt, ehe er stirbt; dass er Korn und Kuchen vom Altar nehmen darf, bezeichnet ihn als eine Art göttlichen Wesens, j a man könnte vielleicht nicht ohne Wahrscheinlichkeit auf die o. S. 58 und ausführlicher unter Lityerses erläuterte Vorstellung zurückgreifen, dass der Getreidewuchs dem Vegetationsdämon gehörte, von ihm selbst sich zur Speise bereitet sei, von dem Menschen ihm geraubt werde, so dass das Zuschreiten des Thiers auf die Opfergaben, um sie als sein Eigenthum in Anspruch zu nehmen, gerade dieses unter den anderen als die Verkörperung des Korngeistes erkennen liess. Wie man auf den Gedanken gekommen sein sollte, dem Zeus das arbeitende Zugthier etwa als die werthvollste Habe zu bringen, und dann doch dieses Opfer als Frevel zu betrachten, ist nicht ersichtlich. Nahe dagegen lag es, die der Meinung nach jährlich sich vollziehende Passion eines göttlichen Wesens dramatisch darzustellen ; die Hinschlachtung musste dem frommen Gemüthe des Naturmenschen freilich als eine Todsünde erscheinen, die, 1 Porphyriue de abstinentia ed. Hercher II c. 29. 30, vergi, c. 10. Weitere Belegstellen bei Meursius a. a. O. * Heortologie 8. 13 Anm., 454.

CHTHONIEN UND BUPHONIEN.

71

aus dem unabweisbaren Interesse der Selbsterhaltung begangen und von segensreichen Folgen begleitet, dennoch einer Sühne bedurfte. Das Mahl, von welchem die Theilnahme a l l e r ausdrücklich hervorgehoben wird (έγενσαντο του βοός πάντες), scheint eine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Da unsere Schnitter- und Dreschermahle vielfach nach dem vermeintlich in der letzten Garbe gefangenen theriomorphen Korndämon 'Hahn, Hase, Wolf, chien de la moisson' u. s. w. benannt sind, auch mancherorts noch die entsprechenden Thiere dazu aufgetragen werden, liegt der später auch noch aus andern Spuren zu begründende Schluss nahe, dass man familienweise oder genossenschaftsweise u n t e r T h e i l n a h m e a l l e r M i t g l i e d e r das den Vegetationsgeist repräsentirende Thier, die Yersinnlichung des dem eingeernteten Getreide innewohnenden Numens, zu verspeisen pflegte, um seiner Wachsthumskraft theilhaftig zu werden. So sehen wir auch o. S. 62 den Kornstier zum Schnitter- oder Dreschermahl verzehrt. Darf derselbe Gedanke dem Festmahl bei den Buphonien untergelegt werden, so drückt nun vollends die sinnliche Wiederbelebung des Rindes das Wiederaufstehen des Kornstieres im Getreidewuchs des nächsten Jahres aus. Vergi. A W F . 197 die Wiederbelebung des Julbocks, o. S. 60 das jüngste Kalb der Commune und die Verzehrung des als Vertreter des Kornstieres getödteten Rindes halb zum Erntefest, halb bei der Frühlingsaussaat.

KAPITEL UI.

DIE

8 1.

LUPERCALIEN.

D E R SCHAUPLATZ U N D DIE HANDLUNGEN DES FESTES.

Das Frühlingsfest der Lupercalien war eine Begehung, welche in italischer Urzeit entstanden in derjenigen Form, die sie in den frühesten Tagen Roms erhalten hatte, ziemlich unverändert daselbst geübt blieb, das Königthum und die Republik, ja die Einführung des Christenthums überdauerte und erst im Jahre 496 n. Chr. den Anstrengungen des dagegen mit Mahnung und Verbot ankämpfenden Papstes Gelasius erlag. 1 Aus den Schilderungen der Schriftsteller des untergehenden Freistaats und des beginnenden Kaiserreichs lernen wir das Fest kennen, wie es damals bestand. Der S c h a u p l a t z desselben war die Roma quadrata, d. h. die auf dem Palatin gelegene früheste Altstadt Roms. Am unteren Abhänge des Berges, wo der W e g zum Circus vorbeiführte, lag das L u p e r c a l , eine dem Faunus geheiligte Grotte, 2 1 Ueber die Luperealien uDd was damit zusammenhängt vergi. Härtung Rom. Myth. II 176 ff. Schwegler Röm. Geeeh. I 57. 111. 115. 228. 237. 276. 351. 352. 356 ff. 360 ff. 363. 372. 386. 390 ff. 412. 422. 425. 476. 533. III 269. 274. Mommsen Röm. Gesch. I 1865 S. 50 ff. Preller Rom. Myth. Aufl. 1. 111. 243 ff. 247. 318. 342 ff. 369 ff. 660. Beckor-Marquardt Handb. d. R. A. IV 1856 S. 400 ff. Büdinger in N. Jahrb. f. Phil. u. Pädagogik L X X V 201.

' Dionys. Halicarn. I 3 2 , 5 : VVV μ(ν Τtfitrit

των

πέριξ

iuocinaoTOí

γι'yoytr

ουν ουμπίποΧιαμίνων η παλαιά

του

τόπου

τω φύσις.

DIE LUPERCALIEN.

73

aus welcher ein Quell hervorsprudelte, unmittelbar daneben eine geweihte Umfriedigung (τέμενος)1 und innerhalb derselben, ehedem von einem Feigenbaume (ficus Ruminalis) beschattet, eine kleine Kapelle (sacellum) der diva Rumina (von ruma, Mutterbrust, abgeleiteter Indigitalname einer Göttin, welche um das Gedeihen der Säuglinge angerufen wurde). 2 Zur Zeit des Augustus lag die Höhle mit der Quelle mitten im Häusermeere der Weltstadt, 3 der Feigenbaum war bereits nicht mehr vorhanden, 4 doch die Sage behauptete, einst habe hier der Tiberfluss den Fuss des Berges bespült und ein dichter schattenreicher Hain die Grotte umgeben, der dem Faunus heilig war und einen Altar desselben enthielt. 5 An dieser Stelle seien die Zwillinge Romulus und Remus ans Land getrieben und unter dem Feigenbaum,® oder in der Grotte 7 von der Wölfin geην rîf το αρχαίον, ως if'ytlai, απ ηίαιον υπό τω λ ο φ ω μέγα, δρυμά Ιασΰϋ χατηςηρίς, χαι χ ç η ν ίδ e ς υπό Tai; 71 t'rçni; ίμβΰ&ιοι, ητί ηροοίχη; τνν χρημνων ra π η, πνχνοίς χαι μΐγάίοις âtrSçtatv ίπίαχιος. ϊνίϊα βωμόν ίδρυα α μ tv οι τ to & t to την ηατριον &υπιαν tntxtUaav ( d i e A r k a d e r dem P a n Lykaioe), ην μέχρι Του xa â1η μ α ς χρόνου 'Ρωμαίοι 9 υ ου α ιν tv μ η vi φΐβρουαρίω, μ (τα χ 11 μ t ρ t ου ς τ ρ ο π à ς, ο νό s ν των το τ € γινομένων μ t ταχινο ΰ ν i í ¡ . Nooerdings g l a u b t e ein E n g l ä n d e r P a r k e r

die Luperealgrotte wieder aufgefunden zu haben. Oori bemühte sich (Bull, di Correep. archeol. di Roma 1867 S. 104 ff.) diese Conjectur zu erhärten, dagegen wies (a. a. O. 157 ff.) Ciconetti mit schlagenden Gründen nach, dass das betreffende Felsloch niohts anderes, als eines der vielen unterirdischen Quellenhäuser oder W a s s e r k a m m e r n sei, welche das alte Rom a a s gesundheitlichen oder topographischen R ü c k sichten herstellte. ι Dionys. I 79. 2

P l u t a r c h . R o m . 4 : την τt 9ηΙην ρουμαν ωνομαζον οί TTσ2αtoi χαι ârov τι να τη; ίχτροφης των νηπίων &τιμ&ϊσ&αι δοχοΰααν ονομαζουοι 'Povuiítav χαι &υουαιν αυτη νηφάλια, χαι γάλα τοϊς ίιροϊς rmonévSouaiv. Vergi. Varrò

de re rust. I I 11, 5. Varrò bei Non. 167. Schwegler R5m. Gesch. I 392. 421.

Plutarch. Qu. Rom. 57.

* Dionys. I 79 : τό μ'ιν oùv α ino; ουχ !τι διαμί'νιι ' το Λ άντρον, ti ου η λίβας ίχδίδοται, τ tí Παλαντιω προςωχοδομημίνον διίκνυται χατά την ml τον ιπποδρομον φίρουοαν οδον.

* 8chwegler I 392. » Dionys. I 32. 79. 6 Liv. I 4. Plutarch. Rom. 3 ff. ' Verg. Aen. V I I I 630.

74

KAPITEL

m.

säugt worden. Dae Vorhandensein dieser Sage schon vor Fabius Pictor und Ennius beweist das i. J . 296 v. Chr. von den beiden Aedilen Qu. und Cn. Ogulnius unter dem Feigenbaum aufgestellte eherne Standbild der Wölfin mit den beiden Zwillingen, welches wohlbehalten noch jetzt auf dem Capitole verwahrt wird. 1 Oberhalb der Grotte stand eine sorgsam in Stand gehaltene S t r o h h ü t t e , die casa Romuli (aedes Romuli, tugurium Faustuli), in welcher die Pontífices von Zeit zu Zeit gottesdienstlichc Handlungen vornahmen. Hier sollte Romulus von Faustulus erzogen sein. 2 An diese heiligen S t ä t t e n 3 knüpfte sich der alljährlich am 15. F e b r u a r 4 begangene Brauch der Lupercalien, der Umlauf der Luperci, an welchem seit Alters zwei nach den Fabiern und den Quinctiern benannte Genossenschaften (Luperci Fabiani und Quinctiliani) activen Antheil nahmen. s Ein erstes Hauptstück der Feierlichkeit war ein Opfer von Ziegen, angeblich für F a u n u s , 6 vor dem Standbilde der Wölfin und der Höhle Lupereal. Auch ein H u n d wurde getödtet. 7 Vorher mag das F e s t noch durch eine andere gottesdienstliche H a n d l u n g inaugurirt sein; denn der F l a m e n D i a l i s war doch wohl schwerlich als blosser Zuschauer zugegen, 8 der keine Ziege und keinen Hund berühren durfte. 9 F ü r jene Opferhandlungen mit Ziegen und H u n d , wie es scheint, bereiteten die Vestalinnen aus dem Mehl der im Mai des vergangenen 1

Liv. X 23. Dionys. I 79. Urlichs de lupa aenea Capitolina. Rhein. Mus. NF. IV 1846 S. 519 ff. î Sctawegler I 393. Jordan im Hermes 1873 8. 195. 3

Plut.

* υ L'i oçtûutv

R o m - 2 1 : Και

FvT&u&ev onov

τον

γαρ

οηχοαινονς

της

' I\ou L/.oy ίχτ*9ηναι

'tnnJoour;

τους

^íovTfo-

Ζέγουα ιν·

4

Cal. Maff. et Farnes. Moramaen Inser. Rom. 6749. Faviani et Quintiliani appellabantur Luperci a Favio et Quintilio praepositis suis. Paulus Diac. 87 v. Faviani; vergi. Festus s. v. Quinctiliani. 5

6

Plut.

Rom.

οφάττουαι γαρ αίγας. more capella.

21 :

Ta

Ovid.

' P l u t . a. a. O : "Idioy Si

di

δρώμενα

Fast. II 361:

τ>]ν αιτία ν

ποιη

SuaroTtaoTov *

Cornipedi Fauno caesa de

της ί-ορτης το xat χΰνα SCfiv τους

Λ,ουπίρχους·

* Ον. Fast. II 2 8 2 : Flamen ad haec prisco more Dialie erat. 9 Plut. Quaest. Rom. 111.

DIE LUPERCÂLIEK.

75

Jahres gepflöckten ersten Aehren der Ernte frische mola salsa. 1 Sodann führte man zwei Jünglinge von patricischem Geschlechte, vermuthlich aus jedem der beiden Collégien einen, herzu, denen einige mit dem vom Ziegenblut gerötheten Messer die Stime berührten, andere das Blut mit Wolle, die in Milch getaucht war, sogleich wieder abwischten. Wenn dies geschehen war, mussten die Jünglinge lachen. 2 Sodann umgürteten sie sich mit Fellen der so eben geschlachteten Böckc und schnitten andere derselben in Streifen, worauf sie nach abgehaltenem Opferschmause — im übrigen nackt wie die griechischen Ringer — durch die Strassen liefen, indem sie die Begegnenden mit den Riemen schlugen. 3 Eine schwierige Frage ist es, ob man aus der Schilderung des Ovid (Fast. I I 359—380) noch weitere sich hieran schliessende Züge der Festfeier herauslesen dürfe. Als Romulus und Remus einst der Sitte gemäss dem Faunus eine Ziege zum Opfer geschlachtet hatten, belustigten sie und ihr beiderseitiges Hirtengefolge sich nach Ablegung ihrer Gewänder im S t r a h l e d e r M i t t a g s o n n e (medias sole tenente viae) mit Speer- und S t e i n w ü r f e n , während die Priester die Eingeweide an Spiessen brieten und das Opfermahl bereiteten. Da meldet ein Bote, dass Räuber die Rinder forttreiben. In zwei verschiedenen Haufen eilen die Gesellen 1

Serv. zu V«rg. Bucol. VIII 82.

2

P l u t . R o m 2 1 : είτα μειραχίων Suotv αττο y ¿νους προοαχ9ενιων μεν ημαγμ ε'νη μαχαίρα τον μετώπου 9 ι γ γανο ναιν, έτεροι Λ ' α τι ο μ α τ τ ο υ tiiv e υ & ν ς ε ρ ι ο ν ft ε β ρε γμ ε ν ο ν γ a Xa x τ t τ ρ o o

ρ υ r i f ς. Γελάν όε Sei τα μειράχια μετά την απόμα&ν.

tivToiç,



s

P l u t . a. β. Ο : *Ex 3ε τούτον r a δέρματα των αίγων x α τ α τ f u ο ντε ς διαδεουπιν εν τζερίζωομαη ι γνμνοι τ oí i σχντεοι τον ϊμποδων παίοντες· D i o n y s . I 8 0 : ηνίχα εχρην τους περί το ΙΙαλάντιον οιχυνντα; των νιων εχ τον Τυχαίου τε9νχότας περιεί9είν δρόμω την χωυην γνμνονς, ν π ε ζ ω ο μ ε ν ο ν ς την αιδώ ταις δοραίς των νεο&ντων. P l u t . C a e s . 6 1 : των δ'ενγενων νεανίοχων χαϊ αρχόντων πυλ/.ο\ Sia&t'ovotv

àvà την

nähr

γνμνοι.

Val. Max. I I 2, 9 :

Facto

sacrificio oaeeisque

capris, e p u l a r u m h i l a r i t a t e a c v i n o l a r g i o r e provecti, d i v i s a p a s t o r a l i t u r b a , cincti pellibus immolatarum hostiarum, iooaotes obvios petiverunt. Ο τ. Fast. II 361 : Cornipedi Fauno caesa de more capella v e n i t a d e x i g u a s t u r b a v o c a t a d a p es. Ebda. 379: P o s i t o v e l a m i n e c u r r u n t .

76

KAPITEL ILI.

beider Brüder, unbekleidet, wie sie sind, den Räubern nach. Remue mit seinen Fabiern in schnellem Laufe (occursu) das Ziel erreichend kehrt zuerst siegreich zurück und bemächtigt eich der an den Spiessen steckenden Mahlzeit, Romulus und seine Quinctier kommen zu spät und gehen leer aus. Fama manet facti: posito velamine currunt, et memorem famam, quod bene cessit habet.' Das ist eine in sich abgeschlossene Dichtung über den Ursprung der Luperealien (sie ist wahrscheinlich aus der Geschichte des C. Acilius um 160 v. Chr. — vergi. Plutarch Rom. 21 — entlehnt), verschieden von der v. 423 ff. benutzten, nach welcher Juno Lucina die Stiftung des Cultus veranlasst (diese entstammt wohl einem jüngeren Antiquar). Benutzt ist die Erzählung des Fabius Pictor (vergi. Dionys. Hal. I 79): In Abwesenheit des Romulus brach ein Theil der Hirten des Numitor in die Ställe der Römer ein, und, als Remus mit den Seinigen diese verfolgte, stürzten die übrigen aus einem Hinterhalte hervor, umringten ihn u n t e r S t e i n w ü r f e n und führten ihn gefangen nach Alba Longa; Romulus eilt dann mit seiner Schaar auf verschiedenen Wegen dorthin, errettet den Bruder und Grossvater und gelangt" zur Anerkennung seiner königlichen Abkunft. Es ist das einfach dieselbe Geschichte, welche von der Jugend des Cyrus und unvollständiger von Miletos und Kydon 1 erzählt wird, nur episch ausgesponnen und durch Hinzutritt einer zweiten Figur, des Remus, modificirt. Diese Legende gewährte aber die allgemeine Situation —- den Streit zwischen den H i r t e n des Numitor und den Schaaren der beiden Brüder —. welche mehrere Schriftsteller verwandten, um — abweichend von der Tradition, dass Faunus-Evander der Stifter des Lupercaliencults gewesen sei (u. s. w.) — Romulus zum Urheber desselben zu machen und durch eine historische Begebenheit seine Gebräuche zu deuten. Ein gewisser Butas (Plut. Rom. 21, vergi. Val. Max. I I 2, 9) macht zum Anlass dieser Stiftung die Siegesfreude über die Eroberung von Alba Longa; andere (z. B. Aelius Tubero, Ciceros Schwager, vergi. Dionys. Hal. I 79, Livius « Vergi. W. Roscher Apollon und Mare.

8. 79.

DIE

LUPEBCALIEN.

77

I 5) vereinigten die Ableitung dee Festes von Evander und von Romulus mit Fabius Pictor so, dass sie die Hirten des Numitor den Remus bei der Feier des Lupeicalienfestes gefangen nehmen lassen. Wenn der in der Familie der Acilier um 760 v. Chr. begegnende Name Kaeso (Mommsen C. J . L. I S. 530. a. U. 604) das Anzeichen einer näheren Beziehung dieses Geschlechtes zum Lupercalienculte wäre (s. unten), so müsste es um so wahrscheinlicher sein, dass der gleichzeitige C. Acilius nus genauer Kunde der Festgebräuche heraus seinen Bericht über den Ursprung des Festes modelte. Man könnte versucht sein daraus einen Rückschluss auf folgende Stücke des Brauches selbst zu machen: 1. Das Opfer fand zur Mittagszeit statt. 2. Hieran schloss sich zunächst ein S c h e i n k a m p f und eine L i t h o b o l i e . 3. Die beiden Lupercalgenossenschaften laufen in Intervallen und getrennten Haufen, jede für sich. 4. Am Opfermahle haben nur die Fabier Theil, nicht die Quinctier. Wieweit aber diese Conjectur zutrifft, muss unentschieden bleiben. Der Kampf und die Lithobolie scheint doch der zu den Luperealien in keiner Beziehung stehenden Erzählung des Fabius Pictor entnommen. Hinsichtlich der Ausschliessung der Quinctier vom Opferschmause aber äussert Härtung Rom. Myth. I I 181 die unbewiesene und unwahrscheinliche, aber ebenso wenig mit sicheren Gründen zu widerlegende Vermuthung, hier sei dem Schriftsteller eine Verwechselung mit dem bekannten Yerhältniss der Potitier und Pinarier im Cultus des Hercules an der Ara Maxima begegnet. Die Collégien der Luperci waren ursprünglich wohl Gentilgenossenschaften, später wurden auch Mitglieder anderer Geschlechter in das Collegium aufgenommen, doch mussten nun wahrscheinlich wenigstens jene beiden mit dem Messer berührten Jünglinge der eine ein Fabier, der andere ein Quinctier sein. Sie waren die Anführer der umlaufenden Schaar, spielten eine auszeichnende Rolle und trugen vielleicht xar' ¿ξο/ψ den Namen L u p e r c u s als Ehrentitel auf ein J a h r , bis mit dem Feste des neuen Jahres ein anderer Lupercus an ihre Stelle trat, geradeso wie in deutschen Städten der den M a i als Repräsentant des Frühlingsgenius

KAPITEL III.

78

einreitende M a i g r a f Namen und Würde ein Jahr lang behielt, und wie Schnitter oder Binder der letzten Halme ein ganzes Jahr lang W o l f , B o c k , H a h n u. s. w. genannt werden. Diese Sätze gründen sich auf die nachstehenden Thatsachen. In einem von Plutarch (Rom. 21) bewahrten Auszuge aus Butas, einem Griechen, der nach dem Muster des Kallimachus den Ursprung auffallender römischer Gebräuche aus alten Sagen zu erklären suchte, heisst es, das Luperealienfest werde zur Erinnerung daran gefeiert, dass Romulus und Remus nach Besiegung des Amulius v o l l F r e u d e n a c h d e m O r t e g e l a u f e n s e i e n , wo sie die Wölfin einst gesäugt habe; w i e R o m u l u s u n d R e m u s damals mit dem Schwerte in der Hand von Alba Longa fortgerannt seien, liefen jetzt die edelen Jünglinge [τριχία' τους από γένους) die Begegnenden schlagend, und das blutige Schlachtmesser werde ihrer Stirn genähert als Sinnbild der Todesgefahr, in der jene einst geschwebt hätten, die milcligetränkte Wolle als Andeutung der Nahrung, die sie von der Wölfin empfangen. Diese ätiologische Deutung setzt voraus, dass jene beiden Jünglinge, die Plutarch in seinem Auszuge aus Butas mit denselben Worten (οπό γίνονς) als besonders vornehm aus der Zahl der übrigen hervorhebt, wo nicht die alleinigen Läufer, so doch die Anführer des Laufes waren; sie war unmöglich, wenn dieselben bei dem Umlaufe eine passive oder untergeordnete Rolle spielten. 1 Uebrigens hat schon Härtung ( I I S. 178) eingesehen, dass die mit dem Opferblut bestrichenen Jünglinge wahrscheinlich die beiderseitigen Führer waren. Dies macht nun auch noch ein anderer Umstand glaublich. Paulus Diaconus nämlich, der durch Festus und Yerrius Flaccus anf Varrò zurückgeht, leitet den Namen der Luperci Fabiani und Quinctiliani 'a F a v i o et Q u i n t i l i o praepositis suis' ab, offenbar, weil der Regel nach j e ein Fabier und ein Quinctier 2 , deren es » Vergi, auch Val. Max. II 2, 9. Die Schriftsteller brauchen die Formen Lupercus Quinctilins und Quinctilianus ; auf Inschriften dagegen ist der Name Q u i n e ti al i β geschrieben. Mommsen R. G. I 53 wies nach, dass letztere Form die Sltere und richtige noi, no dass die zu den ältesten römischen Oe1

DIE LUPERCALIEN.

79

immerhin noch mehrere in der Genossenschaft geben mochte, während die übrigen auch anderen Geschlechtern angehörten, ihr Anführer sein musste. Nun hat aber Mommsen (Rom. Forsch. I Beri. 1864 S. 17. 29) bereits auf die Thatsache hingewiesen, dass der Vorname Κ a e s o als patricischer sich lediglich bei den Fabiern und Quiuctiern finde, und vermuthet, derselbe möge mit dem Lupercalienbrauche zusammenhängen und auf das dabei vorkommende Riemenschlagen zurückgehen. Die vom Participium Pass, hergenommene Form Kaeso konnte aber wohl schwerlich den Schlagenden bedeuten, sondern ist, wie von nasus N a s o , der eine (grossei Nase hat, von caesa Hieb (vergi, caesum Einschnitt, Komma) in der Bedeutung einen Hieb habend abgeleitet, indem man die Berührung der Stirn mit dem Opfermesser als einen symbolischen Hieb oder Schnitt ausdeutete oder wirklich einst in Milderung roherer Sitte an Stelle eines Hauteinschnitts treten liess. Mithin wird Mommsens Ausführung dahin zu modificiren sein, dass Mitglieder derselben Geschlechter, welche die Praepositi stellten, auch der dem Mahle \md Umlauf voraufgehenden Ceremonie unterlagen und einen daher rührenden Beinamen zum Vornamen machten. Zwar mögen jene beiden patricischen Geschlechter schon frühe sich genöthigt gesehen haben in gewissen Fällen die Ehre mit Mitgliedern einer anderen Familie zu theilen ; schon in den Jahren 450 und 399 v. Chr. weisen die Consularfasten den Vornamen Kaeso in der Familie der Duilier auf, um 150 in derjenigen der Acilier; kurz vor (nach?) Caesar gelangt sogar ein Freigelassener, der durch Heirath mit einer Erbtochter des altadeligen Geschlechtes der Geganier zu Reichthum und Würden emporsteigt, zur Stellung des ' m a g i s t e r L u p e r c o r u m ' (Mommsen C. J. L. I n. 805), ungefähr um dieselbe Zeit ein mit dem Bürgerrecht beschenkter Peregrine zu demselben Ehrenamt (Mommsen

schlechtem gehörigen Q u i o c ti e r , nicht die jüngere Familie der Quinctilier, den Genossenschaften den Namen gaben, (leren ursprünglich alleinige Inhaber, deren spätere Vorsteher sie nach obenstehender Auseinandersetzung waren.

80

KAPITEL III.

C. J . L. I S. 206. 186. Henzen n. 6010). Wenn die Inschriften Orelli 2256. 4920 echt sein sollten, in denen von einer mehrmaligen Uebernahme des Luperkenamtes die Rede zu sein scheint (die erste Inschrift ist jedoch der Fälschung verdächtig, bei der zweiten die Auslegung unsicher), so wäre dieser Wechsel des Amtes mit der Ständigkeit der Sodalitas doch wohl am besten durch die Annahme zu vereinigen, dass von dem Praepositus oder Magister als Lupercus χατ ίξοχήν die Rede war, und dass dieser aus der Zahl der Mitglieder des im übrigen ständigen Collegiums alljährlich durch eine besondere Neuwahl hervorging. Hierauf leitet aber auch eine unzweifelhaft echte Inschrift aus späterer Zeit (Orelli 2253, vergi. Mommsen a. a. 0 . S. 206), auf welcher ein freigelassener Unterbeamter (Yiator Aed. PI. ; Accensus Cos.) sich L u p e r c u s Q u i n c t i a l i s v e t u s nennt, schwerlich, wie Orelli wollte, zijm Unterschiede vom Collegium der Luperci Julii, sondern als Lupercus des alten Jahres im Gegensatz zu dem schon erwählten Lupercus des neuen Jahres (Lupercus designatus, Orelli 2251). Qenau in dem nämlichen Sinn braucht Livius I I I 64 tribuni veteres für die Tribunen des zuletzt vergangenen Jahres. Sei nun diese Auffassung richtig, oder müsste den Zeugnissen entnommen werden, dass die neuernannten Luperci vor dem Eintritt ins Collegium (?) bis zur wirklichen Einführung designati, nach dem Austritt aus der Genossenschaft aber noch als ehemalige Luperci (Luperci veteres, vergi, anciens magistrats) bezeichnet wurden, jedenfalls machten ausser den beiden Anführern viele Jünglinge aus guten Familien, zum Theil noch zarten Alters, nur mit einem Schurze bekleidet und in neuerer Zeit nach dem Muster griechischer Gymnasten mit Oel gesalbt als Mitglieder j e n e r beiden Collégien den Umlauf mit. Caesar stiftete und dotirte i. J . 44 v. Chr. noch eine dritte Genossenschaft, die ihm zu Ehren den Namen der Luperci Juliani trug. Auch sie hatte einen Anführer. Als solcher fungirte der damalige Consul M. Antonius, der bei dem Umlauf Caesar die Krone bot. Die Verflechtung mit der neubegründeten Monarchie brachte während der Bürgerkriege das ganze Institut der Luperealien in Misscredit und Abgang, bis die Restauration

81

DIE LUPERCALIEN.

u n t e r A u g u s t u s d a s s e l b e in d e r v o n C a e s a r r e f o r m i r t e n F o r m und Ausstattung wiederherstellte lebte;

nur

wurde

ein

Colleg zum Beding gemacht.2 sich

Alter

zum

Glänze

Eintritt

derselbe

auch

das

Der Umlauf der Luperci

um-

noch

auf

andere

seit Caesar

Strassen

Plätze aus,4 von einer erwartungsvollen und der des

heiligen

Umgangs

begierigen

(gregibus humanis cinctum)5,

be-

in

der palatinischen A l t s t a d t , 3

schrieb den Umkreis dehnte

und mit n e u e m

reiferes

1

Menge

und

Segnungen

dicht

umdrängt

es scheint, dass unter

anderen

auch die équités equo publico daselbst A u f s t e l l u n g g e n o m m e n hatten.0 Unter Scherzen, lasciven Redensarten und G e s ä n g e n 7 , in

denen

kannter spottet

hauptsächlich Personen

wurdes,

der

Lebenswandel

durchgehechelt

und

bever-

schlugen die Luperci mit den aus Fellen

der geopferten Ziegen geschnittenen Hautstreifen

alle,

die

• B e c k e r - M a r q u a r d t IV 406, Anm. 2778. Cie. Phil. X I I I 15, 31. Cie. ad Caes. j u n . 1. I I bei Nonius S. 187. Monum. Ancyr. I V 2. 2 Sueton. OctaviaD. 31 : Lupercalibus vetuit c u r r e r e imberbes. ' V a r r ò de L. L. V I 3 4 : quod tum f e b r u a t u r populus, id est Lupercis nudis lustratur a n t i q u o m o p p i d u m Ρ a 1 a t i η u m g r e g i b u s liuniame ciiictum. Augustin, de C. D. X V I I I 12: Nam et L u p e r c o r u m per sacram viam ascensum atque desccnsum sie i n t e r p r e t a n t u r . Dionys. I 80:

¡Ufr stxoar/

71 f ç t f i 9 f i t ' δρόαω

την

• Plut. Caes. 61:

á i a S t o v m v

γαρ

η των

/: i/¿rr>;

Λυχαίων

1·>ταχυ,

τ* €Ϊη χαι χαρπιμον â'ê χαρπόν

ττααα Se φύλλοιαίν

avrjxfv

τοοτο

οττι

αρσυρηων

Τ( xut

äv&toiv

το

laov

uaÜiOTit. ίριβωλων, ΐνρεια

χ fr ω ν

ίβρισ · *

Λινοτατον

d^fViauTov

notrjo* αν9ρωποις

an f-'ρμ' α ν {Vi, xoùnrrr ιτυίλα

xaunvV

f?ri χ$ονα

xat χόντατον

γαρ ίϋατεφπνος

άροτρα

π ο Mo ν As χρϊ Xtvxòv

ττουΧοβότειραν * ovài

μάτην

ϊτοίοιον

ßotz

t αν Hit

τι

γαία

¿Ιηαητηρ fiλχον γαίη*

αρουραι;^

227

DEMETER.

Das Segensgefilde Rarioa war damals nicht fruchtbar, sondern g e r u h i g S t a n d s nun, nirgend b e g r ü n t ; denn es hüllte die gelbliche Gerat' ein Durch der Demeter Beschluss. 1

Auf die genannten Thätigkeiten der Göttin beziehen sich mehrere Beinamen, welche das Leben der Getreidepflanze auf allen seinen Entwickelungsstufen begleiten. Als A n e s i d o r a (vom Emporwachsenlassen, ùvtévai, der Früchte) wurde Demeter zu Phlya in Attika verehrt (Pausan. I 31, 2). Vergi, die wohl mit dem Gedanken an àvàyetv den von άνάπσω abgeleiteten Eigennamen auf avait (Fick Die griechischen Personenάνάγουσα namen S. 11 ) nachgebildete Form ΙΊ ν aìt ò ώ qu , ή και «ι>ιιΐσα τους

χαρπονς

r/. γης Λημητηρ.

Hesych.

Als Wachs-

thumsgeberin hiess sie ανξι&αλής, als Erzeugerin des frischen Grüns der jungen Halme Χλοηψόρος (Schol. Aristoph. Lysistr. 835), Χλοόχαρπος. Davon ist der Cultname C h l o e , unter dem Demeter in Athen mit Gê Kourotrophos gemeinsam in einem besonderen Heiligthume verehrt wurde, 2 als Liebkosungswort abgeleitet, geradeso wie ζ. Β. Ιερός, Χοίρος u. a. als Hypokorismata von zweistämmigen Vollnamen anzusehen sind. Dann bildet und nährt sie die Aehren und wird dadurch Κ αρπ οποιός (Eurip. Rhes. 964), σταχνηφόρος und φερέοταχνς

(vergi,

χαρηογόρης

βασίλεια

Arist.

Ran.

382).

Καρποφόρος war auch Cultname der Göttin auf Lesbos und zu Tegea (C. J. G. n. 2175. 2177. Pausan. VIII 53, 3). In Syrakus ward sie als Σino (d. h. πΐΐοφόρος) verehrt, Polemo bei Athen. I I I 73. 109 a. Sie heisst auch πολΰκαρηος viele Früchte gebend (Theokr. Id. X 42). In Bezug auf eine einzelne Getreideart drücken denselben Gedanken aus φΛόπνρος, (Philipp. Thessa). Anth. Palat. VI 36), πυροφόρος (Eur. Phoen. 694). Nur eine andere Wendung dieser Begriffe ist die Angabe, dass Demeter die zur Kornreife günstige Zeit herbeiführe (¿1. ώρηψόρος άγλαάύωρος Hymn. 54. 192. 492), dass die 1

V. 451 : ¿UA ϊχηίον fìi^'xfi αναφυλίον ' fxeufa S a ça xçi kfuxòr f j η S F a ι ¿1 η ft η tç ο ς xaiXivtpvçov. « Sernos bei Athen. XIV 10. 618 d. Aristoph. Pausan. I 22, 3.

Lysistr. 15·

835.

228

KAPITEL

furchendurchwandelnden Anth. Palat. Y I

V.

Hören

ihr

gesellt

seien

(Zonas,

98).

Es gab Volkslieder, welche sichtlich dem Gebrauche des wirklichen Lebens gedient haben.

Sie enthielten, wohl als

wiederkehrenden Refrain, einen Anruf an Demeter, der entweder den Dank für Gewährung grosser (aus mehreren Garben zusammengefügter) und s c h ö n e r

Erntebündel

(xuXoi

ονλοι,

ϊουΧοι)

oder die Bitte um solche Gabe aussprach, oder

Göttin

selbst als

pries.

Daher

bekamen

selbst den Namen Das Fragment

als Inhaberin

χαλλίονλος,

ονλοι,

durch

Metonymie

Λημητρίονλοι

die

schöner

Garben

solche

Gesänge

(/Ιημ-ήτοονλοι).

χαλλίονλοι.

eines wahrscheinlich späten Dichters enthält

die emphatische Aufforderung : 'Laeg reichlich ertönen

den

Ulosgesang,

den

Ulosgesang,

den

Julos-

gesang'.1

Semos geht in seiner Schrift über Dank- und Loblieder soweit, ohne Einschränkung den Namen

ούλοι

oder

ϊονλοι

auf

alle Hymnen zu Ehren der Demeter auszudehnen ; schwerlich mit Recht.

Obschon die ansprechende zuerst von J. Grimm -

aufgestellte Yermuthung

des B e w e i s e s entbehrt, dass die

Namen D e m e t e r g e b u n d sie

auf

die

Lieder

Schöngebund

(Λημψρίονλος),

(χαλλι'ουλος) oder abgekürzt

schlechthin B u n d

übertragen

(ούλος),

ehe

wurden, xar' εξοχήν einem

einzelnen, bestimmten, durch Schmuck ausgezeichneten, mit Feierlichkeit besonders geehrten Garbenbündel seien, z e u g e n

die

zugekommen

angeführten Thatsachen

jedes-

falls für eine vorzugsweis enge V e r b i n d u n g Begriffe

Demeter

auch der Beiname

1

φηϋί'

Erntegarbe.

der Göttin

Athenâue XIV 10. 618 d:

Γα άςαγματα

των

&ροια&ε'ντα άε χαϊ την Λημητρα

ore

τους Tt χαρπονς δημητρονλοι 4

und

εχ τι άλλων μεν

Σημος

χρι&ων αυτα μίαν

γινόμενα

Χλόη ν, ort όε Ίονλω·

χαϊ του; υμνονς

Haupt

Ζ β . 7, 393.

r o ù ç fi;

und ¿Ιημήτηρ ' Ι ο ν Ι ώ und ist in a l l e n

Wae

sagt, mischt

Theilen

JV

xa&' avrii

χαϊ χαλΧίονλοι. χαϊ 'ΙΙΧειοτον

d. i. wohl

Ίονλω

¿jijiio;

δε'ιιμην ονλου;

Ιονλοφόυος

τω

περι 7! auÌyiùy αμάλας·

χα'ι ίοΰλουζ

τη; /ίημητρο;

αυνα* ral

ευρημάτων

την frfòv ονλον; χαΧονπι κα'ι ίουίοικovlov

Grimm

ονλον 'Ifι. ΐονΧον íVi.'

hier

sonst

ganz heterogene

unhaltbar.

εν

7t ροςηγορενον

από των

der

Dafür spricht

noch

Dinge

über

U

;

durcheinander

DEMETER.

229

(vergi, ^irifj), welchem ein spätes άμαλλοψόρος beiNonnus ( D i o n . 26,244) sich anschließt. Unter Demeters Fürsorge steht deshalb das Geschäft des Mähens. έφορος

τον

d. i. i¡

Ini

των

Έπ ó γ μ ι ης Λημ-ητ-ηρ,

(Anth. Palat. Υ Ι

&έοονς

Vergi,

ογμων.

den

Apollon und Hermes επιμήλως.

Ja

Pan

in die H a n d . 1

gab

den

in älteren

der

Mit der

ή

ογμος)

¿nιχυψέλιος,

éine, freilich

Quellen nicht nachweisbare, Vorstellung selbst d i e Sichel

ζ/ημητηρ

258. Suid. s. ν.

Göttin

geschnittenen

Frucht füllt sie ihren Verehrern die Vorrathskammer ( H i l l e ) 2 oder

die Dreschplätze 3

1

und sorgt dafür,

dass daselbst

der

Das von W e l e k e r G r . G ü t t e r l e l i r e I I 4 6 9 a u f g e f ü h r t e E p i t h e t o n d e r

Dom. Jçevavoipôço; weiss ich nicht zu b e l e g e n ; a b e r ζ . B. in dem von A l b r i cius de D e o r . i m a g g . 23 ( P r e l l e r D e m . u. P e r s e p h . 313 A n n . 80) a n g e führten B i l d e 'in manu sinistra C e r e s t e n e b a t f a l o e m et

baculum

ad

terendum

frumentum;

a quo

etiam

messoriam

latere

erant

a g r i c o l a e , quorum unue nietebat et alius f r u m e n t u m b á c u l o A u s dieser V o r s t e l l u n g leiteten sich e t y m o l o g i s c h e

duo

triturabat.'

Localsagen

ab, w e l c h e g e w i s s e aus der s i c h e l f ö r m i g e n g e o g r a p h i s c h e n O e e t a l t e n t sprungene

Namen

von

Oertlichkeiten

zu

deuten

suchtcn.

So

ron

D r e p a n o n o d e r D r e p a n a ( T r a p a n i ) in Sicilien : ' Q u i d a m D r e p a n a diotum voluut a f a l c e Cererie, quam ibi, cum filiam suara P r o s e r p i n a m q u a e r e r e t , amisit. Surv. zu V e r g . Aen. I I I 707. siehelartig dass

gebogene

Demeter

dort

Insel eine

D e n alten N a m e n D r e p a n e f ü r die

Korkyra

Sichel

führte

die

Sage

weggeworfen

oder

darauf

zurück,

versteckt

habe,

w e l c h e H e p h ä s t o s ihr schenkte, um den T i t a n e n das M ä h e n su l e h r e n oder gelbst die Früchto ZU schneiden (αϊτησαμένην του;

Τιτάνα;

'Ιίφαίητου

SiSàìai

tiuvttv

τού;

diese E r z ä h l u n g e n verwerthet (Urspr.

Tzetz.

(ΐτάχυα;·

(1. Myth. S.

Demeters

παρ1

869.

παρ'

Schwarz,

der

Sichel sei der B l i t z ,

135), v e r k e n n t ihren rein

völliger

Ήφαίοτου

983. flaße

Anerkennung

ätiologischen bleibt

als

Substrat dieser unseren looalen R i e s e n s a g e n ähnlichen Geschichten

der

Glaube

bei

IV

zu L y c o p h r .

f ü r seine Hypothese,

C h a r a k t e r ; aber auch

¿ριπανον

Schol. A p o l l . R h o d .

9(ρίζ(ιν.

desselben

bestehen, dass D e m e t e r sich d e r S i c h e l als eines

bediente.

Alles

übrige

ist

willkürliche

Erfindung

und

Werkzeugs

kein

Natur-

mythus, am w e n i g s t e n ein m e t e o r i s c h e r . 2

'Εργάζιυ, ίχ&αιρη,

Ilfçot;, φιλέη

«t/.πμης avunan II. X I V 326. χαρποψόρος ßaot'Xua Arietoph. Ran. 382), als die alle sättigende, lebenerhaltende Ernährerin (πολυφόηβη Hes. Theog. 912, πολντρόφος Kallim. hymn. VI 2, (peo¿"[itoc Antiphan. Agr. frg. 1, ζιοοόότΐίρα), und umgekehrt unstillbarer Hunger und Hungersnoth als die Wirkung ihres Zornes aufgefasst. W i r sehen letzteres Motiv hineingetragen in die Sage von E r y e i c h t h o n , den Demeter mit Heisshunger gestraft haben soll, weil er einen heiligen Baum ihres Haines geschädigt. Ich glaube jedoch A W F . 12 ff. wahrscheinlich gemacht zu haben, dass der Kern dieser Erzählung eine reine Dryadensage war, in welcher Demeter noch keine Rolle spielte. 2 Andererseite war es natürlich, die fürsorgende Göttin zum Vorbild, zur Helferin, Vorsteherin aller Verrichtungen des Landmanns, diese zu einem auf sie bezüglichen, ihr geheiligten Werke (έ'ρ/α ζίημήτεροί. Hesiod O. e. D. 393) zu machen. z/αματοίζΗν war auf Kypros ein Ausdruck für ernten (Hesych). Der schon in früher Zeit regsame Rationalismus bildete diesen Glauben dahin um, dass Demeter zuerst die Anpflanzung und Behandlung der Halmfrüchte, das Mahlen und Brodbacken e r f u n d e n und den Menschen g e l e h r t habe. 3 In dieser Ueberzeugung wurzelt die attische Triptolemoslegende. Eine andere Weiterbildung des ursprünglichen Gedanken« II. V 499: €

2ς â'aveuoç άχνης φοοίϊί \ r Ρ U : χ α τ ' à ¿ωά ς αν&φών λιχμωντων, οτε re iav & η d η μ ητ η ç -ι

ί

x £ ι y η fnttyouevtov

»

ί

I

,

Η

ανέμων x a ç ττ ο ν τ f χ ir ι α χ ν α

Vergi, die Λημητηρ Ιιχμαίη, welohe nach einem Gedichte dee Zonas aus Sardes (Anth. Palat. VI 98. Suid. s. ν. Ι,χίηο;) in Verbindung mit den 'furchendurchwandelnden' Hören Ernteopfer empfängt. A W F . 248. 3 Damit widerlegt eich, was Bötticher, Baumcultus der Hellenen S. 50, und Overbeck, Gr. Kunstmyth. I l i (II 4) 409, aus der Erysiclithoneage aber die Verehrung der Demeter in Gestalt eines Baumes g e f o l g e r t haben. ' S, die Belege bei Preller Dem, u. Perueph. 326.

Anm. :54.

231

DEMETER.

vor rat hs der Demetermythe bestand in der Ausdehnung des Machtgebietes der Göttin auf die Gartenfrüchte. Die Gemüsekräuter ( λ ά χ α ν α , όσπρια, χίάροπα) hiesseu /Ιημήτρια σηίρματα und die Pheneaten wollten die Hülsenfrüchte (όσπρια) mit Ausnahme der den grossen Göttinnen zu Eleusis verhassten Bohnen aus der Hand der Demeter erhalten haben. 2 Dass die Aecker häufig mit Obstbäumen (II. IX 541 ff.) eingefriedigt wurden, war ein Anlass mehr, auch die letzteren in den Wirkungskreis der Göttin hineinzuziehen. Bei Kallimachus bringt sie auch die rothbackigen A e p f e l , wie sie die Aehre reift und den Ackerstier, den Gehilfen des Menschen bei den geweihten Arbeiten, nährt. 3 In Selinus und Megara verehrte man eine Demeter μαλοφόρος.* Schliesslich wird der gesanimte Fruchtsegen aller Jahreszeiten (ώρ/α Od. I X 131, vergi, (όριιΐος) der Gegenstand ihrer Pflege. Auf Münzen von Smyrna aus der Zeit Domitiane tritt in diesem Sinne eine Demeter ώρια auf. 5 Doch bleibt die Verallgemeinerung des Wesens der Ackerbaugöttin, welche schon wegen der Jugend des Gemüse- und Obstbaus in Griechenland 6 die Vermuthung der Unursprünglichkeit gegen sich hat, immer vereinzelt und erklärt sich im einzelnen Falle mehrfach aus rein localen Gründen; so der Anspruch der Phytaliden, aus Demeters Hand die erste Feige erhalten zu haben (Pausan. I 37, 2), 1

G a l e n u 9 zu H i p p o k r . d e a c u t . m o r b . X V I I : Σϊτον

oc αΐ'&ρωΓτοι μάίιητα κπι τας Lftât. χαΐυΰ

μ tra

f/ìt

ufi' τους πλέον

σπέρματα

ιυουυς.

3F rxTtívovrr;

την

ηυγχαταλ^γουιη,

if ί Qu ο l'j, χαϊ Χα&υρονς, ϊλυμον

2 P a u s a n . V i l i 15, 1.

S't

ηδη Se χαι τας χρι&άς τοντοΐζ προςηγορίαν φακούς

χαι τα

δηίονοτι.

T f . . . . χαι oriti Taiia

χα\

όναμάζουπιν TÍço^vtuovai Δημητριά χυάμους

χ α\

τοιαντα,

Vergi. P r e l l e r D e m . u. P e r s e p h . 319.

» Rallini. Hymn, in Cer. 136: Φΐρβf

ßoorç,

μαία,

tpfçf

πταχυν,

oìae

&ΐρ«ίμον·

* Der Cult zu Megara hat in F o l g e d e r r o l k s e t y m o l o g i s c h e n U m d e u t u n g von μαία Aepfel in μόλα S c h a f e wieder zu einer ätiologischen L e g e n d e Ursache gegeben. Vergi. P a u s a n . Ι 44, 4. S a u p p e G o t t i n g . Nachr. 1871. G07 ff. P r e l l e r Dem. u. P e r s e p h . 321 Anm. P l e w zu P r e l l e r Gr. Myth. I 633. s Sallet Zs. f. Numism. I V 315 ff. « Vergi. H e h n K u l t u r p f l a n z e n u n d H a u a t h i e r e » 61. 204. 269. 329.

232

KAPITBL y .

aus dem überwiegenden Ansehen der Göttin des benachbarten Eleusis. Noch in mannigfachen Bildungsproducten gewähren Sitte und Sprache Anzeichen dafür, dass die Beschränkung der Demetergaben auf die Halmfrucht das Ursprüngliche war. Wo eine Flur durch guten Kornwuchs in eigentümlicher Weise sich auszeichnete, gewahrte das gläubige Auge ein besonderes Walten der Göttin, und man grenzte ihr gerne daselbst einen heiligen Bezirk (τέμ(νος) ab, in dem sich anfangs wohl nur ein schmuckloser Altar, hernach vielfach ein Tempel erhob. So in der späthomerischcn Zeit in dem nach seinen Weizenfeldern benannten Pyrasos in der thessalischen Phthiotis (II. II 695), so ìd Eleusis am rarischen Gefilde. Das getreidereiche Thasos hiess /Ιημήτερος άχτη (Dionys. Perieg. 523. Etym. M. 820, 40). Den heiligen Bezirk schmückte bald ein schattiger Hain, der nachmals bei wenigen Demeterheiligthümern fehlte. — Nur auf die B r o d f r u c h t erstreckt sich die metonymische Uebertragung des Namens der Spenderin auf das Geschenkte. Wie man Bakchos, Dionysos für Wein sagte, ward D e m e t e r zu einem Namen des G e t r e i d e s 1 oder des B r o d e s . 2 Ein ungenannter Dichter, vermuthlich ein sehr junger archaisirender aus der alexandrinischen Periode, führte diese Metapher in einer Weise fort, welche den Anschein erwecken könnte, als ob er den Nachhall einer alten und volkstümlichen Vorstellung verw e r t e . Er erwähnt des Kornschnitts mit den Worten: Wenn die Jünglinge

dann D e m e t e r e

Glieder

zerschneiden.9

Die einzelnen Wortformen entsprechen altepischem Gebrauch, der ganze Vers aber macht den Eindruck des Gesuchten und Gekünstelten, und Plutarch bringt das Citat als ein Beispiel « Vergi, das Orakel bei Herodot VII 142: "//π ο υ οχι9ναμ*νης

dtjurrtço;

η

αννιουαης.

* Oppìan. Halieut. III 463. ' P l u t , d e Is. e t O s i r . 6 6 : ¿ίημος

or* αίζηοι

Ιίοιητης

d η μ η τ t ça

it

τις rrtt των

κ ωΐοτ

9(ξΐζόντων

·

ο μ f v π tv*

Es ist wohl sicher anzunehmen, dass Plutarch den Vers nicht aus dem Originale, sondern aus der gelegentlichen Anführung eines Qrammatikers oder Lexicographer! sohöpfte.

DEMETER.

233

für rationalistische Religionszerstörung.

Eine besonnene K r i t i k

wird sich daher durch die vollere Personification nicht beirren lassen und es vorziehen, bis auf W e i t e r e s den Gedanken an eine aus einem «älteren Zeitalter

der Dichtkunst herrührende

Reliquie abzuweisen, welche — wenn als solche erwiesen — freilich von hoher Bedeutsamkeit würde. Die Erstlinge feste ζ . B .

auf

Genüsse dar. 1 Landmann, selbst

im

Kos

der E r n t e der

brachte

Geberin

des

man am Ernte-

Getreidesegens

zum

Ein Gedicht der Anthologie führt einen kleinen

einen

griechischen

fremden Lande

Kolonisten, vor A u g e n ,

(Lydien)

den

brauch fortübt, der Demeter L i k m a i ê

heimischen

nach dem

der

Väter-

Ausdrusch

d e n i h r g e b ü h r e n d e n A n t Ii e i l v o n d e r E r n t e (μοΤραν άλιίΗτα) auf einen hölzernen Dreifuss zu stellen. 2

A n einigen

Stätten fand auch jene abgeleitete Vorstellung, dass Demeter den geeammten Fruchtsegen Ausdruck. von

des Jahres gewähre, im Cultus

Der 'schwarzen Demeter' feierten die Einwohner

Phigalia

jährlich

ein communales

Erntedankfest

Einsammlung aller Früchte des Jahres, wobei

nach

sie Obst

und

Weintrauben nebst Honigwaben und ungereinigter Schafwolle auf den

vor

ihrer

Höhle

stehenden A l t a r

Spende Oel darüber gössen. Priesterin

und jedesmal

Bürgerschaft

erwählten

legten

und

als

Den heiligen Dienst versah eine

der Jüngste

von den drei aus der

Hierothyten.

brachten

Ausserdem

P r i v a t e auch wohl ausserhalb des bestimmten Tages Früchte als

Gaben

dar. 3

Vor

die

Bildsäule

im

Heiligthum

der

Deipeter Mykalessia (in Boeotien), dessen Hüter der idäische Daktyl

Herakles

Früchten, reifen ging

sein

sollte,

welche

pflegen

die R e d e ,

' Theokr.

zur

(οσα

trug Zeit

¿ι> οπώρα

sie hielten

I d . V I I 3 in

man der

πέψνχεν

der S c h i l d e r u n g

— V. 31 : a S'oSò;

á'Tf Ña/υνιπ; ' >; γαρ ' raìcoi

tlaÌTa

ολβω

TtifvvTi

âa(uœy evxçtfrov - Zonas 3

ή

sich das ganze

der I n e e l K o e w i r k l i c h erlebten E r n t e f e s t e s : τΰ

allen

γη

Jahr

eines

hindurch

vermuthlich

ay/fìf; ΐυπΐπλω αφιπι

zu ; es

ψίραν)

¿ίηοί yog ïrev/t

ti τι a ç χ ó u f r ο ι ' uaZa γάρ

ηνΐπλήριααεν

von

Obsternte

auf

θαίίαια.

Zi au ά τ F ο ι nCovi perçta a

aitüáy.

aus Sardes.

P a u s a n . V I I I 42, 5.

A n t h . P a l a t . V I 98.

Vergi. A W F .

248.

234

KAPITEL

V.

frisch (Pausan. I X 19, 4). Der Daktyl Herakles als Genösse der Demeter gibt einen Anhalt, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Einrichtung dieser Form des mvkalessischen Gottesdienstes frühestens in den Anfang des sechsten Jahrhunderts d. h. in die Zeit des Epimeaides und Solon zu setzen. 1 Demeter ist freilich schon in der ältesten Poesie in idealer Menschengestalt gedacht und daher mit denselben epischeu Beiwörtern ausgestattet, welche auch anderen Göttinnen zustehen,- aber der Tafelrunde der Olympier gehört sie bei Homer noch nicht an. Wenn gleich dann später der Homeride auch sie, der Analogie aller übrigen Götter folgend, im Olvmpos zu Hause sein lässt, bleibt für alle Folgezeit ihr Auftreten ein derartiges, dass deutlich das Gefühl durchbricht, sie habe eigentlich im Saatfeld selbst ihre Stätte, entfalte in diesem gleichsam als immanente Macht ihr Wesen und ihre Wirksamkeit. K . Lehrs, einer der feinfühligsten Beobachter griechischer Anschauung, bestätigt diesen Eindruck, indem er (Populäre Aufsätze 2 9 0 ) Demeter eine Göttin nennt, a l s d e r e n g e w ö h n l i c h e n W o h n p l a t z man sich die E r d e d a c h t e . ' E r sagt, dass 'Demeter, wiewohl eine hohe olympische Göttin, doch als Getreidegöttin, ihrer Gabe und ihrem Amte gemäss, als vorzugsweise auf der Erde hausend und schaltend in der Phantasie stand,' auf den Feldern, und der Felder sich freuend.' E s ist daher erklärlich, dass von den Zuständen des Getreides einige poetische Bilder entlehnt werden, um die Gestalt oder den Namen der Göttin damit zu schmücken. Das Beiwort g o l d g e l b , b l o n d (ïuc#ôç), in der epischen Poesie nicht selten von den Haaren hervorragender Helden und Heldenfrauen iMenelaos, Achilleus, Meleager, Odysseus, Againede) gebraucht, enthält in seiner Anwendung auf Demeter (II. 1

V e r g i . S t r u b e S t u d i e n über den B i l d e r k r e i s von Eleusis S. 5 1 ff.

- Sie ist von l i e b l i c h e r G e i t a l t (πυΐυήηητον Locken

umwallen

ihr

Haupt

e'iiìu; ϊχηυαα Hymn. 3 1 ö ) ;

(¿¡,'.Τ/.ΟΧΟΜΟ; Od. V

125.

χαλλιηΐόχαμο;

II. X I V 3 2 6 . \υχουος H y m n . 2 0 7 . 3 1 5 ) wie dus der Eos, Athene, der Nymphen

u. s. w.

Ihre

H y m n . 251. 2 9 5 . ίϊατέφανo; Aphrodite Od. V I I I 2 6 7 . (xitUíotpufo; H y m n . 4 5 3 ) .

Stirn

schmückt

ein K r a n z

Artemis,

(xaiiiar/tpavo:

Hes. O. e. D. 300. I l y m n . 2 2 4 ) gleich Ihre

schönen F ü s s e werden

der

hervorgehoben

235

DEMETER.

V 500. Hymn, in Cer. 302), d. h. deren Haupthaar, wohl eine Anspielung

(nichts anderes) auf die goldene Farbe

der

reifen Aehren, wie in seiner Verwendung für den /gt άσχημης Phoibos Apollon auf die Sonnenstrahlen. heisst die Göttin

(arixyvoortrpuvoc)

A ehrenbekränzt

in einem Epigramm

des

Philippus v. Thessalonich (Anth. Palat. V I 104) 1. Jh. n. Chr., gewissen Bildwerken

entsprechend,

in denen sie

mit einem

Kranze von Aehren auf dem Haupte, 1 oder mit einer ährengefüllten Patera,-' häufiger noch mit einem Aehrenbüschel oder mit A e h r e n und M o h u k ö p f e n

in der Hand H

dargestellt

wird. Aus der archaischen Periode und der ä l t e r e n

Blüte-

zeit der griechischen Kunst sind uns freilich sichere Beispiele dieser Attribute nicht erhalten; 4 doch dass sie damals noch nicht vorhanden gewesen wären, kann nicht mit Bestimmtheit behauptet werden, da uns über eine ganze Reihe alter Demeterbilder jede genauere Angabe fehlt.

W i e dem aber auch sei,

unzweifelhaft schlossen die ersten Erfinder dieser Darstellungen an die in den Cuiten gehegten und bewahrten Vorstellungen von der Göttin sich an (vergi. Overbeck Gr. Kunstmyth. I I I 438). Die Zugesellung

des M o h n s zur reifen Aehre

verräth die

frische Natürlichkeit einer poesievollen lebendigen Anschauung"' So auf

1

Colonna

dem

Horn.

zu

archaisirenden Overbeck

Relief

eines

Gr. Kunstmvtli.

Altari

III

(II

in der

der Mehrzahl der auf Bildwerke der Blütezeit zurückgehenden ( O v e r b . a. a. O. 454),

auf

Villa

4 ) 420, y l ,

in

Münzen

Gemmoii (Overb. 4r>5), Reliefs und

Terra-

cotten (Overb. 513). Bronzestatuette von S t r a w b e r r y - H i l l .

2

( O v e r b . 459. 460).

> Statuen ( O v e r b . Atlas X I V 22. 23. 24), R e l i e f e und Terracotten (Overb. Vergi.

514) und Theokr.

αμφοτ^αιαιν αλλά

Münze

Id.

Münzen

des

}i r'unioxirttoç

f i ï a a a , μίγη

ψιλότητι

¿1ημητηςΛ και

fvyij

f r i τ ç ι τι ο λω * ουά'ε rir¡v t j f v ος μιν

χατέπίψν*

βαλών

αργητι

απυιηος Kfçavvip.

241). Nonius aut l a r v a r u m 377. Glossar. παρηιιραραχτο;.

239

DEMETER. Siehe D e m e t e r g e b a r , die heilige Oöttin, d e n P l u t o s , Als mit Jaaios sie a u f d r e i m a l g e a c k e r t e m B r a c h f e l d Traulicher Liebe gepflegt in Kretas f r u c h t b a r e m E i l a n d . 1

Die folgenden schleppend angehängten und durch Anakoluthie als Flickwerk gekennzeichneten YY. 972—974: Ihn, de- ein heilsamer geht durch Land und Meeresgewäsaer Rings, den Begegnenden aber und wem in die H a n d ' er gelangt ist, Den umliäuft er mit Gut und gewahrt ihm Fülle des Heichthunis 1

halte ich für den späteren Zusatz eines Interpolators, welcher den Plutos der vorgetragenen Fabel, den Dämon der Fruchtfülle, nicht zu unterscheiden wusste von dem Plutos der jüngeren Dichtung, der Personification des durch Handel, zunächst Kornhandel, erworbenen Kapitalreichthums. 3 Horner und Hesiod bieten uns zwei Varianten derselben Sage, keine gewährt die älteste und echte Fassung; doch scheint dieser die hesiodische Erzählung näher zu stehen, als die homerische. Schon in der Urform wird Plutos, der Sohn, enthalten gewesen sein : ohne ihn, um dessen willen die Verbindung der Eltern gedichtet wurde, würde der Sage die Pointe fehlen. Das dreimal gewendete Brachland ist der zur Saatbestellung fertig gemachte Acker {γη τρις àoodsTaa, ή χνρίως rçic πιπολημίνη). Die Alten umbrachen den Boden im Frühjahr, sobald er etwas abgetrocknet war, zum ersten Male, damit er der Sonne zugänglich werde. Zur Vertreibung des Unkrauts wurde im Sommer eine zweite Umpflügung vorgenommen, zur Saatbestellung im Herbst folgte die dritte Bearbeitung. Theophrast 1

-

/1r¡u'¡ Γηυ ufv Πλοντον 'laoùo

ήο'ιΐι my fin'

vftiü

(ve

'Εα&λόν-

τ ç trr o if«ì

TOV'V âtpvftôv

f$r¡xf,

üftitüv,

φιίότητι

Κρητη;

ο.' fin'' f77'ι γην

71 unity ' τ(;> Se τυχοντι 5

f y f í f a r υ · Sìa

fçar η

fv níovi

Arturo.

7-f yùt fupf'ir νώτα xa) nu κ' ¿ς XF'Çai

7io?.vv ι * οΐ ωτταικν

9αλαααηζ 'ixtjraii olßov.

Aehnlich urtheilte schon Schümann (Die Hesiodische Theog. 8.279): ' W e n n aber P l u t o s »ein (des Jasion) und d e r ' D e m e t e r Sohn heisst, so denken wir dabei am natürlichsten zunächst an den durch den Segen des Ackerbaus gewonnenen Reichthum. Die Verse 972 — 974 fassen aber den Begriff in weiterem U m f a n g e und y e r r a t h e n , dass es dem Dichter nicht darum zu thun gewesen sei, sich s t r e n g e nur an den u r s p r ü n g lichen Sinn zu halten.'

240

KAPITEL

y.

(hist, plant. Y I I 1 ) unterscheidet demgemäss den α o oro ς //ιμ^ινός, αροτος 9ιριι·ός u n d άροτυς τρίτης ó μεταξν

τούτων.

P a l l a d i u s setzt

an: Jan. 3. agros proscindere, Juni 1. iterare, Sept. 1. tertiäre. 1 Auf dem Boden des Ackers also umarmt Demeter zur Zeit, wann die Saat in die Erde geht, einen Dämon Jasios oder Jasion. Diese beiden Namensformen verhalten sich wie Τιμάοιος zu Tuiuaiiuv,

Νιχήπιης

zu

Νιχηαίιον,

d. h. die

zweite ist eine

hypokoristische Weiterbildung der ersten, und diese wiederum entweder die Koseform eines verlorenen Vollnamens bezw. nach Analogie einer solchen (vergi. ΤιμψίΟεος. Τιμασ/πολις, Νιχηοίύιχος) gebildet, oder sie ist die Substantivirung eines Adjective nach Art von Λύπιος. Das Etymon liegt noch nicht hinlänglich klar; iivat und ίάομαι versagen (s. Düntzer Zs. f. vgl. Spr. XIV 201 ff.); am wahrscheinlichsten darf an luivio e r r e g e n , b e l e b e n , erfrischen, wärmen, erfreuen gedacht werden trotz des von Düntzer a. a. 0 . dagegen geltend gemachten sprachlichen Bedenkens, 2 so dass Jasios in irgend einer Weise und in irgend welcher Schattirung der Bedeutung den Begriff des E r r e g e r s , B e l e b e r s ausdrückt. Dieses Paares Sprössling ist Ρ l u t o s , der Dämon der E r n t e f ü l l e ( A W F . 244 ff.), über den ich mich weiter unten ausführlicher auslassen werde. Die Sage muss, ihrer Conception nach, hinter Homer und Hesiods Quelle zurückreichen, da beide aus dem Dämon Jasios schon missverständlich einen Sterblichen machen, 3 Hesiod, indem er ihn einen Heros nennt, Homer, indem bei ihm die Fabel in dem Tode desselben durch den Blitzstrahl des Zeus weiter gesponnen ist. Wer dieses Motiv zuerst einführte, mag von der Ueberzeugung ausgegangen sein, dass ein Mensch, der mit Göttern geruht, sterben müsse 4 (vergi. Semele). Bewahrt die hesiodieche Fassung die ältere Namensform Jasios, so könnte die • Vergi. T h a e r im Philo]. X X I X (1870) 592. » Ver¡rl. Personen»

Pott,

Zs.

f.

vgl.

Spr. V I 336 I X

201.

Fick

Gr.

S. 38. W B . . 2 Theodor Bergk in Gerhard arch. Ztg. Sept. 1847 Boil. 36 und Bulletino dell' Inst. 1848 S. 136 erkannte zuerst in dem springenden Bosse den Areion ( Ε Ρ Ι Ω . Ν ) , in dem θ die 'Anfangsbuchstaben von θϋπουαα. Mehrfach (ζ. B. von Curtius Peloponn. I 396) angezweifelt ist diese Deutung neuerdings siegreich bewährt durch Imhoof-Blumer in Sallet Zs. f. Numisro. I 125—133. s

Tzetzee zu Lycophr. 1225 : ¿ημϊ,τηα "Efiyrv; τψαται, Καλλίμαχος ' Τι;y μ(ν ο γ ΐιίηί'ζμην^ν ^Εριννι Τιλφωοαίη (1. Τ^φου,ιααίπ). S. 08.

ως χαϊ

Vergi. Schneider Callimachea I I S. 456 (Fr. 207). u.

246

KAPITEL V.

(Alex. 153. 1040. 1225) den Poseidon und die Demeter Erinys als Eltern des Areion. Bereits 150 Jahre früher wusste Antimachus, der ältere Zeitgenosse des Piaton, davon, und noch vor ihm muss die Localsage, litterarisch fixirt, in irgend eine Bearbeitung des thebaischen Sagenkreises Aufnahme gefunden haben, da der zu Kolophon in Lydien wohnhafte Dichter nicht der Erfinder oder der Aufzeichner dieser Geschichte aus mündlicher Ueberlieferung war, sondern dieselbe gleich dem übrigen Stoff seiner Thebais aus schriftlicher Quelle schöpfte, deren seiner Vernunft anstöseige Angabe von der Geburt des Rosses durch Demeter 1 er auf rationalistische Weise durch vaterlose Geburt aus der Erde beseitigen zu müssen glaubte. 2 Eine nah verwandte Sage hatten die Phigalenser. Dreissig Stadien von Phigalia lag der Berg Elaïon ; in diesem befand sich eine Höhle, welche der s c h w a r z e n D e m e t e r (Demeter melaina) eignete. Yor der Höhle stand inmitten eines von einer .Quelle durchrieselten Eichenhaines ein Altar, die Stätte eines jährlich im Herbst begangenen Erntedankopfers (o. S. 233). Yon dieser D e m e t e r e r z ä h l t e n d i e O r t s e i n w o h n e r e b e n f a l l s , dass P o s e i d o n ihr nach1 D a s s sein G e w ä h r s m a n n diese A n g a b c m a c h t e , g e h t a u s der B e z e i c h n u n g des L o c a l e ale fStSlov d e r D e m e t e r E r i n y s h e r v o r . Diese V e r b i n d u n g zweier G ö t t i n n e n zu einem Begriffe war also schon v o r h a n d e n . D a A r e i o n , wie wir sehen w e r d e n , als Sohn der E r i n y s n a c h Thelpiisa k a m u n d noch n a c h A n t i m a c h u s als Sohn der D e m e t e r E r i n y s a l l g e m e i n g a l t , muas er schon vor ihm in l e t z t e r e r E i g e n s c h a f t b e k a n n t g e w e s e n sein. P r e l l e r ist d a h e r im I r r t h u m , w e n n er Dem. u. P e r s e p h . S. 150 A n t i m a c h u s den ä l t e s t e n Z e u g e n , 8. lòti den E r finder der S a g e von d e r G e b u r t des Areion in Thelpiisa n e n n t und erst n a c h seiner Zeit aus d e r von ihm als Mutter des Rosses e i n g e f ü h r t e n Gê d i e D e m e t e r E r i n y e ' d u r c h M i s s v e r s t i n d n i s s e n t s t e h e n lässt.

- Die beiden von P a u s a n i a s VIII 25, 5 ; 3 a u f b e w a h r t e n m e n t e d e r T h e b a i s des' A n t i m a c h u s l a u t e n : Η.

"Αόρηηχο^

Ταλαω

"1 n,·

TrçtOTtOTOç dayutúv Κάιρο ν Tf xçaiTi vòv Toy ρα τ b.

Λημητρος

αχ*Sòr

ν taxe,

το&ι

fjintity

xitì ^Aqftovu

Λπολλωνος

α υ τ η γ α ι* avi

hnrj9qïaàao

fuuivilio

φαο\ν

πίβαζ

1,77/(0, θ €l i ο υ ο a ì o y ,

alato;

*Oyx>tíoio

9νητοί(ίιν

* £ ρ ιν ο ο ς ttyoi

ÌStadut. eâe&Àor.

Frag-

247

DEMETER.

g e s t e l l t u n d s i c h m i t i h r in R o s ' s g e s t a l t b e g a t t e t h a b e . Beider Kind sei die Göttin, welche von den Arkadern Despoina genannt werde. Von der Gebart eines Rosses wussten sie nichts. Theils aus Unwillen über ihre Vergewaltigung, theils aus Schinerz über den Raub der Persephone habe D e m e t e r e i n s c h w a r z e s G e w a n d a n g e l e g t u n d s i c h in j e n e H ö h l e z u r ü c k g e z o g e n . Sie sei darin lange Zeit verborgen geblieben, da verging jede Frucht der Erde und die Menschen starben vor Hunger, bis Pan zufällig auf dem Berge jagend das Versteck der Göttin entdeckte und sie darin a u f e i n e m F e l s s t ü c k e s i t z e n d a n t r a f , in e i n s c h w a r z e s G e w a n d g e h ü l l t u n d s t a t t des menschlichen H a u p t e s einen P f e r d e k o p f tragend; worauf Zeus durch die Moiren sie zur Besänftigung ihres Zornes bewog. Aus diesem Grunde hätten die Phigalenser die Höhle geweiht und ein Bild von ihr aufgestellt, welches sie darstellte gerade so, wie Pan sie gefunden. In der einen Hand habe sie eine Taube, in der anderen einen Delphin gehalten, und Schlangen und andere Thiere seien an das mit langer Mähne versehene Rosshaupt angefügt gewesen. Die Göttin hiess d i e S c h w a r z e ' , weil sie ein schwarzes Gewand trug. (Pausan. V I I I 42, 2. 3). So lauteten zur Zeit des Antoninus Pius die mündliche Volkssage 1 über den Ursprung des Cultus der Demeter 1

Hand

Michaelis u n d C o n z e

des

Pausanias

die

haben

Höhle

b e i m B e s u c h von P h i g a l i a an d e r

im

Elaîon

e o h i l d e r n ihren s c h a u e r l i c h e n E i n d r u c k . thums

nimmt

deren Feste

heutzutage

eine k l e i n e

die Einwohner

zusammenströmen.

wieder

aufgefunden

Die Stelle des Kapelle

der U m g e g e n d

der

wie

Madonna

vor

und

Demeterheiligein,

Alters zur

an

Feier

M a n erzählt, am g e g e n ü b e r l i e g e n d e n U f e r der N e d a

sei ein h o c h h e i l i g e s B i l d der Mutter G o t t e s im S c h l o s s o ein B r u d e r

gewesen.

sich in s e i n e S c h w e s t e r

Als a b e r

einst

verliebte,

Ver-

l i e s e d i e 'h. J u n g f r a u ' a u s A b s c h e u die B u r g u n d s c h l u g ihren Sitz in der

erwähnten

S. 59).

Grotte

auf.

Die Reminiscenz

an

(Annali den

d e l l ' I n s t i t u t o di corr. arch. 1 8 6 1

Dienst

mit d e m B r u d e r ( P o s e i d o n ) ist offenbar, dem

verehrten W e s e n

f r a g l i c h bleibt es,

auf

o b der

ein

fingirtes

n e u e Cult

und

der

Göttin

und

nur w a r d die

den

Incest

Frevelthat

von

L i e b e s p a a r ü b e r t r a g e n ; aber die n e n e

Sage

in

ununter-

brochener F o l g e die Traditibn des Alterthums fortsetzen, oder i r g e n d wann geübten gelehrten

Einflüssen ihre Entstehung

verdanken.

248

KAPITEL V.

Melaina und die Aussagen über die damals gangbaren Vorstellungen von der letzteren, welche Pausanias von den phigalischeü Bauern erfuhr, als er nach zweien aus einer schriftlichen Quelle ihm bekannten Bildern der Demeter, einem angeblich vor undenklichen Zeiten untergegangenen Schnitzwerk und einer späteren Erzstatue aus der äginetischen Schule sich erkundigte. Den litterarischen Bericht, den Pausanias seinen Fragen zu Grunde legte, 1 hat er uns ebenfalls aufbewahrt. Derselbe stammt allem Anscheine nach aus einem (periegetischen?) Werke der alexandrinischen Periode und gibt augenscheinlich die Legende wieder, welche zur Zeit des Verfassers von den Exegeten zu Phigalia, halbgelehrten Leuten, über die Entstehung der Statue von Onatas Hand und des Herbstopfers der Bürgerschaft (o. S. 233. 246) vorgetragen wurde. Ein erstes Bruchstück dieses Berichtes ist Pausan. V I I I 5, 5 in die arkadische Königsgeschichte verwoben. Unter des Phialos, des Eponymen von Phigalia, (mundartlich Phialia) 2 Sohne Simos ging d a s a l t e S c h n i t z b i l d der Demeter Melaina zu Phigalia durch Feuer zu Grunde, zum Omen, dass derselbe bald sein Leben verlieren werde. Hierauf bezieht sich der von der mündlichen zur schriftlichen Quelle des Pausanias überleitende Satz V I I I 42, 3 : Tovro μίν àrj το ξοανον χτλ. Wessen Werk nun dieses Schnitzbild war und auf welche Weise es d i e F l a m m e (ι; φλόξ mit best. Artikel) verzehrte, erinnern sie (die von Pausanias danach befragten Phigalier) sich nicht mehr.' Und dann fährt V I I I 42, 4 bis τον Μήδον der Auszug aus dem litterarischen Gewährsmann fort: A l s d a s a l t e S c h n i t z b i l d dahin war, weihten die 1 Auf den U n t e r s c h i e d der m ü n d l i c h e n Q u e l l e d e s P a u s a n i a s von d e r s c h r i f t l i c h e n z u e r s t mit t r e f f e n d e n G r ü n d e n h i n g e w i e s e n zu h a b e n , ist d a s Verdienet E. P e t e r s e n s ( K r i t i s c h e B e m e r k u n g e n zur Geechichte d e r g r i e c h i s c h e n K u n s t . P l ö n 1871). Schon die ä u s s e r e F o r m (rein h i s t o r i s c h e D a r s t e l l u n g in d i r e c t o r R e d e ) scheidet die Mittheilungen aus dem B u c h • o n d e n j e n i g e n a u s d e m V o l k s r a u n d (χατά ταυτά πφ,αιν ο! ΦιγαΙ*îç rouíCouOíV — Χεγυιrfíiv — (faair οι ΦιγαΧΐίς — ipan'iy — mit f o l g e n d e r indirecter Rede). 2 O d e r Phialeia. C u r t i u s P e l o p o n n e s o s G e o g r a p h i e y o n G r i e c h e n l a n d I I '251.

I 3 4 3 n. 27.

Bursian

249

DEMETER.

Phigalier kein anderes und vernachlässigten auch grossentheils die Fest- und Opfergebräuche, bis endlich U n f r u c h t b a r k e i t über das Land kam und die Pythia, bei der sie Hilfe suchten, ihnen den Rath g a b , die H ö h l e , i n d e r sich die r o s s v e r m ä h l t e Demeter versteckte, (jnnoXf/nvç

Ληοϋς

χονητήοιον

αντρον)

aufs

neue

mit

gött-

lichen Ehren zu schmücken und die zürnende Göttin durch Opferspenden des ganzen Volkes (πανόήμοις λοφαΐς) zu versöhnen. 1 Jetzt bestellte man bei dem äginetischen Bildhauer Onatas 2 eine Erzstatue, welche dieser theils nacli einer Zeichnung des älteren Cultbildes, theils nach einem Traumgesichte vollendete, und die Göttin wurde weit mehr als früher in Ehren gehalten. Vornehmlich um das Kunstwerk des Onatas zu sehen, besuchte Pausanias auf seiner W a n d e r u n g Phigalia; kein Lebender entsann sich der Existenz desselben; nur ein hochbetagter Greis wusste zu sagen, dass drei Menschenalter vor ihm ein Felsstück von der Decke der Höhle herabgefallen sei, und er hatte gehört oder er vermuthete n u r , ohne damit das einstige Vorhandensein bezeugen zu wollen, dass dadurch das von dem Fragesteller erwähnte Bildwerk zertrümmert und verschüttet sei. Die Beschaffenheit des Gesteins überzeugte zwar Pausanias sowie die neueren Reisenden Michaelis und Conze durch den Augenschein von der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines derartigen Hergangs. Dennoch ist die Aussage jenes Greises schwerlich als historisches Zeugniss verwendbar. F ü r die Existenz eines dem alten Aegineten zugeschriebenen Erzbildes in der Diadochenzeit besitzen wir dagegen in dem litterarischen Gewährsmann des Pausanias einen Bürgen, dessen Glaubwürdigkeit nichts dadurch verliert, dass er der einzige ist. F ü r sich betrachtet — wie billig ist — geben seine W o r t e keinerlei Aufschluss über die Gestalt, welche der Künstler der Göttin verlieh, nur soviel geht aus der Combination oder Tradition, dass 1 Der Orakelspruch verräth sich durch Ton und Sprache archaisirendes Machwerk alexaudrinischer Gelehrsamkeit. 2 Des Sophokles Zeitgenossen um 460 v. Chr.

«U

250

KAPITEL V.

Onatas ein uraltes Cultbild — über dessen Aussehen uns der Autor ebenso wenig eine nähere Andeutung gewährt — zum Muster nahm, wohl mit Sicherheit hervor, dass seine Darstellung ein archaisches Gepräge trug und an die hie und da erhaltenen Götterbilder erinnerte. Nach allen kunstgeschichtlichen Analogien aber muss man die Form des Erzbildes als rein anthropopathisch ohne Zusatz thierischer Gliedmassen voraussetzen. Wenn die Einwohner von Phigalia auf die Anfragen dos Pausanias einerseits leugneten, jemals etwas von dem Kunstwerk des Onatas gehört zu haben, andererseits aber erzählten, Demeter habe mit einem Pferdekopf ausgerüstet in der Höhle auf einem Steine gesessen und sei so in einem Götterbilde (Agalma) dargestellt gewesen, das zu unbekannter Zeit und auf unbekannte Weise sein Ende fand, eo ist es klar, dass sie in der Thatsache des ehemaligen Vorhandenseins einer Bildsäule eine dunkle Erinnerung eben an die Statue des Onatas (nicht an das der gelehrten Mythologie angehörige ξόανον der Urzeit) festhielten, dass sie aber die Einzelheiten der Beschreibung grösstentheils aus den näheren Umständen entnahmen, mit welchen die fruchtbare und leicht entzündliche Einbildungskraft des Volkes die Sage von der Vermählung des Poseidon Hippios mit Demeter und von dem Verborgensein der letzteren in der Grotte ausgeschmückt hatte, 1 während es andererseits nicht mehr als wahrscheinlich ist, dass sich auch einzelne Erinnerungen an die von Onatas gewählte Darstellung der Göttin mit dem aus der Sage fliessenden Phantasiebilde derselben verwirrten und verwoben. 2 Das erstere Element werden wir in dem Semitheriomorphismus des Götterbildes, das letztere in den demselben beigelegten Attributen Taube und Delphin, vielleicht auch in den nur ganz äusserlich dem Pferdekopf angefügten Schlangen und anderen Thieren vermuthen dürfen. Denn diese stören die Harmonie der poetischen Conception, jene verrathen sich als B e s t a n d t e i l e einer beschreibenden Schilderung und lassen 1 2

P e t e r s e n 11. a. O. 39.40. O v e r b e c k G r . Kiinstmyth. I I I (114 P e t e r s e n a. a. O. 41. O v e r b e c k a. a. 0 .

411.

DEMETER.

251

sich am beaten erklären, wenn sie aus der wirklichen Anschauung einer objectiven Vorlage entstanden sind. Der Delphin war ein allbekanntes Attribut des Poseidon, die Taube der Yogel Aphroditens. Auf der schönen Kamee des Tryphon (Miliin Myth. Gal. D. A. Taf. X L l 198) tragen Eros und Psyche auf dem Gange zum Brautbett j e eine Taube gerade so in der Hand, wie hier Demeter; Buhlerinnen weihten ihrer Göttin marmorne Tauben als Votivbilder. So mochte Onatas an seinem durchweg menschlichen Demeterbilde durch Vereinigung dieses Fisches und dieses Yogels in den Händen der Göttin s y m b o l i s c h die Sage von der Buhlschaft derselben mit Poseidon zum Ausdruck bringen, ohne die Gesetze der Schönheit zu verletzen. Den Schlangen aber, die dem Pferdekopf fremdartig sind, könnte die Erinnerung an eine Darstellung zu Grunde liegen, welche den Kopf des Erzbildes der Göttin zu Phigalia, ähnlich wie den der thelpusiechen Demeter, von Schlangen oder schlangenartigen Haaren umlockt zeigte. In diesem Falle müsste man freilich annehmen, dass der Künstler seine Demeter als Erinys darstellen wollte, dass die Sage von Phigalia eine Sprossform der thelpusiechen war und zu seiner Zeit noch deutliche Spuren davon aufwies, endlich dass Onatas — falls die Ueberlieferung wirklich ein Recht hatte, ihn als Urheber des Erzbildes zu bezeichnen — sich auffallend schnell beeilt hatte, die so eben durch Aeschylus Eumeniden aufgebrachte theatralische Charaktermaske der Erinyen ins Plastische zu übertragen. Wie dem nun auch sei, Pausanias hatte von den so eben besprochenen Verhältnissen keine Ahnung; er machte den Schluss, ein Götterbild so geartet wie das von seinen Fragebeantwortern geschilderte könne nur ein Schnitzbild gewesen sein, er identificirte es demnach mit dem unter Simos verbrannten ξόανον seiner schriftlichen Quelle und machte aus dem άγαλμα ein άγαλμα ξύλου. Nennen wir die Volkssage A, die Exegetenfabel des schriftlichen Berichtes B. Bei dem Vergleiche beider ergibt sich, dass die wesentlichen Bestandtheile der ersteren schon damals im Volksglauben vorhanden gewesen sein müssen, als die letztere a u f k a m , da die Bezeichnung

252

KAPITEL

V.

P h i g a l i a s als ' V e r b e r g u n g s h ö h l e d e r r o s s v e r m ä h l t e n D e m e t e r ' (Tropus des Theils für das Ganze) auf sie als auf eine allbekannte Sache anspielt und zugleich den C u l t dieser Göttin als die charakteristische Merkwürdigkeit der Ortschaft erscheinen lässt. Doch auch noch andere Züge, z. B. der Misswachs als Folge der Flucht in die Grotte und Ursache der Einrichtung des Gottesdienstes, müssen nothwendig zum Bestände der alten Sage gehört haben. So wird offenbar, dass Β im Ganzen jünger war als A, und das Motiv der Unfruchtbarkeit als Anlass zur Weihung des Götterbildes daher entlehnte. Nachdem wir bisher die äussere Beglaubigung der Zeugnisse für die beiden Demetersagen von T h e l p u s a und P h i g a l i a in Betracht gezogen haben, darf nunmehr in die Prüfung ihres Inhalts eingetreten werden. Dieser Untersuchung, welcher zuerst L. Preller in seinem Buche Demeter und Persephone Hamburg 1837 S. 149 — 171 die Fackel angezündet hat, ersteht ein sicherer Gewinn bei der Beachtung gewisser Thatsachen aus der geschichtlichen Entwickelung des griechischen Epos. Das Epos, wo immer es sich entfaltete, liebt es dem ritterlichen Haupthelden als treuen Begleiter ein Ross beizugesellen, welches, als Abkömmlung oder als Geschenk übernatürlicher Mächte mit Wunderkräften ausgerüstet, seinem Besitzer ungewöhnliche Thaten vollbringen hilft. Des Peleus und Achilleus unsterbliche Rosse waren eine Gabe Poseidons (vergi. A W F . 100 ff.) und Geburten einer Harpyie. Auch Adraetos, der Anführer der Sieben, welche den Zug gegen Theben unternahmen, musste ein solches Ross führen; die vorhomerische Dichtung hatte dasselbe einfach als K r i e g s r o s s , S t r e i t h e n g s t , A r e i ô n (Kosenamen von Areios, dem Ares geweiht) bezeichnet (vergi. Preller Griech. Myth. I s 484) und ganz unbestimmt göttlichen Ursprung ihm zugeschrieben, 1 falls nicht schon damals derselbe, der Sage von

< II. X X I I I

34«:

Oi)'V f'i x f y ufromodtv Λάρηατον

ιαχύν

lAotiova

àìov

fiaúvoiy

ϊττ TT ον, ος fx &to¡j : ' οντω yùo slrtui 71 Qoictyootvorrai imo Κοηνων ut xoi,9ui.

293

DEMETER.

reine

Conjectur erschlossen

sein

knnn.

Vielmehr

lässt es

sich auf s p r a c h g e s c h i c l i t l i c h e m W e g e als e i n e d o r i s c h e F o r m von

¿Vi«,

i>«

vollkommen

rechtfertigen.

dieses j o n i s c h - a t t i s c h e W o r t ,

welches

yava Gerste, altbaktr. yava

Es

setzt nämlich

bekanntlich

dem skr.

Feldfrucht, üt. javas

Getreide-

k o r n , j a v a i ( F l u r . ) G e t r e i d e e n t s p r i c h t , eine g r i e c h i s c h e G r u n d form

òjtFù

mit

Vorschlag

G r u n d z . ^ S. 6 0 9 ) , Çt Fd,

durch

V e r g i , ζηπΐι· j o n . ìuvi»

woher

von

d vor j

voraus

Ausstossung

von j

Jf /·'« e n t w i c k e l n

= dor. , s k r . y u g a m

( C u r t i u s S. 61 J).

blieb e n t w e d e r

ύιά

musste.

- lakon. (

— iljav η

104, 2.

KAPITKL V.

304

um die O h r e n schlägt. Auch von der Dzika liaba heisst es im Kr. Tarnopol, sie sitze ganz schwarz und nackt, m i t B r ü s t e n , d i e s i e ü b e r d i e A eli s e i n s c h l a g e , im Getreide, und nehme die Kinder mit in ihre Grube oder ihr Loch, worin sie unter der E r d e wohne. Dieser Zug ist wohl eine von den l a n g e n B r ü s t e n der wilden Weiber und der als Wirbelwinde dem Sturm oder Gewitter voran f a h r e n d e n F r a u e n ( B K . 88. 108. 117. 123. 128. 137. 138. 147. 445. 611) hergenommene Uebertragung, veranlasst dad u r c h , dass die Kornmntter ihr Leben mehrfach im Windhauch und Wirbelwind äussert (o. S. 296. 302). Eines anderen Ursprungs aber scheinen die übrigen Aussagen über die Brüste der Kornmutter. Von den î s e r n T i t t o n ' heisst dieselbe in den Kreisen Neuhaidensieben und Wolmirstedt s e h r häufig ' d a t T i t t e w î f ' . Die Brustwarzen sind so scharf, dass sie wie F l a c h s h e c h e l n stechen (Judschen bei Gumbinnen); und daher rührt ein N a m e , den die G e t r e i d e m u t t e r bei Verden f ü h r t , " H ä k e l m ö m ' ; häkeln ist nämlich hecheln, Flachs hecheln. Da man zu Harsefeld bei Stade sagt d i e K o r n m u t t e r s t e c h e d i e K i n d e r m i t d e n H a l m e n ' , vermuthe ich. dass diese spitzen, stechenden Brustwarzen die langen spröden Spitzen oder Borsten, die Grannen, Acheln oder Gracheln an den Getreideähren bedeuten, und dass die Benennung e i s e r n nur eine metaphorische Bezeichnung ihrer stechenden Eigenschaften sei. Dieses Bild scheint weiter ausgeführt, wenn es (Tilsiter Niederung) heisst, die K o r n m u t t e r sitze mit n a c k t e m H i n t e r n (den glatten, unbekleideten Halmen?) und e i s e r n e n B r ü s t e n im Korn. Nur selten (im südlichen und nordwestlichen Theile des Westerwaldes), hört man, dass die Kinder d e r K o r n m u t t e r h ö l z e r n e M e m m e n s a u g e n müssen; 1 häufiger spricht man (in der Altmark, im Lüneburgischen und den Kreisen Gardelegen, Salzwedel, Oschersleben P r . Sachsen) von der s w a r t e n T i t t e der Kornmöme, und daher wird sie auch Kr. Wolmirstedt d a t s w a r t e T i t t e η wit', d. i. das W e i b mit den schwarzen Brustwarzen, genannt. Ich 1

Kehreil] Volkesitte im Herzogthuni Nassau S. 280: Memme.

305

DEMKTKR.

vermuthc, dass bei dieser Auffassung an die schwarzen Pilze des Mutterkorns (s. weiter unten) als an die schwarzen Saugwarzen der Kornfrau gedacht ist. Zuweilen, ζ. B. bei Pilkallen in Ostpreussen, in Neuhaidensieben, in Niederösterreich unter dem Manhardsberge, in Galizien u. s. w. nennt man die e i s e r n e n B r ü s t e der Kornmutter, Stara Baba u. s. w. 'glühend', 'brennend', glüh'. Insofern dabei nicht die Lichterscheinungen der Trombe im Spiele sind (o. S. 302), könnte das vielleicht auf die röthliche Farbe der reifen Aehren gehen (vergi, rubicunda Ceres, rubra fiamma). An diese Brüste legt die Kornmutter die Kleinen und lässt sie daran saugen, worauf sie sogleich sterben. Dies ist die allgemein durchstehende Angabe. Offenbar Ausschmückungen und Ausläufer und zwar nur missverständliche dieses Zuges sind es, wenn vereinzelt hie und da gesagt wird, dass die Kinder saugen müssen, bis Blut kommt, dass das Kornweib die Kinder mit eisernen Zangen kneife oder ihnen die Beine ausreisse oder sie fresse, oder in einen Sack oder Tragkorb stecke und forttrage. Sie heisst daher bei Soldin in dor Neumark die Alte mit der Kären' (Tragkorbi. Auch dichtet man in Folge dieser Vorstellungen der Kornmutter krallenartige Finger an. Zu Niedane Kr. Ratibor erwürgt die Kornbaba m i t f u r c h t b a r e n Krallen ( p a z u r a m i ) , zu Gonobitz Kr. Cilly in Steyernjark tödtet das Kornwoibel oder die K o r n m u t t e r mit ihren b r e n n e n d e n F i n g e r n und B r ü s t e n die Kleinen, brät und isst sie. Und bei Marburg in Steyermark sagt m a n , die Kornmutter (Weizenmutter, Erbsenmutter), ein W e i b g a n z g r a u a n g e z o g e n und mit Krallen an den Händen greife die Kinder und g e b e s i e i h r e m b r e n n e n d e n H o r n v i e h z u f r e s s e n . Auch heisst es, wenn j e m a n d im H a u s e plötzlich stirbt, die Kornmutter habe ihn mit ihren Krallen angerührt. Aehnlich zu St. Pölten Kr. über dem W i e n e r W a l d e . Die Kornmutter führt die ins Korn verlaufenen Kinder weg und erdrückt sie. Am C h a r f r e i t a g sollen deren Seelen um Mitternacht im H a u s e der Eltern umgehen. Zuweilen aber wird das Ergreifen der Kinder ganz nach der Weise der gewöhnlichen Elbensagen zu einer Vertauschung QF. LI.

20

306

KAPITEL V.

mit Wechselbalgen. Bei Saalfeld (Sachsen-Meiningen) zwang einmal ein Edelmann eine Sechswöchnerin, Garben auf dem F e l d e mitzubinden. Sic legte ihr Kind auf den Acker. Ueber eine Weile kam die R o g g e n m u t t e r , und der Edelmann sah, wie dieselbe das Kind vertauschte. Der Wechselbalg schrie, der Edelmann Hess, ihn schreien. Da kam die Roggenmutter wieder, brachte das rechte Kind und holte das ihrige zurück. Der H e r r aber erlaubte der Sechs Wöchnerin nach H a u s e zu g e h e n . 1 Im Kornfeld sich verirren ist für kleine Kinder in W a h r heit gefährlich und war es ehedem noch weit mehr, als vor der Separation des Gemeindebesitzes die Kornflur jedes Dorfes eine weite, unabsehbare, zusammenhängende Fläche ausmachte. 2 E s erklärt sich daher auf ganz einfache und natürliche W e i s e , weshalb man den Kleinen die Kornmutter so schreckhaft als möglich ausmalte. Geschah dies nun ganz nach Analogie der verschiedenen Ausgestaltungen des Glaubens, dass die W a l d g e i s t e r (Dive z e n y , F a n g g e n , Langtüttin, Seligen, Eis, Salvane), Ljeschie) K i n d e r s t e h l e n , 3 so fragt man sich, ob dabei Uebertragung bezw. Aneignung eins fertigen Musters im Spiele war, oder ob eine gemeinsame Idee einen gleichmässigen Ausdruck fand. Letztere könnte — wenn sie vorhanden war — nur in dem jetzt stark verdunkelten Glauben gesucht w e r d e n , dass die Waldgeister und die 1 Prätonus Neu» Weltbesclireibung S. 138. Grimm Γ>. Sag. 2 I S. 127 n. 90. 2 Vorgestern Abend vermisste eine Familie auf dem Rückw e g e von P a n c k o w nach Berlin plötzlich ein dreijähriges Kind, das bisher hinter den Eltern g e g a n g e n war. Es wurde sofort auf dem g a n z e n Wege g e s u c h t , ohne dass sich eine Spur zeigte. Da rieth ein dazu kommender Herr, doch im Getreide länge des "Weges nachzusehen, indem er daran erinnerte, wie schon einmal ein Kind sich dort ins Getreide verirrt und erst beim Abmähen des Feldes todt aufgefunden war. Man befolgte diesen R a t h , traf auch bald auf Spuren im nahen Feld und fand glücklich das Kind, welches weinend im Getreide sase. Neue preussische (Kreuz-) Zeitung 7. Juli 1865 no. 156.

' Wilde W e i b e r , F a n g g e n u. s. w. laufen Kindern nach und bieten ihnen ihre langen Brüste dar. BK. 88. 108. Fanggen, Selige, Eis, Salvegn stehlen bezw. fressen oder vertauschen Kinder. BK. 89. 90. 108. 113. 126.

307

DEMETER.

Kornmutter die in früher Jugend sterbenden Kinder wieder dorthin zurückholen, wo ihre Seelen vor der Geburt geweilt, 1 in den W a l d , ins Saatfeld (vergi. A W F . 124). Die zurückgekehrten werden wieder zu grünen A e h r e n . Bestand etwa dieser Glaube, so musste er auf die W a r n u n g vor dem Verlaufen lebender Kinder ins Getreidefeld Einfluss üben. Möglicherweise ist auf eine derartige Vorstellung ganz speciell die Drohung bei Keula Bez. Ebeleben Unterherrschaft Sondershausen zurückzuführen : ' D i e R o g g e n m u h m e bindet euch grüne Kränze, färbt euch die H a a r e grün u n d b i n d e t e u c h an.'2 Sei dem n u n , wie ihm wolle, mit grösserer Sicherheit scheint es möglich, die folgenden Aussagen auf ihren sachlichen Kern zu bringen. Die eisernen Brüste der Rugiuboba s i n d m i t . T h e e r g e f ü l l t (Wilkischken Kr. Tilsit). Die R o g g e n m ö n e lässt die Kinder ihre 's w a r t e T i t t e ' saugen, oder sie gibt ihnen eine T h e e r s t u l i e d. h. eine mit Theer beschmierte Brodschnitte zu essen (Kr. Gardelegcn, Salzwedel, Stendal und sonst in der Altmark). Die Roggenmüen h a t e i n e T h e e r b u d d e l u n d b e s c h m i e r t d i e K i n d e r g a n z in i t T h e e r (Rogasen Kr. Obornik Rgbz. Posen). W i r sahen schon (o. S. 305), dass unter den s c h w a r z e n B r u s t w a r z e n , wo solche erwähnt werden, unverkennbar die Pilze des Mutterkorns gemeint seien. D a nun letzteres auch als M u 11 e r b r o d (Kr. Teltow Rgbz. P o t s d a m ; Jerichow II, Wanzleben, Calbe Rgbz. M a g d e b u r g ; 1 K i n d e r k o m m e n aus B ä u m e n . M a n n l i a r d t G e r m . Myth. 668 ff. Das K o r n f e l d als U r e p r u n g s o r t der Seelen zu d e n k e n , l a g bei dem Parallelismua von K i n d u n d K o r n n a h e g e n u g . 2 H i e r m i t s t e h t zu v e r g l e i c h e n , d a s s d e r v o n den w i l d e n W e i b e r n des S a l z b u r g e r U n t e r b e r g e s , welche z u r Z e i t d e r A e h r e n s c h n e i r l u n g hervorkommen, g e r a u b t e K n a b e n a c h J a h r e s f r i s t in g r ü n e m K l e i d e wiedergesehen wurde. S a g e n d e r Vorzeit o d e r a u s f ü h r t . Beschr. v. d. b e r ü h m t , s a l z b u r g i e e h e n U n t e r e b e r g oder W a n d e r b e r g . Brixen 1818 S. 9. P a n z e r B e i t r . ζ D. Myth. I 12. BK. 108. — W e n n Kinder ins G e t r e i d e l a u f e n , so k o m m t ' d a s G e t r e i d e m ä n n c h e n und holt sie in d e n W a l d , wo es dieselben b i s z u m n ä c h s t e n J a h r e zurOckbehält. Nach J a h r e s f r i s t b r i n g t es d i e s e l b e n w i e d e r an denselben O r t z u r ü c k , w o h e r es sie e n t n o m m e n . S t o o k e r a u u n t e r dem M a n h a r d s b e r g e .

20f

308

KAPITEL

Wittenberg Rgbz. Merseburg; Kornmutterbrod

V.

Czarnikau Rgbz.

(Lebendorf

bei

Bromberg),

Cönnern,

Alsleben

u. s. w. Saalkr. Rgbz. Merseburg) bezeichnet wird, so ist es klar, was die T h e e r s t u l l e deuten

hat. 1

Die

oder T h e e r b u d d e l

Kornmutter

soll

Peitsche in der Hand halten. gemeint sein könnte, für die Hecheln hat

einen

schlägt

Die

weiss nicht,

was damit

anderer Ausdruck

der Kornbrust sein soll.

(Kleiu-Gnie

Geissei

oder eine

wenn es nicht ein

grossen

Königsberg).

Ich

Die

Stock,

Die Kornmutter

womit

sie

a. d. Schweine Kr.

die

Kornmutter

Kornmutter p e i t s c h t hat

einen

mit

(Liebenau

eisernen

bei Marienwerder,

D i e Rugiuboba

Kantschuh

(o. S. 297)

Man

Krangen

bei

vergi.

Dr.

1874 S . 3 6 1 :

verbundenen einzeln

treten

in i h r e r

sich

die

dem

oder z u

Gestalt

keit,

welche

einer

demgemäss

bei

eine

fade

an

ihrer

M u t t e r k o r n s

sehr

ist

von der

merklich,

Mal

einer jenes

er w i r d

wie

und

die

so g r o s s

A e h r e

a l s · ein

findet.

e ige η t h ü m 1 i e h ein g i f t i g e r ,

Spelzen

endlich

des

als

des ein

in

6—14

s c h w a r z e n

Getreidekorn

riechenden Nebel

und

hervorquillt.

Hei t r ü b e n ,

stinkender

zeigt

Flüssig-

bildet sich

Sclerotium

auf-

Mutter-

Pilzvegetation

der sogenannte Honigthau,

aus, das 2 — 3 Geruch

der

mit

Getreide-

der .junge

Monge

aus

v e r s e h e η οιι

schmeckende

durchtränkt

zum

selten

hervorwuehert,

S p h a c o l i a in a s s e

Witterung

8—10 an

nicht

mit dem

Sobald

ITeppigkeit

Basis

weiche

der

ff.:

Kornblüthe

auftretenden

Schleim,

schmierig nach

der

zunehmender

Diese

Tagen

jene

gefurchten,

auf den Getreideiihren

Aehnlichkeit

s ii s a 1 i c h

übelriechender

Zahl

dem

Multerkorn

kantigen,

gebildeten,

vielen

S. 3 6 7

reichlicher

Roggenblüthehens

in

vor

Pflanzenkrankheiten

Nanton

( M ü t z e Ii e n )

meist

Fruchtknoten

auf d e m s e l b e n

je

der

Ruthe

Das Raalwîf

Pike

gekrümmten,

Pilzzellen

haben, das sie v e r t r e t e n .

Tagen,

Handbuch

A n h ä n g s e l

Körper, welche

au9

einer

bezeichnen mit dem

häufig etwas

gelbschmutzigen

kornpilz

Stargard).

v i o l e t t e n , z u w e i l e n b e s t ä u b t e D , n a c h i n n e n zu w e i s s e n ,

parenchymatisch

korn

mit

P. Sorauer

Wir

meist l a n g g e s t r e c k t e n ,

und

Messer

Pr.

hat theergofüllte Brüste und e i n e

sitzt im Korne

aussen g r a u

sitzt in den

mit e i s e r n e m

in der rechten Hand (Wilkischken bei Tilsit).

einem

Rgbz.

eiserner

Die Zytnababa

Erbsen und h a t e i n e n S t o c k

1

Kinder

Gerdauen

(Gross-Sobrost Kr. Darkehmen Rgbz. Gumbinnen).

(Pelleningken bei Insterburg).

Berlin

zu be-

einen Stock

sieh

nebligen Schleimes

empfunden.

DEMETER.

309

K o p f u n d e i n e r i n j e d e r H a n d (Amt Salder Herzogthum Braunschweig). Yergl. die Lanzen in der H a n d des Stary Dziad (o. S. 301). Dagegen geht es möglicherweise wieder auf W e t t e r erscheinungen, wenn gesagt wird, die K o r n m u t t e r , Koggenmutter, Roggeniniine, Arftenmö, Tittenwif zerstampfe die Kinder in einem inwendig mit spitzen Nägeln oder Stecknadeln besetzten (Waehsmuth bei Riesenburg Rgbz. Marienwerder, Kischau Kr. Berent Rgbz. Danzig) eisernen B u t t e r f a s s , Salzfass, Tonne ( K a r t h a u s Rgbz. Danzig, Rosenberg Rgbz. Marienwerder; Schöneberg Kr. K a r t h a u s ; Zempelburg Kr. Flatow Rgbz. Marienwerder; Kr. Morungen Rgbz. Königsberg; Urabnik Kr. Lyk Rgbz. Gumbinnen; Wolfhals bei B l o m b e r g ; Kr. Jerichow I u. II, K r . W a n z leben Rgbz. Magdeburg; Crossen Rgbz. F r a n k f u r t ) ; wovon sie auch Bottamömk, Bottamämeke ( K r . Kammin Rgbz. Stettin) genannt wird. Man kann vielleicht vergleichen, dass die Baba Yaga nach grossrussischen Bilinas in einem e i s e r n e n M ö r s e r f ä h r t , den sie mit dem Klöppel l e n k t , indem sie zugleich mit einem Besen ihre Spur hinter sich verwischt. 1 Nach weissrussischem Glauben fliegt Baba Y a g a in einem feurigen Mörser durch die L u f t , den sie mit einem b r e n n e n d e n B e s e n forttreibt ; während ihres F l u g e s heult der Wind, die Erde stöhnt, und die Bäume drehen sich krachend im Wirbeltanz. 2 Es liegt nahe, an die q u i r l e n d e Bewegung des Wirbelwindes und die o. S. 296. 302 erwähnten kleinen Tromben als Lebensäusserungen der K o r n m u t t e r auch in unserem Falle zu denken. 1 Die letztere Erscheinung spiegelt sich wohl ebenfalls ab in dem Glauben, die Kornmütter sitze im Felde und p u s t e den K i n d e r n die A u g e n aus. (Ptochoczyn 1

Vergi, dus Lied von Tschurilo in 'Füret Wladimir und dessen Tafelrunde. Allrussische Heldenlieder.' Leipzig 1819 S. 109 n. 3. 2 Ralston The songs of the Russiau people S. 162. 3 In JemtlAnd (Schweden) wird eine a n d e r e W e t t e r e r s c h e i n u n g mit dem Buttern verglichen. Wenn es r e g n e t und dazwischen hagelt, sagt m a n : 'Xu ä t r o l l k ä r i n g a u t e och k ä r n a . ' N u n sind die Hexen a u s zu buttero. Hyltcn-Cavallius W ä r e n d och Wirdarnt; XI 12-

310

KAPITEL Y.

bei Graudenz Kr. Schweiz), woraus missverständlich durch Verbindung mit jener anderen Vorstellung (o. S. '507) der Glaube entstand, s i e s c h m i e r e d e n K i n d e r n die A u g e n m i t T h e e r (Ryczywól Kr. Obornik Kgbz. Posen). Vergi, hiezu Grohmann Abergl. a. Böhmen S. 15 n. 73: Rarasek heisst der W i r b e l w i n d ; er ist ein boshafter Geist, der die Menschen neckt und ihnen schadet, indem er im Sommer plötzlich die Garben vom Felde wegträgt. Oft ist er so stark, d a s s e r d e m M e n s c h e n p l ö t z l i c h in d i e A u g e n f ä h r t und i h n d e s A u g e n l i c h t e s b e r a u bt.' Dass dies alles nun nicht hohle Allegorien, sondern zur Ueberzeugung von der leibhaften Gegenwart einer wahrhaften Persönlichkeit gediehene Poesie ist, beweist die folgende Angabe. W e n n d i e K o r n m u t t e r j e m a n d a n h a u c h t , s o s c h w i l l t er u n d m u s s s t e r b e n (Neumark Kr. Löbau Rgbz. Marienwerder). Das ist genau jener Anhauch, den man auch den Elfen zuschreibt (Alfgust, Älfblast BK. 62. 125. Vergi. A W F . 36. 37. 311). Während die vorstehenden Volksausdrücko die furchtbare Seite hervorkehren, lehren uns andere zugleich ihre Segenekräfte kennen. Die Korn m u t t e r macht das K o r n w a c h s e n ; z ü r n t s i e , so b l e i b t e s im W a c h s t h u m z u r ü c k . In Wefensleben Kr. Neuhaldenslehen Rgbz. Magdeburg hat man die Redensart: D i t J a r g i f t e t g u t F i a s e , d e F l a s s m u t t e r h o t s i k s e i e n l â t e n ' (wahrscheinlich wenn der Wind im Flachsfelde wogt). In Dinkelsbühl (Mittelfranken) glaubte man noch vor 12—15 Jahren, w e n n das G e t r e i d e auf einem Acker viel s c h l e c h t e r s t a n d , als auf e i n e m b e n a c h b a r t e n , die K o r n m u t t e r h a b e den B e s i t z e r d a d u r c h für seine S ü n d e n b e s t r a f t . Im Dorf Altensteig [?] Kr. Bruck in Steyermark sagt man, um Mitternacht lasse sich die Kornmutter in Gestalt der aus der letzten Garbe verfertigten, mit einem weiblichen Anzüge bekleideten Puppe auf den Aeckern, jedoch nur im Korn- oder Weizenfelde sehen. S i e m a c h e dieselben hindurch ziehend fruchtbar. Wenn s i e a b er a u f e i n e n G u t s b e s i t z e r e i n e n Zorn h a b e ,

DEMETER.

311

so v e r n i c h t e sie i h m das g a n z e K o r n oder W e i z e n f e l d , i n d e m sie es a u s d ö r r t . Zu Mies bei E gei- gellt die R e d e , dass die K o r n m u t t e r , die a u c h die v e r laufenen Kinder m i t n i m m t , ganz weiss a n g e z o g e n und einen K r a n z von G e t r e i d e auf dem Kopf d u r c h s F e l d g e h e u n d d i e u n r e i f e n A e h r e n a u s r e i s s e , das heisst doch w o h l , d a f ü r s o r g e , dass der A c k e r gleichmässig reife. Es ist f r a g l i c h , ob die gleiche V o r s t e l l u n g der f o l g e n d e n niederländischen Sage zu G r u n d e liege. E i n S c h l ä c h t e r g i n g A b e n d s an einem K o i n f e l d c v o r b e i , das an einem B a c h e lag. D a g e w a h r t e er s c h o n von f e r n e eine l a n g e F r a u , w e l c h e ü b e r a l l d i e V o r l ä u f e r d. Ii. d i e ü b e r d i e a n d e r n h e r v o r r a g e n d e n A e h r e n a b p f l ü c k t e u n d in ein B ü n d e l z u s a m m e n f a s s t e . Die l a n g e F r a u , das sah er ganz d e u t l i c h , w a r n o c h e i n m a l s o h o c h a l s d a s K o r n . Als er n ä h e r k a m , bot er ihr einen 'guten A b e n d ! a b e r sie a n t w o r t e t e nicht. Guten A b e n d ! ' wiederholte er. D a sprach sie gleichfalls 'guten Abend!', s c h l u g i h m a b e r m i t d e m A e h r e n s t r a u s s ins G e s i c h t . Darüber erschrak er so s e h r , dass er zu laufen begann. D a lief die F r a u hinter ihm her und s c h l u g f o r t w ä h r e n d z u . D a s d a u e r t e so lange, bis er a n seinem H a u s e halb o h n m ä c h t i g niederfiel. Viele haben die l a n g e F r a u auch q u e r auf der H e e r strassc liegen sehen, und sie war so gross, dass sie die g a n z e Breite des W e g e s e i n n a h m . 1 In wesentlichen S t ü c k e n ist diese Sage beeinflusst d u r c h die E r z ä h l u n g e n von den D o r f gespenstern bezw. D o r f t h i e r e n , deren c h a r a k t e r i s t i s c h e s M e r k mal es ist, dass [sie in riesiger Gestalt A b e n d s oder N a c h t s den E r s c h r e c k t e n bis zur E r s c h ö p f u n g v e r f o l g e n bezw. ihm aufhocken). Tin Bezirk Gottlieben C a n t o n T h u r g a u spricht m a n zu den K i n d e r n oft von einer F i m m e l f r a u , w e l c h e das Korn schwer mache, bösen Menschen d a g e g e n Schaden zufüge. F i m m e l n sind die m ä n n l i c h e n H a n f p f l a n z e n . D e r Korn- u n d E r b s e n m u t t e r e n t s p r i c h t in der S c h w e i z eine H e u m u t t e r , w e l c h e in gleicher W e i s e G r a s - u n d B a u m w u c h s auf W a l d - u n d Feldwiesen f ö r d e r t . A u f d e m 1 Wolf N i e d e r l ä n d i s c h e S a g e n 8. 591 n. 491.

312

KAPITEL Y.

Isenbühl .bei Niederwil liegt eine Sumpfwiese, die Riedmatte, an welche ehedem ein Wald stiess. Als dieser vor 70 Jahren niedergehauen wurde, sahen die Holzhauer ein uraltes Weibsbild durchs Dickicht g e h e D , das kurze Kleider, eiuen breiten Hut, am Arm ein Körbchen und in der Hand einen Rosenkranz trug. Zur nämlichen Zeit kam zu zwei andern Holzhauern, die so eben das Abendbrod verzehrten, ein ähnliches Weib und setzte sich zwischen sie, ohne jedoch zu reden. Die Arbeiter sahen sich staunend an, wagten aber nicht sie anzureden, und s o v e r s c h w a n d s i e w i e d e r u n d z w a r u n t e r s t a r k e m P f e r d e g e t r a p p e l (vergi, o. S. HOI. 302). Das war das H e u m ü t t e r c h e n . Die Namen der beiden Arbeiter nennt man noch im Dorfe. 1 Der Frühlingseinzug dieses Geistes wird auch dramatisch dargestellt, indem man den Dämon der Waldvegetation (als Hüter der Waldweide) und denjenigen des Wiesenwuchses (ähnlich wie bei den Holzfräulein BK. 77 ff.) in eins warf. Die 'Ôrei letzten Donnerstage der Fastnachtszeit nennt man in der Schweiz die 'schmutzigen Donnerstage'. Dann schickt man nach dem Mittagsessen die Kinder als H e u m ü t t e r l i ' maskirt in den nächsten Eichen- und Buchenwald, hier müssen sie in den Wald hinein zähnen d. i. die Zähnu bleken und Gesichter schneiden. Je mehr sie es thun, um so mehr werden in dem Jahre die Eicheln und Bucheckern gerathen, eine um so grössere Schweinemastung wird man bekommen. 2 In Wermland spricht man gelegentlich der Ernte von der S ä f r u a , S ä a oder H v e t e f r u a (Getreidefrau, Weizenfrau); in Dalnsätra (Töcksmark) unweit der norwegischen Grenze nennt man dieselbe bald S ä a bald S ä - r a d. i. Säde-rä (Râ Neutr., Plur. Rade = Troll, böser, heidnischer Geist. BK. 128). Einfache Vorstellungen, wie die zuletzt beigebrachten, von der Kornmutter müssen der Kern gewesen 1 Rochholz N a t u r m y t h e » . Leipzig 1862. P. 135 n. A u f t r e t e n der S k o g s n u f v a r und der raulien Else BK. Der R o s e n k r a n z ist j ü n g e r e r Zusatz aus der Phantasie des katholischen Districts. » Rochholz Deutscher G l a u b e und Brauch. Berlin

3. Vergi, das 108 ff. 126 ff. der Bewohner 1867. II S. 49,

DKMETFR.

313

sein, au9 welchem ein dichterischer Kopf ein Märchen entwickelte, das /.u Anfang der vierziger J a h r e zu Sillerud von älteren Personen gerne erzählt wurde. Weit im Meere liegt eine grosse und lange Insel und darauf gibt es ungeheure Fruchtäcker mit paarweisen Aehren, von denen je die eine einen Mann so lioch (!), die andere eine F r a u so hoch (!) darstellt. Um diese Aehrenpaare herum sieht man kleinere Halme von kindlicher Grösse und kindlichem Aussehen. Diese Kleineren sind der Grossen Söhne und Töchter. Uebcr diese u n h e i m l i c h e n A e c k e r , welche nie ein Ende nehmen, w a c h t e i n e F r a u s o s c h ö n (granii) a l s d i e S o n n e . Sie heisst Säfrua, Säa oder H v e t c f r u a . Zuerst im Sommer ist sie grün, später wird sie weiss wie Kreide und bekommt Blumen auf den Kopf und darnach weisse Aehren; ihr H a u p t und Haar glänzt wie Gold und Silber. Man glaubt, sio schwebe um die Kornmenschen, die unter ihr auf der E r d e stehen und wachsen ; sie flösst ihnen aus der H ö h e , in der sie wohnt, herab Milch in den Mund aus ihrer milchweissen Brust und lässt sie saugen (poppa). 1 W e n n aber das Getreide gross wird, bekommen sie Zähne und beissen die Säfrua in die Brustwarze, so dass diese böse wird und den Unthieren gestattet, sie aufzuessen, und den wirklichen Menschen, sie bis auf die Fusssohle abzuschneiden. Ist dies a b e r geschehen, so scheinen sie der Kornmutter sehr zu bek l a g e n ; denn sie empfinden grosseu Schmerz in den Füssen, und der Herbst kommt mit seiner Kälte daran und brennt sie. Deshalb flösst sie mehr Milch in die W u n d e n der Füsse und bläst darauf. Dieselben heilen und sie breitet nun linde eine weiese Sfidendecke darüber. Die nimmt sie im F r ü h j a h r wieder ab. Sie hat zwei kleine goldene V ö g e l , die Ackerinännchen (gula sädesärlor), die sendet sie zweimal im J a h r e (im Frühling und Herbst) in den hohen N o r d e n , um die Saatzeit anzukündigen. — Zwar scheint diese Schilderung einigermassen einen durch Andersen beeinflussten Geschmack

' Dies g e h t auf d e n s o g e r a n n l c n M i l c h s a f t ( l a c t e r e , l a c t e s c e r c ) in d m j u n g t η A e h r e n , dessen E i n f l ö t s u n g d e r Börner d e r G o t t h e i t L a c t a n s o d e r L a c t u r c i a zneohrieb.

314

KAPITEL Y.

zu verratheii, aber andererseits muss bemerkt werden, dass sie in der ganzen Anlage sehr viel mit den indianischen vom Korng(!Ì8te Mondamin gemein hat. Ich schliesse daraus, dass sie nicht unbedingt als eine moderne Erfindung anzusehen ist, sondern sehr wohl eine ältere Yolksvorstellung als Grundlage haben kann. "Wie wir schon o. S. 297 die K o r n bl um en als eine Verkörperung der Kornmuttor kennen lernten, sieht die Phantasie eine Manifestation derselben auch noch in anderen Erscheinungen des Getreidefeldes. So ist es kein Zweifel, dass man in jenem s c h w a r z e n P i l z (secale cornutum, clavus secalis), den wir o. S. 307 bereits als B r u s t w a r z e oder B r o d der Kornmutter kennen lernten, die Gegenwart der Kornmutter sichtlich wahrzunehmen glaubte. Dieses Gewächs ist in der Medicin als Beförderer der Geburtswehen unter dem Namen M u t t e r k o r n bekannt. Im Volke aber heisst dasselbe fast durchgängig K o r n m u t t e r , R o g g e n m u t t e r , R o g g e n m ô d e r (Pr. Preussen, z . B . Kr. Elbing, Osterode, Johannisburg, Darkehmen; MecklenburgSchwerin; Pr. Sachsen: Kr. Kalbe, Gardelegen, Salzwedel, Eckartsberg, Naumburg a. S. ; Pr. Schlesien : Kr. Sprottau, Löwenberg, Liegnitz, Hirschberg, Strehlen, Neisse; Rheinprovinz: Neuwied u. s. w.) oder G r o s s m u t t e r , s c h w a r z e G r o s s m u t t e r (Amt Harsefeld Herzogthum Bremen; Umgegend von Stade), M â l m u t t e r , M e h l m u t t e r (Kr. Liegnitz, Striegau), R o g g e n m i e n e (Walternienburg Kr. Kalbe [.Tericbow I?]), R u g i u b o b a (Feileuhof bei Russ Kr. Heydek r u g R g b z . Gumbinnen), B a b a j e d z a (Rosinsko Kr. Johannisburg Rgbz.Gumbinnen). In der Umgegend von Plauen im Voigtlande, Kr. Zwickau soll, wenn sich das Mutterkorn im Getreide zeigt, d i e K o r n m u t t e r h i n d u r c h g e g a n g e n s e i n . Da die wehentreibende Kraft des Pilzes erst in unserer Zeit allgemein bekannt geworden ist,1 wird auch der Name M u t t e r -

1

S. darüber R . Lex Ueber diu A b t r e i b u n g der L e i b e s f r u c h t , in W . v. Horn V i e r t e l j a h r e s s c h r i f t f. gerichtl. Medizin. N. F. IV B. Berlin 1866 S. 221 ff.: 'Erst im A n f a n g e unseres J a h r h . w u r d e dieser m e r k w ü r d i g e Pilz auf Empfehlung a m e r i k a n i s c h e r Aerzte (Stearns,

DEMETER. k o r D Dicht auf die G e b ä r m u t t e r , frau sich

315 sondern auf die

Getreide-

beziehen.

D a die Kornmutter

in

wandeln kann (o. S. 3 0 0 ) , so

allerlei T h i e r g e s t a l t e n sich sieht —

w i e es den

ver-

Anschein

hat — die nach d i e s e m g e h e i m n i s s v o l l e n W e s e n a u s s c h a u e n d e P h a n t a s i e d e s V o l k e s a b u n d /.u e i n e z e i t w e i l i g e E r s c h e i n u n g d e r s e l b e n a u c h in d e r a m R a n d e fliegenden

oder die H a l m e

der B ä c h e und Gräben auf-

bekriechenden Raupe des

s p i n n e r s , in m e h r e r e n a n d e r e n i m G e t r e i d e h a u s e n d e n

BärenIneecten

oder der plötzlich aus d e m K o r n e aufschnarrenden W a c h t e l . Die L i b e l l e , jungfer,

gemeinhin

Ilaferjungfer,

in g a n z D e u t s c h l a n d d i e Wasserjungfer,

auch

Korn-

Grasmetze,

Drachenhure, verfluchte Jungfer, Herrgottspferd, Himmelspferd, Prescott) in die geburtshilfliche P r a x i s e i n g e f ü h r t . Wiihroiid er als U r saclio der K n o b e l k r a n k h e i t schon seit geraumer Zeit das polizeiliche Interesse beschäftigt h a t t e (Gutachten der Marburger F a c u l t ä t v. J . 1597), waren seine wehentreibenden K r ä f t e bis dahin so gut wie ganz u n b e k a n n t geblichen.' Ebenda. 8. 222: 'Der N a m e M u t t o r k o r n hat mit der Gebärmutter u r s p r ü n g l i c h nichts zu t h a n . l ) a s ergibt sich sowohl aus der ä l t e r e n B e n e n n u n g ' m a t e r s e c a l i s ' ( U e b e r s e t z u n g von Kornmutter), die sich bereits eaec. X V I in des Matthiolue Comment, zu Dioseorides (a Bauhino a u e t a ed. a l t e r a p. 325) findet, wobei einer uterine» W i r k u n g gar nicht gedacht wird (quod Vitium aliqui matrem secalis, alii clavos siliginis voeaiit), als auoli aus den noch hie und d a gebräuchlichen Synonymen R o g g e n m u t t e r , K o r n m u t t e r , R a n k k o r n . A f t e r korn.' Nur g a n z v e r e i n z e l t t a u c h t schon in älteror Zeit die Kenntnies der wehentieibenden K r a f t auf. So in Lonicers Kreuterbuch F r a n k f u r t a. M. 15Ö4. Ich citire nach der Ausg. 1616 f. 285: 'Solche K o r n z a p f e n werden von den W e i b e r n f ü r ein sonderliche Hülff und bewerte Artzney f ü r das a u f s t e i g e n und wehethum der Mutter gehalten, so man derselbigen d r e y etlich mahl einm'mpt und ieeet.' Noch im J . 1777 erwähnt Gmelin in der 'Geschichte der Pflanzengifte' nichts von einer uterinen W i r k u n g des Mutterkorns ; d a g e g e n weist Lorineer (Versuche und Beobachtungen üb. Mutterkorn S. 68) aus einem 1778 an die H a n n o v e r s c h e n H e b a m m e n erlassenen Verbote eine locale Kenntniss dieser W i r k u n g e n f ü r die g e n a n n t e Zeit nach. Aber erst von der neueren Zeit s p r e c h e n d sagt H ä s e r , Lehrbuch d. Gesch. d. Medizin Aufl. 1. 830 § 708 : 'Auf diese Weise hat sich ein G i f t , welches sonst in dem unentbehrlichsten N a h r u n g s m i t t e l T a u s e n d e n zur Quelle des Todes wurde, durch die H a n d der Kunst f ü r viele f r ü h e r an dem E ' t i g a n g e ihres Daseins vernichtete menschliche Wesen zur Quelle des Lebens verwandelt.'

316

KAPITEL y .

bei den Griechen γοανς—ίοιγης genannt,heisst R o g g e n m ô d e r ( G r o s s - K r e b s bei Marienwerder; Unigegend von Bremen). Die R a u p e des liärenspinners wird R o g g e n m ä u η e (Altmark), R o g g e n m u i n (Kr. Salzwedel), die P u p p e eines Nachtfalters K o r n m u t t e r (Reinstedt Kr. Ballenstedt in Anhalt-Bernburg) genannt. Die Vorstellungen T i t t e n w i f und Roggenwolf verbindet der altmärkische Name für die R a u p e des Bärenspinners T i t t e n w u l f . Der Maikäfer wird bei Usingen (Nassau) K o r n m o u r e , d. i. K o r n m u t t e r , genannt. 1 In der Umgegend von Grottkau Rgbz. Oppeln in Schlesien nennt man einen kleinen Käfer von länglicher Gestalt und schwarzer, bei Sonnenlicht ins Goldgelbe spielender F a r b e , der dem Korne die Wurzeln abbeisst, die K o r n m u t t e r , und zu Borgeln Kr. Soest wird ein Insect von der Grösse einer Fliege mit breitem Hinterleibe, kleinem Kopf und spitzem R ü s s e l , mit dem es sich in die Getreidekörner hinein bohrt, K o r n m i i n - i n k (vergi, o. S. 298) genannt. Die Wachtel (perdix coturnix) hört man in der Provinz Preussen zuweilen ebenfalls als K o r n i n u t t e r bezeichnen. 2 Eine bedeutende Rolle fällt der Kornmutter bei den Erntegebräuchen zu. In den l e t z t e n Halmen des K o r n s c h n i t t s kommt sie zum Vorschein, in der letzten Garbe ist sie enthalten, wird sie gefangen oder getödtet; in letzterem Falle j u b e l n d auf den Hof gebracht, wie ein göttliches Wesen v e r e h r t ; dann in dem Korne der Scheuer versteckt, zeigt sie sich beim A u s d r e s c h e n noch einmal. Im Lande Hadeln ( H a n n o v e r ) stellen sich die Schnitter und Schnitterinnen um die letzte G a r b e und schlagen mit Stöcken darauf, um die K o r n m u t t e r daraus zu vertreiben. Sie rufeu einander z u : D a r i s s e , h a u t o , D e i n (bezw. J u n g ) ! W a r d i , d a t s c d i n i c h p a c k t ! ' Dann wird so lange geschlagen, bis alles Korn herausgedroschen ist. Dann ist auch die Kornmutter daraus vertrieben. — W e r auf der Danziger N e h r u n g die letzten H a l m e schneidet, muss aus denselben eine P u p p e i n M e n s c h e n g e s t a l t v e r f e r t i g e n , welche d e K ô r n ' Kehrein Vulkaapruche im Herzogtlium Nassau S. "241. » Heue Preueeieohe Provinzialblätter V I I I (1855) S. 173.

317

DEMETER. A

m ô d e r ' oder ' d e O l e heisst und hoch auf dem Erntewagen heimgeführt wird. 1 Im Kreise P r . Hollaud Rgbz. Königsberg wird am Schluss (1er Roggen- und Weizenernte j e eine Getreidepuppe von der Binderin der letzten Garbe verfertigt, welche ebenfalls K o r n m u t t e r heisst. Die Binderin ist vielen Neckereien ausgesetzt, s i e s o l l im n ä c h s t e n J a h r e Kindtaufen ausrichten. K o r n m u t t e r heisst die letzte Garbe auch zu Lasdehnen Kr. Pilkallen (Ostpreussen) und nicht minder in Süderditinarschen (Holstein). Hier wird die Figur m i t d e n K l e i d e r n e i n e r F r a u g e s c h m ü c k t , auf dein letzten F u d e r zu l l o f e gefahren und t ü c h t i g m i t W a s s e r b e g o s s e n . (Rogenzauber, vergi. BK. Register). Im Kr. Bruck in Steyerinark, wo die letzte Garbe auch die Gestalt eines Weibes erhält, heisst sie K o m m u t t e r , a u c h d a n n , w e n n e i n e a n d ti r e G e t r e i d e a r t a l s K o r n , d. i. R o g g e n , fi e e r n t e t w i r d . Sie wird stets von der ältesten verheiratheten Frau des Dorfes unter 5 0 — 5 5 J a h r e n gemacht. Die schönsten Aehren zupft man daraus und verfertigt aus ihnen einen mit Blumen durchflochtenen Kranz, den die schönste Dorfmagd auf dem Kopfe zum Herrn trägt, indes die Korninutter ganz unten in die Scheuer zur Abhaltung der Mäuse gelegt wird. In anderen Orten desselben Kreises wird ' d i e K o r n m u t t e r ' nach Beendigung des ganzen Kornschnittes von zwei Knechten auf einer Stange hoch in der Luft hinter dem kränzt ragend e η Mädchen bis zum llerrenhofe geführt und, während der Gutsherr den Kranz übernimmt und im Vorzimmer aufhängt, auf einen von Holz errichteten Haufen gestellt, wo sie nun den Mittelpunct des Erntemahles und der Tanzunterhaltung bildet. Später wird sie in der Mitte der Scheuer aufgehängt und bleibt da bis zum Ende der Dreschzeit. Dann wird d e r j e n i g e , der den letzten Drischelschlag macht, der S o h n d e r K o r n m u t t e r genannt und in dieselbe hineingebunden, sodann durchgeprügelt und durchs Dorf getragen. D e r Kranz wird am nächsten Sonntag in der Kirche geweiht, am Charsamstag von einem siebenjährigen Mädchen mit den H ä n d e n ausge' F . Violet a e r m g i i i

D a n z i g 1864 S

161.

318

KAPITEL

V.

rieben und z w i s c h e n d i e n e u e A u s s a a t geschüttet. D a s Stroh des Kranzes wird zu Weihnachten dem Vieh zu gutem Gedeihen in die Krippe gelegt (vergi. Korndäm. S. 4). Zu Westerhüsen Kr. Wanzleben Pr. Sachsen wird das letzte Korn, in Gestalt einer weiblichen Figur geformt und mit Bändern und Tüchern geschmückt, auf eine lange S t a n g e gesteckt und neben der Erntekrone auf dem letzten E r n t e w a g e n heimgeführt. Einer der auf dem W a g e n befindlichen Leute dreht die Stange fortwährend, so dass es scheint, als ob die P u p p e sich lebendig auf und ab bewege. Sie kommt auf die Tenne und bleibt da, bis das letzte Korn ausgedroschen ist. Beim Marktflecken Leitzkau Kr. Jerichow I I war noch vor etlichen J a h r e n beim Harken des Kornes der G e b r a u c h , dass d e r j e n i g e , welcher die Halme zur letzten Garbe harkte, dieselbe nach H a u s e tragen durfte. Sie hiess das M ü n e n b u n d (Gebund der Koinmüne o. S. 298) und w u r d e ihm auf den Rücken gebunden (vergi. BK. GI2 ff.). Man lachte ihn aus, weil man meinte, e i n u n s i c h t b a r e s T h i e r (o. S. 300), die K o r n m ü n e h a b e s i c h d a h i n e i n g e f l ü c h t e t und f r e s s e w ä h r e n d des T r a g e n s das K o r n a u s. — Die letzte Garbe heisst z y t n a m a t k a, p s z e n i e n a m a t k a d. i. R o g g e n m u t t e r , Weizenm u t t e r ( B u k o w i n a : K r . Czernowitz). In der Umgegend von Brünn in Mähren heisst die letzte Garbe M a t k a , und zwar j e nach der Gattung des Getreides Hafermutter, Gerstenmutter u. s. w. Im Kr. Tarnow (Galizien) wird der aus den letzten Halmen geflochtene Kranz, der einem Mädchen auf den Kopf gesetzt und bis zum F r ü h j a h r aufbewahrt wird, um einige Körner davon unter die neue Aussaat zu mengen, p s z e n i e n a m a t k a , z y t n a m a t k a , g r o c h o w a m a t k a (WeizenRoggen- Erbsenmutter) oder p s z e n i e n a b a b a (Weizen-, a l t e u. s. w.) genannt. Auch in der Umgegend von A u x e r r e wird die letzte Garbe, welche man bindet, l a m è r e d u b l é (bezw. de l'orge, du seigle, de l'avoine) zubenannt. Sie bleibt auf dem Felde stehen, bis der letzte Wagen heimfährt. Dann verfertigt man aus ihr eine Menschengestalt, steckt dieselbe in die Kleider des Patron (Gutsherrn), putzt diese Figur mit B l u m e n , setzt ihr eine Krone auf den Kopf und hängt ihr

DEMETER.

319

eine blaue oder weisse Schärpe um. Sie bekommt nun den Niimen l a C é r è s ' . In ihre Brust ist ein Baumzweig gepflanzt (vergi. B K . 203 ff.)· Beim Ball am Abend wird la Cérès' in die Mitte des Tanziocais gestellt, und derjenige Arbeiter, welcher während der Ernte der schnellste war, tanzt mit der R o s i è r e d e l a m o i s s o n ' d . h . der als Schönsten Erwählten einmal um die F i g u r herum. Nach dem Ball macht man einen S c h e i t e r h a u f e n . Alle Mädchen, j e d e mit einem Kranze geschmückt, entkleiden die Puppe, nehmen sie auseinander, legen sie auf den Scheiterhaufen uud die Blumen, mit denen sie geschmückt war, dazu. Diejenige, welche zuerst mit dem Schneiden des Kornes fertig war, zündet den Holzstoss an und alle bitten, Cérès möge ein fruchtbares J a h r geben. Hier ist zwar im übrigen der alte Gebrauch intact gebüeben, aber der Käme Ceres Ausfluss und Zusatz schulmeisterlicher Gelehrsamkeit. Statt des Namens K o r n m u t t e r tritt mitunter E r n t e m u t t e r ein. So heisst die letzte, zu einer weiblichen Gestalt aufgeputzte Garbe zu Bersenbrück Rgbz. Osnabrück. Mit der P u p p e wird nach dem Binden h e r u m g e t a n z t . Zuweilen sagt man dafür ' d i e g r o s s e M u t t e r ' . Zu Bausenhagen il. a. Orten bei Unna ( K r . Hamm Rgbz. Arnsberg, W e s t f a l e n ) wird die letzte Garbe der Roggenernte besonders s c h w e r gemacht, indem man noch S t e i n e hineinbindet. Sie wird auf dem letzten Erntewagen heimgeführt, erhält keine besondere Gestalt, heisst aber d e g r e a u t e m e a u r ' ( d i e g r o s s e M u t t e r ) . 1 Ebenso wird zu Groae-Bodungen Kr. Worbis Rgbz. Erfurt in das letzte Kornfuder eine sehr schwere Garbe, es braucht nicht gerade die letzte und oberste zu sein, mit hinein geladen, welche d i e g r o s s e M u t t e r genannt und unter vielem Scherz in der Scheune von allen Anwesenden herunter genommen wird. Zu Mauthausen bei Linz heisst die letzte Garbe d i e A c h r e n m u t t e r ' . Zu Hohengiersdorf Kr. Grottkau Rgbz. Oppeln heisst die bald ungewöhnlich gross, bald sehr klein gemachte letzte Garbe, welche auf dem W a g e n , umgeben von den Erntelieder ι Kuhn Westfälische Sagen I I 184 n. 514.

320

KAPITEL· V.

singenden Mädchen, aufrecht hingestellt w i r d , die ' H e i m ln u 11 e r Häufiger begegnet der N a m e ' G r o s s m u t t e r ' . I)io letzte Garbe heisst ' d i e G r o a s m u t t e r ' oder d i e a l t e H u r e ' . Sie wird mit Blumen, seidenen Bändern und Weiberschiirze geschmückt (Fürstenau, Danziger Werder). Bei der Roggen- und Weizenernte wird der Binderin der letzten Garbe zugerufen: D u b e k o m m s t d i e a l t e Grossmutter' (Umgegend von l'r. Holland Ostpreussen). In Gommern bei Magdeburg streiten sich Knecht und M a g d , wer diu letzte G a r b e , d i e G r o s s 111 u t t e r haben solle. D e r w i r d s i c h i m n ä c h s t e n J a h r e ν e r h i r a t h e η , aber ein altes E h e g e s p o n s t bekommen, das Mädchen einen W i t t wer, der K n e c h t eine bucklige alte Frau. - In Schlesien muss, wer die letzte Garbe irgend einer F r u c h t a r t verfertigt, d i e G r o s s m u t t e r , G r i ì s s m u t t e r . G r u í a (l'rovincialismus für Grossmutter) oder A l e (Alte) oder Κ f i r n à i e , ein ungeheures Gebund aus 3 — 4 Garben bestehend verfertigen, das mit bunten Bändern geschmückt oder mit ungewöhnlich vielen Kornseilen umwunden auf eine Erntegabel gesteckt und auf dem letzten Fuder in aufrechter Stellung befestigt wird (Hermannsdorf Kr. J a u e r ; Umgegend von Liegnitz; Koppit;:, Winzenberg,Märzdorf bei Grottkau; Werneredorf bei Leobsehiitz ; Köppernig bei Neisse). Man sagt, wenn eine Garbe auffallend schwerer ist, als die anderen d î î s a s u a c h w i r , w i d e G r û s s m u t t e r ' (Kaltenbrunn bei Zobten a. Berge), und dem Yerfertiger der letzten Garbe r u f t man z u : ' M e r w a r n a G r u í a m a c h e n ' (Puschkau bei Striegau). \ T or einem Menschenalter erhielt die G r û s s m u t t e r ' oder ' A l e ' auch noch die rohen Umrisse eines K o p f e s , R u m p f e s und Unterkörpers. D e r Kopf wurde 'mit. Ernteriech ein' geziert und mit lautem Yivatschreien und Gesang zur Tenne gebracht {Marxdorf bei Zobten a. Berge). Zu H e r m s d o r f bei Goldberg in Schlesien b a n d m a n d a b e i e h e d e m d i e A b r a f f e m a g d z u r l e t z t e n G a r b e r e g e l m ä s s i g in d i e s e l b e h i n e i n . A u d i im Canton Zürich heisst die letzte Garbe G r o s s m ü t t e r c h e n , und in F a n a s Canton Graubünden sagt man statt die Ernte beendigen' ' d i e Τ a t t e ( G r o s s -

321

DEMETER.

m u t t e r ) b e g r a b e n ' . The l a s t s h e a f of c o r n of t h e l a s t f i e l d is not cut in the usual manner, but all t h r o w t h e i r h o o k s at it and all try their utmost to succeed in bringing it down. It is called ' t h e C h u r n ' , and when brought home is generally plaited and kept to the autumn. S o m e c a l l t h i s l a s t s h e a f granny ( b a d p r o n u n c i a t i o n f o r g r a n d m o t h e r ) ; who did bring the Churn', is said t o m a r r y in t h e r u n n i n g y e a r (Irland, Umgegend von Belfast). Zuweilen sagt man auch ' M u t t e r g a r b e ' . So in Krappitz in der Niederlausitz und in Ruppersdorf Kr. Strehlen Rgbz. Breslau, wo man in dieselbe ein g r ü n e s R e i s und einige Blumen hineinsteckt (vergi, o. S. 319 und BK. 192 ff.), ebenso im Bza. Eggenfelden in Niederbayern, wo man e i n e n S t e i n h i n e i n b i n d e t (vergi, o. S. 319). In der nächsten Umgebung von Bernburg (Anhalt) nennt man die letzte in der Grösse von vier anderen gebundene Garbe ' d a s M u t t e r b u n d ' , zu Bedburdyk Kr. Grevenbroich Rgbz. Düsseldorf die letzte, zehnmal grösser als die übrigen gemachte Weizengarbe M o o r s c h o b b (d. i. Mutterschaub, Mutterschoofi. Noch gebräuchlicher ist der Name d a s a l t e W e i b ' oder d i e A l t e ' . D a t öle W t f heisst die letzte Garbe namentlich in Holstein. So iu den Kirchspielen Schönberg und Fahren in der Propstei, wo sie m i t F r a u e n k l e i d e r n a u f g e p u t z t w u r d e . Yom Binder sagte man: H e h e t d a t ô l e W î f ' . Man sprach vom R o g g e n w î f , G a r s t e n w î f , W ê t e n w î f . Das Gerstenweib sollte am schlimmsten sein. In Wiemeretedt Kirchspiel Henstedt in Norderditmarschen ruft man demjenigen, der den letzten Sensenhieb t h u t , zu: D u k r i e g s t e i n e A l t s c h e ' ! Auch wer beim Flachsbrechen die letzte Hand voll bekommt, b e k o m m t d a t ôle W î f ' (Krumstedt Kirchsp. Meldorf). Beim Einfahren der Rappsaat wird in der Marsch daselbst eine Kornpuppe gemacht und mit einer J a c k e , S t r o h h u t , M a s k e u n d M ä d c h e n r o c k bekleidet, gleicherweise heisst auch Amt Achim bei Stade eine beim Hocken des Kornes übrig bleibende Garbe ' d a t o l e W î f ' , in der Umgegend von Bernburg zuweilen die schwere letzte Garbe d i e a l t e F r a u ' . QF. LL

21

KAPITEL V.

322

E i n e e i g e n t ü m l i c h e Abart ist die Benennung d i e a l t e H u r e ' , welche die Kornmutter als die zur Erntezeit alt gewordene, vordem in Ueberfiille zeugungsfiohe Hervorbringerin des Getreides bezeichnet. S o heisst die letzte Garbe in Fürstenau im Danziger Werder und K r . Welilau Rgbz. Königsb e r g ; so in Preuss. Holland, wo man der Binderin zuruft, eie w e r d e n ä c h s t e s J a h r die H o c h z e i t a u s r i c h t e n ; so im Kirchspiel St. Lorenz Kr. Fischhausen R g b z . Königsberg, wo alle Mägde g e m e i n s c h a f t l i c h die Hure verf e r t i g e n und in Cranz ebd., wo jeder Schnitter es zu vermeiden sucht, sie zu machen. Oefter besteht ' d i e H u r e aus einer sehr grossen Garbe, an welche zur Seite eine oder mehrere kleinere Garben gebunden sind, und man sagt dann, , d a s s e i i h r K i n d o d e r i h r e K i n d e r ' (Thierenberg K r . Fischhausen ; C a y m e n , Blöcken 11. s. w. K r . Labiau R g b z . Königsberg). Auf die Binderin dieser Garbe geht der Name ü b e r , sie wird lächelnd a l t e H u r e ' (Powunden K r . Fischhausen und Wiese K r . P r . Holland), f a u l e H u r e ' (Sielkeim K r . Labiau) geschimpft. W e r sie herbeibringt, wird angerufen ' d u t r ä g s t d i e a l t e H u r e ' (Creutzburg, Brandenburg Rgbz. K ö n i g s b e r g ) , der Fuhrmann des letzten F u d e r s heisst ' H u r e n f ü h r e r ' (Pr. L i t a u e n , 1 K r . Fischhauaen). Auch im Kirchspiel Meldorf in Holstein ruft man der jungen Person, die bei der Roggenernte die letzte Korngarbe bindet, oder beim Flachsbrechen die letzte Hand voll bekommt, zu, sie habe d i e a l t e H u r e b e k o m m e n . W e r in B a r b y K r . Calbe a. Saale Rgbz. Magdeburg vergessen hat, eine Garbe zu binden, muss hören: ' D u b i s t e i n e H u r e ' . Vergisst ein Sämann eine Stelle zu besäen, so heisst dieser F l e c k H u r e , und er muss Sonntags nachsäen (Kruschwitz K r . Inowraclaw Rgbz. B r o m b e r g i . Ebenso heisst in Russisch Polen (Gouv. Plock K r . Lipno) der Rücken, den ein Sämann zu besäen unterlässt, K u r w a , H u r e , und im L a u f e des Jahres soll da ein Mädchen zu Falle kommen. Offenbar an den H u r e n w e i b e l d. i. den Aufseher der im Trosse mitgeschleppten Weiber in den Söldnerheeren des 1

Neue Preusshche Provinzialblättt-r 1846 I 9.

323

DEMETER.

17. Jahrhunderte ist gedacht, wenn bei Weissenburg am Sand in Mittelfranken die Kinder vor dem ' W e i b e r p r i t s c h e r ' gewarnt werden, der im Korn sitze. Diese Vorstellung hat als Correlat den Glauben an das Vorhandensein der dämonischen l l u r e im Saatfelde zur Voraussetzung. Ich müsste Bogen voll schreiben, um die Fülle der Zeugnisse vorzuführen, welche für den einfachen Namen ' d i e A l t e ' zu Gebote stehen, obgleich dieselbe verschwindend klein ist gegen die weit ausgebreitetem Sitte, die letzte G a r b e nach Namen und Gestalt als ein m ä n n l i c h e s Wesen d e r A l t e , dän. den gamie mand, poln. Stary u. s. w. zu feiern. 1 Wenn ein Bauergut bis auf ein Ackerbett abgeschnitten ist, stellen sich alle Schnitter in Reihe vor das B e t t , j e d e r schneidet seinen Theil, und wer den letzten Schnitt macht, ' h a t d i e A l t e ' (Altisheiin Schwaben und N e u b u r g ) . 2 W e r die letzten Halme schneidet, dem m ft man zu: D u b e k o m m s t e i n e A l t e c h e ' . Auch der Binder oder die Binderin der letzten Garbe wird mit gleichem Zuruf begrüsst (Wiemerstedt Kirchsp. Henstedt Norderditniarschen, Holstein). D e r Mäher der letzten Halme muss ' m i t d e r A l t e n w e g ' , die Binderin mit ' d e m A l t e n ' , d . h . s i e b e k o m m e n e i n a l t e s E h e g e s p o n s t (Böhnhusen Amt Bordesholm Kr. Kiel). Die Binderin der letzten Garbe erhält den Beinamen die Alte'; man s a g t , d a s s sie n o c h im nächsten J a h r e lie i r a t h e n w e r d e (Hirschfeld Kr. P r . Holland; Langenau Kr. Danzig). Die Binderin der letzten Garbe und die aus derselben gefertigte, mit J a c k e , H u t und Bändern geschmückte menschenähnliche P u p p e heissen beide ' d i e A l t e ' und werden auf dem letzten F u d e r eingefahren und m i t W a s s e r b e g o s s e n (Neusaass Kr. Kulm Westpreussen). In der Umgegend von Marienwerder heisst sowohl die letzte Garbe , ein ungeheures und unförmliches Bund , als die Binderin desselben die A l t e oder die F a u l e . Beide Alten (die Magd und die Garbe) werden trotz des Sträubens der ersteren auf das letzte F u d e r gesetzt und bei der A n k u n f t auf dem Hofe m i t W a s s e r begossen. In H o r n k a m p e bei 1 [Vergi, o. S. 18 ff.] 1

P a n z e r B e i t r a g zur deutschen Myth. I I 219 n. 403.

•JI*

324

KAPITEL V.

Tiegenhofim MarienburgerWerder putzen die anderen Schnitter derjenigen männlichen oder weiblichen Person, welche zuletzt beim Binden des Kornes hinter den anderen zurückbleibt, die letzte Garbe in Gestalt e i n e r m ä n n l i c h e n o d e r w e i b l i c h e n F i g u r a u f , die sie auf dem letzten Fuder nach Hause fahren. Da erhält sie dann d e n N a m e n d e s N a c h z ü g l e r s , z. B. 'Der alte Michel! Die faule Trine!" Bei der Ankunft auf dem Hofe ruft man schon von weitem dem Namensgenannten der Puppe entgegen : Du heet ile Öle, Motst se behôle.

(Du hast die Alte, musst sie behalten). In diesen Bräuchen wird die der l e t z t e n Garbe gleich b e n a n n t e , bei d e r s e l b e n auf dem l e t z t e n F u d e r s i t z e n d e P e r s o n d e u t l i c h als i d e n t i s c h m i t d e r s e l b e n b e z e i c h n e t ; s i e d r ü c k t d e n in den l e t z t e n H a l m e n w a l t e n d e n K o r n g e i s t aus; oder mit anderen W o r t e n : die ä u s s e r e D a r s t e l l u n g des N a m e n s z e r f ä l l t in d i e b e i d e n S t ü c k e M e n s c h u n d G a r b e ' (vergi. BK. 612). Die l e t z t e G a r b e , welche den Namen 'd i e Al t e ' erhält, zeichnet sich entweder n u r durch ihre Grösse und Schwere vor den übrigen Garben aus, oder sie erhält Menschengestalt. Für beide Fälle hier noch einige Belege. Nur durch ein oder mehrere Strohbänder mehr, als die anderen Garben, wird ' d i e A l t e ' gekennzeichnet, z. B. Sandhof bei Marienburg, Plehnendorf Danziger "Werder, Fürstenau bei Elbing. Bei Marienwerder und Marienau Amtg. Tiogenhof Kr. Marienburg ist d e O l l e ' noch einmal so lang und dick als gewöhnlich, in die Mitte e i n S t e i n h i n e i n g e b u n d e n . Der Binderin ruft man zu ' D u w i r s t k e i n e n M a n n b e k o m m e n ' . — ' D i e A l t e ' wird so schwer gemacht, dass der Auflader sie nur mit äusserster Mühe aufheben kann. Wenn bei Vollendung der Ernte einer Getreideart die übrig gebliebenen Halme nicht mehr ausreichen, eine neue Garbe zu binden, werden sie entweder umhergestreut oder unter dem Gelächter und Ausruf der Umstehenden ' D e r m u s s d i e A l t e h a u e n ! ' zu einem Bündel, d i e A l t e ' ver-

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einigt, welchem mehrere (oft 8—9) Garben beigebunden wurden, so dass der Aufstecker über dessen Schwere sich entrüstet (Alt-Pillau im Sainlande). In Uross-Wusterwitz, in Gludau bei Genthin Kr. Jeriehow II l ' r . Sachsen lieisst eine ungewöhnlich grosse Uarbe, die beim Aufmandeln unter den übrigen zufällig sich vorfindet, ' d i e A l t e ' , während der Binderin (bezw. dem Binder) der letzten (Jarbe nachgesagt wird, d a s s s i e ( e r ) e i n e n a l t e n M a n n ( e i n e a l t e F r a u ) b e k o m m e . Zu l'aulwitz Kr. Frankenstein Rgbz. Breslau wird bei Beendigung der Weizenernte eine Garbe als W ô s z â l e (Weizenalte) mit einem Strohseil und einem rothen Bande gebunden und zierlich auf einen Stab gesteckt der Gutsherrschaft überreicht, die sie bewahrt ; zu Gross-Nossen Kr. Münsterberg Rgbz. Breslau ist die W ô s z â l e ' und die G a r s t â l e ' d. i. die letzte Weizen- und (jerstengarbe mit Blumen bekränzt. Ist zufällig eine Garbe aus mehr als drei Gelagen gebunden, also besonders schwer, so rufen die A u f lader: I) os is w u 1 d e A 1 e ! (Hermsdorf bei Goldberg, Kaltenbrunn, Puschkau, Pilgnunsdorf, Süssenbach in Schlesien). — Wenn beim M ä h e n die letzte (jarbe sehr gross wird, heisst sie ' d i e A l t e ' (Grafsch. Bentheim Hannover). Die letzte, glósete und dickste sämmtlicher Garben heisst d i e A l t e . W e r sie beim Aufsetzen der Garben in Haufen bekommt, wird ausgespottet: ' E r hut die Alle Und mues sic behalten'.

Auf dem letzten F u d e r erhält die Alte' neben dem Erntehahn (Korndäm. S. 13 ff.) einen Ehrenplatz (Kr. Meschede Rgbz. Arnsberg Westfalen). Die letzte Garbe, d i e A l t e ' , wird ziemlich gross gemacht, d a m i t d a s G e t r e i d e i m n ä c h s t e n J a h r e g u t g e r a t h e lim Itzgrund Sachsen-Coburg). W e r die letzten Halme schneidet, k r i e g t d i e A l t e ' (Mittelfranken, ü b e r f i a n k e n ) und w i r d in d i e l e t z t e G a r b e h i n e i n g e b u n d e n (Weiden Oberpfalz). Daneben geht, meistens in denselben Landschaften, eine Darstellung der Alten in Gestalt einer aus der letzten Garbe gefertigten, oft mit K l e i d e r n geschmückten weiblichen Figur. So wird d i e A l t e ' in Neusaass Kr. Kulm Rgbz.

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KAPITETi V.

Marienwerder mit H u t und J a c k e d e r B i n d e r i n bekleidet, auf dem letzten Fuder eingefahren und m i t W a s s e r begossen. Im oberen Overbruch bei Küstrin wird die letzte Garbe, d i e A l t e , mit menschlichen Kleidungsstücken behängt, ausserdem bekränzt und mit Blumen geschmückt, unter Musikbegleitung von der Binderin dem Zuge der Arbeiter voran zum Gutsherrn getragen. In Gartz Kr. Randow ßgbz. Stettin ruft man der Binderin der Letzten zu 'du hast d e n Alten'; aber die 'Austpuppe', welche sie aus den letzten Halmen verfertigen muss, trägt die Gestalt und Kleidung einer F r a u ; mit dieser wird auf dem Hofe getanzt. Z u w e i l e n ist d i e B e k l e i d u n g d e r P u p p e s e h r v o l l s t ä n d i g , h ä u f i g aber b e s t e h t l e t z t e r e nur a u s e i n e r r o h e n A n d e u t u n g m e n s c h l i c h e r G e s t alt o h n e K l e i d u n g s s t ü c k e , i n d e m e i n i g e G a r b e n zu einem plumpen Rumpfe zusammengefügt werden, an d e m o b e n ein K o p f s i c h t b a r w i r d , d i e u n t e r e n E x t r e m i t ä t e n aber gänzlich v e r n a c h l ä s s i g t sind; e i n m i t H a l m e n b e w i c k e l t e r S t a b , in d e r G e g e n d der S c h u l t e r n hindurch gesteckt, stellt die A r m e d a r . So Krohnenhof Frische Nehrung und vielfach. Namentlich auch der schlesischen ' K u r n â l e , A l e ' wird öfter die Form einer Halmfigur mit nur roher Andeutung der Gliedmassen gegeben. Zuweilen geschieht e s , dass die Puppe zwar den N a m e n ' d i e A l t e ' führt, ihre Form und Ausrüstung aber ein männliches Wesen verräth. Noch anderswo wird die l o t z t e G a r b e beim Binden einfach grösser gemacht, als die anderen, und erst die zuletzt aufgeladene Garbe der letzten Fuhre erhält Menschengestalt. In Schottland heisst die aus dem letzten Korn gefertigte weibliche Figur C a r l i n e . Dieser Name erklärt eich aus der Notiz bei Motherby, Pocket Dictionary of the Scottish Idiom. Königsberg 1826: Carlin, Carline s. an old woman, a stout old woman. Paul Hentznei·, der im Jahre 1596 ale Mentor mit dem jungen Christ, v. Rehdiger de S t r i e a eine Reise durch die Hauptländer Europas antrat,

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sah am 14. September 1598 bei Eton in England einen Erntezug: 'Cum hie ad diversoriuin nostrum reverteremur, forte fortunâ incidimus in rústicos spicilegia sua celebrantes, qui u 11 i m a m f r u g u ra v e l l o ni floribus coronant, a d d i t â i m a g i n e s p l e n d i d e v e s t i t a , quâ Cererem forsitan significare volentos, earn h ino inde movent, et m a g n o c u m c l a m o r e Viri juxta ac muliercs, servi atq ne ancillae, currui insidentes per plateas vociferantur, donec ad liorreum deveuiant. Agricohie fruges hic non in manípulos, uti apud nos fieri consuevit, colligunt, sed statini, quam primum resectae vel deinessae sunt, carris iinponunt et in horrea sua convehunt. 1 Dazu stimmt der schottische Brauch : 'This ancient custom is, to this day, faintly preserved all over Scotland, by what we call the C o r n L a d y , or Maiden, in a small packet of grain, which is hung up, when the reapers have finished.2 Ganz entsprechend sind die d ä n i s c h e n Gebräuche. Die letzte Garbe eines Ackerfeldes erhält, statt des gewöhnlichen einen, drei Strohbänder und wird grösser als die übrigen gemacht. Niemand mag diese Garbe, welche B y g k j ai 11 i η g (Gerstenalte) bezw. R u g k j te 11 i η g (Roggenalte) lieisst, binden, w e i l e r s o n s t e i n e n a l t e n M a n n o d e r e i n e a l t e F r a u h o i r a t h e n s o l l (Preestöamt, Iijöbenhavnsamt, Slagelse auf Seeland). Zwischen Ringsted und Roeskilde lieiest die Garbe einfach K j sel l i n g (Alte). Zuweilen werden Β y g k j re 11 i η g, R u g k j œ 11 i η g, l i v e d e k j te 11 i η g (Weizenalte) zu é i n e r m e n s c h l i c h e n F i g u r mit Kopf, Armen, Beinen gestaltet (Holbek auf Seeland), die, auch mit Kleidungsstücken, häutig sogar männlichen, ausgerüstet, auf dem letzten W a g e n , auf dem die Erntearbeiter juchzend und trinkend neben ihr sitzen, heimge. fahren wird. Hier stellt man die Bygkjœlling neben dem Schober a u f , wo aie einen T a g stehen bleibt (Soröamt). Nach Beendigung aller Erntearbeiten fand die Höetgilde' s t a t t , dabei stiessen diejenigen, welche B y g k j aj 11 i η g , Il ν e d e k j te 11 i η g u. s. w. gemacht h a t t e n , mit einander 1

P. Hentzner Itinerarium Qermaniae u. 8. w. Norinbergae 1612. S. 151. » Walter bei Brand Popular antiquities ed, Ellis I I 22.

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KAPITEL V.

an. In Flensborgsgaard auf Seeland wild jetzt nur noch bei altmodischen Bauern die letzte Garbe ( B y g k j s e r l i n g , H a v r e k j œ r l i n g ) durch ein Band, welches einen K o p f bildet, in eine sehr primitive Puppe ohne Arme und Beine verwandelt (0.8.48).—Man sagt von derPerson, welche die letzte Garbe bindet : 'Hun (han) bliver Rugkjœlling.' Sie (er) wird Koggcnalte (Holbek, Seeland). Auf Fünen, Laaland, Langeland, Faleter und in Jutland tritt statt Rugkjœlling die Benennung ' d e n G a m i e ' (der, die Alte) für die letzte Garbe ein, sie erhält öfter die Form einer menschlichen Figur mit Armen und Beinen, zuweilen auch Kleider; F r a u e n k l e i d u n g kann ich bestimmt aus Bystrupssogn [?] auf Laaland nachweisen. Im südlichen Jutland, Nordschleswig und Angeln nennt man die aus der letzten Garbe gebildete, als Person (Mann oder Frau) ausstaffîrte Puppe d e n oder d i e F o k , F o c k e , F u c k e , eine Benennung, auf die ich an diesem Orte nicht näher eingehen will. Bei den P o l e n in den preussischen Kreisen Stuhm, Rosenberg, Graudenz, Strassburg, Thorn, Berent u. s. w. und in einem Theile von Congresspolen und Galizien tritt ' d e r A l t e n ' genau entsprechend die B a b a , B a b k a , B a b b e ' (alte F r a u ) in den Vordergrund. Das letzte Getreide, welches auf den Halmen steht, heisst d i e Β a b ' , es fallt demjenigen zu, der den letzten Sensenhieb machte (Christburg). ' I n d e r l e t z t e n G a r b e ' , welche die Frauen auf dem Felde binden, s i t z t d i e B a b a ' ; die Garbe selbst, ein sehr dickes, aus zwölf kleineren zusammengeknüpftes Bund, heisst auch B a b a (Neumark Kr. Stuhm). Im Kr. Czaslau in Böhmen verfertigt man aus der letzten Garbe d i e B a b a , eine rohe weibliche Gestalt mit einem grossen Hut aus Stroh. Sie wird auf dem letzten mit Blumen geschmückten Erntewagen heimgefahren und nebst einem Kranze von zwei Kranzjungfern dem Wirthe überbracht. — Beim Beschlüsse des Garbenbindens beeilen sich die Binderinnen unter dem Rufe B a b a ! B a b a ! ' , um nicht die letzte zu sein; diejenige, welche die letzte Garbe bindet, s o l l im n ä c h s t e n J a h r e e i n K i n d b e k o m m e n . AB die?« letzte Garbe werden mehrere andere zu einem un-

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förmlichen Gebund zusammen gebunden und mit einem g r ü n e n Z w e i g e (BK. 191 ff.) auf der Spitze beeteckt (Hohenstein bei Danzig). Der Binderin der letzten Garbe ruft man zu: ' S i e h a t d i e B a b a ! ' oder: S i e i s t d i e B a b a !' Sie muss dann eine Kornpuppe verfertigen, welche bald Mannsgestalt, bald Frauengestalt empfängt und hie und da mit K l e i d e r n , oft nur mit Blumen und Bändern geschmückt wird (Czarnislas Kr. Pr. Stargard). Der S c h n i t t e r der letzten Halme sowohl als der B i n d e r der letzten Garbo wurde B a b a genannt, aus der letzten Garbe sodann eine Puppe, ' d i e E r n t e f r a u ' , gemacht und mit verschiedenfarbigen Bändern reich verziert. D e r ä l t e s t e S c h n i t t e r m u s s t e z u e r s t mit d i e s e r E r n t e f r a u , d a n n mit d e r H a u s f r a u t a n z e n . Sobald das Erntemahl auf dem Hofe begann, riefen alle Arbeiter und Kinder: U η a s z a , u n a s ζ e g o p a n a b a b a ! Bei unserem, unserem Herrn die Baba!' Auch das Erntefest selbst hiess B a b a (Rgbz. Marienwerder). In vielen Orten ist die Baba nur ein grosses, schweres Gebund aus 8 — 1 7 Garben m i t h i n e i n g e b u n d e n e n S t e i n e n und d a r a u f g c s t e c k t e m g r ü n e n Z w e i g e (BK. 191 ff.), ζ. B. Grabowiec bei Wrock Kr. Strassburg ; Riesenburg, Rosenberg Kr. Rosenberg Rgbz. Marienwerder ; Altstadt bei Christburg ; zuweilen eine unförmliche Kornfigur mit schwacher Andeutung der Körpertheile, im Innern e b e n f a l l s m i t S t e i n e n b e s c h w e r t . W e r d i e P u p p e m a c h t , s o l l b a l d h e i r a t h e n (Olleck, Lescz Kr. Thorn, Lessen Kr. Graudenz, Bankau Kr. Schwetz, Krangen bei Stargard). Noch anderswo ist die B a b a oder S t a r a B a b a (alte Baba) mit W e i b e r k l e i d e r n (Rock, Schürze und Weiberhaube oder Kopftuch) bekleidet (z. B. Lobdowo Kr. Strassburg; Liebenau bei Marienwerder) ; nicht selten aber heisst die Puppe zwar Baba, trägt aber M a n n s k l e i d e r (Gnieschau, Gentomie Kr. Stargard ; Kleczowo Kr. Stuhm). Eigentümlich gestaltet sich durch Zusammenfluss zweier Erntesitten der Brauch im Kr. Lipno Gouv. Plock (Rues. Polen). Beim Schneiden des letzten Weizen- oder Roggenstücks bindet ein Weib aus zwei Strähnen des noch auf dem Felde stehenden Getreides einen K n o t e n , der den

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KAPITEL V.

Namen Pçpek (Nabel) erhält. Dann schneiden etliche ältere Frauen um den gebundenen Knoten her das Getreide a b ; diejenige, welche den Knoten abschneiden muse, wird B a b a oder B a b k a gerufen, und so wird auch die letzte Garbe benannt, welche neben dem lVpek ^figurirt und welche sie beim Erntefest dem Herrn zu überreichen hat. In dieser Verbindung denkt das Volk unzweifelhaft an die provinciale Bedeutung des Wortes baba Hebamme'. Im Kr. Krakau in Galizien ruft man, wenn ein M a n n die letzte Garbe bindet, i n d e r s e l b e n s i t z e d e r D z i a d (Grossvater, Alte); bindet sie ein Weib, so heisst es : ' D a r i n s i t ζ t d i e Β a b a. Die Binderin w i r d a u f g e f a n g e n u n d in d i e G a r b e hin e i n g e b u n d e n der A r t , dass nur ihr Kopf hervorguckt. Mit Vivatgeechrei stellt man sie auf den letzten Wagen und fährt sie auf den Meierhof, wo sie von der ganzen gutsherrlichen Familie mit Wasser begossen wird. S i e b l e i b t i n d e r G a r b e , bis der Tanz auf dem Hofe zu Ende ist, und b e h ä l t f ü r e i n J a h r d e n N a m e n B a b a bei. Der polnischen Baba, Zytniababa begegnet in Litauen die B o b a oder R u g i u b o b a (Roggenalte). In Lenken und Raudszen bei Ragnit wird alles bis auf einen kleinen Büschel abgehauen, den man stehen lässt mit den Worten: ' D a s i t z t d i e B o b a d r i n ' ! Nun schärft ein junger Hauer die Sense und schneidet mit kräftigem Hiebe den Aehrenbüschel ab. Dann ' h a t e r d e r B o b a d e n K o p f a b g e h a u e n ' und erhält von dem Gutsherrn ein Trinkgeld, von der Gutsfrau e i n e n E i m e r W a s s e r ü b e r den K o p f ( o . S . 3 1 ) . Hiermit stimmt, was Neue Preuss. Provinzialbl. 18461S. 6 als allgemein litauisch angegeben wird: jeder Hauer beeilt sich, seinen Schnitt zu mähen, d e n n i n d e n l e t z t e n H a l m e n h ä l t s i c h d i e R u g i u b o b a a u f , und, wer die letzten Halme schneidet, 'tödtet die R o g g e n a l t e , was ihm selbst S c h a d e n b r i n g t . ' Vergi. Nesselmann Lit. WB. S. 331: 'Bobà, ôs, altes Weib, z'em. Grossmutter, scherzhaft der letzte Schwaden des zu mähenden Getreides, den jeder zu vermeiden sucht. T u b o b t ^ g a u s i du wirst die Alte bekommen, ruft man neckend dem Mitmäher zu.' — Diese Mittheilungen werden

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durch zahlreiche andere Aufzeichnungen bestätigt und ergänzt. Diejenige Person, welche die letzte Garbe bindet oder die letzte Kartoffel ausnimnit, wird tüchtig gefoppt und b e k o m m t und b e h ä l t längere Zeit h i n d u r c h den Namen R o g g e n a l t e (Rugiubâba, Bûba) oder K a r t o f f c l a l t e (Buttkischken Kirchspiel Neukirch Rgbz. Gumbinnen). In Wilkischken Kr. Tilsit heisst der Schnitter der letzten Halme Rugiubobzudys Roggenweibtödter.1 In vielen Orten ruft man statt dessen diesem Schnitter zu Bobas! B o b a s ! B o b a s ! ' (ζ. Β. Schaltinnen bei Goldapp, Walterkohmen, Brakupönen Kr. Gumbinnen u. s. w.), und den nämlichen Zuruf widmet man dem Binder oder der Binderin der letzten Garbe (Tollmingkehmen Kr. Goldapp, Schillehlen Kr. Stallupönen; Augstupönen, Flicken, Kulligkehmen, Nauneninken [Neujeningken?] bei Gumbinnen). Das auffällige W o r t Bobas liegt in zu vielen nach Zeit und Ort von einander unabhängigen Niederschriften vor mir, um nicht völlig beglaubigt zu sein. Es ist o f f e n b a r ein m ä n n l i c h e s K o s e w o r t , e i n e A b k ü r z u n g von B o b z u d y s , welches aus falscher A n a l o g i e auf die weibliche Binderin und zuweilen auf die letzte Garbe übergegangen ist und den Namen B o b a verdrängt hat. So heisst in und bei Pilkallen, wer den letzten Sensenhieb machte, B o b a s . Die letzte Garbe wird in G e s t a l t e i n e s W e i b e s g e f o r m t , auf den letzten Erntewagen gesetzt und feierlich durchs Dorf geleitet, auf dem Gutshofe m i t W a s s e r b e g o s s e n , und dann machte jemand mit ihr einen Tanz. Sie heisst B o b a oder B o b a s . Im Kirchspiel Willuhnen Kr. Pilkallen sagt man, d e r B o b a s s i t z e i n d e n letzten Halmen verborgen. W e r schliesslich doch genöthigt wird, den letzten Rest zu hauen, h a t d e n B o b a s u m g e h a u e n ' (bezw. die Rafferin 'den Bobas gebunden'), worüber alle übrigen Bursche und Mädchen in Gelächter ausbrechen. Als Ersatz für dieses Missgeschick hat das Paar bei der Erntemahlzeit den grössten Kringel oder Krapfen zu beanspruchen, der zumeist e i n e b e s o n d e r e F o r m u n d zwar nicht selten Menschengestalt trägt. 1

τοπ zudyti tödten, morden.

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KAPITEL V.

In R u s s l a n d versammelt sich in denGubernien Pensa und Simbirsk alles aufdem Felde, um d i e l e t z t e G a r b e , lnijaninnik [Geburtstagskind] genannt, ernten zu sehen, die man mit einem F r a u e n r o c k (Sarafan) und einem K o p f s c h m u c k (Kokoschnik) bekleidet und auf den Herrenhof trägt. Im Smolenskiechen gibt man der letzten Garbe Arme, legt ihr einen weissen Ueberwurf (Nasorka) an und trägt diese Puppe unter Gesang und Tanz auf den Herrenhof, wo der Schnitter eine reiche Bewirthung wartet. Während des Schmauses steht die zur Menschengestalt aufgeputzte Garbe auf dem Tisch, nachher wird ihr ein Platz im Winkel des Vorzimmers angewiesen. Zuweilen geht der Besitzer der von zwei Mädchen getragenen Puppe entgegen, die Schnitter bewillkommnen ihn glückwünschend und bearbeiten dabei unter Absingung gewisser hergebrachter Heime die aus der letzten Garbe hergestellte Frauengestalt mit einem Birkenbesen, in der Meinung, dadurch die den Feldern schädlichen Thiere zu vernichten (BK. 278). Auch in manchen Orten Kleinrusslands wird die letzte Garbe, mit Armen versehen und in bunte Frauenkleider gesteckt, auf das Gehöft des Besitzers getragen, der dem Zuge ein reiches Mahl gibt und dann einen Kringel oder Korowaj aus neuem Korne backen lässt, um ihn unter die Gäste zu vertheilen. 1 Die B u l g a r e n machen aus der letzteu Garbe eine P u p p e , genannt S h i t a r s k a z a r k a ( G e t r e i d e k ö n i g i n ) oder S h i t a r s k a m o m a (Getreidemutter) , kleiden sie in ein F r a u e n h e m d und tragen sie um das Dorf, d a n n a b e r w e r f e n s i e s i e in d e n F l u s s , u m r e i c h l i c h e n R e g e n und T h a u auf die k ü n f t i g e Aussaat h e r a b z u r u f e n , o d e r s i e v e r b r e n n e n sie i m F e u e r u n d e t r e u e n d i e A s c h e a u f d i e F e l d e r (vergi, o. S. 51 .BK. 613). In einigen Orten bewahren sie diese Puppe bis zur künftigen Ernte und, wenn Trockenheit eintritt, tragen sie dieselbe in kirchlicher Procession mit Gebeten um Regen umher. Der Name G e t r e i d e k ö n i g i n hat auch in Nordeuropa einige 1 Tereschtsoheiiko Russisches Volksleben V 110. 131—134. Russ. Feiertage IV 83—84. 8acharoff Sagen des russischen Volkes II 49—50. Afanasieff Poetische Anschauungen der Slaven über die Natur III 767.

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Analogien. Die erste G a r b e , die man einbringt, heisst Königin. Um sie stellt man alle anderen aufrecht. (^Neppermin Kr. Usedom-Wollin). Im Salzburgischen findet nach der Ernte ein grosser Umzug statt, wobei eine Aehrenköniqin von jungen Burschen in einem W a g e n gezogen wird. 1 I luive seen — sagt Hutchinson (History of Northumberland I I 17, vergi. Brand Pop. ant. II 20) in some places an image apparelled in great finery, crowned with flowers, a s h e a f of c o r n p l a c e d u n d e r h e r a r m and a s c y c l e in h e r h a n d , c a r r i e d o u t of t h e v i l l a g e i n t h e m o r n i n g of the concluding reaping day with music and much c l a m o u r of t h e r e a p e r s i n t o t h e f i e l d , w h e r e it s t a n d s f i x e d on a p o l e a l l d a y , a n d w h e n t h e r e a p i n g is d o n e , i s b r o u g h t h o n i e in l i k e m a n n e r . T h i s t h e y c a l l t h e Harvest Queen, a n d i t r e p r e s e n t s t h e R o m a n C e r e s . — Dr. E . D. Clarke erzählt aus der Umgegend von Cambridge: 'At the Hawkie, as it is called, I have seen a c l o w n d r e s s e d i n w o m a n ' s c l o t h e s , having his face painted, h i s h e a d d e c o r a t e d w i t h e a r s of c o r n , and bearing about him other symbols of Ceres, carried in a waggon, with great pomp and loud shouts, through the streets, the horses being covered with white sheets: and when I inquired the meaning of the ceremony, was answered by the people t h a t t h e y w e r e d r a w i n g t h e Harrest Queen ( B r a n d P o p . a n t . I I 22). I m K r . Leitmeritz wird bei der Sichellege ein Kranz von Aehren und Blumen überbracht und einem Fräulein auf den Kopf gesetzt, die nun E r n t e k ö n i g i n heisst. — Ein junges Mädchen trägt auf seinen Armen die letzte Garbe zur Tenne. Dasselbe ist Abends beim Ball l a r e i n e d e l a m o i s s o n ' und s o l l i m L a u f e d e s J a h r e s s i c h v e r h e i r a t h e n (Anjou, Dép. Maine- et -Loire). Vielfach ist nicht das Erntefeld, sondern die Dreschtenne der Schauplatz, auf welchem die auf vorstehenden Blättern beschriebenen Vorgänge sich abspielen. Man nahm dann an, dass die beim S c h n e i d e n des Getreides von den Schnittern 1

Vernaleken Mythen und Bräuche iu Oesterreich S. 310.

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KAPITKL

V.

verfolgte K o r n f r a u sich mit den abgemähten Halmen bis in die Scheuer flüchte und hier erst in der letzten zum Ausdrusch gelangenden Garbe offenbar werde, um entweder den Tod durch den Dreschflegel zu erleiden oder in dem noch nicht ausgedroschenen Getreide des nächsten Nachbars weiterzuleben (vergi, o. S. 25 ff.). Das letzte Korn, welches a u s g c d r o s c h e n wird, heisst das M u t t e r k o r n (Leuna Kr. Merseburg). Die letzte Garbe, welche beim Dreschen auf die T e n n e gelegt wird, heisst vielfach d i e A l t e (Wickerau bei E l b i n g ; Reichenberg Danziger W e r d e r ; Bladiau K r . Heiligenbeil). In Mittelfranken heisst die P e r s o n , welche beim Dreschen den letzten Schlag thut, d i e A11 e. S i e w i r d i n d a s S t r o h d e r l e t z t e n G a r b e h i n e i n g e b u n d e n (Dinkelsbühl), oder m a n b i n d e t i h r e i n e n B ü s c h e l S t r o h a u f d e n R ü c k e n (Ellingen, Weieeenburg a. S a n d , Dambach bei Dinkelsbühl) und fährt sie in beiden Fällen unter Gelächter im Dorf uinher, gewährt ihr dafür aber nachher den grössten Antheil am Festmahl. Ganz ähnliches begegnet in O b e r f r a n k e n , der Oberpfalz, Niederbayern und Thüringen. W e r die letzte Garbe drischt, h a t d i e A l t e ' , ' h a t d i e K o r n a l t e ' . Er wird in S t r o h e i n g e b u n d e n , im Dorf umhergeführt oder umhergekarrt und schliesslich auf den Mist gesetzt, o d e r d e m N a c h b a r , d e r n o c h nicht a u s g e d r o s c h e n hat, auf die T e n n e g e b r a c h t (Stadtsteinach, Kuimbach O b e i f r a n k e n ; W e i d , Kemnnth Oberpfalz ; Landau. Hohenroth bei Kötzting Niederbayern ; Bonneberg Meininger O b e r l a n d ; Amt Gräfenthal Meiningen; Dreba Kr. Neustadt a. Orla S a c h s e n - W e i m a r ) . I m Canton Tillot in Lothringen schlagen die Arbeiter beim Dreschen der letzten Kornschicht zu gleicher Zeit mit den Flegeln auf und r u f e n : ' N o u s t u o n s l a v i e i l l e ! Nous t u o n s l a v i e i l l e ! ' Ist ein altes W e i b im Hause, so warnt man sie ' s a u v e t o i ! ' , man werde sie todtschlagen. Auch bei den Polen hiess zuweilen d e r j e n i g e , welcher den letzten Drischelschlag führt, B a b a . So z. B: in Skarlin bei Neumark P r . West-Preussen. Derselbe w i r d i n K o r n e i n g e b u n d e n und durchs Dorf gekarrt. An demselben Orte heisst auch beim Kornschnitt das aus zwölf Garben zusammengefügte

DEMETER.

335

letzte Bund B a b a , w ä h r e n d man gleichzeitig sagt, ' d a s i t z e d i e B a b a d r i n ' . — Entsprechend heisst denn auch ein nach dem Ausdreschen den Arbeitern vorgesetzter K u c h e n ( N a p f k u c h e n ) , dessen F o r m ausserordentlich an eine g e b u n d e n e Garbe e r i n n e r t , S c h e u n b a b a oder B a b a (ζ. Β . R e i n e r z K r . Glat/Λ Dieser Kuchen ist aucli W e i h n a c h t s g e b ä c k und sodann ein polnisches F e s t g e b ä c k überhaupt g e w o r d e n . I n L i t a u e n begeben s i c h , wenn die letzte L a g e K o r n bis auf eines vollständig abgedroschen ist, die Drescher plötzlich wie auf Commando dreschend einige Schritte rückwärts. D a n n einen lauten L ä r m beginnend und mit den Flegeln zum schnellsten T e m p o f o r t s c h r e i t e n d , g e h e n sie gleichsam mit stürmischer E r b i t t e r u n g bis zum letzten Gebunde vorwärts, und auf dieses scheinbar eine fast rasende W u t h in den gewichtigsten Schlägen ausschüttend arbeiten sie f o r t , bis plötzlich das blitzartige H a l t ! des Y o r d r e s c h e r s einfällt. W e r nach diesem R u f e noch den letzten Schlag t l i u t , wird von den Uebrigen umringt. Man schreit ihm z u , er h a b e d i e R u g i u b o b a ( d i e B o b a ) e r s c h l a g e n , und er muss zur S ü h n e Alus oder Branntwein zum besten geben (allgemein in den Kreisen lnsterburg, Stallupönen, Pilkallen, Ragnit, Gumbinnen). D e r betreffende Drescher erhält daher don N a m e n Ruginbobzndys, vergi, o. S. 331 (Spullen Kr. l'ilkallen), Bobmuszysi (Krauleidszen, Giewerlauken, Kakschen K r . R a g n i t ) o d e r Bobas vergi, o. S. 331 (Niebiidszcn K r . G u m b i n n e n ) . In der Schüssel des Festmahls befindet sich ein durch seine Grösse ausgezeichneter K r a p f e n oder K u c h e n , der meistens Menschengestalt t r ä g t , die ' B o b a s p u p p e ' . Diese gehört dem B o b m u 8 z y s (Bobas), der von seinem R e c h t e Gebrauch machend sogleich danach greift (z. B. Spullen bei l'ilkallen; B r a k u p ö n e n , G u d d a t s c h e n bei Gumbinnen). Zuweilen w u r d e aus K o r n h a l m e n eine F r a u e n g e s t a l t verfertigt und mit alten Kleidern aufgeputzt. Diese P u p p e legte man dann u n t e r das auf der T e n n e ausgebreitete Getreide, und zwar an die Stelle, wo mit Dreschen aufgehört w u r d e . W e r nun den letzten Drischelschlag m a c h t e , schlug d e n B o b a s t o d t (Umgeg. v. G u d 1

Von muezti schlagen.

336

KAPITEL

V.

datschen bei Gumbinnen). Oder man drosch die zuletzt übrig gebliebene Garbe überhaupt nicht, sondern t r u g s i e in G e s t a l t e i n e s W e i b e s g e f o r m t in d i e S c h e u n e eines N a c h b a r s , der noch nicht ausgedroschen h a t t e (Lepalothen Kr. Ragnit). In den Kirchspiclen Töcksmark und Ostvallskog in Wermland legt man einer f r e m d e n F r a u , wenn sie die Tenne besucht, einen Dreschflegel um den Leib, ein Band von Halmen um den liais, setzt ihr einen Kranz von Aehren auf den Kopf und r u f t : S e S ä d e s f r u n ! Sieh die Kornfrau! (o. S. 42). Hier also wird die plötzlich erscheinende Fremde als eine Erscheinung des mit den Körnern aus den letzten Halmen durch den Dreschflegel herausgetriebenen geisterhaften Wesens behandelt. I n a n d e r e n F ä l l e n m u s s die B a u e r w i r t h i n d i e d ä m o n i s c h e K o r n f r a u v e r treten. In Saligne Cant. Poiré in der Vendée wird die letzte Garbe des Kornschnitts (piron, Gänschen, genannt) mit einem Bouquet Haidekraut geschmückt nuf dem letzten Wagen heimgefahren und a u f d e m G i e b e l d e r S c h e u e r a u f g e p f l a n z t . Da verbleibt sie bis zur Dreschzeit. Dann unter die übrigen Garben geinengt, muss sie auf der Tenne von dem Bourgeois und der Bourgeoise gesucht werden. Haben diese den piron' gefunden, s o b i n d e t m a n d i e B o u r g e o i s e s a πι i n t d e r G a r b e in e i n B e t t l a k e n ein, legt beide auf eine T r a g b a h r e , t r ä g t sie zur D r e s c h m a s c h i n e u n d s c h i e b t s i e d a r u n t e r . Daun zieht man die Frau heraus und d r i s c h t nun die Garbe allein. Hierauf p r e l l t man die Bourgeoise, indem man sie mit dem Bettlaken mehrmals in die Höhe wirft (offenbar Nachahmung des Getreideworfeins), worauf sie ein neues Fass Wein ansticht und einschenkt (vergi. BK. 612). Es ist höchst bemerkenswerth, wie sich hier der uralte Brauch der ganz modernen Form des Maschinendreschens gefügt und angeschmiegt hat. In St. Martin-le-Gaillard (Seine - Infer., Normandie) heisst die e r s t e Garbe des Kornschnitts l a g e r b e d u p a t r o n ' , die l e t z t e la g e r b e de la m a i t r e s s e ' . Diese muss von der Bäuerin grösser als die übrigen gebunden und

337

DEMETER.

mit bunten Bändern geschmückt werden. Bei der Einfahrt setzt die Bäuerin sich auf den letzten Wagen neben das nun auch noch mit einem grünen Baumzweige (Branche de la Moisson, Erntemai) und einem Kreuze gezierte Gebund und hält es. — Zu Klausen in Tirol nimmt derjenige, welcher beim Dreschen den letzten Streich führt, das Strohband unter den Rock, läuft in die Stube und s c h l i n g t e s d e r B ä u e r i n um d e n H a l s , w ü r g t s i e und fragt, ob es Kuchen gebe oder nicht. Am folgenden Sonntag gibt es dann Kuchen zum Erntemahl. Geradeso wird zu Hohenwart bei Kötzting (Niederbayern) die Bäuerin beim Dreschen des letzten Gebundes mit Strohbändern gewürgt, wie man sagt 5 damit sie ein gutes Nachtmahl gebe. In Druchelte [jetzt Drüggelte] Westfalen, kommen nach Beendigung des Kornschnitts die Mägde, welche so eben noch auf dem Felde den Harkelmaibuech umgeworfen haben, ins H a u s , um der mit einem Eimer sie erwartenden Bauerwirthin den auf der Ilarke getragenen g r ü n e n K r a n z überzuwerfen und ihr, gelingt es, mit d e r H a r k e d a s H a a r zu k ä m m e n . Erscheint in allen diesen Gebräuchen die K o r n m u t t e r oder d i e A l t e als das immanente Numen des Getreides selbst, so fehlt es daneben nicht an Belegen, dass diese Vorstellung sich zeit- und strichweise in die andere umgesetzt hatte, d i e G e t r e i d e f r a u v e r a n l a s s e d a s W a c h e t h u m d e r C u l t u r f r u c h t und dieselbe gehöre deshalb ihr. Der Schnitter entfremdet bei der Ernte ihr Eigenthum ; er darf aber nicht alles nehmen, sondern muss ihr noch einen kleinen Antheil über den Winter lassen. Deshalb wirft man in Neftenbach im Canton Zürich die ersten drei (vergi. BK. 209 ff.) Aehren des Schnittes ins Getreidefeld, um die Kornmutter zu befriedigen, u n d d i e n ä c h s t j ä h r i g e E r n t e e r g i e b i g zu m a c h e n . In Szagmanten bei Wilkischken Kr. Tilsit l í e s e m a n d i e l e t z t e G a r b e für d i e R u g i u b o b a a u f d e m F e l d e s t e h e n . In Kupferberg Bza. Stadtsteinach Oberfranken lässt man beim Schneiden etwas Frucht stehen. D a s g e h ö r t d e r A l t e n ' , der man es mit folgenden Worten widmet : QF. LI.

22

338

KAPITEL V. Wir geben'a der Alten; Sie soll es behalten. S i e s e i u n s im n ä c h s t e n Jahr So g n ä d i g , w i e s i e es d i e s m a l w a r .

Die Anschauung, d a s s d i e K o r n m u t t e r ( d i e A l t e ) die Geberin oder Schöpferin der F r ü c h t e sei, deren Wachsthum fordere oder zurückhalte, die auf dem Felde stehenden vor Beschädigung behüte, fanden wir auch bereits in den S. 310 ff. aufgeführten Bräuchen und Redensarten ausgesprochen. Nicht minder macht sie sich noch in einigen anderen Fällen geltend, ζ. B. in jener englischen Sitte, nach der die H a r v e s t - q u e e n , (nicht aus den Halmen der letzten Garbe, sondern aus anderem Materiale geformt) dem Schlüsse der Erntearbeiten z u s c h a u t , denselben gleichsam H i l f e und B e i s t a n d leistet. Diese Idee prägt sich sowohl in der Garbe aus, welche die Puppe unter dem Arme trägt, als in der S i c h e l (scycle d. i. sickle), welche sie in der Hand hält (o. S. 333). Aus dem nämlichen Gedankenkreise heraus treten in Schwaben und Bayern zuweilen die Namen S c h n i t t e r i n , D r e s c h e r in für die Kornmutter, wie finden Kornalten d e r h e i l i g e S a n c t M ä h e r ' ein, für den auf dem Acker ein Scheunchen voll Aehren stehen bleibt. 1 Wer die letzten Halme abschneidet, h a t ' oder ' b e k o m m t d i e S c h n i t t e r i n ' und muss die mit Leib, Kopf und Armen versehene menschenähnliche Strohfigur ' d i e S c h n i t t e r i n ' ins Dorf tragen (Gremheim, Offingen, Sontheim in Bayr. Schwaben. Panzer Beitr. II 220 n. 406. 407). In Krausnick bei Buchholz Kr. Beeekow-Storkow warnt man die Kinder vor der im Korne sitzenden ' S i c h e l f r a u ' . Wer den letzten Drischelschlag macht, muss d i e D r e s c h e r i n v e r t r a g e n ' d. h. eine menschenähnliche Strohpuppe mit der D ri s c h e i in der einen und der Schüttgabel in der andern Hand, oder einen in Stroh gehüllten Stein dem nächsten Nachbar, der noch nicht ausgedroschen hat, auf die Tenne werfen (Schwaben; Ehingen in Bayern. Panzer Beitr. II 516. Birlinger Volkstümliches aus Schwaben II 427 n. 382. Vergi, o. S. 26. 27). 1

Panzer Beitr. ζ. d. Mytli. II 31 β ff. ο. S. 28.

339

DEMETER.

Die Aufmerksamkeit, welche der in den letzten Halmen überraschten Kornfrau zu Theil wird,

Dimmt zuweilen

Charakter d a n k b a r e r V e r e h r u n g

an.

den

Nur dieses Motiv

kann zu Grunde gelegen haben, als die Sitte sich bildete, das Halmenbild der Kornmutter zu küssen, wie die Götterstatuen

und Heiligenbilder

von den Gläubigen

geküsst

werden. 1 A l t e Leute zu Käsemark (Danziger W e r d e r ) erinnern sich, dass vor 50 Jahren die Alte, eine menschlich gestaltete und bekleidete Puppe aus der letzten Garbe, von der Binderin f/ekiisst werden musste, geradeso wie thaus Rgbz. Dauzig

in Skorczyn K r .

noch jetzt diejenige Harkerin,

Kar-

welche

zuletzt fertig wurdç, genöthigt ist, dem aus den letzten Garben aller Harkerinnen

geformten

und mit

grossen Geschlechts-

theilen versehenen Alten

einen Kuss zu geben.

in Mittelfranken heisst

die letzte Hopfenstange

Zu Ellingen die

Alte.

Man spart dazu gewöhnlich die schönste auf und führt sie auf einem schall heim.

verzierten W a g e n

unter Jubel

und

Trompeten-

Beim Pflücken wird sie auch bis zu Ende auf-

gehoben, und dann folgt ein Trinkgelage, welches den Namen ' N i e d e r f a l l ' führt. in Mittelfranken Alten

das

'Niederfall' Mahl,

der Bauer den Dreschern

die Kornpuppc

heisst zu Hohnsberg

welches beim

Einbringen

geben muss.

mit schwarzer L a r v e

Dabei

des wird

und rothen Lippen an

den Tisch gesetzt und mit Speisen bedacht (Panzer I I 218 n. 398). Der Name der Festmahlzeit lässt errathen, dass man dabei ehemals u m d i e A l t e

(bezw.

deu A l t e n )

nieder-

k n i e t e , wie beim Aswald (Panzer I 242 n. 270), und wie man in Westfalen zwischen Gesmold und Borgloh unter dem Ausruf 'de A u l e ! de A u l e ! ' vor der Kornfigur auf die Knie fällt (Kuhn westf. Sag. I I 183 n. 510).

1

Im Orient

und in Griechenland

Göttersymbole, z. B. ds 3 Bild des Baal

küsste man Götterbilder und ( 1 K ö n . 19, 18. Hosea 13, 2),

die Erzetatue des Herakles za Akragas, die Eiche des Zeus zu A e g i n a ( H e r m a n n Gotlesd. Alterth. § 21, 16).

Vergi.

Küssen

der

Cultusact bei Einweihung der Baustätte im estnischen Brauch.

Erde

als

Boecler-

K r e u t z w a l d Der Ehsten abergl. Gebr. S. 3. 139. Katholiken küssen die Heiligenbilder.

In den meisten Fällen

dafür ein ( H i o b 31, 26 - 2 8 .

trat Zuwerfen

einer Kusshand

Hermann a. a. 0 . ) .

22*

340

KAPITEL V.

Einen höchst merkwürdigen Brauch, der die Kornalte angeht, verzeichne ich nach der durchaus glaubhaften Angabe eines hohen mecklenburgischen Beamten, eines durchaus ernsthaften Mannes, der mir ohne eine Ahnung von der speciellen Richtung meiner Studien als ein hervorragendes Beispiel von Volksrohheit mittheilte, in der Umgegend seiner Vaterstadt Güstrow habe das Landvolk zur Zeit seiner Jugend die folgende Sitte geübt [vergi, o. S. 147 Anm. 2]. N a c h B e e n d i g u n g d e e K a r t o f f e l a u s n e h m e n s e r g r i f f a u f dem Felde j e d e s m a l d i e älteste A r b e i t e r i n den ältesten A r b e i t e r , u n d a l l e ü b r i g e n W e i b e r s c h l o s s e n um d a s l ' a a v e i n e n K r e i s , w o r a u f i n n e r h a l b d e s s e l b e n die A l t e dem A l t e n die G e n i t a l i e n h e r v o r z o g und kitzelte. Dieser Gebrauch war stehend und w u r d e J a h r f ü r J a h r in g l e i c h e r W e i s e g e ü b t . Die Kartoffelernte als Einheimsung der letzten Frucht des Jahres war hier einfach an die Stelle derjenigen Fruchtart getreten, welche sonst die letzte war. Vor Einführung des Kartoifelbaus wird die in Rede stehende Ceremonie vorgenommen sein auf dem Platze und zur Zeit, wo und wann der letzte Hafer oder die letzte Erbse geerntet war. Das A l t e r der handelnden Personen schliesst die Annahme aus, als handelte es sich bei ihnen um die Befriedigung eines sinnlichen Anreizes. Vielmehr werden wir in dem Brauche einen s y m b o l i s c h e n S i n n zu suchen genöthigt sein. Der ä l t e s t e Knecht und die ä l t e s t e Magd stellen nämlich unverkennbar den A l t e n und die A l t e d. h. die Dämonen des alt gewordenen Getreides (Kornmann und Kornmutter) dar, wie sie nach vollbrachter Ernte auf dem Acker sofort zu einer neuen Zeugung schreiten. Der nämliche Gedanke spricht sich auch sonst in Erntegebräuchen aus. So sagt man z. B. in mehreren ostpreussischen Landschaften von der (hier die Κ o r η k u h darstellenden B i n d e r i n d e r l e t z t e n G a r b e ) ' s i e b u l l t ' , d. h. sie verlangt nach dem Bullen, ist zu neuer Empfängniss bereit | o. S. 62], Parallel stehen gewisse E r n t e g e b r ä u c h e , wonach a u f d e m F e l d e Schnitter und Schnitterinnen, Gesicht gegen Gesicht gekehrt, a u f e i n a n d e r l i e g e n d , umher gerollt werden (BK. 481ff.).

DEMETER.

341

Diese Gebräuche hinwiederum correepondiren mit Frühlingsbräuchen zu Ostern, Maitag und St. Georg, die darauf hinausgehen, dass M a n n und W e i b mit einander verbunden a u f d e m S a a t a c k e r sich wälzen. So segnet in der Ukraine am 23. April a. St. der Pope das Feld ein, worauf die jungen Leute sich a u f d e n S a a t a c k e r l e g e n u n d e i n j e d e r mit seiner Frau sich einige M a l e a u f d e m s e l b e n umwälzt, damit reicher Getreidesegen zum V o r s c h e i n k o m m e (BK. 48U ff.). Im nordöstlichen Russland wird bei der A u s s a a t der Pope selbst v o n e i n e r F r a u a u f d e m A c k e r g e s c h w e n k t oder g e wälzt.1 Ich suchte schon BK. 484 ff. nachzuweisen, dass diese Sitten den ideellen Act der im Saatacker vor sich 1

Der g e n a u e r e H e r g a n g ist der folgende. Bei der A u s s a a t muss der P o p o nach Abhaltung des Gottesdienste» u n t e r f r e i e m H i m m e l Beschwörungsgobete zur Vertreibung der bösen Geister ablesen, oho er die Bituem segnet, und sich es alsdann gefallen lassen, d a s s o i n e g e s u n d e u n d k r ä f t i g e |;ilte] K r a u , nachdem sie das Kreuz geküsst, i h n u m f a s s t , v o m B o d e n a u f h e b t u n d d r e i m a l u m s i c h h e r u m s c h w i n g t , worauf die übrigen Bauern eich daran machen, i h n auf dem Feld h e r u m z u w ä l z e n , ohne auf Schmutz und Löcher zu achten. "Will sich aber der Geistliche gegon ein solches V e r f a h r e n s t r ä u b e n , so bemerken die Bauern m i s s v e r g n ü g t : 'Väterchen, du wünschest' u n s nicht a u f r i c h t i g Qutes und willst niobt, d a s s w i r K o r n h a b e n , obwohl du dich von unserm Korn n ä h r e n willst.' W o h l oder übel muss sich der Pope demnach f ü g e n und zufrieden sein, wenn das Feld trocken ist. Nach dieser Ceremonie begeben sieb die B a u e r n truppweise nach Hause, bewirthen den P o p e n mit seinem G e f o l g e und b e t r a c h t e n es als günstiges Vorzeichen, wenn der Sohmaus o h n e Störung und zumal ohne Streit vor sich geht. Anderwärts gilt zumeist der l e t z t e T a g d e r A u s s a a t im F r ü h j a h r oder H e r b s t , welcher dosjerki, in Klcinrussland dosirki g e n a n n t wird, f ü r einen F r e u d e n t a g , zu dem man eigenes Bier b r a u t , und ein Schwein schlachtet oder Kuchen backt, j e nachdem man Sommer- oder W i n t e r g e t r e i d o gesät hat. Ist nun während der Arbeitszeit d a s W e t t e r g u t gewesen, so sieht der Bauer mit Zuversicht einer reichliohen E r n t e entgegen. Um jedoch seiner Sache noch gewisser zu werden, b i t t e t e r , w e n n d i e S a a t ü p p i g a u f s p r o s s t , an manohen Orten den P o p e n um einen Gottesdienst auf dem Felde, und, nachdem er ihn zu Mittag b e w i r t h e t , ersucht er ihn sich (mit sammt seiner Begleitung) v o n d e n F r a u e n in d e r g r ü n e n S a a t h e r u m w ä l z e n χα l a s s e n (Reineberg-Düritigefeld. Nationalzeitung 1873 no. 527).

342

KAPITEL Y .

gehenden Vermählung eines mythischen die Vegetation erzeugenden Paares dramatisch nachbildeten, und dass das Umherwälzen auf dem Acker wahrscheinlich die Segnungen dieses Eheschlusses dem Erdreich mitthcilen sollte. Eine sehr merkwürdige Analogie zu den nordeuropäischen Vorstellungen und Bräuchen von der K o r n m u t t e r gewähren die ausserhalb jeder historischen Verwandtschaft stehenden Erntesitten der Ureinwohner von Peru. Diese waren überzeugt, dass die Nutzpflanzen von einem göttlichen Wesen (Huaca) belebt seien, welches das Wachsthum derselben bewirke. Es hiess je nach der Fruchtart Z a r a - m a m a (Maismutter) , Q u i n o a - m a m a (Quinoamutter), C o c a - m a m a (Cocamutter), 1 A x o - m a m a (Kartoffelmutter) oder P a p a • m a m a (Kartoffelmutter, von spanisch papa Kartoffel). Sie brachten dieses göttliche Wesen zur Darstellung, i n d e m sie aus M a i s ä h r e n bezw, aus den B l ä t t e r n der Quinoaoder Cocapflanze eine menschenähnliche weibliche Figur verfertigten, bek l e i d e t e n und v e r e h r t e n . Daneben gab es noch andere Darstellungen, aus steinernen Nachbildungen der Pflanze, die als C o n o p a s (d. i. Penaten) in den Häusern aufbewahrt wurden (Zarap-conopas d. i. Maisconopen, Papap-conopas d. i. Kartoffelconopen), oder aus auffallend gestalteten Exemplaren der Pflanze selbst bestehend. Ein sehr zuverlässiges Zeugniss gewähren die Besultate der in der Mitte des 17. Jahrhunderts im Erzbisthum Lima angestellten Kirchen· Visitationen, welche niedergelegt sind in der Schrift: 'Carta pastoral de exortacion e instrucción contra las idolatrías de los Indios del arçobispado de Lima. Por el illustrissimo Señor Doctor Don Pedro de Villagomez, Arzobispo de Lima a sus visitadores de las idolatrías, y a sus vicarios, y curas de las doctrinas de Indios. Lima Año de 1649.' Aus diesem seltenen Werke hat Herr J . J . v. Tschudi die grosse Güte gehabt, 1 Ζ a r a , der Mais, die eigentliche Brodfrucht, das Hauptnahrungsraittel. Q u i n o a , ein hirseähnliches Getreide, woraus das Getränk Chiohabereitet wird. C o c a , Hunger- und Durstetrauch, dient ebenfalls zur Bereitung von Chioha, zu allerlei Heilmitteln; seine Blätter mit der Asche der Quinóa vermischt warden von den Indianern gekaut.

DEMETEB.

343

mir fol. 40 § 23 in wortgetreuer Uebersetzung mitzutheilen : Z a r a m a m a s gibt es drei Arten. Die erste ist w i e e i n e Ρ u p ρ e (muñeca) a u s M a i s k o l b e n , b e k l e i d e t w i e e i n W e i b mit s e i n e m A n a c o , 1 s e i n e r L l i c l l a 2 und s e i n e m s i l b e r n e n T o p o s ; 3 uud sie (dieIndianer) glauben, dass sie als Mutter die Eigenschaft (virtud) habe, vielen Mais zu erzeugen und zu gebärenDie zweiten sind w i e M a i e k o l b e n g e a r b e i t e t e S t e i n e , und diese pflegen sie häufig als Conopae in ihren Häusern zu haben. Die dritten sind e i n z e l n e f r u c h t b a r e M a i s s t e n g e l , welche mit der Fruchtbarkeit der Erde viele und grosse Kolben geben, o d e r wenn zwei Kolben zusammen herauswachsen, und diese sind die h a u p t s ä c h l i c h s t e n Zaram a m a s . 5 Diese nennen sie auch Huantayzara oder A[y]rihuayzara. 6 D i e s e d r i t t e A r t v e r e h r e n s i e n i c h t a l s H u a c a o d e r C o n o p a , sondern halten sie nur abergläubisch für eine heilige Sache, und indem sie diese Stengel mit vielen Maiskolben an Weidenäste hängen, tanzen sie mit 1

WolleDtuch ale Bekleidungestück der I n d i a n e r i n n e n . - Eino Art Ueberwurf. 3 Grosse, fast löffeiförmige Nadeln zum Zusammenhalten der Lliclla. * [Sie liabcn auch in dieser Weise Cocamamas f ü r das W a c h s thuni der Coca). 5 [und sie verehren sie so wie H ü t t e r des Mais]. 6 Halme, welche z w o i K o r n ä h r e n t r a g e n , steckt man hinters Crucifix, und dann wird die E r n t e viel ausgiebiger ( P u s t e r t h a l . Zingerle Sitten, Bräuche u. Mein. d. Tirol. Volkes. Innsbr. 1871. S. 100 n. 856). W e r eine Doppelähro findet, wird heirathen, hat Qlüuk (Rgbz. Ourabinnen). In Russland (Kr. Lepel Gouv. Mohilew [ W i t e b s k ? ] ) werden alle w ä h r e n d 4er E r n t e g e f u n d e n e n Kornetengel mit Zwillingeähren (ein soloher heiset s p o r y s c h ) in den aus Halmen der letzten G a r b e am E r n t e schluse verfertigten und dom Gutsherrn feierlich überreichten K r a n z h i n e i n g e b u n d e n , bei deseen E i n b r i n g u n g beeondere 'Sporyschlieder' (eporyecliowija) gesungen werden. In diesen gedeiht die Zwillings&hre zu voller mythischer Personification im Sinne dee K o r n d ä m o n s : Komm, Sporysch, zu mir in den Hof, Zu mir in den Hof, an den geglätteten Tisch, Meine Tische sind gedeckt, Die Kelche mit Wein gefüllt. Setze dich, Sporysch, in den Hauptwinkel, In den Hauptwinkel, den vergoldeten, Trinke, Sporysch, grünen Wein u. s. w.

344

KAPITEL V.

ihnen den Tanz, den sie A[y]rigua nennen, und nachdem eie getanzt haben, verbrennen sie sie und opfern dem L i b i a c (Blitz), damit er ihnen eine gute Ernte gebe. Mit dem nämlichen Aberglauben heben sie auch die Maiskolben auf, die vielfarbig sind, und nennen sie [welche sie nennen] Micsazara oder Mantayzara oder Collauzara, und andere, welche sie Piruazara nennen, sind solche Kolben [welches andere Kolben sind], bei denen die Körner nicht geradlinig aufsteigen, sondern schneckenförmig (haciendo caracol).1 Diese Micsazara oder P i r u a z a r a legen sie abergläubisch auf die Maishaufen und in die Piruas (Scheunen, Getreideböden), damit sie sie beschützen [beschütze 1. § 24. Den nämlichen Aberglauben haben sie mit denen, die sie A x o m a m a s nennen, welche sind, wenn einige Kartoffeln zusammen gewachsen sind, und sie heben sie auf, damit sie eine gute Ernte haben.' 2 Das 58. Cap. der 'Carta pastoral' enthält die auf Grund früherer Erfahrungen abgefassten Fragen, welche die visitadores de las idolatrías den Indianern vorlegen sollten. Da findet sich Frage VIII: Si tienen C o c a m a m a , ò Z a r a m a m a ? Frage X X I I : Q u e C o n o p a ò C h a n c a tiene? (que es eu dios penate) y s i e s M i c u y C o n o p a , ò Z a r a p c o n o p a , ò L l a m a c o n o p a ? si es C o n o p a del maíz, ò del ganado? etc. Di e Angaben der 'Carta pastoral' finden Bestätigung durch den Jesuiten Pedro José de A r r i a g a , der vom Februar 1617 bis Juli 1618 die Provinzen des Erzbisthums Peru in höherem Auftrage visitirte und seine Beobachtungen und Erfolge in dem Büchlein Extirpación de la idolatria de los Indios del Peru. Lima 1621' zur öffentlichen Kenntniss brachte. Er zerstörte u. a. in den 18 Monaten seiner Wirksamkeit 45 m a m a z a r a s , 3 wohl der zweiten Art. 4 Vor Arriaga gibt bereits 1

Koch heute weihen die peruanieohen Indianer Maisähren von verschiedenen oder fremdartigen Farben den Heiligen und hängen sie in den Nischen auf. 2 Vergi. auoh.Rivero y Tschudi Antigüedades Peruanas. Viena 1851. S. 169. » Vergi. Ri vero y Tschudi 8. 147. * Uebrigens ging der Name z a r a r a a m a auch auf gewisse heilige Thongeftisse mit Darstellungen von Maiekolben Ober, welche u. a. zur Aufbewahrung des Tranks (Chicha) neben den Mumien dienten. Besprechung und Abbildungen solcher Vasen bei Rivero y Tschudi a. a. O. 169. 227. 229. 318. 320 und Atlas lamina XII. XXI.

DEMETER.

345

der Jesuit J o e . A c o s t a in seiner 'Historia natural y moral de las Indias. SeuillaAño de 1590.' Buch 5, Kap. 27, S. 378 nach mündlichen Notizen über die ländlichen Sitten seiner Umgebung eine höchst merkwürdige Variante der vorstehenden Gebräuche. Sein Bericht scheint jedoch auf irgend eine Weise, sei es durch Missverständnisse des Autors, sei es durch Abschreiberinthümer verderbt:' Der sechste Monat heisst Hatuncuzqui Aymoray und entspricht dem Mai.1 — Auch wurden geopfert andere hundert Hammel von allen Farben. In diesem Monat, in welchem der Mais vom Ackerbeet zum Hause gebracht wird, wird das bis auf den heutigen Tag unter den Indianern sehr gebräuchliche Fest gefeiert, welches sie Aymoray nennen. Dieses Fest findet statt, wenn man von der C h a c r a 2 oder dem Felde (heredad) zu seinem Hause kommt, indem man gewisse Lieder singt, in denen sie bitten, dass recht ausdauern möge der M a i s . . . welche sie nennen M a m a c o r a ; 3 indem man von seiner Chacra einen gewissen Theil des an Grösse am meisten ausgezeichneten Wälschkorns ,nimmt, und es in eine k l e i n e S c h e u n e (troxe pequeña) legt, die sie Ρ i r u a 1 nennen, dabei mit gewissen Ceremonien während dreier Nächte Wache hält. Und diesen Mais thun sie in die p r ä c h t i g s t e n W o l l s t o f f e (las mantas mas ricas) hinein, die sie haben. Und s o b a l d e r ( d e r M a i s ) v e r h ü l l t u n d g e s c h m ü c k t i s t , beten sie jene Pirna an und halten sie in grosser Verehrung und sagen, d a s s e i d i e M u t t e r d e s M a i s k o r n s 5 i h r e r C h a c r a , und d u r c h s i e s e i v o r h a n d e n u n d w e r d e e r h a l t e n d e r M a i s . Und in diesem Monat halten sie ein

1 Aymoray (aymuray) Verbalsubst. τοπ ay rau ra Getreide aufspeichern, aleo das Aufspeichern dos Getreides, sodann der Monat, in dem dies geschah, endlich die damit verbundenen Feste. 1 Chacra Garten, kleines Landgut, auf dem Obstbäume und besonders Mais gepflanzt werden. 3 M a m a c o r a , Mutter des Unkrauts, von cora dae Unkraut. Vergi, cora verb, entmannen, caetriren, verstümmeln. * Hi r h u a eine Art Soheune aus Rohr mit Lehm beworfen; ein Yorrathsspeioher für Mais. s Madre del mayz, also ini Quichua M am a z a r a , Za ram am a.

346

KAPITEL V.

privates Opfer, und die Zauberer fragen die Pirua, o b s i e K r a f t h a b e für das kommende Jahr. Und wenn sie antwortet 'nein', so bringen sie es, um es zu verbrennen, auf dasselbe Feld (chàcra) mit demjenigen Gepränge, welches in jedes Kräften steht, und machen eine a n d e r e P i r u a mit denselben Geremonien, indem man sagt, d a s s s i e s i e e r n e u e r n , d a m i t n i c h t zu G r u n d e g e h e d e r S a m e d e s M a i s . Und wenn sie (die Pirua) antwortet, d a s s s i e K r a f t h a b e , u m w e i t e r zu d a u e r n , s o v e r w a h r e n sie eie b i β zum anderen Jahr. Dieser alberne Gebrauch hat sich bis auf diesen Tag erhalten, und es ist unter den Indianern sehr gewöhnlich diese Ρ i r u a s zu machen und das Fest Aymoray zu veranstalten.' 1 D a man auf keinen Fall dem Unkraut (Gora) Dauer gewünscht hat, muss in Acostas Bericht ein Fehler stecken, entweder eine falsche Auffassung der Aussagen seiner Gewährsmänner, oder eine Verstümmelung seines Contextes durch Fortlaeeung einiger Zeilen von Seiten des Gopieten oder Setzers. Die Gesänge enthielten augenscheinlich das Gebet, dass die

1

Mayo,

E l s e x t o mee se l l a m a H a t u n c ù z q u i A m o r à y , tambiê

se saorificauan

otroe

cicn

E n e s t a luna y mes, q u e es quando se t r a e el mayz se h a z i a l a Aymorày:

fiesta, Esta

que responde

c a r n e r o s ile todos

a

colores.

de la e r a a c a s a ,

que oy d i a es muy u s a d a e n t r e los Indios que l l a m ä fiesta

se

haze viniendo

desde l a Chäora o h e r e d a d a

su c a s a , diziendo ciertos cütares, en q r u e g a n que dure m u c h o el m a y z , la quai

llaman M a m a o ò r a ,

t o m a n d o de su C h à c r a

o i e r t a p a r t e de

m a y z m a s s e ñ a l a d o en q u a n t i d a d , y poniéndola en una t r o x e p e q u e ñ a , q llaman P i r u a

con c i e r t a s c e r e m o n i a s , velando en tres noches, y este

m a y z m e t e n en l a s m a n t a s m a s r i c a s que tienen, y dosque e s t à t a p a d o y a d e r e z a d o , a d o r a n e s t a P i r u a y la tienen en g r a n v e n e r a c i ó n , y dizen que es m a d r e duroh) ge d a ,

del m a y z

sacrificio particular,

y

fuerça

que

p a r a el

quemar

a

de su C h à c r a ,

y ge c o n s e r u a año

los

ero las

y

que con

con

y

esto

(da-

Y p o r este m e s h a z e n un

hechizeros p r e g u n t a n viene?

l a misma C h à c r a ,

y hazê o t r a P i r u a

el m a y z .

si r e s p o n d e la solênidad

a la

Pirua,

que n o , que

cada

si tiene

lo Ueuan a vno

puede,

mismas c e r e m o n i a s diziendo, q l a r e n u e u a n

p a r a Q no p e r e z c a la s i m i e n t e del m a y z : y sí responde que tiene f u e r ç a para

d u r a r mas, la d e x a n

h a s t a o y dia, y es muy

hasta

commun

h u e r l a fiesta del A y m o r à y.

otro

año :

Esta

impertinencia

dura

e n t r e I n d i o s t e n e r estas P i r u a s ,

y

DEMETER.

347

Mamazara

(Maismutter) d a u e r n ,

krautmutter)

zu

Grunde

gehen

die M a m a c o r a

möge.

Uebrigens

(Un-

scheint

a u c h der F o r t g a n g der D a r s t e l l u n g zu e r w e i s e n , dass A costa keine

klare A n s c h a u u n g

hatte.

D e n n , w e n n ich ihn recht v e r s t e h e , so war der H e r -

gang

des F e s t e s

vollsten

der

Maiskolben

von den

folgende. wurden

mitgetheilten Einige

Thatsachen

der schönsteji

beim Ernteschluss

in

d i e s e m Z w e c k e verfertigte Miniaturnachbildung einer

die

und zu

Scheune

( P i r u a) g e l e g t und mit W o l l e n s t o f f e n zu einer P u p p e a u s g e s c h m ü c k t , w e l c h e den N a m e n zara)

M u t t e r d e s M a i s ' (Mama-

erhielt.1

1 Eine gewisse Analogie gewähren einige deutecho Erntesitten. In Mitteldeutschland läset man nämlich mehrfach bei der Ernte die letzten Halme auf dem Felde stehen , bindet sie oben an den Âehren zusammon, füllt die unteren Zwischenräume mit B l u m e n , Λ e h r e n oder Steinen (ale Symbolen fDr die Schwere der künftigen Frucht), worauf sämmtliche Erntearbeiter darüber weg s p r i n g e n müssen, ohne mit den Füssen anzuetossen, oder rund umher tanzen. Man nennt diesen Kornbüschel 'Sc h eu η e ' und den Brauch ' e i n e S c h e u n e b a u e n ' (Altenburg, vergi. Archiv des henneb. Vereins II 91. Qrimm Myth. 4 "209 Anm. 1), ' ü b e r d i e S c h e u n e s p r i n g e n ' (Kr. Salzwedel, Kr. Querfurt, Kr. Merseburg), 'über Schainischen springen', 'über Schinniclien springen' (Tilleda Kr. Sangerhausen, Buttstädt bei Weimar), ' e i n S c h a i n i c h e n m a c h o n ' (ebendas., vergi. Kuhn Nordd. Sag. S. 395. 396). Ist im Jahre viel gewachsen, so wird die ' S c h e u n e ' voll gemacht; ist wenig gewachsen, wird wenig hineingethan (Steigra Kr. Querfurt). Man pflegt den W u n s c h , die Hoffnung oder die feste Erwartung auszusproohen, wie dieses Scheunohen gefüllt sei, möge oder werde der Kornspeicher voll werden (Stessen bei Kaumburg a. Saale; Kr. Weissenfel9). In Priebus Kr. Sagan Rgbz. Liegnitz heisst das in Rede stehende Scheunchen P i e t e r s c h e u n e , bei Weissenfels M i r l e n s e h e u η θ (Mîrtenscheune), d. i. P e t e r s c h e u n e und M a r t i n s c h e u n e . Zu diesen Namen vergi, das P e t e r b & l t im Saterlande (Kuhn Nordd. Sag. S. 395 n. 99); sie dürfen nicht auf die anter der Maske von Heiligen verhüllten Götter Donar und Wodan bezogen werden, wie hinsichtlich des Peterbült Kuhn, J . W . W o l f und H. Pfannensohmid gethan haben, sondern sind unzweifelhaft vermöge einer im einzelnen nooh nicht ganz aufgehellten Ideenverbindung von den Kalenderheiligen des 29. Juni (Ernteanfang) und 11. November (Erntedankfest) abgeleitet Zu Hollfeld in Oberfranken hiess das Schounchen d e s St. M ä h a S t ä d e l e i n . Die Schnitter wurden ron den Alton

348

KAPITEL y .

Die Frage des Zauberers war daon nicht sowohl an die Pirua als an die darin im Bilde befindliche M a i s m u t t e r gerichtet; glaubte er nun aus irgend welchen Zeichen entnehmen zu müssen, dass diese nicht die Kraft habe, das nächste Jahr zu erleben, so wurde eine neue, vermeintlich lebensfähigere M a m a z a r a gesucht, sodann mit einer Scheune (Pirua) überdacht und zu einem Gegenstande der Anbetung gestempelt. In zwei ganz entgegengesetzten Regionen des Erdballs (Nordeuropa und Südamerika) sehen wir also aus gleichen psychischen Antrieben den Namen und Begriff der Kornmutter (bezw. Maismutter) in wunderbar ähnlicher, ja mehrfach genau übereinstimmender Weise erzeugt. Diese Analogien erweisen unzweifelhaft die aus sprachlichen Gründen empfehlenswerte Deutung des Namens D e m e t e r als S p e l t m u t t e r ' auch sachlich als annehmbar. Prüfen wir diese Hypothese in ihren Einzelheiten, so ergeben sich nicht wenige Uebereinetimmungen zwischen der Demetermythologie und dem Bilde, welches die nordeuropäischen und peruanischen Ueberlieferungen von der Kornmutter entwerfen. Bei der

e r m ä h n t : 'Seid nicht go geizig, l a s e t d e m h e i l i g e n S t . M ä h a (o. S. 28.338) a u o h w a s s t e h e n u n d m a c h t i h m s e i n 8 t ä d e ) e i n ( S t a d e l , K o r n s p e i c h e r ) r o l l ' (Panzer Beitr. II 216n. 394. 2 l 7 n . 395. J . Grimm Myth.* I I I S. 209 N. z. S. 600 missverstanden; die an letzterem Ort 8. 59 X. z. 8. 130 mitgetheilte angebliche Variante aue Beilngries macht auf mich den Eindruck einer Fälschung). Ganz analog ist das H S t t c h e n aus Flachsstengeln, das man beim Flachsjäten dem H o l z fräulein verfertigt (BE. 77. SohSnwerth Aus der Oberpfalz I I 369 ff.). Ks geht also der Sinn der vorstehenden Sitten darauf h i n a u s , dass d e m K o r n d ä m o n (dem 8t. Mäher, dem Holzfräulein u. s. w ) zur Uebeiwinterung des A n t h e i l s a n d e r E r n t e , den der Mensch ihm übrig lässt (o. 8.33S), und zu seinem eigenen Aufenthalt ron H a l m e n eine kleine S c h e u n e oder H il 11 e gebaut wird. J e n e r Antheil, der in Gestalt einiger Aehren in das Scheunehen hineingelegt wird, ist zugleich der Grundstock oder der Stamm, au9 welchem die Vegetation des nächsten J a h r e s sich erneuern soll. Wer sieht nun nicht sowohl in der Idee als in der Ausführung bei aller Selbständigkeit eine grosse Aelinlinhkeit mit dem peruanischen Brauche, dem Bildnise der Maismutter selbst ein S o h e u n e b e n als Aufenthaltsort zu b e r e i t e n ?

DEMETER.

349

Vergleichung darf nicht ausser Acht bleiben, dass Demeter eine im Nationalbewusstsein lebendige h o h e und g r o s s e G ö t t i n , die Kornmutter ein nur i m A b e r g l a u b e n abseits der herrschenden Religion fortdauernder Dämon ist. Und auch dies erheischt Berücksichtigung, dass in den Ueberlieferungen von der nordeuropäischen Kornmutter die Bildungen zweier Entwicklungsstufen unterschieden werden müssen. Die Mehrzahl zeigt das mythische Wesen noch ganz mit seinem Leben an das Leben der Natur gebunden ; es ist die Psyche der Culturpflanzen zunächst auf einem bestimmten Grundstück, sodann in der ganzen Landschaft, während eine kleinere Anzahl von Ueberlieferungen einen vorgerückten Standpunct verräth , nach welchem die Kornmutter zu des Fruchtsegens G e b e r i n , S c h ö p f e r i n oder G e b ä r e r i n g e w o r d e n ist und mit einer Ehrfurcht, welche göttlicher Verehrung nahe kommt, begrüsst wird. Mit den Traditionen dieser letzteren Art kommt dasjenige, was der Orieche von seiner Demeter aussagt, in so hohem Grade überein, dass der Schluss berechtigt erscheint, auch die Vorstufen seien analog gewesen. Ist das richtig, so gewinnt man an der peruanischen Maismutter u. s. w. und der nordeuropäischen Kornmutter, wie dieselbe in der Mehrzahl der Ueberlieferungen auftritt, eine ziemlich zutreffende Anschauung davon, wie Demeter in ihrer vorhistorischen Gestalt aussah, während alsdann die Kornmutter in ihrem mehr vorgeschrittenen, durch die Minderzahl der Traditionen vertretenen Typus denjenigen Zustand vergegenwärtigt, in welchem Demeter sich befand, als sie den Uebergang vom Korndämon zur G e t r e i d e g ö t t i n machte. Wie die Kornmutter im Winde über das Korn geht (o. S. 296), wandelt Demeter mit purpurschimmernden Füssen über das Aehrenfeld (o. S. 236. 237). Die Kornmutter läuft so schnell w i e e i n R o s s oder sie jagt zu Ross durch den Saatacker (o. S. 301 ff.); damit vergleicht sich — falls weitere Untersuchung die o. S. 262 ff. vorgetragene Auffassung bewährt — dass Demeter in ein R o s s verwandelt mit Poseidon Hippios buhlt. Der Anhauch der Kornmutter bringt Geschwulst oder Tod (o. S. 310), derjenige der Demeter Irreinn (o. S. 237).

350

KAPITEL V.

Demeter ist Spenderin der Brodfrucht, macht das Getreide wachsen; wenn sie zürnt, geht die Saat nicht a u f ( o . S. 225. 249. 265). Die Kornmutter gibt reichliche Frucht (o. S. 31 Off.), hütet das spriessende Getreide (o. S. 311. 338), dörrt dem ihr verhassten Manne das Feld aus (o. S. 310 ff.). Durch die peruanische Mamazara hat der Mais Entstehen und Bestehen' (o. S. 343. 345). Wie Demeter als Geberin des Getreides zur Vorsteherin und Theilnehmerin aller Arbeiten des Landrnanns geworden ist (o. S. 228 ff.), ward auch die Kornmutter zur Sichelfrau, Drescherin u. s. w. (o. S. 338). In der Gestalt sowohl der Demeter wie der Kornmutter (goldenes Haar o. S. 234, eiserne, theergefüllte Brüste o. S. 303. 307) spiegeln sich Zustände des im Wachsthum begriffenen Kornes ab. In der bildlichen Darstellung finden sich bei beiden aus gleichen Ursachen die nämlichen Elemente ein. Der Demeter gab man Aehren und Mohn in die Hand (o. S. 235), sie trägt zuweilen eine Sichel (o. S. 229). Dazu vergi, die Darstellung der Harvest-queen mit Garbe und Sichel (o. S. 338), der Kornmutter mit Klatschrose und Feldmohn (o. S. 303). Wie Demeter

zur

οεμνή,

ποτ vía,

u t γάλη

&ιός,

wird

das

Kornweib zur g r o s s e n M u t t e r ' (o.S. 319), man ehrt sie mit Küssen (o. S. 339) und Niederfall (o. S. 339). Genau derselbe Gedanke, welcher in der Buhlschaft der Demeter mit Jasion in den Furchen des Ackers sich ausspricht (o. S. 238 ff.) liegt der Auffassung der Kornmutter als die grosse H u r e ' (o. S. 322) und dem o. S. 340 ff. besprochenen symbolischen Yermählungsbrauch auf dem Saatfelde zu Grunde.

KAPITEL

VI.1

KIND UNI) KORN.

Derselbe psychische Vorgang, auf welchem so viele Stücke des Baumcultus beruhen, ist auch der erste Keim des Demeter - Mythus gewesen, ich meine der Vergleich des Pflanzenlebens mit dem Menschenleben. Nicht allein das Aufwachsen, Blühen und Verwelken des Baumes ist frühzeitig mit den Zuständen und Pintwickelungsphasen der Thiere und Menschen in Parallelismus gestellt ; vielleicht noch deutlicher tritt in der Sprachc und Sitte der Völker eine gleichgeartete Ideenverknüpfung zwischen Getreidepflanze und Mensch hervor. Von den beiden Gliedern des Gleichnisses kann bald das eine bald das andere zur Hauptsache gemacht, die Pflanze kann im Spiegel des Menschenlebens, oder umgekehrt das Menschenleben im Spiegel der Pflanze betrachtet werden. Sehr lebendig prägt sich die Anschauung einer Aehnlichkeit der Getreidepflanze mit dem Wachsthum des Menschen in der hebräischen Sprache aus, indem sie dieselben Ausdrücke für die Befruchtung des Feldes und des Weibes, für Ackerfrucht und Nachkommenschaft verwendet. 2 Dieselbe

1

[Ursprünglich als Einleitung zu Kapitel V gedacht.) Vergi, ζ. U. e a r ft säen, das Feld besäen 1 Mos. 47, 23. 2 Mos. 23, 10; Niph. befrachtet werden, Tom Weibe, 4 Mos. 5, 28; Hiph. Fruebt hervorbringen, Tom Weibe, 3 Mos. 12, 2. — s e r a Same von Pflanzen 1 Mos. 1, 11. 12. Saat, Getreide Hiob 39, 12. Saatfeld 1 Sam. 8, 16. 2

352

KAPITEL VI.

Erscheinung begegnet in Indien. Bei der Ankunft des Brautzuges im Hause des Bräutigams wurde gesagt : 'Als Fruchtfeld kam hierher das Weib, als beseeltes. Säet in sie, Männer, jetzt euren Samen. Sie zeuge euch Kinder. 1 Auch dem Griechen war diese Metapher geläufig, das Weib fasste man bildlich als Fruchtfeld, das Zeugen als Pflügung, die Kinder als Früchte. In den attischen Eheverträgen wurde der Zweck der Verbindung in der herkömmlichen Formel ausgesprochen επί

παίδων

γνησίων

àoóroi,

ein u n v e r m ä h l t e s W e i b hiess

γυνη

ανηοοτος Luc. Lexiph. 19. Hesiod ( 0 . et D. 736) gebraucht von der Zeugung den Ausdruck σπερμωνε«e γενεήν. Mit Vorliebe bedienen sich die Tragiker dieses Bildes, ζ. Β.: μη απ HOC rj-'xiw αλοχα

δαιμόνων

βία.

E u r i p . P h o e n . 18.

την

τεχονσαν

ηροσεν,

ίί.9ΐΐ' περ αυτός εσπάρη. Soph. Oed. R. 1497. Viele weitere Beispiele sammelte Preller Dem. u. Perseph. S. 354 ff. Diese Anschauungen spiegeln sich auch in der Traumdeutung, s. Artemidor. Oneirocrit. I 51. S. 48 Hercher: 1'κ.οργεΤν ¡¡ σπείρει ν η ffvTfvnv τοις απαιαιν.

η άροτριαν

αρουρα μεν γαρ

αγαθόν ονδεν

τοις γημαι προηρημίνοις οίλλο εστίν η γννη,

σπέρματα

δε χαί. φυτά οι παίδες,

πύροι μεν viol, xotfrai δε &νγατερες,

δε τά εξαμβλωματα.

V e r g i . V 63. 8 4 : oí μεν γαρ άστά/νες

παΐδα

xai όσπρια την

¿σημαίνον.

Ich beabsichtige nicht, den angeknüpften Faden durch die Sprache noch anderer Völker weiter fortzuführen, obgleich mannigfacher Stoff sich darböte, 3 sondern will zunächst semen virile 3 Mob. 15, 16. Kinder, Nachkommen 1 Sam. 1, 11. Gegohlecht, Stamm 2 Κδη. 11, 1. — p a r a c h sprossen, blähen, öfter vom blühendenZustande eines Menschen oder Volkes Jes. 27, β. Pa. 92,8.13.— p e r i Frucht von B&umen, Erdfrüchten, Getreide, Saat: peri arez des Landes Frucht 4 Mos. 13, 20. 5 Mos. 7, 13. Leibesfrucht 1 Mos. 30, 2. 5 Mos. 7, 13. Kachkommenschaft Ps. 21, 11. 5 Mos. 28, 11. — ρ a r a h fruchtbar sein, von Pflanzen, Thieren und Menschen 1 Mos. 1, 22. — z e o z a i m Sprösslinge aus der Erde und Nachkommen eines Menschen Jes. 34, 1, vergi. Jes. 61, 9. « Ath. Veda XIV 2, 14. Weber Ind. Stud. V 20á, versi. BK. 560. 2 So wird lett. brist schwellen, quellen, reifen sowohl vom Keifen des Getreides als von der Schwangerschaft der Frauen gebraucht, lit. pilnas, voll, von der Aehre und dem mit Mutterhoffnung

353

KIND UND KORN.

darauf hindeuten, wie die Phantasie der Dichter solche sprachlichen Metaphern zu sinnreicher Parallelisirung der menschlichen Geburt oder des Todes mit dem Reifen der Kornfrucht in ausgeführteren Gleichnissen weiterspinnt, je nachdem das Altwerden und Welken der Halme oder das Hervorgehen der neuen Körner den Ausgangspunct bildet. So der Dichter (les Iíiob 5, 26: Und wirst im Alter zu Grabe kommen, wie Garben eingeführet werden zu seiner Zeit.' Dagegen vergleiche man die schöncn Verse Th. Storms : 1 K l i n g t im W i n d ein W i e g e n l i e d , S o n n e w a r m h e r n i e d e r sieht, Seine A e h r e n s e n k t d a s K o r n , R o t h e B e e r e schwillt am D o r n , S c h w e r v o n Segen ist die F l u r — J i i n g e F r a u , was sinnst du n u r V

Denselben Gedanken enthält ein neugriechisches Volkslied: Ein J u d e n m ä d c h e n m ü h t e K o r n , hoch war das M ä d c h e n s c h w a n g e r ; Zu Zeiten, Z e i t e n m ä h t sie ab, zu Zeiten a b e r k r e i s s t sie. Auf eine G a r b e l e h n t sie sich, g e b i e r t ein g o l d n e e K u ä b l e i n . 3 g e s e g n e t e n W e i b e . Im D e u t s c h e n steht g o t h . k e i η a η k e i a n , a h d . k t n a n , nini, k e i m e n zu k i η d ; g o t h . lauths, e i g e n t l i c h Schössling, von l i u d a n , a h d . liutun, a l t s , l i o d a n , age. l e ó d a n wachsen, w i r d B e z e i c h n u n g d e s M a n n e s ( n g s . l e ó d M a n n , g o t h . j u g g a - I a u t h s J ü n g l i n g ) u n d des V o l k s (altn. I / d r , luiftr, age. leód, alts. 1 iiid, a h d . liut), wie lut. ftdolescens u. s. w. 1 T h . S t o r n i , H a u s b u c h aus d e u t s c h e n D i c h t e r n seit C l a u d i u s . 1878. S. 557. S. a . A c h i m v . A r n i m in den K r o n e n w ä c h t e r n ( W e r k e I I I 249). Die B r a u t s i n g t : G o l d n e Wiegen s c h w i n g e n Und die Mücken singen. B l u m e n sind die W i e g e n , Kindlein drinnen liegen. Auf u n d n i e d e r g e h t d e r W i n d , G e h t sich w a r m u n d g e h t g e l i n d . W i e viel K i n d e r w i e g e n ? W i e viel soll ich k r i e g e n Ρ E i n e a n d zwei u n d d r e i e , U n d ich z ä h l ' a u f s n e u e . Auf u n d n i e d e r g e h t d e r W i n d , U n d ich weine wie ein K i n d . 2

F i r m e n i c h TgayovJta Ρω,υαιχ*.

QF. LI.

B e r l i n 1840.

8. 83. 23

354

KAPITEL VI.

In wie hohes Alterthum dieser Kreis von Anschauungen hinaufreicht, lässt sich am besten aus gewissen Iiochzeits- und Kindbettegebräuchen ermessen, in denen dieselben in sinnlichen Formen ausgeprägt bis zur Annahme eines Causalzusammenhangs zwischen vegetabilischer und animalischer Geburt erstarkten. Bei der Vermählungsfeier wurden nämlich die Brautleute mit Getreide beschüttet, oder darauf gebettet. Schon an einem der nächsten Tage vor der Heimführung begoss der indische Brautwerber die Braut mit Wasser aus Gefässen, in denen sich Heilkräuter und a u s g e z e i c h n e t e F r ü c h t e befanden. Nach der Vivilhapaddhati überreichte der Yater beiden Brautleuten je sieben B e t e l n ü s s e (Pügafrüchte) mit einem Spruch, worin er die durch die Früchte bewirkte Anhänglichkeit der Frau an den Gatten aussprach; die Brüder der Braut und das Gesinde erhielten sieben Betelnüsse. Während Braut und B r ä u t i g a m m i t dem G e s i c h t e n a c h O s t e n g e w e n d e t i n s H a u s t r a t e n , streute ein Verwandter aus einem Worfelgefässe Reis auf sein oder ihr Haupt. Der Bräutigam geht mit einem Gefäss mit Früchten und geweihtem Wasser ins Haus des Schwiegervaters, wird hier besprengt und erhält von der Braut B e t e l n u s s , Sandel und Opferschnur. Die Schwiegermutter aber verfügt sich sodann ins Haus des Bräutigams, dieser wird besprengt, und die Brüder deS Mädchens geben ihm K o k u s n ü s s e . 1 Bei der eigentlichen Hochzeit badeten die nächsten Verwandten die Braut mit Abkochungen von Glycyrrhiza glabra, G e r s t e n k ö r n e r n und B o h n e n und begossen sie unter Anrufung des Liebesgottes an Haupt und Körper mit einem vorzüglichen Getränk, zuletzt den Schoss. 2 Bei der Ankunft in der neuen Heimath und vor dem Eintritt in das Haus überreichte die Neuvermählte dem Gatten F r ü c h t e in die zusammengelegten Hände und liess von den Brahmanen die Wünsche, dass es ein gesegneter Tag sein möge, recitiren. Sie ward dadurch knabenerzeugend.3 Bei den Ebräern wurden » Weber Ind. Stud. V 294. 298 ff.

> a. a. 0. 904 ff. » a. a. 0. 346.

355

KIND VKI) KORX.

die jungen Eheleute, nachdem sie die Einsegnung empfangen, v o n d e n E l t e r n m i t m e h r e r e n H a n d v o l l Getreide bestreut, indem diese die Worte der Genesis ausriefen: ' S e i d f r u c h t b a r u n d m e h r e t e u c h ' . Diese Sitte ist noch vielfach erhalten, ζ. B. bei den Juden in Marokko, Frankreich, sowie am Niederrhein. 1 Der Baldachin über dem Brautpaar war mit A e h r e n g e s c h m ü c k t . V o r d e m B r a u t p a a r h e r w a r f m a n , w e n n es S o m m e r w a r (in der Regenzeit durfte es nicht geschehen), g e r ö s t e t e d . h . g r ü n e , n o c h m i l c h i g e A e l i r e n , w e l c h e im O f e n g e d ö r r t w a r e n , u n t e r d i e K i n d e r a u s . Das gilt jedoch nur von solchen Eheschliessungen, bei denen die Braut noch Jungfrau war, die Ausstreuung unterblieb, wenn dieselbe schon früher in einer anderen Ehe gelebt hatte. 2 Bei der Scheidung diente das Zeugniss über Auswerfung solcher Aehren zum Beweis jungfräulicher Verheirathung. :i Am lebendigsten hat sich sodann der Brauch bei den Völkern slavischcn und lettischen Stammes erhalten. Bei den Grossrussen w i r d d a s E h e b e t t d e s j u n g e n P a a r e s m i t grosser F e i e r l i c h k e i t aus v i e r z i g G a r b e n von Koggen a u f g e b a u t , über die man das Bettt u c h s p r e i t e t . R i n g s u m Ii e r s t e l l t m a n T o n n e n v o l l W e i z e n u n d G e r s t e a u f , in welche man Nachts die Hochzeitsfackeln steckt. Im Kasanschen Gouvernement wird nach der Trauung das junge Ehepaar von den Eltern des Bräutigams auf einem Teppich knieend gesegnet, und die Mutter streut der j u n g e n F r a u H o p f e n auf d e η Κ o ρ f. In Moskau setzte man vor die Braut, während

1 Heirathon und H o c h z e i t e n aller V ö l k e r der Erde. L e i p z i g o. J . S. Oü. Mündlich. — ß u x t o r f Synago^a J u d a i c a . Basel 1643. S. 599. J . F. Schröilci· Satzungen u. Gebräuche dee Jurienthum«. Bremen 1851. S. 473. 2 Talmud Tract. Berachot 50, 2. S e m a c h o t cap. 8. R a s c h i (lebte 1040—1105) sagt im Commentar zum Talmud ( K e t h u b o t 8 a ) , man habe w ä h r e n d der ersten W o c h e n des neuen E h e s t a n d e s zur A n s p i e l u n g auf B r ä u t i g a m und Braut Gerste in einen Blumentopf gesät, um a n z u d e u t e n : Seid fruchtbar und wachset.

* Kethuroth (um 4 3 0 n. Chr.).

fol. X V

S. 2 nach

Rabbi

Jochanan

Ben

Beroka

23*

356

KAPITEL

VI.

sie zur Trauung geschmückt wurde, eine grosse Silberschale mit H a f e r , G e r s t e , H o p f e n , Taffet- und Atlasfleckchen, alles durcheinander, gefüllt, woraus sie die männliche Gesellschaft nach Beendigung des Haarflechtens bestreute, nachdem dieselbe von den jungen Mädchen wiederholt mit Hopfen beworfen war. Während der Beglückwünschung nach geschehener Trauung w a r f e n d a n n d i e a n w e s e n d e n F r a u e n H a f e r k ö r n e r über die N e u v e r m ä h l t e n h i n . ' Noch andere Landschaften vervollständigen die nach der Trauung erfolgende Beschüttung des jungen Paars, indem sie zum Hafer auch Gersten- und Roggenkörner hinzunehmen.2 In Polen führte man die junge Frau nach der kirchlichen Einsegnung dreimal um den Kamin im Hause ihres Mannes, wusch ihr die Füsse, bestrich ihr nach Besprengung des Brautbetts den Mund mit H o n i g und verband ihr die Augen mit einem Schleier. In diesem Zustande führte man sie an alle Thüren des Hauses. Bei jeder musste sie mit dem rechten Fusse auftreten, w o b e i man H e u , Gerste, K o r n , g e m i s c h t mit E r b s e n , B o h n e n und L i n s e n a u s s t r e u t e und ihr sodann die Binde wieder herabnahm/1 Im Krakauischen bewirft bei der Rückkehr von der Trauung der Hausherr d a s B r a u t p a a r u n d s e i n g a n z e s G e f o l g e m i t H a f e r , den m a n e i f r i g a u f l i e s t , um i h n s p ä t e r a u s z u s ä e n . 4 In Masuren werfen die Brautjungfern während der Fahrt der Braut zum Hause des jungen Gatten einen guten Yorrath zerschnittener Fladen auf die Strasse. Nähert man sich nun dem Hause, so werfen die Platzmeister einen mit allerlei Getreide und sonstigen Yictualien gefüllten Topf dem heranrollenden Brautwagen entgegen an ein Rad desselben. 5 In der Ukraine küsst die kleinrussische Schwiegermutter den die Braut abholenden Schwiegersohn und überreicht ihm e i n G e f ä s s m i t W a s s e r u n d H a f e r Heirathen u. B. W. S. 34. S. 27. 28. 29. 30. 1

Reinsberg-Düringsfeld Hochieitsbuch

AfanasiefF Poetische Nnturanschauangen der Russen I I 178. * Heirathen a . s. w. S. 87. * Reinsberg-Düringefeld a. a. O. 209. 5 Toppen Aberglauben aus Masuren. Königsberg 1867. S. 76. 82.

2

KIND UND KOBN.

357

k ö r η e r η, womit er seinen Stock begiesst. Kommen die Brautleute im Hause des Bräutigams an, so gehen dessen Eltern dem Paar bis an die Thür entgegen, der Vater trägt Β r o d und Salz in der Hand, die Mutter G e t r e i d e k ö r n e r im R o c k . Die Brautleute verneigen sich vor den Eltern, und der Yater schlägt sie mit dem Brod an den Kopf, die M u t t e r s t r e u t d e r B r a u t d i e K ö r n e r ü b e r d i e S c h u l t e r . 1 Auch stecken bei den Kleinrussen über dem Platze, auf welchem das Brautpaar zu Tische sitzt, e i n i g e H a n d v o l l K o r n ä h r e n in d e r W a n d . 2 In Serbien wird die Braut im Hause des Bräutigams von der Bräutigamsmutter empfangen, die ihr aus einem Löffel mit H o n i g dreimal zu kosten gibt und ihr ein k l e i n e s K i n d hinaufreicht, das sie dreimal küssen muss, und e i n e S c h ü s s e l mit W e i z e n k ö r n e r n , die sie n a c h a l l e n S e i t e n hin a u s z u w e r f e n h a t . 3 Bei den Serben in anderen Dietricten, zumal im Banat, erhält die Braut, nachdem sie zu Pferde sitzend oder im Wagen stehend d a s i h r g e r e i c h t e K n ä b c h e n mit einem rothen Bande umgürtet, ein Sieb m i t v e r s c h i e d e n e n G e t r e i d e g a t t u n g e n , d e s s e n I n h a l t s i e ü b e r i h r e n K o p f w e g im H o f e a u s s t r e u t und an d i e W ä n d e des H a u s e s w i r f t . 4 Aehnlich beschreibt N. Petrowitsch die serbische Sitte: Ist der Hochzeitszug im Hause des Bräutigame angekommen, so tanzt man den Kolo. In die Mitte desselben wirft die Braut drei Aepfel, sogleich hört der Tanz auf, und alles greift nach den Früchten. Nun nimmt die Braut e i n k l e i n e s K i n d , küsst es an dem Kopfe von allen Seiten und gibt es dem zurück, von dem sie es bekommen hat. Aus einem Siebe wirft sodann die Braut F r u c h t auf das Dach, später auch das Sieb selbst. Die Hochzeitsgäste fangen das Sieb auf und zerreissen es in Stücke.5 In Syrmien dagegen wird die Braut, Reinaberg-Düringsfeld S. 36. Reinsberg-Düringgfeld S. 41. 3 Reineberg-Düringefeld S. 73. 4 Rajacsich Leben, Sitten und Gebräuche der Südslaven Reinaberg-Düringafeld S. 66. s Ausland 1876. No. 32 S. 630. 1

2

S. 179.

358

KAPITEL Tl.

wenn eie nach Zurückreichung des Kindes vom W a g e n steigt, an der T h ü r von der Schwiegermutter mit einem Laib ßrod und e i n e m T e l l e r G e t r e i d e erwartet und m i t l e t z t e r e m b e s c h ü t t e t , während der Bräutigam die über die Schwelle schreitende sanft mit e i n e m S t o c k e s c h l ä g t 1 (vergi. B K . 299 ff.). In der Morlachei hebt man hinwiederum der B r a u t bei der A n k u n f t im Bräutigamshause aufs Pferd hinauf e i n K i n d , das ihr ein mit N ü s s e n , M a n d e l n u n d F e i g e n g e f ü l l t e s Hieb überreicht, welche sie u n t e r d a s B r a u t g e f o l g e a u s w i r f t . 2 Bei der czechiechen Hochzeit bewerfen die Gäste die Brautleute mit Lebzelten. In der Gegend von Teplitz werfen sie sich beim Hochzeitsmahl mit Erbsen. Im Kr. Stry in Galizien legt man der B r a u t Getreidekörner in die Schuhe, und die alten Leute sagen, f a l l e i h r e i n W e i z e n k o r n z w i s c h e n die Z e h e n k o m m e , werde ihr Kind ein Krüppel w e r d e n . In einem zwischen 1526—1530 verfassten Bericht über den Aberglauben der S u d a n e r , eines lettopreussischen Volksstammes im westlichen Samland, heisst es, man wasche der B r a u t die Füsse und besprenge Gäste, B r a u t b e t t , Vieh, H a u s und Hausgeräthe mit dem Fusswasser. Dann binde man der Braut die Augen z u , beschmiere ihren Mund mit H o n i g und führe sie vor alle Thüren im Hause, und sie muss mit dem Fuss daran stossen. Einer gehet hernach mit e i n e m sacke, d a r i n i s t a l l e r l e i sainen, w e i t z e n , r o c k e n , g e r s t e n , h a f e r , l e i n s a m e n. Der sehet vber die b r a u t vor a l l e n t h u r e n vnd spricht: Ynser götter werdens dir alle genüge g e b e n , so du wirdest an unserem glauben bleiben vnserer veter. Darnach thut man ihr das tuch von den äugen.' Die Letten in Livland streuen der Braut Getreidekörner in die Schuhe. I n Mecklenburg schüttet man der Braut Leinsamen

in den Kranz, auch schmückt man denselben zuweilen mit den schönsten Korn- und Haferähren. In Lockwitz bei Dresden erhielt die Braut bei der Hochzeit ehedem einen 1

Rajaceich S. 159. » Beineberg-Düringsfcld S. 78.

Κ OÍD UND KORN.

359

Âehrenkranz. Zu Borna Kreisdirection Leipzig verehrte man der Braut einige Getreideähren ; in der Umgegend von Zwickau überreichte man, wenn Braut und Bräutigam aus der Kirche kamen, der Braut Getreideähren und gab den Brautleuten die Hände übers Kreuz. In Mittelhaken bei Elbing überreichte man der Braut am Hochzeitstage eine aus den besten A e h r e n g e f l o c h t e n e K r o n e . Zu St. Pölten im Böhmer Walde wird der Braut ein Kranz von Kornblumen gewunden und ein Rosmarinzweig überreicht. Die B r a u t s c h u h e werden ihr m i t G e t r e i d e b e s t r e u t , damit sie im Ehestande Glück habe. Hat sie aber vor der Hochzeit ein Kind gehabt, so bleibt alles dies weg. Sie bekommt nur einen Kranz von gewöhnlichen Blumen. In Stockerau u. d. Mannhardsberge (Oesterreich) überreicht man der Braut mehrere Büschel Getreideähren, welche den Namen Glücksähren führen, auch legt man ihr Erbsen in die Schuhe. Bei Nördlingen im Ries steckt man der Braut d r e i A e h r e n oder auch nur drei G e t r e i d e k ö r n e r in die Tasche. In Pilsting bei Landau in Niederbayern trug die Hochzeitern ehedem einen Kranz von Getreideähren; in Kötzting (Niederbayern) gab man ihr G e t r e i d e k ö r n e r , in Siegedorf (Oberbayern) E r b s e n , in anderen Orten dieser Gegend G e l d in die Schuhe. Bei den Deutschen im Riesengebirge erhält die Braut zum Festmahl am Vortage der Hochzeit drei Schüsseln zum Geschonk, eine m i t W e i z e n , damit sie fruchtbar werde, eine mit Asche und H i r s e , und eine geheimnissvolle verdeckte (vergi, o. S. 186). Wenn sie am anderen Morgen nach der Trauung sich umgekleidet hat, b e w e r f e n B u r s c h e und M ä d c h e n sich gegenseitig mit W e i z e n u n d E r b s e n und schenken sodann der Braut die W i e g e . 1 In Falkenau Kr. Eger Böhmen legt man der Braut Aehren in die Schuhe und auf das Herz. Dieselben kommen nachher unter das Saatgetreide. Wenn in Siebenbürgen die Braut nach der Trauung aus der Kirche ins Hochzeitshaus geleitet wird, schüttet beim Eintritte ins Yorhaus die Schwiegermutter G e t r e i d e k ö r n e r ü b e r a i e a u s , s o d a s s d i e 1

R c i n s b e r g - D ü r i n g a f e l d S. 190.

360

KAPITEL VI.

selben m e i s t e n t h e i l s i n n e r h a l b des B o r t e n s auf i h r H a u p t f a l l e n , und spricht: 'Gesegnet seist du, meine Tochter, gesegnet seid ihr, meine Kinder !' I n d i e S c h u h e der Braut oder beider B r a u t l e u t e s t r e u t man v o r m K i r c h g a n g e G e t r e i d e (ziemlich allgemein in Deutschland), oder die Braut thut sich F l a c h s in das Schuhwerk, oder bindet ihn um die Hüften (Thüringen, Voigtland). Auf dem Wagen stellt man neben sie e i n B u n d E r b s e n s t r o h (Posen). Beim Schmause w i r f t m a n E r b s e n oder G r a u p e n auf die B r a u t l e u t e , damit sie f r u c h t b a r s e i e n ; s o v i e l K ö r n e r auf dem Kleide d e r B r a u t liegen bleiben, soviel Kinder w i r d s i e h a b e n (Böhmen, Schlesien). Sehr merkwürdig war die Sitte zu Weiningen im Canton Zürich. Am Polterabend wurde der Braut von älteren Frauen ein Aehrenkranz aufs Haupt gesetzt und die schönsten Aehren in vordie Hand gegeben, indes der Bräutigam in eine gehaltene Kornritem (Kornsieb) erst Rappen, dann Schillinge, dann Batzenstücke und hernach in eine sogenannte Holzapfel ritern Gulden und Thalerstücke w a r f . Das G e l d k a m in d i e ' W e i b e r k a e e e , a u s w e l c h e r die alle 2— 3 J a h r e a b g e h a l t e n e n W e i b e r m a h l e b e s t r i t t e n w u r d e n ' . 1 In Amsterdam warf die Dienerschaft von den Stufen des Brauthauses Zuckerwerk, bisweilen auch Geld, unter die Zuschauer; in der Provinz Utrecht macht 'der Brautzucker' einen grossen Theil der Hochzeitskosten aus. Hier 'streut' ihn dio Braut, und die es mit karger Hand thut, wird eine kalte Braut' gescholten. 2 Die englisohe Braut trug noch anter Heinrich VIII. einen Kornährenkranz auf dem Kopf, den Kirchweg bestreute man mit Binsen oder W e i z e n ä h r e n . 3 Im Norden von Schottland empfing die Mutter des Bräutigams die Braut an der Schwelle des neuen Hauses und h i e l t ü b e r i h r H a u p t

1

Mündlich. — W u t t k c Der deutsche Volksaberglaube. Berlin 1869. § 562—567. 1 Reinsberg-Düringafeld S. 233. 234. » Beinaberg-DQringefeld a 239.

KIND UNO KORN.

361

e i n Sieb m i t B r o d u n d K ä s e g e f ü l l t , das unter die Gäste ausgetheilt oder unter das junge eifrig danach haschende Volk ausgestreut wurde. Früher wurde ein Haferinehlkuchen, jetzt der B r a u t k u c h e n , ein kurzes B r o d , über dem Kopfe der Braut zerbrochen und unter die Anwesenden vertheilt, welche, besonders die U n v e r h e i r a t e t e n , es sorgfältig verwahrten und unter ihr Kopfkissen legten, um von der Liebsten zu träumen. 1 In Schweden legte man im Kirchspiel Sillurud ( W e r m land) den beiden Brautleuten bei der Hochzeit Weizen- und Gerstenähren in die S t r ü m p f e , Weizen - und Gcrstenähren auf das Laken des Brautbetts. In einigen Orten der Halbinsel Swarfve auf Oesel sollen der Braut nach der T r a u u n g bei ihrer A n k u n f t im Hause des Bräutigams von der Schwiegermutter einige Getreidekörner auf den Kopf gestreut werden. Da dieser Brauch nur in diesem von estnisirten Schweden bewohnten District und in wenigen anderen Orten der Insel vorkommt, scheint er schwedischer, nicht estnischer A b k u n f t zu sein. Im alten Rom s t r e u t o d e r B r ä u t i g a m beim Eintritt in das H a u s unter dem lauten Toben und Schreien der Knaben und dem Klange der Hochzeitslieder (Fescenninen) N ü s s e aus. 2 Unzweifelhaft überströmte er damit ehedem die Braut, uud die Jugend sammelte die herabgefallenen Früchte auf. In Ancona werden heutzutage beim Hochzeitsmahl C o n f e t t i a u s g e w o r f e n , so dass die B r a u t ganz bedeckt davon ist. 3 In Rumänien werfen, während der Geistliche bei der T r a u u n g dem B r a u t p a a r dreimal die Kränze wechselt, die Verwandten des letzteren ü b e r z u c k e r t e 1 W. Gregor au ccho of the olden Time from tho North of ScotEdinburgh and Glasgow 1874 S. 118. 1 Festus S. 173: Nucos flagitautur nuptis et jWi'untur pueris, ut novao nuptae intranti domum novi mariti auspici um fiat secundum et solistimum. Paulus Diac. S. 172: Nuces flagitantur nuptis . . . ut novae nuptae i n t r a n t i d o m u m novi mariti secundum fiat auspicium. Verg. Eclog. VIII 29: Mopse, novas incide faces ; tibi ducitur uxor: s p a r g e , m a ri te, n u c e s ; tibi deserit Hesperus Oetam. Vergi. CatuU 61, 126 ff. Plinitis H. N. X V 22 nennt die Nüsse Begleiter der Fescenninen : nuces juglandes . . . nuptialium Fescenninorum comités.

land.

3

Reitsberg-DQringsfeld 8. 97.

362

KAPITEL TI.

M a n d e l n und . N ü s s e auf die Gäste. Hierauf gibt der Pope den Neuvermählten einen Honigkuchen oder mit H o n i g bestrichenes Brod zu schmecken, sie aber werfen Geld oder N ü s s e unter die Kinder aus. Ist die Trauung beendet, so muss die junge Frau auf die H a u s s c h w e l l e treten und alle, welche ihr Glück wünschen, mit Rosenwaeser besprengen oder v o n e i n e m T i s c h h e r a b , der vor dem Hause steht und mit Blumen, Brod, Wein, Salz und Korn bedeckt ist, S a l z u n d W e i z e n k ö r n e r n a c h den vier Himmelsgegenden ausstreuen.1 In Savoyen stürzt aus dem verschlossenen Hochzeitshause dem aus der Kirche kommenden anpochenden jungen Paar ein Mann entgegen und b e w i r f t es m i t N ü s e e n , Z u c k e r w e r k u n d g e t r o c k n e t e n F r ü c h t e n . Schnell stürzen sich die Dorfkinder über die Leckerbissen her, und die armen Leute erhalten einige Laibe Brod. 2 In anderen romanischen Landschaften aber tritt wieder das Getreide ein. In Sicilien wird der Braut beim Ausgang aus der Kirche ein Löffel Honig gereicht und W e i z e n ü b e r s i e a u s g e s c h ü t t e t . 3 In Corsica wurde die Braut beim Herauskommen aus dem väterlichen Hause vom Bräutigam und seiner Verwandtschaft empfangen. Eine der Frauen streute mit Segenswünschen G e t r e i d e ü b e r d i e B r a u t l e u t e , andere warfen 'le grazie' d. i. verschiedenes Backwerk und Früchte, wie die Jahreszeit sie brachte, aus den Fenstern. 4 In Berry übergiesst die Brautleute beim Eintritt in ihr Haus ein Regen von G e t r e i d e - u n d H a n f k ö r n e r n , 5 in Béarn von Getreide und anderen Früchten, in Lyonnais von Getreide allein, in Languedoc von Aehren unter dem Wunsche des Gedeihens und der Fruchtbarkeit. 6 In der Provence bietet einer der 1 Reinsberg-Düringsfeld S. 54. - Heirathen u. s. w. S. 84. 5 Reinsberg-DQringsfeld S. 96. * Reinsberg-Düringsfeld S. 257. 5 Laisnel de la Salle, Croyances et légendes du centre de la France. Paris 1875. II 47. 6 De Nore Coutumes, mythes et traditions des provinces de France. 1846. S. 123. 290. 63.

363

KIND UND K O R N .

nächsten Verwandten der in das Haue des Gatten einziehenden Braut eine Schüssel mit W e i z e n , den diese sofort über die Umstehenden ausschüttet. 1 Im Departement l'Ain macht man, wenn das junge Paar von der Trauung aus der Kirche kommt, vor der Ilausthür ihrer künftigen Wohnung Halt und schüttet vom obersten Boden derselben Getreide auf die Neuvermählten herab.Ini Meurthedepartement überreicht die Schwiegermutter der jungen Frau beim Eintritt ins Haus eine Schüssel mit Korn, Leinsamen und Eiern. Korn und Leinsamen streut diese um sich h e r , die Eier behält sie. 3 In der französischen Schweiz fand die gleioh der englischen (o. 8. 360) mit einem Kranze von Weizenähren , Eisenkrautblüten nnd Mietelzweigen auf dem Kopf geschmückte Braut an der Thür ihres künftigen Hauses, dessen Schwelle mit Oel abgerieben und dessen Façade mit Rosen und Ringelblumen geschmückt war, die Bernada, eine alte F r a u , welche e i n e n T e l l e r m i t W e i z e n k ö r n e r n und ein Bund Schlüssel trug, dieses an dem Gürtel der Braut befestigte und v o n d e i n W e i z e n d r e i H ä n d e ü b e r s i e w a r f . Dann umfasste der Gatte die ihm Angetraute, hob sie leicht in die Höhe und Hess sie über die Schwelle springen, die sie mit keinem Fusse berühren durfte. 1 Wir kommen zur altgrieehischen Hochzeit. Auch hier wurde das Paar am Hause des jungen Ehemanns von den Hausgenossen und Freunden mit frohem Zuruf begrüest und Datteln, Naschwerk, Geldstücke, allerlei Früchte, F e i g e n , N ü s s e u. s. w. ü b e r s i e a u s g e s c h ü t t e t . Man nannte das κ α τ α χ ν α μ α τ α . 5

» De Noru a. a. O. !). - Melusine, R e v u e de M y t h o l o g i e I.

Paris 1877.

S. 93.

3

De i i o r o a. a. O. 307. * R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d S. 106. » Schol.

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